Der metaphorische Kosmos der modernen spanischen Lyrik (1936–1956) [Reprint 2019 ed.]
 9783110818185, 9783110000177

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UNIVERSITÄT HAMBURG

Abhandlungen aus dem

Gebiet der Auslandskunde Band 66 Reihe B. Völkerkunde, Kulturgeschichte und Sprachen Band 37

Der metaphorische Kosmos der modernen spanischen Lyrik (1936 -1956) von

Erika Lorenz

HAMBURG CRAM, DE GRUYTER & CO. 1961

Der metaphorische Kosmos der modernen spanischen Lyrik (1936-1956) von

Erika Lorenz

HAMBURG CRAM, DE GRUYTER & CO. 1961

Die „Abhandlungen aus dem Gebiet der Auslandskunde" (Fortsetzung der Abhandlungen des Hamburgischen Kolonialinstituts) erscheinen in folgenden Reihen: A. Rechts- und Staatswissenschaften (auch politische Geschichte umfassend), B. Völkerkunde, Kulturgeschichte und Sprachen, C. Naturwissenschaften, D. Medizin und Veterinärmedizin. Zuschriften und Sendungen sind zu richten a n die Schrittleitung

H a m b u r g 13 Universität

Gesamtherstellung: J . J . A u g u s t in, Glückstadt

Herrn Professor

Rudolf Grossmann in Dankbarkeit

Symbol ist nur da, wo die Form ein Unsagbares, aber Wirkliches lebendig im Betrachter aufruft, es gleichsam verkörpert, ohne es zu entgeistigen. August Brunner

Diese Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Hamburg als Habilitationsschrift angenommen.

Inhalt Einleitung 1. Symbolkreis: Das Wasser Die mythologische Bedeutung des Wassers Das Wasser in der modernen s p a n i s c h e n L y r i k Keimkraft Ursprung Wiedergeburt Tod Nichts Körperteilmetaphern Die mythologische Bedeutung des Blutes D a s B l u t in d e r m o d e r n e n s p a n i s c h e n L y r i k Begrenzung Vergänglichkeit Existenz Ich Die mythologische Bedeutung des Mondes D e r Mond in der m o d e r n e n s p a n i s c h e n L y r i k Mond und Wasser Ordnung Mond als Tod Toter Mond 2. Symbolbreis: Die Erde Die mythologische Bedeutimg der Erde Die E r d e in d e r m o d e r n e n s p a n i s c h e n L y r i k Die Erdmutter Mutter der Toten Exkurs: Erde als Realität bei Jorge Guillén a) Das Heilige b) Der Seinsbegriff c) Kulturding d) Finalität Erde als Stofflichkeit Desengaño Der Mensch Soziale Dichtung

1 .

7 9 13 16 20 24 29 33

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33 36 38 40 43

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44 46 48 50 53 64 57 60 62 65 68 70 73 74 79

Die mythologische Bedeutung des Steins Der Stein in der modernen spanischen L y r i k Absolutes Sein Nichts Zeit Innerlichkeit Mystik Die mythologische Bedeutung des Metalls D a s M e t a l l in d e r m o d e r n e n s p a n i s c h e n L y r i k Wert Unwert Dämonie Die mythologische Bedeutung des Feuers Das F e u e r in der m o d e r n e n s p a n i s c h e n L y r i k Das Lebensfeuer Leidenschaft und Läuterung 8. Symbolkreis: Der Himmel Die mythologische Bedeutung des Himmels Der Himmel in der m o d e r n e n spanischen Lyrik Der gütige Himmel Der zerbrochene Himmel Der leere Himmel Der vermenschlichte Himmel

81 82 86 90 93 94 100 101 104 108 113 114 118 123 124 128 131 133

Die mythologische Bedeutung der Luft Die L u f t in der m o d e r n e n s p a n i s c h e n L y r i k Luft als Himmelshierophanie Nichts Höhe und Innerlichkeit

137

Die mythologische Bedeutung von Licht und Sonne Licht und Sonne in der m o d e r n e n s p a n i s c h e n Lyrik Archaische Bedeutungen Dunkel, Nichts und Materie Licht und Leiblichkeit

155

138 144 148

156 161 169

Facit

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Bibliographie

183

Namenverzeichnis

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Einleitung Die Tatsache, daß Spaniens Lyrik im 20. Jahrhundert ein zweites goldenes Zeitalter erlebt, ist bekannt1). Daß diese Lyrik auch außerhalb Spaniens zunehmende Beachtung findet, zeigt die steigende Zahl der Übersetzungen in den letzten Jahren. Ja, ein Kenner wie HugoFriedrich stellt 1956 fest, sie sei „der vielleicht kostbarste Schatz, den die europäische Lyrik der Gegenwart besitzt"2). Diese moderne spanische Dichtung müßte also in besonderem Maße geeignet sein, um zum Verständnis der heutigen Dichtung beizutragen. Freilich gibt es auch den umgekehrten Weg: das Negative aufzuzeigen, wie ihn z.B. H. S e d l m a y r eingeschlagen hat, um zu sagen, was moderne Kunst „ist" 3 ). Aber das Buch erschöpft sich darin, jene Kunst zu zeigen, die keine ist, obwohl zugegeben wird, daß auch eine moderne Kunst existiert, die diesen Namen wirklich verdient4). Doch ist von ihr nicht weiter die Rede. Eine verwandte Haltung, nicht nur der Kunst, sondern auch der Dichtung gegenüber, bewies schon früher W. Weidlé 5 ), auf den sich Sedlmayr vielfach bezieht. Weidlé sieht die moderne Lyrik als „Triumph der Ästhetik" über alle menschlichen und metaphysischen Werte6), als „Revolte gegen die Schöpfung"7), kurz, als Inbegriff menschlicher Hybris und Böswilligkeit. Auch H. Friedrich hat „fast durchweg negative Begriffe verwenden müssen, um moderne Lyrik zu beschreiben"8). Dieses Negativum zeigt sich insbesondere in der Beurteilung moderner Metaphern und Symbole: Die Metaphern sind nicht mehr aus einer Tradition verstehbar9), die Symbole sind autark gesetzt10). „Valéry und Guillén scheinen eine Ausnahme zu bilden. Aber ihre Symbole reichen nicht weiter zurück als bis zu Mallarmé, — belegen also einen selber schon modernen Stiltypus, nicht einen ausgreifenden Traditionswillen"11). Allerdings ist die moderne Lyrik,,reich an Texten, die ein universales dichterisches, mythisches und archaisches Gut mitklingen lassen"12). Jedoch „solche Übernahmen, Anspielungen und Zitate sind geisterhafte, wahllos herangeholte Reste einer geborstenen Vergangenheit", deren Wirkung „die des Chaos" ist13). Vgl. W. K e l l e r m a n n , Die Welt der Dinge in der spanischen Lyrik des 20. Jahrhunderts, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Lit.-Wissenschaft und Geistesgeschichte, 1953, S. 102; Horst B a a d e r , Die .Modernität' der spanischen Gegenwartslyrik, in: Romanische Forschungen, 1958, Band 70, Heft 1/2, S. 96. 2 ) Die Struktur der modernen Lyrik, Hamburg, 1956, S. 110. s ) Die Revolution der modernen Kunst, Hamburg 1956, Vorwort. «) Ebd., S. 116. 6 ) „Les Abeilles d'Arietée, 4 Paris, 1954. 8 «) Ebd., S. 172. ') Ebd., S. 210. ) A.a.O., S. 153. ») Ebd., S. 85. *») Ebd., S. 120. ") Ebd., S. 120. 1S ") Ebd., S. 121. ) Ebd., S. 121. 1 Lorenz

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Nun berührt es jedoch seltsam, daß gerade die von Friedrich als kostbarster Schatz bezeichnete spanische Lyrik auffallend reich an solchen „Resten" ist, folglich auch ihre Wirkung eine besonders chaotische sein müßte. Mehr noch: wenn die Symbolbedeutungen von Autor zu Autor wechseln, so wie es Friedrich für die gesamte europäische und damit auch die spanische Lyrik behauptet, und diese Symbolbedeutungen von Autor zu Autor jeweils neu erschlossen werden müssen, sofern sie überhaupt noch erschließbar sind1), so erhebt sich die Frage, ob in solchen Fällen noch von Dichtung die Rede sein kann. Diese Frage rührt sogar an die Wurzeln des Menschseins, wie denn auch Friedrich kategorisch feststellt: „Moderne Lyrik scheidet nicht nur die private Person, sondern auch die normale Menschlichkeit aus"2). Gerade am Symbol zeigt sich, in welchem Maße Dichtertum und Menschsein zusammengehören. Denn die Bilderwelt eines Dichters erwächst nicht nur „aus seinem Weltverhältnis"3), sondern der Dichter bedarf darüber hinaus des Symbols, um geistige und seelische Realitäten auszudrücken, die das gegenständlich Erfahrbare übersteigen. Diese Notwendigkeit besteht aber für das menschliche Sprechen überhaupt und hat zur Folge, daß die Sprache durchsetzt ist mit bildlichen Ausdrücken. Am stärksten sichtbar wird dieser bildlich erfaßte „Überstieg" beim Primitiven, dessen Erkennen sich in „großen, gefühlsgeladenen Gedankenmassen" abspielt, „die an einfachen Symbolen einen gewissen Ausdruck und den nötigen sinnlichen Halt finden"4). Darum entfalten die Symbole ihre tiefste und eigentlichste Wirksamkeit in den Mythen, in denen der archaische Mensch das Geheimnis und den verborgenen Sinn der Welt und des eigenen Seins zu erfassen sucht8). Weshalb auch die Religionsgeschichte die vollständigsten und zusammenhängendsten Dokumente zur Symbolforschung liefert6). Es wäre jedoch ein Irrtum, ein sich in Symbolen und Bildern abspielendes Erkennen als „primitiv" abzulehnen. Dieses Erkennen gehört zum Wesen des Menschen. Es versucht, die geheimsten Strukturformen des Daseins bloßzulegen, die sich dem Zugriff des analytischen Denkens entziehen7), für das sie zu komplex sind. Man kann daher durchaus mit K.L. Schneider die These vertreten, daß sich die Weltauffassung der Dichter am sichersten in ihrer Metaphorik niederschlage8). 2 i) Ebd., S. 120. ) Ebd., S. 83. 8 ) H. P o n g s , Das Bild in der Dichtung, Marburg 1927, II, S. 56. 4 ) August B r u n n e r , Die Religion, Freiburg, 1966, S.51. 6 ) Vgl. A. B r u n n e r , ebd., S. 12 und 182; A. E. J e n s e n , Mythos und Kult bei den Naturvölkern, Wiesbaden 1951, S. 89 ; Mircea E l i a d e , Ewige Bilder und Sinnbilder, Freiburg 1958, 8.224. •) Vgl. M. E l i a d e , ebd., S.24. Die psychologische Seite des Symbolischen soll in dieser Arbeitnicht berücksichtigt werden, da es in ihr nicht um die Aufdeckung leibseelischer Zusammenhänge geht. Wer sich jedoch in dieser Richtung interessiert, sei auf die dem Thema besonders nahestehenden Bücher Gaston B a c h e l a r d » verwiesen: La Psychanalyse du Feu, Paris 1938 ; L'Eau et les Rêves, Paris 1942 ; L'Air et les Songes, Paris 1943 ; La Terre et les Rêveries de la Volonté, Paris 1948. ') Vgl. M. E l i a d e , ebd., S. 12 und S.224. 8 ) Vgl. Der bildhafte Ausdruck in den Dichtungen Georg Heyms, Georg Trakls und Ernst Stadlers, Hamburg 1954, S. 15.

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Auf der anderen Seite können sich auch bestimmte herrschende Weltbilder hemmend auf den Dichter auswirken. Das war z.B. der Fall im Aufklärungszeitalter, als der naturwissenschaftlich verankerte Begriff der „Raison" das bildhafte Erkennen als einen zu überwindenden Rest aus dunklen Epochen erscheinen lassen mußte. Sehr drastisch beweisen dies die Ausführungen des Abbé Trublet: „Plus la raison se perfectionnera, plus le jugement sera préféré à l'imagination, et par conséquent moins les poètes seront goûtés. Les premiers écrivains, dit-on, ont été les poètes. Je le crois bien : ils ne peuvent guère autre chose. Les derniers seront philosophes"1). So mußte der Dichter als ein kurioses Fossil, als ein Halbwilder erscheinen und ist es nur konsequent, wenn Baudelaire den Dichter als die zur Norm werdende Abnormität verkündigt. Denn der Vernunftbegriff des Abbé Trublet hatte inzwischen selbst die Romantik überlebt und war auch nicht erst mit der Aufklärung entstanden. Vielmehr handelt es sich um jene allmähliche Ausbreitimg, die das an der mechanischen Wirkweise des Stoffes orientierte Denken der neuzeitlichen Naturwissenschaft auch auf solche Gebiete erfuhr, die nicht zum stofflichen Bereich gehören. Während noch Galilei die Beschränkung des naturwissenschaftlichen Denkens auf bestimmte Abschnitte als eine conditio sine qua non des Erkennens betrachtete, kam mit der französischen Aufklärung eine „an sich unkritische Philosophie" auf, wie W. Heisenberg sagt2). In D'Alemberts Vorwort zur Enzyklopädie von 1751 wird diese Übertragung naturwissenschaftlichen Denkens auf Geistiges spürbar : „II n'y a, pour parler exactement, que celles qui traitent du calcul des grandeurs et des propriétés générales de l'étendue, c'est-à-dire l'Algèbre, la Géométrie et la Mécanique, qu'on puisse regarder comme marquées au sceau de l'évidence. Encore y-a-t-il dans la lumière que ces sciences présentent à notre esprit, une espèce de gradation, et pour ainsi dire de nuance à observer. Plus l'objet qu'elles embrassent est étendu, et considéré d'une manière générale et abstraite, plus aussi leurs principes sont exempts de nuages"3). Es läßt sich daher nicht nur im positivistischen 19., sondern auch im 20. Jahrhundert immer wieder beobachten, daß der Stoff als das eigentlich Wirkliche gilt — auch wenn bewußt keine materialistische Weltanschauung vorliegt. In der Dichtung erzeugt diese Haltung eine seltsame Diskrepanz. Man bekämpft das wissenschaftliche Weltbild, das, wie Friedrich sagt, „als Weltverengung und Verlust des Geheimnisses" empfunden wird4), aber der Kampf wird mit den gleichen Mitteln unternommen, die auch dieses Weltbild charakterisieren, so daß Chemie, Mathematik, Physik und stoffgebundenes Wirklichkeitsbewußtsein in die Poetik eindringen. Es wäre jedoch verfehlt, den Dichtern hieraus einen Vorwurf zu machen. Es ist ja gerade ihre Aufgabe, den Zeitströmungen einen dauernden Ausdruck zu verleihen. Darum sieht auch Weidlé nicht das Wesentliche, wenn er die moderne Dichtung anklagt, weil sich ihre Metaphern nicht mehr auf Objekte be1 ) Essai sur les divers sujets de littérature et morale, 1735, zitiert von Paul H a z a r d , La Crise de la Conscience européenne, Paris 1935, Band II, S. 148. 2 ) Das Naturbild der heutigen Physik, Hamburg 1957, S.91. Zu Galilei vgl. S.60. a ) Discours Préliminaire de l'Encyclopédie (1751), Hamburg 1955, S.48. 4 ) A.a.O., 8.42.

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ziehen und sie daher überhaupt kein „Weltbild" mehr liefert1). Denn eben dies macht das Weltbild der neuesten Physik aus: die Unanschaulichkeit. Man kann dem Schaffen eines Künstlers nur gerecht werden, wenn man erkennt, welchen Möglichkeiten welche Schwierigkeiten begegnen. In diesem Sinne schreibt Heisenberg: „Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob sich etwa die Stellung des modernen Menschen zur Natur so grundsätzlich von der früherer Zeiten unterscheide, daß schon hierin ein völlig verschiedener Ausgangspunkt für jegliche Beziehung zu ihr, beispielsweise für die des Künstlers, gegeben werde. (.. .) Daher liegt es nicht nur für den Naturforscher nahe, nach dem Naturbild der heutigen Naturwissenschaft, insbesondere der modernen Physik zu fragen"2). Die Notwendigkeit dieser Frage wird besonders deutlich am Symbol. Denn das Symbol wurzelt in einer Welt, die keine cartesianische Trennung zwischen Stoff und Geist kannte. In einer Welt, die alles Stoffliche nach den Kategorien des menschlichen Lebens, und nicht nur im biologischen, sondern auch im ethischen und instrumentalen Sinne auslegte3). Das zeigte sich noch in der antiken und mittelalterlichen Philosophie. Die Urstoffe der Milesier trugen Leben in sich, Aristoteles orientierte sein Denken am menschlichen Schaffen, an der Herstellung von Kulturdingen, da er „in der Natur nicht nach Ursachen, sondern nur nach Zwekken" suchte4), und selbst für den „Materialismus" eines Leukipp und Demokrit waren die „Atome" nur „Buchstaben, mit denen das Geschehen der Welt aufgezeichnet wird, nicht aber ihr Inhalt"5). Das zeigt aber, daß die Natur noch über sich hinauswies und menschliche Bedeutung hatte. Anders der Stoff der klassisch-mechanistischen Physik. Seine Wirklichkeit weist nicht mehr über sich hinaus, er wird für den Menschen undurchdringlich. Er bedeutet nicht, sondern er ist einfach in einer Seinsweise, die nichts mit den eigentlich menschlichen Belangen zu tun hat6). Folglich schreibt heute der Religionshistoriker Elia de: „Für die modernen, nichtreligiösen Menschen ist der Kosmos undurchsichtig, unbewegt und stumm geworden. Er bringt keine Botschaft, er enthält keine ,Chiffre'"7). Noch allgemeingültiger und plastischer drückt C.G. Jung den gleichen Sachverhalt aus: „Der Himmel ist uns physikalischer Weltraum geworden, und das göttliche Empyreum einer schöne Erinnerung, wie es einstmals war. Unser ,Herz aber glüht', und geheime Unruhe benagt die Wurzeln unseres Seins"8). So sieht also das Erbe aus, mit dem sich die moderne Lyrik auseinanderzusetzen hat. Hinzu kommt der aus der Mikroweit aufsteigende gewaltige Wandel physikalischer Erkenntnisse, die sich auf das gesamte Weltbild auswirken. Die Materie ») A.a.O., S. 88 und S.96. ») A.a.O., S.7. a ) Vgl. A. B r u n n e r , Der Stufenbau der Welt, München 1950, S.445. 4 ) Arthur March, Das neue Denken der modernen Physik, Hamburg 1957, S.8. B ) W. H e i s e n b e r g , a.a.O., S.42. •) Vgl. A. B r u n n e r , Stimmen der Zeit, 1949, Band 144, Heft 9, S.244. 7 ) Das Heilige und das Profane, Hamburg 1957, S. 104. 8 ) Von den Wurzeln des Bewußtseins, Studien über den Archetypus. Zürich 1954, S.31. 4

erscheint darum dem modernen Bewußtsein unter einem doppelten Aspekt: Zum einen ist sie noch immer das eigentlich Wirkliche und Verläßliche, zum andern wird sie unerkennbar, löst sich auf in ein unanschauliches Nichts, das dennoch ungeheure, vielleicht bedrohliche Kräfte bereithält, die nur noch das abstrakte Denken aufzuspüren vermag1). Die Auseinandersetzung, die eine an bildlichen Ausdruck gebundene Dichtung mit solchem Weltbild zu leisten hat, ist deshalb gewaltig. Sie muß besonders sichtbar dort werden, wo es sich um die Grundelemente dieser Welt handelt, wie sie die kosmogonischen Symbole enthalten. Diese kosmogonischen Symbole finden sich in ganz erstaunlicher Zahl in der modernen spanischen Lyrik. Sie machen in den von mir lintersuchten Werken zwei Drittel der gesamten Bildlichkeit aus. Allerdings ist hier mit kosmogonischen Symbolen zunächst nur ihr bildhaftes Vorhandensein festgestellt. Über ihre Bedeutung ist damit noch nichts gesagt. Sie soll vielmehr, im unlöslichen Zusammenhang mit der metaphorischen Technik, den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bilden. Denn offenbar muß sie in besonderem Maße geeignet sein, Aufschluß zu gewähren über die Existenz und Beschaffenheit des „Symbolchaos", sowie über die Art der Begegnung zwischen den Forderungen der Dichtung und denen eines neuzeitlichen oder sogar modernen Weltbildes. Ich habe für die Untersuchung den Zeitraum zwischen 1936 und 1956 gewählt. Vom Ausbruch des Bürgerkrieges also bis zur noch einigermaßen überschaubaren „Gegenwart". Daß dieser Zeitraum im Folgenden als eine Einheit behandelt wird, als ein historisch ungegliedertes Ganzes, mag als Willkür erscheinen, zumal hier starke, ausgereifte Dichterpersönlichkeiten neben jungen, aufstrebenden Talenten stehen. Doch beruht diese Willkür auf folgender Überlegung: Wenn wir in früheren Jahrhunderten, beispielsweise im 16., den zeitbedingten Geist der Lyrik erfassen wollen, so erscheinen uns zwanzig Jahre nicht als heterogener Raum. Und ganz besonders dann nicht, wenn es sich um einen so konstanten und zählebigen Gegenstand handelt, wie ihn die Symbolik darstellt. Die Religionsgeschichte zeigt ja, daß der Sinn eines Symbols über Tausende von Jahren vergessen sein kann, um dann „wiederentdeckt" zu werden2). Wenn sich die moderne Symbolik in einheitlicher Weise entwickelt hat, sei es als „Chaos", sei es als „Kosmos", sokommtes darauf an, in einemRaume vonzwanzig Jahren gerade das Durchgehende zu zeigen3). Von den 1000 bis 2000 Belegstellen, die mir für jedes Symbol zur Verfügung standen, konnte natürlich nur ein repräsentativer Bruchteil zitiert werden. Leider waren mir nicht alle Werke direkt zugänglich. Moderne spanische Lyrik erscheint häufig in Auflagen von 200 bis 300 Exemplaren und ist vergriffen, ehe das Ausland davon Kunde erhält — so daß z.T. Anthologien aushelfen mußten. Zum Abschluß noch ein Wort zur Terminologie. Viel Denkarbeit und Gelehrsamkeit wurde seit Aristoteles' Zeiten auf ein klares Herausarbeiten der Begriffe Vgl. A. March, a.a.O., S.9 und S.98. ) Vgl. M. E l i a d e , Die Religionen und das Heilige, Salzburg 1954, S.510. 3 ) Darum wurde methodologisch auch kein Unterschied gemacht zwischen Emigranten und Daheimgebliebenen, oder zwischen Heiden und Christen. 2

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Metapher, Symbol, Allegorie, Bild verwendet1). Diese Unterscheidungen können für andere Zwecke sehr nützlich sein. Für die vorliegende Arbeit sind sie es nicht, und zwar aus dem gleichen Grunde, der ein immer neues Bemühen um Formulierung und Abgrenzung hervorgerufen hat: Das Symbol hält sich nicht an die Grenzen. Es darf der Allegorie zugrundeliegen, in der Metapher durchscheinen, im gefühlsmäßigen Erfassen eines Landschaftsbildes mitschwingen. Die Kose auf den Wangen der Geliebten kann als Metapher ihre Schönheit gleichnishaft preisen, kann als Allegorie erotisches Geschehen meinen oder als Symbol Sehnsucht nach einer Vollkommenheit wachrufen, die, wie Dantes Himmelsrose, über alles Begreifen ist. Es kommt nur auf den Standpunkt des Beschauers an. Darum wird in der vorliegenden Untersuchung die Metapher genau so berücksichtigt wie das offen zutage liegende Symbol, und auch die Allegorie nicht bei jedem Erscheinen gebrandmarkt. Im ursprünglichen Wortsinn der „Übertragung" erscheint die Metapher im Titel. Denn um die Übertragung zwischen zwei Welten, der menschlichen und der nichtmenschlichen, handelt es sich letztlich. 1

) Neben dem schon zitierten und als bekannt vorauszusetzenden H. P o n g s sei hier nur noch verwiesen auf William York T i n d a l l , The Literary Symbol, Bloomington 1955; Carlos Bousoño, Teoría de la expresión poética, Madrid 1956; Fritz S t r i c h , Das Symbol und die Dichtung, in: Der Dichter und die Zeit, Bern 1947; W. E m r i c h , Symbolinterpretation und Mythenforschung, in: Euphorion, 1953, Band 47, sowie auf die Formulierung G u n d o l f s in „Shakespeare und der deutsche Geist", 1947, S. l f . Eine sehr umfangreiche Bibliographie der internationalen Literatur zur Mythen- und Symbolforschung bietet J. E. Cirlot, Diccionario de símbolos tradicionales, Barcelona 1958.

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ERSTER SYMBOLKREIS

DAS WASSER Die mythologische Bedeutung des Wassers In der Mythologie steht das Wasser am Anfang aller Schöpfung. Es „symbolisiert die Summe aller Möglichkeiten, es ist fons et origo, die Mutter von allem, was existieren kann"1). In der Genesis schwebt der Geist Gottes über den Wassern, im Augenblick, da das schöpferische Wort geschieht. In Indien ist es Näräyana, der auf den Wassern schwimmt. Aus seinem Nabel erwächst der Weltenbaum2). In der babylonischen Mythologie ist ein Süßwasserozean Ursprung und Basis der Erde3). Überall ist das Wasser durch das Prinzip des noch Undifferenzierten und Virtuellen charakterisiert. In den Religionen ist das Wasser daher mehr Kultmittel als Kultobjekt. Es hat für die Entstehung und Erhaltung des Lebens zu sorgen, für seine Regeneration in Wiedergeburten, für seine Neuerstehung aus reinigenden Waschungen oder Kataklysmen. Das Wasser ist keimkräftig, es enthält für das primitive Denken die Lebenskeime. Daher noch heute in Europa die Mär vom „Kinderteich". Wo bereits Geformtes mit ihm in Berührung kommt (kultisch), verliert es seine Modalität, taucht unter ins Formlose, um neu zu erstehen. Diese mythischen Symbole gründen in der Anschauung vom Entstehen der Pflanze aus dem befeuchteten und zerfallenden Samenkorn und ihrem Gedeihen in Abhängigkeit von Feuchtigkeit und Regen4). Besonders stark kommt daher die Lebenssymbolik des Wassers in heißen, wüstentrockenen Ländern zur Geltung, wie z.B. die Bibel zeigt. Im Alten Testament ist es Inbegriff des Heils5) und der Reinigung)6. In diesem allen sowie der schon im Alten Testament angelegten Geist-Bedeutung des Wassers7) kündet sich bereits der Sinn an, den das Wassersymbol im Neuen Testament erhält: durch Christus vermittelter Heiliger Geist zu sein, der eine den ganzen Menschen erfassende Wiedergeburt bewirkt8). Daher das Tauf1

) Mircea E l i a d e , Die Religionen und das Heilige, Salzburg 1954, S.217. ) Ebd., S.221. ») Ebd., S.221. 4 ) Für die bisherigen Ausführungen vgl. M. E l i a d e , Die Religionen und das Heilige; Franz K ö n i g , Religionswissenschaftliches Wörterbuch, Freiburg 1956, S.925f. B ) Vgl. das Wasser im Paradiesesgarten (Gen. 2, 10), das Moses aus dem Felsen schlägt (Exod. 17, 6), das aus dem Tempel fließt (Ez.47, 12). 4 ) „Ich will reines Wasser auf euch ausgießen, und ihr werdet rein sein", Ez. 36, 25. ') „Und nach diesem allen will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch", Joel 2, 23. 8 ) Vgl. die „Ausgießung" des Heiligen Geistes am Pfingsttag. 2

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wasser. Es bewirkt eine Wiedergeburt zum ewigen Leben, genau wie das „Lebenswasser" vieler Mythen, das Unsterblichkeit verleiht1). Durch Trinken kann der Mensch ebenso die Unsterblichkeit erlangen, wie auch Christus am Brunnen sagt: „Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben will, wird in Ewigkeit nicht mehr dürsten"2). In abgeschwächter Form kommt diesem „Lebenswasser" eine Krankheiten heilende Wirkung zu, so wie noch heute in manchen europäischen Ländern bestimmten Gewässern (nicht um ihrer chemischen Eigenschaften willen) heilende Wirkung zugeschrieben wird3). Auch für die Liebe soll es wirkkräftig sein4). Dieses Absinken in Volksaberglauben wurzelt in den Mythen von der schöpferischen, fruchtbringenden und wiedergebärenden Eigenschaft des Wassers. Es darf dabei nicht übersehen werden, daß es ursprünglich nicht die Aufgabe des Wassers ist, das Leben im Einzelnen hervorzubringen. Das ist vielmehr die Aufgabe der Erde. Aber das Wasser schafft die Voraussetzung für alle Schöpfung und Gestaltwerdung. Es ist immer schon vorher da. Darum sind die Wasserzyklen auch so groß zu denken, bis zur Unsterblichkeit dehnbar. Dieses Archaische des Wassers, diese ungeheuren zeitlichen Ausmaße, dieses Ewige im Wechsel hat kein Dichter so klar gestaltet wie Lope de Vega: Al cabo de los años mil vuelven las aguas por do suelen ir. Humildes se hacen, altos se reprueban, unos se renuevan, y otros se deshacen, como mueren nacen, porque con vivir al cabo de los años mil vuelven las aguas por do suelen ir. Otra vez se ve lo que no se espera, lo que ya no era vuelve a lo que fué; nadie triste esté, que si da en sufrir, al cabo de los años mil vuelven las aguas por do suelen ir5). Vgl. E l i a d e , Die Religionen und das Heilige, S.223Í. ) Joh.4, 14. 8 ) Vgl. P. S ó b i l l o t , Le Folklore de France, Paris 1907, Band II, S.256-291, 327-387. *) Ebd., S.230f. 5 ) Poesías líricas (Clásicos castellanos), Madrid 1925. a

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Das Wasser in der modernen spanischen Lyrik Keimkraft Jene Keimkraft, die das Wasser für das mythologische Denken besaß, findet sich auch in den Symbolen der modernen spanischen Lyrik wieder. Nur bezieht sie sich nicht mehr auf die Werdensmöglichkeiten von Welt und Natur, sondern auf den Menschen. Das Kind und das Wort, Traum und Hoffnung, Liebe undEhe lassen ihr virtuelles Wesen in der Wassersymbolik erkennen. Die archaische Bildmächtigkeit bleibt dabei so unverändert erhalten, daß es möglich ist, auch die Brücken zwischen einzelnen Symbolen wie ehedem zu schlagen und dennoch einen durchaus unarchaischen Bezug zu meinen und zu treffen. So ist z.B. im magischreligiösen Denken die Perle mit der Keimkraft des Wassers, in dem sie sich geformt hat, geladen1). Ricardo Molina benutzt das Bild, um die latente Kraft des vergessenen Wortes zu zeigen ; ,,y la palabra como perla silenciosa se duerme para siempre en el fondo del mar". Mit der Keimkraft verbindet Molina sodann ein anderes mit der Wassersymbolik verknüpftes Motiv: das der periodischen Erneuerung, der „ewigen Wiederkehr", nur daß er das Bild für dieses Motiv nicht mehr dem Bereich des Wassers entnimmt, sondern als „Sonnenwende" dem des Himmels: „Pero lo que ha vivido es lo único que vive. Recogido en sí mismo se besa en su solsticio"2). Die Bedeutung erhält diese „Sonnenwende" jedoch vom vorhergehenden Wassersymbolismus. Die Symbole stehen also nicht isoliert. Es ist das Schöpferische, das Fortzeugende einer Dichtung, das José Hierro ausdrücken will, wenn er seine eigenen Verse und die eines anderen Dichters als Wasser bezeichnet : „Tú que buscas el agua que corre transparente no has de beber mis aguas rojas"3). Die Mehrdeutigkeit zeigt sich hier sehr lebendig. Denn Hierro meint zugleich mit den Versen im „Wasser" auch das gesamte persönliche Leben: „(. . .) Has venido a hacer moler la muela con tu agua transitoria. Tu fin no está en ti mismo („Mi Obra" dices), olvidas que vida y muerte son tu obra. Y que el cantar que hoy cantas será apagado un día po la música de otras olas"*). Vgl. E l i a d e , Die Religionen und das Heilige, S.497. ) José Luis Cano, Antología de la nueva poesía española, Madrid 1958, S.217Í., aus: Elegía de Medina Azahara, 1957. 3 ) Quinta del 42, Madrid 1952, S. 13. *) Ebd., S. 14. 2

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Die gesamte Anschauung Hierros vom Zusammenhang zwischen Kunst und Leben, Künstler und Mensch, Ästhetik und letzten Dingen ist in dem Wassersymbol zusammengefaßt. Die Verbindung Dichterwort-Wasser ist jedoch nicht neu. Neu ist hier nur der persönlich-individuelle Bezug. Dem mythologischen Denken ist der Dichter zugleich der Seher, sein Wort verweist auf ein Werden. So berichtet T a c i t u s , wie beim Orakel von Klaros ein Priester Wasser aus der geheimnisvollen Quelle trank, um sodann in Versen zu prophezeien1). Prophetische Kräfte kommen aus dem Wasser. Der Dichter ist den Ursprüngen näher, darum weiß er mehr als gewöhnliche Sterbliche, darum kann er auch Zukünftiges sagen2). Entsprechend siedelt Vicente A l e i x a n d r e den Dichter an den „Flüssen" an, wo er von Anbeginn lebt : „Oyes en tu corazón diminuto el rumor de los ríos donde viviste siempre, desde la primera creación del mundo"3). Daß Aleixandre in diesen Versen das Herz des Dichters als „klein" bezeichnet, hat seinen Ursprung wiederum in dem Werdegedanken, in dem Keimhaften, das sich in Kind und Wort und Schöpfung erst entfalten soll. Der an den Wassern lebende Dichter ist darum Kind, „poeta niño"4). Einfacher erscheint das Symbol bei José Antonio Muñoz Ro j as. Die werdende Mutter nennt ihr Kind „Wasser" : ,,¡ Oh sueño de mis entrañas ! Oh alto río, resonando de siempre en mis entrañas"5). Jorge Guillen läßt das ganze Meer, alle Möglichkeiten des Werdens, durch die Hände des Kindes rinnen : „Entre las manos del niño pasa el mar"6). Da das Kind hervorgeht aus dem Leibe der Frau, wird in der modernen spanischen Dichtung auch dieser Leib Wasser, Fluß oder Meer genannt, wobei die Entfernung zu den noch heute in Europa lebendigen Märchen vom Kinderteich7) nicht groß ist. So schreibt Miguel H e r n á n d e z : „Tú, vientre caudaloso, el hijo y el palomar. Esposa, sobre tu esposo suenan los pasos del mar"6). Annales II, 54. ) Vgl. E. R. Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern 1048, S.210f, S.220. 8 ) Nacimiento último, Madrid 1953, S.112. *) Ebd., S. 113. 6 ) Antología Cano, S.90, aus „Cantos a Rosa", 1955. •) Cántico, 41950, S.57. Vgl. auch Carlos B o u s o ñ o , in „Antología consultada de la joven poesía española", 1952, S. 28; Pedro S a l i n a s , Poesías completas, Madrid 21956, S. 268 und S. 438 ; Vicente A l e i x a n dre, Sombra del paraíso, Madrid 1944, S.83. ') Vgl. S. 7. «) Obra escogida, Madrid »1958, S.232, aus: Poemas últimas, 1938-1941. 2

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Obwohl hier die ganze Frau mit ihrem Leib identifiziert ist, darf der Bezug nicht rein biologisoh gesehen werden. Die Frau erfüllt zugleich seelisch das Leben des Mannes, das wird aus dem Gefühlston dieser Verse deutlich; sie bedeutet ihm zugleich Möglichkeit inneren Werdens, wie es auch aus den verwandte Bilder benutzenden Versen Blas de Oteros spricht: „Cuerpo de la mujer, río de oro donde, hundidos los brazos, recibimos un relámpago azul, unos racimos de luz rasgada en frondor de oro. Cuerpo de la mujer o mar de oro donde, amando las manos, no sabemos si los senos son olas, si son remos los brazos, si son alas solas de oro . . Z'1) Die Übertragung des Zeugenden, der Keimkraft auf die menschliche Innerlichkeit im Bilde des Regens führt Rafael Morales zur Umkehrung des biologischen Verhältnisses: die Frau ist der Regen, der Mann die Erde, d.h. die Frau zeugt, der Mann empfängt: „Eres comó la lluvia deseada que baja lentamente, sigilosamente sobre la seca tierra y, tiernamente, le infiltra su caricia delicada. Así tú para mí, la siempre amada, sobre mi seca tierra incandescente, así tú para mi, que, suavemente, me llenas de ternura enamorada"2). Der Akzent liegt hier ganz auf Zärtlichkeit und zartem Dank; die praktische Anwendung des Regensymbols ist also von der ursprünglichen mythologischen, rein vital gerichteten Funktion weit entfernt, wahrt aber dennoch den Bedeutungskern. Ins Innerseelische weist auch die im Wasser symbolisierte Hoffnung. Es handelt sich hier nicht um eine Allegorie der abstrakt gedachten Hoffnung, sondern um die konkrete menschliche Situation des Hofifens, die wieder im Unsagbaren, Unbeschreiblichen und Grenzenlosen beheimatet ist. Dieses Hoffen stellt José Hierro als das den Blicken entzogene Wasser im Brunnen dar: „(. ..) Pozos semicegados. (Pero el agua, invisible para los ojos, como una remota esperanza suena en el fondo)"3). Angel fieramente humano, Madrid 1950, S.21. ) Canción sobre el asfalto, Madrid 1954, S. 43. s ) Antología, Torrelavega a1954, 8.23, aus „Tierra sin nosotros", 1947. a

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Germán B l e i b e r g zeigt das Wesen der im menschlichen Auge aufleuchtenden Hoffnung im Bilde eines von Wasser umgebenen Schiffes: „Toda mi alma, amor, sabe esperarte, en esta penumbra marchitada, mientras en mis ojos reside un ambiente de barco cercado por las olas, y recuerdo el dolor convertido en experiencia"1). Vergleicht man diese letzten beiden Zitate mit den zwei vorhergehenden, so zeigt sich, wie gefährlich eine vorgegebene Schematisierung ist. C. B o u s o ñ o müßte seiner Theorie zufolge das Wasser in den Versen Bleibergs und Hierros den Symbolen zurechnen, da es auf eine geistige, nicht scharf zu begrenzende Wirklichkeit verweist2), dagegen das Wasser in den Versen Oteros und Morales' als „imagen visionaria" bezeichnen, da sich zwei Gegenstände der realen Wirklichkeit, Frau und Wasser, erst im „Gefühl" des Dichters bzw. Lesers miteinander verbinden3). In Wirklichkeit verbirgt oder auch offenbart sich in diesem Gefühl das gleiche Symbol, das der Hoffnung das Konkrete und zugleich eigentlich Poetische gibt. Eine Trennung hie Symbol, hie Metapher bzw. „imagen visionaria" bliebe in einer Weise am Äußeren der Technik hängen, die dem Kern nicht gerecht wird. So wird auch von den Dichtern sowohl der Traum wie der Träumer „Wasser" genannt, um darin die Verbindung zum Nicht-Verwirklichten, zur Möglichkeit und zum Wunsche kundzutun. Zukunftsträume werden in einem Gedichte Luis Cernudas vom Murmeln des Wassers genährt: „El susurro del agua alimentando, con su música insomne en el silencio, los sueños que la vida aún no corrompe, el futuro que espera como página blanca"4). Zur Möglichkeit und zum Wunsche gehören auch die latenten Kräfte des Unbewußten. So ist für Dámaso A l o n s o der Traum ein Brunnen und logischerweise das darin enthaltene Wasser die unbewußte Tiefe der Seele: „ni sé lo que es el pozo del sueño cuando mis manos y mis pies con delicia se anegan, y, hundiéndose, aun palpan el agua cada vez más humanamente profunda"5). José H i e r r o sieht sich selber als einen „Fluß von Träumen": „(. . .) me veo como un agua remota, como un río de sueños"6). *) Antología Cano, S. 108, aus „Más allá de las ruines", 1947. 2 ) Vgl. Teoría de la expresión poética, S. 110. s ) Vgl. ebd., S.92. 4 ) Aus „Como quien espera el alba", 1947, enthalten in „La realidad y el deseo", México 1958, S. 198. 6 ) Hijos de la ira, Buenos Aires 21946, S. 155. 1. Ed. Madrid 1944. •) Antología, S.46, aus „Alegría", 1947.

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Aber der Traum und mit ihm das Wassersymbol kann nicht nur selber ein Virtuelles sein, sondern auch einen Ursprung zeigen. Die Möglichkeit der Schöpfung kann auf den Schöpfer verweisen, die letzte Seelentiefe des Menschen auf Gott. So zeigt es Emilio Prados. Als vom Traum umfangener Träumer ist er „Wasser im Wasser", aber dieses Wasser entstammt jenem großen Strome, der Gott ist: „¿El agua soy tendida en mí que duerme ? (...) Agua en el agua, escucho en mí su sueño. (•••)

¡Mi río es Dios\ ¡El agua ha despertado! Sueño en el agua el agua por qué he sido y bebo al cielo en mí que al cielo subo, porque me voy, porque me voy del agua"1). Damit ist ein neuer Symbolsektor des Wassers berührt : der des Ursprungs. Ursprung Der alte Schöpfungsmythos von der Weltentstehung aus dem Wasser wird bei Vicente A l e i x a n d r e lebendig, wenn er eine paradiesische Welt als ein gleichsam unaufhörliches Wiederholen dieser ersten Schöpfung ansieht ; „El mar . . . no es que naciese el mar. Intacto, eterno, el mar era sólo el mar. Cada mañana, estaba. Hijo del mar, el mundo nacía siempre arrojado nocturnamente de su brillante espuma"2). Das Meer ist immer. Es ist vor allem Anfang, wie ein Schöpfergott. Ihm dankt die Welt Entstehung und Erhaltung. Aleixandre steht mit dieser Konzeption des Meeres dem in der Scholastik entwickelten Gedanken von der kontinuierlichen Schöpfung nahe. Thomas v o n Aquino schreibt : „Ad quartum dicendum quod conservatio rerum a Deo non est per aliquam novam actionem, sed per continuationem actionis qua dat esse; quae quidem actio est sine motu et tempore"3). Dieser Kontinuitätsgedanke gehört nicht zur mythologischen Wassersymbolik, die stattdessen von großräumigen Schöpfungswiederholungen im Anschluß an Kataklysmen berichtet. Aleixandre steht damit den Dichtern, die Gott als „Wasser" symbolisieren, weil er der Ursprung ihres Lebens ist, näher, als es zunächst den Anschein hat. Unter diesen Dichtern sind neben dem oben bereits zitierten Emilio Prados vor allem H i d a l g o , Panero und D. A l o n s o zu nennen. Dabei sind Prados und Hidalgo nicht den eigentlich christlichen Dichtern zuzurechnen. José Luis H i d a l g o nennt die Seele Wasser, weil sie von Gott kommt, der als Ursprung allen Seins ebenfalls „Wasser" ist. Damit ist nicht jener ewige rhythmische Wechsel gemeint, der Goethe sagen läßt: „Des Menschen Seele gleicht dem Wasser"4). Hidalgos Symbol zielt auf den persönlichen Gott, nach dem der x

) Antología, Buenos Aires 1954, S.285, aus „Rio natural", 1953. s ) Nacimiento último, S.94. ) Summa Theologica I, 104, 1. 4 ) Gesang der Geister über den Wassern. 2

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Mensch sich in seinem einmaligen Leben sehnt; von dem er ausgegangen ist, zu dem er im Tode zurückkehrt und zu dem er „Du" sagen kann: „Déjame que, tendido en la noche, avance, como un río entre la niebla, hasta llegar a Ti, Dios de los hombres, donde las almas de los muertos velan. (••O Por los que ya no están, sé que Tú existes y por ellos mis agrias te desean. Y sé que, como un mar, a todos bañas; que las llamas de todos reflejas y que a Ti llegaré cuando mis aguas den al mar de tus aguas verdaderas"1). Leopoldo P a n e r o spricht vom „Wasser" seines Herzens, das mit jedem Wellenschlag seinen Ausgang von Gott dem Schöpfer verkündet: „(. . .) Sólo el agua de mi corazón se oye. Su dulce latir, ¡tan dentro! calladamente responde a la soledad inmensa de algo que late en la noche. Somos tuyos, tuyos, tuyos. Somos, Señor, ese insomne temblor de agua nocturna"2). In einem an García Lorca gerichteten Gedicht verbindet Panero den Gedanken des Unbewußten3) mit dem des Ursprungs, der als „gloria" Gott impliziert: „Hablas de la vejez que hay en el agua; en las flores y el hombre; en lo que importa más de verdad al pensamiento vivo beber, puesta la boca en el profundo manantial del alma, en la bullente claridad incógnita de lo que está en nosotros olvidado de su origen y gloria"1). In der übernächsten Strophe heißt es: „bebiste Dios". Los muertos, Torrelavega 21954, S.59. 1.Edition Madrid 1947. ) Escrito a cada instante, Madrid 1949, S.25. s ) Vgl. Absatz „Keimkraft". «) Ebd., S. 105. 2

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Diese Identifizierung der unbewußten Quelltiefen der Seele mit Gott ist zweifellos mystischen Charakters, man vergleiche nur einmal das Gedicht „Que bien sé yo la fonte que mana y corre" des San J u a n de la Cruz. Es ist möglich, daß mystische Züge in einer so verinnerlichten Lyrik wie der modernen spanischen sich noch öfter finden — das muß sich im weiteren Verlauf dieser Untersuchung erweisen. Spanien ist seit jeher die Heimat großer Mystik — was jedoch nicht auszuschließen braucht, daß sich in anderen Ländern verwandte Strömungen finden, besonders in der heutigen raumverkürzenden Welt der Technik. In einem Aufsatz über das moderne französische Chanson spricht Louis B a r j o n von der Aufgeschlossenheit für „die Mystik, die wir ebenfalls — und immer wieder mit Erstaunen — rings um uns bestätigt finden". Dabei meint „rings um uns" nicht nur den Franzosen, da im modernen Chanson weniger dieser als solcher, sondern vielmehr „der moderne Mensch ganz allgemein" uns entgegentritt1). So würde sich heute in verstärktem Maße zeigen, was nach H. P e t r i c o n i allgemeines Gesetz literarischer Entwicklung ist: „Des weiteren wollen wir behaupten, daß auch im 19. Jahrhundert und bis auf unsere Tage die literarische Entwicklung innerhalb der einzelnen Länder durchaus einheitlich verläuft. Allen hervorragenden Werken eines gewissen Zeitabschnitts liegt offenbar jeweils die gleiche, mehr oder minder persönlich gefärbte Anschauung zugrunde, sie alle weisen gemeinsame Merkmale auf, die sie als zu der betreffenden Periode gehörig erkennen lassen"2). Was hier grundlegend gilt, dürfte in der heutigen Zeit, wie auch B a r j o n betont 3 ), besonders spürbar sein. Doch ist im Kähmen dieser Arbeit ein vergleichender Blick auf die übrigen europäischen Literaturen nicht möglich, vielmehr muß sich die Hoffnung auf ergänzende Einzelstudien richten und das Interesse sich ausschließlich der spanischen Literatur zuwenden. Bei P a n e r o kehrt die mystische Seele-Gottsymbolik des Wassers mehrfach wieder. Gott ist der Quell im Herzen, zu dem der Mensch jedoch nur durch Gnade gelangen kann: „Cava la soledad de mi latido dentro del corazón la tierra ciega, minuto tras minuto y nunca llega del manantial salobre a lo escondido. Golpe tras golpe mi latido entra más y más en la tierra: como un loco cava mi corazón. Después, reposa, y en su propio descanso a Dios encuentra como un niño dormido poco a poco en la dulce memoria venturosa"4). „Das französische Chanson — Spiegel unserer Zeit" in „Dokumente", 1958, Heft 1, S. 33 und S.27. 2 ) Die spanische Literatur der Gegenwart, Wiesbaden 1926, S. 184. s ) A.a.O., S.28. 4 ) Escrito a cada instante, S. 71.

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Was hier gesagt wird, durchzieht wie ein roter Faden die Werke eines Juan de la Cruz oder einer Teresa de Avila : daß der im Herzen verborgene Gott erst gefunden wird, wenn der Mensch sich ihm ganz überläßt. Das zugrundeliegende Problem, wie sich das Unendliche im Endlichen verwirklichen könne, führt Dámaso A l o n s o zu dem Bilde eines einerseits unbegrenzten und dann doch wieder vom Menschen, vom Ich begrenzten Sees : „Dios es inmenso lago sin orilla, salvo en un punto tierno, minúsculo, asustado, donde se ha complacido limitándose: yo"1). Aber das Bild ist in sich zu widersprüchlich und wird darum wieder aufgegeben : ,,No, Dios mío, tú, todo: la ola y la ribera"2). Immer wieder wird in der Dichtung D. Alonsos Gott durch das Wasser symbolisiert. Aber das Symbol besagt noch mehr als Ursprung: Es besagt Wiedergeburt, Erneuerung. Ein anderer Symbolsektor wird damit betreten. Wiedergeburt Die „aguas de Dios" ) zeigen sich für Alonso nicht nur als still ruhender See. Sie sind auch ein gewaltiger, reißender, strudelnder Strom, der das Land überschwemmt — „un rumoroso Misisipí"4), der wie eine Sintflut über die Seele kommt, die untergeht und neu emportaucht, mitgerissen von den mächtigen Wassern des Heiligen Geistes und der göttlichen Liebe : 3

„Ay, Dios, ¡ cómo me has arrastrado, cómo me has desarraigado, cómo me llevas en tu invencible frenesí, cómo me arrebataste hacia tu amor!"5) Es ist die gleiche Symbolik, die das Wasser zur Taufhandlung notwendig macht, die Symbolik jener Lebenserneuerung, die ebenso für die gesamte Schöpfung wie für die einzelne Seele gültig ist. Sie kann auch säkularisiert werden, metaphorisch angewendet, so z.B. wenn José María V a l v e r d e die geliebte Frau seinen Tod nennt, in dessen Wassern er untergeht und neugeboren wird : „Ven, muerte mía, muerte de los ojos claros, y al hundirme en tus aguas dame vida"6). 2 Hombre y Dios, Málaga 1955, S. 34. ) Ebd., S. 35. 4 ) Hijos de la ira, 1946, S. 61. ) Ebd., S. 113. 6 ) Hijos de la ira, S. 114. 6 ) Antología consultada de la joven poesía española, Santander 1952, S. 210, inédito. s

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Das Wasser der Wiedergeburt heilt, was zerstört war, es schenkt Gesundheit und Jugend. Der stets ein wenig materialistische T e r t u l l i a n schreibt hierzu aus christlicher Sicht: „Habes homo inprimis aetatem venerari aquarum, quod antiqua substantia: dehinc dignationem, quod divini spiritus sedes, gratior scilicet ceteris tune elementis. (. . .) Ordinato dehinc per elementa mundo cum incolae darentur, primis aquis praeeeptum est animas proferre. Primus liquor quod viveret edidit, ne mirum sit in baptismo, si aquae animare noverunt. Nam ipsius quoque hominis figurandi opus sociantibus aquis absolutum est. De terra materia convenit, non tarnen habilis nisi humecta et succida, quam scilicet ante quartum diem segregatae aquae in stationem suam superstite humore limo temperarant. Si exinde universa vel plura prosequar, quae elementi istius auetoritate commemorem, quanta vis eius aut gratia, quot ingenia, quot officia, quantum instrumentum mundo ferat, vereor, ne laudes aquae potius quam baptismi rationes videar congregasse; licet eo in ómnibus rebus et operibus suis deus disposuit, etiam in sacramentis propriis parere fecit; si quae vitam terrenam gobernat, et in coelesti procurat"1). Panero, der, wie schon gezeigt, durch die metaphorische Verbindung von Herzschlag und Wellenschlag symbolisch auf Gott den Schöpfer und Herrn des Menschen verweist, spürt in sich die Wirkung dieses „Wassers", d.h. des göttlichen Geistes, ganz in der von Tertullian beschriebenen Weise: „\Agua en reposo viviente que vuelve a ser pura y joven con una esperanza! (Sólo en mi alma sonar se oye.)"2). Aber wie das „Lebenswasser" auch im vor- und außerchristlichen Raum eine Rolle spielte3), bedienen sich auch die modernen nichtchristlichen Dichter der Wiedergeburtssymbolik des Wassers. So ist es beiLuisCernuda die Schönheit des Wassers, die den Tod besiegt: „En tanto el agua libre entre los juncos pasa con la enigmática elocuencia de su hermosura que venció a la muerte"*). Vor allem aber gelangt das Bild des Meeres zu gewaltigen Wirkungen. Vicente A l e i x a n d r e erkennt in seinen Wellen ewige Jugend und Auferstehung: „Olas sin paz que eternamente jóvenes aquí rodáis hasta mis pies intactos. Mirad me vuestro, mientras gritáis hermosas con espumosa lengua que eterna resucita"5). 1

) ) 3 ) 4 ) 8 ) 2

De baptismo, 3. Escrito a cada instante, S. 26. Como quien espera el alba, Buenos Aires 1947, S. 193. Sombra del paraíso, S. 189. Vgl.Pedro S a l i n a s ; „Resurrección es esto, no oleaje", a.a.O., S.304, aus „El contemplado".

2 Lorenz

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Das Meer erscheint darum A l e i x a n d r e als göttlich, es ist das Herz Gottes: „Allá, reverberando, sin tiempo, el mar existe. ¡Un corazón de Dios sin muerte, latei"1). Ähnlich wie Aleixandre das Meer ein göttliches Herz nennt, bezeichnet José Luis H i d a l g o das Wasser des Meeres als göttliches Blut, vom menschlichen verschieden : „Distintas nuestras sangres, se ignoraban : la tuya, verde, transparente y única; la mía, rojamente múltiple . . ,"2). Die Symbolik von Grün zeigt die ewige Erneuerungskraft an3). Die Gegenüberstellung von única und multiple weist hin auf die göttliche Eigenschaft des Wassers, im Sinne des platonischen, in Neuplatonismus und Scholastik weiterentwickelten Gedankens vom Einen und Vielen, wozu sich gleichsinnig der Gedanke der Transparenz gesellt, der auf Erkenntnis zielt4). Thomas v o n A q u i n o schreibt in diesem Zusammenhang: „Ad secundum dicendum quod ea quae sunt divisim et multipliciter in creaturis, in Deo sunt simpliciter et unite"5). Und „Manifestum est autem quod Deus ita perfecte cognoscit seipsam, sicut perfecte eognoscibilis est. Est enim unumquodque cognoscibile secundum modum sui actus : non enim cognoscitur aliquid secundum est in potentia, sed secundum quod est in actu, ut dicitur 9 Metaph. (lib. 8, cap. 9). Tanta autem est virtus Dei in cognoscendo, quanta est actualitas ejus in existendo : quia per hoc quod actu est, at ab omni materia et potentia separatus, Deus cognoscitivus est, ut ostensum est. Unde manifestum est quod tantum seipsum cognoscit, quantum eognoscibilis est. Et propter hoc seipsum perfecte comprehendit "8). In den Versen Hidalgos wird aber auch die Trennung zwischen dem ewigen göttlichen und dem vergänglichen menschlichen Leben betont : „distintas nuestras sangres, se ignoraban". Das führt zu einem Merkmal, das in der Verwendung des Wassersymbols die nichtchristlichen Dichter von den christlichen unterscheidet : während für die christlichen Tod und Wiedergeburt rein aus dem Geiste erfolgen können, setzen die nichtchristlichen überwiegend den leiblichen Tod voraus. Wie naturhaft-elementar die Wiedergeburt gedacht ist, zeigt ein Gedicht José Hierros: 1

) Sombra del paraíso, S. 136. ) Los muertos, S. 13. s ) Vgl. W. W a c k e r n a g e l , Kleinere Schriften I, Berlin 1872, Kapitel „Die Farben- und Blumenlehre im Mittelalter". 4 ) Vgl. August B r u n n e r , Die Grundfragen der Philosophie, 4 1956, S.214: „Das göttliche Selbstbewußtsein ist vollkommen und erstreckt sich genau so weit wie sein Sein. Er istreines Licht ohne jede Dunkelheit, ohne Unbewußtes und Halbbewußtes." Vgl. ferner 1. Johannes, 1, 5: „Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis". 5 ) Summa Theologica, I, 14, 1. •) Ebd., 14, 3. 2

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„Si muero, que me pongan desnudo, desnudo junto al mar. Serán las aguas grises mi escudo y no habrá que luchar. Si muero, que me dejen a solas. La mar es mi jardín. No puede, quien amaba las olas, desear otro fin. Oiré la melodía del viento, la misteriosa voz. Será por fin vencido el momento que siega como hoz. Que siega pesadumbres. Y cuando la noche empiece a arder, soñando, sollozando, cantando, yo volveré a nacer"1). Der Gedanke der natürlichen Auferstehung, des Weiterlebens im Leben der Vegetation oder der Nachkommen spielt eine große Rolle im Dasein der Primitiven. Aleixandre knüpft also an uralte Traditionen an, wenn er das Gesamt der Lebenden als Meer bezeichnet, das einzelne Individuum aber als Welle: „Cuerpos que mañana repetidos, infinitos, rodáis como una espuma lenta, desengañada, siempre. ¡ Siempre carne del hombre, sin luz! Siempre rodados desde allá, de un oceáno sin origen que envía ondas, ondas, espumas, cuerpos cansados, bordes de un mar que no se acaba y que siempre jadea en sus orillas"2). Aber die über diese Verse sich breitende „desengaño''-Stimmung, für die der Ausdruck „espuma desengañada" das Signal gibt, zeugt davon, wie fern Aleixandre einem naiven Wiedergeburtsgedanken ist. Hier schaltet sich die Ratio ein, die da sagt, daß ja letztlich das Individuum nach seinem Tode von dem ewigen Lebenskontinuum nichts bemerkt. Darum ist es befriedigender, die mystisch-pantheistische Sehnsucht nach Aufgehen des Einzellebens in einem einzigen großen Leben vom biologischen auf den sozialen Sektor zu übertragen: „Y con generoso corazón se siente arrastrado y es una sola oleada con la multitud, con la de los que van como él", sagt Aleixandre3).

Antología Cano, 298f., aus „Alegría", 1947. ) Sombra del paraíso, S. 170. 8 ) Historia del corazón, Madrid 1954, S. 86. a

2*

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Ähnlich Rafael Alberti : „Era hermoso ser ola, ser crecido oleaje de aquel pueblo. (...) Si, yo era muchedumbre . . . Entre sus olas, igual, múltiple mar, que entre las tuyas, era una sola voz la que sonaba"1). Bei García Lorca heißt es: „como me pierdo en el corazón de algunos niños, me he perdido muchas veces por el mar"2). Es ist immer wieder das menschliche Herz, das metaphorisch mit dem Wasser verbunden wird. Wellenschlag, Ebbe und Flut, Systole und Diastole, Lebenserhaltung, Wechsel der Gefühle und des Geschicks — auf diesem Grunde vielfältiger Assoziationen wird die Brücke gebaut. Wesentlich ist dabei die Mahnung, im Wassersymbol nicht nur das Leben, sondern auch den Tod zu sehen. Ein Gedicht von Miguel H e r n á n d e z zeigt sehr gut, wie die mythologische Reihenfolge Leben aus Tod umgekehrt wird in Tod aus Leben: „El corazón es agua que te acaricia y canta. El corazón es puerta que se abre y se cierra. El corazón es agua que se remueve, arrolla, se arremolina, mata"3). Tod Es gibt in der modernen spanischen Lyrik eine ganze Symbolgruppe, in der die Lebensbedeutung des Wassers gebrochen ist. „Agua rota" sagt auch bezeichnenderweise Luis Felipe V i v a n c o : „Niebla harpienta, yerba mojada y agua rota. (...) Pero un amor, ya sin brazos, se altiva en la garita, y es inútil su intenso vacío, sus distancias redentoras. (Su yerba mojada, su agua rota"*). x

) Pleamar, Buenos Aires 1954, S. 56. ) Diván del Tamarit, in: Obras Completas, T.VI, Buenos Aires 51949, S.146, l.Ed. in RHM VII, 1940. s ) Cancionero y romancero de ausencias, 1952, in: Obra escogida, Madrid 1958, S. 200. 4 ) Antología Cano, S.44, aus „Continuación de vida", 1949. 2

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Luis E o s a l e s erblickt im „lebendigen Wasser" den schleichenden Tod und läßt die Wiedergeburtssymbolik nur noch als Frage wirksam werden: „(.. .) El lento movimiento mortal del agua viva, — del pie que al caminar borra el sendero —, y se borran mis huella en el alma. (...) Dime, ¿volverá el tiempo a dividir las aguas que ahora cubren madera, cima y cielo del bosque agonizante donde nunca se pierde un niño ni se olvida un sueño ?x?) aoçwTà-n) xal ápíomj. Trockner Glast: weiseste und beste Seele. (Zitiert aus Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Berlin 4 1922.) 6) Vgl. H i r s c h b e r g e r , a.a.O., S.23. «) Vgl. ebd., S.223. 8 Lorenz

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der Mythologie die Auffassung von der himmlischen Abstammung des Feuers bei weitem überwiegt. Daher die Frage nach der Herkunft des Feuers immer wieder zwei Antworten findet: es ist ein Geschenk der Götter, oder es wurde den Göttern vom Menschen bzw. einem Demiurgen geraubt1). Der Raub des Prometheus wurde im alten Athen Jahr für Jahr feierlich begangen. Ein entsprechender Brauch findet sich noch heute bei den Dogon, einem Negervolk im westlichen Sudan2).

Das Feuer in der modernen spanischen Lyrik Das Lebensfeuer Der antike Gedanke vom die Welt und den Menschen erhaltenden Lebensfeuer kehrt in der modernen spanischen Lyrik häufig wieder. Da sich seine Symbolik z.T. mit der des Wassers deckt, z.T. eine Ableitung der Sonnensymbolik ist 3 ), sei er nur kurz behandelt. Als schöpferische Kraft ist das Feuer ohne Anfang und Ende und steht wie das Wasser vor allem Gestaltwerden: ,,(. . .) El fuego sin edad de lo que nunca naciera, a cuya orilla vida y muerte son un beso, una espuma". (V. Aleixandre) 4 ) Das Feuer ist das Herz der Welt: ,,Yo estaba junto a ti. Calladamente se abrasaba el paisaje en el ocaso y era de fuego él corazón del mundo sobre el silencio cálido del campo". (R. Morales) 5 ) Morales verbindet in der Metapher „Herz" zwei traditionelle Bedeutungen des Feuers miteinander: die des belebenden und erhaltenden Zentrums und die der Liebesleidenschaft, da das Gedicht fortfährt: ,,¡Ay, locura de amor!, ya todo estaba en vuelo y en caricia transformado . . . Todo era bello, venturoso, abierto . . . y el aire ya tornóse casi humano"6). Vgl. K ö n i g , a.a.O., S.25, desgl. J. G. F r a z e r , Mythea of the Origin of Fire, London, 1930. 2 ) Vgl. A.E. J e n s e n , Mythos und Kult bei den Naturvölkern, Wiesbaden 1951, S.73 und S.139. 8 ) Vgl. Juan Eduardo Cirlot, Diccionario de símbolos tradicionales, Barcelona 1958, S.207f. *) Nacimiento último, S. 97. 8 ) El corazón y la tierra, a.a.O., S.87. «) Ebd., S.87. 114

Alberti kehrt die Reihenfolge um: „Sueñe (...) la llama el corazón de su pasado"1). José Hierro schließt zugleich mit der schöpferischen an die verwandelnde Macht an, die Heraklit dem Feuer zuschrieb und die ein Leitgedanke der mittelalterlichen Alchimie wurde2). Wie Morales behandelt er dabei das Feuer als Symbol der Liebe : „El amor y las almas, juntos, fueron creando el Universo. Las almas fueron su metal. El amor, su mágico fuego"3). Das gleiche Feuer der Schöpfung brennt im Menschen. Besonders J. Guillén hat diesen Gedanken ausgeführt : „Fuegos de creación siempre en nosotros, con nosotros arden"4). Diese Konzeption des im Menschen brennenden Weltenfeuers erscheint bei Jorge Guillén auch in dem speziellen, von der Stoa entwickelten Bilde des „Seelenfunkens", der „scintilla animae". Er gebraucht darum in den folgenden Versen auch nicht das übliche spanische Wort „chispa", sondern das seltenere „centella", das etymologisch auf scintilla zurückgeht : „Hijo, centella de un fuego : En el gran fuego inextinguible quemémonos"5). Der Sohn ist ein „Fünkchen" des göttlichen Urfeuers, hat somit auch Teil an dieser Göttlichkeit, ähnlich wie Lucius Annaeus Seneca vom menschlichen Geiste schreibt: „An illud verum sit, quo maxime probatur homines divini esse spiritus, partem ac veluti scintillas quasdam sacrorum in terram resiluisse atque alieno haesisse"6). Eigentlicher Sitz dieses Funkens ist das Herz, so wie die Sonne das Herz des Makrokosmos ist. Daher der Mensch als Mikrokosmos, als Abbild des Makrokosmos gilt7). Wie aber das göttliche Urfeuer bei Heraklit zugleich Logos ist, so ist die „scintilla" entsprechend in der späteren christlichen Patristik Organ der Gottesschau. Aicher von Clairvaux schreibt in diesem Sinne: „Dicitur mens rationalis, ubi est quaedam s c i n t i l l a tamquam oculos animae, ad quem pertinet imago et cognitio Dei"8). !) Pleamar, S. 119. ) Vgl. Gino T e s t i , Dizionario di Alchimia e di chimica antiquaria, Rom 1957, Artikel „Fuoco". 3 ) Antología S.64, aus „Con la piedra, con el viento", 1950. *) Cántico, S. 387. 6 ) Ebd., S.387. •) De Otio, V, 5. ') Vgl. E.V. I v á n k a , „Apex mentis", in Zeitschrift f. kath. Theologie, 1950, Bd.72, Heft 2, S. 149f. ®) Migne, PL 40, S. 785. 2

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Da diese scintilla gleichbedeutend ist mit dem „apex mentis"1), knüpft Dámaso Alonso hier an, nicht nur gedanklich, sondern auch vokabelmäßig: „Tirana mente mía, mente creada, único continente capaz de lo increado, templo de Dios. Tal si yo encierro, a través de una lente, en pequeñita caja, todo él fuego del astro de la vida, allí se reconcentra, diminuto, tanto que la materia arde. Sí, mi intuición de Dios es muy pequeña, mas, cuando pienso „Dios", allí, en pequeño foco, representado está mi Dios inmenso, y me escuece, y me abrasa"2). Mens darf hier nicht einfach rational verstanden werden. Es bedeutet ja auch im klassischen Latein sowohl Erkenntnis wie Gemüt. Ganz vom Affektiven her gestaltet José Luis Hidalgo das Bild der Gottesschau mittels des Seelenfunkens, „gota triste de luz": „Bajo la tierra seca, arden eternamente vuestras llamas, por un aire sin pájaros, eternamente alimentadas. Madre terrible, exprime del cuerpo vuestra alma, que, como gota triste de luz desnuda y blanca brota en los aires puros donde Dios se derrama. Estáis muertos, hundidos, pero su soplo ya os traspasa, y crecéis y crecéis, durante siglos, y le estáis contemplando cara a cara"3). *) Vgl. I v á n k a , a.a.O. 2 ) Hombre y Dios, S. 32. s ) Los muertos, S.31.

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Im übrigen aber hat das Lebensfeuer bei diesem Dichter meist eine Todesbedeutung, die aus den im Kapitel „Blut" behandelten Zusammenhängen erklärbar ist. Leben ist Verbrennen: „La vida en destrucción (.. .)• ardiendo"1). Der menschliche Körper ist wie eine brennende Fackel, „(.. .) el cuerpo como una antorcha viva"2), und dieses Feuer,

„el fuego vivo de mi cuerpo"3),

ist zwar ein Feuer Gottes, aber es hat keinen anderen Sinn als den der allmählichen Zerstörung: „Ocultus son los fuegos, Señor, donde consumes este tallo desnudo que es apenas mi vida"4). Negativ ist auch die Bedeutung, die bei Blas de Otero das göttliche Feuer mit dem menschlichen verbindet. Gott brennt in der Einsamkeit des leeren Raumes, der Mensch in der Einsamkeit eines die Natur übersteigenden und doch zum Tode bestimmten Lebens: „Cuerpo de Dios ardido en llama oscura por los espacios solos se derrama, y yo también, oh Dios, oscura llama soy, en el árbol de tu sombra pura. Arbol de Dios, oh sí, arboladura hundida al fondo donde el hombre ama; y desde allí, mortal, eterna, clama, reclama, sueña eternidad y altura. Mira, Señor, si puedes comprendernos, esta angustia de ser y de sabernos a un tiempo sombra, soledad y fuego. Mira, Señor, qué solos. Qué mortales. Mira que, dentro, desde ahora, luego, somos, no somos — soledad — iguales"5). Hier geht es weder um eine Gleichheit der Substanz, wie in der Stoa, noch um eine Einheit des Wollens und Liebens, wie in der Mystik, sondern um eine Analogie der Einsamkeit, die sich letztlich aus den „leeren Bäumen", aus dem heutigen i) Ebd., S.92, *) Ebd., S.28. ®) Ebd., S. 14. *) Ebd., S.36. *) Angel fieramente humano, S. 64. 117

astronomischen Weltbild also, erhebt. Der traditionelle Wohnort Gottes, der Himmel, ist leerer Baum geworden, die Sterne menschlich gesehen unnütz, wie denn Ricardo Molina auch sagt: „inútil como astro en la noche"1). Daher verwandelt sich bei Leopoldo P a n e r o das Brennen des eigenen Lebens und das Brennen Gottes in Kälte und Leere: „Mis altas horas arden, y mis besos arden, queman de Ti: queman de frío, de ausencia, como caen desde él vacío las estrellas, la noche tras los tesos"2). Hier kann Heraklits Urfeuer nicht mehr brennen. Und es kann im Gegenteil das Dasein der Sonne, dieses feurigen „Herzens des Kosmos", das Gefühl der Beraubung im Menschen erwecken: „La luz, la hermosa luz del Sol, cruel envío de un imposible, dorado anuncio de un fuego hurtado al hombre, envía su fulgurante promesa arrebatada, siempre, siempre en su cielo, serenamente estático". (V. Aleixandre) 3 ) Der Prometheusmythos hat sich umgekehrt: das Feuer wurde dem Menschen geraubt. Leidenschaft und Läuterung Uralt ist das Bild des Feuers für die Darstellung der Leidenschaft, besonders der Liebesleidenschaft4). Fühlt sich doch der von Leidenschaft Ergriffene, .erhitzt'', von der Lebens- und Zeugungsbedeutung des mythologischen Bereiches ganz abgesehen5). Es wurde bereits gezeigt, wie bei Morales das Weltenfeuer zugleich eine leidenschaftliche Liebe symbolisiert. Und Morales kennt auch die gefährliche, zerstörerische Seite dieses Feuers. Die Liebenden — „Ay los bellos amantes! Ay los ciegos amantes, tan abrasados (. . .)" — brennen und verbrennen. Es bleibt nur „ceniza sin peso"6). Der Sinn des Wortspiels abrasar — abrazar, das dieses Gedicht charakterisiert7), spielt eine noch weitaus größere Rolle bei Vicente A l e i x a n d r e , der schon einmal Antología Cano, S.216, aus „Elegías de Sandua", 1948. ) Escrito a cada instante, S.67. 8 ) Sombra del paraíso, S. 93. Vgl. Cirlot, a.a.O. 5 ) Vgl. V. A l e i x a n d r e , Sombra del paraíso, S. 166. 8 ) El corazón y la tierra, a.a.O., S. 83-85. ') „se queman en su dicha, se abrazan en su brillo", ebd. 2

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im Titel eines seiner berühmtesten Gedichtbände Liebe und Zerstörung gleichsetzte1). Die Geliebte schenkt dem Liebenden ein Leben, das sich verzehrt, so wie jeder körperliche Liebesausdruck ein Verbrennen ist: „Abre tus ojos, dame, dame vida. Sorba en su llama tenebrosa el sino que me devora, el hambre de tus venas. Sorba su fuego derretido y sufra, sufra por ti, por tu carbón prendiéndome. Sólo soy tuyo si en mis venas corre tu lumbre sola, si en mis pulsos late un ascua, otra ascua: sucesión de besos"2). Die Gleichsetzung von Liebe und Verbrennen geht im gleichen Gedichte so weit, daß die Liebe selbst als ein Gestirn erscheint, das sich verzehrt: „Amor, amor, tu ciega pesadumbre, tu fulgurante gloria me destruye, lucero solo, cuerpo inscrito arriba, que ardiendo puro se consume a solas". Aber schon in „Sombra del paraíso" kennt Aleixandre eine andere Liebe, die nicht verbrennt und die er als Licht symbolisiert3). Das Paradiesesfeuer ist ebenfalls Licht, das nicht verbrennt, aber es setzt eine menschenlose Welt voraus4). Während aber Aleixandre in „Sombra del paraíso" trotz aller Paradiesesträume den zerstörenden Rausch noch sucht und bejaht, distanziert er sich von ihm in „Historia del corazón": „Momentánea destrucción el amor, combustión que amenaza al puro ser que amamos. Al que nuestro fuego vulnera, sólo cuando desprendidos de sus lumbres deshechas la miramos, reconocemos perfecta, cuajada, reciente la vida, la silencia y cálida vida que desde su dulce exterioridad nos llamaba. He aquí el perfecto vaso del amor que, colmado, opulento de su sangre serena, dorado reluce"5). Das Brennen des Feuers hat sich in Leuchten verwandelt. Damit ist ein Läuterungsvorgang umschrieben. Die Läuterung kann aber auch im Zerstörungsprozeß selbst liegen, wenn es nämlich das Unreine und Verbrauchte ist, das zerstört wird, und aus dieser Vernichtung sein eigentlicher Wert ersteht „wie der Phönix aus der Asche"6). Ja, hierin liegt eine der wesentlichsten Bedeutungen des Feuers, wie „La destrucción o el amor", 1935. Vgl. hierzu José Luis Cano, De Machado a Bousoño, 8.89 und S. 104. 2 ) Sombra del paraíso, S. 182. 8 ) Vgl. S. 171ff. 4 ) Sombra del paraíso, S. 134. 5 ) Historia del corazón, S. 26. Vgl. auch S. 34. 6 ) In China gilt der Phönix als Sonnensymbol. Vgl. Cirlot, a.a.O., S.202. 119

sie ja auch in den periodischen Weltenbränden Heraklits zum Ausdruck kommt oder in der Taufsymbolik des Feuers im Neuen Testament 1 ). So ist auch A l e i x a n d r e s Weltenbrandvision positiv zu verstehen, als Geburt einer neuen Welt: „Ah, amigos, arrojad lejos, sin mirar, los artefactos tristes, tristes ropas, palabras, palos ciegos, metales, y desnudos de majestad y pureza frente al grito del mundo, lanzad el cuerpo al abismo del mar, de la luz, de la dicha inviolada, mientras el universo, ascua pura y final, se consume"2). Was für die Welt gilt, gilt auch für den menschlichen Körper: im eigenen,,Feuer''' fühlt er sich neu geschaffen, wie folgendes Gedicht Miguel H e r n á n d e z ' zeigt: „Todo el cuerpo me huele a recienhecho por el jugoso fuego que lo inflama, y la creación que adoro se derrama a mi mucha fatiga, como un lecho" 3 ). Die läuternde Fähigkeit der Leidenschaft, die Katharsis, wird durch das Feuersymbol zum Ausdruck gebracht. M o r a l e s sagt von den oben zitierten „ciegos amantes": „i Qué tenaz sol les dora bajo la piel hermosa y les quema implacable, vital y enardecido, y les convierte en dioses, en poderosos dioses, en dioses torturados y locos, brillantísimos ?" 4 ) Die beiden Entflammten werden also gleichsam zu Göttern verbrannt. Sehr klar bringt Carmen C o n d e den leidenschaftlichen Reinheits- und Reinigungscharakter des Feuers in „Mi fin en el viento" zum Ausdruck: „Extasis ¡ Arder, arder! E n fuego limpio de orillas con ceniza, quemadura del mundo, sin que una mano aventara un hilo de polvo oscuramente turbio. Arder en blanco país de pureza, en domada pasión de fuego clarísimo. Llamas en bandadas de lenguas ávidas de cosaB que se funden ais sorberlas . . . Sí; llamas de bocas frías y ardientes, desvastadoras. ¡ Arder, arder, arder, oh, mi único ardor \ Nunca impura". Vgl. M a t t h ä u s 3, 11 und L u k a s 3, 16: „Er wird euch mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen". 2 ) Sombra del paraíso, S. 125. ®) El rayo que no cesa, S. 29. 4 ) El corazón y la tierra, a.a.O., S. 87.

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Es ist ein Brennen, das in Gott sein Ziel findet: ¡„Arderte a Ti; ardernos, oh mi amor hallado dentro del gran fuego que es mit cuenco frío!"1) Auch Juan Ramón Jiménez sieht Gott in weißem Feuer, dem doppelten Symbol der Reinheit: „un dios en ascua blanca, que sustenta, que incita y que decide la mañana oscura!"2) Weißes Feuer ist auch Gottes Stimme: „Tu voz de fuego blanco"3). Das gemahnt an die Stimme Gottes, die zu Mose aus dem brennenden Dornbusch sprach. Gabriel Celaya hat diese alttestamentarische Vision in seinem Lyrikband „Movimientos elementales" gestaltet. Doch ist es hier, im Gegensatz zum Alten Testament, der Zorn Gottes, der das Feuer entzündet. Mit dem Zorn vereint aber ist die Strafe, mit der Strafe die Läuterung, so daß dieser brennende Busch zunächst Tod, dann aber neues Leben gibt: „Exaltada presencia, la ira me saca de mi mismo, Dios en la zarza ardiendo, y en mis ruinas, de pronto, 'purísimo, surgiendo brillante, hiriente, fiero. (...) Que el viento de la ira me avive en esta llama, en la carne que muere, catastrófica, ardiendo, en esta consunción de pena y luto lento para que surjas, puro, Dios en la zarza ardiendo"*). Auch Dámaso A l o n s o s teilweise bereits zitiertes Gedicht vom „pequeño foco", als der Gott in den Menschen eingeschlossen ist, endet mit dem Läuterungsmotiv: „La carne se me abrasa, y el alma casi vuela, como un humo azul hacia el azul!"5) Dieser Schluß zeigt sehr anschaulich, was mit der Läuterung gemeint ist: Rückkehr zum Ursprung.

') Antología Cano, S. 113f, aua „Mi fin en el viento", 1947. 2 ) Animal de fondo, a.a.O., 8.1353. *) Ebd., 8.1353. l ) Antología Cano, aus „Movimientos elementales", 1947, S. 130. *) Hombre y Dios, S. 32. 121

Die Feuersymbolik der modernen spanischen Lyrik schließt sich auffallend mühelos an die archaische und traditionelle Symbolik an. Das mag daran liegen, daß in der modernen Welt der Elektrizität und Atomenergie das Feuer fast ein romantisches Requisit geworden ist, das als Lagerfeuer oder im Kamin eine verschwundene poetische Welt für Augenblicke herbeizaubert. Und selbst da, wo es noch dem täglichen Gebrauche dient, bleibt es menschlichen Zielsetzungen und Tätigkeiten eng verbunden. Es ist nicht jederzeit in unabhängiger Weise „da", wie Wasser, Luft und Erde. Eine Ausnahme bilden die Feuer des Himmels, die Gestirne. Sie werfen Fragen auf, die erst das folgende Kapitel lösen kann.

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DRITTER SYMBOLKREIS

DER HIMMEL Die mythologische Bedeutung des Himmels „Wo der Himmel ist, da ist auch Gott" — dieser Ausspruch eines Negers aus dem Stamme der Ewe1) charakterisiert die Himmelssymbolik. Der Himmel in seiner Unerreichbarkeit, Grenzenlosigkeit und Unveränderlichkeit gilt dem Menschen als Bereich des Höchsten Wesens, als Offenbarung alles dessen, was als Transzendenz, höchste Macht und Heiligkeit empfunden werden kann. Im Indogermanischen Sprachraum lassen sich etymologische Verwandtschaften zwischen den Namen der obersten Götter — Dyaus, Zeus, Diespiter (Juppiter), Tyr-Zio — und den Wörtern für leuchten, Tag, Himmel feststellen2). Der Gott wird, besonders im frühesten Stadium der Religionsentwicklung, gewöhnlich als ein rein geistiges und darum gestaltloses Wesen gedacht3). Dieser Gott gilt als gut, als Schöpfer der Welt, als Vater der Menschen4). Er tritt im Kult kaum in Erscheinung, da dieser sich vorzugsweise den gefährlichen und irdischeren Mächten zuwendet. Daher zeigt dieser Himmelsgott eine nahezu gesetzmäßige Neigung, im Laufe der Zeit aus den Religionen zu verschwinden oder durch andere Götter ersetzt zu werden5). Vor allem sind es natürlich die einzelnen Himmelserscheinungen, wie Sonne, Regen, Gewitter, Sturm, die, zunächst Äußerungsformen des Hochgottes, durch ihre speziellen Bedeutungen wie Zeugung, Fruchtbarkeit usw. spezialisierte Gottheiten auf den Plan rufen. Oder, in höheren Kulturen, tritt die kosmische Ordnung als Weltgesetz verselbständigt hervor, wie es z.B. das indische Rita, das chinesische Tao, die griechische Moira zeigen6). 1

) Zitiert bei M. E l i a d e , Die Religionen und das Heilige, S.62. ) Vgl. F. K ö n i g , a.a.O., S.354. 3 ) Vgl. M. E l i a d e , Die Religionen und das Heilige, S.81; H. S c h r a d e , Der verborgene Gott, Stuttgart 1949. So wird vom innerasiatischen Hirtenvolk der Tungusen berichtet: „Buya als höchstes Wesen ist nicht anthropomorph, ist nicht einer von den Geistern, von denen später die Rede sein wird. Buya kann nicht durch menschlichen Willen eingeführt werden, in irgendeine Lokalisierung oder einen menschlichen Körper. Die Tungusen haben kein Bild noch eine Idee von seinem Aussehen" (berichtet von Shirokogorov, zitiert bei W. S c h m i d t , a.a.O., Bd. 10, S. 524. *) Vgl. F. K ö n i g , a.a.O., S.365. s ) Vgl. M. E l i a d e , Die Religionen und das Heilige, S. 81. •) Vgl. A. B r u n n e r , Die Religion, S. 76f. 2

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Der Himmel in der modernen spanischen Lyrik Der gütige Himmel Der Himmel als Gottessymbol bereitet der Interpretation größere Schwierigkeiten als z.B. das Wasser als Lebenssymbol. Denn niemand zweifelt am Vorhandensein des Lebens, viele hingegen am Dasein Gottes. Schwierigkeiten in der Symbolbildung können hier darum rein innerseelische Schwierigkeiten sein, die nichts über physikalische Anschauungen aussagen. Andererseits bleibt auch das Geistige im Menschen leib- und weltgebunden und bedeuten daher Änderungen des Weltbildes zunächst auch Eingriffe in die mit Hilfe dieses Weltbildes interpretierte Glaubenswelt. Ein Beispiel hierfür bietet der einstige Kampf der Kirche gegen die Astronomie eines Kopernikus und Galilei, da mit den neuen Lehren die Erde ihre zentrale Stellung im Weltall einbüßte. Denn wenn auch die Annahme, Gott könne nur einem augenfälligen Mittelpunkt seine besondere Aufmerksamkeit zuwenden, ein Anthropomorphismus ist, so ist dieser eben doch allgemein verbreitet und tief verwurzelt1). Da also bei dem Himmel und seiner Symbolik zwischen Ursache und Wirkung schwer zu unterscheiden ist, ist für die Ausdeutung besondere Vorsicht geboten bzw. diese Frage möglichst gar nicht zu stellen. In der modernen spanischen Lyrik durchdringen sich noch immer sehr innig die Himmels- und Gottesvorstellung. Gott erhält die blaue Farbe des Himmels bei Juan Ramón J i m é n e z , der mit seinem Vers „dios hoy azul, azul y más azul"2) ein Selbstzitat aus „Baiadas de Primavera" bringt3). Blau ist Gottes Fleisch und blau Gottes Blut auch bei José Luis H i d a l g o : „Dios es sobre vosotros. Azul tiene su carne, azul su vasta sangre inmensamente lúcida"4). Vicente A l e i x a n d r e sieht den eigenen verstorbenen Vater wie in einem seligen göttlichen Sein. Das heitere Blau des Himmels ist darum der Kuß seiner Lippen : „Padre, tú me besaste con labios de azul sereno"5). So wie auch sonst die Beziehung zwischen Himmel und Mensch von persönlicher Liebe bestimmt ist : „El puro cielo ennoblece mi corazón. Sólo tú, ámbito altísimo inaccesible a mis labios, das paz y calma plenas al agitado corazón con que estos años vivo. (...) Luego declinas, oh sereno, oh puro don de la altura, cielo intocable que siempre me pides, sin cansancio, mis besos, como de cada mortal, virginal, solicitas. (• • •) 1

) Vgl. die in dieser Arbeit mehrfach aufgewiesene Heiligkeit des „Zentrums". 8 ) Animal de fondo, a.a.O., S. 1350. ) 1907, in „Mañana de la Cruz" : „Dios está azul". 5 *) Los muertos, S.21. ) Sombra del paraíso, S. 160. 2

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Baja, baja dulce para mí y da paz a mi vida. Hazte blando a mi frente como una mano tangible y oiga yo como un trueno que sea dulce una voz que, azul, sin celajes, clame largamente en mi cabellera. Hundido de ti, besado del azul poderoso y materno, mis labios sumidos en tu celeste luz apurada sientan un roce meridiano, y mis ojos ebrios de tu estelar pensamiento te amen, mientras así peinado suavemente por el soplo de los astros, mis oídos escuchan al único amor que no muere"1). Einen modernen Psalm auf den Himmelsgott könnte man dieses Gedicht nennen. Aber es hat einen leisen tragischen Unterton: „Inaccesible a mis labios" — „cielo intocable". Die Unerreichbarkeit des Himmels, seine Unberührbarkeit widersetzen sich der persönlichen Bindung. Das Blau steht nicht ganz im Einklang mit den personifizierenden Körperteilen, wie Hand und Lippen. Jorge Guillén dagegen läßt das physikalische Himmelsbild unverändert bestehen, verleiht ihm aber die geistige Bedeutung des Vatergottes, Schutz und Güte: „Mientras me guarda y vela bajo su potestad el firmamento"2). Und: „Esas anchas nubes planas, esos hielos muestran un azul ya un poco más benévolo"3). Noch einen Schritt weiter geht Juan Ramón J i m é n e z , der gerade in der Gestaltlosigkeit des modernen „Himmels" den äquivalenten Ausdruck für die Gestaltlosigkeit Gottes findet: „Todos mis moldes, llenos estuvieron de ti; pero tú, ahora, no tienes molde, estás sin molde, eres la gracia que no admite sostén, que no admite corona, que corona y sostiene siendo ingrave. Eres la gracia libre, la gloria del gustar, la eterna simpatía, el gozo del temblor, la luminaria del clariver, el fondo del amor, el horizonte que no quita nada; la transparencia, dios, la transparencia, el uno al fin, dios ahora sólito en lo uno mío, en el mundo que yo por ti y para ti he creado"4). l

2 ) Ebd., S. 187. ) Cántico, S.437. ) Animal de fondo, a.a.O., S. 1330.

4

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) Ebd., S.58. 125

Allerdings zeigen die letzten Zeilen, daß es eine geistige Welt ist, in der Gott und Himmel untrennbar sind, ganz Durchsichtigkeit und ganz Gnade, in der Einheit von „pleadios" und „pleacielo", wie Jiménez in einem anderen Gedichte des gleichen Zusammenhanges sagt1). Auch Guilléns Welt ist, wie im Erdkapitel gezeigt wurde, eine selbstgeschaffene des Geistes2). Darum fügt sich ihr auch der antike Gedanke der Sphärenmusik ein. Die Alten sahen in dieser Musik der Gestirne den Ausdruck der vollkommenen Ordnung, die am Himmelsgewölbe verwirklicht war. Nicht aber auf Erden, wo es vielerlei Störungen gab: „Das Bild der Natur ist nicht das einer vollkommen exakten Regelmäßigkeit. Nur die Gestirnbewegung am Himmel bietet den Anblick einer vollkommenen Ordnung; aber der Himmel ist auch göttlicher als die Mächte unter dem Monde, und für den Menschen bleibt er ewig unerreichbar. Auf Erden herrscht eine mannigfach gestörte und durchkreuzte Ordnung. Diese Ordnung ist nicht eine ausnahmslose, sondern nur ein meistens zutreffendes Geschehen. Die Natur will zwar das Beste, strebt es überall an, aber sie stößt auf Widerstände und fällt ermüdet ab, sie kämpft mit einer Realität, die Unordnung, Nichtkönnen, Unfertigsein und darum letztlich Nichtsein verkörpert, dem Chaos oder dem „ersten Stoff". Die vitale Lebendigkeit mit ihrer Spontaneität, ihren Ausnahmen findet so der antike Mensch in der ganzen Natur wieder. Sie ist hier auf Erden unvollkommenes Abbild der vollkommenen himmlischen Ordnung. Nach Gründen und Ursachen der Ausnahmen zu suchen, hat keinen Sinn. Sie können nicht vernünftig, nicht intelligibel sein. Damit ist die Idee des Experiments ausgeschlossen und ebenso die eines exakten und ausnahmslosen Naturgesetzes"3). Anders Jorge Guillén. Ihm kommt es gerade auf die völlige Übereinstimmung der himmlischen Ordnung mit der Natur an. Aber diese Natur ist nur eine Metapher für das spezifisch menschliche Sein. Die irdische Musik ist darum einfach das Hörbarwerden der Sphärenmusik; beide sind verbunden mit dem Gedanken des geschlossenen Kreises, der für Guillén absolute Ordnung und Sicherheit bedeutet4). „Como al oído atrajo la primera suma de un mundo virgen en su coro: este coro, también del firmamentol"5) ,,¡Oh música, suprema realidad! Es el despliego mismo — oíd — de un firmamento — lo veis — que nos recoge. Nada sonoro ocurre fuera. Ya, i dónde estamos ?"6) Ebd., S. 1350. ) Vgl. auch G.R. Lind, a.a.O., Schlußkapitel. s ) August B r u n n e r , Der Stufenbau der Welt, S. 645. «) Vgl. S. 60—70, sowie G.R. Lind, a.a.O., S.60. «) Cántico, S. 424. «) Ebd., S. 180. 2

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„Majestuosa en transición risueña, hacia un astro y su circulo de sones la música dirige, siempre dueña del gravitar de las constelaciones"1). Hier ist mehr als eine bloße Ordnung der Natur, eine Naturgesetzlichkeit gemeint: Das Menschliche ist einbezogen, die geordnete Vollkommenheit des Himmelskreises kann Gott sein oder das Gedicht: „Misterio perfecto perfección del círculo, círculo del circo secreto del cielo. Misteriosamente refulge y se cela. — i Quién ? i Dios ? i El poema ? — Misteriosamente . . ."2) Die ursprüngliche Himmelssymbolik ist noch lebendig, ebenso wie im Gesang der Sterne oder des Lichtes, der bei A l e i x a n d r e , Alberti und Panero eine paradiesisch heile Welt voller Frieden meint, der ein menschlicher Friede ist und nicht der reibungslose Ablauf physikalischen Funktionierens: Aleixandre: „Cántico son los cielos, y una mano reparte una promesa lúcida, constelación reciente para los ojos dulces cerrados por el sueño. (...) ¡ Todo es sueño! Todo es pájaro. ¡ Todo, oh, ya todo es cielo !"3) Alberti: „Y aunque quizás no lejos se sintiera subir como un lenguaje de sílabas de carros, una invasora rueda de frío estruendo, iban sobre el azul del mar a inaugurarse la edad de la tranquila proporción, el ansiado tiempo del canto luminoso, el sueño de la diafanidad y armonía, de la paz ya sin fin, detenido el poniente"4). Panero: ,,¡ Mañana, y hoy, y mañana, cuando el coro del almiar, cuando el son de las estrellas, cuando el fuego en el pinar lejano, cuando un silencio de empañamiento inmortal. . .! 1

) Ebd., S. 151. ) Ebd., S.80. *) Nacimiento último, S. 87. 2

*) Retornos de lo vivo lejano, S. 113. 127

Todo en rotación diurna descansa en su más allá, espera, susurra, tiembla, duerme y parece velar, mientras el peso del mundo tira del cuerpo y lo va enterrando dulcemente entre un después y un jamás"1). Bei allen drei Dichtern nimmt diese glückliche Welt ewigen Friedens ihren Weg über Schlaf und Traum. Der zerbrochene Himmel Der geträumten Welt der Sphärenmusik steht in der modernen spanischen Dichtung das Bild des zerbrochenen oder gestürzten Himmels gegenüber. Er ist mit dem Menschenbilde eng verknüpft, so daß José Hierro schreibt: „Pero yo estoy mirando en las aguas él cielo, ya roto, mi imagen, ya rota"2). Diese kurze Formel findet sich bei Alberti zu einem Gedicht ausgestaltet. Wieder, wie bei Hierro, spiegelt sich der Himmel im Wasser, um den Lebensbezug anzudeuten. Alberti geht dabei metaphorisch noch direkter vor, indem er nicht sein Bild im Wasser, sondern den Fluß selbst, das uralte Symbol des menschlichen und persönlichen Lebens3), zerbrochen sein läßt: „Se ha roto el río. Pedazos de espejos rotos navegan por todas partes. Van espejos con caballos. Espejos rotos, con árboles. Se ha roto el río. Desazogados cristales rotos, azules y verdes, que no podrá juntar nadie. Se ha roto el río. Y el cielo, roto en él aire, no sabe ya en donde verse, en donde, roto, mirarse"*). 1

) Escrito a cada instante, 8.78. ) Antología, S.39, aus „Alegría". «) Vgl. S. 27 f. 4 ) Baladas y Canciones, S. 131. 2

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Die Symbole sind hier ebenso direkt gesetzt wie in der abstrakten Malerei, scheinbar ohne Gegenstandsbezug, und doch in unmittelbarer Weise ihren eigentlichen Gegenstand, den Menschen, meinend und treffend1). Das Gedicht gibt das Gegenbild der ersehnten heilen Welt: eine Welt, in der alles zerbrochen ist. Dem zerbrochenen Himmel ist der gestürzte verwandt. Er spielte, wie Gustavo Correa in seiner Arbeit über „La poesía mítica de Federico García Lorca"2) zeigt, in den Dichtungen Garcia Lorcas und ganz besonders in „Poeta en Nueva York" eine beherrschende Rolle als Symbol von Tod, Katastrophe, Weltuntergang3). Er ist eng an Lorcas Konzeption von der modernen technisierten Welt gebunden. Eine neue Gestaltung hat Rafael Morales dem Motiv gegeben. Ein Sonnenuntergang gibt Anlaß zu dem Bilde des gestürzten Himmels, der nun zur Natur gehört: „Era el cielo una vasta pregunta silenciosa; infinita, increíble, sobre el mundo curvaba en silencio intangible, su soledad grandiosa, y en el alma anhelante como tierra pesaba. Sin pájaros, desierto, como un dios olvidado, un torso azul, sin nubes, sereno se extendía, tremenda fuerza inútil, arcángel derribado que en la tierra silente a lo lejos se hundía. Allá, entre las montañas desiertas y calladas, donde el sol vespertino se desangra sin ruido, ved las alas azules, intangibles, cansadas, de este arcángel inmenso sobre el polvo caído. Ay, arcángel silente que a la tierra se entrega; azul ángel bello, sin fin y sin camino! Y la noche implacable se hunde y te ciega, y, oscuro, gira el mundo, tremendo y sin destino"4). Ein ausgesprochen dynamisches Gedicht, in dem das Himmelssymbol eine dem Sonnenuntergang entsprechende Entwicklung durchmacht: 1) 2) 3) 4) 5) 6)

cielo ( . . . ) sobre el mundo ( . . . ) intangible dios olvidado torso azul alas azules arcángel inmenso sobre el polvo caído la noche implacable (. . . le) ciega.

Die Welt bleibt im Dunkeln sich selbst überlassen. Vgl. G r o h m a n n , Neue Kunst nach 1945, Köln 1958, darin besonders das Kapitel: Über Frankreich und die Ecole de Paris, von Marcel B r i o n , S.50. 2 ) Oregon 1957. s ) S. 148. 4 ) El corazón y la tierra, a.a.O., S. 112f. 0 Lorenz

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Auffallend ist, daß in diesem Gedicht wieder zur Kennzeichnung des Himmels das gleiche Wort gebraucht wird, das Ricardo Molina auf die Sterne anwandte1): „inútil", unnütz. Stärker sogar noch, sagt Morales „fuerza inútil". Der physikalische KraftbegrifF dringt hier ein. Sobald man den Himmel vom neuzeitlichen astronomischen Weltbild her betrachtet, ist er nichts als Zwischenraum und insofern, verglichen mit den Kräften von Energie und Materie, gewiß „inútil". Er kann aber auch als „unnütz" erscheinen als eine endlose Anhäufung von Gestirnen, die dem Menschen nicht helfen, seine menschlichen Probleme zu lösen. Etwas davon klingt an, wenn García Lorca sagt, der Himmel sei leider kein Kind, sondern ein Elefant2), oder wenn A l e i x a n d r e den Himmel als ein blickloses, steinernes Auge bezeichnet: „Cielo de piedra dura, nefando ojo completo que sobre el mundo, fiero, vigila sin velarse. (...) presente miro inmóvil ese ojo siempre en seco"3). Der Himmel ist kein sinnvoller Raum mehr. Darum kann nach seiner Existenz ebenso gefragt werden wie nach der Existenz Gottes bzw. kann in der Affirmation der Zweifel liegen: „Yo sé que existe un cielo. Acaso un Dios que sueña"4). Zu dem erblindeten Erzengel5), der unnützen Kraft, dem steinernen Auge und schlafenden Gott gesellt sich der taube Himmel. Er findet sich in einem Gedichte Albertis und hat, genau wie der zerbrochene Himmel, seine Entsprechung im Fluß, der nun ebenfalls taub ist: „Si el cielo está sordo, el río más grande y más sordo está"6). Ebenso wie bei dem zerbrochenen Himmel und zerbrochenen Fluß liegt hier ja eine Mutilation vor, eine Zerstörung der ursprünglichen Fähigkeit. Etwas Wesentliches ist nicht so, wie es sein sollte. Der praktische Sinn des Gedichtes ist die Klage und Anklage des einsamen Menschen, um den sich kein Gott und erst recht kein Mensch kümmert. Alberti läßt diesen Menschen darum sinnbildlich durch einen Hund mit dem menschlichen Namen „Don Amarillo" vertreten, um das ganze hilflose Ausgeliefertsein, die verbindungslose Sinnlosigkeit des Lebens mit größter Schärfe auszudrücken: „Solo está don Amarillo. ¡ Qué solo está!"7) ») Vgl. S. 118. 2 ) „Si el cielo fuera un niño pequeño (. . .) pero el cielo es un elefante", Diván del Tamarit, S. 151. ') Nacimiento último, S.27f. 4 ) Mundo a solas, s. 35. 6 ) Vgl. Vicente Gaos, ,,Y contemplé tus crueles astros ciegos", Antología consultada, S. 89, aus „Luz desde el sueño", 1947. •) Baladas y canciones del Paraná, S. 17. ') Ebd., S. 17.

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Die Taubheit des Himmels findet ihr Äquivalent im Gebell Don Amarillos, der sich der Unendlichkeit nicht verständlich machen kann: ,,Se sienta frente al bañado Don Amarillo. Y ladra a la inmensidad"1). Auch Rafael Morales gibt der Einsamkeit der Seele gegenüber dem Himmel Ausdruck. Der Himmel ist nicht taub, aber gleichgültig: „El paisaje está solo, es un olvido; al aire quieto entre las ramas duerme y levantan cansados los olivos su tristeza hacia el cielo indiferente. (...) ¡Ay, la noche de abril, alma tan sólo sobre el silencio oscuro de la tierral"2) Wie ein fernes Echo klingt hinter solchen Versen Pascals berühmtes Wort: „Le silence éternel de ees espaces m'eifraye"3). Der leere Himmel Dieses Schweigen der ewigen Räume, das Pascal erschreckte, folgt auch bei José Luis Hidalgo dem Absturz des Himmels: „Silencio sobre él mundo. Va espesando sus alas la grave mansedumbre del corazón que escucha. Pesa sobre los muertos, como un cielo caído, todo el latir del tiempo sobre la tierra única. (...) Pero el silencio existe: pesa sobre los muertos, sobre la tierra pesa, como una eterna luna"4). Wie Materie lastet dieses Schweigen. Es ist so stofflich wie der Himmel, der sich in einem Gedichte Aleixandres als „masa total" über die tote Geliebte senkt: „Tus grandes ojos azules abiertos se quedaron bajo él vacío ignorante, cielo de losa oscura, masa total que lenta desciende y te aboveda"5). Und es ist so leer wie die Leere Gottes, die Aleixandre auf seinem Körper fühlt: ,,Un vacío de Dios sentí sobre mi carne"8). 1

) Ebd., S. 17. ) El corazón y la tierra, a.a.O., S. 109. ®) Pensées, Brunschvicg, n. 208. á ) Los muertos, S.21. 6 ) Nacimiento último, S. 79. •) Sombra del paraíso, S. 195; vgl. auch ebd., S. 194. 2

o1

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Auch bei Aleixandre ist der stoffliche Himmel ein abgestürzter Himmel, wie in „Mundo a solas": „Cubierto por las telas de un cielo derrumbado lejanamente el hombre contra un muro se seca"1). In allen diesen zitierten Gedichten stürzt oder senkt sich der ebenso stoffliche wie leere Himmel im Zusammenhang mit dem Tod des Menschen. Tod und Nichts sind hier Synonyme. Aber das Nichts und die Leere werden stofflich dargestellt, weil die Unstofflichkeit des Himmels und seine ins Geistige weisende Symbolik sonst die Leere mit einem Sinn erfüllen könnten, der ja gerade als nicht vorhanden gezeigt werden soll. Darum gleicht bei Victoriano Crémer das Nichts einer dicken Dampfwolke: „Recuerdo que la nada era espesa y caliente como una vaharada (. . .)", und lastet der Himmel wie Blei auf den Schultern der Menschen: „y los hombres soportan firmamento de plomo"2). Wenn Dionisio Ridruejo fragt, ob das Leben völlig sinnlos sei, so verwendet er für die Erde das Symbol Sand, für den Himmel Stein: „i Bajo sus plantas sin raíz el suelo es movediza arena ? i sobre su frente sin unción el cielo es un bloque de piedra ?"3) Wenn der Himmel als physikalischer Raum nichts ist, wie auch Eugenio N o r a sagt: „porque los mundos brillan en la nada"4) so ist es für die Dichter schwer, die ursprüngliche Himmelssymbolik lebendig zu halten. Das wird sehr spürbar, wenn Vicente A l e i x a n d r e „die Himmel" als ein reines Produkt seines Bewußtseins ansieht und ihnen nicht mehr die ursprünglichere Bedeutung von Transzendenz und heiliger Macht gibt, sondern die von absoluter Einsamkeit: „(. . .) Los cielos eran sólo conciencia mía, soledad absoluta"5). x

) ) 8 ) 4 ) 5 ) 2

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S. 76. Antología consultada, S.69f., aus „Caminos de sangre", 1946. Antología Cano, S. 151, aus „En once años", 1950. Antología Cano, S.328, aus „Siempre", 1953. Sombra del paraíso, S. 195.

Der vermenschlichte Himmel Es ist vor allem Vicente A l e i x a n d r e , der sich immer wieder bewußt macht, daß der Himmel nur leerer Raum ist und selbst seine Materieeigenschaft nur Metapher : „Pero no. Claramente, altísimos, los cielos no se mueven, no penden, no pesan, no gravitan. Luminosos, sin tasa, como un mar no baten ; pero nunca sonríen ni resbalan. No vuelan"1). Aber das Bedürfnis, wieder einen lebendig sinnvollen und bedeutungsgeladenen Himmel zu besitzen, bleibt für den Dichter bestehen. Er drückt diesen Wunsch mit dem mythologischen Bildes des Mondes aus, der als Knochen am Himmel steht und — entsprechend der archaischen Bedeutung des wachsenden Mondes und des sich mit Fleisch umgebenden Knochens2) — den Himmel wieder entzünden und beleben möchte : „Un hueso todavía por un cielo de piedra quiere rodar, quiere vencer su quietud extinguida. Quiere empuñar aún una rosa de fuego y acercarla a unos labios de carne que la abrasan"3). Die alte Himmelsbedeutung konzentriert sich in diesen Versen im Bilde der Rose, dem Sinnbild der Liebe und Vollkommenheit4). Es ist gewiß kein Zufall, daß auch D a n t e dem „Himmel" des Jenseits die Form einer Rose gegeben hat. Dabei unterscheidet er sehr wohl den physikalischen Himmel (gemäß der Vorstellung des ptolemäischen Weltbildes) von dem transzendenten Himmel Gottes, über dessen rein geistige Bedeutung sich Dante durchaus im klaren ist : „(...) luce intellettual piena d'amore; amor di vero ben, pien di letizia; letizia che trascende ogni dolzore"6). „E questo cielo non ha altro dove che la merde divina, in che s'accende l'amor che il volge e la virtù ch'ei piove"6). Geist und Liebe lassen sich hier nicht trennen, sie sind der Himmel. Etwas sehr Ähnliches finden wir bei Jorge Guillén. Sein Gedicht „Perfección" verbindet ebenfalls das Himmelsbild mit dem der Rose :

') Mundo a solas, S. 98. ) "Vgl. Mondkapitel. s ) Mundo a solas, S. 48. l ) Vgl. Cirlot, a.a.O., S.363. Die Rose als Sinnbild des Märtyrertums findet sich nur im christlichen Baum. б ) Divina Commedia, III, 30, 40-42. •) Ebd., III, 27; 109-111. а

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„Queda curvo el firmamento, compacto azul, sobre el día. Es el redondeamiento del esplendor: mediodía. Todo es cúpula. Reposa, central sin querer, la rosa, a un sol en cénit sujeta. Y tanto se da el presente que el pie caminante siente la integridad del planeta"1). Dieses Gedicht um seiner Ausdrucksmittel willen als „geometrisch" zu klassifizieren, reicht nicht an sein Wesentliches heran. Denn den Schwerpunkt des Gedichtes bildet der Mensch, der hier nur als „wandernder Fuß" in Erscheinung tritt, weil so am besten sein völliges Einssein mit einer harmonisch gedachten Welt zu gestalten ist, denn Körper bedeutet Trennung. Ebenso wäre die Rose sinnlos, käme ihr nicht eine menschliche Bedeutung zu. Die gleiche, die Guillén in einem anderen Gedichte direkt anspricht: „Cielo insondable a la vista: amor es quién te conquista"2). Aber die Rose verbleibt im Gegensatz zu der Dantes innerhalb der Welt. Sie öffnet sich keiner transzendenten Unendlichkeit. Dennoch verweist auch sie auf die Transzendenz der Himmelsheiligkeit, denn sie befindet sich im Zentrum3). Es ist jene Gleichsetzung des Irdischen mit dem absoluten Sein, die allenthalben die Dichtung Guilléns kennzeichnet. Das ganz persönliche Leben ist zugleich das des Himmels: „Sin escucharme, cielo, me sostienes y consuelas trazando tus dibujos y signos, para mí constelaciones. Me rige él universo. No hay desdenes luminosos de nadie ni son lujos las estrellas. ¡Oh luz, de mí dispones!"4) Im Gegensatz zu anderen, bereits zitierten Dichtern betont Guillén: die Sterne sind nicht unnütz! D.h. sie haben eine menschliche Bedeutung, so wie auch der Himmel menschlich ist: „El cielo, que es humano, palidece"5). Guillén hat, wie das obige Gedicht vom Himmel, der ganz Kuppel und geschlossen ist, zeigt, auf das ptolemäische Weltbild zurückgegriffen, das ihm die auf den !) Cántico, S. 240. 2 ) Ebd., S. 135. 3 ) Zentrum als Verbindung zum Heiligen, vgl. E l i a d e , Heiliges und Profanes. 4)~Cántico, S.279. 5 )*Ebd, S. 167.

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Menschen bezogene Symbolgebung erleichtert. So kann der Mensch auch als Mikrokosmos erscheinen. Das Geistige in ihm entspricht dem Himmel, wie das Gedicht vom Lesenden zeigt: ,,Un hombre lee. Todo le rodea la página en lectura. ¡ íntegro estío bajo el sol! Madura la paz. i Jamás pelea ? En la página el verso, de contorno resueltamente neto, se confía a la luz como un objeto con aire blanco en torno. ¡ Oh bloque potencial! Así emergente de blancura, de gracia, lleva los signos más humanos hacia los cielos de la mente"1). Daß hier wieder geometrische Konturen, ebenso wie auch das Wort „Zeichen", erscheinen, hat seinen guten Grund. Guillén gestaltet eine ideale Welt, nicht anders als ein gewisser Zweig der abstrakten Malerei2). Wie in dieser ist seine Haltung eine platonisierende. Und wie dieser geht es ihm nicht um eine Idealisierung und Abstrahierung der Naturbilder, sondern darum, ein abstrakt Durchdachtes und Durchlebtes konkret und anschaubar bzw. nachfühlbar zu machen3). Umgekehrt geht Vicente A l e i x a n d r e vor. Nicht der menschliche Geist ist Himmel, sondern die oberste Partie des menschlichen Schädels. (Wenn auch natürlich das Geistige gemeint ist.) Der Mensch erweist sich als ein Mikrokosmos, der den Makrokosmos nachahmt. Der Weg geht also vom Konkreten zum Abstrakten: „Pero arriba la cabeza se evade. Belleza soberana, majestad de la frente, piel serena de oriente donde un sol se retrata, (. . .) i Cielo redondo y claro donde vivir volando, donde cantar batiendo unos ojos que brillan, donde sentir la sangre como azul firmamento que circula copiando mundos libres !"4) Ebenso in „Nacimiento últimos": „Un firmamento vibra hermético en la frente, con todas sus estrellas pujantes encendidas"5). !) Ebd., S. 187. ) Vgl. W. H a f t m a n n , Malerei im 20. Jahrhundert, München 1964, S.457. a ) Vgl. ebd., S.454. 4 ) Mundo a solas, S.61f. 5 ) S. 87.

2

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Die Symbolwelt Aleixandres bleibt an die Naturbilder gebunden und ist darum bedrohter als die Guillens. Überall lauert das Nichts: „Un hombre brilla o rueda, un hombre yace o se yergue, un hombre siente su pesada cabeza como azul enturbiado, sus lágrimas ausentes como fuego rutilante, y contempla los cielos como su mismo rostro, como su sola altura que una palabra rechaza: Nadie"1). Bei beiden Dichtern aber nimmt die Darstellung des Himmelssymbols ihren Weg über den Menschen, so wie auch Aleixandres Frage nach der Wiederbelebung des Himmels durch die Gleichung Mond-Knochen in Richtung des Organischen wies. Es wäre m.E. verfehlt, in der Übertragung der Himmelssymbolik auf den menschlichen Körper eine Vergöttlichungsabsicht zu sehen. Die Übertragung ergibt sich vielmehr aus den schon mehrfach dargelegten Spannungen zwischen Weltbild und bildlichem Ausdruck. Eine Gegenüberstellung mit H e r n á n d e z , dem es in diesen Gedichten tatsächlich auf eine mythologische Erhöhung und Vergöttlichung des Menschen ankommt, möge dies noch deutlicher werden lassen: „Sobre la piel del cielo, sobre sus precipicios, se remontan los hombres, i Quién ha impulsado al vuelo ? Sonoros, derramados en aéreos ejercicios, raptan la piel del cielo. (...) Es el mundo tan breve para un ala atrevida, para una juventud con la audacia por pluma: reducido es el cielo, poderoso la vida, domada y con espuma. (...) En vuestra mano está la libertad del ala, la libertad del mundo, soldados voladores: y arrancaréis del cielo la codiciosa y mala hierba de otros motores. (...) Si ardéis, si eso es posible, poseedores del fuego, no dejaréis ceniza por rastro, sino gloria. Espejos sobrehumanos, iluminaréis luego la creación y la historia"2). Hier ist der Mensch kein Mikrokosmos, der die Symbolik des Makrokosmos spiegelt. Die Symbole werden vielmehr von außen her motiviert. Die Befindlichkeit der sowjetischen Flieger am Himmel und ihre Idealität in der Anschauung des Dichters sind ihre Quellen. Darum kommen sie nicht zum Tragen.

a

Mundo a solas, S. 94. ) El hombre acecha, a.a.O., S. 181 f.

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Die mythologische Bedeutung der Luit Das archaische Erkennen erfaßt die Luft vor allem in ihren sinnfälligen Manifestationen, wie Wind, Sturm, Atem. Wind und Sturm sind, wie oben bereits angedeutet, Offenbarungen des Himmelsgottes, da sie dem oberen, „himmlischen" Bereich angehören und geheimnisvoll gestaltlos und unfaßbar sind1). Vom Himmelsgott, der Schöpfer und Vater des Menschen ist, empfängt der Mensch sein Leben. Kennzeichen des Lebens ist der Atem, der das Geschöpf mit der Luft des Himmels und seinem Schöpfer verbindet. Dieser Gedanke ist vor allem im hebräischen, griechischen und indischen Kulturbereich verbreitet, wie schon aus den Worten Ruah, Pneuma und Atman hervorgeht, die alle sowohl Hauch wie Seele bedeuten und auf ein übergeordnetes göttliches Prinzip verweisen2). Aber auch primitive Kulturen sprechen der „Hauchseele" ein überdauerndes Leben zu3). Bekannt ist im europäischen Raum die keltische Vorstellung vom Fortleben der Seele in Vogelgestalt — der Vogel ist ein symbolisches Äquivalent der Luft4). Er kann ganz allgemein den Bereich des „Oben" vertreten, als Geist, Gedanke, Gott5). Das Alte Testament zeigt Gott als Adler6), die Indianer Nordamerikas erkennen das höchste Himmelswesen im Raben7). In den gleichen Zusammenhang gehören die Berichte von Himmelsleitern, Levitationen, Yogiflügen, mystischen Bergbesteigungen8). „Fliegen können, Flügel haben wird zum Symbol der .Transzendenz' ; die Fähigkeit, sich in die Luft zu erheben, deutet auf das Erreichen der letzten Realität"9). Es vertritt eine geistige Seinsweise, deren Merkmal eine absolute Freiheit des Sichbewegens ist. Die Luft ist jedoch nicht nur eine Hierophanie des Himmelsgottes, sondern sie kann sich auch als ein eigener Bereich abspalten, nachdem sich in der menschlichen Vorstellung eine spezialisierte Sturmgottheit herausgebildet hat. Ein Sturmgott aber ist ein Wettergott, er bringt den Regen herbei, so daß er im Zusammenhang mit der Wassersymbolik ein zeugendes Prinzip verkörpert. Seine Erscheinungsform jedoch akzentuiert ihn anders als das Wasser, leidenschaftlicher, pathetischer. Das ihm zugehörige Tier ist der Stier, das Tier der Fruchtbarkeit und Lebensfülle10). Wegen seines Zusammenhangs mit dem aquatischen Bereich wird dieser Stier schon in sehr früher Zeit als mit Mondsicheln gehörnt dargestellt11). *) Zur biblischen Bedeutung von Wind und Sturm vgl. u. a. Apostelgeschichte 2, 1-4 oder Nahum, 1, 3; „Er ist der Herr, des Wege im Wetter und Sturm sind". 2 ) Vgl, K ö n i g , a.a.O., die entsprechenden Artikel. ») Ebd., S. 661 und S. 797. 4 ) Vgl, H. R. P a t c h , El otro mundo en la literatura medieval, Mexico 1956, S. 44f., 49, 53 f, 63, 110, 117, 141, 175. 6 ) Vgl. E l i a d e , Das Heilige und das Profane, S. 103; Die Religionen und das Heilige, S. 79; C.G. J u n g , Von den Wurzeln des Bewußtseins, S. 360 und S. 489 •) Exodus 19,4; Deuteronomium 32, 11. 7 ) Vgl. E l i a d e , Die Religionen und das Heilige, S. 79. 8 ) Vgl. E l i a d e , Yoga, Paris 1936, S.257. •) E l i a d e , Die Religionen und das Heilige, S. 142. ») Ebd., S. 114ff. u ) So in Eurasien, Indien, Afrika. Vgl. E l i a d e , ebd., S. 118. 137

Es gibt aber noch eine dritte, weniger mythologische, aber doch sehr alte Luftund Windsymbolik: die der Vergänglichkeit und Nichtigkeit alles Irdischen. Sie ergibt sich auf natürliche Weise aus der Erfahrung des Verwehens oder Fortwehens. So steht im Buche Job, 7, 7: „Gedenke, daß mein Leben ein Wind ist", und schreibt der Prophet Isaias, 41, 20: „Siehe, es ist alles eitel Mühe und nichts mit ihrem Tun; ihre Götzen sind Wind und eitel".

Die Luft in der modernen spanischen Lyrik Luft als Himmelshierophanie In einem Gedichte Carlos B o u s o ñ o s ist es der Wind, der das Göttliche ins Irdische hineinträgt: „Gimiente y dulce, el viento, venturoso viene de Dios y puro en Dios termina. Lleno de cielo va. Miradle hermoso, de luz cargado y esencia divina"1). Der Wind ist „voller Himmel". Das Wortspiel viento-venturoso unterstützt noch die heilbringende Bedeutung. Daß der Wind „mit Licht beladen" kommt, trägt zur Intensivierung des konkreten Eindrucks bei. Vielleicht wird so auch der Gefahr begegnet, die traditionelle Nichtsbedeutung des Windes mitklingen zu hören. Eine ähnliche Sicherung durch Symbolverdoppelung findet sich bei Vicente Gaos und Vicente A l e i x a n d r e , die beide die göttliche Einwirkung durch Wind und Hand — Wind als Symbol des Himmelsgottes, die Hand als Symbol der schützenden und erhaltenden Allmacht2) — ausdrücken: „El viento es una mano misteriosa, una invisible mano en nuestra frente". (V. Gaos)3) „Era una gran plaza abierta, y había olor de existencia, un olor a gran sol descubierto, a viento rizándolo, un gran viento que sobre las cabezas pasaba su mano, y su gran mano que rozaba las frentes unidas y las reconfortaba". (V. Aleixandre)4) Beide Male stellt die Hand die Verbindung des Göttlichen zum Menschen dar. Bei Jorge Guillén ist der Wind Offenbarung und Freund: „Oh violencia de revelación en el viento profundo y amigol"5) *) Antología consultada, S. 28, aus „Subida al amor", 1945. ) Vgl. J.E. C i r l o t , Diccionario de Símbolos tradicionales, S. 284f. 3 ) Antología Cano, S. 270, aus „Profecía del recuerdo", 1956. *) Historiadel corazón, S. 46. 5 ) Cántico, S. 125. 2

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Der Wind ist „tief", weil er sich an religiöse Tiefen im Menschen wendet, so wie auch die Luft „tief" ist: „Lo profundo es el aire"1). Die Luft ist deshalb bei Pedro Salinas Himmelsleiter: „Hasta el primer escalón del aire, escala del cielo"2). Auch das Tier des Himmels, der Vogel, der sich von der Luft tragen läßt, kann diese symbolisch vertreten. Bei Vicente A l e i x a n d r e erscheinen „die Himmel" selbst als Adler oder Kondor: „Aguilas libres, cóndores soberanos, altos cielos sin dueño que en plenitud deslumhran"3). Mit diesen Himmeln tritt die mythologische, Gott meinende Vogelsymbolik auf den Plan. Rafael Morales läßt Gott selber wie einen großen Vogel am Himmel schweben: „Cielo de Dios, que Dios tan sólo toca con su imponente y poderoso vuelo"*). Entsprechend schreibt Dámaso Alonso „el ala de Dios"5), während Miguel Hernández ein Bild von biblischer Stärke gebraucht, wenn er den Donner, dieses Symbol göttlicher Kraft und göttlichen Zornes6) als „Flügel" bezeichnet: „El ala de los truenos"7). Die gestalterische Größe Juan Ramón Jiménez' erweist sich in der Art, wie er das traditionelle Bild nuanciert. Gott ist ein Vogel, aber kein schwebender, sondern ein Vogel mit geschlossenen Flügeln. Damit ist zweierlei ausgedrückt: die vollkommene Ruhe Gottes und seine rücksichtsvolle Geste des Wartens. Nur so vermag ihn der menschliche „Vogel", nämlich der „Animal de fondo de aire" zu erreichen: „Que me esperas siempre, siempre, siempre, con las alas cerradas, después de todo"8). !) Ebd., S. 18. 2 ) Todo más claro, a.a.O., S. 390. 3 ) Nacimiento último, S. 103. 4 ) El corazón y la tierra, a.a.O., S.81. 5 ) Hijos de la ira, S. 55. 6 ) Vgl. M. Gottfried B ü c h n e r s Biblische Real- und Verbal-Handkonkordanz, Berlin 23 1899, S.262. ') Poemas últimos, a.a.O., S. 242. 8 ) Animal de fondo, a.a.O., S. 1380. 139

Es ist darum durchaus verständlich, wenn Rafael A l b e r t i den Beginn des Johannesprologs variiert als: „En el principio eran las alas"1). Doch hier ist etwas noch Spezifischeres gemeint. Himmel und Paradies sind gleichgesetzt: ,,En el principio, la alegría. Entraba, de poder en poder, volcado, abierto, mi corazón al mar, desmesurándolo hasta el mismo nivel de las estrellas. Subí a cumbres celestes los navios, a riberas lunares mis orillas. Llegó a ignorar el hombre de las playas si eran sus arenales los del cielo"2). So verbindet auch Jorge G u i l l é n mit der Luftsymbolik den Paradiesesgedanken, den Gedanken absoluter Unschuld: „Veo a través del aire la inocencia absoluta"3). Das Bild wird von Vicente A l e i x a n d r e gleich in dreifacher Weise verkörperlicht und konkretisiert, durch Vogel, Kind und Hand: „Sí. Por eso vemos al niño con descuidada risa perseguir por el parque el aro gayo de rodantes colores. Y le vemos despedir de sus manos los pájaros inocentes"1). Hier zeigt sich eine Metaphorik, wie sie Carlos B o u s o ñ o als für die moderne Lyrik charakteristisch erkennt. Er bringt als Beispiel die Gleichung: ,,Un pájaro es un arco iris" und möchte das Wesen dieser Metapher als im menschlichen Gefühl begründet sehen. In jenem Gefühl von Zärtlichkeit, das Vogel und Regenbogen im Menschen erwecken, weil beide Unschuld ausdrücken: der Vogel durch seine hilflose Kleinheit, der Regenbogen durch die Reinheit seiner Farben6). Aber gibt es nicht noch kleineres und hilfloseres Getier als den Vogel, das dennoch keinen Gedanken an Unschuld erweckt ? Und sind es die klaren Farben des Regenbogens, die uns an Reinheit denken lassen, oder ist es nicht vielmehr ihre Unberührbarkeit hoch in den Höhen des Himmels ? Hat hier nicht der Regenbogen teil an der Himmelsheiligkeit, die auch Schuldlosigkeit und ewige Frische impliziert, genau wie der Vogel als Tier der Luft an diesen Bedeutungen teilnimmt ?

!) Pleamar, S. 63. *) Ebd., S.66. 8 ) Cántico, S. 308. 4 ) Historia del corazón, S.91. e ) Vgl. „Teoría de la expresión poética", S.91f.

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Die Himmelssymbolik ist es also, die beide Metaphern verbindet. Die Gleichung „un pájaro es un arco iris" erwächst aus ältesten mythologischen Wurzeln, und es ist von sekundärer Wichtigkeit, ob diese Wurzeln vom Gefühl oder vom analytischen Erkennen wahrgenommen werden. Wie lebendig die archaische Symbolik in dieser modernen spanischen Lyrik ist, wird besonders deutlich in der metaphorischen Verwendung des Stiers. Stier und Luft erscheinen in bildlich-logischer Verknüpfung und gemahnen an jene Urzeiten, in denen der Fruchtbarkeit verheißende Sturmgott in der Gestalt des Stiers erschien1). In Rafael Morales' „Poemas del toro" ist der Stier wie der Wettergott Träger von Donner und Wind, ja, sogar als „Flügel" wird er bezeichnet: „Es la noble cabeza negra pena, que en dos furias se encuentra rematada, donde suena un rumor de sangre airada y hay un oscuro llanto que no suena. En su piel poderosa se serena su tormentosa fuerza enamorada que en los amantes huesos va encerrada para tronar volando por la arena. Encerrada en sorda calavera, la tempestad se agita enfebrecida, hecha pasión que el músculo no altera: es un ala tenaz y enardecida, es un ansia cercada, prisionera, por las astas buscando la salida"2). In verwandtem Sinne heißt es vom „Toro viejo": ,,Tú naciste huracán de plomo espeso"3). *) Vgl. S. 137f. Zu Luft als Fruchtbarkeitssymbol vgl.: „Todo, a su paso, sin. cesar latía al compás de su vientre . . . Todo, atento al dulce paso de su vientre ... El aire, de cristal y de gloria, por su vientre . ..", (Victoriano Crómer, Furia y paloma, Barcelona 1956, S.46.) „Hombre sin fe, ceniza. Hay que ser fuerte y trabajar — i amor! — hdciendo vuelo, hijos, para salvarse de la muerte". (Ramón de Garcíasol, Defensa del hombre, S.96.) Beide Zitate entbehren nicht einer leichten Komik. Sie sind also gestalterisch nicht ganz gelungen. 2 ) Poemas del toro, S. 29. 3 ) Ebd., S.34.

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Diese Stiergedichte Morales' stehen den konventionellen Stierkampfgedichten der spanischen Lyrik sehr fern. Das betont auch Vicente A l e i x a n d r e i m Vorwort zu dem genannten Gedichtband: „La alusión a las fiestas de toro es mínima, y, en cambio, hinche el poema la consideración del toro, fuerza oscura y elemental de la naturaleza, impulso cósmico, inquietador e inexplicable negro mundo del instinto ciego, designio acometador fuera de toda explicación racional"1). Die elementaren Kräfte der Natur werden also vom Stier verkörpert, und die „Tonart" ändert sich entsprechend der mythologischen Verwandlung des Himmelsgottes zur Sturm- und Fruchtbarkeitsgottheit. Das Dionysische dominiert. Aber nicht etwa im Dichter! Sehr gut weiß das Aleixandre: „El poeta manipula con lo instintivo, pero muy racional y reflexivamente, que así como dijo Cervantes que para hacer el papel del bobo en la comedia se necesita mucha discreción, para interpretar lo elementalmente biológico e instintivo se necesita muy refinada sensibilidad y muy claro despejo"2). Tod und Leben erscheinen kämpfend und doch unlösbar miteinander verbunden. Das ist charakteristisch für alle Fruchtbarkeitssymbolik3). Aber auch Meer und Mond sind Symbole des Wechselspiels zwischen Leben und Tod, und entsprechend wird der Stier metaphorisch mit ihnen verbunden. Góngoras berühmter Eingang der Soledades klingt leise an bei Miguel H e r n á n d e z , der den Tod in Stiergestalt zeigt: ,,La muerte, toda llena de agujeros y cuernos de su mismo desenlace, bajo una piel de toro pisa y pace un luminoso prado de toreros"4).

1) Ebd., S. 15. 2 ) Ebd., S. 17. 8 ) Ramón de Garcíasol bedient sich auf höchster geistiger Ebene entsprechender Bilder, um der Mystikerstadt Avila jenes intensive Ungetrenntsein von Leben und Tod, jenes „Muero porque no muero", das erst das eigentliche Leben erzeugt, zu verleihen: „Es más que conocer el conocerte: oír entre los huesos este viento,

Ávila, de la vida y déla muerte". (Tierras de España, S. 15.)

Die „Knochen" unterstützen an Stelle des Stiers die vitale Bedeutung des Bildes. *) El rayo que no cesa, S.73. Die Stelle bei Góngora lautet: „Era el año de la estación florida en que el mentido robador de Europa, media luna las armas de su frente, y el sol todos los rayos de su pelo, luciente honor del cielo en campos de zafiro pace estrellas". (Soledades I, 1-6.)

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Mond, Meer und Wind symbolisieren bei Rafael Morales in engster Verknüpfung den Tod des Stieres: „La plaza está desierta. Por la arena queda el rastro del toro ensangrentado, y una luna redonda, roja, llena, como una plaza con su rostro helado. La sangre ya, sin la azulada vena, en mil pequeñas lunas ha quedado olvidada, sin dueño, quieta, ajena al tormentoso corazón amado. Pasó la vida por aquí llevada, pasó un gran mar, un viento, una tormenta, pasó mugiendo un toro hacia la nada. La luna fría, silenciosa, lenta vierte en la copa de la plaza helada soledad infinita, muda, cruenta"1). Rafael Alberti zeigt in seiner , .Égloga fúnebre"2) ein erstaunliches Wissen um die mythologischen Zusammenhänge der Stiersymbolik. Vordergründig verbindet sich in ihr die Trauer um den toten Freund Miguel H e r n á n d e z mit der Sorge um Spaniens Geschick. Dahinter und darunter aber wird nicht nur die archaische Verbindung des Stiers zum Himmel sichtbar: „Me transplanté, toro floral, pacífico, enredadas las astas de granados, escaleras arriba de las nubes"3), sondern auch die Verheißung eines Kataklysmus, dem Mond und Meer ohnmächtig ausgeliefert sind: „ i A ese toro\ ¡A ese toro! Quién dijera que se intentara al mar ver en derribo; la luna, atada él cuello, rebotando, roja, de peña en peña, descornada!"4) Meer und Mond sind außer Kraft gesetzt. Alles treibt auf die Katastrophe zu: „Un ocaso sin fin hacia el silencio, hacia un urgido cráter de la muerte, hacia un precipitado de la nada"5). x

) Poemas del toro, S. 49. ) 1942. s ) Pleamar, S. 66. *) Ebd., S. 79. *)Ebd., S. 79. a

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Aber im Aufbrüllen des Stiers kündet sich die Hoffnung auf eine neue glückliche Welt an: „ Aquí él toro gritó, crujió tan fieramente, como si con garganta de monte, si con lengua de borrasca o con pozos de truenos pudiera. Tan herido y tan duro, que hasta en el río exánime tembló helado papel la cara de la muerte, subiendo a torrenciales auroras los olivos y a festones de luz el mar enguirnaldo. Fué como si de pronto un borreál augurio, una alegre catástrofe sin fin se derramara bajo los delirantes abrazos de los puentes"1). Nicht die persönlich-politischen Hintergründe interessieren in diesem Zusammenhang, sondern die Sicherheit, mit der die alte mythologische Kohärenz zwischen den Symbolen gewahrt bleibt. Allerdings mit einem Unterschiede: Meer und Mond verlieren ihre Kraft. Der Stier dagegen, der lebendige Organismus, weitet seine Bedeutung ins Kosmologische und nimmt so Meer und Mond in sich auf. Auch ein Beispiel für eine ausgesprochene „Belebung" der Luft mit Hilfe eines Tierkörpers findet sich bei Alberti, und zwar ebenfalls in „Pleamar": „Y de caballos reverdece el viento" 2 ). Die Verbindung des Animalischen mit dem Vegetativen — der Wind „grünt" von neuem — läßt an der Absicht der Vitalisierung keinen Zweifel. Daraus erhebt sich aber die Frage, wie sich überhaupt die moderne spanische Lyrik zu der Nichtssymbolik von Luft und Wind stellt, da diese in sehr alten Zeiten verankert ist. Nichts Es ist leicht verständlich, daß die gestaltlose, „unsichtbare", nicht „greifbare" Luft dem Menschen zum Gleichnis des Nichts werden kann, ebenso wie der unberechenbare Wind Unbeständigkeit und Wechsel des Geschicks und aller irdischen Dinge schon in der Bibel symbolisiert. Die moderne spanische Lyrik bietet viele Beispiele, die diese Tradition fortsetzen. Bei Carlos B o u s o ñ o z.B. schimmert das barocke Summationsschema in der Art von „aire, humo, polvo, nada" (Góngora) durch, wenn er schreibt: „Era la vida un soplo, un dulce engaño, sombra, suspiro, sueño"3). Ebenso Rafael Morales: „mientras me siento ausencia, suspiro, viento, nada"4). 1

) ) 3 ) 4 ) 2

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Ebd., S. 87. Pleamar, S. 26. Noche del sentido, Madrid 1957, S. 77. El corazón y la tierra, a.a.O., S. 90.

Vicente Gaos betrauert die Vergänglichkeit des Lebens mit den Worten: „Oh vida, oh viento"1), während José Luis H i d a l g o das Nochnichtsein und das Nichtmehrsein als zwei schwarze Winde bezeichnet : „Vivir es como flor que, entre dos negros vientos, una ardiente belleza sobre lo inerte alcanza"2). Hier wie in der Tradition ist der Wind Symbol, Gleichnis des Nichts oder des Vergehens. Scheinbar Ähnliches lesen wir bei Pedro Salinas: „La pensativa y el viento, la atormentada y su pelo, el amor y el aire, nada"3). Genaues Hinsehen zeigt jedoch, daß hier etwas anderes vorliegt. Die Luft ist in diesem Gedicht nicht ein Bild des Nichts, sondern sie ist selber nichts. Während im barocken Summationsschema die Bilder sich ballen, bis gleichsam die Explosion erfolgt, durch die das Nichts frei wird, während die Bilder zerfallen, wartet hier das Nichts bereits im Bilde selber. Es bedarf keiner Explosion, sondern nur einer Entschleierung. Damit ist aber die eigentliche Übertragung aufgehoben. Die Metapher weicht der realen Aussage, hinter der ein ganz anderes Weltbild steht als hinter der archaischen Nichtssymbolik der Luft, die an der menschlichen Sinnlichkeit orientiert war. Wie unerwünscht dem Dichter diese neue Realität ist, sagt Salinas: „(. . .) vacío inmenso que el aire es fatalmente"*). Den engen Zusammenhang mit dem physikalischen Weltenraum zeigen folgende Verse : „Este espacio que no era más que espacio a nadie dedicado, aire en vacío"5). Doch bleibt in der Betonung des Negativums das einstige Positivum spürbar. Sonst könnte José Luis H i d a l g o nicht sagen: „Aire muerto de ahora"6), *) Antología consultada, S.91. 2 ) Los muertos, S. 52. Vgl. auch Leopoldo P a n e r o : ,,Lo demás es del viento y de la espuma", Escrito a cada instante, S. 136. s ) Confianza, a.a.O., S.419. ') Razón del amor, a.a.O., S. 255. 6 ) Todo más claro, a.a.O., S. 397; vgl. auch S. 244 und 301. •) Raíz, S. 55. 10 Lorenz

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denn es würde niemand erwarten, daß die Luft lebendig sei, ebensowenig wie A l e i x a n d r e nicht Luft und Schulter auf die gleiche metaphorische Ebene stellen könnte, um die Weigerung geschuldeter Liebe anzuklagen: „Se muere sobre un aire, sobre un hombro no amante"1). Die Luft ist hier wieder ein Nichts, aber ein Nichts, das nicht sein sollte. Jorge Guillén geht diesen Schwierigkeiten gegenüber einen Weg, der zunächst sehr an Albertis oben zitierte Verse gemahnt. Wie dort die Pferde dem Wind Vitalität verliehen, sind es hier Lerchen, die die Luft beseelen: „¡Damas altas, calandrias, lo rubio, lo ascendente! Sean así la traza tan simple aún, clarísima, de las profundas Nadas gozosas de los aires, con un alma inmediata, sí, visible, total ¡ ah!, para la mirada de los siempre amadores"2). In diesen Versen wird die alte Beziehung zwischen Luft und Seele wirksam. Die „profundas Nadas gozosas" der Luft sind das Nichts, aus dem die Schöpfung hervorgeht, sind der belebende Hauch. Alberti benutzt den gleichen Zusammenhang, um nach dem Wert und Sinn des menschlichen Daseins im allgemeinen und des eigenen dichterischen Schöpfertums im besonderen zu fragen: „Yo no sé — dímelo, viento —, si al cabo de tantos años el canto que sopla dentro de mi corazón, son algo más que tú, que eres tan sólo viento. i Qué ha sido, viento ? Viento quizás, sólo viento. Solo, ahora, aquí contigo, de cara a ti — dime, viento cansado de estas barrancas —, i soy lo que tú, sólo viento ?"3) Das Gedicht erhält seine besondere künstlerische Spannung durch das Paradoxon, daß der Wind, der „nichts als Wind" ist, doch mit ,,Du" angeredet und *) Mundo a solas, S. 25. a ) Cántico, S.462. a ) Baladas y canciones del Paraná, S. 80.

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um Rat und Hilfe gebeten wird. Es hält die genaue Mitte zwischen der archaischen Bedeutung und der neuen Entwertung, die es gestalterisch nutzt. Die Beziehung zwischen Luft und Mensch ist so eng, weil der Atem als das belebende und beseelende Prinzip angesehen wird. Jorge Guillén nimmt das in seiner Dichtung sehr konkret. Der Atem ist im Körper, aber der Wind übersteigt den Atem ebenso sehr, ist „mehr" als dieser, wie auch das personhafte Ich des Menschen den Körper übersteigt, ohne aufzuhören, zugleich auch dieser Körper zu sein: „iCuerpo en el viento y con cuerpo la gloria! i Soy del viento, soy a través de la tarde más viento, soy más que yol"1) Hier äußert sich der schon erwähnte, für den Menschen charakteristische,,Überstieg", der Guillén das „Nichts" der Luft in einem gänzlich positiven Sinne behandeln läßt. Es wird zum Ausdruck des Unsichtbaren, materiell nicht Faßbaren, das als Geist, Leben, göttliches Schöpfertum und Schöpfungsgeheimnis ein liebendes Vertrauen voraussetzt, um als Sinn und Wert wahrgenommen zu werden: „Aire: nada, casi nada, o con un ser muy secreto, o sin material tal vez, nada, casi nada: cielo. Con sigilo se difunde. Nadie puede ver su cuerpo. He ahí su misma Idea. Aire claro, buen silencio. Hasta él espíritu él aire, que es ya brisa, va ascendiendo mientras una claridad traspasa la brisa al vuelo. (...) Y la vida, sin cesar humildemente valiendo, callada va por el aire, es aire, simple portento. Vida, vida, nada más este soplo que da aliento, aliento con una fe: Sí, lo extraordinario es esto. Cántico, S. 125. 10*

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Esto: la luz en el aire, y con el aire un anhelo, ¡ Anhelo de transparencia, sumo bien! Respiro, creo. (...) El aire claro es quién sueña mejor. ¡ Solar de misterio! Con su creación el aire me cerca. ¡ Divino cerco! A una creación continua — soy del aire — me someto. ¡ Aire en transparencia! Sea su señorío supremo"1). Das „Nichts" der Luft wird hier metaphorisch in einem Maße mit dem menschlichen Geiste, mit der menschlichen Innerlichkeit, zugleich auch mit den transzendenten Begriffen „Himmel" und „Idee" verbunden, daß es notwendig erscheint, die Beziehung zwischen Höhe und Innerlichkeit auch in der übrigen spanischen Lyrik, soweit sie die Luftmetapher verwendet, zu untersuchen. Höhe und Innerlichkeit Die Vorstellung des Atems schlägt die Brücke zwischen der „Höhe" des Himmels, nämlich dem Schöpfergott, und der Innerlichkeit des Geschöpfs. Ja, das ganze Geschöpf, als abhängiges und geschaffenes Wesen, kann „Atem" genannt werden, wie es das Beispiel Rafael Morales' zeigt: „Oh, jilguero celeste en la enramada, breve gloria latiendo en el ramaje, dulce aliento de Dios, caricia alada, locura celestial por el paisaje" 2 ). Auch die Liebe zur Frau macht dem Dichter ihre Verbindung zum „Himmel", ihr vom Schöpferhauch empfangenes Leben besonders bewußt: „Tu carne es como un aire delicado, donde crece la rosa para el cielo, transparente y tranquilo como un vuelo en la mañana nueva desplegado"3). Wie beim Vogel gesellt sich hier die Vorstellung des Fluges hinzu, um die Höhenverbindung anzudeuten, wie ja auch der „Flug" ein wesentliches Abbild mystischen Erlebens ist4). Seele als Flug, Seele als Wind, dem Himmel zugehörig, findet sich denn auch in Gsdichten des Christen wie des Nichtchristen, bei Dámaso A l o n s o und José H i e r r o : l

) Cántico, S.513. ) El corazón y la tierra, a.a.O., S. 65. ") Ebd., S.79. 4 ) Vgl. Einleitung zu diesem Kapitel. a

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„La carne se me abrasa, y él alma casi vuela, como un humo azul hacia lo azul". (D. Alonso)1) „Así pasamos, como un soplo de brisa azul sobre la piedra". (J. Hierro)2) Besonders bei Juan llamón J i m é n e z wird deutlich, wie das Oben und das Innen im Grunde eins sind, so wie Atem und Luft. Er erfährt das Verhältnis zu seiner „conciencia", die für Jiménez Geist und Gott impliziert, als einen mystischen Verinnerlichungsprozeß: „Esta conciencia que me rodeó en toda mi vida, como halo, aura, atmósfera de mi ser mío, se me ha metido ahora dentro. Ahora el halo es de dentro y ahora es mi cuerpo centro visible de mí mismo; soy, visible, cuerpo maduro de este halo, lo mismo que la fruta que fué flor de ella misma, es ahora la fruta de mi flor"3). Es fällt auf, welche Rolle hier wieder der Körper spielt. Er ist gleichsam Kern des Menschen geworden. Stätte der Einwirkung Gottes. Als Zentrum führt er ins Unendliche der Transzendenz, so wie in der Mythologie das Zentrum stets auch der Ort des offenen Himmels ist 4 ). So erreicht bei Jiménez Gott im Menschen im Aufflug sich selber, ebenso wie die „Treppe aus Körper und Seele" im Innern des Menschen zu Gott emporführt: ¡ „Qué elevación de ti en nosotros hasta llegar a ti, a este tú que pones sobre ti para que todos lleguen por la escala de carne y alma a la conciencia desvelada qtíe es el astro que acumula y completa, en unificación, todos los astros en todo lo eterno! El todo eterno es el todo interno"5). !) Hombre y Dios, S. 32. ) Antología, S.24, aus „Tierra sin nosotros", 1947. ») Animal de fondo, a.a.O., S. 1339. 4 ) Vgl. E l i a d e , Das Heilige und das Profane, S. 23f. 5 ) Animai de fondo, a.a.O., S. 1366. 2

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Die gesamte Innerlichkeit ist die gesamte Ewigkeit — das ist ein Gedanke, der schon dem Bilde von D a n tes Himmelsrose zugrunde liegt1), die ganz Innerlichkeit und Transzendenz ist. Aber im Gegensatz zu Dante wendet sich Juan Ramón J i m é n e z von allen Weltraumvorstellungen ab und konzentriert sich auf den Menschen, auf seinen Körper und seine an den Körper gebundene Geistigkeit. Der „Ort" des mystischen Fluges ist diese sehr wörtlich zu nehmende geistige Innerlichkeit: „En el fondo de aire en donde estoy, donde soy animal de fondo de aire con alas que no vuelan en el aire, que vuelan en la luz de la conciencia mayor que todo el sueño de eternidades e infinitos que están después, sin más que ahora yo, del aire"2). Ganz anders fällt das Bild des mystischen Fluges, der Vereinigung mit Gott aus, wenn nicht, wie bei Jiménez, der Weltraum ausgeschaltet ist, sondern, wie bei José Luis H i d a l g o , dieser Raum eine unüberschreitbare Grenze, ein Vakuum bildet, an dem alle menschliche Sehnsucht scheitert: „Busco en la sombra. Allá, por los confines de la mano que elevo, como un pájaro, más alta que mi frente. Aquí termina todo entero mi ser, la carne acaba y comienza la estela de los astros, la clamorosa luz de las estrellas"3). Wieder sind mit dem Körper die Konturen des menschlichen Seins gegeben. Es endet, wo der physikalische Raum beginnt. Die Hand, die sich nicht höher recken kann, drückt Ohnmacht aus; dem Flug des Vogels ist eine enge Grenze gesetzt. In einem anderen Gedicht Hidalgos scheint diese Grenze erweitert. Die Hände, die Vögel, erreichen die Höhe der Sterne. Aber wieder vergeblich, sie finden nichts als Nacht, die „die Türen verschließt": „Como dos ciegos pájaros que no te conocieran, mis manos se levantan sobre toda la tierra y en lo oscuro te buscan creciendo a las estrellas.

*) Vgl. Divina Commedia, III, 31. Gesang. ) Animal de fondo, a.a.O., S. 1382. S ) LOB muertos, S. 14.

a

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Toda la noche está cerrándome la puerta. Toda la noche, toda, como una duda, alerta, pesándome en las alas con una sombra negra. i He de morir, Señor, para encontrar la brecha por donde derramarme en tu luz verdadera I"1) Ein ganz ähnliches Motiv erscheint bei Rafael Morales. Adam, der Mensch, hebt die Arme um zu fliegen. Aber der aus Erde Geschaffene bleibt der Erde verhaftet : „De pronto, el barro fué vivificado y Adán sintió fluirle dulcemente un agua limpia, juvenil, caliente como el arroyo que miró a su lado. Era la sangre ya. Y, entusiasmado, los brazos levantó, puro inocente: sintió fluir el aire suavemente, igual que el árbol fresco y delicado. Y fué a volar como la rama alada, como el ave feliz de grácil vuelo; mas vió la tierra contra el pie pegada, que le tiraba de su cuerpo el suelo, y echóse en él, con la ilusión tronchada, mientras miraba pensativo al cielo"2). Das ähnliche Motiv hat aber eine andere Motivierung. Es ist der Vorgang der Enttäuschung, der typisch spanischen „Desilusión", der hier gezeichnet wird. Eine menschlich schöne Antwort auf diesen Vorgang geben Miguel Hernández und Jorge Guillén, beide wiederum mit Hilfe der Flugmetapher bzw. der Luftsymbolik. Hernández erkennt: Der Mensch kann nicht „fliegen", weil er zu wenig liebt: „Sólo quién ama vuela. Pero, i quién ama tanto que sea como al pájaro más leve y fugitivo ?"3) Jorge Guillén bestätigt: Die echte Liebe erhebt die Menschen in die „Luft", d.h. ins Heil: x

) Los muertos, S. 74. ) Canción sobre el asfalto, S. 24. Vgl. auch das Gedicht: „El hombre" in „El corazón y la tierra". s ) Poemas últimos, a.a.O., S. 235. 2

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„Un amor que no jura ni promete reunirá a unos hombres en el aire, con él aire salvándose"1). Hier hat sich die ursprüngliche Himmelssymbolik mit der menschlichen Innerlichkeit vereint. Dieses Hineinnehmen des Archaischen in den Menschen ist ein so charakteristisches Merkmal der modernen spanischen Literatur, daß es nicht verwunderlich ist, ihm im Bereich der Luftsymbolik häufig zu begegnen. Im Zuge der gleichen Entwicklung liegt es, daß die Luft vorwiegend durch Vogel oder auch Stier symbolisch „vertreten" wird. Die Gefahren der naturwissenschaftlich bedingten Symbolentleerung werden so leichter gemieden. Rafael Morales beschreibt einen durch die Liebe hervorgerufenen pantheistischen Höhenflug, indem er zunächst sein Herz einem Vogel vergleicht, um dann schließlich kulminierend selber ganz Flug zu sein: ,,Lleno de instinto, de pasión, de anhelo, mi corazón oscuro palpitaba como un ave tremenda por su cielo. Me sentí como el viento que pasaba . . . Y, convertido en poderoso vuelo, de inmensidad y de placer temblaba"2). Oder ein gewaltiger Adler breitet in der Brust des Dichters seine Flügel: „No sé qué ( . . . ) imponente águila bate por mi pecho ansioso, como un rayo celeste, omnipotente"3). Die Allmacht des Himmels hat sich symbolisch im Himmelstier erhalten. Aber diese Allmacht wurzelt im Gefühl. So kann der Vogel als Symbol alles stark Emotionalen auftreten, vorausgesetzt, daß dieses Emotionale wirklich aus seelischen Tiefen kommt, z.B.: „Qué dolor de tierra inmensa, de infinito sordo, amargo, abre sus alas de cuervo en mi corazón . . . !"4) Der Vogel ist zum Ausdruck des Schmerzes geworden und steht nun der „abgesunkenen" Himmelssymbolik, der der Fruchtbarkeit und des Schmerzes, des Todes und des Chthonischen ebenso nahe wie die metaphorische Bedeutung des Stiers. Es gibt auch ein entsprechendes Gedicht Morales', in dem der Schmerz in seinem „Blute" die Gestalt eines Stiers annimmt, ebenso wie er im Herzen die Rabenflügel öffnete: í) Cántico, S.316. 2) El corazón y la tierra, a.a.O., S. 78. s ) Ebd., S. 79. «) Ebd., S. 80.

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„Tu ausencia está en mi sangre y en mi vida, hecha forma de toro enamorado, que embiste por mis huesos desbordado, buscando por mis pechos la salida. Y este toro constante en la embestida te busca por mi piel ensangrentado, te busca por mi frente, te ha buscado por estos labios que tu amor olvida. Toro de amor, de llanto, de tristeza; toro inclemente en loco desvarío, no busque su presencia tu ñereza. Secóse el dulce arroyo en el estío: no besarán mis labios tu pureza, tan sólo amarga tierra, \toro míol"1) Stier- und Vogelsymbolik sind also bei Morales durch das „Hineinnehmen" des Vogels in das Gefühl- und Instinkthafte einander angeglichen. Aber diese Angleichung erfolgte nicht auf willkürlicher Basis, sondern durch eine logische Entwicklung, die von der Zusammengehörigkeit beider Tiere als Luftsymbole ihren Ausgang nimmt. Auch verliert der Vogel nicht etwa völlig seine ursprüngliche Bedeutung als Tier des Hohen, Freien, Geistigen. Im Gegenteil: das Wachbleiben dieser nicht verwirklichten Bedeutung erzeugt gerade im Leser das starke Schmerzgefühl. Das möge noch das Beispiel eines anderen Dichters bezeugen : José Luis H i d a l g o zeigt das „schwere Herz" mit ausgespannten Flügeln: „Silencio sobre el mundo. Va espesando sus alas la grave mansedumbre del corazón que escucha. Pesa sobre los muertos, como un cielo caído, todo el latir del tiempo sobre la tierra única"2). Die ausgespannten Flügel des schweren Herzens entsprechen in diesem Gedicht dem abgestürzten Himmel. Die alten, in persönlichste und zugleich körperliche Bezirke hineingenommenen Bilder erhalten in dem neuen Bezugssystem nicht nur unerwartete Frische, sondern sichern auch dem sehr individuellen Ausdruck die Allgemeingültigkeit. Das zeigt sich auch in dem Gebrauch, den MiguelHernández vom Prometheusmythos macht. Der Adler, dessen schmerzhafte Wirkung noch gesteigert wird durch die metaphorische Gleichsetzung mit dem Messer, ebenso wie dessen Bezeichnung als „Strahl" (des Blitzes) es wiederum als Himmelserscheinung legitimiert — dieser Adler des Prometheus versinnbidlicht das menschliche Herz, das sich in unerwiderter Liebe quält: r 2

) Poemas del toro, S.31. ) Los muertos, S.21.

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,,Un carnívoro cuchillo de ala dulce y homicida sostiene un vuelo y un brillo alrededor de mi vida. Rayo de cristal crispado fulgentemente caído picotea mi costado y hace en él un triste nido. (...) Pero al fin podré vencerte, ave y rayo secular, corazón, que de la muerte nadie ha de hacerme dudar"1). Hernández liebt es, nach Art der Tachisten die Bedeutung durch zahlreiche Überlagerungen zu intensivieren in kreisenden, bohrenden Bewegungen. Scheinbar geht dabei durch die Zentrierung dieser Bewegungen auf das menschliche Herz der ursprüngliche Sinn ganz verloren. Denn der Adler im Prometheusmythos bedeutet Strafe der Götter, da der Adler das Himmels- und Göttertier par excellence ist. In Wirklichkeit aber wirkt die alte Symbolik fort. Nicht im Sinne der Strafe, wohl aber im Sinne eines menschliches Maß übersteigenden Schmerzes und Geschicks. 1

) El rayo que no cesa, S. 17 f.

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Die mythologische Bedeutung von Licht und Sonne Wie der biblische Schöpfungsbericht zeigt, wird die Sonne nicht notwendig als Quelle des irdischen Lichtes angesehen : Gott scheidet zunächst Licht und Finsternis. Dann erst erschafft er die Sonne und die übrigen Gestirne1). Auch sind Sonnenkulte nicht, wie man bis ins 19. Jahrhundert gemeint hatte, eo ipso ein religiöses Bedürfnis der ganzen Menschheit2). Sie zeigen sich vielmehr nur vereinzelt und unter bestimmten Bedingungen. Stark ausgeprägt, können sie geradezu als Zeichen für den Eintritt eines Volkes in die Geschichte gewertet werden3). Sie repräsentieren nämlich einen Mythos göttlichen Herrschertums, der eine politische Organisation bereits voraussetzt. Somit ist, wie der Wind, auch die Sonne eine „Spezialisierung" des Himmelsgottes, da sie dessen Souveränität auf einen König oder eine herrschende Elite überträgt, wie es durch die Beispiele der ägyptischen Pharaonen oder der Inkadynastie in Perû bekannt ist. Gleich dem Himmelsgotte, der alles sieht, wird auch die Sonne, die alles erhellt, zum Zeugen und Garanten der Wahrheit, zum Gott der Gerechtigkeit und höchsten Richter4). Ebenso gibt das Licht dem Menschen die Möglichkeit des Sehens, damit auch die Möglichkeit des Erkennens und rechten Handelns. Ohne dieses Licht könnte der Mensch überhaupt nicht im menschlichen Sinne leben. So ist schon für Homer „das Licht sehen" ein Synonym für „leben"5). Umgekehrt ist der Hades dunkel, sind Tod und Nacht zusammengehörig. Darum setzt auch das Johannesevangelium das ewige Leben, d.h. also das „richtige" Leben, das zugleich das Leben im absolutesten und radikalsten Wortsinn repräsentiert, semantisch geradezu dem Lichte gleich8). Im Alten Testament reicht die Bedeutungsskala des Lichtes vom Geistigsten bis ins Biologische, denn es steht für Gott7), die Offenbarung Gottes und das Offenbarte8), das Gesetz9), das Wissen10), das Leben11) und die Nachkommenschaft12). Natürlich auch für Freude und Gnade13). Die gleiche Skala von Geist bis Leben findet sich wieder auf der Ebene der antiken und mittelalterlichen Philosophie, die in Piatonismus, Neuplatonismus und Hochscholastik mythologisches Gut altorientalischer Lichtreligionen weiterverarbeitet hat, weshalb auch diese Philosophie hier der Erwähnung bedarf14). So ist für ») Gen. I, 1-5.16. ) 1870 von dem Ethnologen A. Bastian widerlegt. Vgl. E l i a d e , Die Religionen und das Heilige, S. 147. s ) Vgl. ebd., S. 147. 4 ) Vgl. K ö n i g , a.a.O., S.829. ») Vgl. Odyssee IV, 540, 833 u.a. •) Vgl. hierzu Rudolf B u l t m a n n , Das Evangelium des Johannes, Göttingen 111950, S. 24. 7 ) 2. Samuelis 22, 19; Michäas 7, 8; Weisheit 6, 26; Isaias 42, 16; 51, 14. ") Psalm 89,8; 138,11, Vulgatazählung; Osee 6,5; Sprüche 6, 23; Isaias 42, 16; 51, 14. ") Isaias 51,4; Weisheit 18,4. 10 ) Baruch 4, 2; Weisheit 7, 10. ") Job 3, 16; 33, 30; Baruch 3, 20; Prediger 11,7; 12,2. la ) 1. Könige 8, 19; 15,4; 2. Könige 8,19; Sprüche 24,20; Psalm 131,17. 18 ) Job 18, 5-6; 30, 26; 33, 28; Sprüche 23, 9; Isaias 9,2; 58,8; 60, 1.5; Jeremias 13, 16; Psalm 4,5; 88, 16. ") Vgl. Clemens B a e u m k e r , Witelo, Münster 1908, S.371. s

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Piaton die Sonne ein Abbild der Idee des Guten1), für die neuplatonischen Philosophen Gott das Urbild des Lichtes, also das eigentliche Licht, bis schließlich Grosseteste und Bonaventura lichtmetaphysisch das Wesen der Körper zu erklären suchen. Für sie ist das Licht die Urform und aktive Kraft aller Körper, die durch einen Prozeß der Lichtausbreitung und -reflexión entstanden gedacht werden. Beim Menschen verbindet es Leib und Seele2). Es dringt aber auch bis in die niederen Erkenntnistätigkeiten vor und veranlaßt die tierischen Zeugungen3). Offenbar sind Licht und Sonne zur rationalen „Bearbeitung" besonders geeignet. Wo aber noch die naive Beobachtung vorherrscht und mythologische Weltdeutungen von solchen Beobachtungen ausgehen, zeigt die Sonne neben den schon genannten Aspekten auch einen ausgesprochen negativen. Besonders in heißen Ländern muß es ja auffallen, daß die Sonne das Leben nicht nur fördert, sondern ihm auch schadet. Daß sie versengt und blendet. Darum kann die Sonne, z.B. in Indien, ambivalent aufgefaßt werden wie die Erde, da sie wie diese ihre Kinder hervorbringt und wieder verschlingt4). Diese Ambivalenz wird durch eine noch wesentlichere und allgemeingültigere unterstützt: die Sonne, die allabendlich in die „Unterwelt" hinabsinkt und diese durchwandert, ist auch ein Gott der Nacht und des Todes. Der Rigveda nennt den einen Aspekt der Sonne „strahlend", den anderen „schwarz"6), und auch in Griechenland ist die unterirdische Hierophanie der Sonne besonders ausgeprägt8).

Licht und Sonne in der modernen spanischen Lyrik Archaische Bedeutungen Es fällt auf, wie getreu die moderne spanische Lyrik die archaischen Bedeutungsschattierungen bewahrt. Ein Vers Cernudas wie: „Vivo estabas como un rayo del sol"7) lebt von der alten Lebenslichtbedeutung, ja, direkter noch, von der Symbolik der Sonne als Lebensspenderin. Und selbst da, wo ihr Inhalt bewußt negiert wird, setzen sich die alten Symbole mit schmerzlicher Geste durch, wie es das Beispiel A l e i x a n d r e s und Cernudas zeigt, denen der „Hijo del sol"8) bzw. die „hijos de la luz"9) Der Staat, 6. Buch, 18-19. ) Der Gedanke stammt von Augustinus. 3 ) Vgl. B o n a v e n t u r a (Johannes Fidanza), Commentarii in quatuor libros Sententiarium Petri Lombardi (t- I-IV), Bes. II, d. 13 und d. 15; C. B a e u m k e r , a.a.O., S.398; G i l s o n B ö h n e r , Christliche Philosophie, Paderborn 31954, S.423ÍF. und S.489. á ) Vgl. M. E l i a d e , Die Religionen und das Heilige, S. 173. 6 ) Ebd., S. 172. «) Ebd., S. 171. 7 ) Las nubes, Buenos Aires 1943, S. 17; der Vers ist an einen toten Dichter gerichtet. 8 ) Sombra del paraíso, S. 94. 9 ) Como quien espera el alba, 1947, S. 13. 2

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treffendste Bezeichnungen des Menschen sind, obwohl beide Dichter die Nichtexistenz eines göttlichen „Vaters" beklagen. Gesucht wird jedoch das gleiche Vertrauensverhältnis, das bei Jorge Guillén den Ausdruck des Patronats gefunden hat: „Una luz de patrocinio me resguarda. Duerma el que en su sol confía"1). Ein ähnlich persönliches Vertrauen spricht aus den Versen, die Pedro Salinas an den Glanz und die Lichtfülle richtet, die vom Meere widerstrahlt. Hier ist es die platonische Idee des Guten, die den Kern des Bildes ausmacht: A tu esplendor me entrego, igual que el ciego a la mano; se siente tu claridad hasta en los ojos cerrados, — presencia que no se ve —, acariciando los párpados. Por tanta luz tú no puedes conducir a nada malo"2). Aber letztlich wird doch die Idee wieder so persönlich genommen, daß der Dichter sich wie ein Blinder an ihrer „Hand" führen läßt. Die Machtsymbolik der Hand dient zugleich zur Vermenschlichung mit Hilfe der Körpervorstellung. Auch Juan Ramón J i m é n e z erkennt im Bilde der Sonne den Gott, der ihn führt. Zugleich ist sie „Zentrum", nicht nur der Welt, sondern auch der individuellen Menschlichkeit des Dichters: „Tú estás entre los cúmulos oro del cielo azul, (...) dios deseante y deseado; (...) Tú vienes con mi norte hacia mi sur, tú vienes de mi este hasta mi oeste, tú me acompañas, cruce único, y me guias entre los cuatro puntos inmortales, dejándome en su centro siempre y en mi centro que es tu centro"3). Dieser Gott im Zentrum wandert mit dem Dichter, gerade wie auch die Sonne mit einem sich fortbewegenden Menschen zu wandern scheint. Noch weiter in philosophische Bezirke stößt ein anderes Gedicht Jiménez' vor, das neuplatonische

Cántico, S. 50. ') El contemplado, a.a.O., S. 293. 8 ) Animal de fondo, a.a.O., S. 1343. 157

mit aristotelischen Gedankengängen verbindet: die Sonne, das Licht, sind nur ein Abbild von Gottes Wesen. Dieses Wesen ist einzig zu finden in der „Form", d.h. in der Seele des Dichters als Entelechie des Leibes. Sie enthält Gott als die Form aller Formen1). Ist diese „Form" Gottes in der „Form" der Seele gefunden, so durchstrahlt sie diese mit einem übernatürlichen, ewigen Lichte: „El sol, el azul, el oro eran, como la luna y las estrellas, tu chispear y tu coloración completa, pero yo no podía cojerte en tu esencia. La esencia se me iba (como la mariposa de la forma) porque la forma estaba en mí y al correr tras lo otro la dejaba; tanto, tan fiel la llevaba, que no me parecía lo que era". Y hoy, así, sin yo saber por qué, la tengo entera, entera. (...) (...) este ser que hoy he fijado (que pude no fijar) para todo el futuro iluminado iluminante, dios deseado y deseante"2). Durch die Verlegung der alten Symbole in das menschliche Innere entsteht der Eindruck echter Mystik, der zu stark ist, als daß ihm Etikettierungen wie „Ästhetizismus", „Narzißmus" usw., die in der Jiménezliteratur immer wieder auftauchen, etwas anhaben könnten3). Auch bei José Luis H i d a l g o wird das Licht zum Grottesbild. Aber es besitzt die Ambivalenz der archaischen Sonne: „Señor, lo tienes todo: una zona sombría y otra de luz, celeste y clara. Mas, dime, Tú, Señor, los muertos, i es la noche o el día lo que alcanzan ?"4) Wie bei der Sonne ist es der Todesgedanke, der die Ambivalenz erzeugt. Doch besitzt das Bild noch unsichtbare Hintergründe, die erst weiter unten entdeckt werden sollen.

Da nach Aristoteles die „Form" jedes Ding zu dem macht, was es ist. Vgl. H i r s c h berger, a.a.O., S. 194. 2 ) Animal de fondo, a.a.O., S. 1373f. s ) M.E. verfehlt man diese Dichtung, wenn man fragt, was denn Juan Ramón Jiménez mit seinem Gott eigentlich „meine". Ein Gedicht kann mehr aussagen, als der Dichter „meint". *) Los muertos, S. 44.

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Bei A l e i x a n d r e dagegen wird eine Sonnenambivalenz sichtbar, die wieder zu den positiven Seiten der archaischen Sonnensymbolik zurückführt: „El sol o mano dura, 0 mano roja, o furia, o ira naciente. El sol que hace a la tierra una escoria sin muerte. (...) Pero mátame, oh sol, con tu justa cuchilla"1). Diese Sonne des Zorns, die mit gerechtem Messer tötet, führt in die weiten symbolischen Gefilde, in denen die Sonne als Gerechtigkeit, Wahrheit, Offenbarung bzw. „Wort" Geltung hat. Jorge Guillén zieht zwischen Sonne und Geist eine direkte Linie, die nicht nur Erkenntnis des Schönen vermittelt, sondern die vor allem schön ist, weil sie Erkenntnis ermöglicht: „Hermosura tan límpida ya de tan entendida, entre el sol y la mentel"2) Diese zwei Verse Guilléns sehen geradezu wie ein gelungener Versuch aus, die für die moderne spanische Lyrik so charakteristische Verbindung zwischen der mythologischen Bildlichkeit und dem Individuell-Menschlichen zu demonstrieren. ,,Ungeduldig'' wartet die Wahrheit schon auf den Dichter und sein Wort, sie kommt ihm ungestüm entgegen, daß er sie finde, nicht erfinde: „ i Y o escojo ? Y o recojo la verdad impaciente, esa verdad que espera a mi palabra. (...) Y la verdad hacia mi abalanza, me atropella". Diese Wahrheit, die sich so menschlich benimmt, ist Sonne, eine leidenschaftlich wilde Sonne: ,,¡Más sol{ Venga ese mundo soleado, superior al deseo del fuerte, venga más sol feroz. 1 Más, más verdad]"3) Da, wie schon gezeigt wurde, Guilléns Wahrheitsbegriff ein existentieller und finalistischer ist, umfaßt er die ganze Skala von Geist und Leben mit dem Lichtsymbol. Wie in der Bibel bedeutet in den folgenden Versen „Licht" sowohl das biologische wie auch das geistig-absolute Leben:

1)

Mundo a solas, S. 52. Cántico, 8.145. s ) Cántico, S. 354. 2)

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„Revelación de la palabra: cante, remóntese, defina su concierto, palpite lo más hondo en lo sonante, su esencia alumbre lo ya nunca muerto. Más vida imponga asi la vida viva para siempre, vivaz hasta su extrema concentración, incorruptible arriba donde un coro entre lumbres no se quema"1). Das menschliche Wort hat die Aufgabe, die Bestimmung dieser Welt zu offenbaren: „Por ti me esfuerzo, forma de ese mundo posible en la palabra que lo alumbre, rica de caos sin cesar fecundo"2). Und: „Oíd: un hombre al habla. ¡ Manifiesto el espíritu! Es el habla común: Amorosa invasión de claridad"3). Alles menschliche Sprechen ist Offenbarung. Der menschliche Geist erst macht das bloß Tatsächliche sinnvoll. Darum ist das Wort „Licht", wie im Johannesprolog. Bei Pedro Salinas ist es der Kulminationspunkt der Sonne, das „Mittagslicht", in dem sich die Seele erkennt: „Radiante mediodía. En él, el alma se reconoce: esencia"4). Die alte Symbolik ist ganz unvermindert erhalten. Wie für Guillén, ist auch für Salinas Dichten ein Vorgang des Erhellens : „En esta luz del poema todo, desde el más nocturno beso al cenital esplendor, todo está mucho más claro"5). Hier wird wieder das Ganze des menschlichen Seins von der Lichtmetapher erfaßt. Ein wenig anders sind die gleichen Bilder bei Blas de Otero nuanciert. Auch ihm ist das Gedicht eine von Gott inspirierte Erkenntnismöglichkeit. Aber ein anderes ist der Mensch, der Dichter selber, mit seiner Blindheit: !) Ebd., S.390. *) Ebd., S. 264. s ) Ebd., S.346. 4 ) El contemplado, a.a.O., S. 299. 6 ) Todo más claro, a.a.O., S. 333f.

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„Estos sonetos son alas que yo entrego plumas de luz al aire en desvarío; (...) Lenguas de Dios, preguntas son de fuego que nadie supo responder. Vacío silencio. Yerto mar. Soneto mío, que así acompañas mi palpar de ciego"1). Die Luftsymbolik unterstützt die göttliche Bedeutung der in den Sonetten enthaltenen Frage, das Meer die der unausgeschöpften Möglichkeit. Licht, Luft und Meer haben ihre archaische Sinngebung behalten, aber sie wirken erst lebendig durch ihr Verbundensein mit dem „ciego", mit dem Bewußtsein des Dichters von seiner begrenzten Erkenntnismöglichkeit. Also deutet hier das „Licht" als Himmelshierophanie wiederum einen „Überstieg" an, ein Hinausgehen des Geschaffenen über den Schaffenden. An José Luis H i d a l g o wird besonders klar, wie sehr das Licht, auch wo es zunächst nur die eigene Person, das eigene Leben symbolisiert, diesen Charakter des „Darüberhinaus" behalten hat : „Quisiera ser yo mismo, luz distinta, brillando cada día, con el alba; estrella de la noche, siempre joven, que fulge de si misma solitaria"2). Mit anderen Worten: „Queremos habitar la brisa pura de la luz inmortal, que arriba crece"3). Mit dieser Unsterblichkeitsbedeutung des Lichtes rührt Hidalgo aber wieder an den „dunklen" Sonnenaspekt, der im Folgenden im Zusammenhang mit der Symbolik des Dunkels betrachtet werden soll. Dunkel, Nichts und Materie Es mag befremden, daß dem mythologisch so wichtigen Dunkel kein eigenes Kapitel zugestanden wird. Aber in dieser Arbeit stehen die mythologischen Symbole nur so weit im Brennpunkt des Interesses, als ihnen auch eine Bedeutung im modernen naturwissenschaftlichen Sinne zukommt. Diese fehlt dem Dunkel. Auch kam es in den untersuchten Werken als Metapher nur etwa halb so häufig vor wie das Licht. Darum sei es hier nicht als eigener Bereich, sondern nur als Gegenbild des Lichtes behandelt. Auch mythologisch konnte j a die Sonne ihr Gegenbild, die Finsternis oder Nacht, in ihre Symbolik aufnehmen. Für die moderne spanische Lyrik wurden oben schon Angel fieramente humano, S. 61. ) Los muertos, S. 36. 3 ) Ebd., S.91. 2

11 Lorenz

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einige Bilder solcher Ambivalenz gezeigt1). Aber es fragt sich doch, ob in der modernen Symbolik die Hintergründe der Ambivalenz die gleichen sind wie in der archaischen. José Luis H i d a l g o gibt einem Gedicht den Titel „Sol de la muerte"2). Diese Todessonne ist düster und unbestimmt: „Fuente de un oro triste, como una antigua luna, manando de un sol vago, sin luz de mediodía; sombrío sol, que roza sobre los muertos lívidos y de las almas muertas su lento fulgor liba". Die Lichtlosigkeit der Sonne rührt aber nicht mehr von der Vorstellung einer Unterwelt her. Sie entspringt der Leere des Weltenraumes, in dem für einen liebenden Gott keine Daseinsmöglichkeit mehr gegeben ist, dessen Licht darum nichts ist als Licht. Und dieses Licht ist düster, weil es nur Licht ist: „Cuando en la noche helada mi carne se deshaga, también yo he de llamarte con voz atardecida; también daré mi alma para que tú fulgures, por ver si con tu llama mi cuerpo se ilumina. Pero no has de quererme. Mi alma estará sola. Las almas de los tristes a Dios sólo iluminan, y en su noche infinita, inacablemente, como un espectro ardiendo, con luz opaca brillan". Das dunkle Brennen der Toten ist ein Ausdruck ihres Nichtseins. Es entspricht dem Nichtsein Gottes, dessen Licht Täuschung ist: „ Queremos habitar la brisa pura de la luz inmortal, que arriba crece, donde están dulcemente reposando las almas de los cuerpos que se mueren. Pero, torpes y bajos, nos ahogamos en la nada fatal que nos sotiene, y oscuros sollozamos, comprendiendo que Dios es sólo el ansia de quererle"3). Schon in „Raíz" hatte es geheißen: Die Sonne ist nichts, die Luft ist ein beliebiges Ding: „Nada es el sol tampoco — si tienes apetito, cómetelo si quieres —. El aire . . . una cosa cualquiera — bébetela, si gustas, en la copa del día —"4). 1

) ) 3 ) 4 ) 2

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Vgl. außer dem vorhergehenden Abschnitt auch S. 49. Los muertos, S. 34. Ebd., S.91. Ebd., S.52.

Der Zusammenhang zwischen Bildlichkeit und Weltanschauung zeigt sich in den Gedichten Hidalgos mit besonderer Eindringlichkeit. Dieser Zusammenhang äußert sich bei Vicente Aleixandre in verwandter Weise. Die Sonne, die als „Vater" des Menschen1) seine Liebe empfangen sollte, wird zur Enttäuschung, denn sie bleibt unerreichbar. Darum gibt diese Sonne nur Schatten: „Pero el Sol no reparte sus dones: da sólo sombras, sombras, espaldas de una luz engañosa, sombras frías, dolientes muros para unos labios hechos para ti, Sol, para tu lumbre en tacto. Yo te veo, hermosísimo, amanecer cada día, sueño de una mente implacable, dorado Sol para él que yo nací como todos los hombres, para abrasarme en tu lumbre corpórea, combustible de carne hecho ya luz, luz sólo, en tu pira de fuego. Sólo así viviría . . . (...) Pero nunca te alcanzo, boca ardiente"2). Die Sonne ist für Aleixandre ebenso unerreichbar wie Gott „abwesend". Ihr Licht ist deshalb totenblaß: „Así sollozé sobre el mundo. i Qué luz lívida, qué espectral vacío velador, qué ausencia de dios sobre mi cabeza derribada vigilaba sin límites mi cuerpo convulso ?" 3 ) Wie bei Hidalgo sind die Vorstellungen des leeren, des verlorenen Lichtes und des nicht vorhandenen Gottes miteinander verknüpft. Die alte Sonnenambivalenz ist in ein neues Bezugsystem hineingestellt. Sie entspringt nicht mehr der nächtlichen Reise durch die Unterwelt, sondern den seelischen Schwierigkeiten gegenüber dem neuen Weltbild. Auf diese Weise wird jedoch das mythologische Symbol ein sehr differenzierbarer Träger persönlichsten Anliegens. Die „schwarze Sonne" gibt Aleixandre z.B. die Möglichkeit, in der liebeleeren „Welt" den Wert der Liebe aufstrahlen zu lassen : AI Amor „Un día para los hombres llegaste. (...) llegaste tú sin sombra, sin vestido, sin odio, (...) brillador en el día bajo un sol casi negro"*). 1)

Vgl. S. 126 f., 156. Sombra del paraíso, S. 94 f. 3 ) Ebd., 8.195. 4 ) Mundo a solas, S.57f. 2)

11«

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Wie nun aber steht es mit der Dunkelheit selber ? Sie bedeutet mythologisch Tod und Nichtsein — aber im archaischen Sinne des Durchgangs, des notwendigen Stadiums vor einem neuen Werden. Die Symbolik der Nacht entspricht daher der des Wassers1). Das Dunkel ist „fruchtbar", es enthält den Keim, es ist Larve und Latenz2). Unsichtbar, wie im Schöße der Erde, bereitet sich in ihm das Werden vor. Nicht zuletzt die Griechen haben den mütterlichen Charakter des Dunkels hervorgehoben, jenes finsteren Chaos, aus dem die Welt entstand3). Aber dieses Dunkel war nicht leer, sondern von Materie erfüllt. Es war Materie, Mater4). Das Dunkel und der Stoff — beide waren Inbegriff des Möglichen. So ist es nicht verwunderlich, wenn auch die moderne spanische Lyrik die Nacht mit Vorliebe materiehaft sieht. ,,(. . .)¡ Qué profunda masa tanta noche en vela!"5) schreibt Jorge Guillén und nennt die Dunkelheit mütterlich: „gran oscuridad ya maternal"8). Er betont in einem anderen Gedichte noch einmal die feste Stofflichkeit des nächtlichen Chaos: „Caos, i Caos de Dios ? Caos. (...) Robustez envolviente, noche sólida"7). Es ist eine Nacht, die den Menschen sicher umgibt und beschützt: „La noche se acerró para guardar quien está en su centro"8). Guillén zeigt hier, wie schon so oft, eine Verwandtschaft mit Juan Ramón Jiménez, der in „Animal de fondo" schreibt: „La cruz del sur me está velando en mi inocencia última, en mi volver a niñodios que yo fui un día en mi Moguer de España. Y abajo, muy debajo de mí, en tierra subidísima, que llega a mi esactísimo ahondar, una madre callada de boca me sustenta, como me sustentó en su falda viva, cuando yo remontaba mis cometas blancas; y siente ya conmigo todas las estrellas de la redonda, plena eternidad nocturna"9). !) ) 3 ) 4 ) 8 ) 2

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Vgl. Cirlot, a.a.O., S.310. Vgl. M. E l i a d e , Die Religionen und das Heilige, S.214f. Vgl. Cirlot, a.a.O., S.310. 6 Vgl. Piatons Timaios, sowie H i r s c h b e r g e r , a.a.O., S. 122-127. ) Cántico, S.500. 8 Ebd., S.436. ') Ebd., S. 143. ) Ebd., S.423. ») Animal de fondo, a.a.O., S. 1355.

Der sakrale Charakter der Nacht äußert sich bei beiden Dichtern in dem geschlossenen Kreis. Beide verbinden mit dem Gedanken des Mütterlichen den des Substantiellen. Aber alles dieses, die geschlossene Nacht, die Nacht als Frau und als Materie, kann in der modernen spanischen Lyrik auch unter ganz anderen Vorzeichen erscheinen. Carlos B o u s o ñ o z.B. nennt eine hartherzige Frau seiner Kindheit Materie. Lange Schatten sind ihr Kennzeichen: „Quieta, quieta mujer, sola en el día, mujer sin luz, mujer de sombras largas, reseco muro sin dolor: materia. ¡Dura mujer amarga!"1) Nun ist das Böse als Nacht und Materie in Mythologie und Tradition nicht neu2). Was dort aber Prinzip des Bösen war, ist hier in eine einzelne, persönlich bekannte Frau gebannt3). Darüber hinaus zeigt sich, daß BousoSo die Bedeutung differenziert hat. Es geht hier nicht einfach um „das Böse", sondern um die spezifische Eigenschaft der Lieblosigkeit, des fühllosen Herzens. Damit sind Nacht und Materie nicht mehr, wie im Archaischen, als Nichtvorhandensein oder Gegenspieler des Lichtes aufgefaßt, sondern es wird etwas durchaus Modernes von ihnen ausgesagt: sie können nicht fühlen, sie sind von allem Menschlichen radikal getrennt. Sie stehen wesentlich nicht im Widerspruch zum Lichte, sondern zum Menschen. Darum sind sie dem Menschen auch unverstehbar. Die „geschlossene Nacht" erhält so eine ganz andere Bedeutung: die einer Sinnverschlossenheit. Die Nacht symbolisiert nun das Unverstehbare, ebenso wie ihre materielle Kompaktheit, die in A l e i x a n d r e s Gedicht „Noche cerrada" säulengleich auf dem menschlichen Herzen lastet: „Ah triste, ah inmensamente triste que en la noche oscurísima buscas ojos oscuros, ve sólo el terciopelo de la sombra donde resbalan leves las silenciosas aves. Apenas si una pluma espectral rozará tu frente, como un presagio del vacío inmediato. Inmensamente triste tú miras la impenetrable sombra en que respiras. Álzala con tu pecho penoso; un oleaje de negror invencible, como columna altísima gravita en él esclavo corazón oprimido. Ah, cuán hermosas allá arriba en los cielos sobre la columnaria noche arden las luces, los libertados luceros que ligeros circulan, mientras tú los sostienes con tu pequeño pecho, donde un árbol de piedra nocturna te somete"4). 1

) Antología consultada, S.27, ans „Subida al amor". ) Vgl. Bibel, Manichäer usw. s ) Vgl. auch A l e i x a n d r e s Gedicht „Arcángel de las tinieblas" in „Sombra del paraíso". *) Sombra del paraíso, S. 144f. 2

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Die mythologische Verwandtschaft zwischen Dunkel und Wasser lebt noch in diesen Versen: oleaje — negror. Zugleich besteht aber eine Beziehung zwischen dem Leeren und dem Materiehaften, die die alte Symbolik aufhebt. Das Unverstehbare — sombra impenetrable — und das Sinnlose — vacío inmediato — treten an die Stelle der Latenz. Dennoch geht diese Latenz nicht verloren. Denn indem die Nacht als Säule auf dem menschlichen Herzen ruht, wird eine neue Verbindung geschaffen zwischen diesem Herzen und dem, was über der Säule ist: den Sternen. Die Sterne aber sind ein Symbol sinnvoller Ordnung1). Sie erhalten eine so enge Beziehung zum Herzen, daß es geradezu als Bürge und Garant der Ordnung erscheint, vorausgesetzt, daß es die Last der Nacht erträgt. So wird der gesamte Kosmos in das menschliche Innere verlegt, wozu die Körperbilder — Herz, Brust — entscheidend beitragen. So wie in der archaischen Symbolik der Nacht ein Morgen folgte, so stehen hier über der Nacht die Sterne. Das Zeitliche ist ins Räumliche übertragen, und das Räumliche entpuppt sich als von den seelisch-geistigen Kräften des Menschen abhängig. Ganz ohne Hoffnung ist das Bild der „noche cerrada" bei Vicente Gaos. Wieder sind es menschliche Körperteile, Symbole menschlicher Geistigkeit, die den Ausschlag geben für die endgültige Bewertung dieser Nacht: die Augen sind abgestürzte Sterne: „Es de noche, noche cerrada es todavía. (•••) No habla nadie. Es de noche. Y tu mirada luce en la negrura, tus ojos, tristes fósforos nocturnos, astros caídos, luz hecha para medir la distancia que nos separa de otra lumbre idéntica. Larguísima es la noche, larguísima es la vida, largo y oscuro es Dios, muy a lo lejos, como la nube aquella en el transfondo"2). Ähnlich wie bei Aleixandre die Sonne, drücken hier die Sterne Gottes Ferne und Unerreichbarkeit aus. Er ist so unverstehbar, wie die Nacht dunkel ist. Daß hinter dieser Auffassung bereits die Begriffe von Materie und Nichts lauern, zeigt ein anderes Gedicht des gleichen Verfassers: „Oh sálvame, Señor, dame la muerte, no me amenaces más con otra vida; dame la muerte y cura así esta herida de mi vida mortal. Haz, Dios, de suerte

*) Vgl. S. 126f. 2 ) Antología consultada, S.91, aus „Luz desde el sueño", 1947. 166

que pueda retornar al mundo inerte al que esta ciega noche me convida. Pon sobre mí tu mano detenida, tu mano de piedad, tu mano fuerte. Dame la muerte, oh Dios, dame tu nada, anégame en tu noche más sombría, en tu noche sin luz, desestrellada. Bastante tengo con la luz de un día, bastante tengo, oh muerte deseada. En ti repose al fin, oh muerte mía"1). Das Gedicht zeigt in Ton und Haltung Ähnlichkeit mit dem berühmten Gedicht des Conde E s c r i v á aus dem 15. Jahrhundert2). In beiden die gleiche von starkem Gefühl getragene Todesmystik. Und dieses Gefühl, diese Liebe, die den heutigen Dichter sagen läßt „oh muerte mía", verleiht auch der Nacht und dem leblosen Stoffe — mundo inerte — wieder den Charakter des Beglückenden und Mütterlichen, der diesen Symbolen von altersher im Zusammenhang mit ihrer Todesbedeutung anhaftet. Das Nichts, erbeten aus der Hand Gottes, erscheint unendlich erfüllt und geheimnisvoll. Dieser Eindruck erwächst freilich nicht aus einer verstandesmäßigen Durchdringung des Gemeinten, sondern aus einem genauen Erfassen des Bildlichen, dessen Konkretheit mit der geradezu fühlbaren Geste des Handauflegens unübertrefflich ist. Wieder ist es der direkte persönliche Bezug, der alles verwandelt. In Cernudas Gedichtband „Como quien espera el alba" steht eine Strophe, die diesem Gedicht Vicente Gaos' nah verwandt ist. Die Nacht, die Todesnacht vertritt in ihr Gottes Stelle: „Sagrada y misteriosa cae la noche, dulce como una mano amiga que acaricia, y en su pecho, donde tal ahora yo, otros un día descansaron su frente, me reclino a contemplar sereno el campo y las ruinas"3). *) Antología consultada, S.83; aus „Arcángel de mi noche", 1944. 2 ) „Ven, muerte, tan escondida, que no te siento conmigo, porqu'el gozo de contigo no me torne a dar la vida. Ven como rayo que hiere, que hasta que ha herido no se siente su ruydo, por mejor herir do quiere: assí sea tu venida; si no, desde aquí me obligo que el gozo que avré contigo me dará de nuevo vida". In „Historia y Antología de la Poesía Española", Madrid 1955. ») A.a.O., S. 195.

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Wo dagegen das Unpersönliche der Nacht betont wird, ist auch das Resultat der Metaphorik ein anderes. So bei Germán Bleiberg, dem die Nacht wie eine verschlossene Tür ist, die sich keinem Pochen öffnet: ,,También yo he llamado a las puertas sombrías de la noche, y sólo acuden el tiempo y el destino"1). Die Nacht bleibt so gleichgültig und unansprechbar wie die Zeit und das Schicksal. Für Rafael Morales ist der Tod eine rücksichtslos brutale Macht. Er erscheint im dreifachen Bilde der Nacht, der um das Nichts zentrierten Kugel und eines dunklen Wassers, das den Menschen ertränkt und ins Nichts trägt: „Y enla noche redonda, caudalosa, asolada, grita un hondo silencio la sombra en los jardines. (...) Mientras, el hombre siente crecerle por las venas ríos de lenta sombra que ruedan sin destino, con un oscuro ruido y un gotear de penas. Sus fuerzas van cediendo a una tenaz llamada y la muerte le anega con su cósmico vino, y rueda con la noche brutal y sosegada, perdido, como pluma, sin luz y sin camino, hacia el centro absoluto, sideral, de la nada"2). Bezeichnenderweise wird das Steigen dieser tödlichen Flut wieder ins Innere des Menschen verlegt, in seine „Adern". Der Eindruck des Bedrohlichen und Unentrinnbaren wird so erheblich gesteigert, die lebendige Körperlichkeit des Menschen in ihrem eigensten Bereiche aufgehoben. Umgekehrt wird die Nacht mit „Fleisch" bekleidet, wenn ihr ein menschliches Gefühl zugestanden werden soll: „La carne de la noche sufre, herida". (José Luis Hidalgo) 3 ) Der Körper der Nacht hat also einen ganz anderen Sinn als die Nacht im Körper oder die Nacht des Körpers, wie ein Vers Carmen Condes noch einmal belegen möge: „Con gestos vas gastando la noche de tu cuerpo"*). Hier verleiht die Nacht dem Körper wieder jene Sinnlosigkeit und Unverstehbarkeit, die sie in der modernen spanischen Lyrik mit der Leere des Raumes und der Unmenschlichkeit des Stoffes verbindet. Die metaphorische Verbindung zwischen Nacht und menschlichem Körper wirkt so absolut lückenlos, weil der Körper ja auch Materie ist. Demgegenüber muß eine Untersuchung der Bilder, die Leib und Licht vereinen, besonders aufschlußreich sein. 1

) Antología Cano, S. 108, aus „Más allá de las ruinas", 1947. ) El corazón y la tierra, a.a.O., S. 111. s ) Raíz, S.71. *) Antología Cano, S. 144; aus „Iluminada tierra", 1951. 2

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Licht und Leiblichkeit Die häufige metaphorische Verbindung zwischen Licht und menschlichem Leib ist eines der Hauptmerkmale der modernen spanischen Lyrik. Sie ist, schon rein natürlich betrachtet, nicht so seltsam, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn tatsächlich besteht zwischen Licht und Leib eine Parallele, sobald man nicht von der stofflich-physikalischen Seinsweise, sondern von Zweck und Wirkung im menschlichen Bereich ausgeht. Der Körper ist Träger des Lebens. In der Einleitung zum Lichtkapitel wurde gezeigt, wie auch das Licht als Lebensträger aufgefaßt werden kann. Erst der Körper macht den Menschen dem Menschen sichtbar. Das gleiche tut das Licht. Einzig der Körper ermöglicht eine Einwirkung auf die Außenwelt. Aber zum Wirken und Handeln bedarf der Mensch auch des Lichtes. Der Körper mit seinem geheimnisvollen Leben, mit seinen Ausdrucksmöglichkeiten für Geistiges und seiner Hinfälligkeit scheint auf ein Höheres zu verweisen, von dem er abhängig ist. Das Licht ist ein Symbol Gottes und seines Schöpfertums. Das sind Übereinstimmungen, durch die beide Bereiche gewaltlos miteinander verknüpft werden können. Vor allem ist es zunächst die Lebensbedeutung, die ein gemeinsames Erfassen erleichtert. So erscheint in einem Gedichte Rafael Morales' der Körper des neugeborenen Kindes wie Morgenröte und Morgenlicht: ,,¡Oh tibio cuerpo, casi luz rosada!, vivo nácar reciente que atesora la gracia transparente de la aurora sobre la piel levísima y dorada. \Ay humana y celeste madrugada dcmde la luz del sol se hace sonora! ¡ Ay suspiro hecho carne, donde mora la inmensidad del sueño concentrada!"1) Die zweite Strophe zeigt, wie der Körper und sein Lebenslicht nicht als etwas rein Vitales aufgefaßt sind, sondern das eigentlich Menschliche, den Bereich des Seelisch-Geistigen, implizieren. Das zeigt sich noch stärker in einem vergleichbaren Gedichte Guilléns. Diesem ist das neugeborene Kind ein lichtdurchstrahlter Mikrokosmos. Ähnlich wie im neuplatonischen Denken gibt es hier eine Emanation, eine hierarchische Abstufung des Lichtes, das vom Geistig-Personhaften über die Seele bis ins Körperliche reicht. Mit dem Unterschiede jedoch, daß der Körper sich bei Guillén nicht als Materie dem Lichte widersetzt, sondern als „Form" gerade dessen glückliche Verwirklichung ist. Es ist wieder der guillénsche Gedanke der ans Ziel gelangten Entsprechung, der Geist und Körper gleichermaßen aufstrahlen läßt:

El corazón y la tierra, a.a.O., S.59.

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„Persona y luz: un alma nunca ciega, realísima ante todos, evidente, con sus indecisiones se despliega resplandeciendo sobre su presente. (...) No hay un ser de un sonreír más numeroso, no hay sonrisa más esencial a un ser. Por sus ondulaciones de reposo centellea un constante esclarecer. El cuerpo todo participa, goza de esta iluminación. El alma es nueva nada sabe de fárrago ni broza. A dudar de esta luz, i hay quién se atreva ? Luz de carne, sonrisa corporal, suavísimos chispazos de una gracia con fuerza de misterio sin final: Vivir que sólo en más vivir se sacia. Desde siempre hubo acorde entre ese infante, forma justa del ánimo risueño, y el frescor transparente de levante destinado al más puro que su sueño" 1 ). Die Anklänge an antike oder mittelalterliche Philosophien — an die schon im Feuerkapitel betrachtete „Scintilla" und an die Lichtmetaphysik der Oxforderbzw. Franziskanerschule sei erinnert — erfahren ihre Sinngebung hier rein innerhalb des Menschlichen. Erst von da aus geschieht der Hinweis auf ein unendliches Geheimnis. Das für Guillén typische Vorgehen könnte nicht deutlicher werden: es ist ihm nicht darum zu tun, philosophische Systeme vergangener Zeit zu neuem Leben zu erwecken. Er benutzt vielmehr, und man könnte fast sagen, zwangsläufig, den bildlichen Ausdruck bestimmter Systeme, um den Wert und die Sinnfülle des menschlichen Lebens zeigen zu können. Die Wahl des bildlichen Ausdrucks muß dabei auf solche Bezirke fallen, in denen das Organische den Vorrang hat vor der Materie, das sehend Zielgerichtete vor dem blind Kausalen. Am Anfang steht also nicht das Naturding, aus dessen Bildhaftigkeit ein Sinn erschlossen wird, sondern der Sinn, der das Bild und mit ihm das Naturding herbeiruft. Darum kann ganz unmittelbar gesagt werden: „Ese dorado de la piel es alma" 2 ). Das Bild nimmt seinen Ausgang nicht vom Goldschimmer der Haut, sondern von dem, was „Seele" für den Dichter bedeutet: einen Hinweis auf die Göttlichkeit der niemals ruhenden Schöpfung: Cántico, S.376Í. *) Ebd., S.381. 170

„Sigue la Creación creando. Calma de infante: lo divino en sí confía. Ese dorado de la piel es alma. Universal infante de alegría!"1) Dennoch geschieht die Wahl des Symbols nicht beliebig, sondern innerhalb des mythologisch abgesteckten Spielraums. Vielleicht darf angesichts solcher Vorgänge, die, wie bereits deutlich werden mußte, nicht auf Guillén beschränkt sind, sondern nur in seiner Dichtung mit geradezu exemplarischer Klarheit sichtbar werden, ein vorsichtig vergleichender Blick geworfen werden auf das, was Wolfgang Schöne für die Behandlung des Lichtes in der Malerei festgestellt hat: Das Licht des mittelalterlichen Bildes ist ein „Eigenlicht", ein „Sendelicht", das als Goldgrund dargestellt auf die Heilsgeschichte und Offenbarung verweist2). Der Ausgangspunkt ist die freie Flächenfarbe. Dieses Sendelicht wird abgelöst vom Beleuchtungslicht. Erst in neuester Zeit erscheint in der Malerei wieder etwas, was dem mittelalterlichen „Eigenlicht" verwandt ist: die Oberflächenfarbe der Bildleinwand wird zugleich in einem lediglich hinweisenden Sinne Oberflächenfarbe der Gegenstandszeichen. Sie macht darum im Betrachter wiederum den Eindruck der freien Farbe, wenn sie sich auch von dieser durch den Ausgangspunkt unterscheidet3). Etwas Ähnliches läßt sich für das Symbol feststellen. Es hat sein Eigenleben, seine Selbständigkeit verloren. Aber nachdem es schon fast verschwunden schien — „entleert", „abgesunken" — ersteht es heute zu neuem Leben durch die lebendige, im wahrsten Sinne des Wortes organische Verbindung mit dem Menschen, der das Gegenständliche in Zeichenhaftes verwandelt. Dieser theoretisch etwas schwierige Prozeß soll durch die folgenden Beispiele noch klarer werden. In einem Gedicht Rafael Morales' wird die Nacht von den Liebenden erleuchtet. Das Licht wird ausgestrahlt von ihrem „Instinkt": „Ay la noche iluminan ( . . . ) los amantes, (...) Qué bellas son sus alas, su corazón, sus sueños, la irradiación celeste y clara de su instinto1)". Das Licht wird also sichtbar an den Liebenden und ihrer Körperlichkeit, die hinweist auf den symbolischen „Inhalt", nämlich die Göttlichkeit des Naturhaften, das in seinem Wirken dem Willen des Schöpfers bzw. der „Richtigkeit" der Schöpfung entspricht. Ebenso zeigt Vicente A l e i x a n d r e in seinem lichtdurchflossenen „Paradiese", diesem Traum vom unschuldigen elementaren Leben, die Körper der Menschen selber als Lichtträger: M Ebd., S.381. ) Vgl. „Über das Licht in der Malerei", Berlin 1954, 8.25 und S. 55. 3 ) Vgl. ebd., S. 255ff. 4 ) El corazón y la tierra, a.a.O., S. 85. a

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„Hombres plenos, muchachas de insinuado escorzo lúcido, niños como villanos leves, mujeres cuya hermosa rotundidad solar pesaba gravemente sobre la tarde augusta. (...) Ebrios de luz los seres mojaban sus pies en aquel hirviente resplandor, y sentían sus cuerpos destellar, y tendidos se amaban sobre las playas vividas"1). Der Gedanke an die Eigenschaften des Lichtes im physikalischen Räume ist hier völlig verbannt. Dieses Licht ist ganz zum Menschen gehörig und zeigt den Menschen doch als Teil der Schöpfung. Aber nicht der Schöpfung als materieller, sondern als geistiger Wirklichkeit. Darum bricht gerade aus der scheinbaren Elementarisierung des Menschen das eigentlich Menschliche hervor: die Liebe, in der sich das Dasein erst ganz erfüllt. Die obigen Verse Aleixandres könnten ebenso gut durch solche Guilléns ersetzt werden: „Luz nada más. He aquí los amantes. Una armonía de montes y ríos, amaneciendo en lejanos levantes, vuelve inocentes los dos albedríos"2). Die Liebenden sind Licht, weil sie selber ganz Unschuld, ganz Harmonie mit der Schöpfung sind. Die Liebe ist die Ursache dieser Unschuld und Harmonie: „Todos refulgirán, amor, si guías"3). Die Liebe erzeugt das Licht, das Licht erscheint am menschlichen Körper, der Körper verweist auf die geistige, das rein Gegenständliche übersteigende Bedeutung des Symbols. Dieser Prozeß wird unterstützt durch die vielen, im Wasserund Erdkapitel nachgewiesenen Gleichsetzungen von Körper und Mensch, oder von Blut und Seele. Besonders aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang ein Gedicht Aleixandres, das den gesamten Prozeß sozusagen im Zeitlupentempo vorführt: Der Mond erscheint als Symbol des Lichtes. Das Licht als Symbol der Unschuld. Dann aber verwandelt sich der nackte Körper des geliebten Mädchens in diesen Mond, in dieses Licht und diese Unschuld: der Dichter hält den „Mond" in den Armen: „Símbolo de la luz tú fuiste, oh luna, en las nocturnas horas coronadas. Tu pálido destello, con el mismo fulgor que una muda inocencia, aparecía cada día presidiendo mi dicha, callando tiernamente sobre mis frescas horas.

*) Nacimiento último, S.94£f. Cántico, S. 171. 3 ) Ebd., S. 175.

2)

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(...) En otras noches, cuando el amor presidía mi dicha, un bulto claro de una muchacha apacible, desnudo sobre el césped era hermoso paisaje. Y sobre su carne celeste, sobre su fulgor rameado besé tu luz, blanca luna, ciñéndola. (...) Noches tuyas, luna total: ¡ oh luna, luna entera! Yo te amé en los felices días coronados. Y tú, secreta luna, luna mía, fuiste presente en la tierra, en mis brazos humanos"1). So sehr hier auch das Vitale und Erotische herausgearbeitet ist, bleibt doch im Ton des Ganzen wie auch in den Hinweisen auf den „Himmel" die archaische, ins Göttliche und Geistige zeigende Lichtsymbolik unverkennbar. In allen Paradiesesgedichten Aleixandres ist die Liebe untrennbar vom als vorbildlich gedachten Leben. Wie stark Aleixandre mit einer rein an Körperbildern orientierten Gestaltungsweise das Geistige meinen und erfassen kann, zeigen zwei übereinstimmende Stellen aus „Sombra del paraíso" und „Nacimiento último". In beiden erscheint das Wort des Dichters als Licht im Munde. Im ersten Zitat wird es sogar — krasseste Konsequenz — gekaut: „La luz, tenuamente mordida por mis dientes blanquísimos, cantó; cantó la sangre de la aurora en mi lengua. Tiernamente en mi boca, la luz del mundo me iluminaba por dentro"2). Und: „Oh dulce luz pasajera que en los dientes te brilla, niño de amor que con tus manos llegas y los remotos, no vistos, no recordados altozanos de un verde campo de perpetua alegría!"3) Der Ursprung des Symbols ist klar: es ist die vom Wort vermittelte Offenbarung, die wie im Neuen Testament mit dem Lichtsymbol ausgedrückt ist. Die Offenbarung des Dichters, der den Ursprüngen des Seins nahe ist (darum „Kind"), der als Weiser und als Verkünder dessen, was sein sollte, mit der Erkenntnis die Liebe verbindet. Das zärtlich im Munde gespürte Licht, das heftig gekaute Licht sagt die intensive geistige Durchdringung aus, den persönlichen Bezug, die Notwendigkeit des sehenden Menschen als Träger der Wahrheit. Auf der gleichen Ebene treibt Emilio Prados ein tiefsinniges Spiel mit Mensch und Wort, Körper und Licht: „¡La luz! i Sin nombre la luz ? . . . Pero la luz será el nombre.

Sombra del paraíso, S. 87-91. ) Sombra del paraíso, S. 104. ®) Nacimiento último, S. 112.

s

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Nombre de luz de la luz, el Nombre. La luz, el hombre. (...) Vuelve el misterio a vivir. Vuelve a lucir el misterio, sin muros, en el jardín . . . — i Cerrado ? . . . ¡Jardín de luz! — i Sin nombre es el jardín ? . . . La luz, sin nombre, esperando él cuerpo dkl hombre: \LuzV'1) Die Lebens- und Erkenntnisbedeutungen des Lichtes sind hier zu einer rational kaum auflösbaren Einheit verschmolzen. Symbol und Basis dieser Einheit ist der menschliche Körper. Auch bei Miguel H e r n á n d e z spricht sich in der metaphorischen Verbindung von Licht und Körper die ganze Spannweite menschlicher Möglichkeiten aus. Natürlich ist es naheliegend, in der Begegnung mit der Frau die alte Fruchtbarkeitssymbolik des Lichtes zu nutzen, was ja schon durch das Betonen der Körperlichkeit leicht fällt. So ist die Frau Morgenlicht, Leuchten, bis aus ihrem Leib die „Sonne", d.h. das neue Leben, hervorgeht: „Tú eres él alba, esposa: la principal penumbra, recibes entornadas las horas de tu frente. Decidido él fulgor, pero entornado, alumbra tu cuerpo. Tus entrañas forjan él sol naciente. Centro de claridades, la gran hora te espera en el umbral de un fuego que el fuego mismo abrasa: te espero yo, inclinado como el trigo a la era, colocando en el centro de la luz nuestra casa. La noche desprendida de los pozos oscuros, se sumerge en los pozos donde ha echado raíces. Y tú te abres al parto luminoso, entre muros que se rasgan contigo como pétreas matrices. La gran hora del parto, la más rotunda hora: estellan los relojes sintiendo tu alarido, se abren todas las puertas del mundo, de la aurora, y el sol nace en tu vientre, donde encontró su nido. Hijo del alba eres, hijo del mediodía. Y ha de quedar de ti luces en todo impuestas, mientras tu madre y yo vamos a la agonía, dormidos y despiertos con el amor a cuestas"2). 1

) Jardin cerrado, a.a.O., S. 251.

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2

) Cancionero y romancero de ausencias, a.a.O., S. 229.

Aber Hernández zeigt auch, welcher ungeheuren Steigerung diese gleiche Symbolik in das ganz Persönlich-Menschliche hinein fähigist, da in einem anderen Gedichte das „Licht" dieses Körpers der geliebten Frau zum einzigen Licht wird, das dem Dichter leuchtet: „Yo no quiero más luz que tu cuerpo arde él mío, claridad absoluta. Transparencia redonda. Limpidez cuya entraña, como el fondo del río, con el tiempo se afirma, con la sangre se ahonda. Qué lucientes materias duraderas te han hecho, corazón de alborada, carnación matutina! Y o no quiero más día que el que exhala tu pecho. Tu sangre es la mañana que jamás se termina. No hay más luz que tu cuerpo; no hay más sol. Todo ocaso. Y o no veo las cosas a otra luz que tu frente. La otra luz es fantasma, nada más de tu paso. Tu insonderable mirada nunca gira al poniente. Claridad sin posible declinar. Suma esencia del fulgor que ni cede ni abandona la cumbre. Juventud. Limpidez. Claridad. Transparencia, acercando los astros más cercanos de lumbre. Claro cuerpo moreno de calor fecundante. Hierba negra el origen. Hierba negra las sienes. Trago negro los ojos, la mirada distante. Día azul. Noche clara. Sombra clara que vienes. Yo no quiero más luz que tu sombra dorada donde brotan anillos de una hierba sombría. En mi sangre, fielmente por tu cuerpo abrasada, para siempre es de noche: para siempre es de día" 1 ). An diesem Gedicht wird mit wunderbarer Eindringlichkeit klar, wie der Körper der „Ort" des Menschen ist, wie mit diesem „Körper" das ganze Sein und Wesen der geliebten Frau gemeint ist. Dabei wird das „Licht" zum Ausdruck einer unsagbar starken Liebe, der gegenüber alles übrige ins Wesenlose versinkt. Religiöse Tiefen tun sich auf: wie dem Mystiker wird dem Dichter das natürliche Licht zum Phantom und wandelt sich schließlich unter der Einwirkung der immer wachsenden Intensität auch das innere Licht in Dunkel, in jene „lichte Nacht", die ein San Juan de la Cruz kennt: „Que es cosa que parece increíble decir que la luz sobrenatural y divina tanto más oscurece al alma cuanto ella tiene más de claridad y pureza2). (. . .) Pues ni más ni menos hace este divino rayo de contem*) Ebd., S. 240. Es folgt das Gleichnis vom Licht im Räume, das nur sichtbar ist, wenn es auf Materie, also sozusagen „Widerstand" trifft. 2)

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plación en el alma, que embistiendo en ella con su lumbre divina, excede la natural del alma, y en esto la oscurece"1). In Hernández' Gedicht ist der Körper der geliebten Frau, Licht und Nacht zugleich, Ausdruck eines alles Maß übersteigenden Liebens. Als Licht erscheint die Frau auch Ramón de Garciasol: „Mujer, mujer solar, luz en mejilla"2). Sie ist „Licht", weil sie bewahrt vor der Nacht der Einsamkeit und, durch Nachkommenschaft, vor der Nacht des Todes3). Aber das Gedicht wirkt schwach neben der leidenschaftlichen Tiefe eines Hernández. Eine andere Tonart schlägt Blas de Otero an. Auch hier zieht zwar der lichte Körper der Frau den Dichter in religiöse Bezirke. Aber er ist nicht Ziel und Ende der Bewegung, sondern Anfang und Durchgang. Er weckt eine unendliche Sehnsucht nach Gott: „Cuando te vi, oh cuerpo en flor desnudo, creí ya verle a Dios en carne viva. No sé qué luz, de dentro, de quién, iba naciendo, iba envolviendo tu desnudo amoroso, oh aire, oh mar desnudo. Una brisa vibrante, fugitiva, ibas fluyendo, un agua compasiva, tierna, tomada entre un frondor desnudo. Te veía, sentía y te bebía, solo, sediento, con palpar de ciego, hambriento, i sí de quién ?, de Dios sería. Hambre mortal de Dios, hambriento hasta la saciedad, bebiendo sed, y, luego, sintiendo, \por qué, oh Dios\, que, esto no basta"4). Hier ist das Licht wieder das alte Gottsymbol, der Weg zu ihm ein Weg der Liebe. Das ganz auf das göttliche Licht bezogene Gedicht des Carmeliten Julián Maruri zeigt die gleiche Tendenz, das Lichtsymbol mit dem menschlichen Körper zu verbinden. Er wählt hierzu die Hände, die nicht nur Ausdruck der Macht und des Wirkens sein können, sondern auch des Empfangens einer Gabe:

*) Noche oscura, II, 8, 2-4. 2 ) Defensa del hombre, S. 96. 3 ) Vgl. auch Vicente Gaos, „Arcángel de mi noche", in Antología Cano, S.267. 4 ) Angel fieramente humano, S. 24. Vgl. ebd., S. 22: ,,Oh Dios, oh Dios, oh Dios, si para verte bastara un beso, un beso que se llora después, porque, ¡ oh, por qué!, no basta eso". 176

„Esa luz que al nacer el día sorprendemos en nuestras manos

no es alba, sino la huella del amor que dejó su rastro. Luz que en vano guardamos, tan breve.

Misteriosa visita de un astro"1).

Die Hand wird zum Hinweis auf die göttliche Liebe und lebensspendende Gnade; das Licht ist diese Liebe und Gnade, und der Dichter betont ausdrücklich den rein innerlichen, visionären Charakter solchen „Lichtes", das nichts mit dem Lichte im physikalischen Sinne zu tun hat: „ino es alba!" Die biblischen Symbole, die Christus das Licht nennen und das Leben, kehren bei Carlos Bousoño wieder, da er Licht und ewiges Leben als „Frühling" in den Körper Christi einschließt: „Cristo en los campos „En tu cuerpo encerrada, ya eterna y siempre pura, con la luz de ese monte y la de esa pradera, y alta luz de montaña, y clara de llanura, destellaba en tu sangre toda la primavera.

(• • •) Largamente mirabas el mundo que Tú hiciste. Todo lo recordabas amándolo en tu seno: cerros, violetas suaves, llanura, campo triste, pobreza, ardor, cariño: todo era un soplo bueno. (...) En tu cuerpo encerrada, cálida y suspirante, manando de la fuente viva que tu alma era,

brotando inacable, luminosa y fragante

destellaba en tu sangre tod,a la primavera"2).

Die ganze Schöpfung, das Schöpfertum und die Liebe Gottes sind hier im Leibe Christi konzentriert. Quelle des frühlingshaften Lichtes ist seine Seele. Das natürliche Licht wirkt in diesem Gedichte abbildhaft. Es empfängt seinen Sinn erst von dem Urbild, von Gott selber, das aber nicht direkt mit ihm verbunden wird, son) Antología Cano, S.278, aus „Los años", 1947. ) Antología consultada, S.29; aus „Subida al amor, 1945. Vgl. aus „Primavera de la muerte", 1946, S.34, die auf den Dichter selbst bezogenen Strophen: x

2

„ E n mi sangre quizá llevo mezclado el cielo azul de las nubes ligeras, inconsútil espacio deleitoso en donde la luz reina, porque allá por el fondo de mi vida, cual blanca luz que delicada tiembla, a veces pasa con secreto dulce toda la errante primavera". 12 Lorenz

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dem als Mittler des Körpers des menschgewordenen Gottes bedarf. Erst in dem gleichnishaften Hinweis des Leibes verwandelt sich das natürliche Licht, das Licht der Physik, wieder zu dem, was es dem Menschen einmal war: eine lebendige Schöpfung Gottes. Auch im außerchristlichen Räume der spanischen Dichtung wird Gott immer wieder, wie oben bereits ersichtlich wurde, gleichsam „inkarniert". Vor allem das Blut, das Symbol des Lebens und der Seele, erwies sich als geeignetes Organ solcher Verkörperlichungen. Es kehrt bei Juan Ramón J i m é n e z wieder als in den Adern kreisende Sonne: „En todo estás a cada hora, siempre lleno de haber estado lleno, de haber a mí llenado de ti mismo, haberme a mí llenado de mí mismo; y mi gozo constante de llenarme tú de ti, es tu vida de dios; y tu gozo constante de llenarme yo de ti, es mi vida de dios, ¡ mi vida, vida! ¡ Qué bien se comunican nuestras venas; por ti circula el sol entre los dos; circula el sol del mar, el sol del fuego, el sol del aire, el sol del sol y del amor, este sol del amor, con el sol de la tierra; y el amor, el amor solo y todo circula entre los dos, circula rico, entero, uno entre los dos!"1) Wie ein einziger Organismus sind hier Gott und Mensch im Blutkreislauf zusammengeschlossen. Der ganze Kosmos und mit ihm alle kosmogonischen Symbole, wie Meer und Feuer, Luft und Sonne, sind Teil dieses gewaltigen Körpers, zirkulieren als Licht in seinem Blute. Das Licht aber, die Sonne, die alles vereint, ist die Liebe. Sie ist Gott selber, ist das Band zwischen Gott und Mensch, vollendet das Wesen des Menschen. Animal de fondo, a.a.O., S. 1380.

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Facit Die alten Symbole sind nicht verschwunden. Sie führen in der modernen spanischen Lyrik ein intensives Leben. Und nicht als „Reste", sondern in großen systematischen Zusammenhängen, die den archaischen entsprechen. Sie sind sogar ein Beweis für die von der Symbolforschung immer noch nicht genügend beachtete Tatsache: „daß es nämlich eine ,Logik des Symbols' gibt, daß gewisse Symbolgruppen sich wahrhaftig als zusammenhängend, als im Logischen miteinander verkettet zeigen"1). So wird auch in der modernen spanischen Lyrik die Symbolik des Mondes erst ganz verständlich in Verbindung mit der des Wassers, die des Steines mit der der Erde, die des Windes mit der des Himmels. Aber auch zwischen diesen großen Symbolkreisen werden Brücken geschlagen, Brücken zwischen Sonne und Erde, Feuer und Blut, Dunkel und Wasser, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Pfeiler dieser Brücken sind die in den Mythologien wirksamen Urbedeutungen, die sich auch da durchsetzen, wo eine Kenntnis dieser Mythen unwahrscheinlich ist. Sie erscheinen im Gegenteil häufig gerade dann in sehr reiner Form, wenn es dem Autor darum zu tun ist, Persönlichstes intuitiv auszudrücken. Sie sind jedoch kein Privileg der „irrationalen" Sphäre, sondern ebenso sehr Betätigungsfeld für den diskursiv formenden Intellekt, so daß z.B. zwischen zwei so gegensätzlichen Dichtern wie Aleixandre und Guillen, die wegen ihrer polaren Stellung innerhalb der modernen spanischen Lyrik mehrfach hervorgehoben wurden, im Gebrauch der Symbole kein Unterschied besteht. Die Unterschiede zeigen sich erst in der Stellungnahme der Dichter zu den Sphären, denen die Symbole entnommen wurden. Hier ist es auch, wo die Schwierigkeiten moderner Symbolbildung bzw. -anwendung sichtbar werden. Erst durch die Antwort auf diese Schwierigkeiten erhält die moderne spanische Lyrik ihr eigenes Gesicht. Neben der kohärenten, an den Urbedeutungen orientierten Bildlichkeit steht nämlich eine andere, die etwas durchaus Unarchaisches zeigt: die Leere des Nichts. Es ist nicht etwa ein Chaos, das hier sichtbar wird. Im Chaos ist noch ungeordnete Verschiedenheit, ist ein gestaltbares oder gestaltgewesenes Etwas. Hier aber steht hinter jedem Symbol, ob Wasser oder Mond, Erde oder Sonne, zugleich eine einzige Bedeutung: Nichts. Mit anderen Worten: sobald die Symbole in den entseelten Kosmos der heutigen Physik hineingestellt werden, bezeugen sie gleichsam den Schwund des alten Inhalts. Noch einmal möge hier Rafael Alberti zu Worte kommen, wie er diesen Schwund beklagt: M. E l i a d e , Ewige Bilder und Sinnbilder, S.42. 12*

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,,¡ Oh consuelo! ¡ Oh perdido consuelo de mirar a la altura, de mirar sin espanto el natural descenso de la sombra, el naveger de un ala, el caer luminoso de una estrella! Muere la voz del hombre; las palabras, si salen de los labios, son peores que piedras rebotando en la frente de un niño. Un idioma de escombros nos destruye, nos tapia"1). Es ist offensichtlich, daß ein Dichter mit dieser Sprache aus Schutt, aus Trümmern, wie Alberti sagt, nicht arbeiten kann. Daß er das auch nicht tut, zeigt das Bestehen der bedeutungsgeladenen echten Symbolik neben diesem Nichts. Ist aber dieses Fortbestehen eine romantische Flucht ? Ein konservatives Festhalten am Hergebrachten, das eher für Abwesenheit als für Lebendigkeit des Geistes zeugt ? Steht die moderne spanische Lyrik noch auf herkömmlicher Ebene ? Sie tut dies keineswegs. Sie setzt die archaische Symbolik nämlich in einen ganz neuen Bezug zur Wirklichkeit. Das mythologische Symbol verwies auf den Kosmos. Das moderne verweist auf den Menschen. Und zwar nicht nur auf den Menschen im allgemeinen, sondern auch im besonderen. Auf seine ganz individuelle, einmalige Situation, Stimmung und Veranlagung. Die Symbolik entwickelt hier eine ungeahnte Schmiegsamkeit und Differenzierungsfähigkeit. Die in aller überraschenden Individualisierung dabei fortbestehende Grundbedeutung verbindet das Einmalige mit der grenzenlosen Tiefe des Immergültigen. Symboltechnisch geschieht die Verweisung auf den Menschen vor allem auf zwei Arten: Der Kosmos, der inzwischen zu Materie geworden ist, wird humanisiert (Guillén). Oder der Mensch wird elementarisiert, wobei hinter „Element" wieder der Materiebegriff steht (Aleixandre). Beides entspringt dem gleichen Anliegen: wieder ein sinnvolles Weltbild zu schaffen, in dem nicht nur der Gegensatz zwischen Geist und Stoff überwunden ist, sondern auch die aus der Unanschaulichkeit resultierende Fremdartigkeit ihren Schrecken verloren hat2). Es ist das gleiche Bemühen, das in der Malerei die Künstler zwingt, auf den „schöpfungsursprünglichen Punkt" zurückzugehen3), und das einen Paul K l e e sagen läßt: „Früher schilderte man Dinge, die auf der Erde zu sehen waren, die man gern sah oder gern gesehen hätte. Jetzt wird die Realität der sichtbaren Dinge offenbar gemacht und dabei dem Glauben Ausdruck verliehen, daß das Sichtbare im Verhältnis zum Weltganzen nur isoliertes Beispiel ist, und daß andere Wahrheiten latent in der Überzahl sind"4). Der Weg der Malerei geht über Abstraktionen. Daß mit ihnen keine „Entmenschlichung" gemeint ist, zeigen Bemerkungen wie diese: „Aus abstrakten Formelementen wird über ihre Vereinigung zu konkreten Wesen oder zu abstrakten Dingen wie Zahlen und Buchstaben hinaus zum Schluß ein formaler Kosmos geschaffen, der mit der großen Schöpfung solche Ähnlichkeit aufweist, daß ein Hauch genügt, den Ausdruck des Religiösen, die Religion, zur Tat werden !) Pleamar, S. 125f. 2 ) Vgl. A. M a r c h , Das Denken der neuen Physik, S.9f; W. H a f t m a n n , Malerei im 20. Jahrhundert, S.476 und S.478. 8 ) Vgl. H a f t m a n n , ebd., S.474. 4 ) Schöpferische Konfession, V, in „Im Zwischenreich. Aquarelle und Zeichnungen von Paul Klee.", Köln 1957.

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zu lassen"1). Oder wie der Franzose B i s s i è r e von seiner Kunst sagt: „Wenn ich diese Zeichen, in denen ich mich selbst wiedererkennen möchte, auf die Leinwand setze und manche sich angerührt fühlen und versucht sind, mir die brüderliche Hand zu reichen, dann glaube ich, daß ich gewonnen habe, und mehr verlange ich nicht. Letzten Endes bin ich überzeugt, daß die Qualität eines Kunstwerks sich an der Summe der Menschlichkeit mißt, die es enthält und auslöst2)". Das gemahnt sehr an die Einstellung moderner spanischer Lyriker, denen das Wort Aleixandres, „Poesía es comunicación", immer wieder Ausgangspunkt ist3). Die betonte Menschlichkeit, die Auffassung von der Dichtung als einer gültigen Erkenntnisart4) muß im Zusammenhang mit der Naturentfremdung gesehen werden5). Aber die Lyrik kann nicht, wie die Malerei, zu abstrahierten Formen und Strukturen vorstoßen, um den „schöpfungsursprünglichen Punkt" zu finden. Die Wortbedeutungen können nicht eliminiert werden, und diese enthalten das Ding als Ganzes. Darum weist die moderne spanische Lyrik hier einen anderen Weg. Sie geht auf den Ursprung allen Symboldenkens, den menschlichen Körper, zurück. Denn mit diesem Symboldenken verhält es sich folgendermaßen : „Die Dinge sind mehr, als sie sind, nämlich rein stofflich. Sie bedeuten etwas. Am klarsten ist dieser Sachverhalt bei den Kulturdingen. Ein Wort, ein Gemälde, ein Werkzeug bedeuten mehr und anderes, als was sie rein physikalisch sind. Ihr Sein als Kulturdinge beruht auf diesem Mehr. Aber auch die Naturdinge werden so wahrgenommen und erhalten, ob berechtigt oder nicht, eine Bedeutung. Viele Worte der Sprache haben gleich unmittelbar einen physischen und einen übertragenen Sinn : ,hoch', ,niedrig', .gerade', ,offen', ,tief'. Ohne einen solchen Überstieg der Bedeutung gäbe es kein Mittel, Physisches und Geistiges sprachlich auszudrücken, gäbe es überhaupt keine Sprache. Ursprung dieses Sachverhalts ist der menschliche Leib, der immer über das bloß Stoffliche und Biologische hinausgeht und dadurch Menschenleib ist6)." Zugleich ist dieser Leib die einzige Stelle, die eine Wirkung des menschlichen Geistes auf die Außenwelt ermöglicht7). So wird er in der modernen spanischen Lyrik zum berechtigten Quellpunkt der Symbolik. Das macht aber auch den Menschen zum „Anthropo-Kosmos". In diesem Anthropokosmos erhalten die Symbole wieder ihre alte, überstoffliche Realität meinende Bedeutung, ohne vom physikalischen Weltraum her ausgehöhlt zu werden8). Zugleich gestattet das ein freies und schöpferisches Umgehen mit ihrer Bildlichkeit, die nun reinen, von der Natur gelösten und doch die Natur ein!) Ebd., V. 2 ) Zitiert bei H a f t m a n n , a.a.O., S.470. 8 ) Vgl. besonders die Theorien zur Poetik in „Antología consultada". 4 ) Vgl. Vicente A l e i x a n d r e : „Una de las maneras de tener conciencia de un destino común, es la poesía" in „Algunos caracteres de la nueva poesía española", Madrid 1955, S.29. 5 ) Vgl. hierzu José Luis Cano, „La poesía de Claudio Rodríguez", in Inaula, 147, Februar 1959, S.6. •) A. B r u n n e r , Die Religion, S. 13. ') Vgl. ebd., S. 316. 8 ) Es muß dabei nicht immer der Körper genannt sein. Der Mensch als Mitte des Bezugsystems genügt. 181

beziehenden Zeichencharakter hat. Der Mensch gestaltet „seinen" Kosmos nicht aus Hybris oder Willkür, sondern um den echten, in den Symbolen ausgedrückten Werten ihren darstellbaren Daseinsraum zu erhalten. Der Weg führt nicht mehr vom angeschauten Naturding zum darin vermuteten Sinn, sondern vom Sinn zum für seinen Ausdruck geeigneten Naturding. Es erweist seine Eignung nach Art der Analogie. Damit bewahrheitet sich in erstaunlicher Weise H e i s e n b e r g s die Situation der heutigen Physik kennzeichnendes Wort: „Der Mensch steht nur noch dem Menschen gegenüber"1). Es hat den Anschein, als habe der Spanier von Haus aus in besonderem Maße die Befähigung, mit dieser Situation fertig zu werden. Ist es doch von jeher das eigentlich Menschliche gewesen, das ihm am Herzen lag, möge es sich nun äußern in dem vielzitierten „demokratischen" Zug, der in König oder Bettler zunächst gleicherweise den Menschen erblickt, oder in dem Mißtrauen gegen technische Errungenschaften, das heute so problematisch geworden ist. Hinzu kommt jener geradezu alttestamentarische Sinn für das Körperliche und Reale, dem andererseits das immerwache Bewußtsein der „Vanitas" alles Irdischen gegenübersteht. Für den Spanier ist die Konfrontierung mit dem Nichts keine ungewohnte Situation. Das zeigt nicht nur der breite Strom stoischen und arabisch-neuplatonischen Gedankenguts, der die spanische Literatur durchfließt, sondern vor allem die für den Spanier so charakteristische mystische Haltung, die, wie ein Johannes vom Kreuz, erst im Nichts ihren Gott findet. Ein Wort Leopoldo Paneros aus „Escrito a cada instante" möge darum die Betrachtung des „metaphorischen Kosmos" beschließen: „ H e m o s amado el inmenso vacio del amor" 2 ). A.a.O. *) S. 154.

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D i e t e r i c h , A. 54. E i c h e n d o r f f , J . v . 41. E l i a d e , M. 2ff. 7ff. 43f. 46ff. 50 53f. 60ff. 70 81f. 100 123 134 137 149 155f. 164 170. E m r i c h , W . 6 lOOf. E s c r i v á , J . 167. F r a z e r , J . G. 114. F r i e d r i c h , H . 1-3. G a l i l e i , G. 3 74 124. G a o s , V. 24 130 138 145 166 176. G a r c í a L o r c a , F . 14 20f. 35f. 48ff. 86 108 129 130. G a r c í a N i e t o , J . 35. G a r c í a s o l , R . d e 3 2 3 4 f . 39f. 54f. 77 141f.l76. G a t e s , E . J . 30. G i l s o n - B o h n e r 33 156. G o e t h e , J . W . 13 100. G ó n g o r a , L . de 30 75 100 142. G r o h m a n n , W . 129. G u a r d i n i , R . 41. G u i l l é n , J . 1 10 26 33f. 40 44ff. 48 60-70 84 87 92 96ff. 103f. 115 125ff. 133ff. 138ff. 146ff. 151 157 159f. 164 169ff. 180. G u l l ó n , R . 97. G u n d o l f , F . 6. G u t i é r r e z , F . 36. H a f t m a n n , W . 135 180f. H a z a r d , P . 3. H e i s e n b e r g , W . 3f. 74 79f. 182. H e r a k l i t 113 118. H e r n á n d e z , M. 10 21 34f. 38f. 48f. 54 75 93 107 109ff. 120 136 139 142f. 151 153f. 174f. H e s i o d 54 100 107. H i d a l g o , J . L. 13f. 18 22f. 34ff. 54 56f. 64 72 75 88ff. 102 104f. 116f. 124 131 145 150 153 158 161ff. 168. H i e r r o , F . 9ff. 18 27 34 44 73 93f. 115 128 148f. H i r s c h b e r g e r , J . 30 66 68 113 158 164. H o m e r 155. H u n g e r , H . 113.

I s i d o r v o n S e v i l l a 41. I v á n t a , E . V. 115 116. J e n s e n , A. E . 2 114. J i m é n e z , J . R . 44 95ff. 102f. 121 124f. 139 149f. 157f. 164 178. J u a n de l a Cruz 15f. 94ff. 98 175. J u n g , C. G. 4 81f. 137. K a r r e r , O. 113. K e l l e r m a n n , W. 1 99. K e p l e r , J . 74. K l e e , P. 180. K ö n i g , F . 7 71 81 94 101 113f. 123 137 155. K o p e r n i k u s 124. L a í n E n t r a l g o , P. 66. L i n d , G. R . 61f. 65f. 68f. 126. L ó p e z A n g l a d a , L . 56. L o r e n z , E . 91. L u i s , Leopoldo de 56. M a l l a r m é , S. 1. M a r c h , A. 4f. 47 70 180. M a r c h , S. 25. M a r u r i , J . 176f. M e d i n a , J . R . 38. M o l i n a , R . 9 118 130. M o o n e y , J . 53. M o r a l e s , R . l l f . 25 34 36 39 41 71f. 75f. 86 88ff. 106f. 112 114 118 120 129ff. 139 141 143f. 148 151ff. 168ff. M u ñ o z R o j a s , J . A. 10. N e w t o n , A. 74. N o r a , E . de 42 132. O r t e g a y G a s s e t , J . 85. O t e r o , B . de l l f . 21 34 96 101 117 160f. 176. P a n e r o , L. 13-17 28 34 36 41 118 127f. 145 182. P a s c a l , B . 24 131. P a t c h , H. R . 137. P e t r i c o n i , H. 15.

P e t r u s V e n e r a b i i i s 29. P i a t o n 68 164. P o n g s , H. 2 6. P r a d o s S u c h , E . 13 34 37 44 48f. 57 109 173 f. P r u d e n t i u s 29. Q u e v e d o , F . de 101. R e i t z e n s t e i n , R . 100. R i d r u e j o , D. 132. R o s a l e s , L. 21 83. S a l i n a s , P. 10 17 32 56 58 62 64 69 78 82f. 87 93f. 96 139 145 157 160. S a n t o s T o r o e l l a , R . 55f. S c h m i d t , W. 43 123. S c h n e i d e r , K . L. 2. S c h ö n e , W. 171. S é b i l l o t , P. 8 82. S e d l m a y r , H. 1. S p i t z e r , L. 94 96. S t r i c h , F . 6 74. S u á r e z C a r r e ñ o , J . 28 72. T a c i t u s 10. T e r e s a de A v i l a 16. T e r t u l l i a n 17. T e s t i , G. 115. T i n d a l i , W . Y . 6. T h o m a s v o n A q u i n 13 18. T r u b l e t , A b b é 3. V a l é r y , P. 1. V a l v e r d e , J . M. 16 23. V a s c o n c e l l o s , L. 82. V e g a C a r p i ó , L . F . de 8. V i v a n c o , L. F . 20. W a c k e r n a g e l , W. 18 109. W e i d l é , W. 1 3f. W o l f r a m v o n E s c h e n b a c h 87. X i r a u , W. 105 108. Z a r d o y a , C. 55f.

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