Der obere Donauraum 50 v. bis 50 n. Chr. 3732901432, 9783732901432

Region im Umbruch bezeichnet ein von der Universität Regensburg ausgehendes und mit den Universitäten Passau und Graz ge

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German Pages 368 [369] Year 2015

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Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
VERZEICHNIS DER AUTORINNEN UND AUTOREN
VORWORT
FRÜHRÖMISCHE FUNDE AUS WIEN
MAGDALENSBERG. ZUR AUSWERTUNG AUGUSTEISCHER PLANIERSCHICHTEN – AKKULTURATION AM BEISPIEL DER EINHEIMISCHEN KERAMIK
DER ÖSTLICHE TEIL DER EIN FORSCHUNGSSTAND
ZU DEN KELTISCH BENANNTEN STÄMMEN IM UMFELD DES OBEREN DONAURAUMS
GRÖSSER ALS GEDACHT. DAS RÖMISCHE AUGSBURG IM SPIEGEL DER NEUESTEN AUSGRABUNGEN
PANNONIA IN THE PEUTINGER MAP
DAS RÖMERZEITLICHE SIEDLUNGSSYSTEM AUF DEM TERRITORIUM VON SAVARIA
ZUR RÖMISCHEN FRÜHZEIT IM SÜDLICHEN ALPINEN TEIL RAETIENS
Civitates regni et provinciae Norici – FRAGEN DER LOKALISIERUNG
DAS ENTSTEHEN EINER PROVINZ Gedanken zum römischen Recht und zur römischen Politik
INDIZIEN FÜR MILITÄRPRÄSENZ IM FRÜHKAISERZEITLICHEN FUNDMATERIAL BRIGANTIUMS
DER BERNSTEINSTRASSENRAUM UND SEINE BEWOHNER
FRÜHER MÜNZGEBRAUCH UND GELDVERKEHR AM MAGDALENSBERG
EISENZEITLICHE TRADITIONEN IM HANDWERK IN SALZBURG – BEVÖLKERUNGS KONTINUITÄT ODER ZUWANDERUNG?
DIE RÖMERZEITLICHE SIEDLUNG VON SCHÖNBERG, MG HENGSBERG, VB LEIBNITZ1 Ein siedlungstypologischer
EINE RÖMERZEITLICHE FERNSTRASSE MIT ANGRENZENDEM GRABBEZIRK IN KÄRNTEN – DIE ERGEBNISSE DER ARCHÄOLOGISCHEN UNTERSUCHUNGEN KÜHNS
DIE MÜNZZIRKULATION DER SPÄTLATÈNEZEIT IM SÜDOSTALPENRAUM: DER ÜBERGANG VON DER KELTISCHEN ZUR RÖMISCHEN MÜNZZIRKULATION
FRAUENBERG BEI LEIBNITZ – VON DER SPÄTLATÈNEZEITLICHEN KULTSTELLE ZUM RÖMISCHEN HEILIGTUM
ZUR NACHHALTIGKEIT RÖMISCHER RAUM ORDUNG IN PANNONIEN AM BEISPIEL EINER SIEDLUNGSKAMMER AN MARCAL UND RAAB
MUNICIPIUM CLAUDIUM AGUNTUM – DIE FRÜHEN BEFUNDE
DAS GOLDVORKOMMEN DER NORISCHEN TAURISKER – ERGEBNIS DER GEOLOGISCHEN NEUINTERPRETATION DES ANTIKEN TEXTES DURCH KOMBINATION DIV
ABKÜRZUNGEN VON ZEITSCHRIFTEN UND REIHENWERKEN
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Der obere Donauraum 50 v. bis 50 n. Chr.
 3732901432, 9783732901432

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INHALTSVERZEICHNIS Verzeichnis der Autorinnen und Autoren ....................................................................................................

7

Vorwort .............................................................................................................................................................. Programm .........................................................................................................................................................

9 10

KRISTINA ADLER-WÖLFL Frührömische Funde aus Wien ......................................................................................................................

13

CHRISTOPH BAUR, ELENI SCHINDLER-KAUDELKA Magdalensberg. Zur Auswertung augusteischer Planierschichten – Akkulturation am Beispiel der einheimischen Keramik .............................................................................

35

SZILVIA BÍRÓ Der östliche Teil der deserta Boiorum. Ein Forschungsstand .......................................................................

71

PATRIZIA DE BERNARDO STEMPEL Zu den keltisch benannten Stämmen im Umfeld des oberen Donauraums ..........................................

83

GÜNTHER FLEPS Größer als gedacht. Das römische Augsburg im Spiegel der neuesten Ausgrabungen ........................

101

FLORIN FODOREAN Pannonia in the Peutinger map ......................................................................................................................

115

DÉNES GABLER Das römerzeitliche Siedlungssystem auf dem Territorium von Savaria ..................................................

131

GERALD GRABHERR Zur römischen Frühzeit im südlichen alpinen Teil Raetiens .....................................................................

153

MANFRED HAINZMANN Civitates regni et provinciae Norici – Fragen der Lokalisierung .......................................................................

171

PETER HERZ Das Entstehen einer Provinz. Gedanken zum römischen Recht und zur römischen Politik ..............

185

JULIA KOPF Indizien für Militärpräsenz im frühkaiserzeitlichen Fundmaterial Brigantiums ....................................

199

PÉTER KOVÁCS Der Bernsteinstrassenraum und seine Bewohner .......................................................................................

217

5

INHALTSVERZEICHNIS

STEFAN KRMNICEK Früher Münzgebrauch und Geldverkehr am Magdalensberg ...................................................................

227

FELIX LANG, DORIS KNAUSEDER Eisenzeitliche Traditionen im Handwerk in Iuvavum/Salzburg – Bevölkerungskontinuität oder Zuwanderung? ............................................................................................

239

KARL OBERHOFER Die römerzeitliche Siedlung von Schönberg, MG Hengsberg, VB Leibnitz – Ein siedlungstypologischer missing link aus der Okkupationszeit? ...........................................................

253

HENRIK POHL Eine römerzeitliche Fernstraße mit angrenzendem Grabbezirk in Kärnten – die Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen Kühnsdorf 2010 und 2011 ...............................

265

URSULA SCHACHINGER Die Münzzirkulation der Spätlatènezeit im Südostalpenraum: Der Übergang von der keltischen zur römischen Münzzirkulation .........................................................

281

BERNHARD SCHRETTLE Frauenberg bei Leibnitz – Von der spätlatènezeitlichen Kultstelle zum römischen Heiligtum .........................................................

291

FÉLIX TEICHNER (MIT EINEM BEITRAG VON HEIKE SCHNEIDER) Zur Nachhaltigkeit römischer Raumordung in Pannonien am Beispiel einer Siedlungskammer an Marcal und Raab .........................................................................................................

313

MICHAEL TSCHURTSCHENTHALER, MARTIN AUER Municipium Claudium Aguntum – die frühen Befunde ............................................................................

337

WOLFGANG VETTERS Das Goldvorkommen der Norischen Taurisker. – Ergebnis der geologischen Neuinterpretation des antiken Textes durch Kombination diverser Archivalien ...................................................................

351

Abkürzungen von Zeitschriften und Reihenwerken ..................................................................................

361

6

VERZEICHNIS DER AUTORINNEN UND AUTOREN Dr. Kristina ADLER-WÖLFL Stadtarchäologie Wien Obere Augartenstraße 26–28 A-1020 Wien Kristina.adler-woelfl@stadtarchaeologie.at

Assoz.-Prof. Dr. Gerald GRABHERR Arbeitsbereich Archäologie der Römischen Provinzen Institut für Archäologien Universität Innsbruck Langer Weg 11 A-6020 Innsbruck [email protected]

Mag. Martin AUER Universität Innsbruck Institut für Archäologien FB Aguntum Langer Weg 11 A-6020 Innsbruck [email protected]

Ass.-Prof. Dr. Manfred HAINZMANN Österreichische Akademie der Wissenschaften (Graz) Abteilung für Prähistorische Archäologie Victor Franz Hess-Forschungszentrum Projekt F.E.R.C.AN. [email protected]

Mag. Christoph BAUR Sekull 128 A-9212 Techelsberg [email protected]

Prof. Dr. Peter HERZ Universität Regensburg Lehrstuhl für Alte Geschichte Universitätsstraße 31 D-93053 Regensburg [email protected]

Szilvia BÍRÓ Iseum Savariense II. Rákóczi F. u. 6–8 H-9700 Szombathely [email protected] Prof. Dr. Patrizia DE BERNARDO STEMPEL (UPV/EHU UFI 11/14) privat: P.O. Box 823, E-01080 Vitoria-Gasteiz [email protected]

MMag. Julia KOPF Universität Innsbruck Institut für Archäologien Langer Weg 11 A-6020 Innsbruck [email protected]

Günther FLEPS, M. A. Römisches Museum/Stadtarchäologie Göggingerstraße 59 D-86159 Augsburg guenther.fl[email protected]

Mag. Doris KNAUSEDER Universität Salzburg FB Altertumswissenschaften Residenzplatz 1 A-5020 Salzburg [email protected]

Ass.-Prof. Dr. Florin FODOREAN Babeş-Bolyai University Cluj-Napoca Str. Croitorilor, no. 13, room 8 RO-400162, Cluj-Napoca, judetul Cluj [email protected]

Prof. Dr. Péter KOVÁCS Pázmány Péter Catholic University Piliscsaba Egyetem u. 1. H-2081 Piliscsaba [email protected]

Dr. Dénes GABLER Archäologisches Institut der UAW Úri u.49 H-1014 Budapest [email protected] 7

VERZEICHNIS DER AUTORINNEN UND AUTOREN

Dr. Stefan KRMNICEK Universität Tübingen Institut für Klassische Archäologie Numismatische Arbeitsstelle Schloss Hohentübingen Burgsteige 11 D-72070 Tübingen [email protected]

Dr. Eleni SCHINDLER KAUDELKA Mariatrosterstraße 113 A A-8043 Graz [email protected] Dr. Heike SCHNEIDER Philipps-Universität Marburg Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften Vorgeschichtliches Seminar DFG-Projekt Mursella Biegenstraße 11 D-35037 Marburg

Dr. Felix LANG Universität Salzburg FB Altertumswissenschaften Residenzplatz 1 A-5020 Salzburg [email protected]

Dr. Bernhard SCHRETTLE Archäologisch-Soziale Initiative Steiermark Retznei 26 A-8461 Retznei [email protected]

Dr. Ute LOHNER-URBAN Zentrum Antike Institut für Archäologie Universität Graz Universitätsplatz 3/II A-8010 Graz [email protected]

PD Dr. Félix TEICHNER Philipps-Universität Marburg Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften Vorgeschichtliches Seminar Biegenstraße 11 D-35037 Marburg [email protected]

Dr. Karl OBERHOFER Sillhöfe 5 A-6020 Innsbruck [email protected] Mag. Henrik POHL [email protected]

Ass.-Prof. Dr. Michael TSCHURTSCHENTHALER Universität Innsbruck Institut für Archäologien FB Aguntum Langer Weg 11 A-6020 Innsbruck [email protected]

PD Dr. Ursula SCHACHINGER Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde Universität Graz Universitätsplatz 3/II A-8010 Graz [email protected]

Dr. Wolfgang VETTERS Fachbereich Geographie & Geologie Universität Salzburg Hellbrunnerstr. 34 A-5020 Salzburg [email protected]

Univ.-Prof. Dr. Peter SCHERRER Institut für Archäologie Universität Graz Universitätsplatz 3/II A-8010 Graz [email protected]

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VORWORT Von 17. bis 20. November 2011 fand an der Karl-Franzens-Universität Graz das V. Internationale Symposium RiU – Region im Umbruch – unter dem Motto „Der obere Donauraum 50 v. bis 50 n. Chr.“ statt. Drei Symposien des RiU-Projektes waren zuvor an der Universität Regensburg, organisiert vom Lehrstuhl für Alte Geschichte, abgehalten worden, ein weiteres im grenzüberschreitenden Archäologischen Park Bliesbruck-Reinheim. Die RiU-Symposien und die daraus und aus verwandten Aktivitäten hervorgegangenen Publikationen sind Ausdruck eines von der Universität Regensburg ausgehenden und mit den Universitäten Passau (Lehrstuhl für Alte Geschichte) und Graz (Institut für Archäologie) gemeinsam durchgeführten Forschungsvorhabens zur interdisziplinären und länderübergreifenden Erforschung des oberen Donauraums und hier insbesondere der historischen Umbrüche zu Beginn und am Ende der römischen Herrschaft sowie im frühen Mittelalter bis zur Eingliederung in das Frankenreich. Als Band 10 der vom Verlag Frank & Timme dankenswerterweise betreuten und von Peter Herz (Regensburg) und Oliver Stoll (Passau) herausgegebenen Reihe liegen nun, gut drei Jahre nach dem Grazer Symposium, dessen Akten mit 21 Beiträgen von 25 Autoren aus 5 Ländern vor; etliche weitere damals gehaltene Referate sind an anderer Stelle publiziert worden. Der Band gibt einen breiten Einblick in die aktuelle Forschung, vor allem für Noricum und Westpannonien, punktuell aber auch für Raetien, in den Jahrzehnten um die augusteische Eroberung des Ostalpen- und oberen Donauraumes mit zahlreichen neuen Einsichten und Grabungsergebnissen. Damit sind die Grundlagen für ein umfassendes Bild von der politischen, wirtschaftlichen, siedlungstopographischen und demographischen sowie religiösen Ausgangslage und deren Veränderungen von ungefähr der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. bis um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. nach neuestem Forschungsstand deutlich erweitert und Impulse zu einer neuen Sichtweise im Ganzen wie für Details gegeben. Besonderes Augenmerk gilt dabei der im Raum lebenden Bevölkerung, deren soziopolitischen Strukturen (civitates) und den vielfältigen Umwandlungsprozessen von der Ankunft erster italisch-römischer Händler mit der Anlage von Emporien wie dem Magdalensberg bis zur Verleihung der ältesten Stadtrechte unter Claudius und der Schaffung einer römisch geprägten Siedlungslandschaft. Die relativ lange Dauer zwischen Symposium und Drucklegung geht neben den üblichen Problemen wie Finanzierung und allgemeiner Arbeitsüberlastung im wesentlichen darauf zurück, dass mit meinem Dienstantritt als Vizerektor der Universität Graz im Herbst 2011 eine Flut neuer Verpflichtungen die kontinuierliche Arbeit an den Akten unmöglich machte. Daher gilt mein Dank meinen Mitarbeiterinnen, Frau Ute Lohner-Urban (Zentrum Antike), die hier in die Bresche sprang und im Folgenden die Hauptarbeit der Herausgeberschaft übernahm, sowie Frau Johanna Kraschitzer (Institut für Archäologie), die sich selbstlos und sehr effizient in die redaktionelle Arbeit stürzte. Für die Aufnahme in die RiU-Reihe und die jahrelange, höchst fruchtbare und kollegiale Zusammenarbeit in vielfältiger Weise danke ich den Kollegen Peter Herz und Oliver Stoll, für die liebevolle Gesamtgestaltung meiner Frau Maria Scherrer, für die verlegerische Betreuung Frau Karin Timme. Peter Scherrer

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Internationales Symposium Region im Umbruch – Der obere Donauraum 50 v. bis 50 n. Chr. 17. bis 20. November 2011 V. Symposium organisiert im Rahmen des Forschungsprojektes RiU der Universitäten Graz (Archäologie), Passau (Alte Geschichte) und Regensburg (Alte Geschichte) an der Karl-Franzens-Universität Graz; RESOWI-Gebäude, Bauteil A, 2. Stock, Raum SZ 15.21, Universitätsstraße 15 (Zugang von der Heinrichstraße), 8010 Graz

( 17. Nov. 2011, ab 10h:

Symposiumsbüro geöffnet für die angereisten TeilnehmerInnen

17. Nov. 2011, 11h:

Begrüßung und Eröffnung durch Peter Scherrer als Vertreter des Rektorats der Karl-Franzens-Universität und Oliver Stoll (Passau) im Namen des Projektes RiU

11h30:

Eröffnungsvortrag: Peter Herz (Regensburg): Das Entstehen einer römischen Provinz. Gedanken zum römischen Recht und zur römischen Politik

12h30–14h:

Mittagspause

17. Nov. 2011, 14h–17h30: Themenblock 1: Spätlatènezeit, Civitates und Identität 14h:

Thomas Lindner (Salzburg): Vorrömische Onomastik aus indogermanistischer Sicht Patrizia de Bernardo Stempel (Vitoria-Gasteig): Überlegungen zu den keltisch-benannten Stämmen im oberen Donauraum 15h: Marjeta Šašel Kos (Ljubljana): Cincibilus and the march of C. Cassius Longinus towards Macedonia 15h30: Manfred Hainzmann (Graz): Civitates in Noricum 16h–16h30: Kaffeepause 16h30: Peter Kovacs (Piliscsaba): Der Bernsteinstraßenraum und seine Bewohner 17h: Heinrich Zabehlicky (Wien): Gedanken zu den Boiern im Umbruch 17h30: Wolfgang Artner (Graz): Bemerkungen zur Spätlatènezeit in der Steiermark 18h: Georg Tiefengraber (Graz): Die nördlichen „civitates Tauriscorum“ 14h30:

ab 18h30:

20h:

Empfang in der Archäologischen Sammlung mit Buffet und Führung durch das UniGraz@Museum (Institut für Archäologie, Hauptgebäude, Universitätsstraße 3, 2. Stock; UniGraz@Museum, Hauptgebäude, Untergeschoss; Zugang: Stiege vom Innenhof) Festvortrag: Gerhard Dobesch (Wien): Vom Ursprung der provinzialrömischen Kulturen

18. Nov. 2011 9h–12h30: Themenblock 2: Wirtschaft und Verkehr 9h:

Thomas Saile (Regensburg): Eisenzeitliche Salzgewinnung in Mitteleuropa – Höhepunkte und Niedergang Heimo Dolenz – Henrik Pohl (Klagenfurt): Die norische Hauptstraße? – Die Grabfunde von Kühnsdorf in Südostkärnten 10h: Fodorean Florin (Klausenburg/Erfurt): Roman itineraries and roads in Pannonia and Dacia 10h30–11h: Kaffepause 11h: Christoph Baur (Klagenfurt): Akkulturation am Beispiel der einheimischen Funde, besonders der Keramik, am Magdalensberg 11h30: Susanne Zabehlicky-Scheffenegger (Wien): Vasa vecta in carris crepantibus. Frühe Sigillata in Noricum und entlang der Bernsteinstraße 9h30:

12h30:

Gemeinsames Mittagessen der ReferentInnen

14h–16h:

Themenblock 3: Numismatik

14h:

Ursula Schachinger (Graz): Die Münzzirkulation der Spätlatènezeit im Südostalpenraum Günther Dembski (Wien): Der Übergang vom Geld der Kelten zu dem der Römer südlich und nördlich des mittleren Donaulimes 15h: Stefan Krmnicek (Leicester): Früher Münzgebrauch und Geldverkehr am Magdalensberg 15h30: Peter Kos (Ljubljana): Münzprägung der Taurisker und Noriker – Dilemmen und offene Fragen 16h–16h30: Kaffeepause 14h30:

16h30–18h: Themenblock 4: Topographie und Siedlungsgeschichte: Raetia 16h30: 17h: 17h30: 19h00:

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Günther Fleps (Augsburg): Größer als gedacht. Das römische Augsburg im Spiegel der neuesten Ausgrabungen Gerald Grabherr (Innsbruck): Zur römischen Frühzeit im südlichen alpinen Teil Rätiens Julia Kopf (Innsbruck): Frühkaiserzeitliches Militär in Brigantium Besichtigung Landesmuseum Joanneum, Schloss Eggenberg (Numismatik, Archäologie), anschließend gemeinsames Abendessen der ReferentInnen im Restaurant Rudolph

Internationales Symposium Region im Umbruch – Der obere Donauraum 50 v. bis 50 n. Chr. 17. bis 20. November 2011 V. Symposium organisiert im Rahmen des Forschungsprojektes RiU der Universitäten Graz (Archäologie), Passau (Alte Geschichte) und Regensburg (Alte Geschichte) an der Karl-Franzens-Universität Graz; RESOWI-Gebäude, Bauteil A, 2. Stock, Raum SZ 15.21, Universitätsstraße 15 (Zugang von der Heinrichstraße), 8010 Graz

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19. Nov. 2011: 9h–12h30: Themenblock 5: Topographie und Siedlungsgeschichte: SW-Noricum 9h:

Dragan Bozic (Ljubljana): Zum Anfang der Siedlungen auf dem Magdalensberg und auf der Gurina in Kärnten 9h30: Eleni Schindler Kaudelka (Graz): Drei augusteische Fundvergesellschaftungen vom Magdalensberg K .RUGXOD*RVWHQÿQLN :LHQ 'LHIUKU|PLVFKH6LHGOXQJYRQ Oberdrauburg 10h30–11h: Kaffeepause 11h: Hannsjörg Ubl (Bruneck): Das Pustertal und obere Drautal (ager Aguntinus) 11h30: Michael Tschurtschenthaler – Martin Auer (Innsbruck): Das frühe Aguntum 12h: Felix Lang (Salzburg): Latènezeitliche Traditionen in Iuvavum 12h30–14h: Mittagspause 14h–18h30: Themenblock 6: Topographie und Siedlungsgeschichte: Pannonia und SO-Noricum 14h:

Margareta Musilova (Bratislava): Die Arx Boiorum von Bratislava .ULVWLQD$GOHU:|OÁ :LHQ 'DVIUKH9LQGRERQD Gabrielle Kremer (Wien): Frühe Kulttopographie von Carnuntum K 6]LOYLD%tUy *\ŊU ²+HLNH6FKQHLGHU -HQD ²)HOL[7HLFKQHU (Heidelberg): Interdisziplinäre Forschungen in der Umgebung von Mursella 16h–16h30: Kaffeepause 16h30: Péter Kiss (Szombathely): Savaria 17h: Christoph Hinker (Wien): Flavia Solva vor der Stadtrechtsverleihung. Befunde und Funde aus der insula XL 17h30: Karl Oberhofer (Innsbruck): Die römerzeitliche Siedlung von Schönberg, OG Hengsberg, VB Leibnitz, Steiermark 18h: Bernhard Schrettle (Graz): Frauenberg bei Leibnitz – Die Transformation eines Heiligtums von der spätlatènezeitlichen Kultstelle zum außerstädtischen Tempelberg 18h30: Schlussdiskussion, anschließend gemeinsames Abendessen 20. Nov. 2011: Exkursion: 9h Abfahrt ab Universität zum Frauenberg/ Seggauberg und nach Flavia Solva; voraussichtliches Ende: 15h (Rückkehr nach Graz, Bahnhof bzw. Universität) K 15h:

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KRISTINA ADLER-WÖLFL

FRÜHRÖMISCHE FUNDE AUS WIEN Im Rahmen des Vortrags in Graz 2011 wurde ein Überblick über die Fundstellen mit spätlatènezeitlichem und frührömischem Fundmaterial aus dem Gebiet des heutigen Wien gegeben. In der Zeit bis zur Drucklegung der Symposiumsakten konnten einige neue Ergebnisse, vor allem zur Keramik aus Wien 3, Engelsberggasse, gewonnen werden, die hier mit vorgestellt werden sollen. Der Schwerpunkt dieses Beitrags liegt auf den frührömischen Funden, lediglich zum besseren Überblick wird zunächst kurz auf die bisher bekannte Situation in der Spätlatènezeit eingegangen1.

Spätlatènezeit Bei der Verteilung der spätlatènezeitlichen Fundpunkte2 im heutigen Wiener Stadtgebiet zeigt sich eine deutliche Konzentration im Bereich des 3. Bezirks (Abb. 1, Fundpunkte 7–24), etwa entlang des jetzigen Rennwegs (in der Römerzeit Limesstraße) zwischen der Reisnerstraße im Westen und der Hafengasse im Osten. Im Süden sind Fundpunkte etwa bis zur Hegergasse feststellbar. Im Norden reichte das besiedelte Gebiet weiter nach Norden als bisher angenommen3. Dies zeigte sich anhand mehrerer neuer Fundpunkte: vor allem einer Grube mit Lt D2-zeitlicher Keramik (u. a. Dreifußschüssel, bemalte Keramik) in der Rasumofskygasse 254, aber auch durch die Fundpunkte Czapkagasse/Uchatiusgasse5 und Landstraßer Hauptstraße 48 6. Hervorzuheben sind für das Siedlungsareal im heutigen 3. Bezirk vor allem zwei Grabungen der letzten Zeit: Im Areal des Krankenhauses Rudolfstiftung kam 1999 ein Grubenhaus zutage, dessen Fundmaterial von E. Pichler vorgelegt und in die Endphase der Spätlatènezeit datiert wurde7. Von mehreren Grubenhäusern, die 2001 beim Umbau der Schnellbahnstation Rennweg (Ungargasse 66) gefunden wurden, liegt bisher lediglich ein Fundbericht vor8. Ein weiterer Siedlungsschwerpunkt im Wiener Stadtgebiet ist das Liesingtal. Neben den bekannten Fundpunkten Inzersdorf9, Sulzengasse10, Unterlaa11 und Oberlaa12 konnten 2003 in Wien 23, Großmarkt-

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2 3 4

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Die Fundstellen mit spätlatènezeitlichem Fundmaterial wurden im Dezember 2011 auch bei einem Kolloquium des Slowakischen Nationalmuseums in Bratislava (Latènezeit in der Südwestslowakei) vorgestellt und werden dort publiziert (Adler-Wölfl 2012). Adler-Wölfl 2012, Abb. 1. Vgl. Donat u. a. 2002, 76–83 Abb. 4. Freundl. Mitt. P. Ramsl; Käferle – Schön 2011; Adler-Wölfl 2012, Fundpunkt 17. Die Publikation durch P. Ramsl ist in Vorbereitung. Adler-Wölfl 2012, Fundpunkt 9. Adler-Wölfl 2012, Fundpunkt 15. Pichler 2006, 4–44 bes. 23–25; Adler-Wölfl 2012, Fundpunkt 22 Abb. 3–4. Huber 2002; Adler-Wölfl 2012, Fundpunkt 24 Abb. 5. Streufunde; Neumann 1946–1950; Neumann 1953,13 Taf. 6 a und b; Nowak 1979; Harl 1979b; Adler-Wölfl 2012, Fundpunkte 58–60. Altstücke in römischen Fundkomplexen und Streufund: Hahnel 1994, 37–39. 55; Adler-Wölfl 2012, Fundpunkt 62. Streufunde und Altstücke in Fundkontexten vom Anfang bis zum 3. Viertel des 2. Jhs. n. Chr. Die von O. Harl und K. Süss erwähnte Keramik mit Latène-D-Formen gehört zu einer damals noch wenig bekannten Gruppe der provinzialrömischen Keramik: Harl 1979a, 11; Süss 1997, 22; Adler-Wölfl 2012, Fundpunkt 28. Nördlich der Liesing, etwa auf Höhe der Fundstelle Unterlaa. Reste von Grubenhäusern. Streinz 1976; Adler-Wölfl 2012, Fundpunkt 27.

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KRISTINA ADLER-WÖLFL

14

Abb. 1: Spätlatènezeitliche Fundstellen im Wiener Stadtgebiet (Adler-Wölfl 2012, Abb. 1).

FRÜHRÖMISCHE FUNDE AUS WIEN

straße 2A13 drei Grubenhäuser aufgedeckt werden. 2004 fanden sich in Rothneusiedl14 die Reste eines Kuppelofens und zweier Grubenhäuser. Das Tal des Wienflusses ist hingegen bisher fast fundleer15. Weitere bekannte Siedlungsareale sind der Leopoldsberg16 und sein Fuß bis Nussdorf17, aber auch der Bereich entlang der späteren, römischen Limesstraße von der bereits erwähnten Siedlung im heutigen 3. Bezirk Richtung Osten18 mit den Münzschatzfunden von Simmering19 und Schwechat20. Es fällt in der Kartierung auf, dass aus dem gut erforschten 1. Bezirk, wo später das Auxiliarkastell, das Legionslager und die zugehörigen Canabae entstanden, nur verhältnismäßig wenige spätlatènezeitliche Fundstücke bekannt sind.21 Nicht vergessen werden darf auf einen weiteren wichtigen Siedlungsraum der Spätlatènezeit, nämlich den Bereich nördlich der Donau: In der Leopoldau und in Aspern22 kam zahlreiches spätlatènezeitliches Fundmaterial zutage, Befunde sind jedoch nur selten dokumentiert. Auffallend ist, dass eine Form, die als charakteristisch für die Stufe Lt D2 gilt23, nämlich Tonnen mit kolbenförmig verdicktem Rand, hier mehrfach belegt ist.24

Wien 3, Engelsberggasse Ein Fundort im 3. Bezirk wurde bisher noch nicht erwähnt: Engelsberggasse 3 (Abb. 2, Fundpunkt 9).25 Auf diesen soll in der Folge etwas näher eingegangen werden, da sich hier ein Hinweis auf eine konkrete, spätere Datierung neu ergeben hat. 1926 kamen auf dem Grundstück zwischen Engelsberggasse 3 und Riesgasse 4 beim Hausbau zwei Töpferöfen zutage26. Ofen II (innen ca. 1,5 × 1,3 m) wurde bei den Bauarbeiten stark gestört. Von Ofen I (innen ca. 1,7 × 1,52 m) waren Zungenmauer, Lochtenne und Ansatz der Kuppel gut erhalten. Der Ofen selbst enthielt keine Keramik. Es fand sich jedoch eine große Menge an Scherben in einem als runde Fläche eingezeichneten Bereich links vor Ofen I, „vermischt mit Holzasche und Holzkohle“; R. Pittioni sprach die Keramik „in der Hauptsache als noch erkennbare oder zu erschließende Teile von Fehlbränden“ an. 27 Bei einer Durchsicht des Fundmaterials28 ließen sich jedoch keine „klassischen“ Fehlbrände feststellen. Es sind lediglich einige Gefäße etwas verzogen, aber durchaus verwendbar. Viele Stücke sind verbrannt, wobei jedoch ein sekundärer Brand wahrscheinlich erscheint.29 Die aufgefundene Graphittonkeramik (Abb. 3, 1) wurde schon von Pittioni selbst als „alter Bestand“ angesprochen – vor allem wegen der Flicklöcher, die von längerer Verwendung zeugen.30 Als Produkte der Töpferwerkstätte sah Pittioni hingegen die sogenannte „Grautonware“, die zum Teil mit „Sand“, zum Teil mit Graphitbröckchen oder auch mit beidem gemagert ist. 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

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Huber 2004, Abb. 5; Adler-Wölfl 2012, Fundpunkt 57 Abb. 13. Scholz 2004; Adler-Wölfl 2012, Fundpunkt 61. Adler-Wölfl 2012. Urban 1999; Adler-Wölfl 2012, Fundpunkte 37–42 Abb. 9–12. Adler-Wölfl 2012, Fundpunkte 35, 36, 43–46. Adler-Wölfl 2012, Fundpunkte 29, 31, 32. Adler-Wölfl 2012, Fundpunkt 30. Adler-Wölfl 2012. Adler-Wölfl 2012, Fundpunkte 1–6 Abb. 8. Holzer 1989; Adler-Wölfl 2012, Fundpunkte 47–56. Zachar 1981, 57 Abb. 8, 16; Abb. 12, 5; Abb. 15, 5 (Typ I/2); Zachar 1988, 64 f. Abb. 19, 3; Urban 1996, 198 Abb. 1, 2; Artner 1998–1999, 234 Abb. 18, 205; Čambal 2004, 67; Tiefengraber 2008; Tiefengraber 2009, 269 Abb. 14, 1–7; Čambal u. a. 2010, 153 f. Taf. 1, 20–21; Taf. 4, 12–13; Čambal u. a. 2012, 135 f. Taf. 5. Adler-Wölfl 2012, Abb. 14. GC 1926_04. Adler-Wölfl 2012, Fundpunkt 10. Das gesamte Fundmaterial wurde von E. Pichler bereits vor einigen Jahren aufgenommen und soll in FuWien publiziert werden. Polaschek 1925–1929; Pittioni 1939–1943; Adler-Wölfl 2012, Fundpunkt 10 Abb. 2. Pittioni 1939–1943, 1. Ich danke M. Kronberger für die Möglichkeit, die Funde im Depot des Wien Museums durchsehen zu können. Bereits in zerbrochenem Zustand verbrannt sind mehrere anpassende Fragmente mit vollkommen anderer Farbe. Vgl. das Überblicksfoto Donat u. a. 2002, Abb. 3. Pittioni 1939–1943, 2 f. 5 Taf. 1 Abb. 3; Taf. I/3a. Die abgebildete Tonne weist einen breiten flachen Wulstrand auf wie er für die Stufe Latène D2 als charakteristisch gilt (Urban 1996, 198, Abb. 1, 5). – Vgl. aus Wien 3, Rudolfstiftung: Pichler 2006, Taf. 3, 40–41.

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Abb. 2: Frührömische Fundstellen im Bereich des 1. und 3. Wiener Gemeindebezirks.

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Abb. 3: Keramik; Wien 3, Engelsberggasse 3, 1926; 1: Graphittonkeramik; 2–6: „Grautonware“ (nach Pittioni 1944, Abb. 3; Maßstab unbekannt).

Charakteristisch für das Formenspektrum der „Grautonware“ sind vor allem Töpfe mit konischem Hals, ausgebogenem Rand und Leiste an der Schulter Typ I/731 (Abb. 3, 4–5). Dieser Topftyp scheint in Fundkomplexen der Stufe Lt D1 zu fehlen, beispielsweise am Braunsberg32. In Bratislava tritt er an zwei Fundorten auf, die der Stufe Lt D2 angehören. Bei der Grabung Bratislava-Nálepkova ulica 19–21 fanden sich Fragmente in den Schichten 15/I und 15/II, die der letzten Nutzungsphase und dem Ende der Besiedlung zugerechnet werden.33 In den genannten Schichten traten auch die für Fundkomplexe der Stufe Lt D2 charakteristischen Tonnen mit kolbenförmig verdicktem Rand auf. Der zweite Fundpunkt ist Bratislava, Mudroňova-Straße. In der Verfüllung eines Grubenhauses fanden sich hier bei den Töpfen vor allem solche mit dem typischen kolbenförmig verdickten Rand Typ I/2, am zweithäufigsten Töpfe mit ausgebogenem Rand (Typ I/4) und eben jene mit kegelförmigem Hals und Leiste an der Schulter Typ I/7.34 Im Fundmaterial der Engelsberggasse ist unter den übrigen, meist dem langlebigen Repertoire entsprechenden Gefäßformen (Abb. 3, 2–3)35 noch eine markante Gruppe zu erwähnen, bei der sich wohl erst durch weitere Funde zeigen wird, ob sie ebenfalls charakteristisch ist für die Stufe Lt D2 bzw. die frührömische Zeit: dickwandige Töpfe mit ausgebogenem Rand und mehreren flachen Wülsten und breiten Rillen am Hals (Abb. 3, 6; Abb. 7).36 Relevant für die Datierung der Keramik aus der Engelsberggasse ist jedoch vor allem ein Bodenfragment37, das ebenfalls zur „Grautonware“ gehört (Abb. 4). Für seine Herstellung hat man einen äußerst kalkarmen Tonrohstoff sowohl mit „Sand“ als auch mit Graphitbröckchen gemagert. Ursprünglich wurde das Stück als Teil einer Dreifußschüssel angesprochen.38 Wie sich bei einer Durchsicht der Autorin im Depot 31 32 33

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Pittioni 1939–1943, Abb. 3 Taf. 2, 3–4. Urban 1995. Zachar 1988, 56–70 Abb. 16, 3–4 (dort als Typ I/5 angeführt). Vgl. auch: Čambal 2004, 59 Taf. 31, 2–4; 32, 2–5 (unstratifizierte Funde vom Burghügel Bratislava). Bazovský – Gregor 2009, 150 f. Abb. 8. 10. Einzugsrandschüsseln, Dolien mit horizontalem Wulstrand: Pittioni 1939–1943, Abb. 3, Taf. II, 2. III,5; Donat u. a. 2002, Taf. 1, 12–15. Pittioni 1939–1943, Abb. 3, Taf. 3, 1–2; Donat u. a. 2002, Taf. 1, 1–5. Wien Museum, Inv. Nr. MV 4397/2; feintonig, reduzierend gebrannt; Bodendurchmesser ca. 7,5 cm; rekonstruierter Randdurchmesser: ca. 19 cm. Urban 1996, 199 Anm. 19 Abb. 3 (Ansprache vermutlich aufgrund der Unterlagen in der nicht fertig gestellten Dissertation von G. Lohner, vgl. Urban 1999, 24 Anm. 66); Pittioni 1939–1943, 4 erwähnt das Fragment nicht gesondert. Es ist bei den „Bodenstücken“, „weitere Stücke Inv.-Nr. 4393–4398“ enthalten.

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zeigte, handelt es sich dabei jedoch eindeutig um ein Fragment mit einem schlanken, hohen Standring und einer horizontalen Bodenfläche. Das Stück stammt also mit Sicherheit von einem Teller, der eine Terra Sigillata-Form nachahmt. Da Abb. 4: Bodenfragment Teller mit Standring; leider kein zugehöriges Randfragment erhalten ist, Wien 3, Engelsberggasse 3, 1926 kann lediglich die Proportion des Standringes für (Zeichnung: K. Adler-Wölfl; M 1.4). eine chronologische Einordnung des Stückes herangezogen werden. Bei den Standringen der Terra Sigillata-Teller lässt sich allgemein eine Tendenz zu im Lauf der Zeit höher und schlanker werdenden Formen feststellen. Standringe, die entsprechend dem Stück aus der Engelsberggasse proportioniert sind, finden sich bei Tellern tiberisch/claudischer bis flavischer Zeit.39 Als Vorbild für die Gesamtform wären Sigillata-Teller Consp. 4.6, 18.2 oder 20.4 denkbar. Bei Consp. 4.6 handelt es sich um Teller mit gerundeter Wandung, die in tiberisch/claudischer Zeit bis nach Pannonien und Dalmatien gelangten. Verwendet wurden sie bis in flavische Zeit.40 Consp. 18.2 sind Teller mit gekehltem Steilrand, die vom ausgehenden 1. Jh. v. Chr. bis in tiberische Zeit hergestellt wurden.41 Die sehr häufig vorkommenden Teller mit Steilrand Consp. 20.4 wurden von der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. bis in flavische Zeit hergestellt.42 Welcher dieser drei Tellerformen das Terra Sigillata-Vorbild angehörte und welche Datierung sich daraus als terminus post quem ergäbe, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Entscheidend ist jedoch, dass dieses Stück, das durch sein Material und seine Herstellungstechnik noch in spätlatènezeitlicher Tradition steht, aufgrund seiner Form eindeutig erst in frührömischer Zeit hergestellt worden sein kann. Damit ergeben sich auch weitreichende Konsequenzen für die anderen Gefäße dieses Fundortes, die ebenfalls zur „Grautonware“ gehören. Obwohl ihre Formen eindeutig in spätlatènezeitlicher Tradition stehen, ist es bei den Töpfen und Schüsseln, die in Material und Herstellungstechnik dem Teller entsprechen, wahrscheinlich, dass auch sie erst aus frührömischer Zeit stammen (Abb. 3, 3–6). Damit ließe sich erstmals in Wien eine Keramikproduktion fassen, die in frührömischer Zeit großteils Ware in spätlatènezeitlicher Tradition herstellte, aber auch für neue Einflüsse offen war. Der Teller – eine in der latènezeitlichen Keramik nicht hergestellte Gefäßart – bezeugt deutlich eine – zumindest partielle – Übernahme mediterraner Speisesitten. Angesichts der Tatsache, dass der römische Einfluss bei den erhaltenen Gefäßen der „Grautonware“ insgesamt noch sehr gering ist, erscheint eine Produktion in tiberisch/claudisch/neronischer Zeit43 wahrscheinlicher als in flavischer Zeit44.

Grabstein des C. Atius Weitere Funde aus vor- bzw. frühflavischer Zeit sind aus dem Wiener Raum bisher zwar verhältnismäßig wenig, aber doch deutlich vorhanden. An erster Stelle ist hier der bekannte Grabstein des Caius Atius zu nennen, der vermutlich bereits Ende des 14. Jhs. bei Baumaßnahmen am Nordwestrand des heutigen Stephansplatzes („Alte Brandstatt“) gefunden wurde (Abb. 5). Der Stein war vermutlich in der spätantiken Lagermauer verbaut, die im Mittelalter weiterverwendet wurde. Die Grabstele wurde für Caius Atius gesetzt, der aus der tribus Aniensis stammte, in der 15. Legion gedient hatte und hier als aktiver Soldat nach zehn Dienstjahren verstarb.45 39 40 41 42 43

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Conspectus, 153. 156 f. Tab. 5 (B 2.6, B 2.7); Schindler-Kaudelka u. a. 2001, 127. Conspectus, 58; Schindler-Kaudelka u. a. 2001, 129 Abb. 95. Conspectus, 82. Conspectus, 86. Pittioni 1944, 8 datierte die „Grautonware“ aufgrund der Topfformen in die erste Hälfte des 1. Jh. n. Chr. Später präzisierte er seine Datierung – anscheinend aufgrund der Verknüpfung mit der Phase der römischen Okkupation – auf die Zeit um Christi Geburt (Pittioni 1954, 789). – O. Urban nahm für den Fundort einen als „Latène D-spät“ bezeichneten Horizont an, den er vor die „ältere römische Kaiserzeit“ setzte: Urban 1996, 199 Tab. 1; vgl. Urban 1999, 24 Anm. 66. Zur Datierung des Auxiliarkastells von Vindobona siehe unten. C(aius) Atius Q(uinti) f(ilius) Anie(n)s(i) miles leg(ionis) XV Apol(l)inaris an(n)oru(m) XXIIX stipendioru(m) X h(ic) s(itus) e(st); C. Atius, Sohn des Quintus, aus dem Steuerbezirk (Tribus) Aniensis, Soldat der 15. Legion, 28 Jahre, 10 Dienstjahre, ist hier begraben. KHM Wien Inv. Nr. AS III 101.

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FRÜHRÖMISCHE FUNDE AUS WIEN Abb. 5: Grabstein des C. Atius, Soldat der 15. Legion; Wien 1, „Alte Brandstatt“/Stephansplatz 8/8A (KHM Inv. Nr. AS III 101, Archivfoto Nr. III 28.669).

M. Mosser konnte die Stele aufgrund epigraphischer Kriterien und Vergleiche in vorclaudische Zeit (ca. 6–41 n. Chr.) datieren.46 Als Herkunftsort des Steines stellte A. Rohatsch den Bereich des Türkenschanzparks im 18. Wiener Gemeindebezirk fest.47 Die Stele kam also nicht in irgendeiner Form aus Carnuntum hierher, sondern wurde im Wiener Raum hergestellt. Damit handelt es sich bei der Stele des Caius Atius um den frühesten Beleg für die Präsenz römischer Truppen im Wiener Raum. Aufgrund der Datierung der Stele in vorclaudische Zeit kann Caius Atius nicht einem Detachement der in Carnuntum erst ab claudischer Zeit stationierten 15. Legion angehört haben.

Wien 3, Hohlweggasse: Schildbuckel und Lanzenspitzen Aus der erste Hälfte bzw. der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. stammen vermutlich auch ein Schildbuckel48 und zwei Lanzenspitzen49, die 1902 im 3. Bezirk in der Hohlweggasse 750 beim Hausneubau zutage kamen (Abb. 6).51 Der Fundort liegt deutlich weiter im Süden als die bereits besprochene Engelsberggasse – am anderen Ende des angenommenen spätlatènezeitlichen Siedlungsgebietes. Die Metallobjekte fanden sich zusammen mit Teilen eines menschlichen Skeletts und eines Pferdeskeletts in einer länglichen Grube. Außerdem verzeichnete J. H. Nowalski in seinem Tagebuch52 ein „Eisen Fragment v. Messer?“, bei dem es sich – berücksichtigt man Nowalskis Unsicherheit bezüglich der Form – vielleicht auch um eine eiserne Schere gehandelt haben könnte53. 46

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Abb. 6: Schildbuckel und Lanzenspitzen; Wien 3, Hohlweggasse 7, 1902; Skizze im Tagebuch von J. Nowalski de Lilia (Sedlmayer 2002, Abb. 5).

GC 3000_20. Mosser 2002, 102–126 bes. 112 f. (mit der älteren Literatur). Kronberger u. a. 2010, 63 Abb. 4. Eisen; Durchmesser 15 cm, Höhe 8 cm. Eisen; eine ganz erhalten: Länge 24 cm, Breite 4 cm; zweite abgebrochen; schlankes Blatt, Blattquerschnitt unklar; vgl. P. Kaczanowski, Klasyfikacja grotów broni drzewcowej kultury przeworskiej z okresu rzymskiego (Kraków 1995) 48, Taf. 5, 3–5; 6, 3–4 (Typ II und IV). GC 1902_41. Die Funde wurden von J. H. Nowalski de Lilia im Tagebuch fälschlich unter Hohlweggasse 15 statt unter Stanislausgasse 15 eingetragen. F. Kenner übernahm diese Fundortangabe. Erst später wurde dieser südliche Teil der Stanislausgasse zur Hohlweggasse dazu genommen und umnummeriert – daher die heutige Adresse „Hohlweggasse 7“. Kenner 1903, 45 f.; Kenner 1911, 150 Anm. 132. Die Fundstücke sind verschollen und nur noch anhand von Skizzen im Tagebuch von J. H. Nowalski de Lilia und im Inventarbuch des Wien Museums rekonstruierbar. Nowalski, FT XI, 50, 10. September 1902. Eiserne Scheren sind in den von T. Kolník vorgelegten germanischen Gräbern aus der Südwestslowakei häufig in Gräbern mit Waffenbeigaben anzutreffen: Kolník 1980.

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Abb. 7: links: Metallobjekte; Schwechat, 1953; rechts: Keramik, „Grautonware“; Wien 3, Engelsberggasse 3; ausgestellt im Römermuseum, Wien 1, Hoher Markt (Foto: Wien Museum, Peter Kainz).

Der Befund kam nach dem Abtragen einer Bodenerhebung, die von Nowalski als „Berglein“54 bezeichnet wurde, zutage. H. Sedlmayer interpretierte Befund und Fundensemble als die Überreste eines Hügelgrabes eines keltischen oder germanischen Kriegers mit Pferdebestattung.55 Die beigegebenen Waffen waren sowohl im keltischen als auch im germanischen Milieu üblich. Es fehlt allerdings das typische Schwert56. Im Unterschied zu den zu dieser Zeit üblichen Brandbestattungen handelte es sich in der Hohlweggasse anscheinend um ein Körpergrab57. Diese sind jedoch typisch für die sogenannte Lübsow-Gruppe: germanische Fürstengräber mit zahlreichen Beigaben, die von römischer Lebensweise zeugen, aber keine Waffen enthalten.58 Zur Datierung lässt sich in erster Linie der Schildbuckel heranziehen. Er wurde von H. Sedlmayer als Typ Zieling H159 bestimmt und in die Zeit von der ersten Hälfte des 1. bis zur Mitte des 1. Jhs. n. Chr. gesetzt. Als nächstgelegene Vergleiche lassen sich Schildbuckel aus Fundkontexten, aus Katzelsdorf60 und Mannersdorf am Leithagebirge61, anführen, die aus spättiberisch/claudischer bis neronisch/frühflavischer Zeit stammen.

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Nowalski, FT XI, 47, 3. September 1902. Donat u. a. 2002, 83–86. 96 f. Nicht auszuschließen ist, dass es sich nur um die sekundär verlagerten Überreste einer solchen Reiterbestattung handelt (beide Skelette sind unvollständig). Vgl. Müller 2000, 94 Anm. 95 und Donat u. a. 2002, 84. Dass dies durchaus vorkommen kann, zeigen fünf Gräber im Gräberfeld von Kostolná pri Dunaji, wo ebenfalls nur Lanzen, aber kein Schwert beigegeben wurde. Kolník 1980, Grab 3, 10, 36, 53 und 57. Auch in den von T. Kolník ergrabenen germanischen Gräberfeldern der Südwestslowakei waren neben der Masse an Brandgräbern vereinzelt Körperbestattungen festzustellen. Abrahám: 12 von 231 Gräbern; Sládkovičovo: 6 von 88 Gräbern. In dem Gräberfeld, wo am häufigsten Waffenbeigaben anzutreffen waren, in Kostolná pri Dunaji, fehlen Körperbestattungen allerdings vollkommen: Kolník 1980, 9. 92 f. Eggers 1953; Andrzejowski 2002, 318–320. Zieling 1989, 97–101 Taf. 11, 1–2; Donat u. a. 2002, 85; Vgl. auch Maspoli 2012 39. 62, Kat.Nr. 241–242 (Lanzenspitzen), 243 (Schildbuckel). Urban 1984, 81–85 Abb. 11–15 (Hügel 2). Seracsin – Zehenthofer 1916, 86 Taf. 8, 803; Kerchler 1967, 213 Taf. 72–74.

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Schwechat: Grabfunde Ein weiterer Grabfund etwa dieser Zeit ist aus Schwechat bekannt.62 1953 wurden in einer Sandgrube von einer Privatperson mehrere Metallgegenstände geborgen, über deren Fundumstände leider nichts Näheres bekannt ist (Abb. 7). Das Ensemble besteht aus zwei Attaschen, zwei Henkeln und einem Fuß von zwei Eimern Eggers 24, einer Kasserolle Eggers 151, einem silbernen Simpulum, einem Trinkhornendbeschlag, einem Schaft und Fuß eines Kandelabers und einem Reitersporn. Die Metallobjekte gehören – abgesehen von Kandelaber und Reitersporn – zum Trinkgeschirr; Waffen fehlen. Wie Verbrennungsspuren zeigen, handelte es sich um die Reste eines Brandgrabes. Der vasenförmige Trinkhornbeschlag63 und der zweinietige Stuhlsporn64 bezeugen, dass der Bestattete ein Germane gewesen sein muss. S. Künzl datierte das Fund-Ensemble in die erste Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. und interpretierte es aufgrund seiner Zusammensetzung als die Reste einer Bestattung eines Mitglieds einer germanischen Adelsfamilie. Vergleichbare Ausstattungen finden sich wiederum in Gräbern der Lübsow-Gruppe65, bei denen es sich aber – wie bereits erwähnt – normalerweise um Körperbestattungen handelt.

Ziegel aus der Zeit der Kaiser Nero und Galba Bereits in neronische Zeit datiert ein Ziegel der kaiserlichen Ziegelei Pansiana, der im Jahr 1900 beim Hausumbau in Wien 1, Wildpretmarkt 6/Bauernmarkt 9 zutage kam (Abb. 8, 2)66. Ein weiterer Ziegel aus dieser Produktion stammt aus der Zeit des Kaisers Galba (Abb. 8, 3)67. Die beiden Tegulae wurden in der in republikanischer Zeit von C. Vibius Pansa gegründeten und unter Augustus in kaiserlichen Besitz übergegangenen Ziegelei im Raum Aquileia hergestellt.68 Das Verbreitungsgebiet ihrer Produkte ist vor allem das obere Adriagebiet (Zentral-, Nordostitalien, westliches Dalmatien).69 Nach Vindobona wurden sie vermutlich importiert, als es hier noch keine eigene Ziegelproduktion gab. Man benötigte sie wohl zur Deckung eines Gebäudes, dessen Bestehen für einen längeren Zeitraum geplant war. Wenn die zwei Ziegel nicht von woanders gebracht und hier nur sekundär verwendet wurden, weisen sie auf eine mehr als nur sehr kurzfristige Präsenz von Römern oder die römische Bauweise übernehmenden Personen in neronisch-vespasianischer Zeit hin. Der Fundort liegt im Bereich der Kasernen der 1. Kohorte des Abb. 8: 1: Fragment einer Bronzeinschrifttafel mit Nennung des Kaisers Galba; späteren Legionslagers. Hinweise Wien 1, Am Hof 4/Naglerg. 24, 1913; 2–3: Ziegelstempel der kaiserlichen auf den Zweck des zugehörigen Ziegelei Pansiana aus der Zeit der Kaiser Nero und Galba; Wien 1, Wildpretmarkt 6/Bauernmarkt 9, 1900 (Mosser 2005b, Abb. 5). Gebäudes gibt es leider nicht.

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Neumann 1968–71, 299–316; Gschwantler 1977, 254 f. M 24–33; Künzl 1997. Andrzejowski 2002, 312–321 (Typ D.1b). Jahn 1921, 18–38; Tejral 2002, 141 f. – Weitere Belege in Petronell: Farka 1988, 314 Abb. 706 und Mannersdorf: Adler u. a. 1979, 38 Abb. 17d. Vereinzelt auch Brandbestattungen: Bemmann – Voß 2007. GC 1900_05. Kenner 1900, 12–16. Ziegelstempel: „/NERO CLPAN[ „ und „IMPGALBPANS“. Inv. Nr. Wien Museum MV 12.718 und MV 9.698. Beide Stücke sind zurzeit leider nicht auffindbar. Neumann 1973, Nr. 1814 f.; Harl – Lőrincz 1977, 142. 277; Mosser 2002, 167 Abb. 5. Zum Stempeltyp: Mosser 2007, 234 f. 369 Taf. 38, 1–2; Chinelli u. a. 2007, 838 f. Buora 1985, bes. 213. 220 f.; Matijašić 1987, bes. 511.

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Bronzeinschrift mit Nennung des Kaisers Galba Kaiser Galba ist auch in der letzten Zeile des Fragments einer bronzenen Inschrifttafel genannt, das 1913 beim Abbruch der päpstlichen Nuntiatur in Wien 1, Am Hof 4/Naglergasse 24 gefunden wurde (Abb. 8, 1)70. Es handelt sich anscheinend um eine Verordnung, deren Inhalt aufgrund der fragmentarischen Erhaltung aber unklar bleibt. Das Stück kam gemeinsam mit zahlreichem anderem, späterem Fundmaterial zutage. An Befunden waren zahlreiche Baureste des Legionslagers zu verzeichnen. Der Fundzusammenhang des Inschrifttafelfragments ist nicht bekannt; denkbar wäre auch, dass es Teil eines Altmetallhortes war.

Keramik und Kleinfunde

Abb. 9: Terra Sigillata Teller aus La Graufesenque mit Stempel des Secundus; Wien 1, Salvatorgasse 3, 1953 (Zeichnung: K. Adler-Wölfl; M 1 : 2).

In der Terra Sigillata ist die Gruppe der „Arretina“ aus Wien bisher lediglich von einem Fragment aus Wien 10, Unterlaa bekannt (Abb. 10, 1)71. Ebenfalls in Unterlaa kam ein Randfragment eines Tardo-Padana-Tellers Consp. 4.6 tiberisch/ claudischer Zeit zutage (Abb. 10, 2)72. Bei beiden Stücken ist der Fundzusammenhang allerdings unklar. Wahrscheinlich handelt es sich um mitgebrachte und länger verwendete Gefäße aus den Befunden der in flavischer Zeit einsetzenden Holzbauperiode des Siedlungsplatzes.

Aus spättiberisch/claudischer Zeit stammen weiters mehrere große Fragmente eines Sigillata-Tellers, der 1953 in Wien 1, Salvatorgasse 3 gefunden wurde (Abb. 9).73 Erhalten ist ein Töpferstempel des Secundus aus La Graufesenque.74 Der Stempeltyp (S66) wird von M. Polak zur frühesten Gruppe der Secundus-Stempel gezählt (Secundus i) und in die Zeit ca. 30–50 n. Chr. datiert. Von der Form her handelt es sich um einen Teller Ritterling 1. Dieser Tellertyp tritt in Südgallien bereits im ersten Viertel des 1. Jhs. n. Chr. auf und wird bis in neronische Zeit hergestellt. Erhalten ist auch eine Spiralapplike, wie sie für frühe Stücke dieses Tellertyps charakteristisch ist.75 Eine Herstellung in vor- bzw. frühflavischer Zeit kann auch für einige andere Keramikfragmente angenommen werden.76 Wahrscheinlich wurden diese jedoch als bereits länger verwendete Stücke mitgebracht und stehen in Zusammenhang mit Auxiliarkastell und Legionslager. Zu nennen sind hier eine Sigillata-Schüssel Drag. 29 aus La Graufesenque (Wien 3, Hohlweggasse 15, 1902) (Abb. 10, 3)77 und ein Becher Knorr 78

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GC 1913_08. E Polaschek 1935, 10; Neumann 1961/62, 27 f. Nr. 69; Weber 1977, 251 M 15; Mosser 2005b, 167; Mosser 2005c; Kronberger 2007, 87. Adler-Wölfl 2003, 69 Taf. 16, 1 (TS 43; Schalenboden mit planta pedis-Stempelrest GE[, wohl Gellius). Ich danke S. Radbauer für die Bestimmung des Scherbentyps. Es handelt sich vermutlich um ein Produkt, das nicht direkt aus Arezzo stammt. Zu den unterschiedlichen Produktionsorten von „Arretina“ vgl. Schindler-Kaudelka 2001, 120–125. 189 f.; Schindler – Fastner 2006, 73–85; Schneider – Daszkiewicz 2006, 537–543. Adler-Wölfl 2003, 71 (TS 421); Conspectus, 58; vgl. Schindler-Kaudelka u. a. 2001, 129. 152 f. Abb. 95. Freundl. Hinweis M. Kronberger. Das Stück wurde vom Wien Museum 2012 angekauft (Inv. Nr. MV 34.955). Randdurchmesser: 16,6 cm, Bodendurchmesser: 8,5 cm, Höhe: 2,9 cm. Gefunden wurde der Teller wohl im Zuge der Arbeiten für den Neubau des Hauses 1953–1955. Polak 2000, 322 Taf. 21, S66. Polak 2000, 83. Bei einem Großteil der in Donat 2002, 86–95 und Sedlmayer 2002, 88–90 genannten Stücke beginnt der Produktionszeitraum zwar früh, reicht aber bis in die Zeit Ende 1./Anfang 2. Jh. n. Chr. Diese Fragmente können daher für die hier gewählte Fragestellung nicht herangezogen werden. Beschreibung des Stücks nach P. Donat (Donat u. a. 2002, 93 Abb. 9 unten): „Hase nach re. Osw. 2074 über doppeltem Perlstab, S-förmige Verzierung wie Karnitsch 1959, Taf. 14.1“. Inv. Nr. Wien Museum MV 787.

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FRÜHRÖMISCHE FUNDE AUS WIEN

Abb. 10: 1-2: Terra Sigillata; Wien 10, Unterlaa, 1974 (Adler-Wölfl 2003, Taf. 16, 1); 3: Terra Sigillata; Wien 3, Hohlweggasse 15, 1902 (Donat 2002, 93 Abb. 9 unten); 4-6: Feinware; Wien 1, Michaelerplatz, 1990/91 (Donat 1999, Abb. 1, 1-2. 4); 7: Keramik; Wien 1, Spiegelgasse/Plankengasse, 1913 (Kronberger/Mosser 2002, Abb. 3, 7); 8: Feinware; Wien 3, Rennweg 14, 1903–1909 (Donat 2002, Taf. 2, 2); 9–10: Grobkeramik, Wien 3, Gerlgasse/Fasangasse, 1906 (Donat 2002, Taf. 2, 5–6) (M 1 : 3).

(Wien 3, Rennweg 58, 1912)78. In der Feinware lassen sich mehrere Fragmente aus Canabae-zeitlichen oder unklaren Fundzusammenhängen der Grabung Wien 1, Michaelerplatz (1990/91) anführen: ein Becher mit gebogenem Rand der Form Magdalensberg 2679; zwei von P. Donat als Soldatenbecher angesprochene Fragmente mit trichterförmiger Wandung mit nach außen verdicktem bzw. leicht gebogenem Rand (Abb. 10, 4–5)80; ein Randfragment mit abgesetztem Steilrand (Abb. 10, 6)81; weiters ein Wandfragment eines Feinware-Balsamariums, das P. Donat dem spindelförmigen Typ Haltern 30 zuweist82. Außerdem sind zu erwähnen: eine marmorgemagerte flache Schüssel mit Nuppen (Abb. 10, 7), zu deren Verzierung gute Parallelen im Fundmaterial vom Magdalensberg vorhanden sind (Wien 1, Spiegelgasse 78

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Beschreibung des Stücks nach P. Donat (Donat u. a. 2002, 95): „Bäume mit Blüten Osw. 1136, dazwischen Hirsch Osw. 850, Löwe Osw. 748, La Graufesenque, GERMANUS“. Gabler 1977, 215 K 9 („wohl Art des Germanus“). Inv. Nr. Wien Museum MV 1966, nicht auffindbar. Donat 1999, 32. – Zur Randform vgl. Schindler-Kaudelka 1975, 58–60; Roth-Rubi 2006, 84–87 (Form D2.1). Donat 1999, 32 Abb. 1, 1–2; Kronberger – Mosser 2002, Abb. 3, 2. – Zur Form vgl. Roth-Rubi 2006, 89 f. (Form D4). – Bei einem weiteren Bodenfragment nimmt P. Donat an, dass es ebenfalls von einem Soldatenbecher stammt. Die Wandstärke erscheint jedoch relativ groß: Donat 1999, 32 Abb. 1, 3. Donat 1999, 32 Abb. 1,4. – Zur Randform vgl. Roth-Rubi 2006, 92 (Form D6.1). Donat u. a. 2003, 11. 46. – Zur Form vgl. Roth-Rubi 2006, 93 (Form D7.1).

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17/Plankengasse 4, 1913)83; ein Gitterbecher mit gebogenem Rand (Wien 3, Rennweg 14, 1903–1909) (Abb. 10, 8)84; Fragmente von drei Auerbergtöpfen (Wien 3, Gerlgasse/Fasangasse, 1906) (Abb. 10, 9–10)85 und ein Simpulum Radnóti 44 (Wien 3, Rennweg 44, 1989/90)86. Abgesehen von diesen genannten Stücken lassen sich keine Funde mit Sicherheit für die vordomitianische Zeit in Anspruch nehmen. Das Fibelspektrum aus Wien weist keine eindeutig frührömischen, in flavischer Zeit nicht mehr gängigen Fibeln auf.87 Die wenigen in Wien gefundenen republikanischen und frühkaiserzeitlichen Münzen sind als Bestandteil des späteren Geldverkehrs anzusehen.88

Frühe Befunde Dieses hier vorgestellte früheste römische Fundmaterial aus Wien lässt sich – wie gezeigt – leider mit keinem konkreten Befund dieser Zeit in Verbindung bringen. Allerdings konnten an zwei Fundorten im Bereich des heutigen 1. Bezirks (Sterngasse 5–7, Tuchlauben 17) in den untersten Schichten Reste von Holzbauten festgestellt werden, die älter sind als das Legionslager. 89 Diese ließen sich zwar mangels aussagekräftigen Fundmaterials absolutchronologisch nicht datieren,90 relativchronologisch ist ihre Stellung jedoch eindeutig. Sie werden von einer sterilen, dunkelbraunen, humosen Vegetationsschicht abgedeckt. Die Befunde der ersten Kasernenbauten des Legionslagers sind hingegen erst in diese Schicht eingetieft. Beim Abbruch der Häuser Sterngasse 5 und 7 zwischen 1962 und 1967 konnte H. Ladenbauer im Bereich der davor liegenden Sterngasse Holzbalkenverfärbungen und Pfostenlöcher feststellen.91 In der untersten Lage einer Steinmauer, die über dem Rest einem dieser Holzbalken verlief, fand sich eine Terra-Sigillata-Schale Drag. 27. Der schlecht erhaltene Stempel wurde von P. Karnitsch dem Amandus und der Manufaktur La Graufesenque zugewiesen.92 Unter den publizierten Stempeln kommt für den Namen Amandus lediglich ein Stempel in Frage und zwar einer des Amandus i, der in tiberisch-claudischer Zeit in Montans93, vielleicht auch in La Graufesenque tätig war.94 Eine sichere Bestimmung ist jedoch aufgrund des – wie gesagt – schlechten Erhaltungszustandes des Stückes nicht möglich95. Bei der von K. Süss 1994/95 durchgeführten Grabung in Wien 1, Tuchlauben 17 kamen ebenfalls mehrere Gräbchen und Pfostenlöcher zutage (Abb. 11)96. Es fällt auf, dass sowohl in der Sterngasse als auch in der Tuchlauben die Holzkonstruktionen die gleiche Orientierung wie das spätere Legionslager aufwiesen97. Die Gräbchen/Balkenverfärbungen waren mit meist etwa 30 cm Breite jedoch deutlich schmäler als jene der ersten Phase des Legionslagers98. Bei dem etwa 40 cm breiten „Holzbalken C“ der Grabung Tuch83 84

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Kronberger – Mosser 2002, Abb. 3, 7. – Zum Dekor vgl. Schindler-Kaudelka 1998, 420 Abb. 9, 34. Donat u. a. 2002, Taf. 2, 2. – Zur Randform vgl. Schindler-Kaudelka 1975, 58–60 (Form 26); Roth-Rubi 2006, 84–87 (Form D2.1). Donat 2002, 91 Taf. 2, 5–6. – Zum Typ vgl. Flügel 1999. Chinelli u. a. 2007, 832. 838 Abb. 2, 7 (erste beiden Drittel 1. Jh. n. Chr.). Schmid 2010, 62–64. Dick 1978. Ergänzend dazu: Harl – Süss 1995, 727. Süss – Bauer 1997, 876; Adler-Wölfl 2003, 122 MÜ 1–4; Dembski – Zavadil 2004, Kat. Nr. 1–866; Dembski – Zavadil 2004, 102 Kat.-Nr. 1–6; Dembski 2006, 66 Kat.-Nr. 1–2; Dembski – Litschauer 2010, 750 MU2. – Vgl. Gugl 2007b, 352 Abb. 142. Bereits in Zusammenhang mit Auxiliarkastell bzw. Legionslager stehen die Reste von Holzbauten, die bei folgenden Grabungen gefunden wurden: Palais Harrach: Stadler – Süss 1992, 517; Süss 1995, 142 Abb. 111; Süss – Bauer 1997, 871; Kronberger 2005b. – Michaelerplatz: Donat u. a. 2003, 8. 14 f. Abb. 5; Donat u. a. 2005, 28–31 Abb. 6. – Herrengasse: Müller 1997, bes. 876. 879. Mosser 2005b, 159. GC 1962_01; GC 1967_04. Ladenbauer-Orel 1965/66, 13 f. Abb. 3 Skizze 3 und 9; Ladenbauer-Orel 1984, Abb. 2; Ladenbauer-Orel 1996, 62–64; Kronberger 2007, 85 Anm. 4; Mosser u. a. 2010, 957 f. Wien Museum Inv. Nr. alt: MV 68/7, Inv. Nr. neu: MV 36.065. – Ladenbauer-Orel 1974, (mit Abb.); Ladenbauer-Orel 1976, 336 Anm. 5 Abb. 2; Mosser 2005a, 164 Abb. 3, 7; Mosser u. a. 2010, 957. Aufgrund des Scherbentyps stammt die Schale nicht aus Montans. Freundl. Mitt. S. Radbauer. Hartley – Dickinson 2008, 168 f. Stempel 2a. Der Stempel wäre dann auf dem Kopf stehend gezeichnet. Am Ende fehlte ein Teil des „A“. Der Rest ist stark verbrochen. GC 1995_01. Harl – Süss 1995, 726 f.; Gaisbauer – Mosser 2001, 133–135. 153 Abb. 21–23; Kronberger – Mosser 2002, 574 Abb. 5; Mosser 2002, 114 Anm. 54; Mosser 2005b, 159–164 Abb. 2; Mosser 2005c, 12; Kronberger 2007, 85 Anm. 4; Mosser 2007, 291 f; Mosser u. a. 2010, 957. Vgl. den Plan Mosser 2010, Fig. 2. Mosser u. a. 2010, 53–68. 253–255.

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FRÜHRÖMISCHE FUNDE AUS WIEN

Abb. 11: Älteste Holzbauphase und Profil; Wien 1, Tuchlauben 17, 1994 (Gaisbauer/Mosser 2001, Abb. 21).

lauben ließ eine darüber liegende 4–14 cm dicke gelbe Lehmschicht auf Lehmziegelbauweise im Aufgehenden schließen. Im Befund der Grabung Wien 1, Judenplatz war lediglich Grube 10323 eindeutig älter als Bauphase 1 des Legionslagers. Sie enthielt leider jedoch bis auf zwei Eisenfragmente, darunter ein T-Nagel, kein Fundmaterial. Die Datierung der Grube muss daher offen bleiben99.

Auxiliarkastell Sowohl an den Fundstellen im 1. Bezirk als auch im 3. Bezirk lässt sich schließlich ein massives Einsetzen des Fundmaterials ab der spätflavischen Zeit feststellen. Dies steht wohl im Zusammenhang mit der Stationierung der Ala I Flavia Augusta Britannica mil. C. R. in Vindobona. Ein zentraler Punkt für die Datierung des Stationierungszeitpunktes dieser Ala ist die Grabstele des T. Flavius Draccus.100 Bei der Truppenbezeichnung wird der Kaisername „Domitiana“ genannt. Der Stein stammt also aus der Zeit zwischen 99 100

Mosser u. a. 2010, 28. 68. FK-Taf. 1, ME250. Mosser 2005a, 144–149.

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81 und 96 n. Chr., denn nach dem Tod des Domitian wurde die Nennung seines Namens in Inschriften aufgrund der Damnatio Memoriae vermieden. M. Mosser konnte die Datierung aufgrund stilistischer Vergleiche mit Stelen der 15. Legion in Carnuntum auf die spätdomitianische Zeit einengen. Er vermutet eine Stationierung der Ala ab 89 n. Chr., im Zuge des Bellum Suebicum des Domitian (89–92 n. Chr.).101 Zur Lokalisierung des Auxiliarkastells konnte M. Kronberger einen überzeugenden Vorschlag machen:102 den Bereich des heutigen Schottenklosters, an der Limesstraße nordwestlich des späteren, erst 97 n. Chr. gegründeten Legionslagers103. Für diese Lokalisierung spricht auch ein Befund, der 1995 bei Bauarbeiten im ersten Hof des Schottenklosters gemacht wurde. Vermutlich handelte es sich dabei um den Spitzgraben des Auxiliarkastells.

Historischer Kontext In welchem historischen Umfeld lassen sich die frührömischen Funde aus Wien sehen? Nach der Okkupation konzentrierte Rom sich zunächst auf den Ausbau und die Sicherung der Bernsteinstraße104. In Bratislava sind Hinweise auf eine spätlatènezeitliche Besiedlung bis in augusteische Zeit vorhanden105. Am Dévin befand sich in augusteischer Zeit vermutlich ein militärischer Stützpunkt106. Im nahe gelegenen Sopron ist in tiberischer Zeit das Oppidum Scarbantia Iulia belegt.107 Außerdem kann hier durch Grabsteine die Ansiedlung von Veteranen der 15. Legion und von Auxiliartruppen ab tiberisch/claudischer Zeit nachgewiesen werden.108 In claudischer Zeit wurde schließlich in Carnuntum die 15. Legion stationiert.109 Jenseits der Donau kam es 18 bzw. 21 n. Chr. bei den Markomannen zum Sturz von Marbod und Catualda. Deren Anhänger erhielten daraufhin die Erlaubnis sich nördlich der Donau etwa im Gebiet zwischen March und Waag anzusiedeln.110 Rom setzte einen neuen König ein – Vannius. Von diesem Regnum Vannianum sind aus der heutigen Südwestslowakei vor allem Gräberfelder, aber nur wenige Siedlungsreste bekannt.111 Vielleicht steht die Grabstele des C. Atius (Abb. 5) in Zusammenhang mit einer römischen Präsenz im Wiener Raum, die der Kontrolle dieser etwas weiter östlich neu angesiedelten germanischen Gruppe diente. Um 50 n. Chr. kam es dann zum Aufstand gegen Vannius. Dieser musste über die Donau fliehen und wurde mit seinen Anhängern in Pannonien, etwa im Gebiet um das Leithagebirge bis zum Rosaliengebirge, angesiedelt.112 Um einen Adeligen aus dem Gefolge des Vannius handelte es sich vielleicht bei dem Bestatteten aus dem erwähnten Grab von Schwechat (Abb. 7). Auch die Gräber und Siedlungsreste im Gebiet des Leithagebirges, beispielsweise die genannten Hügelgräber von Katzelsdorf und Mannersdorf,113 lassen sich aufgrund der Waffenbeigaben dieser Bevölkerungsgruppe zurechnen. Die Soldaten des in claudischer Zeit gegründeten Legionslagers von Carnuntum gewährleisteten die Kontrolle über die Anhänger des Vannius.114 Andererseits bewirtschafteten die neuen Siedler aber auch ein Land, das nach Aussage des Plinius (deserta Boiorum)115 nur dünn besiedelt war, und trugen so zur Ver101 102 103 104 105

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Mosser 2007, 291. Kronberger 2005a, 27–30 Abb. 5; Kronberger 2007, 88–90 Abb. 6–7. Mosser u. a. 2010. Vgl. Ubl 2008; Groh 2009, 175–187. Čambal 2004, 78. In die augusteische Zeit weisen außerdem Fragmente eines Bechers, der sich in seiner Form an Acobecher anlehnt (Čambal 2004, 77, Typ IV/1; Taf. 39, 9–10) und ein Teller, der den Sigillatatyp Consp. 1.2 sowohl in der Form als auch mit seinem roten Überzug nachahmt (Čambal 2004, 68. 78, Typ V/8; Taf. 56, 12). Pieta – Plachá 1999, 179–204. Plin. n. h. III, 146; Gömöri 2003, 82. Mosser 2003, 100–102. Gugl – Kastler 2007, 197–203. Tac. Ann. II, 63; Vgl. Zabehlicky 1999. Pieta 2010, 57 f.; Kolník 1980. Tacitus, Ann. 12, 29–30; Urban 1984, 95–103. Urban 1984. Vgl. Kandler 2004, 16. Plinius, Naturalis Historia III, 146; Zur Nutzung des Terminus der „Civitas Boiorum“ durch die römische Verwaltung: Gassner 2008, 295–297; Scherrer 2008.

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FRÜHRÖMISCHE FUNDE AUS WIEN

sorgung der Legion und der Bewohner der Canabae bei.116 Aus dieser Zeit nach der Ansiedlung der Anhänger des Vannius in der Provinz Pannonien stammen die zwei erwähnten neronischen bzw. galbazeitlichen Ziegel aus Wien (Abb. 8, 2–3).

Fazit Es ist auffallend, dass sich die frühesten römischen Funde und Befunde aus dem 1. Bezirk im Bereich des späteren Legionslagers konzentrieren (Abb. 2): von Bedeutung sind hier vor allem die Grabstele des C. Atius vom Westrand des Stephansplatzes (Abb. 5), die Ziegel von Am Hof/Naglergasse (Abb. 8, 2–3), der Sigillata-Teller aus der Salvatorgasse (Abb. 9) und die Reste von Holzbauten in der Sterngasse und von den Tuchlauben (Abb. 11). In welcher Form man sich eine römische Präsenz in diesem Bereich vorstellen kann, muss aufgrund des derzeitigen Forschungsstandes jedoch offen bleiben. Der Grabstein des C. Atius, eines im Dienst verstorbenen Soldaten der 15. Legion, und die Tatsache, dass hier 97 n. Chr. das Legionslager in etwa gleicher Ausrichtung angelegt wurde, wäre ein Hinweis auf eine militärische Nutzung. In jedem Fall wurde jedoch die Straße entlang des Limes begangen. Vielleicht verlief sie zu dieser Zeit noch etwas weiter nördlich als zu der Zeit als das Legionslager bestand. Denkbar wäre daher beispielsweise auch die Existenz einer Straßenstation. Parallel zu diesen frührömischen Funden im heutigen 1. Bezirk können im 3. Bezirk in der Engelsberggasse der wohl aus tiberisch bis neronischer Zeit stammende Teller (Abb. 4) und mit ihm die „Grautonware“ (Abb. 3, 2–6) gesehen werden. Damit ist in dieser Zeit erstmals nicht nur römische Präsenz, sondern auch eine lokale zivile Bevölkerung fassbar. Diese scheint – soweit aufgrund der Keramik geschlossen werden kann – weitgehend ihre alte Lebensweise fortgeführt zu haben, öffnete sich aber auch partiell den neuen römischen Einflüssen. Die Funde aus der Engelsberggasse geben damit – neben dem Grabstein des C. Atius und den zwei neronischen bzw. galbazeitlichen Ziegeln – einen weiteren punktuellen Einblick in die noch immer bestehende Lücke zum Wissen über Vindobona am Übergang von der Spätlatène- zur frührömischen Zeit.

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Vgl. Zabehlicky – Zabehlicky 2004, 735 f.

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Grabungscode

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KRISTINA ADLER-WÖLFL

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FRÜHRÖMISCHE FUNDE AUS WIEN

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KRISTINA ADLER-WÖLFL

Mosser 2007 M. Mosser, Die Kasernen der ersten Kohorte im Legionslager Vindobona (Diss. Universität Wien 2007). Mosser u. a. 2010 M. Mosser – K. Adler-Wölfl – M. Binder – R. Chinelli – W. Chmelar – S. Czeika – G. Dembski – S. Grupe – K. Gschwantler – E. Hejl – S. Jäger-Wersonig – Chr. Jawecki – G. Kieweg-Vetters – C. Litschauer – Chr. Öllerer – S. Sakl-Oberthaler – K. Tarcsay – R. Wedenig, Die römischen Kasernen im Legionslager Vindobona. Die Ausgrabungen am Judenplatz in Wien in den Jahren 1995–1998. Band 1, Monografien der Stadtarchäologie Wien 5 (Wien 2010). Müller 1997 M. Müller, Wien 1 – Herrengasse, FÖ 36, 1997, 876–880. Müller 2000 M. Müller, Römische und neuzeitliche Funde aus Wien 3, Eslarngasse 20. Zur Befestigung der Zivilstadt von Vindobona, FuWien 3, 2000, 76–102. Neumann 1946–1950 A. Neumann, Wien 23 – Inzersdorf, FÖ 5, 1946–1950, 95. Neumann 1953 A. Neumann, Ausgrabungen und Funde im Wiener Stadtgebiet 1949/50, Veröffentlichungen des Historischen Museums der Stadt Wien 2 (Wien 1953). Neumann 1961/62 A. Neumann, Inschriften aus Vindobona, JbVGeschStadtWien 17–18, 1961/62, 7–29. Neumann 1968–71 A. Neumann, Ein Metalldepotfund aus Wien-Schwechat, ÖJh 49 Beibl, 1968–71, 301–315. Neumann 1973 A. Neumann, Ziegel aus Vindobona, RLÖ 27 (Wien 1973). Nowak 1979 H. Nowak, Wien 23 – Inzersdorf, FÖ 18, 1979, 422. Nowalski, FT J. Nowalski de Lilia, Fundtagebücher (Wien Museum, unpubliziert) Pichler 2006 E. Pichler, Ein spätlatènezeitlicher Grubenhausbefund aus Wien 3, Rudolfstiftung, FuWien 9, 2006, 4–44. Pieta 2010 K. Pieta, Die keltische Besiedlung der Slowakei. Jüngere Latènezeit (Nitra 2010). Pieta – Plachá 1999 K. Pieta – V. Plachá, Die ersten Römer im nördlichen Mitteldonauraum im Lichte neuen Grabungen in Devín, in: Th. Fischer – G. Precht – J. Tejral (Hrsg.), Germanen beiderseits des spätantiken Limes, Materialien des X. Internationalen Symposiums „Grundprobleme der frühgeschichtlichen Entwicklung im nördlichen Mitteldonaugebiet“, Xanten 2.–6. Dez. 1997, Spisy archeologického ústavu AV ČR Brno 14 (Brno 1999) 179–205. Pittioni 1939–1943 R. Pittioni, Ein spätkeltischer Töpferofenfund von Wien III, Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich 28, 1939–1943, 1–14. Pittioni 1954 R. Pittioni, Urgeschichte des österreichischen Raumes (Wien 1954). Polak 2000 M. Polak, South Gaulish Terra Sigillata with Potters’ Stamps from Vechten, ReiCretActa Suppl. 9 (Nijmegen 2000). Polaschek 1925–1929 E. Polaschek, Wien 3. Bez., FÖ 1, Heft 3–5, 1925–1929, 77. Polaschek 1935 E. Polaschek, Die römische Vergangenheit Wiens, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 15 (Wien 1935) 1–14.

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FRÜHRÖMISCHE FUNDE AUS WIEN

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KRISTINA ADLER-WÖLFL

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CHRISTOPH BAUR – ELENI SCHINDLER-K AUDELKA

MAGDALENSBERG. ZUR AUSWERTUNG AUGUSTEISCHER PLANIERSCHICHTEN – AKKULTURATION AM BEISPIEL DER EINHEIMISCHEN KERAMIK Teile dieses Aufsatzes gründen auf einer Überlegung von Eleni Schindler-Kaudelka, die bei der Diskussion „Contextos ceràmicos de epoca augustea en el Mediterraneo Occidental“ im April 2007 in Barcelona vorgetragen und 2010 in italienischer Sprache auf einer CD-Rom vorgelegt wurde: E. Schindler-Kaudelka, Magdalensberg. Ceramica e contesti di epoca augustea, in: V. Revilla – M. Roca (Hrsg.), Contextos ceramics i cultura material d’època augustal a l’occident romà. Actes de la reunió celebrada a la Universitat de Barcelona els dies 15. i 16. d’abril de 2007 (Barcelona 2010). Dort vorhandene Tabellen, Abbildungen und Diagramme wurden nicht neu erstellt.

Generelles Der knapp 800 Einträge umfassenden Publikationsliste nach zu schließen1, ist eine Vorstellung des Magdalensberges im deutschsprachigen Raum nicht erforderlich. Die Ressourcen der Markettown, die zur vollen Blüte der Stadt in augusteischer Zeit geführt haben, ruhen auf drei Grundlagen. Neben dem Rohstoffreichtum der Alpen sowie dem Geflecht der Handelsbeziehungen und damit dem Kapital der in Aquileia beheimateten großen Handelshäuser, ist die umfangreiche exportorientierte Produktion, also das handwerkliche Know-how der einheimischen Metallarbeiter zu nennen. Die wirtschaftliche Expansion der Stadt auf dem Magdalensberg ist ab spätrepublikanischer Zeit fassbar. Kurz nach der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts setzt ein intensiver Handel zwischen Aquileia und dem regnum Noricum ein. Nahezu zeitgleich startet in frühaugusteischer Zeit die Eisen- und Stahlproduktion im Sinne einer offshore facility der Händlerfamilien Aquileias. Zunächst konzentriert sich diese auf die Verarbeitung vorbereiteten Roheisens zu hochwertigen Fertigprodukten aus ferrum noricum. Bald danach ist die Intensivierung des exportorientierten Bronzehandwerks nachweisbar, während die kaiserliche Goldbarrengießerei in der spättiberischen Zeit einsetzt2.

Die Ausgangsbasis der Datierung Über die gesamte Belegdauer von annähernd 100 Jahren von der Mitte des ersten vorchristlichen bis zur Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts konnten im ergrabenen Gelände drei jeweils zweiphasige Perioden ermittelt werden3. Die relative Chronologie bleibt außer Streit. Beginn- und Enddaten der Siedlung variieren je nach Forscher zwischen dem zweiten Drittel und der Mitte des 1. Jhs. v. Chr. für die Anfänge und circa 45 bis 50 n. Chr. für die Absiedlung.4

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Magdalensberg Bibliografie 2012. Alphabetisch nach Autoren, (09.04.2013). Gostenčnik 2010, Zaccaria 2009. Schindler-Kaudelka 2012. Für die Frühzeit der Stadt siehe dazu Dolenz u. a. 2008. Argumente für eine sehr frühe Anfangszeit hat Božič 2008 gesammelt, während das Neueste zur Enddatierung von Krmnicek 2010, 106 bei der Auswertung der Münzfunde erarbeitet wurde. Eine Neufassung der späten Komplexe des numismatisch aufgearbeiteten Themas unter Einbeziehung aktualisierter Daten ist in Vorbereitung.

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CHRISTOPH BAUR – ELENI SCHINDLER-KAUDELKA

Nicht näher eingegangen wird an dieser Stelle auf die Eckpunkte des sehr engmaschigen Netzes an datierenden Fundorten, denn die Abfolge erfuhr zuletzt keine Änderung mehr5. Durch die Lage am künstlich terrassierten Hang bedingt steht eine vergleichsweise kleine ebene Fläche für Baumaßnahmen zur Verfügung. Dadurch wurden die antiken Baumeister bei kleinräumigen Umgestaltungen zu Niveauabsenkungen und anderen unkonventionellen Lösungen angeregt. Der relative Platzmangel verursacht auch das deutliche Ungleichgewicht zwischen den zahlreichen Funden der Phasen 1 und 2 und der geringen Anzahl von Strukturen dieser Epochen. Das Erdbeben gegen Ende der augusteischen Zeit und die dabei entstandenen Versturzschichten sind für eine massive antike Veränderung in der Stratigraphie verantwortlich6. Nachhaltige Auswirkungen der niederschlagsreichen Schlechtwetterperiode am Ausgang des Mittelalters machen sich im archäologischen Befund bemerkbar. Murenabgänge und Hangrutschungen führten zu chronologisch verkehrt positionierten Überlagerungen späterer Ensembles durch Rollschichten mit zeitlich früheren Materialien7. Sechzig Schlüsselkontexte, „Komplexe“ genannt, bilden die Grundlage der relativen Abfolge und, in der Abgleichung mit Kontexten von gut datierten Fundorten im westlichen Teil des Römischen Reiches sowie der Münzreihe, auch der absolutchronologischen Einordnung. Sie werden in zeitlichen Horizonten gruppiert, in denen die Repertoires der verschiedenen klassifizierten Fundgruppen zusammengestellt werden können8.

Methodische Überlegungen zur Auswertung von Planierschichten Der überwiegende Teil der augusteischen Funde vom Magdalensberg stammt aus Schichten, die bei Terrassierungs- und Planiermaßnahmen zustande kamen. Momentaufnahmen und in situ Schichten werden extrem selten beobachtet. Seit den Anfängen der Magdalensbergforschung wurden, der Not gehorchend, zum Aufbau des chronologischen Grundgerüsts Funde aus Terrassierungen und Planierungen herangezogen. Die methodische Vorgangsweise wurde bereits von den ersten Ausgräbern festgelegt9. Abräumschichten direkt unter der Grasnarbe, aufgrund der Lage am Steilhang massiv fundführend, werden lediglich als typologische Reserve genutzt. Wetterbedingte Rutschungen, Einschwemmungen und Vertragungen stellen hier die Regel und nicht die Ausnahme dar10. Datierungen orientieren sich immer am gesamten im Horizont enthaltenen Material, nicht bloß an einem durch die stratigraphische Einheit vorgegebenen Ausschnitt und in keinem Fall am Einzelfund. Schichtbereinigungen gelten trotz des fast völligen Fehlens von unbedenklichen Kontexten als nicht zulässige Verfälschung. Diese rigorose Sichtweise führt dazu, dass unterschiedlich kontaminierte Fundensembles in 180 Baulichkeiten nicht zur Erstellung des chronologischen Gerüsts verwendet werden, obschon ein Vorschlag zur Datierung erarbeitet wurde. Grundsätzlich folgen Kontexte und Ensembles bei der Datierung anderen Regeln als Einzelfunde. Diese Trivialität wird im direkten Vergleich zuweilen vernachlässigt. Bei Fehlen von geschlossenen Kontexten erweist sich die Beiziehung von Einschüttungen und Planierungen und sogar Verfallschichten als notwendig, muss allerdings restriktiv gehandhabt werden. Nur homogene Planierschichten aus gut dokumentierten stratigraphischen Beobachtungen kommen für eine sinnvolle Auswertung in Frage, und dort ist der einzelne Fund stets dem Ensemble unterzuordnen. Erstes Zeichen für das Vorhandensein einer großräumigen Planierschicht bilden über weite Distanzen streuende Passscherben, allerdings sind sie allein noch kein hinreichendes Kriterium, besonders auf Steil5 6 7 8 9 10

Schindler-Kaudelka 2012. Dolenz 2007. Schindler-Kaudelka 2001. Schindler-Kaudelka 2012. Schindler-Kaudelka 1975, 13. Schindler-Kaudelka 2004.

36

MAGDALENSBERG. ZUR AUSWERTUNG AUGUSTEISCHER PLANIERSCHICHTEN

hängen. Für die Nutzbarkeit von Straten im Hinblick auf die Erstellung einer Chronologie bilden Homogenität und Fundreichtum weitere Grundbedingungen. In Ermangelung einer Schichtenversiegelung ist besonderes Augenmerk auf deutlich erkennbare Übergänge in der Stratigraphie zu legen. Allfällig schlecht trennbare Phasenübergänge bedürfen einer separaten Kennzeichnung, müssen aber nicht grundsätzlich außer Acht gelassen werden. Absolute Datierungen von archäologischen Funden werden kontrovers diskutiert. Unterschiedliche Ergebnisse bei Funddatierung oder Kontextdatierung scheinen regelhaft. Ebenso gilt das für geschlossene Kontexte im Vergleich mit zuweilen problematischen Ensembles. Beschränkung auf Material aus gut stratifizierten, geschlossenen Schichten bringt stets einen massiven Informationsverlust mit sich. Die angetroffene Keramik entzieht sich aufgrund ihrer Fragmentierung einer sinnvollen Interpretation und zum Formverständnis muss auf gut erkennbare Funde aus kontaminierten Straten zurückgegriffen werden, zuweilen sogar auf antiquarisch aufgearbeitete Altfunde. Interaktionen zwischen diesen drei Sichtweisen bleiben in Ermangelung von anderen Quellen zum Studium von Funden und zur Erstellung einer chronologischen Basis nach wie vor Gebot der Stunde. Unter Berücksichtigung von Produktion, Stil, Entwicklung, Verbreitung sowie naturwissenschaftlicher Analysen geht die antiquarische Sicht in der Auswertung vom Einzelfund aus, während die kontextuelle Sicht das Fundstück in seinen zeitlich stets von den jüngsten Stücken abhängigen Fundzusammenhang stellt. Neben neuesten Modetrends enthalten Kontexte stets auch Altstücke und Residuals, wobei diese sogar bei Importwaren oft schwer von aktueller Modeware zu trennen sind. Regionales und Lokales entzieht sich bei seriöser Argumentation aufgrund der Langlebigkeit der Formen und dem häufigen Fehlen gültiger Klassifikationen einer derartigen Teilung. Zudem streut die Fabrikation oftmals über mehrere Generationen. Damit erweitert sich automatisch der Datierungsrahmen eines Fundes im Kontext, während der Einzelfund an Bedeutung verliert11. H. v. Petrikovits hat das einmal im Gespräch folgendermaßen formuliert: „Hierbei ist insbesondere an Planierschichten zu denken, für deren Materialzusammensetzung das Vorhandensein von residualen Objekten durch Vermengung mit sekundärem Kontext charakteristisch ist“. Zählungen und statistische Auswertungen müssen in der Bearbeitung von Terrassierungs- und Planierschichten die vorhandenen Bruchstücke berücksichtigen und können rechtens nicht auf der fiktiv erstellten Mindestgefäßanzahl aufbauen, insbesondere wenn das Restaurieren von Individuen aufgrund der Ausdehnung der Planie logistisch auf auffällige Stücke beschränkt bleiben muss. Bei Wandfragmenten von Transportgefäßen und Kochgeschirr sind die Merkmale nicht offensichtlich genug, um Passstücke mehr als stichprobenartig zu erfassen. Es kann in keinem Fall gesagt werden, ob alle zusammengehörigen Bruchstücke erkannt wurden. Andrerseits kann ganz allgemein bei Nutzung der MGA Daten, abgesehen von Grabkontexten, stets nur ein theoretischer Näherungswert errechnet werden. Ein quantitativer Ansatz von den gezählten Fragmenten her ist in jedem Falle ehrlicher. Bei Einhaltung strikter Regeln eignen sich Füllschichten nicht nur als typologische Reserven sondern stellen eine solide Basis für chronologische Überlegungen dar.

Drei augusteische Kontexte im Vergleich Die in frühaugusteischer Zeit erfolgte Hangglättung für die Errichtung des Bronzegewerbeparks am Osthang, eine Terrasse oberhalb des Forumsniveaus (= OR-Hang hinter OR/18, 19), die weitläufige Planierschicht des Südhanggeländes eine Terrasse unterhalb des Forums gelegen (= augusteische Planierschicht des Südhanges) und die in der frühen Neuzeit bei einem Hangrutsch entstandene Rollschicht zwei Terrassen oberhalb des Forums an seinem Westrand (= über T/1–T/3) bieten eine optimale Ausgangsbasis für Überlegungen zu Fundensembles augusteischer Zeitstellung (Abb. 1).

11

Dolenz u. a. 2008.

37

CHRISTOPH BAUR – ELENI SCHINDLER-KAUDELKA

Abb. 1: Magdalensberg Generalplan. Grau unterlegt die drei behandelten Kontexte (= Schindler-Kaudelka 2010, fig. 1.) Nach Piccottini-Vetters 2003 adaptiert von F. Kraft.

Die tabellarische Zusammenstellung der Fundzahlen, gezählt an Randfragmenten nach Erstellung von Individuen gibt Einblick in die hierorts üblichen Möglichkeiten und Bedingungen für die Arbeit mit dem Material. Die Ausgangszahlen

absolut OR-Hang

Südhang Rollschicht

41

78

6

290

1075

118

337

184

prozentuell OR-Hang

Südhang Rollschicht

Schwarze Sigillata

2%

1%

0%

258

Terra Sigillata

15%

17%

16%

33

Norditalica Decorata

6%

5%

2%

613

96

Feinware

10%

9%

6%

34

105

86

Lampen

2%

2%

5% 3%

45

198

49

Pompeianischrote Platten

2%

3%

12

74

7

Mortaria

1%

1%

1%

140

618

132

Amphoren

7%

10%

8%

82

66

215

Helltoniges

4%

1%

14%

339

1166

221

Feine Graue Keramik

18%

18%

14%

152

312

47

Dreifußschüsseln und Deckel

8%

5%

3%

450

1781

383

Koch- und Vorratstöpfe

24%

28%

24%

6

27

53

Gläser

0%

0%

3%

7

28

11

Münzen

1%

0%

1%

1900

6478

1597

Gesamt

100%

100%

100%

38

MAGDALENSBERG. ZUR AUSWERTUNG AUGUSTEISCHER PLANIERSCHICHTEN

Zahlen, und noch mehr errechnete Prozente werden als etwas Absolutes wahrgenommen und erhalten unter Vernachlässigung des Gesetzes der Großen Zahlen aus der Mathematik einen hohen argumentativen Stellenwert. An dieser Stelle sei noch einmal auf die Gefahr hingewiesen, die eine derartige Fixierung mit sich bringt. Wir sehen einen Ausschnitt von etwa 1% der in der Antike im Umlauf befindlichen Keramik. Völlig unbekannt sind die Parameter zur Wiederverwertung, völlig unbekannt sind ebenso die Mengen an Hausrat aus vergangenen Materialien. Angesichts der großen Zahl an Unbekannten scheint Vorsicht bei Schlussfolgerungen aus Quantifikationen angebracht. Dennoch kann das eine oder andere Streiflicht daraus bei der Lösung von Fragen behilflich sein, gleich ob die Argumentation unterstützt oder ad absurdum geführt wird. Der Querschnitt der Fundzahlen in der Tabelle entspricht den üblichen und ist ebenso unauffällig wie die Zusammensetzung. Bis zu 50% importierte Elemente sind charakteristisch und regelhaft. Man ist versucht, diese verhältnismäßig geringe Präsenz von lokalen Erzeugnissen mit der bis in die 60er Jahre des 20. Jhs. gängigen Selektion zu koppeln. Allerdings bleiben die Proportionen für die später untersuchten Areale unverändert. In den 80ern war diese Praxis der Ausscheidung längst eingestellt, zumal gerade die einheimische Keramik aufgrund der Übergangsstellung zwischen spätem Latène und Frührömischem längst in den Focus der Keramikforschung gerückt war. Krmnicek stellt bei der Kontrolle der Materialbasis der Münzen keinen Unterschied zwischen den frühen Grabungsjahren und den mit verfeinerten Grabungsmethoden assoziierten späteren Jahren fest, wobei Münzen zu keiner Zeit zur Elimination freigegeben waren.12 Bis auf helltonige Krüge und Flaschen bleiben die Schwankungen im Rahmen der statistischen Unschärfe über die gesamte augusteische Zeit konstant. Im Vergleich der drei Fundorte stellt sich eine leichte Verschiebung bei einigen Kategorien ein, die gemeinsam mit anderen Argumenten der Verfeinerung des Bildes dienen kann.

Die Terrassierung für den Gewerbepark am Ostrand des Forums Hermann Vetters beobachtete bei der Grabung 1966 unterhalb des mächtigen Oberflächenstratums zwei unterschiedliche Schüttrichtungen, die Schichten 2 und 3 der Aufschüttung des OR-Hanges hinter OR/18 und OR/19. Im Abraummaterial der etwa 350–400 m² umfassenden, bis zu 3,5 m mächtigen Schicht enthalten waren nicht näher bestimmbare Reste von Fachwerkmauern, bauliche Strukturen wurden hingegen keine festgestellt13. Die zahlreichen, zeitlich sehr homogenen Funde können anhand der spätesten im Kontext enthaltenen Elemente in den gleichen Horizont wie das Römerlager in Oberaden datiert werden und gehören in die Zeit bis etwa 10 v. Chr. Die Ähnlichkeiten der zivilen Siedlung auf dem Magdalensberg mit den Militärlagern an Rhein und Lippe sind allerdings aufgrund der unterschiedlichen Lieferströme geringer als oft postuliert wird. Der Vergleich mit den Stempelreihen der Terra Sigillata aus den frühen Lagern genügt als Nachweis dieser Verschiedenheit.14 Ein Blick auf die Zusammensetzung der Funde im Kontext erbringt Folgendes15 (Abb. 2 und 3): Schwarze Sigillata gibt mit 41 Einheiten ein kräftiges Lebenszeichen. Formal bestimmend ist die Platte mit Schrägrand. Diese und die wohl im Service dazu benützten Glockenschalen wurden großteils in padanischen Werkstätten gefertigt. Für die frühe Kaiserzeit bleibt die Terra Sigillata das Leitfossil. Nach Formen aufgeschlüsselt besteht ein deutlicher Überhang der frühen Formen, Schrägrandteller und Schalen, Glockenschalen und Platten und Teller mit gestreckten Rändern. Deutlich geringer sind hingegen die Zahlen der klassischen Service 1 Formen. Bis auf zwei Schalen fehlen Service 2 Formen noch völlig. Grundlage der Zählung bilden die Tabellen und Tafeln der glatten roten Sigillata vom Magdalensberg.16 12 13 14 15 16

Krmnicek 2010, 32, Diagramm 2. Vetters 1969. Roth-Rubi 2006, 40–66. Im Detail zuletzt Schindler-Kaudelka 2010, 464. Schindler – Scheffenegger 1977, Taf. 138–141.

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CHRISTOPH BAUR – ELENI SCHINDLER-KAUDELKA

Abb. 2: Keramische Funde aus der Planierung am OR-Hang in Auswahl. Importiertes Tischgeschirr. (= Schindler-Kaudelka 2010, fig. 2). Zeichnung E. Schindler-Kaudelka, Digitalisierung F. Kraft.

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MAGDALENSBERG. ZUR AUSWERTUNG AUGUSTEISCHER PLANIERSCHICHTEN

Abb. 3: Keramische Funde aus der Planierung am OR-Hang in Auswahl. Einheimisches Tisch- und Küchengeschirr; Importiertes Kochgeschirr.(= Schindler-Kaudelka 2010, fig. 3). Zeichnung E. Schindler-Kaudelka, Digitalisierung F. Kraft.

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CHRISTOPH BAUR – ELENI SCHINDLER-KAUDELKA

In der Liste der insgesamt 36 Sigillatastempel markieren Cephalo, Hilarus und Luccius das Ende des Horizonts. Drei Arretiner L. Tettius Samia, Sabio L. Umbrici und Sex. Petronius stehen 15 padanischen Töpfern gegenüber17. Nach Kenrick ist die Zusammensetzung typisch für die Phase A “Early non standardized shapes; variability of fabric between red and black“.18 In den Model gedrehte Trinkgefäße der Norditalica decorata mit unglaublichem Variantenreichtum im Detail der Dekore sind für die frühe Phase charakteristisch. Die Überzahl wird von zylindrischen Bechern der Acowerkstätten gebildet, während die zahlenmäßig geringeren Doppelhenkelschalen mit eingeschnürter Wand aus dem Sariuskreis vor allem durch ihr verhältnismäßig geringes Fassungsvermögen auffallen. Ob die verschiedenen Zahlen Hinweise auf eine zeitliche Abfolge darstellen oder lediglich die größere Haltbarkeit der Sariusware widerspiegeln, bleibt offen. Die dünnwandigen Gefäße weisen einen geringen Standardisierungsindex mit einer einzigen Leitform auf, den Bechern mit versetzten Reliefstreifen, ergänzt von einer großen Zahl nur einmal vorkommender Varianten.19 Noch überwiegen im Repertoire die Hochformen im Verhältnis 5 : 1 zu Breitformen. Letztere treten vor allem in glatten und rauwandigen halbkugeligen Schalen auf. Residual zu wertende gobelets cloutés Marabini 1 kommen noch häufig vor. Das Repertoire der zahlreichen Lampen besteht in Übergangsformen mit einem starken Anteil an spätrepublikanischen Tiegellampen und Dressel 3 Lampen. Daneben zeigen Bildlampen Loeschcke 1A mit stumpfer Dreiecksvolutenschnauze, dass Produktions- und Verwendungszeit anderen Zyklen unterworfen sind20. Importiertes Kochgeschirr umfasst vornehmlich Backplatten (=VRP) aus den Werkstätten um den Vesuv. Hängende und eckige Randbildungen dominieren. Die auffallend kleine Zahl an Mortaria, hier vornehmlich Rote Reibschüsseln und Dramont 1 mit gestrecktem Rand aus Latium dürfte nicht dem realen Umlauf entsprechen sondern auf die robuste dickwandige Beschaffenheit zurückzuführen sein. Bei helltonigen Krügen steht nicht immer fest, ob sie als Transportbehälter dienten oder für den Gebrauch bei Tisch importiert wurden. Ihr Standardisierungsgrad in Formen und Größen ist gering. Zahlenmäßig überwiegen in den Fundkontexten der Frühzeit stets die Einhenkelkrüge, wobei aus dem hellenistischen übernommene Lagynosformen fehlen. Amphoren kommen in großen Stückzahlen vor, die meisten kleinteilig zerscherbt. Das ist ein Indiz für mehrfache Umlagerung. Weinimporte aus dem östlichen Mittelmeerraum, vornehmlich Dressel 2–4, stehen einem deutlichen Überhang der Importe aus Italien gegenüber, vor allem Dressel 6A aber auch Lamboglia 2. Zahlreich auch italische Ölamphoren Dressel 6B, wobei offen bleibt, ob die Importe aus Istrien noch nicht in vollem Maß eingesetzt haben oder ob Langlebigkeit und hoher Wiederverwertungsgrad zur Verfälschung des Bildes führen. Neben den Firmen des Cosa, Iunius Patiens, P. Q. Scapula, L. Salvi, Vari Pacci enthält die Planie zwei Amphorenstempel unklarer Lesung [---]VR[---] und CVMM[---]. Der einzige mit Sicherheit istrische Ölproduzent ist Costini.21 Zahlen und Formen der lokal gefertigten Koch- und Vorratstöpfe sowie des einheimischen feinen Tischgeschirrs aller drei im Vergleich verwendeten Kontexte werden weiter unten von Christoph Baur ausgewertet. Ausschließlich geformte Gefäße aus marmorgemagerten Tonen wurden beobachtet. Töpfe mit Innenlippen dominieren, gefolgt von gedrungenen Proto-Auerbergformen und kammstrichverzierten Töpfen mit s-förmigem Profil. Das feine Tischgeschirr bleibt über die gesamte augusteische Zeit konstant in zwei Formenkreise geteilt. Neben Gefäßen keltischer Herkunft werden Platten, Teller und Schalen der Importe aus Italien übernommen. Die Münzreihe, auf keltisches Kleinsilber in unauffälligen Stückzahlen beschränkt, gibt keinen absoluten terminus post quem an.22 17 18 19 20 21 22

Schindler – Scheffenegger 1977, Taf. 141. Oxé u. a. 2000, 36. Schindler-Kaudelka 2012. Farka 1977, 161. Schindler-Kaudelka 2010. Krmnicek 2010.

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MAGDALENSBERG. ZUR AUSWERTUNG AUGUSTEISCHER PLANIERSCHICHTEN

Glas gehört in dieser Phase noch nicht zu den für alle verfügbaren Gütern. Hoher Wert und daraus folgende Langlebigkeit könnten eine Erklärung dafür bieten. Allerdings könnte die für alle wertvollen Materialien übliche Altstoffsammlung bereits früh eingesetzt haben und zur Verfälschung der Endzahlen beitragen. Nachweise für Glasrecycling gibt es erst viel später. Flache geformte Schalen Isings 18 und Rippenschalen Isings 3, alle in Sonderfarben und Mustern gehören zum Inventar der Einschüttung.23

Das neue urbanistische Konzept nach der Katastrophe Um etwa 8/9 n. Chr. wurden nach einem Erdbeben große Teile der Stadt auf dem Magdalensberg in Schutt und Asche gelegt. Beim Wiederaufbau wurde die Chance zur Umsetzung eines völlig neuen Konzepts in der Stadtgestaltung genützt.24 Auf annähernd 2.000 m² wurde ein mehrgeschossiges Wohn- und Geschäftsviertel errichtet, und dazu waren umfangreiche Erdarbeiten notwendig. In den 1980er Jahren von Gernot Piccottini ausgegraben, erwies sich die Arbeit am überreichen Fundmaterial von der Logistik her anspruchsvoll.25 Auf die Spur der Planierung führte der in zwei Teile gebrochene Stempel des L. Umbricius auf einer istrischen Ölamphore, dessen Fragmente mehr als 80 Meter voneinander entfernt aufgefunden wurden.26 Innerhalb der Homogenität des Materials streut die zeitliche Spanne über drei ungleich bestückte Gruppen, deren umfangreichste die frühaugusteische Zeit umfasst. Nur halb so viele Funde decken die mittelaugusteische Zeit ab, während die spätesten Formen nur etwa ein Zehntel der Gesamtfunde ausmachen. Zur Terrassierung, die durch eine kleine Anzahl von Tellern Consp. 20 und Schälchen Consp. 24 in die letzten Jahre des Augustus datiert wird, wurden drei Schutthalden herangezogen (Abb. 4–6). Die schwarzen Sigillaten gehören ausschließlich der größten der Schutthalden an, zusammen mit den über 670 Sigillatagefäßen der frühaugusteischen Zeit. Immer wieder wurden Nester mit schwarzer Sigillata, vornehmlich Schrägränder und Glockenschalen, aufgefunden27. Nur wenige gestreckte Ränder und vereinzelte stark residuale Formen ergänzen das Panorama. Auf 10 arretinische Gefäße kommen 3 padanische, das entspricht den Verhältnissen am OR-Hang.28 Die beiden späteren Gruppen zählen zusammen halb so viele Stücke wie die frühesten Formen der Terra Sigillata. Schiefrandservice mit zugehörigen Kugelschalen sowie gestreckte Ränder in Platten, Tellern und Schalen, nahezu ausschließlich padanischer Produktion, also Formen, die annähernd zeitgleich auch in schwarzer Ware im Umlauf waren, stellen den größten Anteil der Sigillaten, während die mittlere Zeit vornehmlich mit Service 1 und Service 2 abgedeckt wird. Die Anzahl der frühen Stempel steht nicht ganz in Einklang mit jener der frühen Randfragmente, während die Zusammensetzung für den Magdalensberg typisch bleibt. Insgesamt 58 Lieferanten wurden auf 89 Stempeln gezählt, davon 6 arretinische.29 Zahlreich und im Dekorationsdetail typologisch hochinteressant ist die Norditalica decorata. Hilfreich für eine Verbesserung der Feindatierung sind die zum größten Teil in winzige Stücke zerbrochenen Fragmente allerdings nicht.30 Bei den dünnwandigen Schalen und Bechern zeigt sich die Problematik der Lesbarkeit mehrfach umgelagerter Funde. Nur wenig Ganzstücke sind rekonstruierbar. Ausschließlich Becher und Schälchen ohne Überzug wurden angetroffen, nur zum geringsten Teil rauwandig. Als Leitform der gesamten augusteischen Zeit ist auch in diesem Ensemble der offensichtlich lange Zeit zum Standardrepertoire der Töpfer gehörende zylindrische Becher mit versetzten Reliefstreifen zu nennen. Unverzierte Becher mit hohem 23 24 25 26 27 28 29 30

Czurda-Ruth 1977, 237. Dolenz 2007. Piccottini 1998. Schindler-Kaudelka 2009, fig. 2. Zur Schichtendatierung SH/12–15 und 16 siehe Piccottini 1998, 132. Schindler 1986, Abb. 1 und 2. Zabehlicky-Scheffenegger 1998, 195. Schindler-Kaudelka 1998, 289.

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CHRISTOPH BAUR – ELENI SCHINDLER-KAUDELKA

Abb. 4: Keramische Funde aus der Planierschicht des Südhanges in Auswahl. Importiertes Tischgeschirr. (= Schindler-Kaudelka 2010, fig. 4). Zeichnung E. Schindler-Kaudelka, Digitalisierung F. Kraft.

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MAGDALENSBERG. ZUR AUSWERTUNG AUGUSTEISCHER PLANIERSCHICHTEN

Abb. 5: Keramische Funde aus derPlanierschicht des Südhanges in Auswahl. Einheimisches Tisch- und Küchengeschirr; Importiertes Kochgeschirr, Transport- und Schwerkeramik.(= Schindler-Kaudelka 2010, fig. 5). Zeichnung E. Schindler-Kaudelka, Digitalisierung F. Kraft.

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CHRISTOPH BAUR – ELENI SCHINDLER-KAUDELKA

Abb. 6: Keramische Funde aus der Planierschicht des Südhanges in Auswahl. Einheimisches Küchengeschirr. (= Schindler-Kaudelka 2010, fig. 6). Zeichnung E. Schindler-Kaudelka, Digitalisierung F. Kraft.

Bogenrand Marabini 4 stehen zeitlich am Beginn und sind an die frühesten Sigillataformen anzuhängen. Gobelets cloutés Marabini 1 müssen bereits als residual betrachtet werden. Töpfchen mit Noppendekor und mit Warzenreihen sind in die reifaugusteische Zeit zu setzen. Das Verhältnis von Bechern zu Schalen entspricht aufgrund des hohen Anteils an früher Ware mit 4:1 immer noch annähernd dem der Frühzeit.31 Tiegellampen vom esquilinischen Typ, Var. Norditalica, Satyrlampen und Buckeldekorlampen sind der Frühzeit des Horizonts zuzurechnen, doch zahlreicher vertreten sind Loeschcke1 Bildlampen mit Dreiecksvolutenschnauze. Etwa ein Drittel davon gehört dem dritten Schub der Schuttdeponie an. Bei langlebigen Konsumgütern wie es das importierte Kochgeschirr und die Amphoren darstellen, wird die Situation kompliziert, denn eine Teilung, wie sie bei der Terra Sigillata durchführbar ist, mutiert zum Hasardspiel. Das Repertoire der Backplatten wird wohl erst im letzten Drittel um solche mit einfach gebogenem Rand erweitert, wobei die älteren Formen deutlich in der Überzahl bleiben. Eine innen gestempelte orlo bifido Platte gehört der Großproduktion des Marius an32. Mortaria Dramont 2 mit hängendem Rand fehlen im Ensemble, was wohl nicht chronologisch zu werten ist, sondern vielmehr auf die lange Haltbarkeit dieser massiven Schwerkeramiken zurückgeführt werden kann. Gesamtzahl und Formenreichtum der helltonigen Krüge der Planierschicht werden dem Repertoire nicht gerecht. Ein deutlicher Einbruch in Gefäßen und Typen ist zu bemerken, der vielleicht mit einem Lieferengpass in Verbindung gebracht werden kann. Offen bleibt dabei die Frage nach einem Ersatz, denn weder Sigillatakrüge noch Glaskrüge sind in ausreichendem Ausmaß vertreten. Amphoren sind in allen gängigen Formen aus den verschiedensten Herkunftsgebieten präsent, am häufigsten Ölamphoren istrischer Produktion33. Wie stets in augusteischen Fundzusammenhängen des Magdalensberges fehlen spanische Garumamphoren. Es ist nicht bekannt, in welchen Behältern diese Genussmittel die Stadt erreicht haben. Weinamphoren Dressel 2–4 kommen mehrheitlich aus dem ägäischen Raum, nur von wenigen Exemplaren italischer Herkunft ergänzt. Weine aus Italien wurden in Dressel 6A antransportiert. Amphorendeckel sind in der Planierschicht selten. Gemeinsam mit den Schlag- und Schleifspuren an Schulterfragmenten kann das als Hinweis auf Mehrfachverwendung gewertet werden. Bei den Koch- und Vorratstöpfen regionaler Produktion ist bei gleichbleibender Technologie eine marginale Entwicklung hin zu schlankeren Formen zu sehen. Nach wie vor fehlen Standardisierungsmerkmale. Auch die Größen zeigen bei Töpfen ebenso wie bei den Dreifußschüsseln und den zugehörigen Deckeln keine regelhaften Attribute. Einheimisches Tischgeschirr folgt weiter den Moden keltischer und italischer Typologie. 31 32 33

Schindler-Kaudelka 1998, 389. Schindler-Kaudelka 1986, Taf. 2,6. Vgl. Stempelliste Schindler-Kaudelka 2010, 471.

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MAGDALENSBERG. ZUR AUSWERTUNG AUGUSTEISCHER PLANIERSCHICHTEN

Die Münzliste umfasst mehrheitlich keltische Prägungen mit langer Laufzeit. Der terminus post quem wird von einem in zwei Teile gehackten Münzmeister As mit Prägedatum 6 v. Chr. festgesetzt34. Charakteristisch für den typologisch geringen Ausschnitt der Glasfunde der Planie ist der Überhang der Rippenschalen Isings 3 und zarten Rippenschalen Isings 17. Vereinzelte Balsamarien Isings 8 wurden beobachtet. Ein paar Fragmente gehören noch zum Luxusglas, darunter Mosaikglas der Form Isings 1 und Wandstücke von Achatglas sowie ein Fragment Goldbandglas35.

Die Rollschicht des späten Mittelalters Schon in den fünfziger Jahren tauchten im Aushubmaterial des westlichen Forumsbereichs immer wieder vereinzelt Funde des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit auf. Die Bearbeitung der Eisenmesser36 erweiterte den Bestand an Funden dieser Zeit und wurde mit vermehrter Begehung aufgrund des Kirchenbaus interpretiert. Bei den Grabungen 1987 traf Gernot Piccottini unter dem Hangschutt, der das Haus T/1–T/3 auf rund 200 m² hangseitig in einer Mächtigkeit bis zu 3,5 m überdeckte, eine zunächst rätselhafte upside down Situation an, bei der eine umfangreiche, mit ausschließlich augusteischem Material bestückte Schicht eine der typischen Verfallschichten der tiberisch-claudischen Epoche überdeckte. Es ist von einem Murenabgang auszugehen, der in der frühen Neuzeit eine oberhalb des heutigen Archäologischen Parks gelegene Terrasse erfasste und an noch aufrecht stehenden Mauern im Westteil des Forums zum Stehen kam. Ein halbes Dutzend frühneuzeitlicher Gefäßfragmente mit einer zeitlichen Streuung vom 14. bis ins späte 15. Jh. datiert gemeinsam mit einer Münze des Kaisers Maximilian aus 1514 den bis heute im Gelände deutlich sichtbaren Erdrutsch. Unter den 6.000 Einträgen des Fundjournals wurde 1996 eine Selektion von 325 Zeichnungen publiziert37 (Abb. 7 und 8). Schwarze Sigillata ist in der Rollschicht unter die Wahrnehmungsgrenze gerutscht, auch wenn ein besonders schöner Peltastempel auf hartem Fabrikat im Fundmaterial vorhanden ist. Im Spektrum der Terra Sigillata fällt ein beträchtlicher Teil an nicht zugewiesenen Bodenfragmenten auf. Service 1 und Service 2 halten sich die Waage, mit einem leichten Überhang der späteren Schälchen. Neue Varianten wurden nicht registriert. Unter den 27 Sigillatastempeln hervorzuheben sind 2 Erzeugnisse aus Loron38, während der Rest wie im Fundmaterial des Magdalensbergs üblich, einen Überhang von padanischen Töpfern zeigt. Auch Norditalica decorata hat an Bedeutung verloren, sieht man vom Fragment eines Spruchbechers der Acastus Werkstätte ab, das einen Passscherben über dem Gebäude WR/1am südwestlichen Ende der Rollschicht hat39. Im Repertoire der dünnwandigen Schalen und Becher tauchen neben den üblichen zylindrischen Bechern mit versetzten Reliefstreifen und den Bechern mit hohem Bogenrand einige in spätaugusteischen Horizonten Italiens bekannte Neuformen auf, so etwa der zonendekorierte Doppelhenkelbecher Marabini 46 und die Griffplatte eines Skyphos Marabini 28. Lampen bieten ein gegenüber den anderen Kontexten unverändertes Bild. Neben Altstücken wie Tiegellampen 3 und Satyrkopflampen gibt es aktuelle Dreiecksvolutenschnauzen Loeschcke 1A und 1B mit Rosetten oder Gladiatoren im Spiegel.

34 35 36 37 38 39

Krmnicek 2010. Czurda 1998. Dolenz 1992. Schindler-Kaudelka 1996. Zabehlicky-Scheffenegger 2004. Schindler-Kaudelka 2010, Fig. 11.

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CHRISTOPH BAUR – ELENI SCHINDLER-KAUDELKA

Abb. 7: Keramische Funde aus der Rollschicht über T/1–T/3 in Auswahl. Importiertes Tisch- und Küchengeschirr. Einheimisches Tischgeschirr. (= Schindler-Kaudelka 2010, fig. 9).

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Abb. 8: Keramische Funde aus der Rollschicht über T/1–T/3 in Auswahl. Einheimisches Kochgeschirr, Transportkeramik; Spätmittelalterliche Belege (= Schindler-Kaudelka2010, fig. 10). Zeichnung E. Schindler-Kaudelka, Digitalisierung F. Kraft.

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CHRISTOPH BAUR – ELENI SCHINDLER-KAUDELKA

Unauffällig und zeitlich weitgefächert bleibt der Formenschatz des importierten Kochgeschirrs. L. Hel He(), ein vordem nicht bekannter Fabrikant von Backplatten bereichert die Namensliste40, während bei den Mortaria der Produzent M. Cimon zu nennen ist. Weiterhin fehlen die hängenden Ränder der schweren Dramont 2. Die Zahlen der helltonigen Krüge sind auf die Normziffern hochgeschnellt, und damit entfaltet sich formal die komplette Bandbreite der Krüge. Auch große Doppelhenkelkrüge mit Halsring und mehrfach gerieftem Bandhenkel, bei denen an eine Verwendung als Transportgefäß zu denken ist, sind im Fundmaterial der Rollschicht präsent. Auch in diesem Kontext fehlen Amphoren für Erzeugnisse der iberischen Nahrungsmittelproduktion, während Dressel 6B Amphoren aus Istrien deutlich repräsentiert sind. Die Stempelliste umfasst vornehmlich Laekanii aus Fazana und auch Mes Cae aus Loron. Die Anzahl dieser Stempel im Kontext bildet ein eindeutiges Argument gegen den Vorschlag von Daniele Manacorda zur Auflösung der Sigle mit Mes(salinae) Cae(saris)41. Bei den lokal gefertigten Koch- und Vorratstöpfen zeichnet sich ein Wechsel im Repertoire ab. Nach wie vor ist marmorgemagerte Ware die Norm und es ist keine Standardisierung festzustellen. Die Gefäße tendieren zu geringeren Fassungsvermögen, Dreiecksränder mit deutlichen Einsattelungen am Hals werden häufiger und die Variationsbreite der Kammstrichdekore bleibt verwirrend unübersichtlich. Das Formenspektrum des einheimischen feinen Tischgeschirrs bleibt unverändert, Weiterentwicklung findet keine statt. Die Münzreihe endet mit drei Assen der Münzmeisterserie und bildet einen terminus post quem von 7 v. Chr. Glas, noch immer nicht zu den für alle verfügbaren Gütern gehörig, steigt im Anteil von vordem 0% auf die auch allgemein auf dem Magdalensberg mit wenigen Ausnahmen üblichen 3%. Typologisch gesehen sind keine Auffälligkeiten zu bemerken, häufigste Funde bleiben Rippenschalen Isings 3 und zarte Rippenschalen Isings 17.

Auswertung Die Formen der roten Terra Sigillata im Wandel der drei Kontexte

Früheste Formen 40–20 v. Chr.

Die Ausgangszahlen, bereinigt um die nicht zugewiesenen Bodenfragmente von Platten und Tellern sowie Schalen und Schälchen ergeben folgende Tabelle:

40 41

Form Consp. 1 Consp. 2 Consp. 4 Consp. 5 Consp. 7 Consp. 8 Consp. 10 Consp. 14 Consp. 36 Consp. 53

OR-Hang 36 10 13 34 17 12 10 12 1

Schindler-Kaudelka 1996, 288. Manacorda 2010.

50

Südhang 182 20 30 9 91 31 132 132 47

Rollschicht 10 3 2 6 5 12 23

MAGDALENSBERG. ZUR AUSWERTUNG AUGUSTEISCHER PLANIERSCHICHTEN

Späte Formen 10 v. – 15 n. Chr.

Mittlere Formen 20–10 v. Chr.

Form Consp. 9 Consp. 11 Consp. 12 Consp. 13 Consp. 53 Consp. 22 Consp. 38 Consp. 18 Consp. 20 Consp. 24

OR-Hang 4 5 14 15 2

Südhang 15 11 215 8 2 53 6 83 3 5

Rollschicht 3 4 32 2 23 3 29 11

Daraus ergibt sich folgender Vergleich der Prozentsätze der in den drei Ensembles vorhandenen Sigillataformen. Mag das auf den ersten Blick wie eine Spielerei mit Tabellenkalkulationen wirken, lässt sich dennoch aus dem Wechsel ein Trend ablesen.

Früheste Formen 40–20 v. Chr. Mittlere Formen 20–10 v. Chr. Späte Formen 10 v. Chr. – 15 n. Chr.

OR-Hang 86% 14% 0%

Südhang 63% 28% 9%

Rollschicht 23% 27% 50%

Die drei Fundensembles sind nicht deckungsgleich. Anhand der Veränderung im Formenspektrum wird die manifeste Verschiebung des chronologischen Schwerpunkts nachvollziehbar. Die Terra Sigillata der Planierung für den Gewerbepark bleibt auf die frühesten Formen beschränkt. Am Südhang und in der Rollschicht streut sie über die gesamte augusteische Zeit, aber die Unterschiede sind auch hier signifikant. Den Zahlen nach zu schließen haben die frühesten in der Rollschicht enthaltenen Formen residualen Wert, und die Funde als Ganzes gehören wohl einem Gebäude der spätaugusteischen Zeit an. In der Planierschicht des Südhanges stehen hingegen nur die 9% an spätaugusteischen Funden mit der am Ort erfolgten Einebnung von zerstörten Gebäuden in Zusammenhang.

In allen drei Kontexten vorkommende Stempel auf roter Terra Sigillata Die Töpfer und ihre Stempel42 sind zahlreich, denn meist handelt es sich um ein bis dreimal vorkommende Namen. Auf dem OR-Hang sind 22, auf dem Südhang 37 und in der Rollschicht 14 nur einmal präsent. Die Zahl der in zwei oder allen drei Planien gemeinsam vertretenen Sigillatastempel ist nicht allzu hoch. Dennoch bildet sie einen weiteren wichtigen Parameter für den Vergleich der drei Kontexte untereinander.

40 v. Chr. 30 v. Chr.

OR-Hang C. Sertorius Ocella A. Sestius Arretinum A. Titius Aescinas

20 v. Chr.

42

Südhang C. Sertorius Ocella A. Sestius Arretinum A. Titius Aescinas Sex annius Serius

Schindler-Kaudelka 2010.

51

Rollschicht A. Sestius A. Titius Sex. Annius Serius

CHRISTOPH BAUR – ELENI SCHINDLER-KAUDELKA

OR-Hang Hetaerus

Südhang Hetaerus

Rollschicht

Philadelphus Cephalo Hilarus Luccius Sarius Solo

Philadelphus

15 v. Chr.

10 v. Chr.

Cephalo Hilarus Luccius

0

Hilarus Luccius Sarius Solo

Ähnlich verhält es sich mit den Werkstattnamen auf Norditalica decorata, doch das Bild wird wegen der nicht bekannten Rolle dieser Namen im Produktionsprozess verschwommener. OR-Hang Adelphus

Südhang

Buccio Norbani Stepanus Norbani

Buccio Norbani

Rollschicht

Acofabrikanten

Norbanus

C. Aco C. Aco C.L. Antiochus C. Aco C.L. Eros

Aco C. Aco

Acastus Aco Hilarus Aco Eros Hilarus

Sariusfabrikanten

Aco C. Aco C. Aco C.L. Antiochus

Hilarus Aco Diophanes Eros Hilarus Hilarus Gavi Sarius L. Sarius Surus

Diophanes Hilarus Sarius Surus

L. Surus L. Surus Surus C TA

Die Anteile der roten Terra Sigillata am feinen Geschirr im Wandel der drei Kontexte Im Vergleich der drei Schüttungen bildet das Verhältnis der schwarzen Sigillata, der Norditalica decorata und der glatten roten Sigillata einen signifikanten Marker für die relativchronologische Einordnung. Die relative Abfolge der augusteischen Kontexte ist an diesem Verhältnis sowie an der steigenden Präsenz von Glasfunden ablesbar. Der Anteil an Norditalica decorata und schwarzer Ware verringert sich zugunsten glatter roter Sigillata, je weiter hinein in die reifaugusteische Zeit der Kontext reicht und je weniger frühaugusteisches Material darin enthalten ist. Von 65% am OR-Hang steigt die glatte rote Ware auf 72% im Südhangmaterial und erreicht 87% in der Rollschicht über T/1–T/3. 52

MAGDALENSBERG. ZUR AUSWERTUNG AUGUSTEISCHER PLANIERSCHICHTEN

Weitere Überlegungen zur Quantifizierung erweisen sich als mäßig relevant, zum einen wegen der oft starken Fragmentierung der angetroffenen Feinkeramik und zum anderen wegen der archäologisch nicht seriös berechenbaren Lebensdauer von Schwerkeramik. Deutliche Abfolgen lassen sich hingegen im regional gefertigten Hausrat diagnostizieren. Offensichtlich bewirkten die Gewohnheiten der Zuwanderer starke Änderungen. Diese Einflüsse führten zum Ausdünnen des vordem üblichen Formenschatzes des Koch- und Vorratsgeschirrs bis hin zu einem kompletten Umbruch in den Gefäßformen des Alltags ab der spätaugusteischen Zeit.

Akkulturation am Beispiel der einheimischen Keramik Nach einer ersten kurzen Präsentation in den 1990er Jahren43 wurde die bereits von G. Mossler 1949 definierte Gruppe der einheimischen Ware vom Magdalensberg in diversen Teilaspekten vorgestellt44. Hier soll kurz auf die Übergangs- und Mischformen zwischen keltischen und römischen Keramiktypologien hingewiesen werden. Es lassen sich grob drei Fabrikate unterscheiden45. Eine detaillierte naturwissenschaftlich gestützte Differenzierung bleibt der Gesamtvorlage des Koch- und Vorratsgeschirrs vorbehalten. Von Interesse ist in Zusammenhang mit den augusteischen Kontexten aus Planierschichten vornehmlich das in feinen, schwach seifigen Tonen ohne sichtbare Magerung grau gebrannte Tafelgeschirr und einzelne, verwandte Formen in den zwei groben Fabrikaten. Zumal umfassende Studien in Arbeit sind46, werden hier anhand ausgewählter Fundensembles – vorwiegend aus den Planierschichten – einige Entwicklungstendenzen aufgezeigt. Ein Ausblick weist auf noch ausständige Forschungsarbeit hin.

43 44

45 46

Schindler-Kaudelka – Zabehlicky-Scheffenegger 1995. Moßler 1949, dies. 1950, 1952, 1963 und 1986; Flügel – Schindler-Kaudelka 1995; Schindler-Kaudelka – Zabehlicky-Scheffenegger 1995; Schindler-Kaudelka 1997a; Schindler-Kaudelka 1997b; Zabehlicky-Scheffenegger 1997; Zabehlicky-Scheffenegger – Sauer 1997; Zabehlicky-Scheffenegger 2001; Schindler-Kaudelka 2002a; Schindler-Kaudelka – Zabehlicky-Scheffenegger 2007; Schindler-Kaudelka 2012. Schindler-Kaudelka – Zabehlicky-Scheffenegger 1995, 177–179. Eine umfassende Vorlage der groben einheimischen Koch-und Vorratsgefäße wird derzeit von E. Schindler-Kaudelka vorbereitet. Dreifußschüsseln und zugehörige Töpfermarken behandelt S. Zabehlicky-Scheffenegger. Die feine graue Ware wird von Ch. Baur bearbeitet. An dieser Stelle sei Frau Dr. Susanne Zabehlicky-Scheffenegger und Dr. Heimo Dolenz für die Bereitstellung des Fundmaterials vom Magdalensberg herzlichst gedankt.

53

CHRISTOPH BAUR – ELENI SCHINDLER-KAUDELKA

Spätrepublikanisch-Frühaugusteisches Feine graue Ware ist bereits in den frühesten Schichten des Magdalensberges vertreten und umfasst im Wesentlichen Formen des regional produzierten Tafelgeschirrs. Absolutchronologisch hängt diese Keramik freilich an den im Befund vergesellschafteten Importen, die an verschiedener Stelle ausführlich behandelt und vorgestellt wurden. Auf diesen frühesten Horizont wird nicht näher eingegangen.47 Bereits residual vertreten sind in den frühesten Kontexten verschiedene latènezeitliche Topfformen mit Kreisaugenstempeln und Stichelverzierungen sowie zylindrische Humpen und Gurtenbecher. Gleiches gilt für importierte oxidierend gebrannte Töpfe mit schwarz-weißer Bemalung oder mit Batikdekor48. Für das zeitgenössische einheimische Keramikrepertoire sind neben kugeligen und bikonischen Töpfen mit ausgebogenem und/oder verdicktem Rand sowie Schüsseln mit umgeschlagenem Rand vor allem Knickwandschüsseln mit Wellenband- und Rillenverzierung charakteristisch. Bei den Hochformen ist vor allem auf die in Grab- aber auch in Siedlungskontexten vertretenen Schlauchurnen zu verweisen.49 In feiner grauer Ware kommen darüber hinaus lokale Nachbildungen bestimmter Formen der schwarzen und roten Sigillata vor50. Besonders hervorzuheben ist das vollständige Service italischen Tafelgeschirrs bestehend aus einer Servierplatte sowie je drei Tellern, Glockenschüsseln und ergänzenden grauen Bechern norditalischer Herkunft aus dem in situ versiegelten Fundkomplex OR/20 C Schicht c51. Das grobkeramische Formenrepertoire der Koch- und Vorratsgefäße dieser Zeitstufe umfasst vorwiegend bauchige Töpfe mit gerundeten und dreieckigen Rändern, mit unzähligen sehr individuell gestalteten Oberflächenverzierungen. Breitformen sind von untergeordneter Bedeutung. Die marmorgemagerten handaufgebauten Gefäße sind oft nachgedreht und stets reduzierend gebrannt. Ihre braun bis rot gefleckte Außenfärbung kam überwiegend aufgrund ihrer Verwendung als Kochgeschirr zustande und ist nicht auf eine unkontrollierte Brennatmosphäre in der Produktion zurückzuführen. Der Verwendungszweck verlangt robuste, langlebige Gefäße und die nicht standardisierte Fabrikation begünstigt den Variantenreichtum der Randausbildungen, Gefäßproportionen und -größen. Beides erschwert derzeit die Erstellung einer nachvollziehbaren zeitlichen Reihung nach formalen Kriterien.

Augusteisches Feinkeramik Seit Beginn der Grabungen im Jahr 1948 wurden etwa 10.000 Gefäßeinheiten der feinen grauen Ware erfasst, deren Bearbeitung aufgrund ihrer enormen Menge einige logistische Probleme mit sich bringt: - Die Evaluierung typologischer Entwicklungsschritte der feinen grauen Ware innerhalb der sehr engmaschigen Magdalensbergchronologie kann nur auf Grundlage einer fundierten Typenreihe erfolgen. Ihre Ausarbeitung ist vordringlichstes Ziel.52 - Die formale Tradition der einheimischen Tafelkeramik integriert römische Elemente ohne dabei ihre urgeschichtlichen Wurzeln aufzugeben. Sowohl Produzenten als auch Konsumenten waren ähnlichen Romanisierungsprozessen unterworfen. Methodisch muss folglich eine Bearbeitung sowohl urgeschichtliche als auch provinzialrömische Forschungsansätze verfolgen. 47

48

49

50 51

52

Eine tabellarische Zusammenstellung der datierenden Fundkomplexe aus Periode 1, Phase 1 samt umfassender Literaturangaben wurde jüngst bei Dolenz u. a. 2008, 251–253 vorgelegt. Wie bereits bei Mossler 1951, 42 f. festgestellt handelt es sich dabei um westliche Importe, die auf dem Magdalensberg sehr selten sind. Bei den Ausgrabungen 2006 und 2008 im Bereich des Annexwalles fanden sich mehrere Fragmente dieser Warenarten; vgl. Dolenz u. a. 2008, 235–238 mit Abb. 2/11. Das umrissene Formenrepertoire ist keineswegs als vollständig zu betrachten; eine umfassende Typologie der feinen grauen Ware bleibt der Bearbeitung von Ch. Baur vorbehalten. Zum feinen grauen Tafelgeschirr italischer Form vom Magdalensberg siehe Zabehlicky-Scheffenegger 2001. Zum Grabungsbefund siehe Vetters 1963; zu den Funden Schindler-Kaudelka 2002b mit einer Zusammenfassung der entsprechenden Literatur. Vgl. auch Božič 2008, 128 f. Bei den Bechern handelt es sich um Importe aus Norditalien. Wesentliche typologische Vorarbeiten wurden bereits von Schindler-Kaudelka – Zabehlicky-Scheffenegger 1995, 180 Abb. 2,10–4,42 bzw. Zabehlicky-Scheffenegger 2001 geleistet.

54

MAGDALENSBERG. ZUR AUSWERTUNG AUGUSTEISCHER PLANIERSCHICHTEN

- Parallel benützte keltische und römische Formen von Tafelgeschirr sind untrennbar mit Speise- und Menütraditionen sowie mit Tischsitten und -manieren verknüpft. Stehen die Änderungen im Repertoire am Beginn dieser Entwicklung oder begründet die Änderung der Tischgewohnheiten erst die veränderten Formen? - Verlässliche Angaben zu Mindestgefäßanzahlen der einzelnen Formen und Varianten, deren Größenverhältnisse bzw. Volumina sind noch ausständig. Bis zur Klärung dieser offenen Fragen bleibt die Behandlung des einheimischen Tischgeschirrs aus den Planierschichten auf allgemeine Aussagen beschränkt. Grundsätzlich lassen sich zwei Formgruppen unterscheiden, einheimisch-keltische Formen und italische Formen.

Tischgeschirr auf keltische Art Die indigenen Formen sind einem gesamteuropäischen Rahmen verhaftet. Ihre bestimmenden Elemente bleiben trotz lokaler Fabrikation und daraus resultierenden regionalen Eigenheiten die gleichen. Produziert wurden verschiedene Formen von Schüsseln, Töpfen, Bechern und Flaschen. Im Vergleich zu den Formen der Phase 153 lassen sich am feinen einheimischen Tafelgeschirr Tendenzen ablesen, die für ein lebendiges Töpferhandwerk in der Region sprechen. Große Töpfe aus feingeschlämmtem Rohmaterial verlieren zugunsten grobkeramischer Erzeugnisse zusehends an Bedeutung. So geht die Entwicklung bei den Schüsseln und Bechern hin zu kleineren, handlicheren Formen. Damit einher geht auch eine sukzessive Standardisierung. Unterschiede in Gefäßformen und -größen werden geringer. Der Eindruck einer enormen Variationsbreite entsteht vor allem durch unterschiedlich ausgebildete Lippen, nämlich verdickte, umgeschlagene, ausladende sowie ein- und ausbiegende Ränder. Anhand der drei augusteischen Planierschichten wird die Veränderung am Anteil des Geschirrs einheimischer Formgebung im Verlauf der Zeit sichtbar. Ausgangsbasis Zählung einheimisch gesamt OR Hang 339 602

Südhang Rollschicht 1166 221 2093 430

OR Hang 36% 64%

Südhang Rollschicht 36% 34% 64% 66%

OR Hang 219 120

Zählungen feines Tischgeschirr Südhang Rollschicht OR Hang 731 122 keltische Formen 65% 435 99 römische Formen 35%

Südhang Rollschicht 63% 55% 37% 45%

feines Tischgeschirr grobes Küchengeschirr

In allen drei Kontexten bleibt das Verhältnis der einheimischen Feinkeramik zum groben Koch- und Vorratsgeschirr konstant bei etwa 1 : 2. Während in der Planierschicht für den Gewerbepark und in der Umgestaltung des Südhanges nach dem Erdbeben der Anteil des Tischgeschirrs keltischer Formgebung im Verhältnis zu italisch inspirierten Formen konstant bei zwei Drittel liegt, ist er in der Rollschicht beinahe ausgeglichen. Bis in spätaugusteische Zeit übersteigt der Anteil italischer Formen jedoch nie jenen der keltischen.

Tischgeschirr auf römische Art In augusteischer Zeit nimmt die Bedeutung der Nachbildungen roter Sigillataformen im feinen grauen Fabrikat zu, während der schwarzen Sigillata verwandte Formen ebenso wie ihre Vorbilder nur mehr residual vertreten sind. 53

Vgl. Dolenz u. a. 2008.

55

CHRISTOPH BAUR – ELENI SCHINDLER-KAUDELKA

Abb. 9: Ein Familienfoto: Formen der roten Sigillata und ihre einheimische Verwandtschaft (K. Gostenčnik).

Umgesetzt werden weiterhin formal simple Typen von Tellern, Schalen, Krügen und Bechern (Abb. 9 und 10). Beliebt sind Teller mit gerundeter oder schräger Wand, mit und ohne abgesetzter Lippe, entsprechend den Formen Consp. 1.1, 2.1, 2.3 und 4.4 (Abb. 10, 1–4), Glockenschalen in der Art von Consp. 8 (Abb. 10, 5), seltene Schalen mit profiliertem Dreiecksrand nach dem Vorbild der Formen Consp. 13.3 und 14 (Abb. 10, 6) sowie konische Schalen mit Steilrand ähnlich wie Consp. 17 und 22 (Abb. 10, 7–8). Bei den der schwarzen und roten Sigillata nachempfundenen Formen ist keine von den römischen Moden unabhängige Entwicklung festzustellen. Die italischen Formen werden übernommen, Abwandlungen sind äußerst selten und nicht notwendigerweise intentionell. Nachbildungen zweihenkliger Krüge (Abb. 10, 9) können sowohl auf Sigillatakrüge als auch auf gelbtonige italische Krüge zurückgeführt werden. Dem Formengut der italischen Feinware sind halbkugelige Schälchen Marabini 36 (Abb. 10, 10) und eiförmige Becher mit hohem sichelförmig aufgebogenem Rand Marabini 4 (Abb. 10, 11) entlehnt. Letztere sind als einzige der italisch inspirierten Formen mit einem gitterartigen Dekor verziert, der bei den italischen Vorbildern nicht vorkommt54. Selbstverständlich stellen die Keramiken „à la romaine“ keine Sonderanfertigungen dar. Das Phänomen der parallel gefertigten auf zwei Formtraditionen aufgebauten Gefäßtypen ist nicht auf Noricum beschränkt. So sind „helvetische Sigillata-Imitiationen“ und „belgische Ware“ seit langem fest umrissene Warengruppen55, die nicht nur eine Auswahl italischer Sigillataformen kopieren. Hier wird gleichermaßen versucht, den Oberflächeneffekt zu erreichen, wobei nie die Technik der echten italischen Sigillaten zur Anwendung kommt. Auf den häufig mit Herstellermarken gestempelten Gefäßen sind als Produzenten entweder einheimische Töpfer oder solche ohne Verbindungen zu italischen Manufakturen genannt. Die frühesten helvetischen Produkte kommen ab etwa 10 v. Chr., die belgischen bereits etwas früher ab etwa 20 v. Chr. in Umlauf. Eine andere Entwicklung steht am Beginn der Pettauer Sigillata56, deren italisches 54 55 56

Zabehlicky-Scheffenegger 2001, 460. Schnurbein 1990, 22 f. und Zabehlicky-Scheffenegger 2001, Anm. 2 mit weiterer Literatur. Istenič 1999.

56

MAGDALENSBERG. ZUR AUSWERTUNG AUGUSTEISCHER PLANIERSCHICHTEN

Abb. 10: Einheimische Nachbildungen italischer Formen. Maßstab 1 : 3. Zeichnung nach S. Zabehlicky-Scheffenegger 2001, Abb. 1 und 2.

Repertoire mit Consp. 20 beginnt und allem Anschein nach in Zusammenhang mit der Ankunft der 13. Legion an diesem Standort zu sehen ist. Anders als diese Keramiken wurden die Gefäße italischer Formgebung vom Magdalensberg stets in makroskopisch gleichartigen Rohmaterialien mit gleich gestalteter Oberfläche produziert wie ihre in einheimisch-keltischer Formtradition stehenden Vettern. Sie sind sorgfältig gedreht, teilweise geglättet, nur in den seltensten Fällen mit Polierspuren und nahezu niemals mit Glanztonresten auf uns gekommen. Aus einem im 19. Jh. aufgedeckten Grab vom Lugbichel stammt ein mindestens fünfzehn Stücke umfassendes Service an intentionell oxidierend ausgeführten Schrägrandtellern und Service 2 Schalen57. Sie sind allesamt rosabraun in Oberfläche und Scherben. 57

Der genaue Fundort ist nicht mehr zu eruieren, alle Stücke tragen jedoch die Bleistiftaufschrift „Helenenberg“ in der Handschrift des Ausgräbers Gallenstein.

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CHRISTOPH BAUR – ELENI SCHINDLER-KAUDELKA

Abb. 11: Formen einheimischer Koch- und Vorratsgefäße in augusteischer Zeit. Maßstab 1 : 4. Zeichnung E. Schindler-Kaudelka, Digitalisierung F. Kraft.

Stempel sind bisher nicht belegt. Daher wird im Fall der hiesigen italisch inspirierten Tafelkeramik die Bezeichnung Imitationen vermieden.

Grobkeramik aus den augusteischen Planierschichten Die Grobkeramik zeigt wie schon in spätrepublikanischen Fundkontexten beobachtet, ein gedrungenes Aussehen ohne nachvollziehbare Größenstandardisierung. Töpfe mit mandelförmigem Rand werden weniger gebaucht aufgebaut und nähern sich formal dem ab tiberischer Zeit üblichen klassischen Auerbergtopf an, bleiben allerdings meist deutlich größer dimensioniert als dieser. Rückgeführt werden sie auf Formen der Graphittonware, die am Magdalensberg seit Anbeginn der Besiedlung nachgewiesen sind58. Die mit Graphit gemagerte und daher sehr hitzebeständige Drehscheibenware 58

Zabehlicky-Scheffenegger 1997.

58

MAGDALENSBERG. ZUR AUSWERTUNG AUGUSTEISCHER PLANIERSCHICHTEN

umfasst tonnenförmige Gefäße mit stark betonten Rändern von dreieckigem bis mandelförmigem Querschnitt und senkrechtem Kammstrich. Funktional gehört sie zum Kochgeschirr. Sie bildet das Standardrepertoire spätlatènezeitlicher Siedlungen in Mitteleuropa. Mit etwa 300 Exemplaren ist die Stückzahl am Magdalensberg im Vergleich zu den gängigen Fabrikaten erstaunlich gering. Sie treten bereits in spätrepublikanischen Fundzusammenhängen auf, sind jedoch vornehmlich in den augusteischen Schichten belegt und laufen in frühtiberischer Zeit aus. Offen bleibt vorerst, ob dies auf eine Produktion bis in augusteische Zeit oder ihre hohe Schockresistenz zurückgeführt werden kann. Die Formen werden weiter tradiert, allerdings ohne Graphitanreicherung in den Tonen. Daraus entwickeln sich in weiterer Folge in Rätien, Noricum und Pannonien die Auerbergtöpfe59. Die ausschließlich reduzierend gebrannte Grobkeramik vom Magdalensberg erscheint in augusteischer Zeit von handaufgebautem und nachgedrehtem, marmorgemagertem Koch- und Vorratsgeschirr geprägt. Hochformen bestimmen das Bild, die Breitformen sind auf Dreifußschüsseln und zugehörige Deckel beschränkt. Die meisten vorrömischen Formen gehen mit indifferenten Entwicklungsschritten in das Repertoire der römerzeitlichen Keramik über und werden in Noricum zeitlich auch nach der Aufgabe des Magdalensberges angetroffen. Über die gesamte Belegzeit zahlreich bleiben zylindrische Humpen mit Innenlippe und glatter Oberfläche ebenso wie bauchige Töpfe mit S-förmigem Rand und Kammstrichbündeln. Neben Protoauerbergtöpfen mit unterschiedlichen Randbildungen und unglaublich variationsreichen Kammstrichverzierungen finden sich vor allem geradwandige Töpfe mit Rundrändern, zuweilen mit profiliertem Hals (Abb. 11). Während in der Planierschicht am OR-Hang scheibengedrehte, mit endemischem Quarz gemagerte Grobkeramik fehlt, ist diese in tiberisch-claudischen Fundkomplexen zunehmend wichtigere Gruppe in der Planierschicht am Südhang und der Rollschicht bereits ansatzweise vertreten60. Dreifußschüsseln kommen bei weitem nicht so zahlreich vor. Der Grad der Standardisierung ist in den augusteischen Horizonten auch bei dieser traditionell alpinen Form gering.

Diskussion Entwicklungen im Formenschatz des feinen grauen Tafelgeschirrs Innerhalb dieser kurzen Zeitspanne kann aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Bearbeitung lediglich eine Tendenz aufgezeigt werden. Allerdings steht die sehr individuelle Gestaltung des Materials einer strengen, linear aufgefassten Gliederung entgegen. Feines graues Tischgeschirr wurde offensichtlich bereits seit dem Anfang der Siedlung um die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts benützt. Zur Anfangsdatierung der Produktion kann der Magdalensberg nach bisherigem Kenntnisstand nichts beitragen. Auch das Angebot an Tellern und Schalen italischer Mode, vor allem der schwarzen und roten Sigillata nachempfundene Formen, fand seit den frühesten Besiedlungsphasen neben ihren importierten Vorbildern einen Absatzmarkt vor. In mittelaugusteischer Zeit sind Nachbildungen schwarzer Sigillata ebenso wie ihre Vorbilder residual zu werten. OR Hang 41 290 118 184 219 120

59 60

Südhang Rollschicht 78 6 1075 258 337 33 613 96

Importiertes Tischgeschirr OR Hang Schwarze Sigillata 4% Terra Sigillata 30% Norditalica decorata 12% Dünnwandige Keramik 19% Feines einheimisches Tischgeschirr 731 122 Keltische Formen 23% 435 99 Römische Formen 12% Einheimisches Tischgeschirr gesamt 35%

Südhang Rollschicht 2% 1% 33% 42% 10% 5% 19% 16% 22% 13% 35%

Flügel – Schindler-Kaudelka 1995, 66–72; Schindler-Kaudelka – Zabehlicky-Scheffenegger 2007, 226–229. Schindler-Kaudelka 2004, 250.

59

20% 16% 36%

CHRISTOPH BAUR – ELENI SCHINDLER-KAUDELKA

Vergleicht man die Zahlen des einheimischen Tafelgeschirrs in den drei Fundkomplexen in der Gegenüberstellung mit der aus schwarzer und roter Sigillata, Norditalica decorata und Feinware gebildeten Gruppe, so zeigt sich ein konstanter Anteil des einheimischen Tafelgeschirrs von rund einem Drittel des im Umlauf befindlichen Materials. Mit 35% übersteigt der Anteil des einheimischen Tischgeschirrs in den beiden früheren Kontexten den der roten Sigillata. Erst in der Rollschicht stellt rote Sigillata den Hauptanteil des Tafelgeschirrs. Bei diesem Vergleich ist allerdings zu berücksichtigen, dass in der roten Sigillata kein Trinkgeschirr enthalten ist. Die Abhängigkeit des einheimischen Tafelgeschirrs in Formen und Zahlen vom Import der roten Sigillata rechtfertigt den Vergleich in der folgenden Tabelle: OR Hang 280

Südhang Rollschicht 1075

OR Hang

Südhang Rollschicht

258

Terra Sigillata

46%

48%

54%

Feines Tischgeschirr keltische Formen Feines Tischgeschirr römische Formen

35%

33%

25%

19%

19%

21%

219

731

122

120

435

99

In den beiden zeitlich jüngeren Komplexen zeigen sich gleichermaßen ein leichter Anstieg der Sigillata und eine Verringerung des keltischen Geschirrs. Der Anteil der Nachbildungen bleibt konstant. Im spätesten Kontext steigt die Sigillata sprunghaft an, was einen ebenso sprunghaften Einbruch des einheimisch geprägten Tafelgeschirrs zur Folge hat. Diese Entwicklung wird von einem dezenten Anstieg beim Anteil der italischen Nachbildung sogar noch unterstrichen. In Bezug auf die Datierung ergibt sich daraus folgendes Bild: Die Zahlen bestätigen die bisher gültige Annahme, Produkte einheimischen Tafelgeschirrs keltischen wie italischen Charakters hätten bis in spätaugusteische Zeit zum Standard am Tisch der Bewohner des Magdalensberges gehört61. Der beträchtliche Anteil von konstant einem Drittel des Tafelgeschirrs in allen drei vorgestellten Fundkontexten kann allfällig einen Hinweis auf den Stellenwert der einheimischen Bevölkerung geben. Dagegen verdeutlichen die Stückzahlen der roten Sigillata den weitreichenden Einfluss des italischen Imports auf die Produktion einheimischer Formen. Der Einbruch keltischen Formengutes beim Tafelgeschirr steht in Zusammengang mit der Überschwemmung des Marktes mit Importen. Der leichte Anstieg der Zahlen bei den italisch inspirierten Formen ist als Reaktion und Korrektiv der hiesigen Töpfer auf die einbrechenden Absatzzahlen zu werten. Sind die Anfänge der Produktion vom Magdalensberg aus nicht fassbar, so hängt ihr Ende chronologisch an den italisch geprägten Formen. Nachaugusteische Formen der roten Sigillata wurden nicht mehr umgesetzt62. Zu den spätesten beobachteten Gefäßen des römischen Formenkreises gehören Nachbildungen der Service 2 Schale Consp. 22. Diese in Oberaden und Haltern häufig vertretene Form wurde um 20–10 v. Chr. eingeführt63. Unter Berücksichtigung von Produktions- und Transportzeiten der Vorbilder sowie ihrer Eingliederung ins einheimische Repertoire ist eine Produktion auch der keltischen Formen des feinen grauen Tafelgeschirrs zumindest bis zur Zeitenwende wahrscheinlich. Wie lange Herstellung und Verwendung dieses typischen Geschirrs in Gebieten mit weniger gutem Zugang zum römischen Handel weiterging, bleibt offen. Eine Kontrolle der hier aufgezeigten Entwicklungstendenzen anhand von Vergleichen mit nachaugusteischen Fundorten ist geplant64. 61 62 63 64

Zabehlicky-Scheffenegger 2001, 460. Zabehlicky-Scheffenegger 2001, 460. Philip M. Kenrick im Consp., 90. Aus Platzgründen war eine Aufnahme der im Depot des Magdalensbergs befindlichen Stücke nicht an den Originalen möglich, sondern nur anhand der Fundjournale, was jedoch zu größeren Ungenauigkeit führen würde.

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MAGDALENSBERG. ZUR AUSWERTUNG AUGUSTEISCHER PLANIERSCHICHTEN

Zur Entwicklung im Formenschatz des Koch- und Vorratsgeschirrs Nur als Streiflicht wird hier die Entwicklung der Grobkeramik angerissen. Formgebundenheit, Funktionalität und Langlebigkeit ihres Repertoires gehen mit der Verwendung als Koch- und Vorratsgeschirr einher. Aus diesem Grund durchläuft die Grobkeramik tendenziell andere Abfolgen. Unter Rückgriff auf Formen der Graphittonware entwickeln sich bereits in der Frühzeit der Siedlung innerhalb der regional hergestellten handgeformten marmorgemagerten Ware die augusteischen Proto-Auerbergtöpfe Noricums als Vorform der schlanken klassischen Auerbergtöpfe der tiberischen Zeit65. Geformte Protoauerbergtöpfe mit Marmormagerung bilden in augusteischen Kontexten die erdrückende Mehrheit, in weitem Abstand gefolgt von Dreifußschüsseln und Deckeln aus gleichen Tonen. Ab spätaugusteischer Zeit werden scheibengedrehte Formen mit endemischer Quarzmagerung beobachtet, deren Produktion sich ab tiberischer Zeit durchsetzt. Mit der vermehrten Herstellung in dieser Technik setzt die Standardisierung des Repertoires in der Grobkeramik ein. Das betrifft neben den herkömmlichen Formen mit betonter Schulter und ausgeprägtem Rand die neuen tonnenförmigen Kochtöpfe66, führt aber auch zu Neubildungen bei Dreifußschüsseln und Deckel. Die Hochformen werden zusehends schlanker und gestreckter im Stil, die bauchige, gedrungene Form geht verloren. Große Unterschiede bleiben im unerschöpflichen Motivschatz der Oberflächenverzierungen bestehen und hinterlassen den Eindruck einer stark individuell geprägten Produktion, die anders als etwa in Gallien oder Norditalien nur schwer in Werkstattgruppen zu teilen ist. Eine Zuordnung des Formenschatzes zu den norischen Völkern ist, anders als in Teilen Galliens zu den verschiedenen gallischen Gruppen, nicht möglich. Trotz Angleichung der Formen ans Repertoire im Sinne eines Geschirrsatzes bleibt die Gestaltung der großen Vorratstöpfe und Dolien produktionsbedingt wesentlich freier.

Ausblick Versatzstücke – Aus alt wird neu Untersucht werden soll die Rückbesinnung auf altmodische keltische Formgebung in neuem Gewand im Sinne der reinvented tradition. Sie besteht in der Hinzufügung neuer Details keltischer Tradition auf Formen römischer Prägung. Die Zusammensetzung der Koch- und Vorratstöpfe aus dem in spättiberischer Zeit zerstörten Kaufhaus SH/5 ist eine gänzlich andere als die in den augusteischen Straten angetroffene (Abb. 12). Einheimisch-keltische Elemente sind den dort vertretenen Gefäßformen ebenso wenig abzusprechen, wie Merkmale römischer Formgebung. Typisch für diese späte Ware im keltischen Duktus sind sorgfältige scharfkantige Verzierungen mit vegetabil wirkendem Ritz- und Einstichdekor. Selten wird Barbotinedekor angewandt, meist Warzen mit vorgestanzten Positionsringen, selten Gräten. Andere erhaben auf der Gefäßoberfläche aufgetragene Verzierungen fehlen. Die Beschränkung auf einzelne Formdetails bei der Interpretation führte in der Vergangenheit zu Fehlurteilen im Hinblick auf die zeitliche Einordnung. Im einheimischen Töpferhandwerk zeichnet sich einerseits der Trend zum Retro-Look ab. Einheimisch-keltische Formen, ursprünglich auf das feine graue Fabrikat beschränkt, bereichern nunmehr das Repertoire im quarzgemagerten groben Fabrikat. So entsprechen Schlauchurnen (Abb. 12, 3) – eine der klassischen Formen der frühen einheimischen Feinkeramik – trotz ihrer deutlichen Profilierung mit dem hinzugefügten Zonendekor zwar ihren glatten Vorgängern, stellen aber eine eindeutige Weiterentwicklung dar. Andererseits besteht eine Tendenz zur Schöpfung von kompletten Neolatène-Formen. Den tonnenförmigen Kochtöpfen mit Zonendekor und den bauchigen Töpfen mit hochgezogener kegelförmiger Halspartie

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Flügel – Schindler-Kaudelka 1995, 71. Schindler-Kaudelka 1997.

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Abb. 12: Formen einheimischer Koch- und Vorratsgefäße in tiberisch-claudischer Zeit. Zeichnung E. Schindler-Kaudelka, Digitalisierung F. Kraft.

ist ein keltischer Duktus eigen (Abb. 12, 4 und 6). Beide Formen sind in vortiberischen Fundzusammenhängen nicht belegt.

Umschöpfungen und Service In formaler Hinsicht kommt es auch zusehends zur Aufnahme, Adaption und Umwandlung importierter Gefäßformen, die als regionale Neuschöpfungen zu bewerten sind. Beispielhaft konnte dies für Gitter62

MAGDALENSBERG. ZUR AUSWERTUNG AUGUSTEISCHER PLANIERSCHICHTEN

Abb. 13: Einheimische Weinservice? A: Gitterbecher und Gittertöpfe, B: unverzierte Töpfe mit Innenlippe, Maßstab 1 : 4, C: Töpfe mit S-förmigem Rand, Maßstab 1 : 4. Foto S. Zabehlicky-Scheffenegger, Zeichnung E. Schindler-Kaudelka, Digitalisierung F. Kraft.

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CHRISTOPH BAUR – ELENI SCHINDLER-KAUDELKA

Abb. 14: Einheimische Küchensets? A: mit erhabenen Barbotinewarzen, B: mit einfachen geritzten Wellenlinien, Maßstab 1 : 4. Zeichnung E. Schindler-Kaudelka, Digitalisierung F. Kraft.

becher und Gittertöpfe aufgezeigt werden67. Aus zwei italischen Trinkbechern dünnwandiger Ware der frühtiberischen Zeit entsteht durch Hinzufügen von formal gleichen Behältern anderer Größe ein komplettes Service für den vor den Römern bei uns nicht nachweisbaren Wein. Die nicht mehr als Becher anzusprechenden Gefäße dienten als Wein- bzw. Wasserbehälter (Abb. 13A). Verbreitung findet das Service 67

Schindler-Kaudelka 2002a

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im Stadtgebiet von Virunum und jenem von Celeia. Derartige Gefäße sind stets mit großer Sorgfalt in quarzgemagertem Ton gedreht, wobei die auf dem Magdalensberg beobachteten Gitterbecher und -töpfe einen für hiesige Verhältnisse ausgesucht feingeschlämmten Ton innerhalb der grobgemagerten Ware aufweisen. Nicht überall wurden ganze Service benützt, wie etwa am Gräberfeld von Katsch zu sehen ist68. Dort ist lediglich die größte Form unter den Beigaben zu finden. Die Produzenten der Magdalensberger Grobkeramik waren federführend an der Entwicklung dieses regionalen Trinkservices beteiligt, welches sich weit über die Besiedlung des Handelsortes hinaus bis in hadrianische Zeit großer Beliebtheit erfreute. Umwandlung der Form und Adaption der Nutzung zur Bildung eines Services ist nicht auf Gittertöpfe und Becher beschränkt. Ähnliche Staffelungen der Gefäßgrößen, gekoppelt mit einem Überhang an Trinkbechern gegenüber größeren Behältern tauchen bei unverzierten Töpfen mit Innenlippe auf (Abb. 13B). Diese stets handaufgebaute Gefäßform bleibt als eine der wenigen über die gesamte Magdalensbergstufe im grobkeramischen Formrepertoire präsent. Bei Töpfen mit s-förmigem Rand ist die Entwicklung aufgrund der extremen Fragmentierung und des häufig schlechten Erhaltungszustandes nicht eindeutig, dürfte aber ähnlich verlaufen sein (Abb. 13C). Auch beim Kochgeschirr lassen seltene Dekorvarianten wie erhabene Barbotinewarzen (Abb. 14A) oder einfache geritzte Wellenmuster (Abb. 14B) auf Töpfen, Dreifußschüsseln und zugehörigen Deckeln an die Bildung von Geschirrsätzen denken. Überprüfung und Absicherung dieser Hypothesen mittels Referenzgruppen sind in Arbeit.

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SZILVIA BÍRÓ

DER ÖSTLICHE TEIL DER DESERTA BOIORUM. EIN FORSCHUNGSSTAND Die Forschung über die römerzeitlichen Denkmäler der Kleinen Ungarischen Tiefebene, bzw. über die Umgebung der Flüsse Raab und Marcal hat eine lange Tradition. Die Übergangsperiode zwischen La Tène- und Römerzeit und die Problematik der Romanisierung in diesem Gebiet, das bereits von Dénes Gabler zusammengefasst dargestellt wurde1, sollen hier mit neueren Fakten ergänzt werden. Dieser Bereich wurde in den antiken Quellen – als Folge der dakischen Einfälle – als deserta Boiorum bezeichnet, deren unterschiedliche Interpretationen schon mehrmals diskutiert wurden.2 Auf diesem Gebiet kamen kaum archäologische Befunde zutage, die mit der LT-D-Zeit in Verbindung gebracht werden könnten. Hingegen gibt es westlich – entlang der Bernsteinstraße und um den Neusiedlersee – relativ viele Steindenkmäler mit einheimischer Tracht und keltischer Namensgebung. Auch unter dem archäologischen Fundmaterial sind Keramik- und Metallfunde keltischer Art zu finden. Dieses Vakuum ist oft mit der stärkeren einheimischen Tradition verbunden3, da ein so großes Areal ohne Bevölkerung unvorstellbar ist. Vielleicht kann man mit einem dünneren Siedlungsnetz oder einer anderen Siedlungsstruktur rechnen.4 Zur latènezeitlichen Besiedlung des Gebietes gab es seit mehr als 30 Jahren keine zusammenfassende Arbeit.5 Obwohl in den letzten Jahrzehnten dank großflächiger Grabungen und zahlreicher Baustellenbeobachtungen viele keltische Fundorte bekannt wurden, gibt es für das 2.–1. Jh. v. Chr. nur sehr geringe Hinweise.6 Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, dass die meisten Berichte – es handelt sich vor allem um Vorberichte – keinen Unterschied zwischen den LT B-, C- und D-Perioden machen. Dabei sind relativ viele Fundorte (Siedlungen und Gräberfelder) aus den Stufen LT-B und LT-C bekannt, wobei die meisten in der Stufe LT-C enden und nicht bis in die Stufe LT-D reichen (Karte 1).7 Trotzdem darf man bis zum 2. Jh. v. Chr. mit einer großen Besiedlungsdichte auf dem Gebiet des östlichen Teils der deserta Boiorum rechnen. Mit den oppida ändert sich die Situation. Rund um die Tiefenebene treten zwei Gruppen von Höhensiedlungen auf: zum einen an den beiden Seiten der Porta Hungarica (Bratislava-Burg, Devín, Braunberg, Leopoldberg) und zum anderen südlich vom Neusiedlersee (Velem, Sopron, Schwarzenbach).8 Zu nennen ist auch im Raabtal die befestigte Siedlung von Ostffyasszonyfa.9 Die Verbindung archäologischer und historischer Quellen hinsichtlich des Boier-Daker-Krieges ist problematisch.10 Wahrscheinlich überlebten die meisten Höhensiedlungen die römische Eroberung, und ihr Ende ist mit der Gründung der nächstgelegenen römischen Militäranlage oder Siedlung zu verbinden.11 1 2 3 4 5 6

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Gabler 2003. Z. B. Dobesch 1995; Zabehliczky – Zabehliczky 2004. Gabler 2003. Zabehlicky – Zabehliczky 2004. Uzsoki 1969. Aus Komitat Győr-Moson-Sopron sind die folgenden keltischen Fundstellen bekannt: Árpás, Bágyogszovát, Mérges, Koroncó, Győr-Ménfőcsanak, Győr-Kálvária, Győr-Újszállások, Győr-Szabadhegy, Likócs, Győrszemere, Tét, Nyúl, Écs, Pannonhalma, Öttevény, Tápszentmiklós, Bezi (Uzsoki 1969); Lébény (Pusztai 1967). Im Vergleich zum Komitat Vas gibt es viele Fundorte, s. dazu: Alsóújlak, Bucsu, Potypuszta, Csepreg, Gór, Kisunyom, Kőszegfalva, Dozmat, Harasztifalu, Ják, Magyarszecsőd, Pinkamindszent, Rádóckölked, Sárvár, Sé, Sorkifalud, Tömörd (Ilon 2004; Károlyi 2004). Z. B. Győr-Ménfőcsanak – Tankó 2005. Darüber zusammenfassend siehe Urban 1999, 226–228. Károlyi 1985. Bisher kann nur in Bratislava ein Zerstörungshorizont mit dem dakischen Einfall in Verbindung gebracht werden. – Zachar – Rexa 1988. Nach O. Urban sind nur die oppida von Velem, Devín und Leopoldsberg in die LT- D-Periode zu datieren – Urban 1999, Abb. 183, 2. Devín: Harmadyová 2009, 551–555.

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SZILVIA BÍRÓ

Karte 1: Die LT B-C Fundorte in der Kleineren Tiefebene (Uzsoki 1969 ergänzt).

Ob es die Ergebnisse eines längeren wirtschaftlichen Prozesses (z. B. aus wirtschaftlichen Gründen ziehen die keltische Gruppen näher an eine römische Anlage) oder von den Römern erzwungen war, ist nicht in allen Fällen klar. Aus topographischer Sicht wäre das Gebiet des späteren Auxiliarkastells von Arrabona – an der Mündung mehrerer Flüsse (Raab, Kleine Donau, Marcal, Rábca) und auf einem kleineren Hügel – perfekt für eine spätkeltische Siedlung geeignet. Bisher gab es keine eindeutigen Belege für eine vorrömische Siedlung auf dem Káptalanhügel,12 wobei eine Zerstörung der Straten durch die spätere römische Siedlungstätigkeit nicht auszuschließen ist. Da es aber wenige Möglichkeiten und Plätze gibt, die früheste Periode zu erforschen, sollte in Betracht gezogen werden, dass es auf dem Sandhügel an der Mündung der Raab und der Kleinen Donau vorrömische Spuren gab.13 Nach den vorläufigen Berichten liegen nur sehr wenige Befunde vor, die der LT-D-Periode zuzurechnen sind. Nur 3 Fundstellen – potenziell spätkeltische Flachsiedlungen – sind im Raabtaal und in den sog. Hanság (Bereich um die späteren Kastelle Ad Flexum und Quadrata) bekannt14, was den Ausdruck „deserta Boiorum“ durch die neuen Ausgrabungen noch nicht widerlegen würde. Südlich und westlich von Savaria und 12 13

14

Szőnyi 1992, 9. Z. B. Auf dem Gebiet des Kastellvicus wurden in den letzten Jahren zwei bronzezeitliche Gräber bekannt, wo das Gräberfeld früher vermutet wurde. – Bíró u. a. 2009, 41. Es ist nicht auszuschliessen, dass die Fundorte, die als „keltische” identifiziert sind, auch in die LT-D-Periode zu setzen sind, aber bisher sind diese Fundorte nicht detailliert publiziert. LT-D-Fundorte: Gyirmót, RKM 2001, 168, no. 105; Kóny-Proletár, RKM 2008, 218, no. 215; Lébény-Magasmart – Pusztai 1967.

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DER ÖSTLICHE TEIL DER DESERTA BOIORUM. EIN FORSCHUNGSSTAND

Karte 2: Die LT D-Fundorte in der Kleineren Tiefebene (große Punkte: keltische Höhensiedlungen in der Nähe, kleine Punkte: Flachsiedlungen).

der Bernsteinstraße sind mehrere Fundorte – vor allem durch Begehungen und das Vorkommen von Streufunden – bekannt, im sumpfigen, mit vielen Flüssen geteilten unteren Raabtal treten sie jedoch kaum auf.15 Auch in südliche Richtung, im heutigen Komitat Zala, war das Gebiet dicht besiedelt, hier ist allerdings die Kontinuität zwischen den spätkeltischen und römerzeitlichen Siedlungen schon lange bekannt.16 Es ist also nicht anzunehmen, dass das Gebiet unbesiedelt war, wie es schon in mehreren Aufsätzen behauptet wurde17, es standen bisher nur wenige Informationen über diese Fundstelle zur Verfügung. Natürlich kann die Auflistung der Fundorte täuschend sein, da ohne detaillierte Bearbeitung oder Publikationen nicht eindeutig hervorgeht, ob sie in den Rahmen dieses Aufsatzes (i. e. 50 v. Chr. – 50 n. Chr.) gehören.18 Die augusteischen Militäranlagen und die erste militärische Bewegung entlang der Bernsteinstraße und im östlichen Teil der deserta Boiorum sind mehr oder weniger bekannt. Entlang der Bernsteinstraße treten die ersten Spuren militärischer Anwesenheit der Römer in Verbindung mit dem Einfall von Tiberius im Jahre 6 n. Chr. auf. Obwohl der römische Einfall ins Barbaricum letztendlich nicht stattfand, können wir ab diesem

15

16

17 18

Kőszerszerdahely; Lukácsháza; Kisunyom; Pósfa; Csepreg; Harasztifalu; Gór-Kápolnadomb; Petőmihályfalva; Hegyhátszentmárton; Csákánydoroszló; Vép; Zanat Borzó-patak und Bogácai-ér; Nárai; Söpte; Szombathely-Csónakázótó (Károlyi 2004, 162ff); Szombathely, Kálvária (Szilasi 2011); Sárvár-Móka-dűlő (Szilasi 2007); Bucsu (Ilon 2004, 78); Kőszeg (RKM 2006, 222 f., no. 192) Horváth 1987, zuletzt z. B.: Alsópáhok, Paptag (RKM 2008, 142, no. 4).; Nagykanizsa, Palin (RKM 2006, 237, no. 233; RKM 2004, 249 f., no. 257); Nagyrécse, Bakónaki-patak (RKM 2006, 238, no. 236.) Zabehliczky – Zabehlicky 2004, 735 f. Neben Sárvár kam die Siedlung zum Ende in der Mitte des 1. Jhs. v. Chr. (Szilasi 2007, 348 f.)

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Karte 3: Die römischen militärischen Anlagen (schwarze Quadrate: bewiesene Lager, graue Quadrate: vermutete Lager; 1. Győr/Arrabona, 2. Koroncó, 3. Mórichida, Kisárpás/Mursella, 4. Sárvár, 5. Petronell/Carnuntum, 6. Sopron/Scarbantia, 7. Strebersdorf, 8. Szombathely/Savaria, 9. Zalalövő/Salla).

Zeitpunkt die offizielle römische Anwesenheit annehmen (natürlich bestanden zu diesem Zeitpunkt bereits erste Handelskontakte). Der militärische Stützpunkt von Devín wurde nach dem Rückzug des Tiberius nicht aufgegeben. So eine Aufmarschroute und Nachschublinie war bis zum Ausbau des ersten ständigen Kastells in Carnuntum unter Claudius (Karte 3) notwendig.19 Wahrscheinlich gehörten zu diesem System auch die Lager und militärischen Stützpunkte von Salla, Savaria (?), Strebersdorf und Scarbantia. In Salla können zwei Perioden der militärischen Präsenz unterschieden werden. Das erste Lager wurde unter Tiberius errichtet und sein Aufgegeben ist mit einem Truppenwechsel in der Mitte des Jahrhunderts zu verbinden.20 In Savaria ist es nicht bewiesen, aber die Existenz eines Lagers ist aus strategischen Gründen zu vermuten, und auch in Scarbantia kann ein Lager nur aufgrund der Erwähnung eines aktiven Soldaten angenommen werden.21 In Strebersdorf wurden vor einigen Jahren drei Lager identifiziert und erforscht. Das erste Lager ist auch in die tiberische Zeit zu datieren und könnte zur Truppe ala Pannoniorum gehören.22 Alle Daten 19 20 21 22

Gabler 2006, 88 f. Redő 2003, 203 f. Gabler 2006. Die ala Pannoniorum wurde unter Tiberius an die Bernsteinstraße kommandiert und aufgrund von Steindenkmälern bei Peresznye (ca. 2,8 km entfernt von Strebersdorf) lokalisiert. – Groh 2009.

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DER ÖSTLICHE TEIL DER DESERTA BOIORUM. EIN FORSCHUNGSSTAND

weisen daraufhin, dass die Bernsteinstraße als militärische Aufmarschroute schon unter Tiberius ausgebaut wurde. Von der Bernsteinstraße abbiegend ist wahrscheinlich eine andere Straße im Raabtal ausgebaut worden, deren Endpunkt Arrabona war. Die Straße wurde von den Römern neu errichtet. Darauf weisen die langen, geraden Strecken, besonders im südlichen Teil zwischen Savaria und der Raab.23 Drei Fundorte können vielleicht mit dieser Aufmarschroute in Verbindung gebracht werden. Neben Sárvár sind drei Marschlager identifiziert, davon das Lager neben Sitke an der östlichen Seite des Flusses, das mit dieser frühen Periode verbunden werden kann.24 Neben Mursella wurde ein anderes Marschlager im Rahmen einer Luftbildauswertung entdeckt, das darauf hin in Form von geophysikalischen Messungen untersucht wurde.25 Zwischen Mursella und Arrabona hat Eszter Szőnyi ein weiteres, noch nicht näher untersuchtes Marschlager identifiziert (Koroncó).26 Ohne Funde aus den Fundorten ist kaum zu entscheiden, in welche Zeit diese Lager zu datieren sind, aber wir dürfen die Möglichkeit nicht ausschließen, dass sie vielleicht mit der Nachschublinie Arrabonas in Verbindung stehen konnten. Während der Ausgrabungen im Auxiliarkastell in Arrabona kamen unter einem Horizont aus claudischer Zeit einige Befunde, wie ein Grubenhaus, runde Gruben und Schichten zum Vorschein. Diese früheste Periode wurde schon von Eszter Szőnyi erkannt.27 Auch aus den späteren Schichten stammen einige Fundstücke, die in vorclaudische Zeit zu datieren sind.28 Im Folgenden soll das 5,6 m × 3 m große Grubenhaus und sein Fundmaterial näher ausgeführt werden:29 Dabei handelt es sich um eine rechteckige Struktur mit zwei Pfostenlöchern an den kürzeren Seiten. Der Boden war geebnet, wobei keine gepflasterten Bodenniveaus dokumentiert werden konnten. Die Verfüllung bestand aus zwei Schichten, von denen die obere verbrannt war und zudem viel Hüttenlehm und aschige, graue Linsen aufwies, darunter folgte eine unterschiedlich gefärbte Lehmschicht. Das südliche Pfostenloch war 60 cm tief, das nördliche war seichter.30

Funde Aus der oberen Schicht des Grubenhauses: 1. Terra Sigillata, helltonig mit korallrotem, glänzendem Überzug, Randstück mit Rädchenverzierung, Form Consp. 21.7. aus Arezzo., 1. Hälfte des 1. Jhs., Inv. Nr. 84.1.254. = Szőnyi 1990, 668, No. 1. (Taf. 1.2) 2. Terra Sigillata, helltonig mit korallrotem Überzug, Randstück, Form Consp. 14.3., italisches (etrurisches) Fabrikat, mittel- bzw. spätaugusteisch, Inv. Nr. 84.1.256. (Taf. 1.1) 3. Terra Sigillata, rottonig mit glänzendem, rotem Überzug, Form Drag. 27, Fußstück, südgallisches Fabrikat, Inv. Nr. 84.1.257. (Taf. 1.4) 4. Volutenlampe, helltonig mit braunem Überzug, Discusbruchstück, Inv. Nr. 84.1.258. (Taf. 2.2)

23 24 25 26 27 28

29

30

Tóth 1977, 74. Tóth 1977, 74; Károlyi 1985, 410 f. Szőnyi 2005; Bíró u.a. 2006. Bericht von Eszter Szőnyi – Museumarchive von Xántus-János-Museum XJM RA 13–87. Szőnyi 1992, 9 f., 12 f.; Szőnyi 1990, 667–674. Diese Funde wurden von E. Szőnyi gesammelt, darunter mehrere augusteisch-tiberische Sigillaten, frühe dünnwandige Keramik. Szőnyi 1990. Die Beschreibung des Befundes wurde aufgrund der Dokumentation der Grabung im Archiv des Xántus János Museum (Nr. XJM RA 16–81) zusammengestellt. Hier möchte ich mich bei Dr. Péter Tomka bedanken, dass er mir die Ergebnisse der Grabung, die er mit Eszter Szőnyi durchführte, zur Verfügung stellte. Lage: in der Mitte des Schnittes 2, in einer Tiefe von ungefähr 320–330 cm von der Oberfläche gerechnet. Stratigraphie: das Grubenhaus wurde mit einer grünen, lehmigen Schicht bedeckt. In diese Schicht vertieften sich die verschiedenen mit der Militäranwesenheit verbundenen Befunde.

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5. Schale, orangenfarbig mit Spuren eines orange-roten Überzugs, leicht porös, mit Sand gemagert, senkrechtere Wände mit leicht ausgebogenem Rand, die Wand ist geknickt, Inv. Nr. 84.1.259. (Taf. 2.1)

Aus der unteren Schicht des Grubenhauses: 1. Terra Sigillata, rottonig mit glänzendem, rotem Überzug, Randstück, Form Drag. 36, südgallisches Fabrikat, Inv. Nr. 84.1.235. (Taf. 1.5) 2. Terra Sigillata, hellrot mit glänzendem, rotem Überzug, Bodenstück eines Tellers der Form Ohl. 3 = Consp. 20 mit Rädchenverzierung, padanisches Fabrikat, 1. Hälfte des 1. Jhs., Inv. Nr. 84.1.236. (Taf. 1.3) 3. Bemalter Krug, rottonig mit roter Bemalung auf dem Rand, leicht porös, mit Sand und Ton gemagert, Randstück mit ausgebogenem Rand und mit einer runden Rippe am Hals, Inv. Nr. 84.1.237. (Taf. 2.3) 4. Handgemachte Schale, grautonig mit sekundären Gebrauchsspuren, mit Sand gemagert, Randstück einer sog. dakischen Schale, auf dem Rand sind Ritzungen, am oberen Teil der Wand sind netzförmige Ritzungen, Inv. Nr. 84.1.238. (Taf. 2.4) 5. Handgemachte Schale, hellbraun mit sekundären Gebrauchsspuren, mit Sand gemagert, Randstück einer sog. dakischen Schale, Inv. Nr. 84.1.239. (Taf. 2.5) 6. Wandstücke von helltonigen Amphoren, 5 St., ohne Inv. Nr. 7. Wand- und Henkelstücke eines gelben Kruges, 18 St., ohne Inv. Nr. 8. Halsstücke eines orangefarbigen Kruges mit leicht profiliertem Hals, ohne Inv. Nr. 9. Grautonige, hartgebrannte Wandfragmente, 6 St., ohne Inv. Nr. 10. Wandstücke von hellbraunen, teilweise mit sekundären Brandspuren versehenen, handgemachten Töpfen, 9 St., ohne Inv. Nr. 11. Wandstücke verschiedener, feingemagerter, grautoniger Schalen und Krüge keltischen Typs, 10 St., ohne Inv. Nr.

Aus den Gräben mit gelber, lehmiger Einfüllung, die das Grubenhaus bedeckte: 1. Terra Sigillata, gelbtonig mit braun-rotem Überzug, Bodenfragment eines Tellers der Form Ohl. 3 mit feiner Rädchenverzierung, italisches Fabrikat, Claudius-Vespasianus, Inv. Nr. 84.1.250. (Taf. 1.7) 2. Terra Sigillata, rottonig mit rotem Überzug, Randstück einer Schale der Form Drag. 37 mit Reliefverzierung, La Graufesenque, L. Cosius, 100–120 n. Chr., Inv. Nr. 84.1.251. (Taf. 1.6) 3. Becher, gelbtonig mit orangefarbigem Überzug, Rand- und Wandstück eines kugelförmigen Bechers mit leicht ausgebogenem Rand, Rädchenverzierung, Inv. Nr. 84.1.252. (Taf. 2.6) 4. Rippenschale, Boden- und Wandstücke einer türkisfarbigen Glasschale, Inv. Nr. 84.1.253. (Taf. 2.7) 5. Bandförmige Eisenfragmente, ohne Inv. Nr. 6. Terra Sigillata, helltonig mit glänzendem, rotem Überzug, Eierstab mit dreiblattförmigem Zwischenstäbchen, südgallisches Fabrikat, ohne Inv. Nr. 7. Wandstücke von helltonigen Amphoren, 2St., ohne Inv. Nr. 8. Wandstücke eines gelben Kruges, 8 St., ohne Inv. Nr. 9. Wandstücke verschiedener grautoniger, hartgebrannter Becher und Töpfe, 11 St., ohne Inv. Nr. 10. Wandstück einer grautonigen, feingemagerten Schale keltischer Art, ohne Inv. Nr. 11. Wandstück eines handgemachten, mit Muscheln gemagerten Topfes, ohne Inv. Nr.

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Tafel 1 Die Terra Sigillata aus und über dem Grubenhaus auf dem Káptalanhügel, Győr. (1–5: aus der Füllung, 6–7: aus der darüber liegenden Schicht).

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Tafel 2 Keramik aus und über dem Grubenhaus auf dem Káptalanhügel, Győr. (1–5: aus der Füllung, 6–7: aus der darüber liegenden Schicht).

Grubenhäuser sind aus militärischen Kontexten kaum bekannt, darauf hat schon E. Szőnyi aufmerksam gemacht, die den Befund als ein Aufmarschgebäude interpretierte.31 Grubenhäuser sind in keltischen Sied31

Szőnyi 1992, 9 f.

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DER ÖSTLICHE TEIL DER DESERTA BOIORUM. EIN FORSCHUNGSSTAND

Grafik 1: Verschiedene Keramiktypen aus der Füllung des Grubenhauses.

Grafik 2: Verschiedene Keramiktypen aus der Schicht über dem Grubenhaus.

lungen weit verbreitet, und auch in der Römerzeit kommen sie vor allem in ländlichen Siedlungen mit einheimischer Bevölkerung vor.32 Selten tritt der Typ in Kastellvici und in städtischem Milieu auf, und kaum in einem Kastell, Lager oder anderen militärischen Anlagen. In Pannonien ist nur ein Exemplar bisher bekannt: in Annamatia (Baracs) in Pannonia Inferior kam eine zur Holzphase gehörende Wohngrube im Gebiet des Auxiliarkastells zum Vorschein, aber seine Funktion wurde nicht weiter untersucht.33 Obwohl aus dem Grubenhaus in Győr sehr wenige Funde stammen, und alle die Zeit der Verfüllung und nicht die Zeit der Errichtung des Hauses datieren, lassen sich einige Tendenzen in den Verhältnissen der verschiedenen Keramiktypen beobachten (Grafik 1). Natürlich kommt Terra Sigillata und andere typische römische Keramik unter den Funden vor, aber die handgemachten und die feingemagerten, grautonigen Waren keltischer Art treten in der Grubenhausverfülllung deutlich häufiger als in den Schichten über dem Haus auf. Die Datierungsmöglichkeiten dieser Keramiktypen sind relativ breit: So treten sie in diesem Gebiet noch in der 1. Hälfte des 2. Jhs. auf. Außerdem wurde die feingemagerte, grautonige Ware in der 2. Hälfte des 1. Jhs. in Mursella produziert.34 Wenn wir die Anteile verschiedener Waren in der Verfüllung und in der darüber laufenden Schicht vergleichen, ist es auffallend, dass römische Importe fast in gleichem Anteil auftreten, während das Verhältnis der mit der einheimischen Bevölkerung verbundenen Keramik sinkt, aber die römische Produktion, besonders die hartgebrannte, grautonige Ware sich dagegen erhöht. Die sog. „einheimischen“ Waren könnten auch als Küchenwaren dienen, treten aber seltener in Fundorten mit städtischem oder militärischem Charakter auf und kommen häufiger in dorfartigen Siedlungen und Fundorten mit nachweisbarer keltischer Kontinuität vor.35 Auch die Datierung des Grubenhauses unterstützt diese Vermutung, da die Sigillaten in die 1. Hälfte des 1. Jhs. zu datieren sind (und die Funde datieren nur die Verfüllung des Hauses und nicht direkt die Zeit der Benutzung). Auch aus später zu datierenden Schichten der Grabungen stammen mehrere augusteische Sigillaten. Eszter Szőnyi vermutete ein Kastell oder eine militärische Anlage unter dem claudischen Kastell für die Truppe ala Pannoniorum, die zwischen 25–30 n. Chr. von Strebersdorf nach Arrabona abkommandiert wurde.36 Da es auf einer sehr kleinen Fläche gelungen ist, die frühesten Befunde zu dokumentieren, ist es nicht auszuschließen, dass das Grubenhaus zu einer Siedlung von nicht-militärischem Charakter gehören könnte, die sehr intensive Kontakte mit den Römern (besonders mit dem Militär) gehabt hat. Solche intensiven Handelskontakte konnten auch in Budaörs bei einer einheimischen Siedlung nachgewiesen werden.37 Der Anteil der römischen Importgüter war aber in Budaörs deutlich niedriger als in Győr.38

32 33 34 35 36 37 38

Budai Balogh 2009; Bíró 2014. Ausgrabung von P. Kovács: RKM 2008, 146 f., no. 20. Szőnyi 2004, 90, Abb. 8. Siehe dazu Ottományi 2005, 117 f.; Horváth 2004. Szőnyi 1990, 670–672; Lőrincz 2001, 22. Ottományi 2005 Zwischen 2–12% in Budaörs (Ottományi 2005, 72f.), hier in Győr waren es 66%.

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Der Romanisierungsprozess der Region wurde bisher aufgrund von Streufunden und der Onomastika zusammengefasst, weil exaktere Daten wie z. B. die aus den Ausgrabungen fehlten. Die Analyse der Namensgebung zeigt, dass die Menschen mit dem Militär in Verbindung standen. Die mit der Romanisation verbundenen Fundtypen sind kaum zu finden (im Vergleich z. B. mit dem Bereich um Aquincum)39. Auch bei den neuen Grabungen kamen kaum Befunde vor, die auf das 1. Jh. weisen. Aus den uns zur Verfügung stehenden Daten sollen hier zwei Fundstellen erwähnt werden, die in die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. datieren: Wahrscheinlich schon in claudischer Zeit existierte die sog. einheimische Siedlung von Ménfőcsanak an der Savaria–Arrabona–Straße.40 Das Dorf befand sich ca. 5 Meilen entfernt vom Auxiliarkastell Arrabona an einer Kreuzung. Unter der römerzeitlichen Siedlung kam ein keltisches Dorf zum Vorschein. Eine Kontinuität zwischen den beiden ist aber eher auszuschließen, da die keltische Siedlung in der Stufe LT-C endet, sodass es eine Lücke von ca. 150 Jahren zwischen der keltischen und der römischen Siedlung gibt.41 Das Anfangsdatum der römischen Siedlung wurde in die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. gesetzt. Aus der frühen Grubenhausgruppe des 1. Jhs. n. Chr. ist Keramik in keltischer Tradition (Grafittonware, eingeglättete Verzierung, keltische Formen) zu finden.42 Die erste Hausgruppe der Siedlung, die an der Straßenkreuzung errichtet wurde, kann vielleicht chronologisch mit dem ersten ständigen Kastell von Arrabona in Beziehung gesetzt werden. Eine weitere Siedlung in Mursella (Mórichida, Kisárpás) wurde von Eszter Szőnyi ebenfalls in die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. datiert.43 In der 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. war hier eine ausgedehnte Töpfersiedlung. Es konnten aber auch Spuren früherer Befunde dokumentiert werden: 3 Holzstrukturen mit Pfosten oder Fundamentgräben gehören in diese Periode. Alle Befunde standen parallel zu der zu diesem Zeitpunkt bereits existierenden Savaria–Arrabona–Straße. Obwohl dort sehr wenig Fundmaterial vorhanden ist, ist diese Periode aufgrund ihrer Stratigraphie in die 1. Hälfte – Mitte des 1. Jhs. zu datieren. Wie aus dieser Zusammenfassung hervorgeht, ist in der Übergangsperiode zwischen dem westlichen und östlichen Teil der deserta Boiorum mit großen Unterschieden zu rechnen. Während sich entlang der Bernsteinstraße und neben der Donau in der 2. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. mehrere oppida und Flachlandsiedlungen bildeten, gab es östlich davon nur wenige Fundstellen, wo eine Periode aus diesem Zeitraum dokumentiert werden könnte. Die neuen großflächigen Ausgrabungen bieten uns auch keine neuen Befunde, damit diese zeitliche Lücke geschlossen werden kann. Als die Bernsteinstraße als Versorgungslinie unter Tiberius ausgebaut wurde, wurde auch eine diagonale Straße errichtet, deren Endpunkt Arrabona war. Wahrscheinlich wurde auch diese Straße als Nachschublinie in den ersten Jahrzehnten benutzt, ihre Funktion wurde aber ab claudischer Zeit stufenweise durch den Handelsverkehr ersetzt.

Abgekürzt zitierte Literatur Bíró 2014 Sz. Bíró, Die räumliche und zeitliche Verbreitung der pannonischen Grubenhäuser, in: Sz. Bíró – A. Molnár (Hrsg.), Dörfliche Siedlungen im Mitteldonaugebiet während der Römerzeit (Győr 2014) Publikation in Vorbereitung. Bíró u. a. 2006 Sz. Bíró – A. Molnár – Ch. Salat – F. Teichner, Geophysical investigations on the territory of Mursella, RKM – Archaeological Investigations in Hungary 2006 (Budapest 2006), 67–78. Bíró u. a. 2009 Sz. Bíró – A. Molnár – E. Szőnyi – P. Tomka, Régészeti kutatások a győri Széchenyi téren (2008–2009). Archaeological investigations in Széchenyi Square, Győr (2008–2009), Régészeti kutatások Magyaror – Archaeological Investigations in Hungary 2009 (Budapest 2009), 39–52.

39 40 41 42 43

Gabler 2003, 291 f. Szőnyi 1996, 255; die Bearbeitung der römischen Siedlung erfolgt derzeit durch die Verfasserin. Tankó 2005. Szőnyi 1995, 217–223. Szőnyi 2004, 88 f.

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DER ÖSTLICHE TEIL DER DESERTA BOIORUM. EIN FORSCHUNGSSTAND

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SZILVIA BÍRÓ

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ZU DEN KELTISCH BENANNTEN STÄMMEN IM UMFELD DES OBEREN DONAURAUMS I. Methodologisches I.0. Mein Beitrag1 befasst sich nicht bloß mit der etymologischen Deutung der für die Gegend überlieferten Stammesnamen, einer Arbeit, die in vielen Fällen bereits geleistet wurde, wenn auch mit mehr oder weniger Erfolg: Es geht diesmal nicht zuletzt darum zu sehen, ob die sprachliche Deutung der Stammesnamen nicht auch Hinweise auf die (Vor-)Geschichte der Region liefern kann, bzw. ob sie mit dieser zumindest im Einklang steht. I.1. Was die Namendeutung betrifft, muss als erstes gesagt werden, dass Stammesnamen im Vergleich zu anderen Namentypen zwei Vorteile haben: 1. Gerade dadurch, dass sie nicht bis heute weitergelebt haben, sondern verhältnismäßig früh fixiert wurden, sind Stammesnamen längst nicht so stark wie eigentliche Ortsnamen im Laufe der Überlieferung verändert worden; dadurch sind sie durchsichtiger als Ortsnamen geblieben. 2. Stammesnamen weisen eine viel geringere Mobilität bzw. Streuung als die eigentlichen Personen- oder auch Götternamen auf. I.2. Parallel zu allen anderen Namentypen ist jedoch die Tatsache, dass auch Stammesnamen nicht auf einmal entstanden sind. Obschon wir sie mehr oder weniger alle zusammen wahrnehmen, also mit der üblichen durch die Zeitentfernung verursachten Verflachung, haben sie sich dennoch erst allmählich – im wesentlichen nacheinander – herauskristallisiert, und zwar durch Spaltungen der jeweils bestehenden sozialen Gruppierungen. In Ermangelung einer absoluten Chronologie der belegten Namen verfügen wir immerhin über drei Typen von Indikatoren, um eine relative Chronologie bei der Entstehung der Ethnika zu ermitteln: a) Den ersten bilden phonetische, morphologische oder ggfs. lexikalische Isoglossen bzw. Merkmale, die uns ermöglichen, eine Archaizitäts- bzw. Modernitätsskala der Stammesnamen nach sprachhistorischen Prinzipien herzustellen (z. B. ist der Name der Hercuniates und der Helvetioi durch die partielle Bewahrung eines anlautenden *p- auffällig und an und für sich archaisch, s. weiter unter § II.1 bzw. II.7. b) Beim zweiten könnte man von ,Bezugsindikatoren‘ sprechen, d. h. wenn die Wortbildung eines Stammesnamens auf ein anderes Ethnikon oder auch auf einen anderswo gelegenen Ort Bezug nimmt, also wenn der entsprechende Stammesname von einem Ortsnamen – oder auch sekundär von einem anderen Stamm – abgeleitet wurde (z. B. scheint der Name der Taurisci aufgrund seines Suffixes Bezug auf einen anderen Namen zu nehmen, wie etwa den kleinasiatischen Taurus mons oder auch die Taurini, s. weiter unter § II.1. c) Den dritten Typ chronologisch relevanter Indikatoren finden wir schließlich, wie ich in meiner Studie Linguistically Celtic Ethnonyms zeigen konnte2, in dem semantischen Inhalt der Stammesnamen, die ja vielfach die sozioökonomischen und/oder kulturellen Lebensumstände der involvierten Völker widerspiegeln. 1

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Ich möchte hiermit Peter Scherrer für die freundliche Einladung und einige Hinweise sehr herzlich danken, wie auch Manfred Hainzmann, der mein Referat am 17. November 2011 vorlas und mir auch seinen Vortragstext vor dem Druck verfügbar machte. De Bernardo Stempel 2008a.

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I.3. Bevor wir aber versuchen können, diese drei Methoden auf die Ethnika in und um unsere(r) „Region im Umbruch“ anzuwenden, muss wieder einmal die Wesentlichkeit der Unterscheidung zwischen Endound Exoethnika unterstrichen werden3. Denn nur dann kann man mit einiger Berechtigung von keltisch(sprechend)en Stämmen reden, wenn nicht bloß ihr Name eine keltische Struktur zeigt, sondern auch dessen Semantik auf Selbstbenennung hinweist. Demgegenüber dürfen wir a priori nicht von einem keltischen Stamm sprechen, wann immer die Semantik des Namens eine Fremdbenennung (Exoethnikon) verrät. Daraus wird man nämlich lediglich ableiten können, dass in dessen Nachbarschaft einige Keltischsprecher wohnten, die für die fremdbestimmte Namengebung verantwortlich waren4. So ist es im Falle der semantisch an und für sich nicht eindeutig selbstbenannten ,Mächtigen‘ Galli bzw. Γαλάται erst die sprachliche Analyse ihrer Inschriften und Cäsar, die uns berechtigen, von Kelten zu sprechen5. Umgekehrt konnten sprachlich nicht keltische Exoethnika zur Bezeichnung von Keltischsprechern verwendet werden. Dies scheint bei keinem geringeren Namen als dem der Κελτοί bzw. Celtae selbst der Fall gewesen zu sein, denn die ,Großgewachsenen‘6 waren wohl zunächst so in den Augen ihrer Betrachter, also der Völker, mit denen sie in Kontakt kamen. Die Form ihres Namens erklärt sich nämlich am einfachsten als vollstufiges Derivat der indogermanischen Verbalwurzel *kelH- ,aufragen, hochragen‘ (LIV, 349) in (einer) nicht spezifisch keltischen indogermanischen Sprache(n)7: Der Übernahmeprozess kann im Übrigen mit jenem verglichen werden, der viel später zur Verwendung des dem Namen der Goidelen zugrundeliegenden britannischen Terminus Guoidel sogar für die Eigenbezeichnung von Iren und Schotten führte8. Da man aber diesen Parameter der Urheberschaft einer ethnonymischen Benennung erst dann evaluieren kann, wenn die Etymologie des betreffenden Namens geklärt und somit seine semasiologische Einordnung vorgenommen worden ist, wollen wir uns zunächst der letztgenannten zuwenden. I.4. In der bereits angesprochenen Untersuchung CelticEthnonyms war gezeigt worden, dass die sprachlich keltischen Stammesnamen9 im Wesentlichen in folgende zwölf semantische Kategorien zerfallen: 1. Tierbezogene StNN, die ein Volk bewusst mit einem symbolischen Tier identifizieren, nicht selten dem Eber, vgl. Neri, Nerusii, Nervii, Narbasi, Cadurci und die auf Münzen bezeugten Neronkioi, Argeturki und Roturki10. 2. Pflanzenbezogene StNN, die ein Volk bewusst mit einem emblematischen Baum identifizieren, wie z. B. der Eiche, vgl. Querquerni und Dervaci11. 3

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Zu der Unterscheidung zwischen Selbst- und Fremdbenennungen vgl. De Bernardo Stempel 2008a, 101 f., und auch Poccetti 2011, 151, beide mit weiterer Bibliographie. „Der Name einer frühgeschichtlichen Gruppe […] ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle von der betroffenen Gruppe oder aber deren Nachbarn geprägt“: Rübekeil 1992, 12. Auf die Existenz bzw. das Weiterleben dieses Namentyps auf den Britischen Inseln, und zwar sowohl in irischen wie auch in britannischen Stammes- und Ortsnamen, hatte ich (De Bernardo Stempel 1998, 601 f.) ausführlich hingewiesen. Ansonsten ist aber die in der betreffenden Studie befürwortete komplementäre Distribution der Benennungen mit Gal- und Kelt- recht fraglich. Vgl. u. a. Duval 1989, 711. Recht abwegig ist meines Erachtens die in letzter Zeit modisch gewordene Hypothese, die Kelten hätten ihren Namen aus einer Bezeichnung der Unsichtbarkeit gewonnen, u. a. angesichts der starken Präsenz und Verbreitung ihrer innovativen Manufakte in Europa. Noch hat man unter den Hunderten überlieferter Götternamen – Theonymen und Epitheta – Anspielungen auf die Verborgenheit einer Hauptgottheit gefunden. Auch lassen stark abweichende komplementäre Bezeichnungen wie Deutsche/Tedeschi ~ Alemanes/Allemands ~ Germans ~ Nìmec oder Rasenna ~ Tyrrhenoi ~ Etrouskoi/Tyskoi (Beispiele von Poccetti 2011, 151) die heutigen Bestrebungen, Gal(l)- und Kelt-Namen von einer einzigen Quelle abzuleiten, als Ausläufer einer geradezu mittelalterlichen ,reductio ad unum‘ erscheinen. „The borrowing of the language name and corresponding group name in the 7th century can be understood in the context of an Irish people – relatively recent Christian, literate, especially in their own vernacular – involved in Britain through colonization (Dál Riata; Dyfed), centrally involved in the national churches of the Picts and Northumbria, and engaged in high-level missionary activity […] in Frankia and Italy. They were newly aware of themselves as a linguistically defined nation among many, coming into contact with new words and stories with which to express this awareness.“ (CCHE 776 s. v. Gaelic). Im folgenden StNN. De Bernardo Stempel 2008a, 105 mit Anm. 14 und De Bernardo Stempel 2012a. De Bernardo Stempel 2008a, 102 mit Anm. 11, wo auch auf die Variante Quarquerni eingegangen wird.

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3. Götterbezogene bzw. theophore StNN, die ein Volk als Anbeter einer Gottheit identifizieren, wie z. B. Belendi zum Theonym BELENOS12. 4. Kampfbezogene StNN, die auf die Ausrüstung oder Kampfesart der Mitglieder eines Volkes hinweisen, wie u. a. Sucasses, Veliocasses und auch Badiocasses ,Die mit dem guten/besseren bzw. leuchtenden (weil bronzenen) Helm‘ im Vergleich zu den rückständigeren Viducasses (,Die mit dem hölzernen Helm‘13). 5. Gesellschaftsstrukturbezogene StNN, die auf die politische Organisation der Mitglieder eines Volkes hiweisen, wie z. B. Petrucorii ,Die vier Heere Bildenden‘ oder Trivlatti ,Die drei Herrscher Habenden‘14. 6. Siedlungsartbezogene StNN, die ein Volk durch die Wohnsitze seiner Mitglieder identifizieren, vgl. Cantabr(ic)es für ,Die in viereckigen Siedlungen Wohnenden‘ – im Gegensatz zu Andecavi ,Die Höhlenbewohner‘15. 7. Siedlungsraumbezogene StNN, die ein Volk durch sein Habitat identifizieren, wie z. B. die Nantuates als ,Tälerbewohner‘ oder die Morini und Aremorici durch ihre Nähe zur See16. 8. Wirtschaftsbezogene StNN, die auf die ökonomische Bedingungen des Stammes selbst hinweisen, wie u. a. die der fürstlichen Vellates und Vellauni oder der untergebenen Vasátes17. 9. Berufsbezogene StNN, die auf die Haupttätigkeit der Mitglieder eines Volkes hinweisen, wie z. B. Caracates ,Schafzüchter oder -hirten‘ und Redones > Riédones ,Wagenbauer oder -lenker‘18. 10. Geschichtsbezogene StNN, die auf die Geschichte des Stammes selbst hinweisen, wie z. B. Senones für ,Die Alt(eingesessen)en‘ oder Cenomani für ,Die Weitgehenden‘19. 11. Charakterbezogene StNN, die auf die grundsätzliche seelische Einstellung der Mitglieder eines Volkes hinweisen, wie im Falle der ,Freundlichen‘ Venisami und der ,Guten‘ Matici20. 12. Erscheinungsbezogene StNN, die ein Volk durch die mehrheitlichen physischen Charakeristika seiner Mitglieder identifizieren, wie im Falle der ,Großen‘ Marici und ,Ries(ig)en‘ Covaroi > Caváres oder der ,Bemalten‘ (*P)Ingauni21. Man kann nicht davon ausgehen, dass alle Namen innerhalb einer spezifischen semantischen Gruppe zu derselben Zeit entstanden seien, dennoch impliziert im Prinzip die eine oder andere Kategorie eine unterschiedliche sozioökonomische Entwicklungsstufe. Da z. B. ethnologische Parallelen vorliegen, die tierbezogene Stammesnamen als besonders archaisch nachweisen22, kann in unserem Falle vermutet werden, dass die semasiologischen Typen (1.) und (2.) tatsächlich die höchste Archaizitätsstufe einnehmen. Sie sind im Übrigen selbst auferlegt, was auch für die theophoren Stammesnamen (3.) gelten darf. Als moderne Parallelen lassen sich dafür die Namen von Rockgruppen anführen (,The Beatles‘, ,I Camaleonti‘ usw.), wie auch diejenigen religiöser Bruderschaften (vgl. ,Societas Jesu‘ bzw. Jesuiten, ,Las Siervas de Jesús‘, ,Le Figlie di Maria‘, ,I Legionari di Cristo‘ u. dgl.).

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De Bernardo Stempel 2008a, 102 mit Bibliographie in Anm. 6. Eine unnötig komplizierte Erklärung für diesen Kompositionstyp findet sich noch bei Lambert 2011, 222 f., der De Bernardo Stempel 2008a, 108 und De Bernardo Stempel 1998, 603–606 nicht zu kennen scheint. De Bernardo Stempel 2008a, 109. De Bernardo Stempel 2008a, 107 mit Anm. 66–67. De Bernardo Stempel 2008a, 106. Was das letzte dieser Beispiele betrifft, so zeigen verschiedene strukturelle Parallelen, wie nicht zuletzt das in Peschiera/I inschriftlich belegte Arelicenses, „à l‘est de la falaise de Sirmione“ (Delamarre 2012, 58; zum Grundwort s. unten ad § II.3.2–3), dass die vom Wiener Glossator für Are-verno- suggerierte Übersetzung ante obstacl’ (so von Lambert 2012, 218 restituiert und in Anlehnung an Lacroix als „bouclier en avant!“ interpretiert) eher eine späte Volksetymologie des bekannten Ethnikons gewesen sein muss. De Bernardo Stempel 2008a, 109 f. Die Pänultimabetonung ergibt sich aus der (vortonigen) Degeminierung in *Vassátes. De Bernardo Stempel 2008a, 105. 108. Die Diphtongierung impliziert hier eine Antepänultimabetonung. De Bernardo Stempel 2008a, 108 f. De Bernardo Stempel 2008a, 110 f. De Bernardo Stempel 2008a, 110. De Bernardo Stempel 2008a, 104 mit Bibliographie.

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Siedlungsart- und siedlungsraumbezogene Stammesnamen (6.–7.) fingen erst dann an, sich zu etablieren, als ihre Träger sesshaft wurden und regelrechte Wohnsiedlungen erbauten, wogegen kampf- und gesellschaftsstrukturbezogene Ethnika (4.–5.) an und für sich nicht die Existenz von irgendwelchen materiellen Bedingungen voraussetzen und daher im Prinzip älter sein können. Es ist vorstellbar, dass die siedlungsraumbezogenen Namen – und ggfs. auch die Siedlungsartbezogenen – als Eigenbeschreibungen zu dem Zeitpunkt entstanden, als sich die betreffenden Völkerschaften ausweisen mussten. Bei den kampfbezogenen Stammesnamen hängt es eher von Fall zu Fall davon ab, ob die spezifische Semantik eines jeden Ethnikons eine Selbstbenennung oder eher eine Fremdbenennung nahelegt. Dagegen beruhen Namen, die eine spezifische Gesellschaftsstruktur beschreiben, in der Regel auf der Beobachtung Dritter, weswegen es sich dabei am ehesten um Exoethnika handeln wird. Wirtschaftsbezogene Stammesnamen (8.) zielten häufig auf den Gegensatz ab, der zwischen Sammlern oder auch Jägern und Bauern existierte, während die höchste Modernitätsstufe auf die berufsbezogenen Stammesnamen (9.) zutrifft, die eine bereits stark entwickelte Gesellschaft mit differenzierten Spezialtätigkeiten voraussetzen. Genauso wie die Darstellung der Gesellschaftsstruktur beruht auch die Einschätzung der sozioökonomischen Lage meist auf der Beobachtung Dritter, sodass man auch bei Gruppe 8 von Exoethnika ausgehen darf. Schwieriger einzuschätzen sind in dieser Hinsicht Berufsbezeichnungen, da sie gelegentlich zur Selbstausweisung bzw. -identifizierung gedient haben könnten. Die zehnte Kategorie – der geschichtsbezogenen Stammesnamen – umfasst sowohl Namen, die – ohne dafür sprachlich archaisch sein zu müssen – auf das hohe Alter oder die Autochthonie der involvierten sozialen Gruppierungen hinweisen, wie auch solche, die eine Abstammung von anderen Ethnika oder Orten signalisieren, also eine verhältnismäßig späte Ankunft vor Ort implizieren23. Beide Untertypen können auf Selbstbezeichnungen zurückgehen. Losgelöst von jeglichem Zeitraster sind schließlich die beiden zuletzt aufgelisteten Kategorien der den Charakter bzw. die physische Erscheinung beschreibenden Stammesnamen (11.–12.). Während es sich bei positiven Charaktereigenschaften auch um Endoethnika handeln kann, müssen negative Charaktereigenschaften und auch Beschreibungen der äußerlichen Erscheinung als Exoethnika betrachtet werden.

II. Die Stammesnamen im Umfeld des oberen Donauraums II.1. Gehen wir nun dazu über, die für unsere Region überlieferten Stammesnamen im Einzelnen zu analysieren, so stellen wir fest, dass einige davon aufgrund eines ,Bezugindikators‘ auf Ko n ta k te m i t anderen Ter ritorien hinweisen. Einer dieser Fälle ist der Name der in Rätien lokalisierten Cosuanétes. Aufgrund der in ihm enthaltenen Präposition Co(n)- ,mit‘ ist es anzunehmen, dass das Ethnikon auf den in derselben Region lokalisierten Stamm der Suanétes Bezug nimmt, die – der Etymologie nach – als ,Musiker‘ bekannt gewesen zu sein scheinen. Die deverbale Ableitung aus dem Verbalstamm *swan-na- ,sound, play (an instrument)24 dürfte usprünglich *Swánna-tes gewesen sein, das sich zunächst zu *Swánnetes und dann – nach dem ,gallischen‘ Akzentwechsel von der drittletzten auf die vorletzte Silbe – regelmäßig zu dem überlieferten Suanétes entwickelte25. Wenn nicht auch der Name der Suanétes selbst, so müsste zumindest der Name der Cosuanétes auf Fremdbezeichnung beruhen. In dem Namen der in Pannonien lokalisierten Hercuniates ist das ursprünglich anlautende *p von *perkunia, dem Eichenwald, noch als h- sichtbar. Es wird zwar zumeist vermutet, dass dieser Stamm nach einer sozusagen zweiten Hercynia silva benannt ist, die nichts mit dem Schwarzwald zu tun hat26, dennoch ließe sich aus sprachwissenschaftlicher Sicht nicht ausschließen, dass er aus dem im Nordwesten liegenden

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Siehe § I.2 ad B. Matasović 2009, 360 f. mit weiterer Bibliographie. Vgl. De Bernardo Stempel 2010b. Vgl. insbes. Anreiter 2001, 167. Falileyev u. a. 2010, 132.

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Territorium gekommen sei. In letzterem Falle hätte sich der sprachlich sehr archaische Name nicht vor Ort herausgebildet, sondern wäre – zusammen mit dem Stamm – erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Region eingedrungen. Welches der beiden Szenarien zutrifft, kann nur auf archäologischer Basis festgestellt werden. Das dritte Ethnikon in dieser Gruppe ist das der norischen Taurisci, dessen keltisches Suffix *-sko- erfahrungsgemäß an bereits bestehende Eigennamen antrat, um neue, damit in Relation stehende Namen zu bilden27. Ein Ableger der Taurisci kam offensichtlich bis nach Dakien, wo sie in modernisierter Form als Teurísci bekannt wurden. Denselben Vokalismus finden wir in dem norischen Siedlungsnamen Teurnia, der offensichtlich die Siedlungsstätte einer Gruppe von *Teurini bezeichnete. Die Präsenz des besagten Suffixes -sko- legt nun die Vermutung nahe, dass die Taurisci eine Abspaltung dieser selben Gruppe darstellten, und zwar aus der Zeit, als sie noch *Taurini ,Die Stierähnlichen (Kämpfer)‘ hießen: Ob sie von den in Italien siedelnden Taurini abhängig waren oder nicht, ist wieder eine Frage für die Archäologen28. Eine Alternativerklärung, wie z. B. dass die Taurisci ihren Namen aus dem zwischen Kappadokien und Kilikien liegenden Taurus mons bezogen haben könnten, würde sowohl die Taurini wie auch das Idionym Tauricus unerklärt lassen, einen „Namen , der vor allem im westlichen Gallien auftritt“ und der u. a. in der Belgica als Mann einer keltischen Sacrobena belegt ist29. Alle diese onomastischen Typen sind sehr archaisch, nicht nur wegen des Benennungsmotivs der Ethnika, sondern auch wegen der noch nicht eingetretenen Metathese zu kelt. tarvos 30. Ein Suffix -sko- ist auch in dem Namen der entfernten pannonischen Scordisci enthalten, deren Herkunft mehrheitlich in dem zwischen Kosovo und Montenegro gelegenen Šar planina gesehen wird31. Der südlich von Prizren gelegene Berg wird nämlich von Livius und Polybios Scordus mons bzw. Σκόρδον ëρος genannt und wäre somit eine geeignete Ableitungsbasis für die alten *Skórdo-sk-i gewesen (,Die vom Berg *Skordom/-s‘) bevor die Sprachen der Umgebung das ererbte *o zu a umgewandelt hätten32. Weniger ansprechend erscheint nun mein Versuch33, ihren Namen deverbal als ,Lederbearbeiter‘ oder ,Gerber‘ zu etymologisieren. II.1.1. Keinen Bezug auf den Stamm der Belgae drückt dagegen das von Plinius in Pannonien lokalisierte Ethnikon Belgites aus. Die Wortbildung suggeriert stattdessen, dass es sich um eine deverbale Bildung zu einer im Keltischen als belg- repräsentierten indogermanischen Wurzel handelt, wobei die traditionelle Interpretation von *Bélge-t-es ausgeht, aus *Bhélg’ h-et- es und mit der eher unspezifischen Bedeutung als ,Die Wütenden‘34. Peter Anreiters Vermutung, dass es sich dabei um eine Ableitung mit Schwebeablaut der Verbalwurzel *bhleg(’)- ,glänzen‘ handle, die in lat. fulgere und IXOJēUHweiterlebt35, also um eine Fremdbenennung ,Die Glänzenden‘, die auf die Qualität der Waffen anspielte, ist allerdings semantisch nicht unattraktiv. In keinem Fall wird man aber von einem sehr seltenen „Phylonymensuffix -it-“ sprechen36, denn das Segment -it- ergibt sich lediglich aus dem Zusammentreffen des (unbetonten) Themavokals *e, der hier zu -i- reduziert bzw. eingeengt wurde, und dem agentive Dentalstämme charakterisierenden Morphem *-t-. 27

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Wie u. a. im Falle der nach dem Stammvater *Bolgóndos benannten Bolgondiskum-Familie und der mit den Beli in Verbindung stehenden Contrebia Belaisca in Spanien oder des nach den Veragri benannten Flusses Veraglasca in Italien. Es handelt sich um eine bereits im Indogermanischen gängige Verwendung, vgl. u. a. Buck – Petersen 1975, 637 f. Vgl. jetzt Guštin 2011, 218: „The Celtic grave inventories, as well as the scant settlement material discovered on the sites between the southern edge of the Eastern Alps and the Northern Adriatic and in the neighbouring regions, for which we can assume that in later prehistory they were settled by the communities identifying themselves or being identified by others as the Taurisci, can be compared with those from the Celtic homelands in Central Europe“. Kakoschke 2010, 521. Vgl. De Bernardo Stempel 2008a, 112 (§ 1.1). Vgl. insbes. Anreiter 2001, 171–176. Talbert 2000, 49: C2 als . Alle Belege bei Anreiter 2001, 175 f. Vgl. auch Falileyev u. a. 2010, 197. Man bemerke die Schwächung des unbetonten -o- der zweiten Silbe in der vorauszusetzenden Zwischenstufe *Scórdisci. De Bernardo Stempel 2008a, 108 mit Anm. 78. Zu Belgae als „the proud/wrathful people“ – mit Belgica und dem Siedlungsnamen Belginum in Deutschland – vgl. u. a. Gohil 2006, 93. Anreiter 2001, 149 f. So u. a. Anreiter 2001, 150 Anm. 563.

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II.2. Ausdrücklich auf die S ta m m es g es ch i ch te weist der keltische Name der Genauni hin, die in Rätien ,(Ein)Geborenen‘. Es handelt sich um ein mediopassives Partizip des Verbums für ,gebären‘: *Géno-mn-i, das wegen der hier gültigen keltischen Aussprache [génԥvni] – mit Schwächung bzw. Senkung des unbetonten Vokals und Lenierung des labialen Nasals – als verschriftet wurde37. Eine Fremdbezeichnung ist zwar ohne weiteres möglich, jedoch könnte es sich auch um eine Selbstbezeichnung (,Wir, die Eingeborenen‘) gehandelt haben. Die gleiche Struktur bei entgegengesetzter Bedeutung hat der Name der norischen Alauni, der eindeutig einen nomadischen Stamm bezeichnet und somit zu sämtlichen siedlungsart- bzw. siedlungsraumbezogenen Stammesnamen in Opposition steht. Ihr Name bedeutet so viel wie ,Wanderer‘ oder ambulantes und ist ein mediales Partizip zur indogermanischen Verbalwurzel alΩ- für ,wandern‘ (*h2elh2- ,ziellos gehen‘ in LIV, 264)38: *Ala-mn-i, wegen der ursprünglichen Aussprache [álavni] als verschriftet, hat nicht notwendigerweise mit den in Noricum verehrten ALOUNAE zu tun, die vermutlich eher den dort verehrten NUTRICES entsprechen und somit nicht zu dem Ansatz eines Stammesnamens **Alouni berechtigen39, zumal die Vokale a und o im Festlandkeltischen nicht beliebig austauschbar sind. Was wir nicht wissen, ist, ob die Alauni aus derselben Region der antonymisch benannten, sesshaften Anauni, ,die Verbleibenden‘, ihren Ursprung nahmen, also aus der heutigen Val di Non in Italien, oder ob sie vielleicht nur in Opposition zu den soeben besprochenen Genauni standen. Denn nicht zuletzt die keltische Ethnonymie besteht vielfach aus oppositionellen Subsystemen40. II.3.1. Andere Bezeichnungen spielen eher auf den Siedlungsraum der involvierten Stämme an, wobei die ältesten davon jedoch nicht besonders einengend sind. Beliebt ist im allgemeinen der Kontrast zwischen ,oben‘ und ,unten‘, und so gibt es die norischen Laianci, ,Die in der Ebene oder ggfs. Tal‘, deren Name – nicht anders als der der Laiesci bzw. Laietani in Spanien – von einem Substantiv *(p)laya für ,Fläche, flaches Land‘ abgeleitet wurde41. Da sie als ursprüngliche *Laiánici und *Láiasci auf die Zeit der vorgallischen Antepänultimabetonung zurückgehen, weisen sie eine gewisse Archaizität auf. Als Antonym stehen ihnen die bisher nur epigraphisch belegten Uperaci ,Die von Oben‘ gegenüber. Merkwürdig ist der Kontrast zwischen der gängigen keltischen Suffigierung mit *-ako- und dem noch nicht geschwundenen intervokalischen -p- der Ableitungsgrundlage, der sie einer noch vorkeltischen oder allenfalls der allerfrühesten keltischen Sprachschicht zuschreibt. Es ist daher denkbar, dass das Ethnikon Uperaci nicht unmittelbar als Adjektiv **Upéroki entstand, sondern die Weiterbildung eines bereits bestehenden Ortsnamens darstellt. Als Ableitungsgrundlage für das Ethnikon könnte ggfs. dieselbe Basis *upera fungiert haben, die – ebenfalls weitergebildet – im Namen der Straßenstation Upellae42 fortlebt. Alternativ müsste man annehmen, dass das intervokalische

erst sekundär in ein indigenes *Uveraci oder *Uferaci wiedereingeführt wurde. Ein Quasi-Synonym ist der Name der in Rätien lokalisierten ƃƱƩƮƜƭƴơƩ, der latinisiert bei Plinius als Brixentes erscheint. Es stellt sich dabei die Frage, ob die Buchstaben bzw. ernst zu nehmen sind: Stünden sie für ein leniertes g, also für ein geriebenes [Ȗ], dann könnten beide Formen jenes Ethnikon repräsentieren, das Strabo – allerdings nur Strabo! – als ΒριȖάντιοι bezeichnet und dem Namen nach entweder auf Anhöhen oder in briga-Festungen (hillforts) wohnte. Wahrscheinlicher ist es aber, dass die Schreibung der beiden Formen tatsächlich eine Affrikata [ks] repräsentiert und der Name sich auf

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Während die Lenierung stimmhafter Konsonanten ein alter, gemeinkeltisch eingetretener Lautwandel ist, realisiert sich die Schwächung unbetonter Vokale je nach Areal und/oder Periode als Schließung oder als Senkung. So David Stifter bei Delamarre 2004, 126 f. In der Tat bezieht sich der theonymische Beiname ALAUNOS auf den MERCURIUS VIATOR. Wie von Ihm (pace Hainzmann in diesem Band, Anm. 46) erwogen. Vgl. De Bernardo Stempel 2005a, 21 f. mit den Anm. 62– 63. Vgl. u. a. Delamarre 2003, 351 f. Vgl. die Bibliographie in de Bernardo Stempel 2008a, 106 Anm. 54. TP pace M. Hainzmann in diesem Band, § IV.2 mit Anm. 45. Zum norischen Cognomen Uperacus vgl. Kakoschke 2012, 707.

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dasselbe erhabene Gebiet Brixa (< *Brig-sa) bezieht, dessen Hauptzentrum Brixia (Brescia/I) war. In diesem Falle müssten auch die ƃƱƩƮƜƭƴơƩBrixentes zusammen mit den oben in §§ II.1–2 besprochenen Hercuniates, Taurisci und Alauni aufgelistet und archäologisch auf ihre Kontakte bzw. Herkunft untersucht werden. II.3.2. Jünger werden jene vier keltischen Ethnika sein, die den genauen Sitz eines Stammes in der Umgebung eines Flusses lokalisieren und ihn mittels Zusammensetzung des entsprechenden, nicht immer keltischen Flussnamens und der keltischen Präposition ambi ,um etwas herum‘ 43 ausdrücken. Es handelt sich um44: 1.) die Ambidravi; 2.) die epigraphisch im Singular belegten Ambisavi; 3.) die als Ambilini latiniserten Ambilici bzw. ´ƂƬƢƟƫƩƪƯƩ, ,Die beidseitig des Flusses Licos (heute Gail) Wohnenden‘45, dessen Name wiederum auf das keltische Wort für ,Felsen‘ zurückzugehen scheint46. 4.) die zu Ambisontes latinisierten ´ƂƬƢƩƳƼƭƴƩƯƩ47. Ob hierzu wirklich eine vereinzelte Variante mit „-igont-“ existiert hat – wie es unlängst behauptet wurde –, ist mehr als fraglich, denn ein langes kann überaus leicht mit verwechselt werden, und zwar zumindest bei der Lesung, wenn nicht schon – wie zumeist angenommen –, bei der Verschriftung48. Jedenfalls bestätigen der Konsensus aller sonstigen Quellen und die Struktur dieses in unserer Region geschlossenen onomastischen Subsystems49, dass es sich bei dem involvierten Fluss um einen – nahegelegenen – Isontia oder Isontion handelte50. II.3.3. Es gibt dann einige weitere Stammesnamen, die ebenfalls mit Flüssen in Verbindung gebracht worden sind, ohne allerdings dass diese Verbindung zu stimmen brauchte bzw. in jedem Falle statthaft wäre. Dies ist ziemlich klar im Falle der sogenannten V , indelici ‘ in Rätien, die aber ursprünglich Vindolikoi – überliefert als Ούινδολικοί, ΟύινδολίȖοι – hießen, was ,Die von den weißen (vindo-) Felsen (licon, Pl. lica)‘ bedeutet. Die Varianten auf -elici und auch –alici lassen sich daraus als Reduktionen – durch Schließung bzw. durch Schwächung – des zumindest in jüngerer Zeit unbetonten Kompositionvokals -o- erklären; das Gleiche gilt für das a der ersten Silbe der weit im Nordosten gelegenen ,Ouandalika ore‘51. Es ist kaum haltbar, dass der in Frankreich gelegene 9LQGHOLFXVÁXPHQnach den *Vindólikoi > Vindolíkoi > Vindelíci benannt wurde52, und auch wenig wahrscheinlich, dass sie aus der Gegend desselbigen gekommen sind, zumal sie in historischer Zeit gerade oberhalb der Licates lokalisiert werden, von denen die Vindolikoi einfach durch Abspaltung hervorgegangen sein dürften. Zwar werden die Licates schon sehr lange, zumindest seit Ptolemäus, mit dem Fluss Λικία – heute Lech – assoziiert, dennoch suggeriert die respektive Wortbildung von Ethnonym und Hydronym, dass sie unabhängig voneinander entstanden, wenn sie auch

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De Bernardo Stempel 1987, 121. Falileyev u. a. 2010, 7, 46. 147 f.; DLG 148 f. 201; De Bernardo Stempel 2005b, 82 f. Die Deutung von Falileyev u. a. 2010, 46, ist wegen des in unserer Region existierenden, geschlossenen onomastischen Subsystems derjenigen von De Bernardo Stempel 2008a, 107 vorzuziehen. Falileyev u. a. 2010, 22. 148. M. Hainzmann weist in diesem Band darauf hin (§ IV.2 Anm. 25), dass lediglich Theodor Mommsen einen Wesensunterschied zwischen beiden Ethnika annahm. Vgl. Gohil 2006, 214 Anm. 106. Namen wie der der offensichtlich ,Beidseitig des schlammhaltigen Flusses Wohnenden‘ Ambiani in der Belgica oder der ,An zwei Stellen Wohnenden‘ Ambilatri in Aquitanien zeigen, dass außerhalb unseres Gebiets das zweite Element von ambi-Komposita nicht immer ein Hydronym sein musste. Ersterer enthält protokelt. *fana ,Sumpf‘ (dazu De Bernardo Stempel 2011a, 183 mit Anm. 47 und Bibliographie, die von Matasović 2009, 127 noch nicht berücksichtigt werden konnte), sodass nun De Bernardo Stempel 2008a, 107 mit Anm. 64 (akzeptiert von Falileyev u. a. 2010, 46) präzisiert werden kann; die älteren und semantisch nicht zufriedenstellenden Erklärungen dafür werden von Gohil 2006, 81 aufgelistet. Der zweite Stammesname enthält protokelt. *ÁDWUR ,position, (flat) layer‘ (Matasović 2009, 133). Oder allenfalls um ein früheres *Isonta, jedoch kaum um **Igonta. Methodologisch abzulehnen ist die – auf G. Isaac zurückgehende und von Gohil 2006, 233 übernommene – mechanistische und geradezu ,pointillistische‘ Zerlegung des ursprünglichen Ethnikons Vindo-liko-i in **vindo + elo- + ico-, nicht zuletzt, weil sie das mit dem Stammesnamen Licates gebildete onomastische Subsystem ignoriert. Wie bei Falileyev u. a. 2010, 238 suggeriert wird.

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beide dasselbe keltische Lexem lic(c)a für ,Felsen‘ enthalten53. Man würde daher annehmen, dass Licates einfach die ,Felsbewohner‘ bezeichnete54 und somit zwangsläufig eine relativ alte ethnische Bezeichnung darstellte. II.3.3.1. Auch der Name der nur von Plinius überlieferten pannonischen Arabiátes braucht – zumindest anfangs – nicht in Beziehung zu dem Hydronym Árrabo, ,östliches Gewässer‘, gestanden zu haben55, zumal das Ethnonym bloß eine Variante des ebenfalls bei Plinius überlieferten Arviates darstellt56. Letzteres könnte stattdessen die ethnische Gruppierung bezeichnet haben, die den Aravisci mit epenthetischem -avoranging. Arviates suggeriert nämlich eine Bevölkerungsgruppe, die einen Bezug zu den arvia oder arva hat, also zu den Feldern und ihrer Frucht: eine Bevölkerungsgruppe von ,Ackerbauern‘57. Und bei Aravisci, aus dem sich die Variante Eravisci durch Vokalschließung in unbetonter – hier vortoniger – Stellung problemlos erklären kann, weist das Suffix -sko-, wie wir eingangs erklärt haben58, auf deonomastische Entstehung hin: Also liegt es nahe, dass ihr Name denjenigen einer weiteren Bevölkerungsgruppe reflektiert, aus dem sie durch Abspaltung entstanden, wie es eben die Arviates gewesen sein könnten. II.4. Noch jünger sind jene präzis lokalisierbaren Ethnika, die – wie die Segestani von Segesta59 – von ei n em Siedlungsnamen abg eleitet sind und somit einfachen Einwohnernamen entsprechen. Dies gilt auch für die ebenfalls pannonischen ,Cornacates‘ zum späten Siedlungsnamen Cornacum. Dass letzteres die Latinisierung einer keltischen Vorform *Carnacum darstellt, zeigt u. a. die Tatsache, dass der Stammesname bei Plinius noch in der echtkeltischen Form mit a-Vokalismus als Carnacates zu finden ist. Da im Übrigen beim (bisher einzigen?) epigraphischen Beleg die Anfangssilbe fehlt, kann man keineswegs sicher sein, dass sie als [Cor] statt als [Car] zu restituieren sei60. II.5. Die anscheinend ka mpfbezog enen Ethnika, die in unserer Region lokalisiert sind, setzen keine technischen Errungenschaften voraus und können somit verhältnismäßig alt sein. Gemeint ist dabei zunächst der Name der pannonischen Racatai bzw. ´ƒơƪƜƴơƩ, der die vortonig assimilierte Form eines exozentrischen Possessivkompositums mit dem keltischen Präfix ro- ,groß, wichtig‘ darstellt61. Ein mit Sicherheit weibliches Cognomen Racatia ist aus der Belgica belegt, außerdem kennt man ein Idionym Rocatus, das auf einem Ogamstein von der Insel Man in der zweisprachigen Vatersangabe M[A]QI ROC[A]T[O]S = ÀOL5RFDWLerscheint, also in dem einheimischen Text als u-Stamm flektiert, während er in dem entsprechenden lateinischen Text zum o-Stamm vereinfacht wurde62. Wenn nun das zweite Element den keltischen u-Stamm catu- ,Schlacht‘ enthält, wofür nicht zuletzt die u-Stämmigkeit im echtirischen Text spricht, dann kann er als „besonderen Kampf habend“ übersetzt werden, wodurch das Ethnikon eine Parallele in dem Namen der frühen irischen „mighty fighters“ ´ΡοβόȖδιοι fände63.

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Vgl. De Bernardo Stempel 1987, 123 und De Bernardo Stempel 2009, 155 f., die die von Gohil 2006, 217 geäußerten Bedenken unbegründet erscheinen lassen. Es ist jedenfalls nicht wahrscheinlich, dass zwei Stämme ihren Namen aus ein- und demselben Fluss ableiten, weswegen Falileyev u. a. 2010, 147 abzulehnen ist. Wie von Falileyev u. a. 2010, 51 angenommen. Vgl. auch Falileyev u. a. 2010, 57. Colombo 2007, 2. In diesem Sinne bereits Anreiter 2001, 207. Zur Ableitungsbasis vgl. ferner Falileyev u. a. 2010, 9; Matasović 2009, 40; De Vaan 2008, 56. Colombo 2007, 2; mehr oder weniger obskur nach Anreiter 2001, 206 f. und Falileyev u. a. 2010, 122. S. oben § II.1. Colombo 2007, 2; Anreiter 2001, 122 ff. Colombo 2007, 2; Anreiter 2001, 165 ff., wenn auch mit anderer Auslegung des Ortsnamens wie auch Sims-Williams 2006, 65. Zum protokeltischen Etymon vgl. De Bernardo Stempel 1987, 151 f. und Matasović 2009, 190 f. Falileyev u. a. 2010, 185 als obskur; nicht erfasst von Anreiter 2001. Gohils Versuch, das Ethnikon mit kymrisch rhagu ,to stand before, to oppose‘ zu verbinden (Gohil 2006, 243: „?those who stand in front“), implizierte die Trennung von dem hier im folgenden erwähnten Idionym, und ist daher nicht allzu überzeugend. Vgl. Kakoschke 2010, 466 (der keinerlei Parallelen kennt!); Ziegler 1994, 227, 282; Delamarre 2007, 155. Vgl. Ziegler 1994, 227 bzw. De Bernardo Stempel 2007b, 154. Weniger wahrscheinlich ist es – trotz der Existenz verschiedener keltischer Eigennamen mit der Struktur {ro + Tiername} (De Bernardo Stempel 2013, 69 mit Anm. 44) –, dass unser Ethnikon das Wort für ,Katze‘ (protokelt. *katto-: Matasović 2009, 195) enthalten haben könnte, sowohl aus semantischen Gründen wie auch angesichts der fehlenden Geminata und der u- Stämmigkeit des Ogam-Belegs.

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Ferner der Name der Catari, die nur Plinius, aber nicht Ptolemäus für Pannonien aufzählt64. Dessen Vorform dürfte nämlich *Cátu-ri, also ,Die Kämpfer‘ gewesen sein, mit der üblichen Reduktion durch Senkung des bei dem archaischen Antepänultimaakzent unbetonten etymologischen Vokals *u65. Und schließlich der Name der im raetischen Bereich lokalisierten Catenates, hinter dem sich ein weitergebildetes Determinativkompositum vom Typ *Catu-(g)nat-es ,Die in der Schlacht Geborenen‘ verbergen könnte66. Demnach wäre dessen Zweck gewesen, Leute, die sich in einer Schlacht wohlfühlen, zu bezeichnen; das Motiv für den Übergang in die konsonantische Deklination ist aber nicht allzu deutlich. II.6. Der Stammesnamentyp, der Charaktereig enschaften beschreibt, lässt sich nicht immer leicht von den kampfbezogenen Ethnika unterscheiden. In unserem Gebiet handelt es sich dabei zunächst um die Exoethnika der ,wilden, grimmigen‘ Saevaces und der ,friedlichen‘ Amantini, ferner um das mögliche Endoethnikon der ,kräftigen‘ Norici. Im Falle der epigraphisch belegten norischen Saevates muss doch Ptolemäus’ Variante ƓƥƯƽơƪƥƲ als die ältere angesehen werden67: Wegen der deadjektivischen Struktur des Ethnikons erscheint nämlich eine Vorform *Sáiwo-k-s mit Velarsuffix plausibler. Ableitungsbasis dürfte jener indogermanische Adjektivstamm *sai-wo- ,wild, grimmig, scharf‘ gewesen sein, der u. a. von lat. saevus fortgesetzt wird und nicht zuletzt in festlandkeltischen Personennamen wie Saibodaecus, Seboððu, Sebosus oder auch Sevianus fortlebt68. Das rekonstruierte Ethnikon hätte zunächst *Sáivakes gelautet, das latinisierende Schreibungen mit zuließ und später durch den ,gallischen‘ Akzentwechsel und Monophthongisierung zum ptolemäischen Seváces wurde. Der in diesem Zusammenhang gelegentlich angefügte, unweit gelegene Ort Sebatum69 dürfte letzlich auf den in civitas Saevatum belegten Genitiv Plural dieses Ethnikons zurückgehen. Die pannonischen Amantini bzw. ´ƂƬơƭƴƩƭƯƟ scheinen – trotz ihres geradezu lateinischen Aussehens – von derselben einheimischen bzw. keltischen Partizipialbasis amant- abgeleitet zu sein, die in dem altirischen Wort für ,Feind‘, námae aus *n(e)-amant-s, enthalten ist70. Dasselbe Kompositum aus der Negation *neund dem Partizip amant- ,lieb(end)‘ setzen festlandkeltische Idionymen vom Typ Namantobogios – gekürzt Namantius – weiter71. Wenn es auch zunächst befremden mag, dass eine Bevölkerungsgruppe von ihren Nachbarn als ,die Lieben‘ – wohl im Sinne der Friedlichen – angesehen wurde, so kennt man verschiedene keltische ethnonymische Parallelen mit derselben Bedeutung72. Wir kommen nun auf den vieldiskutierten Namen der Norici zu sprechen73, der später das Toponym Noreia durch Suffixersatz ergeben zu haben scheint, das daraufhin wiederum als weibliches Theonym hypostasiert wurde. Alle drei Formen lassen sich nämlich zufriedenstellend erklären, wenn wir von einer Ableitung aus dem Adjektiv idg. *noro- ,männlich, kräftig‘ (IEW, 765 ff.) mit Velarsuffix ausgehen. Es dürfte im Übrigen

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Colombo 2007, 2. Nicht erfaßt in Falileyev u. a. 2010. Wobei das u. a. kymrische Adjektiv kadr ,handsome, comely, fine; powerful, mighty, puissant‘ zumindest in einem Teil seiner Bedeutungen eine Weiterentwicklung der festlandkeltischen Form darstellen wird (in diesem Sinne IEW, 534 und GPC, 379), während die anderen aus einer Kreuzung mit protokelt. *kato- ,wise, able‘ (Matasović 2009, 194) hervorgegangen sein könnten. Die von Anreiter 2001, 210 f. gleichermaßen für Ethnikon und britannisches Adjektiv vorgeschlagene Rückführung auf ein ursprüngliches Adjektiv **katro- ,stark‘ lässt sich weder indogermanistisch noch phonetisch im Einzelnen erhärten. Eine Verbindung mit catu- (Matasović 2009, 195) wurde bereits von Gohil 2006, 208 erwogen („Possibly Celtic ,?the warriors‘), vgl. auch Falileyev u. a. 2010, 94. CIL 5, 1838; Falileyev u. a. 2010, 190 als obskur. Zu denen vermutlich auch Saevonius in Turin mit einem fund(um) Antonianum Sevonianum bei Veleia/I (Delamarre 2012, 237 ohne Etymologie und mit einer fehlerhaften ptolemäischen Form) und Sevia[nus] in Trier (Kakoschke 2010, 502) zu zählen sein werden. Vgl. De Vaan 2008, 534 und Matasović 2009, 325. De Bernardo Stempel – Sanz 2009, 235 f. und Kakoschke 2010, 502. Talbert 2000, 19: D3 nach Cuntz 1990, 280, 2 (Abl. Sg. Sebato). S. auch M. Hainzmann in diesem Band (§ IV.2). Nicht erfaßt in Falileyev u. a. 2010. Ein ganz anderer Vorschlag bei Anreiter 2001, 27–29. Delamarre 2007, 138. Vgl. De Bernardo Stempel 1987, 73 mit Bibliographie. Die Skepsis von Matasović 2009, 283 scheint in diesem Falle exzessiv zu sein. De Bernardo Stempel 2008a, 110 f. Nicht dazu dürfte allerdings das hispanische Amaci gehören (Falileyev u. a. 2010, 45), dessen Wortbildung – zusammen mit den Gegebenheiten der paläohispanischen Korpora – eher auf eine Vorform *Ambaki hinzuweisen scheint (De Bernardo Stempel 2008a, 110 mit Anm. 97). Nicht diskutiert jedoch in Falileyev u. a. 2010. Talbert 2000 verzeichnet lediglich die Region Noricum (u. a. 19: E3).

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kein Zufall sein, dass die den tapferen Norikerstamm involvierende Virunumlegende74 von der Bezwingung eines göttlichen Ebers erzählt75, eines Tieres also, dessen Name zumindest in einem Teil des Keltischen aus derselben Wurzel wie die Norici gewonnen wurde76. Bei der Semantik von *Nórikoi ,Die Männlichen/ Kräftigen‘ könnte man im Prinzip – und im Unterschied zu den ersten beiden Ethnika dieser Gruppe – an eine Selbstbezeichnung denken, dies wäre aber nur möglich, wenn der Name sprachlich keltisch wäre. Gewöhnlich wird er aber als sprachlich nicht keltische Fremdbezeichnung aufgefasst, weil das zugrundeliegende Adjektiv mit Langvokal wie im Griechischen rekonstruiert wird, also als idg. *QŇUR, was zu kelt. *QĆUR führen müsste77. Es ist aber nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, dass auch eine keltische kurzvokalische Variante des entsprechenden Adjektivs existiert haben könnte, aus dem unser Ethnikon ggfs. als Endoethnikon abgeleitet worden wäre. Wie dem auch sei, stützt sich die Reihenfolge der von mir angenommenen und in beiden Fällen gültigen Ableitungskette auf folgende Tatsachen: a) Es ist wahrscheinlich, dass der Name Noreia schon immer eine onomastische Serie mit dem Stammesnamen Norici und dem Landesnamen Noricum bildete, weswegen der Göttername NOREIA nicht eine unabhängige Theonymbildung aus der Verbalwurzel ner- für die ,magische Lebenskraft‘ gewesen sein dürfte, wie einige Gelehrte angenommen haben. Da außerdem die angesprochene Lebenskraft eher mit den Begriffen ,Mann‘ und ,männlich‘ assoziiert wurde, wäre eine solche Gottheit kaum als weiblich personifiziert worden. b) Das Suffix HLĆspricht für einen ursprünglichen Siedlungsnamen und nicht für einen Götternamen78. Dass weibliche Ortsnamen von Ethnonymen abgeleitet wurden – und zwar unabhängig von der Bedeutung des zugrundeliegenden Stammesnamens! –, zeigt nicht zuletzt die ebenfalls, wenn auch später, vergöttlichte BRITANNIA. c) In der frühen keltischsprachigen Welt gehen Stammesnamen den Städtebildungen voraus. d) Nichts lässt vermuten, dass das Ethnonym Norici aus *Noreia (sei es Orts- oder gar Göttername) abgeleitet sei, denn man müsste eher **Noreiani, **Noreiaci oder allenfalls **Noreiates oder **Noreioi erwarten. Stattdessen fügt sich die hier angenommene Wortbildung von Norici sowohl strukturell wie auch semantisch in das Panorama der keltischsprachigen Stammesnamen. e) Wäre dagegen das Theonym direkt aus dem Stammesnamen entstanden, so müsste man am ehesten **NORICIA oder NORICA wenn nicht NORICEIA erwarten, wie im Falle der MATRES NORICAE bzw. der VEICA NORICEIA79. f) Die Ortsnamen, die auf einen Gottesnamen zurückgehen, bedürfen vielfach zusätzlicher Derivationselemente, dagegen ist die – hier angenommene – theonymische Hypostasierung von Siedlungsnamen eine geradezu banale Erscheinung, die zumeist suffixlos erfolgt. Nicht überzeugend ist im Übrigen der Ansatz eines Lexems „*QŇULVrocky area‘„ bei Anreiter u. a. 2000, 123, die damit auch das Ethnikon begründen wollen. Weniger ansprechend ist auch die Rückführung der drei Namen auf die Verbalwurzel 3ner- ,untertauchen; Höhle‘, zumal der Ortsname ggfs. v o r dem Stammesnamen entstanden sein müsste. Dafür, dass der Stammesname auf jeden Fall dem Ortsnamen vorausgeht, spricht auch die von Gerhard Dobesch 1997 angeführte außersprachliche Evidenz. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die hier bevorzugte Analyse es ermöglicht, die Namen der Provinz Noricum wie auch der pannonischen Siedlung Νώρακος auf verschiedene Kasus – nämlich Genitiv und Akkusativ Plural – derselben Urform *Nóro-ko-i zurückzuführen, und zwar mit dialektal unterschiedlicher Reduktion zu i bzw. a des unbetonten Vokals der Mittelsilbe. 74 75 76

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Dazu zuletzt Hofeneder 2010. Zu EBUROS als neuaufgefundene festlandkeltische Gottheit vgl. Sanz Aragonés u. a. 2011. Vgl. IEW, 765, das außer altirisch ner ,Eber‘ auch den festlandkeltischen Gott NERIOS erwähnt. Ferner Matasović 2009, 289, wo die semantische Entwicklung allerdings eher von ,*Männliches Geschöpf‘ (Idg.) über ,Eber‘ (Kelt., im Goidelischen erhalten) zu ,Held‘ (im Britannischen) rekonstruiert werden sollte. Vgl. Meid 2005, 278f. zu Norica Olicanti f.; ferner De Bernardo Stempel 1999, 42 und Matasović 2009, 284. Als in weitem Sinne benachbarte Siedlungsnamen mit demselben Morphem listet Anreiter 2001, 145 Aquileia, Celeia, *Matreia, Oneia, Stupeia, Varceia und Vereia(e) auf. Zu diesen spezifisch norischen Götternamen vgl. De Bernardo Stempel 2005a, 21f. sowie demnächst Hainzmann i. V.

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II.7. Zu den keltischsprachigen Exoethnika, die auf die wi r ts ch a f tl ich e L a g e der involvierten Bevölkerungsgruppen anspielen, gehören in unserem Raum – außer den schon vorab besprochenen Arviates und Aravisci (§ II.3.3.1) – die norischen Helvetioi und wahrscheinlich die pannonischen Boioi. Der Name der Helvetioi ist durch das im anlautenden h- noch teilweise erhaltene p- von *pelu- ,viel‘ bemerkenswert archaisch, was wir auch im Falle der in § II.1 besprochenen Hercuniates angemerkt haben. Durch das im Kompositum als zweites Glied enthaltene Substantiv *peitu- ,Weideland‘ setzt er dennoch – als keltische Fremdbezeichnung für ,Die viele Weiden Habenden‘ – bereits die Einführung der Tierzucht oder zumindest der Landwirtschaft voraus80. Ausdrücklich auf die Viehzucht scheint der Name der Boier anzuspielen, dessen Singular Boios inzwischen ansprechend als *Bowios im Sinne von ,Kuhzüchter‘ oder ,Viehbesitzer‘ (ursprünglich *gwow-yo-s) rekonstruiert wird81. Kaum noch diskutabel ist die frühere Interpretation als ,Die Lebendigen‘82, weil viel zu unspezifisch. Dasselbe gilt auch für die Rekonstruktion als *bhog-yo-s ,Schläger‘83, nachdem ein bereits in das 6. Vorchristliche Jahrhundert datierter aus dem Ethnikon gewonnener Personenname Βοιος in Katalonien gefunden wurde84. II.8. Als mögliche keltische ber u f bes chrei bend e E thni k a können u. a. die Breuci, Breuni und Kutnoi sowie möglicherweise die Varciani und vielleicht auch die Andízetes angesehen werden. Die pannonischen Breuci bzw. ƃƱƥƵØƪƯƩ scheinen für die Bearbeitung von Getreide bekannt gewesen zu sein: Ihre Bezeichnung ließ sich vor einigen Jahren als Nomen agentis *breuk’-ó-s ,Mahler‘ verstehen85, eine Bildung, die in dem keltischen Toponym ΒρευκομάȖος ,Mahlstadt‘ (Germania superior) wiederkehrt. Anders als in meiner soeben genannten Studie vorgenommen86, würde ich allerdings jetzt auch die rätischen Breuni, ƃƱƥƵØƭƯƩ bzw. Breones zu diesem Etymon stellen87: Denn sie wurden nicht nur – zusammen mit den Genauni – als gentes Gallorum bezeichnet, sondern auch ihr Name lässt sich problemlos als denominale Ableitung vom keltischen Wort für ,Mühlstein‘ analysieren. Der gesamtkeltisch fortgesetzte Nasalstamm *gwreHwon- 88, der nicht zuletzt im walisischen Femininum breuan ,hand-mill, quern, millstone‘ enthalten ist, scheint nämlich – über *gwréwon-?89 – zu jenem brevon- geführt zu haben, das von beiden Stammesnamenvarianten fortgesetzt wird: Bréunoi aus synkopiertem *Bréwon-oi und Breones aus dem später vereinfachten *Brewón-es mit bereits modernisierter Betonung. Wir hätten also mit Handwerkern zu tun, die Mühlsteine produzierten oder sie als ,Müller‘ einsetzten. Beide Stammesnamen scheinen sich in der Anfangsphase des Keltischen als feste onomastische Elemente herauskristallisiert zu haben, denn der alte Diphthong eu wurde nicht mehr zu ou umgestaltet. Die ebenfalls pannonischen ƋƽƴƭƯƩ90, wenn ursprünglich als *Kúti-no-i von dem indogermanischen Lexem *(s)ku(H)-ti-s für ,Leder, Haut‘ abgeleitet, das nicht zuletzt im mittelkymrischen cwd ,Beutel, Tasche‘ und esgid ,Schuh‘ fortlebt91, scheinen eine Gruppe von ,Kürschnern‘ oder ,Gerbern‘ dargestellt zu haben. Die sprach-

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Vgl. De Bernardo Stempel 2008a, 105 mit Bibliographie. So zunächst Anreiter 2001, 150–157 (bes. 157). Vgl. auch De Bernardo Stempel 2008a, 105 mit Anm. 42. In diesem Sinne auch Koch u. a. 2007, 24. Bammesberger 1997, gefolgt von Blažek 2010, 23 f. Referenzen in Gohil 2006, 205 f. und Falileyev u. a. 2010, 10. Casas Genover – de Hoz 2011. „En effet, l’emploi d’un nom ethnique en fonction d’anthroponyme précède souvent sa parution comme ethnique dans les sources littéraires“: Poccetti 2011, 152. Skepsis wegen des ggfs. sehr früh anzusetzenden Schwundes eines intervokalischen *g war bereits von mehreren Autoren geäußert worden. De Bernardo Stempel 2005b, 79. Dazu auch Falileyev u. a. 2008, 170 und 2010, 79 sowie Anreiter 2001, 37–39, wenn auch mit unsauberer Argumentation über die Keltizität der Ethnika, die ja – wie eingangs unterstrichen – selbst dann keltisch sein können, wenn die Stammesmitglieder selbst kein Keltisch sprachen. De Bernardo Stempel 2005b, 79 Anm. 12. Nicht erfasst in Falileyev u. a. 2010. Anders Anreiter 1996, 8 ff. und Anreiter 2001, 38. Matasović 2009, 75; LEIA II (1981) 92; Jackson 1953, 374; Schrijver 1995, 39. 122 f. 126. 136. 300. 334; De Bernardo Stempel 1987, 47. Gegebenenfalls analog zum Schwund des Laryngals vor *y in der Folge CRHyV (De Bernardo Stempel 1987, 47). Ptol. II, 14, 2. Weder in Anreiter 2001 noch in Talbert 2000 oder Falileyev u. a. 2010 erfasst. Matasović 2009, 230; LEIA III (1987) 139 s. v. air. codal; De Vaan 2008, 160.

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liche Form würde dabei – mit ihrer durchaus gängigen Synkope der vorletzten Silbe – die archaischkeltische Antepänultimabetonung voraussetzen. Der Name der in Pannonien lokalisierten Varciani bzw. ƐƽơƱƪƩƜƭƯƩ92 lässt sich als regelmäßige festlandkeltische Entwicklung von *Vorgiánoi deuten, mit der in vielen Gegenden üblichen hyperkorrekten Schreibung als des Velars g in stimmhafter Umgebung. Der ursprüngliche Stamm *wórgyo-no- schiene dabei mit o-Abtönung von derselben Verbalwurzel *werg’- für ,arbeiten‘ (bzw. ,wirken, machen‘: LIV, 686f.) abgeleitet zu sein, die auch in keltischen Wörtern für ,Hanf‘ zu beobachten ist93. Die Tatsache, dass sowohl Vorgium wie auch Vargia in der Keltiké als Ortsnamen vorkommen, suggeriert, dass damit irgendein Typ von Feldarbeit gemeint war. Man fragt sich nun, ob eine ähnliche semantische Motivation nicht doch auch in dem Namen der alpinen Vergúnni zu sehen ist, deren Ableitungsbasis ein nasalstämmiges Appellativ oder ein Eigenname *ZHUJŇ Q gewesen sein muss94. Ferner bestünde auch für die ebenso in Pannonien lokalisierten Andízetes die wenn auch vage Möglichkeit einer keltischen Etymologisierung in diesem Sinne: falls sie nämlich eine (mit ande-?) präfigierte agentive Bildung aus dem Verbalstamm repräsentieren sollten, der im Keltiberischen als diza- erscheint und in der ersten Botorrita-Bronze soviel wie ,roden‘ (Ti.z.a.u.n.e.i) bedeuten muss95. Stammesnamen, die dieser relativ gesehen moderneren berufsbeschreibenden Gruppe angehören, sind wohl für Noricum nicht überliefert. II.9. Was die in Raetien lokalisierten sogenannten ,Runicates‘ betrifft96, so ist es lediglich Ptolemäus, der ihren Stammesnamen als ´ƒƯƵƭƩƪƜƴơƩ überliefert, d. h. als Ableitung des keltischen Lexems für ,geheim‘ und ,Zauber‘, woraus sich eine Bedeutung **‘Magier‘ ergäbe. Das entsprechende Lexem lebt u. a. in mittelkymrisch rhin und in Personennamen wie lepontisch Runelos oder gallisch Runatis weiter, die Wortbildung des Ethnikons setzte aber eine Kollektivbildung **Runika ,?Zauberei‘ voraus, die mit dem Morphem -tis weitergebildet worden wäre. Es ist jedoch evident, dass die von Plinius überlieferte Form Rucinates die authentische gewesen sein muss97, da sie auch inschriftlich bezeugt ist. Es dürfte sich daher ursprünglich um *Rouk(k)ína-t-es gehandelt haben, ein auf die ä u ß e re E rs ch ei nu n g anspielendes (Exo-)Ethnikon, das von demselben Wort *róukkina für ,Cape, Mantel‘ oder auch ,Weste‘ abgeleitet war, das als kymrisch rhuchen für ,(Leder-)Weste, Jacke, Mantel‘ oder auch ,Tunik‘ fortlebt. Die hier vorgeschlagene Deutung ermöglicht zugleich, die von Strabo überlieferte Variante ´ƒƯƵƪƜƭƴƩƯƩ als archaischere Ableitung der gleichbedeutenden unerweiterten Basis *róukka zu erklären, die in kymrisch rhuch für ,grobes Kleidungsstück, Cape, Mantel‘ fortlebt: nämlich als *Rouk(k)á-nt-io-i, ,Die eine roukka tragen‘. Es ist nachvollziehbar, wie eine seltene Ableitungsbasis leicht von Ptolemäus oder von seinen Kopisten, wenn nicht schon von den von ihm verwendeten Quellen, durch Metathese in eine weit bekanntere umgesetzt werden konnte98. II.10. Unter den theophoren Ethnica sicherlich antik ist der Name der weit im Nordosten lokalisierten Lugii, die sich selbst –wie die Lugonoi und Lúggones anderer Regionen– als Verehrer von LUGUS auswiesen99. Das Alter der vom Götternamen LATOBIOS abgeleiteten, norischen Latobici bzw. ƌơƴƼƢƩƪƯƩ könnte demgegenüber jünger sein100. Wie in Groh und Sedlmayers neuem Sammelband zum Burgstallheiligtum 92 93

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Nicht erfasst in Falileyev u. a. 2010 und obskur für Anreiter 2001, 143 f. Zu kymrisch cywarch und bretonisch koarc‘h aus *ko-werko- vgl. GPC, 829 sowie Delamarre 2003, 314 s. v. uercaria ,terrain cultivé‘ mit Bibliographie. Delamarre 2003, 315. IEW, 1168 f. Falileyev u. a. 2010, 243. Wie in Falileyev u. a. 2010, 233 angemerkt wird, war nämlich die bei De Bernardo Stempel 2008a, 112 mit Anm. 121 vorgeschlagene Deutung wortbildungsmäßig nicht ohne weiteres einleuchtend. Vgl. De Bernardo Stempel 2010a, 127. Das Verb ist auch in der vierten Bronze als Imperativ Ti.z.a.Tu.z ,roture-él‘ belegt. Falileyev u. a. 2010, 190, jedoch noch mit der unplausiblen Etymologie „Obscure: ,?the blushing, i.e. shameful or shaming, people‘“, die schon von Gohil 2006, 224 f. erwogen wurde. Die lectio facilior wird jedoch in Koch u. a. 2007, 17.5: G3 priorisiert. Für die in diesem Abschnitt angeführten Lexeme und Eigennamen vgl. Matasović 2009, 315–317; GPC, 3107 u. 3099; Delamarre 2007, 156. Falileyev u. a. 2010, 153. De Bernardo Stempel 2008a, 102; De Bernardo Stempel 2008b, bes. 182 f. und 190 f. Anders Anreiter 2001, 168 f. und Falileyev u. a. 2010, 143, die in Anlehnung an Meid 1995 den Stammesnamen als unabhängig vom Götternamen erklären.

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ausführlicher erklärt wird, zeigt das Fehlen theonymischer Varianten mit -v- beim Götternamen, wie etwa **Latovicos oder zumindest **Latovios oder **Latovix sein könnte, dass der Göttername nicht vom Stammesnamen abgeleitet wurde, sondern eher der Stammesname vom Götternamen101. Folglich beruht die v. a. von Plinius überlieferte Stammesnamenvariante Latovici, mit -v-, auf paretymologischer Reinterpretation der ursprünglichen Ableitung *Latobi-ko-i (mit dem beliebten keltischen Velarsuffix), d. h. als ob darin das keltische Äquivalent von lat. vinco enthalten wäre. Wenn nun der von Wolfgang Meid102 zufriedenstellend als ,Der wütend Schlagende‘ gedeutete Göttername tatsächlich ein frühkeltisches Theonym darstellt, dann müssten dessen selbsternannte Verehrer sich schon recht früh als selbständige Bevölkerungsgruppe konstituiert haben; wenn aber das Kompositum LATOBIOS, wie es aus verschiedenen Gründen den Anschein hat, erst zur Beschreibung bzw. Verdeutlichung des Charakters von MARS benutzt – wenn nicht sogar gebildet – wurde (was im Übrigen eine Parallele in dem ,tobenden‘ ਡρης Θουρος fände), könnte die Latobikergruppierung genauso gut weit weniger archaisch sein. II.10.1. Möglicherweise zu derselben semantischen Gruppe könnten auch die in Raetien lokalisierten Rigusci bzw. ´ƒƩȖƯƵØƳƪơƩ gehören103. Das darin enthaltene Suffix -sko- lässt nämlich wieder einmal vermuten, dass das Ethnikon deonomastisch sei104, wodurch sich drei Möglichkeiten auftun: a) Rigusci beruht auf einem antonomastischen Theonym RIGU, dem ,göttlichen König‘, aus *5LJŇ Q 105; b) Rigusci beruht auf der Abspaltung von einem nach irgendwelchen ,Königen‘ bezeichneten Stamm. Ableitungsbasis müsste dann die nasalstämmige Pluralform *Rigunes gewesen sein, mit der aus verschiedenen Dialektzonen der Keltiké bekannten Ausdehnung des auslautenden -u des Nom.Sing. *ULJŇ Q  auf alle anderen Kasus. Die normale Flexion dieses Wortes ist demgegenüber u. a. in dem auf altbritannischen Münzlegenden eingravierten Gen.Sing. rigon(os) zu sehen106. c) Rigusci beruht auf einem Stammesnamen *Rigoi mit kontextbedingter Vokalvelarisierung. II.11. Die archaischen und auferlegten tierbezog enen Ethnika sind in unserem Beobachtungsraum – wie wir beim Kommentar zu den Taurisci oben in § II.1 gesehen haben – nicht ohne weiteres belegt. Nicht ganz sicher ist auch die Präsenz der ebenfalls archaischen und selbstauferlegten p f l a n z en - bzw. b a umbezog enen Ethnika. Ein möglicher Kandidat könnte sich in dem Namen der pannonischen Azali bzw. ਡƦơƫƯƩ verbergen, von dem ein Genitiv Azaliorum inschriftlich belegt ist107: es könnte nämlich als *Áð(ð)ali oder *Adyali aus dem keltischen Lexem *adâ für den kultisch relevanten Weißdorn abgeleitet sein, das idg.* h2ed(h)â fortsetzt und auch aus dem Hethitischen bekannt ist108.

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De Bernardo Stempel 2011b, 220 f. Meid 1995, 125–127. Ptol. II, 12, 3; De Bernardo Stempel 2008a, 110. Als „Ru(i)gusci“ in Talbert 2000, 19: B3. Nicht erfasst in Falileyev u. a. 2010. S. oben § II.1 mit Anm. 27. Besagtes Theonym ist bisher nur in der anscheinend latinisierten Form REGO belegt (De Bernardo Stempel 2010c, 107). Dazu jetzt De Bernardo Stempel 2012b (§ II ad D) mit älterer Bibliographie. Talbert 2000, 20: F2 und 21, A2; Colombo 2007, 2; Ptol. II, 14. Nicht erfasst in Falileyev u. a. 2010. Vgl. Matasović 2009, 24 f. und Watkins 2008. Festlandkeltische Parallelen für die Lautentwicklung {dd, dy}> z führt De Bernardo Stempel 2007a, 183–185 und De Bernardo Stempel 2001, 329–331 an; vgl. auch De Bernardo Stempel 2002, 104, wo keltiberisch s.e.t.i.z.a. recte mit Setidia gleichzusetzen ist, sowie jetzt ead. 2013a, 321–323. — Komplizierter erscheint Anreiters Versuch (Anreiter 2001, 34 f., 24, 186 u. 201), dieses Ethnikon als eine nicht-keltische Fremdbezeichnung zu erklären: Es handle sich um eine Entsprechung der in der westlichen Lokris lokalisierten griechischen ´Οζόλαι, die von einem idg. *h3edyolo- ,stinkend‘ abgeleitet wären. Es ist seltsam, dass eine Sprache mit a- Vokalismus, wie das spezifisch „Pannonische“ rekonstruiert wird, nicht auch den Stammvokal von Azalio- transformiert haben soll.

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GRÖSSER ALS GEDACHT. DAS RÖMISCHE AUGSBURG IM SPIEGEL DER NEUESTEN AUSGRABUNGEN Die ältesten römischen Spuren auf Augsburger Boden stammen aus augusteischer Zeit. Zwischen ca. 8/5 v. und 15 n. Chr. bestand nahe des Zusammenflusses von Lech und Wertach ein Militärplatz. Seine Existenz wird aufgrund eines Massenfundes von annähernd 10.000 Objekten, vor allem Metallfunde wie Waffen, Ausrüstungsteile, Werkzeuge und Geräte, sowie römische Keramik und Münzen angenommen1. Die Funde lagen wohl in einem ehemaligen Flusslauf der Wertach verlagert. Obwohl sie bereits zu Beginn des 20. Jhs. geborgen wurden, ist eine Lokalisierung des Standortes dieses Lagers bislang immer noch nicht gelungen. Neben der Kontrolle von weiten Teilen des Alpenvorlandes wird diesem Militärplatz aufgrund seiner günstigen Lage an Lech und Wertach auch eine Rolle als Nachschubbasis zur Versorgung der hier agierenden Truppen zugeschrieben2. Ein Hochwasser war vermutlich verantwortlich für die Aufgabe dieses Lagers. Als Nachfolger entstand in spätaugusteisch-frühtiberischer Zeit in strategisch günstiger Lage auf der Hochterrasse zwischen Lech und Wertach ein ca. 10 ha großes Kastell (Abb. 1). A. Schaub konnte zwei Umwehrungsperioden und bis zu vier Phasen der Innenbebauung nachweisen3. Außerhalb des Lagers entwickelte sich in der Folgezeit entlang der Hauptstraßen die zivile Händler- und Handwerkersiedlung Augusta Vindelicum4. Das Kastell wurde sehr wahrscheinlich in Folge der Bürgerkriegsereignisse im Jahre 70 n. Chr. zerstört und nicht wieder aufgebaut5. Erst kürzlich, konnten beim Bau einer Abwasserleitung erneut mehrere Holzbauphasen der in Fachwerkbauweise errichteten Mannschaftsunterkünfte sowie eine gekieste Lagerstraße festgestellt werden6 (Abb. 2). Bei Ausgrabungen 2002/3 wurde ca. 100 m südlich dieses Militärlagers ein kleiner Militärposten entdeckt7 (Abb. 1). Die rechteckige Holzumwehrung von ca. 7,5 × 9 m ist von einem ca. 2,5 m breiten Spitzgraben umgeben (Abb. 3). An der Westseite ist der sonst durchgängige Pfostengraben der Umwehrung unterbrochen. Hier lässt sich ein ca. 3 m breiter doppelflügeliger Zugang ergänzen. Im weitgehend durch jüngere Eingriffe gestörten Innenbereich konnten keine weiteren Bebauungsspuren festgestellt werden. Bei der geringen Größe der Anlage war die Innenbebauung wohl in die Umwehrung integriert. Bauzeitliches Fundmaterial aus Pfostengraben und -gruben fehlt, die sehr spärlichen Funde aus der Spitzgrabenverfüllung lassen keine genauere Datierung zu und weisen nur allgemein auf ein Ende dieses Militärpostens im 1. Drittel des 1. Jhs. n. Chr. In claudischer Zeit allerdings zerstörte ein Brand die zweite Holzbauphase der hier inzwischen entstandenen Lagerdorfbebauung. Die Brandschicht überlagert das Innere des Militärpostens und zieht auch über den zu diesem Zeitpunkt bereits verfüllten Spitzgraben. Im Gegensatz zum Kastell kann eine gewaltsame Zerstörung des Militärpostens durch Feuer ausgeschlossen werden. Sehr wahrscheinlich wurde dieser in spätaugusteisch-frühtiberischer Zeit noch vor der Anlage des Kastells errichtet und nach dessen Fertigstellung abgebrochen, da seine Funktion dadurch überflüssig geworden war. 1 2 3 4 5 6 7

Von Schnurbein 1985; Bakker 1999. Von Schnurbein 1985, 36. Schaub 1999. Tremmel 2012. Schaub 1999, 367 f. Ausgrabung der Stadtarchäologie Augsburg im Äußeren Pfaffengäßchen 23, im Jahr 2010. Bakker – Fleps 2003.

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102 Wachposten und Straße nach Cambodunum. Abb. 1. Augsburg, frühkaiserzeitliches Kastell, M. 1 : 4000.

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In Anbetracht der geringen Größe ließe er sich am ehesten als Wachposten und Signalstation deuten. Aufgrund seiner Lage am östlichen Rand der Hochterrasse mit gutem Überblick nach Süden und Osten war die Kommunikation mit den spätaugusteisch-frühtiberischen Militärlagern im Lechtal bei Friedberg-Rederzhausen möglich, die in einer Entfernung von ca. 7 km Luftlinie nach Südosten lagen8. Im Folgenden soll nun eine vor kurzem entdeckte Stadtumwehrung vorgestellt werden, die zwar erst im ausgehenden 2. Jh. n. Chr. errichtet wurde, deren Planung aber sehr wahrscheinlich in die 1. Hälfte des 1. Jhs. zurückreicht. Bereits im 16. Jh. versuchte Marcus Welser den Verlauf der damals teilweise im Gelände noch sichtbaren römischen Stadtmauer nachzuzeichnen9. Sehr intensiv befasste sich L. Ohlenroth mit ihrer Erforschung. Den Höhepunkt erreichte er dabei 1949 mit der Entdeckung und Dokumentation des Südwesttores der Römerstadt10. Eine Zusammenfassung seiner Ergebnisse veröffentlichte er 1954 in einem Plan der römischen Stadt, der in der Folgezeit ständig weiterentwickelt wurde11 (Abb. 4). Abb. 2. Augsburg, Äußeres Pfaffengäßchen 23: In den 1980/90er Jahren hat die Stadtarchäologie Augsverkohlte Schwellbalken und verziegelter Lehmburg im Bereich der westlichen Stadtumwehrung großfußboden, Brandzerstörung der letzten Bauphase flächige Ausgrabungen durchgeführt. Diese wurden von des frühkaiserzeitlichen Kastells. S. Ortisi im Rahmen einer Dissertation ausgewertet und 2001 veröffentlicht. Er datiert den Westabschnitt der Stadtmauer in die Zeit zwischen 160–170 n. Chr. und sieht die Erbauung im Kontext der Bedrohung durch die Markomannen12.

165/66 wurde zum Schutz der Nordprovinzen in Italien die legio III Italica ausgehoben13. Sie war ab 178/79 dauerhaft in Regensburg stationiert14. S. Ortisi nimmt an, dass zumindest Teile dieser Legion beim Bau der Stadtmauer der raetischen Provinzhauptstadt maßgeblich beteiligt waren15. Die Ausgrabungen entlang der Westumwehrung ergaben, dass für deren Bau die hier bereits bestehende Siedlung geschleift wurde. Offenbar aber nur im Bereich der Mauer und der vorgelagerten Wehrgräben. Die außerhalb der Stadtmauern weiter bestehende Siedlung wurde um 240 n. Chr. zerstört16. Mächtige Brandschichten sowie menschliche Skelette und Skelettreste in aufgelassenen Brunnen- und Kellergruben sprechen für eine kriegerische Ursache dieser Zerstörung. Ein Wiederaufbau dieser extra muros gelegenen Siedlung fand nicht mehr statt. Im Jahr 1999 gelang es A. Schaub den Verlauf des Nordwestabschnittes der Stadtmauer anhand von Sondageschnitten nachzuweisen. Er datiert diesen Mauerabschnitt allerdings bereits in hadrianische Zeit17. 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Czysz 1980; von Schnurbein 1983. Velserus 1594. Ohlenroth 1956. Ohlenroth 1954. Ortisi 2001, 78. Cass. Dio 55, 24, 4; Vgl. dazu ausführlich: Dietz 1995, 140–142. Dietz 1995, 155 f. Ortisi 2001, 80. Vgl. dazu Ortisi 2001, 83 f. Babucke u. a. 1999, 75.

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Damit liegen über 40 Jahre zwischen dem Bau des Nordwestabschnittes und dem des Westabschnittes der Stadtmauer. In den letzten Jahren fanden im Bereich südwestlich der römischen Stadt zahlreiche großflächige Ausgrabungen statt (Abb. 4). Eine sensationelle Entdeckung gelang 2004, als man völlig unerwartet im Annahof auf die Überreste einer römischen Wehranlage stieß (Abb. 5). Sie bestand aus einer ca. 6 m breiten Holz-Erde-Mauer, zwei vorgelagerten Spitzgräben und einem flachen Sohlgraben (Abb. 6). Diese Wehranlage wurde damals von L. Bakker als Südfront eines römischen castrums gedeutet18. Er datierte die Anlage in die Zeit um 150/180 n. Chr. und stellte sie in den Zusammenhang mit den Markomannenkriegen. Als Besatzung nahm er Teile der dritten italischen Legion an, die mit dem Bau der steinernen Stadtmauer betraut gewesen sein sollen. Den 3 m breiten Sohlgraben, der erst nach dem Verfüllen des inneren Spitzgrabens entstandenen ist, deutete er als Fundamentgraben für eine steinerne Wehrmauer dieses Lagers zu deren Ausführung es dann aber nicht mehr kam. Bereits L. Bakker fiel die für ein castrum ungewöhnlich große Breite der Holz-Erde-Mauer von nahezu 6 m auf19.

Abb. 3. Augsburg, Bei St. Barbara 2. Befunde des 1. Jhs. n. Chr.: 1 Wachposten, 2 Zugang, 3 Straße, 4 Estrichböden des Fachwerkbaus, 5 Herdstellen, 6–9 Zisternen.

In den darauf folgenden Jahren fanden mehrere großflächige Ausgrabungen nördlich des Annahofs statt. Dabei wurde intensiv vor allem nach Spuren der Innenbebauung des hier postulierten castrums gesucht, allerdings ohne Erfolg (Abb. 4).

Als 2007 die Ausgrabungen im Schulhof des Maria-Theresia-Gymnasiums in der Gutenbergstraße starteten, hoffte man, aufgrund der Lage in der Nähe des bekannten westlichen Gräberfeldes an der Römerstraße nach Cambodunum-Kempten, hier Gräber oder vielleicht die westlichen 18 19

Bakker 2005. Die Standardbreite beträgt nur 3 m.

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Abb. 4. Stadtplan des römischen Augsburg (größtenteils ergänzt) mit Wehrgräben GRÖSSER ALS GEDACHTdes . D70 AS RÖMISCHE AUGSBURG IM SPIEGEL DER NEUESTEN AUSGRABUNGEN n. Chr. zerstörten Kastells, Straßennetz, Steinbauten, Stadtmauer und farblich hervorgehobene rezente Ausgrabungsflächen im Südwesten der Römerstadt. M. 1 : 4000.

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Abb. 5. Augsburg, Im Annahof 4: äußerer Pfostengraben der Holz-Erde-Mauer der Wehranlage.

106 Abb. 6. Augsburg, Im Annahof 4: Wehranlage mit Holz-Erde-Mauer, Spitzgräben und Sohlgraben.

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Abb. 7. Augsburg, Gutenbergstraße 1: äußerer Pfostengraben der Holz-Erde-Mauer der Wehranlage.

Ausläufer des römischen Vicus vorzufinden. Erst 2006 waren nur etwa 50 m weiter westlich etliche Brandund Körperbestattungen freigelegt worden20. Doch die Erwartungen sollten sich nicht erfüllen, denn weder Gräber noch Vicusbebauung waren vorhanden. Dafür wurde eine Doppelreihe von mächtigen Pfosten mit ihren Pfostengruben entdeckt, die als Holz-Erde-Mauer einer römischen Wehranlage gedeutet werden kann und sich auf einer Länge von ca. 80 m nachweisen ließ21 (Abb. 7). Westlich davon kam ein Jahr später auch ein zugehöriger Wehrgraben zum Vorschein. Spuren einer Innenbebauung waren nicht vorhanden. Einen terminus post quem von 147/48 n. Chr. für den Bau der Holz-Erde-Mauer liefert ein Denar des Antoninus Pius aus der obersten, von den Pfostenreihen geschnittenen Planierschicht. Die Wehranlage scheint nur sehr kurzfristig genutzt worden zu sein, bald nach deren Aufgabe entstand an gleicher Stelle ein römisches Holzgebäude, das nach einer Umbauphase um die Mitte des 3. Jhs. n. Chr. aufgegeben wurde. Mehrere wahrscheinlich zugehörige Brunnen, zwei davon überlagern den Wehrgraben, enden gleichzeitig, wohl im Zusammenhang mit der Zerstörung der außerhalb der Stadtmauern gelegenen Siedlung um 240 n. Chr. Die Wehranlage scheint also bald nach der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. errichtet worden zu sein und ließe sich in den historischen Kontext der Bedrohung durch die Markomannen einordnen. Damit stellt sich zwangsläufig die Frage nach dem Zusammenhang mit der Wehranlage gleicher Zeitstellung im Annahof. Aufgrund der identischen Bauweise, scheint eine Zusammengehörigkeit mehr als wahrscheinlich. Verlängert man nun die Fluchten beider Wehrmauern, erhält man am Treffpunkt einen sehr weiten Winkel, unüblich für Lager dieser Zeit (Abb. 8). Auch reicht der Platz nicht aus um beide Wehranlagen zu einem 20 21

Bakker – Heimerl 2006. Fleps 2008.

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Abb. 8. Augsburg. Übersichtsplan mit Darstellung der römischen Stadtmauer und Ergänzungsversuch der vorgelagerten Holz-Erde-Umwehrung: 1 Holz-Erde-Mauer in der Gutenbergstr., 2 Wehranlage im Annahof, 3 Stadtmauer, 4 Westtor, 5 Straße nach Cambodunum-Kempten. M 1 : 5000.

Lager zu ergänzen. In der Gutenbergstraße aber ein weiteres Lager gleicher Zeitstellung anzunehmen, scheitert am sehr geringen Abstand zur nördlich angrenzenden römischen Fernstraße. Zu wenig, um hier die Nordwestmauer mit den vorgelagerten Wehrgräben und dazu die abgerundete Ecke eines Lagers unterzubringen. Daraus folgt, dass diese Befestigungsanlage die Straße einbezogen haben muss und sich nördlich von ihr fortsetzte. Demzufolge gehören beide Wehranlagen nicht zu einem Lager, sondern sehr viel wahrscheinlicher zu einer Stadtumwehrung. Damit wäre auch geklärt, weshalb bei den Ausgrabungen nördlich des Annahofs keinerlei Spuren der Innenbebauung des dort postulierten Lagers gefunden werden konnten. Auch wenn der weitere Verlauf dieser nur kurz bestehenden Stadtbefestigung noch unklar ist, wird deutlich, dass das Gebiet der römischen Stadt ursprünglich viel größer geplant war, als bisher angenommen. Ging man bislang von einem ca. 65–85 ha umwehrten Stadtterritorium aus22, so steigt dieses nach den neuesten Erkenntnissen auf mindestens 104 ha an. Wie bereits für die steinerne Stadtmauer und die Wehranlage im Annahof angenommen, ist für den Bau der Holz-Erde-Befestigung mit einer Beteiligung von Auxiliareinheiten und möglicherweise einer Vexillation der dritten italischen Legion zu rechnen. 22

Bakker 1995, 421; Ortisi 2001, 26. 78.

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Abb. 9. Frölichstraße, Ausgrabungen 1925–2011: Gräberfeld (hellgrau) mit Begrenzungsmauer (1) und Verbrennungsplatz (2), Gräben der Wasserleitung (blau), Straße nach Cambodunum (dunkelgrau), Stadtbefestigung (3) mit Wehrgraben (4).

Bereits bei der Errichtung der Holz-Erde-Umwehrung, muss klar gewesen sein, dass diese keinen ausreichenden und vor allem keinen dauerhaften Schutz bot. Sollte die Interpretation des 3 m breiten Sohlgrabens im Annahof als Fundamentgraben für eine geplante Steinmauer zutreffen, so hätten wir hier einen Hinweis für den Beginn des Ausbaus der Stadtmauer in Stein an dieser Stelle, und zwar wesentlich breiter, als sie dann letztendlich ausgeführt worden ist. Die Entscheidung für eine Reduktion des zu umwehrenden Territoriums und die Aufgabe der nun außerhalb davon liegenden städtischen Randbesiedlung wäre dann sehr plötzlich, während der bereits begonnenen Arbeiten an der äußeren Steinmauer getroffen worden. Die Errichtung der Holz-Erde-Stadtumwehrung genau an dieser Stelle, war wohl keine spontane Entscheidung, sondern durch den Verlauf des pomerium bereits so vorgegeben. Unter pomerium versteht man bekanntlich den geweihten Bezirk beidseitig einer Stadtumwehrung, der nicht bebaut werden darf. Auch durften hier keine Bestattungen vorgenommen werden, sondern nur extra muros, außerhalb der Stadtmauern. Es sind bislang keine Bestattungen aus der Zone zwischen Holz-Erde-Mauer und der steinernen Stadtmauer aus der Zeit vor der Aufgabe der äußeren Umwehrung bekannt. Auch die Bebauung im Bereich der Holz-Erde-Umwehrung setzt erst kurz nach deren Aufgabe ein. Wie weit sich die Siedlung in der 2. Hälfte des 2. Jhs. nach Westen ausgebreitet hatte ist nicht bekannt. Sie reichte offenbar nicht bis unmittelbar an diese Umwehrung heran. Die Ausgrabungen nördlich der Wehranlage im Annahof ergaben, dass 109

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dort keinerlei römische Bebauung vorhanden war (Abb. 4). Demnach gab es abseits der Ausfallstraßen großflächige unbebaute Areale, die in diese Umwehrung einbezogen worden sind23. Eine spontane Errichtung dieser weit gefassten Wehranlage primär zum Schutz der vorhandenen spärlichen Randbesiedlung ist vor diesem Hintergrund fraglich. Weitere Indizien für eine Festlegung der Siedlungsgrenze an dieser Stelle bereits im 1. Viertel des 1. Jhs. n. Chr. liefern die erst kürzlich abgeschlossenen Ausgrabungen im westlichen römischen Gräberfeld an der Straße nach Cambodunum/Kempten24 (Abb. 9). Zu den bedeutendsten Entdeckungen hier zählt das ustrinum, der Verbrennungsplatz, wo man die Leichen der Verstorbenen von den 1. Jahrzehnten n. Chr. bis um die Mitte des 3. Jhs. n. Chr. einäscherte. Aus den einzelnen Brandschichten konnten über 100 Münzen geborgen werden, die zum Teil erhebliche Brandspuren aufweisen. Sie wurden offensichtlich in kultischem Zusammenhang während der Verbrennungszeremonie ins Feuer geworfen. Auffällig ist die Häufung von Consecratio-Prägungen, darunter allein 7 Gedenkmünzen des Gaius für M. Agrippa aus der untersten Brandschicht25. Sicherlich wurde dieser Münztypus gerne als Sold an die Soldaten ausgegeben und kam somit gehäuft an Militärstandorten vor, dennoch drängt sich die Frage auf, ob nicht die Trauernden diese Gedenkprägungen ganz bewusst ausgesucht haben, um auf diese Weise ihren Verstorbenen ähnliche Ehrung zukommen zu lassen. Zum Teil von den Brandschichten dieses Verbrennungsplatzes überlagert, konnten mehrere parallel verlaufende Gräben der römischen Wasserleitung freigelegt werden (Abb. 10). Diese bereits 1951 von L. Ohlenroth innerhalb26 und 1985 auch außerhalb der Stadt im Luftbild nachgewiesene Wasserleitung führte Wasser aus einem ca. 36 km südlich von Augsburg gelegenen Quellgebiet auf der Hochterrasse in die römische Siedlung27. Aufgrund der Münzfunde aus der untersten Brandschicht des Verbrennungsplatzes, die einen Graben überlagert, kann die Erbauung der Wasserleitung ins 1. Drittel des 1. Jhs. n. Chr. datiert werden. Zu diesem Zeitpunkt kommt eigentlich nur das römische Militär für die Errichtung in Frage. Die Wasserleitung wurde demnach ursprünglich für die Versorgung des frühkaiserzeitlichen Kastells auf der Hochterrasse mit fließendem Wasser erbaut. Die Gräben existierten nicht gleichzeitig nebeneinander, sondern lösten einander ab. An der Sohle der breiten Gräben lassen sich Spuren einer Holzkastenkonstruktion nachweisen. Ein späterer Ausbau in Stein hat nicht stattgefunden. Ob es sich bei den schmalen Gräben um ehemalige Deichelleitungen handelt, lässt sich zurzeit nicht beantworten. Im 1. Jh. n. Chr. begrenzen die Gräben der Wasserleitung die Ausdehnung des Gräberfeldes nach Osten hin. Die Wassergräben führen auf eine Stelle an der Weststraße zu, von der anzunehmen ist, dass hier später das Tor der äußeren Umwehrung stand bzw. die vorgelagerten Wehrgräben wegen der Straßenquerung unterbrochen waren (Abb. 9). Ab da folgen sie dem Straßenverlauf in Richtung Kastell bzw. Siedlung28. Es war die einzige Möglichkeit die tiefen Gräben der Umwehrung zu passieren. Diese Ausrichtung der Wassergräben ist meines Erachtens ein weiteres Indiz dafür, dass die Siedlungsgrenze bereits zu diesem frühen Zeitpunkt an dieser Stelle feststand. Es ist nicht sonderlich überraschend, dass Augusta Vindelicum größer geplant war, als bisher angenommen, denn die topographischen Gegebenheiten fordern dies geradezu heraus. Außergewöhnlich ist hin23

24 25 26 27 28

Es gibt viele Beispiele für viel größer geplante, als tatsächlich besiedelte Städte. So z.B. Augst, die augusteischen Gründungen Autun, Vienne und Nimes oder das flavische Avenches in Gallien sowie Silchester, Caistor by Norwich und Caerwent in Britanien. Dazu zusammenfassend: Lorenz 1987. Fleps 2011. RIC 58. Ohlenroth 1956, 269. 275; Olenroth 1957, 192. Braasch 1985, 134 f. Erst 2011/12 konnten bei Ausgrabungen in der Kohlergasse 5–9 unmittelbar vor dem Westtor der steinernen Stadtmauer erneut die holzverschalten Gräben der Wasserleitung beidseitig der Straße nachgewiesen werden. Noch unveröffentlichte Ausgrabung des Autors.

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Abb. 10. Augsburg, Frölichstraße 17: Graben der römischen Wasserleitung.

gegen, dass man sich bereits in der 2. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. für eine Reduktion des Stadtgebietes entschlossen hat. Hier wird eine Entwicklung vorweggenommen, wie sie für römische Städte nördlich der Alpen erst ab dem 3. Jh. geläufig ist. Diese Entscheidung wird sicherlich schwer gefallen sein, bedeutete sie doch einen tiefen Einschnitt in die bestehende Siedlungsbebauung und eine Eindämmung der Expansionsmöglichkeiten der Stadt. Es waren vermutlich sowohl verteidigungstechnische als auch wirtschaftliche Überlegungen, die hier zum Tragen kamen. Eine derart weit ausgedehnte Verteidigungslinie war angesichts der immer bedrohlicher werdenden Germanenstämme kaum noch zu besetzen. Vor dem Hintergrund einer möglicherweise geschrumpften Bevölkerung durch die in dieser Zeit wütenden Seuchen wird auch der Siedlungsbedarf innerhalb der Stadtbefestigung rückläufig gewesen sein29. Des Weiteren wird die Kostenfrage eine wichtige, wenn nicht sogar entscheidende Rolle, gespielt haben. Da es in der Gegend kein natürlich vorkommendes Steinmaterial gibt, müssen allein für die Beschaffung des benötigten Steinmaterials die logistischen Herausforderungen enorm gewesen sein. Ein enger gefasster Befestigungsgürtel war also mit einer erheblichen Kosteneinsparung verbunden. Offensichtlich waren diese umwehrungstechnischen Entscheidungen angemessen, denn um 240 n. Chr. kam es zu einem schweren kriegerischen Übergriff, wobei die extra muros noch bestehende Besiedlung komplett zerstört wurde. Stellte man bereits für die verschiedenen Abschnitte der steinernen Wehrmauern im Südwesten und im Norden der Stadt unterschiedliche Datierungen fest, so zeigen diese neuen Erkenntnisse ein noch 29

Dietz 1995, 142. 158.

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viel differenzierteres Bild der Abläufe im Zuge der Befestigung der römischen Provinzhauptstadt. Der Verlauf der Siedlungsgrenze wurde sehr wahrscheinlich bereits in tiberischer Zeit, im Zusammenhang mit der Errichtung des frühkaiserzeitlichen Kastells auf der Hochterrasse festgelegt. Erst im Zuge der Erhebung zum municipium unter Hadrian wurde der nördliche Abschnitt der Stadtmauer als Repräsentationsprojekt begonnen. Angesichts der Bedrohung durch germanische Stämme nach der Mitte des 2. Jhs. war schnelles Handeln angesagt und man vollendete wohl die Umwehrung in Holz-Erde-Technik. Als Lösung in der Not errichtet, blieb sie nur kurze Zeit bestehen, bis die Stadtmauer auf nun reduziertem Territorium in Stein fertig gestellt wurde.

Bildnachweis G. Fleps, Augsburg: 1–3, 7–10 G. Fleps, Augsburg nach Grundlagen von L. Ohlenroth, L. Bakker und A. Schaub: 4 R. Pfennig, Augsburg: 6 Stadtarchäologie Augsburg: 5

Abgekürzt zitierte Literatur Babucke u. a. 1999 V. Babucke – L. Bakker – A. Schaub, Sondierungsgrabungen „Am Pfannenstiel“ im Norden der Provinzhauptstadt Aelia Augusta, AJahrBay 1999, 72–75. Bakker 1995 L. Bakker, Frühkaiserzeitlicher Militärstützpunkt, Kastell und Provinzhauptstadt Augusta Vindelicum, in: W. Czysz – K. Dietz – Th. Fischer – H.-J. Kellner (Hrsg.), Die Römer in Bayern (Stuttgart 1995) 419–425. Bakker 1999 L. Bakker, Der Militärplatz von Oberhausen und die weitere militärische Präsenz im römischen Augsburg, in: W. Schlüter – R. Wiegels (Hrsg.), Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese (Osnabrück 1999) 451–466. Bakker 2005 L. Bakker, Römisches Kastrum und Stadtbibliothek. Ausgrabungen im Augsburger Annahof, AJahrBay 2005, 70–72. Bakker – Fleps 2003 L. Bakker – G. Fleps, Römische Befunde bei St. Barbara in Augsburg, AJahrBay 2003, 72–75. Bakker – Heimerl 2006 L. Bakker – A. Heimerl, Aesculapius im Krankenhaus – Römische Gräber in Augsburg, AJahrBay 2006, 104–106. Braasch 1985 O. Braasch, Archäologische Luftbilder früher Straßen und Gräben an Lech und Wertach, in: J. Bellot – W. Czysz – H. Krahe (Hrsg.), Forschungen zur Provinzialrömischen Archäologie in Bayerisch-Schwaben. Schwäbische Geschichtsquellen und Forschungen 14 (Augsburg 1985) 117–146. Czysz 1980 W. Czysz, Ein neues römisches Kastell bei Augsburg, AJahrBay 1980, 112 f. Dietz 1995 K. Dietz, Die Blütezeit des römischen Bayern, in: W. Czysz – K. Dietz – Th. Fischer – H.-J. Kellner (Hrsg.), Die Römer in Bayern (Stuttgart 1995) 100–176. Fleps 2008 G. Fleps, Raetiens Hauptstadt größer als angenommen? Ausgrabungen in der Gutenbergstraße 1 in Augsburg, Arch. Jahr Bayern 2008, 89–92. Fleps 2011 G. Fleps, Ausgrabungen im römischen Gräberfeld an der Frölichstraße in Augsburg, AJahrBay 2011, 95–97. Lorenz 1987 T. Lorenz, Römische Städte (Darmstadt 1987).

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Olenroth 1954 L. Ohlenroth, Zum Stadtplan von Augusta Vindelicum. Zusammenfassender Vorbericht, Germania 32, 1954, 76–85. Olenroth 1956 L. Ohlenroth, Fundbericht für die Jahre 1950–1953, BayVgBl 21, 1956, 256–283. Olenroth 1957 L. Ohlenroth, Fundbericht für die Jahre 1954–1956, BayVgBl 22, 1957, 179–211. Ortisi 2001 S. Ortisi, Die Stadtmauer der raetischen Provinzhauptstadt Aelia Augusta-Augsburg. Augsburger Beiträge zur Archäologie 2 (Augsburg 2001). Schaub 1999 A. Schaub, Das frührömische Militärlager im Stadtgebiet von Augsburg. Neue Überlegungen zur Militärgeschichte Raetiens im 1. Jahrhundert nach Christus, in: N. Gudea (Hrsg.), Roman Frontier Studies. Proceedings of the XVIIth International Congress of Roman Frontier Studies 1997, Zalau, Romania (Zalau 1999) 365–374. von Schnurbein 1983 S. von Schnurbein, Neu entdeckte frühkaiserzeitliche Militäranlagen bei Friedberg in Bayern, Germania 61, 1983, 529–550. von Schnurbein 1985 S. von Schnurbein, Die Funde von Augsburg-Oberhausen und die Besetzung des Alpenvorlandes durch die Römer, in: J. Bellot – W. Czysz – H. Krahe (Hrsg.), Forschungen zur Provinzialrömischen Archäologie in Bayerisch-Schwaben. Schwäbische Geschichtsquellen und Forschungen 14 (Augsburg 1985) 15–43. Tremmel 2012 B. Tremmel, Der Kastellvicus des 1. Jahrhunderts n. Chr. von Augusta Vindelicum/Augsburg. Mit einem Beitrag von Nadja Pöllath. Augsburger Beiträge zur Archäologie 6 (Augsburg 2012). Velserus 1594 M. Velserus, Rerum Augustanarum Vindelicarum libri octo (Venedig 1594).

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FLORIN FODOREAN

PANNONIA IN THE PEUTINGER MAP 1. The Peutinger map. Questions, unsolved problems The most important contributions on the Peutinger map remain the books of Miller,1 Levi and Levi,2 Weber,3 Bosio,4 and Talbert’s monograph recently published in 2010.5 Besides these one should notice the large amount of articles and book chapters 6 discussing various aspects of the map’s history, dating, design and character. All these are useful in understanding the complexity of this document.7 Comparisons with other maps were also made, for example between the Peutinger map and the Madaba Map.8 The map kept today in the National Library of Vienna is a copy of another map created during the late Roman period. The medieval copy was recently meticulously analyzed by Martin Steinmann, who dated the document in the first quarter of the thirteenth century. The dating of the original map still remains, in my opinion, an unsolved issue.9 Dozens of attempts have been made. The original is a ‘compilation tardive’10 and it has been dated to the late third, fourth, fifth century AD, created in the third century and then completed with other data in the fourth and fifth centuries AD,11, around 250 AD,12 after 260 AD, during Diocletian’s Tetrarchy (c. 300 AD)13, in 365–366 AD, between 402 and 452 AD14, in 435 AD15, during ‘the fourth to fifth centuries’16 or, according to a speculative, and unfortunately, not sufficient argued hypothesis, in the early ninth century AD17 These attempts were based on the content of the map, the inclusion of certain cities and settlements (Rome, Constantinople, Antioch18 – personified vignettes; Ravenna, Aquileia, Nicaea, Nicomedia, Tessalonicae, Ancyra? – vignettes of the ‘cities surrounded by walls’ type), certain landscape details (silva Vosagus: 2A2–3, silva Marciana: 2a4–3a1), the presence/absence of certain roads, the representation/non-representation of vignettes of the ‘double-tower’ type, the meaning of special vignettes/drawings (Ad Sanctum Petrum, the temple of Apollo in Antioch). Suppositions about the map’s author, place of production, method of creation, dimensions, purpose, role, and sources used were also emitted. The document kept today in Vienna is a parchment roll consisting of 11 segments. Miller stated the idea that one segment is missing on the left. Therefore, accordingly, all the other re-

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Miller 1887; Miller 1888. Levi – Levi 1967. Weber 1976. Bosio 1983. Talbert 2010. See Whittaker 2004, ch. 4 (Mental maps and frontiers. Seeing like a Roman), 63–87; or Talbert 2008, 9–28. Arnaud 1988, 302–321; Weber 1989, 113–117; Brodersen 2001, 7–21; Salway 2001, 22–66; Allen 2003, 403–415; Brodersen 2003, 289–297; Gautier Dalché 2003, 43–52; Prontera 2003; Gautier Dalché 2004, 71–84; Talbert 2004, 113–141; Albu 2005, 136–148; Salway 2005, 119–135; Talbert 2005, 627–634; Pazarli u. a. 2007, 245–260; Talbert 2007, 353–366; Talbert 2007a, 221–230; Albu 2008, 111–119; Elliot 2008, 99–110; Talbert 2008, 149–156; Talbert 2008a, 9–27; Talbert – Elliott 2008, 199–218; Pazarli 2009, 101–116; Fodorean 2011, 9–19. Weber 1999, 41–46. Fodorean 2004, 51–58. Chevallier 1997, 53–56. Levi – Levi 1967. Von Hagen 1978, 14. Talbert 2010, 136, 153. Weber 1999. Weber 1989, 113–117. Salway 2005, 131. Albu 2005, 136–148; Albu 2008, 111–119. Leylek 1993, 203–206.

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searchers accepted this statement, with one exception: Talbert argued that the original had 14 segments.19 Even the numbering of these segments is patchy/uneven. According to Miller’s reconstruction, segment no. 1 is the lost one (representing, in Miller’s opinion, Britain, western Spain and north-western Africa). Instead, Ekkehard Weber has numbered the segments starting with the first one preserved.20 Currently, the division developed by Talbert in his online databases can be used.21 The map was thought to serve as a road map,22 reflecting the official transportation system (cursus publicus),23 or as a propaganda map, depicting during Thetrarchy the former glory, power and geographical extent of the Roman Empire.24 The distances written between settlements are sometimes correct but at times they are not and the vignettes represent important cities, or mansiones, accommodations along the routes. The map was ordered by a private citizen or by an emperor (Septimius Severus,25 Theodosius II)26 and it stood as a parchment roll in a library or was displayed on a wall in Diocletian’s palace in Split (Spalatum).27 The author of the original was Castorius, or an anonymous, or a team. Peutinger’s map mentions Pompeii, Roman Dacia, Constantinople, Antioch, old St. Peter’s church in Rome, and regional names such as Francia, Suevia and Allamania. Therefore, a simple question rises: how can one date such a document, with so much, different chronological information? Can one explain the variegated data contained by the document? Both Pascaul Arnaud in 198828 and then Benet Salway in 200129 have succeeded in explaining the diverse chronological frame of some details contained by the map.

2. Pannonia. General issues Roman military intervention in Pannonia (Pl. 1) began in 35–33 BC. During this period, the inhabitants of these regions, the Pannonii, allies of the Dalmatians, were attacked by the Romans, who conquered and occupied Siscia (Sisak). Before that, Roman interest in this area focused only on economic resources (silver and iron).30 The founding of Aquileia in 181 BC may represent the very first clue regarding Roman economic interest in the Balkan area. Subsequently, Aquileia constantly continued to develop. Even after the establishment of these provinces it had an important role as the starting point of the road to Emona, east of the Julian Alps. From here a road followed the old line of the Baltic traffic northwards by Poetovio (Pettau) to Carnuntum on the Danube. The other descended the valley of Sava by way of Sirmium (Mitrovitsa) to the junction of that river with the Danube at Singidunum (Belgrad). Between the foundation of Aquileia and the first Roman military actions here, it seems that Romans were not interested in anything else but resources: “Whereas Appian’s Illirike contains a great deal of information concerning the early history of Illyrian-Roman relations, it particularly emphasizes that the Illyrian races before the Alps were long ignored by the Romans.”31 Pannonia was founded as an imperial province of consular rank under an initial name of Illyricum inferius sometime after the defeat of the Dalmato-Pannonic rebellion from 6–9 AD. It covered an area around the northern and the eastern part of the Danube.32 The archaeological evidence indicates that the Roman occupation army was positioned during the reign of Augustus in the southern part of the province, i.e. 19 20 21

22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

Talbert 2010, 89. Weber 1976, the maps (1 : 1 scale). See: Talbert Database (08.05.2013); Cambridge University Press, Peutinger Map. Seamless whole, in color, with overlaid layers (Map A) (08. 05. 2013). Most researchers agree with this. Levi – Levi 1967. Talbert 2010, ch. 5: The Original Map, 133–157. Levi – Levi 1967. Weber 1989, 113–117. Talbert 2010, 149. Arnaud 1988, 309. Salway 2001, 44. Mócsy 1974, 31. Mócsy 1974, 31. Nemeth 2007, 141.

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PANNONIA IN THE PEUTINGER MAP

Pl. 1: Pannonia. The roads depicted in the Peutinger map represented on a modern map.

in the area Sava-Drava. The occupation of the northern part occurred later, during the Tibero-Claudian period. First, legio XV Apollinaris was sent to Carnuntum. Along the Amber Road many auxiliary troops were installed, and at this stage the Danubian defense was strengthened also with auxiliary troops who were installed at Arrabona (Györ) and Brigetio (Komárom-Szöny). During the Flavian period the entire Pannonian army was moved to the Danubian frontier.33 Both Vespasian and Trajan continued to consolidate the limes and the military defense in Pannonia as in the neighboring Noricum. As a single province, until Trajan’s reign, Pannonia included the Vienna Basin, the Burgenland, the Drava – Sava interfluve (the territory of the present-day western half of Hungary) and parts of Austria, Croatia, Serbia, Slovenia, Slovakia and Bosnia. Between 102 AD and 106 AD Trajan divided Pannonia into Superior, located upstream on the Danube and provided with three legions, and Inferior, further to the SouthEast, with only one legion garrisoned at Aquincum. The frontier between Upper and Lower Pannonia ran first from the Danube bend north of Aquincum to the Balaton and then further to the south, to Dalmatia, to the south of the Sava valley. In 214 AD Caracalla modified the frontier.34 At that moment, Brigetio, the garrison of the legio I Adiutrix, was administratively annexed to Pannonia Inferior. In fact, the civilian

33 34

Nemeth 2007, 142; Mócsy 1974, 80. Visy 2003, 205.

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settlement, lying 2 km west of the military fort, was granted the status of municipium under Caracalla. Soon it was promoted to the rank of colonia.

3. Pannonia in the Peutinger map Pannonia is represented in the Peutinger map in the segments IV and V. Four roads are represented: 1. Vindobona – Tauruno (the limes road); 2. Carnunto – Petavione; 3. Emona – Sirmium – Tauruno (along the Sava River); 4. Emona – Mursa – Tauruno (along the Drava River).

3.1. The limes road Obviously this is the best known road in Pannonia. Today all the data are useful for one who wants to study this road in detail, although some information is still not uniform. We do not know exactly, for example, the number of military fortresses along this road. This is a problem for a historian to follow an accurate analysis of the limes road. The Peutinger map mentions the following settlements and distances35 (starting from left to right, as the mapmaker himself drew the map): Citium – VI – Vindobona (vignette, type ‘double tower’) – X – villagai – VII – Aequinoctio – XIIII – Carnunto (vignette, type ‘double tower’) – XIIII – Gerulatis – XVI – Ad Flexum – XIII – Stailuco – XII – Arrabo fl. – XXX – Brigantio (vignette, type ‘double tower’) – V – Lepavist – XIII – Gardellaca – XIII – Lusomana – XII – Aquinco (vignette, type ‘double tower’) – XIIII – Vetusallo – XXII – Annamantia – XV – Lusiene – X – Altaripa – XXII – Lugione – XII – Antiana – XII – Donatianis – XIII – Ad Labores – XIII – Tittoburgo – XVI – Cornaco (vignette, type ‘double tower’) – XIII – Cuccio – XVI – Milatis – XVI – Cusum – XI?/XL? – Acunum – VIII – Bittio – XIII – Burgenis – X – Tauruno (vignette, type ‘double tower’). Along the limes road, the Peutinger map mentions 31 settlements and 30 distance figures. The frequency of these distances is: 5–1, 6–1, 7–1, 8–1, 10–3, 11–1, 12–4, 13–7, 14–3, 15–1, 16–4, 22–2, 30–1. 24 figures between 8 miles to 16 miles represent, in percents, 80 %. The first thing to do is to calculate the total distance. We must accept XI miles between Cusum (Petrovaradin, Serbia36) and Acunum (Acumincum, today Stari Slankamen37, Serbia), instead of XL, which is only a reading supposition, due to the poor preservation of the map in that particular area. In this case, we have a total distance of 401 miles, which is (considering the Roman mile = 1.4785 km) 592.878 km. Today the same distance measures 616 kilometers. Along this route six settlements are represented with vignettes. These are: Vindobona (Wien, symbol Ab1, segment grid 4A138) Carnunto/Carnuntum (Petronell/Bad Deutsch-Altenburg, symbol Ab1, segment grid 4A2), Brigantio/Brigetio (Komárom-Szőny,39 symbol Aa1, segment grid 4A3), Aquinco/Aquincum (Budapest, symbol Aa1, segment grid 4A4), Cornacum (Sotin, Croatia, symbol Aa2, segment grid 5A2), and Taurunum40 (Zemun, Serbia, symbol Aa7, segment grid 5A5). Of these the first four settlements (Vindobona, Carnuntum, Brigetio and Aquincum) are the most important, strategically and militarily. What seems strange or unusual is the representation of Cornacum and Taurunum with vignettes. Cornacum is mentioned in literary sources and late Roman sources.41 A large number of discoveries have been recorded since then. The military units garrisoned here were cohors I

35 36 37 38 39 40 41

Lengyel – Radan 1980, 215; but the distances or other details are not included in the description. CIL III 3700–3702, 3260. Mentioned also in Ptolemy 297, 13. CIL III 3252 = 10241; 3253; 3256. According to Talbert’s database. Komárom-Esztergom County, Hungary. Ptolemy II 15, 3: Ταύρουνον. Pl.ny, NH III 148. CIL III 10675; 13355; 13394; 143408–10; 15137. Ptolemy, Geogr. II, 15; It. Ant. 243, 3; Not. Dign. Occ. 32, 3; 32, 12; 32, 22; 32, 31; Geogr. Rav. IV 20.

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Montanorum, cohors II Aurelia Dardanorum Antoniniana and equites Dalmatatae. The Roman fortress was erected in the first century AD, and was probably still in use in the fifth century AD. Taurunum (Zemun, Serbia) seems to gain importance during the reign of the Flavians, when classis Flavia Pannonica was created. Its base was established in the southernmost settlement of the province.42 Other military units garrisoned here were formed by detachments of the legio VII Claudia43 and combined units of exercitus Pannonica. Notitia Dignitatum also mentions equites promoti and auxilia ascarii.44 Taurunum is also mentioned in the Antonine itinerary (131,6), as Tauruno classis. Pl.ny’s observation on its position is quite interesting.45 He notes: ‘6LUPLRRSSLGRLQÁXLWXELFLYLWDV6LUPLHQVLXPHW$PDQWLQRUXPLQGH;/97DXUXQXPXEL Danuvio miscetur Saus’. Sirmium, for Pl.ny, is a reference point. He indicates the distance from Sirmium to Taurunum as 45 miles, a correct value. Once again, I notice Pl.ny’s tendency to mix geographical data with narration, defined by Rachel McQuiggan as ethno-geography: ‘Geographic and ethnographic descriptions were combined in narration, and while territory was outlined in linear itineraries […]’.46 Along this road a copyist’s mistake drew the attention of Talbert. The first is the settlement villagai.47 The letter ‘g’, heavily inked, suggests, as Talbert noticed, a correction of another letter written previously. From Vindobona to Aequinoctio lettering and linework are not well coordinated. Above the first chicane is written ‘X villagai VII’. ‘X’ indicates the distance from Vindobona to villagai. Then a short chicane is represented after villagai.48 In the segment between Ad Labores and Tittoburgo it seems that the copyist wanted to draw a connection stretch between Ad Labores and Mursa Maior, but he never did this.49 The start of the stretch from Milatis to Cusum is not marked.50 The distance from Cusum to Acunum seems to be XI, not XL.51 From Bittio to Burgenis the copyist drew two stretches. He wrote above the first one the name of the settlement, and above the second one the distance.52 Clues for dating the information used by the mapmaker to represent the limes road in Pannonia Intercisa is not depicted in the Peutinger map, and it is not listed in Ptolemy’s list of settlements. Instead, it is marked in the Antonine Itinerary (245,3), between Annamantia in medio (245,2) and Vetus Salinas in medio (245,4).53 Intercisa is today Dunaújváros (Fejér County, Hungary). A timber fortress of 190 × 165 m was built here probably under Trajan. According to Zsolt Visy, ‘the fort’s stone gate towers and the inner angle-towers were built only under the Severi’.54 The military units garrisoned at Intercisa are: ala II Asturum under Vespasian; ala I Augusta Ituraeorum, from 91/92 until 105 AD; until 105 AD ala I Britannica civium Romanorum; until 117/119 AD ala I Tungrorum Frontoniana; until ca. 133 AD ala I Thracum veterana sagittaria; until 176 AD ala I civium Romanorum. From 176 AD for about 100 years cohors I Hemesenorum was garrisoned in Intercisa.55 Based on these conditions, because Intercisa is represented in Tabula and is not mentioned in the Antonine Itinerary and in Ptolemy, it can be proposed that the settlements and other data included in this road reflect a reality from the period Trajan-Hadrian.

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Visy 2003, 28; Lengyel – Radan 1980, 132. Founded by Caesar in 58 B.C. From 9 to 58 AD it was garrisoned in Dalmatia, then from 58 AD. it was moved to Viminacium, in Moesia Superior (Kostolac, Serbia), where it stayed until ca. 400 AD. Not. Dign. Occ. XXXI, 91, 116. Pl.ny, NH III, 148. McQuiggan 2006–2007, 77. Talbert Database s. v. villagai (14. 05.2013). Talbert Database s. v. villagai (14. 05.2013). Talbert Database s. v. Ad Labores (14. 05. 2013). Talbert Database s. v. Milatis (14. 05.2013). Talbert Database s. v. Cusum (14. 05.2013). Talbert Database s. v. Bittio (14. 05.2013). It appears also in Not. Dign. Occ. XXXIII, 25, 26, 38. Visy 2003, 118. Visy 2003, 117 f.

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3.2. The second road: Carnunto – Petavione This road starts at Carnunto. The settlements and distances depicted in the Peutinger map are: Carnunto – XIIII – Ulmo – XXV – Scarabantio – XXXIII – Sabarie (vignette, type ‘double tower’, symbol Aa1, segment grid 4A2) – XX – Arrabone – XLIII – Advicesimum – XX – Petavione (vignette, type ‘double tower’, symbol Ab1, segment grid 4A2). The total distance along the second road, from Carnunto to Petavione, is 155 miles (229.16 km). 7 settlements are mentioned and 6 distance figures. The frequency of these distances is: 14–1, 20–2, 25–1, 33–1, 43–1. Some of the distances seem to be inaccurate. From Carnuntum (Petronell) to Scarabantia (Sopron, Hungary), along the shortest route I measured 69 km. The Peutinger map mentions 14 + 25 = 39 miles, i.e. 57.66 km. So, we must add here another 13 miles (one segment). From Scarabantia to Savaria (Szombathely) along the shortest route I measured 64 km. The Peutinger map mentions 33 miles, i.e. 48.79 km. So we must add here another 16 km, i.e. circa 11 miles. The distance between Savaria and Arrabona (Körmend) is correct. The Peutinger map depicts 20 miles and the distance in the terrain is 27 km. From Arrabona to Advicesimum (Veržej, Slovenia), the Peutinger map indicates 43 miles, i.e. 63.57 km. The current distance is 84 km. So we must add another 20 km, i.e. 13.5 miles. From Advicesimum to Petavione (Ptuj, Slovenia) the distance mentioned in the Peutinger map is 20 miles (circa 29 km). The distance in terrain is 35 km. So another 6 km (4 miles) must be added. The total distance measured on maps from Petronell to Ptuj is circa 278 km. If we add at the initial distance mentioned in Tabula (155 miles) the figures calculated (9 + 11 + 13) we obtain a total distance of 188 miles, i.e. 277.95 km. Talbert also noticed some copyist’s mistakes. The start of the stretch from Ulmo to Scarabantio is not marked.56 The distance figure from Scarabantio to Sabarie is written XXX.III.57 Arrabone is mentioned as a city. On the segment grid 4A3, along the limes road, before Brigantio/Brigetio Arrabo fl. is mentioned. River names are indicated also in other provinces. For example Apo Fl. is represented in Dacia along the first road which starts from Lederata and continues to Tibiscum. Arrabona, with this denomination, is listed in Itinerarium Antonini four times. First it is mentioned in the list of the settlements along the limes road (246,6), between Ad Mures et ad Statuas in Medio (246,5) and Quadratis in medio (247,1). For the second time, Arrabona (261,8) is mentioned on the road segment from Vindobona to Poetovio (261,4: Item a Vindobona Poetavione – CLXXXIIII), between Sabaria (261,7) and Alicano (261,9). The third time (263,1) Arrabona appears along the road from Sabaria to Bregetione, between Mursella (262,11) and Bregetione (263,2). The fourth time the same settlement (267,10) is mentioned along the road from Sirmium to Carnuntum, between Crispiana (267,9) and Flexo (267,11). It is also mentioned in Notitia Dignitatum.58 Arrabona was an important site in Pannonia.59 Today Győr, Káptalan Hill (Győr-Moson-Sopron County), Arrabona was named after Arrabo (Rába/Raab) River, a toponym of Celtic origin.60 Located close to the mouth of the Mosoni Danube, the site was identified at the beginning of the twentieth century. Péter Tomka and Eszter Szőny decisively contributed to the general knowledge of this settlement. They carried out archaeological excavations from 1974 until 1984. The Roman castellum had two phases: an earlier, timber phase, and a later, stone one. Even though most of the auxiliary troops were transferred to the Danubian limes during the reigns of Vespasian and Domitian, nevertheless the castellum from Arrabona dates from an earlier period. During Claudius’ period the first legionary camp of Carnuntum was built, together with the auxiliary camps at Arrabona, Brigetio, Budapest–Viziváros, Lussonium and Lugio.61 A watchtower was also discovered here.62

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Talbert Database s. v. Ulmo (14. 05.2013). Talbert Database s. v. Scarabantio (14. 05.2013). Not. Dign. Occ. XXXIV 5, 16, 27. Gabler u. a. 1990, 9–25. Visy 2003, 68. Visy – Nagy 2003, 209. Visy – Nagy 2003, 213.

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PANNONIA IN THE PEUTINGER MAP

During the Iulio-Claudian period ala Pannoniorum was garrisoned in the vicinity of the Amber Route and in Arrabona.63 Then sometime during Hadrian’s reign, ala I Ulpia contariorum milliaria was transferred here. Another positive aspect is the investigation in the field of the course of the road Savaria-Brigetio. North of Sárvár this road branches in two. One route continues to Aquincum (the southern one). The other crosses the Rába River, passes through the settlement of Mursella and finally reaches the limes road to Arrabona, near Ménfõcsanak. Along its route a Roman milestone was found, and a road station was investigated.64 Returning to the Peutinger map, another observation is related to the distance figure from Arrabona to Advicesimum, written XL.III.65 The final part of this road marked in the Roman itinerary is strangely represented. The name Advicesimum is written above the line representing the road, while the distance is written under the same line. No stretch is drawn to Poetovio. These two settlements are separated by a river66 (no. 27b in Talbert’s database). The river has no name, despite its length (segment grid: 4A2–5A3), but it is the Dravus.

3.3. The third road: Emona – Siscia – Sirmium – Tauruno. Along the Sava River This road starts from Aquileia. Its route until Emona is: Aquileia – XIIII – Ponte sonti – / – Fl. Frigido – XV – Inalpe Iulia – V – Long[- ? – ]ico – VI – Nauporto – Fl. [- ? -] – XII – Emona. My attention will focus only on the sector starting from Emona, so my calculations will refer only to Pannonia. From Emona the settlements and distances are: Emona (vignette, type ‘double tower’, symbol Ab1, segment grid 4a1) – XVIII – Aceruone – XIIII – Adprotoriu (Praetorium Latobicorum) (vignette, type ‘double tower’, symbol Ab19) – XVI – Crucio – XVI – Novioduni – X – Romula – XIIII – Quadrata – XIIII – Adfines – XX – Siscia (vignette, type ‘double tower’, symbol Ab1, segment grid 4a5) – no distance figure; river crossing67 – Ad Pretorium (vignette, symbol C10, segment grid 4A5)68 – XXX – Servttio (vignette, symbol C11, segment grid 5A169) – XXIII – Urbate – XXXIII – Marsonie – no distance figure, river crossing70 – Adbasante – XX – Saldis – river crossing71 – XVIII – Drinum fl. – XVIII – river crossing72 – Sirmium (vignette, type ‘double tower’, symbol Aa1, segment grid 5a4) – XVIII – Bassianis – VIII – idiminio – VIIII – Tauruno (vignette, type ‘double tower’, symbol Aa7, segment grid 5A573). From Emona to Taurunum, the third road, along the Sava River, is depicted in the Peutinger map with a total distance of 309 miles. Along this road, 20 settlements are mentioned and 17 distance figures. The frequency of these distances is: 8–1, 9–1, 10–1, 14–3, 16–2, 18–4, 20–2, 30–1, 33–2. Of these, 8 figure distances are recorded between the values 8–16. This means that from 17 figure distances 8 of them represent 47.05 %. If I include also the figure distance of 18 (4), than our percent will be 12/17, which is 70.58 %. This road was one which was extremely important, strategically and economically, for the territory of Pannonia. During Augustus’ reign Aquileia, Emona and Siscia were the most important settlements. They were used as military bases for the army. E. Nemeth noticed Octavian’s desire to use Siscia and the river itself

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Visy 2003, 24. Visy – Nagy 2003, 219. Talbert Database s. v. Arrabone (16. 05.2013). Talbert Database s. v. Aduicesimum (16. 05.2013). Colapis fl.; Vgl. Talbert Database s. v. (river, no. 27c) (16. 05. 2013). Talbert Database s. v. Ad Pretorium (16. 05. 2013). Talbert Database s. v. Seruttio (16. 05.2013). No. 27a, Savus River. Talbert Database s. v. (river, no. 27A) (16. 05. 2013) No. 27a, Savus river. Talbert Database s. v. (river, no. 27A) (16. 05. 2013) No. 27a, Savus river. Talbert Database s. v. (river, no. 27A) (16. 05. 2013) Talbert Database s. v. Tauruno (16. 05.2013).

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as a military base point in a future war against Dacians and Bastarns in the text of Appian74. Or, as Mócsy suggested, the conquest of Siscia can be perceived as an action related to Augustan propaganda.75 The most important aspect to focus on here is the strategic position of this settlement. Moreover, the strategy of the emperor was accurate and efficient. Strabo was convinced that Siscia was adequate as a military base for future actions against the Dacians.76 When the rebellion from 6–9 AD during Tiberius’ reign started, the people north of the Sava did not participate. The efficacy of the Roman strategy was outstanding. By controlling the Sava River, along the road discussed above, in a short time the Romans succeeded in conquering the northern area, up to the Sava River, and then the whole region up to the Danube course. So, in my opinion, the road Emona – Siscia – Taurunum belongs to an early itinerarium initially created by the army. The same mechanism happened in Dacia, where the road from Lederata to Tibiscum was built during the military campaigns of Trajan in Dacia. Along this route, five settlements are represented with vignette type ‘double-tower’: Emona, Adprotoriu, Siscia, Sirmium and Taurunum. The most interesting case is the one from Adprotoriu (Praetorium Latobicorum), an important settlement along this road, which belonged to the territory of Neviodunum.77

3.4. The fourth road: Emona – Petavione – Mursa Maior – Sirmium – Tauruno. Along the Drava River The settlements and distances along this road are: Emona – VIIII – river crossing (Fl. [ - ? - ])78 – Savo Fl. – Adpublicanos – VI – Adrante – XXXVII – Celeia (vignette, type ‘double tower’, symbol Aa1, segment grid 4A2) – XVIII – Ragandone – XVIII – Petavione (vignette) – X – Remista – X – Aqua viva – XI – Populos – VIII – Botivo – VIIII – Sonista – XII – Piretis – XI – Luntulis – VIII – Iovia – X – Sirotis – X – Bolentio – X – Marinianis – VIIII – Seronis – X – Berebis – VIIII – Iovallio – VIIII – Mursa minor – X – Mursa maior (vignette, type ‘double tower’, symbol Ac1, segment grid 5A279) – XII – Ad Labores Pont Ulcae – X – vignette, type ‘double tower’, symbol Aa1, segment grid 5A3, no name, possible Vinkovci, Croatia (Roman Cibalae) – XI – Cansilena – XI – Ulmospaneta – XIII – Sirmium (vignette) – XVIII – Bassianis – VIII – idiminio – VIIII – Tauruno. The total distance registered by Tabula along the fourth road, from Emona, via Mursa to Taurunum is 336 miles, i.e. 513.03 km. Along this road, 31 settlements are mentioned and 30 figure distances. The frequency of these distances is: 6–1, 8–3, 9–6, 10–8, 11–4, 12–2, 13–1, 18–3, 37–1. Of these, we have 24 figure distances recorded between the values 8–16. This means that from 30 figure distances 24 of them, representing the average distance achievable in one day, are, expressed in percents, 80.00 %. If I add also the figure 18, then the proportion would be 27 of 30 distance figures, which represents 90.00 %. As in the case of the roads mentioned above, Talbert noticed some interesting cartographic details. From Emona the stretch crosses the Savus River. The name Adpublicanos and the distance figure VI, as well as the next (Adrante XXXVII) were added after NORICO.80 A clear stop is marked between the words Aqua viva.81 The start of the stretch from Ad Labores Pont Ulcae is not marked.82 As Talbert noticed, it seems logical that the vignette between Ad Labores Pont Ulcae and Cansilena has no name because of the lack of space here.83 74 75 76 77 78

79 80 81 82

83

Appianos, Illyriké, 22; Nemeth 2007, 32. Mócsy 1974, 32 f. Strabo VII, 5, 2. Horvat 1999, 228. River no. 27A. Talbert Database s. v. (river, no. 27A) (16. 05. 2013). Talbert Database s. v. Mursa maior (16. 05. 2013). Talbert Database s. v. Adpublicanos (16. 05.2013). Talbert Database s. v. Aqua viva (16. 05.2013) Talbert Database s. v. Ad Labores Pont Ulcae (16. 05. 2013). Talbert Database s. v. (symbol, no name, no. 37) (16. 05. 2013).

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PANNONIA IN THE PEUTINGER MAP

4. Itineraria in the Roman Empire. Literary sources In 61–63 AD, during Nero’s reign, a praetorian detachment surveyed the route between Syene and Meroë.84 In book 12.19 Pliny states that after the expedition, a forma Aethiopiae was drawn and it was given (allata) to Nero. The same Pliny, states in Naturalis Historia that the distance between the Danube and the large ocean (S–N) is 396 miles (Book IV, 80–81). He affirms that he has this information from the work of Agrippa.85 The Roman literary sources do not mention anywhere that the Romans used maps in the sense we use them today. From Historia Augusta, Alexander Severus 45, 2–3, we learn: ([SHGLWLRQHVEHOOLFDVKDEXLWGHTXLEXVRUGLQHVXRHGLVVHUDP3ULPXPWDPHQHLXVFRQVXHWXGLQHPGLFDPGHUHEXVYHO WDFHQGLVYHOSURGHQGLV7DFHEDQWXUVHFUHWDEHOORUXPLWLQHUXPDXWHPGLHVSXEOLFHSURSRQHEDQWXULWDXWHGLFWXPSHQGHUHW DQWHPHQVHVGXRVLQTXRVFULSWXPHVVHW´,OODGLHLOODKRUDDEXUEHVXPH[LWXUXVHWVLGLYROXHULQWLQSULPDPDQVLRQH PDQVXUXVµGHLQGHSHURUGLQHPPDQVLRQHVGHLQGHVWDWLYDHGHLQGHXELDQQRQDHVVHWDFFLSLHQGDHWLGTXLGHPHRXVTXH TXDPGLXDGÀQHVEDUEDULFRVYHQLUHWXU,DPHQLPLQGHWDFHEDWXUHWRPQHVRSHUDPGDEDQWQHGLVSRVLWLRQHP5RPDQDP EDUEDULVFLUHQW&HUWXPHVWDXWHPHXPQXPTXDPLGTXRGSURSRVXHUDWIHIHOOLVVHFXPGLFHUHWQROOHDEDXOLFLVVXDVYHQGL GLVSRVLWLRQHVTXRGIDFWXPIXHUDWVXE+HOLRJDEDORFXPDEHXQXFKLVRPQLDYHQGHUHQWXU86 “The dates of the itinera were publicly displayed; two months before the event he published an edictum, in which was written: “on that day, at that hour, I shall go forth from the city and, if the gods allow it, I will stay in the first station”, detailing then the stations one after another, then the camps, and then where provisions are to be had, and all that for as long as one arrived at the barbarians’ borders. From there everything was silenced, and all went without certainty, lest the barbarians would know the plans.” In the third century AD panegyric of Eumenius we cannot find, anywhere, specifically, the use of the word itinerarium: Videat praetera in illis porticibus iuventus et cotidie spectet omnes terras et cuncta maria et quidquid invictissimi princLSHVXUELXPJHQWLXPQDWLRQXPDXWSLHWDWHUHVWLWXXQWDXWXLUWXWHGHYLQFXQWDXWWHUURUHGHYLQFLXQW6LTXLGHPLOOLFXW LSVHYLGLVWLFUHGRLQVWUXHQGDHSXHULWLDHFDXVDTXRPDQLIHVWLXVRFXOLVGLVFHUHQWXUTXDHGLIÀFLOLXVSHUFLSLXQWXUDXGLWX RPQLXPFXPQRPLQLEXVVXLVORFRUXPVLWXVVSDWLDLQWHUYDOODGHVFULSWDVXQWTXLGTXLGXELTXHÁXPLQXPRULWXUHWFRQGLWXU TXDHFXPTXHVHOLWRUXPVLQXVÁHFWXQWTXDYHODPELWXFLQJLWRUEHPYHOLPSHWXLQUXPSLWRFHDQXV,EELIRUWLVLPRUXPLPSHUDWRUXPSXOFKHUULPDHUHVJHVWDHSHUGLYHUVDUHJLRQXPDUJXPHQWDUHFRODQWXUGXPFDOHQWLEXVVHPSHUTXHYHQLHQWLEXVYLFWRULarum nuntiis UHYLVXQWXUJHPLQDSHUVLGRVÁXPLQDHW/LE\DHDUYDVLWLHQWLDHWFRQYH[D5KHQLFRUQXDHW1LOLRUDPXOWLÀGD GXPTXHVLELDGKDHFVLQJXODLQWXHQWLXPDQLPXVDGÀQJLWDXWVXEWXD'LRFOHWLDQH$XJXVWHFOHPHQWLD$HJ\SWXPIXURUH SRVLWRTXLHVFHQWHPDXWWH0D[LPLDQHLQYLFWHSHUFXOVD0DXURUXPDJPLQDIXOPLQDQWHPDXWVXEGH[WHUDWXDGRPLQH &RQVWDQWL%DWDYLDP%ULWDQQLDPTXHVTXDOLGXPFDSXVVLOYLVHWÁXFWLEXVH[VHUHQWHPDXWWH0D[LPLDQH&DHVDU3HUVLFRV DUFXVSKDUHWUDVTXHFDOFDQWHP1XQFHQLPQXQFGHPXPLXYDWRUEHPVSHFWDUHGHSLFWXPFXPLQLOORYLGHPXVDOLHQXP „Furthermore, in those porticoes let the young people see and contemplate daily every land and all the seas and whatever cities, people, nations that the unconquered rulers either restore by affection, conquer by valour or restrain by fear. Since there are pictured in that place, as I believe you have yourself seen, in order to instruct the youth (so that they might learn more clearly with their eyes what they comprehend less readily by their ears), the sites of all locations with their names, their extent, and the intervening spaces, the sources and terminations of all the rivers, the curves of all the shores, and the Ocean, both where its circuit girds the earth and where its pressure breaks into it. … For now, now at last it is a delight to see a picture of the world, since we see nothing in it that is not ours.”87 The poem composed by Aemilius Probus as a preface to the ‘atlas’ commissioned by Theodosius II in 435 AD makes no reference to the word itinerarium:

84 85 86 87

Nicolet 1991, 86, and note 5, 89; Whittaker 1994, 80–81; Austin – Rankov 1995, 151. Mattern 1999, 209. Brodersen 2001, 12. Text and translation after Salway 2005, 128.

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+RFRSXVHJUHJLXPTXRPXQGLVXPPDWHQHWXUDHTXRUDTXRPRQWHVÁXXLLSRUWXVIUHWDHWXUEHVVLJQDQWXUFXQFWLVXWVLW FRJQRVFHUHSURPSWXPTXLGTXLGXELTXHODWHWFOHPHQVJHQXVLQFOLWDSUROHVDFSHUVDHFODSLXVWRWXVTXHPXL[FDSLWRUELV 7KHRGRVLXVSULQFHSVXHQHUDQGRLXVVLWDERUHFRQÀFLWHUTXLQLVDSHULWFXPIDVFLEXVDQQXP6XSSOLFHVKRFIDPXOLGXP VFULELWSLQJHWHWDOWHUPHQVLEXVH[LJXLVXHWHUXPPRQLPHQWDVHFXWLLQPHOLXVUHSDUDPXVRSXVFXOSDPTXHSULRUXPWROOLPXV DFWRWXPEUHXLWHUFRPSUHKHQGLPXVRUEHP6HGWDPHQKRFWXDQRVGRFXLWVDSLHQWLDSULQFHSV „This outstanding work – in which the whole world is included, in which seas, mountains, rivers, harbours, straits and towns, are indicated, so that all might know where any feature lies – the kind natured, nobly born, and forever pious, emperor Theodosius (whom the whole world scarcely contains) from his reverend mouth ordered to be made, when he opened the year with his fifteenth consulship. We humble servants (as one wrote, the other painted), having followed the work of the ancients, have in a few months prepared an improved work, and have removed the faults of predecessors, to encompass briefly the whole world: but this your wisdom, emperor, has taught us to do.”88 Instead, Flavius Vegetius Renatus (ca. 400 AD) recommends in his work De re militari the use of painted and written itineraries: 3ULPXPLWLQHUDULDRPQLXPUHJLRQXPLQTXLEXVEHOOXPJHULWXUSOHQLVVLPHGHEHWKDEHUHSHUVFULSWDLWDXWORFRUXPLQWHUYDOODQRQVROXPSDVVXXPQXPHURVHGHWLDPYLDUXPTXDOLWDWHSHUGLVFDWFRQSHQGLHGHYHUWLFXODPRQWHVÁXPLQDDGÀQHP GHVFULSWDFRQVLGHUHWXVTXHHRXWVROOHUWLRUHVGXFHVLWLQHUDULDSURYLQFLDUXPLQTXLEXVQHFHVVLWDVJHUHEDWXUQRQWDQWXP DGQRWDWDVHGHWLDPSLFWDKDEXLVVHÀUPHQWXUXWQRQVROXPFRQVLOLRPHQWHVYHUXPDVSHFWXRFXORUXPYLDPSURIHFWXUXV eligeret. „A commander must have itineraria written out, so that he might learn not only the usual information on distances but also about the condition of the road, and also so that, having had them accurately described, he might take into account shortcuts, branch-roads, hills, and rivers. So much so, that more ingenious commanders are claimed to have had itineraries of the areas in which their attention was required not so much annotated but even illustrated, so that the road for setting out on might be chosen not only by a mental consideration but truly at a glance of the eyes. ”89 Therefore, itineraria is a term used for describing the need of soldiers and generals to have with them this particular type of document. When the sources describe ‘maps’ used for propagandistic purposes, they do not mention the word itinerarium, but, as we saw, opus or orbem spectare depictum. Why should we consider Tabula a map when, in fact, it is an itinerarium pictum?

88 89

Salway 2005, 128. Text and translation after Salway 2001, 31.

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Table 1: Pannonia in the Peutinger map. Chart showing the frequency of the distance figures.

Table 2: Pannonia in the Peutinger map. The frequency of the distance figures. Percents.

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5. The Peutinger map and Pannonia. Concluding remarks. To sum up, along the first road, Tabula represents 31 settlements, 30 figures, 6 vignettes type „double tower” and a total distance of 401 miles. Along the second road, from Carnuntum to Poetovio, the same document mentions 7 settlements, 6 figures, 3 vignettes type „double tower” and a total distance of 155 miles. This road had a crucial importance. The occupation of the Amber Route and the establishment of forts along it were accomplished by sending the legio XV Appolinaris to Carnuntum. Between 35 BC and the reign of Claudius, the Roman army conquered the area between the Drave and Save Rivers. Subsequently, it occupied the zone of the Amber Route in Western Transdanubia. A milestone found near the southern gate of Savaria records the distance from Rome: the 675 miles correspond to the 1000 km between Savaria and Rome. Road no. 3, from Emona to Taurunum, along the Sava River, presents 20 settlements, 17 figures, 5 vignettes type „double tower”, 2 vignettes type mansiones and a total distance of 309 miles. Road no. 4, from Emona to Taurunum, along the Drava River, mentions 31 settlements, 29 figures, 7 vignettes type „double tower” and a total distance of 336 miles. To sum up again, the Peutinger map mentions in Pannonia 89 settlements, 82 distance figures, 15 „double tower” vignettes, 2 vignettes type mansiones and a total distance of 1201 miles. Of 82 figures, 57 are in between 8 and 16 miles. This is, in percent, 69.512 %. (Table 1, 2). I will finalize this discussion by adding some data based on statistics and distances, the data being organized by means of a rank. The Peutinger map depicts in Pannonia: 12 distance figures of 10 miles; 8 distance figures of 13 miles; 7 distance figures of 9 miles; 7 distance figures of 14 miles; 7 distance figures of 18 miles; 6 distance figures of 12 miles; 6 distance figures of 16 miles; 5 distance figures of 8 miles; and 5 distance figures of 11 miles. To continue, only in one case does the Peutinger map depict 15 miles, 5 miles, and 7 miles. In two cases, the same itinerary lists 6 miles. A simple calculation shows that, of 82 distance figures, 68 are in between the values 5–18 miles. This represents, in percent, 82.92 %. The rest, meaning 14 distance figures, are positioned in between 20 and 43 miles: 4 distance figures of 20 miles; 2 distance figures of 22 miles; 1 distance figure of 25 miles; 2 distance figures of 30 miles; 3 distance figures of 33 miles; 1 distance figures of 37 miles; and 1 distance figures of 43 miles. Based on the examples discussed above, I am tempted to believe that the Peutinger map was compiled using as sources early itineraria picta, created by the army. Therefore, I suggest that the small distances between settlements in the Peutinger map reflect the marching stages of the Roman army. In other words, the Peutinger map had better, much more accurate sources: road descriptions, distances recorded in ancient literary sources, lists of settlements with the distances between them, formae, military itineraria (depicted or written), maybe even formulae provinciarum etc. I do not agree that the Peutinger map was a propaganda document. This outstanding work reflects, in my opinion, a crucial moment in the evolution of Roman cartography. This is the fifth century AD, probably during the reign of Emperor Theodosius II, when this work was compiled in order to group together, into a “map”, all the geographical knowledge on the Roman Empire known until that time. It is possible that this document accompanied, as an appended map, one of the two geographical works written in 435 AD: Divisio orbis terrarum and Demensuratio provinciarum.90 Still, I do not think that Agrippa’s map was the source for an itinerary created during Caracalla’s reign, as Weber stated.91

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DAS RÖMERZEITLICHE SIEDLUNGSSYSTEM AUF DEM TERRITORIUM VON SAVARIA

Abb. 1: Pannonien in der Prinzipatszeit mit dem Territorium von Savaria.

Beinahe sofort nach der Besitznahme Pannoniens fand – zumindest im westlichen Teil der Provinz – die Gründung der ersten Kolonien durch Veteranendeduktion statt. Es kann sein, dass das Oppidum Iulia Scarbantia zeitlich früher als Savaria gegründet und die Zivilverwaltung vielleicht bereits am Ende der 131

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Regierungszeit von Tiberius eingeführt wurde1. Nach der Koloniengründung dürfte die einheimische Bevölkerung auf den für die Veteranen parzellierten Territorien nur als Pächter geblieben sein2. In der Tat wissen wir nicht, wie sich dieser Prozess abspielen konnte. Die Veteranen der in Carnuntum stationierten Legio XV Apollinaris konnten im Gebiet zwischen den Flüssen Raab und Rabnitz (Abb. 1) viritim auf landwirtschaftlich wertvollem Boden angesiedelt werden3. Die Kolonie wurde wahrscheinlich zur Zeit gegründet, als Illyricum inferius den Status einer selbständigen Provinz erhielt4. Seitdem wurde die neue Provinz Pannonien genannt. Obwohl man die Möglichkeit, dass die Stadt an der Stelle eines früheren Lagers gegründet wurde, mehrmals aufwarf 5, gibt es dafür keinen einzigen Beweis. An den in verschiedenen Arealen der Colonia Claudia Savaria durchgeführten Freilegungen kam bis jetzt kein vor claudische Zeit datiertes Fundmaterial ans Tageslicht6. Auf die Güter der Veteranen weisen die Grabsteine der neuen Ansiedler hin (Abb. 2), die eine große Streuung in den von der Stadt östlich bzw. nordöstlich liegenden Gebieten aufweisen (Dozmat, Ondód, Acsád, Salköveskút, Tanakajd, Gór)7. Die Größe der Parzellen der Veteranen sind unbekannt: L. Balla folgerte auf eine Größe von 0,5–1 km2 (50–100 iugerum)8. Auch I. Glodariu schloss auf eine ähnliche Größe der Grundstücke im Fall Daziens9. Diese Angaben können wir aber nur bedingt übernehmen, da im Zuge der limitatio die Vergabe von Grundstücken nicht nur nach ähnlicher Größe, sondern auch nach vergleichbarem Wert erfolgte. Im Zuge der centuriatio wurden die für landwirtschaftliche Bebauung ungeeignete oder nicht so wertvolle Gebiete offensichtlich nicht aufgeteilt. Das Grundbesitzsystem kann jedenfalls auf die Bodenverteilung in der claudischen Zeit zurückgeführt werden, aber nach den gromatici wurde limitatio auch in der trajanischen Zeit10, wahrscheinlich in Verbindung mit der Gündung von Poetovio, durchgeführt. Das Territorium der Kolonie war im Westen wahrscheinlich durch den in nord-südlicher Richtung fließenden Lafnitz-(Lapincs-)Bach begrenzt (diese Frage steht offen) – da stimmte die Grenze der Stadt und Provinz überein11. In östlicher Richtung konnte es sich aber auch auf die Gebiete am rechten Ufer der Raab ausbreiten. (Trotzdem ist keine Inschrift, die von in Savaria zuständigen Personen errichtet worden wäre, bekannt.) In nördlicher Richtung konnte sich das Territorium bis zur Rabnitz erstrecken12. Dafür spricht eine Inschrift von Neckenmarkt (Sopronnyék)13, die die Ansässigkeit des Verstorbenen betont: domo Savariae. Das hat nur in dem Fall einen Sinn, wenn er außerhalb des Territoriums von Savaria, d. h. auf dem Territorium von Scarbantia begraben wurde. In diesem ca. 25–30 km2 großen Areal wurden bis dahin 52 Villen registriert14. Sie liegen voneinander 2–3 km weit entfernt (Abb. 3). Auf einem Teil des Territoriums erhielten Italikerveteranen Boden zugeteilt (domo Verona, Mediolanum, Augusta Taurinensium und besonders Aquileia). Unter den Angesiedelten sind auch Händler und Freigelassene zu finden, die eine Handwerkstätigkeit ausübten15. Wegen Mangels an CCS 1

2 3 4 5 6

7 8 9 10

11 12 13 14 15

Kovács 2002, 188–191. R. Rollinger und A. Schaub zogen unabhängig voneinander die Folgerung, wonach die Organisation Raetiens, Norikums und Pannoniens (damals Illyricum inferius) zu einer Provinz aufgrund der Angabe von Velleius Paterculus (II.39,3) in die tiberische Zeit zu datieren ist. Vgl. Rollinger 2001; Schaub 2004, 102. Während A. Schaub im Falle von Raetien die Organisation der Provinz innerhalb Tiberius’ Regierungszeit in das Jahr 17 oder 18 n. Chr., in die Zeitspanne nach Germanicus’ Rückberufung eng datiert, halten wir das Ende der Regierungszeit des Tiberius für wahrscheinlicher (bis 29–30 n. Chr. als das Werk des Velleius Paterculus herausgegeben wurde). Wilkes 1969, 113. Mócsy 1959, 37. Mócsy u. a. 1990, 53; Braunert 1977; Fitz 1999, 32–41; Šašel 1989; Šašel Kos 1997. Kiss u. a. 1998, 16; Tóth 1977; Tóth 2011, 13. Wir haben Tausende der Terra Sigillata Funde bestimmt, die anläßlich verschiedener Grabungen in der Stadt zum Tageslicht gekommen waren (Grabung Szombathely–Fő tér, Grabungen in den Járdányi Paulovics Ruinengarten, Freilegungen im Isis Heiligtum usw.), aber unter diesen Funden waren keine vorclaudischen Stücke. Tóth 2011, 14, Nr. 207, 220, 201, 211. L. Balla in Mócsy – Szentléleky 1971, 24; Mócsy 1959, 108, Anm.198. Glodariu 1977, 956; Zur Größe siehe noch Henning 1987, 22–38. 113. „Cum in Pannonia agros veteranis ex voluntate et liberalitate imperatoris Traiani Augusti Germanici adsignaret“ Hyginus Gromaticus, De condicionibus agrorum, Constitutio limitum (C. Thulin 1971). Bödöcs 2014, 361–372. Tóth 2011, 14; – andere Meinung: Harl 1997, 195; Hebert 2007, 43; Hinker 2008, 311. Mócsy 1959, 36. CIL III 4253 = Mócsy 1959, Kat.106/3. Gabler 1994, 380. Gabler 1998, 293–295, Fig. 2.

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Abb. 2: Inschriften auf dem Territorium von Savaria. Die keltischen Namen sind mit Kreis markiert.

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Abb. 3: Römische Villen in der Umgebung von Savaria.

dachten früher A. Alföldi16 und E. Tóth daran, dass die Emonienses vor der Gründung der Kolonie angesiedelt wurden17 (PRQLHQVHVTXLFRQVLVWXQWÀQLEXV6DYDULDH18). In diesem Fall ist aber die Bedeutung von ÀQHV fraglich. Wenn aber eine Weihinschrift an Aequorna19 nach der Gründung der Stadt errichtet wurde, stellt sich die Frage, warum die Bezeichnung colonia fehlt. Nach der Meinung von P. Kovács kann die Inschrift wegen Mangels an CCS nicht vor die Gründung der Stadt datiert werden. Seines Erachtens bezieht sich 16 17 18 19

Alföldi 1935, 273; – so auch Mócsy 1959, 37; L. Balla in Mócsy – Szentléleky 1971, 23. Tóth 1972, 301. RIU I.135; Horváth 1927/1929; Saria 1935, 175; Buocz 1963, II. 92. Šašel Kos 1996, 89.

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ÀQLV auf das pomerium20 und bezeichnet dessen Grenze. Das ist aber ebenfalls fraglich, bzw. ist es nur in dem Fall möglich, wenn man annimmt, dass die Inschrift an einem sekundären Fundort ans Tageslicht kam. Das kann aber nicht bewiesen werden. Es ist eine weitere Frage, warum die Händler von Emona einen Altar für diese Göttin von der Bernsteinstraße weiter entfernt errichteten21. Die Boier als Urbevölkerung wurden aus der unmittelbaren Umgebung der Stadt hinausgedrängt. Als Grundbesitzer konnten sie wahrscheinlich nur in den Randgebieten des Territoriums, in für landwirtschaftliche Bebauung weniger geeigneten Arealen weiter leben. Darauf weisen mindestens die in Répceszentgyörgy22, Neumarkt (Kéthely)23, Rax (Gyanafalva)24, Oberkohlstätten (Felsőszénégető)25 und in St. Martin i. d. Wart (Őriszentmárton)26 gefundenen Inschriften hin (Abb. 2). In der Umgebung dieser Inschriften sind keine Villen oder andere Siedlungen römischen Charakters bekannt. (Eine Ausnahme ist vielleicht in St. Martin an der Raab zu erwähnen.) Zugleich sind zahlreiche Hügelgräber im unteren Drittel der norisch-pannonischen Grenzgebiete zu finden27. Da keltische Namen auch östlich von der Stadt vorkommen28, ist es anzunehmen, dass die einheimische Bevölkerung – gewisse Gebiete ausgenommen – nirgendwo in geschlossenen Gruppen lebte. Der Ager der späteren Kolonie könnte auch vor der römischen Besitznahme ein dünn besiedeltes Areal gewesen sein29. Das Oppidum von Velemszentvid verlor vermutlich seine Bedeutung als Verwaltungs-, Handwerks- und Handelszentrum, d. h. als eine Art Protourban-Zentrum viel früher30, aber auch die befestigte Siedlung an der Übergangsstelle der Raab bei Ostffyasszonyfa wurde spätestens in der claudischen Zeit aufgelassen31. Selbst in der Stadt und in deren Umgebung kann die autochthone Bevölkerung aufgrund von Inschriften nicht nachgewiesen werden. Das liegt daran, dass sie im Gegensatz zu den Italikern in den Hintergrund gedrängt wurden: Im Vergleich mit den Neuankömmlingen spielten sie eine untergeordnete Rolle. Von der einheimischen Bevölkerung konnte nur der vom Grabstein von Répceszentgyögy bekannte Atta Sohn von Bataio eine wichtigere Rolle spielen: Er war ein Negotiator32. Dank der Initiative der Forscher des Burgenländischen Landesmuseums und des Savaria-Museums sind bis jetzt 52 Villen und 33 dörfliche Siedlungen auf dem Territorium der Stadt bekannt33. Bis in die 1960-er Jahre verfügten wir über die Angaben von drei Villenwirtschaften. Außer den zahlreichen Geländebegehungen, mit deren Hilfe man besonders die Trasse der Bernsteinstraße aufklären wollte, steht die sprunghafte Zunahme der Siedlungszahl in erster Linie mit der Bodenverbesserung und dem Tiefpflügen in Verbindung. Im Laufe der Prospektionsarbeiten wurde es klar, dass die Straße eine Abzweigung, bzw. auch eine andere Trasse hatte34. Diese Geländearbeiten und eine geophysikalische Messungsreihe trugen zur Identifizierung von Militärstationen an der Bernsteinstraße bei. Von ihnen wurde der Fundort Strebersdorf von den Mitarbeitern des Österreichischen Archäologischen Institutes sondiert. Im Laufe der im Jahre 2007 begonnenen Untersuchungen wurden die Reste von drei Lagern und der zu ihnen gehörenden vici (Lagerdörfer) am Zusammenfluss des Raiding- und Stooberbaches entdeckt35. Aufgrund des Fundmaterials kann die Garnison des ersten Holz-Erde-Lagers mit dem nach dem Grabstein von Peresznye bekannten Soldat der ala Pannoniorum identifiziert werden36. Deshalb ist es in die tiberisch-claudische Zeit zu datieren (Abb. 4). 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

Kovács 1998. Tóth 2011, 239. RIU I.156; Tóth 2011,Nr. 190. CIL III 5056=10937; Mócsy 1959, 95; Tóth 2011, 224. CIL III 10895; Mócsy 1959,84; Tóth 2011, 230. CIL III 4224; Mócsy 1959, 222, 97:1 ; Tóth 2012, 232 CIL III 5525; Tóth 2011, 236 Urban 1984, 154; Kaus 1990, 77; Pochmarski – Pochmarski-Nagele 1999, 823. Mócsy 1974, 78. 152. pl. 5b. Károlyi 1985, besonders 408 f. Die spät-La Tène Funde sind vorwiegend entlang des Flusses Raab und östlich davon zu finden Buchsenschutz u. a. 1990; Guillaumet u. a. 1998/1999. Károlyi 1985, 417; – anders Gabler 1990/1991, 54. Gabler 1994, 380. Kiss u. a. 1998, 11, Abb. 4. Szombathely-Zanat s. Ilon 2001, 69–82. Tóth – Cserményi 1982, 283–290. Groh 2009a, 175–187; Groh 2009b. Tóth 2011,192; – zum Fundort siehe Gabler 1969, 57; Farkas – Gabler 1994, 51 f., Nr. 58. Zu der Truppe siehe Lőrincz 2001, 203, Nr. 151. Eine weitere Inschrift dieser Einheit siehe Găzdac 1996.

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Abb. 4: Fundort der Inschrift des Soldaten der ala Pannoniorum in der Nähe des Lagers von Strebersdorf.

Außer dem Kastell von Zalalövő37 wäre das Lager von Strebersdorf das zweite, das die Nachschublinie der in spättiberischen Zeit nach Carnuntum versetzten Legio XV Apollinaris, d. h. die Bernsteinstraße sicherte. Es lag vom dauerhaften Legionslager an der Donau 83 km und vom Lager von Zalalövő, das wahrscheinlich zu einer Hilfstruppe gehörte, 75 km weit entfernt38. Nach der Abkommandierung der ala konnte die coh. II Hispanorum Cyrenaica scutata equitata in der 2. Hälfte des 1. Jhs. im Lager II stationiert werden39. Auch an der Übergangsstelle bei Katafa könnte eine Militärstation existiert haben (Ad Arrabonem)40. Sie dürfte diese Funktion bis zu den Markomannenkriegen ganz sicher erfüllt haben. Auf ihren militärischen Charakter weisen die Verteidigungsanlage und das Grabensystem hin. Einige Forscher sind der Meinung, dass auch die Straßenstationen eine wichtige militärische Funktion erfüllen konnten. Sie sind auf dem Territorium von Savaria wohl bekannt. Von ihnen sind die von Savaria 8 km weit (5 römische Meilen) entfernt liegende Fundorte Nemescsó und Sorokpolány41 zu nennen, von denen das Fundmaterial bearbeitet 37 38 39 40 41

Zusammenfassend Redő 2003, 202–204. Zu dem Lager I s. Groh 2009a, 180–181. Ibidem 181 zu der Truppe s. Lőrincz 2001, 267, Nr. 372. Cserményi – Tóth 1980; Kiss u. a. 1998, 22 f., Abb. 9. Kiss u. a. 1998, 23, Abb. 11.

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Abb. 5: Straßenstationen mit Steinpfeilern.

ist.42 Außer Kám wurden Untersuchungen bzw. geophyikalische Messungen noch an der Straßenstation von Nemescsó durchgeführt43. Dort plant man in der nahen Zukunft neue Ausgrabungen zu machen. Auch der Grundriss dieser Straßenstation stimmt mit dem von Nemesrempehollós vollkommen überein. Die Straßenstation von Nemescsó liegt ebenfalls 8 km weit von der Stadt entfernt, aber in nördlicher Richtung. Ihre Größe beträgt 23,5 × 26 m. Diese Angaben beweisen schon in sich, dass die Straßenstationen im Großen und Ganzen voneinander in gleicher Entfernung errichtet wurden. Der Grundriss beider zu Savaria nahe liegenden Straßenstationen weist die Elemente teils der Eckrisalit-Villen, teils die der Militärarchitektur auf44. Das kommt bei dem Grundriss der Mansio von Gönyü am besten zur Geltung45. Diese Anlage ist entlang des Limes die einzige, in der militärische Ziegelstempel in großer Zahl zum Vorschein kamen46. An den Baumaterialien von anderen Straßenstationen ist die Rolle des Militärs nicht nachweisbar. Die zur Straße gerichteten Räume liegen vor einem Hof. Die beiden Räume wurden in Gönyü nicht als Eckrisalite gebaut, sondern als Eckräume, die mit den Außenwänden eine Flucht bilden. Die Pfeiler (Abb. 5) erinnern aber an die in der Militärarchitektur wohl bekannten Speicherbauten (Weißenburg, Urspring)47. Als vorspringende Türme könnten die Eckrisalite als Beobachtungsstellen gedient haben, oder sie konnten als Signaltürme fungieren. Der Hof hinter der Fassade dürfte teils bedeckt gewesen sein, das kann mit dem für

42 43 44 45 46 47

Zalka 2010; Groh u. a. 2013, 86–127. 144–158. Groh u. a. 2010, besonders 410 f. Groh u. a. 2010, 420–422. Bíró – Molnár 2009, 13–25. Bíró – Molnár 2009, 39. Rickman 1971, 244–248.

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Abb. 6: Die Straßenstation von Sávár mit den nördlichen (oben) und den südlichen Mauern und Steinpfeiler über einer Vorratsgrube.

die Anfangsphase der Villenarchitektur kennzeichnenden Hallentyp in Verbindung gebracht werden. Die Hallenbauten mit Portikus bzw. Risalitfassade und die Villen mit Turm waren in den nördlichen Provinzen weit verbreitet48. Meines Erachtens verfügen sie aber – von einigen Fällen abgesehen – über keine fortifikatorische Bedeutung. Während die Straßenstation von Gönyü – nach dem Zeugnis der Ziegelstempel – wahrscheinlich unter militärischer Aufsicht stand (zu den Bauarbeiten lieferte die leg. I. Adiutrix Ziegel), kamen keine durch das Militär gestempelten Ziegel an den Stationen entlang der Bernsteinstraße und der Straße Savaria-Arrabona ans Tageslicht. Zu den Bauarbeiten von Gönyű dürften auch private Ziegeleien Baumaterial geliefert haben, so Luc(ius) Bar(bius) Aq(uilensis)49. Die Ziegelstempel dieser im frühkaiserzeitlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben Noricums und Pannoniens eine wichtige Rolle spielenden Familie50 sind auch in Vindobona und Carnuntum bekannt. Es ist nicht auszuschließen, dass die von ihnen produzierten Ziegel auch an Bauten entlang der Bernsteinstraße angewandt worden waren. (Hinweise dafür gibt es auch in der Umgebung von Moosdorf und Salzburg.) Das Fundmaterial spricht dafür, dass die beiden Straßenstationen in der Nähe von Savaria vermutlich nach den Markomannenkriegen gebaut wurden. Aus Mangel an Münzen muss man sich auf das Zeugnis der Rheinzaberner Sigillaten und der wenigen rätischen Waren stützen. Das Fundmaterial aus dem 4. Jh. fehlt in allen Anlagen ähnlichen Charakters51. Dasselbe konnte man entlang der Savaria–Arrabona-Straße beobachten, so auch im Falle der an der Übergangsstelle über die Raab, an der Végh-Mühle bei Sárvár freigelegten Straßenstation (Abb. 6). Sie wurde an der Stelle eines Lagerdorfes einer früheren – vielleicht claudischen Militärstation – nach den Markomannenkriegen errichtet: Auf das Steinfundament wurden die aufgehenden Mauern aus Lehmziegel gebaut. Der Hof mit vier Pfeilern52 ist dort aber ebenfalls nachweisbar, ebenso wie bei den anderen Straßenstationen, z. B. bei dem von P. Kiss ebenfalls in der Gemarkung von Sárvár freigelegten Praetorium53. Hinsichtlich des Grundrisses kann also die Anlage bei der 48

49 50 51 52 53

In Pannonien siehe Thomas 1964, 43–46 Abb. 19 und 359 Abb. 174 (Gyulafirátót-Pogánytelek). 118–122 Abb. 56–58 (Szentkirályszabadja-Romkút); Heimberg 2002–2003; 96, Abb. 24. Bíró – Molnár 2009, 40 f. Šašel 1966; Scherrer 2002, 14 f. Zalka 2010; Groh u. a. 2010, 412. Gabler 1991, 57 f., Abb. 34–35 – die Steinbauten wurden in das 3. Jh. datiert. Groh u. a. 2010, 410, Abb. 7; Groh u. a. 2013, 180: Dort werden siese Stationen als VWDEXODbezeichnet.

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Abb. 7: Der Mosaikboden von Zsenye mit den norditalischen und nordafrikanischen Parallelen.

Végh-Mühle mit den anderen Straßenstationen des Territoriums von Savaria verglichen werden. Mit den Bauten von Sorokpolány und Nemescsó kann das bei Gönyű-Nagy Sáros freigelegte Gebäude mit Steinfundament und Lehmziegelmauer verglichen werden. Beim Eingang dieses Gebäudes gibt es ebenfalls vier Räume, während im hinteren Teil der Station ein größerer Hof zu finden ist. Die Ausgräberin datierte die Straßenstation von Gönyű in das 2. Jh. Wie in Sárvár stand da früher ein Holzbau, der am Ende des 1. oder ganz am Anfang des 2. Jhs. gebaut wurde54. Die Straßenstation von Gönyű war in severischer Zeit noch belegt, wurde aber kurz darauf aufgelassen, und die Mauern wurden systematisch abgerissen55. Auch die Straßenstation von Sárvár wurde wahrscheinlich etwa zu dieser Zeit, um 260/270 n. Chr. aufgelassen56. Für eine Ansiedlung im 4. Jh. fand man während der zwischen 1983 und 2001 durchgeführten Ausgrabungen keinen Hinweis. Es ist davon auszugehen, dass die Straßenstationen um 260/270 n. Chr. im Allgemeinen aufgelassen wurden. Sz. Bíró brachte das Ende der Straßenstation von Gönyű mit der Änderung der Naturumstände und Erhöhung des Wasserstandes der Donau in Verbindung, das allerdings nicht die Auflassung der anderen Anlagen begründet. Meiner Meinung nach konnte der Magistratus der Kolonie, der die Straßenstationen instand halten sollte, diese aus Mangel an finanziellen Quellen nicht weiter betreiben57. Zwischen Villen und Siedlungen anderen Typs kann man einen Unterschied auch in dem Fall schwer feststellen, wenn die fraglichen Stellen sondiert wurden (Abb. 8). Aufgrund von Beobachtungen bei Geländebegehungen ist das natürlich kaum möglich. Stein-, Mörtel- und Ziegelbruchstücke können sowohl zu Villen als auch zu Heiligtümern, Wachstationen, vici, Straßenstationen, usw. gehören58. Zugleich können die frühen, aus dem 1. Jh. stammenden, wahrscheinlich aus Holz gebauten Villen auch noch im Laufe der Freilegungen nur schwer untersucht werden. Insgesamt wurden nur sieben Villen freigelegt. Während einer Sondierungsgrabung konnte man in Nárai ein 50 × 50 m großes Villengebäude untersuchen. Die Zentren von größeren Villenwirtschaften aus dem 2. und 3. Jh. könnten in Kemeneskápolna-Bödönhalom und Csepreg-Szentkirály existiert haben59. In Szakony-Békástó wurde eine Villa, deren Vorgängerbau in die Mitte des 2. Jhs. zu datieren ist, zum Großteil freigelegt60. Die Villa selbst stammt aus dem 4. Jh., d. h. aus der 2. Hälfte des 4. Jhs. Das an der Savaria-Sopianae-Route gebaute und von T. Buocz freigelegte Gebäude von Zsennye entspricht noch am ehesten einer Villa mit hervorragendem Luxus und repräsentativer innerer Dekoration61. Im Suchgraben konnte nur ein kleiner Teil freigelegt werden. In einem der Räume wurde 54 55 56

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59 60 61

Bíró – Molnár 2009, 45. Bíró – Molnár 2009, 45. Gabler 1991, 57 – die letzte Münze wurde in den Jahren 257–259 n.Chr. geprägt. Ähnlich datieren diese Straßenstationen Groh u. a. 2013, 210. Pekáry 1968, 169. 171; Herzig 1974, 640. Wie schwierig es ist, die verschiedenen landwirtschaftlichen Betriebe, Villen und nicht näher bestimmte Siedlungsstellen zu unterscheiden siehe bei Müller-Wille – Oldenstein 1981, 262. Gabler 1994, 381 Gabler 1969. Buocz 2005.

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ein Mosaikboden (Abb. 7) mit einer Größe von 20 m² aufgedeckt. Südlich davon befand sich ein Raum, dessen Boden mit rhombischen Ziegeln verlegt war. Eine Analogie ist in Eisenstadt bekannt. Das Mosaik besteht aus schwarz-weißen und grünen, 1–1,3 cm großen Mosaikwürfeln. Das Mosaik wurde außen mit einem weißen Rahmen umgeben, die weißen Bildfelder wurden mit schwarzen Streifen verschiedener Dicke begrenzt. In den Ecken des größeren quadratischen Bildfeldes wurde je ein stilisierter Kantharos mit Girlande dargestellt. Das mittlere runde Emblem wurde mit dem Motiv von sich wechselnden schwarzen und weißen, in Richtung des Randes gerichteten Dreiecken ausgefüllt. Auf dem Mittelkreise ist eine achtblättrige Rosette zu sehen. Auf dem Ende von vier Blättern der Rosette befindet sich je ein Peltamuster62. Das Emblem wirkt wie eine Lotosblume. In den kleineren rechteckigen Feldern wiederholen sich einander gegenüber stehende palmettenverzierte, volutenartige Muster wie im Spiegel. Ein ähnlicher Mosaikboden ist in Savaria bekannt63. Aufgrund seiner Verzierung wird das Mosaik von der Ausgräberin in das 3. Drittel des 2. Jhs. n. Chr. datiert und für die Arbeit eines norditalischen Musivarius gehalten64. Einige Verzierungselemente sind auf den Mosaiken der Villa von Baláca ebenfalls zu enthalten, z. B. die etwas mehr stilisierte Variante des volutenartigen Musters im Raum 31. Ähnliche Dastellungen sind auch in Nord-Afrika von einem Bodenmosaik einer Apsis im Museum El Djem bekannt.65 Eine nordafrikanische Familie hat auch im Munizipalleben von Savaria und Salla eine Rolle gespielt.66 An einer, in Ost-West-Richtung führenden römischen Straße legten Forscher des Instituts für Archäologie der Universität Graz eine Villenwirtschaft zwischen 1997 und 2000 in St. Martin an der Raab im Rahmen einer Lehrgrabung unter der Leitung von E. Pochmarski frei67. Diese Straße dürfte ein Zweig, d. h. eine Nebenstraße der Bernsteinstraße gewesen sein. Die geophysikalischen Untersuchungen ergänzten die Ergebnisse der Ausgrabungen: Man konnte den Grundriss einer, aus mehreren Gebäuden bestehenden Villenwirtschaft ca. auf einer 80 × 60 m großen Fläche bestimmen. Auf dem westlichen Teil des nördlichen Komplexes könnten Wirtschaftsgebäude gestanden haben, während das sich südlich abzeichnende Gebäude vermutlich zu einer Badeanlage gehörte68. Die Grundmauern der Villa wurden aus Basaltbims gebaut. Im Laufe der Forschungen konnte die Stelle des Brunnens und Töpferofens ebenfalls bestimmt werden. S. Lamm bearbeitete das Gesamtmaterial der Grabungen. Dank dieser Arbeit ist es bekannt, dass auch norditalische und südgallische Sigillaten (ihr Anteil macht 44 % im Sigillatenmaterial aus) und im Allgemeinen viele importierte Waren (Amphoren) außer einheimischer Grobkeramik im Material der Abfallgruben zum Vorschein kamen69. Da das Steingebäude wahrscheinlich um die Mitte des 2. Jhs. errichtet wurde, sind die domitianisch-trajanischen italischen Sigillaten und die Ware aus La Graufesenque70 wahrscheinlich einer früheren Siedlung, deren Befunde aber vorläufig unbekannt sind, zuzurechnen. Die Zeit des Umbaus in Stein stimmt mit der Datierung der Steinbauten der römischen Siedlungen in der Steiermark (Kalsdorf, Gleisdorf) überein71. An dörflichen Siedlungen sind die von Pósfa, Harasztifalu, Horvátzsidány, Sé, Pinkafeld und Nemesbőd zu erwähnen72. In Gencsapáti kamen überwiegend spätrömische Münzen zum Vorschein. In diesen Fundorten wurden keine Ausgrabungen durchgeführt, außer in Dobersdorf73 und Wörterberg, wo kleinflächige Sondierungen stattfanden. In Dobersdorf legte man Pfostenlöcher und in Wörterberg74 einen Ofen frei. In diesen Siedlungen gab es wahrscheinlich nicht nur Landwirtschaft, sondern auch Gewerbetätigkeit. In Wörterberg wurde eine Eisenhütte mit Schlackenresten und ein römerzeitlicher Schmelzofen untersucht, 62 63 64

65 66 67 68 69 70 71 72 73 74

Buocz 2005, 400 Abb. 32. Kiss 1965, Fig. 19. Donderer 1986, 5. 34; Taf. 10 1. Aquileia 26; Taf .8; Taf. 11 4. Aquileia 36; Taf. 20 2. Aquileia 95; Taf. 27 3. Aquileia 137; Taf.28 2. Aquileia 141; Taf. 31 4. Barcelona 29; Taf. 43 2. Cividale 21; Taf. 47 1. Este 3. Fradier 1976, 175. Mócsy 1982 (nach der Mitte des 2. Jhs.). Pochmarski – Pochmarski-Nagele 1997, 836, Abb. 662–663; Pochmarski – Pochmarski-Nagele 1998, 751. Pochmarski – Pochmarski-Nagele 1997, Abb. 662. Lamm 2006. Lamm 2006, 422, Taf. 1. Lamm 2006, 393; siehe Lohner-Urban 2009; Lorenz u. a. 1995; Jeschek 2000. Gabler 1994, 382. Simon 2014, 327–342. Sauer – Brzyski 2009. Hebert 2003, 703; Krenn 2005 (La Tène Keramik und norditalische Applikensigillata); Krenn 2006.

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Abb. 8: Römerzeitliche Untersuchungen auf dem Territorium von Savaria.

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Abb. 9: Römische Importierte Ware vergesellschaftet mit Lt-D2-Keramik taucht auch in den Grenzgebieten des Territoriums auf.

und auch im vicus von Strebersdorf ist eine Eisenhütte bekannt75. Ein Schmelzofen wurde auch neben der Villa von Szakony freigelegt (Abb. 11). Die Datierung dieser Objekte ist sehr schwer, da aus dem Befund nicht hervorgeht, ob sie La Tène- oder römerzeitlich oder vielleicht auch mittelalterlich sind. Auch aus schriftlichen Quellen ist bekannt, dass in diesem Gebiet Eisenverarbeitung stattfand. So wurde nach H. G. Pflaum ein procurator vectigalis ferrariarum Pannoniae Superioris, d. h. der für die Steuer der Eisengruben verantwortliche Prokurator auf einer der Inschriften erwähnt76. Wenn die Lesung dieser Inschrift Zweifel erwecken sollte, dann beweist die auf den procurator ferrariarum Noricarum beziehende Inschrift77 ohne Zweifel, dass Eisen in diesem, Noricum nahe liegenden Gebiet in der Römerzeit geschmelzt wurde. Bekanntlich standen die Bergbau Eisengewinn-Gruben von der Mitte des 2. Jhs. an in Pannonien unter staatlicher Aufsicht78. Es ist nicht auszuschließen, dass die Eisengewinnung außer in den erwähnten Siedlungen auch in der Nähe der Villen auf ihrem fundus betrieben wurde. Funde und Befunde der Villa bei St. Martin an der Raab zeigen, dass für Villen wahrscheinlich die Produktion von Töpferwaren wichtig war. Aber auch Ziegel könnte man an Ort und Stelle produziert haben. Auf dem Territorium von Savaria wurden Forschungen mit unterschiedlicher Intensität durchgeführt. In der unmittelbaren Umgebung der Kolonie, entlang der Bernsteinstraße und im Rabnitztal brachten die Untersuchungen bereits zahlreiche Ergebnisse, zugleich wurden die Gebiete östlich der Raab bis dahin nur wenig erforscht.

75 76 77 78

Groh 2009a, 182. Pflaum 1957. Winkler 1977, 215. Fitz 1971, 154, 156 – eine selbständige ferrariae Pannonicae wird vermutet von Zaninović 1977, 796.

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Abb. 10: Die spätrömische Villa von Szakony-Békástó.

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Von den freigelegten Villen kann nur die von Szakony genauer datiert werden (Abb. 10). Deswegen können die Fragen, wie sich die im Laufe der centuriatio zustande gekommenen Grundbesitzverhältnisse änderten und ob eine Konzentration an Grundbesitz zu beobachten ist, gegenwärtig nicht beantwortet werden. Keine auffällig großen Villen sind bekannt; großflächige, mit Stein und Mörtel bedeckte Areale kennen wir in Frankenau, Kemeneskápolna, Ják-Annamajor, Pinkamindszent, Gencsapáti und Tokorcs-Intaháza79, wo man durchaus mit mehreren Gebäuden rechnen muss80. Es ist die Aufgabe zukünftiger Forschungen, die Art und Funktion dieser Strukturen (Villenwirtschaft, vicus Siedlung, usw.) zu klären.

Abb. 11: Szakony-Békástó, spätrömische Villa mit Eisenschmelzofen.

Die meisten Villen sind in der Umgebung der Kolonie zu finden, aber auch entlang der Bernsteinstraße nimmt die Zahl der Fundorte von Villen zu. Das ist sicher auf die systematische Begehung und Erforschung der Straße und des umliegenden Gebietes in den letzten Jahren zurück zu führen. Die gut gelegenen Villen wurden relativ schnell in Stein umgebaut. Die anderen, anfangs aus Holz gebauten Güterzentren der claudischen centuriatio hinterließen nur sehr wenige archäologische Spuren. In den gut erforschten Gebieten konnte man feststellen, dass die Villen voneinander 1,3–2 km weit entfernt lagen, das eine überraschende Regelmäßigkeit widerspiegelt. Man kann vielleicht annehmen, dass das Siedlungssystem, auf das diese Besitzzentren hinweisen, eventuell bereits in claudischer Zeit zustande kam. Die einander zu nahe liegenden Villen bestanden wahrscheinlich nicht gleichzeitig. Da aber keine Ausgrabungen durchgeführt wurden, verfügt man in dieser Hinsicht über keine Beweise. Obwohl die nicht-villenartigen dörflichen Siedlungen überall – auch noch in der unmittelbaren Umgebung von Savaria – vorhanden sind, kann man sie in den Grenzgebieten des Territoriums, wo die Zahl der Villen kleiner ist (Horvátzsidány, Pinkafeld, Pósfa, Harasztifalu, Dobersdorf, Lutzmannsburg81, Wörterberg, Mitterpullendorf, Neckenmarkt), häufiger beobachten. Es ist vielleicht kein Zufall, dass das gemeinsame Vorkommen der spätkeltischen Keramik mit römischen Funden beinahe auf denselben Fundorten zu beobachten ist (Sárvár Abb. 9), Unterwart, Wörterberg). Man kann annehmen, dass die vor der römischen Eroberung kennzeichnenden Besitzverhältnisse und einheimischen Dorfgemeinschaften eine Zeit lang auch in der Römerzeit fortbestehen konnten. Trotz der intensiven Prospektionsarbeiten kam keine einzige Villa bis jetzt westlich der Pinka ans Tageslicht, zugleich sind 150 Hügelgräber nur in der Gemarkung von Pinkafeld82, in diesem, hinsichtlich der Villen für einen weißen Fleck gehaltenen Areal, bekannt (Abb. 12). Diese Hügelgräber können wahrscheinlich mit der vornehmen Schicht der autochthonen Bevölkerung in Zusammenhang gebracht werden. Auch die Inschriften mit keltischen Namen untermauern diese Annahme. Hingegen konnten in den Gebieten, in denen Villen in großer Zahl bekannt sind, Hügelgräber nur in sehr kleiner Zahl beobachtet werden (Sé, Gencsapáti). Es ist aber zu bedenken, dass Hügelgräber auf landwirtschaftlich jahrhundertelang bebauten Flächen nur schwer auszumachen sind, während das in den waldbedeckten Gebieten viel leichter ist. Dafür kommen die Mauern der Villen durch jahrelangen Ackerbau viel schneller zum Vorschein als in waldbedeckten Gebieten. 79 80 81 82

Sey u. a. 1998 (10789 Münzen aus dem 4. Jh.); Medgyes 2000–2002. Gabler 1994, 381 Matouschek – Nowak 2001, 631. Ohrenberger 1969, 10–19 (Kapitel Vor- und Frühgeschichte); Barb 1937, 74; Kaus 1990, 75–79

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Abb. 12: Römische Villen (Quadrate) und Hügelgräber (Dreiecke) auf dem Territorium von Savaria.

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Die Zahl der Brandgräber ist im Vergleich mit den Hügelgräbern gering, erwähnenswert ist das nahe der der Villa von Zsenye freigelegte Ziegelgrab. Skelettgräber sind in wesentlich größerer Zahl bekannt. Die meisten Gräber kamen in der Nähe der bekannten Siedlungen zutage. Nach den bisherigen Angaben begann die Güterkonzentration im 2. Jh. Das zeigt sich in erster Linie darin, dass die Zahl der Inschriften, die mit der munizipalen Mittelschicht in Verbindung gebracht werden können, bereits vom 2. Jh. an abnahm. Zugleich tauchen die aus Städten stammenden, oder solche unterstützenden Mitglieder eines Ritterstandes in den epigraphischen Quellen auf83. Trotzdem belegen die Angaben, die sich auf die Siedlungsstruktur beziehen, nicht die Konzentration von Bodenbesitz. Das ist haupsächlich damit zu erklären, dass die Villen im Allgemeinen nicht datierbar sind. Nach dem derzeitigen Forschungsstand gibt es keine Hinweise für eine Aufgabe der frühen Villen im 2. oder 4. Jh. n. Chr. Auch in der spätrömischen Zeit ist keine große Villa bekannt, die auf das Zentrum eines Großbesitzes hinweisen könnte84. Die spätrömische Villa von Szakony, deren Grundriss im Großen und Ganzen bekannt ist, dürfte eher das Zentrum eines mittleren Besitzes gewesen sein. In den freigelegten Villen fehlen im Allgemeinen die inneren, auf Luxus hindeutenden Ausstattungen. Nur in der Villa von Zsennye stieß man auf einen Mosaikboden. A. Mócsy war der Meinung, dass der Besitzer der bei Rábakovácsi entdeckten Villa ein Senator oder ein Mann von Ritterstand gewesen sein dürfte85. In dieser Gegend sind keine frühen Villen zu finden, das kann aber auch die Folge einer Forschungslücke sein. Auf Großgrundbesitz weisen einige Inschriften aus dem 4. Jh. hin (Flavius Dalmatius)86, die in der unmittelbaren Umgebung der Kolonie zum Vorschein kamen. Die in Pornóapáti gefundene Gaudentius-p(rae)p(ositus)-si[l]varum-dominicarum-Inschrift bezeugt87, dass sich wahrscheinlich eine kaiserliche Domäne – saltus – auf dem Territorium befand88 .

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ZUR RÖMISCHEN FRÜHZEIT IM SÜDLICHEN ALPINEN TEIL RAETIENS Mit der römischen Eroberung des gesamten Alpenbogens im Jahr 15 v. Chr. gelangte auch der heutige Tiroler Raum unter römische Kontrolle. Wahrscheinlich führte sogar eine der Hauptangriffslinien des Alpenfeldzuges1 – nämlich die von Drusus geleitete Operation – von Trient/Tridentum über Reschen-Scheideck- und Brennerpass nach Norden ins bayerische Alpenvorland, während Tiberius mit seinem Vormarsch von Gallien aus ostwärts den Feldzug zu einem für die augusteische Zeit typischen Zangenangriff machte. Im Folgenden sollen nun einige Schlaglichter auf die Situation in frührömischer Zeit – von der Regierungszeit des Kaisers Augustus bis in jene des Kaisers Claudius – im alpinen Teil der nachmaligen Provinz Raetien2 im Raum östlich der Bündner Pässe und südlich des bayerischen Alpenvorlandes – also in den Bereichen der Provinz, die heute zum österreichischen Bundesland Tirol und zur autonomen Provinz Südtirol in Italien gehören – geworfen werden. Eine umfassende Darstellung, wie sie W. Zanier für das Alpenrheintal vorgelegt hat3, ist in diesem Rahmen weder angestrebt noch möglich. Ziel dieser Arbeit ist durch Untersuchung ausgewählter Kleinfunde (Keramik, Fibeln und Münzen) sowie der wenigen archäologisch nachgewiesenen frühkaiserzeitlichen Befunde (Nekropolen und Siedlungen) die Entwicklung der Region im Anschluss an die Eroberung zu beleuchten4. Als grundlegende Lebensadern des Untersuchungsraumes sind die beiden transalpinen Verbindungslinien der Römerstraßen über Reschen-Scheideck und Fernpass – die nachmalige Via Claudia Augusta – und die Straße über Brenner und Seefelder Sattel mit ihrem Nebenarm von Innsbruck ostwärts dem Inn folgend zu verstehen. So erklärt sich auch der eindeutige Schwerpunkt der frührömischen Fundstellen entlang der römischen Straßen und deren Umfeld5.

Keramik Die Überlieferung von archäologischen Funden aus der Frühzeit der römischen Herrschaft ist insgesamt für das Untersuchungsgebiet als dürftig anzusprechen, und dies gilt in besonderem Maß für das keramische Fundspektrum. So ist beim derzeitigen Forschungsstand ein annähernd flächendeckendes Fehlen von importiertem feinkeramischen Tafelgeschirr bis zur Mitte des 1. Jhs. n. Chr. zu konstatieren. Lediglich aus der römischen Siedlung in Biberwier ist in nennenswertem Umfang arretinische, padanische und südgallische (aus La Graufesenque) Terra Sigillata belegt6. Auch die verwandte sogenannte Sarius-Ware liegt bislang nur ebenfalls aus Biberwier und mit einem kleinen Fragment aus Ehrenberg bei Reutte vor (Fundliste 1a und Abb. 1), die bezeichnenderweise beide direkt an der nachmaligen Via Claudia Augusta liegen. Als 1

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Zum Alpenfeldzug und den unterschiedlichen vorgeschlagenen Vormarschszenarien zuletzt zusammenfassend Zanier 2006, 47–64. – Zum spezifischen Ablauf in Tirol siehe Heitmeier 1997, 20 und Heitmeier 2005, 48 f. Das Manuskript wurde im August 2012 erstellt, später entdeckte Fundstücke konnten nicht mehr berücksichtigt werden. Die hier vorgenommenen Fundkartierungen richten sich nach der überzeugenden Festlegung der Südgrenze Raetiens bei Steidl 2011. Somit werden im Eisacktal die Fundstellen (Brixen, Tiers, Ums, Waidbruck) auf der orographisch linken Seite zwischen Einmündung der Rienz und Blumau nicht miteinbezogen. – Zur konstitutionellen Provinzwerdung Raetiens unter Tiberius Rollinger 2001; Schaub 2001 und zuletzt Schaub 2004, 102 f. Zanier 2006. Zur Kontinuität von der Spätlatènezeit bis in die frührömische Epoche im Inntal siehe Lang 2004. Heitmeier 2005, 100 weist schon darauf hin, dass „Funde des 1. Jahrhunderts ausschließlich im mittleren und oberen Inntal“ vertreten sind. Vom Fundplatz „Wilten-Südwestecke“ liegt zumindest in geringem Umfang Sigillataimitation vor: Höck u. a. 1995/1996, 191 f. Taf. 9, 120. – Für die „kleinsten Fragmente von Terra Sigillata“ vom Brandopferplatz am Piller Sattel liegt noch keine Datierung oder Zuweisung zu bestimmten Produktionsorten vor. Tschurtschenthaler – Wein 1998, 247.

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Abb. 1: Karte des Arbeitsgebietes: Fundliste 1 Keramik. Rot = Fundorte mit Auerbergkeramik; gelb = Fundorte mit Sarius-Ware.

einzige spezifisch frührömisch7 anzusprechende Keramikgattung sind die sogenannten Auerbergtöpfe in einem relevanten Umfang im Tiroler Anteil Raetiens vertreten (Fundliste 1b und Abb. 1), wobei auf eine Unterscheidung von Auerbergtöpfen, Auerbergware oder einzelnen Fabrikaten verzichtet wird. Insgesamt liegt Auerbergkeramik von 19 unterschiedlichen Fundstellen im Untersuchungsgebiet vor, wobei hier eine klare Häufung im mittleren Inntal und im Wipptal festzustellen ist. Als südlichster Fundplatz ist Feldthurns (Fundliste 1b Nr. 4) nahe an der vermutlichen Grenze zur Regio decima im Eisacktal zu nennen. An der römischen Straße über Reschen- und Fernpass sind bislang lediglich drei Fundstellen bekannt, aus denen Auerbergkeramik vorliegt: Mals (Fundliste 1b Nr. 8), Biberwier (Fundliste 1b Nr. 2) und Ehrwald (Fundliste 1b Nr. 3), wobei der Fundplatz in Ehrwald im Bereich zwischen den beiden Körpergräbern8 der Heimstettener Gruppe mit einer Entfernung von 2,3 km nicht direkt an der römischen Straße gelegen ist.

Fibeln Insgesamt sind für das Untersuchungsgebiet 57 frührömische Fibeln9 der Formen Tierkopffibel/Höckerfibel (13 Stück in Fundliste 2a), norisch-pannonische Doppelknopffibel (19 Stück in Fundliste 2b), 7

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Das Gros der sogenannten Auerbergtöpfe ist zeitlich in die 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. zu setzen. Am Magdalensberg tauchen diese Gefäße erstmals in augusteischen Schichten auf und mit Derivaten und Spätformen ist noch in hadrianischer Zeit zu rechnen. Flügel 1999, 77–107, bes. 85–87 Grab 1: Franz 1955; Höck 1998, 181 f. 197 und Textabb. 1. – Grab 2: Sydow 1998. Die Auswahl dieser fünf Formen erfolgte einerseits aufgrund der relativ größeren Anzahl gegenüber anderen nur vereinzelt auftretenden frührömischen Typen, wie beispielsweise Distelfibeln oder Drahtfibeln vom Mittellatèneschema (Almgren 1), und andererseits, weil weitere frühkaiserzeitliche Formen, wie die kräftig profilierte Fibel Almgren 67, die lediglich durch die Nadelrast mit Sicherheit bestimmt werden kann, unter den zahlreichen Fibelbruchstücken nur zu einem geringen Prozentsatz

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Abb. 2: Karte des Arbeitsgebietes: Fundliste 2 Fibeln. Rot = Fibel mit beißendem Tierkopf/Höckerfibel; grün = norisch-pannonische Doppelknopffibel; blau = norisch-pannonische Flügelfibel; orange = Aucissafibel; gelb = Augenfibel.

norisch-pannonische Flügelfibel10 (acht Stück in Fundliste 2c), Aucissafibel (sieben Stück in Fundliste 2d) und Augenfibel (zehn Stück in Fundliste 2e) belegt (Abb. 2). Fibeln mit beißendem Tierkopf und deren Spätform die Höckerfibel, die als typische Handwerksprodukte des Verwaltungsbereiches Raetia et Vindelicia von augusteischer bis zumindest neronischer Zeit angesehen werden,11 sind mit zehn Exemplaren vorwiegend aus dem Umfeld des mittleren Inntals12 mit den Fundorten Innsbruck (4 Stück Fundliste 2a Nr. 4–7), sowie Telfs (Fundliste 2a Nr. 13), Matrei (2 Stück Fundliste 2a Nr. 8–9), Patsch (Fundliste 2a Nr. 10), Ampass (Fundliste 2a Nr. 1) und Baumkirchen (Fundliste 2a Nr. 2) bekannt. Aus dem Gurgltal sind zusätzlich zwei entsprechende Fibeln aus Strad (Fundliste 2a Nr. 11–12) und eine weitere aus dem nur wenig nördlich gelegenen Dormitz (Fundliste 2a Nr. 3) hinzuzufügen. Die 18 norisch-pannonischen Doppelknopffibeln13 der Typen Almgren 236 und 237 zeigen einen ähnlichen Verbreitungsschwerpunkt von Wilten (Fundliste 2b Nr. 9–12) bis Baumkirchen (Fundliste 2b Nr. 6) mit einer Spitze im Gemeindegebiet von Ampass mit fünf Exemplaren (Fundliste 2b Nr. 1–5). Ein Ein-

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gesichert als solche nachzuweisen ist. Zum Schwerpunkt der Verbreitung der kräftig profilierten Fibel vom Typ Almgren 67 im Raum Innsbruck s. Höck 2011, 25 f. – Zu Fibeln vom Typ Almgren 1 aus dem Tiroler Inntal s. Lang 2000; ein weiteres Exemplar liegt aus der römischen Siedlung in Biberwier (Fundnr. 00/37) vor. Gerade die aus dem norisch-pannonischen Raum stammenden Fibeln der Formen Almgren 236, 237 und 238 sind im Untersuchungsgebiet weitgehend nur in den typologisch frühen Varianten vertreten. Die entsprechenden Formen des (fortgeschrittenen) 2. Jhs. n. Chr. fehlen im Fundbestand durchwegs, was mit der kulturellen Abkoppelung Raetiens vom Südostalpenraum nach dem Bürgerkrieg und den damit verbundenen Unruhen im Zuge des Vierkaiserjahres zu erklären sein dürfte. Demetz 1999, 146 f. – Zur typologischen Feingliederung s. Demetz 1999, 137–143. Die richtungsmäßig maximalen Entfernungen von Wilten betragen nach Westen 25 km, nach Süden 15 km und nach Osten 14 km. Zur Sinnhaftigkeit der Zusammenfassung der Doppelknopffibeln Almgren 236 und 237 sowie zur Problematik der feintypologischen Zuweisung bei schlechtem Erhaltungszustand s. Demetz 1999, 49 mit Anm. 201. Aus diesem Grund wurden in

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Abb. 3: Karte des Arbeitsgebietes: Fundliste 3 Münzen. Blau = Augustus (27 v.–14 n. Chr.); gelb = Tiberius (14–37 n. Chr.); rot = Caius (Caligula) (37–41 n. Chr.); grün = Claudius (41–54 n. Chr.).

zelfund stammt aus Sterzing-Lurx an der Brennerroute (Fundliste 2b Nr. 17), ein weiterer aus Müstair im Münstertal (Fundliste 2b Nr. 15) und als letztes und einziges Fundstück von der Via Claudia Augusta ist eine Fibel aus der römischen Siedlungsstelle in Biberwier (Fundliste 2b Nr. 7) zu erwähnen. Noch klarer zeichnet sich die Konzentration der norisch-pannonischen Flügelfibeln14 der Form Almgren 238 ab – diese finden sich nur im 30 km langen Abschnitt des Inntals zwischen Birgitz (Fundliste 2c Nr. 2) und Weerberg (Fundliste 2c Nr. 8), wobei allein fünf der acht Exemplare vom Fundplatz „Wilten-Südwestecke“ (Fundliste 2c Nr. 3–7) stammen. Die in Oberitalien entwickelte und von der augusteischen bis in neronische Zeit getragene Aucissafibel15 ist mit vier Exemplaren aus der frührömischen Siedlung in Biberwier (Fundliste 2d Nr. 1–4), zweimal aus Veldidena (Fundliste 2d Nr. 5–6) und mit einem Einzelfund aus Natters (Fundliste 2d Nr. 7) nachgewiesen. St. Demetz konstatiert für Raetien eine Konzentration der Aucissafibeln in städtischen Siedlungen oder Militäranlagen und nur ein vereinzeltes Vorkommen im ländlichen Milieu16. Das Überwiegen der Form an der Via Claudia Augusta kann als klarer Hinweis auf die stärkere Durchdringung mit romanisierten Bevölkerungsteilen entlang dieser Transitroute gewertet werden, besonders in Anbetracht des Anteiles von vier Aucissafibeln bei einer Gesamtanzahl von 29 römerzeitlichen Fibeln und Fibelfragmenten aus Biberwier17.

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die Fundliste 2b auch jüngere Varianten aufgenommen, die eigentlich nicht mehr dem Untersuchungszeitraum zugeordnet werden. – Zu frühen Varianten allgemein Demetz 1999, 49–56 und noch immer unverzichtbar Garbsch 1965, 26–49. Grundlegend: Garbsch 1965, 49–77; Ergänzungen in Garbsch 1985, 546–577 und Demetz 1999, 42–48. Riha 1979, 114–121 (Typ 5.2); Feugère 1985, 312–331 (Typ 22 mit detaillierter Untergliederung). Demetz 1999, 165 f. Die Gesamtzahl umfasst nicht nur mit der Aucissafibel zeitgleiche Formen sondern reicht mit Teilen von Zwiebelknopffibeln bis in die Spätantike.

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Abb. 4: Anzahl der Münzen nach Kaisern. Blau = Augustus (27 v.–14 n. Chr.); gelb = Tiberius (14–37 n. Chr.); rot = Caius (Caligula) (37–41 n. Chr.); grün = Claudius (41–54 n. Chr.).

Aus Nordtirol sind bislang zehn Augenfibeln, die im Arbeitsgebiet als Fremdform anzusprechen sind, bekannt. Als Hauptverbreitungsgebiet gilt Böhmen und Mitteldeutschland, wobei sie auch in Nord- und Osteuropa gut vertreten sind18. Zeitlich reichen die Fibeln von Typ Hofheim IIa-d oder Riha 2.3 vorwiegend von der augusteischen bis in die flavische Epoche, die preußische Serie ist auch noch im 2. Jh. n. Chr. verbreitet19. Sieben Augenfibeln stammen mit den Fundorten Innsbruck/Wilten (Fundliste 2e Nr. 3–4), Mils (Fundliste 2e Nr. 5) und Patsch (Fundliste 2e Nr. 6–9) aus dem mittleren Inntal, wobei besonders die Häufung in Patsch mit vier Exemplaren auffällt20. An der Via Claudia Augusta kann mit dem Nachweis von drei Exemplaren aus Biberwier (Fundliste 2e Nr. 1), Dormitz (Fundliste 2e Nr. 2) und Strad (Fundliste 2e Nr. 10) ein mehr als sporadisches Auftreten konstatiert werden. Letztendlich muss jedoch die Frage nach einem möglichen schwachen germanischen Bevölkerungselement – eventuell im Zusammenhang mit der Heimstettener Gruppe und deren Umfeld – derzeit offen bleiben. Zusammenfassend zeigt sich deutlich, dass Fibeln, die der indigenen Bevölkerung zugeordnet werden können (Fibeln mit beißendem Tierkopf/Höckerfibeln, norisch-pannonische Doppelknopf- und Flügelfibel) einen klaren Verbreitungsschwerpunkt abseits der wichtigen römischen Kommunikationslinie Via Claudia Augusta aufweisen. Hingegen zeichnet die Verbreitung der Aucissafibel, die auf ein romanisiertes (urbanes oder militärisches) Umfeld hinweisen, ein genau gegensätzliches Bild.

Münzen Insgesamt liegen 143 Münzen, die unter den ersten vier römischen Kaisern21 geprägt wurden, aus dem südöstlichen alpinen Teil Raetiens vor, wobei 71 Münzen der Regierungszeit des Augustus, 40 der des Tiberius, 13 18 19 20

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Cosack 1979, 57; Riha 1979, 68; Demetz 1999, 155. Riha 1979, 68–70 Eine dieser vier Fibeln gehört allerdings zur preußischen Nebenserie, die im Imperium Romanum nur sporadisch zu finden ist, und dürfte vermutlich zeitlich eigentlich schon aus dem Untersuchungszeitraum der frühen Kaiserzeit herausfallen. Republikanische Prägungen und Münzen der Übergangszeit wurden nicht berücksichtigt, da diese einerseits über eine deutlich längere Umlaufzeit (z. T. bis weit ins 2. Jh. n. Chr.) verfügen und andererseits in einem gewissen Maß natürlich auch dem spätlatènezeitlichen Münzumlauf zugerechnet werden müssen. Bei den augusteischen Prägungen fallen die vorokkupationszeitlichen numerisch nicht ins Gewicht und wurden deshalb nicht gesondert gewertet.

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Abb. 5: Verlustrate für Augustus, Tiberius und Caius/Claudius.

der Regentschaft des Caius (Caligula) und schließlich 19 jener des Claudius zuzurechnen sind (Abb. 4). Die relative Häufigkeit pro Zeitabschnitt ergibt sich aus der Berechnung der Verlustrate nach der Methode von J. Casey22 wie folgt: 11,033 ‰ für Augustus, 12,162 ‰ für Tiberius, 22,727 ‰ für Caligula und 10,221 ‰ für Claudius oder, wenn man die Regierungsperioden von Caius und Claudius zusammenfasst, ergibt sich für diesen Zeitabschnitt eine jährliche Verlustrate von 13,163 ‰, die den aus der kurzen Regierungszeit von Caligula resultierenden starken Ausschlag etwas relativiert (Abb. 5). Auch für das numismatische Fundgut ergibt sich eine differenzierte Auswertung nach Fundorten, die an der Via Claudia Augusta liegen und solchen, die sich auf eine einheimische Siedlungstradition zurückführen lassen23. Aus der zweiten Fundstellengruppe entstammen 54 Prägungen des Augustus, was einer Verlustrate von 8,392 ‰ entspricht. 20 tiberische Münzen repräsentieren eine jährliche Verlustrate von 6,081 ‰ und 13 Prägungen von Caius und Claudius eine von 5,348 ‰, was einen stetigen Rückgang der Münzzirkulation zeigt. Im Gegensatz hierzu zeigt sich bei den Fundstellen entlang der Reschen-Scheideck-Fernpassroute mit einer Anzahl von 17, 20 und 19 Münzen für die entsprechenden chronologischen Epochen eine relative Zunahme des Münzumlaufes von 2,642 ‰ Verlustrate unter Augustus über 6,081 ‰ für Tiberius zu 7,816 ‰ für die beiden nachfolgenden Kaiser (Abb. 6), was etwa der Münzkurve im vindelizischen Alpenvorland entspricht. Für diese Region sind gerade römische Münzen des späten 1. Jhs. v. Chr. und der frühen Kaiserzeit vorwiegend aus keltischen Siedlungen, Militäranlagen und Kampfplätzen sowie zivilen Siedlungen mit zeitweilig militärischem Charakter in nennenswertem Umfang überliefert24. Von ebenfalls 143 Münzen aus demselben Zeitraum verteilen sich 78 Stück auf den Regierungsbezirk Schwaben, 50 auf Oberbayern und 15 auf Niederbayern, was eine klare Priorität bei der römischen Erschließung für den Raum zwischen Alpen und Donau sowie Iller und Lech25 – also genau dem Raum, der durch die Via Claudia Augusta und deren von Drusus erbauten Vorgängerstraße erschlossen wurde.

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Casey 1974. Die Münzfunde aus dem Heiligtum auf der Pillerhöhe wurden trotz der scheinbaren räumlichen Nähe der Lokalität zur Via Claudia Augusta aufgrund ihrer offensichtlichen indigen Kontinuität der zweiten Gruppe zugeordnet. So auch Tschurtschenthaler – Wein 1998, 238; Lang 2004, 204. Ziegaus 2004, 54. Ziegaus 2004, 53.

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Abb. 6: Verlustrate nach Fundorten: orange = einheimisch geprägte Fundstellen; grün = Fundstellen entlang der Via Claudia Augusta.

Nekropolen Die Forschungslage zu Begräbnisstätten der frühen römischen Kaiserzeit ist für das Untersuchungsgebiet äußerst dürftig. Als gesichert sind lediglich zwei Fundstellen nachgewiesen und archäologisch untersucht. Zum einen ist das der Brandbestattungsplatz „Südwestecke“ in Wilten, der ca. zwischen 10/20 n. und etwa 55/65 n. Chr. in Verwendung stand26 und trachtspezifisches Fundgut in der Form von Hals- und Armringen sowie Sprossengürtelhaken, Drahtfibeln, norisch-pannonische Doppelknopf- und Flügelfibeln, Augenfibeln, kräftig profilierte Fibeln, Scharnierfibeln (u. a. Aucissafibeln) und Fibeln mit beißendem Tierkopf liefert27. Dieses Fundspektrum entspricht dem der sogenannten Heimstettener Gruppe, einer vorwiegend im bayerischen Alpenvorland fassbaren Bevölkerung, die im nativistischen Rückgriff latènezeitliche Traditionen wieder aufgreift und auch vorwiegend zur Körperbestattung wechselt28. Zum anderen sind aus Ehrwald zwei Körpergräber bekannt, die als derzeit südlichste Vertreter dieser Gruppe von Körperbestattungen zu sehen sind. Grab 1 beinhaltet eine Drahtfibel vom Mittellatèneschema, ein Lanzeneisen und einen eisernen Fingerring29. Grab 2, das 125 m von Grab 1 entfernt entdeckt wurde, umfasst neben den Resten des gestörten Skelettes auch zwei kräftig profilierte Fibeln, einen Sprossengürtelhaken, einen Armreif, einen Amulettring, eine blaue Glasperle und Rippenknochen eines Schweins, 26 27 28 29

Höck 2007, 90 mit Anm. 15; Höck – Zanier 2002. Höck u. a. 1995/1996, 169–183. Keller 1984. Franz 1955, 74 f., Taf. XII; Höck 1998, 181 f. Textabb. 1.

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Abb. 7: Frühkaiserzeitliche Pfostenbauten an der Via Claudia Augusta in Biberwier.

die als Fleischbeigabe anzusprechen sind30. Andere Gräber der frühen Kaiserzeit, besonders solche romanisierter oder zugewanderter Bevölkerungsschichten, fehlen bislang vollständig.

Siedlungen Auch der archäologische Nachweis römischer Siedlungsbefunde in der Zeit von der Okkupation bis zur Mitte des 1. Jhs. n. Chr. erweist sich als äußerst spärlich. In Wilten fehlt bisher jede Spur von Bauten dieser Epoche und I. Heitmeier konstatiert: „das Fehlen kultureller Einrichtungen an einem zentralen Ort wie 30

Sydow 1998.

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Abb. 8: Frühkaiserzeitliche Körpergräber der Heimstettener Gruppe und römische Siedlungsstelle in Ehrwald.

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Veldidena weist darauf hin, daß im Inntal keine römische oder stärker romanisierte Bevölkerungsschicht ansässig war“31. Veldidena verfügte durch die Lage an einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt, der die Inntalfurche mit dem Brennerpass verbindet, sicher – vermutlich auch schon in vorrömischer Zeit32 – über eine gewisse zentralörtliche Stellung. Allerdings dürfte die Brennerroute mit ihren Nebenstrecken durch das Unterinntal und über den Seefelder Sattel im Zeitraum zwischen Alpenfeldzug und dem Ausbau der römischen Trasse durch die Eisackschlucht nördlich von Bozen, der den Meilensteinen zufolge wohl unter Septimius Severus stattgefunden hat, im Vergleich zur unter Claudius zur via publica ausgebauten Reschen-Scheideck-Fernpass-Strecke von untergeordneter Bedeutung gewesen sein33. Römische Baustrukturen der 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. sind aus Biberwier am nördlichen Fuß des Fernpasses bekannt. Jeweils ca. 3 m östlich der Straßentrasse der Via Claudia wurden zwei römische Holzpfostengebäude, die in einem Abstand von 29 m voneinander entfernt liegen, archäologisch ausgegraben (Abb. 7). Das südliche Gebäude weist vier Reihen aus 22 Pfostengruben auf und misst 12,5 × 10 m, was einen rechteckigen Bau mit einer Grundfläche von 125 m² ergibt und einem Maß von 42 zu 34 römischen Fuß entspricht. Das zweite Gebäude misst ebenfalls 12,5 m in der Länge, die Breite hingegen beträgt 11,2 m. Somit ergibt sich ein Grundriss von 42 × 38 römischen Fuß. Von diesem Bau konnten noch 27 Pfostengruben in fünf Reihen nachgewiesen werden. Aufgrund des Fundmaterials wird der chronologische Beginn dieser Siedlung, deren wirtschaftliche Grundlage durch die Übernahme von Infrastrukturaufgaben an der verkehrstechnisch günstigen Lage am nördlichen Fuß des Fernpasses gegeben war, in die Regierungszeit von Kaiser Tiberius gesetzt34. Bei einer Feststellungsgrabung im Juli 2012 sind in der Gemeinde Ehrwald im noch unverbauten Gelände zwischen den beiden zuvor erwähnten frühkaiserzeitlichen Gräbern der Heimstettener Gruppe Reste von einem Pfostengebäude entdeckt worden (Abb. 8), das unter Vorbehalt durch Kleinfunde (Fundliste 1b Nr. 4 und Fundliste 3c Nr. 8) aus der unmittelbaren Umgebung der Baubefunde möglicherweise in die gleiche Zeitstellung gesetzt werden kann. Selbstverständlich belegt der von zahlreichen weiteren Plätzen bekannte frühkaiserzeitliche Fundstoff durchaus zeitgleiche Siedlungstätigkeit, jedoch fehlen bedauerlicherweise großteils archäologisch gesicherte Baureste.

Resümee Betrachten wir zusammenfassend die archäologische Überlieferung aus dem alpinen südöstlichen Bereich der nachmaligen Provinz Raetien für die Zeit von der römischen Okkupation bis in die Mitte des 1. Jhs. n. Chr., so fallen beim heutigen Forschungsstand zunächst der geringe Fundniederschlag und die äußerst spärlich belegten Baubefunde auf. Dennoch zeigt auch die Kartierung dieser wenigen Funde Tendenzen in der Besiedlungsstruktur und -entwicklung auf. Regionen, die vorwiegend von indigenen Bevölkerungselementen geprägt sind, lassen sich von Bereichen unterscheiden, in denen sich der Einfluss überregionaler Wirtschafts- und Kulturkontakte stärker manifestiert. So liegt italische Importkeramik (Arretina, Sariusware) derzeit ausschließlich von Fundstellen entlang der Via Claudia Augusta vor. Hingegen finden sich von der einheimischen Bevölkerung getragene Trachtbestandteile vorwiegend im östlichen Bereich des Untersuchungsgebietes. Eine gewisse überregionale Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt zeigt der Innsbrucker Raum durch das Vorhandensein von Aucissafibeln und in gewissem Maß auch durch jenes von Augenfibeln. Die numismatische Evidenz zeigt für indigen geprägte Fundplätze einen sukzessiven Rückgang der Verlustrate35 für die frühe Kaiserzeit während der Aufschwung entlang der via publica durch eine stete Zunahme des Münzzuflusses verdeutlicht wird. 31 32

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Heitmeier 1997, 24. Die vorrömische Siedlung wird auf dem Bergisel und an dessen Abhängen lokalisiert: Heitmeier 2005, 66 zuletzt Tomedi – Putzer 2007, 79–87 I. Heitmeier plädiert für einen Ausbau der Brennerstraße zur via publica in der 2. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. Heitmeier 2005, 60. Grabherr 2002; Grabherr 2010. Eine Ausnahme bildet hier die Fundstelle Himmelreichterrasse zwischen Volders und Wattens, für die zwei augusteische, neun (?) tiberische und zwei claudische Prägungen überliefert sind. Insgesamt liegen von diesem Fundplatz vorwiegend mittelkaiserzeitliche und besonders spätantike Münzen vor.

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Fundlisten: 4) Innsbruck/Bergisel: Nachtschatt 1995, Taf. 20,5.

1) Keramik 1) Biberwier: Grabherr 2002, Abb. 10, 8. 12. 13.

5) Innsbruck/Wilten: Höck u. a. 1995/96, Taf. 2,13 (ebd. 174 als 237c angesprochen, ebenso Lang 2004, 202).

2) Ehrenberg: unpubl. (freundl. Mitteilung F. Neururer u. B. Kainrath).

7) Innsbruck/Wilten: TKF IIc Höck 2003, 77 Anm. 525.

b) Auerbergtöpfe

8) Matrei a. Br.: TKF Ia Demetz 1999, 266 Liste XXIV, 2.2.1 Nr. 4.

1) Ampass: Höck 2003, 63 Anm. 378.

9) Matrei a. Br.: TKF Ia Demetz 1999, 266 Liste XXIV, 2.2.1 Nr. 4.

a) Sarius-Ware

6) Innsbruck/Wilten: Höck u. a. 1995/96, Taf. 2,16.

2) Biberwier: FÖ 38, 1999, 870–871; Grabherr 2002, Abb. 11, 6 f.

10) Patsch: unpubl. (freundl. Mitteilung Chr. Hussl).

3) Birgitz/Hohe Birga: Gleirscher 1987, 261 f. Abb. 58,1. 4) Ehrwald: Fundnr.: 12/12.

12) Strad: TKF IIb Fundnr.: 07/1; unpubl. (freundl. Mitteilung F. Neururer u. B. Kainrath).

5) Feldthurns/Tanzgasse: Waldboth 2009, 111 Kat.Nr. 20.

13) Telfs: IIc Demetz 1999, 268 Liste XXIV, 3.3.1 Nr. 9.

6) Innsbruck/Wilten: Höck u. a. 1995/96, 194–196 Kat.-Nr. 129–156 Taf. 10–12.

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7) Kematen/Michelfeld: Höck 2003, 77 Abb. 52,1. 8) Mals: unpubl. (freundl. Mitteilung St. Leitner). 9) Matrei a. Br./Raspenbühel: Höck 2003, 77 Abb. 52,2. 10) Natters: Höck 2003, 77 Abb. 53,3–4 = Heitmeier 2005, 73. 11) Oberhofen: Höck 2003, 76 = Höck – Neubauer 2002, 53 Kat.-Nr. II 4.7 Taf. 3.18. 12) Pfaffenhofen/Trappeleacker: Höck 2003, 76. 13) Pfaffenhofen: FÖ 21, 1982, Abb. 731 = Höck 2003, 76. 14) Schönberg: Gleirscher 1984/1985, 7 f. Abb. 2,5.

11) Strad: TKF IIc Fundnr.: 06/15; unpubl. (freundl. Mitteilung F. Neururer u. B. Kainrath).

1) Ampass/Agenbach: Appler u. a. 1999, Taf. 6,4 = Mair 2009, Abb. 3. 2) Ampass/Agenbach: Höck 2011, 28 Anm. 24. 3) Ampass/Demlfeld: Appler 2010, 44 Taf. 2,10. 4) Ampass/Demlfeld: Appler 2010, 44 Taf. 2,11. 5) Ampass: unpubl. (freundl. Mitteilung Chr. Hussl). 6) Baumkirchen: Kneussl 1972, Abb. 1 = Appler 2010, Abb. 130. 7) Biberwier: unpubl. Fundnr.: 00/3. 8) Innsbruck/Amras: Höck 2011, 26 Abb. 2.Br 4, 28, 55 Kat. Nr. Br 4.

15) Sterzing: A. Fleckinger, Thuins, Denkmalpflege in Südtirol (Bozen) 1996 (Bozen 1998) 31 f. = Lunz 2005, 236 mit Anm. 654.

10) Innsbruck/Wilten: Höck u. a. 1995/96, Taf. 2,15.

16) Vill: Höck 2003, 63 mit Anm. 378. 76.

11) Innsbruck/Wilten: Höck 2007, 223 Kat.-Nr. 85.2.

17) Völs: Zanesco 2000, Taf. 1,3; Höck 2003, 76.

12) Innsbruck/Wilten: Höck 2007, 228 Kat.-Nr. 96.1.

18) Wenns: Höck 2003, 76.

13) Kematen/Michelfeld: FÖ 24/25, 1985/86, 317 Abb. 968.

19) Zirl: Höck 2003, 76; Kellner 1998, 89 f.

2) Fibeln D  )LEHOPLWEHL‰HQGHP7LHUNRSI+|FNHUÀEHO

9) Innsbruck/Wilten: Höck u. a. 1995/96, Taf. 2,14.

14) Matrei a. Br: Lang 1998, 447 Taf., 367.18. 15) Müstair: Demetz 1999, 228 Liste V, 1.3 Nr. 1 = Demetz 1999, 229 Liste V, 2.1.5 Nr. 1 = Demetz 1999, 232 Liste VI, 2 Nr. 1.

1) Ampass/Agenbach: TKF IId Appler u. a. 1999, Taf. 6,2 = Mair 2009, 468 Taf. 1,F8.

16) Patsch: unpubl. (freundl. Mitteilung Chr. Hussl).

2) Baumkirchen: Appler u. a. 1999, Taf. 17 = Appler 2010, 164 Abb. 132.

18) Volders/Hochschwarzhof: Appler 2010, 137 Abb. 111,1.

3) Dormitz: TKF IId Fundnr.: E10/34; unpubl. (freundl. Mitteilung H. Ewerz u. B. Kainrath).

19) Volders/Wattens: A237b. Demetz 1999, 232 Liste IV/2 Nr. 16 = Appler 2010, Abb. 77.

17) Sterzing/Lurx: Demetz 1999, 233 Liste VI, 3 Nr. 4.

163

GERALD GRABHERR

F )OJHOÀEHO$

6) Biberwier: As Fundnr.: 00/29; unpubl.

1) Ampass/Palmbühel: Mair 2009, Taf. 1, F6.

7) Biberwier: As (halbb.) Altarserie Fundnr.: 00/119a; unpubl.

2) Birgitz: unpubl. (freundl. Mitteilung Chr. Hussl). 3) Innsbruck/Wilten: Höck u. a. 1995/96, Taf. 2,16. 4) Innsbruck/Wilten: Höck u. a. 1995/96, Taf. 2,17.

8) Biberwier: As Fundnr.: 03/04; unpubl. 9) Biberwier: As Münzmeisterserie Fundnr.: 02/08; unpubl.

5) Innsbruck/Wilten: Höck u. a. 1995/96, Taf. 3,18.

10) Biberwier: As RIC 469 Fundnr.: 02/15; unpubl.

6) Innsbruck/Wilten: Höck u. a. 1995/96, Taf. 3,19.

11) Burgeis: As: Lunz 2006, 34 Anm. 100 Abb. 10

7) Innsbruck/Wilten: Höck u. a. 1995/96, Taf. 3,20.

12) Glurns: Orgler 1878, 68.

8) Weerberg: Appler 2010, 83 Abb. 45,5.

13) Innsbruck/Amras: As RIC² 230 Höck 2011, 39 Abb. 7, Mü 1. 52 Kat. Nr. Mü 1.

G $XFLVVDÀEHO

14) Innsbruck/Wilten: Orgler 1878, 83.

1) Biberwier: Fundnr.: 99/67; Grabherr 2002, Abb. 6.

15) Innsbruck/Wilten: Orgler 1878, 83.

2) Biberwier: Fundnr.: 00/91; unpubl. 3) Biberwier: Fundnr.: 00/107; unpubl. 4) Biberwier: Fundnr.: 03/80; unpubl. 5) Innsbruck/Wilten: Innsbruck/Wilten: Höck u. a. 1995/96, Taf. 3,23. 6) Innsbruck/Wilten: Höck 2003, 77 Anm. 520 = Höck 2007, 228 Kat.-Nr. 96.1. 7) Natters: Höck 2003, 77 Anm. 524 = Heitmeier 2005, 73.

H $XJHQÀEHO 1) Biberwier: Fundnr.: 03/32; unpubl. 2) Dormitz: unpubl. (freundl. Mitteilung H. Ewerz u. B. Kainrath). 3) Innsbruck/Wilten: Höck u. a. 1995/96, Taf. 1,5. 4) Innsbruck/Wilten: Höck u. a. 1995/96, Taf. 1,6. 5) Mils: Appler 2010, 218 Abb. 175,2. 6) Patsch: unpubl. (freundl. Mitteilung Chr. Hussl). 7) Patsch: unpubl. (freundl. Mitteilung Chr. Hussl). 8) Patsch: unpubl. (freundl. Mitteilung Chr. Hussl). 9) Patsch: unpubl. (freundl. Mitteilung Chr. Hussl). 10) Strad: Grabherr 2006, 235 Kat.-Nr. B9.

3) Münzen (von Augustus bis Claudius). a) Augustus

16) Innsbruck/Wilten: Orgler 1878, 83. 17) Innsbruck/Wilten: D RIC 252 Var.; Orgler 1878, 83 = Höck 2007, 216 Kat.-Nr. 62. 18) Innsbruck/Wilten: Orgler 1878, 83 = Höck 2007, 89. 19) Inzing: As Münzmeisterserie; unpubl. (freundl. Mitteilung Chr. Hussl). 20) Karrösten: Höck 1998, 178. 21) Pfaffenhofen: As Münzmeisterserie; unpubl. (freundl. Mitteilung Chr. Hussl). 22) Piller Sattel: As RIC I 43 3,1 Feil 1998, 264. 23) Piller Sattel: As RIC² 230 Feil 1998, 264. 24) Piller Sattel: As RIC² 230 Feil 1998, 264. 25) Piller Sattel: As RIC² 230 Feil 1998, 264. 26) Piller Sattel: As RIC² 230 Feil 1998, 264. 27) Piller Sattel: As RIC² 230 Feil 1998, 264. 28) Piller Sattel: As RIC² 230 Feil 1998, 264. 29) Piller Sattel: As RIC² 230 Feil 1998, 264. 30) Piller Sattel: As RIC² 230 Feil 1998, 264. 31) Piller Sattel: As RIC² 230? Feil 1998, 264. 32) Piller Sattel: As RIC² 230? Feil 1998, 264. 33) Piller Sattel: As RIC² 379 Feil 1998, 264. 34) Piller Sattel: As RIC² 379 Feil 1998, 264. 35) Piller Sattel: As RIC² 382 Feil 1998, 264. 36) Piller Sattel: As RIC² 382 Feil 1998, 264. 37) Piller Sattel: As RIC² 431 As RIC² 37982 Feil 1998, 264. 38) Piller Sattel: As RIC² 426 ff. Feil 1998, 264.

1) Biberwier: As Fundnr.: 00/103; unpubl.

39) Piller Sattel: As RIC² 439 Feil 1998, 264.

2) Biberwier: As Fundnr.: 99/73; unpubl.

40) Piller Sattel: As RIC² 471 Feil 1998, 264.

3) Biberwier: As Fundnr.: 02/95; unpubl.

41) Piller Sattel: As Feil 1998, 264.

4) Biberwier: As Fundnr.: 03/24; unpubl.

42) Piller Sattel: As Münzmeisterserie Feil 1998, 264.

5) Biberwier: As Altarserie Fundnr.: 00/3d; unpubl.

43) Piller Sattel: As Münzmeisterserie Feil 1998, 264.

164

ZUR RÖMISCHEN FRÜHZEIT IM SÜDLICHEN ALPINEN TEIL RAETIENS

44) Piller Sattel: As Münzmeisterserie Feil 1998, 264.

8) Biberwier: As Fundnr.: 00/7; unpubl.

45) Piller Sattel: As Münzmeisterserie Feil 1998, 264.

9) Biberwier: As Fundnr.: 00/22; unpubl.

46) Piller Sattel: As Münzmeisterserie Feil 1998, 264.

10) Biberwier: As Fundnr.: 99/112g; unpubl.

47) Piller Sattel: As Münzmeisterserie Feil 1998, 264.

11) Biberwier: As Fundnr.: 99/112h; unpubl.

48) Piller Sattel: As Münzmeisterserie Feil 1998, 264.

12) Biberwier: As Fundnr.: 99/42; unpubl.

49) Piller Sattel: As Münzmeisterserie Feil 1998, 264.

13) Biberwier: As Fundnr.: 03/79; unpubl.

50) Piller Sattel: As Münzmeisterserie Feil 1998, 264.

14) Fernpass: As RIC² 81 Fundnr.: 06/63; unpubl. (freundl. Mitteilung F. Neururer u. B. Kainrath).

51) Piller Sattel: As Münzmeisterserie Feil 1998, 264.

15) Fernpass: As RIC² 81 Fundnr.: 07/32; unpubl. (freundl. Mitteilung F. Neururer u. B. Kainrath).

52) Piller Sattel: As RIC² 155 Feil 1998, 264. 53) Piller Sattel: As RIC² 155–158 Feil 1998, 264.

16) Fernpass: As RIC² 81 Grabherr 2006, 225 Kat.-Nr. A7.

54) Reutte: Höck 1998, 178.

17) Klausen: Orgler 1878, 69.

55) Scharnitz: Orgler 1878, 78.

18) Laatsch: Denkmalpflege in Südtirol 2009, 179.

56) Schwaz: Orgler 1878, 78.

19) Piller Sattel: As RIC² 80 Feil 1998, 265.

57) Strad: D RIC² 77a. Fundnr.: 06/38j; unpubl. (freundl. Mitteilung F. Neururer u. B. Kainrath).

20) Piller Sattel: As RIC² 81 Feil 1998, 265.

58) Strad: D RIC² 211. Fundnr.: 06/38k; unpubl. (freundl. Mitteilung F. Neururer u. B. Kainrath).

21) Piller Sattel: As RIC² 81 Feil 1998, 265.

59) Strad: As RIC² 431 Grabherr 2006, 225 Kat.-Nr. A4.

23) Säben: Lunz 2005, 291.

60) Strad: As RIC² 469 Fundnr.: 06/86 unpubl. (freundl. Mitteilung F. Neururer u. B. Kainrath).

24) Strad: D RIC² 30 Fundnr.: 06/38l; unpubl. (freundl. Mitteilung F. Neururer u. B. Kainrath).

61) Strad: As Münzmeisterserie Fundnr.: 06/95; unpubl. (freundl. Mitteilung F. Neururer u. B. Kainrath).

25) Strad: As RIC² 33 od. 35 Grabherr 2006, 225 Kat.Nr. A5.

62) Susch: Quin RIC 18 Overbeck 1973, 222 Nr. 143, 2 = Rageth 2004, 74 Nr. 259.

26) Strad: As RIC² 81 Grabherr 2006, 225 Kat.-Nr. A6.

63) Tarrenz: Höck 1998, 178 = Orgler 1878, 79.

22) Piller Sattel: As RIC² 81 Feil 1998, 265.

27) Strad: As RIC² 82 Grabherr 2006, 225 Kat.-Nr. A8.

64) Taufers im Münstertal: Orgler 1878, 79.

28) Tarasp: Aes Overbeck 1973, 223 Nr. 145, 1 = Rageth 2004, 74 Nr. 265.

65) Vill/Goarmbichl: As RIC² 389; Höck 2003, 76 Anm. 507 = Höck 2007, 216 Kat.-Nr. 63.

29) Wattens: As RIC 95,6 Höck 1999, 30.

66) Wattens: As Torggler 1999a, 16 Kat.-Nr. 23.

30) Wattens: As RIC 95,3 Torggler 1999a, 16 Kat.Nr. 24.

67) Wattens: Quin Torggler 1999a, 16 Kat.-Nr. 26.

31) Wattens: D Torggler 1999a, 16 Kat.-Nr. 27.

68) Wenns/Spielsberg: As RIC² 360. Höck 1998, 183 Kat.-Nr. A.1.

32) Wattens: As RIC 32 Torggler 1999a, 17 Kat.-Nr. 28.

69) Zirl: Höck 2003, 36. 70) Zirl: Höck 2003, 36. 71) Brennerstraße: Haider 1994, 22 Kat.-Nr. III.1.

b) Tiberius 1) Biberwier: As Fundnr.: 99/29; unpubl.

33) Wattens: D Torggler 1999a, 17 Kat.-Nr. 29. 34) Wattens: D Torggler 1999a, 17 Kat.-Nr. 30. 35) Wattens: D Torggler 1999a, 17 Kat.-Nr. 31. 36) Wattens: D Torggler 1999a, 17 Kat.-Nr. 32. 37) Wattens: D Torggler 1999a, 17 Kat.-Nr. 33. 38) Wenns: Höck 2003, 76 Anm. 507.

2) Biberwier: As Fundnr.: 98/1; unpubl.

39) Wenns/Spielsberg: D RIC 3. Höck 1998, 183 Kat.Nr. A.2; Höck 2003, 76.

3) Biberwier: As Fundnr.: 99/112c; unpubl.

40) Zirl: Höck 2003, 36 = Haider 1994, 21 Kat.-Nr. II.1.

4) Biberwier: As Fundnr.: 00/27; unpubl. 5) Biberwier: As Fundnr.: 00/48; unpubl.

c) Caius

6) Biberwier: As Fundnr.: 02/16; unpubl.

1) Biberwier: As Fundnr.: 02/40; unpubl.

7) Biberwier: As Fundnr.: 99/5; unpubl.

2) Biberwier: As Fundnr.: 02/54; unpubl.

165

GERALD GRABHERR

3) Biberwier: As Fundnr.: 02/45; unpubl.

5) Biberwier: As Fundnr.: 00/2f; unpubl.

4) Biberwier: As RIC² 58 Fundnr.: 99/28; unpubl.

6) Biberwier: As Fundnr.: 00/62; unpubl.

5) Biberwier: As RIC² 58 Fundnr.: 00/13; unpubl.

7) Biberwier: As (halbb.) Fundnr.: 99/112f; unpubl.

6) Biberwier: As RIC² 58 Fundnr.: 02/01; unpubl. 7) Biberwier: As Fundnr.: 00/3b; unpubl.

8) Feldthurns/Tanzgasse Haus B: As RIC² 113. Waldboth 2009, 59. 108 Kat.-Nr. 3 .

8) Ehrwald: As RIC² 58 Fundnr.: 12/01; unpubl.

9) Kramsach/Oberangerberg: Kaltenhauser 1972, 38.

9) Fernpass: As RIC² 57 Grabherr 2006, 225 Kat. Nr. A9.

10) Innsbruck/Wilten: Höck 2003, 39 Abb. 41.

10) Kramsach/Oberangerberg: M. Agrippa vermutlich As RIC 58 Kaltenhauser 1972, 38.

11) Piller Sattel: As RIC² 95 Feil 1998, 265. 12) Piller Sattel: As RIC² 97 Feil 1998, 265.

11) Mals: As unpubl. (freundl. Mitteilung St. Leitner).

13) Piller Sattel: As RIC² 111 Feil 1998, 265.

12) Säben: Lunz 2005, 291 mit Anm. 913. 13) Strad: As RIC² 58 Grabherr 2006, 225 Kat. Nr. A10.

d) Claudius

14) Säben: Lunz 2005, 291 mit Anm. 913. 15) Strad: As RIC² 100 Grabherr 2006, 225 Kat.-Nr. A11.

1) Biberwier: S RIC² 96; Fundnr.00/97; unpubl.

16) Strad: D RIC² 10; Fundnr.: 06/52; unpubl. (freundl. Mitteilung F. Neururer u. B. Kainrath).

2) Biberwier: S Fundnr.: 99/41; unpubl.

17) Thaur: Dp Torggler 1999b, 69 Kat.-Nr. K1.

3) Biberwier: As Fundnr.: 99/30; unpubl.

18) Wattens: As RIC 69? Torggler 1999a, 17 Kat.-Nr. 34.

4) Biberwier: As Fundnr.: 00/26; unpubl.

19) Wattens: S RIC 64? Torggler 1999a, 17 Kat.-Nr. 35.

Abgekürzt zitierte Literatur Appler 2010 H. Appler, Schatzfunde, Opferplätze und Siedlungen. Neue archäologische Forschungen zur Vorgeschichte und Römerzeit in Nordtirol 1 2(Wattens 2010). Appler u. a. 1999 H. Appler – A . Altenburger – J. Zeisler, Beiträge zur Archäologie im Inntal. 2. Teil, Heimatkundliche Blätter Wattens-Volders 8, 1999, 73–86. Casey 1974 J. Casey, The Interpretation of Romano-British Site Finds, in: J. Casey – R. Reece (Hrsg.), Coins and the Archaeologist, BAR 4 (Oxford 1974) 37–51. Cosack 1979 E. Cosack, Die Fibeln der Älteren Römischen Kaiserzeit in der Germania libera (Dänemark, DDR, BDR, Niederlande, CSSR). Eine technologisch-archäologische Analyse, Teil I: Armbrustfibeln, Rollenkappenfibeln, Augenfibeln, Göttinger Schriften zur Vor- und Frühgeschichte 19 (Neumünster 1979). Demetz 1999 St. Demetz, Fibeln der Spätlatène- und frühen römischen Kaiserzeit in den Alpenländern, Frühgeschichtliche und Provinzialrömische Archäologie 4 (Rahden 1999). Feil 1998 D. Feil, Die Münzen vom Piller Sattel, in: E. Walde (Hrsg.), Via Claudia – Neue Forschungen (Innsbruck 1998) 261–284. Feugère 1985 M. Feugère, Les fibules en Gaule méridionale de la conquête à la fin du Ve siècle après J.-C, RANarb Suppl. 12 (Paris 1985). Flügel 1999 Chr. Flügel, Der Auerberg III. Die römische Keramik, MünchBeitrVFG 47, 1999.

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ZUR RÖMISCHEN FRÜHZEIT IM SÜDLICHEN ALPINEN TEIL RAETIENS

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GERALD GRABHERR

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ZUR RÖMISCHEN FRÜHZEIT IM SÜDLICHEN ALPINEN TEIL RAETIENS

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CIVITATES REGNI ET PROVINCIAE NORICI – FRAGEN DER LOKALISIERUNG ,%HJULIÁLFKHV Wenn im Folgenden wiederholt von „norischen“ Stämmen (civitates) gesprochen wird, dann einzig im territorialen Sinne: nämlich mit Bezug auf das in seinen Grenzen nur approximativ bestimmbare „Herrschafts-/Verwaltungsgebiet“ des älteren regnum sowie der jüngeren provincia Noricum.1 Nicht intendiert ist dabei eine politische Affinität im Sinne eines Junktims mit dem von K. Strobel postulierten conventus Noricorum.2 Ebenso wenig wollen wir das Attribut „norisch“ im sprachlichen noch im ethnischen Sinne als keltisch oder nichtkeltisch verstanden wissen. Dass es dennoch immer „indigene“, d. h. alpine Völkerschaften umschreibt, die zum Teil auch keltische Namen tragen,3 versteht sich von selbst. Ganz verzichtet haben wir auf die Begriffe „populus“ und „gentes“, um den an sich unverfänglichen (Rechts-)Terminus „civitas“ nicht weiter aufzuladen. Unter diesem verstehen wir nichts anderes als einen indigenen, (zeitweilig) mit dem regnum bzw. der provincia Noricum in siedlungsgeographischer und/oder politischer Beziehung stehenden Einzelstamm,4 ungeachtet einer möglichen territorialen Untergliederung in pagi (Gaue) oder andere administrative (gentile?) Zusammenschlüsse.5

,,=HLWKRUL]RQWH Die für unsere Fragestellung relevanten literarischen und epigraphischen Quellen gehören naturgemäß verschiedenen Zeithorizonten an. Einmal aufgrund ihrer unterschiedlichen Entstehungsphasen, die von ca. 10/9 v. Chr. bis ins 2. Drittel des 2. Jhs. n. Chr. reichen. Für eben diesen Zeitraum wird man auch vom Bestehen jener neun namentlich überlieferten Völker (civitates) ausgehen dürfen, deren Siedlungsgebiete die provinzialrömische Forschung seit langem abzustecken bemüht ist. Ob diese Einzelstämme darüber hinaus nicht nur vor, sondern auch nach dem genannten Zeitraum in Norikum existent und politisch aktiv waren, kann für unsere konkrete Fragestellung belanglos bleiben. Denn im Grunde lässt sich über ihre Genese genauso wenig sagen wie über ihr allmähliches Aufgehen im spätantiken Völkergemisch. Während die überwiegende Mehrzahl der norischen Stämme dank ihrer ‚Selbstdarstellung‘ in den Magdalensberg-Inschriften originäre Spuren hinterlassen hat, kennen wir die ALAUNI nur aus ‚zweiter Hand‘! Zwar wird man für den Geographen Ptolemaios die Rezeption älterer Aufzeichnungen – darunter vielleicht auch Karteninformationen – in Rechnung stellen. Inwieweit er aber in dieser Frage mittels zeitgenössischer (mündlicher wie schriftlicher) Reiseberichte auch einen aktuellen Informationsstand spiegelt, sei dahingestellt. Mit ihrer Nennung in der Notitia Dignitatum lassen sich einzig die Alaunen noch bis in die Spätantike herauf verfolgen (vgl. Tabelle 1).

1

2 3

4

5

Hier kann leider nicht auf die neuere Diskussion um den Zeitpunkt des legitimen Status einer „norischen Provinz“ eingegangen werden. Es mag also dem Leser überlassen bleiben, ob er gegebenenfalls die Okkupationsphase bereits mit einer provincia Noricum gleichsetzen möchte. Wir unterscheiden bloß zwischen einer vorrömischen und römischen Phase. Strobel 2010, 367. Siehe dazu neben dem in diesen Tagungsakten veröffentlichten Aufsatz von de Bernardo Stempel auch Anreiter u. a. 2000, 133–142. Wie bei Dobesch 1980 (s. v. Norici) ausführlich geschildert, findet sich in den antiken Quellen mehrfach eine erweiterte Verwendung des Noriker-Begriffes. Insofern gilt es, diese Einschränkung auch nur bei den Norici zu beachten (vgl. Tabelle 1). Siehe dazu den 4. Exkurs in Dobesch 1980, 376–388.

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,,,=XU4XHOOHQHYLGHQ] MB 1 2 3 4 5 6

vacant Ambidravi Ambilini Ambisontes Elveti Laianci

7 8

Norici Saevates

9

Uperaci

TrAlp

idem

Tabelle 1: Civitates Norici CIL V 1838 Plin. Ptol. ΑΛΑΥΝΟΙ ΑΜΒΙΔΡΑΥΟΙ ΑΜΒΙΛΙΚΟΙ idem ΑΜΒΙΣΟΝΤΙΟΙ vacant civitas/ vacant Saevatum et Laiancorum ΝΩΡΙΚΟΙ civitas/ ΣΕΟΥΑΚΕΣ Saevatum et Laiancorum vacant

Not. Dign. Occ. 42, 68: Alauni

Legende: MB = Magdalensberg-Inschriften, TrAlp = Tropaeum Alpium6 6

Unter Ausschluss der literarisch mehrfach erwähnten und in ihrer Problematik bereits hinreichend erörterten TAURISCI7 verbleiben nach den vorliegenden Zeugnissen genau neun Ethnonyme8. Sie sind in Tabelle 1 relativchronologisch, d. h. gemessen an der Entstehungszeit ihrer „Verschriftlichung“ (Spalte 2–7), als auch in alphabetischer Reihenfolge (Zeile 1–9) aufgelistet. Wo immer eine Übereinstimmung in den antiken Quellen vorliegt, sind die griechischen und/oder lateinischen Stammesnamen durch Fettdruck (Nr. 2–4, 6–8) hervorgehoben. Die wenigen sprachlichen Divergenzen, die im Beitrag von P. de Bernardo Stempel kommentiert werden, haben wir im Stammesnamen selbst durch Unterstreichung kenntlich gemacht (Nr. 3, 4 und 8). Im Falle der Nichtevidenz in einer der beiden Hauptquellen (MB & Ptol.) steht dort ein „vacant“. Demnach lassen sich, unter Berücksichtigung der sprachlichen Varianten zwischen den griechischen und den lateinischen Stammesbezeichnungen insgesamt sechs parallele Namensnennungen festlegen: ƂƌƂƕƎƐƊ = ALAUNI, ƂƍƃƊƅƒƂƕƐƊ = AMBIDRAVI, ƂƍƃƊƌƊƋƐƊ = AMBILINI, ƂƍƃƊƓƐƎƔƊƐƊ = AMBISONTES, ƎƙƒƊƋƐƊ = NORICI und ƓƆƐƕƂƋƆƓ = SAEVATES. Im Unterschied zu diesen finden wir für die ELVETI (Helvetii) und UPERACI jeweils nur einen Namenbeleg. Eine dreifache Evidenz gibt es hingegen für die LAIANCI und SAEVATES, während die AMBISONTES sogar vier Mal bezeugt sind.

,9=XUNRQNUHWHQ)UDJHVWHOOXQJ Jedweder Versuch, die Siedlungsareale der zur Diskussion stehenden norischen Stämme zu erkunden, wird methodologisch von folgenden Indikatoren auszugehen haben: a) den geografischen, chorografischen oder toponomastischen Hinweisen in den antiken Schriftquellen; b) der sprachlichen Analyse der Stammesnamen selbst; c) der Evidenz deonomastischer, d. h. de-ethnonymer Personennamen. Als weitere methodische Ansätze dienen könnten gegebenenfalls noch d) inhaltliche Kriterien der Stammesregister – etwa die Reihenfolge von Stammesnamen; und schließlich e) die Fundorte einzelner epigraphischer Testimonien.

6 7 8

Magdalensberg-Inschriften = Piccottini 2005; Tropaeum Alpium = Šašel 1972. Zuletzt Haider 1993; Šašel Kos 1998; Graßl 2001; Tausend 2005; Guštin (2011). Zur Namensetymologie s. in diesem Band den Beitrag von De Bernardo Stempel.

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CIVITATES REGNI ET PROVINCIAE NORICI – FRAGEN DER LOKALISIERUNG

IV.1. Die geographischen Angaben bei Ptolemaios Es liegt nahe, unsere Erkundung zunächst bei der (einzigen) geographischen Quelle selbst zu beginnen. Welche der von Ptolemaios getroffenen Aussagen wären also geeignet, eine regionale Verortung der von ihm genannten sechs norischen Stämme zu gewährleisten? Da er expressis verbis von der provincia Noricum im Sinne eines römisch-kaiserzeitlichen Verwaltungsterritoriums spricht, empfiehlt es sich zunächst einen Blick auf die Provinzgrenzen zu werfen, die vom Geografen (2, 13, 1) wie folgt umrissen werden:9 „Noricum wird im Westen durch den Fluss Aenus (Inn) begrenzt; im Norden aber durch den Teil der Donau, der vom Inn bis zum Cetius-Gebirge (Wienerwald) reicht. Im Osten [wird es begrenzt] durch das Cetius-Gebirge selbst; im Süden aber durch den Teil von Pannonia Superior, der südlich des genannten Gebirges liegt … und durch das hier beginnende Gebirge, das nördlich von Istrien liegt und Caravanca (Karawanken) heisst.“ Überträgt man die genannten Provinzgrenzen auf eine geophysikalische Landkarte, so zeigt sich, dass lediglich im Westen (weitgehend) und im Norden (zur Gänze) durch die Flüsse Inn und Donau eine deutliche natürliche Grenze gegeben ist. Im Gegensatz dazu besteht sowohl die Ost- als auch die Südgrenze aus nur je einem, lt. Ptolemaios durchgehenden Gebirgszug, der in dieser Ausdehnung – vor allem im Osten – wohl nur partiell der realen Provinzgrenze des 2. Jhs. entsprochen haben wird. Folgt man einer hypothetischen Höhenlinie vom Wienerwald südwärts bis zu den Karawanken, blieben weite Teile der Oststeiermark (das oststeirische Hügelland), das Grazer, das Leibnitzer und das Marburger Becken ausgespart. Auch das bei Ptolemaios unerwähnte flavische municipium Solva befände sich außerhalb Noricums. Was man sich hier unter dem Cetius-Gebirge (in der Regel als „Wienerwald“ umschrieben) genau vorzustellen hat, bleibt ein Rätsel – für uns jedenfalls. Fragen wirft freilich auch die Südgrenze auf, obwohl dort mit den Karawanken eine ungleich bessere natürliche Barriere gegeben scheint, ohne dass man sich für den Anschluss nach Westen (zu den Karnischen Alpen hin) sowie für die Ausläufer im Osten (bis zum Pohorje) definitiv auf einen bestimmten Höhenzug wird festlegen können. Dokumentiert Ptolemaios hier etwa einen inzwischen obsolet gewordenen Tatbestand aus der Weltkarte des Agrippa? Immerhin kennt er bereits die unter Trajan erfolgte Zweiteilung Pannoniens in Pannonia Superior und Inferior, der vermutlich keine (neuerliche?) Grenzkorrektur zwischen Norikum und Pannonien vorausging. Sieht man vom (mittleren) Murtal einmal ab, so böten sich östlich davon eine Reihe von kleineren Flusstälern für eine Municipal-10 wie auch Provinzgrenze an. Doch welchen Aufwandes hätte es für Ptolemaios bedurft, den genauen Grenzverlauf diesseits und jenseits der Bernsteinstraße zu erheben? Und wozu auch? Es genügte allemal, die weitläufigen natürlichen Grenzen anzudeuten, die vom Wienerwald über die Fischbacher Alpen, der Glein- und Koralpe bis hin zum Pachern (Pohorje) zwar keine geschlossene aber immerhin lose Bergkette ergeben. Wie schwammig Ptolemaios‘ Provinzgrenzen sein können, ist unter anderem aus seiner Nachricht (2, 13, 4) ersichtlich, dass Iulium Carnicum (das heutige Zuglio) zwischen Italien und Noricum (ƬƥƴơƮƵƤƥƊƴơƫƩơƲƪơƩ ƎƹƱƩƪƯƵ) liege.11 Womit wir schon bei seiner Städteliste (2, 13, 3) und jenen zwölf ưƯƫƥƩƲ angelangt wären, die sich seiner Meinung nach auf norischem Provinzboden befinden. Auf deren teilweise falsche Positionierung, so etwa kommt Aguntum nördlich von Virunum zu liegen, soll hier nicht eingegangen werden. Hervorzuheben ist freilich die Absenz des municipium Flavium Solvense, welches Faktum tatsächlich die Benutzung einer älteren Quelle (Itinerar?) nahe zu legen scheint. Zu dem für ein geografisches Werk typischen Periorismos gehörte es auch, neben Bergen, Flüssen und Städten fremder Länder auch die Namen einzelner Völkerschaften bekannt zu geben. Gewiss war auch in diesem Punkt keine Vollständigkeit verlangt, und die Zitate konnten literarischen Vorlagen wie (mündlichen) Reiseberichten entnommen sein. Das von Ptolemaios angewandte Schema bleibt übrigens für alle 9 10

11

Wenn nicht extra hervorgehoben, folgen wir in unserem Beitrag der Übersetzung von Stückelberger – Graßhoff 2006. Hier stoßen die Stadtterritorien von Flavia Solva und Savaria aufeinander. – Zur Frage der Territorialgrenzen norischer Städte siehe Wedenig 1997, 37–39. Scherrer 2002, 16 mit einem Erklärungsvorschlag.

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Karte 1: Noricum im Kartenbild des Ptolemaios (nach A. Stückelberger und G. Graßhoff 2006).

Provinzen gleich. So werden die Völker zunächst von West nach Ost und dann von Nord nach Süd aufgereiht: wohlgemerkt ohne Bezugnahme auf die nach Längen- und Breitengraden verorteten Städte, und auch ohne Konnex zu den hydrografischen oder orografischen Gegebenheiten. Wir erfahren dazu im für Norikum überlieferten Quellentext (2, 13, 2) lediglich folgendes: „Die westlichen Teile der Provinz (scil. Noricum) bewohnen, beginnend im Norden: die SEVAKEN, ALAUNER und AMBISONTIER, die östlichen Teile aber die NORIKER, AMBIDRAVER und AMBILIKER.“ Diese mehr als vage Information haben A. Stückelberger und G. Graßhoff kartographisch wie folgt (Karte 1) umgesetzt: Im Sinne der antiken Vorlage verteilen sie die sechs Stammesnamen in zwei Gruppen von Nord nach Süd. Mit Hinblick auf die spezifische Landesnatur Norikums wird man sich aber die Frage stellen müssen, wo denn für Ptolemaios die Trennlinie zwischen West- und Ost-Norikum bestanden hat und ob eine solche auch zwischen Nord-/=Ufer- und Süd-/=Binnennorikum eingezogen werden sollte.12 Welchen der genannten Stämme könnte er unter diesen Aspekten noch der nördlichen, welchen bereits der südlichen Region zugeschlagen haben? Und müssen wir denn die beiden (maßgebenden) Ost-/West-Regionen noch jeweils strikt in zwei Nord-/Süd-Hälften unterteilen? Wohl eine müßige Frage, handelt es sich bei der sogenannten norischen Völkertafel des Ptolemaios nur um ethnographische „Randnotizen“ und nicht um demographisch verifizierte Angaben. Folglich mag es nach unserem Verständnis als zulässig erscheinen, die Wohnsitze der sechs civitates nach Belieben zu verteilen, – natürlich unter Beibehaltung der vom antiken Gewährsmann getroffenen Nord-Süd-Abfolge. Wohlgemerkt: Kein einziges dieser Ethnonyme steht in 12

Den besten Überblick bietet nun R. J. A. Talbert (Hrsg.), Barrington Atlas of the Greek and Roman World (Princeton 2000).

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CIVITATES REGNI ET PROVINCIAE NORICI – FRAGEN DER LOKALISIERUNG

Karte 2: Hypothetische Binnengliederung nach Ptolemaios.

Beziehung zum antiken Koordinatensystem oder hat irgendeinen Bezug zu den über das Provinzterritorium verteilten, namentlich erwähnten Siedlungen (Póleis). Folglich kommt, was die regionale Verteilung der Stammesgebiete angeht, den Karten der Ptolemaios-Handschriften keinerlei Bedeutung zu, da sie ein rein schematisches Bild wiedergeben.13 Unter den eben genannten Prämissen scheint es uns legitim, ein Kartenbild zu entwerfen (s. Karte 2), bei dem die Kammlinie der Hohen und Niederen Tauern die (imaginäre) Nord-Südgrenze bildet, ganz so wie dies vermutlich für die spätantike Zweiteilung Norikums Gültigkeit hatte. Entlang des Ennstales14 wiederum ließe sich eine (mögliche) West-Ostgrenze einziehen. Wir halten es nicht für zwingend notwendig, im Osten der Provinz die Noriker ins Alpenvorland, also ins heutige Ober-/Niederösterreich zu verlagern. Nach dieser rein hypothetischen Lesart wäre also eine textkonforme geographische Anordnung sowohl für den Raum diesseits wie auch jenseits der Tauern möglich, sieht man von den fragwürdigen ƓƆƐƕƂƋƆƓ (= SAEVATES?) einmal ab.

IV.2. Ethnonyme und Verwandte15 Halten wir zunächst fest, dass bei unserem Stammesverzeichnis die Sprachwissenschaft in genau drei Fällen eine Affinität zur norischen Hydronymie diagnostiziert, folglich das Siedlungsgebiet der solcherart benannten Stämme an beiden Ufern (kelt. ambi-) des jeweils Namen gebenden Flusses zu suchen wäre:16 13 14 15 16

Anders und u. E. irrig Forstner 2011, 114. Zur Enns als (historischer) Grenzfluss s. Harreither 2009, 44 f. Vgl. oben die Kommentare von De Bernardo Stempel. Diese Namen, die keineswegs nur im norischen, jedoch nur in keltischen Siedlungsräumen begegnen, haben tatsächlich etwas Schematisches an sich (Dobesch 1980, 244 Anm. 30). Über ihre Genese ist – wie in allen anderen Fällen auch – nichts bekannt. – Zu weiteren Beispielen siehe in der RE unter Ambiani, Ambibarii, Ambilatri, Ambiliati, Ambivareti. – Cf. Falileyev 2010.

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AMBI-LINI, AMBI-DRAVI und AMBI-SONTES. Es zeigt sich aber, dass auch dieser linguistische Ansatzpunkt für unsere Problematik nur bedingt Erfolg versprechend ist. Einmal gibt es noch immer keine Antwort auf die Frage, welcher Fluss mit dem *Licos oder der *Lica gemeint war,17 der solcherart den Lebensraum der ƂƬƢƩƫƩƪƯƩ = AMBILINI18 umschreibt. Folgt man dem ptolemäischen Ordnungsprinzip, so sollte es ein Fluss südlich der Drau – somit die Gail – sein. Doch dies nur unter der Bedingung, dass die (nördlich anschließenden) AMBIDRAVI19 das Drautal von Villach aufwärts bis hinein nach Osttirol bevölkerten, nicht aber das untere sich bis in den Südosten Norikums erstreckende Flussufer. Denn sonst kämen sie ja östlich der AMBILINI zu liegen. Und tatsächlich scheint eine Sepulkralinschrift aus Paternion (unweit von Teurnia) ein mögliches Indiz für die Lokalisierung der AMBIDRAVI im oberen Drautal (zwischen Oberdrauburg und Spittal) zu enthalten. Selbigen Grabstein hatten, wie aus dem gut erhaltenen Text ersichtlich, die Eltern des peregrinen und indigenen Ambidrabus (=Ambidravus) errichtet. Er war als Auxiliarreiter20 bereits in jungen Jahren verstorben. CIL III 4753 = CSIR-OE-02-06, 0011121 = ILLPRON 00342 = AEA 1993/98, 00181 = AEA 1999/00, +00022 = AEA 2008, +00040 Tinco Redsati f(ilius)/et Banana Venimari/f(ilia) uxor v(i)v(i) f(ecerunt)/Ambidrabo f(ilio)/equiti auxsiliario (!)/a(nnorum) XX h(ic) s(itus) est Leider fehlen Aufzeichnungen über den genauen Fundort dieses Grabmonuments. Es kann – muss aber nicht – am Ufer des Dravus gestanden haben, wo dann auch das Anwesen dieser Familie zu suchen wäre. Auch eine Fundstelle im Hinterland des Drautales würde noch nicht gegen die These sprechen, dass die genannten Personen jener Stammesgemeinde angehörten, die der Individualname des Grabinhabers zum Ausdruck bringt. Wie weit sich aber deren Siedlungsareal flussauf- oder flussabwärts erstreckte, das kann niemand abschätzen. Immerhin durchzieht die Drau fast die gesamte südliche Grenzregion Norikums! Im Falle der AMBISONTES22 kommen uns leider keine einschlägigen Personennamen zu Hilfe. An ihre Stelle tritt eine frühmittelalterliche Quelle, die Notitia Arnonis, in der Igonta als lateinische Bezeichnung für die Salzach gelesen worden ist. 23 Es erhebt sich die Frage, ob nicht ein abweichendes langes «s» der Handschrift für ein «g» gehalten wurde.24 Wenn dem so wäre, gewänne die Lokalisierung des zur Diskussion stehenden norischen Stammes im (oberen?) Salzachtal an Plausibilität. Ja sie mag noch höher zu veranschlagen sein als die von den slowenischen KollegInnen favorisierte Anbindung der Ambisonten an das (slowenische) Isonzotal (slow. Soča).25 Vor allem angesichts der Tatsache, dass es auch im Pongau einen (noch unveröffentlichten) Fundplatz mit Militaria gibt, der ein Kampfgeschehen zwischen Römern und Barbaren zu belegen scheint.26 Bekanntlich werden die Ambisonten mit jenem im Tropaeum Alpium und in der Abschrift des Plinius erwähnten alpinen Stamm identifiziert, der sich der römischen Eroberung widersetzte.27

17 18 19 20

21 22

23 24 25 26

27

Anreiter u. a. 2000, 133: „It is certainly not the river Lech“. RE I.2 (1894) 1798 (Ihm), der das „Lessachtal“ (heute Lesachtal) als Stammesgebiet für möglich hält. RE I.2 (1894) 1798 (Ihm). Strobel 2010, 366 vermutet in ihm einen Angehörigen der in vorflavischer Zeit in Ober-/Untergermanien stationierten ala Noricorum. Glaser 1997. Strobel 2010, 368 betont, dass sie erst nach ihrer Unterwerfung 15 v. Chr. der neuen römischen Provinz Regnum Noricum angeschlossen wurden. Das gilt in der einen oder anderen Form ja wohl für alle norischen Stämme aus den Magdalensberg-Widmungen. – RE I.2 (1894) 1799 f. (Ihm). NA praef.: …VXSHUÁXYLXP,JRQWDTXLDOLRQRPLQH6DO]DKDYRFDWXU… – Forstner 2011, 113–115 und Anm. 10. Siehe oben im Beitrag von De Bernardo Stempel, Kapitel 5.4. Šašel 1972, 140–144. Es handelt sich um die keltisch-römische Passstelle bei Goldegg im Pongau [Moosleitner 2004, 183–186.] Eine detaillierte Auswertung des Fundmaterials soll demnächst in einer Innsbrucker Dissertation vorgelegt werden. Bis dahin kann, – was die Feindatierung der Funde und ihren möglichen Konnex zur römischen Landnahme im Jahre 15 v. Chr. angeht –, wohl nur von einem hypothetischen Junktim gesprochen werden. Zur Kontinuitätsfrage anhand der archäologischen Befunde in diesem Raum siehe auch Höglinger 2004. Lediglich Theodor Mommsen (CIL III p. 588) bewertet die Ambisontes und ƂƬƢƩƳƯƭƴƩƯƩ als zwei separate Stämme.

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CIVITATES REGNI ET PROVINCIAE NORICI – FRAGEN DER LOKALISIERUNG

Wenn sich nun andererseits der Stammesname AMBISONTES auch vom antiken Flussnamen ƂƩƳƯƭƴƩƯƲ28 (lat. Aesontius, ital. Isonzo) herleiten lässt, dann müsste dieser, – um Kongruenz mit den Angaben des Ptolemaios zu erzielen –, noch innerhalb der Provinz Noricum liegen. Und das hieße, die südlich der Karawanken verlaufenden Julischen Alpen auf norisches Gebiet zu schlagen.29 Als Ausweg aus diesem Dilemma könnte man theoretisch noch an eine Ethnogenese der Ambisonten im karnischen/tauriskischen Alpenland am Oberlauf des Isonzo denken, bevor sie dann – wenn überhaupt – nach Norden zogen. Was aber, wenn gar beide Flüsse, der Isonzo und die Salzach, einen ähnlich lautenden Namen trugen: Isontia hier und Aesontius dort? Für eine Beschränkung des Siedlungsraumes allein auf das obere Salzachtal30 gibt es u. E. keine zwingenden Gründe. Das Gebiet um Salzburg und Hallein, der Ager Iuvavensis, sollte dafür gleichfalls erwogen werden. Man wird hier weder mit dem Verweis auf das in der Tabula Peutingeriana überlieferte Hydronym für den Unterlauf der Salzach – Ivaro/Ivaros31 – noch auf die mittelalterlichen Ortsnamen für Zell am See – Bisontio und %LVRQ]LR32 – eine engere Raumzuweisung fixieren können.33 Bei den in den Magdalensberg-Inschriften erwähnten ELVETI suchen wir vergebens nach einem historischen Anhaltspunkt, der auch nur eine grobe Lokalisierung ermöglichen würde. Selbst wenn sich R. Eggers These,34 es könnte sich um die beim Kimbernzug zurückgebliebenen Tiguriner handeln, als richtig herausstellte – wir kämen damit in der Lokalisierungsfrage keinen Schritt weiter. Die LAIANCI35 und SAEVATES36 waren vermutlich benachbarte Stämme. Diesen Eindruck vermittelt jedenfalls das Ehrenmonument für Gaius Baebius Atticus, welches die beiden Civitates gemeinsam in Iulium Carnicum dem claudischen Prokurator stifteten: CIL V 1838 = D 01349 = SupIt-12-IC,00010 = Mainardis (2008) Nr. 11 = AE 2006,+00467 C(aio) Baebio P(ubli) f(ilio) Cla(udia)/Attico/IIvir(o) i(ure) [d(icundo)] primo pil(o)/leg(ionis) V Macedonic(ae) praef(ecto)/c[i]vitatium Moesiae et/Treballia[e pra]ef(ecto) [ci]vitat(ium)/in Alpib(us) Maritumis t[r(ibuno)] mil(itum) coh(ortis)/VIII pr(aetoriae) primo pil(o) iter(um) procurator(i)/Ti(beri) Claudi Caesaris Aug(usti) Germanici/in Norico/civitas/Saevatum et Laiancorum Über dieses Zeugnis wurde viel debattiert und geschrieben.37 Weit verbreitet ist die Meinung, es handle sich bei den Stiftern um den administrativen Zusammenschluss zweier Stämme, die anlässlich der Gründung des claudischen Municipiums (Aguntum) dem ager Aguntensis einverleibt worden wären. Letztere These wird in der Regel an zwei Fakten aufgehängt: Einmal an der römischen Straßenstation und dem (möglichen) Vorort des gleichnamigen Stammes – Sebatum,38 und dem im oberen Drautal gelegenen, übergeordneten Municipium Aguntum. Wenn also die SAEVATES allem Anschein nach der Westgrenze und dem Pustertal zuzuordnen sind, so käme für die LAIANCI das anschließende Drautal und das Lienzer Becken als Siedlungs-

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Strabo 5, 1. Für eine solche Süderweiterung (bis zum mittleren Isonzotal) der Provinzgrenzen Norikums reichen die von Šašel 1972, 142–144 genannten Gründe u. E. nicht aus. – Scherrer 2002, 32 hält eine Zugehörigkeit dieser Region bis in claudische Zeit für möglich. – Wir können diese Problematik hier nicht neuerlich diskutieren. Nur eine Bemerkung zu Punkt 7 bei Šašel 1972, 143 sei gestattet: Mit den von Cassius Dio genannten „Norikern“ kann irgendein an der Süd- bzw. Südostflanke Norikums (zwischen Atrans und Poetovio!) lebender Stamm gemeint sein, ein bekannter oder genauso ein uns unbekannter. Folglich besteht keine Notwendigkeit, sich in dieser Frage auf einen der in den Magdalensberg-Tafeln oder bei Ptolemaios genannten Civitates festzulegen. Die Gleichung Νωρικοι = Αμβισοντες bleibt als solche spekulativ. Da würde man eher an die Ταυρισκοι – auch wieder nur als Oberbegriff – denken wollen. Strobel 2010, 368. – Der Hauptort wird übrigens im Pinzgau auf dem Bürgkogel bei Kaprun oder am Biberberg bei Saalfelden vermutet: Heger 1981, 75 f. Dazu nun Hainzmann – De Bernardo Stempel 2011. NA c. 6,2 und BN c. 14. Forstner 2011, 115 mit drei verwandten Ortsnamen aus ebenfalls keltischen Siedlungsgebieten. Dem handschriftlichen Kartenmaterial folgend, verlegt er die Ambisonten ins obere Drautal! Egger 1950, 495–497. – Alföldy 1974, 68 sieht dies eher skeptisch. RE XII.1 (1924) 466 (Fluss) mit der Bemerkung: „Lienz, das noch heute ihren Namen bewahrt“. RE I A.2 (1920) 1727 (Keune). Mainardis 1994, 101 f. und 120 f. und Mainardis 2008, Nr. 11. Itin. Ant. 280, 2: Sebato. – Erscheint aber nicht in der norischen Städteliste des Ptolemaios. – Siehe unten den Beitrag von H. Ubl.

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platz durchaus in Frage.39 Doch steht dies zunächst im Widerspruch zur Lokalisierung bei Ptolemaios, der die ƓƥƯƵơƪƥƲ= ? = SAEVATES40 als erstgenannten Stamm der nördlichen Provinzhälfte zuordnet.41 Die Möglichkeit, ihr Stammesterritorium vom Pustertal bis in Innviertel auszudehnen, bleibt wohl verwehrt. Aber könnte es sein, dass ein Teil des Stammes in die besagte ufernorische Region ausgewandert wäre – oder vice versa?42 Sind vielleicht die beiden Ethnonyme auf zwei unabhängige nur ähnlich benannte Stämme zu beziehen? Oder beruht die geographische Zuweisung bei Ptolemaios schlicht auf einem Irrtum? Wir werden auf diese Fragen ohne neue Befunde keine definitive Antwort geben können. Bezüglich des Einzelstammes der NORICI wird man nicht fehlgehen, dessen Kerngebiet im Klagenfurter Becken, im Glantal sowie im Görtschitztal zu lokalisieren. Dafür sprechen einerseits das in Hohenstein befindliche (zentrale) Noreia-Heiligtum,43 wie andererseits die Erzlagerstätten und Eisenverhüttungsplätze entlang des Görtschitztales. Auch das bislang noch nicht identifizierte keltische Oppidum Noreia sollte im Umfeld der römischen Provinzhauptstadt bzw. des gleichnamigen römischen Emporions auf dem Magdalensberg44 zu suchen sein. Einen ebenso wichtigen geographischen Hinweis enthalten u. E. die beiden Poststationen entlang der norischen Hauptstraße, die laut Tabula Peutingeriana Noreia hießen. Dass selbige nicht mit dem norischen Stammesgebiet in Verbindung stehen sollten, halten wir für äußerst unwahrscheinlich, wie andererseits der Noreiatempel im Glantal ja auch nicht auf fremdem Stammesgebiet gelegen haben wird. In Virunum hatten auch die NORICI ihr ‚eigenes‘ Municipium bekommen. Der im Lavanttal bezeugte (anonyme) pagus dürfte mit einem attribuierten Kleinstamm in Verbindung zu setzen sein.45 Auf eine Verbindung zwischen den UPERACI46 und dem Ager Solvensis scheint eine Solvenser Grabinschrift hinzudeuten, in der die Tochter eines Uperacus verewigt ist. Wie allerdings die Straßenstation Upellae mit den Uperaken in Verbindung zu setzen wäre, bleibt für uns rätselhaft.47 CIL III 5390 (p. 1834) = ILLPRON 01360 = RISt 00213 = AEA 2004, +00007 = AEA 2004, +00021 & DLXV 7UHERQLXV0>@Y LYXV I HFLW 4XDUWDH8SHUDF>LI LOLDH HW@7UHERQLDH9>@DQ QRUXP ;;;;>ÀOLDH " @ et Trebon[---] Falls es sich um einen Großstamm gehandelt hat, kämen die Uperaken wohl auch für das untere Drautal und das Becken von Celje als indigene Stammesbevölkerung in Betracht, sofern diese Landschaften nicht ohnehin der civitas Noricorum zugerechnet werden müssen. Das Municipium Celeia könnte womöglich das zweite urbane Zentrum mit Selbstverwaltungsrecht innerhalb des Stammesgebietes der NORICI gebildet haben. Doch wer vermag den N-S-/W-O-Umfang ihres engeren Siedlungsgebietes beim derzeitigen Quellenstand wirklich zu bestimmen? Wir dürfen zweifellos von einem weitläufigen Territorium mit mehreren pagi und (hörigen) Kleinstämmen ausgehen. Wie bereits angedeutet, muss dieses aber keineswegs auf das Stadtterritorium von Virunum begrenzt gewesen sein. Alle die Binnenstruktur und das Ineinanderfließen römischer und indigener Herrschaftsstrukturen erhellenden Einzelheiten bleiben im Dunkeln. Nach welchen Kriterien wurden die städtischen Verwaltungsgrenzen gezogen? Verliefen diese allenfalls quer durch die Siedlungsgebiete einzelner Stämme oder stimmten sie mit den kaiserzeitlichen Stadtterritorien überein? 39

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Für diese These wird auch gerne die sprachliche Ähnlichkeit des modernen Siedlungsnamens Lienz ins Treffen geführt – vgl. oben Anm. 33. Der volle Stammesname ist nur (im Gen.Pl.) auf der Ehreninschrift aus Zuglio dokumentiert. In den Magdalensberg-Inschriften finden wir ihn zweimal abgekürzt – als Saev(ates) – und einmal in fragmentarischer aber sicher richtig ergänzter Form – als Saev[ates]. Alföldy 1974, 67 hält die Reihenfolge bei Ptolemaios „in some cases definitely wrong“. Ist das der Grund, weshalb Strobel 2010, 368 einmal deren Stammesgebiet gemeinsam mit den Elveti und dann nochmals für sie allein ausweist? Zum neuesten archäologischen Bericht jetzt Flügel u. a. 2005. Vgl. Strobel 2003, 31 wiederum mit einer apodiktischen Aussage über den noch unerforschten Bereich zwischen Gipfelheiligtum und römischer Händlersiedlung: „Der Magdalensberg trug zu keiner Zeit ein norisches Oppidum oder auch nur eine größere vorrömische Siedlung“. Vgl. nun Hainzmann 2011b, 211. RE VIII A.1 (1961) 925 (Saria). So Alföldy 1974, 68. – TP V 2 – Scherrer 2002, 33. – Siehe auch den Beitrag von De Bernardo Stempel.

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Die ƂƌƂƕƎƐƊ = ALAUNI48 werden von Ptolemaios zwischen den Saevakes und Ambisontes positioniert. Wenn wir mit den letzteren richtig liegen, dann sollten die Alaunen die nördlichen Nachbarn der letztgenannten am Unterlauf der Salzach gewesen sein.49 Das würde gut zu dem in Bedaium (Seebruck) gelegenen Heiligtum für Bedaios und die Alo(u)nae passen, auch wenn der plurale Göttername etymologisch anders interpretiert wird als das Ethnonym.50 Tabelle 2: Weitere in die Diskussion einbezogene und ergänzende Schriftquellen

Ambidravi Ambisontes Laianci Norici Saevates Uperaci

PN: Ambidrabi (Gen. Sg.) – CIL III 4753 FN: Dravus = Drau (passim) FN: Igonta/Isonta = Salzach – NA praef. FN: ƂƩƳƯƭƴƩƯƲ= Aesontius = Isonzo/Soča – Strab. 5, 1 ON: %LVRQWLR%LVRQ]LR= NA c. 6,2 und BN c. 14. ?Lienz < Laianci „Noriker“ als Sammelbegriff: Cass. Dio 54, 20, 2; Flor. 2, 1–3 u. 2, 22, 4; Plin. n.h. 3, 133 u. 3, 146; Strab. 4, 6 , 9 p. 206; Tert. Apo. 24. ON: Sebato (Abl. Sg.) = San Lorenzo – It. Ant. 280, 2 PN: Uperaci (Gen. Sg.) – CIL III 5390 ON: Upellis (Abl. Pl.) – TP V 2

Legende: FN = Flussname, ON = Orts-/Landschaftsname, PN = Personenname

9'DV6WDPPHVYHU]HLFKQLVGHU0DJGDOHQVEHUJ,QVFKULIWHQ Die Reste von insgesamt vier marmornen Ehreninschriften51 für Augustus/Tiberius (?), Livia, Iulia Maior und Iulia Minor, bezeugen – in stets gleichbleibender Reihenfolge (s. Tabelle 2) – acht norische Völkerschaften. Schon bisher hat die Forschung in diesen Widmungen einen öffentlichen Loyalitätsakt gegenüber dem augusteischen Kaiserhaus gesehen, der überzeugend mit der Anwesenheit des Kaisers und seiner Familie in Aquileia (10 auf 9 v. Chr.) in Verbindung gebracht wird. Wie aus Tabelle 1 ersichtlich, finden wir die Namen dreier Einzelstämme in zwei weiteren epigraphischen Denkmälern. Dass es sich bei den acht Civitates zweifellos um Stämme des kurz davor unter römische Okkupation geratenen Regnum Noricum handelt,52 war und ist noch immer communis opinio. Divergierende Auffassungen gibt es allerdings bezüglich der Zusammensetzung der Liste. Stehen wir hier einer Art Amphiktyonie53 der zentralnorischen Kultstätte auf dem Gipfel des Magdalensberges gegenüber, oder dokumentiert dieses ‚Stammesregister‘ gar den neu eingerichteten „Conventus Noricorum bzw. den Provinziallandtag der Noriker (concilium Noricorum)“?54 Ob die besagten Widmungsinschriften alle Stämme des von den Römern eroberten Regnum Noricum enthalten, sei dahingestellt. Was die dort fehlenden ƂƌƂƕƎƐƊ anbelangt, so scheint dies nicht der Fall zu sein.55 Dieser Stamm könnte freilich zum Zeitpunkt der Huldigung noch in den Randzonen des nachmaligen Provinzterritoriums gesiedelt haben. Gewiss, eine genaue Kenntnis der Provinzgrenzen wird man von Ptolemaios nicht verlangen dürfen. Wie schon im Falle des Alpentropäums hat man auch bei der norischen Namenliste aus der Abfolge der Stämme deren Siedlungsräume zu erschließen versucht. Natürlich werden einige der den Norikern nach 48

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RE I.1 (1894) 1298 (Ihm), der eine ältere Namensform „Alouni“ erwägt. – Einen homonymen Stamm nennt uns Ptol. 3, 5, 7 zusätzlich für Kleinasien: ƂƫơƵƭƯƩ. Alföldy 1974, 68. – Forstner 2011, 116: „der Gau der Alauner, der sich mit weiten Teilen des späteren Verwaltungsbezirkes von Iuvavum deckt …“ S. hier den Aufsatz von De Bernardo Stempel und Hainzmann 2006. Piccottini 2005 und Strobel 2010, 367. Dobesch 1980, 272 denkt an „den innersten Kreis der norischen Gefolgschaft“. Dobesch 1980, 273 Anm. 48. Strobel 2010, 367. Scherrer 2002, 34.

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Karte 3: Mutmaßliche (rot), mögliche (grün) und wahrscheinliche (blau) Siedlungsregionen der CIVITATES NORICAE.

gereihten Stämme als unmittelbare Nachbarn derselben zu betrachten sein; eine geographische Ordnung aber, die „um die zentralen Norici gruppiert“ ist, 56 ergibt sich daraus noch nicht (vgl. Tabelle 3 und Karte 3). Für wie wahrscheinlich gilt eine Attribution von je zwei Civitates zu je einem claudischen Municipium,57 und womit ließe sich eine solche These verifizieren? Für Aguntum mag diese Vermutung noch eine gewisse Berechtigung haben, im Falle Iuvavums (mit den Ambisonten und Alaunen) ebenfalls, der Rest hingegen bleibt spekulativ.58 Tabelle 3: Die Stämme der Magdalensberg-Inschriften REIHENFOLGE der CIVITATES BELEGFORMEN

Norici = Νωρικοι Ambilini = Αμβιλικοι Ambidravi = Αμβιδραυοι Uperaci Seavates = Σεουακες Laianci Ambisontes = Αμβισοντιοι Elveti 56 57 58

W W O/SO W W NW (?)

NORICI AMBILINEI/AMBILINI AMBIDR(-) VPERACI SAEV(-)/SAEV[ATES] LAIANC(-)/LAIANCI AMBISONT(-) ELVETI

Strobel 2010, 369. Scherrer 2002, 34. – Alföldy 1974, 96–103 und Fig. 11. Scherrer 2002, 34 verlegt dafür – aus Gründen der Ausgewogenheit wie es scheint – die epigraphisch erschlossenen Ambisavi (CIL III 13406) zusammen mit den Uperaci ins Territorium von Celeia.

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9,'LHYLUWXHOOH9HURUWXQJ Wollte man den vorhin erörterten Quellenbefund kartographisch darstellen, dann wird das Ergebnis nur eine grobe und sicher keine feinmaschige Distribution sein können. Wegen der vielen Unwägbarkeiten unterscheiden wir zwischen wahrscheinlichen (blaue geschlossene Linie), möglichen (grüne gestrichelte Linie) und mutmaßlichen (rot- punktierte Linie) Lokalisierungen. Dieses von uns in Karte 3 skizzierte Bild der Wohnsitze ist nicht neu: Auch G. Alföldy59 und P. Scherrer60 schlagen eine ähnliche Verteilung vor. Dabei bleiben in weiten Teilen Niederösterreichs (vor allem im Südosten, im Raum der „Buckligen Welt“) bis hin zur Bernsteinstraße noch weiße Flecken, die man sich wenigstens teilweise als geschlossene und kaum besiedelte Waldgebiete denken kann. Aufgrund dieser Überlegungen kommen wir zu einem Kartenbild, das mit dem neuesten und umfangreichsten Kartenwerk zur historischen Geo-/Topographie – im Barrington-Atlas – weitgehend übereinstimmt. Somit mag diese Raumaufteilung zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit spiegeln, von einer gesicherten Verortung nach diversen Tallandschaften und von einer gegenseitigen Abgrenzung der einzelnen Stammesterritorien kann keine Rede sein. Wie auch, wenn uns für eine solche Differenzierung weder Grenzsteine noch andere archäologische Indizien vorliegen!

9,,=XU6WDPPHVJHRJUDSKLHEHL.6WUREHO In einem jüngst erschienen Aufsatz überrascht K. Strobel seine Kollegenschaft mit in dieser Präzision bislang unbekannten Lokalisierungen. Das verblüffende in seiner Darstellung der verwaltungspolitischen und siedlungsgeographischen Verhältnisse in den ersten Jahrzehnten nach der römischen Landnahme ist weniger die von ihm postulierte offizielle Provinzbezeichnung „provincia in regno Norico“61 – als vielmehr die ganz konkrete Zuweisung (siehe die Markierung ► in Tabelle 4) bestimmter Täler, Landschaftsbecken und Regionen zu den einzelnen norischen Civitates:

Alauni Ambidravi Ambilini Ambisontes Elveti Laianci Norici Saevates Uperaci

Tabelle 4: Wohnsitze der norischen Stämme nach K. Strobel Innviertel ► Unteres Mölltal, (Drautal) ab Oberdrauburg bis zum Villacher Becken unter Einschluss des Malta- und Liesertals Gailtal obere Salzach ► (Saevates und Elveti !) Im Raum Salzburg, Tennengau, Flachgau, Salzkammergut, um die obere Enns bis Hausruck, Traunsee und Totes Gebirge ► Defregger-, Virgen-, Isel- und Selbtal, oberes Drautal, oberes Mölltal ► Zollfeld, Glan-, Gurk- und Mettnitztal, Klagenfurter Becken [O] Saualpe Lavanttal (pagus) [N] oberes Murtal bis zu den Seetaler und Seckauer Alpen (SDJXV") [W] Ossiacher See, Villacher Becken, Wörthersee, Rosental ► Pustertal, Gade-, Abtei und Ahrntal ► Im Gebiet von Celeia bis zum Radlpaß und Possruck

In Erstaunen versetzt Strobel den Leser zudem mit seiner Lagebeurteilung der östlichen Grenzregion, d. h. der heutigen Steiermark. Da nach der von ihm postulierten Gebietsverteilung für diese Zone keiner der bekannten Stämme übrig bleibt, „zählte die Bevölkerung in der Steiermark jenseits der Seetaler Alpen und Koralpe nicht zum augusteischen Conventus Noricorum und damit zu der 15 v. Chr. eingerichteten Provinz“.62 Strobel hält es für möglich, dass sich hier ein Stammesverband der Mogetii (!) niedergelassen 59 60 61 62

Alföldy 1974, 66–70. Scherrer 2002, 32–34. Strobel 2010, 372. Strobel 2010, 369.

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hat. Dieser bislang noch unbekannte Stammesname ist ein sprachliches Konstrukt, abgeleitet aus einem in der Solvenser Mars-Latobius-Inschrift bezeugten keltischen Götterbeinamen.63 Warum dann nicht gleich die benachbarten (pannonischen) Latobiker bis ins Murtal ausdehnen, wo sie doch mit Mars Latobios sowohl im Solvenser Kultbezirk als auch im Lavanttal (Burgstallkogel) markante Spuren hinterlassen haben.64 Wie unsere Quellenevidenz deutlich zu erkennen gibt, entbehrt ein Gutteil der Strobelschen Lokalisierungen konkreter Anhaltspunkte.65 Trotzdem werden sie uns apodiktisch als Tatsachen präsentiert, deren (vermeintlichen) Wahrheitsgehalt K. Strobel mehrfach mit dem Hinweis auf „gute Gründe“ zu untermauern sucht. Hätte er diese in seinem Aufsatz nicht unerwähnt gelassen, könnte man dazu kritisch Stellung beziehen. Wir alle würden uns ja wünschen, in der erörterten Problematik mehr Licht ins Dunkel bringen zu können. Mit seiner Art von ‚Erhellung‘ scheint uns jedoch die Grenze der Quellenexegese.

$EJHNU]W]LWLHUWH/LWHUDWXU Alföldy 1974 G. Alfödi, Noricum (London 1974) Anreiter u. a. 2000 P. Anreiter – M. Haslinger – U. Roider, The names of the Eastern Alpine Region mentioned in Ptolemy, in: D. N. Parsons – P. Sims-Williams (Hrsg.), Ptolemy. Towards a linguistic atlas of the earliest Celtic place-names of Europe. Papers from a workshop, sponsored by the British Academy, in the Department of Welsh, University of Wales, Aberystwyth, 11. –12. April 1999 (Aberystwyth 2000) 113–142. BN

Breves Notitiae, siehe Lošek 2006

Glaser 1997 F. Glaser, Die Skulpturen des Stadtgebietes von Teurnia, CSIR II, 6 (Wien 1997) Dessau 1892–1916 H. Dessau (Hrsg.), Inscriptiones Latinae Selectae I-III, Berlin 1892–1916. De Bernardo Stempel 2005 P. de Bernardo Stempel, Die in Noricum belegten Gottheiten und die römisch-keltische Widmung aus Schloß Seggau, in: W. Spickermann – R. Wiegels (Hrsg.), Keltische Götter im Römischen Reich. Akten des 4. Internationalen Workshops Fontes Epigraphici Religionis Celticae Antiquae vom 4.–6.10.2002 an der Universität Osnabrück, Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption 9 (Möhnesee 2005) 15–27. De Bernardo Stempel 2011 P. de Bernardo Stempel, Sprachwissenschaftlicher Kommentar zu den Götternamen LATOBIOS, MAR(O) MOGIOS, SINATIS, TOUTATIS, MOGETIOS unter besonderer Berücksichtigung der Inschrift von Schloss Seggau bei Leibnitz, in: St. Groh – H. Sedlmayer (Hrsg.), Forschungen im römischen Heiligtum am Burgstall bei St. Margarethen im Lavanttal (Noricum), Zentraleuropäische Archäologie 2 (Wien 2011) 2192–26. Dobesch 1980 Gerhard Dobesch, Die Kelten in Österreich nach den ältesten Berichten der Antike. Das norische Königreich und seine Beziehungen zu Rom im 2. Jh. v. Chr. (Wien 1980). Egger 1950 R. Egger, Die Ausgrabungen auf dem Magdalensberg 1949. Magdalensberg-Grabungsbericht 2, Carinthia I 140, 1950, 485–497. Falileyev u. a. 2010 A. Falileyev – A. E. Gohil – N. Ward, Dictionary of Continental Celtic Place-Names. A Celtic Companion to the Barrington Atlas of the Greek and Roman world (Aberystwyth 2010). 63

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ILLPRON 0087, aber jetzt mit der neuen Reihenfolge des Götterformulars nach De Bernardo Stempel 2005: Marti/Latobio/ Marmogio/Sinati Toutati Mog/[et]io C(aius) Val(erius)/[V]alerinus/ex voto: Vgl. Hainzmann 2011c. Groh – Sedlmayer 2011, 133–192. – Zu den Theonymen und Götterbeinamen auch die Beiträge von Hainzmann 2011 und De Bernardo Stempel 2011. Wodurch erweist sich etwa das Villacher Becken als Wohnsitz der Noriker, der Tennengau und Flachgau als Stammesland der Elvetier? Strobel nennt uns dafür keine Argumente.

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DAS ENTSTEHEN EINER PROVINZ Gedanken zum römischen Recht und zur römischen Politik Ich möchte meine Ausführungen mit zwei Aussagen eröffnen, die auf den ersten Blick etwas provokant erscheinen mögen, deren Berechtigung sich aber hoffentlich im Verlauf meines Beitrages erweisen wird. 1. Römische Provinzen haben allesamt ihre spezielle Charakteristik. Daher kann man die politischen Strukturen einer römischen provincia nur sehr schwer oder überhaupt nicht mit denen einer anderen provincia vergleichen. 2. Zu dem Zeitpunkt, an dem eine römische provincia offiziell eingerichtet wurde, waren die wirklich wichtigen Entscheidungen hinsichtlich ihres künftigen Aussehens und Lebens schon seit langer Zeit gefallen. Die römische Herrschaft im eigentlichen Sinne brachte eher wenige Veränderungen mit sich.1 Der interne Aufbau einer jeden römischen Provinz ist etwas Einzigartiges und folgt jeweils seinen eigenen Regeln. So unterscheiden sich die drei nord- bzw. südwestlich-gallischen Provinzen Aquitania, Lugdunensis und Belgica in ihren politischen Strukturen sehr deutlich von denen in einer Provinz wie Asia oder Achaia. In den drei gallischen Provinzen finden wir unterhalb der Verwaltungsebene der jeweiligen Provinzstatthalter insgesamt rund 60 civitates, die im Prinzip nichts anderes darstellten als die Fortführung der alten keltischen Stammesgemeinden unter römischer Herrschaft. Natürlich hatten diese civitates keine genormte Größe, aber man kann dennoch von einem durchschnittlichen Territorium von rund 6000 km2 pro civitas ausgehen. Wenn man als Gegenstück die beiden Provinzen Asia bzw. Achaia nimmt, so sah dies völlig anders aus. Dort sahen sich die Römer schon bei der Einrichtung der jeweiligen Provinz mit einer Vielzahl von teilweise seit langer Zeit existierenden städtischen Gemeinden mit einem überschaubaren Territorium konfrontiert.2 Im idealtypischen Fall werden wir hier auf eine Gemeinde treffen, die ein deutlich fassbares urbanes Zentrum besitzt, wo sich auch das politische Leben konzentriert, und die über ein ebenso klar konturiertes Umland verfügt. Dabei ist das Territorium dieser Gemeinde in der Regel auf allen Seiten von den Territorien ähnlich klar strukturierter politischer Gebilde umgeben. Die politisch verantwortlichen Personen oder Institutionen in diesen Gemeinden besaßen in der Regel einen recht genauen Überblick über die Zahl der Menschen, die sich permanent auf dem Territorium dieser Gemeinde aufhielten und hatten sie auch bereits hinsichtlich ihres rechtlichen Status (Bürger mit vollen Rechten, Einwohner mit geminderten Rechten, Freie oder Sklaven) exakt erfasst. Es war zudem recht genau bekannt, wie das Land dieser Gemeinde genau auf die Mitglieder dieser Bevölkerung verteilt war und über welche mobilen bzw. immobilen Vermögenswerte die einzelnen Personen verfügten.3 Also genau der Informationsstand, den sich eine politische Führung wie die des Imperium Romanum für ein Territorium erträumte, das sie in Zukunft beherrschen (und für sich nutzen) möchte. Allerdings muss man hier ausdrücklich festhalten, dass ein solcher idealer Zustand der genauen Erfassung der Personen und/oder Vermögenswerte einer Gemeinde wohl nur in relativ wenigen Gebieten des Imperium Romanum erreicht war bzw. jeweils erreicht werden konnte. Denn große Teile des von den Römern kontrollierten Territoriums entzogen sich relativ hartnäckig allen Versuchen einer solchen exakten Erfassung. 1 2 3

Neue Literatur: Zerbini 2010. Zur Gründung der provincia Asia: Daubner 2003. In welchem Umfang diese Verwaltungsstruktur bereits auf die altpersische Verwaltung Kleinasiens zurückgeht, ist noch unsicher.

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Dies lag nicht unbedingt an der mangelnden Kooperationsbereitschaft der davon betroffenen Menschen oder an ihrem permanenten Widerstand gegen die römische Herrschaft, sondern hat durchaus objektivierbare Gründe.4 Wie erfasst man etwa eine Bevölkerung, die überhaupt nicht sesshaft ist, sondern im Verlauf eines Jahres innerhalb eines großen Territoriums umherwandert und sich daher regelmäßig an unterschiedlichen Orten aufhält (Hirtenbevölkerung) oder entsprechend der sich ständig ändernden ökonomischen Situationen immer wieder einen völlig anderen Lebensraum aufsucht (Wanderarbeiter)? Solche Menschen administrativ zu erfassen, ist selbst in einer modernen Gesellschaft ein recht schwieriges Unterfangen. Doch die Probleme gehen noch weiter. Wie kann man ein individuelles Eigentumsrecht an Land feststellen, wenn es in dem entsprechenden Gebiet eine solche rechtliche Vorstellung überhaupt nicht gibt, weil z. B. die dort lebenden Menschen nur ein kollektives Eigentum etwa einer Großfamilie oder eines Stammes kennen (vgl. die Allmende)?5 Oder, um diese Problematik noch etwas zu steigern, was macht man, wenn selbst eine solche kollektive Eigentumsform nicht existierte, weil die dort lebenden Menschen bestenfalls an einer vorübergehenden Nutzung des Territoriums interessiert waren? Dieser Fall dürfte etwa für viele nomadisierende Hirtengruppen gegolten haben, die dort lediglich für einige Wochen oder Monate ihre Herden weiden lassen wollten, dann aber weiterzogen. Für diese Menschen konnte man bestenfalls ein auf Gewohnheit basierendes zeitliches Nutzungsrecht an einem bestimmten Gebiet feststellen. Dieses Recht konnte sich aber durchaus mit den Nutzungsrechten anderer Gruppen überschneiden, die ebenfalls im Verlauf eines Jahres diesen Raum nutzten. Sie ließen dort ebenfalls ihre Tiere weiden, sie nutzten nur bestimmte Ressourcen wie die Holzvorkommen, sie stellten lediglich im Sommer dort ihre Bienenkörbe auf, damit ihre Bienenvölker Honig produzieren konnten, oder sammelten im Herbst bestimmte Früchte. Eine solche temporäre und sich überlappende Form einer wirtschaftlichen Nutzung begründete aber auf keinen Fall einen Eigentumsanspruch an diesem Gebiet und wurde auch wahrscheinlich von diesen Leuten überhaupt nicht beabsichtigt. Wer war also Eigentümer dieses Landes? Wahrscheinlich niemand.6 Man muss sich jetzt die folgende Situation vor Augen halten. Was geschah, wenn das römische Rechtssystem mit seinen im Fall des Bodenrechtes sehr klar ausgebildeten Kategorien auf eine solche Welt traf.7 Um die dabei denkbaren Konfliktherde besonders deutlich zu machen, zunächst ein knapper historischen Überblick zur Entwicklung des römischen Bodenrechtes. Das römische Recht unterscheidet sehr klar zwischen einem Eigentum am Boden (dominium) und dem Besitz, der possessio. Als Ausdruck der wohl zunächst sehr großen Landnot im frühen römischen Staat ist die Entwicklung der rechtlichen Vorstellung zu sehen, dass es nicht ausreichte, einen solchen Eigentumsanspruch zu besitzen, sondern dieser Rechtsanspruch musste zusätzlich durch eine permanente Nutzung ständig untermauert und am Leben gehalten werden. Geschah dies nicht, dann hatte jeder Interessierte das Recht, dieses ungenutzte Land zu besetzen (ius occupationis) und für sich selbst zu nutzen. Wenn er dies unwidersprochen über einen Zeitraum von zwei Jahren machen konnte (utendo), konnte er sogar selbst ein vollwertiges Eigentum (dominium iure Quiritium) an diesem Boden erwerben.8 Diese für Privatland geltende Regel konnte auch durchaus bei Land des römischen Staates, dem ager publicus populi Romani, Anwendung finden, wobei sich lediglich die Fristen, innerhalb derer ein solcher Widerspruch möglich war, deutlich auf 20 Jahre verlängerten. Land, das keinem Eigentümer eindeutig zugeordnet werden konnte, die bona vacantia, fielen an die öffentliche Hand und wurden Eigentum des römischen Staates. 4

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Die religiös motivierte Ablehnung eines census durch die Juden, der nach dem Tode des Herodes zu Aufständen gegen die römische Verwaltung führte (vgl. Flavius Josephus, Antiquitates Judaicae 18.4–18.10), kann man als Sonderfall einstufen. Vgl. Jäger 1973, wobei dieser Beitrag auf den neuesten Stand der Diskussion gebracht werden müsste. Vgl. für die römische Geschichte das von den frühen gentes oder Clans kontrollierte Territorium: Terrenato 2011. Bispham 2007 zeigt, dass die Entwicklung in Italien hin zu einer völlig durch Gemeinden gekennzeichneten Struktur erst in der frühen Kaiserzeit zu einem gewissen Abschluss gekommen ist. Dazu kann man die unterschiedlichen Rechtsvorstellungen der europäischen Einwanderer in Nordamerika und der einheimischen Vorbevölkerung vergleichen. Kaser 1971, 412–431 zum Eigentumserwerb im römischen Recht. Allgemein zum ager publicus Gargola 1995. Roselaar 2011. Kaser 1971, 418–424. Zur Zweijahresfrist, die bereits im Zwölftafelgesetz (XII Tabulae 6.3 = Flach 2004, 101 f. mit Zusatzbestimmungen) erwähnt wird, vgl. Kaser 1971, 423. Für die Sonderregeln für das Provinzialland vgl. Kaser 1971, 424.

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Ähnliche Regeln galten auch für Land, dessen Eigentümer etwa intestat verstorben war und für den auch keine gesetzlichen Erben aufgefunden werden konnten (bona caduca).9 Dies galt allerdings nur in Italien, nicht in den außeritalischen Provinzen. Dazu findet sich eine für uns entscheidende Aussage in den Institutiones des Gaius *DLLQVW6HGLQSURYLQFLDOLVRORSODFHWSOHULVTXHVROXPUHOLJLRVXPQRQÀHULTXLDLQHRVRORGRPLQLXPSRSXOL5RPDQL est vel Caesaris, nos autem possessionem tantum vel usumfructum habere videmur; utique tamen etiamsi non sit religiosum, pro religioso habetur. „Aber es gefällt einigen , daß auf dem Territorium der Provinz dieser Boden nicht religiosus werden kann, denn auf diesem Boden gehört das Eigentumsrecht dem römischen Volk oder dem Kaiser, wir aber scheinen lediglich ein Besitzrecht oder einen Nießbrauch zu haben; daher wird er, selbst wenn er nicht religiosus ist, dennoch für religiosus gehalten.“ Zwar hat Jochen Bleicken 1974 in einem schon fast klassischen Aufsatz diese Aussage ,In provinciali solo dominium populi Romani est vel Caesaris’ in den Titel gesetzt, sich dann aber vor allem auf die Gruppe der coloniae mit dem ius Italicum konzentriert, die aber mindestens die ebenso spannende Frage nach dem Eigentum am Provinzialboden ausgeklammert hat.10 Damit ist die Frage noch weitgehend offen. Unter diesen Rahmenbedingungen ist es leicht nachzuvollziehen, dass eine Gesellschaft, die selbst bereits ein funktionsfähiges Bodenrecht ausgebildet hatte, bei der Errichtung der römischen Herrschaft nur mit relativ wenig Problemen konfrontiert wurde, denn die möglichen Konfliktfälle, d. h. vor allem die zweifelsfreie Zuordnung von Eigentumsrechten am Boden, waren ja bereits im Vorfeld weitgehend gelöst worden. Übertragen wir aber jetzt das hier entwickelte Modell auf die historische Situation der frühen römischen Herrschaft im Bereich der späteren römischen Provinzen Raetia, Noricum, Pannonia und Dalmatia, dann waren auch hier die Konflikte schon vorprogrammiert. Da die Okkupation durch die Römer in der Regel nicht friedlich vonstatten gegangen war und sich die Römer erst nach langwierigen Kämpfen gegen den Widerstand der einheimischen Völker durchsetzen konnten, dürfte ein großer Teil des fraglichen Territoriums formal erst durch einen Akt der deditio unter die Herrschaft der Römer gekommen sein.11 Man könnte deditio am ehesten als Selbstauflösung des bisherigen Staates mit all seinen Rechten und die bedingungslose Auslieferung des gesamten Territoriums und aller dort lebender Menschen an die Römer verstehen. Dies bedeutet, die Respektierung von eventuell bereits existierenden Eigentumsansprüchen an Land stellte ein Gnadenakt der Römer dar, war also nicht Resultat einer Respektierung eines bestehenden Rechtsanspruchs durch die Römer. Damit stand den verantwortlichen Personen auf römischer Seite die ganze Skala der Möglichkeiten zur Verfügung. Man konnte alles beim Stand der vorrömischen Periode lassen, man konnte aber ebenso bedenkenlos über das gesamte Land und die auf ihm lebenden Menschen verfügen und tat dies auch offensichtlich. Das sicherlich bekannteste Beispiel, was alles nach einer deditio mit einem vorher weitgehend souveränen Staat passieren konnte, liefert die deditio des karthagischen Staates zu Beginn des 3. punischen Krieges.12 Nach erfolgter deditio erteilten die Römer den Karthagern den Befehl, ihre Stadt abzureißen und sie an einen Ort zu verlegen, der mindestens 10 Meilen von der Küste entfernt sein sollte. Aus unserer heutigen Sicht eine sicherlich grausame Handlung, aber die Römer begingen nach ihrem eigenen Rechtsempfinden keinerlei Unrecht, denn nach erfolgter und von den Römern akzeptierter deditio handelten sie völlig legal.13 Dies bedeutet, dass der römische Staat bei seiner Eroberung des nördlichen Balkanraumes völlig freie Hand hatte, die Frage des Bodenrechtes in seinem Sinne zu handhaben und damit auch die ihm bekannten 9 10 11 12 13

Kaser 1971, 702 f. (bona vacantia) bzw. 724 f. (bona caduca). Bleicken 1974. Rechtliche Konsequenzen einer deditio: Badian 1997. Diod. 32.6.1–3. Vgl. auch Huß 1985, 440–443. Vgl. auch die Aitoler und die Probleme mit ihrer deditio: Grainger 1999, 479 f. Zu den Problemen der Griechen mit dem Rechtssystem der Römer vgl. Gruen 1984, 28 mit Anm. 80.

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Rechtsnormen auf dieses neuerworbene Territorium zu übertragen. Und es gibt in der Tat beachtenswerte Indizien für die Vermutung, dass Augustus praktisch unmittelbar nach der Okkupation in diesem Gebiet die Regeln des römischen Bodenrechtes einführte. Dabei scheint auch das sonst vor allem aus dem hellenistischen Osten bekannte Rechtsinstitut der γĮ ­ν δωρεħ auch auf den gerade erst eroberten Balkan übertragen worden zu sein.14 Zumindest lässt sich die Existenz des saltus, den der consul Cn. Calpurnius Piso von Augustus wohl in Dalmatien erhalten hatte, wohl nur dann wirklich verstehen, wenn man die Übertragung einer solchen Rechtskategorie auch auf das neugewonnene Land auf dem Balkan annimmt.15 SC de Pisone patre Zeile 85–90: … excepto saltu, qui esset in Illyrico; eum saltum placere Ti. Caesari Augusto prin/cipe nostro, cuius a patre divo AuJ XVWR &Q3LVRQLSDWULGRQDWXVHUDWUHGGLFXPLVLGFLUFRGDULHXPVLELGHVLGHUDVVHWTXRGFLYLWDWHV!TXRUXPÀQHV hos saltus contin/gerent, frequenter de iniuriis Cn. Pisonis libertorumq(ue) et servorum/eius quaestae essent, atq(ue) ob id providendum putaret, ne postea iure meritoq(ue)/soci p(opuli) R(omani) queri possent … „… mit Ausnahme des saltus, der in Illyricum lieget. Dieser saltus solle dem Ti. Caesar Augustus, unserem Princeps, von dessen Vater, dem vergöttlichten Augustus, er Piso pater geschenkt worden sei (a patre divo Aug(usto) Cn. Pisoni patri donatus erat), zurückgegeben werden, da (Tiberius) gewünscht habe, daß er ihm deswegen gegeben werde, weil , deren Gebiet an das des saltus grenzte, häufig wegen Übergriffen des Cn. Piso pater, seinen Freigelassenen und Sklaven Klage geführt hätten und er deshalb Vorkehrungen für erforderlich halte, damit nicht später einmal Verbündete des römischen Volkes mit Grund und Recht Klage erheben könnten.“ Leider sind die im Text eingestreuten geographischen Angaben (Illyricum, civitates, socii populi Romani) viel zu vage gehalten, um diesen saltus genauer lokalisieren zu können. Man wird aber wohl kaum fehlgeleitet werden, wenn man hier nicht von einem Einzelfall ausgeht. Es ist nicht unbedingt notwendig, dass Calpurnius Piso seinerzeit persönlich an der Eroberung des Balkan beteiligt war und daher von Augustus beschenkt wurde, denn wenn man sich die *Namen der Personen ansieht, die durch die Papyri als Inhaber einer ,ousia’ in Ägypten belegt sind, dann erhalten wir ein ganz anderes Bild.16 P. Mich. inv. 876 verso = P. Sijp. 26 9.–10. ……./…. ια (±τει) τŃν τελŃ(ν) οíσιŃ(ν) 11. Μαικηνα(τιανĮς) κζ, ΧαρμιανĮ(ς) γ, 12. ΠετρωνιανĮ(ς) ια, Γερμαšνικια(νĮς) ις, 13. τĮς (πρότερον) Δεκίμο(υ) Οíαλ(ερίου) ¥σιατ(ικοĽ) κε, [š]ουκ(ούνδου) Γρυπ[ια]νο(Ľ) κη, 14. Μάρκο(υ) ¥ντω(νίου) Πάλλα(ντος) β, Τιβερίου Κλαυδί[ο(υ)] Ναρκ(ίσσου) δ, 15. Εíόδο(υ) θεοĽ Σεβα(στοĽ) πελ(ευθέρου) δ, (γίνονται) ρκ 9.–10. „From which. Of those who need to be/carried over on receipt in year 11, of the tax free estates: 11. Maecenatian 27, Charmian 3, 12. Petronian 11, Germanician 16, 13. Formerly of Decimus Valerius Asiaticus 25, Iucundus Grypianus ? 28 14. Marcus Antonius Pallas 2, Tiberius Claudius Narcissus 4 15. Euodus, freedman of the divine Augustus 4, equals 120“ Die auffälligen Bezeichnungen für die Grundstücke (* Maecenatianus von Maecenas) erinnern an Bezeichnungen, die man vor allem aus der Nomenklatur römischer Sklaven kennt, die früher Eigentum einer anderen Person gewesen waren.17 14

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Vgl. dazu Rostovtzeff 1910, 126–132; Hölbl 2004, 61 mit Hinweis auf die frühere persische Praxis; Manning 2003, 110–118 zur δωρεά des Apollonios. Jördens 2009, 506–510. Eck – Caballos – Fernández 1996, 44. Vgl. auch den Kommentar auf den Seiten 202–207 mit weiterem Material. Papazoglou 1997. Vgl. etwa ILS 1879 a: Bebyx Aug. l. Drusianus, ILS 1535: Carpus Aug. lib. Pallantianus, ILS 1589: Alexander C. Caesaris Aug. Germanici Pylaemenianus.

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Dabei sollte man auch noch in Rechnung stellen, dass die Übergabe dieses saltus an Calpurnius Piso möglicherweise nicht nur das Recht zur physischen Okkupation und Nutzung dieses Landstriches bedeutet hatte, sondern wahrscheinlich auch die Übergabe der dort noch auf diesem Gebiet lebenden Vorbevölkerung in die Verfügungsgewalt des Piso beinhaltete. Auch für diese Vermutung gibt es durchaus Indizien in den papyrologischen Quellen.18 Ein weiterer Punkt, der einen glatten Übergang zur römischen Herrschaft deutlich erschweren musste, betrifft die einheimische Gesellschaftsordnung. Die keltischen Stämme im heutigen Frankreich hatten sich mit allen Kräften gegen die römische Okkupation gewehrt, wofür Caesars Bellum Gallicum ein beredtes Zeugnis ablegt. Daher sind wir auch recht gut informiert, dass viele gallische Adelige damals ihren hartnäckigen Widerstand gegen die Römer mit dem Leben und natürlich dem Verlust ihres Vermögens bezahlten. Dennoch können wir davon ausgehen, dass trotzdem viele einheimische Adelsfamilien anschließend den Wechsel in die neue Zeit schafften und unter der römischen Herrschaft relativ schnell den Aufstieg in die Führungsschichten Roms bewerkstelligten.19 Die berühmte Senatsrede des Claudius, die sowohl durch das Zeugnis des Tacitus20 als auch durch Teile einer großen Inschrift aus Lyon21 bekannt ist, mag als Beweis der schnellen Integration genügen. Vor dem Hintergrund der gallischen Entwicklung ist es jetzt ausgesprochen überraschend, dass sich eine vergleichbare gesellschaftliche Entwicklung für den Bereich des nördlichen Balkan nur sehr schwer bzw. überhaupt nicht nachweisen lässt. Natürlich wissen wir aus den zugegeben spärlichen schriftlichen Zeugnissen zum Verlauf der römischen Eroberung unter Augustus, dass es auch hier blutige Kämpfe mit sehr hohen Verlusten unter der einheimischen Bevölkerung gegeben hat.22 Aber dennoch gewinnt man eher den Eindruck, dass die später aus diesem Raum nachweisbaren equites und senatores eher die Nachkommen römischer coloni oder Veteranen gewesen sind, die hier erst in der Folge der römischen Okkupation sesshaft wurden, aber nur sehr bedingt Nachkommen der vorrömischen Eliten. War diese einheimische Elite während der Kämpfe mit den Römern völlig ausgerottet worden, oder hat es vielleicht in unserem Raum überhaupt keine so deutlich ausgeprägte Führungsschicht gegeben, die mit dem keltischen Adel in Gallien vergleichbar wäre? Beide Alternativen sind natürlich möglich, lassen sich allerdings in ihrer Wertigkeit kaum abschließend beurteilen. Es gibt drei eng miteinander verknüpfte Problemkreise, bei denen von Anfang an die Interessen der einheimischen Bevölkerung am ehesten mit den Forderungen der neuen Herren kollidierten, was fast zwangsläufig zu Konflikten führen musste. 1.) Die Versorgung der römischen Okkupationsstreitkräfte durch kostenfreie Bereitstellung von Lebensmitteln und Gespanndiensten.23 2.) Das Abstellen von Soldaten für das römische Heer. Dies dürfte mit den bekannten fatalen Folgen auch für das einheimische Aufgebot gegolten haben, das für den Marbod-Krieg mobilisiert worden war. Die Umsetzung dieser beiden Forderungen setzte allerdings voraus, dass zuvor zumindest eine rudimentäre Erfassung der einheimischen Bevölkerung durchgeführt worden war. Dass eine solche Erfassung unmittelbar nach kriegerischen Auseinandersetzungen des Öfteren erfolgte, erfahren wir eher en passant in einigen Passagen des Bellum Gallicum.24 Nach welchen Kriterien ging man hier wahrscheinlich vor? Die Römer dürften zunächst vor allem daran interessiert gewesen sein, die reine Bevölkerungszahl zu ermitteln. Wahrscheinlich erfolgte diese erste vorläufige Aufnahme entsprechend der bereits bestehenden staat18 19 20 21 22

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24

Hanson 2007. Zu Valerius Asiaticus und den Umständen, die zu seinem Sturz führten, vgl. zuletzt Osgood 2011, 147–149. Tac. ann. 11.23–25.1. CIL XIII 1668 = ILS 212. Übersetzung bei Freis 1994 Nr. 34. Das einzige Territorium, das wohl weitgehend problemlos von den Römern integriert wurde, war das regnum Noricum, und für dieses wissen wir, dass es lange Zeit als eigenständiges Territorium unter einer gesonderten Administration weiterexistierte. Erdkamp 1998. Die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen dieser Forderungen sollten einmal in einem größeren Kontext untersucht werden. Vgl. etwa Caes. BG 1,29,3; 2,28,2; 2,33,7 u. ö.

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lichen Strukturen: d. h. aufgeteilt nach Wohnorten oder nach Stammesgruppen usw. und vor allem nach im römischen Sinne leistungsfähigen Personen, also vor allem nach der Anzahl der erwachsenen Männer, da die Kenntnis dieser Zahlen für die Mobilisierung der auxilia eine zentrale Voraussetzung war. Mit einer gewissen Phasenverzögerung dürfte dann Schritt 3 erfolgt sein. Man begann mit einer ersten katastermäßigen Erfassung des neugewonnenen Gebietes, wobei die Erstellung eines Grundkatasters wahrscheinlich eng mit der Etablierung eines permanenten Straßensystems nach römischen Vorstellungen verbunden war.25 Bei dieser Erfassung dürfte auf administrativem Wege eine völlige Umstrukturierung der bisherigen Besitzverhältnisse vorgenommen worden sein. Die Grundregeln, nach denen man hier vorging, sind uns durch Ulpians Werk ,De censibus’ hinreichend bekannt.26 Dig. 50,15,4 pr.: Forma censualis cavetur, ut agri sic in censum referantur. nomen fundi cuiusque: et in qua civitate et in quo pago ist: et quos duos proximos vicinos habeat. et arvum, quod in decem annos proximos satum erit, quot iugerum sit: vinea quot vites habeat: olivae quot iugerum et quot arbores habeat: pratum, quot intra decem annos proximos sectum erit, quot iugera: pascua quot iugerum esse videantur: item silvae caduae. omnia ipse qui defert aestimet. „Bei (der Erstellung) der forma censualis ist darauf zu achten, daß die Grundstücke wie folgt für den census aufgenommen werden. Name des Besitzes und des Besitzers. In welcher Gemeinde und welchem Gau (Gau ist hier als Unterteilung der großen Stammesgemeinde etwa in Gallien anzusehen) der Besitz liegt. Welches die beiden nächsten Nachbarn sind. Wieviel Morgen (iugerum) das Ackerland umfaßt, das in den nächsten 10 Jahren bestellt werden wird. Wieviel Rebstöcke die Weinberge haben. Bei Olivenpflanzungen, wieviel Morgen sie umfassen und wieviel Olivenbäume sie besitzen. Bei Holzpflanzungen, wieviel innerhalb der nächsten 10 Jahre geschlagen werden wird und wieviel Fläche (sie besitzen). Bei Weideland, wieviel Morgen es zu haben scheint.27 Ebenso die Wälder, die für den Holzeinschlag geeignet sind.28 Dies alles soll der Meldepflichtige (qui defert) selbst einschätzen.“ Das entscheidende Problem war hier die konkrete Zuschreibung von Land an bestimmte Personen. Land, das z. B. vorher der gemeinsame Besitz einer Gruppe gewesen war, dürfte jetzt einer einzelnen Person, d. h. in der Regel dem Führer der Gruppe, zugeordnet worden sein. Viel Land dürfte aber von Anfang an in die Kategorie des Landes gefallen sein, das überhaupt keinem konkreten Eigentümer zugeschrieben werden konnte. Dazu gehörten am ehesten Wälder oder Weideland. Solches Land gehörte damit in die Kategorie der bona vacantia, d. h. es fiel also sofort in die Verfügungsgewalt des römischen Staates bzw. des römischen Kaisers. Indizien für ausgedehnten kaiserlichen Privatbesitz gibt es auf dem Balkan durchaus, es genügt an das regnum Noricum29 oder den großen Bergwerksbezirk im heutigen Bosnien-Herzegowina zu erinnern, der selbst im 3. Jh. noch als eigenständige Verwaltungseinheit geführt wurde.30 Wenn man den frühkaiserzeitlichen Bleiabbau von Brilon im rechtsrheinischen Germanien als Vergleich heranzieht, dann dürften die Römer auch auf dem Balkan sehr schnell mit der Ausbeutung der einheimischen Bodenschätze begonnen haben.31 Die Katastrierung des unterworfenen Landes hatte auch noch einen oft vergessenen Nebeneffekt: es wurde nicht nur die Rechtsqualität des Landes festgelegt, sondern es wurden auch die Grenzen zwischen den einzelnen Gruppen der vorrömischen Bevölkerung auf Dauer etabliert. Diese Abgrenzung dürfte sowohl die territorialen Grenzen als auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe betroffen haben. 25 26

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Hyginus, Constitutio limitum in Campbell 2000, 158, Z. 26 ff. Vgl. auch Eck 1990. Zum wissenschaftlichen Werk des Ulpian vgl. Honoré 2002. Interessant ist, dass im ptolemaischen Ägypten fast identische Dinge beim census erfragt wurden, vgl. Manning 2003, 148–149. Die etwas vage Formulierung dürfte verständlicher werden, wenn man bedenkt, dass hierzu auch bergiges Gelände genutzt werden konnte, dessen Vermessung nicht einfach war. Interessant ist die Unterscheidung zwischen kultivierten Baumbeständen und den noch im Urzustand befindlichen Wäldern, die zu einem Besitz gehören konnten. Für die Waldwirtschaft dieser Zeit vgl. u.a. Meiggs 1982. Da sich wohl ein bedeutender Teil der Weidewirtschaft auf solchen marginalen Flächen abspielte bzw. die Herden größere Strecken zurücklegten, war die genaue Bestimmung des zu einem Besitzes gehörenden Weidelandes schwierig. Zum regnum Noricum vgl. Alföldy 1970. Hirt 2010, 53–56. Škrego 2000. Hirt 2010, 56–82 zu weiteren Bergbauterritorien unter kaiserlicher Kontrolle. Hanel – Rothenhöfer 2005.

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Der Unterschied in der Art und Weise, wie bestimmte Völkerschaften in den Machtbereich des Imperium Romanum integriert wurden, lässt sich auch noch in der Siegesinschrift vom Tropaeum Alpium fassen, die drei Kategorien von Stämmen unterscheidet (devictae, non hostiles, adtribuae): Plin. n.h. 3,136: Non alienum videtur hoc loco subicere inscriptionem e tropaeo Alpium, quae talis est: ,PS HUDWRUL &DHVDULGLYLÀOLR$XJ XVWR SRQW LÀFL PD[ LPR LPS HUDWRUL ;,,,,WU LEXQLFLDH SRW HVWDWLV ;9,, S(enatus) p(opulus)q(ue) R(omanus) quod eius ductu auspiciisque gentes Alpium omnes quae a mare superiori ad infernum pertinebant sub imperium p(opuli) R(omani) sunt redactae. *HQWHV$OSLQDHGHYLFWDH7UXPSLOLQL&DPXQQL9HQRVWHV9HQQRQHWHV,VDUFL%UHXQL*HQDXQHV)RFXQDWHV9LQGHOLFRUXPJHQWHVTXDWWXRU&RVXDQHWHV5XQLFDWHV/LFDWHV&DWHQDWHV$PELVRQWHV5XJXVFL6XDQHWHV&DOXFRQHV%UL[HQHWHV /HSRQWL8EHUL1DQWXDWHV6HGXQL9DUDJUL6DODVVL$FLWDYRQHV0HGXOOL8FHQQL&DWXULJHV%ULJLDQL6RJLRQWL%RGLRQWL1HPDORQL(GHQDWHV8VXELDQL9HDPLQL*DOOLWDHWUL8ODWWL(FGLQL9HUJXQQL(JXL7XUL1HPDWXUL2UDWHOOL 1HUXVL9HODXQL6XHWUL 1RQVXQWDGLHFWDH&RWWLDQDHFLYLWDWHV;,,TXDHQRQIXHUDQWKRVWLOHVLWHPDGWULEXWDHPXQLFLSLLVOHJH3RPSHLD





„Es scheint nicht unpasssend, an dieser Stelle die Inschrift von Alpen-Tropäum, die folgendermaßen lautet, anzuführen: Senat und Volk von Rom für den Imperator Caesar Augustus, den Sohn des göttlichen (Caesar), den pontifex maximus, Imperator zum 14. Mal, im Besitz der tribunizischen Gewalt zum 17. Mal, weil unter seiner Führung (eius ductu) und seiner Leitung (eius … auspiciis) alle Alpenvölker, die sich vom Oberen bis zum Unteren Meer ausdehnen, unter die Herrschaft des römischen Volkes gebracht worden sind. Die besiegten Alpenvölker (sind): Trumpiliner, Kamunner, Venosten, Vennoneten, Isarker, Breuner, Genaunen, Fokunaten, vier Stämme der Vindeliker, Kosunaten, Runikaten, Likaten, Katenaten, Ambisonten, Rugusker, Suaneten, Kalukonen, Brixeneten, Lepontier, Uberer, Nantuaten, Seduner, Varagrer, Salasser, Akitavonen, Meduller, Ukenner, Katurigen, Brigianer, Sogiontier, Bodontier, Nemaloner, Edenaten, Vesubianer, Veaminer, Bodontier, die ,häßlichen’ Gallier, Ulatter, Ekdiner, Vergunner, Eguer, Turer, Nematurer, Orateller, Nerusier, Velauner, Suetrer. Nicht angeführt sind die 12 cottianischen Gemeinden, die nicht feindlich gewesen sind, ebenso die nach der lex Pompeia den Munizipien zugeteilten (Gemeinden).“ Wie entwickelte sich aber die Situation der einheimischen Bevölkerung nach der römischen Okkupation? Zunächst einmal muss man sich für den größten Teil des nördlichen Balkan ein römisches Verwaltungssystem vorstellen, das in vergleichbarer Form auch aus anderen Gebieten des Imperium Romanum bekannt ist. Dabei übernahmen die im Lande stationierten römischen Truppenteile bzw. ihre Offiziere zusätzlich zu ihren eigentlichen militärischen Aufgaben auch noch die Verwaltung von Stämmen oder Stammesteilen, die ihnen unmittelbar zugeordnet worden waren (praefectus gentis, centurio regionarius).32 Unter rechtlichen Aspekten bedeutet dies, dass das Land wahrscheinlich weiterhin in der Rechtskategorie ager publicus populi Romani verblieb und seine alten Bewohner auch noch lange Zeit nach der Eroberung lediglich geduldete Nutzer des Landes waren. Man könnte jetzt der Meinung sein, dass dieser Zustand der direkten militärischen Verwaltung lediglich eine kurze Übergangsphase bezeichnet, bis sich dann die notwendigen gesellschaftlichen und politischen Strukturen ausgebildet hatten, unter denen die römischen Autoritäten die Bildung einer civitas zulassen konnten. Diese civitas konnte dann auf lokaler Ebene viele der zuvor von der römischen Militärverwaltung erledigten Aufgaben übernehmen. Ein gutes Beispiel, wie eine solche Entwicklung hin zu einer regelgerechten civitas in groben Zügen verlaufen konnte, findet sich in der Provinz Germania superior. Hier wurde das Gebiet von Sumelocenna, dem heutigen Rottenburg am oberen Neckar, in der Anfangsphase der römischen Herrschaft beginnend mit den Flaviern zunächst von einem kaiserlichen procurator verwaltet, bevor dann dieses Gebiet spätestens

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Vgl. Speidel 1984 mit weiteren Belegen.

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in severischer Zeit zu einer vollfunktionsfähigen civitas umgewandelt werden konnte.33 Der von Ernst Stein aus der griechischen Version [­πίτροπον….Σεβαστ]οĽ χĊρας [Σ]ομελοκεννησίας καă [îπ]ερλιμιτάνης erschlossene Titel eines ,procurator regionis Sumelocennensis et translimitanae’ darf als verlässlich eingestuft werden.34 Stein verstand ihn seinerzeit als vorgesetzten (wahrscheinlich sexagenaren) procurator für eine größere Zahl von kleineren saltus, die ihrerseits eigenen procuratores unterstanden.35 Ähnlich scheint auch die administrative Entwicklung in der sogenannten pertica von Karthago verlaufen zu sein, die in ihrer frühen Phase wahrscheinlich den größten Teil des Bagradas-Tales umfasste.36 

&,/; ,/6 )RUPLDH 0&DHOLXV0 DUFL O LEHUWXV 3KLOHURVDFFHQV XV T(iti) Sexti imp(eratoris) in Africa, Carthagine aed(ilis), praef(ectus) L XUH G LFXQGR YHFWLJ DOLEXV TXLQT HQQDOLEXV ORFDQG LV LQFDVWHOOLV/;;;,,, aedem Tell(uris) s(ua) p(ecunia) fec(it), ii-vir Clupiae bis, Formis Augustalis, aedem Nept(uni) lapid(ibus) var(i)is ornav(it) Fresidiae N(umerii) l(ibertae) Florae uxori, viro obseq(entissimo) 42FWDYLR IHPLQDH O LEHUWR $QWLPDFKRNDURDPLFR „Marcus Caelius Phileros, Freigelassener des Marcus, Amtsgehilfe des imperator Titus Sextius in Africa, aedilis in Carthago, praefectus mit dem Recht zur Rechtsprechung, um die Abgaben in 83 castella für einen Zeitraum von 5 Jahren zu vergeben. Er hat den Tempel der Tellus mit seinem eigenen Geld errichtet. Zweimal duum-vir in Clupia, Augustalis in Formiae, (hat dies gemacht) für seine Ehefrau Fresedia Flora, die Freigelassene des Numerius, (und) den höchst ergebenen Mann Quintus Octavius Antimachus, den Freigelassenen einer Frau, den teuren Freund.“ &,/9,,, 8FKL >0&@DH>OLXV3KL@OHURVFDVWHOOXPGLYLVLWLQWHUFRORQRVHW8FKLWDQRVWHUPLQ XP TXHFRQVWLWXLW „Marcus Caelius Phileros hat das (Territorium des) castellum aufgeteilt zwischen den coloni und den Einwohnern von Uchi und hat die Grenze (Grenzen ?) festgelegt.“

Die entscheidende Stelle dieser Inschrift ist ,termin()que constituit’. Man kann an dieser Stelle zwei unterschiedliche Auflösungen ins Auge fassen: ,termin(um)’ und ,termin(os)’. Im 1. Fall wäre die Ackerfläche des castellum in zwei säuberlich voneinander getrennte Flächen aufgeteilt worden, wobei die römischen coloni wahrscheinlich das wirtschaftlich interessantere Stück erhielten. Die 2. Variante mit ,termin(os)’ zieht auch die Möglichkeit von Streubesitz in Betracht. Insgesamt scheint mir die erste Variante die wahrscheinlichere Lösung zu liefern, da durch sie wahrscheinlich die qualitativ besseren Bestandteile des Territoriums den römischen Neusiedlern zugeteilt wurden. Welche Probleme sich dadurch vor Ort zwischen den Neu- und den Altsiedlern entwickelten, kann man nur erahnen. Ein inschriftlich tradiertes Beispiel aus der Narbonensis zeigt, welche Probleme sich selbst nach Jahrhunderten aus dem Nebeneinander unterschiedlicher ethnischer und rechtlicher Gruppen auf dem Territorium einer einzigen Gemeinde ergeben konnten.37

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Bezeichnend für die Zufälligkeit unserer Quellenüberlieferung ist die Tatsache, dass der einzige bekannte procurator, der für Sumelocenna zuständig war, nur in einer akephalen griechischen Ehreninschrift (IGRR III 70 = ILS 8855) aus Bithynien erwähnt wird, möglicherweise, weil sich der ehemalige Dienstort des geehrten Mannes für griechische Ohren so völlig exotisch anhörte. Stein 1932, 51 f. Welche Bedeutung die ,regio translimitana’ für das römische Rechtsverständnis hat, ist noch ungeklärt. Es könnte sich andeuten, dass man den Verlauf des militärisch gesicherten Limes nicht unbedingt mit der römischen Reichsgrenze gleichsetzte, sondern sich auch einige Rechte (Waldnutzung, Abbau von Erzen, Weiderechte) für die jenseitigen Gebiete reservierte. Stein 1932, 51–52. Schöllgen 1984, 28–31 zur historischen Entwicklung des Ba- gradas-Tales. Vgl. auch Carthage 1990; Demsiri-Laadoua 2000; Beschaouch 1997; Hoffmann-Salz 2011, 181, die allerdings übersieht, dass durch CIL X 6104 = ILS 1945 eine eindeutige Datierung gegeben ist. CIL XII 394 = ILS 6988.

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In Fall der pertica können wir dank der für Nordafrika besseren Quellensituation feststellen, dass es selbst in diesem Gebiet trotz wesentlich günstigerer Voraussetzungen rund zwei Jahrhunderte (also bis ans Ende des 2. Jhs. n. Chr.) dauerte, bis die vorrömischen Strukturen, die vor allem auf den einheimischen Kastellen und pagi basierte, weitgehend durch eine Verwaltungsstruktur mit städtischen Gemeinden, die nach römischem Recht organisiert waren, ersetzt worden waren. Vor dem Hintergrund solcher Entwicklungen, die man im Sinne der römischen Autoritäten durchaus als erwünscht und planvoll bezeichnen könnte, müssen wir zunächst einmal davon ausgehen, dass zumindest größere Teile des Balkans ebenfalls eine deutlich verlangsamte Entwicklung gehabt hatten bzw. niemals in ihrer Geschichte auf einen solchen Entwicklungsstand gekommen sind. So deutet eine Grabinschrift des 2. Jhs. aus der SURYLQFLD0RHVLDVXSHULRU an, dass ein solches vorwiegend vom römischen Militär getragenes System der Verwaltung nicht nur in der unmittelbaren Okkupationsperiode existierte, sondern offensichtlich auf lange Zeit angelegt sein konnte. 

$( 6'XVDQLF$UKHROVNL9HVWQLN² 7LPDFXP0LQXV 



' LV  0 DQLEXV 8OS LXV  $TXLOLQXVPLO HV  OHJ LRQLV  9,, &O DXGLDH OLEUDULXV RIÀFL L  SUDH IHFWL  WHU U LW RULL  YL[LWDQQ RV ;;,,$TXLOHLHQVLVHW8OSLD'LRWLPDÀOLRGXOFLVVLPRE HQH P HUHQWL S RVXHUXQW  „Den Totengöttern. Ulpius Aquilinus, Soldat der legio VII Claudia, Aktenverwalter im Büro des Kommandeurs des Territoriums. Er lebte 22 Jahre. Aquileiensis und Ulpia Diotima für den allerliebsten Sohn. Sie haben für ihn, der es wohl verdient hat, errichtet.“

Da in der Inschrift zweimal das nomen gentile Ulpius (Mutter und Sohn) verwendet wird, das auf eine Bürgerrechtsverleihung unter Kaiser M.Ulpius Traianus (98–117) schließen lässt, kann man dieses Zeugnis wohl frühestens in die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. datieren.38 Die Tatsache, dass diese Region selbst dann immer noch unter militärischer Verwaltung stand, ist schon bemerkenswert, da das fragliche Gebiet von Timacum Minus sicherlich schon seit der Zeit des Augustus von den Römern besetzt war. Doch wir können noch einen Schritt weiter gehen. Für einige Regionen des Balkan sollte man grundsätzlich davon ausgehen, dass dort während der gesamten Periode der römischen Herrschaft zu keinem Zeitpunkt ein Entwicklungsstand erreicht wurde, der die Etablierung von Gemeinden im Sinne des römischen Rechtes gerechtfertigt hätte. Was im konkreten Fall die Gründe dafür waren, die fehlende Bereitschaft der einheimischen Bevölkerung oder der mangelnde Wille der römischen Autoritäten, eine solche Entwicklung energisch voranzutreiben, vermag ich nicht zu entscheiden, obwohl man darüber trefflich streiten könnte. Um das ganze Problem in einen größeren Kontext einzuordnen, ein kurzer Blick auf andere Regionen des Reiches, in denen es ebenfalls Indizien für die Vermutung gibt, dass dort die römische Herrschaftsorganisation in den Kinderschuhen stecken geblieben ist. Ohne hier Vollständigkeit der Exempla anzustreben, einige Beispiele, die die Komplexität der hier angesprochenen Problematik verdeutlichen mögen. Im südbalkanischen Raum scheinen die ländlichen Regionen der Großpolis Philippopolis, aus denen wir eine größere Anzahl einheimischer vici kennen, weitgehend selbständig gewesen zu sein und wurden Philippopolis lediglich adtribuiert.39 Dies ist ein Verfahren, das wir auch noch aus dem südlichen Alpengebiet kennen, wo z. B. die einheimischen Völkerschaften der Anauner, Tulliassier und Sinduner der römischen Gemeinde Tridentum zugeschlagen worden waren.40 38

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Der Name des Vaters ist ungewöhnlich und verlangt nach einer genaueren Untersuchung. Der Vorschlag von Dusanic (nach AE ad loc.), hier eine Herkunftsangabe für einen peregrinus zu sehen, ist nicht zwingend zu nennen. Man sollte eher an die Nomenklatur von servi publici der Gemeinde Ostia (Ostiensis) denken, demnach könnte Aquileiensis ein ehemaliger servus publicus der Gemeinde Aquileia gewesen sein. Möglicherweise war Aquilinus ein Kind aus einer concubinatus-ähnlichen Beziehung. Eine ähnliche Herkunft sollte auch für Salonia Palestrice (Salonius/a von Salona) bedacht werden, vgl. CIL III 1297 = ILS 1593: ' LV 0 DQLEXV 08OSLR$XJ XVWL OLE HUWR +HUPLDHSURF XUDWRUL DXUDULDUXPFXLXVUHOLTXLDHH[LQGXOJHQWLD$XJ XVWL  Q RVWUL 5RPDPODWDHVXQW6DORQLD3DOHVWULFHFRQLXQ[HW'LRJHQHVOLE HUWXV EHQHPHUHQWLIHFHU XQW YL[LWDQQ RV /9Vgl. die sehr knappen und in diesem Punkt wenig weiterführenden Ausführungen von Weiß 2004, 191 f. Vgl. die Inschriften für milites praetoriani aus Philippopolis. Herz 2005. CIL V 5050 = ILS 206 = FIRA I Nr. 71. Zum Stand der Diskussion vgl. Laffi 1966 mit Schillinger-Häfele 1967; Bertrand 1991; Bats 2007.

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Aufschlussreich für die unmittelbar nach der Eroberung der Alpentäler gültigen rechtlichen Verhältnisse ist das Schreiben des Claudius an den einheimischen Stamm der Anauner:41 quod ad condicionem Anaunorum et Tulliassium et Sindunorum pertinet, quorum partem delator adtributam Tridentinis, partem non adtributam quidem arguisse dicitur „was die (rechtliche) Stellung der Anauner, Tulliassier und Sinduner angeht, von denen, wie ein Ankläger behauptet haben soll, ein Teil der Gemeinde der Tridentiner zugeschlagen sei, ein Teil nicht, …“. Daneben macht dasselbe Schreiben auch sehr deutlich, dass ein bedeutender Teil der strittigen Bergregionen im Bereich von Tridentum nicht zur Kategorie ,Kaiserlicher Privatbesitz’ gehörte (agros plerosque et saltus mei iuris esse), zumindest darf man dies wohl der von Claudius verwendeten Formulierung ,mei iuris esse’ entnehmen, sondern andere Eigentümer hatte.42 Ob Claudius allerdings bei seiner Formulierung eher an den kaiserlichen Privatbesitz im eigentlichen Sinne (patrimonium Caesaris) dachte oder sich hier mehr als Sachwalter des aerarium populi Romani fühlte, lässt sich nicht abschließend beantworten, obwohl mir die erste Lösung durchaus wahrscheinlich scheint.43 Die hier vorgenommene Unterscheidung zwischen agri und saltus entspricht genau der klassischen Differenzierung zwischen dem für Ackerbau und dem für Viehwirtschaft nutzbaren Land, d. h. es ging hier nicht nur um die Kontrolle des Weidelandes in den Höhenlagen, sondern wohl auch um die Ackerflächen in den Tallagen.44 Man kann das hier erkennbare Modell der Besitzverteilung wahrscheinlich mit gewissen Modifikationen auch auf die anderen Alpentäler in unserem Raum übertragen. Wer aber Eigentümer der übrigen saltus war, die römischen Gemeinden, denen dieses Land adtribuiert worden war, und es wohl wie ihren eigenen ager publicus behandelten, oder sogar Privatleute, muss weithin in der Schwebe bleiben.45 Diese adtributio, die nach der Eroberung in der frühen Kaiserzeit erfolgte, scheint recht dauerhafter Natur gewesen zu sein, denn in der wahrscheinlich frühseverischen Inschrift für den eques Romanus C.Valerius Marianus aus Tridentum taucht unter seinen relativ konventionellen Gemeindeämtern auch die Funktion eines praef(ectus) auf, was möglicherweise mit der Verwaltung dieser adtribuierten Alpenvölker erklärt werden kann.46 Wenn man die Möglichkeit in Betracht zieht, dass auch private Eigentümer größere Teile von diesem Land kontrollierten, dann wäre vor allem an die Angehörigen der ehemaligen Stammesaristokratie zu denken, die bei der erstmaligen Erstellung des Bodenkatasters für die einzelnen Gemeinden ihre Interessen wesentlich besser durchsetzen konnten als die einfachen Angehörigen der Stämme. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Führungsschicht der einheimischen Völker durch eine relativ frühe Aufnahme in die civitas Romana schnell in die Herrschaftsstrukturen des Reiches eingebunden wurden, so bedeutet dies ja nicht zwingend die völlige und ersatzlose Auflösung der vorher existierenden wirtschaftlichen und sozialen Strukturen vor Ort, die den führenden Familien ja erst ihre Stellung gegeben hatten. Ich denke hier an einen Prozess der zunehmenden Verrechtlichung von vorher eher sozialen Abhängigkeitsverhältnissen, der aber an der Fortexistenz der grundsätzlichen Abhängigkeiten vor Ort nichts änderte. Ein solches Verfahren der adtributio war aber nur dann praktikabel, wenn sich funktionierende römische Gemeinden in der Nähe befanden, die man mit einer solchen Aufgabe betrauen konnte. In Gebieten, in

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CIL V 5050 = ILS 206 = FIRA I Nr. 71. Übersetzung angepasst nach Freis 1994, Nr. 33. Zum Stand der Diskussion vgl. Bertrand 1991. Das ebenfalls in diesem Claudius-Brief erwähnte Gebiet der Bergalei wird gemeinhin mit dem Bergell- oder Bregaglia-Tal bei Como identifiziert. Während Comum eine regelgerechte römische Gemeinde war, gehörten die Bergalei zu den Alpenvölkern, d. h. die bei den Anaunern fassbar werdenden rechtlichen Schwierigkeiten waren offensichtlich nicht auf sie beschränkt. Zur Problematik der Unterscheidung von kaiserlichen Privatbesitz und Staatsbesitz vgl. Alpers 1995 passim. Vgl. dazu die Definition des Aelius Gallus bei Festus 393,33 L.: 6LJQLÀFDWLRQXPTXDHDGLXVSHUWLQHWLWDGHÀQLWVDOWXVHVWXELVLOYDHHW pastiones sunt, quarum causa casae quoque; si qua particula in eo saltu pastorum aut custodum causa aratur, ea *res non peremit nomen salti, non PDJLVTXDPIXQGLTXLHVWLQDJURFXOWRHWHLXVFDXVDKDEHWDHGLÀFLXPVLTXDSDUWLFXODLQHRKDEHWVLOYDH Remy 2011; Strobel 2011. CIL V 5036 = ILS 5016.

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denen eine solche administrative Infrastruktur völlig fehlte, scheint man eine Organisation durch kaiserliche saltus oder die direkte militärische Verwaltung vorgezogen zu haben.

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JULIA KOPF

INDIZIEN FÜR MILITÄRPRÄSENZ IM FRÜHKAISERZEITLICHEN FUNDMATERIAL BRIGANTIUMS

Abb. 1: Schnitt durch die Verfüllungen des westlichen Spitzgrabens der Grabung Bregenz Böcklearel 2010.

Die Frage nach der Existenz eines frühkaiserzeitlichen Militärlagers in Brigantium/Bregenz wird seit der ersten Entdeckung von militärischen Kleinfunden am Ende des 19. Jhs. kontrovers diskutiert1. Sowohl bauliche Befunde als auch die nicht unbeträchtliche Anzahl von Militaria aus Bregenz wurden seitdem als Überreste eines frühkaiserzeitlichen Militärlagers auf dem Ölrain-Plateau bzw. als Hinterlassenschaft der dort stationierten Soldaten interpretiert2. Aufgrund des Fehlens eindeutiger Baureste – v. a. solcher, die im Zuge methodisch moderner Ausgrabungen freigelegt wurden – sowie des in den letzten Jahren stark diskutierten Phänomens des teilweise massenhaften Auftretens von Militaria und damit verbundenen Pferdegeschirrs in Zivilsiedlungen3 wurde ein frühkaiserzeitliches Militärlager in Bregenz jedoch von vielen Seiten in Zweifel gezogen4. 1

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Jenny 1883/84, 9 f. Abb. 6–8; v. Schwerzenbach – Jacobs 1910/11, 47 Abb. 10 (B.G. 669, 673); 69 Abb. 19 (B.G. 856). – Für ein frühes Militärlager plädierte als erster S. Jenny (Jenny 1897, 25), während R. von Scala die militärischen Ausrüstungsgegenstände auf durchziehende Soldaten zurückführte (v. Scala 1914, 35). z. B. Hild 1953; Overbeck 1982, 191 f.; Ertel u. a. 2011, 186 f. Siehe dazu die Akten zur XIII. Roman Military Equipment Conference in Windisch zum Vorkommen militärischer Ausrüstungsgegenstände im zivilen Kontext im Jahresbericht der Gesellschaft pro Vindonissa 2001 (2002). Zur unterschiedlichen Bewertung von spezifischen Pferdegeschirr-Formen in Bezug auf militärische Präsenz siehe etwa Deschler-Erb 1999, 49 (pro) und Mackensen 2001, 336–341 (contra). Der Großteil der von M. Mackensen vorgelegten Pferdegeschirranhänger stammt allerdings aus einem militärischen Fundzusammenhang bzw. einem militärisch geprägten Umfeld. Zusammenfassungen der wichtigsten Forschungsmeinungen zu dem Thema finden sich bei Schimmer 2005a, 51–57 und Zanier 2006, 82–86.

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Bestes Kriterium zur Unterscheidung militärisch oder zivil sind natürlich charakteristische bauliche Überreste. Trotzdem spielt gerade bei der Beurteilung von Siedlungsplätzen des frühen 1. Jhs. n. Chr. auch das Kleinfundgut eine wichtige Rolle, wobei wie angedeutet Militaria, geschweige denn Pferdegeschirrbestandteile, nicht immer als sicheres Beweismittel gelten können – an zweifelsfrei militärischen Plätzen wurden z. T. wenige gefunden, an gesichert bzw. wahrscheinlich zivilen viele5. Daher ist es sinnvoll, für die Beurteilung eines Siedlungsplatzes neben den charakteristisch militärischen Fundstücken weitere Fundgruppen in die Überlegungen miteinzubeziehen, um zivile und militärische Besonderheiten herauszuarbeiten6. Für diesen methodischen Ansatz bieten sich insbesondere überregional umlaufende Fundgruppen wie Münzen und Terra Sigillata an. Weiters treten auch Bestandteile der Tracht wie beispielsweise spezielle Fibeltypen bevorzugt an militärisch besetzten Plätzen auf. Aufgrund des datierenden Charakters dieser Fundgruppen können anhand ihrer Verhältniszahlen zueinander bisweilen auch Aussagen über den Anfangs- oder Endzeitpunkt eines postulierten Militärlagers getätigt werden7. Im Folgenden soll versucht werden, durch eine überblicksartige Betrachtung dieser Fundgruppen aus Brigantium von baulichen Strukturen unabhängige Spuren einer Militärpräsenz der 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. herauszufiltern.

Militaria aus Brigantium Frühkaiserzeitliche Militaria (inkl. Pferdegeschirr) aus dem Siedlungsbereich und dem Gräberfeld von Brigantium wurden bereits an mehreren Stellen vorgelegt8. Eine umfassende Vorlage und Auswertung ist jedoch noch nicht erfolgt9. Bei den bekannten Stücken handelt es sich um Funde augusteischer bis neronischer Zeitstellung10. Ausgrabungen der Jahre 2009/2010 auf dem sogenannten Böckleareal im Westen der bekannten römerzeitlichen Siedlungsfläche auf dem Ölrain-Plateau erbrachten neben militärisch zu deutenden baulichen Befunden (u. a. zwei parallel laufende Spitzgräben, Abb. 1) eine deutliche Vermehrung der frühkaiserzeitlichen Militaria aller Kategorien11. Dabei scheint das zeitliche Spektrum der Neufunde demjenigen der Militaria aus den Altgrabungen zu entsprechen; exemplarisch seien hier Fragmente einer Dolchscheide des Typus Mainz mit Rosettenverzierung (Abb. 2,1) und Gürtelbleche sowie das Fragment einer Knopfschließe mit Niello-Einlagen (Abb. 2,2–6) der Grabungskampagne 2009 angeführt12. Sowohl die Lage der neu entdeckten Umwehrungsbefunde auf dem Böckleareal als auch die Kartierung der bekannten Militaria aus Altgrabungen13 sprechen dabei für die bereits von A. Hild vermutete Lokalisierung des frühkaiserzeitlichen Militärlagers im westlichen Bereich des Ölrain-Plateaus14.

Die numismatische Evidenz In der Frühzeit der römischen Herrschaft nördlich der Alpen scheinen manche Münzprägungen so gut wie ausschließlich an militärisch belegten Plätzen aufzutreten. Dies lässt sich mit den Soldzahlungen an 5

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E. Deschler-Erb schlägt zur Unterscheidung militärischer von zivilen Siedlungsplätzen anhand der Militaria vor, die Verhältnisse der einzelnen Militaria-Kategorien zueinander zu untersuchen, da offenbar an zivilen Siedlungsplätzen die Pferdegeschirrbestandteile überwiegen, während an militärischen Orten die Waffen- und Ausrüstungsgegenstände dominieren (Deschler-Erb 1999, 87 f.). Dem widerspricht allerdings K. H. Lenz, der gut dokumentierte Orte des Rheingebiets unter diesem Aspekt beleuchtete (Lenz 2001, 77 f.). Martin 2009, 151 f. Zur numismatischen Datierung von Militärplätzen siehe etwa Ziegaus 2004, 55–59. Im Rahmen von Grabungsberichten: Hild 1930, 139–142; Hild 1948, 134 f. 137 f. 140. 143. 146 f.; v. Schwerzenbach – Jacobs 1910/11, 47 Abb. 10 (B.G. 669, 673); 69 Abb. 19 (B.G. 856). – Im Rahmen von Aufsätzen/Monographien: Mackensen 1987, 159–161; Ubl 1999, 246–250. 254–261; Mackensen 2001, 333–335; Schimmer 2005b, 611 f. 620 f. Eine solche ist im Rahmen der Dissertation der Verfasserin geplant, zusammen mit der Vorlage der neuen Grabungsergebnisse zum frühkaiserzeitlichen Militärlager. Diese Dissertation wurde 2011 durch ein Stipendium des Vizerektorats für Forschung der Universität Innsbruck gefördert. Schimmer 2005b, 612. Die Grabungen wurden von der Tiroler Grabungsfirma Talpa GnbR durchgeführt. Zu den wichtigsten Grabungsergebnissen siehe Bader 2011. Die Aufarbeitung dieser Grabungen erfolgt im Rahmen des FWF-Projekts „Vom Militärlager zur Zivilsiedlung – Die Genese der westlichen Peripherie von Brigantium“ (P23777-G19) an der Universität Innsbruck unter der Leitung von Gerald Grabherr. Zu diesen Funden siehe auch Kopf 2011a. Schimmer 2005b, 622 Abb. 13. Hild 1953, 712. Einen quasi gleichen Lokalisierungsvorschlag bietet Ertel u. a. 2011, 26 f. Dort finden sich auch Ausführungen zu einem möglichen frühkaiserzeitlichen Hafenkastell im Bereich des Steinbühels (Ertel u. a. 2011, 184–187).

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die Soldaten erklären. Einen archäologischen Niederschlag findet dieser Umstand in charakteristischen Verläufen von Münzkurven aus Militärlagern, die sich von Münzkurven aus nahe gelegenen Zivilsiedlungen z. T. erheblich unterscheiden. So sind beispielsweise für das Fundspektrum augusteischer Militärlager ein hoher Anteil von Nemausus-Assen der 1. Serie, das Vorkommen von Bronzen der Vienna/Copia-Gruppe und spätkeltische Potin- und Bronzemünzen typisch. Weiters ist das Verhältnis zwischen 1. und 2. Altarserie von Lugdunum aussagekräftig – das Dominieren der 1. Altarserie spricht hierbei für eine augusteische Gründung15. Aus Bregenz liegen inklusive der bereits bestimmten Münzfunde der Grabungskampagne 2009 auf dem Böckleareal neun Nemaususprägungen der 1. Serie ohne Gegenstempel vor16, was einen vergleichsweise hohen Prozent-Wert innerhalb der republikanischen und augusteischen Prägungen aus Bregenz ausmacht – dieser liegt über den Vergleichswerten von Augsburg-Oberhausen17 (Abb. 3) und der Grabung Windisch-Breite18 (Abb. 4). Vienna/Copia-Prägungen sind mit einem Stück nur schwach, aber doch vertreten. Bei den Prägungen aus Lyon herrscht ein recht ausgewogenes Verhältnis mit leichtem Übergewicht der 2. Altarserie vor, wobei diesbezüglich die Unsicherheit einiger keiner Serie zuweisbarer Altarprägungen besteht. Zudem könnte die 1. Altarserie von Lugdunum neueren Forschungen zufolge erst die großen Militäranlagen am (Nieder-)Rhein erreicht haben und erst ab spätaugusteischer/frühtiberischer Zeit zusammen mit der 2. Altarserie in den kleineren Lagern unseres Gebiets aufgetaucht sein19. Dementsprechend Abb. 2: Militaria der Grabungskampagne Bregenz Böckleareal 2009.

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Peter 1991, 119. Eine entscheidende Bedeutung für die Rekonstruktion des Münzumlaufs im augusteischen Militärumfeld kommt den Münzen aus den bis längstens 9 n. Chr. besetzten Lagern in Westfalen zu. Siehe dazu Ilisch 1999. Als Grundlage für die Bregenzer Münzzahlen diente die Liste bei Overbeck 1973, 22–50. Dazu kommen sechs republikanische und augusteische Münzen der Grabung 2009 (u. a. zwei Prägungen der 1. Nemaususserie und eine Münze Lugdnunum 1. Altarserie). Die Münzen der Grabungskampagne 2010 sind noch nicht bestimmt. Zu den frühaugusteischen Münzen aus Bregenz und ihrer Bedeutung für die Eingrenzung des Siedlungsbeginns siehe auch Konrad 1989, 592 und Ziegaus 2004, 59 f. 64 f. °FMRD I 7, 77–90 Nr. 7011. Münzprägungen, die auf den Diagrammen nicht aufscheinen, wurden nicht berücksichtigt (z. B. Provinzialprägungen). Die Münzzahlen der Grabung Windisch-Breite 1996–1998 entsprechen dem vorlagerzeitlichen Münzumlauf und dem Münzumlauf der 13. Legion in Vindonissa (gefunden im Innenhof der Principia der 21. und 11. Legion). Münzliste bei Doppler 2003, 460 Abb. 316. Doppler 2003, 459. 462. So sind etwa für die Militärlager in Kaiseraugst, in Zurzach und in Vindonissa (13. Legion) ausgewogene Zahlenverhältnisse zwischen 1. und 2. Altarserie charakteristisch.

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Abb. 3: Vergleich der republikanischen und augusteischen Münzprägungen aus Bregenz und Augsburg-Oberhausen.

Abb. 4: Vergleich der republikanischen und augusteischen Münzprägungen aus Bregenz und von der Grabung Windisch-Breite 1996–1998.

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ergibt die Analyse der Münzen kein klares Indiz für oder gegen einen augusteischen Militärposten in Brigantium. Interessant ist das Fehlen von keltischen Münzen (nordost)gallischer Herkunft in Bregenz. Diese waren in Gallien im einheimisch geprägten Umfeld recht lange im Umlauf, während sie im militärisch geprägten Bereich schnell durch das römische Geld verdrängt wurden. Dies ist auf die überragende Rolle des Militärs im Hinblick auf die Verbreitung römischer Münzen in frührömischer Zeit zurückzuführen20. Keltische Kleinbronzen gallischer Herkunft sind in Vindonissa noch gut vertreten21 und streuen auch ins bayerische Voralpengebiet (sieben aus Augsburg-Oberhausen und eine Aduatuci-Prägung aus Kempten)22. Kleinbronzen nordostgallischer Münzstätten werden dabei oft als Zeugnis der Anwesenheit römischer Soldaten in der Zeit von ca. 10 v. Chr. bis 16 n. Chr. gewertet. Aufschlussreich ist, dass diese Münzen an raetischen Militärposten (z. B. Friedberg-Rederzhausen) und in Kleinkastellen (Nersingen, Burlafingen), die erst unter Kaiser Tiberius gegründet wurden, fehlen. Ihr Umlauf scheint sich demnach auf die augusteische Zeit beschränkt zu haben23. Im Hinblick auf das Militärlager in Bregenz könnte dies ein Argument für eine Gründung erst in tiberischer Zeit sein. Ein weiteres numismatisches Charakteristikum tiberischer Militärlager lässt sich am Beispiel von Straßburg aufzeigen. Epigraphisch ist belegt, dass sich hier in der 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. das Lager der 2. Legion befand. Dem archäologisch erschlossenen Gründungsdatum von 14/15 n. Chr. bzw. dem frühen Siedlungshorizont können jedoch keine baulichen Strukturen und auch keine Militaria zugewiesen werden. Vielmehr sind die Fundmünzen ein entscheidender Faktor für die Datierung der Lagergründung. Die frühe Straßburger Münzreihe wird dominiert von stadtrömischen Münzmeisterprägungen des späten 1. Jhs. v. Chr. Dies ist charakteristisch für in frühtiberischer Zeit gegründete militärische Plätze am Rhein (etwa auch Köln-Alteburg und Vindonissa), wo diese Prägungen in der Regel 40–50 % aller augusteischen und tiberischen Bronzen ausmachen24. Zurückzuführen ist dieser Umstand u. a. darauf, dass die augusteischen Münzmeister-Asse ihren Umlaufhöhepunkt erst in nachaugusteischer Zeit erreichten25. Allerdings gilt es diesbezüglich wohl regionale Unterschiede stärker zu berücksichtigen, da beispielsweise im augusteischen Lager von Augsburg-Oberhausen der Anteil an Münzmeisterassen ebenfalls sehr hoch ist. Dies könnte für ein früheres Zirkulieren dieser Prägungen im Alpenvorland sprechen26. Ganz anders als die Münzreihen der rheinischen Lager präsentieren sich die frühen Münzreihen ziviler Siedlungsplätze der Nordschweiz; dort sind im Regelfall höhere Prozentanteile an republikanischen und tiberischen Prägungen als an Münzmeisterassen vorhanden. Dementsprechend zeigt das Beispiel Straßburgs, dass Münzfunde eine wichtige Rolle bei der Zuweisung eines Fundplatzes zum militärischen oder zivilen Bereich einnehmen können27. Bei der Bregenzer Münzkurve ist auffällig, dass die für Militärlagergründungen der tiberischen Zeit typischen Münzmeister-Asse des Augustus sowie die ebenfalls dem tiberischen Münzumlauf zuzuschreibenden Prägungen der 2. Altarserie von Lyon28 innerhalb der republikanischen und augusteischen Münzprägungen sehr bzw. recht stark vertreten sind. Hierin ist möglicherweise der deutlichste Niederschlag eines Kastells der tiberisch-(früh)claudischen Zeit zu sehen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die frühe Münzreihe von Brigantium bei manchen Prägungen an augusteische Militärplätze wie Augsburg-Oberhausen und tiberisch-claudische Lagerbereiche wie Windisch-Breite anlehnt (Nemausus-Prägungen, Vorkommen von Vienna/Copia-Prägungen), bezüglich anderer Münztypen jedoch große Unterschiede zu diesen Lagern festzustellen sind (deutlich weniger Lugdnunum I-Prägungen) und insgesamt betrachtet große Gemeinsamkeiten mit vermeintlich rein zivilen Siedlungen wie dem in tiberi20 21 22 23 24 25 26 27 28

Wigg 1999, 328–333. 337 f. 342 f. Doppler 2003, 461 (66 Stück). Bakker 1999, 454; Sieler 2009, 68. 71. Ziegaus 2000, 19. Martin 2009, 152 fig. 1. Wigg 1999, 333 f.; Ziegaus 2004, 55. Ziegaus 2004, 55. 61. Martin 2009, 152 f. fig. 2. Doppler 2003, 458.

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Abb. 5: Vergleich der republikanischen und augusteischen Münzprägungen aus Bregenz und Kempten.

scher Zeit gegründeten Kempten bestehen (Abb. 5)29. Letztere resultieren wohl nicht zuletzt aus dem Weiterbestehen einer zivilen Siedlung in Brigantium nach Auflassung des Militärlagers, welche vielleicht entscheidende numismatische Parameter „verwischt“ haben könnte30. Mehr Aufschlüsse wären aus einer zahlenmäßig aussagekräftigen Münzreihe, die nur aus kastellzeitlichen Schichten (im Idealfall nur aus dem Bereich des Militärlagers) stammt, zu gewinnen; eine solche steht für Bregenz momentan jedoch nicht zur Verfügung. Problematisch an der Heranziehung der Bregenzer Gesamtmünzreihe für Fragen nach dem Siedlungsbeginn ist zudem der Umstand, dass bei den Altgrabungen erstens nur selten bis zum anstehenden Boden gegraben wurde, sprich die ältesten Siedlungsschichten meist gar nicht untersucht wurden31, und dass zweitens auch von den Großgrabungen der 2. Hälfte des 20. Jhs. nur verhältnismäßig wenige Münzen vorliegen, was wohl mit der Grabungstechnik begründet werden kann32. Als weiteres Indiz für den militärischen Charakter der frühen Siedlung Brigantium lassen sich Münzen mit Gegenstempel anführen. Solche Gegenstempel auf Prägungen, die in frühtiberischer Zeit im Umlauf waren – v.a. Asse der 2. Altarserie von Lyon und Münzmeisterasse – werden generell als militärisches Phänomen angesehen. An zivilen Siedlungsplätzen sind sie sehr selten33. B. Overbeck führt bei den augusteischen Münzen aus Bregenz zwölf Stück mit Gegenstempel an, davon elf Münzmeisterasse34. Eine Münze wurde sogar doppelt gegengestempelt. Es kommen die Stempelvarianten III, IMP AVG, AVG, 29 30

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FMRD I 7, 238–285 Nr. 7182; Sieler 2009, 68–70. H. W. Doppler setzt den Umlaufhöhepunkt der Münzmeisterasse erst nach 45 n. Chr. an (in: Hagendorn 2003, 458), d.h. der in Bregenz gegenüber der Grabung Windisch-Breite höhere Anteil an Münzmeisterprägungen könnte dem nachkastellzeitlichen Geldumlauf zuzuschreiben sein, was im Umkehrschluss natürlich für den kastellzeitlichen Geldumlauf höhere Prozentwerte der restlichen augusteischen Münztypen nach sich ziehen würde. Siehe dazu auch Schimmer 2005a, 12. Nicht zuletzt aufgrund der mangelhaften Dokumentation sind die Großgrabungen E. Vonbanks wie etwa Gmeinerwiese 1974/75 und Tschermakgründe 1975–1977 als Notgrabungen zu bezeichnen. Martin 2009, 154 f. (Anm. 17). Overbeck 1973, 24 f.

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Abb. 6: Münzfrequenz der römerzeitlichen Prägungen aus Bregenz.

TIB AV, TIB AVG, TIB und TIB IM vor35. Die verschiedenen Stempeltypen werden bestimmten Legionen zugeschrieben, was anhand ihres Verteilungsmusters rekonstruierbar ist. Demnach sind die in Bregenz mehrfach vertretenen Varianten TIB AVG, TIB IM und IMP AVG charakteristisch für Vindonissa, Augst sowie die östlich davon gelegenen Gebiete36. Für die zeitliche Eingrenzung der Auflassung des Militärlagers in Brigantium können ebenfalls numismatische Indizien herangezogen werden. So ist bei der Gesamtmünzkurve Brigantiums nicht nur absolut (Abb. 6), sondern auch bei ihrer Gegenüberstellung zu regionalen Vergleichskurven ziviler Siedlungen ein drastischer Einschnitt im Zeitraum 40/50–70 n. Chr., d. h. in claudisch-neronischer Zeit zu beobachten (Abb. 7)37. Eine ähnliche Zäsur in der Münzreihe der Kaiseraugster Unterstadt wird mit dem Ende des dortigen Militärlagers in Verbindung gebracht38. Bei der Grabung Windisch-Breite ist andererseits der große Anteil an Caligula-Münzen bemerkenswert, sprich der Anteil an recht kurz vor Ende des Lagers der 13. Legion geprägten Münzen. Diese waren eventuell nur sehr kurz – bis zur Auflassung des Lagers in frühclaudischer Zeit – im Umlauf39. Aus Bregenz liegt ebenfalls eine recht hohe Zahl an Münzprägungen 35

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Overbeck 1873, 51 f. Es handelt sich um die Münzen Nr. 65 (doppelter Gegenstempel), 73, 77, 78, 81, 91, 100, 104, 106, 108, 112 und 133. – Zu Gegenstempel siehe etwa Werz 1999. Martin 2009, 154 f. Zur methodischen Grundlage dieser Münzkurven siehe Kortüm 1998, 9–11 (Abb. 4 = Standardkurve für das linksrheinische Obergermanien). Für die Erstellung dieser beiden Diagramme und die Erlaubnis zur Publikation danke ich K. Kortüm (Regierungspräsidium Stuttgart, Landesamt für Denkmalpflege). Als Grundlage diente die Münzliste bei Overbeck 1973, 22–50. Peter 1991, 118 f. Doppler 2003, 458. 460 Abb. 316. Hinweise für eine kurze Zirkulationsdauer können geringe Abnützungsspuren sein, wie sie etwa M. Peter bei den claudischen Münzen aus der Kaiseraugster Unterstadt konstatieren konnte (Peter 1991, 118). Für die Bregenzer Fundmünzen gibt es diesbezüglich keine Angaben.

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Abb. 7: Abweichung der Bregenzer Münzkurve von der Standardkurve des linksrheinischen Obergermanien nach K. Kortüm.

des Caligula vor. Diese Gemeinsamkeiten könnten auf eine zeitnahe Auflassung der drei Militärlager (Kaiseraugst, Vindonissa 13. Legion und Bregenz) hindeuten. Für Kaiseraugst wurde numismatisch ein Lagerende in claudischer Zeit – wahrscheinlich noch vor der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. – erschlossen und für Vindonissa ist der Abzug der 13. Legion in den Jahren 43–45 n. Chr. belegt40. Als weiteres Lager dieser frühkaiserzeitlichen Befestigungskette kann Zurzach angeführt werden, wo aufgrund der allerdings recht kleinen Münzreihe sowie der jüngsten Sigillata aus den Gruben des Lagerbereichs ebenfalls ein Lagerende in claudischer Zeit vermutet wird41. Generell ist zur Gesamtmünzkurve von Brigantium noch zu bemerken, dass ein starkes Überwiegen der Münzen des 1. Jhs. – mit einem ersten Peak in tiberischer Zeit – gegenüber den Münzen des fortgeschrittenen 2. Jhs. vorhanden ist42. Dies entspricht nicht dem typischen Verteilungsmuster römerzeitlicher Münzen in länger besiedelten zivilen Siedlungen und ist wohl auch mit der Präsenz zahlungskräftiger Soldaten in der 1. Hälfte des 1. Jhs. zu erklären.

Frühe Terra Sigillata und Feinkeramik Wenngleich über den Ablauf der Terra Sigillata-Belieferung militärischer und ziviler Fundorte am Rhein und im Alpenvorland für die vorclaudische Zeit noch viele Fragen offen sind43, stellt diese Fundgruppe ein Hauptuntersuchungsfeld im Hinblick auf die immer wieder auftretende Fragestellung „militärisch oder zivil?“ dar. F. Schimmer ordnet die italische Terra Sigillata aus Bregenz (insgesamt 175 Fragmente) dem 40 41 42 43

Peter 1991, 119; Hagendorn 2003, 466 f. Doppler 1994, 361; Roth-Rubi 1994c, 350. Näheres zur Interpretation dieser Münzkurve für die mittlere Kaiserzeit bei Kopf 2011b, 79–89. Schimmer 2005a, 49.

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Haltern-Horizont zu; zwei sehr frühe Sigillataformen (Platte Consp. 12.3 und Schale Consp. 13.2), welche in den Oberaden-Horizont gehören würden, wertet er als Altstücke44, während M. Konrad darin den Niederschlag eines okkupationszeitlichen Horizonts vermutet45. Insgesamt betrachtet reiht F. Schimmer die ältesten Fragmente der Bregenzer Sigillatareihe damit in den gleichen Zeitraum ein wie die Fundensembles aus Augsburg-Oberhausen und vom Lorenzberg46. Ältere Formen konnAbb. 8: Stempel des P. Attius ten auch bei der Bearbeitung der italischen (Inv. Nr. Bö 2886–1). Terra Sigillata der Grabungen Böckleareal 47 2009/2010 bisher nicht festgestellt werden , allerdings liegt ein Stempel des Töpfers Publius Attius vor (Abb. 8), dessen Produktion in den Zeitraum 20–1 v. Chr. datiert wird48. Der gängigen Forschungsmeinung nach gehört frühe italische Terra Sigillata nördlich der Alpen in einen militärischen Kontext49. Gezielte Sigillata-Importe, die durch mehrere Gefäße mit gleichem Töpferstempel aus einem Zeithorizont fassbar werden, sprechen für die Belieferung von Militär. In Vindonissa kommen in der ersten zum Lager der 13. Legion gehörenden 5. Holzbauperiode v.a. Gefäße aus den Betrieben der pisanischen Ateius-Filiale vor, welche als gezielte Lieferung an das Militär gewertet werden50. Die italischen Töpferstempel aus Zurzach stammen ebenfalls fast ausschließlich aus dem Ateius-Umfeld51. Stempel der entsprechenden Töpfer liegen auch aus Bregenz vor52; generell ist der hohe Anteil pisanischer Stempel in Bregenz hervorzuheben (gegenüber Fundplätzen des raetischen Voralpenlandes), welcher mit Stempelreihen aus Orten des Schweizer Mittellandes vergleichbar ist (zumindest für den Zeitraum (spät)augusteisch-frühtiberisch). In mittel- bis spättiberischer Zeit setzt sich Bregenz dann vom schweizerischen Raum ab und gleicht sich dem restlichen Raetien in Bezug auf die Belieferungsstrukturen der italischen Terra Sigillata an – arretinische Applikensigillata (mit planta pedis-Stempeln) ist in Bregenz noch gut vertreten, während sie im schweizerischen Gebiet nur mehr sporadisch vorkommt53. Bei Terra Sigillata-Abfällen aus augusteischen Militärlagern finden sich interessanterweise kaum reliefverzierte Fragmente54. Der Anteil der Relief-Sigillata am gesamten Sigillatabestand beträgt in frühen Lagern (z. B. Haltern, Oberaden, Neuss) höchstens zwischen 7–12 %55. Andererseits findet sich verzierte Sigillata „in augusteischer Zeit fast ausnahmslos an Plätzen, die in militärischem Kontext stehen“56. Aus Bregenz liegen einige wenige Fragmente italischer Reliefsigillata vor, die in augusteisch-tiberische Zeit datieren57. Bei den Grabungen Böckleareal 2009/2010 kam ein Fragment mit Außenstempel(ansatz) des Publius 44 45 46 47

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Schimmer 2005a, 40–44. Konrad 1989, 592. Schimmer 2005a, 42. Stand von August 2011. Die neuen Ausgrabungen lieferten jedoch eine beträchtliche Vermehrung der Gesamtmenge an italischer Terra Sigillata, wodurch neue Erkenntnisse zu erwarten sind. Oxé u. a. 2000, 148 f. Nr. 347. Ulbert 1965, 96 f.; Konrad 1989, 592. M. Balmer sieht im Vorkommen hauptsächlich früh- und mittelaugusteischer Sigillata-Formen im Siedlungshorizont SH III einen Hinweis auf frühe militärische Präsenz in Zürich (Balmer 2009, 166). Meyer-Freuler 2003, 323. 329. Auch im übrigen Sigillata-Fundgut aus Vindonissa sind Stempel des Xanthus und anderer Ateius-Sklaven gut vertreten. Roth-Rubi 1994d, 453–461. Schimmer 2005a, 62 f. Zur Verbreitung der reliefverzierten Gefäße des Ateius und seiner Sklaven siehe die Verbreitungskarten bei B. Rudnick (Rudnick 1995, 89–116 Karte 2–19). Schimmer 2005a, 45–51. Rudnick 1995, 146 Fußnote 748; Meyer-Freuler 2003, 330. Rudnick 1995, 146 Fußnote 747. Der Anteil in Oberaden und Haltern ist dabei jedoch noch als verhältnismäßig hoch anzusehen, verglichen etwa mit Dangstetten und Marktbreit (Rudnick 1995, 150). Aus Rödgen liegen Fragmente von nur 2 Reliefgefäßen vor (Schönberger – Simon 1976, 75). Rudnick 1995, 146. Schimmer 2005a, 31–33.

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Cornelius zum Vorschein (Abb. 9), der in spätaugusteisch-(früh)tiberischer Zeit in Arezzo Reliefware produzierte58. Relief-Sigillata aus Südgallien kommt in frühtiberischer Zeit ebenfalls v.a. an militärischen Plätzen, jedoch in geringer Zahl vor59. Zu diesem Bild passen die bisher vorgelegten frühsüdgallischen Reliefscherben aus Bregenz60. Aussagekräftiger für die Frage nach dem militärischen oder zivilen Charakter einer Siedlung könnte sich der mengenmäßige Vergleich von „echter“ Sigillata und Terra Sigillata-Imitation gestalten. Das Überwiegen von südgallischer Sigillata gegenüber Sigillata-Imitationen in mittel- bis spättiberischer Zeit bei der Grabung Windisch-Breite unterscheidet sich von zeitgleichen Fundspektren ziviler Siedlungsplätze der Schweiz wie etwa Vitudurum (Oberwinterthur)61 und wird mit einer besseren Belieferungsstruktur (durch die Anwesenheit von Militär?) erAbb. 9: Abguss einer italischen Reliefsigillata-Scherbe mit Außenstempel des P. Cornelius (Inv. Nr. Bö 2978–2). klärt62. Aufschlussreich ist diesbezüglich besonders die Fundsituation in Zurzach, wo das Inventar aus dem Kastell mit dem des unmittelbar daneben gelegenen Kastell-Vicus verglichen werden kann: beim Keramikinventar aus dem Lagerbereich entfallen ca. 22 % auf die Terra Sigillata und nur ca. 6 % auf die Sigillata-Imitation, während im Kastell-Vicus das Verhältnis Sigillata zu Imitation ca. 16 % zu 20,5 % beträgt. K. Roth-Rubi erklärt diesen Unterschied damit, dass die Soldaten italische und südgallische Importkeramik als Tafelgeschirr bevorzugten, während die zivile Bevölkerung der Kastellvici wohl die Hauptkundschaft der Terra Sigillata-Imitation herstellenden lokalen Töpfereien war63. Da zur frühkaiserzeitlichen Sigillata-Imitation aus Bregenz bzw. zu ihrem prozentuellen Verhältnis zur „echten“ Terra Sigillata noch keine Untersuchungen vorliegen, wird auf diesen Aspekt bei der Bearbeitung der Funde der Grabungen Böckleareal 2009/2010 verstärkt zu achten sein. Bezüglich der Datierung der Auflassung des Bregenzer Militärlagers, für welche die Funde aus den Spitzgrabenverfüllungen von großer Relevanz sind, lassen sich eventuell aus den Verhältniszahlen der verschiedenen Töpfereiprodukte zueinander wichtige Anhaltspunkte gewinnen. Als Vorbild für diese Methode kann Vindonissa dienen, wo die Funde aus den Holzbauperioden 5–7 der Grabung Windisch-Breite (Zeit

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Rudnick 1995, 77 f. Datierung dieses Töpfers in OCK 2000, 190: 5 v. – 40 n. Chr. Das Bregenzer Stück stammt aus der ältesten Planierschicht im südöstlichen Grabungsareal. Eines der frühesten Beispiele in unserem Raum für südgallische Reliefsigillata ist ein Drag. 29-Fragment aus dem frühkaiserzeitlichen Militärlager von Friedberg (Hessen), welches mit 35 italischen Sigillata-Gefäßen vergesellschaftet war (Schönberger – Simon 1976, 165. 193 Taf. 42, 61). Für Zurzach wird der Beginn des südgallischen Imports in den Jahren 15–20 n. Chr. angenommen (Roth-Rubi 1994b, 221). – Hinzuweisen ist hierbei allerdings auf ein Drag. 29-Fragment aus dem zivilen Vitudurum, welches aus dem Siedlungshorizont I.1 (bis 7 n. Chr.) stammt (Pauli-Gabi 2002, 59 Abb. 29)! Knorr 1919, 22–26 Taf. 1–4. Besonders hervorzuheben sind die Fragmente von Kelchen Drag. 11. In Vitudurum beträgt das Verhältnis Terra Sigillata zu Imitation und zu Schüsseln Drack 20–22 im Siedlungshorizont I.2–3 (7–30/33 n. Chr.) jeweils etwa 1:2. Auch im folgenden Siedlungshorizont SH I.4–5 (30/33–48/51 n. Chr.) sind noch jeweils mehr Sigillata-Imitation- und Drack 20–22-Fragmente enthalten als Terra Sigillata (Pauli-Gabi 2002, 59 Abb. 29). Hagendorn 2003, 39. Roth-Rubi 1994c, 352 f. Abb. 220.

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des Lagers der 13. Legion) unter diesem Gesichtspunkt analysiert wurden64. Bei der 5. Holzbauperiode (ca. 14–25/30 n. Chr.) überwiegt die italische Terra Sigillata gegenüber der südgallischen noch (58 % zu 42 %), in der 6. Holzbauperiode (ca. 25/30–40 n. Chr.) dominiert die südgallische Terra Sigillata dann deutlich (79 % zu 21 %). Der Wechsel in der Belieferung Italien/Südgallien soll demnach in der Mitte des 3. Jahrzehnts n. Chr. mehrheitlich vollzogen worden sein65. Dazu passt auch der Befund in Vitudurum, wo im Zeitraum 30/33–48/51 n. Chr. die südgallischen Fragmente ebenfalls bereits deutlich überwiegen66. Aufgrund der von F. Schimmer festgestellten Umorientierung des Bregenzer Belieferungsmusters ab mittel-/spättiberischer Zeit mehr nach Osten (Raetien) hin wird ein Überwiegen südgallischer Fabrikate für Bregenz wahrscheinlich erst ein paar Jahre später anzusetzen sein. Ein großer zeitlicher Unterschied wird jedoch nicht vorliegen, da das Ende des italischen Sigillatazustroms nach Raetien spätestens in den ersten Regierungsjahren des Claudius anzusetzen ist67. Die Auswertung der leider nicht allzu zahlreichen Sigillatafunde aus den Spitzgrabenverfüllungen der Grabungen Böckleareal ist noch nicht abgeschlossen, sodass hier noch keine Detailanalyse erfolgen kann. Auf jeden Fall sind in beiden Gräben italische und südgallische Fabrikate enthalten, wobei die südgallischen jeweils überwiegen. Das Formenspektrum ähnelt grundsätzlich jenem der Spitzgrabenverfüllungen in Zurzach68 sowie jenem aus der Abbruch-Phase des Holzkastells in Kaiseraugst69, sodass eine analoge Auflassung des Bregenzer Militärlagers um die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. in Erwägung gezogen werden kann. Dünnwandige Schälchen bzw. Becher sprechen für mediterrane Tischsitten und sind in (früh)tiberischer Zeit im zivilen Bereich sehr selten70. In der ersten lagerzeitlichen Holzbauperiode (ca. 14–25/30 n. Chr.) der Grabung Windisch-Breite treten Fragmente von dünnwandigen Schälchen und Bechern gehäuft auf71. Bei den Funden der Grabung Vitudurum – Unteres Bühl kommen dünnwandige Becher und begrießte Schälchen hingegen erstmals in den Schichten des Siedlungshorizonts SH II.1–2 (48/51–61 n. Chr.) vor72. Den sehr hohen Anteil an dünnwandigen Schälchen/Becher und anderer Feinkeramik am Lorenzberg bei Epfach (23 % der Gesamtkeramik, während die Terra Sigillata nur ca. 18 % ausmacht) erklärt G. Ulbert mit dem rein militärischen Charakter der Anlage73. Auch in Zurzach konnte beobachtet werden, dass der Feinkeramik-Anteil aus den Gruben des Lagerbereichs deutlich höher ist (ca. 11 %) als der aus den Gruben des Kastellvicus (ca. 4 %)74. In diesem Sinn könnte auch die stratigraphische und mengenmäßige Verteilung der Feinkeramik ein weiteres Indiz in der Argumentationskette für einen militärischen Charakter des frühkaiserzeitlichen Bregenz bilden. Momentan kann aufgrund der laufenden Bearbeitung noch nicht gesagt werden, ob in den frühesten Schichten der Grabungen Böckleareal diese Feinkeramik in größerem Ausmaß vorkommt.

Frühe „militärische“ Fibeln Der Vergleich des Fibelspektrums eines Ortes mit demjenigen zeitgleicher militärischer und ziviler Siedlungsplätze kann weitere Indizien liefern für noch nicht nachgewiesene Militärstationen an vermeintlich zivil besiedelten Orten. So spiegelt sich beispielsweise die anhand von Fundkonzentrationen der Militaria und letztlich auch durch Lagerbefunde nachgewiesene Existenz eines frühkaiserzeitlichen Auxiliarlagers im Bereich der späteren Colonia Ulpia Traiana (Xanten) auch im Fibelspektrum der augusteischen bis neronischen Zeit wider, welches demjenigen des nahe gelegenen Legionslagers Vetera I entspricht75. 64 65 66 67 68 69 70

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Meyer-Freuler 2003, 328–331 Abb. 232 (Phase 5); 338–340 (Phase 6); 348–350 (Phase 7). Meyer-Freuler 2003, 337. 339. Pauli-Gabi 2002, 59 Abb. 29. Schimmer 2005a, 44. Roth-Rubi 1994a, 154–158. Furger 1991, 92–96. Hagendorn 2003, 35–37 Abb. 8. Auch M. Balmer führt die große Menge an Dünnwandkeramik aus dem Siedlungshorizont SH III als Indiz für die Stationierung von Militär in Zürich im Zeitraum 40/30–20/10 v. Chr. an (Balmer 2009, 166). Meyer-Freuler 2003, 330 f. Pauli-Gabi 2002, 59 Abb. 29. Ulbert 1965, 81. Roth-Rubi 1994c, 352 Abb. 220. Lenz 2001, 71. Zu diesem vorcoloniazeitlichen Kastell siehe Leih 2008.

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An frühkaiserzeitlichen militärischen Fundplätzen finden sich laut Th. Völling häufig Fibeln der Formen Almgren 19, Almgren 241, Aucissa-, Hülsenspiral- und Distelfibeln76. Alle diese Fibelformen sind im Bregenzer Fibelspektrum vertreten77. Weitere frühkaiserzeitliche Fibelformen, die häufig im militärischen Umfeld auftreten und in Bregenz vorhanden sind, sind Fibeln vom Mittellatèneschema und Augenfibeln der Form Almgren 4578. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass alle diese Fibeln automatisch Soldaten als Träger zuzuordnen sind; weil die betreffenden Fibeln teilweise auch aus dem zivilen Umfeld eines Lagers (Kastellvicus) stammen und für manche dieser Fibeltypen Frauen als Träger belegt sind (Hülsenspiral- und Distelfibeln), lässt sich hierin Militär nicht per se fassen79. Lediglich die Aucissafibeln stehen unumstößlich als Bestandteil der militärischen Tracht fest. Diese Unterschiede lassen sich exemplarisch am Fibelbestand aus Zurzach illustrieren, wo im Kastellbereich hauptsächlich Aucissafibeln gefunden wurden, während der Lager-Vicus prozentuell knapp dreimal mehr Hülsenspiralfibeln lieferte80. In den augusteischen Militärlagern Dangstetten und Haltern sowie im tiberisch-claudischen Lager Zurzach treten als gemeinsame Fibelformen auf: Derivate der Nauheimer Fibel, Langton-Down-Fibel, Distelfibel und Aucissafibel. In Dangstetten und Haltern kommen zusätzlich noch Fibeln Almgren 241 vor, in Dangstetten und Zurzach der Typus Omegafibel und in Haltern und Zurzach Augenfibeln und Nauheimer Fibeln. Dabei sind in jedem dieser Lager Aucissafibeln eindeutig vorherrschend (zw. 42 % und 69 %)81. Bei der Grabung Windisch-Breite kamen in den Schichten der Holzbauperioden des Lagers der 13. Legion eine Nauheimer Fibel, Hülsenspiralfibeln (z. B. Nertomarus und Langton-Down), eine Fibel Almgren 241, eine Fibel Almgren 19, Distelfibeln, nicht näher bestimmbare Scharnierfibeln, Aucissafibeln, Gitterfibeln, Scheibenfibeln und eine Ringfibel zum Vorschein. Der Anteil an Aucissafibeln beträgt dabei ca. 53 %82. Die erwähnten Fibeltypen aus diesen Militärlagern sind größtenteils auch in Bregenz präsent, sodass vom Fibelspektrum her ein ähnlicher Charakter dieser Siedlungsstellen vermutet werden kann. Prozentwerte – etwa für den Anteil an Aucissafibeln (Abb. 10) – können für Bregenz nicht geliefert werden, da die vorgelegten Fibeln nicht Abb. 10: Aucissafibel (Inv. Nr. Bö 1624) der Grabung nach Zeithorizonten getrennt wurden und demBregenz Böckleareal 2010. entsprechend nicht zwischen den lagerzeitlichen und den nachfolgenden zivilen Siedlungsphasen aufgeschlüsselt werden können. Für die Fibelfunde der Grabungen Böckleareal 2009/2010, die einige der oben erwähnten Fibeltypen beinhalten, wird dieser Versuch unternommen werden, allerdings ist die Materialbasis hierfür nicht sonderlich groß – aus allen Siedlungsperioden stammen ca. 60 Fibeln bzw. Fibelfragmente.

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Völling 1994, 235 Tab. 18. Zu Almgren 19 und Almgren 241 im militärischen Kontext siehe auch Demetz 1999, 154. Siehe Vorlage der Bregenzer Fibeln bei Overbeck 1982, 25–32 Taf. 1–10 (bes. 1–4). Ulbert 1965, 41 f. Taf. 1, 1–2; Roth-Rubi 1994b, 243 Abb. 174a, F13. F14. In diese Richtung deutet M. Mackensen entsprechende Fibelfunde aus Oberpeiching und Eining (Mackensen 1987, 150–153 Abb. 63, 1. 9). Dies zeigt sich am Fibelspektrum aus dem zivilen Vitudurum, welches sich von den vertretenen Formen her kaum von den militärischen Fundplätzen der Umgebung unterscheidet (Deschler-Erb 1997, Taf. 1–18). Daher lässt sich der militärische Charakter eines Siedlungsplatzes wenn überhaupt wohl nur über die Verhältniszahlen der einzelnen Fibelformen zueinander herausfiltern (s.u. im Text). Roth-Rubi 1994c, 358. Roth-Rubi 1994c, 357 Tab. 64 (die Werte für Zurzach Lager und Zurzach Kastell-Vicus wurden hier vertauscht, vgl. Tab. 63 auf S 356!). A. Huber in: Hagendorn 2003, 379 Abb. 256.

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Mögliche Forschungsansätze bei weiteren Fundgruppen Neben den zuvor besprochenen überregional vorkommenden datierenden Fundgruppen finden sich in der Literatur auch für andere Materialgattungen interessante Beobachtungen, die bei der Frage nach dem militärischen oder zivilen Charakter eines Fundortes hilfreich sein können. So konnte etwa bei der Grobkeramik häufig ein überdurchschnittliches Auftreten von Kochtöpfen in Militärstationen des frühen 1. Jhs. n. Chr. (in der Regel über 30 %) festgestellt werden, wie z. B. in Fundensembles der Abbruchzeit des Kaiseraugster Kastells oder im Schutthügel von Vindonissa. Ebenfalls überproportional vertreten sind meist pompejanisch-rote Platten83. Weitere Indizien können die Verhältniszahlen typisch römischer Keramikgruppen wie Reibschüsseln und Amphoren im Vergleich zu in einheimischer Tradition stehenden Keramikgattungen sein. Bei der Grabung Windisch-Breite überwiegt bei der Keramik der 2. Holzbauperiode (ca. 1. Jahrzehnt v. Chr.) etwa die einheimische keltische Keramik, was gegen eine militärische Bevölkerung in dieser Zeit spricht. Im Gegenzug kommt es in der ersten zum Lager der 13. Legion gehörenden 5. Holzbauperiode zu einer Zunahme der mediterranen Elemente im Keramikgut84. A. Leibundgut brachte erstmals den Gedanken auf, dass die Verbreitung von Öllampen als Elemente südlicher Kultur mit dem militärischen Bereich zu verknüpfen ist85. Zumindest für Zurzach konnte diese Theorie bestätigt werden; in den Lagergruben beträgt der Anteil an Lampen ca. 7 %, in den Gruben des Kastell-Vicus nur knapp 1 %86. Gefäße aus Glas werden nördlich der Alpen erst in frühclaudischer Zeit (ab ca. 40–45/47 n. Chr.) zum allgemein zugänglichen Massengut87– viele qualitätsvolle Glasfunde aus tiberischen Schichten sprechen daher eher für eine militärische als eine zivile Bevölkerung, zumindest aber für einen gehobenen Lebensstandard88. Schließlich wird auch eine spezifische, sich von zeitgleichen zivilen Fundplätzen unterscheidende Zusammensetzung der Tierknochen als mögliches Indiz für eine militärische Bevölkerungsgruppe angeführt. Als Grundlage für diese Meinung dienen archäozoologische Untersuchungen, die teilweise große Unterschiede im Knochenmaterial aus den verschiedenen Siedlungsarten zu Tage gefördert haben. Im Bereich des frühkaiserzeitlichen Kastells von Kaiseraugst dominieren im Gegensatz zu anderen Augster Fundplätzen der 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. etwa Schaf- und Ziegenknochen gegenüber Schwein und Rind. Zudem ist der Anteil an Wildtierknochen ungewöhnlich hoch. Dieses Verteilungsmuster passt recht gut zu den Verhältniszahlen des Knochenmaterials anderer römischer Militäranlagen, sodass sich hierin militärspezifische Speisegewohnheiten widerzuspiegeln scheinen89. Auch in Vindonissa zeichnen sich für die Zeit des Lagers der 13. Legion bei der Fleischkonsumation deutliche Veränderungen gegenüber der Vorlagerzeit ab; ab der 5. Holzbauperiode ist das Dominieren von Schwein und Schaf/Ziege, ein hoher Wildtieranteil sowie generell eine höhere Qualität des Fleisches charakteristisch90. Ähnliche methodische Ansätze sind auch bei archäobotanischen Untersuchungen möglich91.

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Furger 1991, 96–98. In Zurzach sind Kochtöpfe im Lagerbereich ebenfalls prozentuell häufiger vertreten als im Kastellvicus, bei den übrigen Töpfen gleicht sich das Verhältnis jedoch wieder aus (Roth-Rubi 1994c, 352 f. Abb. 220). Hagendorn 2003, 30. 36. Leibundgut 1977, 14. 100–129. Kritisch zu dieser Theorie äußert sich Käch 2003, 448 f. Roth-Rubi 1994c, 352 f. Abb. 220. Hagendorn 2003, 39. In Vindonissa (Grabung Windisch-Breite) lässt sich bereits ab ca. 25/30 n. Chr. ein größeres Fundaufkommen an Glas mit umfassendem Spektrum konstatieren (Fünfschilling 2003, 371 f.). Deschler-Erb u. a. 1991, 121–131. Die ebenfalls deutlichen Unterschiede im Knochenmaterial des Kastell- und Kastellvicus-Bereichs in Zurzach werden demgegenüber in erster Linie mit unterschiedlicher Fundlage (in Gruben vs. in Siedlungsschichten) und Grabungsqualität erklärt (Morel 1994, 410). – Zu berücksichtigen gilt es diesbezüglich sicher auch lokale Besonderheiten; so wäre beispielsweise für Bregenz aufgrund der Lage am Bodensee sicher ein verhältnismäßig großer Fisch-Anteil zu erwarten, der sich jedoch aufgrund der Kleinteiligkeit der Überreste im Knochen-Fundmaterial einer Grabung kaum belegen lässt (Hinweis G. Grabherr). Pfäffli – Schibler 2003, 268 f. Hagendorn 2003, 30. 34–36.

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Resümee Die neuen Ausgrabungsergebnisse zum frühkaiserzeitlichen Militärlager in Brigantium in Form der Entdeckung zweier Spitzgräben und zahlreicher Militaria werfen ein neues Licht auf altbekannte Funde aus Bregenz. In der Zusammenschau der an verschiedenen Stellen vorgelegten Fundgruppen der Altgrabungen ergeben sich für die 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. viele Parallelen zu zeitgleichen Militärlagern der Umgebung. Die bereits von S. Jenny und in weiterer Folge von A. Hild vertretene Ansicht, dass in Bregenz ein Militärlager der tiberisch-claudischen Zeit zu lokalisieren ist, erhält jedenfalls neue Bekräftigung. Einen engeren Datierungsrahmen wird hoffentlich die Auswertung der Funde aus den lagerzeitlichen Schichten der Grabungen Böckleareal 2009/2010 liefern können. Beim derzeitigen Kenntnisstand erscheint eine Einreihung des Bregenzer Militärlagers in die spätaugusteisch-frühtiberische Kastellkette am Hochrhein am plausibelsten92. Zudem haben die Grabungen am Böckleareal 2009/2010 auch Hinweise auf einen Militärposten der augusteischen Zeit erbracht93, sodass der militärische Ursprung der Siedlung Brigantium archäologisch immer deutlicher fassbar wird.

Abbildungsnachweis Abb. 1: Talpa GnbR. Abb. 2–5, 8–10: Verfasserin. Abb. 6–7: K. Kortüm (Regierungspräsidium Stuttgart, Landesamt für Denkmalpflege).

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A. Hagendorn nimmt für das erste Lager von Vindonissa („schräges Lager“) eine Gründung noch in spätaugusteischer Zeit (um 14 n. Chr.) und eine zweite Bauetappe in frühtiberischer Zeit (16/17 n. Chr.) an. Diese Bauetappen können möglicherweise korreliert werden mit den Phasen 4 und 5 des Kastells in Zurzach (Hagendorn 2003, 464 f.). Einen solchen vermutete bereits M. Konrad (Konrad 1989, 592); zu den jüngst freigelegten augusteischen Lagerspuren siehe J. Kopf, Von Spitzgräben und Gürtelblechen ... Neue Grabungsergebnisse zur frühkaiserzeitlichen Militärpräsenz in Brigantium (Bregenz, Österreich), in: Proceedings of the XXIIth International Congress of Roman Frontier Studies. Ruse, Bulgaria, September 2012 (in Redaktion).

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Roth-Rubi 1994a K. Roth-Rubi, Die Kastelle. Die Kleinfunde, in: R. Hänggi – C. Doswald – K. Roth-Rubi, Die frühen römischen Kastelle und der Kastell-Vicus von Tenedo-Zurzach, VGesVind 11 (Brugg 1994) 101–158. Roth-Rubi 1994b K. Roth-Rubi, Der Kastellvicus. Die Kleinfunde, in: R. Hänggi – C. Doswald – K. Roth-Rubi, Die frühen römischen Kastelle und der Kastell-Vicus von Tenedo-Zurzach, VGesVind 11 (Brugg 1994) 221–256. Roth-Rubi 1994c K. Roth-Rubi, Vergleich der Kleinfunde aus dem Kastell und dem Kastell-Vicus. Ergebnisse, in: R. Hänggi – C. Doswald – K. Roth-Rubi, Die frühen römischen Kastelle und der Kastell-Vicus von Tenedo-Zurzach, VGesVind 11 (Brugg 1994) 349–360. Roth-Rubi 1994d K. Roth-Rubi, Die Stempelliste, in: R. Hänggi – C. Doswald – K. Roth-Rubi, Die frühen römischen Kastelle und der Kastell-Vicus von Tenedo-Zurzach, VGesVind 11 (Brugg 1994) 451–461. Rudnick 1995 B. Rudnick, Die verzierte Arretina aus Oberaden und Haltern, Bodenaltertümer Westfalens 31 (Münster 1995). Schimmer 2005a F. Schimmer, Die italische Terra Sigillata aus Bregenz (Brigantium), Schriften des Vorarlberger Landesmuseums A 8 (Bregenz 2005). Schimmer 2005b F. Schimmer, Zum Beginn des frühkaiserzeitlichen Brigantium (Bregenz): Zivilsiedlung oder Militärlager?, in: Z. Visy (Hrsg.), Limes XIX. Proceedings of the XIXth International Congress of Roman Frontier Studies. Pécs, Hungary, September 2003 (Pécs 2005) 609–622. Schlüter – Wiegels 1999 W. Schlüter – R. Wiegels (Hrsg.), Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese, Kulturregion Osnabrück 10 (Osnabrück 1999). Schönberger – Simon 1976 H. Schönberger – H.-G. Simon, Römerlager Rödgen, Limesforschungen 15 (Berlin 1976). Sieler 2009 M. Sieler, Die frühkaiserzeitlichen Holzbauten im Bereich der Kleinen Thermen von Cambodunum-Kempten, Cambodunumforschungen 8 (Kallmünz 2009). Ubl 1999 H. Ubl, Frühkaiserzeitliche römische Waffenfunde aus Österreich, in: W. Schlüter – R. Wiegels (Hrsg.), Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese, Kulturregion Osnabrück 10 (Osnabrück 1999), 241–269. Ulbert 1965 G. Ulbert, Der Lorenzberg bei Epfach. Die frührömische Militärstation, MünchBeitrVFG 9 (München 1965). Völling 1994 Th. Völling, Studien zu Fibelformen der jüngeren vorrömischen Eisenzeit und ältesten römischen Kaiserzeit, BerRGK 75, 1994, 147–282. v. Scala 1914 R. von Scala, Aus Brigantiums Frühzeit, Archiv für Geschichte und Landeskunde Vorarlbergs 10, 1914, 29–46. v. Schwerzenbach – Jacobs 1910/11 C. von Schwerzenbach – J. Jacobs, Die römische Begräbnisstätte von Brigantium, JbVLM 47, 1910/11, 3–73. Werz 1999 U. Werz, Die Gegenstempel auf Kupfermünzen des Augustus im Rheingebiet. Vorbericht über eine Neuaufnahme, in: W. Schlüter – R. Wiegels (Hrsg.), Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese, Kulturregion Osnabrück 10 (Osnabrück 1999), 305–326. Wigg 1999 D. G. Wigg, Die Rolle des Militärs bei der Münzversorgung und Münzwirtschaft am Rhein in der frühen Kaiserzeit, in: W. Schlüter – R. Wiegels (Hrsg.), Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese, Kulturregion Osnabrück 10 (Osnabrück 1999), 327–346.

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JULIA KOPF

Zanier 2006 W. Zanier, Das Alpenrheintal in den Jahrzehnten um Christi Geburt. Forschungsstand zu den historischen und archäologischen Quellen der spätlatène- und frühen römischen Kaiserzeit zwischen Bodensee und Bündner Pässen (Vorarlberg, Liechtenstein, Sankt Gallen, Graubünden), MünchBeitrVFG 59 (München 2006). Ziegaus 2000 B. Ziegaus, Der frühkaiserzeitliche Münzumlauf zwischen Alpen, Donau und Iller, in: L. Wamser (Hrsg.), Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer, Schriftenreihe der Archäologischen Staatssammlung 1 (Mainz 2000) 18–23. Ziegaus 2004 B. Ziegaus, Römische Fundmünzen von ausgewählten Plätzen des Alpenvorlandes aus der Zeit des 1. Jahrhunderts v. Chr. bis in die Regierungszeit des Tiberius – ein Überblick, in: C.-M. Hüssen – W. Irlinger – W. Zanier, Spätlatènezeit und frühe römische Kaiserzeit zwischen Alpenrand und Donau. Akten des Kolloquiums in Ingolstadt am 11. und 12. Oktober 2001, Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 8 (Bonn 2004), 53–66.

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PÉTER KOVÁCS

DER BERNSTEINSTRASSENRAUM UND SEINE BEWOHNER Seit zehn Jahren beschäftige ich mich mit der Herausgabe der griechischen und lateinischen Quellen des antiken Pannonien im Rahmen der Reihe Fontes Pannoniae Antiquae. Sechs Bände sind seit 2003 auf Ungarisch (und teilweise auf Englisch) erschienen, die die Quellen Pannoniens von der Eroberung bis 305 n. Chr. mit Übersetzung und Kommentaren enthalten.1 Während der Edition des ersten Bandes befasste ich mich länger mit der Eroberung der Provinz, der Zweiteilung Illyricums und der umstrittenen Frage der Provinzgründung. Nach eingehender Studie sah ich keinen Grund und keine überzeugenden Belege die alten Thesen von A. Mócsy, H. Braunert und vielen anderen über die Zweiteilung des grossen Illyricum unter Augustus und die Gründung der Provinz unter Tiberius abzulehnen oder zu revidieren.2 Meiner Meinung nach ist eine spätere Provinzgründung unter Claudius (die Meinung von E. Tóth) oder sogar unter Vespasian (die Meinung von J. Šašel und M. Šašel Kos) auszuschliessen, da es – im Gegensatz zu Germania superior und inferior – keinen Beweis für die Existenz einer militärischen Verwaltung von Augustus bis Vespasian unter legati exercitus gibt. In den letzten Jahren befasste ich mich im Detail mit einer griechischen Inschrift eines Veteranen aus Pisidien mit der wahrscheinlich ersten inschriftlichen Erwähnung der Provinz unter Nero.3 Auch im ersten Band der Fontes Pannoniae Antiquae musste ich mich mit der frühen Geschichte der pannonischen civitates peregrinae beschäftigen. Neben einigen Militärdiplomen und Inschriften, die von den Anführern dieser civitates gestiftet wurden, werden diese peregrinen Gemeinden meistens nur in unseren geographischen Quellen erwähnt.4 Diese Angaben liefern aber wenige Informationen über die keltischen Stämme Pannoniens, die entlang der Bernsteinstraße und auf dem Gebiet des heutigen Ungarns lebten. Es ist davon auszugehen, dass sie wahrscheinlich kampflos ins Imperium Romanum inkorporiert wurden. In diesem Beitrag sollen nun die geographischen Quellen, d. h. die Angaben von Strabon, Plinius und Ptolemaios näher behandelt werden. Es ist bekannt, dass Strabon in seinen geographischen Ausführungen bezüglich Pannonien vorokkupationszeitliche Quellen, hauptsächlich Poseidonios oder Polybios, benutzte, die er mit einigen eigenen Angaben aus augusteischer Zeit ergänzte (z. B. den Feldzug gegen die Daker in Transylvanien: VII 3.11, 13)5, einige Hinweise stammen auch aus der Zeit von Tiberius (z. B. über die norischen Taurisci nach dem Feldzug von Tiberius und Drusus im Jahre 15 v. Chr., die seit 33 Jahren (er hat diese Bemerkung im Jahre 18 n. Chr. geschrieben) ruhig und tributpflichtig sind: IV 6.9). Strabon zählt die pannonischen Stämme und ihre Gebiete vor der Okkupation auf, die später im Zuge der Zweiteilung Illlyricums getrennt wurden, sowie die grössten pannonischen Stämme (z. B. die Daesidiates, Mazaei, Pirustae), die später zu Dalmatien gehörten. Die Pirustae und die Daesidiates erscheinen bereits bei Velleius als Dalmatae (2.115.4). Strabon erwähnt mehrmals die Niederlage und die Vernichtung der Boier durch die Daker: V 1.6, VII 3.11, VII 5.2, VII 5.6. Im Zusammenhang mit diesem Untergang wird erstmals die Einöde der Boier erwähnt. Strabon benutzt dafür die folgenden Ausdrücke: VII 1.5 ¾ ΒοĄων ­ρημĄα, 1.6. τāν δÿ χĊραν οóσαν τĮς šλλυρĄδος μηλόβοτον τοĵς πεδιοικοĽσι κατέλιπον. Strabon spricht das Gebiet der Boier (und Helvetier) auch als πεδίον an: IV 6.8. ¶ξĮς δÿ τý πρąς ²ω μέρη τŃν çρŃν καă τý ­πιστρCοντα πρąς νĆτον ņΡαιτοă καă ũυινδολικοă κατέχουσι συνάπτοντες 1

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Kovács 2003–2011. Das Manuskript wurde im Jahr 2011 verfasst. Eine erweiterte und aktualisierte Version dieses Beitrages ist erschienen in: Kovács 2014. CIL III 279, 415; Jagenteufel 1958, 9 f.; Mócsy 1962, 583; Wilkes 1969, 81; Nagy 1970, 459–466; Mócsy 1974, 39 f.; Tóth 1976, 197–202; Tóth 1977, 278–286; Braunert 1977, 207–217; Mócsy 1979, 177–186; Tóth 1981, 13–33; Šašel Kos 1986, 188–190; Šašel 1989a, 57–60; Šašel 1992, 690–693; Fitz 1993, 32–41; Šašel Kos 1997, 21–42; Fitz 2000, 65–73; Šašel Kos 2010, 123– 130. AE 1961, 22: dazu Kovács 2007, 99–107; siehe auch Kovács 2009b, 243–253. Eine zusammanfassende Tabelle über die Quellen: P. Kovács, in Kovács – Fehér 2005a, 262 f. Radt 2007.

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µλουηττίοις καă ΒοĴοις ­πίκεινται γýρ τοĵς ­κείνων πεδίοις. Der erste genannte Begriff ist das griechische Äquivalent der deserta Boiorum nach Plinius und ist nicht mit der Ausrottung des Stammes in Zusammenhang zu bringen. Es handelt sich bei diesem Begriff sicher um einen seit Herodotos bekannten Topos und bedeutet eine Tiefebene, ein Gebiet, wo die Boier lebten, wie im Fall der Einöde der Skythen (Hippokr. Aer. 18.2) und der Geten (bei Strabon VII 3.14).6 Das Beispiel der Geten und Helvetier (bei Strabon πεδίον!) zeigt auch, das diese eremia-deserta nicht unbedingt eine Tiefebene sein muss. Der zweite Begriff bei Strabon lautet μηλόβοτος: es beudeutet Weide, also ein nicht beackertes Land. In der Suda (M 931) finden wir die genaue Erklärung des Ausdruckes: Μηλόβοτος χĊρα îπą πολεμίων ­ξερημωθεĵσα, d. h. es handelt sich wieder um ein Synonym der ­ρημία. Das beweist aber noch nicht die Ausrottung der Boier. Viel wichtiger scheint mir eine andere Bemerkung von Strabon: χĊρα οóσα τĮς šλλυρĄδος, d.h. das Land der Boier gehörte zu Illyricum. Dieses bei Strabon genannte Illyricum kann aber nicht mit der Provinz Illyricum indentifiziert werden. Aus der Beschreibung unseres Gebietes an einer anderen Stelle Strabons stellt sich heraus (VII 1.5), dass seine Illyris auch nicht mit der griechischen Illyris identisch ist. Dieser ältere, von den Griechen verwendete geographische Begriff wurde von Appian genau beschrieben: Illyr. 1: šλλυριοćς ºλληνες ¾γοĽνται τοćς îπĀρ τε Μακεδονίαν καă Θρĥκην πą Χαόνων καă ΘεσπρωτŃνU­πă ποταμąν ŝστρον. καă τοĽτĩ ­στă τĮς χĊρας τą μĮκος, εóρος δĩ ­κ Μακεδόνων τε καă ΘρĤκŃν τŃν çρεĄων ­πă Παίονας καă τąν šĆνιον καă τý πρόποδα τŃν ©λπεων. Dieselbe Beschreibung kommt auch bei Suetonius vor: Tib. 16, 2: WRWR,OO\ULFRTXRGLQWHU,WDOLDPUHJQXPTXH1RULFXPHW7KUDFLDPHW0DFHGRQLDPLQWHUTXH'DQXXLXPÁXPHQHWVLQXPPDULV Hadriatici patet, perdomito et in dicionem redacto. Es handelt sich somit um ein Gebiet zwischen den Alpen und Thrakien, wobei das regnum Noricum und Raetien noch nicht zu diesem Illyricum gehörte. Appian erwähnt später auch den römischen Begriff: Illyr. VI 15: Ρωμαĵοι δÿ καă τούσδε καă Παίονας ­πĩ αíτοĵς καă ņΡαιτοćς καă Νωρικοćς καă Μυσοćς τοćς ­ν ΕíρĊπĬ, καă éσα ¡λλα éμορα τοĈτοις ­ν δεξιħ τοĽ ŝστρου καταπλέοντι ğκηται, διαιροĽσι μ ν èμοίως τοĵς ºλλησιν πą ¶λλήνων, καă καλοĽσι τοĵς ßδĄοις ®κþστους çνĆμασι, κοινĮ δÿ πþντας šλλυρίδα ¾γοĽνται. Appian kannte den Ursprung dieses Begriffes nicht, aber er konnte es mit Recht mit dem Bereich des publicum portorium Illyrici identifizieren: VI.16: ¾γοĽνται, éθεν μÿν ρξάμενοι τĮσδε τĮς δόξης, οíκ ±σχον εîρεĵν, χρώμενοι δĩ αíτį καă νĽν, éπου καă τą τĀλος τŃνδε τŃν ­θνŃν, πą νĄσχοντος ŝστρου μέχρι τĮς ΠοντικĮς θαλάσσης, îCĩ ²ν ­κμισθοĽσι καă šλλυρικąν τĀλος προσαγορεύουσιν (Cf. Cassius Dio XII [Zon. VIII 19.8]). Später kommt er nochmals auf diesen Begriff zurück: XXIX 84. λοιποă δĩ εßσă τĮς îπą ņΡωμαίων νομιζομένης šλλυρίδος εåναι πρą μÿν Παιόνων ņΡαιτοă καă Νωρικοί, μετý Παίονας δÿ Μυσοă ²ως ­πă τąν Εñξεινον Πόντον. Strabon erwähnt den Beginn des Portiorum. Er beschreibt in seinem VII. Buch Illyris von Westen nach Osten und beginnt wieder mit dem Gebiet der Raeter/Vindeliker und Noriker (die schon früher in diesem Zusammenhang angeführt wurden): IV 6.8–9: λέγωμεν δā τý šλλυρικý πρŃτα συνάπτοντα τń τε ŝστρŁ καă ταĵς ©λπεσιν, αâ κεĵνται μεταξć τĮς šταλίας καă τĮς Γερμανίας, ρξάμεναι πą τĮς λίμνης τĮς κατý τοćς ũυινδολικοćς καă ņΡαιτοćς καă ¶λουηττίους (cf. VII 5.1 und VII 1.5). Aus dieser Stelle erfahren wir, dass der römische Begriff für Illyricum spätestens unter Tiberius (sicherlich vor Strabons Tod nach 23 n. Chr.) angewendet wurde. Appian hatte wahrscheinlich recht, dass das Gebiet mit dem Beginn des publicum portorium Illyrici im Zusammenhang steht (d. h. vor Claudius).7 Aufgrund dieser Angaben ist bereits von einem Bestehen der Provinzen unter Tiberius auszugehen. Bei der Beschreibung von Illyricum erwähnt Appian die Einöde der Boier. Dabei sollte die Ausdehnung dieser eremia erfasst werden. Bei der Beschreibung des Gebietes fällt sofort auf, dass die anderen (östlichen) keltischen Stämme Pannoniens und des ganzen Karpatenbeckens, ausgenommen die Boier, nicht erwähnt sind. Zwischen den Norikern und den Pannoniern lag nur die Einöde der Boier (VII 1.5). In IV 6.8 erwähnt Appian wieder die Tiefebene der Boier (und Helvetier) als ein Nachbargebiet der Raeter und Vindeliker: ¶ξĮς δÿ τý πρąς ²ω μέρη τŃν çρŃν καă τý ­πιστρέCοντα πρąς νότον ņΡαιτοă καă ũυινδολικοă κατέχουσι συνάπτοντες µλουηττίοις καă ΒοĴοις ­πίκεινται γýρ τοĵς ­κείνων πεδίοις. Aufgrund dieser Ausführungen ist anzunehmen, dass sich die eremia auch bei Strabon auf das ganze Gebiet mit dem nördlichen Teil Pannoniens bezieht, das schon vor der von den Dakern verursachten Niederlage zu den Boiern gehörte, so wie auch die deserta des Plinius. Im Westen grenzt die eremia nach Strabon an das Gebiet der Vindeliker und Raeter (also dem nördlichen Teil

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Borzsák 1936, 31 Anm. 1. Dobó 1940, 144.

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der späteren Provinz Noricum). Es ist auch auffallend, dass Strabon nicht erwähnt, dass sich das Gebiet der Boier nördlich der Donau ausdehnte und dass der Fluss die nördliche Grenze darstellte (VII 1.1, 5.1). In seiner Historia naturalis beschäftigte sich Plinius der Ältere ausführlich mit der Beschreibung Pannoniens (III 146–148).8 Es scheint sicher zu sein, dass die Angaben von Plinius bezüglich der Provinz mindestens drei Phasen enthalten. Einige stammen sicher noch aus der augusteischen Zeit. Diese können mit Agrippas Weltatlas (mit den Maßangaben) oder seinen Kommentaren und mit einem Strabon ähnlichen geographischen Werk (Periplus?) identifiziert werden. Es ist auf den ersten Blick auffallend, dass die hydrographische Beschreibung und die Bergnamen der Provinz sich nur auf den südlichen Teil der Provinz (südlich der Drau) beschränken. Diese Angaben stehen wahrscheinlich mit einer früheren Phase der römischen Okkupation unter Augustus (wahrscheinlich nach 12–9 v. Chr.) in Zusammenhang, als der nördliche Teil und (die nördlichen) Stämme (als Foederaten) der Provinz noch ausserhalb des Imperiums lagen. Wir müssen bedenken, dass der Aufstand der Pannonier von Suetonius als bellum externum bezeichnet wird (v. Tib. 16.1) und die Macht des Kriegsführers Bato (Dio LV 34.4, bei Festus 7 ist er rex) anerkannt wurde. Dieses, nur durch die pannonischen Stämme bewohnte und zwischen Dravus und Savus liegende Pannonien wird auch bei Florus und Solinus erwähnt: 2.24. Pannonii duobus acribus fruviis, Dravo Savoque vallantur. II 22: dehinc PanQRQLDVRORSODQRXEHULTXH'UDYR6DYRTXHLQFO\WLVDPQLEXVFLUFXPÁXD (cf. Jord. Rom. 243). Diese frühere Beschreibung wurde mit der spätestens aus der claudischen Zeit stammenden formula provinciae mit der Stamm- und Städteliste ergänzt, die auch einige spätere Angaben aus der Zeit Vespasians hat (Flavia Solva und Siscia). Die Stammliste in alphabetischer Ordnung stammt sicher aus der Zeit nach der Provinzgründung aus der formula provinciae, weil sie alle Stämme enthält, die von den Römern gegründet und nach geographischen Namen benannt wurden: Arabiates, Colapiani, Cornacates, Hercyniates, Oseriates. Zu den augusteischen Angaben können auch die Stammesnamen gehören, die sich noch im Kapitel 147 befinden und mit der Präposition per angegeben sind: Serretes, Serapilli, Iasi, Andizetes, Colapiani und Breuci. Die Erwähnung der Colapiani beweist, dass auch die augusteische Quelle von Plinius aus der Zeit nach der Okkupation stammt. Die Arbeitsmethode von Plinius kann sehr gut anhand der Stammesliste nachvollzogen werden: in der Liste befinden sich nämlich die anderswo nicht erwähnten Stämme. Deshalb fehlen auch die Boier, die Taurisker und die Skordisker sowie Sirmium (erscheint als oppidum bei der Beschreibung der Mündung des Flusses Bacuntius), das zusammen mit Siscia unter Vespasian den Kolonierang erhielt (cf. die origo Sirmiensis in einem Militärdiplom9 aus dem Jahre 73 n. Chr. und auf einem lapis terminalis einer Assignation – also einer colonia – im Jahre 70)10, sowie Savaria und Scarbantia auf der Städteliste.11 Der nördliche Teil Pannoniens wird im Werk von Plinius früher erwähnt als Pannonien. Dieses Gebiet ist als deserta Boiorum nach den Norikern erwähnt. Diese Stelle führte zu verschiedenen Thesen. Das Verb iunguntur kann nicht als „gehören“ übersetzt werden, der Satz bedeutet nur, dass die deserta mit den Norikern benachbart sind. Dieser Satz beweist auch nicht eine Okkupation des Boierlandes durch die Noriker. Die Ausdehnung der deserta muss definiert werden. Diese Stelle stammt höchstwahrscheinlich aus der früheren Quelle, und es scheint sicher zu sein, dass diese deserta mit dem Territorium der späteren civitas Boiorum nichts zu tun hat. Der lacus Pelso ist sicher mit dem Plattensee identisch (cf. bei Anonymus Ravennas lacus maximus: IV 19) und nicht mit dem Neusiedlersee (Fertő).12 Die deserta bedeutet ebensowenig Einöde wie die eremia von Strabon. Die deserta Boiorum oder Sarmatiae (IV 81) im Werk von Pilinius war natürlich auch nicht unbewohnt. Diese deserta kommt auch in der spätrömischen Dimensuratio provinciarum vor: 18: desertis, in quibus habitabant Boi et Carni; beide stammen vielleicht aus derselben Quelle (Kommentare von Agrippa?).13 Die Stelle wurde von Plinius mit der Erwähnung von Savaria und Scarbantia aus der Städteliste ergänzt, wo er auch das Bindewort tamen

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9 10 11 12 13

Detlefsen 1909, 45–50; Klotz 1906, 96 f. 135; Sallmann 1971, 100 f. 144. 20. 262; Marion 1998, 119–137; P. Kovács in Kovács – Fehér 2005a, 48–63. Zu den Formulae siehe Christol 1994, 45–63. CIL XVI 18. AE 1911, 237. Siehe schon Mócsy 1959, 77, dagegen: Mirković 2004, 147 f. Graf 1936, 26 f.; Anreiter 2001, 248. Die Carni beziehen sich wahrscheinlich auf Carnuntum, dessen griechische Form bei Ptolemaios ΚαρνοĽς ist (II 14.3) (cf. auch Theomnestus Hippiatrica Berolensia XXXIV 12).

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benutzt hat (meiner Meinung nach falsch).14 Dieses Gebiet lag außerhalb Pannoniens, wie das Adverb inde am Anfang des nächsten Kapitels klar zeigt: Inde Pannoniae glandifera … Da die Beschreibung der anderen Teile des ungarischen Transdanubiens völlig fehlt, muss man annehmen, dass, wie bei Strabon, das Wort deserta sich auf das ganze, früher von den Boiern eroberte Gebiet bezieht. Plinius schrieb natürlich kein Wort über die Niederlage der Boier, und genau deswegen wurde das Wort deserta in seiner Quelle benutzt. Eine spätere Phase der pannonischen civitates kann man im Werk von Ptolemaios erkennen. Durch das von ihm benutzte Gradsystem kann ihre geographische Lage festgestellt werden (II 14–15: die spätesten Angaben stammen aus der hadrianischen Zeit – vgl. die Standorte der Legionen von Pannonia superior, Mursa erscheint bereits als colonia).15 Ptolemaios benutzt bei den Länderbeschreibungen immer dasselbe Schema: Begrenzung mit den Flussmündungen, Gebirge, Stämme, Orte. Die Aufzählung der Stämme folgt auch immer demselben Schema: von links nach rechts, also von Westen nach Osten, von oben nach unten, eingeteilt in verschiedene Streifen. Soviel ich weiß, bestimmt Ptolemaios die Gebiete der pannonischen Stämme fast immer richtig, wobei er aber die Amantini z. B. sicher mit den Eraviskern vertauscht, deshalb lebten sie nach Ptolemaios nördlich der Hercyniates (II 15.2).16 Aus unserer Sicht ist es besonders wichtig, dass die Angaben bezüglich Pannonien und der Nachbarprovinzen (zwischen den Meridianen 34–44) mehr oder weniger korrekt sind. Die Lokalisierung der einzelnen Stämme und Orte kann nur wegen der etwas ungenauen Daten der Breitengrade problematisch sein (z. B. wegen der falsch angegebenen Daten der nördlichen Grenze von Noricum und Pannonia superior lokalisiert Ptolemaios die Boier südlich der Azalier), die Längengrade sind fast immer richtig. Pannonia superior und inferior kommen mit den wichtigsten (meiner Meinung nach frühesten) Städten (vorclaudische Städte wie Emona17 und Scarbantia und das Legionslager Poetovio) auch im Buch VIII vor (7.6–7). Der Grund der ungenauen Daten von Ptolemaios ist umstritten: sie können mit unterschiedlichen Quellen, späteren Textveränderungen oder mit einer falschen Umrechnung der römischen Meilen in Stadien (Achtel- oder Zehntelmeilen) erklärt werden. Es ist auch noch fraglich, auf welchen Quellen Ptolemaios basiert: auf Agrippas Weltkarte und Kommentaren oder auf dem Werk von Marinus unter Trajan oder auf beiden. Die Benutzung verschiedener formulae provinciae (des grossen Illyricum oder des ungeteilten Pannonien oder von Pannonia superior und inferior) ist auch von B. Fehér nachgewiesen worden.18 Die Aufzählung der Stämme ist für uns besonders wichtig, weil wir ihrer späteren Geschichte (nach Plinius) folgen können. Es ist auf den ersten Blick auffallend, dass einige Stämme ausgelassen sind: Arabiates, Belgites, Cornacates, Catari, Taurisci, Serretes, Serapilli, Sirmienses und einige neue erscheinen: Kytnoi, die vielleicht mit den Cotini im nördlichen Teil von Pannonia superior (östlich der Azalier) identifiziert werden können. Es handelt sich wieder nicht um einen Fehler von Ptolemaios. Die pannonischen Taurisker und Catari lebten nach den Angaben von Ptolemaios im Territorium von Emona; ihre civitates waren eingegliedert, und später gehörten sie zusammen mit Emona zu Italien. Die Lokalisierung der Arabiates und Belgites ist sehr schwer19, da sie nur bei Plinius vorkommen. Arabiates lebten sicher in der Gegend des Flusses Arrabo/Raab, woher ihr Name auch stammt. Ihre civitas könnte mit der Gründung von Savaria unter Claudius verschwunden sein. Die Belgites können irgendwo in Westpannonien lokalisiert werden, und ihr Territorium wurde vielleicht in ein hadrianisches Municipium in der Gegend des Plattensees eingegliedert (Valcum oder Mogetiana).20 Die Serretes und Serapilli lebten auch in Westpannonien, nach Plinius auf beiden Ufern der Drau, also auch nördlich der Drau. In seiner Bemerkung hatte Plinius vielleicht recht, weil das Militärdiplom von Beleg (Komitat Somogy, südlich vom Plattensee) aus dem Jahre 85 für einen Iasus ausgestellt wurde21 und Plinius auch die Iasi mit der Präposition per erwähnt hat.22 Die territoria der Serretes und Serapilli sind nach der Gründung von Poetovio unter 14 15 16 17

18 19 20 21 22

Zum Beinamen Iulia von Scarbantia siehe Kovács 2002, 147–192. Schnabel 1965; Bernecker 1989; B. Fehér, in Kovács – Fehér 2005a, 64–105; Stückelberger – Graßhoff 2007. Mócsy 1959, 73. 76. Die Zugehörigkeit Emonas ist umstritten (Vgl. Šašel 1989b, 169–174; Šašel Kos 2003, 11–19), aber nach den Angaben von Plinius und Ptolemaios VIII 7.6 gehörte die Stadt in der ersten Hälfte des 1. Jh.s n. Chr. sicher zu Pannonia superior (siehe P. Kovács, in Kovács – Fehér 2005a, 174 f. 295–297). B. Fehér in Kovács – Fehér 2005a, 90 f. Mócsy 1959, 78 f. P. Kovács in Kovács – Fehér 2005b, 184 f. CIL XVI 31. Mócsy 1959, 27; Alföldy 1964, 95–106.

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Trajan verschwunden, wie die Sirmienses unter Vespasian. Die Cornacates lebten natürlich in der Nähe von Cornacum, ihre civitas ist am Anfang des 2. Jh.s noch epigraphisch belegt23, sie wurde aber nach der Gründung von Cibalae dem Municipium unter Hadrian eingegliedert.24 Die Kytnoi, wenn sie wirklich mit den Cotini identifiziert werden können, waren später aus dem Barbaricum umgesiedelt und lebten östlich der Azalier in Nordpannonien.25 Cotini wurden auch nach den Markomennkriegen Marc Aurels umgesiedelt und lebten im Territorium von Mursa und Cibalae. Eine Umsiedlung aus dem Barbaricum noch im 1. Jh. ist im Fall der Anartii im ager Aquincensis belegt.26 Warum andere Stämme in der Liste von Ptolemaios geblieben sind (trotz ihrer civitates sind sie unter Hadrian auch eingegliedert, wie die Boier und die Eravisker), bleibt fraglich, es kann vielleicht mit der Benützung unterschiedlicher Quellen erklärt werden. Es ist sehr wenig über die inneren Lebensumstände der pannonischen civitates bekannt.27 Es ist sicher, dass sie während der Okuppationszeit und auch später bis zu den Flaviern unter militärischer Aufsicht lebten, centuriones oder die Truppenkommandeure einiger Auxiliareinheiten waren ihre praefecti (manchmal auch zweier civitates, wie im Fall der civitas Boiorum et Azaliorum).28 Die Mitglieder des Stammrates waren die principes: Sie sind im Fall der folgenden civitates belegt: Andizetes: RMD IV 205 Azali: RIU 790, TRH 117 Boi: AE. 1951, 64, RMD IV 205 Eravisci: CIL III 330329, 3379 = 10358, 3546 Iasi: RMD IV 205 Scordisci: ILJ 280. Nach Auflösung der militärischen Aufsicht waren die Führer der civitates sicher die einheimischen praefecti (ILJ 280). Titus Flavius Proculus war früher pr(inceps), also Mitglied des Stammesrates, später praef(ectus) der civitas Scordiscorum.30 Diese nach römischem Muster aufgebaute Laufbahn ist auch auf einem Grabstein aus Solva/Esztergom belegt.31 Die Stele ist für Iucundus, princeps Azaliorum, noch zu Lebzeiten errichtet worden. Iucundus war schon früher bekannt.32 In der Zeile 5 der Inschrift wurden die Buchstaben PRINCIPI getilgt. Das bedeutet, dass Iucundus später einen höheren Rang erhalten hat: er wurde höchstwahrscheinlich praefectus seiner civitas. Neben den principes hatte die civitas Eraviscorum decuriones (vielleicht mit den principes identisch33, tabularii 34 und ARM35. Die Mitglieder der führenden Schichten der civitates konnten später auch das römische Bürgerrecht erhalten (Flavii: RMD IV 205, ILJ 280, Cocceii: AE 1951, 64, CIL III 3546, Aelii: CIL III 10408 = Tit. Aq. 65, RIU 1066). Eine Grabinschrift aus Intercisa belegt, dass die Zivilsiedlung von Aquincum vor Hadrian nur ein vicus der civitas Eraviscorum war: RIU 1256 Senio Comatonis f(ilius) nat(ione) Era(viscus) ist in c(ivitate) Er(aviscorum) in Acinco gestorben (cf. RIU 1148, 1248).36 Dieselbe Siuation müssen wir in anderen Fällen (Vindobona, Carnuntum, Brigetio usw.) annehmen. Die civitates der Pannonier waren sicher civitates stipendiariae (cf. Epit. de Caes. 17 Augustus … Pannonios stipendiarios adiecit), wie die Taurisker und Noriker tributpflichtig waren (bei Strabon IV.6.9: πευτακτοĽσι τοćς φόρους.). Ein 23 24 25 26

27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

CIL V 6985 und 6986. Mócsy 1959, 76; Iskra-Janošić 2004, 177 f. Mócsy 1959, 78–80; Visy 1993, 8–12; Kovács 2009a, 229. Vicus Anartiorum: AE 2005, 1265, eine Anartia aus Aquincum: CIL 3598 = 10552 (cf. auch die statio Osones, die sich wahrscheinlich auf die Osi bezieht – It. Ant. 263,7: dazu Mócsy 1962, 711). Mócsy 1959, 105–110; P. Kovács in Kovács – Fehér 2005b, 182–185. CIL III 14387 und CIL IX 5363; dazu Fitz 1993, 316 f., Nr. 202. 268, Nr. 161. Kovács 2011, 46–51. Mócsy 1957, 488–498. TRH 117. RIU 790. RIU 1347, dazu Mócsy 1970, 59–66. CIL III 10408 = Tit. Aq. 85. Zu der leider unauflösbaren Abkürzung: RIU 1066. Nagy 1971, 59–81. Zur richtigen Lesung siehe Kovács 1997–1998, 289.

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PÉTER KOVÁCS

Foederatenstatus kann im Fall der Boier und besonders der Eravisker angenommen werden, weil aufgrund einiger Hortfunde (Lágymányos, Tokod, Bia) ihre Münzprägung spätestens bis in die Zeit Caligulas nachgewiesen ist.37 Zum Schluss möchte ich ein relativ neues Militärdiplom vorstellen.38 Die von M. Roxan publizierte Entlassungsurkunde wurde im Jahre 71 ante emerita stipendia für 9HODJHQXV&RLYRQLVÀOLXV ausgestellt. Der Eravisker diente als Centurio in der Flotte von Ravenna seit 45/46 n. Chr. und wurde zusammen mit anderen (schon zwei ähnliche Flottendiplome sind bekannt39) in Pannonien angesiedelt (nach dem Text des Diploms: deducti in Pannoniam), wahrscheinlich in Siscia (oder Sirmium). Velagenus gehört also zu den ersten bekannten Pannoniern, die aus den Stämmen nördlich der Drau rekrutiert waren. Sonst ist nur noch ein Azaler (Asalus) aus der tiberischen Zeit bekannt, der in Moesien als Reitersoldat diente.40 Das Diplom ist wegen der Zeugen besonders wichtig: T(itus) Flavius Serenus princ(eps) Iasio(rum), Licco Davi f(ilius) princ(eps) Breucor(um), Caledo Sammonis f(ilius) princ(eps) Boior(um), Cobromarus Tosiae f(ilius) princ(eps) Boioru41, Breucus Isticani f(ilius) princ(eps) Antizit(ium) (und noch ein mil(es) coh(ortis) XIII urb(anae) und ein et(eranorum) cur(ator)). Die Mehrheit der Zeugen waren Führer pannonischer civitates. Diese Tatsache hat verschiedene Probleme bei der Interpretation des Diploms verursacht: Roxan versuchte die Abkürzung PRINC als princ(ipalis) aufzulösen, natürlich falsch. Es ist wahrscheinlich (aufgrund des anderen Zeugen, der Soldat der cohors XIII urbana war), dass die Zeugen das Diplom in Rom während einer Gesandschaft beim neuen Kaiser gesiegelt hatten42, und sie sich nicht in Pannonien aufhielten, wohin der Eravisker nach der Entlassung zurückgekommen ist. Es ist auch fraglich, warum ausgerechnet diese Personen die Zeugen waren. Saddington hatte wahrscheinlich recht, dass sie irgendwelche Beziehung zum römischen Heer haben mussten, wobei die principes sicher keine Veteranen waren, vielleicht mit der Ausnahme von Serenus (wegen seines neu erworbenen Bürgerrechtes: aber er konnte auch als princeps die civitas Romana erhalten). Meiner Meinung nach dienten pannonische Autochthone aus ihren Stämmen (also Breuci, Iasi, Andizetes, Boii und Eravisci) in der Flotte (die Boier dienten später sicher in der Flotte von Misenum).43 Diese Vermutung würde bedeuten, dass auch Boier spätestens unter Claudius rekrutiert werden konnten.

Appendix: Die Stämme in Pannonien44 Strabon – Andizetoi

Plinius Amantes Andizetes

Ptolemaios Amantinoi Andizetes

– –

Arviates (Arabiates) Azali

– Azaloi

Boioi

Boii

Boioi



Belgites



37 38

39 40 41

42 43 44

Epigraphische Quellen CIL III 3224 RMD IV 205; AE 2004, 1923: Antiz; SEG 35, 108244. – mehrere, civitas: CIL IX 5363; RIU 790; TRH 117 mehrere: civitas: CIL IX 5363; AE 1951, 64; RMD IV 205 –

Torbágyi 1984, 161–196; Torbágyi 2003; P. Kovács in Kovács – Fehér 2005a, 298 f. RMD IV 205; Roxan 2002, 945–948; Saddington 2004, 75–79; B. Lőrincz, in Kovács – Fehér 2005b, 122–125; Frei-Stolba 2007, 22–29; Dušanić 2007, 80 f. CILX VI 14, AE 2004, 1282 = 2007, 1232. AE 1967, 425; Gerov 1967, 91; Mócsy 1979, 183 f. Cobromarus kann leider nicht sicher mit dem auf pannonischen Inschriften erwähnten T. Flavius Cobromarus identifiziert werden, weil dieser nicht princeps seiner civitas war bzw. dieser Rang unerwähnt blieb: AE 1920, 67; Hild 249. RMD IV p. 398. AE 2008, 1111; cf. noch Tac. hist. III 12.1, 50.2–3; Mócsy 1968, 305–311.

Kovács 2006, 171–179.

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DER BERNSTEINSTRASSENRAUM UND SEINE BEWOHNER

Strabon Breukoi – – – – –

Plinius Breuci Catari Colapiani Cornacates – Eravisci

Ptolemaios Breukoi – Kolanianoi – Kytnoi Araviskoi

– – – – Skordiskoi – – – – Tauriskoi –

Hercuniates Iasi Latovici Oseriates Scordisci Serapilli Serretes Sirmienses – Taurisci Varciani

Herkuniates Iasoi Latobikoi Oseriates Skordiskoi – – – – – Varkianoi

Epigraphische Quellen mehrere, civitas: RMD IV 205 – CIL III 14387; RIU 255, 257 CIL V 6985-6986, XVI 2; RMD 169 – mehrere, civitas: CIL III 3303, 3379, 3546, 10408; RIU 1066, 1148, 1248?, 1256, 1347 RIU 1248? CIL XVI 31; RMD IV 205 CIL III 1084; AE 1909, 19 AE 1964, 12 ILJ 280 – – – Sisciani: AE 1909, 19; RIU 259 mehrere AE 1909, 19; CIL VI 32785a

Ptolemaios II 14.2: Κατέχουσι δÿ τāν ­παρχίαν ­ν μÿν τοĵς πρąς ¡ρκτους μέρεσιν ©ζαλοι μÿν δυσμικώτεροι, Κύτνοι δŅ νατολικώτεροι, ­ν δÿ τοĵς μεσημβρινοĵς Λατόβικοι μÿν îπą τą Νωρικąν, Οíαρκιανοă δÿ τý πρąς νατολýς, ­ν δÿ τοĵς μεταξć ΒĆιοι μÿν πρąς δυσμýς καă îπŅ αíτοćς Κολαιτιανοă,Ušþσσιοι δÿ πρąς νατολýς καă îπŅ αíτοćς ũσεριάτες. Plinius, naturalis historia III 146–149: 146 Noricis iunguntur lacus Pelso, deserta Boiorum; iam tamen colonia Divi Claudi Savaria et oppido Scarabantia Iulia habitantur. 147 Inde glandifera Pannonia, qua mitescentia Alpium iuga per medium Illyricum a septentrione ad meridiem versa molli in dextra ac laeva devexitate considunt. quae pars ad mare Hadriaticum spectat, appellatur Delmatia et Illyricum supra GLFWXPDGVHSWHQWULRQHV3DQRQLDYHUJLWÀQLWXULQGH'DQXYLRLQHDFRORQLDH(PRQD6LVFLDDPQHVFODULHWQDYLJDELOHV LQ'DQXYLXPGHÁXXQW'UDXVH1RULFLVYLROHQWLRU6DXVH[$OSLEXV&DUQLFLVSODFLGLRU&;;LQWHUYDOOR'UDXVSHU Serretes, Serapillos, Iasos, Andizetes, Saus per Colapianos Breucosque. 148 populorum haec capita; praeterea Arviates, Azali, Amantini, Belgites, Catari, Cornacates,Eravisci, Hercuniates, Latovici, Oseriates, Varciani. mons Claudius, cuius in fronte Sardisci, in tergo Taurisci. insula in Sao Metubarbis, amQLFDUXPPD[LPDSUDHWHUHDDPQHVPHPRUDQGL&RODSLVLQ6DXPLQÁXHQVLX[WD6LVFLDPJHPLQRDOYHRLQVXODPLELHIÀFLW TXDH6HJHVWLFDDSSHOODWXUDOWHUDPQLV%DFXQLWXVLQ6DXP«6LUPLRRSSLGRLQÁXLWXELFLYLWDV6LUPLHQVLXPHW$PDQ WLQRUXPLQGH;/97DXUXQXPXEL'DQXYLRPLVFHWXU6DXVVXSUDLQÁXXQW9DOGDVXV8USDQXVHWLSVLQRQLJQRELOHV

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STEFAN KRMNICEK

FRÜHER MÜNZGEBRAUCH UND GELDVERKEHR AM MAGDALENSBERG Einleitung Das numismatische Material der vorliegenden Studie bilden 1434 antike und nachantike Fundmünzen, die bis zum Jahr 2006 in der Siedlung auf dem Magdalensberg gefunden wurden. Die intensive archäologische Erforschung der römischen Niederlassung, die kurze Besiedlungsdauer von nur etwa 90 Jahren, sowie die Fundvergesellschaftung von griechischen, keltischen und römischen Münzen in archäologisch gut dokumentierten Befunden bieten beste methodische Rahmenbedingungen, um das numismatische Material in seinem archäologischen Kontext von Stratigraphie und Fundensembles sowie in seinem historischen und geldgeschichtlichen Gesamtzusammenhang zu beurteilen. Eine ausführliche Studie zum Münzgebrauch und Geldverkehr am Magdalensberg wurde vom Autor dieser Zeilen in einer Monographie vorgelegt1. Dieser Beitrag befasst sich unter Hinzuziehung neuer Daten vornehmlich mit dem Aspekt des Geldverkehrs und der Zirkulation von Geld in der Siedlung auf dem Magdalensberg.

Materialbasis Von den antiken Fundmünzen vom Magdalensberg liegen 758 keltische Münzen, 642 römische Prägungen und sieben griechische Münzen vor. Die Zusammensetzung des Typenspektrums der keltischen Münzen besteht fast ausschließlich aus norischen Prägungen, die in der aktuellen Forschung den Norici und Taurisci zugeschrieben werden2. Zwei Drachmenprägungen aus der Gallia Cisalpina, eine Potinmünze der Nervii vom Typ Scheers 190 cl. IV, eine vermutliche Hemidrachme der Boii aus dem mittleren Donauraum und eine nordostgallische Münze vom Typ Germanus Indutilli L bilden die „fremden“ Prägungen unter den lokal vorherrschenden keltischen Münzen des Ostalpenraumes. Die norischen Prägungen lassen sich in 698 sog. Kleinsilbermünzen zu durchschnittlich etwa 0,6 g und 43 sog. Großsilbermünzen oder Tetradrachmen zu ca. 8–9 g Gewicht unterteilen3. Unter allen Kleinsilbermünzen des Magdalensberges dominieren Prägungen mit Kreuzmotiv, welche den Norici zugeschrieben werden und als Typ Magdalensberg bzw. Typ Gurina firmieren4. Diese machen von insgesamt 680 näher bestimmbaren Exemplaren mit knapp 90 % den Hauptanteil dieser Gruppe und der gesamten keltischen Fundmünzen vom Magdalensberg aus. Die restlichen Münzen entfallen mehrheitlich auf die Kleinsilbermünzen vom Typ Eis und Karlsteiner Art. Mit einer weitaus weniger homogenen Zusammensetzung als die keltischen Prägungen präsentieren die römischen Münzen einen Querschnitt des in der frühen Kaiserzeit am Magdalensberg verfügbaren römischen Geldes (Tab. 1). Die Mehrzahl der römischen Fundmünzen machen kaiserzeitliche Asse (364 Stück) – hauptsächlich augusteische Münzmeisterasse (162 Stück) – sowie Denare der Republik (91 Stück) aus. Unter Berücksichtigung der Funktion der Siedlung auf dem Magdalensberg als Handels- und Verwaltungszentrum5 ist interessant zu beobachten, dass in mehr als 60 Jahren archäologischer Ausgrabungen bislang bloß drei Aurei gefunden wurden. 1 2

3 4

5

Krmnicek 2010. Zur Unterscheidung zwischen Norici und Taurisci erstmals Göbl 1994, 37; in der Zuweisung Göbl folgend Dembski 1998, 199; zur Diskussion der regionalen Zuweisung Kos – Šemrov 2003, 388; Schachinger 2006, 23–41. Für einen Überblick zur lokalen keltischen Münzprägung Göbl 1992; Kos – Wigg 2002. Zur Umbenennung von Typ Magdalensberg in Typ Gurina auf Grundlage des Fundes eines Prägestempels auf der Gurina vgl. Dembski 1999, 628–629. Grundlegend mit Vorlage der reichen epigraphischen Evidenz Egger 1961; zusammenfassend auf Basis der archäologischen Befunde Piccottini 2001; Dolenz 2007.

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Aureus Denar Quinar Sesterz Dupondius As Quadrans andere

Republik – 91 14 – – 20 – 8

Augustus 1 10 – 8 26 162 20 2

Tiberius 2 8 – 1 4 58 – –

Gaius – – – 3 2 74 3 –

Claudius – – – 6 3 70 8 –

Tab. 1: Münzliste der römischen Fundmünzen vom Magdalensberg.

Zirkulationsräume Das Typenspektrum der augusteischen Münzprägung bietet aufgrund des aktuellen Forschungsstandes zum Vorkommen dieser Prägungen in frühkaiserzeitlichen Fundhorizonten gute Einblicke in antike Zirkulationsmechanismen6. Dabei spielt das Verhältnis von Prägungen der Serie Nemausus I, der Serie Lugdunum I, Münzmeisterassen und republikanischen Assen eine wichtige Rolle7. Unabhängige Datierungshilfen auf Grundlage dendrochronologischer Daten helfen außerdem, das chronologische Feingerüst der Zirkulation verschiedener Typen während unterschiedlicher Zeithorizonte zu bestätigen8. Für die Diskussion des physisch vorhandenen Münzmaterials und seiner Zirkulation in der Siedlung auf dem Magdalensberg soll hier zunächst auf die verfügbaren Verhältnisse der wichtigsten augusteischen Münztypen und die Ähnlichkeiten und Kontraste in deren großräumiger Verbreitung eingegangen werden. Die Unterschiede der Münzzirkulation in bestimmten Räumen der Nordwestprovinzen sind durch das Militär, seine Besoldung und dessen Mobilität bedingt9. Insofern ist die Vorlage des Materials vom Magdalensberg von besonderer Bedeutung, liegen hier erstmals ausführliche Daten zu einem augusteisch bis claudisch datierten Fundplatz des Ostalpenraumes mit ziviler und militärischer Prägung vor. Die chronologische Komponente des Umlaufs, also die Frage, wann die Münzen an einem Fundplatz bzw. im Großraum verfügbar waren und verloren wurden, kann bei dieser Methode nur begrenzt erörtert werden. Eine Gegenüberstellung von repräsentativen Daten aus dem Rheingebiet, aus Italien und dem Ostalpenraum verdeutlicht das Verhältnis der regional unterschiedlichen Anteile von stadtrömischen Münzmeisterassen, Lugdunum- und Nemausus-Assen (Tab. 2). Dabei ist – unabhängig von chronologischen Faktoren und einer Unterteilung in einzelne Serien – ein deutlicher Unterschied zwischen dem Rheingebiet einerseits und dem Ostalpenraum und Italien andererseits zu erkennen10. Die Stadt auf dem Magdalensberg, sowie der gesamte frühe römische Südostalpenraum lagen hinsichtlich der Verteilung der Münzmeisterasse gegenüber Lugdunum- und Nemausus-Assen ganz offensichtlich im Einflussgebiet italischer Zirkulationsmechanismen11. Die scharfe Abgrenzung innerhalb der räumlichen Verteilung wird auch daran ersichtlich, dass bereits Fundplätze im Gebiet der heutigen Schweiz eine zu Italien und dem Ostalpenraum unterschiedliche Relation der betreffenden Münztypen aufweisen12. Die überwältigende Mehrheit von Münzmeisterassen gegenüber Nemausus- und Lugdunum-Assen am frühkaiserzeitlichen Fundplatz 6 7

8

9 10

11 12

Für das Studium antiker Zirkulationsräume Wigg-Wolf 2005. So beispielsweise ein Studie zum frühkaiserzeitlichen Münzumlauf in den nordwestlichen Provinzen anhand dieses Typenspektrums bei van Heesch 2000. Zu den Perspektiven und Grenzen der Münzfundauswertung auf Grundlage dendrochronologischer Daten am Beispiel der Fundmünzen von Vitudurum (Oberwinterthur) Brem 2009. Wigg 1999. Für eine Zusammenstellung der unterschiedlichen Typenverteilung in Fundorten der germanischen Provinzen und der Gallia Belgica vgl. Doyen 2008, 45–47; die Beobachtung eines marginalen Anteils an Lugdunum- und Nemausus-Serien in Funden Oberitaliens bereits bei Berger 1996, 37 Abb. 21. 38 (Lugdunum); 43 Abb. 25. 44 (Nemausus). Kos 1986, 35–37. Peter 2001, 53–54. 57.

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FRÜHER MÜNZGEBRAUCH UND GELDVERKEHR AM MAGDALENSBERG

Fundort Haltern Neuss Magdalensberg Emona Altinum

Münzmeister 9% 27 % 90 % 93 % 98 %

Lugdunum 83 % 56 % 6% 4% 1%

Nemausus 8% 17 % 4% 3% 1%

Tab. 2: Anteil der stadtrömischen Münzmeisterasse, der As-Prägungen von Lugdunum und Nemausus. Haltern (FMRD VI 4) n = 1309; Neuss (FMRD VI 3/2 Nr. 3002,5; Nr. 3002,6; Nr. 3002,7) n = 1818; Magdalensberg n = 141; Emona (FMRSl I Nr. 155; FMRSl III Nr. 83; FMRSl IV Nr. 85; FMRSl V Nr. 62 – jeweils „intra muros“) n = 156; Altinum (RMRVe VI 1 – ohne Nr. 53; 54) n = 633.

Magdalensberg kann demnach als typisches Normalverteilungsbild eines italischen bzw. italisch geprägten Münzumlaufs gedeutet werden. Eine weitere Möglichkeit, unterschiedliche Zirkulationsräume anhand der vorhandenen Fundmünzen gut zu fassen, besteht in der Auflistung der Verhältnisse von gegengestempelten gegenüber nicht gegengestempelten Prägungen. Die Sinnhaftigkeit einer solchen Gegenüberstellung ist nur dann gegeben, wenn für die Analyse der passende Münztyp gewählt wird. Stadtrömische Münzmeisterasse bieten sich aufgrund ihrer Dominanz im gesamten Untersuchungsgebiet (Rheingebiet, Ostalpenraum, Italien), wegen ihrer Eigenschaft als häufig gegengestempelter Münztyp und aufgrund der Zeitstellung dafür bestens an. Fundort Neuss Slowenien Magdalensberg Venetien

ohne Gegenstempel 35 % 88 % 93 % 99,6 %

mit Gegenstempel 65 % 12 % 7% 0,4 %

Tab. 3: Anteil der stadtrömischen Münzmeisterasse mit und ohne Gegenstempel. Neuss (FMRD VI 3/2 Nr. 3002,5; Nr. 3002,6; Nr. 3002,7) n = 492; Slowenien (FMRSl I; FMRSl II; FMRSl III; FMRSl IV; FMRSl V) n = 415; Magdalensberg n = 126; Venetien (RMRVe I 1 / I 3; RMRVe I 2; RMRVe II 1; RMRVe II 2; RMRVe III 3; RMRVe IV 1; RMRVe IV 2; RMRVe VI 1; RMRVe VI 2; RMRVe VI 3; RMRVe VII 2) n = 1015.

Im Vergleich von repräsentativen Daten des Rheingebietes, des Ostalpenraums und Oberitaliens lassen sich die Haupträume der Verteilung gut erschließen (Tab. 3). Während in den Nordwestprovinzen entlang des Rheins das Verhältnis von gegengestempelten gegenüber nicht gegengestempelten Münzmeisterassen sehr hoch ist13, sind im Südostalpenraum Münzmeisterprägungen mit Schlagmarken bei einem Anteil von ca. 10 % weitaus geringer vertreten. In Oberitalien sind kaum gegengestempelte Münzmeisterasse im Fundaufkommen dokumentiert. Dieses Muster entspricht offenbar dem gesamtitalischen Umlauf, wie er auch in Histrien (FMRHr XVIII) und der Lombardei (RMRLomb X) zu beobachten ist. Die Fundevidenz aus dem Tiber in Rom bekräftigt diese Vermutung. Unter den zahlreichen Funden aus dem Tiber in Rom liegt überhaupt nur eine Münzmeisterprägung mit Gegenstempel vor14. Schlagmarken vom Grundtyp AVC sind die mengenmäßig am häufigsten vertretenen Gegenstempel auf den Münzen vom Magdalensberg. Insgesamt können im vorliegenden Material elf Gegenstempel, die diesem Grundtyp zuzuordnen sind, identifiziert werden. Aufgrund der unterschiedlichen Gestaltung des letzten Buchstabens in offener (ähnlich einem C) oder teils geschlossener Form (ähnlich einem G) wird der Grundtyp in zwei Untergruppen unterteilt15. Schlagmarken dieses Typs wurden nach Ausweis der Funde in 13 14 15

Kemmers 2006, 78–82. Für die Funde vom Tiber von Kaenel 1999, 369. Kos – Šemrov 1995, 51 f.; speziell zur Kontermarke AVG auf Grundlage der Funde von Carnuntum vgl. Vondrovec 2007, 103–105.

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den rheinischen Lagern hauptsächlich auf Lugdunum-Assen angebracht, während der gleiche Gegenstempeltyp im pannonisch-illyrischen Raum ausschließlich auf Vorderseiten von Münzmeisterassen der Serien II und IV zu finden ist16. Auch am Magdalensberg liegen nur Münzmeisterasse der Serien II und IV mit diesem Gegenstempel vor.

Münzumlauf Vor dem Hintergrund der langjährigen und intensiven archäologischen Erforschung der Siedlung auf dem Magdalensberg bietet die genaue Dokumentation des numismatischen Fundmaterials hervorragende Möglichkeiten, um die 1434 Fundmünzen im Kontext von Stratigraphie und Fundkomplexen zu untersuchen. Von den 1407 bestimmbaren griechischen, keltischen und römischen Münzen stammen 1018 Exemplare (= 72 %) aus stratigraphischem Kontext und bieten einen einzigartigen Einblick in das vor Ort zu unterschiedlichen Zeitabschnitten verfügbar gewesene bzw. verlorene Geld. Zu diesem Zweck wurden aussagefähige Straten in sieben datierte Komplexe zusammengefasst. Als datierende Schichten bezeichnete Kontexte bilden dabei das Grundgerüst für die chronologische Ordnung der Siedlung auf dem Magdalensberg17. Die Komplexe können wegen ihres in ausreichender Menge vorhandenen einheitlichen Fundmaterials einer bestimmten Zeitspanne zugewiesen werden und sind zudem aufgrund des Parallelmaterials von anderen Fundplätzen chronologisch fixierbar. Die Komplexdatierungen sind dabei nicht als präzise jahrgenau aufzufassen, sondern nach den Ergebnissen intensiver, Jahrzehnte währender Fundbearbeitung als Näherungswerte zu verstehen18. Das gut begründete zeitliche Gerüst der datierenden und datierten Fundstellen vom Magdalensberg ermöglicht eine detaillierte Auswertung der Münzfunde innerhalb der vorhandenen Struktur. Horizont spätrepublikanisch frühaugusteisch mittelaugusteisch spätaugeisch augusteisch (nnb) tiberisch claudisch

Datierung 40–25 v. 25–10 v. 10 v.–0 0–15 n. 25 v.–15 n. 15–30 n. 30–50 n.

Münzen 175 (17 %) 59 (6 %) 192 (19 %) 155 (15 %) 34 (3 %) 55 (6 %) 348 (34 %)

Tab. 4: Münzen in datierten Horizonten am Magdalensberg.

Die Auflistung der Fundmünzen nach den datierten Schichten, innerhalb derer die Münzen gefunden wurden (Tab. 4), führt zu wichtigen Beobachtungen: Augusteische, zeitlich nicht enger eingrenzbare, oder tiberisch datierte Befunde sind mengenmäßig weitaus kleiner als die übrigen Kontexte. Anhand der Tabelle ist ebenso ersichtlich, dass die letzte Besiedlungsschicht des Magdalensberges diejenige mit den meisten Münzfunden ist. Dieses Übergewicht ist mit den weniger verfügbaren Schnitten und Sondagen zur Analyse der tieferen Schichten in kleineren Flächen zu erklären. Will man durch chronologisches Filetieren des Gesamtmünzbestandes weitere Erkenntnisse zum lokalen Münzumlauf gewinnen, so bietet sich eine Untersuchung des vorherrschenden Nominals über die vorhandenen Zeitabschnitte an. Aus diesem Grund wurden im Folgenden ausschließlich As-Prägungen berücksichtigt, um die Vergleichbarkeit der Münzen aus unterschiedlichen Zeitabschnitten auf einer 16

17 18

Zum Auftreten dieses Gegenstempels im pannonisch-illyrischen Raum ausführlich Kos 1986, 48; für den Befund der im Rheingebiet gegengestempelten Lugdunum-Serien zuletzt Werz – Berger 2000, 240 f. Schindler-Kaudelka 1989. Für die Auswertung von Fundmünzen in datierten Schichtkomplexen vgl. die Erfahrungswerte der Ausgrabungen vom Titelberg (Luxemburg) bei Metzler 1995.

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FRÜHER MÜNZGEBRAUCH UND GELDVERKEHR AM MAGDALENSBERG

gemeinsamen Ebene zu garantieren19. Der entscheidende Vorteil in der Wahl von ausschließlich As-Prägungen beruht auf der Immobilität der Edelmetallversorgung und der Mobilität von Buntmetall im frühkaiserzeitlichen Münzumlauf20. Somit können anhand der verfügbaren As-Prägungen chronologisch bedingte Änderungen der frühkaiserzeitlichen Münzzirkulation an einem Fundort gut verfolgt werden.

Diagr. 1: Anteil repräsentativer As-Typen am Magdalensberg (Einzelfunde). Frühaugusteischer Horizont n = 10; mittelaugusteischer Horizont n = 1; spätaugusteischer Horizont n = 33; tiberischer Horizont n = 9; claudischer Horizont n = 80.

Die Auflistung der repräsentativen Münztypen nach Zeithorizonten zeigt eine interessante Verteilung (Diagr. 1). Keine der zur Diskussion stehenden römischen Münztypen finden sich unter den Einzelfunden in einem spätrepublikanisch datierten Befund. Diese treten erst in frühaugusteischen Schichten auf. In jenem Horizont überwiegen stadtrömische Münzmeisterprägungen gegenüber republikanischen Assen. In der darauf folgenden mittelaugusteisch datierten Phase überwiegen ebenfalls Münzmeisterprägungen. Der spätaugusteische Horizont vermittelt das gleiche Bild. Eine Änderung ist in tiberischer Zeit zu erkennen, wo neben Münzmeisterassen tiberische Prägungen (Divus-Augustus) erstmals und zugleich in größerem Umfang auftreten. Der claudische Horizont ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anteil der augusteischen Münzmeisterasse weiter zu Ungunsten der Prägungen des Tiberius, des Caius und besonders der zeitgenössischen Münzen des Claudius abnimmt. Nach Ausweis der Daten sind in dieser Periode auch republikanische Asse auf dem Magdalensberg wiederum in größeren Mengen verfügbar. Analog zur gut erforschten Zirkulation republikanischer Asse in den Militärlagern der nordwestlichen Provinzen sind am Magdalensberg hauptsächlich zwei Phasen ihres Vorkommens belegt. Diese umfassen einerseits die augusteische Epoche vor und um die Zeitenwende und andererseits den claudischen Horizont. Der Anteil der republikanischen Asse im Verhältnis zu den übrigen Münzen steigt hauptsächlich in den rheinischen Lagern und Zivilsiedlungen im zweiten Viertel des 1. Jhs. n. Chr. stark an21. Die Funde vom Magdalensberg zeigen dagegen, dass dort die republikanischen Asse in claudischer Zeit nicht die gleiche Bedeutung 19 20

21

Zur methodischen Diskussion einer Untersuchung nach einzelnen selektierten Typen vgl. Peter 2001, 121 f. Wolters 2001, 45 f.; allgemein zu republikanischen Denaren im Münzumlauf des 1. Jhs. n. Chr. zuletzt zusammenfassend Wigg-Wolf 2005, 997. Zum neuerlichen regionalen Zustrom von republikanischen Assen auf Grundlage der Daten von Augst/Kaiseraugst Peter 2001, 41 f.; zuletzt auf Basis neu vorgelegter Fundkomplexe Wigg-Wolf 2007, 131.

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erlangten. In Relation zu den übrigen zeitgleich zirkulierenden As-Typen spielen sie nur eine untergeordnete Rolle. In chronologisch fixierten Fundkomplexen am südlichen Alpenrand ist ein Sinken des Anteils von republikanischen Assen im Verlauf der ersten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. festzustellen22. Auch die augusteischen Münzmeisterasse vom Magdalensberg können auf dieser Grundlage analysiert werden. Nach Ausweis der Funde ist ab frühaugusteischer Zeit ein Anstieg von Münzmeisterassen zu verzeichnen, deren hoher Anteil gegenüber allen anderen As-Prägungen erst im Laufe des Aufkommens tiberischer bis claudischer Buntmetallmünzen in zeitgleichen Horizonten kontinuierlich abnimmt. Ähnlich zu republikanischen Assen ist auch bei den Münzmeisterassen in Militärlagern der Nordwestprovinzen eine chronologisch unterschiedliche Häufigkeitsverteilung festzustellen. Die Münzmeisterprägungen erreichen dort erst in nachaugusteisch gegründeten Militärplätzen ihren lokalen Umlaufhöhepunkt23. Im Gegensatz zu den rheinischen Provinzen ist in Italien und am Magdalensberg mit Beginn der Ausprägung ein hoher Anteil von Münzmeisterassen zu verzeichnen, deren Menge im Geldverkehr im Laufe der 1. Hälfte des 1. Jhs. stetig abnimmt. In ähnlicher Weise eröffnet eine Auffächerung des vorhandenen Münzbestandes nach datierten Horizonten am Magdalensberg neue Erkenntnisse zur Zirkulation von keltischen Münzen. Anhand der Relation zu den Kleinsilbermünzen ist eine deutliche Abnahme des Anteils an Tetradrachmen im verfügbaren Münzumlauf zu entnehmen. Das Fehlen von Tetradrachmen im Fundanfall des spätrepublikanischen Horizonts ist mit der geringen Anzahl an Befunden dieser Zeitstellung zu erklären. Keltische Grosssilbermünzen finden sich dagegen in Relation zu den übrigen norischen Prägungen in großer Menge in frühaugusteischen Schichten. In den nachfolgenden Straten ist eine massive Abnahme der Tetradrachmen, bei einem Verhältnis zwischen Großsilbermünze und Kleinsilbermünze von 1 : 3–8 in augusteischer Zeit bis zu 1 : 17 in claudischer Zeit, zu beobachten. Horizont spätrepublikanisch frühaugusteisch mittelaugusteisch spätaugusteisch tiberisch claudisch

4Δ – 3 2 4 2 4

Kls 22 10 14 31 24 76

4Δ : Kls – 1:3 1:7 1:8 1 : 12 1 : 17

Tab. 5: Absolute Zahlen und Relation von Tetradrachmen zu Kleinsilbermünzen am Magdalensberg (Einzelfunde).

Die vorgestellten Zahlen verdeutlichen, dass die Tetradrachmen gegenüber den Kleinsilbermünzen offensichtlich sehr rasch aus dem Umlauf verschwanden, während letztgenannte bis zum Ende der Siedlung in großen Mengen verfügbar waren und nur langsam vom römischen Geld verdrängt wurden (Tab. 5). Vielleicht ist der Grund dafür im signifikanten Münzbild der keltischen Großsilbermünzen zu suchen; während die vorherrschenden norischen Kleinsilbermünzen auf Vorder- und Rückseite ein einfaches Kreuzmuster bzw. eine bildlose Fläche abbilden, zeigen die Tetradrachmen in Anlehnung an ihre griechischen Vorbilder auf der Vorderseite einen stilisierten Kopf mit Lorbeerkranz sowie einen Reiter mit Namensumschrift auf der Rückseite. Womöglich wurde das Ausscheiden dieser Prägungen aus dem Geldverkehr unter Mitwirkung der römischen Administration beschleunigt, konnten die Großsilbermünzen mit Reiterdarstellung und Nennung der norischen Reguli als sprechende Symbole und bildliche Erinnerungsträger eines von Rom unabhängigen Regnum Noricum verstanden werden. Zusammenfassend lassen sich für den Zustrom von Geld zur Siedlung auf dem Magdalensberg und der Zirkulation vor Ort zwei unterschiedliche Wege beschreiben: Einmal der Weg des Geldes zum Magda-

22 23

So etwa in den augusteisch-tiberisch und claudisch datierten Gräbern in der Nekropole von Giubiasco: Pernet 2006, 290–336. Wigg 1997, 284.

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FRÜHER MÜNZGEBRAUCH UND GELDVERKEHR AM MAGDALENSBERG

lensberg über den Personenverkehr zwischen Italien und dem norischen Raum. Direkte Verbindungen mit italischem Münzumlauf sind mit dem in Relation zu den gut erforschten Münzkomplexen in den rheinischen Lagern weitaus geringerem Anteil von halbierten und gegengestempelten Münzmeisterassen zu belegen. Die Funktion des Magdalensberges als Großhandelsplatz ist im numismatischen Niederschlag nicht zu erkennen, die gefunden Geldwerte sind als mittelmäßig zu bezeichnen. Im frühesten Horizont des Emporiums ist ein nur sehr geringer Zustrom römischen Geldes zu beobachten, keltische Prägungen überwiegen im verfügbaren Material. Erst mit frühaugusteischer Zeit beginnt römisches Geld am Magdalensberg in größerem Umfang vorhanden zu sein. Der zweite, und vermutlich bedeutendere Faktor, der eine Zufuhr von Geld auf den Magdalensberg bewirkte, war das Militär. Die Stationierung von Soldaten der legio VIII Augusta und der cohors I Montanorum ist in der Stadt auf dem Berg nachgewiesen24. Eine Quantifizierung des militärischen Elements im Münzumlauf stößt auf Schwierigkeiten, da der Magdalensberg im Einflussgebiet italischer Zirkulationsmechanismen lag und sich damit im gleichen südostalpinen Wirkungskreis befand wie Poetovio, der iulisch-claudische Standort der legio VIII Augusta25. Generell präsentiert sich der gesamte Südostalpenraum in augusteischer Zeit als stark militärisch geprägt. Neben dauerhaft stationierten Militäreinheiten in der Region sind die großen mehrjährigen militärischen Unternehmungen aufgrund der Revolten und Aufstände in augusteischer Zeit im gesamten Großraum zu berücksichtigen26, die zur Bildung der charakteristischen Münzfundstruktur beigetragen haben werden. Das Vorhandensein von augusteischen Münzen mit Gegenstempel am Magdalensberg ist ein Beweis dafür, dass mit der Verlegung von Verbänden auf den Magdalensberg eine lokale Verfügbarkeit von Münzen auch über das Militär erfolgte. Die Zusammenstellung der gegengestempelten Münzen weist deutlich auf eine Provenienz aus dem pannonisch-illyrischen Raum, was mit dem militärischen Charakter der Region einhergeht. Die wenigen am Magdalensberg vorhandenen Nemausus- und Lugdunum-Prägungen sowie Provinzialmünzen aus Hispanien werden in dieser Zeit über militärischem Wege als sekundäres Material aus den Nordwestprovinzen den Ostalpenraum erreicht haben. Dagegen weist die in Relation zu den Nemausus- und Lugdunum-Serien hohe Anzahl an augusteischen Münzmeisterprägungen am Magdalensberg auf typisch italischen Umlauf. Auch das Übergewicht von republikanischen Denaren gegenüber frischen augusteischen und später tiberischen Denarserien am Magdalensberg steht im Gegensatz zu den Verteilungsmustern der Nordwestprovinzen, wo ein gänzlich andersartiger Münzumlauf festzustellen ist. Diese Phänomene legen eine spezifische, regionale Münzzirkulation nahe, die anhand der chronologisch gefassten Horizonte am Magdalensberg gut beobachtet werden kann. Ansonsten sind wenige Anzeichen für einen explizit militärisch oder zivil geprägten Geldverkehr in der Stadt zu erkennen. Die Schwierigkeit der exakten Trennung von zivil und militärisch ist daran zu ermessen, dass der Magdalensberg sowie die gesamte Region des südöstlichen Alpenraumes zwar in italisch geprägtem Einflussgebiet lag, dieses sich in der frühen Kaiserzeit allerdings trotz des militärischen Charakters nur geringfügig von dem in Italien selbst unterschied. Die Schlagmarken auf augusteischen Münzen sind verlässliche Hinweise für eine Verortung in militärischem Umfeld. Für nachaugusteische Prägungen entfällt bereits die Möglichkeit eines Nachweises auf Grundlage von Gegenstempeln. Hier müssen Untersuchungen zur Münz- und Nominalstruktur einsetzen. Das neuerliche Vorkommen von republikanischen Assen am Magdalensberg speziell in claudischen Horizonten etwa mag auf militärische Faktoren der lokalen Münzzirkulation zu dieser Zeit verweisen. Der insgesamt kontinuierlich abnehmende Anteil von keltischen Münzen im lokalen Umlauf von der frühesten Besiedlungsphase bis zum Ende der Siedlung ist allem Anschein nach auf einen ausschließlich regionalen Umlauf in römischer Zeit begrenzt gewesen. Ab tiberischer Zeit ist ein Rückgang der bislang dominierenden Münzmeisterasse zugunsten der neuen, tiberischen As-Prägungen festzustellen. Ein analoges Bild zeigt sich während der letzten Besiedlungs24 25

26

Zu militärischer Präsenz anhand der Funde Dolenz u. a. 1995; zur epigraphischen Evidenz vgl. Dolenz 2001. Für die Ähnlichkeit der Struktur von frühkaiserzeitlichen Münzfunden aus Poetovio mit italischen Verteilungsmustern sowie zur Problematik der Repräsentativität von Fundmünzen der frühen Horizonte vgl. Kos 1986, 32–37. 56; im Überblick zur frühen römischen Besiedlungsphase von Poetovio und der Anwesenheit der legio VIII Augusta siehe Horvat u. a. 2003, 155–156. Im Überblick Šašel Kos 2009.

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phase des Magdalensberges, wo die claudischen Aes-Münzen den überwiegenden Anteil am verfügbaren Gesamtmaterial einnehmen. Auch damit entspricht die lokale Münzzirkulation in groben Zügen oberitalischen, oder zumindest von italischer Zirkulation geprägten Plätzen. Die geringe Menge an aussagekräftigen Vergleichsdaten erschwert eine genaue Beurteilung. Der Vergleich mit chronologisch eng gefassten frühkaiserzeitlichen Fundorten des bayrischen Alpenvorlandes27 und des Südostalpenraumes28 unterstützt im Ausschlussverfahren die vorgeschlagenen typischen Charakteristika des römischen Münzumlaufs am Magdalensberg, der im Grunde ein leicht modifiziertes Spiegelbild des vorhandenen Geldes im gesamten frühkaiserzeitlichen Südostalpenraum bzw. Oberitalien darstellt – mit der lokalen Besonderheit des bis in claudische Zeit parallel zum römischen Geld zirkulierenden keltischen Kleingeldes. Ein markanter Unterschied im einstigen Gebrauch von römischen und keltischen Münzen liegt jedoch vor. Aufgrund der genauen archäologischen Dokumentation der Fundmünzen konnten im Fundmaterial des Magdalensberg 578 Münzen anhand der Befundsituation als vorsätzliche Deponierungen identifiziert werden29. Im Vergleich zwischen (vermutlich) zufälligen Verlusten und solchen Münzen, die vorsätzlich an einem bestimmten Platz niedergelegt wurden, zeigen sich bei keltischen und römischen Prägungen unterschiedliche Zirkulationsmuster.

Diagr. 2: Anteil der vorsätzlichen Deponierungen in spätrepublikanisch, augusteisch und claudisch datierten Horizonten am Magdalensberg n = 502

In Kontexten, wo Geld allem Anschein nach mit (rituellem?) Vorsatz deponiert wurde (Diagr. 2) dominieren in den frühen Horizonten der Besiedlung die keltischen Prägungen, während erst in claudischer Zeit die römischen Prägungen die Mehrheit des vorhandenen Geldes stellen. Im Gegensatz dazu überwiegt unter den Verlustfunden (Diagr. 3), die am ehesten ein Abbild des alltäglichen Geldverkehrs widerspiegeln können, der Anteil der römischen Prägungen bereits in augusteischen Schichten. Nach Ausweis der vorliegenden Ergebnisse lässt sich im Gegensatz zum alltäglichen Gebrauch von Geld im Zahlungsverkehr für vorsätzliche Münzdeponierungen demnach ein zeitlich verzögerter Wechsel von keltischen zu römischen 27 28 29

Ziegaus 2004. Horvat 1990. Für eine exakte Definition der unterschiedlichen Fundkategorien Krmnicek 2010, 25–30.

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FRÜHER MÜNZGEBRAUCH UND GELDVERKEHR AM MAGDALENSBERG

Diagr. 3: Anteil der nicht-vorsätzlichen Deponierungen in spätrepublikanisch, augusteisch und claudisch datierten Horizonten am Magdalensberg n = 491

Prägungen feststellen. Womöglich liegt hier ein Festhalten an lokaler Tradition vor, in der die seit Generationen benutzten keltischen (Münz-)Objekte von der einheimischen Bevölkerung am Magdalensberg möglichst lange verwendet wurden30. Die Gegenüberstellung führt ebenfalls vor Augen, wie wichtig es ist, Münzfunde – wenn möglich – in ihrem archäologischem Kontext zu untersuchen, um potentielle Unterschiede im Münzgebrauch durch die jeweiligen Benutzer sichtbar zu machen31. Eine Reihe von Fundplätzen wurde bereits durch kontextorientierte numismatische Studien erschlossen32. Es ist zu hoffen, dass in Zukunft mehr davon folgen werden, da eine archäologisch ausgerichtete Numismatik die Vielfältigkeit des einstigen Münzgebrauchs und Geldverkehrs am besten fassen kann.

Abgekürzt zitierte Literatur Berger 1996 F. Berger, Kalkriese 1. Die römischen Fundmünzen, RGF 55 (Mainz 1996). Brem 2009 H. Brem, Lignum aere perennius? Dendrochronology and Roman coin circulation – taking stock and looking to the future using finds and features from Oberwinterthur, in: H.-M. von Kaenel – F. Kemmers (Hrsg.), Coins in Context I. New perspectives for the interpretation of coin finds. Colloquium Frankfurt a. M., October 25–27, 2007, Studien zu Fundmünzen der Antike 23 (Mainz 2009) 81–92. Curteis 2005 M. Curteis, Ritual coin deposition on Iron Age settlements in the south Midlands, in: C. Haselgrove – D. WiggWolf (Hrsg.), Iron Age coinage and ritual practices. Studien zu Fundmünzen der Antike 20 (Mainz 2005) 207–225. 30

31 32

Vgl. die Unterschiede und Kontinuitäten in den Deponierungsmustern zwischen Eisenzeit und römischer Epoche in Britannien Curteis 2005. So beispielsweise der Befund des sog. Hallaton Hoards bei Leins 2011. Vgl. etwa Augst: Peter 2001; Nimwegen: Kemmers 2006; Titelberg: Metzler 1995; Vorderberg: Frey-Kupper 2002; Lattes: Py 2006.

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STEFAN KRMNICEK

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EISENZEITLICHE TRADITIONEN IM HANDWERK IN IUVAVUM/SALZBURG – BEVÖLKERUNGSKONTINUITÄT ODER ZUWANDERUNG? Einleitung In Iuvavum/Salzburg lassen sich in verschiedenster Weise latènezeitliche Traditionen fassen. Dies gilt vor allem für die handwerkliche Produktion. Man kann wohl mit Recht behaupten, dass jede (archäologisch feststellbare) lokale Handwerkssparte eisenzeitliche Einflüsse aufweist1, die sehr deutlich in der Architektur, der bemalten Keramik und der Fibelproduktion sichtbar sind, und die im Folgenden näher betrachtet werden sollen. Ob diese Traditionen auf eine lokale Bevölkerungskontinuität von der Spätlatène- in die römische Zeit verweisen oder mit Zuwanderung aus anderen Regionen des Alpenraumes zu rechnen ist, lässt sich schwer bestimmen. Für den Zeitraum von 50 v. bis 50 n. Chr. sind für das Gebiet rund um Iuvavum/Salzburg deutlich weniger Fundstellen als in späterer Zeit bekannt. Mit einer erhöhten Aufsiedlung ist daher möglicherweise ab der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. zu rechnen. Allerdings stellt sich die Frage, ob dies nicht durch den Forschungsstand bedingt ist.

Architektur Im municipium Iuvavum/Salzburg wurde im 1. Jh. n. Chr. überwiegend in Holz gebaut. Es handelt sich dabei um Blockwand- und ab der Jahrhunderthälfte auch um Fachwerkbauten. Steinarchitektur ist in der Stadt erst ab dem 2. Jh. n. Chr. anzutreffen2. Auch im ländlichen Raum wurden Hinweise für Holzverbauung festgestellt3. Dabei setzt sich die lokale eisenzeitliche Bauweise fort, die vor allem auf dem Dürrnberg bei Hallein belegt ist4. Im römischen Stadtbereich von Iuvavum/Salzburg konnten im Rahmen von archäologischen Untersuchungen in der Erhardgasse 6 und im Kleinen Festspielhaus Reste des Aufbaus derartiger Blockwandbauten untersucht werden: Bei den im Jahre 1951 durchgeführten Ausgrabungen in der Erhardgasse 6 wurden drei übereinander liegende Rundhölzer eines Blockwandbaues in situ angetroffen. Die Zwischenräume waren mit Lehm ausgedichtet. Die Hölzer waren auf 2 m Länge erhalten und wiesen Stärken von 10–15 cm auf. In 4,5 m Abstand zur Talseite hin fand sich ein Fundament aus großen, trocken geschichteten Steinen mit ca. 0,5 m Breite. Darüber lag viel Holzkohle mit Hüttenlehm. Es handelt sich dabei offensichtlich um die beiden Langseiten des Hauses, das 4,5 m breit und mindestens 8 m lang war5. Im Kleinen Festspielhaus wurden 1937 in fast 7 m Tiefe zwei Blockwandbauten untersucht, die in die Mitte/ zweite Hälfte des 1. Jhs n. Chr. datiert werden können (Abb. 1). In römischer Zeit befand sich hier eine feuchte Niederung, die wohl auf einen alten Flussarm der Salzach deutet. Darauf ist auch der gute Erhaltungszustand der beiden Gebäude zurück zu führen6. Das zahlreiche Fundmaterial sowie die Grabungsdoku1

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Vgl. Pietsch 1996, 101; Irlinger 1996, 59; Kovacsovics 1992, 109; Moosleitner 1992, 394–398; Kovacsovics 2001, 236; Kovacsovics 2002, 193 f.; Kovacsovics 2009, 21; Gostenčnik – Lang 2010, 204. Heger 1973, 21 f.; Moosleitner 1996b; Kovacsovics 2001; Kovacsovics 2002, 171. Moosleitner o. J., 42; Christlein 1963; Pietsch 1996, 98; Burmeister 1998, 73–75. Vgl. Moosleitner – Penninger 1965; Zeller 1988; Zeller 1989, 6–10; Stöllner 1991; Moosleitner 1996a, 69; Irlinger 1995, 25–31; Stöllner 1996, 228–233; Urban 2000, 293; Fischer 2002, 83. Hell 1952, 46; Kovacsovics 2001, 232 f.; Thüry 2014, 149. Narobe 1934–1937; Heger 1973, 41; Moosleitner 1975, 201; Kovacsovics 2001, 233 f.; Kovacsovics 2002, 178, 193 f. Abb. 12; Lang u. a. 2012, 97; Thüry 2014, 129–132.

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Abb. 1: Blockwandbauten des 1. Jhs. n. Chr. im Kleinen Festspielhaus, Salzburg; nach Kovacsovics 2001, 233 Abb. 3.

mentation wurden jedoch im Zuge eines Bombenangriffs auf das Museum im November 1944 noch vor der Veröffentlichung zerstört7. Lediglich ein kurzer Fundbericht wurde publiziert. Zusätzlich existiert die Aufzeichnung eines Vortrags von Franz Narobe vor der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, in dem er auf die Fundsituation eingeht8: „… an der natürlichen Felswand, die hier ca. 3–4 m hoch, ein Haus mit der Schmalseite gegen die Wand, das zweite abseits des Felsens mit der Breitseite zur Wand. Bauweise sehr einfach: in den Boden sind abwechselnd innen und außen stehende, teils runde, teils mehrseitig behauene Holzstämme bis zu 80 cm tief eingegraben, zwischen welchen vierkantige Balken übereinander gelegt sind, nach Art eines Blockbaues. Die Befestigung untereinander erfolgte stellenweise durch starke Eisenklammern. Nur längs der feuchten Felswand ist außen noch eine zweite Blockwand aus rohen Stämmen vorgebaut und der Zwischenraum mit Lehm ausgefüllt. Die Größe der Häuser scheint ca. 6 × 10 m betragen zu haben. In der Mitte ist ein achtseitig behauener Eichenständer eingegraben, welcher den Dachbalken und scheinbar auch einen quer gelegten Mittelbalken trug. In beiden Häusern sind noch Teile davon vorhanden. Das Vorkommen von zahlreichen armdicken Holzstämmchen deutet wohl auf das Bestehen von Unterabteilungen des Raumes. In der untersten Schicht sind noch Holzspäne vom Hausbau in den Lehm hineingetreten, während als oberste Schicht das Reisig der Dachbedeckung liegt“. Als Baumaterial diente in erster Linie Eiche. Zusätzlich wurde Buche, Föhre und Fichte verwendet9. Die Beschreibung vermittelt in Verbindung mit Abb. 1 zumindest eine gewisse Vorstellung der Befundsituation. Es sind eindeutig zwei Seiten eines Blockwandbaus zu erkennen, der allerdings keine senkrechten Pfosten aufweist. Eine Reihe derartiger Ständer ist links vor dem Haus zu sehen. Sie setzt sich wohl bis über die Bildmitte fort, da die zwei direkt an der Verschalung befindlichen Pfosten dazuzurechnen sein dürften. Es

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Vgl. Narobe 1967, 58. Kovacsovics 2001, 233 Anm. 53. Narobe 1934–1937, 282.

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EISENZEITLICHE TRADITIONEN IM HANDWERK IN IUVAVUM/SALZBURG – BEVÖLKERUNGSKONTINUITÄT ODER ZUWANDERUNG?

Abb. 2: Fragmente bemalter Keramik aus dem Kleinen Festspielhaus, Salzburg; nach Moosleitner 1975, Taf. 61, 1.

handelt sich dabei offensichtlich um den zweiten Holzbau, dessen Schmalseite an die Felswand angebaut war. Demnach dürfte von Westen aus fotografiert worden sein, sodass die Felswand des Mönchsbergs rechts unten an das Bild anschließt. Ob das Foto die tatsächliche Fundsituation wiedergibt, oder Teile der Holzarchitektur (Steher bei dem hinteren, Querbalken bei dem vorderen Bau) vorher abgetragen wurden, lässt sich nicht mehr feststellen.

Bemalte Keramik Mehrere Gefäßformen wie Dreifußschüsseln und sog. Auerbergtöpfe des 1. Jhs. n. Chr. entwickelten sich offensichtlich aus einer latènezeitlichen Tradition heraus10. Eindeutig belegt ist dies vor allem bei der bemalten Keramik. Bei den Ausgrabungen im Kleinen Festspielhaus kam eine Töpferei aus der Mitte/zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. zutage, die unter anderem derartige Gefäße herstellte. Der Großteil der Funde ging zwar – wie bereits erwähnt – durch Bombentreffer im 2. Weltkrieg verloren, ein geringer Teil von Fragmenten, die als Fehlbrände zu bewerten sind, konnte jedoch geborgen werden11. Weitere Gefäßfragmente von bemalter Keramik sind von anderen Fundstellen aus dem Stadtbereich bekannt. Es zeichnet sich dabei eine chronologische Entwicklung ab. Bei den früheren Beispielen (Abb. 2), zu denen auch die Funde aus dem Kleinen Festspielhaus zu zählen sind, handelt es sich um weitmündige Flaschen sowie „tonnenförmige“ Gefäße, die weiße und orange bis rote Farbstreifen aufweisen. Darüber sind

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Kovacsovics 1992, 109; Moosleitner 1992, 394–398; Flügel – Schindler-Kaudelka 1995; Flügel 1999, 77–107; Kovacsovics 2001, 236; Kovacsovics 2009, 21. Narobe 1967, 58; Moosleitner 1975, 201.

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Abb. 3: Späte bemalte Keramik aus Iuvavum/Salzburg; nach Moosleitner 1975, Taf. 61, 2.

Muster in Sepia ausgeführt, wobei metopenartige Verzierungen aus Strichbündeln, Wellenbändern oder Gittermustern dominieren. Diese frühe bemalte Ware weist einige Übereinstimmungen mit der latènezeitlichen Keramik auf12. Spätere Beispiele sind nur noch „tonnenförmig“ ausgeführt, und Farbstreifen sowie Muster beschränken sich auf die Gefäßschulter (Abb. 3). Die Farbqualität ist schlechter. Charakteristisch sind „Tannenzweigmuster“ zwischen senkrechten oder schrägen Strichbündeln. Produktion und Entwicklung der bemalten Keramik in Iuvavum/Salzburg können noch nicht exakt zeitlich eingeordnet werden. Sie setzt wohl in augusteischer Zeit ein und ist zumindest bis in die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. in Verwendung, wobei die Herstellung natürlich früher beendet worden sein könnte13.

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Vgl. Maier 1970. Narobe 1934–1937, 282 f.; Heger 1973, 41. 132 f. Abb. 14; Moosleitner 1975; Kovacsovics 2001, 233 f.; Kovacsovics 2002, 178. 193 f. Abb. 11–12; Hampel 2007, 49 Nr. 33; Lang u. a. 2012, 97.

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EISENZEITLICHE TRADITIONEN IM HANDWERK IN IUVAVUM/SALZBURG – BEVÖLKERUNGSKONTINUITÄT ODER ZUWANDERUNG?

Fibeln Für den Raum Salzburg lassen sich drei Fibelgruppen festhalten, die sich aus spätlatènezeitlichen Fibelformen heraus entwickelten oder zumindest mit diesen genetisch verwandt sind14: norische Flügelfibeln (Almgren 238), Doppelknopffibeln (Almgren 236) und kräftig profilierte Fibeln (Almgren 67 als früheste Form der variantenreichen Gruppe). Die frühen Flügelfibeln (Almgren 238a, b) haben große formale Ähnlichkeiten mit den Fibeln Almgren 65, die mit ihrem offenen, trapezoiden bis spitzdreieckigen Rahmenfuß noch dem Spätlatèneschema angehören15. Fibeln der Form Almgren 65 können als oberitalisches Produkt mit Blütezeit im mittleren 1. Jh. v. Chr. betrachtet werden, das nicht nur wegen seiner Form, sondern vor allem wegen seines Materials (Kupferlegierung) weit verbreitet war16. Die Entstehung der norischen Flügelfibeln Almgren 238 dürfte dabei in den Jahren zwischen 50 und 30 v. Chr. anzusetzen sein. Die Fundverteilung zeigt eine Verbreitung im nördlichen Alpenvorland mit dem Chiemgau, dem Südostalpenraum sowie Slowenien17. Als eines der bisher frühesten bekannten Beispiele für Almgren 238aa ist das Fragment einer kleinen Silberfibel aus Stöffling im Chiemgau zu nennen, das in Latène D2 zu datieren ist18. Der Höhepunkt der Produktionszeit von Flügelfibeln war von spätaugusteisch-frühtiberischer bis claudisch-neronischer Zeit. Auch in Iuvavum/Salzburg kann deren Produktion belegt werden. So wurden im Bereich einer Metall verarbeitenden Werkstätte der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. im Innenhof des Toskanatrakts der Alten Residenz zwei Bleimodelle (Abb. 4, 1–2) und das Halbfabrikat einer norischen Flügelfibel gefunden19. Doppelknopffibeln dürften sich aus einer bisher kaum bekannten MLT-Form entwickelt haben20. Die frühesten Formen Almgren 236aa datieren in frühaugusteische Zeit und finden sich im Südostalpinen Raum und dessen Vorland21. Im Salzburger Fibelmaterial ist der Anteil an Doppelknopffibeln nicht allzu groß. Umso interessanter erscheint das vermehrte Vorkommen von Doppelknopffibeln Almgren 236c in den Schichten der ersten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. im Stadtgebiet von Salzburg, das an Zuwanderung aus dem Süden denken lässt. So kann etwa deren Herstellung auf dem Magdalensberg belegt werden22. Im Umland von Iuvavum/Salzburg ist die Produktion von Doppelknopffibeln der Form Almgren g–h durch ein Bleimodell aus Bedaium/Seebruck belegt, das vermutlich in das ausgehende 1. bis Ende 3. Viertel 2. Jh. n. Chr. zu datieren ist.23. Kräftig profilierte Fibeln stellen wohl „das Ergebnis eines Anpassungsprozesses älterer, gschweifter Fibelformen wie Idrija Ia und Almgren 18a an die Erfordernisse einer sich formierenden Mode“ dar24. Während Fibeln der Gruppe Idrija eindeutig norischen Ursprungs sind25, deutet die weit verbreitete Gruppe Almgren 18 auf einen Verbreitungsschwerpunkt am mittleren Rhein und in der Germania Magna26. In ihrem südlichen Verbreitungsgebiet tauchen Fibeln der Form Almgren 18 erstmals in den Jahren zwischen 40 und 30 v. Chr. auf27. Die frühesten kräftig profilierten Fibeln Almgren 67 dürften ab 15/10 v. Chr. im Südostalpenraum entwickelt worden sein28. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern, den geschweiften Fibeln, besitzen kräftig profilierte Fibeln Almgren 67 nun einen verdickten Kopf mit ausgeprägter Stützplatte. Fibeln dieser Form wurden weit verbreitet getragen und finden sich entlang der Bernsteinstraße bis ins Baltikum29. In Iuvavum/Salzburg ist die Gruppe der kräftig profilierten Fibeln zahlenmäßig innerhalb des gesamten Fibel14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

Demetz 1999, 191. Demetz 1999, 28. Demetz 1999, 38. Demetz 1999, Karte 7. Demetz 1999, 48 f.; Irlinger 2004, 167 f. Lang u. a. 2012, 98; Knauseder 2014, 144 f. Abb. 2.11–14. 157. 166 Tab. Demetz 1999, 191. Sedlmayer 2009, 26 Anm. 120. Sedlmayer 2009, 88 f. Garbsch 1965, 36 f.; Gugl 1995, 26; Burmeister 1998, 93. 96; Knauseder 2014, 153–155 Abb. 8.41. 157. 166 Tab. Demetz 1999, 136. Demetz 1999, 195. Demetz 1999, 121. Demetz 1999, 122. 195; Sedlmayer 2009, 23. Demetz 1999, 195. Demetz 1999, 195 Karte 40–43.

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Abb. 4: Hinweise auf Fibelproduktion der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. aus dem Toskanatrakt der Alten Residenz in Salzburg. 1–2: Bleimodelle von Flügelfibeln (Almgren 238), 3: Halbfabrikat von zwei eingliedrigen kräftig profilierten Fibeln mit schmaler rechteckiger Stützplatte (Almgren 70/73a–b), 4: Modell einer kräftig profilierten Fibeln (Almgren 70/73a–b), 5–6: kräftig profilierte Fibeln (Almgren 68), 7: Flügelfibel (Almgren 238); nach Kovacsovics 2001, 243 Abb. 10.

bestandes am stärksten vertreten, was auch durch die lange Laufzeit bis in das frühe 3. Jh. n. Chr. bedingt ist. Hinweise für deren lokale Produktion im 1. Jh. n. Chr. finden sich sowohl in Iuvavum/Salzburg in der Alten Universität, dem Furtwänglerpark, dem Toskanatrakt der Alten Residenz, wo auch Flügelfibeln hergestellt wurden (Abb. 4), und dem Kapitelhaus30, als auch ab dem späteren 1. Jh. n. Chr. in dessen Umland31.

Bevölkerungskontinuität oder Zuwanderung? Der latènezeitliche Einfluss auf handwerkliche Produkte lässt sich für Iuvavum/Salzburg eindeutig feststellen. Es stellt sich die Frage, ob dies auf Bevölkerungskontinuität zurückzuführen oder mit einer Zuwanderung von Handwerkern aus anderen Regionen zu rechnen ist32. Ein Hinweis für letzteres könnten die sog. Auerbergtöpfe sein, die sich offensichtlich aus spätlatènezeitlichen Formen des Südostalpenraumes entwickelten33. Möglicherweise wurden auch die Doppelknopffibeln (Almgren 236c) in der ersten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. von Zuwanderern aus dem Süden nach Iuvavum/Salzburg gebracht. Ebenso wenig ist bei der bemalten Keramik eine lokale Tradition zu belegen. Bislang wurde nur ein bemaltes latènezeitliches, wohl importiertes Fragment im Salzburger Raum, in Loig, nachgewiesen34. Eine Produktion ist in Iuvavum/ Salzburg erst in römischer Zeit eindeutig festzustellen35. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der Blockwandbautechnik wohl um eine lokale Tradition36. Die Vorform der Flügelfibeln Almgren 65 entstand zwar in Oberitalien, ist aber bereits in der späten Latènezeit nördlich der Alpen vertreten. Ob die kräftig profilierten Fibeln in lokaler Tradition stehen, kann zur Zeit nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Ein wesentlichstes Argument für eine Zuwanderung ab der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. stellt das weitgehende Fehlen bekannter Siedlungsstellen der späten Latènezeit (Abb. 5) und der ersten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. 30

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32 33 34 35

36

Lang u. a. 2012, 97 f.; Knauseder 2014, Alte Universität, Südtrakt: 142–144 Abb.1.1-6, Furtwänglerpark: 144 Abb. 1.9-10, Alte Residenz, Toskanatrakt: 144-146 Abb. 2.15-17, Kapitelhaus: 149 Abb. 6.31. Burmeister 1998, 95. 115; Knauseder 2014, Salzburg-Maxglan: 151 Abb. 6.32, Glas: 152 Abb. 6.33, Bedaium-Seebruck: 153–156 Abb. 8.42–43, Bruck-Fischhorn: 156 Abb. 9.44. Vgl. Zanier 2004, 241. Flügel – Schindler-Kaudelka 1995, 66; Flügel 1999, 85; Moosleitner 2004, 180. Moosleitner 1981/82, 17–20 Nr. 4. Heger 1973, 195 Nr. 14; Moosleitner 1975, 201 f.; Mackensen 1978, 92; Heger 1986, 158; Fasold 1993, 67; Burmeister 1998, 151; Kastler 2000, 26; Tober 2001, 74 f.; Kastler 2004, 217; Hampel 2007, 40. Vgl. Fischer 2002, 83.

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EISENZEITLICHE TRADITIONEN IM HANDWERK IN IUVAVUM/SALZBURG – BEVÖLKERUNGSKONTINUITÄT ODER ZUWANDERUNG?

Abb. 5: Fundstellen der Spät-/Endlatènezeit in Südbayern und im Raum Salzburg; nach Zanier 2004, 239 Abb. 1.

Abb. 6: Augusteisch-frühtiberische Fundstellen in Südbayern und im Raum Salzburg; nach Zanier 2004, 241 Abb. 2.

245

FELIX LANG – DORIS KNAUSEDER

(Abb. 6) im Chiemgau und Rupertiwinkel dar37. Dagegen werden im heutigen Bundesland Salzburg, vor allem im Salzburger Becken, mehrere latènezeitliche Fundstellen angeführt, die auf eine Kontinuität verweisen. Auch im Innergebirge bestanden einige Höhensiedlungen fort – zumindest bis in die ersten Jahrzehnte des 1. Jhs. n. Chr.38. Der derzeitige Forschungsstand lässt jedoch keine eindeutigen Aussagen darüber zu, ob es sich tatsächlich um eine durchgehende Besiedlung handelt. Die deutlich größere Dichte späterer römischer Fundstellen ist jedenfalls offensichtlich. Gerade im Voralpenraum ist eine große Zahl an villae rusticae bekannt (Abb. 7). Allerdings ist bei vielen dieser Anlagen die Laufzeit unklar. Es werden zwar in der Literatur mehrere Gutshöfe angeführt, die um die Mitte bzw. im Laufe des 1. Jhs. n. Chr. gegründet wurden39 – Anthering, Bernau, Berndorf40, Elsbethen, Goldegg, Gollacken, Halberstätten, Hallwang, Hellbrunn, Holzhausen, Kellau, Kemating, Liefering, Loig, Marzoll, Maxglan, Obereching, Tittmoning, jedoch beruht die Datierung in vielen Fällen auf einzelnen Funden ohne stratigraphischen Zusammenhang. Zudem handelt es sich zum Teil um ältere Grabungen bzw. Aufarbeitungen, die zu überprüfen wären. Es ist generell problematisch, den Beginn eines Gutshofes anhand von Einzelstücken zu datieren, da nicht auszuschließen ist, dass es sich um „Erbstücke“ handelt. Bauliche Befunde, die eindeutig dem 1. Jh. n. Chr. zugeordnet werden können, sind jedenfalls selten. Von Iuvavum/ Salzburg ausgehend ist vor der Wende des 1. zum 2. Jh. n. Chr. auch im ländlichen Raum nicht mit Steinarchitektur41, sondern mit Holzbauten zu rechnen42. Demgemäß können für diese Zeitstellung nur die baulichen Überreste der villae rusticae von Loig43, Marzoll44, Goldegg45 und Tittmoning46 angeführt werden. Damit soll nicht behauptet werden, dass der Großteil der römischen Gutshöfe erst im 2. Jh. n. Chr. angelegt wurde. Die Erhebung von Iuvavum/Salzburg zur Stadt unter Kaiser Claudius ist ohne ein bereits vorher entwickeltes landwirtschaftliches Gefüge nicht denkbar. Somit liegt die Vermutung nahe, dass die geringe Anzahl an Fundstellen der Zeit von 50 v. bis 50 n. Chr. durch den Forschungsstand bedingt ist, und dass die Auffindung von Fundstellen mit reiner Holzarchitektur generell schwierig ist.47 Auch in Iuvavum/Salzburg ging man lange davon aus, dass die Besiedlung der Niederung zwischen den Stadtbergen ab der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. einsetzte. Eine Vorgängersiedlung konnte erst mit den archäologischen Ausgrabungen seit den 1980er Jahren belegt werden48. Auf eine ähnliche Situation weisen dendrochronologisch datierte Hölzer in Bedaium/Seebruck49. In Puch-Urstein wurden Reste von zwei Hütten festgestellt, die an den Beginn der römischen Herrschaft datiert werden können, und wahrscheinlich zu einer größeren Siedlung gehörten. Die Aufgabe der Anlagen könnte mit der Gründung der ca. 200/250m entfernten villa rustica in Zusammenhang stehen50. Es muss also davon ausgegangen werden, dass Vorgängersiedlungen von römischen Gutshöfen sich nicht in unmittelbarer Nähe zu diesen befanden, was ihre Auffindung deutlich erschwert. In dieser Hinsicht sei auf latènezeitliche Funde verwiesen, die regelmäßig im Bereich römischer Gutshöfe gefunden wurden51. Sie sind zwar in der Regel nicht genau zu datieren und somit kein Beleg für eine Siedlungskontinuität52. Nichtsdestotrotz liefern sie Belege für eine eisenzeitliche Siedlung, die in den meisten Fällen bislang nicht lokalisiert werden konnte. Auch dies zeigt, dass von einer größeren Lücke des Forschungsstandes ausgegangen werden muss. 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52

Pietsch 1996, 94 f. 101; Irlinger 2004, 171–173. Höglinger 2004; Moosleitner 2004; Höglinger 2008, 128–133. Kovacsovics 2002, 166. Genser 1994, 343 f. Vgl. Kastler u. a. 2012, 79 f. Kovacsovics 2002, 171. Vgl. Moosleitner o. J., 42; Christlein 1963; Pietsch 1996, 98; vgl. Kastler 2000, 59. Moosleitner 1981/82, 22. Christlein 1963. Moosleitner o. J., 42. Pietsch 1996, 98. Vgl. Zanier 2004, 237. Kovacsovics 2001; Kovacsovics 2002, 174–177. Steidl 2014, 279–284; vgl. Irlinger 2004, 168. Moosleitner 1992; Moosleitner 2004, 177. Vgl. Kastler u. a. 2012, 80. Fasold 1993, 71 f.; Irlinger 2004, 172 f.; Kastler 2000, 56.

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EISENZEITLICHE TRADITIONEN IM HANDWERK IN IUVAVUM/SALZBURG – BEVÖLKERUNGSKONTINUITÄT ODER ZUWANDERUNG?

Abb. 7: Römische Fundstellen im „Territorium“ von Iuvavum/Salzburg; nach W. K. Kovacsovics, Salzburg Museum.

Zusammenfassung Bei den handwerklichen Produkten von Iuvavum/Salzburg ist im 1. Jh. n. Chr. ein starker latènezeitlicher Einfluss festzustellen. Dies zeigt sich sowohl in der Technik des Blockwandbaus, als auch in der Herstellung von Gefäßen und Fibeln. Es lässt sich jedoch nicht mit Sicherheit bestimmen, ob es sich dabei um lokale Traditionen handelt oder mit einer Zuwanderung, in erster Linie aus dem innernorischen Bereich, zu rechnen ist. Als Argument für letzteres wird die gegenüber der späten Latènezeit deutlich größere Dichte an römischen Fundstellen angeführt. Dabei ist aber zu bedenken, dass der Großteil der bekannten baulichen Strukturen in villae rusticae erst in das 2./3. Jh. n. Chr. datieren dürfte, da es sich um Steingebäude handelt. Holzbauten, die im 1. Jh. n. Chr. zu erwarten sind, konnten hingegen nur bei einer deutlich geringeren Anzahl an Fundstellen festgestellt werden. Somit relativiert sich diese Diskrepanz. Dass nur wenige spätlatènezeitliche und frührömische (erste Hälfte 1. Jh. n. Chr.) Siedlungsstellen bekannt sind, dürfte am Forschungsstand, vor allem der wesentlich schwierigeren Auffindung von reinen Holz-/Erdbefunden gegenüber Steinarchitektur, liegen. Für eine Zuwanderung aus Südnoricum oder anderen Regionen spricht die angemessene Funddichte an Auerbergtöpfen, Doppelknopffibeln und bemalter Keramik. Zudem gibt es Hinweise für eine Ansiedlung von Personen aus Oberitalien in Iuvavum/Salzburg, die wohl im 1. Jh. n. Chr. erfolgte53. 53

Kovacsovics 2002, 166; Scherrer 2002, 59–67.

247

FELIX LANG – DORIS KNAUSEDER

Demnach ist von einer heterogenen Entwicklung auszugehen. Die autochthone Bevölkerung dürfte daran durchaus einen Anteil gehabt haben. Wie groß dieser war ist natürlich schwer zu bewerten. Pollendiagramme im Chiemgau scheinen einen markanten Rückgang der Siedlungstätigkeit am Beginn der römischen Herrschaft anzudeuten. Allerdings fehlen bislang genaue Datierungen der Diagramme54. Es bleibt somit der künftigen Forschung überlassen, mehr Klarheit in die Vorgänge am Beginn der römischen Herrschaft in Iuvavum/Salzburg zu bringen.

Abgekürzt zitierte Literatur Burmeister 1998 S. Burmeister, Vicus und spätrömische Befestigung von Seebruck-Bedaium. Materialhefte zur Bayerischen Vorgeschichte A 76 (Kallmünz 1998). Christlein 1963 R. Christlein, Ein römisches Gebäude in Marzoll, Ldkr. Berchtesgaden. Vorbericht über die Grabungen 1959– 1962, BayVgBl 28, 1963, 30–57. Demetz 1999 S. Demetz, Fibeln der Spätlatène- und frühen römischen Kaiserzeit in den Alpenländern. Frühgeschichtliche und provinzialrömische Archäologie 4 (Rahden 1999). Fasold 1993 P. Fasold, Das römisch-norische Gräberfeld von Seebruck-Bedaium. Materialhefte zur Bayerischen Vorgeschichte A 64 (Kallmünz 1993). Fischer 2002 T. Fischer, Noricum. Orbis Provinciarum (Mainz 2002). Flügel 1999 C. Flügel, Der Auerberg 3. Die römische Keramik. MünchBeitrVFG 47 (München 1999). Flügel – Schindler-Kaudelka 1995 C. Flügel – E. Schindler-Kaudelka, Auerbergtöpfe in Raetien, Noricum und der Regio Decima, AquilNost 66, 1995, 65–84. Garbsch 1965 J. Garbsch, Die norisch-pannonische Frauentracht im 1. und 2. Jahrhundert. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 11 (München 1965). Genser 1994 K. Genser, Die ländliche Besiedlung und Landwirtschaft in Noricum während der Kaiserzeit (bis einschließlich 5. Jahrhundert), in: H. Bender – H. Wolff (Hrsg.), Ländliche Besiedlung und Landwirtschaft in den Rhein-DonauProvinzen des römischen Reiches. Passauer Schriften zur Archäologie 2 (Espelkamp 1994) 331–376. Gostenčnik – Lang 2010 K. Gostenčnik – F. Lang, Beinfunde aus Noricum. Materialien aus Alt Virunum/Magdalensberg, Iuvavum, Ovilavis und Virunum, in: Meyer M. – Gassner V. (Hrsg.), Standortbestimmung, Akten des 12. Österreichischen Archäologentages vom 28. 2. bis. 1. 3. in Wien. WForsch 13 (Wien 2010) 197–213. Gugl 1995 Chr. Gugl, Die römischen Fibeln aus Virunum (Klagenfurt 1995). Hampel 2007 U. Hampel, Ein archäologischer Befund des 1. Jahrhunderts n. Chr. aus der Getreidegasse, Stadt Salzburg, Salzburg Archiv 32, 2007, 37–50. Heger 1973 N. Heger, Salzburg in römischer Zeit, JSM 19, 1973. Heger 1986 N. Heger, Frührömische Amphoren aus der Stadt Salzburg (Mozartplatz 4), BayVgBl 51, 1986, 131–161. 54

Peters 2004, 36.

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EISENZEITLICHE TRADITIONEN IM HANDWERK IN IUVAVUM/SALZBURG – BEVÖLKERUNGSKONTINUITÄT ODER ZUWANDERUNG?

Hell 1952 M. Hell, Salzburg, PAR 2, 1952, 45–47. Höglinger 2004 P. Höglinger, Zum Problem der spätlatènezeitlich-frührömischen Siedlungkontinuität auf Höhensiedlungen des oberen Salzach- und Saalachtales im Pinzgau, Land Salzburg, in: C.-M. Hüssen – W. Irlinger – W. Zanier (Hrsg.), Spätlatènezeit und frühe römische Kaiserzeit zwischen Alpenrand und Donau, Akten des Kolloquiums in Ingolstadt am 11. und 12. Oktober 2001. Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 8 (Bonn 2004) 187–198. Höglinger 2008 P. Höglinger, Notgrabungen in archäologischen Verdachtsflächen mit überraschenden Ergebnissen, Fines Transire 17, 2008, 127–135. Irlinger 1995 W. Irlinger, Der Dürrnberg bei Hallein IV. Die Siedlung auf dem Ramsaukopf. MünchBeitrVFG 48 (München 1995). Irlinger 1996 W. Irlinger, Hallstatt- und Latènezeit im Rupertiwinkel, in: F. Moosleitner – S. Winghart (Hrsg.), Archäologie beiderseits der Salzach. Bodenfunde aus dem Flachgau und Rupertiwinkel, Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung in Anthering 1996 und Tittmoning 1997 (Salzburg 1996) 49–59. Irlinger 2004 W. Irlinger, Zur Kontinuität von der Spätlatènezeit in die frühe römische Kaiserzeit in Südostbayern, in: C.-M. Hüssen – W. Irlinger – W. Zanier (Hrsg.), Spätlatènezeit und frühe römische Kaiserzeit zwischen Alpenrand und Donau, Akten des Kolloquiums in Ingolstadt am 11. und 12. Oktober 2001. Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 8 (Bonn 2004) 165–173. Kastler 2000 R. Kastler, Martinskirche Linz – die antiken Funde (Grabungen 1976–1979). LAF 31 (Linz 2000). Kastler 2004 R. Kastler, Spätlatène- und frühkaiserzeitliche Besiedlung im Bereich der Martinskirche zu Linz, Oberösterreich. In Zusammenarbeit mit Erwin M. Ruprechtsberger und Otto H. Urban, in: C.-M. Hüssen – W. Irlinger – W. Zanier (Hrsg.), Spätlatènezeit und frühe römische Kaiserzeit zwischen Alpenrand und Donau, Akten des Kolloquiums in Ingolstadt am 11. Und 12. Oktober 2001. Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 8 (Bonn 2004) 211–222. Kastler u. a. 2012 R. Kastler – B. Zickgraf – N. Buthmann – A. Krammer, Zur ländlichen Besiedlung im Territorium von Iuvavum. Die römische Villa von Berndorf, in: F. Lang – S. Traxler – W. Wohlmayr (Hrsg.), Stadt, Land, Fluss/Weg. Aspekte zur römischen Wirtschaft im nördlichen Noricum, Workshop Salzburg, 19.–20. November 2010. Schriften zur Archäologie und Archäometrie der Paris Lodron-Universität Salzburg 3 (Salzburg 2012) 69–88. Knauseder 2014 D. Knauseder, Fibelproduktion in Iuvavum-Salzburg, in: F. Lang – R. Kastler – W. K. Kovacsovics – St. Traxler (Hrsg.), Colloquium Iuvavum 2012 – Das municipium Claudium Iuvavum und sein Umland. Bestandsaufnahme und Forschungsstrategien. Archäologie in Salzburg 8 (Salzburg 2014) 141–176. Kovacsovics 1992 W. K. Kovacsovics, Archäologische Untersuchungen 1992 in der Stadt Salzburg, Salzburg Archiv 14, 1992, 105– 120. Kovacsovics 2001 W. K. Kovacsovics, Iuvavum – Zum Beginn und zur Entwicklung der römischen Stadt im 1. Jahrhundert, in: G. Precht (Hrsg.), Genese, Struktur und Entwicklung römischer Städte im 1. Jahrhundert n. Chr. in Nieder- und Obergermanien. Xantener Berichte 9 (Mainz 2001) 227–244. Kovacsovics 2002 W. K. Kovacsovics, Iuvavum, in: M. Šašel Kos – P. Scherrer (Hrsg.), Die autonomen Städte in Noricum und Pannonien – Noricum. Situla 40 (Ljubljana 2002) 165–201. Kovacsovics 2009 W. K. Kovacsovics, Die Stadt Salzburg in römischer Zeit, in: Der Residenzplatz. Fenster zu Salzburgs Geschichte, Katalog zur Ausstellung im Salzburg Museum, 18. September 2009 bis 15. Jänner 2010. FÖMat A Sonderheft 10 (Wien 2009) 18–23.

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FELIX LANG – DORIS KNAUSEDER

Lang u. a. 2012 F. Lang – D. Knauseder – W. K. Kovacsovics, Handwerk im municipium Claudium Iuvavum – Salzburg. Keramik-, Metall- und Beinverarbeitung, in: F. Lang – S. Traxler – W. Wohlmayr (Hrsg.), Stadt, Land, Fluss/Weg. Aspekte zur römischen Wirtschaft im nördlichen Noricum, Workshop Salzburg, 19.–20. November 2010. Schriften zur Archäologie und Archäometrie an der Paris Lodron-Universität Salzburg 3 (Salzburg 2012) 95–117. Mackensen 1978 M. Mackensen, Das römische Gräberfeld auf der Keckwiese in Kempten 1. Gräber und Grabanlagen des 1. und 4. Jahrhunderts. Cambodunumforschung 4. Materialhefte zur bayerischen Vorgeschichte, Reihe A – Fundinventare und Ausgrabungsbefunde (Kallmünz 1978). Maier 1970 F. Maier, Die Bemalte Spätlatène-Keramik von Manching. Die Ausgrabungen von Manching 3 (Wiesbaden 1970). Moosleitner o. J. F. Moosleitner, Der römische Gutshof von Goldegg, in: Goldegg am See, Ein Führer (Salzburg o. J.) 39–44. Moosleitner 1975 F. Moosleitner, Zonal bemalte Keramik spätkeltischer Art aus Salzburg, AKorrBl 5, 1975, 201–203. Moosleitner 1981/82 F. Moosleitner, Latènezeitliche Siedlungsspuren in Loig, JSM 27/28, 1981/82, 17–22. Moosleitner 1992 F. Moosleitner, Spätkeltische Siedlungsreste in Puch bei Hallein, in: A. Lippert – K. Spindler (Hrsg.), Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Institutes für Ur- und Frühgeschichte der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 8 (Bonn 1992) 385–400. Moosleitner 1996a F. Moosleitner, Kelten im Flachgau, in: F. Moosleitner – S. Winghart (Hrsg.), Archäologie beiderseits der Salzach. Bodenfunde aus dem Flachgau und Rupertiwinkel, Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung in Anthering 1996 und Tittmoning 1997 (Salzburg 1996) 60–74. Moosleitner 1996b F. Moosleitner, Die Römer im Flachgau, in: F. Moosleitner – S. Winghart (Hrsg.), Archäologie beiderseits der Salzach. Bodenfunde aus dem Flachgau und Rupertiwinkel, Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung in Anthering 1996 und Tittmoning 1997 (Salzburg 1996) 75–92. Moosleitner 2004 F. Moosleitner, Zur Kontinuität von der Spätlatènezeit zur frühen römischen Kaiserzeit im Salzburger Land, in: C.-M. Hüssen – W. Irlinger – W. Zanier (Hrsg.), Spätlatènezeit und frühe römische Kaiserzeit zwischen Alpenrand und Donau, Akten des Kolloquiums in Ingolstadt am 11. und 12. Oktober 2001. Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 8 (Bonn 2004) 175–186. Moosleitner – Penninger 1965 F. Moosleitner – E. Penninger, Ein keltischer Blockwandbau vom Dürrnberg bei Hallein, MGSLk 105, 1965, 47–88. Narobe 1934–1937 F. Narobe, FÖ 2, 1934–1937, 282 f. Narobe 1967 F. Narobe, Versuchsgrabungen im Garten des erzbischöflichen Palais und der Bezirkshauptmannschaft Salzburg, MGSLk 107, 1967, 57–61. Peters 2004 M. Peters, Landschaft und Siedlung in Südbayern von der Eisenzeit zur Völkerwanderungszeit – Kontinuität oder Diskontinuität? in: C.-M. Hüssen – W. Irlinger – W. Zanier (Hrsg.), Spätlatènezeit und frühe römische Kaiserzeit zwischen Alpenrand und Donau, Akten des Kolloquiums in Ingolstadt am 11. und 12. Oktober 2001. Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 8 (Bonn 2004) 31–38. Pietsch 1996 M. Pietsch, Die römische Epoche im Rupertiwinkel, in: F. Moosleitner – S. Winghart (Hrsg.), Archäologie beiderseits der Salzach. Bodenfunde aus dem Flachgau und Rupertiwinkel, Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung in Anthering 1996 und Tittmoning 1997 (Salzburg 1996) 94–103.

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EISENZEITLICHE TRADITIONEN IM HANDWERK IN IUVAVUM/SALZBURG – BEVÖLKERUNGSKONTINUITÄT ODER ZUWANDERUNG?

Scherrer 2002 P. Scherrer, Vom regnum Noricum zur römischen Provinz: Grundlagen und Mechanismen der Urbanisierung, in: M. Šašel Kos – P. Scherrer (Hrsg.), Die autonomen Städte in Noricum und Pannonien – Noricum. Situla 40 (Ljubljana 2002) 11–70. Sedlmayer 2009 H. Sedlmayer, Die Fibeln vom Magdalensberg. Funde der Grabungsjahre 1948–2002 und Altfunde des 19. Jahrhunderts. Kärntner Museumsschriften 79. AForschMB 16 (Klagenfurt 2009). Steidl 2014 B. Steidl, Bedaium – Seebruck. Heiligtum und Straßenvicus auf dem Territorium des municipium Claudium Iuvavum, in: F. Lang – R. Kastler – W. K. Kovacsovics – S. Traxler (Hrsg.), Colloquium Iuvavum 2012 – Das municipium Claudium Iuvavum und sein Umland. Bestandsaufnahme und Forschungsstrategien. Archäologie in Salzburg 8 (Salzburg 2014) 277–293. Stöllner 1991 T. Stöllner, Neue Grabungen in der latènezeitliche Gewerbesiedlung im Ramsautal am Dürrnberg bei Hallein. Ein Vorbericht, AKorrBl 21, 1991, 255–269. Stöllner 1996 T. Stöllner, Bergbau und Gewerbe am Dürrnberg bei Hallein – Ein Beitrag zu Siedlungs- und Bergbauarchäologie auf dem eisenzeitlichen Dürrnberg, in: E. Jerem – A. Krenn-Leeb – J.-W. Neugebauer – O. Urban (Hrsg.), Die Kelten in den Alpen und an der Donau, Akten des internationalen Symposions St. Pölten, 14.–18. Oktober 1992. Archaeolingua 1 (Budapest 1996) 225–243. Thüry 2014 G. E. Thüry, Die Stadtgeschichte des römischen Salzburg. Befunde und Funde bis 1987. British Archaeological Reports, International Series 2600 (Oxford 2014). Tober 2001 B. Tober, Die archäologischen Untersuchungen auf dem Kaiser-Josef-Platz in Wels 1993. Quellen und Darstellungen zur Geschichte von Wels 7 (Wels 2001). Urban 2000 O. H. Urban, Der lange Weg zur Geschichte. Die Urgeschichte Österreichs, Österreichische Geschichte bis 15 v. Chr. (Wien 2000). Zanier 2004 W. Zanier, Gedanken zur Besiedelung der Spätlatène- und frühen römischen Kaiserzeit zwischen Alpenrand und Donau. Eine Zusammenfassung mit Ausblick und Fundstellenlisten, in: C.-M. Hüssen – W. Irlinger – W. Zanier (Hrsg.), Spätlatènezeit und frühe römische Kaiserzeit zwischen Alpenrand und Donau, Akten des Kolloquiums in Ingolstadt am 11. Und 12. Oktober 2001. Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 8 (Bonn 2004) 237–264. Zeller 1988 K. Zeller, Neue keltische Gewerbebauten auf dem Dürrnberg bei Hallein, Salzburg Archiv 6, 1988, 5–22. Zeller 1989 K. Zeller, Rettungsgrabungen in einem keltischen Gewerbegebiet auf dem Dürrnberg, Salzburg Archiv 9, 1989, 5–16.

251

K ARL OBERHOFER

DIE RÖMERZEITLICHE SIEDLUNG VON SCHÖNBERG, MG HENGSBERG, VB LEIBNITZ1 Ein siedlungstypologischer missing link aus der Okkupationszeit? 1

Die Erforschung ländlicher Siedlungsstrukturen in Südost-Noricum konzentrierte sich in der Vergangenheit zunächst auf Villenanlagen2 und Vici3, die eine starke römische Prägung sowohl im Fund- wie auch im Befundspektrum deutlich machen. Unter Berücksichtigung des althistorisch Bekannten4 lässt sich die siedlungstypologische Entwicklung der Okkupationszeit im ländlichen Raum bis dato lediglich rudimentär nachzeichnen5. Der Versuch einer Zusammenschau der archäologisch bekannten ländlichen Anlagen zumindest im hier relevanten Gebiet des späteren Municipiums von Flavia Solva hat a priori mit methodischen Problemen zu kämpfen und muss sich bisher auf eine katalogartige, nahezu interpretationsfreie Auflistung beschränken6. Nur bei der Umsetzung von Großprojekten wie der Koralmbahn, einer Eisenbahn-Hochleistungsstrecke zwischen Graz und Klagenfurt, lassen sich adäquate großformatige Einblicke in eine seit Jahrtausenden genutzte Kulturlandschaft vornehmen7.

1. Ausgangslage Im vorliegenden Fall konnte von der Fa. ARGIS Archäologie Service GmbH im Auftrag der ÖBB-Infrastruktur AG zwischen 2006 und 2008 auf dem Gebiet der OG Hengsberg, VB Leibnitz in der KG Schönberg ein knapp 4,5 ha großes Siedlungsgebiet untersucht werden. Zwischen 302 und 321 m Meereshöhe erstreckt sich etwa 15 m über dem heutigen Talboden ein mehrphasig genutztes Siedlungsareal auf einer Terrasse und flachen Hanglagen nördlich der nach Osten fließenden Laßnitz. Neben prähistorischen Siedlungsspuren von nicht unerheblicher flächenmäßiger Ausdehnung ließen sich in großer Zahl römerzeitliche Strukturen feststellen8. Insgesamt konnten bis zum Frühjahr 2008 1462 Objekte mit insgesamt 3643 stratigrafischen Einheiten im Rahmen einer Rettungsgrabung archäologisch dokumentiert werden, nachdem der humose Acker- und Waldboden maschinell abgetragen und umgelagert worden war (Abb. 1). Im Befundbild zeigten sich eine Vielzahl von Pfostengruben und Gräben, die sich zu Gebäudegrundrissen unterschiedlicher Größe zusammenführen ließen. Das organische Baumaterial hinterließ nur wenige archäologisch fassbare Spuren. Wandkonstruktionen und Oberflächen wie Laufhorizonte oder Fußböden in den Gebäuden blieben in der jahrhundertealten Kulturlandschaft mit ausgedehnten Ackerflächen und Nutzwäldern nicht erhalten. Von den Holzgebäuden überdauerten lediglich die bis zu 40 cm weit in die geologischen Schichten eingetieften Pfostengruben; Hinweise auf Schwellbalkenkonstruktionen konnten nicht festgestellt werden9. Die Größe der langrechteckigen Gebäude war mit einer Länge von zumeist 1

2 3 4 5 6 7

8 9

Dem Beitrag liegt eine im Februar 2012 eingereichte Dissertation zu Grunde, die durch Stipendia der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung und des „Vereins zur Förderung der wissenschaftlichen Ausbildung und Tätigkeit von Südtirolern an der Landes-Universität Innsbruck“ unterstützt wurde und zur Zeit unter Berücksichtigung jüngster Grabungsergebnisse des Jahres 2012 aus dem Bereich der Parz. 300 (vgl. Abb. 2) für eine Publikation vorbereitet wird. Exemplarisch: Bauer u. a. 1995, 73–136; Wagner 2000, 425–533; Lamm 2011. Zum Forschungsstand: Sedlmayer – Tiefengraber 2006, 231–255. Alföldy 1974, 28–51; Dobesch 1993; Scherrer 2002, 12; Wesch-Klein 2008, 252. Sedlmayer – Tiefengraber 2006, 231. Vgl.: Lamm 2011, 25–28. – Zöhrer 2007, 13. Unter anderem: Bartl u. a. 2005, 183–209; Bernhard 2007, 205–230; Fuchs u. a. 1997, 269–280; Fuchs 2003, 93–112; Fuchs 2005, 301–346; Fuchs 2011a; Fuchs 2011b; Fürnholzer 2006, 371–390; Hebert 1988, 6 –132; Hebert 1995, 301–303; Heymanns 2007, 143–162; Lamm 2011; Pochmarski 1994, 99–109; Stering 2007, 183–204; Tiefengraber 2007b, 67–113. Oberhofer 2012b, 372. Zur angewandten Auswertungsmethodik grundlegend: Carver 2009, 281–287. – Zum Informationsgehalt von Fundaufkommen aus derartigen Komplexen: Tronchetti 2003, 111–119.

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Abb. 1: Teile der Grabungsflächen nördlich der L601 Schröttenstraße gegen Nordnordost. © ARGIS 2007.

weniger als 10 m überschaubar. Das bautechnische Prinzip war ebenso einfach wie bereits seit den prähistorischen Epochen bekannt: je nach angedachter Größe des Gebäudes wurden in einem rechtwinkligen System Pfosten in den Boden eingebracht, die das tragende Grundgerüst für Flechtwerkwände mit Rutenputz bildeten. Die Eindeckung dürfte mittels Schindeln oder Stroh erfolgt sein. Kennzeichnend, zumindest für die mehrheitlich mittel- und teilweise spätkaiserzeitlich zu datierenden Strukturen, ist die Verwendung äußerst homogenen Baumaterials. Auf zumindest fundierte, vermutlich über Generationen weitergegebene empirische Erfahrungswerte im Holzbau weisen einige Charakteristika hin: soweit erhalten sind für die jeweiligen Gebäude nahezu einheitliche Durchmesser der festgestellten Pfostenstandspuren und erstaunlich gleichmäßige Abstände zwischen ebendiesen besonders erwähnenswert. Zum Beispiel variieren beim das Gebäude 2 die Durchmesser der Pfostenstandspuren der zweiten Bauphase zwischen 0,20 und 0,23 m10. Die Abstände zwischen den jeweiligen Pfostenstellungen des unvollständig erhaltenen Grundrisses von Gebäude 20 (Abb. 3) belaufen sich an der nördlichen Schmalseite zwischen 1,96 m und 2,05 m. Ebenfalls deutlich lässt sich dies beim vollständigen Grundriss des Gebäudes 39 nachvollziehen, wo die Abstände der jeweils gegenüberliegenden Pfostenstellungen zwischen 2,02 m und 2,10 m bzw. 2,19 m und 2,36 m oder 2,12 m und 2,17 m variieren11. Die Pfostenstellungen der römerzeitlichen Gebäude zeichnen sich häufig durch die Einbringung von fragmentierten römischen Leistenziegeln bzw. Keilsteinen zur Stabilisierung (Abb. 4) aus – im Gegensatz zu den prähistorischen Pfostenstellungen der Mittel- und Spätbronzezeit12.

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Oberhofer 2012a, 138–142. Oberhofer 2012a, Planabb. 29. Auf dem 14. Österreichischen Archäologentag vom 19.–21. April 2012 an der Karl-Franzens-Universität Graz ging Hannes Heymanns, der Bearbeiter der prähistorischen Funde und Befunde von Schönberg, im Rahmen eines Vortrages auf diesen Aspekt näher ein.

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Abb. 2: Gesamtplan der Grabungsfläche in der KG Schönberg mit prähistorischen und römerzeitlichen Befunden sowie modernen Störungen. © ARGIS 2007/2008 & Karl Oberhofer 2011.

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Abb. 3: Exemplarische Auswahl unvollständiger römerzeitlicher Gebäudegrundrisse aus dem Grabungsbereich; deutlich erkennbar die teilweise Überlagerung der Strukturen. © ARGIS 2007/2008 & Karl Oberhofer 2011.

Erwähnenswert sind zudem die Reste eines weitläufigen Grabensystems, die in einem engen Zusammenhang mit den bei Leitersdorf13 nachgewiesenen römischen Flurgrenzen stehen könnten. Mit Hilfe dieses mehrphasigen Grabensystems wurden im Talrandbereich bei Schönberg Parzellierungen vorgenommen, die auf differenzierte Besitzverhältnisse schließen lassen. Eine zeitliche Einordnung des gesamten Fundspektrums ist zwischen der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. und dem auslaufenden 4. Jh. n. Chr. anzusetzen. Ein Niederschlag an Metallfunden ist de facto nicht vorhanden und somit für die Datierung der Strukturen nicht weiter hilfreich. Feine graue Ware bildet neben lokaler Grobkeramik bescheidenster Aussagekraft14 mit teilweise aus den jüngsten eisenzeitlichen Epochen übernommenen Formen von großvolumigen Vorratsgefäßen und Töpfen die größte Fundgruppe. Importe hochwertiger Keramik z. B. in Form von Terra Sigillata sind lediglich in einem sehr beschränkten quantitativen Umfang15 vorhanden und lassen sich bis in das fortgeschrittene 4. Jh. n. Chr. nachweisen. Die Reste eines neuzeitlich zerstörten Hügelgräberfeldes zwischen dem Siedlungsgebiet und der römischen Straßentrasse, dessen Entnahmegräben auf der Planabbildung noch ersichtlich sind, runden das Bild ab.

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Fuchs 2008, 255–271. Vgl. Fuchs 2011b, 294. Ein vergleichbares Spektrum hat zuletzt Lamm 2011, 65–92 vorgelegt.

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Abb. 4: Römerzeitliche Pfostengruben mit Ziegelmaterial (links) bzw. ortsfremden Steinmaterial (rechts) zur Auskeilung. © ARGIS 2007/2008.

2. Zur Einordnung eines „traditionell ländlichen“16 Siedlungstyps in Noricum Maßgeblich stellt sich die Frage, welcher unzulänglich erforschte römerzeitliche rurale Siedlungstyp in Schönberg über weite Flächen freigelegt wurde. Die Befundsituation erlaubt im Abgleich mit regionalen Vergleichsbeispielen keine Einordnung in die bekannten Schemata von Villen und Vici17. Eine Ansprache als Mansio oder Mutatio verbietet sich mit Hinweis auf die Lage der Siedlung fernab der römischen Straße und ihre Einbindung in die Kulturlandschaft des unteren Laßnitztales18. Der Versuch einer Zusammenschau offener Siedlungen der frühen und mittleren Kaiserzeit in Noricum macht die methodischen Probleme offensichtlich: mit der römischen Okkupation geht ein machtpolitischer19, seltener ein kultischer Bedeutungsverlust20 archäologisch untersuchter Zentralörtlichkeiten einher, was durch Befundabfolgen und entsprechend zuweisbares Fundmaterial glaubhaft erscheint. Den offenen unbefestigten Siedlungen in Tallage, die wegen ihrer räumlichen Nähe zu den intensiver landwirtschaftlich nutzbaren Flächen eher für eine Platzkontinuität in Frage zu kommen scheinen21, muss jedoch eine größere Bedeutung abgesprochen werden, sodass die Auswahl der Kontinuitätskriterien keineswegs auf die materiellen Hinterlassenschaften beschränkt werden kann22 und in Bezug auf den Raum, deren Akteure und 16 17 18 19 20

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Fuchs 2011b, 296. Lamm 2011, 25–28. – Zöhrer 2007, 13. Fuchs 2006; Oberhofer 2012b, 374. Zuletzt: Sedlmayer – Tiefengraber 2006, 233 für den Magdalensberg. Für die Gurina als Ausnahme: Gamper 2007. – Für den Frauenberg bei Leibnitz zusammengefasst zuletzt bei: Schrettle 2010, 127. Vgl. Sedlmayer – Tiefengraber 2006, 232; Fürnholzer – Tiefengraber 2004, 356. 359. Vgl. Sedlmayer – Tiefengraber 2006, 232 Tab. 19; 233 Tab. 20.

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deren Funktion mit Bedacht erweitert werden sollte23. Die Erforschung dieser komplexen Abläufe läuft jedoch Gefahr, den realiter dokumentierten zumeist kleinflächig vorliegenden archäologischen Befund überzustrapazieren24. Eine typologische Einordnung eines Siedlungsplatzes nach topografischen Gesichtspunkten insbesondere im Bereich des Alpenhauptkamms und an seinen Ausläufern erscheint in Anbetracht natürlicher und menschlicher Störungseinflüsse vielversprechend25 und kann dem häufig schlechten Erhaltungszustand der Befunde Rechnung tragen. Ebendieser Erhaltungszustand erschwert wie im Falle der Siedlung von Schönberg die Auswertung. Mit dem Fehlen römerzeitlicher Oberflächen wie Fußböden bzw. Laufhorizonte26 lassen sich trotz der Dokumentation der archäologisch relevanten Stratigrafie keine Gesamtzusammenhänge herstellen, wodurch der zu Grunde liegenden Methodik bei der Auswertung der Befund- und Fundkomplexe eine besondere Bedeutung zukommt27. Ein Vergleich mit keltisch geprägten Siedlungsformen entlang des Rheins in Form von „Kleinhaus-Gehöften“ u. a. auf dem Gebiet der späteren Provinz Niedergermanien sei in Abgleich mit Abb. 2 gestattet. Das ausgehende 1. Jh. v. Chr. und die erste 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. dürften weit öfter als bisher bekannt Siedlungen wie bei Neuholz, Jüchen-Hochneukirch (Rhein-Kreis Neuss) hervorgebracht haben28. Die Pfostenbauten weisen in der Regel wenig mehr als 5 m Seitenlänge auf und deuten auf eine räumliche Trennung von Wohnen und Wirtschaften hin29. Die fehlende Überlagerung ähnlicher Gebäudestrukturen geht auf die relativ kurze Nutzung dieser Strukturen zurück30. Die Siedlung selbst dürfte auf die lokal ansässigen Eburonen zurückgehen und unterscheidet sich in ihrem Erscheinungsbild von den Siedlungsstrukturen der später an dieser Stelle auch in Grubenhäusern wohnenden Germanen (von der römischen Obrigkeit umgesiedelte Ubier?) deutlich31. Der für Niedergermanien angedachte Innovationsschub durch die Einführung der Villenwirtschaft32 war der Wahrung einer gewissen sozialen und wirtschaftlichen Kontinuität sicherlich zuträglich. Die römisch geprägte Organisation der Landwirtschaft durch villae rusticae dürfte auch für das südost-norische Gebiet nahe dem späteren Flavia Solva einen stabilisierenden Charakter mit sich gebracht und ein Weiterbestehen der durchweg hierarchisch gegliederten spätkeltischen Gesellschaft ermöglicht haben33. Aus dem zeitlich vorgegebenen Rahmen der Okkupationszeit fällt hingegen ein ebenfalls vergleichbarer Befund im oberen Donauraum bei Eichstätt, „Stadtfeld“(Oberbayern)34 aus dem 3.–5. Jh. n. Chr. Wie bei der Siedlung von Schönberg ist eine zuweilen mehrfache Überlagerung der Pfostenbauten offensichtlich, welche mit einem Fehlen jeglicher räumlicher Gliederung des Siedlungsgebiets durch eine Parzellierung einhergeht. Die Gebäude der Siedlungen von Neuholz und Eichstätt wurden ebenso wie jene bei Schönberg in Pfostenbauweise errichtet und legen ein Zeugnis für althergebrachte Bautraditionen ab. Bemerkenswert ist im Falle der Siedlung von Schönberg ein über Jahrhunderte hinweg andauerndes Beharren35 auf dieser Konstruktionstechnik36, zumal im direkten räumlichen Umfeld Schwellbalken- bzw. erdferne Ständerbaukonstruktionen in einem ungleich stärker römisch geprägten Umfeld schon kurz vor bzw. unmittelbar nach der Zeitenwende bekannt waren37. Die Befunde der Holzbauphase von Flavia Solva zeigen demnach 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

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Eggert 2001, 305. Z. B.: Fürnholzer – Tiefengraber 2004, 359. Für Schönberg: Lehner 2009, 168. Eine Annäherung an die Auswertungsproblematik bietet Trebsche 2009, 8 f. Methodisch dazu: Carver 2009, 124. 279 f. Heimberg 2002/2003, 61; Joachim 1980, 354–441; Simons 1989. Andrikopoulou-Starck u. a. 1999. Heimberg 2002/2003, 64 f. Abb. 4. Heimberg 2002/2003, 67 Anm. 15. Heimberg 2002/2003, 134. Vgl. Schucany 2006, 276 mit vergleichenden Belegen aus Aquitanien, Britannien, Gallien, Niedergermanien, dem Schweizer Mittelland und Rätien. Jandejsek 2005, 111–113. Vgl. Zimmermann 1998, 178–180. Zur Konstruktionstechnik und obligatorisch anzuwendenden Termini: Zimmermann 1998, 11 f. – Zu den häufigen Verwechslungen zwischen erdfesten Pfostenbauten und erdfernen Ständerbauten exemplarisch: Heimberg 2002/2003, 71–74. Hinker 2006, 59.

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im Bereich der späteren Insula XL38 eine völlig andere Konstruktionstechnik – ebenso wie die frühesten Phasen der Villa von Grünau39. Im Schönberger Befund lassen sich mehrere Gebäudegrundrisse isolieren, deren statisches Grundkonzept auffällige Ähnlichkeiten zu latènezeitlichen Pendants aus dem überregionalen Umfeld aufweist40. Neben unspektakulär erscheinenden Vier- und Sechspfostenbauten lassen sich mehrfach Gebäude mit stets drei Pfostenstellungen an der Schmalseite und einer bedarfsorientiert gewählten Länge zusammenführen (Abb. 2 und 3). Auch im fortgeschrittenen 2. Jh. n. Chr. gelangte in Schönberg noch ausschließlich die Pfostenbauweise zur Anwendung – in einer Zeit, in der in den bekannten Vici Südost-Noricums eine Vielzahl der Gebäude einen partiellen Steinausbau erfahren haben41. Eine Annäherung an den bautechnisch fortschrittlicheren Ständerbau erfolgte in Schönberg vermutlich erst in dieser Zeit mit der Übernahme einzelner Charakteristika42. Dazu passen auch die bautechnischen Entwicklungen in den römischen Villenanlagen zwischen Rhein und Maas: Gebäude in Pfostenbauweise werden von Schwellbalken-und Fachwerkkonstruktionen43 abgelöst, die eine architektonische Entwicklung aufzeigen und mit der Konsolidierung römischer Wirtschaftsmechanismen einhergehen. Dem zu Grunde liegt wohl ein Spezialisierungsprozess im Bauwesen, der eine positive qualitative Entwicklung ähnlich wie bei der Herstellung beweglicher Güter44 offensichtlich werden lässt. Ein ähnliches Schema lässt sich bei den Holzbauten im Westquartier von Vitudurum, dem römischen Oberwinterthur (Kt. Zürich, CH), beobachten: in einer sog. „Pionierphase“45 werden zunächst Pfostenbauten errichtet, die offensichtlich mehrere Vorteile gegenüber einer Misch46- bzw. Ständerbauweise in sich vereinigen konnten. An dieser Stelle seien etwa die kürzere Bauzeit und allenfalls notwendiges zimmermannstechnisches Grundwissen angeführt47. Höhere zimmermannstechnische Kenntnisse, die für die Errichtung von Schwellbalkenkonstruktionen und Fachwerkbauten nötig sind, werden für Vitudurum direkt in Verbindung mit der römischen Provinzverwaltung und ihren Trägern, den sicherlich kenntnisreichen Mitgliedern48 des Militärs, gebracht49. Welches Ausmaß die Beziehungen zwischen dem frühen Solva und der möglichen Stationierung der legio VII Augusta um Poetovio50 lediglich in Bezug auf die Bautechnik erreicht haben könnten, ist durch eine gesicherte Beteiligung von Mitgliedern römischen Militärs auch an der Errichtung ziviler Bauwerke51 in Anbetracht jüngerer Forschungen zu überdenken52. Somit sind auch die bautechnischen Charakteristika der Phase 1 der Villa von Grünau53 in diese deduktive Reihe zu stellen. Zusammenfassend ist der Forschungsstand zur römerzeitlichen Holzarchitektur im östlichen Alpenbogen und seinen unmittelbar angrenzenden Regionen nicht nur im Vergleich zu den exemplarisch vorgelegten Befunden aus dem obergermanischen Vitudurum54 als eher ärmlich zu bezeichnen.

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Hinker 2006, 25, 131–135 Abb. 2–6. Lamm 2011, 62–65. Vom Sandberg in Roseldorf (Niederösterreich): Holzer 2008. – Für Michelndorf (Niederösterreich): Kalser 2008. Sedlmayer – Tiefengraber 2006, 236–244. An dieser Stelle sei lediglich auf eine verstärkt auftretende Mehrschiffigkeit der Gebäude hingewiesen. Heimberg 2002/2003, 75–77. Vgl. dazu: Knopf 2002, 164–257. Pauli-Gabi u. a. 2002, 102. Für Noricum ein Beispiel vom Saazkogel mit einem Holzgebäude aus der Periode 1 (70 – 100/110 n. Chr.): Sedlmayer – Tiefengraber 2006, 29. Bedal 1993, 44 f. Im militärischen Kontext: Mackensen 1987, 35–49. Ulrich 2007, 6–12. Pauli-Gabi u. a. 2002, 179 f. Zuletzt: Hinker 2006, 18 f. Für Vindonissa: Speidel 1996, 46. Hinker 2006, 27 f. – Differenzierend zu Gunsten eines nicht näher zu präzisierenden militärischen Aspekts: Hagendorn – Pauli-Gabi 2005. Lamm 2011, 63: „Die Holzgebäude möchte ich aufgrund der Ähnlichkeit mit Strukturen aus Flavia Solva bereits in römische Zeit setzen, d. h. es handelt sich hierbei nicht um latènezeitliche Vorläufer.“ Die Notwendigkeit zur Erwirtschaftung von Ertragsüberschüssen im Gebiet um Solva erwähnt Hinker 2006, 18. Pauli-Gabi u. a. 2002, 147–178.

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Vermutlich lässt sich aber gerade über die in Schönberg festgestellte Pfostenbauweise und die damit einhergehende Siedlungsstruktur ein typologischer missing link der Okkupationszeit in Ansätzen greifen. Mehrere Pfostenbauten unterschiedlichster Größe gruppieren sich stets zu einer weilerartigen Gehöftgruppe55 in einer schwer fassbaren Phasenabfolge, die sich in mehrfachen Überschneidungen von Grundrissen manifestiert. Die relativ kleinen Baustrukturen lassen eine frühe Einflussnahme seitens des spezialisierten römisch dominierten (Wohn-)Hausbaus weitgehend vermissen und erlauben somit gewisse Rückschlüsse auf ihre Bewohner. Im Gegensatz zu den vergleichsweise wohlbekannten Hügelgräberfeldern im regionalen Umfeld56 fehlt es bis dato an einer in Relation stehenden Zahl vergleichbarer Siedlungsbefunde aus dem ländlichen Bereich Südost-Noricums57. Nun mögen ausschnitthafte Einblicke im Zuge von kleinflächigen Rettungsgrabungen und eine gewisse „Widerspenstigkeit“ des entsprechenden keramischen Fundmaterials (zumindest für die heutige West-Steiermark) für einen derartigen Versuch nicht gerade dienlich erscheinen, allerdings erlauben die Schönberger Strukturen die Erstellung eines Modells, wie eine weilerartige Ansiedlung eines überwiegend der Subsistenzwirtschaft unterworfenen indigenen Substrats in der Okkupationsphase ausgesehen haben könnte. Diese typologischen und bautechnischen Charakteristika haben sich auch wie im vorliegenden Fall zwischen der 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. und dem auslaufenden 4. Jh. n. Chr. wohl nicht grundlegend verändert. Eine Neuausrichtung der landwirtschaftlichen Produktionsstrategie mit der Einführung der Villenwirtschaft in dafür geeigneten Gebieten, wie z. B. in der südlichen Steiermark, kann fallweise auf eine Siedlungsplatz-Kontinuität58 und unterschiedliche, archäologisch greifbare Umbrüche hinweisen. Mit der Siedlung von Schönberg könnte eine akteursbezogene Kontinuität eines indigenen sozial wenig einflussreichen Substrats greifbar werden, dessen traditionelle Lebensweise neben den auf Überschussproduktion ausgelegten neu errichteten Villen59 weiter bestehen blieb und in Folge einer Umbruchsphase noch im 1. Jh. n. Chr. die Entstehung einer hierarchisch gegliederten Kulturlandschaft60 einläutete.

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Oberhofer 2012a, 21: die bisher abgeschlossene Auswertung geht von einem zeitgleichen Bestehen von mindestens zwei Wohn- und vier bis sechs Wirtschaftsgebäuden aus. Die frühen Holz-Villen weisen bestenfalls drei bis vier zeitgleich bestehende Gebäude auf, z. B. in Poing, vgl.: Pietsch 2006. Exemplarisch: Urban 1984. Einen Überblick vermittelnd: Hinker 2006, 13 f. Vgl.: Fürnholzer – Tiefengraber 2004. – Eine mit Schönberg vergleichbare Struktur könnte in Dietersdorf, ca. 7 km in nordnordwestlich von Schönberg unweit der Kainach, angeschnitten worden sein: Artner u. a. 2010, 383 f.; Artner u. a. 2011, 390. Schrettle 2010. Für Grünau: Lamm 2011, 62 f. Oberhofer 2012a, 118; Schucany 2006, 271–277.

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DIE RÖMERZEITLICHE SIEDLUNG VON SCHÖNBERG, MG HENGSBERG, VB LEIBNITZ

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KARL OBERHOFER

Zöhrer 2007 K. Zöhrer, Villen und ländliche Anlagen im Stadtgebiet von Flavia Solva (Diplomarbeit Karl-Franzens-Universität Graz 2007).

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HENRIK POHL

EINE RÖMERZEITLICHE FERNSTRASSE MIT ANGRENZENDEM GRABBEZIRK IN KÄRNTEN – DIE ERGEBNISSE DER ARCHÄOLOGISCHEN UNTERSUCHUNGEN KÜHNSDORF 2010 UND 2011 Einleitung Im Auftrag der ÖBB-Infrastruktur AG führte die Archäologische Dienst Kärnten gem. GmbH im Herbst 2010 und Frühjahr 2011 baubegleitende archäologische Voruntersuchungen durch. Die archäologischen Untersuchungsbereiche lagen in der KG Kühnsdorf, MG Eberndorf, VB Völkermarkt im Südosten Kärntens. Die Grabungskampagne Kühnsdorf 2010 fand auf der Parzelle 462/3 (neu: 462/5) mit der Maßnahmennummer 76108.10. 2 statt1. Die Grabungskampagne Kühnsdorf 2011 wurde auf der Parzelle 564/2 (neu: 564/7) mit der Maßnahmennummer 76108.11.2 durchgeführt2. Auf den archäologisch untersuchten Flächen (Abb. 1) wurden ein Friedhof des 1. Jhs. n. Chr., eine römisch-kaiserzeitliche Straße, latènezeitliche Brandschüttungsgräbergräber und spätantike Körpergräber entdeckt.

Kühnsdorf 2010, Parz. 462/3 Mit den archäologischen Untersuchungen auf der Parzelle 462/3 in Kühnsdorf konnte das Grabareal eines kleinen ländlichen Friedhofs des 1. Jhs. n. Chr. erfasst werden3. Auf dem gesamten Grabungsareal wurden insgesamt elf archäologische Befundkomplexe ausgegraben und dokumentiert (Abb. 2). Es handelt sich ausschließlich um Grabbauten und damit in Zusammenhang stehende Schichten bzw. Befunde. Die Datierung erfolgt über die Funde, die in das 1. Jh. n. Chr. datieren4. Insgesamt fanden sich auf der ersten Befundoberfläche sehr wenige datierbare Funde. Nur in den Gräbern selbst bzw. auf deren Brandschüttungen konnte einiges an Keramik, z. T. sogar komplett erhaltene Gefäße, geborgen werden. Folgende Typen von Befunden wurden dokumentiert: – Zwei quadratische Streifenfundamente (Befund 2 und 3) – Zwei eingetiefte Brandschüttungsgräber mit Steineinfassung und Rollsteinabdeckung (Befund 1 und 11) – Ein Fundament für eine Umfriedungsmauer (Befund 10) – Eine Fläche mit fragmentierter Keramik (Befund 5) – Eine Brandschicht mit Fibelfragment (Befund 6) – Schuttschichtbefunde (Befunde 4, 8 und 9) Auf die aufgehende Konstruktion der Grabbauten kann indirekt geschlossen werden. Es fanden sich keine Reste eines aufgehenden Mauerwerkes, dafür zahlreiche Dachziegelfragmente. Für die Streifenfundamente (Befund 2 und 3) sind folgende Rekonstruktionen möglich: tempelförmiges Grabmal – Grabaedicula – baldachinförmiges Grabmal, Grabhäuschen5. Ein Grabaltar oder Grabpfeiler ist unwahrscheinlich, da diese zumeist ein massives Fundament hatten. Die bekannte römische Gräberstraße von Šempeter bei Celje 1

2

3 4 5

Grabungsbeginn: 13. 10. 2010. Grabungsende: 24. 11. 2010. Wissenschaftliche Gesamtleitung/Grabungsleitung: Univ.-Doz. Dr. H. Dolenz/MMag. Regina Barlovits. Grabungsleitung (örtlich): Mag. Henrik Pohl. Verantwortliche für die Fundbestimmung: Mag. K. Gostenčnik, Dr. E. Schindler-Kaudelka. Vermessung: Andreas Jesse. Planerstellung: Andreas Jesse/DI Anita Kollmann. Grabungsbeginn: 30. 3. 2011. Grabungsende: 3. 5. 2011. Wissenschaftliche Gesamtleitung/Grabungsleitung: Univ.-Doz. Dr. H. Dolenz/MMag. R. Barlovits. Grabungsleitung (örtlich): Mag. H. Pohl. Verantwortliche für die Fundbestimmung: Mag. K. Gostenčnik, Dr. E. Schindler-Kaudelka, Dr. W. Artner. Vermessung: R. Glaser. Planerstellung: A. Jesse, DI A. Kollmann. Pohl 2010. Eine erste Fundeinschätzung verdanke ich Mag. K. Gostenčnik. Kremer 2001.

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HENRIK POHL

Abb. 1: Befundübersichtsplan der archäologischen Untersuchungen Kühnsdorf 2010 und 2011. Planerstellung: Archäologischer Dienst Kärnten, DI A. Kollmann.

266 Abb. 2: Parz. 462/3, Befundübersichtsplan. Planerstellung: Archäologischer Dienst Kärnten, A. Jesse, DI A. Kollmann.

EINE RÖMERZEITLICHE FERNSTRASSE MIT ANGRENZENDEM GRABBEZIRK IN KÄRNTEN

Abb. 3: Parz. 462/3, Befund 11, Planum 3. Foto: Archäologischer Dienst Kärnten, H. Pohl.

in Slowenien6 bietet zahlreiche Beispiele von Streifenfundamenten. Die prachtvollen Grabaediculae von Šempeter vermitteln einen Luxus, wie er sicher nicht auf dem kleinen ländlichen Friedhof bei Kühnsdorf anzutreffen war. Denkbar – und in diesem Fall wahrscheinlich – ist eine schlichtere Variante römischer Grabbauten wie zum Beispiel die quadratischen Grabhäuschen in Köflach-Pichling7. Ein weiteres Beispiel für gemauerte Grabhäuschen sind die Gräber am Lugbichl des Magdalensberges8. Ebenso sind die Parallelen in der Konstruktion von Befund 2 und 3 in Kühnsdorf zu den 2009 erfassten Grabbauten von St. Paul9 unübersehbar. Neben diesen aufragenden Grabbauten fanden sich auf diesem Grabungsareal auch tief in die Erde eingelassene Bestattungen. Die Befunde 1 und 11 können als eingetiefte Brandschüttungsgräber mit Steineinfassung und Rollsteinabdeckung bezeichnet werden. Dabei wurde jeweils eine ca. 0,80 m tiefe Grube mit Steinen ausgekleidet, so dass eine regelrechte Kammer entstand. In diese Kammer wurde die Brandschüttung selbst zusammen mit Grabbeigaben in Form von Gefäßen und Speiseopfern eingebracht (Befund 11, Abb. 3). Diese Grube wurde anschließend mit Steinen verfüllt und mit einer Rollsteinabdeckung verschlossen. Befund 11 befand sich zusätzlich in einer großen, gemauerten Grabumfassung (Befund 10) mit den Maßen 8 m × 9,20 m × 5,50 m, sodass von einem viridarium gesprochen werden kann. Diese frühkaiserzeitliche Nekropole wird sich sicher noch weiter nach Westen erstreckt haben, dafür spricht der Befundkomplex 7. Die Befunde (ein rechteckiger gemauerter Streifen, eine Steinpackung, eine Brandschicht mit Leichenbrand und TS-Fragmenten) zusammen mit Resten von bemaltem Wandputz 6 7 8 9

Kolsek 1976. Chornitzer 1995; Fuchs 2000. Dolenz 1949; Egger 1950. Barlovits u. a. 2009/2010a, 161–164; Pohl 2012.

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HENRIK POHL

sprechen für die stark gestörten Reste eines weiteren Grabbaus. Eine nahe westlich gelegene Gasleitung stört den Befund 7 und verhindert insgesamt, die westliche Ausdehnung der Nekropole zu erfassen. Alle Grabbauten sind NO-SW orientiert und lassen das Vorhandensein einer an den Fundstellen vorbeiführenden antiken Straße vermuten (Abb. 2). Ebenso darf von einem dazu gehörenden Gutshof (villa rustica) oder einer Siedlung (vicus) im näheren Umfeld ausgegangen werden. Die vermutete Straße wird von Südost kommend, an dem Friedhof vorbei in nordwestliche Richtung auf den Seebach zu verlaufen sein. Durch die Lage der Grabbauten (Befunde 1, 2, 3, 10 und 11) kann auf eine südwestlich vorbeiziehende Straße geschlossen werden. Im Umfeld von Kühnsdorf gibt es zahlreiche weitere Funde der frühen Kaiserzeit, die sich mit den Grabfunden von Kühnsdorf vergleichen lassen. Nicht weit von Kühnsdorf entfernt kam in Peraschitzen ein römisches Brandgrab zutage und konnte von H. Dolenz aufgenommen werden10. Es datiert in die erste Hälfte des 1. Jhs. und ist damit zeitlich und vor allem in seiner Konstruktion mit den Befunden 1 und 11 von Kühnsdorf vergleichbar. Die Art der eingetieften Steinkammern mit Brandschüttung und Rollsteinabdeckung scheint typisch für diese Zeit und Gegend zu sein. Ebenfalls in der Nähe lag der Tuffkalksteinbruch von Peraschitzen, der nachweislich schon im 1. Jh. v. Chr. ausgebeutet wurde. Tuffsteinblöcke waren für Hauskonstruktionen am Magdalensberg verwendet worden11. Etwas weiter entfernt liegt Kleindorf, wo 1992 eine Urne sowie ein marmorner Frauenkopf als Teil eines Grabdenkmals aus dem 1. Jh. n. Chr. gefunden wurde12. Zu beachten sind ebenso die Funde aus Srejach am Klopeiner See. Eine zusammenfassende Darstellung der bisherigen Funde liefert H. Heymans13. Wichtig ist der Fund eines römischen Grabtitulus14. Die neueren Grabungsergebnisse erbrachten u. a. den Nachweis einer villa rustica, die in der zweiten Hälfte des 3. Jhs. einem Großbrand zum Opfer fiel15. All diese Funde zeigen, dass das Gebiet an der Kreuzung der Verkehrswege Drau und der antiken Straße zwischen Virunum und Celeia verhältnismäßig dicht besiedelt gewesen sein muss.

Kühnsdorf 2011, Parz. 564/7 Auf der gesamten, rund 1281 m2 großen Untersuchungsfläche auf Parz. 564/7 konnten 22 Befundkomplexe und damit in Zusammenhang stehende Schichten bzw. Befunde freigelegt und dokumentiert werden (Abb. 4). Herausragend ist dabei der Fund eines Teilstücks einer römisch-kaiserzeitlichen Straße mit angrenzendem Grabbezirk. Der dreieckige Grabbezirk wird im Süden durch eine Straße, im Westen durch einen Weg und im Osten durch eine Mauer begrenzt. Die wichtigsten Befundkomplexe sind: Befund 10 – Teil einer römischen Überlandstraße, Befund 130 – Fundamentgraben einer Umfassungsmauer sowie Befund 180 – parallele Gräben eines Weges. Im dadurch eingefassten, flächig untersuchten Grabareal konnten sieben spätlatènezeitliche Brandschüttungsgräber (Befund 20, 30, 40, 53, 70, 150, 200) sowie vier römisch-kaiserzeitlichen Körperbestattungen (Befund 60, 64, 80, 140) untersucht werden. Insgesamt lassen sich die Funde der archäologischen Untersuchung Kühnsdorf 2011 zwei Zeitperioden zuordnen. Der größte Teil der bestimmbaren Keramik- und Kleinfunde entstammt der späten Latènezeit, wobei einige Funde konkreter Lt D1 zugeordnet werden können. Einziger Münzfund dieser Zeitperiode ist ein keltisches Kleinsilber16. Mit diesen aus Brandschüttungsgräbern stammenden Funden lässt sich ein Horizont noch weitgehend ohne mediterrane Importe fassen, der in das ausgehende 2. Jh. v. Chr. bis in die erste Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. datiert.

10 11 12 13 14 15 16

Dolenz 1960. Piccottini 2004, 179 f. Gleirscher 1992. Heymans 2002. Glaser 1989. Barlovits u. a. 2009/2010b, 175–189. Keltisches Kleinsilber(Kd 11/112), Göbl TKN (1973), Avers FF 1 (Tafel 45), Revers I b, c, d (Tafel 47), Mitte 1. Jh. v. Chr. bis Mitte 1. Jh., kommt am Magdalensberg in Fundzusammenhängen von 30 v. Chr. bis Claudius vor.

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EINE RÖMERZEITLICHE FERNSTRASSE MIT ANGRENZENDEM GRABBEZIRK IN KÄRNTEN

Abb. 4: Parz. 564/7, Befundübersichtsplan. Planerstellung: Archäologischer Dienst Kärnten, DI A. Kollmann.

Die zweite zahlenmäßig deutlich kleinere Fundgruppe kann römisch-kaiserzeitlich datiert werden17. Die Streufunde weisen auf eine ausgeprägte Störung der antiken Oberflächen und originalen Befunde. So ist auch das gesamte Umfeld der Straße übersät mit kleinen Keramikfragmenten, Leichenbrand und Metallteilen (KD11/1 – KD11/24). Ein Grund hierfür ist wahrscheinlich die nachantike landwirtschaftliche Tätigkeit.

Zur Chronologie der Befundkomplexe Die Belegung dieses Grabbezirks ist nicht kontinuierlich. Auffällig ist die zeitliche Lücke zwischen den spätlatènezeitlichen Brandschüttungsgräbern und den spätantiken Körpergräbern, die immerhin ca. 400 Jahre beträgt. Ob die Erosion in diesem Gebiet weitere Gräber vernichtete oder wirklich keine vorhanden waren, lässt sich nicht mehr erschließen. Es ist theoretisch möglich, dass der Friedhof auf der ca. 270 m entfernten Parzelle 462/3 aus dem 1. Jh. n. Chr. diesen Hiatus geschlossen hat (Abb. 1). Auffällig ist, dass der Befundkomplex Befund 10 (Teil einer römischen Überlandstraße) die spätlatènezeitlichen Brandschüt17

Eine erste Fundeinschätzung verdanke ich vor allem Mag. K. Gostenčnik, Dr. W. Artner, Dr. D. Božič sowie Dr. E. Schindler-Kaudelka.

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tungsgräber nicht stört bzw. schneidet. Der spätlatènezeitliche Grabbezirk wurde demzufolge im okkupationszeitlichen Straßenbau berücksichtigt. Der Weg (Befund 180) zweigte von der römischen Straße (Befund 10) ab und führt in nördliche Richtung. Wahrscheinlich handelt es sich um eine via privata, die zu Gutshöfen auf der westlichen Seite des Seebachs führte. Der Fundamentgraben einer Umfassungsmauer (Befund 130) schneidet das spätlatènezeitliche Brandschüttungsgrab (Befund 200) und stößt an den Weg (Befund 180) an. Die spätlatènezeitlichen Gräber existierten also vor der Mauer (Befund 130). Der Grabbezirk wurde erst später durch die Mauer (Befund 130) zu einem Dreieck geschlossen. Aufgrund beabsichtigter Baumaßnahmen konnten die in direkter Verlängerung der antiken Straße befindlichen Parzellen 457/2 und 548/3 zuvor untersucht werden (Abb. 1). Die Ausgrabungen erbrachten weder in südwestlicher noch in nordöstlicher Richtung einen Nachweis für die Fortführung der Straße (Befund 10). Auf der nordöstlich gelegenen Parzelle 457/2 störten die Flussbegradigung des Seebachs und die Anlage eines Mühlbaches jegliche Befunde. Auf der südwestlich gelegenen Parzelle 548/3 folgte unter einer nur 0,10 m starken Humusschicht bereits der sterile Schotter. Die Fläche war also stark erodiert.

Zu den spätlatènezeitlichen Gräbern Beispielhaft sei an dieser Stelle das Brandschüttungsgrab Befund 30, Parz. 564/7 vorgestellt: Bei Befundkomplex 30 handelt es sich um eine ovale schwarze Verfärbung mit den Maßen 1 m × 0,70 m. Bei der Anlage von Planum 1 kamen Keramikfragmente (KD11/29: bemalte Feinkeramik, Spätlatène) sowie Leichenbrand zum Vorschein. Direkt östlich von Befund 30 wurde eine Bronzekette entdeckt (KD11/32). Es handelt sich dabei um einen Teil einer Gürtelkette (weibliche Tracht), Lt D1. Im Profil zeigt sich eine 0,32 m tiefe schwarze Verfärbung mit auffallend großen und zahlreichen Leichenbrandresten (3100 g). Innerhalb des Befundes 31 (schwarze Verfüllung) befindet sich ein Rasiermesser mit Ösenring (KD11/36: Lt C/D 1)18. Dieses weist eine leicht zerstörte Schneide auf und ist (intentionell) verbogen. Im Umfeld der eigentlichen Brandgrube wurden zahlreiche Keramikkonzentrationen aufgefunden. Wahrscheinlich stammen sie von Gefäßen, die auf der Grube deponiert gewesen waren und durch die nachantike Landwirtschaft zerstört wurden. Der ungewöhnlich hohe Anteil von Leichenbrand von 3,1 kg sowie die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Beigaben (Kette als Teil der weiblichen Tracht, Rasiermesser als männliche Grabbeigabe) lassen die Frage nach einer Doppelbestattung aufkommen. Das bronzene Kettenteil befand sich aber nicht in der Brandgrube selbst, sondern ist als zufällig in der Nähe befindlicher Streufund anzusprechen. Die Frage einer möglichen Doppelbestattung muss daher verneint werden.

Funde zu Befund 30 (Abb. 5) KD11/27, KD11/28: Eisentülle, Eisenring. KD11/29: Oxydierend gebrannte, bemalte Spätlatènekeramik. KD11/32: Teil einer Gürtelkette (weibl. Tracht), Lt C/D 1. KD11/36: eisernes Rasiermesser mit Ösenring, Lt C/D 1. KD11/45, KD11/46: Stift, Eisenringe. KD11/54: Bronzenagel und -beschlag. KD11/65, KD11/66: Feine graue Spätlatènekeramik. KD11/87 – KD11/89: Leichenbrand, 3100 g! Spätlatènezeitliche Gräber sind in Kärnten relativ selten19. 1969 wurde bei Kohldorf ein Brandgrab des späten 1. Jhs. v. Chr. angeschnitten. Es konnten die Urne, ein Tonteller, Scherben eines importierten Tonkruges sowie einige Bronzefragmente gefunden werden20.

18 19 20

Datierung dank freundlicher Mitteilung durch Dr. D. Božič und Dr. W. Artner. Dem Autor momentan bekannt sind die nachfolgend erwähnten Grabfunde von Kohldorf und Faschendorf. Piccottini 1969.

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EINE RÖMERZEITLICHE FERNSTRASSE MIT ANGRENZENDEM GRABBEZIRK IN KÄRNTEN

Abb. 5: Parz. 564/7, Fundtafel 1, Funde aus Befund 30. Zeichnung: Archäologischer Dienst Kärnten, H. Guckuk.

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Abb. 6: Parz. 564/7, Fundtafel 1, Funde aus Befund 30. Zeichnung: Archäologischer Dienst Kärnten, H. Guckuk.

Interessante Parallelen zeigt der Grabbezirk von Faschendorf bei Teurnia (Kärnten)21. In und um den vor allem mittelkaiserzeitlich genutzten Grabbezirk konnten zahlreiche spätantike Körpergräber dokumentiert und ein spätlatènezeitlicher Bestattungsplatz mit z. T. wertvollen Beigaben angeschnitten werden. Eine kontinuierliche Belegung ist wahrscheinlich. Die dort aufgefundenen Aschegruben mit keramischen Fun-

21

Polleres 2008; Polleres 1999; Polleres 2000; Polleres 2001.

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EINE RÖMERZEITLICHE FERNSTRASSE MIT ANGRENZENDEM GRABBEZIRK IN KÄRNTEN

Abb. 7: Parz. 564/7, Befund 10 (Straße) und vier spätantike Körpergräber (Befund 60, 64, 80, 140. Foto und Montage: Archäologischer Dienst Kärnten, H. Pohl.

den22 unterscheiden sich deutlich von den Brandschüttungsgräbern in Kühnsdorf hinsichtlich der Deponierung und Funde. In der Nähe von Kühnsdorf befand sich eine eisenzeitliche Siedlung auf der Gracarca23. Die zugehörigen Brandbestattungen bei Grabelsdorf datieren vom 9. bis in das 3. Jh. v. Chr. Nur einige Streufunde deuten die Belegung bis in das 1. Jh. v. Chr. an24. Die Entfernung von 4,4 km Luftlinie zwischen der Gracarca und Kühnsdorf legt nahe, dass sich bei Kühnsdorf eine eigene Siedlung befunden haben muss. Der Befund 190 zeigt eine größere Fläche von ca. 7 m Durchmesser, die durch Feldrollsteine (Dm 0,20 m) und eine schwarz-humose Erdschicht gebildet wird. Diese Fläche liegt in der nördlichen Ecke des Grabbezirks. Aufliegend wurden zahlreiche verbrannte Metall- insbesondere Bronzeteile, Keramik sowie Leichenbrand gefunden (Abb. 6). Auch wenn das Fehlen von verziegeltem Lehm eine Interpretation als ustrinum ausschließt, könnte sich vielleicht an dieser Stelle ein für die Bestattungszeremonien bedeutender Platz befunden haben.

Zu den spätantiken Körpergräbern Die Bestattung Nr. 1 (Befund 60) zeigt ein juveniles Skelett mit zwei Beigaben. Als Grabbehältnis ist ein Holzsarg anzunehmen, dessen Reste allerdings nicht mehr eruiert werden konnten. Eine Bestattung mit Grabtuch ist auf Grund der Lage des Skeletts eher unwahrscheinlich. Nördlich neben dem Schädel befand sich ein einhenkeliger Krug (KD11/40: 4./5. Jh.) als Grabbeigabe (Abb. 6). Bei der Bergung wurde 22 23 24

Polleres 2008, spätlatènezeitliche Befunde: 8–12, spätlatènezeitliche Funde: 111–112. Gleirscher 1993a; Gleirscher 1993b; Gleirscher 1994; Gleirscher 1995. Gleirscher 1996; Gleirscher 1995; Fera – Gleirscher 1997; Fera 1998.

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Abb. 8: Parz. 564/7, Befund 10 (Straße), Schnitt 1, Profil v. West. Foto: Archäologischer Dienst Kärnten, H. Pohl.

eine Bronzemünze auf den Halswirbeln aufliegend gefunden (KD11/43). Diese Münze kann der Mitte des 4. Jhs. n. Chr. zugeordnet werden25. Mit der Münzdatierung in die Mitte des 4. Jhs. n. Chr. ist die Bestattung Nr. 1 (Befund 60) das einzig sicher datierbare Körpergrab. Die anderen drei Körpergräber (Befund 64, 80, 140) waren beigabenlos und lassen sich demzufolge nicht sicher der Bestattung Nr. 1 zuordnen. Die drei Körpergräber (Befund 64, 80, 140) liegen in direkter Nähe zu Bestattung Nr. 1, sind aber unterschiedlich orientiert (Abb. 7). Befund 60 liegt mit dem Cranium nach Westen, ist also Ost-West orientiert, während die anderen drei Skelette in nord-südliche Richtung ausgerichtet sind. Die Lage der Münze aus Bestattung Nr. 1 auf den Halswirbeln lässt auf eine ursprüngliche Deponierung im Mund schließen. Eine Untersuchung der Lage von Münzen in römerzeitlichen Körpergräbern ergab, dass man sie meist in den Mund legte bzw. in eine der beiden Hände26. Allerdings fällt auf, dass dieser an sich „heidnische“ Brauch hier in Kühnsdorf bei einer ost-westlich orientierten und damit christlich anmutenden Bestattung angewendet wird.

Zur römerzeitlichen Straße und deren möglichem Verlauf Der Befund 10 aus der Grabungskampagne Kühnsdorf 2011 zeigt den erhaltenen Schotterunterbau einer Straße mit einer maximalen Mächtigkeit von 1,20 m bei einer maximalen Breite von 4,6 m (Abb. 8). Auch wenn der Erhaltungszustand von Straßenkörpern sehr unterschiedlich ist, lassen sich drei verschiedene Bereiche fast überall nachweisen: die Fahrbahn (agger) selbst, beiderseits von ihr Straßengräben sowie eine unterschiedlich breite, iter oder actus genannte Zwischenzone. Die antike Oberfläche und die Straßengräben hatten sich bei dem Straßenbefund in Kühnsdorf aufgrund der Erosion und nachantiken Landwirt25 26

Centenionalis (AE 3), Constantius II. für Constantius Gallus ?, 351–355, Mzst. ?, RIC ? Gorecki 1975, 236.

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EINE RÖMERZEITLICHE FERNSTRASSE MIT ANGRENZENDEM GRABBEZIRK IN KÄRNTEN

schaft nicht mehr erhalten. Ebenso wenig fanden sich Hinweise auf einen Belag aus Steinplatten oder einer Pflasterung. Eine Art Pflasterung war nicht nur innerhalb und in der Nähe von Ortschaften, sondern auch über Teilstücke von „Landstraßen“ möglich, wie das Beispiel in Friesach zeigt27. Als Straßendecke einer Provinzfernstraße war eine festgestampfte Kies-, Sand- oder Lehmabdeckung aber ebenso üblich, wenn nicht die Regel28. Die üblichen Termini, die den Ausbauzustand einer römerzeitlichen Straße beschreiben sind: via terrena – unbefestigte Erdstraße, via glarea strata – Straße mit Schotterung oder Kiesdecke, via lapide strata – Straße mit einem Belag aus Steinplatten oder Pflasterung. Die Straße bei Kühnsdorf kann also als eine via glarea strata bezeichnet werden. Es gab allerdings keine einheitliche „römische“ Konstruktion und Maße für den Straßenbau. Gerade die Breite römerzeitlicher Straßen konnte enorm schwanken und war vor allem den Bedürfnissen und topografischen Gegebenheiten angepasst29. Die besten Parallelen zu dem massiven Schotterunterbau der Straße von Kühnsdorf lassen sich noch immer bei den römischen Straßen finden30. Hinzu kommt, dass die Funde von der späten Latènezeit bis zur Spätantike einen zeitlichen Rahmen geben. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das 2011 untersuchte Straßenstück in Kühnsdorf als eine römerzeitliche Hauptstraße anzusprechen ist. Sie ist aufgrund ihrer Topografie und Konstruktion keine via privata („Privatstraße“) und wohl auch keine via vicinalis („Provinzstraße“). Ob es sich, den Rechtsstatus dieser Straße betreffend, um eine via publica („Staatsstraße“) oder via militaris („Heerstraße“) handelte, lässt sich aus der Konstruktion in diesem Fall nicht ableiten. Woher kam die Straße, wohin führte sie und welche Bedeutung hatte sie? Gesichert ist, dass das auf ca. 50 m Länge nachgewiesene Teilstück einer römerzeitlichen Straße in Südwest-Nordost Richtung bei Kühnsdorf verläuft. Bei dem Versuch der Beantwortung dieser Fragen „ist sehr genau zwischen römisch (weiter-) genutzten Straßen, echten „Römerstraßen“ – also von ihnen neu angelegten und ausgebauten Trassen – sowie jüngeren mittelalterlichen Wegen zu unterscheiden. Mit dem Bau von Straßen entwickelte sich nämlich kein grundsätzlich neues Wegenetz, das in vielen Provinzen des Ostens und des Westens bereits vor der römischen Herrschaft bestanden hatte. Vielmehr wurden ältere Routen wohl erst bei entsprechendem Bedarf dem römischen Baustandard angepasst“31). Was ist aus der näheren und weiteren Umgebung bezüglich der römerzeitlichen Straßenführung bekannt? 1935 wurde bei Friesach eine Römerstraße aufgedeckt und auf einer Teilstrecke die heutige Bundesstraße darüber gebaut. Deutlich erkennbar waren der Schotterunterbau sowie die Pflasterung der Straßenoberfläche32. Natürlich sind auch in und um Virunum Straßenzüge entdeckt und dokumentiert worden. 1930 erkannte F. Jantsch, dass sich die Gräberfeldstraße und zugleich auch die Hauptverkehrs- und Durchgangsstraße von Virunum mit der modernen Bundesstraße deckt33. 1994 und 1995 konnten im Bereich der westlichen Vorstadt von Virunum Straßenzüge entdeckt werden, die eine Durchzugsstraße von bis zu 12 m Breite mit darunter befindlichen Abwasserkanälen belegen34. Die Kampagne 1999 erbrachte neue Erkenntnisse bezüglich des cardo maximus innerhalb des Stadtgebiets35. Der Fund einer Straßentrasse vom Magdalensberg nach Liebenfels wurde 2001/2002 von H. Dolenz beschrieben36.

27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

Zedrosser 1953, 18. Klee 2010, 42. Klee 2010, 37. Klee 2010, 39. Klee 2010, 30. Zedrosser 1953, 18. Jantsch 1931. Fuchs 1996; Fuchs 1994; Fuchs 1995. Piccottini – Dolenz 1999a, 76. 80; Piccottini – Dolenz 1999b; Dolenz 2001. Piccottini – Dolenz 2001/2002, 130.

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Abb. 9: römerzeitliche Straßen zwischen Aquileia und Virunum. Quelle: Archäologieland Kärnten GmbH. ergänzt: H. Pohl.

Es sind zwei Meilensteine aus der Umgebung von Kühnsdorf bekannt: Nr. 47 Kreuzerhof bei Wabelsdorf, aus der Regierungszeit des Kaisers Septimius Severus und Nr. 48 Thon bei Grafenstein37, aus der Regierungszeit des Kaisers Marcus Aurelius mit der Distanzangabe „a Viruno m. p. VIII“. Beide Meilensteine liegen schon nördlich der Drau und belegen eine dort verlaufende Verbindungsstraße Wolfsberg-Zollfeld. Auch befand sich ein Heiligtum des Genius Cucullatus bei Wabelsdorf (1. Jh. v. Chr. bis zur Spätantike)38. Aus dem Gebiet des heutigen Österreichs sind zahlreiche Nachweise für Römerstraßen bekannt: als Beispiel sei an dieser Stelle nur die römische Straße im Laßnitztal, Weststeiermark benannt39. Die generelle Konstruktion von Hauptstraßen in den Provinzen Noricum und Raetien ist bekannt. Der Ausgangspunkt für die Betrachtung der Transportwege vom nördlichen Adriaraum nach Noricum ist Aquileia (Abb. 9). Der direkte Weg über das Kanaltal und Santicum (Villach) nach Virunum war schwierig und nicht wintersicher. Als Alternative bot sich die zwar längere, dafür einfachere und wintersichere Streckenführung über Celeia nach Virunum an. Die spätantike Straßenkarte Tabula Peutingeriana zeigt eine Straßenführung von Celeia über Upellis, Colatione, Iuenna nach Virunum40. Zwischen den beiden sicher lokalisierten Orten Iuenna (Globasnitz) und Virunum (Zollfeld) liegt das 2011 gefundene Straßenstück bei Kühnsdorf. Allerdings passt der archäologische Befund von Kühnsdorf nicht in die bisher angenommene Streckenführung. Die Straße von Iuenna nach Virunum verläuft ganz allgemein von Südost nach Nordwest; das bei Kühnsdorf gefundene Straßenstück aber von Südwest nach Nordost, d. h. es steht im rechten Winkel zum angenommenen Verlauf. In Richtung Südwest zeigt es eindeutig auf den Klopeiner See, in Richtung Nordost aber auf einen relativ steilen Hügel ohne Geländeeinschnitte (Abb. 10). Man muss annehmen, dass die Straße hier abzweigte. Folgender Streckenverlauf ist vorstellbar: die Straße kommt vom südöstlich gelegenen Klopeiner See bis an oder über den Seebach, um dann nordwärts zur und über die Drau zu

37 38 39 40

Winkler 1985, 73. Vetters 1948. Fuchs 2006. Zu den Stationen und den Streckenabschnitten siehe: Winkler 1985, 26.

276

EINE RÖMERZEITLICHE FERNSTRASSE MIT ANGRENZENDEM GRABBEZIRK IN KÄRNTEN

Abb. 10: topografische Situation bei Kühnsdorf. Quelle: KAGIS. Bild: H. Pohl.

ziehen, ähnlich wie auf der Karte der Josefinischen LA von 1764–1785 zu sehen. Dafür spricht auch ein in Völkermarkt gefundener Ring mit Gemme, ca. 150 n. Chr.41. Der Grabbezirk Kühnsdorf 2010 zeigt eindeutig eine Orientierung nach Südwesten. Es ist eine dort verlaufende via privata oder via vicinalis mit ähnlichem Verlauf wie die heutige Landstraße L 116 anzunehmen, die dann im Nordwesten auf die via publica getroffen sein konnte (Abb. 10). Die spätlatènezeitlichen Gräber im Grabungsareal Kühnsdorf 2011 lassen auf eine in der Nähe befindliche Siedlung schließen. Auch wenn bisher kaum „keltische“ Straßen archäologisch untersucht worden sind, muss man davon ausgehen, dass es Wegeverbindungen zwischen den einzelnen Siedlungen gegeben hatte. Die in der Nähe von Kühnsdorf liegenden eisenzeitlichen Ortschaften sind auf der Gracarca am Klopeiner See und am Waisenberg/Lamprechtskogel bei Mittertrixen zu suchen. Auffällig ist, dass der in Kühnsdorf gefundene Teil einer römischen Überlandstraße die spätlatènezeitlichen Brandschüttungsgräber nicht stört bzw. schneidet. Der spätlatènezeitliche Grabbezirk wurde demzufolge im späteren, römerzeitlichen Straßenbau berücksichtigt. Es ist allerdings kein Vorgängerbau erkennbar gewesen. Für den römerzeitlichen Straßenbau sprechen auch starke wirtschaftliche Interessen. Der bedeutende Tuffsteinabbau in Peraschitzen42 und die Güter der umliegenden villae rusticae verlangte nach einem Trans41 42

Piccottini 1990. Piccottini 2004, 179 f.

277

HENRIK POHL

portweg. Ein direkter Weg in Richtung Norden zum wichtigsten Eisenverhüttungszentrum Hüttenberg würde ebenfalls Vorteile bringen. Auch an eine Verschiffung der transportierten Güter muss an dieser Stelle gedacht werden. Auf der „vorzüglich schiffbaren Drau“43 konnten Waren zu jener Zeit noch am kostengünstigsten transportiert werden. Bei der Betrachtung der archäologischen Fundstellen zeigt sich, dass das Gebiet an der Kreuzung der Verkehrswege Drau und der antiken Straße zwischen Virunum und Celeia verhältnismäßig dicht besiedelt gewesen sein muss. Das bei Kühnsdorf gefundene römisch-kaiserzeitliche Straßenteilstück könnte die Verbindungsstraße zwischen dem Klopeiner See und Waisenberg/ Lamprechtskogel darstellen, wobei sie die angenommene Hauptstraße Wolfsberg-Wabelsdorf-Virunum44 (Abb. 9) kreuzt und weiter Richtung Norden zu dem Eisenverhüttungszentrum Hüttenberg führt.

Abgekürzt zitierte Literatur Barlovits u. a. 2009/2010a R. Barlovits – K. Gostenčnik – E. Krenn – H. Pohl, Trassenarchäologische Voruntersuchungen im Vorfeld der Errichtung der Koralmbahn Graz–Klagenfurt auf der ÖBB-Großbaustelle Lavanttal 2009, Rudolfinum 2009/2010, 159–174. Barlovis u. a. 2009/2010b R. Barlovits – K. Gostenčnik – E. Krenn – H. Pohl – S. Radbauer, Erste flächige Voruntersuchungen auf der Koralmbahn-Trasse in Srejach, St. Kanzian am Klopeiner See 2009, Rudolfinum 2009/2010, 175–190. Chornitzer 1995 V. Chornitzer, Rettungsgrabung in der römischen Gräberstraße von Köflach-Pichling 1994 (VB Voitsberg, Steiermark), FÖ, 34, 1995, Wien, 195–219. Dolenz 1949 H. Dolenz, Die Gräberstraße auf dem Lugbichl, Carinthia 139, 1949, 157–164. Dolenz 1960 H. Dolenz, Zwei römerzeitliche Gräberfunde aus dem Jauntale in Kärnten. 1. Peraschitzen, Carinthia 150, 1960, 625–630. Dolenz 2001 H. Dolenz, KG Maria Saal, FÖ 40, 2001, 645 f. Egger 1950 R. Egger, Grab III auf dem Lugbichl, Carinthia 140, 1950, 457 f. Fera 1998 M. Fera, KG Grabelsdorf, FÖ 37, 1998, 731. Fera – Gleirscher 1997 M. Fera – P. Gleirscher, KG Grabelsdorf, FÖ 36, 1997, 802. Fuchs 1994 M. Fuchs, KG Maria Saal, FÖ 33, 1994, 414 f. Fuchs 1995 M. Fuchs, KG Maria Saal, FÖ 34, 1995, 13. Fuchs 1996 M. Fuchs, Die Notgrabungen im Zollfeld – Virunum im Rahmen des zweigleisigen ÖBB-Ausbaues – ein Vorbericht, Carinthia 186, 1996, 139–149. Fuchs 2000 G. Fuchs, Römerzeitliche Siedlungsbefunde in Köflach-Pichling, AÖ 11/2, 2000, 44 f.

43 44

Gaius Plinius Secundus, nat.hist. III, 25. Nr. 5 bei Maurer 2001/2002, 27.

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EINE RÖMERZEITLICHE FERNSTRASSE MIT ANGRENZENDEM GRABBEZIRK IN KÄRNTEN

Fuchs 2006 G. Fuchs, Die römische Straße im Laßnitztal, Weststeiermark – ein Forschungsbericht, in: E. Walde – G. Grabherr (Hrsg.), Via Claudia Augusta und Römerstraßenforschung im östlichen Alpenraum, IKARUS 1 (Innsbruck 2006) 439–456. Glaser 1989 F. Glaser, Eine römische Grabinschrift aus Srejach (Jauntal), Carinthia 179, 1989, 51–53. Gleirscher 1992 P. Gleirscher, KG St. Kanzian am Klopeiner See, FÖ 31, 1992, 476 f. Gleirscher 1993a P. Gleirscher, Urzeitliche Siedlungsreste im Bereich der Gracarca am Klopeiner See in Unterkärnten. Gracarca Bericht 1, Carinthia 183, 1993, 33–94. Gleirscher 1993b P. Gleirscher, KG Grabelsdorf, FÖ 32, 1993, 713. Gleirscher 1994 P. Gleirscher, KG Grabelsdorf, FÖ 33, 1994, 535. Gleirscher 1995 P. Gleirscher, KG Grabelsdorf, FÖ 34, 1995, 678. Gleirscher 1996 P. Gleirscher, Neues zum Gracarca-Friedhof über Grabelsdorf. Gracarca-Bericht 2, Carinthia I 186, 1996, 11–45. Gorecki 1975 J. Gorecki, Studie zur Sitte der Münzbeigabe in römerzeitlichen Körpergräbern zwischen Rhein, Mosel und Somme, BerRGK 56, 1975, 179–467. Heymans 2002 H. Heymans, KG Srejach, FÖ 41, 2002, Fundchronik 647 f. Jantsch 1931 F. Jantsch, Antike Bodenforschung in Kärnten 1930, Carinthia I 121, 1931, 1–17. Klee 2010 M. Klee, Lebensadern des Imperiums. Strassen im Römischen Reich (Stuttgart 2010). Kolsek 1976 V. Kolsek, Vzhodni del anticne nekropole Šempetru, Katalogi i Monografije 14 (Ljubljana 1976). Kremer 2001 G. Kremer, Antike Grabbauten in Noricum. Katalog und Auswertung von Werkstücken als Beitrag zur Rekonstruktion und Typologie, SoSchrÖAI 36 (Wien 2001). Mauerer 2001/2002 H. K. Mauerer, Die Römerstraßen und die keltisch-römische Götterwelt im Lavanttal, Jahresbericht des Stiftsgymnasiums St. Paul 2001/2002, 21–62. Piccottini 1969 G. Piccottini, Eberndorf, BH Völkermarkt, FÖ 9, Heft 4, 1969, 191. Piccottini 1990 G. Piccottini, KG Völkermarkt, FÖ 29, 1990, 235. Piccottini 2004 G. Piccottini (Hrsg.), Die Ausgrabungen auf dem Magdalensberg 1986 bis 1990. Magdalensberg, Grabungsbericht 17 (Klagenfurt 2004). Piccottini – Dolenz 1999a G. Piccottini – H. Dolenz, Die Ausgrabungen in Virunum 1999, Rudolfinum 1999, 76–81. Piccottini – Dolenz 1999b G. Piccottini – H. Dolenz, KG Maria Saal, FÖ 38, 1999, 832–834. Piccottini – Dolenz 2001/2002 G. Piccottini – H. Dolenz, Bericht der einzelnen Kustodiate. Abteilung für provinzialrömische Archäologie und Feldforschung, Rudolfinum 2001/2002, 117–145.

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HENRIK POHL

Pohl 2010 H. Pohl, KG Kühnsdorf, FÖ 49, 2010, 242. Pohl 2012 H. Pohl, Eine neue römerzeitliche Gräberstraße bei St. Paul i. Lavanttal, in: C. Reinholdt – W. Wohlmayr (Hrsg.), Akten des 13. Österreichischen Archäologentags in Salzburg vom 25. bis 27. Februar 2010 (Wien 2012), 377–381. Polleres 1999 J. Polleres, KG Gschieß, FÖ 38, 1999, 831 f. Polleres 2000 J. Polleres, KG Gschieß, FÖ 39, 2000, 635–637. Polleres 2001 J. Polleres, KG Gschieß, FÖ 40, 2001, 641. Polleres 2008 J. Polleres, Der römische Grabbezirk von Faschendorf bei Teurnia (Kärnten) mit Beiträgen von A. Galik – K. Wiltschke-Schrotta – M. Unterwurzacher – H.-P. Bojar, Austria Antiqua 1 (Wien 2008). Vetters 1948 H. Vetters, Der heilige Bezirk von Wabelsdorf, Carinthia 136–138, 1948, 280–298. Winkler 1985 G. Winkler, Die römischen Straßen und Meilensteine in Noricum – Österreich, Kleine Schriften des Limesmuseums Aalen Nr. 35 (Stuttgart 1985). Zedrosser 1953 Th. Zedrosser, Die Stadt Friesach in Kärnten (Klagenfurt 1953)

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URSULA SCHACHINGER

DIE MÜNZZIRKULATION DER SPÄTLATÈNEZEIT IM SÜDOSTALPENRAUM: DER ÜBERGANG VON DER KELTISCHEN ZUR RÖMISCHEN MÜNZZIRKULATION Münzen gehören zu den am besten verortbaren Quellengattungen der Antike. Aufgrund ihrer funktionalen Dichotomie – als Zahlungs- und Wertsicherungsmittel sowie als Bildträger – liefern sie wichtige Aussagen zu wirtschafts- und sozialhistorischen Entwicklungen ebenso wie zu politischen Dynamiken. Im Folgenden soll ein knapper Überblick über die spätlatènezeitliche Münzzirkulation im Südostalpenraum – der sich in unseren Ausführungen weitgehend auf das Gebiet der heutigen Steiermark beschränkt – gegeben und der Frage nachgegangen werden, wie und ob eine Transformation vom spätkeltischen zum römischen Münzumlauf erfolgte. Der Frage nach der unterschiedlichen Funktionalität von Münzen in keltischen und römischen Kontexten soll an dieser Stelle nicht nachgegangen werden, ebenso wenig jener nach den spezifischen Zirkulationsmerkmalen einer durchgehenden Monetarisierung. In der Steiermark sind nur wenige Funde von keltischen Münzen tradiert. Es handelt sich dabei ausschließlich um Einzelfunde; Horte liegen bislang nicht vor. Ein Großteil der Funde stammt aus dem 19. und vom Anfang des 20. Jhs., genauer aus der Zeitspanne zwischen 1850 und 1930. Viele Funde sind zudem nur mehr literarisch fassbar, wobei die Aufzeichnungen meist über lapidare Notizen nicht hinausgehen. Vor dem Hintergrund dieser unbefriedigenden Forschungssituation sind allerdings seit den 1990er Jahren vermehrt keltische Münzfunde gemeldet worden, aus denen man unter Heranziehung der Situation im gesamten südostösterreichischen Raum eine einigermaßen deutliche Münzlandschaft der Spätlatènezeit rekonstruieren kann. Einen für dieses Gebiet bedeutenden Fundkomplex stellt jener aus dem spätlatènezeitlichen Heiligtum auf dem Frauenberg bei Leibnitz dar.1 Auch aus dem Salzkammergut wurden in den letzten Jahren einige Funde gemeldet.2 Um die Fragestellung nach den Zirkulationsräumen der Spätlatènezeit in der Steiermark zu beantworten, sollen an dieser Stelle zunächst die aussagekräftigsten Funde – die zugegebenermaßen im Vergleich zu anderen Regionen, insbesondere Kärnten und Niederösterreich, sehr marginal ausgestattet sind – angeführt und untersucht werden, ob sich unterschiedliche Währungsgebiete, die man gerne mit den Stämmen der Noriker und Taurisker verknüpft, festmachen lassen.3 Fundkonzentrationen finden sich entsprechend ihrer Bedeutung im Bereich der bekannten spätlatènezeitlichen Höhensiedlungen der Ost- und Weststeiermark. 4 Die Funde setzen sich ausschließlich aus tauriskischen Münzen und aus ostkeltischen Velemer-Typen zusammen, wobei tauriskische Prägungen überwiegen und zudem alle Münzen den jüngeren Prägephasen zuzuordnen sind. Eine Ausnahme bildet ein nach seiner Auffindung bald verschollener Goldstater des Varazdin-Typs, an dessen Existenz dank der präzisen Dokumentation durch Luschin wenig Zweifel besteht.5 6

1 2

3

4 5

6

Tiefengraber 1997; Tiefengraber 1998; Tiefengraber 2007. Dies ist auf die gute Kooperation der Archäologischen Arbeitsgemeinschaft Salzkammergut und dem Bundesdenkmalamt, namentlich B. Hebert und M. Windholz-Konrad, zurückzuführen. Grundlegend dazu: Windholz-Konrad 2003; Windholz-Konrad 2008. Grundsätzlich empfiehlt es sich, wieder auf die unverfänglichere Göbl’sche Diktion von „westnorischen“ und „ostnorischen“ Münztypen zurückzugreifen. Es wurde im Folgenden jedoch an der aktuellen Terminologie festgehalten. Eine vollständige Erfassung der Fundorte keltischer Münzen bis 2003 findet sich bei Schachinger 2006, 23–41. Luschin von Ebengreuth 1904, 101 f. Taf. 2. Der Fund stammt vom gegenüberliegenden Kästenriegel, steht aber wohl im Zusammenhang mit der bedeutenden Siedlung auf dem Königsberg. Zitiert wird nach dem Katalog nach Prägeherren aus Schachinger 2006.

281

URSULA SCHACHINGER

Fundort Königsberg bei Tieschen Riegersburg

Ringkogel

Hoarachkogel (Bubenberg)

Dietenberg

Taurisker Taurisker Taurisker Ostkelten Taurisker Taurisker Ostkelten Taurisker Taurisker Taurisker Ostkelten Taurisker Taurisker Ostkelten

Typ Frontalgesicht Varazdin TI-Typ Velemer (ohne Gesichtsrand) Überprägung eines Taurisker-Augentyps TI-Typ Unscharfer Typ Velemer Brezelohr TI-Typ Typ? Velemer Brezelohr/A Verprägter Typ Velemer

Nominale FMRÖ Nr.6 Tetr, AR 31 St, AV 21 Tetr, AR 33 Tetr, AR

62

Tetr, AR Tetr, AR Tetr, AR Tetr, AR Tetr, AR Tetr, AR Tetr, AR Tetr, AR Tetr, AR Tetr, AR

32 39 63 27 35 und 36 40 64 26 30 65

Tabelle: Die keltischen Münzfunde von latènezeitlichen Höhensiedlungen in der Steiermark

Weiters stammt aus Södingberg, aus einer römerzeitlichen Villa mit einem Befund in der Spätlatènezeit,7 eine tauriskische Kleinsilbermünze, die typologisch mit den Tetradrachmen vom Typ Varazdin/B in Zusammenhang steht. Deren Prägezeit kann mit dem Ende des 2. Jhs v. Chr. (LT C) festgemacht werden. Wir sehen also, dass sich die keltischen Münzfunde aus der Ost- und Weststeiermark vorrangig aus ostkeltischen und tauriskischen Münztypen zusammensetzt. Vor Kurzem wurden in Ritzersdorf im Aichfeld in der Obersteiermark zwei Funde bekannt, bei denen es sich um einen ostkeltischen Zweigreiter und eine vindelikische Aesmünze handelt.8 Beide Stücke sind jüngeren Prägephasen zuzuordnen; vindelikische Aesmünzen treten entwicklungsgeschichtlich erst spät auf, und bei dem ostkeltischen Stück handelt es sich um eine Überprägung eines älteren nicht mehr identifizierbaren Untergepräges. Aus dem nicht weit entfernten Vicus am Kirchbichl bei Rattenberg/Judenburg stammt ferner ein norischer COPPO-Typ.9 Mit dem Sölkpass nähern wir uns nun dem nördlichen Teil der Steiermark, der eine relativ homogene Fundlandschaft widerspiegelt. Erwähnenswert ist eine westkeltische Potin-Prägung der Senones vom Sölkpass, wo sich entlang der Verbindungstrasse zwischen dem Mur- und dem Ennstal auf der Passhöhe ein prähistorischer Brandopferplatz befand, welcher auch in der Römerzeit genutzt wurde.10 Er gilt bislang als östlichster derartiger Opferplätze. Auch aus dem Ausseerland selbst wurden in den letzten Jahren einige keltische Münzen gemeldet.11 Es handelt sich dabei um zwei norische Kugelreiter-Tetradrachmen, wovon eine eindeutige Spuren eines Untergepräges aufweist,12 und eine norische Kleinsilbermünze. Letztere konnte als Typ Eis mit einer bislang noch nicht belegten Vorder- und Rückseitenkombination identifiziert werden.13 Drei weitere Gurina-Kleinsilberstücke stammen aus Weißenbach im Ennstal; sie sind jedoch nicht mehr im Original greifbar.14 7 8 9 10 11 12

13 14

Hebert 1998. Der Fund wurde mir von G. Tiefengraber zur Kenntnis gebracht, dem an dieser Stelle gedankt sei. FMRÖ Nr. 12. Mit weiterführender Literatur: Schachinger 2006, 35. Siehe Anm. 2. Typ Kugelreiter C 2K mit venetischer Legende, Göbl TKN [3a – 30], 8,85 Gramm und Göbl TKN [3b1 – 30] od. [3b2 – 30]. Bei dem Untergepräge handelt es sich möglicherweise um einen ostkeltischen Velemer-Typ. Dieses Stück weist auf dem Revers einen ovalen Einhieb auf, der als Prüfhieb gedeutet werden könnte. Das Stück konnte leider nicht in Autopsie genommen werden, sondern wurde mittels Foto bestimmt. Typ Eis Kombination Göbl TKN [O1 – IAf], 0,77 Gramm. Kramer 1994, 55.

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DIE MÜNZZIRKULATION DER SPÄTLATÈNEZEIT IM SÜDOSTALPENRAUM

Abb. 1: Karte: Verteilung der keltischen Münzfunde der Steiermark

Wenden wir uns nun wieder nach Süden, stellt sich die Zusammensetzung der keltischen Münztypen etwas anders dar. Aus Flavia Solva liegt ein Gurina-Kleinsilber neben einem Eraviscer-Denar vor,15 aus Kalsdorf sind zwei Gurina-Prägungen belegt16 und aus Gleisdorf ein boischer Muschelstater.17 Boische Goldmünzen treten zudem noch an weiteren Fundorten der mittleren und südlichen Steiermark auf.18 Die gesamte Typenpalette tritt uns auf dem Frauenberg bei Leibnitz entgegen, von dem die meisten Funde keltischer Münzen in der Steiermark belegt sind. Der Großteil davon stammt aus dem Kontext des spätkeltischen Heiligtums. Tauriskische Typen bilden den größten Anteil des Fundkomplexes, wobei abgesehen von wenigen älteren hauptsächlich relativchronologisch jüngere Typen belegt sind. Daneben findet sich auch wenig norisches Kleinsilber. Der Großteil des Kleinsilbers entfällt auf tauriskische Pferdchenmünzen. Vereinzelt treten zudem ostkeltische und boische Prägungen auf. Als Besonderheit des Frauenberger Materials gelten zwei Tetradrachmen des Typs Varazdin/B, von welchen eine stempelidentisch mit dem Göbl’schen Aversstempel 24b ist, der im Kinnbereich des Kopfes bereits einen Fehler aufweist. Dieser Stempelfehler manifestiert sich an unserem Stück ebenso deutlich.19 Ein weiterer Fehler tritt uns im Stirn- und aufgrund von Stempelabnutzung im vorderen Diadembereich entgegen. Außerdem ist die Nackenlocke des Apollonkopfes nur mehr im Ansatz erkennbar (s. Abb. 3). Der Stempel hat sich also bereits weiter in Richtung Ruin entwickelt, was die Münzer nun bald zu einer Entscheidung zwingen sollte, was mit dem in absehbarer Zeit völlig verschlissenen Stempel zu tun sei. Die Antwort liefert die zweite Varazdiner-Prägung20, bei der es sich eindeutig um einen Nachschnitt des Stempels 24b 15 16 17 18 19 20

FMRÖ Nr. 18 und 67. FMRÖ Nr. 17 und 19. FMRÖ Nr. 7. So in Frohnleiten und Platsch bei Spielfeld sowie natürlich am Frauenberg bei Leibnitz. Dazu: Schachinger 2006, 28–33. FMRÖ Nr. 23. Ausführlich: Schachinger 2001. FMRÖ Nr. 22.

283

URSULA SCHACHINGER

Abb. 2: Karte: Zusammensetzung des keltischen Münzmaterials vom Frauenberg bei Leibnitz

handelt, wobei das Ergebnis ein völlig neuer Typ geworden ist: Die am abgenutzten Stempel nicht mehr erhaltene Nackenlocke ist nun nach innen gedreht, und das fehlende Nackenhaar wurde nicht ergänzt, sondern durch einen punktförmigen Halsabschluss im Nacken ersetzt. Wir haben es hier mit einer bei Göbl noch nicht belegten Variante eines Varazdin/B-Typs zu tun. Die drei Stempel können folglich in eine relativchronologische Beziehung gebracht werden und bilden eine erweiterte Stempelkette des Aversstempels 24b nach Göbl. Der neue Typ weist nicht nur deutliche Elemente von Umschnitten auf, sondern die fehlerhaften Stellen im Kinn- und Diadembereich blieben unverändert bzw. entwickelten sich weiter. Weiters liegen aus demselben archäologischen Kontext drei stempelidentische Kleinsilbermünzen vor, die typologisch dem Augentyp entsprechen, deren Entstehungszeit unter Berücksichtigung der neuen Datierung mit plus/minus 80/70 v. Chr., also in die jüngere Prägephase fällt.21 Die Präsenz mehrerer Münzen vom selben Stempel kann schon als Indiz für die Existenz einer Prägestätte vor Ort gewertet werden. Ein weiteres Indiz sind Tüpfelplatten zur Herstellung von Metallschrötlingen für die Münzprägung. Es handelt sich dabei um Tonplatten mit fingerkuppen-großen Vertiefungen, in die das entsprechende Metall entweder in flüssiger Form oder in Pulverform unter anschließender Erhitzung eingefüllt wurde. Derartige Objekte wurden in großer Zahl in Manching angetroffen, wo sich nachweislich eine vindelikische Münzstätte befand.22 Diese weisen im Besonderen die durch den Gussvorgang entstandenen reguli, also Goldrückstände, in den Vertiefungen der Platten auf. Vom Frauenberg liegen zwei Fragmente solcher Tüpfelplatten vor, deren Oberfläche mit kleinen Bläschen übersät ist, was auf Verschlackung hinweist, ein Indiz dafür, dass in die muldenförmigen Vertiefungen flüssiges Metall eingegossen wurde. Die Metallrückstände der Frauenberger Tüpfelplattenfragmente setzen sich aus Kupfer, Zink und Nickel zusammen, also einer Messing-Legierung mit einem hohen Verunreinigungsanteil durch Nickel. Silber konnte nicht nachgewiesen werden. Im Gegensatz dazu bestehen die Kleinsilbermünzen jedoch zu 90 Prozent aus Silber mit Kupfer-, Blei- und Zinkbeimengungen. Das missing link, das den Frauenberg eindeutig als Münzstätte ausweisen könnte, wäre entweder der Fund einer Buntmetallmünze oder eines Stempels. Dennoch ist aufgrund der angeführten Hinweise die Existenz einer Prägeanstalt vor Ort nicht ganz von der Hand zu weisen. Zusammenfassend kann – was die Verteilung der keltischen Münzfunde in der Steiermark betrifft – festgehalten werden, dass wir es vordergründig mit einem sehr heterogenen Währungsgebiet zu tun haben, bei genauerem Hinsehen sich allerdings deutliche Währungsräume abzeichnen (s. Abb. 1 und 2). Das Gebiet ist Teil des Einflussbereiches des Stammes der Noriker, welcher seine größte Ausdehnung bekanntermaßen um 44 v. Chr. hatte, als es nach dem Zerfall des Dakerreiches zu einem Vakuum gekommen war. Das regnum Noricum

21 22

Gorini 2001. Dazu: Kellner 1990.

284

DIE MÜNZZIRKULATION DER SPÄTLATÈNEZEIT IM SÜDOSTALPENRAUM

Abb. 3: Stempelkette: Avers-Stempel Göbl 24b, Weiterentwicklung des Avers-Stempels 24b, Umschnitt des Stempels 24b

dehnte sich in dieser Zeit bis ins Wiener Becken aus, wofür auch die bekannte Stelle bei Velleius Paterculus spricht.23 In der Steiermark haben wir es mit zwei ursprünglich getrennten Währungsgebieten zu tun, wobei die Funde die spätere Zirkulationsphase widerspiegeln. Zieht man eine virtuelle Grenze entlang der Koralpe weiter nach Norden und entlang der Mur-Mürz-Furche nach Osten, zeigt sich, dass oberhalb dieser Grenze fast ausschließlich norische Prägungen vorliegen. Unterhalb davon treten uns hauptsächlich tauriskische Münztypen der früheren und späteren Prägephasen entgegen, wobei in der späteren Prägephase zusätzlich ostkeltisches, boisches und norisches Material einströmte; dies in einer Zeit, als die Noriker offenbar ihr Einflussgebiet ausgedehnt hatten. Die Verteilung der keltischen Funde in Kärnten und Salzburg unterstreicht die These der Währungsgebiete insofern, als in Kärnten neben vereinzelten boischen und ostkeltischen Prägungen fast ausschließlich norische Münzen vorliegen, und auch aus Salzburg bislang nur norisches Material überliefert ist.24 In der jüngeren Phase, also ab der ersten Hälfte oder der Mitte des 1. Jhs. v. Chr., ist zwar keine dezidierte Überschneidung der Währungsgebiete feststellbar, die Fluktuation ist jedoch stärker, d.h. es strömten vermehrt auch „fremde“ Münzen ein. Wirft man auch einen Blick auf die Fundlandschaft des Burgenlandes sowie des südlichen Niederösterreich, finden die o.g. Thesen eine Bestätigung. Aus dem Burgenland ist neben zahlreichen Einzelfunden auch eine Reihe keltischer Schatzfunde belegt. Fundort Güttenbach

Ostkelten

Neudörfl

Ostkelten

Rohrbach

Boier

Deutsch-Jahrndorf

Boier

Inhalt Über 180 Velemer (viele Überprägungen von tauriskischen Samobor-Typen) 36 Entenschnäbler 1 Kroisbacher 43 (od. 64) Muschelstatere 27 Muscheltypen 102 Hexadrachmen

Nominale Tetr Tetr Tetr St, AV St, 1/3 St, 1/8 St; AV 6Dr, AR

Tabelle: keltische Schatzfunde aus dem Burgenland25 23 24

25

Vell.Pat.2,109,5 („… ipse a Carnunto, qui locus Norici regni proximus ab hac parte erat, … orsus est.“). Auch das Material der erforschten Passübergänge auf dem Mallnitzer Tauern, dem Hochtor und der Pillerhöhe setzt sich in seiner Hauptmasse aus norischen Prägungen zusammen. Tauriskisches Kleinsilber ist nur marginal vertreten. Dieselbe Evidenz liegt aus Salzburg vor (Steinbichl/Uttendorf, Bürgkogel/Kaprun, Biberg/Saalfelden, Dürrnberg/Hallein, Maxglan und Rainberg/Stadt Salzburg, Saumpfad in Rauris). Zudem ist zu bedenken, dass die Pferdchenmünzen neu untersucht werden müssten, denn ihre pauschale Zuordnung an die Taurisker ist in dieser Form sicher nicht mehr haltbar, wie mir auch K. Strobel bestätigte. Aus: FMRÖ I/2.

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URSULA SCHACHINGER

Abb. 4: Diagramm: Das römische Münzspektrum von Flavia Solva bis 100 n. Chr.

Abb. 5: Diagramm: Das römische Münzspektrum von Kalsdorf bis 100 n. Chr.

Dabei fällt auf, dass die burgenländischen Horte ausschließlich boisches und ostkeltisches Material beinhalten. Die niederösterreichische Hortevidenz entspricht jener des Burgenlandes, wenn man beispielsweise die Funde vom Braunsberg (nur Ostkelten), aus Schottwien und Schwechat (boische Hexadrachmen und Ostkelten) sowie aus Wien (boische Hexadrachmen) heranzieht. In der Verteilung der Einzelfunde des Burgenlandes kommt diese Situation noch deutlicher zum Ausdruck: Aus dem gesamten Burgenland sind ausschließlich ostkeltische Münzen belegt, wobei hier vor allem die Typen der Umgebung, wie Velemer und Kroisbacher, auftreten; im Nordosten kommen noch boische Goldmünzen sowie silberne Hexadrachmen hinzu.26 Wir haben es hier also mit einer völlig anderen Verteilungsstruktur zu tun wie im Westen und Süden. Zusammenfassend kann zur keltischen Münzzirkulation der Spätlatènezeit des behandelten Gebietes des Südostalpenraumes folgendes festgehalten werden: Ostkeltische Münzen strömten in der Steiermark bis zur Koralpe ein. Vereinzelt kamen auch frühe Philippernachahmungen weiter in den Westen; diese sind meist im Bereich spätlatènezeitlicher Höhensiedlungen anzutreffen, wie beispielsweise am Dietenberg. Aus dem Leibnitzerfeld ist weiters eine Eravisker-Münze tradiert, deren Prägezeit zwischen 40 und 30 v. Chr. eingegrenzt werden kann. Boische Münzen treten naturgemäß konzentriert in Nordostösterreich auf. In der Steiermark sind sie bis Leibnitz verbreitet (Frauenberg, Gleisdorf, Deutschfeistritz), sie sind allerdings nicht weiter in die Weststeiermark vorgedrungen. Tauriskische Münzen machen das Gros des keltischen Münzvolumens aus; sie sind allerdings nur südöstlich der Grenze Koralpe-Mur-Mürz vertreten und kommen auch im Burgenland nicht vor. Der Norden der Steiermark war offenbar Teil des norischen Währungsgebietes, da hier nur norische Typen belegt sind. Auch im Süden treten norische Prägungen auf,

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Zur Münzprägung der „Großboier“ in Bratislava: Göbl 1994.

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DIE MÜNZZIRKULATION DER SPÄTLATÈNEZEIT IM SÜDOSTALPENRAUM

Abb. 6: Diagramm: Das römische Münzspektrum von Gleisdorf bis 100 n. Chr.

Abb. 7: Diagramm: Das römische Münzspektrum vom Kirchbichl bei Rattenberg bis 100 n. Chr.

Abb. 8: Diagramm: Die Münzspektren der wichtigsten slowenischen Munizipien bis 100 n. Chr. (auf der Grundlage von Kos 1986)

allerdings strömten diese erst ab der ersten Hälfte oder der Mitte des 1. Jhs. v. Chr. ein, als in diesem Gebiet eine größere Fluktuation der Münztypen merkbar wird. Aus Lauriacum-Enns, einer der auch in numismatischer Hinsicht fundintensivsten Plätze Österreichs, sind von ca. 35000 antiken Fundmünzen nur 12 Stücke keltischer Provenienz überliefert. Diese entfallen auf gallische und keltoiberische, boische und wenige ostkeltische Prägungen. Etwas stärker sind bereits repub287

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likanische Aes- und Silbermünzen vertreten: Abgesehen von mehr als 50 Prozent Legionsdenaren, liegen hier auch einige Stücke aus dem 3. und 2. Jh. v. Chr. vor. Dies leitet nun zur zweiten Frage über, nämlich, ob man die spätlatènezeitliche Münzevidenz bereits als Teil des römerzeitlichen Münzvolumens ansehen kann; für Lauriacum dürfte das wohl nicht der Fall gewesen sein. Zuvor sollen Ausschnitte einiger weniger Münzspektren von Siedlungen angeführt werden, um zu überprüfen, ob sich darin die entsprechenden Charakteristika für die Existenz eines frührömischen Geldverkehrs abzeichnen. Die Münzreihe von Flavia Solva umfasst mehr als 14.000 Stück (s. Abb. 4), davon entfällt ein Promille auf republikanische Stücke, die julisch-claudische Periode ist immerhin schon mit sechs Promille vertreten.27 Erst ab den Flaviern ist ein größerer Anstieg der Münzkurve mit allen im Nahverkehr relevanten Nominalien fassbar. Frühe republikanische Münzen treten in Flavia Solva äußerst marginal auf; aus der Republik liegen vorrangig Legionsdenare vor, die allerdings aus späterer Münzzirkulation erklärbar sind, also als Indizien für ein frühes Zirkulationsvolumen ausscheiden. Aus der Zeit vor Nero ist kein Silbergeld vorhanden, was sich infolge der neronischen Reform erklärt. Auch die wenigen vorliegenden augusteischen Münzmeisterasse allein sind kein Indiz für frühe Münzzirkulation. Weitere Indizien, wie republikanisches Buntmetall, halbierte Augustus-Asse sowie augusteische und tiberische Buntmetallemissionen aus Nemausus und Lugdunum, liegen in Flavia Solva nicht vor, sodass von einer durchgehenden Monetarisierung erst frühestens ab den Flaviern gesprochen werden kann. Den beiden keltischen Stücken aus Flavia Solva, ein Eravisker-Denar und ein Gurina-Kleinsilber, kommt allein schon aufgrund der geringen Anzahl wenig Aussagekraft zu. Anders stellt sich die Münzevidenz des Vicus von Kalsdorf dar (s. Abb. 5). Von den ca. 1000 Fundmünzen entfällt zwar auch wieder nur ein Promille auf Prägungen der Republik, das julisch-claudische Material ist jedoch ungleich stärker vertreten als in Flavia Solva, insbesondere unter Claudius steigt es markant an. Die Münzreihe ist aber schon ab Tiberius nahezu geschlossen, und es liegt auch kontermarkiertes Buntmetall vor. Wir können für Kalsdorf also schon mindestens ab Claudius, vielleicht schon ab Tiberius, von einem hohen Monetarisierungsgrad ausgehen, zumal der Anstieg unter den Flaviern hier nicht mehr so stark ausfällt. Die beiden Gurina-Kleinsilbermünzen ergänzen dieses frührömische Münzvolumen gut, sodass wir in Kalsdorf – zwar mit einiger Vorsicht – einen Übergang vom keltischen zum römischen Münzverkehr annehmen dürfen. Unter den wenigen Funden des Vicus von Gleisdorf (in Summe ca. 100 Stück [s. Abb. 6]) sind eine republikanische Silbermünze, zwei augusteische Buntmetallprägungen und relativ viel julisch-claudisches Material vertreten. Hinzu kommt ein boischer Muschelstater. Die Münzkurve ist ab Tiberius relativ geschlossen, reicht allerdings nur bis in die zweite Hälfte des 2. Jhs. Dennoch können wir hier zumindest einige Hinweise für eine frühe Münzzirkulation fassen. Eine ähnliche Tendenz könnte sich auch im Vicus auf dem Kirchbichl bei Rattenberg abzeichnen (s. Abb. 7). Obwohl die durchgehende Münzreihe erst ab den Flaviern einsetzt, könnten eine norische Tetradrachme und einige wenige republikanische Denare des beginnenden 1. Jhs. v. Chr. in Anbetracht der relativ geringen Gesamtfundzahl zumindest nicht gegen eine spätkeltisch-frührömische Münzzirkulation sprechen. Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass in der Steiermark dezidierte Evidenzen eines Überganges vom keltischen zum römischen Münzgeldverkehr selten sind. Bei genauerer Betrachtung der Fundspektren von Kalsdorf, Gleisdorf und Rattenberg fällt zumindest die Tendenz einer Kontinuität auf. Es sind einige Indizien für einen frühprinzipatszeitlichen Geldverkehr anzutreffen, wie frühere republikanische Denare, frühes kaiserzeitliches Buntmetall mit Kontermarken, halbierte republikanische oder augusteische Buntmetall-Münzen. Republikanisches Buntmetall tritt allgemein kaum auf, auch Prägungen aus Nemausus und Lugdunum sind nicht vorhanden. Anders stellt sich die Fundsituation in Virunum dar, wo fast alle Charakteristika eines spätkeltisch-frühprinzipatszeitlichen Münzgeldverkehrs vorliegen. Der Münzvorrat von Virunum speist sich zu einem respektablen Teil aus republikanischen Silber und Buntmetall-Prägungen, weiters liegt augusteisches Buntmetall mit Kontermarken vor, auch Stücke aus Lugdunum und Nemausus sind vertreten sowie keltisches Material. 27

Ausführlich: Schachinger 2006, 106–114.

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DIE MÜNZZIRKULATION DER SPÄTLATÈNEZEIT IM SÜDOSTALPENRAUM

Völlig unterschiedlich manifestieren sich die Münzspektren der slowenischen Fundorte, insbesondere der repräsentativen Munizipien von Emona, Celeia, Poetovio und Neviodunum,28 wo die Übergänge dank der guten Fundlage und -dokumentation gut fassbar sind (s. Abb. 8). Dass dabei die frühen Munizipien Emona und Celeia eine besondere Stellung einnehmen, ist nicht nur der Stadtgeschichte, sondern auch der dichten keltischen und frühprinzipatszeitlichen Münzevidenz zuzuschreiben, an der sich der Übergang von der keltischen zur römischen Münzzirkulation deutlich manifestiert. Eine ähnliche Situation wie in der Steiermark ergibt sich für das Burgenland, wo kaum Siedlungen vorhanden sind, in denen sich ein kontinuierlicher Münzumlauf von der Latènezeit bis in die römische Kaiserzeit zeigt. Im Zuge der Forschungen der letzten Jahre durch das ÖAI konnte jedoch in Strebersdorf-Frankenau an der Bernsteinstraße ein bedeutender Militärstützpunkt augusteisch-tiberischer Zeit lokalisiert werden.29 Die seit langem in diesem Gebiet aufgesammelten Münzen können nun direkt in diesen Kontext gebracht und neu interpretiert werden.30 Die neuen Funde der letzten Jahre weisen eindeutige Indizien für frühprinzipatszeitliche Münzzirkulation auf. Neben republikanischem Silber- und Buntmetallgeld liegen zahlreiche augusteische Aesmünzen vor, daneben viele halbierte – auch republikanische – Asse sowie kontermarkierte Stücke. Abschließend sei nochmals ein Blick auf das Ausseerland gewährt, wo die meisten Münzfunde naturgemäß mit dem Vicus auf dem Michlhallberg in Zusammenhang stehen, dessen Spektrum erst um die Mitte des 2. Jhs. einsetzt und einen deutlichen Schwerpunkt im 3. und 4. Jh. aufweist. Entlang der Wegtrassen an der Traun und an der Enns, die möglicherweise durchgehend von der Urzeit bis in die Römerzeit benutzt wurden, tritt jedoch auch frühes Münzmaterial auf. Neben den oben erwähnten keltischen Münzen liegen augusteische Münzmeisterasse – darunter ein kontermarkiertes Stück – und tiberisches Buntmetall vor, sodass wir hier mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Kontinuum des spätkeltisch-frühkaiserzeitlichen Geldverkehrs plausibel machen können.

Abgekürzt zitierte Literatur FMRÖ I/2 F. Dick, FMRÖ Abteilung I/2. Burgenland (Wien 1984). Göbl 1973 = Göbl TNK R. Göbl, Typologie und Chronologie der keltischen Münzprägung in Noricum, DenkschrWien 113, VNumKomm 2 (Wien 1973). Göbl 1994 R. Göbl, Die Hexadrachmenprägung der Großboier. Ablauf, Chronologie und historische Relevanz für Noricum und Nachbargebiete (Wien 1994). Gorini 2001 G. Gorini, Il ripostiglio monetale di Enemonzo, in: S. Vitri – F. Oriolo, I Celti in Carnia e nell’ arco Alpino centro orientale. Atti della Giornata di studio Tolmezzo 30 aprile 1999 (Trieste 2001) 173–193. Groh 2009a S. Groh, Neue Forschungen an der Bernsteinstraße in Nordwestpannonien. Die römischen Militärlager von Strebersdorf und der Vicus von Strebersdorf-Frankenau/Frakanava (Mittelburgenland), AÖ 20/2, 2009, 59–64. Groh 2009b S. Groh, Neue Forschungen an der Bernsteinstraße in Nordwestpannonien – Die römischen Militärlager und der Vicus von Strebersdorf und Frankenau/Frakanava (Mittelburgenland, Österreich), in: Sz. Biró (Hrsg.), Ex officinal … Studia in honorem Dénes Gabler (Győr 2009) 175–188.

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Kos 1986, 53–83. Groh 2009a; Groh 2009b. Münzfunde sind in Strebersdorf seit dem 19. Jh. gemacht worden. F. Schmidt-Dick hat 1984 bereits über 2000 Münzen erfasst. Siehe: FMRÖ I/2.

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Hebert 1998 B. Hebert, Södingberg: Ein Siedlungsplatz der späten Latènezeit und der Römerzeit im Bezirk Voitsberg, Steiermark, in: Lasnink 1998, 34–43. Kellner 1990 H.-J. Kellner, Die Münzfunde von Manching und die keltischen Fundmünzen aus Südbayern, Die Ausgrabungen in Manching 12 (Stuttgart 1990). Kos 1986 P. Kos, The monetary circulation in the southeastern Alpine region ca. 300 BC – AD 1000, Situla 24 (Ljubljana 1986). Kramer 1994 M. Kramer, Latènefunde der Steiermark, Kleine Schriften aus dem Vorgeschichtlichen Seminar Philipps-Universität Marburg 43 (Marburg 1994). Lasnik 1998 E. Lasnik, Die Zeit der Kelten. Ausstellungskatalog der Sonderausstellung im Volkshaus Bärnbach, 28. August bis 1. November 1998. SchSt, Kleine Schriften 18 (Graz 1998). Luschin von Ebengreuth 1904 A. Luschin von Ebengreuth, Keltenmünzen von der Gerlitzenalpe und aus Moggio, Jahrbuch der K.K. Zentral-Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmäler 2, 1, 1904, 73–102. Schachinger 2001 U. Schachinger, Die keltischen Münzen aus einem spätlatènezeitlichen Heiligtum am Frauenberg bei Leibnitz/ Steiermark, NumZ 108/109, 2001, 17–32. Schachinger 2006 U. Schachinger, Der antike Münzumlauf in der Steiermark. Die Fundmünzen der römischen Zeit in Österreich. Abteilung VI. Steiermark. DenkschrWien 341, VNumKomm 43, FMRÖ 6 (Wien 2006). Tiefengraber 1997 G. Tiefengraber, Ein spätlatènezeitliches Heiligtum auf dem Frauenberg bei Leibnitz in der Steiermark (?), AKorrBl 27, 1997, 601–616. Tiefengraber 1998 G. Tiefengraber, Ein spätlatènezeitliches Heiligtum am Frauenberg bei Leibnitz, in: Lasnik 1998, 43–54. Tiefengraber 2007 G. Tiefengraber – Ch. Grill, Neue Forschungen zum keltischen Kultplatz Perl-/Stadläcker am Frauenberg bei Leibnitz/Steiermark (Österreich), in: S. Groh – H. Seldmayr (Hrsg.), Blut und Wein. Keltisch römische Kultpraktiken. Akten des Kolloquiums am Frauenberg bei Leibnitz (A) im Mai 2006, Protohistoire Européene 10 (Montagnac 2007) 155–164. Windholz-Konrad 2003 M. Windholz-Konrad, Funde entlang der Traun zwischen Ödensee und Hallstätter See, FÖMat A 13 (Wien 2003). Windholz-Konrad 2008 M. Windholz-Konrad, Archäologische Altstraßenforschung im Salzkammergut, in: Schätze – Gräber – Opferplätze. Archäologie im Salzkammergut. Katalog zur Ausstellung im Kloster Traunkirchen vom 29. April bis 2. November 2008, FÖMat A/Sonderheft 6 (Wien 2008) 44–47.

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FRAUENBERG BEI LEIBNITZ – VON DER SPÄTLATÈNEZEITLICHEN KULTSTELLE ZUM RÖMISCHEN HEILIGTUM Das Forschungsvorhaben RIU – Region im Umbruch widmet sich dem Problem von Kontinuität und Wandel. Thema dieses Beitrages sind die Umbrüche und die damit verbundenen Fragen, die sich anhand des Frauenberges bei Leibnitz, auf dem sich zumindest zwei Heiligtümer, ein keltisches und eines der römischen Kaiserzeit befanden, stellen. Die komplexen Vorgänge im Rahmen der Herausbildung von Kulten in den autonomen römischen Städten wurden in verschiedenen Arbeiten beleuchtet.1 Gerade die Prozesse der Spätlatènezeit und der frühen Kaiserzeit, in der die einheimischen Gruppen die Verbindung der indigenen Götter mit römischen Gottheiten herstellten, waren vielschichtig. Im Fall des Frauenberges fehlen Quellen, die Auskunft geben, und die über den archäologischen Befund und die spärlichen Inschriftenfunde hinausgehen. Dennoch soll an dieser Stelle versucht werden, einen Abriss über die kultische Bedeutung der Heiligtümer auf dem Berg zu geben. Beim Frauenberg bei Leibnitz handelt es sich um eine alte Siedlungsstelle, die in einer günstigen Position am Westrand des Leibnitzer Beckens gelegen ist. Verhältnismäßig wenige feldarchäologische Untersuchungen in der Region erschweren eine gesicherte Chronologie und eine damit verbundene Analyse der Prozesse in dem Zeitraum von 50 v. Chr. – 50 n. Chr. Trotz der dürftigen Forschungslage, kann man davon ausgehen, dass die Region in der spätkeltischen Zeit einigermaßen dicht besiedelt war. Der Frauenberg nimmt hier eine besondere Rolle ein, da sowohl Rettungs- als auch Forschungsgrabungen stattfanden.2 Ab dem 2. Jh. v. Chr., das grob der Periode Lt C2 entspricht, kann man mit einer vergleichsweisen dichten Besiedlung rechnen. Einige Indizien sprechen für eine zentralörtliche Funktion des Berges, weshalb wohl die Bezeichnung oppidum verwendet werden könnte.3 Unsicher ist noch die Frage nach der keltischen Bevölkerung, die hier siedelte. Von den römischen Schriftstellern wurden die im Südostalpenraum siedelnden keltischen Stämme zunächst als Taurisker bezeichnet, wobei berücksichtigt werden muss, dass sich die Verwendung dieses Stammesnamens später geändert haben muss.4 Dass es sich bei den von Polybios erwähnten Goldfunden bei den Tauriskern auch um die im heutigen Kärntner Raum siedelnden Tauriskerstämme handelt, erscheint nach dementsprechenden Funden am Magdalensberg plausibel.5 In der Naturgeschichte von Plinius dem Älteren (Nat. hist. III 146) findet sich die wichtige Passage, aus der hervor geht, dass die Region von Savaria (direkt östlich von Flavia Solva) von den Boiern verlassen worden war. Literarisch überliefert ist ferner die Expansion des dakischen Königreichs, das in den Jahren zwischen 60 und 40 v. Chr. die miteinander verbündeten Stämme der Taurisker und Boier besiegte und nach Aussage Strabons vernichtete. Für die früher mehrmals geäußerte Annahme, dass auch Noriker auf Seiten der Boier gegen die Daker gekämpft hätten und ebenso von dieser Niederlage unmittelbar betroffen gewesen seien, gibt es keine Belege. Das ehemals von den Boiern besiedelte Gebiet wurde daraufhin nahezu verlassen, und in

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Scherrer 2004, 175–187. Van Andringa 2007, 83–95. Anders als im südlich angrenzenden Raum des heutigen Sloweniens fanden nur verhältnismäßig wenige nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführte Ausgrabungen statt. Eine zweifellos zentrale Stellung wird in dieser Hinsicht die in Vorbereitung befindliche Vorlage der Grabungsergebnisse im latènezeitlichen Heiligtum auf den Perl/-Stadläckern darstellen: Tiefengraber – Grill (in Vorbereitung). Zur Kontinuitätsproblematik: Schrettle 2009, 124–129. Sievers 2010, 307–324; Maier 2012, 78–91. Vorhandene Monumentalarchitektur (in erster Linie Wall- und Toranlagen) sowie politische und religiöse Bedeutung werden in der Regel als Kennzeichen eines oppidums angeführt (Rieckhoff – Fichtl 2011, 25–29). Jedoch werden Siedlungen in der Regel erst ab einer Größe von 15 ha mit dieser Bezeichnung versehen; die eisenzeitliche Befestigung am Frauenberg ist noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen (Artner 2012, 569). Grassl 2002. Piccottini 2001, 41–43.

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Abb. 1: Südostalpenraum mit dem Kernraum des regnum Noricum (dunkel) und dessen größten Ausdehnung im späten 1. Jh. v. Chr. (Karte: K. Kalser).

dieses Vakuum konnte das norische Stammesbündnis expandieren.6 Zunehmend unter norischen Einfluss geriet der tauriskische Raum im Bereich der späteren Städte Celeia und Poetovio.7 Nach dieser „Norischen Osterweiterung“ gehörte die heutige Steiermark demnach zum keltischen regnum Noricum, einem Stammesverband, dessen Oberherrschaft der in Kärnten ansässige Stamm der Noriker erlangt hatte.8 Als Königtum kann dieses regnum aber nur bedingt bezeichnet werden, eher als ein von wirtschaftlichen Interessen zusammengehaltenes Bündnis.9 Eine der lange diskutierten Fragen ist die nach dem Stammesnamen der in der Steiermark siedelnden Bevölkerung. Die Münzen, die auf dem Frauenberg am zahlreichsten gefunden wurden, gehören zum allergrößten Teil den sog. tauriskischen oder ostnorischen Prägungen an. Dass es Taurisker waren, denen auch Siedlungen in den späteren Städten Celeia und Poetovio zugewiesen werden, und deren Kultur weitgehend mit der Mokronog-Gruppe gleichzusetzen ist, ist wahrscheinlich.10 Das Ende der latènezeitlichen Kultur und der Anfang einer römischen Provinzialkultur kann in keiner Weise als punktuelles Ereignis angesehen werden und Siedlungen der autochthonen keltischen Bevölkerung, die in der frühen Kaiserzeit noch bestanden, sind auch für die Südweststeiermark anzunehmen.11 Die Phase Lt D dauerte folglich bis in die provinzialrömische Zeit, eine gültige Definition des Endes dieser Phase liegt jedoch noch nicht vor, da der Übergang nicht linear, sondern regional unterschiedlich und in Etappen verlief. Die Bezeichnung einer Übergangsphase als Stufe Lt D3 hat sich in der Forschung nicht durchgesetzt.12 Gerade der Zeitraum, für den auch die Bezeichnung Lt D-spät vorgeschlagen wurde, und der im Fall des Frauenberges von augusteisch bis claudisch angesetzt werden kann, muss für den Prozess der Romanisation und der Herausbildung einer Provinzialkultur eminent wichtig gewesen sein.13

Vorgängersiedlung und Tempelberg Flavia Solvas Der Frauenberg liegt etwa 4 km westlich von Flavia Solva (Abb. 2). Mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass er nahezu in axialer Lage mit der im orthogonalen Straßenraster angelegten Stadt zu liegen scheint.14 Dieses schachbrettartige Raster muss im Rahmen einer kaiserzeitlichen Landvermessung begründet wor6

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Eine Art Kolonialisierung dieses Raumes durch die Noriker im Rahmen dieser „Osterweiterung“ wurde für möglich gehalten: Scherrer 2002, 41 f. Šašel Kos 1998, 210. 212–216. Kramer – Kramer 1998. Rieckhoff 2007, 412. Šašel Kos 1998, 212–216. Rieckhoff 2007, 409 Anm. 2. Beispielsweise geht Guštin davon aus, dass sich die im östlichen Slowenien siedelnden Latobiker noch bis in tiberische Zeit eine gewisse Selbständigkeit bewahren konnten: Guštin 2006, 127. Für die Steiermark: Tiefengraber 1999, 90. Rieckhoff 1995, 16; 200. Tiefengraber 1999, 91. Groh-Sedlmayer 2005, 15 Abb. 7. 81. Zur Urbanisierung Flavia Solvas: Groh u. a. 2002, 129–131.

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FRAUENBERG BEI LEIBNITZ – VON DER SPÄTLATÈNEZEITLICHEN KULTSTELLE ZUM RÖMISCHEN HEILIGTUM

Abb. 2: Westrand des Leibnitzer Beckens mit dem Frauenberg (1), Flavia Solva (2), Gräberstraße und Hügelgräberfeld (3) Leibnitz-Altenmarkt.

den sein, die im Rahmen einer Centuriation stattgefunden haben dürfte, die sich – abgesehen von der Stadt Flavia Solva – auch heute noch durch Feldgrenzen und Wege nachweisen lässt.15 Der Frauenberg ist von einer Wallanlage umgeben, die schon früh beobachtet wurde. W. Modrijan, der sich als erster mit der Archäologie des Berges befasste, schrieb, dass die Anlage bald nach 500 v. Chr. erfolgt sein müsste.16 Eindrucksvoll sind die beiden torartigen Zugänge, der sog. Katzelsteig im Süden sowie der 15 16

Lorenz 2010, 17 f. Modrijan 1955a, 11.

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nördlich davon gelegene Zugang im Bereich des heutigen Kreuzweges, noch heute erhalten.17 Die übrigen Wälle zeichnen sich im Gelände unterschiedlich klar ab, grenzen aber mit großer Wahrscheinlichkeit die obere Kuppe des Hügels ab. Die Datierung dieser Anlagen ist nicht geklärt, die Auswertungen einzelner Schnitte, die im Nordwesten des Berges gemacht wurden, ergab, dass späturnenfelderzeitliche Terrassierungen vorhanden waren, dass der zum Großteil erodierte Wall aber in die Spätlatèneperiode zu datieren sei.18 Auch kann über die Art der Befestigung nur wenig ausgesagt werden, es wäre aber nahe liegend, eine Konstruktion wie sie bei vergleichbaren spätlatènezeitlichen Wällen vorhanden war, zu postulieren.19 Eine Grabung des Jahres 2004, bei der in einem schmalen Schnitt ein Wall mit Stein- und Holzeinbauten angeschnitten wurde, ergab in dieser Hinsicht Klarheit.20 Der Versuch, den Verlauf der möglichen Befestigungen zu kartieren, ergab ein längliches Areal mit einer Ausdehnung von etwa 600 m in NO-SW Richtung, das ein Areal von ca. 8,4 ha einschließt. Hierbei sind aber nicht die südöstlichen Ausläufer, auf denen sich das in der Folge zu besprechende latènezeitliche Heiligtum Perl-/Stadläcker befindet, enthalten. Einige Notgrabungen im Inneren der keltischen Siedlung zeigten, dass eine verhältnismäßig dichte Bebauung zumindest der Phasen LT C2 bis D2 zu erwarten ist. Frühkaiserzeitliches Fundmaterial belegt eine Siedlungskontinuität bis in die römische Kaiserzeit, wenngleich eine solche jedoch selten an einem Fundplatz lückenlos nachgewiesen werden konnte.21 Zwei Kultplätze sind mittlerweile erforscht, das keltische Heiligtum Perl/Stadläcker sowie der römische Kultplatz Tempelplateau, der früher als Heiligtum der Isis-Noreia bezeichnet wurde. Ein dritter Kultplatz auf der Flur Öd’n wurde konstruiert, die diesbezüglichen Befunde könnten jedoch auch anders interpretiert werden.22

Das keltische Heiligtum Die Terrasse, die unter dem Namen Perl-/Stadläcker bekannt ist, liegt auf einer Höhe von 350 m ü A am südöstlichen Abhang des Hügels (Abb. 3, Nr. 1), und damit um etwa 40 m tiefer als das römische Heiligtum auf dem Tempelplateau (Abb. 3, Nr. 2). Als Fundstelle war die Fläche seit langem bekannt, die ersten Grabungen fanden jedoch erst im Jahr 1953 statt. Während in den alten Fundnotizen des 19. Jhs. von einer römischen Villa die Rede war, stellte sich schon im Rahmen dieser ersten Grabung inmitten des landwirtschaftlich genutzten Areals heraus, dass ein ausgedehntes spätantikes Gräberfeld an dieser Stelle gelegen sein musste. Baumaßnahmen in den späten 80er und 90er Jahren des 20. Jhs. machten Notgrabungen notwendig, bei denen die Größe des spätantiken Bestattungsplatzes, aber auch einer darunter liegenden mittelkaiserzeitlichen Siedlung geklärt werden konnte (Abb. 4).23 Die Siedlung – zuletzt als vicus bezeichnet24 – bestand aus mehreren Gebäuden, die zum Teil mit Hypokaustheizungen ausgestattet waren. Fragmente der Innenausstattung der verhältnismäßig schlecht erhaltenen Gebäude belegen einen eher gehobenen Lebensstandard. Der Erhaltungszustand von zwei frühen Holzbauperioden, die sich noch ansatzweise feststellen ließen sowie von der mittelkaiserzeitlichen Steinbauphase war aufgrund der spätantiken Nutzung stark beeinträchtigt.25 Abgesehen von den Gebäuden auf dieser Terrasse dürfte sich noch an noch anderen Stellen auf dem Frauenberg Wohnbebauung befunden haben, wobei manche Funde auf Buntmetallverarbeitung hinweisen.26 Eine Benennung der kaiserzeitlichen Fundstelle Perl-/Stadläcker als vicus, villa suburbana oder Siedlung einer anderen Funktion scheint derzeit nicht möglich. Auch kann über die Zeit der Errichtung der römischen Bauten nur wenig ausgesagt werden. Während die Bestimmung der

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Es handelt sich um Zugänge in der Art eines Zangentores, wie sie bei spätlatènezeitlichen oppida immer wieder auftreten: Maier 2012, 78. Steinklauber 1993, 556–560. Tiefengraber 1999, 7. Hebert 2009, 307. Artner 1998/99, 242–247. Groh – Sedlmayer 2004, 466–468. Tiefengraber – Grill 2008, 91. Zu einem möglichen frühkaiserzeitlichen Grab: Tiefengraber 2002. Tiefengraber – Grill 2008, 92; Tiefengraber – Grill 2007, 157; Vorlage der Befunde: Heymans 2008, 143–193. Steinklauber 2002. Sedlmayer in: Sedlmayer – Tiefengraber 2006, 245. Groh – Sedlmayer 2005, 64 f. Groh – Sedlmayer 2004, 463.

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Abb. 3: Luftbild des Frauenberges mit den drei wichtigen Fundstellen; 1: Keltisches Heiligtum Perl-/Stadläcker, 2: Römisches Heiligtum Tempelplateau; 3: Fundstelle auf der Flur „Auf der Öd’n“ (Foto: GIS-Steiermark).

Sigillaten eine erste Bauperiode im ersten Jahrhundert nahe legt, reichen einzelne Stücke noch in das 3. Jh. n. Chr.27 Die Ausgrabung ergab unter den schlecht erhaltenen römischen Befunden latènezeitliche Strukturen, die von einem ausgedehnten Heiligtum des so genannten gallischen bzw. belgischen Typs stammen müssen.28 Zunächst ließ sich auf einer Länge von etwa 90 m ein Graben nachweisen. In diesem Westgraben, der eine Breite von etwa 5 m und eine Tiefe von etwa 1 m aufwies, ließen sich mehrere Verfüllhorizonte belegen, sowie – abgesehen von den drei Tierknochenschichten – mehrere Gefäßdepots sowie einige in der Grabenverfüllung gelegene Feuerstellen, die zum Teil mit mehreren Steinen befestigt waren. Eine etwa 5 m breite Öffnung sowie Pfostenlöcher, die möglicherweise von einer Torkonstruktion stammen könnten, wurden ebenfalls dokumentiert. Ausgehend von dem verhältnismäßig gut erhaltenen Bereich des Westgrabens ließ sich eine trapezförmige Grabenanlage mit Abmessungen von ca. 90 × 90 × 90 × 55 m rekonstruieren (Abb. 4).

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Kitz 2008, 213. Neben der Benennung „Type Picard“ (Bruneaux 1995, 55; Maier 2012, 157–161) werden sie als Heiligtümer des belgischen oder auch des gallischen Typs bezeichnet. Zu den Frauenberger Befunden: Tiefengraber 1997; Tiefengraber – Grill 2007; Tiefengraber – Grill 2008.

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Abb. 4: Gesamtplan von den Perl-/Stadläckern mit der latènezeitlichen Grabenanlage (Verlauf zum Teil hypothetisch), den kaiserzeitlichen Grundmauern sowie den spätantiken Körpergräbern (Plan: B. Schrettle).

Von Beginn an erkannte der Ausgräber die Vergleichbarkeit mit nordfranzösischen latènezeitlichen Heiligtümern wie Ribemont sur Ancre, Gournay sur Aronde oder Bennecourt – den Anlagen, die mittlerweile meist als Heiligtümer vom gallischen Typ bezeichnet werden. Was die Nutzung des Heiligtums betrifft, ließen sich im Umfassungsgraben unterschiedliche Phasen nachweisen: Während die älteste Verfüllung in die Phase Lt C2 datiert (etwa 180–120 v. Chr.), gehört der jüngste Horizont in mittelaugusteische Zeit. Anfangs überwog das blutige Opferritual, von dem Tausende selektierte Rinderknochen – fast ausschließlich Schulterblätter und Unterkiefer – Zeugnis ablegen. Neben diesen pars pro toto – Deponierungen fanden sich auch wesentlich seltener Schweine, Schafknochen – Speisereste von Opfermahlzeiten; Schulterblätter und Unterkiefer machen jedoch fast 90 % des Knochenmaterials aus. Eine Mindestindividuenanzahl von über 1300 Rindern lässt sich daraus errechnen, was schon für die große Bedeutung des Heiligtums spricht.29 Es dürfte als zentraler Opferplatz, aber auch als Versammlungsplatz gedient haben, wie es für analoge Anlagen nachgewiesen ist. Auch in der topographischen Lage knapp außerhalb der eigentlichen Siedlung finden sich Parallelen, ebenso im kultischen Bereich, wo sich ein allmählicher Übergang vom blutigen Operritual hin zu Speise- und Trankopfer feststellen lässt. Neben dem Tieropfer fand in der Anfangszeit des Kultes ebenfalls das Sachopfer statt. Vor allem der kriegerische Charakter tritt durch zerstörte Waffenteile, Schildbuckel, Umbonägel, Helmteile, Lanzenspitzen, Schwerter und Schwertscheiden eindrucksvoll vor Augen. Menschliche Skelettreste mit Schnitt- und Hackspuren belegen komplexe kultische Handlungen, deren Interpretation nicht eindeutig ist.30 Vieles spricht aber wohl dafür, dass auch hier ein gewisser Schädelkult vollzogen wurde. Vom eigentlichen Sakralbereich im Inneren der Gräben waren nur geringe Reste vorhanden. Mehrere Gruben, Pfostenlöcher, Brandstellen, wohl die Reste mehrer Gebäude sowie Rechteckgruben und die Reste von Kultmahlzeiten wurden dokumentiert.. Im Zuge der Grabung kam in mehreren Quadranten im Südosten der Anlage auch qualitätvolle Keramik der Stufe Ha D, also dem Beginn der jüngeren Hallstattzeit, zum Vorschein, die durch sekundäre Hitzeeinwirkung zum Teil stark

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Grill 2009, 33. Grill 2009, 312–334.

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durchgeglüht war.31 Die Tierknochendeponierungen in diesem Areal schienen einen ringförmigen Bereich auszusparen, was zur Annahme führte, dass sich dort ein älteres Hügelgrab befunden haben könnte. Ein hallstattzeitlicher Grabhügel, der zur Zeit der Errichtung des keltischen Heiligtums sichtbar gewesen sein muss,32 könnte demnach als ein Grund für die Wahl dieses Platzes vorliegen, der dann mit Ahnen- oder Heroenverehrung in Verbindung stehen könnte.

Hallstattzeitliche Grabhügel als Anknüpfungspunkte Neben der zentralen 7 km westlich vom Frauenberg gelegenen Siedlung auf dem Burgstallkogel befand sich auch auf dem Frauenberg eine Siedlung der Hallstattzeit; mehrere dazugehörige Grabhügel in Leibnitz Altenmarkt gehören in diese Zeit.33 Altfunde aus diesen Hügeln sowie eine Feststellungsgrabung in den Jahren 1991/92 belegen die Existenz zahlreicher Hügelgräber sowie mehrerer Flachgräber der Periode Ha C2/D1, also dem Ende der Phase 3 der Burgstallnekropolen.34 Befunde aus der Periode Hallstatt C2 sind auch am Tempelplateau vorhanden35. Die Anknüpfung an einen hallstattzeitlichen Grabhügel ist eine bemerkenswerte Hypothese, die für das Heiligtum Perl-/Stadläcker eine gewisse Wahrscheinlichkeit besitzt. Sicher ist eine vergleichbare Anknüpfung im Fall des Hügelgräberfeldes Leibnitz-Altenmarkt. Dort waren hallstattzeitliche Großgrabhügel wie der sog. Kleine Gollikogel Ausgangspunkt einer ausgedehnten kaiserzeitlichen Nekropole (Abb. 2, Nr. 3).36 Die frühesten der sog. „norisch-pannonischen“ Grabhügel können nach den neuesten Untersuchungen W. Artners in voraugusteische Zeit, also die Phase LT D2, datiert werden. In Slowenien gehören latènezeitliche Bestattungen in hallstattzeitlichen Hügelgräbern zu den typischen Besonderheiten der Stufe Mokronog III, die in etwa der Phase LT D1 entspricht.37 Das Phänomen der Anknüpfung an hallstattzeitliche Grabhügel kam also in verschiedenen Kontexten vor, könnte aber gut einer gemeinsamen Vorstellung entsprungen sein. Zerbrochene Keramik als Reste von Trankopfern, Transportamphoren des Typs Lamboglia 2, die der Aufbewahrung von Wein dienten, frühe (schwarze) Sigillaten gehören zu den Funden, die in die späteren Nutzungshorizonte des Heiligtums gehören. Sie zeigen den beinahen vollständigen Übergang vom blutigen Opfer hin zu Trank- und Speiseopfer und gemeinschaftlichen Kultmahlen an. In der frühen Kaiserzeit, möglicherweise in der mittelaugusteischen Zeit, wurde das Heiligtum Perl-/Stadläcker aufgegeben.38 Eine Ursache für diese Profanisierung des Areals, in deren Folge mehrere Holzbauten errichtet wurden, und die nach Ausweis des Fundmaterials schon in der zweiten Hälfte des 1. Jhs. stattgefunden haben dürfte, ist unklar. 39

Druidenverbot und Verlegung auf die Kuppe? Die in den gallischen Heiligtümern vollzogenen Kulte hatten sich mit dem verstärkten römischen Einfluss zunehmend gewandelt und in zahlreichen Heiligtümern konnte eine kontinuierliche Nutzung in Verbindung mit neu errichteten gallo-römischen Umgangstempeln nachgewiesen werden. Widerstand forderten allerdings die Druiden heraus, die über die kultisch-religiöse Funktion hinaus auch eine gewisse politische Rolle gespielt hatten. So hatte bereits Augustus römischen Bürgern eine Beteiligung an Ritualen mit Druiden

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Bartl 2008, 16. Tiefengraber – Grill 2008, 99. Zu den Gräbern in Leibnitz-Altenmarkt: Hampel 2005. Hampel 2005, 244. Tiefengraber 2005, 11. Groh – Sedlmayer 2005, 24. Geophysikalische Messungen in diesem Bereich zeigten, dass sich noch zahlreiche kleinere Hügel, deren Datierung in römische Zeit nur vermutete werden kann, in diesem Bereich befanden: Groh – Lindinger 2008, 21–23. Bozic 1999, 194: Gräber in der Magdalenska gora, Dobrova. Tiefengraber – Grill 2008, 100. Die in den älteren Vorberichten noch vertretene Nutzung bis in claudische Zeit (Tiefengraber – Grill 2007, 608 f.) ist nicht gesichert. Die Sigillaten, die zum Großteil aus dem Areal der kaiserzeitlichen Bebauung stammen, weisen einen Schwerpunkt in der 2. Hälfte des 1. und der 1. Hälfte des 2. Jhs. auf: Kitz 2008, 213. Tiefengraber geht von einer Errichtung in der flavischen Zeit aus: Tiefengraber – Grill 2007, 164.

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verboten. Unter Tiberius wurde das generelle Verbot erlassen, das von Claudius abermals wiederholt wurde, woraus sich schon ergibt, dass der Gegenstand von einer gewissen Bedeutung war. 40 Ob das Ende des Heiligtums auch mit einer Verlegung des Kultes auf das höher gelegene Tempelareal in Zusammenhang stehen könnte, wäre zu klären. Nur schwer könnte sonst das plötzliche Ende, vor allem aber die kurz darauf erfolgte Profanisierung und Errichtung von Wohngebäuden erklärt werden.41

Das römische Heiligtum An dem römischen Kultplatz, der nach den Grabungen der 1950er Jahre als Heiligtum der Isis-Noreia bezeichnet wurde, fanden in den letzten zehn Jahren verschiedene neue Untersuchungen statt (Abb. 5).42 So wurde das Areal westlich des Podiumstempels genauer untersucht und eine Abfolge zahlreicher Bauten festgestellt. In den vergangenen Jahren rückten vor allem die frühchristlichen Bauten ins Zentrum des Interesses, während zur Deutung der spätlatènezeitlichen und frühkaiserzeitlichen Befunde noch verschiedene offene Fragen aufgeworfen wurden. Aus der Phase LT D2 (der Periode 4 innerhalb des Heiligtums) wurden Pfostenstellungen und Gruben dokumentiert, in denen zahlreiche klein zerschlagene Amphorenbruchstücke der Formen Lamboglia 2 und Dressel 1 lagen. Den baulichen Resten der Perioden 4, 5 und 6 wurden drei Kultbauten zugewiesen, die kreisrunden bzw. ovalen Grundriss besaßen.43 Die Indizien, aufgrund der diese ersten Holzbauten kultisch interpretiert wurden, waren neben der topographischen Lage in erster Linie die angesprochenen klein zerschlagenen Amphorenbruchstücke.44 Neben den zugehörigen Pfostenlöchern lagen verschiedene Rechteckgruben in diesem Areal, bevor in der Periode 7 der erste Steinbau errichtet wurde (Abb. 5, Nr. 3). Die Interpretation der angesprochenen Holzbauten als Kultbauten blieb nicht unwidersprochen.45 Der erste Steinbau mit rechteckigem Grundriss von 7,4 × 8,7 m mit 0,7 m breiten Bruchsteinmauern, gehört der Periode 7 an, die in die claudisch-neronische Zeit datiert wird. In die Periode 8, die in die flavische Epoche datiert, gehört die Errichtung des Umgangs bzw. der äußeren Fundamente mit Abmessungen von 22,3 × 24,4 m, wodurch relativ tiefe Umgänge mit einer lichten Weite von 6,5 m entstanden. Die Frage, wie das Gebäude im Aufgehenden ausgeführt war, ist noch nicht endgültig geklärt (Abb. 6 zeigt die Rekonstruktion als gallo-römischen Umgangstempel). Etwas später jedenfalls, vermutlich in der trajanischen Epoche, wurde unmittelbar daneben ein prostyler Podiumstempel errichtet, der ab dieser Zeit das Heiligtum dominierte. Ein etwas älterer Bau, von dem Säulen und Kapitelle, Friese, Gebälke, darunter Schräg- und Horizontalgeisa, sowie Tympanonorthostaten aus sekundärer Verwendung geborgen wurden, kann noch nicht verlässlich lokalisiert werden und soll an dieser Stelle noch nicht näher behandelt werden.46 Dieser Bau, der anfangs als Mars-Latobius Tempel, später mit der neutraleren Bezeichnung Tempel II bezeichnet wurde, muss jedenfalls schon aufgrund der qualitätvollen Bauornamentik, die seine Zeitstellung in der zweiten Hälfte des 1. Jhs. belegt, eine prominente Rolle im Heiligtum eingenommen haben. Erwähnt werden soll die an derselben Fundstelle (Abb. 5, Nr. 1) gefundene Büste eines behelmten Jünglings, die auf den Gott Mars Latobius bezogen wurde, wodurch auch eine Benennung der ornamental verzierten Bauteile impliziert ist.47 Ob die Bauteile dem Umgangstempel zuzuweisen sind oder einem anderen Gebäude, ist noch zu klären. Die Ausgräber gingen davon aus, dass der Umgangstempel zur Gänze aufgegeben wurde, als der Podiumstempel fertig gestellt worden war.48 Eine damit verbundene Tabuisierung des Areals, auf dem sich seit der Spätlatènezeit die Kultbauten befunden hatten, und das erst in flavischer Zeit monumental ausgebaut worden war, kann jedoch kaum schlüssig erklärt werden. Die 40 41

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Van Andringa 2002, 39–41. Maier 2012, 170. 285. Dass das Heiligtum in der mittelaugusteischen Zeit aufgegeben wurde und die vicusartige Siedlung erst nach einer etwa 70 Jahre dauernden Lücke errichtet wurde, kann meines Erachtens bezweifelt werden. Groh – Sedlmayer 2005; Schrettle 2012. Groh – Sedlmayer 2005, 67–76. Sedlmayer in: Groh – Sedlmayer 2005, 134–136. Zu diesem Aspekt: Hebert (in Vorbereitung). Siehe dazu: Schrettle 2014. Hudeczek 2008, 18 f. Ob die Bauteile dem Umgangstempel zuzuweisen sind, oder einem weiteren noch nicht freigelegten Bau, muss einstweilen offen bleiben, wird aber Thema weiterer Untersuchungen bleiben. Groh – Sedlmayer 2005, 78 f.

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Abb. 5: Übersichtsplan über das römische Heiligtum, rechts die heutige Wallfahrtskirche (Plan: B. Schrettle).

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Abb. 6: Hypothetische Rekonstruktion der beiden Tempel im römischen Heiligtum, links der gallo-römische Umgangstempel, rechts der prostyle Podiumstempel (Grafik: Pazirik Informationstechnologie).

These einer Profanisierung in der flavischen Zeit ist auch zu hinterfragen,49 da es für eine vollkommene Aufgabe eines kaiserzeitlichen Kultbaus kaum Parallelen gibt. Nur bedingt verglichen werden kann die Situation im tiberischen Doppelheiligtum von Celeia, wo eine andere topographische Situation vorliegt, die hier kurz dargestellt werden soll.

Celeia: Zwillingstempel an der Savinja Die Ausgrabungsbefunde einer Rettungsgrabung der Jahre 2003/2004 sind aufschlussreich und sollen hier kurz angeführt werden. So wurde ein spätlatènezeitliches/frühkaiserzeitliches Heiligtum im Norden der Stadt unmittelbar an der Bernsteinstraße (unweit des spätlatènezeitlichen oppidums) an einem Flussarm der Savinja untersucht.50 Im Zentrum des Areals befanden sich natürliche Teiche, die als Opferstellen, genutzt wurden. Der Baumstamm einer Linde, der noch 7 m lang und 1 m breit erhalten war, lag in der Schicht und dürfte sich im Zentrum des Heiligtums befunden haben. Die Ausgräber unterschieden innerhalb des Opferteichs zwei Deponierungsphasen, eine erste Nutzungsphase im Zeitraum ca. 20 v. Chr. – Chr. Geburt, sowie eine zweite Nutzungsphase etwa Chr. Geburt – 40 n. Chr. Zum Fundmaterial zählten latènezeitliche Gefäßkeramik sowie in geringerem Ausmaß italische Feinware wie Terra Sigillata oder Amphoren, Münzen, Trachtbestandteile, Rinder- und Pferdeknochen. Die Keramik dürfte im Zuge der Opferhandlungen klein zerschlagen worden sein. Eine Aufgabe des Opferteichs dürfte in tiberischer Zeit stattgefunden haben. Direkt darüber wurde ein erster Tempel errichtet, der aus einer Cella von etwa 9,5 × 10 m und einem Herd bestand, der sich zentral in der Mitte befand. Nur Reste eines Umganges waren erhalten, und zwar eines westlichen nur 2,6 m schmalen Umganges, sowie eines nördlichen nur noch in Ansätzen erhaltenen Umgangs von 4,9 m Breite. Aufgrund des Baus, der mit einem kanonischen Umgangstempel wenig gemein hat, gingen die Ausgräber davon aus, dass die Cella nicht überdacht gewesen sein dürfte. Noch ein zweiter Bau vergleichbarer Größe, ebenfalls mit eine Feuerstelle und einer zugehörigen Brandschicht in zentraler Lage in der Cella wurde freigelegt. Die Ausgräber sprachen die Anlage als Zwillingsheiligtum an, räumten

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Die Verbindung mit dem Druidenverbot ist nicht schlüssig, da ein Wirken der Druiden innerhalb eines bestehenden kaiserzeitlichen Umgangstempels an und für sich wohl ausgeschlossen werden kann (Groh – Sedlmayer 2005, 77). Gaspari u. a. 2007a, 835–840.

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aber ein, dass die Rekonstruktion der Gebäude noch keineswegs klar ist. 51 Noch ein kleinerer Tempel lag unmittelbar südwestlich. Mit einer kleinen Cella von 3,8 × 3,6 m, Mauern eines Umganges sowie kleinen Mäuerchen in der Verlängerung der Cellalängsmauern entspricht er einem Umgangstempel, wobei man aufgrund des Fundes eines Bruchstückes eines Kompositkapitells von einem sog. klassizierten gallo-römischen Umgangstempel sprechen kann. Die kultische Bedeutung der beiden Umgangstempel von Celeia wird bei Betrachtung der topographischen Situation klarer.52 Direkt gegenüber befand sich nämlich eine Nekropole der frühen Kaiserzeit, die noch bis in die zweite Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. als Bestattungsplatz diente. Ein Vergleich mit der Situation in Avenche/En Chaplix, wo mehrere Umgangstempel auf und neben augusteisch-tiberischen Bestattungen errichtet wurden, scheint nahe liegend.53 Diese Tempel können als Grabtempel im Zusammenhang mit Grabkult, Ahnenverehrung – unter Umständen auch Heroenverehrung gesehen werden.54 Die Aufgabe der Umgangstempel von Celeia in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts (vermutlich in der spätflavischen Zeit) – und die Profanisierung des Areals, das in der Folge Wohnbebauung und Werkstätten weichen musste, kann aus dem Ausbau der kaiserzeitlichen Stadt erklärt werden.55 Die Anlage der Stadt, des Forums und der öffentlichen Areale erfolgte in claudischer Zeit und hatte die Auflassung der Nekropole zur Folge. Aus diesem Grund mussten auch die Umgangstempel, die in diesem Kontext als Grabtempel zu verstehen sein könnten, weichen.

Auf der Öd’n Als dritte Fundstelle soll zuletzt noch die Fundstelle auf der Flur „auf der Öd’n“, dem höchsten Bereich des Frauenberges (Abb. 3, Nr. 3), der mit 393 m ü A das Tempelplateau noch etwas überragt, angesprochen werden. Hier wurden bereits in den 1950er Jahren von W. Modrijan Ausgrabungen durchgeführt. Die Schnitte erbrachten allerdings nur wenige Befunde und keineswegs die erhofften Monumentalbauten, weshalb die dortigen Arbeiten nicht fortgesetzt wurden.56 Baumaßnahmen machten schließlich im Jahr 2004 eine Rettungsgrabung notwendig, die leider unter widrigen Bedingungen stattfand.57 Zwei Objekte, von denen die eine als größere Grube sowie eine zweite als Vorratsgrube angesprochen werden können, wurden dokumentiert. Wichtig ist die Fundstelle aufgrund des Fundmaterials in der Verfüllung der Abb. 7: Lederbeschläge aus der Verfüllung von Objekt 1 beiden Objekte. Qualitätvolle italische Feinwa(Foto: B. Schrettle). re, Amphoren, Glas und Öllämpchen datieren die Verfüllung in spätaugusteisch/tiberische Zeit. Vergesellschaftet waren diese frühkaiserzeitlichen Funde einerseits mit spätlatènzeitlicher Keramik sowie andererseits mit Funden aus dem militärischen Kontext. Eine eiserne Wangenklappe eines Helmes vom Typ Weiler/Koblenz-Bubenheim (Abb. 8) lag in der Grubenverfüllung. Bei diesem Helm handelt es sich um einen speziell als Reiterhelm entwickelten Helm; eine Datierung des Helmtypus wird nach Ver51 52 53 54

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Die Rekonstruktion des Zwillingsheiligtums gibt noch Fragen auf: Gaspari u. a. 2007b, 43. Gaspari u. a. 2001, 296. Castella 2008, 103–120. Aus einer Reihe von Fundstellen im gallo-römischen Raum ist inzwischen eine solche Verbindung zwischen Umgangstempel und Grabkult – mit Schwerpunkt in der frühen Kaiserzeit – nachgewiesen: Castella 2008, 115. Gaspari u. a. 2007b, 43 f. Modrijan 1953, 67. Heymans 2008, 143–193.

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Abb. 8: Wangenklappe aus der Verfüllung von Objekt 2 (Foto: B. Schrettle).

gleichen in der Regel in die Zeit ab Tiberius und das mittlere 1. Jh. vorgeschlagen.58 Ein gut vergleichbares Stück stammt aus Xanten.59 Aus der Verfüllung der Vorratsgrube stammen ferner fünf Bronzeblechstücke, die als Gürtelbleche oder eher Lederbeschläge bezeichnet wurden (Abb. 7). Es könnte sich wohl um Teile eines Schuppenpanzers handeln, die einzelnen Stücke waren demnach mit Nieten an einen Lederpanzer befestigt.60 Mehrere Fragen knüpfen sich an den Ausgrabungsbefund an. Der Ausgräber betonte den Charakter des Objektes 2 als Vorratskeller, in dem unter anderem Amphoren in den Sand, der zu diesem Zweck aufgebracht wurde, gesteckt worden waren. Demgegenüber wurde aufgrund der ungewöhnlichen Zusammensetzung des Fundmaterials auch eine Interpretation als Kultplatz in Betracht gezogen. Aufgrund der topographischen Situation war schon lange ein sakraler Bezirk hier vermutet worden, ferner war ein Altar für die Göttin Epona etwa 50 m südwestlich in einem etwas niedrigeren landwirtschaftlich genutzten Areal gefunden worden. 61 Gewiss können auch Waffenweihungen von Soldaten nicht ausgeschlossen werden. So gehörten militärische Ausrüstungsgegenstände zu den üblichen Votivgaben in Heiligtümern, gerade wenn ältere latènezeitliche Traditionen weiter eine Rolle spielten.62 Und in Verbindung mit der Pferdegöttin Epona 58 59 60 61 62

Deschler-Erb 1999, 29. Lenz 2006, 17 Taf. 14 76 E-F. Deschler-Erb 1999, 38. Fuchs – Kramer 1985/86, 312. Roymans 1996, 28–41.

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sind Ausrüstungsgegenstände, die mit Reitern in Verbindung gebracht werden können, gut vorstellbar. Der Befund, der sich auch klar in einen Siedlungskontext, mit Zisterne und Vorratskeller einfügt, muss jedoch nicht in dieser Hinsicht gedeutet werden.63 Vielmehr kann an dieser höchsten Stelle des Berges auch mit dem öffentlichen Zentrum der Siedlung gerechnet werden. Wie sind also die militärischen Funde zu interpretieren? War an dieser Stelle in der Zeit der Okkupation Militär stationiert? Eine kleine Auxiliareinheit wird mittlerweile für die Gurina vermutet,64 während sich auf dem Magdalensberg zeitweise eine vexillatio der legio VIII Augusta sowie ein kleines Detachement der cohors montanorum prima befand. Eine solche kleine militärische Einheit in der Zeit als an der Mur eine Händlersiedlung gegründet wurde, wäre durchaus denkbar. Der Ausgräber, der aufgrund des Fundmaterials für eine Datierung der Gruben in spätaugusteisch-tiberische Zeit eintritt, stellte eine Verbindung mit den Zerstörungen im Jahr 15 n. Chr. in den Raum, den Aufständen der legio VIII Augusta nach dem Tod des Augustus.65

Militär auf dem Frauenberg in der Spätantike? In der Spätantike – vielleicht schon etwa ab dem späten 3. Jh. – wurde der Frauenberg abermals zu einem dicht besiedelten Ort. Zwar sind keine größeren Siedlungsbefunde ergraben und untersucht, aus den wenigen Notgrabungsbefunden geht aber hervor, dass sich größere Bevölkerungsteile wieder hierher zurückzogen.66 Als wichtigsten Befund kann man ein Gräberfeld anführen, in dem über 500 Körpergräber lagen, die in das 4. und 5. Jh. n. Chr. datiert wurden.67 Das Ende des Gräberfeldes ist durch Funde weniger klar abzugrenzen, doch kann inzwischen auch eine Nutzung bis in das 6. Jh. vermutet werden. Hinweise auf Soldaten liegen vor, wenngleich bisher noch keine unzweifelhaften Funde gemacht wurden. Im Hinblick auf neueste Arbeiten, in denen darauf hingewiesen wird, dass sich möglicherweise auf dem Seggauberg und nördlich davon spätantike Befestigungen befanden, gewinnen diese Funde an Bedeutung.68 Auch in der Verfüllung der Schlauchheizung der spätantiken Periode der Cella des Umgangstempels fanden sich Reste eines bronzenen Schuppenpanzers, also einer lorica squamata. 69 Drei bronzene Schuppen mit je sechs Befestigungslöchern sowie ein eiserner Schuhnagel lagen in dieser Schicht, die von den Ausgräbern in die zweite Hälfte des 4. Jhs. datiert wurde. Die lorica squamata bestand aus schuppenförmigen Metallplättchen, die auf ein ledernes Hemd genäht wurden, das zumeist von Angehörigen der Reiterei getragen wurde.70 Möglicherweise gehören die Stücke in denselben Kontext wie die in der darunter liegenden Schicht aufgefundenen Fragmente eines Gladiusbeschlages71, womit sich – zusammen mit den oben angeführten Fundstücken der Fundstelle „auf der Öd’n“ – die Zahl der Funde aus dem militärischen Bereich deutlich erhöht.

Umbruch/Zäsur/Diskontinuität Einer der auffallenden Brüche liegt in der Aufgabe des spätkeltischen Kultplatzes Perl-Stadläcker, der in der frühen Kaiserzeit aufgelassen wurde. Wie oben ausgeführt, dürften die letzten Weihungen noch in augusteische Zeit zu datieren sein, vielleicht sogar etwas später. Danach wurde der Ort nicht mehr als Kultplatz genutzt. Die möglicherweise unter römischem Druck stattgefundene Aufgabe der Siedlung Frauenberg zugunsten der neu angelegten Niederlassung an der Mur, Flavia Solva, könnte in diesen Kontext gehören. Der Kult des Heiligtums Perl-/Stadläcker, das einer profanen Bebauung weichen musste, könnte in dieser Zeit auf die Kuppe des Berges übertragen worden sein. Der Ausbau des dort gelegenen kaiser-

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Heymans 2008, 172. Indizien, aufgrund derer die Befunde als Opfergrube oder Opferschacht gedeutet werden könnten, liegen meines Wissens nicht vor. Gamper 2007, 138. Heymans 2008, 174. Befund eines spätantiken Gebäudes mit Schlauchheizung: Hinker 2007; Steinklauber 2011, 18 f.; Steinklauber 2013, 13–28. Steinklauber 2002. Steinklauber 2011, 22–25. Vieles spricht dafür, in einem Bau auf dem Seggauberg, 2 km nördlich des Frauenberges, eine spätantike Befestigung zu sehen: Karl 2013. Zum sog. Teufelsgraben: Gutjahr 2013. Groh – Sedlmayer 2005, 155. 241; Taf. 21 (Inv. 223/14). Lenz 2006, 20 Taf. 19. Groh – Sedlmayer 2005, Taf. 16 Inv. 67/171, 172.

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zeitlichen Heiligtums ist aus diesem Prozess heraus verständlich. Prozesse der Romanisation, die auch als Selbst-Romanisierung lokaler Eliten bezeichnet wurden, fanden schon früh statt, die hier konstatierten Umbrüche dürften aber wohl nur unter römischem Druck verständlich sein. Die Indizien, aus denen auf eine gewisse militärische Präsenz auf dem Berg geschlossen werden kann, ergeben somit ein stimmiges Gesamtbild. Dennoch darf nicht verschwiegen werden, dass andere Befunde einen etwas abweichenden Eindruck ergeben. So wurde mehrfach betont, dass die Siedlung auf dem Frauenberg noch bis in die claudische Zeit weiter genutzt wurde, und demnach für kurze Zeit zwei gleichzeitig belegte Siedlungen existiert haben könnten.72

Kulte am Frauenberg Die Frage, welche Götter in der Spätlatènezeit verehrt wurden, kann schwerlich beantwortet werden. Für die römische Kaiserzeit liegen Belege vor, inwieweit Kultvorstellungen aber zurückprojiziert werden dürfen ist fraglich. Der viel besprochene Votivstein für Mars Latobius Marmogius und Sinatis Toutatis Mogetio stammt aus sekundärer Verwendung vom nahe gelegenen Seggauberg und könnte gut hierher gehören – zwar nicht zu dem keltischen Kultplatz Perl/Stadläcker, der zur Zeit der Errichtung des Altars wohl nicht mehr existierte, aber zum höher gelegenen kaiserzeitlichen Heiligtum. Der Altar ist nach der neueren Lesung von De Bernardo Stempel dem großmächtigen Kampfesgott Mars „Latobius“ geweiht73 sowie dem Sinatis, dem Gerechtigkeitsgott und Stammesgott. Die Weihungen und Deponierungen in der Grabenanlage des keltischen Kultplatzes Perl-/Stadläcker bestehen neben den Rinderknochen zu einem großen Teil aus Waffen – verbogenen Schwertern, Schildbuckeln, Helmbestandteilen und vieles mehr.74 Diese weisen auf den kriegerischen Charakter dieses Kultes, bei dem es sich auch um einen zentralen Stammeskult der hier ansässigen Taurisker gehandelt haben muss. Aus diesen Gründen erscheint es nicht zu gewagt, die in der kaiserzeitlichen Inschrift genannten Götternamen auf eben dieses Heiligtum zu beziehen.75

Abb. 9: Leicht überlebensgroße Büste, als Gott Mars Latobius interpretiert (Foto: UMJ, Graz). 72 73 74 75

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Auch die Belege für die in der Kaiserzeit praktizierten Kulte sind spärlich. Die leicht überlebensgroße Büste eines behelmten Jünglings (Abb. 9) kann in Verbindung mit der Votivinschrift und den oben angeführten Funden als Indizien angeführt werden, dass ein kriegerischer keltischer Stammesgott in der Kaiserzeit als Mars Latobius bezeichnet wurde. Der Podiumstempel galt früher als Isis-Noreia-Tempel, eine Zuweisung die mittlerweile nicht mehr vertreten wird, da zwar Hinweise auf die Göttin Isis, nicht aber für eine Angleichung mit Noreia vorliegen.76 Neben einem Inschriftfragment wurde die Existenz eines Beckens, das sich als Nilwasserbecken gut in die Architektur von Isistempeln

Tiefengraber – Grill 1997, 602; Hinker 2006, 63 Anm. 573. De Bernardo-Stempel 2005, 15–27. Tiefengraber – Grill 2008, 94. Bei Mars Latobius handelt es sich um den Gott, der in dem Prozess der sog. interpretation romana entstanden waren. Dazu: van Andringa 2007, 87. Scherrer 2007, 219 f.

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Abb. 10: Sitzstatuetten, links vom kaiserzeitlichen Heiligtum, rechts von den Perl-/Stadläckern, (Foto: B. Schrettle).

Abb. 11: Bleivotive von den Perl/Stadläckern (Foto: B. Schrettle).

einfügt, angeführt. Die neuesten Grabungsergebnisse erbrachten für dieses Becken, das sich unmittelbar östlich der Cella befindet, allerdings eine wesentlich spätere Zeitstellung, weshalb dieses Indiz ausscheiden muss.77 Als Hinweise auf den Gott Silvanus wurde ein Relieffragment angeführt, auf dem eine Hand mit einem Rebmesser dargestellt ist. Es wurde jedoch darauf hingewiesen, dass auch Dienerreliefs mit einer solchen Darstellung üblich waren, weshalb das Fragment nicht unbedingt auf Silvanus bezogen werden muss.78 An dieser Stelle sollen manche Neufunde vorgestellt werden, die möglicherweise für die Frage nach den Kultinhabern von Interesse sein könnten. In einer Planierungsschicht im Bereich des Umgangstempels, die Abb. 12: Bronzenes Radvotiv aus einer Planierschicht östlich in der flavischen Periode aufgebracht wurde, lagen des Isistempels (Foto: B. Schrettle). mehrere Funde, die von den Ausgräbern als Indizien einer kultischen Nutzung angesehen wurden. Mehrere Fibeln und einige Spindelhaken könnten demnach als Votivobjekte für eine weibliche Gottheit interpretiert werden, wohingegen wenige Militaria, nämlich Fragmente von Scheidenbeschlägen auf eine männliche Gottheit bezogen wurden. 79 Sie schlugen ein Modell vor, wonach der Kult eines kriegerischen keltischen Gottes, der zuvor im Heiligtum Perl-/ Stadläcker verehrt worden war, auf die Tempelkuppe übertragen wurde, wo bereits eine weibliche Gottheit verehrt wurde.80 Aus der Grabung des Jahres 2012, aus einer mittelkaiserzeitlichen umgelagerten Schicht unmittelbar östlich des Isistempels, stammt ein bronzenes Radvotiv (Abb. 12). Mit einem Durchmesser von 33 mm und sechs Speichen fügt es sich gut ein in den Kontext spätlatènezeitlicher und kaiserzeitlicher Radvotive, wie sie in zahlreichen Heiligtümern gefunden wurden.81 Ihre Interpretation als Votivobjekt gilt als wahrscheinlich, auch wenn ihr gelegentliches Auftreten in Siedlungskontexten oder in Gräbern für ihren Gebrauch 77 78 79 80 81

Schrettle 2014, 88. Pohanka 1986, 292 f. Kat. Nr. 266 Taf. 64 Groh – Sedlmayer 2005, 93. 149; Groh – Sedlmayer 2005, 93. Kiernan 2009, 11–39; Caumont 2011, 458.

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als Amulette spricht. Jedenfalls sind sie im Kontext mit dem Gott Jupiter (oder dem einheimischen Stammesgott, der unter römischen Einfluss mit diesem verglichen wurde) zu sehen, dessen wichtigstes Attribut in Gebieten keltischer Tradition das Rad war. Jupiter, der oberste Reichsgott, ist aus Inschriften aus Brunn bei Fehring (Oststeiermark) als Jupiter Uxlemitanus bekannt, mit dem Beinamen Karnuntinus am Pfaffenberg bei Carnuntum, als Jupiter Optimus Maximus Teutanus am Gellertberg bei Aquincum.82 Bei letzterem handelt es sich um die Angleichung des obersten römischen Gottes mit einem einheimischen Himmelsgott, der in unterschiedlicher Form von der Bevölkerung verehrt wurde. Das Radvotiv lässt jedenfalls an Jupiter denken, der in Anlehnung an keltische Traditionen bisweilen mit dem Rad dargestellt wurde. In Anbetracht der Tatsache, dass die Zuweisung der Tempel im Heiligtum keineswegs gesichert ist, stellt sich die Frage, ob sich entweder ein Tempel des Jupiter oder eines einheimischen Gottes, der mit diesem geglichen wurde, hier befunden haben könnte. Eine Votivinschrift sowie zahlreiche Weihealtäre für Jupiter Optimus Maximus aus Flavia Solva sprechen für die Bedeutung dieses Gottes, der auch als Depulsor und Quadrubiis genannt wurde. Gerade im Gebiet von Celeia und Poetovio spielte Jupiter, der auch den Beinamen Culminalis trug, eine zentrale Rolle.83 Wie vermutlich auch aus dem Beiname Uxlemitanus zu erschließen ist, wurde er als Gott der Höhen, des Himmels und des Wetters verehrt. Darin einen alten keltischen Stammesgott zu sehen, liegt nahe. In diesem Zusammenhang kann der keltische Kriegsgott Marmogius angeführt werden, der in Südostnoricum eine gewisse Bedeutung gehabt haben muss, und der mit dem obersten Reichsgott Jupiter Optimus Maximus verbunden wurde.84 Ebenfalls in den Bereich des Kultes gehören zwei Bleivotive in der Form von Hähnen, die im Jahr 2011 im Gräberfeld Perl-Stadläcker gefunden wurden (Abb. 11). Beide lagen im Südosten der Fläche in umgelagerten Schichten, die sowohl latènzeitliches als auch kaiserzeitliches und spätantikes Fundmaterial enthielten. Die spätantiken Gräber im betreffenden Bereich waren durch die landwirtschaftliche Nutzung weitgehend gestört, eine Zuordnung zu diesen ist jedoch unwahrscheinlich85, viel glaubhafter ist eine Zugehörigkeit zu einem Hausheiligtum der mittleren Kaiserzeit.86 Vergleichbare Hähne, sowohl aus Bronze als auch aus Blei gefertigt, sind von unterschiedlichen Fundorten bekannt.87 Da der Hahn üblicherweise als Begleitfigur des Gottes Merkur auftritt, könnte es sich um Votive handeln. Häufiger waren solche Figuren jedoch in Lararien aufgestellt, was man auch in diesem Fall vermuten kann.88 Sie könnten demnach den Siedlungsbefunden der Perl-/Stadläcker zugeordnet werden und als Zeichen der Romanisierung der hier ansässigen Personen angesehen werden.89 Für den Tempelbezirk auf der Kuppe des Frauenberges wichtig ist die Statuette einer sitzenden oder thronenden Person (Abb. 10 links).90 Ob es sich um eine Muttergottheit handelt, ist aufgrund des fragmentarischen Zustandes nicht sicher festzustellen. Eine zweite Statuette stammt von den Perl-/Stadläckern (Abb. 11, rechts), wurde aber zumeist auf den Kultbezirk bezogen. Der Erhaltungszustand ist zu schlecht und kein Attribut vorhanden, aufgrund dessen man eine Interpretation anstellen könnte. Exemplare aus Carnuntum, die auf eine orientalische Herkunft deuten91, können ebenso als Vergleiche angeführt werden, wie Statuetten aus Keramik aus Salzburg, Matronendarstellungen oder Statuetten der thronenden Isis. Ein Fundstück, das noch Fragen aufwirft, ist ein bronzener Siegelring, der in den 1950er Jahren im Tempelareal gefunden wurde (Abb. 13). 92 Er wurde noch vor Beginn der Ausgrabungen aufgesammelt und befindet sich seither in Familienbesitz. Die grobe Ausführung erschwert die Interpretation des Objektes. Innerhalb eines Perlkranzes ist ein frontal ausgerichteter überdimensionierter Kopf klar erkennbar, der 82 83 84 85

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Altar für Jupiter vom Ziehberg bei Ansfelden: Scherrer 1984, 107. Scherrer 1984, 112 f. Scherrer 2004, 183. Als Grabbeigaben waren Terrakotten in der Form von Tieren, gerade auch in der Form von Hähnen durchaus üblich, allerdings sind sie in der späten Kaiserzeit, aus der die Gräber Perl-/Stadläcker stammen, kaum mehr belegt. Kaufmann-Heinimann 1998, 153. 319 f. Humer – Kremer 2011, 338 (Nr. 560). 372 (Nr. 680–682). Fleischer 1967, 189 f. (Nr. 271–274). Als Votive für Merkur, den Gott des Handels, könnte man die beiden Funde den römischen negotiatores zuordnen, die sich hier in der frühen Kaiserzeit ansiedelten. Vgl.: Derks 1998, 117. Hudeczek 2008, 21 Nr. 12. Humer – Kremer 2011, 340 (Nr. 568 und 569). Der Ring wurde knapp beschrieben, dessen Bedeutung aber meines Wissens noch nie diskutiert: Staudinger 1991, 56.

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zugehörige Körper ist schon weniger deutlich. Vermutlich können die schräg verlaufenden Rillen unten als die Falten eines Rockes angesehen werden. Dann könnte es sich um eine sitzende Frau handeln, wie von Staudinger angenommen, der noch einen Gegenstand erwähnte, den die Frau in der Hand hielt. Damit bezog er sich wohl auf die Formen links der Figur, deren Deutung etwas unklar ist. Bei den vertikalen Kerben könnte es sich um einen angedeuteten Thron handeln, der allerdings schematisch und asymmetrisch dargestellt ist. Der Oberkörper der Person ist undeutlich, man könnte aber links ein Kind erkennen, das von den Armen der Frau umfangen wird. Rechts und links neben der Figur befindet sich noch jeweils ein kreuzförmiges Objekt. Auffallend ist noch die zweigeteilte Frisur, bei der es sich möglicherweise um eine Art Krone gehandelt haben könnte? In der Darstellung eine thronende Isis mit dem Horusknaben zu sehen, ist aber wohl zu hypothetisch. In der Abb. 13: Bronzener Siegelring, Altfund aus Spätantike waren vergleichbare Darstellungen beispielsdem kaiserzeitlichen Heiligtum weise auf Münzen verbreitet.93 Für frühchristliche Fin(Foto: A. Klatz). gerringe waren hingegen Motive wie das Christogramm oder andere Symbole üblich, eine Mariendarstellung wäre hingegen ungewöhnlich. Eine mittelalterliche Zeitstellung des Ringes ist wohl wahrscheinlicher, da sich auf dem Frauenberg eine Marienkirche befand, und auch mit diversen späteren Wallfahrtsandenken, Kleindevotionalien und ähnlichem gerechnet werden kann, weshalb für den Siegelring keine antike Herkunft angenommen werden muss.94

Zusammenfassung Ob das Modell, wonach die Höhensiedlungen des südostalpinen Raumes nach der Okkupation unter römischem Druck in die Ebenen verlegt wurden, wie es auch für Savaria oder Virunum vermutet wurde95, auch für Solva anwendbar ist, und es sich hierbei also um einen Bruch in der Siedlungskontinuität handelt, während die alten Kultstätten bestehen blieben und Götter – im Prozess der interpretatio Romana – weiterbestehen konnten, ist zu diskutieren96. Vieles spricht dafür, dass wir in dem kaiserzeitlichen Heiligtum auf dem Frauenberg eine Kultstelle fassen können, die am Übergang der Spätlatènezeit zur römischen Kaiserzeit ihre Bedeutung als zentrales Hauptheiligtum der civitas erlangt hatte. So legt die zentralörtliche Funktion der Siedlung, die sich aus spätlatènezeitlichen Funden erschließen lässt, nahe, dort auch einen civitas-Hauptort anzunehmen.97 Wenngleich sowohl die Organisationsform als auch der Stellenwert der civitates für das südliche Noricum leider nur ungenügend bekannt sind, kann man wohl davon ausgehen, dass deren identitätsstiftenden Heiligtümer bereits in der frühen Kaiserzeit mit großem Aufwand zu kultischen Zentren ausgestattet wurden. Eine solche erste Monumentalisierung könnte sich am Frauenberg in der Errichtung des sog. Tempels II, der möglicherweise dem Mars Latobius zugewiesen werden kann, ausgedrückt haben. Die Rekonstruktion dieses Baus ist eines der großen Desiderate, dessen Problematik aber durch die spätantike und frühchristliche Überbauung des römischen Tempelbezirkes erklärbar ist.

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Alföldy 1937, Taf. 13. Fassbinder 2003. Für Hinweise zu dem Fundstück danke ich Frau E. Zwierlein-Diehl, Herrn T. Kühtreiber sowie Herrn L. Freidinger. Urban 2000, 358. 360; Savaria: Gabler 1996, 239 f. Birkhan 1997, 272. 356. Scherrer 2004, 183.

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FÉLIX TEICHNER1 (MIT EINEM BEITRAG VON HEIKE SCHNEIDER)

ZUR NACHHALTIGKEIT RÖMISCHER RAUMORDUNG IN PANNONIEN AM BEISPIEL EINER SIEDLUNGSKAMMER AN MARCAL UND RAAB 1

Die im Savegebiet in den Jahren 35–33 v. Chr. vorgetragenen Feldzüge des späteren Kaisers Augustus bildeten den Auftakt zur Eroberung des sich zwischen Adria und Ostalpenrand erstreckenden illyrisch-pannonischen Kulturraumes. Die militärische Besetzung des neu geschaffenen Provinzgebietes erfolgte vergleichsweise zügig entlang der Bernsteinstraße sowie der beiden in Richtung Donau abzweigenden Diagonalstraßen Savaria–Arrabona–Brigetio bzw. Poetovio–Gorsium–Aquincum. Die Expansion fand in der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. mit der Vorverlegung der Militäreinheiten an die natürliche Flussgrenze der Donau ihren geordneten Abschluss. Die nach der Eroberung Dakiens zu Beginn des 2. Jhs. erfolgte administrative Gliederung des westlichen Randes des Karpatenbeckens in die Provinzen Pannonia superior und inferior blieb, trotz kleinerer Modifikationen in der Folgezeit, in ihren Grundzügen bis zum Ende der Römerherrschaft im Donauraum verbindlich2. Die gezielte Urbanisierungspolitik des römischen Kaiserhauses stellte sodann die Grundlage der Verbreitung mediterraner Kultur und Lebensweise in den Donauprovinzen dar. Dass der pannonische Donauraum heute eines der wichtigen Referenzgebiete für die römische Provinzialkultur darstellt, ist gleichermaßen der Intensität wie auch der Qualität der althistorischen, epigraphischen und archäologischen Forschung in Transleithanien geschuldet3. Herausragenden Forscherpersönlichkeiten wie András Alföldy, András Mócsy oder Zsolt Visy gelang es, durch ihr akademisches Lebenswerk, respektive ihre vielsprachigen Publikationen, detaillierte Informationen über die Lebensumstände in dieser Grenzprovinz weit über die Grenzen Ungarns hinaus bekannt zu machen. Dabei ergab sich hinsichtlich der kulturellen Entwicklung unter dem Einfluss Roms ein durchaus ambivalentes Gesamtbild, das der Althistoriker und Numismatiker Jenő Fitz zuletzt wie folgt zusammenfasste: „In the Roman period, Transdanubia became part of the vast empire ruling the Mediterranean that absorbed the outstanding achievements and cultural environment for the region’s inhabitants within the framework of a well organized state… [but] … Pannonia never enjoyed a peaceful and continuous development similar to the flourishing provinces and towns of the empire’s inland provinces …The moderate level of Romanization in Pannonia can in part be associated with the economy of the province. It was not a particularly rich province …“4. Was dies für die konkrete Lebenswirklichkeit der einheimischen Bevölkerung nach bereits zweihundertjähriger Einbindung in das Imperium Romanum bedeutete, beschrieb der römische Senator Cassius Dio Coceianus eindrucksvoll: „Die Pannonier … leben von allen Menschen am erbärmlichsten. Sowohl ihr Klima als auch ihr Boden sind arm, sie pflanzen keine Oliven an und produzieren keinen Wein bis auf sehr kleine Mengen von sehr schlechter Qualität … Sie essen nicht nur Gerste und Hirse, sondern trinken auch Getränke, die daraus gemacht sind. Nichtsdestoweniger gelten sie als die tapfersten unter allen Männern. Denn da sie nichts haben, das eines zivilisierten Lebens wert ist, sind sie äußerst wild und blutrünstig …“5. 1

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Der Autor bedankt sich ausdrücklich bei seinen ungarischen Kooperationspartnern Szilvia Bíró und Attila Molnár (beide János-Xántus-Museum, Győr). Ein gemeinsamer Vorbericht in ungarischer Sprache ist in Vorbereitung. Prof. László Borhy (ELTE Universität Budapest) hatte im Jahr 2011 die Freundlichkeit, die Grabungsgenehmigung mitzubeantragen. Unter den verschiedenen Landbesitzern, die uns auf ihrem Grund und Boden arbeiten ließen, sei Sandor Kiss (Bodonhely) aufgrund seiner außerordentlichen Gastfreundschaft besonders erwähnt. Zudem konnten wir immer wieder auf die sprachlichen Fähigkeiten von Petra Nemetová (Heidelberg), Lilla Somosfalvi (Győr) und Valeria Szabó (RGK Frankfurt) zurückgreifen. – Herrn Prof. Dr. Thomas Meier ist für die Betreuung des Projektes an der Universität Heidelberg zu danken. – Vgl. Teichner 2014. Mócsy 1974, 80–111; ANRW II 6, 543–556; Borhy 1995; Fitz 2003, bes. 49–51. G. Vékony, in: Visy u. a. 2003, 14–22; Visy u. a. 2011, 33–48; zuletzt Teichner 2011, 14–18. J. Fitz, in: Visy u. a. 2003, 205–208 bes. 206. Cass. Dio 49, 36, 2 f.

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Fragestellung Dieses antike Schriftzeugnis führt zu der in den letzten Jahren in den Geschichtswissenschaften überaus kontrovers diskutierten Frage, jener nach Akkulturation oder Resistenz, sowie zu der naturräumlichen Benachteiligung der kulturellen Entwicklungen in unterschiedlichen Provinzen des Imperium Romanum6. Für ein vergleichsweise langes Festhalten der einheimischen pannonischen Bevölkerung an traditionellen Gebräuchen sprechen die Bekleidungssitten, namentlich die norisch-pannonische Frauentracht7, sowie die Bestattungsformen, speziell der Bau von Grabhügeln bzw. Wagengräbern8. Dies trifft vor allem für das Siedlungsgebiet des in der Auseinandersetzung mit den östlichen Nachbarn zerschlagenen Stammes der Boier zu (deserta Boiorum). In diesem von der keltischen Kultur geprägten Gebiet lässt sich eine territoriale Polarisierung der Siedlungsräume sogenannter „Altansässiger“ und „Römischer“ bzw. nach römischen Vorstellungen wirtschaftender Bevölkerungsteile aufzeigen. Anhand der archäologischen und epigraphischen Zeugnisse vermutet die ungarische Forschung die „Altansässigen“ in infrastrukturellen Randlagen auf ertragsarmen Böden, so im westlichen Grenzstreifen Oberpannoniens, in den Tälern des Alpenvorgebirges. Dort konzentrieren sich die Fundstellen von La-Tène-Keramik, die mit einheimischen Eliten in Verbindung gebrachten römerzeitlichen Hügelgräber sowie die inschriftlichen Belege für vorrömische Bevölkerungselemente. Während die „Altansässigen“ also – so die Forschungsmeinung – im Umfeld der römischen Stadtgründungen und Militärgarnisonen nur eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben scheinen9, dürften sich in den ländlichen Dorfgemeinschaften der naturräumlich benachteiligten Rückzugsgebiete „vorrömische Bodenverhältnisse und die prähistorische Lebensweise sozusagen konserviert haben“10. Es ist das Verdienst des ungarischen Forschers Denes Gabler, schon frühzeitig genau dieses Themenfeld aufgegriffen zu haben und mit feldarchäologischen Methoden den lokalen spätkeltischen Siedlungsverhältnissen und Gesellschaften im späteren Provinzgebiet nachgespürt zu haben. Dazu erschien es ihm notwendig, über die wohlbekannten Bodendenkmäler der römischen Planstädte und Militärstandorte hinauszuschauen und das Siedlungsgefüge in konkreten Kleinräumen zu untersuchen. Es waren vor allem seine Arbeiten im niederpannonischen Kapos-Tal (Szakály-Rétiföldek)11 sowie im Umland des oberpannonischen Savaria (Steinamanger/Szombathely), die erstmals konkrete Aussagen über die Interaktion zwischen einheimischer, altansässiger Bevölkerung und romanisierten bzw. mediterranen Bevölkerungselementen zuließen12. Wichtige Ergebnisse zur ländlichen Besiedlung während der römischen Kaiserzeit lieferten zudem die diachronen landschaftsarchäologischen Forschungen der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in Südwestungarn13. Eine entscheidende Erweiterung des Quellenbestandes ergab sich dann – wie vielerorts in Europa – durch die systematische bodendenkmalpflegerische Begleitung großer linearer Bauprojekte seit dem Ende des letzten Jahrhunderts14. Für die provinzialrömische Forschung überaus aufschlussreich war beispielsweise das durch die neu trassierte Fernverbindung Wien–Pressburg–Budapest geschaffene 250 km lange Ost-West-Transept, unmittelbar südlich der einstmals militärisch kontrollierten Limeszone. Zwangsläufig wurde dabei das Augenmerk fort von den zumeist literarisch verbürgten, bereits seit dem ausgehenden 17. Jh. erforschten Grenzkastellen und Zentralorten der Provinz auf die „untypischen“, ländlichen Siedlungsplätze im Hinterland gelenkt15. Schon aus den vorliegenden Vorberichten lässt sich erkennen, dass die fruchtbaren Landschaften Transdanubiens unter römischem Einfluss keinesfalls zu mediterranen Villenlandschaften wurden. Typisch erscheint vielmehr ein dichtes Netz aus offenen Grubenhaussiedlungen 6

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Weiterhin aktuell die Zusammenfassung der Romanisations-Diskussion durch den althistorischen Altmeister: Alföldy 2005. – Im deutschsprachigen Raum zudem sehr pointiert zur Möglichkeit der einheimischen Resistenz: Heimberg 1997, Heimberg 1998a und Heimberg 1998b. Garbsch 1965. – Zuletzt G. Grabherr, in diesem Band, S. 153–170. Palágyi – Nagy 2002; Hudeczek 2004, bes. Abb. 2. Gabler 1996, 246 f. Gabler 1995, 64. Gabler 1980/81; Gabler 1982; Gabler 1995; Gabler – Ottományi 1990; vgl. Petres 1990; Kocztur 1974. Gabler 1996. – Ebenso der Beitrag von D. Gabler in diesem Band, S. 131–152. Redő 2003; Redő 2005; vgl. Redő 2007a und Redő 2007b. Vgl. Bofinger – Krausse 2012. Die wichtigsten Kastellplätze des pannonischen Donaulimes finden sich bereit bei Marsigli 1726.

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Abb. 1: Städte (Dreieck), Grenzkastelle (Quadrate) und im Text erwähnte Grubenhaussiedlungen (Kreise) im Norden der Provinz Oberpannonien. 1. Bruckneudorf, 2. Levél, 3. Moszonsentmiklós, 4. Győr-Ménfőcsanak, 5. Bodonhely, 6. Megág-Dűlő.

einer autochthonen, in der ungarischen Forschung als „Altansässige“ bezeichneten Bevölkerung. Diese lagen überraschenderweise nicht nur in den bislang angenommenen „Rückzugsgebieten“, sondern auch im unmittelbaren Hinterland der durch ihre erhöhte Militärpräsenz nach allgemeiner Lehrmeinung als „melting pot“ der Provinzialkultur wirkenden Reichsgrenze. An Siedlungsplätzen wie Bruckneudorf, Mosonszentmiklós-Gergelyhoma, Levél/Kaltenstein und Győr-Ménfőcsanak wurden zwischenzeitlich ausgedehnte Teilflächen weitläufiger Multiperiodensiedlungen erfasst, deren Erscheinungsbild auch während der Jahrhunderte der römischen Herrschaft in erster Linie durch eingetiefte Grubenhäuser bestimmt wurde (Abb. 1)16. Dem Charakter von Rettungsgrabungen entsprechend, wurde von diesen ausgedehnten dörflichen Siedlungen in aller Regel nur der unmittelbar von den Baumaßnahmen betroffene Bereich freigelegt, sodass die Gesamtausdehnung ungeklärt blieb. 16

Bruckneudorf: Carnuntum 2006, 60–62 Abb. 73–74; Levél: Szőnyi 2003; Gabrieli – Szőnyi 1996/97; Győr-Ménfőcsanak: Szőnyi 1995; Szőnyi 1996; Egry 2007; D. Gabler in: Visy u. a. 2003, 241 Abb. 45–47. – Zusammenf. Raczky 2007; Budai Balogh 2009.

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Mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der beachtlichen Datenbestände dieser Großgrabungen wurde bislang allenfalls begonnen17. Zum Verständnis der jeweiligen Siedlungsprozesse – dies hatten nicht erst die oben genannten Forschungen der Ungarischen Akademie im Bereich der Bernsteinstraße gezeigt – wird zudem auch eine landschaftsarchäologische Erschließung des jeweiligen Umlandes, respektive der naturräumlich vorgegebenen Siedlungskammern, notwendig werden.

Arbeitsgebiet Archäologen und Naturwissenschaftler der Philipps-Universität in Marburg an der Lahn, der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und des János-Xántus-Museum in Győr verfolgen seit 2005 im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojektes einen solchen landschaftsarchäologischen Ansatz. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Unternehmen „Archäologische und palynologische Untersuchungen zum Kulturwandel am Beginn des 1. Jahrtausends n. Chr. in der deserta Boiorum (Pannonien)“18 fokussiert dabei exemplarisch eine Siedlungskammer inmitten der oberpannonischen Ebene (Kisalföld) zwischen Bernsteinstraße und Donaulimes. Ausgangspunkt der landschaftsarchäologischen Untersuchungen ist aber das direkte Umland einer römischen Stadtgründung, dem im Süden des Komitats Győr-Moson-Sopron zwischen den westungarischen Landgemeinden Árpás und Mórichida gelegenen Municipium Mursella (Abb. 2). Laut András Mócsy dürfte das Territorium dieser Stadt auf dem Gebiet der civitas Boiorum unter Hadrian eingerichtet worden sein19. In Analogie zu den besser erforschten Städten Pannoniens wird auch diesem urbanen Zentrum in der althistorischen Forschung eine bis in die Spätantike zentralörtliche Rolle in Transdanubien zugebilligt20. Ein seit der Mitte des 19. Jhs. auf einem Geländerücken südlich des Weilers Dombiföld bekanntes Ruinengelände war zu Beginn des 20. Jhs. anhand der Streckenangaben des Itinerarium Antoniniani an der Straßenverbindung Savaria–Arrabona–Brigetio als das antike Mursella identifiziert worden21. Gleichwohl gehört das römische Municipium „nicht zu den bekanntesten, noch weniger aber zu den gut erforschten“ Stadtgründungen im Donauraum22. Bezeichnenderweise wurden die beiden über den Rechtsstatus der Ansiedlung Auskunft gebenden Steindenkmäler außerhalb des Stadtgebietes entdeckt. Der Grabstein des Stadtschreibers (scriba) Claudius Galonius fand sich in der Provinzhauptstadt Carnuntum (CIL III 4490), der des Ratsherren (decurio) Caius Iulius Proculus in dem 25 km südöstlich gelegenen Lovászpatona (CIL III 4267/RIU 372)23. Die Wahl des Siedlungsplatzes erfolgte zweifellos aufgrund seiner verkehrstechnisch prädestinierten Lage. Innerhalb des Sedimentbeckens, das die Kleine Ungarische Tiefebene (Kisalföld) darstellt, müssen alle West-Ost gerichteten Verbindungswege bis heute das nach Norden zur Donau hinstrebende FlussSystem von Marcal und Raab überwinden. Vor der Regulierung und Entwässerung der Neuzeit war dies keine leichte Aufgabe, zumal sich nach Westen hin bis zum Neusiedler See die durch Überschwemmungen in der Mehrheit des Jahres wasserbedeckte Niedermoorlandschaft des Waasen (ungar. Hanság) erstreckte24. Die Raab selbst gehört zu jenen voralpinen Flüssen, die bei einer größeren Schneeschmelze oder nach längeren Regenfällen im Einzugsgebiet bis heute beträchtlich mehr Wasser führen. Dies bedingte – stärker noch als im Falle der durch einen breiten Niederungssaum ausgezeichneten Marcal – ein reges Mäandrieren des

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Derzeit in Arbeit befindet sich etwa die Dissertation von Szilvia Bíró mit dem Titel „Romanisierung in Nordwest-Pannonien. Eine einheimische Siedlung in Győr-Ménfőcsanak (Kom. Győr-Moson-Sopron, Ungarn)“ an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Betreuer: PD Dr. Félix Teichner). DFG-Kennziffer: TE590/3. – Die notwendigen Vorarbeiten wurden durch den ungarischen Wissenschaftsfond (NKA, Nr. 2731/0051/06), die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und die Firma Audi Hungaria Motor Kft. finanziert. Mócsy 1959, 48. 53; Fitz 2003, 51. – Beide sehen die Stadtgründung im Zusammenhang mit der Auflassung der civitas Boiorum in hadrianischer Zeit. Szőnyi 2002; Szőnyi 2004; Szőnyi 2008. Rómer 1863, 370. – Itin. Ant. 262,11. Szőnyi 2004, 85. Abbildungen der beiden Inschriften bei Szőnyi 2002, 73 Abb. 2–3. Lászlóffy 1938; Dragnatis u. a. 2008.

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Abb. 2: Vor- und frühgeschichtliche Siedlungsplätze (Schraffur) im Umland des römischen Municipiums Mursella, palynologische Bohrpunkte (blauer Kreis) und römische Straßenverbindung Savaria-Arrabona (rote Linie). 1. Bodonhely, 2. Megág-Dűlő, 3. Dombiföld 3, 4. Dombiföld 1 (Mursella), 5. Dombiföld 2, 6. Mórichida 1, 7. Mórichida 3, 8. Mórichida 2.

Flusses. Davon zeugen die zahlreichen Paläorinnen, die die Aue auch im unmittelbaren Umfeld der Siedlungslage Mursella (Dombiföld 1) durchziehen. 317

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Abb. 3: Die Straßenverbindung Savaria-Arrabona-Brigetio bestimmte im Stadtgebiet von Mursella (Dombiföld 1) die Ausrichtung der zivilen Wohnbebauung.

Noch heute sucht die von Westen aus dem Raum Csorna (Gschirnau) kommende Landstraße den Übergang über das Fluss-System beim Weiler Dombiföld. Die seit dem späten 19. Jh. eingedeichten Gewässer Marcal und Raab liegen hier kaum 1,5 km auseinander. Gegenwärtig mündet die Marcal zwar erst nahe Győr in die Raab, aber noch im Mittelalter dürfte dieser Zusammenfluss weiter südlich erfolgt sein. Daran erinnert der Name des Marcaltő, der „Marcalschaft“, die sich unmittelbar südlich von Dombiföld erstreckt25. Es erscheint somit wahrscheinlich, dass in römischer Zeit die Marcal unmittelbar nördlich von Mursella in die Raab mündete. Die antike Fernstraße Savaria–Arrabona–Brigetio hätte somit nicht zwei Flüsse überqueren müssen26. An dieser naturräumlich vorgegebenen Furt wäre zudem eine wirksame Kontrolle der für ganz Westpannonien relevanten Verkehrsachse möglich gewesen 27.

Stand der Forschung zu Mursella und seinem Hinterland Den Beginn der Erforschung der Siedlung Mursella (Dombiföld 1) markieren erste Schürfungen schon im 19. Jh. Der wiederholte Hinweis auf Raubgrabungen durch die ortsansässige Bevölkerung gab dann 25 26 27

Szőnyi 2004, 85. Darauf wies schon Lovas 1937, 14 f. hin. Szőnyi 2002. – Vgl. Burghardt 1979, 11 Abb. 1.

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den Anlass zu einer ersten Nachgrabung durch Archäologen des Ungarischen Nationalmuseums im Jahr 1927. Dies führte zur Lokalisierung eines spätrömischen Gräberfeldes (Ostnekropole)28. Zwischen 1956 und 1958 konnten dann in unmittelbarer Nähe, zwischen „aufgelassenen mittelkaiserzeitlichen Siedlungsbauten“ weitere Gräber dieser spätantiken Nekropole geborgen werden29. Zwei Jahre später wiederum gelang die Entdeckung des Südfriedhofs, der neben Körperbestattungen auch mittelkaiserzeitliche Brandgräber umfasste30. Vor allem im Hinblick auf die zahlreichen spätantiken Bestattungen und den hohen Anteil an spätrömischen Münzfunden (Abb. 9) wurde Mursella fürderhin als Standort einer innerpannonischen befestigten Siedlung der Spätzeit in Anspruch genommen („Binnenfestung“)31. Für eine entsprechende Befestigung der Spätantike, etwa nach dem Schema von Fenékpuszta, Környe, Ságvár und Heténypuszta, fanden sich jedoch bislang keinerlei feldarchäologische Hinweise32. Die von 1975 bis 1989 am westlichen Rand des Ruinengeländes an einer Stelle, an der bis 1911 Abb. 4: Norisch-pannonische Flügelfibeln (Almgren 238). noch antike Mauern standen, durchgeführten Auswahl aus dem Gesamtbestand der im Siedlungsareal von Mursella (Dombiföld 1) gefundenen Fibeln. M. 1 : 2. archäologischen Untersuchungen von Eszter Szőnyi führten vielmehr zur Aufdeckung einer offenen Ansiedlung der römischen Kaiserzeit. Die dabei untersuchte Fernstraße Savaria–Arrabona–Brigetio besaß einen aus fluvialem Kieselschotter aufgeschütteten Straßenkörper, der im Siedlungsareal eine Breite von rund 6 Metern und eine Stärke von 60–70 cm erreichte33. Der Ausgräberin gelang es zudem erstmals, für das römische Municipium vier Hauptbauphasen zu unterscheiden, die von der römischen Okkupationsphase in der ersten Hälfte des 1. Jhs. bis in die valentinianisch-theodosianische Epoche reichen. Zur ersten Holzbauphase gehörte eine bescheidene Bebauung aus einzelnen Ständer- und Pfostenbauten in Fachwerktechnik. Wichtig erscheint die Beobachtung, dass die Gebäude durch kleine (Pfosten?-)Gräbchen voneinander abgetrennt wurden, sodass sich einzelne Siedlungsparzellen ergaben34. Chronologisch signifikant für die 1. Hälfte des 1. Jhs. darf die importierte padanische Sigillata gelten35, die sich mit reduzierend gebrannter, latenoider Gebrauchskeramik vergesellschaftet fand („LTD-Keramik“). In der nachfolgenden Bauphase 2 waren auf dem ergrabenen Areal ab der Mitte des 1. Jhs. („flavisch“) zwölf Keramikbrennöfen, ein Pfostenbau sowie mehrere Brunnen und Tonentnahmegruben angelegt worden36. 28

29 30 31 32 33 34 35 36

Paulovics 1927, 197–204; Lovas 1927, 206; Szőnyi 2004, 86 Abb. 1. 4. – Eine Gesamtbearbeitung erfolgt nun im Rahmen des Forschungsprojekts durch Thomas Schönfelder in Form einer an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg angemeldeten Magisterarbeit (Betreuer: PD Dr. Félix Teichner). Biró 1959, 173–177. Szőnyi 2002, 52–54 Abb. 4–6; Szőnyi 2004, 86 Abb. 1. 5. Radnóti 1954, 487–508; Biró 1959, 173; Fitz 1980. – Kritisch vor allem: Szőny 2002, 64; Szőnyi 2004, 97. Zuletzt zusammenf. zu dem Phänomen: Heinrich-Tamáska 2011. Szőnyi 2002, 61 f.; Szőnyi 2004, 95. Szőnyi 2002, 54 f. Abb. 8; Szőnyi 2004, 88 Abb. 3. Szőnyi 1981b, 98 f. Abb. 11–12. Szőnyi 1981a, 19–26; Szőnyi 1981b, 94 f. Abb. 10; Szőnyi 2002, 55 f. Abb. 9; Szőnyi 2004, 89 Abb. 4–7.

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Abb. 5: Ausschnitt aus dem Plan der vor- und frühgeschichtlichen Siedlung von Megág-Dűlő (Gemeinde Árpás). Im geomagnetischen Prospektionsbild werden neben zahllosen Grubenhäusern vor allem die die einzelnen Wirtschaftseinheiten abtrennenden Grabenstrukturen erkennbar. Am Rande der Siedlung eine Gruppe von Hügelgräbern.

In den kleinen runden Öfen einheimischer Tradition hatte man – dies belegen zahllose Fehlbrände – Gebrauchskeramik mit „glatter Oberfläche“ hergestellt, deren Formspektrum nach Aussage der Ausgräberin vor allem in „keltischer Tradition“ stand37. Daneben wurden aber auch bereits typisch provinzialrömische Gefäßtypen produziert38. Der für diese graue Gebrauchskeramik benötigte kaolinreiche Ton wurde unmittelbar aus den im Untergrund abgelagerten Flusssedimenten gewonnen. Dagegen schaffte man für die ebenfalls am Orte beheimatete Herstellung einer dünnwandigen Ware nach oberitalischem Vorbild rotbraun brennende Tone von anderer Stelle herbei39. Zu Beginn des 2. Jhs., zu einer Zeit, zu der aufgrund der historischen Rahmensituation die Privilegierung der Siedlung erfolgt sein dürfte40, wurde dieses Töpferviertel aufgegeben. Stattdessen legte man in der Siedlungsphase 3 nun wieder einfache Grubenhäuser an, auf die Existenz zugehöriger ebenerdiger Fachwerkbauten weisen einzelne Pfostenreihen und eine Feuerstelle hin41. Dabei überrascht das vergleichsweise ärmliche Fundmaterial des gesamten zweiten und frühen 3. Jhs., darunter nur wenige ostgallische und Rheinzaberner Sigillaten42. Diese, sich im Baubefund wie im Keramikspektrum andeutende, verzögerte Entwicklung der römischen Ansiedlung in der mittleren Kaiserzeit lässt sich auch im lokalen Münzumlauf deutlich nachvollziehen (Abb. 9)43. 37 38 39 40 41 42 43

Szőnyi 2002, Abb. 10. 13; Szőnyi 2004, 90 Abb. 8. Szőnyi 1981b, 94 f. Abb. 9; Szőnyi 2002, Abb. 13; Szőnyi 2004, Abb. 9. Szőnyi 1997/98, 516–522 Taf. 1–5; Szőnyi 2002, Abb. 14–15; Szőnyi 2004, 91 Abb. 10–11. Siehe Anm. 19. Szőnyi 2002, Abb. 16; Szőnyi 2004, 91 f. Abb. 12. Szőnyi 1981b, 110 f. Abb. 14–16; Szőnyi 2004, 92. In diesem Sinne bereits Szőnyi 2002, 63; Szőnyi 2004, 96 („Mit der spärlichen Bebauung des freigelegten Territoriums, mit seiner landwirtschaftlichen Nutzung im 2. und zu Beginn des 3. Jh.s. läßt sich erklären, warum es so auffallend wenig Münzen aus jener Zeit gibt …“).

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Erst im fortgeschrittenen 3. Jh. kam es dann zur Ausbildung einer in anderen Städten der Grenzprovinzen bereits seit dem 2. Jh. üblichen Steinbebauung (Bauphase 4). Durch einen Holzzaun voneinander abgetrennt, entstanden zwei unterschiedlich strukturierte Steingebäude44. Bei dem von der Ausgräberin als „großes Atriumhaus“ angesprochenen quadratischen Steingebäude II (43 m × 43 m) dürfte es sich wohl eher um eine Herberge oder Straßenstation (mansio) gehandelt haben. Dafür sprechen die Lage unmittelbar am antiken Flussübergang sowie die Innenstruktur mit den um einen großen Innenhof angeordneten Raumfluchten mit Verbindungskorridoren. Im Falle der Bodenflächen hatte man sich mit einer sorgfältigen Kiesschüttung begnügt, die Wandflächen waren allerdings mit mehrfarbigen Fresken verziert45. Das nördliche, näher an der Hauptstraße gelegene Steingebäude I besaß nach dreimaliger Erweiterung eine langrechteckige Grundfläche (31 m × 17,5 m) mit einer apsidialen Erweiterung an einer der Langseiten. Den terminus post quem für die Errichtung der beiden Steingebäude liefern Prägungen des Philippus Arabs und des Gordianus III, in der oberen Verfüllung der zur Siedlungsphase 3 gehörenden Brunnen fanden sich bereits Emissionen der valentinianisch-theodosianischen Epoche. Weitere Probegrabungen zusammen mit Geländebegehungen und der Auswertung von Luftbildern ermöglichten nachmalig die Vorlage eines ersten Siedlungsplanes46. Darauf vermochte die langjährige Ausgräberin Eszter Szőnyi eine regelmäßige Steinbebauung „mediterranen Typs“ zu erkennen. Ein sich nördlich der Straßenachse in der Szérűskert-Flur („Dreschplatzflur“) abzeichnender Großbau wurde unter Vorbehalt als öffentliches Gebäude, am ehesten als Macellum, angesprochen47. Die damalige Annahme eines bis zu 100 ha großen Siedlungsbereiches dürfte jedenfalls – dies zeigen auch die neueren Untersuchungen sehr deutlich – zu hoch gesteckt sein48. Der seinerzeit erstellte, inzwischen an verschiedener Stelle abgedruckte Siedlungsplan von Mursella lässt vielmehr einen bescheidenen Straßenvicus erkennen, der sich zwischen dem 1. und 4. Jh. n. Chr. entlang der Fernstraße Savaria–Arrabona– Brigetio ausbildete. Spätestens der durch Luftbildaufnahmen erfolgte Nachweis eines langrechteckigen Erdkastells am Ostrand der Siedlung legte eine Entstehung des römischen Municipiums aus einem der für die Okkupationsphase typischen Militärposten an einer wichtigen Diagonalstraße zwischen Bernsteinstraße und Donaugrenze nahe49. Welche einheimischen Bewohner durch eine entsprechende militärische Präsenz inmitten der deserta Boiorum kontrolliert werden sollten, ließ sich beim bisherigen Forschungsstand kaum beantworten. Vage Hinweise auf die Anwesenheit vorrömischer Bevölkerungselemente in Mursella lieferten allein die beschriebenen „latenoiden“ Keramikformen im Töpfereispektrum. Letztlich fehlten bei Beginn des Forschungsprojekts aber auch im Hinterland des römischen Zentralortes, in der durch die Flüsse Marcal und Raab bestimmten Siedlungskammer, entsprechende Angaben zu der autochthonen Bevölkerung der vorrömischen Eisenzeit.

Neue geoarchäologische Forschungen zum römischen Mursella Ursache für die Anlage einer römischen Siedlung in Dombiföld 1 (Mursella) war zweifellos der unmittelbare Bezug auf das hydrographische System von Raab und Marcal und der in der Forschung vermutete Flussübergang. Von besonderem Interesse war somit eine sich unmittelbar westlich der beschriebenen Steinbauten I und II im Geländerelief abzeichnende und auf Karten des 17. und 18. Jhs. noch verzeichnete Paläorinne. Mit Hilfe eines terrestrischen Laserscans konnte inzwischen eine Mikrotopographie des Geländes erstellt und der Verlauf dieses verlandeten Flussarms exakt dokumentiert werden. Breite und

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Szőnyi 2002, 58–61 Abb. 18; Szőnyi 2004, 92–95 Abb. 14; Szőnyi 2008, 235–242 Abb. 2–8. Vgl. Szőnyi 2008, 240 Abb. 6. 8. Zuletzt: Szőnyi 2008, 245 Abb. 14–15. Szőnyi 2008, 247 Abb. 17. Szőnyi 2002, 51 („1 km2“). – Später spricht Szőnyi 2008, 246 zurückhaltender von „maximal 5–6 ha“ … „allenfalls 10 ha“ … d. h. einem „Marktflecken“. Schon vorher hatte Gabler 1997 unter Hinweis auf claudische Sigillatafunde auf die Möglichkeit einer ersten militärischen Besetzung aufmerksam gemacht. – Szőnyi 2008, 244 Abb. 14–15 geht allerdings von einem Militärlager der Spätantike aus („3.–4. Jh.“). Die Zeitstellung der Anlage ließe sich letztlich nur durch derzeit aufgrund der Besitzverhältnisse nicht mögliche Sondageschnitte klären. – Allg. zum strategischen Konzept der Diagonalstraßen: Fitz 1991; Gabler 2006.

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Tiefenlinie ließen sich durch geoarchäologische Bohrungen eruieren. Besondere Bedeutung kommt dabei der palynologischen Bohrung MURS1 zu, zeigt diese doch deutlich das Ausstreichen der römischen Siedlungsschichten hinein in das noch offene Flussbett. In den ersten Jahrhunderten nach Christus dürfte das östliche Ufer der Raab somit die Begrenzung der römischen Ansiedlung gebildet haben50. Die laut Luftbildbefund von West wie auch Ost unmittelbar auf diese Paläorinne zulaufende Fernstraße Savaria–Arrabona–Brigetio legt die Existenz einer Furt oder einer Brücke zur Überleitung an eben dieser Stelle nahe. Zur genaueren Georeferenzierung und klareren Identifizierung der auf den bisher verfügbaren Luftbildern erkannten antiken Baustrukturen wurden zudem seit dem Jahr 2005 systematische geophysikalische Messungen im Siedlungsgebiet Dombiföld 1 (Mursella) durchgeführt51. Dabei handelte es sich vor allem um eine 17,4 ha große geomagnetische Untersuchung, die dann in den Folgejahren durch kleinteiligeren Einsatz von Georadar und Geoelektrik ergänzt wurde. Die Prospektionen bestätigten den Verlauf der im Bereich des Flussübergangs leicht abgewinkelten, ansonsten aber schnurgeraden Straßenachse westlich und östlich der heute eingedeichten Raab (Abb. 2). Die durch Luftbildbefunde bekannten Steingebäude konnten anhand der Prospektionsbilder nunmehr klar im Gelände verortet werden. Zwar wurden auch einzelne, bislang unerkannt gebliebene Baustrukturen im östlichen Siedlungsbereich unweit des älteren Militärlagers entdeckt, die weitgehende Beschränkung römischer Steingebäude auf den westlichen Siedlungsbereich am Ufer der Raab wird aber ebenso augenscheinlich. Die in der Folge durch den Einsatz von Georadar gewonnenen Detailpläne einzelner Steingebäude lassen weniger an die ehedem vermutete „mediterrane Architektur“ denn an lokale, am Donaulimes gut bezeugte provinziale Bauformen denken52. Charakteristisch erscheint beispielsweise ein nur 15 m × 11,5 m großes Gebäude auf der südlichen Straßenseite. Mit vorgelegter Portikus, einem zentralen Korridor und mehreren umgebenden Räumen entspricht der Bau dem für Carnuntum gut beschriebenen Typ des Mittelkorridorhauses53. Bei dieser in Mursella mehrfach zu belegenden Bauform dürfte es sich um den üblichen Gebäudetyp der schon beschriebenen Steinbauphase des fortgeschrittenen 3. Jhs. handeln. Mit Hilfe geophysikalischer Prospektion wurde auch die Struktur des anfänglich als Forum angesprochenen Sonderbaus nördlich der Straßenachse überprüft. Dabei wurde deutlich, dass sich das Gebäude nicht auf die übrige straßenbegleitende Bebauung, sondern auf die bereits beschriebene Paläorinne der Raab bezog. Diese bildete an dieser Stelle eine noch im 17. Jh. bestehende, vorzüglich als Ankerplatz geeignete Schleife nach Osten in die Flur Szérűskert. Die zentrale Hoffläche des Gebäudes und die angrenzenden Lager- oder Vorratsräume54 könnten somit auch zu einem Speicher- bzw. Hafenbau (emporion) gehören, was ein neues Licht auf die administrative und wirtschaftliche Bedeutung des Municipiums von Mursella werfen würde. Darüber hinaus bestätigen die bislang durchgeführten geomagnetischen Prospektionsergebnisse die Existenz eines Militärlagers zwischen dem schon von Eszter Szőnyi erkannten Siedlungskern und der von Endre Biró ergrabenen Ostnekropole. Mit einer Breite von 150 m (Nordfront) und einer Länge von 180 m (Westfront) bot die Anlage ausreichend Platz zur Garnisionierung der für die Okkupations- und Limesphase üblichen Auxiliarkohorten55. Trotz der bislang noch vorläufigen Auswertung der geoarchäologischen Untersuchungen dürfte die Ausdehnung der in der römischen Kaiserzeit durch „römische“ Fachwerk- oder Steingebäude bedeckten Fläche insgesamt kaum mehr als 18–20 ha überstiegen haben. Anders verhält es sich gleichwohl mit den chronologisch bislang noch schwerlich einzuordnenden Grubenhausbefunden, die sich sowohl in den geophysikalischen Prospektionsbildern als auch in den Luftbildern südlich und östlich des römischen Sied-

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Dafür spricht auch die Gründung der beiden von E. Szőnyi ergrabenen Steingebäude auf „ins lockere Erdreich geschlagenen Pfosten von 15–20 cm Stärke“: Szőnyi 2004, 95. Bíró u. a. 2007, 69–71 Abb. 4. Bíró u. a. 2007, 69 bes. Abb. 5. Bíró u. a. 2007, 69 bes. Abb. 5; vgl. Cencic 2003, 31 Taf. 2. – Zuletzt auch Szőnyi 2008, 247 f. Abb. 19–20 in diesem Sinne. Szőnyi 2004, 18; Szőnyi 2008, 247 Abb. 18. Bíró u. a. 2007, 70 Abb. 6 (noch mit irrigen Angaben zur Gesamtgröße).

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lungskerns über mehrere hundert Meter fortsetzen (Abb. 3, Dombiföld 2)56. Dort findet sich dann auch die bereits bei den Plangrabungen beobachtete Strukturierung der bebauten Areale durch schmale (Pfosten?-) Gräbchen wieder57. Die Annahme einer Zweiteilung des sich in einer Höhenposition von 117–120 m ü. NN abspielenden Siedlungsgeschehens in einen „römischen“ kaiserzeitlichen Ortskern am Ufer der Raab und ein weitaus ausgedehnteres einheimisches Siedlungsareal wird durch die über die letzten Jahre hinweg durchgeführten Oberflächensurveys, respektive die beobachtete Fundverteilung, gestützt. Das römische kaiserzeitliche Fundmaterial konzentriert sich in signifikanter Weise auf die durch Steinbebauung gekennzeichneten westlichen Siedlungsbereiche (Dombiföld 1). Auf den südlich und östlich anschließenden Arealen überwiegt dagegen Keramik der während der vorrömischen Metallzeiten und des frühen Mittelalters üblichen Formund Warengruppen. Vor allem von der Fundstelle Dombiföld 2 liegen zudem eindeutige Hinweise auf Metallverarbeitung während der früharpadischen Zeit vor58. Konkretere Aussagen über die Siedlungsdauer und -intensität des römischen Siedlungskerns sind von der inzwischen begonnenen antiquarischen und mengenstatistischen Auswertung der im Komitatsmuseum Győr aufbewahrten Altfunde aus Mursella zu erwarten. Zum einen handelt es sich dabei um einen mittels von verschiedenen Seiten durchgeführte Detektorbegehungen zusammengetragenen Bestand an Fundmünzen, die noch nicht in dem 1993 erschienen Band des FMRU verzeichnet sind (Abb. 9). Durch dieselben Oberflächenabsuchungen mit technischen Hilfsmitteln hat sich zudem ein über 400 Exemplare umfassender Bestand an Metallfibeln ergeben, der durch Metallkleinfunde, insbesondere Militaria, ergänzt wird. Bereits die hier vorgelegte Auswahl an Metallfibeln des norisch-pannonischen Typs unterstreicht die intensive Besiedlung des Fundortes während der frühen Kaiserzeit (Abb. 4). Zum anderen wurde nunmehr die wissenschaftliche Auswertung aller bei den Grabungen von Eszter Szőnyi geborgener Sigillaten begonnen59. Soweit derzeit zu erkennen, bestätigt sich der in den Vorberichten angedeutete hohe Anteil an oberitalischer Glanztonware (Padana) und importierter Eierschalenware bei gleichzeitigem Fehlen jüngerer mittel- und ostgallischer Produkte. Schon nach den bisherigen Ergebnissen der Geländearbeiten im DFG-Projekt stellen sich somit die Fragen nach einheimischen Bevölkerungselementen, dem möglichen Kulturwandel am Beginn der Römerherrschaft und der tatsächlichen urbanen Entwicklung des Municipiums Mursella umso nachdrücklicher.

Landschaftsarchäologische Forschungen im Umland Die althistorische Forschung sieht die Einrichtung des Municipiums Mursella als gezielte Raumordnungsmaßnahme der römischen Provinzialverwaltung innerhalb der deserta Boiorum in hadrianischer Zeit60. Um die entsprechende Beschreibung des vor- und frührömischen Bevölkerungssubstrats innerhalb der ehemaligen Konfliktzone zwischen keltischen Boiern und Dakern bemüht sich die archäologische Disziplin spätestens seit der grundlegenden Arbeit von András Mócsy aus dem Jahre 195961. Dabei scheint man sich inzwischen weitgehend einig, dass man im 1. Jh. n. Chr. eine überaus heterogene Bevölkerungsstruktur aus keltischer Restbevölkerung, germanischen Zuwanderern und römischen Neubürgern anzunehmen hat62. Um sich einen Überblick über die konkreten vor- und frühgeschichtlichen Besiedlungsstrukturen im durch das Fluss-System von Marcal und Raab geprägten Hinterland der römischen Stadtgründung zu ver56

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Berücksichtigt man auch die Ausdehnung der vor- und frühgeschichtlichen Grubenhaussiedlung (Dombiföld 1 und 2), so ergibt sich freilich die von E. Szőnyi in den ersten Publikationen angesetzte Gesamtausdehnung von 100 ha. Vgl. Siedlungsphase 1 nach E. Szőnyi: Szőnyi 2004, 88 Abb. 3. In diesem Zusammenhang sind die von E. Szőnyi publizierten Stücke einer überlebensgroßen Kaiserstatue in Panzerung von Interesse, „die zur Rohstofferzeugung zerkleinert … mit einem Metallsuchgerät in der Nähe der Grabungsflächen [= Dombiföld 1] gefunden wurde“: Szőnyi 1998; Szőnyi 2004, 96 f. Vgl. die Auswahl bei Szőnyi 1981b, 109–111 Abb. 11–16. Vgl. Anm. 18. Mócsy 1959, 31–54 bes. 46–49. Vgl. etwa Harding – Jacobsen 1988; Gabler 1996, 242; Zabehlicky – Zabehlicky 2002/03; Zabehlicky – Zabehlicky 2004; Scherrer 2004, 134 f.; Teichner 2013.

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schaffen, wurde in den letzten Jahren das in Mursella bewährte Instrumentarium, namentlich die Kombination aus systematischen Geländebegehungen und Luftbildbefliegung, angewandt. Gestützt auf die Ergebnisse dieser großräumigen Untersuchungen ließen sich dann auch gezielte geophysikalische Prospektionen und diagnostische Sondagegrabungen durchführen. Im Verlauf dieser Forschungen konnten bislang acht neue vor- und frühgeschichtliche Siedlungsstellen identifiziert werden, für die sich eine Aufsuchung auch während der römischen Kaiserzeit durch Lesefunde wahrscheinlich machen ließ (Abb. 2). Die Mehrzahl der Fundstellen konzentriert sich in einem Umkreis von drei Kilometern um das kaiserzeitliche Oberzentrum Mursella (Dombiföld 1), wobei eine Gruppierung entlang der römischen Straßentrasse zu beobachten ist. Allein die aufgrund ihrer flächenmäßigen Ausdehnung beachtliche Siedlungsstelle Bodonhely liegt dagegen abseits dieses Hauptverkehrsweges der Kaiserzeit knapp sechs Kilometer nordwestlich der Flussfurt. Durch die Verschneidung der georeferenzierten Prospektionsbilder mit den jeweiligen Luftbildbefunden konnten bislang für die Fundstellen Megág-Dűlő (Árpás), Bodonhely (Ér-tói-rét) und Dombiföld 2 detaillierte Siedlungspläne erstellt werden (Abb. 5). Anhand des geborgenen Lesefundmaterials ist eine Aufsuchung der regelhaft auf sandigen Niederterrassen (von mindestens 115 m ü. NN) über der Aue liegenden Siedlungen seit der jüngeren Steinzeit anzunehmen. Eine kontinuierliche Intensivierung der Besiedlung lässt sich während der Bronze- und Eisenzeit beobachten. Spätlatènezeitliches und kaiserzeitliches Fundgut sprechen gegen eine andernorts postulierte Siedlungsunterbrechung vor bzw. um die Zeitenwende (Abb. 6). Zudem fand sich überall Keramikmaterial, das eine erneute Nutzung der günstigen Siedlungslagen in arpadischer Zeit erkennen läßt. Diese langen Kontinuitätslinien erklären sich aus der naturräumlichen Bevorzugung der Siedlungsplätze auf sandigen und somit trockenen Untergründen, oberhalb des überschwemmungsgefährdeten Auenbereichs von Marcal und Raab, bei gleichzeitiger Anbindung an die überregionale, die Flussfurt bei Dombiföld suchende West-Ost-Verkehrsachse. Aufgrund der besonderen Qualität und Dichte an archäologischen Strukturen, die sich im Verlauf der magnetischen Prospektionen in Megág-Dűlő (Árpás) und Bodonhely (Ér-tói-rét) abzeichnete (Abb. 5), wurden die beiden Fundstellen für die Durchführung traditioneller stratigraphischer Ausgrabungen ausgewählt. Die an den beiden ländlichen Siedlungsplätzen im Jahr 2011 durchgeführten Testgrabungen bestätigten eine dichte mehrperiodige Besiedlung. Auf dem Gebiet der Gemeinde Árpás, in der Flur MegágDűlő, erhebt sich inmitten des Überschwemmungsgebietes der Raab eine Sanddüne bis auf 118 m. ü. NN (Abb. 2,2). Auf rund 12 ha Fläche ließ sich eine durch Grabensysteme gegliederte Grubenhaussiedlung identifizieren. Im Rahmen der Testgrabung des Jahres 2011 fand sich ein hallstattzeitliches Grubenhaus63 in unmittelbarer Nachbarschaft zu frühmittelalterlichen Siedlungsgruben. Eine Konzentration römerzeitlicher Glanztonkeramik (Terra Sigillata) zeichnet sich im Bereich eines durch die geomagnetische Prospektion identifizierten Grabhügelfeldes ab (Abb. 6). Nördlich dieser Grabhügel gelang es, die in Flusskies ausgeführte Trasse der römischen Fernstraße Savaria–Arrabona–Brigetio zu identifizieren. Diese bog, von Süden kommend, an dieser Stelle in einem weiten Bogen nach Osten, um dann direkt auf die Flussfurt von Mursella (Dombiföld 1) zuzustreben (Abb. 2). Auf weit über 60 ha erstrecken sich die Siedlungsspuren an der im Zuge der Landschaftssurveys neu entdeckten Fundstelle westlich der Gemeinde Bodonhely (Abb. 2,1). Dabei verteilt sich die vor- und frühgeschichtliche Siedlungsstelle auf mehrere zwischen 116 und 118 m ü. NN liegende Niederterrassen, dazwischen liegen inzwischen verlandete Alt- und Seitenarme der Raab (114 m ü. NN). Auch hier wurde das schon aus Dombiföld 2 und Megág-Dűlő bekannte Siedlungsbild angetroffen: schmale Grabensysteme fassen Siedlungsbereiche mit Grubenhäusern und Vorratsgruben ein. Durch Oberflächenbegehungen und gezielte Nachgrabungen ließen sich unter anderem ein ältereisenzeitlicher Friedhof mit Urnenbestattungen, ein jüngereisenzeitliches Grubenhaus (Latènezeit, Abb. 7), in dem Bundmetallverarbeitung betrie-

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Ausgewählte hallstattzeitliche Keramikbefunde werden durch Attila Molnár im Rahmen seiner an der Ludwig-MaximiliansUniversität in München angemeldeten Dissertation zur Hallstattzeit in Transdanubien ausgewertet (Betreuer: Prof. Dr. C. Metzner-Nebelsick).

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Abb. 6: Ausschnitt aus dem für die Siedlung von Bodonhely typischen Fundspektrum: vorrömische Eisenzeit (1–2.4–5), römische Kaiserzeit (6–8) und früharpadische Epoche (9–12).

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ben wurde64, eine Gruppe römischer Körpergräber sowie ein früharpadisches Siedlungsareal mit zahllosen Abfallgruben unterscheiden (Abb. 6). Das aufgrund einer ausgedehnten Streuung von tegulae und imbrices anzunehmende Steingebäude der römischen Kaiserzeit konnte zwar noch nicht sicher lokalisiert werden. Den Zustrom mediterraner Konsumgüter auch in diese Siedlung der einheimischen Bevölkerung belegen jedoch spanische Ölamphoren des Typs Dressel 20.

Palynologische Untersuchungen (H. Schneider) Antragsgemäß sollte hier der Kulturwandel zu Beginn des 1. Jts. auch im Landschaftsbild und der Landschaftsnutzung nachgezeichnet, genauer gesagt die Vegetationsentwicklung des späten Holozäns rekonstruiert werden65. Entsprechende Untersuchungen zu den Auswirkungen der römischen Okkupationspolitik nördlich der Alpen deuten immer häufiger daAbb. 7: Latènezeitlicher Keramiktopf aus den Sondagegrabungen in Bodonhely. rauf hin, dass sich die Einführung einer mediterranen Villenwirtschaft und die Ausbildung neuer Zentralorte durch Rom auf die zumeist schon vor ihrer Ankunft agrarisch genutzten Landschaften nur mehr modifizierend auswirkte, jedoch keinen drastischen Kulturaufschwung hinsichtlich der Landnutzung zur Folge hatte. Dieser hatte sich in der Regel bereits in der vorrömischen Eisenzeit vollzogen66. Palynologische Untersuchungen in der Region des Plattensees und im Einzugsgebiet der südwestungarischen Salla (ungar. Zala)67 zeigen in der vorrömischen Eisenzeit ein deutlich diskontinuierlicheres Auftreten der typischen Indikatoren für Ackerbau auf68. Dies überrascht im Vergleich zu neueren mitteleuropäischen Untersuchungen, bildet hier doch gerade die vorrömische Eisenzeit eine Periode des kulturellen Aufschwungs, der sich auch in der Landnutzung palynologisch widerspiegelt69. So fanden die römischen Eroberer beispielsweise im obergermanischen Dekumatsland (Wetterau) oder in der niedergermanischen Vulkaneifel eine landwirtschaftlich voll erschlossene Kulturlandschaft vor70. Erwartungsgemäß boten die im Fluss-System von Marcal und Raab bis heute erhaltenen Feuchtbiotope ideale Voraussetzungen zur Erhaltung der somit benötigten palynologischen Archive. Zur Erfassung der Vegetationsgeschichte des Gebietes entlang von Raab und Marcal mittels pollenanalytischer Untersuchungen wurde eine Vielzahl von Bohrungen niedergebracht. Beprobt wurden vor allem Altarmstrukturen und Feuchtgebiete unklarer Genese, die aufgrund der Position und Geomorphologie günstige Profile und eine gute Pollenerhaltung erwarten ließen. Die bereits erwähnte Auenlandschaft um Árpás und Mórichida wird durch eine Vielzahl alter Rinnenstrukturen charakterisiert, die saisonal noch immer unter Grundwassereinfluss stehen. Die Paläorinnen weisen

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Die Bearbeitung erfolgt durch Ferenc Kantor (Darmstadt) im Rahmen einer BA-Arbeit an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz (Betreuer: Dr. Thomas Schönfelder, RGZM Mainz; PD Dr. Félix Teichner, Universität Marburg). Aufgrund der bislang vorgestellten Ergebnisse ist verständlich, dass Willis u. a. 1995 Ungarn als eines der „missing links“ für das Verständnis der holozänen Vegetationsentwicklung Mitteleuropas bezeichneten. Wie der Forschungsstand belegt, ist hinsichtlich der spätglazialen und frühholozänen Florengeschichte in den letzten Jahren ein großer Schritt zur Schließung einer Forschungslücke unternommen worden. Bunnik u. a. 1995; Kreuz 2005; Schneider 2006; Stobbe 2000. Zólyomi 1953; Zólyomi 1980; Zólyomi 1987; Zólyomi 1995. Im Gegensatz dazu aber: Drescher-Schneider – Wick 2001 untersuchten im Raab- und Mur-Einzugsgebiet der Südoststeiermark Proben aus Moorablagerungen, die die Vegetationsgeschichte der letzten 6000 Jahre reflektieren. Hier zeigt sich im Profil Seibersdorf insbesondere in der mittleren und späten Eisenzeit eine Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung, die sich in der römischen Kaiserzeit nochmals verstärkt. Dörfler 2000; Dörfler u. a. 2000; Stobbe 2000; Stobbe – Kalis 2001; Schneider 2006. Stobbe 2000; Dörfler u. a. 2000.

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immer ähnliche Sequenzen mit Maximaltiefen von 2 m auf. Sie zeigen im oberen Meter feinklastische Sedimente, die nach palynologischer Einstufung dem mittleren und späten Holozän zuzuordnen sind71. Diese wurden zumeist über humosen oder torfigen Schichten abgelagert, deren Alter nach einem Vergleich der Pollenstratigraphien mit anderen Arbeiten aus dem ungarischen Raum im letzten Abschnitt des Spätglazials bzw. frühen Holozäns liegt72. Darunter finden sich teils schluffig-tonige, meist jedoch sandige Ablagerungen oder Kiese, die dem Hoch- und Spätglazial zuzuordnen sind. Wie aus der Kartierung (Abb. 2) zu erkennen ist, wurden inzwischen nicht nur in der bereits beschriebenen Paläorinne am Rande des römischen Mursella (Dombiföld 1), sondern auch in der Umgebung der neu identifizierten vor- und frühgeschichtlichen Siedlungsstellen für palynologische Untersuchung geeignete Archive durch Tiefenbohrungen beprobt. Als besonders ergiebig erwiesen sich dabei die Bohrungen in dem die Siedlungslage Bodonhely beAbb. 8: Geologische Grundsituation in Bodonhely stimmenden Altarm der Raab. Dort zeigen sich anhand des Bohrkerns BOHE 04/11. ebenfalls flache, breite Rinnen mit 2 m Profilmächtigkeit, saisonalem Grundwassereinfluss und gleicher Altersstellung wie in Árpás. Daneben gibt es aber auch Altarme mit deutlich tieferem Gerinnebett. Diese zeigen Profilmächtigkeiten von bis zu 5 m, wobei jeweils der obere Abschnitt wiederum vorwiegend mineralisch, der mittlere meist humos und der untere erneut durch fein bis grobklastische Sedimente charakterisiert ist (Abb. 8). Für eine erste zeitliche Einordnung des Bohrkerns BOHE 04/11 wurde eine Radiokarbondatierung an einem Getreidekorn in einer Tiefe von 169 cm vorgenommen. Die Messung ergab ein Alter von 5820 ± 40 konv. BP (4675 ± 115 cal. BC/6615 ± 115 cal. BP) und entspricht damit der neolithischen Besiedlungsphase73. Erste palynologische Untersuchungen an dem Profil zeigen, dass die stark humosen Sedimente wiederum der letzten Phase des Spätglazials bzw. dem frühen Holozän zuzuordnen sind74. Entsprechend sind die feinklastischen Sedimente des oberen Kernbereichs dem mittleren und jungen Holozän und damit der Phase anthropogener Nutzung zuzuordnen. Da es keine Unterbrechungen in der mineralischen Sedimentation gibt, ist davon auszugehen, dass das Einzugsgebiet durchgängig besiedelt war, sodass es infolge der Landnutzung permanent zum Bodenabtrag kam. Durch die inzwischen begonnene feinteilige Analyse der Bohrkerne werden konkretere Aussagen zum hier interessierenden Übergang von der vorrömischen Eisenzeit zur römischen Kaiserzeit angestrebt. (H. Schneider)

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Sümegi u. a. 2011; Medzihradszky 2001a; Medzihradszky 2001b; Medzihradszky 2005; Cserny – Nagy-Bodor 1999; Medzihradszky – Járai-Komlodi 1996. Visy u. a. 2003. Probennummer: Beta 319823. Vgl. Visy u. a. 2003.

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9RUOlXÀJHVLHGOXQJVJHVFKLFKWOLFKH(UJHEQLVVH Die für die Sicherung der römischen Donaugrenze wichtigen Diagonalverbindungen zwischen der Bernsteinstraße im Raum Savaria und der Donaugrenze zwischen Arrabona und Brigetio nutzten eine von alters her begangene Furt in der Ortslage Árpás-Dombiföldek, um das Fluss-System von Marcal und Raab zu queren. Die von Süden herangeführte Reichsstraße mied erwartungsgemäß die durch Überschwemmungen bedrohte Aue bzw. die Niedermoore. Sie suchte stattdessen die zwischen 115 und 117 m ü. NN liegenden sandigen Kuppen, auf denen sie zwangsläufig die dörflichen Ansiedlungen der einheimischen vorrömischen Bevölkerung querte (Abb. 2–3). Der strategisch wichtige Flussübergang wurde noch in der 1. Hälfte des 1. Jhs. durch eine Militärgarnison gesichert. Nach Abschluss der Okkupationsphase suchte die römische Provinzialverwaltung diese bereits bestehenden Strukturen aufzugreifen. Die nach der Auflassung der civitas Boiorum neu geschaffene Zivilstadt im Range eines Municipiums war als wichtiger Baustein zur administrativen Neuordnung der Kleinen Ungarischen Tiefebene geplant75. Das tatsächliche Siedlungsgeschehen spiegelt sich in dem Verteilungsdiagramm der Fundmünzen aus Mursella wider. Die Eigenheiten der urbanen Entwicklung an Marcal und Raab werden im Vergleich mit der Münzreihe des benachbarten, an der Bernsteinstraße gelegenen Scarbantia (Sopron/Ödenburg) respektive dem gesamtpannonischen Münzumlaufs augenfällig (Abb. 9)76: Der kurzzeitige Anstieg der Münzverluste in der Mitte des 1. Jhs. ist zweifellos Ausdruck einer unmittelbaren römischen Einflussnahme. Wie die geophysikalischen Prospektionen inzwischen gezeigt haben, dürfte es sich dabei um die Anlage eines Auxiliarkastells am Übergang über Marcal und Raab gehandelt haben. Mit der Stadtrechtsverleihung zu Beginn des 2. Jhs. gingen anderorts eine Zunahme der Bautätigkeit und ein Anstieg der Bevölkerungszahl sowie des Handelsaufkommens, respektive eine Intensivierung des Bargeldumlaufs, einher. Der dagegen in Mursella zu beobachtende Rückgang an Münzen der mittleren Kaiserzeit findet somit auch keine Entsprechung in anderen privilegierten Städten Pannoniens, beispielsweise dem benachbarten Scarbantia. Offenbar stagniert die Siedlungsentwicklung in Mursella unmittelbar nach Abzug der römischen Truppen. Bedenkt man, dass die Steinbebauung nach derzeitigem Forschungsstand nicht vor der 2. Hälfte des 3. Jhs. einsetzte77, dürfte sich Mursella im 2. Jh. weniger als Stadt mediterraner Prägung denn als einheimische Siedlung mit einfachen Holzbauten und Grubenhäusern präsentiert haben. Selbst die für einen römischen Straßenvicus übliche Ausrichtung auf die Straßenachse scheint nur für einen Teil der durch Gräbchen gegeneinander abgetrennten Wirtschaftseinheiten zugetroffen zu haben78. Diese „verzögerte“ urbane Entwicklung des neuen Oberzentrums der ehemaligen civitas Boiorum erklärt sich gewissermaßen durch das Befundbild in den dörflichen Siedlungsplätzen der „altansässigen Bevölkerung“ im Umland (Abb. 2). Dort lassen sich bislang keine mit römischen Raumordungsbestrebungen in Verbindung zu bringenden Veränderungen nachweisen. Die spätestens während der vorrömischen Metallzeiten entstandenen Ansiedlungen lebten kontinuierlich bis weit in die Kaiserzeit fort, ohne dass es zu einem erkennbaren Rückgang der Besiedlungsintensität, etwa durch den Umzug von Bevölkerungsgruppen in das neu geschaffene römische Oberzentrum, gekommen wäre. Eine entsprechende kontinuierliche Landnutzung belegen nunmehr auch die palynologischen Untersuchungen. Der gemeinhin mit der römischen Provinzwerdung in Zusammenhang gebrachte kulturelle Umbruch, respektive Veränderungen der Siedlungs- und Wirtschaftsverhältnisse, fiel somit im unmittelbaren Hinterland der Donaugrenze, in einer Stadt mit munizipalem Rechtsstatus an einer der wichtigen Reichsstraßen eher verhalten aus. Entsprechende starke Traditionsstränge vorrömischer Siedlungs- und Lebensweisen wurden bislang allenfalls in sogenannten Rückzugsräumen, d. h. in infrastrukturell weniger erschlossenen Gebieten

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Von einer ex novo-Gründung zu sprechen, wäre dabei sicher verfehlt, bedenkt man die Intensität der vorrömischen eisenzeitlichen Besiedlung im Weichbild des Municipiums (Abb. 2). – Vgl. Szőnyi 2002, 63; Szőnyi 2004, 96. Auf der Grundlage der Zusammenstellungen bei Redő 2003, 230 Abb. Tatsächlich erreicht die Münzreihe erst gegen Ende des 3. Jhs. bzw. in der Zeit der Tetrarchie die in anderen Städten der Provinz übliche Münzhäufigkeit. Bereits E. Szőnyi suchte hier mit Formulierungen wie „Gartenstadt“ oder „gartenstadtartig“ eine Erklärung: Szőnyi 2002, 247.

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Abb. 9: Darstellung der Häufigkeit der Fundmünzen aus dem Municipium Mursella (rot, Σ 209), aus Scarbantia (schwarz) und im gesamten pannonischen Raum (blau gestrichelt).

angenommen79. Zur Ausbildung „romanisierter“ Wohn- und Siedlungsformen kam es in Mursella – paradoxerweise – weniger in Folge des ordnenden Eingreifens der römischen Provinzialverwaltung während des 1. und 2. Jhs. denn durch die strukturellen Veränderungen, die eine Reaktion auf die zunehmende Bedrohung des Provinzgebietes durch die über die Donau drängenden Barbaren im Verlauf des 3. und 4. Jhs. darstellten.

Abbildungsnachweis Abb. 1: Andrea Lorenz (Marburg) nach Vorlage von Félix Teichner. Abb. 2: Félix Teichner, auf der Grundlage der Ungarischen Topographischen Karte. Abb. 3: Befliegung durch Félix Teichner im Mai 2011. Abb. 4: Janka Lakatos (Budapest), AO: János-Xántus-Museum, Győr. Abb. 5: Geomagnetik: Félix Kotzur (Frankfurt), Christoph Salzmann (Marburg), Florian Schimpf (Istanbul), Félix Teichner und Lena Vitt (Frankfurt), Umzeichnung Ferenc Kantor (Darmstadt). Abb. 6: Zeichnungen: Zuzana Berková (Prag) und Raphael Kahlenberg (Heidelberg), Zusammenstellung: Jelena Radosavljević (Heidelberg). AO: János-Xántus-Museum, Győr. Abb. 7: Ferenc Kantor (Darmstadt), AO: János-Xántus-Museum, Győr. Abb. 8: Heike Schneider (Jena). Abb. 9: Radka Urbanková (Brünn) nach Vorlage von Félix Teichner; Grundlage FMRU II 30–35 und Redő 2003, 230 Abb.

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Das Phänomen einer verzögerten urbanen Entwicklung lässt sich inzwischen auch deutlich für das römischen Hispanien aufzeigen: Teichner 2006; Teichner u. a. 2009; Teichner – Winkelmann 2012; Oberhofer – Teichner 2014.

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FÉLIX TEICHNER (MIT EINEM BEITRAG VON HEIKE SCHNEIDER)

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FÉLIX TEICHNER (MIT EINEM BEITRAG VON HEIKE SCHNEIDER)

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MICHAEL TSCHURTSCHENTHALER – MARTIN AUER

MUNICIPIUM CLAUDIUM AGUNTUM – DIE FRÜHEN BEFUNDE Das Municipium Claudium Aguntum im Südwesten der Provinz Noricum, ca. 3 km östlich des heutigen Lienz wird erstmals bei Plinius1 in Zusammenhang mit den Stadtrechtsverleihungen an fünf norische Städte in der Regierungszeit des Kaisers Claudius erwähnt. Der heute bekannte Baubefund geht zum Teil bereits auf die Zeit der Erhebung zum Municipium zurück. Neben den von Wilhelm Alzinger durchgeführten Grabungen der 60-iger und 70-iger Jahre des 20. Jhs.2 sind in diesem Zusammenhang vor allem die Grabungen des Instituts für Archäologien der Universität Innsbruck im Bereich des Atriumhauses (1994 bis 2006)3, der Stadtmauer (1994)4 und des Forums5 von Bedeutung. Schon bei einer ersten Betrachtung des Stadtplanes (Abb. 1) fallen die unregelmäßigen Straßenzüge und die daraus resultierenden unterschiedlichen Gebäudefluchten auf. Versucht man, bauliche Zusammenhänge anhand der Gebäudefluchten zu identifizieren, so zeigt sich, dass Therme, Forum und Teile des Handwerkerviertels dieselbe Ausrichtung aufweisen, während das Atriumhaus, Teile des südlichen Wohnbereichs und das Macellum von dieser deutlich abweichen. Die Stadtmauer selbst ist nicht rechtwinklig zu einer der Straßenachsen ausgerichtet, da diese möglicherweise bereits vor Errichtung der Mauer vorhanden waren und es so nicht zuließen, die Stadtmauer rechtwinklig zur Innenbebauung anzulegen. Die Mauer besteht aus einem 2,45 m breiten Schalenmauerwerk, das über einem 3,5 m breiten Sockel errichtet wurde. Die Mauerschalen sind aus großteils unbearbeiteten Bachsteinen gearbeitet, die Füllung zwischen diesen setzt sich aus Erdmaterial und Steinen zusammen. Diese Art der Konstruktion ist für römische Stadtmauern durchaus ungewöhnlich, da hier kein andernorts oftmals belegter Caementitium-Kern verwendet wird, sondern eine Konstruktionsweise mit Erdfüllung zum Zug kommt, die man sonst eher von hölzernen Umwehrungen kennt. Dies trifft insbesondere auf die, in einem regelmäßigen Abstand von 14,8 m eingefügten, beiden Mauerschalen verbindenden Zwischenmauern zu6. In ihrer ersten Phase weist die Stadtmauer nachweislich zwei Tore auf, die beide 3,5 m breit sind (Abb. 2), wobei der Einbau der heute sichtbaren Toranlage an der südlichen Straßenachse zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte. Ein weiteres Tor in der ursprünglichen Mauer ist auf der Höhe der nördlichen Straßenflucht anzunehmen. An diesem Punkt ergibt sich auch ein annähernd rechter Winkel zwischen Straße und Stadtmauer. Geophysikalische Messungen, die von Dr. Bleibinhaus durchgeführt wurden, bezeugen Mauerzüge in diesem Bereich, die allerdings keinen deutlichen Nachweis auf ein Tor geben7. Da genau über diesem Bereich eine landwirtschaftlich genutzte Straße führt, sind archäologische Untersuchungen an dieser Stelle derzeit nicht möglich. Folgt man dem nördlichen Straßenzug nach Westen, so gelangt man zur Thermenanlage nördlich und dem Forum südlich desselben. Beide Bauten sind parallel zueinander angelegt, besitzen aber keine zur Stadtmauer exakt parallelen Mauerzüge. 1 2

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Plinius, Nat. Hist. III, 146. Publikationen von W. Alzinger zu Grabungen in Aguntum: Alzinger u. a. 1965; Alzinger 1965; Alzinger 1967; Alzinger 1968; Alzinger 1969; Alzinger 1970; Alzinger 1971; Alzinger 1972; Alzinger 1974; Alzinger 1976; Alzinger – Karwiese 1966–67; Alzinger – Karwiese 1968–71 und Alzinger – Trummer 1987–88. Tschurtschenthaler 2000; Tschurtschenthaler 2001; Tschurtschenthaler 2002; Tschurtschenthaler 2003; Tschurtschenthaler 2004; Tschurtschenthaler 2005a; Tschurtschenthaler 2006; Tschurtschenthaler 2005b. Auer 2008. Tschurtschenthaler – Auer 2010; Tschurtschenthaler – Auer 2011; M. Tschurtschenthaler – M. Auer, KG Stribach, OG Dölsach, PB Lienz, FÖ 51, 2012 (2013), 341–345. Derartige Konstruktionen sind erwähnt bei Vitruv, De Architectura V, 3 wo allerdings Querverstrebungen aus Olivenholz empfohlen werden. M. Auer – F. Bleibinhaus – M. Tschurtschenthaler – M. Unterwurzacher, Municipium Claudium Aguntum – Georadar-Messungen in geologisch schwierigem Terrain, ÖJh 82, 2013, 7–21.

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MICHAEL TSCHURTSCHENTHALER – MARTIN AUER

Abb. 1: Gesamtplan des römischen Aguntum.

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MUNICIPIUM CLAUDIUM AGUNTUM – DIE FRÜHEN BEFUNDE

Abb. 2: Gesamtplan der Bauten des ersten Jahrhunderts in Aguntum.

Die Therme wurde bereits von Alzinger archäologisch erforscht8, die Keramik aus diesen Grabungen von Schoitsch in ihrer leider nie publizierten Dissertation bearbeitet9. Alzinger vermutete in den 1970-iger Jahren zuerst noch weitere Vorgängerbauten unterhalb der Therme, die bis in das späte 1. Jh. v. Chr. zurückreichen sollten10, revidiert diese Ansichten Ende der 1980-iger Jahre allerdings wieder und spricht davon, dass es „… nirgendwo möglich war, Konstruktionen, ja nicht einmal datierbare Schichten anzuschneiden, die in vorclaudische Zeit zu setzen sind … Die sogenannte „Villa Rustica“, die als der älteste Bau des Ortes galt, hat wahrscheinlich gar nicht existiert, denn diese frühesten Mauern waren bereits Konstruktionen des ersten Thermenkomplexes aus claudischer Zeit …“11. Die erste Phase der Therme besteht im Wesentlichen aus einem Apsidenraum mit Rundsockel, der in einer zweiten Phase mit Hypokaustpfeilern ausgestattet wird und wohl noch Nebenräume besaß (Abb. 3). In welchem Zusammenhang die Mauerzüge der vormals vermuteten „Villa Rustica“ mit der Therme stehen, muss offen bleiben. Der Apsidenraum mit Sockel dürfte 8 9 10 11

Siehe Anm. 2. Schoitsch 1976. Alzinger 1976. Alzinger – Trummer 1987–88, 10, 2. Absatz.

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Abb. 3: Phase I der Therme von Aguntum (farbig markiert).

entgegen älterer Ansichten als Caldarium gedient haben und weist bemerkenswerte Ähnlichkeiten zum Apsidenraum des sog. Repräsentationsbaus am Magdalensberg auf (Abb. 4). Es handelt sich hier um eine frühe Erscheinungsform von Caldarien, wie sie unter anderem in Kampanien12 gut belegt sind (Abb. 4). So weisen die Stabianer Thermen in Pompeji13 wie auch die Forumsthermen in Herculaneum14 sehr ähnliche Räume auf. Auffallend ist, dass die Räume nicht nur ähnliche Proportionen, nämlich ein annährendes Seitenverhältnis von 1:2 aufweisen, sondern auch ähnlich groß sind15. Die von Alzinger aufgeworfene Frage nach der Datierung des ersten Thermenbaus wird oft mit einem Hortfund von 15 keltischen Kleinsilbermünzen und einem As des Augustus als Schlussmünze im Bereich eines Abflusskanals der Therme in Zusammenhang gebracht16. Die genaue Fundlage dieses Hortes macht eine Lage innerhalb eines zur Therme gehörigen Kanals unwahrscheinlich. G. Dembski sieht diesen Hort als beim Bau der Therme teilweise gestört an17, womit dieser lediglich einen terminus post quem für die Errichtung der Therme liefert. Nach den aus der Arbeit von Schoitsch zu entnehmenden Informationen sind im Bereich der Therme tatsächlich keine republikanischen oder augusteischen Bauten zu erwarten. Die Keramik aus der ersten Phase der Therme deutet eher auf eine Anfangsdatierung in spättiberisch-frühclaudische Zeit. Konkret handelt es sich vor allem um Randstücke der Sigillata Formen Consp.18 28, 34, 36.3 und 37.4 sowie Feinkeramik der Formen Magdalensberg19 68, 84, 85, 102 und 11520. Zu erwähnen sind noch zwei Feinkeramikschälchen mit Rippendekor, die von Schoitsch ebenso der Therme I zugeordnet werden. Diese Form kommt am Magdalensberg nicht vor und dürfte erst in der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. massiert auftreten. In Verbindung mit dem sonstigen datierbaren Fundmaterial aus der 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Dazu Crova 1953. Eschebach 1979. Heinz 1983. Ähnlich gestaltete Caldarien finden sich unter anderem auch in Ostia, Glanum und Conimbriga. – Nielsen 1990. Alzinger – Karwiese 1966–67, 43. Dembski 1971. Die Formangaben „Consp.“ Beziehen sich im Folgenden immer auf Ettlinger u. a. 1990. Die Formbezeichnung „Magdalensberg“ bezieht sich im Folgenden immer auf Schindler-Kaudelka 1975. Entspricht im Fundkatalog bei Schoitsch 1976 den Fundnummern 2, 6, 20, 23, 26, 27, 43 (Sigillata) sowie 106, 113, 114, 118, 121, 124, 126, 130, 131, 134, 136–138, 157–159 (Feinkeramik).

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Abb. 4: Caldarien früher Thermen des ersten Jahrhunderts v. und n. Chr. in Kampanien und Norikum.

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Therme I ist eine Anlage des Gebäudes erst in der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. unwahrscheinlich zumal auch in der Fundzuweisung zu den Thermenphasen keine Unterscheidung zwischen Nutzungs- und Erbauungszeit getroffen wird. Somit spricht die von Schoitsch angeführte Keramik der Therme I für eine Errichtung in spättiberisch-frühclaudischer Zeit. 341

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Abb. 5: Baubestand des Forums von Aguntum (Stand 6/2012).

Abb. 6: Gesamtplan des „Atriumhauses“.

In seiner Ausrichtung entspricht das Forumsgebäude, dessen südliche und östliche Raumflucht in den letzten Jahren freigelegt werden konnte, der Therme. Es handelt sich hierbei um einen, aus mehreren ähnlich gestalteten Räumen bestehenden Bau, der die Fläche zwischen der nördlichen und südlichen Straßenachse einnimmt (Abb. 5). Die bislang freigelegten Räume im Süden gliedern sich in einen Eingangsbereich, mehrere aneinander anschließende Räume mit Nischenöfen, in deren Mitte sich ein vorkragender, nicht 342

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Abb. 7: Ältester Baubefund im Zentralbereich des „Atriumhauses“.

mit einem Ofen ausgestatteter Zentralraum (R 263 im Plan) befindet, sowie einem Nebeneingang, der zu einem Raum mit einem rechteckigen Einbau derzeit unklarer Funktion führt (R 268). Aus den Erbauungsschichten dieses Gebäudes konnten nur wenige Funde geborgen werden. Westlich des Forums in der Gasse zwischen Macellum und Forum (R 250) konnten an die Westmauer des Forums anlaufende Schichten festgestellt werden, in denen sich eine Schale der Form Consp. 29.1. mit Bodenstempel C.MER21, der bereits in der Therme einmal belegt ist22, sowie Feinkeramik-Schälchen der Formen Magdalensberg 68, 103 und 115 und eine kleine Distelfibel23 fanden. Neben diesen aus sich heraus datierbaren Fragmenten, stammen aus denselben Schichten handaufgebaute, teilweise nachgedrehte grautonige Gefäße, sowie ein für Aguntum und Südwestnoricum in seiner Form sehr ungewöhnlicher Topf mit Kerbverzierung und Bogenkammstrich24. Innerhalb des Forums konnten unterhalb der Fußböden eine Schale der Form Consp. 23, eine weitere Schale der Form Consp. 32.3.1, ein Feinkeramikschälchen der Form Magdalensberg 115k (Abb. 9,2) sowie wiederum handaufgebaute Gefäße mit Bogenkammstrich (Abb. 9,3) geborgen werden. Das Fundmaterial, das auch helltonige Gefäße und weitere lokal produzierte Keramik wie Auerbergtöpfe und Dreifußschüsseln umfasst, spricht auch hier für eine Datierung der Bauschichten in frühclaudische Zeit. Östlich des Forums nahe der Stadtmauer liegt mit dem Atriumhaus ein weiteres gut erforschtes Gebäude25 (Abb. 6). Schon die italische Bauform und die Umsetzung in ihrer der ersten Phase inklusive des für die 21 22 23 24 25

OCK1133. OCK = Oxé u. a. 2000. Schoitsch 1976, Fundnummer 43. In unmittelbarer Nähe Aguntums auch auf der Gurina: Jablonka 2001, Taf. 83,3. Allgemein: Ettlinger 1973, 80. Die besten Parallelen für dieses Gefäß finden sich im Trentino – zuletzt: Oberosler 2010, Nr.24. Die Aufarbeitung des Fundmaterials wird seit Ende 2008 im vom FWF geförderten Forschungsprojekt „Das Atriumhaus von Aguntum“ von den Autoren vorgenommen.

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Abb. 8: Mauerreste von Vorgängerbauten südlich des „Atriumhauses“, die durch einen von Letzterem nach Süden führenden Kanal gestört werden.

kühle Gebirgsregion wenig geeigneten Impluviums sprechen für eine relativ frühe Errichtung innerhalb der Stadtgeschichte. Leider ist hier die Befundsituation nicht so klar wie etwa im Forumsbereich, da die entsprechenden Strukturen zu großen Teilen bereits um die Mitte des 20. Jhs. freigelegt wurden26 und insbesondere die Sigillata aus diesen „Altgrabungen“ aus dem Depot in Aguntum verschollen ist27. Nachgrabungen des Innsbrucker Instituts für Archäologien im Zentraltrakt haben es ermöglicht, die erste Bauphase desselben zu rekonstruieren (Abb. 7). Leider konnten im Zentralbereich nur mehr wenige ungestörte Befunde vorgefunden werden, sodass das Fundmaterial aus den frühesten Schichten spärlich ist. Hervor26 27

Miltner 1953; Milter 1955; Alzinger 1959. Diese wurde in den 1980-iger Jahren „zur Bearbeitung entnommen“. Leider geht aus den spärlichen Hinweisen im Depot nicht hervor von wem die Keramik wohin gebracht wurde und wann genau dies geschah.

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Abb. 9: Auswahl des frühesten Fundmaterials aus Aguntum (1–4 Keramik, 5 Bronze).

zuheben sind mehrere Fragmente von Sariusschalen (Abb. 9,4) sowie vorwiegend italische Feinkeramik, darunter auch ein mit einer Wandstärke von einem Millimeter extrem dünnwandiger Schälchenboden. Des Weiteren stammen aus den ältesten Schichten des Zentralbereiches lokale Produkte wie Dreifußschalen und Auerbergtöpfe. Im Zuge der Grabungen seit 199428 konnten an der Westmauer des Zentralbereiches an diese anlaufende Schichten angetroffen werden, die neben Fragmenten von Sariusschalen auch eine Schale der Form Consp. 43.1 enthielten. Somit kann eine Datierung dieser Befunde, die einen terminus ante quem für den Bau der Westmauer des Zentraltraktes ergeben, trotz des Vorhandenseins der Fragmente von Sariusschalen frühestens um die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. erfolgen. Der unmittelbare Bereich des Peristyls enthielt nur wenig früh zu datierendes Fundmaterial. Von Interesse ist hier der Befund unterhalb des Peristyl-Bodens, in dem neben lokaler und helltoniger Ware ein Backplatten-Deckel sowie ein Fragment eines Tellers der Form Consp. 21 geborgen wurden. Südlich des Atriumhauses konnten ebenso einige ältere Schichten festgestellt werden, die mit Strukturen in Zusammenhang gebracht werden können, die eine abweichende Orientierung zum Atriumhaus aufweisen (Abb. 8). Aus diesem Bereich stammen nicht näher bestimmbare Wandstücke arretinischer Sigillata, ein Fragment einer Schale der Form Consp. 23.2 sowie italische Feinkeramik. Daneben wurden auch hier die üblichen lokalen Produkte des ersten Jahrhunderts – Auerbergtöpfe und große Dreifußschüsseln – geborgen. Das Material aus den ältesten Schichten des Atriumhauses bezeugt in diesem Bereich erste Aktivitäten in claudischer Zeit. Die vereinzelt anzutreffenden noch früher zu datierenden Funde, vor allem die Fragmente von Sariusschalen (Abb. 9,4), aber auch ein Wandstück eines Acobechers, wie ein Wand- und ein Randstück schwarzer Sigillata (Abb. 9,1) können nicht in direkten Zusammenhang mit baulichen Strukturen gebracht werden, da diese Funde immer mit jüngerem Material vergesellschaftet sind. Ein weiterer Bereich, der für die Frühphase Aguntums eine wichtige Rolle spielt, ist jener zwischen dem Osttrakt des Atriumhauses und der Stadtmauer. Hier konnten einerseits unterhalb des im 2. Jh. n. Chr. erbauten Osttraktes des Atriumhauses Schichten angeschnitten werden, die neben grautoniger Ware auch Gefäße der Formen Consp. 20.4 und Consp. 34.1 enthalten, andererseits wurde in einer direkt an der 28

Siehe Anm. 3.

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Stadtmauer liegenden Abfallgrube viel Fundmaterial geborgen, darunter sind an datierbaren Stücken vor allem Feinkeramik der Form Magdalensberg 115, eine Platte der Form Consp. 3.3.1. sowie einige Amphoren der Typen Porto Recanati (= Collo ad imbuto), Dressel 6 B und Camolodunum 189 zu nennen. Damit zählt diese Abfallgrube nicht zu den ältesten Befunden Aguntums, allerdings ist zu betonen, dass der Befund erst nach dem Stadtmauerbau entstanden sein kann und Material enthält, das im Wesentlichen dem 1. Jh. n. Chr. zuzurechnen ist. Somit ergibt sich auch für die Stadtmauer eine Datierung noch vor 100 n. Chr. Dazu passt auch der Befund von zwei östlich der Stadtmauer gelegenen Gebäude, die im späten 1. Jh. n. Chr. errichtet wurden und noch gegen Ende des zweiten Jahrhunderts wieder aufgegeben worden sind29. Diese Gebäude können aufgrund ihrer parallelen Lage zur Stadtmauer erst nach Errichtung derselben erbaut worden sein, da andernfalls eine Orientierung am vor-stadtmauerzeitlichen Atriumhaus anzunehmen wäre. Blickt man nun auf den Gesamtplan, kann für die Frühphase Aguntums folgendes Bild gezeichnet werden (Abb. 2): In unmittelbarem Zusammenhang mit der Erhebung der Stadt zum Municipium unter Kaiser Claudius, eventuell schon kurz zuvor, wird der Ausbau des städtischen Zentrums in Angriff genommen. Die Therme in ihrer ersten Phase sowie das Forum entstehen. Unmittelbar danach wurde das Atriumhaus in seiner ursprünglichen, mediterranen, nicht beheizbaren Form errichtet. In weiterer Folge wird die Stadtmauer angelegt, was allein aus rechtlichen Aspekten erst nach der Erhebung Aguntums zum Municipium möglich gewesen sein wird30. Vor allem die öffentlichen Bauten verleihen dem nunmehrigen Municipium eine entsprechend repräsentative Ausstattung. Zu einer solchen gehört sehr wahrscheinlich auch eine entsprechende Toranlage in der Stadtmauer der ersten Phase, die wohl an der Stelle zu suchen sein dürfte, wo die nördliche Straßenachse und die Stadtmauer sich kreuzen. Neben der noch ungeklärten „Eingangssituation“ der Frühphase bleiben natürlich noch eine Reihe weiterer Fragen offen. Zwar kann der Baubeginn für die einfacheren Wohnviertel derzeit nicht näher eingegrenzt werden, aber im öffentlichen Bereich setzt ab der Erhebung zum Municipium eine rege Bautätigkeit ein. Es stellt sich dabei die Frage, weshalb gerade dieser Platz für den Bau der Stadt gewählt wurde. In Analogie zu den anderen vier bei Plinius genannten Municipia könnte man annehmen, dass im unmittelbaren Umfeld eine ältere Siedlung gelegen hat. Diese befindet sich in den norischen Municipia zumeist direkt am Standort der späteren römischen Stadt31, lediglich Virunum bildet hier zusammen mit dem Magdalensberg eine Ausnahme32, was auch mit der Sonderstellung der neuen Provinzhauptstadt zu erklären sein dürfte. Die Anpassung des römischen Aguntum an eine nicht wirklich optimale Topografie, die sich schon an der Unregelmäßigkeit der Straßenzüge ablesen lässt und massive Terrassierungsarbeiten innerhalb des Stadtgebietes nötig machte33, lässt es möglich erscheinen, dass auch hier ein bereits in vorclaudischer Zeit vorhandener Siedlungsplatz weiterverwendet wurde. Bislang sind für diese These allerdings nur spärliche archäologische Indizien vorhanden, Funde wie die genannten Sariusschalen (Abb. 9,4) , ein Wandstück eines Acobechers sowie schwarze Sigillata (Abb. 9,1) stammen ebenso wie eine Alesiafibel (Abb. 9,5) aus zum Teil deutlich späteren Schichten, letztere überdies aus einer spätantiken Versturzschicht innerhalb des Macellums. Ebensowenig datiert der bereits genannte Münzhort augusteischer Zeit die Baubefunde der Therme. Abgesehen von diesem Hortfund konnten im gesamten Stadtgebiet bislang nur wenige vorclaudische Münzen geborgen werden34. Die aktuellste Grabung im nördlichen Stadtbereich wurde an Haus I35 durchgeführt. Da sich auch hier keine vorclaudischen Befunde abzeichneten, bleibt eine mögliche Kontinuität des Siedlungsplatzes beim derzeitigen Forschungsstand hypothetisch. Mit der in den nächsten Jahren geplanten Fortsetzung der Grabungen im städtischen Zentrum Aguntums lassen sich jedoch neue Erkenntnisse zur Stadtwerdung Aguntums erhoffen.

29 30 31 32 33

34 35

Auer 2008. Auer 2006. Glaser 2002; Kovacsovics 2002; Lazar 2002. Piccottini 2002. Besonders deutlich waren diese bei den Grabungen 2011 im südlichen Forumsbereich zu beobachten (Tschurtschenthaler – Auer 2010; Tschurtschenthaler – Auer 2011). Defranceschi 2008. Klimesch 1995 – das Fundmaterial setzt in der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. ein.

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MUNICIPIUM CLAUDIUM AGUNTUM – DIE FRÜHEN BEFUNDE

Tschurtschenthaler 2004 M. Tschurtschenthaler, KG Stribach, FÖ 42, 2004, 751–755. Tschurtschenthaler 2005a M. Tschurtschenthaler, KG Stribach, FÖ 43, 2005, 946–948. Tschurtschenthaler 2005b M. Tschurtschenthaler, Municipium Claudium Aguntum. Römischer Wohnluxus in den Alpen, in: L. dal Ri – St. di Stefano (Hrsg.), Littamum. Una mansui nel Noricum. Eine Mansio in Noricum, BARIntSer 1462, 2005, 106–126. Tschurtschenthaler 2006 M. Tschurtschenthaler, KG Stribach, FÖ 44, 2006, 567–571. Tschurtschenthaler – Auer 2010 M. Tschurtschenthaler – M. Auer, KG Stribach, FÖ 49, 2010, 428–432. Tschurtschenthaler – Auer 2011 M. Tschurtschenthaler – M. Auer, KG Stribach, FÖ 49, 2010, 428–432; Tschurtschenthaler – Auer 2012 M. Tschurtschenthaler – M. Auer, KG Stribach, FÖ 50, 2011, 424–427.

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WOLFGANG VETTERS

DAS GOLDVORKOMMEN DER NORISCHEN TAURISKER – ERGEBNIS DER GEOLOGISCHEN NEUINTERPRETATION DES ANTIKEN TEXTES DURCH KOMBINATION DIVERSER ARCHIVALIEN Einleitung Wie bereits in den früheren Publikationen1 ausführlich diskutiert wurde, ist die Frage nach dem Goldvorkommen der „Norischen Taurisker“ – so wie es von Polybios/Strabo überliefert ist – von „besonderer Bedeutung für die Siedlungsgeschichte des keltischen Stammes der Norischen Taurisker“.2 Zahlreiche Althistoriker, Archäologen und Historiker haben sich mit diesem Thema auseinander gesetzt, scheiterten trotz zahlreicher guter Ideen jedoch an der „Geologie des Goldvorkommens“.3

Abb. 1: Schematische Übersicht der Kombination verschiedener archivalischer Quellen und deren geologische Interpretation.

1 2 3

Vetters 2010a; Vetters 2010b; Vetters 2011; Vetters 2012. Dobesch 1980. U. a. Dobesch 1980; Eibner 1985; Grassl 2001; Harl 2011; Šašel Kos 1998; Wießner 1950.

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WOLFGANG VETTERS

Abb. 2: Historische Karte Salzburgs mit dem mutmaßlichen Siedlungsgebiet der Taurisker. (Klauber, S. F.: Karte des Fürsterzbistum Salzburg mit seinen alten Grenzen, Augsburg 1788).

Andererseits war bei den Geowissenschaftern, die sich mit der Geologie der Saualpe und des neuzeitlichen Goldreviers Kliening befassten, offenbar keine Kenntnis des antiken Textes vorhanden und so kam es zur Parallelität der beiden Wissenschaften.4 Bedingt durch die Anfrage des Wiener Archäologen O. Harl an den Autor „was es mit diesem sagenhaften Goldvorkommen auf sich habe; wie realistisch eine Interpretation möglich sei; oder ob es sich um eine Phantasmagorie der antiken Autoren handeln könnte“, führte dazu, dass eine eingehende kombinierte Recherche in beiden Disziplinen seitens des Autors eine geologisch begründete Klärung des antiken Textes erbrachte. Zunächst wurde der antike Text aus geologischer Sicht analytisch neu gelesen, wobei primär die deutsche Übersetzung des Montanarchäologen C. Eibner verwendet wurde, sekundär auch eine englische Ausgabe, die bei Šašel Kos publiziert ist und eine lateinische, die bei Wießner aufscheint.5 Der Text übersetzt von C. Eibner: „Überdies sagt Polybios, dass zu seiner Zeit im Hinblick auf Aquileia besonders bei den norischen Tauriskern ein Goldbergwerk entdeckt worden sei, so ergiebig, dass nach dem Abheben von 2 Fuß Oberflächenerde sofort grabbares Gold gefunden wird und dass die Schächte nicht mehr als 15 Fuß hinabreichen, dass aber das Gold von sich aus so rein sei, dass es entweder die Größe einer Feig- oder Wolfsbohne besitze und nur ein Achtel weggekocht würde, und obschon man beim Rest mehrere Güsse besorgen müsse, wäre auch er gewinnbringend. Nachdem die Italiker mit den Barbaren durch 2 Monate miteinander den Betrieb geführt hätten, wurde plötzlich das Gold in ganz Italien um ein Drittel billiger. Als das die Taurisker bemerkten, warfen sie die Mitarbeitenden hinaus und verkauften es allein. 4 5

Beck-Mannagetta 1950/51; Belocky 1992; Friedrich 1958; Pohl – Belocky 1994; Sterk 1955; Weissenbach 1978; Pichler 2003. Šašel Kos 1998; Eibner 1985; Wießner 1950, 31.

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DAS GOLDVORKOMMEN DER NORISCHEN TAURISKER

Abb. 3: Das Siedlungsgebiet der Taurisci und Norici und deren Nachbarn. (Šašel-Kos. M., 1998).

Nun sind alle Goldbergwerke unter römischer Kontrolle. Und ebenso wie in Spanien ergeben die Flüsse Goldsand, aber nicht so viel wie dort, zum Berggold hinzu.“ Die Lokalisierung des Siedlungsgebietes der „Norischen Taurisker“ war lange Zeit ein Problem der historischen Wissenschaften und wurde mit der Goldlagerstätte auf das engste verknüpft, doch kann das hier nicht weiter diskutiert werden.6 Es wurde im Zuge der Recherchen jedoch eine bemerkenswerte topographische Zuordnung in einer Karte des Erzbistum Salzburg von 1788 gefunden, die mit dem geologischen Ergebnis eine auffallende Übereinstimmung aufweist. Aus dem antiken Text ergab sich zunächst die wichtigste, neue geologische Erkenntnis, dass eine Goldlagerstätte vom Typus „Nuggetdeposit“ beschrieben ist. Waren bis dahin immer die Überlegungen in Richtung „Waschgold, Goldseifen“ oder auch „Goldbergbau in den Hohen Tauern“ orientiert gewesen, so konnte nun erstmals eine neue Richtung, das Goldvorkommen betreffend, eingeschlagen werden. W. L. Pohl hat ausführlich die neuesten Erkenntnisse zur Genese von Goldnuggets publiziert, wodurch eine erste Eingrenzung potentieller Vorkommen möglich wurde.7 Strabon hat den Passus des Polybios direkt, jedoch isoliert, übernommen, und in seine Beschreibung des Imperium Romanum zur Zeit des Kaisers Augustus eingefügt. Da sowohl Teile der Reisebeschreibung als auch das Goldvorkommen gemeinsam mit anderen Details wie z. B. Entfernungsangaben nachvollziehbar sind, muss also der Text als absolut realistisch betrachtet werden.8 Sowohl der Goldbergbau Hohe Tauern, als auch Goldseifen konnten ausgeklammert werden, da der realistische, antike Text des Polybios eindeutig von Goldkörnern in Linsen- bis Bohnengröße berichtet. Der letzte Satz mit dem Hinweis auf „Goldsand“ stammt von Strabo und hebt den Gegensatz zu den Goldkörnern hervor und nimmt Bezug auf die Zeit von Kaiser Augustus.

Zur Genese der Goldnuggets Wie bei Pohl ausführlich beschrieben ist, werden Nuggets durch organogene Prozesse bei feucht-warmen Klimaten in Böden durch Humussäuren, Cyanide, Bakterien, Pilze usw. als „Konkretionen“ gebildet. 6 7 8

Dobesch 1980; Eibner 1985. Pohl 2011. Harl 2011.

353

WOLFGANG VETTERS

Abb. 4: Kärnten zur Zeit des Höchststandes des Würmgletschers. Das tertiäre Braunkohlerevier des Lavanttales ist nur schematisch eingetragen (n. van Husen 1987 ergänzt).

Primäre Goldvorkommen – z. B. Berggold bzw. Freigold in Goldquarzgängen – werden durch die diversen Säuren und Mikroorganismen in tropischen oder subtropischen Bodenbildungen angegriffen und dabei das gediegene Gold (Freigold) ausgelaugt, denn Cyanide sind in tropischen Böden immer vorhanden, aber auch Pilze oder Bakterien spielen dabei eine entscheidende Rolle. Mit der migrierenden Bodenfeuchte wird Gold als Goldthiosulfat (Au(S2O)23-) verfrachtet und bei entsprechender Temperatur- oder Milieuänderung (pH/Eh) an Kondensationskernen ausgefällt. Diese können mechanisch frei gesetzte Goldflitter aber auch Körner sulfidischer Erzminerale im Boden sein. Diese ausgefällten Goldkörner sind auch durch den höheren Reinheitsgrad – verglichen mit Berggold (z. B. Elektrum mit 30% Silber) – so wie es bei Polybios steht [… dass nur 1/8 weggekocht würde …] – auffallend. Feucht-warmes Klima herrschte in den Alpen zuletzt während des Tertiärs, wobei dieses im Alttertiär (Paläogen) feucht-tropisch, im Jungtertiär (Neogen) vorwiegend feucht-subtropisch war, wie dies zahlreiche Vorkommen von tertiären Braunkohlen beweisen. Eine weitere Eingrenzung ergibt sich dadurch, dass potentielle Vorkommen von Nuggetlagerstätten im Periglazial, also in niemals vergletscherten Bereichen zu suchen sind, denn die Glazialerosion hätte tertiäre Böden wie alle Lockermaterialien entfernt.9 Nicht zuletzt kann eine Nuggetbildung, als sekundäres Goldvorkommen, nur in unmittelbarer Nähe zu einem ausreichend großen, primären Berggoldvorkommen stattfinden. Von diesen Parametern ausgehend ergab sich die zwingende und geologische Konsequenz im östlichen bzw. südöstlichen Bereich des Periglazials der Ostalpen eine primäre, ausreichend große Goldlagerstätte zu suchen und diese wurde auch im neuzeitlichen Bergbaurevier Kliening bei Bad St. Leonhard im Lavanttal gefunden.

Das Goldbergbaurevier Kliening Wießner hat in seiner Monographie über die Edelmetallbergbaue Kärntens auch die archivalischen Quellen jenes neuzeitlichen Bergbaus in Kliening, der vom 14. bis in das frühe 18. Jh. bestand, ausführlich bearbeitet und zumeist bezüglich der Wirtschaftlichkeit interpretiert.10 Die Montanbehörde Süd (Leoben) 9 10

Van Husen 1987. Wießner 1950.

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DAS GOLDVORKOMMEN DER NORISCHEN TAURISKER

ist im Besitz zweier kolorierter Originalkarten, eine von ca. 1580, die andere von ca. 1670, die das weitläufige Bergbaurevier zeigen. Aufbauend auf diesen Komplex von archivalischen Unterlagen – schriftliche Dokumente im Kärntner Landesarchiv und in Leoben – hat der Montanist G. Sterk das Grubengebäude von Kliening zweidimensional als Revierkarte mit den Gold führenden Gängen, den Stollen und Halden rekonstruiert.11 So ergibt sich folgendes Bild: Im Bereich von rund 300 m Horizontaldistanz streicht ein Gangschwarm von neun (sic!) Quarzklüften mit Gold führenden Arsenopyriten und etwas Freigold von Nordwesten nach Südosten und in diesen Gängen war der neuzeitliche Bergbau umgängig. Etwas früher wurde 1950 bei geologischen Kartierungsarbeiten für die ÖGK 50 von P. Beck-Mannagetta eine „merkwürdige Terrassenbildung“ im Bereich von Wiesenau, südlich von Bad St. Leonhard, entdeckt und beschrieben.12 Kurz danach entpuppten sich diese „Terrassen“ als Relikte einer alten römischen Goldwäscherei, die von O. M. Friedrich montanistisch aufgenommen und von H. Dolenz archäologisch dokumentiert wurde, da sich diese Abb. 5: Ausschnitt der Akte vom 15. August 1573: Melchior Ortner: „… es ist ein goldiger sandstein Goldwaschanlage in einem römischen Friedhof (ca. gefunden worden, von dem ein prob nach Augsburg 1.–3. Jh. n. Chr.) befindet, womit ein Nachweis von geschickt.“ … und weiter heißt es: „… aus 20 Zentner ehemaligem Freigold in den neun Goldquarzgän1 Mark 1 Lot 1 Quintel gewonnen …“ (= 269,5 g/T); gen gegeben ist.13 Entscheidend für die geologische Wießner 1950, S 246 (Bild: Kärntner Landesarchiv). Interpretation des „Tauriskergoldes“ fanden sich in den Aufzeichnungen vom 15. August 1573 von Bergverwalter Michael Orthner, in denen es heißt: „…es ist ein goldiger sandstein gefunden worden, von dem ein prob nach Augsburg geschickt.“… Später wird die Lokalität mit „Nesselgraben“ präzisiert.14 Da sonst immer von den Erz- bzw. Quarzklüften mit ihrem Goldgehalt berichtet wird, ist es zwingend, dass damals die petrographische Differenzierung zum „goldhältigen Sandstein“ als realistisch anzusehen ist. Außerdem wird von einem Goldgehalt des Sandsteins in der sensationellen Größenordnung von ca. 270 Gramm/Tonne („1 Mark, 1 Lot, 1 Quintel“) berichtet. Es blieb jedoch bei diesem Einzelfund.

Topographische Probleme In den modernen topographischen Karten des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen ist kein Toponym „Nesselgraben“ nahe von Kliening zu finden. Hingegen ist in der historischen Aufnahme von 1897, Bl. 5253/2 das Gehöft „Nesselbauer“ vermerkt, das auch noch in der provisorischen Ausgabe der ÖK 50, Bl. 187 von 1946 eingetragen wurde. Das seit ca. 1950 aufgegebene und verfallene Gehöft liegt auf einem flachen Rücken in ca. 1000 m NN, der im Norden vom „Heritzergraben“ und im Süden von einem

11 12 13 14

Sterk 1955. Beck-Mannagetta 1950/51. Beck-Mannagetta 1950/51; Friedrich 1958; Dolenz 1959. Wießner 1950.

355

WOLFGANG VETTERS

unbenannten Graben begrenzt wird. Die nahe liegende Schlussfolgerung (mündliche Bestätigung durch die Bewohner des Nachbarhofes „Schaffer“ = K. 1025) war letzteren als „Nesselgraben“ zu identifizieren. Dieser beginnt extrem steilwandig und eng – quasi als Schlucht – beim Gehöft „Schaffer“ und dort wurden auch spärliche Haldenreste von Sterk schon erkannt. Bei Begehungen am 24. und 25. 8. 2011 wurde diese 1573 beschriebene Lokalität besucht und geologisch überprüft mit folgendem Ergebnis.

Geologie der Lokalität „Schaffer, K. 1025“ (ehemals Nesselbauer bzw. Nesselgraben)

Abb. 6: Ausschnitt der alten topographischen Karte von 1897, Bl. 5253/2, 1 : 25 000 (Bild GBA). Fundpunkt des „goldigen Sandsteins“ vom 15. 8. 1573 im „Nesselgraben“. Die markierte Lokalität „Nesselbauer“ ist ein seit den 1950er Jahren verfallener Bauernhof und namensgebend für den „Nesselgraben“ (lt. Auskunft beim Gehöft Schaffer).

Der flache Rücken mit K. 1025, „Schaffer“, stellt, gemeinsam mit den in fast gleicher Höhe liegenden Verebnungen von „Schoberegg“, K. 964, bis zu gleichartigen Verebnungen südöstlich von Schaffer K. 1025, bzw. Nesselbauer (verf.), eine tektonisch isolierte Schuppe mit Resten der Rumpfflächen aus dem Tertiär dar, wobei in diesen Rumpfflächen Pegmatoide aufragen.15 Diese Ganggesteinsvorkommen sind tiefgründig verwittert, desilifiziert und somit grusig zerfallend, wie es für tropische Verwitterung typisch ist. Die umgebenden Schiefergneise bilden die Verebnung mit tiefgründigen Bodenbildungen. Parallel zum Verlauf des Lavanttaler Grabenbruchs streicht am Westrand dieser Verebnungen von Nordwest nach Südost eine Störung, die durch einen deutlichen Geländeknick des Saualpen-Osthangs zur Verebnung markiert ist und verläuft vom Mischlinggraben im Nordwesten bis zur Klieningstörung im Südosten. Damit ist diese isolierte „Schobereggschuppe“ mit den konservierten Rumpfflächen im Westen und durch den Lavanttaler Graben im Osten begrenzt.

Kombination von historischen und geologischen Quellen Es wurde anschließend an die Begehungen die graphische Kombination beider Quellen (top. Karte und darüber im gleichen Maßstab die Grubenkarte von Sterk) vorgenommen, um die Hypothese mit realistischen Unterlagen zu überprüfen: Abb. 7: Blick vom Klippitztörl (Schwarzbauerkogel) in das Klieningtal und auf die tertiären Rumpfflächen der Lokalitäten „Schoberegg“, K. 964 (links) und „Schaffer“, K. 1025 (rechts).

15

356

Laut geologischer Karte, Weißenbach 1978.

DAS GOLDVORKOMMEN DER NORISCHEN TAURISKER

Abb. 8: Die Rumpfflächen des Tertiärs (gelb) auf der Schobereggschuppe nordöstlich von Kliening.

Das Lavanttaler Kohlerevier beweist die klimatischen Bedingungen für die Nuggetbildung über dem primären Berggoldvorkommen mit neun (sic!) Goldgängen auf ca. 300 m Horizontaldistanz. Diese bemerkenswerte Situation veranlasste im Spätmittelalter bzw. Neuzeit einen ausgedehnten Grubenbau. Damit ist auch der primäre Goldlieferant für die Nuggetbildung gesichert. Das seicht liegende Nuggetdeposit war in ca. 5 m tiefem Bodensubstrat und konnte durch reine Grabarbeit leicht ausgebeutet werden. Auf den alten Grubenkarten von 1580 bzw. 1670, sowie aus den schriftlichen Archivalien der Betreiber Bistum Bamberg und später die Fugger, geht die Größenordnung des Grubenreviers eindeutig hervor. Neben den technischen Problemen der Wassergewältigung wird auch ausführlich die wirtschaftliche Problematik angeführt, wobei die geringe Rentabilität durch die frühere Auslaugung des Freigoldes geklärt ist. Besonders bedeutsam für die Geologie des Tauriskergoldes ist die Beschreibung eines „goldhältigen Sandsteins im Nesselgraben“, der immerhin fast 270 g Gold/Tonne geliefert hat und das entspricht durchaus dem Wert einer sehr guten Bonanza.

357

Abb. 9: Die Pegmatoide bei „Schaffer“ und „Schoberegg“ mit den hypothetischen, rein linear verlängerten „St. Johanner“ und „Silberglänzer Klüften“ des neuzeitlichen Bergbaus (nach G. Sterk 1955, Grafik: A. Biedermann jr., Wien).

WOLFGANG VETTERS

Grafik: Mag. W. Gruber

Abb. 10: Goldrevier Kliening. Schematisches geologisches Profil, das im Norden etwa bei K. 1025, „Schaffer“ beginnt und im Ort Kliening aus der N-S Richtung in etwa südöstliche Richtung umbiegt, um auch den römischen Goldwaschplatz von Wiesenau darzustellen. Die Mächtigkeiten sind aufgrund des Maßstabes überhöht ebenso ist die Metrierung nur schematisch dargestellt.

Geologische Beweisführung Polybios/Strabon beschreiben das reale Goldvorkommen von Nuggets, das als Ergebnis einer tertiärzeitlichen, feuchtwarmen (tropisch-subtropisch) Klimaperiode vorliegt. Das reiche, jedoch kleinräumige Goldvorkommen (Bonanza) konnte rasch und mit wenig Aufwand mit einigen Hundert Kilogramm Gold in hohem Reinheitsgrad ausgebeutet werden. Der spontane Verkauf der Ausbeute führte zum erwähnten Preisverfall in Rom. Wird die von Sterk rekonstruierte Grubenkarte für die Interpretation des Tauriskergoldes herangezogen und werden z. B. die bekannten Goldgänge „St. Johann-“ und „Silberglänzerkluft“ im Streichen verlängert, so trifft man ziemlich genau auf die beiden Pegmatoide der Lokalitäten K. 1025, „Schaffer“ – hier mit den Resten der Halden des „goldhältigen Sandsteins“ von 1573 – und K. 964, „Schoberegg“. Diese Vorkommen der Pegmatoide waren die Zentren für die Genese der Bonanza der Taurisker, wobei das Vorkommen bei „Schaffer“, K. 1025 offensichtlich von den Tauriskern nicht restlos ausgebeutet worden war, denn 1573 fand sich noch ein kleiner Rest in Form des „goldigen Sandsteins“. In dem kleinen Wäldchen, das ca. 300 m südöstlich des Gehöfts „Schaffer“ rund um den Pegmatitfelsen liegt, ist die beste Voraussetzung für den „Goldbergbau der Norischen Taurisker“ gegeben. Den endgültigen Beweis kann nur eine archäologische Prospektion mit einem Fund von tauriscischem Werkzeug erbringen.

358

DAS GOLDVORKOMMEN DER NORISCHEN TAURISKER

Weiterführende Literatur R. König – G. Winkler (Hrsg.), C. Plinius Secundus, Naturalis historiae libri XXXVII, Lateinisch-Deutsch(München 1984). G. Piccottini, Gold und Kristall am Magdalensberg, Germania 72, 2, 1994, 467–477. G. Piccottini, Keltisches Gold für Rom, AnzWien 136, 2001, 41–67. F. Thiedig – N. Weißenbach, Die junge Bruchtektonik im Bereich der Saualpe. in: A. Pilger – R. Schönenberg – N. Weißenbach (Hrsg.), Geologie der Saualpe. Clausthaler Geologische Abhandlungen Sonderband 1 (Clausthal-Zellerfeld 1975). L. Weber (Hrsg.), Handbuch der Lagerstätten der Erze, Industrieminerale und Energierohstoffe Österreichs, Archiv für Lagerstättenforschung 19 (Wien 1997).

Abgekürzt zitierte Literatur Beck-Mannagetta 1950/51 P. Beck-Mannagetta, Aufnahmen im Tertiär des unteren Lavanttales (Bericht 1950), Verhandlungen der Geologischen Bundesanstalt 1950–51, 2, 58–62. Belocky 1992 R. Belocky, Regional vergleichende Untersuchung lagerstättenbildender Fluide in den Ostalpen als Hinweis auf mögliche metamorphe Ableitung, Braunschweiger geologisch-paläontologische Dissertationen 14 (Braunschweig 1992). Dobesch 1980 G. Dobesch, Die Kelten in Österreich nach den ältesten Berichten der Antike (Wien 1980). Dolenz 1959 H. Dolenz, Fund römerzeitlicher Grabmonumente in Wiesenau im Lavanttal, Carinthia 149, 1959, 432–462. Eibner 1985 C. Eibner, Keltisches Gold aus den Alpen, in: Lebendige Altertumswissenschaft. Festgabe zur Vollendung des 70. Lebensjahres von Hermann Vetters (Holzhausen 1985). Friedrich 1958 O. M. Friedrich, Das Gebiet der alten Goldwäscherei am Klieningbach bei Wiesenau, Kärnten, in: Studia palaeometallurgica in honorem Ernesti Preuschen, ArchA Beih. 3 (Wien 1958) 108–116. Grassl 2001 H. Grassl, Die Taurisker. Ein antikes Ethnikon und seine Geschichte, in: H. Taeubner (Hrsg.), Akten des 7. Österreichischen Althistorikertages (Wien 2001) 19–25. Harl 2011 O. Harl, Polybios bereist um 150 v. Chr. die östliche Cisalpina und besucht die norischen Taurisker, Tyche 26, 2011, 91–139. van Husen 1987 D. van Husen, Die Ostalpen in den Eiszeiten. Aus der geologischen Geschichte Österreichs (Wien 1987). Pichler 2003 A. Pichler, Bergbau in Ostkärnten. Eine Bestandsaufnahme der noch sichtbaren Merkmale der historischen Bergbaue in Ostkärnten, Carinthia II Sonderheft 60 (Klagenfurt 2003). Pohl – Belocky 1994 W. L. Pohl – R. Belocky, Alpidic Metamorphic Fluids and Metallogenesis in the Eastern Alps, Mitteilungen der Österreichischen Geologischen Gesellschaft 86, 1993, 141–152. Pohl 2011 W. L. Pohl, Economic Geology, Principles and Practic. Metals, Minerals, Coal and Hydrocarbons. An Introduction to Formation and Sustainable Exploitation of Mineral Deposits (Oxford 2011).

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ABKÜRZUNGEN VON ZEITSCHRIFTEN UND REIHENWERKEN Die in diesem Band verwendeten Abkürzungen folgen den Richtlinien des Deutschen Archäologischen Instituts, für österreichische Erscheinungsorte werden jedoch die Empfehlungen des Österreichischen Archäologischen Instituts befolgt. AbhMünchen

Bayerische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Abhandlungen

ActaAntHung

Acta antiqua Academiae scientiarium Hungaricae

ActaArchHung

Acta archeologica Academia scientiarum Hungaricae

ActaMusNapoca

Acta Musei Napocensis

AE

L’Année épigraphique

AEA

Annona epigraphica Austriaca

AErt

Archaeologiai Értesitő

AForsch

Archäologische Forschungen

AForschMB

Archäologische Forschungen zu den Grabungen auf dem Magdalensberg

AiD

Archäologie in Deutschland

AInf

Archäologische Informationen. Mitteilungen zur Ur- und Frühgeschichte

AJahrBay

Das archäologische Jahr in Bayern

AKorrBl

Archäologisches Korrespondenzblatt

Alba Regia

Alba Regia. Annales Musei Stephani regis

AmStP

American Studies in Papyrology

Annales sabariensis

Annales sabariensis. Folia Musealia a Sectione Historico-Naturali Musei Comit[atus] Castriferrei

Anodos

Anodos. Studies of Ancient World

ANRW

Aufstieg und Niedergang der römischen Welt

Antaeus

Antaeus. Communicationes ex Instituto archaeologico Academiae scientiarum hungaricae

Antik tanulmányok

Antik tanulmányok. Studia Antiqua

AnzWien

Anzeiger. Österreichische Akademie der Wissenschaften, PhilosophischHistorische Klasse



Archäologie Österreichs. Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte

AquilNost

Aquileia Nostra. Bollettino dell’Associazione nazionale per Aquileia

ArchA

Archaeologia Austriaca

ArchaeoTirol

Schriften zur Archäologischen Landeskunde Tirols

Athenaeum

Athenaeum. Studi di letteratura e storia dell’antichità

AVes

Archeološki vestnik

Balácai közlemények

Balácai közlemények. Veszprém Megyei Múzeumi Igazgatóság

361

ABKÜRZUNGEN VON ZEITSCHRIFTEN UND REIHENWERKEN

BAntFr

Bulletin de la Société nationale des antiquaires de France

BAR

British Archaeological Reports (British Series)

BARIntSer

British Archaeological Reports (International Series)

BayVgBl

Bayerische Vorgeschichtsblätter

BerRGK

Berichte der Römisch-Germanischen Kommission

BJb

Bonner Jahrbücher des Rheinischen Landesmuseums in Bonn

BSAA Arqueología

Boletín del Seminario de Estudios de Arqueología

CahGlotz

Cahiers du Centre Gusteva-Glotz. Revue reconnue par le CNRS

Carinthia

Carinthia I. Zeitschrift für geschichtliche Landeskunde von Kärnten

CarnuntumJb

Carnuntum Jahrbuch. Zeitschrift für Archäologie und Kulturgeschichte des Donauraumes

Chiron

Chiron. Mitteilungen der Komission für Alte Geschichte und Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts

CIL

Corpus inscriptionum Latinarum

ClMediaev

Classica et Mediaevalia. Revue danoise de philologie et d’histoire

CommunicAHung

Communicationes archaeologicae hungaricae

CRAI

Académie des inscriptions et belles-lettres. Comptes rendus des séances de l’année

CSIR

Corpus signorum Imperii Romani

DenkschrWien

Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse. Denkschriften

EAA

Enciclopedia dell’arte anica classica e orientale

Eirene

Eirene. Studia Graeca et Latina

Emerita

Emerita. Revista de linguistica y filologia classica

e-Perimetron

e-Perimetron. International web journal on sciences and technologies affined to history of cartography and maps

FBerBadWürt

Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg

FiA

Forschungen in Augst

FIRA

Fontes Iuris Romani Anteiustiniani, Bd. I (Leges), hg. v. S. Riccobono 2(Florenz 1968)

FMRD

Die Fundmünzen der Römischen Zeit in Deutschland

FMRÖ

Die Fundmünzen der Römischen Zeit in Österreich

FMRSl

Die Fundmünzen der Römischen Zeit in Slowenien



Fundberichte aus Österreich

FÖMat

Fundberichte aus Österreich, Materialheft

FolA

Folia archaeologica

FuBerBadWürt

Fundberichte aus Baden-Württemberg

FuWien

Fundort Wien

GeoAnt

Geographia antiqua. Rivista di geografia storica del mondo antico e di storia della geografia

Hirundo

Hirundo. The McGill Journal of Classical Studies

Historia

Historia. Zeitschrift für Alte Geschichte

IGR

Inscriptiones Graecae ad res Romanas pertinentes

IKARUS

Innsbrucker Klassisch-Archäologische Universitätsschriften

362

ABKÜRZUNGEN VON ZEITSCHRIFTEN UND REIHENWERKEN

ILJ

A. & J. Šašel, Inscriptiones Latinae quae in Iugoslavia … repertae et editae sunt, Ljubljana 1963–1986

ILLPRON

M. Hainzmann – P. Schubert, Inscriptionum Lapidarium Latinarum Provinciae Norici usque ad annum MCMLXXXIV repertarum indices (Berlin 1986).

ILS

H. Dessau, Inscriptiones Latinae selectae I–III (Berlin 1892–1916)

Imago Mundi

Imago Mundi. Journal on the history of cartography

JA

Jahrbuch für Altertumskunde

JbAC

Jahrbuch für Antike und Christentum

JberProVindon

Jahresbericht. Gesellschaft Pro Vinonissa

JbVGeschStadtWien

Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien

JbVLM

Jahrbuch des Vorarlberger Landesmuseumsvereines

JRA

Journal of Roman Archaeology

JSM

Jahresschrift des Salzburger Museums Carolino-Augusteum

LAF

Linzer Archäologische Forschungen

MAGesGraz

Mitteilungen der archäologischen Gesellschaft Graz

MAInstUngAk

Mitteilungen des Archäologischen Instituts der Ungarischen Akademie der Wissenschaften

MAnthrWien

Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien

MEFRA

Mélanges de l’Ecole française de Rome. Antiquité

MGSLk

Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde

MM

Madrider Mitteilungen

MMVLaur

Mitteilunges des Museumsvereins Lauriacum

Mnemosyne

Mnemosyne. A Journal of Classical Studies

MonoRGZM

Monografien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums

MPK

Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

MünchBeitrVFG

Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte

MünstBeitr

Münstersche Beiträge zur Antiken Handelsgeschichte

MZK

Mitteilungen der K. K. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der kunst- und historischen Denkmale/Mitteilungen der Zentral-Kommission für Denkmalpflege

NEARCHOS

Schriftenreihe des Instituts für Archäologien der Universität Innsbruck, Fachbereich für Ur- und Frühgeschichte sowie Mittelalter- und Neuzeitarchäologie

NumZ

Numismatische Zeitschrift

ÖJh

Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien

Paleohispánica

Paleohispánica. Revista sobre lenguas y culturas de la Hispania antigua

PAR

Pro Austria Romana

Petinesca

Petinesca. Schriftenreihe der Erziehungsdirektion des Kantons Bern

RAE

Revue archéologique de l’Est et du Centre-Est

RANarb

Revue archéologique de Narbonnaise

RE

Paulys Realencyclopedie der classischen Altertumswissenschaft

ReiCretActa

Rei Cretariae Romanare Fautorum acta

RGA

Reallexikon der Germanischen Altertumskunde

363

ABKÜRZUNGEN VON ZEITSCHRIFTEN UND REIHENWERKEN

RGF

Römisch-Germanische Forschungen

RIC

Roman Imperial Coinage

RIU

Die römischen Inschriften Ungarns (Budapest 1972–)

RKM

Régészeti Kutatások Magyarországon – Archaeological Investigations in Hungary, Budapest

RLÖ

Der römische Limes in Österreich

RMD

M. M. Roxan et al., Roman Military Diplomas, London 1978–

RMRVe

Ritrovamenti monetali di età romana nel Veneto



Römisches Österreich. Jahresschrift der Österreichischen Gesellschaft für Archäologie

Rudolfinum

Rudolfinum. Jahrbuch des Landesmuseum Kärnten

SaalbJb

Saalburg-Jahrbuch. Bericht des Saalburg-Museums

Savaria

Savaria. Bulletin der Museen des Komitats Vas

SBWien

Sitzungsberichte. Österreichische Akademie der Wissenschaften

SchriftenArchMus Frankfurt

Schriften des Archäologischen Museums Frankfurt

SchSt

Schild von Steier

SchStKlSchr

Schild von Steier. Kleine Schriften

SEG

Supplementum epigraphicum Graecum

SFECAG

Société française d’étude de la céramique antique en Gaule

Situla

Situla. Razprave Narodnega Muzeja v Ljubljani

SoSchrÖAI

Sonderschriften des Österreichischen Archäologischen Instituts

SpNov

Specimina nova dissertationum ex Instituto historico Universitatis Quinqueecclesiensis de Iano Pannonio nominitatae

Supplementa Italica

Supplementa Italica. Laboratorio di epigrafia latina

Tyche

Tyche. Beiträge zur Alten Geschichte, Papyrologie und Epigraphik

TRH

P. Kovács, Tituli Romani in Hungaria reperti (Budapest – Bonn 2005)

TrZ

Trierer Zeitschrift für Geschichte und Kunst des Trierer Landes und seiner Nachbargebiete

VGesVind

Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindonissa

VIKAGraz

Veröffentlichungen des Instituts für Klassische Archäologie der Karl-FranzensUniversität Graz

VNumKomm

Veröffentlichungen der Numismatischen Kommission

WAS

Wiener Archäologische Studien

WForsch

Wiener Forschungen zur Archäologie

WPZ

Wiener Prähistorische Zeitschrift

ZborSlovNárMúz

Zborník Slovenského Národného Múzea

ŽivaAnt

Živa antika. Antiquité vivante

ZPE

Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik

364

REGION IM UMBRUCH %DQG   

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Frank & Timme Verlag für wissenschaftliche Literatur

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Frank & Timme Verlag für wissenschaftliche Literatur