Der Marketing- und Vertriebsplan.: Eckpunkte der Marketingstrategie, der Absatzvorbereitung und der Vertriebskonzeption. 3428189329, 9783428189328


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Der Marketing- und Vertriebsplan.: Eckpunkte der Marketingstrategie, der Absatzvorbereitung und der Vertriebskonzeption.
 3428189329, 9783428189328

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Werner Pepels

Der Marketing- und Vertriebsplan Eckpunkte der Marketingstrategie, der Absatzvorbereitung und der Vertriebskonzeption Dritte, komplett überarbeitete und erweiterte Auflage

I. Strategische Marketing- und Vertriebsplanung II. Operative Produkt- und Programmplanung III. Operative Preis- und Konditionenplanung IV. Operative Kommunikations- und Identitätsplanung V. Operative Distributions- und Verkaufsplanung VI. Instrumentalabstimmung

Duncker & Humblot



Berlin

WERNER PEPELS

Der Marketing- und Vertriebsplan

Der Marketing- und Vertriebsplan Eckpunkte der Marketingstrategie, der Absatzvorbereitung und der Vertriebskonzeption

Von

Werner Pepels Dritte, komplett überarbeitete und erweiterte Auflage

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI Books GmbH, Leck Printed in Germany ISBN 978-3-428-18932-8 (Print) ISBN 978-3-428-58932-6 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Ein Marketing- und Vertriebsplan ist so individuell wie jedes Unternehmen, für das er erstellt wird. Und er hat ganz verschiedenartige Einflussgrößen, je nach Betriebsgröße, nach Branche, nach Geschäftsmodell, nach Alter etc. differierend. Insofern ist jede Form der Schematisierung eines solchen Plans unergiebig. Was jedoch bei aller Varietät gleich bleibt, sind die Stellgrößen für einen professionellen Marketing- und Vertriebsplan. Im vorliegenden Werk werden diese Parameter mit ihrer jeweiligen Basis abgeleitet, mit ihren Optionen dargestellt und in ihren Konsequenzen auch bewertet. Dabei lassen sich im Grundsatz zwei Bereiche unterscheiden: die strategische Planung und die operative Planung. Die operative Planung wiederum ergibt sich analog zu den bewährten Marketing-Mix-Instrumenten der 4 P. Innerhalb der strategischen Planung geht es um die fundamentalen, langfristig bindenden, ökonomisch bedeutsamen Entscheide. In der operativen Planung geht es dann um die Ausfüllung dieses Rahmens mit der Angebots-, Gegenleistungs-, Informationsund Verfügbarkeitspolitik und deren Abstimmung. Zur Erstellung eines fundierten Marketing- und Vertriebsplans sind diese Stellgrößen auf die individuelle Planungsrelevanz hin zu prüfen und in ihren Ausprägungen zu bestimmen. Dabei kommen je nach Planungssituation immer nur einzelne davon konkret zum Einsatz, die anderen werden aber sicherlich von Unternehmen anderer individueller Planungssituation benötigt. In Bezug auf die ausgewählten Stellgrößen ist deren Justierung zu bestimmen, die wiederum Grundkenntnisse der Struktur und Prozesse jeder Stellgröße erfordern, die in diesem Werk ausgeführt werden. Dies betrifft nicht nur die absatzvorbereitenden Aktivitäten, also das Marketing i. e. S., sondern vor allem auch die absatzdurchführenden Aktivitäten. Daher werden die Gestaltungsmöglichkeiten im Vertrieb in Breite und Tiefe verstärkt ausgeführt. Ein stimmiger Marketing- und Vertriebsplan ist somit die Basis jedes Markterfolgs. Wichtig ist, dass Entscheidern die Bedeutung dieser Parameter für den Gesamterfolg präsent ist. Daher ist der Erklärungsanteil des Inhalts in der Neuauflage gegenüber den Vorauflagen erheblich verstärkt worden, so dass keine besonderen marketingbezogenen Vorkenntnisse mehr erforderlich sind. Leser erhalten in diesem Band nicht nur einen „Bauplan“ für den Marketing- und Vertriebsplan, sondern vielfältige konkrete Hilfestellungen für die Ausarbeitung. Diese werden durch umfangreiche praktische Beispiele für jeden Arbeitsschritt

6

Vorwort

und Abbildungen zur Verdeutlichung der Zusammenhänge unterstützt. All dies geschieht auf Basis fundierter, theoretisch gestützter Erkenntnisse. Die erste Auflage ist unter dem Titel „Der Marketingplan“ 2006 im RedlineVerlag erschienen, die Folgeauflage 2007 ebenfalls dort. Bei beiden Ausgaben handelte es sich um schmale Einführungshefte. Für die Neuauflage ist die Inhaltsbreite und -tiefe erheblich verstärkt und zusätzlich das Thema Vertrieb betont worden. Für diese Möglichkeit dankt der Autor dem Duncker & Humblot-Verlag, Berlin, namentlich Dr. Andreas Beck, Programmleitung, und Heike Frank, Herstellungsleitung. Die Nennung von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, insb. Marken / Produkten / Firmen etc., in diesem Werk dient nur der praktischen Veranschaulichung. Die Rechte der jeweiligen Zeicheninhaber werden dabei ausdrücklich respektiert. Verlag und Autor gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung richtig und vollständig sind, ohne dafür jedoch Gewähr zu übernehmen. Trotz sorgfältiger Korrektur- und Lektoratsarbeiten etwaig verbleibende Fehler gehen allein zulasten des Autors. Der besseren Lesbarkeit halber wird nachfolgend auf eine Genderisierung im Text verzichtet. Krefeld, im August 2023

Werner Pepels

Inhaltsübersicht Kapitel I

Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

37

1.

Marketingdenkhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

2.

Zielsetzung im Marketing- und Vertriebsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

3.

Status quo-Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

4.

Elemente der Strategieentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

5.

Marketingkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

6.

Erfolgsfaktoren im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

7.

Elemente der Implementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302

8.

Schnittstelle Marketing-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

Kapitel II

Operative Produkt- und Programmplanung

355

1.

Bedeutung des Markenartikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355

2.

Produktinnovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

3.

Neuheitsumsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392

4.

Produkteinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434

5.

Produktpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440

6.

Programmstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454

7.

Packung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473

8.

Kundendienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483

9.

Produktqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487

Kapitel III

Operative Preis- und Konditionenplanung

504

1.

Preistheoretische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504

2.

Determinanten der Nachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516

3.

Determinanten des Markts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536

8

Inhaltsübersicht

4.

Determinanten der Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548

5.

Determinanten der Administration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562

6.

Determinanten der Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570

7.

Effektivpreisbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582

8.

Zahlungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590

9.

Lieferungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599

Kapitel IV

Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

609

1.

Kommunikationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609

2.

Eckdaten der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611

3.

Klassische Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624

4.

Web 1.0-Onlinemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644

5.

Web 2.0-Onlinemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666

6.

Nicht-klassische Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 680

7.

Intermediavergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 699

8.

Identitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704

Kapitel V

Operative Distributions- und Verkaufsplanung

713

1.

Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 713

2.

Absatzmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731

3.

Absatzmittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739

4.

Konzentration im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 777

5.

Kooperation im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 790

6.

Absatzhelfereinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 805

7.

Reisendeneinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 813

8.

Abschlussmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817

9.

Logistisches Distributionssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821

10. Verkauf im Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 831 11. E-Commerce-Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 840 12. Persönlicher Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892

Inhaltsübersicht

9

13. Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 906 14. Auslandsvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 914 15. Industriegütervertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 932 16. Dienstleistungsvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 953

Kapitel VI Instrumentalabstimmung

984

1.

Einflusselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 984

2.

Entscheidungsdilemmata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 986

Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 989 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 992 Firmen- /  Markenbeispiele (Auszug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1010

Inhaltsverzeichnis Kapitel I 1.

Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

37

Marketingdenkhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.1 Fundament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.2 Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

2.

Zielsetzung im Marketing- und Vertriebsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.1 Planungsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.2 Elemente des Zielsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.2.1 Oberziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.2.2 Unternehmenskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2.2.2.1 Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2.2.2.2 Kultureller Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.2.2.3 Unternehmensleitsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.2.3 Kernkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2.2.4 Geschäftsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.2.5 Wertgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2.2.5.1 Geschäftsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2.2.5.2 Wertkettenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2.2.5.3 Wertkettenspanne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2.2.5.4 Wertkettenverschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2.2.6 Zieldimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

3.

Status quo-Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3.1 Reduzierte Analyseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3.1.1 Lebenszyklus-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3.1.2 PESTEL-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3.1.3 Branchenstruktur-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3.1.4 Ressourcen-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3.1.5 Potenzial-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3.1.6 Engpass-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3.1.7 Profit Pool-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3.1.8 Anteilsstruktur-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

12

Inhaltsverzeichnis 3.2 Komplexe Analyseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3.2.1 Stärken-Schwächen-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3.2.2 Chancen-Risiken-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3.2.3 SWOT-Tableau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3.2.4 TOWS-Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 3.2.5 Portfolio-Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3.2.5.1 Strategische Geschäftseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3.2.5.2 Vierfelder-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3.2.5.3 Neunfelder-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3.2.5.4 Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3.2.5.5 Ziel-Portfolio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

4.

Elemente der Strategieentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 4.1 Strategiebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 4.2 Strategische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 4.3 Strategisches Geschäftsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4.3.1 Monokriterielle Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4.3.2 Dualkriterielle Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 4.3.3 Multikriterielle Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4.4 Strategische Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4.4.1 Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4.4.2 Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 4.5 Marktparzellenwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4.5.1 Optionen der Markterfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4.5.2 Marktsegmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 4.5.3 Marktbarrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 4.5.3.1 Markteintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 4.5.3.2 Marktaustritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 4.5.4 Marktwahlkombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4.6 Komparativer Konkurrenzvorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 4.6.1 Zweifelder-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 4.6.1.1 Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 4.6.1.2 Präferenz-Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 4.6.1.3 Preis-Mengen-Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 4.6.2 Dreifelder-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4.6.3 Vierfelder-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

Inhaltsverzeichnis

13

4.7 Marktrollenverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4.7.1 Marktanführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4.7.2 Marktherausforderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 4.7.3 Marktmitläufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 4.7.4 Marktnischenanbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4.7.5 Neue Spielregeln am Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 4.8 Markttiming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 4.8.1 Statische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 4.8.1.1 Pionier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 4.8.1.2 Früher Folger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4.8.1.3 Später Folger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 4.8.1.4 Nachzügler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4.8.2 Dynamische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 4.8.2.1 Outpacing-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 4.8.2.2 Hyper Competition-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4.9 Verfahren zur Strategiebewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 5.

Marketingkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 5.1 Absatzquellenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 5.1.1 Konzept der Strategischen Lücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 5.1.2 Optionen der Marktdurchdringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 5.1.3 Optionen der Angebotsausweitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 5.1.4 Optionen der Nachfrageentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 5.2 Zielgruppenabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 5.2.1 Consumer-Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 5.2.1.1 Demografische Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 5.2.1.2 Aktiografische Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 5.2.1.3 Psychografische Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 5.2.1.4 Soziografische Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 5.2.1.5 Typologische Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 5.2.1.6 Neuroökonomische Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 5.2.2 Business-Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 5.2.2.1 Organisationales Beschaffungsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . 259 5.2.2.2 Segmentierungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 5.3 Positionierungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 5.3.1 Verfahrensschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 5.3.2 Einsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 5.3.2.1 Positionierungsanlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 5.3.2.2 Positionierungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

14

Inhaltsverzeichnis 5.3.3 Positioning Statement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 5.3.4 Positionierungsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

6.

Erfolgsfaktoren im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 6.1 PIMS-Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 6.1.1 Untersuchungsanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 6.1.2 Kritische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 6.2

Peters / Waterman-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

6.3 Prozessorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 6.3.1 Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 6.3.2 Komplexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 6.3.3 Mass Customization . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 7.

Elemente der Implementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 7.1 Informationsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 7.1.1 Datensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 7.1.2 Krisenbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 7.1.3 Wissensnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 7.1.4 Wettbewerbsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 7.2 Organisationsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 7.2.1 Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 7.2.2 Willensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 7.3 Entscheidungsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 7.3.1 Entscheidungshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 7.3.2 Arbeitstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 7.3.2.1 Netzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 7.3.2.2 Sonstige Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 7.3.3 Budgetierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 7.4 Lenkungsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 7.4.1 Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 7.4.2 Benchmarking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

8.

Schnittstelle Marketing-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 8.1 Produktarten-spezifisches Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 8.2 Marktarten-spezifisches Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 8.3 Marketing-Mix-Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352

Inhaltsverzeichnis

15

Kapitel II 1.

Operative Produkt- und Programmplanung

355

Bedeutung des Markenartikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 1.1 Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 1.1.1 Markeninhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 1.1.2 Markeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 1.1.3 Name / Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 1.2 Markenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 1.2.1 Horizontale Markenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 1.2.2 Vertikale Markenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 1.2.3 Laterale Markenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 1.2.4 Verbreitungsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 1.2.5 Markenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 1.2.6 Markenpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373

2.

Produktinnovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 2.1 Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 2.2 Ideenquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 2.3 Kreativitätstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 2.3.1 Logisch-diskursive Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 2.3.2 Intuitiv-laterale Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 2.3.3 Systematische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 2.4 Ideensichtung und -bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 2.5 Gewerblicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 2.5.1 Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 2.5.2 Patentschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 2.5.3 Gebrauchsmusterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 2.5.4 Geschmacksmusterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 2.5.5 Markenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390

3.

Neuheitsumsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 3.1 Forschung und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 3.1.1 Stufen und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 3.1.2 Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 3.1.3 Technologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397

16

Inhaltsverzeichnis 3.2 Marktinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 3.2.1 Sekundärforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 3.2.2 Primärforschungsquelle Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 3.2.2.1 Persönliche Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 3.2.2.2 Mediale Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 3.2.2.3 Computergestützte Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 3.2.3 Primärforschungsquelle Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 3.2.4 Auswahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 3.3 Investitionsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 3.3.1 Erkenntnisse statischer Rechenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 3.3.2 Erkenntnisse dynamischer Rechenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 3.4 Produkttest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 3.4.1 Explorative Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 3.4.2 Apparative Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 3.4.2.1 Aktualgenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 3.4.2.2 Psychomotorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 3.4.2.3 Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 3.4.3 Projektiv-assoziative Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 3.4.4 Testsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 3.5 Markttest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 3.5.1 Regionaler Markttest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 3.5.2 Testmarktreduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 3.5.3 Testaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432

4.

Produkteinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 4.1 Markterwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 4.2 Absatzprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 4.2.1 Quantitative Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 4.2.2 Qualitative Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438

5.

Produktpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 5.1 Produktmodifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 5.2 Produktvariation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 5.2.1 Relaunch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 5.2.2 Bündelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 5.3 Produktelimination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 5.3.1 Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 5.3.2 Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

Inhaltsverzeichnis 6.

17

Programmstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 6.1 Programmumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 6.1.1 Programmbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 6.1.2 Programmtiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 6.2 Programminhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 6.2.1 Produktions- und Absatzprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 6.2.2 Eigenfertigung vs. Fremdbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 6.3 Programmdiversifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 6.3.1 Homogene Diversifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 6.3.2 Heterogene Diversifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 6.3.3 Business Migration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 6.3.4 Umsetzungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471

7. Packung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 7.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 7.1.1 Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 7.1.2 Verwandte Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 7.2 Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 7.2.1 Rationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 7.2.2 Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 7.2.3 Verwendungserleichterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 7.3 Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 8.

Kundendienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 8.1 Privatkundendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 8.2 Gewerbekundendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486

9.

Produktqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 9.1 Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 9.2 Prozessqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 9.2.1 Ausgewählte Qualitätswerkzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 9.2.2 Qualitätskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 9.2.3 Fehlerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 9.2.4 Fehlerfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499

18

Inhaltsverzeichnis Kapitel III

1.

Operative Preis- und Konditionenplanung

504

Preistheoretische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 1.1 Standardvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 1.2 Modelle mit Praxisrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 1.2.1 Doppelt-geknickte Preis-Absatz-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 1.2.2 Einfach-geknickte Preis-Absatz-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513

2.

Determinanten der Nachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 2.1 Familienlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 2.1.1 Zeitverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 2.1.2 Entscheidungsanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 2.2 Preis-Leistungs-Quotient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 2.2.1 Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 2.2.2 Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 2.3 Preispsychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 2.3.1 Preiswahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 2.3.2 Nachfrageeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 2.3.3 Preisinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 2.3.4 Hybrides Kaufverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 2.3.5 Kaufvereinfachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 2.3.6 Kaufkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 2.4 Erstmalige Preisfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534

3.

Determinanten des Markts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 3.1 Preisbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 3.2 Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 3.2.1 Marktformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 3.2.2 Preiselastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 3.2.3 Preisführerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 3.3 Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 3.3.1 Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 3.3.2 Verstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546

4.

Determinanten der Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 4.1 Preispositionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 4.1.1 Starre Preissetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 4.1.2 Flexible Preissetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 4.2 Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553

Inhaltsverzeichnis

19

4.3 Preispolitischer Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 4.4 Verringerung der Preistransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 4.4.1 Preisbaukasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 4.4.2 Preisbündelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 4.4.3 Yield Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 5.

Determinanten der Administration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 5.1 Preishöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 5.1.1 Preisvorgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 5.1.2 Preisempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 5.1.3 Preisbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 5.2 Kalkulationsvorgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569

6.

Determinanten der Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 6.1 Kalkulationsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 6.2 Kalkulationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 6.3 Zielkosten-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 6.4 Gewinnschwellen-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579

7.

Effektivpreisbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 7.1 Rabatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 7.2 Nichtleistungs-Konditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 7.3 Preiszuschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 7.4 Preisklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589

8.

Zahlungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 8.1 Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 8.2 Kreditierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 8.2.1 Alleinfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 8.2.2 Refinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 8.2.3 Drittfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 8.2.3.1 Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 8.2.3.2 Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598

9.

Lieferungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 9.1 Konditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 9.1.1 Vertragsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 9.1.2 Austauschklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 9.2 Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 9.3 Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604

20

Inhaltsverzeichnis Kapitel IV



Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

609

1.

Kommunikationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609

2.

Eckdaten der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 2.1 Kommunikationsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612 2.2 Kommunikationsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 2.3 Kommunikationszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616 2.4 Kommunikationsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 2.5 Nutzenversprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620 2.6 Nutzendarlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623

3.

Klassische Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 3.1 Medienprofil Printwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 3.1.1 Zeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 3.1.2 Zeitschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 626 3.1.3 Sonstige Printwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 3.1.4 Anzeigenbesonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 3.2 Medienprofil Rundfunkwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 3.2.1 Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 3.2.2 Hörfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632 3.2.3 Kino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 3.3 Medienprofil Außenwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636 3.4 Sonderform Fachwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 3.5 Medialeistungswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 3.6 Mediadurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643

4.

Web 1.0-Onlinemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 4.1 Corporate Website . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645 4.1.1 Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645 4.1.2 Funktionalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 4.1.3 Nutzerführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650 4.2 Display-Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 4.2.1 Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 4.2.2 Einkaufsprogrammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 4.3 Electronic Mail-Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 4.3.1 Applikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 4.3.2 Funktionalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657

Inhaltsverzeichnis

21

4.4 Suchmaschineneinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 660 4.4.1 Typen von Suchmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 660 4.4.2 Nutzung für Marketingzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 662 4.5 Mediaplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664 5.

Web 2.0-Onlinemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666 5.1 Soziales Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 5.2 Weblog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 668 5.3 Mediasharing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 670 5.4 Community . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 671 5.5 Inhaltsaggregation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672 5.6 Besonderheiten bei Mobile-Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 5.6.1 Generische Medienvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 5.6.2 Verbreitete Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675 5.7 Mediaplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 678

6.

Nicht-klassische Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 680 6.1 Bezahlte B-t-L-Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682 6.1.1 Schauwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682 6.1.1.1 Ausstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682 6.1.1.2 Event und weitere Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685 6.1.2 Direktwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 686 6.1.2.1 Aussendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 686 6.1.2.2 Weitere Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 688 6.2 Neutrale B-t-L-Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 690 6.2.1 Traditionelle PR-Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 690 6.2.2 Moderne PR-Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692 6.3 Unternehmenseigene B-t-L-Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694 6.3.1 Verkaufsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694 6.3.1.1 Streuprospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694 6.3.1.2 Katalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 6.3.2 Gebrauchsanleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697 6.3.3 Geschäftsausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 698

7.

Intermediavergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 699

8.

Identitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704 8.1 Corporate Identity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705 8.2 Externe Kommunikationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 707 8.3 Controlling der Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 708

22

Inhaltsverzeichnis Kapitel V

1.

Operative Distributions- und Verkaufsplanung

713

Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 713 1.1 Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714 1.2 Absatzkanalbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716 1.2.1 Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716 1.2.2 Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 718 1.2.3 Mehrkanaldistribution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 1.3 Absatzkanaltiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724 1.3.1 Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724 1.3.2 Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 726 1.3.3 Absatzkanalbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729

2.

Absatzmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731 2.1 Absatzform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731 2.2 Vertriebssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733 2.3 Direktabsatz über Handlungsgehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735

3.

Absatzmittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739 3.1 Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739 3.2 Großhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743 3.2.1 Betriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743 3.2.2 Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 747 3.3 Einzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 748 3.3.1 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 748 3.3.2 Betriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 752 3.4 Dynamik der Handelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 756 3.4.1 Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 756 3.4.2 Versorgungs- vs. Erlebnishandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 758 3.5 Warenbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 760 3.5.1 Ladenorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 760 3.5.2 Vorzugsplatzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763 3.5.3 Erfolgskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 764 3.5.4 Erfolgssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766 3.5.5 Warenversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 769 3.6 Warendurchsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 772 3.6.1 Regalplatzwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 772 3.6.2 Pipeline-Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775

Inhaltsverzeichnis 4.

23

Konzentration im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 777 4.1 Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 777 4.2 Vertikale Konflikte im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 779 4.2.1 Angebotsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 779 4.2.2 Gegenleistungsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 781 4.2.3 Informationsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 784 4.2.4 Verfügbarkeitsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 786 4.3 Absatzkanalpräsenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 788

5.

Kooperation im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 790 5.1 Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 790 5.2 Abstimmung mit der Einzelhandelsstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792 5.3 Raumvermietungsgeschäfte des Einzelhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 794 5.4 Warenvermittlungsgeschäfte des Einzelhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796 5.4.1 Agenturvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796 5.4.2 Kommissionsvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 797 5.5 Warenverkaufsgeschäfte des Einzelhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 799 5.5.1 Depotsystem im Eigenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 799 5.5.2 Vertriebslizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 800 5.5.3 Franchising . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 801 5.5.4 Vertragshändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 803 5.6 Sonderformen zwischen den Handelsstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 804

6.

Absatzhelfereinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 805 6.1 Akquisitorische Absatzhelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806 6.1.1 Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806 6.1.2 Weitere Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 809 6.2 Logistische Absatzhelfer und weitere Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 811

7.

Reisendeneinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 813 7.1 Vergleichende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 813 7.2 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 816

8.

Abschlussmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817 8.1 Reglementierte Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818 8.2 Offene Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 820

9.

Logistisches Distributionssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821 9.1 Marketinglogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 822 9.1.1 Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 822 9.1.2 Serviceniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 823

24

Inhaltsverzeichnis 9.2 Technik der Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825 9.2.1 Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825 9.2.2 Transportmittelwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 826 9.2.3 Transportmittelbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 829

10. Verkauf im Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 831 10.1 Profilmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 831 10.2 Handelsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 836 11. E-Commerce-Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 840 11.1 Breite des Online-Marktzugriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 840 11.1.1 Markterfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 840 11.1.2 Zugangsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 843 11.2 Tiefe des Online-Marktzugriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 845 11.2.1 Nullstufiger Direktabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 845 11.2.1.1 E-Shop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 845 11.2.1.2 Nutzererlebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 849 11.2.2 Halbstufiger Direktabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 850 11.2.2.1 Affiliation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 850 11.2.2.2 Online-Marktplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857 11.2.2.3 Online-Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 859 11.2.3 Indirektabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 860 11.3 Prozessphasen des Online-Absatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 862 11.3.1 Angebotspräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 862 11.3.2 Kaufvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 866 11.3.3 Kassen-Check out . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 868 11.3.4 Bezahlvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 871 11.3.4.1 Pränumerando . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 871 11.3.4.2 Zug-um-Zug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 874 11.3.4.3 Sukzessiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 876 11.3.5 Kaufabsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 878 11.3.6 Auftragskommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 882 11.3.7 Auftragslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885 11.3.8 Retourenhandling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 887 12. Persönlicher Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892 12.1 Einflussfaktoren im Verkaufsgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892 12.2 Verkaufsgesprächsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 894 12.2.1 Gesprächseinstieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 894 12.2.2 Kundenqualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 896

Inhaltsverzeichnis

25

12.2.3 Vorteilspräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 897 12.2.4 Einwandbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 899 12.2.5 Konfliktüberwindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 900 12.2.6 Preisargumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 902 12.2.7 Kaufabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 903 12.2.8 Kaufnachbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 905 13. Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 906 13.1 Zielgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 907 13.2 Maßnahmengliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 908 13.3 Anlage von Aktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 911 13.4 Restriktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 912 14. Auslandsvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 914 14.1 Marktwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 914 14.2 Vertriebsformen im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 917 14.2.1 Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 917 14.2.2 Vertragsabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 920 14.2.3 Vertriebsdirektinvestition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 922 14.3 Marktorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 924 14.3.1 Optionen der Marktabfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 924 14.3.2 Optionen der Marktführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 925 14.4 Internationale Kulturunterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 927 14.5 Incoterms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929 15. Industriegütervertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 932 15.1 Industrielle Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 933 15.2 Anwendungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 934 15.3 Verarbeitete Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 936 15.4 Unverarbeitete Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 938 15.5 Beschaffungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 940 15.5.1 Problemerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 940 15.5.2 Produktbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 943 15.5.3 Einkaufstaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 944 15.5.4 Angebotseinholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 946 15.5.5 Angebotsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 948 15.5.6 Lieferantenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 950 15.5.7 Bestellverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 951 15.5.8 Nachkaufzufriedenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 952

26

Inhaltsverzeichnis

16. Dienstleistungsvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 953 16.1 Besonderheiten von Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 954 16.2 Akquisitorische Verfügbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 958 16.2.1 Methode des Marktzugangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 958 16.2.2 Stufigkeit des Marktzugangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 961 16.2.2.1 Direkter Dienstleistungsabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 961 16.2.2.2 Indirekter Dienstleistungsabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 962 16.2.3 Struktur des Marktzugangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 965 16.3 Logistische Verfügbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966 16.3.1 Raumdimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966 16.3.1.1 Standort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966 16.3.1.2 Netzwerkkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 970 16.3.1.3 Zwischenlagerung und Zwischentransport . . . . . . . . . . . . . . 972 16.3.2 Zeitdimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 973 16.3.2.1 Abwicklungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 973 16.3.2.2 Fristverkürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 974 16.3.3 Ausgangslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 977

Kapitel VI Instrumentalabstimmung

984

1.

Einflusselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 984

2.

Entscheidungsdilemmata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 986

Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 989 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 992 Firmen- / Markenbeispiele (Auszug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1010

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:

Marketingphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

Abbildung 2:

Elemente der Planungsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Abbildung 3:

Parameter des Zielsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

Abbildung 4:

Unternehmenskulturpyramide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

Abbildung 5:

Elemente des Geschäftsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

Abbildung 6:

Denkmodell der Wertkettenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

Abbildung 7:

Wertschöpfungsbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Abbildung 8:

Wertschöpfungstiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Abbildung 9:

Zieldimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Abbildung 10: Lebenszykluskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Abbildung 11: Branchenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Abbildung 12: Ressourcen-Analyse (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Abbildung 13: Potenzial-Analyse (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Abbildung 14: Zusammenhang deskriptiver Analyseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Abbildung 15: Engpass-Analyse (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Abbildung 16: Profit Pool-Analyse (Beispiel: Bleistiftindustrie) . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Abbildung 17: Umsatzanteils-Analyse (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Abbildung 18: Kundenanteils-Analyse (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Abbildung 19: Altersquerschnitt-Analyse (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Abbildung 20: Stärken-Schwächen-Analyse (Beispiel: Spektraldiagramm) . . . . . . . . 114 Abbildung 21: Chancen-Analyse und Risiken-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Abbildung 22: SWOT-Tableau (Schema) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Abbildung 23: TOWS-Matrix (Schema) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Abbildung 24: Produkt-Markt-Kombinationen als SGEs (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . 123 Abbildung 25: Vierfelder-Portfolio (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Abbildung 26: Vierfelder-Portfolio (Zusammenhang) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Abbildung 27: Vierfelder-Portfolio (Zuordnung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Abbildung 28: Neunfelder-Portfolio (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Abbildung 29: Neunfelder-Portfolio (Normstrategien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Abbildung 30: Abgrenzungsoptionen des Relevanten Markts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Abbildung 31: Prinzip der Strategischen Gruppen (zweidimensional) . . . . . . . . . . . . . 149 Abbildung 32: Optionen in der Strategischen Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

28

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 33: Optionen der Marktparzellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Abbildung 34: Abfolge der Marktsegmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Abbildung 35: Marktbarrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Abbildung 36: Marktwahlkombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Abbildung 37: Zweifelder-Ansatz des Konkurrenzvorteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Abbildung 38: Dreifelder-Ansatz des Konkurrenzvorteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Abbildung 39: Vierfelder-Ansatz des Konkurrenzvorteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Abbildung 40: Zusammenhang der Wettbewerbspositionsmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Abbildung 41: Optionen des Marktverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Abbildung 42: Handlungsoptionen des Marktherausforderers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Abbildung 43: Optionen auf dem Strategischen Spielbrett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Abbildung 44: Optionen der Innovationsneigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Abbildung 45: Alternativen im Outpacing-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Abbildung 46: Hyper Competition-Kette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Abbildung 47: Längsschnitt-/Querschnittvergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Abbildung 48: Paarvergleichs-Matrix (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Abbildung 49: Dominanz-Grafik (bei zwei Kriterien) (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Abbildung 50: Punktbewertungsverfahren (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Abbildung 51: Nutzwert-Analyse (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Abbildung 52: Prinzip der Kapitalwertmethode (Endwert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Abbildung 53: Capital Asset Pricing Model (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Abbildung 54: Gap-Analyse (Prinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Abbildung 55: Optionen der Absatzquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Abbildung 56: Optionen der B-t-C-Zielgruppenabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Abbildung 57: Entwicklung der Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Abbildung 58: Vier- und multidimensionale Mappings (Beispiele) . . . . . . . . . . . . . . . 266 Abbildung 59: Mapping mit Idealposition (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Abbildung 60: Mapping mit Zielposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Abbildung 61: Posititionierungsanlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Abbildung 62: Positionierungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Abbildung 63: PIMS-Projekt (I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Abbildung 64: PIMS-Projekt (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Abbildung 65: Formen der Strukturorganisation im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Abbildung 66: Netzplantechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Abbildung 67: Vorgangsknoten-Netzplan (Beispiel: Produkteinführung) . . . . . . . . . . . 330 Abbildung 68: Budgetierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Abbildung 69: Markenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363

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Abbildung 70: Wertvollste globale Marken 2022 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Abbildung 71: Arten der Produktinnovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Abbildung 72: Verfahren zur Ideenfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Abbildung 73: Gewerbliche Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Abbildung 74: Stufen der Forschung und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Abbildung 75: Marktforschungsverfahren (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Abbildung 76: Investitionsrechenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 Abbildung 77: Produkttestverfahren (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 Abbildung 78: Markterwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Abbildung 79: Produktpflegemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 Abbildung 80: Umsetzungen der Produktelimination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 Abbildung 81: Programmdimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 Abbildung 82: Programminhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 Abbildung 83: Optionen der Diversifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 Abbildung 84: Packungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 Abbildung 85: Prinzip des House of Quality . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 Abbildung 86: Prinzip der Qualitätsregelkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 Abbildung  87: Fischgrät-Analyse / Ishikawa-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 Abbildung 88: Doppelt-geknickte Preis-Absatz-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 Abbildung 89: Einfach-geknickte Preis-Absatz-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 Abbildung 90: Typische Stadien des Familienlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 Abbildung 91: Kaufentscheidungsanteil im Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 Abbildung 92: Hybrides Kaufverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 Abbildung 93: Kaufkraftlandkarte BRD 2022 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 Abbildung 94: Morphologie der Marktformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 Abbildung 95: Starre und flexible Preissetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 Abbildung 96: Deglomerative Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 Abbildung 97: Agglomerative Preisdifferenzierung (bei zwei Teilmärkten) . . . . . . . . . 556 Abbildung 98: Optionen des Preisbaukastens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 Abbildung 99: Gestörte Marktmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564 Abbildung 100: Prinzip des Target Costing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 Abbildung 101: Optionale Preisuntergrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 Abbildung 102: Preisnachlassformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 Abbildung 103: Prinzip der Preistreppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 Abbildung 104: Zahlungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 Abbildung 105: Lieferungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 Abbildung 106: Kommunikationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 107: Kommunikationstrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 Abbildung 108: Einsatztiming der Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616 Abbildung 109: Einsatzabfolge der Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 Abbildung 110: Endnutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 Abbildung 111: Zeitschriftentypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 626 Abbildung 112: Medialeistungswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640 Abbildung 113: Web 1.0 Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 Abbildung 114: Web 2.0-Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 Abbildung 115: Nicht-klassische Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 Abbildung 116: Intermediavergleich (Kurzübersicht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 700 Abbildung 117: Optionen der Absatzkanalbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 717 Abbildung 118: Mehrkanaldistribution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 722 Abbildung 119: Optionale Absatzwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725 Abbildung 120: B-t-C- und B-t-B-Absatzwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 727 Abbildung 121: Absatzkanalbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729 Abbildung 122: Elemente der Absatzmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731 Abbildung 123: Eigengestaltete Absatzformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 732 Abbildung 124: Handelsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 740 Abbildung 125: Einteilungskriterien der Betriebsformen des Einzelhandels . . . . . . . . . 748 Abbildung 126: Versorgungs- vs. Erlebnishandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 760 Abbildung 127: Warenbestand und Warendurchsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 Abbildung 128: Ladenlayout (Beispiel: Aldi) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762 Abbildung 129: Erfolgsparameter im Einzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766 Abbildung 130: Überwindung von Pipeline-Effekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775 Abbildung 131: Vertikale Konflikte im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 780 Abbildung 132: Optionen der Absatzkanalpräsenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 788 Abbildung 133: Vertikale Kooperationsformen im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792 Abbildung 134: Formen von Absatzhelfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806 Abbildung 135: Reisender vs. (Einfirmen-)Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 814 Abbildung 136: Formen von Abschlussmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817 Abbildung 137: Trade-off zwischen Logistikservice und Logistikkosten . . . . . . . . . . . 825 Abbildung 138: Spezifische Transportmittelkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 830 Abbildung 139: Auslegungen des E-Commerce-Absatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 841 Abbildung 140: Phasen des Online-Absatzprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 862 Abbildung 141: Optionen beim E-Commerce-Bezahlvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 872 Abbildung 142: Verkaufsgesprächsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 894 Abbildung 143: Verkaufsförderungsmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 907

Abbildungsverzeichnis

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Abbildung 144: Vertriebsformen im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 917 Abbildung 145: Optionen der internationalen Marktabfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 924 Abbildung 146: International Commercial Terms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929 Abbildung 147: Industrielle Produktarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 932 Abbildung 148: Beschaffungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 941 Abbildung 149: Prinzip der Dienstleistungs-Externalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 958 Abbildung 150: Marketing-Mix-Beziehungen (am Beispiel von zwei Instrumenten) . . 985

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Oberziele des Unternehmens (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Tabelle 2: Kernkompetenz (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Tabelle 3: Zieldimensionen im Marketing (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Tabelle 4: PESTEL-Analyseraster (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Tabelle 5: Branchenstruktur-Analyse (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Tabelle 6: Stärken-Schwächen-Analyse (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Tabelle 7: Chancen-Risiken-Analyse (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Tabelle 8: Vierfelder-Portfolio (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Tabelle 9: Vorgangsknoten-Netzplan (Beispiel: Produkteinführung) . . . . . . . . . . . . . . 329 Tabelle 10: Produkt- und Programmplanung (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 Tabelle 11: Elektive Zuschlagskalkulation (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 Tabelle 12: Deckungsbeitragsrechnung (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 Tabelle 13: Retrograde Stückkalkulation (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 Tabelle 14: Preisbildung nach Zielkosten (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 Tabelle 15: Differenzierte Break even-Ermittlung (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 Tabelle 16: Preis- und Konditionenplanung (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 Tabelle 17: Rangreihung (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642 Tabelle 18: Intermediavergleich Klassische Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 701 Tabelle 19: Intermediavergleich Online-Mobile-Digital-Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703 Tabelle 20: Intermediavergleich unternehmenseigene Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704 Tabelle 21: Kommunikations- und Identitätsplanung (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 710 Tabelle 22: Distribution im E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 861 Tabelle 23: Umfeld-Analyseraster (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 916 Tabelle 24: Distributions- und Verkaufsplanung (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 979

Abkürzungsverzeichnis A-t-B Administration to Business A-t-C Administration to Consumer Above the Line (für Klassische Werbung) A-t-L ABC Activity-based Costing (Prozesskostenrechnung) AE Annoncen-Expedition (Agenturprovisionsbasis) AfG Alkoholfreie Getränke AGB Allgemeine Geschäfts-Bedingungen Business to Business (Gewerbekundengeschäft) B-t-B Business to Consumer (Privatkundengeschäft) B-t-C Below the Line (für Nicht-klassische Werbung) B-t-L BGB Bürgerliches Gesetzbuch Business Environment Risk Information (Länderrisiko-Bewertung) BERI Brutto-Inlands-Produkt (inländische Wertschöpfung) BIP Balanced Score-Card (Kennzahlen) BSC BWL Betriebswirtschaftslehre CAD Computer Aided Design CAPI Computer-assisted Personal Interviewing (Marktforschung) Computer-assisted Self Interviewing (Marktforschung) CASI CATI Computer-assisted Telephone Interviewing (Marktforschung) Corporate Behavior CB CC Corporate Communications CD Corporate Design CI Corporate Identity Content Management System (Inhalte-Verwaltungs-System) CMS Collaborative Planning Forecasting Replenishment (Absatzkanalkonzept) CPFR Cost per Order CPO CRM Customer Relationship Management (Kundenbeziehungsmanagement) Corporate Social Responsibility (Ethische Unternehmensführung) CSR Digital Audio Broadcast (DAB +) DAB DM Direktmarketing DOB Damen-Ober-Bekleidung DPMA Deutsches Patent- und Marken-Amt Direkte Produkt-Profitabilität (absolut) DPP Direkte Produkt-Rentabilität (relativ) DPR Duales System Deutschland (Verpackungsentsorgung) DSD Digital Subscriber Line (Breitbandübertragung) DSL DV Datenverarbeitung E-V Einstellung – Verhalten Efficient Consumer Response (Absatzkanalkonzept) ECR EPRG Internationales Marktführungskonzept (Perlmutter) Enterprise Resource Planning (unternehmensweite Ressourcenplanung) ERP

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Abkürzungsverzeichnis

Ecology – Social – Governance (Achtsame Unternehmensführung) ESG Frequently Asked Questions (meist im Internet) FAQ Film – Funk – Fernsehen (Spotproduktion) FFF First in – First out (Lagerhaltungsverfahren) FiFo Forschung und Entwicklung FuE GE Geldeinheit GebrMG Gebrauchsmustergesetz Greenwich Mean Time GMT Gross Rating Points (Bruttokontaktsumme) GRP Global Trade Item Number (Nachfolger von EAN) GTIN Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWB Geschlossenes Waren-Wirtschafts-System GWWS Gesellschaft für Zahlungs-Systeme GZS Herren- und Knabenoberbekleidung HaKa HHNE Haushalts-Netto-Einkommen House of Quality (Qualitätswerkzeug) HoQ Human Ressources (Personal) HR Hypertext Markup Language (Internetsprache) HTML International Commercial Terms (internationaler Handelsbrauch) Incoterms Internet Protocol IP Internet Relay Chat IRC International Organisation for Standardization ISO Informationsgemeinschaft zur Festellung der Verbreitung von WerbeträIVW gern Just in Time (Logistikkonzept) J-i-T Kurier – Express – Paket KEP Künstliche Intelligenz KI KKP Kunden-Kontakt-Programm Klein- und mittelständische Unternehmen KMU KPI Key Performance Indicator (Schlüsselkennzahl) Kontinuierlicher Verbesserungs-Prozess (Qualitätskonzept) KVP Local Area Network LAN LEH Lebensmittel-Einzel-Handel Leichtes Nutzfahrzeug LNF Letter of Intent LoI MHD Mindest-Haltbarkeits-Datum Near-field Communication NFC Original Equipment Manufacturer (Erstausstatter) OEM Online Analytical Processing (Datenanalyse) OLAP Operations Research (Unternehmensforschung) OR Over the Counter (rezeptfreie Arzneimittel) OTC PAF Preis-Absatz-Funktion PatG Patentgesetz Plan – Do – Control – Act (Qualitätskreislauf) PDCA Portable Document Format (Internetdatei) PDF Politik, Ökonomie, Soziales, Technologie, Ökologie, Recht (Akronym) PESTEL Profit Impact of Market Strategies (Markterfolgsfaktorenforschung) PIMS Persönliche Identifikations-Nummer PIN

Abkürzungsverzeichnis

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Point of Sales (Verkaufsort) PoS Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit) PR ProdSG Produktsicherheitsgesetz PZ Publikumszeitschrift Quality Function Deployment (Qualitätswerkzeug) QFD QR Quick Response (zweidimensionaler Code) Qualitäts-Regel-Karte (Qualitätswerkzeug) QRK Radio Frequency Identification (kontaktloser Datenaustausch) RFID Return on Investment (Anlagerentabilität) RoI Return on Sales (Umsatzrentabilität) RoS Really Simple Syndication (Internet) RSS Stimulus – Organism – Response S-O-R Supply Chain Management SCM Simultaneous Engineering SE Search Engine Advertising (Suchmaschinenwerbung) SEA Search Engine Optimization (Suchmaschinenoptimierung) SEO Secure Electronic Transaction (Sicherheitsprotokoll) SET Strategische Geschäfts-Einheit (Produkt-Markt-Kombination) SGE Strategisches Geschäfts-Feld (Relevanter Markt / A rena) SGF Strategische Gruppe (direkte Konkurrenten) SGr Specific – Measurable – Ambitious – Realistic – Time-based SMART Short Message Service (elektronische Textnachricht) SMS Share of Advertising (Werbeaufwandsanteil) SoA Small Office / Home Office SOHO Share of Voice (Werbedruckanteil) SoV Statistical Process Control (Qualitätswerkzeug) SPC Socio-cultural – Technological – Economical – Political-legal – PhysicalSTEPP ecological Strengths – Weaknesses – Opportunities – Threats (Akronym) SWOT TLD Top Level Domain (Internetadresse) Transport Layer Security (Verschlüsselungssystem, vormals SSL) TLS Threats – Opportunities – Weaknesses – Strenghts (Akronym) TOWS Total Quality Management (Qualitätskonzept) TQM Technische Sicherheits-Einrichtung TSE Tageszeitung (oder nur Zeitung) TZ Unique Advertising Proposition (werbliche Alleinstellung) UAP UE Unterhaltungs-Elektronik UEPV Unter-Einstands-Preis-Verkauf User Generated Content UGC Unverbindliche Preis-Empfehlung UPE Unique Resource Locator (eindeutige Internetadresse) URL Universal Serial Bus USB Unique Selling Proposition (faktische Alleinstellung) USP Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb UWG Verhalten – Einstellung V-E VADM Verkaufs-Außendienst-Mitarbeitender Verkaufsförderung (Sales Promotion) VKF Virtual Reality VR

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Abkürzungsverzeichnis

Value  – Rareness  – Imperfect Imitability  – Organizational Specificity (Kernkompetenz) WKZ Werbe-Kosten-Zuschuss Zero Base Budgeting ZBB VRIO

Kapitel I

Strategische Marketing- und Vertriebsplanung Eine Strategie ist Voraussetzung für jedweden planvollen operativen Marketing- und Vertriebseinsatz. Das heißt, sich mit den Marketing-Mix-Instrumenten zu beschäftigen, macht erst Sinn auf Basis einer stimmigen, also vollständigen und konsistenten strategischen Basis. Dabei wird der Vertrieb als integraler Bestandteil des Marketing-Mix verstanden, wenngleich mit einer Schwerpunktsetzung, wie im Folgenden erklärt. Der Marketing-Mix besteht nach vorherrschender Ansicht aus vier Instrumenten, der Gestaltung des Angebots, der Gegenleistung, der Information und der Bereitstellung. Während die ersten drei Instrumente der Absatzvorbereitung dienen, steht das vierte Instrument für den Absatzvollzug. Im Vertrieb findet somit die Monetarisierung der internen Anstrengungen zur Verfügbar­ machung einer Marktleistung statt. Im Absatzvollzug entstehen somit die Erlöse, welche die aufgelaufenen Kosten der Absatzvorbereitung kompensieren können. Der Marketing- und Vertriebs-Plan spiegelt in seinem strategischen Teil die grundlegenden unternehmerischen Überlegungen. Jede Strategie besteht aus vier Schritten: • der Zielsetzung, der Istsituations-Analyse, den strategischen Stellgrößen sowie den konzeptionellen Stellgrößen dort. Diese vier Bausteine werden im Folgenden behandelt (2.–5.). Ergänzt werden sie durch die Erfolgsfaktoren und die Planumsetzung (6. + 7.).

1. Marketingdenkhaltung Eingangs sei ein kurzer Blick auf das Fundament der Marketingdenkhaltung gelenkt (1.1), gefolgt von einer Übersicht der Entwicklung des Marketing, das sich in vergleichsweise kurzen Zeitabständen immer wieder neu erfindet (1.2).

1.1 Fundament Marketing ist innerhalb der Betriebswirtschaftslehre erst aus wechselnden ökonomischen Engpässen entstanden: • Da war zunächst der Engpass der Leistungserstellung, der vornehmlich durch Produktionstechnik überwunden wurde.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

• Dann entstand der Engpass der Ressourcenbeschaffung von Rohstoffen, Kapital und Personal, der vornehmlich durch Importhandel, neue Rechtsformen und Duale Ausbildung überwunden wurde. • Damit trat historisch der Engpass der Leistungsverwertung in Kraft. Dieser hält bis heute an und wird als Käufermarktsituation bezeichnet. • Er geht aber stetig über in den neuen Engpass der Versorgungssicherung, die infolge ökologischer Dramatik zunehmend gefährdet ist. Darauf hat sich Marketing zu fokussieren. Immer limitiert der Engpass den gesamten wirtschaftlichen Erfolg, d. h., selbst ein Überschuss an Produktion, Rohstoff, Kapital und Personal führt zu keinem besseren Betriebsergebnis, solange ein Mehrabsatz von daraus resultierenden Gütern nicht gewährleistet ist (Ausgleichsgesetz der Planung / Gutenberg). Aber auch die Nachfrage unterliegt Wandlungen: • In Mangelzeiten sind die Anstrengungen, die Nachfrager unternehmen müssen, um in den Besitz gewünschter Waren zu gelangen, größer als die der Anbieter. Man spricht von einer Verkäufermarktsituation. • Glücklicherweise haben die entwickelten Industrienationen diesen Zustand weitgehend hinter sich gelassen. Die Realität ist heute vielmehr die des Käufermarkts. Dabei müssen Anbieter im Parallelwettbewerb zueinander versuchen, Nachfrager an ihre Leistung zu binden, neu zu akquirieren oder vom Mitbewerb wegzulocken, während die Nachfrageseite bequem verschiedenste Angebote vergleichen und das bevorzugte auswählen kann. Damit aber wird Marketing zum Engpass für den Geschäftserfolg und muss dafür Sorge tragen, dass das eigene Unternehmen gegen konkurrierende andere bei Abnehmern zum Zuge kommt. Ansonsten wenden diese sich Mitbewerbern zu und decken ihre Bedarfe dort. Darauf wirken vor allem ökologisch-soziale Res­ triktionen als Anforderungen ein, neuerdings auch politische. Marketing ist somit letztlich überlebenswichtig für jedes erfolgreiche Unternehmen. Seine Aktivitäten können dabei sowohl auf die Einkaufsseite als auch auf die Absatzseite gerichtet sein. Ersteres betrifft das Beschaffungsmarketing für Personal, Betriebsmittel, Finanzen, letzteres das Absatzmarketing von Gütern und Diensten des eigenen Unternehmens am Markt. Dieses steht hier im Vordergrund, wenngleich eine Betonung der Beschaffung zukünftig unabwendbar ist. Zudem entstanden im Verlauf der Zeit zwei Trends in der Marketingdenkhaltung: • Einerseits ergab sich ein Broadening des Marketing vom rein geschäftsmäßigen Business Marketing über das Non Profit Marketing (auch Social Marketing) zum Non Business Marketing (z. B. für Öffentliche Betriebe) und schließlich hin zum Generic Marketing als zielorientierter Anbahnung, Erleichterung, Abwicklung und Bewertung des allgemeinen Austauschs von ideellen und materiellen Werten zwischen Parteien.

1. Marketingdenkhaltung

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• Außerdem ergab sich ein Deepening durch Einbeziehung über die rein kommerziellen Beweggründe hinausgehender Aspekte in das Marketing wie die verstärkte Berücksichtigung humanitärer, sozialer Pflichten (Human Concept), der gesamtgesellschaftlichen, ethischen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Citizenship) und zum Einbezug nachhaltig wirkender ökologischer, belastbarer Argumente (Sustainable Development). Dies manifestiert sich im CSRKonzept (Corporate Social Responsibility). Marketing ist ein nach geisteswissenschaftlichen Maßstäben vergleichsweise junger Wissensbereich. Die Ursprünge der Marketingentwicklung liegen in Deutschland in der Handelsbetriebslehre. Aus diesen Anfängen zur vorletzten Jahrhundertwende entwickelte sich zwischen etwa 1925 und 1970 die Absatzwirtschaftslehre. In deren Mittelpunkt stand die Distributionsfunktion, also die Verwertung der wie auch immer erstellten Unternehmensleistung zur Liquidierung am Markt. Im darauf folgenden Jahrzehnt ergab sich daraus, aufbauend auf amerikanischen Ansätzen (Kotler, Levitt), die Marketinglehre. Ab etwa 1980 wurde dieser Ansatz entscheidend dadurch erweitert, dass die Marketingsichtweise als Maßgabe für jedwede strategische Ausrichtung angesehen wurde, nämlich als Marketing-Management, um damit entscheidende komparative Konkurrenzvorteile zu erreichen. Zwischen etwa 1990 und der Jahrtausendwende wurde Marketing als marktorientiertes Führungskonzept verstanden, das die Ausrichtung des gesamten Unternehmens auf sein Vermarktungsumfeld umfasst, also alle Anspruchsgruppen integriert. Im neuen Jahrtausend (bis 2010) stand nicht mehr der Absatz, sondern die Gestaltung von stabilen (Geschäfts-)Beziehungen (Relationship Marketing) mit Marktakteuren zum Zwecke der Absatzerzielung bzw. deren Flankierung im Vordergrund. Ab etwa 2010 vollzog sich eine Ausrichtung auf Achtsamkeit und Verantwortung im Zuge des Nachhaltigkeitsmarketing, das nach wie vor den bestimmenden Tenor ausmacht. In neuester Zeit verändert die Digitalisierung beinahe aller Lebensbereiche naturgemäß auch das Marketing, sowohl was die Denkhaltung anbelangt als auch die Instrumente. Als aktuelle Definition des Marketing wird hier Folgendes zugrunde gelegt: Marketing bedeutet die Planung, Organisation, Implementierung und Kontrolle aller Aktivitäten mit der Absicht der Erreichung qualitativer und / oder quantitativer Vorgaben bei Kunden und deren Kunden durch Aufbau, Unterhalt, Ausbau oder Wiederherstellung von Geschäftsbeziehungen mit jeweils relevanten Zielgruppen im Absatzbereich durch reale und virtuelle Austauschprozesse von materiellen wie ideellen Werten. Diese Definition besteht aus verschiedenen Elementen wie folgt: • „Planung, Organisation, Implementierung, Kontrolle“, dies ist die Umschreibung der marktorientierten Unternehmensführung (auch Marketing-Management), • „qualitative und quantitative Vorgaben“, dies bezieht sich auf zu verfolgende vorökonomische und ökonomische Zielsetzungen,

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

• „Kunden und deren Kunden“, dies ist der typische Zustand des zweistufigen Marketing mit Push- und Pull-Bewegung im mehrstufigen Absatz, • „Aufbau, Unterhalt, Ausbau, Wiederherstellung von Geschäftsbeziehungen“, dies umschreibt die zentrale Form des Beziehungsmanagements im Marketing (private Beziehungen sind hier ausgenommen), • „relevante Zielgruppen“, dabei handelt es sich um aktuelle, wiederkaufende und potenzielle, neukaufende Personen / Organisationen für die eigene Marktleistung, • „reale und virtuelle Austauschprozesse“, damit werden neben Offline- auch Online-Transaktionen eingeschlossen, • „materielle und ideelle Werte“, also auch außerwirtschaftliche Werte, dies alles gilt sowohl für die Vermarktung von Sach- als auch verbreiteten Dienstleistungen.

1.2 Entwicklung Diese fundamentalen Veränderungen der Sichtweise innerhalb einer, nach Forschungsmaßstäben, recht knappen Frist sind typisch für eine vergleichsweise junge Disziplin wie die des Marketing, die in relativ kurzer Zeit die Entwicklungen, die „traditionelle“ Zweige der Betriebswirtschaftslehre bereits lange hinter sich gelassen haben, nachvollziehen muss.

Abbildung 1: Marketingphasen

In der Vor-Marketing-Ära (vor etwa 1970) waren naturgemäß dennoch absatzwirtschaftliche Funktionen zu erfüllen. Nur waren diese auf verschiedene andere betriebliche Bereiche verteilt und diesen untergeordnet. Auch fand keinerlei systematische Integration der dabei ablaufenden Aktivitäten statt. Dies wurde aufgrund auskömmlicher Absatzsituationen als nicht erforderlich angesehen. Im Zuge restriktiverer Vermarktungsbedingungen reichte diese Sichtweise jedoch mitnichten mehr aus (siehe Abbildung 1: Marketingphasen).

1. Marketingdenkhaltung

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Marketing als Absatzpolitik (etwa 1970–1980) von Unternehmen (traditionelle Absatzwirtschaft) führte zu einer Sichtweise des absatzpolitischen Instru­ mentariums (Produkt- und Programmpolitik, Preis- und Konditionenpolitik, Kommunikations- und Identitätspolitik sowie, mit einem gewissen Schwerpunkt, Distributions- und Verkaufspolitik). Es geht dabei also um die Stimulierung des Flusses von (vor allem) Waren, (aber auch) Geldern und Informationen, im Absatzkanal. Bei Marketing als passiver Marktanpassung (etwa 1980–1990) steht die Fiktion im Vordergrund, dass ein Unternehmen in dem Maße erfolgreich sein wird, indem es ihm gelingt, die Bedarfe seiner (auch potenziellen) Nachfrager zu erkennen und Produkte und Dienste bereit zu stellen, die diese Bedarfe befriedigen. Problematisch ist allerdings, dass Nachfrage Idealkombinationen fordert und nicht kreativ ist, sondern nur auf Angebote reagieren kann, zumal die Bedarfe schneller wechseln als die Produktion mit der Realisierung nachkommt. Marketing als aktive Marktgestaltung (etwa 1990–2000) geht indes davon aus, dass Bedarfe kreativ formbar sind. Wenn es einem Unternehmen also gelingt, die (auch potenziellen) Bedarfe seiner Nachfrager zu aktualisieren oder sogar zu generieren, schafft es sich die Kunden selbst, die der Absatz braucht. Meist gelingt dies, durchaus kontrovers, nur über die Schaffung von Problemen, die Nachfrager ohne den Anbieter nicht hätten, die sie aber sofort wieder loswerden, da der Anbieter ihnen die Problemlösung zugleich mitliefert. Marketing als (Kunden-)Beziehungsmanagement (etwa 2000–2010) geht davon aus, dass ein Anbieter nicht über Produkte / Dienste verkauft, die im Übrigen immer austauschbarer werden, sondern über Beziehungen zu Abnehmern, die belastbar und von Reputation und Vertrauen getragen sind. Daher hat die Pflege bestehender Kunden im Regelfall Vorrang vor der Akquisition neuer Kunden. Irritationen, vor allem Unzufriedenheiten, sind daher fernzuhalten. Die Immunisierung vor Abwerbungen ist essenziell. Gleichzeitig wurde das Beziehungsmanagement zu anderen Stakeholders aufund ausgebaut. Stakeholders sind allgemein Interessenshalter gegenüber dem Unternehmen. Sie haben bestimmte Forderungen, und ihnen stehen bestimmte Machtmittel zur Verfügung, die sie bereit sind, im Zweifel zur Durchsetzung ihrer Forderungen einzusetzen. Aufgabe des Marketing als Generic Marketing ist es, diesen Stakeholders soweit zu entsprechen, dass sie auf Stress verzichten. Da die Anforderungen aber teils konfliktär sind, ist es zugleich Aufgabe, die Stakeholders im Gleichgewicht zu halten. Dabei gibt es interne Stakeholders wie Mitarbeitende, Eigenkapitalgeber o. Ä., transaktionale Stakeholders wie Lieferanten, Absatzmittler, gewerbliche Zwischen- und Endabnehmer, private Endabnehmer, Fremdkapitalgeber, Konkurrenten, Kooperationspartner sowie kommunikative Stakeholders wie Medien, Staat / Behörden und Zivilgesellschaft.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Dazu einige Beispiele: – Mitarbeitende fordern z.  B. leistungsgerechte Bezahlung oder produktive Arbeitsatmosphäre. Ihre Machtmittel sind Gewerkschaftsunterstützung / Streik, Mobilisierung der Öffentlichkeit, Dienst nach Vorschrift, exzessive Nutzung von Mitbestimmungsrechten, Aktivierung des Betriebsrats, Senkung der Arbeitsleistung etc. – Eigenkapitalgeber / Aktionäre fordern z. B. höhere Dividenden oder Kurspflege der Aktien (Shareholder Value). Ihre Machtmittel sind Hauptversammlungsauftritt, Prüfung der Geschäftsbücher, Druck auf Management, Rückforderung von Finanzmitteln / Verweigerung zusätzlichen Kapitals, Prüfung der Geschäftsaktivitäten, Weitergabe negativer Informationen etc. – Lieferanten fordern z. B. regelmäßigen Auftragseingang oder Unterdrückung der Nachfragemacht. Ihre Machtmittel sind Zurückweisung von Aufträgen bei unzumutbaren Vertragsbedingungen, Belieferung von Konkurrenten, Zurückweisung / Verschleppung von Aufträgen, Qualitätsminderung, Vorwärtsintegration / eigenes Produktangebot etc. – Absatzmittler fordern z. B. zeitgemäße Leistungen zu vernünftigen Preisen oder Leistungen, die hohe Nachfrageakzeptanz aufweisen. Ihre Machtmittel sind Zuliefererwechsel bei schlechten Vertragsbedingungen, Boykott von nicht reagierenden Anbietern etc. – Gewerbliche Abnehmer fordern z. B. faire Geschäftspraktiken oder zuverlässige Leistungen. Ihre Machtmittel sind Abwanderung zur Konkurrenz, Boykott von nicht zufriedenstellenden Angeboten etc. – Private Endabnehmer fordern z. B. Schutz sozialer Werte und Risikominderung. Ihre Machtmittel sind Ausübung von Druck auf die Regierung, Sanktion gegenüber einzelnen Unternehmen, Kauf von Konkurrenzprodukten / Boykott, Inanspruchnahme von Rechten, Bildung von Bürgerinitiativen etc. – Kreditoren fordern z. B. pünktliche Zins- und Tilgungszahlung oder Bonitätssicherung. Ihre Machtmittel sind Rückforderung von Darlehen / Streichung von Kreditlinien, falls Zahlungen ausbleiben, Verweigerung zusätzlicher Kredite etc. – Konkurrenten fordern z. B. solide Marktstrategien oder stärkere Branchensolidarität. Ihre Machtmittel sind Innovationen, die andere zum Nachziehen oder Aufgeben zwingen, Preisunterbietung, unlautere Praktiken wie Plagiate, Abwerbung von Kunden, Qualitätsüberbietung, Aufdeckung belastender Sachverhalte etc. – Kooperationspartner fordern z. B. Know-how-Einbringung oder faire Ertragsverteilung. Ihre Machtmittel sind Blockade, Wechsel zu Marktgegnern etc. – Medien fordern z. B. bessere Informationsbereitstellung oder mehr Kontrolle der Unternehmenstätigkeit. Ihre Machtmittel sind Veröffentlichungen, die das Publikum negativ beeinflussen können, Zurückweisung von Werbeeinschaltungen etc.

1. Marketingdenkhaltung

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– Staat / Behörden fordern z. B. bessere Steuermoral, wirtschaftliche Entwicklung, Beschäftigung ortsansässiger Arbeitnehmer, Rücksicht auf Umwelt und Infrastruktur. Ihre Machtmittel sind Regulierungen / Sanktionen, Vergabe / Einschränkung laufender Genehmigungen, Erhebung von Abgaben und Aufgabe von Subventionen, Schaffung / Verfolgung / Auslegung von Gesetzen, Mobilisierung anderer Anspruchsgruppen etc. – Gesellschaft / Verbände / NGOs / Anwohner fordern z. B. nachhaltigere Unterstützung bei der Anpassung an veränderte Umfeldbedingungen und mehr Solidarität. Ihre Machtmittel sind Unterstützung sich wohl verhaltender Unternehmen, meinungsbildende negative Veröffentlichungen, Ächtung des Unternehmens bzw. Ausschluss von nutzbringenden Initiativen etc. Darauf folgte die Phase der Etablierung des Ökologischen Marketings (etwa 2010–2020). Nach dem rasanten Wachstum der Neuzeit wurden die natürlichen Grenzen immer deutlicher. Diese durch technischen Fortschritt auszubremsen, wurde zunehmend ineffizient. Daher war es angezeigt, die nachhaltige Verantwortung der Produzenten und Konsumenten für die Zukunft der gemeinsamen Existenz hervorzuheben. Marketing hat hier zahlreiche Stellschrauben aktiviert und ist darin unablässig aktiv. Verstöße werden gesellschaftlich auch nicht mehr akzeptiert. Konkret sind dabei im Rahmen des Ökologiefokus drei zentrale Themen­ bereiche tangiert: – Generationengerechtigkeit bezieht sich auf Anforderungen zur Ressourcenschonung, zum Klimaschutz, zur Nutzung erneuerbarer Energien, zur konservativen Flächeninanspruchnahme (keine Versiegelung), zur biologischen Artenvielfalt, zum Abbau der Staatsverschuldung, zur verantwortungsvollen Zukunftsvorsorge, zur Forcierung von Innovationen und vor allem zum Zugang zu Bildung für alle. – Lebensqualität bezieht sich auf Errungenschaften wie hohe Wirtschaftsleistung und selbstverständliche Mobilität. Konträr wirken hier intensive Landbewirtschaftung (Düngung), geminderte Luftqualität und vermeidbar hohe Sterblichkeitsrate (Mortalität). Außerdem ist eine konsequente Sanktionierung ökologischer Straftaten erforderlich. – Die Anforderung des sozialen Zusammenhalts bezieht sich auf quantifizierbare Größen wie Erwerbstätigenquote, Kinderbetreuungsrate, Ausländerintegration und Gleichbehandlung (Diversität). Diese werden als Grundvoraussetzungen für ein funktionierendes Gemeinwesen angesehen. Aktive Unternehmen werden den genannten Anforderungen bereits vielfach gerecht, so durch – Reduktion ihres Energie- und Rohstoffverbrauchs in der Produktion, – Erfassung und Verrechnung der betrieblichen Umweltschutzkosten,

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

– umweltfreundlich gestaltete Produkte, – interne Wertstoff-Kreislauf-Prozesse, – umweltgerechte Verpackungs- und Packungsgestaltung, – durchgängige Organisation des Umweltschutzes im Betrieb, – Abbildung dieser Aktivitäten in einem ökologischen Informationssystem, – Übernahme von Folgekosten der Entsorgung, – Sponsoring von Umweltschutzmaßnahmen. Im aktuellen Netz-Zeitalter (ab etwa 2020) steht das Datenmarketing im Fokus. Durch die internetgestützte Interaktion im Markt werden reale, persönliche Kontakte zunehmend durch virtuelle, mediale Kontakte erweitert bzw. ersetzt. Gründe liegen in restriktiven Rahmenbedingungen der Märkte in Bezug auf Zugriff, Auswahl, Sicherheit sowie technischem Fortschritt über Vernetzung, Echtzeit-DV, Zahlverfahren, die einen Rückzug von Außenkontakten begünstigen (Metaversum, Soziale Medien, Telekommunikation). Digitale Daten haben eine Reihe von Besonderheiten: – Sie weisen (positive) Netzwerkeffekte (Externalitäten) auf. Das heißt, der Wert des einzelnen datenbasierten Produkts ist umso höher, je häufiger es insgesamt im Markt vertreten ist. Dies ist entgegengesetzt analogbasierten Produkten, diese sind umso wertiger, je seltener sie sind. Insofern kommt es für den Erfolg auf eine rasche Verbreitung digitalbasierter Produkte an. Dabei gibt es eine Kritische Masse, ab der diese Verbreitung selbsttragend wirkt. Diese gilt es, zügig zu erreichen. Gelingt dies nicht, trägt die Verbreitung mangels Netzwerkeffekten in aller Regel keinen Markterfolg. – Sie weisen Lock in-Effekte auf. Das heißt, hat ein Nachfrager sich erst einmal für ein digitalbasiertes Produkt entschieden, ist ein Wechsel im Zuge der weiteren Verbreitung für ihn regelmäßig mit hohen Wechselkosten verbunden. Dies liegt in der Ausbildung von De facto-Standards am Markt begründet, die wiederum von der Verbreitung abhängen. Jeder Anbieter versucht im Regelfall, Nachfrager an sein Digitalprodukt zu binden (Kundengebundenheit), indem er (vor allem technische) Wechselbarrieren zu vergleichbaren Produkten aufbaut. Dagegen spricht allerdings, dass eine Kompatibilität zu anderen Digitalprodukten die Ausbreitung beschleunigt und damit die Ausbildung eines De facto-Status begünstigt. Dazu werden solche Produkte bei Markteinführung häufig sogar verschenkt und Preise erst später für Upgrades, Zusatzfunktionen etc. zu fordern gesucht. – Sie weisen im Regelfall erhebliche Skaleneffekte auf. Das heißt, sie können zu äußerst niedrigen bzw. gegen Null tendierenden Kosten vervielfältigt (skaliert) werden. Daraus folgt, dass sich die fixen Kosten der Potenzialfaktoren (First Copy Costs) im Zuge der Ausbreitung somit nur mit minimalen Beträgen auf

2. Zielsetzung im Marketing- und Vertriebsplan

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die Stückkosten umlegen. Zugleich ist eine solche Skalierbarkeit Voraussetzung für die Verbreitung und die Etablierung eines De facto-Standards. Dem stehen allerdings erhebliche (erstmalige) Set up-Kosten gegenüber. Diese werden zumeist durch Finanzierungsrunden unterlegt, verbunden mit der allerdings spekulativen Hoffnung, bei Skalierung an den zu erwartenden hohen Erträgen zu partizipieren. – Sie weisen meist nur eine mangelnde Schützbarkeit auf. Das heißt, sie können verhältnismäßig leicht kopiert werden. Kopisten ersparen sich dabei die hohen Initialkosten, so dass sie noch niedrigere Preise realisieren können. Zudem sind die Leistungsmerkmale digitalbasierter Produkte häufig so komplex, dass diese nur schwer durchschaubar sind, so dass Nachahmer auch bei niedrigerer Leistung reüssieren können. Viele Funktionen werden auch selten bis gar nicht abgerufen, so dass ihr Fehlen Abnehmern nicht auffällt oder von diesen auch toleriert wird. Insofern fallen nicht selten Schutzrechtsprozesse mit enormen Streitwerten an (z. B. Apple vs. Qualcomm) oder werden Unternehmen nur wegen ihrer Schutzrechte und evtl. deren beabsichtigter Unterdrückung aufgekauft. – Sie weisen Erfahrungsgutcharakter (Experience Good) auf. Das heißt, aufgrund ihrer Immaterialität sind sie vor dem Kauf nicht zu beurteilen, zwar beim Kauf zu erleben, aber erst nach dem Kauf zu erfahren. Dann ist die Anschaffung aber bereits erfolgt. Insofern kommt es entscheidend darauf an, vor dem Kauf vertrauensbildende Maßnahmen einzusetzen, die das wahrgenommene Risiko bei potenziellen Käufern senken. Ohne diese ist eine weitere Verbreitung gehemmt. Zu denken ist hierbei an Test(-voll-)version, Test(-teil-)versionen, Rückgabemöglichkeit, Expertenempfehlung, Hotline / Live Chat etc.

2. Zielsetzung im Marketing- und Vertriebsplan Ausgangspunkt jedes Plans muss die Zielsetzung sein. Oft genug wird diese in der Praxis nicht zuende gedacht, ist bewusst unscharf und teils auch unrealistisch formuliert. Dann aber sind alle weiteren Schritte bereits zum Scheitern verurteilt. Insofern sind zunächst eine belastbare Planungsbasis (2.1) und die Elemente des Zielsystems (2.2) zu konkretisieren. Dies erfolgt, indem die unternehmerischen Oberziele, die Bedeutung der Unternehmenskultur, die Kernkompetenz und das Geschäftsmodell, die Ausprägungen der Wertgestaltung und die einzelnen Zieldimensionen erläutert werden.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

2.1 Planungsbasis Planung ist allgemein gegenwärtiges Entscheiden über zukünftiges Tun und Unterlassen und bedeutet damit die gedankliche Vorwegnahme zukünftigen Handelns. Es geht um Entscheidungen über die Transformation eines angetroffenen Ist-Zustands in einen prospektiv gewünschten Soll-Zustand. Die Planung wird durch Strategien konkretisiert, die damit die Brücke zwischen dem Ist-Zustand und den definierten Zielen des Unternehmens herstellen. Sie geben an, auf welche Art und Weise man diesen Weg zurückzulegen gedenkt. Dazu gibt es einen umfangreichen Katalog möglicher Strategiedeterminanten. Die Entwicklung einer Strategie zur Sicherung des langfristigen Erfolgs unterliegt drei Phasen. Zunächst bedarf sie der Analyse der gegebenen Ist-Situation, einerseits, um diese überhaupt zu bestimmen, andererseits, um daraus deren Relation zum gewünschten Soll-Zustand erkennen zu können. Da die Strategie den Weg vom Ist zum Soll vorgibt, erfordert sie außerdem die Definition der Ziele, damit der gewünschte Soll-Zustand operationalisiert werden kann. Die Relation zwischen beiden kann durch den Vektor der einzuschlagenden Richtung, sofern nicht Umweglösungen angestrebt werden, und den perspektivischen Abstand zwischen ihnen gekennzeichnet werden. Jede Strategie kennt eine Reihe von Elementen zu ihrer Umsetzung in konkretes Managementhandeln. Jedes dieser Elemente kennt wiederum unterschiedliche Stellgrößen, die für eigene Zwecke aktiviert werden können. Aus der Anzahl der Elemente und deren Stellgrößen ergibt sich eine immense Vielzahl von Strategiekombinationen. Die große Kunst besteht darin, die im Einzelfall optimale Strategievariante zu finden und geschickt umzusetzen. Das Ergebnis ist ein Marketing-Plan, den Vorgang der Erstellung nennt man Marketingplanung. Das erste wichtige Element der Marketingplanung stellt die Planungsbasis dar, denn „ein Plan ist zwar nicht alles, aber ohne Plan ist alles nichts“. Aufgabe der Planung ist es, die generellen unternehmenspolitischen Zielsetzungen unter Berücksichtigung interner und externer Gegebenheiten und belastbarer Entwicklungstrends zu konkretisieren, Teilziele für die betrieblichen Subsysteme festzulegen sowie die zur Zielerreichung notwendigen und geeigneten Maßnahmen und Mittel zu bestimmen. Es handelt sich somit um den Entwurf einer Ordnung, nach der sich das absatzbezogene, betriebliche Geschehen der Zukunft vollziehen soll. Sie ist abzugrenzen von der Prognose als auf praktischer Erfahrung oder theoretischer Erkenntnis beruhenden Aussagen über die Zukunft, wobei jedoch das Zielsetzungselement fehlt, weiterhin von der Extrapolation als Projizierung eines Sachverhalts mit Hilfe statistischer Schätzmethoden, wobei das Gestaltungselement fehlt, und ebenso von der Improvisation als Entscheidungen, die erst nach Eintritt von Datenkonstellationen getroffen werden, womit also der Zukunftsaspekt fehlt.

2. Zielsetzung im Marketing- und Vertriebsplan

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Abbildung 2: Elemente der Planungsbasis

Die Planungskriterien sind dabei im Einzelnen vielfältig (siehe Abbildung 2: Elemente der Planungsbasis). Nach den Phasen unterscheidet man folgende: • In der Anregungsphase geht es um die Erkennung und Definition von betrieblichen Problemstellungen, die der Planung bedürfen, um das zu erreichende Ziel zu realisieren. • In der Identifikationsphase geht es um die Beschaffung, Analyse und Interpretation aller für die Problemlösung jeweils relevanten Daten. • In der Suchphase geht es um die Entwicklung von Lösungsalternativen, die geeignet erscheinen, die gegebenen Probleme zu beheben. • In der Auswahlphase geht es um die Bewertung dieser Lösungsoptionen und die Präferierung einer der Lösungen. • In der Durchsetzungsphase geht es dann um die Projektierung der Realisation dieser ausgewählten Optionen (Implementierung). • Und in der Kontrollphase geht es um die Überwachung der Lösungserfolge und evtl. um Korrekturmöglichkeiten bei Abweichungen.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Nach ihrer Tiefe unterscheidet man die Grob- und die Feinplanung: • In der Grobplanung werden die Planungsinhalte zunächst nur kursorisch bearbeitet, so dass sich ein erster Überblick ergibt. • In der Feinplanung werden diese dann detailliert ausgearbeitet. Zumeist ist der Feinplanung eine Grobplanung vorgelagert, da eine Feinplanung ohne übersichtsartige Grobplanung wenig ergiebig ist, die Grobplanung selbst aber nicht als Arbeitsbasis ausreicht, sondern der ergänzenden detaillierten Ausarbeitung bedarf. Innerhalb der Feinplanung können nach dem Umfang folgende Pläne unterschieden werden: • Die Totalplanung unternimmt den Versuch der Einbeziehung der Daten aller relevanten Unternehmensbereiche. Dabei stellt sich meist als Problem, dass eine entsprechend aussagefähige Planungsbasis nicht gegeben ist, die gleichen Daten für verschiedene Unternehmensbereiche durchaus unterschiedliche Auswirkungen haben und deren Interdependenzen schwer durchschaubar sind. • Die Partialplanung begnügt sich hingegen mit der Planung der einzelnen Strategischen Geschäftseinheiten (SGEs). Hierbei werden die Pläne dezentral erstellt und anschließend zentral abgestimmt. Dabei wird den Anforderungen jeder Einheit zunächst maximal Rechnung getragen. Das Problem ergibt sich jedoch unweigerlich bei der Integration der Einzelpläne, wenn Widersprüche auftreten, die dann aufwändig ausbalanciert werden müssen. Nach ihrer Anpassung unterscheidet man die starre und die flexible Planung: • Bei der starren Planung ziehen die Planungsinhalte unvermeidliche Veränderungen der Umwelt zwar nicht in Betracht, dadurch wird aber zumindest eine verlässliche Arbeitsbasis erreicht. • Bei der flexiblen Planung führen Veränderungen der Umwelt hingegen zu entsprechenden Planrevisionen. Dies ist zwar angesichts turbulenter Entwicklungen sinnvoll, bewirkt aber arbeitsbezogen oft blockierende Unstetigkeit. Innerhalb der flexiblen Planung können nach ihrer Elastizität folgende Pläne unterschieden werden: • Die Eventualplanung kennt Planalternativen für die Situation gravierender Datenänderungen, die eine Basisplanung obsolet werden lassen. Hier sind in der Praxis sinnvollerweise umfangreiche Schubladenpläne vorhanden, die verschiedene Eventualsituationen erfassen und planerisch vorstrukturieren. Dass dabei immer wieder real sich ergebende Situationen unbedacht bleiben, liegt an strukturbrechenden (disruptiven) Veränderungen des Umfelds. • Die Alternativplanung bedeutet die Ausarbeitung mehrerer Planungsversionen, die von vornherein von unterschiedlichen Datenbasen (Szenarien) ausgehen.

2. Zielsetzung im Marketing- und Vertriebsplan

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Zwischen diesen Optionen kann je nach Sachlage entschieden und die präferierte Version umgesetzt werden, ohne dass diese ohne Not Änderungen erfahren müsste. • Die Engpassplanung erfolgt nach dem Ausgleichgesetz der Planung (E. Guten­ berg). Danach bestimmt immer die Planung des jeweiligen Engpasses die endgültige Ausgestaltung der Pläne der übrigen Unternehmensbereiche. Diese werden erst ausgearbeitet, nachdem festgelegt ist, wie der Engpass überwunden oder zumindest bestmöglich genutzt werden soll. Nach dem Ablauf können folgende Pläne unterschieden werden: • Die Simultanplanung gilt als Versuch, alle Unternehmensbereiche zeitgleich zu planen. Aufgrund der dabei auftretenden Datenmengen ist dies nur mit Hilfe computergestützter Systeme darstellbar. Wegen der engen Vernetzung der Unternehmensbereiche ist jedoch bei jedem Planungsschritt ein umfangreicher Abgleich mit allen anderen Bereichen erforderlich. Einmal abgesehen davon, dass dabei Ausschlussbedingungen überschritten und längst nicht alle wirklich relevanten Vernetzungen berücksichtigt werden können, überfordert die entstehende Komplexität bald alle Beteiligten. • Die Sukzessivplanung begnügt sich mit der fortschreitenden Planung der Einzelbereiche. Meist erfolgt die Planung dabei Top down, d. h. von der übergeordneten Instanz an die untergeordneten. So werden per Saldo alle Unternehmensbereiche einbezogen. Da die Erstpläne dabei die Bedingungen der Folgepläne determinieren, ist Konsistenz im Plantotal erreichbar, das jedoch meist suboptimal bleibt. Zunehmend erfolgt die moderne Planung auch Bottom-up, also von den untergeordneten (als Vorschlag) an die übergeordnete Instanz (zur Genehmigung), zumindest jedoch im Gegenstromprinzip mit bilateraler Abstimmung, d. h., die Belange der ausführenden Ebenen werden im gegenseitigen Austausch stärker in den Planungsprozess einbezogen und berücksichtigt. Innerhalb der Sukzessivplanung können nach der Abfolge folgende Pläne unterschieden werden: • Die geschachtelte Planung gilt als Sollfall. Dabei stellt die operative, kurzfristige Planung einen integrativen Bestandteil der taktischen, mittelfristigen Planung dar und diese ihrerseits einen integrativen Bestandteil der strategischen, langfristigen Planung. Alle Pläne werden gleichzeitig überarbeitet und fortgeschrieben. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn die gleiche Instanz alle Planperspektiven erstellt. In der Praxis ist es aber häufig so, dass verschiedene Stellen, etwa Zentrale, Tochtergesellschaften, Niederlassungen, Divisions etc., ihre jeweiligen Pläne unter egoistischen Aspekten erstellen und daher untereinander Inkongruenzen entstehen. • Die gestaffelte Planung entsteht als Überlappung der kurz-, mittel- und lang­ fristigen Planabschnitte bei gleichzeitiger Planüberarbeitung und Fortschreibung

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

des Planhorizonts. Dabei wird, ausgehend vom Istzeitpunkt, die Planperspektive jeweils in die Zukunft fortgeschrieben. Neue Erkenntnisse zur Istsituation gehen somit immerzu als Modifikation in aktualisierte Pläne ein. Dabei kann jeweils ein Planungszeitabschnitt (Jahr) oder mehrere (als Blöcke) ausgetauscht werden. • Bei der rollenden / rollierenden Anordnung erfolgt eine Planfortschreibung ohne Revision, d. h. ohne Anpassung an vorläufige Entscheidungen, was im Regelfall zu Friktionen führt. Bei der revolvierenden / anschließenden Anordnung erfolgt die Planfortschreibung mit Revision, d. h. mit kompletter Anpassung des Plans an vorläufige Entscheidungen, was in großem Planungsaufwand mündet. • Bei der gereihten / anstoßenden Planung wird der gesamte Planungsabschnitt in der Regel nur einmal grob vorgeplant, und die Teilabschnitte werden dann schrittweise fein ausgearbeitet. Die Pläne folgen dabei als kurzfristiger, mittelfristiger und langfristiger Plan nahtlos aufeinander ab, ohne einander zu überschneiden. Man spricht dabei auch von serieller Plankoordination.

2.2 Elemente des Zielsystems

Abbildung 3: Parameter des Zielsystems

2.2.1 Oberziele Die Ziele leiten sich im Rahmen einer konsistenten Zielpyramide für das Unternehmen ab, an deren Spitze der Purpose (auch Vision) steht (siehe Abbildung 3: Parameter des Zielsystems). Dieser ist die übergeordnete und wirtschaftlich noch nicht weiter konkretisierte Vorstellung von der Gestaltung der Zukunft, die der / die Unternehmer / in hat.

2. Zielsetzung im Marketing- und Vertriebsplan

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Der Purpose ist immer ideell, d. h., es geht nicht primär um Geldverdienen, sondern um die Erreichung allgemeinerer Zwecke. Allerdings geht dieser häufig bei Ausscheiden der Gründer (Fusion / Ü bernahme / Nachfolge o. Ä.) aus dem Unternehmen verloren und wird durch rein materielle Orientierungen nachfolgender Managergenerationen ersetzt und damit nach und nach sinnentleert. Dadurch mangelt es häufig an der sinnstiftenden Orientierung der Mitarbeitenden. Vielfach werden heute auch Unternehmensgründungen ohne visionäre Basis gestartet. Dabei stehen dann ein funktionierendes Geschäftsmodell und der rasche, gewinnbringende Exit im Mittelpunkt. Diese Ansätze sind weit überwiegend und zurecht nicht von Erfolg gekrönt. Auch werden Visionen gelegentlich als pathologisch abgestempelt („wer Visionen hat, gehört zum Arzt“ / H. Schröder). Diese oberflächliche, nur scheinbar pragmatische Sicht ist abzulehnen und verstellt den Blick über bahnbrechende Evolutionen. Große Unternehmer waren immer und sind durch Visionen getrieben. Dies gilt für Larry Page / Serge Brin (Google: das Wissen der Welt erfassen, ordnen und universell verfügbar machen), für Elon Musk (Knappe Energieressourcen ökologisch einsetzen). Und dies galt auch für Heinz Nixdorf (arbeitsplatzorientierte Computerintelligenz) und für Ferdinand Porsche (Volkswagen: extrem einfach konstruierte Autos unter Vorgabe einer selbstgesetzten Preisobergrenze). Ferry Porsche wird folgende Vision nachgesagt: „Am Anfang schaute ich mich um, konnte aber keinen Wagen, von dem ich träumte, finden. Also beschloss ich, ihn selbst zu bauen.“ Dies war die Geburtsstunde des legendären 911-er. Henry Ford hatte die Vision, dass seine Arbeiter in der Ford-Fabrik ihre eigenen Autos fahren sollten, statt nur der „oberen Zehntausend“, wie bis dahin. Dafür war es seiner Ansicht nach erforderlich, sowohl die Kosten der Produktion eines Automobils drastisch zu senken als auch die Einkommen der Arbeitnehmer nennenswert zu erhöhen. Wie weitreichend eine Vision sein kann, zeigt das Beispiel Apple. Steve Jobs, einer der beiden Unternehmensgründer, hatte die Vision, mit Hilfe des Computers Menschen produktiver zu machen. Das war Anfang der 1980er Jahre nicht der Fall. Die Geräte waren kompliziert und erforderten das ständige Nachschlagen in dicken Handbüchern. Zur Bedienung musste eine Programmiersprache (Basic) erlernt werden. Jobs war klar, dass so Menschen nicht produktiv arbeiten konnten, denn es gab nur Computer gebaut von Informatikern für Informatiker, nicht, wie erforderlich, für Normalverbraucher. Also griff er eine XeroxErfindung (Alto) auf und entwickelte aus diesem Grundgedanken alle Features, die Computer heute auszeichnen: grafische Benutzeroberfläche, Maussteuerung, Plug & Play, Icons, Pull down-Menü etc. Als es Apple vorübergehend wirtschaftlich schlechter ging, wurde der Gründer Steve Jobs entlassen und durch einen sehr erfolgreichen Pepsi-Manager (John Sculley) ersetzt. Die Folgen waren katastrophal. Dem Unternehmen fehlte jede

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Orientierung an der Gründervision. Als Insolvenz drohte, holte man verzweifelt Steve Jobs für das symbolische Gehalt von einem Dollar zurück. Er schaffte auf Anhieb den Turnaround und führte das Unternehmen in eine zweite Prosperitätsphase. Allerdings war schon soviel Boden verloren, dass der Verdrängungswettbewerb enormen Druck ausüben konnte. Erst Innovationen wie i-Tunes und i-Pod, iMac und i-Pad sowie natürlich vor allem i-Phone bewirken nunmehr wieder einen unternehmerischen Aufschwung zum höchstbewerteten Unternehmen global. Welche enormen Kräfte eine Vision freisetzen kann, zeigt die berühmte Kennedy-Rede 1961 vor dem amerikanischen Kongress. Angesichts des lähmenden Sputnik-Schocks der Sowjetrussen und vor allem der ersten Erdumrundung durch Jury Gagarin gab er die Mission vor, dass der erste Mensch auf dem Mond ein Amerikaner sein muss, und dies noch im laufenden Jahrzehnt. Diese Aufgabe war angesichts des damaligen technologischen Stands der westlichen Welt völlig illusorisch, und doch sammelten sich die besten Techniker ihrer Zeit und machten das schier Unmögliche wahr. Und der erste Mensch, der auf dem Mond landete, war ein Amerikaner (Neil Amstrong), und es war noch im laufenden Jahrzehnt (1969). Christopher Kolumbus wollte den Seeweg nach Indien finden, Mahatma Gandhi die britischen Kolonialisten auf friedliche Art und Weise vertreiben. Ludwig Erhard wollte Wohlstand für alle, Martin Luther King seinen Traum (I have a Dream) verwirklichen. Und ganz profan galt für Walt Disney „Make People happy“. Visionen können nur Top-down funktionieren. Daher hat das Management die Pflicht, seinen Mitarbeitenden diesen Purpose vorzugeben und vor allem vorzuleben. Ansonsten herrscht Orientierungslosigkeit vor (Antoine St. Exupéry: „Für einen Segler, der seinen Zielhafen nicht kennt, ist jeder Wind der falsche.“). Aber der Purpose bedarf der Erdung in Form einer Business Mission (auch Geschäftszweck). Diese unterscheidet sich vom Purpose dadurch, dass sie die konkrete betriebswirtschaftliche Aufgabe beschreibt, die aus der Umsetzung der Vision abfolgt (= Unternehmenszweck). Eine Vision allein reicht nicht aus, es muss zu ihrer Implementierung kommen. Von der Definition eines gemeinsamen Mission Statement geht insofern eine ungeheure Sogwirkung für den Unternehmenserfolg aus. Sie führt zu einer Bündelung der Kräfte und setzt Energien frei, die in der Lage sind, selbst wirtschaftlich an sich überlegene Wettbewerber zu übertreffen. Zwar geht es allen Unternehmern darum, mit ihrer Idee Vermögen zu schaffen, doch Geld kann, auch in einem marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem, nicht Selbstzweck sein, sondern immer nur Mittel zum Zweck. Insofern sind auch kapitalistische Auswüchse, wie sie immer wieder etwa im Bankengeschäft zu beobachten sind, nicht durch Marktwirtschaft gedeckt, sondern entstammen mangelhafter Sozialisierung und fehlender politischer Konsequenz.

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Die Mission des Kaugummi-Herstellers Wrigley lautet: „’s Wrigley is where ever Money changes Hands.“ Hierbei geht es um eine ubiquitäre Distribution als Verfügbarkeit an allen Orten, an denen (Spontan-)Kaufakte stattfinden. Und in der Tat, Wrigley’s hat dies erreicht. Häufig sind Missionen auch kompetitiv formuliert. So bei General Elec­ tric (Number One or Two in every Industry we serve), Philip Morris (Knock off R. J.  Reynolds), Nike (Crush Adidas), McDonald’s (Be the World’s best quickservice Restaurant) oder Stanford University (Become the Harvard of the West). BMW definiert sich als führender Anbieter von Premium-Produkten und Premium-Dienstleistungen für individuelle Mobilität. P & G will den Alltag der Verbraucher verbessern. Henkel ist führend mit Marken und Technologien, die das Leben der Menschen leichter, besser und schöner machen. Die Business Mission sieht in der Praxis vielgestaltig aus. Dazu einige Beispiele. So richtete Henry Ford die gesamte Automobilproduktion so aus, dass sie auf äußerste Kostengünstigkeit getrimmt war. Dies bedeutete u. a. die Konstruktion eines einfachen Fahrzeugs (T-Modell), die Montage durch die in den Chicagoer Schlachthöfen abgeschaute Fließbandfertigung und die Reduktion der Ausstattungs- und Modellvarianten (z. B. lieferbar nur in schwarz). Durch Weitergabe der Kostenersparnisse im Preis konnte zum ersten Mal der Massenmarkt für ein Automobil geöffnet werden. Die daraus resultierenden Erlöse spülten den materiellen Erfolg in das Unternehmen und legten die Basis für einen der größten Automobilhersteller. Ferdinand Porsche überlegte, wie er potenzielle Käufer bei der Finanzierung ihres Autos unterstützen könnte. Er erfand ein Teilzahlungssystem für sein Modell Volkswagen Käfer, wodurch breite Schichten der Arbeiterbevölkerung sich ein Auto anschaffen konnten, das sie in Raten „abstottern“ konnten. Der Volkswagen Käfer erhielt auf diese Weise den Anschub zum zeitweise weltweit meistgebauten Pkw. Friedrich Krupp ließ in unmittelbarer Umgebung seiner Stahlwerke Arbeitersiedlungen errichten, die eine für damalige Verhältnisse komfortable Wohnsituation boten. Die Ausstattung war umfangreich und die Miete subventioniert. Damit verbesserte er auch die Motivation seiner Arbeiter, konnte unter den leistungsfähigsten Bewerbern auswählen und erhöhte deren Personalbindung. Heinz Nixdorf wollte jeden Arbeitsplatz mit zugehöriger Computerintelligenz ausstatten, als es noch ausschließlich gigantische Mainframes in einigen wenigen Unternehmen gab. Er machte sich daran, vernetzte Workstations zu entwickeln, die für ihre Arbeitsplatzaufgaben ausreichend ausgestattet waren und bei übergreifenden Aufgaben auf den zentralen Mainframe oder die Intelligenz anderer Workstations zugreifen konnten. Heute sind PCs nicht nur in der Wirtschaft selbstverständlich und Mainframes ausgestorben.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Wie sehr eine Mission aber auch einschränkend wirken kann, zeigt historisch der Fall Xerox. Anfang der 1970er Jahre war deren Unternehmenszweck auf Fotokopierer, bestenfalls auf Kopierlösungen, festgelegt. Quasi als Abfallprodukt hatten die Techniker 1974 jedoch den ersten modernen Personal Computer (Alto) entwickelt, der im Grunde bereits alle Funktionalitäten aufwies wie sie PCs heute noch zueigen sind (Monitor, Tastatur, Zentraleinheit, Arbeitsspeicher, internes Laufwerk etc.). Zwar gab es schon Mikrocomputer ohne Monitor (1965: Modul 820 von Nixdorf, mit elektrischer Schreibmaschine als Drucker, 1968: Nova von Data General), aber kein PC-System. Durch die Festlegung des Unternehmenszwecks auf Fotokopierer, und wohl auch durch eine drastische Fehleinschätzung des Marktpotenzials, sah das Management jedoch keinerlei Möglichkeiten zur gewinnbringenden Umsetzung dieser Entwicklung im eigenen Hause. Daher wurden Vertreter einiger Computerunternehmen, die damals ausschließlich im professionellen Mainframe-Bereich tätig waren, eingeladen, um ihnen die Entwicklung vorzustellen. Doch auch diese sahen darin keine Verwendungsmöglichkeiten. Als die Alternativen zur Verwertung der Produktidee langsam ausgingen, lud man schließlich Steve Jobs, einen jungen Computerentwickler, ein und stellte ihm die Idee vor. Auch Jobs winkte dankend ab, hatte aber bei dieser Präsentation augenblicklich das gigantische Potenzial der Idee erkannt und entwickelte diese mit seinem Partner, Steven Wozniak, zum ersten Apple Computer weiter, der bereits alle komforttypischen Merkmale von PCs hatte (z. B. Plug & Play, Maus-Cursor). IBM, Intel und Bill Gates, der Microsoft-Gründer, übernahmen wiederum nach und nach diese Ausstattungsmerkmale von Apple und entwickelten sie ab 1981 zum Wintel-Systemstandard weiter. Rank Xerox vermarktete seine Idee nur erfolglos über Lizenznehmer als Altair 8080-PC-Bausatz. Die weitere Entwicklung war rasant: 1982 kam der Commodore 64 als Home Computer auf den Breitenmarkt, 1984 der Apple Macintosh mit grafischer Benutzeroberfläche und 1985 der Atari ST Homecomputer speziell für Spiele. 1991 wurde Windows 3.0 als grafische Benutzeroberfläche von Microsoft eingeführt, 1992 kam der erste moderne Laptop auf den Markt (Toshiba T 6400) und 1998 der Apple ­i-Mac (One Box Computer). Alle diese Entwicklungen aber gingen wirtschaftlich an Rank Xerox vorbei. Tabelle 1 Oberziele des Unternehmens (Formular)

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2.2.2 Unternehmenskultur 2.2.2.1 Bedeutung Die Unternehmenskultur drückt gemeinsame organisationale Werte- und Normenvorstellungen und geteilte individuelle Denk- und Überzeugungsmuster aus, die das Unternehmen und seine Prozesse leiten (nach G. Schreyögg). Dies dient vornehmlich zur Erklärung von Markterfolgsunterschieden zwischen Unternehmen, die nicht durch objektive Tatbestände (Hard Factors) erklärt werden können, aber zweifelsfrei vorhanden sind. Die Unternehmenskultur ist ein Vorstellungsmuster und das Ergebnis von Interaktionen, die eine gemeinsame Orientierung bieten. Je turbulenter die Umwelt und je weniger prognostizierbar ihre Entwicklung, desto notwendiger ist eine gezielte Gestaltung der Unternehmenskultur. Pluralismus, Differenzen und Widersprüche in den Werthaltungen bei Führungskräften erschweren jedoch die einheitliche Willensbildung und Führung. Werthaltungen sind zudem im Fluss und erfahren einen beschleunigten Wandel. Unternehmenskultur ist durch die Geschichte des Unternehmens und seiner Umwelt geprägt. Dabei sind es vielfach herausragende Persönlichkeiten, die Wahrnehmungs- und Handlungsmuster der Unternehmensangehörigen grundlegend beeinflussen. Diese Personen waren sich oft nicht bewusst, dass ihr Handeln einmal zur handlungsbegleitenden Norm erhoben wird. Deren Ausprägungen sind somit als das Ergebnis des Zusammenspiels der Handlungen Vieler anzusehen. Auch wenn Einzelne prägend gewirkt haben, konnten ihre Werthaltungen doch nur deshalb zum Kern der Unternehmenskultur werden, weil die Gemeinschaft der Unternehmensangehörigen sie als wertvoll akzeptiert hat. Kultur ist individuell und in ihrer Komplexität so einzigartig wie Personen und Handlungskontexte, in denen Unternehmen tätig sind. Jedes Unternehmen hat also eine eigenständige, typische charakteristische Kultur, die erlernbar ist. Die Mitarbeitenden übernehmen im Laufe der Zeit ihrer Unternehmensangehörigkeit mehr oder weniger die in der Unternehmenskultur zusammengefassten Werte oder scheiden aus. Dabei liegen Muster des Vorbildlernens zugrunde, sowie unterbewusst ablaufende Lernprozesse über längere Zeiträume. Die Regelungen sind häufig impliziter Natur. Die im Unternehmen gültigen Werte werden trotz des zunehmenden Verbreitungsgrads von Unternehmensgrundsätzen, Leitbildern etc. mehrheitlich informell und inoffiziell vermittelt. Oft sind es scheinbare Nebensächlichkeiten, in denen sich Kultur manifestiert. Sie zeigt und materialisiert sich in vielfältigen Ausdrucksformen, auf sprachlicher Basis oder durch Verfahrensregeln zum gegenseitigen Umgang. Meist wird dabei von einer Pyramiden- oder Eisbergform (E. Schein) in drei Ebenen wie folgt ausgegangen (siehe Abbildung 4: Unternehmenskulturpyramide). Der Teil von Basisannahmen, Werten und Weltbild ist gänzlich unsichtbar, hierbei handelt es sich um grundlegende Annahmen über die Beziehungen zur Umwelt,

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Abbildung 4: Unternehmenskulturpyramide (eig. Darst.)

das Wesen der Realität, die Vorstellungen von Zeit und Raum, die menschliche Natur oder soziale Handlungen und Beziehungen. Diese sehr hoch aggregierte Ebene zeigt sich ganz pragmatisch in Dimensionen wie der Aufnahme Außenstehender, dem Zusammenleben in der Organisation, dem Zeigen von Emotionen, Traditionen etc. Dazu gehören aber auch Anzahl, Art, Umfang und Ausgestaltung der Führungssysteme sowie die Redundanz dieser Systeme („Heilige Kühe“, Werkstolz). Der Teil der Normen und Standards (auch Ideologien) bleibt zumindest halb verborgen, er ist zwar nur teilweise bewusst, aber zumindest anhand der Realität überprüfbar und intersubjektiv nachvollziehbar. Normen sind Regeln und Verhaltensvorschriften, die angeben, welche Aktivitäten und Interaktionen erwünscht sind, meist in Form nicht kodifizierter, impliziter Vorschriften und Spielregeln, die womöglich erst später kodifiziert werden. Standards dienen zur Entwicklung und Weitergabe von Mindestinhalten von Kulturen. Sie werden als für die Mitglieder einer Organisation verpflichtend angesehen, auch ohne offiziell sanktioniert zu sein. Solche Sanktionen folgen dann aber informell. Nur der Teil von Verhalten, Ausstattung und Kommunikation der Organisation ist tatsächlich sichtbar, er drückt sich durch Artefakte (= menschliche Schöpfungen) aus wie Technologie, Kunst sowie sicht- und hörbare Verhaltensmuster. Die verborgen bleibenden Anteile der Kultur müssen als Soft Factors dazu anhand hypothetischer Konstrukte dokumentiert werden. Dies können vor allem Symbole, Helden und Rituale sein: • Symbole sind Objekte mit bestimmter Bedeutung, die nur von denjenigen als solche erkannt werden, die der gleichen Kultur angehören (z. B. Worte, Gesten, Habitus, Haartracht, Status). Eine besondere Rolle spielen Sprachsystem und Jargon. Häufig anzutreffende Prinzipien sind die der „offenen Tür“ oder des „runden Tisches“. Dazu gehören aber auch der Zustand und die Ausstattung der Gebäude, das Firmenlogo, die Anordnung, Gestaltung und Lage von Büros, die Art der Firmenwagen und die Parkplatzordnung, aber auch Kleidungsnormen (Fashion Code).

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• Helden sind Personen, tot oder lebendig, echt oder fiktiv, die Eigenschaften besitzen, die in einer Kultur hoch angesehen werden. Um sie ranken sich Geschichten, Legenden, Witze. Sie dienen als Verhaltensvorbilder, häufig auch im äußeren Erscheinungsbild. Zu denken ist etwa an die Auszeichnung des Mitarbeiters des Monats. Es handelt sich also nicht unbedingt um Top Manager, sondern vielmehr um Personen aus der Mitte der Organisation, die deren Werte aber in besonderer Weise verkörpern oder sogar bewiesen haben. • Rituale sind kollektive Tätigkeiten, die für die Zielerreichung objektiv überflüssig sind, innerhalb der Kultur aber um ihrer selbst willen als sozial motivierend gelten. Häufig bilden z. B. Mittagessen als Leistungsauszeichnung oder Town Hall Meetings zur Kommunikationspflege in diesem Sinne Zeremonien. Dazu gehören auch die Beförderungspraxis, die Nachwuchs- und Kaderselektion („Goldfischteich“), das Verhalten von Bezugspersonen mit Vorbildfunktion, aber auch die Art des Besucherempfangs, die Begrüßung von Gästen, der Umgang mit Beschwerden als Ausdruck der Wertschätzung. Die weichen Faktoren (Soft Factors) wurden praktisch durch die Peters / Water­ man-Studie „In Search of Excellence“ thematisiert. Dort werden sieben Erfolgsfaktoren der Unternehmensführung (7 Ss) zugrunde gelegt (in Anlehnung an Athos), davon drei harte Faktoren (Structure, Strategy, System), drei weiche Faktoren (Style, Skills, Staff) und ein übergreifender Faktor (Shared Values) (s. u.). Eine starke Unternehmenskultur bedingt einen geringen formalen Regelungsbedarf, gibt konkrete Orientierungshilfe zur Entscheidung und schafft eine schnelle Umsetzung in der Organisation. Sie bietet Sicherheit, Vertrauen, Identifikation und Motivation durch ein ausgeprägtes „Wir“-Gefühl, bewirkt Komplexitätsreduktion und vereinfacht Abstimmungsprozesse. Sie erübrigt Grundsatzdiskussionen, benötigt nur geringe Administrationskapazitäten und bindet die Mitarbeitenden eng an das Unternehmen. Eine starke Unternehmenskultur verhindert allerdings auch ein kritisches Hinterfragen des Wertesystems, blockiert damit Impulse durch Neuerungen und fixiert stattdessen betriebsblind auf traditionelle Erfolgsmotive. Sie unterdrückt tendenziell kritische Argumentationen, schafft mangelnde Anpassungsflexibilität in einem geschlossenen System und führt damit zur Realitätsverzerrung. Insofern ist weder eine schwache Kultur wünschenswert, da positive Effekte unterbleiben, noch eine zu ausgeprägte Kultur, da praktisch kein Wandel mehr möglich ist. 2.2.2.2 Kultureller Wandel Hinsichtlich der Möglichkeit und der Sinnhaftigkeit der Beeinflussung von Unternehmenskultur sind drei Ansichten verbreitet: • Eine Ansicht ist, dass sie vom Management nicht gestaltet werden kann. Denn es ist zwar leicht, äußerliche Veränderungen im Verhalten der Unternehmens-

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mitglieder zu erreichen, jedoch ist es sehr schwer bis unmöglich, tiefergreifende Veränderungen ihrer Einstellungen zu bewirken. • Eine zweite Ansicht ist, dass Unternehmenskultur vom Management zwar gestaltbar ist, derartige Eingriffe aber unterlassen werden sollen, weil sie unethisch und dysfunktional wirken (Social Engineering). Dies bedeutet eine Instrumentalisierung der Mitarbeitenden, außerdem ist unklar, welche Eingriffe letztlich welche Wirkungen zeitigen. • Eine dritte Ansicht ist, dass Unternehmenskultur sehr wohl gestaltet werden kann und soll, pragmatisch wird dabei Kultur als Mittel zur Verbesserung der Unternehmenssituation angesehen. Dabei handelt es sich um einen geplanten Wandel in kleinen, evolutionären Schritten (Kaizen) oder aber in einem großen, revolutionären Schritt (Business Process Reengineering / BPR). Sozialverträglicher ist ersteres, allerdings gebietet Zeitdruck leider häufig letzteres. Die planmäßige Gestaltung des Veränderungsprozesses in der Kultur erfordert ein Management des organisatorischen Wandels (Change Management). Das Handling setzt den Abbau von Angst und Verunsicherung voraus, das Aufbrechen alter Seilschaften, die Anregung neuer Orientierungsmuster, deren Vorleben in Führungsverhalten, denn schriftliche Anweisungen allein sind dazu untauglich, sowie die Veränderung durch Interaktion und Überzeugung der Mitarbeitenden. Ein solcher geplanter Wandel zielt auf die mittel- bis langfristig wirksame Veränderung der Verhaltensmuster, Einstellungen und Fähigkeiten von Organisationsmitgliedern, Organisations- und Kommunikationsstrukturen sowie der strukturellen Regelungen ab, um die Problemlösungs- und Erneuerungsprozesse einer Organisation zu verbessern. Ein Kulturwandel vollzieht sich meist in folgendem Ablauf: • Die herkömmlichen Interpretations- und Handlungsmuster der Kultur führen in die Krise. Es tritt Verunsicherung ein. Überkommene Symbole und Riten verlieren an Glaubwürdigkeit, werden kritisiert. „Schattenkulturen“ treten hervor, oder eine neue Führungsmannschaft versucht, neue Orientierungsmuster aufzubauen. Alte und neue Kulturen kommen in Konflikt zueinander. Wenn es den neuen Orientierungen gelingt, die Krise zu meistern, werden sie akzeptiert. Die neue Kultur entfaltet sich ihrerseits mit neuen Symbolen, Riten etc. Dabei sind vielfältige Widerstände des Individuums zu überwinden. Zu den wichtigsten gehören • die Gewohnheit (das Bekannte wird bevorzugt), das Übergewicht der Primärerfahrung (wie man beim ersten Mal eine Sache erfolgreich bewältigt hat), selektive Wahrnehmungen (Vorurteile, Stereotypen), Abhängigkeiten (Wertvorstellungen, Einstellungen, Über-Ich), Selbstzweifel (wer den Status quo akzeptiert, ist gut, wer ihn verändert, ist ein Rebell und böse), Unsicherheiten und Regression (Sicherheit wird im Bewährten und Erprobten gesucht).

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Hinzu kommen Widerstände auf der Organisationsebene. So vor allem • Konformität mit Normen, Interdependenz von Subsystemen (Änderungen erfassen meist die gesamte Organisation und nicht nur einzelne Einheiten), Abbau von Privilegien, Tabus und Eingebungen Externer (Berater). Um diese Widerstände zu überwinden, ist als erstes ein Auftauen (Unfreezing) verfestigter Strukturen, die aus einem quasi-stationären Gleichgewicht gebracht werden, erforderlich. Dazu ist zunächst eine Erhebung zu Einstellungen und Wertestrukturen der Organisationsmitglieder notwendig. Dies betrifft Entscheidungsfindungsprozesse, Entscheidungskompetenzen, Art und Umfang der Entscheidungsvorbereitung etc. Durch die Präsentation dieser Fakten werden Betroffene zu Beteiligten gemacht. Dann erfolgt die gemeinsame Diagnose, Interpretation und Bewertung der Fakten. Danach wird rasch ein neuer Gleichgewichtszustand angestrebt. In dieser Phase des Veränderns (Change / Moving) ist es wichtig, dass die fördernde Wirkung genutzt wird, die von den Erwartungen der Betroffenen für den Veränderungsprozess ausgeht. Dazu ist eine klare Zieldefinition erforderlich, meist in Form eines Leitbilds. Daraus folgt der Entwurf des neuen Systems in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden. Darüber wird ein Konsens hergestellt. Dieser muss sowohl Ziele als auch Mittel umfassen. Dabei hat sich die Einschaltung eines externen Moderators (Change Agent) bewährt. Dann kommt es zur schrittweisen Implementierung in die Organisation. Eine Zwischenkontrolle beurteilt die Effektivität der eingeleiteten Veränderungen. Die dritte Phase des Stabilisierens (Refreezing) des neuen Gleichgewichts muss unterstützt werden, indem die Bewertung der neuen Situation positiv und routinisiert gehalten wird. Ein festes Einhalten der neuen Systemregeln führt zur Konsolidierung und Verfestigung der neuen Organisationsform und Verhaltensmuster. Dies muss aktiv gestaltet werden, dazu ist eine unvermeidliche und notwendige Eingewöhnungszeit in neue Rollen und Rollenverständnisse erforderlich. 2.2.2.3 Unternehmensleitsätze Normen und Standards drücken sich vor allem in Unternehmensleitsätzen aus. Diese regeln die zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden als wesentlichen Bestandteil für den Unternehmenserfolg. Sie berücksichtigen die Bedürfnisse des Unternehmens und der Mitarbeitenden und werden in Kernsätzen auf die wesentlichen Zielsetzungen und Auslegungen zusammengefasst. Die Ausarbeitung soll als ein in sich geschlossenes logisches System mit widerspruchsfreien Aussagen und Begriffen erfolgen. Formulierungen sollen wirklichkeitsnah und praktikabel sein. Solche Leitsätze informieren und unterrichten Vorgesetzte und Mitarbeitende über die Grundprinzipien der Führung. Sie schaffen klare, einheitliche Grundlagen

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für das Führungsverhalten auf allen betrieblichen Ebenen. Sie helfen Führungskräften, einen zeitgemäßen Führungsstil zu praktizieren und ihr Führungsverhalten zu verbessern. Somit können Führungsunsicherheiten behoben werden. Der Führungsprozess wird somit für Vorgesetzte und Mitarbeitende durchschaubar und ist nicht mehr willkürlich gestaltbar. Die Leitsätze müssen von den Führungskräften selbst erarbeitet werden. Sie sollen eine leitbildhafte Grundlage bilden. Zu einzelnen Elementen der Führungsgrundsätze sollen unterstützende „Subsysteme“ entwickelt werden. Die Unternehmensleitung muss hinter den Führungsgrundsätzen stehen, diese müssen verbindlich sein, sowohl für das oberste Management wie für Mitarbeitende auf allen Ebenen. Und sie müssen für alle Betroffenen überzeugend eingeführt werden, so dass alle sie verstehen und umsetzen können. Die Leitsätze enthalten i. d. R. folgende Inhalte: • Stellung des Unternehmens in der Gesellschaft: Positionen zum Staat, zum Wirtschaftssystem, zur Wettbewerbsordnung, zur Mitbestimmung, • Einstellung gegenüber Mitarbeitenden: Führungsstil, interne Kommunikation, wünschenswerte Humanisierung der Arbeit, zulässiger Grad der Arbeitsteilung, Motivation, Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeitszeit, Förderung der Aus- und Weiterbildung, Förderung der persönlichen Bindungen, Förderung der Identifizierung mit dem Unternehmen, • Verhalten gegenüber Kunden: Arten der Kommunikation, der Vertragsgestaltung, der Preispolitik, • Verhalten gegenüber Lieferanten: Art der Kommunikation, Einfluss auf die Organisation, Inhalte der Vertragsgestaltung, • Umweltgrundsätze: Maßnahmen, die über die gesetzlichen Normen hinausgehen, gesellschaftsfreundliche, verantwortungsbewusste Unternehmensführung, • Einstellung gegenüber der Konkurrenz: Je nach Stil friedlich, kooperativ, aggressiv oder konfliktär, • Entscheidungsgrundsätze: Führungspolitische Leitlinien, Wachstumsgrundsätze, bereichsbezogene Grundsätze, Konfliktlösungsgrundsätze. Kultur drückt sich idealerweise aber vor allem in den Produkten aus. Zu denken ist etwa an Apple oder IWC. Bei Autos ist der BMW Mini ein Erfolgsbeispiel. Mini ist nach Vorstellung von BMW wie folgt: – selbstbewusst, kontaktfreudig und blickt optimistisch in die Zukunft, – Spaß und Humor, wirkt aktiv, lebendig und voller Lebenslust, – jung, spontan, unkonventionell und manchmal auch ein bisschen frech, – schön, faszinierend und erfrischend anders, – einnehmend, verführerisch und begehrenswert,

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– modern, setzt Trends und ist seiner Zeit voraus, – verantwortungsbewusst, verlässlich und kümmert sich um Menschen und ihre Bedürfnisse, – weltoffen, tolerant und stellt sich auf unterschiedliche Menschen und Situationen ein, – klassenlos, populär und überall akzeptiert. Ein Misserfolgsbeispiel ist das Unternehmen Nixdorf. Die prosperierenden Nixdorf-Werke wurden in dem Moment von IBM mit deren PC-Idee (XT) überholt, als Heinz Nixdorf überraschend verstarb und sind keiner fand, seine Mission kraftvoll voran zu treiben. Die Nixdorf-Werke wurden bald von Siemens übernommen (Siemens-Nixdorf), zu Sinix verschmolzen und gingen schließlich in Siemens auf, das die Werke in ein Joint Venture mit Fujitsu einbrachte. Die Nixdorf-Kultur ist hingegen Geschichte. Als Beispiele für Unternehmensleitsätze seien die Nachfolgenden angeführt. BMW: – Unsere Kunden entscheiden über den Erfolg unseres Unternehmens. Bei all unserem Handeln steht der Kunde im Zentrum, und die Ergebnisse unseres Handelns müssen unter dem Blickwinkel des Kundennutzens bewertet werden. – Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin in der BMW Group trägt persönliche Verantwortung für den Erfolg des Unternehmens. Dies gilt auch im Team, wo jeder einzelne zu seiner Verantwortung stehen muss. – Um dauerhaft erfolgreich zu sein, müssen wir uns schnell und flexibel an neue Anforderungen anpassen. Veränderung verstehen wir daher als Chance und Veränderungsfähigkeit als Voraussetzung, diese Chance zu nutzen. – Im Wettstreit um die beste Lösung hat jeder die Pflicht, einen Dissens offen zu legen. Die gefundenen Lösungen werden von allen Beteiligten konsequent umgesetzt. – Wir begegnen einander mit Respekt. Führung basiert auf gegenseitigem Vertrauen. Vertrauen basiert auf Berechenbarkeit und Fairness. – Unternehmen werden von Menschen gemacht. Die Mitarbeitenden sind unser stärkster Erfolgsfaktor. Deshalb gehören Personalentscheidungen zu den wichtigsten Entscheidungen. – Jede Führungskraft hat eine Vorbildfunktion. – Nachhaltigkeit bedeutet für uns einen dauerhaften positiven Beitrag zum ökonomischen Erfolg des Unternehmens. Dies ist die Basis für die Wahrnehmung der ökologischen und sozialen Verantwortung. – Die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung gehört für uns untrennbar zu unserem unternehmerischen Selbstverständnis.

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Henkel: Wir sind kundenorientiert. Wir entwickeln führende Marken und Technologien. Wir stehen für exzellente Qualität. Wir legen unseren Fokus auf Innovationen. Wir verstehen Veränderungen als Chance. Wir sind erfolgreich durch unsere Mitarbeitenden. Wir orientieren uns am Shareholder Value. Wir wirtschaften nachhaltig und gesellschaftlich verantwortlich. Wir verfolgen eine aktive und offene Informationspolitik. Wir wahren die Tradition einer offenen Familiengesellschaft. BASF Wir sind „The Chemical Company“ und arbeiten erfolgreich auf allen wichtigen Märkten. Wir sind der bevorzugte Partner der Kunden. Wir sind mit unseren innovativen Produkten, intelligenten Problemlösungen und Dienstleistungen weltweit der leistungsfähigste Anbieter in der Chemischen Industrie. Wir erwirtschaften eine hohe Rendite auf das eingesetzte Kapital. Wir treten für nachhaltige Entwicklung ein. Wir nutzen den Wandel als Chance. Alle BASF-Mitarbeitenden schaffen gemeinsam den Erfolg. The Body Shop The Body Shop setzt sich aktiv für ein Verbot von Tierversuchen in der Kosmetikindustrie ein. Als eines der ersten Unternehmen hat The Body Shop das internationale Human Cosmetic Standard-Logo erhalten. Mit seinem „Hilfe durch Handel“-Programm baut The Body Shop langfristige Handelsbeziehungen zu Partnern in allen Teilen der Welt auf und bezahlt den Produzenten faire Preise für hervorragende natürliche Inhaltsstoffe und Accessoires. Jeder Mensch ist schön – jeder auf seine eigene Weise. The Body Shop glaubt, dass Make-up, Düfte und Feuchtigkeitscremes zwar die Persönlichkeit und Individualität von Menschen unterstreichen, sie aber nicht einem festgelegten Schönheitsideal entsprechen sollten.

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Mit Kampagnen für die Rechte von Menschen will The Body Shop das öffent­ liche Bewusstsein aufrütteln und Betroffenen helfen. The Body Shop ist überzeugt, dass Unternehmen die Macht haben, Veränderungen in Gang zu bringen. The Body Shop nimmt Umweltschutz sehr ernst. Deshalb enthalten die Ver­ packungen kein PVC und ein Großteil der Flaschen basiert auf einem hohen Anteil an recyceltem Kunststoff. Außerdem haben die Unternehmenszentrale sowie viele Filialen auf erneuerbare Energien umgestellt. Mövenpick Wir laden unsere Gäste ein, mit Eisgekühltem, Duftendem und Verführerischem aus Küche und Kellerei ein kleines erschwingliches Stück Luxus im Alltag zu genießen. Dabei verbinden wir Bewährtes harmonisch mit Neuem zu einem außergewöhnlichen Genusserlebnis – zuhause, unterwegs oder in den Ferien. Wir verwöhnen unsere Gäste mit jeder Geste, jedem Detail, jeder unerwarteten Aufmerksamkeit. Unsere Produkte und die dafür verwendeten Rohwaren müssen höchsten Qualitätsansprüchen genügen. Uneingeschränkt verwöhnen zu dürfen, ist die Leidenschaft unserer freundlichen und aufmerksamen Mitarbeitenden – jeden Tag aufs Neue. Wir pflegen die Kultur einer ehrlichen und authentischen Gastfreundschaft. Dabei paaren wir Schweizer Qualität und Beständigkeit mit einem internationalen, weltoffenen Flair, pflegen Bekanntes und lassen Unbekanntes entdecken. Unser Ziel ist der echte Geschmack und die täglich gelebte Rolle des glaubwürdigen Gastgebers. 2.2.3 Kernkompetenz Der wirtschaftliche Erfolg baut nach aktueller Sicht auf einer Kernkompetenz der Organisation aus. Sie ergibt sich als eine Kombination mehrerer materieller und immaterieller Ressourcen, durch die sich ein Unternehmen langfristig vom Wettbewerb absetzt und durch deren Transfer auf eine Vielzahl von Prozessen, Produkten und Märkten den heutigen und zukünftigen Kunden ein erheblicher Nutzenvorteil angeboten werden kann. Charakteristisch für die Kernkompetenzorientierung ist ihre Inside out-Perspektive, welche die Outside in-Perspektive der traditionellen Marktorientierung ergänzt. Der marktorientierte Ansatz (M. E. Porter) ging seinerzeit davon aus, dass Unternehmen durch den Aufbau von Geschäftsbereichen Branchenmärkte und Strategische Gruppen auswählen, in denen sie aktiv werden wollen. Die Struktur dieser Märkte und Gruppen definiert damit die Möglichkeit ihrer Erfolgserzielung. Unternehmen nutzen diese Möglichkeiten durch die Wahl einer geeigneten Wettbewerbsstrategie und den Aufbau der dazu nötigen Ressourcen. Langfristige Erfolgsunterschiede zwischen ansonsten gleichartigen Unternehmen erklären sich

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demnach aufgrund der Attraktivität der jeweils gewählten Branchenmärkte (Industries) und Strategischen Gruppen (SGr) sowie der eingeschlagenen Wettbewerbsstrategie. Strategische Marktpositionen in bisher bearbeiteten Märkten führen zu strategischen Angebotsvorteilen bei der Bearbeitung dieser Märkte, und diese wiederum führen zu Wettbewerbsvorteilen. Nach dem neueren, ressourcenorientierten Ansatz (E. Penrose bzw. G. Hamel / ​ C. K. Prahalad) gelangen Unternehmen aufgrund ihrer Entwicklung, durch glückliche Umstände (Fit) oder möglichst auch durch gezieltes Vorgehen zu einzigartigen, nicht mit der Konkurrenz geteilten Ressourcen. Die Nutzung dieser Ressourcen zur Gestaltung bedürfnisgerechter Angebote führt zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. Daraus erklären sich langfristige Erfolgsunterschiede zwischen Unternehmen. Kernkompetenzen führen durch die neuartige Nutzung der Schlüsselressourcen zu neuen Angeboten, diese führen ihrerseits wiederum zu überlegenen Marktpositionen. Bei diesen entscheidenden Ressourcen handelt es sich vor allem um folgende: • materielle Ressourcen in Form von Betriebsmitteln wie Produktionsanlagen, Logistikeinrichtungen, Standorte, Grundstücke, Gebäude, IT, Kommunikationsnetze, • finanzielle Ressourcen als liquide Mittel, Kreditlimits, Eigenkapitalkraft, • organisatorische Strukturen, Systeme und Prozesse zur Planung und Kontrolle, Personalführungs-, Organisationsstruktur, Leistungserstellung, • Informationen und Rechte in Form von Daten, Dokumentationen, dokumentiertem Wissen, Markenrechten, Gewerblichen Schutzrechten, Lizenzen, Verträgen, • externe immaterielle Werte wie Image, Bekanntheitsgrad von Produktmarken, Firmenmarke, Qualität und Unternehmensgröße, Reputation bei Kreditgebern, potenziellen Arbeitnehmern und anderen relevanten Gruppen, • Humanressourcen wie Wissen, Können, Fähigkeiten, Leistungsmotivation der Führungskader und der ausführenden Mitarbeitenden, • Merkmale der Unternehmenskultur als Grundeinstellungen und gelebte Werte des gesamten Unternehmens oder spezifischer organisatorischer Einheiten, • Fähigkeiten des Unternehmens als Ganzes in Bezug auf Qualität, Beschaffung, Vermarktung, Kosteneffizienz, Auslandsmarktbearbeitung etc., • Metakompetenzen wie Innovationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Umsetzungsfähigkeit, Flexibilität. Solche Kernkompetenzen entstehen durch ein komplexes und dynamisches Interaktionsmuster aus Routinen, Ressourcen und Fähigkeiten. Fähigkeiten sind in diesem Zusammenhang immaterielle, d. h. stofflich nicht fassbare, personengebundene Faktoren (Wissensbasis). Ressourcen sind ihrerseits materielle, personenunabhängige Routinen. Nicht-kodifiziertes Wissen ist dabei nicht dokumentiert und damit extern auch nicht zugänglich, kodifiziertes Wissen ist in Form von Anweisungen dokumentiert und damit auch extern grundsätzlich zugänglich.

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Kernkompetenzen können auch kombiniert auftreten. Ein Beispiel ist Canon, das Feinoptik, Feinmechanik, Mikroelektronik und Lasertechnik als seine Kernkompetenzen kombiniert und diese in problemlösenden Produkten wie Fotokopierern, Digitalkameras, Laserdruckern etc. anwendet. Kernkompetenzen (Core Competencies) werden durch zahlreiche Kriterien zu umschreiben gesucht, allgemein können daraus die vier Kriterien Value, Rareness, Imperfect Imitability und Organizational Specificity (VRIO) abgeleitet werden (J. B. Barney): • Value besagt, dass im Ergebnis der Kernkompetenz die Fähigkeit zur Befriedigung eines am Markt relevanten, nachhaltigen Bedarfs steht. Eine Ressource muss die Endleistung, die am Absatzmarkt angeboten wird, für Kunden einzigartig und damit werthaltig machen. Kernkompetenzen müssen strategischen Wert haben, indem sie die Wettbewerbsposition und Effizienz des Unternehmens nachhaltig verbessern. Sie schaffen für Kunden einen einzigartigen Vorteil, werden für die Bedienung der Märkte wichtig oder bereits derzeit auf neuen Märkten genutzt. Sie können zudem geschäftsfeldübergreifend eingesetzt werden und verfügen über ein hohes Potenzial zur Weiterentwicklung. Insofern kommt ihnen eine hohe Relevanz zu. • Rareness besagt, dass diese Problemlösung nicht anderweitig erreicht werden kann. Eine Substitutionsgefahr kann dabei aus zwei Quellen resultieren. Konkurrenten können alternative Wege zur Realisierung der Wettbewerbsposition einschlagen, oder der technologische Fortschritt erodiert die Nicht-Substituierbarkeit. Kernkompetenzen müssen zudem knapp und einzigartig sein, weil sie sonst kaum Differenzierungsvorteile bieten. Dies bedeutet, dass andere Unternehmen sich die betreffenden Fähigkeiten nicht durch Zukauf aneignen können und diese auch nicht bloß auf bilanziellen Aktiva beruhen sowie auf absehbare Zeit die Entwicklung dieser Fähigkeiten bei anderen Anbietern nicht kompetenzrelevant möglich ist (Alleinstellung). Auch dürfen keine anderen Anbieter vorhanden sein, die mit ähnlich gelagerten Fähigkeiten für Kunden einen vergleichbaren Wert schaffen können. • Imperfect Imitability besagt, dass eine nur geringe Möglichkeit zur Imitation der die Kernkompetenz begründenden Fähigkeiten durch andere gegeben ist. Eine solche Nicht-Imitierbarkeit liegt vor, wenn Dritte die Fähigkeiten weder durch Produktanalyse, noch durch Befragung unternehmensinterner oder -externer Wissensträger entschlüsseln können. Der Grad der Nachhaltigkeit hängt seinerseits im Einzelnen ab von: – der unternehmensindividuellen Historie. Die Ressourcenbasis entsteht im Laufe einer historischen Entwicklung, diese ist in sich einzigartig. Gleichzeitig determinieren in der Vergangenheit getroffene Investitionsentscheidungen den Handlungsspielraum des Unternehmens in Gegenwart und Zukunft. Je stärker der Imitationsschutz einer Ressource, desto geringer ist damit jedoch zugleich auch ihre Flexibilität.

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– dem Ausmaß der Interdependenzen zwischen Ressourcen. Eine solche Interdependenz liegt vor, wenn Ressourcen nur bei ihrem konkreten Zusammenwirken einen Wettbewerbsvorteil entstehen lassen. Dabei wirken sowohl „harte“ als auch „weiche“ Faktoren zusammen. Vor allem die „weichen“ Faktoren sind von Konkurrenten nur schwer imitierbar. – der Unklarheit über Kausalzusammenhänge, d. h., wenn Wettbewerbsvorteile auf die kombinierte Nutzung mehrerer Ressourcen zurückzuführen sind und der Anteil jeder Ressource am Erfolg dabei von außen nicht ohne Weiteres einsehbar ist. Sind Ressourcenkombinationen nicht eindeutig identifizierbar, können sie auch nicht nachgeahmt werden. – zeitbasierten Kriterien. So können (kumulierte) Erfahrungsvorteile nicht aus dem Stand heraus / unter Zeitdruck nachgeholt werden. Ein Vorsprung auf der Erfahrungskurve bietet aber die Basis für weitere Erfahrungseffekte. Auch ist der Wert der Ressourcen durch das Vorhandensein von Erfahrungseffekten leichter schützbar. • Organizational Specificity besagt, dass die Ressourcen hochgradig in ein unternehmensspezifisches Umfeld eingebunden sein sollen. Je spezifischer Ressourcen ausgestaltet sind, desto schwieriger (risikoreicher, kostenaufwändiger) ist ihr Transfer in ein anderes Unternehmen. Allerdings führt eine steigende Spezifität auch zur Gefahr der Abhängigkeit von Nachfragern, weil das Unternehmen an Anpassungsflexibilität einbüßt. Spezifität kann aber auch zu Quasi-Monopolstellungen führen. Kernkompetenzen sind nur relevant, wenn die internen Unternehmensstrukturen so angelegt sind, dass diese sich in marktfähigen Produkten konkretisieren. Unternehmenspezifität liegt vor, wenn Konkurrenten im Falle eines Zugriffs auf die Fähigkeiten daraus nicht den gleichen Nutzen ziehen können wie das eigene Unternehmen. Zudem bedarf es genauester Kenntnisse und hohem Management-Know-how, um diese Fähigkeiten effektiv wirken zu lassen. Wichtig ist zu bedenken, dass Inhalt der Kernkompetenz immer nur eine Pro­ blemlösung sein kann, keinesfalls jedoch ein Produkt. Denn Produkte unterliegen Lebenszyklen, und Kernkompetenzen, die an Produktarten festmachen, drohen mit dem Ende des Lebenszyklus der betreffenden Produktart unterzugehen. Doch Unternehmen müssen länger leben können als eine Produktart. Daher ist nur eine funktionale Bestimmung der Kernkompetenz akzeptabel, denn die wirtschaftsrelevanten Funktionen bleiben immer dieselben, lediglich die Produkte, die diese Funktionen erfüllen, wechseln im Lauf der Zeit. So wird es immer den Problemlösungsbedarf für Raumüberbrückung geben, durch welche Produkte diese Funktion aber erfüllt wird, hat sich historisch dauernd verändert und wird sich auch zukünftig weiter ändern (Pferdewagen, Dampflok, Dieselzug, Pkw / Lkw, Elektroauto, Wasserstoffauto etc). In Bezug auf die Definition der Kernkompetenz ist Xerox ein Positivbeispiel. Xerox war bis Mitte der 1980er Jahre als Halter des Xerographie-Patents extrem

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erfolgreich. Mit Auslaufen der Schutzdauer überrollten jedoch japanische Hersteller mit Trockenkopierern überlegener Leistung und niedrigeren Preises den Markt. Es entstand eine existenzbedrohende Krise. Xerox begriff sich fortan nicht mehr als Fotokopierer-Hersteller (Produkt), sondern als Dokumentenmanager (Problemlösung) und ist damit heute sehr erfolgreich. Ein Negativbeispiel ist im Vergleich dazu Brother. Brother war in den 1980er und 1990er Jahren sehr erfolgreich als Hersteller elektrischer Schreibmaschinen (Produkt). Doch die Ära von Schreibmaschinen ist durch computergestützte Textverarbeitung über Drucker endgültig vorbei. Brother hätte seine Kernkompetenz als Hardcopy-Anbieter (Problemlösung) begreifen sollen, dann würde man auch im Tintenstrahl- und Laserdrucker-Zeitalter eine hervorgehobene Rolle spielen. Tabelle 2 Kernkompetenz (Formular)

2.2.4 Geschäftsmodell Ein Geschäftsmodell bildet Strukturen und Prozesse derjenigen Unternehmensaktivitäten ab, die erklären, wie Sach- und Dienstleistungen durch Integration von Aktivitätenbasis, Wertschöpfungsarchitektur und Leistungskapitalisierung entstehen, um durch deren innovative Konfiguration komparative Wettbewerbsvorteile zu erreichen, Kernkompetenzen auszuschöpfen und Wissensvorräte zu nutzen (in Anlehnung an Wirtz). Ein Modell ist allgemein ein vereinfachtes, strukturgleiches oder -ähnliches Abbild eines Ausschnitts der Realität, das die Abschätzung der Effekte unterschiedlicher Geschäftsauslegungen erlaubt. Unter Geschäft wird dabei

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allgemein die betriebswirtschaftliche Tätigkeit von Wirtschaftsbetrieben (i. d. R. gewinnorientiert) verstanden. Das Geschäftsmodell (Business Model) ist für alle erwerbswirtschaftlichen (Business-)Betriebe gültig, also solche, die auf einen optimalen Gewinn (Gewinnmaximierung unter Nebenbedingungen) abzielen. Dies gilt für privatwirtschaftliche Betriebe ebenso wie für staatliche (Non-Business-) oder teilstaatliche (Non Profit-)Betriebe. Non-Business-Betriebe benötigen kein Geschäftsmodell, da Gewinnerzielung für ihre Betriebstätigkeit nicht erforderlich ist. Das Geschäftsmodell gilt auch unabhängig von Größe und Branche der Betriebs­ tätigkeit. Es ist sowohl für Groß- als auch für Mittel- und Kleinbetriebe grundlegend (wobei die Abgrenzung der Größenkriterien ohnehin strittig ist). Die Betriebe unterscheiden sich nur darin, wie das Geschäftsmodell aufbau- und ablauforganisatorisch umgesetzt wird. Branchenbezogen gibt es zwar unterschiedliche Schwerpunktausprägungen der Bausteine, aber dennoch sind alle Bausteine inhaltlich zu bedienen. Geschäftsmodelle werden vor allem in Zusammenhang mit Existenzgründungen (Start-ups) diskutiert. Dort sind sie erforderlich, um die Betriebstätigkeit zu etablieren. Aber gerade auch bestehende Unternehmen (Running Business) müssen ihr Geschäftsmodell regelmäßig oder anlassbezogen überprüfen und ggf. anpassen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten (mahnende Beispiele aus dem DAX sind ThyssenKrupp, Metro, Deutsche Bank, Delivery Hero). Die Entwicklung eines Geschäftsmodells stellt einen iterativen Vorgang dar. Zunächst sind die Elemente in ihren Stellgrößen zu bestimmen, dann sind sie innerhalb jedes Bausteins abzustimmen. Schließlich sind die Bausteine je Modul abzustimmen und die Module untereinander zu integrieren (Bottom up / progressiv). Dabei kann sich Top down (retrograd) herausstellen, dass die Elemente, Bausteine oder Module nicht passgenau sind. Dann geht es in einem weiteren Bottom upProzess (Gegenstrom-) daran, sie solange zu integrieren, bis eine kohärente und konsistente Lösung gefunden ist. Dem Geschäftsmodell verwandte, aber abzugrenzende Begriffe sind folgende: • Geschäftsprozesse beschäftigen sich mit der Ablauforganisation in Unternehmen. Diese ist in neuerer Zeit in den Fokus des Managements gerückt. Geschäftsmodelle haben jedoch sowohl Strukturen als auch Abläufe im Fokus, gehen also inhaltlich darüber hinaus. Geschäftsprozesse sind Bestandteil des Geschäftsmodells, aber nicht mit diesem identisch. • Geschäftsstrategien beschäftigen sich mit der Entwicklung von Leistungsfähigkeitspotenzialen aus den bestehenden Kapazitäten heraus. Geschäftsmodelle haben jedoch auch die Gestaltung der bestehenden Leistungskapazitäten zum Inhalt. Auf diesem Fundament ist erst die Ausarbeitung einer belastbaren Geschäftsstrategie möglich.

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• Geschäftsziele heben nur auf die intendierten Ergebnisse der Geschäftstätigkeit ab. Geschäftsmodelle berücksichtigen dabei hingegen explizit die Umfeldbedin­ gungen als Aktivitätsrahmen, innerhalb dessen die so beabsichtigten Ziele erreicht werden sollen. Fraglich ist, ob sich die Ziele aus dem Geschäftsmodell ergeben oder aus dem Geschäftsmodell erst die Ziele abfolgen. • Business Cases befassen sich mit der Öffnung für neue Marktangebote und der Abschätzung deren prospektiver Durchführbarkeit und Profitabilität. Geschäftsmodelle beziehen sich demgegenüber explizit auch auf bestehende Angebote und deren Profitabilisierung. Business Cases decken damit nur einen Teil des Geschäftsmodells ab. Das Geschäftsmodell veranschaulicht, wie die Managementmodule konfiguriert, koordiniert und spezialisiert werden, um einen nachhaltigen Unternehmensbestand sicher zu stellen. Zugleich zeigt es auf, wie ein Unternehmen sich aufstellt, um einen über den Einsatz hinausgehenden Mehrwert durch profitable Kombination der Elemente Konzeptionsbasis, Wertschöpfungsarchitektur und Kunden-/ Marktzugang zu erzielen. Jedes dieser Elemente besteht seinerseits aus drei Modulen (siehe Abbildung 5: Elemente des Geschäftsmodells). Das Geschäftsmodell zeigt somit auf, durch welche Kombination der organisatorischen Ressourcen ein Unternehmen am Markt reüssieren will. Die geschickte Zusammenstellung der Module schafft erst eine Basis für belastbaren Markterfolg.

Abbildung 5: Elemente des Geschäftsmodells

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Das Element Konzeptionsbasis besteht aus dem Bezugsrahmenmodul, dem Ressourcenmodul und dem Implementierungsmodul. Das Bezugsrahmenmodul gibt an, wie ausgehend von der gegenwärtigen Situation die Zielsituation des Unternehmens mit Hilfe des Geschäftsmodells aussehen soll. Dazu bedarf vor allem es drei Festlegungen: • die Ziele, die ein Unternehmen verfolgt, dazu gilt es, diese Ziele konsistent zu priorisieren und operational zu definieren, • die Ist-Situation (Diagnose), derer sich ein Unternehmen gegenübersieht, dazu sind vielfältige Verfahren zur Ist-Situations-Analyse nutzbar, • der Plan (Therapie) zur Überwindung von Diskrepanzen zwischen den definierten Zielen und der vorzufindenden Ist-Situation. Das Ressourcenmodul gibt an, welche Potenziale zur Umsetzung der Strategie zur Verfügung stehen. Dazu stehen drei Variable zur Verfügung: • Sachmittel, Geldmittel und Rechte / Informationsquellen, über die das Unternehmen disponieren kann oder können sollte, • Wissen als wichtigste Ressource und vierter Produktionsfaktor, das implizit, z. B. über Mitarbeitende, oder explizit, z. B. über Dokumente, verfügbar ist, • Zeit als entscheidender Leistungsfaktor, der nicht ersetzbar oder wiederholbar ist und in den Mittelpunkt des Managements rückt (Time-based Management). Das Implementierungsmodul gibt an, wie die Arbeitsteilung innerhalb eines Unternehmens und mit externen Dritten erfolgen soll. Dazu sind vor allem drei Entscheidungen zu treffen: • Make or Buy, d. h. Eigenerstellung oder Fremdbezug von Leistungen, dazu können quantitative und qualitative Kriterien zugrunde gelegt werden, • Standort als konstitutiver Faktor für die überwiegende Betriebstätigkeit, für dessen Wahl verschiedene Kriterien ausschlaggebend sein können, • Supply Chain Management (SCM) als Gestaltung der Liefer- und Leistungskette zu vorgelagerten Wertschöpfungsstufen. Das Element Wertschöpfungsarchitektur besteht aus einem güterwirtschaftlichen Modul, einem geldwirtschaftlichen Modul und einem informationswirtschaftlichen Modul. Das güterwirtschaftliche Modul gibt an, wie Werkstoffe, Betriebsmittel und Arbeit im Einzelnen wertschöpfend genutzt werden sollen: • Werkstoffe stehen als Repetierfaktoren zum Einsatz einmalig zur Verfügung, im Wesentlichen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, • Betriebsmittel stehen als Potenzialfaktoren mehrmalig zur Verfügung, nutzen sich dabei allerdings ab, im Wesentlichen Anlagen, Gebäude, Ausrüstungen.

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• Arbeit wirkt als dispositive (planende, entscheidende, organisierende, kontrollierende) und exekutive Arbeit ein, sie ist in vielen Branchen der entscheidende Vorsprungsfaktor. Das geldwirtschaftliche Modul gibt an, wie die zur Verfügung stehenden Finanzmittel eingesetzt werden sollen. Dabei ergeben sich mehrere Quellen: • Selbstfinanzierung, die durch Eigen- und Innenfinanzierung zustande kommt, z. B. als Gewinneinbehalt, Auflösung stiller Reserven, Rückfluss aus Abschreibungen, Kapitalfreisetzung, • Rückstellungsfinanzierung, die durch Fremd- und Innenfinanzierung zustande kommt, z. B. aus Pensionsrückstellungen, • Beteiligungsfinanzierung, die als Eigen- und Außenfinanzierung zustande kommt, z. B. durch Einlagen bestehender oder Aufnahme neuer Gesellschafter, • Kreditfinanzierung, die durch Fremd- und Außenfinanzierung zustande kommt, z. B. indem Unternehmen sich Finanzmittel bei Kreditinstituten, institutionellen Kreditgebern oder privaten Kreditoren leihen. Das informationswirtschaftliche Modul gibt an, wie eine informationelle Vernetzung aller Wertschöpfungsfaktoren erreicht werden soll. Dazu sind zentrale technische Elemente vorzuhalten: • Hardware und Software, also die technische Zentral- und Peripherieausstattung und Betriebs- und Anwendungssysteme, • Medien und Kanäle, also die Modalitäten der Vermittlung und die Transportwege zur Übertragung (Kommunikation), • Netze und Infrastruktur, also Verbindungswege, Verteiler und Cloud-Speicher zwischen Sender (Server) und Empfänger (Client). Das Element Kunden- und Marktzugang besteht im Einzelnen aus einem Zielgruppenmodul, einem Positionsmodul und einem Erlösmodul. Das Zielgruppenmodul gibt an, welche Personen / Organisationen mit ihrer Kaufkraft / ihrem Budget zugunsten des Unternehmens aktiviert werden sollen: • demografisch, also nach personenbezogenen Merkmalen, und aktiografisch, also nach handlungsbezogenen Merkmalen, • psychografisch, also nach intrapersonalen Merkmalen, auch als Typologie, und soziographisch, also nach interpersonalen Merkmalen, • typologisch, also nach Kundenstereotypen, neuerdings auch Personas, und neurologisch, also nach Gehirndominanzen, • individuell / kollektiv bei gewerblichen Entscheidern und horizontal / vertikal bei gewerblichen Entscheidergruppen.

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Das Positionierungsmodul gibt an, warum die anvisierte Zielgruppe ein Angebot bewusst konkurrierenden anderen vergleichbaren vorziehen soll. Dabei sind drei Elemente von Bedeutung: • Positionsentwicklung über verschiedene Stufen wie Abgrenzung des relevanten Markts, Zuordnung zur Strategischen Gruppe, Bestimmung der Absatzquelle, Definition der Zielgruppe etc., • Positioning Statement durch Formulierung von Angebotsanspruch (Claim) und Anspruchsbegründung (Reason why), • Positionsoptionen als denkbare Nutzenangebote (Endnutzen, vor allem Leistung, Prestige, Understatement, Trend). Das Erlösmodul gibt an, auf welche Art und Weise nennenswerte und nachhaltige Einnahmen aus der Wertschöpfung generiert werden sollen, welche die Existenz des Unternehmens sichern. Denkbare Möglichkeiten sind: • Abgabe der Leistungen gegen Berechnung eines Einzelpreises oder gegen zeitbezogene Pauschalierung im Abonnement, • Schaltung von Werbung im Verfügungsbereich (Paid Media), also Anzeigen, Spots, Plakate, Banner, Öffentlichkeitsarbeit, Schauwerbung, Direktwerbung etc., • Weiterleitung von Interessenten an Dritte gegen Provision (Affiliation), direkt oder indirekt über Affiliate Networks, • Datensammlung und Weitergabe an Dritte gegen Provision (Big Data), zumeist veredelt durch Anreicherung mit fremden Dateninhalten. Speziell im E-Business-Sektor haben sich (nach Wirtz) im Wesentlichen vier B-t-C-Geschäftsmodelle (4 Cs) gebildet: • das Angebot von informativen, weiterbildenden oder unterhaltenden Inhalten durch Kompilierung (Content, z. B. Verlage), • die Strukturierung des Informationsangebots durch Suchmaschinen (Context, z. B. Google) und weitere technische Infrastruktur, • die Aushandlung und / oder Abwicklung von Geschäftstransaktionen (Commerce, z. B. Paypal), • zusätzlicher Aufbau und Unterhalt einer informationstechnischen Verbindung und Bereitstellung von Plattformen (Connection, z. B. t-online). Neben diesen haben sich (nach Wirtz) spezielle Geschäftsmodell-Typen im B-t-B-Bereich (4 Ss) herausgebildet: • Sourcing betrifft die Organisation von Beschaffungsaufträgen und -plattformen sowie die eigentliche Einkaufsdurchführung über Plattformen, • Sales betrifft die Transaktionsdurchführung mit gewerblichen End- und Zwischenabnehmern in der Versorgungspipeline bzw. im Absatzkanal über Plattformen,

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• Support betrifft die informationelle Vernetzung von ansonsten wirtschaftlich unabhängigen Einheiten in der Lieferkette, vor allem bei produktergänzenden Kundendiensten. • Service betrifft die Einschaltung leistungsergänzender Absatzhelfer, die Trans­ aktionen durch Information, Beratung, Kredit / Kapital, Versicherung etc. begleiten. Die konkrete Auslegung lässt sich am Modell der Low Cost Carriers (in der Urform Southwest Airlines) nachvollziehen. Der Flugzeugtyp ist einheitlich gewählt (meist Airbus 319/320 oder Boeing 737), dadurch entstehen Einsparungen bei Schulungen der Piloten, Flugbegleiter, Wartungsmitarbeiter etc. Außerdem ist eine effiziente Wartung der Flugzeuge durch Ersatzteilvorrat für nur einen Typ möglich. Dadurch ergibt sich eine Komplexitätsreduktion. Die Flugzeugtypen können in Grenzen individuell ausgestattet werden (Sitzreihen, Stehplätze). Die Rückenlehnen sind nicht verstellbar, es gibt keine Sitz­ taschen, die aufwändig zu reinigen wären und auch kein Unterhaltungsprogramm an Bord. Die Sitze sind mit Kunstleder bezogen, dies ermöglicht eine einfache Reinigung. Speisen und Getränke sowie Zeitungen und Zeitschriften werden nur gegen Entgelt abgegeben. Dadurch reduziert sich die Reinigungszeit. Der Kundendienst erschöpft sich in einer gebührenpflichtigen Telefon-Hotline und den Informationen der Website. Das Durchschnittsalter der Flugzeuge ist niedrig (3–4 Jahre), so dass Wartungskosten geringer ausfallen. Es werden Sekundärflughäfen mit niedrigeren Flughafengebühren je Turnaround angeflogen. Für diese entstehen zusätzliche Einnahmen durch Shop­ mieten, Parkgebühren etc. Problematisch ist allerdings die Bezeichnung der häufig weit von Zentren entfernten Flughafenstandorte. Es wird wenig Personal eingesetzt (kein Co-Pilot, stattdessen eine speziell ausgebildete Chef-Stewardess), auf 50 Paxe kommt ein Flugbegleiter. Berufseinsteiger mit niedrigem Gehalt werden bevorzugt, ebenso wird mit Personalleasing / Zeitarbeitern gearbeitet. Gewerkschaften werden behindert (nur 20 Tage Urlaub, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein Streikrecht, da ausländisches Arbeitsrecht Anwendung findet). Ein schneller Turnaround sorgt für kurze Bodenzeiten und reduzierte Standzeiten. Es herrscht freie Sitzplatzwahl (bevorzugtes Boarding kostet extra) in nur einer Passagierklasse. Auf verspätete Passagiere wird nicht gewartet. Die Stornogebühren sind oft höher als der Flugpreis. Die Beförderung von Gepäck erfolgt nur gegen zusätzliches Entgelt. Gleiches gilt für Handgepäck über 10 kg Gewicht. Die Gewichtsverringerung reduziert den Kerosinverbrauch.

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Es werden nur Direktflüge angeboten, es gibt keine Umsteigepunkte (Hubs). Die Buchung und der Check-in sind nur Online möglich (gegen Gebühr). Dadurch können Reisebüroprovisionen eingespart werden. Vielfliegerprogramme sucht man vergeblich. Die Ticketpreise werden netto, also ohne Gebühren, Steuern und Zuschläge, ausgewiesen und wirken dadurch „billiger“. Zur Verbreitung des Angebots dienen Affiliate-Programme mit Hotelketten, Mobilfunkanbietern, Autovermietern etc. In der Zwischenzeit hat es, wie auch ansonsten üblich, eine Konvergenz der Geschäftsmodelle zwischen Flag Airlines und Low Cost Carriers gegeben. So haben die staatlichen Luftfahrtgesellschaften auf die Herausforderung mit Zweitmarken-Angeboten reagiert (z. B. EuroWings bei Lufthansa) und die Billigflieger ihr Angebot Upscale ausgeweitet (z. B. First Class an Bord, Kofferlieferung nachhause, Gourmet-Menü, Kinder-Menü, WLAN am Flughafen, bevorzugte Pass- und Sicherheitskontrollen, Duty Free an Bord, Schlafset mit Kissen / Decke, Schmerz-/ Schlaftabletten, Serviceclub). 2.2.5 Wertgestaltung 2.2.5.1 Geschäftsprozess Ein Geschäftsprozess ist ein ökonomisches Ereignis, das auf der Zeitachse stattfindet. Er verfügt allgemein über einen definierten Anfang, seine Quelle, und ein definiertes Ende, seine Senke. Dazwischen erfolgt eine planmäßige Transformation durch Einsatz der Produktionsfaktoren Betriebsmittel, Werkstoffe, exekutive und dispositive Arbeit, dies ist die eigentliche Wertschöpfung. Unternehmen unterscheiden sich nun vor allem darin, • wie lang sich die Prozesskette zwischen Input und Output erstreckt, die sie abdecken (Wertschöpfungsbreite), • wie sie innerhalb dessen ihre Prozesse im Einzelnen vollziehen (Wertschöpfungsgestaltung), • und ob sie diese Prozesse selbst erstellen oder fremd erstellen lassen (Wert­ schöpfungstiefe). Die Anforderungen an Geschäftsprozesse sind vielfältig: • Der Prozess soll so kostengünstig wie möglich erfolgen, d. h., die Kosten der Wertschöpfung sollen minimiert werden, um bestmögliche Gewinnvoraussetzungen zu schaffen. • Der Prozess soll so beschleunigt wie möglich ablaufen, d. h., die Zeitspanne, die zur Wertschöpfung benötigt wird, soll minimiert werden, dadurch werden die Kapazitäten besser ausgeschöpft und die Fixkosten verteilen sich.

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• Der Prozess soll sich absolut mangelfrei vollziehen, d. h., die Qualität des Prozesses soll maximiert werden, denn Fehler werden vom Markt unnachsichtig bestraft. Diese Anforderungen sind allerdings konfliktär, d. h., die Erreichung eines dieser Teilziele, Kosten, Zeit oder Qualität, behindert die Erreichung der beiden anderen. Endziel jedes Geschäftsprozesses ist die Wertschöpfung, also die Erzielung eines Preises für eine Leistung am Markt, der über den addierten Kosten des eigenen Faktoreinsatzes und der zugekauften Vorleistungen liegt und damit ein Gewinnresiduum ermöglicht. Auch darin sind alle Unternehmen im marktwirtschaftlichen System gleich. Wertschöpfung und Gewinn sind allerdings keine Wechselvokabeln. Unternehmen unterscheiden sich in Bezug auf ihre Gewinnhöhe erheblich darin, wie gut sie diese konfliktären Anforderungen an einen Geschäftsprozess lösen. Dabei arbeiten sie nicht in allen Prozessen gleich exzellent. Jedes Unternehmen hat Leistungen in seiner Kernkompetenz, aber auch solche, die nicht seiner Kernkompetenz entsprechen, die zur Leistungserstellung aber unvermeidlich sind. Diese letzteren stellen den Engpass in der Wertschöpfung dar und limitieren damit den gesamten Unternehmenserfolg. Glücklicherweise sind die Kernkompetenzen von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich verteilt, d. h., kein Unternehmen ist in allen Prozessen Spitzenklasse, aber auch kein Unternehmen in allen Prozessen wirklich schlecht, denn sonst würde es am Markt angesichts scharfen Wettbewerbs längst nicht mehr existieren. Erfolgreichere Unternehmen unterscheiden sich von weniger erfolgreichen vor allem durch den besseren Wirkungsgrad ihrer Prozesse. Dieser entsteht aus der Aufteilung eines meist komplexen Prozesses in die vier Elemente Nutzleistung, Stützleistung, Blindleistung, Fehlleistung (s. u.).

2.2.5.2 Wertkettenstruktur Jede Wertschöpfung kommt (nach Porter) in zwei Aktivitätsbereichen zustande (siehe Abbildung 6: Denkmodell der Wertkettenstruktur), erstens dem Bereich der primären Aktivitäten. Hierbei handelt es sich um die Sektionen • Eingangslogistik, also wie kommen Vorleistungen als Inputfaktoren ins Unternehmen, • Produktion, wie vollzieht sich die Kombination der Produktionsfaktoren, • Ausgangslogistik, wie gelangt das vermarktungsreife Produkt an Kunden, • Vermarktung, wie werden Preisbereitschaften bei diesen Kunden aktiviert, • Kundendienst, wie wird die Nachverkaufsphase abgedeckt.

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Dieser Bereich ist der eigentlich wertschöpfende, weil nur hier Aktivitäten erfolgen, die vom Markt honoriert werden, weil sie den dort wahrgenommenen Wert der Leistung steigern. Allerdings ist dieser Bereich allein nicht arbeitsfähig. Er bedarf vielmehr der unterstützenden Steuerung. Diese Aktivitäten sind selbst nicht wertschöpfend, sondern nur Voraussetzung für die Wertschöpfung im primären Bereich. Es handelt sich um sekundäre Aktivitäten wie • Beschaffung der Leistungsfaktoren durch Marktsichtung, Anfrageneinholung, Angebotserstellung, Anbietervergleich etc., • Informationswirtschaft und Kommunikationstechnologie des Unternehmens (IuK), • Personal und Organisation, also der Einsatz der Humanressourcen für exekutive und dispositive Tätigkeiten, • Unternehmensführung als Infrastruktur des General Managements.

Abbildung 6: Denkmodell der Wertkettenstruktur (eig. Darst.)

Ziel ist es, durch das Zusammenwirken der primären und sekundären Aktivitätsbereiche eine Wertschöpfung zu erreichen, welche die Kosten der eigenen Prozesse abdeckt sowie einen Gewinn erlaubt. Ein Gewinn entsteht freilich nur, wenn das, was das Unternehmen den bezogenen Vorleistungen an Wert hinzuaddiert höher ist als die dafür entstehenden Kosten. Der Gewinn kann gesteigert werden, indem die Kosten der Inputfaktoren gesenkt, die Kosten der eigenen Prozesse gesenkt oder der Preis am Markt erhöht wird. Zum Zweck der Optimierung ist jedes Unternehmen frei in der Gestaltung des Ausschnitts aus der gesamtwirtschaftlichen Wertkette, den es selbst abdecken will. Man kann sich die gesamte Wirtschaft dazu als eine Aneinanderreihung einzelbetrieblicher Wertketten vorstellen. Die jeweils vorgelagerten Wertkettenstufen liefern den Input für die jeweils nachgelagerten. Das Unternehmen kann seine Wertkette nach Wahl ausdehnen oder reduzieren. Eine Ausdehnung bedeutet, dass

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der Anteil der eigenen Wertkette an der gesamtwirtschaftlichen Wertkette steigt, eine Reduzierung bedeutet, dass der eigene Anteil sinkt. Beide Veränderungen, die Ausdehnung wie die Reduzierung, können rückwärtsgerichtet (upstream), also in Richtung vorgelagerter Wertkettenstufen, oder vorwärtsgerichtet (downstream), also in Richtung nachgelagerter Wertkettenstufen, erfolgen. Man kann sich dies in Analogie zu einem Fluss merken, hin zur vorgelagerten Quelle bedeutet flussaufwärts, hin zu nachgelagerten Senke (Mündung) flussabwärts. Die Zusammenhänge können durch folgende Formeln operationalisiert werden: • Wertschöpfung = Eigenleistung + Gewinn (alt. = Umsatz – Fremdleistung) Wertschöpfung • Wertschöpfungsquote =         × 100 Umsatz Eigenleistung • Fertigungstiefe =           × 100 (Umsatz – Gewinn) Für jedes Unternehmen geht es letztlich um seine Positionierung innerhalb der gesamtwirtschaftlichen Wertkette. Denn man kann sich jegliche Produktion von der Entstehung (Quelle)  bis zum Verbrauch bzw. zur Rückführung (Senke)  als eine Aneinanderreihung einzelwirtschaftlicher Prozessaktivitäten vorstellen. Die Prozesse innerhalb der Wertschöpfung bleiben branchenübergreifend und im Zeitablauf weitgehend gleich. Sie kommen durch die kumulierten Prozessaktivitäten verschiedener daran beteiligter Unternehmen zustande. Was sich jedoch verändert, ist der Anteil jedes Unternehmens an dieser Wertschöpfung. Naturgemäß geht es darum, die eigene Wertschöpfung zu steigern. Dies geschieht durch Definition einer optimierten Wertkette. Ob sich diese Definition durchsetzen lässt, hängt von den Marktverhältnissen ab. So ist eine Verlängerung des eigenen Wertkettenausschnitts nur möglich, wenn von Eignern vor- oder nachgelagerter Wertketten entsprechende Prozesse übernommen werden können, eine Verkürzung des eigenen Wertkettenausschnitts ist nur möglich, wenn Eigner vor- oder nachgelagerter Wertketten zur Übernahme bereitstehen. Da letztlich nur eine Verschränkung der einzelwirtschaftlichen Wertketten zu einer markthonorierten Leistung führt, kommt es zunehmend zu unternehmensübergreifenden Wertkettendefinitionen (Wertschöpfungspartnerschaften), von denen letztlich alle Beteiligten profitieren (Win-Win-Situation).

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2.2.5.3 Wertkettenspanne Die Wertkettenspanne (auch Wertschöpfungsbreite) befasst sich mit den unter eigener Regie stattfindenden, wertschöpfenden Aktivitäten (= Eigenfertigung), die vertikale Wertkettenverschränkung befasst sich mit der unternehmensübergreifenden Integration der Wertschöpfung (= Fremdbezug). Zunächst zur Wertschöpfungsbreite (siehe (Abbildung 7: Wertschöpfungsbreite).

Abbildung 7: Wertschöpfungsbreite (eig. Darst.)

Diese horizontale Wertkettengestaltung führt zu einer Kürzung oder Verlängerung der Wertkette. Eine Verlängerung der Wertkettenspanne erfolgt Upstream auf vom Betrieb aus betrachtet vorgelagerte Wirtschaftsstufen. Dies bezieht sich vor allem auf die Sicherung und Beeinflussung der Lieferquellen. Dabei ist bezeichnend, dass der Anteil des eigenerstellten Werts am Endprodukt zunimmt. Damit steigt auch die Wertschöpfung des Betriebs. Oder sie bezieht sich Downstream auf nachgelagerte Wirtschaftsstufen. Dies richtet sich vor allem auf die Sicherung und Beeinflussung der Absatzstellen und bietet sich an, wenn mit selbstständigen Absatzmittlern gearbeitet wird. Die horizontale Integration war über Jahrzehnte hinweg die gegebene Lösung zur Eliminierung von Zwischengewinnen und zur

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Sicherung der Input- und Outputlogistik. Früher wurde sie zudem durch die Allphasen-Umsatzsteuer begünstigt. Die Wertschöpfungskette der TUI AG, die im Tourismusmarkt tätig ist, sieht im primären Bereich etwa folgendermaßen aus: – Reisebuchung: Reisebüros (Budget Travel, First, Hapag-Lloyd, Lunn Poly, TUI Reise), – Reiseorganisation: Veranstalter (1-2-Fly, Budget Travel, Fritidsresor, Thomson, TUI Operator), – Reisetransfer: Fluglinien (Britannia, Hapag-Lloyd), – Reisebetreuung: Reiseagenturen (Airtours, Greece, Miltours, Ultramar), – Reiseunterbringung: Hotels (Dorfhotel, Grecotel, Grupotel, Iberotel, Nordotel, Riu, Robinson). Die Wertschöpfungskette des Disney-Konzerns, der im Freizeit- und Unterhaltungsmarkt tätig ist, sieht folgendermaßen aus: – Film: Zeichentrickfilme, Fernsehshows, Kinofilme, Touchstone Pictures, Videos, Hollywood Pictures, Miramax (Kinos), – Rundfunk: Disney Channel, KCAL-TV, ABC-TV Network, – Merchandising / Musik / Publikationen: Zeichentrickfiguren, Lizenzierung von Figuren, Musikveröffentlichungen, Buchveröffentlichungen, Disney-Ladenkette, Direct Mails, Hollywood Records, Software-Entwicklung für visuelle Effekte, – Live-Unterhaltung: Theater, Hockey-Mannschaft, Baseball-Mannschaft, – Themenparks: Disneyland, Walt Disney World, EPCOT, Tokyo Disneyland, MGM-Studios, Euro Disney Paris, Disney America, – Urlaubsreisen / Freizeit / Immobilien: Hotelkette, Ressorts, Urlaubsreisenveranstaltung, Kreuzfahrten, Urlaubsanlagen. Im Entertainment-Konzern Time Warner sieht die Wertschöpfungskette wie folgt aus: – Inhalte und Services: Time Inc., Warner Bros., MGM United Artists, Warner Music, EMI etc., – Bündelung von Inhalten: Home Box Office (Pay-TV), CNN News Group, CompuServe, Netscape Netcenter, – Mehrwertleistungen: Netscape, Home Box Office, – Übertragung: Time Warner Cable, – Browser: Netscape.

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Die Länge der Wertschöpfungskette gibt den Anteil eigenerstellter Leistungen in Relation zu den zugekauften an (Fertigungstiefe). Dabei geht der Trend (von Ausnahmen abgesehen, z. B. Trigema, Zara) eindeutig in Richtung geringerer Fertigungstiefe, also einer kürzeren (internen) Wertschöpfungskette (= Separation). Eine solche Kürzung der Wertschöpfungsbreite wird Upstream durch Vergabe von Operationen an vom Betrieb aus betrachtet vorgelagerte Wirtschaftsstufen erreicht. Zu denken ist vor allem an betriebsfremde Beschaffungshelfer für Akquisition und Logistik. Alternativ dazu ist Downstream eine Vergabe von Operationen an nachgelagerte Wirtschaftsstufen möglich. Zu denken ist an betriebsfremde Absatzhelfer oder -mittler sowie im Rahmen des Business Process Outsourcing auch an betriebsfremde Aufgaben wie Catering, Reinigung, Instandhaltung etc. In beiden Fällen steigt das Einkaufsvolumen, gleichzeitig werden Teile des Beschaffungs- und Absatzprogramms ausgelagert. Zara steuert von Design über Fertigung, Auslieferung und Abverkauf die gesamte Wertschöpfungskette selbst. Das Design erfolgt in Stammhaus in Spanien auf Basis von POS-Daten und informationeller Vernetzung zu den Filialen. Der hohe Automatisierungsgrad (CAD) ermöglicht die Realisierung innerhalb eines Tages. Die Fertigung braucht dann acht Tage, sie findet in eigenen Fabriken sowie mithilfe eines parallelen Netzes von Sublieferanten statt. Zwei Tage später erfolgt die Auslieferung vom Zentrallager an internationale Distributionszentren in der Fläche. Auslieferungen finden zwei- bis dreimal pro Woche statt. Der Abverkauf erfolgt dann weitere zwei Tage später. Der Zeitvorsprung in den Kollektionen erlaubt die Ansprache von Meinungsführern („Fashion Victims“), die bereit sind, höhere Preise als beim Mitbewerb zu zahlen. Diese sind in gewisser Weise auch nötig, da die komplette Abdeckung der Wertschöpfungskette zwangsläufig mit Unwirtschaftlichkeiten verbunden ist. Zara sieht sich jedoch nicht im Effizienzfokus, sondern im Zeitfokus. Und um schneller zu sein als andere, ist eine hohe Fertigungstiefe erforderlich. Ein Automobilhersteller könnte etwa folgende Verlängerung seiner Wertschöpfungskette überlegen: – Upstream: Produkt-/Motoren-/Antriebsentwicklung für Dritte (Engineering), Beschaffung bzw. Fertigung von Aggregaten und Werkzeugen, Endmontage von Aufbauten oder Plattformen für Dritte, Onboard-IT, Batteriefertigung etc. – Downstream: Verkauf von Fremdfabrikaten, Leasing-/Versicherungs-/Kreditierungsangebote, Ersatzteil-/Reparatur-/Wartungsservices, Gebrauchtwagenvermarktung, Kraftstoffvertrieb, Reverse Logistics für Altfahrzeuge / Altteile, Kundenkontaktprogramme, Handelswarenverkauf. Ladesäulen / Akkutausch etc. Die Wertkettenkürzung erfordert also Desinvestition bzw. Stilllegung und Verkauf von Beteiligungen, Betriebsteilen und deren Ersatz durch Outsourcing. Wertkettenverlängerung erfordert hingegen Investition bzw. Wiederanlauf und Kauf von Beteiligungen bzw. Betriebsteilen. Dies führt zu einer vertikalen Wertkettenverschränkung.

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2.2.5.4 Wertkettenverschränkung

Abbildung 8: Wertschöpfungstiefe (eig. Darst.)

Wertkettenverschränkung (auch Wertschöpfungstiefe) bedeutet, Wertketten zu einem vertikalen Wertsystem zu verknüpfen (siehe Abbildung 8: Wertschöpfungstiefe). Dadurch wird zugleich Einfluss auf die Wertgestaltung der Lieferanten, z. B. durch Entfall von Aktivitäten ohne Differenzierungswirkung, genommen. Gleiches gilt innerhalb vertikal integrierter oder diversifizierter Unternehmen in Bezug auf Synergieeffekte. Außerdem sind Interdependenzen zwischen Wertaktivitäten innerhalb einer Wertkette, z. B. zwischen grundlegenden und unterstützenden Aktivitäten, etwa verbesserte Beschaffung für bessere Operations, zu berücksichtigen. Eine offene Verschränkung erfolgt mit nicht-vordefinierten Wertschöpfungspartnern, die sich zumeist durch Ausschreibung erst ergeben. Eine geschlossene Verschränkung erfolgt mit vordefinierten Wertschöpfungspartnern, z. B. im Rahmen von Kooperation, Joint Venture, also über rechtlich und / oder wirtschaftlich selbstständige Partner. Ein Beispiel einer externen Wertkettenverschränkung bietet der Internet-Markt. Dabei sind verschiedene Akteure beteiligt, die gemeinsam eine Mehrwertleistung im System darstellen:

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– Net Provider stellen die Übertragungsleitungen zur Verfügung wie Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica Deutschland etc., – Access Provider stellen die Zugänge bereit und erbringen Dienstleistungen für die Nutzung der Online-Dienste, z. B. Nutzerregistrierung und -verwaltung, Kundenbetreuung und Abrechnung, Navigation, – Content Provider stellen die Inhalte zur Verfügung und Pakettieren diese wie Amazon, Ebay, Youtube, Facebook etc., – Hardware Provider sorgen für die Installation der Netztechnologie (Vermittlungstechnik bzw. Server) wie Motorola, Nokia, Philips, Samsung etc., – Service Provider wie Techniklieferanten, Werbeagenturen, Systemhäuser, Consultants, Software-Häuser stellen ergänzende Dienstleistungen bereit wie Debitel etc. Die Umsetzung ist als Insourcing oder, vor allem, als Outsourcing anzutreffen. Die Vergangenheit ist durch massives Outsourcing gekennzeichnet. Es kam zu einer Verringerung der Wertschöpfungstiefe, indem immer mehr Aktivitäten, die vordem vom Unternehmen selbst ausgeführt wurden, nunmehr an Wertschöpfungspartner ausgelagert sind. Dies entspricht der Nutzung deren jeweiliger Kernkompetenzen, führt jedoch zu sehr komplexen Lieferketten (Supply Chains), die häufig örtlich länder- und kontinentübergreifend ausgelegt sind, aber zeitlich in eng abgestimmten Zeittakten (Just in Time) erfolgen müssen. Aktuell werden jedoch diese Lieferkettenbeziehungen kritisch gesehen. So reichen bereits kleine Irritationen (z. B. Schiffshavarie im Suez-Kanal) aus, die engen logistischen Verschränkungen zusammenbrechen zu lassen, ganz zu schweigen von großen Irritationen (z. B. Ukraine-Konflikt). Die Folgen sind massive Lieferverzögerungen mit entsprechenden Absatzausfällen (Opportunitätskosten) und erhebliche Kostensteigerungen infolge knapper Kapazitäten. Erschwerend kommen große ökologische, soziale und ethische Probleme hinzu. Dieserart hergestellte Produkte sind somit gleich mehrfach belastet und stehen unter verschärfter politischer und juristischer Aufsicht, z. B. hinsichtlich CO2-Abdruck, prekärer Arbeitsbedingungen und unternehmerischer Verantwortlichkeit (Lieferkettengesetz). Daraus folgen grundlegende Konsequenzen. So werden Lieferantennetzwerke in räumlicher Nähe des Unternehmensstandorts oder der jeweiligen Absatzmärkte angestrebt. Die Lieferkomponenten werden umfassender angelegt, so dass insgesamt weniger Elemente zu manipulieren sind. Dadurch wird ein höheres Maß an Unabhängigkeit von externen Einflüssen und damit eine stabilere Marktversorgung erreicht. Den gesellschaftlichen und zukunftsbezogenen Ansprüchen kann somit besser Rechnung getragen werden, zugleich werden gesetzliche Anforderungen erfüllt. Da davon alle Anbieter einer Branche in ähnlicher Weise betroffen sind, können unvermeidliche Kostensteigerungen besser im Preis an die nächste Marktstufe weitergegeben werden. Zumal relevante Marktsegmente entstehen, die dafür auch eine höhere Preisbereitschaft haben. In Lieferketten werden die Ansprüche

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von der nach- an die vorgelagerten Stufen weitergetragen, so dass letztlich alle Wertschöpfungsstufen einbezogen sind. Zugleich kann damit moralischer Druck auf Hersteller / Länder ausgeübt werden, die sich diesen Forderungen widersetzen wollen. Diese bedeutet eine Ablösung des jahrzehntelang vorherrschenden „LopezPrinzips“, von Kanban und Lean Production in der Materialwirtschaft. Traditionell entstand dabei der Aufbau einer Lieferantenhierarchie. Ein gewerblicher Abnehmer beschaffte im Anteil seines Outsourcing Systeme von Systemlieferanten (First Tiers, in der Automobilindustrie etwa 40), die er mit dem eigenen Wertschöpfungsanteil zu marktfähigen Fertigprodukten verband. Diese bezogen wiederum im Rahmen ihres eigenen Outsourcing Komponenten von Komponentenlieferanten (Second Tiers, in der Automobilindustrie etwa 500), die sie mit dem eigenen Wertschöpfungsanteil zu marktfähigen Systemen verbanden. Diese bezogen ihrerseits Teile von Teilelieferanten (Third Tiers, in der Automobilindustrie etwa 4.000), die sie jeweils mit ihrer Eigenleistung zu marktfähigen Komponenten verbanden. Ein unmittelbarer Kontakt zum gewerblichen Abnehmer besteht dabei nur noch für die Systemlieferanten, alle anderen werden nurmehr als Unterlieferanten tätig. Die Lieferantenhierarchie hatte etwa in der Automobilindustrie bis zu acht Stufen. Dies hat allerdings Tücken, wie aus dem folgenden Beispiel ersichtlich. Kiekert war Weltmarktführer für Kfz-Schließsysteme und Single SourcingLieferant u. a. für die Ford-Werke in Köln. Im Herbst 1998, zur Zeit der Jahresgespräche, meldete das Unternehmen überraschend Software-Probleme, so dass der Kunde Ford einige Zeit nicht beliefert werden konnte. Dadurch kam es dort zu einer Produktionsunterbrechung von zwei Wochen mit erheblichem Umsatzausfall, da Fahrzeuge nicht ausgeliefert werden konnten. Ford bot sofort Hilfe bei der Beseitigung der Probleme an, auf die Kiekert aber verzichtete. Womöglich wurden andere Lieferanten, die von den Software-Problemen vorgeblich nicht betroffen waren, weiter beliefert. Die Folge war, dass Ford weltweit nach Ersatzlieferanten Ausschau hielt bzw. diese entwickelte. Die Folge daraus wiederum war letztlich die Insolvenz von Kiekert. Aus den letzten Jahren sind ähnliche Liefersperren der Prevent-Gruppe gegenüber Volkswagen bekannt. Nunmehr werden die rohstoffnahen Lieferstufen immer bedeutsamer, denn die natürlichen Ressourcen der Erde stellen zunehmend den Engpass des gesamten Produktionsumfangs dar. Der Erfolg der industriellen Revolution bestand im Wesentlichen darin, dass die Menschheit lernte, die über Jahrmillionen entstandenen Abbaustoffe in kurzer Zeit auszubeuten und für ihren Wohlstand zu instrumentalisieren. Zugleich wuchs die Bevölkerungszahl und damit die Nachfrage nach daraus hergestellten oder weiterverarbeiteten Produkten. Nunmehr ist die Nachfrage so hoch, dass die natürlichen Rohstoffvorkommen nicht mehr ausreichen, den Nachfragelevel zu befriedigen. Ein Beispiel sind Seltene Erden, die, wie der Name schon nahelegt, nur in vergleichsweise geringen Mengen vorkommen und das zumeist in Regionen, die von geringer politischer Stabilität oder befremdlichen Staatssystemen zeugen. Ihre Verarbeitung ist etwa Voraussetzung für Computer-

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Chips und Akkus, die als technologische Treiber (Telekommunikation, Elektromobilität etc.) gelten. Ein anderes Beispiel sind nicht-regenerative Energieträger, deren Ausbeutung immer aufwändiger oder von Erzeugern zum Teil auch bewusst zugunsten zukünftiger Erlöse zurückgehalten wird. Sie stellen zumindest derzeit noch das Rückgrat der Industrialisierung dar. Somit geraten die Grenzen des Wachstums in Sichtweite. Dies gilt im Übrigen auch für Anbaurohstoffe in der Agrarwirtschaft. Landwirtschaftliche Flächen, die für Grundnahrungsmittel der Bevölkerung dringend erforderlich sind, werden verknappt durch die Nutzung als Weideflächen für Vieh, das wiederum nur als Zwischenspeicher für die Proteinversorgung gilt, oder für indirekte Produkte wie Palmöl, für die der Flächenertrag deutlich höher liegt als bei konventioneller Landwirtschaft. Durch die zunehmende Erschöpfung der Böden infolge Überdüngung, Austrocknung, Rodung etc. stagnieren die Erträge, so dass verbleibende fruchtbare Bodenflächen kultiviert werden, die den gleichen Pfad der Erschöpfung gehen. Insofern sind bei gleichzeitig steigender Bevölkerungszahl Hungerkatastrophen unausweichlich. Zwar kann die Zeitspanne dahin durch technischen Fortschritt gestreckt werden, aber der dazu zu betreibende Aufwand wird immer höher, so dass die Kosten-Nutzen-Relation leidet und bald unattraktiv wird. Insofern ist ein Umdenken unausweichlich. Die Gegenbewegung zum Outsourcing wird als Re-Outsourcing, also als Entkopplung von Versorgungsketten, bezeichnet. Demgegenüber handelt es sich bei Insourcing darum, dass ein selbstständiges Unternehmen, das in der Wertkette vor- oder nachgelagert ist, seine Wertschöpfung am Ort / im Betrieb des nachfolgenden oder vorlaufenden Unternehmens erbringt. Outsourcing bedeutet somit, dass Wertschöpfungsaktivitäten organisatorisch und räumlich aus dem eigenen Verfügungsbereich abgegeben werden. Insourcing bedeutet, dass Aktivitäten nur organisatorisch abgegeben werden, wohingegen sie räumlich im eigenen Verfügungsbereich verbleiben. Ein Beispiel für überzeugendes Insourcing bietet XEROX. Dieses Unternehmen hat Dokumentenmanagement als seine Kernkompetenz definiert. Da dieses aber räumlich zu großen Teilen immer noch dort erfolgt, wo mit diesen Dokumenten gearbeitet wird, und Unternehmen Dokumentenmanagement für gewöhnlich nicht als eigene Kernkompetenz definieren, kann eine gewünschte Wertkettenverschränkung nur am Ort des outsourcenden Unternehmens stattfinden. Es kommt damit zu einem Insourcing. XEROX betreibt daher DokumentenmanagementCenters in Unternehmen. Praktisch werden dafür Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt oder angemietet, in denen Xerox mit eigenen Betriebsmitteln und Personal Dienstleistungen an Ort und Stelle erbringt, für die mit dem Auftraggeber vorab ein Mengengerüst abgestimmt ist und für das vom Auftraggeber ein vereinbartes Entgelt fließt. Damit ist beiden Seiten gedient.

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2.2.6 Zieldimensionen Als Zieldimensionen im Absatz kommen die Größen Zielobjekt, Zieleinheit, vertikale Zielbeziehung, horizontale Zielbeziehung, Zeitbezug, Raumerstreckung, Zielausmaß, Zielinhalt, Zielrichtung und -gewichtung in Betracht (siehe Abbildung 9: Zieldimensionen). Diese werden im Folgenden jeweils kurz behandelt.

Abbildung 9: Zieldimensionen

Zunächst ist das Zielobjekt zu bestimmen, d. h. die Erfolgsgröße, die Gegenstand der weiteren Zieldimensionen ist. Dabei kann es sich allgemein um Input-, Throughput- oder Outputgrößen handeln. Als Inputgrößen kommen vor allem Produkte, Gebiete und Kunden in Betracht. Als Throughputgrößen treten Prozesse zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses, also solche der Leistungsvorbereitung, -erstellung und -verwertung. Als Outputgrößen kommen finanzielle und ideelle betriebswirtschaftliche Größen in Betracht. Dabei verlagert sich die Sichtweise immer mehr von den Output- in Richtung der Inputgrößen. Eine weitere Größe betrifft die der Zieleinheit. Damit ist die Stelle innerhalb der Organisation, oder konkreter die Person oder Personengruppe, die diese Stelle besetzt, gemeint, für die das definierte Ziel gelten soll. Dabei ist darauf zu achten, dass die Zieleinheit auch von ihrer Mittelverfügbarkeit her adäquat ausgestattet ist. Dies betrifft sowohl die Dotierung mit Geldmitteln und die Disposition über alle erforderlichen Hilfsmitteln als auch die intellektuelle Fähigkeit des / der Stelleninhaber(s) und die Weisungsbefugnis zur Durchsetzung der Zielvorgaben in umzusetzende Maßnahmen. Ziele sind vertikal eingebettet in ein Zielsystem, das sich mit abnehmendem Dispositionsgrad und zunehmendem Exekutionsgrad hierarchisch aufbaut durch Oberziele des Unternehmens, dazu gehören Organisationsphilosophie, -identität und -grundsätze, Bereichsziele einzelner Funktions-(Haupt-)abteilungen, z. B. Beschaffung, Produktion, Absatz, Aktionsziele einzelner Produkt-Markt-Kombinationen (SGEs) und Unterziele einzelner Maßnahmen. Dabei sind die Zielebenen nicht unabhängig voneinander zu betrachten, sondern Unterziele leiten sich aus übergeordneten Zielsetzungen ab. Umgekehrt dient ihre Erfüllung auch der Errei-

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

chung der übergeordneten Ziele des Unternehmens. Diese betreffen etwa Angebotsleistung, Marktstellung, Rentabilität, Finanzwirtschaft, Sozialverantwortung, Prestigeförderung etc. Hinsichtlich der horizontalen Beziehung von Zielen ergeben sich folgende Möglichkeiten: • Zielidentität bedeutet, dass zwei oder mehr verschiedene Ziele gemeinsam das gleiche Ergebnis verfolgen. • Zielharmonie bedeutet, dass zwei oder mehr verschiedene Ziele unterschied­liche Ergebnisse verfolgen, die zueinander jedoch in komplementärem Verhältnis ­stehen. • Zielneutralität bedeutet, dass zwei oder mehr verschiedene Ziele Ergebnisse verfolgen, die voneinander völlig unabhängig sind. • Zielindifferenz bedeutet, dass zwei oder mehr verschiedene Ziele zwar zueinander in Beziehung stehen, einander jedoch weder begünstigen noch beeinträch­ tigen. • Zielkonflikt bedeutet, dass zwei oder mehr verschiedene Ziele Ergebnisse verfolgen, die in substitutivem Verhältnis zueinander stehen und zwischen denen ein Kompromiss angestrebt werden soll. • Zielantinomie bedeutet, dass zwei oder mehr verschiedene Ziele einander vom Ergebnis her gegenseitig ausschließen und als Alternativen anzusehen sind. Mehrere verträgliche Ziele können in der Abfolge dabei • parallel, d. h. zeitgleich nebeneinander, • sukzessiv, d. h. zeitlich versetzt nacheinander, • intermittierend, d. h. zeitlich voneinander abweichend, • alternierend, d. h. zeitlich einander ablösend, verfolgt werden. Nach dem Zeitbezug lassen sich Ziele unterscheiden in kurzfristige, operative Ziele mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr, mittelfristige, taktische Ziele mit einer Laufzeit von einem bis zu drei bzw. fünf Jahren und langfristige, strategische Ziele mit einer Laufzeit von drei bzw. fünf bis zu 20 Jahren. Operative Ziele betreffen regelmäßig die optimale Nutzung vorhandener Leistungspotenziale, taktische Ziele die Veränderung dieser Leistungspotenziale und strategische Ziele die Schaffung neuer Leistungspotenziale. Hinsichtlich ihrer Raumerstreckung sind Ziele zweckmäßigerweise zunächst in intranationale und supranationale zu unterscheiden. Intranationale Ziele gelten nur innerhalb der Landesgrenzen des Unternehmensstandorts, supranationale

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gelten über diese hinaus. Nach dem Geltungsgebiet kann man dabei weiter verfeinert unterteilen in lokale, regionale und nationale Gebiete bei der intranationen Raumerstreckung, sowie in ethnozentrale (stammlandgetriebene), polyzentrale (gastlandgetriebene), regiozentrale (ländergruppengetriebene)  und geozentrale (globalgetriebene) Gebiete bei der supranationalen Raumerstreckung. Nach dem Ausmaß von Zielen lassen sich folgende unterscheiden: • Extremalziele haben die Form von Maximierung oder Minimierung. Hierzu gehören auch die in der Theorie immer wieder angeführten Ziele der Gewinnmaximierung bzw. Kostenminimierung. Die dazu erforderlichen Grenzbetrachtungen entbehren jedoch eines gewissen Realitätssinns, da sie Differenzialrechnungen erfordern. • Optimalziele haben die Form von Maximierung oder Minimierung unter Einhaltung von Nebenbedingungen. Dies ist die praktikable Ausprägung, die sich jedoch auf gut formalisierbare Entscheidungssituationen beschränkt. • Satisfaktionsziele haben die Form eines zufriedenstellenden Grads der Zieler­ reichung. Dies ist die in der Realität wohl am weitesten verbreitete Zielausprägung. Es geht zwar um ein auskömmliches Sicherheitspolster für den Bestand, jedoch soll der Bogen dabei auch nicht überspannt werden. • Fixationsziele haben die Form konkreter Zielwerte. Dabei geht es also darum, bestimmte Zielvorgaben möglichst genau einzuhalten. Dies dient der Planungssicherheit. Ziele lassen sich nach dem materiellen Inhalt einteilen in ökonomische Ziele für quantifizierbare, materielle Größen und psychografische Ziele für qualitative, immaterielle Größen. Psychografische Ziele sind ökonomischen sachlich vorgelagert (prämissiv). Erstere sind damit Mittel zur Erreichung letzterer und dienen nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck. Nach dem formellen Inhalt wird weiter unterteilt in Sachziele, die sich auf das faktische Handlungsprogramm eines Betriebs beziehen und einen Endzustand definieren (= Was soll erreicht werden?), sowie Formalziele, die rein monetäre Metavorgaben des Unternehmens betreffen und eine Prozessbeschreibung darstellen (= Wie soll es erreicht werden?). Nach der Zielrichtung kann ebenfalls mehrfach unterteilt werden: • Expansion ist als traditionelle Zielsetzung der Betriebswirtschaft noch aus den Zeiten des scheinbar endlosen Wirtschaftswachstums übrig geblieben, heute jedoch vielfach weder möglich noch wünschenswert. • Erhaltung ist die Festschreibung eines Zustands, sofern eine zufriedenstellende Position erreicht ist oder Wachstumsgrenzen eine weitere Expansion verhindern. • Etablierung ist die erstmalige Erreichung eines Zielzustands. Hier geht es darum, neue Ziele einzuführen und deren Basis zu sichern.

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• Reduktion ist die selektive Zurücknahme des Aktivitätenniveaus. Dies repräsentiert zunehmend den Zielhorizont von Unternehmen, die mehr oder minder angreifbare Angebote vom Markt nehmen und die Nachfrage auf deren Nachfolger umlenken wollen, bevor Imagebeeinträchtigungen auftreten. Nach ihrer Gewichtung lassen sich Ziele unterscheiden in Hauptziele, denen höhere Priorität zukommt, und Nebenziele, denen geringere Priorität zukommt. Dies ist nötig, um bei knappen Ressourcen zur Umsetzung der Zielvorgaben zu einer sachgerechten Zuteilung mehrerer Ziele auf ein und derselben Ebene zu gelangen. Hauptziele werden dazu zuerst mit Ressourcen / Budget dotiert, Nebenziele nur insoweit, wie die Ressourcen-/Budgetgrenze noch nicht erreicht ist. Jedoch ist fraglich, inwieweit das Nebenziel einer höheren Ebene vom Hauptziel einer niedrigeren bereits dominiert wird oder nicht. Dieses Dilemma suchen moderne Formen der Ressourcenzuteilung (z. B. Zero-base Budgeting / ZBB) sachgerecht zu klären. Typische Unternehmensziele sind etwa folgende: – Marktleistungsziele wie Produktqualität, Produktinnovation, Kundenservice, Programm, – Marktstellungsziele wie Umsatz, Marktanteil, Marktgeltung, Markteroberung, – Rentabilitätsziele wie Gewinn, Umsatzrentabilität, Gesamtkapitalrentabilität, Eigenkapitalrentabilität, – Finanzwirtschaftliche Ziele wie Kreditwürdigkeit, Liquidität, Selbstfinanzierung, Kapitalstruktur, – Macht- und Prestigeziele wie Unabhängigkeit, Image und Ansehen, politischer Einfluss, gesellschaftlicher Einfluss, Unternehmenswert, – Mitarbeiterbezogene Ziele wie Einkommen und soziale Sicherheit, Arbeitszufriedenheit, soziale Integration, persönliche Entwicklung, – Gesellschaftsbezogene Ziele wie Umweltschutz und Vermeidung sozialer Kosten der unternehmerischen Tätigkeit, nicht-kommerzielle Leistungen für externe Anspruchsgruppen des Unternehmens, Beiträge zur gesamtwirtschaftliche Infrastruktur. Ziele haben dabei allgemein Anforderungen zu gehorchen wie: • Realitätsbezug, d. h., Ziele müssen objektiv und auch subjektiv erreichbar sein, • Ordnung, d. h., Ziele müssen systematisch aufbereitet und dargestellt sein, • Konsistenz, d. h., mehrere Teilziele dürfen einander nicht widersprechen, • Aktualität, d. h., Ziele müssen zeitbezogenen Entwicklungen jeweils angepasst werden, • Vollständigkeit, d. h., die komplexe Wunschsituation soll komplett durch Ziele beschrieben sein,

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• Kongruenz, d. h., untergeordnete Ziele müssen zum Erreichen übergeordneter dienen, • Transparenz, d. h., Ziele müssen für alle Beteiligten nachvollziehbar sein, • Überprüfbarkeit, d. h., Ziele müssen operational formuliert werden. Häufig fasst man die Zielanforderungen anschaulich unter dem Akronym SMART zusammen. Dies bedeutet kumulativ: • S für specific, d. h. eindeutig, präzise • M für measurable, d. h. operationalisierbar, quantitativ messbar • A für ambitious, d. h. ehrgeizig, herausfordernd • R für realistic, d. h. realistisch, • T für time-based, d. h. terminiert, verbindlich. Tabelle 3 Zieldimensionen im Marketing (Formular)

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3. Status quo-Diagnose Zur Strategischen Absatzplanung gehört aber nicht nur die Bestimmung der Zielsetzung, sondern auch die der Istsituation. Denn nur, wenn die gegenwärtige Position erkannt ist, können die Entfernung und die Richtung zur Erreichung der Zielposition abgeschätzt werden. Und daraus ergeben sich wiederum Art und Ausmaß der einzusetzenden Maßnahmen. Zur Analyse der Istsituation stehen zahlreiche reduzierte Analyseverfahren (3.1) und nicht minder zahlreiche komplexe Analyseverfahren (3.2) zur Verfügung, die im Folgenden ausgeführt werden.

3.1 Reduzierte Analyseverfahren 3.1.1 Lebenszyklus-Analyse Es entspricht einer Erfahrungstatsache, dass sich marketingrelevante Tatbestände auf der Zeitachse verändern. Man spricht daher auch von einem Lebenszyklus, der sich auf Produkte, Technologien oder Branchenmärkte beziehen kann. Dieser Lebenszyklus vollzieht sich idealtypisch in Form einer Glockenkurve, zunächst mit progressiven Zuwächsen auf niedrigem absoluten Niveau, dann rückläufigen Zuwächsen auf höherem absoluten Niveau, niedrigen Abwächsen auf hohem absoluten Niveau und schließlich hohen Abwächsen auf niedrigem absoluten Niveau. Die Lebenszyklus-Analyse dient der Bestimmung der aktuellen Position eines Anbieters / Angebots an einem Markt. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil sich die Vermarktungsbedingungen je nach Position erheblich verändern. Innerhalb des Lebenszyklus können verschiedene Phasen identifiziert und charakterisiert werden (siehe Abbildung 10: Lebenszykluskurve (Prinzip)): • In der Vorbereitungsphase (Pre-market) wird das Angebot noch nicht marktwirksam. Vielmehr arbeiten Anbieter an der Marktreifung ihrer Forschungs- und Entwicklungs-Vorhaben. Erste Ankündigungen werden in den Medien lanciert, wobei für das Unternehmen hohe Vorkosten bis zur Marktreifung im Rahmen der Produktpolitik im Marketing auflaufen. • In der Innovationsphase (Launch) ist das Marktwachstum sehr hoch, wenngleich auf kleiner Basis. Die Preiselastizität der Nachfrage ist im Erfolgsfall dennoch niedrig und bietet die Chance zu Abschöpfungspreisen. Es handelt sich meist um ein temporäres Monopol, andere Anbieter müssen den Marktzugang ggf. erzwingen. Das Betriebsergebnis ist infolge der Vorkosten noch negativ. Die Nachfrager sind Innovatoren, die aus ihrem Selbstverständnis heraus immer das Neueste haben wollen. Das Preisniveau ist hoch, um die Konsumentenrente abzuschöpfen, obwohl es zum Teil auch niedrige Probierpreise (Penetrationsstrategie) gibt. Die Distribution ist selektiv, da Produktions- und Absatzkapazitäten erst sukzessiv

3. Status quo-Diagnose

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Abbildung 10: Lebenszykluskurve (Prinzip) (eig. Darst.)

aufgebaut werden. Die Werbung richtet sich an Meinungsbildner über Special Interest-Pressetitel und den Handel zur Listungs- und Platzierungsunterstützung. Insgesamt sind die absatzpolitischen Aktivitäten eher hoch anzusetzen. Der Markt ist durch Übernachfrage gekennzeichnet, und es sind hohe Produktionskosten bei niedrigerem Standardisierungsgrad gegeben. Produkte werden erst noch in die Großserienreife überführt. Der Absatz erfolgt über spezialisierte Absatzkanäle. Es kommt zu intensiver Produktverbesserung durch Design- und Werkstoffwechsel mit der Folge hoher Initialkosten. Es besteht ein großes Innovationsrisiko. Trotz Abschöpfungspreispolitik bleiben kaum Gewinne. Die Strategie ist auf Marktanteilswachstum gerichtet. • In der Penetrationsphase erfolgt eine bessere Marktdurchdringung. Die Wachstumsrate des Gesamtmarkts ist hoch, verläuft jedoch bald degressiv. Der Break even-Punkt wird erreicht. Die Gewinne steigen stark an, doch zugleich steigen auch die Preiselastizität der Nachfrage und die Zahl der Konkurrenten. Dennoch

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

wird erstmalig ein positiver Cash-flow erreichbar. Der Wettbewerb ist noch nicht intensiv. Als Käufergruppen kommen die Frühadopter in Betracht. Ziel der am Markt vertretenen Unternehmen muss eine bessere Marktdurchdringung oder Marktausweitung sein. Das Preisniveau ist hoch, da ausreichend Nachfrage vorhanden ist. Die Distribution wird im Zuge des Produkterfolgs ausgeweitet. Die Kommunikation ist durch hohe Werbeanstrengungen gekennzeichnet. Durch eine Pull-Strategie wird Nachfrage angezogen, durch eine Push-Strategie gleichzeitig Ware in den Absatzkanal gedrückt. Ziel ist es, ein Markenbewusstsein aufzubauen, um sich gegen spätere Mitbewerber zu profilieren. Die Kapazitäten werden infolge starker Nachfrage überbelastet. Es entstehen hohe Produktionskosten (z. B. durch Überstunden). Das Qualitätsniveau der Produkte ist latent gefährdet. Die Marketingkosten bleiben eher gering. • In der Saturationsphase normalisiert sich die Marktwachstumsrate und stagniert schließlich, die Gewinne erreichen ihr Maximum und verfallen danach infolge hoher Nachfrageelastizität und Wettbewerbsintensität, der Mittelrückfluss erreicht sein Maximum. Es herrscht starker Verdrängungswettbewerb. Als Käufer sind die frühe bzw. späte Mehrheit zu bezeichnen. Ziel ist die Durchsetzung gegenüber dem Mitbewerb und eine Marktanteilserhaltungsstrategie. Das Preisniveau sinkt. Es sind zunehmend Zugeständnisse an Abnehmer erforderlich, da Hersteller auf einen gewünschten Distributionsgrad angewiesen sind. Die Werbeaufwendungen steigen, die Werbeaussagen sind implizit auf Diskriminierung des Mitbewerbs gerichtet. Hinzu kommen häufige Aktionen. Die absatzpolitischen Aktivitäten verstärken sich. Es herrschen Massenproduktion und -vertrieb vor, und die Standardisierung der Produkte ist hoch. Es kommt zu Preiskämpfen. Hohe Werbekosten werden in die Induzierung von Wiederholungskäufen und Marktsegmentierung gesteckt. Dies erfordert Produktdifferenzierung und hohen Distributionsaufwand. Es kommt zu Prozessinnovationen. Angesichts rückläufiger Margen / Gewinne werden Wettbewerbsvorteile aktiviert. Importkonkurrenz aus Billiglohnländern verschärft diese Situation. Der Gewinnsaldo reagiert mit Time-lag auf die Umsatzentwicklung, weil zunächst die zu Beginn der Marktpräsenz angefallenen Anlaufverluste zu kompensieren sind und im Laufe der Zeit ausgabenwirksame Kostenpositionen wegfallen. Der anfänglich negative Cash-flow resultiert in der Praxis aus der dringlichen Notwendigkeit, Betriebskapazitäten aufzubauen und mehr oder minder hohe Investitionsbeträge dafür bereitzustellen. Cash-flow-Überschüsse in der Saturationsphase ergeben sich aus der Nutzung bereits abgeschriebener Produktionsanlagen, für die nurmehr Instandhaltung betrieben zu werden braucht, während gleichzeitig beim zwischenzeitlich erreichten, abgesenkten Kostenniveau auskömmliche Bruttospannen verbleiben. • In der Degenerationsphase brechen Umsatz und Gewinn ein. Verluste laufen auf, der Cash-flow sinkt schnell ab, und Konkurrenten scheiden vom Markt aus. Der Markt ist durch Verdrängungswettbewerb gekennzeichnet. Als Käufer kommen Spätadopter bzw. Nachzügler zum Zuge. Unternehmen bereiten den

3. Status quo-Diagnose

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Produktrückzug in Anschluss an das Ausmelken der Produkte (Milking Policy) vor. Das Preisniveau ist eher niedrig. Gleichzeitig sinkt die indirekte Distribution, da Handelsgeschäfte das Produkt zunehmend auslisten bzw. austauschen. Aus Kostengründen wird die Werbung reduziert. Die absatzpolitischen Aktivitäten sind niedrig einzuordnen. Es herrschen Überkapazitäten und branchenweiter Umsatzrückgang trotz Massenproduktion und -vertrieb vor. Es kommt zu Preisverfall, worunter die Markentreue leidet. Statt technischen Fortschritts dominiert Kostenkontrolle. Es kommt zum Marktaustritt von Wettbewerbern, die sich bereits auf die Entwicklung neuer Produkte konzentrieren. Als Ziel gilt allenfalls Marktbeherrschung. Danach ergeben sich folgende Alternativen für Marketingaktivitäten: • Verzögerter Abfall der Lebenszykluskurve durch Maßnahmen der laufenden Angebotsreaktualisierung zur kontinuierlichen Produktpflege. Dies entspricht der Abfangphase. • Wachstumsschub durch Produktvariation in Form von Up bzw. Down Gradings und Erreichung eines höheren Niveaus durch Maßnahmen zur produktlichen Aufwertung in Leistung bzw. Nutzen. Dies entspricht der Revitalisierungsphase. Dabei stellt sich praktisch das Problem, dass die Lebenszyklen infolge technischen Fortschritts immer rascher aufeinander abfolgen, so dass immer weniger Zeit bleibt, die immer erheblicheren, vorinvestierten Mittel zurück zu verdienen. Diese Verkürzung der At-Market-Phase bei gleichzeitiger Verlängerung der PreMarket-Phase nennt man Zeitfalle. Wege, dieser Zeitfalle zu entgehen, sind z. B. die Verlängerung der At-Market-Phase durch Relaunch, die Verkürzung der PreMarket-Phase durch Simultaneous Engineering oder das Überspringen einer Vermarktungsphase (Leapfrogging). Parallel zu diesem Lebenszyklusverlauf ergibt sich der zeitliche Übernahmeverlauf des Produkts in der Zielgruppe. Auch dieser kann modellhaft als Normalverteilungskurve dargestellt werden. Unterteilt man die gesamte Übernahmezeit in sechs Abschnitte, die durch Mittelwert und Standardabweichung unterteilt ist, so ergeben sich folgende Phasen der Diffusion: • Innovatoren / Innovators (2,5 %/> – 2 σ), • Frühadopter / Early Adopters (13,5 %/> – 1 σ), kumuliert 16 %, • Frühe Mehrheit / Early Majority (34 %), kumuliert 50 %, • Späte Mehrheit / Late Majority (34 %), kumuliert 84 %, • Spätadopter / Late Adopters (13,5 %/> + 1 σ), kumuliert 97,5 %, • Nachzügler / Laggards (2,5 %/> + 2 σ). Im Zeitablauf erfordern diese verschiedenen Klassen unterschiedliche Maßnahmen zur Vermarktung.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Während die Diffusion das aggregierte Ergebnis der individuellen Übernahmeentscheidung im Zeitablauf darstellt, liegt der Adoption eine Differenzierung nach dem Grad / der Schnelligkeit der Übernahme bzw. Durchsetzung von Neuerungen zugrunde. Dafür sind personenbedingte Einflüsse, umweltbedingte Einflüsse sowie produktbedingte Einflüsse von Bedeutung. Insofern kommt es kumulativ zu den Stufen von Neuheitserkennung als bekannt oder unbekannt, Neuheitsinteresse als Aktive oder Passive, Neuheitsbewertung als Adoptoren oder Rejektoren, Neuheitsversuch als Zufriedene oder Unzufriedene und Neuheitsumsetzung als Stay oder Exit. Auf jeder dieser Stufen kann es zu Ablehnung und Abbruch, oder Zustimmung und Fortsetzung, bis hin zum Wiederholungskauf, kommen. Allgemein adoptionsfördernd wirken eine hohe Glaubwürdigkeit des Botschaftsabsenders, eine leichte Überprüfbarkeit der behaupteten Werbeaussage, ein gering eingeschätztes endogenes und exogenes Risiko, ein hohes Ego-Involvement bei erfolgter Übernahme, eine Profilierung durch Übernahme des Produkts im sozialen Umfeld und eine hohe Übereinstimmung mit dem eigenen Anforderungsprofil. Die hohe Flopprate vieler Innovationen ist vor allem dadurch erklärbar, dass es nicht gelingt, rasch genug eine genügend große Zahl von Übernehmern zu generieren. Dies gerät dann zu einem Rennen gegen die Zeit. Dies war wesentliche Ursache der Internet-Flops. Es gelang den WWW-Anbietern nicht rasch genug, eine stabile Basis an „Wiederkäufern“ zu generieren. Zugleich wurden offline erhebliche Budgets in die Bekanntmachung investiert. Damit aber geriet das Geschäftsmodell zu einem Rennen gegen die Zeit, hohe Geldmittelabflüsse einerseits zu geringen Geldmittelzuflüssen andererseits. 3.1.2 PESTEL-Analyse In der PESTEL-Analyse werden wichtige Einflussfaktoren auf den eigenen Markterfolg beleuchtet. Relevante Informationsbereiche betreffen dabei vor allem folgende: • politische Rahmenfaktoren, welche die Voraussetzungen für jegliche Aktivität bilden, • erwerbswirtschaftliche Rahmenfaktoren, welche die unternehmerische Tätigkeit fördern oder begrenzen, • soziale Bedingungen, die in vielfacher Weise die betriebliche Tätigkeit prägen und fordern, • technologische Bedingungen, die als infrastrukturelle Voraussetzungen wirken, • ökologisch-natürliche Anforderungen, welche jegliche wirtschaftliche Aktivitäten limitieren, • rechtliche Anforderungen, welche die unerlässliche Voraussetzung jeder Markttätigkeit bilden.

3. Status quo-Diagnose

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PESTEL steht somit als Akronym für Einflussfaktoren aus den Bereichen Poli­ tical, Economical, Socio-cultural, Technological, Ecological-Physical, Legal. Hinsichtlich dieser sechs Kriterien ist eine detailliertere Gliederung möglich: • politische Komponenten (P) sind etwa Gewerkschaftseinfluss, Sozialgesetzgebung, Arbeitsrecht, parteipolitische Entwicklungen, Investitionsanreize, tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse, Subventionen, Handelsbeschränkungen, • erwerbswirtschaftliche Komponenten (E) stellen u. a. Entwicklung des Volkseinkommens, Höhe des Realzinssatzes, Konjunktur, Investitionsneigung, Pro-KopfEinkommen, Geldentwertungsrate, Lohnniveau, Arbeitslosenrate dar, • sozio-kulturelle Komponenten (S) sind etwa Geburtenrate und Bevölkerungsstruktur, Arbeitsmentalität, Freizeitverhalten, Sparneigung, Altersstruktur, Lebenserwartung, Sozialsysteme, Lifestyle, Bildungsstand, Religion, Konsumverhalten, Mobilitätsverhalten, • technologische Komponenten (T) beziehen sich auf Produktion, Produktinnovation, Verfahrensinnovation, Substitutionstechnologie, Recycling-Technologie, Logistik, Forschungsstand, Telekommunikation / Internet, Wissenstransfer, • ökologisch-physische Komponenten (E) umfassen u. a. die Verfügbarkeit von Energie und Rohstoffen, Umweltbelastung, Umweltbewusstsein, Umweltstandards, klimatischen Faktoren, Infrastruktur, • rechtliche Komponenten (L) meinen Korruption, Steuerrecht, Patentrecht, Produzentenhaftung, Regierungsform, politische Stabilität, Wirtschaftsregulierung. Durch Erfassung dieser Elemente wird es möglich, einen ersten, freilich noch groben Eindruck von der Marktsituation zu erhalten. Beispiel Smart-Kleinstwagen: – P-Größen: Tempolimit, Pkw-Maut auf Sicht, Forcierung des ÖPNV, Parkraumbewirtschaftung, Fahrradvorrangregelung, – E-Größen: Stagnierende Realeinkommen, Notwendigkeit zu intelligentem Sparen (z. B. Discounter), Mobilität bleibt wichtiger Ausgabeposten im Budget, wird jedoch stärker hinterfragt, – S-Größen: Auto verliert angesichts „egalitärer“ Verkehrssituation an Prestigefunktion, statt dessen intelligente Differenzierung in der Gesellschaft durch Understatement (z. B. Edelmarken), – T-Größen: High-tech in allen Autoklassen, um gegen Restriktionen zu bestehen (Emission, Ressourcenverbrauch, Unfallschutz etc.), Elektronik wird immer universeller und kostengünstiger verfügbar, – E-Größen: Verkehrsdichte steigt trotz sinkender Bevölkerungszahl, Energiekosten steigen unweigerlich, Umweltbelastung stößt an Grenzen,

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

– L-Größen: Steuerklasseneinteilung, Steuern auf Kraftstoff- bzw. Flottenverbrauch, Emissionsregelungen, Tempolimit. Ein weiteres Beispiel aus der Reifenindustrie zur Situation der Altreifenentsorgung lautet wie folgt: – P: Landkreise und Kommunen lassen zunehmend wilde Altreifendeponien räumen, Priorität für Umweltschutzbelange, Druck auf Branchenvertreter, – E: Verteuerung von fossilen Brennstoffen führt zum verstärkten Einsatz anderer Brennstoffe, Verknappung der Primärrohstoffe führt zu steigender Nachfrage für die in den Altreifen enthaltenen Rohstoffe, Tabelle 4 PESTEL-Analyseraster (Formular)

3. Status quo-Diagnose

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– S: Weiter steigendes Umweltbewusstsein in der deutschen Bevölkerung, weniger Altreifenanfall durch verstärkte Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und Gütertransport per Bahn / Schiff, – T: Neue Techniken zum kompletten Recycling von Altreifen stehen bereit, Laufleistung von Reifen erhöht sich, – E: Verstärkte Beanspruchung der Reifen durch schlechte Straßendecken, stärkere Motorisierung, aggressive Fahrweise, höhere Achsgewichte etc. – L: EU-weite Vorschriften und Erweiterung der EU erschweren Müllexport innerhalb Europas, neues Kreislaufwirtschaftsgesetz fordert Verwertungsbescheinigung von Werkstätten und Reifenhandel. 3.1.3 Branchenstruktur-Analyse Die Branchenstruktur-Analyse (nach M. E. Porter) betrachtet fünf Marktgrößen als Determinanten für das eigene Planverhalten: Lieferanten, Abnehmer, aktuelle Konkurrenten, substitutive Konkurrenten und potenzielle Konkurrenten. Dabei werden vermachtete Märkte vorausgesetzt und unterstellt, dass kein Beteiligter zögert, ein Machtgefälle zu eigenen Gunsten für sich auszunutzen (opportunistisches Verhalten). Daher ist es unerlässlich, die eigene Machtposition relativ zu den fünf anderen Marktkräften zu bestimmen und dies beim planerischen Vorgehen zu berücksichtigen (siehe Abbildung 11: Branchenstruktur).

Anbieter

Abbildung 11: Branchenstruktur (eig. Darst.)

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Ein aggressives Verhalten gegenüber Lieferanten kann diese dazu veranlassen, ihren Positionsvorteil auszuspielen. Die Verhandlungsmacht der Lieferanten ist hoch, wenn • der Konzentrationsgrad der Branche groß ist, die Bezugsbranche sich also nur aus wenigen Unternehmen zusammensetzt, von denen eine Leistung überhaupt bezogen werden kann. Dies ist vor allem bei Rohstoffen vorzufinden. • die Substitutionsgefahr gering ist, also keine oder nur schlechte Chancen bestehen, im Konfliktfall auf ein Ersatzprodukt auszuweichen. Dies ist etwa bei der Beziehung von Konsumgüterherstellern und Einzelhandelsketten gegeben. • die Produktbedeutung groß ist, die bezogene Leistung also mit hohem qualitativen oder quantitativen Anteil in das eigene Angebot eingeht, vielleicht sogar für dieses bestimmend ist. Zu denken ist an Computer-Chips in technischen Produk­ ten (Kfz, Mobilfunk). • die Umstellungskosten groß sind (Differenzierungsgrad), der Umstieg auf ein Ersatzprodukt also zwar objektiv möglich sein mag, subjektiv aber mit erheblichen Anpassungskosten verbunden ist. Dies ist etwa bei proprietären Systemen der Fall. • die Gefahr einer Vorwärtsintegration, mit der Lieferanten glaubhaft drohen können, also des Eindringens in die Abnehmerbranche, groß ist. Hier ist etwa an den Direktabsatz von Herstellern unter Ausschaltung der Handelsstufe zu denken. • die Wertschöpfung in der belieferten Branche gering ist, also zugelieferte Waren einen hohen Anteil des Verkaufswerts am Endprodukt ausmachen. Dieser Anteil ist umso höher, je weitgehender die Wertschöpfung outgesourced wird. • die Auftragsvolumenbedeutung, die der einzelne Abnehmer innerhalb des Lieferantengeschäftsumfangs einnimmt, gering ist. Darunter haben vor allem kleinund mittelständische Abnehmer in Knappheitssituationen zu leiden. Der Einfluss der Abnehmer durch Nutzung oder Verfügung ihrer Nachfragemacht ist umso größer, je konzentrierter sich die Marktanteilsverteilung dort darstellt und je weniger Ausweichmöglichkeiten sich einem Anbieter deshalb eröffnen. Die daraus resultierende Verhandlungsmacht ist abhängig von • dem Geschäftsumfang, der mit einzelnen Kunden getätigt wird. Vereinen relativ wenige Kunden hohe Absatzvolumina auf sich, haben sie für den Unternehmenserfolg einen großen Stellenwert (Key Accounts). Diese bedürfen der vordringlichen Bearbeitung, da Absatzausfälle hier das Periodenergebnis spürbar tangieren. De facto ist ein hoher Konzentrationsgrad auf Abnehmermärkten häufig gegeben. • der Abweichung der eigenen Produkte von denen der Konkurrenz (Alleinstellung). Dabei geht es nicht nur um objektive, sondern vor allem um subjektiv so empfundene Unterschiede. Diese führen zu einer als geringer angesehenen Aus-

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tauschbarkeit des Angebots und damit zur engeren Bindung der Abnehmer als bei standardisierten Produkten. Umgekehrt begünstigt Qualitätsindifferenz eine starke Austauschbarkeit und verbessert die Position des Abnehmers. • den Kosten eines Lieferantenwechsels. Diese bestehen aus Kosten der Organisationsumstellung oder aus Einnahmeausfall (Opportunitätskosten). Sind beide als hoch zu bewerten, besteht eine enge Bindung der Kunden, sind beide niedrig, ergibt sich für diese eine bessere Verhandlungsposition, die zu günstigeren Konditionen beim vorherigen oder neuen Vertragspartner führt. • der Ertragslage des Abnehmers. Ist diese als schlecht einzuschätzen, so sind seine Möglichkeiten zur Ausspielung evtl. vorhandener Marktmacht begrenzt. So kann etwa leicht ein zeitlicher Zugzwang aus mangelnden Rücklagen herrühren und anstelle eines durchzustehenden Verhandlungsmarathons zu schnellen Zugeständnissen zwingen. • der Transparenz am Markt über Kosten und Preise. Ist eine hohe Übersichtlichkeit gegeben, fällt es leichter, alternative Lieferquellen ausfindig zu machen, zu denen gewechselt oder mit deren Aktivierung zumindest gedroht werden kann. Bei geringer Markttransparenz bleiben solche Ausweichmöglichkeiten eher verborgen. • der Möglichkeit zur Eigenfertigung. Lohnt sich diese oberhalb eines bestimmten Preislevels und ist objektiv und subjektiv möglich, etwa bei fehlenden Ge­ werblichen Schutzrechten und vorhandenem Know-how, so entsteht daraus eine hohe Nachfragemacht. Dies gilt auch für die glaubwürdige Drohung mit der Rückwärtsintegration auf vorgelagerte Fertigungsstufen (z. B. Handels­ marken). • dem Durchhaltevermögen des Abnehmers gegenüber seinen Lieferanten. Dieses ist wiederum abhängig von dessen Kapitalausstattung, Lagerbestand, Know-how etc. Je besser die Ausstattung, desto sicherer und hinhaltender ist sein Widerstand gegen nachteilige Veränderungen in der Kontrahierung zu erwarten. • dem Ausmaß der Bedeutung der zugelieferten Produkte für die Qualität des weiter verarbeiteten Produkts. Je höher diese ist, desto günstiger wird die eigene Verhandlungsposition relativ zu der des Abnehmers. • der Preisempfindlichkeit der Abnehmer, die wiederum abhängig ist von Faktoren wie Produktunterschieden, Markenbindung, Preis-Leistungs-Relation, Bezugsanreizen aus Menge, Wert, Zielbeitrag etc. Der Einfluss von Substitutionsgutanbietern als Bedrohung der eigenen Marktstellung bildet eine weitere Größe. Dabei kann es sich um aktuelle oder potenzielle Ersatzangebote handeln, die auf die Marktposition einwirken. Gewerbliche Schutzrechte versuchen, eine gewisse prozessuale Monopolstellung zu gewährleisten, um den technischen Fortschritt zu forcieren. Letztlich ist der Grad der Bedrohung oberhalb eines Mindesteignungsniveaus aber vor allem vom Preis-Leistungs-Ver-

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

hältnis abhängig sowie von der Fähigkeit anderer Anbieter, in neue Märkte einzudringen. Die Substitutionsgefahr ist generell hoch einzuschätzen, wenn • die Produkte der Branche teuer in Relation zum Einkommen der Konsumenten bzw. zum Budget der Abnehmer sind. Dann werden eher intensive Bemühungen eingeleitet, alternative Produkte auf ihre Einsetzbarkeit hin zu prüfen. Stehen dabei leichte Leistungseinbußen hohen Kostenersparnissen gegenüber, werden selbst diese in Kauf genommen. • Einkommen / Budgets stagnieren, was heute häufig der Fall ist. Desto dringlicher wird die Notwendigkeit der Nutzwert-Analyse und damit verbunden auch die Gefahr, selbst auf unterlegene Produktalternativen umzusteigen, wenn die damit verbundenen Einschränkungen verkraftbar scheinen. • die Abnehmer nur einen geringen Grad an Produktloyalität / Markentreue auf­ weisen, so dass ihnen der Wechsel zu anderen Angeboten subjektiv leicht fällt. Je rationaler die Kaufentscheidung ausfällt, desto geringer ist der Anteil verkürzter Kaufentscheidungsprozesse, die zum eher unreflektierten Wiederholungskauf führen. • das Lebenszyklusstadium schon weit fortgeschritten ist. Desto wahrscheinlicher wird eine Ablösung durch ein Produkt mit substitutivem Charakter. Dabei kann es sich um ein Neuprodukt handeln oder um die Weiterentwicklung eines vorhandenen Produkts, das im Wachstums- oder Reifestadium seines Lebenszyklus steht, wobei die Übergänge durchaus fließend sind. • die Umstellungskosten vom einen auf das andere Produkt vergleichsweise gering ausfallen. Dies ist umso eher der Fall, je standardisierter Produkte sind, was infolge des Trends zu Gleichteilekonzepten in der Industrie, aus Lieferantensicht, zunehmend der Fall ist. Potenzielle Konkurrenten sind nach Anzahl, Größe und Einfluss sowie dem Grad der Wahrscheinlichkeit ihres Markteintritts bedeutsam. So kann die Abschöpfung der Preisbereitschaft auf einem Markt (Skimming) andere Unternehmen zur Annahme verleiten, dass dort noch relativ hohe Gewinnmargen zu erzielen sind und diese damit zum Markteintritt motivieren. Deshalb kann es sinnvoll sein, auf eine Ausnutzung vorhandener Preisspielräume zu verzichten. Die Bedrohung durch mögliche neue Wettbewerber ist abhängig von mehreren Faktoren, vor allem von der Intensität der zu erwartenden Reaktion und der Höhe der Eintrittsbarrieren. Die Intensität der erwarteten Reaktion der bisherigen Marktanbieter (i. S. v. Vergeltung) dürfte umso stärker sein, je • geringer das Marktwachstum ist, d. h., je zwangsläufiger die vorhandenen Marktanteile verteidigt werden müssen, da es wenig Chancen gibt, anderweitig am Markt zu prosperieren. • höher die Austrittsbarrieren aus dem Markt sind, d. h., je größer die Notwendigkeit ist, im bestehenden Markt zu reüssieren, da ein Ausstieg hohe Vermögensverluste bedingt.

3. Status quo-Diagnose

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• größer die Kapitalkraft der bisherigen Anbieter ist, d. h., je umfangreicher deren Möglichkeiten scheinen, sich gegen unerwünschte Eindringlinge zur Wehr zu setzen. • höher die Profitabilität der Branche in Gegenwart und Zukunft einzuschätzen ist, denn damit werden im Gegenzug selbst hohe Risiken akzeptabel. Die Eintrittsbarrieren in den Markt sind als hoch zu bezeichnen und als schützend anzusehen, wenn • Größendegressionsvorteilen eine hohe Bedeutung zukommt, denn dies erfordert große Betriebsanlagen durch internes oder externes Wachstum, damit starken Kapitaleinsatz und hohes Risiko, das andere wiederum vor einem Markteintritt zurückschrecken lässt. • hohe Umstellungskosten für Kunden bei Lieferantenwechsel gegeben sind, denn dies schafft eine unwillkürliche Bindung der Kunden an bestehende Geschäftsbeziehungen und verschließt dadurch diese Absatzquelle für neue Anbieter. • der Distributionszugang erschwert ist, denn gelingt es nicht, vorhandene Absatzwege zu erschließen, wie dies bei enger Bindung der Absatzmittler an ihre Lieferanten gegeben ist, oder neue aufzutun, fehlt der Zugang zur Abnehmerschaft. Die Bedrohung durch neue Anbieter ist generell hoch, wenn • der Grad der Produktdifferenzierung durch Markennamen, Image, Qualität etc. wenig ausgeprägt ist, denn das reflektiert eine geringe Loyalität der Abnehmer und potenziell hohe Kundenfluktuation, die eine wesentliche Absatzaquelle für neue Anbieter ausmacht. • die derzeitigen Wettbewerber keine bzw. nur geringe größenunabhängige Kostenvorteile aus Gewerblichen Schutzrechten, Standortvorteilen, SpezialistenKnow-how etc. haben, denn dann besteht kein uneinholbarer Vorsprung durch Monopoleffekte. • sich die derzeitige Struktur der Branche in erster Linie aus klein- und mittelständischen Unternehmen zusammensetzt, deren Sanktionspotenzial gegenüber okkupierenden Großunternehmen im Zweifelsfall als begrenzt anzusehen ist. • der Eintritt in die Branche nur einen vergleichsweise geringen Kapitaleinsatz verlangt, denn dann kann der versuchte Markteinstieg Externer infolge geringer Verlustgefahr bereits zu erheblicher Unruhe unter den bestehenden Anbietern führen. • die qualifiziert vermutete Gewinnhöhe in der Branche insgesamt hoch ist in Relation zu den für deren Erlangung einzugehenden kumulierten Risiken, d. h. potenzielle Chancen potenzielle Risiken überwiegend und einen Markteintritt damit verlockend erscheinen lassen. Für Anzahl, Größe und Einfluss aktueller Konkurrenten in Bezug auf die Wettbewerbsintensität eines Markts ist der Grad der Reaktionsverbundenheit von Be-

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

deutung. Handelt es sich um wenige, etwa gleich große Anbieter, kommt es oft zur ausdrücklichen oder auch nur stillschweigenden Verhaltensabstimmung. Handelt es sich hingegen um zahlreiche Anbieter am Markt, darunter auch Importeure, ist diese Kollusion schwieriger. Einfacher stellt sich die Situation dar, wenn ein einzelner Anbieter eine überragende Marktposition einnimmt. Die Rivalität unter den etablierten Wettbewerbern ist groß, wenn • nach Ansicht der Marktpartner nur geringe Unterschiede hinsichtlich Qualität, Image, Preis etc. zwischen den angebotenen Produkten gegeben sind (Differenzierung) und die Markenbindung niedrig ausfällt. Von daher ist ein stetiges Bemühen zur Sicherung der Nachfrage vonnöten. • der durchschnittliche Kapazitätsauslastungsgrad in der Branche gering ist und eine hohe Belastung durch Leerkosten besteht. Dann sind die Anbieter eher bereit, bis zur Teilkostendeckung nachzugeben, um wenigstens Fixkostendeckungsbeiträge zu erzielen. • zahlreiche, annähernd gleich ausgestattete Mitbewerber in der Branche kon­ kurrieren, so dass das Leistungsgefälle zwischen ihnen gering bleibt. Je gleichwertiger die Konkurrenten sind, umso länger können antinomische Prozesse dauern. • in der Branche hohe Austrittsbarrieren etwa durch Marketingabhängigkeiten, Sozialpläne oder spezialisierte Aktiva mit niedrigen Liquidationserlösen bestehen. Insofern sind alle Anbieter auf erfolgreiche Präsenz auf diesem Markt angewiesen und werden erreichte Marktpositionen deshalb entschlossen verteidigen. • eine hohe Transparenz oder Intransparenz die Wettbewerbssituation der Branche kennzeichnet. In beiden Fällen besteht die Gefahr direkt konkurrenzverletzender Aktivitäten, zum einen, weil man weiß, wo man den Konkurrenten am empfindlichsten treffen kann, zum anderen, weil Aktivitäten unbeabsichtigt als Affront gewertet werden und Gegenmaßnahmen induzieren können. • das Wachstum der Branche gering ist. Denn Stagnation erfordert Konkurrenzverdrängung zur Erfüllung individueller Expansionsziele, d. h., ein gewünschter, eigener Bedeutungszuwachs ist nur zulasten des direkten Mitbewerbs möglich. • die technische, wirtschaftlichen, rechtlichen, raum-zeitlichen Umstellungskosten zwischen den verschiedenen Angeboten niedrig bleiben. Dann ist eine Marktanteilsverschiebung rasch möglich, weil es für Abnehmer leicht fällt, vom einen zum anderen Lieferanten zu wechseln. Diese Einflussgrößen werden gelegentlich noch um das Verhalten der Arbeitnehmer und die Eingriffe des Staates erweitert. Diese sollen jedoch hier außen vor gelassen werden.

3. Status quo-Diagnose

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Beispiel: Branchenstruktur-Analyse für die Druckindustrie: – Lieferantenmacht: Hoher Konzentrationsgrad bei Papierherstellern und Maschinenlieferanten, Preisdiktat der Papierhersteller, lange Lieferzeiten bei Maschinenlieferanten, rasch abfolgende technische Neuerungen mit Zwang zu kontinuierlichen Ersatzinvestitionen, – Abnehmermacht: Geringe Kundenbindung infolge niedriger Wechselkosten und austauschbarer Produkte, stark fragmentierte Nachfrage, rückläufiges Nachfragevolumen (papierloses Büro, Internet), verändertes Informations- und Kommunikationsverhalten (E-Mail, Mobiltelefon statt Brief), – Macht aktueller Konkurrenten: Stark fragmentierter Markt, wenig Differenzierungsmöglichkeiten bei Produkten, hohe Konjunkturabhängigkeit, zunehmende Kapitalbindung durch komplexe maschinelle Anlagen, Überkapazitäten, sinkende Renditen durch Preiskampf, zunehmender Verdrängungswettbewerb, steigender Konzentrationsgrad in der Branche, – Macht substitutiver Konkurrenten: Neue Medien, neue Verfahrenstechniken (Internet, elektronische Datenbanken statt Nachschlagewerken, Desktop Publishing, E-Book, – Macht potenzieller Konkurrenten: Copyshops (Digitaldruck-Centers) für Kleinauflagen, Internationalisierung durch Anbieter mit deutlich günstigeren Standortkosten. Beispiel einer Branchenstruktur-Analyse für Fluggesellschaften: – Lieferanten: Flugzeughersteller (Airbus, Boeing), Kerosinlieferanten, IT-Hersteller, Cockpit-/Kabinenpersonal, Catering, Flughafenbetreiber, Slot-Eigner an Flughäfen, politische Einflussnahme, Sicherheit, – Abnehmer: Angebotsvielfalt der Transportmittel, geringe Wechselkosten, hohe Markttransparenz, schnelle Reaktion bei Preisanpassungen, Fliegen ist kein Statussymbol mehr, ökologisches Gewissen, Trivialisierung des Fliegens, – Aktuelle Konkurrenten: zahlreiche Airline-Anbieter, Überkapazitäten, geringe Wachstumsrate am Markt, intensiver Preis- und Leistungswettbewerb, internationale Hubs, ZubringerLinien, Subventionierung von Staatslinien,

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

– Substitutive Konkurrenten: elektronische Kommunikation / Internet, Hochgeschwindigkeitszüge, Langstreckenreisebusse, Hyperloop, 3-D-Druck / fortgeschrittene Roboter, – Potenzielle Konkurrenten: Markteintrittsbarrieren niedrig (Know-how / Finanzen), Zugriff auf Slots, Deregulierung des Marktes, weitere Low Cost Carriers. Tabelle 5 Branchenstruktur-Analyse (Formular)

3. Status quo-Diagnose

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3.1.4 Ressourcen-Analyse Bei der Ressourcen-Analyse geht es um die Beurteilung der maximal nutzbaren Leistungsfähigkeiten des eigenen Unternehmens in Relation zu den wichtigsten Konkurrenten im Einzelnen in Bezug auf betriebswirtschaftliche Kriterien. Im Unterschied zur Stärken-Schwächen-Analyse wird hierbei nicht die aktuelle, sondern eine potenzielle Situation beurteilt (siehe Abbildung 12: Ressourcen-Analyse (Beispiel)).

Abbildung 12: Ressourcen-Analyse (Beispiel) (eig. Darst.)

Dies ist wichtig für die Antizipation des Ausgangs möglicher Konflikte. Dazu geht man folgendermaßen vor: • Die jeweils beurteilungsrelevanten Kriterien werden ausgewählt (z. B. güter-, geld-, informationswirtschaftliche Positionen wie Kosten, Investitionen, FuE-Aufwand, Organisation, Qualität, Motivation, Standort, Rohstoffzufuhr, Produktion etc.). • Zugleich wird ein Bewertungssystem als Skalierung festgelegt, die Skalenwerte werden untereinander abgetragen.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

• Die für die Beurteilung heranzuziehenden Konkurrenten (mind. der Marktführer) werden bestimmt. • Für jedes Kriterium werden die eigenen Ressourcen und die der Konkurrenten ermittelt und bewertet. Dies kann auf Basis objektiver Daten oder subjektiver Schätzungen erfolgen. • Für die grafische Darstellung werden die Beurteilungen getrennt für das eigene Unternehmen und jeden Konkurrenten zu einer Profillinie verbunden. Der Abstand der Linien gibt über das Ausmaß des Ressourcenvorsprungs/-rückstands beim jeweiligen Kriterium Auskunft. Daraus ergeben sich drei mögliche Konsequenzen: • Ausgleich der Ressourcenrückstände bei den Kriterien mit dem kleinsten Mitbewerbsabstand. • Defensive Wettbewerbsstrategie hinsichtlich der per Saldo ressourcenüberlegenen Mitbewerber. • Offensive Wettbewerbsstrategie hinsichtlich der per Saldo ressourcenunterlegenen Mitbewerber über die Kriterien mit dem größten Ressourcenvorsprung. Durch die Schätzung der Ressourcen sind allerdings gewisse Unsicherheiten der Analyse gegeben. 3.1.5 Potenzial-Analyse Bei der Potenzial-Analyse geht es um die Beurteilung nur der im eigenen Unternehmen bereits genutzten relativ zu den insgesamt dort nutzbaren Leistungsfähigkeiten (Ressourcenausschöpfung). Das Ergebnis zeigt an, welche Marketingparameter bereits weitgehend ausgeschöpft sind und welche noch Raum für Zuwachs lassen. Bei letzteren kann die größere Hebelwirkung vorausgesetzt werden (siehe Abbildung 13: Potenzial-Analyse (Beispiel)). Dazu geht man folgendermaßen vor: • Die jeweils beurteilungsrelevanten Kriterien werden ausgewählt und ein Bewertungssystem als untereinander gestellte Skalierung dafür festgelegt, z. B. Markenstärke, Werbepräsenz, Distribution, Produktaufmachung, Sortiment, Lieferfähigkeit, Innovationskraft, Entscheidungsflexibilität, Außendienstqualität. • Für jedes Kriterium werden die bereits genutzten Leistungen des Unternehmens ermittelt und bewertet. Dies kann anhand objektiver Daten oder subjektiver Schätzungen erfolgen. • Für jedes Kriterium werden weiterhin die maximal nutzbaren Leistungsfähigkeiten des Unternehmens ausgewiesen (aus der Ressourcen-Analyse übernommen). • Beide Werte, genutzte Leistungen und nutzbare Leistungsfähigkeiten, werden in der Skalierung abgetragen und durch zwei getrennte Profillinien verbunden.

3. Status quo-Diagnose

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Abbildung 13: Potenzial-Analyse (Beispiel) (eig. Darst.)

• Der Abstand der Linien gibt über das Ausmaß der bereits erreichten Ausschöpfung gegebener Leistungsfähigkeiten bei jedem Kriterium Auskunft. Kriterien, bei denen im gegebenen Zustand das Potenzial noch nicht voll ausgeschöpft ist, bieten Entwicklungschancen, bei Kriterien, die bereits weitgehend ausgeschöpft sind, ist dies nicht der Fall. Insofern ergeben sich Hinweise auf nutzbare

Abbildung 14: Zusammenhang deskriptiver Analyseverfahren

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Hebelwirkungen. Weiterhin ist der Zusammenhang deskriptiver Analyse­verfahren ersichtlich (siehe Abbildung 14: Zusammenhang deskriptiver Analyseverfahren). Dies gilt für die Stärken-Schwächen-Analyse, die Ressourcen-Analyse und die Potenzial-Analyse. 3.1.6 Engpass-Analyse Die Engpass-Analyse, hier in Form der Strategischen Bilanz (auch ArgumentenBilanz), umfasst die Aufstellung der relevanten Aktiva und Passiva eines Unternehmens nach Rubriken. Statt Bilanzposten werden jedoch Funktionsbereiche des Unternehmens aufgeführt. Jeder Bereich wird hinsichtlich Vorteilen und Nachteilen in Form von Statements dargestellt und auf dieser Basis mit einem Wert zwischen 0 und 100 bewertet. Der kleinste Saldo, d. h. der addierte Abstand zwischen Aktiva und invertierten Passiva, gibt den Engpass vor, an dem gearbeitet werden muss. Umgekehrt bilden Kriterien mit großem Saldo, d. h. addiertem Abstand zwischen Aktiva und invertierten Passiva, keinen Bottleneck (siehe Abbildung 15: Engpass-Analyse (Beispiel)).

Abbildung 15: Engpass-Analyse (Beispiel) (eig. Darst.)

3. Status quo-Diagnose

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Die Vorgehensweise ist wie folgt: • Die für den Unternehmenserfolg bedeutsamen Kriterien werden definiert. Für jeden dieser Faktoren werden alle wichtigen Bestimmungselemente gesammelt, die für eine Bewertung relevant sein können. • Jedes Bestimmungselement wird grob bewertet. Die Bestimmungselemente werden dann je Faktor in zwei Gruppen unterteilt, solche mit überwiegend positiver Bewertung, diese werden den Aktiva zugeteilt, und solche mit überwiegend negativer Bewertung, diese werden den Passiva zugeteilt. • Für jeden Faktor werden die positiven sowie die negativen Bestimmungs­elemente gesammelt und aufgelistet. Diese werden summarisch mit einer Prozentzahl bewertet, welche die Relation des Ist- zum Ideal-Zustand des Unternehmens angibt (0–100). • Je Faktor ergeben sich somit zwei Werte, je einer für die positiven und negativen Bestimmungselemente, entsprechend Soll und Haben in der Buchführung. • Ein Tableau in Form einer zweiseitigen Bilanz wird aufgemacht, mit Aktiva und Passiva. Auf jeder Seite werden die jeweiligen Faktoren abgetragen. Auf der Aktiva- und Passiva-Seite werden jedem Faktor die jeweiligen Bestimmungselemente zugeordnet. Diese werden mit einem summarischen Wert versehen. • Auf beiden Seiten werden die Werte von rechts nach links abgetragen, d. h., hohe positive / negative Ausprägungen bedeuten sowohl auf der Aktiva- wie auf der Passiva-Seite hohe Prozentzahlen. Die Differenz zwischen Aktiva- und Passiva-Werten zeigt die Engpassbeurteilung je Faktor an, im Unterschied zu Ressourcen- und Potenzial-Analyse aber nicht saldiert. Werte unter 100 zeigen einen Engpass an. Der kleinste Saldo, d. h. der addierte Abstand zwischen niedrigen Aktiva und hohen Passiva, gibt den Engpass vor, an dem gearbeitet werden muss. Umgekehrt bilden Funktionen mit großem Saldo, d. h. addiertem Abstand zwischen hohen Aktiva und niedrigen Passiva, keinen Bottle Neck. Üblich ist die Beurteilung folgender Kriterien: • Kapitalanforderungen: Finanzierungsreserven, -lücken, Verschuldungsgrad, Kapazitätsreserven / Wachstumszwang, Unterbeschäftigungsgefahr, stille / liquidierbare Reserven / Belastungen durch Steuern und Immobilität, Abbau- und Auslastungsmöglichkeiten des Fixkostenblocks, • Materialanforderungen: Qualitätsvor- und -nachteile gegenüber der Konkurrenz, Ausweichmöglichkeiten bei Rohstoffarten und Lieferanten, Umschlagsbeschleunigung/-verlangsamung, Chancen der Sortimentsstraffung / Zwang zur Verbreiterung, • Personalanforderungen: günstige / ungünstige Fluktuationsrate, Attraktivität für potenzielle Mitarbeitende, Schwierigkeiten bei der Personalbeschaffung, imple-

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mentierte Nachwuchs- und Vertretungsregelungen / unentbehrliche Mitarbeitende, qualitative Personalreserven, • Absatzanforderungen: Markenprofilierung, Solitärmarken, Produktimage, bessere Problemlösungen, Freiheit in der Preis- und Konditionengestaltung, Auftragsbestände/-eingänge, • Know-how-Anforderungen: Vergabe / Inanspruchnahme von Patenten und Lizenzen, Projektcontrolling, Leistungsfähigkeit in FuE, Kenntnisse über die Zielgruppe, Innovationen, Krisenbewältigungspläne.

3.1.7 Profit Pool-Analyse Unter einem Profit Pool versteht man die grafische Darstellung der Verteilung der Wertschöpfung in einer Branche (Industry) auf verschiedene Stufen (Abszisse) relativ zur operativen Gewinnrate in den jeweiligen Bereichen (Ordinate). Die daraus entstehenden Flächen geben dann Auskunft über die Profitabilität der einzelnen Aktivitäten im Durchschnitt der Branche bzw. des eigenen Unternehmens (Beratung, Vertrieb, After Sales, Entsorgung etc.). Sie können dann hinsichtlich ihrer Gewinnanteile (Flächen) verglichen und geplant werden (siehe Abbildung 16: Profit Pool-Analyse (Beispiel: Schreibwarenbranche)). Ist eine Fläche individuell tatsächlich kleiner als branchenweit, muss entweder ihr Anteil der an der gesamten Wertschöpfung erhöht oder aber ihre Gewinnmarge gesteigert werden. Gelingt keine dieser beiden Aktivitäten, werden Ressourcen in diesem Bereich suboptimal gebunden und müssen anderweitig justiert werden (Erschließung weiterer Wertkettenbereiche oder Rückzug). Problematisch ist dabei die Ermittlung der zugrunde liegenden Daten. Daher können alternativ dazu auch die Umsätze der Wertkettenstufen dargestellt werden (Revenue Stream-Analyse). Die Profit Pool-Analyse ist häufig Ausgangspunkt zur Dekonstruktion komplexer Unternehmen, denn sie weist rentablere und weniger rentable Unternehmensteile aus. Die Logik des Shareholder Value geht davon aus, dass Kapital in den weniger rentablen Teilen unwirtschaftlich gebunden wird, weil die Erträge dort nicht die Kapitalkosten, also die risikobezogene Verzinsung des Eigenkapitals und die zu bedienende Verzinsung des Fremdkapitals zum Geschäftsbetrieb, decken. Zudem wären Eigenkapitalanteile in den rentableren Unternehmensteilen besser investiert. Daraus folgt das Anliegen, diese „Underperformers“ zu verselbstständigen (Carve-out) und die daraus resultierenden Verkaufserlöse in „Overperformers“ zu investieren. Im Allgemeinen kann dadurch der Wert der verbleibenden Kernaktivitäten sogar über den Wert des vorherigen Gesamtunternehmens hinaus gesteigert werden. Beispiele finden sich bei RWE (Innogy Stromverteilung), E.on (Uniper fossile Energien), Bayer (Covestro Polymere, Lanxess Spezialchemie), Siemens (Healthineers Medizintechnik, Energy Energietechnik, Gamesa Windturbinen, Osram Photonik, Infineon Halbleiter, Epcos elektr. Bauteile),

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Abbildung 16: Profit Pool-Analyse (Beispiel: Bleistiftindustrie) (eig. Darst.)

aber auch bei Ebay (Paypal). Häufig wird dagegen das Vorhandensein bzw. der Verlust von Synergieeffekten zwischen den verbleibenden und ausgegliederten Unternehmensteilen angeführt (wie im Beispiel BASF beim Verbundstandort). Diese werden jedoch als geringer eingeschätzt als die Folgen der Fehlallokation von Finanzmitteln. 3.1.8 Anteilsstruktur-Analyse Die Anteilsstruktur bezieht sich vor allem drei Gruppen von ABC-Analysen. Erstens nach dem Umsatzanteil, d. h. der Verteilung von Produkten nach ihrer relativen Umsatzbedeutung. Dazu werden alle im Programm befindlichen Produkte nach ihrer Umsatzbedeutung absteigend gerangreiht. Es entsteht eine Konzentrationskurve, die ausweist, dass eine absolut kleine Anzahl von Artikeln einen relativ großen Umsatzanteil ausmacht. Grob gilt hier die 80 : 20-Regel, d. h., 20 % der Artikel repräsentieren kumulierte 80 % des Umsatzes (siehe Abbildung 17: Umsatzanteils-Analyse (Beispiel)). Alternativ kann auch der Deckungsbeitrag als Maßstab herangezogen werden. Zweitens der Kundenanteil, d. h. die Analyse der Abhängigkeit von einzelnen Kunden nach ihrer relativen Umsatzbedeutung. Die Vorgehensweise und auch die Aussage des Ergebnisses ist dieselbe wie vorher geschildert (siehe Abbildung 18:

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Abbildung 17: Umsatzanteils-Analyse (Beispiel) (eig. Darst.)

Abbildung 18: Kundenanteils-Analyse (Beispiel) (eig. Darst.)

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Kundenanteils-Analyse (Beispiel)). Ein hoher Umsatzanteil ist durchaus nicht nur positiv, sondern kann auch zu einer existenziellen Abhängigkeit von nachfragemächtigen Abnehmern führen. Dafür spricht zumeist, dass das leichteste Neugeschäft mit bestehenden Kunden erreicht werden kann, was einem Bequemlichkeitsargument folgt. Insofern gilt es, gezielt neue Käufersegmente zu erschließen und die Kundenbasis dadurch zu verbreitern. Drittens der Altersquerschnitt, d. h. die Verteilung des Umsatzes / Deckungsbeitrags nach der mutmaßlichen Lebenserwartung der Produkte. Dazu werden diese in Altersklassen eingeteilt und mit ihrem derzeitigen Umsatz-/Deckungsbeitrag gewichtet (siehe Abbildung 19: Altersquerschnitt-Analyse (Beispiel)). Wird die Abfolge nach zunehmender Lebenserwartung der Produkte aufgebaut, kommt es beim Umsatz darauf an, eine nach oben hin (längere Lebenserwartung) verschobene Pyramide zu erreichen, also mehr Umsatzanteil bei den zukunftsträchtigen Produkten. Ansonsten besteht Gefahr für die zukünftige Tragfähigkeit des Programms. Beim Gewinnbeitrag ist eine nach unten hin verschobene Pyramide anzustreben, also mehr Gewinnbeitrag bei den aktuellen Produkten und, notwendigerweise, weniger bei den zukünftigen. Gefährlich ist dabei, dass nachteilige Folgen meist erst schleichend wirksam werden, so dass die Reaktionszeit sich verkürzt.

Abbildung 19: Altersquerschnitt-Analyse (Beispiel) (eig. Darst.)

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

3.2 Komplexe Analyseverfahren 3.2.1 Stärken-Schwächen-Analyse Die Stärken-Schwächen-Analyse betrachtet die interne Situation der eigenen Unternehmenseinheit in Relation zu Konkurrenzeinheiten anhand eines Kriterienkatalogs (siehe Abbildung 20: Stärken-Schwächen-Analyse (Beispiel: Spektraldiagramm)). Die Vorgehensweise dazu ist wie folgt:

Abbildung 20: Stärken-Schwächen-Analyse (Beispiel: Spektraldiagramm) (eig. Darst.)

• Die zur Beurteilung der eigenen Situation jeweils relevanten Kriterien werden ausgewählt. • Der / die wichtigsten Konkurrenzanbieter werden ausgewählt. • Es wird ein Bewertungssystem anhand einer Skalierung festgelegt. • Für jedes Kriterium werden die Beurteilungen des eigenen Unternehmens und des / der Konkurrenten bestimmt. Dies erfolgt anhand objektiver Daten oder Expertenurteilen.

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• Die Beurteilungen des eigenen Unternehmens und des / der Konkurrenten werden auf der Skalierung abgetragen. • Daraus ergeben sich Kriterien, in denen das eigene Unternehmen besser beurteilt wird als der / die Konkurrenten. Dies ist eine Stärke. Und es ergeben sich Kriterien, in denen der / die Konkurrenten besser beurteilt wird / werden als das eigene Unternehmen. Dies ist eine Schwäche. • Verbindet man die Beurteilungen je Kriterium für das eigene Unternehmen und den / die Konkurrenten, ergeben sich Stärken-Schwächen-Profile. Daraus kann man komparative Stärken und Schwächen in Bezug auf die gewählten Kriterien ablesen. Kriterien, die der Bewertung zugrunde liegen, können etwa sein: • Management (Führungskräftequalität, Entscheidungsfindung, Planungseffizienz, Mitarbeitermotivation, Organisationsrahmen etc.), • Entwicklung (Technologiestandard, Leistungsfähigkeit etc.), • Beschaffung (Methodik, Lieferantenauswahl etc.), • Produktion (Kapazitätsauslastung, maschinelle Ausstattung etc.), • Finanzen (Mittelfristigkeit, Liquiditätsstand, Cash-flow, Kapitalquellen etc.), • Absatz (Vertriebsmannschaft, Distributionsnetz, Marktforschungsdaten, Serviceumfang, Werbeaufwand, Preisniveau, Marktanteil, Imageprofil etc.). Sofern objektive Daten nicht verfügbar sind, birgt die Bewertung durch Experten große Unwägbarkeiten. Ein Ausweg besteht darin, mehrere Experten unabhängig zur Bewertung heranzuziehen, möglichst solche, die aus unterschiedlichen Fachgebieten kommen und nicht betriebsblind sind. Trotz dieser Mängel bietet dieser Ansatz sehr gute Anhaltspunkte zur Einschätzung der Ist-Situation des Unternehmens im Wettbewerb. Auch lassen sich daraus bereits zwei „Normstrategien“ ableiten: • bei eigenen, komparativen Schwächen: Prüfung auf Einhaltung eines als unverzichtbar angesehenen Mindestniveaus, ist dieses gegeben, sollen diese Schwächen akzeptiert werden, ist dieses nicht gegeben, sind die Schwächen durch vermehrte Anstrengungen unbedingt auszugleichen, • bei eigenen, komparativen Stärken: Ausbau, um einen entscheidenden Vorsprung zu manifestieren und die größere Hebelwirkung der Stärken im Wettbewerbsprozess zu nutzen. Beispiel einer Stärken-Schwächen-Analyse für MCC Smart Kleinstauto: – Stärken: Kleinstwagen auf Mittelklasseniveau, nutzt jede Parklücke, niedrige Steuer- und Versicherungseinstufung, sehr hohe passive Sicherheit, solide Verarbeitung, hohe Zuverlässigkeit, anspruchsvolle Technik, geringer Kraftstoffverbrauch, kundenvariable Bauweise, Umweltverträglichkeit nicht nur im Produkt,

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sondern auch in der Produktion, hohes Markenbewusstsein durch Verbindung zu DaimlerChrysler, Nachfragemacht im Konzern, Innovationskraft, hoher Werterhalt. – Schwächen: Begrenzung des Raumangebots auf zwei Personen und sehr wenig Gepäck, relativ hoher Anschaffungspreis, mangelnder Fahrkomfort, nicht langstrecken-tauglich, spezielle Ausrüstung der Smart-Werkstätten, hohe Entwicklungskosten, eingeschränkte Wintertauglichkeit, Smart-Türme nur für 2-Sitzer geeignet. Hinsichtlich der Konsequenzen kann generell gesagt werden, dass man Stärken stärken soll und Schwächen hinnehmen kann, solange sie keinen Engpass für den Unternehmenserfolg darstellen. Dies widerspricht dem schon in der Schule anerzogenen Reflex, an seinen Schwächen zu arbeiten. Aber die Hebelwirkung dort ist viel zu gering, als dass signifikante Verbesserungen erreicht werden können. Hingegen ist die Hebelwirkung bei den Stärken mit gleichem Ressourceneinsatz weitaus größer. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Schwächen existenzbedrohend sind (in der Schule also die Versetzung verhindert hätten oder beim Abitur den NC-Durchschnitt). Tabelle 6 Stärken-Schwächen-Analyse (Formular)

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3.2.2 Chancen-Risiken-Analyse Bei der Chancen-Risiken-Analyse handelt es sich um die externe Beschreibung der zukünftigen Umfeldfaktoren, denen sich das Unternehmen ausgesetzt sieht. Im Unterschied zur Stärken-Schwächen-Analyse wird also nicht die Situation des eigenen Unternehmens / Produkts o. Ä. relativ zur Konkurrenz untersucht, sondern dessen Situation relativ zur erwarteten Umfeldentwicklung. Dabei wird die Gegenwart häufig in die Zukunft fortgeschrieben. Als Chance wird dabei eine Umweltsituation definiert, die ein Unternehmen positiv nutzen kann, als Risiko eine solche, die ein Unternehmen schädigen kann (siehe Abbildung 21: ChancenAnalyse und Risiken-Analyse).

Abbildung 21: Chancen-Analyse und Risiken-Analyse

Chancen und Risiken beziehen sich vor allem auf die Faktoren Politik, Recht, Makroökonomie, Ökologie, Technologie, Gesellschaft etc., also im Wesentlichen die PESTEL-Faktoren (s. o.). Zumeist werden dazu qualitativ intuitive Prognoseverfahren anstelle quantitativ exakter eingesetzt. Dazu gehören folgende. Eine Analogieschätzung leitet die zukünftige Entwicklung der zu prognostizierenden Faktoren aus einer als analog angesehenen vergangenen Situation ab. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass diese tatsächlich hinsichtlich aller wesentlichen Belange als vergleichbar angesehen werden kann. Dies ist jedoch meist zu bezweifeln. Eine prognostische Befragung erfolgt meist unter Experten, also Geschäftsleitungsmitgliedern, Mitarbeitenden, Wissenschaftlern etc. Sie erfolgt mündlich, schriftlich, telefonisch oder internetgestützt in Form von Einzelinterviews. Dies ist jedoch zumeist wenig belastbar, da hier subjektive Verzerrungen einen wesentlichen Einfluss haben. Für die Chancen-Risiken-Analyse werden aus den generellen Entwicklungen hypothetische Auswirkungen auf das Marktumfeld abgeleitet. Dabei ergeben sich Entwicklungen, die vorteilhaft für das Marktumfeld sind, diese wirken verstär-

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kend. Umgekehrt ergeben sich Entwicklungen, die nachteilig für das Marktumfeld sind, diese wirken hemmend. Verstärker und Hemmer werden katalogisiert. Sie können dabei mit Wahrscheinlichkeiten für ihr Eintreten und Gewichtungen für ihre Bedeutung versehen werden. Die Unwägbarkeiten der Zukunft schlagen notwendigerweise auf die Aussagefähigkeit dieser Analyseform durch. Beispiel einer Chancen-Risiken-Analyse für die deutsche Automobilindustrie: – Chancen: (Individual-)Mobilität bleibt globales Massenphänomen, steigende technische Anforderungen an Automobile („Produktionshölle“), Uptrading der Emerging Markets mit steigender Kaufkraft und hoher Zahl von Bedarfsträgern, Herausbildung globaler Konsummuster (Generalisierung), Trend zu nutzenorientierten Mobilitätskonzepten, Kombination aus Künstlicher Intelligenz (Produktion 4.0) und Mechatronik dominant. – Risiken: Wertewandel gegenüber Premiumfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren, Downgrading in Massenmärkten („Small Cars, small Profits“), wachsender globaler Protektionismus behindert internationalen Handel / Export, Auftauchen neuer Wettbewerber mit Support totalitärer Regierungen, kostengünstigen Tabelle 7 Chancen-Risiken-Analyse (Formular)

3. Status quo-Diagnose

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Standorten und hoher Kaufkräfte, staatlich subventionierter Aufstieg der E-Mobilität mit raschen Ressourcengrenzen (Rohstoffe) und fraglicher Ökobilanz. Beispiel einer Chancen-Risiken-Analyse für die Einführung des MCC Smart: – Chancen: Erschließung neuer Märkte im Ausland, kaum „echte“ Konkurrenzprodukte, Notwendigkeit zu immer sparsameren Fahrzeugen, auch bei Kleinwagen wird Sicherheit wichtig, Hebeleffekt durch Know-how aus anderen Fahrzeugklassen, stetige Zuwachsraten im Kleinwagensektor, wachsender Trend zu Nischenfahrzeugen, Anstieg der Unterhaltskosten, Zunahme des Verkehrsaufkommens, wachsendes Umweltbewusstsein, junge Menschen können sich früher ihr eigenes kleines Auto leisten, neues Marktsegment etablieren (First Mover Advantage), individuelle Mobilität, umweltfreundliche Produktionsverfahren, Parkplatzmangel steigt, Verjüngung im Konzern. – Risiken: negative Imageabstrahlung im Konzernprogramm, Aufkommen von Konkurrenten, Kleinstfahrzeuge werden eher unter Preis- als Imageaspekten gekauft, Auto aber bleibt Imageobjekt, Gefahr der Übersegmentierung der Märkte (Aufwands-Nutzen-Verhältnis), steigendes Preisbewusstsein der Nachfrager, hohes unternehmerisches Wagnis, komplette Neuentwicklung, hohe Investitionen in Technik und Vertriebsnetz erforderlich, Kundenakzeptanz fraglich, keine Erfahrung mit kleinen Fahrzeugen im Konzern (mangelnde Kernkompetenz), Smart wird oft nur als teures Spielzeug betrachtet. 3.2.3 SWOT-Tableau SWOT ist ein Akronym aus den Begriffen Strenghts, Weaknesses, Opportunities, Threats, mithin eine kombinierte Stärken-Schwächen- und Chancen-RisikenAnalyse (siehe Abbildung 22: SWOT-Tableau (Schema)). Die beiden eindimensionalen Analysen werden zu einer Matrix zusammengefasst. Daraus ergibt sich ein erster Überblick über den Status quo. Allerdings handelt es sich dabei mehr um eine Vollständigkeitserfassung und weniger um eine Priorisierung. Insofern ergeben sich kaum belastbare strategische Schlussfolgerungen. Insofern erfüllt das SWOT-Tableau noch keine planerischen Anforderungen. Dazu wäre vielmehr eine sinngebende Ordnung der Ausgangsfaktoren erforderlich, wie sie im Rahmen der TOWS-Matrix erfolgt. Beispiel SWOT-Tableau für einen Solarhersteller: – Stärken: Umweltfreundliche Technologie, spart dem Nutzer mittelfristig nennenswert Geld, immer noch Innovatorenprestige für Nutzer, technisch sehr zuverlässig, lange Lebensdauer, – Schwächen: Nicht für jede Immobilie geeignet, hohe Anschaffungskosten, zusätzliche Wartungskosten fallen an, Genehmigungsrecht abhängig von Ausmaß, Fassade, Freiflächen, Denkmalschutz etc., unterschiedliche Montagearten,

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Abbildung 22: SWOT-Tableau (Schema)

– Chancen: Steigende Strompreise, hohe Fördermöglichkeiten durch den Staat, Medien unterstützen die Thematik, starke Propaganda durch die Politik, Massenkäuferpotenzial Immobilienwirtschaft und Wohnungsbaugesellschaften, – Risiken: Leistungskraft der Solarzellen wächst, daher Einstiegszeitpunkt kritisch, Vorurteile gegen neuartige Technik, teils geringer Informationsstand, Bezugsquellen oft unbekannt, stagnierendes Umweltbewusstsein. 3.2.4 TOWS-Matrix Einen Schritt weiter geht die TOWS-Matrix. Sie setzt beide Merkmalskataloge, Stärken und Schwächen einerseits sowie Chancen und Risiken andererseits, in Beziehung zueinander. Für jeden Themenkomplex werden diese Größen in Form einer Matrix wie folgt zugeordnet: • Die in der Stärken-Schwächen-Analyse identifizierten Schwächen werden in der Kopfzeile einer Matrix links abgetragen. • Die in der Stärken-Schwächen-Analyse identifizierten Stärken werden in der Kopfzeile dieser Matrix rechts abgetragen. • Die in der Chancen-Risiken-Analyse identifizierten Chancen werden in der Kopfspalte der Matrix oben abgetragen. • Die in der Chancen-Risiken-Analyse identifizierten Risiken werden in der Kopfspalte der Matrix unten abgetragen.

3. Status quo-Diagnose

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Beide Analysen bilden so je eine Achse einer Matrix, die damit vier Felder umfasst (siehe Abbildung 23: TOWS-Matrix (Schema)). Mit jedem dieser Felder sind zugleich Normverhaltensweisen verbunden, d. h. Empfehlungen dahingehend, wie man mit den SWOT-Erkenntnissen sinnvollerweise umzugehen hat. Die Zuordnungen lauten wie folgt: • bei Angebotsstärken und Umfeldchancen, d. h. Marktchancen, die durch parallele Anbietervorteile am besten zu nutzen sind, gilt der Ausbau des Angebots zur Nutzung aller Chancen, konkret bedeutet dies gezielt investieren, um Ertragstreiber für die Zukunft zu schaffen, • bei Angebotsstärken und Umfeldrisiken, d. h. Marktrisiken, die durch partielle Anbietervorteile kompensiert werden können, gilt die Absicherung der Position zur Vorbeugung gegen Rückschläge, konkret bedeutet dies Verminderung, Teilung, Versicherung etc. zur Gefahrenabwehr, • bei Angebotsschwächen und Umfeldchancen, d. h. Marktchancen, deren volle Nutzung durch Anbieternachteile behindert wird, gilt das Aufholen von Rückständen, damit Chancen nicht entgehen, konkret bedeutet dies, ausnahmsweise Schwächen auszugleichen und zu Stärken zu drehen, • bei Angebotsschwächen und Umfeldrisiken, d. h. Marktrisiken, die durch Anbieternachteile dramatisiert werden, gilt der Abbau der Marktposition zur Abwehr von Gefahren, konkret bedeutet dies gezielt Desinvestieren und die freiwerdenden Mittel anderweitig ertragbringend einsetzen.

Abbildung 23: TOWS-Matrix (Schema)

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Dies zeigt damit schon die strategischen Prioritäten an. Allerdings ist die TOWS-Matrix aufgrund ihrer nominalen bzw. ordinalen Werte noch zu unscharf und wenig präzise. Daher entstand der Wunsch nach einer exakteren, metrischen Fassung der Dimensionen. TOWS-Matrix zur Einführung des MCC Smart: – Stärken und Chancen: Ausbauen bei Aufstockung des Programms Forfour (zwischenzeitlich auch Crossblade, Roadster, Roadster Cabrio), – Stärken und Risiken: Absichern bei alleinstellender Position als neue automobile Lebensstil-Alternative, – Schwächen und Chancen: Aufholen bei Optimierung der Konstruktion (Verbrauch / Tankinhalt, Automatik-Schaltrucke, Komfort / Federung etc.), – Schwächen und Risiken: Meiden bei Konkurrenzfähigkeit zu anspruchslosen Mittelklasseangeboten durch Markenimage. 3.2.5 Portfolio-Analysen 3.2.5.1 Strategische Geschäftseinheit Die strategische Absatzplanung betrifft nur im Ausnahmefall des EinproduktUnternehmens das Unternehmen als Ganzes, ansonsten sind Unternehmensteile als Strategische Geschäftseinheiten unterschiedlich betroffen. Dieser abstrakte Begriff wird gewählt, um deutlich zu machen, dass es sich dabei um durchaus verschiedenartige Größen handeln kann, etwa um Produkte oder Produktgruppen, Kunden oder Kundengruppen, Marktsegmente oder Teilmärkte, Gebiete oder Regionen, Betriebsteile oder Divisions. Praktisch handelt es sich meist um Produktgruppen. Um zu einer Klassifikation im Rahmen der Portfolio-Analyse zu gelangen, ist zunächst die Bildung von Beurteilungseinheiten erforderlich. Dazu sind Produkte oder Märkte allein nur begrenzt geeignet. Stattdessen werden Strategische Geschäftseinheiten (SGEs) unterschieden (siehe Abbildung 24: ProduktMarkt-Kombinationen als SGEs (Beispiel)). SGEs sind jeweils spezifische Produkt-Markt-Kombinationen, die als abgrenzbare Organisationseinheiten aus der Zerlegung des gesamten unternehmerischen Tätigkeitsfelds entstehen. Diese sollen nachfolgenden Kriterien gehorchen: • Die SGE hat eine eigenständige, strategische Marktaufgabe, die unabhängig von der Marktaufgabe anderer SGEs ist, d. h., jede SGE bedient ein klar definiertes Abnehmerproblem und hat die Kompetenz, intern und extern relativ autonom zu agieren, um dessen Chancen durch Lösungsangebote auszunutzen. • Es handelt sich um einen externen Markt, d. h., es geht um verkaufsbestimmte und nicht nur innerbetriebliche Vorleistungen. Insofern sind interne Leistungs-

3. Status quo-Diagnose

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Abbildung 24: Produkt-Markt-Kombinationen als SGEs (Beispiel) (eig. Darst.)

stellen nicht SGE-fähig, was zuweilen zu Problemen der Leistungsverrechnung bei vertikal stark integrierten Unternehmen führt, wo Leistungen von internen Stellen zu SGEs fließen, aber auch von SGEs zu internen Stellen oder von SGE zu SGE. Dann sind u. a. Verrechnungspreise erforderlich. • Die SGE hat eine eindeutig identifizierbare Konstellation von Konkurrenzun­ ternehmen, d. h., auf diesem Markt sind antinomische Zielsetzungen gegeben, die den eigenen Markterfolg beeinträchtigen, wobei sich die einzelne SGE deutlich von diesem Mitbewerb abhebt und gegenüber diesem auch wettbewerbsfähig ist. • Die SGE ist ein effizienter Wettbewerber im betreffenden Marktsegment oder kann es werden. Das Potenzial der SGE muss es möglich und notwendig machen,

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

für die Erreichung komparativer Wettbewerbsvorteile eigenständige Ziele, Strategien und Programme zu erarbeiten. • Insofern besteht ein klar abgrenzbares, strategisches Erfolgspotenzial durch eigene Chancen, das sich nicht mit dem anderer SGEs überschneidet, d. h., der Markterfolg muss durch Marketingmaßnahmen steuerbar und damit einer SGE direkt zurechenbar und diese von rentabler Größe sein. Wird eine Organisationseinheit zu einer SGE, ist sie für die strategische Planung verantwortlich, wird eine Organisationseinheit Teil einer SGE, ist erstere nur für die operative (Durchführungs-)Planung zuständig. Die strategische Planung obliegt dann der Organisationseinheit, die der SGE übergeordnet ist. • Diese Abgrenzung ist während einer mehrperiodischen Analyse stabil und lässt die Unabhängigkeit der Entscheidung gegenüber anderen SGEs und der Unternehmensleitung zu. Dies stößt angesichts immer kürzerer Marktzyklen allerdings auf Probleme. Daher empfiehlt es sich, SGEs weniger von der Produkt- als von der Marktseite her zu definieren, also nicht hinsichtlich der Art der Produkte, die sie anbieten, sondern hinsichtlich der Bedürfnisse, die sie bei Abnehmern befriedigen. Denn diese sind wesentlich stabiler. • Es gibt klar abgegrenzte, rechnungsmäßig direkt zurechenbare Kosten und Leistungen, denn nur wenn sowohl Aufwendungen als auch Erträge zurechenbar sind, handelt es sich um ein selbstständiges Teilunternehmen innerhalb eines Dachunternehmens mit eigener Erfolgsverantwortung. • Es bestehen heterogene Tätigkeitsfelder, d. h., es soll nur eine SGE je ProduktMarkt-Kombination tätig werden, und zwar diejenige, die einerseits jeweils möglichst komparative Wettbewerbsvorteile genießt und andererseits intern eine hohe Homogenität der Angebote gewährleistet. Die SGEs müssen nicht mit der Organisationsstruktur identisch und auch keine Profit Centers sein. Sie können sich vielmehr hinsichtlich Produkten, Abnehmergruppen, Absatzkanälen und Absatzgebieten überschneiden. Es ist aber auch denkbar, sie auf jede dieser Dimensionen singulär zu beschränken. Jedenfalls bilden sie das Portfolio des Unternehmens, das es, analog dem Geldbestand in einem Wertpapierdepot, nach Renditehöhe und Risikovermeidung zu optimieren gilt. SGEs werden ohne Rücksicht auf die Organisationsstruktur festgelegt und stimmen daher nur zufällig mit einer Organisationseinheit überein. Sie gehorchen dabei nur dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit. Es ergibt sich somit eine sekundäre, duale Organisationsstruktur. Die ursprüngliche Organisationsstruktur wird dadurch jedoch nicht aufgehoben. Die Gliederung in SGEs ist nur eine vorläufige und die Abgrenzung als iterativer Prozess anzusehen, d. h., die Definition der SGEs ist laufend zu überprüfen und dem Wandel der Umfeldfaktoren anzupassen. Für den Fall, dass ein Unternehmen mehrere SGEs definiert, ist für jede von ihnen eine eigene Marketingplanung und daraus folgend ein eigener Maßnahmenkatalog zu erarbeiten.

3. Status quo-Diagnose

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Möglichkeiten sind dabei folgende: • die Gliederung einer SGE deckt sich mit der Gliederung in organisatorische Einheiten, • mehrere organisatorische Einheiten bilden zusammen eine gemeinsame SGE, • eine organisatorische Einheit wird in mehrere SGEs unterteilt, • Teile mehrerer organisatorischer Einheiten bilden zusammen eine SGE. Strategische Geschäftseinheiten beim Medienkonzern Bertelsmann sind folgende: – RTL Group (Fernsehen, Hörfunk, Print), – Penguin Random House (Buchverlag), – BMG (Musikverlag), – Arvato (Mediendienstleistungen), – BPG (Druckdienstleistungen), – Bertelsmann Education, – Bertelsmann Investments. Procter & Gamble hat sein Unternehmen in sechs Strategische Geschäftseinheiten aufgeteilt, die jeweils einen vergleichsweise homogenen Markt mit verschiedenen, verwandten Produkten bearbeiten. Es handelt sich dabei um: – „Beauty“ für Kosmetikprodukte und Duftwässer, – „Baby & Feminine Care“ für Kleinkind- und Damenpflegeprodukte, – „Fabric & Home Care“ für Wäsche- und Haushaltspflegeprodukte, – „Family Care“ für Pflegeprodukte für die ganze Familie, – „Grooming“ für Körperpflegeprodukte, – „Health Care“ für Gesundheitsprodukte. Die Deutsche Bahn gliedert ihre Strategischen Geschäftseinheiten nach: – DB Bahn für Fernverkehr, DB Bahn Regio für Nahverkehr, DB Bahn Arriva für Stadtverkehr, DB Schenker Rail für Gütertransport auf Schienen, DB Schenker Logistics für allgemeinen Gütertransport, DB Dienstleistungen, – DB Netze Fahrweg (für Dritte), DB Netze Personenbahnhöfe, DB Netze Energie. BASF gliedert sich in folgende Geschäftseinheiten: – Chemicals, Materials, Industrial Solutions, Surface Technologies, Nutrition & ​ Care, Agricultural Solutions. Lufthansa gliedert sich organisational wie folgt: – Passage Airline Gruppe (incl. Swiss, Austrian, Brussels, Eurowings), Cargo, Technik, Catering.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

3.2.5.2 Vierfelder-Ansatz Die TOWS-Matrix ist der unmittelbare Vorläufer des Vierfelder-Portfolios (Boston Consulting Group). Allerdings werden darin die qualitativen, weichen Dimensionen Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken durch quantitative, exakte Dimensionen ersetzt. Die Abszisse (Stärken-Schwächen-Dimension) wird durch den „relativer Marktanteilswert“ operationalisiert, die Ordinate (Chancen-Risiken-Dimension) durch die „durchschnittliche Marktwachstumsrate“. Es handelt sich also um ein zweidimensionales Portfolio (siehe Abbildung 25: VierfelderPortfolio (Beispiel)).

Abbildung 25: Vierfelder-Portfolio (Beispiel) (eig. Darst.)

Die Wahl dieser Größen ist nicht zufällig. Hinter der Abszisse wird die Kostendegressionskurve gesehen (siehe Abbildung 26: Vierfelder-Portfolio (Zusammenhang)). Die Kostendegression besagt, dass die Stückkosten mit zunehmender Ausbringung sinken, weil sich die Fixkosten mit steigender Stückzahl immer günstiger je Stück umlegen. Je niedriger die Stückkosten, desto besser ist die Konkurrenzposition. Daher spiegelt die Kostendegressionskurve die Stärken bzw. Schwächen. Die Ausbringungsmenge drückt sich im Marktanteil aus. Da Stärken bzw. Schwächen immer komparativ sind, kommt es nicht auf die absolute Höhe des Marktanteils an, sondern auf die eigene Marktanteilshöhe relativ zum größten Konkurrenten. Ein Wert > 1 bedeutet daher, dass das eigene Unternehmen Marktführer ist (Zähler > Nenner), ein Wert < 1 bedeutet, dass der Konkurrent Marktführer ist (Zähler < Nenner). Der Wert schwankt zwischen 0 und ∞.

3. Status quo-Diagnose

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Abbildung 26: Vierfelder-Portfolio (Zusammenhang) (eig. Darst.)

Hinter der Ordinate wird die Marktlebenszykluskurve gesehen, bei der zu Beginn des Lebenszyklus die Chancen die Risiken überwiegen, weil ein Wachstumstrend zugrunde liegt, wohingegen am Ende die Risiken die Chancen überwiegen, weil man sich auf die Marktsättigung hinbewegt. Daher wird die Marktwachstumsrate als Indikator für Chancen bzw. Risiken gesehen. Dafür wird ein Durchschnittswert der vergangenen und zukünftigen Jahre auf Basis von Expertenschätzung zugrunde gelegt. Im Unterschied zu Stärken und Schwächen bzw. Chancen und Risiken liegen nunmehr metrisierbare Skalenwerte in Form des relativen Marktanteilwerts und der durchschnittlichen Marktwachstumsrate vor. Die Portfolio-Matrix sieht nun folgendermaßen aus: • Die Abszisse (horizontal) wird durch den relativen Marktanteilswert gebildet. Dabei wird meist beim Wert von 1 eine Senkrechte eingezogen (mathematisch: das Lot gefällt). • Die Ordinate (vertikal) wird durch die durchschnittliche Marktwachstumsrate gebildet. Dabei wird in Höhe eines Erfahrungsmittelwerts eine Waagerechte eingezogen (das Lot gefällt). • Der Kreisradius um diesen Schnittpunkt repräsentiert die relative Größe / Bedeutung der SGE innerhalb des Unternehmens. Teilt man Abszisse und Ordinate jeweils in der Mitte der Extremwerte bzw. dort, wo der relative Marktanteil = 1 ist und die Marktwachstumsrate im Durch-

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

schnitt liegt (Cut off-Kriterien), ergeben sich vier Felder, in denen sich SGEs befinden können. Gelegentlich werden auch ein relativer Marktanteil von 1,5 und eine Marktwachstumsrate von 10 % als Cut off-Kriterien angelegt. Die Besonderheit der Portfolio-Technik liegt nun darin, dass mit der Position der SGEs innerhalb dieser Matrix bestimmte normative Schlussfolgerungen für die Strategie verbunden sind. Im Falle des BCG-Portfolios tragen die vier Felder anschauliche Namen, was sicherlich zur Popularität dieser Analyseform beigetragen hat: • Die Kombination aus hohem Durchschnittsmarktwachstum und niedrigem Relativmarktanteil heißt Fragezeichen (Question Marks). Dies sind NachwuchsSGEs in dynamischen Märkten. Gelegentlich werden diese auch als Wildcats oder Babies bezeichnet. • Die Kombination aus hohem Durchschnittsmarktwachstum und hohem Relativmarktanteil heißt Sterne (Rising Stars). Dies sind marktführende SGEs in dynamischen Märkten. • Die Kombination aus niedrigem Durchschnittsmarktwachstum und hohem Relativmarktanteil heißt Melkkühe (Cash Cows). Dies sind marktführende SGEs in statischen Märkten. • Die Kombination aus niedrigem Durchschnittsmarktwachstum und niedrigem Relativmarktanteil heißt Arme Hunde (Poor Dogs). Dies sind Problem-SGEs in stagnierenden Märkten (auch Lame Ducks genannt). Diese Reihenfolge entspricht dem normalen zeitlichen Ablauf wie in der Lebenszyklus-Analyse zu finden. Die Erfahrungskurven-Position entspricht der relativen Kostensituation im Wettbewerb. Verknüpft spiegeln sich beide Determinanten im Portfolio.

Abbildung 27: Vierfelder-Portfolio (Zuordnung) (eig. Darst.)

Eine Besonderheit der Portfolios gegenüber anderen Methoden ist, dass nicht nur eine Analyse der Ist-Situation vorgenommen wird, die dann jedem Beurteiler frei-

3. Status quo-Diagnose

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stellt, seinerseits daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, sondern hier die Methode mit einer Art von „Rezeptur“ verbunden ist, die nach Durchführung der Analyse die jeweils anzuwendenden Handlungsmaximen in Abhängigkeit von den Analyseergebnissen vorgibt. Das heißt, an jede Position einer SGE knüpfen sich dezidierte Normstrategien wie folgt (siehe Abbildung 27: Vierfelder-Portfolio (Zuordnung)): • Bei Question Marks heißt es zu selektieren, welche von ihnen förderungswürdig sind (Cinderellas), denn um alle SGEs gleichermaßen zu unterstützen, reichen regelmäßig die Finanzmittel nicht aus, und welche besser nach einer Testphase aus dem Markt genommen werden (Trash). Dann muss spekulativ investiert und das damit verbundene Initialrisiko getragen werden. Hohem Einführungsaufwand steht noch ein niedriger Marktanteil gegenüber. Mit Hilfe von Offensivstrategien sollen Erfahrungseffekte erreicht werden. Stetige Kontrolle hält Verluste in Grenzen. Ziel ist es, das Marktwachstum zu übertreffen. Der Instrumentaleinsatz erfolgt durch Produktspezialisierung, gezielte Vergrößerung der Abnehmermärkte, tendenzielle Niedrigpreissetzung und stark forcierte Vertriebspolitik. Damit verbundene Risiken werden akzeptiert und Erweiterungs­investitionen vorgenommen. Der Liquiditätsverbrauch und die Unsicherheit über die Marktentwicklung sind hoch, deshalb kann sich ein Unternehmen nur eine begrenzte Anzahl solcher Question Marks leisten. Dies ist auch erforderlich, um ein ausgewogenes Portfolio zu bewahren. • Bei Rising Stars ist es angezeigt, diese zu fördern und durch Investitionen in Richtung Marktführerschaft zu bewegen. Das Risiko verringert sich im Zeitablauf mit den ersten Mittelrückflüssen. Der Instrumentaleinsatz erfolgt durch Aktivitäten wie Programm ausbauen, Abnehmerbasis verbreitern, Anstreben der Preisführerschaft und aktiver Einsatz von Absatzförderungsmaßnahmen. Damit verbundene Risiken werden akzeptiert und vertretbare Neu- sowie Reinvestitionen vorgesehen. Die SGEs erwirtschaften bereits Gewinne. Zur Erhaltung der Position erfordern sie jedoch hohe finanzielle Mittel, die den Netto-Cash-flow belasten. Dafür steigt der Mittelrückfluss kontinuierlich an. Daher greifen Maßnahmen wie vertretbares Maximum an Erweiterungsinvestitionen tätigen, Risiken akzeptieren und Vertriebspolitik aktivieren. • Bei Cash Cows heißt es, diese zu pflegen, aber keine zusätzlichen Investitionen darin zu tätigen. Ein hoher Marktanteil schafft Kostensenkungspotenzial. Mit den daraus resultierenden Überschüssen wird das Wachstum anderer SGEs finanziert. Risiken bleiben in engen Grenzen. Die Marktposition ist unter allen Umständen zu halten, um die Abschöpfung hoher Gewinnmargen zu sichern. Im Mittelpunkt stehen Konkurrenzabwehr, Preisstabilisierung, Kundenbindung und Absatzförderung. Da außer Ersatzinvestitionen keine Liquiditätsabflüsse vorhanden sind, können Gewinne „geerntet“ werden (Harvesting). Cash Cows sind zahlreich und haben eine hohe Bedeutung im Unternehmen. Anzustreben ist ein Anteil von mind. 50 % am Umsatz. • Bei Poor Dogs gilt es, die Risiken zu minimieren, indem desinvestiert und das Angebot stufenweise oder ganz vom Markt genommen wird. Es sei denn, es werden

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Chancen zum Relaunch durch Produktvariation gesehen. Der Instrumentaleinsatz erfolgt durch Programmbegrenzung, Rückzug von Absatzmärkten, tendenzielle Hochpreissetzung, begrenzte Absatzförderung und Kostenreduktion. Die Märkte befinden sich in der Sättigungsphase. Wachstumsrate und Marktanteil sinken. Es werden nur noch geringe Überschüsse erwirtschaftet. Dementsprechend ist eine Konzentration auf noch profitable Nischen notwendig. Daher greifen Maßnahmen wie Kundenselektion, räumliche Schwerpunktbildung und selektiver Vertrieb. Jedes Unternehmen sollte über ein ausgewogenes Portfolio verfügen. Die derzeitigen Cash Cows finanzieren die Question Marks in der Hoffnung, dass diese ihrerseits zu späteren Cash Cows werden. Dabei liegen langfristige Entwicklungen zugrunde, die sich oft über Jahrzehnte erstrecken. Ein Beispiel für die Anwendung gibt Glaxo-Smith-Kline (GSK). Dort sah man sich bereits Mitte der 1980er Jahre einem Markenportfolio gegenüber, das aus zwei mächtigen Cash Cows, Uhu-Klebstoff und Odol Mundwasser (beide eindeutige Marktführer), bestand sowie aus einer Reihe von Poor Dogs wie Fissan, Badedas, Duschdas, Pitralon etc. Im Zuge einer notwendigen Konzentration der Aktivitäten am Markt entschloss man sich, sich von Uhu per Management Buy-out zu trennen, um Mittel für eine Verjüngung von Odol Mundwasser freizubekommen. Der Relaunch (moderne Packung, schrille Werbung) misslang jedoch angesichts eines Durchschnittsverwenderalters von immerhin 67 Jahren gründlich. Dennoch wurde in der Marke ein immenses Potenzial gesehen, nicht jedoch allein für Mundwasser, sondern für Zahnhygiene. Insofern wurde aus der Monomarke eine Rangemarke mit einer Universal-Zahncreme (Odol med 3, heute Marktführer), modernem Mundspray (Convenience-Produkt) und Kauprodukten (Gum, Bonbon) aufgebaut, alle eindeutige Rising Star- und Cash Cow-Produkte. Zugleich wurden neue, erfolgsträchtige Marken im OTC-Bereich hinzugekauft (Cetebe, Eunova, Corsodyl, Abtei, Fagorutin, Granu Fink etc.), ebenfalls eindeutige Star-Produkte. Dafür wurden die notleidenden Marken Badedas und Duschdas verkauft. Schließlich wurde die Marke Dr.Best-Zahnbürsten zu einer neuen Cash Cow aufgebaut (Testimonial, Schwingkopf etc.). Das Markenportfolio wies danach mit Odol Mundwasser, Odol Med 3 Zahncreme und Dr. Best-Zahnbürsten drei mächtige Cash Cows auf, die OTC-Präparate sind sämtlichst Stars oder Cash Cows, alle Produkte sind in ihren Segmenten die Nr. 1 oder Nr. 2 am Markt, Poor Dogs hingegen sind nicht mehr vorhanden. Ein weiteres Beispiel für die Anwendung der Portfolio-Technik bietet der ehemalige Mannesmann-Konzern. Sein Portfolio sah gegen Ende der 1960er Jahre nur zwei riesengroße Cash Cows, jedoch mit starker Poor Dog-Tendenz vor, die Mannesmann-Röhrenwerke und die Mannesmann-Walzstahlprodukte. Allerdings war ohne großes hellseherisches Vermögen absehbar, dass die große Zeit der Stahlprodukte sich ihrem Ende zuneigte, erst recht wenn es sich um weithin unverarbeitete Stahlprodukte handelte. Entsprechend erweiterte der MannesmannKonzern sein Portfolio, vor allem um Unternehmen, die in den weiterverarbei-

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3. Status quo-Diagnose

tenden Bereichen tätig waren. Das Portfolio sah Anfang der 1990er Jahre zwar immer noch eine Reihe von Cash Cows und Poor Dogs vor, zu ersteren gehörte neben den SGEs VDO, Rexroth, Hartmann & Braun, Fichtel & Sachs, Demag Fördertechnik u. a. auch die zwischenzeitlich etablierte Telekommunikationssparte, zu letzteren gehörten Demag, Krauss-Maffei, MM Anlagenbau und MM Röhrenwerke. Doch war die Ertragskraft dieser SGEs weitaus höher als vorher. Bis Ende der 1990er Jahre hatte sich das Portfolio soweit bereinigt, dass nur noch vier SGEs übrig blieben, allerdings nach wie vor überwiegend in der Cash Cow-Position, vor allem MM Automobilzulieferung, MM Anlagenbau und MM Röhren. Als Star glänzte einzig die MM Telekommunikationssparte. Dennoch wirkte diese Portfolio-Bereinigung so attraktiv auf den Telekommunikationskonzern Vodafone, dass dieser in der bis dato größten Übernahmeaktion der Geschichte den Mannesmann-Konzern schluckte. Entgegen anders lautenden Beteuerungen trennte sich der neue Eigentümer von allen Aktivitäten außer der TelekommuniTabelle 8 Vierfelder-Portfolio (Formular)

Anteil der SGE am Unternehmensumsatz in % (Maßstab für Kreisradius)

eigener Anteil für die betreffende SGE am relevanten Markt in %

Marktanteil des stärksten Konkurrenten an diesem Markt in %

relativer Marktanteilswert (= eigener Marktanteil: Marktanteil des stärksten Konkurrenten) (= Abszisse)

durchschnittliche, mittelfristige Marktwachstumsrate am jeweils relevanten Markt in % (= Ordinate)

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

kationssparte. Die Erlöse aus diesem Asset Stripping waren auch dringend erforderlich, um die zur Übernahme eingerichteten Kreditlinien für Fremdkapital zu bedienen. Zwischenzeitlich ist die Firma Mannesmann aus der deutschen Wirtschaftslandschaft verschwunden (aus Mannesmann D2 wurde D2 MannesmannVodafone, daraus D2Vodafone und schließlich nur Vodafone). Neben dem BCG-Portfolio gibt es noch eine Vielzahl weiterer Portfoliomodelle, die aber alle nach den hier dargestellten Grundprinzipien der Gegenüberstellung marktbezogener und unternehmensbezogener Größen, in deren Spannungsfeld SGEs gesteuert werden, funktionieren. Am bekanntesten ist sicherlich das Neunfelder-Portfolio.

3.2.5.3 Neunfelder-Ansatz Das Neunfelder-Portfolio (nach McKinsey Corp.) hat vier Elemente, und zwar die Marktattraktivität der Branche auf der Abszisse (analog zu den Chancen und Risiken) und die Wettbewerbsstärke der Produkte auf der Ordinate (analog zu den Stärken und Schwächen) sowie Kreisgrößen analog der Branchenbedeutung mit Kreisausschnitten analog dem eigenen Marktanteil daran. Die Marktattraktivität ist eine aggregierte Größe aus verschiedenen Einzelkriterien. Die Relative Wettbewerbsstärke ist ebenso eine aggregierte Größe aus verschiedenen Einzelkriterien. Die Ermittlung der jeweiligen Achsenpositionen erfolgt durch Punktbewertung (Summendurchschnitt), daraus ergeben sich die Positionen der jeweiligen SGEs im Schnittpunkt. Durch die Vielzahl der einbezogenen Größen nimmt das Neunfelder-Portfolio für sich in Anspruch, informationshaltiger als ein Vierfelder-Portfolio zu sein. Es handelt sich insofern um ein mehrdimensionales Portfolio (siehe Abbildung 28: Neunfelder-Portfolio (Beispiel)). Die Marktattraktivität ist dabei eine aggregierte Größe aus verschiedenen Kriterien. Für diese gibt es keinen festgesetzten Katalog, vielmehr können dazu für die Ist-Analyse jeweils relevant erscheinende Daten zusammengestellt werden. Ein Gliederungsvorschlag umfasst die Berücksichtigung von • Marktgröße und Marktwachstum, z. B. Marktentwicklung in der Kundenbranche, Einfluss von Produktivitätssteigerungen, Ausdehnung des Marktraums, Substitution durch qualitative Veränderung des Funktionsbedarfs, Stadium im Nachfragezyklus, • Marktqualität, z. B. Rentabilität der Branche, Stellung im Markt-Lebenszyklus, Spielraum der Preisgestaltung, Schutzfähigkeit und technisches Know-how, Investitionshöhe, Anzahl / Intensität aktueller / potenzieller Anbieter / Nachfrager, Markteintrittsbarrieren, Substitutionsgefährdung, saisonale Schwankungen, Innovationspotenzial, Anforderungen an Distribution / Service, Konkurrenz- und Nachfragesituation, Sozialattraktivität,

3. Status quo-Diagnose

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Abbildung 28: Neunfelder-Portfolio (Beispiel) (eig. Darst.)

• Rohstoff- und Energieversorgung, z. B. Sicherheit, Preisstabilität, Alternativen, • Umweltsituation, z. B. Konjunkturabhängigkeit, öffentliche Meinung, Gesetzgebung, • weiterhin Gewinnspanne, Material- und Energieversorgung, Umweltsituation, Wettbewerbsintensität, saisonale Schwankungen, Substitutionsgefahr, staatliche Restriktionen, Innovationspotenzial, Kundentreue, Massenproduktionsvorteil etc. Die relative Wettbewerbsstärke ist ebenfalls eine aggregierte Größe aus verschiedenen variablen, relativ zur Konkurrenz zu bewertenden Kriterien. Zu nennen sind etwa: • Marktposition, z. B. relativer Marktanteil, Finanzkraft der Anbieter, Wachstumsstärke des Unternehmens, Unternehmensimage, Preisvorteil, Produktqualität, Kunden-/Marktkenntnis, Rentabilität, Risikograd, • Produktionspotenzial, z. B. Versorgungsbedingungen, Produktivität, Standortvorteil, größenbedingte Kostenvorteile, technisches Know-how, Lizenzen, technische Flexibilität, Potenzialausnutzung, Energie- und Rohstoffversorgung, Kapazität, Betriebsausstattung, Vertriebswege, Lieferbereitschaft, Standort, • Forschungs- und Entwicklungspotenzial, z. B. Innovationsfähigkeit, Grundlagen- und Anwendungsforschung, Fachkompetenz, • Führungskräftequalifikation, z. B. Professionalität, Urteilsfähigkeit, Arbeitsklima, Organisation.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Die Quantifizierung erfolgt jeweils durch Punktbewertungsverfahren. Daraus ist die Lage der SGE innerhalb der Matrix definiert. Der Kreisradius um den Schnittpunkt repräsentiert in diesem Fall die Branchengröße. Ein Kreisausschnitt markiert den Anteil des eigenen Unternehmens an der Branche. Insofern stellt das Neunfelder- gegenüber dem Vierfelder-Portfolio eine Verdichtung der eingegebenen Datenmenge dar. Teilt man die Abszisse und die Ordinate jeweils in drei gleiche Abschnitte, so ergeben sich neun Felder, in denen sich SGEs befinden können, die wiederum mit Normstrategien verknüpft sind. Vereinfacht kann man je drei von ihnen zu Zonen zusammenfassen (GE-Ansatz, siehe Abbildung 29: Neunfelder-Portfolio (Normstrategien)):

Abbildung 29: Neunfelder-Portfolio (Normstrategien)

• Die grüne Zone (hohe Marktattraktivität bei hoher und mittlerer Wettbewerbsstärke) ist die Zone von Investition und Wachstum. Hier geht es um den Aufbau und die Sicherung zukünftiger Erfolgspotenziale. Dies bedeutet Mittelbindung. – Die Normstrategien für die grüne Zone (Investieren und Wachsen) lauten: Energisch wachsen, Marktführerschaft anstreben, maximal investieren, Schwächen identifizieren und abbauen. Stärken ausbauen, mindestens Position halten, Risiken akzeptieren, Marktanteil ausbauen, Preisführerschaft anstreben, Preis und Sortiment differenzieren, Kostendegressionseffekte ausnützen, aktives Marketing, hoher Bekanntheitsgrad durch Produkt- und Firmenwerbung, Steigerung der Distributionsquote, kreatives dynamisches Management.

3. Status quo-Diagnose

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Per Saldo also Aufbau und Sicherung zukünftiger Erfolgspotenziale und damit Erschließung neuer Kundengruppen oder Anwendungsmöglichkeiten. • Die rote Zone (geringe und mittlere Marktattraktivität bei mittlerer Wettbewerbsstärke) ist die Zone der Desinvestition und Abschöpfung. Hier geht es um die Aufgabe bestehender Produkte / Märkte, die keine Perspektive mehr bieten. Dies bedeutet Mittelfreisetzung. Die freigesetzten Mittel werden in SGE der grünen Zone allokiert. Die Normstrategien für die rote Zone (Ernten und Bereinigen) lauten: – Desinvestieren, konsolidieren. Rückzug vorbereiten, Spezialisierung auf profitable Nischen, Ausreizen des Potenzials, evtl. Verkauf von Betriebsteilen, Risiken vermeiden, Gewinn vor Umsatz, maximaler Cash-flow durch radikale Kostenreduktion, reduzierter Marketingeinsatz, Managementkapazität abziehen, Programmbegrenzung, Absatzwegekürzung. Per Saldo also eine Aufgabe bestehender Produkte auf bisherigen Märkten, sofern diese keine hinlänglichen zukünftigen Erfolgschancen mehr bieten. • Die gelbe Zone (Mittelpositionen) ist die Zone selektiven Vorgehens. Je nach Konstellation geht es um Verteidigung, Konsolidierung oder Expansion, d. h., die SGE werden anlassbezogen der grünen oder roten Zone zugerechnet. Die Normstrategien für die gelbe Zone (Selektieren) lauten: – Spezialisierung, externes Wachstum, Instandhaltungsinvestitionen, kurzfristigen Cash-flow anstreben, Risiken begrenzen, Programmrandbereinigung, segmentspezifische Preisbildung, Straffung der Vertriebswege, Konzentration auf zielgruppenspezifische Absatzkanäle, Produktimitation, gezieltes Wachstum, ansonsten Position sichern, stabiles Preisniveau anstreben, Rationalisieren, Mitarbeitermotivation. Insofern heißt es, fallweise selektiv zu investieren, zu halten bzw. Verteidigung, Konsolidierung oder Expansion der erreichten Position anzustreben. Ein weiter differenzierter Ansatz gibt Normempfehlungen für alle neun Felder vor (Shell-Ansatz). Tatsächlich handelt es sich aber nur um eine Abwandlung des Vierfelder-Ansatzes mit variierten Achsen und Matrixfeldern. 3.2.5.4 Kritische Würdigung Die Portfolio-Empfehlungen eignen sich sehr gut als erste Orientierung in der Marketingplanung. Für die Strategiewahl sind jedoch differenziertere Instrumente einzusetzen, wie im Folgenden aufgezeigt wird. Die Klassifikation dient vor allem der Zuweisung von Ressourcen bei der Budgetverteilung im Unternehmen. Da die Budgetmittel begrenzt sind und die Anträge diesen Budgetrahmen regelmäßig überschreiten, muss ein Kriterium gefunden werden, nach dem Anträge und Zuteilungen operational erfolgen können. Dies geschieht auf Basis der Position der einzelnen Geschäftseinheiten in der Portfolio-Matrix.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Die Portfoliotechniken haben aber zentrale Bedeutung für die strategische IstAnalyse. Zur Bewertung sind sowohl Vor- als auch Nachteile zu nennen. Bei den Vorteilen handelt es sich um folgende: • didaktisch einfache Visualisierung strategischer Erfolgspositionen, statt endloser Zahlenkolonnen, • durch Rastertechnik Notwendigkeit zur gedanklichen Strukturierung komplexer Situationen, • bringt analytische Denkweise auch Personen mit holistischem / analogem Denken nahe (rechte Gehirnhälfte), • Integration externer und interner Sichtweisen, • Auslöser für weitere Analysen in Controlling, Auditing, Treasuring etc., • eignet sich besonders für erste Grobsichtung und Prioritätensetzung, • plausible Zuteilung knapper Ressourcen (Budgetierung, Investition). Als Nachteile sind hingegen folgende zu nennen: • Verlust an Detailschärfe durch enorme Datenverdichtung, • latente Versuchung zur Manipulation der Analyse, bedarf daher hoher Sorgfalt, • wird komplexen Entscheidungssituationen nicht gerecht, • theoretische Basierung nur schwach ausgeprägt, • zugewiesene Normstrategien bedürfen vor ihrem Einsatz der Individualisierung, • Trend zu konservativen bzw. vorausschaubaren Strategien, • Tendenz zur Nivellierung des Gesamtportfolios erschwert differenzierte Aussagen, • Gefahr falscher Zuordnung von SGEs an Matrixfeldgrenzen, • es handelt sich um eine statische Analyse, tatsächlich vergangenheitsorientiert, • Möglichkeit disruptiver Entwicklungen wird negiert (New Game), • Abgrenzung der SGEs ist subjektiv, vor allem wenn diese von der Aufbauorganisation abweichen, • Probleme der Marktabgrenzung sind ungelöst, • erfordert die Quantifizierung qualitativer Daten, die immer heikel ist, • das Management von Halten-/Schrumpfen-Sektoren ist problematisch, • die Fixierung auf Cash-flow-Ausgewogenheit vernachlässigt Möglichkeiten der externen Kapitalbeschaffung.

3. Status quo-Diagnose

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3.2.5.5 Ziel-Portfolio Das Portfolio basiert normalerweise auf Ist-Daten, d. h., die Parameter sind bestenfalls gegenwartsbezogen. Für die Planung ist es aber wichtig, zukunftsbezogene Daten zugrunde zu legen. Dies erfolgt im Ziel-Portfolio. Dazu werden die Parameter nicht hinsichtlich ihres Ist-Zustands, sondern hinsichtlich ihres gewünschten Soll-Zustands bewertet. Bei den beiden wichtigsten Portfolio-Formen bedeutet dies folgendes. Der relative Marktanteil einer SGE für die zukünftige Planungsperiode ergibt sich aus der Relation des prognostizierten eigenen Marktanteils und des prognostizierten Marktanteils des / der wichtigsten Wettbewerber. Das durchschnittliche Wachstum auf diesem Markt für die zukünftige Planungsperiode bestimmt sich durch die Hochrechnung des gegenwärtigen Marktwachstums in die Zukunft. Die relative Umsatzbedeutung für die zukünftige Planungsperiode resultiert aus der Relation des hochgerechneten Umsatzes jeder SGE und des hochgerechneten Gesamtumsatzes des Unternehmens. Die relative Wettbewerbsstärke einer SGE für die zukünftige Planungsperiode bestimmt sich aus der Punktbewertung der jeweiligen zu ihrer Aggregation herangezogenen Kriterien innerhalb eines festgesetzten bzw. zukünftigen Erfordernissen angepassten Katalogs. Die relative Attraktivität auf diesem Markt für die zukünftige Planungsperiode entsteht ebenfalls aus der Punktbewertung der jeweiligen zu ihrer Aggregation herangezogenen Kriterien innerhalb eines festgesetzten bzw. zukünftigen Erfordernissen angepassten Katalogs. Die Größe der betreffenden Branche für die zukünftige Planungsperiode bestimmt sich aus dem hochgerechneten Totalumsatz der Branche. Der Marktanteil der SGE für die zukünftige Planungsperiode erwächst aus der Relation des prognostizierten eigenen Umsatzes und des prognostizierten Totalumsatzes der Branche. Legt man diese Ausgangsdaten bei der jeweiligen Portfolio-Form zugrunde, ergibt sich das Ziel-Portfolio. Dieses kann in mehrerlei Hinsicht vom Ist-Portfolio abweichen, so in Bezug auf Abszissenposition, Ordinatenposition, Kreisgröße und Kreisausschnitt. Aus der Gegenüberstellung von Ist- und Ziel-Positionen der SGEs ergeben sich dann konkrete Handlungserfordernisse aus der: • Höhe der Abweichung zwischen Ist- und Ziel-Position. Die räumliche Entfernung dieser Positionen innerhalb der Portfolio-Matrix indiziert erfahrungsgemäß einen proportionalen Umfang des Maßnahmeneinsatzes. Dabei sind zwei Veränderungen denkbar, und zwar die Veränderung innerhalb eines Matrixfelds oder die von einem Matrixfeld zu einem anderen. Während sich innerhalb eines Felds an der Zuordnung von Normstrategien nichts ändert, ändern sich zwischen Feldern die zugewiesenen Normstrategien entsprechend der neuen Position. So kann durchaus eine kleine räumliche Entfernung eine große Änderung des Maßnahmeneinsatzes indizieren.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

• Richtung der Abweichung zwischen Ist- und Ziel-Position. Der Vektor der Veränderung kann parallel zu einer der Matrixachsen zeigen oder aus beiden Matrixachsen zusammengesetzt sein. Geht man davon aus, dass es einen typischen „Weg“ durch das Portfolio gibt (was allerdings strittig ist), so kann die Richtung diesem Kreislauf entsprechen oder auch nicht. Gegenläufige Veränderungen sind vor allem bei Auslaufen der Marktpräsenz mit dem Ziel deren Verlängerung anzutreffen. • Bedeutung der infrage stehenden SGEs oder Branchen. Dies bezieht sich auf die Veränderung der absoluten Größe der einzelnen Untersuchungseinheiten. Dabei kann eine SGE zunehmen, abnehmen oder gleich bleiben. Obgleich der Umsatz als Steuerungsgröße zweifelhaft ist, ergibt sich daraus die Möglichkeit, knappe Finanzmittel zieladäquat zuzuteilen. Denn eine steigende gewünschte SGEGröße bedeutet auch eine wachsende Mittelzuweisung, während eine sinkende gewünschte SGE-Größe einen Mittelentzug im Vergleich zur Vorperiode und eine konstante SGE-Größe eine unveränderte relative Zuweisung bedeuten. • Ausgewogenheit innerhalb des Portfolios. Dies bezieht sich auf die Veränderung der relativen Größe der einzelnen Untersuchungseinheiten innerhalb des gesamten Portfolios. Denn Ziel ist die Erreichung einer gleichmäßigen Verteilung der SGEs im Unternehmen mit vielen aussichtsreichen „Rennern“, einigen starken Selbstgängern im Zenit ihrer Leistung und wenigen „Pennern“. Dies ist dort gegeben, wo eine Balance aus positivem Cash-flow und Liquidationserlös abzustoßender Einheiten einerseits sowie negativem Cash-flow und Investitionskosten zu forcierender Einheiten andererseits erreicht wird. Erst alle vier herangezogenen Größen machen es möglich, eine Aussagefähigkeit zu erreichen. Da Daten für die Zukunft allenfalls mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit geschätzt werden können, und weil es sich teilweise um intersubjektiv unterschiedlich eingeschätzte qualitative Größen handelt, geht das Unschärfe(Bereichs-)Portfolio durch Bereichs- anstelle einer Punktpositionierung dazu über, nicht mehr exakte Matrix-Positionen zu definieren, sondern Positionsräume, deren konzentrische Ausbreitungsgrenzen als optimistische und pessimistische Schätzwerte definiert werden. Dadurch wird vermieden, infolge einer nur scheinbaren Exaktheit der Positionsbestimmung daran formalistisch weitreichende Konsequenzen zu knüpfen, ohne zu berücksichtigen, dass unvermeidliche Streubreiten vorhanden sind. Zugleich nimmt damit jedoch die Determiniertheit des Portfolio-Instruments ab, obgleich gerade in dieser mechanistischen Zuweisung von Normstrategien dessen großer Vorteil zu sehen ist.

4. Elemente der Strategieentwicklung Für die Strategieentwicklung bestehen verschiedene Ansätze, im Wesentlichen handelt es sich um den marktorientierten und den ressourcenorientierten Ansatz (4.2). Darüber hinaus ist im Vorfeld zu definieren, welches Strategische Geschäftsfeld (4.3) ein Unternehmen mit seinem Produkt zu bearbeiten gedenkt, denn wenn

4. Elemente der Strategieentwicklung

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nicht klar ist, in welcher Arena man sich bewegt, ist auch nicht klar, welche Konkurrenten dort anzutreffen sind und welche Spielregeln dort gelten. Vor allem ist die Strategische Gruppe (4.4) zu definieren, die aus den engsten Mitbewerbern besteht, mit denen man um den Markterfolg streiten muss. Die eigentliche Strategie besteht dann im Wesentlichen aus vier Variablen. Es handelt sich dabei um die Wahl der gewünschten Marktparzelle (4.5), den ausmachenden Komparativen Konkurrenzvorteil (4.6), die Ausrichtung an der präferierten Marktrolle (4.7) und die Einhaltung des Marktiming (4.8). Diese Variablen sind in der Lage, eine Strategie marktorientiert auszufüllen. Aus diesen Variablen können schlüssige Absatzstrategien erstellt werden, die qualifiziert zu bewerten sind (4.9).

4.1 Strategiebegriff Als Strategie wird allgemein die Entscheidung zur Vorgehensweise über die Transformation eines angetroffenen Ist-Zustands in einen prospektiv gewünschten Soll-Zustand verstanden. Strategien stellen damit die Brücke zwischen dem Status quo und den definierten Zielen des Unternehmens her, sie geben an, auf welche Art und Weise man diesen Weg zurückzulegen gedenkt. Dazu gibt es einen umfangreichen Katalog möglicher Strategiedeterminanten. Die Entwicklung einer Strategie zur Sicherung des langfristigen Erfolgs unterliegt drei Phasen. Zunächst bedarf sie der Analyse der gegebenen Ist-Situation, einerseits, um diese überhaupt zu bestimmen, andererseits, um daraus deren Relation zum gewünschten Soll-Zustand erkennen zu können. Da die Strategie den Weg vom Ist zum Soll vorgibt, erfordert sie außerdem die Definition der Ziele, damit der gewünschte Soll-Zustand operationalisiert werden kann. Die Relation zwischen beiden kann durch den Vektor der einzuschlagenden Richtung, sofern nicht Umweglösungen angestrebt werden, und den perspektivischen Abstand zwischen ihnen gekennzeichnet werden. Der Begriff der Strategie hat gemeinhin mindestens vier Bedeutungen: • Strategie ist eine Entscheidungsregel, nach der Entscheidungen getroffen werden können, wenn ein Informationszustand rationaler Unbestimmtheit besteht, d. h. wenn die Resultate der Handlungsalternativen nicht abgeschätzt werden können, da sie von den Entscheidungen anderer Akteure abhängen (weiterhin gibt es Richtlinien, Programme und Abläufe). Strategische Entscheide sind für gewöhnlich auf die Ressourcenzuordnung von Produkt-Markt-Kombinationen gerichtet. Sie betreffen die Ebene des Gesamtunternehmens. • Strategie als Unternehmenskonzeption ist das Ergebnis der strategischen Planung als Prozess, durch den die langfristigen Unternehmensziele fixiert und die

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

zu deren Erreichung notwendigen Ressourcen, Mittel und Verfahren bestimmt werden. Eine rationale Analyse der gegenwärtigen Situation und der zukünftigen Möglichkeiten und Gefahren führt zur Formulierung von Absichten und Maßnahmen. • Strategie als grundsätzliche Verhaltensweise ist ein Vorgehen, das die Richtung der Unternehmensentwicklung, das Verhalten gegenüber dem Mitbewerb, die Struktur und den Umgang mit den Ressourcen regelt und als Rahmenbedingung für die Entscheidungen nachgeordneter Führungskräfte gilt. Ziel ist die Schließung einer Lücke zwischen fortgeschriebenem Ist-Zustand und geplantem SollZustand. • Strategie als Maßnahmenbündel sind spezifische Aktionen, gewöhnlich unter Einsatz von Ressourcen zur Erreichung eines in der strategischen Planung festgelegten Ziels. Strategie bedeutet also die Umsetzung eines Plans, als umweltbezogene Maßnahmenkombination, die das Gesamtverhalten des Systems Unternehmen charakterisiert. Der Einsatz erfolgt auf einer hochaggregierten Ebene. Allgemein lassen sich strategische Entscheidungen durch folgende Merkmale charakterisieren: – oberste Führungsebene als hierarchische Einordnung, – geringe Delegierbarkeit an untergeordnete Stellen, – das gesamte Unternehmen als Geltungsbereich umfassend, – geringe Wiederholungshäufigkeit der Aufgaben, – generelle Gültigkeit getroffener Entscheidungen, – langfristiger Orientierungshorizont, – geringe, falls doch, dann aufwändige Revidierbarkeit von Entscheiden, – hoher Komplexitätsgrad des Entscheidungsumfelds, – im Regelfall unsichere Prognosebasis, – schlecht strukturierte Problemstellungen, – hohes Risikoausmaß der Konsequenzen, – geringer Detaillierungsgrad der Entscheidung, – häufig neuartige Situationen, – großer Freiheitsgrad bei der Lösungsfindung, – hoher Anteil individueller Wertprämissen, – ganzheitliche Denkart, – eher intuitiver, heuristischer Ansatz, – innovative, kreative Lösungsprozesse, – hoher Flexibilitätsgrad in der Plananpassung.

4. Elemente der Strategieentwicklung

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4.2 Strategische Ansätze In Bezug auf die strategische Ausrichtung können zwei Ansätze unterschieden werden (s. o.). Der marktorientierte Ansatz der Strategie hebt auf die Ausnutzung von Unvollkommenheiten auf dem Absatzmarkt ab. Die Grundannahme ist dabei, dass die Ressourcen einer Branche weitgehend homogen sind und transferierbar. Als Maßgabe gilt daher die Wahl von als attraktiv angesehenen Branchen und Produkten. Dabei geht es um die Erreichung eines nachhaltigen Positionsvorteils gegenüber relevanten Wettbewerbern durch Kenntnis der Kundenbedürfnisse und Streben nach deren ständig optimierter Befriedigung (siehe Kap. I 2.2.3). Dieser Ansatz entspringt der Marketing II-Ära (1980er Jahre) mit dem Primat der marktorientierten Unternehmensführung. Der marktorientierte Ansatz geht von einem Wettbewerb zwischen den aktuellen Sach- und Dienstleistungen aus. Unternehmen verfügen darin über ein Portfolio von Produkt-Markt-Kombinationen (SGEs). Die organisatorischen Strukturen im Unternehmen haben jedoch eine Beschränkung auf diese SGE-spezifischen Aktivitäten zur Folge. Eine Optimierung entsteht jedoch erst durch Gestaltung des gesamten SGE-Portfolios. Im Mittelpunkt stehen dabei Wettbewerbsvorteile. Diese ergeben sich aus Kosten-, Differenzierungs- und Spezialisierungsvorteilen, die zeitlich befristet, vergänglich, geschäftsspezifisch und wahrnehmbar sind. Die Unternehmensführung ist tendenziell defensiv ausgerichtet, also auf den Ausbau und die Verteidigung bestehender Geschäfte und die Anpassung an die Wettbewerbskräfte. Der marktorientierte Ansatz folgt damit der mikroökonomischen Industrieökonomik (Industrial Economics), die von dem Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma ausgeht (Structure-Conduct-Performance). Ausgangspunkt sind dabei die Rahmenbedingungen durch Markt, Wettbewerb, Nachfrage, Komplementäre und Umfeld. Es werden rationale Entscheidungen nach dem Outside-in-Prinzip getroffen. Kritik macht vor allem daran fest, dass es sich bei diesem Ansatz um einen passiven handelt, d. h., die eigene Strategie wird durch die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse determiniert. Insofern nimmt man im Wesentlichen die Geschäftschancen wahr, die andere übriggelassen haben, weil sie diesen offensichtlich zu risikoreich erschienen. Dies kann auf Dauer keinen erfolgversprechenden Ansatz darstellen. Der ressourcenorientierte Ansatz der Strategie setzt hingegen auf die Ausnutzung der Einzigartigkeit von Ressourcen. Diese sind innerhalb einer Branche weitgehend heterogen und immobil (siehe Kap. I 2.2.3). Als Maßgabe gilt daher die Schaffung von einzigartigen Kernkompetenzen. Dieser Ansatz entspringt der Marketing III-Ära (1990er Jahre) mit dem Primat der aktiven Marktgestaltung. Dabei geht es um die Erreichung von Wettbewerbsvorteilen durch individuelle Kombination der verfügbaren und erreichbaren Unternehmensressourcen, sowohl materieller wie auch immaterieller Natur. Der Resourced-based View geht von einem Wettbewerb um den Aufbau von Kompetenzen aus, die eine Palette noch unbekannter, zukünftiger Kernprodukte

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

ermöglichen. Das Unternehmen ist primär Speicher und Bündel dieser hetero­ genen und spezifischen Ressourcen (Erfolgstreiber). Aktivitäten sind folglich auf die Identifikation, Entwicklung, Integration und Nutzung solcher Kompetenzen ausgelegt. Wettbewerbsvorteile sind dauerhaft, schwer angreifbar und weitgehend verborgen. Die Unternehmensführung ist tendenziell offensiv und langfristig angelegt. Es kommt zum Aufbau neuer Produkte und Märkte (Stretch) durch Kompetenztransfer mit Dominanz des Inside-out-Prinzips. Der ressourcenorientierte Ansatz folgt dem Ressourcen-Verhalten-Ergebnis-Paradigma (Resource-ConductPerformance). Eine Weiterentwicklung stellt der fähigkeitsorientierte Ansatz dar. Er zielt auf Kernkompetenzen ab, die werthaltig, selten, schwer imitierbar und nicht substituierbar sind. Diese entstehen im Rahmen des organisationalen Lernens. Eine Spezialisierung davon wiederum ist der wissensorientierte Ansatz, der dem Wissen als Ressource zentrale Bedeutung beimisst. Unternehmen werden dabei als soziale Systeme zur Wissensgenerierung verstanden. Die Dauerhaftigkeit eines Angebots ergibt sich aus der Rate, in der die Ressourcenbasis ihren Wert verliert. Das Angebot befriedigt währenddessen Bedürfnisse von (potenziellen) Kunden und schafft bei ihnen einen Nutzen, für den diese bereit sind, einen höheren Preis zu bezahlen. Voraussetzung ist, dass nicht alle Unternehmen über diese Ressourcen verfügen und diese auch nicht zu vergleichbaren Bedingungen erwerben bzw. den vorteilsstiftenden Charakter der Ressource nicht durchschauen und eindeutig auf eine Ursache zurückführen können, so dass eine Kopierbarkeit nicht ohne Weiteres möglich ist. Vielmehr ist eine Vielschichtigkeit / Vernetztheit der Ressourcen / Ressourcenbündeln hilfreich. Wichtig ist die Anpassungsfähigkeit der Ressourcenbasis an die unternehmensspezifischen Transaktionspartner und der Fit zum bisherigen Entwicklungspfad des Unternehmens. Kritik am ressourcenorientierten Ansatz macht daran fest, dass nicht alle Ressourcen adäquat berücksichtigt werden (z. B. Reputation, Wissen), was aber „geheilt“ werden kann. Auch kommt es zu einer Vernachlässigung von Markt und Umfeld. Der Ansatz hat geringe Eignung für die empirische Forschung und ist begrifflich unpräzise. Im Folgenden wird eine Schnittmenge aus markt- und ressourcenorientierter Strategie zugrunde gelegt. Jede Strategie kennt dabei eine Reihe von Elementen zu ihrer Umsetzung in konkretes Managementhandeln. Dabei handelt es sich mindestens um die Bestimmung der Größen Marktwahl, Konkurrenzvorteil, Marktverhalten und Markttiming. Jedes dieser Elemente hat wiederum unterschiedliche Stellgrößen, die für eigene Zwecke aktiviert werden können. Aus der Anzahl der Elemente und deren Stellgrößen ergibt sich eine immense Vielzahl von Strategiekombinationen. Die große Kunst besteht nun darin, die im Einzelfall optimale Strategievariante zu finden und geschickt umzusetzen.

4. Elemente der Strategieentwicklung

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4.3 Strategisches Geschäftsfeld 4.3.1 Monokriterielle Abgrenzung An sich richtig gedachte Maßnahmen können dennoch inadäquat sein, weil die Abgrenzung des Strategischen Geschäftsfelds (SGF / Relevanter Markt/„Arena“) unzweckmäßig erfolgt, diese Maßnahmen sich jedoch bei zweckmäßiger Abgrenzung anders darstellen. Das Strategische Geschäftsfeld (SGF / auch Strategic Business Area / SBA) umfasst konkretisierte Nachfragerbedürfnisse / Kundennutzen, die ein Unternehmen bedient oder zu bedienen gedenkt. Das Unternehmen kann ein oder mehrere Strategische Geschäftsfelder bearbeiten. Ein SGF kann aus mehreren Produkten / Produktgruppen bestehen, aber auch aus latentem Bedarf ohne aktuelles Produktangebot. T. Levitt nennt als Beispiel (Marketing Myopia) die verkürzte Sichtweise der amerikanischen Eisenbahngesellschaften Anfang des vorigen Jahrhunderts, die ihren Relevanten Markt mit Transport auf Schienen umschrieben und dementsprechend alle ihre Maßnahmen darauf ausrichteten. Dabei übersahen sie völlig die aufkommende Konkurrenz der Fluggesellschaften, die, vor allem bei niedrigem Ladungsgewicht und hohem spezifischen Wert, für geringfügig höhere Kosten einen großen Zeitvorteil boten. Folglich hat die Bedeutung des Lufttransports im inneramerikanischen Verkehrswesen stetig zu- und die des Bahntransports stetig abgenommen. Eine zutreffende Marktabgrenzung hätte sich nicht auf den Transportweg Schiene beschränken dürfen, sondern hätte umfassender Transport als Serviceleistung definieren müssen (Logistics as a Service / L aaS). Dann hätte sowohl die Konkurrenz der Fluggesellschaften rechtzeitig erkannt als auch der Lufttransport für eigene Zwecke entsprechend genutzt werden können. Allerdings ist die Abgrenzung des Relevanten Markts eine der schwierigsten Aufgaben. Dafür gibt es mehrere theoretische Konzepte. Insbesondere können ein-, zwei- und mehrdimensionale Abgrenzungen unterschieden werden (siehe Abbildung 30: Abgrenzungsoptionen des Relevanten Markts). Diese unterteilen sich wiederum in viele Ansätze, letztlich bleibt jedoch festzustellen, dass ein überzeugendes, praxistaugliches Konzept zur Abgrenzung des Relevanten Markts derzeit nicht vorliegt. Zunächst zur monokriteriellen Abgrenzung. Die physikalisch-orientierte Abgrenzung geht vom Produkt selbst aus und versucht, darüber gemeinsame Markträume zu bestimmen. Hier gibt es im Wesentlichen drei Ansätze: • Der Ansatz der technischen Ähnlichkeit geht davon aus, dass Produkte, die technisch vergleichbar sind, also auf den selben oder ähnlichen physikalischchemischen Prinzipien beruhen, zum selben Relevanten Markt gehören. Die Gemeinsamkeit wird also an faktischen Kriterien festgemacht wie Produktionstechnologie oder Rohstoff. Dies ist freilich zu kurz gesprungen. So können Produkte, die auf denselben technisch-physikalischen Prinzipien beruhen, ge-

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Abbildung 30: Abgrenzungsoptionen des Relevanten Markts

trennten Märkten angehören (z. B. Drucker, Scanner, Fotokopierer, Fax) sowohl als auch Produkte, die auf unterschiedlichen technisch-physikalischen Prinzipien beruhen, zum selben Markt (z. B. LCD-Screens, Plasma-Screens, LED-Screens, OLED-Screens). • Der Ansatz der funktionalen Gleichheit hebt darauf ab, dass Produkte, welche die gleiche Funktion erfüllen, unabhängig von ihren technisch-physikalischen Prinzipien zum selben Relevanten Markt gehören. Dies ist nachvollziehbar. So gehören Handrasenmäher, Elektrorasenmäher, Benzinrasenmäher, Rasenmähroboter und Aufsitzrasenmäher zu weiten Teilen durch ihre vergleichbare Funktionserfüllung derselben Arena an. Allerdings können Produkte, welche dieselben Funktion erfüllen, auch durchaus unterschiedlichen Relevanten Märkten angehören. Zu denken ist etwa an Profihandwerker-Geräte einerseits und Hobbyisten-Geräte andererseits wie Schlagbohrer, Hochdruckreiniger, Kettensäge etc.

4. Elemente der Strategieentwicklung

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• Das Konzept der Einzigartigkeit des Angebots geht davon aus, dass jedes Produkt ohnehin einen eigenständigen Markt etabliert. Es gibt demnach so viele Relevante Märkte wie Produkte, jedes Produkt hat in seinem Marktgebiet eine relative Alleinstellung. Ausgangspunkt für diese Sichtweise ist, dass die Produkte heute sehr individualisiert ausgeprägt sein können und damit Unikatcharakter haben (maßgeschneiderte Produktion). Per Saldo wird damit jedoch die Existenz Relevanter Märkte und existierender Konkurrenzbeziehungen dort geleugnet, eine Sichtweise, die letztlich wenig mit der Realität der Wirtschaft zu tun haben mag. Die unternehmensorientierte Abgrenzung geht von der Perspektive der Anbieter auf dem Relevanten Markt aus. Dazu können im Wesentlichen wiederum drei Ansätze dienen: • Das Konzept der Adressierung gleicher Kundentypen behauptet, dass Angebote, die sich an die selbe Zielgruppe wenden, automatisch zum selben Relevanten Markt gehören, unabhängig davon, um welche Produktarten es sich dabei jeweils handelt. Dies ergibt sich allein schon daraus, dass diese Angebote offensichtlich um dieselbe Kaufkraft konkurrieren. Allerdings gibt es Pflichtausgaben des Haushalts und Betriebs, die eine völlig andere Reaktion implizieren als Kannausgaben, die man tätigen kann oder eben auch nicht. Daher ist zu bezweifeln, dass beide identischen Marktgebieten angehören. • Bei der individuellen Austauschbarkeit werden alle Leistungen als zu einem gemeinsamen Markt zugehörig angesehen, die Anbieter in ihrer Planung als konjektural verbunden berücksichtigen. Das heißt, jeder Anbieter definiert den Relevanten Markt aus seiner Sicht. Dies führt allerdings zu wenig stabilen Ergebnissen. Vor allem ist fraglich, auf welchen Informationsgrundlagen diese Planungsentscheidung getroffen wird. Wenn es sich um produkt- oder nachfrageorientierte Daten handelt, stellt dieser Ansatz keinen eigenständigen dar, sofern es sich um autonome Anbieterdaten handelt, impliziert er eine gewisse Beliebigkeit. • Beim Konzept der Produktionsflexibilität werden alle Leistungen als verbunden betrachtet, die Anbieter aufgrund ihrer Fazilitäten durch Umstellung ihrer Ressourcen herstellen können, unabhängig davon, ob sie diese auch tatsächlich herstellen oder nicht. Es reicht schon aus, dass Anbieter bei Bedarf dem Markt Leistungen bereitstellen könnten, denn das führt bereits dazu, dass andere Anbieter diese Möglichkeit in ihre Überlegungen einbeziehen. Grenzen entstehen aber vor allem in der tatsächlichen Durchführbarkeit solcher Produktionsflexibilitäten (Finanzmittel, Know-how, Vermarktung etc.). Die nutzenorientierte Abgrenzung geht von der Sichtweise der Nachfrager an einem Relevanten Markt aus. Auch dabei wird im Wesentlichen auf drei Ansätze zurückgegriffen: • Beim Konzept der subjektiven Austauschbarkeit manifestieren alle Leistungen, die von Zielgruppennachfragern in Bezug auf ihren Nutzen subjektiv als aus-

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

tauschbar beurteilt werden, ein gemeinsames Geschäftsfeld. Das Problem liegt jedoch darin, dass diese Austauschbarkeit interindividuell stark voneinander abweicht, d. h., der Relevante Markt für fast jeden Nachfrager ein anderer und die Operationalität dadurch stark eingeschränkt ist. So schwören viele Hobbyköche darauf, dass Gasherde mit Flamme wesentlich besser sind E-Herde mit Ceranfeld, andere halten beide hingegen für austauschbar oder Ceranfelder für überlegen. Wieder andere behaupten dies von Induktionsplatten. • Das Konzept des tatsächlichen Austauschverhaltens versucht, die Indeterminiertheit der subjektiven Austauschbarkeit aufzufangen, indem statt eines vagen, potenziellen, vielmehr nur auf das faktische Austauschverhalten abgehoben wird. Als relevant ist das anzusehen, was in der konkreten Kaufsituation gemeinsam erwogen wird. Problematisch dabei ist, dass die Zugehörigkeit zu einer Arena erst in der Transaktionssituation erkennbar wird, also kaum bis keine planerischen Aktivitäten zulässt. Gerade darauf käme es aber an. So ist unklar, ob ein Fahrrad etwa als Sportgerät, als Fortbewegungsmittel oder als Transportgefährt genutzt werden soll. • Das Konzept der Grundbedürfnisse geht davon aus, dass alle Leistungen, die ein gleiches Grundbedürfnis befriedigen, einen gemeinsamen Markt konstituieren. Fraglich ist jedoch, was als Grundbedürfnis genau zu verstehen ist. Handelt es sich um generische Bedarfe (wie Durst), entsteht eine sehr weite Marktabgrenzung über alle Getränkearten hinweg, je spezifischer aber die Bedarfe sind, desto weniger nehmen diese Grundbedürfnischarakter ein. Zudem bestehen interpersonelle Abweichungen über Grundbedürfnisse, so ist für den einen Individualmobilität ein Grundbedürfnis für den anderen jedoch nicht, der aber vielleicht dafür Tabakkonsum als Grundbedürfnis ansieht. Die situationsorientierte Abgrenzung macht die Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Relevanten Markt von fallweisen Faktoren abhängig. Auch dabei ist im Wesentlichen an drei Ansätze zu denken: • Bei der zeitlichen Gemeinsamkeit werden solche Marktangebote als zum selben Relevanten Markt gehörig definiert, die zum Zeitpunkt einer Bedarfsentstehung verfügbar sind. Dies mag besonders für Spontankäufe gelten, hier fällt die Kaufentscheidung unter den gerade zum Kaufimpuls vorhandenen Angeboten. Andere Angebote können hingegen allein schon deshalb nicht berücksichtigt werden. Jedoch kann die Bedarfsbefriedigung durchaus aufgeschoben werden, wodurch sich zu einem anderen Zeitpunkt auch der Relevante Markt gänzlich anders darstellt. Dies bedeutet aber eine erhebliche Inderminiertheit des Ergebnisses. • Bei der räumlichen Gemeinsamkeit werden solche Marktangebote als zum selben Relevanten Markt gehörig definiert, die am selben Ort angeboten werden. Denn nur für diese besteht in der konkreten Wahlsituation auch Verfügbarkeit. Dies trifft etwa auf die Einkaufssituation in einem Ladengeschäft zu. Die Wahl kann nur unter solchen Artikeln getroffen werden, die dort distribuiert sind. Die

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Verfügbarkeit am POS ist dann ausschlaggebend für die Auswahl. Angesichts virtueller Marktangebote ist diese Limitation aber immer weniger von Bedeutung. Durch IuK werden Angebote vielmehr vergleichbar, die nur an gänzlich unterschiedlichen Orten verfügbar sind. • Im Zuge der sachlichen Veränderung entsteht gelegentlich auch erst ein Relevanter Markt. Bisher wurde davon ausgegangen, dass es sich um die Konfiguration bestehender Marktangebote handelt, die zueinander in mehr oder minder enger Verbundbeziehung stehen. Selten kommt es jedoch infolge von Durchbruchsinnovationen zur Bildung eines neuen Relevanten Markts, der zusätzlich zu bestehenden entsteht (z. B. Kaffeepad-Automat, Mobiltelefon, Post-Notizzettel). Dann kommen erst im Laufe der Zeit als Folger und Nachahmer weitere Marktteilnehmer hinzu. Es besteht also keine Verdrängung bestehender Angebote, weil die Neuprodukte zusätzlich zu diesen angeschafft werden (also MehrportionenKaffeeautomat, Festnetztelefon, herkömmliche Notizzettel). 4.3.2 Dualkriterielle Abgrenzung Der zweidimensionale Ansatz setzt neben dem angebotenen Produkt am bearbeiteten Markt an. Dafür wird die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage zugrunde gelegt, also die Veränderung der Nachfrage nach einem Angebot bei Veränderung des Preises für ein anderes. Positive Werte indizieren die Zugehörigkeit zum selben Relevanten Markt. Das heißt, Güter, die sich jeweils paarweise Nachfrager abziehen, wenn ihr Preis steigt (und umgekehrt), bilden einen gemeinsamen Relevanten Markt. relative Änderung des Absatzes des Gutes B (dxB)                       Ausgangsabsatz des Gutes B (xB) Kreuzpreiselastizität (ℇ) =                      relative Änderung des Preises des Gutes A (dpA)                        Ausgangspreis des Gutes A (pA)



alternativ: Ausgangspreis des Gutes A relative Änderung des Absatzes des Gutes B (dxB) (pA) ℇ =                    ×                     relative Änderung des Preises des Gutes A Ausgangsabsatz des Gutes B (dpA) (xB)

Allerdings ist das Wechselverhalten der Nachfrager ein komplexes Ergebnis mehrerer, häufig gegenläufig wirkender und interagierender Parameter der Anbieter beider Güter / Dienste und nicht nur Folge bloßer Preisveränderungen. Nachfrageänderungen rühren auch von Maßnahmen anderer Wettbewerber her und nicht

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

immer nur von denen des betrachteten Konkurrenten. Außerdem kann Substitution nur bei Kaufaktivität gemessen werden und bedingt die Vorabbestimmung auf einander bezogener Güterpaare. Die Gründe der Austauschbarkeit werden dabei nicht sichtbar. Auch bedingt der Einkommenseffekt einer Preisänderung Verzerrungen. Ähnlich bilden nach dem Substitutionslückenkonzept (J. Robinson) einheitliche Märkte den Ausgangspunkt, deren Verbindungsdichte in Netzen durch Kreuzpreiselastizitäten der Nachfrage festgestellt werden kann. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von vertikaler, also auf den gleichen Bedarf gerichteter Konkurrenz. Als Problem stellen sich jedoch die faktische Messung dieser gleichartigen Bedürfnisse und die ausschließlich nachfrageorientierte Sichtweise, die dem potenziellen, also noch nicht marktwirksamen, Wettbewerb nicht gerecht wird, dar. Zudem können Angebote diesseits und jenseits einer Grenze zwischen zwei Relevanten Märkten einander näher stehen als zu ihren jeweiligen Marktmitten. Sie können zudem auf verschiedenen Abstraktionsebenen definiert werden, was die Marktgröße erheblich beeinflusst. 4.3.3 Multikriterielle Abgrenzung Der mehrdimensionale Ansatz legt drei und mehr Kriterien gemeinsam zur Abgrenzung des Relevanten Marktes zugrunde. Im Wesentlichen können dabei der dreidimensionale Ansatz (nach Abell) und der vieldimensionale Ansatz (nach von Stackelberg) unterschieden werden. Der Ansatz von Technologie, Funktionserfüllung, Abnehmergruppe berücksichtigt neben angebotener Leistung und bearbeitetem Markt noch die dafür verwendete Technologie. Insofern bestimmt sich ein Strategisches Geschäftsfeld dann aus der Kombination von Technologie (Wie?, Alternative Technologies), Funktionserfüllung (Was?, Customer Functions) und Abnehmergruppe (Wer?, Customer Groups). Als Kritik zu diesem, häufig als beste Lösung angesehenen Konzept von Abell, ist jedoch zu äußern, dass es zu grob gegliedert ist. Ein einfaches Beispiel erläutert die Problematik. Legt man den dreidimensionalen Ansatz zur Marktabgrenzung zugrunde, so gehören (normale) Handzahnbürsten und elektrische Zahnbürsten zu unterschiedlichen relevanten Märkten, denn sie unterscheiden sich zweifelsfrei hinsichtlich des Kriteriums Technologie (manuell vs. elektrisch). Es dürfte jedoch ebenso zweifelsfrei sein, dass beide Produkte tatsächlich in substitutivem Verhältnis zueinander stehen, also dem gleichen Markt zuzurechnen sind, denn eine Zahnreinigung (Funktionserfüllung) einer Person (Abnehmergruppe) kann alternativ entweder manuell oder elektrisch erfolgen. Insofern kommt es zu einer unzutreffenden Marktabgrenzung. Der Ansatz der totalen Konkurrenz unterstellt, dass alle Güter, die zum Bedarf einer generell definierten Nachfragerschaft (Haushalte, Produktionswirtschaften) gehören, im Wettbewerb um die Kaufkraft dieser Nachfrager stehen und damit

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einen gemeinsamen Gesamtmarkt bilden. Dieses Konzept reicht am weitesten und geht davon aus, dass die Kaufkraft der Wirtschaftssubjekte absolut limitiert ist. Daher treten auch Angebote, die gänzlich unterschiedlichen Märkten angehören, in kompetitive Beziehungen zueinander (z. B. Urlaubsreise und Autokauf, Küchenmöbel und Schmuckwaren). Damit ist die Aussagefähigkeit aber wieder limitiert. Weiterhin hat jeder Nachfrager andere Bedarfe und deshalb auch einen anderen Totalmarkt. Im Ergebnis führt dies zudem zu einer sehr weiten, damit letztlich unpraktikablen Abgrenzung. Zum Beispiel kann der Bedarf Pausensnack durch so verschiedenartige Produkte wie Schokoriegel, Obst, belegte Brötchen, Joghurts, Hamburger, Gebäck etc. befriedigt werden. Als generelle Empfehlung ergibt sich die Tendenz zu einer eher weiten Abgrenzung von Märkten. Dies folgt aus einer fortschreitenden Annäherung von Marktparzellen und deren fortschreitender Integration auf Unternehmensebene.

4.4 Strategische Gruppe 4.4.1 Anlage Die Gesamtheit der Marktanbieter innerhalb einer Arena lässt sich in Gruppen einteilen, die aus mehreren Unternehmen bestehen, die gleiche oder stark ähnliche Ausgangssituationen in Bezug auf wettbewerbsrelevante Faktoren aufweisen. Man bezeichnet diese als Kohorte, d. h., Einheiten, die ein gleiches „Schicksal“ im Zeitablauf teilen. Eine Strategische Gruppe (SGr) ist dabei eine Mehrzahl von Unternehmen in einem gemeinsamen Relevanten Markt, die untereinander homogener sind als von Gruppe zu Gruppe (siehe Abbildung 31: Prinzip der Strategischen Gruppen (zweidimensional)).

Abbildung 31: Prinzip der Strategischen Gruppen (zweidimensional) (eig. Darst.)

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Denn Wettbewerb herrscht nicht nur zwischen unterschiedlichen Branchen und Unternehmen, sondern auch zwischen unterschiedlichen Strategischen Gruppen. Dabei existieren normalerweise mehrere von ihnen nebeneinander an einem Relevanten Markt, es können aber auch alle Wettbewerber einer gemeinsamen Strategischen Gruppe angehören (homogene Konkurrenz), oder aber jeder Wettbewerber bildet seine eigene Strategische Gruppe (monopolistische Konkurrenz). Die Ähnlichkeit der Angehörigen einer Gruppe ist abgeleitet aus Variablen wie der vertikalen Wertschöpfungsintegration, der Kostenstruktur, der Produktpalette (Programm), den FuE-Aktivitäten, den Aktivitätsgebieten, den Vertriebskanälen etc. Eine Strategische Gruppe ist dadurch charakterisiert, dass die Mitbewerber darin untereinander ähnlicher sind (gruppeninterne Homogenität) als zu Mitgliedern anderer Strategischer Gruppen (gruppenexterne Heterogenität). Die Mitbewerber derselben Strategischen Gruppe sind aufgrund ihrer Ähnlichkeit für einen Anbieter weitaus engere Konkurrenten als die Mitglieder anderer Strategischer Gruppen. Auf sie konzentriert sich daher die weitere Vorgehensweise, die restlichen Mitbewerber können meist vernachlässigt werden. Im Kfz-Markt handelt es sich in Bezug auf das automobile Programm z. B. um – deutsche Standardhersteller (Opel, Ford, Volkswagen), – deutsche gehobene Hersteller (Audi, BMW, Mercedes), – europäische Importeure (Fiat, Peugeot, Renault, Skoda, Seat, Citroen), – japanische Importeure (Nissan, Toyota, Mazda, Mitsubishi, Honda), – „Exoten“ (Alfa Romeo, Lancia, Saab, Volvo, Smart, Subaru), – Premium-Hersteller (Lexus, Jaguar, Porsche, Jeep, Tesla, Maserati), – Economy-Anbieter (Suzuki, Hyundai, Kia, Dacia, Lada). Das Konzept kann in drei Richtungen präzisiert werden: • Zunächst hinsichtlich der allgemeinen Branchenstruktur, d. h., der Analyse branchenweiter Strukturelemente, welche die Stärke der fünf Wettbewerbskräfte bestimmen und alle konkurrierenden Unternehmen betreffen, z. B. Wachstumsrate der Marktnachfrage, Potenzial zur Produktdifferenzierung, Struktur der Zulieferbranche. • Weiter nach der Analyse der einzelnen Strategischen Gruppen, die sich daraus ergeben und durch Merkmale wie Höhe der Markteintrittsbarrieren, welche eine Strategische Gruppe schützen, Verhandlungsstärke der Strategischen Gruppe gegenüber Kunden / Lieferanten, Verwundbarkeit der Strategischen Gruppe für Ersatzprodukte und Ausmaß, in dem die Strategische Gruppe der Rivalität durch andere ausgesetzt ist, operationalisierbar werden. • Und schließlich nach der Analyse der Position einzelner Unternehmen innerhalb der Strategischen Gruppe, die vom Wettbewerbsgrad innerhalb der Gruppe, von

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der Größe eines Unternehmens im Vergleich zu anderen innerhalb seiner Gruppe, von den Kosten des Eintritts in die Gruppe und der Umsetzbarkeit der Strategie in operative Ergebnisse abhängt. Ähnlich wie es Marktbarrieren zwischen einzelnen Branchen gibt, die einen beliebigen Ein- und Ausstieg in bzw. aus Märkten behindern, gibt es Mobilitätsbarrieren innerhalb einer Branche, die einen Wechsel von Gruppe zu Gruppe behindern, wenngleich nicht ganz verunmöglichen. Die Wettbewerbsintensität in einer Branche ist umso größer, je höher die Anzahl der Gruppen einer Branche und je geringer die Größenunterschiede der Anbieter innerhalb einer Gruppe sind. Gruppen sind in steter Entwicklung begriffen, bewegen sich also aufeinander zu oder voneinander weg. Die Rentabilität eines Anbieters ist hoch bei starker Position innerhalb seiner Gruppe und hohen Mobilitätsbarrieren zwischen den Gruppen. Stärkend für eine Strategische Gruppe sind allgemein alle Faktoren, die Mobilitätsbarrieren aufbauen und dadurch die Gruppe schützen, weiterhin Faktoren, welche die Verhandlungsstärke der Gruppe gegenüber ihren Marktpartnern erhöhen und Faktoren, die eine Gruppe von der Rivalität anderer Unternehmen abschirmen. Für ein einzelnes Unternehmen ist eine überlegene Größe gegenüber den anderen Mitgliedern der Gruppe hilfreich, ebenso alle Faktoren, die es ihm erlauben, zu geringeren Kosten in die anvisierte Gruppe einzutreten als in andere. Dazu gehört auch die Fähigkeit, seine Strategie gegen Wettbewerber durchzusetzen und Mobilitätsbarrieren zu überwinden, um in eine noch attraktivere Gruppe einzutreten. Schwächend hingegen sind alle Faktoren, die Mobilitätsbarrieren abbauen und dadurch den Schutz der Strategischen Gruppe verringern, weiterhin solche, welche die Verhandlungsstärke der Gruppe gegenüber Marktpartnern vermindern und eine Gruppe der Rivalität anderer Unternehmen aussetzen. Für ein einzelnes Unternehmen ist eine unterlegene Größe gegenüber den anderen Mitgliedern der Gruppe hinderlich. Ein Mangel an Mitteln und Fähigkeiten zur Überwindung von Mobilitätsbarrieren hindert es daran, in eine attraktivere Strategische Gruppe eintreten zu können. 4.4.2 Optionen Hinsichtlich der eigenen Strategie in diesem Gruppenwettbewerb bestehen verschiedene Optionen (siehe Abbildung 32: Optionen in der Strategischen Gruppe). Scheinen die Strategischen Gruppen nicht oder nur schwer veränderbar, gilt das Ziel der Anstrebung der komparativen Dominanz innerhalb der eigenen Strategischen Gruppe, um die Überlebensfähigkeit bestmöglich zu sichern. Die Dominanz innerhalb der bestehenden Strategischen Gruppe zielt also darauf ab, die Gruppenführung zu übernehmen und damit die Marktmechanik zu beeinflussen.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Abbildung 32: Optionen in der Strategischen Gruppe

Ein Beispiel ist der Staubsaugerhersteller Dyson. Innerhalb der durch austauschbare Produkte und starken Preiswettbewerb gekennzeichneten Anbieter hat sich Dyson trotz sehr hohen Preisniveaus durch technische Innovationen eine Dominanz erarbeitet. Ein weiteres Beispiel ist Miele als Hersteller hochwertiger Haushaltsgeräte. In Bezug auf Qualität und Innovation kann die Konkurrenz internationaler Haushaltsgerätehersteller seit Jahrzehnten auf Abstand gehalten werden. Ein weiteres Beispiel für die Dominanz in der Strategischen Gruppe ist Sixt bei Autovermietungen. Trotz großer, internationaler Konkurrenten wie Avis, Hertz, Europcar etc., ist es Sixt gelungen, diese Dominanzposition zu erreichen. Dies gelang durch eine ganze Reihe gezielter Aktivitäten wie Einrichtung von Vermietstationen an Flughäfen, Einsatz nur von Fahrzeugen mit Vollausstattung, Nutzung des Internet als Vertriebsweg, Aufbau einer starken Nachfrageposition bei Autoherstellern, Vermeidung der Abhängigkeit von einzelnen Herstellern, aggressive, hoch dotierte Werbekampagnen, Realisierung vergleichsweise hoher Gebrauchtwagenpreise etc. Eindrucksvoll war die seinerzeitige Einführung des Nachrichtenmagazins Focus. Der Spiegel wies zu seinen Glanzzeiten lange Berichte mit schwarz-weiß Redaktion und ideologisch vorgeprägten Inhalten auf, d. h., es wurden nicht nur die Fakten dargestellt, sondern dem Leser zugleich auch eine bestimmte Meinung, die er dazu haben sollte, suggeriert. In der Zeit vor Focus waren bereits diverse Angriffe auf Der Spiegel gescheitert. Burda hatte mit Helmut Markwort die Idee, eine spezifische Zielgruppe anzusprechen, und zwar gut ausgebildete Personen mit wenig Zeit, die sich dennoch über alle aktuellen Vorgänge informieren wollen (InfoElite). Ihnen sollte eine interessante redaktionelle Aufmachung (vierfarbig) geboten werden, zudem kurze Artikel, die sich auf die wesentlichen Daten beschränken und durch instruktive Info-Grafiken unterlegt sind. Dabei sollte die Darstellung objektiviert bleiben, denn den Lesern wurde zugetraut, sich selbst eine Meinung bilden zu können. Dieses Konzept wurde ab 1991 ein Riesenerfolg und führte zur

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Dominanz innerhalb der Gruppe meinungsbildender Magazine. Zudem erfolgte eine Öffnung für populäre Themen jenseits von Politik und Feuilleton. Scheint eine Dominanz innerhalb der eigenen Strategischen Gruppe nicht oder nur schwer erreichbar, so ergibt sich ein Wechsel aus der eigenen in eine als vorteilhafter angesehene andere Strategische Gruppe. Freilich sind dazu zunächst Austrittsbarrieren der bestehenden Gruppe sowie Eintrittsbarrieren der optierten anderen Gruppe zu überwinden. Ein Beispiel für den Wechsel der Strategischen Gruppe ist der Autohersteller Audi. Er war einst in der Gruppe der deutschen Standardhersteller verankert (wie Volkswagen, Opel, Ford) und wird nun der Gruppe der deutschen Oberklassehersteller zugeordnet (wie BMW, Mercedes). Die Überwindung der Mobilitätsbarrieren beim Ausstieg aus der bestehenden sowie Einstieg in die neue Strategische Gruppe konnte durch eine Reihe von Maßnahmen erreicht werden wie Einführung des Allradantriebs quattro, Design unter Cw-Wert-Gesichtspunkten, Procon tenSicherheitslenkrad, Leistungssteigerung des Dieselmotors durch Turboaufladung, Karosserie aus Aluminium, stufenlose Getriebeautomatik, intensive Werbekampagnen, neues Schauraumkonzept etc. Ein weiteres Beispiel ist der Unterhaltungselektronikhersteller Samsung. Gestartet war er als einer der zahlreichen Billiganbieter aus Südkorea. Angesichts des erheblichen Verdrängungswettbewerbs und geringer Erfolge in diversifizierten Geschäftsfeldern entschloss sich Samsung zu einem Wechsel in die Strategische Gruppe der High-tech- und designorientierten Unternehmen. Dies geschah durch zahlreiche Produkte, die nicht nur bloß funktionieren, sondern Menschen völlig neue Möglichkeiten faszinierender technischer Umsetzung bieten. Verbunden damit waren selektive Distribution, gehobenes Preislevel und kreative Werbung (z. B. LiebeKenntKeineGrenzen). Ein anderes Beispiel bezieht sich auf die Anbieter in der Pkw-Oberklasse. Diese hatten in der Vergangenheit ihr Angebot nach unten (Economy) ausgeweitet, um Markeneinsteiger zu gewinnen, die dann im Zuge einer Produktkarriere nach und nach auf größere Fahrzeuge umsteigen. Dies führte dort zu hohen Absatzzahlen, aber zugleich geringen Stückmargen. Daher hat Mercedes-Benz offensichtlich beschlossen, dieses Angebot einzuschränken und dafür das Luxusklasse-Angebot auszuweiten, bei dem die Stückmargen erheblich höher ausfallen. Ob dies angesichts von Plattform-Konzepten in der Produktion wegen der deutlich geringeren Stückzahlen jedoch kostenmäßig tragfähig ist, bleibt abzuwarten. Unternehmen schaffen auch durch Veränderung des Marktumfelds eine Verbesserung der strategischen Position, statt sich mit anderen Anbieter zu kannibalisieren. Der Blue Ocean-Empfehlung liegt ein solcher Ansatz zugrunde, indem noch nicht besetzte Märkte aufgetan und der Wettbewerb marginalisiert wird. Neue Nachfrage wird geschaffen, indem entschieden auf Nutzen oder auf Kosten gesetzt wird bzw. hybride Strategien zur Kostensenkung und zur simultanen Nut-

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

zensteigerung genutzt werden. Dazu bedarf es der Gegenüberstellung der Schlüsselerfolgsfaktoren des Marktes und des Leistungsniveaus innerhalb der Branche. Die Schritte zur Umsetzung sind dann die Folgenden: • Aufstellung einer Wertkurve, welche die relative Leistungsfähigkeit des eigenen Produkts am Markt abbildet (diese ergibt sich aus einer Stärken-SchwächenAnalyse), • Ermittlung einer neuen Wertkurve durch Rekonstruierung der Wertkette, dies wird möglich, indem u. a. – die Perspektive systematisch auf angrenzende Branchen gerichtet wird (substitutive Wettbewerber), – übergreifende Angebote in einer Branche definiert werden (z. B. an der Schnittstelle Relevanter Märkte), – komplementäre Produkte und Dienstleistungen zu einer Gesamtlösung zusammengefasst werden (Systemgeschäft), – die funktionale und emotionale Ausrichtung der Branche überprüft wird (dies führt zu Produktwandel), – Veränderungen im Zeitablauf frühzeitig erkannt werden (Innovation). • Die Implementierung der Wertinnovation führt zu einem sog. Blue Ocean, der eine relative Alleinstellung bewirkt, wohingegen Red Oceans durch weitgehende Austauschbarkeit von Angeboten und Anbietern gekennzeichnet sind. Maßnahmen zur Erreichung von Alleinstellungen sind Eliminieren, Reduzieren, Steigern und / oder Kreieren. Blue Ocean-Beispiele sind folgende: – Nintendo (Spielecomputer zur gemeinsamen, interaktiven Nutzung vs. Microsoft, Sony, Sega etc.), Cirque du Soleil (keine Tierattraktionen, Erwachsenenansprache vs. traditionelle Zirkusse), Bodyshop (Naturkosmetik vs. Pharma- und Genmanipulationen), Motel One (Citylage, Geschäftsreisende, kleine Zimmer, große Lobby). An diesem Ansatz wird jedoch umfangreiche Kritik festgemacht. So handelt es sich bei Blue Ocean möglicherweise nur um ein Modewort. Es wird verkannt, dass die Flopprate bei Innovationen ausgesprochen hoch liegt und Frühe Folger oft erfolgreicher sind. Die zentrale Bedeutung des Kundennutzens steht hinter anbieterseitigen Erwägungen zurück. Außerdem kann es sich wohl nur um temporäre Blue Oceans handeln, was die Frage aufwirft, wie weiter verfahren werden soll. Auch ist die Implementierung alles andere als einfach. Scheint weder eine Dominanz innerhalb der eigenen noch ein Wechsel in eine vorteilhaftere andere Strategische Gruppe realisierbar, bleibt die Gründung einer eigenen Strategischen Gruppe. Damit wird versucht, eine gewünschte Monopoli-

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sierung zu erreichen und in Folge dort einen First Mover Advantage zu halten, der schwer einholbar ist. Ein Beispiel für die Gründung einer eigenen Strategischen Gruppe ist IKEA, das größte Möbelhaus der Welt. Dabei konnte durch Neuformulierung der Geschäftsprozesse eine nachhaltige Alleinstellung erreicht werden, die eine Vergleichbarkeit mit bereits bestehenden Angeboten / Anbietern aufhob. Dies bezieht sich auf Elemente wie kostengünstiger Standort in der Nähe von Autobahn­ anschlüssen, Schauraum mit angeschlossenem, begehbaren Lager, Selbstbedienung und Mitnahmemöglichkeit, Vermeidung von Lieferzeiten, Möbelaufbauarbeiten und Transportlogistik etc. Ein weiteres Beispiel ist Flixbus, der erste deutsche Fernreisebus-Anbieter. Dieser Markt war durch Deregulierung entstanden und bot damit die Chance zur Erstbesetzung. Diese Position wurde durch zahlreiche Übernahmen (MeinFernbus, Megabus, Postbus, international zahlreiche weitere wie Greyhound) kon­solidiert. Die Busse sind überwiegend rein elektrisch betrieben. Hinzu kamen seit 2019 Flixtrain-Züge mit E-Loks. Grundlage dieser Aktivitäten war die Reform des deutschen Personenbeförderungsgesetzes mit Wegfall des Wettbewerbsschutzes der Eisenbahn für das Personenfernverkehrsangebot. Dadurch konnte jedermann Linienverkehre mit Fernbussen anbieten, wie das im Ausland bereits weitgehend liberalisiert war. Flixbus verbindet dabei flächendeckend Groß- und Mittelstädte mit täglichem Linienverkehr. Die Busse sind mit Bord-WC, Snack-/ Getränkeverkauf und WLAN ausgestattet. Die Buchung geht vorzugsweise über eine eigene App, die Umsetzung erfolgt über lokale Busunternehmer als Subkontraktoren, die Hardware, Wartung und Personal stellen. Teilweise sind Partnerunternehmen integriert. Hinzu kommt FlixCar als Mitfahrzentrale. Starbucks ist Weltmarktführer im Kaffeehaus-Bereich, indem es eine innovative Form von Coffee House etablierte und sich damit von allen vergleichbaren Formen absetzte. Das Geschäftsmodell basiert dabei auf vier Säulen: Kaffee, Kaffeehaus, Service und Engagement. Kaffee ist der zentrale Baustein der Markenphilosophie. Das Kaffee-Sortiment besteht aus drei Geschmacksrichtungen, aus denen an die 2.000 Kaffeevariationen kombiniert werden können, wobei Mischungen dafür sorgen, dass das Endergebnis häufig wenig mit Kaffee im sortenreinen Sinne gemein hat, sondern mehr mit Aroma- und Genusserlebnis. Der zweite Baustein ist das Kaffeehaus. Es ist nach Starbucks-Philosophie der „Third Place“, neben Zuhause und Arbeitsplatz und soll Gemütlichkeit und entspannte Atmosphäre für den Kaffee-Genuss bieten. Dazu tragen behagliche Einrichtungen in verschiedenen Konzeptgrößen bei. Als dritter Baustein ist der Service total kundenorientiert ausgerichtet. Dies drückt sich in Leidenschaft und Wissen um das Produkt sowie individueller Bedienung aus. Die Mitarbeitenden sind so Führer in die Welt des Kaffeegenusses. Und als vierter Baustein ist das ökologische und soziale Engagement von Bedeutung, das sich in zahlreichen Aktivitäten ausdrückt, die von kontrolliertem Anbau über die Förderung karitativer Einrichtungen bis

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

zum Recycling gehen. Diese Elemente gemeinsam haben dazu geführt, dass Starbucks eine neue Strategische Gruppe begründet hat, an der viele Nachahmer zu partizipieren trachten. Wird die eigene Strategische Gruppe durch externe Konkurrenten angegriffen, besteht häufig nur eine Chance, wenn die dort bestehenden Anbieter eine konzertierte Abwehrreaktion entwickeln. Dies erfolgt durch Aufbau von Mobilitätsbarrieren zur Verhinderung des Zustoßens neuer Mitglieder zur Strategischen Gruppe. Ein Beispiel war der Versuch von Walmart, dem mit Abstand größten Einzelhandelskonzern aus den USA, in den deutschen LEH-Markt einzudringen. Angesichts dessen kam es zu einem Schulterschluss zwischen den ansässigen, ansonsten beinhart konkurrierenden Handelsanbietern, im Wesentlichen Edeka, Rewe, Aldi, Lidl, Metro, vor allem in Bezug auf Standorte und Preispolitik, der Walmart tatsächlich zum Rückzug zwang. Erschwerend kamen zahlreiche „Stockfehler“ des amerikanischen Konzerns hinsichtlich der deutschen Marktbearbeitung hinzu wie Greeter, 10-Feet-Regel, schwache Flächenabdeckung, redundante Warenplatzierungen am POS, Fehlen deutscher Markenartikel bei Präsenz hier unbekannter amerikanischer Produkte, erratische Managementwechsel, Missachtung europäischer Gesetze (Wettbewerb, Bilanzierung, Mitbestimmung etc.), Verlustkumulation, Missachtung des deutschen Konsumentenverhaltens u. Ä. Allerdings ist durchaus fraglich, ob die Wettbewerbsintensität innerhalb einer Strategischen Gruppe höher ist als zwischen Strategischen Gruppen, wenn sie etwa von Kollusion gekennzeichnet ist (z. B. Markentankstellen). Dann kann die Wettbewerbsintensität durchaus niedriger sein als zwischen dieser und einer anderen Strategischen Gruppe (z. B. Freie Tankstellen). Damit ist das Konzept aber in seiner Generalisierung fragwürdig. Im Regelfall gibt es jedoch einen strategischen „Gegner“, d. h. einen Anbieter, der als primäre Eroberungsquelle angesehen wird, dessen Kunden man also in erster Linie erobern will. Dies ist der „Feind“. Dessen Aktivitäten sind besonders relevant für die eigene Strategie.

4.5 Marktparzellenwahl 4.5.1 Optionen der Markterfassung Kein Anbieter kann es sich leisten, per se mit dem Risiko hoher Investitionen, langer Zeiten für Forschung und Entwicklung, immenser Fixkosten durch Anlagen und Personal sowie hohen Fremdkapitalverpflichtungen zu leben. Vielmehr muss eine realistische Aussicht auf annehmbaren Mittelrückfluss in absehbarer Zeit bestehen. Dazu ist es wichtig, und entspricht auch der Wettbewerbsorientierung des Marketing, strategische Nachfragerpotenziale zu bestimmen. Da in den meisten Fällen die endogene Wachstumsrate der Märkte nicht ausreicht, solche Potenziale

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in ausreichender Größe einigermaßen gesichert in Aussicht zu stellen, muss der Vermarktungserfolg auf anderem Weg zu erreichen versucht werden. Kernmittel dazu ist die Marktsegmentierung bzw. angereichert die Marktparzellierung. Die Idee der Marktparzellierung besteht darin, jene Nachfragersegmente zu finden, die am aussichtsreichsten zu bearbeiten sind und für diese einen geeigneten Marketing-Mix zu bestimmen. Denn nur eine Fokussierung der Aktivitäten lässt angesichts immer größerer Herausforderungen noch eine einträgliche Geschäftstätigkeit zu. Dafür ergeben sich mehrere Optionen, unter denen auszuwählen ist (siehe Abbildung 33: Optionen der Marktparzellierung (a) + (b)).

Abbildung 33a: Optionen der Marktparzellierung (eig. Darst.)

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Abb. 33 b: Optionen der Marktparzellierung (eig. Darst.)

Bei der Produktspezialisierung werden mehrere Märkte von einem Anbieter mit einem Produkt abgedeckt, wobei dieses dort einheitlich oder differenziert vermarktet werden kann. Sofern mehrere Märkte abgedeckt werden, kann dies mit einem einheitlichen Marketing-Mix geschehen. Beispiele finden sich im Global Marketing. Aus Kosten- und Identitätsgründen wird dabei ein Produkt ländergrenzenübergreifend unter Einsatz identischer Marketingaktivitäten vermarktet. Praktisch bedeutet dies angesichts manifester Kulturunterschiede zwar einen Gewinn an Effizienz, aber zugleich einen wahrscheinlich höher zu gewichtenden Verlust an Effektivität. Davon sind nur wenige Culture-free Products ausgenommen, die also kulturunspezifisch einheitlich vermarktbar sind. Oder es werden mehrere Märkte mit einem Basisprodukt und dessen Produktversionen abgedeckt, wobei dieses durch einen differenzierten Marketing-Mix angeboten wird. Daraus resultiert die Notwendigkeit zur unterschiedlichen Vermarktung. Ein Beispiel für das differenzierte Angebot eines Produkts auf mehreren Märkten liefert der Hochdruckreinigungs-Hersteller Kärcher. Er bearbeitet mit seinen Produkten sowohl den Profi-Markt der gewerblichen Gebäudereiniger als auch

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den Hobby-Markt der privaten Normalverbraucher. Freilich gestaltet sich der Marketing-Mix-Einsatz komplett abweichend. Während im Profi-Markt auf hohe Dauerleistungen, Ersatzgeräte, Reparaturservices etc. abgestellt wird, steht im Hobby-Markt die absolute Preisgünstigkeit im Vordergrund, dies auch zulasten der absoluten Qualität. Bei der Marktspezialisierung werden mehrere Produkte von einem Anbieter auf einem Markt angeboten, wobei diese einheitlich oder differenziert vermarktet werden können. Erstens werden mehrere Produkte auf einem Markt angeboten, wobei für alle der gleiche Marketing-Mix gilt. Als Beispiel mögen verschiedene Produkte eines Parfümherstellers dienen. Sie werden parallel zueinander durch die selben Aktivitäten angeboten (elitäre Werbung, Depotparfümerien, hoher Preis, aufwändige Packung). Ein Beispiel für die einheitliche Bearbeitung eines Markts mit mehreren Produkten ist der Sportwagen-Hersteller Porsche. Dort werden derzeit fünf Modellreihen angeboten: 911 (Klassiker), 718/Cayman (für Einsteiger), Panamera / Taycan (High-end), Macan (Kompakt-SUV) und Cayenne (SUV). Obwohl die technischen Konzepte dieser Fahrzeuge erheblich voneinander abweichen, eint doch alle Modelle eine gleiche Philosophie, beschreibbar durch Merkmale wie Tradition und Innovation, Leistung und Alltagstauglichkeit, Design und Funktionalität, Exklusivität und soziale Akzeptanz, Faszination und Realitätsnähe. So ist selbst der Offroader / SUV Cayenne als Sportwagen unter den Geländefahrzeugen positioniert. Oder es werden zweitens alle Produkte auf einem Gesamtmarkt angeboten, wobei Segmente durch einen differenzierten Marketing-Mix gebildet werden. Als Beispiel gilt Ferrero bei Schokoladeprodukten z. B. mit Duplo (längste Praline), Ferrero Küßchen (unter Freunden), Giotto (Gebäckkugel zum Kaffee), Hanuta (Zwischendurch-Snack), Kinder (Bueno, ChocoFrest, Country, HappyHippo, Maxi King, Pingui, SchokoBons, Überraschung etc.), Milch-Schnitte (kleine Portion Milch), Mon Chéri (Likörpraline mit Kirsche), Rocher (High Class-Praline), Yogurette (Fitness). Alle Produkte bedienen den Süßwarenmarkt (wie auch Raffaello, Nutella oder tictac), jedes jedoch mit seiner spezifischen Positionierung. Bei der multiplen Produkt-Markt-Abdeckung bearbeitet ein Anbieter differenziert mehrere, wenngleich nicht alle Märkte mit verschiedenen Produkten, also differenziert mit partieller Abdeckung (Multi Segments). Hier wird der Markt ebenfalls in einzelne Segmente aufgesplittet, die jeweils mit einem spezifischen Marketing-Mix bearbeitet werden. Dabei wird keine völlige Marktabdeckung erreicht (= Segmentierungsstrategie). Ein Beispiel hierfür ist die Fischer GmbH. Sie stellt so unterschiedliche Produkte wie Handwerksdübel, Technikspielzeug oder Autoausstattungen her. Die zugehörigen Märkte müssen demzufolge völlig verschiedenartig bearbeitet werden, so dass eine multiple Abdeckung entsteht.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Bei der totalen Produkt-Markt-Abdeckung bearbeitet ein Anbieter alle Märkte mit einem (undifferenziert) oder mit verschiedenen Produkten (differenziert). Undifferenziert mit totaler Abdeckung findet keine Marktsegmentierung statt. Beispiele dafür bieten die eher auf Bedarfsdeckung ausgerichteten Dienste von Post, Bahn, Zeitung, EVU (= Massenmarktstrategie). Dies gilt aber auch für Konsumgüter wie Coca-Cola oder Persil. Ein Beispiel für undifferenzierte totale Produkt-Markt-Abdeckung ist NiveaCreme (Beiersdorf). Sie ist eine Universalcreme mit omnipotenten Anspruch, ideal für Mann und Frau, für jung und alt, für Tag und Nacht, für feuchte und für trockene Haut etc. Sie wird als „Crème de la Crème“ dem Gesamtmarkt einheitlich angeboten. Eine solche Position ist freilich nur vor dem historischen Hintergrund erklärbar und so heute nicht mehr vernünftig anstrebbar, weil die Märkte viel zu feinteilig segmentiert sind. Freilich bedarf es großen Geschicks, diese Position gegen Anfechtungen leistungsoptimierter Spezialisten zu verteidigen. Differenziert mit totaler Abdeckung (Multi Segments) wird der Markt in einzelne Segmente, die mit jeweils spezifischem Marketing-Mix bearbeitet werden, so aufgeteilt, dass der Gesamtmarkt bedient werden kann (= Segmentierungsstrategie). Ein Beispiel für differenzierte totale Produkt-Markt-Abdeckung ist der Volkswagen-Konzern mit seinem vielfältigen Automobil-Programm, zu dem die Marken VW, Audi, Seat, Skoda, Porsche, Bentley, Lamborghini, Bugatti gehören. Diese decken unterschiedlichste Bedarfe ab, so für Kleinstautos, Kompaktwagen, Mittelklassefahrzeuge, Oberklasselimousinen, Luxuskarossen, Sportcoupés, Cabrios, Transporter, Offroad-Fahrzeuge etc. Und das jeweils mit verschiedenen Karosserieformen, Motorisierungsklassen, Motoren- und Antriebskonzepten etc. Damit ist beinahe jeder Interessent bei entsprechender Gutwilligkeit in der Lage, ein relevantes Angebot innerhalb des Konzerns zu finden. Natürlich werden diese Produkte zur weitgehenden Vermeidung von Kannibalisierungseffekten in unterschiedlichen Marktsegmenten positioniert. Bei der singulären Produkt-Markt-Abdeckung bearbeitet der Anbieter nur einen Markt mit einem einzigen Produkt. Bei dieser selektiven Spezialisierung (Nische) wird nur eine Produkt-Markt-Kombination bedient, wobei deren Marketing-Mix so eingesetzt wird, dass es sich vom Restmarkt differenziert. Als Beispiel kann der Duden gelten. Unter dieser Marke werden ausschließlich Rechtschreiblexika angeboten. Und dies auch nur im deutschsprachigen Raum, d. h., es ist sowohl eine produkt- als auch raumbezogene Konzentration gegeben. Ein weiteres Beispiel ist Rose Bikes. Rose Bikes endmontiert Renn-, Trekking-, Touren- und Freizeiträder, Mountain- und E-Bikes handwerklich in Deutschland. Außerdem werden Zubehör und Fremdmarken im Internet und in Rose Stores vertrieben. Das Preisniveau ist entsprechend gehoben, das Konzept vielfach prämiert. Zu denken ist bei singulärer Abdeckung aber auch an Online-Broker (Scalable etc.), Lieferdienste (Hellofresh) oder Brauereien / Mineralwasserbrun-

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nen. Anderweitig ist dies oft nur im Anfangsstadium der Unternehmensentwicklung vorzufinden. Später diversifiziert meist das Angebot, allerdings verbunden mit der Gefahr der Verzettelung. Ein weiteres Beispiel ist Verpoorten, der Spezialist für Eierlikör. Zwischenzeitlich werden zwar auch Tiefkühltorten, Gebäck, Pralinen, Schokolade, Eiscreme und Dessert unter der Marke angeboten, aber mit überschaubarem Erfolg, so dass die singuläre Produkt-Markt-Kombination Bestand hat. Klassisch sind auch die Beispiele Ferrari bei High Performance-Sportwagen und Apollinaris bei Tafelwässern. 4.5.2 Marktsegmentierung Die Marktsegmentierung hat zum Ziel, aus dem Gesamtmarkt Segmente hoher interner Homogenität bei gleichzeitig weitgehender externer Heterogenität hinsichtlich ihrer Reaktion auf Marketinginstrumente zu bilden, d. h., die Elemente eines Segments sollen zueinander möglichst gleichartig sein, aber auch möglichst verschiedenartig zu den Elementen anderer Segmente (siehe Abb. 34: Abfolge der Marktsegmentierung). Daraus ergibt sich ein spezifisches Anforderungsprofil an ein dort zu vermarktendes Produkt. Ziel ist ein Abgleich mit dem Eignungsprofil dieses Produkts. Je größer die Übereinstimmung zwischen beiden Profilen, desto höher ist der Aufforderungscharakter des Produkts zum Kauf und desto besser seine Erfolgschance.

Abbildung 34: Abfolge der Marktsegmentierung

Daraus folgt die Notwendigkeit zur Anpassung des Marketing-Mix. Dabei bilden unterschiedliche Angebotsmerkmale bei Produktversionen meist die Grundlage. Als Parameter kommen dafür die Folgenden in Betracht: • Physikalisch-chemische Abweichungen, die objektiv feststellbar sind. Dies sind sachliche Unterschiede in der Beschaffenheit eines Produkts, also in Material, Zusammensetzung etc.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

• Funktional-reaktive Abweichungen, die subjektiv als solche empfunden werden, obwohl das Produkt objektiv unverändert ist. Hier rücken die Produkteigenschaften in den Vordergrund, also Prestige, Arbeitsweise etc. • Ästhetische Abweichungen, d. h. Formqualität bzgl. Design, Styling, Stil, Mode, Material, Oberfläche, Plastizität, Gewicht, Setgedanke etc. Hier stehen also äußere Unterschiede im Mittelpunkt. • Symbolisch (Markenabstufung), d. h. Erst-, Zweit-, Drittmarke, Gattungsware, Premium-, Luxusmarke im Wege der vertikalen Markenhierarchie. • Service-Leistungen, d. h. kaufbegleitende, unselbstständige Dienstleistungen kaufmännischer und / oder technischer Art. Diese erfolgen vor dem, bei dem oder nach dem Kauf. Die Marktsegmentierung kann, zumindest theoretisch, ausgesprochen feinteilig vorgenommen werden. Ein Beispiel dafür ist die Konzipierung der verschiedenen Ausstattungsversionen der Mercedes Benz C-Klasse wie folgt: – Classic-Grundausstattung: Männer und Frauen im Alter von 45–50 Jahren, verheiratet und mit Kindern, zuverlässig, bedächtig, beharrlich, bodenständig, rustikal, arriviert, – Avantgarde-Zusatzausstattung: eher Frauen im Alter von 25–40 Jahren, berufstätig, mit Partner unverheiratet zusammenlebend, optimistisch, spontan, individualistisch, jugendlich, extravagant, – Exclusive-Zusatzausstattung: Männer und Frauen im Alter ab 50 Jahren, verheiratet, mit erwachsenen Kindern, seriös, erfolgsorientiert, willensstark, konservativ, gehoben elegant, gehobenes Einkommen, – AMGLine-Zusatzausstattung: Männer im Alter von 30–40 Jahren, ledig, temperamentvoll, selbstsicher, karriereorientiert, sportlich, stilsicher, leger, gehobene Ausbildung. Wird bei einer Segmentierung ein Markt künstlich in Teilmärkte aufgesplittet, handelt es sich um eine horizontale (deglomerative) Differenzierung, wobei für jeden Teilmarkt die jeweils zielbeitragsmaximale Instrumentalkombination gewählt wird. Gibt es von vornherein unterschiedlich reagierende Märkte, handelt es sich um eine vertikale (agglomerative) Differenzierung. Dabei wird zuerst die zielbeitragsmaximale Instrumentalkombination für die analytisch aggregierten Märkte bestimmt, und diese dann differenziert auf jedem Teilmarkt exekutiert. Die größtmögliche Segmentzahl liegt bei der Gesamtzahl aller Nachfrager am Markt, die Untergrenze liegt bei zwei Teilmärkten. Das Optimum liegt zwischen der Mindestzahl von Marktsegmenten, die erforderlich ist, um in jedem Teilmarkt eine möglichst hohe Übereinstimmung von Anforderungs- und Leistungsprofil zu erreichen, sowie der Höchstzahl von Teilmärkten, die eine Realisierung bei vertretbaren Mehrkosten der Segmentierung gerade noch erlaubt. Theoretisch ist dies

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dort der Fall, wo die Nachfrageelastizität der mit Kosten bewerteten Marketinginstrumente für jedes Segment gleich groß ist. Unterstellt man naheliegend, dass zwischen den Nachfragererwartungen erhebliche Abweichungen in einer Vielzahl von Einzelfällen bestehen und die Erfolgschance eines Anbieters umso größer ist, je geringer die Abweichungen zwischen Angebot und Nachfrage sind, so steigt die Erfolgschance unmittelbar mit steigender Anzahl differenzierter Angebote. Denn je differenzierter das Angebot ist, desto eher findet jeder Nachfrager das für seine individuellen Erwartungen gerade genau Passende. Dies führt in der Konsequenz zu einer Individualisierung des Angebots, d. h., jeder potenzielle oder aktuelle Nachfrager wird als sein eigenes Segment betrachtet (Segment of One Approach). Zur Marktidentifizierung können verschiedene Wege eingeschlagen werden: • Einstufige Marktsegmentierung bedeutet, dass nur ein Kriterium für die Segmentation zugrunde gelegt wird. Dabei kann es sich um ein objektives oder subjektives Kriterium handeln. Zu ersterem gehören etwa Zahnprothesenreiniger für Träger dritter Zähne oder Augengläser für Brillenträger. Hier macht es für alle Nachfrager, die nicht diesen objektiven Kriterien unterfallen, keinen Sinn, das Angebot dennoch in Anspruch zu nehmen. Zu letzterem gehören Produkte etwa aus den Bereichen Pflegekosmetik für reife Haut bei Frauen ab 40 Jahre, Süßigkeiten für Kinder, Stärkungsmittel für ältere Menschen. Hier können durchaus auch Nachfrager, die sich nur subjektiv zugehörig fühlen, obgleich sie es nach objektiven Maßstäben nicht sind, das Angebot sinnvoll in Anspruch nehmen, z. B. Nivea Vital, Kinderschokolade, Ginseng-Präparate. • Mehrstufige, sukzessive Marktsegmentierung bedeutet, dass zwei oder mehr Kriterien zugrunde gelegt werden, wobei die jeweils vorausgehende Stufe die Auswahl der nachfolgenden Stufen bestimmt. Dadurch ist eine weitaus feinteiligere Abgrenzung des zu bearbeitenden Marktsegments möglich. Allerdings verringert sich durch kumulative Eingrenzung auch die Schnittmenge des noch verbleibenden Nachfragepotenzials drastisch. Zudem stellt sich die Frage, in welcher Reihenfolge die Kriterien angelegt werden sollen. • Mehrstufige, simultane Marktsegmentierung bedeutet, dass zwei oder mehr dieser Kriterien gleichzeitig zur Abgrenzung des intendierten Marktsegments herangezogen werden, es gilt also jeweils die Schnittmenge. Auch dadurch verringert sich das Potenzial verbleibender Nachfrager drastisch. Allerdings stellt sich die Frage, wie viele Kriterien jeweils zugrunde gelegt werden sollen, weil die Schnittmenge zwar immer genauer fokussiert, aber zugleich auch immer kleiner wird. Für eine Marktsegmentierung sprechen als Vorteile, dass • differenzierte Käuferwünsche durch hohe Entsprechung des Angebots mit dem Bedarf befriedigt werden können, wodurch eine Fehljustierung des Angebots

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durch nicht vollständige Entsprechung mit Käuferwünschen (= niedriger Aufforderungsgradient) vermieden wird. • eben diese Differenzierung die Bildung akquisitorischen Potenzials begünstigt, wodurch wiederum der Freiraum für eine überdurchschnittliche Preissetzung entsteht. • die Marktstruktur durch die starke Angebotsstellung aktiv gesteuert werden kann, während ansonsten nur die passive Anpassung an von anderen Anbietern gesetzte Markttrends bleibt. • der Preis als dominanter Aktionsparameter zunehmend durch die Leistung ersetzt werden kann. Diese ist dabei sowohl objektiv als vor allem subjektiv, d. h. im Sinne der Bedarfsbefriedigung, wirksam. Nachteile der Marktsegmentierung liegen hingegen darin, dass • Ersparnisse aus Massenproduktionsvorteilen nur eingeschränkt genutzt werden können. Je stärker die einzelnen Angebote gegeneinander differenziert sind, desto weniger schlagen Losgrößenvorteile durch. • der Marketing-Mix-Einsatz dadurch kompliziert und letztendlich verteuert wird. Statt eines durchschnittsorientierten, vereinfachten Marketing-Mix ist die individuelle Anpassung an Marktsegmente erforderlich. Dies erfordert zugleich ein hohes Marketing-Know-how. • das Potenzial gegebener Märkte bei partieller Abdeckung nur teilweise ausgeschöpft werden kann. Dadurch besteht die Gefahr, dass Zusatzerlöse aus differenzierter Bearbeitung durch Auslassung ganzer Segmente überkompensiert werden. • ein hoher marketingorganisatorischer Aufwand erforderlich ist, um sich den wandelnden Segmenten anzupassen. Denn nur bei exakter Justierung auf die Marktspezifika können Segmentierungsvorteile realisiert werden. Unterstellt wird dabei immer stillschweigend, dass Marktsegmente in der Planung einigen realiter nur schwerlich gegebenen Anforderungen genügen, nämlich dass • die Marktspaltung durchsetzbar ist (Fencing), d. h. keine Arbitrage zwischen einzelnen Teilmärkten stattfindet, die zu Marktstörungen führt (wie Trittbrettfahrer- bzw. Austauschgeschäfte). • die Differenzierung nicht diskriminierend wirkt, d. h. keine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung ansonsten gleichartiger Marktpartner erfolgt, die wettbewerbsrechtlich angreifbar bzw. bei marktbeherrschender Stellung auch untersagt ist. • die Differenzierung ökonomisch sinnvoll ist, d. h. die Marktstellung stärkt und monetarisiert und nicht mehr kostet als sie einbringt. Ansonsten sind die Seg-

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mente nicht groß und tragfähig genug, um eine getrennte Bearbeitung zu rechtfertigen. Wichtig ist dabei auch hinreichende zeitliche Stabiltät der Segmente. • der Gesamtmarkt in mindestens zwei Teilmärkte aufzuteilen ist, d. h. keine objektive Unmöglichkeit einer Segmentierung vorliegt. Eine gewählte Segmentierung darf keine Schnittmengen zwischen bearbeiteten und nicht-bearbeiteten (= Streu­ verlust) bzw. zwischen mehreren bearbeiteten Segmenten (= Kannibalisierung) lassen. • das Produkt differenzierbar ist, d. h. hinsichtlich seiner Angebotsmerkmale so verändert werden kann, dass es für eine Segmentierung zugänglich ist. Dies erfordert ein hohes Maß an Wissen über die Struktur und Besonderheiten der Segmente und deren Beeinflussung. • die Segmente eine Indikation zum Instrumentaleinsatz bieten, die ihre Kaufrelevanz erkennen lässt. Diese Reaktionsunterschiede müssen messbar sein, damit sie für Marketingaktivitäten operationalisiert werden können. Die Marktausschöpfung durch Segmentation kann verbessert werden, indem • Uninformierte, d. h. Personen, denen das Vermarktungsobjekt nicht bekannt ist, informiert (z. B. durch Medienwerbung) und damit ein Angebot gewahr werden, denn nur bei Bekanntheit kann ein Angebot auch tatsächlich erwogen und gekauft werden, • das Angebot in Richtung der marktforschungsbekannten Bedürfnisse der Unentschiedenen bzw. Ablehner des Vermarktungsobjekts modifiziert wird, wobei allerdings bestehende Anhänger des Vermarktungsobjekts verloren gehen können, insofern ist der Saldo beider Effekte abzuwägen, • Zielpersonen in Richtung des eigenen Angebots beeinflusst und dafür gewonnen werden, dies erfordert allerdings eine Präferenzumwertung bei diesen, was ziemlich schwierig zu erreichen ist, • der Grundaufforderungswert des Angebots erhöht wird (durch generische Argumentation) oder aber der Zusatzaufforderungswert (i. S. v. USP), dadurch steigt der Aufforderungsgradient zum Kauf, d. h. die empfundene Nähe von Zielpersonen zum Produktangebot, • Konkurrenzangebote aus dem Marktzentrum heraus manövriert werden, so dass diese diskriminiert werden (hier entstehen enge wettbewerbsrechtliche Grenzen), hierfür sind Auslobungen wie „Original“, „meistverkauft“, „Marktführer“ typisch, • Konkurrenzangebote unterminiert werden, indem deren Leistungsmerkmale als nicht relevant oder unzureichend dargestellt und die eigenen positiv ausgelobt werden; so behauptete ThermaCare, dass das eigene Wärmepflaster natürliche Tiefenwärme schafft, wohingegen andere Pflaster nur ein „Gefühl von Wärme“ entstehen lassen.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

4.5.3 Marktbarrieren 4.5.3.1 Markteintritt Die Bearbeitung der gewünschten Marktparzelle setzt beim Auftritt auf einem neuen Markt bzw. mit einem neuen Produkt voraus, dass unvermeidlich dort vorhandene Markteintrittsschranken auch tatsächlich überwunden werden können. Diese sind vielfältig und bedeutsam. Es handelt sich dabei vor allem um folgende (siehe Abbildung 35: Marktbarrieren).

Abbildung 35: Marktbarrieren

So gibt es zur Marktpräsenz mindestens erforderliche Investitionsvolumina, die oft eine Höhe erreichen, die es einem Anbieter unmöglich machen, am Markt zu agieren. Das führt de facto zu einer Marktschließung zugunsten der bestehenden Anbieter. Allerdings sind diese Barrieren durch schiere Finanzkraft (Financial Levers) als Eigen- und vor allem auch Fremdkapital heutzutage gut überwindbar (z. B. Einstieg von SpaceX in den Raumfahrtmarkt). Die Investitionssummen werden in der Regel durch Quersubventionierung aus hoch profitablen Geschäftsfeldern finanziert (z. B. AWS bei Amazon) oder durch Wagnisfinanzgeber (Venture Capital), die über eine Streuung ihrer Investments eine Risikonivellierung erreichen. Bleiben diese Quellen versperrt, kann ein Aufstieg nur auf lange Sicht gelingen. Das Vorhandensein von Betriebsgrößenvorteilen (Skaleneffekten) lässt bei kleinen Losgrößen noch kein konkurrenzfähiges Angebot zu. Auch dies wirkt markt-

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schließend zugunsten etablierter Anbieter, bis diese eine rentable Größenordnung erreicht haben (= kritische Größe). Fortschrittliche Produktionsmethoden (Autonome Fabrik / Industrie 4.0) erlauben aber schon jetzt eine Fertigung in Klein- oder sogar Einzelauflagen näherungsweise zu den Kosten der Massenfertigung. Hierbei ist eine Skalierung erforderlich, d. h. das schnelle Hochfahren des Output zur Erreichung von Größendegressionseffekten. Die Zeitspanne dazwischen wird wiederum durch Venture Capital-Geber überbrückt (Finanzierungsrunden), die sich im Gegenzug Unternehmensanteile sichern, die sie bei Erfolg mit hohen Margen versilbern können (Exit). Oftmals besteht die Erfordernis hoher Programmbreite schon zu Beginn der Marktpräsenz. Dies ist immer dann der Fall, wenn Nachfrager von vornherein eine große Liefervielfalt verlangen, die aus dem Stand heraus jedoch nur schwierig zu realisieren ist. Dies ist etwa im Pharmahandel mit ethischen Präparaten ein Problem. Hier machen < 10 % der Präparate > 90 % des Umsatzes aus. Also liegt die Idee nahe, sich auf diese A-Produkte zu konzentrieren. Dagegen steht aber das Bestellverhalten der Apotheken, die denselben Lieferanten (Großhändler) für alle verschreibungspflichtigen Präparate wünschen. Käuferloyalität wirkt ebenso limitierend. In dem Maße, wie Märkte besetzt sind und Käufer durch hohe Marketingaufwendungen an Marken gebunden werden, ist es kaum möglich, Konkurrenzverdrängung zu betreiben. Nur darüber aber kann in weit verbreitet stagnierenden Märkten noch eine erfolgreiche Präsenz erreicht werden. Dies ist vor allem durch Nutzung von Markenartikeln stark ausgeprägt. Absicht ist dabei die gefühlte Monopolisierung der Nachfrage, also die Nichtaustauschbarkeit des eigenen Angebots, die allerdings immer schwieriger zu verteidigen ist. Die Folge ist, dass die Gewinnung neuer Kunden überproportional teuer erkauft werden muss. Ob diese dann rasch genug ertragreich werden, ist fraglich. Ein Beispiel sind die Essenlieferservices, die bis heute nicht nachhaltig profitabel zu betreiben sind. Zumal ihre Kapitalisierung erstaunlicherweise auf der Fiktion von Hightech-Unternehmen beruht, statt auf sozial angreifbarer, kleinteiliger Transportlogistik im Lokalverkehr. Hohe Umstellungskosten entstehen, weil mit zunehmender Spezialisierung rentablere Einzweckproduktionsanlagen installiert werden, welche die Flexibilität zu Produktumstellungen nicht mehr implizieren. Die damit verbundenen Prozessund Qualitätsanforderungen wirken überfordernd. Dies gilt vor allem angesichts raschen technischen Fortschritts. So erfordert die Umstellung von Industrie 3.0 auf Industrie 4.0 neben enormem Know-how auch eine komplette Umstellung der Strukturen und Prozesse im Betrieb und deren Finanzierung. So haben die Hersteller von verbrennungsmotorgetriebenen Fahrzeugen darauf gesetzt, ihre kapitalintensiven Produktionsanlagen durch Optimierung der bekann-

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ten Technik weiternutzen zu können, statt sie durch Umstellung auf alternativangetriebene Fahrzeuge komplett zu entwerten. Dies trifft vor allem auf die deutschen Automobilhersteller und Automobilzulieferer zu, die sich dank politischer Einflussnahme auf der sicheren Seite wähnten, dabei aber die internationale Dimension des Problems übersahen und nun spürbar in die Defensive gedrängt werden. Standortlimitationen treffen in vielfältiger Weise etwa in der Ursprungsproduktion oder auch bei Dienstleistungen zu. Günstige Standorte sind nicht ohne Weiteres vermehrbar. In dem Maße, wie diese begrenzt und vergeben sind, haben neue Anbieter aber kaum mehr Durchsetzungschancen. Beispiele finden sich in der Gastronomie-, Hotellerie- und Tourismusbranche, wo natürliche, und daher nicht weiter angreifbare Monopole gegeben sind, die einen wirksamen Marktzugang vereiteln (z. B. Strandlage, Sehenswürdigkeit, Baugenehmigung). Beispiele sind Venedig (Lagunen), Barcelona (Gaudi), Amsterdam (Grachten). Fehlender Zugang zu Vertriebskanälen macht es vielfach praktisch unmöglich, eine für die Abverkaufschance ausreichende Präsenz zu erlangen. Aber erst die physische Konfrontation potenzieller Käufer mit der angebotenen Ware bietet oftmals die Chance auf Umsatzakte. Der Vertriebskanal stellt verbreitet den Engpass der Distribution und damit des Marktzugangs dar. Das Fortschreiten von e-Commerce (Direktabsatz) bietet neuen Anbietern auch in hoch konzentrierten Märkten dennoch die Einstiegschance. Ein Beispiel ist der Markteintritt chinesischer Elektromobilitäts-Anbieter auf dem deutschen Markt. Sie hätten dazu über den traditionellen Kfz-Einzelhandel keine kostensparende und risikomindernde Chance. Durch Online-Direktvertrieb ist jedoch ein Neufahrzeugverkauf darstellbar, der zwingend erforderliche After Sales Service wird durch Vereinbarung mit freien Werkstätten / Werkstattketten vor Ort gewährleistet. Vielfach bestehen auch hoheitliche Regulierungen, so etwa beim Nachweis der Sachkunde, der Befähigung oder der Kapitalbasis. Weitere Restriktionen ergeben sich aus Bedarfsvolumina und Anbieterzahlen. Zudem achten Interessengruppen peinlich genau darauf, dass kein „Unbefugter“ Zutritt zum Markt erhält. Die letzten Jahrzehnte sind durch weitgehende Deregulierung der Märkte im Zuge des Neoliberalismus gekennzeichnet. Dies hat viele Chancen eröffnet (z. B. im Apothekenmarkt, im Nahverkehrsmarkt, im Telekommunikationsmarkt). Rückblickend ist jedoch zu konstatieren, dass darunter auch Bereiche der Grundversorgung waren, die nicht unbedingt in private Hände gehören (z. B. Krankenhäuser, Wohnungswirtschaft) bzw. in denen die Nachteile etwaige Vorteile überwiegen (z. B. Postzustellung, Energieversorgung). Insofern ist man da wohl im Eifer über das Ziel hinausgeschossen. Gewerbliche Schutzrechte wirken ebenfalls marktschließend. Dabei handelt es sich um Patente, Warenzeichen, Gebrauchs- und Geschmacksmuster, Urheber-

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rechte und Ausstattungen, die allein Schutzrechtsinhaber befugt sind zu nutzen und andere von der Nutzung auszuschließen. Produkt- und Musterschutzrechte steuern die Abfolge von Vorstoß und Verfolgung im dynamischen Wettbewerb. Sie schützen den Innovator für eine begrenzte Zeit, damit dieser seine Initialinvestitionen zurückverdienen kann und öffnen danach erst den Markt zur Vermeidung einer Monopolstellung für Nachahmer. Technische und wirtschaftliche Schutzrechte sind unstreitig sinnvoll. Forderungen nach Zwangslizenzen (z. B. bei Impfstoff) verkennen, dass dann der Anreiz zur Fortschrittsdurchsetzung für das forschende Unternehmen entfällt, da die hohen Investitionen sich nur unzureichend über eine Monopolprämie zurückverdienen lassen. Folglich werden entsprechende Anstrengungen zurückgefahren, und das Fortschrittstempo stagniert. So sind große Marktbereiche an Generika-Hersteller gefallen, die wiederum unter diskutablen Bedingungen in Fernost produzieren lassen. 4.5.3.2 Marktaustritt Der Wunsch eines Unternehmens zur Einengung der Marktabdeckung wird ebenso vielfach, diesmal durch Marktausstrittsschranken, limitiert. Daher ist bereits beim Markteintritt planvoll ein mögliches Scheitern einzukalkulieren. Dazu ist es erforderlich, die Marktaustrittsschranken zu untersuchen. Diese verhindern, dass ein Anbieter den Markt verlässt oder machen dies für ihn zumindest sehr verlustreich. Diese sind bedingt durch technisch-wirtschaftliche Restriktionen. Denn hochrationell arbeitende Einzweckanlagen sind nicht ohne Weiteres auf andere Produkte umrüstbar und zwingen entweder zur Betriebsaufgabe oder zum Weitermachen. Diese Restriktion erleben die Autobauer, deren enorme Anlageinvestitionen eine Umstellung von Verbrennungs- auf Elektro- oder Wasserstoffmotoren nicht zulassen und damit zu deren beinahe kompletten Entwertung führen. Dies gilt mehr noch für die ehedem so erfolgreichen Autozulieferer, deren Teile und Komponenten großenteils für E-Autos nicht mehr benötigt werden (wie Einspritzanlage, Kupplungsgetriebe, Katalysator, Zündkerze, Auspuff etc.). Da zugleich das Know-how für E-Auto-typische Aggregate fehlt (wie Hochvoltbatterie, Leistungselektronik, Ladeanschluss, Kühlsystem, Rekuperation etc.), besteht für diese akute Überlebensgefahr. Ein aktuelles Beispiel bietet auch der Energiesektor mit Atomreaktoren und Kohlekraftwerken. Diese herunterzufahren bzw. stillzulegen ist offensichtlich technisch schwierig und mit erheblichen Kosten verbunden. Da ein Marktaustritt aber politisch aus ökologischen Gründen gewünscht wird, mussten seitens des Staates / der Steuerzahler für die betroffenen Unternehmen umfangreiche Ausstiegszahlungen geleistet werden. Zugleich wurde der Ausbau alternativer Energien sträflich vernachlässigt.

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Remanente Kosten entstehen, weil bei Produktionsaufgabe oft eine weitere Versorgung mit Wartung und Ersatzteilen sichergestellt werden muss, die so kostenaufwändig ist, dass die Aufrechterhaltung des Produktionsprogramms zumindest auf kleiner Basis vorzuziehen bleibt. Nachlaufkosten entstehen z. B. durch Aufrechterhaltung von Kundendiensten, Vorhaltung von Ersatzteilen, Erfüllung von Garantie-, Wartungs- und Reparaturarbeiten. Dafür muss Ersatz geschaffen werden, um Schadensersatzpflichtigkeit zu vermeiden. Remanente Kosten sind häufig sozial motiviert. Staatliche Strukturpolitik will daher den technologischen und gesellschaftlichen Wandel vor allem zum Schutz der Arbeitnehmer ausbremsen. Dies verkennt jedoch, dass Wandel nicht aufzuhalten ist und organisierter Anpassungswiderstand daher nicht nur zu gesamtwirtschaftlichen, sondern vor allem auch zu einzelbetrieblichen Nachteilen führt. Stillstand ist bekanntlich Rückschritt. Konventionalstrafen werden nicht selten fällig, wenn laufende Projekte nicht zu Ende gebracht werden, so etwa bei langlaufenden Liefer-, Bezugs- und Produktionsvereinbarungen. Nachfragemächtige Abnehmer lassen sich die Nichtverfügbarkeit von Produkten und Services i. d. R. durch Ausgleichszahlungen entschädigen. Diese sind zudem zumeist verschuldensunabhängig als Pönale ausgelegt. Üblich sind solche Konventionalstrafen bei gewerblichen Auftraggebern, bei Ausschreibungen durch Garantiezahlung oder auch bei öffentlicher Projektförderung. Jeweils soll verhindert werden, dass ein Unternehmen sein Angebot nach Kaufabschluss zurückzieht. Die damit einhergehenden erheblichen Schutzzahlungen führen dann zur Durchführung des Auftrags, meist verbunden mit der Suche nach zusätzlich abrechenbaren Leistungen. Dies erklärt vor allem die enormen Kostensteigerungen an Großbaustellen. Da die Auftragsvergabe auf Basis von Mindestanforderungen erfolgt, versuchen die Bauunternehmen Zusatzleistungen anzudienen oder Verdingungslücken aufzufüllen, die dann mit kompensativ hohen Margen abgerechnet werden können und damit den Auftrag erst profitabel werden lassen. Imagedefizite entstehen, wenn ein Unternehmen Betriebsteile abstößt oder Teilprogramme mangels Erfolg aufgibt. Leicht wird von dieser Einstellung auf fehlendes Fortüne auch für andere Betriebsteile bzw. das gesamte Unternehmen geschlossen. Dies hängt mit einer verbreitet fehlenden Kultur der Akzeptanz des Scheiterns zusammen. Scheitern bedeutet nicht Niederlage, sondern einen Versuch mit Irrtum bei Erreichen eines besseren Erfahrungsstands für höhere Erfolgswahrscheinlichkeit beim nächsten Versuch. Exit-Entscheide werden vor allem dem Führungspersonal angekreidet. Die vielen Verhinderer und Blockierer kommen aus der Deckung und betonen, dass man immer schon vor den Risiken eines Markteintritts gewarnt habe und der Marktaustritt letztlich ihre Bedenken bestätige. Sie nehmen dies dann nicht selten zum Anlass, das Management zu stürzen und durch ihnen genehmere Köpfe

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zu ersetzen. Was hingegen schwierig zu beurteilen ist, sind die vergebenen Chancen durch vereitelte Markteintritte von Zauderern, die vermutlich ein größeres Maß an Einbußen verursachen, aber letztlich kaum nachweisbar sind. Dies dürfte ein wesentlicher Grund für den „relativen Wohlstandsverlust in Deutschland“ sein. Vielfach bestehen auch institutionelle Restriktionen. So müssen bezogene Subventionen oder Steuervergünstigungen bei Ausstieg aus der Branche voll oder teilweise zurückgezahlt werden. Dadurch wird die Liquidität hoch belastet. Auch drängt die Politik nicht selten zur Aufrechterhaltung einer Marktleistung und droht unverhohlen mit Entzug von Vergünstigungen oder Zuschieben von Verantwortung in der Öffentlichkeit. So werden von Unternehmen nicht selten gesamtwirtschaftliche Infrastrukturleistungen zum Ausgleich erwartet oder gar verlangt. Zumeist trifft dies nur Großunternehmen wie Commerzbank, Uniper, KaufhofKarstadt etc., da diese bevorzugt von staatlicher Fürsoge profitieren. Das ausschlaggebende Argument ist dabei meist das der Arbeitsplatzsicherung. Dabei ist es speziell in Deutschland der verbreitete Mittelstand, der als Arbeitgeber fungiert, aber wohl weniger für politische Leuchtturmprojekte taugt, wohl aber für Sonntagsreden. Staatliche Eingriffe erweisen sich somit als weithin dysfunktional. Sozialleistungen in Form von Abfindungen an Arbeitnehmer im Rahmen von Sozialplänen gegenüber Gewerkschaften oder einem Vergleich mit dem Management schlagen oft in nennenswerten Beträgen zu Buche. Beispiele finden sich in vielen Endspiel-Branchen wie Montanindustrie, stationärer Einzelhandel, Retail Banking etc. Dies ist im Einzelfall bedauerlich, gesellschaftlich aber als Strukturwandel unerlässlich. Dabei können sowohl Manager als auch Arbeitnehmer dieses Schicksal durch Eigeninitiative abwenden. So gehen zwar Fassbinder, Schriftsetzer, Regenschirmmacher etc. verloren, aber es entstehen neue Arbeitsplätze als KI-Manager, Pflege-Mechatroniker, Tele-Chirurg etc. Emotionale Restriktionen spielen eine große Rolle. Dies gilt gerade auch für inhabergeführte Unternehmen. Dann kommen irrationale Gesichtspunkte (z. B. Tradition) ins Spiel. Man will sich nicht von der angestammten Branche trennen. Dies trifft auf viele Familienunternehmen zu wie Haniel (über 720 Familiengesellschafter), von Finck (Rechtspopulismus) oder Albrecht / Aldi (Bruderzwist). Die alte Generation hält an den Maßgaben der Gründer fest und behindert die neue Generation darin, notwendige „Flurbereinigungen“ vorzunehmen. Da geht soviel Zeit und Kraft verloren, dass es irgendwann zum Umstieg zu spät ist. Beispiele sind Schlecker Drogeriemarkt, Arcandor Einzelhandel, Walter (Bau), Borgward (Auto), Herstatt (Bank), Wienerwald (Gastronomie).

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4.5.4 Marktwahlkombinationen Die Marktbearbeitung wird insofern durch Markteintritts- und -austrittsschranken entscheidend determiniert. Unterteilt man die beiden Dimensionen jeweils in hoch / niedrig, entstehen nach Meffert vier Felder für mögliche Konsequenzen (siehe Abbildung 36: Marktwahlkombinationen).

Abbildung 36: Marktwahlkombinationen

Die Kombination aus sowohl niedrigen Markteintritts- als auch -austrittsschranken ist durch eine starke Fluktuation der Anbieter charakterisiert, da die Marktchancen ohne großes Risiko quasi unverbindlich angetestet werden können und im Misserfolgsfall auch kein großes Problem darin besteht, diesen Test wieder abzubrechen und den Markt zu verlassen (Flohmarkt). Als Beispiel können gesetzlich ungeregelte Beratungsservices genannt werden, die nur ein Minimum an Investitionsmitteln erfordern, da der Kern der Leistung eher personen- denn sachanlagenabhängig ist. Besteht die erforderliche Qualifizierung, kann die Dienstleistung schnell und kostenschonend aufgenommen und, falls sich diese Entscheidung als Fehlgriff erweist, auch fast ebenso reibungslos wieder eingestellt werden. Ein weiteres Beispiel sind Fort- und Weiterbildungsanbieter. Sie benötigen oftmals nicht einmal eigene Räumlichkeiten und meist auch keine nennenswerte technische Ausstattung. Ebenso gibt es oftmals nicht einmal Qualifikationsanforderungen (z. B. Management-Trainer, Personal-Coaches, Dozenten). Folglich existieren „graue Schafe“, die vorab nur schwer zu erkennen sind, aber rasch auch wieder vom Markt ausscheiden. Auf Märkten als Kombination aus sowohl hohen Markteintritts- als auch -austrittsschranken ist es zwar schwer, sich zu etablieren, weil individuelle oder hoheitliche Zugangsbeschränkungen bestehen, zugleich kann aber auch ein etablierter Anbieter nicht mehr ohne Weiteres diesen Markt verlassen (Goldener Käfig). Dies führt zu geringer Fluktuation.

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Als Beispiel sei der Markt für Lebensversicherungen genannt. Per Gesetz / Verordnung werden hier hohe Anforderungen an die Qualität eines Anbieters gestellt, und wegen der Langfristigkeit der Anbieter-Kunden-Beziehung im sensiblen Bereich der Vermögensvorsorge ist auch ein Verlassen des Markts beschwerlich. Dafür winken, teils staatlich sanktioniert, hohe Prämieneinnahmen mit eingebautem Sicherheitspolster und hohen Gewinnspannen als massive Anreize. Eine ähnliche Situation findet sich bei „Meisterhandwerken“. Dies sind Berufe, deren Ausübung einer Meisterpflicht unterliegt, weil sie besonders hohe Anforderungen stellen bzw. besonders hoher Verantwortung unterliegen wie Maurer, Dachdecker, Gerüstbauer, Fleischer, Bäcker, Konditor etc. Es handelt sich also um eine hoheitlich organisierte Marktzutrittshürde. Innerhalb des jeweiligen Gewerks bestehen nur wenige Ausnahmeregelungen. Bei der Kombination aus niedrigen Markteintritts- und hohen -austrittsschranken fällt der Markteintritt erstaunlich leicht, es wird im Misserfolgsfall aber schwierig, das Engagement wieder abzubauen und die dabei geleisteten Investitionen zu retten (Mausefalle). Insofern handelt es sich um eine Sackgasse mit nur kurzlebiger Erfolgswahrscheinlichkeit. Ein Beispiel ist der Bekleidungshandel (DOB / HaKa). Hier kann bereits mit vergleichsweise wenigen Ressourcen ein Marktangebot dargestellt werden, im Falle des Scheiterns ist vor allem Umlaufvermögen jedoch rasch entwertet und geht damit unweigerlich verloren, da es modischer Veralterung unterliegt. Als weiteres Beispiel kann das Tonträgergeschäft angeführt werden, das den sukzessiven, kapitalschonenden Aufbau einer angemessenen Repertoirebreite ermöglicht, wodurch am Ende aber eine beträchtliche Kapitalbindung gegeben ist. Bei beabsichtigter Geschäftsaufgabe lässt sich für diesen Bestand kaum mehr ein Käufer finden, der bereit ist, den Einstandspreis zu erlösen, obwohl die Produkte noch ungebraucht, also neuwertig, sind. In der Kombination aus hohen Markteintritts- und niedrigen -austrittsschranken werden die Anbieter, die sich einmal erfolgreich am Markt durchgesetzt haben, mit moderatem Konkurrenzdruck und Einbehalt einer Produzentenrente belohnt (Goldgrube). Insofern ergibt sich hier eine Schutzzone mit einer langlebigen Erfolgswahrscheinlichkeit für die verbleibenden Anbieter. Ein Beispiel sind Wohnungsbaugesellschaften. Diese benötigen zwar erhebliche Finanzmittel (meist als Darlehen), um am Markt erkennbar tätig werden zu können, mit geringen zusätzlichen Finanzmitteln (Sanierung / Renovierung) kann jedoch bereits ein attraktives Angebot dargestellt und am Markt monetarisiert werden. Das Engagement ist damit hier beendet und wiederholt sich mit dem verdienten Geld bei den nächsten Objekten. Als Beispiel dafür mögen auch qualifizierte Freie Berufe (Kammerberufe) gelten. Der mit den berufsständischen Voraussetzungen verbundene Ressourcenein-

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satz ist nur von wenigen Personen zu leisten. Von daher bleibt die Anbieterzahl absolut gering. Bei erfolgreicher Tätigkeit fließen jedoch hohe Gewinne, welche den Ressourceneinsatz bei weitem übertreffen und ein Verlassen des Markts erleichtern, sobald die Anfangsinvestitionen erst einmal amortisiert sind.

4.6 Komparativer Konkurrenzvorteil 4.6.1 Zweifelder-Ansatz 4.6.1.1 Bedeutung Es besteht ein gut fundierter betriebswirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Unternehmenserfolg (Gewinn / ROI) und Mengenoutput (Absatz / relativer Marktanteil) derart, dass der Unternehmenserfolg hoch ist, wenn der Mengenoutput entweder sehr niedrig ist (= Nischenangebot), weil auch der Betriebsaufwand in engen Grenzen gehalten werden kann, oder aber sehr hoch ist (= Volumenangebot), weil Degressionseffekte genutzt werden können. Und niedrig, wenn der Mengenoutput nur ein mittleres Niveau erreicht. Danach muss ein Unternehmen entweder anstreben, einen hohen Grad an Exklusivität zu erreichen oder eine extrem hohe Verbreitung. Ersteres ist aufgrund des geringen Geschäftsvolumens zwar mit höheren Stückmargen, aber absolut mit geringeren Gewinnen verbunden als letzteres. Dieser Zusammenhang wird durch die Porter-U-Kurve visualisiert. Diese behauptet einen Zusammenhang zwischen Leistungs- und Preislevel jedes Angebots derart, dass als realistisch nur die Kombinationen aus hoher Qualität und hohem Preis zur Betonung der Leistungskomponente oder niedriger Qualität und niedrigem Preis zur Betonung der Kostenkomponente einzuschätzen sind, nicht jedoch eine unentschiedene Kombination dazwischen (Trade off-Relation). Bei beiden Positionen handelt es sich um Erfolgspositionen, d. h., beide können parallel am Markt gleichermaßen erfolgreich sein. Der Grund dafür liegt im Phänomen der hybriden Nachfrage mit der Unterscheidung des Angebots in Grundnutzenprodukte und Zusatznutzenprodukte. Grundnutzen ist die Eignung eines Angebots, den gestellten Anforderungen gebrauchstechnisch, also in Bezug auf die Funktionserfüllung, gerecht zu werden. Zusatznutzen betreffen die wettbewerbsdifferenzierende Wirkung im affektiven Bereich. Hybride Nachfrage ist dadurch charakterisiert, dass ihre Beschaffungsprogramme für beide Arten, Grundnutzenund Zusatznutzenprodukte, voneinander abweichen. Anbieter dazwischen sind weder preisgünstig genug als dass sie mit Low Cost-Anbietern mithalten könnten, noch sind sie imagestark genug, als dass sie eine Alternative zu Premium-Anbietern darstellen könnten. Sie werden folglich vom Markt verdrängt. Grundnutzenprodukte sind dem Low Involvement-Bereich zuzuordnen und werden unter strikter Preisorientierung gekauft. Dies führt zur Bevorzugung von

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Gattungsware. Als Einkaufsstätte wird dafür der Versorgungshandel gewählt. Im Vordergrund stehen Rationalargumente mit dem Ziel der Einsparung von Budget. Ganz anders bei Zusatznutzenprodukten. Sie sind dem High Involvement-­ Bereich zuzuordnen und werden unter Leistungsorientierung gekauft. Dies führt zu einer Bevorzugung von Markenartikeln. Als Einkaufsstätte wird der Erlebnishandel gewählt. Im Vordergrund stehen Emotionalargumente mit der Möglichkeit, die im Grundnutzenbereich eingesparten Geldmittel zusatznutzenstiftend einzusetzen. Das heißt, die Einsparungen im Grundnutzenbereich werden nicht gehortet, sondern in diesen emotional viel wichtigeren Bereich investiert. Die Marktpolarisierung (nach M. E. Porter) sagt also aus, dass es dafür grundsätzlich zwei Möglichkeiten gibt, nämlich entweder über den Preisvorteil oder über den Leistungsvorteil. Der Preisvorteil ergibt sich als Preis-Mengen-Position aufgrund von Größeneffekten, der Leistungsvorteil ergibt sich als Präferenz-Position aufgrund von Angebotsdifferenzierung. Beide Positionen sind parallel am Markt erfolgreich. Hingegen ist die unentschiedene Position dazwischen (Stuck in the Middle/„zwischen den Stühlen“) erfolglos. Diesen Zusammenhang kann man sich folgendermaßen vorstellen. Eine hohe Rentabilität wird entweder durch hohe Stückspannen bei begrenzten Mengen erreicht oder durch extrem niedrige Stückspannen bei hohen Mengen. Da Abnehmer in beiden Positionen nachfragen, sind beide Positionen zugleich erfolgreich. Ein Schlaglicht wirft auch die Entwicklung der ehemals weltweit führenden, deutschen Unterhaltungselektronik-Branche. Eine Liste stellt sich wie folgt dar: – Blaupunkt: von Finanzinvestor Aurelius übernommen, – Braun: zunächst von Gillette übernommen, dann 1991 eingestellt, – Dual: von Linmark Electronics (China) übernommen, – Graetz: von SEL / GE gekauft, dann an Nokia verkauft, – Grundig: von Philips übernommen, – Loewe: bereits zweimal in Insolvenz geraten, – Metz: nach Insolvenzverfahren in chinesischem Besitz, – Nordmende: von Videocom (USA) übernommen, – Saba: insolvent, – Telefunken: von Thomson-Brandt (Frankreich) übernommen, – Wega: von Sony übernommen. Der Bereich zwischen den Polen kann weder hinsichtlich der Preisorientierung mit Größeneffekt-Anbietern mithalten noch hinsichtlich der Qualitätsorientierung

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mit Differenzierungs-Anbietern. Daher kann dort keine ausreichende Nachfrage angereizt werden, um dauerhaft zu überleben. Ein Beispiel dafür stellen die Warenhaus-Konzerne dar. Sie werden von ihren Kunden weder als hochwertig genug erlebt, als dass sie gleichwertig zu Fachgeschäften angesehen werden noch als preisgünstig genug, als dass sie mit Verbrauchermärkten konkurrieren können. Insofern sitzen sie tatsächlich zwischen den Stühlen. Daran ändern auch moderne Fachabteilungskonzepte (Trading up) wie z. B. Galeria von Kaufhof / Karstadt nichts. Denn die bloße Ansammlung von fachgeschäftsähnlichen Abteilungen unter Beibehaltung der warenhaustypischen Kriterien wie Großflächigkeit, Massenpublikum, Teilselbstbedienung etc. führt nicht dazu, diese Einkaufsstätte anders einzuschätzen. Sie wird nach wie vor als Warenhaus erlebt, und damit bleibt die Preisbereitschaft unverändert. Umgekehrt führten auch preisaggressive Konzepte, wie z. B. Kaufhalle von Kaufhof, Bilka von Karstadt nicht dazu, dass man diese Warenhäuser nun als preisaggressiv erlebt, zumal deren Kostenniveau aufgrund der betriebstypischen Faktoren wie Fachpersonal, aufwändige Ausstattung, zentrale Lage etc. auch gar nicht mit der von Einkaufsstätten am Stadtrand konkurrieren konnte. Damit zieht es den preissensiblen Teil der Kundschaft aber nach wie vor dorthin. Von daher scheint kein Ausweg in Sicht, weil auch die Diversifikationsbestrebungen in Fachmärkte, Versandhandlungen, Spezialgeschäfte etc. nicht reibungslos verlaufen. In Bezug auf die Exklusivität fehlt es Warenhäusern an Beratungsniveau, Individualität und Ausstattung. Kunden, für die diese Parameter von kaufentscheidender Bedeutung sind, nehmen ein höheres Preisniveau zur besseren Befriedigung ihrer Bedürfnisse gern in Kauf. Umgekehrt fehlt die Kostengünstigkeit, weil Discounter in Stadtrandlagen bei Minimierung kaufbegleitender Services ihren Kostenvorsprung im Preis weitergeben können. Verbraucher, für die dies kaufentscheidend ist, akzeptieren bereitwillig das fehlende Einkaufserlebnis und nehmen selbst weite Wege auf sich. Es gibt allerdings auch bedeutsame Kritik an den Grundlagen der PorterU-Kurve. So hängt die Angebotsposition im linken oder rechten Ast u. a. von der Marktabgrenzung ab. Rover ist sicherlich innerhalb des Markts der Pkw als Nischenanbieter anzusehen (linker Ast), betrachtet man jedoch nicht den gesamten Pkw-Markt, sondern nur den Ausschnitt der Geländefahrzeuge (Offroad), dann ist Rover ein Großanbieter in diesem Markt, also im rechten Ast angesiedelt. Sofern diese Unsicherheit besteht, wäre es letztlich eine Frage der Beliebigkeit, welche Aussagen der Porter-U-Kurve man für gültig erklärt. Neben diesem Zweifelder-Ansatz werden auch ein Dreifelder-Ansatz und ein Vierfelder-Ansatz gesehen. Der Zweifelder-Ansatz unterscheidet wie dargestellt in Präferenz-Position einerseits und Preis-Mengen-Position andererseits (siehe Abbildung 37: Zweifelder-Ansatz des Konkurrenzvorteils).

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Abbildung 37: Zweifelder-Ansatz des Konkurrenzvorteils

4.6.1.2 Präferenz-Position Die Kombination aus Nischenangebot am Markt und Leistungskomponente beim Produkt wird als Präferenz-Position bezeichnet. Dies bedeutet Qualitätswettbewerb mit konsequentem Einsatz aller nicht-preislichen Parameter zur Beeinflussung des Markts. Dies erfordert einen kontinuierlichen Aufbau, die dadurch gewonnenen Käufer dürften jedoch bei geschicktem Vorgehen zum Kundenstamm gerechnet werden und Anfechtungen der Konkurrenz in hohem Maße widerstehen. Merkmale der Marktstimulierung durch Präferenz-Position (Differenzierung) sind Leistungsführerschaft durch Aufbau akquisitorischen Potenzials, Spezialisierung und Nichtpreiswettbewerb (= Differenzierung). Dabei handelt es sich um folgende Merkmale: • Der Markenartikel als Basis ist vor allem durch die Inhalte einheitliche Aufmachung, gleich bleibende oder verbesserte Qualität, standardisierte Fertigware, durchgängiges Warenzeichen, Eigenschaftszusage, dichte Distribution und hohe Bekanntheit im Markt charakterisiert. Seine Persönlichkeit hebt ihn aus der Masse des Angebots hervor. Die damit verbundenen Präferenzen führen zur Markenbindung und damit wiederum zur Planbarkeit des Umsatzes des Markenabsenders, die notwendig ist, um die positions-immanent höheren Kosten bei reduziertem Risiko eingehen zu können. • Gewinnpriorität vor Umsatz / Absatz impliziert Wert- anstelle von Mengendenken. Dies mag selbstverständlich klingen, ist aber in einer auf Wachstum fixierten Wirtschaft außergewöhnlich. Zudem wird oftmals fälschlich unterstellt, dass mit

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steigendem Um-/Absatz Gewinne parallel oder gar überproportional steigen. Dem steht jedoch wachsende Komplexität mit Zunahme organisatorischer, nicht direkt wertschöpfender Aktivitäten entgegen, welche die Rentabilität belasten. • Die Durchsetzung eines Hochpreislevels wird erst über Präferenzaufbau in der Nachfragerschaft möglich. Eine solche Prämienpreissetzung bedeutet, dass der Preis eines Produkts durchgängig über dem durchschnittlichen Preis des Mitbewerbs angesetzt ist. Dadurch wird die Preisbereitschaft der Nachfrager ausgereizt, und es können hohe Stückgewinne erzielt werden. Diese Preisforderung engt den Kreis der Nachfrager ein und führt zur angestrebten Exklusivität. So ist eine schnelle Amortisation des eingesetzten Kapitals erreichbar. Außerdem dient der Preis verbreitet als Qualitätsindikator. • Beim monopolistischen Preisspielraum geht es um die Erarbeitung eines Bereichs mit geringer Preiselastizität der Nachfrage. Dem liegt das gedankliche Modell einer zweifach-geknickten Preisabsatzfunktion zugrunde. Sie stellt eine Kombination aus linear-negativ geneigter Preisabsatzfunktion des Monopols und voll-elastischer Gerade des Polypols dar und führt zu einem Verlauf, der, grafisch negativ geneigt, in drei Abschnitte unterteilt werden kann: einen Abschnitt mit relativ geringer negativer Neigung, ähnlich der Situation im Polypol, einen Abschnitt mit großer negativer Neigung, ähnlich der Situation im Monopol und einen weiteren Abschnitt mit relativ geringer negativer Neigung. Dadurch entstehen zwei Knickstellen, innerhalb derer ein teilmonopolistischer Bereich liegt. Dies ist typisch für viele Märkte mit großer Anzahl von Anbietern bei hoher Unvollkommenheit. Die Grenzen werden durch einen oberen und unteren Grenzpreis (Knickstellen) markiert. Innerhalb dieser Grenzpreise ist jeder Anbieter relativ frei in der Setzung seiner individuellen Preis-Mengen-Kombination. Ziel ist es, den monopolistischen Bereich grafisch möglichst steil zu gestalten, denn je steiler der Verlauf, desto geringer fällt ein Nachfragerückgang bei einer Preisanhebung aus. Die Steilheit der Kurve ist unmittelbar abhängig vom Ausmaß der Präferenzen. Zugleich geht es darum, die Grenzpreise soweit wie möglich zu spreizen. Dies gilt besonders für den oberen Grenzpreis, der den Preissetzungsspielraum des Anbieters limitiert. Darüber hinaus führen Preisanhebungen zu umfangreichem Absatzrückgang, weil dann die Preisbereitschaft der Nachfrager überstrapaziert wird. Der untere Grenzpreis ist demgegenüber wegen der sich dort ergebenden niedrigen Erlöse weniger interessant (siehe Kap. III/1.2.1). • Die Gewährleistung hoher Produktqualität ist unerlässliche Voraussetzung jedes Präferenzaufbaus. Durch ausgefeilte Prozesssysteme gelingt eine drastische Senkung der Fehlerrate. Dabei kommt es auf die Fähigkeit und Willigkeit der Mitarbeitenden an, Qualität zu produzieren. Die Fähigkeit kann durch Schulung und Training verbessert werden, die Willigkeit muss durch Motivierung angestrebt werden, wie die Verlagerung der Verantwortung für die Arbeit an die Ausführenden selbst, denn diese wissen am besten, wie das Qualitätsziel erreicht werden kann.

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• Eine attraktive Produktdarbietung hat wichtige Aufgaben zu erfüllen. Dazu gehören die adäquate Anmutung in der Zielgruppe, die wirksame Differenzierung und Identifizierung, eine hohe Auffälligkeit zur Selbstverkäuflichkeit, die Aus­ lobung am Produkt durch Werbeaussage, die qualitätssichernde Markierung, Herkunftskennzeichnung und Produktbezeichnung. Dies wird durch Produktdesign oder dessen Verpackungs-/Packungsgestaltung erreicht. • Medienwerbung dient zur Erreichung hoher Bekanntheit und Vertrautheit in der Zielgruppe, und zwar sowohl über klassische als auch verstärkt nicht-klassische Medien. Dies stößt insofern auf nicht geringe Schwierigkeiten, als das allgemeine „Grundrauschen“ der Werbung bereits so hoch ist, dass es besonderer Aufwendungen bedarf, sich daraus noch hervorzuheben. Ansonsten unterliegt man der Neutralisierungswirkung. Aber dort, wo eine solche Penetration gelingt, reagieren die Zielpersonen nicht selten mit Reaktanz, da sie Manipulation wittern. Tatsächlich ist der Leistungsbeitrag der Werbung am wirtschaftlichen Erfolg eines Angebots nur sehr schwer feststellbar und wird verbreitet stark überschätzt. • Selektive Distribution unterstützt die Sicherung eines angebotsadäquaten Verkaufsumfelds. Dabei wird ein niedriger Distributionsgrad in Kauf genommen. Dies entspricht zwar einer eher geringen Erhältlichkeit im gewählten Absatzgebiet, führt aber zur homogenen Struktur der Abnehmer (z. B. nur Fachhandel). Ein Beispiel für die Präferenz-Position am Markt ist Dyson als Haushaltsgeräte-Hersteller. Hauptprodukt sind Staubsauger nach dem Prinzip des Fliehkraftabscheiders, d. h., Luft wird angesaugt und in schnelle Drehbewegung beschleunigt. Die Schmutzpartikel werden durch Fliehkraft nach außen geschleudert und in einem Auffangbehälter gesammelt. Die angesaugte Luft wird durch ein HepaLuftfilter gereinigt und wieder an die Umgebung abgegeben. Dyson Staubsauger sind kabellos / akkubetrieben und variabel ausstattbar. Der Preis der DysonStaubsauger liegt weit oberhalb des Marktdurchschnitts (ab ca. 550 €). Außerdem stellt Dyson auf Premiumniveau auch Händetrockner her, die ohne vorgeheizte Luft funktionieren, sondern umgebungswarme Luft ausblasen (bis 80 % Energieersparnis). Dieses Alleinstellungsmerkmal lässt sich Dyson sehr gut bezahlen (ab ca. 400 €). Gleiches gilt für Ventilatoren, die ohne sichtbare Rotorflügel funktionieren. Im Fuß des Ventilators sitzt ein Motor, der Umgebungsluft ansaugt und in ein ringförmiges Gehäuse mit Luftöffnungen presst. Zusätzlich gibt es eine Luftreiniger-Funktion (ab ca. 750 €). Hinzu kommen Heizlüfter, Luftbefeuchter, Haartrockner, -styler, -glätter, Kopfhörer mit Luftreiniger-Funktion und LED-Leuchten, alle ebenfalls jeweils am obersten Ende der Preisskala platziert. Verkauft werden Dyson-Geräte selektiv über Fachhändler und Fachmärkte sowie direkt über den Dyson-Online-Shop. Produktinnovationen bewirken so ein Luxusimage, dem auch objektiv vergleichbare Me too-Angebote nichts anhaben können. Begleitend gibt es durchdesignte Werbemittel, die den Auftritt unterstreichen.

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4.6.1.3 Preis-Mengen-Position Die Kombination aus Volumenangebot am Markt und Preiskomponente beim Produkt wird als Preis-Mengen-Position bezeichnet. Sie stellt den Preis als zentralen Parameter zur Marktbeeinflussung in den Mittelpunkt. Dabei wird eine Marktposition kurzfristig aufbaut, die allerdings kaum reversibel ist, zumal sie sich an Käufer wendet, die ein Angebot vornehmlich nicht aus emotionaler Zuwendung heraus bevorzugen, sondern bei noch preisgünstigeren Angeboten leicht zum Mitbewerb abwandern. Sie repräsentieren damit in hohem Maße vagabundie­ rende Kaufkraft. Merkmale der Marktstimulierung durch Preis-Mengen-Position (Größeneffekt) sind Kostenführerschaft durch Kosten-Leistungs-Optimierung und Einsparung an Maßnahmeneinsatz (= Standardisierung). Dies ist durch gänzlich gegensätzliche Merkmale charakterisiert: • Preiswettbewerb bedeutet eine aggressive, kompetitive Preissetzung durchgängig unter dem durchschnittlichen Preis des Mitbewerbs. Dabei handelt es sich um die wirksamste und zugleich auch sensibelste Waffe. Bestehende Mitbewerber können dadurch verdrängt, neue vom Markteintritt abgeschreckt werden. Preisbrecher können zudem auf Goodwill und Sympathie in der Öffentlichkeit rechnen. • Umsatz-/Absatzpriorität vor Gewinn ist als primäres Ziel zu nennen. In der Marktform des Monopols wird dies grafisch auf halbem Weg zwischen Pro­ hibitivpreis und Sättigungsmenge erreicht, in der Marktform des Polypols an der Kapazitätsgrenze jedes Betriebs. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass es einfacher ist, einen Zielgewinn durch große Menge bei niedrigem Preis / Stückgewinn zu erreichen als durch geringe Menge bei hohem Preis / Stückgewinn. Gefährlich ist dabei, dass zuwachsende Um-/Absätze mit unterdurchschnittlicher Rendite erkauft werden, wodurch ein Zwang zum Marktanteilsausbau und zur Kapazitätsauslastung aufgebaut wird. • Für hohe Preisgünstigkeit ist eine strikte Aufwandsreduktion bei mittlerer Produktqualität hilfreich. Notwendige Bedingung ist also ein vorteilhaftes PreisLeistungs-Verhältnis. • Absatzrationalisierung erfolgt vor allem durch Effizienzsteigerung in der Logistik. Einflussgrößen darauf sind Eigen- oder Fremdbetrieb der Transportmittel sowie die Wahl der Transportmittelart, des Lagerstandorts und -betriebs. • Grundnutzenargumentation meint den Verzicht auf profilierende Zusatznutzen. Grundnutzen ist dabei die Eignung eines Angebots, den gestellten Anforderungen gebrauchstechnisch, d. h. in Bezug auf die Funktionserfüllung, gerecht zu werden. • Die durch Maßnahmeneinsparung erzielte Kostenreduktion soll im Preis weitergegeben werden. Denn Kosten gehen durch die immer noch weit verbreitete, kostenorientierte Preisbildung in den Angebotspreis ein.

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• Die Akzeptanz von Risiken ergibt sich aus der Tatsache des Preises als gefährlichstem Wettbewerbsinstrument. Dies betrifft vor allem die Preisuntergrenze, da es bei geringer Gewinnspanne durch Preisnachgiebigkeit, etwa infolge falsch verstandener Deckungsbeiträge, rasch zu Verlusten kommt. Dabei ergeben sich mehrere Preisuntergrenzen, einmal diejenige, die nicht nur die Deckung aller Kosten, sondern auch die Erzielung eines Mindestgewinns zulässt, dann diejenige, die zwar die Deckung aller Kostenelemente erlaubt, jedoch nicht mehr die Erzielung eines Gewinns (langfristig) und schließlich diejenige (kurzfristige), die zwar keine Gewinnerzielung mehr erlaubt, aber wenigstens alle ausgabewirksamen (i. d. R. variablen) Kosten abdeckt. • Breite Distribution wird bis zur Überallerhältlichkeit angestrebt, um ein Maximum an Kontaktchancen zu erzeugen. Dabei sollen möglichst viele, im Grenzfall alle, mit vertretbarem Aufwand zu erfassenden Akteure in den Absatzkanal einbezogen werden. Dadurch ergeben sich die Voraussetzungen für eine vollständige Marktausschöpfung mit umfassender Kapitalisierung des Aufwands zur Absatzvorbereitung und Initiierung ungeplanter Käufe. Ein Beispiel für den Erfolg der Preis-Mengen-Position ist Aldi im Lebensmittel-Discounter-Markt. Bis 1973 gab es die Preisbindung der Zweiten Hand für Markenartikel, d. h., der Hersteller einer markierten Ware konnte dem Einzelhändler vorgeben, welchen Preis dieser gegenüber seinen privaten Endabnehmern verlangen durfte. Das bedeutete, es gab de facto keinen Preiswettbewerb für Markenartikel auf der Einzelhandelsstufe. Dies war gedacht als Erleichterung für Verbraucher, denn sie mussten keine aufwändigen Preisvergleiche anstellen, sondern konnten einkaufen, wo es für sie am bequemsten war, ohne Preisnachteile zu befürchten. Die Gebrüder Albrecht überlegten, wie sie angesichts dessen einen Preiswettbewerb darstellen könnten. Dies war mit Herstellermarken offensichtlich nicht möglich. Also entschieden sie sich für eigenproduzierte Handelswaren. Denn diese unterlagen keiner Preisbindung, weil es keinen Hersteller gab, der sie selber distribuierte und weil sie keine Marken waren. Nachdem die Preisbindung der Zweiten Hand gefallen war, entdeckten auch die Einzelhändler den Preis als Parameter, daher reduzierte Aldi die Betriebskosten konsequent, um stets den niedrigsten Preis halten zu können und verzichtete auch weiterhin auf Markenartikel.

4.6.2 Dreifelder-Ansatz Der Dreifelder-Ansatz (Porter) berücksichtigt diese Marktabdeckung als Gesamtmarkt oder Teilmarkt explizit und kommt somit zu drei Erfolgspositionen (siehe Abbildung 38: Dreifelder-Ansatz des Konkurrenzvorteils). Erstens ist eine Leistungsvorteilsposition auf dem Gesamtmarkt möglich. Dies entspricht der (umfassenden) Differenzierung durch Einzigartigkeit.

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Abbildung 38: Dreifelder-Ansatz des Konkurrenzvorteils

Beispiele sind Lindt Süßwaren, Mercedes-Benz oder BMW Automobile, Black &  Decker Heimwerkergeräte, Rolex Chronometer, Hugo Boss Herrenbeklei­dung, KaDeWe Warenhaus, Meiers Weltreisen. Zweitens ist eine Preisvorteilsposition auf dem Gesamtmarkt möglich. Dies entspricht einer (umfassenden) Kostenführerschaft mit Weitergabe im Preis. Beispiele sind Trumpf Süßwaren, Skoda oder Kia Automobile, Aldi Discounter, Swatch Uhren, C&A oder Adler Bekleidungshandel, Direktbanken, L’tur Reiseveranstalter. Voraussetzung für die Kostenführerschaft ist die Nutzung von Kostendegressionseffekten. Diese rühren aus zwei Quellen: • Statische Größeneffekte entstehen durch – Fixkostendegression (Bücher’sches Gesetz), d. h. immer günstigere Umlage der beschäftigungsgrad-unabhängigen (Fix-)Kosten bei steigender Ausbringungsmenge, – Betriebsgrößeneffekt, d. h. feinteilige Abstimmbarkeit von Teilkapazitäten zu einer Gesamtkapazität weitgehend ohne Friktionen (Leerkosten). • Dynamische Größeneffekte beruhen auf der – frühzeitigen Nutzung der mit technischen Fortschritt verbundenen ökonomischen Vorteile durch Großanbieter, – Nutzung von Verbundeffekten in der Organisation und Spezialistenwissen bei Mitarbeitenden (Economies of Scope), – stückkostensenkenden Rationalisierung in Gemeinkosten-(Overhead-)Bereichen, vor allem der Beschaffung.

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Drittens ist eine Konzentration in einem Teilmarkt möglich. Dies entspricht der Spezialisierung auf Einzigartigkeit oder Kostenvorsprung. Bei den Teilmarktabdeckung ist dann sowohl eine Nischenbearbeitung durch Einzigartigkeit möglich (wie bei der Präferenzposition) als auch, neu hinzukommend eine solche durch Kosten­vorsprung. Damit steht einem Unternehmen eine dritte Option neben der Leistungsführerschaft und der Kostenführerschaft jeweils im Gesamtmarkt zur Verfügung. Spezialisierung bedeutet die Nutzung eines strategischen Preis- oder Kostenvorteils auch in einem Teilmarkt. Beispiele sind Chrysler Jeep, Hilti Werkzeuge, Glashütte Chronometer, Ulla Popken DOB, Studiosus-Reisen in Richtung Einzigartigkeit bzw. Smart Microcar, H&M-Bekleidung, Auna-Hifi in Richtung Kostenvorsprung. Diesem Ansatz liegt die Überlegung zugrunde, dass neben der Gesamtmarktbetrachtung Erfolgspositionen durchaus auch in der Teilmarktbetrachtung möglich sind. Im Vergleich zum Zweifelder-Ansatz wird die Preis-Mengen-Position übernommen und als Kostenführerschaft bezeichnet. Neu hinzu kommt, dass die Präferenz-Position auch auf dem Gesamtmarkt als möglich angesehen wird (als Differenzierung bezeichnet). Für die erfolgreiche Spezialisierung wird in Deutschland zumeist der Mittelstand als Beispiel herangezogen. Die Abgrenzung zu Groß- und Kleinunternehmen ist jedoch zweifelhaft. So werden werden auch Unternehmen zum Mittelstand gerechnet, die nach landläufiger Ansicht Großunternehmen sind (festgemacht an Umsatz (< 50 Mio. €) und / oder Bilanzsumme (< 43 Mio. €) und / oder Beschäftigtenzahl (< 500 Mitarbeitende). Häufig handelt es sich um Familienunternehmen, d. h., Unternehmenseigentum und Unternehmensleitung liegen in einer Hand. Meist werden klein- und mittelständische Unternehmen zu KMUs zusammengefasst. Diese machen 99 % der Unternehmen aus, stehen für 45 % des BIPs und 60 % der Beschäftigten. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass 1 % der Großunternehmen 55 % des BIPs ausmachen und 40 % aller Arbeitnehmer beschäftigen. KMUs sind überproportional im Dienstleistungsgewerbe tätig. Wegen der anzunehmenden Schlüsselrolle des Mittelstands für die deutsche Wirtschaft wird dieser gezielt gefördert. Der Mittelstand wird als Erfolgstreiber der deutschen Wirtschaft angesehen („German Mittelstand“). Fraglich ist dabei jedoch, anhand welcher Kriterien der Mittelstand nach oben und unten abgegrenzt wird. Typisch für mittelständische Unternehmen sind nach Simon folgende Kennzeichen: • Kapitalanteile befinden sich im Privatbesitz, Eigentum und Haftung stimmen daher überein, der Führungskreis ist klein (oft nur zwei Personen, kaum Gruppenentscheide), es besteht weitgehende Unabhängigkeit vom Willen Dritter, zwischen Eigentümer und Belegschaft herrscht ein persönliches Vertrauensverhältnis, es besteht eine unmittelbare Teilhabe am Betriebsgeschehen, die Finanzierung erfolgt außerhalb des Kapitalmarkts, teils ohne Fremdkapital, die Infor-

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mationswege sind kurz, die formale Organisation ist unterentwickelt, ebenso die Planung, es entstehen nur geringe Koordinationsprobleme bei hoher Flexibilität. Spezialisierung liegt z. B. in vielen Bereichen dem Erfolg der ehemals weltweit führenden deutschen Maschinenbauindustrie zugrunde. Im internationalen Maßstab eher kleine und mittlere Unternehmen können hier durch Know-howAkkumulation exzellent fertigen. Durch die Ausweitung der Absatzmärkte wird wiederum Kostendegression möglich, die aber meist nicht im Preis weitergegeben, sondern als Zusatzgewinn einbehalten wird. Beides gemeinsam resultiert in einer äußerst starken, der Öffentlichkeit meist verborgen bleibenden Marktstellung (­Hidden Champions), die deshalb auch vor kartellrechtlichen und handelswirtschaftlichen Restriktionen weitgehend geschützt ist. Beispiele für deutsche Hidden Champions sind (nach H. Simon) folgende: • 3B Scientific: anatomische Lehrmittel, Abeking & Rasmussen: Schiffsbau, Aenna Burda Verlag: Modezeitschriften, Modeschnitte, Arnold & Richter: Arri Profikameras, Baader: Bau von Fischverarbeitungsanlagen, Barth: Hersteller von Hopfenprodukten, Belfor: Sanierung von Brand-, Wasser-, Sturmschäden, Otto Bock: Prothesen, BPW Bergische Achsen: Fahrzeugbau, Brita: Haushalts-Wasserfilter, Brüchner: Biaxiale Folien-Reckmaschinen, CEAG: Ladegeräte (Friwo), Dorma: Türschließsysteme, Glasbeschläge, Drägerwerk: Atemtechnik, Duravit: Sanitärkeramik, EBM-Papst: Ventilatoren / Antriebsmotoren, Flexi: Hunderolllaufleine, Gartner: Verkleidung von Hochhausfassaden, Gemets: Theater-, Bühnenausstattungen, Grimme: Landmaschinen, Haribo: Gummibärchen-Hersteller, Hasenkamp: Kunsttransporte, Hauni: Zigarettenmaschinen, Heidelberger Druckmaschinen: Offset, Herrenknecht: Tunnelbohrmaschinen, Hillebrand: Weintransporte, Hoppe: Tür- und Fensterbeschläge, Kaeser: Kompressoren, Kirow: Bau von Bahnkränen, Klais: Orgelhersteller, KWS Saat: Landwirtschaft, Lapp: Kabel, Lürssen: Schiffsbau, Merck: Flüssigkristalldisplays, Peri: Bautechnik: Schalungen, Putzmeister: Betonpumpen, Renolit: Kunststofffollien, Scherdel: Ventil-, Kolbenfilter für Fahrzeuge, Schwan-Stabilo: Eyeliner, Lipliner (OEM), Sachtler: Kamerastative, Schuler: Pressen, Stengel: Achterbahnplanung für Events, Stihl: Profi-Sägen, Sto: Baustoffe, Karl Storz: Medizintechnik, Tetra: Aquaristik- und Gartenbedarf, Wanzl: Einkaufswagen, Gepäckkarren, Webasto: Standheizung in Fahrzeugen, W. E.T.: Sitzheizung in Fahrzeugen, Rudolf Wild: Lebensmitteltechnik / Aromen, Wilo: Pumpen, Winterhalter: Spülmaschinen für Gastronomie, Wirtgen: Straßenfräsen und Asphaltrecyclinggeräte, Würth: Montageprodukte. Typische Probleme mittelständischer Unternehmen sind nach Simon jedoch folgende: • geschwächte Eigenfinanzierungskraft, geringe Eigenkapitalquote, schwieriger Umgang mit Kreditinstituten, kaum systematische Ergebnissteuerung (Controlling), Schwächen im Cash-Management, kaum wertorientierte Unternehmens­

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führung (Performance-Measurement), fehlende Aufsichtsorgane, direktive Führung bei geringer Mitbestimmung, fokussiertes, auf kleinste Marktnischen zielendes Handeln (dafür oft international und kundennah), geringer allgemeiner Innovationsgrad, regionale Verankerung der Aktivitäten, operatives Handeln verdrängt Strategie, niedriger Automatisierungsgrad. 4.6.3 Vierfelder-Ansatz Die Präferenz-Position führt zum Anstreben einer Leistungsführerschaft, die Preis-Mengen-Position zum Anstreben einer Kostenführerschaft. Beides kann sich hierbei jeweils auf den Gesamtmarkt oder einen Teilmarkt beziehen, so dass sich durch Kombination daraus vier Konkurrenzpositionen ergeben (siehe Abbildung 39: Vier-Felder-Ansatz des Konkurrenzvorteils).

Abbildung 39: Vierfelder-Ansatz des Konkurrenzvorteils

Dabei liegt einerseits die Porter-U-Kurve aus Return on Investment und relativem Marktanteil zugrunde (Kopfspalte)  und andererseits der Zusammenhang zwischen Preishöhe und Qualität (Kopfzeile). Daraus entsteht eine Wettbewerbspositionsmatrix (siehe Abbildung 40: Zusammenhang der Wettbewerbspositionsmatrix). Aus der Kombination dieser Faktoren ergeben sich vier strategische Möglichkeiten: • Umfassende Leistungsführerschaft, d. h., konsequenter Aufbau eines Qualitätsvorteils und dessen Nutzung im Gesamtmarkt (Involvierungsposition), • Umfassende Kostenführerschaft, d. h., konsequenter Aufbau eines Kostenvorteils und dessen Nutzung im Gesamtmarkt (Generalisierungsposition),

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Abbildung 40: Zusammenhang der Wettbewerbspositionsmatrix (eig. Darst.)

• Konzentrierte Leistungsführerschaft, d. h., strategische Fokussierung auf eine leistungsorientierte Marktnische (Individualisierungsposition), • Konzentrierte Kostenführerschaft, d. h., strategische Fokussierung auf eine kostenorientierte Marktnische (Spezialisierungsposition). Umfassende Leistungsführerschaft bedeutet, dass der Leistungsvorteil sich auf den Gesamtmarkt bezieht. Vorteile dieser Position sind vor allem folgende: • Es besteht ein Präferenzvorsprung gegenüber Konkurrenten, den diese nur bedingt egalisieren können. • Substitutionsangebote sind nicht wirklich vergleichbar. • Potenzielle Konkurrenten bleiben solange ausgeschlossen, bis sie leistungsmäßig gegenhalten können. Nachteile dieser Position sind hingegen: • Konkurrenz durch spitz positionierte, konzentrierte Leistungsführer droht.

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• Wahrnehmbare Leistungsunterschiede sind nur noch durch überproportionalen Aufwand erreichbar. • Hohe FuE-Aufwendungen sind erforderlich. Als historisches Beispiel kann IBM angesehen werden. Dieses Unternehmen hat im IT-Bereich wenn schon nicht immer die überlegene Technologie, so doch überall das Durchsetzungsvermögen, seine Technologie zum Industriestandard zu machen (heute LENOVO), von dem sich Mitbewerber allenfalls durch Tuning oder Dumping abzusetzen vermögen. So wirkt die Implementierung bestimmter Processorchips (Intel) durch den Qualitätsführer IBM als Standard für alle anderen, wirkt die Auswahl eines bestimmten Betriebssystems (Microsoft) als Signal für dessen generelle Eignung und Anwendung. Durch diesen Referenzstatus werden Verhandlungsvorteile erreicht, denn Zugeständnisse der Lieferanten gegenüber IBM können durch die Vorreiterrolle gleich mehrfach bei nachfolgenden Anbietern monetarisiert werden. Weitere Beispiele für eine umfassende Leistungsführerschaft sind • Rolex (Uhren), Geschäftsbanken, Edeka (LEH), Robinson-Club (Reisen), Toshi­ba (PC) und Lufthansa (Fluggesellschaft). Umfassende Kostenführerschaft bedeutet, dass der Kostenvorteil sich auf den Gesamtmarkt bezieht. Vorteile dieser Position sind vor allem folgende: • Das Unternehmen mit den niedrigsten Kosten einer Branche ist auch dann noch in der Lage, Gewinne zu erzielen, wenn die Konkurrenten bereits in die Verlustzone gezwungen werden. • Es besteht ein gewisser Schutz vor nachfragemächtigen Abnehmern, weil diese das Preisniveau höchstens bis auf das Niveau des zweiteffizientesten Konkurrenten zu drücken vermögen. • Es bestehen hohe Markteintrittsschranken infolge großer Mindestinvestitionsvolumina, die einen relativen Schutz vor potenziellen Konkurrenten bieten. • Substitutionsprodukte sind eher abwehrbar, indem Preisvorteile ausgespielt werden. Nachteile dieser Position sind hingegen: • Grundlegend neue Technologien entwerten die Kostenführerschaft. • Nachahmer können durch Lerneffekte bald eine ähnliche Kostenstruktur wie der Kostenführer erreichen. • Wenn die Marktbedürfnisse verfehlt werden, ist auch eine Kostenführerschaft aussichtslos. • Kostensteigerungen im Input- oder Throughput-Bereich schwächen die Wirkung der Kostenführerschaft, vielmehr sind Skaleneffekte unerlässlich, vor allem in den Einkaufskonditionen.

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Die umfassende Kostenführerschaftsposition ist früher verbreitet von japanischen Unternehmen eingenommen worden, die durch hohen Arbeitseinsatz ihrer Belegschaft und ausgefeilte Organisationsmethoden (z. B. Ringi, Kanban, Kaizen) eine extrem hohe Effizienz erreicht hatten. Neuerdings füllen eher die übrigen asiatischen Länder der „Little Tigers“ diese Position, da die japanische Industrie zunehmend eine Wende in Richtung Leistungsführerschaft vollzieht. So werden Automobile heute nicht mehr nur über den Preisvorteil verkauft, sondern gerade auch über fortschrittliche Technik. Zudem führen Importrestriktionen in zahlreichen Ländern zu einem gewissen Nachfrageüberhang, der höhere Preise auch problemlos durchsetzbar macht. Bei Fotokameras haben die Preise nach weitestgehender Räumung der Märkte von europäischen und amerikanischen Anbietern, zwar untermauert von starkem technischen Fortschritt, doch wieder angezogen. Die gleiche Entwicklung ist bei Produkten der Unterhaltungselektronik zu beobachten. Hier setzen japanische Anbieter Leistungsmaßstäbe durch enorm kurze Innovationszyklen und vor allem Miniaturisierung. Andere fernöstliche Länder besetzen sukzessiv die dadurch freigewordenen Kostenführerschaftspositionen. Dies gilt in erster Linie für normierte Produkte, administrierte Anforderungen in Ausschreibungen (Lastenheft) und relativ leicht herzustellende Massenprodukte. Diese Leistungen finden zwischenzeitlich in den meisten Bereichen als OEMElemente Verwendung. Weitere Beispiele für eine umfassende Kostenführerschaft sind – Casio (Uhren), Direktbanken (Telefonbanking), Alltours (Reisen), Dell (PC), Ryanair (Fluggesellschaft) und Lidl (Lebensmitteleinzelhandel). Konzentrierte Leistungsführerschaft bedeutet, dass der Leistungsvorteil sich auf einen Teilmarkt bezieht. Vorteile dieser Position sind vor allem folgende: • Hohe Kundenbindung durch positive Differenzierung bewirkt Marktzutrittsschranken. • Der Verhandlungsspielraum mit Lieferanten wächst durch höhere Gewinn­ margen. • Die Nachfragemacht von Großkunden wird durch mangelnde Austauschbarkeit relativiert. • Substitutionskonkurrenz bleibt begrenzt. Nachteile dieser Position sind hingegen: • Preisvorsprünge von Kostenführern können die Nachfragerloyalität aufbrechen. • Jede Alleinstellung unterliegt einem Wertewandel im Zeitablauf. • Nachahmer mindern das Differenzierungspotenzial. Diese Individualisierung ist vor allem bei High Involvement-Produkten anzutreffen, so bei hochwertigen Konsumgütern wie Mode, Duftwässer, Spirituosen

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(= High-touch) und erklärungsbedürftigen Produkten wie Autos, Unterhaltungselektronik, PC (= High-tech). Je ausgeprägter deren Image ist, desto nachhaltiger lässt sich daraus eine Produzentenrente einstreichen. Ein sehr erfolgreiches Beispiel für konzentrierte Leistungsführerschaft ist Nvidia. Gestartet mit Grafik-Chips, die hochleistungsfähige Computerspiele und Multimediaanwendungen befeuern. Daraus entwickelten sich Grafikprozessoren (GPUs) für Workstations, heute werden Superprozessoren für KI-Anwendungen angeboten (wie autonomes Fahren, Genomanalysen, Klimasimulationen etc.), vor allem aber Rechenzentren. Konkurrenten konnten durch schnelle Innovation abgehängt werden. Inzwischen besteht eine ununstrittene Alleinstellung, die dazu führt, dass Nvidia nicht nur als Teilelieferant auftritt, sondern Erlösanteile von Herstellern fordert (Revenue Share), die Nvidia-Prozessoren und Netzwerklösungen in Mehrwertleistungen integrieren. Dabei bleibt Nvidia seiner Marktnische treu. Weitere Beispiele für eine konzentrierte Leistungsführerschaft sind – Smart (Automobil), Glashütte (Uhren), Privatbanken, Reformhäuser (LEH), Aida (Reisen), Apple (Computer) und Emirates (Fluggesellschaft). Konzentrierte Kostenführerschaft bedeutet, dass der Kostenvorteil sich auf einen Teilmarkt bezieht. Vorteile dieser Position sind vor allem folgende: • Die bei B- und C-Artikeln verbleibenden Spannen des Einkaufs sind auskömmlich. • Entsprechende Marktsegmente sind wegen geringen Volumens oft unattraktiv für Konkurrenten. • Je spezialisierter das Angebot, desto weniger Substitutionskonkurrenz ist möglich. Nachteile dieser Position sind hingegen: • Vorzüge von Nischenangeboten können durch preisgünstigere Standardwaren überkompensiert werden. • Modularisierung schafft Zugang zu Marktnischen auch für Großanbieter. • Erhöhte Distributionskosten infolge Globalisierung egalisieren Kostenvorteile. Spezialisierung liegt z. B. in vielen Bereichen dem Erfolg der ehemals weltweit führenden deutschen Maschinenbauindustrie zugrunde. Im internationalen Maßstab eher kleine und mittlere Unternehmen können hier durch Know-howAkkumulation exzellent fertigen. Durch die Ausweitung der Absatzmärkte wird wiederum Kostendegression möglich. Beides gemeinsam resultiert in einer äußerst starken, der Öffentlichkeit meist verborgen bleibenden Marktstellung, die deshalb auch vor kartellrechtlichen und handelswirtschaftlichen Restriktionen weitgehend geschützt ist.

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Ein markantes Beispiel ist die Hotelkette Motel One, die im Jahr 2000 gegründet wurde. Das Designkonzept entwickelte sich im Laufe der Zeit. Ab 2006 ist die Positionierung als Low Budget Design Hotel für Geschäftsreisende sichtbar. Die Kapazität wuchs rasch auf 3.000 Zimmer in 2008. 2011 setzte die Expansion in Europa ein (Österreich, Großbritannien, Belgien, Tschechien etc.) Die Hotelkette ist vielfach ausgezeichnet worden. Aktuell sind 85 Hotels in zwölf Ländern im Betrieb. Zu finden sind die Hotels in Innenstadtlagen, in der Nähe von Bahnhöfen / Flughäfen oder Messegeländen. Wichtigste Konkurrenten sind Ibis (AccorGruppe) und Holiday Express, zudem moderne Posh-Hotels (Lifestyle). Das erfolgreiche Konzept hat die vier Grundpfeiler unverwechselbares Design, hohe Servicequalität, strategische Standorte und attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis. Diese Kombination macht Motel One alleinstellend. Erfolgsfaktor ist vor allem der günstige Preis. Er wird möglich, weil Motel One Vieles weglässt, was in anderen Hotels vorgehalten wird. Zum Beispiel gibt es keine Minibar auf dem Hotelzimmer, damit auch keine Kosten für Kontrolle und Nachbefüllung, Reinigung und Strom. Auch ein Tresor fehlt auf dem Zimmer, dafür kann ein zentraler Tresor mitgenutzt werden. Es gibt kein Restaurant im Hotel, damit auch keine hohen Personalkosten für Zubereitung und Bedienung, für Säuberung, Geschirrreinigung, aufwändige Lebensmittel und vielfältige Getränke. Ebenso fehlen Fitnesscenter / Spa / Pool, wie sie in vielen Hotels meist gering- bis unbenutzt betrieben werden müssen. Auch Konferenzräume und Tiefgaragenplätze sucht man vergeblich. Für Business-Reisende ist das alles verschmerzbar. Sie meiden die Minibar, weil die Spesen nicht abrechenbar und die Preise ohnehin unverschämt sind. Sie schleppen auch keine Wertgegenstände mit sich herum, die extra gesichert werden müssten. Die Verpflegung erfolgt tagsüber oder abends ohnehin außerhalb des Hotels. Ein Frühstück ist zwar verfügbar, aber nur gegen separates Entgelt. Auch haben sie keine Zeit für Entspannung und Freizeitaktivitäten. Und Besprechungen finden ohnehin in separaten Locations statt. Als weiterer Grundpfeiler kommt die Standardisierung hinzu. Jedes Zimmer, egal in welchem Hotel in welcher Stadt, ist gleich ausgestattet. Das vereinfacht Planung und Betrieb erheblich. Die Zimmer sind konsequent reduziert möbliert, das aber in hoher Qualität. Dies bedeutet u. a. teure Bettwäsche, dicke Badetücher, bequemer Sessel, kleiner Schreibtisch zum Arbeiten, Leselampe, das alles in Designerstil. Typisch ist auch die große Lounge für den allgemeinen Aufenthalt. Alle Räume sind klimatisiert und verfügen über WLAN. Die Gebäude sind jedoch nicht barrierefrei. Dafür wird die Kernleistung auf höchstem Niveau angeboten. Dies drückt sich dienstleistungstypisch vor allem beim Personal aus. Das Ergebnis wird durch Gästebefragungen und Feedbackbögen bestätigt bzw. abgesichert. Weitere Beispiele für eine konzentrierte Kostenführerschaft sind – Suzuki (Automobil), Swatch (Uhren), Online-Banken, Havariewarenläden, Medion (PC / UE), Air Berlin (Fluggesellschaft) und Dacia (Kleinwagen).

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4.7 Marktrollenverhalten 4.7.1 Marktanführer Das Marktverhalten ist von zwei Rollenfestlegungen geprägt. Die eine bezieht sich darauf, ob vom Anbieter ein Führungsanspruch am Markt erhoben wird oder nicht, die andere darauf, ob seine Entscheide autonom oder konjektural getroffen werden. Entsprechend dieser beiden Dimensionen mit je zwei Einteilungen ergeben sich vier Optionen des angestrebten Marktverhaltens (siehe Abbildung 41: Optionen des Marktverhaltens): • Der Marktanführer hat Führungsanspruch und verhält sich unabhängig, seine Rolle ist autonom. • Der Marktherausforderer hat Führungsanspruch und verhält sich abhängig, seine Rolle ist konfliktsuchend. • Der Marktmitläufer ist ohne Führungsanspruch und verhält sich unabhängig, seine Rolle ist nachgiebig. • Der Marktnischenanbieter ist ohne Führungsanspruch und verhält sich abhängig, seine Rolle is ausweichend.

Abbildung 41: Optionen des Marktverhaltens

Als Marktanführer wird gemeinhin der vom Umsatz her größte Anbieter auf einem Markt bezeichnet. Dabei kommt es darauf an, wie der Relevante Markt abgegrenzt wird. Durch kumulative Einschränkung des Relevanten Markts ist es beinahe jedem Anbieter möglich, sich als Marktanführer zu definieren. Die damit mutmaßlich verbundene positive Anmutung wird in der werblichen Kommunikation vielfach genutzt.

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Am Markt für alkoholfreie Getränke (Softdrinks) ist Coke seit Jahrzehnten der unangefochtene Marktführer. Auch zwischenzeitliche Schwächephasen (New Coke) konnten dieser Position nichts anhaben. Pepsi ist ebenso seit Jahrzehnten der Herausforderer, der mit aggressivem Verhalten versucht, die Marktführerschaft zu erringen, trotz wirklich herausragender Leistungen bislang ohne Erfolg. Als Marktmitläufer fungieren hierzulande etwa Afri-Cola, Sinalco oder Fritz-Cola. Sie prosperieren in Maßen über reale Erhältlichkeit und Preisvorteil. Als Marktsegmentierer fungieren etwa Red Bull mit seiner Cola, die als biologisches Erfrischungsgetränk angeboten wird oder Frucade als Fruchterfrischungsgetränk. Bei beiden handelt es sich allerdings nicht um die Hauptprodukte der jeweiligen Hersteller. Die dem Marktanführer im Folgenden zugesprochenen Chancen und Risiken betreffen gelegentlich aber auch andere Anbieter. So gibt es Meinungsführer am Markt, d. h., Anbieter, die zwar nicht unbedingt die größten sind, denen aber aufgrund ihres herausgehobenen Images marktführergleiche Eigenschaften zukommen. Oder Anbieter, die auf anderen als dem betrachteten Markt führend sind, und deren Potenzial auf diesen ausstrahlt. Oder Anbieter, denen in der veröffentlichten Meinung Marktführereigenschaft beigemessen wird, ohne dass die entsprechende Substanz vorhanden ist. Marktführerschaft ist auch deshalb entscheidend, weil man sich im Markt meist nur an die Nummer Eins einer Kategorie erinnert. Dies gilt nicht nur im Management. So weiß wohl jeder, wer als Erster den Atlantik in West-Ost-Richtung im Flugzeug überquerte (Charles Lindbergh), aber wer kennt schon den zweiten oder dritten, dem dies gelang? (Chamberlin, Levine) Und wer die ersten waren, die den Atlantik später in Ost-West-Richtung überflogen? (Köhl, Fitzmaurice, von Hünefeld). Wer erinnert nicht den ersten Menschen auf dem Mond 1969 (Neil Armstrong), aber wer kennt schon den zweiten, der nur Minuten später die Mondoberfläche betrat? (Buzz Aldrin) Mit der Marktführerschaft gehen eine Reihe von besonderen Vorteilen und Nachteilen einher. Zu den Vorteilen gehören vor allem folgende: • Die Möglichkeit zur dominanten Preisführerschaft ist gegeben, wenn ein Unternehmen mit seiner Preissetzung immer die übrigen Anbieter determiniert, barometrische Preisführerschaft liegt vor, wenn mehrere Anbieter wechselseitig mit der Preissetzung vorangehen. Dies ist oft bei oligopolistischen Märkten gegeben. Kolludierende Preisführerschaft ist als stillschweigende Abstimmung über den Preis in „gut“ funktionierenden Oligopolmärkten gegeben. Wenngleich durch die Internationalisierung der Märkte Preisführerschaft immer schwieriger durchzusetzen ist, gibt sie im Falle des Gelingens die Möglichkeit, überdurchschnittliche Gewinne für ein Unternehmen einzufahren oder aggressive Konkurrenzverdrängung zu betreiben. • Ein breiter Kompetenzvorsprung ist in der Kundschaft durch das kategorische Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und das Know-how des Marktanführers vor-

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handen. Dies führt potenziell zu einer weniger kritischen Kaufeinstellung und zur Chance, selbst partiell wettbewerbsunterlegene Produkte erfolgreich zu vermarkten. Dieser Vorsprung ist damit unbezahlbar. Als Beispiel kann IBM gelten, deren Computer, obgleich gewiss nicht leistungsführend, sich früher dennoch bestens verkauften, wohingegen andere Anbieter mit durchaus überlegenen Maschinen durch Mangel an Kompetenz und Vertrauen bei den Abnehmern selbst zu niedrigeren Preisen Absatzprobleme hatten. • Es besteht Marktmacht gegenüber Partnern auf der gleichen wie auf der gegenüber liegenden Marktseite. Diese erleichtert die Durchsetzung eigener Vorstellungen ungemein, wodurch der Aktionsspielraum und die Zahl vorteilhafter Verhaltensalternativen wachsen. Dadurch werden zugleich Stabilität und Kontinuität des Unternehmens begünstigt. Widerstrebende werden in ihrem antagonistischen Verhalten gemäßigt oder gehen ein hohes Risiko des Misserfolgs ein, wenn sie den Marktanführer angreifen. • Eine Beeinflussung der Gesamtmarktentwicklung im Sinne eigener Vorteilhaftigkeit wird möglich. Geschickt eingesetzt, kann die Marktstellung gefestigt und gegen Konkurrenten abgesichert werden, indem von mehreren strategischen Handlungsalternativen jeweils diejenige eingesetzt wird, die der Mitbewerb am wenigsten nachvollziehen kann. So können die eigenen Stärken ausgebaut und die Schwächen der Mitbewerber ausgenutzt werden. Allerdings gibt es auch nicht zu verkennende Nachteile der Marktführerschaft. Dazu gehören folgende: • Gravierende Folgen bei Produktenttäuschung drohen, denn ein festes Wertgefüge, das gewachsen ist und absichernd wirkt, wird damit erschüttert. Wenn Vertrauen missbraucht wird, ist dies nur sehr schwer bis gar nicht wieder gutzumachen. Denn es dauert sehr lange, bis ein Vertrauensschaden auch nur halbwegs in der Zielgruppe wieder repariert ist. • Es gibt vielfältige Angriffsfläche für Kritik. Die öffentliche Meinung hält Größe an sich schon für suspekt. Deshalb ist starke Zurückhaltung und freiwillige Selbstbeschränkung in den Aktionen erforderlich. Dies führt dazu, dass Marktanführer sich Aktivitäten versagen müssen, die für Marktfolger problemlos umsetzbar sind, weil sie eine gesamtwirtschaftliche Verantwortung tragen und nicht nur, wie jene, eine einzelwirtschaftliche. • Der Konflikt mit der Wettbewerbsgesetzgebung droht. Dies gilt für die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen ebenso wie für die Fusionskontrolle im GWB. Der Fokus der Kontrollorgane liegt besonders auf marktführenden Anbietern, weil bekannt ist, dass diese objektiv über die Möglichkeit zur Marktbeeinflussung verfügen und die Versuchung naheliegt, diese Option auch zu nutzen. • Inflexibilität ist eine latente Gefahr, denn Marktführerschaft erfordert höchste Wachsamkeit und Vorausschau, damit Manövrierunfähigkeit nicht zu Schiefla-

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gen führt. Denn hochrationelle Fertigung führt zu einem hohen Fixkostenblock infolge Standardisierung und damit zur Anfälligkeit gegen Marktänderungen. • Innovationshemmung kann unterstellt werden, denn Innovationen führen immer auch zumindest zur teilweisen Entwertung des Anlagekapitals. Deshalb sind Marktanführer selten Innovationsvorreiter, dies sind vielmehr erfolgshungrige Newcomer, die wenig zu verlieren und dafür alles zu gewinnen haben. Für Marktanführer bedeutet Innovation immer auch Existenzgefährdung ihrer Position. • Es kommt zur Begünstigung latenter Marktnischen, denn Spezialisten haben die Chance, die vom Marktanführer überlassenen Marktnischen erfolgreich zu füllen und Nachfrage von diesem abzuziehen. Der Marktanführer wird damit zur willkommenen Absatzquelle für alle Nischenanbieter. Gleichzeitig kann er diese in ihren Nischen nicht effizient angreifen, weil er sich dann verzettelt und damit seine Kernmärkte bedroht sind. 4.7.2 Marktherausforderer Marktherausforderer ist ein Anbieter, der innerhalb der Marktfolgerschaft dem Marktanführer seine, faktische oder kommunikative, Stellung streitig machen will. Dies ist nur durch aggressiven Maßnahmeneinsatz möglich. Typisch sind dafür der Ansatz niedriger Preise, das Angebot komparativ besserer Qualität bzw. Services, Line Extensions zur Nachfrageausschöpfung, Innovationen in Produkte und Prozesse, intensive Werbung etc. Zu den Vorteilen beim Marktherausforderer gehören folgende: • Die Öffentlichkeit hat meist ein hohes Maß an Sympathie für den Marktzweiten (We try harder / Avis). Dieser Goodwill verstärkt die Wirkung eines Angriffs. • Kompetitive Aktivitäten führen zu einer Verunsicherung des Marktanführers durch den aufholenden Herausforderer (Cola-War Pepsi vs. Coke). • Der Marktherausforderer erhält für gewöhnlich politische und gesellschaftliche Unterstützung zur Vermeidung eines nicht-temporären Monopols des Marktanführers. • Der Marktanführer kann mit Problemlösungs-Innovationen überrascht werden, die von Nachfragern als Alternative meist gern aufgenommen werden. • Auch der Marktherausforderer kann, je nach Marktanteilssituation, über nennenswerte Skaleneffekte verfügen und damit kompetitive Preise durchsetzen. Dem stehen u. a. folgende Nachteile beim Marktherausforderer gegenüber: • Belastbare Marktaktivitäten erfordern einen hohen Mitteleinsatz mit begrenzter Wahrscheinlichkeit auf Return on Investment. Zudem wird dem Marktanführer ein „eingebauter Vorsprung“ zugeschrieben.

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• Wenn der Marktanführer sich durch die Situation nicht beirren lässt, verpuffen kompetitive Maßnahmen rasch wirkungslos. • Im Misserfolgsfall besteht durchaus ein existenzielles Risiko, da der Marktanführer unliebsame Herausforderer gern dauerhaft auf Distanz halten möchte. Insofern hat man selten mehr als einen „Anlauf“ zum Markterfolg. • Am Markt herrscht eine überlegene Kompetenzzumessung und Marktmacht beim Marktanführer, die erst einmal auszuhebeln ist, bevor man reüssieren kann. • Die Zeit der Herausforderung verändert Märkte vor allem in Bezug auf den Preis, der in der Nachaktionsphase kaum mehr auf das alte Niveau zurückzuschrauben ist. Dies impliziert langfristige Gewinneinbußen.

Abbildung 42: Handlungsoptionen des Marktherausforderers

Für die Vorgehensweise sind nach Kotler zwei Dimensionen von Bedeutung, und zwar die Ressourcenrelation, d. h. das Verhältnis der aktivierbaren eigenen Ressourcen im Vergleich zu denen der Konkurrenz, diese ergibt sich zu eigenem Vorteil oder zu fremdem Vorteil, sowie der Konfrontationsschwerpunkt, d. h. Art und Ausmaß der Angriffsfläche, die der Angreifer gegenüber der Konkurrenz bietet, dieser ist direkt oder indirekt. Aus der Kombination beider Ausprägungen entstehen vier Handlungsoptionen (siehe Abbildung 42: Handlungsoptionen des Marktherausforderers). Direkte Konfrontation bei eigenem Ressourcenvorteil ergibt den Frontalangriff. Hier werden Konkurrenzhindernisse durch Nutzung eines Wettbewerbsvorsprungs überwunden. Es handelt sich um eine Strategie der Stärke. Der Marktanführer wird gleichzeitig in mehreren zentralen Bereichen unter Druck gesetzt. Der hierfür notwendige Ressourceneinsatz ist sinnvoll bei überlegenen Produkten / Dienstleistungen und dem Ziel einer Marktverdrängung. Diese Strategie wendeten z. B. die Großbanken beim Eintritt in das Privatkundengeschäft an. Bis Ende der 1960er Jahre war dieses eine Domäne der Sparkassenorganisationen gewesen. Erst als sich die Deutsche Bank zur Kleinkreditvergabe entschloss, trat sie in diesen Markt ein und konnte durch ihre straffere

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Organisation die Sparkassen überflügeln. Ähnliches wurde durch das Angebot von Versicherungsleistungen probiert, die über Cross Selling die überlegene Distribution der Großbanken zusätzlich kapitalisieren sollten. Allerdings ergaben sich dabei nennenswerte organisatorische Hemmnisse. Indirekte Konfrontation bei Ressourcenvorteil ergibt den Flankenangriff. Hier werden Konkurrenzhindernisse durch Veränderung der Marktstrukturen umgangen. Es handelt sich um eine Strategie der Ausnutzung von Wettbewerbsschwächen. Hierbei erfolgt eine Konzentration auf die Geschäftsaktivitäten, die für den Marktanführer weniger wichtig sind und daher von ihm schwächer verteidigt werden, bei denen er deutliche Schwächen aufweist, die nicht zu verteidigen sind, oder von ihm noch nicht eindeutig besetzt worden sind. Im nächsten Schritt kann dann das Kerngeschäft attackiert werden. Als Beispiel sei die Autovermietung Sixt genannt. Aufgrund der Distributionsstruktur war Sixt eigentlich ohne Chance gegen die etablierten Autovermieter. Deren partieller Nachteil war jedoch, dass sie durch Flottenverträge im Wesentlichen an bestimmte Automarken gebunden waren. Hier setzte Sixt den Hebel an und bot interessante Modelle, z. B. Mercedes-Benz CLS-Klasse, Porsche 911 Cabrio, zu reißerischen Konditionen an. Dort konnte der Wettbewerb nicht folgen, und Sixt gehört zwischenzeitlich zu den Topanbietern am Markt. Direkte Konfrontation bei eigenem Ressourcennachteil ergibt den Guerillaüberfall. Hier werden Konkurrenzhindernisse durch sukzessive Reduktion der Zugangsbeschränkungen und Unterminierung der Marktstruktur überwunden. Dabei werden für den Marktanführer zwar schmerzhafte, aber begrenzte Maßnahmen angewendet. Dies eignet sich für kleine, an sich ressourcenschwache, aber flexible Unternehmen, die durch gezielte „Nadelstiche“ ihren Opponenten zermürben wollen. Als Beispiel mag Eurocard gelten, das sich für das Angebot von Credit Cards über den neuen Weg der Kooperation mit Großbanken entschloss. Dadurch wurde dieser Markt für alle Nachfrager geöffnet, die zwar mit ihrem Kreditinstitut, nicht aber mit Credit Card-Anbietern Kontakt hatten. Durch diese Innovation im Distributionsweg wurden nicht nur die Marktstrukturen, sondern auch die Marktanteile verändert. Es kam zu einer raschen Sättigung des Nachfragepotenzials, und der langjährige Marktanführer Amexco geriet in Zugzwang. Indirekte Konfrontation bei eigenem Ressourcennachteil ergibt den Vorbeiangriff. Hier soll die Reaktionsverzögerung zur Überwindung von Konkurrenzhindernissen verhelfen, indem ein „neues Spiel“ aufgesetzt und der „Marktplatz“ verschoben wird. Nachdem dieses Ablenkungsmanöver gegriffen hat, kann der Marktanführer in seinem Kerngeschäft angegriffen werden. Als Beispiel kann der berühmte Cola-War der 1990er Jahre in den USA gelten. Pepsi startete dabei eine Werbeoffensive gegen den traditionellen Marktanführer Coke. Inhalt der „New Generation“-Kampagne war es, Coke-Trinker als altmo-

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disch und hausbacken zu diskriminieren, indem die wirklich hippen und coolen Leute sich zu Pepsi bekannten. Diese Kampagne wurde mit enormem Werbedruck gefahren und erwischte Coke völlig unvorbereitet. In die Defensive getrieben, versuchte man sich in eine Änderung der Rezeptur zu retten, da in Blindtests der Geschmack von Pepsi als überlegen wahrgenommen wurde. Dies vergrößerte jedoch nur die Angriffsfläche für Pepsi, so dass ein marktliches Desaster entstand. Erst als sich Coke auf die Souveranität seiner Marktführerschaft besann, konnte der Angriff von Pepsi, und das bis zum heutigen Tag, abgewehrt werden. 4.7.3 Marktmitläufer Marktmitläufer sind weitere Anbieter innerhalb der Marktfolgerschaft, die im Windschatten des Marktanführers und -herausforderers prosperieren. Zu den Vorteilen beim Marktmitläufer gehören folgende: • Die Position des Marktmitläufers ist defensiv ausgerichtet (Low Profile). Insofern ist er i. d. R. keinen aggressiven Attacken der Konkurrenten ausgesetzt, so dass er weitgehend unbehelligt bleiben kann. Dadurch sichert er mittelfristig seine Marktpräsenz. • Der Vermarktungsaufwand kann heruntergefahren werden, so dass trotz limitierter Preisakzeptanz auskömmliche Gewinne verbleiben. Häufig wird dabei auf die Verwechslungsfähigkeit der konvergierenden Angebote am Markt gesetzt. • Diese Position eignet sich besonders für KMUs wie familiengeführte Unternehmen, deren Managementkapazität und Kapitalmarktzugang ansonsten den Zugang zu marktführenden Positionen verschließt. Das ist dann nicht Wahl, sondern Vorgabe. • Großunternehmen tolerieren Marktmitläufer häufig als „Alibi-Konkurrenz“ gegenüber den Wettbewerbsbehörden (z. B. Markentankstellen vs. Freie Tankstellen, Microsoft vs. Apple), so dass ihnen vergleichsweise wenig Gefahr droht. Dem stehen u. a. folgende Nachteile beim Marktmitläufer gegenüber: • Marktmitläufer befinden sich in latenter Verdrängungsgefahr, denn die für moderne Produktionsbedingungen typischen hohen Ausbringungsmengen zur Erzielung von Kostendegressionseffekten fehlen bei ihnen und verhindern kompetitive Preise. • Auch ist die Profilierung des Angebots gegenüber der Nachfrageseite nicht so ausgeprägt, dass sie die Abschöpfung eines fortgeschrittenen Preisniveaus erlaubt. Damit befinden sich Marktmitläufer in der gefährlichen Mittenposition des Markts, die im Rahmen der Polarisierung der Angebotsstellungen auszudünnen droht. • Marktmitläufer sehen sich kontinuierlich der Gefahr ausgesetzt, durch Kollateralschäden am Markt zwischen Marktanführer und -herausforderer zerrieben

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zu werden. Dies gilt vor allem für die Auslösung von Preiskriegen, wie sie im Einzelhandel typisch sind. • Marktmitläufer werden häufig Übernahmeobjekte (M & A), da sie melde- bzw. zustimmungspflichtige Marktanteilsgrenzen unterschreiten und mit begrenzten Finanzmitteln auszahlbar sind. Dies bedeutet dann das Ende der selbstständigen Existenz. Angesichts dessen sind denkbare Optionen die Positionsverteidigung oder der Strategische Rückzug. Für eine Positionsverteidigung ergeben sich folgende Optionen: • Flankenpositionssicherung. Dies bedeutet, dass periphere Marktfelder verstärkt bearbeitet werden. Dadurch hofft man, Verluste im zentralen Marktfeld ohne größeren Widerstand kompensieren zu können. Denkbar ist die Kooperation mit marktmächtigen Akteuren. • Bewegliche Verteidigung. Dies impliziert das Ausweichen auf Angebotsparameter, die sich einer direkten Vergleichbarkeit entziehen. Dies bedingt allerdings die Gefahr, dabei auf gering involvierende Positionen verdrängt zu werden, die am Markt wenig bestandsfähig sind. • Vorbeugender Angriff. Dies entspricht dem Motto, dass Angriff die beste Verteidigung ist. Im Erfolgsfall kann damit wieder eine offensive Marktposition eingenommen werden. Im Versagensfall ist dann allerdings die Existenz des Marktmitläufers meist akut bedroht. • Gegenangriff. Hier wird auf einen konkreten Wettbewerbsvorstoß hin mit Aktivitäten geantwortet, um wieder einen „Einstand“ zu erreichen. Dabei greift der Marktmitläufer das Kernpotenzial des Herausforderers an, was als sehr riskantes Unterfangen zu gelten hat. Beim Strategischen Rückzug wird hingegen eine gefährdete Position aufgegeben, um Verluste zu limitieren und Kräfte für andere Marktfelder zu sammeln. 4.7.4 Marktnischenanbieter Marktnischenanbieter sind aktuelle oder potenzielle Unternehmen, die sich in der Marktfolgerschaft freiwillig mit einem kleinen Marktanteil begnügen und keinen Anspruch auf breite Marktpräsenz hegen. Im Gegensatz zum offensiven Marktherausforderer und zu defensiven Marktmitläufern verhalten sich Marktnischenanbieter neutral, solange ihre Geschäftsbasis unangetastet bleibt. Zu den Vorteilen beim Marktnischenanbieter gehören folgende: • Sie zeichnen sie sich oft durch überragende Qualitäts- und / oder Designanmutung aus. Beides vermag aus der Sicht bestimmter Zielgruppen ein höheres Preisniveau und eine geringere Erhältlichkeit zu rechtfertigen. Dazu gehören etwa am Lifestyle orientierte Hedonisten, aber auch gewerbliche Einkäufer.

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• Die okkupierten Marktanteile sind im Allgemeinen so niedrig, dass sie für überlegene Marktanbieter als Absatzquelle für Eroberungen nicht attraktiv erscheinen. Insofern bleiben Marktnischenanbieter „unter dem Marktradar“. • Der Spezialistenstatus erlaubt i. d. R. die Durchsetzung überhöhter Preise am Markt, die selbst bei unwirtschaftlicher Produktion („Manufaktur“) hohe Stückgewinne belassen. Dabei wirken allerdings Kaufkraft- bzw. Budgetrestriktionen ein. • Sofern das Produkt durch Schutzrecht zumindest temporär monopolisiert ist, kann die Marktnische im Zweifel auch gegen Angriffe verteidigt werden. Konkurrenten bleiben dann nur Umgehungserfindungen oder bewusste Rechtsschutzverstöße. Dem stehen u. a. folgende Nachteile beim Marktnischenanbieter gegenüber: • Es darf im Zuge des Erfolgs nicht zu einer ausufernden Popularisierung dieser Angebote kommen. Dann geht der Insidervorteil verloren. • Durch moderne Produktionskonzepte (Baumodule / Plattform / Postponement o. Ä.) können auch Großanbieter Marktnischen konkret besetzen. Zu diesem Zweck werden häufig eigene Marken gegründet bzw. aktiviert (am Beispiel Automobil Maybach / M-B, Cupra / Seat, Infiniti / Nissan, Acura / Mazda etc.). Dies ist eine existenzielle Gefahr, weil Marktnischenanbieter meist nicht ausweichen können. • Durch Nachfrageveränderungen können Marktnischen von gestern für morgen nicht mehr tragfähig sein. Zugleich können sich aus dem gleichen Grund zwar neue Marktnischen eröffnen, allerdings bleibt fraglich, ob der Marktsegmentierer davon profitieren kann. • Häufig werden diese Unternehmen von Konzernen übernommen, um sie stillzulegen und nur deren Marken eigenständig weitergeführt, dann aber mit Großserientechnik. Jedoch wird dies für gewöhnlich vom Insidermarkt durchschaut. Die Modemarke Lacoste hat in dem Maße an Attraktivität verloren, wie sie in immer breiteren Kreisen der Bevölkerung Zuspruch fand. Dies machte neue Nischen für profilierte Modeanbieter frei, denen sich ehemalige Lacoste-Anhänger zuwandten. Im gleichen Maße ging die Referenzfunktion der Marke verloren, die wiederum für zugewanderte Nachfrager von hoher Bedeutung war. Am Ende stimmte die Akzeptanz dann weder bei den alten noch bei den neuen Kunden. Als Beispiel für erfolgreiche Nischenstrategien können im UE-Markt Bang &  Olufsen und Loewe Opta gelten. Beide sind in einer hoch kompetitiven, von vorwiegend japanischen Anbietern dominierten Branche tätig, die üblicherweise keine Überlebenschance für Unternehmen unterhalb einer kritischen Größe und mit komparativen Standortnachteilen lässt. Dennoch prosperieren beide recht gut, weil sie sich auf die Nischenkombination Top-design und High-tech kapriziert haben. Außergewöhnliche technische Lösungen abseits des Mainstream, gepaart

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mit hoch ästhetischer Produktformgebung, schaffen eine relative Alleinstellung, die es ermöglicht, höhere als die allgemein gängigen Marktpreise zu erlösen. Diese wiederum decken die höheren FuE- bzw. Fertigungskosten ab. Anbieter, die eine Marktnische zu besetzen suchen, sollten wissen, ob es sich dabei um eine latente oder manifeste Marktnische handelt: • Eine latente Marktnische liegt vor, wenn einem konkretisierten Nachfragerbedarf zwar kein Angebot gegenüber steht, potenzielle Kunden daher aber in verwandten Marktsegmenten kaufen (z. B. Abführmittel statt Präparat gegen Reizdarm). Sie wechseln dann aber bereitwillig den Anbieter, sobald ihnen ein adäquat erscheinendes Angebot für ihren Bedarf präsentiert wird (z. B. Melatonin Einschlafspray). • Eine manifeste Marktnische ist gegeben, wenn einem konkretisierten Nachfragerbedarf kein Angebot gegenüber steht und die potenziellen Kunden dort konsequenterweise auf den Kauf verzichten. Eine solche Situation ist allerdings sehr selten, selbst kleine Marktnischen sind heute mehrfach besetzt (z. B. preisgünstige Designermode durch Secondhand-E-Shops wie Rebelle, Preluv, vite-envogue). 4.7.5 Neue Spielregeln am Markt Es gibt es in jedem Markt eingefahrene „Spielregeln“, die als ungeschriebene Gesetze dafür gelten, wie man ein Geschäft sinnvoll und belastbar zu betreiben hat. Die dort verbliebenen Anbieter haben diese Spielregeln („Old Game“) bis zur Perfektion ausgereizt. Ist jedoch die Ausgangsbasis suboptimal, so wird auch eine kontinuierliche Verbesserung letztlich suboptimal bleiben. Diese Suboptimalität rührt häufig daher, dass die Spielregeln Restriktionen voraussetzen, die so objektiv nicht erforderlich sind. Stellt man diese Restriktionen daher in Frage, entstehen neue Spielregeln („New Game“), die eine Restrukturierung der Marktverhältnisse erlauben und damit noch zu Durchbruchserfolgen führen können. Betriebswirtschaftlich wird dies im Business Process Reengineering exerziert. Daher ist zu prüfen, ob es für die Restriktionen der bestehenden Spielregeln plausible Gründe gibt oder ob diese tatsächlich obsolet sind. Für diesen Fall kann ein neues Spiel eröffnet werden. Dieses Spiel kann sich auf den Gesamtmarkt beziehen („Head on“) oder auf eine Marktnische („Avoid“). Das Kriterium „Wie konkurrieren?“ unterteilt sich in die Alternativen: • nach bekannten Spielregeln (Anpassung an das Old Game) oder • nach neuartigen Spielregeln (Veränderung durch New Game). Durch Änderung der Spielregeln werden die Grundlagen der Wettbewerbs verändert. Dies kann sich auf die intensivere Bearbeitung des Kernmarkts erstrecken oder auf Versuche in Teilmärkten beschränkt bleiben.

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Das Kriterium „Wo konkurrieren?“ unterteilt sich in die Alternativen: • im Zentralmarkt (auf breiter Front als Head-on) oder • in einer Marktnische (durch Ausweichen als Avoid). Daraus ergeben sich vier Kombinationen, die das Strategische Spielbrett bilden und aus denen strategische Optionen folgen (siehe Abbildung 43: Optionen im Strategischen Spielbrett). Wird die Anwendung bekannter Regeln auf dem Zentralmarkt durch überlegene Marktabdeckung auf breiter Front versucht, so wird auf bestehende Haupterfolgsfaktoren gebaut. Dies ist die Kombination aus Old Game und Head-on. Werden bekannte Regeln nur auf einem Teilmarkt durch Konzentration auf eine erfolgversprechende Marktnische angewendet, so herrscht eine pragmatische Segmentierung vor. Dies ist die Kombination aus Old Game und Avoid.

Abbildung 43: Optionen auf dem Strategischen Spielbrett

Spektakulärer sind jedoch disruptive Formen als New Game. Dabei erfolgt die Anwendung neuer Regeln auf einem Teilmarkt durch Ergreifen der Initiative dort. Dies entspricht der Innovation in einer Marktnische und stellt die Kombination aus New Game und Avoid dar. Ein Beispiel für Innovation in einer Marktnische ist Zalando als Online-Fachversandhandel, zunächst für Schuhe, dann für Mode nach dem amerikanischen Vorbild von Zappos. Bekannt wurde Zalando durch aggressive Werbung und die Garantie des kostenlosen Umtauschs zurückgesandter Ware („Schrei vor Glück oder schick’s zurück“), die ansonsten nur bei mangelhafter Ware möglich war. Die daraus resultierende, hohe Retourenquote (> 50 %) wirkt allerdings bis heute erheblich renditeschmälernd.

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Die Anwendung neuer Regeln auf dem Zentralmarkt entspricht der Änderung der Grundlagen des Wettbewerbs durch Differenzierung zum eigenen Vorteil. Dies ist die Kombination aus New Game und Head-on. Ein Beispiel für Differenzierung im Zentralmarkt ist Amazon, der erste und größte Online-Universalversandhandel. Ausgehend von einem Spezialversandhandel für Bücher wurde das Sortiment auf alle nur erdenklichen Artikel ausgeweitet. Als Erfolgsfaktor gilt dabei die Customer Centricity, also die Steuerung des Einkaufserlebnisses von Konsumenten. Basis sind die kumulierten Informations- und Transaktionsdaten, Treiber sind immense Gewinne aus dem CloudComputing (Amazon Web Services / AWS). Für die Anlegung neuer Spielregeln finden sich zahlreiche Beispiele. So bietet Netflix ein Streaming-Angebot anstelle des traditionellen linearen Medienangebots sowie eigene spektakuläre Film- und Serienproduktionen. AirBnB bietet private Vermietungen auf Zeit an und verdrängt damit Hotellerie- und Gastgewerbe (allerdings gibt es Regulierungstendenzen). Apple revolutioniert den Mobil­telefonMarkt aus Klapphandys mit dem iPhone und schafft ein eigenes zugehöriges ÖkoSystem. Uber organisiert Fahrzeug-Sharing gegen Taxis und ÖPNV (allerdings ebenfalls mit Regulierungstendenzen). Auch Deutschland bringt viele solcher Game Changer hervor: – Auto 1 (bekannt durch Wirkaufendeinauto.de (B-t-C), auto1.com (B-t-B), Autohero (Gebrauchtwagen)) hat den unprofessionellen, teils betrügerischen Gebrauchtwagenhandel durch ein seriöses, transparentes System mit Vertragshändlern, Festpreisgarantie und Komplettservice abgelöst. – Celonis bietet Geschäftsprozess-Software an, welche die Prozesse im Unternehmen abbildet und das darin verborgene Prozesswissen offenlegt. Dies ist ein völlig neuer Ansatz, der z. B. für Prognosen (Data Forecasting) genutzt werden kann. – DeepL bietet einen Online-Übersetzungsdienst (zahlungspflichtig) und abgestrippt auch kostenlos / werbefinanziert (Linguee). Der Game Changer war hier die Nutzung Künstlicher Intelligenz (trainiert durch Linguee), die bei zusammenhängenden Wortfolgen (Kontext) international unstreitig führend ist. – Flix Mobility (private Bus- und Bahnreisen) hat die Reform des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) genutzt, das die Bahn vordem vor Linienverkehr auf Straße und Schiene schützte. Die Angebote sind preiswert, pünktlich und dennoch komfortabel. – Hello Fresh ist der führende Anbieter von Kochboxen und liefert frische, vorportionierte Zutaten zusammen mit Rezepten bis an die Haustür. So können Mahlzeiten individuell zusammengestellt, bequem über die Webseite oder App bestellt und anschließend die ausgesuchten Gerichte aus frischen Zutaten selbst zubereitet werden. Dies verändert die Art und Weise, wie Menschen sich ernähren.

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– Motel One (Budget-Hotelkette) konzentriert sich auf hochwertige Kernleistungen und verzichtet auf Schrank, Telefon, Minibar, Zimmerservice etc., sondern setzt stattdessen auf Designelemente, große Lobby, Automation u. Ä. Zielgruppe sind eindeutig Städte- und Geschäftsreisende. – Munich RE als Rückversicherer, aber auch Erstversicherer (Ergo), übernahm das Insurtech-Prinzip (online)  für neue Versicherungsprodukte wie situative kurzzeitige On-Demand-Policen (z. B. Urlaub, Zahnarzt) und konnte damit neue Märkte erschließen. – Personio entwickelt eine HR-Plattform für KMUs und macht durch High-tech Personalprozesse transparent und gestaltet sie effzient, damit sich die HR-Teams um das wirklich Wichtige kümmern können, die Mitarbeitenden. Dazu gibt es eine All in One-Lösung für Recruiting, Personalverwaltung, Lohnabrechnung in einer Workflow Automation. – Rügenwalder ist ein traditioneller Fleisch- und Wurstwarenhersteller. Er entdeckte das Potenzial veganer Ernährung und bot als Erster im großen Stil vegane Fleischersatzprodukte an. Heute ist er Marktführer für nachhaltige, fleischlose Ernährung, einem der am schnellsten wachsenden Lebensmittelsortimente. – Sixt ist führend in Autovermietung (Flughafenschalter etc.), Carsharing (zunächst mit BMW) und Fahrdienstvermittlung. Jetzt kommen umfassende Mobilitäts-Dienstleistungen und ein großer E-Auto-Park hinzu. Damit wurde es möglich, führende internationale Anbieter zu überholen. – Teamviewer hat eine Fernwartungs-/Fernsteuerungs-Software für Screensharing entwickelt, die Videokonferenzen, Datentransfers und Virtuelle Private Netzwerke erlaubt. Basis ist dabei ein proprietäres Protokoll, dass öffentlichen Kommunikationsnetzen überlegen ist. Fördernd ist dabei der Trend zu Home Office. – Würth ist ein Großhändler und Hersteller von Montage- und Befestigungstechnik, vor allem Schrauben und Dübel (Hilfsstoffe). Er baute das Hilfsstoffmanagement zu einem eigenständigen Geschäftsfeld mit umfangreichen Kundendiensten aus und ist dort weltmarktführend. – Zalando ist ein Versandhändler für Schuhe, Mode, Kosmetik (Schrei vor Glück oder schick’s zurück) und setzte konsequent auf E-Commerce statt stationärem Handel oder Versandhaus. Dies wird zwischenzeitlich in Variationen kopiert (About You / Otto, Net-A-Porter, Outfittery etc.). Viele von ihnen haben Einhorn-Status (Unicorns) erreicht, haben also als nicht-börsennotierte Unternehmen einen Wert von über 1 Mrd. € wie online Auto 1 Group, N26 (Online-Retailbank), Celonis (B-t-B-Software), About You (Bekleidung), Omio (Spezial-Suchmaschine), GetYour Guide (Online-Touristenführer) sowie offline Ottobock (Orthopädieprothetik), Nucom Group (Telcom), CureVac (Arzneimittel).

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4.8 Markttiming 4.8.1 Statische Perspektive 4.8.1.1 Pionier Schließlich ist zur Bestimmung der Strategie noch die Wahl des Markttiming erforderlich. Auch dabei stellen sich zwei Alternativen, erstens nach der Innovationsneigung als innovativer oder adaptiver Ansatz sowie zweitens nach der Initiative als aktiver oder passiver Ansatz. Die Innovationsneigung gibt an, ob eine Tendenz zu eigenständigen oder übernommenen Lösungen besteht, die Initiative gibt an, ob eine Neigung zum Vorstoß oder zur Verfolgung im Wettbewerb besteht. Entsprechend dieser beiden Dimensionen mit je zwei Einteilungen ergeben sich vier Optionen des Markttiming (siehe Abbldung 44: Optionen der Innovationsneigung): • Der Pionier agiert offensiv und risikoaffin, er ist initiativ und stark innovativ. • Der Frühe Folger agiert offensiv und risikoaffin, er ist initiativ und vorsichtig innovativ. • Der Späte Folger agiert defensiv und risikoavers, er ist reaktiv und begrenzt innovativ. • Der Nachzügler agiert defensiv und risikoavers, er ist reaktiv und imitativ.

Abbildung 44: Optionen der Innovationsneigung

Pioniere sind Innovationsführer durch Original und halten unablässig nach neuen Märkten bzw. Produkten Ausschau (innovativ) und nehmen Chancen entschlossen wahr (aktiv). Zur Philosophie dieser Unternehmen gehört es, Ansätze technischen Fortschritts unvermittelt umzusetzen und daraus Chancen für Wettbewerbsvorsprünge abzuleiten. Sie sind gekennzeichnet durch umfangreiche FuE, hohe Finanzstärke und Risikofreudigkeit. Die Chancen des Pioniers sind vor allem die Folgenden: • Am Anfang eines Innovationszyklus besteht noch kein direkter Konkurrenzeinfluss. Insofern bleibt der Innovator zumindest vorübergehend von den unliebsa-

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men Konsequenzen des Wettbewerbs verschont. Daraus resultieren preispolitische Spielräume, die sich meist als Abschöpfungspreispolitik materialisieren, die vorübergehend überdurchschnittliche Spannen (Produzentenrente) und schnellen Return on Investment ermöglichen. Es besteht die Möglichkeit zur Etablierung eines dominanten Standards, für den jedoch eine rasche Diffusion von Neuerungen Voraussetzung ist. Hinzu treten eigene Gewerbliche Schutzrechte als Marktbarriere. • Die Mengensteigerung bringt durch einen Vorsprung auf der Erfahrungskurve langfristige Kostenvorteile (Boston-Effekt). Der frühe Eintritt in einem Markt schafft dort die längste Verweildauer und damit, zumindest potenziell, die Möglichkeit zum höchsten kumulierten Gewinn. Dieser resultiert aus dem Aufbau von Markt-Know-how und Kundenkontakten. Dadurch ist eine attraktive Produkt-/ Marktposition einzunehmen. Der Innovator hat oft Imagevorteile durch einen generellen Goodwill (Ruf als Pionier) in der Öffentlichkeit, weil Produktneuheiten emotional positiv besetzt sind. Es gibt die Chance zur Wahl des potenzial­ stärksten Absatzkanals und die Möglichkeit zu dessen Belegung. Die Risiken des Pioniers sind hingegen folgende: • Er trägt als Schrittmacher immer die größte Ungewissheit über die weitere Marktentwicklung. Insofern bedarf es hoher Risikoaffinität zur Einnahme dieser Rolle. Man kann keine fremden Vorbilder nutzen, etwa hinsichtlich der Abschätzung der Nachfragebedingungen. Es besteht die wachsende Gefahr von Technologieschüben, die Innovationsvorsprünge, und alle damit verbundenen hohen Aufwendungen, entwerten. Um seine Vorteile zu nutzen, muss der Innovator eine vorübergehende Marktmonopolisierung durchsetzen. Dies sicherzustellen, hat hohe Markterschließungskosten zur Folge, da keine „Infrastruktur“ vorhanden ist. Die dabei entstehenden Kosten lassen die Gefahr des Überholens durch Niedrigkosten-Imitatoren, die sich die geschaffenen Rahmenbedingungen zunutze machen, entstehen. • Neuerungen sind definitionsgemäß mit höheren Risiken für Abnehmer verbunden als bestehende Angebote, insofern ist ein hoher Überzeugungsaufwand bei Kunden zu leisten, und zwar umso mehr, als je bedeutsamer die Neuerung von Abnehmern wahrgenommen wird. Dazu ist die Weckung latenter Bedürfnisse notwendig. Zur Marktreifung von Neuerungen ist die Mobilisierung hoher FuEAufwendungen erforderlich. Da zugleich der Payback ungewiss bleibt, hängt die Existenz des Innovators nicht selten vom Erfolg jeder einzelnen neuen Produktgeneration ab. Zudem besteht die Gefahr der Überalterung von Erstinvestitionen. Das Auftreten von „Kinderkrankheiten“ am neuen Produkt / Prozess ist wahrscheinlich. Hinzu kommen Pionierkosten für Produktionserlaubnis, Auflagen, Kundenschulung, Infrastrukturaufbau, Ressourcenerschließung, Komplementärproduktentwicklung etc. Als Beispiel für einen Innovator mag der Launch des Walkman durch Sony dienen. Dieser Gerätetyp schien zunächst keine Marktberechtigung zu haben, da

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er im Unterschied zu traditionellen Cassettenrecordern keine Aufnahmefunktion hatte und im Unterschied zu herkömmlichen Stereoanlagen keine Lautsprecher. Sein Vorteil lag jedoch in den kompakten Abmessungen und der Portabilität. Getragen von aktiven Freizeittrends (Jogging, Power Walking, Cycling, Work-out) ist das Risiko der Investition durch millionenfachen Absatz belohnt worden. Eines der innovativsten Unternehmen in Deutschland ist die Robert Bosch GmbH. Von ihm stammen allein im Bereich der Automobiltechnik so bahnbrechende Erfindungen wie elektrische Zündkerze, Starterautomatik, Scheinwerfer, Benzineinspritzung, Blei-Cadnium-Batterie, Hydraulik-Bremse, Airbag, AntiBlockier-System, Antriebs-Schlupf-Regelung etc. Entsprechend ist Bosch der größte unabhängige Autozulieferer der Welt. Die Markthistorie kennt zahlreiche Beispiele sowohl erfolgreicher wie erfolgloser Pioniere. Aber auch Marktnachzügler sind sowohl durch Erfolg wie Misserfolg gekennzeichnet. Erfolgreiche Pioniere waren u. a. Minolta (mit der Autofocus-SLR-Kamera), Searle (mit dem Süßstoff Nutrasweet), DuPont (mit der Teflon-Beschichtung), Brita (mit Wasserfiltern), Pilkington (mit Floatglas gegen Corning). Erfolglose Pioniere waren u. a. Philips (mit dem Videorecorder-System 2000 gegen Matsushita), Hell (mit dem Telefaxgerät), EMI (mit der Computertomografie), De Havilland (mit düsengetriebenen Flugzeugen gegen Boeing), Xerox (mit Röntgenscannern gegen IBM), Diamond (mit MP3-Player gegen Apple). Erfolgreiche Frühe Folger waren u. a. IBM (mit dem Personal Computer gegen Xerox / Nixdorf / Apple), Intel (mit dem Mikroprozessorchip), Seiko (mit der Quarzuhr), Samsung (mit Mikrowellenherd gegen Raytheon), Microsoft (mit Webbrowser gegen Netscape), Samsung / Intel (mit Flashspeichern gegen Toshiba), Amazon (mit e-Book-Reader gegen Sony), Facebook (mit Sozialem Netzwerk gegen SixDegrees), Canon (mit Laserdruckern gegen Xerox / IBM). Erfolglose Frühe Folger waren u. a. Kodak (mit der Sofortbildfotografie gegen Polaroid), Sega (mit Computerspielen gegen Nintendo / Sony), KimberleyClark (mit der Einwegwindel gegen P & G), Matsushita / Pioneer (mit CD-Technologie gegen Sony / Philips). Pioniere sind auch häufig in der Lage, De facto-Standards für Anwendungen / Branchen zu schaffen. Beispiele sind folgende: – PC-Betriebssystem: Windows (Microsoft), Mikroprozessoren stationär: x86Serie (Intel), Mikroprozessoren mobil: ARM (ARM), Tonträger: CD-Format (Sony / Philips), Bildträger: Blu-ray (Sony), Programmiersprache für Web-Apps: Java (Oracle), CDMA-Technologie (gleichzeitige Übertragung verschiedener Datenströme auf einem Frequenzbereich): CDMA (Qualcomm), plattformun-

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abhängiges Dateiformat: PDF (Adobe), Animation: Flash (Adobe), Seitenbeschreibungssprache: PostScript (Adobe), Antiblockiersystem: ABS / TCS (Bosch), Kinofilmaufnahme: IMAX (IMAX). In der Vergangenheit wurde dem Pionier ein „eingebauter“ Erfolgsvorsprung zugeschrieben (First Mover Advantage auf Basis der PIMS-Study- oder empirischstatistischer Daten). Dies ist aktuell jedoch durchaus strittig, da zahlreiche andere Voraussetzungen als mindestens ebenso ausschlaggebend für den Erfolg angesehen werden wie der Zeitvorteil. Dies unterstreichen auch gescheiterte Innovatoren wie Sony (Betamax), Siemens (Telefax) oder Xerox (PC). Hinzu kommt, dass von einem Innovator’s Dilemma (Christensen) auszugehen ist. Darunter versteht man die Tatsache, dass disruptive Innovationen von Marktmitläufern oder auch neuen Anbietern häufig beizeiten von etablierten Anbietern erkannt und zügig, auch bei Unterminierung Gewerblicher Schutzrechte, in das eigene Angebot aufgenommen werden. Dies nimmt Innovatoren die Erfolgsbasis und kommt im Gegenteil der Marktposition der Nachahmer zugute. Allerdings gibt es auch umfangreiche Kritik an dieser These. So werden die dort angeführten Beispiele für einseitig und nicht nachvollziehbar gehalten (z. B. Einschätzung der Einführung des sehr erfolgreichen Apple iPhone als falsch, inkrementeller Innovatoren als durchweg wenig erfolgreich, von Kundenwünschen als Maßstab). Typisch ist auch eine Abfolge von Innovation und Imitation. Pionier am Markt der WWW-Suchmaschinen war AOL (später TimeWarner). AOL ist nach diversen Käufen und Verkäufen zwischenzeitlich am Markt untergegangen und hat als Verlierer zu gelten. Als Früher Folger etablierte sich bald Yahoo, das AOL verdrängen konnte. Auch Yahoo spielt heute keine wesentliche Rolle mehr am Markt. Als Später Folger folgte Google, das aufgrund überlegener Suchleistung (PageRank) seinerseits bald Yahoo verdrängte und heute den dominanten Web-Suchdienst stellt. Als Nachzügler schließlich fungieren Bing, Baidu oder Yandex, diese platzieren sich vor allem als Local Heros in bestimmten Ländern und Sektoren. 4.8.1.2 Früher Folger Frühe Folger sind Innovationsfolger durch Abwandlung und suchen systematisch nach der Adaptation von Neuerungen, ohne aber den ersten Schritt zur Umsetzung zu wagen (adaptiv / aktiv). Möglicherweise auch, weil diese Unternehmen selbst nicht forschungsintensiv genug sind, wohl aber entwicklungsstark. Sofern sich jedoch ein Innovator gefunden hat, beobachten sie dessen Markterfolg genau und übernehmen die Neuheit mit dem Ziel der optimierenden Veränderung. Dies ist für Unternehmen typisch, die visionären Neuerern zwar an Genialität unterlegen, jedoch an Kapitalkraft überlegen sind. Weil es darauf letztlich ankommt, haben es innovative Klein- und Mittelständler immer schwerer zu überleben.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Die Chancen des Frühen Folgers sind vor allem folgende: • Er trägt ein weitaus geringeres Risiko als der Innovator, weil bereits Erkenntnisse aus dessen Marktpräsenz und ein erster Überblick über die Marktentwicklung vorliegen. Die Erfahrungen des Pioniers können insoweit genutzt werden. Unter Umständen besteht noch die Möglichkeit zur Etablierung eines Alternativstandards, wenn die vorgestellten Standards nicht überzeugen und noch keine ausreichende Marktbreite erreicht haben (Tipping Point). • Die Marktpositionen sind noch nicht verteilt, insofern ist gegenüber dem Pionier noch kein entscheidender Boden verloren, und die Karten können neu gemischt werden. Allerdings arbeitet die Zeit gegen den Frühen Folger. Der Lebenszyklus des Marktes steht noch am Anfang, das bedeutet, bei Erfolg, stark steigende Wachstumsraten, geringe Wettbewerbsintensität und die Durchsetzung von Prämienpreisen, also ein insgesamt angebotsförderndes Umfeld. Die Risiken des Frühen Folgers sind hingegen folgende. • Möglicherweise bestehen Markteintrittsbarrieren des Innovators, etwa durch Gewerbliche Schutzrechte, Etablierung eines Systemstandards oder rasche Kostendegressionseffekte. Dann müssen Umgehungsmöglichkeiten gefunden werden. Es ist eine Strategieausrichtung am Innovator erforderlich, so dass nicht mehr unbedingt freie strategische Wahl im Maßnahmeneinsatz besteht. Es besteht die Notwendigkeit der Herausarbeitung eines eigenen komparativen Konkurrenzvorteils, da Nachfragern ansonsten kein Argument für die Angebotswahl offeriert werden kann, es sei denn, wenn sofern möglich, ein niedrigerer Preis. • Auf den Vorstoß des Innovators ist eine schnelle Reaktion erforderlich, da die Zeit für diesen arbeitet und eine Nachfolge durch andere Wettbewerber immer wahrscheinlicher wird, so dass die Position des Frühen Folgers vergeben ist. Weiterhin ist auch von einem baldigen Markteintritt weiterer Konkurrenten auszugehen, so dass die Zeitspanne zur Materialisierung von Marktvorteilen eng begrenzt bleibt. Insofern entsteht eine Zeitfalle, d. h., womöglich reicht die Zeit nicht, durch eine Produzentenrente die Aufwendungen der Marktreifmachung ausreichend zu alimentieren. Als Früher Folger ist McDonald’s aufgetreten, als es um zu einer erheblichen Wandlung im Fastfood-Markt kam. Wettbewerber waren frühzeitig auf frischere und gesündere Kost umgestiegen und gruben dem Marktpionier dadurch das Wasser ab. McDonald’s erkannte diese Entwicklung rasch und stieg ebenfalls auf leichtere und gesündere Kost um. Dies wurde durch eine große Marketingkampagne unter dem Slogan „I’m lovin’ it“ unterstützt und führte zu signifikanten Markterfolgen, welche die Marktführerschaft untermauerten.

4. Elemente der Strategieentwicklung

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4.8.1.3 Später Folger Späte Folger sind Innovationsführer durch Abwandlung und kaprizieren sich auf hohes Fachwissen und laufende Detailverbesserungen von Lösungen (innovativ / passiv). Hierbei steht die kundenspezifische Umsetzung allgemeinen technischen Fortschritts im Fokus. Hohe Produktqualität erlaubt Marktsegmentierung und strenge Kostenkontrolle auskömmliche Rendite auch bei kleinen Stückzahlen. Die Chancen des Späten Folgers sind vor allem die Folgenden: • Durch die Identifizierung und Besetzung von Marktnischen findet der Modifikator Schutz im hart umkämpften Markt, verbunden mit relativer Alleinstellung und der Möglichkeit zur Durchsetzung einer Preisprämie oder sonstigen Spielräumen bei der Preisgestaltung. Im Regelfall entstehen nur relativ geringe Entwicklungskosten, da viele Aufwendungen, vor allem solche der Grundlagenforschung, erspart werden können. Angewandte Forschung weist demgegenüber eine höhere Erfolgschance auf. • Der Modifikator geht weniger Risiko ein, weil er keine Durchbruchsinnovation vollzieht, sondern nur eine Inkrementalinnovation. Dadurch ist ein guter Kompromiss zwischen Innovationsnutzung und Begrenzung des Geschäftsrisikos erreichbar. Es besteht die Chance, durch frühzeitiges Reagieren dem immer rascher einsetzenden Preisverfall an den Märkten zu entgehen. Denn ehe dieser einsetzt, kann der Modifikator sich schon wieder auf die nächste Neuerung und deren Abwandlung stürzen. Die Risiken des Späten Folgers sind hingegen folgende: • Zunächst sind die Markteintrittsbarrieren etablierter Anbieter zu überwinden. Dazu gehören vor allem Gewerbliche Schutzrechte mit Ausschlussfristen, falls nicht eine Lizenzübernahme möglich ist. Bei Abnehmern ist meist viel Überzeugungsaufwand notwendig, um Zusatznutzen zu verdeutlichen, die erst auf den zweiten Blick erkennbar und nutzenrelevant sind, dafür aber gleich auf den ersten Blick einen nennenswerten Mehrpreis implizieren. • Es besteht die Gefahr, sich bei vielen Einzellösungen zu verzetteln, weil das Kernfeld des Markts durch den Innovator bereits besetzt oder sogar geschützt ist. Die Effektivität dieser Strategie ist dann in Zweifel zu ziehen. Weiterhin besteht die Gefahr, Großanbieter anzulocken, die ein größeres als das seither ausgeschöpfte Potenzial hinter der Marktnische vermuten und Märkte, selbst bei Fehlschlag, mit ihrem Angebot verstopfen. Als Beispiel für eine erfolgreiche Modifikation können ViewCams, d. h. Camcorder mit großem Sucherdisplay, Anfang der 1990er Jahre dienen. Camcorder stießen vorher vor allem bei älteren Personen, wegen mangelnder Sehschärfe infolge der sehr kleinen Sucheroptik, und bei Frauen, wegen der Make up-Gefahr beim engen Anliegen der Suchermanschette am Auge, auf Ablehnung. Sharp, ein Anbieter mit damals sehr kleinem Marktanteil, suchte nach einer erfolgverspre-

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

chenden Möglichkeit der Modifikation bisheriger Camcorder, welche die genannten Nachteile vermeidet und damit neue Zielgruppen für die Marke erschließt. Dies gelang durch den erstmaligen Einbau eines großen LCD-Bildschirms bei ansonsten unveränderten Camcorderfunktionen, der vom Gerät abgeklappt werden kann. Dies ermöglichte etwa älteren Personen eine große und klare Bildschirmdarstellung der Aufnahmeobjekte und Frauen die Aufnahmekontrolle auf Distanz zum Auge. Da außerdem auch allen anderen Zielgruppen ein Bequemlichkeitsnutzen geboten werden konnte, entwickelte sich der Marktanteil von Sharp rapide nach oben. Allerdings haben bald alle Camcorder-Hersteller derartige ViewCams ins Programm genommen. Weitere Beispiele für Späte Folger sind IBM bei PCs, Intel bei Mikroprozessoren, Seiko bei Quarzuhren oder Matsushita bei Videorecordern (alle erfolgreich) bzw. Kodak bei Sofortbildfotografie, DEC bei PCs, Loewe Opta bei Flachbildfernsehern oder SEGA bei Spielecomputern (alle erfolglos). 4.8.1.4 Nachzügler Nachzügler sind Innovationsfolger durch Imitation und reagieren nur aufgrund von der Umwelt mehr oder minder unausweichlich vorgegebenen Änderungen (adaptiv / passiv). Sie machen sich den Input von Innovatoren zueigen und beuten diesen aus. Das traf etwa in den Anfängen des japanischen Wirtschaftswunders zu und gilt heute für andere fernöstliche Anbieter (Take-off Markets). Dies beginnt mit dem simplen Abkupfern von Produktideen und der konsequenten Wertanalyse zur Einsparung von Gestehungskosten an verdeckten Stellen mit nicht sofort feststellbaren Folgen. Kommen kostengünstige Arbeitsbedingungen hinzu, ist der Anbieter in der Lage, auf den ersten Blick verwechslungsfähige Produkte gegenüber anderen signifikant billiger anzubieten. Dies endet in sklavischer Nachahmung, die, oft Gewerbliche Schutzrechte missachtend, Me too-Angebote präsentiert. In vielen Fällen geringen sozialen, persönlichen oder finanziellen Risikos reicht die gebotene Leistung tatsächlich auch aus. Die Chancen des Nachzüglers sind vor allem folgende: • Dem Nachzügler entstehen erheblich niedrige FuE-Aufwendungen, wenn es nicht sogar zu einer reinrassigen Kopie des Originals kommt. Die ersparten Kosten können voll im Preisvorteil weitergegeben werden. Die Anlehnung an Standards schafft Sicherheit für die Vermarktung durch ausgereifte Technik und hohen Verbreitungsgrad. Insofern ist die Gefahr von Fehlinvestitionen vergleichsweise geringer. Das erforderliche Know-how kann ggf. zugekauft werden, so dass es letztlich weniger eine Frage des Erfindungsreichtums, sondern eher eine der Finanzkraft ist, ob ein Markt bearbeitet werden kann oder nicht. • Infolge des bereits fortgeschrittenen Lebenszyklus besteht eine geringere Unsicherheit über die weitere Marktentwicklung, da von einer üblicherweise vor-

4. Elemente der Strategieentwicklung

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zufindenden Projektion auszugehen ist. Da bereits fortgeschrittene Produktver­ sionen vermarktet werden, können Standardisierungspotenziale weitgehend ausgenutzt werden. Dies ermöglicht niedrigere Gestehungskosten. Die Risiken des Nachzüglers sind hingegen folgende: • Nachzügler haben es mit bereits etablierten Konkurrenten zu tun, die darauf angewiesen sind, nach der risiko- und aufwandsreichen Startphase eines Marktes dort auch weiterhin erfolgreich zu bleiben, um einen angemessenen Return on Investment zu erreichen. Entsprechend groß wird deren Widerstand sein. Es besteht die Notwendigkeit des Aufbrechens von Geschäftsbeziehungen, die sich im Zeitablauf zwischen bereits vorher marktpräsenten Unternehmen und ihren Kunden etabliert haben. Es besteht die Gefahr von Preiskämpfen, denn der Nachzügler wird, und kann, beinahe nurmehr durch niedrigere Preise zum Erfolg kommen, den aber auch die bestehenden Anbieter für ihren Absatz brauchen und deshalb ihrerseits mit Preisunterbietungen darauf reagieren. • Durch die bloße Imitation innovativer Lösungen kann es nicht zur Entstehung von eigenem technischen Know-how kommen, das wiederum Voraussetzung ist, eines Tages als Innovator aufzutreten. Für den Fall, dass der Lebenszyklus schon zu weit fortgeschritten ist und die verbleibende Marktpräsenz nicht mehr ausreicht, einen genügenden Mittelrückfluss zu erwirtschaften, bleiben Fehlinvestitionen in Produktion und Verwaltung. Regelmäßig ergeben sich Imagenachteile, die aus minderer Bewertung der Leistung im Publikum resultieren. Inwieweit dies ausschlaggebend für Kaufentscheide ist, hängt von der jeweilig betroffenen Produktart ab (Flops wie z. B. Microsoft Zune, Amazon Fire). Als Beispiel kann die Benutzeroberfläche Windows gelten. Sie imitierte die Ikonensteuerung des Apple-Betriebssystems und bot damit auf MS-DOS-Rechnern annähernd dessen Bedienungskomfort, freilich erst mit erheblichem Time lag, dafür aber auch erheblich preisgünstiger. Chinesische Autohersteller greifen derzeit die technischen Standards west­ licher und japanischer / koreanischer Produzenten auf und setzen diese, teilweise Gewerbliche Schutzrechte grob missachtend, unter Nutzung ihrer standortspezifischen Kostenvorteile in eigene Produkte um. Noch werden deren unzulängliche Bemühungen belächelt. Erfahrung aus dem Erfolg anderer fernöstlicher Produzenten zeigt jedoch, dass dies im Gegenteil sehr ernst zu nehmen ist. Auch diese, heute vollständig am Markt etablierten Anbieter, haben mit der Kopie westlicher Standards begonnen. Ihre Lernkurve verlief jedoch sehr steil, so dass sie sich rasch zu nennenswerten Konkurrenten entwickelten. In gleicher Weise oder noch schneller dürfte sich dies angesichts der enormen Ressourcen Chinas vollziehen. Schattengleich folgt die Gefahr der übergroßen Abhängigkeit von diesem diktatorischen Land.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

4.8.2 Dynamische Perspektive 4.8.2.1 Outpacing-Konzept Das Outpacing-Konzept versucht eine Aussage über den komparativen Erfolg einzelner strategischer Gruppen zu treffen. Es nimmt eine komparativ-statische Perspektive ein und besteht aus einer Matrix mit den Dimensionen • wahrgenommener Produktwert (Qualitätsvorteil), • effektive Prozesskosten (Preisvorteil) eines Angebots am Markt. Beide Dimensionen sind jeweils ordinal (hoch / niedrig) unterteilt. Es wird davon ausgegangen, dass zu Beginn der Marktpräsenz (= Ausgangssituation) der wahrgenommene Produktwert eines Angebots durch Zielpersonen für gewöhnlich mangels Kenntnis und Vertrauen eher gering ist, zugleich die entstehenden Prozesskosten mangels Größen- und Erfahrungsdegression aber eher hoch sind. Erreicht werden soll im Ergebnis genau das Gegenteil, nämlich ein hoher wahrgenommener Produktwert bei gleichzeitig niedrigen, dafür anfallenden Prozesskosten (= Endsituation). Die konkurrierenden Anbieter stehen in einem Wettlauf um den schnellstmöglichen Weg von der Ausgangs- zur Endsituation und versuchen dabei, einander zu überholen. Für dieses Outpacing gibt es zwei grundsätzliche Wege (siehe Abbildung 45: Alternativen im Outpacing-Konzept).

Abbildung 45: Alternativen im Outpacing-Konzept (eig. Darst.)

Zum einen kann versucht werden, über Leistungsführerschaft bei akzeptierten hohen Prozesskosten zunächst den wahrgenommenen Produktwert zu steigern (= proaktives Outpacing). Danach wird dann versucht, über Standardisierung, z. B. Gleichteilekonzepte, die Prozesskosten bei unverändert hohem Produktwert zu

4. Elemente der Strategieentwicklung

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senken. Dieser Weg wird vornehmlich von westlichen Anbietern eingeschlagen. Sie haben mit allen Mitteln versucht, die Wertanmutung ihrer Produkte, z. B. im Automobilbereich, zu steigern und konnten dadurch Kostenerhöhungen im Preis weiterwälzen. Dies gelang solange, bis einerseits die preisliche Schmerzgrenze der Nachfrager erreicht war, die zu Kaufverzicht oder Abwanderung zu kostengünstigeren Angeboten führte, und bis andererseits diese kostengünstigeren Angebote in Form von Billigprodukten, z. B. aus Fernost, mit passablem Leistungsniveau in großer Vielzahl verfügbar wurden. Daher besteht für sie nun der Zwang, um jeden Preis zu rationalisieren, ohne dabei den Produktwert anzutasten. Ein Beispiel bieten die europäischen Automobilhersteller. Ihr Bestreben war zunächst, möglichst ausgefeilte Fahrzeuge herzustellen, auch wenn dadurch hohe Kosten und damit Preise entstehen. Erst als erkennbar wurde, dass man sich damit aus dem Markt herauspreist, wurde, angesichts der japanischen Offensive, gezielt nach Rationalisierungspotenzialen bei akzeptabler Qualität gesucht. Zum anderen kann versucht werden, über Kostenführerschaft bei akzeptiertem niedrigen Produktwert zunächst die entstehenden Prozesskosten zu senken (= präventives Outpacing, auch reaktives). Erst danach wird angestrebt, über Differenzierung, z. B. Design, den Produktwert bei unverändert niedrigen Prozesskosten zu steigern. Dieser Weg wird vornehmlich von fernöstlichen Anbietern eingeschlagen. Zur Umsetzung der Prozesskostensenkung wurde ein ganzes Arsenal neuartiger Managementmethoden eingesetzt, die unter dem Begriff Lean Management bekannt geworden sind. Restriktive Produktionsbedingungen im Heimatland und Zutrittsbeschränkungen auf vielen Exportmärkten haben zu einer Erlössteigerung über Preiserhöhung geführt. Diese wurde durch innovative Problemlösungen bis hin zur Maßstabsetzung (= Benchmarking) in allen betrieblichen Bereichen möglich. Diesen Weg beschritten z. B. die japanischen Automobilhersteller. Sie forcierten den Preis-Leistungsvorteil, bis sie durch Handelsschranken in den USA und der EU in ihrem Absatzvolumen beschränkt werden mussten. Dann vollzogen sie sukzessiv technische Fortschritte als Durchbruchsinnovationen und passten ihre Preise dementsprechend nach oben an, unterstützt von intensivem Markenaufbau. Vorläufig sieht es so aus, als wenn der zweite Weg der bessere ist. Ein Mittelweg ist ungeeignet als Erfolgsstrategie, obgleich er rein zeitlich zunächst als der vorteilhafteste erscheint (bildlich die Diagonale in der Matrix). Doch eine solche Kombination aus jeweils mittlerem wahrgenommenen Produktwert und mittleren effektiven Prozesskosten führt zwangsläufig zu einem wenig ausgeprägten, diffusen Erscheinungsbild am Markt. Damit kann weder aus einer Profilierung über den Qualitätsvorteil noch einer solchen über den Preisvorteil Nutzen gezogen werden. Dies bedeutet im Ergebnis aber, dass Anbieter bei einer solchen Strategie sowohl von Leistungsführern wegen deren Qualitätsvorteils, der von Teilen des Marktes hoch geschätzt wird, als auch von Kostenführern wegen deren Preisvorteils, der

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

von anderen Teilen des Marktes hoch geschätzt wird, überholt werden. Insofern ist dies nicht der beste, sondern der problematischste Weg. Dennoch ist das Outpacing-Konzept eine hybride Strategie, weil im Strategiefokus von Qualität zu Preis bzw. umgekehrt gewechselt wird. Dies erfolgt sequenziell, also im Zeitablauf nacheinander und basiert zumeist auf Produktdifferenzierung (Varietät), First Mover Advantage (Innovation) oder Qualitätsmanagement (niedrige Kosten bei hoher Leistung). Mass Customization ist demgegenüber eine simultan hybride Strategie, weil Leistung und Kosten zugleich angestrebt werden. Welcher der dargestellten Pfade der schnellere ist, kann nicht generell gesagt werden. Wer aber als Erster sein Ziel erreicht, kann ein neues „Rennen“ einläuten, bei dem er automatisch einen Zeitvorsprung hat, sodass ein einmal herausge­ arbeiteter Vorsprung auf diese Weise perpetuiert bzw. ein Rückstand kaum mehr aufgeholt werden kann. 4.8.2.2 Hyper Competition-Konzept Viele Märkte befinden sich angesichts ausgereiften Verhaltens in der „Endspielphase“, d. h., die noch verbliebenen Anbieter haben verschiedene „Shake out“-Phasen überstanden wie Preis-Leistungs-Wettbewerb, Zeit- und Wissens-Wettbewerb, Überwindung von Markteintrittsschranken, Fusionswettbewerb und arbeiten auf höchstem Niveau. Dieses Konzept des hypertrophierten Wettbewerbs geht auf D’Aveni zurück. Er behauptet vier wesentliche Basen für Wettbewerbsvorteile, und zwar Kosten- bzw. Leistungsvorteile, Zeit- bzw. Wissensvorteile, eine einzigartige Marktposition sowie hohe finanzielle Spielräume (siehe Abbildung 46: Hyper Competition-Kette). Danach besteht eine Tendenz zu eskalierenden Wettbewerbskämpfen zwischen den am Markt verbliebenen Anbietern, wobei die jeweiligen Wettbewerbsvorteile rasch erodieren. Es kommt zu einer immer schnelleren Abfolge neuer Strategien, wobei traditionelle Markteintrittsbarrieren an Abschreckungskraft verlieren: • 1. „Runde“ im Qualitäts- und Preiswettbewerb: Zunächst konkurrieren die im Wettbewerb beteiligten Unternehmen mit den Instrumenten Preis und Qualität. Unternehmen, die bei einem dieser beiden (oder beiden) Instrumenten Wettbewerbsnachteile haben, scheiden sukzessiv vom Markt aus. Es entsteht eine Vielzahl hochwertiger Produkte zu niedrigen Preisen. • 2. „Runde“ im Innovationswettbewerb: Die verbleibenden Unternehmen kämpfen mit den Instrumenten Zeitwahl und Wissen, den härtesten Konkurrenzwaffen. Unternehmen, die Zeit- oder Wissensdefizite aufweisen, scheiden daraufhin ebenfalls vom Markt aus. • 3. „Runde“ im Alleinstellungswettbewerb: Die verbleibenden Unternehmen kämpfen um den Aufbau von Markteintrittsschranken und die Schaffung von „Hochburgen“, um neue Konkurrenten von der Beteiligung an einem profitab-

4. Elemente der Strategieentwicklung

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Abbildung 46: Hyper Competition-Kette (eig. Darst.)

len Markt abzuhalten. Unternehmen, denen es nicht gelingt, diese Barrieren zu überwinden, bleiben von den Pfründen ausgeschlossen. • 4. „Runde“ im Größenwettbewerb: Die dann verbleibenden Unternehmen wollen ihre Wettbewerber übernehmen oder schlucken, um ihre Marktposition abzusichern. Dies ist in erster Linie von den verfügbaren finanziellen Ressourcen abhängig. Wer dabei nicht mithalten kann, wird übernommen. Zwischen den verbleibenden Unternehmen herrscht Wettbewerbsparität, daraus folgen ein Ausgleich der Marktpositionen und eine Nivellierung von Gewinnunterschieden. Insofern wird nicht mit einem Wettbewerbsparameter, sondern nacheinander mit mehrfachen Wettbewerbsparametern am Markt gekämpft, eine Situation, die als Hyper Competition bezeichnet wird. Dieser wohnen eine Tendenz zu eskalierenden Wettbewerbskämpfen zwischen großen Rivalen, die rasche Erosion ehemaliger Wettbewerbsvorteile, die rasche Abfolge immer wieder neuer Strategievorstöße und die gegenseitige Errichtung und Überwindung von Markteintrittsbarrieren inne. Die nach diesen Phasen verbleibenden wenigen und großen Unternehmen haben alle vier Wettbewerbsvorteile ausgenutzt, sie haben damit grundsätzlich die glei-

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

che Ausgangsposition für das Endspiel, die letzten Runden im Marktwett­bewerb. Solche Endgame-Branchen sind etwa Tabakwaren, Werften, Brennereien, LkwBau, Erzabbau etc. In dieses Endspiel gelangen sie nur durch Nutzung „strategischer Fenster“ (Misfit-Analyse), die vorliegen, wenn unternehmensinterne und -externe Strukturen miteinander übereinstimmen. Dabei handelt es sich um begrenzte Perioden, während derer sich die Bedingungen eines Marktes und die Kompetenzen eines Unternehmens optimal entsprechen. Dazu muss das Unternehmen seine Märkte aktiv gestalten, d. h., kontinuierlich die externen an die internen Bedingungen anzupassen versuchen. Wo das aus Wettbewerbsgründen nicht möglich ist, helfen nur diskontinuierliche Sprünge, die neue Fenster öffnen und damit Erfolgsgrundlagen schaffen (Fit). Gründe für solche Diskontinuitäten sind etwa erhebliche Umfeldveränderungen, starke Verschiebungen der Kundenpräferenzen, die Einführung grundlegend neuer Technologien etc. So bot der Übergang vom Home Computer- zum PC-Markt Einsteigern in diesen Markt ein strategisches Fenster, zugleich wurden Anbieter, die diesen Sprung nicht mitmachten, vom Markt verdrängt (z. B. Commodore / Atari). Ein anderes Beispiel war die Osteuropa-Öffnung nach dem Fall des Kommunismus. Hier entstanden noch ungesättigte Absatzmärkte, die unternehmerisch erschlossen werden konnten (z. B. deutsche Markenartikelhersteller). Ebenso kann die Entwicklung der Elektroautomobilität angeführt werden. Stand der Pkw-/Lkw-Markt jahrzehntelang nur etablierten Herstellern mit Verbrennermotoren offen, so wurde nunmehr durch Entwertung deren EndspielStrategie der Eintritt branchenfremder, zumindest aber neuer Player möglich.

4.9 Verfahren zur Strategiebewertung Aus diesen Elementen kann eine vollständige, marktorientierte Strategie abgeleitet werden. Üblicherweise ergibt sich aber nicht nur ein, sondern zwei oder mehr alternative bzw. optionale Profile. Daher gilt es, diese komparativ zu vergleichen und das bestgeeignete von ihnen zu bestimmen. Dazu dienen Verfahren zur Strategiebewertung, die hier als Auswahl vorgestellt werden. Zu den einfachsten gehören erfahrungsbasierte Verfahren wie Schnittvergleiche, Checklisten und Heuristiken. Schnittvergleiche sind als Längsschnitt- oder Querschnittvergleich möglich (siehe Abbildung 47: Längsschnitt-/Querschnittvergleiche). Der Längsschnittvergleich vergleicht das aktuelle Strategieraster mit den (rekonstruierten) Strategien vergangener Perioden beziehungsweise den geplanten Strategien zukünftiger Perioden. Daraus werden Übereinstimmungen und Abweichungen ersichtlich, die aufschlussreiche Erkenntnisse liefern. Der Querschnittvergleich vergleicht das

4. Elemente der Strategieentwicklung

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aktuelle Strategieraster mit den (rekonstruierten aktuellen) Strategien konkurrierender Anbieter. Auch daraus werden Übereinstimmungen und Abweichungen ersichtlich. Dies ergibt eine gute Handhabbarkeit der komplexen Aufgabe.

Abbildung 47: Längsschnitt-/Querschnittvergleiche

Die Checkliste legt verschiedene Anforderungskriterien an eine Strategie zugrunde und prüft, ob diese jeweils erfüllt sind oder nicht. Sie kommt also zu JaNein-Aussagen. Die Anforderungskriterien sind jeweils individuell zu bestimmen.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Verbreitet sind etwa folgende: – Wird durch die Strategie ein Kundennutzen gewährleistet? – Erlaubt die Strategie einen gravierenden Wettbewerbsvorteil? – Trägt die Strategie zur Erreichung der Unternehmensziele bei? – Baut sie auf Erfahrungen bzw. Stärken auf? – Bündelt sie vorhandene Kräfte (Synergien)? – Nutzt sie eindeutige Marktchancen? – Ist die Strategie unter Kosten- und Umfeldaspekten mittel- bis langfristig durchhaltbar? – Stehen die Entscheidungsträger hinter der Strategie? – Sind die Realisierungsmöglichkeiten aussichtsreich?

Abbildung 48: Paarvergleichs-Matrix (Beispiel)

4. Elemente der Strategieentwicklung

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Zumeist ist es jedoch erforderlich, exaktere, analytische Verfahren einzusetzen. Werden zwei oder mehr Strategieoptionen hinsichtlich eines Bewertungskriteriums beurteilt, bietet sich die Paarvergleichs-Matrix (Cross Impact-Matrix) als rechnerische Lösung an. Dabei werden die Strategieoptionen hinsichtlich ihrer komparativen Überlegenheit im Beurteilungskriterium bewertet (siehe Abbildung 48: Paarvergleichs-Matrix (Beispiel)). Dazu wird für jedes Kriterium die Überlegenheit einer der beiden Strategiealternativen bestimmt und das Ergebnis in einer Matrix abgetragen. Dies erfolgt auf Basis einer Konstantsummenskala, d. h., die Addition beider Punktwerte je Strategie / K riterium ergibt immer die selbe Summe. So werden Entscheidungen erzwungen. Die Matrix besteht damit aus den beiden Strategiealternativen jeweils in der Kopfzeile sowie in der Kopfspalte, die in Paarvergleichen aufeinander bezogen werden. Für die jeweils überlegene Alternative wird ein „+“ in die Matrix eingetragen, für die unterlegene ein „-“. Dann werden für jede Strategiealternative die Überlegenheitsurteile addiert. Aufgrund der Symmetrie ist es gleichgültig, ob dies horizontal oder vertikal erfolgt. Daraus ergibt sich eine Prioritätenfolge. Die Alternative mit den meisten komparativen Überlegenheitsurteilen ist die zu bevorzugende. Liegen zwei Bewertungskriterien vor, die für zwei oder mehrere Strategieoptionen zu sichten sind (oder auch zwei Strategiealternativen, die hinsichtlich verschiedener Kriterien zu bewerten sind), so bietet sich die Dominanz-Grafik als grafische Lösung an (siehe Abbildung 49: Dominanz-Grafik (bei zwei Kriterien) (Beispiel)). Dazu wird ein Quadrant aufgespannt, dessen Achsen die beiden Strategien / K riterien bilden. Alle bewerteten Strategien / K riterien werden entsprechend ihrer jeweiligen Zahlenkombination als Punktkoordinaten dort abgetragen. Dann

Abbildung 49: Dominanz-Grafik (bei zwei Kriterien) (Beispiel) (eig. Darst.)

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

wird eine Winkelhalbierende in den Quadranten gelegt. Liegen mehr Punkt­ koordinaten oberhalb des Fahrstrahls, ist im einen Fall die Strategiealternative, die auf der Ordinate abgetragen wurde, überlegen und umgekehrt. Vorausgesetzt wird dabei, dass alle Kriterien gleichgewichtig sind. Im anderen Fall ist diejenige Strategiealternative überlegen, deren auf den Fahrstrahl gefälltes Lot am weitesten vom Koordinatenursprung entfernt liegt. Hier kann durch den Steigungswinkel des Fahrstrahls zusätzlich eine unterschiedliche Gewichtung der Beurteilungskriterien berücksichtigt werden. Gibt es mehr als zwei Strategiewahlmöglichkeiten und Bewertungskriterien, werden meist Punktbewertungsverfahren und Nutzwert-Analysen angewendet. Beim Punktbewertungsverfahren (Scoring) erfolgt die Beurteilung der Strategien anhand individuell relevanter Faktoren, welche die Gesamtheit der auf den Erfolg einwirkenden Einflussgrößen erfassen. Jede Strategie wird dabei über alle Faktoren mittels einer einheitlichen Skala beurteilt. Die Urteile aller Einzelfaktoren werden aggregiert (siehe Abbildung 50: Punktbewertungsverfahren (Beispiel)). Dabei können für einzelne Faktoren auch Gewichtungen festgelegt werden, die zum Ausdruck bringen, welcher Anteil dem einzelnen Faktor zur Erfolgsträchtigkeit beigemessen wird. Dabei handelt es sich jeweils um quantifizierbare Faktoren wie: • Finanzbedarf / Liquiditätsabfluss, • Investitionen und laufende Betriebskosten, • Absatzmengen und Umsatzvolumina, • Rohstoff- und Einsatzkosten, • Rentabilität bzw. Gewinn, • FuE-Aufwand / Vorentwicklung. Scorings sind universell anwendbar und einfach handhabbar, sie bedingen einen geringen Zeitaufwand und zwingen zu klaren Aussagen. Aber die Ergebnisse hängen von subjektiven Einschätzungen ab, produzieren grobe und pauschalisierte Ergebnisse und beziehen sich nur auf quantitative Größen. Allerdings spielen aufgrund steigender Komplexität häufig qualitative, d. h. mehrfach, nicht-quantifizierbare Faktoren eine entscheidende Rolle. Diese werden durch Nutzwert-Analysen operationalisiert, d. h. messbar gemacht. Jede Strategieoption wird hinsichtlich jedes Bewertungskriteriums bewertet, d. h., die Erfüllung des im Kriterium enthaltenen Ziels wird ermittelt. Die Zielerreichungsgrade sind wie die Gewichte dimensionslose Größen. Die Multiplikation der Größen Gewicht und Zielerfüllungsgrad ergibt den Teilnutzwert jeder Lösungsmöglichkeit für jedes Bewertungskriterium. Die erreichte absolute Zahl ist nichtssagend. Ihr Wert entsteht erst im Vergleich der Teilnutzwerte zwischen den Optionen. Die Addition der Teilnutzwerte je Lösungsmöglichkeit ergibt deren Nutzwert. Die Strategieoption mit dem höchsten Nutzwert bietet sich zur Realisierung als

4. Elemente der Strategieentwicklung

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Abbildung 50: Punktbewertungsverfahren (Beispiel)

erste an (siehe Abbildung 51: Nutzwert-Analyse (Beispiel)). Da die NutzwertAnalyse einen Objektivitätseindruck vermittelt, der die zugrunde liegenden qualitativen Bewertungen verdecken kann, muss man sich bewusst machen, dass es sich letztlich um eine subjektive Einschätzung handelt. Mussanforderungen sind K.o.-Kriterien, werden sie von einer Option nicht erfüllt, ist sie keine Option. Die Kriterien sind wiederum individuell zu bestimmen, denkbar sind etwa folgende: • Nutzung von Synergien, • Risikoausmaß der Strategie, • Profilierungschance am Markt, • Know-how-Erfordernis, • Flexibilität der Anpassung, • Zeitbedarf zur Umsetzung. Die Nutzwert-Analyse erlaubt eine streng systematische Vorgehensweise, die Berücksichtigung einer Vielzahl von Größen, eine gute Objektivierung durch Ex-

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Abbildung 51: Nutzwert-Analyse (Beispiel)

pertenurteil, die Transparenz und Nachprüfbarkeit der Entscheidungsgrundlage auch bei hoher Komplexität. Nachteile sind jedoch der hohe Erstellungsaufwand und die Abhängigkeit von vielfältigen subjektiven Einflüssen, die eine Scheingenauigkeit produzieren. Schließlich können ausschließlich finanzorientierte Wirtschaftlichkeitsrechnungen zugrunde gelegt werden. Dabei handelt es sich etwa um die Kapitalwertmethode oder das Capital Asset Pricing Model.

4. Elemente der Strategieentwicklung

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Abbildung 52: Prinzip der Kapitalwertmethode (Endwert)

Die Kapitalwertmethode ist ein Verfahren der dynamischen Investitionsrechnung und hat die Maximierung des Barwerts der Einzahlungen (Ausgaben / Investitionen) und Auszahlungen (Einnahmen / Erlöse) der verschiedenen Strategien zum Ziel. Der Kapitelwert ergibt sich durch Diskontierung der Zahlungsreihen von gegenwärtigen und zukünftigen Einnahmen und Ausgaben mit dem gegebenen Kalkulationszinsfuß auf einen gemeinsamen Bezugszeitpunkt. Ein positiver Kapitalwert spricht für eine empfehlenswerte Investition, bei mehreren Strategien entscheidet der vergleichsweise höchste Kapitalwert, d. h., je mehr der Barwert der Einnahmen den der Ausgaben übersteigt, desto vorteilhafter ist die Investition (siehe Abbildung 52: Prinzip der Kapitalwertmethode (Endwert)). Dabei stellen sich allerdings viele Unwägbarkeiten dar, so die Wahl eines geeigneten Zinsfußes, die Länge des Betrachtungszeitraums, die Schätzung zukünftiger Investitionen

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

und Erlöse, der Ausgleich abweichender Investitionshöhen über kalkulatorische Differenzinvestitionen etc. Das Capital Asset Pricing Model stellt eine Weiterentwicklung der Kapitalwertmethode dar, indem die geschätzte Rendite einer Strategiewahl mit alternativen Anlagemöglichkeiten am Kapitalmarkt unter Einbeziehung von Risikoaspekten verglichen wird. Dieses Risiko lässt sich in ein systematisches Risiko des allgemeinen Kapitalmarkts und ein spezifisches Risiko der Strategieumsetzung unterteilen. Als Anhaltspunkte dienen die Rendite eines „normalen“ risikobehafteten Markts (etwa der DAX-Index) und die Rendite eines risikolosen Markts (für nur systematisches Risiko). Dazwischen kann eine Kapitalmarktlinie gezogen werden, bei welcher die Renditeanforderungen des Managements zweckmäßigerweise mit steigendem Gesamtrisiko ansteigen. Diese Kapitalmarktlinie ist die Kombination aller effizienten Risiken und Renditen. Je nachdem, ob Strategieoptionen oberoder unterhalb dieser Kapitalmarktlinie liegen, sind sie günstig (oberhalb) oder ungünstig (unterhalb). Bei Ergebnissen unterhalb der Kapitalmarktlinie ist es ökonomisch sinnvoller, in andere Projekte zu investieren. Bei mehreren Projekten oberhalb der Kapitalmarktlinie entscheidet die individuelle Risikoscheu über die Wahl, denn im Regelfall ist eine höhere Rendite auch mit einem höheren Risiko verbunden. Daher kann je nachdem die relativ sicherere oder die relativ gewinnträchtigere Strategie gewählt werden. Die Mindestrendite ergibt sich bei einer risikolosen Alternative, diese Rendite muss eine Strategie mindestens immer erwirtschaften, da ansonsten ihre Umsetzung unterbleibt. Allerdings gelten puristisch rigide Modellvoraussetzungen wie u. a. vollkommener Kapitalmarkt, kurzfristige einperiodische Betrachtung und hinreichende Information über zukünftige Risiken (siehe Abbildung 53: Capital Asset Pricing Model (Beispiel)).

Abbildung 53: Capital Asset Pricing Model (Beispiel)

5. Marketingkonzeption

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Finanzorientierte Verfahren berücksichtigen nur monetäre Größen als „Gleichmacher“ abweichender Strategien. Die Analyse erfordert fundierte Informationen und ist objektiviert, weil sie wenig Spielraum für subjektive Interpretationen lässt. Jedoch ist die Erstellung relativ aufwändig. Zudem ergibt sich eine hohe Unsicherheit bei der zukunftsbezogenen Schätzung und nicht-monetäre Faktoren werden völlig außen vor gelassen.

5. Marketingkonzeption Die konzeptionellen Stellgrößen sind im Marketing das Bindeglied zwischen der Strategie und den Marketinginstrumenten. Sie befassen sich im Einzelnen mit der Bestimmung der Absatzquelle (5.1) in Anlehnung an das Konzept der Strategischen Lücke (Ansoff), der Segmentierung der Zielgruppe (5.2) in Consumer- sowohl als auch Business-Märkten und der Entwicklung der Positionierung (5.3) in mehreren Verfahrensschritten. Die Absatzquellenbestimmung basiert auf dem Konzept der Strategischen Lücke und kommt zu den Optionen der Marktdurchdringung, der Angebotsausweitung und der Nachfrageentwicklung. Die Zielgruppenabgrenzung erfolgt in Consumer-Märkten und Business-Märkten nach verschiedenen Kriterien und weist die Kernnachfragerschaft aus. Die Positionierungsentwicklung mündet in dem Anspruch eines Angebots, etwas besser als alle anderen zu leisten und dem Beleg für die Berechtigung dieses Anspruchs.

5.1 Absatzquellenbestimmung 5.1.1 Konzept der Strategischen Lücke Die Absatzquelle, anschaulich auch Source of Potential Demand oder Source of Business genannt, gibt an, wo sich die Kaufkraft befindet, die bestimmungsgemäß für den Erfolg eines Angebots erschlossen werden soll. Denn wenn es nicht gelingt, diese Kaufkraft zu erschließen, muss jeder Anbieter scheitern. Dies macht bereits die zentrale Bedeutung der Absatzquelle deutlich. Dafür gibt es eine Reihe von Optionen, so Marktdurchdringung, Marktausweitung und Nachfrageent­ wicklung. Angesichts weithin gesättigter Märkte reicht es heute nicht mehr aus, ein neues Angebot ungezielt an den Markt zu geben und dort auf Erfolg zu hoffen. Dazu sind die Märkte viel zu dicht besetzt. Es sei denn, man hat ausnahmsweise einmal die bahnbrechende Neuheit an der Hand, die jeder immer schon haben wollte (aber wer hat das schon?). Vielmehr kommt es darauf an, für ein Angebot gezielt Marktfelder zu identifizieren, die erfolgversprechend scheinen und daraus wiederum ein Marktfeld zu selektieren, auf dessen Eroberung sich alle Aktivitäten fokussieren (siehe Abbildung 54: Gap-Analyse (Prinzip)).

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Zielgröße

Zielprojektion durch Aufnahme von neuen Geschäften

Potenzieller Ist-Wert bei optimiertem operativen Vorgehen

Plan

Strategische Lücke

Ist

Operative Lücke Prognostizierte Entwicklung bei gleichbleibendem Vorgehen Zeit

Abbildung 54: Gap-Analyse (Prinzip) (Quelle: google.com/search?q=gap+analyse+source=lnms&tbm=​isch&sa=X&ved=0ahUKE-)

Der Ansatz der Strategischen Lücke (auch Gap-Analyse) hat eine Projektion der Erlös- bzw. Ertragsentwicklung und ihre Abweichung von den Zielen im Zeitablauf zum Inhalt. Dazu wird im Planungszeitpunkt die mutmaßliche Entwicklung der Ergebnisse prognostiziert. Dies erfolgt in Abhängigkeit vom Status quo oder weiterem Maßnahmeneinsatz. Im Status quo, also ohne weiteren Maßnahmeneinsatz, dürften sich die Ergebniswerte monoton fallend entwickeln. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass in einer dynamisch fortschreitenden Umwelt Stillstand Rückschritt bedeutet, ein passives Unternehmen also zwangsläufig an Boden verliert. Sofern bereits bekannte oder eingeleitete Maßnahmen dies verhindern können, handelt es sich um eine operative (geschlossene) Lücke. Offen bleibt hingegen eine strategische Lücke, die es zu schließen gilt. Die Maßnahmenoptionen bei aktiver Haltung leiten sich nach dem Gesetz abnehmender Synergiepotenziale durch bestehende oder neue Produkt-Markt-Kombinationen ab. Die Entwicklung sollte sich in dieser Reihenfolge vollziehen, da diese abnehmender Verwandtschaft und Synergie zwischen den Programmvariablen entspricht sowie steigenden Chancen und Risiken für das Unternehmen. Als Maßnahmen zur Marktdurchdringung sind u. a. zu nennen: – Neukundengewinnung zur Marktausschöpfung, – Relaunch, – Stärkerer Nachverkauf,

5. Marketingkonzeption

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– Kundendienstverbesserung zur Kundenbindung, – Breiterer und stärkerer Kommunikationseinsatz, – Imitation erfolgreicher Wettbewerbsprodukte. Als Maßnahmen zur Marktausweitung sind u. a. zu nennen: – Neue Abnehmerschichten / Kundenkreise für gegebenen Produkteinsatz, – Neue Absatzwege / Distributionskanäle, – Neue Verwendungszwecke für neue Abnehmerschichten / Kundenkreise, – Kaufbegleitende Dienstleistungen, – Systemlösungen, – Kosten-/Preissenkung durch Kapazitätserweiterung (Größendegression und Erfahrungskurve). Als Maßnahmen zur Nachfrageentwicklung sind u. a. zu nennen: – Produktvariation (neue Produkte / Produktlinien zur Ablösung bestehender), – Produktdifferenzierung, – Produktinnovation aus eigener Entwicklung / Vertragsentwicklung, – Produkttausch, – Handelsware / OEM, – Neue (produktunverbundene) Serviceleistungen. An den aus der Gap-Analyse gewonnenen Erkenntnissen sind Kritikpunkte anzumerken. So ist die Analyse einseitig wachstumsorientiert. Was nicht verwundert, entstammt sie doch dem Denken der Wirtschaftswunderzeit mit ihrer scheinbar unendlichen Wachstumshoffnung. In der heutigen Zeit, die vermehrt durch Stagnation oder gar Rückgang der Märkte gekennzeichnet ist, sind die Aussagen dieser Analyse jedoch wenig hilfreich. Sie bedarf insofern der Ergänzung um zwei neue Felder strategischer Alternativen: • Marktrückzug. Märkte werden u. a. verlassen, wenn die dort verbleibende Nachfrage als zu gering angesehen wird, sich die Konkurrenzintensität steigert, nichttarifäre Handelshemmnisse bzw. sonstiger Protektionismus gegeben sind oder dortige Handelspartner nicht sachgerecht „funktionieren“. • Produktaufgabe. Dies gilt vor allem, weil in vielen Bereichen ein Wachstum nicht mehr nur nicht möglich, sondern auch überhaupt nicht mehr wünschenswert scheint. Dies betrifft vor allem sozial und ökologisch angreifbare Angebote, die bewusst zu reduzieren sind. Die Analyse ist ausschließlich zweidimensional angelegt. Verhaltensregeln werden nur aus den Größen Produkt und Markt abgeleitet. Dabei ist jedoch eine Viel-

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

zahl anderer Parameter entscheidend für die Unternehmensentwicklung. Namentlich ist hier der Bereich Finanzen zu nennen, denn alle Aktivitäten tangieren die Finanzsituation des Unternehmens. Die daraus sich ergebenden Zusammenhänge bleiben aber unberücksichtigt. Das Gleiche gilt für andere Unternehmensbereiche wie FuE, Logistik und Produktion. Es erfolgt keine Berücksichtigung finanzieller Ressourcen, die erforderlich sind und vorhanden sein müssen, um die empfohlenen Expansionsschritte praktisch darstellen zu können. Bei dem hohen Aufwand, den eine professionelle Implementierung erfordert, sind solche Finanzmittel aber oftmals die entscheidende Limitation. Des Weiteren wird der Konkurrenzeinfluss vernachlässigt. Denn natürlich ist die strategische Entscheidung zu einem großen Teil nicht von den internen Gegebenheiten abhängig, sondern von der Konkurrenzsituation. So wird das Eindringen in neue Produkt- oder Gebietsmärkte z. B. durch Marktschranken dort vorhandener Anbieter behindert, d. h., gewünschte Erweiterungsmaßnahmen sind nicht realisierbar oder mit einem unzulässig hohen Risiko behaftet. Es erfolgt keine Berücksichtigung der unternehmerischen Stärken und Schwächen und der marktlichen Chancen und Risiken. Die Stärke eines Unternehmens kann gerade in seiner Spezialisierung auf einen Produkt-Gebiets-Markt liegen und seine Schwäche in der Zersplitterung der Aktivitäten auf zu viele Aktionsvariable. Andererseits lohnt eine Ausweitung in neue Produkt- oder Gebietsmärkte nur, sofern diese auch ein deutliches Erfolgspotenzial aufweisen, d. h. per Saldo ihre Chancen über ihren Risiken liegen.

Abbildung 55: Optionen der Absatzquelle

5. Marketingkonzeption

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Somit bietet die Gap-Analyse letztlich keine konkreten Anhaltspunkte dafür, welcher Weg eingeschlagen werden sollte und wie dieser zu exekutieren ist. Zwar gibt es eine generelle Empfehlung zur Reihenfolge, aber diese ist zu allgemein, als dass sie den Besonderheiten spezifischer Unternehmenssituationen gerecht werden kann. Zudem werden schwache Signale nicht berücksichtigt. Dennoch ist dieser Ansatz sehr anschaulich und eignet sich daher didaktisch zur Systematisierung von Maßnahmenoptionen. Diese werden im Folgenden näher betrachtet (siehe Abbildung 55: Optionen der Absatzquelle). 5.1.2 Optionen der Marktdurchdringung Mit Maßnahmen der Marktdurchdringung, also dem intensiveren Angebot bestehender Produkte auf bestehenden Märkten, kann eine Verringerung der negativen Abweichung erreicht werden, wenngleich ein befriedigendes Ergebnis dadurch allein noch nicht gegeben ist. Es bleibt weiterhin eine Ergebnislücke zurück. Marktdurchdringung bedeutet, dass vorhandene Produkte auf vorhandenen Märkten intensiver angeboten werden. Dies ist unerlässliche Basisaktivität und erfolgt im Wesentlichen durch Marktbesetzung bislang unerschlossener Potenziale oder Wettbewerbsverdrängung fremdbesetzter Potenziale. Als Möglichkeiten zur Marktdurchdringung stellen sich vor allem folgende. Die Intensitätssteigerung beabsichtigt die Erhöhung der Kaufmenge je Periode bei Verbrauchsprodukten durch engere zeitliche Abfolge der Verwendung mit der Konsequenz höheren Verbrauchs oder stärkeren Einsatzes des Produkts je Verwendung. Denkbar, wenngleich ethisch bedenklich, ist auch die künstliche Veralterung von Gebrauchsprodukten. Erstens bringt eine engere zeitliche Abfolge der Verwendung die Konsequenz höheren Verbrauchs und früherer Ersatzbeschaffung mit sich. Zu denken ist etwa an das Postulat der Zahncremehersteller, dreimal täglich die Zähne zu putzen. Gelingt es, diesen Anspruch durchzusetzen, zieht dies einen um 50 % steigenden Zahncremeverbrauch gegenüber zweimal täglichem Zähneputzen nach sich. Praktisch allerdings ist eine solche Ausweitung schwierig. Zweitens ist ein stärkerer Einsatz des Produkts denkbar. So z. B. mittels direkten Auftrag des Flüssigwaschmittels auf verschmutzte Gewebestellen zusätzlich zur normalen Beigabedosierung in der Waschtrommel. Einmalige Effekte nutzen zudem das Gewohnheitsverhalten der Konsumenten. So wurde bei der amerikanischen Zahncreme Crest (P & G) der Öffnungsquerschnitt der Tube vergrößert, worauf solange überschüssig viel Zahnpasta auf die Zahnbürste gelangte, bis sich die Verbraucher an eine vorsichtigere Dosierung gewöhnt hatten. Drittens ist auch eine manipulative Intensitätssteigerung durch künstliche Veralterung (Planned Obsolescense)  nach objektivem oder subjektivem Maßstab

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

möglich. Objektiv bedeutet den Einbau von Sollbruchstellen, die im Rahmen der Wertanalyse als Einsparpotenziale eingeplant werden und die gesamte Produktlebensdauer auf die kürzeste Teillebensdauer begrenzen. Subjektiv bedeutet, dass an sich noch völlig gebrauchsfähige Produkte durch Sozialtechniken (z. B. Modediktat) gesellschaftlich inakzeptabel gemacht und durch neue, zeitgemäße ersetzt werden. Schon aus den 1930er Jahren ist bekannt, dass sich die europäischen Glühbirnenhersteller hinsichtlich der Begrenzung der Lebensdauer der Glühfäden vertraglich vereinbarten. Denn neue Glühbirnen werden im Wesentlichen nur noch gekauft, wenn alte defekt sind. Heute darf vorausgesetzt werden, dass solche Praktiken, so sie denn stattfinden, wohl zumindest nicht mehr schriftlich vereinbart werden. Ein aktuelles Beispiel sollen möglicherweise Kärcher-Hochdruckreiniger liefern, von denen gemutmaßt wird, dass ihre technische Lebensdauer aktiv auf wenige Laufstunden begrenzt wird. Dies würde freilich im Hobby-Bereich immer noch eine Nutzung über mehrere Jahre erlauben, da die Nutzungsdauer pro Jahr eher im Minutenbereich liegt. Erhöhung des Kundenlieferanteils (Share of Customer) bedeutet, dass es das Ziel jedes Anbieters sein muss, einen möglichst großen Anteil aller Ausgaben, die ein Nachfrager in eine Bedarfsgruppe investiert, auf das eigene Angebot zu konzentrieren (Wallet Sizing). Dies kann erreicht werden, indem das eigene Unternehmen zum Exklusivlieferanten eines Abnehmers (Single Sourcing) wird, d. h., der Nachfrager in einer Bedarfsgruppe nur die Leistungen eines einzigen Anbieters abfordert (Mono-Loyalität). Geht man von einer gegebenen Bedarfshöhe aus, kann damit dessen Kaufkraft / Budget möglichst weitgehend abgeschöpft werden. Allerdings stehen dem mindestens drei Hindernisse entgegen. Das erste ist die Gefahr der Kundenunzufriedenheit aus einer Austauschbeziehung mit der Konsequenz des Wechsels zu einem anderen Anbieter. Dieser Kunde ist dann zumindest fürs Erste verloren. Das zweite ist die Absicht der Risikoreduktion durch Streuung der Bezugsquellen, häufig, indem zwei alternierende Bezugsquellen genutzt werden (Dual Sourcing). Dann ist der Share of Wallet aber nicht mehr zu maximieren. Und das dritte ist die Suche der Nachfrager nach Abwechslung (Variety Seeking Behavior), die sie trotz Zufriedenheit und Willen zum Exklusivbezug „überschaubare Abenteuer“ suchen lässt, die zum Ausprobieren neuer Anbieter führen und zum Verbleib dort, bis wiederum Unzufriedenheit entsteht oder der Wunsch nach Abwechslung. Ein klassisches Beispiel für die Kundenlieferanteilserhöhung ist das Systemangebot in der Automobil-Zulieferbranche. Statt einzelne Komponenten oder gar Teile bei verschiedenen Lieferanten einzukaufen, beziehen Automobilhersteller komplexe Systeme von entsprechenden Lieferanten im Single Sourcing. Da die Realisierung solcher Systeme für den Lieferanten mit erheblichem Aufwand verbunden ist, wird mit diesem ein Lifetime Contract ausgehandelt, der ihm die allei-

5. Marketingkonzeption

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nige Zulieferung während der Produktgenerations-Lebensdauer sichert. Dadurch wird dieser zum alleinigen Lieferanten in diesem abgegrenzten Bereich. Als Beispiel kann auch das Angebot von Finanzdienstleistungen der Automobil­ hersteller gelten. Dieses wird sehr profitabel in Bezug auf Leasing und Finanzierung von Fahrzeugen betrieben, steht zwischenzeitlich aber auch für klassische Bankengeschäfte. Gleiches gilt für Mobilitätsservices im Firmen- aber auch Privatkundengeschäft. Kundenabhängigkeit drückt die Loyalität vorhandener Nachfrager zum eigenen Angebot aus. Entscheidend ist dafür, in der konkreten Wahlsituation präsent und profiliert zu sein. Entscheidend dafür wiederum ist die Kundenzufriedenheit (Übereinstimmung zwischen prätransaktionaler Erwartung und posttransaktionalem Erlebnis), die durch Herstellung einer Kontaktbrücke gefördert wird. Dies kann gesichert als Gebundenheit (z. B. Rahmenliefervertrag als Preferred Supplier im Geschäftskundenbereich) oder locker (freiwillig) als Verbundenheit (z. B. durch Habitualisierung oder Präferenz) erfolgen. Verbundenheit stößt allerdings an die Grenze der Variety Seeking Behavior. Gängig ist die Schaffung einer technischen (z. B. Apple-Elektronik), ökonomischen (z. B. Finanzdienstleistung) oder vertraglichen Kundengebundenheit (z. B. Mobilfunkvertrag). Diese ist immer durchsetzbar, wenn damit Kundenvorteile verbunden sind. Dies erfolgt unter Anreiz-Beitrags-Abwägung. Der Anreiz besteht in der Nutzung der Systemvorteile, die anderweitig nicht oder nur in geringerem Maße zugänglich sind, der Beitrag im Verzicht auf die Nutzung anderer Systeme, die potenziell vorteilhaft werden könnten. Ein Umstieg ist hingegen nur möglich, wenn die Investitionen in das bevorzugte System abgeschrieben und neue Investitionen in ein zukünftig vorteilhafteres System vorgenommen werden. Systembindungen werden jedoch in vielfältiger Weise durchbrochen. Erzwungen gilt dies bei Auslauf von Gewerblichen Schutzrechten bei Einportionskaffeemaschinen (z. B. Philips / Douwe Egberts) oder bei pharmazeutischen Generika (z. B. Viagra / Pfizer), freiwillig bei bewusst offen angelegten Systemen (z. B. Unix). Offene Systeme nutzen „das Wissen der Vielen“ (Crowdsourcing) bzw. streben eine Marktdominanz und damit Alleinstellung an. Durch ein dominierendes System am Markt entsteht eine faktische Kundenabhängigkeit (The Winner takes it all). Letztlich handelt es sich jedoch um ein Problem zeitlich bewusst limitierter Schutzmöglichkeiten für Forschung und Entwicklung. Angesichts stagnierender oder gar rückläufiger Märkte ist die einseitige Postulierung von Umsatzzuwächsen freilich umstritten. Nicht selten wären Anbieter bereits völlig zufrieden, gelänge es ihnen, ihren bestehenden Umsatz auch nur zu halten. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, ehemalige Kunden, die zur Konkurrenz abgewandert sind oder nicht mehr kaufen, zurückzugewinnen. Zur Kundenrückgewinnung ist zunächst eine Analyse dahingehend notwendig, welche Gründe diese Kunden veranlasst haben, den Anbieter zu wechseln bzw. den Kauf

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

einzustellen. Als problematisch erweist sich dabei die Tatsache, dass der Zugriff auf bestehende Kunden zwar hinlänglich vorhanden, der Zugriff auf ehemalige Kunden aber schwierig ist. Selbst wenn Kontaktmöglichkeiten bestehen, gilt es immer noch, einen plausiblen Anlass für die neuerliche Kontaktierung zu finden, besonders, wenn ehedem Unzufriedenheit zum Kundenverlust geführt hat. Denn dann sehen ehemalige Kunden subjektiv berechtigterweise wenig Anlass, sich erneut mit einem früheren Anbieter zu beschäftigen. Zumal sie wahrscheinlich anderweitig bestens bedient werden. Chancenreicher ist die Situation jedoch, wenn ein Kundenverlust auf den Wunsch nach Abwechslung zurückzuführen ist. Diese ehemaligen Kunden können durch ein verändertes Angebot durchaus aus den gleichen Gründen wieder zurück gewonnen werden, aus denen sie verloren gegangen sind. Allerdings ist ihre Bindungsfähigkeit begrenzt. Unzufriedene Kunden sind allenfalls durch ein neuerliches Testangebot, evtl. versehen mit Garantiezusagen, zum Kauf zu bewegen. Zentral ist dabei die Erkenntnis, dass die Gewinnung neuer Kunden unverhältnismäßig teuer in Relation zur Bearbeitung bestehender Kunden ist und, da viele Märkte gesättigt sind, diese neuen Kunden einfach auch nicht in genügender Masse auftreten. Instrumente sind hier ein funktionsfähiges Beschwerdemanagement, aber auch die Kontaktierung inaktiver Kunden, von denen anzunehmen ist, dass sie abgewandert sind, oder Markenwechslern, um bei deren nächstem Kaufentscheid zumindest wieder in Erwägung gezogen zu werden. Ein geradezu klassisches Beispiel bot bereits vor Jahren die Rückgewinnungsaktion von Tchibo nach dem Scheitern einer großen Produktumstellung. Durch ein neues Röstverfahren war es Tchibo Anfang der 1980-er Jahre gelungen, die Aromaergiebigkeit von Kaffeebohnen erheblich zu steigern. Durch Einsatz von Luftdruck wurde es technisch möglich, die „Übertragungsfläche“ für Kaffeearoma zu umgebendem Wasser so zu vergrößern, dass die „Leistung“ von 500 gr. Kaffeebohnen sich mit tatsächlich nur 400 gr. Kaffeebohnen ergab. Diese Idee schien den Erfindern besonders chancenreich, konnte doch der Wareneinsatz damit um 20 % gesenkt werden. Der Verkaufspreis blieb hingegen im Wesentlichen gleich, da ja auch ein gegenüber 500 gr. unveränderter Nutzen geboten wurde. Mit diesem Konzept wurde das Produkt intensiv beworben. Und entwickelte sich zu einem der größten Flops. Denn Verbraucher akzeptierten eben gefühlsmäßig nur 500 gr. Inhalt als Kaffeepfund, und nicht 400 gr., obgleich diese objektiv so ergiebig waren wie ansonsten 500 gr. Marktforschung zeigte, dass die Argumentation zwar rein rational von Verbrauchern nachvollzogen wurde, sie sich jedoch entgegen deren vorherigen, hypothetischen Äußerungen in Pretests dann tatsächlich für das „echte“ Kaffeepfund der Konkurrenz, vor allem von Jacobs oder Aldi, entschieden. Mit dem Effekt, dass sie sich mit der Qualität dieser Marken anfreundeten und von Tchibo wegwechselten. Tchibo entschied sich angesichts dieser desaströsen Entwicklung zum raschen Stop der gesamten Aktion. Im Rahmen einer Kampagne trat sogar der Mehrheitsteilhaber der Firma, Michael Herz, in Fernsehspots auf und entschuldigte sich bei seinen Kunden für das Missgeschick

5. Marketingkonzeption

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und versprach ihnen die Wiedereinführung des „echten“ Kaffeepfunds mit 500 gr. Inhalt. Dadurch sollten Markenwechsler zur Rückkehr zu Tchibo bewegt werden. Eine Absatzquelle kann auch aus Neukonfiguration von bestehenden Produkten folgen. Dies ist als Bündelung seither unverbundener Produkte oder als Entbündelung seither verbundener Produkte möglich. Bundling betrifft sowohl Produkte als auch Produkt-Dienstleistungs-Kombinationen (Systems Selling) und meint das Zusammenfügen seither selbstständig vermarkteter Produkte zu einem neuen Komplettangebot bzw. das Aufknüpfen eines seither vermarkteten Angebotsbündels zu Einzelprodukten. Der Nutzen eines Bundles kann ein Preis-Leistungsvorteil sein, indem das synergetische Zusammenwirken von Einzelkomponenten zu mehr Leistung bei gleichem Preis führt. Oder es stellt sich ein Bequemlichkeitsvorteil ein, da die einzelnen Komponenten im Bundle bereits aufeinander abgestimmt sind. Weit verbreitet ist diese Anwendung im Industriegütergeschäft. Hier geht es bei Turnkey Projects vor allem darum, eine betriebsfertige Anlage zu erstellen, weshalb sich wegen der Verschiedenartigkeit der dazu benötigten Teilleistungen meist mehrere Hersteller in Anbietergemeinschaften zusammenfinden, um als Sublieferanten je ein individuelles Produkt abzuliefern (Leistungsvorteil).Dadurch lassen sich bedeutsame Wettbewerbsvorteile erzielen. Dies ist auch der leitende Gedanke hinter dem Angebot von Bauträgermaßnahmen, die es dem Bauherrn abnehmen, verschiedene Gewerke selbst koordinieren und beaufsichtigen zu müssen, sondern ihm ein bezugsfertiges Objekt bereitstellen. Weitere Beispiele sind Verbrauchsprodukte wie Toner bei Computerdruckern oder Rasierklingen bei Nassrasierern, aber auch Gebrauchsprodukte wie Spielemodule für Computerspielekonsolen. Unbundling bedeutet die Auflösung von bisher gemeinsam angebotenen Produkten zu Einzelangeboten. So besteht nicht immer Bedarf nach einer Komplettlösung, vielmehr reichen Teillösungen als Ersatz oder Einstieg völlig aus. Zerlegt man ein Komplettangebot in solche selbstständigen Teilangebote, kann dadurch neue Nachfrage generiert werden, die ansonsten verschlossen bleibt. Als Beispiel kann die Trennung eines PC-Systems in Einzelkomponenten und deren separates Angebot gelten. Dies verfolgt etwa Apple durch das Angebot des Mac-mini. Statt eines All in One-Systems wird dabei nur der Rechner angeboten, Peripherie wie Tastatur / Maus, Bildschirm, Drucker etc. ist getrennt zu beschaffen oder kann aus bereits vorhandenen Installationen übernommen werden. Dadurch ist ein optisch sehr niedriger Einstiegspreis in die ansonsten eher abgehobene Apple-Systemwelt möglich. Ein weiteres Beispiel ist die Auftrennung eines HiFi-Turms in Einzelkomponenten und deren separates Angebot. So besteht immer dann, wenn schon einzelne taugliche HiFi-Komponenten vorhanden sind, kein Bedarf nach einer anderen

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

vollständigen Gerätelösung, sondern vielmehr nach deren Ergänzung. Damit kann ein Anbieter, der bisher nur HiFi-Türme angeboten hat, neue attraktive Angebote offerieren. Set-Alternative strebt an, dass ein Produkt von Kunden im Wechsel zu ihrem Stammangebot gekauft zu werden. Ziel ist also nicht die komplette Konkurrenzverdrängung, sondern nur eine partielle. Dadurch besteht die Chance, Nachfrager zu gewinnen, die nicht bereit wären, ausschließlich ein Angebot zu nutzen, sich aber sehr wohl vorstellen können, dies im Wechsel tun. Dies setzt allerdings voraus, dass das eigene Produkt zu den akzeptierten Kaufoptionen (Relevant Set of Brands) gehört. Es ist ein Zeichen der Zeit, dass die Anbieter-/Markentreue der Nachfrager erodiert. Statt dessen wechseln diese zwischen verschiedenen Anbietern / Marken. Und dies durchaus nicht deshalb, weil sie mit ihrem ursprünglichen Angebot unzufrieden wären, sondern selbst bei Zufriedenheit aufgrund der Suche nach Abwechslung. Man unterscheidet dabei die Mono-Loyalität als Treue zu einem einzigen Angebot, die Dual-Loyalität als wechselnde Treue zwischen zwei Angeboten und die Multi-Loyalität als wechselnde Treue zwischen drei und mehr Angeboten. Ein typisches Beispiel ist das alkoholfreie Clausthaler-Bier. Da nicht zu erwarten ist, dass Konsumenten ausschließlich alkoholfreies Bier trinken – denn der Anreiz des Bierkonsums besteht häufig gerade in der alkoholisierenden Wirkung –, wurde es als gute Lösung angesehen, Clausthaler als Alternative zu normalem (alkoholhaltigem) Bier auszuloben, etwa, wenn man einen klaren Kopf behalten muss oder noch Autofahren will. Der Slogan „Nicht immer, aber immer öfter“ suggerierte gerade diesen Wechselkonsum (Dual-/Multiloyalität) und schaffte damit den Einstieg in den traditionellen Biermarkt. Der Slogan ist zwischenzeitlich zum geflügelten Wort geworden. 5.1.3 Optionen der Angebotsausweitung Mit zusätzlichen Maßnahmen der Angebotsausweitung, also der Bearbeitung subjektiv neuer Märkte mit bereits bestehenden Produkten, dürfte eine weitere Situationsverbesserung realisierbar sein, ohne dass das Minderergebnis wahrscheinlich schon dadurch allein in einem tolerablen Rahmen bleibt. Markterweiterung bedeutet, dass vorhandene Produkte auf neuen Märkten angeboten werden. Dies erfolgt im Wesentlichen durch Marktsegmentierung als Aufteilung des Marktes oder Internationalisierung als räumlicher Marktausweitung. Als Möglichkeiten zur Angebotsausweitung stellen sich vor allem folgende. Up Selling erfolgt durch Erhöhung des Werts je Kaufakt, indem ein höherwertigeres anstelle des bisherigen Produkts gekauft wird. Die Kauffrequenz und -menge bleibt dabei unverändert. Wenn es gelingt, Kunden zum Kaufentscheid ein solch höherwertigeres Produkt anzudienen, resultiert daraus meist auch ein höherer Er-

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trag. Dadurch wird dem Kunden eine anbietertreue Produktkarriere ermöglicht. Allerdings darf deren finanzielle Leistungsfähigkeit dabei nicht überzogen werden (wie z. B. in der Automobilindustrie). On-top werden Premiummarken an die Spitze des Programms gesetzt. Dem liegt die Erfahrung des Cascading zugrunde, d. h., Premiummarken werden im Laufe der Zeit popularisiert und verlieren ihre Klasse, wodurch an der Spitze Platz für eine noch hochwertigere Marke geschaffen wird. Doch auch diese wird popularisiert werden etc. Bottom-off werden an der Basis der Pyramide Produkte verdrängt, weil sie keine angemessene Nachfrage mehr finden oder das Image der übrigen eigenen Marken beeinträchtigen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die Kontoführungspakete der Kreditinstitute. Hier wird von Sparkassen etwa in die Gruppen Giro-Konto, GiroClassic-Konto und Giro-Start-Konto unterteilt. Die einzelnen Pakete unterscheiden sich durch den Umfang der Serviceleistungen und dementsprechend auch im Preis. Es bleibt aber bei einem Girokonto je Auftraggeber. Nur wird angestrebt, aus diesem Giro-Konto ein Mehr an Gebühren herauszuholen, indem Kunden mit steigenden Ansprüchen auf das umfangreichere Paket umsteigen und dafür einen höheren Betrag berechnet erhalten. Ein anderes Beispiel sind die Kreditkarten-Unternehmen, die durch das abgestufte Angebot verschieden werthaltiger Credit Cards (Grüne Karte, Goldene Karte, Platin-Karte, Schwarze Karte) einen Aufstieg ermöglichen, wobei sich die Leistungsumfänge in der Kartenhierarchie praktisch nur marginal, die Preisunterschiede aber überaus erheblich darstellen. Als weiteres Beispiel können die Designer-Kaffeeautomaten von Nespresso (DeLonghi, Kitchen Aid, Alessi) dienen, die teils als Sondereditionen vermarktet werden. Gleiches gilt für Chronographen der Edel-Uhrenmarken (z. B. Omega), die in Sonderserien zu hohen Preisen angeboten werden und dennoch, oder vielleicht auch gerade deshalb häufig bereits ausverkauft sind, bevor sie überhaupt am Markt erscheinen. Cross Selling meint die Induzierung von Käufen durch Abnehmer, die bereits in einer Produktgruppe Kunden sind, auch in einer anderen eigenen Produktgruppe. Dadurch kann der Kundenwert besser ausgeschöpft werden (Share of Wallet). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Marktrealität durch Mehrgeschäftsfeldunternehmen geprägt ist. Damit besteht ein mehrfacher Zugriff auf Nachfrager. So liegt es nahe, diese Zugriffsmöglichkeit zu nutzen, um diesen nachdrücklich gleich mehrere Angebote zu unterbreiten. Als klassisches Beispiel gilt das Allfinanzangebot der Finanzdienstleister. Durch Angliederung von Kreditinstituten, Bausparkassen oder Versicherungen zielen die Anbieter dort darauf ab, einen möglichst großen Anteil der Geld­ ausgaben der Bevölkerung für Finanzdienstleistungen zugunsten der eigenen

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Unternehmensgruppe zu liquidieren. Allerdings sind die praktischen Erfahrungen bisher ernüchternd. Zu verschiedenartig sind die Anforderungen in den jeweiligen Geschäftssparten, als dass die erheblichen Potenziale sich bisher hätten materialisieren lassen. Im Gegenteil, die entstehenden Komplexitätskosten scheinen zu überwiegen. Zum Beispiel verfolgte auch die damalige Mediengruppe Kirch diesen Ansatz, da sie eine Verkettung von Zeitungen (Bild / Welt u. a.), Programmzeitschriften (HörZu / Funkuhr u. a.), Privatfernsehen (SAT 1/Pro 7 u. a.), Privathörfunk, Pay-TV (Premiere), Kaufvideos (Taurus) und Leihvideos anstrebte. Dabei können sich die einzelnen Angebote gegenseitig im Absatz wirkungsvoll unterstützen. Weitere Beispiele sind die Gaststätte im Warenhaus, die als Frequenzbringer vor allem zur Mittagszeit zum längeren Verweilen animiert, oder die Tankstelle am Verbrauchermarkt, die ebenfalls als Traffic Builder dient und zeitsparende Bequemlichkeit bietet. Bei beiden kann im Wege der Mischkalkulation ein optimal akquisitorisch wirkendes Angebot erreicht werden. Gebietsausdehnung erfolgt durch Nutzung neuer Märkte im In- und Ausland. Dabei sind im Einzelnen die Fragen der Marktwahl, des Marktzugangs und der Marktführung zu klären. Dabei geht es um das Bestreben, durch Ausweitung des Absatzgebiets einer größeren Zahl von Nachfragern Zugang zu einem Produkt zu verschaffen und dadurch zusätzliche Kaufkraft zu mobilisieren. Die Gebietsausdehnung vollzieht sich intranational oder supranational, ersteres innerhalb der Grenzen eines Landes, letzteres ländergrenzenübergreifend. Intranational kann die Gebietsausdehnung vor sich gehen, indem ein lokaler Anbieter seinen Absatzraum auf regionaler Ebene ausweitet oder ein regionaler Anbieter seinen Absatzraum auf nationaler Ebene vergrößert. Supranational geschieht die Gebietsausdehnung, wenn ein nationaler Anbieter seinen Absatzraum auf internationaler Ebene ausdehnt. Erkennbar ist dies etwa am hohen Internationalisierungsgrad der Unternehmenstätigkeiten gerade im Klein- und Mittelstand, der zahlreiche Weltmarktführer im KMU-Format hervorgebracht hat. Als Beispiel kann das versuchte Eindringen des weitaus größten Handelskonzerns, Wal-Mart, in den deutschen Markt gelten. Durch Übernahme der WertkaufKette konnte auf dem hoch kompetitiven deutschen Markt ein Standbein geschaffen werden. Parallel wurden die Wal-Mart-typischen Erfolgsfaktoren eingesetzt. Dazu gehören z. B. der Greeter, meist ein Mitarbeitender in Rente, der Kunden beim Betreten des Ladens willkommen heißt, die Ten-Feet-Regel, wonach jeder Mitarbeitende auf einen Kunden zugehen muss, wenn dieser sich weniger als zehn Fuß (etwa drei Meter) entfernt befindet, oder der Packservice hinter der Kasse, bei dem gekaufte Waren fachmännisch verpackt und zum Auto transportiert werden. Abgesehen davon, dass solche Servicestandards in Deutschland irritierend sind und damit auf Ablehnung stoßen, scheiterte der Vorstoß vor allem kläglich am entschlossenen Preiswiderstand der gesamten Discounterbranche und den restriktiven Reglementierungen für handelsbetriebliche Standorteröffnungen.

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Präsenzstreckung betrifft die zeitliche Ausdehnung unterjährig oder saisonal angebotener Produkte bzw. bearbeiteter Märkte. Gelingt es, diese Restriktion zu brechen, entsteht zusätzliches Geschäftsvolumen. Präsenzstreckung wird z. B. von den niederländischen Obst- und Gemüseproduzenten durch perfektionierte Treibhaustechnik geschaffen, um selbst im Winter frische Ware anzubieten. Auch das äußerst beliebte Produkt Kinder-Überraschung (Ferrero) startete als Saisonartikel zu Ostern und wurde erst im Laufe der Zeit zu einem ganzjährigen Angebot umgestellt. Speiseeishersteller propagieren den Verzehr von portioniertem Eis auch außerhalb der warmen Jahreszeit. Vor allem Magnum (Langnese) ist es gelungen, aus dem engen Korsett der zudem noch witterungsanfälligen Sommerzeit auszubrechen. Ein weiteres Beispiel ist das Online-Banking, das einen 24/7-Zugriff auf viele Bankdienstleistungen, unabhängig von den begrenzten Öffnungszeiten der Filia­ len, bietet. Konkurrenzverdrängung (auch Kundeneroberung) ist die naheliegendste, wenngleich auch schwierigste Absatzquelle. Denn die Konkurrenten versuchen durch Bindungsstrategien, ihre Kunden für Abwerbungen unanfällig zu machen. Dafür bestehen mehrere Möglichkeiten: • Erstens relativ bei Marktexpansion durch schnelleres Wachstum als der Mitbewerb bzw. bei Marktkontraktion durch langsameres Schrumpfen als dieser. • Zweitens indirekt durch Wachstum des eigenen Marktanteils bei Marktstagnation gegen den Misserfolg des Mitbewerbs (dies ist für heutige Märkte charakteristisch). • Drittens absolut bei Marktexpansion durch schnelleres Wachstum als der Markt, bei Marktkontraktion durch langsameres Schrumpfen als der Markt (auch dies geht nur zulasten des Mitbewerbs). • Viertens direkt bei stagnierenden, wachsenden oder schrumpfenden Märkten zulasten eines bestimmten Mitbewerbers als frontaler Angriff auf einzelne Konkurrenten. Dies erfordert die Aufweichung vorhandener Kundenbindung und Markenloyalität, faktisch meist durch Herauskaufen neuer Kunden aus bestehenden Beziehungen. Beim „Angriff“ kann noch zwischen ausweichendem Vorgehen, z. B. durch Besetzung latenter Marktnischen, oder frontalem Vorgehen unterschieden werden. Als Beispiel kann der Erfolg der Dr. Best-Zahnbürsten (Glaxo-WellcomeSmith-Kline-Beecham / GSK) gelten. Der Zahnbürstenmarkt war ausgesprochen gering involvierend, die Produkte sind weitgehend homogen, und der Wettbewerb wurde daher im Wesentlichen über den Preis geführt. Dr. Best gelang jedoch eine

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Konkurrenzverdrängung bis zur Erreichung der Marktführerschaft durch eine überlegene Leistungspositionierung. Dazu wurde die Bedeutung einer „intelligenten“ Zahnbürste für die Pflege von Zähnen und Zahnfleisch betont. Durch spezielle Ausstattungen wurde die Zahnbürste so verändert, dass diese Intelligenz im Produkt offensichtlich und nachvollziehbar wurde (rutschfester Griff, Schwingkopfelement zum Druckausgleich, unterschiedlich lange Borsten, verwindbarer Bürstenkopf, Sensorgelenk im Bürstenkopf etc.). Zugleich wurde dieser Anspruch durch ein überzeugendes Key Visual (Tomate und Zahnbürstendruck), durch ein glaubwürdiges Testimonial (Prof. Dr. James Best) und einen merkfähigen Slogan (Die klügere Zahnbürste gibt nach) penetriert. Im Ergebnis kam es zu einer Zweiteilung im Markt in gewöhnliche Zahnbürsten ohne Zusatzleistung einerseits und die intelligente GSK-Zahnbürste andererseits. Dies führte zu einer erfolgreichen Konkurrenzverdrängung dieser Marke zulasten des Restmarktes. Kategoriewechsel meint den Wechsel zwischen substitutiven Produktgruppen. Denn meist sind zwei oder mehr Systeme am Markt ähnlich gut zur Problemlösung geeignet. Vor der Anbieterentscheidung hat daher die Systementscheidung zu erfolgen. Dies bietet sich vor allem an, wenn innerhalb eines gemeinsamen Marktes zwei qualitativ unterschiedliche Produktgruppen vorhanden sind und Kaufkraft von der einen in die andere Kategorie abgezogen werden soll. Dies kann aufwärtsoder abwärtsgerichtet erfolgen. Wird hier die Weiche falsch gestellt, läuft die Nachfrage unweigerlich am eigenen Angebot vorbei. Ein Beispiel dafür ist der Erfolg von Punica. Punica war innerhalb der Kategorie Fruchtsäfte / Nektare ein eher konkurrenzunterlegenes Produkt, und zwar wegen seines geringen Fruchtanteils. Insofern kam Konkurrenzverdrängung  – trotz eines Preisvorteils – kaum in Betracht. Innerhalb des Marktes für alkoholfreie Erfrischungsgetränke (AfG) gibt es jedoch weitere Kategorien, vor allem Limonaden. Diese kommen dem Nutzen von Fruchtsäften nahe. Die Idee von Punica bestand darin, statt Kaufkraft von notwendigerweise leistungsüberlegenen Fruchtsäften abzuziehen – was gerade wegen des gesundheitssensiblen Charakters schwierig ist –, eher Kaufkraft von der leistungsunterlegenen, weil „ungesunden“ Kategorie Limonade abzuziehen. Dies konnte allerdings nur gelingen, wenn man Mütter / Väter, die latente Bedenken gegen den Genuss von Limonade durch ihre Kinder hegen, diesen aber dulden, auf das überlegene System Fruchtnektar hinweist. Denn im Vergleich zu den „bedenklichen“ Limonaden ist selbst der einfachste Fruchtnektar das vorteilhaftere Produkt, und das bei vergleichbarem Preisniveau. Den Kindern als Verwendern wurde Punica als Spaßgetränk analog zu Limonaden präsentiert, so dass eine Grundakzeptanz entstand. Somit kam es zu Überwechslern zwischen den Systemen und damit zur Erschließung neuer Nachfragergruppen. Als weiteres Beispiel kann der Markt für Monatshygieneprodukte gelten. Hier konkurrieren vor allem die Systeme Binde und Tampon miteinander. Es schien bereits so, als gehe der Trend eindeutig in Richtung des moderneren Systems

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Tampon, das vor allem von jüngeren Frauen präferiert wird. Neuerdings sind jedoch wieder Binden dominant, nicht zuletzt durch gravierende Produktverbesserungen und die werbliche Penetration einzelner Produkte, namentlich Always /  P&G. P & G wendet sich gezielt an junge Mädchen, die erstmals vor der Systementscheidung stehen. Das Ziel ist offenbar, diese frühestmöglich mit den Vorteilen von Binden vertraut zu machen, um eine Systemtreue, zumindest partiell, zu erreichen und sie gegen Tamponargumente zu immunisieren. Die Tamponwerbung, vornehmlich o.b. / J & J, hält mit der Auslobung ihrer Systemvorteile dagegen. Hinzu kommen weitere Teilsysteme wie Perioden-Slip, PeriodenKappe etc. Ebenso gibt es bei E-Zigaretten zwei konkurrierende Systeme am Markt. Das eine System arbeitet durch Erhitzung des Tabakstifts (Heet), wodurch Rauch entsteht, der inhaliert werden kann. Das andere System erhitzt stattdessen aromatisierte, nikotinhaltige Flüssigkeiten, die verdampfen (Iqos, Juul etc.). Als Anbieter in der Tabakerhitzer-Kategorie muss man also zuerst Vaporizer-Anhänger von den Vorteilen des eigenen Systems überzeugen, bevor man Zugang zu diesen finden kann, und umgekehrt. 5.1.4 Optionen der Nachfrageentwicklung Mit zusätzlichen Maßnahmen der Nachfrageentwicklung, also der Bearbeitung bereits bestehender Märkte mit neuen Produkten, kann eine gewisse Annäherung des mutmaßlichen Ist-Ergebnisses an die Zielvorstellung erreicht werden, wobei immer noch eine negative Abweichung bestehen bleiben kann. Produkterweiterung bedeutet, neue Produkte auf vorhandenen Märkten anzubieten. Dies beruht auf den Strategien der Produktinnovation oder Produktdifferenzierung. Als Möglichkeiten zur Nachfrageentwicklung stellen sich vor allem folgende. Produktwandel bedeutet, neue Einsatzmöglichkeiten für ein Produkt auszuloben, um Personen zu erreichen, die bisher in diesem Produkt keine adäquate Problemlösung gesehen haben. Als Beispiel kann der ehemalige Magenbitter Jägermeister gelten. Dieser entwickelte sich vom biederen Kräuterlikör zum angesagten Longdrink (Jägermeister Tonic), hierzulande zwar neu, in Südeuropa aber schon lange so üblich. An die Stelle der gesunden, aber langweiligen Spirituose trat das moderne, lifestylige Mixgetränk. Ein mittlerweile klassisches Beispiel für generischen Produktwandel ist das Fahrrad. War es früher nur Fortbewegungsmittel für sozial eher niedere Klassen, die sich kein Automobil oder wenigstens ein Motorrad leisten konnten, ist es heute weniger Fortbewegungsmittel als vielmehr Fitnessgerät für Freizeitspaß. Und durchaus nicht mehr ein „Arme Leute“-Fahrzeug, sondern häufig in aufgerüsteten Versionen anzutreffen.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Mit durchschlagendem Erfolg werden für gesundheits- und kalorienbewusste Konsumenten Light-Versionen aller möglichen Produkte lanciert (Softdrinks, Kaffees, Wurstwaren etc.). Oft dient das Light-Argument auch nur als Alibi zur Überwindung kognitiver Dissonanzen vor dem Kaufentscheid (z. B. Zigaretten). Ähnliches ist bei Kombi-Pkw zu beobachten. Waren sie früher noch als Kleintransporter für Handwerker und Kinderreiche stigmatisiert, so sind sie heute Mittel für Freizeitspaß, etwa bei raumbedürftigen Hobbies. Moderne Kombis (wie BMW Tourer, Audi Avant, Mercedes-Benz T etc.) sind daher nicht nur edel ausgestattet und teuer in der Anschaffung, sondern auch hoch angesehen im sozialen Umfeld. Modelleisenbahnen haben sich von einem reinen Kinderspielzeug zu einem Hobby für wohlhabende Rentner gewandelt. Folglich werden dort Premiumpreise über limitierte Auflagen, Sondermodelle, Digitalisierung etc. abgeschöpft. Allerdings kann ein Produktwandel auch scheitern, wenn die denotative Brücke zwischen alter und neuer Einschätzung nicht trägt. Ein Beispiel eines gescheiterten Produktwandels ist Eierlikör. Hier wurde versucht, aus einer betulichen Spirituose einen exquisiten Zusatz zu Desserts wie Gebäck, Pudding oder Eiscreme werden zu lassen. Dadurch sollten Modernität und Akzeptanz gefördert werden. Weitere gescheiterte Beispiele betreffen Stofftiere zum Verschenken unter Erwachsenen, wie von Steiff initiiert, Kräuterjoghurt als Brotaufstrich analog zum Quark (von Lünebest / Unilever) oder Klosterfrau Melissengeist als Stärkungsmittel für junge, leistungsbereite Personen. Ursprünglich war auch Hipp Fitnessnahrung ein Flopp. Dabei ist Baby­ nahrung die beste Kraftnahrung. Aber dies vollzieht sich auf der denotativen Sachebene, auf der konnotativen Gefühlsebene liegen zwischen beiden Produkten Welten. Doch Hipp ließ sich nicht entmutigen und relaunchte Früchte-­Pürees, Fruchtriegel und Getreidezubereitungen, die sehr gut schmecken, leicht verdaulich sind und einen hohen Kohlehydratanteil haben, im Quetschbeutel für sportliche Outdoor-Aktivitäten. Rasch entwickelten sich die Produkte zum Geheimtipp für Leistungssportler und waren damit endlich auch für Fitness-Fans akzeptabel. Problemweckung zielt darauf ab, seitherige Nichtverwender zu erreichen und ihnen die Nutzung eines Produkts nahe zu bringen, indem man sie für ein Problem sensibilisiert. Dies richtet sich an potenzielle Abnehmer, die aufgrund ihrer objektiven Merkmale zwar als Käufer in Frage kommen, denen ein entsprechendes Angebot aber bisher nicht zugedacht war oder die es mangels Kenntnis oder Interesse ablehnten. Ursprung dieser Alternative ist sicherlich Toppits-Frischhaltefolie von Melitta mit dem Argument „Vermeidung von Gefrierbrand“ zur Diskriminierung billiger No Name-Folien.

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Dies zielt erstens auf potenzielle Nachfrager ab, die, obwohl sie ihren objektiven Merkmalen nach als Käufer prädestiniert sind, ein Angebot nicht kennen und es deshalb auch nicht wahrnehmen können. Falls eine gewisse Anzahl von ihnen bei Kenntnis marktaktiv wird, stellt dies ein beträchtliches Nachfragepotenzial dar. Ein Beispiel ist die Vermeidung von Glaskorrosion beim Geschirrspülen (Somat). Der negativ besetzte, allgemein bekannte Begriff Korrosion wird dabei auf die vordem unbekannte Anwendung Trinkgläser u. Ä. übertragen (wobei Geschirrspülmittel dafür sekundär sind, primär ist vielmehr die Glasqualität). Ein anderes Beispiel ist die Vorbeugung gegen Haarausfall (Regaine, Alpecin, Priorin). Hier versprechen Haarwuchsmittel Prävention („Weil ich meine Haare behalten will“) und erreichen damit (männliche) Personen, die (noch) kein Haarausfallproblem haben, aber vermuten, ein solches bekommen zu können und dieses vermeiden wollen. Die Problemweckung zielt zweitens auf potenzielle Nachfrager, die ein Angebot zwar kennen, aber nicht als relevant empfinden, weil sie glauben, es nicht zu benötigen bzw. sie etwas brauchen, was das Angebot vorgeblich nicht zu leisten imstande ist. Diese sollen für ihr Problem und die sich ergebende Problemlösungsmöglichkeit sensibilisiert werden. Bezeichnend waren in dieser Hinsicht so schwerwiegende Probleme wie, Schokodrops, die nicht in der Hand schmilzen (M & M’s), Männer, die im Kern ihres Wesens nur domestizierte Abenteurer sind (Camel), und Boden und Möbel, die in der Küche frühlingsfrisch duften (Der General). Ähnliches galt für das Tiefbrühen von Kaffee (Melitta). Als Beispiel kann auch das Produkt Milchschnitte (Ferrero) gelten. Früher wurde es als gesunde Aufbaunahrung für Kinder (z. B. in den Schulpausen) propagiert. Durch die geburtenschwachen Jahrgänge erodiert diese Zielgruppe zunehmend. Daher war es erforderlich, neue Nachfrager zu gewinnen. Heute wird Milchschnitte als moderne, gesunde Zwischenmahlzeit für junge, aktive Erwachsene ausgelobt. Damit wird einerseits gewohntes Konsumverhalten fortgeschrieben, andererseits aber die stigmatisierende Aura eines Kinderprodukts beseitigt. Gleiches gilt für Duplo (Ferrero) als die „wahrscheinlich längsten Praline der Welt“. Ursprünglich war Duplo ein gewöhnlicher Schokoriegel, vorwiegend zum Selbstverzehr und für Kinder gedacht. Daraus wurde ein Anbietprodukt stilisiert, was durch die Analogie als Praline dramatisiert wurde. Als Zielpersonen werden junge Erwachsene angepeilt. Das gleiche gilt für andere Ferrero-Produkte wie Kinder-Schokolade oder Kinder-Country, die ebenfalls von Erwachsenen verzehrt werden sollen. Drittens geht es um Verbraucher, die ein Angebot zwar relevant finden, aber eine konkrete Anwendungssituation vermissen, um von dessen Nutzen überzeugt zu werden. In dem Maße, wie ihnen eine solche Applikation einleuchtet, sind sie jedoch von einem Kauf zu überzeugen.

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Als Beispiel mag das seinerzeitige Angebot von Softdrinks in Dosen gelten, die damit auch für den Unterwegsgebrauch tauglich wurden. Man braucht nicht mehr mit Verschlüssen, die potenziell undicht sind, zu hantieren, mit ungünstigen Packungsproportionen (Standfläche zu Höhe) und hohem Taragewicht. Auch die Gebindegröße ist auf den Einmalkonsum ausgelegt, was den Convenience-Aspekt verstärkt. Als problematisch hingegen ist die Ökobilanz zu beurteilen. Zusatzverkäufe (Add-ons) beabsichtigen, eigene Produkte durch Ausstattungen in ihrem Gebrauchswert, aber auch Kaufwert zu steigern. Häufig dient ein optisch niedriger Einstiegspreis, der womöglich noch intern subventioniert ist (Ausgleichsnehmer) als Köder für Folgegeschäft, das zu Preisen abgewickelt wird, die nicht nur einen angemessenen Gewinn erwirtschaften, sondern darüber hinaus die entgangenen Deckungsbeiträge des Ausgangsprodukts alimentieren (Ausgleichsgeber). Als praktisches Beispiel können die Ausstattungsaufpreise bei Pkw-Modellen gelten. Es gilt in der Branche als Vorgabe, mindestens 20 % Zusatzverkäufe mit Sonderausstattungen und Zubehör zu realisieren. Dies ist bei der Aufpreis­ gestaltung der meisten Hersteller auch kein Problem. Weit übertroffen wird dieser Wert z. B. von BWM 1-er und Mini-Modellen, die damit als Kleinwagen weit in Mittelklasse-Preise hineinragen. Als Beispiel dient auch der Markt für Videospiele (Nintendo, Sony, Microsoft). Die Gerätekonsole als Basis wird vergleichsweise preisgünstig offeriert und suggeriert ein lohnendes Angebot. Deren volle Leistungsfähigkeit ist jedoch erst nutzbar, wenn Spielemodule dazu gekauft werden. Da sich jedes Spiel emotional schnell abnutzt, steigt im Zeitablauf die Nachfrage nach Spielemodulen, und deren Wert übertrifft schnell den Anschaffungspreis der Konsole. Ähnliches gilt für die zwischenzeitlich vom Markt verschwundenen, nun aber wieder modernen Sofortbildkameras (Polaroid). Die Hardware wird zu extrem niedrigen Preisen in den Markt gebracht. Schnell wird jedoch klar, dass sich die verbrauchten Filme zu erheblichen laufenden Kosten hoch addieren. Somit ist das Folgegeschäft das eigentlich interessante. Komplementärprodukte als Absatzquelle hängen sich an erfolgreiche fremde Produkte an und erweitern / verbessern deren Möglichkeiten. Dabei erfolgt eine Partizipation bei nichtsubstitutiven Anbietern. Das Marktvolumen ist zwar begrenzt, aber häufig lukrativ, da Nutzer für Gadgets empfänglich sind. Dafür besteht eine hohe Abhängigkeit vom Erfolg des fremden Produkts, das man kaum wirksam zu beeinflussen vermag. Beispiele finden sich bei Mobiltelefonzubehör. So bietet Belkin Komplementärprodukte vor allem für Apple und Samsung wie Lautsprecher / Kopfhörer, Ladestationen, Kabel / Adapter, Docks / Hubs etc. Diese sind im Programm der OEMHersteller nicht oder zumindest so nicht verfügbar. WBT ist Marktführer für Lautsprecherklemmen und Cinch-Verbinder, die Highend-Ansprüchen genügen. Diese werden von OEM-Herstellern in ihren Geräten

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(Verstärker, Lautsprecher, CD-Players etc.) verbaut oder können dort von Anwendern nachgerüstet werden. Bei der Wachstumspartizipation wird auf kompetitive Aktivitäten gegenüber dem direkten Mitbewerb verzichtet und statt dessen darauf gesetzt, am Zuwachs des Marktes mindestens proportional, möglichst aber überproportional, zu partizipieren. Dies wird durch generische Produkte / Dienste erreicht, die für eine allgemeine Potenzialsteigerung sorgen. Damit müssen oft marktmächtige Mitbewerber nicht durch Frontalangriff provoziert werden. Nachteilig ist jedoch, dass Märkte mit originärem Wachstum kaum mehr anzutreffen sind. Vielmehr ist die Realität durch stagnierende oder gar schrumpfende Märkte gekennzeichnet. Daher bleibt der Einsatz dieser Alternative letztlich eng begrenzt. Derartige Maßnahmen bieten sich vor allem in (Quasi-)Monopolmärkten an. Ein historisches Beispiel ist die Propagierung des Kfz-Leasing als vorteilhaft im Vergleich zum Kauf eines Autos (Pkw / L NF) durch V. A.G-Leasing. Dabei wurden lange Zeit die gattungstypischen Vorteile des Leasing ausgelobt, ohne auf besondere Vorteile speziell des V. A.G.-Leasing gegenüber dem Leasing anderer Markenfahrzeuge einzugehen. Als Marktführer ging Volkswagen wohl davon aus, vom Trend zum Leasing ohnehin am meisten zu profitieren. Ähnliches zeigte sich auf den damaligen Monopolmärkten der Bundespost bei Briefsendungen und Telefonanschlüssen. Entsprechende Kampagnen („Schreib mal wieder!“, „Ruf’ doch mal an!“) zielten auf generisches Verhalten ab, da die Nachfrage zwangsläufig auf den Monopolanbieter Bundespost zukam. Oder beim Monopolmarkt der Bundesbahn. Hier ging es darum, notorische Autofahrer zum Umsteigen auf die Bahn zu bewegen („Alle reden vom Wetter, wir nicht!“). Dabei werden die Ergebnisse ihrer Bemühungen allerdings zugleich durch Unzulänglichkeiten in ihrem Leistungsangebot wieder neutralisiert oder gar konterkariert. Marktschaffung erfolgt durch das Angebot völlig neuartiger Problemlösungen. Dies ist zwar äußerst selten der Fall, bietet dem Innovator jedoch eine mehr oder minder lange Monopolstellung. Eine „echte“ Marktschaffung ist selten, weil meist neue Produktarten lediglich alte ersetzen – zum Beispiel CD-Player statt Analogplattenspieler, Camcorder statt Super-8-Kamera und E-Mail-Nachrichten statt Telex-und Telefaxtechnik. Viel seltener gelingt es, originär neue Märkte zu etablieren, die Angebotsmerkmale aufweisen, die es bis dato noch nicht gab, wie PCs, Festplatten-Videorecorder oder portionierte Joghurts, aber auch Post it-Zettel oder Schokoriegel. Nur dann wird wirklich ein neuer Markt geschaffen, der in der Lage ist, zusätzliche Kaufkraft hervorzubringen. Ein Beispiel ist der Mobilfunkmarkt. Hier wird seit geraumer Zeit ein eskalierender Nutzen geboten, der in dieser Form vorher in keiner Weise verfügbar war. Über die Sprachkommunikation hinaus ist an Datenübertragung (wie E-Mails), Mehrwertdienste wie Navigation, Bildtelefonie et cetera zu denken.

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Ein weiteres Beispiel sind Kaffee-Pad-Automaten von Philips / Douwe Egberts bzw. Kaffee-Kapsel-Automaten von Nespresso, die erstmals die rasche, saubere und unkomplizierte Ein-Portions-Kaffeezubereitung ermöglichen. Beide richteten sich zunächst an Geschäftskunden (Convenience), erst dann wurde die breite Öffentlichkeit adressiert.

5.2 Zielgruppenabgrenzung 5.2.1 Consumer-Märkte 5.2.1.1 Demografische Kriterien Die Zielgruppe wird von denjenigen Personen gebildet, welche die Absatzquelle verkörpern. Denn Nachfrage ist, auch im Geschäftskundenbereich, nicht abstrakt am Markt vorhanden, sondern konkretisiert sich in den nachfragenden Personen. Wichtig ist es, diese möglichst aussagefähig zu charakterisieren. Dafür bieten sich demografische, aktiografische, psychologische, soziologische, typolo­ gische und neuroökonomische Kriterien an (siehe Abbildung 56: Optionen der B-t-C-Zielgruppenabgrenzung). Die demografische Segmentierung erfolgt nach folgenden, objektiv-natürlichen Kriterien: • Geschlecht, z. B. Rasierer für Männer oder für Frauen, Rasierer für Frauen sind dabei als Beauty-Produkt teurer als solche für Männer als Körperpflege-Produkt, • Altersklasse, normalerweise zur Vereinfachung in 5-Jahres-Schritte eingeteilt, beginnend mit 14 Jahren, endend mit über 70 Jahren, • Haushaltsführung / Kaufentscheid (dies ist bedeutsam für die Produktwahl innerhalb einer Category und Auftragskäufe), • Einkommen (als Haushaltsnettoeinkommen / HHNE, persönliches Einkommen oder frei verfügbares Einkommen). Das HHNE wird meist in 250 €-Schritten rubriziert, beginnend mit < 750 €, endend mit > 2.500 €, jeweils als Summe aller in einem Haushalt verfügbaren Nettoeinkommen pro Monat), • Familienstand, wobei dieser immer weniger eindeutig ausmachbar ist, da Patchwork-Lebensläufe und neue Familienformen zunehmen, • Ausbildung (Schule / Lehre), normalerweise unterteilt in Volksschule / Grund- und Hauptschule ohne Lehre, Volksschule / Grund- und Hauptschule mit Lehre, weiterführende Schule ohne Abitur, Abitur, Hochschule / Universität, • Tätigkeitsgruppe, unterschieden werden zumeist Inhaber / Leiter / freie Berufe, kleine und mittlere Selbstständige / Landwirte, leitende Angestellte / Beamte, sonstige Angestellte / Beamte / nicht berufstätig gewesene, Facharbeiter / sonstige Arbeiter, außerdem in Ausbildung Befindliche, Berufstätige, nicht Berufstätige, Rentner,

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Abbildung 56: Optionen der B-t-C-Zielgruppenabgrenzung

• Haushaltsgröße / Kinderzahl, normalerweise unterteilt in ein, zwei, drei, vier, fünf und mehr als fünf Personen im Haushalt, das Kindesalter wird in 4-JahresSchritten, beginnend mit < 6 Jahren, endend mit 14 Jahren unterteilt, • Wohnortgröße (Bundesland / Nielsengebiet), normalerweise in Schritten zu < 5.000, < 20.000, < 100.000, < 500.000, > 500.000 Einwohner unterteilt, • Geografie, vor allem lokal, regional, national, international, z. B. höhere KfzTarife in Ballungszentren, Dumpingpreise im Ausland (niedriger als im Inland), • Besitzstatus, etwa von Immobilien, Automobilen, Gärten, Haustieren etc. (innerhalb dieser Merkmale kann wiederum abgestuft werden, z. B. Besitzer kleiner, mittlerer, großer Gärten). Weiterhin werden sonstige Merkmale wie Jahr der Eheschließung, Stockwerk / ​ Parteienzahl im Wohnhaus, Wohndauer, Zeit außer Haus etc. zugrunde gelegt.

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5.2.1.2 Aktiografische Kriterien Häufig anzutreffen sind auch kaufverhaltensbezogene Segmentierungskriterien wie folgende: • Preisbedeutung, diese bezieht sich auf die Bevorzugung bestimmter Preisklassen beim Kauf, oder Kauf von Sonderangeboten nach Preis-Leistungs-Verhältnis durch Nachfrager, • Einkaufsstättenwahl, diese bezieht sich auf die Präferenz für bestimmte Betriebsformen des (Einzel-)Handels oder einzelne Geschäftsstätten, auch in Bezug auf Geschäftsstättentreue, • Einkaufszeitpunkt, dieser bezieht sich z. B. auf die Wahl der Vor- oder Nach­ saisons für Urlaubsreisen oder Subskriptionen bei Verlagsprodukten, • Produktartenwahl, diese bezieht sich z. B. auf den Kauf bzw. Nichtkauf bestimmter Produktgruppen, wie Cabrios, Jeeps oder Großraumlimousinen im Pkw-Bereich, • Produktvolumen, dieses bezieht sich z. B. auf Kauf- und Verbrauchsvolumina (so werden Großpackungen vorwiegend von Intensivverwendern / Heavy Users gekauft und Kleinpackungen vorwiegend von Singles), • Mediennutzung in Bezug auf die Art / Anzahl der Medien und die Nutzungsintensität, entsprechend ist die Beeinflussbarkeit beim Kaufentscheid zu beurteilen, • Markenbedeutung, vor allem in Bezug auf Markentreue bzw. Markenwechsel und der Abgrenzung gegenüber No Name-Produkten, • Verwendungsart hinsichtlich des Einsatzes von Produkten, z. B. Licht- vs. Kraftstrom, Vieh- vs. Speisesalz, Nüsse als Snack oder als Backzutat. Diese Segmentierungen sind allerdings zu allgemein gehalten, um in den differenzierten Lebensstilgesellschaften der heutigen Zeit noch tragfähige Abgrenzungen schaffen zu können. Die Kriterien können auf Fremdeinstufung durch Bestimmung seitens des Anbieters resultieren, z. B. Zugang zu C & C-Markt, Personaleinkauf, Warteliste. Sie können aber auch auf Selbsteinstufung seitens der Nachfrager resultieren. Dabei handelt es sich um sozialpsychologische Abgrenzungen nach Psychografie, Soziografie und / oder Typologie. 5.2.1.3 Psychografische Kriterien Psychologisch-basierte Segmentierungskriterien heben auf intrapersonale Größen ab. Daraus ergeben sich vielfache Anhaltspunkte bei der Zielgruppenabgrenzung. Im Folgenden einige wichtige Kriterien. Aktivierende Determinanten beschreiben innere Erregungszustände, welche den Organismus mit Energie versorgen und in einen Zustand der Leistungsbereit-

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schaft und -fähigkeit versetzen. Man unterscheidet nach dem allgemeinen tonischen Aktivierungsniveau und speziellen phasischen Aktivierungsschwankungen. Die Leistung ist dabei bei mittlerer Erregung (Arousal Level) am höchsten. Zu geringe Erregung führt zur Lethargie, zu hohe Erregung zu Hektik. Beides ist der Leistung i. S. v. Zielverfolgung nicht dienlich. Vielmehr muss ein mittlerer Erregungsgrad angepeilt werden. Bei den aktivierenden Determinanten handelt es sich um Emotion, Motivation und Einstellung. Emotion ist eine psychische Erregung, die subjektiv wahrgenommen wird, durch Interesse, Freude, Überraschung, Kummer, Zorn, Ehre, Geringschätzung, Furcht, Scham, Schuldgefühl. Der Grad der Erregung bestimmt dabei die physiologische Aktivierung (gering oder hoch), die Richtung die Art der Aktivierung (steigend oder fallend), die Qualität das Erlebnis der Aktivierung (angenehm oder unangenehm) und das Bewusstsein den Wahrnehmungsgrad der Aktivierung (bewusst oder unbewusst). Auslöser für Emotionen sind u. a. Schlüsselreize, also Reize, die genetisch codiert sind (wie Kindchenschema, Erotik). Allerdings ist Vorsicht geboten, da emotionale Schlüsselreize die Aufmerksamkeit des Rezipienten von der eigentlichen Botschaft ablenken, man spricht anschaulich auch vom Vampire-Effekt. Insofern stimmt „Sex sells“ nicht unbedingt. Motivation gilt als mit Antrieb versehener und auf Behebung ausgerichteter Bedarf. Je dringlicher dieser Bedarf ist, desto eher soll er befriedigt werden. Mit der Befriedigung eines Bedürfnisses erhält automatisch das nächstfolgende Priorität. Es gibt primäre Motive, die angeboren sind wie z. B. Versorgung, Arterhaltung, Nachteilsvermeidung und vor allem sekundäre Motive, die erworben sind wie z. B. Prestige, Macht, Lebensqualität. Weiterhin intrinsische Motive, die eine Selbstbelohnung / Vermeidung von Bestrafung zum Inhalt haben, und extrinsische Motive, die außengeleitet sind, sowie unbewusste Motive, die unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegen, und bewusste Motive, die sich oberhalb befinden. Sind die Antriebe dabei widersprüchlich, entstehen Motivkonflikte: • Ein Appetenz-Appetenz-Konflikt liegt vor, wenn ein Käufer zwei oder mehr Motive positiv wahrnimmt, sich aber für eines von ihnen entscheiden muss (Qual der Wahl, z. B. zwei oder mehr präferierte Alternativen). • Ein Appetenz-Aversions-Konflikt liegt vor, wenn ein identisches Ziel sowohl positive als auch negative Wahrnehmungen auslöst, die gegeneinander abzuwägen sind (hin- und hergerissen). • Ein Aversions-Aversions-Konflikt liegt vor, wenn ein Käufer sich zwischen zwei oder mehr, von ihm sämtlich als negativ wahrgenommenen Alternativen entscheiden muss (das geringere Übel, z. B. zwei oder mehr nicht präferierte Alternativen). Es sind verschiedene Modelle zur Motivationseinordnung entwickelt worden, am bekanntesten ist wohl das Modell von Maslow. Es sieht fünf Hierarchiestufen vor,

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physiologische, sicherheitsbezogene, soziale, anerkennungs- und entdeckungsbezogene. Dabei wird unterstellt, dass die Bedürfnisse einer höheren Stufe erst marktwirksam werden, wenn die Bedürfnisse der darunter liegenden Stufen abgedeckt sind. Dies ist jedoch zweifelhaft, z. B. treiben Künstler oft Selbstverwirklichung unter Hintanstellung ihrer Existenz. Bekannt ist auch das Modell von Freud mit dem normativen Eltern-Ich (Gebote, Verbote, Maximen), dem rationalen Erwachsenen-Ich und dem stimulierenden Kindheits-Ich (rebellisch, naiv, fügsam). Dieses wird in der Transaktionsanalyse genutzt. Einstellung ist die relativ stabile innere Bereitschaft (Prädisposition) eines Käufers, auf bestimmte Stimuli konsistent positiv oder negativ zu reagieren. Mehr­ dimensionale Einstellungen werden Images genannt. Einstellungen wirken als hypothetische Konstrukte und führen zu organisierten Überzeugungen, Vorurteilen, Meinungen etc. Positive Einstellungen erhöhen die Kaufchance, negative vermindern sie. Einstellungen haben die Merkmale des Objektbezugs, d. h., sie sind auf ein Bezugsobjekt (Sache, Person, Thema, Angebot) gerichtet, der Erworbenheit, d. h., sie entspringen dem Sozialisationsprozess als Lernen aus Erfahrung, und des Systemcharakters, d. h., sie unterteilen sich in eine affektive Komponente, welche die gefühlsmäßige Einschätzung betrifft, eine kognitive Komponente, welche die verstandesmäßige Beurteilung betrifft, und eine konative Komponente, welche die handlungsmäßige Konsequenz betrifft. Es ist strittig, ob eine Einstellungsänderung Voraussetzung für neues Verhalten ist oder nicht. Der Involvement-Ansatz geht davon aus, dass es ohne Einstellungsänderung keine Verhaltensänderung gibt (E-V-Hypothese), er gilt im High Involvement-Bereich, der Dissonanz-Ansatz geht hingegen davon aus, dass neues Verhalten Voraussetzung für eine Einstellungsänderung ist (V-E), er gilt im Low Involvement-Bereich. Zwischen Kaufabsicht und Kaufakt liegen jeweils situative Faktoren, die für Divergenzen sorgen. So schätzt wohl jeder die Marke Porsche, wenn es aber darum geht, ein neues Auto zu kaufen, wählt man meist eine andere Marke. Weil zwischen Einstellung (Präferenz für Porsche) und Verhalten (Kauf einer anderen Automarke) die Kaufkraft als intervenierende Variable liegt. Gleichfalls können Präferenzen für zwei und mehr Angebote bestehen, man braucht aber nur eines von ihnen, oder das präferierte Angebot ist nicht verfügbar, sodass man auf ein anderes ausweichen muss. Andererseits gibt es wohl in jedem Haushalt Produkte, von denen die haushaltsführende Person auf Befragen hin nicht sagen kann, warum sie gerade diese gekauft hat. Es kommt also zum Verhalten (Kauf) ohne Einstellung (Kenntnis, Präferenz). Gründe sind Spontankäufe, Reflexe aus physischer Angebotspräsentation, Sonderangebote etc. Daraus ergibt sich die Meinung, dass High Involvement-Käufe überwiegend der E-V-Mechanik folgen, Low Involvement-Käufe aber eher der V-E-Mechanik. Individuelle Determinanten unterteilen sich in die Elemente Involvement Risikoempfinden und Vertrauen / Reputation. Unter Involvement versteht man einen inneren Zustand der Aktivierung, der die Informationsaufnahme, -speicherung und

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-verarbeitung beeinflusst. Diese Aktivierung ist personen-, situations- und reizabhängig. High Involvement-Situationen sind solche, die für den Käufer wichtig sind, weil sie ein persönliches Risiko durch Selbsteinschätzung, ein finanzielles durch Geldmitteleinsatz, ein soziales durch Fremdeinschätzung oder ein psychologisches durch Dissonanzen bergen. Low Involvement-Situationen sind hingegen weniger wichtig und risikoreich, sodass es nicht sinnvoll erscheint, sich mit sorgfältiger Abwägung, Vergleich vieler Alternativen und Verwendung umfangreicher Informationen auseinander zu setzen. Die Low Involvement-Hierarchie unterstellt daher, dass es zu Verhalten ohne vorherige kognitive Auseinandersetzung kommen kann. Die High Involvement-Hierarchie unterstellt hingegen, dass ohne Einstellungsbildung erst gar kein Verhalten erfolgen kann. Das Risikoempfinden beschreibt die als nachteilig empfundenen Folgen des Kaufs oder Nichtkaufs, die nicht vorhersehbar sind. Diese Unsicherheit kann vor dem Kauf als Vorkaufdissonanz oder vor allem nach dem Kauf als Nachkauf­ dissonanz auftreten. Dissonanzen sind meist kognitiv bedingt. Der Grad des wahrgenommenen Risikos ist dabei von der individuellen Risikobereitschaft abhängig und hat einen finanziellen, funktionalen, sozialen und psychologischen Aspekt. Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung wollen vom Menschen zur Konsonanz ausgeglichen werden. Insofern ist eine Dissonanzreduktion erforderlich. Diese erfolgt durch Änderung im Umfang der Kognition, durch Hinzufügung neuer Kognitionen oder Ausschaltung dissonanter Kognitionen, durch Änderung von Inhalten der Kognition, nachträgliche Aufwertung der gewählten Kaufalternative bzw. nachträgliche Abwertung der verworfenen Kaufalternativen oder Unterstellung der Gleichartigkeit der gewählten zu der / den verworfenen Alternative(n). Ein wichtiges Instrument zur Dissonanzreduktion ist die Bedienungsanleitung bei technischen Gebrauchsgütern. Gerade wenn man überzeugt ist, wieder einmal das Falsche gekauft zu haben und verzweifelt in der Bedienungsanleitung nachschlägt, wird man dort in der Richtigkeit seiner Wahl bestätigt, etwa durch eine Formulierung wie „Herzlichen Glückwunsch zum Kauf dieses hoch modernen Geräts, an dem Sie viel Freude haben werden. Es verfügt über folgende einzigartigen Merkmale: …“. Nachfragerseitig erfolgt eine Risikoreduktion durch Vertrauen. Vertrauen ist eine soziale Ressource und schafft Berechenbarkeit im gesellschaftlichen Rollenspiel. Anbieterseitig sind dabei die Schaffung und der Aufbau von Reputation wichtig, die sich aus der Gesamtheit seiner Wahrnehmungen im Markt ergeben. Aus Vertrauen folgt dabei Akzeptanz, daraus entsteht Respekt und daraus wiederum folgt Kompetenz ab. Die Operationalisierung von Vertrauen / Reputation ist ausgesprochen schwierig. Kriterien sind u. a. – die Qualität der Produkte / Dienste, die Kulanz bei Problemfällen, die Verlässlichkeit des Unternehmens, die Freundlichkeit der Mitarbeitenden, die Garan-

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tien auf Leistungen, die Offenheit gegenüber Problemfällen, die nachvollziehbare Preisgestaltung, der Umgang mit Mitarbeitenden, die Umworbenheit als Kunde etc. Als besonders vertrauenswürdigste Marken gelten gemeinhin folgende: – Nivea, DM, Rossmann, Aldi, Amazon, Aspirin, Audi, Lufthansa, Rewe, Sony, Markant, Schwarzkopf, VW, Lidl, Veltins, BMW, FAZ, Mercedes-Benz, C & A, Deutsche Post, Die Welt, Maggi, Jägermeister, Ratiopharm, IKEA, Coca-Cola, Bitburger, Süddeutsche Zeitung, Rügenwalder, Microsoft, Sparkasse, L’Oréal, Hexal, TUI, Netto, Opel, Media-Markt, Real, Penny. Kognitive Determinanten betreffen die gedankliche Organisation des Käufers in seinem Umfeld und bestehen aus den Elementen Wahrnehmung, Lernen und Gedächtnis. Wahrnehmung umfasst den Prozess der Aufnahme und Selektion von Informationen sowie deren Organisation und Interpretation durch den Käufer über Aktivität, Subjektivität und Selektivität. Aktiv meint, dass Wahrnehmung ein vom Käufer initiativ ausgehender Prozess ist, subjektiv, dass gleiche Objekte individuell abweichend wahrgenommen werden können, und selektiv, dass infolge der Wahrnehmungsbeschränkung einzelne Informationen herausgefiltert werden. Wahrnehmung ist nur oberhalb einer minimalen Reizschwelle möglich. Reize darunter können nur noch unterschwellig wahrgenommen werden (subliminal) und führen zur unkontrollierten Verhaltenssteuerung, über deren absichtliche Herbeiführung ein eindeutiges moralisches Unwerturteil besteht. Eine relative Reizschwelle ist der Unterschied zwischen zwei Reizen, der gerade noch wahrgenommen werden kann. Die Wahrnehmung unterliegt dabei zahlreichen verzerrenden Gesetzmäßigkeiten und Effekten wie z. B. durch optische Täuschungen belegt. Um in der Wahrnehmung mit der eigenen Botschaft in Konkurrenz zu zahllosen anderen durchzudringen, bleiben zwei Möglichkeiten. Die eine sind besonders impactstarke Botschaften, die es durch ihre Aufmerksamkeitsstärke vermögen, durchzudringen. Die andere sind besonders penetrationsstarke Botschaften, die dies durch ihre Intensität schaffen. Regelmäßig, und dies mag frustrierend sein, schlägt Budget dabei Kreativität. Denn auch die kreativste Botschaft vermag mangelnde Penetranz nur schwer auszugleichen. Das kognitive Lernen beinhaltet die systematische Änderung des Verhaltens aufgrund erworbener Erfahrungen. Das Lernen durch Einsicht / Verstehen beruht auf der strukturierten Umweltwahrnehmung und Identifikation. Dieses erlaubt es, Lösungskonzepte nicht nur auf gleiche, sondern auch auf ähnliche Situationen anzuwenden. Das Lernen am Modell / Leitbild beruht auf der Nachbildung vorbildlicher Leitfiguren. Das Ausmaß des Lernens ist hierbei vom Beobachter, von der beobachteten Situation und von der beobachteten Person abhängig. Das Lernen am Modell ist etwa Basis der Testimonial-Werbung (z. B. bei L’Oréal). Prominente, die als Rollenvorbild dienen, identifizieren sich als Nutzer eines bestimmten Produkts. Personen, die ihnen nacheifern, können sich ihrem

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Vorbild zumindest schon einmal dadurch annähern, dass sie das gleiche Produkt wie dieses nutzen. Das Gedächtnis ermöglicht Informationsverarbeitungsprozesse, indem zwischen Stimuli und Reaktionen darauf verstandesmäßig gesteuerte Prozesse angenommen und erklärt werden. Im Ultrakurzzeitgedächtnis als sensorischer Speicher werden Eindrücke nur sehr kurzzeitig zwischengespeichert und zu Reizkonstellationen kombiniert. Die Speicherkapazität ist dort sehr hoch, die Zugriffsgeschwindigkeit hoch, die Behaltensdauer aber nur sehr kurz. Im Kurzzeitspeicher werden die Reize zu Informationen umgewandelt, indem auf Erfahrungen zurückgegriffen wird. Irrelevante Reize werden bereits gelöscht. Im Langzeitspeicher werden die verarbeiteten Informationen langfristig gesichert. Allerdings kommt es zum Absinken der Information als Funktion der Zeit oder zur Überlagerung impact-schwächerer Informationen durch impact-stärkere infolge Interferenz, sodass diese im Entscheidungszeitpunkt nicht mehr verfügbar sind. Im ersten Fall, dem autonomen Verfall, wird angenommen, dass sich die zeitlich am weitesten zurück liegenden Informationen löschen, insofern kommt es auf eine hohe Penetration von Botschaften an. Im zweiten Fall entsteht eine proaktive Hemmung der Speicherung durch frühere Informationen, gegen die man sich erst durchsetzen muss, und eine retroaktive Hemmung durch spätere Informationen, gegen die man erst einmal bestehen muss.

5.2.1.4 Soziografische Kriterien Soziologisch-basierte Segmentierungskriterien heben auf zwischenmenschliche Größen ab. Sie bieten vielfältige Ansatzpunkte zur Zielgruppenabgrenzung. Hier einige wichtige Kriterien. Unter Kultur versteht man ein kollektives Wertesystem, das durch Normen Toleranzgrenzen für konformes Verhalten innerhalb der Gesellschaft festlegt. Bei Muss-Normen handelt es sich um Ge- oder Verbote, bei Soll-Normen um erwünschtes, nicht negativ sanktioniertes Verhalten, und bei Kann-Normen um Verhaltensoptionen, die allesamt akzeptiert sind und dem Individuum einen gewissen Ermessensspielraum lassen. Die Sanktionierung erfolgt durch Belohnung bzw. Vermeidung von Bestrafung bei Normeneinhaltung sowie Entzug von Belohnung bzw. Bestrafung bei Normenverstoß. Normen sind der „Kit“ jeder Gesellschaft, werden sie nicht mehr durch Eltern, Lehrer etc. in ausreichendem Maße vermittelt, fehlt der Konsens und die Gesellschaft droht zu zerfallen. Subkulturen sind in sich relativ geschlossene Gruppen innerhalb der Gesellschaft, die sich z. B. nach ethnischen, altersmäßigen oder räumlichen Gesichtspunkten bilden. Sie gliedern die Gesellschaft horizontal und werden von spezifischen, von der allgemeinen Wertestruktur teilweise abweichenden Normen geeint, die vielfältige Ansatzpunkte für die Vermarktung bieten. Typische Subkulturen können Migranten, Jugendliche, Landbewohner etc. sein.

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Häufig wird von Anbietern ein spezieller Auftritt bei Angehörigen von Subkulturen gepflegt, der für Personen außerhalb nicht ohne Weiteres erkennbar ist, da sie keinen Zugang dazu haben. So schalten viele Unternehmen gezielte Kampagnen für die kommerziell hoch attraktive Zielgruppe Homosexueller, die über spezielle Zielgruppenmedien gestreut werden. Gleiches gilt für die große und konsumfreudige Zielgruppe türkischer Mitbürger, die speziell über landsmannschaftliche Medien kontaktiert werden. Eine Soziale Schicht ist durch die Gleichartigkeit ihrer Lebensumstände charakterisiert. Sie führt zu einer vertikalen Gliederung der Gesellschaft. Dazu werden meist demografische Kriterien herangezogen. Diese verlieren allerdings angesichts eines Wandels von der Schichten- zu einer Lebensstilgesellschaft an Bedeutung. Zielgruppen eint nicht mehr eine ähnliche Demografie, sondern ein gleicher Lebensstil bei heterogener Demografie. So sind die Besucher eines Fitnessstudios nicht durch eine gemeinsame Demografie, sondern nur durch einen gemeinsamen Lebensstil charakterisierbar. Bei Gruppen unterscheidet man Kleingruppen mit direktem Kontakt und Großgruppen, weiterhin temporäre und dauerhafte Gruppen sowie familiäre Primär- und außerfamiliäre Sekundärgruppen. Das Ausmaß des Gruppeneinflusses auf Kaufentscheidungen hängt mit der Identifikation des Individuums mit seiner Gruppe zusammen. Informelle Gruppen sind nur durch Kommunikationsbeziehungen untereinander gekennzeichnet (z. B. Bekanntenkreis, Nachbarschaft, Internet-Freunde), formelle Gruppen stehen in einem rechtlich begründeten Verhältnis zueinander (z. B. Arbeitskollegen, Vereinsmitglieder, Parteifreunde). Weiterhin unterscheidet man Mitgliedschaftsgruppen, die durch bloße Teilnahme am Gruppenleben entstehen oder nominell durch Aufnahme und Teilhabe begründet werden (positiv oder gemieden). Sowie Bezugsgruppen, in denen keine Mitgliedschaft besteht, mit denen eine Person sich aber identifiziert bzw. von der sie sich absetzen will. Diese Referenzgruppen werden häufig zum Vergleich mit der eigenen Lebenssituation herangezogen. Zur Konfliktvermeidung werden Nachahmung und Konformität bzw. bewusste Absetzung betrieben. Bei angestrebten Bezugsgruppen (Peer Groups, Ggs.: negative Bezugsgruppen) sind Verhalten und Wertungen dieser komparativen Gruppe normierend, die für gewöhnlich eine halbe Klasse über der eigenen sozialen Klasse liegt. Der Abstand hat jedoch nach unten eine Toleranzgrenze, wird er zu groß (relative Deprivation), ohne dass dafür plausible Erklärungen gegeben sind, wird dies als ungerecht betrachtet. Produkte, welche die Bezugsgruppe nutzt oder empfiehlt, haben eine besondere Attraktivität, weil sie helfen, zumindest konsumtiv deren Mitglied zu werden (demonstrativer Konsum). Die wohl intensivst erlebte Gruppe ist die Familie. Nach dem relativen Anteil an der Kaufentscheidung durch Familienmitglieder unterscheidet man Kaufobjekte, die primär männlich dominiert sind wie Technik, Geldanlage etc., primär weiblich dominiert wie im Bereich Kinderbedarf, Haushaltswaren etc., die partizipativ entschieden werden wie Urlaub, Möblierung etc. oder autonom wie Kleidung,

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Hobbyausstattung etc. Die traditionelle Rollenverteilung gerät allerdings angesichts gesellschaftlicher Veränderungen ins Wanken, zumal auch Kinder verstärkt an nicht nur sie betreffenden Entscheidungen beteiligt sind. Im Familienlebenszyklus werden verschiedene Phasen in Abhängigkeit nach Alter, Familienstand, Haushaltsgröße, Berufstätigkeit, Kaufkraft und Besitz unterschieden, die zu jeweils spezifischem Kaufverhalten führen. Dabei werden Phasen unterschieden wie Ledige, Junges Paar, Paar mit Kleinkindern, Paar mit erwachsenen Kindern, Alleinstehende etc. Dies nutzt etwa die Finanzdienstleistungsbranche. In jeder Familienlebenszyklusphase werden gezielte Angebote lanciert, beginnend vor dem Schulalter und endend nach der Rente. Jeweils kann dabei dem spezifischen Bedarf an Finanzierung, Absicherung, Vorsorge und Geldanlage entsprochen werden. In jüngerer Vergangenheit sind dabei besonders Best Agers (Personen 50 J. +) in das Zentrum des Marketinginteresses gerückt, weil diese über erhebliche Kaufkraft verfügen und diese auch am Markt monetarisieren. Allerdings muss bezweifelt werden, dass diese Gruppe Zukunftspotenzial hat, vielmehr ist von verbreiteter Altersarmut infolge gebrochener Erwerbsbiographien auszugehen. Hinsichtlich der Interaktion in Gruppen (Rollenbeziehungen) können Positions-, Kommunikations- und Machtbeziehungen unterschieden werden. Die relative Position verschiebt sich vor allem in Abhängigkeit von der Sozialen Schicht. Die informationellen Beziehungen der Gruppenmitglieder sind vielfältig gestaltet. Die Macht in der Gruppe beruht auf den Potenzialen der Belohnung, Bestrafung, Legitimation, Identifizierung und des Expertentums. Dabei treten Interrollen-Konflikte auf, wenn durch die gleichzeitige Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Bezugsgruppen abweichende gesellschaftliche Erwartungen von außen an eine Person herangetragen werden, sowie Intrarollen-Konflikte, wenn unterschiedliche Motive in einer Person vorliegen, die sie abweichende Ziele verfolgen lassen müsste. So sieht sich der Unternehmensmanager, der zugleich Mitglied einer Umweltinitiative ist, zwei abweichenden Erwartungen gegenüber: ökonomischen und ökologischen, die eine Priorisierung von ihm fordern. Gleiches gilt für den Vater, der seinem Kind das späte Fernsehprogramm nicht vorenthalten will, aber auch daran interessiert sein muss, dass es am nächsten Morgen ausgeschlafen zur Schule kommt. Marketing kann helfen, diese Konflikte zu lösen, z. B. durch Start-Stopp-Automatik beim sportlichen Auto oder Videoaufzeichnung über Festplatten-Recorder. Bei Meinungsführern wird davon ausgegangen, dass sich die Kommunikation zwischen Botschaftsabsender und Rezipienten nicht nur direkt und diffus, sondern auch zweistufig vollzieht: Nämlich vom Botschaftsabsender zunächst an bestimmte Meinungsbildner (Opinion Leaders) in der Gesellschaft und von diesen an weitere Personengruppen (Two Steps Flow of Communication) oder vom Botschaftsabsender an Meinungsbildner und Meinungsfolger parallel (Two Cycles

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of Communication), dann allerdings mit anderer Strategie. Die Meinungsführer nehmen die Botschaft auf und versuchen, etwaige Informationsdefizite durch Kontaktsuche zu Promotoren (professionelle Experten) zu füllen. Gleichzeitig suchen weitere Personengruppen Kontakt zu diesen Meinungsbildnern, die auf sie dann in der zweiten Stufe ihren Einfluss ausüben. Dies macht sie aufnahmefähig für Anbieternachrichten mit Niveau und Gehalt, die sie bei Gelegenheit ihrerseits an ihr soziales Umfeld weitergeben. Insofern unterscheidet sich der Informationsbedarf von Meinungsführern deutlich von dem von Meinungsfolgern. Diese Eigenschaft beruht auf informeller Kompetenz, selten auch auf Macht, und wechselt interpersonell je nach Themenstellung. Denkbar ist auch ein Informationsfluss zu Meinungsfolgern sowohl direkt vom Anbieter aus als auch indirekt über zwischengeschaltete Meinungsbildner. Diese sind in allen Sozialen Schichten anzutreffen, kommunikationsfreudiger als der Durchschnitt, inhaltlich vorwiegend auf ein bestimmtes Thema spezialisiert, häufig Nutzer von Fachmedien, an ein höheres Anspracheniveau gewöhnt und mit informeller Kompetenz ausgestattet (zudem sind sie meist Heavy Users). Sie geben kostenlose Akquisitionsanstöße, die sogar glaubwürdiger und effizienter sind als Werbeaussagen, weil man unterstellt, dass die Person aus ihrer Empfehlung keinen Vorteil zieht. 5.2.1.5 Typologische Kriterien Typologische Kriterien basieren auf Lebensstilen, die wiederum durch Werte in Typologien gebildet werden. Werte sind allgemein Auffassungen über Wünschenswertes. Sie unterliegen einem stetigen, manchmal auch sprunghaften, Wandel (Wertewandel / Paradigmawechsel). Wertestrukturen kommen in Lebensstilen zum Ausdruck, die neben beobachtbaren Aktivitäten auch emotionale Interessen und kognitive Meinungen enthalten (AIO). Solche Lebensstile lassen sich, um den Preis einer gewissen Vergröberung, zu repräsentativen Merkmalskombinationen zusammen fassen, die hinsichtlich ihrer Werthaltungen hinreichend homogen zu charakterisieren sind. Personen identischer Demografie sind durch erheblich abweichende Lebensstile gekennzeichnet und damit auch in ihrem Kaufverhalten different. Dazu ein Beispiel. Zwei Personen weisen folgende demografischen Daten auf: männlich, 50 + Jahre, zum zweiten Mal verheiratet, zwei erwachsene Kinder, sehr wohlhabend, berühmt, Großstädter, teilzeit-berufstätig. Bei der einen Person handelt es sich um King Charles, bei der anderen um Ozzy Osborne. Dass ihr Kaufverhalten analog zur Demografie gleich ist, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Typologien kombinieren soziologisch- und psychologisch-basierte Kriterien (z. B. für die Mediaplanung). Dabei handelt es sich um die Bildung künstlicher Typen, die stellvertretend für eine Zielgruppe mit sehr ähnlichen Persönlichkeitsmerkmalen, vor allem Werten und Lebensstilen, stehen. Dies ist im Ergebnis zwar holzschnittartig, aber auch sehr prägnant und damit hilfreich zur Pointierung. Ver-

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breitet sind Segmentierungen nach der Typologie Sozialer Milieus oder den Roper Consumer Styles. Die Typologie Sozialer Milieus (Sinus) geht in vergleichbarer Weise vor, stellt dabei aber die Lebensbereiche der Personen (Soziale Milieus) als Verursacher in den Mittelpunkt. Daraus folgen intern homogene bei zugleich extern heterogenen Stilgruppen, deren Anwendung in der Mediaplanung weit verbreitet ist. Die Kurzcharakteristik der Sinus-Milieus® stellt sich wie folgt dar (Quelle: Sinus, leicht angepasst): – Sozial gehobenes konservativ-etabliertes Milieu (10 %): Das klassische Establishment: Verantwortungs- und Erfolgsethik mit Exklusivitäts- und Führungsansprüchen, Standesbewusstsein und zunehmendem Wunsch nach Ordnung und Balance. – Sozial gehobenes, liberal-intellektuelles Milieu (7 %): Die aufgeklärte Bildungselite mit kritischer Weltsicht, liberaler Grundhaltung und postmateriellen Wurzeln, Wunsch nach Selbstbestimmung und Selbstentfaltung. – Sozial gehobenes Milieu der Performer (8 %): Die multi-optionale, effizienz-orientierte Leistungselite mit globalökonomischem Denken, Selbstbild als Konsum- und Stil-Avantgarde, hohe Technik- und IT-Affinität, durch Etablierungstendenz kommt es zur Erosion des visionären Elans. – Sozial gehobenes expeditives Milieu 9 %: Die ambitionierte kreative Avantgarde: Transnationale, mental, kulturell und geografisch mobile Trendsetter, online und offline vernetzt; nonkonformistisch, auf der Suche nach neuen Grenzen und neuen Lösungen. – Bürgerliche Mitte (13 %): Der leistungs- und anpassungsbereite bürgerliche Mainstream mit genereller Bejahung der gesellschaftlichen Ordnung; Wunsch nach beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicherten und harmonischen Verhältnissen, wachsende Überforderung und Abstiegsängste. – Adaptiv-pragmatisches Milieu der Mitte (11 %): Die moderne junge Mitte mit ausgeprägtem Lebenspragmatismus und Nützlichkeitsdenken: Leistungs- und anpassungsbereit, aber auch Wunsch nach Spaß und Unterhaltung; zielstrebig, flexibel, weltoffen – gleichzeitig starkes Bedürfnis nach Verankerung und Zugehörigkeit. – Sozialökologisches Milieu der Mitte (7 %): Engagiert gesellschaftskritisches Milieu mit normativen Vorstellungen vom „richtigen“ Leben: ausgeprägt ökologisches und soziales Gewissen, Globa­

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lisierungs-Skeptiker, Bannerträger von Political Correctness und Diversity („Multikulti“). – Hedonistisches Untere Mittelschicht-Milieu (15 %): Spaß- und erlebnisorientiert: Leben im Hier und Jetzt, unbekümmert und spontan, häufig angepasst im Beruf, aber Ausbrechen aus den Zwängen des Alltags während der Freizeit. – Traditionelles Unterschichten-Milieu (11 %): Die Sicherheit und Ordnung liebende ältere Generation: verhaftet in ihrer kleinbürgerlichen Welt bzw. in der traditionellen Arbeiterkultur, Sparsamkeit und Anpassung an die Notwendigkeiten, zunehmende Resignation und Gefühl des Abgehängtseins. – Prekäres Unterschichten-Milieu (9 %): Die um Orientierung und Teilhabe („dazu gehören“) bemühte Unterschicht mit dem Wunsch, Anschluss zu halten an die Konsumstandards der breiten Mitte – aber Häufung sozialer Benachteiligungen, Ausgrenzungserfahrungen, Verbitterung und Ressentiments. Die Roper Consumer Styles (GfK) nehmen eine Verortung der Bevölkerung zwischen den Polen Haben (Status, Ansehen, Reichtum, Egoismus, Traum) vs. Sein (Nachhaltigkeit, Authentizität, Verantwortung, Lernen, Gesellschaft, Realität) einerseits sowie Leidenschaft (Abenteuer, Spaß, Freiheit, Erfolg, Wandel, Neues) vs. Frieden / Sicherheit (Tradition, Glaube, Sparsamkeit, Bescheidenheit, Vorsorge, Bewahren) als Bedürfnisse andererseits vor. Daraus ergeben sich wiederum Lebensstiltypen auf europäischer Basis (Quelle: GfK, leicht angepasst): – Die Bodenständigen mit Sehnsucht nach Frieden und Harmonie (Settled/19 %) sind traditionsorientierte Senioren mit mittlerem Lebensstandard, die ihren Ruhestand voll und ganz ausschöpfen. Sie pflegen einen bewusst einfachen Konsumstil, der auf Familie, Sicherheit und Gesundheit ausgerichtet ist. – Die Häuslichen mit Wunsch nach materieller Sicherheit und Status (Homebodies/11 %) sind angepasste Familien aus einfachen Verhältnissen, die von einem bequemeren Leben träumen. Sie sind auf der Suche nach Produkten, die ihnen Sicherheit und soziale Akzeptanz bieten. – Die Träumer vom großen Glück (Dreamers/8 %) sind intuitive, junge und materialistische Leute, die von der Welt der Stars träumen und einen Platz an der Sonne hinterherjagen. Sie wollen Marken mit starkem Image und sind stets auf der Suche nach Schnäppchen. – Die Abenteurer mit leidenschaftlichem Erleben (Adventurers/13 %), junge dyna­ mische Leute auf der Suche nach Erfolg und materieller Unabhängigkeit. Sie

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pflegen einen demonstrativen, auf Freizeit und Innovation ausgerichteten Konsum und sind Trendsetter. – Die Kritischen auf der Suche nach Nachhaltigkeit und Selbstverwirklichung (Organics/15 %) sind engagierte Familien mit klarem Bekenntnis zu Umwelt und Gesellschaft, ohne dabei die angenehmen Seiten des Lebens zu vernachlässigen. Sie haben einen rationalen, an hoher Qualität und Zukunftsträchtigkeit ausgerichteten Konsumstil. – Die Realisten mit harter Arbeit und Verantwortung (Rational-Realists/9 %) sind kritische, engagierte und intellektuelle Paare, die eine lebenswerte Zukunft anstreben. Sie verbringen viel Zeit damit, nach Marken zu suchen, die ihren hohen Ansprüchen gerecht werden. – Die Anspruchsvollen zwischen Pflicht und Genuss (Demanding/14 %) sind kultivierte, pflichtbewusste Bürger mit traditionellem Halt und disziplinierter Persönlichkeit. Sie pflegen einen anspruchsvollen Konsumstil und legen Wert auf Qualität, sie kaufen zumeist vernunftsbetont. – Die Weltoffenen zwischen sozialer Verantwortung und Vergnügen (Open-minded/1 %) sind hedonistische, tolerante Intellektuelle auf der Suche nach Individualität und persönlicher Harmonie. Ihr gehobener Konsumstil ist auf Lifestyle und Ambiente ausgerichtet. Dabei handelt es sich um Typologien, die auf quantitativ marktforscherischer Basis erzeugt werden. Verbreitet wird aber auch eine qualitativ-intuitive Basis genutzt. Dabei handelt es sich dann um (Proto-)Personas. Dies sind künstlich gebildete Persönlichkeitsprofile, die zur Konkretisierung einer konzeptionell geschaffenen Zielgruppe führen. Dies dient der Veranschaulichung ansonsten meist abstrakt wirkender Zielgruppen-Segmentierungen. Kennzeichnungen von Personas beziehen sich auf Demografie, Beruf, Interessen / Hobbies, Medienkonsum, Kaufverhalten, Geschäftsstättenwahl, Kommunikationswege etc. Zur Unterstützung dienen auch realistische Vor- und Nachnamen und ein prototypisches Foto sowie ein kennzeichnendes Zitat zur Sache. Personas stellen im Marketing ein häufiges Briefing-Hilfsmittel dar. Dabei ist unklar, auf wie viele Personen im Zielmarkt eine Persona zutrifft, zumal reale Zielpersonen mehr oder minder stark um dieses dedizierte Profil herum streuen.

5.2.1.6 Neuroökonomische Kriterien Bei der neuroökonomischen Abgrenzung macht man sich Erkenntnisse aus Anthropologie-, Kognitions- und Wirtschaftswissenschaften zunutze und legt die Funktions- und Arbeitsweise des Gehirns für die Bildung von Marktsegmenten zugrunde. Hierzu werden modernste bildgebende Verfahren, die auf der Messung von metabolischem Stoffwechsel oder elektrophysiologischen Stromflüssen ba-

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sieren, eingesetzt und geben darüber Aufschluss, wie Marketingstimuli, Gehirnaktivitäten und Kaufverhalten zueinander in Beziehung stehen. Dazu werden drei gleich berechtigte Bereiche im Gehirn unterschieden: • das Stammhirn oder Balancesystem als Hort von Sicherheit, Stabilität, Gebor­ genheit, Angstvermeidung und Risikoreduktion, dies ist das entwicklungsgeschichtlich älteste Teilgehirn, es ist in der Zeit der frühen Menschwerdung verankert, • das Zwischenhirn als Dominanzsystem und Hort von Durchsetzung, Macht, Autonomie, Statusbedeutung, zugleich zur Vermeidung von Ausgeliefertsein, Fremdbestimmung und Unterdrückung, dieses Teilgehirn ist in der Zeit der Gruppenbildung von Menschen verankert, • das Großhirn oder Stimulanzsystem als Hort von Abwechslung, Neuheit, Belohnung und Reizvielfalt, dies ist das entwicklungsgeschichtlich jüngste Teilhirn, es sitzt unter der Schädeldecke und umschließt die anderen Teilgehirne, es ist Sitz von Intellekt, Abstraktion und Planung. Diese Gehirnbereiche arbeiten nicht einzeln, sondern in Wechselwirkung zueinander, jedoch ist jeweils ein Gehirnbereich für einen Menschen prägend. Die Bereiche stellen auch keine Wertung dar, sie umschreiben vielmehr ein anders, nicht ein besser oder schlechter. Menschen mit Stammhirnprägung sind „GrünTypen“, Menschen mit Zwischenhirnprägung „Rot-Typen“ und solche mit Großhirnprägung „Blau-Typen“. Den drei Gehirnbereichen sind nunmehr Eigenschaften zuordnenbar, welche die Reaktionen von Menschen in bestimmten Situationen erklären können. Da­ mit wird eine Marktsegmentierung möglich, verbunden mit der gezielten Beeinflussung der Käufer, indem sich jeder Anbieter in seinem gewünschten „Gehirnbereich“ positioniert. Die Primärbereiche kennzeichnen eine konstante Ausprägung des Individuums, sie sind genetisch codiert. Temporär wirken jedoch situativ bedingte Stimmungsschwankungen ein. In jedem Fall sind Emotionen zentral bestimmender Faktor für das Kaufverhalten. Die Ausprägung der Primärbereiche in der Person wird für das gesamte Leben determiniert. Allerdings wirkt das Alter durch veränderte Hormonausschüttungen ein. Tendenziell nimmt der Balance-Anteil mit steigendem Alter zu, da weniger Testosteron und Dopamin, aber mehr Cortisol ausgeschüttet werden. Außerdem hat das Geschlecht Einfluss auf die Primärbereiche. Bei Frauen ist das Balancesystem hormonell stärker ausgeprägt, bei Männern das Dominanzsystem. Insgesamt stehen die Erkenntnisse des Neuromarketing noch ganz am Anfang, z. B. ist unklar, wie Kulturräume auf diese Aussagen einwirken, jedoch ist der Wissensfortschritt enorm. Es steht zu erwarten, dass die Gehirnpräferenz neben Geschlecht durch Sozialisationsfolgen und Alter aus Erfahrungswissen bald als wesentliche Determinante zur Bildung von Marktsegmenten dienen kann.

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5.2.2 Business-Märkte 5.2.2.1 Organisationales Beschaffungsverhalten Das organisationale Beschaffungsverhalten im Geschäftskundenbereich ist häufig durch • mehrere im Zeitablauf zu durchlaufende Phasen (Episoden), • eine insgesamt längere Transaktionsperiode, • mehrere beteiligte Stellen im Unternehmen, • dementsprechend mehrere beteiligte Personen charakterisiert. Außerdem ist die jeweilige Kaufklasse zu berücksichtigen, wobei der neuartige Erstkauf, der modifizierte Wiederholungskauf und der routinisierte Wiederholungskauf unterschieden werden können. Typisch ist, dass Entscheidungen in Einkaufsgremien (Buying Centers) getroffen werden, in denen verschiedene Funktionen eingebunden sind, so die Funktion des Informationsvorselektierers, des hierarchisch legitimierten Entscheiders, des formal befugten Einkäufers, des tatsächlichen Verwenders und des kaufbegleitenden Beeinflussers. Typische Funktionen stellen sich sie folgt dar (Webster / Wind): • der Entscheider (Decider) ist meist eine Person in leitender Stellung, welche die vorgeleistete Gremiumsarbeit durch ihr Votum sanktioniert. Fallweise nimmt sie dabei auf die Vorlage aus der operativen Ebene Einfluss, meist aber konzentriert sie sich auf die Auswirkungen der Entscheidung auf das gesamte Unternehmen und dessen Geschäftsergebnis. • der Vorselektierer (Gatekeeper) übernimmt die Informationssammlung und wirkt dabei als „Schleuse“. Informationen, die diese nicht passieren, kommen für eine Entscheidung womöglich gar nicht erst in Betracht. Häufig wird diese Funktion auch von Sekretärinnen oder Assistenten ausgefüllt. Sie wirken insofern nicht unerheblich auf den Entscheid ein. • der Verwender (User), also die Person oder Personengruppe, der / die durch den Entscheid tangiert ist. Er konzentriert sich auf seinen konkreten Nutzen und will diesen maximieren. Er setzt den Entscheidungsprozess häufig erst in Gang und gibt Anforderungskriterien dafür vor. • der Beeinflusser (Influencer) nimmt durch Kompetenz Einfluss auf die Beurteilung der Entscheidungsoptionen, ohne davon selbst betroffen zu sein, was ihn vermeintlich vorurteilsfrei werten lässt. Meist handelt es sich um unternehmensoder abteilungsexterne Experten. Deren Einfluss ist immer verzerrend. • der Einkäufer (Buyer) setzt formal die Entscheidung um. Er bedarf dazu des Backing seiner Vorgesetzten. Bei unpopulären Maßnahmen werden auch Ex-

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terne damit beauftragt (Unternehmensberater). Häufig wird auch ein limitierter Entscheidungsspielraum eingeräumt. Problematisch ist dabei zumeist, dass die den einzelnen Funktionen zugehörigen Personen nicht vorab identifiziert werden können und deren tatsächlicher Entscheidungsanteil verschwommen bleibt. Gemeinhin wird eine eher rationale Entscheidungsfindung unterstellt, was in praxi allerdings anzuzweifeln ist. Von Gruppen ist bekannt, dass sie Entscheidungsdefekten zuneigen (Groupthink-Phänomen), d. h., die Gruppe kommt zu Entscheidungen, die jeder Einzelne in der Gruppe nicht gutheißt, da sich jedoch niemand traut, diese Meinung zu ­äußern, weil er fürchtet, sich damit aus der Gruppe auszugrenzen, denkt jeder, alle anderen würden die Entscheidung tragen („Schweigespirale“). Gruppen agieren sowohl übertrieben risikoavers (Bedenkenträger, Absicherung) als auch übertrieben risikogierig (Risikoverteilung, positives Persönlichkeitsmerkmal). Daraus folgen mehrere Schwierigkeiten für eine effektive Ansprache: – Welche Personen im Unternehmen nehmen welche Funktionen im Buying Center wahr? – Wie ist der Anteil der Entscheidungsbeeinflussung im Buying Center zwischen den Funktionen aufgeteilt? – Wie können Fluktuationen im Buying Center erfasst werden? – Welche Entscheidungspräferenzen haben die einzelnen Buying Center-Mit­ glieder? – Wie kann sichergestellt werden, dass die jeweils interessanten Informationen an das „richtige“ Mitglied des Buying Center gelangen? – Inwieweit ist eine eher rationale Entscheidungsfindung, wie zumeist unterstellt, tatsächlich gegeben? In Bezug auf Neuerungen (also neue Lieferanten und / oder neue Produkte) sind speziell Promotoren (pro Neuerung) und Opponenten (contra Neuerung) anzutreffen. Promotoren fördern Veränderungen, Opponenten behindern, d. h. verhindern, verzögern oder fraktionieren sie. Promotoren setzen Innovationen, gegen die sich technologische, ökonomische und umfeldbezogene Widerstände ergeben, in der Organisation durch. Dazu bedarf es einer Antriebsbasis. Machtpromotoren verfügen aufgrund ihrer hierarchischen Stellung in der Organisation über Entscheidungsmacht. Sie sind intern legitimiert, Vertragsabschlüsse bindend zu tätigen. Sie können Vorgänge durch Anordnung, Sanktion gegenüber „Bremsern“ und Unterstützung treibender Kräfte in Richtung und Tempo maßgeblich beeinflussen. Sie haben dabei weniger technisch-organisatorische Details im Sinn als vielmehr deren Auswirkungen auf das Unternehmen insgesamt. Fachpromotoren zeichnen sich, unabhängig von ihrer hierarchischen Stellung, durch spezifisches Wissen aus. Sie nehmen aufgrund fachlicher Legitimation auf

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die Entscheidung Einfluss. Fachpromotoren sind typischerweise im Middle Management angesiedelt. Promotoren sind also eher Personen, die Initiative ergreifen, sich engagieren, als solche, die nur mit Umsicht und Gelassenheit ihre Pflicht erfüllen und einschlägige Vorschriften beachten. Selten treten Macht- und Fachpromotoren in Personalunion auf. Macht- und Fachpromotoren können aber kombinativ auftreten, was ihnen besondere Effektivität verleiht. Gelegentlich werden Prozesspromotoren ergänzt, die für die Durchsetzung von Entscheidungen in der Organisation Sorge tragen. Sie wirken mittels Kenntnis der internen Prozesse ein und wissen, an den richtigen Stellschrauben zu drehen. Opponenten hemmen hingegen den Innovationsprozess. Man unterscheidet Machtopponenten qua hierarchischer Stellung, Fachopponenten qua Spezialistenwissen und Prozessopponenten qua Kenntnis interner organisationaler Abläufe. Wer im spezifischen Fall freilich Opponent und wer Promotor ist, ist vom Standpunkt des Betrachters abhängig. Außerdem gibt es verdeckte Opponenten und verborgene Promotoren. In Bezug auf die Business-Zielgruppe stellen sich folgende Fragen: • Welche Personen sind Promotoren und welche Opponenten? • Welche Informationen helfen Promotoren, sich intern durchzusetzen? • Auf welche Machtbasis können Promotren und Opponenten jeweils zurück­ greifen? • Wie ist die relative Position der Beteiligten zur Durchsetzung oder Verhinderung eines Kaufentscheids? Weiterhin gibt es Personen, für die in Bezug auf die Informationsart Sach­ informationen primär sind (Faktenreagierer) oder solche, die eher auf ganzheitliche Informationen abheben (Imagereagierer). Problematisch ist dabei, dass dieselben Informationen, die für Faktenreagierer von höchstem Interesse sind, wie detaillierte Angaben zu Leistungsmerkmalen, Konstruktionselementen, Materialien, Kennzahlen etc., Imagereagierer langweilen, und umgekehrt. Daher ist es wichtig, sich zu verdeutlichen, mit welchem Reagierertyp man es jeweils zu tun hat. Das Reagierer-Konzept wiederum unterscheidet zwischen den Prototypen des Clarifier und des Simplifier. Der Clarifier als „zerlegender“ Faktenreagierer ist für eine Entscheidung an möglichst viel Information interessiert, die er sichtet und verarbeitet, um zu einem fundierten Ergebnis zu gelangen. Ihm ist an einer möglichst vollständigen, abgerundeten Beurteilung hinsichtlich aller beeinflussenden Faktoren gelegen. Dabei werden alle für das Unternehmen relevanten Gesichtspunkte geprüft, um das Entscheidungsrisiko zu senken. Wichtig ist daher eine detaillierte, aussagefähige, schriftliche und / oder mündliche Argumentation. Dem Simplifier als „sammelndem“ Imagereagierer ist hingegen gleich an verdichteten Informationen gelegen, die für ihn einfach zu verarbeiten sind. Es kommt

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also nicht auf die Vollständigkeit der Informationen an, sondern nur auf die Vorlage als wichtig erachteter Schlüsselinformationen, die einen Gesamteindruck über die Entscheidungsoptionen erlauben. Dabei ist jeweils der Nutzen für das Unternehmen zu betonen. Als Mischtyp aus beiden gilt der Reaktions-Neutrale. Ihm ist an einer ausgewogenen Relation aus punktuell vertiefenden Informationen bei gleichzeitiger Wahrung eines gesamthaften Überblicks gelegen. Er sammelt proaktiv Informationen oder stellt diese auch erst anlassbezogen zusammen. Evtl. lässt er sich entsprechende harte oder weiche Fakten auch von Organisationsmitgliedern zusammenstellen. Das Johnston / Lewin-Modell des organisationalen Beschaffungsverhaltens un­ terscheidet folgende Phasen: • Bedarfserkennung, Problembeschreibung, Spezifikationsbeschreibung, Lieferan­ tenidentifizierung, Angebotseinholung, Angebotsbewertung, Lieferantenauswahl, Nachkaufbewertung. Für das Kaufverhalten sind jeweils verschiedene Determinanten ausschlaggebend: • situative: Politik, Ökonomie, Zulieferer, Wettbewerber, Technologie, Recht, Kultur, • organisationale: Größe, Struktur, Strategie, Ziele, Entlohnung etc., • käuferbezogene: Risiko, Kaufzweck, Produkttyp, Zeitlimit, Wichtigkeit, Komplexität, • verkäuferbezogene: Preis, Produkt, Qualität, Service, Image, • gruppenbezogene: Größe, Struktur, Einfluss, Ziele, Erfahrungen, Erwartungen, Führung, Umfeld, • informationsbezogene: Inhalt, Quellen, Informationsbedarf, Suchverhalten, Verzerrung, • persönliche: Ausbildung, Motivation, Wahrnehmung, Persönlichkeit, Risiko­ präferenz, Erfahrung. 5.2.2.2 Segmentierungsansätze Im B-t-B-Markt (Gewerbekundengeschäft) sind folgende Segmentierungs­ ansätze gängig. Eine einstufige Segmentierung erfolgt anhand objektiver Kriterien wie • Abnehmerbranche, Unternehmensgröße, Unternehmensstandort, Anwenderstatus, Technologiestatus, Nutzerkompetenz, Produktanwendung, Organisationsstruktur, Beschaffungspolitik, Auftragsumfang etc.

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Dabei können auch zwei oder mehr Kriterien simultan zugrunde gelegt werden. Diese Segmentierung ist vergleichsweise grob, kann jedoch zu einer ersten Orientierung bei einem unbekannten oder schwer einzuschätzenden Sachverhalt dienen. Sie hat allerdings primär deskriptiven Charakter. Eine zweistufig-sukzessive Segmentierung erfolgt anhand von • Makrogrößen aus den jeweiligen Teilmärkten wie Marktvolumen, -wachstumsrate, -struktur etc., • Mikrogrößen aus der Beschaffungsorganisation des Unternehmens und deren entscheidensrelevanten Mitgliedern wie Einkäufer, Entscheider, Beeinflusser, Anwender, Gatekeeper. Hier werden ein oder mehrere Kriterien trichterförmig zur Segmentierung angewandt. Auf der Makrostufe erfolgt eine erste grobe Einteilung, auf der Mikrostufe wird diese dann weiter verfeinert. Entscheidend ist dabei die geschickte Wahl der jeweiligen Kriterien. Eine dreistufig-sukzessive Segmentierung erfolgt anhand von • organisationsbezogenen Kriterien wie Standort, Betriebsform, Beschaffungsorganisation, Einkaufsregeln etc., • Merkmalen der Entscheidergruppe wie Größe / Zusammensetzung des Buying Center, Willensbildung etc., • Merkmalen der Entscheiderpersonen wie Informationsverhalten, Angebots-/Anbieterkenntnisse etc. Auch hierbei wird trichterförmig vorgegangen, zunächst auf der organisationalen Ebene, dann auf der Gruppenebene der Entscheider und dann auf der Ebene des einzelnen Entscheiders. Dadurch kann eine hohe Trennschärfe erreicht werden. Zugleich wird eine konsistente Abfolge vom Allgemeinen zum Speziellen eingehalten. Eine vierstufig-simultane Segmentierung erfolgt anhand der Kriterien • Wirtschaftsbranche, hier vor allem Alter, Entwicklung, Typus etc., • Unternehmensstruktur, hier vor allem Größe, Kultur, Standing etc., • Organisationstypus, hier vor allem Entscheidungsstrukturen/-prozesse etc., • Produktart, hier vor allem nach Spezifität der Leistung und Kaufverbund (Rohstoffe, Anlagen, Systeme, Produkte, Zulieferungen). In diesem Fall werden mehrere Segmentierungskriterien zugleich angewandt. Dies führt zwar zu einer hohen Trennschärfe, jedoch um den Preis einer meist komplexen Entscheidungssituation, da die Kriterien sich kombinatorisch vielfach konfigurieren lassen und dann einzeln hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile zur Prüfung anstehen.

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Eine fünfstufig-simultane Segmentierung erfolgt anhand der folgenden Kriterien: • Ökoskopische Merkmale wie Branche, Unternehmensgröße, Standort etc., • Leistungsbezogene Merkmale wie Technologie, maschinelle Ausstattung, Finanzkraft etc., • Beschaffumgsmerkmale wie Formalorganisation, Einkaufsrichtlinien, Machtstrukturen im Einkauf etc., • Situative Faktoren wie Dringlichkeit des Kaufs, Spezialwünsche, Auftragsvolumina etc., • Individuelle Charakteristika der Entscheider wie Risikoverhalten, Toleranz, Einstellung zu Neuerungen etc. Dieser Ansatz geht einen Schritt weiter, indem er noch differenzierter unterteilt. Dies erhöht die Vorteile des Ansatzes, aber gleichermaßen auch dessen Nachteile. Vor allem besteht die Gefahr, dass chancenreiche Kombinationen übersehen oder letztlich abgelegene Kombinationen wegen ihrer vermeintlichen Alleinstellung präferiert werden.

5.3 Positionierungsentwicklung 5.3.1 Verfahrensschritte Unter Positionierung versteht man zweierlei. Erstens die Abgrenzung eines Angebots zu den Mitbewerbern der selben Marktseite bzw. gegenüber den Partnern der anderen Marktseite (Positioning) sowie zweitens ein grafisches Verfahren zur Sichtbarmachung der Position (Mapping). Genauer muss in diesem Zusammenhang noch zwischen der Istpositionierung, d. h., der aktuellen Wahrnehmung des eigenen Angebots durch Zielpersonen, und der Zielpositionierung, d. h., der gewünschten Wahrnehmung des Angebots, unterschieden werden. Dazu ist, modelltheoretisch, eine Vergrößerung des Aufforderungsgradienten erforderlich. Zur Entwicklung einer konzeptionellen Positionierung sind mehrere Verfahrensstufen zu absolvieren (siehe Abbildung 57: Entwicklung der Positionierung). Das Verfahrensmodell dient zur Bestimmung der Angebotsdimensionen auf dem Relevanten Markt. Diese können sich auf zwei Bereiche beziehen, zum einen auf objektive, sachlich so gegebene Dimensionen, man spricht dann von einem Eigenschaftsraum, zum anderen auf subjektive, von Zielpersonen so empfundene Dimensionen, man spricht dann von einem Wahrnehmungsraum. Für die Konzeption ist der Eigenschaftsraum nur begrenzt von Belang, weil er die Realebene des Marktes abbildet, Entscheidungen von Nachfragern jedoch zumindest auch, wenn nicht sogar mehrheitlich auf ihrer Wahrnehmungsebene erfol-

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Abbildung 57: Entwicklung der Positionierung

gen, die mehr oder minder stark davon abweichen kann, d. h., es kommt weniger darauf an, wie eine Leistung objektiv beschaffen ist, als vielmehr darauf, wie sie subjektiv erlebt wird. Zunächst kommt es dabei auf eine gewisse Vollständigkeit der Erfassung aller Angebotsdimensionen an. Sind auf diese Weise alle relevanten Angebotsdimensionen erfasst, stellt sich meist heraus, dass diese vielfältig sind und die Dimensionen nicht unabhängig voneinander. Dies ist rein rechnerisch kein Problem, dazu werden multivariate statistische Analyseverfahren, z. B. als Mehrdimensionale Skalierung, eingesetzt. Praktische Probleme ergeben sich jedoch bei der Interpretation und Kommunikation deren Ergebnisse. Diese stellen sich als sehr komplex dar und überfordern rasch die Auffassungs- und Verarbeitungskapazitäten aller Beteiligten. Daher sollte eine Reduktion der Beurteilungsdimensionen auf zwei bis vier zentrale erfolgen, die dann den Angebotsraum grafisch darstellbar und so leichter interpretierbar machen. Dazu werden nah beieinander liegende Dimensionen komprimiert, z. B. mit Hilfe der Faktorenanalyse. Bei mehr Beurteilungsdimensionen ist eine grafische Darstellung anhand der Mehrdimensionalen Skalierung (MDS) möglich (siehe Abbildung 58: Vier- und multidimensionale Mappings (Beispiele)). Ansonsten werden die verbleibenden Dimensionen nach ihrer Relevanz gerangreiht und nur die wichtigsten von ihnen berücksichtigt. Meist läuft das auf eine Dimension, die Wert bzw. Nutzen repräsentiert, sowie eine andere Dimension, die Leistung bzw. Funktion repräsentiert, hinaus. Der dabei eintretende Informationsverlust kann billigend hingenommen werden. Nunmehr geht es darum, festzustellen, welche anderen Anbieter in eben dieser Arena ebenfalls anbieten. Dazu werden zunächst alle Mitbewerber, die diesen Markt ausschließlich oder unter anderem bearbeiten, erfasst. Bei der dichten Besetzung der Märkte kann und muss jedoch nicht jeder Mitbewerber in der Konzeption berücksichtigt werden. Vielmehr geht es um die Identifikation der Strategischen Mitbewerber. Das sind solche, die zum eigenen Angebot sehr ähnliche Leistungen vertreten. Sie bieten in derselben Strategischen Gruppe an wie das eigene Unternehmen.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Abbildung 58: Vier- und multidimensionale Mappings (Beispiele) (eig. Darst.)

Die Mitbewerber derselben Strategischen Gruppe sind aufgrund ihrer Ähnlichkeit für einen Anbieter weitaus engere Konkurrenten als die Mitglieder anderer Strategischer Gruppen. Auf sie konzentriert sich daher die weitere Vorgehensweise, die restlichen Mitbewerber können meist vernachlässigt werden. Die Positionierung der wichtigsten Mitbewerber erfolgt auf Basis der abgegrenzten Strategischen Gruppe und der identifizierten Hauptmitbewerber. Diese können nunmehr im Marktraum positioniert werden. Als Basis dienen die ermittelten Angebotsdimensionen, hinsichtlich derer jeder relevante Mitbewerber qualifiziert wird. Bei grafischer Darstellung werden auf jeder Achse die Ausprägungen abgetragen und dann das Lot gefällt. Im Schnittpunkt der Dimensionen ergibt sich die Position sowohl, falls bereits vorhanden, für das eigene Angebot wie auch für die Mitbewerber. Hinsichtlich der Kennzeichnung des Positionierungsraums ergeben sich drei Optionen: • Werden nur reale Objekte herangezogen, handelt es sich um einen Ähnlichkeitsraum. Die Bezeichnung rührt daher, dass die Positionen der Mitbewerber so interpretiert werden können, dass enger beieinander liegende Positionen eine größere Ähnlichkeit der Mitbewerber indizieren als weiter voneinander entfernt liegende Positionen. • Werden hingegen ideale Objekte abgetragen, handelt es sich um einen Präferenzraum. Wie ein Idealobjekt „auszusehen“ hat, ist von Zielperson zu Zielperson verschieden. Insofern gibt es meist nicht ein Idealobjekt, sondern diverse. Um zu konsistenten Ergebnissen zu gelangen, ist es wichtig, sich auf eine Sichtweise des Idealobjekts zu konzentrieren.

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• Werden sowohl reale als auch das ideale Objekt(e) in einem gemeinsamen Marktraum dargestellt, handelt es sich um einen Joint Space. Eine solche Konstellation macht vor allem deshalb Sinn, weil zu unterstellen ist, dass ein individuelles Marktangebot eine umso größere Erfolgschance hat, je ähnlicher es einem fiktiven Idealangebot ist. Daher kann es das Ziel einer Positionierung sein, das eigene Angebot nahe dem Ideal zu verankern. Insofern ist die Umgebung der Positionierung konstruiert. Nunmehr kann die eigene Istposition dort eingetragen werden. Dieser Eintrag ergibt sich aus Expertenschätzung oder, besser, vorliegenden marktforscherischen Daten. Ersatzweise kann auch die Meinung mehrerer Erfahrungsträger eingeholt werden, um zu einer möglichst unverzerrten Position zu gelangen. Diese kann dann in Relation zum gedachten oder vorhandenen Idealangebot sowie zu vorhandenen Konkurrenzpositionen gesetzt werden.

Abbildung 59: Mapping mit Idealposition (Beispiel) (eig. Darst.)

Dazu stehen zwei Ansätze zur Verfügung: • Beim Idealpunktverfahren werden grafisch um das Idealangebot konzentrische Kreise mit wachsendem Abstand gezogen. Ein reales Angebot wird einem solchen Ideal als umso ähnlicher angesehen, je geringer der geometrische Abstand

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zwischen beiden ist. Mit zunehmendem Abstand des realen Angebots vom Ideal nimmt also dessen Präferenzwert ab. Dabei ist unerheblich, in welcher Dimensionsrichtung dieser Abstand liegt (siehe Abbildung 59: Mapping mit Idealposition (Beispiel)). Ist die Dimensionsrichtung hingegen bedeutsam, werden mit der Dimension gewichtete Ellipsen um den Idealpunkt gezogen. • Beim Idealvektorverfahren wird ein Fahrstrahl, grafisch ausgehend vom 0-Punkt und in seiner Richtung über die Dimensionen entsprechend der Idealausprägung gewichtet (bei gleicher Gewichtung im 45 °-Winkel), in den Marktraum als Koordinatensystem gelegt. Dann wird von jedem realen Objekt das Lot auf diesen Fahrstrahl (Idealvektor) gefällt. Dasjenige reale Objekt kommt dabei dem Ideal am nächsten, das auf diesem Fahrstrahl am weitesten vom 0-Punkt entfernt liegt. Es wird also unterstellt, dass eine steigende Ausprägung der Dimensionen bei Zielpersonen eine umso höhere Präferenz hervorruft. Das muss aber durchaus nicht sein, da es real Sättigungseffekte gibt. Nachdem die Relation der realen Positionen zur Idealposition geklärt ist, sind deren Auswirkungen auf den mutmaßlichen Markterfolg der Realobjekte zu interpretieren. Dabei gibt es zwei Sichtweisen: • Die Single Choice-Sichtweise unterstellt, dass ausschließlich dasjenige Realobjekt gewählt wird, das dem Idealobjekt am nächsten kommt. Zielpersonen verzichten also lieber auf einen Kauf, statt eine Leistung zu erwerben, die von ihren als ideal angesehenen Dimensionen nennenswert abweicht. Das heißt, Kunden werden erst aktiv, sobald ein Angebot, das ihrem Ideal entspricht, am Markt verfügbar ist. Man spricht dann von einer manifesten Marktnische, in der es frei verfügbare Kaufkraft gibt, die nicht abgeschöpft werden kann, weil es an einem geeigneten Angebot fehlt. • Die Wahlaxiom-Sichtweise unterstellt, dass auch die Realobjekte, die mehr oder minder stark vom Idealobjekt abweichen, eine von Null verschiedene Chance haben, gekauft zu werden. Das bedeutet, Zielpersonen sind zu einem Kauf auch bereit, wenn eine Leistung Abweichungen gegenüber dem von ihnen so gesehenen Ideal aufweist. Nur sinkt die Kaufwahrscheinlichkeit einer Leistung eben mit steigender Abweichung von deren Ideal. Dabei kaufen Kunden ein Angebot, obwohl es nicht ihrem eigenen Ideal ähnelt, mangels anderer Auswahl. Sobald jedoch ein Angebot am Markt auftaucht, das ihrem Ideal entspricht oder näher kommt, wechseln sie zu diesem. Man spricht dann von einer latenten Marktnische, d. h., es gibt Platz am Markt aus dem Potenzial, das derzeit andere Angebote kauft. Die Interpretation der Positionen ist durchaus topografisch, also geometrisch exakt, gemeint. Dafür stehen dann statistische Auswertungsprogramme zur Verfügung (SPSS-Paket oder Spezialprogramme). Für viele Fälle ist es aber schon ausreichend, eine heuristische Einordnung vorzunehmen, zumal die statistisch exakten, normativen Verfahren häufig eine Scheingenauigkeit vorspiegeln, die in der Realität so nicht gegeben ist (z. B. infolge Erhebungs-, Mess- oder Auswertungsfehlern).

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Eine pragmatische Möglichkeit des Vorgehens ist, dass man Mitarbeitende aus verschiedenen Funktionsabteilungen des Unternehmens zu ihrer Einschätzung der Positionierung befragt. Ebenso Mitarbeitende aus verschiedenen Hierarchieebenen des Unternehmens und mit unterschiedlichen Ausbildungs- und Berufshintergrund. Oder auch unabhängige Dritte und vertrauenswürdige Kunden, die keine Gefälligkeitsäußerungen tätigen. Letztlich kommt es eher auf angenäherte Positionsbestimmungen an als auf exakte Koordinaten. Sodann ist die Zielposition grafisch zu bestimmen, diese muss nicht mit der Idealposition übereinstimmen, sollte aber zweckmäßigerweise möglich nahe bei ihr liegen (siehe Abbildung 60: Mapping mit Zielposition). Die Interpretation dieser Zielposition drückt sich in der Formulierung des Positioning Statement aus (s. u.). Aus dem Abstand zwischen Ist- und Zielposition und der Richtung der gewünschten Veränderung ergeben sich Ausmaß und Art der für erforderlich anzusehenden Marketigmaßnahmen.

Abbildung 60: Mapping mit Zielposition (eig. Darst.)

5.3.2 Einsatz 5.3.2.1 Positionierungsanlässe Für eine solche Positionierung gibt es mindestens vier Anlässe (siehe Abbildung 61: Positionierungsanlässe). Die Erstpositionierung findet bei der Einführung eines neuen Angebots am Markt statt. Es ist heute nicht mehr möglich, ein Angebot ungezielt am Markt anzubieten und darauf zu hoffen, dass es sich seine Nachfrage selbst sucht, dies ist unrealistisch. Vielmehr geht es darum, jedes Angebot so spitz und prägnant am Markt zu positionieren, dass die intendierten Zielpersonen attrahiert werden. Die Erstpositionierung ist insofern eine historische Chance, da die Position frei von „Altlasten“ bestimmt werden kann, und zwar nach dem Prinzip maximaler Erfolgsträchtigkeit.

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Abbildung 61: Posititionierungsanlässe

Die Positionsaktualisierung dient der kognitiven und affektiven Aufladung einer Positionierung. Häufig wird die Positionierung im Markt, z. B. mangels entsprechender Budgetmittel, nicht mehr genügend betont, sie gerät dadurch in Vergessenheit. Zugleich leidet die Kaufbegründung für das dahinter stehende Angebot und ehemaliger Markterfolg geht verloren. Dann ist es erforderlich, die bestehende Positionierung wieder aus der Vergessenheit zu holen und zu penetrieren. Geschieht dies in regelmäßigen Abständen, kann es gelingen, die Positionierung in aktiver Erinnerung der Zielpopulation zu halten. Eine Umpositionierung ist dann erforderlich, wenn die Durchsetzungsfähigkeit der bestehenden Positionierung in Zweifel zu ziehen ist. Dies kann daran liegen, dass die konzeptionellen Überlegungen in die falsche Richtung gegangen sind oder auch daran, dass Mitbewerber die eigenen Pläne durchkreuzen. Dann macht es wenig Sinn, die bestehende Position zu perpetuieren. Vielmehr ist es angezeigt, auf dem nunmehr erreichten höheren Wissensstand eine veränderte Positionierung zu entwickeln und in den Markt zu geben. Zu klären ist dabei, wie die Relation zur alten Positionierung gestaltet werden soll. Denkbar ist eine abändernde Fortführung in mehreren kleinen Stufen, denkbar ist ein abrupter Wechsel unter möglicher Mitnahme der bisherigen Nachfrager, möglich ist aber auch ein abrupter Wechsel ohne Referenz auf die bestehende, alte Position. In allen Fällen werden Investitionen in die Erstpositionierung entwertet, so dass eine Vernichtung immateriellen Vermögens erfolgt. Daher ist eine Umpositionierung im Relaunch häufig nur Ultima ratio. Eine Positionsverstärkung dient der Schärfung der Positionierung. Es ist wohl unvermeidlich, dass die Positionierung im Zeitablauf an Prägnanz verliert. Sie verschleißt und büßt durch Verunschärfungen an Attraktionswirkung ein. Dann ist es erforderlich, die bestehende Positionierung zu verstärken. Zugleich ist dabei auch eine Feinjustierung möglich, etwa um sich autonomen Entwicklungen anzupassen oder auch auf Mitbewerber zu reagieren. Diese Nachregelung kann der Positionierung neue Kraft verleihen und ihr Potenzial voll ausschöpfen lassen. Häufig wird dabei zum Mittel von Line Extensions (Programmdifferenzierung) oder Flankers (Programmdiversifizierung) gegriffen, die jedoch nur dann sinnvoll sind, wenn dadurch die Position geschärft wird.

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Um eine gewünschte Profilierung bei Nachfragern und zugleich eine Abgrenzung gegenüber Mitbewerbern zu erreichen, gibt es drei Ansatzpunkte: • Man kann versuchen, dafür zu sorgen, dass der Grundaufforderungswert der Angebotsart steigt. Dieser betrifft die gattungstypischen Leistungen. Davon profitieren jedoch gleichermaßen alle Angebote, die ebenfalls diese generischen Leistungen bieten. Das schafft daher keinen individuellen Konkurrenzvorsprung, so dass solche Aktivitäten immer auch den Wettbewerb unterstützen. Das ist nur dann einzusehen, wenn es sich um ein völlig neuartiges Angebot handelt, die Produktgattung also erst noch als solche am Markt etabliert und profiliert werden muss, z. B. 5 G-Telefonie, Kaffee-Softpads. • Man kann versuchen, dafür zu sorgen, dass der Zusatzaufforderungswert des eigenen Angebots steigt. Dieser betrifft die angebotsspezifischen Leistungen. Dabei kommt es auf die Präferenzen der Zielpersonen an, ob dieser positiv wirkt, also die Kaufchancen verbessert, oder negativ, also kaufchancenverschlechternd. Die Basisleistungen werden dabei immer als gegeben unterstellt. Die Zusatzleistungen werden ein oder mehrere Marktsegmente anziehen und gleichzeitig andere abstoßen. Diese Aktivität ist immer sinnvoll, wenn dieser Saldo positiv ist, z. B. Apple iPod vs. No Name-mp3-Players. • Man kann versuchen, den (feldtheoretischen) Standort der Zielpersonen in die Richtung des eigenen Angebots zu verändern. Man spricht dann von einer Präferenzumwertung. Dies ist der anspruchsvollste Versuch, denn die Wertvorstellungen (Einstellungen) der Nachfrager sind zumeist gewachsen und verfestigt und daher schwer zu bewegen. Ziel ist dabei, das Anforderungsprofil der Zielpersonen mit dem Leistungsprofil des Angebots möglichst weitgehend in Übereinstimmung zu bringen, z. B. E-Automobile, Saugroboter. 5.3.2.2 Positionierungsoptionen Für die Positionierung gibt es Optionen, die bewährt sind und sich dadurch anbieten (siehe Abbildung 62: Positionierungsoptionen). Am bekanntesten ist sicherlich die faktische Alleinstellung eines Angebots als Unique Selling Proposition / USP (Reeves). Dies meint, dass eine Positionierung unbedingt alleinstellend sein soll. Der Ursprung dieser einleuchtend erscheinenden Forderung liegt freilich in den 1960er Jahren begründet, als das Marktangebot durchaus noch so lückenhaft war, dass es möglich wurde, für ein Angebot eine alleinstellende Positionierung zu finden. Dadurch konnte eine monopolartige Stellung erreicht werden, welche die Nachfrage unausweichlich auf den Anbieter zutrieb. Leider sieht die Realität der dicht besetzten Märkte der Gegenwart anders aus. In praktisch allen Branchen sind alle lohnenden USPs bereits hinlänglich vergeben. Deshalb gelingt es kaum mehr, eine solche alleinstellende Positionierung durchzusetzen. Problematisch dabei ist, dass die eigene Positionierung sich dann im Wesentlichen aus dem ergibt, was der Mitbewerb am Markt noch unbesetzt gelassen hat.

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Abbildung 62: Positionierungsoptionen

Dies entspricht aber einer reaktiven Sichtweise (Outside in / Porter). Insofern steht zu vermuten, dass die potenzialstärksten Positionen bereits vergeben sind und ein prospektiver Markterfolg daher begrenzt bleibt. Zudem ist die Fortschrittsgeschwindigkeit in vielen Märkten so hoch, dass Alleinstellungen von heute morgen bereits getoppt sind und dann zu Konkurrenznachteilen mutieren. Die Suche nach USPs führt heute sogar zu gefährlichen Konsequenzen. Nämlich zur Bestimmung von Positionen, die zwar unique sind, aber gleichzeitig so wenig relevant, dass ihr Erfolg fraglich wird, weil die Marktberechtigung nicht ohne Weiteres einleuchtet. Als Beispiel dient Alpecin. Alpecin fokussiert sich mit coffeinhaltigen Produkten als Kopfhautspezialist für erblich bedingten Haarausfalls schwerpunktmäßig bei Männern. Dagegen wird Coffein (wissenschaftlich basiert) eingesetzt, das den negativen Testosteron-Einfluss an der Haarwurzel bremsen und Haarausfall verringern bzw. vorbeugen soll. Alpecin bietet dazu ein fokussiertes Pflegesystem für alle Kopfhauttypen. Alpecin wurde bereits 1930 eingeführt und 1956 nach den Kopfhauttypen normal, trocken, schuppig, fettend differenziert. 2004 wurde erstmals Coffein als Wirkstoff eingesetzt. 2011 kam das entsprechende Shampoo (Tuning / Doping für die Haare)  auf den Markt, 2011 kam das SchuppenkillerShampoo hinzu und 2012 ein Shampoo gegen graues Haar (PowerGrau). 2016 wurde ein Sport-Shampoo gelauncht und 2017 ein Sonnenschutz-Shampoo. Mit Hybrid (2018) und HairBooster (2022) kamen weitere Produkte hinzu. Die Produkte werden durch budgetstarke Werbung kommuniziert. Darüberhinaus gibt es aber auch andere Produkte im Programm (Zahn-, Vaginalpflege), den Schwerpunkt aber bildet eindeutig die Haarpflege. Stattdessen greift heute der UAP (Unique Advertising Proposition, auch UCP / Unique Communications Proposition) Platz. Dabei handelt es sich um eine rein werbliche Technik, die produktmäßig riskiert, Me too zu sein, aber durch eine intelligente marktliche Umsetzung in der Vorstellung der Nachfrager eine

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Alleinstellung erreicht. Denn nicht die Realität ist die Realität im Marketing, sondern die Vorstellung der Zielpersonen darüber. Ausschlaggebend ist also nicht die reale Alleinstellung, sondern die emotionale Alleinstellung in der Vorstellung der Zielpersonen. Solche Alleinstellungsbehauptungen müssen nur relevant und plausibel sein, dann sind sie für Konkurrenten gesperrt, selbst wenn diese mit gleicher Berechtigung diese Alleinstellungsbehauptung aufgreifen könnten. Im Unterschied zum USP ist der UCP also besser zu verteidigen und wird erst hinfällig, wenn er für Zielpersonen nicht mehr relevant ist oder vom Anbieter nicht mehr aktiv besetzt wird. Zwei Beispiele beleuchten dies. Mars ließ vor Jahren die erfolgreiche Marke Treets sang- und klanglos sterben, um sie durch die internationale Marke M&M’s zu ersetzen. Man wollte weg vom Kinderimage und in den Teenagermarkt eindringen. Auf der Suche nach einem USP für dieses Low Interest-Produkt verfiel man auf die Idee, dass M&M’s im Mund schmilzen und nicht in der Hand (intensive Werbung unterstützte diese Aussage durch geeignete Szenen). Allerdings fragt sich, ob das Versprechen, im Mund zu schmilzen und nicht in der Hand, beim Kauf von Süßigkeiten ausschlaggebend oder auch nur relevant ist. Ähnliches gilt für die Idee der Sport Signal von Unilever. Hier wird als USP die Aussage des Trainings für die Zähne gewählt. Es bleibt jedoch verborgen, was diese keineswegs ungewöhnliche Zahncreme zur Sportzahncreme qualifiziert. Allein die Tatsache, dass noch keine solche Auslobung erfolgt ist, deutet darauf hin, dass es dafür gute Gründe gibt. Denkbar ist auch eine künstliche Alleinstellung durch ein Angebotsmerkmal, das nur wegen der Alleinstellungsabsicht, nicht hingegen aus sachlichen Gründen, in das Angebot aufgenommen wird. Auch hierbei kommt es zentral auf Relevanz und Plausibilität an. Als erstes Beispiel dafür gilt Amselfelder. Dieser Rotwein war ganz und gar austauschbar zu anderen guten Rotweinen. Er behauptete aber in der Werbung von sich, ohne Stiele und Stängel gekeltert zu sein und suggerierte damit unausgesprochen, denn alles andere wäre verboten, dass bei anderen Weinen das Risiko besteht, einen solchen zu erwischen, der noch feingeriebene Stiele und Stängel enthält. Damit hatte Amselfelder diese Position am Markt für sich besetzt. Denn für andere Anbieter ist es undenkbar, diese Aussage für sich zu wiederholen. Sie wären damit unweigerlich Me too. Dafür kann notfalls auch ein USP nachgeschoben werden. Eines der ersten Beispiele sind Jod S 11-Körnchen in Trill (Effem). Sittichfutter ist an sich commoditisiert und nicht USP-fähig ist. Deshalb ersann man ein Marketing-Ingredient, das eine AIleinstellung herbeizuführen in der Lage war, eben die Jod S 11-Körnchen. Sie schützen den Sittich gegen die lebensbedrohende Schilddrüsenerkrankung (krankhafte Vergrößerung der Schilddrüse, die zum Tod durch Ersticken führt). Da kein Sittichliebhaber dies riskieren will, gab es nun einen triftigen

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Grund, Trill anstelle namenlosen Vogelfutters zu kaufen. Dadurch eröffnen sich die willkommenen Chancen der Markenbindung und des Preissetzungsspielraums. Ein weiteres Beispiel, Blend a med-Zahncreme / P & G, funktioniert ebenso. Es wird eine bedrohliche Erkrankung ausgemacht, gegen die sich das eigene Produkt positioniert, in diesem Fall Parodontose. Wenn die Krankheit unbekannt ist, was Parodontose zu Beginn noch war, dann muss die Bedrohung erst noch werblich dramatisiert werden. So wurde ausgelobt, dass weltweit jährlich mehr Zähne durch Parodontose (Zahnfleischschwund) verloren gehen als durch Karies (der bereits gelernten Bedrohung) und dass die Erkrankung harmlos beginnt, unmerklich fortschreitet und, da schmerzfrei, meist erst bemerkt wird, wenn es zu spät ist. Zur Eindämmung der Gefahr gibt es aber B-a-m (unterstützende Beweisführung durch Weißkittel-Kompetenz, kraftvollen Apfelbiss, Verwendung in Zahnarztfamilien). Denkbar ist auch der bewusste Verzicht auf eine Alleinstellung als Me tooPosition, indem ein Angebot auf die Verwechslungsfähigkeit mit dem Original setzt und beim Kauf wegen Überforderung aus Versehen gewählt wird. Dies ist häufig gegeben, wenn ein Anbieter überlegene Budgetmittel einsetzen kann, die zu einer Marktdominanz führen (z. B. JVC vs. Sony, IBM vs, Nixdorf). Eine solche wenig fantasievolle, aber praktikable Me too-Positionierung kann jedenfalls große Chancen bergen, selbst wenn sie nicht gerade von hoher konzeptioneller Kompetenz zeugt. Dennoch kann man von der Vorreiterarbeit der Konkurrenz profitieren, sich eigene Lernarbeit ebenso wie Investitionsmittel ersparen und die dadurch freiwerdenden Geldbeträge als Gewinn einbehalten oder in niedrigerem Preis weitergeben. Wie erfolgreich diese Positionierung letztlich ist, hängt wesentlich von der Reaktion des Vorbilds ab. Je souveräner diese ist, desto weniger kann der Ansatz verfangen. Beispiele finden sich zuhauf. So ist die Tafelschokolade Alpia (Stollwerck) eine Nachahmung der erfolgreichen Marke Milka (Jacobs Suchard), Creme 21 (Henkel) ist eine Nachahmung der erfolgreichen Marke Nivea (Beiersdorf) oder Pepsi eine solche der erfolgreichen Marke Coke. Insofern ist es auch möglich, aus der Anlehnung am Mitbewerb teilzuhaben, indem man ein nur leicht modifiziertes Angebot der gleichen Gattung anbietet. Dies kann durchaus erfolgreich sein, etwa wenn es sich um Low Interest-Produkte handelt, die ohne nähere Auseinandersetzung mit dem Angebot gewohnheitsmäßig oder spontan gekauft werden, weil diese aus Käufersicht für identisch oder zumindest vergleichbar gehalten werden. Dabei geht es nicht um eine bloße, rechtlich ohnehin problematische, Kopie, sondern um eine differenzierte Nachempfindung. Zum Beispiel gehen die zeitweise am Markt sehr erfolgreichen Sportstourer auf eine Innovation von Mercedes-Benz im CLS zurück. Heute gibt es Nachahmer von Cupra / Seat als Leon Sportstourer oder von Opel als Astra Sports Tourer. Urvater waren hier sicherlich die diversen Gran Tourismo (kurz GT) als

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viersitzige Coupés. Ähnliches gilt für den Shooting Brake (Steilheck-Coupé) von Mercedes-Benz, der Nachahmer von Volkswagen als Arteon oder Porsche als Panamera gefunden hat. Urvater war sicherlich der Volvo P 1800 ES, hierzulande bekannt geworden als Dienstfahrzeug von Roger Moore in der Serie „The Saint“, zu deutsch „Simon Templar“. Das Angebot von Großraumlimousinen verschiedener Autohersteller (Vans) geht auf den Ursprung des Renault Espace zurück. Denkbar ist aber auch eine prägnante Zuspitzung der Positionierung, also die freiwillige Potenzialbeschränkung auf ein kleines Marktsegment in der Annahme, dieses voll ausschöpfen zu können und affine Zielpersonen einzusammeln. Dies bedeutet jedoch zugleich den „Ausschluss“ von Nachfragern vom pointierten Angebot. Beispiele sind Senior-, Junior- oder Premium-Petfood-Waren (Sheba, Whiskas, Kitekat bzw. Cesar, Pedigree, Chappi), sowie After Eight-Süßwaren (erfrischende Pfefferminze und Zartbitterschokolade, vorwiegend als extrem hochpreisige Täfelchen) oder Fishermen’s Friend (Menthol Pastillen, minzig, fruchtig, stark). Die Idee ist dabei, dass die überspitzte Positionierung sich im Markt wohl unvermeidlich glattschleift und auf ein zumutbares Maß reduziert wird und umgekehrt, ohne diese Zuspitzung das Profil des Angebots ausgesprochen flach bleibt. Außerdem werden im Umkreis der markanten Positionierung weitere Zielgruppen angesprochen, so dass das Absatzpotenzial sich automatisch vergrößert. Die Option einer breiten Bedarfsabdeckung ist heute kaum mehr durchsetzbar. Dies ist vielmehr Angeboten vorbehalten, die zu Zeiten die Märkte beherrschten, als diese noch nicht so dicht besetzt waren wie heute. Das Angebot konnte mehr oder minder undifferenziert an den Markt gegeben werden. Die Kunst besteht heute eigentlich darin, diese omnipotente Position in die Gegenwart zu retten (etwa Nivea für Hauptpflege oder Volkswagen für Pkw). Dabei ergeben sich erhebliche Probleme, weil die Gefahr besteht, dass durch Line Extensions und Flankers die Positionskompetenz überdehnt wird und der Angebotskern nicht mehr genügend Zugkraft bereitstellen kann (z. B. Milka / K JS). Insofern ist die geschickte Vermarktung bis in die Gegenwart das eigentliche Vermögen. Breit angelegt positionierte Marken, die zu Gattungsbegriffen wurden, sind etwa Tesa (Klebstreifen), Tempo (Papiertaschentuch), Brandt (Zwieback), Maggi (Suppenwürze), Foen (Haartrockner), Uhu (Klebstoff), Edding (Leuchtstift), Ohropax (Ohrenstöpsel), Kaba (Kakaogetränk), Zewa (Haushaltstuch), Flex (Winkelschleifer), Kärcher (Hochdruckreiniger), Knirps (Taschenschirm), Leitz (Aktenordner), Perlator (Wasserstrahlregler), Post-it (Haftnotizzettel), Q-Tips (Wattestäbchen), Selters (Mineralwasser), Weck (Einkochgläser), Vespa (Motorroller) u. a. Den gegenteiligen Ansatz verfolgt die Konfiguration in einer Marktnische. Marktnischen sind gerade für große Anbieter häufig nicht rentabel abdeckbar und die dafür erforderlichen Ressourcen sollen für chancenreichere Marktfelder einge-

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setzt werden. Dann bleiben Lücken am Markt, die klein- und mittelständischen Anbietern auskömmliche Potenziale bieten und weitgehend wettbewerbsgeschützt sind. Dabei kann es sich um eine manifeste Nische handeln, d. h., die dort repräsentierten Nachfrager verweigern mangels geeigneter Kaufobjekte den Kauf, oder um eine latente Nische, d. h., Nachfrager dort weichen widerwillig auf andere Angebote aus, ohne dass diese ihren Anforderungen voll entsprechen. Durch das Nischenangebot hofft man, diese Kaufkraft aktivieren zu können. Als Beispiel sei Loewe Opta genannt. Im hart umkämpften und von japanischen Herstellern majorisierten Markt der Unterhaltungselektronik kann ein deutscher Hersteller normalerweise nicht mithalten. Loewe Opta suchte deshalb eine Marktnische, die ein hochpreisiges Angebot zuließ, um die hohen FuE-Aufwendungen, die sich als Fixkosten auf relativ wenige Verkaufseinheiten umlegen, und die hohen Arbeitskosten zu liquidieren. So entstand eine elitäre HightechPositionierung, die auf hochmodisches Design und den Trend zu neuen Medien baute. Diese Besonderheiten wurden im geforderten hohen Preis vom Publikum auch tatsächlich honoriert, bis die Großserienhersteller diese Nische einnahmen und Loewe an den Rand des Ruins drängten. Gleichermaßen nimmt der dänische UE-Spezialist Bang & Olufsen eine Position ein, die als designorientiert, innovativ, exklusiv beschrieben werden kann und hebt sich damit erfolgreich vom hart umkämpften, meist asiatisch besetzten Massenmarkt ab, der von multinationalen Konzernen beherrscht wird (Keiretsu), Weitere Beispiele sind Schweppes bei AFGs oder After Eight bei Süßwaren. Diese sind werblich so überdreht konzipiert, dass sie aus der Masse der Produktgattung (Category) profilscharf hervortreten und eine kleine, aber kaufkräftige und treue Zielgruppe attrahieren. Eine aussichtsreiche Option ist die Konfiguration eines Angebots an der Schnittstelle von Märkten. Die etablierten Märkte sind zunehmend dicht besetzt. Daher sind dort für Anbieter kaum noch Expansionschancen zu sehen. Selbst kleine Marktnischen werden mit Angeboten bereits überreichlich versorgt. Insofern schafft erst die Kombination unabhängiger Marktmerkmale wieder die Möglichkeit, neue Dynamik in die Märkte zu bringen und innovative Vorsprünge für sich heraus zu arbeiten. Denn die neuartige Zusammenführung von Angebotsmerkmalen zweier unterschiedlicher Märkte konstituiert wiederum ein neues Angebot. Dazu kann man sich die Märkte als Perlen an einer Kettenschnur vorstellen, d. h., die verschiedenen Markträume haben Berührungspunkte zueinander. Wenn es nun gelingt, eine Position an einer solchen Kontaktstelle zwischen zwei Märkten aufzubauen, können damit Angebotsmerkmale verbunden werden, die den Angeboten in den beiden Einzelmärkten jeweils verwehrt bleiben und damit eine Überlegenheit etablieren. Dies wiederum kann bei Erfolg zu einem neuen eigenständigen Marktraum führen, in dem der Schnittstellenanbieter bereits dominiert. Außerdem wird vermieden, potenten Konkurrenten frontal entgegentreten zu müssen.

5. Marketingkonzeption

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Schon der Knusperriegelmarkt ist so entstanden. Als die Dynamik des Riegelmarktes, der bis dato nur aus Weichriegeln à la Nuts (Nestlé) und Mars bestand, nachzulassen drohte, konnte durch Kombination mit den Angebotsmerkmalen eines verwandten anderen Marktes, nämlich des Keksmarktes, eine neue Produktgattung entstehen, eben die des Knusperriegels mit Waffelfüllung und Produkten wie Banjo, Twix, Lion, Duplo etc. Nestlé zog noch einen anderen Schluss daraus und machte eine Anleihe im Kuchenmarkt und kombinierte beide Merkmale zu Feuchtriegeln (Yes-Torty). So entstand aus den Eigenschaften des Riegels (portioniert, modern, verpackt) und des Kuchens (Sahne, Creme, Teig) ein neuer Teilmarkt mit eigener Dynamik. Das gleiche gilt für den Markt der portionierten Joghurts. Hier wurde das Angebotsmerkmal Quark mit Obst auf die Produktkonsistenz Joghurt übertragen und machte aus der relativ geschmacksfreien Masse eine attraktive, sehr große Vielfalt interessanter Fruchtjoghurts. Ebenso entstand der Markt für „Rinpoos“ als Kombinationsprodukte aus Haarwaschmittel (Shampoo) und Spülung (Rinse) in Form der Produkte Vidal Sassoon, Shamtu Two in one (beide Procter & Gamble), Nivea Formel plus (Beiersdorf) etc. Durch die Kombination der Angebotsmerkmale beider selbstständiger Märkte ergab sich eine neue Dynamik. Diese wird sogar ausgebaut durch die Möglichkeit der freien, wenngleich aufeinander abgestimmten Kombination mehrerer Shampoos und mehrerer Spülungen nach individuellem Bedarf. Ein ähnlicher Kombinationstrend zeigt sich auf dem Eiscrememarkt. Und zwar aus zwei Richtungen. So werden Eiscremeriegel einerseits von klassischen Riegelherstellern durch Übernahme des Angebotsmerkmals Eiscreme forciert (Mars, Bounty, Milky Way, Snickers) und andererseits von Eiscremeherstellern durch Übernahme des Angebotsmerkmals Riegelform (Sky, Joker / L angnese). Für Riegelhersteller ergibt sich dadurch die zusätzliche Nutzung ihrer Markenbekanntheit und -vertrautheit in einem verwandten anderen Markt (vertikaler Marken­transfer = horizontale Produktdiversifikation). Bei Eiscremeherstellern ergibt sich die Nutzung der modernen Darreichungsform und hohen Akzeptanz durch Riegel für das doch eher traditionelle Produkt Eiscreme. Ebenso wurden die Merkmale des Offroad-Fahrzeugs, vordem mit karger Ausstattung und noch weniger Komfort, und der Limousine zum neuen Typ des SUV (Sports Utility Vehicle) zusammengeführt. Zunächst von Rover, dann von Nissan. Auf einer anderen Basis startete Renault das Espace-Projekt, indem die Merkmale einer Limousine (Übersichtlichkeit, Bequemlichkeit, Handlichkeit) mit denen eines Kleinbusses (Raumvolumen, Fassungsvermögen, Platzzahl) zu einem neuen Fahrzeugtyp, der Großraumlimousine (Van) kombiniert wurden. Ein weiteres Beispiel sind MPV (Multi-Purpose Vehicle) als Kreuzung aus Transporter und Limousine. Auch der legendäre Walkman von Sony, Vorbild einer neuen Generation von Portable Audio-Geräten, entsprang dieser Technik. Er stellte eigentlich die Kom-

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

bination von Diktiergerät und Cassettenrecorder dar. Vom einen hatte er die Eigenschaften der Kompaktheit, Portabilität und Ohrhörertechnik, nicht jedoch die Aufnahmefunktion, vom anderen die des Klangniveaus, Cassettenformats und Designanspruchs, nicht jedoch die Netzabhängigkeit. Ähnliches gilt für die Computertechnik, wo CD-ROMs aus der Audiowiedergabe als Massenspeicher für Daten im Rahmen der IT genutzt werden. Auch hier entsteht aus der Übernahme bekannter und bewährter Technik aus einem Bereich in einen anderen ein verblüffendes Konglomerat. In diesem Zusammenhang sind auch DTP-Programme zu nennen. Sie siedeln sich an der Schnittstelle zwischen Textverarbeitungs- und Grafik-Software an und kombinieren die wesentlichen Merkmale beider Genres (QuarkXPress / Indesign). Zwar sind sie in keinem der beiden wirklich perfekt, aber diesen Grad an Perfektion können ohnehin nur die wenigsten Anwender nutzen. Deshalb werden letztlich breite Bereiche des Marktes effektiv abgedeckt, für die es nicht rentabel ist, ein hoch spezialisiertes Programm der einen oder anderen Art zu kaufen, da es überhaupt nicht voll ausschöpfbar ist. Bei der Dominanz des bestehenden Angebots entschließt man sich, in einem bereits durch Mitbewerber belegten Segment anzubieten. Dabei spekuliert man darauf, diese durch eine geschicktere Umsetzung der Positionierung in den Marketinginstrumenten, durch rein quantitativ überlegenen Aktivitäteneinsatz oder, am besten, durch eine überlegene Angebotsleistung zu übertreffen. Dies setzt dann hinreichende Machtmittel, zumindest aber überlegenen Budgeteinsatz voraus. Procter&Gamble hat damit bereits mehrfach Erfolge produziert, so mit Fairy Ultra (vormals Spüli) im dicht besetzten Markt der Handgeschirrspülmittel. Fairy wurde 1991 mit hohem Werbedruck und einem markanten Werbespot (Villariba vs. Villabajo) penetriert. Kernbotschaft war die hohe Fettlösekraft des Produkts, das bald Marktführer in Deutschland (immerhin gegen Pril von Platzhirsch Henkel) werden konnte. Doch dann wurde die Marke von Procter & Gamble 2000 in Zuge einer internationalen Standardisierung durch Dawn ersetzt. Daraufhin gingen die Marktanteile drastisch zurück. 2003 kam es zur Wiedereinführung als Fairy Ultra. Die Marktführerschaft konnte jedoch nicht mehr errungen werden. Insofern ist von einer relevanten immateriellen Wertvernichtung auszugehen.

5.3.3 Positioning Statement Als verbales Verfahren beinhaltet die Positionierung die Abgrenzung / Alleinstellung eines Angebots / Anbieters in Bezug auf die gleiche Marktseite und seine Profilierung / Hervorhebung in Bezug auf die andere Marktseite. Sie drückt sich im Positioning Statement aus, das wiederum aus dem Angebotsanspruch (Claim) und der Anspruchsbegründung (Reason why) besteht.

5. Marketingkonzeption

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Der Angebotsanspruch formuliert, was ein Angebot behauptet, besser zu können als jedes andere („Nur mein Produkt kann …“, „Mein Produkt kann besser als alle anderen …“). Die Behauptung ist bereits ausreichend, vorausgesetzt, sie ist plausibel. Dabei handelt es sich noch nicht um Werbetext, sondern um Konzeptaussage. Allerdings findet sich der Angebotsanspruch häufig im späteren Kampagnenabbinder (Slogan) der Werbung als fest zugeordnete, standardisierte Leistungsaussage wieder. Die Anspruchsbegründung beinhaltet die rein sachliche Argumentation zur Glaubwürdigkeit des Claim („Dies ist so, weil …“). Dies ist erforderlich, weil Pro domo-Auslobungen nur begrenzt Glauben geschenkt wird. Meist werden hier technische (funktionale, physikalische, chemische) Ursachenkomplexe angeführt, die sich gerade bei Low Interest-Produkten zur Aufwertung als kommunikativ bedeutsam erwiesen haben (wie TAED-System / Sunil, Dry Weave-Vlies / Pampers, Plantareen-Extrakt / Pril etc.) Beide Statements sind erst „gut“, wenn sie je in einen Satz gefasst werden können. Diese sind dann die Leitgedanken für alle operativen Marketingmaßnahmen. Dabei sind immer mehrere Auslegungen des Positioning Statement für ein und dasselbe Produkt möglich. Beispiel: Optionale Positioning Statements für ein Mineralwasser: Option Schlankheit: – Angebotsanspruch: Mineralwasser hat einen absolut minimalen Kalorienwert, es ist daher bestens geeignet als figurfreundliches Getränk, das schlank macht und schlank hält. – Anspruchsbegründung: In allen Food-Bereichen werden kalorienarme Produkte bevorzugt. Das natürliche Pendant dazu ist Mineralwasser, da es frei von Fruchtund anderen zuckerhaltigen Zusätzen ist. Option Kinder: – Angebotsanspruch: Mineralwasser ist das ideale Erfrischungsgetränk, um den Durst der Kinder zu löschen, denn es ist absolut rein und frei von jeglichen schädlichen Zusätzen (wie Zucker, Coffein etc.) und vor allem: Kinder trinken es gern. – Anspruchsbegründung: Gesunde Speisen und Getränke haben oft den Nachteil, dass Kinder sie ablehnen und stattdessen auf „ungesunde“ Getränke ausweichen. Mineralwasser als Getränkeangebot wird vom Kind angenommen und hält es gesund, weil es natürlich ist. Option Aktivität: – Angebotsanspruch: Mineralwasser ist für junge Leute und alle, die jung geblieben sind, die moderne, unkomplizierte Erfrischung für jeden Anlass und Zweck, die entspannt, belebt und gute Laune bringt.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

– Anspruchsbegründung: Mineralwasser hat eine aktivierende, dynamische Wirkung. Es nutzt den ohnehin vorhandenen Trend zur Leichtigkeit des Seins. Dadurch wird Mineralwasser auch für Personen mittlerer und unterer Altersklassen attraktiv. Option Gesundheit: – Angebotsanspruch: Mineralwasser hat einen hohen Anteil wertvoller Mineralien und seltener Spurenelemente, die jeder Körper zur Erhaltung der Gesundheit braucht und die ihm durch die übliche Ernährung nicht oder nur in nicht ausreichendem Maße zugeführt werden. – Anspruchsbegründung: Mineralwasser bietet wertvolle ingrediente Wirkstoffe in natürlicher Form und kommt damit in seiner Wirkung durchaus einem Heilmittel nahe. Option Familie: – Angebotsanspruch: Mineralwasser schmeckt der ganzen Familie, gleich ob alt oder jung, gleichermaßen gut und löst damit das Getränkebeschaffungsproblem zu aller Zufriedenheit. – Anspruchsbegründung: Damit erübrigt sich die regelmäßige Vorratshaltung verschiedener Getränkesorten. Der Kühlschrank quillt nicht mehr über, das Haushaltsbudget wird nicht unnötig strapaziert. Option Natur: – Angebotsanspruch: Mineralwasser wird seit Jahrzehnten aus durch und durch naturbelassenen Mineralquellen gewonnen und ohne jegliche Zusätze oder chemische Bearbeitung quellabgefüllt, somit Mineralwasser direkt aus der Natur. – Anspruchsbegründung: Mineralwasser aus natürlichen Mineralquellen ist nicht versetzt und ohne Fremdstoffe und liegt damit voll im Trend zur Natürlichkeit, um den man sich in allen Lebensbereichen bemüht. Für eine leistungsfähige Positionierung haben sich folgende Anforderungen als unverzichtbar erwiesen: Sie muss • ein wirtschaftlich ausreichendes Mindestpotenzial des anvisierten Marktes ansprechen, • zum Imagehintergrund der Marke / Firma passen und diesen möglichst aktualisieren, • das eigene Angebot vom Mitbewerb deutlich unterscheidbar machen, • raumübergreifend und auf absehbare Zeit tragfähig sein, • eine hohe Nutzenrelevanz für potenzielle Abnehmer haben.

5. Marketingkonzeption

281

5.3.4 Positionierungsanforderungen Als Anforderungen an den Erfolg einer Positionierung sind folgende zu stellen: • Ein Mindestpotenzial des anvisierten Marktes muss gegeben sein, da ansonsten die Position wirtschaftlich wohl unvertretbar ist. Volumenanbieter sind darauf angewiesen, die breite Mehrheit des Marktes anzusprechen. Denn nur damit kann das erforderliche Absatzniveau geschaffen bzw. gehalten werden. Aber selbst kleinere Anbieter können von Nischen immer weniger leben, da diese zwischenzeitlich meist überbesetzt sind und kaum Erfahrungskurvenvorteile zulassen. Sie müssen ihr Produkt breit anlegen, um verschiedenste in Betracht kommende Käufergruppen zu integrieren und sich für möglichst wenige von ihnen aufgrund deren Selbstverständnis auszuschließen. • Die Position muss zum Imagehintergrund der Marke passen, da ihr ansonsten die Glaubwürdigkeit abgeht. Dabei sollten möglichst vorhandene Imagestärken aufgegriffen und nur begrenzt neue Gewichte erforderlich sein. Dies erleichtert eine schnelle und damit kostengünstige Durchsetzung am Markt. Außerdem sind Imageschwächen remanent, und man sollte besser versuchen, sie durch komparative Stärken zu überstrahlen als sie revidieren zu wollen. • Eine Unterscheidbarkeit des eigenen Angebots von Mitbewerbern muss unschwer möglich sein. Keine Marke sollte versuchen, sich in Bereichen anzusiedeln, die historisch bereits von anderen Anbietern kompetent und nachhaltig besetzt sind. Es sei denn, man verfügt über erheblich mehr Marketingkapazität als diese und stellt sich zudem auf eine beträchtliche Frist bis zur Marktwirksamwerdung eingeleiteter Maßnahmen ein. Dann artet die Positionierung oft in eine reine Materialschlacht aus. • Die Nutzenrelevanz für potenzielle Abnehmer muss im Sinne hoher Attraktivität der Position gegeben sein. Das heißt, es reicht nicht aus, eine zwar alleinstellende, dafür aber nur marginal interessante Nutzenfacette auszuwählen und zu besetzen. Vielmehr muss es sich um einen zentralen, entscheidungsbedeutsamen Aspekt handeln, der demnach Wirkung hinterlassen kann. • Immer wichtiger wird, dass die Position raumübergreifend und zukünftig tragfähig erscheint, denn die Märkte wachsen immer näher zusammen und damit überlappen die Kompetenzfelder von Marken, die bisher in keinerlei enger Austauschbeziehung zueinander standen. Zukunftssicherheit muss gegeben sein, da es viel Aufwand erfordert, eine Positionierung am Markt durchzusetzen und diese auch nicht kurzfristig verändert werden sollte. Die Marke muss sich flexibel dem Wandel der Vermarktungsbedingungen anpassen lassen, ohne dabei an Vitalität, Aussagefähigkeit und Attraktivität einzubüßen. Dies scheint schwierig, da Änderungen der Zukunft notwendigerweise im Voraus unbekannt bleiben, kann aber im Wege der Markenpflege gelöst werden.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

6. Erfolgsfaktoren im Marketing Die Strategieentwicklung hat nunmehr einen langen Weg über verschiedene Stufen zurückgelegt. Da diese trichterförmig aufeinander abfolgen, kann eine Fehleinschätzung auf einer früheren Stufe kaskadenförmig auf einen suboptimalen Strategiepfad führen. Da liegt die Überlegung nahe, ob es wirklich erforderlich ist, die einzelnen Festlegungen jedesmal wieder neu zu formulieren, oder ob es verlässliche Erfolgsfaktoren gibt, auf deren Erkenntnissen aufgebaut werden kann. Leider ist diese Hoffnung dünn gesät, dennoch ergeben sich Anhaltspunkte durch die PIMS-Studie (6.1), den Peters / Waterman-Ansatz (6.2) und die allgemeine Prozessorientierung (6.3), die im Folgenden ausgeführt werden. Erfolgsfaktoren sind Determinanten, welche die Bedeutung arrivierter Unternehmen ausmachen bzw. positiv beeinflussen.

6.1 PIMS-Studie 6.1.1 Untersuchungsanlage Das Akronym PIMS steht für Profit Impact of Market Strategies. Diese Methode entstand bei General Electric und wurde von der Harvard Business School (HBS) zu einer Multi Company-Studie weiterentwickelt. Absicht dieser umfangreichen empirischen Untersuchung war es, festzustellen, wie sich strategische Entscheidungen auf die Rentabilität eines Unternehmens auswirken. Empirisch beobachtbare dauerhafte Erfolgsunterschiede zwischen über 3.000 verschiedenen Unternehmensteilen (SGEs) aus 300 Unternehmen weltweit wurden in Form finanzieller Zielgrößen gemessen. Alle branchenbezogenen Daten wurden in einer Datenbank gesammelt, analysiert und strukturiert ausgegeben, so dass es den Teilnehmern dieses Programms möglich war, die Erfahrung Aller zu nutzen und gültige Erfolgsprinzipien daraus abzuleiten. Mithilfe statistischer Verfahren (z. B. multiple Regressionsanalyse) sollten Zusammenhänge zwischen Umwelt-, SGEund Ergebnisvariablen entdeckt und, darauf aufbauend, Handlungsempfehlungen für „gute“ strategische Entscheidungen formuliert werden. Ziel war also das Lernen durch Erfahrung über erfolgreiche bzw. erfolglose Geschäftsbereiche sowie über verschiedene Arten von Geschäften. Die Rentabilität (= Output des Modells) wurde durch die zentrale Größe Return on Investment / ROI gemessen, als Quotient aus operativem Gewinndurchschnitt der letzten vier Jahre und Umlauf- plus Anlagevermögen einer SGE. Eine SGE ist hierbei eine Division, Produktlinie oder ein Profit Center, die / das eine genau definierte Menge von verwandten Produkten und / oder Diensten herstellt und vermarktet, einen klar definierten Kreis von Kunden innerhalb eines abgegrenzten geografischen Bereichs bedient und mit einem genau definierten Kreis von Konkurrenten in Wettbewerb steht. Pro Geschäftseinheit werden 200 absolute Kennzahlen erhoben, zusätzlich 300 relevante Verhältniskennzahlen.

6. Erfolgsfaktoren im Marketing

283

Grundannahme der Studie war, dass Marktgesetze existieren, die bestimmen, wie stark sich der Output verändert, wenn der Input um eine bestimmte Einheit verändert wird. Diese Gesetze sind unabhängig von Ort und Zeit, also steckt hinter ihnen die Unterstellung, dass die ermittelten Wirkzusammenhänge unter gleichen Rahmenbedingungen immer und überall gelten. Man ging davon aus, dass diese Marktgesetze erfassbar, also auch erlernbar sind. Erlernen bedeutet, dass man aus den Erfolgen und Fehlern anderer Geschäftseinheiten Prämissen für das eigene Handeln ableiten kann. Außerdem wurde unterstellt, dass die aufgedeckten Gesetzmäßigkeiten für alle Unternehmen gelten, unabhängig von deren Unterschieden. Wesentliche Messgrößen der Studie waren folgende: • kurz- und langfristiges Marktwachstum, Inflationsrate, Export-/Importrate, Konzentrationsgrade auf Anbieter- und Nachfragerseite, Auftragsgröße, Produktpräferenz, gewerkschaftlicher Organisationsgrad, absoluter / relativer Marktanteil, relative Produktqualität, relatives Lohnniveau, Investitionsintensität, Wertschöpfung in Relation zum Umsatz, Umsatz pro Mitarbeitendem, Kapazitätsauslastung, Marketingaufwand und Relation zum Umsatz, FuE-Aufwendungen in Relation zum Umsatz, Produktinnovationsrate, Betriebs- und Unternehmensgröße, Diversifikationsgrad, Verfügbarkeit / Nutzung von Absatzmittlern, Steigerungsrate der Verkaufspreise und Kosten, Anzahl / Größe der belieferten Zwischenabnehmer, Anzahl der Endabnehmer, Bestellhäufigkeit/-umfang, relative Preishöhe, Kapitalintensität, Ausmaß der vertikalen Integration, Anlagen- und Personalproduktivität, Lagerbestände, Werbe-/VKF-Budgets, Vertriebsaufwand, sowie Veränderungen in den fünf Variablenklassen Marktanteil, vertikale Integration, relativer Preis, Produktqualität und Kapazität. Mithilfe dieser 37 Faktoren werden 75–80 % des Unterschieds im ROI zwischen zwei Geschäftseinheiten erklärt. Der verbliebene Rest kann mithilfe der von PIMS genutzten Methoden nicht erklärt werden. Die sieben Haupterkenntnisse sind im Einzelnen folgende: • Die Marktwachstumsrate hat positiven Einfluss auf die Rentabilität (ROI / ROS), bei einer positiven Wachstumsrate über 10 % liegen die ROI-Werte um durchschnittlich 4 % höher als bei einer negativen Wachstumsrate von 5 %, die Rentabilität wird aber auch tendenziell durch die Lebenszyklusphase beeinflusst. Der ROI sinkt ab, je mehr sich das Produkt im Lebenszyklus weiterentwickelt. Ein positiver Einfluss des Marktwachstums auf den absoluten Gewinn und ein negativer Einfluss auf die Liquidität sind gegeben. Je attraktiver ein Markt, desto gefährdeter ist die kurzfristige Liquiditätssteuerung des Unternehmens und desto höher sind die absoluten Gewinne. In schnell wachsenden Märkten ist die Rentabilität am höchsten, in schrumpfenden Märkten am niedrigsten. Märkte mit hohen Wachstumsraten weisen hohe Bruttospannen, hohe Marketingkosten, niedrige Steigerungsraten bei Verkaufspreisen und Löhnen, steigende Produktivität, die Notwendigkeit zur Investitionsausdehnung und geringen oder negativen Cash-flow bei steigendem ROI auf.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

• Die Auftragsgröße ist definiert als Größe der einzelnen Transaktion und hat negativen Einfluss auf den ROI. Dies lässt sich erklären, indem Abnehmer bei Einkäufen mit hohen Beträgen aggressiver verhandeln und verschiedene Vergleichsangebote einholen. Quantifiziert man die Bedeutung der Produkte / Dienste für Kunden (definiert als Anteil an den Gesamteinkäufen eines Kunden), so besteht ein negativer Einfluss auf die Rentabilität. Lieferantenkonzentration verbessert bei Geschäftseinheiten mit nur wenigen Lieferanten die Rentabilität. Die Auftragsgröße hat schmälernde Wirkung vor allem in Märkten für Industriegüter, Transaktionen mit hohen Auftragsgrößen stellen sich dort als nicht so rentabel dar. • Der Marktanteil wird als Umsatz der SGE dividiert durch Umsatzvolumen des bedienten Markts, alternativ Umsatz der SGE dividiert durch gemeinsamer Umsatz der drei Hauptwettbewerber, definiert. Ein hoher relativer wie absoluter Marktanteil hat einen deutlich positiven Einfluss auf den Gewinn und Cashflow. Gründe sind Größenvorteile, Risikoaversion der Kunden, Marktmacht und Managementqualität. Dabei unterscheidet man zwischen absolutem, relativem und effektivem Marktanteil. Er bezieht sich immer auf den Relevanten Markt, also das Segment, das bedient wird und in dem eine Geschäftseinheit mit anderen Anbietern tatsächlich konkurriert. Marktanteil und Rentabilität korrelieren positiv, hoher Marktanteil bedeutet auch hohen finanziellen Erfolg. Durch den vergrößerten Marktanteil erzielt die Geschäftseinheit gegenüber der Konkurrenz Kostenvorteile. Geschäftseinheiten mit kleinem Marktanteil stehen vor dem Problem, eine notwendige effiziente Betriebsgröße zu erreichen. Hohe Qualität schafft zugleich die Voraussetzung für relativ hohe Preise und die Vergrößerung des Marktanteils. Gründe für die positive Korrelation zwischen ROI und Marktanteil können in Größenvorteilen (Economies of Scale), Risikoaversion von Kunden, Marktmacht des Anbieters oder Qualität des Managements liegen. • Die (relative) Produktqualität ist als %-Anteil des Umsatzes der SGE mit qualitativ überlegenen Produkten abzgl. %-Anteil des Umsatzes der SGE mit qualitativ unterlegenen Produkten definiert. Sie wird nicht aus interner, produktionsorientierter Sicht, sondern aus dem Blickwinkel des Kunden betrachtet. Sie hat eine besonders stark positive Beziehung zum ROI. Bessere Qualität führt zu stärkerer Kundentreue, zur Durchsetzung höherer Preise und zu Marktanteilserhöhungen. Die relative Produktqualität im Konkurrenzvergleich beeinflusst den relativen Preis, definiert als Preis einer Geschäftseinheit im Vergleich zu ihren wichtigsten Konkurrenten, positiv. Mit zunehmendem Marktanteil sinken die relativen Kosten, definiert als Kosten einer Geschäftseinheit im Vergleich zu den wichtigsten Konkurrenten. Höhere Preise und niedrigere Kosten führen dann zu hohem ROI. Die Qualität korreliert, wie auch die Produktinnovation, stark positiv mit ROI, ROS und Cash-flow (siehe Abbildung 63: PIMS-Projekt (I)). • Die Investmentintensität ist als Buchwert des Anlagevermögens korrigiert um das Ausmaß der Kapazitätsauslastung dividiert durch Umsatzerlöse bzw. Wertschöpfung definiert. Sie wird gemessen als Investment im Verhältnis zum Um-

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6. Erfolgsfaktoren im Marketing

38 29

40

27

ROI (in %)

30 21

20

20

20 13

14

10 0 hoch

überlegen 67 %

7 60 %

Relativer Marktanteil

25 %

33 % unterlegen

Relative Qualität

niedrig

Abbildung 63: PIMS-Projekt (I) (Quelle: daswirtschaftslexikon.com/d/pims/pims.htm)

satz und wirkt sich negativ auf den ROI aus. Das Verhältnis von durchschnittlich gebundenem Kapital zu Umsatz korreliert negativ mit dem ROI, weil internes Investment zu aggressivem Wettbewerb führt und hohe Anlageninvestitionen sich als unüberwindbare Marktaustrittsbarrieren erweisen. Hohe umsatzbezogene Budgets bei hohem relativen Marktanteil beeinflussen den ROI positiv. Unternehmen mit hoher Investitionsintensität weisen einen niedrigeren ROI, einen niedrigeren ROS und einen niedrigeren Cash-flow aus. Gründe sind Preiskämpfe aufgrund hoher Investitionsintensität, der erschwerte Austritt aus unwirtschaftlichen Geschäften oder die geringere Effizienz bei der Nutzung des Anlage- und Umlaufvermögens. Auch orientieren sich Gewinnvorgaben nicht an Investitionen, so erreicht der durchschnittliche ROS nur ein Drittel der erforderlichen Höhe, um einen ROI von 20 % zu erwirtschaften. • Die vertikale Integration ist als Wertschöpfung (Umsatz abzgl. Materialkosten) dividiert durch Umsatzerlöse definiert. Dabei besteht ein V-förmiger Zusammenhang zum ROI, der ROI ist also hoch sowohl bei niedriger als auch hoher vertikaler Integration. Vertikale Integration ist die Kombination mehrerer Produktionsoder Vertriebsstufen, die meist organisatorisch getrennt sind, als absolute oder relative Größe (im Konkurrenzvergleich) ermittelt. Unternehmensgröße und Grad der vertikalen Integration tragen entscheidend zur Erklärung des ROI bei. Geschäftseinheiten mit hohem Marktanteil und hohem vertikalen Integrationsgrad kommen auf einen hohen ROI. Für Unternehmen in ausgereiften oder stabilen Märkten hat ein hoher Integrationsgrad positive Auswirkungen auf ROI, ROS und Cash-flow. In rasch wachsenden Märkten oder auch in schrumpfenden oder

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

40

ROI (in %)

30 20 10

Hoch

0

Vertikale Integration

Hoch Relativer Marktanteil

Niedrig

Niedrig

Abbildung 64: PIMS-Projekt (II) (Quelle: daswirtschaftslexikon.com/d/pims/pims.htm)

oszillierenden Märkten ist das Gegenteil der Fall. Die Zunahme des ROI ab etwa 60 % hängt mit dem langsameren Anstieg der Investmentintensität zusammen (siehe Abbildung 64: PIMS-Projekt (II)). • Die Produktivität wird als Wertschöpfung pro Mitarbeitendem gemessen und hat eine positive Wirkung auf den ROI, gegenläufig wirkt die Investitionsintensität als investiertes Kapital je Arbeitsplatz. Eine höhere Produktivität bei gleich bleibendem investierten Kapital pro Mitarbeitendem führt zur Erhöhung des ROI, mehr investiertes Kapital pro Mitarbeitendem bei gleich bleibender Produktivität führt zu niedrigerem ROI. Unternehmen mit höherer Wertschöpfung je Mitarbeitendem haben einen höheren ROI, ROS und Cash-flow als diejenigen mit einer niedrigeren Kennzahl. Ist eine Erhöhung der Produktivität mit einer Erhöhung der Investitionsintensität verbunden, ist die negative Auswirkung der höheren Investitionsintensität auf ROI, ROS und Cash-flow größer als die positiven Auswirkungen der höheren Produktivität. Höhere Produktivität bei gleich bleibendem investierten Kapital pro Mitarbeitendem führt zur Erhöhung des ROI, dagegen entsteht durch Erhöhung des investierten Kapitals pro Mitarbeitendem bei gleich bleibender Produktivität ein niedrigerer ROI. Neben dem Grundlagenreport lagen weitere ergänzende Reports auf Basis des gleichen Datenbestands als Sonderauswertungen vor (PAR-Report, LIM-Modell, Strategy Analysis Report, Optimum Strategy Report, Report on Look Alikes, Portfolio-Datenbank) (dazu vertieft C. Homburg).

6. Erfolgsfaktoren im Marketing

287

6.1.2 Kritische Bewertung Das PIMS-Projekt, das 1999 eingestellt wurde, war zahlreicher Kritik unterworfen. Gerechterweise muss man anmerken, dass viele dieser Probleme auf Vermutungen beruhen, die aufgrund der Geheimhaltungsvorschriften der Initiatoren nicht mit Fakten zu unterlegen sind. Kritik bezieht sich vor allem auf drei Aspekte, die Datengrundlage, die Untersuchungsmethodik und die Strategieempfehlungen. Zunächst zur Datengrundlage: • Die Auswahl der beteiligten Unternehmen zeigt, dass auffällig viele Marktanführer im Datenstamm vertreten sind, so dass die Inputdaten nicht auf einem als repräsentativ anzusehenden Querschnitt von Unternehmen beruhen, sondern auf eher marktstarken Anbietern. Folglich sind auch die Aussagen nicht repräsentativ für alle Unternehmen, sondern eher nur für Marktanführer. • Es dürften sich von allen angesprochenen nur für das Gebiet der strategischen Planung aufgeschlossene und an wissenschaftlicher Unternehmensführung interessierte Unternehmen an der PIMS-Studie beteiligt haben. Und das scheinen überproportional viele Marktanführer zu sein (hoher Anteil von SGE und Produkten in der Reifephase). • Es handelt sich mehrheitlich um US-amerikanische Daten, die Zweifel an der räumlichen Übertragbarkeit der Ergebnisse trotz internationaler Angleichung aufkommen lassen. • Angesichts der Tatsache, dass der Dienstleistungssektor in entwickelten Volkswirtschaften den weitaus größten Bereich darstellt, ist es bedauerlich, dass die Dienstleistungsbranche mit einem viel zu geringen Anteil in der Datenbasis vertreten ist. • Außerdem werden auch außerwirtschaftliche Daten, die sehr hohen Einfluss auf den operativen Erfolg und die Unternehmensplanung haben wie Trends, Lifestyles, Ökologie etc., nicht erfasst. • Weiterhin ist zweifelhaft, ob wirklich alle relevanten Erfolgsfaktoren in der Studie erfasst sind. So fehlen etwa der aus empirischen Erkenntnissen heraus für bedeutsam erachtete Faktor Kundennähe sowie Umwelt, Organisationsstruktur, Kreativität etc. • Es handelt sich um zeitpunktbezogene Vergangenheitsdaten (Querschnitts­ analyse). Die Veränderung von Ergebnissen im Zeitablauf (Längsschnittanalyse) unter Einfluss veränderter Parametersetzung ist hingegen nicht nachvollziehbar. Hinsichtlich der Untersuchungsmethodik ist Folgendes zu beachten: • In der PIMS-Studie wird nicht versucht, die Black Box hypothetischer Konstrukte aufzubrechen, die erklären, wie und warum es zu diesen Ergebnissen kommt, was allein in der Lage wäre, funktionale Zusammenhänge zwischen beiden zu

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

bestimmen. Vielmehr begnügt sich die Studie mit der Beobachtung von Inputs und Outputs. • Eine genauere Analyse des Datenmaterials zeigt, dass Marktanteil, Produktqualität und Kapitalintensität zusammen gerade einmal 20 % der ROI-Varianz erklären. Es handelt sich also wohl nicht um einen eindimensionalen Zusammenhang, sondern um vielfältige, gegenseitige Verkettungen. • Der Erklärungs- und Prognosewert einzelner Variabler ist gering. So ist die Investitionsintensität nicht eine unabhängige Variable, wie in der Studie unterstellt, sondern ihrerseits Bestandteil des ROI, also der abhängigen Variablen (Multi­ kollinearität). • In die Analyse gehen zahlreiche nur schwer quantifizierbare Daten ein. Dies betrifft etwa die Produktqualität, die Einschätzung der Umwelt und die Beschreibung der Unternehmenskultur, die somit Unsicherheitsfaktoren darstellen. Dies führt zur Vernachlässigung der wichtigen Soft Factors. • Der Einfluss von Datenänderungen der Strategievariablen auf den ROI wird als (linear) proportional unterstellt. Dies negiert verbreitete nicht-lineare Verläufe. • Es handelt sich um einen rein induktiven Ansatz, d. h., von Einzelergebnissen wird auf dahinter vermutete generelle Regeln geschlossen. Dabei darf statistische Signifikanz aber nicht mit Kausalität verwechselt werden. Korrelationen zeigen keine Abhängigkeiten an, sondern Zusammenhänge. • Es besteht die Vermutung systematischer Verzerrungen durch unternehmensspezifische Datenermittlung. Wenn der Dateninput aber solchen Zweifeln unterliegt, gilt dies erst recht für den Datenoutput. • Die Ursprungsmerkmale werden unternehmensspezifisch abweichend ermittelt, etwa durch uneinheitliche SGE-Abgrenzung, tautologische Variablenbeziehungen, abweichende Rechnungslegungsvorschriften, Vernachlässigung von Carry over-Effekten etc. Schließlich zur Strategieempfehlung: • Die PIMS-Ergebnisse erwecken den Eindruck, dass es sich bei ihnen um allgemein gültige Marktgesetze handelt. Dabei ergeben sich von Branche zu Branche mehr oder minder erhebliche Unterschiede, die in die Studie nicht angemessen Eingang finden, sondern nur als Durchschnittswerte, deren Varianzen allerdings nicht gesondert ausgewiesen werden. • Der ROI ist als ökonomische Zielgröße eindimensional und reflektiert allein keineswegs den Erfolg einer Unternehmensstrategie. So kann ein Unternehmen durchaus erfolgreich im Rahmen seines Zielsystems sein, ohne dass sich dies in einem überdurchschnittlichen ROI ausdrückt (z. B. ESG). • Der Einfluss der Betriebsgröße auf den Erfolg der SGE wird in der PIMS-Studie negiert, da keine angemessene Gewichtung der Ergebnisse verschieden großer

6. Erfolgsfaktoren im Marketing

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SGEs beim Eingang in die Datenbank erfolgt. Eines der Kernergebnisse von PIMS ist jedoch gerade, dass die Betriebsgröße erheblichen Einfluss auf das Erfolgspotenzial einer SGE hat. • Bei Sonderauswertungen ergibt sich durch Kreuztabellierung rasch eine so geringe Fallzahl, dass die Validität der Aussagen angezweifelt werden muss. • Die Möglichkeiten, Wettbewerbsvorteile außerhalb des angestammten Marktes zu erzielen, werden negiert. Ebenso wie Möglichkeiten, mit kleinen Marktanteilen bei geringen Kosten dennoch eine hohe Rentabilität zu erreichen (konzentrierte Kostenführerschaft). • Die Aussagen der PIMS-Studie führen tendenziell zum Kopieren vermeintlicher Erfolgsstrategien, nicht aber zu einem eigenständigen Vorstoß, der unternehmensindividuell besser angemessen wäre.

6.2 Peters / Waterman-Ansatz Peters / Waterman (In Search of Excellence) leiteten aus ihrer Beratungspraxis bei McKinsey Erfolgs­faktoren für 43 hoch erfolgreiche gegenüber 19 weniger erfolgreichen US-Unternehmen ab und analysierten deren Entwicklung über zwei Jahrzehnte hinweg anhand von Kriterien wie Vermögenszuwachs, Eigenkapitalwachstum, Verhältnis Marktwert zu Buchwert, durchschnittliche Gesamt- und Eigenkapital- sowie Umsatzrendite. Als erfolgreich wurden dabei solche Unternehmen bezeichnet, die in mindestens vier dieser Kriterien zu den oberen 50 % ihrer Branche gehören und nach Expertenmeinung besonders innovativ sind. Diese sind allerdings durch die teilweise schlechte Geschäftsentwicklung von als in dieser Beziehung vorbildlich dargestellten Unternehmen bereits in ihrer Glaubwürdigkeit in Mitleidenschaft gezogen worden. Dennoch lohnt ein Blick auf die Hintergründe und Zusammenhänge. Als Basis erfolgreicher Geschäftstätigkeit wurden sieben Faktoren behauptet (ausgehend von Pascal / Athos), diese unterteilen sich in die drei harten „S“: • Strategy (The Plan leading to the Allocation of Resources). Dies ist die grundlegende mittel- bis langfristige Ausrichtung eines Unternehmens, um seine Stärken einzusetzen und weiter zu entwickeln und sich auf Veränderungen der Umfeldbedingungen proaktiv einstellen zu können. • Structure (The Characteristics of the Organisation Chart). Dies betrifft den formalen Organisationsaufbau mit autorisierten Regelungen zur Aufgabenzuordnung sowie betrieblichen Verfahrensvorschriften und Richtlinien. Er ist prinzipiell personenunabhängig und betrifft die horizontale Arbeitsteilung, die Gestaltung der Leistungsbeziehungen, die Koordination, die Entscheidungsdelegation und die Standardisierung.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

• System (The Nature of proceduralised Control Processes). Dies sind Maßnah­ menbündel, Prozesse und Programme der technokratischen Führung eines Unternehmens (i. S. v. Werkzeugen). Als Hilfsmittel dazu dienen etwa Funktionendiagramme, Netzpläne, Aufgabenfolgepläne, Informations- und Kommunikations-Technologien etc. Sowie die drei weichen „S“: • Skills (The distinctive Capabilities of Key Personnel). Dies meint die Gesamtheit der fachlichen und sozialen Fähigkeiten der Organisationsmitglieder i. S. v. bereits aktualisierten Kompetenzen und Entwicklungspotenzialen. Zur Realisierung der Potenziale sind notwendigerweise Instrumente der Personalentwicklung einzusetzen. • Staff (The Type of functional Specialists employed). Dies weist auf das Humanvermögen als Summe der für die betrieblichen Ziele relevanten Eigenschaften der Mitarbeitenden, ihre Qualifikation (Können-Komponente) und Motivation (Wollen-Komponente)  hin. In Humanvermögen kann investiert, oder es kann abgeschrieben werden. • Style (The Cultural Style of the Organisation). Darunter versteht man den Führungsstil als einheitliche Verhaltensdisposition von Instanzen (Vorgesetztenstellen) zur Förderung des Leistungs- und Sozialverhaltens der Organisationsmitglieder. Er hat interindividuellen Charakter und ist im Unternehmen so erwünscht oder zumindest erwartet. Im Mittelpunkt steht das siebte „S“: • Shared Values (The Goals shared by organizational Members). Damit ist ein gemeinsames Ziel- und Wertesystem der Organisationsmitglieder i. S. v. Unternehmenskultur angesprochen. Es verbindet die drei harten „S’s“ mit den drei weichen „S“. Hierzu gehören die Vision, die Geschäftsmission, die Leitsätze und die Oberziele. Das 7-S-Modell sieht am Beispiel Matsushita (UE) konkret wie folgt aus: – Strategy: Wahl eigenständiger Spartennamen (Panasonic, JVC etc.) und unterschiedlicher Vertriebswege, dauerhafte Partnerschaft mit Händlern, Wachstum durch Imitation, – Structure: Matrixorganisation, organisatorische Innovation, – System: umfassendes Planungssystem, gut ausgebautes Finanzkontrollsystem, umfassendes Informationssystem, – Skills: starke Kunden- und Marktnähe, – Staff: lebenslange Beschäftigung, hohe Bedeutung von Training und Ausbildung, Job Rotation, internes Vorschlagswesen,

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– Style: gute Mitarbeiterbeziehungen, kooperativer Führungsstil, gegenseitige Akzeptanz, – Shared Values: Unternehmen als Gemeinschaft von Mitarbeitenden und Management sowie als Mittel zur Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse, „geistige“ Werte. Bei den daraus abgeleiteten Empfehlungen handelt es sich dann um folgende: • Der Primat des Handelns (Bias for Action) bedeutet, dass man statt übermäßig lange zu denken, zu planen und Strategien zu entwickeln, besser pragmatisch im Trial & Error-Verfahren Maßnahmen umsetzt und auf ihre Tragfähigkeit hin testet (Agiles Management). Damit soll nicht blinder Aktionismus unterstützt werden, es muss aber auch der Punkt gefunden werden, an dem man von der Planung auf die Implementierung umsteigt. Und oft geht dieser unter Bergen von Konzeptpapier verloren. • Die Nähe zum Kunden (Close to Customer) bedeutet, dort zu sein, wo der Markt ist. Ein Verkaufsgespräch „an der Kundenfront“ kann daher unendlich viele Erkenntnisse verschaffen. Erfolg ist nur umsetzbar, wenn man möglichst nahe am Kunden arbeitet, intensive Geschäftskontakte zu ihm unterhält und hohe Servicestärke, erstklassige Qualität und Zuverlässigkeit demonstriert. Man kann geradezu von einer „Besessenheit“ sprechen, dem Kunden zu dienen. Ein Beispiel dafür ist die Würth-Gruppe als Hersteller / Großhändler für Befestigungs- und Montagetechnik. • Freiraum für Unternehmertum (Autonomy and Entrepreneurship) bedeutet die Schaffung von Initiativen auf allen Ebenen des Unternehmens. So ergibt sich der Vorteil der Aufteilung der Führung auf die niedrigstmögliche hierarchische Ebene ohne zentralisiertes Anweisungssystem, und es werden Freiräume für Kreativität in risikoaffiner Umgebung gefördert. • Produktivität durch Mitarbeitende (Productivity through People) bedeutet die Förderung deren Qualifikation und die Nutzung deren Potenzials. Letztlich sind es Menschen, die Märkte bewegen. Vertrauen in die Mitarbeitenden und ihre Beteiligung an der Verbesserung von Arbeitsabläufen stärken den Einsatzwillen der Mannschaft. Die Ausrichtung erfolgt am Leitbild des mündigen, ambitionierten und motivierten Mitarbeitenden als entscheidender Erfolgsressource (betriebliche Mitbestimmung). • Das sichtbar-gelebte Wertesystem (Hands-on Value-driven) bedeutet die Achtung der moralisch-ethischen Verpflichtung des Unternehmens. Dies impliziert, dass nicht jeder Zweck alle Mittel heiligt und dass nicht jeder Umsatz alle Aktivitäten rechtfertigt. Vielmehr muss sich jedes Unternehmen seines gesellschaftlichen Stellenwerts bewusst sein und dieses Wertesystem sichtbar vorleben. Dazu ist es erforderlich, dieses Wertesystem stringent zu formulieren und alle Mitarbeitenden des Hauses darauf zu verpflichten. Exzellente Unternehmen tun dies seit

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

langem durch Corporate Governance-Audits und Selbstverpflichtung zu sozialökologischen Standards. • Die Bindung an das angestammte Geschäft (Stick to the Knitting) bedeutet die Konzentration auf das, was man am besten kann. Es scheint zunächst verlockend, in allen möglichen Marktfeldern, die Gewinnaussicht versprechen, mitzumischen. Regelmäßig stellt sich der Erfolg aber eher ein, wenn man versucht, das gegebene Potenzial erst einmal voll auszuschöpfen, bevor man neue Potenziale anzapft. Es gilt, sich prioritär im Stammgeschäft der Kernkompetenz zu bewegen. • Straff-lockere Führung (Simultaneous loose-tight Properties) ist als ausgewogene Mischung aus sowenig Führung wie nötig und soviel Selbstbestimmung wie möglich zu verstehen. Wirtschaften nach dem Demokratieprinzip führt nicht selten ins Verderben. Die Ausrichtung erfolgt am Leitbild des mündigen, leistungsbereiten, sich selbst fordernden Mitarbeiternden. Dabei sollen Manager so viel wie nötig aber zugleich so wenig wie möglich kontrollieren („Intrapreneurship“). • Einfacher, flexibler Aufbau (Simple form, lean Staff), d. h. eine transparente Organisation mit flacher Struktur, etwa im Stil der Spartenorganisation. Dadurch kann effizient auf Veränderungen des Vermarktungsumfelds reagiert werden. Operative Einheiten vermeiden Ballast durch Verwaltungsapparate, und die Organisation eines Unternehmens soll schlank und überschaubar bleiben („mehrere Schnellboote statt eines großen Schlachtschiffs“). Der Peters / Waterman-Ansatz ist umfangreicher Kritik unterworfen. Sie richtet sich u. a. gegen die Konzentration der Untersuchungseinheiten auf die Großindustrie, auf die mangelhafte Ausprägung einer Kontrollgruppe zur Absicherung der Ergebnisse, auf Verzerrungen durch Branchenbesonderheiten und auf die Fokussierung auf US-amerikanische Verhältnisse. Außerdem sind die Aussagen sehr allgemein gehalten und daher letztlich wenig aufschlussreich. Und es findet keine genügende Trennung der Einflussfaktoren bestimmter Branchen statt, so dass keine branchenübergreifenden Aussagen möglich sind. Daneben gibt es zahlreiche weitere Ansätze auf gänzlich anderer Basis, etwa von Pümpin (Management strategischer Erfolgspositionen), Simon (Hidden Champions) u. A. Bei allen Ansätzen sind die immense Komplexität der Wirtschaftsrealität, aber auch die zahlreich einwirkenden situativen Faktoren, hinderlich, die es nicht zulassen, rezepturähnliche Schlussfolgerungen zu formulieren. Meist liegt eine nicht repräsentative Stichprobe zugrunde, die keine valide und reliable Messung zulässt. Die Einschätzung dessen, was Erfolg ausmacht, liegt letztlich bei den Auskunftseinheiten selbst. Komparative Konkurrenzvorteile sind zudem meist originär und nicht generalisierbar. Es liegen nur Vergangenheitsdaten zugrunde, deren Kausalität fragwürdig ist. Zudem dürften keine monokausalen Abhängigkeiten bestehen, sondern netzwerkartige, gegenseitige. Daher stehen nicht mehr Ergebnisse, sondern Prozesse im Mittelpunkt, denn nur, wer das Zustandekommen von Ergebnissen kennt, kann diese beeinflussen.

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6.3 Prozessorientierung 6.3.1 Charakteristika Ein Prozess ist allgemein eine Folge von wiederholt ablaufenden Aktivitäten mit messbarer Eingabe (Input), messbarer Produktion (Throughput) und messbarer Ausgabe (Output) durch systematisches Zusammenwirken von Menschen, Maschinen, Materialien und Methoden entlang einer Wertschöpfungskette zur Erreichung eines Ziels (Produkt / Dienstleistung). Prozesse sind auf zeitlich befristete Durchlaufzeiten gerichtet, d. h., das Ziel steht schon vor Tätigkeitsbeginn fest. Weiterhin gibt es ein Ereignis zum Anstoßen des Tätigwerdens. Dafür stehen Ressourcen bereit (Mitarbeitende, Sachmittel, Informationen etc.). Vom Projekt unterscheiden sie sich durch ihren repetitiven Charakter. Die partielle Zielmaximierung wird somit zugunsten einer die Interdependenzen berücksichtigenden umfassenden Verantwortung überwunden. Zunächst ist dazu die Verantwortlichkeit für Prozesse festzulegen (Process Owner­ship). Dabei muss bereichsübergreifend der gesamte Prozess mit seinen komplexen Wirkzusammenhängen beurteilt werden. Dazu gehört die Definition der Prozesse und Teilprozesse, die Identifikation der Schnittstellen, die Spezifikation der Input-Output-Beziehungen, die Dokumentation der Prozesse, die Bestimmung von Anforderungen an jeden Prozess und die Abstimmung mit, auch internen, Kunden und Lieferanten sowie die Festlegung von Messgrößen, Messpunkten und Methoden zur Erfolgsmessung. Weiterhin sind die Zusammen­stellung eines Koordinationsteams und die Beschreibung des Ist-Zustands notwendig. Danach folgt die Schwachstellen-Analyse. Fehlerquellen sind ausfindig zu machen und Ursachen dafür zu bestimmen. Entsprechend ist der Prozess so zu verändern, dass Fehler nicht mehr auftreten. Dabei ist eine Aufwands-Nutzen-Analyse erforderlich, die im Zweifel besagt, den Prozess nicht zu verändern, sondern völlig neu zu definieren (Reengineering). Anschließend sind die neuen, veränderten Prozesse zu beobachten und erforderlichenfalls rechtzeitig zu korrigieren. Ziel ist ein gegenüber Störgrößen unempfindlicher Prozess (Robust Design). Dazu dienen statistische Kennzahlen zum Ausweis der Prozessbeherrschung (Reliabilität) und Prozessfähigkeit (Validität). Erstere ist durch die Stabilität der Niveau- und Mittenlage eines Prozesses gekennzeichnet, die Mittelwerte schwanken dann lediglich zufallsbedingt, letztere durch die Gleichförmigkeit funktionserfüllender Prozesse innerhalb vorgegebener Toleranzen. Die Stabilität kann beeinflusst und gesteuert werden, die Gleichförmigkeit hingegen normalerweise nicht. Toleranzeinhaltung bedeutet aber keineswegs Fehlerfreiheit. Zentrales Anliegen ist die Steigerung des Wirkungsgrads der Prozesse. Zu dessen Ermittlung können die einzelnen betrieblichen Leistungen in vier Gruppen unterteilt werden:

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

• Die Nutzleistung, also der eigentlich wertschöpfende Anteil der Produktion, soll maximiert werden, dabei handelt es sich um die erfolgszentralen Schlüsselprozesse. Die Nutzleistung ist geplant und werterhöhend. Sie betrifft die Hauptzeiten von Vorkombination (nur bei Dienstleistungen), Endkombination, Entwicklung, Beschaffung, Marketing. • Die Stützleistung, die zwar selbst nicht wertschöpfend ist, aber die Voraussetzungen zur Wertschöpfung schafft, ist so „schlank“ (lean) wie möglich gehalten, dabei handelt es sich um die weniger wichtigen Supportprozesse. Die zur Erstel­ lung der Nutzleistung erforderliche Stützleistung ist geplant und wertneutral, aber selbst nicht werterhöhend / kundennutzensteigernd. Sie betrifft unvermeidliche Prozesse wie Transfer, Wareneingang, Zwischenprüfung, Rüsten, Arbeitsmittelwechsel etc. • Die Blindleistung, die nicht zur Wertschöpfung beiträgt, soll minimiert werden. Die unnötige Blindleistung ist ungeplant und wertneutral / nicht kundennutzensteigernd. Sie betrifft Zwischenlagerung, unnötige Vorratshaltung, Konstruktions­ änderung, Transport zwischen Puffern und jede Art von Verschwendung wie Wartezeiten, Kapazitäts- und Materialengpässe. • Und die Fehlleistung, die wertvernichtend ist, muss komplett vermieden werden, dazu dient die Qualitätspolitik mit dem Postulat der Null-Fehler-Toleranz. Die wertmindernde Fehlleistung ist ungeplanter Ressourcenverbrauch, der aus Fehlhandlungen und deren Auswirkungen entsteht, ohne dass daraus ein Kundennutzen folgt. Sie betrifft Ausschuss, Fehlerfolgen, Nacharbeit etc. Der Wirkungsgrad von Prozessen ergibt sich als Quotient aus dem Anteil der den Wert erhöhenden Leistung (nur Nutzleistung) und der insgesamt aufgewendeten Leistung (Nutzleistung, Stützleistung, Blindleistung und, invers, Fehlleistung) für Prozesse. Die Prozessdauer besteht aus der Durchlaufzeit für die Wertschöpfung. Die Durchlaufzeit setzt sich wie folgt zusammen: • Bearbeitungszeiten (Kernzeiten), • Rüstzeiten (Prozessvorbereitung), • Transportzeiten (Logistik / Transfer), • Liegezeiten (Prozessunterbrechung / Lagerung). Zur Minimierung der Durchlaufzeit werden verschiedene Techniken eingesetzt, wie eine überlappende Produktion, d. h. die Verschränkung bereits hergestellter Teile mit dem nachfolgenden Wertschöpfungsabschnitt, die Arbeitszerlegung in Teilaufträge und deren parallele Bearbeitung sowie die Optimierung der Auftragsreihenfolge. Im Extremfall muss dabei die Losgröße 1 als Ziel definiert werden. Etwa im Malerhandwerk entfällt oft nur ein vergleichsweise geringer Zeitanteil auf den eigentlichen Farbanstrich. Einen hohen Anteil macht hingegen das Ab-

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kleben der Anstrichfläche, das Anrühren des richtigen Farbtons, die Bereitlegung von Rolle, Farbwanne, Mischweiß etc. aus. Weitere Zeitanteile entstehen für die An- und Abfahrt, den Einkauf von Materialien und den Transport von Hilfsmitteln wie Leiter, Schutzbrille, Abdeckplane etc. Hinzu kommen Trockenzeiten, Pausen und Wartezeiten auf andere Gewerke. Ziel der Arbeiten sollte die Maximierung der Bearbeitungszeit zulasten aller anderen Prozesszeiten sein. Auf der Prozessebene hilft dabei Simultaneous Engineering (SE) zur Zeiteinsparung im Arbeitsfortschritt und bei Rücksprüngen, wobei es ein Ziel ist, diese Rücksprünge ganz zu vermeiden. Es handelt sich dabei um ein Organisationskonzept, das darauf abzielt, traditionell nacheinander erfolgende Abläufe der Produktund Produktionsmittelentwicklung, auch unter frühzeitiger Einbeziehung externer Kooperationspartner, zeitlich stärker zu parallelisieren und auf diese Weise das spezifische Wissen aller betroffenen Bereiche einzubringen. Im Mittelpunkt aller Bemühungen steht die Optimierung des „magischen“ Vierecks aus • Sicherung der Qualitätsproduktion, • Einhaltung der Zeitpräferenz, • Gewähr von Kostengünstigkeit, • Erreichung von Informationsvorteilen der Beteiligten, dessen Teilziele kurzfristig nur partiell untereinander harmonisch sind. Unzulänglichkeiten schon bei einem dieser Kriterien werden nicht mehr hingenommen. Dies erfordert ein internes Lieferanten-Kunden-Denken, wobei jede vorgelagerte Stufe nur liefern darf, was die abnehmende Stufe nach Qualität und Kosten zu akzeptieren bereit ist, wobei die letzte Stufe die daraus resultierende(n) Gesamtqualität und -kosten am Markt erlösen muss. 6.3.2 Komplexität Als wesentliches Argument für die Unternehmensgröße wird immer wieder die Notwendigkeit zur Kostendegression genannt. Allerdings ist anzunehmen, dass es gegenläufig zur Größendegression einzelner Kostenbestandteile eine Größenprogression anderer Kostenbestandteile (Diseconomies) gibt. Bei diesen Komplexitätskosten handelt es sich um: • einmalige durch z. B. Forschung und Entwicklung, neue Versionsmerkmale, Einsatz neuer Werkzeuge, Nullserienprüfung etc., • wiederholte durch z. B. Kundendienste, Qualitätssicherungsmaßnahmen, versionsspezifische Lagerbestände, Produktdokumentationen, Schulungen etc., • indirekte (Opportunitätskosten) durch z. B. Kannibalisierung von Produkten.

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Komplexitätskosten entstehen aufgrund der Diversität auf den Produkt-, Prozess- und Ressourcenebenen. Sie fallen in Folge einer großen Vielfalt von Kunden, Produkten, Versionen, Baugruppen, Teilen, Materialien und auch Lieferanten an und ergeben sich in unterschiedlichem Ausmaß in den verschiedenen funktionalen Bereichen. Betroffen sind insb. die Bereiche Forschung und Entwicklung, Kon­ struktion, Arbeitsvorbereitung, Logistik, Einkauf und Vertrieb. Komplexitätskosten bedeuten Kostenprogressionen, die sich z. B. bei Erhöhung der Produktzahl dadurch ergeben, dass sich Planungs-, Dispositions- und Koordinationsbedarfe mit jeder zusätzlichen Produktart erhöhen. Komplexe Systeme reagieren allgemein auf einen bestimmten Impuls in wenig voraussagbarer Weise. Der Output ist daher schwer vorausberechenbar. Komplizierte Systeme sind zwar ebenso schwer durchschaubar, zeigen jedoch zumindest genau berechenbare Reaktionen. Beide unterscheiden sich von trivialen Systemen, deren Beziehung zwischen Input und Output funktional leicht darstellbar ist (einfache Wenn-Dann-Regeln). Komplexität entsteht im Einzelnen aus der: • Marktkomplexität infolge Kundenheterogenität, der Bedienung auch von Kleinkunden, hoher Programmbreite / Typenvielfalt, großer Auftragsvielfalt etc., • Produktkomplexität infolge hoher Komponentenzahl, mangelndem Standardisie­ rungsgrad, ungünstigem, nicht prozessoptimalem Design etc., • Produktionskomplexität infolge mehrerer Standorte, zahlreicher Fertigungsschritte, verschiedener Technologien und eingesetzter Hardware / Software, hoher Fertigungstiefe, abweichender Materialien etc., • Organisationskomplexität infolge unübersichtlicher Aktivitäten, großen Koordinationsaufwands, ständiger Systementwicklung und -anpassung, Diversität der Mitarbeitenden, Aufgabenart etc. Komplexitätsgründe sind neben großer Vielzahl vor allem hohe Heterogenität, geringe herstellerseitige Flexibilität, hohe / unvorhergesehene marktseitige Veränderlichkeit, starke Interdependenzen und hoher wahrgenommener Schwierigkeitsgrad der Wertschöpfungsbedingungen. Komplexitätskosten fallen in den nicht unmittelbar wertschöpfenden Unternehmensbereichen an, also in der Administration. Die Koordination eines immer unüberschaubareren Ressourceneinsatzes, die vielfältigen Abstimmungsprobleme, unvermeidbare Doppelarbeiten und andere Effizienzverluste führen beinahe zwangsläufig zu steigenden Overheads. Da gleichzeitig in der eigentlichen Wertschöpfung Kostensenkungspotenziale bereits weitgehend ausgeschöpft sind, können diese zusätzlichen Kosten nurmehr unvollkommen aufgefangen werden. Zwar ist das Vorhandensein von Komplexitätskosten ausgesprochen plausibel, ihre Quantifizierung stellt sich jedoch als schwierig heraus, da eine Kostenopera-

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tionalisierung im Administrationsbereich an enge Grenzen stößt. Dennoch steht zu vermuten, dass es so etwas wie eine optimale Unternehmensgröße unter Einbeziehung aller, der wertschöpfenden wie der nicht-wertschöpfenden, Bereiche gibt. Diese ist dort gegeben, wo die weitere Kostendegression aus Größeneffekten die Kostenprogression dieser Größeneffekte nicht mehr kompensieren kann, die Gesamtkosten mit zunehmender Unternehmensgröße zwar zunächst sinken, danach aber wieder ansteigen. Es steht weiterhin zu vermuten, dass viele der Konzerne der Realität sich in ihrer Unternehmensgröße bereits jenseits dieses Optimums befinden. Dass die Unternehmenskonzentration dennoch unvermindert anhält, dürfte eher durch emotionale Argumente (Macht, Ansehen) begründet sein als durch strikt betriebswirtschaftliche Überlegungen. Dennoch besteht verständlicherweise der Wunsch zur Komplexitätsreduktion. Dafür gibt es mehrere Ansätze: • Schlanke Prozesse sind ohne oder mit möglichst wenig Schleifen angelegt. Sie schaffen eine vollständige Transparenz über den Status jedes Entscheidungs­ objekts, über die nächsten Schritte, die Termineinhaltung und Zuständigkeiten für Aktivitäten. • Eine Konzentration auf Kernprozesse, also strategisch bedeutsame Aktivitäten, befreit von Ballast und erlaubt die Fokussierung auf Potenziale, die komparative Wettbewerbsvorteile zu schaffen imstande sind. • Durch flache Hierarchien mit Verlagerung der Entscheidung auf die niedrigst mögliche Stufe werden Informationsverzerrungen („Stille Post-Prinzip“) vermieden, die Fähigkeiten der Operative genutzt und die Motivation der dort tätigen Mitarbeitenden gestärkt. • Durch Kommunikationsmedien zur Informationsaufnahme, -speicherung, -verarbeitung und -weiterleitung können Prozesse dezentral gesteuert und koordiniert (Erhöhung der Effizienz) und insofern bessere Entscheidungen getroffen werden (Erhöhung der Effektivität). Eine Option ist die Kombination einer Produktkernstandardisierung mit kundenindividuellen Dienstleistungen. Weitere Ansatzpunkte sind die Baugruppen-, Teile- und Materialvielfalt reduzierende Maßnahmen etwa durch Standardisierung und Normung. Dabei helfen auch Ansätze für Plattform- und Gleichteileeinsatz bei Produktbestandteilen, die nicht-kundenwahrnehmbar sind. Möglich ist auch die Aufwertung von Produkten durch die standardmäßige Integration von Zusatzausstattungen, soweit dadurch Komplexitätskosteneinsparungen nicht überkompensiert werden. Besonders der Begriff der „schlanken Produktion“ (Lean Production) wird in Zusammenhang mit der Komplexitätsreduktion propagiert. Dies kennzeichnet ein logistikorientiertes, dezentrales Organisations- und Steuerungskonzept, das die Faktorver- und -entsorgung für eine Produktion auf Abruf zum Ziel hat und

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dies durch flexible Anpassung der Kapazitäts- und Einsatzmittelbedarfsplanung an die aktuelle Produktions- und Auftragssituation erreicht. Dies erfordert eine Harmonisierung der Kapazitäten durch Verstetigung der Produktion (Continuous Flow Manufacturing / CFM). Dieser Ansatz wird um den Gemeinkostenbereich erweitert als Lean Management bezeichnet. Lean Production strebt ganzheitliche Lösungen bei der Gestaltung von Produktionssystemen anhand von Verfahrensinnovationen an, um zu einer betrieblichen Integration entlang des Stoff- und Informationsflusses (Wertkette) zu gelangen. Dies bedingt eine Erhöhung der Wirtschaftlichkeit durch Übergang zu geringerer Arbeitsteilung, flacheren Hierarchien und einfacheren Kommunikations- und Kooperationsstrukturen. Dies sichert die Transparenz von Abläufen und ermöglicht dezentrale, selbststeuernde Produktionseinheiten (Gruppenarbeit) und Produktionsmodularisierung (Fertigungsinseln). Ein weiterer Aspekt ist die Verringerung der Fertigungstiefe sowie die Beteiligung von Zulieferern an der Produktentwicklung und allgemein die Verringerung der Zahl der Zulieferer (Systemlieferanten). 6.3.3 Mass Customization Bei Mass Customization geht es darum, einen vertretbaren Kompromiss zwischen Standardisierung und Individualisierung zu erreichen. Dabei handelt es sich um die Produktion von Gütern (Dienste sind aufgrund deren Uno actu-Prinzips und der obligatorischen Integration des Externen Faktors weitestgehend kundenindividuell) für einen relativ großen Absatzmarkt, welche die unterschiedlichen Bedürfnisse jedes einzelnen Nachfragers dieser Produkte treffen, und dies zu Kosten, die näherungsweise denen einer massenhaften Fertigung vergleichbarer Standardgüter entsprechen. Verbreitete Merkmale sind dabei die Interaktion mit einzelnen Kunden, um deren Wünsche zu erfüllen, eine Kalkulation für viele Produkte, eingeschränkte Flexibilität und standardisierte Planung: • Damit grenzt sie sich ab von der Einzelfertigung mit einzelauftragsbezogener Vorkalkulation, hohem Flexibilitätserfordernis, individueller Planung des Produktionsprozesses, niedrigem Grad der Vorfertigung und spezifischem Fertigungslayout. Die Einzelfertigung richtet sich an einen Nachfrager, Mass Customization an den Massenmarkt, auch ist sie nicht handwerklich ausgerichtet. • Von der anonymisierten Variantenproduktion grenzt sie sich durch das Merkmal der anbieterseitigen Produktdifferenzierung ab. Bei der Variantenfertigung ist der Kunde unbekannt und passiv, er wird auf Marktforschungsdaten basierend bedient, und es entstehen Lagerhaltungs- und Kapitalbindungskosten, bei Mass Customization interagiert der Kunde mit dem Anbieter, und es gibt keine vorgegebene Konfiguration. • Zur Massenproduktion grenzt sie sich dadurch ab, dass keine Produktion auf Lager / Vorrat ohne Kundenauftrag stattfindet. Die Endkunden sind weitgehend

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unbekannt, sie greifen nicht in die Produktion ein. Bei der Massenfertigung steht die anbieterseitige Kostendegression im Vordergrund, bei Mass Customization stehen heterogene Kundenbedürfnisse im Vordergrund. • Von Zusatzausstattungen grenzt sie sich dadurch ab, dass kein Standardprodukt als Basis dient. Bei Add-ons gibt es einen Träger als Plattform, an den Ausstattungen angekoppelt werden, bei Mass Customization fehlt es an diesem Träger, also gibt es auch keine Add-ons. Mass Customization kommt im Einzelnen durch Soft Customization oder Hard Customization zustande. Soft Customization bedeutet, dass kein Produktionseingriff zur Individualisierung erforderlich ist. Vielmehr erfolgt die Fertigung von Standardprodukten mit Selbstwahl als offene Individualisierung. Im Einzelnen stellen sich dazu folgende Optionen: • Selbstindividualisierung. Dabei kann ein Standardprodukt nach kundeneigenem Wunsch auf ihn personalisiert werden, z. B. Erstellung individueller Fotobücher, Einstellungen im MS Office-Paket, My SAP. • Individualisierung am POS. Dabei erfolgt eine Produktindividualisierung durch Feinjustierung für den kaufenden Kunden, z. B. Strolz Skischuhe, die am POS individuell vermessen werden, oder auf Maß geplante Einbauküchen im Möbelfachhandel. • Paketierung. Dabei werden festkombinierte Anbauteile für verschiedene Ausstattungen und Funktionen des Produkts eingebaut (Built-in Flexibility), z. B. bei Unterhaltungselektronikgeräten als Netzschalter für verschiedene Spannungen bzw. Normanschlüsse, ausgeführt in DIN und Cinch, oder als Buffet-Angebot in Restaurants. • Serviceindividualisierung. Dabei erfolgt die Ergänzung eines standardisierten Massenprodukts um individuelle Kundendienste, z. B. Nespresso Serviceangebote rund um Kaffeeautomaten (Kundendienste), oder Pauschalreisen mit Individualoptionen. Hard Customization bedeutet, dass ein Produktionseingriff erfolgt (geschlossene Individualisierung mit konkreter Kundenintegration). Im Einzelnen stellen sich dazu folgende Optionen: • Massenfertigung von Unikaten. Hierbei werden Standardelemente im Produkt durch individualisierte Elemente ersetzt, z. B. individuelle Roman-Plots bei Büchern, Installation geplanter Einbauküchen. • Modularisierung. Hierbei werden Anbauteile mit unterschiedlicher Funktion, aber einheitlicher Schnittstelle konzipiert, die damit eine vielfältige Kombinierbarkeit und effiziente Vielfaltserzeugung ermöglichen, z. B. Fotokopierer-Drucker-Konfiguration mit Sorter, Hefter etc., Dell Computermodelle. • Standardisierte Vor- mit individueller Endkombination. Hierbei werden Teile der Produktion standardisiert vorgefertigt, z. B. Managed Funds der Banken als

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Standardanlage mit individueller Risiko- bzw. Renditeanpassung, Nike ID Shoes mit Wahl von Sohle, Obermaterial, Farbe und Initialien, Dolzer Maßanzüge, MyMüsli-Cerealien. • Baukastenprinzip. Hierbei sind wenige Grundteile vorhanden, die mit Anbauteilen zu unterschiedlichen Versionen kombiniert werden können (horizontales bzw. vertikales Plattformkonzept), wozu vorab eine Stücklistenauflösung erforderlich ist, z. B. Modellreihen in der Automobilindustrie. Mass Customization hat sich inzwischen in vielen Industrien durchgesetzt. Beispiele dafür sind folgende: – Sony brachte in seinen Hochzeiten zwischen 1980 und 1990 knapp 250 verschiedene Walkman-Modelle auf den Markt, die alle auf nur drei Produktplattformen basierten: WM 2, WM DD und WM 20. – Intel führte seinerzeit eine 486 Prozessorreihe ein, und zwar als 486 DX mit 25 MHz Taktfrequenz, mit 33 MHz und 50 MHz, später mit 60 MHz für MidrangeComputer, als 486 SX für Einsteiger mit 20 MHz Taktfrequenz und als 486 SL für mobile Computer (mit 16, 20, 25, 33 MHz Taktfrequenzen). – Die HP Produktplattform für Tintenstrahldrucker (Desk Jet, Desk Jet Plus, Desk Jet Writer, Desk Jet 500) gibt es als Derivate für Farbdruck (Desk Jet 500 C), für zwei Patronen (schwarz und farbig, Desk Jet 550 C) und für mobiles Drucken (Desk Jet 300 Portable). – Swatch bringt jedes Jahr über 140 neue Uhrenmodelle auf den Markt, tatsächlich neu müssen jedoch nur Ziffernblatt, Zeiger, Krone, Armband, Gehäuse etc. entwickelt werden, nicht aber das zentrale Laufwerk, denn alle Modelle haben das gleiche Uhrwerk verbaut. – MeineSchokolade bietet einzeln konfigurierbare Kompositionen aus Schokoladenart, Zutaten wie Nüsse, Früchte, Gewürze etc. und individuellem Einschlagpapier. Ähnliches bietet Konkurrent Chocri. – Oakley Sonnenbrillen werden personalisiert nach Form des Gestells, Gläser­ einsatz, UV-Schutz und individualisiertem Etui. Produktionstechnisch wird Mass Customization rationell nur durch möglichst späte Heterogenisierung der Halbfertigprodukte im Produktionsfluss ab einem Order Penetration Point, d. h. dem Punkt der Auflösung der Standardisierung, möglich (Postponement). Dabei wird ein Produkt bis dahin möglichst lange in einem „neutralen“ Zustand ohne Zuordnung zu einem Kunden bzw. Teilmarkt gehalten. Zum Beispiel werden Pullover zunächst mit farblosem Garn gewebt und danach erst in einer großen Varietät von Farben eingefärbt. Das Gegenteil dazu ist Speculation, d. h., ein Produkt wird aufgrund der prognostizierten Nachfrage frühzeitig, auch ohne konkreten Kundenauftrag, individualisiert. Dies birgt jedoch die Gefahr von Fehleinschätzungen. Eine herkömmliche Produktionssteuerung erfolgt auf Basis bereits erteilter Aufträge.

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Durch Mass Customization ergeben sich gegenüber der Einzelfertigung Kostensenkungspotenziale (Skaleneffekte, Verbundeffekte, Big Data etc.) sowohl als auch Leistungssteigerungspotenziale (Kundenbindung, Flexibilitätserhöhung, Produktattraktivität etc.). Probleme entstehen durch die enorme Komplexität der massenhaften Einzelfertigung, so dass diese zunehmend kritisch gesehen wird. Naturgemäß sind Customized-Leistungen in der Herstellung teurer als Standardleistungen. Moderne Produktionsdesigns sind aber durch ihre Flexibilität häufig in der Lage, Maßschneiderei zu nur moderaten Mehrkosten zu realisieren. Zugleich impliziert diese einen Mehrnutzen für Abnehmer, so dass sie auch bereit sind, dafür einen Mehrpreis gegenüber Standardleistungen zu bezahlen (erfahrungsgemäß ca. 30 % Preiszuschlag). Wichtig ist dabei eine Entkopplung von Mehrkosten in der Produktion und Zusatznutzen am Markt. Hierzu ein praktisches Beispiel. Mitte der 1980er Jahre erzielte BMW eine hohe Marktakzeptanz durch die gezielte Veredelung serienmäßiger Pkw-Modelle. Am bekanntesten war hier die Black Shadow Line, bei der alle Chromteile an der Karosserie mattiert wurden. Dies gab den Modellen einen attraktiven Look. Diese Modelle wurden selbstverständlich mit einem sondermodelltypischen Preisaufschlag abgerechnet. Dies motivierte andere Hersteller zur Übernahme solcher Angebote. Volkswagen etwa entwickelte daraus die Ideenmodelle, die in enger Taktung mit jeweils limitierter Auflage abfolgten. Bei BMW wurde u. a. der legendäre Z1 in kleiner Stückzahl gefertigt, als die Erkenntnisse des Activity Based Costing (ABC) aus den USA nach Europa schwappten. Eine Prozesskostenkalkulation ergab, dass selbst ein für damalige Verhältnisse exorbitant hoher Preis von 85.000 DM (ca. 42.500 €) nicht ausreichte, die zurechenbaren Kosten des Z1 zu decken. Das Modell wurde folglich eingestellt und erzielt heute Liebhaberpreise im Youngtimer-Markt, wie auch die Modelle M1 oder Z8. Dies brachte auch die anderen Autohersteller zum Nachdenken über ihre Kostenstruktur. Nach und nach wurden die Kleinserienmodelle aufgegeben. Und seither werden auch keine neuen mehr angeboten, außer zu Promotions-Zwecken, also bei bewusster Subventionierung zugunsten von Image, Branding, Zulassungszahlen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem 3-D-Druck (Additive Fertigung) zu. Dabei werden Produkte ohne spezifische Werkzeuge durch schichtweisen Auftrag, chemische Härtung oder Ätzung über unterschiedliche Verfahren in Einzelfertigung hergestellt. Dies revolutioniert Wertschöpfungsketten und Produktivität, etwa im Handwerk, bei Prototypen, in Transport und Lagerung. Letztlich können damit physische Produkte virtualisiert verbracht und produziert werden. Anwendungen sind extrem vielfältig, so in der Luft- und Raumfahrt, für spezialisierte Ersatzteile, für Sonderwerkzeuge, in der Medizintechnik (Implantate), in der Zahnmedizin, als individualisierte Hörgeräte etc.

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7. Elemente der Implementierung Die Strategieentwicklung im Konzept muss zwingend in die Realität übertragen werden, soll sie die gewünschten Erfolge zeitigen. Dies wird als Implementierung bezeichnet. Sie besteht aus den Fundamenten der Informationsbasis (7.1), der Organisationsbasis (7.2), der Entscheidungsbasis (7.3) und der Lenkungsbasis (7.4). Der Informationsbasis kommt eine überragende Bedeutung zu, denn je umfangreicher und differenzierter diese ist, desto qualifizierter können Entscheidungen ausfallen. Dabei geht es vor allem um Datensysteme, Krisenbewusstsein, Wissensmanagement und Wettbewerbsforschung.

7.1 Informationsbasis 7.1.1 Datensysteme Im Data Warehouse-Konzept werden neue und historische Daten aus verschiedenen operativen Systemen zentral gesammelt und entscheidungsorientiert geordnet und konsolidiert. Benutzer können somit Auswertungen aufgrund einer anwenderspezifischen Struktur erstellen. Es hat zum Ziel, eine logisch zentrale, einheitliche und konsistente Datenbasis für die vielfältigen Anwendungen zur Unterstützung analytischer Aufgaben aufzubauen, die losgelöst von operativen Datenbanken betrieben wird. Das Data Warehouse umfasst grundsätzlich alle Daten des Unternehmens, die gemeinhin durch Local Area Network (LAN) oder Intranet unternehmensweit, wenngleich hierarchisch abgestuft, zugänglich sind. Für die Orientierung an Datengesamtheiten ist es zunächst erforderlich, alle relevanten Daten gezielt zu sammeln und für die Analyse auszuwählen. Dazu werden die Daten verschiedener Datensätze miteinander integriert. Die Daten müssen bereinigt werden, d. h., als falsch erkannte oder inkonsistente Daten müssen entfernt oder korrigiert werden. Eine Teilmenge aus dem Datenpool wird dafür für Testzwecke und aus Gründen geringer Zugriffszeiten ausgewählt. Die Daten werden einander angepasst, um inhaltlichen (Dateityp, Feldlänge etc.) oder das Analyseprogramm betreffenden Anforderungen zu genügen. Die für die Analyse adäquatesten Parameter werden ausgewählt. Anschließend beginnt der eigentliche Auswertungsprozess, der das Ergebnis transparent macht. Mit der Interpretation und Visualisierung der Ergebnisse wird der Prozess abgeschlossen, es sei denn, es ergibt sich weiterer Informationsbedarf. Dann kehrt man zu einem der früheren Schritte zurück. Ein Top down-Vorgehen bei Orientierung an Datengesamtheiten führt zum Online Analytical Processing (OLAP). Dabei handelt es sich um interaktive, komplexe Analysen in Form einer mehrdimensionalen Sicht auf vorhandene Datenbestände. Diese werden meist als Datenwürfel versinnbildlicht, indem der Datenraum zunächst in Schichten zerteilt wird, durch die anschließend Schnitte (Slicing) als

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vertikaler Längsschnitt, horizontaler Längsschnitt, Querschnitt etc. zur Analyse gelegt werden. Durch Drehen dieses Würfels entsteht ein Wechsel der Dimensionen (Dicing), der neue Erkenntnisse liefern kann. Eine andere Technik hebt auf die immer tiefer gehende Analyse von Daten im Drill-down ab, indem Komplexität systematisch reduziert wird und dadurch immer feinteiliger untersucht werden kann. Umgekehrt können auch allzu feinteilige Details zu größeren Bezügen im Roll-up aggregiert werden, um eine „Vogelperspektive“ einnehmen zu können. Schließlich kann durch Screening eine Siebung der Daten hinsichtlich ihrer Relevanz für den Untersuchungszweck vorgenommen und durch Scoping eine erhebliche Fokussierung des jeweils interessierenden Datenausschnitts erreicht werden. Das Grundprinzip von OLAP basiert auf der Betrachtung von Daten aus verschiedenen betriebswirtschaftlichen Blickwinkeln / Dimensionen, die eine rasche und flexible Analyse erlauben, so dass auch große Datenmengen gut beherrschbar sind. Zum Beispiel können die Dimensionen Umsatz pro Jahr, Umsatz pro Produkt und Umsatz pro Region in verschiedenen Kombinationen betrachtet werden. So interessiert den Produktmanager typischerweise der Umsatz „seines“ Produkts in Zeitablauf und nach Regionen gesplittet, den Vertriebsmanager interessiert der Umsatz „seiner“ Region nach Produkten gesplittet und im Zeitablauf, den Controller interessiert vielleicht der Umsatz im Zeitablauf, differenziert nach Produkten und Regionen. Alle drei Informationsbedarfe können durch das OLAPKonzept befriedigt werden, indem einmal erfasste Daten nach verschiedenen Dimensionen hin auswertbar sind. Gleichzeitig ist eine abgestufte Differenzierung der Betrachtungsebenen darstellbar, etwa in der Dimension Produkt unterteilt nach verschiedenen Artikeln, Farben, Größen, Ausführungen etc., in der Dimension Region unterteilt nach verschiedenen lokalen Untergebieten und in der Dimension Zeit nach verschiedenen Teilperioden heruntergebrochen. Ein Bottom up-Vorgehen bei Orientierung an Datengesamtheiten führt zu Formen des Data Mining. Dies hat ein selbstständiges Durchsuchen von Datenbeständen zum Ziel, um bisher unbekannte, signifikante Muster oder zukünftige Trends wirtschaftlicher Entwicklungen zu erkennen, Daten aufzudecken und daraus u. a. Vorhersagen zu generieren. In großen Datenbeständen können solche nicht-trivialen Verbundbeziehungen durchaus existieren, ohne weiter aufzufallen. Im Einzelnen werden verschiedene Methoden eingesetzt, insbesondere multivariate statistische Verfahren der Klassifikation / Segmentierung, der Analyse von Abhängigkeiten / Zusammenhängen sowie Neuronale Netze und Entscheidungsbäume. Ein Data Mining-System besteht im Einzelnen aus fünf Schichten: – den Datenquellen, die als Datenbanken mit internen und externen Quellen vorliegen, – der Vereinheitlichung der Datenstrukturen durch Datenextraktion, -transformation und -ladung sowie stetige Aktualisierung dieser Daten,

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– dem eigentlichen Data Warehouse als zentralem „Umschlagplatz“ der Daten, – der Analyseschicht durch Einteilung von Daten in Gruppen zusammengehöriger oder ähnlicher Datensätze, einer Klassifizierung durch Zuweisung von Elementen mit unbekannten Eigenschaften in bereits bestehende Klassen, Aufbau einer Trainings- und Testdatenwelt und Rückmeldung des „Fit“ sowie Auffindung von Mustern korrelierter Elemente, Assoziationsregeln zur Beschreibung von Zusammenhängen zwischen den Elementen und auftretenden Sequenzmustern, – der Präsentationsschicht (Nutzerschnittstelle / Front end). 7.1.2 Krisenbewusstsein Will man ein unergiebiges Nachsteuern von Abweichungen vermeiden, setzt dies Methoden voraus, die künftigen, sich im bisherigen Entwicklungsverlauf nur schwach abzeichnenden Veränderungen proaktiv Rechnung tragen. Ansonsten bleiben unkalkulierbare Unsicherheiten in schlecht strukturierten Entscheidungssituationen. Häufig warten Manager daher, bis sich ein Problem besser strukturieren lässt, dann jedoch ist es oft zu spät, Fehlentwicklungen noch wirksam gegenzusteuern. Daher rückt der Aspekt der Vorsorge gegen zukünftige Risiken in den Vordergrund. Die bei jeder Entscheidung implizierten Risiken werden durch Risikomanagement offen gelegt und zu reduzieren gesucht. Dieses impliziert ursachen- und wirkungsbezogene Maßnahmen der: • Risikoidentifikation durch Verbesserung des (relativen) Informationsgrads und des (absoluten) Informationsstands, • Risikobewertung durch Evaluierung der Handlungsalternativen nach deren jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeiten, • Risikoverhütung durch Risikomeidung oder zumindest Risikovorsorge. Die Risikovorsorge bedient sich dabei im Einzelnen der Methoden der – Vorbeugung, d. h. der proaktiven Eindämmung von Risiken, z. B. durch Streuung der Unternehmensinteressen (Diversifikation) oder durch Vermeidung außerordentlicher Risiken, – Kompensation, d. h. der Abwälzung kaum zu verhindernder Risiken, z. B. durch Bildung ausreichender Rückstellungen für den Notfall oder Versicherung unvermeidlicher Risiken, • Risikobewältigung durch Begrenzung von verlustbringenden Eintrittswahrschein­ lichkeiten. Eine solche Limitierung erfolgt z. B. durch Risikoübertragung oder Teilung durch Gemeinschaft verschiedener Risikoträger. Insoweit ist eine proaktive Gegensteuerung empfehlenswert. Klassischerweise geschieht dies im Rahmen von Präventionssystemen. Diese sollen angesichts rascher

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Umweltveränderungen frühzeitig über die Erfolgs- und Ertragslage des Unternehmens, dessen Chancen und Risiken informieren und dadurch dessen Überlebensfähigkeit sichern. Dies betrifft u. a. frühe Anzeichen technologischer Neuerungen, Bedrohungen unternehmerischer Freiheiten durch Reglementierung, Änderung in Konjunkturlage oder Investitionsklima etc. Es geht darum, Veränderungen der Unternehmensumwelt und im Unternehmen selbst so frühzeitig aufzuzeigen, dass keine vermeidbaren Risiken entstehen bzw. keine möglichen Chancen entgehen. Bei der 1. Generation von Frühwarnsystemen geht man davon aus, dass es Ereignisse bzw. Entwicklungen im Umfeld des Unternehmens gibt, die dem laufenden Beobachtungsspektrum entgehen bzw. zu spät erfasst oder als irrelevant verworfen werden. Frühwarnsysteme sollen solche Veränderungen in den Rahmenbedingungen frühzeitig ausweisen, um den Reaktionsspielraum bei Entscheidungen zu erhöhen. Es handelt sich also um einen Before Fact Approach, im Gegensatz zum Krisenmanagement als After Fact Approach. Frühwarnsysteme basieren auf Kennzahleninformationen (Hochrechnung / Feedforward) als permanentem Vergleich von Soll- zu hochgerechneten Ist-Werten. Sie vergleichen die vorhergesagten Ist- und Soll-Werte der betrieblichen Planung und weisen Abweichungen aus. Damit haben diese Systeme eine kurzfristige (operative) Ausrichtung und genügen nicht strategischen Erwartungen. Sie erlauben allenfalls eine frühzeitige Ortung von Bedrohungen. Weitere Kritik bezieht sich auf die Vergangenheitsorientierung dieses Ansatzes sowie auf dessen Symptomorientierung. Außerdem werden nur „Hard Facts“ berücksichtigt. Früherkennungssysteme (2. Generation) arbeiten auf Basis vorlaufender Indika­ toren, die relevante Umweltbereiche repräsentieren, ständig und gerichtet verfolgt und zur Analyse, Diagnose und Prognose vernetzt werden. Es geht um die Bestimmung von Indikatoren, die Festlegung von Sollgrößen, Abhängigkeiten und Toleranzgrenzen je Indikator, die Aufgaben der Informationsverarbeitungsstellen und die Ausgestaltung der Informationskanäle. Probleme ergeben sich bei der Suche und Erfassung jeweils relevanter, ebenso zuverlässiger wie vorlaufender Indikatoren. Solche Indikatoren beziehen sich auf Unternehmen, Konkurrenz, Markt oder Umfeld, sind eigenorientiert oder fremdorientiert, einzelbetrieblich, zwischenbetrieblich, überbetrieblich / gesamtwirtschaftlich (z. B. in Verbänden) oder außerbetrieblich (z. B. Schufa) sowie gesamtunternehmensbezogen oder bereichsbezogen angelegt. Sie haben eine Analyse der Eintrittswahrscheinlichkeit, Stärke und Bedeutung für das Unternehmen zum Ziel. Dies ist jedoch immer seltener gegeben. Vielmehr sind diskontinuierliche Veränderungen für die komplexen Märkte der Gegenwart typisch. Außerdem handelt es sich weitgehend um quantitative Informationen, die eingehen. Die Ausrichtung ist eher operativ (kurzfristig) und auf einzelne Unternehmensbereiche beschränkt. Kritik bezieht sich auf die vornehmlich quantitative Ausrichtung und die Selektivität des Ansatzes, die andere Bereiche als die durch die Indikatoren repräsentierten außer Acht lässt.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Frühaufklärungssysteme sind eindeutig strategisch, auf das Gesamtunternehmen und computergestützt ausgerichtet (3. Generation). Sie sollen nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen frühzeitig identifizieren. Als Basis dienen schwache Signale (Weak Signals) als Anzeichen zur proaktiven Initiierung von Strategien und Handlungsprogrammen. Schwache Signale sind durch geringe Eintrittswahrscheinlichkeit bei gleichzeitig geringer Stärke und hoher Bedeutung für das Unternehmen gekennzeichnet. Gelingt es, diese frühzeitig zu erfassen, können Überraschungen vermieden werden. Problematisch ist daran allerdings, dass schwache Signale hypothetischen Charakter haben und einen breiten Interpretationsspielraum zulassen. Die Informationsquellen dafür sind diffus und unvorhersehbar und bleiben in ihrer Konsequenz kaum abschätzbar. Schwache Signale sind Informationen aus dem Unternehmensumfeld, deren Inhalt noch relativ unstrukturiert ist. Sie stellen Hinweise auf Diskontinuitäten dar und schlagen sich in „weichem“ Wissen und intuitiven Urteilen nieder. Sie sind in erster Linie qualitativer Natur und lassen noch keine Aussage hinsichtlich Fortentwicklung, Eintrittszeitpunkt oder kurz- oder langfristigen Konsequenzen zu. Die Erfolgsaussichten sind durch das zu definierende Aufgabenspektrum des Systems und den Umfeldzustand determiniert. Je stabiler und besser strukturiert das Umfeld und je begrenzter der Aufgabenausschnitt, desto höher sind die Erfolgsaussichten, et vice versa. Diskontinuitäten entstehen u. a. im Politikfeld, z. B. „ökonomische“ Kriege, Revolutionen, Enteignungen, Staatsinterventionismus, im Energiefeld, z. B. Ölembargo / ​Gassperrung, im Wirtschaftsfeld, z. B. Zusammenbruch des Ostblocks, Währungsturbulenzen, Nachfrageeinbrüche, im Technologiefeld, z. B. Superchips. Als Informationsanlässe sind die plötzliche Häufung gleichartiger Ereignisse, die in strategisch relevanter Beziehung zum Unternehmen stehen, die Verbreitung von neuartigen Meinungen, z. B. in Medien, insb. Stellungnahmen von Schlüsselpersonen, Organisationen, Verbänden, sowie Tendenzen der Rechtsprechung und erkennbare Initiativen zur Veränderung oder Neugestaltung von Gesetzgebungen im In- und Ausland anzusehen. Problematisch ist die organisatorische Verankerung zur Verwirklichung eines Präventionssystems. Eigentlich handelt es sich dabei um eine Kern-Managementaufgabe, die auf allen dispositiven Ebenen angesiedelt ist. Gerade dort aber sind die Gefahren hoch, durch Gewöhnung, Betriebsblindheit, Primat der operativen Tätigkeit etc. Entwicklungsanzeichen zu verpassen. Schließlich ist auch der Erfolgsnachweis von Präventionssystemen problematisch. Die Signalstärke unterliegt allerdings einer subjektiven Wertung. Auch ist die Vergleichsbasis für Abweichungen umstritten und „Bauchgefühl“ wie Vermutungen, Erfahrungen, Sensibilitäten etc. sind schwer argumentierbar. Außerdem sind einzelne Unternehmen leicht überfordert, Verbänden, Instituten etc. fehlt hingegen oft die erforderliche Marktnähe.

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Im Rahmen der Prävention werden mehrere Techniken eingesetzt: • Das Scanning ist der Prozess der Rundum-Suche (360°-Radar) durch Abtasten nach schwachen Signalen außerhalb (ungerichtet) oder innerhalb (gerichtet) der Domäne ohne festen (informal) oder mit festem (formal) Themenbezug. • Das Monitoring hingegen bedeutet die Beobachtung und vertiefende Suche nach Informationen außerhalb oder innerhalb der Domäne mit speziellem Themenbezug eines bereits identifizierten Signals, wobei im Einzelnen schwierig zu bestimmen ist, was nur unspezifisches Grundrauschen ist und was bereits schwaches Signal. • Durch Clipping von Fachveröffentlichungen können Trends pragmatisch extrahiert werden. Dabei werden schwache Signale (Vorboten, erste Hinweise) und Diskontinuitäten (Trendveränderungen) dadurch zu identifizieren gesucht, dass Themen, die jene Entwicklungen zum Inhalt haben, häufiger vorkommen und in der (Fach-)Öffentlichkeit stärker Beachtung finden (Aufsätze, Features, Vorträge). 7.1.3 Wissensnutzung Wissensnutzung beabsichtigt, das im Unternehmen explizit, in Dateien dokumentierte, oder implizit, individuell und kollektiv bei Personen vorhandene Wissen, zu sammeln, zu strukturieren, auszuwerten und weiterzuentwickeln. Wissen ist allgemein vernetzte Information, Träger von Wissen sind auf absehbare Zeit nur Menschen, Träger von Informationen hingegen sind beliebige Speichermedien. Im Einzelnen können folgende Stufen unterschieden werden: • Die Wissensidentifikation stellt fest, welches Wissen für relevant zu erachten ist und daher konkret weiterverfolgt werden soll bzw. fehlt. • Die Wissenssammlung schafft Transparenz über das im Unternehmen bereits vorhandene Wissen aus verteilten Quellen. • Die Wissensstrukturierung organisiert dieses Wissen und identifiziert Potenziale, aber auch Lücken, die es operativ zu schließen gilt. • Die Wissensentwicklung erfolgt zur Anreicherung und Erweiterung des Wissensstands, man spricht auch von Wissensveredelung aus externen, personalen oder materiellen Quellen. • Die Wissensteilung erfolgt innerhalb des Unternehmens oder ggf. auch mit eingebundenen externen Dritten. • Die Wissensbewertung qualifiziert zukünftige Wissensbedarfe, die strategisch zu erschließen sind. • Die Wissensauswertung betrifft die produktive Nutzung des organisationalen Wissens im gegebenen Kontext.

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• Die Wissensbewahrung soll vorhandenes Wissen unabhängig von Personen für die Organisation konservieren. Aus diesem Wissen können die so entscheidenden Kernkompetenzen und Konkurrenzvorteile entwickelt werden. Dazu ist eine leistungsfähige Informationstechnologie erforderlich, die durch die Merkmale Kollaboration zur Verknüpfung, Aggregation zur Fokussierung und intelligente Suche zur Wiederauffindung (Re­ trieval) von Wissen gekennzeichnet ist. Zunehmend werden auch betriebsinterne Wissensgemeinschaften etabliert (Verteilte Systeme / Wikis), die als Plattform für das Wissen der Vielen dienen, das durch Interaktion stetig weiterentwickelt wird. Das beständig anwachsende Wissen drückt sich in technischem Fortschritt aus. Dieser gründet auf Theorien, die Bekanntes in neuer Weise oder mit Unbekanntem kombinieren, und sich in Technik manifestieren. Diese Technik basiert auf Technologien als natur-, sozial- und ingenieurwissenschaftlichen Erkenntnissen, die produktbezogen, also auf das Ergebnis gerichtet, oder prozessbezogen, also auf die Produktion gerichtet, ausgelegt sein können. Je nach Fortschrittlichkeit dieser Erkenntnisse können verschiedene Kategorien unterteilt werden. So gibt es mit wachsender Gegenwartsnähe Zukunftstechnologien (fern), Schrittmachertechnologien, Schlüsseltechnologien und Basistechnologien (nah). Technologien können querschnittsbezogen oder anwendungsspezifisch ausgelegt sein, sie werden zu Technologieplattformen angeordnet, die Wissensbasen abbilden. Die Halbwertszeit des Wissens schwindet, d. h. die Zeitspanne, innerhalb derer die Hälfte des vormals vorhandenen menschlichen Wissens nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik (State of the Art) entspricht. Zugleich wird der Aufwand zur Generierung neuen Wissens immer höher, so dass sich für Unternehmen ein Dilemma ergibt. Sie müssen immer mehr Ressourcen zur Schaffung von Neuerungen aufwenden, haben aber zugleich immer weniger Zeit, diesen Aufwand am Markt noch zurück zu verdienen. Im Gegenteil, der frühzeitige Umstieg auf die jeweils neueste Technik ist für alle Marktteilnehmer sinnvoll, da damit weitaus höhere Leistungspotenziale aktiviert werden können als durch das Ausreizen alter Techniken (Substitutionszeitkurve). 7.1.4 Wettbewerbsforschung Wettbewerbsforschung (Competitive Intelligence) bedeutet allgemein die systematische und legale Sammlung und Auswertung von praktischen Informationen über Konkurrenzunternehmen und -produkte. Dafür sind vielfältige Informationsquellen verfügbar. So sind gemeinsame Lieferanten (Supply Chain) und Kunden (Sales Channel) eine ergiebige Quelle für Details. Dies gilt auch für Besuche von Messen, Ausstellungen, Kongressen etc. Branchenverbände, Kammern, staatliche Stellen, Unternehmensberatungen, Banken und Finanzanalysten, zu denen vertrauensvolle Beziehungen bestehen, können

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ebenfalls angezapft werden. Auch der Kauf von Konkurrenzprodukten oder das Einholen verdeckter Anfragen sind üblich. Zum Standard gehört zwischenzeitlich die Sichtung von Patentamtsdatenbanken und Handelsregistereinträgen. Die Auswertung bezieht sich auch auf Veröffentlichungen der Konkurrenten wie Geschäftsberichte, Kataloge / Prospekte, Preislisten, weiterhin auf Inhalte von Stellenausschreibungen, Mitarbeiter- und Kundenpublikationen und Pressemitteilungen. Auch die Analyse der Internet-Präsenz, der Berichterstattung in Massenmedien und in der Fachpresse ist hilfreich. Anfragen bei elektronischen Datenbanken bieten erstaunliche Erkenntnisse. Zudem ist die Sichtung von Newsgroups, Weblogs und Beschwerdeforen im Internet aufschlussreich. Schließlich können Marktforschungsinstitute bzw. die eigene Marktforschungsabteilung und der Außendienst zur Datensammlung sensibilisiert werden. Eine wichtige Aufgabe ist die der Observation zur Identifizierung von Wettbewerberzielen sowie möglichen Verbündeten und Gegnern für Strategien. Sie bedient sich dazu der Extrapolation von Daten, z. B. in Bezug auf die Zeit zwischen einer Patentanmeldung und der Markteinführung, der Interpolation von Daten, z. B. mit Hilfe von Textmining, um „zwischen den Zeilen“ zu lesen (Subtext), der Deduktion, z. B. zur Durchführung einer Bilanzanalyse, der Induktion, z. B. zur Ermittlung von Kernkompetenzen, und des Analogieschlusses, z. B. als Medienresonanzanalyse. Dabei handelt es sich jeweils um legale Sekundärquellen. Hinzu kommen Primärquellen. Zu denken ist etwa an die Befragung ehemaliger oder aktueller Mitarbeitender von Konkurrenzunternehmen. Denkbar ist auch ein Personality Profiling der Top-Manager der Konkurrenzunternehmen. Vergleiche mit Konkurrenzstandards sind durch indirektes Schatten-Benchmarking (zur Kostenstrukturanalyse) und Reverse Engineering (für Preistreppen) möglich. Gelegentlich werden im Business Wargaming mögliche Konfliktsituationen mit der Konkurrenz durchgespielt, dazu werden abgeschlossene Warrooms installiert, in denen zwei oder mehr eigene, jedoch voneinander getrennte Markt-Teams agieren, das Blue Team für das eigene Unternehmen und ein oder mehrere Red Teams, das / die sich analog den Erkenntnissen zum Mitbewerb verhält / verhalten. Ein Kontrollteam berechnet die ökonomischen Auswirkungen der jeweilig getroffenen Entscheidungen. Die Grenze von legalen zu illegalen Aktivitäten ist dabei durchaus unklar. So können Einstellungsinterviews mit Bewerbern von Konkurrenzunternehmen dazu genutzt werden, Insider-Informationen zu erhalten, die womöglich den geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zuzurechnen sind. Gelegentlich werden Personalanzeigen auch nur zu diesem Zweck geschaltet oder aus allen nur solche Bewerber ausgewählt und eingeladen. Eindeutig illegal sind Techniken wie das Einschleusen von Probezeitapplikanten, Zeitarbeitskräften oder Praktikanten / Werkstudenten bei Konkurrenzunternehmen zur Sammlung und Weitergabe von Informationen dort. Gleiches gilt für

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

das Einschleusen von Kurier- oder Sicherheitspersonal für die Sammlung und Weitergabe von Informationen, aber auch von Reparatur- und Wartungspersonal, das sich im Konkurrenzunternehmen relativ frei bewegen kann. Verbreitet werden Sicherheitslücken etwa im häuslichen WLAN-Intranet durch Einwählen in Access Points von außerhalb genutzt, dazu gehört auch das Anzapfen von IP-TelefonieAnlagen, das Anzapfen von Drahtlos-Telefonen oder das Auslesen von LaptopSpeichern. Außerdem ist die Anbringung von Keyloggers zur Aufzeichnung aller Tastaturanschläge mit Device-Austausch am nächsten Arbeitstag möglich. Weiterhin wird der Ersatz der Speicherkarte in Fotokopierern praktiziert. Gleiches gilt für Multifunktionsgeräte mit eigener IP-Adresse im Netzwerk, dort findet eine Zwischenspeicherung von Vorlagen statt, die missbräuchlich abgerufen werden können. Kriminell ist auch das Verschenken von USB-Sticks mit Trojaner-Programmen, die bei Einsatz auf Netzwerkrechnern unerkannt weiterleiten (solche Schad-Software wird von gängigen Sicherheitsprogrammen nicht erkannt). Aus gleichem Grund müssen alle E-Mail-Anhänge gescannt werden (insb. bei privaten Mails an Mitarbeitende). Oft reicht bereits allein die Suche nach Dokumenten mit dem Begriff „vertraulich“ (confidential) im Internet, um zu erstaunlichen Ergebnissen zu gelangen. Gleiches gilt für die Suche nach Webcams, ja sogar Passwörter sind teilweise im Internet hinterlegt oder aus persönlichen Daten (etwa in Social Media) ableitbar. Denkbar ist auch das „Liegenlassen“ von USB-Sticks mit Aufschriften wie „Gehaltsliste“ in der Toilette o. Ä. Sehr ergiebig ist die Auswertung von Abfällen durch vermeintliche Reinigungskräfte oder das Abholen von Müllsammlungen und das anschließende Zusammensetzen von Papierschnipseln. Zwischenzeitlich gibt es auch Software zur Rekonstruktion von Dokumenten aus Schnipseln. Einfacher ist die Anbringung eines Scanners vor dem Reißwolfschlitz, der die dort eingelesenen Daten drahtlos übersendet. Welche Sicherheitsgefahren mit dem Cloud Computing, also der Auslagerung von Datenbeständen im Internet, einhergehen, vermag man sich kaum auszumalen. Unternehmen müssen solchen Attacken mit Counter Intelligence begegnen. Schutzmaßnahmen bestehen etwa darin, das Informationsangebot zu begrenzen, z. B. indem hierarchisch abgestuft strikt zugangsberechtigte Bereiche geschaffen werden. Gegenmaßnahmen bestehen auch im Stören von Intelligence-Maßnahmen der Konkurrenz, z. B. durch IP-Blockung, Blockierung von Scanning-Vorgängen, aber auch durch gezielte Desinformation, um falsche Fährten zu legen.

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7.2 Organisationsbasis 7.2.1 Inhalte Organisation schafft einen Gestaltungsrahmen für alles, was innerhalb eines soziotechnischen oder sozialen Systems Ordnung schafft. Diese Ordnung setzt eine ziel- und zweckorientierte Ausrichtung des Systems, einen verhaltensorientierten Bezugsrahmen, eine spezifische Systemidentität und eine eigene, auf sich selbst bezogene interne Funktionsweise voraus. Organisieren bedeutet allgemein, Gestaltungsmaßnahmen für eine dauerhafte Regelung zur optimalen Aufgabenerfüllung im Unternehmen zu ergreifen. Es grenzt sich damit vom Improvisieren (unstrukturiert) und Disponieren (fallweise) ab. Man unterscheidet die Ablauforganisation (auch Prozessorganisation) und die Aufbauorganisation (auch Struktur­ organisation). Die Ablauforganisation hat die Gestaltung des räumlichen und zeitlichen Zusammenwirkens der beteiligten, exekutiv und dispositiv tätigen Personen, Betriebsmittel und Werkstoffe zum Inhalt. Ziel ist die Maximierung der Kapazitätsnutzung bzw. die Minimierung der betrieblichen Durchlaufzeiten. Dazu ist zunächst eine Arbeitsanalyse erforderlich. Deren Basis ist eine Dokumentenanalyse der Arbeitsvorgänge sowie eine Prüfung der Arbeitsreihenfolge, -mengen, -zeiten, der dabei eingesetzten Sachmittel, der bereit stehenden Kapazitäten und der Anforderungen. Die daraus abgeleitete Istanalyse wird auf Schwachstellen hin untersucht. Danach folgt die Arbeitssynthese nach inhaltlichen, personalen, räumlichen und zeitlichen Gesichtspunkten, welche die Systemprozesse festlegt. Das bestehende System wird dann entweder optimiert oder durch ein neues System ersetzt. Die Aufbauorganisation des Unternehmens hat die Gestaltung der Struktur, insb. der Über- und Unterordnung sowie der Aufgabenzuordnung mit Rechten und Pflichten zum Inhalt. Dafür ist insb. eine Stellenbildung erforderlich. Eine Stelle ist die kleinste organisatorische Einheit. Ausgangspunkt zur Stellenbildung ist die Aufgabenanalyse, d. h. die Bestandsaufnahme der erforderlichen Tätigkeiten zur Aufgabenzerlegung. Sie erfolgt im Einzelnen nach folgenden Dimensionen: • Verrichtung, d. h., der Art der erledigten Tätigkeit, z. B. Recherchieren, Briefing erstellen, Telefonieren, • Objekt, d. h., dem Gegenstand, an dem eine Tätigkeit erledigt wird, z. B. Kunde A oder B oder C, • Rang, d. h., der Entscheidung oder Ausführung von Arbeit, z. B. Anfragebehandlung, Terminvereinbarung, • Phase, d. h., die Planung, Durchführung, Organisation oder Kontrolle betreffend,

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• Raum, d. h., dem Ort, an dem verrichtet wird, z. B. Home Office, festes Büro, on Tour, • Zeit, d. h., der dauerhaften oder fallweisen Anlage der Arbeit, z. B. Urlaubsvertretung, Sachbearbeitung, • Sachmittel, d. h., den Arbeitsgeräten, mit deren Hilfe eine Leistung erbracht wird. Danach erfolgt die Zusammenfassung von gleichartigen Aufgaben durch Zentralisation bei einer Stelle oder deren Verteilung an verschiedene Stellen in der Aufgabensynthese. Der Organisationsaufbau wird in einem Organisationsplan (Organigramm) visualisiert. Er zeigt die, vor allem vertikalen, Beziehungen der Stellen zueinander. Die Stellen werden zu ihrer Aufgabenerfüllung mit Befugnissen und Verantwortlichkeiten ausgestattet. Diese werden in einer Stellenbeschreibung dokumentiert. Zu diesem Anforderungsprofil werden geeignete Mitarbeitende gesucht, eingestellt bzw. versetzt. Stellen mit Entscheidungsbefugnis werden Instanzen genannt. Sie sind im Organigramm hierarchisch übergeordnet. Dabei lassen sich vor allem drei Dimensionen unterscheiden (siehe Abbildung 65: Formen der Strukturorganisation im Marketing): • Spezialisierung als segmentierte Zuweisung von verteilungsfähigen Aufgaben an Aufgabenträger. Sie führt zu funktions- oder objektorientiertem Aufbau, letzterer je nach Objekt als Kunden-, Gebiets- oder Produktorganisation. • Konfiguration als hierarchische Beziehungszusammenhänge zwischen Organisationseinheiten. Sie führt zu dauerhaften Formen der Aufbauorganisation, umfassend Einlinien-, Mehrlinien-, Stablinien- und Kreuzlinienaufbau. • Koordination als Abstimmung der Aufgabenträger im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung. Sie führt zu systemorientierten (Team) oder temporären Formen (Projekt) sowie zu horizontalen (traversierend)  und vertikalen Mischformen (hybrid). Diese Formen sind als sekundäre Aufbauorganisation anzusehen, treten also zusätzlich zur primären Organisation auf. Hinsichtlich der Spezialisierung kann zwischen funktionaler und objektorientierter Organisation unterschieden werden. Die funktionsorientierte Organisation stellt eine Zentralisation nach dem Verrichtungsprinzip dar. Dies schafft eine leichte Abgrenzbarkeit der individuellen Kompetenzen, und es kommt zur direkten Einbindung kompetenter Mitarbeitender. Dies entspricht dem Prinzip der Arbeitsteilung. Allerdings kann auch Abteilungsegoismus herrschen. Auch entstehen viele Schnittstellen mit entsprechenden Abstimmungsproblemen. Objektorientierte Organisationen stellen eine Zentralisation nach den Elementen der angebotenen Produkte, der distribuierten Gebiete oder der belieferten Kunden dar: • Die Produktorganisation stellt eine solche Zentralisation nach dem Objektprinzip dar. Dies ermöglicht eine erfolgsobjektbezogene Zuständigkeit und bietet sich vor

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Abbildung 65: Formen der Strukturorganisation im Marketing

allem für diversifizierte Unternehmen an. Es besteht ein enger Bezug zum jeweiligen Markt mit schneller, flexibler Anpassung. So kann das Marktpotenzial gut erschlossen werden. Allerdings drohen Kompetenzkonflikte und das Ausbleiben von Synergieeffekten. Außerdem kommt es zu einer Aufblähung der Organisation mit Doppelarbeiten. Dadurch entsteht auch ein hoher Bedarf an Führungskräften. Das Produktgruppen-Management in der heutigen Form ist, aus einer Notlage heraus, 1927 von Procter & Gamble (zunächst nur für die Seife Camay) erfunden worden. Es hat von dort aus eine sehr hohe Verbreitung in beinahe allen marktorientierten Unternehmen gefunden. In letzter Zeit liegt es allerdings nicht mehr im Trend. • Die Gebietsorganisation stellt eine Zentralisation nach dem Raumprinzip dar. Dies kommt Unternehmen entgegen, die international tätig sind, obgleich eine Annäherung der Vermarktungsbedingungen behauptet wird (Global Marketing). Überschneidungen der Zuständigkeiten werden vermieden. Dafür entwickeln die Absatzgebiete ein Eigenleben mit heterogenem Erscheinungsbild wobei die Einheitlichkeit der Vermarktungspolitik droht, verloren zu gehen. Diese ist häufig bei international tätigen Unternehmen vorzufinden. Klassische Ausprägungen sind Einteilungen wie D. A.CH (Deutschland, Österreich, Schweiz), E.ME.A (für Europa, Mittlerer Osten, Österreich). Tatsächlich ist die Internationalisierung bei KMUs häufig ausgeprägter als bei Großunternehmen. • Die Kundenorganisation stellt eine Zentralisation nach dem Abnehmerprinzip dar. Dies gilt vor allem bei Abhängigkeit von nachfragemächtigen Handelsorganisationen oder gewerblichen Endabnehmern. Ziel ist die informelle Bindung zu Kunden mit Ausrichtung der eigenen Leistungsfähigkeiten auf deren Bedarfe. Jedoch ist die Abgrenzung von Kundengruppen schwierig, so dass Kompetenzprobleme auftauchen können. Ebenso sind die Kosten der Betreuung sehr hoch und die Einheitlichkeit des Absatzkonzepts leidet. Dabei wird etwa nach privaten oder gewerblichen Abnehmern, nach Endabnehmern oder Zwischenhändlern, nach Regulär- und Sonderkunden (Öffentliche Hand, Betriebsangehörige, Entwicklungskunden etc.) unterschieden.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Die Konfiguration der Aufbauorganisation kann als Einlinien-, als Mehrlinien-, als Stablinien- oder als Kreuzlinienaufbau erfolgen. Die Einlinienorganisation hat die größte Bedeutung und ist dadurch charakterisiert, dass die Weisungsbefugnis in einer jeweils vorgesetzten Stelle gebündelt ist. Es besteht demnach Einheit der Leitung und Einheit des Auftragsempfängers. Die Linie ist der Dienstweg für Anordnungen, Anrufungen, Beschwerden und Informationen. Sie ist auch der Delegationsweg. Der Einlinienaufbau bietet sich für klar definierte, relativ gleich bleibende, sich wiederholende Aufgaben mit vergleichsweise geringer Interaktion an. Er kommt damit Unternehmen mit festen Verhaltensregeln, die auf funktionaler Autorität und vertikaler Gliederung beruhen, entgegen. Es herrscht ein streng hierarchisches Denken vor, das keine Spezialisierung bei der Leitungsfunktion vorsieht. Praktisch besteht jedoch die Tendenz zur Angliederung von Stäben und Komitees, die zur Verwässerung führen. Bei Mehrlinienorganisationen kommt als Besonderheit hinzu, dass Weisungsund Folgebeziehungen untereinander vielfältig vernetzt sind, d. h., jeder Mit­ arbeitende hat mehrere Vorgesetzte (auch als Stabshierarchie). Insofern kommt es zu einer besseren Übereinstimmung von Fachkompetenz durch Spezialisierung bei gleichzeitiger Entscheidungsfähigkeit durch direkte Wege. Dabei ist jeweils eine Mehrfachunterstellung gegeben. Praktisch besteht jedoch die Tendenz zur unechten Funktionalisierung über Zentralabteilungen. Stablinienorganisationen sind dadurch gekennzeichnet, dass es neben dem direkten Linienweg noch Stellen ohne Weisungsbefugnis gibt. Diese haben beratende Aufgaben und können nur durch überzeugende Arbeit wirksam werden oder, und das ist in der Praxis überwiegend der Fall, durch enge Zuordnung zu einer weisungsbefugten Stelle, die als Instanz den Empfehlungen der Stabsstelle zur Durchsetzung verhilft. Es kommt damit zu einer Trennung von Entscheidungs- und Fachkompetenzen bei Einheit der Auftragserteilung durch Spezialisierung der Stäbe auf Leitungshilfsfunktionen ohne Kompetenz gegenüber der Linie. Außerdem ergibt sich eine Aufteilung des Willensbildungsprozesses durch systematische Entscheidungsvorbereitung und Leitungseinheit. Praktisch besteht jedoch die Tendenz zur Ausbildung eigener Stabshierarchien sowie zur Etablierung zentraler Dienststellen. Bei der Kreuzlinienorganisation handelt es sich um die Spezialisierung nach Organisationsdimensionen und die Gleichberechtigung dieser Dimensionen innerhalb der Organisation. Liegen zwei Dimensionen zugrunde, spricht man von Matrixorganisation, bei drei Dimensionen von Tensororganisation. Meist werden eine Funktions- und eine Objektebene innerhalb der Organisation verkreuzt, denkbar ist aber auch nur eine Matrix innerhalb einer Funktion. Der Unterschied zur Mehrlinienorganisation liegt darin, dass bei dieser die Fäden für zwei und mehr Sachgebiete bei einer Person zusammenlaufen, hier jedoch zwei und mehr Personen für ein Sachgebiet zusammenarbeiten. Dabei kommt es zu gewollten Konflikten mit einer systematischen Regelung von Kompetenzkreuzungen und der Pflicht zur

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Teamarbeit der Dimensionsleiter. Praktisch besteht jedoch die Tendenz zur Gewichtung eines einzelnen Dimensionsleiters als Primus inter pares. Die Koordination der Aufbauorganisation erfolgt im Einzelnen in Team-, in Projekt-, in Gremien- oder in Centerausrichtung. Die Teamorganisation ist eine bedingt-hierarchische, sekundäre Organisationsform. Die Teammitglieder repräsentieren unterschiedliche Systemebenen, unterschiedliches Wissen und unterschiedliche Abteilungen (Unterschied zur Zentralabteilung). Sie arbeiten auf Dauer zusammen (Unterschied zum Projekt) und exekutieren ihre Arbeiten auch (Unterschied zum Gremium). Man unterscheidet nach der • Entstehung formale Teams, die bewusst so gebildet werden, und informale Teams, die sich aus sich selbst heraus bilden, • Zeitperspektive dauerhafte Teams und nur vorübergehend tätige Teams (letztere bieten sich vor allem für Projekte an), • Struktur vertikale Teams mit hierarchischer Über- und Unterstellung und horizontale Teams in Gleichberechtigung, • Zusammensetzung homogene Teams mit Angehörigen einer Funktion, und diagonale, crossfunktional besetzte Teams. Als weitere Form stellt sich die Projektorganisation dar. Sie ist eine streng-hierarchische, temporäre Organisationsform. Projekte sind zeitlich, sachlich und u. U. räumlich begrenzte Vorhaben mit definierter Aufgaben- und Zielstellung und im Wesentlichen durch ihre Einmaligkeit der Bedingungen gekennzeichnet. Sie können in Teilprojekte untergliedert werden, sind mit einem Risiko behaftet, erfordern die Zusammenarbeit mehrerer Spezialisten aus unterschiedlichen Bereichen sowie eine Projektleitung. Diese Anforderungen sprengen den „normalen“ Organisationsrahmen, daher ist eine Projektausrichtung zweckmäßig. Aufgabe der Projektplanung ist die Vorbereitung der zielgerechten Projektdurchführung, reibungslosen Projektabwicklung und Koordination der beteiligten Aufgabenträger. Gegenstand der Projektsteuerung ist die wirtschaftliche und termingerechte Realisierung des Projekts. Zur Projektkontrolle dient z. B. ein Projektstrukturplan zur Kapazitäts- und Kostenplanung sowie die Projektinformation und -dokumentation. Jedes Projekt erfordert dabei mindestens folgende Festlegungen: • Projektdefinition, Ursache / Anlass für das Projekt, Projektziele, Risiken / kritische Faktoren, Nutzen, Projektbudget / Rentabilität, Projektstart, Projektende, Projektauftraggeber, Projektleiter, Projektmitarbeiter. Die Projekt-Teilnehmer rekrutieren sich aus allen für das Problem bedeutsamen Bereichen des Betriebs, arbeiten hauptamtlich und kehren nach Erfüllung der Aufgabe in ihre ursprüngliche oder eine andere Position zurück. Sie arbeiten „full­ time“ am Projekt (Unterschied zum Gremium), und zwar nur an einem zur Zeit (Unterschied zum Team). Das Projekt ist definitionsgemäß zeitlich begrenzt (Unterschied zur Zentralabteilung).

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Im reinen Projektmanagement liegen Entscheidungs- und Weisungsbefugnis beim Projektmanager. Daneben sind Mischformen möglich. Als Stabsstelle im Einfluss-Projektmanagement ist keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnis gegeben. Und als Matrix-Projektmanagement besteht Weisungsbefugnis des Projektmanagers und Entscheidungsbefugnis des Linienmanagers. In der Praxis ist die Form der Gremienorganisation weit verbreitet. Sie ist ebenfalls eine Kombination aus Funktions- und Objektorientierung, aber bedingt hierarchisch dauerhaft. Gremien sind Personenmehrheiten, denen bestimmte Aufgaben zur Lösung übertragen werden. Für gewöhnlich handelt es sich um Daueraufgaben, für die ein ständiges Gremium (Komitee, Kommission, Ausschuss) eingerichtet wird, das sich ohne Zeitbegrenzung in regelmäßigen Abständen berät (Unterschied zum Projekt). Die Teilnehmer sind für die Zeit der Gremienarbeit von ihrer hauptamtlichen Tätigkeit befreit (Unterschied zum Team). Das Gremium dient nur der Information, Beratung und Entscheidung, nicht jedoch der Ausführung (Unterschied zum Zentralbereich). Je nachdem, aus welchen Positionen der Hierarchie es sich zusammensetzt, kann es sich um gleichrangige Instanzen, hierarchisch verbundene oder unverbundene Stellen handeln sowie um Leitungsgruppen oder Arbeitsgruppen. Es dient vor allem der Koordination von Plänen, verbesserter Informationierung und der Vermeidung von Mehrfacharbeiten bzw. der Nutzung von Synergieeffekten. Dies ist umso nötiger, je größer und unübersichtlicher ein Unternehmen geworden ist. Gremien zeichnen sich durch einedirekte Interaktion ihrer Mitglieder aus, werden durch gemeinsame Normen und Wir-Gefühl geeint und bilden eine Rollendifferenzierung nach Hierarchie bzw. Fachkompetenz aus. Die Abstimmung kann nach Direktorialprinzip erfolgen, d. h., der Gruppenleiter bestimmt allein oder zumindest mit einem Vetorecht oder nach Kollegialprinzip, und zwar nach der Primatkollegialität mit doppelter Stimme des Leiters im Fall der Stimmengleichheit, nach der Abstimmungskollegialität mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit oder nach der Kassationskollegialität ausschließlich mit Einstimmigkeit der Beschlussfassung. Formen rein beratender Gremien ohne Entscheidungsbefugnis sind in ihrer Effektivität stark anzuzweifeln. Die Centerorganisation (auch Zentralbereich) hat sich aus der Mehrlinienorganisation entwickelt. Die Arbeit ist dauerhaft angelegt (Unterschied zum Projekt), betrifft auch die Exekutive (Unterschied zum Gremium) und bezieht sich nur auf eine Funktion (Unterschied zum Team). Zentralbereiche bieten sich vor allem für Großunternehmen an, in denen es möglich und sinnvoll ist, bestimmte Fähigkeiten ausgestattet mit eigener Fach-, Entscheidungs- und Anordnungskompetenz zu zentralisieren. Meist handelt es sich dabei um die Abtrennung von Verwaltungsaufgaben (sekundäre Funktionen) wie Finanzen, Personal, Steuern, Controlling etc. Erfolgt der funktionsorientierte Teil im Zentralbereich und der objektorientierte Teil separiert davon, sollen dadurch die komparativen Vorteile beider Ansätze genutzt und deren Nachteile weitgehend vermieden werden. In der Praxis ist häufig

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das Marketing produkt-, kunden- oder gebietsorientiert organisiert, während die marktfernen Aufgaben funktionsorientiert sind. Im Gegensatz zur echten Objektorganisation, die eine Divisionalisierung von Verantwortungsbereichen zulässt, handelt es sich bei Zentralbereichen um Schnittstellenmanagement, bei dem wesentliche Entscheidungen außerhalb der Objektorganisation fallen. Eine Ergebnisverantwortung liegt schon deshalb nicht vor, weil diese keinen Durchgriff auf die Zentralbereiche haben, sondern nur koordinieren. Dass sich daraus weiterer Konfliktstoff bei den vielfältigen Gelegenheiten ergibt, bei denen Objekt- und Funktionsinteressen aufeinander treffen, ist offensichtlich.

7.2.2 Willensbildung Die Willensbildung betrifft den Weisungs- und Berichtsweg für Entscheidungen in der Organisation und kann auf verschiedene Weise erfolgen. Beim Top downAnsatz erfolgt sie von der Geschäftsführung an die Basis gerichtet. Dies ist typisch für Unternehmen der westlichen Hemisphäre. Beim Bottom up-Ansatz erfolgt die Willensbildung von der Basis an die Geschäftsführung. Dies ist typisch für Unternehmen aus der fernöstlichen Hemisphäre. Der Nachteil liegt in der langwierigen Entscheidungsfindung, die oft von westlichen Geschäftspartnern als entnervend kritisiert wird. Denn auf allen Ebenen der Organisation vollzieht sich eine informelle Willensbildung mit dem Ziel des Konsens. Erst danach wird die vereinbarte Meinung an die jeweils vorgesetzte Stelle weiter gegeben. Dort wiederholt sich dieser Abstimmungsprozess, bis die gebündelte Meinung bei der Unternehmensspitze angekommen ist. Diese braucht dann nur noch entsprechend zu befinden, und die Entscheidung wird schlagartig auf allen Ebenen wirksam. Der Gegenstrom-Ansatz ist ein Kompromiss aus den beiden vorgenannten Ansätzen, wobei Top down-Bottom up oder Bottom up-Top down vorgegangen werden kann. Die Geschäftsführung leitet dabei eine vorläufige Entscheidung zum Zwecke der Akzeptanzprüfung an die Basis, und diese gibt nach vollzogener Meinungsbildung ihr Feedback dazu. Besteht Übereinstimmung zwischen Entscheidungsvorhaben und Meinungsrückfluss, wird die Entscheidung entsprechend durchgesetzt. Gibt es Divergenzen, wird die Entscheidung solange modifiziert und erneut in der Organisation getestet, bis Konsens erzielt wird. Ebenso kann sich eine Meinung an der Basis gebildet haben, die dann an die Geschäftsführung weitergegeben wird, die diese ihrerseits kommentiert. Von Nachteil ist dabei, wie zu erahnen, der hohe Koordinations- und Zeitaufwand der Abstimmung, so dass de facto meist nur ausgewählte Gremien der Organisation (z. B. Expertenbeirat, Betriebsrat) einbezogen werden. Beim Keil-Ansatz wird das Middle Management in den Mittelpunkt der Willensbildung gerückt, weil es einerseits auf Grund seiner Leitungsfunktion Führungs-

318

Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

charakter einnimmt, andererseits aber auf Grund seiner Basisnähe praktischen Sachverstand einbringt. Es wird damit Mittler zwischen der Entscheidungsvorbereitung durch die Geschäftsführung und der Entscheidungsdurchsetzung in der Hierarchie. Da es vor allem aber die operative Arbeit zu erledigen hat, stellt sich die berechtigte Frage, ob es hier nicht zu einer Überlastung mit nicht-wertschöpfenden Aktivitäten kommt, zumal wenn zugleich Hierarchieebenen infolge Lean Management wegrationalisiert werden. Beim Kerngruppen-Ansatz wird davon ausgegangen, dass es erfahrungsgemäß mehrere dezentrale Stellen der Willensbildung in einem Betrieb gibt. Diese beruhen auf informellen Kontakten, auf großer Qualifikation und hohem Zusammengehörigkeitsgefühl. Diese Kerne wirken meinungsbeeinflussend auf ihr Umfeld und schaffen Lobbies, die geeignet sind, zuerst Themen auf die Agenda der Geschäftsführung zu bringen und später deren Implementierung in der Organisation als Problemlösungen zu forcieren. Allerdings spielen oft egoistische Interessen dieser Kerne eine verhängnisvolle Rolle zulasten der Gemeinschaft.

7.3 Entscheidungsbasis 7.3.1 Entscheidungshilfen Eine Entscheidung ist die bewusste Wahl zwischen (zwei) Alternativen oder zwischen mehreren unterschiedlichen Optionen anhand bestimmter Kriterien und Präferenzen von einem oder mehreren Entscheidungsträgern. Ein rational begründeter Entscheid richtet sich nach bereits vorab abgesteckten Zielen oder Wertmaßstäben. Entscheidungshilfen sollen hier die Suche nach der jeweils optimalen Lösung unterstützen. Dafür gibt es eine ganze Reihe von denkbaren Umweltzuständen, im einzelnen (lt. Gutenberg) • deterministische (sichere Situation), • indeterministische (ungewisse Situation), • objektiv-stochastische (unter Risiko / nach Wahrscheinlichkeit), • subjektiv-stochastische (unter Unsicherheit / nach Erfahrung). Einfach ist eine Entscheidung in sicheren, deterministischen Situationen. Hier ist der höchste Ergebniswert ausschlaggebend. Beispiel: Handlungsmöglichkeit 1: 120 GE Ergebnis Handlungsmöglichkeit 2: 80 GE Ergebnis Handlungsmöglichkeit 3: 100 GE Ergebnis Präferenz: 120 GE bei Handlungsmöglichkeit 1

7. Elemente der Implementierung

319

Praktisch häufig liegt Ungewissheit vor, d. h. eine Handlungsalternative tritt zwar wahrscheinlicher ein als andere, welche, ist im Zeitpunkt der Entscheidung aber leider unbekannt. Für die Lösung solcher indeterministischen Entscheidungssituationen existieren eine Reihe von Regeln, deren wichtigste folgende sind: • Bei der Maximin-Regel (Pessimismus / Wald) wird die Handlungsalternative bevorzugt, die selbst im ungünstigsten Umweltzustand noch zum relativ besten Ergebnis führt. Beispiel (selbe Ausgangsdaten wie oben) Handlungsmöglichkeit 1 – Umweltzustand A: 50 GE Ergebnis Handlungsmöglichkeit 1 – Umweltzustand B: 20 GE Ergebnis Handlungsmöglichkeit 1 – Umweltzustand C: 100 GE Ergebnis Handlungsmöglichkeit 2 – Umweltzustand A: 80 GE Ergebnis Handlungsmöglichkeit 2 – Umweltzustand B: 10 GE Ergebnis Handlungsmöglichkeit 2 – Umweltzustand C: 90 GE Ergebnis Handlungsmöglichkeit 3 – Umweltzustand A: 20 GE Ergebnis Handlungsmöglichkeit 3 – Umweltzustand B: – 10 GE Ergebnis Handlungsmöglichkeit 3 – Umweltzustand C: 300 GE Ergebnis Kriterium Zeilenminimum (schlechteste Ergebnisse bei Umweltzustand B): 20, 10, – 10 Präferenz: bestes unter den schlechten Ergebnissen: 20 GE Handlungsmöglichkeit 1 • Bei der Maximax-Regel (Optimismus) wird die Handlungsalternative bevorzugt, die im günstigsten Umweltzustand zum besten Ergebnis führt. Beispiel (selbe Ausgangsdaten wie oben) Maxima: Handlungsmöglichkeit 1: 100 GE Handlungsmöglichkeit 2: 90 GE Handlungsmöglichkeit 3: 300 GE Präferenz: bestes unter den guten Ergebnissen: 300 GE Handlungsmöglichkeit 3 • Bei der Laplace-Regel wird die Handlungsalternative bevorzugt, deren ungewichteter Durchschnitt aller Ergebniswerte am höchsten ist.

320

Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Beispiel (selbe Ausgangsdaten wie oben) Handlungsmöglichkeit 1: 170 GE (50 + 20 + 100) über alle Umweltzustände A – C Handlungsmöglichkeit 2: 180 GE (80 + 10 + 90) über alle Umweltzustände A – C Handlungsmöglichkeit 3: 310 GE (20 + (−10) + 300) über alle Umweltzustände A – C Präferenz: insgesamt bestes Ergebnis: 310 GE Handlungsmöglichkeit 3 • Bei der Hurwicz-Regel (Pessimismus-Optimismus-Kriterium) wird die Handlungsalternative bevorzugt, deren gewichteter Durchschnitt des bestmöglichen und des schlechtestmöglichen Ergebnisses am höchsten ist. Beispiel (selbe Ausgangsdaten wie oben) Handlungsmöglichkeit 1 – Pessimismus-Parameter A: 30 %, OptimismusParameter B: 70 % Handlungsmöglichkeit 2 – Pessimismus-Parameter A: 30 %, OptimismusParameter B: 70 % Handlungsmöglichkeit 3 – Pessimismus-Parameter A: 30 %, OptimismusParameter B: 70 % gewichtetes Ergebnis schlechtestes Ergebnis Handlungsmöglichkeit 1 (50 / 20 / 100): 20 × 0,3 = 6 GE (Zeilenminimum) bestes Ergebnis Handlungsmöglichkeit 1 (50 / 20 / 100): 100 × 0,7 = 70 GE (Zeilenmaximum) Summe: 70 + 6 = 76 GE schlechtestes Ergebnis Handlungsmöglichkeit 2 (80 / 10 / 90): 10 × 0,3 = 3 GE (Zeilenminimum) bestes Ergebnis Handlungsmöglichkeit 2 (80 / 10 / 90): 90 × 0,7 = 63 GE (Zeilenmaximum) Summe: 70 + 6 = 66 GE schlechtestes Ergebnis Handlungsmöglichkeit 3 (20 / −10 / 300): − 10 × 0,3 = −3 GE (Zeilenminimum) bestes Ergebnis Handlungsmöglichkeit 3 (20 / −10 / 300): 300 × 0,7 = 210 GE (Zeilenmaximum) Summe: −3 + 210 = 207 GE Präferenz: bestes Gesamtergebnis: 207 GE Handlungsmöglichkeit 3

7. Elemente der Implementierung

321

• Bei der Savage-Niehans-Regel wird die Handlungsalternative bevorzugt, deren größte Diskrepanz zwischen dem Ergebnis der gewählten Alternative und dem günstigsten Ergebnis am geringsten ist. Beispiel (selbe Ausgangsdaten wie oben) Handlungsmöglichkeit 1  – Differenz zu Umweltzustandmaximum A (80): 80 − 50 = 30 GE Handlungsmöglichkeit 1  – Differenz zu Umweltzustandmaximum B (20): 20 − 20 = 0 GE Handlungsmöglichkeit 1 – Differenz zu Umweltzustandmaximum C (300): 300 − 100 = 200 GE Handlungsmöglichkeit 2  – Differenz zu Umweltzustandmaximum A (80): 80 − 80 = 0 GE Handlungsmöglichkeit 2  – Differenz zu Umweltzustandmaximum B (20): 20 − 10 = 10 GE Handlungsmöglichkeit 2 – Differenz zu Umweltzustandmaximum C (300): 300 − 90 = 210 GE Handlungsmöglichkeit 3  – Differenz zu Umweltzustandmaximum A (80): 80 − 60 = 20 GE Handlungsmöglichkeit 3  – Differenz zu Umweltzustandmaximum B (20): 20−(−10) = 30 GE Handlungsmöglichkeit 3 – Differenz zu Umweltzustandmaximum C (300): 300 − 300 = 0 GE Handlungsmöglichkeit 1 Maximum über alle Umweltzustände A – C: 200 GE Handlungsmöglichkeit 2 Maximum über alle Umweltzustände A – C: 210 GE Handlungsmöglichkeit 3 Maximum über alle Umweltzustände A – C: 60 GE Präferenz Gesamtminimum: 60 GE Handlungsmöglichkeit 3 Häufig gibt es aber zumindest Anhaltspunkte für eine Entscheidung, sei es, weil Erfahrungswerte aus der Vergangenheit für einzelne Umfeldzustände als subjektivstochastische Entscheidungssituation gegeben sind (unter Unsicherheit) oder Wahrscheinlichkeitsverteilungen für den Eintritt einzelner Umfeldzustände als objektivstochastische Entscheidungssituationen (unter Risiko) ermittelt werden können. Für die Entscheidung bei objektiver Wahrscheinlichkeit existiert eine Reihe von Regeln wie folgt: • Bei der Bayes-Regel wird die Handlungsalternative mit dem höchsten Erwartungswert (Produkt aus Ergebnis und Eintrittswahrscheinlichkeit) gewählt, wobei Risikoneutralität des Entscheiders unterstellt wird.

322

Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Beispiel: selbe Ausgangsdaten wie oben Umweltzustand A: 60 % Umweltzustand B: 30 % Umweltzustand C: 10 % gewichtetes Ergebnis Handlungsmöglichkeit 1 – Umweltzustand A: 50 × 0,6 = 30 GE Handlungsmöglichkeit 1 – Umweltzustand B: 20 × 0,3 = 6 GE Handlungsmöglichkeit 1 – Umweltzustand C: 100 × 0,1 = 10 GE Handlungsmöglichkeit 2 – Umweltzustand A: 80 × 0,6 = 48 GE Handlungsmöglichkeit 2 – Umweltzustand B: 10 × 0,3 = 3 GE Handlungsmöglichkeit 2 – Umweltzustand C: 90 × 0,1 = 9 GE Handlungsmöglichkeit 3 – Umweltzustand A: 20 × 0,6 = 12 GE Handlungsmöglichkeit 3 – Umweltzustand B: (−10) × 0,3 = – 3 GE Handlungsmöglichkeit 3 – Umweltzustand C: 300 × 0,1 = 30 GE Zeilensumme bei Handlungsmöglichkeit 1 über alle Umweltzustände A–C: 46 GE Zeilensumme bei Handlungsmöglichkeit 2 über alle Umweltzustände A–C: 60 GE Zeilensumme bei Handlungsmöglichkeit 3 über alle Umweltzustände A–C: 39 GE Präferenz bestes Gesamtergebnis: 60 GE Handlungsmöglichkeit 2 • Beim Modalwert wird die Handlungsalternative gewählt, die im wahrscheinlichsten Umweltzustand den höchsten Zielwert liefert. Beispiel: selbe Ausgangsdaten wie oben wahrscheinlichster Umweltzustand A: 60 % Ergebnis Handlungsmöglichkeit 1: 30 GE Ergebnis Handlungsmöglichkeit 2: 48 GE Ergebnis Handlungsmöglichkeit 3: 30 GE Präferenz bestes Ergebnis bei Umweltzustand A: 48 GE Handlungsmöglichkeit 2 • Im Erwartungswert-Varianz-Prinzip (Förstner) wird die Handlungsalternative mit dem höchsten Erwartungswert entsprechend der individuellen Risikoneigung des Entscheiders gewählt. Es handelt sich um den Sonderfall der Bayes-Regel, in dem der Entscheider nicht risikoneutral eingestellt ist, sondern risikoavers oder risikogierig: Dies findet im Risikoaversionsparameter α seinen Ausdruck, Werte α < 0 stehen für Risikofreude, Werte α > 0 für Risikoaversion.

7. Elemente der Implementierung

323

Ein risikoaverser Entscheider bevorzugt ein niedrigeres Ergebnis (Erwartungswert / µ) mit höherer Eintrittswahrscheinlichkeit (Standardabweichung / σ). Ein risikogieriger Entscheider hingegen bevorzugt ein höheres Ergebnis mit niedrigerer Eintrittswahrscheinlichkeit. Ein risikoneutraler Entscheider bevorzugt das Ergebnis mit dem höchsten Erwartungswert, da er Risiko und Chance gleich hoch einschätzt oder keine Anhaltspunkte für diese hat. • Beim Bernoulli-Prinzip wird die Handlungsalternative mit dem höchsten Nutzenwert des Ergebnisses gewählt, der abhängig ist von der individuellen Risikopräferenz (Risikogier, Risikoaversion, Risikoneutralität). Diese muss daher vorab beim Entscheider ermittelt werden. Ausgangssituation = 10.000.000 GE Investition über 3 Jahre Laufzeit, Entscheidung unter Risiko Option 1: keine Veränderung während der Laufzeit = 100 % Wahrscheinlichkeit für 10.000.000 GE Option 2: 50 % Wahrscheinlichkeit für 2.000.000 GE Gewinn, Ergebnis: 12.000.000 GE, 30 % Wahrscheinlichkeit für 2.000.000 GE Verlust, Ergebnis: 8.000.000 GE, 20 % Wahrscheinlichkeit für keine Veränderung, Ergebnis: 10.000.000 GE, Option 3: 30 % Wahrscheinlichkeit für 4.000.000 GE Gewinn, Ergebnis: 14.000.000 GE, 50 % Wahrscheinlichkeit für 4.000.000 GE Verlust, Ergebnis: 6.000.000 GE, 20 % Wahrscheinlichkeit für keine Veränderung, Ergebnis: 10.000.000 GE, Nutzen: Option 1 (risikoneutral) = 10.000.000 GE, Veränderung 0 GE Option 2 (risikoavers) = 0,5  ×  √12.000.000 + 0,3  ×  √8.000.000 + 0,2 × √10.000.000 = 10.160.000 GE, Veränderung: 160.000 GE Option 3 (risikogierig) = 0,3 × √14.000.000 + 0,5 × √6.000.000 + 0,2 × √10.000.000 = 9.423.000 GE, Veränderung: – 567.000 GE Präferenz: Option 2 Qualitativ lassen sich Entscheidungssituationen aus subjektiver Erfahrung in zwei Gruppen von Kaufheuristiken unterscheiden, kompensatorische und nichtkompensatorische. Ersteres bedeutet, dass Schwächen bei einzelnen Kriterien

324

Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

einer Option durch Stärken bei anderen Kriterien dieser Option ausgeglichen werden können. Letzteres bedeutet, dass Schwächen bei einzelnen Kriterien einer Option zu deren Ausscheiden aus der Entscheidung führen und durch Stärken bei anderen Kriterien nicht ausgeglichen werden können. Dabei können Mindestniveaus der Erfüllung für einzelne Kriterien vorgegeben werden. In beiden Gruppen gibt es diverse Ausprägungen, von denen jeweils fünf wichtige im Folgenden schematisch dargestellt werden: • Zunächst zu den kompensatorischen Heuristiken. Gegeben seien jeweils drei Beurteilungskriterien für drei zur Entscheidung / Präferenz anstehende Optionen. Teilweise sind diese Kriterien untereinander gewichtet. Die Bewertung wird in Punkten ausgewiesen. Beispiel 1: Kompensatorische Heuristik mit linear-additivem Beurteilungsmodell mit Präferenz für die Option mit der höchsten Summe der ungewichteten Kriteriumswerte. Hierbei werden also alle Kriterien als gleich bedeutsam für eine Entscheidung angesehen.

Kriterium 1 Kriterium 2

Kriterium 3

Summe

Option A

20

30

80

130

Option B

30

60

10

100

Option C

50

10

10

70

Präferenz Option A

Beispiel 2: Kompensatorische Heuristik mit nicht-linear-additivem Beurteilungsmodell mit Präferenz für die Option mit der höchsten Summe der gewichteten Kriteriumswerte. Hierbei werden die Kriterien also nach mehr oder weniger bedeutsam für eine Entscheidung eingeteilt.

Kriterium 1 Kriterium 2

Kriterium 3

Summe

Gewichtung 3

2

1

Option A

60

60

80

200

Option B

90

120

10

220

Option C

150

20

10

180

Präferenz Option B

Beispiel 3: Kompensatorische Heuristik nach der Attributdominanz im Auswahlmodell mit Präferenz für die Option mit dem höchsten ungewichteten Kriteriumswert. Hierbei gibt der Spitzenwert einer Option in Bezug auf ein Kriterium den Ausschlag für die Entscheidung. Die Kriterien werden dabei als gleich bedeutsam angesehen.

Kriterium 1 Kriterium 2

Kriterium 3

Summe

Option A

20

30

80

80

Option B

30

60

10

60

Option C

50

10

10

50

Präferenz Option A

7. Elemente der Implementierung

325

Beispiel 4: Kompensatorische Heuristik nach der Erwartungsregel im Auswahlmodell mit Präferenz für die Option mit dem höchsten gewichteten Kriteriumswert. Auch hierbei gibt der Spitzenwert einer Option in Bezug auf ein Kriterium den Ausschlag, die Kriterien werden jedoch nach mehr oder weniger bedeutsam eingeteilt.

Kriterium 1 Kriterium 2 Kriterium 3

Gewichtung 3

Summe

2

1

60

60

80

80

Option B

90

120

10

120

Option C

150

20

10

150

Option A

Präferenz Option C

Beispiel 5: Kompensatorische Heuristik nach der additiven Differenzregel im Auswahlmodell mit Präferenz für die Option mit der höchsten relativen Differenz je gewichtetem Kriteriumswert. Hierbei wird der größte Abstand zum niedrigsten Kriteriumswert einer Option für die Entscheidung zugrunde gelegt.

Kriterium 1 Kriterium 2

Gewichtung 3

Kriterium 3

2

Summe

1

Option A

60/0

60/0

80/+ 20

20

Option B

90/+ 70

120/+ 110

10/0

180

20/+ 10

10/0

140

Option C 150/+ 140

Präferenz Option B

• Bei den nicht-kompensatorischen Heuristiken seien ebenfalls jeweils drei Beurteilungskriterien für drei zur Entscheidung anstehende Optionen gegeben. Teilweise sind die Kriterien untereinander gewichtet, teilweise sind Mindestniveaus für die Kriterienerfüllung eingezogen. Die Bewertung wird in Punkten ausgewiesen. Beispiel 1: Nicht-kompensatorische Heuristik nach dem Konjunktionsregel mit Präferenz für die Option mit einem Kriteriumswert über dem geforderten Mindestwert. Dabei ist der Mindestwert ggf. sukzessiv zu erhöhen bzw. zu senken, bis nur noch eine Option übrigbleibt.

Kriterium 1

Kriterium 2

Kriterium 3

Mindestwert 70

70

70

Option A

20

30

80

Option B

30 60 10

Option C

50 10 10

Präferenz Option A

Beispiel 2: Nicht-kompensatorische Heuristik nach der Disjunktionsregel mit Präferenz für die Option mit einem Kriteriumswert über dem geforderten Min-

326

Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

destwert nur beim Ausschlusskriterium. Optionen, die dieses Mindestwertkriterium nicht erfüllen, kommen für eine Entscheidung nicht mehr in Betracht, außer anhand des Ausschlusskriteriums kann keine Entscheidung herbeigeführt werden. Dann wird ein weiteres Kriterium hinzugezogen.

Kriterium 1

Kriterium 2

Kriterium 3

Gewichtung Ausschlusskriterium 70 70

Mindestwert

70

Option A

20 30

Option B

30 60 10

Option C

50 10 10

80

Präferenz Option A

Beispiel 3: Nicht-kompensatorische Heuristik nach der Lexikografieregel mit Präferenz für die Option mit dem höchsten Kriteriumswert nur beim wichtigsten Kriterium. Die Bewertungen für die übrigen Kriterien fallen für eine Entscheidung nicht mehr ins Gewicht, außer anhand des wichtigsten Kriteriums kann eine Entscheidung herbeigeführt werden. Dann wird das nächstwichtigere hinzugezogen.

Kriterium 1 Kriterium 2 wichtigstes Kriterium

Kriterium 3

Option A

20

30 80

Option B

30

60 10

Option C

50

10 10

Präferenz Option C

Beispiel 4: Nicht-kompensatorische Heuristik nach der sequenziellen Eliminierung mit Präferenz für die Option mit dem höchsten relativen Abstand zum geforderten Mindestwert. Dies soll verhindern, dass eine Option nur deshalb gewählt wird, weil sie knapp über den festgelegten Mindestwert liegt.

Kriterium 1

Kriterium 2

Kriterium 3

Mindestniveau 60 50 40 Option A

20

30

80/+ 20 Präferenz Option A

Option B

30

60/+ 10

10

Option C

50

10

10

Beispiel 5: Nicht-kompensatorische Heuristik nach der attributweisen Eliminierung mit Präferenz für die Option mit dem höchsten Wert über dem geforderten Mindestwert nur beim wichtigsten Kriterium. Alle Optionen, die bei der wichtigsten Eigenschaft diesen Wert nicht erreichen können, werden eliminiert. Ggf. wird dieser Vorgang mit dem nächstwichtigeren Kriterium wiederholt, solange, bis nur noch eine Option übrig ist.

327

7. Elemente der Implementierung

Kriterium 1 Kriterium 2 Kriterium 3 wichtigstes Kriterium Mindestniveau

60 50 40

Option A

20 30 80/+ 40

Option B

30 60 10

Option C

50 10 10

Präferenz Option A

7.3.2 Arbeitstechniken 7.3.2.1 Netzplan Die Netzplantechnik stellt den zeitlichen Ablauf einzelner Aktivitäten dar, verdeutlicht deren sachlichen Gesamtzusammenhang, lässt kritische Vorgänge als Aktivitäten ohne Zeitreserve erkennen und weist Zeitreserven bei anderen Vorgän­ gen aus. Sie soll dadurch die Maßnahmenplanung möglichst übersichtlich gestalten. Netzpläne basieren auf der Graphentheorie (Operations Research / OR). Unter einem Graph versteht man eine Menge von Knoten, die durch eine Menge von Pfeilen (Kanten) verbunden sind. Ordnet man nun den Pfeilen eine Richtung zu, so entsteht ein gerichteter Graph. Sind alle Knoten direkt oder über andere Knoten indirekt durch Pfeile miteinander verbunden, handelt es sich um einen zusammenhängenden Graph. Ist jeder Pfeil mit einem Wert versehen, entsteht ein bewerteter Graph. Unter den vielen möglichen Wegen, die man in einem Graph finden kann, wenn man vom Anfangsknoten zum Endknoten fortschreitet, ist mindestens ein effizienter, „kritischer“ Weg, diesen gilt es zu finden. Vorher werden die Vorgänge je nach System den Knoten oder Pfeilen zugeordnet. Bei der Netzplantechnik handelt es sich um eine Vielzahl von Planungsansätzen, denen gemein ist, dass sie den Netzplan zur Visualisierung nutzen (siehe Abbildung 66: Netzplantechniken). Die Idee ist jeweils, aus Gründen der Zeitersparnis und Kapazitätsausschöpfung verschiedene Tätigkeiten parallel auszuführen, ohne dass dadurch Friktionen entstehen. Dies bedingt, dass bestimmt wird, welche Tätigkeiten wann begonnen bzw. beendet werden müssen, um einen vorgegebenen, effizienten Zeitplan einzuhalten bzw. minimale Verfahrenszeiten zu realisieren. Das Grundkonzept der (häufigen Vorgangs-)Netzplantechnik sieht die Darstellung der logischen Struktur eines Vorgangs und dessen Zeitplanung und -kontrolle durch Berechnung frühester (FAZ) und spätester (SAZ) Anfangszeitpunkte sowie frühester (FEZ) und spätester (SEZ) Endzeitpunkte vor. Am Beginn steht eine Struktur- oder Systemanalyse, die alle Tätigkeiten des Vorgangs erfasst. Sie umfasst die Erstellung der Vorgangsliste, den Entwurf des Netzplans und die Numerierung der Knoten. Die Strukturliste enthält damit alle Vorgänge und stellt fest, welche vor dem betrachteten Vorgang abzuschließen sind und welche danach erst beginnen können.

328

Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Abbildung 66: Netzplantechniken

Im Vorgangsknotennetzplan werden Vorgänge durch Knoten dargestellt und deren Abhängigkeiten untereinander durch Pfeile (z. B. Metra Potenzial Method / ​ MPM). Er bietet sich vor allem bei Projekten mit vielen Überlappungen und Parallelität zwischen den Teilaufgaben an. Die Ablaufplanung ist deterministisch. Ebenso ist die Zeitdauer deterministisch. Jeder Vorgang ist mit seinen frühestmöglichen und spätesterlaubten Anfangs- und Endterminen unter Beachtung des Koppelabstands ausgewiesen. Vorgangspuffer ergeben sich ebenfalls unter Beachtung des Koppelabstands. Durch den Verzicht auf Scheintätigkeiten wird eine größere Übersichtlichkeit und Anschaulichkeit in der Planung erreicht (siehe Abbildung 67: Vorgangsknoten-Netzplan (Beispiel: Produkteinführung)). Beim Netzplanentwurf sind einige Regeln zu beachten (hier am Beispiel des verbreiteten Vorgangsknotennetzplans): • Jeder Vorgang beginnt und endet mit einem Ereignis. • Sind mehrere Vorgänge zu beenden, bevor ein weiterer beginnen kann, so enden alle im Anfangsereignis des folgenden Vorgangs. • Können mehrere Vorgänge erst beginnen, nachdem ein vorausgegangener beendet ist, beginnen alle im Endereignis des vorausgegangenen Vorgangs. • Wenn in einem Ereignis mehrere Vorgänge gemeinsam beginnen oder enden, die nicht voneinander abhängig sind, bedarf es Scheinaktivitäten zum Ausgleich. • Es dürfen keine geschlossenen Schleifen (Zyklen) im Ablauf auftreten. • Es gibt nur je einen Anfangs- und Endknoten. • Die Numerierung erfolgt in aufsteigender Reihenfolge. Der Kritische Weg geht vom Prozessanfang bis zum Prozessende eines Netzplans und weist eine Summe von O aller Pufferzeiten aus. Der Kritische Weg bestimmt die Mindestdauer des Gesamtprozesses. Zeitliche Verzögerungen auf dem Kritischen Weg verzögern daher zugleich die Gesamtprozesszeit. Deren Beschleu-

7. Elemente der Implementierung

329

Tabelle 9 Vorgangsknoten-Netzplan (Beispiel: Produkteinführung)

nigung gelingt nur in der Bearbeitung der einzelnen Vorgänge und Meilensteine in Richtung Zeitverkürzung, wodurch dann ein anderer Weg der kritische wird. Maßnahmen zur Zeitverkürzung sind dabei vor allem folgende: • kapazitative Anpassung der Wertschöpfung, und zwar multipel durch Aufbau gleicher Aggregate, selektiv durch Aufbau verschiedener Aggregate oder mutativ durch Verfahrensumstellung, • intensitätsmäßige Anpassung durch Variation auf einen höheren Leistungsgrad, • zeitliche Ausweitung der Wertschöpfung ohne Überstunden im Rahmen der Normalschicht, mit Überstunden oder durch Ausbau zum Mehrschichtbetrieb, soweit zulässig und durchsetzbar,

Abbildung 67: Vorgangsknoten-Netzplan (Beispiel: Produkteinführung)

330 Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

7. Elemente der Implementierung

331

• Automatisierung durch IT-Einsatz / Digitalisierung etc., • Know-how-Nutzung durch Mitarbeiterqualifikation, Spezialisierung etc., • Routinisierung durch Einübung, was allerdings Konstanz des Leistungsobjekts voraussetzt, • Eliminierung von „toten“ Phasen wie Zwischenlagerung, Pufferung etc., • Überlappung durch Vorziehen folgender Aktivitäten bei Unterauslastung, • Simultanbearbeitung mit einem Lösungsweg anstelle sequenzieller Bearbeitung, • Einschub vorbereitender Arbeiten unter plausiblen Annahmen über die Zukunft, • Wertanalyse, d. h. zweitbeste Lösung, wenn beste Lösung überproportional aufwändig ist, • Staffelung der Einführung von Neuerungsschritten, • Vorsorge für Ausfälle (Anlagen, Personal, Werkstoffe etc.), • Vorziehen von problematischen Aktivitäten, also solchen, die sich verlängern können, • Parallelbearbeitung mehrerer Lösungswege, • bessere Planung durch Festlegung von Prioritäten, • Vorgabe verbindlicher Deadline, • Unterteilung erforderlicher Funktionen. 7.3.2.2 Sonstige Techniken Neben der Netzplantechnik können weitere Techniken für die operative Planung angewendet werden. Ablaufdiagramme zeigen grafisch eine Folge von Tätigkeiten auf. Dadurch wird zwar eine analytische Aufgabenzerlegung erreicht, jedoch fehlt der immer bedeutsamere Zeitfaktor. Solche Blockdiagramme werden vor allem als schaubildliche Darstellung informationeller Abläufe, als Datenflussdiagramm zur Darstellung des Wegs der Daten durch ein informationsverarbeitendes System oder als Programmablaufplan zur Information über die logische Struktur eines Programms eingesetzt. Arbeitsmittel ist die Ablaufkarte. Sie enthält Arbeitsträger- und Buchstabensymbole für die Phasen, zumeist O für Operation, I für Inspektion, T für Transport und S für Stillstand. Die verwandte Methode nach Jordt-Gscheidle ist für die schnelle und anschauliche Abbildung von Back Office-Abläufen (Verwaltung) gedacht. Dazu wird eine umfangreiche Symbolsprache verwendet. Balkendiagramme (auch Gantt-Diagramme)  stellen eine einfache Form des Ablaufdiagramms dar. Ihre Aufgabe ist es, aufeinander folgende und miteinander

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

verbundene Aktivitäten in Bezug auf die Zeitlänge darzustellen und somit eine zeitoptimale Planung zu ermöglichen. Sie verknüpfen die Folge der Tätigkeiten mit dem Zeitfaktor und der Festlegung von Verantwortlichkeiten, bieten sich allerdings nur für Planungen an, deren Vorgänge nur gering miteinander verknüpft sind. Zu den Angaben über Ziel, Grund, Status und Priorität können Manpower, Maschinenbelegung etc. ergänzt werden. Balkendiagramme eignen sich vor allem für länger laufende Aktivitätenfolgen und sich wiederholende Vorgänge. Sie fördern zudem die Teamarbeit und zeigen die erreichten Istwerte im Zeitablauf gegenüber der Planung an. Meist sind horizontal die Zeit und vertikal die Arbeitsvorgänge / A rbeitsträger abgetragen, die Länge wird durch Balken angezeigt. Die Lage der Balken ergibt sich durch Anfangs- und Endtermine der Tätigkeiten. Als Auftragsfortschrittsplan wird die Reihenfolge der einzelnen Arbeitsvorgänge mit deren jeweiligem Zeitverbrauch angezeigt, als Belegungsplan die Auslastung der Kapazitäten einzelner Arbeitsträger. Der Meilensteinplan stellt eine verfeinerte Form des Gantt-Diagramms dar, er gibt Aufschluss über den Fortschritt einzelner Arbeitsvorgänge, dazu werden in jeden Balken vorgegebene Zwischentermine, die eingehalten werden müssen, eingetragen und chronologisch, also nicht nach Aufgaben, durchnumeriert. Dies ist immer dann sinnvoll, wenn die hohe Anzahl der Tätigkeiten ansonsten die Übersichtlichkeit beeinträchtigt. Dann werden aus den Teilablaufplänen besonders wichtige Ereignisse in einen übergeordneten Gesamtablaufplan übernommen. Durch diese Blockbildung wird der Projektablauf überschaubarer, indem die Festlegung wichtiger Eckpunkte (Milestones) für jeden Arbeitsgang erfolgt, so dass die Einhaltung von Teilabschnitten einer Tätigkeit leichter kontrollierbar ist. Der Projektplan ist eine vereinfachte Form des Netzplans als Matrix. In der Kopfspalte werden alle vorzunehmenden Tätigkeiten aufgeführt. In der Kopfzeile befindet sich eine Kalenderleiste. In Abhängigkeit von der Dauer der Tätigkeiten werden Markierungen wie Linien, Kästchen, Kreuze etc. für die Zeit der Durchführung in das Kalendarium nach Tagen / Wochen / Monaten eingetragen. Ist eine Folgeaktivität von einer Vorabaktivität abhängig, kann deren Markierung erst an deren Ende beginnen, sind Aktivitäten unabhängig, können sie einander überlappen. Wichtig ist auch hier, sich zunächst über die logische Abfolge der Tätigkeiten Klarheit zu verschaffen (= Systemanalyse, z. B. durch Blueprint). Zur Verkürzung von Verfahrenszeiten bleiben die Möglichkeiten, Vorgänge in ihrer Zeitdauer zu kürzen, Puffer für vorgezogene Aktivitäten zu nutzen oder Abfolgen umzustellen. Ein ähnliches Verfahren ist der Line of Balance-Plan (LOB), der eine retrograde Terminberechnung vom Projektabschluss zurück bis zu den ersten Analyseschritten vornimmt. Dabei werden zunächst die erforderlichen Arbeitsschritte in einer Projektliste aufgeführt und mit ihrem jeweiligen Zeitbedarf bestimmt. Dann wird, ausgehend von einem vereinbarten Endtermin der Leistungsübergabe, über jeden der Arbeitsschritte zurückgerechnet bis zum erforderlichen Starttermin. Meist stellt sich allerdings heraus, dass dieser zum Planungszeitpunkt bereits

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überschritten ist. Aus dieser Gewissheit heraus kann nun geprüft werden, wo noch Zeiteinsparungen möglich sind, oder, wenn diese nicht möglich sind, ob der Endtermin geschoben werden kann bzw. die Leistungsausführung deshalb abgelehnt werden muss. Das Entscheidungsbaum-Verfahren besteht im Einzelnen aus den drei Schritten der Darstellung des Strukturmodells, der Quantifizierung dieses Strukturmodells und einer Rollback-Analyse. Ein Entscheidungsbaum ist ein zusammenhängender kreisloser Graph mit Entscheidungsknoten, bei denen der Entscheidungsträger über Alternativen befindet, Zufallsknoten für Zufallsereignisse bzw. Endknoten und Ästen für in Betracht gezogene Alternativen und Zufallsäste. Es handelt sich um eine dynamische Planungsrechnung, die mehrperiodische oder komplexe Planungsprobleme durch ein Baumdiagramm (Tree Analysis) visualisiert, dessen Äste die Handlungsalternativen bzw. Umweltkonstellationen und dessen Verzweigungsknoten die Handlungsergebnisse (als Kästchen) repräsentieren, denen jeweils Eintrittswahrscheinlichkeiten (als Kreise) zugeordnet werden (stochastische Situation). Den einzelnen Aktionen werden die jeweiligen Periodenkosten zugeordnet. Dem Ende des Baumes werden die erwarteten Erträge des gesamten Pfads zugerechnet. Die Rollback-Analyse betrifft die Berechnung der insgesamt optimalen Entscheidung, von den Endknoten her auf den einzelnen Ästen des Strukturmodells für gewöhnlich von rechts nach links gerechnet. Bei Zufallsknoten wird der Erwartungswert der sich gegenseitig ausschließenden Ereignissen errechnet. Bei Entscheidungsknoten wird der Erwartungswert maximiert, d. h., die Realisierung der weglaufenden Äste ist nur vom Willen des Entscheidungsträgers abhängig. Bei der Sensitivitätsanalyse handelt es sich um den Ansatz, Outputveränderungen in Abhängigkeit von Inputveränderungen im Systemzusammenhang zu betrachten. Dabei gibt es Systeme, deren Output wenig auf Inputveränderungen reagiert, man spricht dann von robusten Systemen, und solche, deren Output stark auf Inputveränderungen reagiert, man spricht dann von sensiblen Systemen. Für die Ablaufplanung sind letztere von größerem Interesse.

7.3.3 Budgetierung Budgetierung ist allgemein die Umsetzung von Plänen in eine Menge von Geldwerten für die nächsten Perioden durch Gegenüberstellung erwarteter Einnahmen und Ausgaben als kurzfristige, formalisierte Operationalisierung und Periodisierung strategischer Maßnahmen, die einem organisatorischen Verantwortungs­ bereich für einen bestimmten Zeitraum mit Verbindlichkeitsgrad zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben in eigener Verantwortung vorgegeben wird. Ein Budget muss bei gegebenen Aufgaben auch erreichbar sein. Je Aufgabenbereich darf es nur ein Budget geben. Zu vermeiden sind zudem Schattenbudgets. Das Erreichen des Budgets ist das vereinbarte Ziel, nicht unbedingt die positive

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Abweichung. Budgetverantwortliche sollen an der Erstellung des Budgets beteiligt sein, denn das Budget ist zugleich ein „Vertrag“. Die Erarbeitung soll Bottom-up erfolgen. Ein erforderlicher Soll-Ist-Vergleich kann nur aussagefähig sein, wenn die Istzahlen so gegliedert sind wie die Planzahlen. Während einer Budgetperiode soll das Budget nicht geändert werden. Erwartete Einflussgrößen sind durch eine Vorschaurechnung zu antizipieren. Wird eine vereinbarte Abweichungstoleranz überschritten, ist vom Vorgesetzten einzugreifen. Solche Abweichungen entstehen vor allem durch Mengen-, Preis- oder Verbrauchsabweichungen. Es werden verschiedene Arten der Budgetierung unterschieden nach • der Zeit gibt es die strategische oder operative Budgetierung, • dem Umfang gibt es die Einzel- oder Gesamtbudgetierung, • der Anpassung gibt es die starre oder flexible Budgetierung, • der Zeiteinteilung gibt es die jährliche oder unterjährige Budgetierung, • der Wertgröße gibt es die Budgetierung von Kosten, Umsatz, Absatz etc., • dem Funktionsbereich die Budgetierung von Produktion, Beschaffung, Personal, Vertrieb etc., • der hierarchischen Abstimmung des Budgets kann diese Top down, Bottom up etc. erfolgen, • der sachlichen Abstimmung des Budgets kann diese retrograd oder progressiv erfolgen. Dem Budget kommen vielfache Funktionen zu: • Das Budget hat eine Orientierungsfunktion, denn durch die Festschreibung im Budget hat der Verantwortungsträger detaillierte Informationen über seine Zielvorgaben und deren Beitrag zum Gesamtziel. • Das Budget hat auch eine Ermächtigungsfunktion, denn der Verantwortungsträger erhält dadurch die Erlaubnis, die zur Zielerreichung erforderlichen Mittel im definierten Umfang zu verwenden. • Dem Budget kommt eine Motivationsfunktion zu, dies gilt für die eigenverantwortliche Verwendung bei Identifikation des Verantwortungsträgers mit den Organisationswerten. • Das Budget hat eine Koordinationsfunktion durch die Verteilung von knappen Mitteln auf die einzelnen Bereiche. Dadurch werden diese auf die Gesamtziel­ setzung hin ausgerichtet, spätere Konflikte verhindert und Kooperationen gefördert. • Das Budget hat eine Kontrollfunktion durch laufende Verfolgung des Stands der Zielerreichung bzw. der Mittelverwendung.

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Für die Ermittlung der Budgethöhe ergeben sich verschiedene Ansätze (siehe Abbildung 68: Budgetierungsverfahren). Analytische Budgetierungsverfahren umfassen folgende: • Bei der Mengenbudgetierung erfolgt eine Orientierung am prognostizierten Absatz von Leistungseinheiten bzw. einem Betrag je Leistungseinheit. • Bei der Wertbudgetierung wird ein Anteilssatz von definierten Betriebserfolgsgrößen (Gewinn, Deckungsbeitrag, Cash-flow etc.) zugrunde gelegt. Eigentlich soll in der Rezession ein hohes Marketingbudget bereitstehen, und im Boom ist ein niedriges akzeptabel. Dies scheitert allerdings meist an der Realität, bei der in der Rezession nicht genügend Finanzmittel vorhanden sind und es im Boom leichtfällt, zusätzliche Finanzmittel locker zu machen. • Bei der Ziel-Mittel-Budgetierung erfolgt eine Ausrichtung an den imagebezoge­ nen Zielen, die mit einer Strategie verfolgt werden. Dies klingt zwar logisch, setzt jedoch voraus, dass Klarheit darüber besteht, welche Ziele durch welche Maßnahmen erreicht werden können. Darüber besteht jedoch tatsächlich weithin Unklarheit. • Bei der Makrogrößenbudgetierung liegen überbetriebliche Bezüge wie Branchenwachstum, Inflationsrate, Bruttoinlandsproduktveränderung etc. zugrunde. Diese stellen jedoch allenfalls sicher, dass ein Unternehmen in der Entwicklung komparativ nicht zurückfällt.

Abbildung 68: Budgetierungsverfahren

Nicht-analytische Budgetierungsverfahren umfassen folgende: • Bei der Restwertbudgetierung wird nach Verplanung aller unabdingbaren anderweitigen Investitionen und Kosten ein dann noch evtl. verbleibender Restbetrag strategischen Aktivitäten gewidmet. • Bei der Festwertbudgetierung wird ein definierter Finanzmittelbetrag zur Verfügung gestellt, unabhängig davon, welche Investitionen und Kosten daraus im Einzelnen jeweils zu leisten sind.

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• Bei der Fortschreibungsbudgetierung wird ein wie auch immer zustande gekommener Budgetwert der Vorperiode weitergeführt und angepasst. Eine solche Bemessung ist aber nicht verursachungsgerecht und zementiert historische Budgetverhältnisse, statt planerisch die Zukunft zu gestalten. Weiterhin kann man die Budgetflexibilität und die Budgetierungsdauer einteilen. Nach der Budgetflexibilität kann wie folgt unterschieden werden: • Die starre Budgetierung wird einmal pro Zeiteinheit (meist Kalenderjahr) festge­ legt und ist während dieser Zeit auch nicht mehr veränderbar, d. h., es ist keine Anpassung der Werte an zwischenzeitlich eingetretene Veränderungen vorgesehen. • Die flexible Budgetierung sieht Eventualbudgets für alternative Entwicklungen vor, bei denen einerseits festgestellt wird, ob mit einer ausreichenden Verwendung zu rechnen ist und andererseits, ob Einflussfaktoren vorliegen, die eine andere als die ursprünglich vorgegebene Budgetierung erfordern. Nach der Budgetierungsdauer ergibt sich Folgendes: • Die kurzfristige (taktische) Budgetierung bezieht sich meist nur auf ein Jahr. Das Budget kann dabei angestoßen, also nur für diese Periode geplant, durchgerechnet, also über mehrere Perioden angepasst, versetzt, also nahtlos anschließend, oder überlappend zustandekommen. • Die langfristige (strategische) Budgetierung bezieht sich auf drei bis fünf Jahre. Bei langfristiger Budgetierung wird allerdings nur ein Budgetkanal, d. h. Oberund Untergrenzen von Budgets, vorgegeben werden. Die Summe aufeinander bezogener Budgets nennt man ein Budgetsystem. Das Budgetierungshandbuch gibt Anweisungen zur Budgetierung. Darin ist auch festgelegt, inwieweit Budgetreserven (Budget Slack) erlaubt sind und wie Budgetverschwendung (Budget Wasting / „Dezember Fieber“) begegnet wird. Zu festen Zeitpunkten erfolgt zudem eine Budgetaktualisierung. Merkmale des Budgets sind immer seine Zukunftsbezogenheit, Periodenabgrenzung, Wertmäßigkeit, Bereichsorientierung, Strategieausrichtung und Vorgabebedeutung.

7.4 Lenkungsbasis 7.4.1 Kennzahlen Die Planung (= Willensbildung) verbindet den gegenwärtigen Status mit dem Ziel der nächsten Planungsperiode. Daran schließt sich die Implementierung (= Willensdurchsetzung) an. Die Kontrolle (= Willensrevision) stellt einmalig oder begleitend fest, ob Abweichungen zwischen Planung und Umsetzung vorhanden sind und steuert dann gegen. Dies hat man sich als Regelkreis vorzustellen, d. h., der neue Status wird in der Planung zur Basis für die Zielprojektion, die dann

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wiederum kontrolliert wird und so fort. Kontrolle ist somit, allgemein gesehen, das notwendige Komplement zur Planung. Planung ohne Kontrolle ist sinnlos und umgekehrt. Geschlossene Planungs- und Kontrollsysteme sorgen für einen automatischen Abgleich bei Abweichungen, bei offenen Systemen ist ein aktiver Eingriff durch das Management notwendig. Wesentliche Elemente der Kontrolle sind die Erfolgskontrolle (Soll-Ist-Vergleich), die Effizienzkontrolle (durch Kennwerte, Planzeiten, Betriebsvergleiche etc.), die Budgetkontrolle und die Zeitkontrolle (­Timing). Man spricht hier auch von Lenkung. Ergänzend tritt die Überprüfung dahingehend hinzu, ob eine Entscheidung effizient in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit und effektiv in Bezug auf die Zielerreichung in ihren Konsequenzen gewesen ist. Bei der Lenkungsaufgabe (Revision) geht es um die Aufdeckung von Abweichungen und die Indikation von Abweichungsursachen sowie Vorkehrungen zur Vermeidung zukünftiger Abweichungen. Diese Kontrollen beziehen sich auf Ergebnisse und können als Längsschnitt-, Querschnitt-, Leistungs- und Abweichungskontrollen angelegt sein. Sie erfolgen durch Einzelkennzahlen, Kennzahlensysteme und Leistungsindikatoren. Kennzahlen sind aggregierte Daten, die mehr oder minder komplexe, dahinter stehende Sachverhalte komprimiert quantitativ ausweisen. Sie dienen sowohl der Analyse (Umweltanalyse, Unternehmensanalyse) als auch der Steuerung. Bei ihrer Bildung ergeben sich als Formen Grundzahlen und Verhältniszahlen: • Grundzahlen sind absolute Zahlen (Einzelzahlen, Summen, Differenzen, Mittelwerte). Sie erfüllen den Anspruch der Datenreduktion jedoch nur eingeschränkt und sind daher atypisch. • Verhältniszahlen sind typischer und unterteilen sich als relative Zahlen in drei Zusatzformen: – Gliederungszahlen stellen den Anteil einer Teilmasse an der Gesamtmasse dar. Die Gesamtmasse wird dabei gleich 100 gesetzt und entsprechend gegliedert. Die Teilmassen sind echte Untermengen der jeweiligen Gesamtmasse, daher ist dies nur bei größeren Datenmengen hilfreich. Die Ausrechnung erfolgt im traditionellen Dreisatz. – Beziehungszahlen setzen unterschiedliche, allerdings zeitlich identische Zahlengruppen, zwischen denen sachliche Zusammenhänge bestehen, in Beziehung zueinander. Das Ergebnis ist ein Quotient, dessen Wert umso näher bei Null liegt, je enger die Beziehung zwischen den Mengen ist. Der Kehrwert wird Bezeichnungszahl genannt. – Indexzahlen ermöglichen die Darstellung einer Größe und deren Veränderungen im Zeitablauf. Dafür wird die Ausgangsperiode gleich Index 100 gesetzt. Alle Werte werden auf diesen gemeinsamen Zeitpunkt bezogen, weshalb dessen bedachte Wahl von großer Bedeutung ist, weil sich sonst ein verzerrtes Bild ergibt.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Den Kennzahlen können Bestandsmassen zugrunde liegen, deren Elemente eine Verweildauer aufweisen, so dass zu einem beliebigen Beobachtungszeitpunkt stets eine größere Anzahl von ihnen gleichbleibend vorhanden ist, oder Bewegungsmassen, bei denen Zu- und Abgänge Bestandsveränderungen bewirken, die zeitpunktbezogen sind. Kennzahlen haben im Allgemeinen folgende Aufgaben. Sie dienen der • Kontrolle durch Erfassung zur Erkennung von Abweichungen (laufend oder punktuell angelegt), • Lenkung durch Nutzung der Vereinfachung von Informationen (und damit verbundenen Planungsprozessen), • Vorgabe zur Ermittlung kritischer Werte als Ergebnisgrößen (für verschiedene betriebliche Teilbereiche), • Anregung durch Erkennung von Auffälligkeiten und Veränderungen (kontinuierliche Erfassung der Daten), • Operationalisierung für betriebliche Ziele (zur Abbildung des Grads der Zielerreichung). Sie haben dabei folgenden Anforderungen zu genügen: • Eindeutigkeit der erkennbaren Zielsetzung, klare Abbildung und Interpretierbarkeit von dahinter stehenden, materiellen Tatbeständen, Aktualität der Ermittlung, Prognosefähigkeit der Daten, funktionsübergreifende Betrachtung, überschaubare Anzahl von Daten, einfache Struktur, vertretbarer Erhebungsaufwand. Die isolierte Betrachtung einzelner Kennzahlen führt nur sehr eingeschränkt zu einer aussagefähigen Beurteilung der betrieblichen Situation. Vielmehr müssen zusätzliche sachliche und zeitliche Zusammenhänge entwickelt werden: • Der zeitliche Zusammenhang ergibt sich, wenn die Entwicklung dieser Kennzahlen in einer Längsschnittbetrachtung vorgenommen wird (Zeitvergleich). Dabei ist zunächst an den Vergleich aktueller mit vergangenen Daten zu denken. Dabei können Veränderungen festgestellt und näher analysiert werden. • Interessanter ist die planerische Gestaltung der Zukunft mit Hilfe von Kenn­ zahlen (Soll-Ist-Vergleich). Dieser Vergleich kann nur aussagefähig sein, wenn die Ist-Zahlen gleich gegliedert sind wie die Plan-Zahlen. • Der Leistungsvergleich betrifft den Vergleich verschiedener Einheiten des gleichen Betriebs untereinander bzw. gleicher Einheiten verschiedener Betriebe miteinander. Allerdings besteht oft das Problem der mangelnden Einheitlichkeit der Bezugsbasis. Deshalb bemühen sich überbetriebliche Organisationen (IHKen, Verbände, Kreditinstitute etc.) um eine entsprechende Vereinheitlichung der Ausgangsbedingungen. Ein Kennzahlenvergleich kann sich auf Ergebnisse, meist als Kennzahlensysteme, oder auf das Zustandekommen dieser Ergebnisse, als Benchmarking, beziehen.

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Da Einzelkennzahlen nur eine begrenzte Aussagefähigkeit haben, ist eine Verkettung zu Kennzahlensystemen sinnvoll. Diese stellen eine systematisch geordnete Gesamtheit von Kennzahlen als Rechensystem mit über-, gleich- und untergeordneten Einzelkennzahlen dar, die in einer sachlich angemessenen Beziehung zueinander stehen und so über absatzwirtschaftliche Sachverhalte Auskunft geben. Dies setzt die Kenntnis der Beziehungen zwischen Kennzahlen voraus. Die Spitzenkennzahl gilt dabei als Schlüsselindikator. Als besonders geeignet haben sich in diesem Zusammenhang Return on Investment / ROI bzw. Gesamtkapitalrentabilität, z. B. im DuPont-System erwiesen, dann die Eigenkapitalrentabilität / RoE, z. B. im ZVEI- und im RL-System sowie Gewinn und Liquidität, z. B. im PuK-System. An Kennzahlensystemen wird umfangreiche Kritik geäußert: Sie • stellen nicht Ursache und Wirkung in Bezug zueinander (= mangelnde Objekti­ vität), • basieren auf womöglich verzerrten Ursprungsdaten (= mangelnde Reliabilität), • messen womöglich nicht das, was eigentlich gemessen werden soll (= mangelnde Validität), • leisten nur mehr oder minder geringe Erklärungsbeiträge (= mangelnde Signifikanz), • sind regelmäßig einseitig Shareholder-orientiert, • versagen bei mehrdimensionalen Einflussfaktoren durch ihren eindimensionalen Aufbau, • vernachlässigen nicht-monetäre Ziele (Soft Factors), die vor allem langfristig von Bedeutung sind, • orientieren sich, vor allem für Marketing relevant, zu sehr an Rechnungswesengrößen, • erfordern einen enormen Aufwand zur Datenrecherche, -pflege, -löschung. Die Aufspaltung der Kenngrößen setzt sich dabei jeweils pyramidenförmig fort. Auch an hierarchischen Systemen wird jedoch weit verbreitete Kritik geübt. Problematisch ist vor allem, dass sie die Realität oft unzulässig verkürzen. So kann ein Pilot ein Flugzeug auch nicht anhand nur eines Messwerts, wie Geschwindigkeit oder Höhe allein, steuern, sondern er braucht diverse, ausgewogene Werte über mehrere kritische Erfolgsgrößen, also auch Informationen über Kerosinverbrauch, Seitenwind, horizontale Neigung, vertikale Trimmung etc. Auf die Unterneh­ alanced Score-Card-Analyse mensebene übertragen wurde diese Erkenntnis als B (BSC) verwirklicht. Dort wird nach Kaplan / Norton unterschieden in: • (materielle) Kennwerte für Finanzen / Kosten, • externe Kennwerte (Kunde / Markt),

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• interne Kennwerte (Prozess / Qualität), • (immaterielle) Kennwerte für Lernen / Mitarbeitende. Das Beispiel einer Balanced Score-Card für die Deutsche Bank 24 zeigt als strategische Vision eine Wachstumsausrichtung durch Differenzierung infolge besseren Service und höherer Kompetenz im Privat- und Geschäftskundenbereich. Als wesentliche Erfolgsfaktoren gelten die Steigerung des Unternehmenswerts durch profitables Wachstum und Effizienzverbesserung, das Wachstum durch Qualitäts- und Serviceführerschaft, hohe Effektivität im Vertrieb und ServiceCenter sowie Verbesserung von Personalmanagement und Informationstechnologie zur Optimierung von Kapitaleinsatz und Bilanzstruktur. Die dazu passenden Kennzahlen sind die Folgenden: – Finanzperspektive: Ergebnis in Relation zum allokierten Buchkapital, Ergebnis vor Steuern, Anteil profitabler Kunden, – Kundenperspektive: Netto-Kundenzuwachs, Kundenbindung, Cross Selling-Quote, Marktbekanntheitsgrad, – Interne Geschäftsprozess-Perspektive: Anteil der Online-Kunden, Investitionen für IT-Neu- und Weiterentwicklung, Effektivität des Back Office, Anteil gut oder sehr gut bewerteter Testkundenkäufe, – Lernen und Entwicklung: Netto-Wertschöpfung pro Mitarbeitendem, Mitarbeitermix, Mitarbeitermotivation, Nutzungsgrad der Feedback-Instrumente. Diese Eckwerte werden als wesentliche Erfolgstreiber (Key Performance Indicators / K PIs) gleichgewichtig berücksichtigt und in Bezug auf Vision, Mission, Kernkompetenz, Kultur sowie Ziele, Istsituation, Restriktionen und Strategien reflektiert. Dazu ist zunächst eine Aufteilung der Perspektiven nach den genannten Kriterien erforderlich, für diese werden dann jeweils die • angestrebten Zielsetzungen / Teilziele abgeleitet, die es zu beeinflussen gilt, z. B. Imageaufwertung, Kundenservice, • dafür maßgeblichen Messgrößen / Kennzahlen bestimmt, anhand derer gemessen werden soll, z. B. Marktanteil im Hochpreissegment, Wiederkaufrate, dies sind die KPIs, • gewünschten Zielvorgabewerte festgelegt, die es einzulösen gilt, z. B. X % Sollwert, Y Sollwert, • erforderlichen Maßnahmen aufgestellt, z. B. Designverbesserung, Vertriebs­ innendienst stärken. Bei der Kontrolle konzentriert man sich zur Komplexitätsreduktion auf solche Kennwerte, welche die größte Hebelwirkung für den Unternehmenserfolg (= Werttreiber) haben. Sie sind Basis des Performance Measurement im Unternehmen. Allerdings ist deren Ergebniswirksamkeit und Steuerungsrelevanz oft nur schwer

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beurteilbar. Die visuelle Darstellung der Ergebnisse erfolgt in Management Cockpits (Dashboard-/Ampel-System). 7.4.2 Benchmarking Um aber beurteilen zu können, wie Ergebnisse einzuordnen sind, ist es erforderlich, nachzuvollziehen, wie sie zustande gekommen sind. Dies erfolgt im Benchmarking als Lernen von den Besten. Benchmarking hat daher einen Mess-, Positions- und Lernaspekt. Ziel ist es, bei jeder einzelnen Teilleistung ein passendes „Vorbild“ zu finden. Der Messaspekt bezieht sich auf das Merkmal „Wer ist Benchmark?“, der Positionsaspekt auf den Vergleich der eigenen Daten mit den Daten des Partners, um festzustellen „Warum ist jemand Benchmark?“ und der Lernaspekt stellt den gegenseitigen Nutzen dar, also „Wie kann man selbst Benchmark werden?“. Benchmarking verschafft Glaubwürdigkeit und Akzeptanz für die Setzung selbst hoher Zielstandards, weil dem von anderen Unternehmen/-steilen bereits tatsächlich realisierte Leistungen zugrunde liegen, womit der praktische Beweis dafür erbracht ist, dass sie erreicht werden können. Daraus folgt ein hohes Maß an Motivation zu herausragenden Leistungen, deren Beurteilung objektivierbar ist. Die Übernahme bewährter, erfolgreicher Prozesse ist zudem meist schneller und risikoärmer als deren eigene Entwicklung. Allerdings darf man wirklich nur die jeweils Besten (Best of the Best) als Benchmarking-Partner auswählen. Glücklicherweise sind die Kernkompetenzen von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich verteilt. Allerdings bedarf es einer genauen Absprache und Vorbereitung mit dem Benchmarking-Partner, was Analysethema ist und wie dieses voll ausgeschöpft werden kann. Dies ist naturgemäß bei internem Unternehmensverbund weitaus einfacher als extern. Außerdem ist zu unterscheiden, was wirklich 1 : 1 in den eigenen Prozess übernommen werden kann und was hinsichtlich individueller Gegebenheiten angepasst werden muss. Die Wirtschaft ist so zwischenzeitlich von BenchmarkingNetzwerken überzogen. Wichtig ist die Einhaltung von „Spielregeln“ bei der Durchführung wie: – keine verbotene Informationsbeschaffung, die jeweiligen Betriebsgeheimnisse werden respektiert, das Wettbewerbsrecht und andere relevante Rechtsnormen werden beachtet, – nur solche Informationen dürfen vom Partner verlangt werden, die man auch selbst bereit ist, zu geben, dazu ist eine klare Artikulation der gewünschten Daten unerlässlich, – Informationen und Namen der Partner sind vertraulich zu behandeln bzw. dürfen nur nach deren ausdrücklicher Zustimmung weitergegeben werden,

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– die durch Benchmarking gewonnenen Informationen sind ausschließlich für den internen Gebrauch bestimmt, sie sind kein Mittel der Verkaufsförderung nach außen hin, – alle Projektschritte sind vollständig, zeitgerecht, im Konsens und zur Zufriedenheit aller Beteiligten durchzuführen, – es ist auf den Benchmarking-Partner Rücksicht zu nehmen, indem alle Informationen so behandelt werden, wie dieser es mit Recht erwarten darf. Es gibt verschiedene Formen des Benchmarking. Das strategische Benchmarking bezieht sich auf die Analyse von Geschäftsmodell und Wertschöpfungskette. Es betrifft die dispositiven Inhalte. Das operative Benchmarking kann intern oder extern angelegt sein. Internes Benchmarking dient dem Vergleich und der Analyse von Prozessen zwischen verschiedenen Abteilungen, Bereichen an einem Standort, Divisions an verschiedenen Standorten bzw. Konzernteilen eines Unternehmens. Es bietet den Vorteil der einfachen Datensammlung und liefert gute Ergebnisse für diversifizierte, bereits exzellente Unternehmen. Vor allem entstehen keinerlei Geheimhaltungsprobleme. Dagegen spricht jedoch, dass nur ein sehr begrenzter Ausschnitt der Wirtschaftswirklichkeit betrachtet wird und ein hohes Maß interner Befangenheit der unvoreingenommenen Beurteilung der Erkenntnisse entgegensteht. So kann letztlich doch „Schlendrian mit Schlendrian“ verglichen werden. Externes Benchmarking bietet den Vorteil der Vergleichbarkeit mit Methoden / Maßnahmen anderer Unternehmen. Dies setzt zunächst die exakte Festlegung und Abgrenzung des Benchmarking-Themas und des dafür relevanten Informationsbedarfs voraus und funktioniert nur auf Basis der Gegenseitigkeit. Dagegen steht jedoch, dass es weitaus höhere Schwierigkeiten bei der Datensammlung als bei internem Vorgehen gibt. Es gibt mehrere Formen des externen Benchmarking: • Funktionales Benchmarking hat den Vergleich mit Unternehmen / Organisationen außerhalb der angestammten Branche, aber in der gleichen Funktion zum Inhalt, und zwar jeweils mit dem Klassenbesten einer Funktion. • Sektorales Benchmarking hat den Vergleich innerhalb der gleichen Branche, aber in anderer Funktion zum Inhalt. • Kompetitives Benchmarking betrifft den Vergleich mit Wettbewerbern der gleichen Branche in der gleichen Funktion. Dazu bedarf es der Schaffung einer Vergleichsbasis, die angibt, wer worin genau als der Beste zu gelten hat. • Generisches Benchmarking umfasst Bereiche / Prozesse anderer Branchen und Funktionen, vorausgesetzt, es handelt sich bei ihnen um Best of the Best. Gerade die Vielfalt der Unternehmensgrößen, Organisationsformen, Produkte und Märkte bietet gute Ansatzpunkte zur Effizienzsteigerung und Findung innovativer Lösungen für eine Vergrößerung des Ideenspektrums.

8. Schnittstelle Marketing-Mix

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8. Schnittstelle Marketing-Mix Die strategische Absatzplanung ist der operativen systematisch vorgelagert. Mit dem Übergang ist jedoch verstärkt auf die produktartenbezogenen Spezifika (8.1) und die marktartenbezogenen Spezifika des Marketingansatzes (8.2) einzugehen. Zur operativen Bearbeitung stehen dann die Marketing-Mix-Instrumente (8.3) zur Verfügung.

8.1 Produktarten-spezifisches Marketing Die Absatzplanung hat vielfältige Produktarten zum Gegenstand. Eine mögliche Einteilung (Aspinwall) geht dabei von den Kriterien Dauer des Warenumschlags, Höhe der Gewinnspanne beim Anbieter, Suchdauer für Nachfrager, Gebrauchs- / ​ Verbrauchsdauer, Individualitätsbedarf, Vorliegen von Direktabsatz und Verzicht auf Vorverkauf aus und gelangt so zu • Roten Gütern mit geringer Ausprägung bei allen genannten Kriterien, z. B. Lebensmittel, • Orangenen Gütern mit mittlerer Ausprägung bei allen Kriterien, z. B. Herrenbekleidung, • Gelben Gütern mit hoher Ausprägung bei allen Kriterien, z. B. technische Gebrauchsgüter. Daraus ergeben sich dann Empfehlungen für die Absatzweggestaltung und die Werbeintensität, die jedoch weithin indeterminiert bleiben. Vor allem ist die Vollständigkeit, Redundanzfreiheit, Relevanz und Objektivität der angeführten Kriterien zu bezweifeln. Eine weitere Einteilung (Miracle) geht von den Kriterien Wert des Kaufobjekts, Kaufbedeutung für Abnehmer, Kaufaufwand, Änderungshäufigkeit, technische Komplexität, Serviceintensität, Kaufabstände, Nutzungsdauer und Verwendungsspezifität aus. Sie gelangt daraus zu den Produktarten • I mit sehr geringer Ausprägung bei allen genannten Kriterien, z. B. Haushaltswaren, • II mit geringer Ausprägung, z. B. Sportartikel, • III mit mittlerer Ausprägung, z. B. Möbel, • IV mit hoher Ausprägung, z. B. Personal Computer, • V mit sehr hoher Ausprägung, z. B. Investitionsgüter. Daraus ergeben sich Empfehlungen für die Produktdifferenzierung, Absatzweggestaltung, Sprungwerbung und Preispolitik. Auch hier bleibt fraglich, was gerade

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

die genannten Kriterien qualifiziert, für die Gestaltung des Marketing- und Vertriebs-Plans kritisch zu sein. Zudem kann damit die Vielfalt realer Produkte wohl nicht angemessen abgebildet werden. Kotler geht von einem „erweiterten Produkt“ (Augmented Product) aus. Danach bezieht sich der Marketing-Mix nicht mehr auf den Produktkern, sondern auch auf die produktbegleitenden Services (wie Kundendienste) und Wahrnehmungssurrogate (vor allem die Marke). Marketing hat die Maximierung des Nettonutzens als Summe aller Teilleistungen zum Ziel. Problematisch ist jedoch, dass der Produktkern immer austauschbarer wird. Daher werden zunehmend Kundendienste eingesetzt. Diese haben jedoch zwischenzeitlich großenteils Muss- oder Soll-Charakter und differenzieren daher nicht mehr wirksam. Ebenso ist die Marke immer weniger zur positiven Alleinstellung in der Lage (Brand Parity). Nach Zeithaml ist eine Einteilung der Produkte nach ihrer Leistungsbewertbarkeit und dem Bewertungszeitpunkt sinnvoll. Daraus ergeben sich folgende Eigenschaftskategorien: • Produkte mit dominanten Sucheigenschaften (Inspection Goods) sind solche, die über dem Abnehmer bereits vor dem Kauf zugängliche und beim Kauf und danach ihm bekannte Eigenschaften verfügen. Ihre Beschaffung ist weitgehend unproblematisch, da man sich vor Übervorteilung schützen kann. Daher sind aussagefähige, nachprüfbare Kenndaten erforderlich (z. B. technische Produkte). • Produkte mit dominanten Erlebniseigenschaften (Experience Goods) sind solche, deren Eigenschaften zwar vor dem Kauf nicht zugänglich sind, aber beim Kauf und danach erkennbar werden. Dies gilt für verbreitete Dienstleistungen, die erst in der konkreten Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager marktwirksam entstehen. Ihre Beschaffung ist durchaus risikoreich, da man erst nach dem Kaufabschluss weiß, worauf man sich eingelassen hat. Daher ist Sicherheit von hoher Bedeutung, vor allem durch Hands on Experience, also Ausprobieren, evtl. Probeüberlassung (z. B. Ge- und Verbrauchsgüter wie Nahrungsmittel, Computersoftware). • Produkte mit Erfahrungseigenschaften (Knowledge Goods) sind solche, deren Eigenschaften vor dem Kauf und auch beim Kauf zwar nicht zugänglich sind, wohl aber danach (z. B. Flugreise). Das Risiko der Beschaffung ist hoch, insofern sind risikovermindernde Aktivitäten anzutreffen, z. B. durch Referenzen. • Produkte mit dominanten Vertrauenseigenschaften (Credence Goods) sind solche, deren Eigenschaften weder vor dem Kauf, noch beim Kauf erkennbar sind und nicht einmal danach (z. B. Medikament). Hier ist das Risiko am höchsten, soll man sich doch auf etwas festlegen, was in seinen Leistungsmerkmalen nicht zugänglich ist. Daher wird ein Höchstmaß an Sicherheit angestrebt, z. B. durch Garantien, Rücktrittsmöglichkeiten etc. Jedes Produkt hat immer alle Eigenschaftsmerkmale, jedoch in jeweils unterschiedlichem Ausmaß. Je höher das empfundene Risiko aus Nachfragersicht, desto

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wichtiger sind Vertrauen und Reputation, da ansonsten Kaufwiderstand entsteht. Insofern ist es sinnvoll, möglichst vielen Angebotsbestandteilen Suchcharakter zu geben. Wird nach dem empfundenen Kaufrisiko und dem relativen Budgetaufwand beim Nachfrager für ein Kaufobjekt unterschieden, entstehen folgende Produktarten: • Speciality Goods (großer Budgetanteil / großes Kaufrisiko). Kennzeichen sind hohes Involvement, geringe Markttransparenz, geringes Selbstvertrauen des Käufers, Denkprozess vor dem Kauf durch Informationssuche. Dies sind komplexe Güter, die in großen Abständen selbst beschafft werden, wobei der Käufer beachtliche Kaufanstrengungen unternimmt. z. B. Eigentumswohnung, Auto, Luxusprodukte. • Preference Goods (bzw. Unsought Goods, mittlerer Budgetanteil / niedriges Kaufrisiko). Kennzeichen sind geringes Involvement, niedriger Einkaufsaufwand, geringe Markttrans­parenz, geringes Selbstvertrauen des Käufers, Denkprozess vor dem Kauf durch Informationssuche. Sie werden von Käufern relativ häufig beschafft, wobei diese nach Produktunterschieden suchen, um sich in der Angebotsvielfalt zu orientieren, z. B. Genussmittel, Selbstmedikation. • Shopping Goods (mittlerer Budgetanteil / mittleres Kaufrisiko). Kennzeichen sind hohes Involvement, hoher Einkaufsaufwand, große Markttransparenz, hohes Selbstvertrauen des Käufers, Denkprozess während des Kaufs durch Markenvergleich. Sie stellen relativ selten gekaufte Güter dar, bei denen der Käufer Preis- und Leistungsvergleiche durchführt, um sich abzusichern z. B. Möbel, Haushaltsgroßgeräte, Fernseher. • Convenience Goods (niedriger Budgetanteil / niedriges Kaufrisiko). Kennzeichen sind geringes Involvement, hohe Markttransparenz, hohes Selbstvertrauen des Käufers, Denkprozess während des Kaufs durch Markenvergleich. Sie werden von Käufern häufig und mit einem Minimum an Einkaufsaufwand beschafft und basieren großenteils auf programmierten Kaufentscheidungen, z. B. Grundnahrungsmittel, Reinigungsprodukte. Daraus ergibt sich eine Indikation der erforderlichen Intensität des MarketingMix-Einsatzes. Allerdings sind Kaufrisiko und Budgetanteil weniger vom Produkt als vielmehr vom Käufer abhängig, bei geringer subjektiver Markttransparenz steigt das Kaufrisiko, ebenso steigt der Budgetanteil bei geringer individueller verfügbarer Kaufkraft. Diese Einschränkungen machen den Ansatz letztlich wenig brauchbar. Nach dem Gesichtspunkt der Produktattraktivität wird in High-tech Goods und High-touch Goods unterschieden: • High-tech Goods sind solche Produktgruppen, die ein hohes technisches Niveau repräsentieren. Zu denken ist etwa an Produkte der Audio- und Videotechnik, Automobile, Fotogeräte, Personal Computer etc. Von ihnen geht als Symbol

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

technischen Fortschritts eine besondere Faszination aus, die von unterhaltend bis zu spielerisch oder gar infantil reicht. • Als High-touch Goods werden solche angesehen, die mit dem Körper in Berührung kommen, also etwa Bekleidung, Schmuck, Uhren, aber auch Tabakwaren etc. Diesen kommt angesichts der zunehmenden Anonymisierung des sozialen Umfelds und dem Erfordernis zur Setzung zutreffender Signale durch Produkte, vor allem Marken, immense soziale Bedeutung zu. Beide Produktgruppen scheinen von daher aus Sicht der Nachfrager hoch attraktiv. Zugleich will ihr Kaufentscheid gründlich überlegt sein, verpasst man doch sonst die Chance zur Nutzung des technischen Fortschritts oder gar der sozialen Profilierung zum eigenen Vorteil. Eng damit zusammen hängen die Begriffe der High Interest Goods und Low Interest Goods: • Während für High Interest Goods gerne ein großer Zeitaufwand in der Kauf-, und vor allem Vorkaufphase getrieben wird, gibt es andere Produktgruppen, die nur in weitaus geringerem Maß Nachfrager-Involvement zu fesseln vermögen. • Low Interest Goods betreffen etwa Produkte des täglichen, routinemäßigen Bedarfs, die wenig „Produkterotik“ implizieren, so Papiertaschentücher, Filtertüten, Grundnahrungsmittel, Streichhölzer, Toilettenreiniger etc. Mit dem Kauf derartiger Produkte beschäftigt man sich nur ungern und oberflächlich, was aufgrund der geringen dafür einzusetzenden Geldmittel auch akzeptabel scheint. In Bezug auf Einkommen, Kaufkraft und Budget werden volkswirtschaftlich inferiore und superiore Güter unterschieden: • Als inferior werden Produkte bezeichnet, deren Kaufkraftwirkung nur gering ist. Sie werden bei sinkendem Einkommen verstärkt nachgefragt, da sie Grundbedarfe befriedigen. Anders ist das bei superioren Produktgruppen. • Superiore Güter werden bei steigendem Einkommen verstärkt nachgefragt, da sie Zusatzbedarfe befriedigen. So ist die Preisbereitschaft für Tafelschokolade seit Jahrzehnten begrenzt, wohingegen bei den beliebten Schokoriegeln im gleichen Zeitraum deutlich höhere Preise durchsetzbar waren. Denn diese gehören aufgrund ihrer Eigenschaft zur Demonstration von Lifestyle der Gruppe der superioren Güter an, für deren Nutzen man eher bereit ist, Preisopfer zu erbringen. Eine weitere Unterteilung ist die in erklärungsbedürftige und problemlose Produkte: • Erklärungsbedürftige Produkte sind komplizierte und komplexe Angebote, wobei sich die Erklärung auf Zusammensetzung (Wirkung, Komposition, Effekt), Prozess (Verfahren, Technologie, Know-how) und Inhalt (Material, Rohstoff, Güte) bezieht. Die dazu erforderliche Erklärung kann durch unpersönliche Medien, z. B. Anzeige, Prospekt, Produktaufsteller oder im Persönlichen Verkauf gegeben werden.

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• Problemlose Produkte hingegen bedürfen zu ihrer Marktfähigkeit keiner besonderen Erläuterung, weil ihre Leistung bekannt, vielleicht sogar standardisiert, zumindest aber unproblematisch ist. So signalisiert die Bezeichnung Type 405 bei Mehl ein Produkt einer definierten Zusammensetzung, Weiße und Körnigkeit, die bei allen Angeboten, die diese Typenbezeichnung tragen, gleichermaßen gegeben sein müssen. Im Marketing ist es verbreitet das Ziel, problemlose Produkte zu erklärungsbedürftigen zu promovieren. Schließlich kann man in Abhängigkeit von der Nutzungsdauer nach langlebigen und kurzlebigen Gütern unterscheiden: • Bei langlebigen Gütern ist die Kaufentscheidung diffiziler, weil man mit den gekauften Produkten für eine längere Zeit auskommen muss. Das beim Kauf empfundene Risiko ist deshalb größer. Zur Verringerung des empfundenen Kaufrisikos werden daher oft kaufabsichernde Elemente wie Garantie, Warentestergebnis, Anzahlung etc. vorgesehen. • Bei kurzlebigen Gütern stellt sich der Kaufentscheid leichter dar, das Risiko ist geringer, weil Fehlentscheidungen schneller wieder korrigierbar sind. Hinsichtlich der Produktarten können im Wesentlichen Sachleistungen, Dienstleistungen und Wissensleistungen unterschieden werden. Sachleistungen sind stoffliche Ge- und Verbrauchsgüter. Marketingüberlegungen sind zumeist an diesen orientiert, obgleich sie nur noch einen vergleichsweise geringen Anteil am BIP ausmachen (primärer und sekundärer Sektor). Innerhalb der Sachleistungen erfolgt die Orientierung häufig wiederum an solchen, die für den privaten Ge-/ Verbrauch bestimmt sind (B-t-C / Konsumgüter). Aber der Anteil der gewerblichen Ge- / Verbrauchstransaktionen liegt um das zwei- bis dreifache höher (B-t-B / Produktivgüter). Dennoch treten dessen Erkenntnisse im Marketing dahinter zurück. Sachleistungen zeichnet gegenüber Dienst- und erst recht Wissensleistungen ihre Anfassbarkeit (Tangibilität) aus. Dies kann Vor-, aber auch Nachteil bedeuten. Durch die Produktgestalt wird die Wahrnehmung im Markt erleichtert. Durch die Anfassbarkeit ergeben sich Ansatzpunkte zur Thematisierung der Produktleistung. Aber die Anfassbarkeit erfordert eine physische Logistik. Von der Produktgestaltung kann angesichts erklärungsbedürftiger Produkte nur in geringem Maße auf deren Merkmale geschlossen werden. Bei der Art des Wahlentscheidung beim Kauf von Produkten kann wie folgt unterteilt werden: • Beim Spontankauf handelt es sich um Güter, die impulsiv, also ohne nähere Überlegung und Prüfung erstanden werden. Es liegt somit ein unmittelbar reiz­ gesteuertes, reaktives Verhalten auf dargebotene Reize vor. Außerdem begünstigen Persönlichkeitsmerkmale einen Impulskauf als Abweichung des geplanten vom gesamten Einkaufsvolumen.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

• Beim Gewohnheitskauf handelt es sich um Güterkäufe, die habitualisiert, also nach grundsätzlicher Entscheidung wiederholt gleichartig ausgeführt werden. Bei geringer kognitiver Steuerung werden verfestigte Verhaltensmuster in vorgefertigte Kaufentscheidungen umgesetzt. Habituelles Verhalten entsteht entweder durch die Adoption fremder Verhaltensmuster im Rahmen des Sozialisationsprozesses oder durch Beibehaltung bewährter, erfolgreicher Entscheidungen. • Beim Sozialkauf handelt es sich um Güter, die primär unter Fremdaspekten gekauft werden. Dies trifft für alle Produkte zu, die hohe Außenwirkung haben, weil sie stark mit der Person des Besitzers assoziiert werden. Der Kaufentscheid fällt hier nicht nur durch Einbeziehung der eigenen, endogenen Anforderungen, sondern gerade auch unter Berücksichtigung der Reaktionen des sozialen Umfelds. Ziele können dabei sowohl die bewusste Anpassung als auch Abhebung von diesem Bezugsfeld durch Produktnutzung sein. • Beim Preiskauf handelt es sich um Güter, bei denen ihr Preis von ausschlagge­ bender Bedeutung für den Wahlentscheid ist. Ihrem Charakter nach sind dies regelmäßig Grundnutzenprodukte mit unspektakulärer, als gesichert anzusehender Leistungsentfaltung, bei denen dementsprechend der Preis bei der Auswahl eine dominante Bedeutung hat. Besonderheiten gegenüber physischen Gütern ergeben sich bei digitalen Gütern. Sie haben Eigenschaften, die typisch für öffentliche Güter sind. Dazu gehören die Nicht-Rivalität im Gebrauch und das nicht-anwendbare Ausschlussprinzip. Digitale Güter sind zwar kostenaufwändig in der Herstellung, aber preisgünstig in der (Online-)Reproduktion. Online-Märkte erlauben es dabei, verschiedene Versionen eines Digitalguts herzustellen und damit abweichende Preisbereitschaften abzuschöpfen. Häufig besteht auch ein Angebotsüberschuss. Netzeffekte verdrängen das Knappheitsprinzip. Im Unterschied zu sinkenden Grenz- und Skalenerträgen bei physischen Produkten gibt es hier steigende Skalenerträge. Der Aufbau einer Kritischen Masse führt zu einer marktführenden Bedeutung als Standard. Daraus folgen hohe Wechselkosten und Lock in-Barrieren für Nutzer. Häufig sind auch systemkomplementäre Güter für die Nutzung erforderlich. Dadurch wächst der Marktvorsprung und monopolähnliche Strukturen entstehen (The Winner takes it all). Der Wert eines digitalen Guts steigt daher mit zunehmender Verbreitung. Die Grenzkosten hingegen sind für die Preisbemessung nebensächlich, da meist vernachlässigbar niedrig. Dienstleistungen sind allgemein Verrichtungen gegen Entgelt. Ihr Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung steigt mit wachsendem Wohlstandsniveau der Volkswirtschaft stetig an (siehe Kap. V 16). Von besonderer Bedeutung sind folgende Merkmale: • abstraktes und immaterielles Angebot, personengebundene für den Kunden erbrachte Leistung, entscheidende Qualifikation und Motivation der Mitarbeitenden, nicht lager- und nur ausnahmsweise transportfähig, einmalig bzw. schwer

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standardisierbar, konstante Produktqualität schwierig zu gewährleisten, kaufbestimmende Imagekomponenten, weil objektive Leistung oft nicht nachprüfbar ist, fremdbestimmter Arbeitsanfall als Haupt- oder Nebenleistung etc. Bei Dienstleistungen handelt es sich nicht um eine eigenständige Güterart, sondern um bestimmte Ausprägungen von privaten (B-t-C) und gewerblichen Leistungen (B-t-B). Häufig handelt es sich dabei um sekundäre Dienste (Kundendienste), die ihrerseits Sach- oder Dienstleistungen begleiten. Die Integration des Externen Faktors ist für die Erstellung der Dienstleistung eine unabdingbare Voraussetzung, ohne Externen Faktor kann die hergestellte Leistung nicht zur Dienstleistung transformiert werden. Der Externe Faktor ist damit zugleich ein limitierender Faktor. Die erforderliche Integration des Externen Faktors ist für das dienstleistungstypische Uno Actu-Prinzip, d. h. die Simultaneität in zeitlicher und räumlicher Hinsicht von Produktion und Übertragung, verantwortlich. Zur Erstellung der Dienstleistung ist der synchrone Kontakt von internen und externen Produktionsfaktoren erforderlich. Dem Externen Faktor wird daher eine gleich bedeutende Rolle zuteil wie analog dem Rohstoffeinsatz bei Sachleistungen oder Informationen bei Wissensleistungen. Die Externen Faktoren sind Produktionsfaktoren, die vom Abnehmer einzubringen sind. Sie sind und bleiben in aller Regel im Eigentum / Besitz des Abnehmers der Dienstleistung. Daraus ergeben sich Konsequenzen für integrative Lieferanten-Kunden-Beziehungen. Während der Diensteerstellung wird auf Externe Faktoren eingewirkt, die Dienstleistung erfolgt am Externen Faktor und führt dort zu einer Werterhöhung bzw. Nutzensteigerung. Unter Erfassungs- und Bewertungsaspekten lassen sich die Erscheinungsformen Externer Faktoren auf materielle und immaterielle Güter reduzieren. Immaterielle Güter sind dazu zu materialisieren. Die Entscheidungen über den Mitteleinsatz eines Dienstleisters werden zunehmend von den Modalitäten des Externen Faktors bestimmt. Der Output einer Dienstleistung wird mit und über die integrierten Mengen Externer Faktoren gemessen, meist als Produkt aus Menge Externer Faktoren und Anzahl der Leistungen (Stück, Zeit, Raum). Externe Faktoren können materielle Wirtschaftsgüter sein (z. B. Kleidungsstück bei der Reinigung, Auto bei der Waschanlage), Tiere (z. B. Zoo), immaterielle Wirtschaftsgüter (z. B. Informationen bei Consultants) oder Personen (z. B. Kino-, Fitnessclubbesucher). Wissensleistungen bilden heute den vierten betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktor / Sektor. Sie zeichnen sich durch eine Reihe von Besonderheiten aus. Der Zugang zu ihnen wird durch rechtliche Restriktionen, z. B. Urheberrechtsschutz, und technische Bindungen, z. B. Geräteschnittstellen, limitiert. Nur diese Barrieren führen dazu, dass Informationen produziert und bereitgestellt werden. Denn nur durch diese Verknappung besteht eine Zahlungsbereitschaft bei potenziellen Abnehmern. Informationsgüter stehen vorwiegend in digitaler Form zur Verfügung, und zwar offline (Datenträger) oder online (Datenleitung). Bei Informations­ produkten handelt es sich meist um Erfahrungsgüter, d. h., ob die gewünschte Information bereitgestellt wird, können Nachfrager erst beurteilen, nachdem sie

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

diese genutzt haben. Daher ist Reputation eine wichtige Steuergröße. Die Nutzung setzt aber normalerweise den Kauf voraus, es sei denn, es werden indirekte Einnahmequellen für den Anbieter erschlossen (z. B. Werbung, Provision). Informationsgüter sind quantitativ wie qualitativ abhängig von den Übertragungs- und Endgerätekapazitäten. Da die Anforderungen hier stetig steigen, ist ein hohes Maß an Obsoleszenz gegeben, verbunden mit der Notwendigkeit zu stetigen Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen. Um die unbefugte Nutzung von, grundsätzlich freien, Informationsinhalten zu vermeiden, ist ein Schutzrechtsmanagement nötig (Digital Rights, z. B. Nutzungsberechtigung / Paywall, Wiedergabehäufigkeit, Art der Wiedergabegeräte). Dieses stößt jedoch an enge Grenzen. Informationsgüter können räumlich und zeitlich unbegrenzt zur Verfügung gestellt werden, sind jedoch oft nur zeit- und raumbegrenzt von Relevanz. Da sich am Markt für gewöhnlich ein De facto-Standard durchsetzt, sind Schnelligkeit und Ubiquität zentral. Informationsgüter unterliegen Netzwerkeffekten, und zwar direkt, d. h., ihr individueller Nutzen steigt mit der Teilnehmerzahl im Netzwerk, als auch indirekt, d. h. durch Verbund mit komplementären Gütern. Zur Verbreitung ist dabei die Erreichung / Ü berschreitung einer Kritischen Masse erforderlich (Tipping Point). Die Kosten der Reproduktion und Distribution von Informationsgütern sind niedrigschwellig, sofern das „Original“ erst einmal erstellt ist. Netzwerkeffekte und First Copy-Kostendegression wirken gegenseitig verstärkend.

8.2 Marktarten-spezifisches Marketing Bei den Marktarten sind im Wesentlichen Konsumgüter-, Industriegüter- und Öffentliche Gütermärkte zu unterscheiden. Konsumgüter-Märkte betreffen Sach- und Dienstleistungen, die zum Gebrauch und / oder Verbrauch durch private Endabnehmer bestimmt sind und von Unternehmen angeboten werden (B-t-C). Sie sind vor allem durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet. Es herrschen oft irrationale Kaufmotive vor, d. h., Emotionen dominieren die Entscheidung. Dem Kauf liegt ein originärer Bedarf zugrunde, d. h., Produkte und Dienste werden für eigene Zwecke genutzt. Es handelt sich vorwiegend um Individualentscheidungen, die Privatpersonen für sich oder ihre Familie treffen. Es ist eine große Zahl von Bedarfsträgern mit differenzierten Anforderungen gegeben. Häufig sind Händler als Intermediäre im Absatzkanal zwischengeschaltet. Es herrschen anonyme Marktkontakte vor, d. h., der Anbieter weiß vergleichsweise wenig über seine Kunden. Folglich werden Marktsegmente gebildet, denen sich mehrere Nachfrager zuordnen können und die damit eine rentable Bearbeitung ermöglichen. Konsumentenmärkte sind durch intensive Werbeanstrengungen gekennzeichnet, die Pull-Aktivitäten entsprechen. Die angebotenen Produkte haben häufig Me too-Charakter, sind also nur selten innovativ. Konsumgütermärkte sind verbreitet durch intensiven Preiswettbewerb gekennzeichnet (Discountprinzip).

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Industriegüter-Märkte betreffen Sach- und Dienstleistungen, die von gewerblichen Endabnehmern, Weiterverarbeitern und Wiederverkäufern angeboten und nachgefragt werden (B-t-B). Dabei wird unterstellt, dass es marketingrelevante Abweichungen zwischen Kaufentscheidungen im privaten und im gewerblichen Bereich gibt. Dies ist jedoch in vielen Fällen durchaus zu hinterfragen, solange es Menschen sind, die darüber entscheiden. Industrielle Märkte sind überwiegend durch folgende Merkmale charakterisiert (s. u.). Es sind eine überschaubare Anzahl von Anbietern und eine beschränkte Zahl von Nachfragern im nicht-anonymen Markt gegeben. Dabei dominieren formalisierte Willensbildungsprozesse mit organisiertem, meist kollektivem Kaufentscheid im Buying Center. Es entstehen lange und harte Verhandlungsprozesse mit rationaler Entscheidungsfindung. Es ist von einem hohen Umsatzwert je Verkaufsakt infolge langer Kaufintervalle und hohen Warenwerts auszugehen. Ebenso ist ein bedeutsamer Projektwert im Budget des Nachfragers gegeben. Es ist ein kurzer Absatzweg meist im Direktvertrieb vorhanden. Es besteht eine starke Konjunkturempfindlichkeit vom Primärmarkt, da die Nachfrage eine abgeleitete Größe aus einem konsumnäheren Markt darstellt. Es ist eine umfangreiche Informationssuche verbreitet. Im Ergebnis erfolgt oft eine kundenindividuelle, sogar einmalige Leistungserstellung, meist als komplexe Hardware-Software-Kombination. Die endgültige Ausgestaltung erfolgt dabei meist erst unter Abnehmereinfluss. Weit verbreitet sind Anbieterkoalitionen mit Generalunternehmer und Subkontraktoren sowie Drittparteieneinfluss durch Experten. Es ist eine vergleichsweise hohe Stabilität der Marktpartnerbeziehungen gegeben. Dabei haben Referenzen eine große Bedeutung als Vorqualifikation. Die Auftragsvergabe basiert zumeist auf Ausschreibung mit Ausschlussfrist. Öffentliche Güter-Märkte betreffen Sach- und Dienstleistungen, die von staatlichen Institutionen unter Non Profit-Gesichtspunkten angeboten und von Privaten (A-t-C) und Gewerbetreibenden (A-t-B) nachgefragt werden. Diese Leistungen verfolgen nur bedarfsdeckende oder ideelle Ziele, was u. a. erheblichen Einfluss auf deren Preissetzung hat, die nicht auf Gewinnerzielung abstellt. Wichtige Kennzeichen sind dabei folgende. Das Angebot nimmt eine Monopol- oder zumindest Teilmonopolstellung ein. Interaktionen liegt öffentliches Recht zugrunde. Die Leistungsbereitstellung wird häufig staatlich finanziert oder zumindest subventioniert. Als Ziel der Betriebstätigkeit gilt die Bedarfsdeckung, nicht die Gewinnerzielung, erst recht nicht als Maximierung. Die Willensbildung erfolgt häufig durch Gremien im Wege multipersonaler Entscheide. Der Dienstweg ist die häufigste Ausrichtung.

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

8.3 Marketing-Mix-Instrumentarium Der Begriff „Marketing-Mix“ soll in Analogie zum Backen entstanden sein (McCarthy). Denn gerade so, wie es beim Backen darauf ankommt, die richtigen Zutaten in der richtigen Menge zur richtigen Zeit in richtiger Qualität und richtiger Reihenfolge zueinander zu mischen, so kommt es im Marketing darauf an, die relevanten Zutaten, die Marketing-Instrumente, mit der geeigneten Intensität und mit zweckmäßigem Timing in professioneller Weise im Zeitablauf zu kombinieren. Die Instrumente sind bildhaft mit dem Begriff der 4 Ps, stellvertretend für Product, Price, Place und Promotion, belegt. Im Grundsatz sind diese vier Instrumente seit ihrer „Erfindung“ in den 1950er Jahren, trotz mannigfacher Verfeinerungen, erhalten geblieben. Unter Marketing-Mix versteht man die zielgerichtete Koordination aller Marketing-Instrumente zu einer integrierten Kampagne. Hinsichtlich der Einteilung des Marketing-Mix hat sich der, auch hier verwendete, Vier-Instrumente-Ansatz (4 Ps) bis heute durchgesetzt. Es gibt durchaus aber mit einiger Berechtigung auch Drei- und Fünf-Instrumente-Ansätze. Drei-Instrumente-Ansätze kommen im Wesentlichen zustande, indem die Produkt- und die Preis-Teilinstrumente zusammengefasst werden. Autoren, die diese Auffassung vertreten, argumentieren, dass jegliches Angebot immer nur durch Produkt- und Preisdimensionen gemeinsam darstellbar ist. Allerdings leidet unter dieser Zusammenfassung womöglich die Differenziertheit der Erkenntnisse. Fünf-Instrumente-Ansätze kommen im Wesentlichen zustande, indem die Distributions- und die Verkaufsfunktion, ausnahmsweie auch die Preis- und die Konditionenfunktion aufgespalten werden. Angesichts der Verschiedenartigkeit der Unterteilungen kann von den Bezeichnungen „Produkt- und Programmpolitik“, „Preis- und Konditionenpolitik“, „Kommunikations- und Identitätspolitik“ sowie „Distributions- und Verkaufspolitik“ ausgegangen werden. Die Produkt- und Programmpolitik umfasst als Angebotsgestaltung alle Aktivitäten zur Bestimmung des Leistungsprogramms und der einzelnen Produkte eines Unternehmens. Sie unterteilt sich im Einzelnen in den Produktsubmix der Angebotsgestaltung sowie den Programmsubmix der Angebotsgestaltung. Die Preis- und Konditionenpolitik umfasst als Gegenleistungsgestaltung alle Aktivitäten zur Justierung optimaler Konditionen im Gegenzug für empfangene Leistungen. Sie unterteilt sich im Einzelnen in den Preissubmix der Gegen­ leistungsgestaltung sowie den Konditionensubmix der Gegenleistungsgestaltung. Die Kommunikations- und Identitätspolitik umfasst als Informationsgestaltung alle Aktivitäten zur zielgerichteten Einwirkung auf Kunden und andere Interessengruppen des Unternehmens. Sie unterteilt sich im Einzelnen in den Kom-

8. Schnittstelle Marketing-Mix

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munikationssubmix der Informationsgestaltung sowie den Identitätssubmix der Informationsgestaltung. Die Distributions- und Verkaufspolitik umfasst als Verfügbarkeitsgestaltung alle Aktivitäten zur effektiven Versorgung des Marktes mit Unternehmensleistungen. Sie unterteilt sich im Einzelnen in den Distributionssubmix der Verfügbarkeitsgestaltung sowie den Verkaufssubmix der Verfügbarkeitsgestaltung. In neuerer Zeit hat sich heraus kristallisiert, dass die vier Marketing-Mix-Instru­ mente zweckmäßigerweise in zwei Gruppen unterteilt werden können, erstens die Instrumente der Absatzvorbereitung, also die Angebots-, Gegenleistungs- und Informationsgestaltung, sowie zweitens das Instrument des Absatzvollzugs, also die Verfügbarkeitsgestaltung. In der Absatzvorbereitung werden, aufbauend auf Erkenntnissen der Marktforschung und des Käuferverhaltens und eingebunden in die Marketingstrategie und -koordination, die Grundlagen für den Markterfolg bestimmt. Daran an schließt sich erst die Phase des konkreten Absatzvollzugs. Im immer wichtiger werdenden Bereich des Dienstleistungsmarketing kann als fünftes P. die (absatzbezogene) Personalpolitik als erforderlich angesehen werden. Darüber hinaus gibt es dort noch die Ps der Prozesspolitik, denn Dienstleistungen sind marktfähige Verrichtungen, also Prozesse, und der Präsentationspolitik, das wegen der Immaterialität von Dienstleistungen von besonderer Bedeutung ist, insofern kommt man auf sieben Ps / Magrath. Der Marketingplan ist das solide Fundament des operativen Marketing. Jede Marketingaktivität im Instrumental-Mix ist kontraproduktiv, wenn sie nicht durch den Marketingplan gedeckt ist. Daher kann es erfolgreiches Marketing nur auf Basis eines ausgefuchsten Marketingplans geben. Dabei können mehrere Parameter (= Instrumente) zur Gestaltung des Marketing in unterschiedlicher Weise kombiniert werden (= Mix). Das operative Marketing ist gegenüber dem strategischen vor allem durch folgende Merkmale der Entscheidung gekennzeichnet: • Der Komplexitätsgrad der Entscheidungssituation bleibt meist niedrig. Das beinhaltete Risiko ist leichter fassbar bzw. überschaubar. Es handelt sich um wohl strukturierte Entscheidungssituationen. Die Entscheidungen sind nur mit limitierten Konsequenzen versehen. Der Detaillierungsgrad ist tendenziell hoch und spezifiziert. Der Input weist nur geringe individuelle Wertprämissen auf, der Output ist stabilen Normen unterworfen. Es herrschen eher kognitive Strukturen als analytisches Denken vor. Die Situation erlaubt eine Routinisierung von Verhalten. Aktuelle Störungen sind meist der Anlass für operative Entscheidungen. Im Gegensatz dazu ist Strategie die Entscheidung über eine Vorgehensweise zur Transformation eines angetroffenen Ist-Zustands in einen prospektiv gewünschten Soll-Zustand. Die Strategie ist damit der Weg zwischen dem Status quo der

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Kap. I: Strategische Marketing- und Vertriebsplanung

Gegenwart und der Zielsituation der Zukunft. Zugleich beinhaltet die Strategie Angaben darüber, wie ein Unternehmen diesen Weg zurückzulegen gedenkt. Vehikel auf diesem Weg der Strategie sind die Instrumente des Marketing-Mix. Die Gesamtheit aus Marketing-Ziel, Marketing-Strategie und Marketing-Mix ergibt die Marketing-Konzeption. Entsprechend den Vorgaben des Marketingplans werden die Instrumente des Marketing-Mix, die • Produkt- und Programmplanung der Angebotsleistung, • Preis- und Konditionenplanung der Gegenleistung, • Kommunikations- und Identitätsplanung der Information, • Distributions- und Verkaufsplanung der Verfügbarkeit gestaltet. Eine kohärente Ausrichtung dieser Instrumente ermöglicht die effektive und effiziente Erreichung der gesetzten Ziele, die wiederum Ausgangspunkt des darauf folgenden, operativen Marketing- und Vertriebsplans sind.

Kapitel II

Operative Produkt- und Programmplanung Aus der strategischen Marketing- und Vertriebsplanung folgt logisch die operative Maßnahmenplanung. Dafür stehen die genannten vier Marketing-Mix-Ins­ trumente zur Verfügung. Der Angebotsleistung wird dabei vielfach eine besonders hohe Bedeutung zugemessen. Dies kann hier nicht bestätigt werden, vielmehr wird diese Position hier der Vertriebsleistung zugeschrieben. Dennoch umfasst die Angebotspolitik unzweifelhaft zentrale Elemente des Marketing-Mix, und zwar im Rahmen der Produktplanung sowohl als auch im Rahmen der Programmplanung. Zur Produktplanung gehört die Bedeutung des Markenartikels für den Markterfolg (1.). Für die Betrachtung wird im Weiteren chronologisch vorgegangen, von der Produktinnovation (2.) über die technische Umsetzung von Neuerungen (3.) bis zur eigentlichen Produkteinführung (4.) und zur Produktpflege im Zeitablauf (5.). Wird nicht das einzelne Produkt betrachtet, sondern die Gesamtheit der Produkte eines Anbieters, handelt es sich um sein Programm, das nach verschiedenen Dimensionen strukturierbar ist (6.). Wesentliche Erfolgsfaktoren sind weiterhin die produktumschließende Packung (7.), der produktbegleitende Kundendienst (8.) und die untadelige Produktqualität (9.). Diese werden im Folgenden näher betrachtet.

1. Bedeutung des Markenartikels Produkte, die mit einem Markenabsender versehen sind, werden Markenartikel genannt. Dies ist von zentraler Bedeutung, denn ohne Markenartikel gibt es kein Marketing. Dazu werden die Elemente des Markenartikels (1.1) und die Markenführung (1.2) diskutiert. Jedoch ist kaum ein Begriff so vielschichtig und diffus wie der des Markenartikels. Dementsprechend werden von Autoren ganz verschiedenartige Definitionen gesehen. Per Saldo ergeben sich dabei die im Folgenden genannten Markendimensionen.

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

1.1 Elemente 1.1.1 Markeninhalte Als Markeninhalte sind gemeinhin definiert: • Einheitliche Aufmachung, obgleich im Zeitablauf beinahe unmerklich variierend. Dies meint keinesfalls eine Starrheit im Auftritt, sondern ganz im Gegenteil eine kontinuierliche Flexibilität, die sich Zeitströmungen anpasst, ohne dabei ihre Unverwechselbarkeit zu verlieren. Beispiele sind Persil oder Nivea als Klassiker. • Gleich bleibende oder verbesserte Qualität, Quantität und Preisstellung. Dies meint das Bemühen um eine stetig gesteigerte Leistungsfähigkeit, eine nachfragegerechtere Mengendimensionierung und damit ein günstigeres Preis-Leistungs-Verhältnis für ein Angebot, die durch planmäßige Aktivitäten angestrebt und gewährleistet werden. • Standardisierte Fertigware für differenzierten Massen- sowie Einzelbedarf. Dies meint, dass es sich um ein prinzipiell gleichartiges Serienprodukt handelt, dessen Profil durch bestimmte Angebotsmerkmale auf intendierte Marktsegmente zugeschnitten ist. Dies erschwert die Einbeziehung von Roh- und Halbstoffen und engt Dienstleistungen ein. Allerdings können Markenartikel durchaus auch teil- oder vollindividualisiert sein (z. B. Bei Dienstleistungen). • Warenzeichen zur durchgängigen Kennzeichnung. Dies meint, dass alle Kommunikationsaktivitäten einheitlich mit einem eigenständigen Markenzeichen gekennzeichnet sind, gleich ob auf der Ausstattung, dem Produkt selbst oder in Werbemitteln. Das Warenzeichen wird auch als Logo bezeichnet. • Eigenschaftszusage über systematische Kommunikationsmaßnahmen. Dies meint, dass mit Hilfe substanzieller Werbeaktivitäten konsistente Botschaften über die spezifische Leistungsfähigkeit des Markenangebots verbreitet werden, die aus Publikumssicht als Garantieaussagen zu verstehen sind. • Systematische Distribution im gewählten Verbreitungsgebiet. Dies meint die planmäßige Distribution des Markenartikels innerhalb eines definierten Absatzgebiets und / oder -kanals. Der Grad der Erhältlichkeit kann dabei von Ubiquität wie bei Zigaretten, Zeitschriften, Erfrischungsgetränken, Schokoladenriegeln bis zur Exklusion, z. B. bei Formen des Kontraktmarketings, reichen. • Hohe Bekanntheit und Anerkennung im Markt. Dies meint einen hinreichenden formalen Bekanntheitsgrad der Marke verbunden mit inhaltlicher Aufladung in Bezug auf Angebotsanspruch, Nutzenversprechen und Imageausstrahlung innerhalb der anvisierten Zielgruppe. Geteilt ist die Meinung darüber, ob der Erfolg ein Kriterium des Markenartikels ist oder ob dieser sich erst als Resultante des bewährten Einsatzes der übrigen In-

1. Bedeutung des Markenartikels

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halte ergibt. Gleiches gilt für das Kriterium Ökologie, die konstitutiv vorausgesetzt wird. Angebote, die diese Kriterien erfüllen, nennt man Marken / Markenartikel. Sie sind unverzichtbare Voraussetzung für die Möglichkeit zu jeglichem Marketing. Sie aufzubauen ist allerdings mühselig und aufwändig. 1.1.2 Markeneigenschaften Der Aufbau einer Marke ist mit erheblichen Marketinginvestitionen verbunden. Demnach müssen nennenswerte Vorteile im Markt vorhanden sein, die diese aufwändige Strategie rechtfertigen. Als solche Markeneigenschaften sind anbieterseitig zu nennen: • Schaffung eines Kommunikationsmittels vom Hersteller zum Zwischen- oder Endabnehmer. Das Vorhandensein einer Marke ermöglicht erst den Dialog des Herstellers mit seinen Abnehmern, denn ohne ein profiliertes Angebot fehlt die gemeinsame Kommunikationsbasis. • Augenfällige Differenzierung zu Wettbewerbsangeboten. Die Prägnanz einer Marke erlaubt die positive Abgrenzung des eigenen Angebots zu denen der Konkurrenz und damit dessen Hervorhebung durch erkennbare Leistungsausprägungen. • Präferenzbildung zugunsten des eigenen Angebots. Die Marke ermöglicht insofern die Ausbildung von Präferenzen, die das eigene Angebot günstiger darstellen als das des Mitbewerbs und infolge zu dessen wünschenswerter Abwertung im fairen Parallelwettbewerb führen. • Aufbau von Markenbindung und Markentreue. Dadurch wiederum wird die bewusste Loyalität zu einem Angebot bei Übereinstimmung zwischen den subjektiven Erwartungen und der Markenleistung ermöglicht. Diese Produktzufriedenheit kann bis zur Exklusivverwendung führen. Daraus folgen anbieterseitige Vorteile: • Erreichung eines Preissetzungsspielraums. Diese Bindung ermöglicht ihrerseits die Nutzung der daraus resultierenden geringeren Preiselastizität der Nachfrage für die Ausschöpfung höherer Erlöse im Markt, ohne dass Kunden gleich zum Mitbewerb abwandern. • Voraussetzung für Absatzsicherung bzw. -ausweitung. Durch die hohe Markenbindung und Marktausschöpfung kann die Absatzbasis nachhaltig gesichert, womöglich sogar ausgeweitet werden. Man kann davon ausgehen, dass ein hoher Anteil des Publikums das Produkt in regelmäßigen Abständen wiederkauft. • Marktplanbarkeit und Planerfüllungswahrscheinlichkeit. Die hohen Investitionen, die mit der Einführung und Pflege einer Marke verbunden sind, werden vor dem Hintergrund der Planabsicherung durch die Marke leichter tragbar.

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

• Möglichkeit des Zielgruppenmarketings. Weiterhin ermöglicht die Marke durch ihr ausgeprägtes Profil erst die Segmentierung des Gesamtmarkts über den Einsatz eines differenzierten Marketinginstrumentariums zur Erfüllung der Unternehmensziele. Hinzu kommen nachfragerseitige Markeneigenschaften wie folgt: • Orientierungshilfe in der Angebotsvielfalt. Durch die Ausbildung einer Rangordnung innerhalb objektiv gleichartiger Angebote wird die Orientierung in der zunehmenden Vielzahl von Produkten erleichtert. Marken schaffen damit Übersicht am Markt und helfen Nachfragern bei der Kategorisierung der Wahl­alternativen. • Wiedererkennbarkeit und Wiederholungskaufchance. Die Markierung der derart präferierten Angebote ermöglicht sodann die Wiedererkennbarkeit dieses bestimmten Angebots und bietet damit überhaupt erst die Chance zum Wiederholungskauf. • Sicherheit beim Kauf. Diese Übersicht erzeugt Kaufsicherheit hinsichtlich des zu investierenden Geldbetrags in dem Maße, dass bewusst eine Marke anderen wegen ihres im Vorhinein bekannten Leistungsprofils vorgezogen wird. • Möglichkeit zur individuellen Bedarfsbefriedigung. Indem unter mehreren, präg­ nant und kompetent profilierten Marken genau die wählbar wird, die den eigenen Zielvorstellungen am besten entspricht, kann der bestmögliche Nutzen für private und organisationale Nachfrager erreicht werden. Bereits 1939 hat der Markentechniker Hans Domizlaff Regeln für die natür­liche Markenbildung formuliert, denen man aus heutiger Sicht immer noch größtenteils zustimmen kann: – Die Voraussetzung für natürliche Markenbildung ist die Warenqualität. – Nicht die Preisfrage entscheidet in erster Linie, sondern das Vertrauen in die Qualität. – Zukunftssichere Markenwaren müssen im Konkurrenzkampf sehr scharf kalkuliert werden. – In den Anfangszeiten einer natürlichen Markenbildung ist jede laute Reklame gefährlich. Dagegen sind sachliche Begründungen der Qualität wertvoll, die es der öffentlichen Meinung ermöglichen, eine günstige Stellungnahme sich selbst und anderen gegenüber zu vertreten. – Forcierter Verkauf an die Verbraucher wirkt bei der Einführung einer Markenware gefährlich. – Der Stil der Markentechnik ist der Stil einer unaufdringlichen Vornehmheit und einer selbstsicheren Würde nach dem Maßstab des zugehörigen Marktes. – Strengste Gleichmäßigkeit der Beschaffenheit ist die Vorbedingung für die Lebenssicherheit einer Markenware.

1. Bedeutung des Markenartikels

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– Die Gleichförmigkeit der Verpackung oder Aufmachung bedeutet eine augenscheinliche Sicherheit bzgl. der unbedingt verlangten Gleichförmigkeit der Warenbeschaffenheit. – Die Verkaufseinheit ist ein wesentliches Merkmal einer Ware, die ein blindes Qualitätsvertrauen voraussetzen will. Je kleiner die Zahl der Verkaufseinheiten, desto stärker die Unverkennbarkeit der Markenware. – Die Unveränderlichkeit einer sachlich und psychologisch gewonnenen Preiseinheit ist ein wichtiger Bestandteil des Markenbegriffs. – Das Vorrecht auf einen Markenartikel muss durch eine Bezeichnung geschützt werden, die nicht nachgeahmt werden kann. Bereits der Name eines Händlers wirkt sich auf eine unverlierbare Qualitätsgarantie aus. – Eine Markenware ist das Erzeugnis einer Persönlichkeit und wird am stärksten durch den Stempel einer Persönlichkeit gestützt. – Die Verwendung eines Namens muss auf ein einziges Erzeugnis oder auf eine möglichst konzentrierte Idee beschränkt werden. – Markenwaren sind schöpferische Leistungen eines kaufmännischen Unternehmertums, das sich die technischen Voraussetzungen zu sichern weiß. – Das Ziel der Markentechnik ist die Sicherung einer Monopolstellung in der Psyche der Verbraucher. Der Ausgangspunkt ist die markentechnische Erfindung, die auch, wie jede technische Erfindung, nur auf einer Besonderheit beruhen kann. Es handelt sich dabei, mehr oder weniger ergänzt durch materielle Vervollkommungen, um eine erhöhte psychologische Zweckerfüllung. – Ein geschriebener oder gedruckter Name bedarf einer optischen Ergänzung von besonderer Eindringlichkeit. Dies ist die Handelsmarke, die stets in Verbindung mit einem Namen gebracht werden muss. Ihre Formung soll, um dem Sinn der optischen Wirkung gerecht zu werden, würdig als Symbol, charakteristisch zur Vermeidung von Verwechslungen und leicht fasslich sein. – Der Markt beweist durch seine eigenen Wertprägungen eine Vorliebe für einfache, sachliche Bezeichnungen von Marken, die in einem sinnfälligen Zusammenhang mit der Ware stehen. – Eine Firma hat eine Marke. Zwei Marken sind zwei Firmen. – Markengesetze sind Naturgesetze. – Eine Marke hat ein Gesicht wie ein Mensch. Der Wert eines Markenartikels beruht auf dem Vertrautsein des Verbrauchers mit dem Gesicht des Markenartikels. Das Markengesicht ist ein Zusammenklang sämtlicher wesentlicher Besonderheiten und Eigenschaften des Markenartikels, die nach erfolgreicher Einführung nicht mehr getrennt werden dürfen. – Starke Einführungsreklame wird zu einem untrennbaren Bestandteil des Markengesichts und kann deshalb auch später niemals eingespart werden.

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

– Die Einführungsarbeit einer Markenware ist Sache des Verkaufsapparats. Dabei ist jedoch zu beachten, dass ebenso wie eigenwillige Reklame auch alle ansonsten erborgten Machtmittel außer der suggesiven Kraft der reinen Verkaufskunst Abwehrinstinke des Marktes wachrufen können. Daraus leiten sich wichtige Markenfunktionen ab: • Der Markenartikel ist nicht anonym. Er repräsentiert vielmehr die dahinter stehende Markenpersönlichkeit, die Vertrauen, Verlässlichkeit, Ansehen und auch Respekt im gesellschaftlichen Raum genießt (= Kommunikationsfunktion). • Der Markenartikel ist langfristig konzipiert, und er besitzt ein eigenständiges Produktprofil. In Bezug auf Qualität, Preis und Service kommt ihm in seiner Gruppe eine Leitfunktion zu. Durch Leistung und kontinuierlichen Markenauftritt schafft er Vertrauen bei den Verwendern (= Identifikationsfunktion). • Der Markenartikel geht mit der Zeit, denn Produktion und Forschung haben hohes Niveau und können veränderte Verbraucherbedürfnisse angemessen berücksichtigen. Der Markenartikel erntet dadurch langfristigen Markterfolg und hohe Bekanntheit (= Bindungsfunktion). • Der Markenartikel garantiert eine stabile, meist überregionale Versorgung, bequemen Einkauf und fachkundigen Service (= Marktsegmentierungsfunktion). Diese vereinfacht den Kaufentscheid und sichert ein vorteilhaftes Preis-Leistungs-Verhältnis. • Der Markenartikel fördert den Wettbewerb. Er ist das beste Mittel gegen ein eintöniges Marktangebot. Markenartikel können auch größere Abnehmergruppen ansprechen und garantieren durch rationelle Fertigung einen angemessenen Preis (= Individualisierungsfunktion). • Der Markenartikel verhindert Produktenttäuschungen. Durch seine hohe Produktqualität verschafft er seinen Käufern positive Erfahrungen. Darüber informiert der Absender (Hersteller) seine Marktpartner Handel sowie gewerbliche und private Endabnehmer durch Markenwerbung und Verkaufsförderung (= Garantiefunktion). • Markenartikel setzen Maßstäbe für wirtschaftlichen und technischen Fortschritt. Durch die Innovationskraft und Produktkompetenz der Hersteller prägen sie in hohem Maße die modernen Märkte (= Schutzfunktion). Dabei respektieren sie ökologische, soziale und ethische Standards. 1.1.3 Name / Zeichen Die Marke ist der Name eines Produkts, so wie die Firma der Name einer Unternehmung ist. Es werden vielfältige Anforderungen an den Markennamen gestellt, u. a., dass er

1. Bedeutung des Markenartikels

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• einprägsam, leicht erkennbar, • eindeutig, unverwechselbar, • sprachbezogen, kurzsilbig, • produkt- und leistungsbezogen identifizierbar, • wohlklingend, positiv anmutend, • suggestiv, aufmerksamkeits- und aktivierungsstark, • dauerhaft und • überregional ist. Gerade die Internationalisierung von Marken birgt gravierende Probleme. Beispiele sind die gescheiterte Einführung des im Ursprungsland erfolgreichen irischen Whiskeys Irish Mist im deutschsprachigen Raum. Ähnliches gilt für den Rolls Royce Silver Mist bzw. die Doppelbedeutung des Modellnamens Pinto für ein Auto aus dem Hause Ford im Spanischen. Oder ebenfalls im Spanischen das Scheitern des neuen Gillette Rasierers Nova (= No va). Schließlich gibt es auch Rechtsprobleme. So gehört in Großbritannien der Markenname Persil nicht zu Henkel, sondern zum Konkurrenten Unilever als Folge der Nachkriegswirren, in Frankreich heißt Persil aus ähnlichen Gründen Le Chat. Markennamen stehen in enger Verbindung zum Produkt und ergeben sich in Zusammenhang mit dessen: – Anlass (z. B. Barcelona Chair), Aktualität (z. B. Die Aktuelle), Alter (z. B. ­Asbach uralt), Auftraggeber (z. B. Kurland Porzellan), Designer (z. B. Gropius Stuhl), Exklusivität (z. B. Mercedes S-Klasse), Farbe (z. B. Milka), Form (z. B. Eve Slimline 120, „Damenzigarette“), Gattung (z. B. Nescafé), Geschmack (z. B. Mildessa), Gewicht (z. B. Babybel), Größe (z. B. Knirps), Haltbarkeit (z. B. Nirosta), Herkunft (z. B. Bad Reichenhaller Spezialsalz), Gründer (z. B. Ferrari), ingedrienten Bestandteilen (z. B. Nuts), Konsistenz (z. B. Flora Soft), Nutzen (z. B. Wisch und weg), Qualität (z. B. Lord extra Edelzigarette), Sortiments­ zugehörigkeit (z. B. 3-er, 5-er, 7-er BMW), Verwender (z. B. Kinderschokolade), Verwendungsbereich (z. B. Spüli), Verwendungsdauer (z. B. Longlife Lederpflege), Verwendungsort (z. B. Walkman), Verwendungszeit (z. B. Jacobs Night and Day), Vielseitigkeit (z. B. … universal), Eine weitere Einteilungsmöglichkeit ergibt sich aus der Art des Markennamens in solche: • deskriptiver Natur (z. B. Bergbauern-Milch, Obstgarten, Fruchtzwerge, Head & ​ Shoulders), • assoziativer Natur (z. B. Schauma, Whiskas, Brekkies, Meister Proper), • artifizieller Natur (z. B. Persil, Nivea, Sheba, Timotei, Ariel).

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

Die Marke kann vielfältige Modalitäten annehmen. Nach dem Markengesetz unterscheidet man nachfolgende schutzfähige Markenzeichen: • Wortmarke, die durch die Typo nach Zeichensatz, Stil, Größe, Farbe etc. zum Ausdruck kommt (z. B. Coca-Cola, 4711, Mustang), • Bildmarke, die durch ein zweidimensionales Symbol zum Ausdruck kommt (z. B. Mercedes-Stern, Teekanne, Nike Swoosh), • kombinierte Wort- und Bildmarke (z. B. Nürnberger Versicherung, Targo-Bank). • Bewegungsmarke, sie kommt durch die Abbildung eines dynamischen Ablaufs zustande, • Hologrammmarke, sie erzeugt einen 3-D-Eindruck in zweidimensionaler Ebene (z. B. Fiat-Logo), • Mustermarke, hierbei kommt es zu einem Markenzeichen-Rapport auf der ­Fläche, • Formmarke als dreidimensionale Raumdarstellung, z. B. Lindt-Osterhase, Ritter Sport-Tafel, • Klangmarke, sie besteht aus Tönen / Melodie, z. B. Audi Sound-Logo, • Kennfadenmarke, hier erfolgt eine Herkunftskennzeichnung entlang der Warenlänge, z. B. auf Kabeln, Röhren, • Farbmarke als konturlose Farbflächen, z. B. Telekom Magenta, Nivea Blau, ADAC-Gelb, • Positionsmarke als Kennzeichnung immer an der gleichen Stelle, in gleicher Größe / Größenrelation am Produkt), • Multimediamarke (Kombination aus Bewegtbild / Standbild und Ton), • Tastmarke (haptische Kennzeichnung, etwa auf Oberflächen, durch Textur, z. B. Underberg-Einschlagpapier, • Geruchsmarke zur olfaktorischen Kennzeichnung als Hauptfaktor bei Duft­ produkten oder als Nebenfaktor. Wichtig ist dabei, dass das Markenzeichen auch bei Veränderung, also Vergrößerung, Verkleinerung, Negativ-, Positivabbildung, Einfarbigkeit, Mehrfarbigkeit, typisch und wirksam bleibt. Klassische Marken haben Eigenschaften, wie man sie sonst nur Menschen zuerkennt. Man spricht daher völlig zu Recht auch von Markenpersönlichkeiten, die Charakterzüge tragen, die nurmehr mit Begriffen zu umschreiben sind, mit denen man Personen seines sozialen Umfelds zu beschreiben sucht. Marken werden Teil des täglichen Lebens und begleiten Menschen häufig über lange, wechselhafte Zeitläufe.

1. Bedeutung des Markenartikels

363

Traditionsreiche Marken sind folgende: – Coca-Cola seit 1886, Maggi 1887, Dr. Oetker 1892, Leibniz 1892, Odol 1983, Aspirin 1899, Erdal 1901, Leukoplast 1901, Milka 1901, Vivil 1902, Ovomaltine 1904, Kaffee Hag 1906, Kellogg’s 1906, Asbach Uralt 1907, Persil 1907, Tesa 1907, Melitta 1908, Toblerone 1908, Palmolive 1911, Bärenmarke 1912, Nivea 1912.

1.2 Markenführung 1.2.1 Horizontale Markenarten Die Markenstrategie beinhaltet die Führung von Marken zueinander (siehe Abbildung 69: Markenarten). Zu unterscheiden sind dabei u. a. die Dach-/Firmenmarke, die Familien-/Rangemarke, die Produkt-Monomarke und die ProduktMulti­marke. Zunächst zur Dach-/Firmenmarke. In diesem Fall umfasst die Marke das gesamte Angebotsprogramm eines Herstellers (Beispiel: Bahlsen, Dr. Oetker). Der Profilierungsaufwand der Marke wird also von allen Produkten gemeinsam getragen. Umgekehrt profitiert auch jedes Produkt von der formalen Bekanntheit und inhaltlichen Vertrautheit der Dach-/Firmenmarke. Markeninvestitionen sind somit nicht auf den Lebenszyklus einzelner Produkte beschränkt und gehen danach verloren. Ein Beispiel sind die verschiedenen Produkte von Frosch zum Putzen (Universalreiniger, Scheuermittel, Glasreiniger, Holzreiniger, Küchenreiniger, Badreiniger, WC-Reiniger) und Waschen (Waschmittel, Waschpulver, Wäsche-Vorbereitung, Waschmaschinenreiniger, Weichspüler), die alle unter der Dachmarke Frosch auftreten.

Abbildung 69: Markenarten

Bei der Familien-/Rangemarke trägt ein bestimmter Programmausschnitt die gleiche Absenderkennzeichnung (Beispiele: Nivea, Milka). Ein Hersteller verfügt dabei über mindestens zwei Ranges oder (schwieriger) eine Range und weitere Produkte. Die Kosten der Markenbildung und -pflege können durch Synergie­effekte geringer gehalten werden und starke Marken lassen sich durch Imagetransfer auf

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

neue Produkte „melken“. Eine Verjüngung ist durch neue und leistungsfähige Produktderivate möglich. Man kann zwischen echten und unechten Rangemarken unterscheiden. Letztere haben eine Einzelmarke als Ursprung und sind im Laufe der Zeit erst durch Produktdifferenzierung bzw. -diversifikation entstanden. Als Beispiele dafür gelten Milka (Ursprung Tafelschokolade), Nivea (Ursprung Hautcreme) oder Mars (Ursprung Weichriegel). Ein Beispiel echter Rangemarken ist Celebrations von Mars, bestehend aus Miniriegeln im Pralinenformat von Bounty, Snickers, Twix, Milky Way, Mars etc. Ein Beispiel unechter Rangemarken ist Syoss (Henkel), das mit Haarshampoo (Spülung / Kur) mit professionellem Anspruch gestartet ist und nunmehr ein tief gestaffeltes Programm mit Haarfärbung (Glow, Intense, Öl etc.) und Haarstyling (Gel, Spray, Wax, Schaumfestiger etc.) umfasst. Bei der Produkt-Monomarke besteht das Unternehmensprogramm im Wesentlichen nur aus einer Produktmarke (Beispiele: Jägermeister / Mast, Idee Kaffee /  Darboven). Die volle Konzentration auf eine Produktmarke verhindert eine Zersplitterung des Budgets, und es entsteht ein klares Profil bei Absatzmittlern. Außerdem findet keine gegenseitige Kannibalisierung differenzierter Produkte im Programm statt. Bei JDE Peet’s (früher KJS) besteht das Kaffeeprogramm im Wesentlichen aus Jacobs Filterkaffee. Dieser wird in verschiedenen Versionen (Programmtiefe) angeboten, so als Krönung Klassik, Krönung Balance, Krönung Mild, Krönung Kräftig, Krönung Entkoffeiniert, Krönung Auslese, Meisterkrönung, aber auch als Kapseln und Kaffeebohnen. Bei der Produkt-Multimarke verfügt ein Hersteller über mehrere Marken und jedes Produkt wird eigenständig markiert (Beispiel: Vidal Sassoon, Shamtu Two in One / P & G). Somit ist eine gezielte Ansprache definierter Kundensegmente möglich. Auch muss auf keine Verbundwirkungen der Marken Rücksicht genommen werden (etwa bei Flopps). Markenwechsler können durch die Produktvarietät im Programm gehalten werden, ohne sie an Wettbewerber zu verlieren, insb. können durch Price off-Marken preisaggressive Angebote ferngehalten werden. Das Ferrero-Multimarken-Programm umfasst u. a. folgende Einzelmarken: – Mon Cherie, Ferrero Rocher, Ferrero Küsschen, Die Besten von Ferrero, ­Raffaello, Giotto, Pocket Coffee, Ferrero Garden, – Kinder Schokolade, Kinder Riegel, Kinder Überraschung, Kinder Joy, Kinder Bueno, Kinder Country, Kinder Schokobons, Kinder Happy Hippo, Kinder Friends, – Milchschnitte, Kinder Pingui, Kinder, Kinder Maxi King, Kinder Chocofresh, – Nutella, Nutella & GO, tic tac.

1. Bedeutung des Markenartikels

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1.2.2 Vertikale Markenarten Unter Zweitmarke versteht man die Marke eines Herstellers, die dieser unterhalb seiner Erstmarke positioniert (Beispiel: Spee zu Persil bei Henkel). Dies ermöglicht die bessere Ausschöpfung des Marktpotenzials. Die Umsetzung gelingt über Rationalisierungs-/Erfahrungskurveneffekte. Allerdings sollte der Zusammenhang zur Erstmarke nicht ruchbar werden. Schwache Zweitmarken drohen zudem, durch erfolgreiche Handelsmarken verdrängt zu werden. Als Zweitmarke im Hotelkonzern Accor firmiert die Novotel-Gruppe in ­Relation zur Erstmarke Mercure. Bei Hotels lässt sich die Abstufung sehr gut an der zugeordneten Sternekategorie ablesen. Eine Drittmarke ist noch unterhalb der Zweitmarke eines Herstellers positioniert und soll Nachfragersegmente mit geringster Preisbereitschaft abschöpfen (Beispiel: Weißer Riese / Henkel). Allerdings geraten diese in zunehmenden Verdrängungswettbewerb gegenüber Handelsmarken einerseits und Gattungsware andererseits. Denn sie bieten kaum bessere Leistung als erstere, dafür aber mutmaßlich schlechtere Spannen, weshalb sie für den Handel wenig lukrativ sind. Und preissensitive Verbraucher wählen konsequenterweise gleich letztere, weil dadurch ihrer Preispräferenz am besten entsprochen wird. Als Drittmarke im Hotelkonzern Accor firmiert die Ibis-Gruppe, dort in den Abstufungen Ibis (Preis-Leistungs-Anführer), Ibis Budget (Basiskomfort) und Ibis Styles (Best Price Designhotels). Oft wird die Distribution einer Drittmarke auch auf bestimmte große Absatz­ kanäle begrenzt, so Impulsmärkte oder LEH-Ketten wie Edeka mit Sekt Schloß Königstein von Henkell Sektkellerei. Dann können einige Nachteile zum Vorteil von Hersteller und Handel vermieden werden. Die Premiummarke ist oberhalb der Erstmarke eines Herstellers positioniert und schöpft die höhere Preisbereitschaft imagedeterminierter Nachfragersegmente ab (Beispiel: Menger-Krug von Sektkellerei Henkell). Dabei wird eine Premiummarke an der obersten Spitze der Leistungshierarchie platziert und repräsentiert diese auch im Preis. In dem Maße wie sich daraus ein hochwertiges Image ableitet, nutzt der Handel diese Premiummarke zur eigenen Profilierung der Geschäftsstätte, meist über Sonderangebot. Dadurch wird das Produkt popularisiert. Da zudem generell ein steigendes Konsumniveau zu verzeichnen ist, steigt die Nachfrage danach an. In gleichem Maße aber wird das Produkt „heruntergezogen“. An der Spitze der Pyramide wird Platz für eine neue Premiummarke, welche die Stelle der alten einnimmt. Bis auch diese eine vorher zwar nicht beabsichtigte, aber wohl unvermeidliche Marktbreite erhält und ihrerseits Platz für eine neue Premiummarke schafft. Diesen Prozess nennt man Cascading. Dies ist im Pilsmarkt zu beobachten. Zunächst war König Pilsener als Premium­ marke im Biermarkt unumstritten. In dem Maße, wie Köpi jedoch in Getränke-

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

märkten etc. kastenweise im Sonderangebot offeriert wurde, war Platz für Nachfolger. Hier sind nun nacheinander Krombacher, Beck’s, Veltins, Warsteiner, Bitburger und Veltins angetreten. Die Luxusmarke ist noch oberhalb der Premiummarke postiert. Sie soll die Spitze der Kaufkraft abschöpfen und ggf. zugleich auf die darunter positionierten Marken abstrahlen. Dazu dienen Merkmale wie herausragende Qualität, exklusives Design, selektive Distribution, elitäre Kommunikation und daraus folgend hoher Preis wie Prada, Burberry, Dior, Tiffany, Cartier, Gucci, Hermès, Chanel, Louis Vuitton o. Ä. Bei Beispiel für Luxusmarken findet sich im Programm der Swatch Group. Dort sind auf Premium-Level bereits renommierte Marken wie Glashütte, Rado, Tissot oder Longines angesiedelt. Noch darüber befinden sich luxuriöse Marken wie Blancpain, Breguet oder Omega. 1.2.3 Laterale Markenarten Bei einer Handelsmarke ist die Handelsstufe Absender der Marke (Beispiel: BioBio / ​Netto, SilverCrest / Lidl). Diese Produkte erwirtschaften durch clevere Nischenpositionierung hohe Deckungsspannen und erhalten daher vom Handel große Regalflächen eingeräumt, was das „Facing“ von Herstellermarken weiter erschwert, da der Regalplatz mit dem Angebot von Handelsmarken keineswegs zunimmt. Lange Zeit galt es als selbstverständlich, dass nur Hersteller Markenabsender sein konnten. Mit der Stärkung der Absatzmittlerstufe im Vermarktungsprozess jedoch hat diese neue Konzepte entwickelt, als chancenreich erachtete Marktsegmente selbst zu bedienen. Beispiele für Handelsmarken sind Aro (Metro), Milsani / Milfina (Aldi), K-Classic (Kaufland), Milbona (Lidl), Gutes Land (Netto). Alle Beispiele beziehen sich auf Molkereiprodukte (Mopro) des Herstellers Deutsches Milchkontor / DMK. Qualitäts- und Preisniveau sind im mittleren Segment konstant fixiert. Die Verkehrsgeltung bleibt begrenzt. Es handelt sich um Me too-Produkte. Häufig sind es die Markenhersteller selbst, die zur Auslastung ihrer vorhandenen Kapazitäten und zur Nutzung von Kostendegressionseffekten neben ihrem Markenartikel Produkte für Handelsketten produzieren. Da die gleichen Fertigungsprozesse zugrunde liegen, ist deren Qualität grundsätzlich identisch. Dies gilt umso mehr, als das allgemeine Qualitätsniveau am Markt einen ausgeglichen hohen Stand erreicht hat und viele Produktbereiche qualitätsindifferent sind (problemlose Produkte). Von Handelsmarken zu unterscheiden ist Gattungsware, die streng genommen nicht mehr die Kriterien des Markenartikels erfüllt. Dabei handelt es sich um weiter zu generischen, markenlosen Produkten abgestrippte Angebote, die meist nur in preisaggressiven Handelsbetriebsformen vertreten sind. Die Qualität bewegt sich auf Mindest- bzw. Standardniveau, die Verkehrsgeltung ist stark begrenzt.

1. Bedeutung des Markenartikels

367

Es erfolgt Preiswerbung für die Einkaufsstätte (Beispiel: Gut und günstig / Edeka, ja! / Rewe). Auch diese werden oftmals von Markenartiklern auf den gleichen Anlagen mit nur unwesentlicher Qualitätsabstufung gefertigt. Insofern entsteht eine gesteigerte Kostendegression für alle Erzeugnisse eines Auflagenloses durch Produktion in einheitlichen, großen Mengen, die separat distribuiert werden. Es besteht jedoch die Gefahr der Substitution der Nachfrage für erlösträchtigere eigene Produkte in problemlosen Produktbereichen (z. B. Grundnahrungsmittel, Papierwaren). Dort wird die Qualität als unkritisch angesehen, so dass der Preis kaufentscheidend ist. Transfermarke bedeutet den Übertrag einer Marke aus einem Produktbereich in einen verwandten anderen des gleichen Herstellers. Hinter dieser Technik steht das Bemühen, das Potenzial eines Markennamens voll auszuschöpfen (interner vertikaler Markentransfer durch homogene Produktdiversifikation). Notwendige Voraussetzung ist allerdings eine starke, tragfähige Stammmarke. Lange Zeit galten Nivea und Milka dafür als Vorbild. Deren Kompetenz leitete sich von der Pflegecreme bzw. der Tafelschokolade ab. Zu Nivea gehörten zwischenzeitlich an die 50 Produkte, vom Sonnenschutz­ mittel (Sun) bis zum Duschbad (Bath Shower), vom Rasierwasser (For Men) bis zum Haarwaschmittel (Haircare). Bei Milka gilt ähnliches durch Produkte als Riegel (Lila Pause), Schokotrunk, Praline, Saisonartikel (Osterhasen, Weihnachtsmänner, Glückskäfer), Eiscreme etc. Bei beiden besteht daher die Gefahr, die Tragfähigkeit der Stammmarke zu überstrapazieren. Die „Lokomotive“ Stammmarke hat so viele „Anhänger“ bekommen, dass sie diese nicht mehr durchziehen kann. Ein erfolgreiches Beispiel ist die Du darfst-Range, die mit Halbfettmargarine begann und nun zahlreiche kalorienreduzierte Nahrungsmittel umfasst (Konfitüren, Käse, Fertiggerichte etc.). Negativbeispiele sind Natreen (Diätnahrungskompetenz konnte wegen Süß-Akzent nicht auf Wurstwaren übertragen werden), Adidas (saloppe Sportlichkeit impliziert nicht unbedingt legeren Schick) oder Hipp (Fitnessnahrung leidet unter Babykost-Image). Bei der Lizenzmarke handelt es sich um den Transfer einer Marke von einem Hersteller in den verwandten Produktbereich eines anderen Herstellers mittels Lizenzvergabe (z. B. Mövenpick Gastronomie / Mövenpick Eis von Schöller, Porsche Sportwagen / Porsche Brillen von Rodenstock). Ein solcher (externer) Image­transfer kann jedoch nur unter eng begrenzten Voraussetzungen wirksam werden. Ausschlaggebend ist die Stärke der Originalmarke. Zwischen dieser und dem Transferprodukt muss eine kommunizierbare Klammer bestehen. Als objektive Basis dafür kommen die gemeinsame technische Beschaffenheit (Denotation) oder gemeinsame emotionale Assoziationen (Konnotation) in Betracht. Erfolgreiche und übliche Beispiele liefert der Duftwassermarkt, wo Lancaster in Lizenz Parfüms unter den Markennamen der Modelabels Jil Sander, Joop,

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

Bogner etc. verkauft. Andere Kosmetikhersteller bedienen sich der Markennamen Lacoste, Yves St. Laurent, Versace, Valentino etc. aus dem Modebereich. Bei Sonnenbrillen werden die Markennamen Jaguar und Carrera genutzt, außerdem Playboy, Dunhill und Cartier. Dadurch ist eine mehrfache Liquidation eines einmal aufgebauten Markenimages für den Lizenzgeber möglich. Weiterhin kommt es zu einer wechselseitigen Aktualisierung der Angebotsinhalte zwischen Original- und Lizenzprodukt. Jedoch besteht die Gefahr des Markenstress bei nicht zueinander passenden Angeboten. Ebenso kann ein Bumerangeffekt auf die Lizenzgeber-Marke bei nicht imageadäquaten Lizenzprodukten entstehen. Eine Kollektivmarke bedeutet, im Gegensatz zur Individualmarke, die nur für einen Anbieter gilt, dass mehrere Anbieter sich bei der Vermarktung der gleichen Marke gemeinsam bedienen. Dies geschieht oft als Zusatz (z. B. CMA-Zeichen bei Agrarerzeugnissen, IWS-Zeichen bei Wollprodukten). Damit sind nach Qualität und Umfang Maßnahmen darstellbar, die jedem einzelnen Unternehmen anderweitig nicht möglich wären. Beispiele sind Fleurop (Blumenversand über Partnerfloristen) mit substitu­ tiven Angeboten oder Fly & Drive als komplementäre Angebote (Flug / Lufthansa und Mietwagen / Avis). Eine Subsidiärmarke (auch Ingredient Brand)  kann auf dem Warenweg als ein im Vorprodukt verschwindendes Zeichen oder ein das Produkt begleitendes Zeichen (z. B. Nutrasweet Süßstoff, Tetrapak Verpackung) angelegt sein. Dies entspricht der Umsetzung des Push & Pull-Gedankens im Absatzkanal. Durch eine stufenübergreifende Kommunikation des Vorprodukterzeugers an den Endprodukterzeuger bzw. -verwender wird zusätzlich zum Absatzdruck von der vorauf die nachgelagerte Absatzstufe ein Sog von der nachfolgenden auf die vorausgehende Absatzstufe ausgeübt. Letzterer leert den Absatzkanal, ersterer füllt ihn wieder auf. Je rascher dieser Zyklus aufeinander abfolgt, desto höher ist der Umschlag dort. Diesen Ansatz fand man vordem traditionell bei Konsumgütern für Fertigprodukte. Bei Subsidiärmarken werden begleitende, also im Endprodukt erkennbare, und untergehende, also im Endprodukt verschwindende, unterschieden. Beispiele für begleitende Subsidiärmarken sind – Dolby Rauschunterdrückungssysteme, Gore Tex Kunststoff-Textilmembrane, Lycra Stretchfaser, Ceran Glaskeramik-Kochflächen, Tetra Pak Kartonverpackungen, Bosch Scheibenwischerblätter, Shimano Gangschaltungen, Michelin Autoreifen, Sympatex Bekleidung, Trevira Fasern, Nutrasweet Süßstoff, Teflon Beschichtung, Recaro Autositze. Beispiele für untergehende Subsidiärmarken sind – Hostaform, Luran, Verstolen, Enka, Styrodur, Makrolon, Kugelfischer.

1. Bedeutung des Markenartikels

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Eines der ersten Beispiele fand sich bei Intel, einem Hersteller von Computer-Prozessoren, einem wichtigen Bauteil von PCs, das jedoch normalerweise von Endanwendern nicht getrennt gekauft werden konnte, sondern von PC-Herstellern (OEM) verbaut wurde. Anliegen von Intel war es, bei PC-Käufern eine Präferenz für solche Computermodelle aufzubauen, in denen ein Intel-Prozessor verbaut ist. Dazu musste dort zunächst die Existenz des Intel-Prozessors und seine Bedeutung für die Leistung des Computers kommuniziert werden. Dies erfolgte, indem sich Intel mit einem Kostenzuschuss bei der Herstellerwerbung beteiligte, sofern dort ein „Intel inside“-Logo vorgesehen wurde. Durch die starke Verbreitung konnte eine erhebliche Bekanntheit für Intel bei Endverwendern aufgebaut werden. Für diese war, bei ansonsten weitgehend vergleichbaren Angebotsmerkmalen „Intel inside“ ein Kaufargument. Dies war die Pull-Komponente des Ansatzes. Die Push-Komponente ergab sich, indem die Computerhersteller sich aufgrund der Nachfrage veranlasst sahen, verstärkt Intel-Prozessoren zu bestellen, da ihnen ansonsten ein Konkurrenznachteil drohte. Dies verschaffte Intel eine Verkäufermarktsituation mit entsprechenden Vorteilen in der Vermarktung. 1.2.4 Verbreitungsgebiet Die regionale (intranationale) Marke ist nur innerhalb eines räumlich eng begrenzten Verbreitungsgebiets vertreten. Die Gründe dafür können in der Tradition oder der mangelnden Investitionskraft des Herstellers liegen. Eine Ausweitung der Verbreitung ist bei meist dicht besetzten Märkten kaum mehr machbar. Zu unterscheiden sind dabei eine • lokale Verbreitung. Diese ist für bestimmte Produktgruppen typisch, die standortgebunden sind. Dabei kann es sich um natürliche Gegebenheiten handeln (z. B. bei Bier / Rezeptur, Wein / Anbaugebiet, Mineralwasser / Quelle) oder um personengebundene (z. B. für bestimmte Fertigkeiten wie Uhrenmanufaktur / Glashütte, Goldschmiede / Pforzheim, Schneidwaren / Solingen). • regionale Verbreitung. Diese wird meist in Form der Nielsen-Gebiete abgegrenzt (Beispiel: Goldpuder-Mehl, Aurora-Mehl). Außerdem ist in Deutschland oft ein deutlicher Nord-Süd-Unterschied zu verzeichnen (z. B. Programmzeitschrift HörZu stark im Norden, schwach im Süden, Gong genau umgekehrt). Von Vorteil ist die Möglichkeit der Konzentration aller Aktivitäten auf ein räumlich begrenztes, meist sehr gut vertrautes Absatzgebiet. Nachteilig sind die Limitation der Kaufkraft auf das distribuierte Gebiet und der außerordentlich hohe Aufwand zur Einführung in neue Absatzgebiete. Die nationale Marke ist dadurch gekennzeichnet, dass sie innerhalb der Staatsgrenzen mehr oder minder gleichmäßig verbreitet ist. Sie ist durch Ausweitung des Absatzgebiets im bestehenden kulturellen Raum entstanden. Staatsgrenzen stellen jedoch infolge zunehmender politischer Integration in immer geringerem Maße

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

logische Distributionsgrenzen dar. Deshalb sind rein nationale Marken vergleichsweise selten. Beispiele finden sich regelmäßig bei Start-ups. Die internationale Marke ist eine solche mit ländergrenzenüberschreitender Verbreitung (z. B. Coke, Levi’s). Die Konvergenz der Sozialsysteme verschiedener Länder begünstigt diesen Trend. Problematisch ist der Zwang zur Nutzung des kleinsten gemeinsamen Nenners für alle Märkte sowie die Tatsache, dass nur wenige Produktgruppen sich für eine internationale Strategie eignen (High-techund High-touch-Produkte). 1.2.5 Markenwert Die Marke stellt einen der wichtigsten, immateriellen Geschäftswerte dar, die bei Zukauf in der Bilanz aktiviert werden kann und daher einer nachvollziehbaren Bewertung bedarf (siehe Abbildung 70: Wertvollste globale Marken 2022). Dazu dienen Markenwert-Modelle.

482,22

Apple 287,29

Microsoft

274,82

Amazon

251,75

Google 87,69

Samsung

59,76

Toyota Coca Cola Mercedes Benz

57,54 56,1

Disney

50,33

Nike

50,29

McDonald’s

48,65

Tesla BMW Louis Vitton

48 46,33 44,51

Cisco

41,3

Instagram

36,35

Facebook

34,54

IBM

34,24

Intel

32,92

SAP

31,5

Abbildung 70: Wertvollste globale Marken 2022 (Wert in Mrd. US-Dollar ($ bn) Veränderungen 2021) (Quelle: Brand Finance Plc)

1. Bedeutung des Markenartikels

371

In letzter Zeit haben zahlreiche große Markenartikler den Eigentümer gewechselt. Die Summen, die dabei gefordert und gezahlt wurden, waren selten durch die materiellen Assets allein gerechtfertigt. Vielmehr ging es darum, Marktanteile zu kaufen, lange aufgebaute, hoch qualifizierte Markenartikel zu übernehmen und für sich zu nutzen. Das heißt, der Kaufpreis ist nicht aus der Bilanz, sondern nur durch den immateriellen Wert der Marke zu erklären. Die Quantifizierung dieses Werts ist ein anspruchsvolles Unterfangen, das zahlreiche Probleme und Abgrenzungsschwierigkeiten aufwirft. Für die Markenbewertung gibt es im Wesentlichen drei Ansätze. Finanzorientierte Ansätze setzen an bei einer • kostenorientierten Markenbewertung. Dabei wird versucht, die bei etwaiger Neuschaffung einer Marke anfallenden Kosten zu schätzen. Basis ist der Substanzwert, und zwar je nach Betrachtung als kumulierte historische Kosten oder als aktuelle Wiederbeschaffungskosten. • ertragswertorientierten Markenbewertung. Dabei werden die Zusatzgewinne (Surplus Profits) aus dem geschaffenen Verkehrswert der Marke kumuliert und auf den Gegenwartszeitpunkt diskontiert (Kapitalwertmethode). Dazu ist u. a. der erforderliche Zinsfuß zu bestimmen. • preispremium-orientierten Markenbewertung. Dabei wird die Preisprämie pro Stück bei einem markierten gegenüber einem gleichartigen, jedoch anonymen Produkt ermittelt (meist über Conjoint Measurement). Diese wird mit der Absatzmenge multipliziert und ergibt den Markenwert. Verhaltensorientierte Ansätze setzen demgegenüber bei Kaufentscheidungen an. Bekannte Modelle stammen hier von Keller in Bezug auf die Ankergrößen Markenimage und Markenkenntnis sowie von Aaker in Bezug auf die Ankergrößen Markentreue, Markenbekanntheit, Qualitätswahrnehmung, Markenassoziation etc. Fraglich ist die Transformation dieser qualitativen Einflussgrößen auf einen quantitativen Markenwert. Jedoch ist zu bezweifeln, dass es einen quantitativen Markenwert überhaupt gibt, da der Wert eines Objekts sich immer nur aus der Sicht des Bewerters ergibt, d. h., ein und dieselbe Marke hat ganz unterschiedliche subjektive Werte, etwa entsprechend dem Fit mit den subjektiven Zielvorstellungen. Kombinierte Ansätze beziehen sowohl finanzorientierte als auch verhaltensorientierte Aspekte ein. Beispielhaft dafür seien drei Verfahren kurz dargestellt: • Das Markenwertmodell nach Interbrand umfasst sieben Kriterien mit insgesamt über 80 Indikatoren, die durch Gewichtung quantifiziert werden, wie folgt: – Markt (10 %) mit Marktwachstum (Menge / Wert), Volatilität und Entwicklungsstadium, Eintrittsbarrieren und Risiken, Marktgröße, – Markenstabilität (15 %) mit Kundenbindung, Kaufbereitschaft, Marktanteilsstabilität, Preisstabilität, Befürworter, Supply-Chain-Risiko,

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

– Markenführerschaft (25 %) mit Marktanteil (Menge / Wert), Bekanntheit (gestützt / ungestützt), Zufriedenheit, Vertriebskraft, Innovationsführerschaft, Image / ​ Sympathie, Qualitätsführerschaft, Preispremium, – Markentrend (10 %) mit Prognose der Marktanteile (Menge / Wert), strategischen Maßnahmen, Prognose der Marketingmaßnahmen, – Markenunterstützung (max. 10 %) mit Differenzierung, Kontinuität / Homo­ genität der Markenstory, Aktualität / Klarheit des Markenbildes, Share of Voice, – Markendiversifikation (25 %) mit geografischer Streuung, Angebotsstreuung, Vertriebsstreuung, Internationalisierungspotenzial, Markenspreizungspotenzial, Vertriebsausweitungspotenzial, grenzüberschreitende Bekanntheit, Demografie / Einkommen, Mitbesitzer / Nutzer, Beziehungsgruppenbindung, – Markenschutz (5 %) mit interner Überwachung (Registrierung), externer Überwachung (Erweiterung). Der eigentliche Markenwert ergibt sich aus einem Multiplikator, der durch eine logistische Funktion einzelnen Punktwerten zugeordnet ist und die Finanzleistung der Marke erfasst. Multipliziert man diesen Wert wiederum mit dem Gewinn einer Geschäftseinheit, so erhält man einen Anhaltspunkt für den Verkehrswert der dort vorliegenden Marke. Dabei darf nur der markenbezogene Gewinn zugrunde gelegt werden. • Nielsen bewertet Marken nach einem Kriterienkatalog mit Punktbewertung. Als Kategorien werden Markt, Marktanteil, Handel, Hersteller, Konsument und Internationalität genannt. Anhand dieser Kriterien kann theoretisch jede Marke mit individuellen Bewertungsziffern versehen werden. Die Gewichtung einzelner Kategorien bietet die Möglichkeit der Schwerpunktbildung und des Eingehens auf Branchen- oder Absatzbesonderheiten. Die daraus erhaltenen Kennziffern werden in Skalenwerte transformiert. In der Summe ergibt sich nach dem Ertragswertverfahren ein Geldbetrag, der die zukünftigen Erträge plus Risikozuschlag und Geldentwertungsabschlag auf den Barwert abzinst und somit das Kapital der eigenen Marke in Vergleich setzt zu den Kapitalien anderer Marken und dabei ebenso Aufschluss über die relative Markenstärke gibt wie über evtl. absolute oder relative Wettbewerbsschwächen. Das Ergebnis ist der Verkehrswert der Marke. • GfK vertritt ein Modell, das auf den Komponenten Kundenbefragung durch Aufgliederung der Umsätze in markenspezifische und markenfremde sowie Kostenanalyse hinsichtlich der markenspezifischen Kosten aufbaut. Die zukünftigen Umsätze werden aus Indikatoren wie Markenloyalität, Kaufabsicht, Alleinstellungsmerkmale, Preispremium, Markensympathie / -vertrauen / -identifikation, Weiterempfehlungsbereitschaft abgeleitet. Weitere Einflussgrößen sind Wiederkaufrate, wertmäßiger Marktanteil, gewichtete Distribution, gestützte Markenbekanntheit bzw. Markenstärke und Markendehnungspotenzial. Die einzelnen Kriterien sind intern gewichtet und ergeben dann den monetären Marktanteil. Dieser Ansatz bezieht zwar zahlreiche Einflussgrößen ein, jedoch ist unklar,

1. Bedeutung des Markenartikels

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inwieweit diese voneinander unabhängig sind, wie verlässlich die Datenbasis ist und wovon die Datengewichtung abhängt. Insofern gibt es große Risiken für Kompensationen und Aufschaukelungen der Werte. 1.2.6 Markenpflege Wer Markenartikel sein eigen nennt, hat den Zugang zum Markt. Viel mehr noch als alle anderen Unternehmensaktivitäten ist die Marke Voraussetzung für aktive Nachfrage, hohe Preisdisziplin und angemessene Gewinnmarge. Eine Marke aufzubauen, bedarf umfangreicher Investitionen und umsichtiger Planung. Doch selbst dann ist im Wege der Markenpflege nachhaltig sicher zu stellen, dass latente Gefahren von der Marke ferngehalten werden. Diese lauern in vielfältiger Weise. Markenartikel bedürfen der kontinuierlichen Pflege, um ihre Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität zu erhalten und zu sichern. Dabei muss unbedingt folgenden Versuchungen widerstanden werden. Die Produktleistung darf nicht durch qualitätssenkende Einsparungen von Material- und Produktionskosten, wie sie im Rahmen der Wertanalyse propagiert werden, gemindert werden. Dies ist existenzbedrohend für jeden Markenartikel, denn mit einer Marginalleistung in Sachen Produktqualität ist noch keine Marke entstanden oder lange im Markt verblieben, erst recht nicht erfolgreich. Der Forschungs- und Entwicklungsetat darf nicht zugunsten der Imitation von Konkurrenzprodukten im Zuge von Sparmaßnahmen gemindert werden. Dies scheint zwar verlockend, führt aber zum Verlust der Originalität. Und Me tooProdukte haben am Markt, wenn überhaupt, nur über exorbitante Werbefinanzmittel eine Chance, als Marke angesehen zu werden, die besser in FuE angelegt sind, weil damit eine Marktposition nicht nur verteidigt, sondern strategisch aufgewertet werden kann. Ebenso schafft eine starke und schnelle Anpassung an erfolgreiche Konkurrenzaktivitäten keinen kompetitiven Vorsprung, sondern ist allenfalls geeignet, reaktiv dem Mitbewerb zu folgen. Dann aber determiniert dieser die eigene Marktanteilsentwicklung, was risikobeladene Konsequenzen impliziert. Die Durchführung dauerhafter Price off-Aktionen, die den Qualitätsanspruch jedes Markenartikels beeinträchtigen, muss vermieden werden. Jedoch liegt diese Entscheidung häufig in der Hand autonomer Absatzmittler. Diese profilieren sich gegenüber ihrem Publikum vornehmlich durch Sonderangebotsaktionen, die sie mit bekannten Markenartikeln fahren. Denn nur das preisaggressive Angebot renommierter Marken wird ihnen von ihrer Kundschaft als eigene Leistungsfähigkeit angerechnet. Die Preiseinschätzung einer Marke leidet zwangsläufig, wenn sich kontinuierlich und überall Sonderangebotspreise in das Bewusstsein der Nachfrager einprägen, die zum realen Preisniveau in keiner vernünftigen Beziehung mehr stehen. Da vom Preis zudem oft auf die Qualität eines Produkts geschlossen wird,

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

ist damit ein fatales Down Grading verbunden, dem der Hersteller nur bedingt Einhalt gebieten kann. Das indirekte Verschenken von Produkten durch Anbieten von mehr Inhalt zum gleichen Preis entwertet das Produkt und führt zur Verstopfung der Nachfragepipeline. Dies geschieht im Rahmen von Onpack-Promotions, bei denen ein größerer Mengeninhalt an Ware zum gleichen Preis angeboten wird, um bereits herstellerseitig die Preis-Leistungsrelation zu verbessern. Dies wirkt letztlich wie eine Preisunterbietung. Entsprechendes gilt für Aktionen mit produktfremden Onpacks oder Zugaben, sofern diese nicht in einem engen konzeptionellen Zusammenhang mit der Markenbotschaft stehen. Sie mögen zwar Probierkäufe provozieren, führen aber letztlich nur dann zur Markentreue, wenn über die reine Gadget-Ebene hinaus emotionale Bindungen zwischen Klient und Angebotsprofil aufgebaut werden können. Der Versuchung, sich gedanklich auf vertraute Zielgruppen zurückzuziehen, statt den unbedingten Willen zu haben, proaktiv bislang unbekannte Segmente am Markt zu erobern, muss widerstanden werden. Viele saturierte Marken drohen so, mit ihren Verwendern im Laufe der Zeit buchstäblich auszusterben. Nur die stete Erneuerung des Absatzpotenzials durch Ausschöpfung und Erweiterung der Nachfragequellen bietet Gewähr für eine auf Sicht positive Umsatzentwicklung. Die Kürzung von Werbeausgaben zur Realisierung von Spotgewinnen ist verlockend. Und so fällt Kosteneinsparungen als einer der ersten Titel meist der Werbeetat zum Opfer. Hier scheinen Ausgabenkürzungen leicht möglich, ohne dass sofort Umsatzeinbußen hingenommen werden müssen. Jedoch ist dies äußerst kurzsichtig, denn dadurch verlorene Marktanteile müssen später durch überproportionale Aufwendungen zurück gewonnen werden, wobei der Erfolg zweifelhaft bleibt. Die Spotgewinne aus Investitionsverlagerungen zulasten der Werbung werden daher meist mittelfristig durch Umsatzausfälle der Zukunft überkompensiert. Der freizügigen Vergabe von Werbekostenzuschüssen und anderer versteckter Rabatte an den Handel, um sich dessen Kooperation zu erkaufen, muss ebenso widerstanden werden. Hier unterbleiben gleichermaßen markenaufbauende, strategische Investitionen zugunsten aktionaler Vergünstigungen, denen gewiss keine Markenwirkung zukommt, sondern allenfalls eine Suchtbildung. Wenn solche Absatzmittlerzuwendungen überhaupt Sinn machen, dann nur gekoppelt an markenfördernde Aktionen und Platzierungen. Dabei bleibt allerdings der Markenauftritt im Handel praktisch nur schwer durchsetzbar, da die großen Handelsorganisationen in ihren Werbemitteln einen eigenständigen Auftritt verfolgen, welcher den des Markenabsenders dominiert. Andererseits bleiben wenig andere Möglichkeiten, sich aus der Nachfragemacht des Handels zu befreien, außer durch Sprungwerbung zur Markenprofilierung direkt bei Endabnehmern. Line Extensions drohen, im Zuge zunehmender Diversifikationsbemühungen der Hersteller, eher den Markenkern zu verwässern als ihn zu stärken. Ein Range­

2. Produktinnovation

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ausbau bleibt nur insoweit markenunschädlich, als er der erlebten Markenwelt entspricht. Geht es allerdings lediglich darum, Nischenumsätze durch Einsatz von Positionierungskompetenz abzuschöpfen, gefährdet dies Basisumsatzinteressen durch Beeinträchtigung der Konturierung des gemeinsamen Markenschirms. Absatzpromotions und Gewinnspiele, die von der Produktleistung ablenken, sollten unterbleiben. Sie unterliegen starken Abnutzungserscheinungen und lenken, sofern sie nicht zur intensiven Auseinandersetzung mit der Markenaussage führen, eher von dieser ab. Vor allem generieren solche Maßnahmen weniger Käufer, die der Marke aus Überzeugung nahe stehen, als vielmehr solche, die auf Gewinnspielchancen spekulieren. Angesichts stagnierender Verkaufszahlen besteht die Neigung, durch Angst­ appelle oder starke Incentives überzogenen Erfolgsdruck auf die Verkaufsmannschaft auszuüben. Diese Maßnahmen unterliegen bedauerlicherweise ertragsgesetzlichen Effekten, d. h., der Leistungszuwachs wird mit jedem Einsatz geringer, so dass solche Initiativen bald verpuffen. Budgetziele, die sich im Zeitablauf als unrealistisch erweisen, sollten selbstbewusst revidiert werden, statt verbissen an ihnen festzuhalten. Dies bedarf allerdings bei den heute meist international geführten Unternehmensgruppen eines Headquarter, das für derartige Einsichten Verständnis aufbringt. Die Neigung dazu hält sich jedoch meist in engen Grenzen. Ebenfalls ist zu vermeiden, in kritischen Situationen externe Berater, vor allem in Form von Werbeagenturen, hektisch zu wechseln, weil damit stets eine Knowhow-Vernichtung größeren Ausmaßes verbunden ist, die mit neuen Beratern erst einmal zu Reibungsverlusten führt und positive Leistungseffekte auf geraume Zeit neutralisiert.

2. Produktinnovation Neuprodukte sind wesentliche Treiber für den Unternehmenserfolg. Um hierfür zu potenzialstarken Ideen zu gelangen, gilt es, interne und externe Ideenquellen zu erschließen (2.2). Reicht dies nicht aus, können Kreativitätstechniken (2.3) eingesetzt werden. Einen wichtigen Filter stellt dann die Ideensichtung und -bewertung (2.4) dar. Um sich vor Nachahmern hinlänglich zu schützen, wird der Gewerbliche Rechtsschutz (2.5) aktiviert. Die Arbeitsschritte sind dann die Folgenden.

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

2.1 Arten Innovation bezieht sich im Marketing auf Produktneuheiten. Nach dem Ausmaß kann man unterscheiden in • Marktinnovationen, d. h. Objekte, die absolut neu am Markt und in keinem Unternehmen bislang vorhanden sind, • Unternehmensinnovationen, d. h. Objekte, die nur neu für das betreffende Unternehmen, nicht hingegen absolut neu für den Markt sind. Nach dem Inhalt kann man unterteilen in • Produktinnovationen, d. h. Neuheiten in Form von Produktangeboten, • Verfahrensinnovationen, d. h. Neuheiten in Form von Herstellungsprozessen. Unterteilt man nach der Anwendung und nach der Technik jeweils in neu bzw. bekannt, so ergeben sich folgende vier Kombinationen (siehe Abbildung 71: Arten der Produktinnovation): • Bekannte Technik und bekannte Anwendung entspricht einer Basisinnovation, hierbei handelt es sich um eine inkrementale Innovation, der häufig die Neuigkeit abgeht, • Neue Technik und bekannte Anwendung entspricht einer Potenzialinnovation, z. B. Infrarot-Fieberthermometer anstelle von Glasthermometer, • Bekannte Technik und neue Anwendung entspricht einer Anwendungsinnovation, z. B. Luftabscheider-Zentrifuge in Haushaltsstaubsauger, • Neue Technik und neue Anwendung, entspricht einer Durchbruchsinnovation, z. B. Internet-Suchmaschine.

Abbildung 71: Arten der Produktinnovation

Innovationsanstrengungen müssen bereits unternommen werden, während bestehende Produkte noch gute Finanzrückflüsse erzielen, denn die Vorlauffristen bis zur Marktreife sind enorm, wenngleich erhebliche Anstrengungen darauf ab-

2. Produktinnovation

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zielen, diese Fristen zu verkürzen. Um zu marktneuen Produkten zu gelangen, müssen zunächst einmal genügend viele und gute Anregungen dafür vorliegen.

2.2 Ideenquellen Bereits betriebsintern können hervorragende Anregungen für Neuproduktideen generiert werden. Als Quellen dafür sind etwa zu nennen: • Außendienstanregungen, denn die Reisenden erfahren vor Ort bei ihren Kunden alles über deren Bedürfnisse und Erwartungen an Produkte, • Betriebliches Vorschlagswesen in Form der traditionellen, wenig ergiebigen Verfahren oder moderner in Form von Quality Circles, • Kostenrechnung und Nachkalkulation können Aufschluss darüber geben, wo mangelnde Rationalisierung oder Preisakzeptanz Raum für Neuheiten lässt, • Absatz-/Kundenstatistiken zeigen an, in welchem Programmsegment neue Produkte am erfolgversprechendsten zu etablieren scheinen, • moderne Quellen sind etwa Corporate Blogs als chronologisch rückwärts sortierte, digital geführte Listen von Einträgen zu einem Innovationsthema, • lexikalische Wikis als intranet-basierte Wissenssammlungen von Beiträgen zu einem Innovationsthema, die von allen Nutzern editiert (ergänzt, präzisiert, gelöscht) werden können, • Content Management-Systeme (CMS) zur extranet-­basierten Erstellung, Bearbeitung und Organisation von Wissensinhalten in Eigenregie, die ein unkompliziertes Handling ermöglichen. Es kommt darauf an, diese und andere betriebsinternen Quellen sinnvoll und konstruktiv zu nutzen, was allerdings oft nur unzureichend geschieht. Darüber hinaus gibt es aus betriebsexternen Quellen manche Anregung. In diesem Zusammenhang sind zu nennen: • Statistische Amtsdaten, etwa die tief untergliederten Daten des Statistischen Bundesamtes und der Landesämter, die mannigfach interpretierbar sind, • Angaben nationaler / internationaler Organisationen wie Verbände, Gewerkschaften, Vereine, IHKen, Ausschüsse etc. mit ihren Geschäftsberichten, Reports, Veröffentlichungen etc., • Institute, die sich mit speziellen Fragestellungen von Märkten, Ländern, Abnehmern, Handelsstufen, gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen etc. beschäf­ tigen, • Informationsdienste, die Daten unterschiedlichster Provenienz durch Datenbankrecherche gegen vergleichsweise geringe Gebühr an Besteller abgeben und dabei eine gewisse Vollständigkeit und Aktualität gewährleisten,

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

• systematische Patentanalyse für Anregungen zu eigenen Aktivitäten sowie Vermeidung von Doppelaufwand und rechtlichen Auseinandersetzungen, • eine potenziell mächtige Quelle ist das Crowdsourcing, d. h. die Nutzung der Schwarmintelligenz, indem sich beliebige Akteure zu einer vorgegebenen Problemstellung im Internet mit Neuproduktideen melden, • die Trendprognose dient der frühzeitigen Erkennung von Markt- und Umfeldchancen zur Anregung daraus abfolgender Neuproduktideen. Allerdings bedarf es auch hierbei der Initiative zur Recherche und vor allem Auswertung dieser Quellen, wobei für Information investiertes Geld durchweg gut angelegt ist. Reichen diese Quellen nicht aus, ist die Nutzung von Kreativitäts­ techniken erforderlich (siehe Abbildung 72: Verfahren zur Ideenfindung).

Abbildung 72: Verfahren zur Ideenfindung

2.3 Kreativitätstechniken 2.3.1 Logisch-diskursive Verfahren Bei den Techniken zur gezielten Generierung von Neuproduktideen können logisch-diskursive, intuitiv-laterale, systematische und prospektive Verfahren eingesetzt werden. Zunächst zu den logisch-diskursiven. Die Morphologie ist eine Methode zur Aufgliederung eines Problems hinsichtlich aller Parameter und Suche nach neuen Kombinationen bereits vorhandener Teillösungen. Die Methode ist zur Lösung nahezu aller Probleme geeignet. Sie wurde von Zwicky entwickelt. Die einzelnen Phasen lauten: • Genaue Beschreibung und Definition des Problems mit zweckmäßiger Verall­ gemeinerung, • Ermittlung der Parameter des Problems entsprechend der Aufgabenstellung, • Aufstellung des Morphologischen Kastens mit Eintragung aller denkbaren Lösungsvorschläge für jeden Problemparameter,

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• Auswahl und Bewertung aller möglichen Lösungen auf Grundlage eines geeigneten Bewertungsverfahrens, • Auswahl und Realisierung der besten Lösung. Als organisatorische Voraussetzungen dafür gelten ein interdisziplinärer Arbeitskreis, eine Sitzungsdauer von maximal einer Stunde und eine Gruppengröße von bis zu zehn Personen. Die Verallgemeinerung des Problems und die Kombinationen der Lösungsparameter führen zu überraschenden Ergebnissen. Die Suche wird auch nach der ersten befriedigenden Lösung fortgesetzt. Die Methode liefert eine große Anzahl von Lösungen durch die Kombinationsmöglichkeiten. Dadurch besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass alle wesentlichen Aspekte des Problems erfasst werden. Die hohe Anzahl der generierbaren Ideen ist eine der wesentlichen Vorzüge dieser Methode. Die Lösungsvorschläge werden anschließend durch Experten geprüft und bewertet. Die Sitzungsteilnehmer werden über das Ergebnis informiert. Darüber hinaus gibt es weitere logisch-diskursive Verfahren. Die Funktionalanalyse nimmt die Aufgliederung eines Problems in Einzelfunktionen und die Suche nach denkbaren Alternativen jeder einzelnen Funktionserfüllung vor. Durch multiple Kombination ergeben sich wiederum zahlreiche Ideen. Diese werden danach durch Experten selektiert und evaluiert. Im Unterschied zum Morpholo­ gischen Kasten, der auf Elemente abhebt (Was), wird hierbei auf Funktionen abgestellt (Wie). Bei der Heuristik handelt es sich um die systematische Auswertung bereits zur Verfügung stehender Erfahrungen. So können durch Analogien aus bestehenden Problemlösungen wichtige Hinweise auf neue und ungewöhnliche Umsetzungen abgeleitet werden, die zudem einfach verfügbar sind. Bei der Progressiven Abstraktion wird ein Problem in immer größeren Zusammenhängen betrachtet und auf die eigentliche Kernfrage bezogen. Mit jeder Stufe entfernt man sich zwar vom Ausgangsproblem, gewinnt aber gerade dadurch neue Einsichten und damit Lösungsansätze. Der Relevanzbaum verfolgt die sukzessive Zerlegung eines Problems mit daran anschließender Alternativensuche zur Schwachstellenbeseitigung auf jeder Stufe der Beeinflussbarkeit. Dabei werden die Lösungsalternativen in geordneter Weise hierarchisch als Baumstruktur dargestellt. In der Forschungsmatrix werden mögliche Arbeitsgebiete bzw. Objekte zueinander in verschiedene Kombinationen gebracht und als Anregung für neue Arbeitsgebiete aufgefasst. So kommt es zu einem ungewöhnlichen Transfer von Wissen.

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

2.3.2 Intuitiv-laterale Verfahren Brainstorming ist die wohl bekannteste Kreativitätstechnik und arbeitet nach dem Prinzip freier Assoziation innerhalb einer Gruppe. Menschen werden ermutigt, frei und ungehemmt eine große Anzahl von Ideen zu produzieren. Insofern kommen eher Problemstellungen in Frage, die wenig komplex und klar definierbar sind. Brainstorming wurde von Osborn / BBDO entwickelt. Dabei sind drei Regeln zwingend zu beachten: • Die Teilnehmer können und sollen ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Jede Anregung ist willkommen. Ideen sollen originell und neuartig sein. Ideenmenge geht vor Ideenqualität. Es sollen möglichst viele Ideen erzeugt werden. • Es gibt keinerlei Urheberrechte. Die Ideen anderer Teilnehmer können und sollen aufgegriffen und weiterentwickelt werden (Assoziationsketten). • Kritik oder Wertungen sind während des Brainstorming streng verboten. Es kommt auf eine positive Einstellung gegenüber eigenen und fremden, auch abstrus erscheinenden Ideen an. Die optimale Teilnehmerzahl liegt zwischen fünf und acht Personen. Die Zusammensetzung der Gruppe sollte möglichst homogen hinsichtlich der hierar­ chischen Stufe und möglichst heterogen hinsichtlich ihrer Kenntnisse und Erfahrungen sein. Die Gruppe wird durch einen Moderator angeleitet. Die Sitzungsdauer sollte 20 Minuten nicht unter- und 40 Minuten nicht überschreiten. Vor Beginn sind alle Gruppenmitglieder mit den Regeln vertraut zu machen. Die Aufzeichnung erfolgt durch Protokoll oder Tonaufzeichnung. Auftraggeber und Auswerter sollen nicht in der Gruppe mitarbeiten. Zu Lösungsvorschlägen werden ggf. (fern-)mündliche Ergänzungen eingeholt. Die Lösungsvorschläge werden bewertet und klassifiziert. Das Ergebnis wird den Sitzungsteilnehmern mitgeteilt. Die bekanntesten Varianten des Brainstorming sind folgende: • Anonymes Brainstorming mit individueller Niederschrift aller Ideen, dabei entfallen allerdings die wichtigen gruppendynamischen Prozesse der gegenseitigen Ideenanregung. • Destruktiv-konstruktives Brainstorming, in dem zunächst alle Nachteile einer Lösung aufgeführt (destruktiv) und daraus dann Verbesserungsvorschläge abgeleitet werden (konstruktiv). • Didaktisches Brainstorming, wobei den Teilnehmern zu Beginn das gemeinsam zu lösende Problem unbekannt ist. Der Sitzungsleiter verdichtet die Diskussion erst sukzessiv auf den Punkt. • Creative Collaboration Technique, bei der nach kurzem Brainstorming die Teilnehmer auseinander gehen, um allein weiter zu denken und Ideen aufzuschreiben. Dadurch ist eine Nutzung sowohl der gruppendynamischen Effekte als auch die Stimulierung des individuellen Bewusstseinsraums möglich.

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• Imaginäres Brainstorming durch überraschendes, neue Einsichten gebendes Aufheben von Restriktionen im Merkmalsobjekt (z. B. Schwerkraft, Finanzen). Die Methode 6-3-5 (Brainwriting) arbeitet mit idealtypisch sechs Gruppenmitgliedern, die jeweils drei Lösungsvorschläge nach gemeinsamer neuer Problemdefinition innerhalb von mindestens fünf Minuten in ein Formblatt eintragen und dieses jeweils (insgesamt fünf Mal) im Uhrzeigersinn an ihren Nachbarn weiterreichen, der seinerseits drei neue Vorschläge hinzufügt (= 108 Vorschläge total). Dabei gelten folgende Regeln: • die Problemvorstellung erfolgt durch den Auftraggeber, • die Teammitglieder versuchen, das Problem neu zu formulieren und der Auftraggeber wählt die ihm am interessantesten erscheinende Neuformulierung aus, • Eintragung der Neuformulierung in ein Formblatt (von nun an herrscht in der Gruppe absolute Stille), • jedes Teammitglied trägt in sein Formblatt drei Ideen zur Problemlösung ein (die dafür zur Verfügung stehende Zeitspanne wird oft kontinuierlich verlängert), • die Formblätter werden an den jeweiligen Nachbarn weitergegeben und jedes Teammitglied ergänzt die Ideen des Vorgängers um drei neue oder weiterentwickelte eigene Ideen, • die Formblätter werden danach wiederum weitergegeben bis jeder Teilnehmer jedes Formblatt bearbeitet hat. Bekannteste Varianten der Methode 6–3-5 sind folgende: • Beim Brainwriting Pool wird in der ersten Runde je Mitglied und Idee ein Formular ausgefüllt und in einen Pool gegeben. In der zweiten Runde entnimmt jedes Mitglied diesem Pool Formulare und ergänzt die dort aufgeschriebene Idee und eine weitere. Dann wandern die Formulare wieder in den Pool. Jedes Formular, das 18 Vorschläge enthält, scheidet aus dem Pool aus. Die Sitzung geht solange, bis jedes Formular komplett ist. • Beim Collective Notebook erfolgt ein jederzeitiger Aufschrieb von Ideen in ein Notizbuch, um alle Ideen festzuhalten. Das hat den Vorteil, auch allein und völlig unorganisiert arbeiten zu können. Synektik ist die gesteuerte Verfremdung von Problemen durch Bildung zielgerichteter natürlicher, persönlicher, symbolischer und direkter Analogieketten sowie deren erzwungener Rückbezug auf das definierte Ausgangsproblem. Es wurde von Gordon 1961 entwickelt. Im methodischen Ablauf wird versucht, den eher unbewusst ablaufenden kreativen Prozess zu simulieren, also nicht sofort Lösungen zu suchen, sondern zunächst Gesichtspunkte zu sammeln und Abstand zu gewinnen, so wie bei der natürlichen Inkubationszeit. Synektik bedeutet Zusammenfügen von scheinbar unzusammenhängenden Tatbeständen. Neue Ideenansätze werden

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zur technischen Ausarbeitung, Prüfung und Bewertung an Experten weitergeleitet, welche die Sitzungsteilnehmer über das Ergebnis informieren. Die Ablaufphasen sind anspruchsvoll und verlangen ein spezielles Training. Sie lauten: – Problemanalyse, d. h. Darlegung des Problems und Vertiefung dessen Verständnisses, – Spontanreaktionen festhalten, – Neudefiniertes Problem formulieren, – Natürliche Analogien bilden und auswählen, – Persönliche Analogien bilden und auswählen. – Symbolische Analogien bilden und auswählen, – Direkte (problemlösungsbezogene) Analogien bilden und auswählen, – Analyse der ausgewählten Analogie, – Lösungsbezug herstellen. Als Regeln sind dabei zu beachten: – Keine Kritik und Bewertung von Lösungsvorschlägen, – Stichwortartige Vorschläge bringen, – Andere Teilnehmer nicht unterbrechen, – Antipathien, Statusprobleme und Aggressionen vermeiden, – Moderatorfunktion von verschiedenen Teilnehmern ausüben lassen, – Phasenablauf allen Teilnehmern sichtbar machen, – Lösungsvorschläge visualisieren. An organisatorischen Voraussetzungen sind zu schaffen: – Interdisziplinärer Teilnehmerkreis aus verschiedenen hierarchischen Ebenen, – Maximal sieben Teilnehmer (Erfahrungswert), – Vertrautheit mit den Synektikregeln, – Sitzungsdauer maximal 90 Minuten, – Einsatz von Hilfsmitteln (Flipchart, Stimulanz, Ruhe). Bei bekannten Varianten der Synektik handelt es sich um • Bionik. Hier erfolgt eine Verknüpfung von Bedeutungsinhalten, indem für gesellschaftliche oder technische Probleme analoge Lösungsansätze in der Natur gesucht werden. Die Ableitung dieser Lösungshypothesen erfolgt durch Analo-

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gien aus Konstruktions-, Verfahrens- und Entwicklungsprinzipien biologischer Systeme. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass evolutionäre, jahrmillionenalte Lösungen der Natur eine enorme Leistungsfähigkeit besitzen müssen, die auf kommerzielle Lösungen übertragbar ist. Bekannte Beispiele sind die stabile Gitterwerksstruktur der Riesenseerose, die Haftung von Katzenpfoten, der Strömungswiderstand der Haifischhaut, die Selbstreinigungsfunktion der Lotusblumenblätter, der Klettverschluss von der Klettpflanze. • Visuelle Synektik. Der Verfremdungsprozess wird durch Bildvorlagen unterstützt. Dadurch kann der Assoziationsrahmen gemeinsam beschrieben und analysiert werden. • Force Fit-Methode. Hier erfolgt eine Blockbildung unter den Teilnehmern. Der eine Block nennt ein Reizwort, das möglichst weit vom Ausgangsproblem entfernt ist. Der andere Block versucht, daraus nach Zeitvorgabe eine Lösung zu entwickeln. Bei Erfolg wechselt der Block, bei Misserfolg gibt es eine Wiederholung mit einem neuen Reizwort. 2.3.3 Systematische Verfahren Ausgehend von einer bekannten Problemlösung werden beim Attribute Listing alle / deren wichtigste Eigenschaften aufgelistet. Dann erfolgt eine schrittweise Modifikation dieser Eigenschaften zur Leistungsverbesserung. Dazu werden zunächst alle Merkmale der zu verbessernden Lösung aufgeführt und dann alternative Gestaltungsmöglichkeiten dafür gesucht. Auch hier liegt ein Vorteil der Methode in der Vielzahl möglicher Ideenansätze, die aus der partiellen Veränderung eines bestehenden Produkts folgen. Allerdings lassen sich durch die Eigenschaftsliste eher inkrementelle Verbesserungen erreichen. Der Fragenkatalog beinhaltet die gedankliche Modifikation eines Ausgangsproblems durch systematische Infragestellung. Ansatzpunkte zur Modifikation sind dabei: • Vergrößern: Was soll hinzugefügt werden? In welcher Dimension? Stärke? Dicke? Länge? Höhe? Welcher Zusatznutzen? Mehr Bestandteile? Verdoppeln? Vervielfachen? Übertreiben? • Verkleinern: Was soll wegfallen? Komprimierter? Miniaturisiert? Niedriger? Kürzer? Weglassen? Aufspalten? Abschwächen? • Verändern: Neue persönliche Note? Andere Bedeutung? Farbe? Bewegung? Klang? Geruch? Form? Weitere Veränderungsmöglichkeiten? • Anders verwenden: Neue Verwendungsmöglichkeiten bei bestehender Form? Andere Verwendungsmöglichkeiten bei Abänderung?

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• Adaptieren: Wem ähnelt der Gegenstand? Welche andere Idee lässt sich daraus ableiten? Gibt es Parallelen in der Vergangenheit? Kann man etwas nachahmen? Wer kann übertroffen werden? • Ersetzen: Ersatzperson / -sache? Anderer Bestandteil? Anderes Material? Anderes Verfahren? Andere Kraftquelle? Anderer Platz? Anderer Zugang? Anderer Klang? • Kombinieren: Mischung? Legierung? Sortiment? Set? Einheiten kombinieren? Zwecke kombinieren? Ideen verbinden? • Umkehren: Positiv / Negativ vertauschen? Was bedeutet das Gegenteil? Untere Seite nach oben kehren? Rollen austauschen? Kopfseite umdrehen? Seiten­ flächen umdrehen? • Neu anordnen: Komponenten austauschen? Neue Bauart? Anderes Layout? Andere Reihenfolge? Ursache / Wirkung umkehren? Anderes Tempo? Anderer Zeitplan? Bei der Wertanalyse werden Produkte und Prozesse in ihre einzelnen Funktio­ nen und Bestandteile zerlegt und dahingehend untersucht, wie durch Vereinfachung, Verbesserung und Änderung dieselbe oder nur eine unwesentlich schlechtere Qualität zu deutlich geringeren Kosten realisiert werden kann bzw. eine bessere Qualität zu gleichen oder nur unwesentlich höheren Kosten. Die Wertanalyse beschäftigt sich dabei mit folgenden Elementen: • Funktion: Kann die Funktion durch ein anderes Teil mit übernommen werden? Kann auf Teilfunktionen verzichtet werden? Kann die Funktion mit anderen Mitteln leichter erfüllt werden? Ist die Funktion für eine Mehrzahl von Kunden überhaupt notwendig? • Konstruktion: Können Material- und Bearbeitungskosten durch Änderung der Formgebung eingespart werden? Können Bauteile billiger von Zulieferern bezogen werden? Können Teile von anderen, selbstgefertigten Erzeugnissen verwendet werden? Können Normteile anstelle von Bauteilen eingesetzt werden? Zeigt ein Bauteil Übergröße bei Vergleichstests? • Eigenschaften: Können Anforderungen herabgesetzt werden, ohne dass die Funktion leidet? Kann die Oberfläche vereinfacht werden? Können Nachbehandlungen eingespart werden? • Material: Kann Material einer schlechteren Güteklasse eingesetzt werden? Kann der Materialverbrauch verringert werden? Kann der Abfall verringert / wiederverwendet / verkauft werden? • Einkauf: Können die Konditionen gesenkt werden? Kann ein besserer Lieferant gefunden werden? Kennt der Lieferant die Funktion des Teils, das er liefert und kann er davon ausgehend Kostensenkungsvorschläge machen? Ist Eigenfertigung wirtschaftlicher?

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• Fertigung: Können andere Verfahren / Produktionsmittel eingesetzt werden? Sind vorhandene Kapazitäten genügend ausgelastet? Können Rüst- und Stillstand­ zeiten herabgesetzt werden? Können Werkzeuge / Maschinen bisherige Handarbeit übernehmen? Können Operationen entfallen oder gekürzt werden? Können Arbeitswertanalysen Kostenvorteile bringen? Können Energieverbrauch, Raumkosten, Logistik minimiert werden? Kann Mehrverbrauch durch verbesserte Wareneingangskontrolle verringert werden? • Kosten: Verbilligen andere Stückzahlen Lieferungen? Lohnen sich Kleinserien und Kundensonderausführungen? Sind ausreichende Vorräte vorhanden? Die Wertanalyse geht also typischerweise von einer bestehenden Problemlösung aus und versucht, diese zu optimieren, statt völlig Neuartiges zu erfinden. Dabei handelt es sich immer um interdisziplinäre Teamarbeit.

2.4 Ideensichtung und -bewertung Wichtig ist, dass bei allen Verfahren die Phase der Ideengenerierung von jener der Analyse der Ergebnisse getrennt ist. Nur auf diese Weise kann man vorurteilsfrei und im positiven Sinne naiv an eine Problemlösung herangehen. Erst nach Abschluss des Kreativprozesses erfolgt mit der Ideensichtung (Screening) eine erste Analyse der Ergebnisse. Nunmehr werden alle erarbeiteten Ideen grob auf ihre Realisierbarkeit hin geprüft. Die Anzahl der für eine feinere Analyse in Betracht gezogenen Ideen wird dadurch drastisch reduziert (Shortlist). Es besteht jedoch die große Gefahr, dass in dieser ersten Filterung bereits Ideen hängen bleiben, die, weil sie spontan unrealistisch scheinen, ausgesondert werden, sich bei näherer Prüfung aber als sehr potenzialstark erweisen würden. Die wenigen Ideen, welche die Vorselektion überstanden haben, werden dann meist einem Punktbewertungsverfahren (Scoring) unterzogen. Dabei kann von einem vorgegebenen Lastenheft hinsichtlich der Erfüllung relevanter Leistungsdimensionen ausgegangen werden, es kann aber auch frei oder gewichtet bewertet werden. Dazu werden meist Kriterienkataloge angelegt. Denkbare Kriterien sind etwa folgende: – Marktfähigkeit: Erforderliche Absatzwege, Beziehung zur bestehenden Produktgruppe, Preis-Leistungs-Verhältnis, Konkurrenzfähigkeit, Einfluss auf Umsatz der alten Produkte (Kannibalisierung), – Lebensdauer: Haltbarkeit, Marktgröße / -potenzial, Saisoneinflüsse, Alleinstellung, Substitutionsgefahr, – Produktionsmöglichkeiten: Benötigte Einsatzfaktoren an Material, Fachpersonal, Kapitalerfordernis,

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– Wachstumspotenzial: Marktstellung, Markteintritt, Nachfragerzahl, Fördermittel, – Strategie: Fit mit Zielsetzung, Verkaufsprogramm, Produktions- und Beschaffungsprogramm, Entwicklungserfahrung, Produktionskapazitäten, Schutzrechtsmöglichkeiten, Entwicklungskosten, – Beschaffung / Produktion: Rohmaterialien, Qualitätsanforderungen, Energie- und Umweltfreundlichkeit, – Vertrieb: Kompetenz, Kundendienst, Auslandsmarktfähigkeit, Konjunkturabhängigkeit, – Markt: Zielgruppe, Imageeinfluss, Lebenszyklusstadium, Break even-Punkt / ​ Amortisationszeit. Die Produktidee mit der höchsten Punktzahl wird als erste zur Umsetzung vorgesehen. Danach folgen die übrigen Ideen in absteigender Reihenfolge ihrer Priorität. Sofern man es sich leisten kann, werden mehrere Ideen parallel weiterverfolgt.

2.5 Gewerblicher Rechtsschutz 2.5.1 Funktion Die Bestimmungen des Gewerblichen Rechtsschutzes haben aus marktwirtschaftlicher Sicht vor allem die Funktion, eine optimale Zeitabfolge von Vorstoß und Verfolgung (Challenge & Response) zu gewährleisten. Denn der Wettbewerb ist ein Entdeckungsprozess, der Innovation begünstigt (Schumpeter’scher Unternehmer). Marktvorsprünge werden durch Vorpreschen dynamischer Anbieter herausgearbeitet. Diese sind jedoch nur bereit, die damit untrennbar verbundenen Risiken einzugehen, wenn sie davon ausgehen können, dass ihnen aus dem Vorstoß genügend Vorteile erwachsen, welche die eingegangenen Risiken überkompensieren. Ist dies nicht der Fall, z. B. weil Nachahmer unter Umgehung dieser Risiken das gleiche Angebot schnell und unter Verzicht auf Einrechnung von Risikoprämien auch preisgünstiger verfügbar machen können, wird jeglicher Vorstoß unterbleiben. Insofern besteht ein Interesse daran, dem Innovator einen gewissen Schutz vor Nachahmern zu gewähren. Andererseits darf dieser Schutz aber auch nicht zur Sanktionierung einer dauerhaft monopolartigen Stellung ausarten, denn dann besteht die Gefahr der missbräuchlichen Ausnutzung der Möglichkeit zur Marktbeherrschung. Insofern soll die Zeitdauer zwischen Vorstoß und Verfolgung weder zu kurz noch zu lang sein. Ein wichtiges Regulativ sind dabei Gewerbliche Schutzrechte. Man unterscheidet Gesetze zum Schutz von Wettbewerbern und zum Schutz der Nachfrager. Der Wettbewerbsschutz betrifft den Schutz geistig-gewerblichen Schaffens als • Institutionenschutz zum Schutz der Freiheit im Wettbewerb (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen / GWB), der Lauterkeit des Wettbewerbs (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb / UWG, Markengesetz / MarkenG).

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• Immaterialgüterschutz zum Schutz geistig-gewerblicher Schöpfungen (Patentgesetz / PatG und Gebrauchsmustergesetz / GebrMG) für technische Schutzrechte, Geschmacksmustergesetz / GeschmMG für Musterrechte)  und von geistig-kulturellen Schöpfungen (Urheberrechtsgesetz / UrhG). Inhalt ist dabei immer die Zubilligung von Ausschließlichkeitsrechten an den Initiator. Im Marketing haben Gewerbliche Schutzrechte die größte Bedeutung (siehe Abbildung 73: Gewerbliche Schutzrechte).

Abbildung 73: Gewerbliche Schutzrechte

2.5.2 Patentschutz Das Patent gilt für den geistigen Gehalt von Ergebnissen erfinderischer Tätigkeit auf dem Gebiet der Technik, der sich in körperlichen Gegenständen, Stoffen oder Verfahren manifestiert und physikalische, chemische oder funktionale Eigenschaften des Produkts bzw. der Verpackung sowie die Produktfunktion betrifft. Voraussetzungen sind die Anleitung zu technischem Handeln, der Neuheitscharakter, die erfinderische Tätigkeit und die gewerbliche Verwertbarkeit. Die schriftliche Anmeldung erfolgt beim Deutschen Patent- und Marken-Amt (DPMA) mit allen Inhalten incl. Beschreibung, Zeichnung etc. Nach Prüfung der formellen und materiellen Schutzvoraussetzungen erfolgt die Erteilung des Patents auf Antrag innerhalb von längstens sieben Jahren nach Anmeldung. Daraus ergibt sich die alleinige Nutzungsbefugnis und das Recht auf Ausschluss Dritter von der Erfindung. Zuwiderhandeln bewirkt Unterlassungs-, Entschädigungs-, Schadensersatzansprüche und ggf. Strafverfolgung. Patentschutz wird nur gewährt für technische Erfindungen, also Gegenstände wie etwa Maschinen, Chemikalien, Arzneimittel oder Verfahren wie etwa Abwasserreinigung, die neu sind, d. h. bisher nirgendwo anderweitig realisiert, einen beachtlichen Fortschritt hinsichtlich des bisherigen Standes der Technik aufweisen und gewerblich verwertbar sind.

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Grundlage ist das Patentgesetz, das eine Patentlaufzeit von 20 Jahren im gesamten Bundesgebiet vorsieht. Das Patenterteilungsverfahren ist kostenpflichtig und durchläuft folgende Schritte: • Patentanmeldung, • Offensichtlichkeitsprüfung sowohl der formellen wie materiellen Schutzvoraussetzungen, • Prüfungsantrag, • Prüfung durch die Prüfstelle (Deutsches Patent- und Markenamt, Europäisches Patentamt), • Antragszurückweisung (dagegen ist ein Einspruch möglich) oder Patenterteilungsbeschluss, • im Erfolgsfalle Ausgabe der Patentschrift, • bei Zurückweisung Prüfung des Einspruchs durch die Patentabteilung, • Widerruf, Teilung oder Aufrechterhaltung des Patents, • Beschwerde oder Nichtigkeitsklage mit Verwerfung der Beschwerde oder Aufhebung des Patentbeschlusses. In der Praxis ist das Phänomen der Patenthäufung zur Blockade von Umgehungslösungen anzutreffen. Dabei lässt ein Patenthalter auch alle seiner Lösung ähnlichen Problemlösungen schützen, um Nachahmern zuvor zu kommen. Sofern dieses Schutzrecht nicht genutzt wird, handelt es sich um Patentvorrat. Dabei kann ggf. eine Umsetzungspflicht bestehen, um den technischen Fortschritt nicht auszuhebeln. Der Patenthalter kann sein Schutzrecht auch verkaufen, damit gehen dann alle Rechte an den Käufer über, oder eine Lizenz auf sein Schutzrecht vergeben, damit bleibt er weiter Patenthalter, erlaubt aber Dritten dessen Nutzung. Dabei sind zu unterscheiden eine: • ausschließliche (exklusive)  Nutzung nur durch einen Lizenznehmer ohne Beschränkung, • einfache (parallele) Nutzung durch mehrere Lizenznehmer ohne Beschränkung, • beschränkte Nutzung durch einen oder mehrere Lizenznehmer, reglementiert nach Menge, Zeitraum, Gebiet, Herstellung, Gebrauch, Vertrieb, Zeichen etc., • beschränkte Nutzung durch einen oder mehrere Lizenznehmer parallel zum Lizenzgeber.

2. Produktinnovation

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2.5.3 Gebrauchsmusterschutz Das Gebrauchsmuster betrifft den geistigen Gehalt erfinderischer Tätigkeit auf technischem Gebiet, der sich in Arbeitsgeräten und Gebrauchsgegenständen manifestiert, die Produktfunktion, physikalische und funktionale Eigenschaften des Produkts bzw. der Verpackung betreffend. Voraussetzung dafür ist eine Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung, die dem Arbeits- oder Gebrauchszweck dient, die neu ist, einen erfinderischen Schritt darstellt und gewerblich verwertbar ist. Die schriftliche Anmeldung erfolgt beim Deutschen Patent- und Marken-Amt incl. Modell, Beschreibung etc. Die Eintragung des Musters wird nach Prüfung nur der formellen Schutzvoraussetzungen vorgenommen. Eine materielle Prüfung erfolgt nur bei Löschungsantrag eines Dritten, dem der Schutzrechtsinhaber binnen Monatsfrist widerspricht. Daraus ergibt sich die alleinige Nutzungsbefugnis und das Recht auf Ausschluss Dritter von der Erfindung. Zuwiderhandeln bewirkt Unterlassungs-, Entschädigungs- und Schadenersatzansprüche, ggf. auch Strafverfolgung. Der Gebrauchsmusterschutz bezieht sich auf technische Erfindungen in Bezug auf gebrauchswerterhöhende neue Gestaltungen, Anordnungen oder Vorrichtungen bei beweglichen Arbeitsgeräten (z. B. Sport-, Haushalts-, Gartengeräte) und Nutzgegenständen, die in ihrer Erfindungshöhe keinem Patent genügen. Grundlage ist das Gebrauchsmustergesetz, das eine Schutzfrist von zehn Jahren (grundsätzlich drei Jahre, erste Verlängerung weitere drei Jahre, zweite und dritte Verlängerung um je zwei Jahre möglich) im Geltungsbereich des gesamten Bundesgebiets vorsieht. Das Gebrauchsmustererteilungsverfahren ist kostenpflichtig und kennt folgende Schritte: • Gebrauchsmusteranmeldung, • formelle Prüfung durch die Gebrauchsmusterstelle, • Zurückweisung oder Eintragung in die Gebrauchsmusterrolle, • Löschungsantrag durch Dritte ist jederzeit möglich, • kein Widerspruch des Gebrauchsmusterinhabers bedeutet dann Löschung, • ein Widerspruch führt zur Prüfung der materiellen Schutzvoraussetzungen mit Zurückweisung oder Löschung, • dagegen sind Beschwerde oder Nichtigkeitsklage möglich, • Aufhebung des Gebrauchsmusterbeschlusses oder Verwerfung der Beschwerde.

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

2.5.4 Geschmacksmusterschutz Das Geschmacksmuster gilt für den ästhetischen Gehalt individueller Leistungen, die auf überdurchschnittliche gestalterische Begabung zurückzuführen sind, also geschmacklich, visuell erfassbare Eigenschaften des Produkts bzw. der Verpackung. Voraussetzungen sind eine äußere Formgebung, die sich in einer Raumoder Flächenform manifestiert, deren gewerbliche Verwertbarkeit, der Neuheitscharakter und die Eigentümlichkeit. Nach Eintragungsantrag (incl. Foto, Muster etc.) erfolgt die Eintragung beim Patentamt. Daraus ergibt sich die alleinige Nutzungsbefugnis und das Recht auf Ausschluss Dritter von der Nachbildung des Musters oder Modells. Einzelne Motive können frei benutzt werden. Zuwiderhandeln bewirkt dagegen Unterlassungs-, Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche, ggf. Strafverfolgung. Der Geschmacksmusterschutz gilt für Farb- und Formgebungen, die den Formsinn ansprechen, eine eigenpersönliche Leistung verkörpern, dabei aber nicht den Rang eines Kunstwerks erreichen müssen, sofern das Design gewerblich verwertbar, neu und eigentümlich ist. Die ästhetische Gestaltung betrifft technische Güter wie etwa Fernsehgeräte, Automobile, Maschinen und Bekleidung- und Einrichtungsgegenstände wie etwa Geschirr, Leuchten, Teppiche. Die Grundlage bildet das Geschmacksmustergesetz, das eine Schutzlaufzeit von 20 Jahren (grundsätzlich fünf Jahre mit Verlängerung um jeweils fünf auf maximal 20 Jahre) im gesamten Bundesgebiet vorsieht. Das Verfahren zur Erlangung des Geschmacksmusterschutzes ist kostenpflichtig und kennt folgende Schritte: • Anmeldung zur Eintragung des Musters / Modells, • Bekanntmachung und Eintragung mit Abbildung oder ausschließliche Wort­ bekanntmachung unter vorläufigem Verzicht auf eine Bildbekanntmachung, • Erlangung der Schutzwirkung, • Löschung bei Ende der Schutzdauer, Löschungsantrag des Schutzinhabers oder Löschungsantrag eines Dritten mit Schutzverzicht oder Löschungseinwilligung durch den eingetragenen Inhaber, • bei Streitigkeiten Anrufung des zuständigen Landgerichts. 2.5.5 Markenschutz Das Markenzeichen hat als Schutzzweck den werbenden Gehalt von Worten, Bildern, Wort-Bild-Kombinationen o. Ä., die als Zeichen in einheitlicher, geschlossener Form neben Waren und Dienstleistungen selbstständige Immaterial­ güter darstellen. Dabei geht es um symbolische Eigenschaften der Unternehmensleistung.

2. Produktinnovation

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Schutzvoraussetzungen sind die Existenz eines Geschäftsbetriebs, die Kennzeichnung von Waren bzw. Dienstleistungen oder ersatzweise deren Verkehrsgeltung, deren Unterscheidungskraft und der Benutzungswille. Die schriftliche Anmeldung erfolgt beim Deutschen Patent- und Marken-Amt. Nach Prüfung der formellen und materiellen Schutzvoraussetzungen und Abwicklung etwaiger Widersprüche binnen Dreimonatsfrist erfolgt die Eintragung. Daraus ergeben sich die alleinige Nutzungsbefugnis und das Recht auf Ausschluss Dritter von der Nutzung des geschützten Zeichens. Zuwiderhandeln bewirkt Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche, ggf. Strafverfolgung. Der Markenschutz gilt für alle sinnlich wahrnehmbaren Signale zur Auszeichnung von gleich bleibenden Waren und Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens (wie Stern von Mercedes-Benz, Kranich von Lufthansa). Die Grundlage bildet das Markengesetz. Die Schutzlaufzeit beträgt zehn Jahre, verlängerbar um jeweils weitere zehn Jahre beliebig oft, als Defensivzeichen ist eine Nutzung innerhalb von fünf Jahren erforderlich. Der Geltungsbereich bezieht sich auf das gesamte Bundesgebiet, das Gesetz kann also nicht durch die fremde Verwendung der Marke im Ausland verletzt werden. Das zeichenrechtliche Verfahren ist kostenpflichtig und kennt folgende Schritte: • Zeichenanmeldung, • Prüfung der formellen Schutzvoraussetzungen und absoluter Eintragungshindernisse durch die Prüfungsstelle, • Zurückweisung, eine beschleunigte Eintragung bei berechtigtem Interesse oder Beschluss auf Bekanntmachung der Anmeldung sind möglich, • Veröffentlichung im Markenregister, • Widerspruch seitens der Inhaber älterer übereinstimmender Zeichen, falls diese innerhalb der letzten fünf Jahre vor Widerspruch benutzt wurden, • Prüfung auf relative Eintragungshindernisse wie Verwechslungsfähigkeit, • Eintragungsuntersagung oder Eintragungsbeschluss, • ohne Widerspruch binnen drei Monaten folgt die Eintragung des Zeichens in die Markenrolle und die Veröffentlichung im Markenregister, • ein Löschungsantrag ohne Widerspruch des Zeicheninhabers führt zur Löschung, mit Widerspruch zur Löschungsklage, • eine Beschwerde oder Nichtigkeitsklage führt zur Aufhebung des Beschlusses oder Verwerfung der Beschwerde. Der Markenschutz besteht für nicht-eingetragene Marken abgestuft nach deren gestütztem Bekanntheitsgrad in der Zielgruppe wie folgt:

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

• ab 30 % Bekanntheitsgrad beginnt der Markenschutz qua Verkehrsgeltung (verifiziert durch Marktforschung in der Zielgruppe), • ab 33 % ist eine bekannte Marke gegen unlautere Verwässerung und Rufaus­ beutung geschützt, • ab 50 % Bekannheitsgrad kann eine an sich schutzunfähige Marke dennoch als durchgesetzt eingetragen werden, • ab 60 % ist eine im Inland nicht benutzte Marke dennoch als notorisch bekannte Marke geschützt, • ab 80 % Bekanntheitsgrad besteht Schutz gegen objektive Verwässerung als berühmte Marke.

3. Neuheitsumsetzung Die Implementierung von Neuerungen betrifft sowohl technische als auch wirtschaftliche Dimensionen. Erstere beziehen sich auf die Forschung (grund­ legend / angewandt) und Entwicklung / Erprobung (3.1), letztere auf die Marktinformationsbasis (3.2), die Grundlagen der Investitionsentscheidung (3.3) sowie die Durchführung von Produkt- und Markttests (3.4 + 3.5). In der Implementierung ergibt sich, ob eine gute Idee sich auch zur Produkteinführung eignet. Die große Mehrzahl der Ideen strandet allerdings in diesem mehrstufigen Prozess und kommt nicht zur Realisierung. Von den wenigen Produkteinführungen wiederum stellen sich noch weniger als erfolgreich heraus.

3.1 Forschung und Entwicklung 3.1.1 Stufen und Risiken Zwischen einer präferierten Idee und einem vermarktbaren neuen Produkt liegen diverse Stufen der Umsetzung, vor allem als Forschung und Entwicklung (siehe Abbildung 74: Stufen der Forschung und Entwicklung). Ist noch kein spezifisches Wissen um die Produktidee vorhanden, ist zunächst Grundlagenforschung erforderlich. Darunter versteht man die Gewinnung neuer wissenschaftlicher oder technischer Erkenntnisse und Erfahrungen, die als solche nur schwer schützbar sind (außer bei Gentechnik) und als wesentliches Argument der Unternehmenskonzentration vorwiegend nur für Großunternehmen in Frage kommen. Im Marketingbereich wird Grundlagenforschung an Universitäten betrieben. Sind grundlegende Erkenntnisse zum Thema bereits vorhanden, bedarf es der angewandten Forschung. Darunter versteht man die Gewinnung und Weiterentwicklung von Wissen und Fähigkeiten zur Lösung praktischer Probleme in der

3. Neuheitsumsetzung

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Abbildung 74: Stufen der Forschung und Entwicklung

Technik. Ergebnisse sind im Erfolgsfall schützbare Erfindungen. Im Marketing­ bereich wird angewandte Forschung vorwiegend an Fachhochschulen (HAW / UAS) betrieben. Sind bereits Anwendungsergebnisse vorhanden, bedarf es meist der (Neu-/ Weiter-)Entwicklung zur Nutzung der Erkenntnisse und Erfahrungen für die Anwendung in neuen Produkten oder Prozessen. Genauer können die Stufen einer ersten, noch generalistischen Vorentwicklung sowie der spezifischen Produkt- bzw. Prozessentwicklung unterschieden werden. Verbunden damit erfolgt die Erprobung, um die Erfüllung von Lastenheft (Anforderungen an ein Produkt / Was) und Pflichtenkatalog (Realisierung dieser Anforderungen / Wie) festzustellen. Sie endet mit einem Handmuster (Dummy), einem Vorserienexemplar, einem Nullserienprodukt oder auch dem Serienanlauf. Die Forschung und Entwicklung kann dabei proaktiv oder reaktiv angelegt sein: • Proaktiv (Technology Driven) bedeutet, dass Unternehmen Chancen für Neu­ produkte initiativ nutzen, diese zur Marktreife vorantreiben und bei der Nachfrage anbieten (Push). Ein Beispiel im Rahmen der Elektroautomobilität ist Tesla. • Reaktiv (Market Driven) bedeutet, dass Unternehmen Forderungen nach Neuprodukten aufnehmen und diese dann erst zur Marktreife bringen und anbieten (Pull). Ein Beispiel in der Telekommunikation sind Glasfaserkabel mit hoher Bandbreite. Dabei ist nicht zu verkennen, dass Forschung und Entwicklung erhebliche ­Risiken birgt: • Technische Risiken entstehen, wenn ein angestrebtes Neuprodukt nicht beherrsch­ bar und zuverlässig realisiert werden kann. Allerdings ergeben sich Chancen durch Serendipität und Diversifikation, also durch Zufallsnutzungen eigentlich in anderer Richtung betriebener FuE bzw. durch Nutzung von Know-how aus anderen Geschäftsbereichen eines produktlich breit aufgestellten Unternehmens (z. B. Thyssen-Krupp mit Übertragung der Transrapid-Magnetfeldtechnik auf Schwebe-Aufzüge in Wolkenkratzern).

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

• Zeitliche Risiken entstehen, wenn das Timing zur Marktreife des eigenen Neuprodukts hinter dem konkurrierender Anbieter liegt, dann bleibt nur die Position des Frühen Folgers oder Modifikators, um gegen den Pionier zum Zuge kommen zu können. Allerdings spricht der sog. First Mover Advantage im Regelfall gegen ein erfolgreiches Überholen bzw. Nachziehen (anders z. B. Microsoft Messenger vs. AOL, Apple vs. Nokia). • Kostenbezogene Risiken entstehen, wenn die Vorlaufaufwendungen bis zur Marktreife deutlich höher ausfallen als geplant bzw. vertretbar. Dabei entsteht ein Sunk Cost-Phänomen, d. h. bereits verbrauchte Ressourcen können auch bei Projekteinstellung nicht wieder verfügbar gemacht werden. Dies führt oft zu einer Eskalation der Kosten, weil „gutes Geld“ eingesetzt wird, um „verlorenes Geld“ wenigstens teilweise zu retten (z. B. Berlin Airport BER, Elbphilharmonie Hamburg, Bahnhof Stuttgart 21, Erweiterung Kanzleramt Berlin). • Erlösbezogene Risiken entstehen, wenn die Preisbereitschaft am Markt nicht ausreicht, die gewünschte Rentabilität des Neuprodukts darzustellen. Dies kann durch unzutreffende Marktinformation, aber auch durch unvorhergesehene Wettbewerbsaktivitäten bzw. Nachfrageverschiebungen verursacht sein. Denkbare Maßnahmen betreffen dann ein Down Grading des Produkts, die Wahl erlösträchtigerer Absatzwege, eine werbliche Aufwertung, Lizenzvergabe, die Bearbeitung liquiderer Auslandsmärkte, Produktelimination etc.

3.1.2 Träger Nach dem Träger der FuE kann es sich neben der (autonomen) Eigen-FuE auch um Fremd-FuE handeln, so dass es zur Nutzung von Kernkompetenzen kommt. Auftrags-FuE bedeutet die komplette Fremdvergabe von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, vor allem im Bereich der Grundlagenforschung, an Dienstleister. Dabei kann es sich um Forschungsinstitute, Labore, Wissenschaftsgesellschaften handeln, die ihr Know-how gegen Entgelt zur Verfügung stellen. Dies bietet sich an, wenn die eigenen FuE-Kapazitäten nicht ausreichen und keine stark risikobelasteten, hohen Overheads (indirekte Kosten) aufgebaut werden sollen. Außerdem kann Spezialistenkompetenz auf Feldern eingekauft werden, auf denen selbst (noch) keine Kompetenz besteht. Allerdings besteht auch die Gefahr der ungewollten Proliferation (Ausbreitung) von Wissen, das dann Nachahmern unter Vermeidung hoher eigener Kosten zugute kommt. Auch kann der FuE-Erfolg nur indirekt beeinflusst werden, da diese Aktivitäten ja outgesourced sind. Eigene Kompetenzen können auf diese Weise nicht aufgebaut werden bzw. werden zumindest partiell aufgegeben. Gemeinschafts-FuE bedeutet eine partielle Kooperation mehrerer Unternehmen / ​Organisationen. Dabei bleibt die rechtliche Selbstständigkeit erhalten, die

3. Neuheitsumsetzung

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wirtschaftliche wird jedoch in Bezug auf das FuE-Projekt aufgegeben bzw. eingeschränkt. Dies bietet sich an, um Synergiepotenziale aus der Zusammenarbeit zu heben. Außerdem entsteht ein Cost Sharing zur Reduktion des Risikos, zur Verkürzung der Projektzeit und zur Vermeidung von Doppelarbeiten. Im Ergebnis können dann auch gemeinsame Normen und Standards entstehen. Ebenso besteht eine bessere Chance zum Neuprodukterfolg durch höhere Marktmacht. Beispiele sind der Launch der Audio-CD, der Video-DVD oder der Blu-ray-Technik. Allerdings entsteht auch eine große Abhängigkeit vom Kooperationspartner, der zu einem Verlust / einer Einbuße an Entscheidungsfähigkeit und Anpassungsflexibilität führt. Durch den Informationsaustausch und die erforderliche laufende Koordination entstehen zudem hohe Transaktionskosten. Im Ergebnis gibt es immer wieder Querelen, wenn es um die Zurechnung von Beiträgen (Input) und Anreizen (Output) geht. Ebenso kann in Bezug auf das Forschungsgebiet kein eigenständiger Wissensvorsprung erreicht werden. Bei falscher Partnerwahl kommt es zudem zu erheblichen Zeit- und Kostennachteilen. Sofern es sich um FuE-Bereiche mit großer Reichweite handelt, sind Strategische Allianzen sinnvoll (z. B. deutsche Autohersteller für autonomes Fahren). Dabei verbinden sich aktuelle oder potenzielle Konkurrenten selektiv und häufig temporär für ein erfolgsentscheidendes Geschäftsziel, das sie allein nicht anstreben wollen oder können. Die FuE-Ergebnis-Lizenznahme bedeutet, dass ein Unternehmen, anstelle eigener Forschung oder zusätzlich dazu, durch Gewerbliche Schutzrechte gesicherte Neuerungen Dritter einlizenziert. Das Eigentum bleibt daher beim Urheber des Schutzrechts, nur dessen Nutzung geht nach definierten Kriterien über. Die Vergütung erfolgt als Pauschalgebühr (Lump Sum), als umsatz-/absatzabhängige Zahlungen (Royalties), einmalige Erteilungsgebühr (Down Payment) oder in Kombinationen daraus. Die Lizenz kann nicht-ausschließlich (einfach) oder ausschließlich (zur alleinigen Nutzung) angelegt sein. Der Inhalt der Lizenz kann sachlich beschränkt sein (z. B. Montage, Herstellung, Vertrieb, Vermarkung). Sie kann außerdem zeitlich (Frist) und / oder räumlich (Gebiet) beschränkt sein. Lizenznehmer dürfen ggf. ihrerseits (mittelbare) Unterlizenzen vergeben. Teilweise handelt es sich auch um Zwangslizenzen (z. B. Privat-TV, Eisenbahn). Dies ermöglicht den Verzicht auf zeit- und kostenintensive eigene FuE und vermag, schnell und gezielt Spezialwissen zu beschaffen, das nicht oder zumindest nicht zeittreu verfügbar ist. Allerdings ist dabei nicht jede Wissensübernahme möglich und die Nutzung kann durch vertragliche Regelungen eingeschränkt sein. Häufig vergeht zudem ein nennenswerter Zeitraum bis zur Lizenzerteilung, so dass ein Zeitvorsprung ganz oder großenteils wieder eingebüßt wird. Wenn keine Exklusivlizenz vereinbart ist, bestehen zudem kaum Möglichkeiten zu einer wirksamen wettbewerblichen Differenzierung. Spiegelbildlich ist auch die Lizenzvergabe eigener FuE-Ergebnisse an Dritte (Auslizenzierung) möglich. Dies kommt in Betracht, wenn diese außerhalb des eigenen Geschäftsfelds liegen, für die Realisierung nicht genügend Ressourcen

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

bereitstehen, diese die eigenen Kapazitäten übersteigen oder kein Interesse an der Realisierung gegeben ist. Ein FuE-Ergebnis-Kauf bedeutet, dass ein Unternehmen die FuE-Ergebnisse eines anderen gegen Entgelt in sein Eigentum übernimmt und damit entsprechend nutzen kann. Dies ist sinnvoll, wenn unbeschränkt über diese Ergebnisse disponiert werden soll. Denkbar sind aber auch wettbewerbliche Ziele, um diese Konkurrenten vorzuenthalten, wobei es sich vor allem um Schlüssel- und Zukunftstechnologien handelt (z. B. Künstliche Intelligenz / Big Data). Gelegentlich ist dies sogar der Hauptgrund für Unternehmensübernahmen. Gelegentlich werden diese dadurch aber auch unterdrückt (z. B. Wankel-Motor). Durch die Kaufoption kann auf zeit- und kostenintensive eigene FuE verzichtet oder diese zumindest begrenzt werden. Vor allem aber können interne Wissensdefizite etwa durch Langstieligkeit vergleichsweise rasch und sicher ausgeglichen werden. Ein Risiko für den FuE-Prozess besteht nicht, da das Ergebnis ja bereits vorliegt und Geschwindigkeit ist wichtig, um einen Konkurrenzvorsprung schaffen bzw. aufholen zu können. Allerdings besteht die Gefahr der Wissensdiffusion, wenn der Verkäufer die Ergebnisse in abgewandelter, nicht vertraglich geregelter Form weiterverfolgt oder anderweitig Dritten zugänglich macht. Vor allem aber muss ein Verkäufer bereit sein, sein Know-how abzutreten und der Kaufpreis dafür muss finanziell darstellbar sein. Je nach Wertigkeit und Potenzial der FuEErgebnisse entstehen rasch explodierende Preise (z. B. Internet Economy). Ebenso kommt es zu keiner / weniger eigenen Erfahrung in Bezug auf wertschöpfende Aktivitäten im FuE-Bereich. Der Kauf von FuE-Ergebnissen ist eine wesentliche Möglichkeit zur Überwindung von Markteintrittsbarrieren. Diese waren früher sehr stark ausgeprägt und vor allem im Wissenszugang basiert. Insofern sind diese durch Finanzmitteleinsatz heute vergleichsweise gut überwindbar. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für disruptive Strategien vordem branchenfremder Akteure. Spiegelbildlich ist auch der Verkauf von FuE-Ergebnissen möglich. Er dient vor allem der Monetarisierung des Erfolgs und kommt in Betracht, wenn es sich um Ergebnisse außerhalb des gewünschten Geschäftsfelds eines Unternehmens handelt oder dieses sich nicht in der Lage sieht, eine Markteinführung zu organisieren. Häufig sind auch anderweitige, finanzielle Engpässe gegeben oder Existenzgründer wollen einen Exit vollziehen.

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3.1.3 Technologien Die Umsetzung der FuE erfolgt als Technologie. Man unterscheidet nach ihrer Art • Produkt- oder Prozesstechnologien, erstere drücken sich in marktfähigen Ergebnissen aus, letztere in internen Verfahren, die nicht notwendigerweise in neuen marktfähigen Ergebnissen münden. • Einzel- oder Systemtechnologien, erstere sind allein funktionsfähig und isoliert einsetzbar, letztere nur im Verbund mit anderen, vorhandenen oder noch zu entwickelnden Technologien. • neue oder verbesserte Technologien, erstere bedeuten ihrem Wesen und ihrer Umsetzung nach einen spürbaren technischen Fortschritt, letztere sind lediglich ihrer Umsetzung nach neu, ihrem Wesen nach aber bereits vorhanden. • allgemeine oder spezifische Technologien, erstere erlauben nach nur leichter Modifikation den Einsatz in verschiedenen Technikumgebungen, letztere sind nur in einer festgelegten Technikumgebung einsetzbar. In Bezug auf die Realisierbarkeit werden folgende Generationen unterschieden: • Basistechnologien, über deren Know-how alle Anbieter am Markt mehr oder minder bereits gleichermaßen verfügen. Hier geht es meist um Detailverbesserungen, die dem derzeitigen Stand des technischen Wissens entsprechen und im Wesentlichen der Vervollkommnung vorhandener Angebote dienen. Es bestehen vorteile nur geringe Differenzierungsmöglichkeiten, technische Wettbewerbs­ sind hingegen kaum möglich. Basistechnologien stellen damit tragende technische Prinzipien dar, sind aber kaum als innovativ zu bezeichnen (z. B. Elektroantrieb bei Kfz, ABS bei Autos). • Schlüsseltechnologien, deren Know-how zentrale Bedeutung für den Markterfolg zukommt. Es handelt sich um neu zur Verfügung gestelltes technisches Wissen, das einen spürbaren Fortschritt gegenüber dem Status quo der Erkenntnisse repräsentiert. Ein hohes Innovationspotenzial und eine relativ schnelle Umsetzung in marktfähige Leistungen sind dabei möglich. Dies sichert einen Wettbewerbsvorsprung durch Leistungs- und Kostendifferenzierung. Schlüsseltechnologien haben schon weite Verbreitung gefunden, bieten aber darüber hinaus noch weiteres Differenzierungspotenzial (z. B. Wasserstoffantrieb bei Kfz, Konnektivität bei Autos). • Schrittmachertechnologien, deren Know-how sich potenzialstark und konkurrenzrelevant darstellt. Sie können dem Markt erst zukünftig zugänglich gemacht werden. Einsatzgebiete lassen sich dabei noch kaum konkret abschätzen. Es werden jedoch große Auswirkungen auf Produkte und Verfahren erwartet. Für Schrittmachertechnologien existieren immerhin bereits Pilot-/Testanwendungen, deren Entwicklung aber nicht hinlänglich genau vorhersagbar ist (z. B. Solar­ antrieb bei Kfz, fahrerlose Autos).

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

• Zukunftstechnologien, deren Know-how neu und auf dem Markt in dieser Form noch in keiner Weise verfügbar ist. Zwar sind bereits theoretische Ansätze für Probleme gegeben, deren faktische Umsetzung am Markt hat aber noch gar nicht stattgefunden, ist jedoch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Die Verwertungsfähigkeit dieser Technologie ist allerdings ungewiss oder zumindest sehr langfristig angelegt. Für Zukunftstechnologien wird bislang lediglich Grundlagenforschung betrieben, die in diesem Stadium noch kaum vermarktbar ist (z. B. Methanol-Brennstoffzelle, autonomes Fahren). Hinsichtlich der Technologieabfolge ist das Phänomen der „Zeitfalle“ anzutreffen, denn die Vorlaufzeiten für neue Technologien werden infolge steigender Komplexität immer länger und die Kosten / R isiken immer höher sowie zugleich die Vermarktungszeiträume infolge raschen technischen Fortschritts immer kürzer und damit die Amortisationschancen geringer. Abhilfe schaffen hier anbieterseitige Techniken wie • Simultaneous Engineering, d. h. die Parallelisierung von forscherischen und entwicklungstechnischen Arbeitsschritten, die traditionell sequenziell durchlaufen werden, dabei werden die einzelnen Phasen nicht mehr strikt nacheinander abgearbeitet, sondern agile Arbeitsmethoden genutzt. • Leapfrogging, d. h. das Überspringen einer Vermarktungsgeneration unter Nutzung des dafür gewonnenen Know-how bereits für die dann übernächste Generation, dies bietet sich vor allem an, wenn ein Unternehmen in der bestehenden Technologie als Später Folger in Verdrängungswettbewerb und Preisverfall unterwegs ist, und dies dann auch in der nächsten Generation wäre, durch Leap­ frogging aber zumindest in der übernächsten Generation eine Pionierstellung eingenommen werden kann. Die Substitutionszeitkurve (McKinsey) besagt dabei, dass ein frühzeitiger Umstieg auf die nächste Technikgeneration zwar kurzfristig mit Nachteilen behaftet sein mag wie hoher Preis, funktionales Risiko etc., aber schon mittelfristig auf ein weitaus höheres Leistungsniveau trägt als das Ausreizen der bestehenden Generation. Hinsichtlich des technischen Fortschritts ist kritisch eine Technologiefolgen­ abschätzung erforderlich, denn das naive Staunen über Neuerungen ist längst einer kritischen Hinterfragung der Konsequenzen von Veränderungen gewichen (z. B. Umweltverträglichkeitsprüfung, Datenschutz, ethische Unbedenklichkeit). Dennoch bahnen sich neue Technologien wie Quantentechnik, Nanotechnik, Gentechnik, Künstliche Intelligenz, Stammzellen etc. ihren Weg.

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3.2 Marktinformation 3.2.1 Sekundärforschung Marktinformationen sind zentral für Marketingentscheidungen, denn Entscheidungen können nur so gut sein wie die ihnen zugrunde liegenden Informationen. Daher sind Sekundär- und Primärforschungen in verschiedenen Erhebungsformen unverzichtbar (siehe Abbildung 75: Marktforschungsverfahren (Auswahl))

Abbildung 75: Marktforschungsverfahren (Auswahl)

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

Die Erhebung von Informationen aus bereits vorhandenem Datenmaterial wird als Sekundärforschung (Desk Research) bezeichnet. Diese Daten können selbst oder fremderhoben sein und ursprünglich für ähnliche oder gänzlich andere Zwecke gedient haben. Jedenfalls werden sie unter den speziellen Aspekten der anstehenden Fragestellung neu gesammelt, analysiert und ausgewertet. Dabei handelt es sich um Backdata-Informationen, denn jede Sekundärinformation ist erst durch Primärerhebung zustande gekommen. Die Sekundärforschung (Desk Research) als logischer und notwendiger erster Schritt erfolgt anhand von Offline- und Online-Datenquellen. Dabei ist von einem enormen Informationsüberschuss (Information Overload) auszugehen, so dass für die Recherche vor allem die Selektionierung der Quellen und die Reflektion deren Ergebnisse ansteht. Die Durchführung von Marktforschungserhebungen kann extern durch spezialisierte Institute oder auf betrieblicher Ebene erfolgen. Die Wahl ist von der Wertung der praktischen Vor- und Nachteile abhängig. An die erhobenen Informationen sind im Einzelnen die Anforderungen eines hohen Informationsgrads, günstiger Kosten-Nutzen-Relation, einer feinen Detaillierung, einer hohen Relevanz und Aktualität sowie eines angemessenen Sicherheitsgrads zu stellen. Als Datenquellen kommen interne und externe in Betracht. Gängige interne Datenquellen betreffen etwa – Rechnungswesen, Produktionsstatistik, allgemeine und kundenbezogene Statistiken über Auftragseingang und Versand, Geschäftsart, Abnehmergruppen, Export, regionale Marktbedeutung, Qualitäten, Abmessungen, Reklamationen etc., Außendienstberichte, Messe- und Ausstellungsberichte, Buchhaltungs- und Vertriebskostenrechnungszahlen, Forschungs- und Entwicklungsnachrichten etc. Gängige externe Datenquellen betreffen – amtliche Statistiken, Veröffentlichungen halbamtlicher Stellen wie Ministerien, kommunale Verwaltungsstellen, Bundesbank, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Körperschaften etc., Veröffentlichungen von Wirtschaftsverbänden / -organisationen etc. und von wirtschaftswissenschaftlichen Instituten, Universitäten wie Ifo-Institut, HWWA, Institut für Weltwirtschaft, Prognos etc., Veröffentlichungen von Kreditinstituten und deren Sonderdienste sowie aus der Medienwirtschaft, vor allem zur Mediaforschung, Veröffentlichungen firmenspezifischer Art wie Geschäftsberichte, Firmenzeitungen, Kataloge, Werbe­ mittel etc., Informationsmaterial von Adressverlagen, Informationsmaklern, Beratungsunternehmen, Internationalen Organisationen, Marktforschungsinstituten etc. Im Online-Bereich gibt es eine unerschöpfliche Zahl von Informationsquellen, so dass eine Informationsarmut im Informationsüberfluss entsteht. Den effizientesten Zugriff auf allgemeine Quellen bieten Metasuchmaschinen, also solche,

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die ihrerseits auf von Suchmaschinen recherchierte Daten im Internet zugreifen. Neben den bekannten Anbietern wie Google stellen sich Alternativen durch u. a. Bing, Yahoo, AOL, Ask, Yandex, Web, MetaGer, Qwant, Searx, Startpage, Duck DuckGo, Ecosia, Baidu, Fireball, Altavista, Lycos, Search. Ein Kennzeichen dieser Suchmaschinen ist jedoch, dass sie eher breit aufgestellt sind, was zulasten der Informationstiefe gehen muss. Praktisch sieht das so aus, dass ihre Suchagenten (Crawlers) in eine Webpräsenz eintreten und die oberen Seitenebenen anhand hinterlegter Dateien (Meta-Tags) erfassen, bis die ihnen zugeteilten Ressourcen erschöpft sind. Dann wandern sie über Auslösung von Links auf andere Sites ab und gehen dort genauso vor. Je spezifischer eine Information aber ist, desto eher ist sie erst auf weiter unten liegenden Click-Ebenen verschlagwortet (Deep Web). Dadurch entgeht sie diesen Suchmaschinen. Insofern bleibt der Erfolg spezifischer Suchaufträge begrenzt. Daher lohnt es sich, themen­ spezialisierte Datenbanken zu nutzen. Diese sind eng aufgestellt, dafür aber tief gestaffelt. Markt- und Konkurrenzinformationen können u. a. durch folgende Fachdatenbanken recherchiert werden, die allerdings kostenpflichtig sind wie Wer liefert was, Hoppenstedt, Seibt, Gelbe Seiten Business, Europages, Thomas Global Register, Kompass, Webadress, Die Deutsche Industrie. Zunächst sollte in jedem Fall versucht werden, die Marktinformation aus Sekundärquellen zu generieren. Erst wenn diese als nicht ausreichend angesehen werden, kommen Primärquellen in Betracht. Selbst dann hilft Desk Research bei der Spezifizierung des Informationsbedarfs im Field Research. 3.2.2 Primärforschungsquelle Befragung 3.2.2.1 Persönliche Formen Die Primärforschung (Field Research) betrifft die Ermittlung originär neuer Daten und kann als Befragungs- oder Beobachtungs-Erhebung bzw. -Experiment angelegt sein. Diese Formen sind jeweils in zahlreichen Ausprägungen vertreten. Die persönliche Befragung ist das am häufigsten angewandte und wichtigste Erhebungsverfahren der Primärforschung. Dabei sind verschiedene Ausprägungen denkbar: • Nach der Modalität der Befragung handelt es sich um eine persönliche Befragung (Face to Face) oder um eine mediale Befragung (telefonisch oder online), beide meist computergestützt. • Nach der Befragtenanzahl unterscheidet man eine Einzelbefragung (Interview), eine identifizierte Personengruppe (Gruppenbefragung) oder eine anonyme Personenmehrheit.

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

• Nach der Anzahl der Befragungsobjekte handelt es sich um eine Einthemen­ befragung (Regelfall) oder eine Mehrthemenbefragung (Omnibus-Befragung). • Nach der Befragungshäufigkeit ist diese einmalig (Ad hoc), wiederholt, regelmäßig (Tracking) oder kontinierlich (Panel) angelegt. Bei der Gruppenbefragung handelt es sich um ein qualitatives Verfahren, das allerdings keinerlei Anspruch auf Repräsentanz erhebt. Potenzielle oder aktuelle Käufer eines Produkts, Laien oder Experten werden dazu zu einem RoundtableGespräch eingeladen. Die Rekrutierung erfolgt aus vorhandener Adressdatei des Marktforschers oder durch Ansprache auf der Straße („Baggern“) bzw. über Telefon. Die Teilnehmer kennen einander nicht, das Gespräch steht unter Leitung eines erfahrenen Psychologen. Je nach Anlage dreht sich das Gespräch um ein bestimmtes Thema (Issue), eine Produktgruppe und / oder ein bestimmtes Produkt. Die Teilnehmer werden zu ihren Einstellungen und Verhaltensweisen befragt. In der Gruppe entsteht darüber ein Dialog. Meinungen werden ausgetauscht, gruppendynamische Prozesse entstehen. Frauen sind dabei meist kommunikativer als Männer, weshalb es sich empfiehlt, geschlechtsspezifische Gruppen zu bilden. Dies gilt auch für Tabu-Themen. Es besteht allerdings die Gefahr, dass Meinungsführer in der Gruppe den Verlauf der Diskussion zu steuern oder Meinungen anderer zu dominieren versuchen. Das Gespräch wird mit dem Einverständnis der Teilnehmer aufgezeichnet. Außerdem besteht die Möglichkeit der unbemerkten (Einwegspiegel, versteckte Kamera) bzw. unerkannten Teilnahme (als Diskutant) durch den Auftraggeber. Die Dauer beträgt meist nicht mehr als eine Stunde, da dann Ermüdungserscheinungen auftreten, die Personenzahl sollte zwischen acht und zwölf liegen, darunter entsteht wenig Gruppendynamik, darüber kommen die einzelnen Beiträge zu kurz. Gruppendiskussionen geben gute Einblicke in die unvoreingenommene Sichtweise der Nachfrager. Sie sind zudem kostengünstig und schnell darstellbar. Die Einzelbefragung ist die am weitesten verbreitete Methode der Erhebung. Vorsicht ist jedoch vor seiner unreflektierten Bewertung geboten. Dazu sollte man sich unbedingt die Details des Forschungsdesigns anschauen und deren Einhaltung in der praktischen Durchführung prüfen. Es werden verschiedene Anlageformen von Interviews unterschieden: • Beim vollstandardisierten Interview liegt ein genau ausformulierter Fragebogen vor, welcher die Reihenfolge der einzelnen Fragen exakt vorgibt, ebenso jede erlaubte Erklärung. Es ist vorgegeben, ob diese Erläuterung in jedem Fall gegeben werden muss und ob weiterführende Erläuterungen gegeben werden dürfen. Der Interviewer muss sich jeglichen Kommentars enthalten, darf weder Überraschung, noch Zustimmung oder Missbilligung zeigen. Er soll jedoch Interesse an der Meinung des Befragten bekunden. • Beim teilstandardisierten Interview liegt ein ausformulierter Fragebogen vor, welcher die Reihenfolge der Fragen und deren Wortlaut vorgibt. Die Reglemen­ tierung ist jedoch nicht so streng wie beim vollstandardisierten Interview, so dass

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Freiräume für das Eingehen auf Einzelfälle bestehen bleiben. Darunter leidet jedoch die Vergleichbarkeit der Befragungsergebnisse untereinander. Aber dadurch kann besser auf die Individualität des Befragten eingegangen werden. Dies ist wichtig zur Steigerung dessen Auskunftsfähigkeit und -willigkeit. • Beim strukturierten Interview liegt dem Interviewer nur ein Leitfaden vor, welcher die wichtigsten Punkte enthält, die im Interview angesprochen werden sollen. Formulierung und Reihenfolge der Fragen sind nicht festgelegt. Der Interviewer kann nach eigenem Ermessen Fragen auslassen und / oder Zusatzfragen stellen, er kann eigene Erklärungen abgeben und auf verschiedene Aspekte mehr oder minder tief eingehen. Damit wird die natürliche Gesprächssituation simuliert. Im Unterschied zur Gruppenexploration ist jedoch nur eine antwortende Person einbezogen, dafür wirken Schweiger und Meinungsbildner nicht ergebnisverzerrend. • Beim freien (Tiefen-)Interview erfolgt eine psychologische, offene Exploration in kleiner Fallzahl, bei der von der Auskunftsperson neben der Antwort die Lösung und Behandlung vorgegebener Problem- und Aufgabenstellungen erwartet wird. Deshalb steht hier nur das Thema der Befragung fest, der Ablauf des Interviews liegt jedoch vollständig beim geschulten Psychologen. Ziel ist dabei die Gewinnung von Einblicken in die Motivstruktur der Befragten. Oft wird dieses Verfahren auch als Pilotstudie eingesetzt, wenn nur wenig anwendbare Kenntnisse vorliegen und neue Einsichten gewonnen werden sollen. Häufig sind Interviewer für mehrere Institute parallel tätig oder kombinieren ihr Interview mit Verkaufstätigkeiten, was natürlich inakzeptabel ist. Als sehr hoch ist auch die Fälscherquote einzuschätzen. Interviewer berichten von Zirkeln, innerhalb derer sie Fragebögen untereinander austauschen und ausfüllen, um Kontrollen zu umgehen. Oder von der Neuanmeldung unter einem anderen Namen, wenn ein Interviewer wegen Fälschungen aus dem Stab eines Instituts entfernt worden ist. Dies ist vor allem problematisch, wenn sich Männer unter Frauennamen getarnt anmelden und wie geschehen mit der Abfrage sensibler Themen beauftragt werden (wie Geschlechtskrankheiten). Ein Mittel, solchen Verzerrungen entgegen zu wirken, ist die Verteilung der Fragebögen auf eine größere Interviewerzahl, so dass diese Effekte sich ausgleichen. Eine praktikable Sonderform der Befragung stellt die Mehrthemenbefragung (Omnibus) dar. Bei ihr werden im Unterschied zur Spezialbefragung mehrere Themen in einem Durchgang verarbeitet. Dabei kommt es auf eine geschickte Komposition und Sequenz der Themen an, damit die gegenseitige Beeinflussung verringert wird. Die Themenkomposition soll die Ballung von Themen vermeiden, z. B. keine Themen, die auf eine gemeinsame Verursachung zurück zu führen sind wie Ökologie. Die Themensequenz soll die Überstrahlung von Themen vermeiden, z. B. vom Ökologiethema auf das Thema Elektromobilität. Bei der Mehrthemenbefragung kann es sich um eine Beteiligungsuntersuchung handeln (echter Omnibus). Dabei werden verschiedene Themenkomplexe individu-

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ell zu einem Fragebogen zusammengestellt. Dazu tun sich mehrere Auftraggeber zusammen, um Kosten und Methodikvorteile zu nutzen. Oder um eine Eingliederungsuntersuchung (unechter Omnibus), dabei werden auftraggeberspezifische Zusatzfragen an eine ohnehin durchgeführte Befragung angehängt. Omnibusbefragungen werden von Marktforschungsinstituten durchgeführt, die auch eine Beratung in Fragendesign und Ergebnisauswertung bieten. Dies macht Marktforschung auch für klein- und mittelständische Unternehmen auf professionellem Niveau verfügbar. Außerdem ist von einer erhöhten Auskunftsbereitschaft der Befragungspersonen wegen höherer Motivation durch Abwechslungsreichtum der Inhalte auszugehen und Lerneffekte bei Befragten sind durch die Themenwechsel geringer ausgeprägt. Allerdings ist die Fragenanzahl begrenzt. Die Durchführung ist im Zweifel an ohnehin stattfindende Erhebungstermine gebunden, auch stellt die Omnibus-Befragung erhöhte methodische Anforderungen an das Fragebogendesign. Dabei sind aber Marktforschungsinstitute behilflich. Eine weitere Unterscheidung betrifft die Häufigkeit der Befragung. Diese kann einmalig als Ad hoc-Befragung, wiederholt in anlassbezogenen Abständen bei vergleichbaren Befragungsgruppen als Wellenerhebung (Tracking) oder wiederholt in regelmäßigen Abständen als Panel erfolgen. Ac hoc-Befragungen eignen sich zur einmaligen Erfassung von Sachverhalten, etwa bei selten vorkommenden Fragestellungen oder auch im Vorfeld intensiverer Untersuchungen. Trackings erfolgen mehrfach fallweise, etwa um die zeitliche Entwicklung eines Sachverhalts in der Zielgruppe zu verfolgen oder sich gegen unerkannte Veränderungen abzusichern. Panels haben die wiederholte Befragung gleicher Personen in kontinuierlicher Folge zum Inhalt und implizieren einen erheblichen Erhebungsaufwand, der praktisch nur von spezialisierten Marktforschungsinstituten zu leisten ist. Ein Beispiel sind Innovatoren-Panels.

3.2.2.2 Mediale Formen Die mediale Befragung erfolgt telefonisch, schriftlich oder online. Die traditionelle telefonische Befragung ist zwischenzeitlich zweifellos repräsentativ (Verbreitung der Telefonanschlüsse)  und kostengünstig durchführbar (Flatrate). Allerdings stellt die inflationäre Aufschaltung von Anrufbeantwortern ein nicht geringes Problem dar. Außerdem ist davon auszugehen, dass mindestens ein Drittel der Anschlüsse mit Geheimnummern versehen ist, so dass übliche Verzeichnisse bei der Auswahl versagen. Außerdem hegen Befragte bei Telefoninterviews wohl berechtigterweise ein großes Maß an Misstrauen. Dies führt verbreitet zu Teilnahmeverweigerung, Interviewabbruch oder Falschangaben. Tatsächlich werden die meisten fernmündlichen Interviews computergestützt durchgeführt. Für eine fernmündliche Befragung spricht vor allem die Schnelligkeit der Umsetzung, die u. a. einen weitgehend einheitlichen Erhebungsstichtag ermöglicht.

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Denkbar ist auch, dass am Telefon wegen der Anonymität eine höhere Teilnahme­ bereitschaft besteht als bei Face to Face-Interviews oder deswegen sogar ehrlichere Antworten gegeben werden. Der Interviewereinfluss ist gering, da er sich auf Stimme / Sprache beschränkt. Außerdem besteht eine jederzeitige Rückfragemöglichkeit bei Unklarheiten. Es kommt dann auf das Untersuchungsdesign an, ob und welche Hilfen gegeben werden dürfen. Die Kostengünstigkeit ist hoch wegen ersparter Wegekosten. Nicht erreichte Personen können problemlos wiederholt angerufen werden. Dies erlaubt eine Verkleinerung des Interviewerstabs und damit eine höhere Kostengünstigkeit. Eine Tonaufzeichnung der Antworten ist nach vorheriger Einwilligung der Angerufenen möglich, was bei offenen Fragen hilfreich ist. Dem steht jedoch gegenüber, dass die Interviewdauer am Telefon begrenzt ist und eine Antwortverweigerungstendenz durch die Anonymität bestehen kann. Zudem ist keine Unterlegung der Fragen mit Abbildungen möglich. Auch ist ausschließlich der Ton als Auskunftsmedium auswertbar, insofern ergibt sich nur ein begrenzter persönlicher Eindruck des Interviewten. Vor allem können situative Einflüsse wie Anwesenheit Dritter, Umfeldgegebenheiten etc. nicht erfasst werden. Außerdem ist weder eine Legitimation des Anrufers noch eine Identitätsprüfung des Angerufenen möglich. Die schriftliche Befragung bedient sich verbaler Statements als Stimuli, um Stellungnahmen zu erzeugen. Trotz vielfältiger Probleme ist sie eine wichtige Form der Primärforschung. Daher ist der Praxis daran gelegen, deren generische Nachteile abzumildern. Dies geschieht vor allem durch sorgfältige Gestaltung des Fragebogens, klare Strukturierung mit leichten Einstiegsfragen, einfachem Fragenablauf und ansprechender optischer Aufbereitung. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Steigerung der Rücklaufquote, die bestenfalls 20 % beträgt, regelmäßig aber weit darunter liegt. Die Halbwertzeit des Rücklaufs beträgt erfahrungsgemäß 10–14 Tage, d. h., bis dahin ist etwa die Hälfte des insgesamt zu erwartenden Rücklaufs erfolgt. Gründe für die geringen Rücklaufquoten schriftlicher Befragungen sind die Verwechslung des Fragebogens mit einer Werbesendung, ein geringes Involvement der Adressaten, ihr Misstrauen gegenüber dem Projekt, erst recht, wenn Tabubereiche betroffen sind. Häufig wird auch ein hoher subjektiver Schwierigkeitsgrad vermutet oder Adressaten sind antwortunfähig (z. B. wegen Sprachproblemen). Häufig wird der Fragebogen auch verlegt oder aus vorgeblichem Zeitmangel nicht zur Beantwortung in Erwägung gezogen. Daher sind Maßnahmen zur Rücklaufverbesserung erforderlich. Denn die geringe Rücklaufquote kann auch durch eine Steigerung der Auflage nicht kompensiert werden, da zu vermuten ist, dass sich Personen, die sich an einer schriftlichen Befragung beteiligen, systematisch von solchen unterscheiden, die sich daran nicht beteiligen. Dann führt eine höhere absolute Rückläuferzahl aber zu keiner belastbareren Aussage. Möglichkeiten, die hier eingesetzt werden können, sind vielfältig. Denkbar ist ein interesseweckender Hinweis auf das Forschungsvorhaben. Willkommen sind

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auch (scheinbar) handschriftliche Zusätze in Bezug auf Vorausdank, Wichtigkeit etc. Bilder führen immer zu erhöhter Aufmerksamkeit. Hilfreich ist der Versand an postschwachen Tagen (regelmäßig montags), damit die Sendung nicht untergeht. Auch Sonderbriefmarken sind aufmerksamkeitsfördernd. Nach einer Frist können eine Erinnerung oder ein nochmaliger Versand erfolgen. Strittig ist die Setzung einer knappen Deadline, dies kann zu beschleunigter Bearbeitung führen, aber auch zum Rücklaufverlust bei Versäumen der Deadline. Hilfen sind auch eine Vorankündigung des Fragebogens, etwa um eine Verwechslung mit Werbe-Mailings zu vermeiden oder das Begleitschreiben einer „Autorität“, die dem Projekt Gewicht verleiht (etwa in Fachkreisen). Auch die Zusage einer Ergebnisberichterstattung ist üblich. Umstritten sind die Ankündigung eines Interviewerbesuchs für den Fall des ausbleibenden Rücklaufs und die Kombination mit einem Geschenk. Online-Befragungen finden über verschiedene Kanäle statt. Bei der WWW-Befragung ist zunächst die Bekanntmachung des Erhebungsprojekts, hier die Neuprodukteinführung, erforderlich, da es sich dabei um einen Push-Dienst handelt. Dies kann online, also im WWW oder offline, also über traditionelle Medien erfolgen. Interessenten gelangen dann auf eine Webseite mit einem HTML-Fragebogenformular mit Textlayout, Auswahlbuttons, Listen etc. Ebenso ist die Einbindung von Stand- oder Bewegtbild und Audio möglich (Rich Media). Wegen der abweichenden Darstellung ist es sinnvoll, den Fragebogen für jeden Browsertyp und für jede Bildschirmgröße (stationär / mobil) getrennt anzulegen (Responsive Design), da eine bloße Adaptation (Native Design) zu unzweckmäßiger Darstellung führt. Der Fragebogen kann erfahrungsgemäß realistisch max. 15–20 Fragen umfassen. Sinnvoll sind Benutzerhilfen (Help Funktion) im Fall von Unklarheiten. Im Hintergrund (Server) erfolgt ein Abgleich, z. B. in Bezug auf die Plausibilität der Einträge, Filterführung. Bei der E-Mail-Befragung erfolgt die Verbreitung über Eintrag in eine MailingListe im Double opt in-Verfahren, d. h. Anmeldung, Rückmeldung und Bestätigung der Anmeldung. Die Darstellung kann im ASCII-(nur Text) oder HTML-Modus erfolgen. Allerdings besteht verbreitet ein berechtigtes Misstrauen gegen Dateianhänge, so dass eine Darstellung im Body der Mail erforderlich scheint. Dies wirkt dann allerdings recht unübersichtlich (Vergrößern, Scrollen). E-Mail-Anhänge sind häufig mit Schadsoftware verseucht und werden auch im Spam-Filter der Firewall zurückbehalten, so dass sie ihren Adressaten erst gar nicht erreichen. Der E-Mail-Inhalt sollte auf verschiedene Browsertypen und Bildschirmformate hin abgestimmt werden. Bei der Newsgroup-Befragung werden originär der Usenet-Dienst oder gängiger das WWW genutzt. Damit sind Diskussionsforen realisierbar, die nach Themen und Gebieten eingeteilt sind. Die Kommunikation ist asynchron, d. h., die Teilnehmer müssen nicht zeitgleich online sein. Zur Steigerung der Qualität sind die Communities häufig moderiert. Der Fragebogen wird im Usenet noch im ASCII-Format versandt. Der Newsgroup Server wird in regelmäßigen kurzen Zeitabständen gelöscht, so dass bereits eingestellte Fragebögen verschwinden. Daher ist ein periodischer Neuversand erforderlich. Der Versand an

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mehrere Newsgroups wird durch Server erkannt und womöglich als Cross Posting gelöscht. Wichtig ist eine aussagefähige Überschrift für den Fragebogen, um den Eintrag leicht erkennbar zu machen. Newsgroups sind auch als Form der nichtteilnehmenden Beobachtung möglich. Bei der Chat-Befragung wird der IRC-Dienst (Internet Relay Chat) genutzt (originär) oder gängiger das WWW. Dieser Dienst arbeitet synchron, d. h., die Teilnehmer müssen zeitgleich online sein und einen Kontakt anstreben. Dabei werden von den Teilnehmern verdeckte Namen (Nicknames / Pseudonyme)  genutzt. Im Regelfall übernimmt ein Moderator die Gesprächsführung. Chat-Systeme sind rein textbasiert, daher spielen Emoticons / Emojis zum Ausdruck für Stimmungen (Sentiments) eine große Rolle. Auch Chats sind als Form der nichtteilnehmenden Beobachtung möglich. Social Media-Befragungen erfolgen im Wesentlichen über private oder professionelle Soziale Netzwerke. Diese dienen dem wechselseitigen Austausch von Meinungen bzw. Erfahrungen und eignen sich daher gut für die Informationserhebung. 3.2.2.3 Computergestützte Formen Sowohl die mündliche, als auch die fernmündliche und die schriftliche Befragung werden zunehmend computergestützt vorgenommen. So entstehen die computergestützte mündliche Erhebung (Computer-assisted Personal Interviewing /  CAPI), die computergestützte fernmündliche Erhebung (Computer-assisted Telephone Interviewing / CATI) und die computergestützte schriftliche Erhebung (Computer-assisted Self Interviewing / CASI). Die Situation bei CAPI (Computereingabe statt Fragebogenvorlage) ergibt sich wie folgt. Es besteht leichte Handhabbarkeit in der Durchführung für den Interviewer. Der Computer führt automatische Splits (Gabelungen) oder Filterführungen nach festgelegten Proceduren durch. Es sind auch offene Fragen möglich, die über die alphanumerische Tastatur erfasst werden. Bei geschlossenen Fragen ist eine automatische Kategorisierung und Codierung darstellbar. Im Hintergrund können Datenstabilitätsprüfungen vorgenommen werden, so dass eine effiziente Fallzahlgestaltung machbar wird. Eine schnelle Datenverarbeitung rationalisiert das Projekt, vor allem entstehen keine Übertragungsfehler von Fragebögen zur Dateneingabe. Durch leistungsfähige Laptops ist auch ein mobiler Einsatz leicht umsetzbar. Der Interviewer-Bias wird vermindert (kaum Eingriffe in den Ablauf). Frage und Antwortrotationen können automatisch vorgenommen werden. Und es sind auch Bewegtbildvorlagen einsetzbar. Allerdings ergeben sich auch erhebliche Probleme. So sind nach wie vor hohe Investitionskosten in Hardware und Software erforderlich. Ebenso muss eine intensive Interviewerschulung vorgenommen werden. Hoher Stromverbrauch begrenzt die Einsatzdauer von Laptops. Die Hardware ist transportempfindlich. Auch die

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Datenübertragungskoordination ist alles andere als trivial. Es steht nur ein begrenztes Instrumentarium an Software zur Verfügung. Bei individueller Gestaltung des Fragebogendesigns ist ein relativ hoher Programmieraufwand notwendig. Und der Einfluss der Technik auf das Ergebnis von Erhebungen ist nach wie vor nicht genügend validiert. Bei CATI erfolgt eine zentrale Abfrage durch Ablesen der Fragen am Bildschirm und Eingabe der Antworten durch den Interviewer. Der Fragenablauf kann durch Computereinsatz automatisiert werden. Insofern kann eine große Vielzahl von Zielpersonen in die Befragung einbezogen und deren Identität durch Abfrage erhärtet werden. Nicht erreichte Personen können jederzeit wiederholt angewählt werden, dies übernimmt der Computer selbsttätig. Eine Unterbrechung des Interviews und die Fortsetzung zu einem späteren Zeitpunkt sind möglich, wenngleich nicht förderlich. Im Hintergrund läuft eine Datenstabilitätsprüfung (Sicherheitsniveau / Schwankungsbreite), die bei Zielerreichung eine vorzeitige Beendigung des Projekts erlaubt. Teilweise ist eine automatisierte Abwicklung durch Sprachcomputer und Spracherkennung möglich. Auch Dateneingaben sind per TonwahlTastatur darstellbar. Probleme sind jedoch auch hier vielfältig. So sind immer noch hohe Investitionskosten in Telefonarbeitsplätze fällig. Die Anwendbarkeit computergestützter Telefoninterviews ist eingeschränkt. Die Fragen können nur sehr begrenzt durch Hilfen unterlegt werden (Ausnahme: Bildtelefonie). Die Abbruchgefahr wegen der Anonymität der Befragungssituation ist sehr hoch. Bei CASI (Datei / Datenträger statt Fragebogen) wird der Fragebogen auf Datenträger (offline)  oder per Datei (online)  an Befragungspersonen versandt. Diese füllen diesen am Computer aus und schicken ihn an den Veranstalter zurück. Es kommt somit zu einer erheblichen Personalkosteneinsparung, vor allem ist kein Interviewerbias vorhanden. Der Fragebogen kann in verschiedenen Sprachen / Schriften versandt werden. Der Adressat bestimmt die Geschwindigkeit seiner Bearbeitung individuell. Erläuternde Informationen können über Hilfe-Funktionen oder Hintergrunddateien angeboten werden. Rotationen der Fragen und Antwortreihenfolgen sind möglich. Der Frageaufruf erfolgt automatisiert in Abhängigkeit von Antworteingaben. Die Fragebögen können in mehreren Tranchen ausgeliefert werden, durch schnelle Datenverarbeitung ist ein Projektabbruch bei Datenstabilisierung möglich. Durch Plausibilitätsprüfungen können ungültige Antworteingaben zurückgewiesen werden. Die Antwortzeitermittlung kann als Indikator für die Belastbarkeit von Antworten dienen. Eine Unterbrechung der Erhebung ist jederzeit möglich, wenngleich methodisch nicht erwünscht. Der Erhebungsstichtag wird automatisch ausgewiesen. Problematisch sind jedoch folgende Aspekte. Die situativen Bedingungen der Erhebung sind nicht kontrollierbar. Das Lesen / Verstehen der Fragen bewirkt kognitive Verzerrungen bei deren Beantwortung. Die Identität der Befragungsperson kann nicht überprüft werden. Bildschirmfragebögen werden häufig als mit hoher

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Komplexität versehen erlebt und führen zur Nichtbeantwortung. Die Befragungsdauer ist begrenzt, ein Befragungsabbruch kann nicht verhindert werden (allenfalls Motivation zum Weitermachen). Verbreitet sind nach wie vor Akzeptanzprobleme bei der Technik. Die Belastbarkeit von Spracheingabe oder Handschrifterkennung ist fraglich, so dass im Wesentlichen nur Tastatureingaben in Betracht kommen. Die Lesbarkeit von umfangreichen Texten am Bildschirm ist begrenzt. 3.2.3 Primärforschungsquelle Beobachtung Systematische Beobachtungen können nach mehreren Kriterien unterschieden werden, insb. nach Standardisierungsgrad, Beobachtungssubjekt und -objekt, Beobachtungserfassung, Beobachterrolle, Beobachtungsumgebung und Beobachtungssituation. Nach dem Standardisierungsgrad kann die Beobachtung nach vorab bestimmten Kategorien durchgeführt werden oder individuell angelegt sein. Ersteres ist etwa bei Kundenlaufstudien der Fall, bei denen beobachtet wird, welche Wege Käufer am Handelsplatz durchgängig einschlagen und zurücklegen. Letzteres ist etwa bei Kaufentscheidungen am Regalplatz gegeben, bei denen es auf die individuelle Situation ankommt. Nach dem Beobachtungssubjekt kann es sich um eine Selbst- oder Fremdbeobachtung handeln. Bei der Selbstbeobachtung ist der Forscher zugleich Erhebungsperson und Erhobener (z. B. bei Blickerfassung am Monitor). Bei der Fremdbeobachtung fallen Forscher (Beobachter) und Erhobener (Proband) personell auseinander. Fremdbeobachtungen richten sich etwa auf den Passantenfluss vor Schaufenstern, das Klickverhalten in WWW-Präsenzen oder die Produkthandhabung. Nach dem Beobachtungsobjekt kann es sich um eine oder mehrere Personen bzw. eine oder mehrere Dinge handeln. Bei Personen geht es um Einkaufsentscheider, Verkaufsberater, Zuschauer / Hörer etc. Typische Anwendungen sind Kundenlauf- oder Mediennutzungsstudien. Bei Dingen geht es um Handelsregale, Wareneinkäufe oder -verkäufe, Einschaltzustände von Medien etc. Typische Anwendungen sind etwa Händler- oder TV-Panels. Nach der Beobachtungserfassung kann es sich um eine persönliche oder unpersönliche Form handeln. Persönlich erfolgt die Beobachtung durch den Forscher oder von ihm beauftragte Personen. Unpersönlich erfolgt die Beobachtung durch Apparaturen. Zu denken ist dabei etwa an Lichtschranken vor Regalen, Zählkreuze am Handelsplatz, Audio- / Video- / Fotoaufnahmen etc., aber auch Online-Verfahren. Nach der Beobachterrolle kann es sich um eine teilnehmende oder nicht-teilnehmende Beobachtung handeln. Bei der teilnehmenden Beobachtung ist der Beobachter Bestandteil der beobachteten Situation, in der er selbst interagiert (z. B. Mystery Shopping). Bei der nicht-teilnehmenden Beobachtung ist der Beobachter rein passiv, interagiert also nicht (z. B. Online-Auswertung durch Web Analytics).

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Nach der Beobachtungsumgebung kann es sich um eine Feldbeobachtung in realer Umgebung handeln oder um eine Laborbeobachtung in künstlicher Umgebung. Erstere bietet wegen der praktischen Umgebungsverhältnisse eine höhere Validität (Genauigkeit der Aussage), aber wegen unvermeidlicher Störeinflüsse eine geringere Reliabilität (Stabilität der Aussage). Letztere bietet zwar wegen der kontrollierten Verhältnisse eine höhere Reliabilität, dafür aber wegen der künstlichen Umgebungsverhältnisse eine geringere Validität. Nach dem Bewusstseinsgrad des Beobachteten lassen sich verschiedene Beobachtungssituationen vorfinden: • Bei der offenen (durchschaubaren) Situation weiß der Beobachtete um die Tatsache der Beobachtung und auch um deren Zweck. Es steht jedoch zu vermuten, dass beides die Ergebnisse der Beobachtung unbrauchbar macht. Das belegen jedenfalls gruppenbasierte Studien (Hawthorne-Effekt). Gerade diese unzulängliche Situation ist aber im Zuge der Forschung immer wieder vorzufinden. • Bei der nichtdurchschaubaren Situation weiß der Beobachtete zwar um den Zweck der Erhebung, nicht aber um die Tatsache der aktuellen Beobachtung. Dies ist etwa gegeben, wenn Probanden zur Erfassung der Anzeigennutzung in ein Studio eingeladen werden, aber bereits vorab dort eine Messung stattfindet, z. B. durch Einwegspiegel oder versteckte Kameraaufzeichnung. • Bei der quasibiotischen Situation weiß der Beobachtete zwar um die stattfindende Beobachtung, nicht aber um deren Zweck. Dies ist etwa gegeben, wenn Probanden ablenkend zur Beurteilung des redaktionellen Teils eines Fernsehprogramms, das von Werbepausen unterbrochen ist, in ein Studio eingeladen werden, es tatsächlich aber um die Erfassung der Wahrnehmung der vorgeführten Werbespots zum Testprodukt geht. • Bei der biotischen Situation weiß der Beobachtete weder um die aktuelle Beobachtung, noch notwendigerweise um deren Zweck. Dies entspricht der klassischen „versteckte Kamera“-Situation und bedarf wegen der informationellen Selbstbestimmung der Genehmigung der Probanden. Die Ergebnisse der Beobachtung sind umso aussagefähiger und belastbarer, je näher sie der biotischen Situation kommen, zugleich ist die Herstellung einer solchen Messsituation aber umso schwieriger. Entsprechend dieser Stellgrößen kann für jeden Erhebungszweck ein individuell passendes Design gewählt werden. Beobachtungen können Produktideen erhärten oder kritisch hinterfragen. Dies gilt etwa hinsichtlich der Handhabbarkeit von Produkten. Dies bringt erstaunliche Ergebnisse in Bezug auf fehlende manuelle Geschicklichkeit, mangelnden Kraftaufwand etwa bei Alten, Frauen, Kindern, unzweckmäßiges Problemlösungsverhalten etc. So stellen Autohersteller bereits seit langem z. B. Beobachtungen zur Bedienbarkeit ihrer Fahrzeuge speziell bei Frauen oder älteren Personen an und gewinnen daraus wertvolle Erkenntnisse, die im Alltagsein-

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satz Unzufriedenheiten vermeiden helfen. Bekanntgeworden ist vor allem die fehlende Übertragbarkeit von Crashtest-Ergebnissen bei Automobilen, wegen der auf männliche Proportionen abgestimmten Dummy-Proportionen oder die fehlerhafte Gesichtserkennung entsprechender Software wegen der Abstimmung auf hellhäutige Personen. Nach dem Beobachtungskanal können Offline- und Online-Beobachtungen unterschieden werden. Letztere finden durch WWW-Logfile-Analyse (hier nicht relevant) oder themenorientierte Beobachtung statt. Als Medien werden dazu Newsgroups und Chats eingesetzt. Newsgroup-Beobachtungen erfolgen analog zur traditionellen Gruppendiskussion, teilnehmend oder nicht-teilnehmend, aktiv oder passiv moderiert. Chat-Beobachtungen erfolgen analog zur Experten-Beobachtung realtime über IRC-Dienst. Das Internet ist dabei Mittel zur Erhebung. Schließlich ist auch eine Testanlage der Befragung oder Beobachtung als ­ nline-Experiment möglich. Dabei handelt es sich häufig um virtuelle Testmärkte. O Dazu wird eine Web-Laborseite mit relevanten Instruktionen wie Veranstalter, Forschungszweck, Bearbeitungszeit etc. sowie Experimentalmaterialien eingerichtet. Die Erfassung der Messdaten erfolgt über Mausklicks, Zeigerbewegungen, Audio- / Videosequenzen, Tastatureingaben, Dokumentenabfragen, Antwortzeiten etc. Dadurch kann der Aufwand gegenüber realen Testmärkten erheblich reduziert werden. Online-Erhebungen bieten vielfältige pragmatische Vorzüge, weisen jedoch auch erhebliche methodische Defizite auf. Insofern kommt es darauf an, ob systematische Stringenz oder praktische Effizienz im Vordergrund stehen. Angesichts der allgemeinen Unwägbarkeiten von Primärerhebungen kann eine informatorische Annäherung an Ergebnisse durchaus ausreichen, angesichts der Bedeutung von Produkteinführungen sind jedoch belastbare Aussagen sehr wünschenswert. Marktforschung unterliegt generell zahlreichen Verzerrungen. Zu nennen sind die Überschätzung der Repräsentativität eigener zufälliger (tatsächlich willkürlicher) Erlebnisse, die verstärkte Nutzung leicht zugänglicher Quellen, die Übergewichtung der ersten / letzten Informationen (Primacy / Recency) sowie schwierig zu recherchierender Informationen (als Aufwandsrechtfertigung), die mangelnde Berücksichtigung der Glaubwürdigkeit von Quellen, die Bevorzugung von mit der eigenen Meinung konformen Informationen, die Überschätzung der Experteneigenschaft etc. Daraus erklärt sich nicht zuletzt die sehr hohe Floprate bei Launches, denn die objektive Qualität der Angebote ist weitestgehend zweifelsfrei. Das Experiment ist keine eigenständige Erhebungsform, sondern eine spezielle Ausprägung der Befragung oder Beobachtung. Wegen seiner hohen Bedeutung im Marketing wird es jedoch zumeist getrennt ausgewiesen und als Produkt- und / oder Markttest benannt (s. u.).

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3.2.4 Auswahlverfahren Eine wesentliche Frage im Zuge der Feldforschung sowohl als Befragung wie als Beobachtung betrifft immer das dabei zugrunde liegende Auswahlverfahren der Erhebungseinheiten. Denn eine an sich wünschenswerte Vollerhebung aller Personen, auf die bestimmte, vorab definierte Merkmale zutreffen, ist aus wirtschaftlichen Gründen im Regelfall nicht möglich. Daher werden nur ausgewählte Fälle der Grundgesamtheit aller Fälle erhoben. Um dabei dennoch zu aussagefähigen Ergebnissen zu gelangen, müssen diese ausgewählten Fälle die Verhältnisse der Grundgesamtheit möglichst exakt abbilden. Das heißt, die Stichprobe muss repräsentativ in Bezug auf die untersuchungsrelevanten Merkmale für die Grundgesamtheit sein. Dies ist dann gegeben, wenn die Verteilung aller interessierenden Merkmale in der Teilmasse der in der Gesamtmasse entspricht, die Teilmasse (Stichprobe) also ein zwar verkleinertes, ansonsten jedoch wirklichkeitsgetreues Abbild der Gesamtmasse (Grundgesamtheit) darstellt. Dann kann von den Ergebnissen einer Teilerhebung auf die Ergebnisse hochgerechnet werden, die sich bei einer Vollerhebung ergeben hätten. Die Verfahren zu einer Auswahl, die diesen Anforderungen entspricht, sind unterschiedlich und diskussionsfähig. Man unterscheidet Verfahren der zufälligen und der bewussten Auswahl. Die Entscheidungsqualität hängt zentral von der Datenbasis ab (Garbage in – Garbage out), so dass ein näherer Blick lohnenswert ist. Den Zufallsauswahlverfahren liegt das Prinzip zugrunde, dass jedes Element der Grundgesamtheit eine gleiche, berechenbare und von Null verschiedene Chance zur Einbeziehung in eine Stichprobe hat. Die Exaktheit der Aussage nimmt zwar mit zunehmender Merkmalsstreuung in der Grundgesamtheit ab, jedoch mit zunehmender Stichpro­bengröße zu. Die Reine Zufallsauswahl wird durch das Urnenmodell versinnbildlicht. Die Elemente der Stichprobe werden unmittelbar aus der Grundgesamtheit gezogen. Vo­ raussetzung dafür ist, dass diese Grundgesamtheit zumindest symbolisch, etwa in Form von Stammdaten, vollständig beim Auswahlprozess vorliegt und so gut durchgemischt ist, dass jedes Element wirklich die gleiche, von Null verschiedene Chance hat, gezogen zu werden. In der Praxis scheitert die Durchführbarkeit der Reinen Zufallsauswahl zumeist am hohen Aufwand. Daher wird auf Verfahren der Systematischen Zufallsauswahl zurückgegriffen, die den Zufallsprozess abschwächen. Bei der Systematischen Zufallsauswahl gibt es mehrere Verfahren, allen ist gemein, dass ihnen ein Auswahlsystem zugrunde liegt: • Beim Schlussziffern-Verfahren werden alle Elemente der Grundgesamtheit durchnumeriert und jene Elemente entnommen, die eine bestimmte, vorgewählte Endziffer etwa in der Kundennummer aufweisen. • Beim Zufallszahlen-Algorithmus wird die vorliegende Grundgesamtheit ebenfalls durchnumeriert. Die auszuwählenden Nummern werden jedoch durch einen Zufallszahlen-Algorithmus bestimmt.

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• Beim Anfangsbuchstaben-Verfahren wird die Stichprobe aus allen Elementen gebildet, deren (Nach-)Namen / Firma mit einem bestimmten Anfangsbuchstaben beginnen. • Beim Zufallsstart-Verfahren wird innerhalb der Grundgesamtheit zunächst per Zufallsauswahl ein Startpunkt bestimmt und davon ausgehend jedes n-te Element nach Zählabstand gezogen. • Beim Geburtsdatum-Verfahren werden aus der Grundgesamtheit jene (Personen) Elemente angewählt, die an einem bestimmten Datum (Tag oder Monat, nicht Jahr) oder in einem Zeitraum geboren bzw. als Rechtsform gegründet wurden. Bei der Geschichteten Zufallsauswahl / Stratified Sampling wird die Grund­ gesamtheit in mehrere Teilmassen zerlegt, aus denen dann die jeweils in die Stichprobe eingehenden Elemente nach dem Prinzip der Reinen Zufallsauswahl gezogen werden. Dies ist vor allem dann hilfreich, wenn die Grundgesamtheit zwar heterogen ist, sich aber anhand der Untersuchungsmerkmale aus relativ homogenen Teilmassen zusammensetzen lässt. Die Schichtung bewirkt dann eine Reduzierung des Stichprobenfehlers, also der Verzerrung infolge der Auswahl. Voraussetzung ist dabei, dass die Verteilung der interessierenden Merkmale bekannt ist. Die Schichtenbildung selbst kann unterschiedlich vorgenommen werden: • Proportional geschichtet bedeutet, dass jede Schicht in der Stichprobe im gleichen Verhältnis wie in der Grundgesamtheit vertreten ist. Die jeweiligen Stichprobenwerte können daher linear aufaddiert werden. • Dysproportional geschichtet bedeutet, dass die einzelnen Schichten stärker oder schwächer als es ihrem Anteil an der Grundgesamtheit entspricht, vertreten sind. Dies bietet sich an, wenn kleinen Schichten, etwa als Großbetriebsformen des Handels, eine hohe Bedeutung zukommt. Die Stichprobenwerte müssen dann mit dem umgekehrten Anteil ihrer Schicht gewichtet aufaddiert werden. • Optimal geschichtet bedeutet, dass versucht wird, durch die Schichtung den Zufallsfehler für eine gegebene Stichprobengröße bzw. bei gegebenem Zufallsfehler die Stichprobengröße zu minimieren. Dies geschieht, indem homogenen Teilmassen kleinere, heterogenen größere Stichproben entnommen werden. Dies setzt wiederum die Kenntnis der Merkmalsverteilung in den Schichten voraus. Bei der geklumpten Zufallsauswahl / Cluster Sampling wird die Grundgesamtheit in Teilmassen zerlegt, aus denen nach dem Zufallsprinzip eine bestimmte Anzahl gezogen werden. Diese Klumpen werden dann einer Vollerhebung unterzogen. Von Vorteil ist dabei, dass weder die Grundgesamtheit vollständig vorliegen, noch deren Struktur im Einzelnen bekannt sein muss. Ein großer Nachteil liegt in der Gefahr von Klumpungseffekten. Diese treten immer dann auf, wenn ausgewählte Klumpen in sich gleichartig, gleichzeitig aber verschiedenartig von der Struktur der Grundgesamtheit sind. Daher sind etwa Auskünfte von „Geschäftsfreunden“ einigermaßen wertlos.

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Bei der flächenbezogenen Zufallsauswahl / A rea Sampling, die eine häufige Unterform der Klumpenauswahl darstellt, werden die Cluster geografisch definiert. Die relative räumliche Konzentration der Erhebungseinheiten senkt dabei die Kosten erheblich. Allerdings kann es zu Flächenballungseffekten kommen. Bei Bewusstauswahlverfahren bestimmt nicht der Zufall, welches Element der Grundgesamtheit in die Stichprobe eingeht, sondern der Forscher. Beim QuotaVerfahren werden einige offensichtliche Merkmale, deren Verteilung in der Grundgesamtheit bekannt ist und von denen man weiß oder annehmen kann, dass sie für das Untersuchungsziel relevant sind, als Auswahlkriterien für die Stichproben­ bestimmung herangezogen. Aus diesen Merkmalen wird ein Quotierungsplan erstellt, der die Quotenanweisung enthält. Innerhalb der vorgegebenen Quotierung ist es dann unerheblich, welches Element der Grundgesamtheit genau erhoben wird, solange nur in der Kumulation der Fälle die vorgegebenen Quoten eingehalten werden. In der Summe entsteht somit eine Stichprobe, die zumindest in Bezug auf die quotierten Merkmale exakt der Grundgesamtheit entspricht. Die Vorteile liegen darin, dass die Durchführung vergleichsweise kostengünstig bleibt, recht schnell realisiert werden kann und flexibel zu handhaben ist. Außerdem sind keine spezialisierten Interviewer erforderlich. Daher ist das Quota-Verfahren das mit Abstand häufigste Bewusstauswahlverfahren. Nachteile sind hingegen zahlreich. Es ist keine mathematisch-statistisch fundierte Fehlerberechnung möglich, da keine Zufallsauswahl vorliegt. Auch die meisten statistischen Testverfahren sind demnach nicht anwendbar. Viele Merkmale entziehen sich einer Quotierung, vor allem solche qualitativer / intrapersonaler Natur. Der zugrunde gelegte Zusammenhang zwischen Untersuchungs und Quotierungsmerkmalen kann täuschen. Die Kombination quotierbarer Merkmale ist aus Praktikabilitätsgründen eng begrenzt. Das Auffinden von zutreffenden Probanden bei Restquoten wird immer schwieriger, dies ist ein Problem der Stichprobenausschöpfung. Verzerrungen durch Ausfälle oder Verweigerungen bleiben unerkannt, da für diesen Fall quotenkonforme Ersatzelemente einspringen. Dies verursacht systematische Fehler. Die willkürliche Bevorzugung bestimmter Auswahlelemente der Quotierung ist nicht ausgeschlossen wie Freundeskreis, Parterrewohnungen oder Heimatbezirk. Es können keine hoch spezialisierten Themen erhoben werden. Die Erhebung leicht erreichbarer Personen benachteiligt mobile Bevölkerungsschichten. In der Praxis haben sich Zufalls- und Quota-Auswahl hinsichtlich ihrer Qualität als gleichwertig erwiesen. Die Ergebnisse schwanken eher mit der Professionalität der Untersuchungsanlage, -durchführung und -auswertung als mit dem Auswahlverfahren selbst. Beim Konzentrationsverfahren / Cutoff Sampling wird eine Vollerhebung für solche Elemente der Grundgesamtheit vorgenommen, denen für den Untersuchungszweck besondere Bedeutung zukommt. Alle anderen werden vernachlässigt. Dies ist nur dann sinnvoll, wenn diese Elemente einen extrem hohen Erklärungsbeitrag für die zu untersuchenden Sachverhalte leisten, also ein starkes Ungleich-

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gewicht der Elemente gegeben ist und wenigen Elementen ein sehr hoher Erklärungsbeitrag zukommt wie beispielsweise im LEH aufgrund des hohen / steigenden Konzentrationsgrads dort. Beim Verfahren der typischen Fälle werden nach Ermessen des Forschers solche Elemente aus der Grundgesamtheit ausgewählt, die von ihm als charakteristisch dafür erachtet werden. Es ist jedoch höchst gefährlich, von den erzielten Ergebnissen hoch zu rechnen, denn Fehler liegen nicht nur in der deutlichen, interindividuellen Abweichung darüber, was als typisch anzusehen ist, sondern auch in der unzulässigen Verallgemeinerung der Aussagen von diesen auf alle Fälle. Das Willkür-Verfahren (auch Auswahl aufs Geratewohl) wird unter Laien oft als Zufallsauswahl betrachtet. Dazu werden zu gegebener Zeit in gegebenem Raum nach freiem Ermessen des Forschers Auskunftseinheiten ausgewählt. Da jedoch dabei nicht sichergestellt ist, dass alle Elemente der Grundgesamtheit die gleiche, von Null verschiedene, berechenbare Chance haben, in die Stichprobe einzugehen, handelt es sich dabei gerade nicht um eine zufällige, sondern vielmehr um eine willkürliche Auswahl. Diese lässt allen Freiraum für Verzerrungen.

3.3 Investitionsentscheidung 3.3.1 Erkenntnisse statischer Rechenverfahren Nach Klärung der Marktinformationsbasis muss geprüft werden, ob sich die Produkteinführung auch wirtschaftlich lohnt. Dazu sind zunächst Investitionen in Produkt und Markt erforderlich, bevor mit einem Return on Investment gerechnet werden kann. Dabei ist es vor allem misslich, dass jeder investierte Euro „nur einmal ausgegeben“ werden kann, seine Anlage also sehr gut überlegt sein will. Die Investitionsentscheidung für Produkte basiert auf verschiedenen Rechenverfahren. Diese werden im Folgenden verkürzt dargestellt, indem statische und dynamische Rechenverfahren unterschieden werden (siehe Abbildung 76: Investitionsrechenverfahren).

Abbildung 76: Investitionsrechenverfahren

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Bei Verfahren der statischen Investitionsrechnung werden zeitliche Unterschiede beim Anfall der Umsatzerlöse und der Kosten nicht berücksichtigt, sondern vielmehr nur jährliche Durchschnittswerte in Ansatz gebracht, in der Regel die Kostenersparnis oder der Gewinnzuwachs nach dem Einführungsjahr, die stellvertretend für die gesamte Nutzungsdauer gelten. Schwankungen in den einzelnen Nutzungsjahren bleiben demzufolge unberücksichtigt. Auch die Kapitalbindung wird als Durchschnittswert angesetzt. Die Verfahren sind sinnvoll nur bei kurzfristigen Vorhaben oder bei unsicheren Ausgangsdaten anzuwenden. Sie sind jedoch übersichtlich, unkompliziert handhabbar und nutzen einfache Rechenmethoden. Der Hauptmangel ist die Nichtberücksichtigung der zeitlichen Unterschiede im Anfall von Erlösen und Kosten. Bei den Rechenverfahren handelt es sich um die Folgenden: • Die Gewinnvergleichsrechnung berücksichtigt die Erlöse aus der Investition der Anlage, indem sie die Kosten und den verbleibenden Gewinn als Basis für einen Leistungsvergleich nimmt. Dadurch können quantitative Abweichungen zwischen Objekten ebenso berücksichtigt werden wie qualitative. Außerdem ist auch die Beurteilung eines einzelnen Investitionsobjekts möglich, mit dem Ziel eines Gewinns > 0. Bei zwei und mehr Investitionsobjekten ist dasjenige das vorteilhafteste, das den höchsten Erlösüberschuss über die Kosten erzielt. Bei gleicher Auslastung von Objekten kann wiederum der Gewinn pro Periode als Kriterium gewählt werden. Bei abweichenden Auslastungen der Objekte ist der Gewinn pro Leistungseinheit ausschlaggebend. Als Vorteil ist die leichte Handhabbarkeit des Verfahrens anzusehen. Nachteilig sind der Vergleich auf kurzfristiger Basis, die problematische Aufteilung in fixe und variable Kosten und die Nichtberücksichtigung des Kapitaleinsatzes. Hinzu tritt die schwierige Prognose der Erlöse in der Zukunft. • Die Kostenvergleichsrechnung präferiert diejenige Investitionsoption, welche die geringsten Kosten aufweist. Bei den Kosten handelt es sich um verschiedene Größen. Bei den Kapitalkosten ist von kalkulatorischen Abschreibungen und kalkulatorischen Zinsen auszugehen. Bei den Betriebskosten ist von den Kosten­arten Personal, Material, Instandhaltung, Raum, Energie und Werkzeug auszugehen. Sofern die mengenmäßige Leistung der zu vergleichenden Objekte gleich hoch ist, kann ein Kostenvergleich pro Periode vorgenommen werden. Sind die mengenmäßigen Auslastungen verschieden, muss ein Kostenvergleich pro Leistungseinheit vorgenommen werden. Die Kostenvergleichsrechnung bietet eine übersichtliche Anwendbarkeit. Jedoch erfolgt der Kostenvergleich nur auf einer kurzfristigen Basis. Insofern hängt die Entscheidung von der Wahl der „richtigen“ Periode ab. Die Aufteilung in fixe und variable Kosten ist nicht immer trennscharf, beeinflusst aber das Ergebnis. Die Erlöse aus der Investition bleiben bei der Rechnung unberücksichtigt. Es wird vielmehr unterstellt, dass sie innerhalb der Objekte gleich hoch und im Zeitablauf unverändert sind. Dies erscheint jedoch fraglich. Ebenso bleibt die Investitionshöhe unberücksichtigt. Vielmehr wird unterstellt, dass sie bei allen Objekten gleich hoch ist. Abhilfe

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kann hier durch eine Differenzinvestition geschaffen werden. Dabei wird die Differenz zwischen der „billigeren“ und der „teueren“ Investition rechnerisch am Kapitalmarkt angelegt. Die daraus erzielten Erträge reduzieren die Kosten der „billigeren“ Anlage. • Die Amortisationsvergleichsrechnung ist eine Form der statischen Investitionsrechnung, die über die Amortisationsperiode das mit einer Investition verbundene Risiko quantifiziert. Grundausrichtung ist die Risikominimierung. Demgemäß gilt als Zielkriterium die Rücklaufzeit des eingesetzten Kapitals (Payoff Period = Anschaffungswert dividiert durch Reingewinn und Abschreibungen). Die isolierte Betrachtung ermittelt, wann soviel Gewinn angefallen ist, dass der Anschaffungswert durch diesen Gewinn abgedeckt werden kann. Die vergleichende Betrachtung ermittelt, wann gegenüber einer anderen Alternative soviel Kostenersparnis erzielt wird, dass diese den Anschaffungswert abdeckt. Dabei werden allerdings gleiche Laufzeiten aller Alternativen unterstellt. Neben der Vernachlässigung von Zinswirkungen aufgrund unterschiedlichen zeitlichen Anfalls der zugrunde liegenden Zahlungen kann es zur Präferierung von Entscheidungsalternativen kommen, die erfolgswirtschaftlich inferior sind. Außerdem bleiben Gewinnzurechnung und Liquidationserlös außer Acht, und es wird keine Aussage zur Rentabilität getroffen. Je kürzer der effektive Zeitraum, in dem das investierte Kapital über die Erlöse wieder in das Unternehmen zurückfließt, im Vergleich zu der als gerade noch zulässig angesehenen Amortisationszeit ist, als desto vorteilhafter ist die Investition anzusehen. Damit kommt diese Methode dem Sicherheitsdenken der Praxis entgegen. Sie kann sowohl als Gewinnzuwachs- wie auch Kostenersparnisversion durchgeführt werden. • Die Rentabilitätsvergleichsrechnung berücksichtigt den Kapitaleinsatz einer Investition. Damit lassen sich auch verschiedenartige Investitionsobjekte miteinander vergleichen, vor allem kann beurteilt werden, ob eine Sachanlage oder eine Finanzanlage vorteilhafter sind. Rentabilität bedeutet allgemein, dass der Gewinn einer Investition zu deren eingesetztem Kapital in Relation gesetzt wird. Die Größe Kapitaleinsatz ist als durchschnittlicher Kapitaleinsatz in der Nutzungsperiode zu verstehen, bei nicht-abnutzbaren Anlagen wie Grundstücken also der Anschaffungswert, bei abnutzbaren der halbe Anschaffungswert. Evtl. Liquidationserlöse werden davon abgezogen, Erweiterungsinvestitionen hinzuaddiert. Beim Gewinn ist ebenso der durchschnittliche Gewinn anzusetzen, und zwar vor kalkulatorischen Zinsen. Bei der Beurteilung nur eines Investitionsobjekts muss die erzielte Rentabilität höher liegen als die mindestens für erforderlich erachtete Rentabilität. Bei Vergleich von zwei oder mehr Objekten ist dasjenige mit der höchsten Rentabilität das zu präferierende. Sind die Kapitaleinsätze dabei verschieden, ist die Differenz durch eine Differenzinvestition am Kapitalmarkt auszugleichen. Deren Erträge erhöhen den Gewinn der „billigeren“ Anlage. Dadurch kann eine aussagefähige Entscheidungsbasis gefunden werden. Vor allem ist auch bei zwei oder mehr Objekten ein Vergleich mit der mindestens gewünschten Rentabilität darstellbar, d. h., zwei oder mehr Objekte mit positiver

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Rentabilität können dennoch inferior sein, wenn sie die Mindestrendite nicht erzielen. Dann ist nach anderen Investitionsobjekten zu suchen oder eine alternative Anlage am Kapitalmarkt vorzunehmen. Ebenso lassen sich quantitativ und qualitativ unterschiedliche Anlageobjekte miteinander vergleichen. Problematisch bleiben die kurzfristige Rechenbasis, die schwierige Aufteilung in fixe und variable Kosten sowie die Zurechenbarkeit von Erlösen. 3.3.2 Erkenntnisse dynamischer Rechenverfahren Dynamische Verfahren kommen zu wesentlich differenzierteren Ergebnissen als statische, haben jedoch zugleich einen höheren Informationsbedarf, ohne die Unsicherheiten der Zukunft auch damit tatsächlich antizipieren zu können. Die Ergebnisse verschiedener Verfahren bezogen auf das gleiche Investitionsobjekt können einander durchaus widersprechen, da abweichende Ziele verfolgt werden. Bei den Rechenverfahren handelt es sich um die Folgenden: • Die Kapitalwertmethode zinst eine Zahlungsreihe mit einem vorgegebenen Zinsfuß ab und beurteilt damit die Vorteilhaftigkeit einer anstehenden Investition anhand des durch diese realisierten Zinsfußes, genauer anhand des Zinsvorteils einer Investition über einen als mindestens erforderlich angesehenen Zinssatz. Der Kapitalwert ergibt sich durch die Addition der Barwerte einer Zahlungsreihe. Diese Zahlungsreihe ergibt sich aus der Auszahlung im Investitionszeitpunkt und den Einzahlungen im Laufe der Leistungsdauer des Investitionsobjekts. Sofern ein Restwert gegeben ist, erhöht dieser die Einzahlungen. Der Kalkulationszinsfuß diskontiert die zukünftigen Einzahlungen auf den Gegenwartswert. Sofern ein Investitionsobjekt einen positiven Kapitalwert aufweist, ist es insofern als vorteilhaft anzusehen, als es einen vorgegebenen Kalkulationszinsfuß übertrifft. Die Investition verdient also nicht nur ihr eingesetztes Kapital zurück, sondern führt darüber hinaus zu einem Einzahlungsüberschuss. Bei einem Kapitalwert von Null ist eine Investition gerade noch lohnenswert, indem das investierte Kapital exakt zurückgewonnen, aber kein Überschuss daraus erzielt wird. Legt man als Kalkulationszinsfuß den Zinssatz am Kapitalmarkt zugrunde, bedeutet dies, dass eine Anlage im Investitionsobjekt oder am Kapitalmarkt gleich verzinslich sind. Dann kommt es auf das als geringer eingeschätzte Risiko an, welche Alternative bevorzugt wird. Bei einem negativen Kapitalwert erreicht die Anlage nicht die vorgegebene Verzinsung. Sie ist womöglich dennoch ertragreich, nur eben nicht in dem Maße, wie für erforderlich angesehen. Insofern sollte eine Investition unterbleiben oder eine Anlage alternativ dazu am Kapitalmarkt vorgenommen werden. Dies gilt bei der Beurteilung nur eines Investitionsobjekts. Beim Vergleich von zwei oder mehr Investitionsobjekten ist dasjenige zu bevorzugen, das den höheren Kapitalwert aufweist. Dabei kommt es nicht auf abweichende Anschaffungswerte oder unterschiedlich lange Nutzungsdauern an, weil unterstellt wird, dass rückfließende Zahlungsströme zum Kalkulationszinsfuß angelegt werden können. Insofern ist keine Differenzinvestition erforderlich.

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Darin und in der Berücksichtigung der Zahlungsreihen liegen große Vorteile der Kapitalwertmethode. Nachteilig sind die problematische Zurechenbarkeit der Zahlungsreihen zu Investitionsobjekten, die Schwierigkeit der belastbaren Datenprognose und die mangelnde Aussage über die exakte Rentabilität einer Investition. Es ist lediglich bekannt, wie ein Objekt in Bezug auf eine geforderte Mindestverzinsung abschneidet, nicht aber wie hoch die Rentabilität tatsächlich ist. • Die Annuitätenmethode stellt die durchschnittlichen jährlichen Einnahmen den durchschnittlichen jährlichen Ausgaben gegenüber. Dabei erfolgt jeweils eine Diskontierung auf den Investitionszeitpunkt. Durch Multiplikation mit dem Wiedergewinnungsfaktor ergeben sich zwei äquivalente, uniforme Reihen der durchschnittlichen Ausgaben und Einnahmen. Als Entscheidungskriterium dient die Differenz dieser beiden Reihen. Eine Gewinnmaximierung erfolgt anhand der Annuität des Barwerts aller auf den Anfangszeitpunkt abgezinsten Ein- und Auszahlungen. Bei Werten > 0 ist die Investition empfehlenswert, was zugleich bedeutet, dass die Summe der jährlichen Einnahmeannuitäten über jener der jährlichen Ausgabeannuitäten liegt. Die jährlichen Einzahlungsüberschüsse werden auf ihren Barwert abgezinst. Daneben ist der Kapitaldienst zu ermitteln, er errechnet sich durch Multiplikation des Kapitaleinsatzes (Investitionsausgabe abzgl. möglicher Liquidationserlös) mit dem Wiedergewinnungsfaktor. Bei gegebenem Kalkulationszinsfuß und mehreren Objekten ist dasjenige mit dem höchsten Barwert am vorteilhaftesten. Die Annuität ist dabei ein gleichbleibender Betrag, der neben Tilgung und Verzinsung in jeder Periode verfügbar ist. Eine Investition ist vorteilhaft, wenn die Annuität der Rückflüsse größer als der Kapitaldienst ist, dann liegt die Effektivverzinsung über dem angenommenen Kalkulationszinsfuß. Problematisch ist dabei, dass die zeitliche Verteilung und Zurechnung aller Ausgaben und Einnahmen bekannt sein und es sich um vollständige Alternativen handeln muss. • Die dynamische Amortisationszeitmethode geht nicht, wie die statische Version, vom durchschnittlichen Rückfluss eines Jahres aus, sondern kumuliert die Rückflüsse während der Nutzungszeit auf. Die Amortisationszeit ist dort erreicht, wo die addierten Rückflüsse erstmals ausreichen, die Investitionssumme zu erreichen. Dabei sind Rückflüsse umso werthaltiger, je zeitnäher sie erfolgen. Insofern ist es erforderlich, alle Rückflüsse auf den Investitionszeitpunkt zu beziehen (diskontieren). Dies wird erreicht, indem jedes Jahr mit einem spezifischen Abzinsungsfaktor versehen wird, der umso niedriger liegt, je gegenwartsferner das jeweilige Jahr ist. Der Abzinsungsfaktor wird beeinflusst durch den zugrunde gelegten Zinssatz und die Nutzungsdauer. Zeitlich nähere Rückflüsse sind deshalb werthaltiger, weil sie für weitere Investitionen zur Verfügung stehen, im Unternehmen thesauriert oder an die Anteilseigner ausgeschüttet werden können. • Die Interne-Zinsfuß-Methode strebt eine Aussage über die Rentabilität einer Investition an. Der Kapitalwert entspricht der Addition der Barwerte einer Zahlungsreihe. Dort wo der Kapitalwert gleich Null ist, wird die interne Verzinsung einer Investition angegeben. Bei einem Investitionsobjekt kann dieser Zinsfuß

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mit einem mindestens geforderten Zinsfuß verglichen werden, zumeist der Verzinsung am externen Kapitalmarkt incl. einer Risikoprämie. Bei zwei oder mehr Objekten ist dasjenige mit dem höheren Internen Zinsfuß das zu bevorzugende. Der Interne Zinsfuß kann sowohl rechnerisch als auch grafisch ermittelt werden. Rechnerisch wird wie folgt vorgegangen. Zuerst wird mit einem erkennbar zu niedrigen Versuchszinssatz gerechnet. Dann wird ein erkennbar zu hoher Versuchszinssatz genommen. Die tatsächliche Rendite ergibt sich dann zwischen diesen Zinssätzen durch Interpolation. Je enger die Versuchszinssätze beieinander liegen, desto genauer ist das Ergebnis. Grafisch wird wie folgt vorgegangen. Die Rendite bei einem zu niedrigen Zinssatz und die Rendite bei einem zu hohen Zinssatz werden in zwei Quadranten ihren jeweiligen Kapitalwerten zugeordnet. Beide Renditen werden dann durch eine Gerade verbunden, das Ergebnis liegt im Schnittpunkt mit dem Kapitalwert = 0-Lot. Eine Investition ist zu tätigen, sofern eine vorgegebene Mindestverzinsung überschritten wird. Bei zwei oder mehr Investitionen ist diejenige zu bevorzugen, die den höheren Internen Zinsfuß hat. Vorteilhaft ist die vollständige sowie zeitlich und betragsmäßig differenzierte Erfassung der Zahlungsströme mit Berücksichtigung von Zins und Zinseszins. Nachteilig sind die mangelnde bzw. ungewisse Zurechenbarkeit der Zahlungsreihen und die Notwendigkeit einer Differenzinvestition. Außerdem darf es nur zu Einzahlungsüberschüssen erst nach dem Auszahlungsüberschuss kommen. Bei den Investitionsrechnungsverfahren und deren Ergebnissen sind allerdings zahlreiche eingrenzende Prämissen zu berücksichtigen. Dazu gehören vor allem folgende: • Einzahlungen und Auszahlungen lassen sich häufig nicht trennscharf auf einzelne Investitionsobjekte zurechnen. Insofern kommt es zu Verzerrungen in den Ergebnissen, weil Übertragungseffekte zwischen den Objekten bestehen. • Vergangene Investitionsentscheide werden für den zukünftigen Entscheid vernachlässigt, obgleich sie starke praktische Auswirkungen auf diesen haben. Dabei handelt es sich um das bekannte Sunk Cost-Phänomen. • Technische und wirtschaftliche Unwägbarkeiten können nicht bzw. nur ungenügend für den Investitionsentscheid berücksichtigt werden. Insofern ist eine verstärkte Risikosicht unerlässlich. • Es wird die Zielsetzung der Gewinnmaximierung bzw. Kostenminimierung als gegeben unterstellt, obgleich real andere Zielsetzungen dominieren können wie unternehmerisches Prestige, inländischer Protektionismus, Arbeitsplatzsicherung etc. • Es wird ein vollkommener Kapitalmarkt unterstellt, also die Möglichkeit der unbegrenzten Mittelaufnahme und -anlage mit Gleichheit von Soll- und Haben­ zinssatz etc.

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3.4 Produkttest 3.4.1 Explorative Verfahren Die hohen Investitionen, die mit neuen Produkten verbunden sind, verlangen nach Entscheidungsabsicherung durch Tests. Dies gilt besonders in manager­ geführten Unternehmen, wo mit fremden Geld agiert wird. Dem Inhalt nach lassen sich Tests des Konzepts, z. B. Name, Packung, Geschmack, oder des Objekts, z. B. Leistung, Funktion, oder der Nachfrage (Kaufwirkung) unterscheiden. Der Produkttest findet vor der Markteinführung statt und ist in seinen Ergebnissen unternehmensorientiert. Die Ergebnisse sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich, die gemessenen Eigenschaften sind nur subjektiv erkennbar. Ein Warentest hingegen findet nach der Markteinführung statt und ist in seinen Ergebnissen abnehmerorientiert. Die Ergebnisse sind demnach der Öffentlichkeit zugänglich, die gemessenen Eigenschaften sind objektiv erkennbar. Der Produkttest erfolgt nach verschiedenen Verfahren (siehe Abbildung 77: Produkttestverfahren (Auswahl)).

Abbildung 77: Produkttestverfahren (Auswahl)

Ein exploratives Verfahren ist das freie (qualitative) oder auch Tiefen-Interview. Dazu bedarf es eines psychologisch geschulten Interviewers, der eine Anpassung an die Individualität des Befragten zur Herstellung einer Vertrauensbeziehung erreicht. Das führt zu gesteigerter Aussagewilligkeit, zu spontanen Äußerungen und vermittelt so vielfältige Einsichten in die Denk-, Empfindungs- und Handlungsweise des Befragten. So können auch nur halbbewusste, sensible Themen angesprochen werden. Die Durchführung des Interviews ist damit einzelfallab­hängig. Allenfalls eine Strukturierung durch den Interviewer-Leitfaden ist möglich. Damit entstehen jedoch Probleme bei der Protokollierung und Auswertung. Gedächtnisaufzeichnungen und Stichwortangaben können komplexe Äußerungen nicht gut erfassen. Wörtliche Protokollierung belastet zudem die Gesprächs­ konzentration. Daher werden meist Tonaufzeichnungen gemacht. Ebenso ergeben sich Deutungsspielräume und Unsicherheitsmomente bei der Interpretation. Den-

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noch können Motivationsstrukturen gut erhellt und z. B. Kaufwiderstände identifiziert werden. Ein anderes Verfahren ist das der Kaufprotokolle (Think-aloud Technique) zur Ermittlung von Entscheidungsnetzen als Prozessmodelle. Dabei werden Personen der Zielgruppe gebeten, alle Gedanken, die ihnen beim Umgang mit einem Produkt durch den Kopf gehen, auszusprechen, um sie aufzuzeichnen. Kumuliert man diese Gedankenprotokolle über mehrere Testpersonen, ergeben sich Gemeinsamkeiten, die als überindividuell angesehen werden können und damit wichtiger Maßstab für die marketingpolitische Beurteilung sind. Dies kann sich auf Produktmodalitäten wie Form, Größe, Material, Gewicht etc., aber auch Wahrnehmungsmodalitäten wie Farbe, Markierung, Design, Haptik, Geruch etc. beziehen.

3.4.2 Apparative Verfahren 3.4.2.1 Aktualgenese Apparative Verfahren suchen die Kognition und damit die durch sie verursachten Verzerrungen zu umgehen, indem sie auf motorische Reflexe rekurieren, die von der Testperson nicht oder kaum beeinflusst werden können. Sie dienen damit der Aufschlüsselung der Black Box des Organismus (S-O-R-Modell). Zu ihrer Messung sind umfangreiche Gerätschaften erforderlich, die sich in solche zur Aktualgenese, Psychomotorik und Mechanik unterteilen lassen und in der Theorie umstritten sind, weil vielleicht noch größere Verzerrungsmöglichkeiten bestehen als bei der Exploration. Zunächst zur Messung der Aktualgenese. Die Aktualgenese untersucht den Prozess des Entstehens der Wahrnehmung und Auffassung einer Gestalt und versucht, diesen aus anfänglichen diffusen Eindrücken bis zur vollen Wahrnehmung zu verfolgen. Sie arbeitet in diesem Zusammenhang mit Mitteln zur Wahrnehmungserschwerung. Dabei sind vor allem folgende Verfahren zu nennen: • Beim Tachistoskop handelt es sich um einen Schnellverschluss, der die optische Darbietung von Motiven in extrem kurzen Zeiten ermöglicht. Die natürliche Trägheit des Auges bewirkt nur eine bewusste Wahrnehmung von Abbildungen, die länger als l/20-tel Sekunde dargeboten werden. Unterhalb dieser Zeitschwelle beginnt die unterbewusste Wahrnehmung, d. h. Motive werden zwar nicht mehr bewusst erkannt, dennoch aber im Gehirn abgebildet. Oberhalb dieser Schwelle ergeben sich Abstufungen hinsichtlich der mehr oder minder zutreffenden Decodierung von Motiven. Da die Wirtschaftswirklichkeit weitgehend durch kurze, oberflächliche Sichtkontakte zu Produkten gekennzeichnet ist, scheint es bedeutsam sicherzustellen, dass auch spontane Sichtkontakte zutreffende Eindrücke des Objekts vermitteln. Dies wird mit Hilfe des Tachistoskops festgestellt. Durch ein Spiegeltachistoskop kann jedem Auge eine getrennte Vorlage projiziert werden,

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so dass man im Side by Side-Vergleich die unmittelbare Durchsetzungsfähigkeit etwa von Packungen testen kann. • Beim Anglemeter handelt es sich um eine Vorrichtung, welche die perspektivisch verzerrte Wiedergabe eines Testobjekts erlaubt. So können Seitenansichten, Drauf- und Druntersichten simuliert werden. Ziel ist die Ermittlung der Gestaltfestigkeit des Testobjekts auch unter verwinkelten Sichtweisen. Dies entspricht wiederum der Realität insofern, als die meisten Produkte im Marktumfeld verwinkelt dargeboten werden und dennoch unter diesen Bedingungen eine gute Wiedererkennbarkeit gewährleistet bleiben soll. • Beim Perimeter handelt es sich um eine Vorrichtung, die das Testobjekt am Rande des Sichtfelds der Augen des Probanden darbietet. Der Blickwinkel des Menschen beträgt ca. 80 Winkelgrad je Auge, wobei Motive im Zentrum des Sichtfelds besser wahrgenommen werden als solche am Rande. In der Wirtschaftsrealität befinden sich Produkte aber häufig aufgrund ihrer Platzierung nur am Rande des Sichtfelds. Dieser Test soll daher sicherstellen, dass diese dennoch eindeutig wahrgenommen werden. • Bei der Sichtspaltdeformation handelt es sich um eine Methode der Wahrnehmungserschwerung, bei der das Testobjekt dem Probanden nur durch einen Blickspalt dargeboten wird (Zöllnerverfahren). Das heißt, es sind nur Ausschnitte des Gesamtmotivs erkennbar. Auch dies entspricht der Wirtschaftswirklichkeit, da Produkte oft verstellt bzw. schlecht platziert sind. Je höher die Wiedererkennung bzw. Identifizierung eines Testobjekts ist, desto eher ist gewährleistet, dass es auch unter erschwerten Wahrnehmungsbedingungen signalhaft wirkt. • Bei der Schnellgreifbühne handelt es sich um eine Apparatur, die für kurze Zeit mehrere Produkte darbietet, von denen der Proband bei einem von ihnen spontan zugreifen soll. Dazu wird eine bühnenähnliche Präsentation aufgebaut, bei der im Normalzustand ein Vorhang die Sicht auf die Testobjekte nimmt. Dieser Vorhang öffnet sich für kurze Zeit und bietet den Zugriff zu mehreren Exponaten. Die Testperson wird aufgefordert, das ihr spontan am ansprechendsten erscheinende Produkt zu greifen. Dazu bleibt nur die kurze Zeit bis zur Schließung des Vorhangs. Daraus wird wiederum auf die relative Impactstärke geschlossen. Heute dient dazu die Präsentation der Testobjekte am Bildschirm mit kurz bemessener Auswahlzeit, allerdings nur zweidimensional, außer mit VR-Brille. • Beim Nyktoskop handelt es sich um die Möglichkeit, eine Produktdarbietung stufenlos von völlig abgedunkelt bis normal hell zu regeln. Untersucht wird, bei welcher Helligkeit das Produkt bzw. welches von mehreren Produkten bei geringerer Helligkeit zutreffend identifiziert werden kann. Daraus wird auf deren Gestaltfestigkeit geschlossen. Dies entspricht im übrigen der häufigen Wahrnehmungssituation am Ort des Verkaufs, wo Produkte abgeschattet platziert sein können. Auch hierbei ist eine Darstellung am Bildschirm oder wegen der Dreidimensionalität per VR-Brille mit heraufgeregelter Helligkeit gängig.

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3.4.2.2 Psychomotorik Hierbei handelt es sich um apparative Verfahren, die Körperreaktionen messen. Entscheidend ist dabei, dass es sich um reflexartige Reaktionen handelt. Diese erfolgen unwillkürlich und indizieren eine Aktivierung der Testperson. Damit soll jede kognitive Steuerung, die zu Verzerrungen führen kann, ausgeschlossen werden. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um folgende: • Das Pupillometer ist eine Apparatur zur Messung des Pupillendurchmessers von Probanden. Es ist bekannt, dass der Mensch bei besonderer Beeindruckung durch eine Vergrößerung der Pupille reagiert. Dies gilt sowohl bei besonderem Erstaunen als auch besonderem Erschrecken. Umgekehrt signalisiert eine unveränderte Größe der Pupille eben keine besondere Beeindruckung. Daraus soll abgeleitet werden, inwieweit ein dargebotenes Motiv impactstark oder impactschwach ist. Hoher Impact verbessert die Chancen des Markterfolgs, da daraus eine höhere Aufmerksamkeit als erste Stufe der Akquisitionswirkung resultiert. • Beim Psychogalvanometer handelt es sich um die Messung des Hautwiderstands, wie sie populär vom Lügendetektor bekannt ist. Es werden zwei Verfahren unterschieden. Das eine Verfahren (EDP) geht davon aus, dass jeder Mensch im „Normalzustand“ einen individuellen Hautwiderstandswert aufweist. Dieser wird an einem Messpunkt festgestellt und als Ausgangseichung (tonisch) angesetzt. Wird der Proband nun mit dem Testobjekt konfrontiert, so ergibt sich je nach innerer Aktivierung eine mehr oder minder große reizinduzierte Erhöhung dieses Basiswerts (phasisch). Daraus wird auf den Impact des Testobjekts geschlossen. Das andere Verfahren (PGP) misst nur die relative Hautwiderstandsveränderung zwischen zwei Messpunkten auf der Haut des Probanden, ohne den zugrunde liegenden Basiswert zu berücksichtigen. Aus dem Ausmaß der Abweichung der Werte zwischen den Messpunkten wird wiederum auf den Impact geschlossen. • Bei der Gehirnstrommessung werden Messsonden an geeigneten Stellen der Kopfhaut angebracht, welche die Gehirnströme messen, die Aufschluss über die geistige Aktivierung der Testperson geben (Elektroenzephalogramm / EEG). Hohe bzw. steigende Gehirnströme indizieren ein hohes Maß an Aktivierung und damit eine intensive Auseinandersetzung mit der Testvorlage, und umgekehrt. Denn bei intensiver geistiger Beschäftigung erhöht sich die Intensität der Gehirnströme infolge der Perzeption und Apperzeption des vorgelegten Testprodukts und seiner möglichen Implikationen wie Kaufentscheid, Preisbereitschaft, Anmutung etc. • Ebenso ist die Atemfrequenz ein Indiz für die Aktivierung. Eine hohe Atemfrequenz indiziert Erregung und innere Anspannung, eine niedrige Atemfrequenz Ruhe und Ausgeglichenheit. Verändert sich, ausgehend von einer Ruhefrequenz, die Atemfrequenz bei Darbietung von Testvorlagen, so kann daraus auf den Grad der Aktivierung geschlossen werden. Verändert sich umgekehrt nichts, bewirken die Testvorlagen offensichtlich keine sonderliche Aktivierung, haben also anscheinend wenig Impact.

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• Auch die Pulsfrequenz erhöht sich im Zustand von Erregung bzw. bewegt sich auf einem Ruhefrequenzlevel. Ausgehend von dieser Ruhefrequenz kann aus der evtl. Erhöhung der Pulsation auf den Grad einer Aktivierung geschlossen werden. Die Justierung der Ausgangssituation ist wichtig, weil je nach Trainiertheit des Körpers die Pulsruhefrequenz verschieden hoch liegen kann, absolute Werte daher nicht aussagefähig sind, sondern nur Pulsfrequenzveränderungen. • Bei der Stimmfrequenz handelt es sich um einen Indikator für den Grad innerer Spannung. Es ist eine Erfahrungstatsache, dass die Stimme sich bei Erregung anders anhört als bei Ruhe. So verändert sich z. B. bei Wut nicht nur die Lautstärke der Stimme, sondern auch deren Tonhöhe. Geht man hier wiederum von einem Normalzustand aus, so kann die Stimmfrequenz des Probanden bei Aufforderung zu verbaler Reaktion als Indikator für dessen Aktivierung genutzt werden. Daraus wiederum kann auf die Impactstärke dargebotener Testvorlagen mittels Stimmfrequenzanalysator geschlossen werden. • Beim Blutdruck handelt es sich um einen weiteren physiologischen Indikator, der nach den gleichen Prinzipien ausgewertet wird. Zunächst wird der Blutdruck mittels Messmanschette im Ruhezustand gemessen (Elektrokardiogramm / EKG). Sodann werden dem Probanden Testvorlagen dargeboten. Dabei wird ggf. die Veränderung des Blutdrucks festgestellt. Aus der Höhe der Veränderung wird auf die Impactstärke der Vorlagen geschlossen. • Beim Speichelfluss macht man sich den Reflex zunutze, dass der Speichelfluss von innerer Erregung gesteuert wird. So trocknet der Mund bei Anspannung (z. B. Angst) leicht aus, weil der Speichelfluss nachlässt. Umgekehrt erhöht sich der Speichelfluss bei positiver Erregung (z. B. Freude). Dieses Indiz ist auch in der Tierwelt weit verbreitet und diente schon Pawlow zur Demonstration der Konditionierung nach dem Kontiguitätsprinzip. Misst man nun über eine Sonde den Speichelfluss bei Darbietung von Testobjekten, so kann daraus auf die Einstellung des Probanden geschlossen werden, also den Grad der Ablehnung oder Zustimmung. • Beim Lidschlag handelt es sich um die technisch relativ leicht zu realisierende Registrierung der Anzahl der Lidschläge je Zeiteinheit. Dafür muss von einer durchschnittlichen Anzahl von Lidschlägen ausgegangen werden, die erforderlich ist, die Netzhaut zu befeuchten. Häufiger erfolgt der Lidschlag bei positiver Erregung (Freude), seltener bei negativer Erregung (Angst). Stellt man nun die Frequenz in Abhängigkeit von der Darbietung einer Testvorlage fest, so ergibt sich ein Indikator für die Wirkung des Objekts auf den Probanden. • Bei der Körpertemperatur handelt es sich um die Messung im Normalzustand und bei Darbietung einer Vorlage. Ausgehend von den physiologischen Reaktionen der Erhöhung der Pulsfrequenz und des Blutdrucks resultiert aus gestiegener Körperaktivität auch eine steigende Körpertemperatur. Misst man diese bei Vorlage von Testobjekten, kann daraus deren Aktivierungswirkung abgeleitet werden.

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3.4.2.3 Mechanik Dies sind Verfahren der nicht-teilnehmenden Beobachtung, die aus dem Verhalten der Testpersonen Rückschlüsse auf deren Aktivierung und Interesse zulassen sollen. In dem Maße, wie die Testsituation jedoch bekannt ist, entstehen wiederum Probleme kognitiver Verzerrungen. Im Wesentlichen handelt es sich um folgende Verfahren: • Bei der Blickregistrierung handelt es sich um eine Brille, die am Kopf fixiert wird und vor den Augen zwei über Lichtleiterkabel angeschlossene Kameras enthält. Diese nehmen den Blickverlauf der Pupillen bei der Betrachtung einer Vorlage auf. Anschließend werden das Blickfeld des Probanden und das Testexponat justiert, so dass die Vorlage und der Bezugsrahmen auf einen Bildschirm projiziert werden können. Die Augenkameras zeigen den Verlauf der Pupillen im Monitor. Dabei werden Fixationen, d. h. Verweilzeiten der Pupille bei einzelnen Motivelementen von für gewöhnlich 0,2–0,4 Sek., sowie Saccaden, d. h. Verweilzeiten unter 0,03–0,04 Sek. unterschieden. Von letzteren wird unterstellt, dass die betreffenden Motivelemente nicht bewusst wahrgenommen werden, von ersteren, dass sie Aufmerksamkeit und Interesse finden. Darüber hinaus kann die Reihenfolge der Wahrnehmung von Motivelementen verfolgt werden. Schließlich gibt bei mehreren Vorlagen auch die relative gesamte Verweilzeit Aufschluss über die Wahrnehmung. • Lichtschranken sind z. B. geeignet, die Passierfrequenz vor einem Testobjekt zu erfassen oder auch die Verweilzeit dort. So kann festgestellt werden, wie viele Personen eine Produktpräsentation passieren und wie nahe sie dabei dem exponierten Produkt kommen. Daraus kann auf das Interesse der Personen geschlossen werden und daraus wiederum auf die Aufforderungswirkung des Testprodukts. Alternativ ist die Messung über Airtags oder GPS-Tracker möglich, die von Netzwerkgeräten in der Nähe bzw. Ortungssatelliten erfasst werden. • Einwegscheiben/-spiegel dienen zur Beobachtung in biotischen Situationen, d. h. solchen, bei denen die beobachtete Person weder um die Tatsache der Beobachtung noch um deren Zweck weiß. Dadurch sollen Verzerrungen ausgeschlossen werden, die entstehen, wenn Personen um ihre Eigenschaft als Testperson wissen und deshalb ihr Verhalten gegenüber demjenigen ändern, das sie zeigen, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Einwegscheiben/-spiegel dienen zur Erzeugung einer solchen Situation. Alternativ ist die Beobachtung über Minikameras möglich, sofern die Probanden eine Auswertung nachträglich genehmigen. • Beim Programmanalysator handelt es sich um ein joystickähnliches Eingabegerät. Die Testperson betätigt während einer laufenden Darbietung den Stick in die eine Richtung, solange sie durch die Darbietung positiv gestimmt wird und in die andere, sobald sie negativ gestimmt wird. Darbietungssynchron wird die Reaktionsveränderung aufgezeichnet und kann somit einzelnen Sequenzen zugeordnet werden.

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3.4.3 Projektiv-assoziative Verfahren Diese Verfahren bedienen sich zur Erhebung der Projektion auf andere Personen der spontanen Assoziation. Dadurch sollen kognitive Verzerrungen der Ergebnisse vermindert werden. Erfahrung zeigt, dass sich bei der Projektion subjektive Wertungen, die über die eigene Person so nicht geäußert werden, in der Drittpersonentechnik widerspiegeln. Bei der Assoziation wird nicht zum Untersuchungsthema direkt, sondern zu anderen, unverfänglichen Themen erhoben, die dann rückbezogen und interpretiert werden. Man unterscheidet zwei mögliche Anlagen solcher Verfahren, und zwar figurale und verbale. Häufig verwendete ­figurale Verfahren sind folgende: • Thematische Apperzeption. Zu mehrdeutigen Bildern aus Alltagssituationen sind Interpretationen zu geben. Aus der unterschiedlichen Deutung der Situationen soll die Bedeutung verschiedener Produkte aufgedeckt werden. Dabei ist vor allem interessant, in welchen Kontext das Produkt gestellt wird. Ob es z. B. positiv als Problemlöser erlebt wird, oder negativ als Problemverursacher. • Rosenzweig (Picture Frustration). Auf zeichnerischen Darstellungen von Zweier­ gruppen bringt eine der beiden Personen unter Bezugnahme auf das Produkt bei der anderen Vorhaltungen oder Entschuldigungen vor. Die Testperson soll die leere Sprechblase der adressierten Person mit einer Antwort ausfüllen. Dabei ist wiederum interessant, in welchen Sinnzusammenhang das Produkt gestellt wird, dient es als Entschuldigung oder zur Gegenargumentation. • Personenzuordnung. Dabei werden Probanden zahlreiche Personen als Portraitfotos gezeigt und diese aufgefordert, einem Testprodukt die typischen Verwender /  Verbraucher zuzuordnen. Da die Personen eine breite Vielfalt von Typen reprä­ sentieren, kann aus der Art der ausgewählten Personen auf das Image des Produkts geschlossen werden (z. B. tradierte Hausfrau oder moderne Haushaltsmanagerin bei einem Waschmittel). • Rollenspiel. Dabei wird dem Produkt durch die Testperson eine Rolle innerhalb einer sozialen Beziehung zugewiesen. Diese Rolle soll dann interpretiert werden. Je nach Einordnung des Produkts kann daraus auf dessen Autorität oder Subordination, Kompetenz oder Schwäche geschlossen werden. • Zeichentest. Bei diesem ebenfalls aus der Persönlichkeitspsychologie bekannten Test werden Probanden aufgefordert, das Testprodukt als Symbol zu zeichnen, so etwa als Tier oder als Baum. Aus der Art und der Darstellung des gewählten Symbols kann wiederum auf das Image des Produkts rückgekoppelt werden. • Farbtest. Hierbei geht es um die Zuordnung von Farben zum Testprodukt, die dessen Anmutungsqualitäten und Gefühlswirkungen widerspiegeln sollen. So deutet die Zuordnung kräftiger Farben auf ein vitales Erleben des Produkts hin, die Zuordnung blasser Farben auf ein eher weniger markantes Profil bei der subjektiven Einschätzung.

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Häufig verwendete verbale Verfahren sind folgende: • Wortassoziation. Dabei sind zwei Vorgehensweisen denkbar. Eine erfolgt durch Vorgabe einer Marke und Aufforderung an die Testpersonen, dazu frei, aus einem vorgegebenen Themenbereich oder einer vorgegebenen Liste die ihr am ehesten passend erscheinenden Wörter anzugeben. Umgekehrt können solche Wörter vorgegeben sein, und die Testpersonen werden aufgefordert, dazu frei, aus einem vorgegebenen Produktbereich oder einer vorgegebenen Liste mit Markennamen die ihnen am ehesten passend erscheinenden Marken auszuwählen. Aus der Art der dabei assoziierten Wörter oder Marken kann auf das Profil des Testprodukts im Meinungs- bzw. Angebotsumfeld geschlossen werden. • Satzergänzung. Dieses Verfahren arbeitet ähnlich. Testpersonen wird ein Satzanfang vorgegeben, den sie vervollständigen sollen. Dabei kann auf zwei Wegen vorgegangen werden. Zum einen kann der Satzanfang sich auf eine Marke / das Testprodukt beziehen und in freier Assoziation ergänzt werden. Zum anderen kann es sich aber beim Satzanfang auch um eine Lebenssituation handeln, der frei oder geschlossen in Zusammenhang mit einer Marke vervollständigt wird. • Einkaufslistenverfahren. Hierbei geht es um die Beschreibung einer einkaufen­ den Person, die durch eine Einkaufsliste ausgewiesen ist, hinsichtlich ihrer Charaktermerkmale (wie sparsam, kritisch, qualitätsbewusst etc.). Besonders interessant ist dabei der Vergleich zweier bis auf das Testprodukt identischer Einkaufslisten. Aus dem sich ergebenden Differenzial im Persönlichkeitsinventar kann dann auf das Image dieses Produkts geschlossen werden. 3.4.4 Testsituation Ein Produkttest läuft allgemein auf Erkenntnisse der Diskriminanz (Unterschei­ dung), Präferenz (Bevorzugung), Deskription (Beschreibung), Evaluation (Bewertung), Akzeptanz (Kaufabsicht) oder Elimination (Kaufverzicht) hinaus. Dabei lassen sich nach der Testsituation zahlreiche Varianten ohne Anspruch auf Vollständigkeit unterscheiden, so • nach der Testumgebung als Studiotest oder Feldtest, d. h. unter künstlichen, kontrollierten Randbedingungen oder unter realen, wenig kontrollierbaren Randbedingungen. Der Vorteil des Studiotests liegt in seiner hohen internen Validität, der Nachteil in der geringen externen Validität. • nach der Anzahl der Testobjekte in Einzeltest oder Vergleichstest, d. h., Test­ objekte sind nur eigene Produkte bzw. eigene und vergleichbare fremde Produkte. Ersteres kommt zum Zuge, wenn unter mehreren eigenen Testprodukten das chancenreichste herausgefiltert werden soll, letzteres, wenn die eigene Leistung in Bezug zum Mitbewerb gestellt werden soll. • nach dem Zeitpunkt relativ zur Markteinführung als Pretest oder Posttest, d. h. vor Markteinführung bzw. nach Markteinführung. Vorher dient der Test zur

3. Neuheitsumsetzung

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Prognose des prospektiven Markterfolgs, nachher zur Kontrolle der tatsächlich eingetretenen Ergebnisse. • nach dem Beurteilungsumfang in Gesamtqualität oder in Teilqualitäten, d. h. das Produkt als Ganzes oder nur Teile des Produkts. Bei der ganzheitlichen Beurteilung ergeben sich Probleme aus der Zurechnung von Ursachen zu Wirkungen und aus etwaigen Saldierungseffekten. Bei den Teilprüfungen kann eine Irradiation von Einzelqualitäten eines Produkts (z. B. Packung, Marke, Design) auf andere Einzelqualitäten (z. B. Qualität, Preisempfinden, Lebensstil) kaum ausgeschlossen werden. • nach den Testern als Experten / Zielpersonen / aktuelle Verbraucher / Anwender, d. h. entweder Fachleute, die ein Produkt unter (semi-)professionellen Aspekten beurteilen, oder potenzielle Abnehmer, die es aus ihrer Sicht als Adressaten von Produktbotschaften einschätzen oder tatsächliche Kunden, die es vor dem Hintergrund ihrer Erwartungen und Erfahrungen einordnen. • nach der Markierung als Blindtest (anonym) oder Brandingtest (markiert), d. h. unter Abdeckung der Marke bzw. mit Absenderkennzeichnung. Hierdurch können positive oder negative Irradiationen von der Marke auf die Produktanmutung untersucht werden. Dies erfolgt z. B. in der Automobilindustrie durch Car ­Clinics, in denen Testpersonen ein neues Modell zur Beurteilung vorgestellt wird, zunächst ohne dass diese wissen, um welche Marke es sich dabei handelt und erst danach unter Offenlegung der Marke. • nach der Testabfolge in monadisch / alternierend (staggered) oder simultan (Side by Side), d. h., die Testobjekte werden alleine, in unterschiedlichen Abfolgen oder gleichzeitig exponiert. Vor allem die letztgenannte Situation entspricht der Marktrealität, in der sich ein Produkt parallel und im Konflikt zu anderen um die Käufergunst durchsetzen muss. • nach der Zeitdauer in Eindruck (Kurzzeit) oder Erfahrung (Langzeit), d. h., es wird nur die impulsive Reaktion erhoben, oder es wird erst nach ausgiebiger praktischer Prüfung geurteilt. Die erste Möglichkeit spiegelt eher die Entscheidungssituation bei unreflektierten Produktkäufen (Selbstbedienungssituation), die zweite erfasst eher die Wiederkaufwahrscheinlichkeit eines einmal präferierten Produkts, das sich bewähren muss.

3.5 Markttest 3.5.1 Regionaler Markttest Hinsichtlich der Testanlage können verschiedene Arten unterschieden werden, nämlich Regionaler Markttest, Markttestsimulation, Storetest, Mini-Markttest, elektronischer Mikromarkttest. Es handelt sich dabei um nicht-teilnehmende,

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

systematische Beobachtungen physischer Aktivitäten als Feldtest. Gegenstand ist der probeweise Verkauf auf einem räumlich abgegrenzten Markt mit dem Ziel der Gewinnung von Daten über die mutmaßliche Marktgängigkeit eines Produkts und die Wirksamkeit von Marketingmaßnahmen vor deren großflächiger Einführung. Als bevorzugte Gebiete sind die Großräume Bremen, Saar, Stuttgart, Hessen, Rheinland-Pfalz oder Berlin anzusehen. Dafür gelten folgende Merkmale: – Erhebungsmethode: Beobachtung, – Datenerfassung: automatisiert, – Interne Validität: sehr gering (Repräsentanzproblem bei Feldtests), – Externe Validität: hoch, da realer Markt, – kein Relevant Set erforderlich, – Probleme: keine Packungs-, keine Preisisolierung messbar, Carry over-Effekt im Zeitablauf, – Output: quantitative und qualitative Verbraucher- und Handelsdaten (über Zusatzbefragung), – Zeitbedarf: sechs bis zwölf Monate, – Marktforschungskosten: erheblich, – Sonstige Kosten: hoch (vor allem Vorrat an Testprodukten, Logistik, Media­ einsatz). Vielfache Vorbehalte sind angebracht hinsichtlich Testmarktgröße, Markttestdauer, Neutralisierung von Overspendings in der Werbung, Konkurrenzsituation, Markttrend etc. Vor allem besteht die Gefahr, dass der Mitbewerb, der die gleichen Testmärkte nutzt und diese kontinuierlich beobachtet, frühzeitig von eigenen Neuprodukten erfährt und sich entsprechend vorbereiten oder Ergebnisse bewusst verzerren kann. Als Voraussetzungen für jegliche Art von Testmarkt sind die Isomorphiebedingungen zum Gesamtmarkt zu nennen, und zwar hinsichtlich der • Nachfragesituation, in Bezug auf Soziodemografie (z. B. Bevölkerungsstruktur, Kaufkraft, Konsumgewohnheiten) und Bedarfe, • Handelssituation, in Bezug auf Struktur und Angebot, • Wettbewerbssituation, in Bezug auf Art und Größe, • Medienstruktur, in Bezug auf Nutzung und Verfügbarkeit, • Abgrenzbarkeit, in Bezug auf Wohn- und Einkaufsort, • Verfügbarkeit adäquater Mafo-Einrichtungen.

3. Neuheitsumsetzung

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3.5.2 Testmarktreduktion Da diese Voraussetzungen praktisch kumulativ nicht darstellbar sind, wird auf Testmarktreduktion gesetzt. Eine Ausformung ergibt sich als rechnergestützte Simulationsverfahren. Eine Simulation ist allgemein die wirklichkeitsgetreue Nachbildung der Realität in Form eines Modells und dessen Durchspielen in realitätsnaher Weise. In diesem Fall wird dabei von tatsächlichen Testergebnissen unter möglichst realitätsnahen Bedingungen auf den mutmaßlichen Erfolg eines Testprodukts im Gesamtmarkt hoch zu rechnen versucht. Dazu dienen als Projektionsmethoden die • Pro Kopf-Methode: Ausgangspunkt ist die Absatzmenge des Testprodukts je Haushaltsmitglied im Testmarkt, hochgerechnet auf die Anzahl potenzieller Käufer im intendierten Gesamtmarkt, • Marktanteils-Methode: Ausgangspunkt ist die Absatzmenge des Testprodukts relativ zur Menge der Warengruppe (Category) im Testmarkt, hochgerechnet auf das Warengruppenvolumen im Zielmarkt, • Umsatzverhältnis-Methode: abgeleitet aus dem Umsatzvolumen eines (konkurrierenden) Vergleichsprodukts im Testmarkt, hochgerechnet auf den beabsichtigten Gesamtmarkt, • Kaufkraftindex-Methode: erfolgt analog zum verfügbaren Einkommen im Testmarkt relativ zur Kaufkraft im intendierten Gesamtmarkt, • Wiederkäufer-Methode: Ausgangspunkt ist die Anzahl der wiederkaufenden Haushalte im Testmarkt, hochgerechnet auf den intendierten Gesamtmarkt, alternativ auch Relation von Bevölkerung im Testmarkt zur Bevölkerung im Gesamtmarkt. Unter Storetest versteht man den probeweisen Verkauf von neuen / veränderten Produkten unter Einsatz aller / ausgewählter Marketinginstrumente und kontrollierten Bedingungen in ausgewählten Geschäften, die real oder für den Test künstlich eingerichtet sind. Dabei handelt es sich um eine offene, nicht-durchschaubare oder quasi-biotische Situation mit folgenden Merkmalen: • Erhebungsmethode: Befragung, • Datenerfassung: manuell, • Interne Validität: sehr hoch (künstliche Rahmenbedingungen), • Externe Validität: gering (künstliche Rahmenbedingungen), • integrierter Marketing-Mix machbar, • Probleme: kein Werbedruck, keine Promotion, keine Handelsakzeptanz messbar, Relevant Set ist zu bestimmen (Produktauswahl), • Output: quantitative und qualitative Verbraucherdaten,

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

• Zeitbedarf: zwei bis drei Monate, • Marktforschungskosten: sehr hoch, • Sonstige Kosten: sehr gering (Testprodukte, Logistik, Media). Der Mini-Markttest ist ein zweiseitiger Testmarkt als Kombination aus Storetest und Haushaltspanel. Die Absatzseite ergibt sich bereits aus den Daten des Storetests. Jedoch bleibt dabei unklar, wo die abgesetzten Testprodukte verbleiben. Daher wird ergänzend die Kaufseite durch ein Haushaltspanel abgedeckt. Dazu erforderlich ist die Handelsbevorratung, eine Verbraucherbeeinflussung am POS, die Messungen der Abverkaufs-, Einkaufs- und Meinungssituationen. Daraus folgt die Ergebnisinterpretation. Beim Elektronischen Mikro-Markttest handelt es sich um eine Kombination aus Haushaltspanel zur Erfassung des Konsumverhaltens, Scannerkasse am POS zur Abverkaufskontrolle in Geschäften durch direkte opto-elektronische Registrierung von Artikelnummern bei automatischer Preiszuordnung sowie Tageswert-Erfassung, ID-Cards für einkaufende Haushalte, örtlich gesteuerten (targetable) TVund Print-Werbeeinsatz sowie unterstützender Proben- und Handzettelverteilung. Dadurch wird ein kontrollierter Markttest mit folgenden Merkmalen möglich: • Erhebungsmethode: Beobachtung, • Datenerfassung: maschinell, • Interne Validität: hoch (abgegrenzter Markt), • Externe Validität: hoch, da realer Markt, • kein Relevant Set erforderlich, • Probleme: Carry over-Effekt, keine Messung der Handelsakzeptanz, • Output: quantitative und qualitative Verbraucher- und Handelsdaten, • Zeitbedarf: fünf bis acht Monate, • Marktforschungskosten: sehr hoch, • Sonstige Kosten: gering (Testprodukte, Logistik, Media). 3.5.3 Testaufbau Die Ergebnismessung im Marktexperiment (Test) erfolgt informal durch Differenzbildung zwischen Vorher- und Nachhersituation bzw. je nach Anlage zwischen Experimental- und Kontrollgruppen nach folgenden Schemata: • EBA (Experimental Group before and afterwards). Dies entspricht bei gleich bleibendem Untersuchungsobjekt dem Panel. Es handelt sich um ein Sukzessiv-

3. Neuheitsumsetzung

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experiment mit einer Versuchsgruppe, die vor und nach der Testsituation gemessen wird. Dabei besteht die Gefahr von Carry over- und Entwicklungseffekten. • CB-EA (Control Group before, Experimental Group afterwards). Dies stellt ein Sukzessivexperiment mit mindestens zwei Gruppen dar. Die erste Messung (vor der Testsituation) erfolgt in der Kontrollgruppe, die zweite (nach der Testsituation) in der Versuchsgruppe. Hier wirken sich nur Entwicklungseffekte störend aus. • EA-CA (Experimental and Control Group afterwards). Dies ist ein Simultanexperiment mit mindestens zwei Gruppen. Jeweils nach der Testsituation liefert die Kontrollgruppe den Bezugswert und die Experimentalgruppe den Endwert. Dadurch können störende Effekte weitgehend ausgeschaltet werden. Voraussetzung ist allerdings die Strukturgleichheit der E- und C-Gruppen. • EBA-CBA (Experimental Group before and afterwards, Control Group before and afterwards). Dies ist ein simultanes Sukzessivexperiment. Die Experimentalgruppe wird vor und nach der Testsituation gemessen, ebenso die Kontrollgruppe. Damit können Carry over-Effekte ausgeschaltet werden, Entwicklungseffekte lassen sich ermitteln. • E’A-EBA-CBA (Experimental Group I afterwards, Experimental Group II before and afterwards, Control Group before and afterwards). Die Testanlage ist die gleiche wie beim EBA-CBA-Experiment, jedoch mit Parallelgruppe (II), die zum Ausschluss von Entwicklungseffekten getrennt zum Vergleich erhoben wird. • EBA-CBA-C’A-C’A (Experimental Group before and afterwards, Control Group I before and afterwards, Control Group II afterwards, Control Group III afterwards). Die Testanlage ist wiederum wie beim EBA-CBA-Experiment. Jedoch gibt es zwei Parallelgruppen (II + III) zur weiter verbesserten Kontrolle. Daneben ist eine formale Ergebnismessung durch statistische Verfahren, vor allem die Varianzanalyse, möglich. Ziel ist es hierbei, die eintretende Ergebnisstreuung verursachungsgerecht zuzurechnen. Dabei handelt es sich um Auswertungen nach dem • vollständigen Zufallsplan (kein Störfaktor / eine Variable), • zufälligen Blockplan (ein Störfaktor / zwei Variablen), • Lateinischen bzw. Griechisch-lateinischen Quadrat (zwei und mehr Störfaktoren / mehr als zwei Variablen). Die Testdesigns werden jedoch zunehmend ausladend, so dass praktisch nur reduzierte Designs (fraktionell) angewendet werden, die aber wiederum nur begrenzte Aussagekraft haben (Haupteffekt, keine Interaktionseffekte). Insofern ist die praktische Anwendung formaler Marktexperimente sehr begrenzt, zumal der Zuwachs an Aussagekraft den Aufwand im Testdesign kaum kompensiert. Das Messniveau kann dabei topologisch-qualitativ (nominal-, ordinalskaliert) oder metrisch-quantitativ (intervall- oder relationalskaliert) sein. Unter Skalieren

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versteht man allgemein das Zuordnen von Zahlen nach einem bestimmten Verfahren. Zur Auswertung von Testergebnissen werden im Einzelnen folgende Beurteilungskriterien herangezogen: • die Objektivität, d. h. Eindeutigkeit / Konsistenz, und die Stabilität, d. h. Sicherheit / Genauigkeit der Ergebnisse, • sie ergeben gemeinsam die Reliabilität, d. h. Zuverlässigkeit, • zusammen mit der Sensitivität, d. h. Zugänglichkeit / Messbarkeit, entsteht daraus die Validität, d. h. Gültigkeit, der Daten, • ergänzend kommt die Akualität d. h. Zeitbeziehung, zur Aussagefähigkeit hinzu.

4. Produkteinführung Erfahrungsgemäß führt nur ein sehr kleiner Anteil der Neuproduktideen zur erfolgreichen Marktpräsenz (bei privaten Endabnehmern). Der Rest scheidet bereits vorher bei Vorauswahl, Wirtschaftlichkeitsanalyse, Entwicklung, Prototypenbau, Testmarkt, Einführung etc. aus. Für die verbleibenden Innovationsobjekte gilt es, die Markterwartungen (4.2) hinsichtlich mehrerer Dimensionen abzuschätzen. Dazu dienen statistische bzw. intuitive Prognoseverfahren (4.3).

4.1 Markterwartungen Hinsichtlich der Markterwartungen kann nach den Dimensionen der Marktsicht und Unternehmenssicht sowie nach maximaler, latenter, manifester und minimaler Nachfrage unterschieden werden. Aus der Kombination dieser Kriterien ergeben sich folgende Definitionen (siehe Abbildung 78: Markterwartungen): • Marktsicht / maximale Nachfrage = Marktkapazität. Dabei handelt es sich um die theoretische Obergrenze eines Marktes, die nur erreicht wird, wenn alle potenziellen Bedarfsträger ihren Bedarf auch aktualisieren. Da dies höchst selten der Fall ist, bleibt diese maximale Größe hypothetisch. • Marktsicht / latente Nachfrage = Marktpotenzial. Dieses entspricht der latenten (realistisch maximalen) Aufnahmefähigkeit eines Marktes. Es wird davon ausgegangen, dass die Marktkapazität nicht voll ausgeschöpft werden kann, sondern ein Bodensatz von Kaufverweigerern bleibt. • Marktsicht / manifeste Nachfrage = Marktvolumen. Dieses repräsentiert die tatsächliche (manifeste) Größe eines Marktes. Dabei können Wert oder Menge als Maßstab angesetzt werden. Entsprechende Daten sind aus der ökoskopischen Marktforschung vorhanden.

4. Produkteinführung

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• Unternehmenssicht / latente Nachfrage = Absatz-/Umsatzpotenzial. Dabei handelt es sich um die theoretische (latente) Obergrenze für den Absatz des eigenen Unternehmens. Sie wird nur erreicht, wenn die relative Wettbewerbsposition sich optimal entwickelt, d. h. die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens steigt und zugleich die anderer Unternehmen sinkt. Parallel dazu gibt das Umsatzpotenzial die realistische Obergrenze für den Umsatz des eigenen Unternehmens an. • Unternehmenssicht / manifeste Nachfrage = Absatz-/Umsatzvolumen. Dieses stellt den tatsächlichen (manifesten) Absatz des eigenen Unternehmens dar. Parallel dazu gibt das Umsatzvolumen den tatsächlichen Umsatz des eigenen Unternehmens an. Diese Daten liegen aus dem internen Rechnungswesen vor. • Unternehmenssicht / minimale Nachfrage = Break even-Absatz. Dies ist der Absatz, der mindestens erreicht sein muss, damit das Neuprodukt am Markt bleiben kann. Zu unterscheiden sind mehrere Break even-Punkte, so für Liquidität, Teilund Vollkostendeckung, Plangewinn etc.

Abbildung 78: Markterwartungen

Ergänzend kommen weitere Kennziffern zum Einsatz: • Distributionsdichte ist die Anzahl / Bedeutung der das Neuprodukt führenden Absatzmittler bei indirektem Vertrieb. • Käuferreichweite ist die kumulierte Anzahl von Käufern des Neuprodukts innerhalb einer definierten Zielgruppe.

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

• Erstbedarf ist die Anzahl der Käufer, die zum ersten Mal das Neuprodukt kaufen. Erstkäuferanteil ist der Anteil aller Käufer, die zum ersten Mal das Produkt kaufen. • Nachkauf ist die Anzahl der Erstkäufer, die zum wiederholten Mal das eigene Produkt innerhalb eines definierten Zeitraums kaufen. • Einkaufsintensität ist die Kaufhäufigkeit bei Nachkauf des Produkts innerhalb eines definierten Zeitraums. Aus der Relation der genannten Werte lassen sich einige aussagefähige Maßzahlen ableiten, so • Absatz- / Umsatzvolumen zu Marktvolumen = (mengen- / wertmäßiger) Markt­ anteil. Dies ist der Anteil des eigenen Unternehmens am Marktvolumen. Er kann in Menge oder Wert gemessen werden und zeigt an, welche Marktstellung ein Unternehmen derzeit innehat. • Marktvolumen zu Marktpotenzial = Marktsättigung. Dies ist der Anteil des Marktvolumens am Marktpotenzial. Dadurch wird angezeigt, inwieweit das Potenzial eines Marktes bereits ausgeschöpft ist und welche Reserven dort noch vorhanden sind. • Absatz- / Umsatzvolumen zu Absatz- / Umsatzpotenzial = (mengen- / wertmäßige) Marktdurchdringung. Diese zeigt an, inwieweit ein Unternehmen seine Möglichkeiten am Markt bereits ausgeschöpft hat und welche Steigerungsmöglichkeiten noch verbleiben. • Absatz- / Umsatzpotenzial zu Marktpotenzial = (mengen- / wertmäßige)  Marktausschöpfung. Dies ist der Indikator für den langfristigen Marktanteil, zugleich auch als Obergrenze des Marktanteils des eigenen Unternehmens anzusehen. • Distributionsquote ist der Anteil der das eigene Produkt führenden Absatzmittler an allen, die Produktgruppe führenden Absatzmittlern. Und zwar nach Anteilszahl (numerische Distribution) oder Anteilsbedeutung (gewichtete Distribution). • Feldanteil ist der Anteil der Käufer des eigenen Produkts an allen Bedarfsträgern. Setzt man den Feldanteil in Relation zum (mengenmäßigen) Marktanteil, so erhält man eine Aussage über die Kauffrequenz. Ein Wert  1 Stammkunden. Im Rahmen der Trajektorie werden Einzelgrößen der Markterwartung, die einander bedingen, zueinander in Beziehung gesetzt. So z. B. Bekanntheitsgrad, kumulativer Käuferanteil (Penetration), Wiederkaufrate, Marktanteil, Umsatzentwicklung, Bruttogewinn. Um diese Werte belastbar ableiten zu können, sind Absatzprognosen erforderlich.

4. Produkteinführung

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4.2 Absatzprognose 4.2.1 Quantitative Verfahren Absatzprognose ist allgemein die auf Empirie gestützte Vorhersage des zukünftigen Absatzes für eine Prognosegröße (z. B. bestimmtes Produkt, ausgewählte Käufer, bestimmter Zeitabschnitt, gewisser Mitteleinsatz). Der Prognosewert setzt sich dabei aus vier Komponenten zusammen, der grundlegenden Trend­ komponente, der zyklischen Konjunkturkomponente, der kurzfristigen Saisonkomponente und einer hinzunehmenden Zufallskomponente. Man unterscheidet hinsichtlich der Art der Prognose • Entwicklungsprognosen, d. h. Mutmaßungen über die autonome Entwicklung von Erwartungsparametern, • Wirkungsprognosen, d. h. Mutmaßungen über die Auswirkung der unternehmerischen Aktions- auf die Erwartungsparameter. Außerdem unterscheidet man nach der Dimension in • Querschnittprognosen, d. h. die Vorhersage mehrere Prognosegrößen für einen Zeitpunkt, • Längsschnittprognosen, d. h. die Vorhersage einer Prognosegröße im Zeitablauf. Schließlich kommen nach der Zeit langfristige (> 3–5 Jahre)  und kurzfristige (1–3 Jahre) Prognosen in Betracht. Als kurzfristiges Prognoseverfahren für FMCGs wird zumeist die Parfitt-Collins-Methode angeführt. Mit dieser ergibt sich der geschätzte Marktanteil als Produkt aus • Penetration, d. h. Erstkäuferanteil für das neue Produkt in Prozent der Käufer im Gesamtmarkt, also Anteil zuwachsender Käufer, • Bedarfsdeckung, d. h. Wiederkaufrate für das neue Produkt in Prozent aller Haushalte, spiegelbildlich Anteil nach dem Erstkauf wieder abwandernder Käufer, • Intensitätsfaktor, d. h. Käuferreichweite, ausgewiesen als Index hinsichtlich des Verbrauchs in der Relation von Käufern zu Nichtkäufern. Langfristig sind vor allem Zeitreihenanalysen anwendbar, bei denen es verschiedene Verfahren gibt wie • Trendextrapolation. Dies ist die Zerlegung einer Zeitreihe in Komponenten und die Fortschreibung des sich ergebenden Trends in die Zukunft mit Hilfe der Kleinstquadratmethode. Typische Anwendungen sind Prognosen von Marktvolumen, Absatzvolumen etc. bei relativ stabiler Umwelt für die Zukunft. • Gleitender Durchschnitt. Jeder Punkt einer Zeitreihe gleitender Durchschnitte ist das arithmetische oder gewichtete Mittel einer Anzahl von Punkten einer einfachen Zeitreihe, die sich als Fenster im Zeitablauf verschiebt.

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

• Exponenzielle Glättung. Sie funktioniert ebenfalls mit gleitenden Durchschnitten, wobei die Daten der jüngeren Vergangenheit stärker gewichtet werden. Eine typische Anwendung ist die Prognose bei zunehmend instabiler Umwelt und starken Schwankungen. • Wachstums-/Sättigungsfunktionen. Dies betrifft die Bestimmung der zugrunde gelegten Größenentwicklung in der Zeit als lineare, exponenzielle, parabolische, logistische, degressive, logarithmische oder regressive Kurvenform (Marktdurch­ dringung). Dabei wird angenommen, dass alle Einflussfaktoren in der Zeit angemessen repräsentiert sind. Besser wäre es jedoch, auf einzelne Einflussfaktoren direkt einzugehen. Dazu dienen dann Kausalanalysen, von denen mehrere wie folgt vorhanden sind: • Multiple Regressionsrechnung. Der zu prognostizierende Wert wird zu einer oder mehreren kausalen Größen in mathematische Beziehung gesetzt. Eine typische Anwendung ist die Prognose von Marktentwicklungen unter Verwendung eines oder mehrerer Indikatoren als kausalen Größen. • Indikator-Rechnung. Hierbei geht es vor allem um die Identifizierung und Beobachtung vorlaufender Indikatoren. Dies sind solche, welche die Entwicklung dahinter stehender Größen mit zeitlichem Vorsprung anzeigen (Beispiel: Zinsniveau als Indikator für spätere Bautätigkeit). • Simulation. Die Modellauswertung erfolgt experimentell durch Variation der exogenen Variablen, die infolge der Interaktion zwischen den Variablen und Parametern zu ständig neuen Modellzuständen führen. Dabei gibt es diskrete Systeme mit sprunghaften Zustandsveränderungen und stetige Systeme mit kontinuierlichen Zustandsveränderungen. • Markov-Kette. Hier geht es eher um die Prognose von Makrogrößen wie Konsumausgaben, Investitionsvolumina etc. Markov-Ketten entstehen aus einer Folge von Versuchen, deren Ergebnisse nur von Wahrscheinlichkeiten vorhergehender Versuche abhängen, wobei alle direkten Übergangsmöglichkeiten zwischen den Zuständen definiert sind.

4.2.2 Qualitative Verfahren Neben diese quantitativen, scheinbar exakten Prognoseverfahren treten zunehmend unscharfe qualitative, weil die Umfeldbedingungen immer weniger berechenbar und damit verlässlich voraussehbar sind. Als Möglichkeiten sind vor allem folgende zu nennen. Explorativ geht die prognostische Befragung von internen oder externen Experten hinsichtlich der zu erwartenden Marktergebnisse vor. Generell ist die Aussage-

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fähigkeit dieser Ergebnisse fraglich, da es an der Unbefangenheit zur Beurteilung der Prognosesituation mangelt. Oft sind zudem auch Verzerrungseffekte vorhanden wie persönliche Betroffenheit, etwa als Marketingentscheider, oder soziale Erwünschtheit oder Tabuisierung, etwa bei bekannter Top-Management-Meinung. Zudem stellt sich die Frage, wer als Experte für ein Thema anzusehen ist. Letztlich wird die Unsicherheit über die Absatzprognose nur ersetzt durch die Unsicherheit, wer als Experte befragt werden soll und als wie belastbar dessen Angaben als Entscheidungsbasis anzusehen sind. Hinzu kommen sämtliche Unwägbarkeiten hinsichtlich der taktischen und psychologischen Ausführung von Befragungen. Daher ist diese Möglichkeit nur für hochspezialisierte Themengebiete geeignet, in denen sich das Unternehmen aber selbst auskennen bzw. schlaugemacht haben sollte. Intuitiv geht die Delphi-Technik mit einer Expertengruppe von 10–20 Spezialisten unterschiedlicher Funktionsbereiche, intern wie extern, vor. An diese ergeht die Aufforderung zur Beurteilung einer Problemstellung. Gleichzeitig erfolgt die Verteilung problemrelevanter Basisinformationen an alle Teilnehmer, evtl. kann von diesen auch zusätzliche Information angefordert werden. Diese mehrstufige schriftliche Befragung von Experten über künftige qualitative und quantitative Entwicklungen erfolgt für gewöhnlich in vier Durchgängen. In der ersten Runde erfolgt die Abgabe unabhängiger, begründeter Urteile durch die einzelnen Experten, evtl. anhand eines vorgegebenen Kriterienkatalogs. Wichtig ist dabei, dass die Identität der Befragten nur der Umfrageleitung bekannt ist. Darauf folgt die Ermittlung des Ergebnisses durch den Delphi-Koordinator und die Informationsrückkopplung an die Gruppenmitglieder für den Fall individueller Abweichungen. Ab dem zweiten Durchgang werden die Durchschnittswerte vorangegangener Stufen mit der Möglichkeit der begründeten korrektiven Anpassung bekanntgegeben. Dadurch wird eine möglichst gleichmäßige Verteilung vorhandener Informationen auf alle Experten und eine Angleichung in ihren Aussagen zu erreichen gesucht. Von Runde zu Runde arbeiten die Teilnehmer so auf einem immer höheren Informationsstand. Je nach Einschätzung der fachlichen Zuständigkeit und Qualifikation der Experten können die Ergebnisse gewichtet werden. Allerdings besteht die Gefahr einer Übersteuerung, d. h. der Gefälligkeitsanpassung von Meinungen an die Mehrheit. Typische Anwendung sind langfristige Prognosen von Absatzmöglichkeiten, aber auch allgemeiner Umweltentwicklungen. Normativ als Szenariotechnik steht die Beschreibung einer möglichen künftigen Situation auf Basis von Diffusion, Struktur, Substitution, Input-Output etc. an. Sie ermittelt alle denkbaren Entwicklungen und Einflussgrößen auf dem Prognosegebiet und projiziert diese in die Zukunft. Dazu wird zunächst eine exakte Formulierung der Aufgabenstellung vorgenommen, die zu einer klaren Definition und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands und -ziels führt. Außerdem wird der zu berücksichtigende Zeithorizont festgelegt. Dann werden alle internen und externen Einflussfaktoren (Deskriptoren) ermittelt. Diese werden für die Ist-Situation bestimmt. Die Deskriptoren werden entsprechend ihrer Tendenz im Entwicklungsverlauf in unkritische und kritische unterteilt. Für kritische Deskriptoren werden

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alternative Tendenzen ausgearbeitet. Diese Alternativen werden in konsistenten Annahmebündeln geordnet. Die unkritischen Deskriptoren werden danach diesen Annahmebündeln zugewiesen. Daraus werden optimistische (C > R), realistische und pessimistische (R > C) Szenarien gebildet. Zugleich werden denkbare Störereignisse untersucht und in ihren Auswirkungen ermittelt. Möglicherweise entstehen dabei Strukturbrüche, die das Prognoseergebnis fundamental verändern. Daraus leiten sich dann konkretisierte Chancen (C) und konkretisierte Risiken (R) ab. Chancen sind Faktoren, die positiv / unterstützend für das eigene Unternehmen sind, Risiken sind solche, die negativ / beeinträchtigend für das eigene Unternehmen sind. Darüber hinaus kommen weitere Verfahren in Betracht wie etwa • Historische Analogie. Dies meint die vergleichende Analyse und Prognose einer zukünftigen Entwicklung anhand von Analogieschlüssen zu vergangenen Entwicklungen bei ähnlich strukturierten Entscheidungsproblemen. Typische Anwendungen finden sich bei langfristigen Prognosen von Produktumsatzentwicklungen oder Vorhersagen von Gewinnentwicklungen für Neuprodukte. • Futurulogie. Die Futurologie ist eine interdisziplinäre Forschung, die sowohl Natur- als auch Sozialwissenschaften einbezieht. Ziel ist die Vorhersage des Einflusses technologisch-wissenschaftlicher Entwicklungen auf ökonomische, demografische, ökologische und kulturelle Perspektiven, vor allem auch im Hinblick auf deren Regulierung. Als Mittel werden dazu Planspiele und Operations Research-Methoden eingesetzt. • Relevanzbaum. Dabei handelt es sich um die grafische Darstellung von Entscheidungsstrukturen. Vom Ausgangspunkt (Ist-Situation) gehen verschiedene Entscheidungsäste (Kanten) ab. Diese münden bei mehrparametrischen Entscheidungsstrukturen ihrerseits in weitere Entscheidungspunkte. Allen Ästen werden Erwartungswerte für Umweltzustände beigemessen. Die Endpunkte repräsentieren die Ergebnisschätzung (Prognose) für eine bestimmte Kombination von Entscheidungen und Umweltzuständen.

5. Produktpflege Nach den dargestellten Vorarbeiten sollte die Entscheidung zur Produkteinführung gefällt werden können. Für diese Produkte beginnt ihr Lebenszyklus (s. o.). In dessen Zug sind pflegerische Maßnahmen im Marketing erforderlich und, wenn diese nicht helfen, auch beendende Maßnahmen. Pflegerische Marketingmaßnahmen betreffen dabei die Modifikation des bestehenden Angebots (5.1), vor allem durch Formen wie Product Care, Facelift oder Relaunch bzw. dessen Veränderung in Richtung Up-market, Down-market oder Side-market (5.2) (siehe Abbildung 79: Produktpflegemaßnahmen).

5. Produktpflege

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Abbildung 79: Produktpflegemaßnahmen

5.1 Produktmodifikation Ziel jedes Unternehmens ist es, seinem Angebot eine möglichst lange und erfolgreiche Marktpräsenz zu verschaffen, denn umso eher rentieren sich Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie Anlagenbau. Da viele Produkte künstlicher Veralterung durch Zeitströmungen und Innovationshektik unterliegen, wird die technische Lebensdauer getätigter Investitionen selten voll ausgeschöpft. Zur wirtschaftlichen Beeinflussung ergeben sich im Rahmen der Produktmodifikation folgende Optionen. Eine Produktkuratierung (Product Care)  durch kontinuierliche Modellpflege über Aktualisierung des Marketing-Mix beinhaltet die Beobachtung der Vermarktungsbedingungen, also von Markt und Wettbewerb, von Handel und Nachfrage, daraufhin, ob der Mix neu anzupassen ist. Aber auch interne Informationen, etwa von der Vertriebsmannschaft, sind dabei zu erfassen, zu sichten, auszuwerten und zu berücksichtigen. Dies ist Kernaufgabe des Product Managements und liegt unter allen anderen Maßnahmen als durchlaufende Aktivität. Sie drückt sich im Produkt allenfalls in eher unmerklicher Optimierung aus, die, obgleich objektiv vorhanden, für Außenstehende kaum spürbar und damit auch schwierig auslobbar ist.

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Beispiele im Fall von Tempo Papiertaschentüchern betreffen u. a. eine Verpackung mit Seitenperforierung (1950) bzw. eine platzsparende quadratische Verpackung (1953), die Einhandentfaltung („Tempogriff“) (1963) bzw. die Z-Faltung (1975) des Taschentuchs, Weichfolienverpackung (1978), wiederverschließbare Verpackung (1988), durchschnupfsichere Auslegung (1990), Micro-Brücken zwischen den Fasern („schneuzfest“) (1998), Tempo vierlagig (2015), waschmaschinenfest (2017), Tempo mit ungebleichten Fasern (2020). Die Produktmodernisierung (Facelift) ist eine kleinere produktliche Modifika­ tion auf gleichem Leistungs- und Preisniveau. Da signifikante Änderungen erhebliche investive Anforderungen stellen, denen selbst große Unternehmen nur in längeren Zeitabständen gewachsen sind, werden Detailänderungen vorgenommen, die aber schon ausreichen, ein Produkt neuartig erscheinen zu lassen, ohne dass sich substanziell etwas getan hätte. Dies ist besonders als vorläufige Antwort auf neue Konkurrenzprodukte üblich, auf die man erst mittelfristig reagieren kann. So werden neue DVD-Player etwa anlässlich Ausstellungsterminen mit minimalen Ausstattungsveränderungen versehen (z. B. regelbare Kopfhörerlautstärke, vergoldete Anschlussbuchsen, Absorberfüße), die technisch leicht zu realisieren sind, oder erhalten einfach ein neues Gehäuse / Frontend. Zusätzlich gibt es noch eine neue Typenbezeichnung. Häufig geht es dabei auch um die Überbrückung der Zeit bis zum nächsten Produktereignis, also dem Nachfolgemodell. Eine Anhebung des Umsatzniveaus im Lebenszyklus (Levelling) erfolgt durch Steigerung der Absatzmenge und / oder Erhöhung des Preises. Möglichkeiten sind hierbei zusätzliche Produktversionen, die neue Käufer aktivieren, eine Anhebung des durchschnittlichen Preisniveaus, die Vermeidung von Erlösschmälerungen, die Verkürzung der Wiederkaufabstände (etwa durch zusätzliche Nutzungsanlässe), Verbundeffekte mit anderen eigenen oder fremden Produkten, Konkurrenz­ verdrängung etc. Neben Tempo Classic Papiertaschentücher gibt es u. a. Produktversionen als Tempo Atemfrei mit Menthol (1995), Tempo Compact (1996), Designbox mit Bedruckung (2001), Tücher mit Bedruckung (2002), Tempo Plus mit Aloe Vera und Kamille (2005), Tempo Aromathera mit ätherischen Ölen (2005), Tempo Kids mit Tiermotiven (2005), Tempo mit Atemfrei-Öl (2008), Tempo mit kosmetischer Beduftung (2017), Tempo mit Mandelöl und Aloe Vera (2018). Die Optionen zielen auf eine Verlängerung des Hauptlaufs während des Lebenszyklus bis zur Beendigung ab, modellhaft eine Spreizung der Glockenkurve in den Reife- und Sättigungsphasen (Stretching). Dies ist in den Ausprägungen Revitalisierung und Revival bestehender Produkte vorzufinden: • Produktrevitalisierung zielt auf die Aktualisierung eines bestehenden Produkts ab, das infolge mangelnder Pflege inaktuell geworden ist. Dies kann sowohl durch preisliche Maßnahmen erfolgen wie Aktionspreise oder selektive Preis­ abschläge als auch durch kommunikative wie neue Werbekampagnen oder weitere

5. Produktpflege

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Ansprachekanäle oder vertriebliche wie weitere Absatzwege und bessere Platzierungen am POS. Es geht um eine angemessene Aktualisierung des Produkts. Beispiele finden sich bei ehemaligen „DDR“-Produkten wie Spee / Henkel, Rotkäppchen / Mumm oder Radeberger / Oetker, aber auch Yes-Torty (Feuchtriegel) oder Toppas (Cerealie). Auf diese Weise kann der immaterielle Vermögenswert, der in der Produktpräsenz liegt, gehalten oder sogar gesteigert werden. • Produktrevival bedingt die Wiedereinführung eines Produkts, das vorübergehend vom Markt genommen wurde. Meist liegt dem ein Eigentümerwechsel zugrunde, wobei der neue Halter sich ein größeres Absatzpotenzial ausrechnet als der seitherige, er mit niedrigeren Kosten kalkuliert oder auch nur die vorhandene (Marken-)Bekanntheit melkt, solange diese noch trägt. Aus Gründen der Effektivität wird dabei meist auf eine Veränderung des Produkts verzichtet. Vielmehr werden allenfalls kleinere (kosmetische)  Modifikationen vorgenommen. Oftmals ist damit auch ein Eigentümerwechsel in Richtung schlankerer Overheads verbunden. Beispiele mit allerdings schwankendem Erfolg sind Ahoj-Brause, Creme 21, Tritop, Afri-Cola, Sinalco, Bluna, aber auch Carrera-Modellautobahn, Hertie (Karstadt), Mini (BMW), 4711, Maybach (Daimler), New Beetle (VW) oder Bugatti (Audi). Aufgrund zunehmend komplexer Vermarktungsbedingungen wird es immer anspruchsvoller, neue Produkte marktreif zu machen. Da das allgemeine Fortschrittstempo zugleich steigt, verkürzt sich somit auch die Zeit der Marktpräsenz. Das heißt, der Zeitaufwand in der Pre Market-Phase steigt und gleichzeitig wird die Frist zum Return on Investment kürzer. Daher ist eine Verkürzung des Vorlaufs dringend angezeigt. Ein bewährtes Mittel ist die Parallelisierung der Vorlaufarbeiten (Simultaneous Engineering). Dabei wird nicht mehr jede Projektphase sukzessiv abgeschlossen, sondern überlappend gearbeitet, d. h. während die vorangehende Projektphase noch finalisiert wird, kann bereits die Orientierung für die nachfolgende Phase erfolgen. Praktisch ist es hingegen häufig so, dass jede Projektphase von ihrem Team misstrauisch vor anderen abgeschirmt wird und daher erst mit der formalen Übergabe Arbeitsklarheit herrscht. Dann erst kann die Einarbeitung in die nächste Phase folgen. Häufig stellt sich dann in einer späteren Phase heraus, dass eine frühere dafür unzureichend ausgelegt wurde. Dann wird zudem eine Schleifenbildung erforderlich, wodurch sich der Zeitaufwand nochmals verlängert. Vielmehr ist ein frühzeitiger, adaptiver Austausch zwischen den Teams hilfreich. Selbstverständlich sollte sein, dass dies flexibel auf der Arbeitsebene stattfindet und nicht der große Bogen über das Management genommen werden muss. Hierbei kommen sog. agile Arbeitstechniken zum Einsatz, die bekannteste ist wohl Scrum. Bei der Umsetzung von Scrum helfen zahlreiche Tools: – Aufteilung einer Gesamtaufgabe in Teilaufgaben (Sprints) zur Komplexitäts­ reduktion,

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

– visuelle Übersicht über alle gerade anstehenden Aufgaben mittels Haftnotizen (Task Board), – kurzfristige Status-Meetings zur Abstimmung im Team (Daily Standup Event / ​ Daily Scrums), – Fokussierung auf die Sichtweise der jeweiligen Endnutzer eines Produkts (Kundennutzen), – Abgleich der Informationsstände zu einem Projekt bei den Beteiligten (Transparenz), – Einteilung in überschaubare, nicht überfordernde Arbeitseinheiten (Work in Progress), – klare Kriterien für eine erfolgreiche Arbeitsschrittbewältigung (Definition of Done), – Aufgabeneinteilung in „nachfolgend“ (Backlog), „jetzt“ (To Do), „in Prüfung“ (Test), „erledigt“, – Fortschrittskontrolle mit verlässlich einzuhaltenden Zeitvorgaben (Burn-down Chart). Kennzeichnend für Scrum sind die situative Anpassung des Projektumfangs, die Akzeptanz für iterative Veränderungen im Prozess, interdisziplinäre und selbstorganisierte Teams mit variabler Zusammensetzung. Scrum ist evolutionär angelegt, als Koordinator fungiert ein Product Owner, der Kontakt zu internen und externen Interessenten (Stakeholders) hält. Hinzu kommt ein Coach als Scrum-Master. Eine riskante Option besteht im Leapfrogging. Darunter versteht man das Überspringen der nachfolgenden Produktgeneration hin zur übernächsten (s. o.). Dies kommt etwa bei einem anbieterseitigen Entwicklungs- und / oder Vermarktungsrückstand in Betracht, um den Anschluss an die Konkurrenz nicht zu verlieren. Dies bedingt, dass die Vorlaufaktivitäten unverändert bleiben, aber der Hauptlauf für die nachfolgende Produktgeneration ausgelassen wird, um diese Ressourcen gleich für den Vorlauf der übernächsten Produktgeneration einzusetzen. Dies ist riskant, weil die Erlöse aus der Präsenz dieser ausgelassenen Produktgeneration fehlen, bietet aber die Chance, einen Zeitrückstand zu egalisieren, statt immer wieder in der preissensiblen Reifephase des Marktes agieren zu müssen. In gleicher Weise können auch Nachfrager bei raschem technischen Fortschritt Leapfrogging betreiben, so dass wiederum Erlöse ausfallen (z. B. kann der Sprung von der CD gleich auf das Streaming erfolgen, unter Auslassung von Blue-ray).

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5.2 Produktvariation 5.2.1 Relaunch Unter Relaunch versteht man die Ablösung eines bestehenden Produkts durch ein gleichartiges nachfolgendes unter Modifikation aller Marketing-Mix-Instru­ mente. Dies impliziert eine grundlegende Änderung auch des Produkts. Dabei wird der Versuch unternommen, die Überlebenschancen am Markt durch gebrauchstechnische Veränderungen, also in Bezug auf Funktionserfüllung, durch affektive Veränderungen, also in Bezug auf Akzeptanz und Gefallen, oder durch komparative Veränderungen, also in Bezug auf die Wettbewerbsposition, zu erhöhen. Die Umsetzung ist in vertikaler oder horizontaler Richtung denkbar. Vertikal ergeben sich Up Gradings oder Down Gradings. Erstere bedeuten eine generelle Verbesserung der Qualitätsdimension, letztere eine generelle Verbesserung der Preisdimension. Gelingt ein solcher Relaunch, kann unter Vermeidung von Degenerationskonsequenzen ein neuer Lebenszyklus nahtlos an den bestehenden angeschlossen werden, der möglichst sogar auf ein höheres Niveau führt. Ein Up Grading kann auf mehrerlei Art erfolgen. Die Produktausstattung kann verbessert werden durch Verwendung besserer Materialien oder wertigerer Zusätze, durch modernere Form, durch mehr Funktionen und höhere Leistung. So stellen neue Automobile für gewöhnlich eine Produktaufwertung gegenüber dem vorherigen Standard dar (z. B. Golf VIII zu Golf VII, Opel Astra zu Opel Kadett). Parallel ist damit meist eine Preiserhöhung verbunden, die durch die Produktaufwertung auch argumentierbar wird. Einerseits sind dadurch höhere Kosten involviert, andererseits ermöglicht das Mehrangebot eine Preiserhöhung bei gleichbleibendem Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Produktvariation kann aber auch zum Anlass genommen werden, den Absatzkanal zu wechseln, etwa um eine selektivere Distribution zu betreiben. Diese bietet durch bessere Platzierung, kompetentere Beratung und attraktiveres Verkaufsumfeld die Chance, die Anmutung des Produkts und damit die Preisbereitschaft der Nachfrager zu steigern (z. B. Metz UE-Geräte). Schließlich kann auch ein neuer Werbeauftritt gewählt werden. Dies ist einerseits notwendig, um den Neuheitscharakter des variierten Produkts zu betonen und andererseits, um dessen Anmutung zu steigern. Im Übrigen dramatisiert eine neue Kampagne gegenüber der Zielgruppe die Tatsache, dass nun ein neuartiges Produkt vorliegt. Durch kontinuierliches Up Grading in weiten Bereichen der Herstellerprogramme entsteht dort jeweils an der Hierarchiebasis Platz für neue Produkte, die geringfügig unter der Ausgangsposition der später upgegradeten angesiedelt werden (z. B. VW Up unter VW Polo, Audi A 1 unter Audi A 3).

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

Genau umgekehrt verhält es sich beim Down Grading. Das Nachfolgeprodukt ist gegenüber dem Vorgänger in Bezug auf Leistungsmerkmale abgewertet. Auch dies kann sich in mehrerlei Hinsicht vollziehen. Die Produktausstattung kann auf das notwendige Mindestmaß reduziert werden. Dies ist häufig bei UE-Geräten anzutreffen. Durch systematischen Einsatz von Wertanalyse werden sparsamere Materialien einsetzbar. Die fortschreitende Integration elektronischer Bauteile wird nurmehr in den Spitzengeräten zugänglich gemacht, die herkömmliche Technik in der Konsumklasse befindet sich dann aber nicht mehr auf der Höhe der Zeit und wird implizit abgewertet. Diese relative Verschlechterung der Leistung verschlechtert auch das PreisLeistungs-Verhältnis, so dass Preissenkungen vorgenommen werden. Ähnliches ist z. B. bei PCs zu verzeichnen. Höhere Taktgeschwindigkeit, mehr Arbeits­speicher, größere Festplatte etc. führen dazu, dass herkömmliche Technik abgepreist wird. Als besonderes Problem kommen hierbei die extrem kurzen Lebenszyklen mit rapider Veralterung hinzu. Oft ist damit auch eine Verbreiterung des Absatzkanals verbunden, indem moderne Großbetriebsformen des Handels distribuiert werden. Dort werden Produkte herausgelöst aus dem fachspezifischen Umfeld angeboten und einem breiten Publikum offeriert. Meist handelt es sich zudem um preisaggressive Handelsformen. Damit wird zwar die Absatzbasis erweitert, aber die Produktaura leidet. Dem versucht man, vorzubeugen, indem diese Aktivitäten auf bestimmte Einzelprodukte beschränkt bleiben. Schließlich kann die Kommunikation von klassischer Werbung auf Verkaufsförderung umgestellt werden. Dazu gehören Aktionsplatzierungen im Handel, Verbrauchergewinnspiele, temporäre Promotions etc. Oder die Kampagne wird auf ein niedrigeres Anspruchsniveau in der Ansprache justiert, um das Produkt „konsumiger“ erscheinen zu lassen und damit breiteren Nachfragerkreisen zu erschließen. Oft dienen downgegradete Produkte auch als Einstieg in das Herstellerprogramm (z. B. BMW 316, Mercedes-Benz A 150). Da davon auszugehen ist, dass bei vorausgesetzter guter Produktqualität ein markentreuer Folgekauf naheliegt, kann über Markenbindung somit eine Produktkarriere induziert werden. Beim Side Moving handelt es sich weder um eine Auf- noch um eine Abwertung von Produkten im Zeitablauf, sondern um einen horizontalen Verlauf. Dabei löst ein neues Angebot ein altes auf gleichem Niveau ab, ist jedoch dadurch ausgezeichnet, dass sich wesentliche Angebotsparameter verändert haben. Hinsichtlich des Produkts kann man eine stetige Anpassung an Umfeldfaktoren, vor allem an Wettbewerb, Nachfrage und Zeitgeist nachvollziehen. Als Beispiel sei IKEA angeführt. Als das IKEA-Angebot der einfachen und dennoch stilvollen Möbel in skandinavischem Design von anderen Anbietern mit Erfolg nachgeahmt wurde, erfolgte eine Absetzung in Richtung eines geschmackvolleren Designs. Gleichzeitig wird damit der Zielgruppenentwicklung, die mit IKEA im Teeny-Alter gestartet war und

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zwischenzeitlich durch Studium und Beruf arriviert ist, Rechnung getragen. Diese wiederum forcieren einen modernen Einrichtungstrend. Die preisliche Ausrichtung lässt im Rahmen steigender Haushaltsnettoeinkommen eine vorsichtige Anpassung zu. So zeichnen sich IKEA-Möbel heute keineswegs mehr durch absolute Preisgünstigkeit aus, wie dies zu Beginn der Ära der Fall war. Allerdings bewegen sich die Produkte innerhalb ihres Genres nach wie vor an deren unterer Grenze, so dass hohe Preiswürdigkeit gegeben ist. Am Verkaufsort kann eine stilorientierte Präsentation den jeweils aktuellen Zeitgeschmack aufgreifen. Die IKEA-Filialen zeigen in Dekoration und Aufmachung eine immer noch reduzierte, eigentümliche Atmosphäre, spiegeln jedoch zugleich den gehobenen Lebens­standard ihrer Zielgruppe wider. Dies wird vor allem im Angebot von Randsortimenten und ergänzenden Dienstleistungen deutlich. In der Kommunikation schließlich ist eine proaktive Ausrichtung an Lebensstilen ohnehin unerlässlich. So wurde die zweifellos originelle, doch recht derbe IKEA-Kampagne (Elch / Das unmögliche Möbelhaus aus Schweden) durch gediegene, Wohnraumatmosphäre ausstrahlende Sujets ersetzt (Wohnst du noch, oder lebst du schon bzw. Inspiriert durch Leben), die aber durch ihre Modernität weit von den recht hausbackenen bis flachen Auftritten anderer Möbelhersteller entfernt sind.

5.2.2 Bündelung Eine weitere Möglichkeit zur Produktveränderung besteht durch Bündelung seither separat vermarkteter Produkte mit Mehrwert oder Preisvorteil. Dafür gibt es verschiedene Formen, die häufigsten sind folgende: • Um Pure Bundles handelt es sich, wenn Teilleistungen nur in einer vorgegebenen Kombination gekoppelt angeboten werden und auch nicht nach Kundenwünschen veränderbar / anpassbar sind. Hier liegt eine Optionsfixierung vor, bei der Nachfrager die Kombination entweder wie vorgegeben akzeptieren oder auf den Kauf verzichten müssen. Pure Bundles bieten vor allem den Vorteil der vereinheitlichten Leistungserstellung (Standardisierung, z. B. Triple Play-DSL-Paket), die Bequemlichkeitsvorteile bietet. • Von Pure Components spricht man bei einem Bündel, bei dem mindestens ein /  einzelne Produkt(e) nur innerhalb des Bündels erhältlich ist / sind, nicht jedoch außerhalb davon allein. Davon kann eine zusätzliche Attraktivität auf Nachfrager ausgehen (z. B. Limited Edition, Sonderversion). • Bei Mixed Bundles handelt es sich um Bündel, die aus einem unveränderbaren Kernangebot von einem oder mehreren Teilleistungen bestehen, das aber so allein nicht angeboten wird, sondern nur in Kombination mit zwei oder mehr Randangeboten, die aus einer vorgegebenen Auswahl heraus optional zu einem Bündel verknüpft werden können. Damit kann den Bedarfen von Nachfragern individueller Rechnung getragen werden. Meist ist damit ein Preisvorteil ver-

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

bunden, der wiederum an Vorgaben wie etwa Einhaltung von Mindestumsatzgrenzen oder Berücksichtigung von Pflichtangebotsbestandteilen gebunden ist (z. B. Telekom Magenta Kombi-Angebot). • Mixed Components sind der Sonderfall, bei dem Produkte sowohl im Bündel als auch separat angeboten werden. Kunden haben damit die Wahl, entweder das Bündel als Ganzes oder nur einzelne Leistungen aus dem Bündel in Anspruch zu nehmen, dann allerdings zumeist mit Preis- oder Erhältlichkeitsnachteil (z. B. Sky LiveSport-Angebot). Produktbündel können durchaus nach vielfältigen weiteren Kriterien zusammengesetzt sein, so gibt es • eine fixe Anzahl von Produkten oder eine nach oben bzw. unten limitierte Anzahl im Bündel, • mehrere gleiche Produkte als Multi Units wie z. B. Six Pack-Bier der gleichen Sorte, mehrere verwandte wie z. B. Kaffee-Kapsel-Set mit mehreren Geschmacks­ richtungen oder mehrere verschiedene Produkte wie z. B. Besteck-Set mit Messer, großer Gabel, großem Löffel, kleiner Gabel, kleinem Löffel etc., • komplementäre Produkte wie z. B. PC-Tastatur und PC-Maus, substitutive Produkte wie z. B. Post it-Zettel-Pack verschiedener Formate / Farben, sowie unverbundene Produkte z. B. Kugelschreiber und Lineal, • Produkte nur eines Herstellers (Intrafirm Bundle) oder von zwei oder mehr konkurrierenden oder ergänzenden Herstellern (Interfirm Bundle), • herstellerseitig zusammengestellte Bündel oder händlerseitig zusammengestellte Bündel, z. B. Partiewaren, • dauerhafte Angebote (Longterm Bundle) oder nur kurzfristige Angebote (Promotion Bundle), z. B. zu Feiertagen oder Event-Anlässen, • Bündel nur aus Sachleistungen, Bündel nur aus Dienstleistungen sowie Bündel aus Sach- und Dienstleistungen z. B. PC mit Versicherung, • nur Markenprodukte oder sowohl markierte als auch namenlose Produkte gemeinsam gebündelt, • Bündel mit im Vorhinein bekannter Zusammensetzung (Sight Bundle) oder mit überraschender Zusammensetzung (Blind Bundle)  z. B. Rest-Kofferversteigerung am Flughafen, • Mixed Leader Bundles, sie gewähren erst ab dem zweiten und weiteren Produkten einen Preisnachlass, • Bündel mit Aufpreis gegenüber den addierten Einzelpreisen (Superadditive Bundle, z. B. Komplettset Briefmarken oder Münzen, mit Preisnachlass gegenüber den addierten Einzelpreisen (Regelfall / Subadditive Bundle)  oder preisgleich zu den addierten Einzelpreisen, etwa bei Bequemlichkeitsvorteil.

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Ebenso wie die Schnürung von Bundles möglich ist, ist auch die bewusste Entkopplung seither nur verbunden angebotener Produkte als Unbundling möglich (z. B. Mobiltelefon und SIM-Karte). Dies ist lukrativ, wenn eine geringe individuelle Attraktivität einzelner Teilleistungen im gesamten Bundle Nachfrager davon abhält, dieses in Anspruch zu nehmen und damit auch die Verkäuflichkeit von ansonsten attraktiven Teilleistungen unterbleibt, weil sie nicht einzeln zugänglich sind. Durch das Aufknüpfen des Pakets können solche Teilleistungen nunmehr auch getrennt in Anspruch genommen werden. Da zwangsläufig anfallende verbundene, wenig attraktive Teilleistungen nicht mehr oder nur vermindert gekauft werden, müssen deren Kosten überwälzt werden, wodurch an sich attraktive Teilleistungen nicht selten so teuer werden, dass ihre Nachfragewirkung leidet. Das Unbundling kann sich horizontal auf die Anzahl der Leistungsmodule beziehen wie z. B. bei Adobe Acrobat oder vertikal auf das Niveau einzelner Leistungsmodule wie z. B. Handy ohne Grundgebühr, Netzgebühr ohne Handy.

5.3 Produktelimination 5.3.1 Anlage „Genetisch“ bedingt am Ende des Produktlebenszyklus oder unternehmerisch so gewollt, ist eine Elimination von Produkten erforderlich. Dies bedeutet die dauerhafte Streichung von Produkten aus dem Programm aus qualitativen oder quantitativen Gründen. Diese können wiederum intern oder extern veranlagt sein. Beispiele für • qualitativ-externe Gründe sind u. a. gesellschaftlicher Wandel, konkurrenzinduzierte Veränderung, Gesetzesänderung, technischer Fortschritt, „unethisches“ Produkt, verbesserte Wettbewerbsprodukte, Imagebeeinträchtigung, Bedarfsverschiebung, ökologische Gründe, • qualitativ-interne Gründe sind u. a. Qualitätsprobleme, mangelndes Markttiming, unzureichender Vertriebsdruck bzw. Einführungswerbung, falsche Bedarfsschätzung (der moderne Stacheldraht), unausgereiftes Produkt / technische Schwächen, Produktionsprobleme, Me too-Angebot, fehlender KundendienstSupport, • quantitativ-externe Gründe sind u. a. Wechselkursverschlechterung, Export- / Importbeschränkungen, Kostensteigerungen bei Produktionsfaktoren, Preiseinbruch, unzuträgliches Konkurrenzumfeld, Erreichen der Erosionsphase des Lebenszyklus, • quantitativ-interne Gründe sind u. a. schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis, Kostensteigerung bei Verwaltung und Vertrieb, falscher Einführungszeitpunkt, fehlende Software (Zubehör etc.), falsches Preislevel, ökonomische Indikatoren (Deckungsbeitrag, Kapitalumschlag, Rendite).

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Bei der Produktelimination sind immer auch Verbundeffekte zwischen Produkten zu berücksichtigen, d. h., die Wegnahme eines Produkts kann Auswirkungen auf die Nachfrage anderer eigener Produkte im Programm haben. Es handelt sich damit um Sekundäreffekte. Verbundeffekte beruhen im Einzelnen auf • Bedarfsverbund als gemeinsamer Ge- oder Verbrauch, d. h., weil ein Produkt eliminiert wird, wird auch ein anderes, bedarfsverbundenes nicht mehr nach­ gefragt oder ist zur Problemlösung allein nicht mehr geeignet (z. B. Umstellung auf Online-Banking statt Filial-Banking), • Auswahlverbund als Varietät im Programminhalt, d. h., weil ein Produkt eliminiert wird, wird die Auswahl des Anbieters als nicht mehr attraktiv genug angesehen und Kunden wandern ab (z. B. Wegfall VW Eos aus dem VW-Programm in Bezug auf Cabrio-Modelle), • Akquisitionsverbund als gemeinsame Präsentation, d. h., weil ein Produkt eliminiert wird, wird auch ein anderes, mit diesem gemeinsam angebotenes Produkt mangels Relevanz nicht mehr nachgefragt (z. B. 30 Pin-Adapter für Apple iPhone im Handel, da stattdessen Lightning-Anschluss vorgesehen). • Nachfrageverbund als gemeinsamer Kaufakt, d. h., weil ein Produkt eliminiert wird, fehlt auch ein anderes im Kaufplan und wird anderweitig ersetzt (z. B. Sortimentsbereinigung im LEH). Dabei unterscheidet man meist (horizontale) Bündelungseffekte auf der gleichen Wertschöpfungsstufe und (vertikale) Verkettungseffekte auf vor- oder nachgelagerten Wertschöpfungsstufen. Bündelungseffekte entstehen wiederum auf sachlicher oder raum-zeitlicher Basis: • Sachliche Bündelungseffekte entstehen etwa als – Kuppelproduktion, d. h., bei der Produktion eines Produkts fällt ein anderes getrennt vermarktbares als Zwischenprodukt zwangsläufig an (z. B. beim Cracken von Erdöl leichte und schwere Produkte), – durch Mehrzweckmaschinen, d. h., auf einer Anlage kann bei schwankender Nachfrage nach einem Produkt zur Kapazitätsauslastung durch leichte Umrüstung stattdessen ein anderes produziert werden, – in Forschung und Entwicklung, d. h., eine Erfindung kann für mehrere Produkte genutzt werden bzw. eine Erfindung, die für ein Produkt untauglich ist, kann stattdessen für ein anderes genutzt werden (Serenpidität), – bei der Mehrfachverwertung von Content, z. B. in der Medienbranche durch Senderfamilien oder Zeitschriftenkombinationen. • Raum-zeitliche Bündelungseffekte entstehen über topologische Konzentration von Aktivitäten, etwa durch Einkaufszentren, d. h., die Agglomeration verschiedener Gastronomiebetriebe eines Center an einem Ort führt zu Mehrerlösen. Auch kann eine gemeinsame Platzierung von Produkten in Werbemitteln oder am

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Verkaufsort zu einenem solchen Verbund führen. Oder über gleichzeitige Durchführung von Aktivitäten, so bietet das One Stop Shopping die Chance zu ungeplan­ ten Käufen im Einzelhandel (reflexiver Nachfrageverbund). Auch kann der Inhalt gemeinsamer Verkaufsförderungsmaßnahmen einen solchen Verbund herstellen. Denkbar sind aber auch Verkettungseffekte, • wenn das Angebot eines Produkts bedeutet, dass ein anderes eigenes Produkt nunmehr verstärkt nachgefragt wird (Partizipationseffekt / positive Verbundwirkung, z. B. Computerdrucker und Tonerkassette) oder ein anderes eigenes Produkt dann vermindert nachgefragt wird (Substitutionseffekt / negative Verbundwirkung, z. B. zwei Filterkaffeesorten im Angebotsprogramm). Marktbezogen können aus beidem Imageabstrahlungswirkungen resultieren. Zugleich sind dabei jedoch immer die Konsequenzen auf die Fixkostendeckung und die Kundenbeziehungen zu berücksichtigen. • indem Produkte einen gemeinsamen Bedarf befriedigen. Dabei kann die Verkettung – symmetrisch sein (gleiche Verbundwirkung Produkt A zu Produkt B wie Produkt B zu Produkt A), – asymmetrisch (ungleiche / einseitige Verbundwirkung zwischen A und B), – transitiv (aus Verbund A und B einerseits und B und C andererseits folgt auch Verbund A und C). Denkbar ist auch eine kombinierte Nutzung z. B. kann ein Eisenbahnzug oder Flugzeug sowohl Passagiere als auch Frachtgut befördern. 5.3.2 Durchführung Die Durchführung der Produktelimination bezieht sich im Einzelnen auf die Richtung, die Identifikation und die Umsetzung der Produktelimination. In Bezug auf die Richtung kann unterschieden werden in • Kürzung, d. h. bewusste Reduktion der Programmbreite (Produktsparten, Produktlinien, Einzelprodukte)  bei unveränderter Tiefe des Restprogramms bzw. bewusste Reduktion der Programmtiefe (Einzelartikel) bei unveränderter Programmbreite, • Bereinigung, d. h. geringere Programmbreite zugunsten steigender Tiefe des Restprogramms bzw. geringere Programmtiefe zugunsten steigender Programmbreite. Zur Identifikation eliminationsverdächtiger Produkte sind extern kontinuier­ liche Marktbeobachtungen erforderlich und intern stetige Wirtschaftlichkeitsanalysen. Als Beurteilungskriterien kommen dabei mehrere in Betracht. Im Rahmen des Make or Buy-Entscheids ist zu prüfen, ob sich ein Outsourcing der Produktion

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

des eliminationsverdächtigen Produkts lohnen kann. Dazu wird ein Vergleich zwischen den Selbstkosten bei der Make-Option plus der abbaubaren Fixkosten bei der Buy-Option und dem Einstandspreis bei der Buy-Option vorgenommen. Ist letzterer niedriger, kann das betreffende Produkt wirtschaftlicher zugekauft und als Handelsware mit angeboten werden. Im Rahmen der Fixkostendeckung ist zu prüfen, inwieweit das eliminationsverdächtige Produkt selbst bei schlechter relativer bzw. absoluter Deckungsspanne zur Deckung der ohnehin anfallenden und zumindest kurzfristig nicht abbaubaren Fixkosten beiträgt. Ansonsten kann das betriebswirtschaftliche Ergebnis nach der Elimination schlechter ausfallen als vorher. Zu prüfen ist auch, ob der veränderte Einsatz der Marketinginstrumente zu einer besseren Wirtschaftlichkeit eines eliminationsverdächtigen Produkts führen kann. Zu denken ist an fallweise Preissenkungen, notfalls auch über verschiedene Preisuntergrenzen hinweg, an eine Intensivierung der Marktkommunikation zur Weckung von Aufmerksamkeit, Interesse, Begehrlichkeit und Kaufwunsch sowie an die Intensivierung bestehender bzw. Erschließung neuer Absatzkanäle. Weiterhin ist zu prüfen, ob durch die Elimination Beziehungen zu Kunden gefährdet werden, die davon betroffen sind und dies zum Anlass nehmen können, ihren Lieferanten zu wechseln, und zwar nicht nur für ein eliminiertes Produkt, sondern auch für andere Bestellungen. Dies ist etwa im Rahmen der Komplexitätskostenreduktion in der Beschaffung der Abnehmer sehr naheliegend. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass durch die Elimination auch das Knowhow für die Entwicklung, Produktion und Aktualisierung des betreffenden Produkts verlorengeht. Der technische Fortschritt ist oft so rasch, dass einmal verlorengegangene Bezüge kaum wieder aufholbar sind. Dies ist problematisch, wenn sich das betreffende Produktfeld als zukunftsbedeutsam herausstellt. Der Engpass-DB je Zeiteinheit (= relative Deckungsspanne)  dient als Entscheidungskriterium für den Fall von Auftragsüberhängen. Besteht ein Engpass bei der Leistungserstellung, so ist zwischen mehreren zur Auswahl stehenden Produkten bei Gewinnmaximierung dasjenige zu bevorzugen, das den höchsten (relativen) Deckungsbeitrag je Zeiteinheit der Belastung des Engpasses erbringt, soweit der Absatz gesichert scheint. Die anderen Produkte sind entsprechend zu eliminieren. Der absolute Deckungsbeitrag dient als Entscheidungskriterium hingegen, wenn bei der Leistungserstellung noch freie Kapazitäten bestehen. Diese verursachen aufgrund der Unterauslastung Leer­kosten, so dass es sinnvoll sein kann, einen Auftrag selbst dann anzunehmen, wenn damit zwar nicht die vollen Kosten, wohl aber die variablen, gedeckt werden. Je nach Unternehmenssituation sind Produkte, die eine der genannten Preisuntergrenzen nicht erreichen, zu eliminieren.

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In Bezug auf die Umsetzung der Produktelimination ergeben sich folgende Möglichkeiten (siehe Abbildung 80: Umsetzungen der Produktelimination): • Die abrupte Produktelimination ohne Ankündigung an die Zielgruppe kann zu Badwill bei Nachfragern, die sich auf die Produktpräsenz verlassen haben, führen, ist teils aber auch regulatorisch bedingt (z. B. Aufgabe des Tafelgeschäfts bei Banken / Sparkassen). Außerdem wird das aufgebaute Absatz- / Umsatzpotenzial des bestehenden Produkts mit der Ablösung aufs Spiel gesetzt, ohne es auf ein anderes Produkt im eigenen Programm umleiten zu können, dies bedeutet also konkret Vermögensvernichtung. • Die abrupte Produktelimination mit Ankündigung an die Zielgruppe versucht, das Potenzial vom Altprodukt auf ein anderes Produkt des eigenen Programms hinüber zu retten. Außerdem kann eine forcierte Lagerräumung erreicht werden. In dem Maße wie dies gelingt, können Erlöse gerettet und Kosten abgebaut werden (z. B. Auslaufen der Produktlinien Fiesta, Focus und Mondeo im Ford-Programm mit beabsichtigter Umlenkung auf andere Modelllinien wie Puma, Kuga, Tourneo). • Die gleitende Produktelimination ohne Ankündigung an die Zielgruppe bewirkt eine Streckung des Lebenszyklus, die sogar zu einer „Versteinerung“ der Nachfrage (Petrification) führen kann, die dann auf geringem Niveau perpetuiert (z. B. Renaissance der Analog-Schallplattenspieler angesichts alternativer Digitaltechnik oder Röhrenverstärker anstelle von Transistoren bei HiFi). • Die gleitende Produktelimination mit Ankündigung an die Zielgruppe kann eine limitierte Anzahl von Restexemplare vorsehen, so dass Liebhaberkäufe stattfinden oder solche aus Wertsteigerungsspekulation (z. B. Braun Last Edition HiFiGeräte, Limited Editions von Chronometern, BMW Z 3 Coupé als Youngtimer). Teilweise erfolgt aber auch eine Kannibalisierung eigener anderer Produkte, z. B. durch vorgezogene Käufe des zu eliminierenden Produkts zulasten der im Programm verbleibenden (etwa bei Pkw-Relaunches).

Abbildung 80: Umsetzungen der Produktelimination

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

6. Programmstruktur Das Angebotsprogramm eines Unternehmens umfasst alle von ihm angebotenen Produkte. Es ist in seiner Breite, also der Anzahl verschiedenartiger Produkte, und in seiner Tiefe, also der Anzahl verschiedenartiger Ausprägungen jedes Produkts, gestaltbar (6.1). Nach dem Inhalt (6.2) unterscheidet man das Produktions- und das Absatzprogramm. Beide können voneinander abweichen. Insofern stellt sich zumeist die Alternative der Eigenfertigung oder des Fremdbezugs. Zur Risikostreuung wird verbreitet eine Diversifikation (6.3) angestrebt, also die Verteilung von Aktivitäten auf verschiedene Tätigkeitsfelder, womit jedoch zugleich eine Komplexitätserhöhung im Management verbunden ist, so dass dies gut überlegt sein will.

6.1 Programmumfang 6.1.1 Programmbreite Das Produktprogramm des Unternehmens besteht aus Produktsparten (Divisions, diese bilden das Programm), aus Produktgruppen (Ranges, diese bilden eine Sparte) und Einzelprodukten (Brands, diese bilden eine Produktgruppe). Sie definieren gemeinsam die Programmbreite, d. h. die Anzahl verschiedenartiger Einzelprodukte im Programm. Einzelartikel (also das einzelne Produkt) definieren die Programmtiefe, d. h. die Anzahl verschiedenartiger Ausprägungen eines Einzelprodukts (z. B. nach Farbe, Kraft, Größe). Drei Beispiele verdeutlichen die Zusammenhänge. So besteht das Produktprogramm von Beiersdorf aus den Produktsparten Kosme­tik, Medizin, Pharmazeutik und Klebstoff. Die Kosmetik-Division wiederum besteht aus mehreren Produktgruppen wie Körperpflege, Duft, Zahncreme etc. Die Körperpflege-Range ihrerseits besteht aus mehreren Einzelprodukten, z. B. Nivea-Creme, -Milk, -Seife, -Sonnenschutz, -Shampoo. Diese Brands werden als Einzelartikel mit unterschiedlichen Größen, Duftrichtungen, Lichtschutzfaktoren etc. angeboten. Ähnlich verhält es sich mit dem Produktprogramm von Jacobs Suchard. Es besteht aus den Produktsparten Kaffee und Schokolade. Die Schokolade-Division wiederum besteht aus zwei Produktgruppen, Milka und Toblerone. Die MilkaRange ihrerseits besteht aus mehreren Einzelprodukten, z. B. Tafelschokolade, Riegel, Eiscreme, Praline. Diese Brands werden als Einzelartikel in unterschiedlichen Gebindegrößen, Geschmacksrichtungen, Wertigkeiten angeboten. Bei Mars-Effem besteht das Produktprogramm im Wesentlichen aus den Produktsparten Süßwaren und Tierfutter (nebensächlich Tierhygiene, Nahrungsmittel, Kaugummi, Pflanzenpflege). Die Tierfutter-Division wiederum besteht im Wesentlichen aus den Produktgruppen Hundefutter, Katzenfutter, Kleintierfutter und

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Vogelfutter. Die Katzenfutter-Range wiederum besteht aus den Einzelprodukten Whiskas, Sheba, Kitekat, Brekkies etc. Diese Brands werden als Einzelartikel mit unterschiedlichen Packungsgrößen, Inhaltsstoffen, Darreichungsformen angeboten. Ein Programm kann in der Breiten- und der Tiefendimension gestaltet werden (siehe Abbildung 81: Programmdimensionen). In der Programmbreite sind drei Richtungen möglich: • Erweiterung als Programmproliferation bedeutet, dass mehr Produkte als zuvor in das Programm aufgenommen werden. • Kürzung als Programmunifizierung bedeutet, dass bestehende Produkte aus dem Programm genommen werden. • Bereinigung bedeutet, dass einerseits bestehende Angebote aus dem Programm genommen werden, andererseits aber neue Angebote hinzukommen, die Breite also letztlich unverändert bleibt (Programmkonstanz).

Abbildung 81: Programmdimensionen (eig. Darst.)

Die Erweiterung der Programmbreite erfolgt als Programmproliferation. Diese kann drei Formen haben, die Integration • verwandter Produkte auf der gleichen Marktstufe als homogen-horizontale Programmproliferation, • verwandter Produkte auf einer anderen Marktstufe als homogen-vertikale Programmproliferation, • andersartiger Produkte auf der gleichen Marktstufe als heterogen-horizontale Programmproliferation, • andersartiger Produkte auf einer anderen Marktstufe als heterogen-vertikale Programmproliferation.

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

Ausgangspunkt der homogen-horizontalen Proliferation ist die Integration miteinander verwandter Produkte auf der gleichen Marktstufe, wobei der gemeinsame Bezug in Material-, Wissens- oder Problemtreue bestehen kann. Materialtreue ist gegeben, wenn ein Unternehmen sich auf den Betrieb mit einem gleichen Grundstoff konzentriert. So kann das Unternehmen Müller im Allgäu aus dem Urprodukt Milch verschiedene Endprodukte herstellen, etwa Joghurt, Quark, Frischkäse, Kefir, Milchreis etc. Es nutzt dabei vor allem Synergieeffekte im Beschaffungsbereich. Als weiteres Beispiel mag Levi’s gelten. Hier liegt die Spezialisierung in der Verarbeitung von Jeansstoff. Sind daraus zunächst nur Jeanshosen hergestellt worden, kamen später Jeansjacken hinzu. Zwischenzeitlich gibt es Blousons, Westen, Shorts, Röcke etc. von Levi’s, aber immer unter der Materialkompetenz Jeansstoff. Durch den Setgedanken im Produkt und die Stilisierung zum Lebensgefühl junger Leute in der Werbung ergeben sich Zusatzumsätze. Wissenstreue ist gegeben, wenn vorhandenes Know-how außer im angestammten in weiteren Sektoren genutzt wird. Dabei handelt es sich um Produktions-, Organisations-, Beschaffungs- oder Vertriebsbereiche. So kann ein Unternehmen sein Wissen um die Miniaturisierung elektronischer Bauteile in mannigfachen Produkten kapitalisieren, z. B. CD-Recordern, schnurlosen Telefonen, Hörgeräten, Quarzarmbanduhren, Camcordern, Automatikfotokameras etc. Etwaige Synergieeffekte werden dabei vor allem in der Produktion genutzt. Ein Beispiel für Lebensmittel bietet der Nestlé-Konzern. Dort sind folgende Aktivitäten vorherrschend: – Säuglingsmilch, Breie, Früchte-Kompotte, Kinder-Cerealien, Frischmilchzusätze etc., – Milch, Milchpulver, Joghurts etc., – Frühstückscerealien, – Desserts, Snacks, Eiscreme, – Schokolade, Schoko-Riegel, Süßigkeiten etc., – Pasta, Pasta-Saucen, Suppen, Fertigmahlzeiten, Bouillons etc., – Kaffee, Tee, Eistee, Kakao etc., – Stilles Wasser, Mineralwasser etc., – Hundenahrung, Katzennahrung etc. Problemtreue ist gegeben, wenn ein Programm nach Bedarfsbündeln der Nachfrager organisiert ist. So bieten Investitionsgüterhersteller Turnkey-Projekte an, welche die komplette Fertigstellung einer Anlage inklusive aller Nebenleistungen beinhalten und so

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einen gegebenen Bedarf vollständig befriedigen. Synergetische Effekte entstehen dabei vor allem in der Absatzfunktion. Als weiteres Beispiel kann das Sortiment eines Heimwerkermarkts gelten, das auf das Problem Do-it-yourself bzw. dessen Lösung ausgerichtet ist und dabei sowohl Produkte verschiedener Materialien als auch Anwendungsbereiche umfasst. Ebenso beinhaltet das Angebot eines Küchenanbieters neben der rein mobilaren Einrichtung die dazu gehörigen technischen Geräte wie Kühlschrank, Tiefkühltruhe, Geschirrspüler, Herd, Mikrowelle etc. Brauereien wiederum liefern die komplette Gaststättenausstattung, von Mobiliar über Geschirr bis zur Zapftechnik, und natürlich auch das Bier. Die Kürzung der Programmbreite erfolgt als Programmunifizierung. Dabei liegt die Erfahrung zugrunde, dass ein ausuferndes Programmangebot zu vielfachen Komplexitätskosten und damit Ineffizienzen führt, die leicht den Ertrag aus gerade kleinteiligen Angebotselementen überkompensieren. So stellte Volkswagen das Angebot des Modells EOS ein, obgleich dieses eine hervorstechende Positionierung als Cabrio mit sowohl versenkbarem Festdach als auch Platzangebot für vier Personen bot. Cabrios sind jedoch allgemein auf dem Rückzug und speziell Volkswagen wird dabei wenig Kompetenz zugeschrieben. Dies resultierte in niedrigen Zulassungszahlen und führte schließlich zur Streichung dieses Angebots. Andere Unifizierungen betreffen die Aufgabe des Smart im Mercedes-Benz-Programm, des i3 von BMW, des Toyota Camry, des VW Beetle, des Opel Cascada etc. Als praktisches Beispiel war eine Produktunifizierung früher auch bei Apple zu beobachten. Dort wurden nur vier Modelllinien (Einzelprodukte) hergestellt, jeweils getrennt für Consumer und Professionals sowie als Desktop und Laptop. Diese Maxime des Gründers Jobs ist jedoch unter seinem Nachfolger erheblich aufgeweicht worden, tut der Profitabilität aber offenbar keinen Abbruch. Durch Produktunifizierung ergeben sich statische Größendegressionseffekte mit der Folge der Stückkostensenkung. In gleichem Maße können dynamische Erfahrungskurveneffekte genutzt werden, die ein weiteres Rationalisierungspotenzial eröffnen. Durch die Unifizierung des Programms können alle Aktivitäten gebündelt werden. Dies bewirkt hohe Markttransparenz und Anerkennung als sichere Geschäftsbasis. Allerdings kann das Unternehmen die bearbeiteten Märkte nicht voll ausschöpfen, da das unifizierte Produkt immer nur mehr oder minder gut den Erwartungen der Nachfrager im Markt gerecht wird. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass Mitbewerber sich den Anforderungen der Nachfrager differenziert anpassen und damit Kaufkraft abschöpfen. Bei der Programmbereinigung werden einzelne Bestandsprodukte aus dem Programm eliminiert und an deren Stelle rücken einzelne Neuprodukte. Insofern bleibt die Programmbreite mehr oder minder bestehen.

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

6.1.2 Programmtiefe Die Gestaltung der Programmtiefe betrifft die Anzahl der Versionen eines Produkts im Programm. Dabei ist ein Kompromiss zwischen zwei Polen zu suchen. Einerseits Erweiterung der Programmtiefe durch zahlreiche, gegeneinander eng abgestufte Einzelprodukte, um den differenzierten Anforderungen des Publikums möglichst kongruente Leistungen gegenüberstellen zu können. Andererseits Kürzung der Programmtiefe durch wenige standardisierte Einzelprodukte, um Rationalisierungs- und Bündelungsvorteile zu realisieren. In der Programmtiefe sind drei Richtungen möglich: • Erweiterung als Programmdifferenzierung bedeutet, dass mehr Produktversionen als zuvor in das Programm aufgenommen werden. • Kürzung als Programmstandardisierung bedeutet, dass bestehende Produkt­ versionen aus dem Programm genommen werden. • Bereinigung bedeutet, dass einerseits bestehende Angebote aus dem Programm genommen werden, andererseits aber neue Angebote hinzukommen, die Tiefe also letztlich unverändert bleibt (Programmkonstanz). Eine Programmdifferenzierung als Erweiterung der Programmtiefe erfolgt durch Gestaltung von Präsentation (z. B. Luxus, Light) oder Konsistenz (z. B. Geschmack, Ingredienzen). Dabei werden Segmente adressiert, die eine hohe interne Homogenität bei gleichzeitig hoher externer Heterogenität aufweisen, d. h., die Elemente eines Segments sind zueinander möglichst gleichartig, aber auch möglichst verschiedenartig zu den Elementen aller anderen Segmente. Daraus ergibt sich dann ein spezifisches Anforderungsprofil an Produkte, dem man durch Differenzierung in Form eines spezifischen Eignungsprofils gerecht zu werden gedenkt. Denn je größer die Übereinstimmung zwischen Anforderungs- und Eignungsprofil, desto größer ist der Aufforderungscharakter des Produkts zum Kauf. Dies führt letztlich zu einem tiefen und zugleich engen Programm. Zu denken ist etwa an Mars Mandel oder Haselnuss als Ableger des Mars Weichriegels. Oder an die Welle von Light-Produkten bei Softdrinks (Coca-Cola light, Pepsi light), bei Kaffee (Jacobs Krönung light), bei Zigaretten (Marlboro light, Camel Lights, West Light), bei Fitnessnahrung (Isostar Light), bei Bier (­Jever light) oder Deodorants (Fa light). Diese bedienen Nachfragergruppen, die an einem Softdrink der hohe Zuckeranteil mit Rücksicht auf ihre Gesundheit und Figur stört. Oder die bei einem Kaffee geringere als die üblichen Koffeinund Reizstoffanteile erwarten oder bei Zigaretten Nikotin- und Teerreduktion als Kompromiss zwischen Genuss und Gesundheitsgefährdung etc. Im Ergebnis führt dies parallel zu einer immer differenzierteren Gesellschaft (Multi Options Society) zur Expansion der Programme, d. h., aus Monoprodukten werden Ranges. Beispiele sind die Ausweitung des Ritter-TafelschokoladeAngebots auf rund ein Dutzend Geschmacksrichtungen (Marzipan, Haselnuss,

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Pfefferminz, Trauben-Nuss, Mocca, Halbbitter, Noisette etc.). Gleiches gilt für Milka Lila Pause mit acht Geschmacksrichtungen. Da die Regalfläche des Handels nicht mitwächst und Handelsmarken hinzu kommen, ergibt sich ein Verdrängungs­ wettbewerb um Platzierungen. Die Programmstandardisierung als Kürzung der Programmtiefe beschreibt die genau gegenläufige Entwicklung. Sie kommt zustande durch eine Verringerung der Produktsparten (Divisions) im Programm, der Produktgruppen (Ranges) je Sparte oder der Einzelprodukte (Brands) je Produktgruppe. Sie führt daher im Ergebnis zu einem engen und flachen Programm, im Extrem zum Einproduktunternehmen. Dem liegen mehrere Ursachen zugrunde. So gibt es in den entwickelten westlichen Industriegesellschaften einen Trend zur Angleichung der Sozialstrukturen (Konvergenz). Dies bewirkt, dass die Bedarfe homogener werden. Sofern sich ein Angebot innerhalb eines einigermaßen klar umgrenzten Bedarfsumfeldes bewegt, wie bei Low Involvement, resultiert daraus eine hohe Ähnlichkeit der Erwartungsprofile der Nachfrager an ein Produkt. Es ist anzunehmen, dass viele Unternehmen zumindest über unnötig tiefe Produktprogramme verfügen. Dabei entstehen erhebliche indirekte Kosten, die in gängigen Kostenrechnungssystemen (Ausnahme Prozesskostenrechnung) nicht hinreichend ausgewiesen werden. Denn diese Komplexitätskosten haben Opportunitätskostencharakter, d. h., sie entstehen nur, weil ein Produktprogramm so differenziert ist wie es ist. Welche Kosten bei einem flacheren Programm entstehen würden, ist weithin spekulativ. Dass diese aber niedriger liegen würden, liegt auf der Hand. Komplexitätskosten werden heute als der wesentliche Kostentreiber angesehen und entstehen vorwiegend im indirekten Bereich (Doppelarbeit, Schnittstellenprobleme, Overheads etc.), tauchen daher in der üblichen Deckungsbeitragsrechnung gar nicht erst auf und werden daher erheblich unterschätzt. Lange Zeit schien das Angebot zueinander differenzierter Einzelprodukte einer Art aufgrund moderner Produktionskonzepte in rationeller Weise möglich. Stichworte dazu sind Plattformkonzept, Modulbauweise, Postponement u. Ä. Dadurch galten Fixkosten als beherrschbar und Komplexitätskosten als vermeidbar. Zwischenzeitlich ist jedoch erkannt, dass diese Konzepte zur Verlangsamung und Intransparenz in der Wertschöpfung beitragen. Das hat dazu geführt, dass die Hersteller ihre Programmtiefe verschlanken und auf das Agenbot geringvolumiger Einzelprodukte verzichten. So verzichtete der Fahrradhersteller Rose kürzlich auf 30 % seiner Modelle und steigerte dennoch Umsatz wie auch Ertrag. Offensichtlich wählten viele Interessenten anstelle der dabei weggefallenen Modelle vergleichbare andere aus dem eigenen Programm, und zugleich sorgte die Skalierung für sinkende Stückkosten und steigenden Gewinn. Auch die Automobilhersteller trennen sich von geringvolumigen Modellen zugunsten ihrer A-Produkte. Beispiele sind Nissan GT-R, Opel Insignia, Renault Espace, Seat Alhambra, Smart Forfour.

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

Bei der Programmbereinigung werden einzelne bestehende Produktversionen aus dem Programm eliminiert und an deren Stelle rücken einzelne neue Produktversionen. Insofern bleibt die Programmtiefe mehr oder minder bestehen. Die Programmdimensionen der Breite und Tiefe ergeben kombiniert das (Absatz-)Programm eines Herstellers. Im Beispiel BMW besteht die Programmbreite aus Pkw der 1er-, 2er-, 3er-, 4er-, 5er-, 6er-, 7er- und 8er Reihen. Hinzu kommen Programmteile mit BWM Motorrädern, BMW Fahrrädern und Rolls Royce-Pkw. Für die Programmtiefe stehen die verschiedenen Modellreihen (Produktlinien) innerhalb der Kategorie Pkw. Hinzu kommt die Programmmächtigkeit durch die verschiedenen Modellversionen je Modellreihe. Die Programmtiefe ergibt sich durch verschiedene Modellversionen, aktuell im BMW-Pkw-Programm wie folgt: – 1er BMW: 1er Limousine, 1er M, X1/PIH, iX1, – 2er BMW: Coupé, 2er Coupé M, 2er Coupé Gran Coupé, Gran Coupé M, 2er Active Tourer / Plug-in Hybrid / PIH, 2er Gran Tourer, X 2/PIH, X2 M, – 3er BMW: 3er Limousine / PIH, 3er Limousine M, 3er Touring / PIH, 3er Touring M, X 3/PIH, iX3, X3 M, i3, iX 3, – 4er BMW: 4er Coupé, 4er Coupé M, 4er Cabrio, 4er Cabrio M, 4er Gran Coupé, 4er Gran Coupé M, i4, i4 M50, X 4, X 4 M, i4, i4 M 50, Z 4 Roadster, Z 4 M, – 5er BMW: 5er Limousine / PIH, 5er Limousine M, 5er Touring / PIH, X 5/PIH‚ X 5 M, – 6er BMW: 6er Gran Tourismo, X 6 M, iX M 60, – 7er BMW: 7er Limousine / PIH, 7er Limousine M / PIH, i7, X 7, X 7 M, i7, – 8er BMW: 8er Coupé, 8er Coupé M, 8er Cabrio, 8er Cabriolet M, 8er Gran Coupé, 8 Gran Coupé M. Am Beispiel erkennt man die mächtige, aber letztlich unübersichtliche und komplexitätskosten-verursachende Programmvielfalt, erst recht, wenn später zu Benziner-, Diesel- und Elektroantrieben alternative Antriebe hinzukommen wie für Wasserstoff, Solar, synthetische Kraftstoffe etc. Daher sind verbreitet Bestrebungen zu erkennen, die produktionstechnisch mögliche Vielfalt zu straffen, indem man sich auf renditestarke, meist größere Modelle konzentriert und Nischen- und auch potenzialschwache Modelle eliminiert. Damit schwindet auch die Hoffnung, durch moderne Produktionsmethoden (Produktion 4.0 u. Ä.) die Komplexitätskosten gering halten zu können und damit eine hohe Programmmächtigkeit zu ermöglichen.

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6.2 Programminhalt 6.2.1 Produktions- und Absatzprogramm Nach dem Inhalt unterscheidet man das Produktions- und das Absatzprogramm. Beide können voneinander abweichen (siehe Abbildung 82: Programminhalt).

Abbildung 82: Programminhalt

Das Produktionsprogramm enthält neben den selbst verkauften Produkten auch solche, die nicht unter eigener Marke abgesetzt werden. Dies ist etwa der Fall bei der Erstellung oder Lohnfertigung für andere (OEM) sowie bei Vor- / Zwischenprodukten, die in eigene Endprodukte eingehen, also nicht marktwirksam werden. Das Absatzprogramm enthält Produkte, die zwar verkauft, aber nicht selbst produziert werden. Dies ist etwa der Fall bei der Übernahme von Handelswaren, die programmbegleitend oder unter eigener Marke verkauft werden, bei der Vergabe von vollständiger Fremdfertigung bis zur Marktreife oder beim Vertrieb von Lizenzprodukten anderer Hersteller. Eine hohe Bedeutung kommt dabei OEM-Ware (Original Equipment Manufacturing) zu. Darunter versteht man Produkte / Fertigerzeugnisse, die als Komponen­ ten wesentlicher Bestandteil eines fremden Endprodukts werden. Dies ist z. B. in der UE-Branche der Fall. Dort handelt es sich de facto oft nur um den Einbau eines Chassis für Blue-ray-Recorder, LED-Fernseher, Laptop etc. in das Gehäuse mit dem Label eines OEM-Beziehers. Fast alle Marken nutzen dabei die Chassis weniger, meist fernöstlicher OEM-Hersteller, die zur Nutzung von Größendegressionsvorteilen Produktionsmengen auflegen, die sie unter eigener Marke nicht mehr vermarkten können und deshalb an Wettbewerber abgeben. Da sich jedoch die Kostenersparnis auf das gesamte Fertigungslos bezieht, kommt der OEMHersteller auch für seine zum Eigenbedarf gedachten Produktionsmengen in den

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

Genuss der niedrigeren Stückkosten. Andererseits erhalten OEM-Bezieher Teile zu Konditionen, die für sie bei Eigenfertigung nicht darstellbar sind. Insofern können beide Seiten zufrieden sein (Win-Win). Vor allem erklärt sich auf diese Weise, warum es für OEM-Hersteller sinnvoll ist, direkte Konkurrenten zu beliefern. Dies ist dann der Fall, wenn die Kostenersparnis für den unter eigener Flagge zu vermarktenden Losanteil aufgrund der Größendegression höher einzuschätzen ist als Marktanteilsverluste aus Absätzen von mit dem Restlos belieferten Mitbewerbern. Da außerdem auf der Nachfrageseite kaum bekannt ist, dass das ausgewählte Gerät tatsächlich wesentliche Teile eines anderen, wahrscheinlich weniger vertrauenswürdigen Produzenten enthält, ist das akquisitorische Potenzial der Absatzmarke voll nutzbar. Dies kann dazu führen, dass ein Markenartikler mit OEM-Ware bei identischer Leistung einen höheren Preis am Markt erzielt als der Original­ hersteller selbst. Diese Marktnähe wäre asiatischen OEM-Herstellern allein nicht möglich, weil es ihnen an Nachfragervertrauen fehlt oder weil Protektionspolitik in manchen Ländern den weiteren Marktzugang hemmt. Der Markenartikler aber profitiert nicht nur von der mehr oder minder ausgiebigen Weitergabe der Kostenersparnis in seinem Einstandspreis, sondern auch vom gesammelten Know-how und hohen Qualitätsstandard seines Lieferanten. Vor allem werden Fixkosten, etwa aus ­Forschung und Entwicklung, Anlageinvestitionen, Sozialplänen etc. vermieden und stattdessen weitgehend variable Kosten erreicht. Zudem ist neue Technik sofort verfügbar, ohne lange, risikoreiche Entwicklungszeiten eingehen zu müssen, und falls sich der gewünschte Markterfolg nicht einstellen will, wird der Bezug von Teilen gestoppt. Die Programmgestaltung kann sich auf mehrere Dimensionen beziehen: • Erstens erfolgt eine Gestaltung nach der Zeitdimension, etwa indem innerhalb einer Planungsperiode wechselweise zwei oder mehr voneinander abgehobene Versionen eines Produkts angeboten werden, wie bei befristeter Marktpräsenz nicht-saisonaler Produkte. • Zweitens ist eine Gestaltung nach der Raumdimension möglich, etwa indem in verschiedenen Absatzgebieten voneinander abweichende Versionen eines Produkts angeboten werden, denkbar ist dies intranational, vor allem aber auch international, meist aufgrund kultureller Gebundenheiten. • Drittens ist auch eine Kombination aus Raum- und Zeitdimension möglich, wenn Produktversionen nur punktuell angeboten werden, etwa als Sonderserie (Limited Edition) wie dies bei hochwertigen Produkten üblich ist und die Kaufappetenz nachweislich erhöht. • Viertens ist eine Gestaltung nach der personalen Dimension möglich, indem kunden­individuelle bzw. kundengruppenspezifische Versionen eines Grundprodukts angeboten werden. Dies ist durch moderne Fertigungsmethoden (Tailor­ made Productions) gut darstellbar und in weiten Teilen des Industriegüter­ geschäfts üblich.

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• Fünftens ist eine Gestaltung nach der sachlichen Dimension möglich, etwa in Form von zwei oder mehr Leistungsabstufungen / Funktionalitäten in einer Produktlinie, die zeit- und raumgleich angeboten werden. Dies ist z. B. bei technischen Gebrauchsgütern wie braune oder weiße Elektrogeräte vorzufinden. • Sechstens ist auch eine Anpassung durch Zusatzausstattungen denkbar, wobei der Produktkern unverändert bleibt, jedoch durch Ergänzungen kostengünstig und zeiteffizient individualisiert werden kann. Dies erfolgt durch eine Anlage in Modularisierung bzw. Plattformkonzept bei der Produktion. • Siebtens ist eine Gestaltung nach unterschiedlichen Wertigkeiten innerhalb einer Produktlinie darstellbar, etwa in Form verschiedener Materialien, Farben, Oberflächen, Geschmacks-/Geruchsrichtungen für ein und dasselbe Basisprodukt. Dadurch wird dessen Ausspezifizierung erreicht. • Achtens kann es angezeigt sein, identische oder verwandte Produkte in verschiedenen Abgabemengen / Gebindegrößen zu offerieren, etwa für Probierzwecke, abweichende Verwendungszwecke oder Heavy Users, also zur Adressierung verschiedener Nachfragesegmente. • Neuntens ist eine Programmstraffung durch Reduzierung der Vielfalt anzu­ treffen. Dies folgt vor allem dem Postulat der Komplexitätsreduktion und damit der Gemeinkostenvermeidung, denn es entspricht einer Erfahrungstatsache, dass trotz ausgefuchster Produktions- und Prozesskonzepte Unwirtschaftlichkeiten verbleiben. • Zehntens ist die Programmplanung ohnehin kundenspezifisch bei Dienstleistun­ gen, was an der Verwirklichung des dafür typischen Uno actu-Prinzips liegt, indem die Leistung erst durch Kombination der anbieterinternen Produktionsfaktoren mit dem externen Faktor Kunde entsteht.

6.2.2 Eigenfertigung vs. Fremdbezug Eine wesentliche Entscheidung über die Programmbreite betrifft Eigenfertigung (Make) oder Fremdbezug (Buy). Dazu gibt es zahlreiche Bewertungskriterien, die noch für jeden anders gelegenen Einzelfall gewichtet werden können. Eigenfertigung bietet sich danach vor allem an, wenn • ein fertigungstechnischer Zwang zur Selbstherstellung besteht, weil der gesamte Produktionsprozess geschlossen ablaufen muss, weil die bereit zu stellenden Stoffe, Vor- oder Zwischenprodukte nicht genügend lagerfähig bzw. nicht transportabel sind. • Selbstherstellung kostengünstiger ist. Dies ist der Fall, weil die Vertriebs- bzw. Transportkosten und der Gewinnzuschlag eines Lieferanten eingespart werden können. Zumal wenn Selbstherstellung durch niedriges Lohnniveau oder steuer-

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liche Vergünstigungen induziert wird. Dies gilt auch, wenn durch langjährige Erfahrungen besonders rationelle Fertigungsverfahren entwickelt worden sind. Evtl. können dabei Abfälle oder andere Nebenprodukte verwendet werden. Besteht Unterbeschäftigung, kann immer noch ein Fixkostendeckungsbeitrag geleistet werden. • dadurch eine spürbar höhere Qualität erreicht werden kann, weil die Fertigung besser überwachbar ist oder geeignete Zulieferbetriebe nicht gefunden werden können. • damit geringere Materialbereitstellungsrisiken verbunden sind. Dadurch werden Lieferverzögerungen vermieden. Ebenso besteht nicht mehr die Gefahr, dass zu geringe Mengen oder schlechte Qualitäten geliefert werden. Außerdem sind die Lager- und Transportkosten geringer. • dafür spezielles Know-how erforderlich ist, das anderweitig nicht oder nicht ausreichend vorhanden ist. • dadurch vorhandene Kapazitäten besser ausgelastet werden können. Das heißt, Arbeitskräfte können gehalten und Maschinen brauchen nicht stillgelegt zu werden, Kurzarbeit wird vermeidbar. • durch Angliederung oder Errichtung vorgelagerter Produktionsstufen eine rentable Verwendungsmöglichkeit für überschüssige Kapitalbeträge besteht. • dadurch absatzwirtschaftliche Vorteile erzielt werden. Dies weil zusätzliche Mengen bereitgestellt werden können oder Kunden Produkte aus selbst her­ gestellten Teilen bevorzugen und dafür einen höheren Preis zu zahlen bereit sind bzw. größere Mengen abgesetzt werden können. Außerdem wird vermieden, dass fremde Zulieferbetriebe zu unmittelbaren Konkurrenten werden und an Betriebsgeheimnissen partizipieren. • dadurch mehr zeitliche Flexibilität erreicht wird, weil plötzlich auftretende Bedarfe schnell und unkompliziert befriedigt werden können. Fremdbezug bietet sich hingegen vor allem an, wenn • bestehende Patent-, Gebrauchsmuster- oder sonstige Rechte anderer Firmen dazu zwingen. • dies kostengünstiger ist. Gründe dafür liegen in im Zulieferbetrieb zu zahlenden niedrigeren Löhnen oder in niedrigeren Verwaltungskosten. Vielleicht arbeitet man dort auch mit bereits abgeschriebenen Anlagen oder verfügt über günstige Importmöglichkeiten. Sofern es sich um hoch spezialisierte Zulieferer handelt, sind diese in der Lage, besonders rationell zu produzieren. Möglicherweise können auch Beschäftigungslücken dieser Betriebe nur teilkostendeckend ausgenutzt werden. Zudem können eigene Lager- und Kapitalbindungskosten bei zeittaktgenauer Anlieferung eingespart bzw. Neuinvestitionen in teuere oder die aufwändige Überholung vorhandener Anlagen vermieden werden.

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• dadurch eine bessere Qualität gewährleistet werden kann, weil der Zulieferer über langjährige Erfahrungen, leistungsfähigere Anlagen oder intensivere Forschung & Entwicklung verfügt. • man aus den umfangreichen Erfahrungen spezialisierter Zulieferer für eine ins Auge gefasste spätere eigene Fertigung profitieren kann. • dadurch bei Vollbeschäftigung eine Ausweitung des Produktions- und Absatzvolumens erreicht werden kann. Es brauchen keine zusätzlichen Arbeitskräfte eingestellt zu werden. Es sind keine Erweiterungsinvestitionen erforderlich. Saisonal verursachte Bedarfsspitzen können befriedigt und terminliche Engpässe überwunden werden. • dadurch absatzwirtschaftliche Vorteile entstehen. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn der Einbau von Teilen namhafter Vorproduzenten den Wert des Endprodukts in den Augen der Abnehmer steigert oder wenn dadurch zusätzliche Mengen bereitgestellt werden können. Schließlich kann das eigene Sortiment dadurch abgerundet werden. • dies zu geringeren finanzwirtschaftlichen Belastungen führt, weil weniger Bedarf an eigen- und / oder fremdfinanziertem Anlage- und Umlaufvermögen besteht. • dadurch Elastizitätsvorteile entstehen, indem am Markt eine bessere Anpassung an Bedarfsveränderungen ermöglicht wird. Grundlegende Änderungen im Programm bedürfen darüber hinaus lediglich des Lieferantenwechsels. • der Vergleich der abbaubaren Fixkosten einerseits und des Einstandspreises andererseits ergibt, dass es sich lohnt, die Fertigungstiefe eines Unternehmens zugunsten der Erhöhung des Einkaufsvolumens zu verringern.

6.3 Programmdiversifizierung 6.3.1 Homogene Diversifizierung Diversifizierung bedeutet die Ausweitung des Unternehmensprogramms um neue Produkte auf neuen Märkten. Eine Diversifikation kann homogen mit gleichem Tätigkeitsbereich oder heterogen mit anderem Tätigkeitsbereich erfolgen bzw. in dynamischer Sicht auch als Business Migration (siehe Abbildung 83: Optionen der Diversifikation). Eine Diversifikation kann sich zugleich medial (auch konzentrisch) auf gleicher Wertschöpfungsstufe oder lateral (auch dia­gonal) auf anderer Wertschöpfungsstufe vollziehen. Daraus ergeben sich folgende Kombinationen: • Homogene, horizontale Diversifizierung mit verwandtem Tätigkeitsbereich auf gleicher Wertschöpfungsstufe, dies ist hier nicht relevant, • Homogene, vertikale Diversifizierung mit verwandtem Tätigkeitsbereich auf anderer Wertschöpfungsstufe,

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

• Heterogene, mediale Diversifizierung (auch diagonal) mit anderen Tätigkeits­ bereich auf gleicher Wertschöpfungsstufe, • Heterogene, laterale Diversifizierung (auch konglomeral) mit anderem Tätigkeitsbereich auf anderer Wertschöpfungsstufe. Homogene Diversifikation bedeutet dabei die Abdeckung verwandter Elemente, d. h. artähnlicher neuer Produkte und Märkte. Der Unterschied zur Konzentration liegt in dieser Ähnlichkeit, nicht aber in der Gleichartigkeit der Elemente.

Abbildung 83: Optionen der Diversifikation

Homogene, vertikale Diversifikation findet mit Aktivität im gleichen Tätigkeitsbereich, aber auf anderer Stufe statt. Dies ist der Fall, wenn die eigene Wertschöpfungsstufe verlassen und die Wirtschaftstätigkeit auf konsum- oder rohstoffnähere Stufen ausgedehnt wird. Dies betrifft die Integration vor- oder nachgelagerter Güter­umwandlungsstufen in Richtung Endge- / -verbrauch oder Rohstoff. Das gilt z. B. für Fertiggerätehersteller, die in die Komponentenfertigung diversifizieren. Dies ist die verbreitete Vorgehensweise japanischer Unternehmen. Sie arbeiten auf eine geringe Fertigungstiefe an einer Produktionsstätte hin, d. h. auf möglichst weitgehenden Bezug vorgefertigter Komponenten. Dazu entwickeln sie eine enge Zusammenarbeit mit jeweils einem Lieferanten, den sie weitgehend in das Betriebsgeschehen einbinden. Zur Festigung dieser Partnerschaft kommt es dann meist zu einer Kapitalbeteiligung an diesem Lieferanten. Es entsteht eine vertikale Integration. Im Grundsatz ergeben sich dabei folgende Kombinationen: • gleiche Zielgruppe, gleiches Absatzgebiet, gleiche Funktionalität, aber anderer Einsatzbereich, z. B. Angebot des Fleetmanagements durch einen Automobil­ verleiher im Privatkundenmarkt, • gleiche Zielgruppe, gleiches Absatzgebiet, aber andere Funktionalität, anderer Einsatzbereich, z. B. Angebot von LNF durch einen Pkw-Hersteller.

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Lego ist der größte Spielwarenhersteller und ist legendär für seine farbigen Kunststoff-Klemmsteine, die zu vorgegebenen oder selbsterfundenen Modellen zusammengesetzt werden können. Um mit modernen Entwicklungen bei Kindern mitzuhalten, wurden zusätzlich Videospiele, Unterrichtsmaterialien und Computersimulationen hinzugenommen. Dabei war jeweils die Integration in die LegoSpielwelt zentral. Als anderes Beispiel können die großen deutschen Chemiekonzerne (Bayer, BASF) gelten, die sich aus der Verarbeitungsstufe für Chemikalien in die Vermarktungsstufe bewegten, um sich den zumindest indirekten Zugang zum Markt zu sichern. Dies gilt etwa für Produkte wie Arzneimittel, Kosmetika, Kunststoffe etc.

6.3.2 Heterogene Diversifikation Heterogene, mediale Diversifizierung bedeutet die Ausweitung der Unternehmensaktivitäten auf ein anderes Tätigkeitsfeld auf gleicher Wertschöpfungsstufe. Sie ergibt sich durch folgende Kombinationen: • gleiche Zielgruppe, gleiches Absatzgebiet, aber andere Funktionalität, gleicher Einsatzbereich, z. B. Angebot einer elektrischen Zahnbürste durch einen Handzahnbürstenhersteller, • gleiche Zielgruppe, aber anderes Absatzgebiet, gleiche Funktionalität, gleicher Einsatzbereich, z. B. internationaler Absatz eines seither nur national tätigen Anbieters eines Produkts, • gleiche Zielgruppe, aber anderes Absatzgebiet, andere Funktionalität, gleicher Einsatzbereich, z. B. Angebot von Nassrasierern im Ausland zusätzlich zu Trockenrasierern im Inland, Leica ist berühmt für seine Präzisionskameras, z. B. die M3 als erste Kamera mit Messsucher. Grundlage ist die Beherrschung der Präzisionsmechanik, also hochgenaue Arbeit auf kleinem Raum. Gerade diese Fähigkeiten sind auch für die Produktion von Chronometern, also mechanischen Präzisionsuhren, erforderlich. Daher hat Leica Kleinserien hochwertiger Uhrenmodelle entwickelt (L1–L3), die als stets ausverkauft gelten. Vergleichbares findet sich bei Victorinox, Hersteller „des“ Schweizer Taschenmessers, auch hier gibt es hochwertige Uhren. Hier sind vor allem die gemeinsam zu nutzenden Absatzkanäle vorteilhaft. So hat sich Philip Morris eingedenk der limitierten Zukunftsaussichten für Tabakwaren in den hoch entwickelten Marktgebieten Nahrungsmittelfabrikanten (Kraft, General Foods) und Kaffee- bzw. Süßwarenhersteller (Jacobs Suchard) eingliedert. Dabei handelt es sich erstens um andersartige Produkte und zweitens um Unternehmen, die gleichfalls als Produzenten, also auf der gleichen Markt-

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stufe, tätig sind. Gleiches trifft auf Reynold’s Tobacco durch die Integration von Nabisco (Lebensmittel) zu, oder auf Mars (Süßwaren) und Effem (Tiernahrung). Heterogene, diagonale Diversifizierung bedeutet die Ausweitung der Unternehmensaktivitäten auf ein anderes Tätigkeitsfeld auf anderer Marktstufe. Sie ergibt sich durch folgende Kombinationen: • andere Zielgruppe, gleiches Absatzgebiet, gleiche Funktionalität, gleicher Einsatzbereich, z. B. Angebot dekorativer Herrenkosmetik durch einen Damenkosmetikhersteller, • andere Zielgruppe, anderes Absatzgebiet, gleiche Funktionalität, gleicher Einsatzbereich, z. B. Angebot von Damenrasierern im Ausland zusätzlich zu Herrenrasierern im Inland, • andere Zielgruppe, anderes Absatzgebiet, andere Funktionalität, gleicher Einsatzbereich, z. B. Luxusprodukte von LVHM-Louis Vuitton, Hennessy, Moet (Wein / Spirituosen, Mode / Lederwaren, Parfüm / Kosmetika, Uhren / Schmuck, Facheinzelhandel, Yachting), • andere Zielgruppe, gleiches Absatzgebiet, gleiche Funktionalität, anderer Einsatzbereich, z. B. Angebot von SOHO (Konsumenten-)Fotokopierern durch einen Profi-Fotokopierhersteller. Steiff ist als Hersteller von Stofftieren für Kinder legendär (Knopf im Ohr). Da heutzutage andere Spielzeuge „in“ sind, wurde Ausschau nach zusätzlichen Monetarisierungsmöglichkeiten des Know-how gehalten. Heraus kam die Leitidee: Steiff, alles um das Kinderzimmer. Daher werden heute auch Kinderbekleidung, Laufräder, Baby-/Kindermöbel u. Ä. angeboten, die von der Nachfrage gut angenommen werden. Knirps ist für seine klappbaren Taschenschirme bekannt und beliebt. Deren Verbreitung ist jedoch kaum mehr zu steigern (zwischenzeitlich als Gattungsbegriff verwendet), also wurde Ausschau nach verwandten Produkt-Märkten gehalten, die einen erfolgreichen Kompetenztransfer zulassen. Das Ergebnis ist das Angebot von Gartensonnenschirmen aus der Kompetenz „Schirm“ (angesichts des Klimawandels potenzialstark) und Regenbekleidung aus der Kompetenz „Regenschutz“ (Mäntel, Ponchos, Hüte). Beides wird von der Nachfrage gut angenommen. Eine ähnliche Situation entstand, als PepsiCo sich die Fastfood-Kette Ken­ tucky Fried Chicken eingliederte und dort die Softdrinks von Coke auf Pepsi umstellte. Denn erstens handelt es sich bei Fastfood und Softdrinks durchaus um verwandte Produktbereiche und zweitens erhält Pepsi auf diese Weise direkten Zugriff auf die Endabnehmer (vorgelagerte Stufe), während ansonsten Absatzmittler zwischengeschaltet sind. Ein anderes Beispiel ist die Fischer Holding. Sie gliedert sich in drei völlig unabhängige Geschäftsbereiche:

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– Der größte Bereich ist die Befestigungstechnik (Fischer-Dübel) mit Metall­ verankerungen, Kunststoffdübeln, Baustoffen, Klebern, Holzschrauben etc. Die Distribution erfolgt hier sowohl über DIY-Fachmärkte bzw. den HeimwerkerFacheinzelhandel als auch über den Handwerksgroßhandel. Die Produkte sind für verschiedene Gewerke optimiert, z. B. als Spreizdübel, Nageldübel, Gips­ kartondübel, Dämmstoffdübel, Kippdübel, Hohlraumdübel, Spreizdübel, Verbundanker, Schraubdübel etc. – Der zweite Bereich befasst sich mit Produkten des Automobilinterieurs wie Cup­ holder, Aschenbecher, Ablagesysteme, Lüftungsdüsen, vorwiegend als Autozulieferer (OEM / B-t-B), aber auch in der Nachrüstung (B-t-C). – Der dritte Bereich betrifft Konstruktionsspielzeug (Fischertechnik, TIP) nach dem Nut-Feder-Prinzip für Achsen, Getriebe, Motoren, Statikteile, Zahnräder, Sensoren etc. Dabei ist eine Anbindung an PCs zur Steuerung bzw. für Simulationen möglich. Bei der heterogenen, lateralen Diversifizierung ergeben sich folgende Kombinationen: • gleiche Zielgruppe, anderes Absatzgebiet, andere Funktionalität, anderer Einsatzbereich, z. B. Lastenfahrräder für Nahverkehrs-Transportdienstler in Großstädten zusätzlich zu Leichten Nutzfahrzeugen im Fernverkehrskurierdienst über Land, • andere Zielgruppe, gleiches Absatzgebiet, andere Funktionalität, anderer Einsatzbereich, z. B. Lamilux (Tageslichtsysteme, Kunststoffplatten), • andere Zielgruppe, anderes Absatzgebiet, gleiche Funktionalität, anderer Einsatzbereich, z. B. Sharp (Optoelektronik in Consumer Electronics, Energy Solutions, Information Systems etc.). Kettler ist als Hersteller von Sportgeräten und Gartenmöbeln aller Art bekannt. Bekannt ist auch das Kettcar als Kinderspielfahrzeug, das im Spielwaren- und Fahrradhandel distribuiert wird. Zur Verbesserung der Geschäftsbasis wurden zwischenzeitlich weitere Produktbereiche in das Programm aufgenommen wie Möbel für Schüler verschiedener Altersklassen, Babyhochstühle und auch Stehpulte. Diese haben jedoch keinen Bezug zu den ursprünglichen Produkten, sondern bleiben dazu unverbunden. Ein weiteres Beispiel ist der 3M-Konzern, der eine konsequente Profit CenterOrganisation aufweist und noch heute als faktischer Verbund vieler kleiner Unternehmungen geführt wird, deren Manager sich frei engagieren (Intrapreneurship). Die Produkte decken Anwendungen für Kleben und Verbinden, Schleifen und Polieren, Arbeits- und Gebäudeschutz, Elektrogeräte, Autoreparatursysteme, Bürobedarf, Filtration, keramische Textilien, Verkehrssicherheit, Personensicherung etc. ab. Diese werden fallweise im B-t-B-Geschäft, im B-t-C-Geschäft oder im Handelsgeschäft vertrieben. Weitere Beispiele für laterale Diversifizierung sind in Japan zudem Yamaha in den Bereichen Musikinstrumente, HiFi-Geräte, Motorräder, Motorboot-Motoren

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etc., Honda in den Bereichen Motorräder, Automobile, Gartengeräte, Geschäftsflugzeuge, Außenbordmotoren etc. sowie Mitsubishi in den Bereichen Handel, Stahlerzeugung, Automobile, Banken, Unterhaltungselektronik etc. Seit realisiert wird, dass mit Konglomeration nicht nur hohe Gewinnerwar­ tungen, sondern auch respektable Verlustbefürchtungen verbunden sind, relativiert sich die Euphorie über die heterogene Diversifikation jedoch. Die Gefahren, auf fremden Aktionsfeldern zu scheitern, den Überblick zu verlieren und sich zu verzetteln, sind nicht so gering zu schätzen. Zumal sich Synergieeffekte, wenn überhaupt, in nur äußerst bescheidenem Maße einstellen und zwischen verwandten Aktionssektoren generell wahrscheinlicher sind als zwischen verschiedenartigen. Lupenreine Konglomerate werden inzwischen oft nur als pure Finanzholdings geführt, die das operative Geschäft eher kontrollieren, selbst aber nicht mehr handelnd eingreifen. Andernfalls droht ein Diversifikationsabschlag am Kapitalmarkt. Daraus ergibt sich in neuerer Zeit ein Trend zur Aufteilung diversifizierter Unternehmen (Entdiversifizierung) unter Shareholder Value-Gesichtspunkten (z. B. Verselbstständigungen von Linde industrielle Gase und Kion Nutzfahrzeuge, Pepsi Softdrink und Yum Fastfood, Toshiba Digital Products, Electronic Devices & ​ Components und Infrastructure Systems, General Electric fossile Energien, erneuerbare Energien, Luftfahrt, Gesundheit, Transport, Elektrotechnik, Finanzen etc.). Die Ursache dafür liegt vor allem in der üblichen Unterbewertung diversifizierter Unternehmen an den Börsen. Die Aufspaltung in konzentrische Unternehmen vermag daher, die Gesamtbewertung des Vermögens bei unveränderten Assets zu verbessern. Da institutionelle Anleger daran ein dominantes Interesse haben, schaffen sie es immer wieder, dies durchzusetzen. Ein aktuelles Beispiel bildet der Siemens Konzern. Hinsichtlich der Geschäftsbewertung wurden die kumulierten einzelnen Geschäftseinheiten vom Kapitalmarkt als wertvoller betrachtet (130 Mrd. € 2022) als der Gesamtkonzern (96,4 Mrd. €). Daher wurden umfangreiche Desinvestitionen im Sinne des Shareholder Value für notwendig erachtet. Diese betreffen die Verselbstständigung bzw. den Verkauf u. a. folgender Einheiten: – Epcos (Initial Public Offering / IPO), Infineon (IPO), Kommunikationstechnik (JV), VDO (Verkauf), IT (Verkauf), Osram (IPO), Water Technologies (Verkauf), BSH Hausgeräte (50 % Verkauf an Bosch), Stahlanlagen (Joint Venture / JV), Health­care-IT (Verkauf), Hörgeräte (Verkauf), Züge (JV Alstom), Medizintechnik (IPO / Mehrheitsbeteiligung), Kraftwerke / Windanlagen (Abspaltung zu Gamesa, Minderheitsbeteiligung). Das Gebilde bleibt dennoch sehr heterogen mit den Geschäftseinheiten Infrastruktur, Digitales, Mobilität, Medizintechnik und Digitale Transformation. Ein Gegenbeispiel war der Daimler-Konzern, wo man eine Zeitlang meinte, von Pkw bzw. Lkw über Bürokommunikation, Wehrtechnik, Raumfahrtausrüstung

6. Programmstruktur

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bis hin zu Haushaltsgeräten alles mögliche technische Gerät anbieten zu sollen. Doch der Nukleus Technik war zu schwach, um eine organische Einbindung zu erlauben. Die Folge war eine Zersplitterung der Aktivitäten und eine große Unternehmenskrise. Alle diversifizierten Bereiche wurden daher verkauft.

6.3.3 Business Migration Von Business Migration spricht man, wenn die Diversifikation nicht die Ausweitung der bestehenden Geschäftsfelder um neue zum Ziel hat, sondern den Tausch eines bestehenden Geschäftsfelds, das daraufhin verlassen wird, gegen ein neues Geschäftsfeld, das sodann den Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit bildet. Durch Überwindung von Marktaustritts- und Markteintrittsschranken ist dies für Unternehmen ab einer, allerdings hohen Mindestgröße eine weitreichende strategische Option. Ein Beispiel stellt Mannesmann dar. Dort wurde von Walzstahlerzeugung und -handel, Röhrenherstellung und Autozulieferung, alles Märkten, deren Dynamik erkennbar nachließ, auf Telekommunikation (D2) umgestellt. Ein anderes Beispiel ist Preussag, ein Rohstoffverarbeitungs- und -handelskonzern, der zwischenzeitlich komplett auf Touristik (TUI) umgestellt hat und dort gleich europäischer Marktführer geworden ist. Dazu wurden die Bereiche Stahlproduktion, Bergbau, Anlagenbau, Schiffsbau, Gebäudetechnik, Immobilien, Energie, Handel, Speziallogistik verkauft und die Bereiche Hapag-Lloyd, Touristik Union International, Thomson Travel Group, Novelles Frontiers hinzugekauft. Auch Philips vollzog in den letzten Jahren eine beeindruckende Migration. Der Elektrogerätehersteller trennte sich im Privatkundenbereich von Fernsehern, Radioweckern, Kaffeemaschinen, Mikrowellen, Heimorgeln, HiFi-Equipment, Leuchtmitteln durch Verkauf oder Auslizenzierung. Stattdessen wurden im Gewerbekundenbereich Produkte in der Medizintechnik akquiriert, aber auch solche in der Software und in der Künstlichen Intelligenz. Andere haben diesen Weg nicht geschafft, z. B. Kodak (von der chemischen Fotografie zur digitalen) oder Neckermann / Quelle (vom Katalog-Versandhaus zum Online-Versandhandel).

6.3.4 Umsetzungsformen Als allgemeine Voraussetzungen für jede Art erfolgversprechender Diversifizierung sind zu nennen: • Es muss eine attraktive Marktstruktur gegeben sein, welche die Inkaufnahme erhöhter Risiken lohnend erscheinen lässt.

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

• Eine Marktpartizipation muss realisierbar sein, d. h., das Unternehmen muss in der Lage sein, ein konkurrenzfähiges Angebot zu offerieren. • Vorhandene Marktzutrittsschranken müssen überwindbar scheinen, damit das Angebot überhaupt greifen kann. • Synergiepotenziale müssen absehbar sein, die zur Aufwandsreduktion führen. Obgleich diese sich erfahrungsgemäß nur schwer materialisieren. Es bieten sich mehrere Möglichkeiten der Vorgehensweise zur Diversifizierung an. Die aufgeführten Vor- und Nachteile zeigen, dass es hier keine Patentlösung gibt, sondern in jedem Einzelfall neu die jeweils beste Form der Umsetzung analysiert werden muss. Bei den Optionen handelt es sich im Einzelnen um: • (eigene) Produktneuentwicklung, d. h., ein Unternehmen identifiziert einen vielversprechenden neuen Produktbereich und erstellt mit eigenen Ressourcen ein Angebot dafür. Vorteile: keine Abhängigkeit von anderen Unternehmen bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen, hohe Gewinnmöglichkeit durch vollen Einbehalt von Erfolgen. Nachteile: hohes Investitionsvolumen erforderlich, das allein aufzubringen ist, langsame Realisierung durch Kapazitätsbindung im laufenden Geschäft, hohes Risiko des Fehlschlags, das ungeteilt zu tragen bleibt. • Konzentration (aktive Übernahme) durch Aufkauf eines Unternehmens, das ein neues Produkt / auf einem neuen Markt anbietet und ökonomisch lohnend erscheint. Vorteile: keine Abhängigkeit von anderen Unternehmen, die wirtschaftlich und / ​ oder rechtlich selbstständig sind, hohe Gewinnmöglichkeiten durch Zuwachs des Erfolgs des übernommenen Unternehmens, schnell realisierbar, da mit Vertragsschluss wirksam. Nachteile: hohes Investitionsvolumen erforderlich, um den Kaufpreis zu finanzieren und etwaige Nachbesserungen zu leisten, hohes Risiko des Fehlschlags durch versteckte Probleme (z. B. unterschiedliche Unternehmenskulturen) und mangelnde Synergien. • Kooperation durch freiwillige Zusammenarbeit von Unternehmen unter Erhaltung deren rechtlicher und wirtschaftlicher Selbstständigkeit auf Dauer oder aber nur sachlich / räumlich / zeitlich begrenzt. Vorteile: niedrige Kosten, da Investitionen gemeinsam getragen werden, Risikominderung durch kooperative Verteilung, schnellere Erfolge als allein, da Kapazitäten gepoolt werden können. Nachteile: hohe Abhängigkeit vom Kooperationspartner und dessen Einstellung und Leistungsfähigkeit, begrenzte Gewinnmöglichkeiten, da Profit Sharing erforderlich wird.

7. Packung

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• Joint Venture / Strategische Allianz durch fixierte Zusammenarbeit von Unternehmen durch Gründung eines Drittunternehmens (J. V.) oder selektive Zusammenarbeit von Konkurrenten auf zukünftigen Arbeitsfeldern (S. A.). Vorteile: Investitionsvolumina niedriger als bei Eigengründung, da Partner gemeinsam investieren, Risiko niedriger als bei Eigengründung, da Verluste geteilt werden, von entschlossenen Partnern zügig umzusetzen. Nachteile: starke Abhängigkeit vom gewählten Partner, da gemeinsame Investitionen Mittel auf lange Zeit binden, begrenzte Gewinnmöglichkeit, da Profit Sharing erforderlich.

7. Packung Die meisten Produkte werden mit einer umschließenden Packung versehen verkauft (Packaged Goods). Dabei sind aus technischer Sicht verschiedene Begrifflichkeiten üblich (7.1). Entscheidend aber ist, dass die Packung zentrale Funktionen in Marketing und Vertrieb übernimmt (7.2). Dabei ist in jüngster Vergangenheit, völlig zurecht, die Nachhaltigkeitsfunktion in den Mittelpunkt gerückt (7.3). Diesen Inhalten widmet sich das nachfolgende Kapitel.

7.1 Begriff 7.1.1 Abgrenzung In diesem Zusammenhang werden mindestens fünf Begriffe teilweise synonym verwendet, die sich dennoch mehr oder minder deutlich gegeneinander abtrennen. Die Packung hat als Kennzeichen, dass sie untrennbar mit dem Produkt verbunden ist. Als Wechselvokabeln werden auch Design und Styling benutzt. Beispiele sind die Shampooflasche, ohne die eine Lotion nicht verwendbar scheint. Oder die Cola-Dose, ohne die das Getränk nicht verfügbar wird. Oder die Spray-Flasche, ohne die der Haarlack nicht brauchbar ist. Insofern ist die Packung das Ergebnis der dauerhaften Vereinigung von Packgut (Produkt) und Packmittel. Die Packung umschließt das Packgut und wird von Abnehmern als Verkaufseinheit angesehen. Die Verpackung ist im Gegensatz dazu dadurch gekennzeichnet, dass sie nur abtrennbar mit dem Produkt verbunden ist und vor dessen Ge- bzw. Verbrauch entfernt werden kann / muss. Beispiele sind das Einschlagpapier einer Schokoladentafel, die Stanniolhülle bei portioniertem Speiseeis oder die Cellophanierung bei abgepacktem Obst. Kombinationsverpackungen sind aus verschiedenen Werkstoffen (Verbundstoffe) hergestellt (z. B. Milchtüten). Die Umverpackung hat logistische Gründe. Sie ist nicht Bestandteil des Produkts, sondern dient der leichteren Lagerung und dem besseren Transport bereits

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abgepackter Produkte sowie für Werbezwecke und zur Erschwerung von Diebstahl. Beispiele sind die Blisterhülle um mehrere kleine Schokoladenriegel, die ansonsten nur schwer zu handeln sind. Oder die Kartonage um den Sixpack Bierdosen, der dadurch mit einem Griff zu tragen ist oder der Stangeneinschlag für zehn Zigarettenpackungen. Man spricht hier auch vom Packstück, das lager- und versandfähig ist. Die Ausstattung dient der werblichen Aufmachung des Produkts. Denn zweifellos kommt dem Produktäußeren eine hohe akquisitorische Wirkung zu. Beispiele sind die Etikettierung der Obststeige zur Absenderkennzeichnung. Aber auch die Bauch-, Hals- und Kronkorkenetiketten bei Getränkeflaschen, sowie die Aufkleber und Deckelbedruckungen auf Joghurtbechern. Die Aufmachung ist die anlassbezogene Gestaltung eines Produkts. Darunter versteht man Produktzusätze, die auf Besonderes hinweisen. Beispiele sind Sticker zur Kennzeichnung eines Sondergebindes oder Neuprodukts. Oder die spezielle Geschenkaufmachung anlässlich Ostern, Muttertag oder Weihnachten. Oder der Zusatzhinweis auf ein positives Testergebnis. 7.1.2 Verwandte Begriffe Als weitere Begriffe, die zu unterscheiden sind, gelten folgende: • Packstoff ist der Werkstoff, aus dem Packmittel hergestellt werden, z. B. Holz, Karton, Feinstblech, Glas, Kunststoff. • Packmittel ist das Erzeugnis aus Packstoff, das dazu dient, das Packgut zu umschlie­ ßen oder zusammenzuhalten, damit es verkehrs-, lager- und verkaufsfähig wird. • Packhilfsmittel ist der Sammelbegriff für Hilfsstoffe, die zusammen mit Packmitteln zum Verpacken, Verschließen, Versandfertigmachen etc. eines Packstückes dienen. • Packgut ist das Gut, das zu verpacken oder verpackt ist. • Lade-, Transport-, Lagereinheit ist die Zusammenfassung von Einzel-, Mehrstück-, Kombinations-, Sammelpackungen und / oder Versandpackungen zu größeren, maßlich genormten oder standardisierten Einheiten, z. B. durch Einschrumpfen, Pakettieren, Palettieren, Abfüllen in Behältern, Containern etc. Ergebnis ist ein (versandfertiges) Packstück. In der Praxis sind aber noch weitere Begriffe üblich. So unterteilt man nach • Transportverpackung. Diese bewahrt Waren auf dem Weg vom Erzeuger zum Abnehmer vor Schäden. Sie erleichtert Handling und Sicherung des Transports sowie Lagerung und Platzierung auf den Handelsstufen. • Versandverpackung. Dies ist eine Transportverpackung, die mehrere Einzelverpackungen enthalten und Mehrweg oder Einweg ausgelegt sein kann. Für Einwegverpackungen gilt, dass

7. Packung

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– Verbundstoffe tunlichst zu vermeiden sind, – sofern Verbundstoffe eingesetzt werden, diese leicht trennbar sein sollen, – Papier, Karton, Pappe oder Wellpappe als Material bevorzugt werden sollen, – Kunststoffe gesondert zu kennzeichnen sind, – Packhilfsmittel die Wiederverwertung (Recycling) nicht behindern dürfen, – Druckfarben umweltverträglich sein müssen, – diese zur Präsentation geeignet und partiell gestaltet sein sollen (um Unterverpackungen zu vermeiden). Der Handel fordert zudem von Versandverpackungen, dass diese leicht und ohne Hilfsmittel zu öffnen sein sollen, jede Einzelpackung durch Preisetikettenauszeichner erreichbar ist, alle technischen Angaben und Abmessungen (ISO) eingehalten werden sowie nach Gebrauch schnell und ohne Hilfsmittel zusammengelegt werden können. • Ladungsträger. Darunter versteht man Transportverpackungen, mit denen innerhalb der Logistikkette mehrere Versandverpackungen üblicherweise transportiert, gelagert und platziert werden, also z. B. Europaletten, Container, Display­kartons. Hier ist ein Mehrwegeinsatz sowie die Einhaltung standardisierter Abmessungen bzw. Füllungen wünschenswert. • Ladungssicherung. Dies sind alle Packmittel und Packhilfsmittel, die zur Siche­ rung der Versandverpackungen auf den Ladungsträgern verwendet werden. Diese sollen dabei auf ein Minimum beschränkt, wiederverwendbar oder wiederverwertbar ausgelegt sein sowie schnell und ohne Hilfsmittel entfernt werden können. Die Einzelpackungen selbst sollen schließlich – nach ihrer Art gesondert gekennzeichnet sein, – ihren Raum optimal für das Packgut nutzen und flächen- bzw. raumoptimiert ausgelegt sein, – alle gesetzlichen und darüber hinaus die handelsrelevanten Deklarationen tragen, – die Verwendung von Nachfüllpacks ermöglichen und Doppelpackungsaufwand vermeiden. Im Folgenden wird nun der Einfachheit halber der Begriff Packung als Sammel­ begriff verwendet. Spezielle Aspekte werden jeweils gesondert herausgestellt.

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7.2 Funktionen 7.2.1 Rationalisierung Der Packung kommen vielfältige Funktionen beim Warenweg zwischen Hersteller und Absatzmittler, beim Verkaufsvorgang im Handel und beim Ge- bzw. Verbrauch durch Abnehmer zu. Im Einzelnen handelt es sich um Rationalisierungs-, Kommunikations- und Verwendungserleichterungsfunktionen. In der Summe dienen diese Funktionen der Ermöglichung bzw. Steigerung der Verkehrsfähigkeit eines Produkts, sind also grundlegend für dessen potenziellen Markterfolg (siehe Abbildung 84: Packungsfunktionen).

Abbildung 84: Packungsfunktionen

Die Rationalisierungsfunktion der Packung drückt sich in Bezug auf Logistik, Dimensionierung und Information aus. Zur Logistik gehören folgende Teilfunktionen: • Transportverbesserung durch Manipulationserleichterung bzw. -reduzierung betrifft die Anforderungen der Stabilität, Greifbarkeit, Kippsicherheit etc. Da immer mehr Produkte über immer weitere Entfernungen transportiert werden, kann hier

7. Packung

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durch schlüssige Berücksichtigung bereits die Grundlage für Absatzmittler- bzw. -helferakzeptanz und niedrige Ausfallrate gelegt werden. • Zur Verbesserung der Lagerfähigkeit / Lagerkontrolle gehört die Scanningfähigkeit. Dazu bedarf es einer glatten, gut zugänglichen Fläche zum Auftrag des Strichcodes. Oder die Sicherheit vor versehentlicher Öffnung, vor Schwund und Diebstahl. Dies wird durch Öffnungssicherungen, durch Abschluss der Ware vom Umfeld oder durch Flächen-/Volumenvergrößerung erreicht. • Zur Robustheit der Packung gehört der Schutz vor Außeneinwirkungen wie Hitze, Kälte, Staub, Nässe etc. Aber auch der mechanische Schutz vor Stoß, Erschütterung, Druck etc. Logistische Rationalisierung führt oft zu wenig feinfühliger Manipulation der Ware. Dabei muss die Packung den Inhalt vor Einschränkung der Gebrauchseignung wirksam schützen. • Die Stapelbarkeit der Packung gilt sowohl im Lager als auch im Verkaufsraum, da moderne Betriebsformen des Handels praktisch lagerlos arbeiten. Dies beinhaltet eine günstige Relation zwischen Standfläche und Packungshöhe, Materialverstärkungen an den Kanten und Ecken sowie eine dichte Füllung. Zur Dimensionierung gehören folgende Teilfunktionen: • Bei der Mengeneinteilung sorgen verschiedene Inhaltsgrößen für die bedarfsgerechte Portionierung von Produkten. Der Käufer kann die ihm jeweils sinnvoll erscheinende Menge wählen, wobei sich ein Widerspruch zwischen dem Trend zu Einpersonenhaushalten auf der einen und Großpackungen mit Ersparnisvorteil auf der anderen Seite ergibt. • Unter Gebindegröße sind Multipacks zu verstehen, die mehrere selbstständige Einzelprodukte zu einer Einheit verbinden. Dies geschieht meist, um den Absatz zu forcieren, da gekaufte Produkte wohl auch verbraucht werden, oder um den Eindruck besonderer Preisgünstigkeit zu suggerieren. Problematisch ist allerdings der dabei meist auftretende Doppelpackungsaufwand. • Für die Abfüllungsnormierung sind weitgehend einheitliche Abfüllgrößen bzw. die deutliche Kennzeichnung der Abfüllung auf der Packung bei abweichenden Größen vorgesehen. Damit soll der Gefahr einer Irreführung des Publikums dadurch vorgebeugt werden, dass unterschiedliche Füllmengen / Gewichte keinen überschaubaren Preisvergleich mehr zulassen. • Hinsichtlich der Regalraumnutzung nutzen beispielsweise quaderförmige Joghurtbecher den ohnehin äußerst knappen Platz in der Kühltruhe besser aus als die herkömmlichen kegelstumpfförmigen Behältnisse. Dies trifft vor allem auf besonders aufwändige, maschinell unterstützte Präsentationen zu. Runde Behältnisse führen dann dazu, dass viel ungenutzte Fläche zu finanzieren ist. Zur Information gehören folgende Teilfunktionen: • Die Warenwirtschaft betrifft technische Angaben, vor allem den unvermeidlichen Strichcode für die Scanner-Einlesung. Entsprechender Platz muss, zumindest

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derzeit noch, auf allen Packungen vorgesehen sein. Außerdem gehören dazu Angaben über Bestellnummer, Packungskonsistenz, Recyclingfähigkeit etc. • In Zusammenhang mit der Anwendungssphäre geht es um Hinweise betreffend Einsatz des Produkts, z. B. Indikation bei Arzneimitteln, Nutzung, z. B. Hauttyp bei Kosmetika, Mischung, z. B. Blend bei Kaffees, Intensität, z. B. Dosierung bei Waschmitteln etc. Aber auch für dessen Zubereitung, z. B. bei Fertigsuppen, Zutaten, z. B. bei Speiseeis, Servierung, z. B. bei Kuchenmischungen oder Aufbewahrung, z. B. bei Gebäck. • Zu den Pflichtangaben gehören die Texte für Inhaltsangabe, z. B. Nährwerte, chemische Analyse, Haltbarkeit / Verfallsdatum, Gefahrenzeichen bei gefahrengeneigten Produkten, Warenzeichen bzw. Lizenznehmer. Einfluss darauf nehmen zahlreiche Gesetze. • Die Produktbezeichnung leistet die Wiedererkennbarkeit aus dem Relevant Set der Gedächtnisleistung sowie auch die relative Position innerhalb einer Produkthierarchie oder -varietät. Dies gilt etwa für semantisch bedeutsame Zusätze wie Krönung, Gala, Super etc. oder Light, Extra, Normal etc. Somit können mehrere Einzelprodukte gegeneinander differenziert werden. Bei den bisher genannten handelt es sich um originäre Packungsleistungen, die zwar vielfältige, letztlich aber begrenzte Möglichkeiten der Leistungsdifferenzierung bieten. Dieser Funktion kommt nun die Kommunikation nach. 7.2.2 Kommunikation Die Kommunikationsfunktion der Packung drückt sich in Bezug auf Präsentation, Verkaufserleichterung und Qualitätsauslobung aus. Zur Präsentation gehören folgende Teilfunktionen: • Anmutung in der Zielgruppe. Hierbei kommt der Packung eine besonders wichtige Aufgabe zu. Bei objektiv oder subjektiv neuen Produkten wird mangels eigener oder anderweitiger Erfahrung von der Packung auf das darin befindliche Produkt geschlossen. Deshalb ist es entscheidend, dass die Packung die Anmutung vermittelt, die mit dem Produkt gemeint ist, statt missverständliche oder falsche Signale zu geben. Dies führt zur Kaufverweigerung in der Zielgruppe und zur Produktenttäuschung, die in Markenwechsel mündet. • Differenzierung / Identifizierung durch Farbgebung, Schrifttyp, Oberfläche, Material etc. Denn die Packung muss nicht nur den zutreffenden Wertausdruck vermitteln, sondern darüber hinaus noch die Absetzung vom Mitbewerb erreichen. Einerseits sind dafür zahlreiche Restriktionen gegeben, andererseits aber auch beinahe unendliche Möglichkeiten.

7. Packung

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Zur Verkaufsfähigkeit gehören folgende Teilfunktionen: • Auffälligkeit zur Selbstverkäuflichkeit. Große Teile des Angebots, vor allem Konsumprodukte, werden heute über Selbstwahl durch die Kunden entschieden. Von daher kommt der Packung eine hohe akquisitorische Bedeutung zu (Kaufaufforderung). Sie muss praktisch aus dem Regal heraus „Kauf mich!“ rufen und sich dabei nicht nur gegen alle anderen Packungen durchsetzen, sondern auch gegen vielfältige Ablenkungen. • Werbeaussage. Diese ist besonders bei durch Massenkommunikation beworbenen Produkten wichtig. Sie stellt die Verbindung zwischen gelernter Botschaft aus den Medien und dazugehörigem Produkt am POS her. Im Rahmen der kommunikativen Verkettung gehören Auslobungen über Material, Rohstoff, Güte, Verfahren, Technologie, Know-how, Wirkung, Komposition, Effekt etc. zu wesentlichen Argumenten. Zur Qualitätsauslobung gehören folgende Teilfunktionen: • Markierung. Dies meint die deutliche Absenderkennzeichnung in Form eines Markenzeichens und -namens, dem überragende akquisitorische Wirkung zukommen kann, indem von der bekannten / vertrauten Marke auf der verschlossenen Packung auf die Qualität des beinhalteten Produkts geschlossen wird. Dem liegt zugleich eine Konditionierung der Entscheidung zugrunde. • Herkunftskennzeichnung. Dies meint die technische Herstellerangabe mit Firmierung, Ort etc. Diese sind im Gegensatz zur Marke nur von untergeordneter Bedeutung. Oft wirken sie auch regelrecht desillusionierend, wenn z. B. die Alpenvollmilchschokolade aus Bremen kommt, statt wie vermutet und werblich suggeriert aus dem Alpenhochland. Allerdings ist der Country of Origin-Effekt gelegentlich von hoher Bedeutung.

7.2.3 Verwendungserleichterung Die Verwendungserleichterungsfunktion (Convenience) der Packung drückt sich in Bezug auf drei Faktoren aus, und zwar der • Dosierung für Verbrauch oder Entnahme. So geben Packungen teilweise die Portionierung vor und vereinfachen damit die Nutzung bzw. das Öffnen und Verschließen. Zu denken ist an die Perforierung oder Ausstanzung einzelner Produkteinheiten etwa bei Tabletten, an Bruchstege etwa bei Schokoladentafeln oder Messbehältnisse etwa bei Flüssigwaschmitteln. Dadurch wird der prak­ tische Gebrauchsnutzen konkret gesteigert. • Mehrfachnutzung durch schützende Aufbewahrung. Dies gilt z. B. für alle Packungen, die wiederverschließbar sind und damit nach Entnahme eine leichte spätere Nutzung ermöglichen. Dazu dienen etwa Adhäsionsverschlüsse, Ver-

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schlussklappen, Schraubkappen, aufklappbare Deckel etc. Dies gilt für alle Produkte, die nicht in einem Zug verbraucht werden, sondern zeitlich gestreckt und ist konstitutiv wichtig bei verderblichen Waren. • Sichtbarkeit des Inhalts. Damit kann nicht nur der Füllstand kontrolliert werden, sondern auch der Zustand des Innern. Daraus ergibt sich das Signal zur Ersatzbeschaffung oder zum forcierten bzw. gestreckten Verbrauch bzw. der Nachfüllung. Die Sichtbarkeit wird meist über transparente Folien, Sichtöffnungen oder durchscheinendes Material erreicht.

7.3 Nachhaltigkeit Zur Durchsetzung einer nachhaltigen Betriebsführung sind allgemein drei grundlegende Prinzipien erforderlich: • Das Verantwortungsprinzip steht für die intragenerative, d. h. innerhalb einer Generation betrachtete und die intergenerative, d. h. zwischen den Generationen betrachtete Gerechtigkeit. Das bedeutet, dass diejenigen, denen dies zumutbar ist, auf eigene Vorteile zugunsten der Wahrung der Rechte Anderer und Nachfolgender verzichten. • Das Interaktionsprinzip besagt, dass stark arbeitsteilig agierende Unternehmen und Organisationen eine enge Partnerschaft eingehen sollen, um umweltgerechte und ökonomisch sinnvolle Lösungen über die komplette Wertschöpfungskette hinweg zu entwickeln. • Das Kreislaufprinzip strebt an, bereits verbrauchte Ressourcen zu regenerieren, etwa Altprodukte, Produktionsrückstände, Verpackungen etc. Dadurch kann der Ressourcenverbrauch trotz Wirtschaftswachstum gesichert oder zumindest Zeit bis zur Erreichung besserer Erkenntnisse gewonnen werden. Speziell das Kreislaufprinzip drückt sich als wiederholte oder ausgedehnte Verwertung und Verwendung aus: • Verwertung ist jedes Verfahren, als dessen Hauptergebnis Abfälle innerhalb einer Anlage oder in der weiteren Wirtschaft einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem sie andere Materialen ersetzen. • Verwendung ist jedes Verfahren, durch das Abfälle zu Erzeugnissen, Materialien oder Stoffen entweder für den ursprünglichen oder einen anderen Zweck aufbereitet werden. Dabei gibt es folgende Optionen in der Kreislaufwirtschaft nach der Vermeidung /  Verminderung (Reduce) von Abfällen: • Priorität genießt die Wiederverwendung (Reuse) von unveränderten Materialien bei unverändertem Einsatzzweck, z. B. Mehrwegflaschen zur Wiederbefüllung.

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• Es folgt die Wiederverwertung (Recycling) bei verändertem Material und unverändertem Einsatzzweck, z. B. Recycling der zweiten oder höheren Generation (allerdings mit praktischen Grenzen). • Es folgt weiterhin die Weiterverwendung bei unverändertem Material für einen vom Ersteinsatzzweck verschiedenen Zweck, z. B. als Zweitnutzenverpackung. • Schließlich folgt die Weiterverwertung bei verändertem Material für einen vom Ersteinsatzzweck verschiedenen Zweck, z. B. Straßenpoller aus Abfall. Erst danach folgt die geregelte Abfallentsorgung. Die Kodifizierung dieser Optionen erfolgt in Deutschland im Kreislaufwirtschaftsgesetz als Teil der EU-Abfallrahmenrichtlinie zur Abfallbewirtschaftung. Es kennt die Priorität der Abfallvermeidung vor der Abfallverwertung / -verwendung vor der Abfallbeseitigung. Diejenige Maßnahme soll dabei Vorrang haben, die dem Schutz von Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen unter Berücksichtigung des Vorsorge- und Nachhaltigkeitsprinzips am besten dient. Dabei sind die technischen Möglichkeiten, die wirtschaftliche Zumutbarkeit und die sozialen Folgen zu beachten. Zur Abfallbewirtschaftung gehören neben der Verwertung / Verwendung auch die Bereitstellung, Überlassung, Sammlung, Beförderung oder Beseitigung von Abfällen incl. der Überwachung der jeweiligen Verfahren. Alle Verfahren, die nicht Verwertung oder Verwendung sind, stellen Beseitigung dar. Die Abfälle werden dann auf Deponien oberhalb und unterhalb der Erdoberfläche gelagert. Erzeuger von Abfällen ist jede natürliche oder juristische Person, welche die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat. Zur Verursachungsgerechtigkeit gehört, dass Erzeuger und Besitzer zur Verwertung / Verwendung verpflichtet sind. Damit dieser Kreislauf funktioniert, ist eine aufwändige physische Redistribution (Reverse Logistics) erforderlich. Diese ist in neuerer Zeit noch um den Aspekt der Retourenlogistik zu ergänzen, vor allem die Rückgabe von Waren incl. Verpackung aus dem E-Commerce (lt. Fernabsatzrichtlinie). Diese machen je nach Warengruppe bis zu 50 % des Versandvolumens aus. Das Bewusstsein um eine verantwortungsvolle Balance zwischen ökonomischen und ökologischen Ansprüchen i. S. v. nachhaltigen Konzepten ist sowohl in der Gesellschaft als auch bei den Unternehmen, jeweils von unrühmlichen Ausnahmen abgesehen, sehr weit fortgeschritten. Speziell das Recycling umfasst Produktionsabfälle, Produkte und Altstoffe. Produktionsabfallrecycling betrifft Rückstände, die bei der Produktion entstehen. Dabei kann es sich um Abfall, Abwasser oder Abluft handeln. In jedem Fall sind diese unerwünscht. Produktrecycling betrifft die • Folgenutzung von Produkten am Ende ihrer Nutzungsdauer, wobei diese zumeist nicht die tatsächliche Haltbarkeitsdauer bedeutet (Obsoleszenz), • Instandsetzung mittels Demontage, Reinigung, Prüfung, Bauteileaufarbeitung bzw. -ersatz und Wiedermontage.

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Beim Upcycling wird eine Wertsteigerung des Produkts erreicht, durch Down­ cycling ein Werterhalt des Produkts. Dies setzt eine Konstruktion für gute Demontagefähigkeit (Design to Disassembly) voraus. Produktrückstände (Altstoffe) sind teilweise systematisch zu entsorgen (Elektronikschrott, Altautos, Batterien etc.). Allerdings ergeben sich dabei technisch-funktionale Grenzen für ein Re­cycling (Kaskadenprinzip). Die Handlungsgrundsätze schlagen sich in betrieblichen Umweltleitlinien nieder. Inhalte sind vor allem die Anerkennung der umweltpolitischen Verantwortung des Unternehmens, die verantwortungsbewusste Nutzung von Ressourcen, die aktive Problemlösungssuche nach umweltkompatiblen Produkten, Produktions- und Entsorgungsverfahren, das Streben nach integrierten Umweltschutzkonzepten, der kooperative Informationsaustausch mit gesellschaftlich relevanten Gruppen und die mindestens gleichrangige Gewichtung ökologischer, sozialer, ethischer (ESG) und wirtschaftlicher Ziele. Zum Grundverständnis gehört dabei, dass Unternehmen der Gesellschaft zu dienen haben. Die Unternehmensführung muss für zukünftige Generationen eine lebenswerte Umwelt sichern und das Wissen und die Mittel, die ihr anvertraut sind, zum Besten der Gesellschaft nutzen (Davoser Manifest). Im Regelfall ist diese Philosophie in einer Unternehmensverfassung kodifiziert. Diese baut vor allem auf CSR auf. Corporate Social Responsibility (CSR) stellt die dreifache Verantwortung von Unternehmen in den Mittelpunkt (Triple Bottom Line), nämlich die ökonomische, die ökologische und die soziale. Die ökonomischen Größen sind traditionell ohnehin Inhalt des Managements. Hinzu kommt die ökologische Verantwortung, die durch Ökobilanzen analog der Lebenszykluskostenrechnung und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen erfasst wird. Dazu gehören im Einzelnen Größen wie Rohstoffe, Energieflüsse, Materialströme, Luft-/Wasseremissionen, Flächennutzung, Agrarnutzungsintensität, Abwasser, Abfall, Waldflächen etc. Ziel ist es dabei, die Nachhaltigkeit der Unternehmensführung sicher zu stellen. Das heißt, CSR gibt Leitlinien für erwünschtes Verhalten und Grenzen für unerwünschtes Verhalten von Unternehmen und Organisationen vor. Aktive Unternehmen werden den genannten Anforderungen bereits vielfach ge­recht, so durch • die Reduktion ihres Energie- und Rohstoffverbrauchs in der Produktion, • die Erfassung und Verrechnung der betrieblichen Umweltschutzkosten, • umweltfreundlich gestaltete Produkte, • interne Wertstoff-Kreislauf-Prozesse, • umweltgerechte Verpackungs- und Packungsgestaltung, • durchgängige Organisation des Umweltschutzes im Betrieb,

8. Kundendienst

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• Abbildung dieser Aktivitäten in einem ökologischen Informationssystem, • Übernahme von Folgekosten der Entsorgung, • Sponsoring von Umweltschutzmaßnahmen. Eine wesentliche Verantwortung übernimmt aber auch die Verpackungstechnik. Hier hat die Verpackungsverordnung gesetzliche Grundlagen geschaffen. Danach sind die „Inverkehrbringenden“ verpflichtet, sich bei einer Zentralstelle mit detaillierten Angaben, insb. Verpackungsmengen, registrieren zu lassen (Produktverantwortung). Zudem gelten erhöhte Verwertungsquoten für Glas, Papier / Pappe / Karton, Eisenmetalle und Aluminium. Modulierte Lizenzentgelte belohnen die Einhaltung ökologischer Kriterien. Die Regelungen gelten auch für Um- und Versandverpackungen. Die im Gesetz vorgesehene Freistellung von der Rücknahme- und Pfandpflicht auf bestimmte Verpackungsarten für den Fall eines privatwirtschaftlichen Aufbaus von Rückführungssystemen (Sammlung, Sortierung, Verwertung) dieser Verpackungen in eigener Regie führte seinerzeit zur Gründung des Dualen Systems Deutschland (DSD) als Trägerorganisation. Dual bedeutet, es geht nur um die private Entsorgung und Verwertung von Verpackungsabfällen, daneben wird der restliche Hausmüll weiterhin als kommunale Entsorgungsaufgabe erledigt. Die Kosten dieses Systems werden an die privaten Endabnehmer im Kaufpreis übergewälzt. Recyclingfähige Produkte sind am grünen Punkt erkennbar. Für diese ist der Handel von einer Rücknahmepflicht entbunden. Das DSD vergibt seine Aufgaben durch Ausschreibung an Sublieferanten.

8. Kundendienst Dienstleistungen können produktverbunden oder produktunverbunden angelegt sein. Zum Kundendienst gehören nur produktverbundene Dienstleistungen (produktunverbundene Kundendienste sind selbstständige Dienstleistungen, s. u.). Dem Kundendienst (auch Service) kommt eine zunehmend wichtige Bedeutung zu. Denn das sachliche Produktangebot an sich ist in immer häufigerem Maße austauschbar (Me too). Damit liegt in der sachlichen Produktleistung allein nicht unbedingt mehr ein Angebotsvorsprung. Dieser kann aber zunehmend noch durch begleitende Kundendienste erzielt werden. Angebotsbündel bestehen daher heute immer mehr aus dem Produkt selbst und begleitendem Service. Erst das aufeinander abgestimmte Paket beider Komponenten vermag am Markt noch Vorsprünge zu realisieren. Dies gilt z. B. auch im Industriegüterbereich, wo nutzenbezogenes Systems Selling, also der gemeinsame Verkauf von Hardware-Software-Bündeln, etwaige Preisvorteile von Mitbewerbern überkompensieren kann. Doch guter Kundendienst ist nur schwer zu gewährleisten. Das liegt zum einen an den aus Service entstehenden Kosten. Denn Kundendienst ist häufig mit per-

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sönlichem Arbeitseinsatz verbunden. Und Arbeitszeit ist teuer. Damit bedeutet Kundendienst sogleich meist eine erhebliche Kalkulationsbelastung. Zum anderen ist das Serviceniveau nur schwer konstant zu gewährleisten. Denn Arbeitsleistung unterliegt natürlichen Schwankungen. Nur in wenigen Fällen gelingt es, Kundendienste auf hohem Niveau zu standardisieren. Doch erwachsen daraus dann ganz konkrete Konkurrenzvorteile wie Präferenzaufbau, Kundenbindung, Imageaufwertung, Profilierung, Käuferzufriedenheit etc. Services können im Privatkunden- oder im Gewerbekundenbereich anfallen (8.1 + 8.2).

8.1 Privatkundendienste Kundendienste bei privaten Endabnehmern lassen sich im Wesentlichen nach zwei Dimensionen einteilen. Zunächst nach dem Inhalt in • personenbezogenen Service wie Kostenvoranschlag, Kreditierung, Kaufberatung, Zustellung, Kulanz, Umtauschmöglichkeit, Bestelldienst, Probelieferung, • technikbezogenen Service wie Montage, Reparatur, Wartung, Ersatzteilversorgung, Inspektion, Änderungsdienst, Demontage alter Teile, Bedienungsanleitung. Sodann nach der Zeit ihrer Erbringung in Relation zum Kaufakt, mit dem sie in Verbindung stehen, als • Pre Sales Service, z. B. Annahme telefonischer Bestellung, dekorative Schaufensterauslage, Parkraum im Handel, • At Sales Service, z. B. kostenloses Parken, Restaurant, Anproberäume, Inzahlungnahme, • After Sales Service, z. B. Zustellung, Verpackung, Nachnahmelieferung. Die Subinstrumente zur Gestaltung der Kundendienstleistungen sind vielfältig. Sie erlauben eine individuelle Feinjustierung der Services auf die jeweiligen Belange der Kunden und des Unternehmens. Dabei kommt als Parameter zunächst das Kundendienstangebot in Betracht. Hierbei kann sinnvollerweise unterschieden werden nach der Verbindlichkeit in • Mussleistungen z. B. Reparaturen innerhalb der Garantiezeit, Ersatzteilversorgung, • Sollleistungen z. B. Reparaturen außerhalb der Garantiezeit, Installation, • Kannleistungen z. B. Kundenschulung, Wartungsvertrag, 24-Stunden-Service, Hotline. Außerdem nach der Qualität des Kundendienstes. Hierzu gehören Anforderungen wie

8. Kundendienst

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• Schnelligkeit, Sorgfalt, Sachkenntnis, Zuverlässigkeit, Terminwahrung, Zuvorkommenheit, Preiswürdigkeit. Einen weiteren Parameter stellt die Kundendienstverfügbarkeit dar. Hier ist zu unterscheiden nach • dem Kundendienstträger, dabei kann es sich fallweise handeln um Hersteller, Servicepool, Handel oder Handwerk, • der Kundendienstlogistik, dabei geht es, wie allgemein in der Logistik, um die Bereitstellung der richtigen Kundendienstleistung, zum richtigen Zeitpunkt, im richtigen Umfang, am richtigen Ort, • der Kundendienstorganisation, die je nach Bedarf zentral oder dezentral, d. h. über Kundendienst-Stützpunkte, erfolgen kann. Hinsichtlich der Kundendienstgegenleistung kann man unterscheiden nach • dem Listenpreis. Dieser lässt Spielraum für mehrere Möglichkeiten, so bei der Verrechnung direkt, d. h. mit entsprechendem Ausweis auf der Rechnung, oder indirekt, d. h. scheinbar kostenlos für den Verwender. Oder nach dem Ausweis als Pauschale für standardisierte Leistungen, als Teilpauschale plus einer angemessenen Selbstbeteiligung, individuell, d. h. auf Einzelkalkulationsbasis per Kostenvoranschlag, oder im Produktpreis enthalten, d. h. durch Verrechnung aus Erfahrungswerten. Die Betragshöhe kann dabei gewinnbringend, vollkostendeckend oder teilkostendeckend (akquisitorisch) kalkuliert sein. • den Konditionen (Lieferungs- und Zahlungsbedingungen). Dazu gehören die vertragliche Bindung in die Ausgestaltung als Bring in-Vertrag, Inspektionsvertrag, Wartungsabkommen, Instandhaltungsvereinbarung, Kalibrierungsvertrag, Kundenbetreuungsvertrag, Einsatzbetreuung vor Ort etc. Schließlich kommt als letzter Parameter die Kundendienstinformation in Betracht. Diese lässt sich unterscheiden nach • der Kundendienstwerbung durch die Auswahl der Werbeaussage sowie ihrer Werbemittel/-träger (online / offline), • dem Persönlichem Verkauf als indirektem Verkauf des Kundendienstes durch primäre Beratung oder direktem Verkauf des Kundendienstes als Hauptleistung, • der endabnehmer-, absatzmittler-, mitarbeiterorientierten Absatzförderung und der Öffentlichkeitsarbeit.

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

8.2 Gewerbekundendienste Als gewerbliche Abnehmer sind sowohl Wiederverkäufer als auch gewerbliche Endabnehmer anzusehen. Der Kundendienst gegenüber Absatzmittlern beinhaltet etwa folgende Leistungen: • Information und Beratung in Bezug auf Gesamtsortiment, Preis, Konditionen, Marktlage, Konkurrenzsituation, Verkaufsaktionen, Liefermenge, optimales Auftragslos, • Schulung und Einweisung des Personals hinsichtlich Verkaufsargumentation, Produktvorteil, Bedienung, Funktionsfähigkeitsprüfung, Reparatur- und Unterhaltungsarbeiten, • Zustellung, Abstimmung des Liefertermins, sachgerechte Verpackung, Rücknahme von Leergut und beschädigten Produkten, Merchandising, • Unterhalt-, Ersatzteil-, Garantieservice durch Übernahme von Wartungs- und Reparaturdiensten für den Händler, Vergütung der vom Händler vorgenommenen Wartungs- und Garantiearbeiten, Rückgabe veralteter Produkte, Reklamationsbearbeitung, Garantien für Qualität, Menge, Haltbarkeit, Reinheit, Typenkonformität, Warenursprung etc. Beim Kundendienst gegenüber gewerblichen Endverwendern sind u. a. folgende Leistungen zu nennen: • Information und Beratung in Bezug auf Verwendungszweck, Betriebs- und Wartungskosten, Qualität, Haltbarkeit, Liefertermin, Preis, Konditionen, Finanzierungs- und Umtauschmöglichkeit, Berücksichtigung von Sonderwünschen, • Instruktion künftiger Verwender in Bezug auf Installation / Ingebrauchnahme, Bedienung, Wartung, Reparatur, Warnung vor falscher Anwendung, Unfallverhütung, Verhalten bei Schadensfällen, Rezeptur bei Verbrauchsgütern, • Abstimmung des Liefertermins und -ortes, Montage, Installation, Probelauf, Inbetriebsetzung, Managementunterstützung, Rücknahme von Packmaterial, • Wartungs- und Inspektionsdienste, Gewährleistung festen Reparaturpreises und von Ersatzteilen, Abschluss eines Wartungsabonnements, Haltbarkeits-, Qualitäts-, Reinheits-, Typenkonformität, Ersatzteillieferung, Leihgerät etc. Im B-t-B-Bereich sind Sachleistungen ohne begleitende Kundendienste kaum mehr wettbewerbsfähig anbietbar. Ein Beispiel ist das Flottenmanagement der Automobilhersteller, bei dem größte Teile der Wertschöpfung durch Dienstleistungen wie Kraftstoffkosten-Abrechnung, Versicherungsoptimierung, Reporting, Reparatur / Wartung, Fahrzeugbewertung/-verwertung etc. erreicht werden.

9. Produktqualität

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9. Produktqualität Die Produktqualität steht seit dem Erfolgsweg der japanischen Wirtschaft Ende des letzten Jahrhunderts im Blickpunkt. Vorher war in der westlichen Wirtschaftswelt eine gute Durchschnittsqualität als ausreichend angesehen worden. Gefürchtet wurde, dass die Mehrkosten für exzellente Qualität mangels Evidenz von Abnehmern nicht im Mehrpreis monetarisiert werden konnten. Die Prosperität japanischer Anbieter zeigte jedoch, dass sich mit deutlich besserer Qualität sehr wohl gutes Geld verdienen ließ. Allerdings setzte dies eine Beherrschung der Produktionsprozesse voraus, die daher die Orientierung am Ergebnis konsequent ablöste. Die exzessive Qualitätsanforderung wurde jedoch erst durch den Einsatz umfangreicher Qualitätswerkzeuge realisierbar. Produktqualität ist aber nicht Selbstzweck, sondern hat neben der im Marketing primären Erlösseite immer auch die Kostenseite im Blick. Wesentliche Kostentreiber sind dabei Fehler. Zunächst werden im Folgenden die Dimensionen der Qualität aufgezeigt (9.1), danach wird vermittelt, wie Qualität prozessbegleitend gesichert werden kann (9.2).

9.1 Dimensionen Unter Qualität versteht man allgemein die Fähigkeit eines Anbieters, die Beschaffenheit seiner Produkte gemäß den Kundenerwartungen auf einem bestimmten Anspruchsniveau zu sichern. Sie bestimmt sich durch die Summe der Eigenschaften und Merkmale des Produkts, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Insofern unterscheiden sich die Anbieter- und die Nachfragersicht von Produktqualität: • Aus Anbietersicht ist die Qualität objektiv einwandfrei, wenn sie vorausgesetzten Anforderungen (Produktpass) entspricht. Dies ist der Fall, wenn die Spezifikationen auf dem Accetable Quality Level (AQL) eingehalten werden. • Aus Nachfragersicht kann Qualität aber mangels detaillierter Kenntnis häufig allenfalls über abgeleitete Faktoren vermutet werden. Diese Qualitätsvermutung von Nachfragern setzt noch keine Erfahrung mit einem Angebot / Anbieter voraus. Vielmehr können Qualitätseinschätzungen auch für solche Angebote bestehen, zu denen bisher noch kein Kontakt vorhanden war. Im Markt dominiert die kundenbezogene und subjektive Sicht, d. h., Qualität definiert sich, anders als im technischen Bereich, allein aus Sicht der prospektiven Nachfrager (teleologisch), nicht aus der des Anbieters, und ist dementsprechend individuell konditioniert. Dabei sind wiederum externe und interne Kunden zu unterscheiden, externe Kunden sind auch alle potenziellen Kunden etwa in Bezug auf die gesellschaftliche Verantwortung, interne Kunden sind hingegen nicht notwendigerweise Käufer, wohl aber Empfänger von Leistungen. Wichtig ist, dass je-

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

dem Lieferanten die Erwartungen seiner Kunden bekannt sind. Qualität für interne Kunden ist damit Voraussetzung der Qualität für externe Kunden. Wichtig ist, von Anbeginn der Marktpräsenz an eine hohe und konstante Qualität zu sichern. Dazu dienen Verfahren des Qualitätsmanagements. Sie basieren auf folgenden Kernnormen: • DIN EN ISO 9000:2015 beschreibt die Rahmenbedingungen für ein Qualitätsmanagementsystem, • 9001:2015 ist die relevante Norm für die Zertifizierung eines Qualitätsmanagementsystems (Inhalte: Kontext der Organisation, Führung, Planung, Unterstützung, Betrieb, Leistungsbewertung, Verbesserung), • 9004:2018 ist ein Leitfaden für die eigenständige Weiterentwicklung (Inhalte: Leitung / Lenkung, Strategie / Politik, Ressourcen, Überwachung / Messung / Analyse / Bewertung, Verbesserung / Innovation / Lernen), • 19011:2011 ist ein Leitfaden zur Durchführung von internen Audits des Qualitätsmanagements, insb. Umwelt. Qualität muss sich zur Abwehr von Gefahren auf die gesamte Wertschöpfungskette und vor allem das eigene Unternehmen beziehen (Total Quality Management /  TQM). Dabei geht es um Vorbeugemaßnahmen zur Vermeidung von Fehlqualität und um den Wegfall von Kostenbelastungen ansonsten erforderlicher Prüfmaßnahmen zur Ermittlung von Fehlern sowie um Selektionsmaßnahmen zur Minimierung von Ausschuss, Nachbearbeitung und Garantieleistung. Qualität betrifft die Eignung eines Angebots, dem intendierten Einsatz hinsichtlich zwei Kriterien zu genügen, und zwar • gebrauchstechnisch, d. h. in Bezug auf Leistungselemente (Was wird geleistet?). Die Absicherung dieser Eigenschaften erfolgt durch Garantie und / oder Gütezeichen. Zur Vermeidung von Reklamationen ist eine strikte Kontrolle der Qualität (Total Quality Management) erforderlich. • affektiv, d. h. in Bezug auf Leistungsausführung (Wie wird geleistet?). Dies betrifft kulturelle und soziale Dimensionen, also Lebenswelt und Profilierung, und drückt sich aus in Form, Farbe, Oberfläche, Material, Muster etc. des Produkts. Maxime ist dabei die kostensparende Vermeidung von Überqualität durch Wertanalyse, d. h., die Gesamtlebensdauer des Produkts wird durch die kürzeste Teillebensdauer begrenzt. Unerlässlich ist aber auch die Vermeidung von Unterqualität, d. h. Unzufriedenheit mit der Produktqualität. Relativ ist Qualität in Bezug auf diesen erforderlichen Standard. Hier ist neben der wünschenswerten Qualitätsverbesserung infolge Konkurrenzdrucks leider auch eine gezielte Qualitätsverminderung zu nennen, und zwar • ökonomisch z. B. durch unmögliche (Akkuaustausch) oder zu aufwändige Reparatur (fehlende Ersatzteile),

9. Produktqualität

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• technisch z. B. durch nicht upgrade-fähige Schnittstellen / Betriebssysteme / Features, • sozial, z. B. durch rasche bezugsgruppen- oder trendbezogene Zyklen wie in der Mode. Diese künstliche Veralterung (Planned Obsolescense) erfolgt nach objektivem oder subjektivem Maßstab. Objektiv bedeutet, dass im Rahmen der Wertanalyse Einsparpotenziale eingeplant werden, welche die Produktlebensdauer begrenzen. Subjektiv bedeutet, dass an sich noch völlig gebrauchsfähige Produkte durch Sozialtechniken (z. B. Modediktat) gesellschaftlich inakzeptabel gemacht und durch neue, zeitgemäße ersetzt werden. Neuerdings bewirken auch rasche Produktgenerationswechsel unverhältnismäßig kurze Lebenszyklen. Außerdem kann die gesamte objektive Lebensdauer definiert durch „Sollbruchstellen“ einzelner Produktelemente begrenzt werden. Häufig werden dafür dann Sicherheitsargumente angeführt. Zum Beispiel sind Flachbild-TV-Geräte bereits nach rund vier Jahren nicht mehr reparierbar, weil die Hersteller die Ersatzteilversorgung einstellen. Eine anderweitige Ersatzteilbeschaffung ist in Relation zum Preis eines Neugeräts zu teuer. Hinzu kommen hohe Kosten für manuelle Werkstattleistungen. Gleiches gilt für andere „weiße und braune Ware“. Elektronikhersteller stellen den Support bei Upgrades für ansonsten leistungsfähige „Altgeräte“, etwa bei Mobiltelefonen oder Tablets, ein, um den Neugeräteabsatz infolge Lock in-Situation zu forcieren. Diese Verhaltensweisen sind natürlich völlig inakzeptabel, aber auch Konsequenz eines kapitalistischen Marktsystems. Ansätze künstlicher Veralterung sind nicht nur für die Vergangenheit nachgewiesen (z. B. europäisches Glühlampenkartell zur Begrenzung der Haltbarkeit des Glühfadens bereits in den 1930er Jahren), sondern auch für die Gegenwart wahrscheinlich (Akkulebensdauer in Mobiltelefonen, Laufzeit der Verdichterpumpe bei Hochdruckreinigern). Bei der zunehmenden Sättigung entwickelter Märkte mit Gebrauchsgütern stellt der Ersatzbedarf schließlich eine wesentliche Absatzquelle dar. Von daher liegt es nahe, deren Nutzungsdauer zulasten der Qualität zu limitieren. Gleiche Konsequenzen hat der Versuch, Einsparungen an unauffälligen Stellen eines Produkts zu erreichen, ohne dass dies aus Nachfragesicht nachvollziehbar ist. Darunter leidet ganz konkret dessen Lebensdauer, und Leistungsreserven für Eventualfälle und Extrembeanspruchungen gehen verloren. Da derartige Qualitätsminderungen zunächst verborgen bleiben, können damit beabsichtigte Kosteneinsparungen bei gleichem Preis meist als zusätzlicher Herstellergewinn einbehalten werden. Japanische Hersteller ersetzten etwa die Rückwand ihrer Hifi-Geräte durch Hartfaser- anstelle von Metallplatten. Anlass war dabei, dass Kunden die Rückseite ihrer Hifi-Geräte nach dem Auspacken ohnehin nicht mehr zu Gesicht be-

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

kommen und rein technisch die Abschirmung durch billigere Hartfaser völlig ausreichte. Ganz anders sah das Steve Jobs. Seine Maxime war, auch nicht an Stellen zu sparen, die nicht kundenwahrnehmbar sind. So galten die Mainboards von Apple Computern als komplett aufgeräumt und durchgestylt, wohingegen die anderer Hersteller einem Drahtverhau glichen, weil man dort davon ausging, dass Kunden das Innere ihres PCs ohnehin nicht sehen und man sich Arbeit darin getrost sparen konnte. Dennoch kann per Saldo festgehalten werden, dass das durchschnittliche Qualitätsniveau der Produkte am Markt zumindest in Deutschland überragend hoch ist. Der harte Nicht-Preiswettbewerb, der zu großen Teilen über die Qualität geführt wird, hat bewirkt, dass qualitativ anfechtbaren Produkten ein Markterfolg versagt bleibt. Vor allem ist wichtig zu beachten, dass selbst geballte Marketingbemühungen nicht ausreichen, einem qualitativ unzureichenden Produkt zum Markterfolg zu verhelfen.

9.2 Prozessqualität 9.2.1 Ausgewählte Qualitätswerkzeuge Ein Prozess ist allgemein ein sich wiederholender Vorgang mit definiertem Anfang und Ende und einer planmäßigen Veränderung dazwischen, wobei der Wert am Prozessende die Kosten am Prozessanfang plus der Kosten der Veränderung übertreffen soll. Prozesse finden also auf der Zeitachse statt und haben im Wesentlichen vier Anforderungen, die teils konfliktär sind, zu genügen: der Kostengünstigkeit, der Zeitbeschleunigung, der Informationsnutzung und der Qualitätshaltigkeit (s. o.). Dem letzten dieser Punkte wird im Folgenden verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. Spätestens seit den Erkenntnissen der PIMS-Study (s. o.) ist bekannt, dass eine höhere Produktqualität auch zu höherer Rentabilität führt. Vordem war man der Meinung, dass ein Mehr an Qualität über einem niedrigen Scheitelpunkt zu geringerer Rentabilität führt, weil die Mehrkosten höherer Qualität am Markt nicht durch adäquaten Mehrpreis erlöst werden können. Heute hingegen weiß man, dass erstens eine höhere Qualität nicht mehr Kosten verursacht (z. B. weil sich der Anbieter Nachbesserungskosten schlechter Qualität erspart) und Kunden höhere Qualität, wenn sie denn für sie erkennbar ist, durchaus bereit sind, mit einem höheren Preis zu honorieren. Das Ziel einer konkurrenzfähigen Qualität wird meist durch 6 σ (Six Sigma) operationalisiert, d. h. 99,99966 % Fehlerfreiheit. Dies erfordert einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP). Dafür werden zumeist Prozessroutinen unterstellt, etwa als PDCA-Zyklus:

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9. Produktqualität

• P für Plan, d. h. Problemerkennung und Analyse der Istsituation, Ursachenerhe­ bung, Verbesserungsziele formulieren, Inhalte sind entsprechend das Verständnis der derzeitigen Situation, die Feststellung der genauen Ursachen für Qualitätsprobleme, die Planung der Verbesserung des Status, • D für Do, d. h. Verbesserungen konzipieren, Erprobung der Verbesserung, Termine einhalten, Maßnahmen dokumentieren, Inhalt ist die Umsetzung der vorgenommenen Verbesserung, • C für Check, d. h. Erfassung, Komprimierung und Auswertung der Ergebnisse, Visualisierung der Ergebnisse, Inhalt ist die Analyse der daraus resultierenden Erfolge, • A für Act, d. h. Verbesserung einführen und als Standard festlegen, Ergebnisse verfolgen, verbleibende Probleme identifizieren, Inhalt ist zugleich die Diskussion zukünftiger Verbesserungsmöglichkeiten.

Korrelation des WIEs WIE kann die Forderung umgesetzt werden WAS fordert der Kunde

Beziehung zwischen WAS und WIE

WARUM soll verbessert werden?

Welchen Wert sollen die WIEs erreichen?

Abbildung 85: Prinzip des House of Quality (Quelle: methodos.ik.ing.tu-bs.de/methode/HouseofQuality.html)

Ein anderes Verfahren zur Verbesserung der Qualität ist das Quality Function Deployment (QFD). Es dient der „Übersetzung“ von Kundenanforderungen in technische Merkmale. Das House of Quality (HoQ) dient dabei als zentrales Werkzeug zur Visualisierung. Es besteht aus sechs Feldern, die ähnlich einem Haus mit Wänden und Dach angeordnet sind (siehe Abbildung 85: Prinzip des House of Quality).

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

Ein Ablauf stellt sich dabei wie folgt dar (hier am Beispiel Pkw-Außenspiegel): – Ausgangspunkt sind die Kundenanforderungen an ein Produkt / eine Dienstleistung (linke Wand / Was?). Der Erfüllungsgrad wird bepunktet. In Bezug auf einen Pkw-Außenspiegel können dies etwa sein: kein toter Winkel, komfortabel, soll funktional sein, gut aussehen, keine Windgeräusche verursachen, nicht vibrieren, beheizt sein, nicht blenden. – Für jede Anforderung wird (logarithmisch gewichtet) bepunktet, inwieweit sie von den Merkmalen / Funktionen erfüllt wird (Innenraum). – Diesen Anforderungen werden die Qualitätsmerkmale bzw. Funktionen von Produkt / Dienst in einer Matrix gegenübergestellt (Obergeschoss / Wie?). Die Technik kann dann etwa lauten: asphärisch gekrümmt, Einstellmöglichkeiten, leiser Motor, nettes Design, Cw-Wert beachtend, Steifigkeit der Befestigung, Heizfäden im Glas, reflexionsfrei. – Außerdem wird ausgewiesen, ob Wechselwirkungen zwischen Merkmalen / Funktionen positiv, neutral oder negativ sind (Dach). – Die eigenen Werte werden außerdem mit denen der Konkurrenz als Benchmark verglichen (rechte Wand). – Diese Ergebnisse werden summiert (Boden) und geben die relative Bedeutung /  Relevanz der Teilqualitäten an. Ein wichtiges anderes Werkzeug ist die Statistische Prozessregelung (Statistical Process Control / SPC). Darunter versteht man die Überprüfung, ob ein Prozess ein bestimmtes Qualitätsmerkmal eines Produkts sicher innerhalb der geforderten Toleranzen erzeugt. SPC dient also der kontinuierlichen Beobachtung und ggf. Korrektur eines laufenden Prozesses, der unter statistischer Beobachtung steht, somit der vorbeugenden Qualitätssicherung und Prozessstabilisierung. Hinsichtlich der Prozessregelung können dabei zwei Anforderungen an Prozesse unterschieden werden. Als fähiger Prozess wird ein solcher bezeichnet, der innerhalb definierter Toleranzgrenzen liegt (= hohe Validität). Als beherrschter Prozess wird ein solcher bezeichnet, der sicher wiederholbar ist (hohe Reliabilität). Ein fähiger, aber nicht beherrschter Prozess liegt zwar innerhalb der Toleranzgrenzen, schwankt aber in seiner Qualität, ein nicht fähiger, aber beherrschter Prozess ist zwar stabil, liegt aber beständig außerhalb der Toleranzgrenzen. Nicht fähige, nicht beherrschte Prozesse sind auszuschließen. Als Ziel stellen sich vielmehr fähige und beherrschte Prozesse, die nurmehr zufälligen Störeinflüssen unterliegen. Die Qualitätsregelkarte (QRK) ist ein Formblatt zur grafischen Darstellung dieser statistischen Kennwerte für eine Serie von Stichproben. Für jede Einheit wird deren Merkmalswert grafisch abgetragen. Zielgröße ist der Sollwert. Dabei gibt es obere und untere Warngrenzen, die ein höheres Prüfniveau erfordern sowie obere und untere Eingriffsgrenzen, die eine Nachregulierung des Prozesses erfordern, damit der Tolenzbereich nicht verlassen wird. Dazu werden fünf bis sieben

9. Produktqualität

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Stichprobeneinheiten direkt nacheinander gezogen und geprüft. Systematische Einflüsse treten unregelmäßig auf und beruhen auf Ursachen, die gefunden und abgestellt werden können, zufällige Einflüsse hingegen sind natürliche Streuungen, die nicht beeinflussbar, weitgehend robust und nur wahrscheinlichkeitstheoretisch vorhersagbar sind. Ihre Häufigkeit wird durch Lokalisationswerte wie vor allem Mittelwert / Median bzw. Dispersionswerte wie vor allem Standardabweichung / Spannweite ausgewiesen. Unregelmäßige Verläufe werden grafisch im Shewhart-Diagramm wie folgt ausgewertet (siehe Abbildung 86: Prinzip der Qualitätsregelkarte): • Bei Überschreiten der Warngrenzen (WG, obere / OWG, untere / UWG) ist ein Prozess nicht mehr sicher (beherrscht in Bezug auf die Lage), aber fähig, d. h., die Streuung liegt innerhalb der Spezifikationsgrenzen. Es sind entsprechende Beobachtungen erforderlich. • Bei Überschreiten der Eingriffsgrenzen (EG, obere / OEG, untere / UEG) ist ein Prozess weder sicher noch fähig. Der Prozess ist daher unbedingt zu korrigieren. Dazu wird er gestoppt und Ursachen dafür ermittelt, da der Maximalwert der Standardabweichung überschritten wird. • Warngrenzen werden als rote Zone bezeichnet, Eingriffsgrenzen als gelbe Zone. Regelgerechte Kennwerte liegen in der grünen Beobachtungszone. OEG OWG M UWG UEG

Abbildung 86: Prinzip der Qualitätsregelkarte (Quelle: https://www.wirtschaftswissen.de/einkauf-produktion-und-logistik/ produktionsplanung/qualitaetsmanagement-produktion)

Eine Folge von sieben Messwerten pro Zyklus aus direkt nacheinander gezogenen Teilstichproben unterhalb bzw. oberhalb des Mittelwerts wird als negativer systematischer Einfluss angesehen, daher muss die Produktion gestoppt bzw. mithilfe statistischer Versuchsplanung nachgeregelt werden. Dann beginnt eine neue Messung. Von einem Run spricht man, wenn die Stichprobenwerte hintereinander einseitig über bzw. unter dem Mittelwert liegen. Von einem Trend spricht man, wenn die Stichprobenwerte sich kontinuierlich verschlechtern. Von einem Alter-

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

nate spricht man, wenn sich die Stichprobenwerte abwechselnd über und unter dem Mittelwert ergeben. Mögliche Ursachen für die Veränderungen sind vielfach denkbar, so z. B. Abnutzung der Werkzeuge, Verschleiß der Vorrichtungen, Alterung der Messgeräte, Ermüdung der Mitarbeitenden etc. Für fremdbezogene Teile dient der Acceptable Quality Level (AQL) als Maß für die Annahme oder Ablehnung einer Lieferung. Der AQL ist daher in den Lieferbestimmungen von den Parteien zu vereinbaren. Die Fischgrät-Analyse (auch Ishikawa-Diagramm / Ursache-Wirkungs-­Diagramm) zerlegt mögliche bekannte Ursachen für ein Produktionsproblem in die Hauptursachen als Ursachen erster Ordnung (6 Ms) • Mensch (Mitarbeitende) durch Motivation und Qualifikation, • Maschine (Produktionsanlagen) durch Betriebssicherheit, • Milieu (Umfeld) vor allem in Form von Störgrößen aus Umfelddynamik, • Material nach physikalischen, chemischen, technologischen und ökologischen Eigenschaften, • Methode (Prozesse), • Messung (Steuerung) in Bezug auf die Zielerreichung, sowie Nebenursachen. Sie ist grafisch in Form einer Baumverzweigung strukturiert (siehe Abbildung 87: Fischgrät-Analyse / Ishikawa-Diagramm). Dazu werden für ein gegebenes Problem zunächst alle denkbaren Ursachen zusammengetragen und mindestens nach den Kriterien Mensch, Maschine, Material und Methode geordnet. Aus diesen möglichen Ursachen werden die wahrscheinlichsten ausgewählt und auf ihr Potenzial zur Behebung des gegebenen Qualitätsproblems hin untersucht. Stellt sich heraus, dass sie tatsächlich dafür ursächlich sind, werden zunächst alternative Lösungsmöglichkeiten zur Verbesserung entwickelt. Aus diesen wird dann die optimal geeignet erscheinende Lösung bestimmt und realisiert. Ist das Produktionsproblem damit immer noch nicht gelöst, wird die nächstwahrscheinliche Ursache ausgewählt und mit ihr in gleicher Weise verfahren, solange, bis das Problem gelöst ist. Dann wendet man sich in gleicher Weise dem nächsten Problem zu. Weitere Werkzeuge zur Qualitätssicherung sind folgende: • Die Fehlersammelliste ist eine rationelle Erfassung und übersichtliche Darstellung von Fehlerkategorien nach ihrer Art und Anzahl und wird vorwiegend für Routinearbeiten eingesetzt. Zur Erfassung dient eine Tabelle mit den bekannten oder vermuteten Fehlern sowie immer einem Merkmal „sonstiges“. • Das Histogramm dient zur grafischen Darstellung der Häufigkeitsverteilung in Klassen eingeteilter Daten. Dabei ist die Säulenfläche proportional zur Häufigkeit der Merkmalsklasse, bei gleicher Klassenbreite gilt dies darüber hinaus auch

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9. Produktqualität

Ursache Mensch

Maschine

Wirkung Milieu

Problem

Nebenursache Hauptursache

Material

Methode

Messung

Abbildung  87: Fischgrät-Analyse / Ishikawa-Diagramm (Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Ursache-Wirkungs-Diagramm)

für die Säulenhöhe. Zur Erfassung dienen Strichlisten und Häufigkeiten. Das Histogramm zeigt die Lokalisation als Mittenlage und Dispersion als Streubreite von Fehlern an. • Das Pareto-Diagramm dient zur Prioritätensetzung auf die „Vital few“. Die Fehler werden dazu nach Häufigkeit als Säulendiagramm gerangreiht, das Ursachen von Problemen in der Reihenfolge ihrer Bedeutung grafisch darstellt. Eine Kategorisierung führt zur ABC-Analyse. Nur wenige Fehlerarten rufen den größten Teil aller Fehlerfolgen hervor. Das erste Drittel A gilt für die am häufigsten auftretenden Fehlerarten, das letzte Drittel C gilt für die am seltensten auftretenden Fehlerarten, das mittlere Drittel B liegt dazwischen. Die A-Fehler sind zuvörderst abzustellen. 9.2.2 Qualitätskosten Das Null-Fehler-Konzept versucht, einer 100 %-igen Fehlerfreiheit nahe zu kommen. Praktisch wird es im 6 σ-Konzept umgesetzt. Dieses ist aber nicht kostenlos zu haben, vielmehr fallen Qualitätskosten zur Fehlerverhütung, Qualitätsprüfung, Fehlerbeseitigung, Kompensation von Fehlerfolgen und auch zur Darlegung der Qualität an. Dazu werden alle relevanten Fehler definiert und hinsichtlich ihrer Kostenkonsequenzen ermittelt. Danach wird die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Konsequenzen bestimmt. Daraus ergeben sich die überschlägigen Kosten je Fehler, durch Addition über alle Fehler somit die überschlägigen Gesamtkosten. Man rechnet bei den Fehlerkosten überschlägig mit dem Faktor 10 (Rule of Ten). Kostet die Mängelbehebung auf der eigenen Wertschöpfungsstufe symbolisch noch 1 Geldeinheit (GE), kostet sie in der Eingangskontrolle der nachfolgenden Wert-

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

schöpfungsstufe schon 10 GE, in der Endprüfung vor dem Warenausgang bereits 100 GE und nach der Ankunft beim Abnehmer schon 1.000 GE. Von daher ist internes Kundendenken unerlässlich. Auch angesichts dieser Kosten ist unstrittig, dass Qualität Wettbewerbs- und Erlösvorteile bietet. Die Qualitätskosten können nach Zeit-, Organisations- oder Funktionseinheiten unterschieden werden. Diesen Kosten sind die Opportunitätskosten, also der anderweitig entgehende Gewinn ohne Qualitätsmaßnahmen, gegenüber zu stellen, man könnte auch sagen, der durch Qualitätssicherung zuwachsende Gewinn. Quellen dafür sind vor allem Kundenbindung, Kundenzuwanderung, Mehrverkauf, Zusatzverkauf, Überkreuzverkauf, positive Meinungsmultiplikation etc. Dennoch ist der Nachweis von Kosten, die anderweitig nicht entstanden, oder Nutzen, die anderweitig entgangen wären, praktisch schwierig. Dennoch gilt die Wirtschaftlichkeit dieser Maßnahmen empirisch als gesichert. Makellose Qualität ist für Anbieter unverzichtbar, nicht nur, weil damit ein höherer Kundenzufriedenheitsgrad erreichbar wird, sondern auch, weil infolgedessen eine höhere Rentabilität des Geschäfts realisiert wird. Empirische Untersuchungen zeigen, dass Unternehmen mit überdurchschnittlicher Produktqualität profitabler arbeiten als solche mit unterdurchschnittlicher. Denn Qualität kostet kein Geld, sondern Qualität verdient Geld. Der dahinter stehende Zusammenhang ist unmittelbar einleuchtend. Zwar ist die Durchsetzung höherer Qualität kostenaufwändiger als die niedrigerer Qualität, aber dafür werden ansonsten anfallende Fehlerkosten eingespart. Diese Ersparnis bei der Wiedergutmachung niedriger Qualität überkompensiert dann den zusätzlichen Aufwand der Produktion höherer Qualität. Am Anfang einer Anstrengung zur Qualitätssteigerung stehen zwar Einzahlungen, wie bei jeder Investition, aber im Zeitablauf führen diese Einzahlungen durch Kostenersparnisse zu einer höheren Rentabilität. Früher war es noch üblich, im Prozess der Produktion nur hinlänglich auf Qualität zu achten, weil es eine Endkontrolle gab, in der gering qualitative Leistungen herausgeprüft wurden. Dies führte zu verhängnisvollen Folgen. So musste die zumeist hoch rationell erstellte ursprüngliche Leistung individuell nachgebessert werden, was einen hohen Aufwand an Zeit und damit Kosten implizierte. Zudem verlängerten sich dadurch die Durchlaufzeiten und bei der Kontrolle wurden auch immer wieder Fehler über­ sehen, die dementsprechend ohne Nachbesserung blieben („Montags-Auto“). Heute ist Qualität hingegen integraler Bestandteil des Produktionsprozesses, d. h., Qualität wird produktionsbegleitend in das Produkt eingebaut. Dabei ist es wegen vielfacher Wertschöpfungsstufen und zahlreicher Komponenten / Teile je Produkt erforderlich, auf jeder Stufe Null-Fehler-Qualität nicht nur anzustreben, sondern auch zu gewährleisten, damit verhindert wird, dass Fehler sich hoch kumulieren. Anderweitig entstehen erhebliche Fehlerfolgen.

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9.2.3 Fehlerbegriff Fehler bedeuten allgemein die Nichterfüllung, genauer Nichtkonformität, einer festgelegten Forderung i. S. v. Qualitäts- und Zuverlässigkeitsmerkmalen, sie führen zur Fehlfunktion (Default) oder Funktionsunfähigkeit (Failure) eines Produkts. Gründe dafür sind vielfältig, so u. a. • Vormaterial ist nicht verfügbar / schlecht platziert, Werkzeuge sind nicht / nur verzögert verfügbar, Anlagenausfall, Arbeitsunterbrechung, Sonderaufträge, kein geschultes Personal vorhanden, Arbeitsplan ist fehlerhaft, hohe Komplexität der Produktion, fehlende eingebaute Kontrollmechanismen, volle Pufferflächen, keine Behältnisse verfügbar, Teile falsch konfiguriert, Abtransport verspätet, Beschädigung beim Transport etc. Dabei werden vier Fehlerkostenarten unterschieden: • Freiwillig sind präventive Fehlerverhütungskosten als Kosten, die für die Begrenzung, Vorbeugung und / oder Versicherung von Qualitätsmängeln (Qualitätsvorsorge) entstehen wie u. a. Qualitätsplanung, Qualitätsfähigkeitsuntersuchung, Lieferantenbeurteilung und -beratung, Prüfplanung, Qualitäts-Audit, Schulungen für Qualitätslenkung und -sicherung, Qualitätsförderprogramme, Qualitätsvergleiche (intern / extern). Sowie simultane Prüfkosten als Kosten der Eingangsprüfung, Fertigungsprüfung, Endprüfung, Abnahmeprüfung, aber auch für Prüfmittel und deren Instandhaltung / Kalibrierung, Qualitätsgutachten, Laboruntersuchung, Prüfdokumentation etc. Diese Kostenarten werden als Konformitätskosten bezeichnet, sie steigen leicht mit steigendem Qualitätsgrad zur Erfüllung der Six Sigma-Anforderung. • Unfreiwillig sind Interne Fehlerkosten, die bei der unzweckmäßigen Kombination der Produktionsfaktoren (z. B. Fehlleistung, Nachbesserung, Mengenabweichung, Wertminderung, Fehlsortierung, Wiederholungsprüfung, Problemuntersuchung, qualitätsbedingte Ausfallzeiten,) vor der Transaktion mit Kunden entstehen. Sowie Externe Fehlerkosten, die nach der Transaktion mit Kunden (z. B. Deckungsbeitragsentgang, Garantie-, Gewährleistungs- und Kulanzkosten, Ausschuss, Nacharbeit, Schadensersatz) entstehen. Diese Kostenarten werden auch als Nichtkonformitätskosten bezeichnet, diese fallen stark mit steigendem Qualitätsgrad. Rechtlich ist ein Produkt fehlerhaft, wenn seine Qualität von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht und dadurch sein Wert oder seine Tauglichkeit zum normalerweise vorgesehenen oder vertraglich vereinbarten Gebrauch aufgehoben oder mehr als unerheblich gemindert wird. Man unterscheidet offene Fehler, diese sind durch dem Stand der Technik entsprechende Verfahren und bei Anwendung der üblichen Sorgfalt bei einer Prüfung erkennbar sowie verdeckte Fehler, diese sind nicht ohne Weiteres erkennbar. Werden offene Fehler von Leistungsempfängern

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

abgenommen, gelten sie als genehmigt, bei verdeckten Fehlern können hingegen Gewährleistungsrechte aktiviert werden. Bei Fehlern können weitergehend drei Ausprägungsgrade unterschieden werden: • Kritische Fehler sind solche, von denen anzunehmen oder bekannt ist, dass sie für Personen, die mit der fehlerhaften Einheit umgehen, gefährliche oder unsichere Situationen schaffen, sowie solche, von denen anzunehmen oder bekannt ist, dass sie die Erfüllung der Funktion einer größeren Einheit verhindern. • Hauptfehler sind nicht-kritische Fehler, die voraussichtlich die Brauchbarkeit der betreffenden Einheit für den eigentlichen Verwendungszweck wesentlich herabsetzen oder zu einem Ausfall der Einheit führen. • Nebenfehler sind Fehler, die voraussichtlich den Gebrauch oder den Betrieb der Einheit nur geringfügig beeinflussen oder den Verwendungszweck nur unwesentlich herabsetzen. Die Fehlerverhütung umfasst alle Maßnahmen, die Fehlerursachen ausschließen und damit bereits die Entstehung von Fehlern verhindern sollen. Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Im Falle der Sachbeschädigung gilt dies nur, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wird und diese ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten auch hauptsächlich verwendet worden ist. Davon gelten folgende Ausnahmen: • Der Hersteller hat das Produkt nicht in den Verkehr gebracht. Das Produkt hat den Fehler noch nicht aufgewiesen, als es in den Verkehr gebracht wurde. Das Produkt wurde nicht zum Verkauf bzw. zu einer anderen wirtschaftlichen Nutzung hergestellt. Der Fehler beruht auf der Einhaltung zwingender Rechtsvorschriften. Der Fehler konnte nach dem Stand von Technik und Wissenschaft zu dem Zeitpunkt, an dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden. Der Fehlerbegriff unterscheidet sich vom Mängelbegriff. Ein Mangel (Defect) ist die Nichterfüllung einer beabsichtigten oder auch nur berechtigten, den Umständen angemessenen Erwartung für den Gebrauch einer Einheit. Ein Mangel beeinträchtigt also nicht die Verwendbarkeit der betrachteten Einheit, ein Fehler sehr wohl. Er liegt begrifflich vor, wenn ein Produkt nicht die zugesicherten Qualitätsanforderungen erfüllt. Ein offener Mangel ist bereits bei der Übergabe / Abnahme der Einheit vorhanden und erkennbar. Ein versteckter Mangel ist zwar vorhanden, kann bei der Übergabe / Abnahme der Einheit aber nicht erkannt werden. In beiden Fällen greifen gesetzliche Funktionsgarantie- bzw. vertragliche Gewährleistungsklauseln. Bei Schaden folgt daraus ein Ersatzanspruch. Ein arglistig verschwiegener Mangel ist dem Lieferanten der Leistung zwar bekannt, er versäumt es aber, dem Abnehmer diesen Mangel anzuzeigen und verschafft sich dadurch einen ungerechtfertigten Vorteil.

9. Produktqualität

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9.2.4 Fehlerfolgen Fehler haben rechtliche Konsequenzen. Die deliktische, verschuldensabhängige Produzentenhaftung erfolgt nach BGB (§ 823) und gilt bei schuldhafter Pflichtverletzung betraglich unbegrenzt, aber auf drei Jahre befristet nur gegenüber dem Vertragspartner bei Vorliegen eines Mangels, insb. dem Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft oder bei arglistigem Verschweigen (z. B. Milupa Kindertee, scharfkantige Pferdebox, geplatzte Limoflasche, Honda Lenkradverkleidung). Dabei gilt eine Beweislastumkehr, d. h., der geschädigte Verbraucher hat nur den Produktfehler nachzuweisen, der Hersteller als potenzieller Schädiger muss sich dahingehend exculpieren, dass ihn kein Verschulden trifft. Es handelt sich um die zivilrechtliche Haftung aus Vertrag (Gewährleistung) und Folgeschäden aus positiver Vertragsverletzung für Personen-, Sach- und Vermögensschäden, sofern Wertminderung oder Nutzungsbeeinträchtigung des Produkts gegeben sind. Als Fehlerkategorien kommen dabei folgende in Betracht: • Konstruktionsfehler, diese sind serientypisch und haften der gesamten Auflage an, • Instruktionsfehler, sie beziehen sich auf unzureichende Bedienungsanleitungen, • Produktbeobachtungsfehler, sie resultieren aus mangelnder Überwachung des Produkts im Markt, • Fabrikationsfehler, diese haften nur bestimmten Einzelstücken an (Ausreißer), hierfür besteht keine Haftung. Die verschuldensunabhängige Produkthaftung (ProdHaftG) gilt gegenüber jedermann als außervertragliche Haftung aus Spezialgesetz. Voraussetzung ist ein Produktfehler, der für eine Rechtsgutverletzung (Leben, Körper, Gesundheit) des Käufers, außer reiner Sachbeschädigung, ursächlich ist. Der Beweis der Kausalität liegt beim Geschädigten. Daraus muss ein Mangelfolgeschaden entstehen. Der Hersteller haftet, sofern kein Ausschlussgrund besteht. Es bestehen Höchstbeträge (85 Mio. €) und Selbstbeteiligung (500 €). Anrechte erlöschen nach zehn Jahren. Bei Offizialdelikten aus grober Fahrlässigkeit / Vorsatz kommt eine strafrechtliche Haftung hinzu. Die Produkthaftung gilt verschuldensunabhängig und außervertraglich und bezieht sich das Fehlen zugesicherter Eigenschaften bzw. schuldhafte Pflichtverletzung bei Gefährdung von Personen und Sachen. Der Geschädigte hat dabei nur die Kausalität von Fehler und Schaden darzulegen, auf ein Verschulden kommt es hingegen nicht an, vielmehr gilt eine Gefährdungshaftung. Produzentenhaftung und Produkthaftung gelten nebeneinander. Hinzu tritt noch die Haftung aus dem Produktsicherheitsgesetz (ProdSG). Dieses verpflichtet Hersteller zusätzlich, vor unsicheren Produkten zu warnen und ggf. einen offenen (über Massenmedien) Rückruf unsicherer Produkte zu organisieren (z. B. bei Pkw durch das Kraftfahr-Bundesamt). Dabei werden folgende Gefahrenklassen unterschieden:

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung

• Gefahrenklasse I, wenn der Produktfehler zu einem Unfall führen kann und bei diesem möglicherweise Todesfälle, schwere Körperverletzungen und dauernde Gesundheitsschädigungen eintreten können. Hier ist ein Rückruf zwingend. Bekannte Beispiele im Kfz-Bereich waren die Mercedes-A-Klasse („Elch-Test“) wegen Kippgefahr, der Audi TT wegen Übersteuerungsgefahr („Heckschleuder“) sowie verschiedene GM-Modelle wegen Gefahr der Blockierung des Zündschlosses während der Fahrt. • Gefahrenklasse II bei möglichem Eintreten leichter Körperverletzungen und vorübergehender Gesundheitsbeeinträchtigungen. Hier besteht ein Ermessensspielraum für den Hersteller mit Schadensersatzleistung bei Rückrufunterlassung, ggf. mit Ausgleich durch eine Haftpflichtversicherung. • Gefahrenklasse III, wenn kein Unfall zu befürchten ist, hier kann ein Rückruf unterbleiben, hier wird meist ein verdeckter Rückruf eingeleitet, also ohne Mitteilung an die Öffentlichkeit. Dies ist der bei Weitem häufigste Fall.

9. Produktqualität Tabelle 10a Produkt- und Programmplanung (Formular)

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Kap. II: Operative Produkt- und Programmplanung Tabelle 10b (Forts.) Produkt- und Programmplanung

9. Produktqualität Tabelle 10c (Forts.) Produkt- und Programmplanung

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Kapitel III

Operative Preis- und Konditionenplanung Der Preis ist als Gegenleistung für das Sach- bzw. Dienstleistungsangebot von existenzieller Bedeutung für jedes Unternehmen. Dem Preis kommt eine zentrale Signalwirkung am Markt zu. Diese Wirkung ist kurzfristig und weitgehend irreversibel. Zugleich steigen die Preistransparenz und auch das Preisbewusstsein bei Abnehmern. Der Preis greift dabei unmittelbar in die Erlös- und Ertragssituation des Unternehmens ein. Da auf der Kostenseite Rationalisierungsvorteile immer schwieriger zu realisieren sind, liegt der Schlüssel in der Preisplanung der Listenpreise. Dafür gilt die mögliche Preisobergrenze als Orientierung. Tatsächlich aber wird nur selten der Listenpreis gezahlt, sondern ein Nettopreis. Zwischen beiden liegen die Konditionen als Preisabschläge, welche die Rentabilität unmittelbar beeinträchtigen. Daher ist es von höchster Bedeutung, auch diese Konditionen geplant zu steuern und wenn möglich, sogar Preiszuschläge durchzusetzen. Insofern stellen Preise und Konditionen ein lohnendes Planungsfeld dar. Dazu bestehen seit jeher elaborierte Aussagen der Preistheorie (1.), denen jedoch für die Marketingpraxis eher didaktische Bedeutung zukommt. Das nachfolgende Kapitel betrachtet daher intensiv die Preisdeterminanten Nachfrage (2.) und Markt (3.) sowie Vorgaben durch betriebliche Zielsetzung (4.) und hoheitliche Reglementierung (5.). Weit überschätzt, aber eben doch unverzichtbar sind auch die Kostenvorgaben als Preisuntergrenze (6.). Die Effektivpreisbildung berücksichtigt Preisabschläge und- zuschläge (7.) Von hoher praktischer Bedeutung sind schließlich die Zahlungsbedingungen (8.) und die Lieferungsbedingungen (9.).

1. Preistheoretische Erkenntnisse Die klassische Preistheorie erklärt in Zusammenhang mit bestimmten Marktformen und Verhaltensweisen der Marktteilnehmer die Preisbildung. Dabei geht sie wegen der höheren Eindeutigkeit der Aussagen von einem ganzen Datenkranz von Prämissen aus, unter denen allein der modellhaft abgeleitete Preis seine Gültigkeit haben soll. Es ist nicht an der Art der so theoretisch ermittelten Preise zu zweifeln. Ansatzpunkte für Vorbehalte über den Erkenntniswert der Preistheorie für die reale Preisgestaltung im Marketing sind vielmehr deren vielfältige Prämissen, die nicht den Bedingungen der Marktrealität entsprechen. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Standardvoraussetzungen (1.1) und die Modelle mit Praxisrelevanz (1.2) von Bedeutung.

1. Preistheoretische Erkenntnisse

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1.1 Standardvoraussetzungen Die Gewinnmaximierung als ausdrückliche, singuläre Unterstellung des Anbieterverhaltens trifft nur auf einen Teil der Unternehmen und Organisationen am Markt zu. So ist Gewinn nur eine unter vielen ökonomischen Zielgrößen, die ein Unternehmen anstreben kann. Daneben gibt es den großen Bereich der außerökonomischen Ziele. Sicherlich ist Gewinnerzielung zur Erreichung des Überlebensziels unerlässliche Voraussetzung. Aber das Zielsystem des Unternehmens besteht auch aus vielfältigen anderen Größen außer dem Gewinn, erst recht der Gewinnmaximierung. Vielfach sind lediglich Satisfaktionspreise in Abhängigkeit von Rentabilitätsund Kostendeckungszielen mit als angemessen empfundenem Gewinnaufschlag beabsichtigt. Zumal die maximale Gewinnhöhe sowohl vom Absatz als auch vom Preis abhängig ist, und sich in der Wirtschaftswirklichkeit im Wege des kreativen Trial & Error-Verfahrens herausstellt. Gewinnmaximierung ist in einem von Risiko und Ungewissheit charakterisierten wettbewerblichen Marktsystem immer nur im Nachhinein feststellbar, kaum aber im Vorhinein ansteuerbar. Das heißt, selbst wenn Gewinnmaximierung als einzige Zielsetzung Bestand hätte, wäre diese nicht operational anzustreben, da die Maßstäbe fehlen, anhand derer im Vorhinein beurteilt werden kann, ob eine Maßnahme der Gewinnmaximierung dient oder kontraproduktiv ist. Die klassische Preistheorie unterstellt, dass ein Unternehmen in der Preissetzung seines Produkts keinerlei Rücksicht auf andere Produkte im Programm nehmen muss (Einproduktunternehmen). Dies ist schon deshalb realitätsfern, weil de facto der weit überwiegende Anteil der Unternehmen mehr als ein Produkt in seinem Programm führt. Deshalb tangiert die Preissetzung eines immer auch die anderen Produkte des gleichen Anbieters. Es wird weiterhin angenommen, dass dessen Preissetzung weder durch Produktions- noch durch Beschaffungs- oder Absatzverbund beeinflusst ist. Tatsächlich sind die Verkaufsentscheidungen durch Absatzwege- und Absatzhelferorganisationen vielfach ebenso bestimmt wie deren Politik von Liquiditäts-, Logistik-, Werbe-, Personalparametern etc. entscheidend abhängig ist. Und zwar angesichts lateraler Konzentration mit steigender Tendenz. Ein weiterer Abhängigkeitsgrund liegt in der in einigen Branchen weit verbreiteten Kuppelproduktion, welche die Angebotsmengen beeinflusst. Da die Preissetzung für eines der Kuppelprodukte immer auch die Menge des / der anderen tangiert, kann die klassische Preistheorie hier zu wenig sinnvollen Entscheidungen führen. Es werden einstufige Marktbeziehungen vorausgesetzt, d. h., die Produzenten treten direkt mit den Abnehmern am Markt in Kontakt. Die klassische Preistheorie verkennt, dass die überwiegende Anzahl der Angebote nicht auf dem direkten Absatzweg vom Hersteller an Endabnehmer gelangt. Dies ist vielmehr nur bei Dis-

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

tanzhandel (z. B. Versandweg) und Direktvertrieb (z. B. Industriegüter) der Fall. In anderen Fällen kommt das Angebot erst über in den Absatzweg eingeschaltete Absatzmittler (Handel) ein-, zwei- oder mehrstufig an den Markt. Diese Absatz­ mittler sind selbstständige Unternehmer, die dementsprechend frei in der Setzung ihrer Marktpreise sind. In der BRD ist es bereits seit 1973 Herstellern grundsätzlich verboten, die Preise, die Absatzmittler von deren privaten Endabnehmern verlangen, zu fixieren, etwa durch Packungsaufdruck oder Werbeaussagen. Von vergleichsweise seltenen Ausnahmefällen abgesehen, kann der Hersteller also den Preis seiner Produkte / Dienste nur gegenüber seinem unmittelbaren Geschäftspartner, dem Großhandel (beim zweistufig indirekten Absatz) oder dem Einzelhandel (beim einstufig indirekten Absatz), bestimmen. Wie diese mit ihrer Preissetzung weiter verfahren, bleibt allein ihnen überlassen. Insofern nehmen alle Beteiligten im Absatzkanal mit ihrem Verhalten in Bezug auf Kosten und Erlöse (Spannendenken, Interessenlage etc.) vielfältig Einfluss auf die nach- und sogar die vorgelagerten Marktstufen (Nachfragemacht). Diese realen Phänomene werden in der Theorie nicht angemessen erfasst. Die klassische Preistheorie betrachtet nur einperiodische Marktsituationen in statischer, kurzfristiger Betrachtung. Verhaltensweisen aus zeitlich vorgelagerten Perioden sollen also keinen Einfluss auf die Entscheidungen der aktuellen Periode haben und diese wiederum keine Auswirkungen auf Folgeperioden. Bei der engmaschigen Verzahnung der Marketingpläne und der Notwendigkeit der Sicherung des Mittelrückflusses aus getätigten, aufwändigen Investitionen ist leicht einsehbar, dass diese statische Betrachtung praktischer Relevanz entbehrt. In der Realität aber gewinnt die strategische, also dynamische Marketingplanung immer stärker an Bedeutung. Dies impliziert, dass ein Unternehmen bei seiner Preissetzung nicht nur die jeweilige Kurzfristperiode im Auge hat, sondern auch deren mehrperiodische Auswirkungen. So mag zwar eine Abschöpfungspreispolitik zu kurzfristigen hohen Gewinnen führen, die jedoch infolge potenzieller Wettbewerber lohnende Gewinnmargen signalisiert und sie damit zum Eintritt in den Markt motivieren kann. Eine moderate Preispolitik wird dies wahrscheinlich vermeiden. Da Unternehmen sich solche Risiken nicht leisten wollen, werden sie in ihre Preissetzungsentscheidung immer solche mehrperiodischen Gesichtspunkte mit einbeziehen. Es wird unterstellt, dass kein Wirkverbund von Marketinginstrumenten besteht, die übrigen Marketingparameter also keine Auswirkungen auf die Preisgestaltung haben. Demnach sollen Distributionsentscheidungen, wie z. B. die Wahl selektiver Absatzwege, oder Programmänderungen, wie z. B. die Aufwertung von Produkten durch Differenzierung, ebenso wenig in Wirkverbund zum Preis-Instrument stehen, wie entsprechende Werbeaktivitäten, z. B. verkaufsfördernde Maßnahmen. Hier wird deutlich, dass die Marktpraxis von der klassischen Mikroökonomie nicht gestützt wird. Es wird auch unterstellt, dass der Preis das einzig marktwirksame Beeinflussungs­ instrument ist, d. h. die Höhe der Nachfrage ausschließlich vom Preis des Angebots

1. Preistheoretische Erkenntnisse

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abhängt. Dies trifft heute nur noch auf die raren Produkte zu, deren Einkauf nach rationaler Preis-Leistungsentscheidung erfolgt. Aber selbst dabei spielen verkürzte Kaufentscheidungsprozesse und Routinekäufe eine verstärkte Rolle. Für die überwiegende Mehrzahl der Kaufakte gilt jedoch, dass neben dem Preis weitere Angebotsparameter ins Kaufentscheidungskalkül einbezogen werden, z. B. Gebrauchseignung, Design, Image. Diese sind in der Lage, Preisnachteile zu kompensieren und zum Kaufentscheid zu führen. Damit aber wird der Kauf durch andere Parameter als den Preis determiniert, die in der klassischen Preistheorie nicht oder nur unzureichend erklärt werden. Es wird weiterhin eine unendlich hohe Reaktionsgeschwindigkeit der Nachfrage auf Angebotsänderungen und umgekehrt unterstellt. Selbst auf annähernd dem theoretischen Ideal entsprechenden Märkten, etwa Wertpapierbörsen, wird diese Reaktionszeit von Null trotz Einschaltung modernster Datenverarbeitungsund -übertragungseinrichtungen nicht erreicht, wie Arbitrage-Geschäfte beweisen. Erst recht treffen diese Voraussetzungen nicht auf die regelmäßig verzahnten, heterogen strukturierten Märkte der Realität zu. Diese Prämisse impliziert, dass die Nachfrage auf Preisänderungen unverzüglich reagiert, so dass die Preisabweichung eines einzelnen Anbieters vom Marktpreis zwangsläufig zur sofortigen Abwanderung der Nachfrage führt. Tatsächlich führen u. a. Gewohnheitsbeziehungen zu Anbietern dazu, dass man diesen treu bleibt, auch wenn deren Preis über dem der Konkurrenz liegt. Im Übrigen handelt es sich bei vielen Käufen um Gebrauchsgüter mit längerfristiger Nutzungsdauer oder um Güter des aperiodischen Bedarfs. Bei diesen führt eine Preisänderung, die zwischen Kaufphasen fällt, erst zu einer Reaktion, wenn sich die nächste Kaufentscheidung manifestiert. Das Axiom der vollkommenen Markttransparenz meint den vollständigen Überblick über alle Angebote am Markt. Doch dieser ist nicht gegeben. Denn das Angebot ist so breit angelegt, dass es unmöglich ist, alle Angebote zu kennen. Infolge der zunehmenden, vielfältigen Austauschbeziehungen zwischen den Marktpartnern kann selbst exzessive IT-Unterstützung nicht zum Zustand der Markttransparenz führen. Dazu sind die Mängel in Erhebung bzw. Auswertung der zu erfassenden Daten sowie deren Komplexitätsgrad zu hoch. Gerade dieser unbegrenzten Datenkapazität bedarf es aber, um wirklich alle entscheidensrelevanten Informationen zu berücksichtigen und zu bewerten. Exponenziell wachsende Datenmengen durch steigende Proliferation und stark integrierte, internationale Marktausdehnung rücken diese Fiktion trotz technischen Fortschritts in immer weitere Ferne. Dagegen sprechen vor allem auch zwei Faktoren. Zum einen die räumliche Verteilung des Angebots. Standorte werden oft so gewählt, dass sie einen möglichst guten Abschluss von direkten Mitbewerbern (Evitation) erlauben. Das führt zu unübersichtlichen Marktverhältnissen. Zum anderen die sachliche Differenzierung des Angebots. Das heißt dort, wo Angebote untereinander austauschbar erscheinen, wird bewusst versucht, durch Differenzierung im Marketing-Mix eine unübersichtlichere Situation herbeizuführen.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

Die klassische Preistheorie unterstellt, dass die Wirtschaftssubjekte über Erfassungseigenschaften verfügen, die es ihnen ermöglichen, unbegrenzt alle Preisdaten zu kennen, um zum gegebenen Beschaffungszeitpunkt das niedrigste Preisangebot wahrnehmen zu können. Dies ist in der Realität jedoch nicht gegeben. Vielfach wird der Information Overload beklagt, d. h. die Überbelastung des Einzelnen mit Informationen, die überhaupt nicht mehr angemessen verarbeitet werden können. Als Abhilfe wird die selektive Wahrnehmung genutzt, die nur einen verarbeitbaren, kleinen Ausschnitt der realen Datenvielfalt berücksichtigt. Auf Seiten der Anbieter wird eine flexible Anpassung des Angebots an den Marktpreis und die dabei absetzbare Menge unterstellt, die nicht durch Liquiditäts-, Stilllegungs- und Wiederanlaufprobleme belastet ist. Dies impliziert, dass es einerseits keinerlei Finanzierungsprobleme bei der Ausweitung der Herstellungskapazitäten wie auch bei deren Abbau gibt, wodurch diese Angebotsflexibilität erst darstellbar wird. Und andererseits aus dieser Auslastungs- bzw. Kapazitätsanpassung keinerlei zusätzliche Kosten resultieren, die den Angebotspreis und damit ihrerseits wiederum die Menge beeinflussen können. Bewusstes Handeln am Markt bedarf insbesondere auch der vollständigen Kenntnis der eigenen Bedürfnisse nach Art, Umfang und Priorität. Da in der Realität Kaufentscheidungen aber häufig spontan, sozial bedingt oder habituell erfolgen, kommen derartige kognitive Prozesse erst gar nicht in Gang, worauf das Marketinginstrumentarium schließlich geradezu abstellt. Das heißt, Bedürfnisse sollen nicht nur passiv bedient, sondern aktiv geweckt und ausgeformt werden. Die natürliche Unvollkommenheit des Menschen als beeinflussbarer Nachfrager im Gegensatz zum theoretischen Homo Oeconomicus kommt diesem Bestreben entgegen, transferiert preistheoretische Aussagen aber aus dem Bereich der Determination in die Probabilität. Es wird auf Rationalverhalten beim Menschen abgestellt. Das bedingt die kühl distanzierte Abwägung von Preis und Leistung in jedem Einzelfall und die Wahl zugunsten der Alternative mit der günstigsten Relation, dem günstigsten Preis oder der besten Leistung (Wirtschaftlichkeitsprinzip). Erfahrung zeigt jedoch, dass Wirtschaftssubjekte nur selten streng rational handeln (nicht einmal im Buying Center der Industrie), regelmäßig jedoch emotional aufgrund von Einstellungen und Motiven, was durch Marketingmaßnahmen intensiv unterstützt wird. Es dürfen keine Präferenzen persönlicher, sachlicher, räumlicher oder zeitlicher Art vorhanden sein. Man spricht von der Erfüllung der Homogenitätsbedingung. Tatsächlich ist jedoch das gesamte Marketinghandeln gerade auf die Erreichung und Durchsetzung von Präferenzen am Markt ausgerichtet. Sei es durch Produktvariation, Absatzkanalselektion, Marktsegmentierung oder Kommunikationsaussage. Erst dadurch lassen sich schließlich die Profilierung eines Angebots und die Sicherung markenloyalen Verhaltens erreichen. Das heißt, diese Voraussetzung ist nicht nur praktisch nicht gegeben, sondern wird, wo doch einmal vorhanden, nach Kräften abzubauen versucht.

1. Preistheoretische Erkenntnisse

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Es wird von freier Preisbildung am Markt ausgegangen. Die umfangreichen Konzentrationsbewegungen gerade in neuester Zeit haben jedoch in praxi zur Herausbildung von Machtzentren geführt, die leicht in der Lage sind, Marktkonditio­ nen, speziell auch Preise, gemäß ihren egoistischen Zielen zu beeinflussen. Dies gilt erst recht für vertikal oder diagonal integrierte Unternehmen, die durch gegenseitige Interessenwahrung (Kollusion) die Preismechanik zu allseitigem Anbieternutzen einzuschränken suchen. Staatliche Kontrollinstanzen versagen häufig aufgrund der Begrenzung ihres Sanktionskatalogs und der Schwierigkeit der Beweisführung bei der Verhinderung solcher Praktiken. Es wird zudem ein deterministisches Umfeld unterstellt, in dem alle Außeneinflüsse entweder nicht stattfinden oder bekannt und daher antizipierbar sind. Die Realität beweist jedoch aktuell in Europa und Nahost, dass nicht einmal (stochastische) Entscheidungen unter Unsicherheit darstellbar sind, sondern die Beurteilung von Eintrittswahrscheinlichkeiten und Reaktionen sich überraschend schnell ändern kann. Da das Ausmaß der Außeneinflüsse zudem durch Internationalisierung, Konglomeralisierung, Ökologie und sozialpsychologische Komplexität der Angebote weiter zunimmt, entfernt man sich damit von der Erfüllung dieser Prämisse. Das bedeutet im Ergebnis, dass die klassische Preistheorie wenig Anhaltspunkte für die Preisgestaltung in der Marketingrealität zu geben vermag, da ihre Aussagen an Prämissen gebunden sind, von deren Erfüllung sich die Märkte zunehmend entfernen. Jedoch ist die Preistheorie auch nicht für diesen Zweck gedacht. Der Prämissenkranz führt zu einer Immunisierung der Preistheorie gegen Falsifizierung. Erst die Beseitigung der vielfältigen Prämissen lässt eine Annäherung an die Realität zu. Dann allerdings um den Preis mangelnder Validität und Reliabilität. Zu nennen sind als Abwandlungen vor allem folgende: • Einbeziehung unterschiedlich hoher Kostenwerte und Nachfragemengen zur Ausdehnung des Planungszeitraums, • Einbeziehung weiterer Unternehmens- und Marketingziele über die pure Gewinnmaximierung hinaus, etwa auf Basis zufriedenstellender Zielniveaus, • Einbeziehung stochastischer Modellvariabler, die Eintrittswahrscheinlichkeiten der Umfeldfaktoren repräsentieren, • Berücksichtigung des Sortimentsverbunds bei realen Mehrproduktunternehmen, • Einbeziehung der Handelsstufen und ihrer autonomen absatzpolitischen Entscheidungen, • Berücksichtigung von Anpassungswiderständen und zeitlich verzögerten Marktreaktionen in Form von Time lags, • Einbeziehung psychologischer und soziologischer Kaufverhaltenshypothesen, • Einbeziehung des Wirkverbunds zwischen Preispolitik und anderen Marketinginstrumenten im Mix,

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

• Berücksichtigung mehrperiodischer Wirkungen durch Carry Over-Effekte, • Berücksichtigung von Restriktionen bei der Preisbildung, z. B. durch den Staat, • Berücksichtigung pluralistischer, oft irrationaler Willensbildungsprozesse im Unternehmen. Ein Modell mit derartig zahlreichen, zudem „weichen“ Nebenbedingungen scheint jedoch nach dem heutigen Stand der Erkenntnisse ausgeschlossen, da es zu komplex und damit nicht operationalisierbar bleibt.

1.2 Modelle mit Praxisrelevanz 1.2.1 Doppelt-geknickte Preis-Absatz-Funktion Es gibt jedoch theoretische Modelle, die Marktmechaniken verdeutlichen. Es handelt sich dabei vor allem um die doppelt-geknickte Preis-Absatz-Funktion im unvollkommenen Polypol nach Gutenberg mit einem teilmonopolistischen Bereich zur Erklärung des akquisitorischen Potenzials der Anbieter und um die einfachgeknickte Preisabsatzfunktion im Oligopol nach Sweezy zur Erklärung der Ambivalenz im Preisverhalten des Oligopols zwischen Wirtschaftsfrieden und -kampf. Diese geben Anhaltspunkte für preisliche Zusammenhänge, die marketing­relevant sind. Die doppelt-geknickte Preis-Absatz-Funktion stellt eine Kombination aus der linear-negativ geneigten Preis-Absatz-Funktion des Monopols und der voll-elastischen Gerade des Polypols dar und führt zu einem Verlauf, der negativ geneigt in drei Abschnitte unterteilt werden kann: • einen Abschnitt mit relativ geringer Neigung ähnlich dem Polypol, • einen Abschnitt mit großer negativer Neigung ähnlich dem Monopol, • einen weiteren Abschnitt mit relativ geringer Neigung. Dadurch entstehen zwei Knickstellen in der Preis-Absatz-Funktion, innerhalb derer ein monopolistischer Bereich liegt, der von zwei polypolistischen Bereichen begrenzt wird (siehe Abbildung 88: Doppelt-geknickte Preis-Absatz-Funktion). Diesem Modell liegt eine Hypothese zugrunde, die durchaus realistisch ist. Typisch für viele Märkte ist eine große Anzahl von Anbietern bei hoher Unvollkommenheit des Marktes. Diese fehlende Homogenität führt trotz der objektiv vorliegenden Marktmorphologie des Polypols dazu, dass jeder dieser vielen Anbieter in bestimmten Grenzen eine quasi-monopolistische Stellung einnimmt. Diese Grenzen werden durch einen oberen und unteren Grenzpreis markiert. Innerhalb dieser Grenzpreise ist jeder Anbieter relativ frei in der Setzung seiner Preis-Mengen-Kombination. Er kann sich de facto ähnlich wie ein Monopolist verhalten.

1. Preistheoretische Erkenntnisse

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Abbildung 88: Doppelt-geknickte Preis-Absatz-Funktion (eig. Darst.)

Dies rührt daher, dass aufgrund der Marktunvollkommenheiten Präferenzen entstehen, die Nachfrager dazu veranlassen, einen bestimmten Anbieter anderen vorzuziehen. Der Anbieter ist damit nur eingeschränktem Wettbewerb ausgesetzt. Die Preis­absatzfunktion, derer er sich gegenübersieht, hat daher eine große negative Neigung. Überschreitet der Anbieter bei seiner Parametersetzung jedoch im Zuge einer Preisanhebung einen oberen Grenzpreis, so weichen Nachfrager in großem Ausmaß auf andere verfügbare Anbieter aus. Die Preisabsatzfunktion wird mit einem Mal sehr flach. Diese Abwanderung rührt daher, dass zunehmend Nachfrager das Preisopfer, das ihnen bei steigendem Preis abverlangt wird, höher einschätzen als den zuwachsenden Nutzen aus der Nutzung eines bestimmten Angebots. Der Anbieter verliert infolge dessen schnell an Absatz. Umgekehrt ist der Effekt bei fortschreitender Preissenkung. Dann wandern wegen der komparativen Vorteilhaftigkeit des Angebots in großem Maße Nachfrager von anderen Anbietern ab und dem preisgünstigen Anbieter zu. Die Preisabsatzfunktion verläuft dann wiederum sehr

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

flach. Das Ausmaß des akquisitorischen Potenzials ist umso höher, je stärker die Käuferbindung durch Präferenzen, je geringer die Substituierbarkeit durch andere Produkte, je niedriger das akquisitorische Potenzial der Konkurrenz und je geringer die Reaktionsgeschwindigkeit durch Marktintransparenz ist. Dem Marketinginstrumentarium kommt dabei eine doppelte Funktion zu. Zum einen hat sein Einsatz zum Ziel, den monopolistischen Bereich der Preisabsatzfunktion möglichst steil zu gestalten. Denn je steiler der Verlauf der Kurve ist, desto geringer fällt ein Nachfragerückgang bei einer Preisanhebung aus und desto höher ist der preispolitische Spielraum des quasimonopolistischen Anbieters. Die Steilheit im Verlauf der Kurve ist unmittelbar abhängig vom Ausmaß der Präferenzen. Je größer diese sind, umso inflexibler reagiert die Nachfrage. Marketing soll hier bei oft vorhandener objektiver Gleichartigkeit eines Angebots zu anderen am Markt befindlichen solche Präferenzen aufbauen. Je mehr dies gelingt, desto geringer ist die Preiselastizität der Nachfrage, d. h. die Reaktion im Absatzrückgang auf eine Preisanhebung. Andererseits führen Preissenkungen unter diesen Umständen kaum zu Mengenzuwachs, so dass sie für einen Anbieter wenig sinnvoll erscheinen. Zum anderen hat Marketing zum Ziel, die Grenzpreise so weit wie möglich zu spreizen. Dadurch soll der monopolistische Bereich der Preis-Absatz-Funktion ausgedehnt werden. Der obere Grenzpreis beschränkt gleichzeitig den Preissetzungsspielraum des Anbieters, d. h., eine inflexible Reaktion der Nachfrage ist nur bis zu dessen Erreichen gegeben. Darüber hinaus führen weitere Preiserhöhungen zu umfangreichem Absatzrückgang, weil dann die Preisbereitschaft der Nachfrager überstrapaziert wird. Beim unteren Grenzpreis wächst zwar umfangreiche Nachfrage zu, so dass dies eigentlich wünschenswert wäre. Jedoch ist die Erlössituation aufgrund des dort bereits erreichten niedrigen Preisniveaus eher unbefriedigend, so dass ein Preisgebot in diesem Bereich wenig attraktiv erscheint. Vielmehr soll der monopolistische Bereich möglichst weit nach unten reichen, um Spielraum für Preisunterbietungen zu geben. Für das gewinnmaximierende Angebot eines Anbieters im heterogenen Polypol ergeben sich in aller Regel zwei Alternativen, denn die Grenzkostenkurve schneidet die Grenzumsatzkurve, die aufgrund der doppelten Knickung der Preis-Absatz-Funktion zwei Unstetigkeitsstellen aufweist, im Modell zweifach, nämlich einmal bei einer Preis-Mengen-Kombination im monopolistischen Abschnitt und dann bei einer solchen im zweiten polypolistischen Abschnitt. Bei der Entscheidung für das absolute Maximum ist ausschlaggebend, ob, ausgehend vom ersten Cournot’sehen Punkt, die zuwachsenden Erlöse in der Summe über oder unter den zuwachsenden Kosten liegen. Ist die Summe der Grenzumsätze höher als die der Grenzkosten, liegt das absolute Maximum im zweiten polypolistischen Abschnitt der Preisabsatzfunktion. Ist diese Summe der Grenzumsätze jedoch niedriger als die der Grenzkosten, liegt es im monopolistischen Abschnitt. Letzteres ist zu bevorzugen, da der Gestaltungsspielraum der Preise erhalten bleibt. Je niedriger im Übrigen die variablen Kosten eines Anbieters sind, desto eher ergibt sich sein absolutes Gewinnmaximum im zweiten polypolistischen Abschnitt,

1. Preistheoretische Erkenntnisse

513

da auch niedrige Preise für ihn noch verkraftbar sind. Umgekehrt führen hohe variable Kosten zur Notwendigkeit der Durchsetzung hoher Preise am Markt. Was wiederum nur über ausgeprägte Präferenzen zu erreichen ist, die durch Marketinginstrumente aufgebaut werden. Zwar liegt das entscheidende Handicap im Mangel der Feststellbarkeit der PreisAbsatz-Funktion. Es ist jedoch unzweifelhaft, dass solche zweifach-geknickten Kurvenverläufe in der Praxis zahlreich bestehen. Im Ergebnis wird bei monopo­ listischer Konkurrenz eine geringere Warenmenge angeboten als bei vollkommenem Wettbewerb. Damit liegt der Preis höher als im vollkommenen Wettbewerb. Diese Nachteile werden jedoch durch eine implizit größere Variationsbreite an Sorten, Stilen, Qualitäten etc. aufgewogen. Daraus entsteht ein hoher Anreiz zur Produktdifferenzierung und Umsetzung technischen Fortschritts zugunsten der Nachfrageseite. Als Beispiel für das Vorhandensein monopolistischer Bereiche in der Marktrealität mag das Angebot der einheimischen Automobilhersteller gelten. Weit verbreitet ist in der Kundschaft eine Präferenz zugunsten der nationalen Kfz-Marken vorhanden, sei es aus Tradition, Patriotismus oder einfach Überzeugung. Diese haben daher einen gewissen Preissetzungsspielraum, d. h., trotz kontinuierlicher Preiserhöhungen wandert nur ein kleiner Anteil der Käufer zu Importmarken ab. AIlerdings gibt es für diese quasimonopolistische Stellung einen oberen Grenzwert. Wird dieser im Zuge von Preiserhöhungen überschritten, so wird der Preisvorteil ausländischer Fahrzeuge bald höher gewichtet als der Markenvorteil deutscher Hersteller. Autokäufer wandern also ab, weil das von ihnen eigentlich präferierte Angebot aus ihrem Preiserwartungshorizont herauswächst. Dies hat dazu geführt, dass Einsteigermodelle an der unteren Skala vorhandener Typenreihen installiert werden, um die Markenloyalität zu steigern. Da auch dies erkennbar nicht mehr ausreicht, wurden neue Typenreihen für Einsteiger eingeführt. Denn viele Käufer steigen wohl von Importwagen rasch wieder auf einheimische Fabrikate um, sofern diese im Preis erschwinglich bleiben (unterer Grenzwert), deutlicher Beleg für einen monopolistischen Bereich. 1.2.2 Einfach-geknickte Preis-Absatz-Funktion Die Preisreaktion im homogenen Oligopol erfolgt, indem sich der einzelne Oligopolist auf einer einfach-geknickten Preis-Absatz-Funktion bewegt. Diese ist eigentlich die Zusammenfassung zweier unabhängiger Preis-Absatz-Funktionen, von denen jeweils eine für Preiserhöhungen und eine für Preissenkungen gilt. Die Preis-Absatz-Funktion für Preissenkungen verläuft steiler, weil sie Reaktionen der anderen Anbieter auf die eigene Preissenkung annimmt. Es ergibt sich eine linear negativ geneigte Kurve, deren Neigung umso höher ist, je ausgeprägtere Reaktionen des Mitbewerbs unterstellt werden. Die Preis-Absatz-Funktion für Preiserhöhungen verläuft flacher, weil sie keine Reaktionen anderer Anbieter auf die

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

eigene Preiserhöhung voraussetzt. Sie verläuft ebenfalls linear negativ steigend, fällt jedoch umso geringer, je weniger ausgeprägte Nachfragerbindungen bestehen. Im Schnittpunkt beider Kurven ergibt sich die Knickstelle. Die flacher verlaufende Kurve gilt für alle Preise, die oberhalb des Knickstellenpreises liegen, die steiler verlaufende für alle Preise unterhalb der Knickstelle (siehe Abbildung 89: Einfach-geknickte-Preis-Absatz-Funktion). Aufgrund dieser Konstellation ist es für alle Anbieter sinnvoll, genau die Preis-Mengen-Kombination der Knickstelle anzubieten. Denn nach der Cournot’schen Anforderung der Gleichheit von Grenzumsatz und Grenzkosten führen unterschiedlichste Grenzkostenniveaus dort zu einem Schnittpunkt in der breiten Unstetigkeitsstelle des Grenzerlöses und damit zum gewinnmaximierenden Angebot. Dadurch lässt sich vor allem die weit verbreitet zu beobachtende Preisruhe auf oligopolistischen Märkten erklären. Und der Anteil dieser Marktform steigt unvermindert im Rahmen fortschreitender Unternehmenskonzentration auf praktisch allen Märkten.

Abbildung 89: Einfach-geknickte Preis-Absatz-Funktion (eig. Darst.)

Geht man davon aus, dass auf einem Oligopolmarkt eine Preis-Mengen-Kombination im Schnittpunkt beider Preis-Absatz-Funktionen gegeben ist, so ist es für den einzelnen Oligopolisten nicht sinnvoll, autonom seinen Preis über diesen „Gleichgewichtspreis“ hinaus anzuheben, denn er muss davon ausgehen, dass die übrigen Oligopolisten ihm darin nicht folgen werden. Deshalb bewegt er sich auf

1. Preistheoretische Erkenntnisse

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der flach verlaufenden Kurve ohne Wettbewerbsreaktion, die durch eine hohe Preiselastizität der Nachfrage gekennzeichnet ist. Bereits geringe Preisanhebungen haben dort hohe Absatzverluste zur Folge, weil Nachfrager in großem Ausmaß zu anderen, gleichartigen Anbietern abwandern. Von daher bewirkt eine Preisanhebung nur einen Mengenrückgang, der erstere überkompensiert und zu niedrigeren Erlösen führt, insofern bei gleich bleibenden variablen Kosten in Gewinnrückgang resultiert. Umgekehrt ist es für den einzelnen Oligopolisten aber auch nicht sinnvoll, autonom seinen Preis unter den Marktpreis zu drücken, denn er muss davon ausgehen, dass die übrigen Oligopolisten ihm darin folgen werden. Deshalb bewegt er sich auf der steil verlaufenden Kurve mit Wettbewerbsreaktion, die durch eine niedrige Preiselastizität der Nachfrage gekennzeichnet ist. Dabei sind hohe Preissenkungen erforderlich, um noch merkliche Absatzsteigerungen zu erzielen, weil kaum Nachfrager von anderen gleichartigen Anbietern zuwandern. Denn diese anderen Anbieter senken ebenfalls die Preise, um ihren Nachfragebestand gegen den aggressiven Mitbewerber zu sichern. Der Preisabwachs ist daher größer als der Mengenzuwachs, und per Saldo sinken die Erlöse und c. p. damit auch die Gewinne. Phasen der gegenseitigen Preisunterbietung sind jedoch Ausnahmen, ansonsten ist es für alle Oligopolisten sinnvoll, in ihrem individuellen Preis nicht vom Preis des Mitbewerbs abzuweichen, denn Preisanhebungen führen zu raschem Absatzrückgang und Preissenkungen zu kaum nennenswertem Absatzzuwachs. Verschlechtert sich die Kostensituation oder soll die Gewinnmarge verbessert werden, erfolgt, bildlich, eine Parallelverschiebung der einfach-geknickten PreisAbsatz-Funktion auf der Preisachse (Ordinate) nach oben. Von daher einigen sich alle Oligopolisten stillschweigend auf einen höheren Ausgangspreis. Da dies nur bei relativ starrer Nachfrage möglich ist, geht die dabei abgesetzte Menge kaum zurück. Insofern ist das Modell der einfach-geknickten Preis-Absatz-Funktion anschaulich in der Lage, die tatsächliche weitgehende Preisruhe auf oligopolistischen Märkten zu erklären. Ein Beispiel für Preisruhephänomene in oligopolistisch strukturierten Märkten auch ohne explizite Abstimmung sind die Preiserhöhungsrunden der Mineralölkonzerne (fünf Markenkonzerne haben 70 % Marktanteil). Der Markt ist weitgehend fest verteilt. Und abgesehen von den als Wettbewerbsalibi nicht ungern gesehenen Freien Tankstellen herrscht ein einheitliches Preisniveau. Steigen nun Kostenbestandteile, vor allem Steuern und Rohölpreise, so werden diese über steigende Abgabepreise an die Autofahrer weitergewälzt. Geschähe dies nur durch einen Mineralölanbieter, käme es bei der praktischen Austauschbarkeit des Angebots zu hoher Fluktuation der Nachfrager und führte bei diesem zu steil fallendem Absatz. Ziehen aber alle Oligopolisten parallel auf den neuen Preis an, so bewegt sich dadurch am Marktanteil des einzelnen Anbieters wenig. Da gleichzeitig auch der Verbrauch an Mineralöl kaum sinkt, hat sich das Niveau de facto auf einen neuen, höheren „Gleichgewichtspreis“ bei fast gleichem Absatz eingependelt.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

Der Wettbewerb wird umso eher zum Zwecke einer gemeinsamen Zielsetzung eingeschränkt, je größer die vermutete wechselseitige Verhaltensabhängigkeit scheint. Dies ist der Fall, je geringer die Anbieterzahl ist, je ähnlicher die Marktanteile, je vergleichbarer die Herstellungsverfahren und je homogener die Produkte sind. Gemeinsamkeiten werden umso stärker verfolgt, je leichter es ist, zur Übereinkunft zu kommen. Dies ist bei Preisführerschaft, allgemein steigender Preistendenz und ähnlicher Einschätzung zukünftiger Marktentwicklungen gegeben. Je zwingender Übereinkünfte sind, desto stärker wird der Nicht-Preiswettbewerb sein, z. B. durch exzessive Werbung. Die gemeinsame Zielsetzung ist umso nachdrücklicher, je schwieriger der Marktzutritt ist.

2. Determinanten der Nachfrage Weitaus mehr als preistheoretische Überlegungen spielen praktische Erwägungen die entscheidende Rolle im Marketing. Grundsätzlich ist hierbei nach der Erklärung der Preisfestsetzung und den Möglichkeiten zur Feinsteuerung im Umfeld dieser Preishöhe zu unterscheiden. Die Festsetzung des Preises erfolgt aufgrund der Determinanten von Nachfrage, Markt, Zielsetzung, Reglementierung und Kosten. Als Preisbestandteile kommen die Konditionen, also Zahlungsbedingungen, Nachlässe, Zuschläge und Lieferungsbedingungen, in Betracht. Entsprechend dieser Einteilung wird in folgenden Abschnitt vorgegangen. Dem Preis, auch als Gebühr, Miete, Zins, Pacht, Tarif, Lohn etc. bezeichnet, kommt dabei als Gegengewicht zur Gesamtheit der anderen Marketing-Instrumente eine besondere Bedeutung zu. Während diese nämlich die Offerte von Leistungen durch den Anbieter beinhalten, verlangt der Preis eine monetäre Gegenleistung vom Nachfrager. Darin kommt die Basis des Marketing, das Gratifikationsund Knappheitsprinzip, mehr zum Ausdruck als irgendwo sonst im MarketingMix. Bei den Determinanten der Nachfrage sind der Familienlebenszyklus (2.1), der Preis-Leistungs-Quotient (2.2), die Preispsychologie (2.3) und die erstmalige Preisfindung (2.4) zu nennen.

2.1 Familienlebenszyklus 2.1.1 Zeitverlauf Von großer Bedeutung für die Preissetzung im Marketing unter Nachfragegesichtspunkten ist die Lebenszyklusphase der Einkaufsentscheider. Dabei lassen sich idealtypisch acht einander ablösende Phasen unterscheiden (siehe Abbildung 90: Typische Stadien des Familienlebenszyklus):

2. Determinanten der Nachfrage

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Abbildung 90: Typische Stadien des Familienlebenszyklus

• Ledige I. Dies sind junge, alleinstehende, nicht mehr im elterlichen Haushalt lebende Personen. Ihr Kaufumfeld ist durch relativ geringe finanzielle Lasten gekennzeichnet. Aufgrund ihres großen Interesses sind sie Meinungsführer z. B. in Modefragen und bei der Unterhaltungselektronik. Sie haben eine hohe allgemeine Freizeit- und speziell Urlaubsorientierung. Ihr Bedarf ist durch den Kauf von Grundausstattungen, wie Küche, Möbel, Auto etc., gekennzeichnet (Bachelor Stage). Bleiben diese Personen unverheiratet oder lassen sich von ihrem Ehepartner scheiden, wandern sie mit steigendem Alter in die Stadien Ledige 35–64 Jahre und Ledige über 64 Jahre, was aufgrund der Singletendenz immer wahrscheinlicher wird. • Junges Paar. Dabei handelt es sich um Jungverheiratete, berufstätige, kinderlose Personen (Dinks). Ihre finanzielle Situation ist insofern recht gut. In dieser Phase erfolgt die größte Konsumintensität vor allem bei Gebrauchsgütern. Infolge des generell erreichten hohen Lebensstandards kommen hierbei vor allem Produkte des gehobenen oder gar Luxus-Bedarfs in Betracht (Newly Married). Bleibt das Paar kinderlos, geht es in das Stadium Paar ohne Kinder (35–64 Jahre) über, daraus kann entweder ein verzögertes volles Nest resultieren oder ein älteres kinderloses Paar (über 64 Jahre). • Volles Nest I. Dies sind Familien mit ein oder mehreren Kindern, wobei das jüngste unter sechs Jahre alt ist. Die finanziellen Reserven werden hier arg strapaziert, meist durch Aufgabe der Berufstätigkeit der Frau und Mutter. Deshalb ist die Finanzlage als unbefriedigend zu bezeichnen. Es erfolgt vor allem der Kauf von Haushaltseinrichtungen, aber auch Kinderbedarf (Nahrung, Spielzeug,

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

Kleidung). Oft fällt in diese Phase auch noch der Entschluss zum Immobilienerwerb. Die mit dem Schuldendienst verbundenen Belastungen schmälern das Haushaltsbudget weiterhin (Full Nest I). Zusätzlich kann aufgrund von Scheidung oder unehelicher Geburt auch das Stadium des Haushalts mit nur einem Elternteil (einzelner Elternteil I) entstehen. • Volles Nest II. Dabei handelt es sich ebenfalls um Familien mit Kind(ern), wobei das jüngste bereits älter als sechs Jahre ist. Die finanzielle Lage ist weiterhin angespannt und löst sich erst mit zumindest teilweiser Berufstätigkeit der Hausfrau. Es werden vorzugsweise große Gebindegrößen von Verbrauchsgütern gekauft. Außerdem fällt Ersatzbedarf bei Gebrauchsgütern, z. B. Haushaltsgeräten, an (Full Nest II). Bei alleinerziehenden Haushalten entsteht analog das Stadium des einzelnen Elternteils II. • Volles Nest III. Hierbei ist ein älteres Paar mit im Haushalt lebenden abhängigen Kindern gemeint. Die finanzielle Lage entspannt sich zunehmend durch doppelte Berufstätigkeit oder zurückhaltende Investition. Außerdem leisten die Kinder Kostendeckungsbeiträge durch Ausbildungsvergütung, Wehrsold, Berufsausbildungsförderung etc. (Full Nest III). Entsprechendes gilt für den Haushalt mit nur einem Elternteil im Stadium des einzelnen Elternteils III, weil Kinder heute wieder häufiger zuhause wohnen bleiben (Nesthocker). • Leeres Nest I. Dies ist ein älteres Paar, dessen Kinder den gemeinsamen Haushalt bereits verlassen haben. Das Haushaltsbudget wird also weniger in Anspruch genommen, gleichzeitig nehmen die Verpflichtungen ab. Dadurch steigt das Interesse an Reisen, Erholung, Wohnverbesserung etc. Insgesamt wird eine höchstmögliche Zufriedenheit mit der finanziellen Lage erreicht. Deshalb verlagern sich die Anschaffungen in den höherwertigen, qualitätsorientierten Konsumbereich, auch als Geschenke und Spenden (Empty Nest I). • Leeres Nest II. Dies unterscheidet sich vom Vorstadium dadurch, dass der Haushaltungsvorstand aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist. Als Rentner oder Pensionär verschlechtert sich die Finanzlage des Haushalts wieder, es sei denn, durch Vorsorge (Betriebsrente, Lebensversicherung) ist rechtzeitig ein Ausgleich geschaffen worden. Die Konsumausgaben sinken, zugleich nehmen aber die kostenintensiven Maßnahmen der Gesundheitspflege zu (Empty Nest II). • Ledige II. Hierbei handelt es sich um den alleinstehenden Überlebenden. Meist verbessert sich die Finanzlage wieder, wenngleich sie nicht zufriedenstellend ist (höhere Lebenserwartung der Frau bei Berufstätigkeit des Mannes und niedrigerer Witwenrente). Die Konsumausgaben fallen weiter, gleichzeitig steigt das Sicherheitsbedürfnis. Ausgaben für medizinische Geräte, Gesundheit, Schlaf etc. werden getätigt (Solitary Survivor).

2. Determinanten der Nachfrage

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Daraus ergibt sich ein Lebenszyklus der Preisbedeutung beim Kauf. Sie ist zunächst gering, steigt dann jedoch an (Phasen I–IV), um im Zeitablauf sich wiederholend wieder abzusinken und anzusteigen (Phasen V–VIII). Allerdings führen fortschreitende gesellschaftliche Veränderungen dazu, dass dieser prototypische Ablauf praktisch immer seltener anzutreffen ist. Damit verliert auch die Modellbasis partiell an Aussagekraft, wenn Patchwork-Lebenszyklen in der Familie dominieren. 2.1.2 Entscheidungsanteil Innerhalb der Familienlebenszyklusphasen verändert sich der relative Anteil an der Kaufentscheidung durch die Familienmitglieder (siehe Abbildung 91: Kaufentscheidungsanteil im Haushalt). Während zunächst beide, Mann und Frau, relativ gleichwertig auf den Wahlentscheid Einfluss nehmen, vergrößert sich in Folge der relative Anteil des Mannes, weil er häufig als Hauptverdiener (bei Kindern im Haushalt) einen größeren Einfluss für sich in Anspruch nimmt. Im Zeitablauf steigt dann auch der Anteil des / der Kinder, und zwar nicht nur bei Gütern ihres eigenen Bedarfs, sondern gerade auch bei modernen, anspruchsvollen Produkten im Haushalt.

Abbildung 91: Kaufentscheidungsanteil im Haushalt

Unabhängig davon können Produkte unterschieden werden, bei denen • der Mann im Haushalt die Kaufentscheidung dominiert. Dies waren traditionell vor allem komplexe Produkte (z. B. Hausfinanzierung), meist auch technischer Natur (z. B. HiFi / Video).

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

• die Frau im Haushalt die Kaufentscheidung dominiert. Dies waren meist hauswirtschaftliche Produkte (z. B. Küchengeräte, Geschirr / Besteck), aber auch kinderbezogene Anschaffungen. • Kaufentscheidungen gemeinsam getroffen werden. Dies betrifft typischerweise ebenfalls gemeinsam wahrgenommene Interessen wie Urlaub, Freizeit, Wohnraum, Schulbedarf etc. • Kaufentscheidungen jeweils autonom getroffen werden. Bezogen auf den Mann sind dies u. a. handwerkliche (z. B. Heimwerkergeräte) und fürsorgliche Domänen (Sparformen, -ziele), bezogen auf die Frau immer noch eher schmückende, hedonistische Sphären (z. B. Mode- und Kosmetikartikel). Diese Einteilung verliert jedoch in dem Maße an Bedeutung, wie das klassische Familienmodell durch zahlreiche andere Konstellationen abgelöst wird. Dabei ist vor allem an gleichgeschlechtliche Partnerschaften zu denken, bei denen es sein mag, dass „männlicher“ und „weiblicher“ Part übernommen, sowie faktisch „gleichberechtigte“ Familien zu denken, die arbeitsteilig entscheiden, etwa bei doppelter Berufstätigkeit. Dazu trägt auch die allgemeine Emanzipation der Frauen in einer modernen Gesellschaft bei.

2.2 Preis-Leistungs-Quotient 2.2.1 Darstellung Im Mittelpunkt jedes Kaufentscheids steht ein gedanklicher Quotient aus Preis (im Zähler) und Leistung (im Nenner). Der Wert dieses Quotienten schwankt zwischen den Grenzwerten Null und Unendlich. Den Wert 0 nimmt der Quotient etwa bei Geschenken an, d. h., der Preiszähler ist 0 (da kostenlose Zurverfügungstellung des Gutes), der Nenner > 0 (es wird unterstellt, dass dem Geschenk ein Leistungsnutzen zukommt). Ein weiteres Beispiel sind beitragsfreie Sozialleistungen. Der Quotient bewegt sich umgekehrt gegen ∞, wenn diese Leistung von einem Gut in keiner Weise erbracht wird, dafür jedoch ein Preis zu zahlen ist (Zähler > 0, Nenner = 0). Das ist bei bestimmten Formen der Verschwendung oder völlig überzogenen Luxusgütern gegeben. Sofern eine Leistung nicht positiv, sondern negativ zu bewerten ist (z. B. Schadstoffemission), kann der Quotient ausnahmsweise sogar negativ ( 0 und = 1. An der oberen Grenze ist ein Kauf wirtschaftlich gerade noch sinnvoll, denn dort entspricht die gebotene Leistung genau dem geforderten Preis. Für Werte > 1 fehlt diese Äquivalenz, und da die gebotene Leistung niedriger als der dafür geforderte Preis eingeschätzt wird, unterbleibt folgerichtig ein Kauf. Die Werte in Zähler und Nenner des Preis-Leis-

2. Determinanten der Nachfrage

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tungs-Quotienten unterliegen erheblichen Einflüssen. Der Wert des Preiszählers bewegt sich seinerseits zwischen einem unteren und oberen Grenzwert. Die untere Grenze (Mindestpreis) wird aufgrund des Phänomens der Überstrahlung des Preises eines Angebots auf dessen Leistungsnutzen dort erreicht, wo von einem erstaunlich niedrigen Preis auf mangelnde Leistung (z. B. Qualität) eines Gutes geschlossen wird. Eine obere Grenze (Höchstpreis) ergibt sich aus dem Limit für die allgemeine Preisbereitschaft, d. h. der Unwilligkeit, einen bestimmten, subjektiv vorab fixierten Preis, der z. B. auf Erfahrung oder Vergleich beruht, bei der Anschaffung eines Gutes zu überschreiten. Ebenso unterliegt der Leistungsnenner oberen und unteren Grenzwerten. Ein unterer Grenzwert (Mindestleistung) wird dort erreicht, wo bestimmte als unverzichtbar angesehene Funktionsanforderungen nicht mehr erfüllt werden (z. B. elementare Komfortfeatures bei technischen Gebrauchsgütern). Ein oberer Grenzwert wird dort erreicht, wo die zusätzlich angebotene Leistung für den Käufer nicht mehr sinnvoll nutzbar ist, der gebotene Mehrwert vielleicht sogar irritierend wirkt und keinen Mehrnutzen repräsentiert, welcher die hohe Geldausgabe zu rechtfertigen vermag. Innerhalb der angegebenen Grenzwerte für Preis und Leistung ergibt sich für jedes zur Kaufentscheidung anstehendes Gut ein individueller Quotient, der über dessen Preis-Leistungs-Relation und damit das Ausmaß der individuellen Kaufattraktivität Aufschluss gibt. Diese Preis-Leistungs-Relation unterliegt jedoch mannigfaltigen Schwankungen. So weicht der Quotient für ein und dasselbe Gut interpersonell womöglich erheblich voneinander ab. Als Einflussgröße sei die persönliche Konsumneigung genannt, also das Konsumausmaß, das zur subjektiven Lebensführung als angemessen betrachtet wird. Hier gibt es eher sparsam veranlagte Personen (Zukunftskonsum) und eher hedonistisch veranlagte (Yuppies). Geradezu groteske Ausmaße können Abweichungen im Bereich von Hobbies annehmen, wo das persönliche Engagement zur irrationalen Hypertrophierung üblicher Marktwerte führt. Ebenso sind bei ein und derselben Person Schwankungen zu verzeichnen, etwa in Abhängigkeit vom jeweiligen Preisentscheidungsumfeld. So mag die animierende Kaufatmosphäre im Erlebnishandel ebenso zu einer günstigeren Wertung (niedrigerer Quotient) führen wie der Einfluss kaufbegleitender Personen (Prestige) oder die Zweckbestimmung für einen besonderen Anlass (Fest). Zudem unterliegt die Wertung Änderungen im Zeitablauf, z. B. in den unterschiedlichen Phasen des Familienlebenszyklus. Ebenso führen Saisons, z. B. Urlaub, zu temporären Änderungen in der Preis-Leistungs-Bewertung. Weiterhin schwankt die Bewertung mit den regionalen Umfeldgegebenheiten. Lebensnotwendige Anschaffungen unterliegen geringeren Anforderungen an den Schwellenwert als leicht verzichtbare. Neben diesem objektiven kann sich aber auch ein subjektiver Kaufdruck aufbauen. Ein Beispiel für internalen Kaufdruck stellt der Wunsch nach Selbstbeloh-

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

nung durch den Bezug attraktiver Güter dar, deren Preis-Leistungs-Quotient unter diesem Aspekt positiv beeinflusst wird. Ein Beispiel für externalen Kaufdruck liegt vor, wenn von einer Anschaffung in hohem Maße Signalwirkung auf das soziale Umfeld ausgeht (z. B. bei Schülern und Jugendlichen als Gruppenzwang in Bezug auf bestimmte In-Marken für Bekleidung, Schuhe, Accessoires etc.). Hierbei ist das frei verfügbare (diskretionäre) Einkommen bedeutsam für die Preis-Leistungs-Entscheidung. Nicht nur, dass bekannt ist, dass mit steigendem Einkommen der Anteil hochwertiger, sehr wahrscheinlich mit schlechterer PreisLeistungs-Relation ausgestatteter Güter zunimmt (Giffen-Effekt), sondern auch der Anteil fixer, zumindest kurzfristig nicht beeinflussbarer Ausgabepositionen und des dabei verbleibenden Resteinkommens ist bedeutsam. Jedes Individuum trifft unter Berücksichtigung dieser Einflussgrößen seine subjektive Entscheidung über Preis und Leistung, und damit über den Quotienten. Theoretisch werden diese Quotienten in aufsteigender Reihenfolge (d. h. absteigender Reihenfolge ihres Preis-Leistungs-Verhältnisses) gerangreiht. Da die Anzahl der gewünschten Kaufprojekte erfahrungsgemäß die der realisierbaren überschreitet, ergibt sich eine praktische Beschränkung durch die Budgetlinie des Haushalts bzw. der zahlenden Person. Alle Güterkäufe, die kumuliert diese Budgetgrenze nicht überschreiten, werden danach realisiert. Da das Budget periodenbezogen ist, bleibt die Möglichkeit, die derzeit nicht realisierbaren Kaufprojekte auf die nächste Budgetperiode zu verschieben, die betreffenden Kaufprojekte mangels Attraktivität ganz aus dem subjektiven Beschaffungsprogramm zu eliminieren oder zumindest solange zurück zu stellen, bis eine Bezugsquelle mit niedrigerem Preis und / oder höherer Leistung ausfindig gemacht werden kann, wodurch das betreffende Projekt sich in der Rangreihe weiter vorn platziert. Ist man dazu nicht bereit, kann durch Kreditinanspruchnahme der Budgetrahmen auch kurzfristig erweitert werden, wobei allerdings die Gefahr des Overbuying besteht. Diese Budgetlinie im Sinne des diskretionären Einkommens impliziert bereits alle subjektiven Einflussfaktoren. Die idealtypische Abfolge gilt nicht für Spontankäufe, die planerisch nicht im subjektiven Kaufprogramm berücksichtigt werden können. Für diese Fälle wird in der Haushaltspraxis ein Teilbudget reserviert, das unabhängig von den ohnehin geplanten Kaufprojekten ausgeschöpft oder, falls nicht erforderlich, dem Budgetspielraum der nächsten Periode zugeschlagen bzw. gespart werden kann (Mental Accounting). Alle Käufe innerhalb der Budgetlinie werden plangemäß realisiert. Das Ziel jedes Anbieters muss darin liegen, mit seinem Angebot zu den berücksichtigten Kaufprojekten einer möglichst großen Anzahl von Zielpersonen zu gehören. Dabei befindet sich jeder Anbieter in starkem, totalen Wettbewerb zu allen anderen am Markt um den Vollzug des Kaufentscheids.

2. Determinanten der Nachfrage

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2.2.2 Bedeutung Der Anbieterseite stehen verschiedene Maßnahmen zur Verfügung, um die Wahrscheinlichkeit der Berücksichtigung des eigenen Angebots zu erhöhen, die im Marketing bedeutsam sind: • Die Verbesserung der Leistung bei gleichem Preis wird z. B. von Automobilherstellern bei Produktaufwertungen oder Facelifts praktiziert. Die Leistung wird, allerdings oft nur unwesentlich, erhöht, während der Preis unverändert bleibt. • Die Senkung des Preises bei unveränderter Leistung erfolgt z. B. regelmäßig bei Sonderangeboten, wobei es sich sowohl um planmäßige Preissenkungen (etwa bei Aktionsverkäufen) wie auch um solche handelt, die fremd induziert sind (etwa bei Auslaufmodellen nach einem Modellgenerationswechsel). • Die Verbesserung der Leistung bei sinkendem Preis wird z. B. durch Ausnutzung von Skaleneffekten aus Größendegression, Technologievorsprung oder Erfahrungskurve dort realisierbar, wo Kostenermäßigungen im Preis weitergegeben werden (etwa bei UE-Geräten). In der Einführungsphase ist dies zudem eine wirksame (Penetrations-)Strategie zum Aufbau von Marktvolumen und zur Abwehr potenzieller Konkurrenten. • Eine überproportionale Verbesserung der Leistung im Vergleich zur vorgenommenen Preiserhöhung findet sich etwa bei technischen Gebrauchsgütern. Der Hersteller spekuliert darauf, dass möglichst große Teile der Zielgruppe die angebotene Mehrleistung höher werten als die damit verbundene Preisanhebung, die Kaufwahrscheinlichkeit also steigt. • Eine überproportionale Senkung des Preises im Vergleich zur erfolgten Leistungsverringerung ist etwa in der Automobilindustrie bei Einsteigermodellen anzutreffen, die zur Abrundung der Typreihe nach unten lanciert werden und dort Markeneroberungen bewirken, die im Zuge einer Produktkarriere zur Loyalität bei steigenden Kaufwerten im Zeitablauf führen. Die Beurteilung der Preis-Leistungs-Relation infolge solcher Maßnahmen entzieht sich jedoch einer operationalen Einordnung, denn Preis sowohl als auch Leistung unterliegen selbst wiederum Veränderungen. So ist der Angebotspreis vom Verhandlungspreis zu unterscheiden, was aus dem Gebrauchtwagen- oder Immobiliengeschäft jedermann geläufig ist. Die Differenz stellt eine Erlösschmälerung auf Seiten des Anbieters und ersparte Kosten auf Seiten des Nachfragers dar. Durch diese Änderung des Zählers (Preis) ändert sich zwangsläufig der gesamte Quotient und damit die relative Position des Kaufprojekts in der Präferenzrangordnung. Außerdem ist die Leistung als solche nicht homogen, sondern setzt sich selbst aus einem mehr oder minder großen Anteil objektiver (Haupt-)Leistung und subjektiver (Neben-)Leistung zusammen. Dies gilt etwa für Low Interest-Produkte, die primär der Grundnutzenbefriedigung dienen. Andererseits kommt es nicht selten vor, dass sich die Gesamtleistung aus objektiver

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

(Neben-)Leistung und subjektiver (Haupt-)Leistung zusammensetzt, wie dies etwa bei Me too-Produkten der Fall ist, die eine Profilierung vor allem über immaterielle Zusatznutzenstiftung erfahren. Schließlich ist auch die Bedarfsfunktion des Individuums durchaus inkonsistent, d. h. ändert sich anlassbezogen oder periodisch und unterliegt Manipulationen (extern etwa durch die kaufappellierende Auslobung von Werbungtreibenden und intern durch das wechselnde Zusammenspiel der aktivierenden Variablen Emotion, Einstellung und Motivation). Das Marketingziel für die Preispolitik lässt sich damit als Schaffung (subjektiven) Kaufdrucks und (emotionaler) Zusatznutzen definieren. Durch eine hohe Intensität der Ansprache mag eine entsprechende Überzeugungswirkung sowie die Profilierung eines Angebots über die Grundnutzenstiftung hinaus erreicht werden. Insofern ist es kurzsichtig, Produkte nur über vordergründig niedrige Preise abzusetzen. Marketing setzt vielmehr bei der Aufwertung der Leistung an, um den dadurch geschaffenen Spielraum durch angemessene Preise nutzen zu können. Je mehr die Leistung durch Marketing „aufgepumpt“ werden kann, desto größerer Preisspielraum ergibt sich bei günstigem Preis-Leistungs-Quotienten.

2.3 Preispsychologie 2.3.1 Preiswahrnehmung Die subjektive Preiswahrnehmung hat mehrere Dimensionen. Die absolute Preiswahrnehmung erfolgt durch Preisgünstigkeit. Dabei wird ausschließlich die einseitige Preisdimension bewertet und das Angebot mit dem absolut niedrigsten Preis gewählt. Dies ist typisch für standardisierte Angebote (z. B. DIN-Norm im gewerblichen Beschaffungsbereich) und geringwertige Low Interest-Produkte. Die relative Preiswahrnehmung erfolgt nach Preiswürdigkeit. Dabei wird die Preishöhe in dependenter Verbindung zur dafür gebotenen Gegenleistung bewertet und das Angebot ausgewählt, das die beste Preis-Leistungs-Relation aufweist (s. u.). Dabei kann der Käufer je nach subjektiver Disposition selbst vielfältig auf dieses Verhältnis Einfluss nehmen (z. B. durch die Wahl von Einkaufsort, -zeitpunkt, -objekt). Der Annahme des mittleren Preisempfindens liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Nachfrage am höchsten bei einem Angebot innerhalb einer allgemein akzeptierten Preisnorm ist. Wird dieser Zonenpreis nach oben oder unten verlassen, nimmt der Grad der Angebotszurückweisung zu (z. B. durch Qualitätsrisiko, Übervorteilungsgefahr, Indifferenz). Durch anbieterseitiges Framing kann hier Einfluss in Richtung eines höheren Preises genommen werden. Bei der kognitiven Preiskenntnis werden auftretende Preise in Bezug zur eigenen Preiserfahrung gesetzt. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass es hinzuneh-

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mende Standardpreislagen für jedes Angebot gibt, die als gültige und zuverlässige Beurteilungsreferenz für die komparative Vorteilhaftigkeit eines Angebots dienen. Dies trifft vor allem auf Sonderangebote zu. 2.3.2 Nachfrageeffekte Abweichend von der alIgemeinen Preismechanik ergeben sich in bestimmten Fällen externe Nachfrageeffekte, die zu anomaler Preiswirkung führen, wie folgt. Der Bandwagon-Effekt beschreibt das Phänomen, dass bestimmte Produkte von Personen gekauft werden, weil andere sie kaufen. Dies gilt besonders, wenn Personen der Referenzgruppe diese Produkte besitzen. Dann kann man sich dieser Referenz subjektiv ein gutes Stück annähern, indem man sich der gleichen Produkte bedient. Zum Beispiel wurden Lacoste-T-Shirts vor Jahren durch ihren hohen Preis von sozial besser gestellten Personen bevorzugt. Das kleine Krokodil auf dem Stoff signalisierte die Zugehörigkeit zu diesem exklusiven Kreis. Eben deshalb kauften auch Personen, die aufgrund ihrer Einkommenslage ursächlich nicht dazu gehörten, Produkte der Marke Lacoste und spiegelten damit ihrem sozialen Umfeld arrivierten Wohlstand vor. Der Snob-Effekt bedeutet genau das Gegenteil. Produkte werden von bestimmten Personenkreisen nicht mehr gekauft, weil andere sie kaufen. Um beim vorangestellten Beispiel zu bleiben, verlor die Marke Lacoste in dem Maße an Exklusivität, wie sie von beinahe jedermann getragen wurde. Sie differenzierte damit nicht mehr in willkommener Weise positiv, sondern setzte subjektiv falsche Signale. Die ursprünglichen Käufergruppen stiegen daher auf andere Marken um, die nunmehr zur gewünschten Profilierung beitrugen (z. B. Missoni, Drykorn, Plein). Der Fehler der Preispolitik lag darin, den Preisabstand zu Konsummarken nicht in notwendigem Maße gehalten zu haben. Nur drastische Preiserhöhungen hätten die nötige AIleinstellung erhalten können. Der Veblen-Effekt (aus „Theorie der feinen Leute“) besagt, dass bestimmte Produkte eine positive Preiselastizität der Nachfrage aufweisen, also mit höherem Preis verstärkt, statt vermindert nachgefragt werden können. Dies ist typischerweise bei höchstwertigen Angeboten gegeben. Als Beispiel mag die Übernachfrage nach limitierten Auflagen technischer Gebrauchsgüter gelten, die teurer als die entsprechenden Serienprodukte sind. Sie bieten durch demonstrativen Konsum die willkommene Chance zur Absetzung vom Durchschnitt und sind damit meist ein höheres Preisopfer Wert (z. B. Luxusprodukte, Trendprodukte). Ein Beispiel findet sich bei Apple-Produkten. Diese eskalieren immer mehr im Preis, zugleich steigt jedoch die Begehrlichkeit, da Personen, die sich dennoch ein Apple-Produkt leisten wollen, sich in ihrem Umfeld als professionell profilie-

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ren. Das gleiche gilt für Top-Sneakermodelle der bekannten Sportschuhhersteller wie Converse, Vans, New Balance, die abstrus hohe Preislevel realisieren, deren Besitz aber modische Aktualität demonstriert. Teils wird diese Entwicklung noch durch limitierte Auflagen oder kundenindividualisierte Produkte gesteigert, die häufig zugeteilt werden und auf dem Secondhand-Markt weitere Wertsteigerungen erzielen. Nur indirekt dazu gehört der Giffen-Effekt, denn er ist ein Einkommenseffekt. Er besagt, dass der Anteil höherwertiger Produkte mit steigendem Einkommen zunimmt, oder umgekehrt, der Anteil geringwertiger Produkte, z. B. Grundnahrungsmittel, sinkt. Dies ist einfach erklärbar, da von Haushalten zunächst in die Grundbedürfnisse investiert wird. Ist das Einkommen niedrig, bleibt deshalb kaum Geld für Zusatzbedürfnisse. Umgekehrt bleibt das Volumen der Grundbedürfnisse absolut begrenzt, so dass bei höherem Einkommen darin nicht weiter investiert werden kann. Stattdessen wird das verbleibende Geld für Zusatzbedürfnisse ausgegeben oder gespart.

2.3.3 Preisinteresse Dem Preisinteresse, d. h. der relativen Bedeutung des Preises beim Wahlentscheid für ein Produkt, kann beim Kauf in mehrfacher Weise Rechnung getragen werden. Am deutlichsten erfolgt dies durch die Wahl des Angebots mit dem günstigsten Preis-Leistungs-Verhältnis. Dazu erfolgt eine Bewertung aller relevanten Angebotsoptionen hinsichtlich ihres Leistungsnutzens und des zu seiner Erlangung jeweils erforderlichen Preisopfers. Aus beiden Größen bildet sich der Preis-LeistungsQuotient. Angebote mit günstigerem Wert werden gegenüber anderen bevorzugt. Weiterhin kommt das Preisinteresse durch die Wahl großer Gebindegrößen zum Ausdruck. Dabei wird unterstellt, dass größere Mengen pro Einheit billiger sind, was regelmäßig auch zutrifft. Ausnahmen bestätigen hier die Regel, zumal Gebindegrößen so zu wählen sind, dass Preise zu anderen Größen einfach vergleichbar bleiben. Vielfach werden dafür sogar Unbequemlichkeiten in Kauf genommen wie leichtere Verderblichkeit, größerer Transportaufwand oder höhere Verbrauchsintensität. Ebenso kann durch die Wahl des Einkaufszeitpunkts Einfluss genommen werden. So etwa durch Bekleidungskauf während der informellen Saisonschlussverkäufe, durch Verreisen in der Nebensaison oder Einkauf auf dem Wochenmarkt kurz vor Abbau der Stände. Damit sind zwar zugleich gewisse Nachteile verbunden (z. B. weniger Auswahl), die jedoch von Verbrauchergruppen geringer gewichtet werden als die dadurch erzielbaren Preisvorteile. Die Wahl der Einkaufsstätte ist bezeichnend. So kann zwischen Versorgungsund Erlebnishandel unterschieden werden. Bei ersterem steht deutlich das Preis-

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interesse im Vordergrund, beim letzteren die Leistungsqualität. Wobei sich außerdem auch eine Trennung nach der Art der nachgefragten Produkte in Grundnutzen und Zusatznutzen ergibt. Für das persönliche Preisempfinden sind Ankergrößen von Bedeutung, die eine relative Preisbeurteilung erlauben. Diese basieren auf einer • Preisgegenüberstellung über Kontextinformationen. Dies ist immer dann der Fall, wenn der aktuelle Preis einen anderen (Vergangenheits-, Listenpreis etc.) erkennbar ersetzt. So etwa bei den Hauspreisen der Automobilhändler im Vergleich zur unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers. Oder auch bei Aktions­ verkaufs- im Gegensatz zu Normalpreisen. Dies ist als Framing bekannt. • Preiskenntnis aus früheren Käufen, durch Referenzen, aus Presseveröffentlichun­ gen etc. So ist für Produktgruppen aus Erfahrung bekannt, in welcher Preislage sie sich befinden. Einzelne Marken lassen sich darin wiederum unterscheiden. Sie liegen am unteren oder oberen Ende einer subjektiven Preisskala. • Auslobung durch verbale Suggestion von Preisgünstigkeit. Hierzu gehören alle Hinweise, die auf die zeitliche und / oder räumliche Limitation eines Angebots hindeuten. Gleiches gilt für alle werblichen Zusätze, die auf ein niedriges Preisniveau aufmerksam machen (in Reinkultur bei Marktschreiern anzutreffen). Im Rahmen der Preisoptik werden Preise auch unter psychologischen Gesichtspunkten bewertet. Dies führt zu folgenden Erscheinungen: • Preisschwellen ergeben sich jeweils vor runden Zahlen und führen daher zu gebrochenen Preisen (Odd Pricing) unmittelbar unterhalb einer Preisschwelle. Dies hat zur Folge, dass die Nachfrage bei Überschreiten dieser Schwelle schnell zurückgeht, bis zum nächsten Preisintervall jedoch einigermaßen stabil bleibt. • Preisbandbreiten ergeben sich als Preislage zwischen Schwellenpreisen. Der Preis wird dabei innerhalb eines Intervalls als angemessen betrachtet, bei Unteroder Überschreiten des Intervalls jedoch als unangemessen. Preisunterschieden innerhalb eines Intervalls kommt damit wesentlich weniger Nachfragewirkung zu als Preisunterschieden zwischen Intervallen. • Preisgefüge ergeben sich über mehrere Produkte eines Programms hinweg als Mischung aus Zugartikeln (Traffic Builder) und Ausgleichsgebern. Die Dominanz der Zugartikel in einem Programm irradiiert damit über die restlichen Produkte und lässt summarisch den Eindruck pauschaler Preisgünstigkeit entstehen. 2.3.4 Hybrides Kaufverhalten Angesichts zunehmend restriktiver Umwelt- und insb. Wirtschaftsbedingungen mit anhaltend stagnierendem oder gar rückläufigem Realeinkommen sehen sich Verbraucher zu selektiver Reaktion hinsichtlich ihrer Kaufentscheidungen gezwun-

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gen, sie wollen ihren gewohnten und lieb gewonnenen Lebensstandard halten, der bekanntlich rigide nach unten ist. Die Lösung dieses Dilemmas erfolgt, indem Verbraucher ihre Anschaffungen in solche der Kategorie des Grundbedarfs einerseits und solche der Kategorie des Zusatzbedarfs andererseits unterscheiden und für beide abweichende (hybride) Verhaltensmuster entwickeln (siehe Abbildung 92: Hybrides Kaufverhalten) (siehe auch Kap. V 3.4).

Abbildung 92: Hybrides Kaufverhalten

Im Bereich des Grundbedarfs wird dabei weit überwiegend nach dem Kriterium absoluter Preisgünstigkeit gekauft. Dafür kommen generell wenig erklärungsbedürftige oder Low Interest-Produkte in Betracht wie Grundnahrungsmittel, Papierwaren etc. Diese dominante Orientierung am Preis begünstigte seinerzeit das Vordringen der No Names (Generics), die durch Reduzierung der Marketingkosten ein fast konkurrenzlos billiges Angebot ermöglichen. Da zudem im Bereich der Low Interest-Produkte keine gravierenden objektiven Leistungsunterschiede unterstellt bzw. diese, falls doch vorhanden, relativ leicht nachgeprüft und Nachteile daraus vermieden werden können, wird der Kauf von Markenartikeln dort verzichtbar. Markenartikel gewinnen erst wieder an Boden, wenn es um objektiv oder subjektiv höherwertige Produktgattungen geht oder um besondere Nutzungsanlässe. Somit wird für den Weihnachtsstollen womöglich Markenmehl, für die Geburtstagstafel sicherlich Markenkaffee gekauft, wo im Alltag ansonsten Generics ausreichen. Im Ergebnis gilt immer das Gesetz der vertikalen Verdrängung, d. h., selbst innerhalb der Markenartikel gibt es eine Hierarchie nach abgestufter Profilierung und Kompetenz, so dass das für die Relation von Gattungs- und Markenprodukten Gesagte durchaus auch für die Situation schwächer profilierter im Vergleich zu stärkeren Marken gilt. Kaufausschlaggebendes Kriterium ist hier wie dort das Preis-Leistungs-Verhältnis, d. h. die Gewichtung der objektiv gegebenen oder subjektiv so empfundenen Produktleistung gegenüber deren Preis. Man denke nur an die Chance, im Sonderangebot ein Markenprodukt zum Preis eines No Name zu ergattern.

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Diesem Grundbedarfsbereich mit seinem eher kognitiv geprägten Verbraucherverhalten steht der Erlebnisbedarfsbereich gegenüber, bei dem es um Produkte geht, die ein hohes Ego-Involvement und damit emotionale Wertigkeit beinhalten, also affektiv induzierte Entscheidungen hervorrufen. Wobei deren Bedeutung sowohl in der Eignung des betreffenden Produkts zur differenzierten Selbst­ darstellung liegen kann als auch im vordergründigen Statuszweck. Letzterer für Zeiten des Wirtschaftswachstums typische außengeleitete Niveaukonsum büßt allerdings im Zeitablauf immer mehr an Bedeutung ein. Zum einen, weil es aufgrund der ökonomischen Rahmenbedingungen absolut immer schwieriger wird, sich ein solches Verhalten überhaupt leisten zu können, und zum anderen, weil dies selbst bei objektiver Möglichkeit unangebracht provokant und deplaziert angesichts großer sozialökologischer Probleme wirkt. Bei gegebenem, weitgehend konstanten Haushaltsbudget ergibt sich eine Lösungsmöglichkeit derart, dass die Finanzierung des begehrten, an sich aber überflüssigen Zusatznutzen-Angebots nur durch Einsparung im ungeliebten, jedoch notwendigen Basisnutzen-Angebot umsetzbar wird. Daraus folgt ein hybrides Verhalten derart, dass beim Basisbedarf der problemlosen Güter No Names oder Gattungswaren bevorzugt werden, um die dabei eingesparten Geldmittel in profilierende Güter mit Statuscharakter zu investieren. Cleverness beim Einkauf von Grundnutzengütern wird damit emotional belohnt. Ziel des Marketing kann es damit sein, Produkte aus dem weitgehend austauschbaren Gattungsleistungsbereich heraus zu Markenartikeln zu stilisieren, die zur Profilierung ihres Anwenders / Besitzers in seinem sozialen Umfeld beitragen (Außenwirkung) und zur Identifizierung mit den Markeninhalten führen (Innenwirkung), damit also letztlich zur Selbstverwirklichung der Verbraucher beitragen. Das Preisniveau tritt dann bei der Kaufentscheidung in den Hintergrund, sofern hinreichende Produktqualität vorausgesetzt ist. Folglich dominiert beim Basisbedarf die Preisorientierung mit ökonomischrationalen Argumenten, insb. der absoluten Preishöhe, beim Zusatzbedarf jedoch die Erlebnisorientierung mit sozial-emotionalen Argumenten, insb. der relativen Erlebnisleistung.

2.3.5 Kaufvereinfachung Bei bestimmten Produktgruppen wird eine Kaufvereinfachung angestrebt, sofern das empfundene Kaufrisiko gering bleibt. Risiken können dabei endogener Natur sein, wie Qualität, Eignung etc. oder exogen, wie Kompetenz, Anerkennung etc. und sind in Verbindung mit dem Budgetanteil zu sehen. Risiken sind umso eher vernachlässigbar, je • geringer die Anzahl der preislich relevanten Kaufalternativen ist und damit die Gefahr, falsch zu liegen.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

• niedriger die Attraktivität der zurückgewiesenen Alternativen ist, von denen man sich leichten Herzens trennen kann, etwa weil sie als zu teuer empfunden werden. • kürzer die Bindungsdauer ist, sei es aufgrund der gewöhnlichen Nutzungsperiode oder infolge der Austauschbarkeit über Ersatzbeschaffung. • deutlicher eine Alternative aus dem Marktgesamt positiv hervorsticht und andere Angebote damit diskriminiert. • geringer die soziale Bedeutung des Kaufs ist. Als praktische Techniken zur Kaufvereinfachung kommen mehrere in Betracht. Eine Informationsaufnahme nicht schon zur Kaufvorbereitung, sondern erst bei Kaufdurchführung benötigt keine langwierige Recherche, wie sie für High InterestProdukte selbstverständlich ist, sondern nur eine knappe, konzentrierte Informationsaufnahme, überwiegend durch mediale und persönliche Werbung „at Sales“. Zentrale Bedeutung kommt dabei der Preisinformation zu. Eine passive Aufnahme von Preisinformationen ohne eigene aktive Suche kommt zum Tragen, wenn der Zeitdruck beim Einkauf groß, die Einkaufsaufgabe komplex, die Preistransparenz gering und das Vertrauen in den Anbieter hoch ist. Der Kauf gemäß (Händler-)Empfehlung liegt nahe, da man erstens die Einkaufsstätte nach Zutrauen und Leistungsfähigkeit im Preisniveau auswählen und zweitens der Verkaufsberater im Handel als vertrauenswürdiger Experte für das preisgünstigste/-würdigste Angebot gelten kann. Bei generalisierenden Kaufregeln, die zu Wiederholungskäufen führen, werden limitierte Kaufentscheidungsprozesse als ausreichend erachtet. Dies betrifft sowohl die Produkt- als auch die Einkaufsstättenwahl. Eine solche Regel kann etwa sein, weder das teuerste, noch das billigste Angebot zu kaufen oder Frischwaren nur von lokalen Erzeugern zu kaufen oder chinesische Produkte zu meiden. Normverhalten wird angestrebt, wobei gesamtgesellschaftliche Sanktionen diese Norm vorgeben oder die Normen der Referenzgruppe eingehalten werden. Dadurch reduziert sich das Universum des Marktangebots automatisch auf einen vergleichsweise kleinen Ausschnitt akzeptabler Produkte. So gibt es für jede Produktgruppe eine akzeptierte Preislage, die dem mittleren Preisempfinden der Zielgruppe entspricht. Abweichungen nach oben oder unten werden dann vermieden. Es wird nach Absicherung durch Angebotsattribute gesucht, die extensive Kaufentscheidungsprozesse erübrigen. Zu denken ist etwa an Testergebnisse (beim Kauf des Produkts kann man nichts falsch machen), an Garantiezusagen (hier wird zumindest das ökonomische Risiko reduziert) oder an Anzahlung (mit der Möglichkeit des Rückbehalts oder Rücktritts) sowie an die Produktwahl mit niedrigerem Preis. Es erfolgt eine preisabhängige Qualitätsbeurteilung vor allem dann, wenn Markennamen keine große Rolle spielen, Erfahrungen fehlen oder nicht zugänglich sind (Produkt absolut neu, letzter Gebrauch weit zurückliegend, keine interperso-

2. Determinanten der Nachfrage

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nelle Kommunikation dazu sinnvoll), die objektive Qualität schwer abschätzbar ist, erhebliche Qualitätsunterschiede wahrgenommen werden, der Preis ein wichtiges Produktmerkmal (Prestige, soziales Risiko) oder im Gegenteil die Preishöhe eher vernachlässigbar ist. 2.3.6 Kaufkraft Unter Kaufkraft versteht man die Summe der einem Haushalt oder einer Person netto zufließenden Einkünfte aus Arbeitsentgelt, Zulagen, Nebenerwerb, Kontoabhebungen und Kreditaufnahmen. Sie ist damit derjenige nominale Geldbetrag, der in einem bestimmten Zeitraum je Einwohner oder Haushalt für Konsumausgaben zur Verfügung steht. Werden davon Sparbeträge, Kreditabtragungen etc. abgezogen und Versorgungsbezüge, Kapiteleinkünfte etc. hinzugerechnet, ergibt sich die disponible Kaufkraft. Werden davon noch die festen Ausgabebeträge für Miete, Unterhalt, Versicherung etc. abgezogen, ergibt sich schließlich die für Konsumzwecke frei zur Verfügung stehende diskretionäre Kaufkraft. Die Kaufkraft variiert räumlich stark und wird statistisch anhand des Lohn- und Einkommensteueraufkommens pauschal erhoben. Von realer Kaufkraft spricht man, wenn die effektive, inflationsbereinigte Kaufkraft gemeint ist. In diesem Zusammenhang ist eine weitere Bereinigung wegen vielfach hohen technischen Fortschritts nötig, dabei werden Qualitätsverbesserungen oder Zusatzausstattungen als fiktive Preissenkungen im Zuge der hedonisch berechneten Inflation heraus gerechnet. Vagabundierende Kaufkraft ist derjenige Teil der diskretionären Kaufkraft, der nicht für den Lebensunterhalt wie Nahrung, Lebenserhalt wie Körperpflege, Arzneimittel etc. oder Berufserhalt wie Auto, Arbeitsmittel etc. ausgegeben wird. Um diese Kaufkraft konkurrieren letztlich alle Anbieter. Die disponible Kaufkraft liegt derzeit im Durchschnitt bei knapp 23.000 € p. a. pro Kopf der erwachsenen BRD-Bevölkerung (> 14 Jahre), dies liegt international im obersten Bereich. Das Durchschnittsvermögen liegt bei rund 210.000 € pro Kopf, insb. bei Rentnern / Pensionären. Dies ist ein vergleichsweise niedriger Wert, der vor allem infolge verzerrter Vermögensverteilung entsteht (Quelle: GfK). Die Kaufkraft wird in Form von Kaufkraftkennziffern ausgewiesen. Diese basieren auf Auswertungen der nach Kreisen aufgeteilten Lohn- und Einkommensteuerstatistik. Diese Daten unterliegen gewissen Ungenauigkeiten. Über Spar- und Kreditvolumina fehlt schließlich eine verlässliche Aussage. Da die Verbraucherpreisentwicklung von politischer Bedeutung ist, wird neuerdings nur die Kerninflationsrate angegeben, indem die Produkte mit stark schwankenden / steigenden Preisen wie Strom / Gas / Mineralöl (wegen externer Effekte), Lebensmittel (wegen saisonaler Schwankungen) ausgeblendet werden, obgleich sie das Ausgabevolumen der Bürger belasten. Damit sollen kurzfristige Verzerrungen neutralisiert werden, tatsächlich aber wird auch die Aussagekraft der Inflationsrate unterlaufen. Tatsächlich sind wohl politische Interessen dominant.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

Ebenso nicht enthalten sind Produkte mit besseren Funktionen, ob man diese braucht oder nicht, die dann teurer sind. Andererseits werden Folgeprodukte mit weniger Leistung infolge geringerer Qualität, nicht als teurer im Vergleich zum Vorgängerprodukt einbezogen. Die sich nach diesen Korrekturen ergebende Kaufkraft wird je Einwohner dort und als Index in Relation zur durchschnittlichen Kaufkraft der Gesamtbevölkerung ausgewiesen. Daraus entsteht das Phänomen der gefühlt höheren Inflation, d. h. Produkte des täglichen Bedarfs, die sich besonders rasch verteuern, treten in der Wahrnehmung der Bevölkerung hervor, wohingegen Produkte mit technischem Fortschritt, die mehr Leistung zu gleichem Preis bieten, seltener wahrgenommen werden. Es ist möglich, die Kaufkraft auf Bundesländer, Stadt- und Landkreise umzulegen. Absolut ist die Kaufkraft in NRW am größten, relativ ist der Index in Berlin am höchsten. Man kann die Kaufkraft auch in Relation zum regionalen Einzelhandelsabsatz setzen, der sich aus der Umsatzsteuerstatistik ergibt. Dadurch werden Kaufkraftwanderungen ausgewiesen, d. h. die Entstehung von Kaufkraft in einer Region und die Verwendung dieser Kaufkraft in einer anderen Region. Probleme ergeben sich allerdings durch die ungenaue Abgrenzung der Personen in Kreisen (Pendler) und aus ungenauen Angaben in Lohn- und Einkommensteuererklärungen. Außerdem ist immer die Gesamtbevölkerung des Kreises Basis, obgleich bestimmte Konsumangebote nur für Teile der Bevölkerung relevant sind, die Aussage also unzutreffend pauschaliert. Über Spar- und Kreditvolumina fehlen zudem verlässliche Angaben. Außerdem werden die enorm steigenden E-Commerce-Trans­ aktionen nicht erfasst. Die Kaufkraft schwankt regional erheblich. Tendenziell gibt es in Deutschland ein Süd-Nord-Gefälle, ein West-Ost-Gefälle und ein Stadt-Land-Gefälle, d. h., die Kaufkraft in den südlichen Regionen ist höher als in den nördlichen, in den westlichen Regionen (ABL) höher als in den östlichen (NBL) und in Städten höher als auf dem Land (siehe Abbildung 93: Kaufkraftlandkarte BRD 2022). Die Geldentwertungsrate wird anhand eines repräsentativen Warenkorbs für private Haushalte verschiedener Größe und Struktur wie vier Personen / mittleres Einkommen, zwei Personen / Rentner etc. erhoben und ausgewiesen. Der Warenkorb besteht aus ca. 750 Produkten und Kostenpositionen, die ein realistisches Bild der durchschnittlichen Lebenshaltung bieten. Er wird alle fünf Jahre neu zusammengesetzt, um ihn Konsumveränderungen anzupassen. Die Positionen sind gewichtet. Die „gefühlte“ Inflationsrate kann von der tatsächlichen abweichen, wenn Preise, mit denen man als Konsument häufig konfrontiert wird, stärker / schwächer steigen als der gewichtete Durchschnitt aller Preise. Die Anteile im Warenkorb sind folgende: – Verkehr: 12,9 %, Freizeit / Unterhaltung / Kultur: 11,3, Nahrungsmittel / Getränke: 9,7, Dienstleistungen: 7,4, Einrichtungsgegenstände: 5,0, Bekleidung / Schuhe: 4,5, Beherbergung: 4,7, Gesundheitspflege: 4,6, Alkohol / Tabakwaren: 3,8,

2. Determinanten der Nachfrage

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Abbildung 93: Kaufkraftlandkarte BRD 2022 (Quelle: mb-research.de/marktdaten-deutschland/kaufkraft.html)

Nachrichtenübertragung: 2,7, Bildungsmittel: 0,9, Wohnung / Wohnnebenkosten: 32,5 (Quelle: Statistisches Bundesamt).

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

2.4 Erstmalige Preisfindung Bei neu zu bestimmenden Preisen entsteht nicht die Frage der Preisveränderung, sondern die der Preisfixierung. Der Einführungspreis liegt zwischen der langfristigen Preisuntergrenze und dem Prohibitivpreis, bei dem die gesamte Nachfrage wegfällt. Die erstmalige Preissetzung ist sehr bedeutsam, weil Preise im Nachhinein kaum folgenlos korrigiert werden können. Dafür bieten sich eine Reihe von Ansätzen an, von denen hier einige vorgestellt werden: • Aus der Rekonstruktion der Preis-Absatz-Funktion (PAF) kann die gewinnmaximale Preis-Mengen-Kombination abgeleitet werden. Dazu werden jeweils realisierbare Preise und Mengen durch eine Regressionsfunktion mit Kleinstquadratabweichung repräsentiert, durch Multiplikation der Preise und Mengen auf der PAF ergibt sich die Umsatzkurve, durch den maximalen Abstand zur Ge­ samtkostenkurve wiederum der optimale Preis. Entsprechende Daten resultieren aus Markttests. • Durch Preisexperimente kann die Akzeptanz von Preisen für neue, differenzierte oder veränderte Produkte getestet werden. Alternative Preise generieren dabei alternative Preisbereitschaften, die am häufigsten akzeptierte Preisbereitschaft verspricht die größten Marktchancen. Allerdings gilt es, dabei (zeitliche) Carry over-, (räumliche) Spill over-, Entwicklungs- und Gruppen-Effekte zu berücksichtigen. • Im Gabor-Granger-Verfahren werden Probanden mehrere Preise für ein neues Produkt in zufälliger Folge genannt und für jeden von ihnen deren Kaufbereitschaft für ein Testprodukt abgefragt (randominisierte Ermittlung) bzw. es wird ein Preis genannt für ein neues Produkt, für den die Kaufbereitschaft erfragt wird (monadische Ermittlung). • Die van Westendorp-Methode versucht den Preis für ein neues Produkt aus Abfragen für „zu teuer“ (Übervorteilung), „zu billig“ (Qualitätszweifel), „nicht mehr günstig“ und „noch nicht überteuert“ abzuleiten. Der optimale Preis liegt dort, wo gleich viel Probanden das Produkt als „zu teuer“ und „zu billig“ bewerten (geringster Kaufwiderstand). Der Bereich von „nicht mehr günstig“ bis „noch nicht überteuert“ weist den oberen und unteren Preissetzungsspielraum aus, es geht also um Preisbandbreiten. • Expertenbefragungen nutzen die Expertise von Fachleuten zur Abschätzung eines marktgängigen Preises. Problematisch ist allerdings, dass Experten andere Wertschätzungen für Produkte haben dürften als „Normalverbraucher“ und sich die Frage stellt, wer in diesem Fall überhaupt als Experte für die erstmalige Preisfindung zu gelten hat. • Kundenbefragungen zielen darauf ab, bei potenziellen Abnehmern zu erheben, wie viel Menge sie zu welchem Preis bei einem neuen Produkt abzunehmen bereit sind. Daraus ergeben sich der umsatz- oder gewinnmaximale bzw. kosten-

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oder liquiditätsdeckende Preis. Allerdings liegen zwischen der Äußerung einer hypothetischen Preisbereitschaft und der tatsächlichen Kaufbereitschaft vermutlich erhebliche Abstände. • Bei der Preislotterie wird ein zufälliger Startpreis gezogen. Probanden haben vorab für das neue Produkt ihre Preisbereitschaft erklärt. Liegt der zufällige Preis über dem genannten oder ist gleich diesem, muss das Produkt von ihnen abgenommen werden. Dadurch kann die Ernsthaftigkeit der Preisnennung erhärtet werden, allerdings stellt sich die Frage der praktischen Durchführbarkeit dieses Ansatzes. • Im Rahmen der Conjoint-Analyse wird dekompositionell versucht, den Wertbeitrag jedes Produktelements auf den Preis festzustellen. Um den verfahrenstechnisch komplizierten Aufbau zu rationalisieren, wird dabei häufig die Upgrade-Methode angewandt, d. h. ausgehend von einer Basiskonfiguration können Probanden zusätzliche Produktelemente hinzuwählen und dafür ihre veränderte Preisbereitschaft anzeigen. Die Addition der partiellen Preisbereitschaften ergibt dann den Preis (Additivitätsprämisse). Pragmatisch erfolgt die Preisfindung in folgenden Schritten: – Schätzung der Nachfragefunktion, d. h. verschiedener Preis-Mengen-Kombinationen, die am Markt realisierbar scheinen, unter Einbeziehung möglicher Preisschwellen, – Berücksichtigung der Marketingaktivitäten, um mit diesen harmonisch abgestimmt zu sein, also Produkt-, Distributions- und Kommunikationsmaßnahmen, – Umsatzprognose bei alternativen Preisen und Umfeldbedingungen, also absetzbaren Mengen aus der Marktforschung, – Kostenschätzung zur Ermittlung der eigenen kurz- und langfristigen Preisuntergrenzen aus dem internen Rechnungswesen, – Schätzung des Konkurrenzverhaltens hinsichtlich Reaktionsart, -zeit, -wirksamkeit und -wertung, – Schätzung der Konkurrenzkosten, meist nur als Spekulation, aus Benchmarking, durch Reverse Engineering o. Ä., – Preisentscheidung für das eigene Produkt. Als preispolitisches Aktionsfeld ergeben sich dann verschiedene, einander ausschließende Preise, dessen oberster realisiert werden soll, d. h. ein Angebot, das so nah wie möglich an der Preisobergrenze (individueller Reservationspreis) liegt, die der Markt gerade eben noch akzeptiert, unabhängig davon, wie betriebsgerichtete Faktoren den Preis indizieren. Begrenzt wird dieses Aktionsfeld durch den Datenrahmen aus Recht, Normen, Ökonomie etc. sowie das Erwartungsumfeld der Nachfrage.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

3. Determinanten des Markts Im marktwirtschaftlichen System bildet sich der Preis am funktionsfähigen Markt (3.1). Folglich sind die Marktsignale fundamental. Sie kommen aus der Marktstruktur (3.2), die sich wiederum im Regelfall aus der jeweiligen Marktform ergibt (Marshall) sowie weiterhin aus der dort vorherrschenden Preiselastizität und einer möglichen Preisführerschaft. Wesentliche Basis der Marktpreisbildung ist dabei der Wettbewerb (3.3), der auf den Dimensionen Freiheit für die Entscheidung, Wohlstand als Zielgröße und Gerechtigkeit in der Leistung fußt. Mittel dazu sind die kontinuierliche Anpassung an Marktveränderungen, die Förderung wirtschaftlichen und technischen Fortschritts sowie die adäquate Verteilung der Marktergebnisse. Verstöße dagegen sind verlockend, aber strikt verboten.

3.1 Preisbildung Der Preis bildet sich im Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage am Markt. Das Angebot nimmt üblicherweise mit steigendem Preis zu, die Nachfrage steigt mit sinkendem Preis. Dort wo sich beide gegenläufigen Kurven schneiden, bildet sich der Marktpreis. Dieser Preis schafft die maximale Markträumung (Menge). Ist die Angebotsmenge auf einem Markt größer als die Nachfragemenge, entsteht ein Angebotsüberhang, der auf funktionsfähigen Märkten zur gegenseitigen Preisunterbietung der Anbieter führt, bis der Gleichgewichtspreis erreicht ist. Umgekehrt führt die Preisbereitschaft der Nachfrager zur Erreichung des Gleichgewichtspreises bei einem Nachfrageüberhang, d. h. größerer nachgefragter als angebotener Menge. Verändern sich einseitig Nachfrage oder Angebot, kommt es zur Bildung eines neuen Gleichgewichtspreises, der bei absolut oder relativ steigender Nachfrage und absolut oder relativ sinkendem Angebot über dem alten Preis liegt, bei absolut oder relativ sinkender Nachfrage und absolut oder relativ steigendem Angebot unter dem alten Preis. Nachfragesteigerung führt zu einem höheren Marktpreis bei größerer Menge (grafische Parallelverschiebung der Nachfragekurve) und umgekehrt, Angebotssteigerung zu einem niedrigeren Marktpreis bei größerer Menge (grafische Parallelverschiebung der Angebotskurve) und umgekehrt. Der Gleichgewichtspreis bleibt nach seinem Zustandekommen c. p. konstant, weil beide Marktseiten ihre Wirtschaftspläne erfüllen können. Alle Anbieter, die bereit gewesen wären, zu einem niedrigeren als dem Marktpreis anzubieten, streichen eine Produzentenrente ein, d. h., sie erhalten ihre Leistung am Markt zu einem höheren Preis honoriert als sie selbst brauchen. Anbieter, die mit ihrer Preisforderung über dem Gleichgewichtspreis liegen, kommen hingegen nicht zum Zuge. Umgekehrt profitieren Nachfrager, die bereit gewesen wären, einen höheren als den Marktpreis zu zahlen, in Form einer Konsumentenrente, d. h. der Differenz aus ihrer individuellen Preisbereitschaft und dem Marktpreis. Nachfrager, die mit ihrer Preisbereitschaft unter dem Gleichgewichtspreis

3. Determinanten des Markts

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liegen, kommen nicht zum Zuge. Einen Sonderfall stellt die dynamische Preisbildung durch Timelags am Markt dar, d. h., das Angebot reagiert erst in der nächsten Periode auf die veränderte Nachfrage und umgekehrt (Cobweb). Dabei sind drei Möglichkeiten zu unterscheiden. Das Marktungleichgewicht kann kontraktiv (= Normalfall), stabil (= Preisruhe) oder explosiv sein. Das letztere Phänomen ist etwa bei Agrargütern zu finden und dient u. a. als Rechtfertigung für die Bewirtschaftung dieser Märkte („Schweinezyklus“). Generell ist die Situation des Käufermarktes, wie sie in entwickelten Industriegesellschaften vorherrscht, eher durch die Funktion des Preises zur Unterbietung von Mitbewerbern gekennzeichnet. Denn im Käufermarkt müssen Anbieter größere Anstrengungen unternehmen, um zum Abschlusserfolg mit Nachfragern zu gelangen als diese. Umgekehrt haben im Verkäufermarkt die Nachfrager größere Anstrengungen zu unternehmen, um zum Abschlusserfolg mit Anbietern zu kommen. Dementsprechend liegt die Funktion des Preises dann tendenziell im Ausreizen der Preisopferbereitschaft potenzieller Kunden. Dies ist allerdings heute nur noch selten gegeben (z. B. einige Luxusgüter).

3.2 Struktur 3.2.1 Marktformen Üblich ist die Strukturierung von Märkten durch Aufteilung sowohl der Angebots- als auch der Nachfrageseite nach drei Kriterien der Beteiligten: • Monopolistisches Verhalten, das vorliegt, wenn ein Anbieter damit rechnet, dass sein Absatz allein vom Verhalten der Nachfrager, nicht jedoch von der Marktpolitik anderer abhängt. • Oligopolistisches Verhalten, das vorliegt, wenn ein Anbieter damit rechnet, dass sein Absatz von seinen eigenen marketingpolitischen Maßnahmen, vom Verhalten der Nachfrager und dem der Konkurrenten abhängt, und er erwartet, dass Änderungen im Einsatz seines Mix die Konkurrenten zu marketingpolitischen Anpassungen veranlassen. Das führt zur Ambivalenz zwischen Wirtschaftsfrieden, -kampf und -verständigung. • Polypolistisches Verhalten, das vorliegt, wenn ein Anbieter damit rechnet, dass sein Absatz von seinen eigenen marketingpolitischen Maßnahmen, vom Verhalten der Nachfrager und der Konkurrenten abhängt, er jedoch nicht erwartet, dass Änderungen im Einsatz seines Mix Konkurrenten zu Reaktionen veranlassen. Aus morphologischer Sicht ergeben sich neun reine Marktformen (siehe Abbildung 94: Morphologie der Marktformen): • Bilaterales Monopol mit je einem Anbieter und Nachfrager, z. B. Arbeitsmarkt (Arbeitgeber / Gewerkschaften),

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

Abbildung 94: Morphologie der Marktformen

• Zweiseitiges Oligopol mit jeweils wenigen Anbietern und Nachfragern, z. B. Spezialmaschinen, • Polypolistische Konkurrenz mit jeweils vielen Anbietern und Nachfragern, z. B. Handwerkseinzelhandel, • Angebotsmonopol mit einem Anbieter und vielen Nachfragern, z. B. staatliche Lotterie, • Angebotsoligopol mit wenigen Anbietern und vielen Nachfragern, z. B. Mineralölunternehmen, • Nachfragemonopol mit vielen Anbietern und einem Nachfrager (auch ­Monopson), z. B. Staat bei Autobahnen, • Nachfrageoligopol mit vielen Anbietern und wenigen Nachfragern (auch Oligop­ son), z. B. landwirtschaftliche Genossenschaften, • Beschränktes Nachfragemonopol mit wenigen Anbietern und einem Nachfrager (auch beschränktes Monopson), z. B. Wehrtechnik bei Bundeswehr, • Beschränktes Angebotsmonopol mit einem Anbieter und wenigen Nachfragern, z. B. Erfinder / Patentnutzer. Eine Erweiterung ergibt sich, wenn man folgende Mischkriterien berücksichtigt: • Teilmonopol mit einem dominanten und mehreren kleinen Anbietern, z. B. Eisenbahntransportunternehmen, • Teiloligopol mit wenigen dominanten und mehreren kleinen Anbietern, z. B. Computer-Software, • Teilmonopson mit einem dominanten und mehreren kleinen Nachfragern, z. B. Erdgasimporte, • Teiloligopson mit wenigen dominanten und mehreren kleinen Nachfragern, z. B. Lebensmitteleinzelhandel,

3. Determinanten des Markts

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• Dyopol / Dyopson mit zwei Marktteilnehmern auf der jeweiligen Marktseite, z. B. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Privat-wirtschaftlicher Rundfunk, jeweils als Anbieter von TV- und HF-Programmen bzw. als Nachfrager für Medien­ inhaltsproduzenten. Ist die Homogenitätsbedingung nicht erfüllt, handelt es sich jeweils um unvollkommene Märkte, ausgedrückt durch Polypoloid, Oligopoloid und Monopoloid bzw. Polypsonoid, Oligopsonoid und Monopsonoid. Ist die Markttransparenz nur vorübergehend nicht gegeben, handelt es sich um temporär unvollkommene Märkte. Sind Preise und Leistungen der auf einem Markt angebotenen Güter jeweils gleich, handelt es sich um den homogenen Wettbewerb der volIkommenen Konkurrenz. Sind Preise und Leistungen der angebotenen Güter ungleich, handelt es sich um den Preis- bzw. Leistungswettbewerb der unvollkommenen Konkurrenz. Sind Preise und Leistungen jeweils ungleich, liegt der monopolistische Wettbewerb der überwiegenden Marktrealität vor (akquisitorisches Potenzial). Ziel im Marketing ist zweifellos die Monopolisierung des Marktes. Dabei stellen sich folgende Ausgangssituationen: • Ein vollkommenes Monopol entsteht, wenn es für ein Angebot kein Substitutionsangebot gibt. Betrachtungsbasis kann die totale Konkurrenz um die Kaufkraft sein, die Bedürfniskonkurrenz um gleiche Bedarfe (vertikal) oder die Produktkonkurrenz um gleiche Angebote (horizontal). • Ein natürliches Monopol beruht auf nicht korrigierbaren Wettbewerbsbeschränkungen, etwa aus Ressourcen wie Bodenschätzen, Standorten, Nutzungsflächen etc. Zu denken ist in diesem Zusammenhang etwa an die Ölfundstellen der Mineralölkonzerne. • Ein künstliches Monopol beruht auf nicht willkürlichen, damit prinzipiell korrigierbaren Wettbewerbsbeschränkungen aus mangelnder Mobilität oder Transparenz bei Marktpartnern. Hier setzen strukturpolitische Maßnahmen der Politik an. • Ein prozessuales Monopol liegt vor, wenn ein Anbieter durch Schutzrechte oder technischen Fortschritt einen Vorsprung vor anderen genießt. Gleiches gilt für die Phase des marktleistungsbedingten Vorstosses, der als Anreiz unverzichtbar ist. Nur künstliche, willkürliche Monopole, die nicht leistungsbedingt sind, beruhen auf Marktmacht und stellen unbillige Freiheitsbeschränkungen dar, die Gegenstand des Wettbewerbsschutzes sind.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

3.2.2 Preiselastizität Die Preiselastizität beschreibt das Ausmaß der Auswirkungen einer relativen Preisänderung auf andere Größen. Als Elastizitätsdeterminanten sind dabei zu berücksichtigen: • Die Verfügbarkeit von Substitutionsgütern, um auf ein anderes Angebot auszuweichen. Je leichter Ersatzangebote zu finden sind, desto größer ist die E ­ lastizität. • Die Leichtigkeit der Nachfragebefriedigung durch konstantes, weit verbreitetes Angebot. Je problemloser ein Angebot verfügbar scheint, desto größer ist die Elastizität. • Die Dauerhaftigkeit des Gutes, wobei die Elastizität umso größer wird, je länger die Bindungsdauer an ein Gut einzuschätzen ist. • Die Dringlichkeit des Bedarfs, die letztlich die Aufschiebbarkeit bestimmt. Je weniger dringlich ein Bedarf ist, desto größer ist die Elastizität. Hierbei werden drei Formen von Elastizitätskoeffizienten unterschieden. Die direkte Preiselastizität der Nachfrage gibt an, wie sich die Nachfrage nach einem Produkt bei Anhebung oder Senkung des Preises beim gleichen Produkt verändert, d. h., die relative Mengenänderung wird der dies bewirkenden relativen Preisänderung gegenübergestellt. Der Quotient kann folgende Werte annehmen: • η = ∞: Die Nachfrage ist vollelastisch, d. h., bereits die kleinste Preisänderung genügt zur theoretisch völligen Nachfrageverschiebung. • η = 0: Die Nachfrage ist völlig starr, d. h., selbst größte Preisänderungen führen zu keiner Nachfrageänderung. • η =1: Die Nachfrage reagiert direkt proportional, d. h., eine Preisänderung bewirkt eine Nachfrageänderung in genau gleichem Ausmaß. • η = < 1: Die Nachfrage reagiert nur unterproportional (unelastisch), d. h., eine Preisänderung führt zu einer Nachfrageänderung, die kleiner ist als diese. • η = > 1: Die Nachfrage reagiert überproportional (elastisch), d. h., eine Preisänderung führt zu einer Nachfrageänderung, die größer ist als diese. In aller Regel sind die Veränderungen von Preis und Nachfrage gegenläufig, d. h., eine Preiserhöhung führt zu Nachfragerückgang und eine Preissenkung zu Nachfragesteigerung. In seltenen Fällen kann die Veränderung aber auch gleichlaufend sein, etwa wenn mit einer Preissenkung Zweifel an der Qualität des angebotenen Produkts verbunden sind, die zur Kaufzurückhaltung führen, oder Preiserhöhungen willkommenen Prestigenutzen bieten (demonstrativer Konsum) und zur Kaufforcierung führen. Auf einer Nachfragekurve ist im Mittelpunkt zwischen Prohibitivpreis und Sättigungsmenge die Preiselastizität der Nachfrage η = 1. Bei höheren Preisen und

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kleineren Mengen ist die Elastizität η > 1, mit dem Grenzwert ∞ als Parallele zur Mengenachse, bei niedrigeren Preisen und größeren Mengen η < 1, mit dem Grenzwert 0 als Parallele zur Preisachse. Im Bereich η > 1 ist der Preiseffekt stets kleiner als der Mengeneffekt, d. h., eine Preissenkung führt zu einer Umsatzerhöhung und umgekehrt. Im Bereich η  0: Die Produkte stehen in mehr oder minder substitutivem Verhältnis zueinander (heterogene Konkurrenz), d. h., die Preisänderung eines Produkts führt zur gleich laufenden proportionalen (ℇ = 1), unterproportionalen (ℇ  1) Nachfrageänderung beim anderen. Bei völliger Austauschbarkeit der Angebote ist der Quotient ℇ = ∞ (homogene Konkurrenz). • ℇ < 0: die Produkte stehen in mehr oder minder komplementärem Verhältnis zueinander, d. h., die Preisänderung eines Produkts führt zur gegenläufigen proportionalen (ℇ = – 1), unterproportionalen (ℇ > – 1) oder überproportionalen (ℇ  0: Das betrachtete Produkt reagiert in seiner Nachfrage gleichlaufend zur Einkommensänderung, d. h., eine Einkommenserhöhung führt zur verstärkten Nachfrage bzw. eine Einkommenssenkung zur verminderten. Dies ist z. B. für Produkte des gehobenen Bedarfs (superiore Güter, s. o.) typisch. • Y < 0: Das betrachtete Produkt reagiert in seiner Nachfrage gegenläufig zur Einkommensänderung, d. h., eine Einkommenserhöhung führt zur verminderten Nachfrage bzw. eine Einkommenssenkung zur verstärkten. Dies ist z. B. für Produkte des minderen Bedarfs (inferiore Güter, s. o.) typisch. Die Parameterelastizität weist aus, wie sich nachgefragte und abgesetzte Mengen bei Erhöhung oder Senkung in Abhängigkeit von anderen Parametern als dem Preis verändern. Eine Elastizitätsmessung ist allerdings ausgesprochen schwierig. Näherungswerte bieten Marktforschungserhebungen durch Beobachtung (z. B. Preistest in Laborsituation), Experiment (z. B. Entbehrlichkeitstest) und Befragung (Preisbereitschaftsermittlung). 3.2.3 Preisführerschaft Die Preisführerschaft gehört zu den praktischen Phänomenen der Marktrealität. Dabei lassen sich drei verschiedene Varianten unterscheiden: • Dominante Preisführerschaft bedeutet, dass ein Anbieter aufgrund seiner Marktstellung die Möglichkeit hat, die Mitbewerber hinsichtlich ihrer Angebotspreise dahingehend zu beeinflussen, dass sie sich seinem Preis anschließen. Als Beispiel kann Samsung im Mobiltelefonmarkt gelten (Signal zur Preissenkung). Früher hat die IT-Branche regelmäßig Preiserhöhungen von IBM zum Anlass genommen, zu folgen bzw. den alten Preisabstand nach unten zu IBM wieder herzustellen. • Barometrische Preisführerschaft beinhaltet, dass mehrere, in etwa gleich bedeutende Anbieter am Markt vorhanden sind, die gemeinsam gegenüber unbedeutenderen Mitbewerbern den Marktpreis vorgeben. Dies ist etwa in der Zigarettenbranche der Fall, wo vier große Anbieter knapp 60 % des Marktes okkupieren (Philip Morris / Marlboro, BAT / HB, Reemtsma / West, JTI / Camel, den Rest teilen sich zahlreiche kleinere Anbieter). Sie wirken preisbestimmend für Handelsmarken, Importe und selbst für Drehtabake, was den Preisabstand anbelangt. Ähnliches gilt für die Allfinanzmärkte, wo wenige Großanbieter das Preisniveau für alle vorgeben. • Kolludierende Preisführerschaft unterstellt eine stillschweigende Abstimmung mehrerer Anbieter am Markt derart, dass wechselweise einer von ihnen die Preisführerschaftsposition wahrnimmt und die anderen ihm folgen. Dies ist auffällig in der Markentankstellenbranche zu beobachten. Bei den regelmäßigen Preiserhöhungsrunden geht jeweils turnusmäßig ein Konzern voran und nimmt die publizitätsschädigende Rolle des Preisvorreiters auf sich, in dessen Windschatten

3. Determinanten des Markts

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die anderen Anbieter dann folgen. Eine ausdrückliche Abstimmung konnte aber bisher nicht nachgewiesen werden und ist auch unwahrscheinlich. Die Preisfolgerschaft ist im Gegensatz dazu dadurch gekennzeichnet, dass keine aktive, sondern nur eine adaptive Preissetzung erfolgt, die sich an der Preisführerschaft ausrichtet. Unabhängig von der Marktform, wenngleich real meist doch parallel dazu, kann das Preisverhalten der Anbieter auch wie folgt charakterisiert werden: • Wirtschaftsfriedliches Verhalten erfolgt als Anpassung durch Mengenjustierung an der jeweiligen Kapazitätsgrenze oder Optionsfixierung durch Vorgabe einer Preis-Mengen-Kombination, Ziel ist es hier, möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. • Strategisches Verhalten erfolgt isoliert-autonom, d. h. ohne Berücksichtigung des Mitbewerbs, autonom, d. h. mit Berücksichtigung des Mitbewerbs, aber dennoch davon unabhängig, konjektural, d. h. nur unter Berücksichtigung des Mitbewerbs, oder superior, d. h. unter Berücksichtigung des Mitbewerbs, aber diesem überlegen, sowie kämpferisches Verhalten, vor allem in ambivalenten Marktsituationen, oder koalierendes Verhalten, vor allem bei Ähnlichkeit der Marktteilnehmer.

3.3 Wettbewerb 3.3.1 Prinzipien Schutz und Förderung des Wettbewerbs setzen einen Konsens darüber voraus, wie dieser Wettbewerb konkret aussieht sowie ein Werturteil dahingehend, dass Wettbewerb an sich erstrebenswert ist. Zum ersten Punkt besteht Übereinstimmung hinsichtlich dessen Form als Prozess oder Zustand, nicht jedoch hinsichtlich der Inhalte, zum zweiten Punkt besteht immerhin Übereinstimmung darin, dass Wettbewerb positive Wirkungen auf die gesellschaftlichen Grundwerte hat. Letztere sind in drei Dimensionen erfasst: Freiheit, Wohlstand und Gerechtigkeit. Freiheit meint formal das Fehlen von Handlungszwang durch Gebote oder Verbote, materiell die faktische Möglichkeit zu eben diesem freien Handeln. Dabei wird Freiheit immer relativ beschrieben als Freiheit innerhalb von Spielregeln, die institutionell durch Gesetze und informell durch Common Sense vorgegeben sind. Das marktwirtschaftliche System bietet eine größtmögliche relative Freiheit. Denn es ist gekennzeichnet durch dezentrale PIanungskompetenz, Marktkoordination der Einzelpläne und Privateigentum an den Produktionsmitteln. Eine immanente Gefährdung des Wettbewerbs besteht jedoch durch die Tendenz der Marktteilnehmer zur Einschränkung der Freiheitsgrade. Deshalb ist die Wettbewerbspolitik zur Sicherung wettbewerblicher Strukturen und wettbewerblichen Verhaltens und damit des Grundwertes Freiheit in der Wirtschaft erforderlich. Wirtschaften bedeutet gleichzeitig immer auch Wahlentscheidung, da Güterknappheit vorherrscht,

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

d. h., die Summe der gewünschten Güter ist größer als die der verfügbaren. Wettbewerb dient dazu, das Gütervolumen zu erweitern, indem der Informationsgrad durch Markttransparenz steigt, die Güterstruktur über Fortschrittslenkung zur effizientesten Allokation zu verbessern und die Güterverteilung durch Ausgleich infolge der Inkonsistenz der Bedarfe zu erhöhen. Als Mittel dazu dient der Preismechanismus. Die beste Leistung zum niedrigsten Preis begründet den Wahlentscheid. Wettbewerb dient damit unmittelbar dem Ziel des Wohlstands als Grundwert, weil er es vermag, mit einer vorgegebenen Menge Geld ein Maximum an Leistung bzw. eine vorgegebene Leistung mit einem Minimum an Geldmenge einzukaufen. Wettbewerb optimiert damit die Kaufkraft der Nachfrager. Eine Gefahr liegt allerdings darin, dass die Marktteilnehmer versuchen, die Wettbewerbsintensität zu verringern, d. h. Nicht-Leistungseinkommen zu erzielen. Ihre Absicht ist letztlich in der Monopolisierung des Marktes begründet. Wettbewerbsaufsicht hat genau dies zu verhindern. Daraus ergibt sich das Paradoxon, dass wettbewerbliches Handeln einem Ziel dient, dessen Erreichung den Wettbewerb ausschließt und genau deshalb verhindert werden, gleichzeitig aber als Motivation aller Marktteilnehmer erhalten bleiben muss. Es ist empirisch evident, dass das marktwirtschaftliche System besser in der Lage ist, Wohlstand für breite Gesellschaftskreise zu erreichen als jedes andere bekannte System. Insofern ist es kritisch zu sehen, dass immer größere Teile der Marktpreise sich nicht mehr im Wettbewerb ergeben, sondern durch staatliche Eingriffe. Zwischenzeitlich gelten für mehr die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts reglementierte Preise. Der Grundwert der Gerechtigkeit umfasst die Sicherung eines funktionalen Wettbewerbs: • Die Anpassungsfunktion gewährleistet ein dynamisches Marktgleichgewicht bei Expansions- und Kontraktionsprozessen. Bei Expansion erfolgt etwa auf der Angebotsseite der Zustrom neuer Anbieter, Kapazitätsausbau, Verfahrensumstellung, Zukauf von Handelsware etc., bei Kontraktion das Ausscheiden bestehender Anbieter, Kapazitätsabbau, Intensitätseinschränkung, Kurzarbeit etc. Damit verbunden ist eine inter- bzw. intraindustrielle Reallokation der Produktionsfaktoren. • Die Fortschrittsfunktion kann als Verfahrens- oder Produktfortschritt interpretiert werden. Sie beginnt mit der Gewinnung neuer theoretischer Erkenntnisse (Grundlagenforschung), führt zu deren Transformation in anwendbare Verfahren (Verfahrenstechnik) und mündet in der Verbreitung dieser Information (ggf. unter Schutzfrist eines Patents o. Ä.) und deren Umsetzung durch alle daran interessierten Marktteilnehmer. Dieser Prozess erfolgt durch Suchen und Entdecken (Trial & Error) und führt zur Auslese der Leistungsfähigsten (Survival of the Fittest) im Rahmen von Vorstoß und Verfolgung (Challenge & Response). • Die Verteilungsfunktion kann nach dem Leistungsprinzip (Primärverteilung), nach dem Bedarfsprinzip (Umverteilung), dem Ökologieprinzip (Saldo externer Effekte) oder dem Sozialprinzip (Gleichverteilung) erfolgen. Wettbewerb dient dabei vornehmlich dem Leistungsprinzip durch die Schaffung von Markttrans-

3. Determinanten des Markts

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parenz und Mobilität der Produktionsfaktoren. Allenfalls prozessuale Monopole durch Pioniergewinne oder sanktionierte Marktzutrittsschranken etc. sind wegen ihrer Anreizwirkung als Übergang zum Isopol tolerierbar. Es kann ein Dilemma (Zielkonflikt) zwischen Freiheitsziel einerseits (polypolistische Marktstruktur) und Wohlstands- und Gerechtigkeitszielen andererseits (oligopolistische Marktstruktur) entstehen. Das Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs (Workable Competition) versteht sich als Antipode zum vollständigen, aber statischen Wettbewerb der klassischen Theorie und der völligen Vermachtung der Märkte durch gegengewichtige Marktmacht (Countervailing Power). Bei letzterem sollen Auswüchse zum Nachteil der jeweils anderen Marktseite durch Förderung und Erhaltung eines hohen Konzentrationsgrads auf dieser Marktseite vermieden werden, indem sich die Machtzentren gegenseitig kontrollieren können. Ein offensichtlich gefährliches Konzept, das allerdings auf vielen Wiederverkäufermärkten schon unbeabsichtigt Realität geworden ist. Ersteres ist durch dezentrale Planungskompetenz der Marktteilnehmer, Fehlen von Wettbewerbsbeschränkungen (i. S. v. Unfreiheit) und Marktverhalten als Vorstoß und Verfolgung gekennzeichnet. Dem Konzept liegen einige prüfenswerte Hypothesen zugrunde. So das Vorliegen von Economies of Large Scale bei hohen Losgrößen und der Anstieg des Ausmaßes technischen Fortschritts mit der Unternehmensgröße. Beide bedingen einen gewissen Konzentrationsgrad am Markt und damit eng verbunden geringeren Wettbewerbsdruck und weniger Freiheitsgrade. Economies of Scale (Skaleneffekte) zumal erfordern das Vorhandensein einer überlinear verlaufenden Produktionsfunktion, d. h., der Output steigt schneller als der Input, die Ertragskurve ist progressiv, die Stückkostenkurve degressiv. Der gleichzeitigen Gefahr von Diseconomies, also Unwirtschaftlichkeiten, wird durch Maßnahmen wie multiple Größenvariation, Organisationsdezentralisation, Standortspaltung u. a. zur Nutzung von Erfahrungseffekten vorgebeugt. Praktisch zumindest ist weder die behauptete mindestoptimale, noch eine fortschrittsoptimale Unternehmensgröße nachweisbar. Schließlich sind Großunternehmen nicht zwangsläufig mit hohem Konzentrationsgrad gleichzusetzen, etwa dann nicht, wenn Internationalisierungs- und Diversifikationsstrategien vorliegen. Dementsprechend bedeutet ein hoher statischer Konzentrationsgrad auch nicht automatisch Wettbewerbsbeschränkung. Wettbewerb ist vielmehr ein Entdeckungs­prozess, im Zuge dessen sich erst Unternehmensgrößen zwangsläufig optimal ergeben, ohne dass sie vorher planbar wären. Wo das nicht der Fall ist, also Wettbewerb nicht den besten Marktnutzen erbringt, liegt ein Ausnahmebereich vor. Durch Missbrauchsaufsicht der Wettbewerbsbehörde soll sichergestellt werden, dass Kosten- und Fortschrittsvorteile auch dort trotz nicht optimaler Marktstruktur in vollem Umfang weitergegeben werden. Dabei stellt sich allerdings ein schwer zu lösendes Diagnoseproblem, ob ein Markt-

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

nutzen unter Konzentration optimal ist oder nicht. Als Lösung für dieses Problem sind Wettbewerbstests vorgesehen. Diese beurteilen die Leistungsfähigkeit des Marktes hinsichtlich Marktergebnissen (Performance), Marktverhalten (Conduct), Marktstruktur (Structure) und Wettbewerbsgeist (Spirit), die jedoch allemal mit zahllosen Unwägbarkeiten behaftet sind. Als Grundproblem erweist sich bei jedweden Überlegungen die Tatsache, dass Wettbewerb nicht positiv zu definieren ist, sondern nur Umstände zu nennen sind, in denen Wettbewerb herrschen kann, in einer gewissen Konstellation sogar ein als funktionsfähig zu bezeichnender. Und eben dieses Konstrukt entzieht sich weitgehend jeder Konkretisierung.

3.3.2 Verstöße Als ordnungspolitisches Ideal hat die Auffassung des Wettbewerbs als Parallel­ kampf zu gelten. Daraus ergeben sich jedoch, vor allem in der Marktform des Oligopols, die heute weit verbreitet ist, Abweichungen. Solche Abweichungen in Richtung verstärkten Miteinanders der Teilnehmer einer Marktseite soll das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sanktionieren. Dazu gehören in abgestufter Form: • Rotierende Preisführerschaft durch eingespieltes Parallelverhalten der Teilnehmer eines Marktes (s. o.), • Preisführerschaft eines dominierenden Anbieters, qua Marktposition (s. o.), • Gentlemen’s Agreement als stillschweigende Übereinkunft (Frühstückskartell), • Preismeldestellen und andere Marktinformationssysteme für Anbieter, • Kartelle als Zusammenschluss von Unternehmen zum gemeinsamen Zweck, die Erzeugung oder die Marktverhältnisse durch Beschränkung des Wettbewerbs zu beeinflussen, • Konzentration als Verlust der rechtlichen und / oder wirtschaftlichen Selbstständigkeit eines Anbieters (Fusion / Merger). Umgekehrt soll Abweichungen in Richtung überzogenen Gegeneinanders der Teilnehmer einer Marktseite durch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) begegnet werden. Dazu gehören in abgestufter Form: • Behindungswettbewerb über Diskriminierung als Ungleichbehandlung Gleichartiger ohne sachlich gerechtfertigten Grund, • Verdrängungswettbewerb (Boykott als Aufruf an Marktpartner, Geschäftsbeziehungen mit Dritten einzustellen), • Vernichtungswettbewerb über ruinöse Konkurrenz, Untereinstandpreisverkäufe und gezielte Preisunterbietungen.

3. Determinanten des Markts

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Unlautere Verhaltensweisen im Wettbewerb lassen sich in mehrere Gruppen unterteilen: • Unsachliche Beeinflussung der Willensentscheidung von Lieferanten und / oder Abnehmern durch Irreführung der Kunden z. B. über die eigenen geschäftlichen Verhältnisse (Warenpreis, -herkunft, -beschaffenheit etc.), über geschäftliche Verhältnisse von Mitbewerbern und die Tarnung von Werbemaßnahmen (z. B. Placement) sowie Ausübung von Zwang, z. B. rechtlichem oder psychologischem Kaufzwang, Autoritätsmissbrauch für eigene Zwecke. • Belästigung durch anreißerische Praktiken vor allem in der Werbung (aufdringliches Ansprechen, ungebetene Vertreterbesuche, Telefonwerbung, Zusendung unbestellter Waren etc.), missbräuchliche Ausnutzung menschlicher Vorzüge und Schwächen, z. B. Spielleidenschaft, Werbung mit Mitleid, Angst, Sex, Gesundheitsargumenten, sowie Bestechung durch Vergünstigungen, z. B. bestimmte Probegaben, Kopplungsangebote, Geschenke, Werbefahrten. • Behinderung bestimmter einzelner Mitbewerber durch Beeinträchtigung der freien Betätigung der Mitbewerber, z. B. über exzessiven Preiskampf, Boykott, Diskriminierung, Betriebs- und Absatzhinderung, Abwerbung, Anschwärzung, Vereitelung von und verzerrender Vergleich in der Werbung, sowie Ausbeutung fremder Leistungsergebnisse, z. B. über sklavische Nachahmung, Herkunftstäuschung, Schmarotzen, anlehnende Werbung. • Behinderung aller Mitbewerber durch Rechtsbruch bei Ausnutzung deren Gesetzes- oder Vertragstreue durch Verletzung außervertraglicher Bindungen als Übertretung gesetzlicher Vorschriften oder Standesbestimmungen, sowie Verletzung vertraglicher Bindungen. Unternehmensverbände können zur Kalminierung Wettbewerbsregeln in ein Register beim Bundeskartellamt anmelden und eintragen lassen, die das Verhalten der Unternehmen im Wettbewerb zu dem Zweck regeln sollen, einem den Grundsätzen des lauteren oder der Wirksamkeit eines leistungsgerechten Wettbewerbs zuwiderlaufenden Verhalten im Wettbewerb entgegenzuwirken und zu einem diesen Grundsätzen entsprechenden Verhalten im Wettbewerb anzuregen (§ 24 GWB). So hat z. B. auch der Markenverband Verhaltensgrundsätze definiert. Auf den Preis bezogen verstoßen Hersteller danach gegen die Grundsätze eines leistungsgerechten Wettbewerbs, wenn sie gegenüber ihren Abnehmern (meist die Handelsstufe) der Forderung nach zusätzlichen Leistungen ohne Gegenleistung entsprechen, die nicht unmittelbar mit dem Warenverkauf verbunden sind und zu deren Durchsetzung in offener oder verdeckter Form Druck ausgeübt wird (Nichtleistungskonditionen).

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

4. Determinanten der Zielsetzung Die Preispositionierung (4.1) bezieht sich auf die absolute Preishöhe als starre Preissetzung und die relative Preisveränderung als flexible Preissetzung. Dabei soll die Preisbereitschaft von Nachfragern durch Preisdifferenzierung (4.2) ausgeschöpft und durch preispolitischen Ausgleich (4.3) verbessert werden. Vor allem ist es das Ziel von Anbietern, die Preistransparenz zu verringern (4.4). Dazu dienen verschiedene Techniken.

4.1 Preispositionierung 4.1.1 Starre Preissetzung Die Preispositionierung kann starr oder flexibel ausgelegt sein (siehe Abbildung 95: Starre und flexible Preissetzungen). Eine starre Preissetzung bedeutet, dass im Zeitablauf ein durchgängiges Preisniveau unverändert beibehalten wird. Dieses kann sich auf verschiedenen Levels bewegen.

Abbildung 95: Starre und flexible Preissetzungen

Prämienpreissetzung bedeutet, dass der Preis eines Produkts durchgängig über dem durchschnittlichen Preis des Mitbewerbs angesetzt wird (wertmäßiger Marktanteil > mengenmäßiger Marktanteil). Vorteile der Hochpreispolitik liegen vor allem in folgenden Bereichen: • Sie ermöglicht eine kurzfristige Gewinnmaximierung. Durch Ausreizen der Preisbereitschaft der Nachfrager können hohe Stückgewinnspannen realisiert werden.

4. Determinanten der Zielsetzung 

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Sie schafft ein positives Hochpreis-Image bei angestrebter Exklusivität. Die Preisforderung begrenzt dann wirksam den Kreis der Nachfrager nach einem Produkt. Der hohe Preis wird oft zugleich als Qualitätsindikator betrachtet. Mangels profunder Kenntnis aller Angebotsparameter muss der Preis zunehmend als Leistungsindiz herhalten. Es ist eine schnelle Amortisation des eingesetzten Kapitals erreichbar. Hohe Preise bzw. Stückgewinne verkürzen die Frist bis zum Break even und für den gewünschten Return on Investment. Die mit der Exklusivität und Qualitätsanmutung verbundenen Effekte können eine Sogwirkung auf andere Programmbestandteile ausüben, sofern diese erkennbare Gemeinsamkeiten aufweisen (wie gleiche Markierung). Nachteile der Hochpreispolitik liegen vor allem in Folgendem: • Rückgang des eigenen Marktanteils bei preisaggressiven Mitbewerbern am Markt. Preisunterbietungen höhlen die Hochpreisposition aus und zwingen zur Anpassung in diesem schärfsten Konkurrenzparameter. Mögliche negative Neben­wirkungen des Hochpreisimages in Richtung Übervorteilung. Nachfrager reagieren äußerst sensibel bei mutmaßlich fehlendem Leistungsäquivalent zum hohen Preis. Notwendigkeit zum verstärkten Einsatz marketingpolitischer Instru­ mente. Die Erhaltung der Prämienposition ist nur darüber möglich und gleichzeitig Beleg für gekonntes Marketing. Diskontpreissetzung bedeutet, dass der Preis eines Produkts durchgängig unter dem durchschnittlichen Preis des Mitbewerbs angesetzt wird (mengenmäßiger Marktanteil > wertmäßiger Marktanteil). Vorteile der Diskontpreispolitik liegen vor allem in folgenden Punkten: • Verdrängung vorhandener unliebsamer Konkurrenz durch aggressives Pricing. Denn der Preis ist die wirksamste und zugleich für die Konkurrenz empfindlichste Waffe. Verhinderung des Markteintritts potenzieller Mitbewerber. Dauerniedrigpreise ohne berechtigte Aussicht auf Besserung schrecken andere nachhaltig von Investitionen in diesen Markt ab. Erzielung großer Mengen mit der Folge der Stückkostendegression, die ihrerseits niedrige Preise erst gewinnbringend ermöglicht (Erfahrungskurveneffekte). Werbewirksamkeit durch Goodwill und Sympathie mit Preisbrecher (Beispiele finden sich bei Fachmärkten oder Discounters). Niedrigpreisimage, wodurch man zwangsläufig in die engere Auswahl der Kaufentscheidung eines breiten Publikums gelangt (Evoked Set of Brands). Nachteile der Diskontpreispolitik liegen vor allem in Folgendem: • Fehlende Eignung für kleinvolumige Märkte, da die komparativ höheren Stückkosten ein gewinnbringendes Angebot zu Niedrigpreisen vereiteln. Langsame Verzinsung des eingesetzten Kapitals und niedriger Return on Investment durch geringere Stückgewinnspannen bei weitgehend konstantem Kostenblock. Geringer Prestigewert des Produkts, wodurch im Marketing oft das Flair fehlt. Natürlich ist es auch einfacher, den Marketing-Mix für ein Angebot im schillernden

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

Ambiente hoher Preisakzeptanz zu gestalten als durch niedrige Preissetzung. Negativwirkung des Niedrigpreisimages durch Suggestion mangelnder Qualität. Ein auffällig von der Norm nach unten abweichender Preis weckt so das Misstrauen der Zielpersonen, wenn die Qualität nicht eindeutig nachprüfbar ist. Kurzfristig geringe Gewinnerzielung und damit hohes Unternehmensrisiko, denn die Vorgaberendite wird erst bei einer höheren Menge zu späterer Zeit realisiert. Konventionelle Preissetzung erfolgt auf dem Niveau des Durchschnittspreises des Mitbewerbs. Das heißt, es wird weder versucht, sich durch niedrigere, noch durch höhere Preise positiv vom Wettbewerb abzusetzen. Darin liegt eine nicht geringe Gefahr. Denn nach der Porter-Kurve bestehen erfolgversprechende Preispositionen im Fordern vergleichsweise hoher Preise, die freilich durch Produktleistungsmerkmale gerechtfertigt werden (Qualitätsführerschaft) oder im Fordern vergleichsweise niedriger Preise, die durch Weitergabe von Aufwandseinsparungen möglich werden (Kostenführerschaft). Die Position dazwischen gerät leicht „zwischen die Stühle“ des Mitbewerbs. Es sei denn, und das ist weit verbreitet der Fall, die konventionelle Preissetzung ist mit ausgeprägtem Nicht-Preis-Wettbewerb verbunden. Wegen der Bedeutung des Instruments Preis wird innerhalb des Marketing-Mix zunehmend auf andere, weniger „einschneidende“ Instrumente, vor allem Promotions (Werbung, Verkaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit, Direktansprache, Persönlicher Verkauf etc.), ausgewichen. Diese sind zwar einerseits in der Lage, kompetitive Wirkungen auf die Nachfrage zu zeitigen, sie tangieren aber andererseits das erklärte Unternehmensoberziel des Überlebens weniger und tragen somit zur Risikoreduktion bei, die darin liegt, vom marktüblichen Preis wenig auffällig abzuweichen. 4.1.2 Flexible Preissetzung Flexible Preissetzung bedeutet, dass das Preisniveau in Abhängigkeit vom Zeitablauf verändert wird. Dies kann sich wiederum unter mehreren Gesichtspunkten vollziehen. Penetrationspreissetzung bedeutet, dass der Preis eines Produkts im Zeitablauf sukzessiv angehoben wird. Das heißt, auf einen niedrigen Einführungspreis (Follow the Cheap, teils Follow the Free bei einem Anfangspreis von Null) folgen Preiserhöhungen in mehreren Stufen. Als Vorteile einer solchen Penetrationspreispolitik sind zu nennen: • Es bestehen hohe Carry over-Effekte, wenn man unterstellt, dass der Absatz eines Produkts in der Folgeperiode vom Absatz der Vorperiode abhängig ist, d. h. einmal aufgebaute Präferenzen sich nur langsam abbauen. Und zwar intrapersonell bei Verbrauchs- und interpersonell bei Gebrauchsgütern. Die mit niedrigen Einführungspreisen verbundenen relativ hohen kumulativen Absatzmengen führen schnell zur Nutzbarkeit von Lerneffekten in der Produktion und erhöhen so die

4. Determinanten der Zielsetzung 

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Gewinnmarge doppelt. Damit entstehen trotz zunächst niedriger Deckungsspannen hohe Gesamtdeckungsbeiträge, woraus womöglich ein beinahe uneinholbarer Kostenvorsprung resultiert. Nutzung statischer Economies of Scale durch unmittelbare Stückkostendegression infolge großer Mengen, denn mit steigender Ausbringung legt sich der Fixkostenblock auf mehr Stück produzierter Ware günstiger um. Bei nur geringer Produktüberlegenheit können niedrige Einführungspreise den Erfolg von Mitbewerbern beeinträchtigen. Wer zuerst den Markt öffnet, sperrt Positionen für die Konkurrenz. Auf potenzielle Wettbewerber wird gleich zu Beginn eine abschreckende Wirkung ausgeübt, die zur Verhinderung, zumindest aber zur Verzögerung deren Markteintritts führt. Bei preisbewusster Qualitätsbeurteilung durch Nachfrager wird mit steigendem Preisniveau steigende Qualität suggeriert. Außerdem wird innerhalb einer Preislage schon zu Beginn ein Marktvorsprung erarbeitet. Es besteht aufgrund der vergleichsweise niedrigen Investition auf Seiten der Nachfrager ein geringeres Obsoleszenzrisiko, das ihre Probierneigung mit der Chance auf Loyalität erhöht. Eine geringere Flopgefahr durch a priori größere Akzeptanz bei niedrigerem Preisniveau ist gegeben. Daraus folgt weniger Unternehmensrisiko. Die Nachteile dieser Preispositionierung ergeben sich spiegelbildlich aus den Vorteilen der Abschöpfungspreispolitik. Abschöpfungspreissetzung bedeutet, dass der Preis eines Produkts im Zeitablauf sukzessiv abgesenkt wird. Das heißt, auf einen hohen Einführungspreis folgen Preissenkungen in mehreren Stufen. Als Vorteile einer Abschöpfungspreispolitik können gelten: • Die Einführungsphase ist prinzipiell durch eine niedrigere Preiselastizität der Nachfrage gekennzeichnet, die damit eine graduelle Abschöpfung der Konsumentenrente ermöglicht. Der hohe Neuigkeitsgrad von Produkten führt zu größerer Preisakzeptanz. Damit kann das Obsoleszenzrisiko des Anbieters reduziert werden. Falls hohe Markteintrittsbarrieren vorhanden sind, etwa durch Patentschutz, natürliches Monopol, technischen Vorsprung etc., ist nicht mit Wettbewerbsreaktionen zu rechnen. Damit wird der monopolistische Marktspielraum nutzbar. Erfahrungsgemäß haben Preissenkungen eine nachhaltige Nachfragewirkung, vor allem wenn das Produkt durch hohe Einführungspreise schon eine gewisse Exklusivität erlangt hat. Dadurch wird ein Preisspielraum nach unten geschaffen, meist auch die Notwendigkeit von Preiserhöhungen vermieden. Eine Unterstützung der Produktpositionierung im Exklusivsegment durch Prestigeund Qualitätsindikation des Preises erfolgt dort, wo es an anderen verlässlichen Maßstäben fehlt. Die hohe Machtkonzentration in vielen Absatzkanälen führt im Zeitablauf ohnehin beinahe zwangsläufig zu gegenseitiger Preisunterbietung und damit zum Skimming-Effekt. Auf diese Weise wird die Realisierung hoher, kurzfristiger Gewinne möglich, die von einer Diskontierung weniger betroffen sind. Vor allem amortisieren sich FuE-Aufwendungen schneller. Geringe Ansprüche

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

an finanzielle Ressourcen entstehen, da sofort ein hoher Return on Investment erzielbar ist und Kapazitäten sukzessiv aufgebaut werden können. Die Nachteile dieser Preispositionierung ergeben sich wiederum spiegelbildlich aus den Vorteilen der Penetrationspreispolitik. Aktionspreissetzung bedeutet, dass ein grundsätzlich starrer Preis durch pulsierende Preisänderungen, vor allem nach unten, flexibel gehalten wird. Dabei sind zwei Anlässe für aktionale Preisschwankungen von Bedeutung: • Das Sonderangebot ist ein Warenangebot mit zeitlich begrenzter Preisreduzierung, das den Abverkauf bestimmter Produkte fördern und zugleich die preisliche Leistungsfähigkeit des Anbieters dokumentieren soll. • Der Sonderverkauf beinhaltet Jubiläums-, Rest- und Ausverkäufe und unterliegt rechtlichen Bestimmungen, da er ansonsten das Merkmal der Irreführung aufweisen kann. Die Aktionspreispolitik bedient sich der Parameter der Frequenz, d. h. der Häufigkeit von Preisreduzierungen, der Dauer, d. h. der Länge des Aktionszeitraums, und des Ausmaßes, d. h. der Höhe von Preisnachlässen. Vorteile der Aktionspreispolitik sind in Folgendem zu sehen: • Die Überwindung kurzfristiger Liquiditätsengpässe durch temporäre Preissenkung mit sprunghaftem Nachfrageanstieg ist möglich. Bei Barzahlung erhöht sich der Geldmittelbestand unmittelbar. Es kommt zu einer Überwälzung von Lagerkosten an den Handel, sofern dieser nicht seinerseits die Aktionspreise weitergibt und damit für raschen Warenabfluss sorgt. Die Motivation der Vertriebsmannschaft wird durch leichteren Absatz der Produkte erhöht. Dies verschafft ihnen willkommene Erfolgserlebnisse, die auch auf Nichtaktionspreisperioden nachwirken. Eine Verbesserung des Distributionsgrads und der Marktpräsenz durch Gewinnung neuer Abnehmer über Probierkäufe, Bindung bestehender Abnehmer, Erhöhung der Kaufintensität und Provozierung von Impuls- und Vorratskäufen wird erreicht. Eine gezielte Unterstützung absatzschwacher Phasen, z. B. antizyklisch zur Saison, bei Auslaufprodukten, ist darstellbar. Nachteile der Aktionspreispolitik liegen in folgenden Punkten: • Es entstehen negative Carry over-Effekte in der Nachaktionsphase mit Preisanstieg auf das reguläre Niveau. Darin liegt die Gefahr des subjektiven Eindrucks einer Preiserhöhung mit Kaufzurückhaltung. Die Handelsstufe kann die Preisreduktion zur Erreichung zusätzlicher Spannen dort absorbieren. Dann schlägt die Aktion nicht mehr auf die Endabnehmerebene durch, sondern wirkt nur als Konditionenverbesserung. Es kommt zur Förderung des Preisinteresses in der Kundschaft mit dem Effekt der preissensitiven Markenilloyalität, d. h. nicht mehr von Überzeugungs-, sondern reinen Vorteilskäufen. Eine Minderung der Preisbereitschaft der Abnehmer entsteht. Dies kann zur Minderakzeptanz des regulären Preisniveaus und zu Vorratskäufen zum Aktionspreis führen. Insofern wird

4. Determinanten der Zielsetzung 

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auf Sonderangebote gewartet und ein interner Ausgleich mit regulären Preisen vereitelt. Eine Imagegefährdung prestigeträchtiger Produkte mit der Folge des Preisverfalls im Zeitablauf und der Einbuße an Statuswert für die Verwender / Verbraucher ist zu befürchten.

4.2 Preisdifferenzierung Unter Preisdifferenzierung versteht man das Angebot von Produkten, die sich in mindestens einer der Dimensionen Raum, Zeit, Leistung oder Menge unterscheiden, ohne dass dadurch ein neues Produkt entsteht, zu unterschiedlichen Preisen, die nach systematischen Bezugsgrößen gebildet werden. Ziel ist dabei die Abschöpfung der Konsumentenrente bzw. der Einbehalt der Produzentenrente. Dadurch wird die unterschiedliche Preisbereitschaft und Leistungserwartung der Nachfrager ausgenutzt. Die Nachfrager am Markt sind durch mehr oder minder erheblich voneinander abweichende Preisbereitschaften gekennzeichnet. Im Marktmechanismus bildet sich aber für ein Produkt nur ein Preis. Nachfrager, die bereit gewesen wären, nur einen niedrigeren als den Marktpreis zu zahlen, gehen leer aus, da sie kein ihnen preislich passendes Angebot finden. Dies bedeutet zugleich aber auch kein Absatz. Auch hier kann eine Preisdifferenzierung helfen, indem niedrigpreisigere Produkte angeboten werden, die ihre Kaufkraft erlösen. Nachfrager, die hingegen einen höheren als diesen Marktpreis gezahlt hätten, erhalten ihr gewünschtes Produkt billiger, sie streichen eine Konsumentenrente ein. Eine Preisdifferenzierung hilft, diese zu monetarisieren. Das gleiche gilt aber auch bei Preisbereitschaften niedriger als der Marktpreis. Nachfrager dort gehen leer aus, da sie kein ihnen preislich passendes Angebot vorfinden. Ein Referent für professionelle Preisvorträge schildert eindrücklich den Fall, dass durch ein Versehen in seiner Buchhaltung allen Zuhörern eines solchen Vortrags eine Rechnung über 199 € ausgestellt wurde, statt des richtigen Preises von 99 €. Das Erstaunen bei ihm war groß, als alle Zuhörer bzw. deren Arbeitgeber ohne Probleme den viel zu hohen, falschen Betrag überwiesen. Offensichtlich wäre es also möglich gewesen, einen doppelt so hohen Preis für die Vortragsleistung zu fordern als tatsächlich geschehen. Als Bezugsgrößen für eine Preisdifferenzierung kommen im Grundsatz dieselben wie für eine Marktsegmentierung in Betracht: • Raum, d. h., auf verschiedenen, räumlich abgegrenzten Märkten werden unterschiedlich hohe Preise für das gleiche Gut gefordert, wobei dieser Unterschied nicht allein durch unterschiedliche Transportkosten begründet ist. Häufiges Beispiel ist das Dumping, also der Verkauf von Waren im Ausland zu einem Preis, der unter dem vergleichbaren Inlandspreis liegt.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

• Zeit, d. h., in Abhängigkeit von verschiedenen Zeitpunkten / -räumen werden für das gleiche Gut unterschiedliche Preise gefordert. So z. B. in Abhängigkeit von Saison oder Kapazitätsauslastung, etwa für Tag- und Nachtstrom aus dem Elektri­zitätsnetz. • Person, d. h., je nach Person des Nachfragers werden verschieden hohe Preise für das gleiche Gut gefordert. Dies gilt vor allem für demografische (passive) Einteilungskriterien wie Beruf, Alter, Geschlecht, Wohnort etc. • Menge (Verbrauch), d. h., für das gleiche Gut werden je nach bezogenen Wareneinheiten unterschiedliche Preise gefordert. So werden Großabnehmer und Heavy Users preislich anders behandelt als Durchschnittskunden (z. B. Solarstromsubvention für bestimmte Branchen). • Verwendung, d. h., je nach Verwendung wird für das gleiche Gut ein abweichender Preis verlangt. Dies gilt z. B. für Vieh- in Relation zu Speisesalz oder für Heizöl in Relation zu Dieselkraftstoff. • Funktion, d. h., verschieden hohe Preise je nach Art und Umfang der mit dem Angebot einer Ware oder Dienstleistung verbundenen Nebenleistungen, so z. B. Zustellung, Montage. • Anspruch (nur in Verbindung mit einer Produktdifferenzierung nach Qualität / Lebensstil), d. h., die unterschiedliche Preisbereitschaft der Käufer wird genutzt, indem für leicht differenzierte Produkte stark unterschiedliche Preise vereinbart werden (z. B. 1. und 2. Klasse in Bahn oder Flugzeug). • Markierung (nur als Preisdifferenzierung im weiteren Sinne), d. h., gleicher Bedarf wird mit verschiedenartigen Produkten auf unterschiedlichen Preislevels bedient. Die faktischen Übergänge zur Rabattpolitik sind bei allen Bezugsgrößen fließend. Der prinzipielle Unterschied liegt jedoch darin, dass bei der Preisdifferenzierung unterschiedliche Grundpreise vorliegen, während bei der Rabattpolitik von einem einheitlichen Grundpreis ausgegangen wird, der sich durch Anwendung verschiedener Rabatte erst differenziert. Die Preisdifferenzierung kann mit der Programmdifferenzierung zur Angebotsdifferenzierung (Versioning) kombiniert werden. Auf der privaten Endabnehmerebene ist dies von geringer Relevanz, da die Auspreisung ohnehin nach dem Nettoprinzip zu erfolgen hat. Auf der professionellen Wiederverkäufer- oder Weiterverarbeiterebene hingegen kann Rabattspreizung vorliegen, d. h., es gibt verschiedene Grundpreise, von denen aus Preisnachlässe gewährt werden. Die Problematik liegt hier in diskriminierenden Wirkungen. Nach der Richtung der Preisdifferenzierung lassen sich zwei Formen unterscheiden. Unter horizontaler, deglomerativer Preisdifferenzierung versteht man dabei die künstliche Aufspaltung eines natürlichen Gesamtmarkts in einzelne Teilmärkte

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mit dem Angebot des gleichen Produkts zu unterschiedlichen Preisen. Dazu wird entlang der Preisabsatzfunktion der Markt in Segmente derart aufgeteilt, dass das Segment mit der höchsten Preisbereitschaft den höchsten Angebotspreis erhält, das Segment mit der nächstniedrigeren Preisbereitschaft den nächstniedrigeren Angebotspreis undsofort (siehe Abbildung 96: Deglomerative Preisdifferenzierung). Das Optimum liegt zwischen der Mindestzahl von Segmenten, die erforderlich ist, um in jedem Segment den Preis zu realisieren, den es gerade noch zu zahlen bereit ist, und der Höchstzahl von Segmenten, die eine Realisierung bei vertretbaren Mehrkosten gerade noch erlaubt.

Abbildung 96: Deglomerative Preisdifferenzierung (eig. Darst.)

Unter vertikaler, agglomerativer Preisdifferenzierung versteht man individuelle Preise für ein und dasselbe Produkt auf gegebenen, natürlichen Einzelmärkten. Dazu werden die Preisabsatzfunktionen der Einzelmärkte zu einer neuen, mehrfach geknickten aggregiert, auf Basis derer die gewinnmaximale Preis-MengenKombination in Abhängigkeit von den ebenfalls aggregierten Gesamtkosten bestimmt wird (siehe Abbildung 97: Agglomerative Preisdifferenzierung (bei zwei Teilmärkten)). Der so gewonnene Preis führt auf den Einzelmärkten zum Angebot unterschiedlicher Mengen derart, dass die Grenzerlöse der einzelnen Märkte untereinander gleich und gleich den Grenzkosten sind. Dadurch wird letztlich wieder die unterschiedliche Preiselastizität der Nachfrage genutzt, zugleich werden auch Arbitragen vom niedrigpreisigeren zum höherpreisigen Einzelmarkt verhindert. Dies spielt vor allem im internationalen Marketing eine bedeutende Rolle. Dabei sind die Transferkosten zwischen den Märkten im Preis zu berücksichtigen, so für Logistik, Zoll, Versicherung, Währungsumtausch etc.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

Abbildung 97: Agglomerative Preisdifferenzierung (bei zwei Teilmärkten (eig. Darst.))

Nach der Ausprägung der Preisdifferenzierung werden drei Grade unterschieden: • Eine Preisdifferenzierung ersten Grades liegt vor, wenn ein Anbieter von jedem seiner Kunden den von ihnen jeweils gerade noch akzeptierten (Reservations-) Preis erlöst (= perfekte Preisdifferenzierung). Praktisch ist dies nur näherungsweise umsetzbar, da dazu die individuelle Zahlungsbereitschaft der Nachfrager bekannt, die individuelle Preissetzung am Markt auch durchsetzbar und Ausgleichsgeschäft (Arbitrage) wirksam unterbindbar sein müssen. Eine Ausgestaltung ist durch Versteigerung möglich. Dabei geht jeder Bieter im Idealfall bis an seinen persönlichen Reservationspreis. • Eine Preisdifferenzierung zweiten Grades liegt vor, wenn ein Anbieter dem Markt zwei oder mehr Angebote zur Verfügung stellt, unter denen die Nachfrager auswählen können (Selbstselektion). Das bedeutet, dass die Kunden sich demjenigen (Produkt-/Preis-)Angebot zuordnen, das ihren individuellen Präferenzen am nächsten kommt. Die Abweichungen sind dabei quantitativer, qualitativer, zeitlicher und / oder räumlicher Art. Ein Beispiel bieten Laptop-, Tablet- und Mobiltelefon-Modelle mit verschiedenen Prozessoren, Speicherkapazitäten, Displaygrößen, Farben, Telcom-Verbindungen etc. zu ebenso verschiedenen Preisen. • Eine Preisdifferenzierung dritten Grades liegt vor, wenn ein Anbieter zwei oder mehr (Produkt-/Preis-)Angebote parallel am Markt bereitstellt, jedoch durch Vordefinition die Verfügbarkeit für bestimmte Nachfragergruppen vorgibt. Die Zuordnung erfolgt dabei also durch den Anbieter, etwa auf Basis soziodemo-

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grafischer Kriterien wie Geschlecht, Alter, Kaufmenge. Dabei darf keine wettbewerbrechtsrelevante Diskriminierung stattfinden. Beispiele finden sich bei Sachversicherungen, bei denen Kunden nach ihren jeweils zu versichernden Risiken eingestuft und dann verschiedenen Tarifen zugeordnet werden, die verbindlich sind.

4.3 Preispolitischer Ausgleich Kennzeichen des preispolitischen Ausgleichs ist, dass die Preisfindung nicht mehr für jedes Angebot isoliert, sondern für alle Angebote im Verbund vorgenommen wird, um für das gesamte Programm einen maximalen Nutzen zu erreichen. Dabei ist zwischen dem tatsächlich realisierbaren Marktpreis und dem unternehmensindividuell für erforderlich erachteten Zielpreis zu unterscheiden. Einerseits gibt es Produkte, bei denen der Marktpreis unter dem Zielpreis liegt. Bei diesen muss das Unternehmen, wenn keine Besserung in Sicht ist, auf das Angebot verzichten. Andererseits gibt es Produkte, bei denen der Marktpreis über dem Zielpreis liegt und Gewinnmarge verschenkt wird. Mit Blick auf das gesamte Programm kann es hier im Wege der internen Subventionierung zum Ausgleich kommen. Dafür sind zwei Prinzipien einsetzbar: • Das Tragfähigkeitsprinzip unterscheidet zwischen Produkten, bei denen der Marktpreis unter dem Zielpreis liegt (Ausgleichsnehmer) und solchen, bei denen es gerade umgekehrt ist (Ausgleichsträger). Durch Mischkalkulation kann die zusätzliche Spanne des Ausgleichsträgers durch Ausnutzung seines Preisspielraums nach oben die fehlende Spanne beim Ausgleichsnehmer alimentieren. Das heißt, ein den Zielbeitrag unterschreitender Preis eines Produkts wird durch überschüssigen Zielbeitrag eines anderen kompensiert und führt somit zu höherem Gesamterfolg als ohne diesen Ausgleich. Dabei können verschiedene Grade unterschieden werden (s. u.). • Das Ausgleichsprinzip kann in der Dimension Programminhalt durch Diversifikation (Simultanausgleich) oder in der Dimension Zeitablauf durch Pulsation (Sukzessivausgleich) angestrebt werden. Simultanausgleich entspricht der beschriebenen Vorgehensweise, preisliche Über- bzw. Unterdeckungen zwischen verschiedenen Produkten im gleichen Abrechnungszeitraum zu kompensieren. Werden jedoch zyklische Preisveränderungen über mehrere Abrechnungsperioden zur Kompensation genutzt, handelt es sich um einen Sukzessivausgleich. Dabei können diese Prinzipien auch gemischt angewendet werden. Eine weitere Form des preispolitischen Ausgleichs kann räumlich erfolgen und steht allen Unternehmen offen, die in mehreren Markträumen tätig sind. Sofern es sich dabei um grenzüberschreitende Märkte handelt, kommen Transferpreise zum Tragen, die erheblichen systemkritischen Bedenken unterliegen. Die Bestimmung der Transferpreise kann mehrere Determinanten haben, u. a.:

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

• Steuer- und Zollminimierung bei tarifären Hemmnissen, • Kapitalrückfluss bei Devisenbewirtschaftung, • Reduzierung von Paritätsrisiken mit Non-EU-Märkten, • Umgehung von wertbezogenen Außenhandelsrestriktionen und anderen nichttarifären Hemmnissen wie Importkontingenten. Lenkpreise ergeben sich als konzerninterne Verrechnungspreise. Dabei geht es darum, dass Leistungen zwischen rechtlich selbstständigen Unternehmen, die unter einheitlicher Leitung stehen, zwischen Leistungsgebern und -nehmern abgerechnet werden müssen (buchhalterisch für Handels- und Steuerbilanzen, erfolgsbezogen zur Planung und Lenkung). Als Basis dienen dazu marktorientierte Preise, was voraussetzt, dass es für die infragestehende Leistung einen Markt gibt, verhandlungsorientierte Preise zwischen Leistungsgeber und -nehmer oder kostenorientierte Preise auf Istkosten-, Normalkosten- oder Grenzkostenniveau.

4.4 Verringerung der Preistransparenz 4.4.1 Preisbaukasten Ein Preisbaukasten ist ein Preismodell, das aus einem mehr oder minder hohen unveränderlichen Preisanteil und einem, meist spiegelbildlich dazu, mehr oder minder hohen, in Abhängigkeit von der Nutzungsintensität, veränderlichen Preisanteil zusammengesetzt ist (siehe Abbildung 98: Optionen des Preisbaukastens). Der eine Grenzfall des Preisbaukastens mit einem veränderlichen Anteil von 0 ist der Fixpreis, der andere Grenzfall mit einer komplett veränderlichen Preishöhe ist der variable Preis. Dazwischen können die fixen und variablen Anteile schwanken. Je höher der fixe Anteil, desto niedriger ist der variable et vice versa. Wenn Leistungen in hohem Maße fixkostenlastig sind, besteht ein wesentliches Interesse von Anbietern darin, feste Einnahmen von Kunden zu erhalten. Dies wird zu erreichen gesucht, indem Kunden, die sich zur festen Abnahme einer bereitgestellten Leistung verpflichten, diese je Einheit preisgünstiger erhalten als Kunden, die nur fallweise Leistungen abnehmen (z. B. Eintrittskarten-Abonnement). Weiterhin und vor allem ist eine Kombination aus fixen und variablen Preisbestandteilen denkbar. Keiner der beiden Preisanteile gewährt dabei allein die Inanspruchnahme einer Leistung. Die Entrichtung des fixen Preisanteils ist vielmehr regelmäßig Voraussetzung, fallweise Angebote zu niedrigeren Preisen je Leistungseinheit in Anspruch nehmen zu können. Durch den variablen Preisanteil steigen die Einnahmen jedoch in dem Maße wie Leistungen abgefordert werden (z. B. Bahn-Card). Eine weitere Kombination sieht einen geringen anteiligen Fixbetrag vor, mit dem neben der Leistungsbereitschaft eine im Vorhinein bestimmte Anzahl von Leis-

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Abbildung 98: Optionen des Preisbaukastens

tungseinheiten abgegolten wird. Werden darüber hinausgehend von Kunden Leistungseinheiten abgefordert, sind dafür „normale“ Preise zu entrichten, die neben den variablen Kosten der Leistungserstellung auch die durch die Pauschale noch ungedeckten Fixkosten abdecken wie z. B. Kontoführungs-Pakete der Banken. Denkbar ist auch die Kombination eines fixen mit einer Mindesthöhe des variablen Preisanteils plus „normalem“ Preis je Leistungseinheit. Ebenso ist die Berechnung einer gesonderten Gebühr zur Inanspruchnahme der Offerte bzw. einer Gebühr zum Ende der Vertragslaufzeit bei Rahmenverträgen möglich. Preisbaukästen sind etwa bei Mobilfunktarifen gegeben. Dies reicht von ausschließlich fixer Entgeltgestaltung bei Flatrates bis zu ausschließlich variablem Entgelt bei Prepaid Cards. Dazwischen ist jedwede Abstufung aus mehr oder minder hohem fixen und variablen Entgeltbestandteil vorhanden. Durch diese Modularisierung sind verschiedene Angebote nicht mehr miteinander vergleichbar. Nachfrager ordnen sich vielmehr demjenigen Preismodell zu, von dem sie vermuten, dass es für sie das günstigste ist. Ob diese Spekulation aufgeht, hängt von ihrem tatsächlichen Telefonieverhalten ab und ist erst im Nachhinein zuverlässig feststellbar. Bei Blocktarifen handelt es sich um die feste Kopplung des fixen mit dem varia­ blen Preisbestandteil. Dabei werden meist zwei oder mehr Blocktarife angeboten,

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

unter denen ein Kunde wählen kann (Self Selection) bzw. denen er anbieterseitig zugeordnet wird. Jeder Nachfrager wird sich demjenigen Preisbaukasten zuordnen, von dem er glaubt, dass er dort, über den gesamten Preis, am wenigsten für eine beabsichtigte Zahl von Leistungseinheiten zu zahlen hat. Da die Wahl a priori zu treffen ist, kann er jedoch nicht sicher sein, die richtige Wahl getroffen zu haben. Wenn dies nicht der Fall ist, kann der Anbieter einen Wechsel zulassen (Kulanz), einen Wechsel mit Wechselkosten bewehren oder aber auf Erfüllung des Vertrags bestehen. Der Vorteil für den Nachfrager besteht darin, dass durch die Wahl unter im Regelfall mehreren Preisbaukästen seiner individuellen Präferenz entsprochen werden kann, der Vorteil für den Anbieter besteht darin, dass der fixe Preisanteil feste Einnahmen generiert, die bekanntlich „doppelt zählen“. 4.4.2 Preisbündelung Die Preisbündelung (auch Price Bundling) bezieht sich auf die Zusammenfassung mehrerer, ansonsten auch getrennt marktfähiger Leistungen zu einem Bundle, das gegen einen gemeinsamen, meist günstigeren Preis abgegeben wird. Bei diesem Bündel kann es sich um die Kombination mehrerer Sachleistungen, mehrerer Dienstleistungen oder eine Kombination aus Sachleistung und Dienstleistung handeln wie z. B. Router bei VDSL-Anschluss der Telekom. Im Bereich der Investitionsgüter werden komplette Industrieanlagen oder Infrastrukturprojekte erstellt und dem Auftraggeber schlüsselfertig übergeben (Turnkey Projects). Dabei sind Abstufungen von der bloßen betriebsfertigen Erstellung der technologischen Anlage bis zur umfassenden Schulung der Mitarbeitenden und laufenden Projektbetreuung denkbar. Weiterhin kann das Bundle wahlweise durch zusätzliche Einzelleistungen ergänzt werden. Dann wird für das Bundle ein Paketpreis vereinbart und die zusätzlichen Einzelleistungen sind gemäß einer Preisliste zu honorieren (wie z. B. beim Frisör: Bundle aus Haare waschen, schneiden und föhnen, zusätzlich gewünschte Leistungen wie Tönung, Kopfhautmassage, Extensions etc. werden getrennt abgerechnet). Ein Bundle kann aus zwei bzw. mehr Kernleistungen bestehen oder aus einer oder mehreren Kernleistungen und einer oder mehreren Randleistungen. Denkbar ist zudem der Tausch einzelner Randleistungen gegen andere, und zwar ohne Berechnung, mit Zuzahlung / Erstattung oder gegen zusätzliche Berechnung sowie die Vereinbarung einer Mindestabnahmemenge im Bundle wie z. B. Mobiltelefon mit Mindesttelefonie-Einheiten. Ziele der Preisbündelung sind vornehmlich Cross Selling, Neukundenakquisition und Kundenbindung. Probleme bei der Beurteilung entstehen vor allem durch die aufwändige Messung der Maximalpreise für verschiedene Marktsegmente und die vorbeugende Berücksichtigung wettbewerbsrechtlicher Bedenken vor allem als Kopplungsangebot. Wichtig ist jeweils, bei Bundles die dabei eingeschlossenen Leistungen deutlich zu machen, um den Preis zu rechtfertigen. Außerdem kann ein Anbieter damit

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einer direkten Preisvergleichbarkeit entkommen. Mit welchem Preisanteil die Teilleistungen dabei in den Gesamtpreis eingehen, bleibt seiner Ausgleichskalkulation überlassen, solange nur in der Summe die addierten Einzelkosten mindestens gedeckt sind. Ziele der Preisbündelung sind vor allem die Gewinnsteigerung durch Mehrabsatz, die Senkung der Preiselastizität der Nachfrage, eine Verschleierung der Einzelpreise, die Verdeckung von Preissteigerungen, die Reduzierung des Preisopfers durch Einmalzahlung. Preisbündel sind etwa bei den Ausstattungspaketen der Autohersteller anzutreffen. Dabei werden stark nachgefragte Ausstattungen mit ansonsten nur schwer verkäuflichen Ausstattungen zu einem Bündel geschnürt, für das ein gemeinsamer Preis berechnet wird. Dadurch können die Einzelpreise verschleiert werden, und eine interne Mischkalkulation stellt sicher, dass Käufer sich nicht selektiv nur preisleistungsbezogen attraktive Elemente herauspicken (Cherry Picking). Ebenso wie eine Bünderlung ist auch eine Entbündelung möglich, also das Angebot von verbundenen Produkten zu jeweiligen Einzelpreisen (s. o.). 4.4.3 Yield Management Unter Yield Management versteht man eine an der Kapazität der Leistungserstellung orientierte, variable Preissetzung, dies ist vor allem bei Dienstleistungen relevant, da deren Kapazität häufig starr ist (z. B. Fluglinien, Hotels, Autovermietungen). Voraussetzungen für ein Yield Management sind eine hohe Preiselastizität der Nachfrage, eine Möglichkeit zur Reservierung der Leistungsinanspruchnahme, Marktsegmente mit abweichender Preisbereitschaft, ein überaus hoher Fixkosten­ anteil und IT-Unterstützung. Der Angebotspreis verändert sich dann mit der aufgrund der aktuellen Daten zu erwartenden Kapazitätsauslastung der Zukunft. Dabei sind mehrere Taktiken seitens eines Anbieters möglich: • Man kann zunächst mit niedrigen Preisen eine Grundauslastung der Kapazitäten zu sichern versuchen und mit steigender zeitlicher Nähe zum Verfall der Leistung den Preis erhöhen, weil mutmaßlich die Zeitpräferenz bei Nachfragern im Ablauf steigt. • Man kann zunächst mit hohen Preisen eine zufriedenstellende Erlössituation zu sichern versuchen, um dann noch verbleibende, unterausgelastete Kapazitäten über niedrigere Preise zu füllen (Geldpräferenz). Dies entspricht einem Sicherheitsdenken. • Man kann jeder Ertragsklasse fixe Kontingente zuordnen. Eine Hinzubuchung von Kontingenten anderer Ertragsklassen ist nicht möglich. So vermeidet man, dass Freikapazitäten in „teuren“ Klassen übrigbleiben oder Erlöspotenziale verschenkt werden.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

• Man kann jeder Ertragsklasse fixe Kontingente zuordnen, wobei Buchungen in den ertragsstärkeren Kontingenten zulasten der Kapazitäten der ertragsschwächeren gehen (Nesting). So wird verhindert, dass „billigere“ Einheiten „teureren“ die Kapazitäten wegnehmen. • Man kann die Kontingente auch nach Kundenwert staffeln, d. h., ertragsstärkere Kunden haben bei knappen Kapazitäten Priorität gegenüber ertragsschwächeren. So kann zusätzlich die Kundenbindung durch Privilegierung gestärkt werden. Dabei gelten Voraussetzungen für die Anwendung: • Die Leistungspotenziale verfallen bei Nichtinanspruchnahme der Leistung. Eine Kontrahierung kann bereits vor Inanspruchnahme der Leistung als fungibles Leistungsversprechen (Anrecht) erfolgen. Die Nachfrage unterliegt hohen Schwan­ kungen, die a priori weitgehend unbekannt sind. Die Nachfrager sind hinsichtlich ihrer Preisbereitschaft segmentierbar. Eine Stimulierung der Nachfrager durch Variation der Preisgestaltung ist grundsätzlich möglich (preisreagible Nachfrage). Der Anbieter sieht sich unflexibel mit einem hohen Fixkostenblock konfrontiert und er verfügt über eine kritische Größe, so dass sich der Einsatz von IT lohnt. Yield Management-Systeme sind selbstlernend, aufgrund von Datenbank, Prognosemodell und Optimierung. Typische Maßnahmen betreffen die Kontingentierung niedrigpreisiger, akquisitionsstarker Leistungseinheiten nach dem First come-first served-Prinzip, der Verzicht auf den Verkauf von Leistungseinheiten an Nachfrager mit geringer Preisbereitschaft und die bewusst kapazitätsüberschreitende Überbuchung durch proaktive Berücksichtigung mutmaßlicher No Shows, das sind Personen, die eine Leistung gebucht haben, diese aber nicht abnehmen.

5. Determinanten der Administration Im Grundsatz bildet sich in der Marktwirtschaft der Preis im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Jedoch gibt es Märkte, in denen das nicht angemessen funktioniert. Ein klassisches Beispiel sind Kollektivgüter (auch Infrastruktur) wie Verkehrsnetz, Bildungseinrichtungen, Umwelt etc. Hier wird die Preisbildung als dysfunktional angesehen, woraus die Rechtfertigung für hoheitliche Preisvorgaben abgeleitet wird. Daneben gibt es private Preiseingriffe, die im Regelfall verboten sind, weil sie dem freien Wettbewerb zuwiderlaufen, ausnahmsweise aber doch erlaubt sind, etwa bei unverbindlichen Preisempfehlungen (UVP) oder Preisbindungen. Des Weiteren kann sich die Reglementierung nicht nur auf die Preishöhe (5.1), sondern auch auf die Preisermittlung (5.2) beziehen, etwa bei öffentlichen Aufträgen. Fakt ist, dass sich der Anteil der auf diese Weise der Marktmechanik entzogenen Preise zwischenzeitlich bei über 50 % aller Preise bewegt, also ein für eine Marktwirtschaft bedenkliches Ausmaß erreicht hat. Jedoch ist auch zuzugestehen, dass die zwischenzeitliche Liberalisierung weiter Marktbereiche, also auch

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der Preisbildung, in vielen Fällen nicht die erwartet positiven Wirkungen gezeitigt hat (z. B. Gesundheitswesen, Energieversorgung, Mietwohnungen).

5.1 Preishöhe 5.1.1 Preisvorgabe De facto sind zahlreiche Sektoren der Volkswirtschaft von der Möglichkeit zur freien Preisbildung aus Angebot und Nachfrage ausgenommen, weil die Preise hoheitlich oder standesrechtlich vorgegeben sind oder zumindest deren Entstehung Einschränkungen unterworfen ist. Es leuchtet unmittelbar ein, dass der Preis in diesen Fällen seine gesamtwirtschaftlich wichtigen Funktionen nicht mehr erfüllen kann, als deren wichtigste allgemein zu nennen sind: • Der Preis ist Knappheitsindikator, denn ein hoher Preis zeigt stets große Begehrtheit an und zieht damit Anbieter an bzw. wehrt Nachfrager ab, und umgekehrt. • Der Preis ist zugleich Angebotsanreiz, denn hohe Preise signalisieren Marktchancen und aktivieren latente Aktivitäten, und umgekehrt. • Dem Preis kommt eine Lenkungsfunktion der Produktionsfaktoren zu ihrer günstigsten Allokation zu. Dadurch steigt die Effizienz der Ökonomie. • Der Preis hat Beschränkungsfunktion, indem er unnötige Nachfrage zurückhält oder verlagert. Dies ist insbesondere zu Zeiten erkennbarer Wachstumsgrenzen für ökologisch anfechtbare Produkte wichtig (Countermarketing). • Der Preis ist Dringlichkeitsmaßstab für die subjektive Bedeutung von Bedürfnissen. Er spiegelt damit notwendigerweise aggregierte Nutzenpräferenzen. • Durch den Preis wird die Markträumung im Gleichgewicht herbeigeführt, und die Wirtschaftspläne der Mehrheit der Marktteilnehmer erfüllen sich durch Übereinstimmung. Insofern ist es besonders bedauerlich, wenn die freie Preisbildung im Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage verhindert wird. Dies geschieht in manifester Form durch Preisvorgaben. Hierbei sind verschiedene Formen möglich und werden auch praktiziert, häufig als Mindest- oder Höchstpreis (siehe Abbildung 99: Gestörte Marktmechanik). • Beim Mindestpreis handelt es sich um einen Preis, der über dem im Marktgleichgewicht liegt. Folglich besteht Warenüberschuss, da die angebotene die nachgefragte Menge zu diesem Preis mehr oder minder übersteigt. Besonders nachteilig wirken sich Mindestpreise in der EU-Agrarwirtschaft aus, die erhebliche Fehlanreize setzen und zur Vernichtung von Produkten und öffentlichen Geldmitteln führen. Zumal damit vor allem landwirtschaftliche Großbetriebsformen gefördert werden.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

Abbildung 99: Gestörte Marktmechanik

• Beim Höchstpreis ist es genau umgekehrt. Hier handelt es sich um einen Preis, der unter dem Marktgleichgewicht liegt. Folglich besteht Warenknappheit, da die nachgefragte die angebotene Menge zu diesem Preis übersteigt. Es kommt zur Bildung grauer (Umgehung von Absatzstufen) und schwarzer Märkte (ille­ gal durch Verbotsumgehung), auf denen sich Preise bilden, welche die realen Knappheitsverhältnisse ausdrücken („Street Value“). Außerdem ist Rationierung erforderlich. Es kommt zur Fehlallokation produktiver Faktoren. Ein Beispiel ist die Wohnraumbewirtschaft, die zu knappem Angebot und hohen Mieten führt, was gerade bei einem lebensnotwendigen Bedarf kaum zu akzeptieren ist. • Beim Festpreis handelt es sich um die Vorgabe genau eines Preises für eine Ware. Liegt dieser nicht beim Marktgleichgewicht, kommt es zu Warenüberschuss oder -knappheit. Selbst, wenn zufällig der Marktpreis getroffen werden sollte, wird dennoch die Signalfunktion des Preises vereitelt. Ein Beispiel ist der Beförderungstarif im ÖPNV. Die Entgelte bei Bahnen, Bussen, aber auch Taxis im Pflichtfahrbereich, sind einzuhalten und gleichmäßig anzuwenden. Ein anderes Beispiel sind die Gebührenordnungen der Freien Berufe (Ärzte, Architekten, Anwälte etc.). • Beim Spannenpreis handelt es sich um die Vorgabe einer Bandbreite für die Preisbildung zwischen Mindest- und Höchstpreis. Preise außerhalb der Spanne sind entweder verboten oder ziehen Interventionen nach sich.

5. Determinanten der Administration 

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So ist dies z. B. bei Wechselkursen als Preisen für ausländische (Non-€-)Währungen. Wird eine vorgegebene Bandbreite verlassen, greift die Zentralbank mit Devisenmarktaktionen korrigierend ein. • Beim Preisstopp wird der Preis auf den momentanen Stand eingefroren, auch wenn dieser nur zeitlich zurückliegende Entscheidungen sanktioniert. Auch hierbei kann der Preis seine ihm zukommenden Funktionen nicht mehr erfüllen, und es kommt zwangsläufig zu Unwirtschaftlichkeiten. Preisstopps werden vor allem zur Inflationsbekämpfung eingesetzt. Beispiele sind der Preisstopp für Arzneimittel, der zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden. Und der juristisch sehr umstrittene Mietenstopp für Wohnraum in Berlin auf dem Niveau von 2019. Nachteilig sind jeweils die dysfunktionalen Effekte dieser Preisvorgaben, die der empirischen Überlegenheit des marktwirtschaftlichen Systems zuwiderlaufen. Eine Option zu deren Vermeidung ist der Merit Order-Ansatz wie er auf bewirtschafteten Energiemärkten praktiziert wird. Dabei wird unterstellt, dass die Mindestpreisforderung jedes Anbieters sich an seinen Kosten plus Gewinnaufschlag orientiert. Werden die Anbieter daher danach aufsteigend gerankt, entsteht eine „Angebotskurve“. Dieser wird die Marktnachfrage gegenübergestellt. Ein reglementierter Preis wird dann staatlich so festgesetzt, dass dieser der Forderung des teuersten Anbieters, dessen Kapazität gerade noch zur Markträumung gebraucht wird, entspricht und dann für alle Anbieter am Markt gilt. Je kostengünstiger ein Anbieter wirtschaftet, desto höher ist damit seine Marge. Sinkt die Nachfrage, sinkt auch die Kapazitätsvorgabe, die unwirtschaftlicher arbeitenden Anbieter scheiden damit vom Markt aus, da ihr Angebot nicht mehr gebraucht wird. Steigt die Nachfrage, werden auch deren Kapazitäten gebraucht und der reglementierte Preis steigt entsprechend deren höheren Kosten. Abhilfe kann nur geschaffen werden, indem man für jeden Anbieter einen individuellen „Cost plus“-Preis festlegt, wodurch wirtschaftliche Betriebsführung aber konterkariert wird, denn die Anstrengungen der Unternehmen zur Kostensenkung führen bei diesen nicht zu höheren Margen und werden daher mutmaßlich zukünftig unterbleiben. Ein bedenklicher Eingriff erfolgt bei staatlicher Subventionierung der Energiepreise (Höchstpreisdeckelung) sowie bei nachträglicher Abschöpfung erzielter Übergewinne (Windfall Profits). 5.1.2 Preisempfehlung Eine vertikale Preisempfehlung liegt vor, wenn der Anbieter einer Ware deren Abnehmern, die ihrerseits Wiederverkäufer sind (B-t-B), eine Orientierungshilfe für die Preisstellung, etwa durch Packungsaufdruck oder Werbeaussage, gibt. Solche Preisempfehlungen dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen ausgesprochen werden:

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

• Es muss sich um eine Markenware handeln, die alIgemein gekennzeichnet ist durch die Merkmale: Markierung, d. h. deutliche Kennzeichnung des Produkts, gleichbleibende oder verbesserte Qualität, gleichbleibende Quantität und Aufmachung zur Wiedererkennbarkeit und Markentreue, Erhältlichkeit in einem größeren Absatzraum, Endverbraucherwerbung und hoher Bekanntheitsgrad sowie relative Preiskonstanz. Die Preisempfehlung muss ziffernmäßig ausgedrückt und damit exakt bestimmt sein. Sie muss ausdrücklich als unverbindlich gekennzeichnet sein. Sie muss als generelle Empfehlung gelten und darf nicht marktoder personenbezogen beschränkt sein. Es ist kein unzulässiger wirtschaftlicher, gesellschaftlicher oder sonstiger Druck zur Einhaltung der Preisempfehlung erlaubt. Die Ware muss mit gleichartigen Waren anderer Hersteller in Preiswettbewerb stehen. Ordnungswidrig handelt, wer Empfehlungen ausspricht, die eine Verbotsumgehung oder ein gleichförmiges Verhalten bewirken. Die Missbrauchsaufsicht durch die Karteilbehörde kann Preise für unzulässig erklären und neue gleichartige Empfehlungen verbieten, wenn sie feststellt, dass diese • allein oder in Verbindung mit anderen Wettbewerbsbeschränkungen geeignet sind, in einer durch die gesamtwirtschaftlichen Verhältnisse nicht gerechtfertigten Weise Waren zu verteuern oder ein Sinken der Preise zu verhindern oder ihre Erzeugung oder ihnen Absatz zu behindern, • geeignet sind, Verbraucher über die von der Mehrzahl der Empfehlungsempfänger geforderten Preise zu täuschen, • in einer Mehrzahl von Fällen die tatsächlich geforderten Preise in wesentlichen Teilen oder im gesamten Geltungsbereich erheblich übersteigen (Mondpreise), • durch Vertriebsregelungen oder andere Maßnahmen des empfehlenden Unternehmens bestimmte Abnehmer/-gruppen vom Bezug der Waren diskriminieren. Die vermeintlichen Vorteile von Preisempfehlungen liegen auf Seiten des Herstellers in folgenden Punkten: • Durch die Sicherung eines bestimmten Preisbereichs werden negative Irradiationen des Preises auf die Qualität des angebotenen Produkts verhindert. Durch unterschiedliche Preislagen wird eine Segmentierung des Marktes möglich. Damit wiederum ist eine höhere Abschöpfung der Preisbereitschaft der Nachfrager gegeben. Die aufeinander abgestimmte Preishierarchie innerhalb einer Produktreihe sorgt einerseits dafür, dass sich die Produkte harmonisch gegeneinander abgrenzen. Durch die relative Einordnung eines Produkts innerhalb des Programms wird zugleich dessen Anspruchslevel dokumentiert. Dies erlaubt die schnelle und zutreffende Einordnung. Über Preisempfehlungen wird die Absatzmenge stabilisiert und kann zielgerecht gesteuert werden. Infolge der Ausnutzung des Preisspielraums können vergleichsweise höhere Gewinnmargen erzielt werden. Insbesondere erfolgt ein geringerer Konditionendruck seitens der Handelsstufe, wenn diese weiß, dass sie den höheren Einkaufspreis über die unverbindliche

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Preisempfehlung in Form eines höheren Verkaufspreises am Endabnehmermarkt weitergeben kann, und dadurch auch keine kompetitiven Nachteile zu befürchten hat. Preisempfehlungen führen über ihre Leitlinienfunktion zu einer Minderung des Preiswettbewerbs und damit insgesamt zu niedrigerer Wettbewerbsintensität. Die vermeintlichen Vorteile von Preisempfehlungen auf Seiten des Handels liegen in Folgendem: • Sie geben dem Handel eine konkrete Hilfestellung bei der Kalkulation. Dies sichert ihm auskömmliche Spannen. Die Vorauszeichnung der Produkte durch Packungsaufdruck verringert die Handlungskosten, sofern der Handel den empfohlenen Preis exakt einhält. Ansonsten ist weiterhin eine individuelle Auszeichnung erforderlich. Die Preisempfehlung schützt vor allem den mittelständischen Handel, der durch Konzentrationsprozesse bedroht ist, vor dem ruinösen Wettbewerb von Großunternehmen in Bezug auf die preisempfohlene Ware. Als vermeintliche Vorteile für Verbraucher sind vor allem folgende zu nennen: • Die Nennung des empfohlenen Preises in der Werbung erhöht deren Informations­ gehalt und ermöglicht die Orientierung der Verbraucher über den für ein Angebot aufzuwendenden Geldbetrag. Es kommt zu einer Vereinfachung des Einkaufs, da für eine preisempfohlene Ware keine umfangreichen Angebotsvergleiche verschiedener Händler vorgenommen werden müssen. Diese Vorteile sind jedoch recht fragwürdig. Sie vermindern die Wettbewerbsintensität und schützen damit weniger leistungsfähige Anbieter vor dem Marktausschluss.

5.1.3 Preisbindung Es gilt grundsätzlich das Verbot der Preisbindung der zweiten Hand, also das Verbot der vertikal bindenden Verpflichtung für einen als Wiederverkäufer auftretenden Abnehmer, beim Wiederverkauf einen vom Anbieter festgelegten Preis zu verlangen. Jedoch sind einige (De jure-)Ausnahmen zugelassen: • Bestimmte Verlagserzeugnisse (§ 5 BuchPrG) werden mit der Argumentation ausgenommen, dass das deutsche Kulturgut unter Preiswettbewerb Schaden nehmen kann. So können Verlage etwa neue, viel versprechende Autoren nur fördern, wenn sie einigermaßen gesicherte Gewinne durch interne Subventionierung im Verlagsprogramm erhalten. Eben dazu dient die Preisbindung der zweiten Hand. Nach § 30 GWB gilt die Preisbindung ebenso für Zeitungen und Zeitschriften. • Landwirtschaftserzeugnisse (§ 28 GWB) sind wegen der schwachen Infrastruktur der Agrarwirtschaft ausgenommen. Besondere Produkte, wie z. B. Saatgut, sind zudem ausgenommen, um Missernten und Unterversorgung der Bevölkerung bei Kostendruck zu vermeiden. Analoges gilt für die Tierzucht.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

• Apotheken- und verschreibungspflichtige Arzneimittel (ethische Präparate) sind vom Preisbindungsverbot indirekt aufgrund der Arzneimittelpreis-VO (AMG/​ § 129 SGB V) ausgenommen, weil die Pharmaindustrie argumentiert, dass umfangreicher Forschungs- und Entwicklungsaufwand für neue Präparate nur aus hohen, gleich bleibenden Gewinnen gespeist werden kann und andernfalls die Volksgesundheit Gefahr läuft zu leiden. Darüber hinaus bestehen folgende De facto-Ausnahmen: • Mieten als Preise für Wohnraum sind direkt (Sozialer Wohnungsbau) oder indirekt (Mietpreisspiegel) gebunden, um die Ausnutzung von Notsituationen für das elementare Sicherheitsbedürfnis Wohnen zu verhindern. Allerdings mit der Konsequenz, dass durch fehlenden Neubauanreiz moderner Wohnraum, vor allem in Ballungsräumen, welcher der veränderten Bevölkerungsstruktur Rechnung trägt, immer knapper wird. • Tabakwaren, weil die Tabakwarenhersteller ihre geschlossenen, verkaufsfertigen Kleinmengenpackungen, wie in § 26,1 TabStG vorgeschrieben, mit im Voraus bestellten Steuerbanderolen versehen müssen, deren Wert den Endverbraucherpreis bestimmt, da ansonsten Steuernachzahlungen bzw. -erstattungen erforderlich wären. Es dürfen auch keine Rabatte gewährt werden. Ausgenommen sind kostenlose Proben zu Werbezwecken. • Personen, die nicht eigenunternehmerisch tätig sind, sondern Absatzhelfer darstellen, wie z. B. Handelsvertreter, Kommissionäre und Handelsagenten. Speziell dies öffnet Unternehmen einen bequemen Weg zur Umgehung des Preisbindungsverbots (z. B. Tankstellenpächter der Mineralölkonzerne, Agentur- bzw. Depotsysteme vornehmlich exklusiver Hersteller). • Taxifahrten im Pflichtbereich, hier werden die Tarife durch die Landesregierungen festgelegt (§ 51,1 PBefG). Diese Regelung droht angesichts verbreiteter Online-Mitfahrdienste (Uber etc.) unter Druck zu geraten. Die Kartellbehörde kann Preisbindungen für unwirksam erklären oder neue gleichartige verbieten, wenn sie feststellt, dass die Preisbindung missbräuchlich gehandhabt wird oder diese, auch in Verbindung mit anderen Wettbewerbsbeschränkungen geeignet ist, in einer durch gesamtwirtschaftliche Verhältnisse nicht gerechtfertigten Weise die gebundenen Waren zu verteuern, ein Sinken ihrer Preise zu verhindern sowie ihre Erzeugung oder ihren Absatz zu beschränken. Neben diesen öffentlich administrierten Preisen gibt es auch solche, die privat administriert sind. Zu denken ist etwa an die Honorarbindung bestimmter freier Berufe, z. B. bei Ärzten, Anwälten, Notaren, Steuerberatern. Hier liegen meist standesrechtliche Bestimmungen zugrunde, die staatlich sanktioniert sind.

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5.2 Kalkulationsvorgabe Für die Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hände bestehen administrative Vorgaben für die Preisermittlung zum Schutz vor Übervorteilung des Steuerzahlers, allerdings oft vergeblich, nach folgenden Maßgaben: • VPöA (Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen), • VPöA-Bau (Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen – Bauleis­ tungen), • LSP (Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten), • LSP-Bau (Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten – Bauleistungen), • VOB (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen), • VOF (Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen), • VOL (Vergabe und Vertragsordnung für Leistungen – ausgenommen Bauleistungen, freiberufliche Leistungen). Diesen Bestimmungen liegt ein Schema zur Selbstkostenermittlung zugrunde, wodurch im Gegensatz zum Markt kostendeckende Preise garantiert werden: • Fertigungsstoffkosten + Fertigungslohnkosten + Entwicklungs- und Entwurfskosten + Verwaltungskosten + Vertriebskosten = Selbstkosten + Kalkulatorischer Gewinn = Selbstkostenangebotspreis. Wegen ihrer hohen Bedeutung unterliegt die Festlegung des Entgelts einer Leistung zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen. Im Allgemeinen gilt der Primat des Marktpreises vor dem Selbstkostenfestpreis (Zuschlagskalkulation mit Plankosten) vor dem Selbstkostenrichtpreis (freibleibender Preis) vor dem Selbstkostenerstattungspreis (Istkosten). Ein Marktvergleichspreis setzt voraus, dass ein vergleichbares freies Angebot vorhanden ist, der Selbstkostenpreis krankt an der veralteten Kostenrechnungsbasis, der Selbstkostenrichtpreis ist nur ein mehr oder minder grob geschätzter Preis, der Selbstkostenerstattungspreis öffnet dem Anbieter breiten Raum für Unwirtschaftlichkeiten, deren Folgen er dann nicht zu tragen hat. Allerdings sind für die meisten öffentlichen Aufträge bereits ab einer niedrigen Preisschwelle formale Ausschreibungsverfahren erforderlich. Diese bedingen dann auch eine Offenlegung der Kalkulationsbasis. Dabei nimmt es Wunder, dass entsprechende Beschaffungsprojekte im Preis geradezu explodieren, sei es für öffentliche Bauten, für Wehrbeschaffungen oder Beratungsleistungen. Unternehmen definieren dazu die Ausschreibungsbedingungen an der absolut unteren Grenze, um den Zuschlag zu erhalten. Bei der Umsetzung stellt sich dann heraus, dass Unwägbarkeiten entstehen, die zusätzlich kalkulatorisch zu erfassen sind. Hinzu kommen Änderungswünsche der öffentlichen Auftraggeber, seien sie politisch motiviert

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

oder durch Gesetzesänderung, die ebenso verteuernd wirken. Außerdem stellen Pressure Groups Forderungen, etwa wegen Natur- und Arterhalt oder Anliegerschutz, die Planänderungen erfordern. Jeweils muss der Kalkulationspreis erhöht werden, denn eine neue Ausschreibung ist dann formal nur unter engen Bedingungen möglich. Dann kommen noch Einsatzstoffverteuerungen hinzu. So kommt es, dass öffentliche Projekte sich zeitlich enorm ausdehnen und häufig technische Bedingungen zugrundelegen, die bei Realisierung längst als überholt zu gelten haben. Der Anbieter kann sich bei privaten Aufträgen vor unerwarteten Kostensteigerungen, etwa bei lang laufenden Transaktionen oder hohem Inflationsrisiko, durch Preisgleitklauseln schützen, sofern dies für ihn durchsetzbar ist. Man unterscheidet dabei Vollgleitklauseln, die sich auf alle Kostenbestandteile beziehen, und Teilgleitklauseln, die sich nur auf einzelne Kostenbestandteile, z. B. Material oder Lohn, beziehen. Der Preis passt sich dann dieser Veränderung indexiert an. Häufig ist auch als Käuferschutz eine Deckelung der Preisobergrenze (Ceiling) anzutreffen.

6. Determinanten der Kosten Im Marketing basieren Preise auf Leistungen, nicht aber auf Kosten. Es zählt nicht, wie viel etwas kostet, sondern wie viel es nutzt. Betrieblich sind die Kosten dennoch von hoher Relevanz, soll doch sichergestellt bleiben, dass die Erlöse die Kosten mindestens decken, besser übertreffen. Wenn ansonsten die Preisobergrenze im Marketing von Interesse ist, also die Preishöhe, bei der Nachfrager gerade noch bereit sind zu kaufen, so ist aus diesem Blickwinkel die Preisuntergrenze wichtig, also die Preishöhe, bei der ein Unternehmen gerade noch rentabel anbieten kann. Insofern sind in gebotener Kürze die Kostenrechnungsgrundlagen (6.1) zu betrachten. Dazu gehören die Kalkulationsverfahren (6.2), insb. die Zielkosten-Analyse (6.3) und die Gewinnschwellen-Analyse (6.4).

6.1 Kalkulationsgrundlagen Das Kostenrechnungssystem besteht aus den Elementen der Kostenarten(Was?), Kostenstellen- (Wo?) und Kostenträgerrechnung (Wofür?). In Bezug auf die Kostenartenrechnung kann in tatsächliche Kosten (z. B. Material, Personal, Lizenz) und kalkulatorische Kosten (für Abschreibung, Zins, Wagnis, Unternehmerlohn und Miete) unterschieden werden, üblicherweise erfolgt die Erfassung im Gemeinschaftskontenrahmen der Industrie (GKR) als Einkreissystem oder im Industriekontenrahmen (IKR) als Zweikreissystem aus getrennter Geschäfts- und Betriebsbuchhaltung. Die Kostenpositionen werden dann, soweit es sich um Gemeinkosten handelt, im Rahmen des Betriebsabrechnungsbogens (BAB) auf Kostenstellen übertragen, um sie nach Schlüsselung auf Kostenträger

6. Determinanten der Kosten

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(Leistungen) zu verrechnen. Soweit es sich dabei um Einzelkosten handelt, sind sie den Kostenträgern direkt und unmittelbar zurechenbar. Der Split in der Kostenstellenrechnung erfolgt nach Verantwortungsbereichen, Raumgesichtspunkten, Verrechnungstechniken oder Funktionen. Die Kosten­ stellen bilden die Kopfspalte des BAB, die Kopfzeile bilden die Gemeinkostenarten, meist Material, Fertigung, Entwicklung, Vertrieb und Verwaltung. Oft werden zur Vorerfassung auch Hilfskostenstellen eingerichtet, deren Kosten zunächst auf Hauptkostenstellen geschlüsselt werden. Man spricht dann von mehrstufiger, im Gegensatz zu einstufiger Betriebsabrechnung. Die Schlüsselung aller Gemeinkosten erfolgt nach Menge und / oder Wert. Aus deren Summe in Relation zur Bezugsgröße Einzelkosten ergeben sich die Gemeinkostenzuschlagssätze der Kalkulation. Die Kostenträgerzeitrechnung kann im Gesamtkostenverfahren durch Gegenüberstellung aller Erlöse und Kosten einer Periode, oder im Umsatzkostenverfahren durch Gegenüberstellung nur der realisierten Erlöse und aller Kosten einer Periode, erfolgen. Sie zielt auf die Ergebnisermittlung in der Nachkalkulation ab. Zur Vorkalkulation zur Selbstkosten- und Angebotspreisermittlung dient die Kostenträgerstückrechnung. Zur Kalkulation können wiederum Vollkosten oder Teilkosten als Berechnungsbasis dienen. Ausgangspunkt können Kostenverursachung, Kostentragfähigkeit oder Durchschnittswerte sein. Dabei gibt es drei Prinzipien: • Vollkosten bedeutet, dass alle anfallenden Kosten für die Preisbildung zugrunde gelegt werden, weil sie schließlich mindestens durch die Erlöse abgedeckt sein müssen. • Teilkosten bedeutet, dass nur Teile der anfallenden Kosten (variable Kosten) dabei berücksichtigt werden, weil andere Teile (fixe Kosten) auch anfallen würden, wenn keine Erlöse entstehen. Dadurch kann betriebliche Unterauslastung infolge unnötig hoher Preise bei Preisdruck vermieden werden. Dabei ist zu entscheiden, ob alle Fixkosten ungedeckt bleiben sollen oder nur einzelne Positionen, so dass zumindest ein Fixkostendeckungsbeitrag verbleibt. Entsprechend kalkulierte Verlustpreise sind allerdings nur kurzfristig durchhaltbar. • Eine andere Form der Teilkostenrechnung unterscheidet nicht in variable und fixe Kosten, sondern in Einzel- und Gemeinkosten. Einzelkosten sind solche, die einem bestimmten Produkt direkt zugerechnet werden können, das gilt dann auch für „leistungsmengenneutrale“ (fixe) Kostenanteile. Gemeinkosten sind solche, die nur mehreren / allen Produkten gemeinsam zugerechnet werden können, dies trifft auch auf entsprechende „leistungsmengeninduzierte“ (variable) Kosten zu. Die Kostenrechnung kann auf Basis von Istkosten, Normalkosten oder Plankosten angelegt sein: • Istkosten sind die gegenwärtigen, realen Kosten im Betrieb. Normalkosten sind totalnormalisiert (Preis und Menge) oder teilnormalisiert (nur Preis oder Menge)

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

aus Erfahrungsdaten der Vergangenheit übernommen. Diese Werte können statisch oder aktualisiert sein. Ziel ist dabei die relative Stabilisierung der Gemeinkostenzuschlagssätze. • Die Normalkosten können auf einen fixen Beschäftigungsgrad ausgelegt sein (starr) oder sich variabel verschiedenen Beschäftigungsgraden anpassen (flexibel). Dazu ist eine Kostenauflösung in fixe und variable Bestandteile erforderlich, die buchtechnisch, analytisch-statistisch oder grafisch vorgenommen wird und in der Praxis nicht unproblematisch ist. • Plankosten sind aufgrund nur eines Beschäftigungsgrades (starr) oder mehrerer Beschäftigungsgrade (flexibel) vorgegebene Sollkosten der Zukunft. Die starre Plankostenrechnung weist nur Verbrauchsabweichungen von Ist zu Soll (aus Menge und / oder Preis) aus, während die flexible Plankostenrechnung auch Beschäftigungsgradabweichungen von Ist zu Soll angibt. Ein Variator gibt dabei die Plankostenänderung bei Planbeschäftigungsänderung an. Beide Größen bilden die einfach-flexible Plankostenrechnung. Bei der doppelt-flexiblen Plankostenrechnung werden darüber hinaus noch Auftrags- und Verfahrensabweichungen erfasst. Die Kalkulationen erfolgen nach der Richtung vorwärts von den einzelnen Kostenpositionen auf den Angebotspreis, rückwärts vom gegebenen Marktpreis auf dafür wirtschaftlich erforderliche Kostenstrukturen oder intermediär als Differenz aus Selbstkosten (vorwärts) und Barverkaufspreis (rückwärts). Nach dem Zeitpunkt kann in Vor-, Zwischen- und Nachkalkulation unterschieden werden. Zwischenkalkulationen dienen der Kostenüberwachung und -anpassung bei langen Projektlaufzeiten.

6.2 Kalkulationsverfahren Als Vollkostenverfahren gelten Divisions-, Äquivalenzziffern-, Zuschlags-, Maschinenstundensatz- und Kuppelproduktionskalkulation: • Bei der Divisionskalkulation wird zur Stückkostenermittlung die Kostensumme durch die Zahl der gesamten Leistungseinheiten dividiert (einstufig). Wird der Kostenblock zusätzlich aufgespalten, handelt es sich um ein zwei- oder mehrstufiges Verfahren. • Auch die Äquivalenzziffernkalkulation als Abwandlung des Divisionsverfahrens für Mehrproduktunternehmen kann ein- oder mehrstufig angelegt sein. Dabei dienen Rechnungseinheiten als Ausdruck des Verhältnisses von Material-, Arbeitseinsatz etc. als gewichtete Multiplikatoren. • Bei der Zuschlagskalkulation werden die Gemeinkosten en bloc (summarisch) oder nach Material-, Lohngemeinkosten u. a. getrennt (elektiv) auf die Bezugsgrößen Fertigungsmaterial und Fertigungslohn (Einzelkosten) aufaddiert. Es

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ergeben sich die Herstellungskosten. Hinzu kommen Vertriebs-, Verwaltungs-, Entwicklungsgemeinkosten u. a. sowie Sondereinzelkosten von Fertigung und Vertrieb. So ergeben sich die Selbstkosten. Tabelle 11 Elektive Zuschlagskalkulation (Beispiel)

• Bei der Maschinenstundensatzkalkulation werden demgegenüber infolge fortschreitender Anlagenintensität der Produktion die Fertigungslöhne als Bezugsgröße durch kombinierte Arbeitsplatz- und Personalkosten je Maschinenzeiteinheit ersetzt. • Die Kuppelproduktionskalkulation kommt in den relativ seltenen Fällen verbundener Produktion (Brauerei, Gaserzeugung, Mineralölraffinierung etc.) zum Einsatz. Bei einem Haupt- und mehreren Nebenprodukten wird auf die Restwertmethode zurückgegriffen, ansonsten auf die Verteilungsmethode auf Basis von Marktpreisen oder Schlüsselgrößen. Werden nicht alle Kostengrößen (Vollkosten) berücksichtigt, handelt es sich um Teilkostenverfahren:

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

• Bei der Deckungsbeitragsrechnung (Direct Costing) wird zwischen fixen und variablen Ist- oder Normalkosten unterschieden. Die Differenz aus Umsatz und variablen Gesamtkosten bildet dabei den Deckungsbeitrag, die Differenz aus Stückerlös und variablen Stückkosten die Deckungsspanne, bezogen auf Engpasszeiteinheiten die relative Deckungsspanne. Zum Gewinnausweis werden die Fixkosten en bloc (bei der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung) oder differenziert nach hierarchischer Zurechenbarkeit (Erzeugnis, Erzeugnisgruppe, Abteilung, Bereich, Unternehmen) oder Liquidität (ausgabewirksam, nicht ausgabewirksam) berücksichtigt (mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung). Die Daten können dann für eine retrograde Stückkalkulation eingesetzt werden. Tabelle 12 Deckungsbeitragsrechnung (Beispiel)

• Die Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten fasst den Deckungsbeitrag als Differenz aus Umsatz und fixen plus variablen Einzelkosten auf, von dem fixe plus variable Gemeinkosten abgesetzt werden. Hier erfolgt die Kostenaufteilung also nicht nur nach Beschäftigungsgradabhängigkeit, sondern auch nach Zurechenbarkeit der Einzelkosten auf verschiedenen Zurechnungsebenen. • Bei der Grenzplankostenrechnung dienen anstelle von Istwerten Planwerte als Berechnungsbasis. Gleichwohl wird nur mit direkt zurechenbaren Kostengrößen

6. Determinanten der Kosten

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Tabelle 13 Retrograde Stückkalkulation (Beispiel)

gearbeitet. Insofern handelt es sich um eine Mischung aus üblicher Deckungsbeitrags- und Plankostenrechnung. Die Deckungsbeitragsrechnung dient der Einhaltung der lang- und kurzfristigen Preisuntergrenze, wobei sich ein Preisnachgiebigkeitsproblem ergibt, der Bestimmung des optimalen Fertigungsprogramms (Make or Buy bzw. Annahme oder Ablehnung von Zusatzaufträgen) und der Prozessbeurteilung im Unternehmen als Weiterproduktion oder Stilllegung. Sie unterstützt die Organisationsform des Management by Objectives durch organisational-differenzierte Erfolgszumessung. Vor allem kann retrograd ermittelt werden, bei welchen Preisnachlässen auf welche eingeplanten Renditevorgaben zu verzichten ist. Insofern werden Preisentscheide operational steuerbar.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

6.3 Zielkosten-Analyse Die Grundproblematik der kostenorientierten Preisbildung ist, dass der Markt in keiner Weise an Kosten interessiert ist, er also auch nicht bereit ist, diese im Preis zu honorieren. Wie viel etwas kostet, wissen Nachfrager nicht, relevant ist für sie vielmehr, wie viel etwas leistet. Insofern muss der Ansatz im Marketing lautet, den Preis für Abnehmer nicht an den Kosten auszurichten, sondern umgekehrt die Kostenhöhe an der Preisbereitschaft der Abnehmer. Dies übernimmt die Zielkostenrechnung (Target Costing), die vor dem Marktangebot eine Prüfung dahingehend vornimmt, welche Preisforderung überhaupt wettbewerbsfähig ist und wenn nicht, die Kostenstruktur so vorgibt, dass dies der Fall ist. Ausgangspunkt ist also der am Markt für ein Produkt für erzielbar gehaltene Preis (Target Price). Von diesem Preis wird zunächst der zu erreichende Zielgewinn (Target Profit) abgezogen. Der Gewinn bleibt also nicht, wie bei retrograder Kalkulation am Schluss der Rechnung übrig, wenn man Glück hat, sondern wird bereits vorab eingerechnet. Auch wird nicht mit Teilkosten gerechnet, gleich ob als variable oder Einzelkosten, sondern mit Vollkosten. Es verbleiben die Sollkosten (Allowable Cost), die nach Abzug des Target Profit vom Target Price zugleich die Kostenobergrenze vorgeben. Diese Sollkosten werden mit den Istkosten (Drifting Cost) verglichen, die sich in der momentanen Situation ergeben. Liegen die Istkosten unter den Sollkosten, entsteht zusätzliche Flexibilität. Diese kann genutzt werden, um entweder den Preis bei Erhalt des Zielgewinns zu senken, um aggressiv am Markt agieren zu können oder die Produktausstattung zu verbessern, um die Qualitätsanmutung zu steigern. Oder dieser Spielraum wird für einen erhöhten Gewinneinbehalt genutzt (Surplus Profit). Diese Situation ist jedoch leider nur selten gegeben. Häufiger ist die Situation, dass die Istkosten über den Sollkosten liegen. Dann muss entweder auf ein Marktangebot verzichtet werden, denn Kunden zahlen nicht einen höheren Preis, nur weil der Anbieter unwirtschaftlich handelt, oder die Kosten müssen unter Erhalt der Wertanmutung gesenkt werden (Target Cost) bzw. die Wertanmutung unter Erhalt der Kosten erhöht werden (Value Analysis) (siehe Abbildung 100: Prinzip des Target Costing). Ersteres erfordert den Einsatz von Wertanalyse, also die Schaffung von mehr Wert zu denselben Kosten oder den Einsatz von weniger Kosten für denselben Wert. Was hingegen nicht akzeptabel ist, ist die Verminderung der Gewinnspanne, denn diese konterkariert den Zweck der Veranstaltung. Die Umsetzung dieser Überlegungen ist jedoch praktisch nicht so einfach. Dazu erfolgt eine Zielkostenzerlegung nach der Bedeutung der Produktfunktionen aus Nachfragersicht. In einer Wertgestaltungs-Matrix werden einerseits die bestehenden Produktfunktionen mit ihrem Anteil an der Wertanmutung des Produkts auf einer Achse abgetragen. Diese Daten stammen aus der Marktforschung und zeigen, wie wichtig Zielpersonen die Erfüllung der einzelnen Funktionen ist. Andererseits werden die für jede Produktfunktion derzeit anfallenden Kostenanteile auf der anderen Achse abgetragen. In die Matrix kann man nun eine Winkel-

6. Determinanten der Kosten

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Abbildung 100: Prinzip des Target Costing

halbierende legen, darauf entspricht die Bedeutung der Funktionserfüllung deren Gesamtkostenanteil (ohne Gewinn). Nunmehr werden die realen Kombinationen aus Funktion und Kosten in der Matrix abgetragen. Lägen diese alle auf der Winkelhalbierenden, wären die Istkosten gleich den Sollkosten und der Zielpreis ergäbe sich nach Zuschlag des Zielgewinns. Kompensieren sich die Kombinationen aus Funktion und Kosten, obgleich sie von der „Ideallinie“ abweichen, würde sich per Saldo das gleiche Ergebnis einstellen. Praktisch aber sind die Kombinationen asymmetrisch verteilt und vor allem die Funktionskosten zu hoch bzw. die Funktionserfüllungen zu gering. Dann gilt es, die Kosten einer Funktion solange zu senken, bis der Kostenanteil ihrem Bedeutungsanteil entspricht und / oder die Funktionsbedeutung soweit zu steigern, bis dies der Fall ist. Grafisch werden alle Kombinationen ist Richtung der Winkelhalbierenden geschoben, Abweichungen davon sind nur insoweit tolerabel, als sie einander kompensieren. Ist dieser Zustand erst einmal erreicht, entsprechen die Drifting Cost nach der Anpassung den Allowable Cost und mit Gewinnzuschlag wird der Zielpreis eingehalten. Alternativ dazu kann, wenn realistisch, bei höheren Istkosten eine genau adäquate Mehrleistung geboten werden, die einen Preiszuschlag ermöglicht. Dieser Preis wird gemäß Marktforschung aus Nachfragersicht akzeptiert, und es kommt zu einer sich selbsterfüllenden Erwartung. Im Folgenden das vereinfachte Beispiel für eine Waschmaschine.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung Tabelle 14a Preisbildung nach Zielkosten (Beispiel)

6. Determinanten der Kosten

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Tabelle 14 b (Forts.) Preisbildung nach Zielkosten (Beispiel)

6.4 Gewinnschwellen-Analyse Der Break even-Punkt ist als Gewinnschwelle definiert als diejenige Absatzmenge, bei welcher der Umsatzwert zum ersten Mal die vollen Kosten deckt, also die Gewinnzone erreicht ist. Der Umsatz setzt sich aus Absatzmenge und Preis je Verkaufseinheit zusammen. Die Menge ist abhängig von den Betriebskapazitäten, d. h., der Break even-Punkt darf nicht außerhalb der Kapazitätsgrenzen liegen. Der Break even-Punkt ist von folgenden Einflussfaktoren abhängig: Absatzmenge, Preis je Einheit, Kapazitätsgrenze, variable Kosten, fixe Kosten und Gesamtkosten. Er kann auch definiert werden als diejenige Preis-Mengenkombination, bei welcher der Deckungsbeitrag zum ersten Mal die Fixkosten übersteigt und sich ein Gewinn ergibt. Ziel des Unternehmens ist es, so schnell wie möglich, d. h. bei niedriger Menge, den Break even-Punkt zu erreichen. Denn bis dahin laufen Betriebsverluste auf. Dazu tragen ein höherer Preis je Einheit, niedrigere Fixkosten und niedrigere variable Kosten bei.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

Variable Kosten verändern sich mit der Ausbringungsmenge proportional, überoder unterproportional. Fixe Kosten sind ausbringungsmengen-unabhängig. Bei Kapazitätserweiterung steigen sie oft stufenartig an (sprungfixe Kosten). Zudem sind sie ausgabenwirksam (pagatorisch) oder nicht-ausgabenwirksam (nicht-pagatorisch). Eine Preiserhöhung ist nach der Marktmechanik möglich, wenn die Konjunktur sich in einer Boomphase befindet. Bei Vollkostenrechnung ergibt sich dann aber durch Umlage des Fixkostenblocks auf eine größere Absatzzahl ein niedrigerer Angebotspreis. Damit werden eindeutig Marktchancen vergeben. Das gleiche gilt im umgekehrten Fall, wenn sich die Konjunktur in einer Rezessionsphase befindet. Dann führt die Umlage des Fixkostenblocks auf eine kleinere Absatzzahl zum Heraus­rechnen aus dem Markt durch einen höheren Angebotspreis. Deshalb werden Teilkostenrechnungsverfahren angewandt, deren prominenteste die Deckungsbeitragsrechnung ist. Die Aussage kann durch die Berücksichtigung der Unterscheidung in ausgaben- und nicht ausgabenwirksame Beträge verfeinert werden.

Abbildung 101: Optionale Preisuntergrenzen (eig. Darst.)

6. Determinanten der Kosten

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Entsprechend ergeben sich drei differenzierte Break even-Punkte (siehe Abbildung 101: Optionale Preisuntergrenzen): • Der liquiditätswirksame Break even-Punkt (Break even 1) liegt bei derjenigen Absatzmenge, deren Erlöse ausreichen, alle ausgabenwirksamen Kosten zu decken. Auf die Deckung der nicht-ausgabenwirksamen Kosten und des Plangewinns muss jedoch verzichtet werden (= kurzfristige Preisuntergrenze). Dafür ist die Liquidität gerade noch gesichert. • Der vollkostenwirksame Break even-Punkt (Break even 2) liegt bei derjenigen Absatzmenge, deren Erlöse ausreichen, alle Kosten, fixe wie variable, zu decken. Dort ist der Deckungsbeitrag gleich den Fixkosten, jedoch verbleibt kein Gewinn für Neuinvestitionen oder Ausschüttungen mehr (= langfristige Preisuntergrenze). Dies entspricht den Selbstkosten. • Der gewinnwirkame Break even-Punkt (Break even 3) liegt bei derjenigen Menge, deren Erlöse ausreichen, alle Kosten plus den Plangewinn zu realisieren. Dieser Punkt sollte absichtsgemäß erreicht werden. Zulässig ist jedoch auch ein geringerer als der geplante Gewinn. Tabelle 15 Differenzierte Break even-Ermittlung (Beispiel)

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

Dies resultiert in einer differenzierten Break even-Ermittlung. Kritisch ist anzumerken, dass die Kosten als Preisdeterminante einen Fremdkörper innerhalb des Systems der Marketinginstrumente darstellen. Denn basierend auf der Philosophie der marktorientierten Unternehmensführung erfolgt das Angebot in einer Weise, dass die Honorierung von Leistungen am Markt realisierbar scheint. Der Nachfrage ist dabei gleichgültig, ob Kosten gedeckt sind oder nicht. Insofern sind die Kosten weniger Bestimmungsgröße des Preises an sich, sondern vielmehr nur der Preisuntergrenze, d. h. des mindestens am Markt zu realisierenden Preises. Ziel des Marketing ist aber eher die Erreichung der Preisobergrenze. Dabei kann es trotzdem zu, nicht selbstkostendeckenden, Untereinstandspreisverkäufen (UEPV) kommen, die zwar nicht systemkonform sind, wenn sie durch selektive Unterbietung zum gezielten Preiskampf gegen einzelne Mitbewerber instrumentalisiert werden, aber durchaus erlaubt als Einführungsangebot, Reaktion auf Konkurrenzverhalten, zum Abstoßen veralteter Waren, beim Räumungsverkauf und bei kurzfristigen Liquiditätsengpässen. Die trennende Zurechnung erfordert allerdings die Einsicht in die interne Buchhaltung.

7. Effektivpreisbildung Bisher wurde die Listenpreissetzung behandelt. Ausgehend von dieser geht es im Folgenden um die Feinsteuerung des Preises. Diese Nettopreisbildung betrifft den Effektivpreis, auch ausmachender Betrag oder Out of Pocket Price genannt. Er ergibt sich, indem vom Bruttopreis ausgehend Nachlässe gewährt, etwa durch Rabatte (7.1) und Nichtleistungs-Konditionen (7.2), oder Preiszuschläge (7.3) berechnet werden. Pragmatisch kommen auch Preisklauseln (7.4) hinzu.

7.1 Rabatte Der Rabatt ist ein Preisabschlag aus verschiedenen Anlässen und wird vom Listenpreis abgezogen. Das heißt, Voraussetzung für den Abzug eines Rabatts ist das Vorhandensein einer Listenpreisbasis. Ziele des Rabatts liegen in der Umsatzexpansion, der Erhaltung von Kundenbeziehungen und der Kostenersparnis durch Absatzrationalisierung. Nach der Bezugsbasis lassen sich nachfolgende Rabatte unterscheiden (siehe Abbildung 102: Preisnachlassformen): • Ein Funktionsrabatt wird Wiederverkäufern oder anderen Abnehmern gewährt, wenn und soweit diese bestimmte Pauschal-, Absatz- und Finanzierungsfunktionen übernehmen. Übliche Funktionsrabatte betreffen Nachlässe für Handwerker,

7. Effektivpreisbildung

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Großhandel, Selbstabholung, Vorausdisposition, Stützpunkthändler, Kollegen, Personal, Montage, Fakturierung, Messe / Börse, Warenset, Sortimentsausweitung, Muster, Ladenplatzierung, Delkredere, Barzahlung, Dekoration, Werbung, Verkaufsförderung, Schaufensterplatzierung, Disposition etc. • Ein Mengenrabatt wird in Abhängigkeit von der abgenommenen Menge gewährt (meist Staffelpreis). Die infrage stehende Menge kann dabei nach Losgröße (Einzelauftrag) oder gesamtem Abschlussumfang (Sammelauftrag) definiert sein. Eine Sonderform des mengenbezogenen Rabatts stellt der Bonus dar. Dabei handelt es sich um einen nachträglich gewährten Nachlass, der gewöhnlich am Jahresende einmalig vergütet wird, wenn eine bestimmte, unüblich hohe Abnahmemenge überschritten worden ist (Gesamtumsatzrabatt). • Beim Zeitrabatt sind verschiedene Ausprägungen in Abhängigkeit von der Zeit des Kaufs möglich. So der Subskriptionsrabatt für Frühbezug, der Treuerabatt für zeitdauerbezogene Kundenloyalität, der Saisonrabatt für unterjährige Zeiträume,

Abbildung 102: Preisnachlassformen

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

der Auslaufrabatt zur Lagerräumung etc. Eine Sonderform stellt der Skonto dar. Dabei handelt es sich um eine Belohnung für die frühzeitige Bezahlung einer Rechnung. Praktisch wird der Skontobetrag durch den Abnehmer vom Rechnungsbetrag nach Rabatt abgezogen (2. Netto). • Weiterhin gibt es Sonderrabatte, hierunter fallen alle anderweitigen, nicht näher rubrizierbaren Rabattformen. Weitere Einteilungskriterien sind folgende: • Nach der Form unterscheidet man Natural- und Geldrabatte. Der Naturalrabatt besteht in der Draufgabe (Zuschlag) von mehr Ware im Rahmen der Rabattierung für den vereinbarten Geldbetrag, der Geldrabatt in der Ermäßigung des Kaufpreises für die vereinbarte Warenmenge als Dreingabe (Nachlass). Ein Naturalrabatt ist zu bevorzugen. • Nach der Berechnung entsteht der Rabatt nach der Höhe aus einem (absoluten) Festbetrag oder einem Prozentsatz einer Bezugsgröße, dabei handelt es sich im Regelfall um den Umsatz. • Nach der relativen Höhe kann es sich um einen Einheitsprozentsatz, d. h., der Rabattsatz ist unabhängig von der Bezugsgröße immer gleich hoch, oder eine Rabattstaffel in mehreren Stufen handeln. • Der Verlauf kann dabei progressiv (schneller steigend als die Bezugsbasis), degressiv (langsamer steigend als die Bezugsbasis) oder linear sein (parallel zur Bezugsgröße). • Als Bezugsbasis können die volle Betragshöhe (durchgerechnet) oder nur der jeweilige Größenzuwachs (angestoßen) gewählt werden. Ein Problem entsteht immer dann, wenn marktmächtige Nachfrager nach der Kumulierung verschiedener Rabattformen verlangen, um zu konkurrenzlos günstigen Einstandspreisen (Meistbegünstigungsklausel) zu kommen. Dies führt dann zur Rabattspreizung, indem verschiedenen Nachfragern für die gleiche Leistung unterschiedliche Preise berechnet werden.

7.2 Nichtleistungs-Konditionen Unter Nichtleistungs-Konditionen versteht man Preisabschläge, die nicht auf Leistungen des Abnehmers beruhen, sondern auf Nachfragemacht des Abnehmers. Das Arsenal nachfragemächtiger Abnehmer zur Durchsetzung von Nichtleistungs-Konditionen hat hohen Erfindungsreichtum hervorgebracht. Alle dienen dem Zweck, den Einstandspreis der Ware zu ermäßigen, um diesen Kostenvorteil in Form niedrigerer Preise an Kunden weiterzugeben und damit die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, oder als zusätzliche Gewinne einzubehalten. Dazwischen ist jede Kombination aus teilweiser Weitergabe und teilweisem Einbehalt

7. Effektivpreisbildung

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sowie ausgleichender Sortiments-Mischkalkulation denkbar. Naturgemäß hat die Anbieterseite genau das entgegengesetzte Interesse. Häufig sind Nichtleistungs-Konditionen im Handel vorzufinden. Eine gewisse Berühmtheit haben Werbekostenzuschüsse (WKZ) erlangt, die der Handel dafür verlangt, dass er Markenprodukte in seiner Angebotswerbung berücksichtigt. Gerechtfertigt wird dies mit hohen Produktions- und Einschaltkosten für Werbemittel, die nicht angefallen wären, hätte der Händler das Produkt nicht vorzugsweise ausgelobt. Gleiches gilt für übliche Katalogzuschüsse, die Hersteller, sofern sie Wert darauf legen, in der Verkaufsliteratur berücksichtigt zu werden, lockermachen sollten. Lediglich die wenigen Anbieter, die es, meist durch massive Sprungwerbung, geschafft haben, zu einem Pflichtartikel des Handels zu werden, auf den also kein Händler verzichten will, weil damit der schädigende Eindruck einer minderen Sortierung seines Sortiments verbunden ist, können hinhaltenden Widerstand leisten. Um ein Ausufern der Konditionen zu verhindern, bietet es sich an, ein Konditionensystem zu entwerfen, d. h. ein Regelwerk, in dem der Anbieter festlegt, unter welchen Voraussetzungen welche Zahlungs- und Lieferungsbedingungen, Preiszuund -abschläge in welcher Form und Höhe an wen gewährt werden. Grundsätze für ein solches System sind das Leistungsprinzip, die faire Gleichbehandlung, die Transparenz, eine enge Preis- und Konditionenspreizung, Wachstumsanreize, Budgetverantwortung, Markenstützung, immanente Flexibilität und wettbewerbsrechtliche Unbedenklichkeit. Im Wesentlichen können dann vier Gruppen von Konditionen unterschieden werden: • Zahlungskonditionen als Vergütungen für vorzeitige Rechnungsbegleichung (Skonto), Rechnungseinzug bei Dritten (Inkasso) und Verbürgung für den Zahlungseingang (Delkredere bei Absatzhelfern und Handels-Verbundgruppen), • Mengen- und Belieferungskonditionen nach Auftragsmenge je Transaktion und Vordisposition bzw. Frühbezug, • Kaufvolumenkonditionen nach Periodenabnahme für die kumulierte Auftragsmenge je Kunde, • Marktbearbeitungskonditionen für den Handel, orientiert an Listung, Distribution, Messepräsenz, Sonderstammplatz am POS, Zweitplatz am POS, Sonderpreisaktion und Werbekosten. Neben Rabatten und Nichtleistungskonditionen schmälern allerdings weitere Erlösminderungen das Ergebnis. Dabei handelt es sich um vielfältige Positionen, die sich in vier Gruppen einteilen lassen: • Erlösminderungen aus negativen Kontraktabweichungen entstehen etwa durch die Einlösung von gesetzlichen Gewährleistungen (Nachbesserung), vertraglichen

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Preiszuschläge

Preisnachlässe

Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

Nichtleistungskonditionen negative Vertragsabweichungen negative Gegenleistungsabweichungen externe Vertragsverschlechterungen

nichtverwertbare Marktleistungen

Abbildung 103: Prinzip der Preistreppe (eig. Darst.)

Garantien (Selbstbindung) oder auch Kulanz (Kundenzufriedenheit) sowie durch die Zahlung von Konventionalstrafen, die Einforderung von Gutschriften durch Abnehmer oder unberechnete Warenzugaben. • Negative Abweichungen in den Gegenleistungsbedingungen, also der Zahlung / den Zahlungskonditionen, entstehen vor allem durch Debitorenausfall, also unbezahlte oder nicht vollbezahlte Rechnungen und Abwicklungskosten im Zuge der Zahlung, z. B. Auslösung von Sicherheitengestellung. Dazu gehören auch Prämien für die Absicherung gegen solche Abweichungen. • Erlösminderungen durch negative externe Einflüsse resultieren etwa aus Wechselkursänderungen, Provisionszahlungen an Absatzhelfer, negative Zinssalden zwischen Absatzfinanzierungs- und Eigen-/Fremdfinanzierungskonditionen,

7. Effektivpreisbildung

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negative Preisgleitklauseln bei Inflation, Preisfallklauseln bei Preiserhöhungen o. Ä. Auch hier entstehen Absicherungskosten (Hedging). • Nicht-verwertbare Marktleistungen betreffen etwa Retouren aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Rechtseinräumung, die Redistribution im Rahmen der Entsorgung und den gesetzlich vorgeschriebenen Produktrückruf aus Gefährdungshaftung. Diese Fallbereiche haben in jüngerer Vergangenheit in ihrem Ausmaß enorm zugenommen, so dass sie relevante Erlösminderungen darstellen. Im Ergebnis kommt es zu einer Preistreppe vom Listenpreis herunter zum Effektivpreis (siehe Abbildung 103: Prizip der Preistreppe). Diese Erlösschmälerungen vermindern die kalkulierte Gewinnspanne und sind daher entweder proaktiv in den Angebotspreis einzurechnen oder, sofern möglich, durch Verhandlung im Vorfeld abzuwehren.

7.3 Preiszuschläge Ziel kann es aber nicht sein, nur die Abschläge vom Listenpreis zu limitieren, sondern auch Preiszuschläge / Erlösverbesserungen für besondere Leistungen zu erreichen. Dazu gehören etwa folgende: • Verpackungskosten(-anteil), wenn nicht von Käufer oder Frachtführer getragen. Eine Verpackung, die geeignet ist, die Ware in verkehrsfähigem Zustand beim Abnehmer ankommen zu lassen, kann im B-t-C-Sektor nicht gesondert berechnet werden. Häufig ist Abnehmern jedoch daran gelegen, eine besonders robuste Verpackung vorzusehen, um zu gewährleisten, dass die Ware in jedem Fall unversehrt ankommt. Denn bei Beschädigung besteht zwar ein Umtauschrecht, jedoch hilft dieses bei terminkritischen Lieferungen wenig. Oft haben auch Absender ein Interesse an besonders robuster Verpackung, etwa um negative Bewertungen zu vermeiden. Insofern ergibt sich die Chance auf Weiterberechnung zusätzlicher Kosten. Ebenso sind anlassbezogene Verpackungen, z. B. als Geschenk, darstellbar und stellen einen Mehrwert für Käufer dar, so dass die Möglichkeit eines Preiszuschlags gegeben ist. • Versicherungsprämien, die über die gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen hinausgehen. Solche Versicherungen beziehen sich etwa auf Betriebsausfall infolge höherer Gewalt. • Versandkosten(-anteil) wie Fracht, Rollgeld, Ladegebühren, Behälterkosten etc. Hier geht es um die schonende oder beschleunigte Behandlung bei Umlade- und Zwischentransportvorgängen. • Mindermengen-/Mindestauftragsgrößenzuschlag (Malus) bei Unterschreitung einer als rentabel definierten Losgröße. Aus der Prozesskostenrechnung ist bekannt, dass sich leistungsmengenneutrale Kosten ungenügend auf kleine Los-

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

größen umlegen. Dieser Effekt wird in der klassischen, ergebnisbezogenen Kostenrechnung nicht richtig ausgewiesen, da die Gemeinkosten zumeist als loskostenneutral geschlüsselt werden. Dies hat zur Folge, dass Aufträge, die danach noch positive Deckungsbeiträge ausweisen, tatsächlich verlustbringend sind. Unklug wäre es, solche Aufträge von vornherein abzulehnen, klug ist vielmehr, deren Ausführung ausdrücklich anzubieten, dann aber zu Preisen, die in der Lage sind, die zusätzlichen Kosten kleiner Losgrößen zu kompensieren. Potenzielle Kunden, die eine Beauftragung dann ablehnen, sind der Konkurrenz zu gönnen, denn Aufgabe im Marketing ist nicht, per se jeden Auftrag auszuführen, sondern nur gewinnbringende. • Eillieferungskosten. Die Anlieferung der Ware hat mit einem branchenüblichen Verkehrsmittel zu erfolgen. Häufig wird jedoch eine schnellere Ausführung gewünscht, die Abnehmern konkrete Vorteile bietet. Diese Vorteile aber sind geldwert, so dass sie durch entsprechenden Preiszuschlag monetarisiert werden können. • Zusatzausstattungen. Oft stellt sich das Basisprodukt als abgestrippte Ware dar, die erst durch die Hinzunahme kostenmäßig gesondert erfasster Zubehörteile wirklich funktionsfähig wird. Dies ist etwa bei Automobilen gegeben, bei denen ein als konkurrenzfähig anzusehender Basispreis nur auf diese Weise realisierbar scheint. Eine zeitgemäße Ausstattung bedingt dann regelmäßig Preisaufschläge von 20 % und mehr. Da das Basisprodukt knapp kalkuliert ist, liegt gerade darin die Chance auf auskömmliche Margen. • Sonderanfertigungen. Aus der Prozesskostenrechnung ist bekannt, dass Sonderanfertigungen gegenüber Normalanfertigungen vielfach höhere Kosten bedingen, da sich die prozessspezifischen Anteile im Gemeinkostenbereich viel schlechter umlegen. Dieser Effekt bleibt in der traditionellen Kostenrechnung oft verborgen, da die Gemeinkosten meist Fixkostencharakter haben und damit erst nach dem Deckungsbeitrag abgerechnet werden. Insb. bei Dienstleistungen sind weitere Erlösverbesserungen möglich: • Transaktions-abhängige Erlöse entstehen aus Verbindungsgebühren, Nutzungsgebühren (Pay per Time / Pay per Use) und Volumengebühren (Pay per Volume) als direkte Erlöse. • Außerdem ergeben sich transaktions-abhängige, indirekte Erlöse aus Provisionseinnahmen (Pay per Lead), Vermittlungsgebühren (Commission) und Affiliations mit Mittlern (Pay per Sale). • Transaktions-unabhängige, direkte Erlöse entstehen aus Einrichtungsgebühren (Pay per Install), Grundgebühren und Aufnahmegebühren bzw. Mitgliedsbeiträgen. Vor allem ist aber an Pauschalgebühren wie Flatrates zu denken. • Schließlich gibt es auch transaktions-unabhängige, indirekte Erlöse, vor allem aus der Platzierung von Werbung auf eigenen oder bezahlten Medien sowie der

7. Effektivpreisbildung

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Weitergabe von gesammelten Markt- und Kundendaten. Diese Erlösarten entstehen zusätzlich zu den Haupterlösen oder auch anstelle dieser.

7.4 Preisklauseln Im Handelsverkehr zwischen Verkäufer und Käufer gibt es übliche Kurzformeln zur Beschreibung der Bedingungen, unter denen die Preisbestimmung bis zur Verfügbarkeit erfolgt. Zu nennen sind: • Preis freibleibend, d. h., der Kaufvertrag ist für beide Seiten bindend, der Kaufpreis wird jedoch nur mittelbar festgesetzt. Der Verkäufer kann den Kaufpreis bis zum aktuellen Marktpreis heraufsetzen. Das Risiko der Preisentwicklung trägt dabei der Käufer. • Preisänderungsklausel, d. h., der Verkäufer hat das Recht, vom Kaufvertrag gegen die Verpflichtung eines neuen Angebots zurückzutreten. • Preisvorbehaltsklausel, d. h., der Verkäufer behält sich vor, bei Preisnachteil vom Vertrag zurückzutreten. Er kann ein neues Angebot unterbreiten, das der Käufer ablehnen kann. • Preisschwankungsklausel, d. h., der Käufer kann vom Vertrag zurücktreten, wenn er die Ware anderweitig günstiger (billiger) einkaufen kann, der Verkäufer kann vom Vertrag zurücktreten, wenn er die Ware anderweitig günstiger (teurer) verkaufen kann. • Preisgleitklausel, d. h., der Preis gleitet mit einer definierten Größe. Dabei kann es sich um eine makroökonomische Größe handeln oder um Material bzw. Lohn, dies als Gesamt- oder Partialgleitklausel. • Preis ab Werk, d. h., der Käufer trägt alle Transportkosten und -risiken ab der vereinbarten Abnahme der Ware im Werk des Herstellers. • Preis ab Lager, d. h., der Käufer trägt alle Kosten und Risiken ab der vereinbarten Abnahme der Ware vom Lager des Herstellers. • Preis frei Haus, d. h., der Verkäufer übernimmt alle Kosten und Risiken bis zur Ablieferung der Ware am Endbestimmungsort. • Preis frei Grenze, d. h., der Verkäufer trägt alle Kosten und Risiken bis zur vereinbarten Ablieferung am Grenzübergang. • Preis frei Verschiffungshafen, d. h., der Verkäufer trägt alle Kosten und Risiken bis zum vereinbarten Verschiffungshafen. • Preis frei verzollt, d. h., der Preis schließt alle Aus- und Eingangszölle, Abgaben und Kosten für Fracht, Versicherung und andere Lasten bis zur Ablieferung bzw. Anlandung der Ware ein.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

Wichtig ist immer, dass Preise unter Zugrundelegung gleicher Preisklauseln verglichen werden. Die Export-, Import- und Transitkalkulation ist darüber hinaus zahlreichen Einflussgrößen unterworfen. Dazu gehören Gebührenarten für Versicherung, Hafenabfertigung, Zoll, Fracht, Spediteur, Dokumente, Finanzierung, Zahlungsabwicklung, Kredit, Verpackung, Abladung, Lager etc.

8. Zahlungsbedingungen Die Zahlungsbedingungen bestimmen den Leistungs- und Gegenleistungsaustausch zwischen den Transaktionspartnern. Dabei ergeben sich verschiedene Formen (8.1), und es kommt in der weit überwiegenden Zahl der Fälle zur Absatzfinanzierung / K reditierung (8.2) im Sukzessivgeschäft. Diese dient der vorübergehenden Ausweitung der Kaufkraft und ist für viele Produkte mit hohem Kaufpreis, aber nicht nur dort, zwischenzeitlich selbstverständlich (wie UE-Geräte, Automobile, Weiße Ware etc.).

8.1 Formen Nach der Zeit kann im Rahmen des Austauschgeschäfts zwischen Kassageschäft (simultan) und Sukzessivgeschäft unterteilt werden. Nach dem Inhalt kann ein Geld-Ware-Tausch oder aber ein Ware-Ware-Tausch (Barter) vorgenommen werden. Bei einem Kreditgeschäft kann danach unterschieden werden, wer die Kreditleistung im Einzelnen erbringt (siehe Abbildung 104: Zahlungsbedingungen). Zunächst zur Unterscheidung nach der Zeit. Beim Kassageschäft (außerhalb der Börse) handelt es sich um eine bare Zahlung, d. h. Tausch von Ware gegen Geld. Üblich sind hier Banknoten / Münzen, Kreditkarte, Mobile Payment o. Ä. Es handelt sich also um eine Zug um Zug-Abwicklung, bei welcher der jeweilige Gläubiger in Verzug gerät, wenn er nach Annahme der Leistung (meist Ware) die eigene Gegenleistung (meist Geld) nicht erbringt. Beim Sukzessivgeschäft handelt es sich hingegen immer um eine unbare Zahlung, d. h. Lieferung und Zahlung fallen zeitlich auseinander. Erfolgt die Lieferung zeitlich nach der Zahlung, handelt es sich um ein Pränumerandogeschäft, man spricht auch von Vorauszahlung (z. B. im E-Commerce). Auch hierbei sind verschieden lange Fristen zwischen beiden Vorgängen vorstellbar. Dabei kann es sich um die Vorauszahlung des gesamten, oder häufiger, um die eines Teilbetrags des Kaufpreises der angeschafften Waren handeln. Naturgemäß werden Abnehmer zu einer Vorleistung nur bereit sein, wenn ihre Nachfrageelastizität recht starr ist. Dies ist z. B. bei besonders exklusiven oder neuartigen Produkten der Fall oder wenn sich ein Käufer durch Anzahlung des Kaufpreises das Recht auf Hinterlegung der Ware im Handel sichern will.

8. Zahlungsbedingungen 

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Abbildung 104: Zahlungsbedingungen

Erfolgt die Lieferung zeitlich vor der Zahlung, handelt es sich um ein Valutageschäft, man spricht auch von Zielverkauf. Die Valuta gibt an, welcher Zeitraum bis zur Zahlung maximal vergehen darf. Der Abnehmer hat bei dieser Vorauslieferung die Chance, zumindest einen Teil der eingekauften Ware schon wieder verkauft zu haben und dadurch den Rechnungsbetrag nicht vorfinanzieren zu müssen. Insofern stellt das Valutageschäft einen Warenkredit des Lieferanten dar, den dieser als verkaufsfördernde Maßnahme einsetzt. Der Abnehmer hat darüber hinaus die Möglichkeit, diese Valuta nicht in Anspruch zu nehmen und dafür den Rechnungsbetrag bei vorzeitiger Zahlung um Skonto zu kürzen. Da die Skontoersparnis bezogen auf die skontierte Laufzeit weit höher liegt als jeder Kreditzins, führt dies per Saldo zu einer Kaufpreisermäßigung. So entsprechen 2 % Skonto auf vier Wochen einem Bankzins von ca. 26,5 % p. a. Das heißt, vorzeitige Zahlung lohnt sich in diesem Fall, wenn die zu zahlenden Kreditzinsen unter 26,5 % p. a. liegen bzw. die interne Rendite des Umlaufvermögens über 26,5 % p. a. liegt

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

(beides ist extrem selten). Große Nachfragemacht auf der Handelsstufe hat dazu geführt, dass Großbetriebsformen des Handels von Herstellern unverhältnismäßig lange Valutierungen verlangen, so dass der Waren- zum Geldkredit mutiert. Denn während der Valuta können die bezogenen Waren womöglich bereits vollständig weiterverkauft werden und stehen so als Erlös mehr oder minder lange kumuliert als Zahlungsmittel zur eigenen Disposition, während umgekehrt der Hersteller die Vorfinanzierungslast zu tragen hat. Bei der Unterscheidung nach dem Inhalt entsteht der Ware-Ware-Tausch als Barter. Als Kompensationsgeschäft bezeichnet man Abwicklungen, bei denen die Zahlung nur teilweise oder gar nicht in Geldform erfolgt, sondern als Ware. Dabei sind zwei Ausprägungen denkbar, zum einen als Inzahlungnahme von Gebrauchtware und deren Anrechnung auf den Kaufpreis und zum anderen als direkter oder indirekter Warentausch. Bei Inzahlungnahme (Trade-in) wird ein Teil der Gegenleistung durch Zahlungsmittel geleistet und ein weiterer durch Hingabe einer gebrauchten Ware, von der sich der Verkäufer verspricht, sie seinerseits mit entsprechendem Gewinnaufschlag weiter verkaufen (z. B. beim Autoverkauf) oder den eigenen Absatz durch Quersubventionierung forcieren zu können. Er gilt aber, freilich in beschränktem Maße, auch für viele andere Gebrauchsgütermärkte, etwa Haushaltsgroßgeräte, HiFi-Video-Foto, PCs etc. Beim Naturaltausch wird die Gegenleistung ganz (Vollbarter) oder zumindest teilweise (Teilbarter) durch Waren geleistet. Dies trifft vor allem für Exportgeschäfte mit Weichwährungsstaaten zu. Lieferanten sehen sich oft vor dem Dilemma, dass ihre Abnehmer zwar durchaus hohen Bedarf haben, jedoch nicht zahlungsfähig sind, weil ihre Währung nicht frei konvertierbar und der offizielle Tauschkurs für sie nachteilig ist. Andererseits sind diese Länder jedoch fähig und willens, anstelle von Geld Waren abzugeben. Der Geschäftsabschluss kommt jetzt nur zustande, wenn der Lieferant bereit ist, seine Waren ganz oder großenteils gegen diese einzutauschen. Dabei sollte es sich um fungible Güter handeln, deren Eintausch flexibler zu handhaben ist. Meist handelt es sich um Rohstoffe, Nahrungsmittel oder Vorprodukte. Dem Lieferanten bleiben dann mehrere Möglichkeiten. Er kann die eingetauschte Ware selbst verwenden oder als Handelsware an Dritte weiter verkaufen, er kann diese Ware seinerseits an Lieferanten weiterzugeben versuchen oder im Dreiecksgeschäft an Clearingstellen weiterreichen, die für seine Ware einen Käufer suchen und den Erlös nach Abzug einer Provision an ihn überweisen. Zur Einsparung haben z. B. Großunternehmen der Investitions­ güterindustrie eigene Barterabteilungen eingerichtet, die sicherstellen, dass Gegengeschäfte nur eingegangen werden, wenn für die eingetauschte Ware bereits Käufer vorhanden sind oder diese aufgrund der Art der Ware problemlos beschaffbar scheinen. Im Unterschied zum klassischen Barter werden beim Parallelgeschäft Lieferung und Gegenabnahmeverpflichtung in zwei getrennten Tauschakten geregelt, die jeweils mit Geld abgegolten werden (also Geld gegen Ware, Ware gegen Geld). Der

8. Zahlungsbedingungen 

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Vorteil ist, dass es sich dann um Geldgeschäfte handelt, die getrennt besicherbar sind. Ist dabei noch ein Handelshaus in den Transaktionsweg eingeschaltet, handelt es sich um eine Fremdkompensation (Dreiecksgeschäft). Üblich ist auch ein Deferred Barter, bei dem Leistung und Gegenleistung zeitlich auseinander fallen (z. B. Bezahlung einer Anlage zeitversetzt mit darauf dann erst zu produzierenden Produkten). Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Ausgestaltungen.

8.2 Kreditierung 8.2.1 Alleinfinanzierung Eine Kreditierung seitens des Lieferanten liegt immer dann vor, wenn eine Ware vom Abnehmer nicht sofort und vollständig bezahlt wird. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei Bonität, also die Kreditwürdigkeit, Solvenz, also die Zahlungswilligkeit, und Liquidität, also die Zahlungsfähigkeit. Die Finanzierung des Kredits kann in unterschiedlicher Form erfolgen, und zwar als Allein-, Re- oder Drittfinanzierung. Sie dient allgemein der Erhöhung der Kaufkraft der Nachfrager und der Überwindung deren „Kaufhemmungen“. Bei der Alleinfinanzierung erfolgt die Finanzierung durch den Lieferanten selbst. In der einfachsten Form ist der Anschreibekredit gemeint. Dabei verspricht etwa der Käufer im Handel, den Kaufpreis am Monatsanfang gesammelt für alle Einkäufe des letzten Monats bezahlen zu wollen, worauf der Händler ihm einen Warenkredit gewährt. In modifizierter Form ist dies heute noch beim offenen Buchkredit (Kontokorrentkredit) gegeben, bei dem kein konkreter Zahlungstermin als vereinbart gilt und dessen Ausgleich außervertraglich, geplant oder ungeplant erfolgen kann. Anders hingegen beim (normalen) Buchkredit. Dieser ist in drei Ausprägungen anzutreffen. Ein A-Geschäft liegt vor, wenn der Verkäufer gegen einen vom Käufer ausgestellten Scheck mit begleitend vorgelegter Debitkarte (Eurochequekarte) die Ware aushändigt. Damit kreditiert er den Warenpreis bis zur Gutschrift des Schuldbetrags auf seinem Konto. Je nach Einreichung und Abrechnung des Schecks kann dabei eine mehr oder minder lange Zeitspanne vergehen. Die Zeitspanne kann verkürzt werden, indem Käufer am POS den Kaufpreis über Scheckkartenautomaten anweisen. Dies erfolgt wie bei Banken gegen Eingabe von Scheckkarte, PI-Nummer und Geldbetrag. Dadurch wird die tagesgenaue Überweisung des Rechnungsbetrags gewährleistet. Bis zum Monatsende dauert diese Frist in jedem Fall, wenn der Verkäufer die Ware gegen Kreditkarte und Rechnungsunterschrift aushändigt. Dann verspricht die Kreditkartenorganisation, den Kreditbetrag vom Konto des Schuldners abzubuchen und auf das Konto des Gläubigers weiter zu leiten. Der Kreditnehmer erhält von dieser darüber eine Abrechnung, der Kreditgeber gewährt dieser einen Provisionsanspruch, den diese einbehält, bevor sie den Kreditbetrag auf dessen Konto gutschreibt. Teilweise versuchen Handelsunternehmen durch

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

Editierung hauseigener Kundenkarten die unliebsame Konsequenz des Provisionsabzugs zu vermeiden und dennoch die mit der Kreditierung verbundene höhere kundenseitige Ausgabenneigung zu erhalten. Teilweise verweigern Händler aber deshalb auch die Akzeptierung von Kreditkarten. Gewiefte Käufer nutzen dies, um einen Rabatt bis zur Höhe des Provisionssatzes der Kreditkartenorganisation bei Barzahlung heraus zu holen. Ein B-Geschäft liegt vor, wenn der Kreditbetrag nicht auf einmal, sondern in Raten beglichen wird. Dabei handelt es sich um Teilzahlungsgeschäfte, bei denen der Verkäufer die Ware gegen das Versprechen des Käufers abgibt, den Kaufpreis in mehreren festgelegten Partitionen zu zahlen. Dabei sind verschiedene Ausgestaltungsformen denkbar, üblich ist z. B. die Vereinbarung einer einmaligen, höheren Rate, die von halb- oder ganzjährig laufenden, monatlichen, gleich bleibend hohen Raten gefolgt werden. Die letzte Rate ist dann oft wieder geringer. Unterschiedlich wird dabei die Berechnung von Kreditzinsen gehandhabt. Denkbar ist, dass über die Kreditierung zusätzliche Gewinnmargen erzielt werden sollen, indem der Zinssatz während der Laufzeit über dem Marktzins (etwa für Konsumentenkredite) und dem zur Refinanzierung erforderlichen Zins liegt und auf die wirtschaftliche Unerfahrenheit der Abnehmer spekuliert wird. Allerdings sind dem enge gesetzliche Grenzen gesetzt, zumal der effektive Zinssatz bei den Konditionen ausgewiesen werden muss. Denkbar ist aber auch, dass durch fehlende oder marktunüblich niedrige Verzinsung verkaufsfördernde Effekte erreicht werden sollen. Dies ist z. B. bei Automobilherstellern zu beobachten, die den Absatz ihrer Fahrzeuge durch intern subventionierte Zinsen forcieren. Aus juristischen Gründen ist die Finanzierung dazu oft an ein eigenständiges Tochterunternehmen ausgegliedert, das seine Verluste bei der Muttergesellschaft ausgleicht. Eine Verzinsung, die genau den eigenen Kreditkonditionen des Verkäufers entspricht, ist prinzipiell kostenneutral. Die Rückzahlung eines Kredits kann in regelmäßigen oder unregelmäßigen, gleich oder verschieden hohen Raten erfolgen. Ein C-Geschäft liegt vor, wenn das Zahlungsversprechen des Schuldners durch ein Wechselakzept dokumentiert ist. Dabei handelt es sich um eine Urkunde, durch die sich der Schuldner verpflichtet, zu einem bestimmten Termin (bei Fälligkeit) an den Gläubiger zu zahlen. Bis der vom Aussteller ausgefüllte und unterschriebene Wechsel vom Bezogenen akzeptiert wird, bezeichnet man ihn als Tratte, danach als Akzept. Gesetzliche Bestandteile des Wechsels sind die Angabe von Ort und Tag der Ausstellung, die Bezeichnung als Wechsel, die Angabe der Verfallszeit, der Name des Remittenten, die unbedingte Zahlungsanweisung, der Name des Bezogenen, die Zahlungsortangabe und die Unterschrift des Ausstellers. Die Annahmeerklärung wird quer auf die linke Vorderseite der Urkunde handschriftlich geschrieben. Der Verfallstag kann als Tagwechsel (datumsmäßig festgesetzt), als Sichtwechsel (bei Vorlage), Nachsichtwechsel (mit Frist ab der Einreichung) oder Datowechsel (mit Frist ab der Ausstellung) bestimmt sein. Der Aussteller kann den Wechsel bis zum Verfallstag behalten und vorlegen oder ihn vor Verfall an einen Dritten zum Ausgleich einer eigenen Verbindlichkeit weiterreichen. Eine weitere

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Möglichkeit besteht im Verkauf eines Besitzwechsels an ein Kreditinstitut. Dann liegt ein Wechseldiskontkredit vor. Das Kreditinstitut diskontiert den Wechsel und schreibt dem Einreicher den Barwert, also Wechselsumme minus Diskontbetrag und Gebühren, gut. Der Wechsel kann von diesem unter den Voraussetzungen dreier als zahlungsfähig bekannter Verpflichteter, einer Laufzeit von max. drei Monaten, Zahlungsfälligkeit bei einer Bank / an einem Bankplatz und dem Vorliegen eines „guten“ Handelswechsels bei der Bundesbank rediskontiert werden. Aus dem Nichteinlösen am Verfallstag folgt der Wechselprotest mit unmittelbarer Vollstreckung ohne weitere Beweislast. Dann haften alle Unterzeichner des Wechsels in Reihenfolge ihrer Indossamente.

8.2.2 Refinanzierung Die Refinanzierung impliziert die Sicherung des Kreditbetrags in Form von Person oder Sache. Eine personale Sicherheit ist im Falle der Bürgschaft gegeben. Diese erfolgt selbstschuldnerisch oder mit Einrede der Vorausklage. Letzteres bedeutet, dass ein Gläubiger sich im Falle der Nichtzahlung des Kreditbetrags durch den Schuldner unmittelbar an den Bürgen mit der Zahlungsforderung wenden kann. Wird hingegen Einrede der Vorausklage vereinbart, muss der Gläubiger in diesem Fall erst sämtliche Rechtsmittel ausschöpfen, bis die Forderung vom ursprünglichen (Haupt-)Schuldner uneinbringlich geworden ist, bevor er sich ersatzweise an den Bürgen wenden kann. Generell sollte das Eingehen einer Bürgschaft unbedingt vermieden werden. Gibt es einmal keinen anderen Ausweg, ist immer Einrede der Vorausklage zu vereinbaren. Zur Forcierung des Exportgeschäfts tritt die öffentliche Hand über spezielle Kreditinstitute als Bürge auf, wenn der ausländische Besteller ein Staat, eine Behörde oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Man spricht demgegenüber von Kreditgarantien des Staates, wenn der ausländische Geschäftspartner eine private Unternehmung ist. Er bürgt z. B. dafür, dass ein Unternehmen bzw. Abnehmerland den Kaufpreis vollständig und rechtzeitig begleicht. Damit sollen Exportgeschäfte mit zweifelhaften Schuldnern besichert werden, die anderweitig unterbleiben und damit die Wertschöpfung der eigenen Volkswirtschaft vermindern. Namentlich sind Hermes Bürgschaften zu nennen. Zur Risikostreuung handelt es sich oft auch um unternehmerische Konsortien, die gemeinsam Kreditrisiken abdecken. Häufiger sind in der Praxis Sicherungen in der Sache gegeben. Für dingliche Sicherheiten kommen mehrere Formen in Betracht. Bei der Zession handelt es sich um die Abtretung einer Forderung des Kreditnehmers (Zedenten) an den Kreditgeber (Zessionar). Bei der offenen Zession wird der Schuldner von der Forderungsabtretung benachrichtigt und leistet direkt an den neuen Gläubiger. Bei der stillen Zession erfährt der Schuldner davon nichts. Die Globalzession umfasst die Abtretung aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen bis zur Höhe des

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

Kreditbetrags, die Mantelzession nur die Abtretung mehrerer Forderungen in bestimmter Höhe. Beim Avalkredit (Kreditleihe) gewährt die Bank einer dritten Person eine Sicherheit für gegenwärtige oder zukünftige Zahlungsverpflichtungen eines Kunden zu deren Stundung, als Sicherheit für von Dritten geleistete Vorauszahlungen und Vorleistung für zukünftige Debits. Eine weitere Form der Kreditleihe besteht im Akzeptkredit. Ein Kreditinstitut akzeptiert hierbei einen vom Kunden auf das Kreditinstitut gezogenen Wechsel gegen die Verpflichtung des Kunden, bis zum Verfallstag/-termin Deckung dafür zu beschaffen. Die Bank leiht dem Kunden dabei also kein zusätzliches Geld, sondern ihre Kreditwürdigkeit. Weiterhin stellt der Eigentumsvorbehalt eine sachliche Kreditsicherung dar. Es handelt sich hierbei um eine Kaufvertragsklausel, durch die der Lieferer so lange Eigentümer der gelieferten Ware bleibt, bis diese vollständig bezahlt ist, obgleich sie bereits in den tatsächlichen Verfügungsbereich des Käufers übergegangen ist (Besitz). Man unterscheidet neben dem einfachen den erweiterten Eigentumsvorbehalt, dieser erstreckt sich nicht nur auf die augenblickliche Forderung, sondern auf sämtliche, noch zur Bezahlung ausstehenden Lieferungen, den verlängerten Eigentumsvorbehalt, dieser besagt, dass beim Weiterverkauf der Ware immer dem Erstverkäufer die Forderung zusteht, und den weitergeleiteten Eigentumsvorbehalt, dieser schreibt vor, einen Weiterverkauf der Ware nur bei Einwilligung des Erstverkäufers zu tätigen. 8.2.3 Drittfinanzierung 8.2.3.1 Leasing Bei der Drittfinanzierung erfolgt die Finanzierung nicht durch den Geldgläubiger, sondern eigenkapitalschonend durch einen Dritten. Eine weit verbreitete Möglichkeit dazu stellt das Leasing dar. Dabei handelt es sich um die Vermietung von Anlagegegenständen, indem sich der Leasinggeber durch einen zumeist längerfristigen Vertrag verpflichtet, dem Leasingnehmer genau bezeichnete, bewegliche oder unbewegliche Anlagegüter gegen Leistung eines festgesetzten, meist monatlichen Entgelts zur Nutzung zu überlassen. Leasing nimmt dabei Dienstleistungs-, Delkredere- und Finanzierungsfunktionen wahr. Dem Leasing im Wortsinn als wirtschaftliche Miete (Financial Leasing) steht die traditionelle Miete als BGB-Tatbestand gegenüber (Operate Leasing). Bei letzterem übernimmt der Leasinggeber (Vermieter) das Investitionsrisiko sowie den Instandhaltungs-, Wartungs- und Reparaturservice. Dabei wird keinerlei Grundmietzeit vereinbart, innerhalb derer die vollständige Amortisation der Anlage erfolgt. Beim Financial Leasing handelt es sich nicht um die Übertragung von Objektnutzungen, sondern um die Übertragung des Objekts selbst. Das Investitionsrisiko wird dabei vom Leas­ingnehmer, das Verwertungsrisiko nach Ablauf der Mietzeit vom Leasing-

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geber getragen. Der Vertrag läuft über eine Grundmietzeit, die kürzer als die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer und auch unkündbar ist. Durch Leasing schafft ein Unternehmen steuerliche Vorteile und vermeidet Investitionsausgaben. Die Leasingraten sind als Betriebsausgaben absetzbar. Wird der gemietete Gegenstand nach Ablauf der Mietzeit käuflich erworben, handelt es sich um Mietkauf, der oft auch eine verdeckte Ratenzahlung darstellt. Abwicklungstechnisch schließt der Verkäufer einen Kaufvertrag mit dem Leasinggeber ab und erhält dafür die Zahlung des Kaufpreises. Der Letztkäufer schließt seinerseits mit dem Leasinggeber einen Vertrag über die Nutzung ab und zahlt dafür Leasingraten, worauf der Hersteller ihm Besitz am Vertragsgegenstand verschafft. Verbreitet ist auch, dass das Leasing-Unternehmen gegen dessen Abtretung und Sicherungsübereignung an eine Bank von dieser die Summe der diskontierten Raten abzüglich der Bankvergütung bevorschusst erhält. Der Leasingnehmer leistet dann an die Bank (offene Zession). Man unterscheidet verschiedene Formen des Leasing, so • Vollamortisationsverträge (Full Payout), hierbei erfolgt die volle Tilgung der Investitionsausgaben für die Anlage innerhalb der Grundmietzeit. • Teilamortisationsverträge (Non Full Payout), hierbei erfolgt nur eine partielle Tilgung der Investitionsausgaben für die Anlage innerhalb der Grundmietzeit, wobei eine anschließende Weitervermietung oder der Kauf der Anlage denkbar sind. • Reines Finanzleasing, dies ist eine ausschließliche Finanzierungsmaßnahme für eine Anlage ohne begleitende Dienstleistungen. • Full Service-Leasing, dies beinhaltet neben der Finanzierung auch die Projektierung, Bauleitung und Abrechnung sowie Dienstleistungen wie Wartung, Reparatur und Installation in der Leasingrate (Maintenance Leasing). • Sale and Lease-back, der Leasingnehmer verkauft seine vorhandene Anlage an den Leasinggeber und least sie zurück. • Buy and Lease, der Leasinggeber kauft eine bereits bestehende Anlage von einem Dritten und verleast sie an den Leasingnehmer. • Erect and Lease, die Anlage wird nach Kundenwunsch errichtet, vom Leasinggeber erworben und dem Kunden verleast. • Festzins-Leasing, hierbei ist die Leasinggebühr über die volle Vertragslaufzeit fix. • Leasing mit variablem Zins, hierbei kann die Leasinggebühr anknüpfend an bestimmte Veränderungen während der Laufzeit variieren. • Revolving Leasing, hierbei erfolgt der Ersatz des Leasingobjekts nach Mietzeitauslauf durch ein gleichartiges neues über die gleiche oder eine andere Leasingzeit.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

Zum Zeitpunkt des Vertragsendes bestehen drei Optionen: die Rücknahme des Leasinggegenstands durch den Leasinggeber, dessen Übernahme durch den Leasing­ nehmer zum Restwert oder die Fortsetzung des Leasingvertrags unter Ansatz des Zeitwertes des Gegenstands. In vielen Fällen wird Leasing auch als Absatzförderungsmaßnahme eingesetzt. Bei Automobilen z. B. lassen so optisch niedrige Leasing­raten, meist mit einer Anzahlung, Modelle erschwinglich erscheinen, deren voller Kaufpreis abschrecken würde. Beim Nullleasing erfolgt keine Berechnung von Kreditzinsen, beim Aktions-Leasing werden jedoch Zinssätze berechnet, die unter den marktüblichen liegen. Bei Ablauf der Leasingperiode ist der Ankauf des Fahrzeugs unter Anrechnung geleisteter Leasingzahlungen normalerweise ebenso möglich wie die Weiterführung als Gebrauchtwagenleasing. 8.2.3.2 Factoring Eine weitere Möglichkeit kapitalschonender Finanzierung stellt das Factoring dar. Ein Finanzierungsinstitut (Factor) kauft dabei falIweise oder laufend die Kundenforderungen eines Unternehmens mit offenem, kurzfristigen Zahlungsziel an und übernimmt das Forderungsausfallrisiko. Der Factornehmer hat dadurch einen größeren finanziellen Spielraum, da er sofort, statt erst auf Ziel, Geld erhält. Die Bevorschussung umfasst allerdings nicht den gesamten Forderungsbetrag, sondern erfolgt unter Abzug einer Factoringgebühr bei Übernahme des Delkredererisikos für nicht erstklassige Kundenrisiken. Zudem werden in Abhängigkeit von der Bonität der Kunden Limits vereinbart. Der Restbetrag wird auf einem Sperrkonto einbehalten, bis der Abnehmer der Waren bezahlt. Beim Fälligkeitsfactoring wird auf eine Bevorschussung gänzlich verzichtet. Beim offenen Factoring wird der Kunde davon in Kenntnis gesetzt, dass die Forderung gegen ihn verkauft ist. Beim stillen Factoring erfährt der Kunde nichts vom Verkauf der Forderung. Nachdem er seine Schuld beim Lieferanten beglichen hat, leitet dieser die Zahlung unverzüglich an den Factor weiter. Die Verwaltungsfunktionen können dabei an den Factoringanbieter ausgegliedert werden, das die Debitorenbuchhaltung (Inkasso, Bonitätsüberwachung, Mahnwesen) übernimmt. Geschäftsvorgänge mit unverbindlichen Zahlungsfristen und alternierenden Zahlungsbedingungen sind für das Factoring ungeeignet. Zur Rentabilität ist ein siebenstelliges Forderungsvolumen angebracht. Beim Exportfactoring sind zwei Beteiligte (Factors), je ein Export- und Importfactor, eingeschaltet. Der Importfactor prüft die Kreditwürdigkeit des Abnehmers der Ware im Ausland, setzt ein Kreditlimit fest und treibt die Forderung ein. Der Exportfactor ist Vertragspartner des Forderungsverkäufers im Inland und zahlt den Geldbetrag auch an diesen aus. Import- und Exportfactor sind untereinander durch Haftungszusage verbunden. Die Forfaitierung ist eine Sonderform des Forderungsverkaufs im Exportgeschäft, vor allem im Anlagen- und Systemgeschäft. Für die gesamte Laufzeit wird

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ein Festzins vereinbart, der abhängig von Länderrisiko, Laufzeit und Schuldnerbonität ist. Der Forfaiteur kauft auch Forderungen von wechselnden Kunden gegen Absicherung und übernimmt neben dem Delkredere- zusätzlich das Politik-, Transfer- und Währungsrisiko. Mittel- bis langfristige Kredite erfolgen durch Bankgarantie, Lieferanten- oder Bestellerkredit: • Die Garantie ist ein einseitiger Vertrag, in dem sich der Garant (Bank) verpflichtet, unabhängig vom Bestand einer Zahlungsverpflichtung für einen bestimmten zukünftigen Erfolg (Zahlung) einzustehen und / oder das Risiko eines zukünftigen Schadens zu tragen (Zahlungsausfall). Damit unterscheidet sie sich von der Bürgschaft, die personenbezogen ist. • Der Bestellerkredit ist ein liefergebundener Kredit, der einem Käufer von einem Kreditinstitut gewährt wird, um seine Zahlungsverpflichtung aus einer konkreten Lieferung zu erfüllen. Man spricht daher auch von einem gebundenen Finanzkredit. • Der Lieferantenkredit ist ein Kredit, der dem Lieferanten seitens eines Bankinstituts zur Finanzierung gewährt wird, um die Zeit bis zum Zahlungseingang liquiditätsschonend zu überbrücken. Verbunden damit sind meist eine Skontogewährung bei vorfristiger Zahlung und ein Eigentumsvorbehalt zur Kreditsiche­ rung.

9. Lieferungsbedingungen Die Lieferungsbedingungen bestimmen im Rahmen der Preisfeinsteuerung den physischen Übergang der Leistung vom Lieferanten auf den Abnehmer. Dazu werden Konditionen (9.1) vereinbart. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (9.2) definieren die vertraglichen Modalitäten en detail, im Falle von Leistungsstörungen (9.3) greifen hingegen gesetzliche Rechte und Pflichten (siehe Abbildung 105: Lieferungsbedingungen). Zunächst zu den Vertragsformen.

Abbildung 105: Lieferungsbedingungen

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9.1 Konditionen 9.1.1 Vertragsformen Die Lieferungsbedingungen können in verschiedener Weise vertraglich ausgestaltet sein und sind Bestandteil bestimmter Absatzvertragsformen, deren häufigste Formen im Folgenden benannt sind: • Durch einen Rahmenvertrag bringen die Vertragsparteien zum Ausdruck, dass sie grundsätzlich bereit sind, einen Abschluss, in dem alle Vertragspunkte bis auf die Menge festliegen, zu tätigen bzw. bei genannten Mengen die Absicht erklären, innerhalb eines Zeitraums die im Vertrag enthaltenen Mengen abzunehmen oder zu liefern. Damit ist ein gegenseitiges Commitment verbunden, das einerseits die Einforderung von gesamtmengenbezogenen Preisen und andererseits die Vorhaltung von Kapazitäten für diese Gesamtmenge erlaubt. • Bei einem Abrufvertrag liegen alle Konditionen mit Ausnahme des Liefertermins fest, der zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt wird. Diese Vertragsform wird vor allem gewählt, wenn der Käufer mit steigenden Preisen rechnet. Er sichert sich damit die von ihm gewünschte Menge zum jetzigen Preis für einen späteren Zeitpunkt. • Der Sukzessivlieferungsvertrag ist eine Variante des Abrufvertrags. Hier werden Teilmengen, die oft gleich groß sind, nach Abruf oder zu fest vereinbarten Terminen abgenommen bzw. geliefert. Dies ist etwa bei Just in Time-Lieferketten gegeben, bei denen die Bereitstellung und Abnahme von Waren entsprechend der Taktfrequenz erfolgt. • Beim Optionsvertrag gewährt der Käufer das Recht, durch einseitige Erklärung den Vertrag zustande zu bringen. Zum Beispiel können eine Mindestmenge fest vereinbart und weitere Mengenteile dann optional erworben werden. Somit liegt eine einseitige Bindung des Anbieters zugrunde, die häufig in Käufermärkten unvermeidlich ist. • Beim Vormerkvertrag wird zwar eine Lieferung fest vereinbart, die Mengen stellen jedoch nur eine unverbindliche Vereinbarung dar. Die endgültige Menge wird erst später bestimmt. Dies erleichtert die Planung durch Orientierung, vermeidet aber eine vorzeitige Festlegung in chronisch unsicheren Zeiten. • Beim Prompt-(auchTages-, Sofort-)vertrag erfolgt die Lieferung unverzüglich, also ohne schuldhafte Verzögerung der bereitstellenden Seite, beim Terminvertrag vereinbarungsgemäß zu einem späteren Zeitpunkt, der vertraglich festgelegt ist, und beim Fristvertrag binnen eines vereinbarten Zeitraums, der zumeist am langen Ende festgelegt ist. • Beim Kauf auf Probe wird für die gelieferte Ware ein Rückgaberecht innerhalb einer bestimmten Frist vereinbart. • Beim Kauf nach Probe hat die Lieferung gemäß einer durchschnittlichen Warenprobe zu erfolgen.

9. Lieferungsbedingungen 

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• Beim Kauf zur Probe besteht keine Verpflichtung zum späteren Kaufvertragsabschluss, wenn zunächst Warenproben angenommen werden. Als Qualitätsmaßstab für die Probe können dabei nach Wahl vereinbart werden: – nach Muster, Probe, Modell, gemäß Beschreibung, Katalog, Plan, nach Handelsklassen, Marken, Typen, nach Besichtigung, nach Alter, Farbe, Konsistenz, nach Herkunft, Maßeinheiten, festgelegter Messgenauigkeit, Taraeinbezie­ hung etc. Als Erfüllungsort können der gesetzliche (§ 269 BGB), ein vertraglicher oder der branchenübliche vereinbart werden. Gesetzlicher Erfüllungsort ist der Wohn- oder Geschäftssitz des Verkäufers für die Lieferung der Ware und der des Käufers für die Zahlung des Kaufpreises. Bei gesonderter vertraglicher Regelung können beide an einem identischen Ort vereinbart werden. Ansonsten gilt der für die Leistung ihrer Natur nach übliche Ort. Die Preisbestimmungen sind vor allem von der zu erbringenden Absatzvertragsleistung abhängig. Dabei sind verschiedene Möglichkeiten gegeben als • Kaufvertrag, durch den sich der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum daran zu verschaffen. Der Verkäufer eines Rechts ist verpflichtet, dem Käufer das Recht daran zu verschaffen und, wenn das Recht zum Besitz einer Sache berechtigt, die Sache zu übergeben. Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen. • Werkvertrag, durch den sich der Unternehmer zur Ablieferung eines versproche­ nen Werkes, der Besteller zur Entrichtung einer vereinbarten Vergütung verpflichtet. Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. • Werklieferungsvertrag, durch den sich der Lieferer verpflichtet, das Werk aus einem von ihm zu beschaffenden Stoff herzustellen, dem Besteller die hergestellte Sache zu übergeben und das Eigentum an dieser Sache zu verschaffen. Damit nimmt diese Vertragsart eine Zwischenstellung zwischen Kauf- und Werkvertrag ein. • Mietvertrag, durch den sich der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der vermieteten Sache während der Mietzeit zu gewähren. Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter den vereinbarten Mietzins zu entrichten. • Pachtvertrag, durch den sich der Verpächter verpflichtet, dem Pächter den Gebrauch des verpachteten Gegenstands und den Genuss der Früchte (des Ertrags) während der Pachtzeit zu gewähren. Der Pächter ist verpflichtet, dem Verpächter den vereinbarten Pachtzins zu entrichten. • Leihvertrag, durch den der Verleiher einer Sache verpflichtet wird, dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten.

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

9.1.2 Austauschklauseln Diese beinhalten die Begleitumstände von Zeitpunkt, Art und Weise der Zahlung. Die wichtigsten Zahlungsklauseln lauten auf Zahlung vor Empfang der Ware (Valuta) als • Vorauszahlung, d. h., der Käufer zahlt bei Auftragserteilung oder zu einem festgesetzten Zeitpunkt vor Lieferung den vollen Kaufpreis. • Anzahlung, d. h., der Käufer zahlt bei Auftragserteilung oder zu einem festgesetzten Zeitpunkt vor Lieferung einen Teil des Kaufpreises. • Zahlung gegen Rechnung, d. h., der Käufer zahlt gegen Vorlage der Rechnung netto Kasse und erhält dafür die Ware. • Zahlung gegen Lieferschein, d. h., der Käufer zahlt gegen Vorlage des Lieferscheins und erhält die Ware ausgehändigt. • Zahlung gegen Verladepapiere, d. h., der Käufer zahlt gegen Übergabe der Dokumente, die ihm Zugriff auf die Ware gewähren. • Zahlung per Nachnahme, d. h., Aushändigung der Ware an den Empfänger gegen Zahlung des ausgewiesenen Rechnungsbetrags. Weiterhin gibt es die Zahlung bei Lieferung der Ware (Zug um Zug) als • Zahlung gegen Frachtbriefduplikat, d. h. Zahlung mit Anspruch auf Herausgabe der Lieferung vom Spediteur aufgrund einer Kopie des Warenbegleitpapiers. • Kassa gegen Dokumente, d. h. Aushändigung der Dokumente an den Käufer gegen Zahlung des Kaufpreises an die Korrespondenzbank der inländischen Bank des Verkäufers. Die Dokumente variieren je nach Lieferbedingungen, Versandart und Landesvorschriften erheblich (z. B. Zoll- bzw. Konsulatsfaktura, Versicherungsnachweis, Ursprungszeugnis). • Dokumente gegen Akkreditiv, d. h. Übergabe der Dokumente an den Käufer gegen Sicherstellung des Kaufpreises durch Eröffnung eines Akkreditivs zugunsten des Verkäufers bei einer Bank, die den Kaufpreis an den Verkäufer bzw. dessen Bank erst gegen Übergabe entsprechender Dokumente auszahlt. Akkreditive sind widerruflich oder unwiderruflich (letztere bedürfen der Bestätigung) sowie zeitlich befristet oder unbefristet. • Dokumente gegen Akzept, d. h. Aushändigung der Dokumente an den Käufer gegen Akzeptierung eines Wechsels als sichergestellter Kredit. Die Zahlung nach Zustellung der Ware (Ziel) erfolgt im Einzelnen als • Zahlung nach Empfang der Ware, d. h. die Waren- erfolgt zeitlich vor der Geldübergabe, • Zahlung nach Ziel, d. h. als offener Buchkredit ohne Rechnungsdatum mit periodischer Sammelabrechnung,

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• Zahlung auf Ziel, d. h. als zeitlich fixierter Lieferantenkredit. Frühzeitige Zahlung berechtigt zu Skontoabzug. Vor allem im Außenhandel ergeben sich besondere Anforderungen an austauschbegleitende Dokumente. Diese sind unter rechtlichen Gesichtspunkten in drei Kategorien einteilbar: • Inhaberdokumente, die durch Einigung und Übergabe der Urkunde übertragen werden. Berechtigter ist der jeweilige Urkundeninhaber (z. B. Inhaberscheck). • Orderdokumente, die durch Einigung und Übergabe der indossierten Urkunde übertragen werden. Berechtigter ist der jeweils letzte durch Indossament Benannte. Als Untergruppen gibt es – geborene Orderpapiere, bei denen die Orderklausel nicht konstitutiv ist (z. B. Wechsel), – gekorene Orderpapiere, bei denen die Orderklausel konstitutiv ist (z. B. Ladeschein, Lagerschein, Konnossement), – Legitimationspapiere, die qualifiziert oder einfach erteilt werden. Erstere sind benannt oder nicht benannt, letztere finden sich z. B. als Gepäckschein, Reparaturschein. • Rektadokumente, die durch Einigung und Übergabe der zedierten Urkunde übertragen werden. Berechtigter ist der in der Urkunde benannte (z. B. Grundpfandrecht). Die Zahlungsabwicklung erfolgt nur in Ausnahmefällen bei hohem Vertrauen der Vertragspartner nicht dokumentär. Dabei ist die Währung festzulegen, in der abgerechnet wird, also Auslands-, Inlands- oder Drittlandswährung (Switch). Papierdokumente werden dabei längst durch entsprechende, fälschungssichere digitale Zertifikate ersetzt, für deren Ordnungsmäßigkeit Trustees einstehen.

9.2 Geschäftsbedingungen Allgemeine Geschäfts-Bedingungen (AGB) stellen vorformulierte Vertragsklauseln dar, die einer unbestimmten Anzahl von mind. drei gleichartigen Vertragsabschlüssen mit Privatpersonen zugrunde gelegt werden. Der Vorformulierung zugänglich sind etwa Lieferfristen, Garantiebestimmungen, Gefahrtragung, Eigentumsvorbehalt, Haftungsausschluss, Rücktrittsmöglichkeiten und Erfüllungsort. Um Gültigkeit zu erlangen, darf der Käufer diesen Bedingungen nicht widersprechen. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäfts-Bedingungen (AGBG) gilt gegenüber Privaten (B-t-C) und sieht u. a. folgende Regelungen vor: • Unwirksamkeit von Preiserhöhungsklauseln für die Dauer von vier Monaten nach Abschluss des Vertrags,

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• weitgehende Unwirksamkeit von Vertragsstrafen gegenüber privaten Endab­ nehmern, • Unwirksamkeit des Ausschlusses der gesetzlichen Ersatzansprüche des Kunden bei Verzug des Schuldners und bei Unmöglichkeit der Leistung, • Unwirksamkeit des Ausschlusses zahlreicher Gewährleistungsklauseln in Kaufund Werkverträgen, • weitgehende Unwirksamkeit von Klauseln, die den Eintritt einer dritten Person in den Vertrag anstelle des ursprünglichen Vertragspartners gestatten, • Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit auch einfacher Erfüllungsgehilfen. Häufiger Inhalt der AGB sind Garantieregelungen, die im BGB nicht bekannt sind. Dadurch wird z. B. die gesetzliche Gewährleistungsfrist für Waren von 24 Monaten (zwölf Monaten bei Gebrauchtwaren) ausgedehnt. Andererseits werden jedoch nicht selten gesetzlich verbriefte Rechte eingeschränkt. Garantieleistungen bedeuten immer auch zusätzliche Kosten für den Anbieter. Das Optimum ist daher dort erreicht, wo eine Ausdehnung der Garantieleistungen zu keinem Mehrgewinn mehr führt, der diese Kosten mindestens ausgleichen kann. Dies gilt es, auch bei (freiwilligen) Kulanzleistungen zu berücksichtigen. Als Kosten sind Garantieleistungen Kalkulationsbestandteil und werden zumindest versuchsweise im Preis an Endabnehmer abgewälzt.

9.3 Leistungsstörungen Leistungsstörungen resultieren aus der Nichterfüllung vertraglicher Pflichten. Ein Lieferverzug liegt vor, wenn eine Leistung verzögert ist, die nachholbar sein muss (sonst Leistungsunvermögen). Voraussetzungen für den Lieferverzug sind die Fälligkeit der Lieferung nach Vertrag, das Verschulden des Lieferers vorsätzlich, schuldhaft, fahrlässig oder zufällig, nicht jedoch durch höhere Gewalt oder Streik, sowie die Mahnung, sofern der Fälligkeitstermin nicht nach Kalenderdatum oder -frist festgelegt ist. Eine Mahnung ist nicht erforderlich bei Fixgeschäften oder Selbstverzugserklärung. Liegen diese Voraussetzungen vor, kann der Käufer die Lieferung verlangen, wenn die Ware anderswo nicht erhältlich ist, sowie zusätzlich Schadenersatz, sofern ihm durch die ausgebliebene Belieferung ein Schaden entsteht. Ist (nochmals) gemahnt und eine Nachfrist gesetzt worden, kann der Käufer danach die Lieferung ablehnen und vom Vertrag zurücktreten bzw. ggf. Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Wird die Ware dringend gebraucht, kann er einen Deckungskauf bei einem anderen Lieferanten vornehmen und daraus folgende Preisnachteile berechnen. Die Nachfristsetzung entfällt bei Fixgeschäften, Selbstverzugserklärung und Zweckkauf. Schadenersatz umfasst nur den tatsächlich nachweisbaren Scha-

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den bzw. die Höhe der nachweisbaren entgangenen Gewinne, nicht jedoch evtl. Folgeschäden. Ein Zahlungsverzug liegt vor, wenn die Zahlung nicht vereinbarungsgemäß erfolgt ist. Der Gläubiger kann das Mahnverfahren durch Erlass eines Mahnbescheids einleiten, der dem Schuldner durch das Amtsgericht zugestellt wird. Zahlt der Schuldner, ist das Verfahren beendet, erhebt er Widerspruch (binnen Zwei­ wochenfrist) kommt es zum streitigen Klageverfahren im Zivilprozess. Schweigt der Schuldner, kann der Gläubiger einen Vollstreckungsbescheid erwirken, der ebenfalls durch das Amtsgericht zugestellt wird. Zahlt der Schuldner nun, ist das Verfahren wiederum beendet, erhebt er Einspruch, kommt es zum Prozess, schweigt er, entsteht ein vollstreckbarer Titel mit Pfändung. Bei erfolgreicher Pfändung geht das Geld aus der Pfandverwertung an den Gläubiger, bei erfolg­ loser Pfändung kommt es zum Offenbarungseid des Schuldners, bei Verweigerung zusätzlich zur Haftstrafe. Das Prozessergebnis kann ein vollstreckbarer Titel sein, ein Vergleich, bei dem der Schuldner ganz oder teilweise gegen Klagerücknahme durch den Gläubiger zahlt oder eine Klageabweisung, gegen die Berufung oder Revision eingelegt werden kann. Leistungsstörungen entstehen weiterhin in zwei Fällen: • Ein Gläubigerverzug (Annahmeverzug) ist gegeben, wenn der Käufer die gelieferte Ware schuldhaft nicht rechtzeitig abnimmt, obgleich dies möglich gewesen wäre und vertragsgemäß angeboten wurde. Daraus folgen die Rechte zur öffentlichen Hinterlegung, zum angekündigten Selbsthilfeversteigerung bzw. zum freihändigen oder Notfall-Verkauf bei nicht hinterlegungsfähigen Waren. Eine evtl. Unterdeckung kann eingefordert werden. • Ein Schuldnerverzug (Leistungsverzug) liegt hingegen bei schuldhafter Nichtleistung vor, also trotz Möglichkeit auf einen fälligen und einredefreien Anspruch auf Leistung. Voraussetzung für einen Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens ist die Fälligkeit der Leistung, die Freiheit von Einreden, das Vertretenmüssen der Rechtsverletzung durch den Schuldner und die erfolglose Mahnung. Der Anspruch des Gläubigers auf Leistung bleibt bestehen. Für den Fall, dass die gelieferte Ware nicht mangelfrei ist, stehen dem Käufer aus der Sachmängelhaftung folgende Rechte zu: • mit Priorität Nacherfüllung, d. h. bei Mängeln, die sofort und ohne Nachteil für den Kunden zu beheben sind sowie bei besonderen Vereinbarungen wird zuerst repariert (Nachbesserung). Unterbleibt die Nachbesserung trotz Fristsetzung oder ist diese zweimal erfolglos, sind andere Ansprüche möglich. Während der Reparaturzeit ist die Verjährung unterbrochen, alle Transport-, Wege-, Arbeits-, Materialaufwendungen etc. gehen zulasten des Verkäufers. • Nachlieferung, d. h., die mangelbehaftete Ware wird beim Gattungskauf (also bei nur nach der Art bestimmten Ware)  gegen eine fehlerfreie mittlerer Güte

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung

ausgetauscht. Diese Möglichkeit hat sich in der Wirtschaftspraxis als üblich eingebürgert und greift nach Wahl des Käufers anstelle der Nacherfüllung, da sie den Interessen beider Vertragsparteien in hohem Maße gerecht wird. • Rücktritt, d. h., der Kaufvertrag wird beim Stückkauf gewandelt. Es kommt zur Rückabwicklung des Waren- und des Geldübergangs. Die Ware geht vom Käufer an den Verkäufer zurück, das Geld (nicht nur Gutschrift) vom Verkäufer an den Käufer. • Minderung, d. h., der Kaufpreis wird alternativ dazu beim Stückkauf herabgesetzt, und zwar umso mehr, je größer die Abweichung der gelieferten Ware von der vereinbarten ist. Es kann sich um objektive oder subjektive Fehler handeln. Zusätzliche kostenlose Lieferung gilt ebenfalls als Minderung. • Schadenersatz, d. h. Geldausgleich für entstandene Nachteile. Schadenersatz wegen Nichterfüllung kann verlangt werden, wenn ein nachweisbarer konkreter Schaden gegeben ist, der gelieferten Ware zugesicherte Eigenschaften fehlen, diese arglistig verschwiegene Mängel aufweist, Delikthaftung oder Schutz durch besondere Gesetze vorliegt.

9. Lieferungsbedingungen  Tabelle 16a Preis- und Konditionenplanung (Formular)

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Kap. III: Operative Preis- und Konditionenplanung Tabelle 16 b (Forts.) Preis- und Konditionenplanung

Kapitel IV

Operative Kommunikations- und Identitätsplanung Die Kommunikations- und Identitätsplanung findet auf einer Meta-Ebene zur Angebots- und Gegenleistungspolitik statt. Es geht um die Information über deren Inhalte. In diesem Kontext ist der Kommunikationsprozess (1.) und die Eckdaten der Kommunikation (2.) zu klären. Der eigentliche Werbeeinsatz erfolgt dann in Klassischen Medien (3.), in Onlinemedien (4. + 5.) sowie in Nicht-klassischen Medien (6.). Über die Dotierung bestimmen die Ergebnisse eines Intermedia­vergleichs (7.). Bei mehreren eingesetzten Medien ist zudem eine Abstimmung zur Identitätssicherung (8.) unerlässlich.

1. Kommunikationsprozess Der Kommunikationsprozess, also der Übergang relevanter Informationen vom Anbieter auf die Nachfrager, stellt sich im Einzelnen als ausgesprochen komplex dar. Kommunikationseffizienz ergibt sich daher nur beim bruchfreien Durchlauf einer kumulativen Stufenkette. Diese besteht aus folgenden Elementen (siehe Abbildung 106: Kommunikationsprozess): • Die Botschaftsidee ist Ausgangspunkt jeglicher Kommunikation und zunächst nur im Kopf des Absenders vorhanden. • Der Sender ist der Werbungtreibende, der die beabsichtigte Botschaft verbreiten will (z. B. Bekanntmachung eines neuen Produkts). • Die Verschlüsselung der Botschaft erfolgt durch Codierung in Wort und Bild, in Text und Grafik, in Farbe und Musik. • Beim „Sendegerät“ handelt es sich um das Werbemittel als Maßnahme, die von den Zielpersonen wahrgenommen werden kann (z. B. Anzeige, Spot, Plakat, Banner). • Der Übertragungskanal ist der Werbeträger, der als Basis für das Werbemittel dient (z. B. Zeitschrift, Zeitung, Hörfunk-, Fernsehsender, Lichtspielhaus, Plakatwand, Website). • Als „Empfangsgerät“ sind die fünf Sinne des Menschen anzusehen, mit denen er die Botschaft aufnehmen kann (Sehen, Hören, Riechen, Fühlen, Schmecken). • Die Wahrnehmung ist die spiegelbildliche Encodierung der Botschaft, um zu einem Verständnis deren Inhalts zu gelangen (Interpretation).

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

• Der Empfänger ist die Zielperson, die durch die Kommunikation kontaktiert werden soll (im Regelfall also End- oder Zwischenabnehmer). • Die Botschaftsabspeicherung ist Endpunkt jeglicher Kommunikation, denn ohne das Lernen des Kommunikationsinhalts durch die Zielpersonen ist keine Wirkung erzielbar.

Abbildung 106: Kommunikationsprozess (eig. Darst.)

Auf jeder dieser Stufen sind Störungen wahrscheinlich, die zwangsläufig den gesamten Kommunikationsprozess zum Scheitern bringen. Dies bedeutet dann Ressourcenverschwendung. Die Werbeinhalte stellen daher die Eckpunkte der Kommunikation dar, vor allem in Bezug darauf, was durch Werbung erreicht und wofür geworben werden soll. Für das Verständnis des Kommunikationsprozesses ist es hilfreich, sich ein paar Kernerkenntnisse berühmter Vordenker zur Werbung vor Augen führen: • „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ (P. Watzlawick) bedeutet, dass es nicht die Wahl gibt zu werben oder dies zu unterlassen, denn auch wer nicht kommuniziert, kommuniziert. Im Zweifel weist die Botschaft aus, dass man nichts mitzuteilen hat, denn hätte man etwas zu melden, würde man dies ja tun. Das ist extrem bedeutsam, wenn man sich fragt, ob es lohnt, Geld in Werbung zu stecken oder lieber in betriebliche Sachanlagen. Werbung hat den Nachteil, dass sie selten anfassbar und häufig flüchtig ist, wohingegen Sachanlagen stabil anfassbar bleiben. Daher spricht man bei diesen auch von Investitionen, während Werbung meist unter dem Begriff Kosten läuft. Aber es ist zu bedenken, dass Werbung tatsächlich eine der wichtigsten Investitionen darstellt, nämlich die in Kunden. Investitionen in Sachanlagen werden jeden Tag weniger wert und müssen abgeschrieben werden, Investitionen in bestehende und neue Kunden hingegen werden jeden einzelnen Tag immer wertvoller.

2. Eckdaten der Kommunikation

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• „Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“ (H. Thoma) bedeutet, dass der Wert einer Botschaft sich allein aus der Sicht ihrer Adressaten bestimmt. Also nicht das Bedürfnis des Absenders, das mitzuteilen, was er gerne loswerden will, darf im Vordergrund stehen, sondern ausschließlich die mutmaßlichen Bedarfe der Adressaten. Dies ist deshalb fatal, weil beider Interessen erheblich voneinander abweichen. Man will Zielpersonen davon überzeugen, das eigene Produkt anstelle von anderen zu kaufen. Diese aber sind nur daran interessiert, einen Nutzen zu erwerben, den sie höher einschätzen als das dafür zu erbringende Geldopfer. Argumentiert der Absender aus seiner Sicht heraus, trifft er damit nicht den Nerv der Adressaten. Ganz so, wie der Angler kein Steak ins Wasser halten darf, weil er selbst das toll findet, sondern sich überlegen muss, was Fische wohl toll finden, z. B. einen für uns ekligen Wurm. • „Nicht die Realität ist die Realität im Markt, sondern die Vorstellungen der Zielpersonen über diese Realität.“ (B. Spiegel) bedeutet, dass Werbung sich auf einer emotionalen Wahrnehmungsebene vollzieht, welche die darunter liegende rationale Sachebene überlagert. Beide Ebenen können erheblich und dauerhaft voneinander abweichen. Man denke nur an die Sachebene von Zigaretten (geschnitzelte Tabakblätter in Papier eingerollt mit Fasermundstück) und an deren Wahrnehmungsebene (Freiheit, Abenteuer, Attraktivität etc.). Anbieter sind häufig viel zu sehr in der Sachebene verhaftet, diese ist aber im Markt überwiegend langweilig, austauschbar oder schwer nachvollziehbar. Daher lohnt es sich erst gar nicht, sie auszuloben. Kunden halten vielmehr nur für real, was sie subjektiv wahrnehmen können. • „Werbung verkauft nicht, sondern Werbung hilft verkaufen.“ (W.  Butter) bedeutet, dass naturgemäß die Erwartungshaltung aller Werbungtreibenden die ist, für ihr gutes Geld konkret messbare Verkaufsergebnisse zu erhalten. Unseriöse Werbeberater sind denn auch leicht bei der Hand, dies für ihre Werbeaktivitäten zu reklamieren, weil sie wissen, dass davon die Budgetfreigabe abhängt. Doch niemand kann garantieren, dass X € Werbebudget X+1 € Gewinn generieren. Denn Werbung ist nur ein Faktor neben zahlreichen anderen, der auf den Kauf oder Nichtkauf durch Abnehmer Einfluss nimmt. Eine verursachungsgerechte Zurechnung neben anderen Faktoren wie komparative Qualität, relativer Preis, Distributionsgrad, Regalplatzierung, Trend etc. ist nicht möglich. Insofern ist nur seriös zu versprechen, durch Werbemaßnahmen alles professionell Mögliche zu tun, um den Verkauf zu unterstützen.

2. Eckdaten der Kommunikation Die Eckdaten der Kommunikation sind die unerlässliche Basis werblicher Aktivitäten. Sie umfassen im Einzelnen das Kommunikationsziel (2.1), das Kommunikationsobjekt (2.2), die Kommunikationszeit (2.3), das Kommunikationsgebiet (2.4), das Nutzenversprechen (2.5) und die Nutzendarlegung (2.6). Diese Größen sind

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nicht isoliert voneinander zu betrachten, sondern stehen in zirkulärem Zusammenhang. Insofern sind sie immer inhaltlich aufeinander abzustimmen, damit keine unrealistischen Kombinationen entstehen. Dazu einige Beispiele: • So setzt die Erreichung eines Werbeziels immer ein gewisses Mindestwerbe­ budget voraus. • Aus dem Budget wiederum ergeben sich Restriktionen in Bezug auf realisierbare Werbeobjekte. • Das Werbebudget begrenzt auch die räumliche und zeitliche Ausdeckung des Werbeeinsatzes. • Aus dem Werbeobjekt ergibt sich die Absatzquelle und daraus wiederum die Zielgruppe. • Aus der Zielgruppe ergeben sich Art, Form und Inhalt der werblichen Auslobung. • Das Werbegebiet bestimmt die Art und Größe der Zielgruppe und umgekehrt. Leider werden diese Daten in der Briefingpraxis häufig nicht oder nur schlecht durchdacht vorgegeben. Gemäß der Devise „Garbage in – Garbage out“ ist dann das Ergebnis werblicher Aktivitäten von vornherein begrenzt.

2.1 Kommunikationsziel Hier können ökonomische und vorökonomische Ziele unterschieden werden. Ökonomische (quantitative)  Ziele sind allgemein betriebswirtschaftlicher Art wie Absatz, Preis, Kosten, Liquidität etc. Sie können durch Werbung nur indirekt erreicht werden. Sehr direkt hingegen können vorökonomische Ziele angestrebt werden. Leider ist die Beziehung zwischen beiden indifferent, d. h., trotz Erreichung der vorökonomischen Ziele (Handlungsabsicht) werden die ökonomischen (Kauf) nicht erreicht. Insofern ist es für die Werbung nur legitim, vorökonomische (qualitative) spezifisch werbliche Ziele vorzugeben. Dazu gehören im Einzelnen folgende Stufen (siehe Abbildung 107: Kommunikationstrichter): • Aufmerksamkeit für ein Angebot / einen Anbieter als notwendige Voraussetzung, • Akzeptanz der Botschaftsinhalte bzw. Sympathie mit dem Botschaftsabsender, • Interesse an der rationalen Auseinandersetzung damit (Kompetenzzutrauen), • Überzeugung durch emotionale Identifizierung mit und Respekt gegenüber dem Botschaftsabsender, • Kaufakt als eigentlicher Vollzug des Absatzerfolgs, • Kaufnachbereitung zur Bestätigung des Entscheids, • Kundenkontakt zur Aufrechterhaltung einer kontinuierlichen Beziehungsbrücke, • Reaktivierung als Einleitung des Folgezyklus zum gegebenen Zeitpunkt / Anlass.

2. Eckdaten der Kommunikation

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Abbildung 107: Kommunikationstrichter (eig. Darst.)

Die Erreichung der ökonomischen Kommunikationsziele wird als Werbeerfolg bezeichnet, die Erreichung der vorökonomischen als Werbewirkung. Problem­ behaftet ist die Kausalität zwischen beiden, d. h., es gibt sowohl Werbeerfolg ohne Werbewirkung, als auch Werbewirkung ohne Werbeerfolg (siehe auch Kap. 8.3). Hinzu kommt, dass der Werbeerfolg zwar bei entsprechender Anlage hinreichend messbar ist, nicht jedoch die Werbewirkung, denn welche Verursachung für einen Kauf oder Nichtkauf gegeben ist, bleibt notgedrungen verborgen. Insofern ist fraglich, ob Marketingkommunikation überhaupt ökonomische Ziele anstreben kann oder doch nur vorökonomische. Und wenn dem so ist, wie die Erreichung dieser qualitativen Ziele sichergestellt werden kann. Zumal Unternehmen nur an ökonomischer Zielerreichung interessiert sein können, weil nur diese ihr Überleben sichern. Hinzu kommt die erforderliche Konsistenz der Kommunikationsziele zu anderen, übergeordneten Marketingzielen. Dies alles birgt vielfache Ungewissheiten, so dass anzunehmen ist, dass der von Henry Ford überlieferte Spruch, wonach die Hälfte seines Werbebudgets verschwendet sei, er nur nicht wisse, welche Hälfte, wohl doch stimmt. Wichtigstes Mittel zur Zielerreichung ist das Kommunikationsbudget. Wichtigste Einflussgröße auf dessen Bemessung ist wiederum die Konkurrenz. Der Konkurrenzvergleich geht davon aus, dass das eigene Budget in Abhängigkeit von den Wettbewerbswerbemaßnahmen dotiert wird. Dabei sucht jeder Anbieter, den anderen zu übertreffen, was zu einer Eskalation der Werbebudgets führt. Der größte Teil des Budgets dient dabei nur der Neutralisierung der Konkurrenz­ anstrengungen und lediglich der überschießende Betrag zeigt Wirkung am Markt. Und das auch nur solange, wie Anbieter sich den steigenden Finanzaufwand leisten können.

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In der Praxis hat sich anstelle der absoluten Bezugsgröße das relative Share of Advertising / Share of Market-Konzept (SoA / SoM) bewährt. Dabei wird das eigene Werbebudget bestimmt, indem dessen Relation zum Werbeaufwand im Relevanten Markt anhand des Marktanteils (Anteil des eigenen Umsatzes am Relevanten Markt) justiert wird. Die Justierung des Werts kann eine gleiche, eine überproportionale (Overspending) oder unterproportionale Relation (Underspending) vorsehen. Im ersten Fall wird Marktanteil aggressiv über Werbung zu „kaufen“ gesucht, im zweiten wird aus der Substanz gelebt. Aufgrund der Situation vieler Märkte, die durch starke werbliche Penetration gekennzeichnet sind (Noise Level), bestimmt der Werbeanteil zu großen Teilen den Marktanteil. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Zielgruppendefinition, diese kann demografisch, aktiografisch, psychologisch, soziologisch, typologisch oder neuroökonomisch erfolgen (siehe Kap. I 5.2) und ergibt sich ihrerseits aus der Absatzquellendefinition (siehe Kap. I 5.1) als Marktdurchdringung, Angebotsausweitung oder Nachfrageentwicklung. Die Zielgruppe ist stets als Kernzielgruppe abzugrenzen, erstens weil ansonsten der Werbedruck bei gegebenem Budget zu gering bleibt, um eine Beeindruckung zu hinterlassen, zweitens, weil die reale Streuung dazu führt, dass sich im Umfeld dieser Kernzielgruppe weitere Zielpersonen angesprochen fühlen, und drittens weil nur so eine aussagefähige Basis für die kreative Umsetzung erreicht werden kann. Bei der Zielgruppe handelt es sich immer um Menschen, die entscheiden, im privaten Bereich sowohl wie im gewerblichen. Daher unterliegen sie auch allen einstellungs- und verhaltensbezogenen Einflüssen. Dies gilt gerade auch im B-t-BBereich und wird sich erst ändern, wenn bei modifizierten oder identischen Wiederholungskäufen Computer im Ausschreibungsverfahren den Kaufentscheid übernehmen. Dann allerdings ist eine kommunikationspolitische Beeinflussung weitgehend beendet.

2.2 Kommunikationsobjekt Es ist davon auszugehen, dass Unternehmen normalerweise mehrere Produkte im Programm führen. Und es ist ebenfalls davon auszugehen, dass ihr Budget nicht ausreicht, alle diese Produkte werblich zu berücksichtigen. Daher ist eine bewusste Bestimmung der Kommunikationsobjekte, also des / der zu bewerbenden Produkts / e, erforderlich. Dafür bieten sich mehrere Optionen an: • Die gleichmäßige Berücksichtigung aller Produkte im Programm mit Werbung führt zu einer fraktionierenden Verteilung der Budgetmittel, die für jedes einzelne Produkt wohl nicht ausreicht, genügend Durchsetzungsstärke zu erreichen, um im hohen Noise Level von Markt- und anderen Botschaften durchzudringen. • Die Konzentration der Budgetmittel auf wenige Werbeobjekte sorgt zwar für eine bessere Durchsetzungskraft, es stellt sich jedoch die Frage, ob eher die Erfolgs-

2. Eckdaten der Kommunikation

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produkte dotiert werden sollen, denn diese verdienen schließlich „ihr Geld“, oder eher die nicht oder noch nicht so erfolgreichen (z. B. Neuprodukte), die am ehesten einer Unterstützung bedürfen. Werden die Erfolgsprodukte dotiert, haben die ohnehin weniger erfolgreichen kaum eine Chance, werden die weniger erfolgreichen dotiert, drohen die Erfolgsprodukte abzustürzen. • Häufig anzutreffen ist eine Konzentration der Budgetmittel auf Produktereignisse, dies sind Produkte, die einen Kommunikationsanlass bieten, wie Neueinführungen, Produktaufwertungen, Relaunches etc. Dies verschafft öffentliche Relevanz, allerdings stellt sich die Frage, was aus den gerade nicht mit solchen Ereignissen versehenen Produkten wird, die womöglich die Budgetaufbringung aus ihrem Bestand heraus tragen. • Weiterhin können Einzelprodukte isoliert beworben werden. Dies ist vor allem für Anbieter von Multi- oder Mehrmarkenprogrammen erforderlich, bei denen keine Quersubventionierungen zwischen Produkten möglich oder gewünscht sind. Allerdings bedarf dieser Ansatz vergleichsweise hoher Budgetmittel, da jedes einzelne Produkt kommunikativ gegen sein jeweiliges Konkurrenzumfeld durchgesetzt werden muss. • Denkbar ist auch die Bewerbung von Produktgruppen (Categories), also verwandter Einzelprodukte (homogener Programmausschnitt) in gemeinsamen Werbemaßnahmen. Allerdings besteht die Gefahr der Überfrachtung der Botschaft und damit der internen Konkurrenz der Produkte um die Aufmerksamkeit der Zielpersonen, statt zur Dominanz gegenüber dem Wettbewerb. • Häufig werden auch Leitprodukte aus dem Programm stellvertretend für dieses beworben. Dies sind Produkte, denen Flaggschiff-Funktion für das Unternehmen zukommt und die daher eine besondere Unterstützung verdienen. Von diesen geht dann eine Irradiationswirkung auf das restliche Programm aus. • Stattdessen können auch Beispielprodukte beworben werden, die stellvertretend für das gesamte Programm stehen und exemplarisch die Leistungsfähigkeit des Anbieters demonstrieren. Dies erlaubt eine abwechslungsreiche Präsentation. So können sowohl Flaggschiff- als auch Ereignisprodukte einbezogen werden. • Abzuraten ist hingegen von der Programmwerbung, bei der das gesamte Angebotsprogramm gemeinschaftlich beworben wird. Ein solcher Ansatz bietet keine genügende wettbewerbliche Durchsetzungsfähigkeit und entspricht auch nicht dem Anliegen der Zielgruppe nach problemlösender Information. • Gleiches gilt für den verbreiteten Ansatz der Imagewerbung für den Anbieter selbst, statt für dessen Produkte. Hier gilt, dass die beste Imagewerbung immer noch die Produktwerbung ist, denn immer gab es zuerst ein angesehenes Produkt und dann erst das Image des betreffenden Absenders, keinesfalls war es umgekehrt.

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2.3 Kommunikationszeit Hinsichtlich des zeitlichen Werbeeinsatzes wird empfohlen, diesen antizyklisch zur Konjunkturlage zu gestalten, also belebend in der Krise bzw. dämpfend im Boom. Dies scheitert in der Praxis jedoch daran, dass es in der Krise schwerfällt, steigende Finanzmittel für Werbung freizugeben, wohingegen dies im Boom genau umgekehrt ist. Daher ist faktisch ein prozyklischer Verlauf des Werbeaufwands zu beobachten. Außerdem ist zu bestimmen, wie die verschiedenen Kommunikationsinstrumente relativ zueinander eingesetzt werden sollen. Bei Produktneueinführungen oder Relaunches ist z. B. sicher zu stellen, dass die Werbung i. d. R. erst einsetzt, wenn eine genügende Produktverfügbarkeit tatsächlich gegeben ist. Weil das Budget nicht ausreicht, eine ganzjährige Ausdeckung mit Werbung zu schaffen, werden häufig Werbepausen („Sommerloch“) vorgesehen, obgleich es dafür anderweitig sachlich keine Rechtfertigung gibt. Da externe Überschneidungen zwischen Werbeträgern und Mediagattungen bestehen, kann die zeitliche Ausdeckung auch verbessert werden, indem die Einschaltungen / Maßnahmen zeitlich zueinander verzahnt eingesetzt werden („auf Lücke gesetzt“).

Abbildung 108: Einsatztiming der Werbung (eig. Darst.)

Im Grundsatz sind folgende Einsatz-Timings anwendbar (siehe Abbildung 108: Einsatztiming der Werbung):

2. Eckdaten der Kommunikation

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• Frontloading, d. h., die Kampagne startet mit sehr hohem Werbedruck, der dann im Zeitablauf abnimmt, dies wird im Primacy Planning verfolgt, da man davon ausgeht, dass ein erster starker Auftritt trägt. • Backloading, d. h., die Kampagne startet mit moderatem Werbedruck, der dann im Zeitablauf zunimmt, dies wird im Recency Planning verfolgt, da man davon ausgeht, dass der letzte Auftritt nachwirkt. • Flattening bedeutet, dass der Medieneinsatz im gesamten Werbegebiet während der gesamten Werbeperiode auf konstantem Niveau erfolgt. • Pulsing, d. h., es findet ein häufiger, kurzfristiger Wechsel zwischen hohem und niedrigem Werbedruck statt, um damit die Werbewirkung auf der Zeitachse zu verlängern. Der Medieneinsatz variiert also in regelmäßig oder unregelmäßig wechselnden Intervallen auf gleich bleibendem oder wechselndem Niveau. • Flighting, d. h., die Kampagne wird auf zwei oder mehr Zeitausschnitte geblockt, während derer ein hoher Werbedruck gefahren wird, dazwischen wird die Werbung ausgesetzt (Zickzack-Muster). Der Grund liegt zumeist in Budgetrestriktionen. • Bursting, d. h., es wird punktuell und kurzfristig ein hoher Werbedruck ausgeübt (meist anlassbezogen, z. B. Aktion, Saison), dazwischen befinden sich längere Phasen von Werbepausen. Der Grund liegt zumeist in Budgetrestriktionen. Innerhalb des definierten Kampagnenzeitraums kann eine unterschiedliche Einsatzabfolge zwischen den Medien vorgesehen werden. Dabei kann man unterscheiden in (siehe Abbildung 109: Einsatzabfolge der Werbung) • parallel, d. h., zwei oder mehr Kanäle werden völlig zeitgleich nebeneinander herlaufend eingesetzt. Dies ist gegeben, wenn ein Mix von Kommunikations­ instrumenten für einen gemeinsamen Zeitraum fest miteinander verbunden genutzt wird. • versetzt, d. h., zwei oder mehr Kanäle laufen jeweils gleich lang, setzen jedoch zu verschiedenen Zeitpunkten ein, überlappen einander und laufen zu verschiedenen Zeitpunkten aus. Dabei erfolgt der Einsatz des nachfolgenden Mediums bereits, während das vorausgehende noch am Markt präsent ist. Der Werbe­einsatz erfolgt dabei versetzt einsetzend bzw. versetzt auslaufend. • sukzessiv einsetzend, d. h., im Zeitablauf nimmt die Intensität eines bzw. die Anzahl mehrerer Kanäle fortwährend zu, indem diese nacheinander einsetzen und zum gleichen Zeitpunkt auslaufen. Dies verfolgt etwa dramaturgische Ziele, die in einem Kampagnenhöhepunkt kulminieren (Recency-Effekt). Bzw. sukzessiv auslaufend, d. h., im Zeitablauf nimmt die Intensität eines bzw. die Anzahl mehrerer Kanäle fortwährend ab, indem diese nacheinander auslaufen, nachdem sie zeitgleich eingesetzt haben. Auch hierbei liegen dramaturgische Ziele zugrunde, die jedoch auf dem Primacy-Effekt aufbauen (Höhepunkt am Anfang der Kampagne).

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

• intermittierend, d. h., zwei oder mehr Kanäle wechseln einander beim Einsatz fortlaufend und ohne Unterbrechung ab. Dies ist gegeben, wenn Ziele zwar parallel verfolgt werden sollen, das Budget aber zum parallelen Einsatz der Medien nicht ausreicht. • vorlaufend, d. h., zwei oder mehr Kanäle laufen derart ablösend oder versetzt zueinander, dass das eine Medium nur eine zeitliche Vorlauffunktion für das andere wahrnimmt. Hier steht das Announcement einer Kampagne (Teaser) im Vordergrund. Bzw. nachlaufend, d. h., zwei oder mehr Kanäle laufen derart ablösend oder versetzt zueinander, dass das eine Medium nur eine zeitliche Nachlauffunktion (Tag) für das andere wahrnimmt. Hier steht die Kapitalisierung einer Kampagne im Vordergrund. • konzentriert, d. h., der Einsatz der Kanäle findet nur limitiert während eines Zeitausschnitts der Werbeperiode statt. Dabei ist eine Kombination mit allen anderen Optionen möglich. Insofern steht die dramaturgische Wirkung eines kommunikativen Höhepunkts im Vordergrund. • aussetzend, d. h., zwei oder mehr Kanäle wechseln einander beim Einsatz diskontinuierlich und mit Unterbrechung ab. Auch hierbei sollen Ziele parallel verfolgt werden, jedoch reicht das Budget nicht zur fortlaufenden Ausdeckung der Kampagnenlaufzeit aus.

Abbildung 109: Einsatzabfolge der Werbung (eig. Darst.)

2. Eckdaten der Kommunikation

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2.4 Kommunikationsgebiet Hinsichtlich des räumlichen Werbeeinsatzes ist eine flächendeckend konstante Auslegung häufig aus Budgetgründen nicht möglich. Dann kommen punktuelle, lokale, regionale oder nationale Verdichtungen in Betracht. Dies kann anhand der bestehenden oder gewünschten Bedeutung eines Gebiets bestimmt werden. Diesen stehen dann entsprechende Ausdünnungen gegenüber. Hierbei ist das Werbegebiet für gewöhnlich innerhalb der Nationalstaatsgrenzen definiert. Es ergeben sich folgende Abstufungen: • Ein punktuelles Angebot erfolgt in unmittelbarer räumlicher Umgebung des potenziellen Kaufakts. Dies gilt z. B. für Handels- und Handwerksbetriebe mit einem Verkaufsort, an dem sie ihre Waren anbieten. Für die Bewerbung kommen ausschließlich Medien in Betracht, die punktuell steuerbar sind. Alle anderen werden der gestellten Aufgabe nicht gerecht. • Ein lokales Angebot erfolgt mit enger räumlicher Limitierung infolge begrenzten Einzugsgebiets. Dies gilt z. B. für klein- und mittelständische Betriebe, die ihr Angebot nur in einem überschaubaren räumlichen Umfeld machen können. Für die Bewerbung kommen damit nur solche Medien in Betracht, die auch lokal steuerbar sind. Alle anderen Medien verursachen ineffiziente Fehlstreuungen. • Ein regionales Angebot erfolgt mit weiterer räumlicher Ausdehnung, jedoch nicht national. Zum Beispiel liegt der Grund der Begrenzung im Wert der Transportkosten in Relation zum Warenwert, etwa bei Mineralwasser. Für die Bewerbung kommen hierbei alle Medien in Betracht, die sowohl regional als auch lokal steuerbar sind. Letztere sind mit Effizienzproblemen belastet. • Ein nationales Angebot erfolgt innerhalb der Grenzen eines Landes. Als Beispiel ist der Duden als Nachschlagewerk zur Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung anzusehen. Für die Bewerbung kommen dabei alle Medien in Betracht, die sowohl national als auch regional oder lokal steuerbar sind. Regionale und lokale Medien stellen sich jedoch womöglich als unökonomisch heraus. Wird das Werbegebiet aber über Nationalstaatsgrenzen hinweg international definiert, ergeben sich folgende Abstufungen. Eine Generalisierung der Werbekampagne kann ausgehend vom Inlandsmarkt vorsehen, dass die Auslandsmärkte gleichartig behandelt werden oder aber von Ländergrenzen abstrahieren und alle zu bearbeitenden Ländermärkte gleich behandeln. Eine Fokussierung der Werbekampagne kann für jeden zu bearbeitenden Ländermarkt eine eigenständige Behandlung vorsehen oder zumindest Ländermärkte, die untereinander ähnlich sind, zu Gruppen zusammenfassen, die intern gleichartig, aber von Gruppe zu Gruppe verschiedenartig behandelt werden. In vielen Unternehmen liegt der Akzent auf solchen übernationalen Werbemaßnahmen. Dabei wird je nach Lage eine stammlandorientierte, gastlandorientierte,

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wirtschaftsgebietsorientierte oder globale Ausrichtung (siehe auch Kap. V 14.3.2) empfohlen. Als Ansatzpunkt für eine Entscheidung zwischen diesen Optionen wird zumeist die Kultur eines Landes angesehen. Diese ist ein theoretisches Konstrukt, das erst über Indikatoren erfassbar gemacht werden muss. Dafür werden verschiedene Kulturmodelle in Ansatz gebracht. Innerhalb des definierten Werbegebiets kann eine unterschiedliche Intensität des Medieneinsatzes vorgesehen werden. Dabei kann man unterscheiden in • raumkonstante Abdeckung, d. h., das gesamte Werbegebiet wird gleichmäßig mit einem oder mehreren Medien abgedeckt, • raumvariable Abdeckung, d. h., ausgehend von einer gewünschten Medienabdeckung werden Teilräume ausgelassen (dies wird meist erforderlich, wenn das Budget nicht ausreicht, das gesamte intendierte Gebiet gleichmäßig zu erreichen) oder es werden Teilräume mehrfach abgedeckt (dies erfolgt meist, wenn Zielpersonen bzw. deren Kaufkraft räumlich konzentriert auftreten (= Ballungsgebiete)).

2.5 Nutzenversprechen Das Nutzenversprechen (auch Benefit) ist das Angebot an prospektive Kunden im Sinne deren subjektiver Vorteilswirkung aus der Inanspruchnahme des beworbenen Angebots. Es ist deshalb von zentraler Bedeutung, weil es das vordergründige Äquivalent für den zu opfernden Geldbetrag bei der Anschaffung einer Ware darstellt, wobei nachrangige Argumente keine Chance haben, aufgenommen zu werden, wenn es beim Benefit bereits hapert. Bei der hoch stehenden generellen Qualität des Marktangebots kommen zudem nur Zusatznutzen als relevant in Betracht, denn Grundnutzen werden ohnehin als durchgängig erfüllt vorausgesetzt. Gute Werbung zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie immer jenen Benefit in den Mittelpunkt stellt und ebenso ausdrucksvoll wie impressiv umsetzt. Schlechte Werbung hingegen lässt den Stolz ihrer Macher auf die Produktleistung (Angebotsanspruch) in der Umsetzung spüren und wirkt damit deutlich an der Nutzenorientierung der Zielpersonen vorbei. Der Benefit entsteht aus der Umsetzung des Angebotsvorteils in Kundennutzen. Die einzelnen Benefits lassen sich letztlich auf wenige Endbenefits reduzieren (siehe Abbildung 110: Endnutzen), nämlich • Leistungsnutzen (Das Beste oder Nichts). Dieser leitet sich aus der Eignung und dem Genuss des Angebots ab. Es handelt sich um einen psychologischen Nutzen, der auf die Sicherheit und Qualität einer angebotenen Leistung abstellt. • Kennernutzen (Mehr sein als Schein). Dieser leitet sich daraus ab zu wissen, worauf es ankommt. Auch hierbei ist die Außenwirkung unerheblich, die Wahl einer überlegenen Lösung dient vielmehr primär der eigenen Zufriedenheit, andere müssen davon nichts mitbekommen.

2. Eckdaten der Kommunikation

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Abbildung 110: Endnutzen

• Trendnutzen (Dazugehören ist alles). Hier geht es um die Aufnahme und Anerkennung innerhalb der Bezugsgruppe. Das positive Feedback des sozialen Umfelds durch Nutzung eines Produkts ist von primärer Bedeutung, der Funktionsnutzen bleibt sekundär. • Geltungsnutzen (Es allen zeigen wollen). Dies ist die zunehmend überkommene Form des Habenmaterialismus, der in der Gesellschaft immer mehr durch postmaterialistische Überzeugungen verdrängt wird. Er spielt aber zumindest bei sozial auffälligen Produkten nach wie vor eine Rolle. Die beiden erstgenannten Möglichkeiten bieten eher internalen, die beiden letztgenannten eher externalen Zusatznutzen, der jeweils aus Sicherheit und Unabhängigkeit resultiert. Weitere Nutzenbeispiele sind folgende: – Auswahl als Abwechslung ohne Anbieterwechsel, Bequemlichkeit wie Lieferdienst, Zahlungsfrist o. Ä., Beständigkeit durch feste Anbieterverankerung im Markt, Erfolg als Marktführer / Innovator, Erreichbarkeit durch Helpline / ChatFunktion, Exklusivität durch Limitierung / Zugangsbeschränkung o. Ä., Förderung von Gesundheit / Bio, Gutes tun / Fairtrade für gutes Gewissen beim Kauf, Personalisierung / Individualität als Mass Customization, Pünktlichkeit, kurze Lieferzeit o. Ä., Kombination, z. B. Wellnesshotel, Führerschein im Urlaub, Sicherheit durch Garantie / Selbstbindung, Sparen / Niedrigpreis für Schnäppchenjäger, Spezialisierung für hohe Fachkompetenz, Tradition als Retro-Trend, Vorauswahl /  Kuratierung zur Entscheidungserleichterung, Zeit sparen bzw. Express-Service. Die exakte Übersetzung von Angebotsanspruch (auch Claim) und Anspruchsbegründung (auch Reason why) in kundenwahrnehmbare Signale ist eine der schwierigsten Aufgaben. Entscheidend für den Erfolg ist dabei, dass eine Rückübersetzung dieser Signale exakt die konzeptionellen Definitionen präsent werden lässt, die der Absender beabsichtigt.

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Notwendige, wenngleich nicht hinreichende Bedingungen einer erfolgversprechenden Werbung sind die Folgenden: • Werbung muss eigenständig und unverwechselbar sein, um das eigene Angebot vom relevanten Mitbewerb positiv zu differenzieren. Jede Verwechslungsfähigkeit muss weitestgehend ausgeschlossen werden können. • Werbung muss kontinuierlich angelegt sein, da nur stete, konsistente Einwirkung Lernergebnisse zeitigt. Leider verhindern dies nicht selten die Ungeduld oder das finanzielle Durchhaltevermögen der Entscheider. • Werbung muss Inhalte vermitteln, die plausibel und interpersonell argumentierbar sind. Dazu reichen bloße Formalästhetik und Gags nicht aus. Denn auf Dauer vermögen nur Inhalte zu überzeugen („Content is King“). • Werbung muss vor allem Kaufsicherheit als Äquivalent zum gezahlten Geld­ betrag erzeugen. Dies wird nur erreicht, wenn keinerlei Zweifel daran entstehen, dass das Angebot die ausgelobten und gewünschten Eigenschaften hat. • Werbung muss flexibel ausgestaltet sein, um auf aktuelle Marktströmungen und Nachfragetrends eingehen zu können. Dies setzt ein schrittweises, beinahe unmerkliches Vorgehen voraus, ohne die Zielgruppe durch erratische Sprünge zu irritieren. • Werbung muss sich auf eine zentrale Aussage konzentrieren, die in der Lage ist, die typprägenden Eigenschaften eines Angebots in der Zielgruppe zu verfestigen, nachvollziehbar und erinnerbar zu machen. • Werbung soll möglichst die Kernaussage beweisen, weil man geneigt ist, werblichen Aussagen zunächst nicht zu glauben. Daher ist es hilfreich, wenn Beweise umfassend und abwechslungsreich geführt werden. • Werbung muss eine Begründung zur Angebotswahl liefern, die überzeugend ist. Damit wird diese interpersonell kommunizierbar, weil nunmehr „harte“ Fakten anstelle schwer vermittelbarer Gefühle treten. • Werbung muss den Angebotsnutzen erlebbar machen, denn nur das reizt zur Auseinandersetzung mit dem Angebot. Je unmittelbarer und einleuchtender der Nutzen wirkt, desto höher sind Kaufappetenz und Preisbereitschaft ausgeprägt. • Werbung muss die Marke als Absender deutlich machen, um die Zuwendung auf das richtige Angebot zu kanalisieren. Alle zugeschriebenen, positiven Eigenschaften müssen eindeutig auf den Namen des Produkts / Unternehmens zurückgeführt werden. • Werbung muss auffallen, denn das ist notwendige Voraussetzung für jedweden kommunikativen Erfolg. Erst dann kann es zur nachhaltigen Verarbeitung der Kernaussage und zur Verankerung im Gedächtnis der Entscheider kommen. Eine Auslobung wird kaum alle Anforderungen zugleich erfüllen, wenn aber einige Anforderungen nicht erfüllt werden, ist stark zu bezweifeln, dass es sich um funktionsfähige Werbung handelt.

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2.6 Nutzendarlegung Als Nutzendarlegung (auch Proof) helfen zahlreiche Gestaltungselemente bei der dominanten Inszenierung offerierter Produkte. Dafür gibt es ganz verschiedenartige Mittel, meist werden folgende genutzt: • „Gute“ Werbung funktioniert häufig über die Verfremdung normaler Situationen. Denn das Alltägliche ist langweilig, erst das Überraschende schafft Aufmerksamkeit. Übertreibungen werden, da es sich schließlich um Werbung handelt, von den Zielpersonen ohnehin auf ein vernünftiges Maß zurückgestutzt. • „Gute“ Werbung ist immer reduziert, also im Signalumfang soweit eingedampft, bis nichts mehr weggelassen werden kann, ohne dass der Botschaftstransport darunter leidet. Häufig gering involvierte Zielpersonen werden durch informationsüberladene Botschaften ansonsten leicht überfordert. • „Gute“ Werbung ist diejenige, die nicht alles als Botschaft vorgibt, sondern den Empfängern die Gelegenheit lässt, fehlende Teile der Botschaft selbst zu ergän­zen. Dadurch sind weitaus nachhaltigere Lern- und Gedächtnisleistungen erreichbar als mit der Holzhammermethode. • „Gute“ Werbung funktioniert in Allegorie zum Trojanischen Pferd. Sie ist oberflächlich nett anzusehen, aber im Kern ungemein kämpferisch. Unterhaltung in der Werbung ist daher keinesfalls Selbstzweck, sondern nur Mittel zu dem Zweck, Informationseinheiten geschickt zu verpacken, die ansonsten nicht wirksam überzubringen wären. Typische Gestaltungstechniken, die bei der kreativen Umsetzung der Werbung genutzt werden, sind z. B. folgende: – Side by Side- (simultan, eigenes – anonymes Produkt) oder Before after- / Alt – Neu-Vergleiche (sukzessiv, eigene Produkte) zueinander, – Härtefall (Torture Test) mit einer Erst recht-Argumentation, – Nutzenfacetten zum Schluss vom Einzelnen auf das Ganze (Induktion), – Slice of Life als aus dem Leben der Zielpersonen gegriffene Episode, – Storytelling durch in eine Erzählung verpackte Produktargumentation, – Infotainment mit dem Ansatz der unterhaltenden Information, – Testimonial als authentisches Verbraucherzeugnis, – Symbolische Demonstration durch Verfremdung, – Lifestyle als Ausdruck angestrebter Werthaltung bei Zielpersonen, – Humor als Aufmerksamkeitswecker (Attention Getter), allerdings auch mit der Gefahr der Überlagerung der eigentlichen Botschaft (Vampire-Effekt),

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– Erotik, ebenfalls als Attention Getter, aber auch Vampire-Effekt, – Make the Product the Hero überhöht das Produkt und stellt es in den Mittelpunkt. Letztlich geht es dabei um den Primat der Information oder der Unterhaltung in der Kommunikation. Eigentlich geht es um den Transfer der Information, aber ohne Unterhaltung gibt es kaum die nötige Aufmerksamkeit dafür. Also wird häufig auf Unterhaltung gesetzt, wobei aber die eigentlich intendierte Botschaft untergeht. Die gute Balance im Infotainment ist daher der Königsweg. Es ist ratsam, einheitliche Gestaltungselemente zu pflegen. Diese müssen einmal gut durchdacht und entsprechend geplant sein und können dann langfristig unverändert beibehalten werden. Und wenn Änderungen für notwendig erachtet werden, sollten sie nur in kleinen, vorsichtigen Schritten vorgenommen werden.

3. Klassische Medien Innerhalb der zwischenzeitlich unüberschaubaren Vielfalt von Werbemedien bilden die Klassischen Medien den Nukleus. Zu ihnen gehören Pressemedien (3.1), Rundfunkmedien (3.2) und Außenwerbungsmedien (3.3). Sie zählen zu den ältesten Mediagattungen und werden daher als „klassisch“ bezeichnet. Sie unterscheiden sich von allen anderen Offline-Medien dadurch, dass in ihren Preis (Tarif) bereits eine Mittlerprovision für Absatzhelfer-Werbebetriebe eingerechnet ist (Werbeagenturen). Die Bezahlung erfolgt vom Werbungtreibenden zu diesem Tarifpreis an den Werbungdurchführenden (Verlage, Sender, Pächter), die davon einen 15 %-Anteil an Werbeagenturen als Honorierung der Vermittlung von Werbevolumen zurückvergüten. Damit sind zugleich auch die wesentlichen Beteiligten im Mediageschäft genannt. Werbedurchführende, die in ihren Medien Werbung gegen Entgelt platzieren, Werbungtreibende, die für ihre Leistungen dort werben wollen sowie Werbemittler, die den Kontakt zwischen beiden Seiten unterhalten. Alle anderen Mediagattungen arbeiten ohne Mittlerprovision (AE-Provision genannt), sondern lassen sich von dem Auftraggeber direkt entgelten. Sie werden auch als nicht-klassische Medien bezeichnet, dies gilt auch für den Großteil der Online-Medien. Für die Mediaplanung sind die Medialeistungswerte (3.4) ausschlaggebend. Eine Sonderstellung nimmt dabei nur die Fachwerbung (B-t-B) ein (3.5). Der Einsatz der Werbung erfolgt in der Mediadurchführung (3.6). Innerhalb der Medien lassen sich folgende Arten unterscheiden: • Medien in eigenem Besitz und kostenbewehrt wie Katalog, Newsletter, Direktwerbung, Corporate Website, Events etc., sog. Owned Media. • Medien in eigenem Besitz, aber weitestgehend kostenlos als Social Media-­ Kanäle, Blogs, Mediasharings etc., sog. Shared Media.

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• Medien in fremdem Besitz, aber weitestgehend kostenlos wie PR, Rezensionen, Empfehlungen etc., sog. Earned Media. • Medien in fremdem Besitz und kostenbewehrt wie Banner, Printanzeigen, TV-/ HF-Spots, Plakate etc., sog. Paid Media. Innerhalb der Printmedien können Zeitungen, Zeitschriften und sonstige Printmedien unterschieden werden, innerhalb der Rundfunkmedien dann Fernsehen, Hörfunk und Kino und innerhalb der Außenwerbungsmedien stationäre, mobile und sonstige Plakatformen. Die Profile dieser Medien werden im Folgenden ausgeführt.

3.1 Medienprofil Printwerbung 3.1.1 Zeitung Bei Zeitungstiteln unterscheidet man solche, • die regional aufliegen, und solche, die überregional erhältlich sind (= Verbreitungsgebiet), • die überwiegend im Abonnement (auf Bestellung) bezogen, und solche, die im Einzelverkauf (auf Nachfrage) vertrieben werden (= Bezugsform), • die täglich, und solche, die wöchentlich neu aufliegen (= Erscheinungsweise). Aus der Kombination dieser Kriterien ergibt sich die Beschreibung bestimmter Zeitungstypen. So ist die „Bild-Zeitung“ eine täglich erscheinende Kaufzeitung mit überregionaler Verbreitung, die „normale“ Tageszeitung eine täglich erscheinende regionale Abonnementzeitung, die „Zeit“ eine wöchentlich erscheinende, überregionale Kaufzeitung etc. Außerdem unterscheidet man nach dem Inhalt meinungsbildende, politische, wirtschaftliche oder kulturelle Zeitungen, die nach Verbreitungsgebiet, Bezugsart und Erscheinungsweise kombiniert auftreten. Daneben gibt es zahlreiche Unterformen wie Heimatzeitungen, Kirchenzeitungen etc. Tageszeitungen erreichen eine schnelle Verbreitung für aktuelle Botschaften, haben aber nur eine begrenzte Druckqualität, vor allem in Farbe, sind dafür aber, vor allem als Abo-Titel, räumlich recht genau steuerbar, bieten sehr kurze Buchungsfristen und eignen sich so insbesondere für aktionale und lokale Maßnahmen. Allerdings ist auch kaum etwas so alt wie die Zeitung vom Vortag. Und das gilt ebenso für die darin befindlichen Anzeigen. Man unterscheidet drei Zeitungsformate, Nordisches Format mit acht Textspalten, Rheinisches Format mit sieben Spalten und Berliner Format mit sechs Spalten. Die Bezeichnungen haben keinen Zusammenhang mehr zu ihrer geografischen Verbreitung. Die Zahl der Anzeigenspalten weicht im Regelfall davon ab. Die Spaltenbreite beträgt einheitlich jeweils 45 Millimeter. Außerdem gibt es Textteil-

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anzeigen im redaktionellen Teil, meist 1. Produkt überregionale Redaktion, 2. Produkt mit lokaler Redaktion und Anzeigenteilanzeigen („Anzeigenfriedhof“). Für erstere werden Mindestformate vorgegeben, letztere sind zudem erheblich preisgünstiger. Lokale Inserenten erhalten einen um die Mittlerprovision ermäßigten Ortstarif auch für gestaltete Anzeigen. Der Anzeigenpreis berechnet sich nach Millimeter-Höhe je Spalte (mm-Preis). Die Kosten einer Zeitungsanzeige ergeben sich als Produkt aus Anzahl der belegten Spalten, belegter Höhe in Millimeter und mm-Preis. Fließtextanzeigen sind nicht gestaltet. Sie werden nach Anzahl der verwendeten Worte oder Zeilen (evtl. plus Chiffre-Gebühr) berechnet. Üblich ist dabei die Einteilung nach Rubriken wie Finanzen, Gelegenheiten, Kraftfahrzeuge, Immobilien, Familie, Unterricht, Fremdenverkehr etc. Gewerbliche Inserenten sind gesondert zu kennzeichnen. 3.1.2 Zeitschrift Die Zeitschrift unterscheidet sich von der Zeitung dadurch, dass sie mindestens im Wochenturnus, in gehefteter, gelumbeckter oder geklammerter Verarbeitung, mit eigenständigem Cover, höherer Seitenzahl, bei kleinerem Format (meist DIN A4-ähnlich) als bei der Zeitung, mit großem Vierfarbanteil, auf besserem Papier, zumeist zu höherem Preis, erscheint.

Abbildung 111: Zeitschriftentypen

Bei Zeitschriften gibt es eine beinahe unüberschaubare Titelvielfalt, die sich in verschiedene Typen rubrizieren lässt (siehe Abbildung 111: Zeitschriftentypen), wie • Frauen-, Eltern-, Kinder-, Jugend-, Männerzeitschriften (Special Segment-Titel /  SS), • sowie Handarbeits-, Mode-, Sport-, Auto-, Garten-, Gesellschafts-, Gesundheits-, Ernährungszeitschriften etc. (Special Interest-Titel / SI). Beide sind durch ein redaktionelles Angebot mit thematischem Schwerpunkt definiert, der in jeder der periodisch erscheinenden Ausgaben durchgängig und im gesamten Inhalt mit klarem Bezug aller Beiträge dazu gegeben ist. Die Nutzung ist dabei im Gegen-

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satz zu Fachzeitschriften nicht berufsbedingt, sondern entspringt dem persönlichen Informations-, Wissens- und Freizeitbedarf im privaten Lebensbereich. • Beide gewinnen aufgrund steigenden Freizeitanteils und intensivierter Hobbys zunehmend an Verbreitung, wohingegen General Interest-Titel / GI) wie aktuelle Illustrierte, Programmzeitschriften etc. kontinuierlich an Bedeutung verlieren. Dies führt bei sinkender Totalauflage zu einer Titelinflation. Auch hier kommen stetig neue Titel hinzu, während andere floppen. • Als Typ, der sich an Nutzer im gewerblichen Bereich wendet, gelten Fachzeitschriften (Professional Interest-Titel / PI), die es in reicher Zahl für praktisch jede Branche und in professioneller Ausformung gibt. Häufig sind diese Titel wegen ihres Business-Hintergrunds nur noch als Online-Version erhältlich. Zeitschriften bauen ihre Verbreitung eher langsam auf, bieten eine hohe Wiedergabequalität, sind als SI-Titel gut steuerbar, haben allerdings lange Buchungsfristen (bei Farbe ca. vier Wochen im Voraus), außer bei Last Minute-Anzeigen und eignen sich besonders für imageaufbauende, lernfähige Botschaften. Der Werbemittelkontakt ist zudem durch die Eigenschaft der Zeitschrift als statuarisches Medium beliebig wiederholbar. 3.1.3 Sonstige Printwerbung Es gibt zahlreiche Sonderformen der Printwerbung. Als wichtigste sind zu nennen: • Supplements, d. h. kostenlose Beilagen, meist als Programm­beilage, in Zeitungen und Zeitschriften (z. B. Prisma), • Lesezirkelmappen, d. h. Sammlung ausgewählter Zeitschriften, die in gebündelter Form angeliefert und regelmäßig ausgetauscht werden, für Aufkleber, Beihefter, lose Beilage oder Sonderheft, • Anzeigenblätter, d. h. kostenlose, sich allein aus Anzeigenaufkommen finanzierende, streng lokale Mitteilungsdienste, • Offertentitel, d. h. sich allein aus dem Copy-Preis finanzierende Titel, in denen Anzeigen kostenlos geschaltet werden können, • Stadtillustrierte, d. h. lokale Zeitschriften mit Zeitgeistredaktion und Veranstaltungshinweisen, besonders für die junge Generation, • Kundenhefte, d. h. von Absatzmittlern oder in deren Namen kostenlos an Kunden abgegebene Pressemedien mit Information und Werbung, etwa von Apotheken, Drogerien, Buchhandlungen, Hotels, Ärzten, Film-/Fotogeschäften, Heimwerkerläden, Zoohandlungen, Computerläden, Reisebüros etc., • Unternehmensmagazine, d. h. von Herstellern / Dienstleistern herausgegebene Publikationen, etwa von Autoherstellern, Krankenkassen, Banken, etc.,

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• Roman-, Rätselhefte, Taschenbücher, Kalender mit Werbeseiten oder Eindrucken, Standes-, Berufs-, Verbands-, Vereins-, Werksmitteilungen aller Couleur, Stadtführer, Kulturführer und sonstige tarifäre Druckerzeugnisse. Denkbar sind auch über den Mindesteintrag hinausgehende Einträge in Verzeichnissen, soweit noch vorhanden, ansonsten aber online (wie Einwohner-­ Adressbüchern, amtlichen und örtlichen Telefonbüchern, Branchen-Telefonbüchern etc.) Werbung ist dort auf den Umschlagseiten und durch Hervorhebungen im Verzeichnis selbst möglich, sowie durch, auch überlokale, Banner-Werbung. Auch können zusätzliche Informationen geboten werden. Aus der Augenfälligkeit des Eintrags wird von Interessenten oft auf die Marktbedeutung des dahinter stehenden Anbieters geschlossen. Als Anzeigenabwandlungen sind zu nennen: • Beilagen, die lose einem Trägerobjekt beigefügt sind. Dabei sind Format- und Gewichtsbegrenzungen zu beachten, außerdem höhere Postgebühren für den Abo-Auflagenanteil. • Beikleber, die auf Anzeigen so aufgeklebt sind (auch als Warenprobe), dass sie von Interessenten abgelöst und verwendet werden können. Tipp on-Karten sind auf eine Trägeranzeige punktgeklebt, Tipp in-Karten sind zusätzlich passgenau in ein dort untergedrucktes Motiv integriert. • Beihefter, die eine fest mit dem Trägerobjekt verbundene und fertig anzuliefernde Drucksache darstellen (auch Postkarten und Prospekte). Auch hierfür gibt es Format- und Gewichtsbegrenzungen. Je nach Papierwahl (Qualität, Zusammensetzung, Oberfläche, Gewicht) kann ein redaktioneller Eindruck erreicht werden (dann ist der Zusatz „Anzeige“ obligatorisch). 3.1.4 Anzeigenbesonderheiten Begehrt sind für Anzeigen Platzierungen auf der 1. Umschlagseite (Cover, primär bei Fachtiteln), der 2. Umschlagseite (erste Innenseite, gegenüber dem Inhaltsverzeichnis), der 3. Umschlagseite (letzte Innenseite) und vor allem auf der 4. Umschlagseite (Rückcover). Außerdem sind rechte Seiten beliebter als linke, Platzierungen vorn im Heft beliebter als hinten. Bei Schwerpunktthemen kommt auch eine Platzierung in diesem Teil des Werbeträgers in Betracht. Weiterhin gibt es: • Titelkuller als Kleinanzeige auf dem Cover, Programmteilanzeigen in Hörfunkund Fernsehblättern, Flexformatanzeigen mit Abweichung vom Standardformat, evtl. nicht rechteckig, sondern auch asymmetrisch, Inselanzeigen an vier Seiten von Text umschlossen, Schachbrettanzeigen, deren paarweise Platzierung zueinander versetzt erfolgt, Ausklappseiten einfach, Doppelseiten zum Ausklappen, auch Gatefold oder Altarfalz genannt.

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Als weitere Besonderheiten kommen Bunddurchdruck (Panoramaanzeige), Griffeckenanzeigen (unten außen auf jeder Seite), Titelkopf- oder Eckfeldplatzierungen (obere Hälfte auf der ersten Seite von Kaufzeitungen bzw. zweiseitig von Redaktion umschlossen) hinzu, außerdem HiFi- und Insetteranzeigen als fertig angelieferte Druckprodukte, die vom Verlag komplett verarbeitet werden. Verbreitete Sonderausstattungen betreffen Sonderfarben (z. B. Metallic, Gold, Silberbronze, Leuchtfarbe)  oder Rubble Point-Anzeigen für Farb- oder Duft­ empfinden. Satzspiegel ist der Teil der Seite, der für den Druck genutzt werden kann. Soll auch der Papierrand an allen vier Seiten bedruckt werden, handelt es sich um Anschnitt. Angeschnittene Anzeigen sind zuweilen teurer und verlangen Beschnittzugaben rundum für anschnittgefährdete Anzeigenelemente bei der Vorlagenerstellung.

3.2 Medienprofil Rundfunkwerbung 3.2.1 Fernsehen Fernsehspots sind in Sendern mit öffentlich-rechtlicher Trägerschaft (innerhalb staatsvertraglich limitierter Werbezeiten, wie max. 20 Min. / Tag, vor 20 Uhr, nur werktags) oder privat-wirtschaftlicher Trägerschaft (im Tagesdurchschnitt max. zwölf Min. / Std.) möglich (Ausnahmegenehmigungen bestehen für TeleshoppingSender). Die Buchung soll bis zum 30. 9. eines Jahres für das gesamte Folgejahr erfolgen (zumindest als Rahmenbuchung). Daraus ergibt sich die Verteilung von Werbezeiten. Eine Umbuchung ist im Rahmen freier Kapazitäten kurzfristig möglich, Platzierungswünsche werden weitgehend berücksichtigt. Die Einschaltkosten steigen jedoch erheblich, wobei der Marktanteil der einzelnen Sender zugleich beständig sinkt. Redaktion und Werbung müssen durch optische und akustische Zeichen voneinander abgetrennt werden. Fernsehwerbung darf grundsätzlich nur im Block platziert werden. Die Ratingwerte der Zuschauerforschung weisen bereits am der Ausstrahlung folgenden Tag die absolute und relative Seherzahl aus. Deutschland ist durch die jahrzehntelange Dominanz öffentlich-rechtlicher Sender und der dadurch bedingten begrenzten Bedeutung der Fernsehwerbung auf diesem Gebiet gekennzeichnet. Zu den öffentlich-rechtlichen Sendern gehören Das Erste / A RD, ZDF, 3SAT, Eins Plus, EinsFestival, WDR, SWR, HR, NDR, BR, RBB, MDR, ZDF Info, ZDF Neo, Arte, Phoenix, Kika, ZDFKultur, BRalpha, Tagesschau 24. Der Vorteil der ARD liegt in der Regionalisierung der neun TV-Programme, die durch lokale Fenster der Privatsender und Ballungsraum-TV anderweitig nur unvollkommen ausgeglichen werden kann. Nachteilig ist jedoch der hohe Anteil nachfrageinaktiver Zuschauer. Abends, wenn kaufkräftige, berufstätige Zielgrup-

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pen fernsehen, ist Werbung derzeit nur auf privat-wirtschaftlichen Sendern möglich. Das kann durch vielfältige Formen des Programm-Sponsoring in ARD / ZDF nur unvollkommen ausgeglichen werden. Bis Anfang der 1980er Jahre war ein Programmangebot durch private Senderträger per Rundfunkstaatsvertrag verboten. Grund waren die schlechten Erfahrungen der Vergangenheit, als ein totalitäres Regime die Massenmedien, damals vorwiegend als Wochenschau, für Propagandazwecke missbrauchte. Im Zuge der Liberalisierung und bei nachweisbar stabiler Staatsordnung kamen dann nach Freigabe der Allierten die damalige Kirch-Gruppe (SAT 1, PRO 7 etc.) und die Bertelsmann-Gruppe (RTL, N-TV etc.) zum Zuge. Damit glich sich die hiesige TV-Landschaft der anderer westlicher Länder ohne die unrühmliche Vergangenheit Deutschlands an. Die Privatsender mussten sich kaufmännisch finanzieren, zugleich wurden aber enge zeitliche und inhaltliche Begrenzungen festgeschrieben, um einer Penetranz der Werbung Einhalt zu gebieten. Darin kommt auch ein minderes Werturteil über Werbung zum Ausdruck. Aktuell wird diskutiert, die TV-Landschaft zu restrukturieren, etwa derart, dass die öffentlich-rechtlichen Sender die informationelle Grundversorgung sichern (bei Senkung der GEZ-Gebühren und Zusammenlegung von ARD und ZDF) und die privat-wirtschaftlichen Sender den unterhaltenden Part übernehmen (bei Finanzierung durch Werbung und / oder Entgelt). Inwieweit dies zu Ergebnissen führt, bleibt abzuwarten. Bei den privat-wirtschaftlichen Sendern handelt es sich u. a. um RTL, Pro​Sieben, SAT1, RTLII, Kabel Eins, Vox, Sport1, Eurosport, ServusTV, SIXX, RTL Nitro, DMAX, Pro / Maxx, Tele 5, Das Vierte, Super RTL, SAT1 Gold, N-TV, N 24, Bloomberg, CNN, BBC World, Deluxe etc. Zu unterscheiden sind bei privat-wirtschaftlichen Sendern im Einzelnen • Free-TV-Sender, die ohne direktes Entgelt empfangbar sind, als Vollprogramm (= General Interest), Spartenprogramm (= Special Interest / Special Segment), Fensterprogramm zur Pluralität, Lokalprogramm, finanziert durch Werbeeinnahmen, • Pay-TV-Sender, die direktes Entgelt zum Empfang erfordern, als Pay per Channel (zeitabhängig fix), Pay per View (nutzungsabhängig variabel), Video on Demand (individuell konfiguriert)/Near Video on Demand (nach Zeitintervallen), jeweils als Einzelbuchung, IP-TV (Streaming), bei Akzeptierung von Werbung fallen die Kosten geringer aus, • Teleshopping-/Call in-TV mit Sonderlizenz über die Werbezeitengrenzen hinaus. Der Empfang dieser Sender ist terrestrisch (Antenne / DVB-T), leitungsgebunden über TV-/HF-Kabel (DVB-C) oder LAN-Kabel (IP-TV) sowie über Satellit (DVB-S) möglich. Durch die stark wachsende Zahl der Programme verteilt sich die im Wesentlichen konstante Fernsehnutzung auf immer mehr Stationen, wodurch sich die Chance des einzelnen Werbespots verringert und die Dosis der Botschaften erheblich erhöht werden muss. Dies führt nicht nur rasch an finanzielle

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Grenzen, sondern auch zur Reaktanz (Abwehrreaktion) der Zuschauer gegenüber übermäßiger werblicher Beeinflussung (z. B. Zapping). Insofern ist eine weitere Penetrationssteigerung weder finanzierbar noch ratsam. Um dennoch eine für erforderlich erachtete Aufmerksamkeit zu erreichen, kommt nur eine noch Impact stärkere Gestaltung in Betracht. Dabei bietet die Fernsehwerbung durch die Kopplung bewegter Bilder mit Tonuntermalung ausgezeichnete Voraussetzungen für eine hohe Anmutung. Jedoch führt das Blockgebot zur gegenseitigen Überlagerung der Werbebotschaften (Interferenz) und die Transitorik des Mediums zur Zeitraumgebundenheit des Kontakts mit der Werbebotschaft. Die Fernsehprogramme können neben der Eigentümerschaft noch unter anderen Aspekten rubriziert werden: • Hinsichtlich der Programmbreite ergeben sich Vollprogramme, die nach dem bewährten Muster aktueller Illustrierter arbeiten, und Spartenprogramme, die nach dem Muster von Special Interest-Titeln vorgehen (z. B. Welt, n-tv, DSF). • Nach der Erstellung der redaktionellen Inhalte ergeben sich Eigenprogramme, die vom Sender selbst produziert werden, Zukaufprogramme, die von Dritten mit zeitlichem Vorlauf zugekauft werden, und Mantelprogramme, die für Dritte vorproduziert und parallel mehrfach verwertet werden. • Nach der geografischen Abdeckung unterscheidet man internationale Programme, die ländergrenzenüberschreitend ausgestrahlt werden und in die länderspezifische „Fenster“ eingeklinkt werden können (z. B. MTV), nationale Programme, die nur innerhalb der Landesgrenzen ausgestrahlt werden, aber auch in grenznahen Auslandsgebieten zu empfangen ist, regionale Programme, die für die Einwohner eines Landesteils ausgestrahlt werden (z. B. III.-ARD- Programme) und lokale Programme, die räumlich noch enger begrenzt sind (z. B. Ballungsraum-TV). • Nach der Sendedauer lassen sich Fulltime-Programme, die rund um die Uhr ausgestrahlt werden, und Parttime-Programme, die nur tagesanteilig ausgestrahlt werden, unterscheiden. • Nach dem Verbreitungszugang gibt es öffentliche Programme, die allgemein zugänglich sind, und nicht-öffentliche Programme, die sich an ein zeitlich und / oder räumlich begrenztes Auditorium richten (z. B. Bord-TV, Hotel-TV, POS-TV). • In Bezug auf die Übertragungsrichtung kann schließlich in Programme mit Einwegkommunikation, wie üblich, und solche mit Zweiwegkommunikation (Interactive-TV) unterschieden werden, die ein Feedback der Zuschauer erlauben (z. B. Kameraeinstellungen, Bestellung von Produkten oder Anforderung von Werbemitteln). • Nach den Werbemöglichkeiten gibt es werbefreie Sender (z. B. Sonderkanäle von ARD/ZDF, Dritte Programme), rein werbefinanzierte Sender (Free-TV) sowie

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(duale) Mischformen, die sich sowohl aus Rundfunkgebühren als auch Werbeeinnahmen finanzieren (z. B. ARD / ZDF). Bei gebührenfinanzierten Programmen verpflichtet allein die Empfangsmöglichkeit schon zur Gebührenentrichtung. Beitragsfinanzierte Programmen sind zeitabhängig / fix (z. B. Sky) oder nutzungsabhängig / variabel nur mit Anmeldung zu bezahlen. Darüber hinaus gibt es einige TV-Sonderwerbeformen. Dazu gehören das interne Programm-Sponsoring (z. B. Gameshow), das externe Programm-Sponsoring, meist bestimmter Sendungen (z. B. Indikativ / Abdikativ), die Bildteilungs­ werbung, also Programm und Werbung simultan am Bildschirm, senderindividuelle Sonderwerbung (z. B. Single Spot) und spotübergreifende Sonderwerbung (z. B. Dauerwerbesendung).

3.2.2 Hörfunk Auch im Hörfunkbereich galt jahrzehntelang ein Monopol der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, das nur durch Radio Luxembourg (außerhalb des Geltungsgebiets des Staatvertrags) aufgelockert wurde. Zwischenzeitlich gibt es eine große Vielzahl öffentlich-rechtlicher wie vor allem auch privat-wirtschaftlicher Sender, die unterschiedliche Programminhalte („Klangfarben“) ausstrahlen. Da es großen, national auftretenden Werbungtreibenden kaum möglich ist, mit einer Vielzahl überwiegend kleiner Privatstationen eine nationale Abdeckung sicher zu stellen, haben sich viele dieser Sender in überregionalen Vermarktungsgemeinschaften (z. B. RMS) zusammengefunden, um ein geschlossenes Stationsbündel zu bieten. Hörfunkwerbung ist als Basismedium weitgehend ungeeignet und hat zur Hintergrunduntermalung oft nur geringe Aufmerksamkeit. Vom Inhalt her bieten sich einfache, appellierende Botschaften an, von der Form her stimmungs- und schwungvolle Darbietungen. Ohne Optik jedoch fehlt Entscheidendes. Allerdings wird durch Audio Visual Transfer gelernter, optischer Informationen anlässlich Jingle oder Werbetext eine Frequenzanhebung erreicht (auch über Ladenfunk als Sonderform), indem die verinnerlichten Bildsequenzen aus dem Gedächtnis abgerufen werden, zumal die absoluten Einschaltkosten vergleichsweise günstig sind. Die Reichweite schwankt zeitlich erheblich. So werden werktags morgens vor allem Familien beim Frühstück und Autofahrer auf dem Weg zur Arbeit erreicht. Am Vormittag läuft das Radio meist nur als Hintergrunduntermalung mit. Zur Mittagszeit ist dann noch einmal ein Hoch zu verzeichnen. Am Nachmittag werden auch Schüler bei Erledigung ihrer Hausaufgaben erreicht. Spätnachmittags ist noch einmal intensiver Empfang im Autoradio gegeben. Abends wird der Hörfunk fast komplett durch das attraktivere Medium Fernsehen verdrängt. Dementsprechend schwanken die Tarifpreise je nach belegter Uhrzeit, nach Wochentag (Wochenende mit erheblich veränderten Hörbedingungen) und Jahreszeit.

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Die Hörfunksender lassen sich nach verschiedenen Rubriken einteilen, so etwa Adult Contemporary (AC), Contemporary Hit Radio (CHR), Middle of the Road (MOR), Melody, Oldie, Album-oriented Rock (AOR), Classic, Jazz, Easy Listening. Der Empfang erfolgt durch Kabelnetz (C), direkten Antennenbeam (S), Antenne (T) oder Internet (IP). Gerade letzterer nimmt erheblich zu. Dazu gehören NichtSender mit privaten oder gewerblichen Podcasts, Hörfunksender mit linearem Digitalangebot (DAB+) oder nicht-linearem Angebot (Programmbibliothek als Stream oder Download). Insofern stellt sich das Audio-Angebot extrem aufge­ fächert dar: • DAB+ bietet digitale, rausch- und störungsfreie Tonqualität sowie Zusatzfunktionen wie Anzeige des Sendernamens, eingestellter Frequenz, Senderrubrik/name. Weiterhin werden Standbilder, Texte, Mitteilungen o. Ä. transportiert, mobil auch Verkehrsinformationen, Hotelbettennachweis, Landkarten o. Ä. DAB+ hat die Nachfolge von DAB bzw. UKW angetreten und erfordert einen speziellen Tuner zum Empfang. • Unter Audio Streaming versteht man komprimierte Audiodaten, die in Daten­ pakete zerlegt, über ein Netzwerk übertragen beim Empfang wieder decodiert werden. Dabei werden die Daten leicht zeitversetzt sukzessiv bereitgestellt. ­Audio Streamings finden im Rahmen von IP- oder Satelliten-Radio sowohl kostenfrei als auch werbefinanziert statt und sind jederzeit abrufbar, häufig aber nicht speicherbar. • Unter Audio Download versteht man die komplette Übertragung komprimierter Dateien (mp3) an den Empfänger. Dadurch wird die Download-Zeit erheblich verkürzt. Die Nutzer-Software expandiert die Dateien, so dass sie hörfähig sind. Downloads können daher regelmäßig abgespeichert werden. Downloads wie auch Streamings werden auf Multimedia-Plattformen wie Apple Music, Spotify, Amazon Music, Google Play Music, Deezer etc. meist kostenpflichtig im Abonnement, bereitgestellt. Dies gilt für Musik ebenso wie für Ton (Podcast). Hinsichtlich der Sendertypen kann, wie bei TV, nach der Programmbreite, dem redaktionellen Inhalt, der geografischen Abdeckung, der Sendedauer (On Air Time), dem Verbreitungszugang und den Werbemöglichkeiten unterschieden werden. Zusätzlich ist noch nach der genutzten Sendetechnik (UKW, DAB, DAB+, Internet) abzustufen. Bei den werbe-(co-)finanzierten Angeboten sind Sonderwerbeformen aus­ handelbar, welche die üblichen, durch Indikativ ein- und Abdikativ wieder abgeläuteten Werbeblocks umgehen (rechtlich werden diese wie reguläre Werbespots behandelt). Dabei handelt es sich u. a. um Folgende: • Patronat, d. h, erkennbare Trägerschaft einer Sendung durch einen Werbungtreibenden (mit kurzem Werbehinweis zu Beginn und am Ende, aber ohne direkte

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redaktionelle Einflussnahme, der Hinweis auf den Patron innerhalb der Sendung ist erlaubt), • Zeitansage in Kombination mit einer Werbedurchsage, analog auch bei der Wetterberichtsansage, • Live Reader, d. h., Werbung als Moderatorendurchsage live im Studio (nur mit entsprechendem Hinweis auf Werbung), • Telefon-Promotion, d. h., Gameshow mit Anruf und Lösungsdurchsage, dabei darf keine Ausnutzung der Spielleidenschaft entstehen, • Promotionspiel, d. h., Kombination aus Werbung und Event vor Ort (z. B. am Handelsplatz) durch mobile Sendestation für Liveschaltungen (Gewinnspiele, Verlosungen, Preisrätsel etc.), • On-air Promotions, d. h., Hinweis auf eigene Programminhalte und Begleit­ material / Produkte eigener oder fremder Herkunft (Merchandising), • Werbelangsendung, der Werbecharakter muss zu Beginn und am Ende der Sendung und während deren Verlaufs deutlich erkennbar sein. 3.2.3 Kino Da vor allem jugendliche Zielgruppen anderweitig werblich nur schwer zu erreichen sind, stellen Kinospots eine hervorragende Alternative dar. Die Aufnahmebedingungen sind wegen der konzentrierten, überdimensionalen Wiedergabesituation ideal. Der hohe Organisationsgrad der Lichtspielhäuser, die mittelfristige Verfügbarkeit, die sehr genaue räumliche Zielung und die vergleichsweise niedrigen Einschaltkosten bieten zudem eine sehr gute Planungsbasis. Kino gehört zu den Rundfunkmedien, weil die vorgeführten Filme zwischenzeitlich per Telekommunikation verschlüsselt in die Lichtspielhäuser übertragen und dort decodiert werden. Die Kinos lassen sich in verschiedene Rubriken einteilen, wie – Familienkinos mit breitgefächertem Programmangebot (Middle of the Road), – Actionkinos, vorwiegend in Großstädten, für männliche Jugendliche, – Studiokinos für anspruchsvolle, internationale Filme, – Filmkunstkinos mit Theateranspruch, noch über Studiokinos angesiedelt, – Programmkinos, vorwiegend in Großstädten, für Intellektuelle, häufig wechselnde Programme, – Sexkinos mit nicht jugendfreiem Programm, – Pornokinos, oft in clubähnlicher Atmosphäre mit Nebenleistungen,

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– Autokinos mit Parkplatzprojektion, – Verzehrkinos mit komfortabler Atmosphäre, – Raucherkinos (ansonsten ist Rauchen im Kinosaal verboten), – Truppenkinos in unmittelbarer Nähe von Kasernen / Soldatenwohnheimen, – Wanderlichtspiele mit mobilem Standort etc., – Cityplex-/Multiplexkinos mit mehreren Vorführsälen und Unterhaltungsange­ boten, – Imaxkinos mit überdimensionaler Leinwand, nur noch sehr geringer Anteil, – X$-Kinos mit Programm aus Videoverwertungen zu niedrigen Eintrittspreisen. Als Werbeformen kommen im Filmtheater die Folgenden in Betracht: • Kinospot bis 30 Sek.: Die Laufzeit beträgt vier aufeinander folgende Wochen, die Kostenabrechnung erfolgt sekundengenau. Die Mindestlänge von Spots beläuft sich auf 13 Sek. Dazu wird eine digitale Vorlage (Master) angeliefert. Diese wird von Verleihern für verschiedene Werbefilmvorspänne entsprechend kopiert. • Kinofilm ab 30 Sek.: Die Laufzeit beträgt eine Kinowoche (jeweils von Donnerstag bis Mittwoch), die Kostenabrechnung erfolgt sekundengenau. Dazu wird eine digitale Vorlage (Master) bereitgestellt. Die Projektion erfolgt vor Ort auf digitaler Basis. Allerdings stellen die hohen technischen Umstellungskosten immer noch ein Hindernis dar, das durch Subventionierung überbrückt wird. Die Bildwechselfrequenz beträgt 24 Bilder pro Sek. Als Formate stehen 1 : 1,37 (Breitbild)/1 : 1,66 (Breitwand)/1 : 1,87 (amerikanische Breitwand)/1 : 2,35 (Cinemascope) zur Verfügung. Die maximale Lautstärke liegt bei 82 dB. Dazu gehört eine 5 + 1-Kanal-Tonwiedergabe (links vorn, rechts vorn, Center, Subwoofer, links hinten, rechts hinten). Dabei kommen vor allem Raumklang-Systeme zu Einsatz wie Dolby SR Surround, Dolby SRD Digital, Dolby DTS Digital Timecode, Sony SDDS Dynamic Digital Sound. Die Vorführkosten sind abhängig von Einsatzzeitraum (Monat) und Länge. Die Vorführung erfolgt in Blöcken vor dem Vorprogramm und zwischen Vor- und Hauptprogramm. Sonderwerbeformen ergeben sich durch Events (Promotions), Teameinsatz (im Kinofoyer), Displays (Aufsteller) oder Eintrittskartenbedruckung (Ticket-Rückseite). Werbefilme bedingen neben den dafür aufzuwendenden Schaltkosten auch die Deckung der Produktionskosten. Denn das Zeigen eines Werbefilms setzt immer erst einmal das Vorhandensein eines solchen Films voraus. Zu warnen ist hier vor eher belustigenden Amateurproduktionen. Man bedenke, dass man sich mit solchen Machwerken im Umfeld höchstprofessionell produzierter Filme befindet, da-

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bei also nur verlieren kann. Dann kommt schon eher Standbildwerbung (Slide) in Betracht. Die Werbung findet in Blöcken jeweils vor dem Vorprogramm und dem Hauptprogramm statt. Darüber hinaus sind vielfache Sonderwerbeformen möglich, wie • Aufsteller, Banner, Plakate, Gratispostkarten (Edgar-Freecards), KinokartenRückseite, Bodengrafiken (Floor-Graphics), Türgrafiken (Door-Grapics), Thekenaufsteller, Monitorscreens, Tischaufsteller, Popcorntüten, Spiegel-/Sanitärraumplakate, Flyer, Sampling-/Promotionaktionen etc.

3.3 Medienprofil Außenwerbung Bei der Plakatwerbung stehen stationäre und mobile Formen zur Verfügung. Zunächst zu den stationären. Großflächen sind Plakattafeln im 18/1-Bogen-Format, die auf privatem Grund angebracht sind und durch Pachtunternehmen an Werbungtreibende vermittelt werden. Die Anschlagdauer beträgt eine Dekade (10 bzw. 11 Tage), die Dekaden laufen in versetzten Blöcken, pro Jahr gibt es 32 Dekaden. Als sehr gute Ausdeckung gilt eine Relation von einer Stelle auf 3.000 Einwohner am Ort, die Mindestausdeckung sollte nicht unter 1 : 4.500-Relation betragen. Die Plakatflächen sind einzeln bei Pachtunternehmen zu buchen, die besten Stellen sind im Rahmen von Netzen dauervermittelt. Das Superposter (40/1-Bogen-Format) ist formatproportional zur Großfläche und drei Meter über dem Erdboden, quer zur Fahrbahn und sehr gut einsehbar angebracht. Ganzstellen befinden sich auf öffentlichem Grund und haben meist die Form von modernen Litfaßsäulen. Sie werden rundum von einem Werbungtreibenden belegt. Die Vermittlung ist von der Gemeinde wiederum an Pächter abgetreten. Es sind jeweils alle Stellen am Ort zu belegen (in Großstädten auch Halb-, Dritteloder Viertelbelegung). Allgemeinstellen sind Säulen und Tafeln bzw. elektrische Roll over-Boards auf öffentlichem Grund, die von mehreren Werbungtreibenden gemeinsam belegt werden, indem jeder von ihnen Plakate in größenanteiligem Format anbringt (früher Litfaß­säulen). Kleintafeln sind Anschlagstellen im 4/1- oder 6/1-Bogen-Format. Sie stehen oft in der Nähe von Einkaufszonen, vor Häusergiebeln und an Verkehrsknotenpunkten. Spezialstellen sind weitere, nicht näher kategorisierbare Anschlagformen an Bauzäunen, auf Messegeländen etc. (davon abzugrenzen ist die nicht erlaubte wilde Plakatierung). Es wird davon ausgegangen, dass 90 % der erwachsenen Bevölkerung innerhalb einer Dekade mindestens einmal Kontakt mit einer Plakatfläche haben. Bei mobiler Außenwerbung handelt es sich um Verkehrsmittelwerbung auf Straßen-, U-, S-Bahnen und Omnibussen. Dazu werden Flächen an den Außenseiten, etwa am Rumpf des Fahrzeugs, an den Stirnseiten oder auf dem Dach sowie innen, etwa an den Seitenwänden, den Scheiben oder der Decke, für Werbung bereitge-

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stellt. Es ist auch eine Ganzbemalung möglich. Die Verkehrsmittelwerbung wird breit akzeptiert und erreicht eher mobile, aktive, konsumorientierte Personen. Sie bietet dort eine hohe Reichweite und Kontaktfrequenz sowie eine gute raum-zeitliche Steuerbarkeit. Akzidenzwerbung findet auf Flächen statt, die nicht primär der Werbung, sondern anderen Zwecken dienen (z. B. Lkw-Plane). Zur sonstigen Außenwerbung gehören verschiedene Formen. Citylight-Poster /  CLP sind beleuchtete, hinter Glas geschützte Flächen an den Haltestellen der öffentlichen Nahverkehrsmittel (4/1-Bogen-Format), die sowohl von der Haltestelle selbst aus als auch vom vorüber fahrenden Straßenverkehr gut einsehbar sind. Deshalb sind diese Stellen auch teuer und auf lange Sicht ausgebucht. Vergleichbar ausgestattete Stellen gibt es an öffentlichen Plätzen, Stadtinformationsanlagen, Bahnhöfen etc., auch im 18/1-Bogen-Format mit zwei alternierenden Motiven hinter Glas geschützt. Shopping Center-Stellen sind Plakatflächen (Großflächen oder Superposter) auf Parkplätzen vor Einkaufszentren und Verbrauchermärkten. Hier kann potenziellen Käufern vor Betreten der Geschäftsstätte ein letzter Werbeanstoß gegeben werden. Als Dauerwerbung bezeichnet man Fassaden-, Dach- und Giebelwerbung sowie sonstige Schilderwerbung. Diese dient meist der Kennzeichnung des Geschäftsorts oder der reinen Erinnerungswerbung. Als Werbetechnik bezeichnet man Luftwerbung (z. B. Banner, Spruchbänder, Himmelsschreiber), Lichtwerbung (z. B. Leuchtreklame) und Laufwerbung (z. B. Textdisplays), Werbung auf Uhrensäulen, Wetteranzeigen, in Vitrinen, Videosäulen etc. Je einfacher und prägnanter dabei die Werbeaussage gehalten ist, desto höher ist ihre Durchsetzungschance. Stark im Kommen ist die Digital Out of Home-Werbung (DOOH) auf digitalen Werbeflächen wie großflächigen LED-Leinwänden, Outdoor Screens und Info-Displays. Dies ermöglicht Bewegtbildprojektionen und die Einbindung mobiler Telcom-Endgeräte. Schwierig sind die technische Umsetzung (GPS, Bluethooth), der Kontrast bei hoher Umgebungshelligkeit, die hohen Kosten bei Vandalismus und der Licht-Smog bei Dunkelheit. Ambient Media bilden das Sammelbecken für alle Formate, die Zielgruppen werblich „out of Home“, also außerhalb der Wohnung, nicht unbedingt im Freien, kontaktieren. Dazu gehören u. a. Werbemittel in Flughäfen, Freizeitparks, Restaurants, Fitness-Clubs, Schulen etc., aber auch Aufstellreiter, Spannbänder, 3-DStellen etc. sowie Werbeartikel.

3.4 Sonderform Fachwerbung Werbung in Fachmedien (Professional Interest-Titel, s. o.) betrifft die Ansprache von Personen in ihrer Eigenschaft als Berufsverantwortliche. Damit kommt der Fachwerbung eine grundsätzlich andere Bedeutung zu als der Publikumswerbung.

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

Werbung wird in diesem Zusammenhang eher als berufsbedingte Information aufgefasst denn als verführerischer Schein. Dementsprechend sind Inhalt und Stil auch verschieden von dem der Publikumsansprache. Es werden primär geschäftsrelevante Argumente ausgelobt, wobei von der Anmutung her nicht selten die Endabnehmerwerbung, falls vorhanden, aufgegriffen wird. Die Inhalte beziehen sich jedoch auf Themen wie Leistungsfähigkeit, Verkaufserfolg, Testmarktergebnis, Kostenersparnis etc. Diesen Argumenten kommt in der Fachwerbung eine nicht minder hohe Emotionalität zu, obgleich sie scheinbar rational ausgelegt sind. Dies ist auch völlig in Ordnung so, handelt es sich doch unzweifelhaft nach wie vor um Menschen, die umworben werden, die eher gefühls- denn verstandesgesteuert sind. Die Vielfalt der Mediengattungen reduziert sich auf Printmedien, vor allem Zeitungen und Zeitschriften (z. B. Lebensmittelzeitung, Textilwirtschaft). Innerhalb dieser Mediagattung gibt es zwar eine beinahe unüberschaubare Vielzahl von Titeln. Da jedoch der Fachwerbung meist eine Branchengliederung zugrunde liegt, reduziert sich diese Auswahl tatsächlich auf wenige Titel je Branche. Nun reicht das Fachwerbungsbudget regelmäßig nicht aus, eine Belegung aller Titel einer Branche zu finanzieren. Insofern hat auch hier ein Intramediavergleich stattzufinden. Allerdings liegen nicht, wie im Publikumsbereich, aussagefähige Markt-Media-Analysen vor, die eine objektivierte Entscheidungsanleitung bieten. Vielmehr gibt es nur werbeträgereigene Daten, die mit Vorbehalten zu betrachten sind. Ein wichtiger Anhaltspunkt ist die Auflagenzahl. Falls diese IVW-geprüft (Infor­mationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern) ist, ist sie verlässlich, ansonsten unterliegen die Zahlen erheblichen Unwägbarkeiten. Gleichfalls ist wichtig, Informationen über die Leserschaft einzubeziehen. Und zwar nach Branche, Hierarchiestufe und Funktion getrennt. Daraus ergeben sich Anhaltspunkte darüber, ob die intendierten Zielpersonen auch tatsächlich eine Chance haben, durch einzelne Titel erreicht zu werden. Fachtitel sind wegen ihres arbeitsspezifischen Inhalts meist Pflichtlektüre für Berufsverantwortliche. Sie helfen, Markttrends zu erkennen, Neuheiten gewahr zu werden, Brancheninteressen zu erfassen, die Qualifikation zu steigern etc. Dementsprechend besitzen die Anzeigen darin ihrerseits höhere Chancen der Beachtung als im Publikum. Insofern kann Werbeträgerkontakt ausnahmsweise gleich Werbemittelkontakt gesetzt werden. Oft verfügen Verlage über Ergebnisse von Leserbefragungen, über Copytest-Daten oder Rücklaufzahlen aus dem elektronischen Dialogangebot des Verlags, Responseelement etc. Daraus lassen sich weitere Anhaltspunkte ableiten. Schließlich sind auch die Insertionskosten von Bedeutung, die sich allerdings überwiegend, in Relation zu den Druckvorlagenkosten, in engen Grenzen halten. Entscheidenden Aufschluss gibt die Durchsicht von Musterexemplaren der Fachtitel. Daraus sind Elemente wie Papier- und Reproduktionsqualität, Seitenumfang, Anzeigenanteil, redaktioneller Stil etc. ersichtlich. Meist gibt es je Branche auch

3. Klassische Medien

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Pflichttitel, die von praktisch allen relevanten Entscheidern gelesen werden. Dabei ergibt sich generell das Problem der Bestimmung von Entscheidungsträgern im Rahmen multipersonaler Entscheidungsprozesse. Insofern geht es nur um die Ergänzung dieser obligatorischen Titel um fakultative. Hinsichtlich des Werbetiming gibt es meist je Branche Saisonhöhepunkte, die allein aus Präsenzgründen („Flagge zeigen“) Insertionen zu diesem Termin erfordern. Dazu zählen nationale und internationale Messetermine. Außerdem gibt es Schwerpunktausgaben, die Themenkreise aufgreifen und sich zur Belegung anbieten. Schließlich gibt es die Orderzeit (z. B. für Süßwaren im Frühsommer), um eine etwaige Aktualisierung zu bewirken. Aufgrund einer gewissen Abhängigkeit der Fachtitel von den Branchenwerbungtreibenden sind diese zu Zugeständnissen bereit. So sind oft erhebliche Nachlässe gegenüber der Preisliste vereinbar. Außerdem sind Platzierungen auf der Titelseite möglich. Auch können unternehmensbezogene Nachrichten als Gegenleistung für Anzeigen im redaktionellen Teil (einer anderen Ausgabe) abgedruckt werden. Hinzu kommt die Möglichkeit zu Interviews, Titelstorys oder Unternehmens­ porträts. Fortdrucke dieser Ausgaben werden den Werbungtreibenden zur Verfügung gestellt. Oft hält Fachwerbung die Kontaktbrücke als Basis zu allen Kunden, wobei A- und B-Kunden zusätzliche Aktivitäten der Direktansprache erfahren.

3.5 Medialeistungswerte Der Intramediavergleich (Vergleich der Werbeträger innerhalb einer Mediagattung) in der Mediaplanung hat zum Inhalt, die bestgeeigneten Werbeträger innerhalb jeder Gattung zu bestimmen. Oft wird die Ansprache über nur eine Mediagattung als nicht ausreichend angesehen oder eine Arbeitsteilung der Medien hinsichtlich der ausgesendeten Botschaftsformen und -inhalte als notwendig erachtet. Dies erfordert die Festlegung einer Mediastrategie, in der es im Wesentlichen um die Analyse des Wettbewerbs­verhaltens (Ausweichen, Begegnen, Dominieren des Mitbewerbs), den einzusetzender Medien-Mix (Aufteilung klassische und nicht-klassische Medien), vorgesehenen Werbezeitraum und Werbegebiet und die Medienausstattung (Größe / Länge, Farbigkeit) geht. Dabei sind Forderungen in Bezug auf Reichweite, Kontaktintensität, Affinität und Wirtschaftlichkeit an die Medialeistung zu erfüllen (siehe Abbildung 112: Medialeistungswerte). Eine möglichst vollständige Abdeckung der definierten Zielgruppe durch die ausgewählten Medien, d. h., Auslassung möglichst weniger Zielpersonen, die durch Medien nicht erreicht werden, verhindert Streulücken. Die Messgröße zur Erreichung dieser Vorgabe ist die Reichweite. Dies ist die Anzahl aller Zielpersonen, die mindestens einmal die Chance haben, mit einem Werbeträger und damit mit dem darin befindlichen Werbemittel in Kontakt zu geraten. Die wirksame Reich-

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

Abbildung 112: Medialeistungswerte

weite ergibt sich nur oberhalb einer Mindestkontaktfrequenz bzw. zwischen definierten Kontaktschwellen. Die absolute Zahl wird auch als Anteil der erreichten an allen Zielpersonen ausgewiesen (Reichweite in %). Hohe Reichweitenwerte bedeuten demnach eine große Verbreitung der Werbebotschaft in der Zielgruppe. Bei Mehrfacheinschaltungen in einem Werbeträger ergibt sich ein Reichweitenzuwachs, der abhängig vom Anteil fluktuierender Nutzer dieses Werbeträgers ist. Interne Überschneidungen entstehen, wenn Personen im Zeitablauf mehrere Ausgaben / Ausstrahlungen des gleichen Werbeträgers nutzen. Externe Überschneidungen kommen durch Personen zustande, die mehrere Werbeträger parallel nutzen (dies ist etwa bei Tarifkombinationen aus zwei oder mehr Werbeträgern der Fall). Möglichst häufiger Kontakt zwischen den ausgewählten Medien und der definierten Zielgruppe bedeutet die Umsetzung vielfältiger Werbemittelanstöße. Die Messgröße zur Erreichung dieser Vorgabe ist die Kontaktintensität. Sie stellt die gesamte Anzahl der Werbeträgerkontakte bei Zielpersonen dar und kann als durchschnittliche Kontaktfrequenz je Person ausgewiesen werden oder als Summe der absolut erzielten Werbeträgerkontakte innerhalb der Zielgruppe. Die Kontaktstreuung gibt an, innerhalb welcher Zeiträume wie viele Personen angesprochen werden. Die Kontaktverteilung gibt an, wie sich die Zahl der Kontakte über alle erreichten Personen nach Häufigkeit und Kontaktklassen verteilt. Die Kontaktdosis gibt die gewünschte Mindestzahl von Kontakten je Zielperson an, die für eine Werbewirkung vorausgesetzt wird (praktisch wird meist von sechs Durchschnittskontakten als Minimum ausgegangen). Die Kontaktintensität kann durch mehrmalige Einschaltungen in einem Werbeträger erreicht werden oder durch jeweils einmalige Einschaltung in mehreren Werbeträgern oder mehrmalige Einschaltungen in mehreren Werbeträgern. Ein möglichst genaue Übereinstimmung der Nutzerschaft der ausgewählten Medien mit der definierten Zielgruppe schafft die Erreichung möglichst weniger Mediennutzer, die nicht zur Zielgruppe gehören. Die Messgröße zur Erreichung dieser Vorgabe ist die Affinität. Sie ist der prozentuale Anteil der Reichweite bei Zielpersonen an der gesamten Reichweite eines Werbeträgers und damit ein Maß für dessen Fehlstreuung, d. h., Streuverluste durch Kontakte über den belegten

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Werbeträger zu Personen, die nicht der definierten Zielgruppe angehören. Dieser Wert wird auch als Affinitätsindex in Relation zum Anteil der Zielgruppe an der Gesamtbevölkerung ausgewiesen. Hohe Indexwerte (> 100) bedeuten dabei hohe Affinität bzw. geringe Fehlstreuung und umgekehrt. Damit wird der Effekt aufgedeckt, dass reichweitenstarke Werbeträger absolut mehr Personen der Zielgruppe erreichen als reichweitenschwache. Tatsächlich werden zugleich aber immer auch mehr Personen, die nicht zur Zielgruppe gehören, erreicht, die mediatechnisch also irrelevant sind, in deren Tarifpreis jedoch mitbezahlt werden müssen. Reichweitenschwache Werbeträger erreichen zwar absolut weniger Zielpersonen, relativ zu ihrer gesamten Reichweite aber auch weniger Nicht-Zielpersonen, die als Fehlstreuung die Wirtschaftlichkeit belasten. Eine möglichst kostengünstige Realisierung von Reichweite und Kontaktintensität mit den ausgewählten Medien in der definierten Zielgruppe bedeutet bestes Preis-Leistungs-Verhältnis bezogen auf Mediennutzerschaft und Kontakthäufigkeit. Die Messgröße zur Erreichung dieser Vorgabe ist die Wirtschaftlichkeit. Sie bringt als Leistungswert die Einschaltkosten ins Kalkül. Dazu werden die Leistungswerte Reichweite und Kontaktintensität als 1.000 Nutzer-Preis der Kosten je 1.000 mindestens einmal erreichter Zielpersonen als Leser, Seher, Hörer, sowie als 1.000-Kontakt-Preis der Kosten je 1.000 realisierter Kontakte in der Zielgruppe ausgewiesen. Werbeträger mit gleichem Tarifpreis führen so bei unterschiedlicher Reichweite bzw. Kontaktintensität zu abweichender Wirtschaftlichkeit, ein höherer Tarifpreis führt c. p. zu geringerer Wirtschaftlichkeit und umgekehrt. Diese Messgrößen Reichweite, Kontaktintensität, Affinität und Wirtschaftlichkeit stehen aufgrund entsprechender repräsentativer Erhebungen mittels computergestützter Zählverfahren zur Auswertung zur Verfügung (Markt-Media-Analysen). Alle erfassten Werbeträger werden nach einem dieser Kriterien gerangreiht. Durch Mediaexperten ausgewählte von ihnen werden sodann nach Menge und Frequenz zu alternativen Plankombinationen zusammengestellt. Die Plankombination mit dem besten Ergebnis in Bezug auf den präferierten Leistungswert bestimmt die zu belegenden Werbeträger. Da bei gleicher Budgethöhe regelmäßig ein Zielkonflikt zwischen Reichweite und Kontaktintensität bzw. 1.000 Nutzer-Preis und 1.000 Kontakt-Preis besteht, wird als Kompromiss der GRP-Wert (Gross Rating Points) angeführt. Er gibt die Bruttokontaktsumme einer Plankombination je 100 Zielpersonen an und entsteht, indem die Werte für Reichweite (in %) und Kontaktintensität (als Durchschnittskontakt) miteinander multipliziert werden. Der Mediaplan mit dem höheren GRPWert ist dann der über beide Leistungswerte insgesamt zu bevorzugende. Parallel kann auch der Preis je GRP-Punkt ausgewiesen werden. Dennoch bleiben erhebliche Probleme, über welche die minutiöse Detailplanung nicht hinwegtäuschen darf. Dazu gehören etwa folgende:

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung Tabelle 17 Rangreihung (Beispiel), Quelle: nach Schnettler / Wendt

• Wirkungsvergleiche zwischen verschiedenen Mediagattungen im Intermediavergleich, also Anzeigen, Spots und Plakate, sind in gewisser Weise beliebig und stark angreifbar. Konventionen innerhalb von Multi-Medien-Analysen können hier nur als Vehikel dienen. • Der Einfluss der Kontaktqualität in der Mediaplanung ist limitiert, obgleich ihr tatsächlich eine sehr hohe Bedeutung zukommen dürfte. Dem stehen nicht zuletzt Interessen der Werbungdurchführenden entgegen. • Alle Ausrechnungen basieren auf Werbeträgerkontakten, statt wie wünschenswert auf Werbemittelkontakten. Inwieweit die Angaben der Befragten belastbar

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sind (Prestigeeffekt, Tabuisierung, Vergessen, Verwechseln etc.), ist zudem jenseits aller Scheinexaktheit sehr fraglich. • Subjektive Wertungen des Mediaplaners, die interpersonal nur schwer nachvollziehbar sind, aber mit Expertise begründet werden, lassen die statistische Basis obsolet werden, die ja gerade zu einer Objektivierung der Bewertung dienen soll. • Als Basis dienen jeweils Daten, die von Interessensparteien erhoben worden sind, so dass ein verzerrender Ausweis nicht von der Hand zu weisen ist. Allerdings ergeben sich zunehmend Interessendivergenzen zwischen den Media­ beteiligten.

3.6 Mediadurchführung Die Durchführung der Werbemaßnahmen baut auf einem Mediaplan auf, der sinnvollerweise Angaben zu Werbeträgern, Einschaltungen, Werbemittelausstattungen, Motiven, Sondervereinbarungen und Einschaltkosten enthält. Daneben gibt es weitere Übersichten: • Der Streuplan ergibt sich aus der Notwendigkeit zur Bestimmung der zeitlichen Verteilung des Mediaeinsatzes. Dieser ist eine optische Darstellung der zeitlichen Verteilung der Einschaltungen in Werbeträgern in Form eines Kalendariums. Die Kennzeichnung der Einschaltungen erfolgt durch Kreuze in der Woche des Erscheinungstermins bzw. Balken für die Dauer der Werbeträgerauflage. • Der Kostenplan enthält im Einzelnen Angaben zu belegten Werbeträgern, Ausstattungen, Belegungsfrequenz, Einschaltkosten, Rabattierungen und Nettopreisen verschiedener Abstufungen. Die Kosten enthalten dabei je nach Abrechnungsform 15 % AE-Provision, die Werbungdurchführenden an Werbungsmittler als Entgelt für die Auftragsvermittlung erstatten. • Aus der Vorauszahlungsübersicht gehen Art, Anzahl und Höhe der Zahlungen für den Mediaeinkauf hervor sowie die Überweisungstermine, die bei Nichteinhaltung zum Auftragsrücktritt führen. Sofern der Einkauf durch eine Mediaagentur getätigt wird, gehen entsprechende Zahlungen zunächst vom Werbungtreibenden an den Werbungsmittler und von diesem an den Werbungdurchführenden. Dies ist nötig, da es sich um größere Beträge handeln kann und Liquidität nach Ablauf der Stornofrist zwingend ist. • Beim Produktionsplan handelt es sich um eine Übersicht der zu erstellenden Produktionsvorlagen. Im Einzelnen sind darin aufgeführt Werbeträger, Ausstattungen, Einschalttermine, Produktionsverfahren, Einschaltvorlagen, Motive, Versandadressen und Deadlines zur Vorlageneinreichung. Alle Kostenbeträge und Produktionsvorlagen für nicht-klassische Werbemittel sind somit in gesonderten Plänen zu erfassen. Dabei geht man am besten mit einer exakten Beschreibung des Werbemittels wie folgt vor:

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

• Format, Farbigkeit, Auflage, Anzahl der Abbildungen, besondere Ausstattungsmerkmale (wie Stanzung, Prägung etc.), besondere Verarbeitungsmerkmale (wie Heftung, Falzung etc.), Terminierung. Unbedingt empfehlenswert ist auch die Führung einer Projektliste. Diese wird jeweils zum Wochenanfang aktualisiert und gibt Auskunft über den Arbeitsstand jedes Werbeprojekts. Dazu sind die folgenden Spalten in einem Arbeitsblatt / einer Bildschirmmaske vorzusehen: • Projekt-Nummer (wichtig für die Kostenzurechnung), Projekt-Bezeichnung, Status des Projekts, Nächste Schritte, Zuständigkeit (intern oder extern) und Termin.

4. Web 1.0-Onlinemedien Die Web 1.0-Medien machen einen immer größeren Anteil der Werbeaufwendungen aus. Für diese Medien ist eine Mediaplanung erforderlich. Bei Web 1.0-Medien handelt es sich um die „älteren“ der Online-Medien (1. Generation) im Halbduplex-Modus, d. h. bei abwechselndem Senden und Empfangen. Der Kommunikator stellt einen Botschaftsinhalt im Internet bereit, auf den Rezipienten reagieren können. Die Kommunikation ist also im Regelfall vertikal angelegt. Als Werbemedien kommen vor allem in Betracht die Corporate Website (4.1), die Display-Werbung (4.2), die E-Mail-/Newsletter-Werbung (4.3) und die Suchmaschinenwerbung (4.4) (siehe Abbildung 113: Web 1.0-Medien). Der Werbeeinsatz wird in der Mediaplanung (4.5) festgelegt.

Abbildung 113: Web 1.0 Medien

4. Web 1.0-Onlinemedien

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4.1 Corporate Website 4.1.1 Charakteristika Die Corporate Website gilt als Plattform zur direkten Ansprache der Zielgruppen mit Ausweis produkt- und / oder unternehmensspezifischer Informationen in Form von Texten, Grafiken, Videos etc. Die Inhalte der Website hängen von der Zielgruppe und der intendierten Botschaft ab. Neben der Grafik kommt es besonders auf die Funktionalitäten an. Die Homepage dient als Einstiegsseite und gibt zugleich einen Überblick über das Website-Angebot. Sie ist häufig entscheidend für den Verbleib in der Site oder das Weiterwandern (Surfen) zu anderen Sites. Die Website gliedert sich zumeist in verschiedene Teilbereiche, die auf der Homepage angezeigt werden. Eine vorgeschaltete Welcome Page ist zwischenzeitlich unüblich. Wichtig ist dabei eine einfache und exakte Führung der Nutzer durch die Website (Navigation), damit diese sich nicht im Angebot verlieren. Dazu dient meist eine Navigationsleiste mit Steuerbefehlen. Auch ist eine vorgegebene Verkettung der Seiten zweckmäßig (Kuratierung), um didaktische Aspekte bei der Nutzung zu berücksichtigen. Die Bekanntmachung der eigenen URL erfolgt in klassischen und nicht-klassischen Medien, in Präsenzen des Unternehmens und in der Geschäftsausstattung (Stationery). Eine der wichtigsten Entscheidungen betrifft dabei die Wahl eines zweckmäßigen Domain-Namens. Dieser muss nicht notwendigerweise mit der Firma übereinstimmen, aber einprägsam, positiv assoziierend und eindeutig schreibbar sowie vor allem frei verfügbar sein. Bei der Registrierung empfiehlt es sich, evtl. variierende Schreibweisen mit reservieren zu lassen und dann eine Umleitung zur gewünschten URL einrichten. Dies gilt auch für verschiedene „Enddomains“ (.de, .com). Damit der Name gefunden werden kann, ist der Eintrag bei Suchmaschinen erforderlich. Dies erfolgt entweder manuell bei jedem einzelnen Suchmaschinenanbieter oder man beauftragt einen seriösen Regis-trierungsdienst mit der Eintragung in die einschlägigen Suchmaschinen. Dies bietet den Vorteil, dass man den Eintrag im Ranking der Treffer beeinflussen kann. Ansonsten besteht die Gefahr, dass gleich lautende Mehrfacheinträge den Spam-Filter von Suchmaschinen aktivieren und die Quelle nicht mehr ausgewiesen wird. Wichtig ist dabei die Wahl der Suchwörter, hier müssen nicht unbedingt die im Text der Website benutzten Begriffe verwendet werden, wenn andere, verwandte aussagefähiger scheinen. Basis für die Gestaltung eines WWW-Auftritts ist ein geeignetes Profil der gewünschten Besucher der Präsenz. Die Besucher sind allgemein anonym, allerdings gibt es über Cookies o. Ä. die Möglichkeit der sukzessiven Profilierung jedes einzelnen Nutzers. Dazu wird vom Webserver des Websitebetreibers ein Datensatz im Browser des Websitebesuchers hinterlegt, der aus einem Namen / Textwert besteht und eine unbestimmte oder meist bestimmte Lebensdauer (30/60 Tage) hat. Die-

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

ser enthält Informationen wie Besuchsdauer des Nutzers, geografische Herkunft, Klickpfad und Endgerät, Präferenzen und Browsereinstellungen des Nutzers. Erfasst werden u. a. Passwort beim Log-in, Registrierung von Produkten, Spracheinstellung der Website, Eingaben des Nutzers. Diese können allerdings nur im selben Browser zugeordnet werden. Man unterscheidet verschiedene Arten von Cookies: • technisch notwendige/essenzielle Cookies, z. B. Warenkorb-Cookie beim Online-Shopping, diese sind vom Nutzer nicht deaktivierbar, sondern nur im Browser generell abschaltbar, • funktionelle Cookies zur Website-Funktionalität, z. B. Spracheinstellung (auf anonymisierter Datenbasis), sie verbessern die Nutzererfahrung, sie sind deaktivierbar, • Performance Cookies, diese werden vom Website-Betreiber gesetzt (First Party), um z. B. Ladezeiten oder das Verhalten innerhalb einer Website zu erfassen, sie sind zustimmungspflichtig, • Tracking-/Werbe-Cookies, sie erlauben es, Nutzer zu markieren und als Third Party Cookies deren Online-Verhalten auch über verschiedene Websites hinweg zu verfolgen. Dafür ist eine ausdrückliche Einwilligung nötig. Durch Cookie-Auswertung werden Informationen kumuliert, die einen immer besseren Eindruck des Nutzerprofils erlauben. Ab einer gewissen Kritischen Masse sind auf dieser Basis individualisierte Informationsangebote möglich, die den manifestierten Interessen aus dem Nutzerprofil entsprechen und Rohstoff der Mediaplanung sind. Bei der Internet-Präsenz handelt es sich um einen Pull-Kanal, d. h., es sind nur Teilnehmer erreichbar, die sich schon irgendwo im Netz befinden. Daher muss ein Anbieter konstitutiv zunächst die Aufmerksamkeit der Teilnehmer wecken und auf seine eigene Präsenz lenken. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Erstens kann über Offline-Kanäle auf die Präsenz hingewiesen werden, etwa durch Verweis in Anzeigen, TV-Spots, Prospekten, Geschäftspapieren etc. Zweitens kann in anderen Präsenzen auf die eigene Präsenz hingewiesen werden, meist geschieht dies im Tausch bilateral oder multilateral über Affiliate-Netzwerke. Damit erreicht man die Nutzer dieser Sites, und zwar umso mehr, je stärker diese Sites frequentiert werden. Dennoch wird eine Internet-Präsenz nur aufgesucht werden, wenn Besucher sich einen konkreten Nutzen davon versprechen. Im Kern geht es um zwei Nutzenangebote: Information und Unterhaltung, kombiniert zu Infotainment. Entsprechend müssen die Inhalte der Anbieter zugeschnitten sein. Zwar ist der einmalige Besuch einer Internet-Präsenz schon gut, aber wirklich nutzbringend ist erst der wiederholte Besuch durch ein und denselben Nutzer. Dafür kann man im Browser Adressen, zu denen man wiederkehren will, als Lesezeichen (Bookmarks) kennzeichnen. Allerdings bedarf es einer nutzerseitigen Motivation zur Wiederkehr. Diese wird vor allem durch Serviceangebote aus Information

4. Web 1.0-Onlinemedien

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und / oder Unterhaltung erreicht, auf die ein mehrfacher Zugriff subjektiv lohnend erscheint. Denkbar ist auch die Verteilung von Mitteilungen an identifizierte Nutzer per E-Mail, einmalig oder wiederholt (Newsletter). Das undifferenzierte Versenden von Nachrichten als Spamming ist hingegen, zumindest gegenüber Privatpersonen, verboten und verstößt bei Gewerbetreibenden auch gegen die selbst gesetzten Verhaltensregeln im Internet (Netiquette). Dabei ist die pure Faszination an der modernen Technik als zielloses, zufälliges Surfen längst von der zielgerichteten Suche nach bestimmten Inhalten abgelöst worden. Insofern steht die Hoffnung auf Zufallskontakte mit der eigenen Präsenz auf immer schwächeren Beinen. Vielmehr ist eine bewusste Kanalisierung des Zugriffs erforderlich.

4.1.2 Funktionalitäten Die Wahl einer passenden Domainadresse ist sehr entscheidend. Eine komplette URL besteht aus Dienst (z. B. www), Protokoll (z. B. http), der eigentlichen Domainadresse und der Top Level Domain (z. B. de). Der Dienst zeigt an, welchen Online-Service man gerade nutzt, das Protokoll zeigt die technische Verbindungsbasis an, die Top Level Domain gibt Auskunft über die Herkunft bzw. den Inhalt der Website, z. B. com, biz, net, org. Jeder kann beliebig viele Domains registrieren lassen. Dabei gilt grundsätzlich das Prinzip der zeitlichen Priorität. Um die Anzahl möglicher URLs zu erhöhen, sind mit der Zeit zahlreiche neue Top Level Domains eingeführt worden, auch die Domainadressen sind flexibilisiert worden, z. B. nur zwei Buchstaben. Besteht keine zeitliche Priorität, kann evtl. dennoch eine Domain gerichtlich erstritten werden. Ein Unternehmen kann etwa die Herausgabe seines Namens als Domain verlangen, wenn die überwiegende Mehrzahl der Nutzer das Unternehmen unter dieser Adresse erwartet und nicht den tatsächlichen Halter mit zeitlicher Priorität. Auch die Verwechslung mit Markennamen ist zu vermeiden, dazu ist ein zeichenrechtlicher Kurzcheck beim DPMA möglich. Die Prüfung freier Domainnamen erfolgt unter denic.de für .de-Domains oder bei einem Webhoster. Bereits vergebene Domains können evtl. gekauft werden, z. B. sedo.de. Bei besonders gesuchten, generischen Domains stimmen Suchbegriff und Domainname überein (z. B. Preisvergleich), möglich sind auch Zwei-WortDomains, meist mit Bindestrich verbunden. Bei mehr als zwei Worten besteht die Gefahr der Verwechslung mit Suchmaschinen-Spammers. Die Top Level-Domain ist der letzte Teil des Domainnamens (z. B. com), Second Level-Domains tragen den Hostnamen, z. B. audi, Third Level-Domains reservieren einen Namensbereich innerhalb der Domain (z. B. www). Weitere Elemente der URL sind das Protokoll (z. B. https) vorab und nach einem Querstrich (Slash) der Verzeichnispfad. Eine Website wird vor allem durch inhaltliche (Text, Bilder), emotionale (persönliche Ansprache, Farben) und interaktive Elemente (Hyperlinks, Kontakt-

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

möglichkeiten, Konfigurator) gekennzeichnet. Die Texte sind jeweils mit kurzer Zusammenfassung am Anfang zu versehen. Aufzählungen und Zwischenüberschriften helfen bei der notwendigen Strukturierung. Wichtig sind eine leichte Lesbarkeit und die Vermeidung unnötiger Anglizismen / Fremdwörter. Wichtige Textelemente sind die Headline mit max. sechs Wörtern und im Übrigen selbsterklärend, die Subline / Skyline zur Erläuterung der Headline, ein Teaser als Vorspann, der eigentliche Fließtext, zunächst mit den wichtigen Fakten, dann mit Einzelheiten, dann in Vertiefung. Die Formulierung soll aktiv, d. h. Verben anstelle von Substantiven, in der Sprache der Zielgruppe, ohne Füllwörter, ohne Schachtelsätze, mit kurzen Wörtern und Absätzen bei jedem neuen Gedanken, erfolgen. Bilder sollen authentisch und mit einer Unterzeile versehen sein, Bild und Text sollen sich dabei nicht doppeln, sondern einander ergänzen. Die Lesegeschwindigkeit am Bildschirm ist weitaus niedriger als bei Print, die Auflösung ist deutlich geringer, so dass Schlüsselwörter zur Kennung verwendet werden sollen. Denn Seiteninhalte werden zunächst meist grob überflogen und auf relevante Informationen hin durchsucht, die Verarbeitungstiefe ist gering (Scanning). Danach werden Kernlemente des Textes erfasst, die Lesegeschwindigkeit sinkt dabei (Skimming). Die wichtigsten Inhalte werden dann in vergleichsweise niedriger Geschwindigkeit gelesen und vollständig erfasst. Die Typographie sollte bekannte Schriften einsetzen, häufig wird „Verdana“ verwendet, die Schriftgröße sollte 9–11 Pkt. betragen, Versalien sind zu vermeiden. Der Zeilenabstand sollte 120 % der Textgröße betragen. Die Zeilenlänge ist auf 45–55 Zeichen oder elf Wörter einzustellen. Zeilenumbrüche sollten fest programmiert werden (harte Trennung). Als Schriftfarbe haben sich schwarz auf weiß oder blau auf weiß bewährt. Texte sind immer linksbündig zu setzen. Für die Gestaltung des Webauftritts sind ein Screenlayout mit Gestaltungsraster, Typographie und funktionalen Elementen wie Ladezeit, technische Darstellung etc. kennzeichnend. Webdesign ist dabei die Gestaltung von Webseiten nach den Kriterien Information und Funktionalität sowie Ästhetik und Unterhaltung. Texte werden im xHTML-Format eingegeben. Cascading Style Sheets (CSS) gelten für die Gestaltung von Farbe, Form, Anordnung und Gruppierung. Die Farbauswahl hat anhand eines kalibrierten Monitors (RGB) zu erfolgen, um Farbverfälschungen zu vermeiden. Höchstens drei Farben plus schwarz und weiß sind auf einer Seite zumutbar. Dabei sollen Komplementärfarben, also solche, die sich zu Grundfarben ergänzen und im Farbkreis gegenüber liegen, gemieden werden. Das Seitendesign wird sinnvollerweise in einer Minimalauflösung gestaltet (800 × 600 Pixels), was für Endgeräte mit kleinem Bildschirm (PDAs, Netbooks etc.) bedeutsam ist. Technisch möglich ist auch ein Seitendesign, das sich dem Bildschirmformat flexibel anpasst (Responsive Design). Für die Wiedergabe von Animationen muss der Browser evtl. um Plug-ins ergänzt werden, diese sind, wenn ansonsten unvermeidlich, als Download-Angebot auf der Site zu implementieren. Plug-ins beziehen sich auf Übertragungssicherheit, Kontaktformular, Google Ana-

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lytics-Integration, Ladegeschwindigkeit, Nutzerverwaltung, Newsletterintegration, E-Commerce-Funktionen, Affiliate Marketing, Slider, Social Media-Integration, Datenschutz, Bannerwerbung, Tags / Taxonomien, Spamschutz in Kommentaren, Cache-Management, Bildoptimierung, Datenbanken, E-Mail-Funktionen, Membership-Webseiten, mehrsprachige Websites, Pagebuilder, interne Verlinkung, Postings / RSS, CSS / HTML, Mobile Pages etc. Nur wenige Websites sind allerdings noch statisch aufgebaut, d. h. mit HTMLProgrammierung. Änderungen erfordern dann eine Änderung im Quelltext, dies setzt wiederum Programmierkenntnisse voraus. Auch muss die komplette Navigation jeweils angepasst werden. Eine Erleichterung bieten hier Wysiwig-Editoren (z. B. Macromedia), bei denen statt im Quelltext im angezeigten Seitentext gearbeitet wird, allerdings kann es dabei zu Fehldarstellungen kommen. Häufiger sind Content Management Systeme / CMS. Diese arbeiten auf Basis von Templates (Webseiten-Rahmen), in denen die Inhalte eingestellt werden. Die Verlinkung und die Übersetzung in Quelltext erfolgen automatisch. Erweiterungen erlauben darüber hinaus z. B. die Suchmaschinenoptimierung oder auch multimediale Inhalte. Wichtig ist der Aufbau der Website und der einzelnen Webseiten. Die Webseite ist meist nach Header als Kopfbereich, z. B. Logo, eigentlichem Inhalt und Footer mit z. B. Kontaktangaben, AGB, Partnern gegliedert. Die Startseite ist dabei die wichtigste. Da sie häufig wenig Inhalte trägt, wird sie durch Suchmaschinen nur unzureichend gefunden. Sinnvolle Inhalte einer Startseite sind ein Überblick über den Site-Inhalt, die interne Verlinkung zu Unterseiten und die Angabe der EMail-Adresse. Der Aufbau der Unterseiten sollte einer gängigen Struktur folgen, die beim Nutzer bereits durch den Besuch tausender anderer Seiten geprägt ist. Daher sollen sich Entwickler bei Benutzeroberflächen an vorgegebenen Standards (Styleguide)  orientieren. Dies gilt etwa in Bezug auf die Anordnung und Reihenfolge von Menü-Punkten. Die technischen Rahmenbedingungen des Nutzers wie Browser, Bildschirmauflösung, Übertragungskapazität etc. sollen auf allgemeine Standards, im Zweifel eher am unteren Level einjustiert werden. Bei der Verwendung von Farben, der Einteilung des Bildschirms sowie der Verknüpfung und beim Einsatz multimedialer Elemente herrscht weitgehende Gestaltungsfreiheit. Generell gilt, dass auf Frameseiten möglichst verzichtet werden soll. Ebenso soll ein horizontales Scrollen vermieden werden. Der Kontrast zwischen Vorderund Hintergrund ist hingegen wichtig (Figur-Grund-Differenzierung). Die Terminologie soll zielgruppengerecht und durch Überschriften, Schlagwörter etc. gegliedert sein. Längere Texte sind zu vermeiden, alternativ können sie zum Ausdruck angeboten werden. Hinweise auf Autoren und Verantwortliche der Website sind obligatorisch. Außerdem sind Linksammlungen, Über uns-Seiten und FAQs sinnvoll. Für Dateien sind kurze Ladezeiten wünschenswert. Die Bildschirmauflösung soll angegeben werden. Hinweise für unvermeidliche Plug-ins

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

und Systemeinstellungen müssen gegeben werden. Gehen Inhalte über mehrere Webseiten, sollen diese vorab mit einer Übersicht versehen werden. Besucher müssen über die weitergehende Verwendung von Eingabedaten und die Wirkung von Cookies informiert werden. Bei sicherheitskritischen Eingaben soll ein Hinweis auf gesicherte Übertragung (https) erfolgen. Führungstexte sind meist links von kurzen Eingabefeldern bzw. oberhalb von längeren Eingabefeldern platziert. Zusammengehörige Eingabefelder können gruppiert werden und jedes Eingabefeld soll eine angemessene Größe haben. Bei Standardeingabefeldern sollen häufig vorkommende Werte vorbesetzt werden, z. B. Herr / Frau. Muss- und Kann-Eingaben sollen optisch abgesetzt sein, Kontrollkästchen und Optionsfelder in Spalten angeordnet werden. Bei mehreren Optionsfeldern können stattdessen Listfelder verwendet werden (Pulldown-Menü). Schaltflächen und Eingabefelder sollen aussagefähig bezeichnet, zusammengehörige Schaltflächen identisch in ihren Abmessungen und bündig platziert werden. Hilfreich sind Plausibilitätsprüfungen zur Vermeidung von Eingabefehlern, ebenso soll auf Falscheingaben hingewiesen werden. Bereits getätigte Eingaben müssen problemlos wieder geändert werden können. Alle Eingabedaten und Übersichten sollen ausdruckbar sein, evtl. auch in zusammenfassender Darstellung. Formulare müssen dabei in jedem Fall nutzer- und nicht programmierorientiert gestaltet werden.

4.1.3 Nutzerführung Damit die Nutzer sich nicht in der Angebotsvielfalt verlieren, ist eine Führung durch die Website mittels Navigationselementen wie Orientierung, Scrolling, Paging und Orientierungselemente wie Farbfelder, Icons erforderlich. Dazu dient eine Navigationsleiste mit Steuerbefehlen zur Nutzerführung. Auch ist eine vorgegebene Verkettung der Seiten zweckmäßig, um didaktische Aspekte bei der Nutzung zu berücksichtigen. Pro Webseite werden von Nutzern erfahrungsgemäß nicht mehr als sieben Ankerpunkte erfasst. Die Positionierung einzelner Elemente muss sich daher an Standards orientieren. Die höchste Aufmerksamkeit ist links oben auf der Seite, die geringste rechts unten vorhanden. Wichtige Elemente sind der Seitennamen, das Home-Logo, um zurück zur Startseite zu gelangen und die Kennzeichnung der bereits besuchten, der noch nicht besuchten und der insgesamt besuchbaren Links (meist farbig unterlegt). Hinzu kommt eine fehlertolerante Volltextsuche, die Groß-Kleinschreibung, Buchstabendreher u. Ä. ignoriert, üblich sind bis zu 27 Zeichen Suchwortumfang. Die Suche macht nur bei größeren Präsenzen Sinn. Häufig liegt nur ein Teil der gesamten Seite im sichtbaren Bereich des Bildschirms. Da Scrollen möglichst vermieden werden soll, ist somit ein Teil der Seite nicht wahrnehmbar (Eisberg-Effekt). Dem kann durch Paging entgegengewirkt werden, d. h. eine Seitengestaltung abhängig vom Displayformat derart, dass

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Scrollen nicht erforderlich ist. Hilfreich ist auch die Verwendung von Metaphern, d. h. die Nutzung vertrauter Umgebungen auf der Website wie Pinnwand, Suchzeile etc. Das Website-Logo soll links oder rechts oben platziert werden, es soll einen Link zur Startseite haben. Die Positionierung der Navigationselemente soll auf allen Seiten gleichartig bleiben. Dabei kann in primäre und sekundäre Navigation unterschieden werden. Eine Sitemap soll einen Überblick über die gesamte Webpräsenz erlauben. Die Navigationsleiste erscheint am linken oder rechten Rand oder oben, mit nicht mehr als zehn Punkten. Der Aufruf von Unterpunkten zur Verfeinerung erfolgt durch verbalisierte Pull down-Menüs. Nach Möglichkeit ist ein Test mit Zielpersonen in Bezug auf die Usability durchzuführen. Möglichst führen kurze Navigationswege und flache Site-Strukturen mit nicht mehr als drei Clicks bis zur Zielseite. Hilfreich sind außerdem eine Navigationsübersicht, um zu zeigen, wo man sich gerade befindet oder Breadcrumbs, d. h. die Anzeige des Pfads bis zur aufgerufenen Seite, so dass man direkt zurückspringen kann. Die Kontaktseite sollte unterschiedliche Adressierungswege zur Auswahl bieten. Teilweise wird eine Rückruf-Möglichkeit (Callback) oder eine Toll free-Nummer angeboten. Wichtig ist die korrekte Darstellung bei verschiedenen Browsers und in verschiedenen Auflösungen, am häufigsten sind 1.280 × 960 Pixel. Nur wenige Nutzer haben mehrere Browser installiert, so dass sie unterschiedliche Auflösungen und Funktionalitäten nutzen können. Daher sind die Browserdarstellungen vorab zu testen, wichtig ist ebenso eine kurze Ladezeit durch Datenkomprimierungsverfahren. Die Bandbreite des Internetzugangs sollte hingegen heutzutage kein Problem mehr sein. Hilfreich sind Angebote zum Download auf der Seite, z. B. Gebrauchsanleitungen, Handbücher, Software, Spiele, Bildschirmschoner, Videos, Rezepte, Fallstudien, White Papers, virtuelle Fabrikführungen, Foren, Bildergalerien, Experteninterviews (Podcast), Glossare, Testergebnisse etc. Auch Bilder der Kontaktpersonen wirken gut. Die Software-Ergonomie stellt in Bezug auf Dialogsysteme allgemein zahlreiche Anforderungen. Der Anwender soll in die Lage versetzt werden, seine Aufgabe vollständig, richtig und mit überschaubarem zeitlichen Aufwand zu erfüllen. Die Antworten und Rückmeldungen sollen entweder unmittelbar oder auf Anforderung nachvollziehbar sein. Ein interaktives System soll den Erwartungen des Nutzers entsprechen, also einheitlich gestaltet sein, allgemein gültige Konventionen befolgen, den Kenntnissen aus dem jeweiligen Anwendungsgebiet entsprechen etc. Einfache Fehler bei der Bedienung sollen vom Programm abgefangen und dem Benutzer Hinweise gegeben werden, wie sich Bedienungsfehler vermeiden lassen. Dem Benutzer obliegt die Steuerung des Systems, dazu gehört auch, dass er Arbeitsschritte rückgängig machen kann. Ein System soll sich in bestimmten Grenzen an die Vorlieben und Eigenheiten des Nutzers anpassen lassen. Der Anwender soll bei der Nutzung des Systems angeleitet und unterstützt werden, so dass sich die Bedienung für ihn erleichtert.

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4.2 Display-Werbung 4.2.1 Formen Die verbreitetste Form der Werbung im WWW sind Banner (auch Display-Werbung). Nach ihrer Anlage unterscheidet man verschiedene Banner-Arten. Einfache integrierte Banner sind solche, die den Nutzer mit einem Click auf das Banner aus der Website heraus zum Onlineangebot eines werbungtreibenden Unternehmens leiten. Dazu gehören folgende Formen: • Statische Banner erlauben nur ein Anklicken durch den User, worauf sich die verlinkte Webseite des Werbungtreibenden öffnet. Da Banner, wie andere Werbemittel auch, häufig als Störung in der eigentlichen Mediennutzung angesehen werden, treten sie teilweise getarnt auf. Die Größen sind meist – Skyscraper: 120 × 600 Pixels, Breiter Skyscraper: 160 × 600, Rechteck / Rectangle: 180 × 150, Mittleres Rechteck: 300 × 250, Großes Rechteck: 336 × 280, Vertikales Rechteck: 240 × 400. • Super Banner Ads mit 728 × 90 Pixels nutzen die gesamte Seitenbreite am Bildschirm oder zumindest die halbe Bildschirmbreite. • Skyscrapers sind nicht scrollbar, nutzen aber die gesamte rechte Seitenhöhe für einen vertikalen Werbebalken mit 120 × 600 Pixels, denkbar auch als breiter Skyscraper mit 160 × 600 Pixels. • Hockey Sticks sind L-förmig am oberen und rechten Rand der Webseite angelegt. • Scroll Ads stellen eine mitscrollende, anklickbare Werbefläche am Bildschirmrand dar, die nicht zu schließen ist. • Midpage Ads sind direkt im redaktionellen Content des Werbeträgers integriert und können nicht aus Versehen oder mit Absicht weggeklickt werden. Durch ihre Größe bieten sie erweiterte kreative Möglichkeiten in der Gestaltung, vergleichbar mit Inselanzeigen im Printbereich. Elaborierte integrierte Banner ermöglichen zusätzliche Funktionen innerhalb des Banner-Felds: • Animierte Banner bestehen aus sich wiederholenden Einzelbildsequenzen, die ohne weitere softwaretechnische Voraussetzungen kleinere Animationen erlauben. Dadurch kann eine hohe Aufmerksamkeit beim Nutzer erreicht werden. Sie starten ebenfalls per Anklicken, benötigen allerdings hohe Speicher- und Übertragungskapazitäten. Die Begrenzung der Dateigröße führt daher oft zu unzulänglichen Lösungen. • HTML-Banner erlauben den Einsatz von aus der Software bekannten Auswahlboxes oder Pull down-Menüs. Dadurch können einzelne Informationsangebote,

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z. B. Programme wie kleine Spiele oder Datenbestände, die vom Werbungtreibenden vorrätig gehalten werden, direkt aus dem Banner heraus angewählt werden. Sie bestehen dazu aus mehreren Bildern, Formularelementen und Texten, die im Quellcode der Seite des Werbeträgers eingefügt werden. Dazu sind keine Plug-ins erforderlich. • Nanosite-Banner sind komplett funktionsfähige Webseiten im Miniformat. Sie enthalten interaktive Elemente mit Funktionalitäten, z. B. Mini-Shops. Alle Inhalte werden im Bannerfenster und nicht in einem neuen Fenster angezeigt. Die einzelnen Elemente sind durch beliebige Links miteinander verknüpft. Allerdings ist die Programmierung recht aufwändig. Sie basieren auf Java oder anderen Skriptsprachen, so dass womöglich nicht alle potenziellen Nutzer tatsächlich erreicht werden. Sie erlauben Datenbankabfragen und Transaktionsvorgänge ohne Verlassen des Werbemittels. • Transactive-Banner erlauben die Nutzung der Inhalte des Banner, ohne dass Nutzer dabei die eigentlich aufgerufene Website verlassen müssen. Deshalb sind umfangreiche Funktionalitäten in das Banner eingebaut, bis hin zu Transaktionsmöglichkeiten. • Richmedia-Banner erlauben die Einbeziehung multimedialer Elemente wie 3-DAnimationen, Videoclips, Audiosequenzen, Interaktionsmöglichkeiten etc. Dabei setzt die Datenübertragungskapazität zuweilen Grenzen durch ruckelige Bilder, geringe Auflösung, lange Ladezeiten etc. Teilweise werden Plug-ins benötigt. • Microsites sind in sich geschlossene, mehrseitige Werbeauftritte auf hoch frequentierten Websites. Damit lässt sich ausreichend Information transportieren, ohne dass Nutzer eine neue Website aufrufen müssten. Es ist also kein Wechsel zur Homepage des Werbungtreibenden erforderlich. New Window Ads erscheinen automatisch in einem sich öffnenden Browserfenster und umfassen verschiedene Formen: • Pop-up Ads öffnen beim Ladevorgang selbsttätig ein eigenes, neues Browserfenster beliebiger Größe über der gerade betrachteten Webseite, unterbrechen also nicht die eigentlich beabsichtigte Navigation. Sie stellen insofern eine „sanftere“ Form der Unterbrecherwerbung dar, allerdings können Nutzer das Fenster bereits weggeklickt haben, bevor dessen Inhalt fertig aufgebaut ist, so dass es für den Erfolg auf kurze Ladezeiten und inhaltlich wie gestalterisch attraktive Aufmachung ankommt. Häufig wird ein Zusatznutzen damit verbunden. • Blow-up Ads sind eine Variante der Pop-ups. Sie dehnen sich beim Seitenaufruf erst allmählich auf ihr Endformat auf. • Interstitials werden zwischen zwei aufgerufenen Seiten während des üblichen Seitenaufbaus auf dem Bildschirm eingeblendet und nehmen vorübergehend das gesamte Format in Anspruch ähnlich der TV-Werbung. Sie können nicht weggeklickt werden, weil sie kein eigenes Browser-Fenster benötigen. Die Ein-

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blendung verschwindet nach einer kurzen Standzeit von selbst, es sei denn, der Nutzer aktiviert das Interstitial, um zu einer angehängten Webseite zu gelangen. Durch die Übertragung verlängert sich die Ladezeit, es kommt zu einer Unterbrechung der Nutzung. • Superstitials laden sich im Hintergrund, während der User ungestört weiter auf der Seite navigiert. Sobald sie vollständig geladen sind, erscheint die Werbebotschaft großformatig. Möglich ist auch die Einbindung von Multimedia-Elementen wie animierten Spots, Grafiken und Sounds. Die Werbung muss dann aktiv weggeklickt werden und wird daher als ärgerlich empfunden. Layer Ads liegen eine Ebene über oder unter der betrachteten Content-Seite und erscheinen nicht in einem sich öffnenden Fenster. Dazu zählen folgende: • Floating Ads schweben scheinbar über der betrachteten Webseite und können ausgeblendet werden. • Expanding Ads vergrößern ihr Format, sobald der Nutzer das Banner berührt, wenn der Mauszeiger die Fläche wieder verlässt, zieht es sich auf seine Ursprungsgröße zurück. • Beim Mouse Move Banner erscheint direkt neben der Mausposition ein Werbebanner, der sich mit der Bewegung des Mauszeigers bewegt. • Comet Cursors sind Cursor, die ihre Form verändern, während sie über Webseiten und Banners bewegt werden. Die Veränderung kann z. B. die Form des Logos des beworbenen Produkts annehmen. Dadurch kann eine hohe Erinnerungswirkung erreicht werden, allerdings muss der Nutzer sich das entsprechende Installationsprogramm zuvor aus dem Internet herunter geladen haben. • Pop-under Ads sind das Gegenteil von Pop-up Ads und werden erst beim Schließen der Browserfenster als letztes Bild auf dem Bildschirm sichtbar, weil sie unter den anderen Fenstern liegen (640 × 480 Pixels). • Sticky Ads bestehen aus Buttons, die unabhängig vom Scrolling optisch immer an derselben Stelle auf dem Bildschirm, meist am rechten Rand, stehen bleiben. Die Schaltung der Banner-Werbung erfolgt auf General Interest Sites wie Portalen mit hoher Reichweite, aber auch hohen Streuverlusten, oder auf Special Interest Sites mit dementsprechend weniger Verbreitung, aber höherer Zielgenauigkeit (Affinität). Die Auslieferung von Werbung erfolgt durch • Rotation verschiedener Werbemittel desselben oder anderer Werbungtreibender auf demselben Werbeplatz, • Rotation innerhalb einer Website auf verschiedenen Seiten für denselben Werbungtreibenden, • Netzwerkrotation innerhalb einer Gruppe aus mehreren Anbietern an verschiedenen Plätzen, • zeitabhängige Werbemittelauslieferung nach vorgegebenen Routinen.

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Für die Abrechnung kommen verschiedene Modelle in Betracht wie Pay per View (Sichtkontakt), Pay per Click (Aktivität), Pay per Action (Werbeerfüllung) etc. Problematisch ist die Effektivität von Display-Werbung zu beurteilen. So ist die Sichtbarkeit der Banner sehr niedrig, weil sie schnell weggeklickt oder nicht vollständig im Format dargestellt werden. Die Zielgenauigkeit ist gering (wohl jeder kennt die Situation, dass er nach dem Kauf eines Rasierapparats Werbung für Rasierapparate eingeblendet erhält, die offensichtliche Fehlstreuung darstellen). Klicks werden, wenn überhaupt, weit überwiegend durch Roboter ausgeführt, die Konversionsrate ist entsprechend niedrig.

4.2.2 Einkaufsprogrammatik Nach der Buchung der Werbung kann diese individuell oder automatisiert erfolgen (Programmatic Advertising). Auf dem Ad Server des Publisher (WebsiteBetreiber) werden dazu alle Auktionsgebote von Werbungtreibenden für Banner mit absteigenden Preisen abgespeichert. Bei Aufruf einer Webseite durch einen User fragt der Ad Server bei der Sell Side Platform (SSP) nach, ob eine Schaltung des Banner auf dieser Seite gewünscht wird. Die SSP fasst dazu die Daten, die ihr über den User zur Verfügung stehen, zusammen (z. B. Geotargeting) und liest die Cookies aus dem Browser des User aus. Daraus können weitere Daten über Log-in zugeordnet werden. Derart veredelt geht die Anfrage an die Demand Side Platform (DSP) weiter. Dort liegen die Anfragen der Werbungtreibenden gebündelt vor. Die DSP gleicht nun ab, welche der ihr vorliegenden Anfragen zu den Daten der ihr von der SSP angebotenen Platzierung passt. Die kompatible Anfrage mit dem höchsten Gebot wird an den SSP weitergegeben. Von diesem höchsten Gebot wird die URL, unter der das Banner liegt, an den Publisher weitergegeben. Das Banner erscheint folglich auf der Webseite. Der gesamte Prozess dauert nicht wahrnehmbare 50–200 ms. Nach der Schaltung erfolgt die Abrechnung und der Prozess ist beendet. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist dabei die kenntnisreiche Sammlung und Auswertung der Daten (Big Data). Dazu wird zunächst der relevante Informationsbedarf bestimmt. Dann werden erstens Quellen (offline und online) ausgewertet, die diese Informationen bereitstellen können. Die jeweilige Nutzeradresse wird dann zweitens mathematisch-statistisch (z. B. Korrelation, Wahrscheinlichkeit) angereichert. Dazu dienen Informationen wie: – Alter, kann z. B. über den Vornamen oder aus Interessen abgeleitet werden, – Geschlecht, kann ebenfalls über Vornamen oder Interessen bestimmt werden, – Kaufkraft, ergibt sich z. B. aus Wohnort / Lage oder Bundesland,

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– ethnische Herkunft, ergibt sich aus dem Vor- und Zunamen der Person, – Ausbildungsstand, ergibt sich über hinterlassene Namenszusätze / Titel. Die einzelnen Daten werden in einem dritten Schritt untereinander abgeglichen (Und-/Oder-Verknüpfung). Daraus ergibt sich bereits eine sehr große Informationstiefe. Aufbauend darauf können nach Plausibilität weitere Informationen hinzugefügt werden wie • Besitzstand, etwa Gartenbesitz aus Wohnort / Lage oder Haustierbesitz aus Nutzerdaten, • Kaufverhalten, z. B. aus Kaufkraft, Ausbildungsstand, Wohnort und Alter indiziert, • Verwendungsart als gewerblicher Käufer / Nutzer (indiziert über Firmenadresse). Diese somit veredelten Daten werden dann viertens für eigene Zwecke als Werbungsdurchführender genutzt oder Dritten zum Kauf / zur Anmietung angeboten. Dies stellt bei Kostenlos-Angeboten im Internet häufig die einzige Erlösquelle der Betreiber dar, z. B. Google, Facebook, Idealo, Youtube. Die Anwendung erfolgt dann wiederum in Werbemaßnahmen. Die Informationstiefe wächst unweigerlich mit jeder Interaktion im Internet, so dass Nutzerprofile mit der Zeit immer genauer und Veränderungen zeitnah erfasst und integriert werden. Weiterhin können anonymisierte Daten, dabei bleiben Stamm- und Transaktionsdaten getrennt, dies entspricht informationeller Selbstbestimmung, pseudonymisierte Daten mit einheitlicher Quelle, die jedoch anonymisiert bleibt oder identifizierte Daten, die einem konkreten Nutzer direkt zurechenbar sind, vorliegen. Die Möglichkeit zur Datensammlung entsteht trotz Datenschutz durch Akzeptierung von Nutzerbedingungen (online wie offline) oder Nutzung der großzügigen Richtlinien von Ländern außerhalb der EU.

4.3 Electronic Mail-Werbung 4.3.1 Applikation Der am weitesten verbreitete Internet-Dienst ist sicherlich die Electronic Mail (E-Mail). Sie wird genutzt, um Nachrichten und Informationen zeitversetzt zwischen zwei oder mehreren Kommunikationspartnern zu übermitteln. Wie beim Versenden herkömmlicher Briefe ist durch den Absender eine Nachricht zu verfassen, diese ist mit der Anschrift des Empfängers (E-Mail-Adresse) zu versehen und abzuschicken. Sie gelangt zum „Postamt“ (Mail-Server) des Absenders, das die elektronische Post zum Mail-Server des Empfängers versendet. Dort wird sie zwischengelagert, bis der Empfänger seine E-Mail-Software startet und damit praktisch in seinen Briefkasten schaut (Pull). Neben dem Versenden von Nachrichten an Einzelpersonen oder Gruppen ist es auch möglich, Texte, digitale Daten

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für Grafiken, Bilder, Sound-Dateien etc. und elektronische Newsletters per E-Mail zu verschicken. Der Kopfteil der E-Mail enthält Adressat, Kopie-Empfänger und Betreff. Diese Angaben dienen dem Transport. Der Textteil der E-Mail enthält die eigentliche Nachricht. E-Mails landen binnen kürzester Zeit beim Empfänger, unabhängig von dessen physischem Standort. Mit gleicher Geschwindigkeit ist es möglich, eine Antwort zu erhalten. E-Mails sind kostengünstig, Transportgebühren fallen nicht an. Versand und Zustellung können rund um die Uhr (24/7) erfolgen. Allerdings muss man berücksichtigen, dass E-Mails regelmäßig nicht datengeschützt sind. Theoretisch kann ein Systemverwalter (Postmaster) die E-Mail an jedem Knoten, den sie während des Versands passiert, lesen. Daher sollten vertrauliche Daten verschlüsselt werden. Die genaue Zahl der E-Mail-Adressen ist nicht bekannt, da die Betreiber den Namen für Server-Adressen über Wildcards für einzelne Buchstaben / Ziffern vergeben, die es erlauben, aus sämtlichen Zahlen- und Ziffernkombinationen Adressen zu generieren. So dürften an jeder Domain zwei bis drei E-Mail-Adressen hängen, wobei jedoch nicht bekannt ist, welche der den Nutzern zugewiesenen Adressen wirklich genutzt werden und welche tatsächlich stillliegen. Außerdem gibt es Trigger-E-Mails, die auf bestimmte Events (Anlässe / Ereignisse) wie Geburtstag, Erinnerung, Versandübergabe etc. automatisiert reagieren sowie Autoresponder, die auf E-Mail-Eingang reagieren (wie Registrierung, Auftragserteilung, Nichtanwesenheitsnotiz etc.).

4.3.2 Funktionalitäten E-Mails sind analog zu Print-Direktaussendungen zu sehen, Stand alone ­E-Mails erfolgen nur einmalig. Newsletters sind Zusendungen an einen im Voraus bestimmten Personenkreis. Sie werden regelmäßig verschickt und enthalten im Wesent­ lichen redaktionelle Informationen, auf die Werbebotschaften aufgesetzt sind. Das Abonnement erfolgt durch Ausfüllen eines Anmeldeformulars auf der Website des Newsletter-Editors (Permission). Im Unterschied zu Telefon oder IRC, die eine gleichzeitige, synchrone Kommunikation ermöglichen, aber auch erfordern, ist E-Mail ein asynchrones Kommunikationsmedium, d. h. Sender und Empfänger können und müssen nicht gleichzeitig online sein. Abgesehen davon, dass die massenweise Verteilung von E-Mails gegen die Netiquette verstößt, ist dies auch rechtlich zumindest im B-t-C-Bereich und bei anderweitig nicht bestehenden Geschäftsbeziehungen unzulässig. Dennoch ist ­E-Mail-Werbung als hoch interessant anzusehen, da damit in der Zustellung sehr genau gezielt werden kann. Praktisch setzt man Permission Marketing ein, d. h., man fragt bei Interessenten die Bereitschaft ab, in einen E-Mail-Verteiler aufgenommen zu werden. Dadurch umgeht man nicht nur die rechtliche Unzulässigkeit, sondern verhindert auch ansonsten womöglich unerkannt bleibende Fehlstreuungen.

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Newsletters dürfen nur bei vorhandener Erlaubnis des Empfängers verschickt werden. Als Spam bezeichnet man unverlangt zugesandte unpersönliche und kommerzielle E-Mails. Zur Abwehr gelten die Anforderungen der Datensparsamkeit, der jederzeitigen Widerrufbarkeit (Opt-out) und der Anbieterkennzeichnung. Ziel ist die Realisierung einer Permission-Leiter im Zeitablauf von anonymer E-MailAdresse zu Interessenprofil, persönlicher E-Mail-Adresse, Name und Postadresse. Mit wachsendem Vertrauen ist ein solches schrittweises Vorgehen möglich. Unter Link Tracking versteht man eine Prüfung dahingehend, welche Inhalte auf das größte Interesse bei Adressaten stoßen. Als Basis dienen Klicks auf Hyperlinks, die in den (HTML-)Newsletter integriert sind und auf eine Website mit weiter führenden Informationen verweisen (Landing Page). Dies kann anony­m isiert oder personenbezogen erhoben, gespeichert und weiter verarbeitet werden. Profildaten dienen zur Individualisierung des Newsletter durch dynamischen Content, zusammengesetzt aus unterschiedlichen Textbausteinen, oder für Sonder-Mailings. Dabei ist eine automatische Anpassung des dynamischen Content an das Klickverhalten der Nutzer möglich. Zur Umsetzung ist zunächst die Bestimmung der E-Mail-Frequenz erforderlich. Dann braucht man Adressen, an welche die E-Mails sinnvollerweise verschickt werden sollen. Die Generierung solcher E-Mail-Adressen kann durch Kauf, Miete oder Tausch erfolgen. Kauf setzt voraus, dass die Adressaten ihre Einwilligung dazu gegeben haben. Miete setzt voraus, dass ein jederzeitiger Ausstieg aus dem Verteiler möglich ist. Und Tausch setzt voraus, dass die eigenen Abonnenten dem zugestimmt haben. Als Adressquellen dienen aber auch Freemailers wie GMX, Web.de oder Gewinnspielportale (dann allerdings unselektiert) sowie autorisierte Adressen von Adressverlagen. Der Aufbau eines eigenen E-Mail-Verteilers erfolgt über die Corporate Website zu Anmeldeseiten (z. B. Pop up-Fenster), verstärkend können Incentives oder Muster-Mailings eingesetzt werden. Die Adresseingabe setzt die Überprüfung der Korrektheit der Eingabe voraus, also nur gültige Zeichen, mind. acht Zeichen lang. Die Anmeldebestätigung erfolgt zumeist durch Double Opt-in, also Anmeldung des Interessenten mit Bestätigung an diese Adresse und anschließende Bestätigung zur Freischaltung. Im Anschluss erhält der Interessent regelmäßige Informationen. Die Bekanntmachung des Newsletter erfolgt online sowohl als auch offline aus E-Mail-Adressen von Kunden, Hinweis auf den Newsletter in der Korrespondenz, über klassische Medien, Packungen, Events etc. Dazu sind eine genaue Zielgruppenbestimmung über Profildaten aus der Registrierung und Response-Daten aus dem Interaktionsverhalten erforderlich. Dies ermöglicht auch eine Individualisierung der Nachricht. Die Forcierung des Abonnements kann durch Anreize erfolgen wie Informationsvorteil, Preisnachlass, Privilegierung etc. Der Versand erfolgt über einen Application Service Provider (ASP). Nutzer können zur Weiterempfehlung aufgefordert werden. Bei Rückläufern (Bounces) ist die

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Adresse zu überprüfen bzw. zu löschen. Ein Autoresponder kann unter einer gegebenen E-Mail-Adresse automatisiert Antwort-E-Mails mit standardisiertem Inhalt generieren. Die anbieterseitige Software kann individuell programmiert oder als Komplettlösung eingesetzt werden. Dabei ist auch die Anbindung an bestehende CRM- oder ERP-Systeme wichtig. Für die Erstellung des Newsletter ist weiterhin die Bestimmung des Formats erforderlich (HTML, PDF-Format o. Ä.). Die Nennung des Absenders ist obligatorisch, die Betreffzeile sollte wegen der Öffnungswahrscheinlichkeit möglichst aussagefähig gehalten sein. Die Absenderkennzeichnung erfolgt im Impressum mit Name, Anschrift, Vertretungsberechtigten, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Handelsregister- und Umsatzsteueridentifikationsnummer. Wichtig sind ein Datenschutzhinweis und ein Abmeldehinweis. Der Newsletter besteht aus Kopf-, Text- und Fußteil. Er sollte übersichtlich gegliedert sein. Als Schriftgröße ist mind. 11 Pkt. vorzusehen. Kurze Texte sind zu bevorzugen, die Farben rot und blau hingegen zu meiden. Links dürfen nicht abgekürzt sein, auch sollen keine Ausrufe- und Prozentzeichen im Betreff verwendet werden, da ansonsten Spam-Verdacht zur Unterdrückung führen kann. Hilfreich ist eine Plausibilitätskontrolle der Eingaben, z. B. nur gültige Zeichen, mit entsprechendem Korrekturhinweis. Bei E-Mail-Werbung sollen Attachments vermieden werden, sie erhöhen das Datenvolumen und sind bei Öffnung virenverdächtig. Auch sollte kein CC-Versand erfolgen, da dadurch der Eindruck von Massenmailings entsteht. Hilfreich sind Verlinkungen unmittelbar auf spezifische Seiten (Landing Pages). Diese bieten sich für eine Personalisierung der Nachricht an. Ein Callback Button ermöglicht die Kontaktaufnahme mit dem Absender. Zur Überprüfung der Funktionalitäten dient ein Testversand an die eigene Adresse. Testelemente sind Absenderadresse, Betreffzeile, Format, Überschrift, Versandzeitpunkt etc. Hilfreich sind Vorschau-, Inhaltsangabe- und Archiv-Funktionen. Üblich sind Hilfen für vergessene Passwords, die zu erneuern sind und die Identifizierung von Stichwörtern für Autoresponder, z. B. für Auftragsbestätigungen, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Preislisten, FAQs, Bestellformulare und Bedienungsanleitungen. Die Erfolgskontrolle erfolgt über Responsequoten verschiedener Art wie • Bounce Rate, d. h. Anteil nicht zustellbarer E-Mails, Opening Rate (Anteil geöffneter E-Mails), Click through Rate (Anteil ausgeführter Links in der E-Mail), Conversion Rate (Anteil gewünschten Reaktionsverhaltens), Bounce Rate, d. h. Anteil nicht zustellbarer E-Mails. Weitere Größen sind Costs per Thousand (alle Empfänger) und Costs per Click (alle Empfänger, die einen Link angeklickt haben) sowie Costs per Order (bei E-Commerce).

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Qualitative Daten werden durch Befragungen zur Empfängerzufriedenheit, durch Abfrage zu Gründen der Abmeldung, durch Analyse des Klickverhaltens sowie durch Kundenprofile und -bewertungen gewonnen.

4.4 Suchmaschineneinsatz 4.4.1 Typen von Suchmaschinen Damit eine Website gleich welcher Art gefunden werden kann, ist ihr Eintrag in Suchmaschinen unerlässlich. Diese werden intensiv genutzt, um sich im unübersichtlichen Geflecht des Internet diejenigen Informationen heraus zu fischen, die man gerade benötigt. Nutzer geben dazu den oder die Suchbegriff(e) in eine Datenbank ein, die daraufhin alle Einträge durchsucht und die Adressen ausweist, in denen der Suchbegriff vorkommt oder die damit in Verbindung stehen. Es können vier Typen von Suchmaschinen unterschieden werden: • Volltextsuchmaschinen (wie Bing, Google etc.), Web-Kataloge (wie Yahoo, Allesklar etc.) und Meta-Suchmaschinen (wie Metager, Vivisimo etc.) sowie Spezialsuchmaschinen, vor allem im B-t-B-Einkauf (WLW etc.). Beim Indizieren des Webseitentextes durch Suchmaschinen wird zunächst der Titel einer Seite durch den Crawler erfasst und ausgewertet. Dieser bildet das wichtigste Kriterium bei der Bestimmung der Relevanz eines Suchergebnisses für die Anfrage des Nutzers und entscheidet darüber, ob man mit seiner Adresse oben oder unten in einer Suchliste ausgewiesen wird. Auch die folgenden Abschnitte des Textes werden durch die Suchmaschine erfasst. Dabei wird die Inhaltsangabe, die bei der Ausgabe der Adressenliste mitgeliefert wird, automatisch erstellt. Somit ist die Formulierung des ersten Absatzes einer Seite wichtig, dabei muss diese Formulierung nicht unbedingt auf dem Bildschirm sichtbar sein. Durch Meta-Tags, die eine Seite inhaltlich beschreiben, aber durch den Browser nicht sichtbar gemacht werden, können Schlüsselwörter auch als relevanter als vielleicht tatsächlich im Inhalt gegeben ausgewiesen werden. Verzeichnisse erlauben den Eintrag von Website-Inhabern in entsprechenden Kategorien. Dazu gibt es meist ein Anmeldeformular, das neben den Inhalten auch eine Charakterisierung der Seite ermöglicht. Dazu sollten Anmelder eine kurze Beschreibung des Seiteninhalts hinterlegen, die zusammen mit der Adresse nach Anfrage in einer Ergebnisliste des Verzeichnisnutzers ausgegeben wird. Um möglichst weit oben auf der Ergebnisliste platziert zu sein, ist es hilfreich, wenn der Titel einer Website das vom User vorgegebene Suchwort enthält. Dies macht die tatsächliche Nutzung wahrscheinlicher, da Nutzer die Liste für gewöhnlich von oben beginnend (1. Seite) anwählen und ihre Suche einstellen, wenn sie die ihnen geeignet erscheinende Information gefunden haben. Je weiter unten ein Eintrag daher auf der Liste platziert ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er nicht mehr

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aufgerufen wird, weil das zugrunde liegende Informationsproblem bereits gelöst ist. Die Anmeldung wird durch die Mitarbeitenden des Verzeichnisanbieters geprüft und dann in das Verzeichnis aufgenommen. Hybride Suchmaschinen bieten zusätzliche Verzeichnisse mit den Seiten aus dem Hauptindex an. So wird vermieden, dass Inhalte deshalb nicht gefunden werden, weil sie dem falschen Index zugewiesen worden sind. In hybriden Suchmaschinen kann man daher zwischen Verzeichnissen wechseln und dort jeweils erneut suchen. Der Eintrag in die diversen Verzeichnisse ist zeitaufwändig. So bieten Dienstleister die Übernahme des Eintrags in die gängigen Suchmaschinen an. Möglich ist auch die automatische Anmeldung durch entsprechende Registrierungs-Software, dabei ist allerdings kein Feintuning des Eintrags möglich, so dass erhebliche Chancen vergeben werden. Dafür können Zeit und Geld eingespart werden. Website-Optimierer verbessern die Platzierung durch Website-Analyse von Sichtbarkeit der Inhalte und Logfile sowie technische Analyse durch Optimierung der Website, Anmeldung zur Indexierung und Beobachtung der Ranking-Regeln bei Veränderung. Suchmaschinen erfassen mittels Suchrobotern (Crawlers) alle bei der Suchmaschine verfügbaren URLs und folgen dort den Links bis zu einer bestimmten Tiefe, meist bis zur dritten Click-Ebene, um zu weiteren Seiten zu gelangen. Alle gesammelten Seiten werden analysiert und indexiert. Horizontale Suchmaschinen suchen alle Websites, z. B. eines Landes oder einer Sprache ab. Vertikale Suchmaschinen suchen nur in einem Themenbereich. Bei Google werden Quellen nach ca. 200 verschiedenen Kriterien, die im Einzelnen geheim sind, durchsucht und bewertet. Die vom Crawler gefundenen Seiten werden regelmäßig an einen zentralen Indexer übertragen und dort zu einem durchsuchbaren Index verarbeitet. Aus diesem Index werden Nutzeranfragen entsprechend den Ranking-Kriterien der Suchmaschine mit einer geordneten Liste von URLs und deren Beschreibungen beantwortet (Search Engine Result Page / SERP). Die Indexierungstiefe gibt an, wie weit die Linkverfolgung ausgehend von den Websites der oberen Hierarchieebene geht. Die Indexierungshäufigkeit gibt die Aktualität der Inhalte der Website an. Die Zahl der Suchergebnisseiten gibt die Kapazität der Suchmaschine an, die Nutzungsreichweite die Anzahl der Nutzer innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Ein relevantes Problem stellen dabei die Daten des Deep Web dar. Darunter versteht man nicht frei zugängliche Inhalte (password-geschütztes Private Web), Inhalte, die von Suchmaschinen nicht indexiert werden können, z. B. weil sie grafisch verschlüsselt sind, und dynamisch-erstellte Inhalte (PHP o. Ä.), die sich zeitabhängig seit der letzten Indexierung verändert haben. Das Deep Web entsteht infolge Aussperrens von Crawlers durch Website-Betreiber, durch nicht-aussagefähige Metatags, Passwort-Schutz für die Seiten, dynamische Programmierungen (Datenbanken), Echtzeit-Seiteninhalte, fehlende Verlinkung von und zu anderen

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Seiten, zahlungspflichtigen Zugang, Campuslizenzen etc. Teilweise kann das Deep Web zumindest durch Fachdatenbanken erschlossen werden. Letztlich aber bleibt dieser wichtigste Teil des Web verborgen. Dies gilt auch, hier nicht relevant, für das Dark Net, einen verschlüsselten Bereich des Internet, das allerdings häufig für kriminelle Praktiken missbraucht wird. Die Kriterien zur Bewertung der Relevanz von Ergebnissen sind jedoch von Suchmaschine zu Suchmaschine verschieden. Diese Kriterien bleiben geheim, um Index-Spamming zu erschweren, das versucht, durch manipulierte Angaben Topplatzierungen zu erreichen. Für die Qualität der Ergebnisse sind die Menge der ausgelieferten Suchergebnisseiten bzw. die Nutzungsreichweite der Suche ausschlaggebend.

4.4.2 Nutzung für Marketingzwecke Suchmaschinen-Marketing bedient sich der vorgelagerten Optimierung und der Werbung. Suchmaschinenoptimierung (Search Engine Optimization / SEO) befasst sich mit der technischen Optimierung der Auffindbarkeit und Zuordnenbarkeit von Webseiten. Diese Optimierung kann onsite erfolgen, d. h. durch Maßnahmen auf der Site selbst zur Verbesserung der Position von Suchergebnissen bei Anfragen (z. B. höhere Stichwortdichte) oder offsite, d. h. durch Verlinkung / Referenzierung von Webseiten von / auf dritte/n Sites, um dadurch zu mehr Relevanz zu gelangen. Ein suchmaschinen-freundliches Webdesign erhöht die Wahrscheinlichkeit guter Platzierungen. Dazu gehören etwa folgende Elemente: • die Fokussierung auf die Top-Web-Crawler, die Auswahl der relevanten Suchbegriffe (auch in Kombination), Verlinkungen innerhalb der Site, da nur die zur Homepage verlinkten Seiten gefunden werden können, der Title Tag als in der Browser-Leiste angezeigter Titel der Website (dieser sollte bereits die wichtigsten Begriffe der Site enthalten, für alle Hauptseiten sollten spezifische Title Tags verwendet werden), der Einbau der Suchbegriffe in den Text, eine hohe Link­popularität durch viele Querverweise und eine lange Laufzeit der Domain (Alter), eine flache Hierarchie der Site-Struktur, da die Links nur bis zu einer bestimmten Tiefe verfolgt werden, die Optimierung der Website analog den Standards des W3C (World Wide Web Consortium) mit Überprüfung der Website anhand Webmaster-Tools. Weitere wichtige Ranking-Faktoren (z. B. nach Google Pagerank 0–10) sind erfahrungsgemäß folgende in Bezug auf • Content: Wortanzahl, Keywords im Body, durchschnittliche Content-Relevanz, gesamte Content-Relevanz, Keywords in der Description, Content-Relevanz im zentralen Bereich, Content-Relevanz in den Headlines, Keywords im Titel, Keywords in der Hauptüberschrift (H1), • User Signals: Click through Rate, Time on Site, Bounce-Rate,

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• Technik: HTTPS-Codierung, Dateigröße, Ranking von com.-Top Level ­Domains, Vorhandensein von Zwischenüberschriften (H2), Seitenladezeit, Existenz H1, Ranking von de-Top Level Domains, URL-Länge, • User Experience: Anzahl interner Links, interaktive Elemente, Bullets pro Liste, Anzahl externer Links, Video-Integration, Existenz untergeordneter Listen, Adlinks / Adsense-Auswertung, Schriftgröße (zentraler Bereich), Anzahl von Bildern, Schriftgröße (above the Fold), • Social Signals: Listung aus Pinterest, Twitter, Facebook etc., • Backlinks: Anzahl der Backlinks, Anzahl von Do-Follow-Backlinks, Anzahl NoFollow-Backlinks, Anzahl von .edu-Backlinks, Anzahl von der URL verlinkter Domains, Anzahl externer Links von der URL. Einer guten Platzierung abträglich sind hingegen • eine hohe Downtime des Server als Zeit, während derer ein Server technisch nicht erreichbar ist, kopierter Content auf mehreren Seiten, Links von Low Quality-Seiten ausgehend, identische Meta-Tags auf vielen Unterseiten und die Teilnahme an Linkfarmen. Bei der Suchmaschinenwerbung (Search Engine Advertising / SEA) erfolgt der Kauf von Werbeplatzierungen, die bei Eingabe definierter Suchbegriffe außerhalb der Suchergebnisse (organische Ergebnisse) im bezahlten Bereich der Suchmaschine als gekaufte Ergebnisse („Gesponsort“) erscheinen. Die Bezahlung erfolgt durch Pay per Click, d. h., jeder Werbungtreibende bietet einen bestimmten Geldbetrag für eine Platzierung im Ranking und definiert eine Budgetgrenze für einen Zeitraum. Die relative Höhe des Gebots entscheidet über den Rangplatz, die Adresse wird solange ausgewiesen, bis durch Clicks auf den Link das Budget aufgebraucht ist. Der Werbungtreibende kann dann entscheiden, sein Budget zu erhöhen oder auf eine weitere Platzierung zeitbezogen verzichten. Meist werden zwei bis fünf zugehörige Suchwörter definiert. Die Bedeutung ist sehr hoch, da die meisten Nutzer Suchmaschinen zur Übersicht im Internet einsetzen, insb. vor Kaufentscheiden. Allerdings gibt es auch Click-Betrug durch Konkurrenten. Hinweise darauf sind eine hohe Zahl von Seitenaufrufen aus dem Ausland, Seiten, die über wechselnde IP-Adressen aufgerufen und dabei nicht identifiziert werden können, vermehrte Seitenzugriffe, bei denen die Besucher der Site diese nach Aufruf unmittelbar wieder verlassen sowie Clicks, die zu unüblichen Uhrzeiten ausgeführt werden. Weitere Indikatoren sind sehr niedrige Konversionsraten, d. h. Umwandlung des Clicks in eine gewünschte Aktivität, Besuche von Seiten aus, die nicht mit eigenen Werbemitteln versehen sind, häufige Stornos von getätigten Käufen bei E-Commerce sowie insgesamt technische Rahmenbedingungen, die auffällig vom Üblichen abweichen.

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

4.5 Mediaplanung Die Online-Mediaplanung ist nicht unproblematisch. Man kann hier zur Orientierung werbeträgerbezogene, werbemittelbezogene und nutzerbezogene Maßzahlen anlegen. Werbeträgerbezogene Messwerte, vornehmlich in Bezug auf die Website, sind vor allem folgende: • Hits geben an, wie viele Einzeldaten einer Site abgefragt worden sind, sei es als HTML-Seiten, Grafiken o. Ä., ablesbar an der Zeilenzahl im Logfile. • Page Views / Page Impressions sind die Anzahl der abgerufenen Einzelseiten, wobei nur Content-Seiten gezählt werden. Sie sind damit ein Maß für den Sichtkontakt mit einzelnen Seiten analog zum Reichweitenwert bei Offline-Medien. • Visits sind zusammenhängende Besuche einzelner Nutzer unter Aufruf einer oder mehrerer Webseiten aus einer Site. Ein Nutzungsvorgang ist ein technisch erfolgreicher Seitenzugriff eines Internet-Browser auf das aktuelle Angebot. • Fehlerlogs stellen eine Auswertung der Fehlercodes beim Zugriff zur Optimierung der Website dar. • Unter Abandonment Rate werden Seiten ausgewiesen, von denen aus eine Website überproportional häufig verlassen wird. Werbemittelbezogene Messwerte, vornehmlich in Bezug auf Banner, sind vor allem folgende: • Adclicks sind die Anzahl der Nutzungen von werbungtragenden Hyperlinks, die zur Website oder zu anderen Informationen des Werbungtreibenden führen. Dies ist analog zum Kontaktintensitätswert bei Offline-Medien. • AdImpressions sind die Anzahl der Sichtkontakte mit Werbemitteln im Internet. Allerdings kann es sich dabei auch nur um die technische Anforderung des Werbemittels handeln, unabhängig davon, ob der Nutzer nach Auslieferung noch die Webseite nutzt oder nicht. • Click-through Rate ist der Anteil angeklickter Werbemittel (AdClicks) an allen Sichtkontakten mit Werbemitteln (AdImpressions). • Exposure Duplications sind der Anteil der Besucher einer Seite, der ein Werbebanner mehrmals sieht. • Banner Reach ist die Anzahl der Nutzer mit mindestens einem Sichtkontakt zum Werbemittel als „tatsächliche“ Media-Reichweite. • Banner Frequency ist die Anzahl der Sichtkontakte je Nutzer als „tatsächliche“ Media-Kontaktintensität. • Viewtime ist die Zeitspanne, während der ein potenziell werbeführender Teil eines Internet-Angebots sichtbar ist.

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Werbenutzerbezogene Messwerte sind vor allem folgende: • Bei Referring Pages wird festgestellt, von welcher Website ein User kam und wohin er von der Site ging. • Entry Pages / Exit Pages sind die Einstiegs- und Ausstiegsseiten einer Website, z. B. über Suchmaschinen indexiert. • Das Navigationsmuster zielt auf die Erkennung von Bewegungsschemata innerhalb einer Website ab, um diese im Sinne des Anbieters zu optimieren. • Visit Length ist die durchschnittliche Verweildauer vom ersten bis zum letzten Seitenabruf innerhalb einer Visit. Stickiness bedeutet die Verweilzeit auf einer Website, ermittelt aus Frequenz, Dauer und Reichweite. • Bei Unique Users handelt es sich um die Anzahl unterschiedlicher Besucher einer Website. • Unter Conversion Rate versteht man den Anteil der gewünschten Transaktionen an allen Besuchen der Site. Die Aussagefähigkeit dieser Messwerte ist jedoch mehrfach eingeschränkt. So erfolgen Zugriffe auf Internet-Angebote statt über den Server des Anbieters über dezentrale, lokale Proxy Servers, wenn es sich um häufig aufgerufene Webseiten handelt. Diese Zugriffe können nicht gemessen werden, da sie im Logfile des Anbieter-Server nicht eingetragen sind. Ähnlich verhält es sich bei Einsatz von Cache-Speichern, die im Nutzer-PC reserviert sind und Inhalte lokal bereitstellen, ohne bei erneutem Aufruf den Anbieter-Server zu kontaktieren. Ebenso wirken Firewalls, wie sie zur Standardausstattung im B-t-B-Bereich gehören, verzerrend, weil statt der eigentlich datenabrufenden internen IP-Adresse nur die FirewallIP-Adresse im Logfile erscheint. Weiterhin werden von vielen Providers VorratsIP-Adressen verwaltet, die als dynamische IP-Adressen fallweise verschiedenen Nutzern nach jeweiliger Verfügbarkeit zugewiesen werden. Damit ist ein korrekter Ausweis der Nutzer nicht mehr möglich. Zudem bieten Offline Reader-Funktionen die Möglichkeit, Webseiten- und damit auch dort befindliche Werbeinhalte, zu betrachten, ohne online zu sein, d. h., der zeitbezogene Ausweis der Werbung wird verfälscht. Wählen sich Nutzer unmittelbar auf die werbetragende Seite ein, ohne sich über Links dorthin verbinden zu lassen, sind die Messwerte ebenfalls unzuverlässig. Besteht eine Webseite aus mehreren unabhängigen Elementen (Frames), wird der Aufbau einer Seite als mehrfacher Abruf (Hit) je Frame gewertet. Zur Schaffung einer „harten Online-Währung“ hat die IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern) ein Messverfahren standardisiert, das unabhängig von absoluten Aussagen zumindest eine relative Vergleichbarkeit der somit erhobenen kommunikativen Daten gewährleistet. Es basiert im Wesentlichen auf den Messkriterien PageImpressions und Visits.

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

Bei der Banner-Schaltung kann in der Mediaplanung nach definierten Kriterien im Rahmen des Targeting zur Zielgruppenspezifizierung (Verminderung von Streuverlusten) vorgegangen werden (nach Kreutzer): • Behavioural Targeting basiert auf dem bisherigen Surfverhalten der Nutzer und segmentiert diese nach Interessensgebieten (meist auf Basis von Cookies, Netzwerkbeobachtung oder Log in-Daten), allerdings sind Interessensfelder oft eng begrenzt. • Contextual Targeting geht vom thematischen Umfeld einer Website (Affinität) aus, das besonders gut zur Werbebotschaft passt, Basis sind Suchanfragen und E-Mails. • Semantic Targeting basiert auf Suchworteingaben und ordnet Einzelwörtern, Wortkombinationen, Satzteilen und Texten Inhalte zu. Allerdings gibt es hier semantische Grenzen, z. B. Essen als Stadt oder als Nahrungsaufnahme oder Tokio Hotel als Boygroup oder Unterkunft in der japanischen Hauptstadt. • Predictive Targeting basiert auf statistischen Algorithmen aus Erhebungsdaten über die hoch gerechneten Web-Eigenschaften von Nutzern meist nach Nutzerprofil, Soziodemografie, Lebenswelt o. Ä. • Regional Targeting konzentriert sich auf bestimmte Gebiete, Städte, Postleit­ zahlzonen etc., speziell als Geo-Targeting. Anhand der IP-Adresse kann abgeschätzt werden, aus welcher Gegend ein Nutzer stammt bzw. wo er sich gerade aufhält. • Re-Targeting adressiert Nutzer, die eine Interaktion auf einer Website abgebrochen haben, nach Verlassen dieser Website auf einer anderen Website, meist in einem Werbenetzwerk. Ziel ist der Abschluss der Interaktion. Voraussetzung zur Wiedererkennung sind Cookies im Nutzer-Computer. • Technological Targeting liefert auf die jeweilige Hard- und Software-Umgebung zugeschnittene Werbemittel aus. Parameter sind dabei Browsertyp, Netzbandbreite, Nutzungszeiten etc., evtl. mit Begrenzung der Kontaktfrequenz (Caps).

5. Web 2.0-Onlinemedien Web 2.0-Anwendungen beziehen sich auf den Trend von der Massenkommunikation zur individualisierten Kommunikation durch Personalisierung, von der Push- zur Pull-Kommunikation mit eigenen Inhalten (User Generated Content / UGC) und von der Einweg- zur interaktiven Dialogkommunikation. Dabei stellt der Nutzer Inhalte für andere zur Verfügung und nutzt die Inhalte dieser anderen. Die Kommunikation ist also horizontal angelegt. Dies geschieht im Einzelnen in mindestens fünf Formen durch Soziales Netzwerk (privat / beruflich) (5.1), Weblog (5.2), Mediasharing (5.3), Online-Community (5.4) und Inhaltsaggregation

5. Web 2.0-Onlinemedien

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(5.5) (siehe Abbildung 114: Web 2.0-Medien). Hinzu tritt die Mobile-Werbung (5.6) als häufigste Medienform. Der Werbeeinsatz wird wiederum in der Mediaplanung (5.7) festgelegt.

Abbildung 114: Web 2.0-Medien

5.1 Soziales Netzwerk Soziale Netzwerke sind Nutzergemeinschaften von Webdiensten, die entweder auf bestimmte Personengruppen beschränkt sind oder jeden einschließen. Jedes Mitglied kann sich eine persönliche Seite als Profil einrichten, um sich anderen Mitgliedern mit abgestuften Sichtbarkeitseinstellungen zu präsentieren. Das einfache Empfangen und Senden von Nachrichten ist über Kontaktlisten / Adressbücher nach bestimmten persönlichen Merkmalen machbar. Das Versenden von internen Nachrichten und die Bildung von Interessengemeinschaften sind gezielt möglich. Gleichgesinnte können so gemeinsame Aktivitäten planen. Soziale Netzwerke finanzieren sich neben Mitgliedsbeiträgen vor allem durch Werbung / Sponsoring. Unternehmen können dort Fanseiten unterhalten, um Markenbotschaften zu verbreiten und durch Verlinkung den Traffic auf ihrer Seite zu erhöhen. Da die Nutzer intensiv und engmaschig kommunizieren, sind sehr informative Nutzerprofile vorhanden. Doch gerade diese kommerzielle Nutzung der Mitgliederdaten gerät zunehmend in die Kritik, vor allem aus datenschutzrechtlicher Sicht. Werbung in Sozialen Netzwerken erfolgt vor allem durch Beiträge, wobei wichtig ist, dass diese offen als solche ausgewiesen werden. Die Inhalte sollten von den Beiträgern auf jeden Fall vorab intern abgestimmt werden. Falls sie durch beauftragte Dritte (Influencers) erfolgen, ist im Regelfall ein entsprechender Werbehinweis erforderlich. Der Erfolg von Werbung ist schwer messbar, aber durch „Zuhören“ anhand von Schlüsselwörtern wie Fachbegriffen, Marken-/Firmen- oder Trendthemen dennoch möglich. Wichtig ist hier eine Sentiment-Analyse hinsichtlich der Tonalität, dies ist wiederum schwierig bei Ironie, Redewendungen, Abkürzungen, Slang, gängigen Recht-

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

schreibfehlern, doppelten Verneinungen, Mehrdeutigkeiten etc. Besonders wichtig ist die Identifikation von Meinungsführern. Messungen sind durch plattformseitig angebotene Analysetools möglich. Soziale Netzwerke sind umfangreicher werblicher Belegung zugänglich, vor allem durch Native Advertising (PR). Beispiele für Soziale Netzwerke sind Facebook als privates Soziales Netzwerk mit den höchsten Nutzerzahlen, oder Stayfriends als virtuelles Verzeichnis von Schulfreunden nach Stadt, Jahrgang, Schulart etc. Neben diesen privaten Netzwerken sind berufliche Netzwerke verbreitet. Solche Karrierenetzwerke haben sich im professionellen Umfeld etabliert. Hier geht es um berufliche Kontakte und das Kennenlernen „interessanter“ Professionals, die Kontaktpflege zu Kollegen, Geschäftspartnern, potenziellen Kunden etc., also um berufs- und geschäftsrelevante Inhalte. Beispiele für Karrierenetzwerke sind Xing hauptsächlich zur Jobsuche und Kontaktpflege, Hinterlegung eines privaten Profils, interessant für Recruiter, Personalverantwortliche, Kollegen, etc., oder LinkedIn mit Bereichen zur Netzwerkbildung, Weiterbildung und beruflichen Neuorientierung mit Nachrichtendienst und zum Wissenstransfer.

5.2 Weblog Weblogs (Blogs) sind häufig aktualisierte Webseiten, die Inhalte jeglicher Art in chronologisch absteigender Reihenfolge darstellen. Alle Inhalte sind in der Regel mit anderen Webseiten verlinkt und können vom Benutzer direkt kommentiert werden. Weblogs können thematisch organisiert und Kategorien zugeordnet werden. Der Autor ist entweder eine einzelne Person oder eine Gruppe. Der Begriff Weblog setzt sich aus „WWW“ und „Logbuch“ zusammen. Eine eigene Software zum Erstellen von Beiträgen, die Blogware, sorgt dafür, dass jeder als Autor („­Blogger“) ohne Webspace und Programmierkenntnisse eine Internetpräsenz in Form eines elektronischen Tagebuchs erstellen kann. Die Veröffentlichung ist kostenlos, inhaltlich nicht begrenzt, sondern nach Kategorien strukturiert, frei zugänglich, dialogorientiert und global möglich. Innerhalb der Blogosphäre gibt es eine starke Vernetzung untereinander, die Kommunikation ist direkt und persönlich. Häufig sind auch Blogs von Topmanagern der Unternehmen anzutreffen, in denen diese Vorkommnisse rund um ihr Unternehmen vorstellen und kommentieren. Elemente eines Weblog sind der Beitrag selbst (der Blogpost), Kommentare dazu, permanente, unveränderliche Links (die Permalinks), ein Trackback, d. h. Rückverweis auf die ursprüngliche Adresse über die Weiterverwendung der Inhalte, eine Blogroll, d. h. Sammlung von Links mit angebotenen Verweisen auf Kategorien, Tags, d. h. häufig verwendete Schlagworte sowie der Administrationsbereich und die RSS-Newsfeed-Funktion. Tag-Clouds stellen automatisch die im Blog vorkommenden Begriffe grafisch so dar, dass die häufigeren Begriffe in größerer Schrift

5. Web 2.0-Onlinemedien

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erscheinen. So lässt sich die persönliche Relevanz eines Blog schnell und einfach erkennen. Man unterscheidet zwischen Textblogs, Fotoblogs, Audioblogs, Videoblogs, aber auch Linkblogs, Wahlblogs, Sportblogs, Watchblogs, etc. Beispiele für Blogging-Plattformen sind Tumblr für Beiträge von beliebiger Länge, die miteinander geteilt werden können, oder Blogspot als generalistisches Portal für Blogs mit bevorzugter Platzierung bei Google. Alle Weblogs benötigen ein Impressum, auch Urheber- und Nutzungsrechte müssen beachtet werden. Ein wesentliches Problem ist die Lebendigkeit von Weblogs. Denn diese profitieren von aktuellen Einträgen und Kommentaren, und wenn Weblogs zu wenig Aktivität aufweisen, werden sie schnell uninteressant. Zudem ist die Auswertung von Weblogs sehr zeitaufwändig, so dass es ratsam ist, diese Aufgabe an Dritte auszulagern. Wenn eine Moderation des Weblog übernommen wird, ist dies ebenfalls als arbeitsintensiv zu betrachten. Abgesehen davon sind Weblogs kostengünstig, ortsunabhängig nutzbar, einfach zu bedienen, interaktiv, schnell, unzensiert, inhaltlich vielfältig und plattformunabhängig einsetzbar. Allerdings gibt es auch jede Menge Datenmüll, viele Urheberrechtsverletzungen und verzerrte oder verfälschte Inhalte (Fakenews). Webblogs werden umfangreich für offene oder verdeckte Werbeeinschaltungen genutzt. Außerdem wirken Blogger als Multiplikatoren in ihrer Zielgruppe. Ein Microblog ist ein öffentlich einsehbares Tagebuch, das von einem stationären oder mobilen Standort im Internet abgerufen werden kann. Bekanntester Dienst ist Twitter. Die Besonderheit ist, dass Textnachrichten nur eine begrenzte Anzahl von Zeichen haben dürfen, aber auch Bildnachrichten können eingebunden werden. Es handelt sich um ein Echtzeitmedium, das Schreiben von Texten wird allgemein als Twittern bezeichnet. Tweets sind dann die Nachrichten. Nutzer können Nachrichten abonnieren, die referenzierte Wiederholung solcher Nachrichten wird als Retweet bezeichnet. Die Abonnenten sind Follower. Die Autoren sind Twitterer. Sie können entscheiden, welchem Follower-Kreis sie ihre Nachrichten zur Verfügung stellen. Die Suchfunktion kann durch Hashtags (#) im Text unterstützt werden. Damit kann die Popularität von Beiträgen verfolgt werden. Hashtags werden auch verwendet, um Texte durch Querverweise zu kommentieren. Texte werden in chronologischer Reihenfolge absteigend in einem Protokoll als Tagebuch ähnlich wie bei Weblogs angezeigt. Als Werbemittel/-träger sind Microblogs analog zu Blogs einzuschätzen. Twitter ist ein Kurznachrichtendienst (max. 280 Zeichen), für den eigenen Account oder für Newsfeed-Abonnenten. Twitter sammelt persönliche Daten, indem jeder Teilnehmer registriert wird. Durch den Verkauf dieser Daten werden Erträge generiert. So können Unternehmen gezielt Kontakt zu Nutzergemeinschaften aufbauen und pflegen. Analytische Tools ermöglichen die Messung des Werbeeinsatzes.

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

5.3 Mediasharing Auf Mediasharing-Plattformen kann jeder Nutzer Videos / Fotos / Animationen / ​Texte / Sounds / Charts hochladen und andere Videos / Fotos / A nimationen / ​ Texte / Sounds / ​Charts kommentieren. Die Mediendateien können auch heruntergeladen und in andere Webseiten integriert oder per E-Mail verschickt werden. Damit ist es möglich, sie in Firmenpräsentationen, Produktinformationen etc. zu integrieren. Es ist auch möglich, Mediadateien von bestimmten anderen Nutzern zu abonnieren. Für Präsentationszwecke sind Videos besonders nützlich. Diese wiederum werden hauptsächlich als Tutorials angeboten, zum Beispiel in Form von Bedienungsanleitungen, Anwendungsbeispielen oder Schnellkursen. Für die Downloads ihrer Dateien erhalten die Autoren über ein Partnerprogramm ihre Provision. Der Anzeige von Videos ist oft Werbung vorangestellt, die nur mit Werbeblockern ausgeschaltet bzw. als Pre-roll Ads nach sechs Sekunden geskippt werden kann. Digitale Fotos eignen sich u. a. für Foto-Blogs oder als Vorlagen für Printing-on-Demand. Sie können mit einer meist eingebetteten Bildverwaltungs-Software erfasst, organisiert und abgerufen werden. Weit verbreitet sind auch virtuelle Pinnwände für Lieblingsfotos, die öffentlich einsehbar sind. Chart-Präsentationen werden vor allem für professionelle Zwecke eingesetzt. Audios hingegen werden hauptsächlich zu Unterhaltungszwecken genutzt. Mediasharing-Plattformen finanzieren sich in der Regel aus Werbeeinnahmen und Datensammlung. Beispiele für Mediasharing sind – Instagram: Plattform für Fotos und Videos, Bildbearbeitung durch App, Kategorisierung durch #-Zeichen, Beschriftung von Fotos und Videos, automatisches Löschen von „Stories“ nach einem Tag, – Pinterest: virtuelle Pinnwand, Sammlung von Bildern und Beiträgen mit thematischer Gliederung, vor allem für Mode, Wohnen, Reisen etc., – Snapchat: App mit automatischer Bildlöschung zehn Sekunden nach der Wiedergabe, Bildbearbeitung und Grafiken sind möglich, ebenso Textnachrichten, „My Story“ mit verketteten Bildposts, die sich nach einem Tag löschen, – Flickr: Fotos und kurze Videos, umfangreiche Archivfunktion, gute Verbreitungsmöglichkeit über Verteiler, – SlideShare: Präsentation von Dokumenten, Infografiken, Webinar-Inhalten, Tuto­rials usw., hauptsächlich für Business und Bildung, – YouTube: größte Verbreitung für Videos, sinnvoll u. a. für zielgruppenorientiertes Influencer-Marketing (Meinungsführer), – Vimeo: wie YouTube, aber anspruchsvoller, für professionelle und hochwertige Filmproduktionen, – Google Fotos: Organisation von Bildinhalten, Möglichkeit, gemeinsame Fotoalben zu erstellen.

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5.4 Community Online-Communities sind organisierte Gruppen, die über Internet-Plattformen miteinander interagieren. Als Protokolle dienen hauptsächlich http als Webchat bzw. aus Tradition Usenet als Newsgroup und IRC als Chat-Kanal. Die Bezeichnungen haben sich im Laufe der Zeit geändert und werden daher in der Literatur nicht einheitlich verwendet. Im Unterschied zu den vorgenannten Formen ist diese Form auch horizontal angelegt. Voraussetzung für Webchat-Foren ist die Registrierung und das Einrichten eines Benutzerkontos. Dabei werden meist Pseudonyme verwendet, teilweise ist aber auch ein Gastzugang möglich. Kommerzielle, proprietäre Communities sind für den Aufbau und die Verwaltung der Struktur verantwortlich, manchmal auch für die Moderation. Offene Systeme erlauben die Kommunikation von und zu verschiedenen Netzwerken. Die Inhalte sind themenorientiert, z. B. Spiele, Reisen, Sport, auch Wissensmanagement über Intranet oder Voting / Rating sind oft enthalten. Weit verbreitet sind auch Entwickler-Communities (E-/Open Source). Werbung findet vorwiegend durch Banner statt und kann recht zielgenau ausgeliefert werden. Beispiele für Webchat-Foren sind Knuddels, Spin, Gesichterparty, HeiseOnline. Die Kommunikation in Newsgroups erfolgt über NNTP-Usenet (Network News Protocol) und asynchron, d. h. zeitversetzt, somit nicht auf Basis des http-Protokolls. In den Gruppen kann man mit Personen kommunizieren, die sich gerade mit bestimmten Themen, welcher Art auch immer, beschäftigen und so Informationen erhalten oder sich mit Gleichgesinnten austauschen. Es gibt automatische Verzeichnissysteme für Diskussionsbeiträge. Oft unterhalten diese Listen auch ein Archiv, in dem man ältere Diskussionsbeiträge nachverfolgen kann. In offenen Listen ist es jedem möglich, sich an der Diskussion zu beteiligen. Um als Teilnehmer aufgenommen zu werden, schickt man eine E-Mail an die Adresse des Listserver und verweist auf eine bestimmte Diskussionsgruppe. Damit ist man dort registriert. Um einen Beitrag zur Diskussionsgruppe zu leisten, sendet man eine E-Mail mit diesem Beitrag an die Listenadresse. Alle in einer Diskussionsliste registrierten Teilnehmer erhalten nun diese E-Mail durch Weiterleitung aus den Listenadressen. Bei moderierten Listen werden die Diskussionsbeiträge zunächst an einen Moderator geschickt, der sie im Hinblick auf bestimmte Grundsätze der Diskussionsliste und ihre inhaltliche Eignung für das jeweilige Thema prüft. E-Mails, die aus fachlicher Sicht ungeeignet oder uninteressant sind, werden nicht weitergeleitet. Dies lässt eine höhere Qualität der veröffentlichten Beiträge vermuten, birgt aber gleichzeitig auch die Gefahr einer Zensur, wenn auch nur unbewusst. Bei nicht-öffentlichen Listen werden die Teilnehmer nicht ohne Weiteres in die Diskussionsgruppe aufgenommen. Vielmehr muss ein Aufnahmeschreiben an den Listenadministrator geschickt werden, der dann über die Aufnahme entscheidet,

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

wodurch die Zahl der Diskussionsteilnehmer kleiner und die vermutete Relevanz ihrer Beiträge möglicherweise höher gehalten werden kann. Werbung findet vorwiegend durch Banner und ohne große Fehlstreuung statt. Beispiele für Diskussionsforen sind DieForencommunity, MotorTalk, Büchertreff, Computer-Base, EsoterikFreunde, FinanzForum, Chefkoch, MusikerBoard, SportForum. Internet-Relay-Chats (IRC bzw. IRC-Protokoll) stellen ein textbasiertes System dar, das Diskussionsrunden mit einer beliebigen Anzahl von Teilnehmern in ChatKanälen ermöglicht. Zur Einwahl wird ein IRC-Client mit eigenem, proprietären Protokoll und entsprechenden Befehlen verwendet. Basis ist dann ein Servernetzwerk, z. B. German elite, Rizon, Imule, wobei zwischen zwei Teilnehmern nur genau ein Verbindungsweg existiert. Die Übertragung kann verschlüsselt erfolgen. Ein Chat kann von jedem Teilnehmer gestartet werden, allerdings nur auf dem lokalen Rechner entweder über ein spezielles Programm oder eine Benutzeroberfläche im Browser. Beispiele sind IRCnet (Europa), EFnet (USA), QuakeNet, Undernet, Freenode etc.

5.5 Inhaltsaggregation Zur Inhaltsaggregation gehören vor allem Wikis kollektiver Intelligenz, Bewertungsportale und Bookmarking-Dienste. Ein Wiki ist allgemein ein Hypertext-System von Webseiten, deren Inhalte von den Nutzern nicht nur gelesen, sondern auch online neu eingegeben oder verändert werden können. Dem liegt die „Weisheit der Vielen“ als Schwarmintelligenz zum Wissensmanagement zugrunde. Meist findet eine themenorientierte, auf allgemeine oder spezielle Interessen ausgerichtete Gestaltung statt. Die Software für Wikis, ein vereinfachtes Content-Management-System (CMS), die Wiki-Engine, ist frei verfügbar, so dass jeder Website-Betreiber sein eigenes Wiki einrichten kann. Wikis werden auch unternehmensintern betrieben, zum Beispiel im Innovationsmanagement. Sie können auf Stand alone-PCs, in lokalen Netzwerken oder in Extranets installiert werden. Hier ist die Versionsverwaltung von großer Bedeutung. Außerdem ist eine Kritische Masse an Nutzern und Beiträgen erforderlich. Offene Wikis sind in der Regel werbefrei und werden durch Spenden finanziert. Geschlossene Wikis sind ein zunehmend wichtiges Mittel zur internen Kommunikation. Im Gegensatz zu Blogs sind die Einträge thematisch und nicht chronologisch geordnet. Als bekanntestes Beispiel gilt Wikipedia, die Internet-Enzyklopädie mit thematisch sortierten Stichwörtern, die Mitwirkende als Schwarmintelligenz selbstständig erstellen, korrigieren, ergänzen etc. Wikipedia ist für „normale“ Werbung nicht nutzbar, wohl aber für Native Advertising (PR).

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In Bewertungsportalen bewerten Nutzer online Produkte, Dienstleistungen, Unternehmen und Organisationen. Weitere Bewertungsobjekte sind Lehrer, z. B. Spickmich, Universitätsdozenten, z. B. mein. Prof, Arbeitgeber, z. B. Kununu, Ärzte, z. B. Jameda, Rechtsanwälte, z. B. Anwalt, etc. Darüber hinaus gibt es branchenspezifische Portale wie z. B. Holidaycheck, HRS, Trivago, etc. im Tourismus. Die Verschmelzung von Kartendiensten und Bewertungsinhalten ist üblich (z. B. Yelp). Online-Rezensionen werden immer wichtiger, eine große Anzahl von Nutzern zieht sie vor Kaufentscheidungen zu Rate. Aber auch Anbieter nutzen sie als Grundlage für die Verbesserung ihres Angebots. Empfehlungsportale veröffent­ lichen nur positive Bewertungen, Rezensionsportale leiten Bewertungen ohne Veröffentlichung an ihre Auftraggeber zur Auswertung weiter. Bei missbräuchlicher oder unwahrer Kritik von Mitbewerbern besteht ein Anspruch auf Löschung des Eintrags. Häufig sind Gateways zu Preisvergleichsportalen (z. B. billiger, idealo, Check24) zu finden. Diese greifen außerdem selektiv auf Informationen aus Metasuchmaschinen zu, um einem Produkt die Preise verschiedener Anbieter zuzuordnen. Darüber hinaus gibt es Informationen zu Lieferfähigkeit, Testberichten, Ökologie, Sicherheit etc. Allerdings sind die Informationen oft veraltet, verfälscht oder nicht vergleichbar. Werbung erfolgt in der Regel durch die Eintragungen in Bewertungsportalen selbst. Beispiele für Bewertungsportale sind Yelp als Bewertungsplattform für Verbraucher, Geschäftsempfehlungen im lokalen Umfeld, daher vor allem auf mobilen Geräten genutzt, oder Foursquare als lokaler Empfehlungsdienst, orts­ bezogen, daher primär mobil. Websites, die als persönliche Favoriten gespeichert sind, können in der Regel nur vom eigenen Rechner aus aufgerufen werden. Diese Favoriten können jedoch auch durch Internet-Lesezeichen markiert und von anderen Nutzern übernommen oder über Server im Extranet oder Intranet mit ihnen geteilt werden, so dass sich die Nutzer gegenseitig auf interessante Websites hinweisen können. Zu diesem Zweck werden solche Links beim Social Bookmarking als „öffentlich“ gekennzeichnet. Diese kollaborativen Indexierungen werden von Suchmaschinen registriert und verbessern so über Backlinks das Ranking der referenzierten Seiten. Darin liegt gleichzeitig eine Möglichkeit des Missbrauchs, so dass Bewertungen von Bookmarks eingeführt wurden. Die Indexierung kann nach Stichworten, Kategorien oder Nutzern erfolgen. Es gibt auch Favoriten-Rankings. Die Listen können per RSS-Feed verfolgt werden. Bookmarks sind also ein probates Mittel, um die Popularität der eigenen Website zu steigern. Werbung erfolgt sowohl über Banner als auch über Videos. Beispiele für Bookmarking-Dienste sind Digg als spezialisierte Anwendung für Nachrichten, Videos, Podcasts, oder StumbleUpon als Suchmaschine, die Websites empfiehlt, wobei die Nutzer Bewertungen abgeben können, so dass eine gewisse Qualitätssicherung vorhanden ist.

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5.6 Besonderheiten bei Mobile-Werbung 5.6.1 Generische Medienvorteile Zunehmend findet aber eine mobile Nutzung statt. Allgemeine Vorteile der Mobilkommunikation liegen in folgenden Punkten: • Interaktivität umschreibt die Fähigkeit zur wechselseitigen Kommunikation zwischen Sender und Empfänger und damit die grundsätzliche Dialog- bzw. Rückkopplungsmöglichkeit. Möglich sind sowohl persönliche Dialoge zwischen zwei oder mehreren Nutzern über das Medium als auch Interaktionen mit dem Medium selbst. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit des aktiven und individuellen Gestaltens des Kommunikationsprozesses durch den Nutzer bzw. Empfänger unabhängig von vorgegebenen Ablaufmustern. • Multifunktionalität kennzeichnet die Fähigkeit, je nach Situation unterschiedliche Kommunikationsformen über das Medium abzuwickeln. Die Möglichkeiten reichen optional von den verschiedenen Arten der Individualkommunikation wie bilateral / multilateral, synchron / asynchron, linear / nicht-linear bis zur Massenkommunikation mit gleichem Informationsangebot für alle. • Aktualität, denn Informationen lassen sich über prinzipiell unbegrenzte Distanzen und unabhängig von der zeitlichen Präsenz eines Kommunikationspartners übermitteln und abfragen. Informationen sind damit jederzeit an beliebigen Orten verfügbar. • Digitalisierung erfolgt mit Zugriff auf eine Fülle von Daten und Programmen, die auf Rechnersystemen abgelegt sind, wodurch ein bisher unbekanntes Informationspotenzial entsteht. Dies wird erst durch die Darstellung der Daten in digitaler Form machbar. • Individualität durch modularisierte Nachrichten und Informationen, auch personalisiert, diese werden aus vorgefertigten Modulen variabel und flexibel zusammengestellt bzw. abgerufen und schaffen damit eine punktgenaue Ansprache­ möglichkeit. • Ubiquität, denn durch die grundsätzlich unbegrenzte Sende- und Empfangsmöglichkeit ist prinzipiell ein Zugriff von Jedermann für Jedermann darstellbar. Dies bedeutet zwar eine technisch komplexe, zugleich aber für Nutzer einfache Kommunikationsform. Die Vorteile der Mobilkommunikation liegen speziell in der Lokalisierbarkeit durch nutzerinitiierte (Cell), endgerätbasierten (UUID) oder netzbasierten Ortung (GPS), der auch internationalen Ortsunabhängigkeit, jederzeitigen Erreichbarkeit, Flexibilität, Identifizierbarkeit, Bequemlichkeit und Kostengünstigkeit. Als Akteure sind neben Endgeräteherstellern und Systembetreibern noch Mehrwertdiensteanbieter und Dienstehändler aktiv.

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Die Mobile-Werbung profitiert von verbesserten technischen Standards in der Übertragung mit hoher Datenrate (5 G), aber auch in den Endgeräten durch Displaygröße, Akkuleistung, Dateneingabe, schnelle Prozessoren, größere Arbeitsspeicher etc. Bei der Nutzung sind die rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Dazu gehören eine klare Identifikation des Absenders, die Impressumspflicht und der Versand von Werbenachrichten nur mit vorheriger Einwilligung des Empfängers. Beim Versand werden das Pull-Modell vom Nutzer an den Anbieter, d. h. die Anwahl über oft allerdings teure Rufnummern, oder das Push-Modell vom Anbieter an den Kunden, d. h. der Versand ohne Anforderung, unterschieden. Eine wesentliche Werbeform stellen auch hier Banner dar, und zwar vor allem als – Wide Skyscraper (längs senkrecht am Rand/160 × 600 px), Wallpaper (am oberen und unteren Rand), Medium Rectangle (Rechteck in der Mitte/300 × 250 px), Maximum Wallpaper (am oberen, linken und rechten Rand), Superbanner (Streifen am oberen Rand/728 × 90 px), Ad (Rechteck am linken Rand), Mobile Banner (320 × 50 px) oder Halfpage Ad (300 × 600 px). Das Banner muss wegen der abweichenden Bildschirmdiagonalen in vier Größen ausgeliefert werden, dabei sind verschiedene Formate möglich. Jeweils ist eine Werbekennzeichnung (w) am Rand, in kontrastreicher serifenloser Schrift in mind. 9 pt-Größe erforderlich. Als weitere Werbeformen kommen vor allem in Betracht: • Textlink, d. h. ein Hyperlink führt auf eine werbeführende Seite, • Bild-und Text-Link (als JPEG), auch als Bewegtbild (Inpage Video Ad), • Expandable Ad, d. h. Öffnung eines eigenes Bildschirmfensters für Werbung mit Schließen-Symbol (x), • Instream Video Ad als Pre-/Post-Rolls, d. h. Werbeclips vor und nach Video­ content, die Übertragung wird bei Anruf sofort unterbrochen, • Click to Video, d. h. Bildschirmfenster, das nach Anklicken ein Werbevideo startet, • Interstitial, d. h. Werbeeinblendung, die bei Seitenaufruf automatisch vorübergehend erscheint, es ist ein Schließen-Symbol (x) erforderlich. Erlöse stammen vor allem aus Transaktionen als Pay per Click / Pay per Use, Abo-Gebühren (Subcription) und sofortiger Verbindung als Pay per Visitor, Pay for Availability. Verkaufserlöse ergeben sich aus Produktabsatz, Banner-/VideoSpot-Schaltung etc. 5.6.2 Verbreitete Anwendungen Häufige Anwendungen der Mobilen Kommunikation sind folgende. RSS-Feeds sind ein Push-Dienst im Internet im Unterschied zu E-Mails als Pull-Dienst, d. h., Nachrichten müssen nicht extra abgerufen werden. RSS (Really Simple Syndica-

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tion) dient der einfachen, XML-strukturierten Veröffentlichung von Änderungen auf Websites. Anbieter sind RSS-Channels, die Schlagzeilen und Links zu indexierten Seiten an Abonnenten verschicken (Feed). Die Nachrichten sind dann im Feedreader einsehbar, teilweise auch als Volltext. Dadurch können verdeckt große Mengen an Quellen, z. B. auch Weblogs, gesichtet werden. Die Nachrichten lassen sich durch RSS-Parsers in eigene Websites integrieren (Syndication). Es werden nur Inhalte, vor allem Texte, aber auch Audio- und Videodateien, übertragen, jedoch keine Navigationselemente oder Funktionalitäten. Werbungtragende Seiten mit RSS-Feeds erhalten somit im Abonnentenkreis eine große Verbreitung. Mash-ups verbinden bestehende Medieninhalte nahtlos. Dies setzt offene Programmierschnittstellen voraus wie JavaScript, Flash etc. Denkbar ist etwa die Einbindung von Landkarten oder Satellitenfotos mit individuellen Markierungen in eigene Websites, aber auch eingebettete Fotos oder Videos. Dadurch entstehen Mehrwert-Informationen. Diese können server- oder clientseitig aggregiert und aufbereitet sein, dauerhaft oder anlassbezogen, global oder individuell gesteuert. Sie werden vor allem im Long Tail Business genutzt, d. h. für digitale Nischenprodukte, bei denen Kapitalbindung aufgrund der Digitalisierung praktisch keine Rolle spielt und daher eine extreme Programmvielfalt möglich wird, die in der realen Welt nicht finanzierbar wäre. Im Rahmen von Location-based Services (LBS) werden Funktionen und Informationen auf Basis des geografischen Standorts eines Nutzers oder Objekts dem Nutzer selbst (Position aware Services) oder einer anderen Person / Organisation bereitgestellt (Location Tracking Services). Bei Pull-Diensten fordert der Nutzer aktiv Daten zu seinem aktuellen oder zukünftigen Standort ab, bei Push-Diensten erhält er diese automatisch zugesandt. Dabei werden mobile Endgerätetechno­logien (Nutzerschnittstelle), mikrogeografische Informationssysteme (Datenquelle) und Internet (Transportweg) kombiniert. Die Ortsangabe erfolgt deskriptiv als Name, anhand von Geokoordinaten oder nach Funkzellen. Die Positionsermittlung erfolgt satellitenbasiert (GPS-Netz), netzwerkbasiert (Cell-ID) oder Indoor (NFC / Bluetooth). Bei GPS ist Sichtkontakt zu mindestens vier Satelliten erforderlich (zwei für Standort, je einer für Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit). Cell-ID basiert auf Funkzellen unterschiedlicher Größe. NFC / Bluetooth sind KurzstreckenWLANs. Anwendungen beziehen sich etwa auf die Navigation, lokale Soziale Netzwerke (z. B. Foursquare), Flottenmanagement (Tracing) oder ortsbezogene Abrechnung (Ticketing). Werbung erfolgt hier durch entsprechenden Karteneintrag der Geschäftsstätte sowie erweiterte Informationen (Angebot, Öffnungszeiten, Kundenbewertungen etc.). Beim Instant Messaging handelt es sich um Dienste, die eine direkte, synchrone und schriftliche Kommunikation zwischen Personen erlauben. Über verschiedene proprietäre Protokolle können Kurznachrichten sofort zwischen Users übermittelt werden. Je nach System sind auch eine Übertragung von Dateien sowie Audiound Videostreams möglich. Voraussetzung ist, dass die Kommunikationspartner

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zeitgleich aktiv sind und eine direkte Kommunikation miteinander anstreben. Der Empfänger der Nachricht kann darauf direkt reagieren. Push-Dienste bringen Inhalte nach vorher vereinbarten Regeln vor, ohne dass der Nutzer diese vom Anbieter des Informationsdienstes abholen müsste, dazu gehören z. B. Börsen-Ticker, Datenbank-Inhalte oder Browser-Updates. Werbung erfolgt hier durch personalisierte Nachrichten, die allerdings abschaltbar sind. Broadcasting findet über Podcasts statt. Podcast ist ein Kunstwort aus Broadcast für „an viele senden“ und pod für iPod von Apple. Podcasts dienen der Verbreitung von Audio- und Videodateien im Internet (Videodateien werden Vodcasts genannt). Als Podosphäre wird das Umfeld von Podcasts bezeichnet. Bei den Dateien handelt es sich um online-zugängliche mp3/mp4-Files, die sich Nutzer auf ihr Telcom-Endgerät herunterladen oder auf ihrem Mobilplayer abspielen. In kostenfreien Podcasts wird Werbung akzeptiert. Auch ein Abonnement mittels RSSFeed durch Podcatcher wie iTunes ist möglich. Die Aufnahme erfolgt an Rechnern mit Soundkarte / Videokarte, Mikrofon / Webcam und Internetanbindung. Die Software ist häufig kostenlos. Dann sind noch der Schnitt und die Umwandlung in Files notwendig. Dabei sind Urheberrechte (GEMA) zu beachten. Der fertige Cast wird auf eigenen Webspace hochgeladen oder bei Podhosters eingestellt, wo jedermann sich ein meist kostenloses Konto mit Speicherplatz einrichten kann. Die Veröffentlichung des Podcast erfolgt in Podcast-Portalen. Professionell wirken eine untadelige Ton-/Bildqualität, eine Länge unter 20 Minuten und eine seriöse Präsentation. Podcasts erlauben ausführliche Formen der Audiowerbung innerhalb des Cast, aber auch davor oder dahinter. Verbreitet werden Computerspiele für Mobil-Werbung genutzt. Beim statischen Ingame Advertising sind Product Placements fest in die Spieledramaturgie handlungsführend einprogrammiert oder bleiben als Begleitung dauerhaft Bestandteil des jeweiligen Spiels. Dabei entstehen jedoch werberechtliche Problematiken. Beim dynamischen Ingame Advertising erfolgen darüber hinaus geo- und / oder zeitcodierte Schaltungen von Werbemitteln über den Rückkanal. Die Werbebotschaften werden dann in Abhängigkeit vom Werbebudget im Spiel ein- oder ausgeblendet und sind damit kampagnenfähig. Variable sind die Dauer der Einblendung, die relative Größe auf dem Monitor und der Betrachtungswinkel, insofern entstehen verschiedene Wertigkeiten mit messbaren Effizienzgrößen. Bei Adgames handelt es sich um Computerspiele, die im Auftrag von Markenartiklern entwickelt worden und exklusiv mit Werbung gespickt sind, und zwar meist in der Spieleumgebung (z. B. Moorhuhn / Johnny Walker). Denkbar, wenngleich wenig akzeptiert, sind auch Werbeinblendungen in Spielepausen. Als Spielformen sind Ego-Shooters, Adventures, Strategiespiele, Rollenspiele, Jump & Run-Spiele, Flugsimulationen, Wirtschaftsszenarien, Sportspiele etc. vorhanden. Diese können durch Einzelspieler, auch gegen den (Spiele-)Computer, durch mehrere Spieler oder, hier relevant, im Netzwerk oder durch Massive Multiplayer Online Games (MMOG) über Server erfolgen. Bei letzteren handelt es sich um Rollenspiele, für die häufig Server-Nutzungskosten anfallen. Die Dateneingabe erfolgt über Gamepad, Joystick, Sprach-

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

erkennung, Körperbewegung etc., die Ausgabe über Texte, subjektive Kameraperspektiven, 3-D-Grafiken, Avatare etc. Die Technik wird auch für Virtuelle Welten (auch Mixed Realities) genutzt. Dort können Nutzer sich künstliche Repräsentanten als Avatare zulegen und mit diesen agieren. Virtual Reality (VR) bzw. Augmented Reality (AR) bieten zahlreiche Möglichkeiten zur Platzierung von Werbung, die allerdings, wie im realen Leben, von Besuchern häufig zügig ignoriert wird. Apps (Applets) sind kleine Programme, teils mit Werbung als Kaufpreisersatz, die vor allem auf Smartphones / Tablet-PCs mit mobilrelevanten Inhalten angeboten werden, z. B. Timer, Analogzeituhr, Flugtermine, Rezepte. Speziell bei Apple handelt es sich dabei um eine End to End-Lösung, d. h. Hardware, BetriebssystemSoftware und Anwendungs-Software sind perfekt aufeinander abgestimmt, so gibt es keine Schnittstellenprobleme wie Zeitverzögerung oder Absturz. Dafür muss eine gewisse „Zensur“ durch den Systemintegrator hingenommen werden, indem Apps von diesem auf ihre Lauffähigkeit hin geprüft, ggf. verändert und dann erst freigegeben werden. Native Apps werden spezifisch für ein Betriebssystem geschrieben, dies setzt eine Entwicklungsumgebung voraus (Software Development Kit / SDK) und die Registrierung der App (z. B. AppStore). WebApps sind endgeräteunabhängig über Browser nutzbar und basieren auf modernen Web-Technologien (HTML5, CSS3, Javascript etc.). Hybride Apps kombinieren beide Ansätze. Apps können allein lauffähig sein (Stand Alone) oder weiterer Systeme bedürfen (Client). Apps bleiben meist werbefrei. Oft ist auch eine Wahl zwischen ohne Werbung, dann aber kostenpflichtig, oder mit Werbung, dann kostenfrei oder zumindest verbilligt, gegeben. Für In-App Advertising besteht eine Vielzahl von Möglichkeiten. Ein QR-(Quick Response-)Code besteht aus einer quadratischen Matrix mit schwarzen und weißen Punkten und Linien. Diese enthalten digital codiert Informationen wie Texte, Kontaktdaten, Telefonnummern, Bestelldaten etc. In drei von vier Ecken ist ein Quadrat vorhanden, an dem sich der Scanner orientiert. So ist gesichert, dass der QR-Code unabhängig von seiner Ausrichtung immer korrekt eingelesen werden kann. Der Code enthält eine Fehlerkompensation, die sicherstellt, dass die Informationen noch lesbar bleiben, selbst wenn 30 % der Grafik zerstört sind. Dies ermöglicht Designer-QR-Codes. QR-Codes können mit Freeware-Programmen leicht selbst erzeugt und mit kostenlosen Apps (wie Qrafter) auf mobilen Endgeräten erfasst werden. QR-Codes sind keine Werbeträger, wohl aber interessante Werbemittel.

5.7 Mediaplanung In Bezug auf die Mediaplanung ist für die Einschaltung zwischen den benannten Kanalgattungen Soziale Netzwerke, Weblogs, Mediasharings, Communities und Inhalts-Aggregatoren zu unterscheiden. Da diese jeweils wiederum aus zahlreichen Unterformen bestehen, ist zudem hier eine Werbeträgerselektion vorzu-

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nehmen. Als Kriterien werden dafür deren qualitative Zielerreichung in Bezug auf Bekanntheit / Image in der Zielgruppe („Branding“) sowie deren quantitative Zielerreichung in Bezug auf Konversion / Interaktion und Abverkauf zugrunde gelegt („Performance“). Branding nutzt dabei Elemente wie Storytelling, LogoProminenz des Absenders oder CD-Integration mit Offline-Werbemitteln. Performance hingegen setzt auf Elemente wie Handlungsaufforderung, Auslobung von Incentives oder verkaufsaktivierende Schlagwörter. Beides gemeinsam ist bei gegebenem Budgetrahmen kaum zu erreichen, zudem schließen sich die zugrunde liegenden Zielsetzungen häufig aus (siehe Ivanova / Gawenda). Im nächsten Schritt ist die Werbemittelselektion vorzunehmen. Teilweise sind die Werbemittel kanal-proprietär, weichen also zwischen den Kanälen nach Art, Umfang, Ausgestaltung etc. ab, teilweise sind aber auch einheitliche Werbemittel nutzbar wie z. B. Banner. In jedem Fall gilt es, Folgendes einzustellen: • die zeitliche Streuung, d. h. der Zeitraum, der werblich ausgedeckt werden soll, dabei kann eine gleichmäßige oder eine variierte Ausdeckung erfolgen, • die intensitätsmäßige Streuung, d. h. die Häufigkeit der Schaltungen, dabei kann ein gleichbleibender oder veränderlicher Werbedruck angestrebt werden, • die räumliche Streuung, d. h. die geografische Auslieferung der Schaltungen, dabei kann eine gleiche oder abweichende Ausdeckung erfolgen, • die situative Streuung, d. h. das Medienumfeld des Werbeträgers für die Platzierung (Context) bzw. die Einbettung des Werbemittels darin (Visibility). Die Planung wird meist als von der Erreichung vorgegebener Leistungswerte abhängig angesehen. Dabei wird insb. auf die Reichweite der Werbemittelabdeckung in der Zielgruppe abgehoben sowie die Häufigkeit der Werbemittelkontakte mit dieser. Im Unterschied zu Klassischen Medien können diese Werte bei OnlineWerbung auf der Werbemittelebene nachvollzogen werden. Eine Prognose ist aus Vorabtests heraus möglich, etwa über alternative Zeiträume, Schalthäufigkeiten, Werbegebiete und Platzierungen. Die Messung erfolgt dann über Analyse-Tools wie Keyhole etc. In der Nachbewertung kann evaluiert werden, ob die beabsichtigten Leistungswerte erreicht worden sind, falls ja, kann eine Schaltung bis auf Weiteres fortgesetzt werden, falls nein oder scheint ein Sättigungspunkt erreicht, sind die Schaltparameter auf Basis einer Ergebnisprognose anders einzustellen. Ob dies zu einer Verbesserung führt, kann durch eine Nachfolgemessung bestimmt werden. Die Leistungswerte beziehen sich im Einzelnen auf Größen wie • Anzahl der Follower / Abonnenten, Engagement Rate (Interaktionen), HashtagVerbreitung, Influencer-Reichweite, Nutzertreue, Posting-Relevanz, Sentiments (Stimmungsbild), Nutzerreichweite, Sichtkontakte (mit Werbemitteln), VideoViews, Verweildauer etc. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist dabei die Sammlung und Auswertung der Nutzerdaten. Teils sind sie technisch zwangsläufig in Logfiles verfügbar, teils werden

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diese durch Künstliche Intelligenz angereichert, etwa nach Alter, Geschlecht, Kaufkraft, ethnischer Herkunft, Ausbildungsgrad u. Ä. der Nutzer. Die so augmen­ tierten Daten werden durch externe Offline- und Online-Quellen veredelt, etwa nach Interessen, Besitzstand, Kaufverhalten, Verwendungsart u. Ä. Dieser Datenstamm wird mit jedem neuen Werbeträgeraufruf der Nutzer verfeinert und bestätigt oder korrigiert, so dass die Genauigkeit stetig zunimmt. Diese Daten können aber nicht nur im Zuge der eigenen Mediaplanung genutzt, sondern auch an Dritte verkauft werden, etwa zur Erzielung alleiniger oder zusätzlicher Erlöse. Im Allgemeinen werden dazu Stamm- und Transaktionsdaten unterschieden. Stammdaten bleiben mittelfristig unverändert und definieren zentrale Charakteristika von Zielgruppen / Nutzern, Transaktionsdaten sind Flussdaten und verändern sich kurzfristig mit jeder Interaktion. Durch Datenschutzbestimmungen sind diese Daten nur ausnahmsweise konkreten Nutzern zuordenbar (identifiziert), meist werden die Personendaten nur verschlüsselt (pseudonymisiert) den Transaktionsdaten zugeordnet oder beide Datengruppen werden tatsächlich voneinander getrennt (anonymisiert).

6. Nicht-klassische Medien Bei nicht-klassischen Medien ist keine positive Abgrenzung möglich, sondern nur eine negative. Es handelt es sich um ein heterogenes Konglomerat von Medien, dem nur gemein ist, dass sie nicht klassische Print-, Elektronik- oder Außenwerbungsmedien darstellen. Noch vor gar nicht so langer Zeit machten diese nur einen kleinen Anteil an den gesamten Kommunikationsaktivitäten aus. Die Masse des Budgets wurde vielmehr in klassische Medien investiert. Jedoch war dort eine zunehmende Reaktanz festzustellen, der man durch weitere Budgetsteigerungen beizukommen suchte. Dies stellte sich aber als kontroproduktiv heraus, denn je stärker der Werbedruck, desto größer das Bestreben der Zielpersonen zur Vermeidung werblicher Beeinflussung. Daher wurden andere (nicht-klassische) Ansprachekanäle aktiviert, deren Effizienz als günstiger angesehen wurde. Doch auch hier war eine Steigerung der Intensität erforderlich, um Widerstandsgrenzen zu weiten. Daher wurden wieder andere, leichter handhabbare Kanäle aktiviert, die jedoch mit der Zeit denselben Wear out-Effekten unterlagen. Für die klassischen Medien besteht über Werbestatistik die Möglichkeit des Ausweises der Budgethöhen, denn klassische Medien haben Tarifpreise für alle Werbemittel. Erhebt man die Art und Menge der eingesetzten Werbemittel und multipliziert diese mit ihren jeweiligen Tarifpreisen, kann für jedes beobachtete Unternehmen und für ganze Branchen bzw. Werbeträgergruppen ein quantitativer Budgetausweis erfolgen. Die absoluten Zahlen sind dabei zwar weniger aussagefähig, da verbreitet außerhalb der Preisliste verdeckte Rabatte / Rückerstattungen gewährt werden. Da dies jedoch für alle Segmente gilt, sind die Zahlen zumindest untereinander vergleichbar.

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Dies ist anders bei nicht-klassischen Medien. Diese haben keine Listenpreise, sondern werden auf Basis von Einzelkalkulationen berechnet. Diese sind nicht offen zugänglich, so dass die Budgets allenfalls grob geschätzt werden können. Zumal es dabei erhebliche Schwankungen von Branche zu Branche gibt, so dass die Ergebnisse auch untereinander schwer vergleichbar sind. Auch ist im Einzelfall unklar, wo genau Ansprachekanäle einzuordnen sind (etwa bei der immens wichtigen Online-Werbung). Dennoch kann man davon ausgehen, dass bei aller gebotenen Vorsicht rd. 70 % der Budgetmittel zwischenzeitlich in nicht-klassische Medien (incl. Online, Mobile, Digital) investiert werden und nur 30 % in klassische Medien. In diesem Zusammenhang sind noch die verbreiteten Begriffe Above the Line (klassische Medien) und Below the Line (nicht-klassische Medien) von Interesse, für die es in der Literatur abenteuerliche Erklärungen gibt. Tatsächlich ist der Zusammenhang relativ einfach. Noch vor 40 Jahren ergab sich ein Budgetansatz dadurch, dass zunächst die Masse der klassischen Medien dotiert wurde. Diese wurden aufsummiert. Dann wurden als Rest die wenigen nicht-klassischen Medien dotiert. Beide gemeinsam ergaben das Gesamtbudget. Die klassischen Medien standen dabei oberhalb (above) des Summationsstriches, die nicht-klassischen unterhalb (below). Die Nicht-klassischen Medien lassen sich vor allem in drei Bereiche rubrizieren: Bezahlte Medien als Schauwerbung und Direktwerbung (6.1), Neutrale Medien als Öffentlichkeitsarbeit (6.2) sowie unternehmenseigene Medien als Verkaufsliteratur und Geschäftsausstattung (6.3) (siehe Abbildung 115: Nicht-klassische Medien).

Abbildung 115: Nicht-klassische Medien

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6.1 Bezahlte B-t-L-Medien 6.1.1 Schauwerbung 6.1.1.1 Ausstellung Die Schauwerbung befasst sich mit der raumdimensionalen Gestaltung von Präsentationsveranstaltungen im Marketing wie Ausstellungen, Events und weiteren Formen. Ausstellungen haben einen hohen Erlebnischarakter und sprechen alle menschlichen Sinne an. Ausstellungen gewährleisten und vergrößern die Markttransparenz. Sie schaffen eine aussagefähige Marktübersicht und ermöglichen es, die Akzeptanz der Abnehmer für Neuprodukte zu testen. Ausstellungen können aufgrund ihres Ereignis- und Erlebnischarakters intensiver und aktiver Informationen über ein Angebot vermitteln als andere Kommunikationsinstrumente. Sie helfen, die eigene Stellung am Markt in Relation zum relevanten Mitbewerb besser einschätzen zu können und bieten die Möglichkeit zum persönlichen Kontakt zwischen Aussteller und Besucher. Messen grenzen sich davon ab, weil sie primär dem Absatz dienen und damit zur Verfügbarkeitspolitik gehören. Die Kosten der Teilnahme sind zweifellos gestiegen. Dies macht den planvollen Einsatz umso wichtiger. Die Kosten setzen sich im Wesentlichen aus Standbau / -ausstattung / -gestaltung, aus Personal- und Reisekosten, aus Mietkosten, aus Standservice und Telekommunikation sowie Transport und Entsorgung zusammen. Die Standlage betrifft die Platzierung des Standes auf dem Gelände. Die Aufteilung der Gesamtfläche wird durch den Veranstalter vorgenommen. Dabei spielen neben technischen und rechtlichen Restriktionen auch die erwartete Besucherzahl und die Besucherführung eine wichtige Rolle. Die daraus sich ergebenden besten Plätze sind meist dauerhaft ausgebucht, die restlichen Plätze werden vom Veranstalter nach zeitlicher Priorität vergeben. Die Zielgruppe kann mit höchster Wahrscheinlichkeit dort erreicht werden, wo deren thematischer Schwerpunkt präsentiert wird. Wichtig ist auch die Nachbarschaft des eigenen Stands (so kann man sich in die Nähe des Marktanführers begeben oder diesem gerade ausweichen). Denn die Standfläche wird von Besuchern zumindest unterschwellig als Indiz für die Bedeutung des Ausstellers gewertet. Denkbar ist die Konzentration des Angebots auf einem Stand oder die Verteilung auf mehrere bei heterogenem Angebot oder zur Erhöhung der Kontaktchancen. Rechts vom Gang gelegene Stände sind bevorzugt. Die erforderliche Standfläche ist u. a. von Art und Anzahl der Exponate, der Form der Präsentation, dem Verhältnis von Präsentations- zu Besprechungsfläche, der erwarteten Besucherzahl, den geplanten Aktionen am Stand, der Zahl der Mitarbeitenden am Stand, dem Bewirtungsaufwand und der Repräsentationsabsicht abhängig. Die Größe wird meist an der eigenen Marktposition oder der Standgröße des Mitbewerbs ausgerichtet. Ein übertrieben großer Stand kann jedoch unseriös

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wirken, weil möglicherweise mehr versprochen wird als gehalten werden kann, ein unnötig kleiner Stand lässt womöglich Zweifel an der Prosperität des Unternehmens aufkommen. Nach der Standart unterscheidet man verschiedene Formen: • Der Reihenstand hat eine Standfront nach außen, die übrigen Seiten schließen an Nachbarstände oder Hallenwände an. Die Miete ergibt sich aus der Grundfläche. Der Auf- und Abbau ist meist einfacher als bei anderen Standarten. Jedoch muss bei Aktivitäten auf die anschließenden Reihennachbarn Rücksicht genommen werden. Außerdem gibt es Einschränkungen in der Gestaltung, etwa in der Zugänglichkeit für Besucher oder der Präsentationsfläche für Exponate. • Der Hofstand ist zu zwei parallel laufenden Gängen offen und stellt insofern eine willkommene Sonderform mit viel Präsentationsfläche dar. • Der Eckstand ist zu zwei Seiten hin offen zu vorbeiführenden Gängen. Dadurch ist vor allem eine bessere Fernerkennbarkeit gewährleistet. Allerdings ist ein Teil der Exponate nicht unmittelbar einsehbar und nicht alle Besucher nutzen beide Seiten des Standes. • Der Kopfstand ist ein Stand, der zu drei Seiten hin auf vorbeiführende Gänge führt. Diese Standart ist besonders attraktiv, weil besucherwirksam. Sie bietet die Möglichkeit, an der Kopfseite aufmerksamkeitsstark aufzutreten oder Besucher aus den beiden Seitenflächen zu attrahieren. • Der Inselstand ist von allen Seiten her zugänglich. Dadurch wird eine gewisse Alleinstellung erreicht, allerdings ist zugleich ein hoher Bau- und Gestaltungsaufwand erforderlich. Meist sind auch hohe Mindestgrößen für die Belegung vorgegeben. In Bezug auf die Standbauweise ergeben sich die Optionen der konventionellen Bauweise (mit geringem Anteil), der Systembauweise oder der Mischbauweise. Dabei müssen Auf- und Abbauzeiten, Brandschutzvorschriften, ökologische Anforderungen sowie Transport und Lagerung berücksichtigt werden: • Der konventionelle Standbau ist eine Einzelanfertigung für eine Messe. Dadurch kann ein Höchstmaß an Individualität der Präsentation erreicht werden. Allerdings sind damit auch die mit Abstand höchsten Kosten verbunden. • Die Systembauweise besteht aus standardisierten und vorgefertigten Bauelementen, die nach dem Baukastenprinzip zusammengesetzt und miteinander kombiniert werden. Dies ermöglicht einen unkomplizierten, kostengünstigen und schnellen Aufbau, allerdings um den Preis einer gewissen Uniformität, der nur unter Aufgabe von Kosten- und Zeitvorteilen entgegenzuwirken ist. • Die Mischbauweise ist eine Kombination aus konventioneller und standardisierter Bauweise, je nach Bereich des Messestands. Dadurch werden die jeweiligen Vor- und Nachteile dieser Bauweisen ebenso kombiniert.

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Der Stand kann im Betrieb angemietet, angekauft oder geleast sein: • Miete lohnt sich vor allem für Aussteller, die nur selten Messen beschicken. Als Vermieter treten Schauwerbeunternehmen und Ausstellungsveranstalter auf. Sie übernehmen meist auch den Auf- und Abbau, die Lagerung, Wartung und Reparatur des Stands. Dabei handelt es sich durchweg um Systemstände, da ein Mehrfacheinsatz gewährleistet sein soll. • Beim Kauf werden variable Kosten durch zwar niedrigere, aber dafür inflexible fixe Kosten substituiert. Dies lohnt sich vor allem bei mehrfacher Veranstal­ tungsbeschickung. Allerdings muss man auch die Vor- und Folgekosten berücksichtigen. • Leasing wird kaum praktiziert, da der Verwaltungsaufwand zwischen den Beteiligten (Aussteller, Leasinggesellschaft, Schauwerbeunternehmen) sich erst bei sehr großen Volumina rechnet. Die Realisierung des Standbaus kann in Eigenregie oder als Auftragsvergabe erfolgen. Die Durchführung in Eigenregie setzt entsprechende Erfahrung mit der Branche voraus. Dafür sind oft spezialisierte Mitarbeitende erforderlich, deren kontinuierliche Auslastung schwer gesichert werden kann. Evtl. bestehen auch Kostenzurechnungsprobleme. Die Planung, der Aufbau und Abbau durch Dritte sichert die Partizipation am Know-how spezialisierter Partner, wie etwa Consultants. Sie leisten Full Service bis hin zur schlüsselfertigen Übergabe des Stands (incl. Dekoration, Personaltraining, Licht- und Showeffekten etc.). Die Standgestaltung soll eine emotionale sowohl als auch rationale Ansprache ermöglichen. Vor allem soll die Aufmerksamkeit der Besucher gewonnen und das Interesse für die Leistungen des Anbieters geweckt werden. Daneben soll eine entspannte, angeregte und faszinierende Erlebnisatmosphäre entstehen. Dazu dienen drei Standbereiche: • Der Präsentationsbereich dient der Darbietung der Exponate und der „Filterung“ interessierter Besucher. Im Kommunikationsbereich finden informelle oder anbahnende Gespräche statt. Im Funktionsbereich wird die gesamte Infrastruktur (wie Bewirtung, Garderobe, Lager etc.) abgedeckt. Der Flächenanteil dieser Bereiche schwankt je nach Schwerpunkt des Konzepts. Als wesentliche Gestaltungsmittel können Licht und Farbe, Boden, Wände, Decke und Mobiliar, Informations- und Präsentationsmittel eingesetzt werden. Der Gestaltung sind jedoch im Einzelnen vielfältige Grenzen gesetzt, die sich vor allem auf konstruktive, bauliche und sicherheitstechnische Kriterien beziehen. Vorab erfolgt daher eine Ausstellungsbegehung mit Abnahme der Bauten durch den Veranstalter. Die Auswahl qualifizierten Standpersonals ist von großer Bedeutung. Dabei sind fachliche und soziale Kompetenzen zu beachten. Das Standpersonal kann aus fest angestellten oder geliehenen Kräften bestehen. Dabei sind die Konzeption

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der Ausstellung und die Art des Zielpublikums zentral zu beachten. Vor Beginn der Ausstellung sind die Mitarbeitenden zudem entsprechend intensiv zu schulen und zu trainieren. Dazu gehört vor allem die Vermittlung der Messeziele, der Unternehmensidentität, der Produktpräsentation und der Kommunikations­ standards.

6.1.1.2 Event und weitere Formen Events sind eigeninszenierte Veranstaltungen, die durch erlebnisorientierte Unternehmens- und Produktpräsentationen atmosphärische und physische Reize darbieten, die einen Aktivierungsprozess auslösen. Dabei haben sie keinen vordergründigen Verkaufscharakter, ihr Ziel ist vielmehr die emotionale Bindung der Teilnehmer an den Initiator. Events setzen Botschaften integrativ in tatsächlich erlebbare Ereignisse um, die Teilnehmer bringen sich durch ihr Verhalten ein. Sie unterscheiden sich bewusst stark von der Alltagswirklichkeit der Zielpersonen und bieten ihnen Abwechslung und Aktivierung. Events sind zielgruppenfokussiert, individuell, kontaktstark und dialogisch angelegt. Typisch sind der Projektcharakter, die Präsenz der Teilnehmer und die Abhängigkeit von der Darbietung. Beispiele betreffen Außendienstkonferenzen zur Motivation der Vertriebsmannschaft (Incentives), Startveranstaltungen bei initiierten Verkaufsrunden (Kickoffs) oder Händlerpräsentationen zur Einstimmung bei Produktneueinführungen (Hospitalities). Oft werden zur Realisierung Prominente als Gäste eingeladen, attraktive Locations gewählt oder aufwändige Caterings geboten. Die Präsentation erfolgt meist multimedial und über Effekte (Beleuchtung, Musik, Dekoration, Ausrüstung etc.). Der Handelsplatzauftritt umfasst alle Maßnahmen zur Identifikation, Information und Auslobung von Herstellerangeboten im Verkaufslokal des Handels (POS) und in „seinen“ Medien. Dazu gehören Schaufenster / Eingangsbereich und Innenraum der Geschäftsstätte, dort vor allem die Dekoration und Möblierung sowie entgeltlich (Werbekostenzuschuss) oder materiell (Produktionsvorlagen) unterstützte Handelswerbung. Persönliche Präsentation findet im Rahmen von Roadshows (z. B. bei Investors’ Relations) und Brandparks (Erlebbarmachung von Unternehmen und Produkten) statt. Bei einer Roadshow handelt es sich um den Ersatz einer Ausstellungsrepräsentation für den Fall, dass ein Unternehmen auf die Teilnahme als Aussteller verzichtet, was heute aus Kostengründen immer häufiger anzutreffen ist, oder für Rezipienten, welche die Ausstellung nicht besucht haben. Dann kommt die Ausstellung an den Ort des Verkaufs, entweder als Hotelveranstaltung, zu der Handelspartner eingeladen werden und die oftmals mit einem Rahmenprogramm versehen ist, oder als Veranstaltung im Haus der Handelspartner, z. B. bei Einkaufsvereinigungen. Dem Vorverkauf kommt dabei eine große Rolle zu.

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Ein Brandpark (auch Brandland) ist eine für eine Marke bzw. deren Produkte geschaffene Erlebniswelt, diese ist dauerhaft im Unterschied zu Repräsentationsmärkten, standortgebunden im Unterschied zu Wanderausstellungen, durch Besucher real erfahrbar im Unterschied zu virtuellen Präsentationen und emotional inszeniert im Unterschied zur reinen Wissensvermittlung. Ziel des Veranstalters ist im Regelfall die emotionale Aufladung seiner Marke zur Steigerung des Markenimages bzw. des Markenwerts und zur Neukundengewinnung bzw. Bestandskundenbindung. Beispiele sind die Autostadt von Volkswagen, Wolfsburg und Gläserne Manufaktur, Dresden, die Museen BMW-Welt, München, Porsche Zuffenhausen und Welt der Emotionen Porsche, Leipzig bzw. Mercedes-Benz Welt, Stuttgart, der Erlebnispark von RWE, die Kristallwelten von Swarowski, das Spieleland von Ravensburger, die Schokowelt von Ritter, die Erlebniswelt von Krombacher, das Schloss von Faber-Castell, das Audi-Forum Ingolstadt, Opel Live etc. 6.1.2 Direktwerbung 6.1.2.1 Aussendung Bei der Direktaussendung (adressiertes, postalisches Direct Mailing) handelt es sich um die anlassbezogene Aussendung von Werbemitteln auf dem Postweg an Adressaten, die meist vorher anhand von Auswahlkriterien als erfolgversprechend selektiert wurden. Dabei sind vielfältige Gewichts-, Format- und Anordnungsbegrenzungen der Poststücke zu beachten, um Portokosten zu minimieren. Das gleiche Ziel erfüllt die Vorsortierung der Poststücke vor der Auflieferung bei der Post. Der Inhalt besteht meist aus mehreren Teilen (DM-Package), von denen eines der Rückantwort (Information / Bestellung) dient und deren Prozess oft in mehreren Phasen abläuft (Teaser / Roll-out / Reminder). Moderne Laserprint- und Inkjet-Drucker ermöglichen personalisierte, mit Tinte unterzeichnete Anschreiben. Im Rahmen von Kunden-Kontakt-Programmen wird Klienten systematisch Nachkaufbetreuung zur zeitlichen Überbrückung bis zum nächsten Bedarf gewährt. Die Reaktionsquote soll dabei durch Einsatz von Aktivierungstechniken gesteigert werden, wie: • Early Bird (Subskriptionspreis für ein Angebot), • Free Gift (Werbegeschenk), • Free Trial (Warenlieferung zur Ansicht), • Limitierung des Angebots nach Zeit und / oder Menge, • Sweepstake (Preisausschreiben mit vorausgelosten Gewinnern), • Teilzahlungs- und / oder Valutierungsmöglichkeit, • Negative Option (Nichtabschluss nur bei Widerruf).

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Das Adressenhandling wird durch eine Datenbank erleichtert. Sie enthält Angaben über: • Namensdaten wie Firma, Branche, Rechtsform, Kundennummer, Größenordnung, Ansprechpartner, Titel, Anrede / Geschlecht, Funktion / Position etc., • Adressdaten wie Straße / Straßenzug, Postfach, PLZ, Ort, Datum für letztes Update, Telefon, Region / Nielsen-Gebiet, • Auftragsdaten wie Auftragsweg, Bestellwert, Artikelwahl, Preisklasse, Zahlungsart, Kaufkraftklasse etc., • Bestellstammdaten wie Bestelltermine, Stammprodukte, Cross Sellings etc., • Bonitätsdaten wie Schufa-Auskunft, Mahnungen etc., • Werbedaten wie Werbeart, Anzahl, Zeitraum etc., • Betreuungsdaten wie Reklamation, Besuchshäufigkeit, Dauer der Geschäftsbeziehung etc. Die Adressen bedürfen der ständigen Pflege und Aktualisierung, neue Adressen müssen kontinuierlich generiert werden. Adressen können jedoch auch fremd angemietet werden. Dieses Listbroking (Adressmakelung) beinhaltet die Vermittlung des Nutzungsrechts betriebsinterner Adressen anderer Unternehmen. Dabei dürfen die Adressen nicht an Konkurrenten des Eigentümers vergeben werden. Sofern Adressverlage eingeschaltet sind, vermieten diese eigene Adressen zur einmaligen Nutzung (tatsächlich also kein Adresskauf, sondern eine Adressmiete). Zur Kontrolle gegen Missbrauch sind Dummy-Adressen eingebaut, die bei wiederholtem Gebrauch zu Rückläufern beim Adressverlag führen. Die Qualität der so gemieteten Adressen ist jedoch trotz aller Optimierungen oft zweifelhaft. Quellen für eigenrecherchierte Fremdadressen sind: • Adressbücher, Telefonbücher / Gelbe Seiten, Außendienstinformationen, Innendienstnotizen, Messenotizen, Interessentenwerbung, Anfragen auf Presseveröffentlichungen, Adressen aus Verkaufsförderungsaktionen, HandelskammerVerzeichnisse, Botschaften / Konsulate (im Ausland), Messekataloge / ​Ausstellerverzeichnisse, Seminarteilnehmerlisten, Handelsregistereintragungen, Adressentausch, Ausschnittdienstematerial, Händlerinformationen, eigene Befragung, Emp­fehlungen / Freundschaftswerbung, öffentliche Bekanntmachungen etc. An die Gestaltung des Direct Mailing sind folgende Anforderungen zu stellen: • Wegwerfstopper vorsehen (z. B. „Neu“, „Achtung“), um zumindest die Lesechance zu erhöhen oder diese auch überhaupt erst zu schaffen, • Opener formulieren, d. h. eine kurze Einstimmung auf das bevorstehende Anliegen, • positive Verstärker, die den Vorteil des Lesers aus der Nutzung des Angebots herausstellen,

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• Beweisführung als kurze Argumentation, weil Leser vor Kaufentscheiden immer nach Sicherheit suchen, • Führung des Auges über den Text berücksichtigen, sie erfolgt vor allem durch Schlagzeilen, Bilder bzw. Hervorhebungen, • Vorwegnahme von Einwänden des Adressaten im Text, • Telefonnummer zur Kontaktaufnahme angeben, falls Probleme oder Fragen auftreten, das schafft zusätzliches Vertrauen, • Reaktionselement (Bestellbogen, Antwortumschlag) so anlegen, dass es einfach zu handhaben ist, • P. S. mit dem wichtigsten Argument und einem Appell zum Handeln, also zur Bestellung oder Informationsanforderung, • Lesekurve / Blickverlauf des Lesers berücksichtigen, typischerweise von oben rechts nach links herüber, dann z-förmig über den gesamten Text, dann zum Textanfang zurück, anschließend vom Briefkopf zur Anrede und zum P. S. Bei Postwurfsendungen handelt es sich um Drucksachen oder gegenständ­liche Werbemittel, die vom Postdienst undifferenziert an alle Haushalte bzw. alle Haushalte bestimmter Gebäude oder an die Abholer von Briefsendungen im Postfach verteilt werden. Dabei sind zahlreiche Durchführungsbedingungen zu beachten. Zweifelhaft ist die Wertschätzung dieser Form der Direktwerbung, die anonym und unverlangt ins Haus gelangt. Haushaltsverteilungen werden durch private Zustelldienste und Verteiler­ kolonnen per Abgabe in Briefkästen im Haus oder auch an Passanten auf der Straße erledigt. Damit kann ein Türsignal (Klingeln), Türsignal plus persönliche Übergabe oder Türsignal plus persönliche Übergabe plus Erläuterung verbunden sein. Die Haushaltsverteilung erlaubt trotz Zuverlässigkeitsbedenken eine exakte Streuung und wird vor allem vom lokalen Handel in dessen Einzugsgebiet intensiv eingesetzt. 6.1.2.2 Weitere Formen Geprintete Direktwerbung erfolgt auch durch Direktwerbe-Anzeigen, d. h. klassische Anzeigen mit integriertem Reaktionselement (z. B. Beikleber / zum Abnehmen, Beileger / zum Herausnehmen, Beihefter / zum Abtrennen). Die Leser werden darin aufgefordert, den Coupon o. Ä. auszufüllen, um Informationen anzufordern oder Ware zu bestellen. Dabei sind einige Anforderungen zu beachten: • Das Response-Element muss auffallen und von der übrigen Anzeige abgehoben sein. • Es muss alle wichtigen Informationen enthalten (wie Angebot, Rechte, Gültigkeit etc.).

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• Es muss so groß sein, dass alle relevanten Daten, auch bei ungünstigem Umfang, eingetragen werden können. • Es sollte eine Codierung nach Werbeträger enthalten, um eine Rücklaufkontrolle zu ermöglichen. Die Effizienz einer Direktwerbeanzeige nur an der Zahl der Rückläufe, Informationseinholungen oder Bestellabgaben, je nach Lage der Dinge (Werbeziel), zu messen, ist jedoch womöglich irreführend. Es sei denn, ein völlig neues Angebot wird erstmals in einem einzigen Anzeigendurchgang beworben. Aber dies ist fern der Realität der Märkte. Elektronische Direktwerbung erfolgt durch • Direct Response-TV-Spots, d. h. klassische Fernsehspots mit integriertem, ausdrücklichem Reaktionsaufruf (z. B. durch Einblendung einer Telefonnummer und Anrufaufforderung). Dies erfordert ein zuverlässiges Back up durch ein Call Center, das die eingehenden Anrufe annimmt und bearbeitet, sowie durch ein Fulfillment Center, das die ggf. nachfolgende Auftragsausführung übernimmt. • Direct Response-Radio-Spots, d. h. klassische Hörfunkspots mit integrierter, ausdrücklicher Reaktionsaufforderung. Meist werden dazu Mehrwertnummern (0800/0180 o. Ä., teils auch Vanity-Nummern) eingesetzt. Wiederum ist ein umfangreiches Back-up durch Call Center / Fulfillment Center unerlässlich, wenn man diese Tätigkeiten als Werbungtreibender nicht selbst übernehmen will, was gut zu überlegen ist. • Bei DR-TV- bzw. DR-R-Werbung ist jeweils ein Medienwechsel (zu Telefon / ​ Telefax) erforderlich. Interactive-TV (über Hbb Interface) erübrigt dies, indem u. a. durch einen schmalbandigen Rückkanal vom Rezipienten über Settop-Box unmittelbare Kontakte zum Werbungtreibenden aufgenommen und gerätegesteuerte Werbespots aufgespielt werden können. • Telefonwerbung / Faxwerbung. Diese können aktiv (Outbound) zur Kontaktanbahnung mit Interessenten bzw. zur Kontaktierung von Altkunden oder passiv (Inbound) zur Entgegennahme von Aufträgen bzw. Anfragen eingesetzt werden (die aktive Variante unterliegt juristisch, vor allem im Privatkundenbereich, engen Grenzen). Telefaxwerbung ist in vielen Branchen noch üblich wie bei Ärzten, Apothekern, Anwälten etc. • E-Mail. Die modernste Form der Direktwerbung sind zweifellos E-Mails (siehe auch Kap. IV. 4.3). Neben „aktiven“ E-Mails, also einmalig als Stand alone oder mehrmalig / regelmäßig als Newsletter, kommen dabei auch „passive“ E-Mails in Betracht. Dabei handelt es sich um Autoresponder, die den Eingang von E-Mails erkennen und darauf automatisiert reagieren (z. B. Abwesenheitsnotiz, Anfrage, Bestellbestätigung) oder Trigger-E-Mails, die den Eintritt von vordefinierten Events erkennen und darauf standardisiert reagieren (z. B. Warenübergabe an Paketdienstleister, Nachfass, Geburtstagsgruß).

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

6.2 Neutrale B-t-L-Medien 6.2.1 Traditionelle PR-Formen Die Beziehungspflege zur Öffentlichkeit (Public Relations / PR) dient primär der Gewinnung öffentlichen Vertrauens (vorökonomisch) und damit nur sekundär Absatzzwecken. Zur externen PR gehören alle Maßnahmen, die sich auf solche Märkte richten, in denen ein Anbieter aktiv ist. Diese Märkte umfassen folgende Gruppen: • Akteure auf dem Beschaffungsmarkt wie Lieferanten von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Halb- und Fertigerzeugnissen, Handelswaren, Anlagen etc., Kapital- und Kreditgeber, Banken, Anlageberater, Gewerkschaften, Betriebsrat, sonstige Beschaffungsmittler und -helfer. • Akteure auf dem Absatzmarkt wie Händler, Distributoren, Ge- und Verbraucher von Sach- und Dienstleistungen, Interessengruppen wie Verbraucherschützer, Entscheidungsträger in Wirtschaft und Verwaltung, Hobbyisten. • Akteure im Umfeld der Vermarktung wie Lobbys bei Bund, Ländern, Gemeinden, Öffentliche Verwaltungen, private Institutionen, Verbände, Anwohner, Protestgruppen, Jugendgruppen, Betriebsrentner, Kirchen, Vereine etc., Ausbildung, Wissenschaft, Forschung und Lehre, Studierende. Die Zielgruppen für externe PR sind damit ausgesprochen vielfältig. Es handelt sich u. a. um • Abgeordnete, Aktionäre, Aktionärsvereinigungen, Arbeitskreise, Ausschüsse, Behörden, Berufsverbände, Bürgerinitiativen, Bundesrat, Bundesregierung, Bun­ destag, Bundeswehr, Depotbanken, diplomatische Vertretungen, internationale Zusammenschlüsse, Forschungsstellen, Gemeinden, Genossenschaften, Gerichte, Hochschulen, Institute, Interessengemeinschaften, Jugendgruppen, Kammern, Kommunale Verwaltung, Kultureinrichtungen, aktuelle Kunden, Landesregierungen, Landschaftsverbände, Lieferanten, Ministerien, Konkurrenten, Anwohner, Parteien, potenzielle Kunden, Religionsgemeinschaften, soziale / karitative Einrichtungen, Schulen, Stadtverwaltung, Stiftungen, Verbände, Vereine, Wirtschaftsprüfer etc. Zur internen PR gehören alle Maßnahmen, die im direkten Einflussbereich des Anbieters stattfinden. Sie können sich an die eigene Belegschaft richten oder an interessierte Besucher des Unternehmens. Zielgruppen der internen PR sind u. a. Gewerkschaften, Betriebsrentner, Aufsichtsrat, Auszubildende, Auslandsfilialen, Beirat, Beteiligungsgesellschaften, Betriebsrat, Direktoren, Empfang, Familienangehörige, Leitende Angestellte, Außendienstmitarbeiter, Telefonzentrale, Verkaufsniederlassungen, Vertrauensleute, Vorstand.

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Maßnahmen gegenüber der Belegschaft umfassen u. a.: • Mitarbeitergespräch, Abteilungsmeeting, Betriebsversammlung, Führungsgespräch, internes Training, Projektgruppe, Workshop, Roundtable-Gespräch, Townhall Meeting, Informationsforum, Management-Konferenz, Mitarbeiterzeitschrift, themenspezifische Newsletter, Führungskräfte-Information, Vorstandsrundschreiben, Presse-Informationsmaterial, Aushang, interne Publikation, Schwarzes Brett, Führungsrichtlinie, Intranet, Online-Magazin, Mitarbeiterportal, geschlossene Benutzergruppe, E-Mail-Rundschreiben/-Informationsdienst, Business-TV/– Radio, Hotline, Videopräsentation. Formelle Gruppen wie Abteilungen, Qualitätszirkel etc. werden durch Unternehmens- oder Standpunktstellungnahme angesprochen. Informelle Gruppen sind jedoch schwer systematisch zu erfassen, vor allem wenn es sich um Problemgruppen handelt. Von Bedeutung ist hier gerade auch die persönliche Kommunikation, etwa über Betriebsversammlung (Belegschaft), Führungskreissitzung (Management) oder Hearing (Betriebsrat). Zur Meinungsbildner-PR gehören in erster Linie Journalisten, Prominente und Lehrende. Zur Presse werden Kontakte mit dem Ziel von Anbahnung, Ausbau und Stabilisierung von Beziehungen sowie der Beeinflussung der Berichterstattung gepflegt, deren unmittelbare Erfolgskontrolle sich aus Clippings ergibt. Mittel dazu sind Wort- und Bildbeiträge, Nachrichten- und Bilderservices, Referenzen, Pressedienste etc., außerdem die Verteilung von Rundbriefen, Newslettern, Literaturversand, Warenproben etc. Anlässe werden über Pressekonferenz/-gespräch und Redaktionsbesuch gesucht. Die Gefahr wachsender Abhängigkeit der Redaktionen ist jedoch nicht zu leugnen. Zielgruppen der Meinungsbildner-PR sind im Einzelnen u. a.: • Jugendgruppen, Presse-/Hörfunk-/Fernsehjournalisten, Pressestellen, Anzeigen­ leiter, Auslandskorrespondenten, Bildjournalisten, Chefs vom Dienst, Chefredakteure, Fachjournalisten, Lokalchefs, Publizisten, Reporter, Pressebüros, PR-Berater, Verlagsleitungen, Wissenschaftsredakteure, Influencer. Der Kontakt zu anderen Meinungsbildnergruppen wird über spezielle Veranstaltungen und eigene redaktionelle Veröffentlichungen im Wege der Standpunktwerbung (Selbstdarstellung / Stellungnahme) gepflegt. Weitere Möglichkeiten stellen Literaturmittel dar, so obligatorische und fakultative Veröffentlichung, FFFProduktion, Unternehmenswerbung etc. Spezialthemen der Öffentlichkeitsarbeit betreffen gemeinnützige Aktivitäten (Charity), Personal-Arbeitsmarktwerbung, Krisen-Konflikt-PR und sektorale PR. Meinungsbildner haben in bestimmten Bereichen als Influencer großen Einfluss.

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

6.2.2 Moderne PR-Formen Sponsoring umfasst die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen zur Bereitstellung von Geld- und / oder Sachmitteln durch Sponsoringgeber für Personen / Personengruppen / Organisationen im sportlichen, kulturellen und sozialen Bereich zur Erreichung der eigenen Werbeziele durch Gegenleistung des Sponsoringnehmers (Bruhn). Der Sponsor leiht sich also fremde Leistungsvorteile durch Hingabe von Ressourcen (Unterschied zum Mäzenatentum). Er kann exklusiv oder kooperativ agieren. Neben dem Gesponsorten sind die durch diesen erreichten Personen die eigentliche Zielgruppe. Das Sportsponsoring basiert auf der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Sports in weiten Teilen, vor allem im Spitzenbereich, und ist die älteste Form des Sponsoring. Gegenstand können hier Sportarten, Sportveranstaltungen, Leistungsebenen und einzelne Personen (Sportler) sein. Kultursponsoring betrifft etwa Bildende Kunst, Bühnenkunst, Musik, Literatur, Denkmalpflege etc. und richtet sich dabei auf Einzelpersonen, Kulturgruppen, -institutionen und -veranstaltungen. Soziosponsoring findet vornehmlich in den Bereichen Gesundheit, Wissenschaft, Ausbildung etc. statt. Verselbstständigt hat sich daraus das Ökosponsoring in Bezug auf Natur- und Landschafts-, Tier- und Artenschutz, Umweltforschung und -erzie­ hung, Öko-Informationsdienste etc. Die anfängliche Begeisterung für Sponsoring ist einer Ernüchterung angesichts immenser Kosten und unzulänglicher Erfolgskontrollen gewichen. Nutzen und Aufwendungen müssen deshalb in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Wobei auf jeden Euro Sponsoringbetrag erfahrungsgemäß zwei Euros für Rahmenbedingungen kommen. Sponsoring darf auch nicht isoliert gesehen und eingesetzt, sondern muss in die Kommunikationsplanung des Unternehmens voll integriert werden. Sponsoring-Thema und -Bereich müssen in plausiblem, glaubwürdigem Zusammenhang mit dem gesamten Kommunikationskonzept stehen. Alle Sponsoringmaßnahmen müssen unter ein einheitliches Konzept gestellt werden, um ein Verzetteln zu vermeiden. Für die nachhaltige Wirkung ist eine Kontinuität des Engagements erforderlich. Schließlich müssen Zuständigkeiten und Befugnisse für Sponsoring unternehmensintern klar abgegrenzt und formuliert werden. Beim Placement handelt es sich um die rechtlich umstrittene Einbindung von Produkten oder Werbemitteln in den redaktionellen Ablauf von Unterhaltungsprojekten, meist in Kino oder Fernsehen. Zweck kann u. a. die Forcierung einer Warengattung (Generic Placement, z. B. Götterspeise in „Liebling Kreuzberg“), einer Organisation (Corporate Placement, z. B. Fed Ex in „Cast away“), eines bestehenden Produkts (Sach-/Dienstleistung / Product Placement, z. B. Marlboro in „Otto-Der Film“, Coke in „Die Götter müssen verrückt sein“), eines neuen Produkts (Innovation Placement, z. B. BMW Z3 in „Golden Eye“), einer generellen Botschaft (Message Placement, z. B. US-Navy in „Top Gun“), eines Landes (Country Placement, z. B. Neuseeland in „Herr der Ringe“) oder von Musik (Music

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Placement, z. B. Cat Stevens im Film „Harold and Maude“) sein. Nach der Form handelt es sich dabei um eine passive Platzierung oder eine kreative Einbindung in Bild und / oder Ton. Placements sind im TV verboten, aber es gibt so viele Ausnahmen, dass man eher sagen könnte, es ist grundsätzlich erlaubt und nur ausnahmsweise verboten. Placements • sind zulässig in Filmen, Serien, Sportsendungen und Sendungen der leichten Unterhaltung (öff-rechtl. Sender dürfen diese nicht produzieren bzw. in Auftrag geben), • sind zulässig, wenn kein Entgelt dafür geleistet wird und Produkte lediglich als Requisiten dienen, • sind unzulässig in Nachrichten, Kindersendungen, Sendungen des politischen Zeitgeschehens, Verbraucher- und Ratgebersendungen, • dürfen nicht zum Kauf von Produkten oder Dienstleistungen auffordern, • dürfen das Produkt nicht in den Mittelpunkt einer Szene rücken (Paroli/„Tatort“), • müssen in Sendungen gekennzeichnet werden („unterstützt durch Produktplatzierungen“), dies entfällt, wenn externe Produktionen nicht mit angemessenem Aufwand darauf geprüft werden können. Placements im Kino sind grundsätzlich erlaubt, allerdings gelten das Verbot der Irreführung und des Verstoßes gegen die guten Sitten. Zu Beginn des Programms ist außerdem auf Placements hinzuweisen, dann können Personen, die damit nicht einverstanden sind, vor Programmbeginn den Kinosaal gegen Ticketrückerstattung verlassen. In neuerer Zeit wird Networking als Organisation von Kunden immer wichtiger. Dies kann auf verschiedene Weise vollzogen werden, häufig aber durch Kundenclubs. Deren Grundgedanke ist die Privilegierung aller oder qualifizierter Kunden gegenüber anderen Abnehmern oder Außenstehenden. Statt oder zusätzlich zu Preisnachlässen werden Zusatzleistungen geboten, die anderweitig nicht oder zumindest nicht so erhältlich sind. Die Bevorzugung kann etwa in besonderer Information liegen, die nicht jedermann zugänglich ist, oder in herausgehobener Behandlung („VIP-Service“). Die notwendige Legitimierung erfolgt meist durch Ausgabe von Ausweiskarten, die mit einem mehr oder minder symbolischen Mitgliedsbeitrag bewehrt sind oder eine Mindestabnahmemenge voraussetzen. Die Kommunikation wird durch dialogisch angelegte Werbemittel im Rahmen von Kunden­kontaktprogrammen geführt. Beispiele für Kundenclubs sind folgende: – Service-Club VDI, Swatch-Club, SWF 3-Club, Steiff-Club, Grohe Profi-Club, 1. FC Märklin, Märklin-Insider, Dr. Oetker-Backclub, Sales Profi-Club, Ma-

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nagement Circle-Club, Manager Magazin-Club, DAB-Club (Brauerei), Davidoff-Club, Dimple-Club, Heine-Club (Versand), IBM-Helpclub, Airport Frankfurt-Club, BHW-Dispo-Club. Die Leistungen der Märklin-Clubs für 80 € p. a. in Deutschland umfassen beispielsweise folgendes Spektrum: – 6 × jährlich Märklin Magazin, 6 × jährlich Märklin Clubnews, exklusive Sondermodelle, Gratis Club-Jahreswagen, Jahres-Chronik Club, Jahres-Hauptkatalog, Vorinformation über Neuheiten, Clubkarte (bei Kooperationspartnern einsetzbar), Besuch kostenpflichtiger Modellbahn-Seminare, Online-Shop-Käufe mit kostenlosem Versand, Clubreisen, Willkommensgeschenk bei Club-Eintritt, Geburtstags-Überraschung, Club-Newsletter.

6.3 Unternehmenseigene B-t-L-Medien 6.3.1 Verkaufsliteratur 6.3.1.1 Streuprospekt Prospekte dienen der vertieften, aussagefähigen Erläuterung eines Angebots. Sie realisieren eine Informationsfülle, wie sie in anderen Medien nur schwer überzubringen ist. Oft wird eine ganze Serie von Broschüren, Folders, Flyers etc. aufgelegt, die von der Gesamtübersicht gestaffelt bis zum Detaileinblick reichen. Das bietet sich für Angebote an, die extensiven (geplanten) Kaufentscheiden unterliegen, also komplex und erklärungsbedürftig sind. Solche Literaturstücke sind meist ausführlich betextet und reich bebildert, enthalten technische Angaben, Einsatzbeispiele etc. Sie werden an Multiplikatoren überreicht oder gezielt versendet und helfen den Kontakt zu Kunden herzustellen oder diese zu binden. Für den Inhalt sind folgende Anforderungen zu berücksichtigen: • Es ist ein klarer didaktischer Aufbau erforderlich, der dem Leser logische Lernschritte und somit Erfolgserlebnisse ermöglicht. Eine Ausgewogenheit des Inhalts ist durch Unterteilung der Information in etwa gleich lange Kapitel herzustellen. Sätze sind knapp zu formulieren, d. h. nicht mehr als 20–25 Worte und zwei Prädispositionen pro Satz. Ein gewisses Maß an Redundanz ist hilfreich, z. B. durch Zusammenfassungen, Merksätze, Übersichten. Das Arbeit mit Farben nutzt deren psychologische Wirkung und kennzeichnet wichtige Textpassagen. Handlungsabläufe werden am besten tabellarisch dargestellt, so entsteht eine größere Transparenz, die selektives Lesen, leichte Orientierung und das Erkennen von Zusammenhängen ermöglichen. Es sollte eine Tonalität verwendet werden, die kooperativ klingt. Exotische Fremdwörter sind zu vermeiden, sie wirken nicht beeindruckend, sondern eher verwirrend. Unvermeidbare Fachwörter sind bei erstmaliger Verwendung zu erklären. Für gleiche Dinge und Tätigkeiten sind

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stets gleiche Begriffe zu verwenden. Ebenso ist für eine optimale Korrelation zwischen Text und Bild zu sorgen. Bilder / Grafiken lockern den Lesefluss auf. Abkürzungen sollen vermieden oder zu Beginn zumindest erklärt werden. Beim Format sollte bedacht werden, dass das Literaturstück im Zweifel einfach / kostengünstig zu verschicken ist. Dazu bietet sich eher ein Lang-DIN-Format an als ein DIN A 4-Format (wegen der Portokosten). Nicht DIN-konforme Formate sind mit Vorsicht zu betrachten, da sie nicht nur als „Störer“ wirken, sondern auch Störer (im Handling der Adressaten) sind. Beim Gewicht des Literaturstücks ist auf die einschlägigen Portogrenzen zu achten. Zum Gewicht des Poststücks gehören auch das Anschreiben, der Briefumschlag, das Reaktionswerbemittel (Postkarte etc.) und die Briefmarke. Als Variable des Gewichts ist die Papierstärke wichtig. Hier sollten 80 gr / qm (das entspricht Kopierpapierstärke)  nicht unterschritten werden, besser sind 120 gr / qm oder mehr. Bei mehrseitigen (gelumbeckten, gehefteten oder heißgeklebten) Druckwerken kann evtl. ein stärkeres Papier nur für die Umschlagseiten verwendet werden. Überlegenswert ist auch eine Lackierung der Umschlagseiten, die diese schmutzabweisend macht. Damit ist vor allem bei häufigerem Gebrauch durch Kunden ein besserer Dauereindruck gewährleistet. Denkbar sind bei aufwändigerer Gestaltung auch einseitig (Gatefold-) oder zweiseitig ausklappbare Seiten (Frenchdoor) sowie Ausstanzungen oder Pergamentpapier als Trennseiten. Es empfiehlt sich, Literaturstücke trotz der durch Rüstkosten bedingten, erheblichen Kostendegression bei höheren Druckauflagen, nur in kleinen Auflagen (Reichweite ca. sechs Monate) aufzulegen, da sich erfahrungsgemäß dann ohnehin Änderungen ergeben haben, die eine Neuauflage erforderlich machen. 6.3.1.2 Katalog Der Katalog trägt, im Unterschied zum Prospekt, konkrete Warenofferten, die unter Bezugnahme auf Bestellhilfen geordert werden können und ist daher im Grunde ein schriftlich geführtes Verkaufsgespräch. Die Aufmachung eines Katalogs unterliegt zahlreichen wichtigen Vorgaben. Er soll Information, Beratung, Kunden-/Imagepflege und Verkaufshilfe sein. Er soll das Warenangebot beschreiben, die Kompetenz des Unternehmens darstellen und Qualitätszusicherung leisten. Schließlich soll eine Optimierung hinsichtlich der Zuteilung der Seiten und der Anordnung der Artikel erfolgen. Von Bedeutung sind dabei vor allem: • die Titelseite. Sie bietet die Gelegenheit, spektakuläre Neuheiten oder andere Knüllerangebote zu platzieren (Hotspots). Die Headline gibt ein Nutzenversprechen, das Logo signalisiert den Absender dieser Leistung. Bei alledem darf die Titelseite jedoch nicht überladen wirken. • die Rückseite (4. Umschlagseite). Sie bietet ebenfalls die Chance zur Platzierung von Hotspots, weil ein Katalog oft von hinten nach vorn durchgeblättert wird und

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

er häufig mit dem Cover nach unten aufliegt. Insofern entsteht damit eine hohe verkäuferische Wirkung. Außerdem sind Absender und Adresse hier vorgesehen. • die 3. Umschlagseite (letzte Innenseite). Sie kann für differenzierende Serviceleistungen ebenso genutzt werden wie für die technische Bestellanleitung/-hilfe, also Bestellkarte/-formular, Zweigstellenverzeichnis, Adressen für Selbstabholer und Allgemeine Geschäftsbedingungen. Evtl. können die Verkaufsmannschaft oder Ansprechpartner im Unternehmen im Bild gezeigt werden. Wichtig ist auch eine durchweg positive Formulierung der Konditionen. • die Seiten 2 und 3 (2. Umschlagseite und gegenüber liegende Seite)  und die Mittendoppelseite (falls geklammert). Ihnen kommt ebenfalls gesteigerte Aufmerksamkeit zu. Hier sind etwa ein Anschreiben der Geschäftsleitung (mit Foto) oder ein Foto des Firmengebäudes/-geländes zur Orientierung denkbar. Wichtig sind auch die Bebilderung nach Farbigkeit oder Größe, Piktogramme als Orientierungshilfen, Stopper für wichtige Argumente etc. In der Blickfolge gilt Bild vor Text, großes Bild vor kleinem Bild, Bildsequenz vor Einzelbildern, Menschen vor Sachen, Headline vor Copytext, Farbe vor Schwarzweiß. Je mehr Artikel auf einer Seite platziert werden, desto kostengünstiger ist dies zwar, aber auch desto unübersichtlicher. Zudem kommt es zu gegenseitiger Konkurrenz der Artikel um die Aufmerksamkeit des Lesers. Die beste Platzierung ist erfahrungsgemäß im oberen Drittel rechts auf der Seite, mit Artikelbeschreibung neben der Abbildung. Eine Absicherung (durch Gütezeichen, Testergebnis, Referenz etc.) ist ebenso wichtig wie Detailfotos zu wichtigen Eigenschaften (dreidimensionale Grafiken, Tabellen etc.), Handhabung oder Einstellung. Bildunterzeilen dienen der Erläuterung und werden häufig genutzt. Die Warenbeschreibung sollte nutzenbezogen erfolgen, nicht nur technisch, physikalisch-chemisch formuliert. Die Textgröße sollte nicht unter acht Punkt, mit durchgängig einheitlicher Typo, allenfalls variiert nach Schriftgröße und -stärke, liegen. Die Erfolgsprognose ist durch Tests in Kleinauflagen und die Erfolgskontrolle anhand von Kennziffern wie DB je Seitenanteil möglich. Interne Vorkehrungen zur angemessenen Rücklaufbearbeitung sind unerlässlich. Ein Katalog verfügt über ein vergleichsweise großzügiges Platzangebot und ist in seiner zeitlichen Bestimmung unabhängig. Es besteht die weitgehend freie Wahl der Aufmachung (Papierart, Druckverfahren, Format, Umfang etc.). Bei der Nutzung des Katalogs hat das Angebot die zumindest theoretisch ungeteilte Aufmerksamkeit des Lesers. Es besteht ein Schutz vor Konkurrenzreaktionen durch frühzeitiges Bekanntwerden eigener Aktionen. Bei kleinteiligen Zielgruppen entstehen nur geringe Kosten und wenig Streuverluste bei der Angebotsvermittlung. Die Reaktion der Zielpersonen kann durch Response-Elemente erleichtert werden. Durch mehr oder minder lange Auflagezeit entsteht eine nachhaltige Werbewirkung. In vielen Branchen ist dies immer noch dominant und wird durch OnlinePräsentation allenfalls alternierend ergänzt.

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6.3.2 Gebrauchsanleitung Eine überaus wichtige Pflichtaufgabe nimmt die Gebrauchsanleitung wahr. Zwar beginnen mittlerweile alle mit der einschlägigen Glückwunschformel zur Reduzierung etwaiger kognitiver Dissonanzen. Aber danach waren in der Vergangenheit sowohl sprachliche als auch didaktische Mängel häufig. Heute sind Gebrauchsanleitungen meist hervorragend konzipiert. Die Gründe dafür sind vielfältig: • In der für Kundenzufriedenheit und -bindung zentralen Phase des Nachkaufmarketings ist die Gebrauchsanleitung ein wichtiges Werbemittel, vor allem zur Reduktion wohl unvermeidlich auftretender kognitiver Dissonanzen bei Käufern. • Im Rahmen der Produkthaftung ist die Gebrauchsanleitung ein wichtiges Mittel zur Exkulpation von Haftungsansprüchen, da der Hersteller sich ansonsten Fehlleistungen seiner Kunden anspruchsbezogen zurechnen lassen muss. • In anonymen Märkten ist die Gebrauchsanleitung häufig die einzige Chance des Anbieters, seine Endkunden zu identifizieren und auf Basis der von ihnen bereitgestellten Daten einen Kundenkontakt aufzubauen und zu unterhalten. Hilfreich ist es, sich über die Optionen zum Aufbau einer Gebrauchsanleitung klar zu werden. Hier gibt es verschiedene Ansätze: • Bei der Produktorientierung stehen das Produkt und seine Komponenten im Vordergrund der Gliederung. Aus der Beschreibung der einzelnen Bedienungselemente erfährt der Nutzer nur dann etwas über die Anwendungsmöglichkeiten, wenn er das Manual von vorne bis hinten durcharbeitet. Gleichzeitig ergibt sich daraus aber auch ein ausgezeichneter Überblick über die Ausstattung eines Produkts. • Bei der Anwendungsorientierung stehen die Funktionen des Produkts im Vordergrund der Gliederung. Unter den einzelnen Anwendungen ist die Handhabung des Produkts erklärt. Dadurch ist dieser Ansatz deutlich benutzerfreundlicher, schließlich kauft man nicht Bedienungselemente, sondern Problemlösungen. • Der sachlogische Ansatz stellt die Chronologie des Einsatzes in den Vordergrund der Gliederung. Der Benutzer wird Schritt für Schritt in die Handhabung des Produkts eingeführt. Dadurch werden das System und die Abfolge von Arbeitsschritten transparent. Der Nutzen des Anwenders wird besonders betont. • Der lernlogische Ansatz schließlich stellt die Erwartungen des Nutzers in den Vordergrund der Gliederung. Informationen sind nach Bedarfsbündeln sortiert, Wichtiges ist von Unwichtigem, häufig Gebrauchtes von wenig Gebrauchtem getrennt. Wichtiges und häufig Gebrauchtes steht am Anfang, Unwichtiges und selten Gebrauchtes wird im Anhang untergebracht. Zusätzlich zur gesetzlich vorgegebenen, gedruckten Gebrauchsanleitung können weitergehende / detaillierte Informationen online (Website), als Download (PDF) oder auf Datenträger (offline) angeboten werden.

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

In jedem Fall helfen folgende Leitlinien bei der Gestaltung: • Unerlässliche Informationen sollen fett und an prominenter Stelle gedruckt sein, zuerst Warnungen und Bedienungstipps, dann Pflegehinweise und technische Daten. Der Text sollte in Spalten wie bei einer Zeitung gedruckt sein. Texte über die ganze Seitenbreite sind schwerer lesbar. Tabu sind Fachausdrücke oder Fremdwörter, denn die Leser sind keine Techniker, sie sollen das Gerät bedienen, nicht nachbauen. Die Erläuterungen sollten unbedingt folgerichtig vorgehen, um unnötiges Hin- und Herblättern zu vermeiden. Die Beschreibung gehört gleich neben das Bild. Die Texte dürfen keinesfalls vom Erfinder oder von einem Konstrukteur des Geräts geschrieben werden, sondern vorzugsweise von einem Laien. Elektronische Datenträger sind eine hervorragende Ergänzung zur gedruckten Gebrauchsanleitung für hochwertige Geräte. Hilfreich sind Ratschläge für die Nutzung des Geräts (bei Mikrowellengeräten etwa ein Rezeptbuch, bei Anrufbeantwortern originelle Ansagetexte). Sinnvoll ist auch die Möglichkeit einer Rückmeldung zum Aufbau einer Kundenadress- und -datenbank (gestützt etwa durch Preisausschreiben). Bei komplizierten Geräten sollte durch eine vorausgestellte Kurzfassung der Bedienungsanleitung ein schneller Überblick möglich sein. Sinnvoll ist auch die Beilage einer Bestellkarte für Ersatzteile und / oder weiteres Zubehör, möglichst mit vorgedrucktem Überweisungsträger. 6.3.3 Geschäftsausstattung In diesem Zusammenhang wird speziell auf Visitenkarten, Firmenschilder u. Ä. Bezug genommen (Stationery). Die Visitenkarte ist nach wie vor ein übliches Werbemittel. Es bietet die Chance, sich schon rein formal positiv abzuheben. Vielfältige Anregungen erhält man bei Durchsicht gesammelter Visitenkarten. So kann durch Farbe (Schmuckfarbe / Farbverlauf) oder Hochformat vom Üblichen abgewichen werden. Nicht empfehlenswert ist eine Abweichung in Bezug auf die Abmessungen. Wertig in der Aufmachung wirken Prägungen bzw. strukturierte Papiere. Überlegenswert ist ebenso eine Klappkarte (Doppel-DIN A8). Sofern Geschäftszeiten vorgegeben sind, sollten diese hier genannt werden. Prüfenswert sind auch rein praktische Angaben wie Verkehrsanbindung, Angaben zum Standort (anhand bekannter Gebäude, Plätze). Im Zweifel ist aber weniger mehr. Der Zweck des Firmenschilds ist der eines kleinen Plakats, die Auffälligkeit kann durch Format, Material, Farbigkeit und Anbringung erreicht werden. Hinsichtlich des Formats ergeben sich Begrenzungen meist durch Praktikabilität und Bestimmungen des Hauseigentümers bzw. des Ordnungsamts. Beim Material gibt es neben dem weit verbreiteten Messing eine Reihe anderer Materialien, die strapazierfähig und ansehnlich sind (zu denken ist an Plexiglas, Prägungen, auch beleuchtet, oder gebürstetes Metall). Der Einsatz von Farbe unterstützt die Signalwirkung. In vielen Fällen ist zudem eine hervorgehobene Anbringung, etwa quer zur Straße, wegen der besseren Einsehbarkeit, darstellbar. Zu den Inhalten bieten

7. Intermediavergleich

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sich neben den Standardangaben auch Öffnungszeiten und Hinweise auf Parkplatzmöglichkeiten sowie Telekommunikationsanschlüsse an. Zur Geschäftsausstattung gehören auch Schreibblöcke, Bleistifte oder Büroklammer in CD. Diese Artikel, sind preisgünstig zu beziehen und fungieren als „stumme Verkäufer“. Zu denken ist auch an Heftdeckel oder Schnellhefter für Angebotsunterlagen in CD sowie Klarsichthüllen mit Aufdruck. Diese können auch als „Verpackung“ individuell zusammen gestellter Materalien (Exposé etc.) dienen. Das Logo ist ein zentrales Element jeder Werbemaßnahme. Es verknappt die Inhalte zum Absender auf eine Schlüsselinformation. Wichtig ist dabei, dass das Logo charakteristisch für den es repräsentierenden Absender ist, es sollte daher auch ohne zusätzliche Angaben aussagefähig sein. Auf hintergründige Interpretationen des Logos sollte man verzichten, da diese im Markt ohnehin kaum jemand nachvollziehen kann oder will. Hilfreich ist es, wenn das Logo ohne Halbtöne auskommt (also Strichabbildung), dies erleichtert in vielen Fällen die technische Reproduktion. Falls Halbtöne (Grauwert) vorgesehen sind, sollte unbedingt eine Strichumsetzung davon angelegt werden, die verwendet wird, wenn Halbtonwiedergabe kritisch ist (z. B. bei geringer Auflösung wie bei Freistemplern, bei geringwertigem Papier wie bei Zeitungsanzeigen). Wichtig ist auch, dass das Logo stark verkleinert werden kann, ohne an Erkennbarkeit zu verlieren, weiterhin sollte es auch negativ (schwarz-weiß-Umkehr) druckbar sein. Die Notwendigkeit eines farbigen Logos verteuert die gesamte Umsetzung erheblich.

7. Intermediavergleich Die Kernaufgabe des Intermediavergleichs der Mediagattungen besteht darin, die verschiedenen zur Auswahl stehenden Mediagattungen zu bewerten und in Anbetracht der zu verfolgenden Kommunikationsziele mit Prioritäten zu versehen. Dabei kann in drei Gruppen unterschieden werden: • Die Klassischen Medien (A-t-L) bestehen aus Medien der Printwerbung, der Elektronikwerbung und der Außenwerbung. • Die Online-Mobile-Digital-Medien (Web-1.0/Web 2.0), die einen enormen Bedeutungszuwachs erleben werden und vielfältige Werbeformen erlauben. • Die Nicht-klassischen Medien (B-t-L) bestehen aus bezahlten B-t-L-Medien (Schauwerbung, Direktwerbung), neutralen B-t-L-Medien (Traditionelle und Moderne PR-Formen) und (unternehmens-)eigenen Medien (Verkaufsliteratur, Geschäftsausstattung). Diese Einteilung ist in Randbereichen nicht ganz überschneidungsfrei, gibt aber eine arbeitsfähige Struktur für die differenzierte Medien-Landschaft im Marketing (siehe Abbildung 116: Intermediavergleich (Kurzübersicht)).

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

Abbildung 116: Intermediavergleich (Kurzübersicht)

7. Intermediavergleich Tabelle 18a Intermediavergleich Klassische Medien

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung Tabelle 18b (Forts.) Intermediavergleich Klassische Medien

Für die konkrete Bearbeitung ergibt sich die Notwendigkeit zur Berücksichtigung zahlreicher weiterer Größen. Zu denken ist vor allem an • die relative Stellung des Werbeobjekts im Konkurrenzumfeld, operationalisiert durch Analysen in Bezug auf relative Stärken und Schwächen, relative Chancen und Risiken, Branchenstruktur, verfügbare Ressourcen, ausgeschöpfte Potenziale etc., • der Hintergrund der übergeordneten Unternehmens-, Marketing- und Kommunikationsstrategie, in die der Mediaplan sich synergetisch einfügen muss, • die Abgrenzung des Relevanten Markts als „Arena“, in der sich eine Werbekampagne behaupten können muss, evtl. noch konkretisiert durch eine Abgrenzung der Strategischen Gruppe engster Wettbewerber bzw. fokussiert auf einen medialen „Feind“, • die Leitlinien der Unternehmenspolitik, die kommunikative Maßnahmen tangieren und als Datum akzeptiert werden müssen (wie Corporate Identity, Compliance, CSR etc.), • die Forschungsergebnisse aus vorhergehenden internen und externen Studien in Bezug auf Markt, Wettbewerb, Nachfrage, Strukturen, Trends etc. Die Auswahl der Mediagattungen kann normalerweise objektivierend evaluiert werden. Die entscheidende Frage ist jedoch die der Mitteldotierung für jede dieser

7. Intermediavergleich

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Tabelle 19 Intermediavergleich Online-Mobile-Digital-Medien

Mediagattungen. Denn dies setzte voraus, dass es belastbare Aussagen zur relativen Leistungsfähigkeit jeder Mediagattung in Bezug auf eine konkretisierte Zielsetzung gäbe. Dies ist aber nicht der Fall, so dass Mediaplanung hier im Dunkeln tappt und sich nicht einmal ex post herausfinden lässt, wie die Leistungsfähigkeit einzuschätzen ist. In der Praxis behilft man sich hier mit Erfahrungswerten (z. B. 1/1 S. 4-c PZ-Anzeige ist äquivalent zu 1.550 mm TZ-Anzeige ist äquivalent zu 30 Sek. Fernseh-Spot ist äquivalent zu 2 × 45 Sek. Hörfunk-Spot). Diese Heuristiken

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung Tabelle 20 Intermediavergleich unternehmenseigene Medien

sind angesichts des zu verplanenden Budgetvolumens jedoch völlig unzureichend. Für nicht-klassische Medien liegen solche Vermutungen nicht einmal vor. Auch der Hinweis auf „harte“ Performance-Werte in der Online-Werbung geht fehl, da die Messungen auf zahlreichen Unwägbarkeiten beruhen, die auch technischbzw. datenschutz-bedingt nicht abstellbar sind. Schließlich können auch Marktforschungsergebnisse hier nur sehr begrenzt korrigieren, so dass die Wahrheit ist, dass es letztlich trotz aller Zahlen und Daten auf die in der Zeit geronnene Erfahrung des Experten ankommt, welche Dotierung hier für welche Mediagattungen gewählt wird. Dies ist ausgesprochen unbefriedigend, aber wohl unvermeidlich, solange es Menschen sind, die Kaufentscheide tätigen und Menschen, die Mediagattungen einteilen. Zugleich ist es aber unerlässlich, sich dieser Aufgabenstellung nach bestem Wissen zu nähern.

8. Identitätssicherung Wie der Intermediavergleich zeigt, entsteht eine Vielzahl von Medien, die jedes für sich wiederum in unübersichtlicher Varietät praktisch auftreten. Im Regelfall nutzen Werbungtreibende mehr als einen Ansprachekanal und statten diesen mit ihren Werbemitteln aus. Da die Medienvarietäten abweichende Anforderungen an die Präsentation der Botschaft stellen, kann sich auch eine entsprechende äs-

8. Identitätssicherung

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thetische Varietät ergeben. Darunter leidet jedoch der individuelle Auftritt des Absenders. Daher ist es Aufgabe der Identitätspolitik, trotz der Nutzung unterschiedlicher Medienkanäle mit verschiedenen Öffentlichkeiten einen einheitlichen Auftritt zu erreichen. Ggf. kommt die zeitliche Konstanz des Auftritts hinzu bzw. dessen räumliche Angleichung. Diese Aufgaben werden im Rahmen der Corporate Identity (8.1) verfolgt. Häufig werden dafür externe Kommunikationsberatungen (8.2) beauftragt. Diese Werbeagenturen sollen eine ganzheitliche, integrierte und orchestrierte Kommunikation sicherstellen. Das Ergebnis der Werbeanstrengungen wird im Controlling (8.3) hinsichtlich seiner Wirkung (Effektivität) und seines Erfolgs (Effizienz) überprüft bzw. überwacht.

8.1 Corporate Identity Die Corporate Identity (CI) eines Anbieters ist vor allem deshalb von entscheidender Bedeutung, weil sie vielfach Markterfolge zu erklären vermag, die durch objektive Faktoren anderweitig nicht bestimmt werden können. Sie dient den Menschen als Orientierung in einer immer komplexer werdenden Realität anhand innerer Vorstellungsbilder. Diese sind prägnant, konstant, differenziert und origi­ när und bewegen sich mehr oder minder losgelöst von der reinen Sachebene. In der Summe ergeben sich somit Sympathie und Kompetenz, Akzeptanz und Vertrauen in den Absender. Sympathie und Kompetenz bilden dabei die Grundpfeiler der Akzeptanz. Ein Anbieter, der nur kompetent erscheint, wird zwar respektiert, aber nicht unbedingt geliebt. Und ein solcher, der nur sympathisch ist, wird zwar gemocht, aber strahlt keine Sicherheit aus. Erst beide Größen gemeinsam sind in der Lage, öffentliches Vertrauen zu generieren. Corporate Identity (CI) ist in Theorie und Praxis ein außerordentlich schillernder Begriff. Man versteht darunter die Einheit und Übereinstimmung von Erscheinung, Worten und Taten eines Unternehmens mit seinem formulierten Selbstverständnis, also den einheitlichen Auftritt eines Unternehmens und seiner Teile gegenüber Dritten. Die CI unterfällt in drei Teilinstrumente: • Corporate Behaviour / CB, d. h. das unternehmens-, mitarbeiter- und kundenorientierte Verhalten als Leitlinien des Agierens im Markt gegenüber Beziehungsgruppen. • Corporate Communications / CC, d. h. Kommunikationsprogramme zur (Wieder-) Erkennung und Einstellungsbeeinflussung. Dies erfolgt vor allem durch profilierte Werbeaussagen. • Corporate Design / CD, d. h. die Gesamtheit der Erscheinungsmerkmale, mit denen sich ein Absender in der Öffentlichkeit präsentiert, um zutreffend identifiziert zu werden, wie Objekt-, Architektur-, Sprach- oder Grafikdesign. Die Corporate Behaviour kennt zwei Arten der Unternehmenssicht. Das Selbstbild, das weitgehend von den subjektiven Vorstellungen und Zielen des Unterneh-

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

mens herrührt, und das Fremdbild, das die Sicht der Marktpartner widerspiegelt. Es geht nunmehr darum, das Selbstbild näher zu definieren und das Fremdbild an das Selbstbild anzupassen. Als Basis ist dafür der Purpose (siehe auch Kap. I 2.2.1) zu definieren, der die grundlegenden ökonomischen, politischen und sozialen Wert-, Ziel- und Kompetenzvorstellungen in Bezug auf sich selbst und die Stellung in der Gesellschaft ausdrückt. Dies wird zumeist in Form von Unternehmensleitsätzen definiert, die als praktische Ausführung des Leitbilds strikt zu beachten sind. Falls Änderungen als notwendig erachtet werden, so sind diese nur in kleinen, vorsichtigen Schritten zu vollziehen. Ein Beispiel findet sich beim Impfstoffhersteller Biontech unter dem Stichwort Demokratisierung der Gesundheit. Biontech-Impfungen sollen die Ausbreitung von Infektionskrankheiten bremsen. Und sie sollen die Heilungschancen bei Krebserkrankungen steigern. Und zwar weltweit. Die Komplexität der Corporate Communications erfordert eine integrierte Kommunikation. Integrierte Kommunikation umfasst die Bereiche von Inhalt / Aussage, Form / Gestaltung sowie Zeit / Raum von Botschaften. Dazu sollen die Werbebotschaften eine zentrale Aussage beinhalten, die über alle Medien, zwar in medienadäquater Form abgewandelt, im Kern aber doch unverändert, übergebracht wird. Als Medien kommen klassische und nicht-klassische Werbemittel in Betracht. Um eine gestalterische Klammer für alle Maßnahmen in den verschiedenen Medien zu erreichen, ist die standardisierte Verwendung gemeinsamer formaler Gestaltungselemente angezeigt. Die Maßnahmen sollen zusätzlich auch zeitlich koordiniert ablaufen. Und die Einsatzgebiete der Maßnahmen müssen aufeinander abgestimmt sein. Ziel ist eine effiziente Arbeitsteilung der Medien zur Identitätserreichung und -festigung. Dabei spielen auch Faktoren wie der relative Anteil der Mediagattungen, die Vielfalt eingesetzter Medien und deren Koordination eine zentrale Rolle. Als gestalterische Klammer dienen im Corporate Design die Folgenden: • Der Foto- / Videostil ist ein für einen Absender / ein Angebot typischer Bildansatz. Er unterstützt die Alleinstellung des Produktes / Dienstes durch visuelle Inszenierung. In der Regel werden dazu bekannte Fotografen / Regisseure engagiert, die mit ihrer Handschrift eine unverwechselbare Bildstimmung erzeugen. • Das Layoutraster ist eine ebenso übersichtliche wie funktionale Seiteneinteilung nach gestalterisch definierten Ordnungsprinzipien. Dies unterstützt die Wiedererkennbarkeit eines Absenders. In den meisten Fällen wird diese Einteilung in umfangreichen CD-Booklets festgelegt und für alle Beteiligten als verbindlich erklärt. Dazu werden alle gängigen Formate und Werbemittel hinsichtlich bestimmter grafischer Faktoren, wie z. B. dem Bild-Text-Verhältnis, besprochen und beschrieben. • Die Typografie betrifft die Auswahl und Anordnung von Schriften nach Zeichensatz, Stil, Punktgröße usw. Spätestens seit der Verbreitung von DTP-Programmen in Büros und Haushalten ist jedem bewusst, dass es eine ganze Reihe von

8. Identitätssicherung

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verschiedenen Zeichensätzen gibt, diese zudem in unterschiedlichen Stilen und Größen. Das Gleiche gilt für die Textgestaltung. Die Typografie hat einen entscheidenden Einfluss auf den Eindruck von Werbemitteln und sollte daher mit Sorgfalt und Strenge ausgewählt und eingesetzt werden. • Das Farbschema beinhaltet eine Hausfarbe, die in allen Werbemitteln, auch auf Verpackungen, Messeständen etc. verwendet wird. Diese Farbe wird in der Regel nach HKS- oder Pantone-Farbskala verbindlich festgelegt. Dabei müssen die unterschiedlichen Bedeutungen der Farben berücksichtigt werden. Schon Nuancenverschiebungen können zu erheblichen Irritationen führen, zumindest auf der Absenderseite. • Das Logo fasst als einprägsames Zeichen die Absendersignalisierung des Werbungtreibenden zusammen. Es kann ein Wort, eine Zahl, ein Bild oder ein kombiniertes Wort-Bild-Zeichen sein. Seine Verwendung hat auch konkrete rechtliche Konsequenzen durch den Markenschutz. Insofern darf das Logo nicht unplanmäßig verändert werden. • Die Tonalität fasst die Stimmung der Ansprache potenzieller Zielpersonen zusammen. Sie sagt viel über das Selbstverständnis des Absenders aus, aber auch über sein Verständnis der Kundenbeziehung. So ist das Duzen im geschriebenen oder gesprochenen Text für viele Werbungtreibende zum Selbstverständnis geworden, was nicht immer und bei allen Zielpersonen gut ankommt. • Der Slogan ist die in einem Satz zusammengefasste Kernaussage über den Absender. Er ist meist räumlich dem Logo zugeordnet, da beide zusammen die Verdichtung von Botschaft und Absender darstellen. Eingängige, stimmige Slogans sind allerdings äußerst schwer zu finden, z. B. „Da weiß man, was man hat“, „Alle reden vom Wetter, wir nicht“, „Es gibt viel zu tun, packen wir’s an“. • Sound (Jingles / Musik etc.) dient als zusätzliche emotionale Untermalung der Werbebotschaft. Je nach Art des Produkts hat er eine erhebliche werbliche Bedeutung. Man denke an die Evergreen-Serie von Levi’s 501 (das Original), die Langnese-Werbespots („Like Ice in the Sunshine“), Aral („Walking“) oder zahlreiche andere legendäre Spots. Nicht selten werden Musikstücke aus den Spots zu Hitparadenerfolgen wie bei Coke, Bacardi, Levi’s, die dann mit jedem Abspielen die Werbebotschaft durch audiovisuellen Transfer aktualisieren.

8.2 Externe Kommunikationsberatung Bei umfangreichen Kommunikationsaktivitäten ist die Einschaltung einer Werbeagentur unbedingt empfehlenswert. Dies hat mit der unumgänglichen Konzentration auf die unternehmerische Kernkompetenz zu tun und mit der Nutzung externer Kernkompetenzlieferanten. Die Werbeagentur ist ein erwerbswirtschaftlich orientiertes Dienstleistungsunternehmen, das im Rahmen längerfristiger oder auch fallweiser Verträge die marketing-kommunikative Betreuung von Unter-

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung

nehmen und Institutionen bzw. deren Produkten und Dienstleistungen gegen vereinbartes Entgelt übernimmt und in deren Auftrag treuhänderisch ausführt. Ein Treuhänder übernimmt die Verwaltung / Verfügung fremden Vermögens im Interesse des Eigentümers und damit in dessen Namen. Das Geschäft ist dabei durch zahlreiche Besonderheiten gekennzeichnet und durch Leistungsgrundsätze stabilisiert. Nach dem Leistungsumfang sind die Full Service-Agentur, die Kreativ-Agentur (ohne Marketing- und Mediaberatung), die Media-Agentur (ohne Marketing- und Kreationsberatung), die Marketing-Agentur (ohne Kreations- und Mediaberatung) sowie Spezial-Agenturen (gemäß den Arten nicht-klassischer Werbung) anzutreffen. Die Vergütung erfolgt durch Provisionssystem (15 % AE-Provision von den Medien, die in deren Tarif bereits eingerechnet sind), durch Provisionssystem mit Rückvergütung an Werbungtreibende (oft in Abhängigkeit von der Werbeetathöhe variiert als Sliding Scale Commission), auf Honorarbasis (pro rata temporis von Kunden), mit Service Fee-Aufschlag auf die Fremdkosten (17,65 %), als einmalige Abfindung, nach Stundenaufwand gemäß Zeitabrechnung, nach Preislistenpositionen (als Vertragsbestandteil), als erfolgsabhängige Vergütung (Pay on Performance) oder durch jede Kombination der genannten Möglichkeiten. Von Split Commission spricht man, wenn sich zwei oder mehr beteiligte Agenturen, z. B. Werbe- und Mediaagentur oder Kreativ- und Adaptationsagentur, das Honorar teilen, von Kickback, wenn die Werbeagentur Teile ihrer von den Werbedurchführenden erhaltenen Provision an ihren Auftraggeber, den Werbungtreibenden, zurückgibt und dadurch dessen Werbeeinsatz verbilligt. Die Anbindung der Werbeagentur erfolgt als hauseigene, selbstständige Werbegesellschaft, durch Aufteilung in einen internen und externen Anteil des absatzwirtschaftlichen (= Marketing oder Media) und des kreativen Parts oder durch eine externe Full Service-Agentur. Für die erstmalige Auswahl einer Werbeagentur sind Elemente wie Leistungsangebot, Geschäftsphilosophie, Größe / Alter, Kundenbetreuungsstandards, Standort, Leistungsabrechnung, Internationalität, Kundenliste, Ansehen und Personal entscheidend. Die laufende Beurteilung der Werbeagenturarbeit durch Auftraggeber berücksichtigt Elemente wie Informationsverarbeitung, Strategieentwicklung, Re­ flektion der Aufgabenstellung, Umsetzung, Beratungskompetenz der Dienstleister und Kostenwürdigkeit. Die präferierte Agentur erhält dann ihren Arbeitsauftrag in Form eines Briefing.

8.3 Controlling der Werbung Controlling bedeutet allgemein die Sicherung der Rationalität im Kommunikationsmanagement. Für das Controlling der Werbung ist es zweckmäßig, zwischen Effektivität (die richtigen Dinge tun / Produktivität) und Effizienz (die Dinge

8. Identitätssicherung

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richtig tun / Wirtschaftlichkeit) zu unterscheiden. Das Ergebnis der Effektivität ist die Werbewirkung, das Ergebnis der Effizienz der Werbeerfolg. Letzteres ist ent scheidend, ersteres kann allerdings zumeist nur durch Effektivität erreicht werden, zwischen beiden besteht jedoch eine recht lockere Verbindung. So kann eine Werbung trotz nachgewiesener Effektivität nicht erfolgreich sein, etwa weil es an Kaufkraft in der Zielgruppe fehlt, weil es mit der Verfügbarkeit am Handelsplatz hapert, weil mehrere Produkte von potenziellen Käufern als gleich attraktiv angesehen werden, weil momentan kein Bedarf am Markt besteht, weil die Suche nach Kaufabwechslung vorherrscht, weil andere Produkte preisgünstiger angeboten werden oder eine günstigere Platzierung am Handelsplatz haben etc. Eine Werbung kann effizient sein, ohne über nachgewiesene Wirkung zu verfügen, etwa weil Mund zu Mund-Propaganda für Käufe sorgt, weil unreflektierte Spontankaufentscheide getroffen werden, weil in der Entscheidungssituation keine Konkurrenzprodukte vorhanden sind, weil Produkte über virtuelle Marktplätze mehrheitlich preisbezogen geordert werden, weil Bequemlichkeit ausschlaggebend ist oder Produkte im Einkaufsstress verwechselt werden etc. Die Messung der Werbewirkung (Effektivität) wird über mehrere Stufen vorgenommen: • Die Transportleistung der Werbung misst zunächst die rein objektive, mediatechnische Erreichung der Zielpersonen durch Kommunikationsaktivitäten. • Die Aufmerksamkeitsleistung misst die subjektive Wahrnehmung der übermittelten Werbebotschaften durch Zielpersonen mittels Erinnerung (Recall), dies kann testweise vor Einsatz der Werbeaktivitäten (Pretest), begleitend während des Kampagneneinsatzes (In between) oder nach deren Beendigung erfolgen (Posttest). • Die Verarbeitungsleistung misst die Realisierung der Werbezielsetzung durch die Aktivitäten, dabei wird auf die Anwendung elaborierter Testverfahren zurückgegriffen, z. B. bei Erschwerung der Wahrnehmungsbedingungen (Aktualgenese), durch unwillkürliche Körperreflexe (Psychomotorik) und über apparative Beobachtungsinstrumente (Mechanik). • Die Wiedererkennungsleistung bewertet durchgeführte Werbeaktivitäten im Nachhinein durch Feststellung der inhaltlichen Verankerung der Botschaften bei Zielpersonen (Recognition-Test). Die Messung des Werbeerfolgs (Effizienz) bezieht sich auf die Marktleistung der Werbung. Dafür gelten Größen wie • Preis als wertmäßige Bemessung jeder verkauften Einheit, • Absatz als mengenmäßiger Output des Unternehmens im Markt, • Kosten als bewerteter Güterverzehr zur Erstellung dieses Output, • Liquidität als Zahlungsmittelfluss in das Unternehmen.

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung Tabelle 21a Kommunikations- und Identitätsplanung (Formular)

8. Identitätssicherung Tabelle 21b (Forts.) Kommunikations- und Identitätsplanung

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Kap. IV: Operative Kommunikations- und Identitätsplanung Tabelle 21c (Forts.) Kommunikations- und Identitätsplanung

Für die Ermittlung von Werbewirkung und -erfolg werden vielfältige Verfahren eingesetzt, die großenteils aus den Disziplinen Verhaltenswissenschaften, Medizin und quantitative Methoden (Statistik) stammen. Insgesamt leiden aber alle Verfahren darunter, dass eine Zurechnung des Ergebnisses auf bestimmte Maßnahmen letztlich nicht möglich ist, da dieses immer als Konglomerat unterschiedlichster Einflüsse entsteht und nicht auseinander dividiert werden kann, welche Einflüsse genau welche Beeinflussungen hinterlassen. Die Werbewirkung ist, geeignete Verfahren unterstellt, durchaus messbar, inwieweit daraus jedoch Werbeerfolg wird, bleibt weithin unbekannt. Zwar ist gerade dieser allein von Belang, muss aber notgedrungen spekulativ bleiben.

Kapitel V

Operative Distributions- und Verkaufsplanung Während die Angebots-, die Gegenleistungs- und die Informationspolitiken der Absatzvorbereitung dienen, dient die Verfügbarkeitspolitik dem Absatzvollzug. Insofern kommt ihr eine besondere Bedeutung zu. Grundlage absatzpolitischer Überlegungen ist das Absatzkanalmodell, das die Verfügbarkeit im Zielmarkt steuert (1.). Ergänzend kommen die Absatzform und das Vertriebssystem hinzu (2.). Im verbreiteten Indirektabsatz spielen Absatzmittler zwischen Hersteller und Endabnehmer eine zentrale Rolle. Ihre enge Einbindung ist Voraussetzung für einen reibungsarmen Absatzprozess (3.). Im Rahmen von Kooperationen ergeben sich dabei einerseits verschiedene gewinnbringende Ausgestaltungen (4.). Andererseits entstehen aber durch fortgesetzte Konzentrationen auch Konfliktpotenziale, die es einzufangen gilt (5.). Begleitend werden im Absatzkanal selbstständige Absatzhelfer tätig (6.), zentral zudem angestellte Reisende (7.) sowie verstärkt auch Abschlussmärkte (8.). Der akquisitorische wird durch das logistische Distributionssystem ergänzt (9.). Im Zuge der Verkaufsplanung wird auf situative Faktoren Bezug genommen. Dazu gehören der Verkauf im Handel (10.), der E-Commerce-Absatz (11.), der Persönliche Verkauf (12.) und die Verkaufsförderung (13.). Hinzu treten spezielle Anforderungen im Vertrieb im Ausland (14.), von Industriegütern (15.) und bei Dienstleistungen (16.). Auf alle genannten Aspekte wird im Folgenden aussagefähig eingegangen.

1. Absatzkanal Distribution umfasst allgemein alle Aktivitäten, welche die körperliche und / oder wirtschaftliche Verfügungsmacht über materielle oder immaterielle Güter von einem Wirtschaftssubjekt auf ein anderes übergehen lassen. Diese Definition impliziert, dass es mindestens zwei Beteiligter zur Distribution bedarf, des Lieferanten, z. B. Hersteller, und des Abnehmers, z. B. Zwischen- oder Endabnehmer, tatsächlich aber mehr Akteuren (1.1). Diese stehen in Austauschbeziehungen zueinander. Der Systemrahmen dafür ist der Absatzkanal. Der Absatzkanal ist definiert als eine bestimmte Kombination aus Lieferant auf der einen und untereinander homogenen Abnehmern, die durch Stufe, Betriebsform und Rechtsstellung zu fassen sind, auf der anderen Seite. Die Gestaltung des Absatzkanals kann nach seiner Breite (1.2) und seiner Tiefe (1.3) erfolgen.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

1.1 Akteure Der Absatzkanal ist das Denkmodell für die Beziehungen zwischen Hersteller, Absatzmittlern und privaten / gewerblichen Endabnehmern. Man kann sich den Absatzkanal wie ein Rohr vorstellen, an dessen Anfang der Hersteller Waren / Dienste „einfüllt“ und an dessen Ende gewerbliche und private Endabnehmer diese „entnehmen“. Man spricht anschaulich auch von der Pipeline. In dieser Pipeline fließen Waren, Gelder und Informationen, und zwar in beiden Richtungen. Waren fließen vom Hersteller an Absatzmittler und / oder Endabnehmer, aber auch wieder zurück, etwa bei Retouren. Gelder fließen von Endabnehmern an Absatzmittler und / oder Hersteller, und auch entgegengesetzt, z. B. bei Gutschriften. Und Informationen fließen in beiden Richtungen Top-down und Bottom-up. Insofern entstehen sehr komplexe Strukturen mit vielfachen Verknüpfungen. Der Absatzkanal hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Trichter verändert. Es gibt immer mehr Marktteilnehmer, die als Hersteller bzw. Importeure an dessen „Eingang“ aktiv werden wollen. Dies ist vor allem Folge der Internationalisierung der Handelsbeziehungen und auch der Expansion der Programme. In gleichem Maße steigt zwar die Kapazität der Absatzmittler, jedoch sind massive Konzentrationsbewegungen vorhanden, so dass die Anzahl der unabhängigen, marktrelevanten Player tatsächlich sinkt, diese aber zugleich immer mächtiger werden. Und am „Ausgang“ des Absatzkanals finden sich durchweg Endabnehmer, die zunehmend restriktiv mit ihrer Kaufkraft / ihren Budgets umgehen und für den Kauf kritisch selektieren. Dies ist vor allem Folge deren verbesserten Informationsstands und ihres Willens bzw. der Notwendigkeit zu sparsamer Mittelverwendung. Insofern erschweren sich die Bedingungen im Absatzkanal und lassen die Distribution zum Bottleneck des Marketing werden. Weiterhin können Absatzmittler nicht nur auf einer Stufe, sondern verteilt auf zwei oder mehr Stufen eingeschaltet sein. Dabei handelt es sich um den Einzelhandel als Handel mit privaten Endabnehmern und den Großhandel als Handel unter Kaufleuten. Hinzu kommt der Außenhandel für den Import bzw. Export von Gütern und Leistungen. Dabei können auch zwei oder mehr Großhandels­stufen aktiv sein. Allerdings hat sich in neuerer Zeit ein starker Trend zur Disinter­mediation, also zur Ausschaltung seither zwischengeschalteter Absatzmittlerstufen etabliert, bis hin zum Direktabsatz, also der unmittelbaren Kontaktaufnahme zwischen Hersteller und Endabnehmer. Dies ist vor allem durch das Vordringen des E-Commerce verursacht. Insofern sind nicht nur horizontale Verdrängungskonflikte zu verzeichnen, sondern auch vertikale um den Verbleib im Absatzkanal. Zusätzlich sind weitere Akteure im Absatzkanal aktiv, vor allem Absatzhelfer, welche den Weg von Waren, Diensten, Geldern und Informationen begleiten, ohne dabei im eigenen Namen und / oder auf eigene Rechnung zu handeln. Es handelt sich um akquisitorische Absatzhelfer, wie Handelsvertreter und Makler, logistische Absatzhelfer, wie Spediteure und Lagerhalter, sowie leistungsergänzende Absatz-

1. Absatzkanal

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helfer, wie Kreditinstitute und Werbeagenturen. Hinzu treten Mitarbeitende der Hersteller bzw. der Absatzmittler als Reisende und Mitarbeitende der Absatzmittler bzw. der (gewerblichen) Endabnehmer als Beschaffungshelfer. Dies multipliziert die Interaktionen im Absatzkanal zusätzlich. Der Absatzkanal gliedert sich damit in mehrere Stufen, auf denen Beteiligte aktiv sein können, wie folgt: • herstellereigene, interne Absatzorgane (Marketingabteilung), • herstellereigene, externe Absatzorgane (Reisende) und herstellerfremde Absatzorgane (Handelsvertreter o. Ä.), • händlereigene Beschaffungsorgane (Einkäufer) oder händlerfremde Beschaffungsorgane (Beschaffungshelfer), • händlereigene, interne Absatzorgane (Verkaufsinnendienst), • händlereigene, externe Absatzorgane (Reisende) und händlerfremde Absatzorgane (Handelsvertreter), • endabnehmerfremde Beschaffungsorgane (Beschaffungshelfer), • endabnehmereigene Beschaffungsorgane (Haushaltsführung / Buying Center). Der Absatzkanal kann vom Hersteller auf der Handelsstufe in zwei Richtungen gestaltet werden, • in der Breitendimension hinsichtlich der Anzahl der Akteure, mit denen auf einer Stufe interagiert werden soll, • in der Tiefendimension hinsichtlich der Anzahl der Stufen, auf denen mit Akteuren interagiert werden soll. Ziel der Distributions- und Verkaufsplanung ist es, den Fluss der eigenen Leistungen in diesem Absatzkanal in Konkurrenz zu allen anderen Akteuren zu sichern. Dies bedingt, dass möglichst keine Leerverkäufe entstehen, also die Situation, in der ein potenzieller Käufer über die gewünschte Ware mangels Knappheit nicht verfügen kann, aber auch keine Überlieferung von Ware, worunter die Drehgeschwindigkeit und der Nachschub leiden. Dieser Durchfluss kann über einen Push-Effekt in den Absatzkanal hinein und einen Pull-Effekt aus dem Absatzkanal heraus gesteuert werden. Push und Pull müssen dabei möglichst feinfühlig aufeinander abgestimmt werden. Befindet sich bereits zuviel Ware im Absatzkanal, kann keine neue Ware „hineingefüllt“ werden, mithin entstehen keine zusätzlichen Erlöse. Befindet sich jedoch zu wenig Ware im Absatzkanal, fallen potenzielle Abnehmer, die man teuer akquiriert hat, für den Kauf aus oder schlimmer noch, kaufen statt der eigenen Produkte / Dienste vergleichbare der direkten Konkurrenz. Auf diese Weise kann ein Kunde dauerhaft verloren gehen und ganze Warenkörbe anderswo einkaufen. Die Abstimmung wird durch zwei herstellerseitige Probleme erschwert. Erstens sind für diese die Warenflüsse unter hintereinander geschalteten Absatzmittlern und von diesen zu Endabnehmern nur schwer identifizierbar. Das heißt, wie in

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

den Absatzkanal eingefüllte Ware sich auf der / den folgenden Stufe(n) verkauft, bleibt unbekannt. Hier können nur Daten aus Panelerhebungen im Handel Abhilfe schaffen (Nielsen / GfK / G & I). Zweitens wird die Einflussnahme im Absatzkanal enorm erschwert, weil es sich dort um rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Akteure auf den Folgestufen handelt, die in ihrem Handeln nicht steuerbar sind. Es kann allenfalls motivational eingewirkt werden, wenn man von wenig zielführenden Liefer- oder Abnahmesperren, wie sie zwischen jeweils marktmächtigen Markenartiklern und Händlern wechselseitig vorkommen, einmal absieht. Hersteller setzen daher Trade Marketing in Bezug auf ihre direkten Nach­frager, die Händler, ein, und Händler setzen Retail Marketing in Bezug auf ihre direkten Nachfrager, die Endabnehmer, ein. Beides zielt auf einen Push-Effekt ab. Zusätzlich setzen Hersteller stufenübergreifende Sprungwerbung bzw. Ingredient Branding indirekt an die Abnehmer ihrer Abnehmer ein, um einen Pull-Effekt zu erreichen. Indem sie derart Nachfrage nach der eigenen Ware schaffen, besteht nach deren Abfluss wiederum Platz für die Nachlieferung neuer Ware. Je besser Push- und Pull-Effekte aufeinander abgestimmt sind, desto schneller fließt die Ware durch den Absatzkanal (Drehgeschwindigkeit) und desto mehr profitieren Hersteller- und Handelsstufen. Daher liegt es nahe, anstelle antinomischer Zielsetzungen (Konflikt) zwischen beiden vielmehr Interessengemeinsamkeiten durch (rechtlich erlaubte) Abstimmungen (Kooperation) zu identifizieren.

1.2 Absatzkanalbreite 1.2.1 Darstellung Der Begriff Distribution kann als Zustand oder Prozess interpretiert werden. Als Zustand bezeichnet Distribution den Grad der effektiven Erhältlichkeit eines Produkts bei belieferten Absatzmittlern in Relation zur potenziellen Erhältlichkeit bei allen verfügbaren Absatzmittlern (Distributionsgrad): • Die numerische Distribution bezieht sich auf die Anzahl der Outlets, die ein bestimmtes Produkt führen relativ zur Anzahl aller Geschäfte, die zu diesem Zeitpunkt die zugehörige Category führen. • Die gewichtete Distribution bezieht sich auf den Umsatz der Outlets, die ein bestimmtes Produkt führen relativ zum Umsatz aller Geschäfte, die zu diesem Zeitpunkt die zugehörige Category führen. • Der Quotient aus gewichteter und numerischer Distribution wird Distributionsqualität genannt. Je höher dieser Wert, desto distributionsstärkere Absatzmittler sind im Absatzkanal eingeschaltet. Jedoch ist die höhere Distribution nicht unbedingt die bessere (siehe Abbildung 117: Optionen der Absatzkanalbreite). Vielmehr kann man nach der Breite der Aktivitäten generell wie folgt unterscheiden:

1. Absatzkanal

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• Ubiquitäre Distribution. Dabei sollen alle objektiv überhaupt in Frage kommenden Akteure in den Absatzkanal einbezogen werden (Überallerhältlichkeit). Dies ist außerordentlich schwierig zu realisieren und ansatzweise nur bei Softdrinks, Süßwaren, Zeitschriften und Zigaretten gelungen, indem Impulsmärkte und Automatenabgabe mit einbezogen werden. • Intensive Distribution. Dabei sollen möglichst viele, mit vertretbarem Aufwand zu erfassende Akteure in den Absatzkanal einbezogen werden (zahlreiche Absatzstellen). Dies sorgt für einen hohen Distributionsgrad innerhalb des gewählten Absatzgebiets, z. B. bei Lebensmitteln / FMCGs. Die Abnehmer sind dabei ihrer Struktur nach heterogen (z. B. Fachmärkte / Universalhandel). • Selektive Distribution. Dabei sollen bewusst nur ausgewählte Akteure in den Absatzkanal aufgenommen werden (also definierte Absatzstellen, die bestimmten Auswahlkriterien genügen). Dies entspricht einer eher geringen Erhältlichkeit im gewählten Absatzgebiet, führt aber zur homogenen Struktur der Abnehmer (z. B. nur Fachhandel). • Exklusive Distribution. Dabei soll ein Absatzgebiet so aufgeteilt werden, dass es zur relativen Monopolstellung der Akteure kommt, wie ansatzweise bei Automobilen, Mineralöl, Luxusprodukten etc. gegeben. Dies ist allerdings nur in Ausnahmefällen wünschenswert, da dadurch das Absatzpotenzial nur eingeschränkt ausgeschöpft werden kann.

Abbildung 117: Optionen der Absatzkanalbreite (eig. Darst.)

Als Prozess bezeichnet Distribution die Veränderung des Grades der Erhältlichkeit eines Produkts (Distributionsaufbau/-abbau). Zu unterscheiden ist hierbei zwischen bereits realisierter und gewünschter Distribution. Dabei sind die beiden Prozessrichtungen der Distributionsausweitung und -einschränkung bedeutsam. Eine empirisch festgestellte intensive Distribution kann damit durchaus nur ein Zwischenstadium bei der Ausweitung zur Ubiquität sein. Der Ausschöpfungs-

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

grad gibt dann die Relation von tatsächlicher zu gewünschter Distributionsdichte an. Umgekehrt kann eine empirisch festgestellte selektive Distribution durchaus nur ein Zwischenstadium bei der Einschränkung zur Exklusivität hin sein. Die Zielerreichung kann hier ebenfalls durch die Relation von tatsächlichem und gewünschtem Distributionsgrad ausgedrückt werden. Diese Bewertung ist allerdings nur intern möglich. Stellt man sich die Breitendimension des Absatzkanals als ein Kontinuum vor, so markieren ubiquitäre und exklusive Distribution die beiden Endpole, intensive und selektive Distribution bewegen sich dazwischen. Die Übergänge zwischen jeweils benachbarten Größen sind freilich fließend. Für die Distributionswahl sind verschiedene Faktoren bestimmend. In erster Linie sind Folgende zu nennen: • Zeitablauf. Ein Produkt mag im Zeitablauf verschiedene Distributionsgrade von exklusiv bis ubiquitär durchlaufen. Insofern ändert sich mit dem Lebenszyklus womöglich auch die Distributionswahl. • Intention. Ein Hersteller mag eine breitere / engere Distribution als die tatsächlich gegebene anstreben, ist aber nicht in der Lage, diese am Markt wie gewünscht durchzusetzen. • Image. Mit dem Up Grading eines Produkts geht meist eine zunehmend engere Distribution einher, da verstärkt Einfluss auf dessen adäquate Darbietung im Markt genommen wird. • Produktart. Hier sind Kriterien wie Wiederkaufrate, Verbrauchs- und Suchdauer, Service- und Preisniveau ausschlaggebend, die sich zu einer Typisierung eignen (rote, orange und gelbe Produkte). 1.2.2 Kritische Würdigung Die verschiedenen Distributionsbreiten sind naturgemäß unterschiedlich zu bewerten. Die wichtigsten Vor- und Nachteile liegen auf Seiten des Herstellers vor allem in folgenden Aspekten. Zunächst zu den Vorteilen der Ubiquität aus Herstellersicht: • Vollständige Marktausschöpfung durch maximale Kontakthäufigkeit der Nachfrager mit dem gegebenen Angebot, • umfassende Kapitalisierung der geleisteten Marketingaufwendungen durch kompletten Zugang zu Endabnehmern, • Initiierung von ungeplanten Käufen durch zufälligen Kontakt zwischen Produkt und potenziellen Nachfragern, • weitgehende Vermeidung der Abhängigkeit des Herstellers von einzelnen Absatzmittlern.

1. Absatzkanal

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Als Nachteile der Ubiquität aus Herstellersicht sind zu nennen: • Extremer Distributionsaufwand zur Bedienung aller möglichen Absatzstellen flächendeckend im Markt, • Gefahr der Beeinträchtigung des Produktimages durch stark abweichende, diffuse Geschäftsstättenimages, • schwierige Kontrolle der Präsentations- und Absatzbedingungen auf Handelsebene. Vorteile der Intensität aus Herstellersicht sind vor allem folgende: • Weitgehende Marktausschöpfung als vernünftiger Kompromiss zwischen Aufwand und Nutzen, • Nutzung des breiten Endnachfragezugriffs der großen Handelskonzerne im Markt, • breite Erhältlichkeit nutzt Vorverkauf der Produkte gegenüber potenziellen Zielgruppen angemessen aus. Als Nachteile der Intensität aus Herstellersicht sind zu nennen: • Keine vollständige Liquidierung von Kaufchancen durch Vorhandensein bewusster Distributionslücken, • hoher Marketingaufwand zum Aufbau und Erhalt eines intensiven Distributionsgrads, • mögliche Konkurrenz zwischen verschiedenen belieferten Absatzkanälen als kontinuierlicher Unruhefaktor, • bei Top down-Vorgehen nachlassende Effizienz der Distributionsausweitung durch Zuwachs immer kleinerer Absatzstellen. Vorteile der Selektivität aus Herstellersicht sind vor allem folgende: • Rationalisierung des Vertriebs durch Beschränkung auf weniger, dafür größere Abnehmer, • Möglichkeit zu nachhaltiger Kontaktpflege dieser Abnehmer für eine bessere Vermarktung, • überschaubare Absatzstruktur lässt jederzeitige Korrekturen auf der Absatzmittlerstufe zu, • gesteigertes Interesse der distribuierten Absatzmittler an der Förderung des Angebots. Als Nachteile der Selektivität aus Herstellersicht sind zu nennen: • Hohes Distributionsrisiko bei Ausfällen und Verschiebungen innerhalb des Absatzkanals,

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

• niedriger Erhältlichkeitsgrad des Produkts birgt Gefahr geringerer Kapitalisierung dessen akquisitorischen Potenzials, • keine Nutzung dynamischer, neuer Betriebsformen des Handels im Rahmen der Dynamik der Betriebsformen möglich. Vorteile der Exklusivität aus Herstellersicht sind vor allem folgende: • Minderung der Wettbewerbsintensität für das betreffende Produkt bzw. die belieferten Absatzmittler, • hoher Anspruch an die Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Absatzpartner durch Auswahlmöglichkeit, • große Effizienz der Marketingaktivitäten infolge guter Überschaubarkeit der Strukturen, • enge Bindung der Absatzmittler an den Hersteller mit ausgeprägtem Engagement auf deren Seite. Als Nachteile der Exklusivität aus Herstellersicht sind zu nennen: • Abhängigkeit von Motivation und Fähigkeit einiger weniger Absatzmittler, • Nachteil gegenüber Angeboten mit höherem Distributionsgrad, wenn die Erhältlichkeit eine kaufentscheidende Rolle spielt, • Einflussnahmemöglichkeit auf Absatzmittler stößt auf relativ enge wettbewerbsrechtliche Grenzen. Nach § 20 GWB ist die Zulässigkeit des selektiven bzw. exklusiven Vertriebs dahingehend zu prüfen, ob Behinderung oder unbillige Benachteiligung ohne einen sachlich gerechtfertigten Grund bei Geschäftsverkehr vorliegt, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist. Dies wird regelmäßig nur gegenüber marktmächtigen Händlern bei Herstellern ohne absolute / relative Marktmacht verneint. In allen übrigen Fällen erfolgt ein Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Herstellers hinsichtlich seiner Auswahl belieferter Händler. Die Vorteile der geschlossenen Distribution bei Selektivität bzw. Exklusivität in der Breitendimension auf Seiten der beteiligten Händler ergeben sich aus Folgendem: • Relativer Konkurrenzschutz durch geringe bzw. limitierte Anzahl anderer Absatzstellen mit vergleichbarem Angebot, • sichere Handelsspanne durch wahrscheinlich geringere Wettbewerbsintensität, • Partizipation an hoch stehendem Hersteller- bzw. Markenimage mit Abstrahlung auf das übrige Sortiment (falls vorhanden), • nachhaltige Herstellerunterstützung infolge partnerschaftlicher Kooperation.

1. Absatzkanal

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Nachteile aus Sicht der Händler resultieren hierbei aus Folgendem: • Hohes Maß an Abhängigkeit von Geschäftserfolg und Produktqualität des Herstellers, • eingeschränkte sortimentspolitische Freiheit durch Kopplung an Pflichten zur Sortimentierung, • Vergleichbarkeit mit anderen Absatzstellen des Produkts infolge weitgehender Standardisierung der Vermarktung. Die Vorteile der offenen Distribution bei Intensität bzw. Ubiquität in der Breitendimension auf Seiten der beteiligten Händler ergeben sich aus Folgendem: • Höhere bzw. volle Wahrscheinlichkeit, bekannte und vertraute Produkte im Sortiment zu führen, • Partizipation an ungeplanten Käufen durch physisches Sortimentsangebot, • Imagesteigerung durch Eindruck möglichst kompletter Sortierung aus Kunden­ sicht, • willkommene Vergleichsbasis zur positiven Profilierung gegenüber anderen Händlern durch günstigeres Angebot. Nachteile aus Sicht der Händler resultieren hierbei aus Folgendem: • Bestandslücken führen zu minderer Einschätzung der Sortierung durch Nachfrager, damit besteht ein Druckmittel für die Listung (Pflichtmarke), • große Austauschbarkeit verschiedener Absatzstellen mit gleichem Angebot aus Sicht der Endabnehmer, • verschärfter Wettbewerb der Absatzmittler untereinander (Intrabrand Compe­ tition). 1.2.3 Mehrkanaldistribution Nun muss sich die Distribution nicht unbedingt auf die Wahl eines Absatzkanals beschränken. Vielmehr können auch zwei oder mehr Kanäle nebeneinander distribuiert werden. Diese unterscheiden sich dann durch die • Stufigkeit, z. B. Einzelhandel als Handel mit Privaten oder Großhandel als Handel mit Gewerbetreibenden, • Betriebsform, z. B. im Kriterium preisaggressives Universalgeschäft oder preiskonservatives Spezialgeschäft, • Rechtsstellung, z. B. Absatzmittler im eigenen Namen und auf eigene Rechnung oder Absatzhelfer im eigenen Namen und auf fremde Rechnung bzw. im fremden Namen und auf fremde Rechnung.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Insofern ergeben sich neben der eingleisigen (Mono-)Distribution mit nur einem ausschließlich bedienten Absatzkanal homogener Abnehmer folgende Alterna­ tiven: • Zweigleisige (Dual-)Distribution mit zwei bedienten Absatzkanälen • Mehrgleisige (Poly-)Distribution (auch Multi Channel Distribution) mit mehr als zwei bedienten Absatzkanälen jeweils interner Homogenität und externer Heterogenität (siehe Abbildung 118: Mehrkanaldistribution).

Abbildung 118: Mehrkanaldistribution (eig. Darst.)

Die Vorteile der Mehrkanaldistribution aus Herstellersicht liegen vor allem in Folgendem: • Verringerung der Gefahr der Abhängigkeit von einem belieferten Absatzkanal und dessen Nachfragemacht, • Chance zur Rationalisierung durch Konzentration auf die jeweils stärksten Absatzstellen je Kanal, • breite Nachfrageerfassung über Marktsegmentgrenzen hinweg, die bei verschiedenartigen Absatzstellen einkaufen, • Nutzung dynamischer, neuer neben konservativen, alten Betriebsformen des Handels in den Absatzkanälen. Nachteile der Mehrkanaldistribution aus Herstellersicht liegen in Folgendem: • Notwendigkeit zur Anpassung der Marketingkonzepte an differenzierte Erfordernisse der Absatzkanäle, • Schaffung komplizierter arbeitsorganisatorischer Voraussetzungen für die Betreuung und Kontrolle mehrfacher Aktivitäten, • Gefahr der Beeinträchtigung des Produktimages durch Irritation auf Endabnehmerseite über das Angebotsprofil,

1. Absatzkanal

723

• Querelen zwischen Absatzkanälen („Futterneid“), die praktisch unvermeidlich sind (horizontale Konflikte). Die Vorteile der Mehrkanaldistribution aus Händlersicht liegen in Folgendem: • Zugang zu Produkten, die bei eingleisiger Distribution nicht unbedingt zugänglich wären, • Vorteile gegenüber den nicht-belieferten Absatzstellen des eigenen Absatzkanals, • Nutzung von systemimmanenten Absatzkanalvorteilen bei dynamischen, aggressiv auftretenden Betriebsformen des Handels. Nachteile der Mehrkanaldistribution aus Händlersicht liegen in Folgendem: • eine erhöhte Erhältlichkeit auf Endabnehmerstufe führt zu verschärften Wettbewerbsbedingungen, • eine geteilte Zuwendung des Herstellers durch mehrfache Absatzaktivitäten entsteht, • Benachteiligung eines (objektiv oder subjektiv) komparativ leistungsunterlegenen Absatzkanals gegenüber Endabnehmern. Die Mehrkanaldistribution ist vor allem durch das Internet als Absatzmedium offensichtlich geworden. Denkbar ist es dabei, alle ausgewählten Kanäle gleichermaßen zu distribuieren (parallele Distribution). Dabei fällt jedoch der größte Nachteil der Multi Channel Distribution ins Gewicht, die gegenseitige Kannibalisierung der Absatzwege. Dies kann kaum verhindert, aber zumindest vermindert werden, indem die Absatzwege zueinander gespreizt werden. Dies führt zur gesplitteten Distribution. Die Spreizung kann dabei vollständig (ohne Überlappungen) oder partiell (mit Schnittmengen) erfolgen. Als Kriterien der Splittung ergeben sich Produkte / Produktgruppen, Kundenarten / Kundenwerte und Absatzgebiete / Länder. Diese Kriterien können einzeln oder kumulativ eingesetzt werden. Je differenzierter das Absatzkanaldesign, desto ausgeprägter die Spreizung, desto höher aber auch der Komplexitätsgrad. Darüber hinaus ist auch eine Cross Channel Distribution möglich, d. h. eine Verzahnung der Absatzaktivitäten. So eignet sich der eine Absatzkanal vielleicht besser für die Interessentengewinnung und Kundenakquisition, ein anderer aber besser für die Transaktion, wiederum ein anderer für die Wiederkaufinitiierung oder den gewerblichen (B-t-B-)Absatz. Dies gilt insb. für das Nebeneinander von realen, physischen und virtuellen, elektronischen Absatzkanälen.

724

Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

1.3 Absatzkanaltiefe 1.3.1 Darstellung Der Absatzweg kann (intern oder extern) direkt, d. h. einstufig vom Hersteller zum Endabnehmer, oder indirekt, d. h. ein- oder zwei-(mehr-)stufig über Absatzmittler und -helfer angelegt sein. Ein direkter Weg liegt vor beim Absatz über • interne Absatzorgane (Betriebsangehörige), • externe Absatzorgane (betriebsfremde Absatzhelfer), • geprintete Medien, • elektronische Medien. Ein indirekter Weg liegt vor bei Absatz über • Großhandel als Handel unter Kaufleuten (B-t-B, ausnahmsweise auch mit großen Endabnehmern), • Einzelhandel als Handel mit Konsumtivgütern für Endabnehmer (B-t-C), • Verbindungshandel als Handel mit Produktivgütern für Produzenten / Weiterverarbeiter, • Außenhandel als grenzüberschreitender Im-/Export. Infolge der Machtkonzentration auf der Absatzmittlerstufe, gestiegener Kosten der Distribution durch Ausweitung der Sortimente und größere Absatzgebiete sowie Nutzung technischen Fortschritts ist eine Tendenz zu zunehmend direkterem Absatzweg deutlich erkennbar. Dies entspricht der Disintermediation, also der Ausschaltung von Akteuren im Absatzkanal. Davon ist insb. der Handel betroffen. Wobei die Handelsfunktionen (s. u.) unverändert bestehen bleiben, diese jedoch nicht notwendigerweise von Händlern wahrgenommen werden müssen („Retail is essential, Retailers are not“). Vielmehr ist zu prüfen, ob solche Handelsfunktionen vom Hersteller selbst effizienter und / oder effektiver übernommen werden können als vom Handel, dies entspricht der Rückwärtsverlagerung im Absatzkanal, oder auf die Abnehmerstufe übertragbar sind, dies entspricht der Vorwärtsverlagerung. Die Tiefendimension der Distributionsaktivität umfasst im Einzelnen die einoder mehrstufige Auslegung für den Fluss von Waren, Geldern und Informationen zwischen Hersteller und Endabnehmer. Nach der Tiefe der Distributionsaktivitäten (Absatzweg) kann insb. unterschieden werden in (siehe Abbildung 119: Optionale Absatzwege) • internen Direktabsatz vom Hersteller an gewerbliche oder private Endabnehmer über unternehmenseigene Organe, Telefon, Telefax, M-Commerce, Direktaussendung, Katalog, DR-TV / DR-R, Printmedien, auch eigene Web-Präsenz, E-Mail,

1. Absatzkanal

725

Bannerschaltung etc., jeweils unter Ausschaltung zwischengestufter Absatzmittler, dies ist im B-t-B- und im B-t-C-Absatz möglich, • externen Direktabsatz vom Hersteller an gewerbliche oder private Endabnehmer über unternehmensfremde Absatzhelfer, kurz Agents, genauer Handelsvertreter, Kommissionäre, Handelsmakler, Handelsversteigerer, Treuhänder, auch online, dies ist wiederum im B-t-B- und im B-t-C-Absatz möglich, • einstufig-indirekten Großhandelsabsatz vom Hersteller über den Produktionsverbindungshandel (z. B. für Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffe, Gebrauchtwaren, Betriebsmittel, Anlagen) als Absatzmittler an gewerbliche Herstellerabnehmer, auch online und im Außenhandel (B-t-B), • einstufig-indirekten Einzelhandelsabsatz vom Hersteller über Einzelhändler (Großbetriebsformen) an private Endabnehmer (B-t-C), auch online, dies erfordert allerdings einen ausreichenden Marktzugriff der Einzelhandelsstufe und entsprechende organisatorische Vorkehrungen bei Herstellern, • zweistufig-indirekten Handelsabsatz vom Hersteller an Großhändler und von diesen an Einzelhändler und private Endabnehmer, auch online, dies war traditionell der gegebene Absatzweg für Produkte des täglichen / täglich häufigen Bedarfs, wird aber von Herstellern heute zunehmend als Option verworfen,

Abbildung 119: Optionale Absatzwege (eig. Darst.)

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

• mehrstufig-indirekten Handelsabsatz vom Hersteller an zwei oder mehr Großhandelsstufen und von dort an die Einzelhandelsstufe und private Endabnehmer, auch online, dies ist vorwiegend bei reglementierten Märkten anzutreffen sowie bei einem logistischen Erfordernis nach ubiquitärer Distribution. 1.3.2 Kritische Würdigung Hinsichtlich der Tiefendimension des Absatzkanals ergeben sich unterschiedliche Ausprägungen (siehe Abbildung 120: B-t-C- und B-t-B-Absatzwege) und Bewertungen. Wichtige Vorteile des internen Direktabsatzes aus Herstellersicht sind folgende: • Einsparung der Distributionsspanne und deren Instrumentalisierung für Preisvorteil oder Zusatzgewinn, • effiziente Steuerung und Kontrolle der Absatzaktivitäten durch Einbindung in die interne Organisation, • direkter Kontakt zu Abnehmern fördert die Kundenbindung und schafft besseren Informationsfluss. Nachteile des internen Direktabsatzes aus Herstellersicht sind folgende: • Hoher Organisationsaufwand ist zur Steuerung und Kontrolle erforderlich, • fehlende Nutzung von Akquisitionschancen, die außerhalb der Verfügbarkeit des eigenen Unternehmens liegen, • hoher Kapitaleinsatz zur Etablierung sowie hohe laufende Aufwendungen notwendig. Vorteile des externen Direktabsatzes aus Herstellersicht sind folgende: • Abtretung der Kontakt- und Akquisitionsfunktion an eigenverantwortliche Absatzhelfer, • Monetarisierung zusätzlicher Kontakte im Markt zugunsten des eigenen Unternehmens, • Substitution von Fixkosten bei internem Direktabsatz durch variable Kosten trägt zur Risikoreduktion bei. Nachteile des externen Direktabsatzes aus Herstellersicht sind folgende: • Notwendigkeit des Entgelts für die Akquisitionsaktivitäten der Absatzhelfer in Form von Provision, • Selbstständigkeit der eingeschalteten Absatzhelfer kann instabile Absatzbasis bewirken, • Koordinations- und Abwicklungsaufwand für Kommunikation mit Absatzhelfern.

1. Absatzkanal

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Abbildung 120: B-t-C- und B-t-B-Absatzwege (eig. Darst.)

Vorteile des einstufigen Indirektabsatzes aus Herstellersicht sind folgende: • Einsparung von Distributionsspanne gegenüber zwei- und mehrstufigem Absatz und deren Nutzung für Preisvorteil oder Zusatzgewinn, • Nutzung der gegebenen Qualifikation und erworbenen Marktkenntnis der Absatzmittler, • Verminderung von Übertragungsverzerrungen und Zeitaufwand gegenüber zweiund mehrstufigem Absatz.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Nachteile des einstufigen Indirektabsatzes aus Herstellersicht sind folgende: • Ein Großteil der Distributionsfunktion verbleibt als Organisations- und Geldaufwand beim Hersteller, • keine Nutzung der Multiplikationsfunktion zwischengeschalteter Absatzmittler für die Ausweitung der Geschäftsbeziehungen, • Abhängigkeit von wenigen großen Nachfragern und deren Interessenlage ist wahrscheinlich. Vorteile des zwei- und mehrstufigen Indirektabsatzes aus Herstellersicht sind folgende: • Weitestgehende Auslagerung der Distributionsfunktion bewirkt interne Organisationsvereinfachung und Kosteneinsparung, • Ausschöpfung einer hohen Marktbreite durch doppelte Baumverzweigungsstruktur der Distribution, • überschaubare Liefer-, Abrechnungs- und Informationsbeziehungen mit wenigen großen Abnehmern. Nachteile des zwei- und mehrstufigen Indirektabsatzes aus Herstellersicht sind folgende: • Kürzung der eigenen Gewinnspanne um Entgelte für die Tätigkeit der Betriebsformen auf zwei Absatzstufen, • fehlende Kontrolle der Darbietung der Produkte gegenüber Endabnehmern durch Selbstständigkeit auf zwei Stufen, • Interaktionen der Absatzstufen untereinander führen zu Komplexität und Effizienzeinbuße. Letztlich ist die Einschaltung von Absatzmittlerstufen, d. h. die Entscheidung zwischen Direkt- und Indirektabsatz, vom Gedanken des Anreiz-Beitrag-Systems abhängig: • Solange sich für einen Hersteller der Zugewinn an Akquisitionserfolg durch Einbezug von Absatzmittlern höher darstellt als der dazu abzutretende Gewinnanteil an Absatzmittler (Opportunitätskosten), wird dieser den Indirekt- gegenüber dem Direktabsatz bevorzugen. Gleiches gilt für die Entscheidung zwischen internem oder externem Direktabsatz bzw. zwischen ein- und zwei-(mehr-)stufigem Indirektabsatz. • Solange für einen Hersteller der Zugewinn an Akquisitionserfolg durch Einschaltung von Absatzhelfern aber höher ausfällt als der an diese abzutretende Gewinnanteil, wird dieser sich für den externen Direktabsatz entscheiden. Gleiches gilt, solange der Akquisitionserfolg durch Einschaltung (einer) zusätzliche(r/n) Absatzstufe(n) höher ausfällt als der an diese abzutretende Gewinnanteil, dann wird dieser sich für (eine) zusätzliche Absatzstufe(n) entscheiden.

1. Absatzkanal

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1.3.3 Absatzkanalbeziehungen

Abbildung 121: Absatzkanalbeziehungen (eig. Darst.)

Zwischen den Stufen des Absatzkanals, also Hersteller / Importeur, Großhandel, Einzelhandel, private und gewerbliche Endabnehmer, bestehen vielfältige Beziehungen. Als Beziehungen für Waren sind folgende vorhanden (siehe Abbildung 121: Absatzkanalbeziehungen): • Push als Hineinverkaufsdruck vom Hersteller an den Handel bzw. von der voran die nachgelagerte Handelsstufe zu Endabnehmern. Dadurch soll Lagerdruck ausgeübt werden, der dazu führt, dass die derart bevorrateten Absatzmittler verstärkte Abverkaufsbemühungen unternehmen, wodurch sich der Absatz erhöht, das Lager leert und Chance zu erneutem Push bietet. • Pull als Herausverkaufssog von Endabnehmern beim Handel bzw. von der nachan die vorgelagerte Handelsstufe. Dadurch soll ein Überbedarf erzeugt werden, der Absatzmittler dazu veranlasst, sich verstärkt mit dem nachgefragten Produkt zu bevorraten. Das erhöht den Ab-Werk-Verkauf (Ex Factory Sales), da der Handel bestrebt ist, Fehlverkäufe zu vermeiden. • Durchverkauf (Push & Pull) mit gleichzeitigem Hineinverkaufsdruck vom Hersteller und Herausverkaufssog von Endabnehmern innerhalb derselben Pipeline. Um zu vermeiden, dass sich gepushte Ware im Absatzkanal staut und zur Verstopfung führt bzw. gepullte Ware sich verknappt und zu Vorratslücken führt, sind beide Aktivitäten parallel anzulegen (s. o.). Das heißt, jede Push-Aktivität muss auch dafür Sorge tragen, dass die reinverkaufte Ware wieder abfließt bzw. jede Pull-Aktivität dafür, dass bevorratete Ware zur Befriedigung erhöhter Nachfrage auch tatsächlich ausreicht. Sonst entstehen Frustrationen, weil der Handel feststellt, dass die reinverkaufte Ware offensichtlich nicht ausreichend abfließt bzw. er sich Endabnehmern gegenüber, die gezielt nach bestimmten Produkten fragen, als nicht ausreichend bevorratet zu erkennen geben muss.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Hinzu kommen entsprechende Beziehungen für Gelder: • Der Geldfluss ist dem Warenfluss überwiegend entgegengesetzt (Ausnahme: z. B. Gutschrift). Gelder fließen vom Endabnehmer an Wiederverkäufer und von diesen an Hersteller. Der Geldfluss kann parallel zum Warenfluss oder zeitlich versetzt dazu (vorher / nachher) erfolgen. Als Beziehungen für Informationen an Zielpersonen sind folgende vorhanden: • Sprungwerbung erfolgt vom Hersteller direkt an Endabnehmer zur Erzeugung von Nachfragesog auf die zwischengeschalteten Handelsstufen. Dabei handelt es sich um massive Publikumswerbung, die Endnachfrager auf Hersteller / Produkte / Marken konditioniert und dadurch den Handel zu deren Bevorratung „zwingt“, soll er nicht als mangelhaft sortiert dastehen. Dies war in der Vergangenheit eine der wenigen Möglichkeiten für Hersteller, sich der Nachfragemacht des Handels zu entziehen, wodurch die erheblich gestiegenen Werbeaufwendungen der Hersteller erklärbar werden. Allerdings gerät die Wirksamkeit dieser Mechanik infolge allgemeiner Übersättigung mit werblicher Beeinflussung an ihre Grenzen. Zumal zwischenzeitlich Formen der Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Handel anstelle der Konfrontation bevorzugt werden. • Fachwerbung erfolgt vom Hersteller an den Einzelhandel zur Erzeugung von Nachfragesog auf zwischengeschaltete Handelsstufen (Trade Advertising). Diese argumentiert meist grundlegend anders als Endabnehmerwerbung, nämlich eher mit ökonomischen, denn psychologischen Dimensionen. Werbeträger sind ausschließlich Fachmedien, die sich an Nutzer mit beruflichem Interesse wenden. • Händlereigenwerbung erfolgt an (private)  Endabnehmer zur Erzeugung von Nach­fragesog direkt bei Absatzmittlern (Retail Advertising). Die Werbung des (Einzel-)Händlers ist meist unmittelbar handlungsbezogen ausgelegt und soll eine Geschäftsstättenpräferenz aufbauen. Produkte werden dabei in diesem Sinne instrumentalisiert, was zu Konflikten mit der Herstellerwerbung führen kann. Hier wird aktuell eine Umstellung von geprinteten auf elektronische Werbemittel propagiert. Dafür sprechen vor allem Kostenaspekte. Ob dieser Trend unter Erlösaspekten jedoch sinnvoll ist, scheint fraglich. Dagegen sprechen das eingeübte Verhalten der Kunden / Interessenten, sich durch Prospektinhalte im Kauf anregen zu lassen und Cross Buying zu initiieren. Auch ist es in Prospekten wesentlich besser möglich, die Sortimentsvielfalt darzustellen und die im Einzelhandel so wichtigen Aktionsartikel warengruppenbezogen auszuloben. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich dagegen bei Einzelhändlern Widerstand herausbildet.

2. Absatzmethode

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2. Absatzmethode Die Absatzmethode unterteilt sich, nicht ganz überschneidungsfrei, in die Elemente der Absatzform (2.1), des Vertriebssystems (2.2) und des Direktabsatzes über Handlungsgehilfen (2.3) (siehe Abbildung 122: Elemente der Absatzmethode). Für jedes dieser Elemente gibt es vielfache Stellgrößen, so dass daraus eine große Vielzahl potenzieller Absatzmethoden folgt.

Abbildung 122: Elemente der Absatzmethode

2.1 Absatzform Die Absatzform unterscheidet nach dem Träger der Absatzmethode und kann im Einzelnen eigengestaltet, fremdgestaltet oder gebunden-gestaltet sein. Eigengestaltung ist sowohl beim Persönlichen Verkauf als auch beim unpersönlichen (medialen) Verkauf gegeben (siehe Abbildung 123: Eigengestaltete Absatzformen). Eigengestaltung beim Persönlichen Verkauf kann ausgestaltet sein im • Residenzprinzip. Dabei findet der Verkauf in den Räumlichkeiten des Verkäufers statt. Der Käufer begibt sich dazu an den Ort des Verkaufs. Dies gilt als Innenverkauf bei jedem Ladengeschäft, aber z. B. auch beim Verkauf großer Mengen /  hoher Werte durch das Top-Management im Unternehmen, etwa für Betriebsmittel oder Ausrüstungen. • Domizilprinzip. Dabei findet der Verkauf in den Räumlichkeiten des Käufers statt. Der Verkäufer begibt sich also an den Ort des Verkaufs. Dies gilt als Außen-

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

verkauf bei den meisten Formen des Business to Business-Kontakts, z. B. durch Handlungsgehilfen des Unternehmens für die Akquisition, aber auch bei Formen des Haustürverkaufs, z. B. bei Home Parties. • Treffprinzip. Dabei findet der Verkauf in „neutralen“ Lokationen statt. Sowohl der Verkäufer als auch der Käufer begeben sich dazu an diesen dritten Ort. Dies gilt z. B. für Marktveranstaltungen wie Messen, auf denen formalisierte oder ungeplante Transaktionen ablaufen. Dies gilt vor allem für selten gekaufte, hochpreisige Anschaffungen.

Abbildung 123: Eigengestaltete Absatzformen (eig. Darst.)

Daneben gibt es den unpersönlichen (medialen) Verkauf im • Distanzprinzip. Dabei finden die Willenserklärungen zu Verkauf und Kauf über Anzeigencoupon, Mailing, Katalog etc., also mit Hilfe geprinteter Medien, statt oder über Telekommunikation, also mit Hilfe elektronischer Medien wie Telefon, Internet / E-Commerce etc. Fremdgestaltung ist beim Absatz über wirtschaftlich und rechtlich selbstständige Absatzmittler der Handelsstufe oder absatzbegleitend tätige, ebenfalls rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Absatzhelfer gegeben. Die Absatzfunktion wird dabei vom Hersteller der Leistung getrennt und an externe Absatzorgane delegiert. Absatzmittler sind • Großhändler, die Waren zum Zwecke der Weiterveräußerung an Wiederverkäufer und große Endabnehmer einkaufen, dabei werden vor allem logistische Funktionen übernommen, • (Produktions-)Verbindungshändler, die Waren zum Zwecke der Weiterveräußerung an Produzenten oder Weiterverarbeiter einkaufen, hier kommen auch leistungsergänzende Funktionen zum Tragen wie Beratung / Information, Finanzierung / Versicherung, • Einzelhändler, die Waren zum Zwecke der Weiterveräußerung an private Endabnehmer einkaufen, jeweils ohne dass diese Waren dabei wesentlich be- oder verarbeitet werden.

2. Absatzmethode

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Eingeschaltete Absatzhelfer sind im Einzelnen • akquisitorisch tätig, d. h. fördern auf unterschiedliche Weise den Absatz von Herstellerwaren, • logistisch tätig, d. h. führen den Absatz durch Transport- und Lagerleistungen für Hersteller durch, • leistungsergänzend tätig, d. h. begleiten auf unterschiedliche Weise den Absatz von Waren, jeweils ohne dass diese dabei selbst Eigentümer der Waren werden. Gebundene Gestaltung ergibt sich als Zwischenform durch weder völlige Ausgliederung noch Eigenwahrnehmung der Absatzfunktion. Diese wird vielmehr an wirtschaftlich und / oder rechtlich verbundene Unternehmen vergeben. Drei wichtige Formen sind dabei folgende: • Verkaufsholding. Dabei vergeben mehrere konzernzugehörige Betriebsteile die jeweiligen Verkaufsfunktionen für ihre Produkte an eine rechtlich selbstständige, wirtschaftlich aber gebundene Holding (früher z. B. V. A.G-Holding, Ruhrkohle AG-Holding). • Verkaufssyndikat. Dabei schließen sich mehrere unabhängige Unternehmen für die Verkaufsfunktion ihrer Produkte zu einem wirtschaftlich selbstständigen, rechtlich gebundenen Syndikat zusammen, was jedoch regelmäßig wettbewerbsrechtlich verboten ist. • Kontraktmarketing. Dabei schließen sich regelmäßig ein Hersteller und mehrere Absatzmittler zur Förderung der Verkaufsfunktion auf fester vertraglicher Basis zusammen. Gerade hierfür lassen sich vielfältige praktische Beispiele finden, die getrennt dargestellt werden (siehe auch Kap. V. 5.1).

2.2 Vertriebssystem Das Vertriebssystem unterscheidet nach der Durchführung der Absatzmethode und kann zentral, dezentral oder ausgegliedert ausgestaltet werden. Ein zentrales Vertriebssystem ist z. B. bei Absatz über die eigene Vertriebsabteilung gegeben. Alle Absatztransaktionen werden zentral initiiert, durchgeführt und koordiniert. Dieses System impliziert eine relativ große Marktferne und ist daher vor allem in Branchen zu finden, in denen sich die Marketingdenkhaltung noch nicht massiv durchgesetzt hat, oder bei denen es um selten gekaufte, hochpreisige Güter geht wie bei Investitions- oder Produktionsgütern. Ein dezentrales Vertriebssystem ist vor allem beim Absatz über eigene Niederlassungen gegeben. Diese akquirieren Aufträge eigenständig, organisieren deren Abwicklung und sorgen auch für eine entsprechende Nachbereitung. Dieses System

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

ist durch räumliche Aufgliederung meist marktnäher und hat, zumal wenn andere Spezialisierungen hinzukommen, hohe Marketingadäquanz. Herstellerniederlassungen sind Standorte, die der Hersteller selbst betreibt, wobei er also Handelsfunktionen wahrnimmt. Dabei sind zwei Ausprägungen denkbar, die des ausschließlichen Vertriebs über Herstellerniederlassungen oder die des parallelen Vertriebs über Herstellerniederlassungen und Absatzmittler. Ersteres wird z. B. von Daimler-Benz betrieben. Mercedes-Autohäuser befinden sich im Herstellereigentum, die Mitarbeitenden dort sind Angestellte des Herstellers, Fahrzeuge werden vom Kunden direkt beim Werk bestellt. Dies hat erhebliche Vorteile in Bezug auf die Steuerung im Absatzkanal (Span of Control). Es besteht eine komplette Kontrolle über alle Aktivitäten, prinzipiell sind dabei keine Kompromisse erforderlich. Allerdings liegt der Nachteil im Finanzbereich, in hohen einmaligen und laufenden Investitionsvolumina, in langer Kapitalbindung und hohem Fixkostenanteil. Deshalb hat sich die Mehrzahl der Automobilhersteller für Vertragshändlersysteme entschieden. Letzteres findet sich in der Kfz-Branche z. B. bei BMW. Dort sind sowohl herstellereigene BMW-Niederlassungen als auch selbstständige Händler mit Vertrieb und Kundendienst betraut. Dies führt notwendigerweise immer wieder zu Querelen, obgleich bei letzteren deren Vertragshändlerstatus eine erhebliche Einengung der eigenen Geschäftspolitik erlaubt. Dennoch werden solche Niederlassungen im Zuge der Verschlankung der Organisation zunehmend verkauft. Gleichzeitig wird das Händlernetz in Absatzhelfer überführt, die nurmehr kauf- und produktbegleitende Kundendienste übernehmen. Ansonsten erfolgt der Verkauf im Namen und für Rechnung des Herstellers, zumeist über seine Website oder per Website in Kombination mit dem Vorkauf-Service vor Ort am Handelsplatz. Befeuert wird diese Umstellung durch den Trend zum elektronischen Direkt­ absatz von Automobilen. So ist es gängig, dass Modelle auf der Hersteller-Website nicht nur erläutert und konfiguriert werden, sondern auch direkt so bestellbar sind. Beratung kann zentral durch Chat- oder Call-Funktionen geleistet werden. Dabei erodieren die herkömmlichen Aufgaben des Automobilhandels. Die Abwicklung kann dabei organisatorisch über die Handelsstufe erfolgen, die dafür ein festgelegtes Handling-Fee erhält, oder unmittelbar mit dem Hersteller. Im Kfz-Handel wird dann vornehmlich noch der Nachkauf-Service geboten (Auslieferung, Zulassung, Bedienungseinweisung, Inspektion etc.). Dies stellt die Existenz von Händlernetzen, so wie sie heute noch bestehen, fundamental in Frage. Zumal auch der Nachkauf-Service anders geregelt werden kann. So gibt es Lieferdienste für die Pkw-Zulassung und -Zustellung sowie Vertragswerkstätten für technische Kundendienste. Herstellerunabhängige Automobilanbieter exerzieren dies längst nach anfänglichen Problemen mit zunehmendem Erfolg. Leasing und Finanzierung wurden seit jeher ohnehin von Herstellern angeboten und von Händlern nur vermittelt. Die Folge ist erheblicher Stress im Absatzkanal.

2. Absatzmethode

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Ein ausgegliedertes Vertriebssystem schließlich zeigt die größte Herstellerferne, da die Absatzfunktion abgegeben wird. Dies führt zu reinen Vertriebsorganisationen, die für Hersteller / Importeure den Kontakt zum Absatzmarkt herstellen, unterhalten und pflegen. Man unterscheidet Vertriebsorganisationen, die nur die Kundenakquisition übernehmen und die gewonnenen Leads dann an die interne Vertriebsmannschaft weiterleiten (Fließband-Prinzip / Hunter – Farmer), und solche, die Akquisition sowohl als auch Betreuung übernehmen (Insel-Prinzip / Island). Vertriebsorganisationen sind etwa im Verkauf von Finanzdienstleistungen verbreitet, z. B. Bonnfinanz, MLP, DVAG. Man spricht dabei auch von Regiebetrieben. Insofern ergeben sich mindestens vier Stellgrößen für die Gestaltung des Absatzkanals, die • Marktabdeckung (Absatzkanalbreite), abgestuft nach exklusiv, selektiv, intensiv, ubiquitär etc., • Markterschließung (Absatzkanaltiefe), abgestuft nach direkt, einstufig-indirekt, zwei- und mehrstufig indirekt etc., • Vertriebsträgerschaft (Absatzform), abgestuft nach eigengestaltet, fremdgestaltet, gebunden-gestaltet, • Vertriebsdurchführung (Vertriebssystem), abgestuft nach zentral, dezentral, ausgegliedert. Durch die Kombination dieser Stellgrößen und deren Ausprägungen ergibt sich die individuelle Ausgestaltung des Absatzkanals.

2.3 Direktabsatz über Handlungsgehilfen Direktabsatz bedeutet die Distribution vom Hersteller direkt an Endabnehmer unter Auslassung zwischengeschalteter Absatzmittler oder -helfer. Vielmehr werden stattdessen eigene Absatzstellen geschaffen oder feste bzw. freie Mitarbeitende eingesetzt, die im Wege verschiedener Formen Absätze durchführen. Dabei können herstellereigene und herstellerfremde Formen unterschieden werden. Zu ersteren gehören Verkäufe über Herstellerniederlassungen, Factory Outles, Flagship Stores und Clubsysteme, zu letzteren Verkäufe über Hausbesuche, Home Parties, Sammelbesteller und Graumärkte. Zu den herstellereigenen Formen gehören vor allem folgende: • Unter Factory Outlets versteht man Verkaufsstellen am Ort der Herstellung, die während bestimmter Öffnungszeiten ausgewählte Sortimente anbieten. Dabei handelt es sich oft um Auslauf- oder II. Wahl-Waren, die im Absatzkanal nicht mehr verkaufbar scheinen oder nicht verkauft werden sollen (z. B. um das Preisniveau oder Image nicht zu beeinträchtigen). Diese Waren sind dann mit erheblichen Preisabschlägen versehen. Gelegentlich werden auch reguläre Sortimente verkauft, was jedoch auf wenig Gegenliebe im Handel stößt, da damit eine Ver-

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

stopfung der Pipeline verbunden ist. Factory Outlets können am Werksstandort, an handelsüblichen Standorten oder konzentriert in Factory Outlet Centers lokalisiert sein. • Bei Flagship Stores werden in repräsentativen Läden in hoch frequentierten Lagen die Produkte des Herstellers vorgeführt und beraten. Der Verkauf ist nicht primäres Ziel (z. B. Apple). Ähnliches ist im Ausland in den Musterschau­ räumen der Automobilhersteller zu sehen (z. B. Renault an der Champs Élysées). Dort ist die Ausstellung zur Umgehung begrenzter Ladenöffnungszeiten oft mit einem Restaurationsbetrieb kombiniert. Auf diese Weise soll der Kontakt mit dem Produkt provoziert und intensiviert werden, der sich dann in Käufen im Handel niederschlägt. Von daher handelt es sich also um eine Verkaufshilfe für den Handel und eine Imageaufwertung für den Hersteller. Flagship Stores verkörpern oftmals das Selbstbild des Anbieters in einer Weise, wie es im Handel nicht möglich wäre. • Bei Clubsystemen handelt es sich um den Absatz von Produkten nur an privilegierte Abnehmer. Diese erwerben ihr Privileg durch Mitgliedschaft in einem Club (Networking). Aus formalen Gründen sind dafür Gebühren zur Aufnahme und laufend fällig. Der Anreiz besteht in der Verfügbarkeit von Waren, die anderweitig nicht erhältlich sind, in der Nutzung von ansonsten nicht verfügbaren Dienstleistungen oder im Preisvorteil gegenüber dem Marktpreis. Wichtig ist dabei, dass die Vorteilsgewährung auf den Kreis der Clubmitglieder begrenzt bleibt und Außenstehenden nicht zugänglich ist, da ansonsten der Zusatzaufwand der Mitgliedschaft nicht einleuchtet (Trittbrettfahrereffekt). Als Beispiel für den ersten Fall kann der Märklin-Insider-Club gelten. Er bietet z. B. Modelleisenbahn-News, exklusive Clubmodelle / Jahreswagen, Fachseminare, Clubreisen für Modelleisenbahn-Enthusiasten. Als Beispiel für den zweiten Fall kann der Nespresso & You-Club gelten. Er unterscheidet Mitglieder in die Stufen Connoisseur, Expert und Ambassador, mit Zugang zu jeweils abgestuften Vorteilen wie Kaufrabatt auf Kaffeemaschinen und Accessoires, versandkostenfreie Lieferung, Besuch von Kaffeeseminaren o. Ä. Als Beispiel für den dritten Fall können Credit Card-Clubs gelten. Sie offerieren ihren Mitgliedern Produkte, die in limitierter Auflage oder spezieller Ausführung nur oder zumindest nur zu diesem Preis bei ihnen erhältlich sind. Zu den herstellerfremden Formen des Direktverkaufs gehören folgende: • Bei Hausbesuchen durch (nebenberufliche)  Vertreter klingeln Personen von Haus-zu-Haus (Door to Door Selling) und bieten Waren an. In diesem Zusammenhang kann es sich um vorselektierte Adressen handeln, die vom Hersteller zur Verfügung gestellt werden. So verfährt z. B. der Haushaltskleingerätehersteller Vorwerk. Den Vertretern werden Adressen von Vorwerk-Käufern zur Verfügung gestellt, die diese turnusmäßig abgreifen, um nachzufragen, ob Bedarf an Neugeräten oder Verbrauchsteilen besteht. Die Vertreter führen einen kleinen

2. Absatzmethode

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Warenvorrat sowie Werbematerial bei sich, nehmen für Vorwerk Aufträge entgegen und übernehmen das Inkasso für beigeführte Waren. Jedes abgeschlossene Geschäft bringt ihnen Provision. Gleichzeitig wird geschickt der Kontakt zu Kunden gehalten, so dass Nachverkäufe oder markentreue Neuanschaffungen wahrscheinlich sind. Es ist jedoch auch möglich, dass Vertreter wahllos Haushalte mit dem Angebot von Waren besuchen. Die Wahrscheinlichkeit eines Geschäftsabschlusses ist dementsprechend geringer. Zumal das Image auf diese Weise verkaufter Produkte gering ist. So müssen Zweifel an der Beständigkeit des Anbieters, der Qualität der offerierten Waren und dem Preis-Leistungs-Verhältnis gehegt werden. Außerdem sind in diesem Absatzweg viele unseriöse Geschäftemacher unterwegs. Dennoch werden vielfach Produkte so erfolgreich verkauft, so z. B. Versicherungsverträge, Zeitschriftenabonnements, Wohltätigkeitsartikel. Für Haustürverkäufe gelten restriktive rechtliche Bestimmungen, vor allem die Möglichkeit, binnen 14 Tagen nach Vertragsabschluss durch Erklärung gegenüber dem Anbieter ohne Angabe von Gründen einen Kauf widerrufen zu können, auch dann, wenn der Hausbesuch vom Nachfrager ausdrücklich angefordert war. Empfangene Leistungen sind dabei zurück zu gewähren. • Bei Home Parties (Heimvorführung) veranstaltet ein nebenberuflicher Absatzhelfer für Personen seines sozialen Umfelds in seiner Wohnung ein gemütliches Treffen. Eher nebenbei werden Produkte präsentiert, die an Ort und Stelle gekauft werden können. Geschickt werden die soziale Kompetenz des Absatzhelfers und seine authentische Leistungsauslobung genutzt, um fernab von Hard Selling in der entspannten Heimatmosphäre Verkäufe zu generieren. Die Home Parties sind professionell vorbereitet. Auf Schulungen erfahren die Absatzhelfer, wie sie taktisch geschickt eine anregende Stimmung schaffen, das Gespräch unauffällig in Richtung des Produkts lenken, überzeugend argumentieren und nachhaken etc. Mit offensichtlich großem Erfolg hat Vorwerk diese Form für den Verkauf der Küchenmaschine Thermomix genutzt. Der Verkauf findet ausschließlich über Repräsentantinnen zuhause, ergänzend auch über Koch-Shows in Filialen statt. Zum Produkt gehören Zubehörteile, Kochbücher, Rezeptplattform, Mobile App, Lieferdienst für Zutaten, Spezialzeitschriften etc. Es wurden rd. 7,5 Mio. Geräte verkauft, auch im europäischen Ausland. Als Vorbild für Home Parties dient seit 1951 sicherlich Tupperware, ein Hersteller von Haushalts- und auch Körperpflegeprodukten. Diese können ausschließlich auf sog. Tupper-Parties gekauft werden oder, infolge Corona, auch auf der Hersteller-Website. Dazu stellen an Nebenerwerb (Provision) interessierte Personen (im Regelfall Frauen) ihre Wohnung für eine Verkaufsveranstaltung zur Verfügung, zu der sie Freunde / Bekannte / Nachbarn einladen und bewirten. Die Gastgeber müssen dazu ein Starter-Set erwerben und erhalten dafür Gratis­ produkte, Preisnachlässe oder Bonuspunkte. Zugleich ist ein Tupperware-Verkäufer anwesend, der die Produkte professionell vorführt und erklärt. Durch

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

sozialen Druck können so auch infolge der Vertriebskosten überteuerte Produkte abgesetzt werden. Zwischenzeitlich gibt es zudem zahlreiche vergleichbare Produkte im Handel oder online zu weitaus niedrigeren Preisen. Daher stellt sich die Frage, ob diese Form des Direktverkaufs nicht aus der Zeit gefallen ist. • Bei Sammelbestellern handelt es sich ebenfalls um private Absatzhelfer, die für Personen ihres sozialen Umfelds Bestellungen für Hersteller oder Absatzmittler entgegennehmen, sammeln und weiterleiten. Dabei erreichte Rationalisierungseffekte auf Anbieterseite geben diese in Form günstigerer Konditionen weiter, an denen Absatzhelfer und ihm verbundenen Bekannten partizipieren. Die Tätigkeit umfasst meist nur akquisitorische Leistungen, also die Kundengewinnung, die Nachfragegenerierung, die Bedarfssteigerung und die Bestellerfassung. Die logistischen Leistungen, vor allem Zustellung, Umtausch und Montage, werden direkt vom Anbieter aus geregelt. Als moderne Ausprägung dieser Form gilt der Community-Vertrieb. Dieser wird z. B. von Weight Watchers angewandt. Zentrales Merkmal ist in diesem Fall eine ausgeprägte soziale Kontrolle, d. h. jeder Teilnehmende verpflichtet sich in der Gruppe, ein individuelles Zielgewicht zu erreichen (abhängig von Geschlecht, Größe, Alter, Ambitioniertheit). In regelmäßigen realen und virtuellen Gruppentreffen werden die Abnehmerfahrungen und das Ist-Gewicht ausgetauscht. Was man dabei isst, ist weitgehend egal, solange man einen Gesamt-Score der festgelegten Speisen- und Getränke-Punktwerte nicht überschreitet. Nach Erreichung des Zielgewichts muss man sechs Wochen das Wunschgewicht halten, um Dauermitglied der WW-Community zu werden und deren Vorteile in Anspruch nehmen zu können. Zum Programm werden auch WW-eigene Lebensmittel angeboten, die allerdings in neutralen Tests kritisch gesehen werden. Schließlich existiert auch ein Grauer Markt neben dem offiziellen. Hierzu gehören der • Behördenhandel, da diese als Großabnehmer oftmals vom Hersteller durch Preisdifferenzierung oder Budgetvorgaben bessere Konditionen eingeräumt erhalten. Dies gilt etwa für Büroausstattungen, Fahrzeugflotten oder Verbrauchsmaterialien. Behörden gelten daher als Sonderkunden im Vertrieb. • Belegschaftshandel, der nur Mitarbeitenden des Herstellerbetriebs zugänglich ist. Dabei können erhebliche Volumina erreicht werden, wie die Beispiele der Automobilhersteller zeigen. Dort haben Beschäftigte z. B. das Recht, pro Jahr ein Fahrzeug mit hohem Rabatt zu kaufen, das sie als Jahreswagen fast ohne Verlust wieder im freien Markt abgeben können. • Beziehungshandel, der sich als Umgehung von Zutrittsschranken zu Märkten darstellt. So kaufen viele Privathaushalte bei C & C-Märkten ein, die eigentlich nur Gewerbetreibenden vorbehalten sind, indem sie sich die zur Kontrolle ausgestellten Ausweise von Bekannten ausleihen oder auf laxe Kontrollen setzen.

3. Absatzmittler

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3. Absatzmittler Absatzmittler sind im Absatzkanal zwischen Hersteller und Endabnehmer zwischengeschaltet. Sie werden dabei Eigentümer, nicht unbedingt jedoch Besitzer, der Ware. Sie übernehmen zentrale Funktionen im Absatzkanal (3.1) und sind wirtschaftlich und rechtlich selbstständig tätig. Die Absatzmittler lassen sich nach ihrer Stellung im Distributionsfluss in zwei große Gruppen unterteilen: Großhandel (3.2) und Einzelhandel (3.3). Beide Stufen sind von der Disintermediation betroffen, indem ihre Leistungen vom Hersteller internalisiert und / oder an Abnehmer externalisiert werden. Handel als Funktion gab es immer und wird aller Voraussicht nach auch immer erhalten bleiben, Handel als Institution aber ist im Zweifel zu erübrigen. Absatzmittler unterliegen einem dynamischen Wandel in ihren Betriebsformen (3.4). Als Erfolgsfaktoren stellen sich dabei vor allem der Warenbestand (3.5) und der Warendurchsatz (3.6) dar.

3.1 Funktionen Die Funktionen des Handels sind historisch gewachsen. Zum einen verstand sich das produzierende Gewerbe lange Zeit als technisch und nicht unbedingt kaufmännisch orientiert. Von daher war man bestrebt, den Vertriebsaufwand so gering wie möglich zu halten. Der Großhandel entband hier den Hersteller von der Notwendigkeit, umfangreiche Geschäftsbeziehungen zu Abnehmern zu unterhalten. Zum anderen gerieten die Organisationskapazitäten mit sich ausweitendem Absatz an ihre Grenzen, so dass es erforderlich wurde, die Geschäftsbeziehungen zu bündeln, um sie noch angemessen zu bewältigen. Der Handel ermöglichte dem Hersteller hier eine von der eigenen Organisation unabhängige Absatzausweitung. Für diese Leistungen behält die Handelsstufe einen Distributionsgewinn in Form von Kalkulationsaufschlag / Handelsspanne ein, der den Preis der Ware auf dem Endabnehmermarkt verteuert und damit deren Wettbewerbsfähigkeit mindert bzw. die Gewinnmarge des Herstellers verkürzt und damit dessen Rendite belastet. Zur Verdeutlichung dient folgender Zusammenhang: Hersteller-Verkaufspreis = Großhandels-Einkaufspreis + Kosten / Gewinn des Großhandels = Großhandels-Verkaufspreis = EinzelhandelsEinkaufspreis + Kosten / Gewinn des Einzelhandels = Einzelhandels-Verkaufspreis = VerbraucherEinkaufspreis. Können Stufen, so vor allem der Großhandel, umgangen werden, erhöht dies daher den Gewinn des Herstellers, sofern die dadurch zuwachsenden Distributionskosten niedriger sind als die zusätzliche Gewinnaussicht, können Funktionen

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

rückverlagert werden, erhöht dies den Gewinn der betreffenden Handelsstufe um Nicht-Leistungskonditionen. Deshalb besteht ein Trend zur Ausschaltung der Handelsstufe, sofern die dadurch zuwachsenden Distributionskosten niedriger sind als die zusätzliche Gewinnaussicht. Dies wird auch möglich, weil zum einen die Unternehmen den Absatz als wesentlichen Erfolgsfaktor für sich entdeckt haben und sich deshalb bevorzugt selbst um die Beziehungen zu ihren Einzelhändlern bzw. Endabnehmern kümmern und zum anderen moderne Organisationshilfen die problemlose Bearbeitung einer Vielzahl von Kundenvorgängen erlauben, ohne dass dies mit besonderem Aufwand verbunden ist. Die Produktivität des Handels ist lange Zeit äußerst umstritten gewesen (Physiokraten / Marxisten). Denn nur Funktionserfüllung rechtfertigt marktwirtschaftlich den Einbehalt eines Gewinnaufschlags auf die gehandelte Ware. Eine Wertschöpfung ist aber beim Handel nicht unmittelbar einsichtig, da Waren ohne wesentliche Be- und Verarbeitung weitergeleitet werden. Diese Problematik der Intangibilität entsteht bei allen Dienstleistungen. Heute ist unzweifelhaft, dass der Einzelhandel insgesamt, also durch Groß- und Einzelhandel, sehr wichtige Funktionen im Güter-, Werte- und Informationsstrom erfüllt. Dazu gibt es umfangreiche Funktionskataloge, die sich jedoch auf die nachfolgenden Aspekte verdichten lassen, wobei nicht immer alle von ihnen gemeinsam bei jeder Betriebsform erfüllt sein müssen. Im Wesentlichen lassen sich diese Funktionen auf die räumliche Überbrückung, die zeitliche Überbrückung, die Kundenakquisition und die Marktanpassung reduzieren (siehe Abbildung 124: Handelsfunktionen).

Abbildung 124: Handelsfunktionen

Räumliche Überbrückung betrifft die Anpassung von Angebot und Nachfrage durch Transport. Der Handel verbringt Waren vom Ort der Herstellung an den Ort des Ge- oder Verbrauchs oder zumindest in dessen unmittelbare Nähe. Ohne den Handel ist die flächendeckende, differenzierte Versorgung der Nachfrage mit Angebot nicht machbar. Dabei handelt es sich eindeutig um eine logistische Leistung.

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Zeitliche Überbrückung betrifft die Anpassung von Angebot und Nachfrage durch Lagerung und Vordisposition. Der Handel gleicht den abweichenden zeitlichen Anfall von Angebot und Nachfrage durch eigene Vorratshaltung effizient aus. Nur so ist eine kontinuierliche Warenverfügbarkeit gewährleistet. Auch hier handelt es sich um eine logistische Leistung. Kundenakquisition umfasst die Absatzsteigerung der Waren des Herstellers durch • Kreditgewährung gegenüber Endabnehmern, um deren diskretionäre Kaufkraft zu erhöhen, die in vermehrte Warenkäufe umgesetzt wird. Davon profitieren sowohl Hersteller- als auch Handelsstufe. Dabei sind verschiedene Formen der Besicherung denkbar (siehe Kap. III 8.2). Die Kreditgewährung durch den Handel erfolgt im Regelfall zu günstigeren Konditionen als vergleichsweise von Banken oder Kreditinstituten. Darin liegt der Anreiz für die Geschäftsstättenbzw. Handelsbetriebswahl. • Nachfragegenerierung durch Informationsabgabe in Medien (Werbung) oder persönlich durch Anfragebearbeitung, Bemusterung, Vorführung etc. zusätzlich oder anstelle des Herstellers zur wirksameren Vermittlung zwischen Angebot und Nachfrage. Dies setzt allerdings voraus, dass der Handel auftretende Nachfrage nicht nur passiv bedient, sondern diese aktiv generiert (z. B. durch einen konkreten Vorschlag zum Zusatzeinkauf im Bedienhandel anstelle der geistlosen Abfrage: „Darf es sonst noch etwas sein?“). • Angebots- und Nachfrageermittlung bzw. -lenkung, d. h. Erfassung der Bedarfe und Suche nach Waren, die diese befriedigen können bzw. Beeinflussung von Nachfrage und Angebot zur Markträumung oder Potenzialnutzung. Dies entspricht einer wichtigen Informationsfunktion, die Hersteller oder Drittparteien ansonsten kaum darstellen können. Dies gilt vor allem im sortimentsspezialisierten Handel. • Markterschließung für Hersteller. Dies trifft bei Neuprodukten zu, die der Nachfrage notwendigerweise zunächst noch unbekannt sind und daher vom Handel auf eigenes Risiko ins Sortiment aufgenommen und Abnehmern initiativ angedient werden müssen. Ohne diese Funktion wären Neuprodukte gerade im B-t-CBereich kaum erfolgreich einführbar bzw. durchsetzbar. • Preisgestaltung durch starre und flexible Preisstellung, Preisdifferenzierung, Konditionen und preispolitischen Ausgleich. So lassen sich Waren in die Sortimentshierarchie einordnen bzw. können besonders promotet werden. Dabei ist wichtig, dass die Preise für absatzmittlerdistribuierte Produkte, von wenigen Ausnahmen abgesehen, durch den Handel selbstständig und durchaus unabhängig von Herstellerinteressen festgesetzt werden. • Veredelung durch Präsentation und Service. Aus der puren Ware wird durch die Anstrengungen des Handels ein emotionales Gesamtprodukt aus Hardware (Ware) und Software (Kundendienst), das stimulierend auf den Einkauf wirkt.

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Das gilt vor allem für Gebrauchsgüter, dort wiederum vor allem im gewerblichen Bereich, die häufig nicht aus unmittelbarem Bedarf heraus disponiert werden können oder sollen. • Beratung beim Kaufentscheid, d. h., Kunden werden vom Handel innerhalb des von ihm vertretenen Sortiments hinsichtlich des besten Produkts zur individuellen Bedarfsdeckung beraten. Dabei stellt die Kompetenz des Handelsberaters einen immateriellen Mehrwert zugunsten des von ihm empfohlenen Produkts dar. Diese Funktion gilt vor allem für komplexe, erklärungsbedürftige Produkte, wird jedoch nicht von allen Handelsbetriebsformen wahrgenommen (z. B. SB-Handel). • Einkaufsbequemlichkeit und -erlebnis durch Elemente wie Zustellung, Standortwahl, Präsentation etc. Dadurch macht der Handel eine vergleichsweise leichte Bedarfsdeckung für anspruchsvolle und zeitlimitierte Nachfrager möglich. Fraglich ist, inwieweit das Einkaufserlebnis bei Konsumenten, etwa in Innenstädten, noch als attraktiv angesehen wird angesichts verbreiteter Bettelei, Taschendiebstahl, Parkplatzstress, limitierter Auswahl, lustloser Andienung etc. • Kontakt und Absatzvollzug durch Übergabe / Inkasso. Weiterhin erfolgt auch die konkrete Waren-, Geld- und Informationsübergabe am Ort des Verkaufs im Handel. Im indirekten Absatz kommen Abnehmer schließlich nur durch den Handel in unmittelbaren Kontakt mit Herstellerwaren. Zunehmend gilt dies auch für handelseigene Produkte. • Kundenpflege durch Kundendienst, Nachverkauf, Angebot von Wartungs- und Reparaturarbeiten etc. Dies erhöht zum einen die Zufriedenheit der Abnehmer mit dem Angebot und zum anderen deren Geschäftsstättenloyalität. Diese Funktion wird vorwiegend im Eigeninteresse des Handels von ihm wahrgenommen, unterstützt aber auch den Absatzerfolg der betreffenden Hersteller. Marktanpassung umfasst die Angebotsumgruppierung durch • Aufsplittung großer Lose in verbrauchsgerechte Teilmengen. Hersteller produzieren Waren in Mengen, wie sie für einzelne Abnehmer nur selten interessant sind. Diese Disparität gleicht der Handel aus, indem er große Auftragslose aufnimmt und in bedarfsgerechten Einheiten aufgesplittet wieder abgibt. Nur dadurch wird eine attraktive Einkaufssituation geschaffen. • Warenumgruppierung durch Aussortierung nach Güteklassen. Dabei werden Lieferungen verschiedener Hersteller zu Mengeneinheiten homogener Leistung aufgebrochen und neu angeordnet. Damit schafft der Handel eine bedarfsgerechte Qualitätsübersicht und eine Erleichterung und Absicherung in der Einkaufssituation. • Spannenanpassung nach Tragfähigkeit. Der Handel bietet in seinem Sortiment oft Artikel an, die alleine, also ohne Sortimentsverbund, nicht rentabel vermarktbar und damit am Markt nicht verfügbar zu machen wären. Dies kommt erst

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durch interne Subventionierung seitens des Handels von Ausgleichsnehmern durch Ausgleichsgeber zustande. • Sammlung von verschiedenen Einzelangeboten zu größeren Auftragslosen, die gemeinsam geordert und abgerufen werden können. Damit ist eine unkomplizierte, wenngleich differenzierte Bedarfsdeckung möglich. Ertragreiche Vertriebskonzepte im E-Commerce waren dazu in der Vergangenheit nicht realisierbar (z. B. Lieferdienste), werden jedoch zunehmend durch Lerneffekte und Rationalisierung erschlossen. • Sortimentszusammenstellung gemäß Bedarfsstruktur. Der Handel ist umso erfolgreicher, je kongruenter sein Sortiment zu den Bedarfen seiner Zielgruppe ist. Damit steigt die Erfolgschance für Käufe. Genau dadurch wird aber auch Nachfragern der Einkauf erleichtert, da sie nicht durch Angebote irritiert werden, die für gewöhnlich nicht ihrem Bedarfsprofil entsprechen.

3.2 Großhandel 3.2.1 Betriebsformen Großhandel ist Handel unter Kaufleuten (B-t-B). Die wesentliche Funktion des Großhandels liegt in der Weitergabe eingekaufter Ware ohne wesentliche Be-/Verarbeitung an Gewerbetreibende, Zwischen- und Endabnehmer, Wiederverkäufer u. Ä. In der Praxis lassen sich Betriebsformen des Großhandels als häufig vorkommende Kombinationen von Aktivitätenmerkmalen feststellen. Dabei können mehrere Formen unterschieden werden. Nach dem Transport: • Beim Zustell-Großhandel handelt es sich um Betriebsformen, welche die Ware an den Ort des Käufers anliefern. Das ist durchaus nicht selbstverständlich, da Gewerbetreibende oftmals die Ware selber abholen, vor allem wenn es sich um kleinere Mengen handelt. Außerdem wird die Zustellung funktional im E-Commerce häufig von Herstellern übernommen, die auf diese Weise direkten Kontakt zu Endabnehmern erhalten. • Beim Abhol-Großhandel handelt es sich um Cash & Carry-Handlungen, die durch die Merkmale Selbstbedienung, Barzahlung, Zusammenstellung und Warentransport durch Käufer gekennzeichnet sind. Oftmals decken Gewerbetreibende hier ihren Kleinbedarf für Verbrauchs- bzw. Gebrauchsprodukte im gewerblichen Betrieb. Nach der Lagerung: • Mit Lager-Großhandel ist logischerweise derjenige Großhandel gemeint, der Waren auf Lager nimmt und ab Lager liefern kann. Damit werden Warenprozessleistungen im Überlagergeschäft erbracht. Dies war früher der Regelfall, wird

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jedoch im Wege ausgefeilter Logistiksysteme zunehmend durch das Streckengeschäft abgelöst. • Mit Strecken-Großhandel ist derjenige Großhandel gemeint, der keine eigenen Warenprozessleistungen erbringt. Vielmehr wird hier nur der Geld- und Informationsstrom kanalisiert, die Ware wird stattdessen vom Lieferanten (Hersteller) direkt an Abnehmer geliefert. Das ist häufig bei sperrigen Gütern der Fall, bei denen Zwischentransport und -lagerung kostenaufwändig sind (z. B. Sanitär­ waren). Im E-Commerce ist die umgekehrte Form als Dropshipping anzutreffen. Dabei erfolgt der Geld- und Informationsstrom über einen E-Shop, der Warenstrom aber über einen Strecken-Großhändler (oder auch Hersteller). Der Endkunde bestellt im E-Shop und bezahlt dabei im Regelfall im Voraus. Der E-Shop leitet den Auftrag zur Ausführung an den Dropshipper weiter. Dieser führt den Auftrag aus und liefert die Ware ab (s. u.). • Der Service-Großhandel besteht als Rack Jobbing, z. B. für Haarmoden-, Toi­ lettenartikel, Kurz-, Spiel-, Schreib-, Papier-, Haushaltswaren, Kleintextilien, Strümpfe etc. Dabei vermietet der Einzelhandel Regalfläche an Rack Jobber, die auf eigene Rechnung Warenauffüllung und -verwaltung übernehmen, zumeist für sortimentsergänzende Kleinartikel im Einzelhandel, deren Handling in Anbetracht der verbleibenden Handelsspanne zu aufwändig ist. Nach der Sortimentsbreite: • Der Sortiments-Großhandel ist durch ein breites und flaches Sortiment gekennzeichnet, also durch eine Vielzahl verschiedenartiger Artikel in wenigen Versionen. Er erlaubt den unkomplizierten Einkauf aus einer Quelle, versagt jedoch bei differenziertem Bedarf. • Der Spezial-Großhandel ist durch ein schmales, tiefes Sortiment gekennzeichnet, also durch eine geringe Anzahl verschiedenartiger Artikel in vielen Versionen. Er erlaubt insofern den individuellen Einkauf, versagt aber bei Bestrebungen zu Single Sourcing für eine Produktgruppe. Dennoch ist am Markt erkennbar, dass Spezialgroßhändler überwiegen. • Der Posten-Großhandel führt im Wesentlichen Einzelposten (z. B. Restbestände, Havariewaren, Retouren) und ist daher nur für Spotgeschäfte sinnvoll einsetzbar. Er eignet sich jedoch gut zum Ausgleich unvorhergesehener Spitzen und für reine Mitnahmegeschäfte (Windfall Profits). Dabei werden meist verschiedene Low Interest-Produkte einer Gruppe gebündelt und gesamthaft zu einem niedrigen Pauschalpreis abgegeben (dem Posten). Nach der Rechtsform: • Der einzelwirtschaftlich organisierte Großhandel ist als Personen- oder Kapitalgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit organisiert. Dies ist der Normalfall der Rechtsform.

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• Der genossenschaftlich organisierte Großhandel ist als eingetragene Genossenschaft (eG) organisiert. Dies ist vor allem in der Agrarwirtschaft verbreitet. Dort wurden im vorletzten Jahrhundert Selbsthilfeorganisationen durch Schulte-Delitzsch und Raiffeisen gegründet, die durch Solidarhaftung, Erwerb von Genossenschaftsanteilen, Haftungsbeschränkung auf das gemeinsame Vermögen, gleiches Stimmrecht für alle Genossen und Beschränkung des Leistungszugangs für Genossen gekennzeichnet waren. Nach der Marktrichtung: • Ein Aufkauf-Großhandel ist bei mehrstufig indirektem Absatz gegeben. Dabei kauft der Absatz- vom Aufkauf-Großhandel Waren, die dieser kollektiert hat. Der Aufkauf-Großhandel ist also sammelnd, rückwärtsintegrierend angelegt und bündelt dabei unterschiedliche Sortimente. Dies ist etwa im Außenhandel anzutreffen, bei dem oft entfernte oder gestreute Beschaffungsgebiete eine integrierte Handelsfunktion erschweren, z. B. für Rohstoffe. • Ein Absatz-Großhandel ist ebenfalls beim mehrstufig indirekten Absatz gegeben. Dabei kauft der Absatz- vom Aufkauf-Großhandel Waren, um diese an seine Abnehmer, die nicht private Endabnehmer sind, weiterzugeben. Der Absatz-Großhandel ist also verteilend, vorwärtsintegrierend angelegt und konzentriert seine Aktivitäten auf die nächste Handelsstufe. Nach dem Sortimentsinhalt: • Ein naturnaher Großhandel ist bei Ur- und Rohstoffen, vor allem auch in der Landwirtschaft, gegeben. Das Sortiment umfasst ausschließlich oder überwiegend solche naturnahen Produkte, die oft erst über weitere zwischengeschaltete Stufen an Endabnehmer gelangen. Es handelt sich dabei neben Anbauwaren auch um Abbauwaren wie Rohstoffe. • Ein konsumnaher Großhandel ist bei Fertigprodukten, etwa in der Konsumgüterbranche, gegeben. Das Sortiment umfasst ausschließlich oder überwiegend solche Produkte, die auf kurzem Weg an Endabnehmer gelangen, also ohne dass Produktion und Weiterverarbeitung erfolgen. Es handelt sich um bereits hochverarbeitete Produkte, deren Absatzfähigkeit erreicht ist. Nach dem Marktgebiet: • Der Außen-Großhandel befasst sich mit drei Handelszweigen, dem Export, d. h. dem Verkauf inländischer Waren im Ausland, dem Import, d. h. dem Verkauf ausländischer Waren im Inland, und dem Transit, d. h. dem Ankauf und Verkauf ausländischer Waren in ein / em Drittland. Deutschland ist durch eine überragende Bedeutung des Exporthandels gekennzeichnet. • Der Binnen-Großhandel ist ausschließlich oder weit überwiegend mit dem Ankauf inländischer Waren für deren Verkauf im Inland befasst. Dabei leitet der Außen-Großhandel häufig seine Waren an Binnen-Großhändler zum Vertrieb

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in einem definierten Absatzgebiet weiter, so dass ein mehrstufiger Absatzkanal vorliegt. Dabei verringert sich die transaktionierte Warenmenge. Nach der Abnehmerart: • Der Konsumtivgüter-Großhandel handelt mit Ge- und Verbrauchsgütern für private Haushalte. Die Abnehmer sind Einzelhändler oder Großverbraucher wie Betriebskantinen, Mensen, Krankenhäuser, Pflegeheime, Justizvollzugsanstalten etc. Bei den Waren handelt es sich weit überwiegend um Packaged Goods, die in großen Mengen (Paletten, Multipacks) abgesetzt werden. • Der (Produktions-)Verbindungshandel ist der Großhandel mit Investitions- und Produktionsgütern, die von Herstellern an Produzenten und Weiterverarbeiter verkauft werden. Die Abnehmer sind also Gewerbetreibende als Endabnehmer oder zur wesentlichen Be- oder Verarbeitung der Waren mit Weitergabe an Großund Einzelhandel sowie gewerbliche (ausnahmsweise auch große private) Endabnehmer und Organisationen. • Der Handwerkshandel ist die spezielle Form des Verbindungshandels für den Kleinbedarf des Handwerks (z. B. Bäcker, Sanitärinstallateure, Elektriker), das handelsnahe Funktionen erfüllt. Häufig findet dort eine Vorwahl durch private Endabnehmer statt, jedoch erfolgt dann die Beschaffung durch den beauftragten Handwerker selbst. Dieser schlägt in seiner Kalkulation eine entsprechende Spanne auf seinen Einkaufspreis auf. Eine Sonderform stellen Trademarts als räumlich zusammengefasste, ständige Präsentation von Mustern für gewerbliche Adressaten in Hersteller-, Großhandels- und Handelsvertreter-Verkaufsniederlassungen einer Branche dar, meist mit angeschlossenen Hilfsbetrieben, zwar ohne physische Warenprozessleistungen, jedoch mit der Möglichkeit der Warenbesichtigung und des Kaufabschlusses ausschließlich durch Fachbesucher. Trademarts werden von verschiedenen Unternehmen beschickt und sind meist in für diesen Zweck speziell errichteten Gebäuden untergebracht, die auch eine geeignete Infrastruktur bieten. Sie sind regelmäßig branchengebunden. Träger der Trade Marts sind für gewöhnlich Kollektive, so Fachverbände, Messegesellschaften, öffentliche Körperschaften etc. Ihnen obliegt die Gebäudeerstellung/-unterhaltung, die organisatorische Durchführung, die Vermittlung von Aufträgen, die Gemeinschaftswerbung etc. Die Trademart-Residenten zahlen dafür in ihrem Mietzins eine Umlage, die eine wesentliche Kostenersparnis gegenüber eigenständigen Leistungen darstellt, zumal diese vergleichbar für den Einzelnen objektiv kaum möglich scheinen. Verbreitet ist diese Form wiederum in der Modebranche.

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3.2.2 Kritische Würdigung Die Einschaltung des Großhandels in den Absatzkanal bietet eine Reihe von Vor- und Nachteilen. Zunächst zu den Vorteilen: • Der Großhandel verfügt über einen eigenen Außendienst zur Akquisition von Aufträgen, die mit Waren des Lieferanten abgewickelt werden. Diese Akquisition generiert auch Erlöse, die anderweitig nicht angefallen wären, bei Kunden, zu denen der Hersteller normalerweise keinen Zugang hat. • Der Großhandel betreibt zusätzliche Werbung durch Aufnahme in eigene Werbemittel, die auf seine Kosten, allerdings teils mit Beteiligung des Lieferanten, an gewerbliche Abnehmer gegeben werden. Dadurch entstehen Kontakte zwischen Warenangebot und Zielpersonen, die anderweitig nicht vorhanden sind. • Es entstehen keine Kosten für die Erledigung von Kleinaufträgen. Deshalb wird der Absatz oft auch gesplittet. Die Großaufträge werden vom Hersteller direkt akquiriert und betreut (z. B. Erstausstattungsgeschäft bei Reifen mit der Automobilindustrie), während Kleinaufträge durch den Großhandel abgedeckt sind (z. B. Ersatzausstattung mit Reifen bei Automobilenwerkstätten). • Es wird eine schnellere Markterschließung wegen vorhandener Kundenbeziehun­ gen möglich. Die Einbeziehung von Großhandelspartnern erschließt deren jeweilige Abnehmerkontakte und kann so bei neuen Produkten und / oder Märkten das Absatzpotenzial erhöhen. Deshalb distribuieren neue Anbieter bevorzugt über den Großhandel, um Marktzutrittsschranken zu überwinden. • Der Großhandel versorgt auch Gebiete mit geringer Gewerbedichte, bei deren Bedienung von einem zentralen Standort aus hohe Transportkosten entstehen würden. Auf diese Weise können Umsätze profitabel realisiert werden, die sich anderweitig verbieten. Als Nachteile sind zu nennen: • Das eigene Produkt wird wegen des häufig breiten Sortiments im Großhandel zu wenig gefördert. Aufmerksamkeit und Aktivitäten teilen sich verschiedene Produkte, wobei diese untereinander im Konkurrenzverhältnis stehen, da sie von unterschiedlichen Herstellern stammen. • Die Akquisition beim Großhandel erfordert ihrerseits eine eigene Außendienstorganisation, um Absatzbeziehungen herzustellen und zu pflegen. Mit diesem Kostenaufwand wäre aber auch die eigene Akquisition bei Abnehmern des Großhandels, wenngleich wohl nicht in diesem Umfang, möglich. • Eine Konterkarierung der eigenen Vertriebsstrategie ist möglich, weil die Großhändler als selbstständige Absatzmittler eigene Ziele verfolgen, die zu denen des Herstellers konfliktär sein können. Solche Konfliktpotenziale sind vielfältig latent vorhanden und geraten immer wieder an die Oberfläche.

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• Es entsteht womöglich eine Abhängigkeit von großen Großhändlern. In dem Maße wie diese sich unentbehrlich machen, können sie ihre Macht zur Durchsetzung eigener Interessen ausspielen. Denn der Zugriff auf gewerbliche Abnehmer wird vom Hersteller bei zweistufiger Distribution an diese abgetreten. Folglich hat sich die zunächst relativ einfache Multiplikationsfunktion des Großhandels, also aus einer Lieferantenbeziehung mehrere Abnehmerbeziehungen zu schaffen, im Laufe der Zeit erheblich gewandelt. Die wichtigsten Aufgaben bestehen heute tatsächlich in Hilfen zu – Betriebsorganisation der belieferten Einzelhändler, – Absatzförderung durch Maßnahmen zur Präsentation, Dekoration, – Produktservice für Sortimentsauswahl, Mengen, Bestellzeitpunkt, – Finanzierung durch vorteilhafte Kreditierung von Lieferungen, – Personalmanagement durch Beschaffung, Auswahl, Schulung, – Kommunikation durch Maßnahmen für Werbung und Aktionen, – Logistik durch Hilfen bei Lagerung und Transport.

3.3 Einzelhandel 3.3.1 Einteilung Einzelhandel ist Handel mit Privaten (B-t-C). Es gibt umfangreiche Kriterien, nach denen Betriebsformen des Einzelhandels rubriziert werden können. Die wichtigsten davon lauten wie folgt (siehe Abbildung 125: Einteilungskriterien der Betriebsformen des Einzelhandels).

Abbildung 125: Einteilungskriterien der Betriebsformen des Einzelhandels

3. Absatzmittler

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Die Sortimentsdimension umfasst horizontal die Anzahl verschiedenartiger, additiver Artikel (= Sortimentsbreite) und vertikal die Anzahl gleichartiger, alternativer Artikel (= Sortimentstiefe). Es entspricht einer gebräuchlichen methodischen Unterteilung, das Angebotssortiment eines Handelsbetriebs nach dessen Breite (horizontal) und Tiefe (vertikal) zu umschreiben. Breite meint in diesem Zusammenhang die Anzahl verschiedenartiger Angebotsgruppen innerhalb eines Sortiments, Tiefe die Anzahl verschiedener Varianten innerhalb einer Angebotsgruppe. Breite Sortimente dienen demnach eher der universellen, tiefe eher der speziellen Bedarfsdeckung. Das Sortimentsniveau (Qualitätslevel) ist von anspruchslos bis luxuriös ordinal einzuordnen. Um auch das Qualitäts- und Leistungsniveau der angebotenen bzw. verkauften Waren / Dienste zu erfassen, kann man mit diesem Kriterium die Merkmalsintensitäten etwa in anspruchslos, gediegen oder luxuriös unterscheiden. Anspruchslos meint ein begrenztes Sortiment von Kleinpreisartikeln, luxuriös ein exklusives Programm handverlesener Artikel auf Hochpreislevel. Die Interpretation für gediegen befindet sich definitionsgemäß dazwischen angesiedelt, wobei die Abgrenzungen keinesfalls so trennscharf wie wünschenswert sind. Der Sortimentsinhalt betrifft die warentypologische Kennzeichnung der geführten Waren. Hier sind verschiedene Unterteilungen denkbar, etwa nach Konsumund Investitionsgütern, dabei wiederum nach Ge- und Verbrauchsgütern bzw. Anlage- und Einsatzgütern. Bei verschiedenartigen Waren im Sortiment entsteht ein Universal- oder Mehrsortimentshandel als Betriebsform, bei gleichartigen Waren ein Fach- oder Spezialhandel. Hierzu gehört auch die Unterscheidung zwischen Produkt und Dienstleistung als Geschäftszweck. Die Preisgestaltung betrifft die Gegenleistungsforderung in Form aggressiver, konventioneller, gediegener sowie starrer oder flexibler Preise. Ganz entscheidende Bedeutung kommt der Preisgestaltung beim Kaufentscheid zu. Sie ist nicht nur augenfälliger, sondern auch nachhaltiger Ausdruck handelspolitischer Einstellung. Die Preisgestaltung kann über die Merkmale aggressiv, konventionell, exklusiv oder flexibel gegliedert werden. Eine aggressive Preispolitik besteht im Fordern von Preisen, die ständig und erheblich unter dem marktüblichen Niveau liegen (Discount). Das Fordern marktüblicher Preise stellt eine konventionelle Preispolitik dar. Als Antipode zum Discountprinzip ist eine einheitliche Preisbildung oberhalb des marktüblichen Niveaus durch gediegene Preisgestaltung (Premium) möglich. Wesentliches Element ist in jedem Fall die Durchgängigkeit der Preisstellung. Wird demgegenüber die Preisbildung von nennenswerten wechselnde Sonderangeboten durchbrochen, liegt flexible Preispolitik vor. Die Standortwahl erfolgt nach Kriterien der Lagebeschreibung. Diese ist wesentlicher Bestimmungsgrund unternehmerischer Strategie. Im Einzelhandelsbereich ist meist eine Unterteilung nach potenzieller Kaufkraft sinnvoll (z. B. anhand von Ortsgröße, spezifischen Kaufkraft-Kennziffern aus der Marktforschung oder durchschnittlicher Passantendichte ausgewiesen). Zu unterscheiden sind zentrale

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Citylage (Ia), Cityrandlage (Ib+2a), Stadtrandlage, Vorortlage und „grüne Wiese“Lage. Im Außen- und Verbindungshandel sind auch andere Entscheidungsgrößen ausschlaggebend wie Verkehrsanbindung, Betriebsmittel-Beschaffung, Steuerbestimmungen etc. Wichtig für Zulassung / Betrieb sind lokale Flächennutzungspläne. Die Betriebsgröße bemisst sich nach Umsatz, Fläche, Mitarbeiterzahl etc. Gewöhnlich wird im Handel die Betriebsgröße an Umsatz oder Verkaufsfläche gemessen. Demnach bilden sich verschiedene Abstufungen, wobei als Besonderheit hinzukommt, dass die Größe nicht Aktionsparameter des Instrumental-Mix ist, sondern sich als Erwartungsparameter im Zeitablauf aus dem Erfolg der Geschäftspolitik ergibt bzw. bestätigt. Dennoch wird die Betriebsgröße als bevorzugtes Einteilungskriterium genutzt, da sie leicht feststellbar und in Bezug auf die Betriebsführung gut kategorisierbar ist. Der Beeinflussungs-Mix besteht aus den Instrumenten Kommunikation, Konditionen und Service, die zur Kundengewinnung/-bindung eingesetzt werden. Dieser Begriff (Sundhoff) umfasst betriebliche Werbemaßnahmen in dominanter oder akzidenteller Form, Merchandising durch Warenpräsentation, Geschäftsstättendekoration etc., Rabatt je Transaktion für vorzeitige Zahlung (Skonto), große Abnahmemengen mehrerer Transaktionen (Bonus), frühere Käufe (Treue), Leistungsübernahme (Funktion), Neuheiten (Einführung) sowie Formen der Kreditierung, Mietüberlassung und technische und kaufmännische Dienstleistungen wie Installation, Wartung, Reparatur bzw. Zustellung, Kulanz, Garantie etc. Diese Maßnahmen sind zweifellos geeignet, Einfluss auf die Kaufentscheidung der Abnehmer auszuüben. Da sie gleichzeitig aber auch Kostenfaktoren darstellen, muss jeder Handelsbetrieb unter ökonomischer Abwägung zwischen dem durch akquisitorische Maßnahmen zu erwartenden Mehrumsatz und dazu erforderlichem Zusatzaufwand wählen. Dieser Spielraum nimmt mit sinkender durchschnittlicher Handelsspanne ab. Entsprechend werden die Parameter mehr oder minder ausgeprägt eingesetzt. Die Akquisitionsform weist Warenübergang und Bedienform als überwiegende Selbst-, Fremdbedienung oder Vorwahl aus. Hier ist zwischen Residenzhandel (Laden-, Lagergeschäft) und Distanzhandel (Versand-, Streckengeschäft) zu unterscheiden. Die Lieferung kann im Hol- oder Bringprinzip erfolgen, im Holprinzip wiederum primär entnahme- oder primär übergabeorientiert. Dementsprechend handelt es sich um Selbst- oder Fremdbedienung, die jeweils total oder dominant möglich sind. Bei dominanter Selbstbedienung sind Fremdbedienungselemente in Form von Inkasso, Beratung oder partieller Bedienung (z. B. bei erklärungsbedürftigen Produkten) möglich, bei dominanter Fremdbedienung Selbstbedienungselemente in Form partieller Warenentnahme durch den Kunden oder Vorwahl (z. B. bei problemlosen Produkten). Totale Fremdbedienung herrscht meist in Kleinbetriebsformen des Handels sowie besseren Fach- und Spezialgeschäften vor, totale Selbstbedienung ist derzeit höchst selten, zukünftig aber wohl, infolge steigender Personalkosten, häufiger anzutreffen.

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Das Abgabeprinzip verfolgt eine offene, intensive / ubiquitäre oder geschlossene, selektive / exklusive Warenvergabe, jeweils im Bring- oder Holprinzip. Offen bedeutet dabei, dass Waren / Dienste an jeden Kaufwilligen abgegeben werden, geschlossen bedeutet, dass zum Kaufwillen eine gewisse Privilegierung hinzutreten muss, z. B. als Belegschaftsangehöriger, durch Gewerbetätigkeit, als Verbandsmitglied. Möglich ist auch eine totale Verteilung mit selektiver Bevorzugung definierter Abnehmergruppen. Die Integrationsform ergibt sich nach den Ausprägungen Einzelstandort, Standortspaltung und Standortkonzentration. Als Einzelstandort wird der sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich selbstständige Handelsbetrieb geführt. Liegt rechtliche und / oder wirtschaftliche Abhängigkeit vor, besteht eine Standortspaltung, z. B. als Filiale. Sind diese Bindungen bei einheitlichem Standort gegeben, liegt Standortkonzentration vor (Agglomeration), z. B. als Gemeinschaftswarenhaus. Die zunehmende Konzentration auf der Handelsstufe verstärkt den Trend weg vom Einzelstandort sowohl hin zur Standortspaltung als Regiebetrieb einer Konzernzentrale als auch zur Standortkonzentration in Form von Einkaufszentren, die das Kauferlebnis fördern und dem One Stop Shopping-Anliegen entsprechen. Der Verkaufspunkt als Standortfixierung ist zwischen mobil und stationär anzusiedeln. Diese Kategorie umfasst die Alternativen des mobilen und immobilen Standorts. Immobilität manifestiert sich als Merkmal durch ein festes Verkaufslokal, mobil kann als Subkriterium stationär, variabel oder ambulant aufweisen. Stationär impliziert einen periodisch wiederkehrenden gleichen Standort, z. B. beim Wochenmarkt, variabel unterscheidet sich davon insofern, als im Zeitablauf wechselnde Standorte gegeben sind, z. B. beim Verkaufswagen, beim Merkmal ambulant finden diese wechselnden Standorte darüber hinaus ohne Periodizität statt, z. B. fliegender Handel. Die Anbindung ergibt sich als Selbstständigkeit oder rechtliche Eingliederung, letztere horizontal oder vertikal eingebunden. Hier ist zwischen unabhängigen Handelsbetrieben zu unterschieden, die Einzelbetrieb oder Dachorganisation (Holding) sein können, sowie horizontal und / oder vertikal integrierten Handelsbetriebsketten. Horizontal bedeutet in diesem Zusammenhang einen Zusammenschluss auf gleicher Handelsstufe mit mehr oder minder verbindlicher Regelung, z. B. als Kooperation, Genossenschaft. Vertikal betrifft eine Bindung zwischen verschiedenen Stufen, also Hersteller und Großhandel, Großhandel und Einzelhandel oder Hersteller und Einzelhandel. Die Treueorientierung entspricht der Entwicklung des Sortiments nach Material-, Wissens- oder Problemtreue. Dies beinhaltet die Ausrichtung bzw. Anpassung etwa nach gemeinsamem Material der gehandelten Artikel (gleicher Werkstoff / Ursprung, z. B. Holzhandel), gemeinsamem Wissen (gleiche Verfahren / Techniken, z. B. PC-Systemhäuser) oder gemeinsamer Problemlösung (gleiche Anwendung / Nutzungen, z. B. Apotheken) etc. Durch diese Ausrichtungen können dann Synergieeffekte im Verkauf wie im Einkauf realisiert werden.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Der Absatzvollzug kann real oder virtuell ausgelegt sein. Real bedeutet, dass er sich in einem stationären Ladengeschäft vollzieht, virtuell bedeutet, dass der Absatzvollzug (nicht nur die Absatzvorbereitung) über das Internet erfolgt (E-Commerce). Diese Form gewinnt erheblich an Bedeutung und wird schon bald den realen Handel in allen Lebensbereichen dominieren. 3.3.2 Betriebsformen Betriebsformen des Einzelhandels sind praktisch häufig vorkommende Kombinationen von Kriterien. Am bekanntesten sind dabei hinsichtlich der wichtigsten Kriterien • horizontale / vertikale Sortimentsdimensionen, • Sortimentsniveau, • Preisgestaltung, • Standortwahl, • Betriebsgröße, • Beeinflussungs-Mix, • Akquisitionsform, • Integration / Verkaufspunkt, • Anbindung, die im Folgenden dargestellten Formen: • Fachgeschäft: eher enges, dafür tiefes Sortiment, gediegenes Sortimentsniveau, konventionelle Preisbildung, zentrale Lage, klein- bis mittelständische Betriebsgröße, geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix, Ausnahme: Service, Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, stationärer Einzelstandort, Unabhängigkeit, evtl. horizontale Integration (Beispiel: Spielwarenfachhandel). • Spezialgeschäft: engeres, dafür tieferes Sortiment als beim Fachgeschäft, mindestens gediegenes, oft luxuriöses Sortimentsniveau, exklusive Preisbildung, zentrale Lage, kleinständische Betriebsgröße, geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix, Ausnahme: Service, Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, stationärer Einzelstandort, Unabhängigkeit (Beispiel: Boutique, Juwelier). • Warenhaus: sehr breites, flaches Sortiment, anspruchsloses Sortimentsniveau mit Trading up, flexible Preisbildung, durchsetzt von aggressiven Preisen, zentrale Lage, Großbetriebsform, intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix, insb. Kommunikation, Akquisition durch Ladengeschäft mit Selbst- und Fremdbedienung, dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, starke horizontale Integration in Konzern (Beispiel: Galeria Karstadt Kaufhof).

3. Absatzmittler

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• Kaufhaus: schmaleres Sortiment als Warenhaus bei gleicher Tiefe, anspruchsloses Sortimentsniveau mit Trading up, konventionelle Preisbildung, durchsetzt von aggressiven Preisen, zentrale oder Cityrandlage, auch in Vorortzentren, Großbetriebsform, jedoch kleiner als Warenhaus, Einsatz des Beeinflussungs-Mix intensiv, weniger als Warenhaus, Akquisition durch Ladengeschäft in überwiegender Fremdbedienung, dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, horizontale Integration, jedoch geringer als bei Warenhaus (Beispiel: P & C, C & A). • Gemischtwarenladen (auch Nachbarschaftsladen): enges, sehr flaches Sortiment, anspruchsloses Sortimentsniveau, meist täglicher Bedarf, starre, konventionelle Preisbildung, Cityrand- oder Vorortlage, kleinständische Betriebsform, geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix, Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, stationärer Einzelstandort, Unabhängigkeit, evtl. horizontale Inte­ gration (Kooperation) (Beispiel: „Tante Emma-Laden“). • Verbrauchermarkt: sehr breites, ausreichend tiefes Sortiment, anspruchsloses Sortimentsniveau, aggressive, flexible Preisbildung, Stadtrandlage oder „grüne Wiese“, Großbetriebsform (über 1.000 qm / Food und Nonfood), geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix, Ausnahme: Kommunikation, Akquisition durch Ladengeschäft in überwiegender Selbstbedienung, stationärer Einheitsstandort durch Agglomeration, horizontale Integration in Konzern (Beispiel: Globus, Kaufland). • Supermarkt: breites, flaches Sortiment, anspruchsloses Sortimentsniveau, aggressive, flexible Preisbildung, Cityrand- oder Vorortlage, Großbetriebsform (400–1.000 qm / Food und Nonfood), geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix, Ausnahme: Kommunikation, Akquisition durch Ladengeschäft in überwiegender Selbstbedienung, dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, horizontale Integration in Konzern (Filialen) (Beispiel: Spar, Tegut). • SB-Geschäft: schmales, eher flaches Sortiment, anspruchsloses Sortimentsniveau, konventionelle, flexible Preisbildung, Cityrand- und Vorortlage, mittelständische Betriebsform (unter 400 qm), geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix, Ausnahme: Kommunikation, Akquisition durch Ladengeschäft in überwiegender Selbstbedienung, dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, horizontale Integration in Konzern (Beispiel: Edeka, Rewe) • (LEH-)Discounter: enges, flaches Sortiment, anspruchsloses Sortimentsniveau, oft Gattungsware, aggressive, starre Preisbildung, Stadtrandlage, mittelständische Betriebsform, geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix, Ausnahme: Kommunikation, Akquisition durch Ladengeschäft mit Selbstbedienung, dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, starke horizontale Integration in Konzern (Beispiel: Aldi, Lidl). • Fachmarkt: enges, tiefes Sortiment, meist branchenbeschränkt, gediegenes Sortimentsniveau, flexible Preisbildung, tendenziell aggressiv, zentrale Citylage, mittelständische Betriebsform, hoher Einsatz des Beeinflussungs-Mix, vor allem

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Kommunikation, Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, horizontale Integration in Konzern (Beispiel: Saturn, Hornbach, Höffner). • Einkaufszentrum: sehr breites, ausreichend tiefes Sortiment, mehrere Anbieter, anspruchsloses Sortimentsniveau, aggressive, flexible Preisbildung, auf der „grünen Wiese“, Großbetriebsform mehrerer selbstständiger Händler, geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix, Akquisition durch Ladengeschäfte in überwiegender Fremdbedienung, stationärer Einheitsstandort durch Agglomeration, Unabhängigkeit (Beispiel: Rheinpark Center / Neuss, CentrO / Oberhausen, Alster­ tal / Hamburg). • Ladenpassage (Mall): sehr breites und sehr tiefes Sortiment, mehrere Anbieter, gediegenes bis luxuriöses Sortimentsniveau, exklusive, starre Preisbildung, zen­trale Citylage, Großbetriebsform mehrerer selbstständiger Händler, hoher Einsatz des Beeinflussungs-Mix, vor allem Service, Akquisition durch Ladengeschäfte mit Fremdbedienung, stationärer Einheitsstandort durch Agglomeration, Unabhängigkeit (Beispiel: Kö-Passage / Düsseldorf, Mädler-Passage / Leipzig, Alsterarkaden / Hamburg). • Universalversandhandel: sehr breites, relativ flaches Sortiment, gestaffelt nach Jahreszeiten, Sonderanlässen, Thematiken etc., anspruchsloses Sortimentsniveau, Trading up über Spezialitäten, starre, konventionelle Preisbildung, teilweise aggressiv, Großbetriebsform, intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix, insb. Kommunikation, Akquisition durch Distanzprinzip (Katalog) und Bestellung (Auftrag), evtl. auch über Telefon, Vertreter, Sammelbesteller etc., zunehmend online, horizontale Integration in Konzern (Beispiel: Otto, Quelle). • Fachversandhandel: eher enges, ausreichend tiefes Sortiment, meist beschränkt auf eine Branche oder verwandte Produktgruppen (z. B. Mode), gediegenes Sortimentsniveau, starre, konventionelle Preisbildung, teilweise aggressiv, mittelständische Betriebsform, intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix, Akquisition durch Distanzprinzip (Katalog) und Bestellung (Auftrag), evtl. auch über Telefon, Vertreter, Sammelbesteller etc., zunehmend online, horizontale Inte­ gration in Konzern (Beispiel: Baur, Oppermann). Bei sonstigen markanten Betriebsformen des Einzelhandels handelt es sich um folgende Formen: • Mobiler Handel. Dieser ist durch einen nicht-stationären Verkaufspunkt gekennzeichnet. Zu unterscheiden sind: – Markthandel, z. B. auf dem Wochenmarkt für Produkte des täglichen oder täglich häufigen Bedarfs, vor allem Frischwaren, – Straßenhandel, z. B. vom Verkaufswagen (Migros / Bofrost), vor allem für die Abdeckung unterversorgter Gebiete,

3. Absatzmittler

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– Fliegender Handel, z. B. ab provisorischem Stand, wie z. B. für Blumen, Trödel, Andenken üblich, in moderner Form auch als Pop-up Store, – Hausierhandel, z. B. an der Haustür, wobei diese Art im Unterschied zum Door to Door Selling nicht herstellergesteuert ist, – Wanderhandel, z. B. von Teppichhändlern, die nur temporäre Geschäftslokale unterhalten und diese nach Abwicklung auflösen. • Vorzugshandel (Beziehungs-/Werkshandel). Dieser ist durch ein selektives Abgabeprinzip gekennzeichnet. Das heißt, es gibt nur einen begrenzten berechtigten Käuferkreis. Dies sind z. B. Betriebsangehörige, Beamte, Studierende. • Nebenverkauf. Dabei handelt es sich um Absatzstellen in Betrieben, Behörden, Hochschulen etc. z. B. über Cafeteria, Kantine, Kleinverkauf, wo ausschließlich Kleinpreisartikel des Impulssortiments im Nebengeschäft abgegeben werden. • Automatenverkauf. Hier erfolgt die Warenabgabe nicht persönlich, sondern auf automatische Weise durch Geldeinwurf und Warenentnahme. Der Automatenverkauf stellt eine Sonderform dar, bei dem die Vorteile der Unabhängigkeit von Ladenöffnungszeiten sowie spezieller Standortmöglichkeiten abzuwägen sind gegen die Nachteile der Anlageintensität bei der Investition, der Logistik (Lieferbereitschaft), immanenter technischer Störanfälligkeit und eingeschränkter Eignung nur für einige bestimmte Produktgruppen. Zu unterscheiden sind: – Innenautomaten, d. h. Automaten ohne freien Zugang, etwa in Kantinen, Pausenräumen, Schulen, Behörden etc., – Außenautomaten, d. h. Automaten mit freiem Zugang, etwa in Bahnhöfen, Flughäfen, in Freizeitanlagen, auf der Straße etc., – Automatenläden, d. h. Geschäftslokale mit totaler Selbstbedienung durch mechanisierte Wahl, Bezahlung und Entnahme. • Impulshandel. Hier erfolgt die Deckung des täglichen Kleinbedarfs durch Spontankäufe, z. B. an Kiosk, Drugstore, Tankstelle. Das Sortiment ist extrem eng und flach ausgelegt, hochpreisig kalkuliert und wird in Fremdbedienung auf sehr kleiner Fläche in unmittelbarer Nachbarschaft zu Wohngegenden und weitgehend ohne Beeinflussungs-Mix angeboten. • Telefonverkauf. Die Akquisition kann auch über Absatzhelfer oder Betriebsangehörige im Wege des Telefonverkaufs erfolgen. Dies ist hierzulande engen rechtlichen Restriktionen unterworfen und zumindest im B-t-C-Bereich nur nach vorheriger, in aller Regel schriftlicher Einwilligung der Adressaten möglich. Zudem hängt dem Telefonverkauf ein schlechtes Image nach. Dafür lässt er sich weitgehend kostensparend automatisieren. • Internet-Verkauf. E-Commerce hat an vielen Produktbereichen einen hohen oder zumindest stark steigenden Anteil (s. u.).

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

3.4 Dynamik der Handelsbetriebsformen 3.4.1 Darstellung Merkmalsausprägungen wie die genannten sind nur bei statischer Sichtweise analysierbar. Tatsächlich verändern sich Betriebsformen des Handels im Zeitablauf aber durch Umfeldeinflüsse (Nachfrage, Wettbewerb, Recht etc.) sowie durch Lernvorgänge (Trial & Error) unabänderlich. Handelsbetriebe unterliegen damit einem Lebenszyklus ähnlich Produkten, der von Entstehung und Aufstieg neuer Formen über deren Reife und Assimilation geht (Wheel of Retailing). Die Dynamik der Betriebsformen ergibt sich, indem neue Betriebsformen des Handels entstehen und alte vom Markt verschwinden bzw. sich Wandlungen anpassen. In der Degenerationsphase befinden sich etwa das Fremdbedienungsgeschäft und das Kleinpreis-Kaufhaus, in der Assimilationsphase das traditionelle SB-Geschäft und der Supermarkt, in der Reifephase der Discountladen und der Drogeriemarkt, in der Aufstiegsphase der Fachmarkt und das Spezialgeschäft, sowie in der Entstehungsphase der Biomarkt. Durch diese Dynamik kommt es auch zu einem (vertikalen) Wettbewerb zwischen den Betriebsformen des Handels. Die jeweils moderneren Formen verdrängen die älteren, weil der Gesamtmarkt nicht mehr wächst. So stellt sich die Handelslandschaft keineswegs homogen dar, sondern zerklüftet in verschiedene Segmente. Etwa sind Spannungen zwischen Großbetriebsformen und dem merkantilen Mittelstand zu beobachten. Dabei ist die Situation stetig im Fluss. Dieser Wandel kann nach übereinstimmender Meinung in mindestens zwei Richtungen erfolgen: als Trading-up in Richtung Erlebnishandel oder Trading-down in Richtung Versorgungshandel. Trading-up bedeutet Imagedominanz durch Verbesserung der betriebsindividuellen Leistungsstandards bei Sortiment, Personal, Ausstattung, Zusatzleistung etc. Dazu gehört auch die zunehmende Betonung der Sortimentstiefe bei traditionell sortimentsbreiten Händlern oder umgekehrt. Das Betriebsimage von Händlern mit typischerweise flachem Sortiment kann durch eine „Vertiefung“ mit Ausweitung der innerhalb einer Angebotsgruppe vorhandenen Varianten verbessert werden. Bei unveränderter Betriebsgröße wird dies allerdings wohl nur bei gleichzeitiger Aufgabe langsamdrehender / unrentierlicher Randsortimente möglich. Begleitend ist damit die Chance zu gewissen Preiserhöhungen gegeben. Damit einher geht wahrscheinlich die Aufnahme höherwertigerer Produkte, aber auch eine spürbare Einengung des Käuferpotenzials. Diese geringere Kopfzahl muss durch mehr / wertvollere Käufe den Nachfrageausfall in der Breite mindestens eskomptieren, soll sich Trading-up lohnen. Dazu wiederum könnten vermehrte Nebenleistungen (Services) beitragen, welche die Wettbewerbsintensität steigern. Dies erhöht die Bereitschaft, sich zur Sicherung der Firmenexistenz und zur Optimierung der betriebswirtschaftlichen Lage freiwilligen Ketten o. Ä. anzuschließen, wodurch weitere Leistungen verfügbar werden (wie z. B. nationale Werbeunterstützung).

3. Absatzmittler

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Polypolstrukturen mit typischerweise geringerer Konkurrenzintensität und Managementqualität konvertieren somit in betriebswirtschaftlich vorteilhaftere Organisationsformen, allerdings oft zulasten der marktwirtschaftlichen Ordnungspolitik. Zu nennen sind des Weiteren Verbesserungen in der Angebotspräsentation, die Nutzung agglomeraler Standorte (wie Einkaufspassagen), Beratungsintensivierung wie auch Schaffung der Voraussetzungen für mehr Kauferlebnis. Dazu gehört auch die Anwendung dominanter Selbstbedienung sowie der Übergang zu flexibler, taktischer Preisgestaltung. Was die Attraktivität dieser Betriebe bei Konsumenten insgesamt weiter erhöht und sie für selektive oder exklusive Vertriebsbindungen von Herstellern interessant werden lässt. Dies wiederum ist verbunden mit der Aktivierung weiteren Akquisitionspotenzials durch professionelle Betriebsführung und schützende Marktzutrittsschranken. Aber auch ein Trading-down, d. h. Preisdominanz durch Senkung der Kosten und Spannen, führt zu interessanten Perspektiven. Typische Trading down-Maßnahmen beinhalten daher kostengünstigere Standortwahl, einfachere Geschäftsausstattung, weniger Verkaufsberatereinsatz, schlichtere Warenpräsentation, geringere Breite und Tiefe des Sortiments, reduzierte Warenqualität etc. Trading up- und Trading down-Maßnahmen sind also genau entgegengesetzt angelegt. Vorteile liegen z. B. in der Verbreiterung bei gleichzeitiger Abflachung des Sortiments. Damit werden preisliche Zugeständnisse möglich, die wiederum neue Konsumentenkreise ansprechen, die größere Einkaufsfrequenz/-volumina auszeichnet und damit eine höhere Umschlagsgeschwindigkeit der angebotenen Waren / Dienste schafft. Gleichzeitig bleibt Raum für Kürzungen in der Servicepolitik, da bei niedrigerem Preisniveau ein geringerer Servicegrad tolerierbar wird. Außerdem kann ein Einkaufserlebnis ganz anderer Art, nämlich aus der Nutzung von Preisvorteilen durch Cleverness geboten werden. Dies lässt weitere Einsparungen diesmal bei der Beeinflussungspolitik, z. B. durch Dekoration, Eigenwerbung, zu, zumal der gewachsene Käuferkreis für ausreichende Mund-zu-Mund-Propaganda sorgt. Hohe Absatzmengen verschaffen im Umkehrschluss Einkaufsvorteile bei Lieferanten, so dass die geringere Spanne durch niedrigere Einstandspreise tragbar wird. Der Übergang zu dominanter Fremdbedienung folgt, da die verbleibenden Waren / Dienste weniger beratungsintensiv sind, woraus Einsparungen beim Ver­ kaufspersonal resultieren. Der Anschluss an freiwillige Ketten fördert nochmals die Realisierung großer Einkaufslose und damit von Vorzugskonditionen. Standardisierte Werbemittel sparen Entwicklungs-. Produktions- und Installationsaufwand. Das Discount-Prinzip folgt etwa folgenden Leitlinien (leicht vereinfacht am Beispiel Aldi): – Wir kaufen von leistungsstarken Lieferanten in so großen Mengen, dass wir die Qualität bestimmen, die Frische garantieren und günstiger einkaufen können als alle anderen, die weniger davon kaufen.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

– Wir garantieren hohe Qualität und lassen uns diese durch ständige, unabhängige Lebensmittelkontrollen bestätigen. – Wir sparen bei allem, was Ware üblicherweise verteuert. Unsere Läden sind nicht zu groß, unser Sortiment ist nicht zu breit, die Warenpräsentation nicht zu aufwändig und unsere Logistik ist äußerst rationell. – Wir sind stolz auf unsere freundlichen und zuverlässigen Mitarbeitenden. Und unseren Erfolg bei Endverbrauchern. – Und wir garantieren Ihnen, falls ein Produkt einmal nicht Ihren Geschmack treffen sollte, die Rücknahme und Kaufpreiserstattung ohne Nennung von Gründen. – Wir versprechen, dass wir zu Ihrem Nutzen immer und überall unser Aldi-Prinzip konsequent einhalten. Side-moving bedeutet die Koevolution des Handels mit einem Nachfragesegment und ist die dritte, interessante Möglichkeit der dynamischen Anpassung. Als Beispiel dafür mag IKEA dienen, die als „das unmögliche Möbelhaus aus Schweden“ gestartet sind und sich mit ihrem Angebot an junge Leute mit eigenem Geschmack und wenig Geld, dafür Bereitschaft zu Arbeitseinsatz (Transport / ​ Montage) wandten. Im Verlaufe der Zeit hat IKEA diese Zielgruppe mit seinem Handelskonzept begleitet. Nun werden hochwertigere Möbel mit Designansprüchen zu höheren Preisen angeboten, gleichwohl im Image modern, clever und lebensstilgeprägt. Andere Konzeptbestandteile, wie autobahnnaher Standort, Selbstabholung und -zusammenbau der Möbel, freundlicher Service etc. wurden jedoch unverändert beibehalten. Eine ähnliche Entwicklung ist bei Reformhäusern zu beobachten. Früher galten diese als leicht exotische Einkaufsstätten für puristische Gesundheitsfanatiker. Dies drückte sich auch im Profilmarketing des Handels aus, das eher antiquiert und schrullig wirkte. Mit dem Trend zu gesunder Ernährung und natürlichen Inhaltsstoffen gewann diese Betriebsform jedoch ein völlig neues Publikum. Quer durch alle demografischen Schichten suchen nun körperbewusste, fitnessorientierte Käufer Reformhäuser auf und verändern somit die Kundschaft. Dem wird der Handel durch professionelles Profilmarketing in Fachmärkten wie Denn’s gerecht. Dies betrifft z. B. Dekoration, Verkaufspersonal, Sortiment. 3.4.2 Versorgungs- vs. Erlebnishandel Im Bereich des Grundbedarfs wird weit überwiegend nach den Kriterien absoluter Preisgünstigkeit gekauft. Dafür kommen generell problemlose, also wenig erklärungsbedürftige oder Low Interest-Produkte in Betracht wie Grundnahrungsmittel, Papierwaren, Haushaltsreiniger etc. Diese dominante Orientierung am Preis begünstigt das Vordringen der No Names (Generics) in bestimmten Bereichen. Da dort zudem keine gravierenden objektiven Leistungsunterschiede unterstellt bzw.

3. Absatzmittler

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diese, falls doch vorhanden, relativ leicht nachgeprüft und Nachteile daraus vermieden werden können, wird der Kauf von Markenartikeln dadurch verzichtbar. Markenartikel gewinnen dafür umso mehr an Boden, wenn es um objektiv oder subjektiv höherwertige Produktgattungen geht. Oder etwa um besondere Nutzungsanlässe. In einer immer gleichförmigeren Gesellschaft muss jede Gelegenheit zur Abhebung von der Masse, zur Individualisierung hoch willkommen sein. Die öffentliche Identifikation eines Nachfragers mit den impliziten Werten und Anmutungen einer Marke erleichtert seine wirksame Profilierung. Deshalb werden hier Mehrausgaben als subjektiv erforderlich angesehen. Dadurch erklärt sich das hybride Verhalten grundlegend. Denn um jene Mittelfreizügigkeit im Erlebniskonsumbereich finanzieren zu können, muss bei annähernd konstanten Haushaltsbudgets an anderer Stelle gespart werden. Und zwar dort, wo es am ehesten verschmerzbar und das geringste Ego-Involvement gegeben ist, nämlich im Grundnutzenbereich. Das heißt, die dominante Preisorientierung bei Low InterestProdukten wird verursacht durch den Willen zu größerer finanzieller Flexibilität bei den subjektiv weitaus wichtigeren High Interest-Produkten. Und stellt damit den bewusst so gewollten Kompromiss breiter Teile des Verbraucherpublikums über seine Finanzmittelverwendung für Konsumzwecke dar. Ersparte Ausgaben werden keineswegs dem Konsum vorenthalten, sondern vielmehr an anderer Stelle freigiebig ausgegeben. Es sind also nicht unbedingt völlig verschiedenartige Personengruppen, die den Versorgungs- bzw. den Erlebnishandel frequentieren. Daraus resultiert auch eine Zweiteilung des Handels in Erlebnis- und Versorgungshandel (siehe Abbildung 126: Versorgungs- vs. Erlebnishandel). Wesentliche Kennzeichen des Erlebnishandels (Präferenz-Position, siehe Kap. I 4.6) sind folgende: • Beratungsintensive Produkte mit hohem Produktnutzen, Qualität und Image als Hauptargumente für den Verkauf, Vermittlung von Freude am Einkauf, Verkäuferfunktion als Erlebnis- und Lebensstilberater, Präsentation der Produkte mit hoher Priorität, anregendes Umfeld, Passagen, Boutiquenstil, Erholungszonen, Verführen zum Kauf, Freude haben, auswählen, anprobieren. Wesentliche Kennzeichen des Versorgungshandels (Preis-Mengen-Position) sind demgegenüber folgende: • Problemlose, selbsterklärende Produkte, Preis als Hauptargument für den Verkauf, schnelle und einfache Versorgung mit Waren, betriebswirtschaftliche Kostenrechnung mit höchster Priorität, Verkäuferfunktion als Mengen-/Preis-/Rabatt-Verkäufer, einfaches Präsentationsumfeld, „grüne Wiese“-Lage, clever sein, Wissen, woraus es ankommt, als primäre Motivation. Die Positionen dazwischen sind Misserfolgspositionen, da sie weder genügend Emotionalisierung bieten, um die höheren Preise, die erforderlich sind, um die damit verbundenen höheren Kosten zu decken, am Markt zu realisieren, noch Preise offerieren, die niedrig genug sind, um bei rationaler Betrachtung durch die Abneh-

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Abbildung 126: Versorgungs- vs. Erlebnishandel (eig. Darst.)

mer zum Zuge zu kommen. In dieser Position befinden sich z. B. die Warenhäuser. Sie können weder mit der Emotion des Erlebnishandels konkurrieren, noch mit der Ratio des Versorgungshandels. Daran können auch Abteilungskonzepte (z. B. Galeria Karstadt Kaufhof) nichts ändern. Insofern bleibt nur die mehr oder minder erfolgreiche Diversifikation in verwandte Handelsbereiche (z. B. Versender, Fachmärkte etc.), die bereits der einen oder anderen Erfolgsposition angehören.

3.5 Warenbestand 3.5.1 Ladenorganisation Der Warenbestand im stationären (Einzel-)Handel umfasst die Elemente der Ladenorganisation, der Vorzugsplatzierung von Waren, der Rohertrags- und Renditekontrolle, der sich daraus ableitenden Erfolgssteuerung und der Sicherung der Warenversorgung (siehe Abbildung 127: Warenbestand und Warendurchsatz). Bei der Ladenorganisation sind vier Aspekte zu klären, der des externen Standorts, der Aufteilung der Geschäftsfläche, der Abteilungsbildung und der Abteilungsanordnung. Zunächst sind die Kriterien zur Wahl des externen (Makro-) Standorts eines Ladenlokals zu betrachten. Dazu gehören vor allem folgende: • Größe / Potenzial des Einzugsgebiets, quantitativ ermittelt nach Kreis-, Zeitdistanz-, Grenzmethode durch Topografie oder qualitativ eingeschätzt nach Mentalität des Publikums,

3. Absatzmittler

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Abbildung 127: Warenbestand und Warendurchsatz

• Wahl von zentraler Haupt-(City-)lage, innerstädtischer Neben-(Cityrand-)lage, Wohngebiets-(Stadtrand-)lage, Rand-(Vorort-)lage, Außenlage (grüne Wiese), und zwar jeweils gruppiert (konzentriert) oder isoliert (dezentralisiert), • Position in Lauf-, Wohn-, Verkehrsgegend, jeweils in Ober- oder Unterzentren. Darauf aufbauend erfolgt eine Analyse nach Kaufkraft, Wettbewerbsnähe, Passantendichte etc. anhand von Punktbewertungsverfahren zur Wahl des besten Standorts. Die Geschäftsfläche des Handelsbetriebs teilt sich insgesamt auf in die • Warenfläche für Warenpräsentation und -lagerung, • Kundenfläche, die dem Kundenstrom zugänglich ist, • Thekenfläche, an der Fremdbedienung vorherrscht, • Verkaufsfläche, die zur Warenpräsentation dient, • Lagerfläche, die zur Vorratshaltung dient, • Sozialfläche, d. h. Aufenthaltsräume, Toiletten etc. Sodann wird der Handelsbetrieb in Abteilungen aufgeteilt. Die Abteilungs­ bildung erfolgt orientiert an den Kriterien: • Personal, z. B. Fachberater für gemeinsame Techniken, • Betriebsmittel, z. B. Kühltruhe zur Sammelaufbewahrung, • Warenart, z. B. gleiches Material / gleiche Verwendung, • Bedarf, z. B. zusammengehörige Bedarfsgruppen, • Abrechnung, z. B. Food / Nonfood separat. Danach ist die strukturierte Anordnung der Abteilungen erforderlich (siehe Abbildung 128: Ladenlayout (Beispiel: Aldi)). Die Abteilungsanordnung erfolgt orientiert an:

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

• Kundenstrom, d. h. häufig von Kunden eingeschlagene Wege im Laden, • Beschaffung, z. B. Rational-, Sozial-, Gewohnheits-, Impulskauf, • Logistik, z. B. Transportaufwand, Lagerkosten, Manipulation, • Kosten, z. B. Regalflächenprofitabilität (DPP), • Erlebnis, z. B. Kaufatmosphäre, Dekoration, Beleuchtung. Sekt / Wein Spirituosen Bonbons Gebäck Brot/ Kuchen Backwaren

Kosmetik Baby Wasch- & PapierPutzmittel waren

Brot & CereaBrotHeißgetränke Schokolade Kuchen lien aufstrich

Soßen

Obst u. Gemüse

Gemüse

Obst

Konserven

Tiernahrung

Angebote

Saft

Frischfleisch u. Fisch

Brot&Kuchen

Saft

Kasse

Kasse

Tiernahrung

Kasse

Tiefkühlung

Nüsse

Folien & Tücher

Energy drinks

Angebote

Eistee

Wasser

Salzgebäck

Salzgebäck

Cola

Dauerwurst

Bier

Sekt / Wein

Eier H-Milch

Kühlung

Kühlung

Snack-Regal

Eingang Ausgang

Abbildung 128: Ladenlayout (Beispiel: Aldi) (Quelle: Handzettel)

3. Absatzmittler

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3.5.2 Vorzugsplatzierung Der innerbetriebliche (Mikro-)Standort der Ware bietet aufgrund von Kundenlaufstudien einige Vorzugsplätze, die im Folgenden aufgeführt sind: • Horizontal leicht rechts versetzt im Warenträger. Dem liegt die Erfahrungstatsache zugrunde, dass die Mehrzahl der Menschen Rechtshänder sind. Vor einem Regal stehend fällt es ihnen daher leichter, mit rechts die rechts von der Mitte angeordneten Waren zu greifen. Diese haben damit eine höhere Kaufwahrscheinlichkeit und sind deshalb den besser kalkulierten Waren vorbehalten. • Vertikal in Sicht- oder Griffhöhe, nicht im Streck- oder Bückbereich. Deshalb sind im Handel in der Mitte meist die profitableren, im Zweifel verzichtbaren Produkte platziert (z. B. Fertiggerichte, Pralinenmischungen), während oben und unten die weniger renditeträchtigen Grundnutzenprodukte platziert sind, die für die tägliche Haushaltsführung unverzichtbar bleiben. Dafür mutet man den Kunden zu, sich zu strecken oder zu bücken. • In der Bremszone hinter dem Eingang. Denn es ist erforderlich, die Kunden vom schnellen Straßentempo auf ein wesentlich langsameres Ladentempo abzubremsen. Dies bietet mehr Kontaktchancen mit Produkten und damit eine höhere Kaufwahrscheinlichkeit. Deshalb sind direkt hinter dem Eingang meist wichtige Produktgruppen platziert (z. B. Obst / Gemüse), die zum Anhalten veranlassen. • In der Kassenzone vor dem Zentral-Check out. Hier entstehen oft Warteschlangen, die eine eingehendere Warenbetrachtung zulassen. Zudem kommen auch Kinder mit ihren Konsumwünschen gut zum Zuge. Diese Plätze sind ebenso rar wie begehrt. Außerdem werden diebstahlgefährdete Kleinartikel mit hohem Wert dort platziert (z. B. Zigaretten, Trockenbatterien). • In der Laufrichtung an der rechten Regalseite, da die Führung durch den Laden entgegen dem Uhrzeigersinn erfolgt. Auch dem liegt die Tatsache zugrunde, dass die meisten Menschen Rechtshänder sind und eher rechts als links Waren betrachten. Eine linksgedrehte Führung maximiert aber die äußere (rechte) Kontaktfläche mit Waren. Daher sind rechts des Ganges meist besser kalkulierte Waren platziert. • In der Kopfzone der Regale. Denn dort besteht die Möglichkeit, die Waren frontal zu sehen, während die übliche Regalsituation eigentlich nur eine Betrachtung aus den Augenwinkeln erlaubt. Dadurch entsteht aber eine Wahrnehmungserschwernis, die Produkte weniger auffällig werden lässt und ihre Kaufchancen mindert. Dies ist bei Regalköpfen nicht der Fall. • In der Zweitplatzierung. Diese sind meist inmitten den Kundenlaufwegs aufgestellt und entweder als aufwändige Displays ausgestaltet oder im Gegenteil als bewusst hingeschüttete Waren. Die Displays erzielen Aufmerksamkeit durch ihre Präsentation, Schütten suggerieren durch ihre scheinbar nachlässige Präsentation besondere Preisgünstigkeit und generieren damit erhöhte Kaufbereitschaft.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

• Am Kopfende des Ladens. Dort platzieren Händler normalerweise „Magnetabteilungen“, die häufig von Kunden frequentiert werden müssen (z. B. Frischfleisch / Molkereiprodukte). Dadurch sehen sich Kunden veranlasst, den ganzen Laden einmal hin und wieder zurück zu durchqueren. Das maximiert die Kontaktchancen mit dem Sortiment. Hinzu kommen Details wie: • Ausrichtung aller Labels nach vorn, damit die Produktsignalisation deutlich wahrgenommen werden kann. Dies ist wichtig, um vorverkaufte und durch Werbung penetrierte Markenelemente schnell und einfach erkennen zu lassen. So kann Bekanntheit und Vertrautheit mit einem Angebot am Handelsplatz liquidiert werden. • Offenlassen einer Grifflücke. Denn perfekt angeordnete Waren lassen davor zurückschrecken, durch die Wegnahme eines Produkts diese Perfektion zu zerstören. Deshalb wird bewusst die Symmetrie unterbrochen, indem einige Produkte fehlen. Dies verhindert zudem den Verdacht, dass mit den Produkten etwas nicht stimmt, weil sie offensichtlich niemand kauft. • „Endlose“ Anordnung der Waren. Dies suggeriert Kunden die hervorragende Sortierung des Geschäfts. Da dies eine der wesentlichen Erwartungshaltungen für die Einkaufsstättenwahl ist, wird die komplette Präsentation präferiert. Aus Gründen der Vermeidung von Consumer Confusion (Konsumentenverwirrtheit) sollen dabei wenige Marken in großer Artikelzahl präsentiert werden. 3.5.3 Erfolgskontrolle Moderne Betriebsformen des Handels sind mit Geschlossenen Waren-Wirtschafts-Systemen (GWWS) ausgestattet (s. u.). Dabei handelt es sich um den wichtigsten Bestandteil eines Handels-Informations-Systems (HAIS). Aus deren Daten lässt sich eine nahezu perfekte Erfolgskontrolle ableiten. Dies war durchaus nicht immer so. Erst seit Einführung der Scanner-Kassen, die Strichcodes lesen, ergibt sich die Möglichkeit dazu. Der verbreitetste Strichcode auf Waren ist der GTINCode (Global Trade Item Number). Der GTIN-Code hat von Ausnahmen abgesehen 13 Stellen, die sich wie folgt zusammensetzen: – zwei Stellen zur Länderkennung, – fünf Stellen zur Artikelkennung (Produkt, Sorte, Größe etc.), – fünf Stellen zur Absenderkennung (Hersteller), – eine Stelle als Prüfziffer für die korrekte Einlesung. Jedem Hersteller und jedem Produkt werden solche GTIN-Codes zugeordnet. Diese befinden sich auf mehreren Belegen, auf der Transportverpackung, den Orderunterlagen, dem Produkt selbst und auf Talons von Abteilungskassen. An der

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Zentralkasse werden über einem Lesespalt die Strichodes auf den Produkten / Talons erfasst. Für die Quittung werden die Preise zugeordnet und addiert. Im ZentralComputer wird der Warenausgang registriert. Da dort bereits abgespeichert ist, wann die Ware eingegangen und wie sie platziert ist, kann daraus der Handelserfolg ermittelt werden. Davon profitiert auch der Kunde. So trägt jede Kassenquittung Angaben über Händler / Anschrift, Produkt / Abteilung, Kaufdatum / -uhrzeit, Preis pro Mengeneinheit, Menge / Gewicht / Inhalt, absoluten Preis, Zwischensummen / Endsumme, Kassenplatz / Bedienung (Name / Nummer), Strichcode, Kundenzahl, Geldabgabe / Rückgeld und die Grußformel sowie Hinweise auf Aktionen, Couponing und Gewinnspiele. Hinzu treten die Steuerangaben (Technische Sicherheitseinrichtung / TSE). Bekannt ist der Wareneinstandspreis (nach Nachlässen des Herstellers plus Anlieferungskosten). Bekannt ist auch, wie viel eine Regalflächeneinheit im Verkaufsraum je Zeiteinheit an direkten und vor allem indirekten Kosten verursacht. Bekannt ist schließlich der Abgabepreis. Als Differenz aus Einstands- und Verkaufspreis, vermindert um die internen (relativen Einzel-)Kosten ergibt sich der Gewinn. Dieser wird durch zwei Größen relativiert: • Die Umschlagsgeschwindigkeit, denn je weniger Zeiteinheiten ein Produkt am Ort des Verkaufs verbringt, desto häufiger kann es seinen Stückerfolg erlösen, desto profitabler ist es also. • Der Regalplatz, denn je weniger Fläche / Raum ein Produkt je Gewinneinheit einnimmt, desto effizienter kann der vorhandene Platz als Restriktion genutzt werden. Dieser Handelsnutzen wird als Direkte Produkt-Profitabilität / DPP bezeichnet (s. u.). Es bedurfte jedoch zuerst der Scannertechnologie, um DPP realisierbar zu machen. Unter DPP versteht man den Rohertrag (Netto-Verkaufspreis minus Netto-Netto-Einstandspreis) minus der direkten Produktkosten auf den Handelsstufen, bezogen auf eine einzelne Wareneinheit. Es handelt sich also um relative Einzelkosten. Unter Direkter Produkt-Rentabilität (DPR) versteht man das Produkt aus Direkter Umsatzrendite und Lagerumschlagshäufigkeit. Dies berücksichtigt damit die Kapitalbindung in der Ware. Problematisch ist dabei, dass diese Rentabilität erst im Nachhinein berechnet werden kann, die Gemeinkosten nicht verursachungsgerecht je Wareneinheit geschlüsselt werden können und eine direkte Zurechnung der Kosten nicht möglich ist. Hier setzen dann digitale Techniken ein wie RFID oder QR. RFID ist ein Akronym für Radio Frequency Identification. Das System besteht aus einem Transponder am zu identifizierenden Objekt und einem Lesegerät zur Feststellung der Kennung von Objekten, z. B. Artikeln, Paletten. Die Auslesung erfolgt kontaktlos über Funk. Die Transponder sind Miniatursender an den Objekten, die von Lese- und / oder Schreibeinheiten an Gates adressiert werden. Es gibt verschiedene technische Auslegungen (aktiv, passiv, Read only, mit mehreren

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Zugriffsebenen, erasable etc.). Wegen des Potenzials von RFID spricht man auch vom „Internet der Dinge“. Ein weiteres Medium sind Quick Response-Codes (QR), dies sind quadratische Felder aus weißen und schwarzen Elementen, die durch Kamera und Applikations-Software identifiziert werden und zu einer Landing Page im Internet führen. 3.5.4 Erfolgssteuerung Mit DPP gibt der Handel durch artikelgenaue Platzierungsvorgaben an, wo Merchandiser der Hersteller bzw. Regalkräfte der Händler welche Menge an Ware platzieren sollen. Die Einhaltung dieser Vorgaben, für den Handel Gewinnvoraussetzung, wird strikt geprüft. Oftmals geben Hersteller Hilfestellung bei der Optimierung des Regalplatzes (Shelf Management). Insgesamt führt DPP zu einer Versachlichung der Verhandlungen zwischen Hersteller und Handel, denn es wird nicht mehr über Erfolgsgrößen spekuliert, sondern es liegen harte Fakten zugrunde. Damit können Konflikte im Absatzkanal entemotionalisiert werden. Im Übrigen bietet DPP interessante Marktforschungserkenntnisse, so z. B. über Verbundkäufe mehrerer Produkte (Sortimentsverbundanalyse), Auswirkungen von Platzierungen auf den Abverkauf, Auswirkungen von Preisveränderungen etwa in Aktionen etc. Vor allem lassen sich strategische Schlussfolgerungen für Maßnahmen aus den DPP-Aussagen generieren. Nimmt man dazu die beiden Parameter Umschlaggeschwindigkeit und Direkte Produkt-Profitabilität und unterteilt diese jeweils in überdurchschnittlich und unterdurchschnittlich, so entsteht eine Matrix mit vier Feldern. Diese ergeben folgende Kombinationen (siehe Abbildung 129: Erfolgsparameter im Einzelhandel).

Abbildung 129: Erfolgsparameter im Einzelhandel

Unterdurchschnittliche DPP bei unterdurchschnittlichem Warenumschlag kennzeichnet Verliererartikel, die folgender Maßnahmen bedürfen: • Engere Platzierung, um mehr Rohertrag durch mehr platzierte Ware zu erreichen,

3. Absatzmittler

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• Rack Jobbing, also Tausch des Flächenertrags gegen Miete aus Fremdbewirtschaftung, • Preiserhöhung, um den Rohertrag durch mehr Einnahmen zu verbessern, • Auslistung als Ultima ratio, wenn andere Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg zeitigen. Überdurchschnittliche DPP bei überdurchschnittlichem Warenumschlag bedeutet im Gegenteil Gewinnerartikel, die folgender Maßnahmen bedürfen: • Mehr Werbung, um das Chancenpotenzial auch voll und ganz auszuschöpfen, • Zweitplatzierung, da die zusätzliche Fläche von der hohen Flächenproduktivität getragen wird, • intensive Regalpflege, damit keine betrieblichen Unzulänglichkeiten das Ertragsvolumen schmälern, • Überprüfung des Kundenlaufs im Laden, um maximale Kontaktfrequenz zu erreichen. Unterdurchschnittlichem DPP bei überdurchschnittlichem Warenumschlag signalisiert unterforderte Artikel, die folgender Maßnahmen bedürfen: • Kostensenkung, um bei gegebenem Preis zu einem höheren Rohertrag zu gelangen (z. B. weniger Werbung), • Einrechnung von Verbundeffekten (Partizipation) mit anderen Artikeln des Sortiments, • Engere Platzierung, um mehr Rohertrag durch mehr platzierte Ware zu erreichen, • Preiserhöhung, soweit dadurch die Umschlagsgeschwindigkeit nicht negativ tangiert wird. Überdurchschnittliche DPP bei unterdurchschnittlichem Warenumschlag meldet Nachholartikel, die folgender Maßnahmen bedürfen: • Aktion, um die Artikel in den Mittelpunkt zu rücken und die Nachfrage spürbar zu beleben, • Zweitplatzierung, um die Umschlagsgeschwindigkeit und damit den Rohertrag zu erhöhen, • Verkaufshilfen (wie Propagandisteneinsatz), um die Aufmerksamkeit für das Angebot zu erhöhen, • Preissenkung, soweit dadurch die Rentabilität des Artikels nicht gefährdet wird. Nimmt man die beiden Parameter Raumbedarf und Direkte Produkt-Profitabilität und unterteilt diese jeweils in überdurchschnittlich und unterdurchschnittlich, so ergibt sich eine Matrix mit vier Feldern. Diese ergeben folgende Kombinationen.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Unterdurchschnittliche DPP bei überdurchschnittlichem Raumbedarf. Diese Verliererartikel bedürfen folgender Maßnahmen: • Ersatz des Artikels durch einen anderen, besser vorverkauften des gleichen oder eines anderen Anbieters, • Auslistung des Artikels, falls kein Ersatz möglich bzw. dieser nicht erfolgversprechend ist, • engere Platzierung, versuchte Preiserhöhung oder Kostensenkung, um zu einer günstigeren Relation je Raumeinheit zu gelangen. Überdurchschnittliche DPP bei unterdurchschnittlichem Raumbedarf. Diese Gewinnerartikel bedürfen folgender Maßnahmen: • Ausgedehnte Platzierung, da der Rohertrag auch eine größere Fläche trägt und eine Bevorzugung verdient, • bevorzugte Beratung, welche die Artikel forciert und deren Umschlagsgeschwindigkeit erhöht, • Produktpflege durch Aktualisierung, Sortimentsabrundung, Werbemitteleinsatz etc. Unterdurchschnittliche DPP bei unterdurchschnittlichem Raumbedarf. Diese Förderartikel bedürfen folgender Maßnahmen: • Preiserhöhung, um den Rohertrag durch mehr Einnahmen zu verbessern, • Kostensenkung bei Wareneinstand und / oder Handling, um den Rohertrag zu verbessern, • Aktion, um die Artikel in den Mittelpunkt zu rücken und die Umschlags­ geschwindigkeit zu steigern. Überdurchschnittliche DPP bei überdurchschnittlichem Raumbedarf. Diese Schläferartikel bedürfen folgender Maßnahmen: • Engere Platzierung, um zu günstigerer Relation je Raumeinheit zu gelangen, • Shop in the Shop-Einheit zur weiteren Attraktivitätssteigerung des Angebots, • Preissenkung, sofern diese durch eine Erhöhung der Umschlagsgeschwindigkeit überkompensiert wird. Aus den genannten Kombinationen lässt sich leicht ableiten, dass: • überdurchschnittlicher Warenumschlag auf unterdurchschnittlichem Raumbedarf zu hoher Direkter Produkt-Profitabilität führt, • unterdurchschnittlicher Warenumschlag bei überdurchschnittlichem Raumbedarf zu niedriger Direkter Produkt-Profitabilität führt, • überdurchschnittlicher Warenumschlag auf überdurchschnittlichem Raumbedarf zu mittlerer Direkter Produkt-Profitabilität führt, ebenso wie unterdurchschnittlicher Warenumschlag bei unterdurchschnittlichem Raumbedarf.

3. Absatzmittler

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3.5.5 Warenversorgung Basis der Warenversorgung ist ein Geschlossenes Waren-Wirtschafts-System (GWWS), das eine lückenlose Erfassung aller gehandelten Waren von deren Eingang bis zum Ausgang auf der Handelsstufe vornimmt. Es besteht aus drei Erfassungsmodulen und beliebigen Ausgabemodulen. Die Erfassungsmodule wiederum betreffen den Wareneingang, die Warenlagerung und den Warenausgang: • Das Wareneingangsmodul nimmt den Abgleich der Bestellung mit der Lieferung vor. Außerdem wird die handelsseitige Proforma-Rechnung mit der herstellerseitigen Abrechnung abgeglichen. Dazu werden Art der angelieferten Waren, Lieferant dieser Waren, Menge / Sortierung der angelieferten Waren, Wareneingangstermin, Übereinstimmung der Lieferung mit dem Auftrag u. Ä. erfasst. Damit lassen sich Über- bzw. Unterlieferungen sowie Falschlieferungen (Aliud) ausweisen. • Das Lagermodul unterstützt die Disposition anhand zentraler Kennzahlen (KPIs) wie Bedarf, Lieferzeit, Umschlaghäufigkeit, Mindestbestellmenge, Konditionen, Dauer der Lagerung (Differenz zwischen Anlieferung und Verkaufsabgang etc.). Dazu werden Art der gelagerten Waren, Menge / Sortierung der gelagerten Waren, Regalflächenbeanspruchung der Waren, Platzierung der Waren u. Ä. erfasst. Dies ist vor allem für mehrstufig angelegte Handelsorganisationen erforderlich. • Das Warenausgangsmodul ist mit dem Kassensystem gekoppelt. Es ermöglicht eine Kanban-Beziehung, bei der Bestellvorgänge erst ausgelöst werden, wenn die Regal- bzw. Lagersituation dies anzeigt und nur in dem Umfang bestellt wird, wie durch Abverkäufe jeweils veranlasst. Dadurch können Lagerbestände und die daraus resultierende Kapitalbindung im Umlaufvermögen minimiert werden. Dabei werden die Art der verkauften Waren, Menge / Sortierung der verkauften Waren, Kaufverbund von Artikeln, Warenausgangstermin, Warenausgangspreis u. Ä. erfasst. Ein Datenausgabemodul dient dem mengen- und wertmäßigen Reporting als Schnittstelle zu Rechnungswesen, Finanzen und Statistik. Der Fokus geht zunehmend weg von der singulären Optimierung nur auf einer Wertschöpfungsstufe hin zum stufenübergreifenden Supply Chain Management / SCM. Ziel ist es, durch eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Hersteller- und Handelsstufen für alle Beteiligten einen zusätzlichen Wertbeitrag zu generieren (Win-Win-Situation). Dies wird im Efficient Consumer ResponseKonzept (ECR) verwirklicht. Efficient Consumer Response stellt auf die effiziente Reaktion vorgelagerter Stufen im Vertriebskanal auf Endkundennachfrage ab und betrachtet den Absatzkanal als ganzheitliche Prozesskette. Dazu ist ein intensiver Datenaustausch über computerintegrierte Netzwerke erforderlich. Die elektronische Verkaufsmitteilung aus dem Handel wird dazu online über die verschiedenen Stufen an den Hersteller

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

übermittelt, der diese wiederum als Meldung an seine Zulieferer verarbeitet. Am Kassen-Check out des Handels wird der Absatz erfasst, die Absätze werden je Laden gesammelt und lösen bei Erreichung des Meldebestands eine Bedarfsmeldung aus. Diese Meldung geht an die Handelszentrale, von dort an das Zentrallager der Handelsorganisation und von dort wiederum an den jeweiligen Hersteller. Dies löst bei ihm einen Liefervorgang in das Zentrallager aus, und zwar genau in der Menge, wie Ware seit der letzten Lieferung abgeflossen ist. Dazu ist eine partnerschaftliche, auf Vertrauen basierende Kooperation zwischen Hersteller- und Handelsstufen erforderlich, um Ineffizienzen entlang der Wertschöpfungskette zu beseitigen und allen Beteiligten einen Nutzen zu stiften, der für jeden von ihnen ohne ECR nicht darstellbar wäre. Dazu ist ein konsistentes Durchsatzmessungsund Anerkennungssystem erforderlich, wie es durch Techniken wie EAN, Sedas, Sinfos etc. gegeben ist. ECR besteht im Einzelnen aus zwei Ansatzpunkten, dem Supply Chain Manage­ ment (SCM) und dem Category Management (CM). CM betrifft den Waren­ ausgang (Downstream) und unterteilt sich wiederum in drei nachfrageseitige Bausteine: • Efficient Promotions (EP) hat zum Ziel, Ineffizienzen bei der Verkaufsförderung zu beseitigen und das System der Bevorratung mit großen Warenmengen zu Aktionspreisen (Forward Buying) zu ersetzen, um die Schlagkraft im Absatz zu erhöhen. Vor allem soll die Kapitalbindung durch überhöhte Bestandsmengen an Aktionswaren gesenkt werden. • Efficient Product Introduction (EPI) hat die gemeinsame Neuproduktentwicklung zwischen Hersteller und Handel zum Ziel, um die mit der Einführung verbundenen Kosten und Risiken beidseitig zu senken und Neuprodukte in kürzerer Zeit verfügbar zu machen. Dadurch soll vor allem die erhebliche Floprate bei Produkteinführungen gesenkt werden. • Efficient Store Assortment (ESA) hat die effiziente Sortimentsgestaltung anhand manifestierter Kundenbedarfe im Handel zum Ziel. Dazu wird vor allem die Verkaufsflächenoptimierung (Space Management) für eine verbesserte Sortimentsproduktivität eingesetzt, um den Engpass Regalplatz bestmöglich zu nutzen. In Bezug auf SCM als anbieterseitigen Wareneingang (Upstream) greift Efficient Replenishment (ERP). Dieses zielt darauf ab, Ineffizienzen der Waren- und Informationslogistik entlang der Versorgungskette zu bereinigen, indem das herkömmliche Belieferungssystem mit vom Handel aufgegebenen Bestellungen durch einen sich am tatsächlichen Warenabfluss orientierenden Feedback-Prozess ersetzt wird. Dadurch kann ein besserer Service für Konsumenten, vor allem aber eine Optimierung bei Zeit und Kosten im Rahmen der Logistik erreicht werden. Es nutzt u. a. folgende Techniken: • Vendor Managed Inventory (VMI), d. h. die Bestellorganisation durch den Lieferanten, evtl. auch als Bestellvorschlag mit Freigabe des Händlers (Co-managed

3. Absatzmittler

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Inventory / CMI). Die Transaktion wird dabei durch Rechner-zu-Rechner-Dialog mit EDI-Protokoll ausgelöst und überwacht. • Cross Docking (CD) als rationelle Verladung von Bestellungen definierter Destinationen auf herstellerseitige Transportmittel, indem diese vom Lieferanten entsprechend vorkommissioniert werden. • Efficient Unit Loads (EUL) als raumoptimierte Kapazitätsnutzung von händlerseitigen Verladungseinheiten, meist durch einheitliche Waren- und Transportverpackungen. • Roll Cage Sequencing (RCS) als individuelle Zusammenstellung von Verladungs­ einheiten je Rollwagen entsprechend der Logik der Regallayouts. Ziel ist jeweils das Lernen der Vertriebskanalbeteiligten aus gemeinsamen Erfahrungen. Allerdings impliziert dies lediglich ein Feedback, d. h. Ineffizienzen sind bereits passiert und sollen für die Zukunft vermieden werden. Allenfalls im Zeitablauf entsteht ein selbstlernendes System auf höherem Niveau. GWWS und ECR haben den entscheidenden Nachteil, dass sie erst ein Nachsteuern aufgrund von Vergangenheits-, bestenfalls Gegenwartswerten ermöglichen. Dann sind Friktionen aber bereits entstanden. Wünschenswert ist hingegen ein proaktives Einsteuern. Dies gelingt solange nicht, wie die Beteiligten ihre Perspektive auf die eigene Wertschöpfungsstufe verengen. Vielmehr kommt es auf die Optimierung auf allen Stufen des Absatzkanals an. CPFR (Collaborative Planning Forecasting Replenishment) versucht daher, durch Zusammenführung und Nutzung der jeweiligen Informationen der Akteure im Absatzkanal Ineffizienzen bereits proaktiv zu vermeiden. Inhalt des CPFR-Konzepts ist die frühzeitige Einbindung vorgelagerter Wertschöpfungsstufen (Collaborative) in die Planung (Planning), Prognose (Fore­casting) und Warenversorgung (Replenishment) innerhalb der Prozesskette unter Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien zwischen Industrieund Handelspartnern. Basierend auf einer fundierten Marktprognose werden Produktion, Lieferung, Lagerhaltung und Werbung stufenübergreifend aufeinander abgestimmt und die bisher getrennten Planungen der Stufen zusammengeführt und zu einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess als Win-Win-Situation formiert. Zur Einführung wird sinnvollerweise eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. Sie bestimmt das CPFR-Mission Statement (Kooperation, Vertrauen und Bereitstellung von Ressourcen), die CPFR-Ziele und Aufgaben (dazu ist die Festlegung des gesamten Geschäftsprozesses erforderlich), die Kompetenz- und Ressourcenidentifizierung (Wer macht was?, evtl. durch Outsourcing), die Definition von Organisation und Verantwortlichkeiten, die Vereinbarung des Datenaustauschs (Häufigkeit, Art, Zeitdauer, Methoden etc.), die Verbindlichkeit von Bestell- und Lieferzusagen, die Ressourcenallokation (Manpower, Zeiteinsatz, Technikein-

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

satz etc.), die Konfliktlösungsmechanismen und die regelmäßige Evaluierung des CPFR-Prozesses. Danach wird ein gemeinsamer Geschäftsplan für jede Warengruppe (Category) erarbeitet. Dazu gehören z. B. Auftragsminimumgrößen, Auftragsvorlaufzeiten, Auftragsintervalle. Daraus wiederum wird die Verkaufsprognose ermittelt. Diese erfolgt auf Basis der POS-Daten und Hochrechnungen mit Hilfe deskriptiver oder analytischer Prognoseverfahren. Diese Verkaufsprognose wird auf Ausnahmen (Schwankungen, saisonale Einflüsse, Strukturbrüche) hin untersucht und ggf. bereinigt. Daraus wird die Bestellprognose abgeleitet. Die kurzfristige Prognose dient dabei der Bestellgenerierung, die langfristige der Kapazitätsplanung. Diese Bestellprognose wird auf Ausnahmen hin untersucht (für die sie nicht gilt). Stattdessen wird dort eine Realtime-Bearbeitung vorgenommen. Für die restlichen Warengruppen / Produkte wird die Bestellung ausgelöst. Sie ist zugleich verbindliche Umsetzungsgrundlage, auf die sich beide Seiten verlassen können müssen. Die Information (Ordergenerierung/-abwicklung) und Kommunikation (Datenaustausch) findet auf geschlossenen Internet-Marktplätzen statt. Dort können auch mittelständische Unternehmen (Industrie / Handel) CPFR nutzen. Die Effizienzvorteile sind erheblich, die Bestände können reduziert werden und die Kosten sinken (weniger Rüstzeiten, keine Doppelarbeit, bessere Auslastung etc.). Insofern ist ein weiter Weg von manifesten Konflikten im Absatzkanal weg und hin zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit der Beteiligten zurückgelegt worden. Allenfalls temporär schlagen dysfunktionale Konflikte noch durch (z. B. Kaufland vs. Mars und Iglo, Edeka vs. Heinz / K raft und Mars/Effem).

3.6 Warendurchsatz 3.6.1 Regalplatzwettbewerb Die Distribution im Absatzkanal stellt sich für Hersteller zunehmend als Engpass für den Markterfolg heraus. Wobei dieser Regalplatz hier nicht konkret, sondern abstrakt als Punkt der gedanklichen Konfrontation prospektiver Kunden mit der eigenen Ware zum Zwecke der Umsatzerzielung des Herstellers und Händlers zu verstehen ist. Die Realität im Absatzkanal ist durch ausgeschöpfte Kapazitäten beschreibbar, so dass die Etablierung eines neuen Angebots beinahe zwangsläufig mit der Verdrängung eines anderen verbunden ist. Da es nur ausnahmsweise Sinn macht, ein eigenes Produkt zurückzunehmen (Elimination), zielt diese Bemühung in erster Linie auf die Ausgrenzung von Konkurrenzangeboten ab. Weil diese Konstellation für den Mitbewerb gleichermaßen gilt, wird der Kampf um den Regalplatz mit Verbissenheit geführt. Dies gilt besonders für Plätze, die ihrer Natur nach nicht ohne Weiteres auszudehnen sind (z. B. Kühltruhen/-schränke).

3. Absatzmittler

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Gründe für die Regalplatzknappheit liegen im Einzelnen in Knappheitsfaktoren aus dem Konsumentenbereich: • Zunehmende Bedürfnisdifferenzierung führt zur Angebotsdifferenzierung und damit zu verstärkter Nachfrage nach Regalplatz. Die Nachfragesegmentierung führt dazu, dass Hersteller sich darauf durch Produktdifferenzierung einzustellen versuchen. Denn derjenige Anbieter dürfte die größten Absatzchancen haben, der sich mit seinem Angebot am besten auf die Bedürfnisse der Nachfrager einstellt. Das führt aber zur Programmvertiefung und zur Vermehrung von mehr oder minder eigenständigen Produktversionen, die am Handelsplatz Präsenz suchen. • Außerdem entsteht auch eine nennenswerte Programmausweitung durch immer mehr Spezialprodukte, die Bedarfe decken, die vordem nicht existiert haben oder durch Universalprodukte abgedeckt wurden. Grundlage sind hier erweiterte naturwissenschaftliche Erkenntnisse, die im Zuge der Anwendungsentwicklung zu Produkten führen, die auf neue Indikationen gerichtet sind, die früher zum Sortiment von Spezialanbietern gehörten. Man denke nur an pflegende Kosmetika, die aus Fachsortimenten stammen oder an vegane und vegetarische Nahrungsmittel, die aus Bioläden und Reformhäusern in das Consumer-Sortiment migrieren. Hinzu kommt, dass Saisonwaren zeitlich übergreifend verfügbar gemacht werden. Dies alles benötigt Fläche am Handelsplatz, der nicht ohne Weiteres erweiterbar und daher knapp ist. • Wandlungen im Einkaufsverhalten durch Bequemlichkeitsstreben führen zur Erwartung der Überallerhältlichkeit von Gütern des täglichen Bedarfs (One Stop Shopping) und zur Impulskaufneigung. Dadurch ergeben sich eine Ausweitung der Handelssortimente und ein verstärktes Bemühen der Lieferanten um die hohe und auffällige Präsenz ihrer Waren, die im Ergebnis zu einer Überfüllung der Verkaufsflächen führen. Diese Bequemlichkeit ist allerdings teilweise auch durch erhöhte Freizeitaktivitäten, oftmals Berufstätigkeit des Haushaltsführenden, durch knappes Parkplatzangebot und hohe Nahverkehrspreise erzwungen. Weiterhin führt das Streben nach Annehmlichkeiten des Einkaufsvorgangs, z. B. durch Zusatzleistungen, zur Verknappung der für Waren zur Verfügung stehenden Regalplätze. Knappheitsfaktoren aus dem Herstellerbereich sind in folgenden Faktoren zu sehen: • Zunehmende Warenvielfalt bedingt durch steigende Anzahl von Anbietern auch aus dem Ausland führt zur Ausweitung des Warenangebots durch Innovation, Diversifizierung, Produktdifferenzierung und Markentransfer. Das heißt, zusätzlich zu den inländischen Anbietern treten immer mehr ausländische unter den genannten Voraussetzungen mit Anspruch auf Regalplatz an. Diese Tendenz wird sich in Zukunft angesichts weiter zusammenwachsender Märkte noch verstärken. • Streben nach hoher Distributionsdichte. Markenartikel, die durch werbliche Penetration erheblich vorverkauft sind, leben davon, in der konkreten Kaufsituation ihrem Zielpublikum präsent zu sein. Bei gleichartigen Gütern auf hohem

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Niveau, der Realität weiter Teile der Angebotslandschaft, gibt oft die reale Verfügbarkeit den Ausschlag für den Kaufentscheid. Nicht distribuierte Outlets oder minderwertige Platzierungen bedeuten so ganz konkret Absatzverluste. Da dies immer mehr Hersteller erkennen, treten deren Produkte in Konkurrenz um den vorhandenen Regalplatz. • Wachsende Verkaufsflächenbeanspruchung für das einzelne Produkt resultiert in Bemühungen um eine Vergrößerung der Ausstellungsfläche je Platzierung (Facing) und Mehrfachplatzierungen. Daraus folgt eine verstärkte Nachfrage nach Regalplatz. Eine möglichst große Kontaktstrecke mit dem Produkt im Regal sowie möglichst weitere Kontaktanlässe (z. B. durch Displays, Schütten) erhöhen so die Kaufwahrscheinlichkeit. Knappheitsfaktoren aus dem Händlerbereich sind in folgenden Faktoren zu sehen: • Die Grenzen der Vermehrbarkeit von Regalplatz sind erreicht, durch hohe Kosten von Fläche und Personal sowie geringer werdende Zahl interessanter Standorte. Für I a-Lagen sind die erforderlichen Mietzinsen kaum noch aufzubringen, da diese Standorte absolut begrenzt sind. Außerdem gebietet die BaunutzungsVO, dass neue Großbetriebsformen, vor allem am Stadtrand, zum Schutz der Infrastruktur der innerstädtischen Händler kaum mehr eröffnet werden dürfen. Darüber hinaus kommt es seit Jahren zu einem kontinuierlichen Ladensterben bei Outletgrößen, welche die betriebswirtschaftliche Rentabilität nicht mehr gewährleisten. Das heißt, der Regalplatz verknappt sich real. • Konzentration in der Regalplatzvergabe, d. h. Vergabe von vergleichsweise viel Verkaufsfläche für wenige Marken / Lieferanten, durch einen parallelen Konzentrationsprozess auf Industrieseite. Nicht nur der Handel hat einen enormen Konzentrationsprozess durchlaufen, auch die Hersteller werden immer größer, und es gibt immer weniger. Konzerne wie Nestlé, Henkel, Procter & Gamble, Unilever, Philip Morris, Mars / Effem etc. repräsentieren zwischenzeitlich den größten Teil des LEH-Angebots. Damit ist gerade neuen Anbietern der Zugang zum Regal oft versperrt (Marktzutrittsschranken). • Verdrängungskonkurrenz durch eine steigende Zahl von Handelsmarken und deren Bevorzugung bei der Regalplatzvergabe führen zu vergrößertem Eigenbedarf der Händler an Regalplatz. Anfang der 1980er Jahre begannen die großen Handelskonzerne, Eigenmarken zu lancieren (z. B. A & P). Da diese zu günstigen Konditionen bei hinlänglicher Qualität bereitstehen, sind sie durchaus profitabel. Sie beanspruchen daher Regalplatz, der vordem Markenartiklern zur Verfügung stand. Auch dadurch kommt es im Ergebnis zu einer Regalplatzverknappung.

3. Absatzmittler

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3.6.2 Pipeline-Effekte

Abbildung 130: Überwindung von Pipeline-Effekten

Waren werden von Herstellern und Händlern in die Pipeline eingefüllt (reinverkauft) und fließen an Händler und Endabnehmer ab. Innerhalb dieser Pipeline sind Absatzmittler und -helfer als „Ventile“ installiert, die den Warendurchsatz steuern. Die Beseitigung daraus resultierender Widerstände infolge negativer Pipeline-Effekte (siehe Abbildung 130: Überwindung von Pipeline-Effekten), also der Hemmung des Warenflusses, ist durch verschiedene Maßnahmen wie folgt möglich: • Substitution der Pipeline, d. h. Wechsel in einen neuen Absatzkanal. In der Praxis bleibt diese Chance allerdings eher marginal, weil für große, marktmächtige Absatzmittler kein Ersatz zu schaffen ist. Ein Ausweichen auf andere ist daher unweigerlich mit hohen Verlusten an Kontaktchancen (Regalplatz) verbunden. Außerdem verändert sich die Qualität der Absatzstellen. So mag es sein, dass ein Verlust an Quantität durch einen Zuwachs an Qualität überkompensiert wird bzw. ein Gewinn an Quantität durch eine Minderung an Qualität nicht egalisiert wird. • Erweiterung der Pipeline, d. h. Paralleldistribution in mehreren Absatzkanälen. Dabei werden Produkte gleichzeitig über mehrere unabhängige Absatzkanäle vertrieben. Meist ist dies jedoch mit Konfliktsituationen verbunden, denn die jeweils parallel distribuierten Absatzmittler fürchten zurecht Geschäftseinbußen infolge des jeweilig anderen Absatzkanals. Deshalb ist dies oft nur bei gleichzeitiger Programmaufteilung derart durchführbar, dass jeder Absatzkanal bestimmte Waren exklusiv erhält. Dennoch bleiben Querlieferungen und Futterneid stete Unruheherde. • Vergrößerung des Durchmessers der vorhandenen Pipeline, d. h. Versuch der Ausdehnung des Regalplatzes oder der Aufnahme weiterer Absatzmittler in den Absatzkanal. Der hohe allgemeine Konzentrationsgrad führt jedoch dazu, dass bei etablierten Produkten eine Erhöhung der numerischen Distribution nur von

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

unterproportionalem Zuwachs der gewichteten begleitet ist, Ausweitungen also kaum Mengeneffekte zukommen und diese unrealistisch sind. • Verringerung des Fließwiderstands in der Pipeline, d. h. Erhöhung der Durchsatzgeschwindigkeit durch Anreize. Dies geschieht, indem materielle oder ideelle Vorteile in Abhängigkeit von absatzförderndem Verhalten in Aussicht gestellt werden. Materielle Anreize schlagen jedoch sofort auf die Rentabilität durch, ideelle Anreize unterliegen der Abnutzung durch Gewöhnung. Daher ist es sinnvoller, an das fundamentale Geschäftsinteresse der Beteiligten zu appellieren, da diesem eine hohe, dauernde Motivation entspricht. • Druckerzeugung in die Pipeline hinein durch Veranlassung der Absatzmittler zu mehr Engagement. Push-Effekte ergeben sich etwa über Platzierungsaktionen oder Werbemittelunterstützung. Doch Platzierungen treffen auf Regalplatzknappheit und sind daher nur temporär möglich, als Zweitplatz oder aber zulasten des eigenen oder fremden Stammplatzes. Dazu sind Händler wegen des damit verbundenen Aufwands wiederum nur unter Auslobung zusätzlicher Anreize über die versprochene Umsatzwirkung hinaus bereit, wobei sich inflationäre Entwicklungen abzeichnen. Werbemittelunterstützung, z. B. in Form von Werbekostenzuschuss, stellen demgegenüber oft nur verdeckte Nachlässe dar, die nicht in mehr Regalplatz resultieren und bald in den Besitzstand des Handels übergehen. • Sogerzeugung aus der Pipeline heraus durch Sprungwerbung an bestehende / neue Endabnehmer. Pull-Effekte materialisieren sich in erster Linie aus der Sprungwerbung der Hersteller direkt an die Endabnehmer. Damit diese nicht mehr unkonditioniert in den Laden gehen und spontan das Produkt einer Kategorie wählen, sondern bewusst nach dem massenmedial beworbenen Angebot suchen und dieses zielsicher allen anderen vorziehen. Das kann soweit gehen, dass Verbraucher den Laden wieder verlassen, wenn die gewünschte Marke nicht vorrätig ist (Pflichtmarke des Handels). Dann gilt zwar das Marketingziel als voll erreicht, jedoch tritt zugleich hoheitliche Aufsicht in Kraft. Durch Push und Pull kann der Warenumschlag je Regalplatz-Flächeneinheit erhöht und diese damit effektiver genutzt werden. Wichtig ist, dass beide Maßnahmen parallel eingesetzt werden, da es sonst zu einem Warenstau in der Pipeline durch Lageraufbau oder Fehlmengen durch Lagerabbau kommt. • Aufbau eigener Absatzorgane. Dies ist in Einzelfällen ein Ausweg, allerdings bleiben ein erheblicher organisatorischer Aufwand und das finanzielle Initialrisiko. Dennoch wird dieser Weg des Direktvertriebs von vielen Herstellern erfolgreich, vor allem auch als Filialisierung, beschritten. Beispiele sind Amway, Avon, Herbalife, Vorwerk, Infinitus, Mary Kay, Tupperware. Sogar E-Commerce-Anbieter weiten ihre Distribution in eigene Absatzstellen aus. Negative Pipeline-Effekte resultieren vor allem aus der Polarisierung zwischen Hersteller- und Handelsstufen, die jeweils eigene Geschäftsinteressen verfolgen.

4. Konzentration im Absatzkanal

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Auf beiden Seiten haben Unternehmenskonzentrationen dafür gesorgt, dass kraftvolle Akteure entstanden sind, die in der Lage sind, ihre egoistischen Interessen im Zweifel durchzusetzen.

4. Konzentration im Absatzkanal Unternehmenskonzentration bedeutet allgemein den Verlust der rechtlichen und / oder wirtschaftlichen Selbstständigkeit für mindestens einen der beteiligten Partner. Eine starke Unternehmenskonzentration hat zur Ausprägung von Nachfragemacht auf der Handelsstufe geführt. Der Markt wandelt sich somit zu einem, wettbewerbspolitisch unerwünschten, engen Oligopol, die Beziehungen sind durch Gruppenwettbewerb gekennzeichnet. Dabei sind Interessengegensätze zwischen den Parteien manifest und führen zu Konflikten (4.2). Letztlich müssen sich alle Seiten aber auf ein Arrangement festlegen, sollen keine dysfunktionalen Züge bleiben. Dies erfordert einen Abgleich mit der Absatzkanalpräsenz (4.3).

4.1 Darstellung Mit der Konzentration im Absatzkanal sind Geschäftsschließungen vor allem bei Klein- und Mittelbetrieben des Handels verbunden, mit der Tendenz zur Unterversorgung gerade in Landstrichen außerhalb der Ballungsräume. Dies hat zum Phänomen der Unterversorgung geführt. Diese betrifft vor allem die unzureichende Bereitstellung von Produkten zur Deckung des unmittelbar lebensnotwendigen kurzperiodischen Bedarfs durch Handel und Handwerk, die sich darin äußert, dass sich ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung nur unter erheblichen Beschaffungsanstrengungen versorgen kann. Dabei sind in erster Linie ländliche Gemeinden („Dörfer ohne Läden“), städtische Randlagen und sog. „Schlafsiedlungen“ in Großstadtvororten tangiert. Dort reicht die Kaufkraft meist nicht mehr aus, die Existenz von Einzelhandelsbetrieben zu ermöglichen, weil einerseits die optimale Betriebsgröße der Absatzmittler gestiegen ist, andererseits die höhere Mobilität der Konsumenten Kaufkraft in lokale Einkaufszentren abzieht (objektive Unterversorgung). Dadurch werden vor allem weniger kaufkräftige (z. B. ältere) und immobile Personen betroffen. Hinzukommt, dass für anspruchsvolle Käufer, wenn überhaupt, ein nur wenig differenziertes Warenangebot vorhanden ist (subjektive Unterversorgung). Dies ist unvermeidliche Sekundärwirkung eines auf ohnehin schon hohem Niveau weiter fortschreitenden Konzentrationsprozesses auf der Absatzmittlerstufe. Die Konzentration vollzieht sich im Wege der Filialisierung als Standortspaltung, z. B. bei Tengelmann, der kooperierenden Handelssysteme, z. B. Genossenschaften wie Euronics, der Zentralisierung in Standorteinheit, z. B. bei Einkaufszentren, der integrierten Handelssysteme, z. B. Warenhäuser, und der Anweisungsbetriebe, z. B. bei Edeka.

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Die Kanalführerschaft geht dabei zunehmend auf die Handelsstufe als Inhaber des Regalplatzes über. Das führt zu heißen, aus harmlosen Anfängen eskalierenden Konflikten zwischen den Interessen und Wertungen der Hersteller und des Handels auf allen Gebieten in steigendem Ausmaß, d. h. von Reibungs- über Positions- zu Strategiekonflikten, und zwar mit dysfunktionaler Wirkung. Als Mittel dienen neben der Überzeugung vor allem die Zusage positiver bzw. die Androhung negativer Sanktionen. Dazu muss man sich vergegenwärtigen, dass die Einkäufer der großen (Einzel-) Handelskonzerne über gewaltige Einkaufsvolumina disponieren. Da liegt es nahe, eine Reihe von Vorwürfen gegen sie vorzubringen. Sie spielen ihre Marktmacht aus, lassen die Hersteller deren Abhängigkeit spüren und versuchen, die Konditionen zu diktieren. Sie nutzen die Anbieterauswahl zur Suche nach günstigeren Konditionen und nehmen diese dann als Druckmittel gegenüber bestehenden Lieferanten. Hersteller werden immer wieder als Lückenbüßer für das Sortiment genutzt und unterliegen damit einem hohen Risiko. Handelsunternehmen greifen in die Produktentwicklung und -umsetzung der Hersteller ein. Sie binden Lieferanten über konzerneigene Datennetze in das eigene Logistikkonzept ein und wälzen dabei Lagerungs- und Transportkosten rückwärts. Sie verlangen hohe Flexibilität in der Bereitstellung von Waren und konzentrieren Nachfrage auf wenige Zulieferer. Sie erwarten nationale Flächendeckung und steigern die Anforderungen an die Qualität durch qualitätssichernde Maßnahmen. Sie nutzen jede Gelegenheit, Sonderkonditionen auszuhandeln und fordern so Lieferanten permanent zusätzliche Dienstleistungen ab. Sie erwarten ständige Produktivitätssteigerungen, um Preisabschläge dafür einzufordern. Umgekehrt werden in Rahmenverträgen Festpreise bei zu erwartenden Kostensteigerungen ausgehandelt, an denen festgehalten wird. Die Einkaufsorganisation in großen Handelskonzernen kann dabei auf dreierlei Weise wie folgt gestaltet sein: • Der Einkäufer für eine bestimmte Produktgruppe ist auch für deren Verkauf zuständig. So wird sichergestellt, dass nur Waren geordert werden, die absetzbar scheinen, denn ansonsten bleibt der Einkäufer auf seiner selbst eingekauften Ware sitzen. Ein Risiko, das dieser im Zweifel nicht eingehen wird. • Der Einkäufer für eine bestimmte Produktgruppe ist nur für deren Order zuständig und gibt intern die eingekaufte Ware an den Verkäufer dieser Produktgruppe weiter. Auf diese Weise sind Spezialisierungsvorteile nutzbar. Es besteht jedoch die Gefahr eines permanenten Konflikts, da der Einkäufer sich angesichts von Warenvorräten über mangelnde Absatzbemühungen des Verkäufers beklagen mag, dieser aber wiederum Art und Konditionen eingekaufter Waren für nicht vorteilhaft halten kann. • Der Einkäufer begibt sich mit dem Vorschlag für einzukaufende Waren seiner Produktgruppe in ein Entscheidergremium, das über den Vorschlag befindet und entsprechend Anweisung zur Order oder Nichtorder gibt. Diese wird vom Einkäufer dann exekutiert.

4. Konzentration im Absatzkanal

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Die Kenntnis der Einkaufsorganisation ist von großer Bedeutung, damit akquisitorische Bemühungen an den richtigen Hebelstellen ansetzen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass entsprechende Aktivitäten verpuffen. Allgemein zielen Hersteller darauf ab, durch Ausweitung der Einflussnahme zum Endabnehmer ihre Abhängigkeit von der Handelsstufe zu verringern. Absicht ist dabei eine Konditionierung der Handelskundschaft derart, dass diese festgefügten Markenvorstellungen anhängt und trotz interessengeleiteter Argumentation des Handels von ihren Vorstellungen nicht abzubringen ist. Der Handel wird dann als Absatzmittler instrumentalisiert. Er führt die Wünsche durch, die Hersteller seinen Kunden implantiert haben. Inwieweit diese Vorstellung wirklich realistisch ist, sei dahingestellt. Der Handel hingegen wünscht eine Verstärkung seines Einflusses auf Produzenten, damit diese Produkte bereitstellen, die sich bedarfsgerecht vermarkten lassen. Die Durchsetzung ökologischer Produkte auf Druck des Handels ist ein Beispiel für diese Strategie. Weiterhin sieht der Handel ein Ziel in der Abwälzung von Handelsfunktionen durch Rückwärtsverlagerung auf den Hersteller. Dies geschieht etwa im großen Stil im Rahmen des Merchandising. Außerdem fordert der Handel einen Profitabilitätsnachweis durch Hersteller, damit diese ihre Präsenz im Handelssortiment rechtfertigen. Geschlossene Warenwirtschaftssysteme erlauben hier präzise Aussagen. Dem Versuch der Etablierung von Pflichtmarken durch die Hersteller versucht der Handel durch Rückwärtsintegration (Übernahme von Herstellerbetrieben) und das Angebot von Handelsmarken zu begegnen. Dabei kann es sich um echte oder unechte Handelsmarken handeln, erstere sind eigen-, letztere fremdhergestellt, was den größeren Anteil ausmacht. Auch darin liegt ein Konflikt um den größeren Anteil am Markterfolg begründet.

4.2 Vertikale Konflikte im Absatzkanal 4.2.1 Angebotsparameter Gemeinhin ist die Vorstellung verbreitet, dass die Interessen von Hersteller und Handel weitgehend deckungsgleich und sie zusammen den Markt zu erobern bemüht sind. Dem ist jedoch nicht so. Vielmehr haben Hersteller einerseits und Handel andererseits vielfältige, voneinander abweichende Interessen, die im Absatzkanal zu vertikalen Konflikten führen. Diese erstrecken sich auf alle vier Instrumente des Marketing-Mix (siehe Abbildung 131: Vertikale Konflikte im Absatzkanal). Typische Konfliktfelder im Angebots-Mix betreffen die folgenden Aspekte. Hersteller sind immer daran interessiert, das Image ihrer Produkte / Marken zu individualisieren und auszuprägen, also zum Wettbewerb abzugrenzen und gegen-

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Abbildung 131: Vertikale Konflikte im Absatzkanal

über der Verbraucherschaft zu profilieren. Dies ist primäres Ziel selbstverständlicher Markenartikelpolitik. Händler wollen demgegenüber das Image des von ihnen angebotenen Sortiments, also die Zusammenfassung der Angebote verschiedener Hersteller oder ganzer Angebotsgattungen, durchsetzen. Dabei geht es ihnen um die Abgrenzung gegenüber gänzlich anders gearteten Wettbewerbern und die Profilierung gegenüber wahrscheinlich zu großen Teilen different strukturierten Verbrauchern. Insofern sind Abweichungen zwischen Hersteller- und Handelssicht nicht nur unvermeidlich, sondern bewusst gewollt. Einzelne Herstellerangebote dürfen dabei die Ausstrahlung / Kompetenz des Händlersortiments nicht übertreffen, sondern müssen sich diesem unterordnen und ihm dienen. Hersteller zeichnet oft eine hohe Innovationsrate aus, erzwungen aus der Umsetzung technischen und / oder geschmacklichen Fortschritts sowie als Konkurrenz­ reaktion oder zur Vorwegnahme derartiger Aktionen. Die Sicherung des Markterfolgs erfordert insofern eine zyklische Neuordnung des Angebots, um die Bestands- und Wachstumsdynamik von Produkt / Marke zu erhalten. Händler stehen Innovationen regelmäßig abwartend gegenüber, sind doch mit jedem neuen Angebot nicht nur organisatorische Umstellungen verbunden (Listung, Auspreisung, Platzierung, die meist allerdings vom Lieferanten vorgenommen oder entgolten werden), sondern auch Risiken hinsichtlich der Abnehmerakzeptanz. Deshalb tendieren sie dazu, erst einmal abzuwarten, welcher Erfolg diesen Angeboten in anderen Märkten / Outlets beschieden ist, um sie dann bei Bewährung schnell zu übernehmen oder bei Versagen zu übergehen. Ersatzweise können Testergebnisse (möglichst repräsentativer, quantitativer Erhebungen) oder Zusicherungen umfassender Einführungswerbung ausreichen, das Unbehagen der Handelsstufe darüber, dem Herstellerfortüne ausgeliefert zu sein, zu beschwichtigen. Innovationen werden aber nur angenommen, falls gleichzeitig ein anderes Produkt des gleichen oder eines anderen Herstellers aus dem Sortiment eliminiert werden kann, wenn die absolute Verkaufsfläche unverändert bleibt und voll ausgeschöpft ist, was regelmäßig der Fall ist.

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Der Handel hat darüber hinaus ein Interesse an der Etablierung und Forcierung eigener (Handels-)Marken, um die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern (gerade in oligopolistischen Märkten) zu reduzieren. Dies können sowohl Eigenmarken sein als auch Gattungswaren (No Names), die mit gehörigem Preisabstand nach unten bestimmten Kundengruppen als spontane Alternative gerade im Low Interest-Bereich oder bei allgemein geringer Ausgabenneigung offeriert werden. Zwischenzeitlich haben Verbraucher gelernt, dass diese Artikel vom gleichen Absender wie die Marke zu verantworten sind, und eigene Erfahrung bestätigt die Vermutung völlig ausreichender Qualitätseigenschaften. Ein weiteres Interesse des Handels liegt in der gezielten Schließung von Sor­ timentslücken. Wird das Fehlen bestimmter Waren als beeinträchtigend empfunden oder von Kunden als solches reklamiert, werden für genau diese Nischen Angebote gesucht. Daraufhin kontaktierte Lieferanten interpretieren dies sogleich als viel versprechenden „Fuß in der Tür“, der zu schönsten Hoffnungen auf relevante Geschäftsausweitung berechtigt. Tatsächlich aber bleibt das beabsichtigte Transaktionsvolumen von vornherein eng begrenzt und gibt allenfalls zur Enttäuschung Anlass, weil Händlern wohl weniger am Hersteller als vielmehr am Produkt liegt. Die Packung dient der Herstellerseite in erster Linie zur Profilierung und positiven Differenzierung des eigenen Angebots von allen anderen vergleichbaren. Diese Absicht motiviert zu außergewöhnlichen, kreativen, eigenständigen Lösungen in Material, Form, Größe etc. Eben diese Eigenständigkeit behindert aber auf der Handelsstufe potenziell die Rationalität des Warenhandling. Daher besteht hier vor allem ein Interesse an standardisierten Verpackungen, normierten Formen (Quadern) und Größen (Abmessungen) und gewohnten Materialien. Jede Extravaganz birgt die Gefahr logistischer Nachteile. Alles, was eine Verpackung unabhängig von der Gestaltung von Text und Bild außergewöhnlich werden lässt, wird daher für gewöhnlich vom Handel nicht gern gesehen.

4.2.2 Gegenleistungsparameter Hersteller sind meist an konventioneller Preisgestaltung interessiert (Preislagenorientierung). Sie wollen ein stetiges, tendenziell steigendes Preisniveau erreichen, um Irritationen auf Nachfrageseite über schnell und stark im Zeitablauf bzw. Outletvergleich wechselnde Preise vorzubeugen. Da die Attraktivität eines Angebots von seinem Preis entscheidend mitgeprägt wird, wollen sie zumeist weiterhin ein angemessenes Preisniveau realisieren, nicht so hoch, als dass sich das Käuferpotenzial einschränkt, aber auch nicht so niedrig, als dass sich damit Qualitätszweifel verbinden. Händler verfolgen indes eine Strategie preislicher Differenzierung von ihren jeweiligen regionalen Mitbewerbern. Dazu dient vor allem anderen eine punktu-

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

ell aggressive Preisgestaltung als besonderer Anreiz zum Aufsuchen des eigenen Geschäftslokals. Mit dem Ziel, dort den Kauf weiterer Waren zu veranlassen, die besser kalkuliert sind und im Wege des preispolitischen Ausgleichs somit die im Durchschnitt gewünschte Rendite erbringen. Diese Anreizwirkung kann freilich nur bei wechselnden Angeboten aufrecht erhalten werden, führt damit also im Querschnitt der Verkaufspunkte zu inkonsistenter Preisbildung. Gerade etablierte Markenartikler haben immer wieder damit zu kämpfen, dass ihre mühevoll und sorgsam gepflegten Produkte / Dienste zu Discountpreisen feilgeboten werden. Weil ein Handelsbetrieb glaubt, sich gegenüber anderen nur durch das aktionale Angebot solcher bekannten Marken profilieren zu können. Denn nur dann ist die beabsichtigte Preisvergleichbarkeit dem Publikum überhaupt möglich, andernfalls fehlen verlässliche Orientierungsmaßstäbe. Solche Preisvorteile werden erfahrungsgemäß der besonderen Leistungsfähigkeit der Handelsbetriebe zugeschrieben, womit deren Ziel erreicht ist. Sie etablieren allerdings in Dauer und Breite eine unrealistische Preiseinschätzung im Markt, die den betreffenden Markenartikel zum regulären Preis kaum mehr absetzbar macht, zumal Vorratskäufe bei Aktionen erfolgen. Dies wiederum kann zu gravierenden Schädigungen des Markenimages führen. Hersteller sind an minimaler Handelsspanne interessiert, damit bei gegebenem Abverkaufspreis auf Konkurrenzniveau der Reinverkaufspreis maximal hoch sein kann. Das erst begründet den eigenen Gewinn, ist aber nur zulasten des Handelspartners durchsetzbar. Denkbar ist auch die umgekehrte Fassung, wonach bei gegebenem Reinverkaufspreis laut Erfolgsrechnung nur eine minimale Handelsspanne aufgeschlagen werden soll, um einen möglichst konkurrenzfähigen Abverkaufspreis zu erreichen. Hier werden Interessengegensätze zwischen Hersteller- und Handelsstufe besonders deutlich. Denn natürlich stellt sich die Ausgangslage aus der Sicht eines Händlers genau umgekehrt dar. Bei gegebenem Abverkaufspreis auf Marktniveau soll der Reinverkaufspreis minimal sein, damit die Handelsspanne maximal hoch ausfällt, oder umgekehrt, bei gegebenem Kalkulationsaufschlag laut Kosten­ rechnung soll der Reinverkaufspreis minimal sein, damit ein konkurrenzfähiger Abgabepreis realisiert wird. Die Zielsetzungen sind also antinomisch, d. h., ein Partner kann nur zulasten des anderen erfolgreich sein. In der Wirtschaftswirklichkeit haben sich dabei im Laufe der Zeit Machtstrukturen herausgebildet, die den jeweiligen Interessen Nachdruck verleihen. Wobei das Instrumentarium der Absatzmittler wirkungsvoller und variantenreicher bestückt ist als das der Produzenten. Im Wege der Besitzstandssicherung wird zudem von Jahr zu Jahr nur über Nachbesserungen verhandelt. Die hohe Nachfragekonzentration auf wenige, marktmächtige Handelsorganisationen lässt Herstellern wenig Spielraum. Ihnen bleibt als äußerstes Mittel nur die Belieferungssperre, womit man sich des Durchgriffs auf Endabnehmer vollends begibt und juristische Restriktionen provozieren kann (Diskriminierungsverbot).

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Als probates Gegenmittel bleibt die Sprungwerbung zur Erzeugung eines PullEffekts von der Endnachfrageseite her. Das daraus resultierende Vakuum wird durch Push-Maßnahmen gefüllt. Steigende jährliche Werbeaufwendungen der meisten Branchen spiegeln die Eskalation dieses Prozesses wider und führen kleinere Anbieter über kurz oder lang an ihre Leistungsgrenzen, was weiterer Konzentration auf der Herstellerstufe Vorschub leistet. Ein anderer Ausweg liegt in der Organisation vertikal integrierter Absatzsysteme, die eine stärkere Interessenkongruenz zwischen Hersteller- und Handelsstufe herbeiführen und absichern. Die Attraktivität eines Angebots ist darüber hinaus vom Geschäftsimage abhängig, d. h., das gleiche Angebot findet in verschieden niveauvoll anmutenden Handelsbetrieben unterschiedliche Akzeptanz. Deshalb müssen Trading down-Outlets zum Ausgleich fehlenden Einkaufserlebnisses notwendigerweise niedrigere Preise bieten als Trading up-Outlets mit atmosphärischem oder servicebezogenem Zusatznutzen. Abweichende Preise werden unter diesen Umständen vom Publikum als selbstverständlich angenommen. Gleiches gilt für die lokale Konkurrenzsituation, die in Ballungsräumen z. B. intensiver ist und zu niedrigeren Preisen führt als in ländlichen Gebieten ohne ausreichende Alternativen zur Einkaufsstättenwahl. Sind solche verschiedenen Geschäftstypen in einer Handelsorganisation zusammengeschlossen, werden von deren Zentrale Meistbegünstigungs-Konditionen auf voller Breite gefordert. Was sich aus deren Sicht als normal darstellt, erschwert aus Herstellerwarte die Abschöpfung einer verdienten Produzentenrente. Hersteller wollen im Allgemeinen möglichst hohe Einführungspreise für ihr Angebot erreichen, und zwar aus mehreren Gründen. Einmal wird das Image eines Neuprodukts gleich angemessen hoch etabliert. Das schafft Spielraum für spätere, offensive Preiszugeständnisse, die leichter zu realisieren sind als defensive Preiserhöhungen im Laufe der Zeit aufgrund gestiegener Produktions- und Vermarktungskosten. Dann kann nur dadurch bei gegebenem, temporärem Wettbewerbsvorsprung eine verdiente Innovatorenrente abgeschöpft werden, die einen überschaubaren Return on Investment erlaubt. Zumal die Preisbereitschaft bei Innovatoren höher liegt als im Durchschnitt der Nachfragerschaft, die Akzeptanz im Vorfeld darunter also nicht notwendigerweise leidet. Im Handel herrscht demgegenüber der Wunsch nach niedrigen Einführungspreisen vor, welche eine schnelle Verbreitung des Angebots und hohe Penetration in der Kundschaft begünstigen. Dies verringert die Risiken des Lagerdrucks von Vorratsware und geringer Drehgeschwindigkeit am POS, die wiederum hohe Kapitalbindung und unrentable Verkaufsflächennutzung verursachen. Da durch konzentrierte Verhandlungsmacht zudem die Wahrscheinlichkeit zufriedenstellender Margen auch bei niedrigen Einführungspreisen gegeben ist, besteht hier kein ersichtlicher Anlass zu unnötigem Wagnis.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

4.2.3 Informationsparameter Hersteller sind an der Generierung von Markentreue interessiert. Sie wollen sich eine Stammkundschaft schaffen, die mit hoher Frequenz unbeirrt von anderweitigen Einlassungen immer wieder zur eigenen Marke greift und den Wettbewerb dabei diskriminiert. Auf dieses Ziel sind alle Kommunikationsaktivitäten abgestellt. Für Händler gilt logischerweise dasselbe, allerdings diesmal in Bezug auf die Einkaufsstättenwahl. Stammkunden sollen mit hoher Frequenz und unbeirrt von anderweitigen Einlassungen immer wieder das eigene Geschäftslokal aufsuchen und hier ihren spezifischen Bedarf möglichst vollständig decken. Welche Artikel des Sortiments das im Einzelnen betrifft, ist für den Händler sekundär. Entsprechend müssen alle Kommunikationsmaßnahmen auf die Eigenprofilierung des Handels ausgerichtet sein und nicht auf die Unterstützung von Markenwerbung, auch wenn aus Gründen finanzieller Ersparnis ein Anhängen daran oft gewählt wird. Hersteller müssen zur Aktivierung ihres Absatzpotenzials eine maximale Reichweite für Bekanntheit / Vertrautheit ihres Angebots zu erzielen suchen. Händlern kommt es nur auf die maximale Bekanntheit / Vertrautheit im lokalen Einzugsgebiet ihrer Betriebsstätte an. Sie fordern daher nicht flächendeckende, notwendigerweise intensitätsmäßig limitierte Kampagnen, sondern jeweils punktuell massive Werbung und Verkaufsförderung, die auf ihre individuellen „Likes“ und „Dislikes“ abgestimmt ist. Eine Forderung, der nachzukommen bedeutet, dass viele Hersteller in wirtschaftliche Schieflage getrieben werden, womit dem Handel auch wieder nicht gedient ist. Herstellern ist die begrenzte konative Wirkung von Werbemaßnahmen wohl bewusst. Sie zielen daher primär darauf ab, im Vorfeld der Kaufentscheidung positive Einstellung und Motivation aufzubauen. Und zwar über die Implementierung der eigenen Marke im Evoked Set der Zielpersonen, den anlassbezogenen Abruf der damit verbundenen Informationen aus dem Gedächtnis und deren Bewertung sowie die Anwendung von Entscheidungsregeln zum Kaufakt. Kommunikation kann parallel dazu vor allem für Agenda Setting sorgen, um aufzuzeigen, was aktuell zur Bedarfsdeckung ansteht. Der endgültige Impuls, die Überzeugung zur Geldausgabe, kann regelmäßig nur am POS erfolgen, also im Einzugsgebiet des Händlers. Händler hingegen wollen die Auslösung der Kaufbereitschaft am POS, also Aktivitäten, die spontane Begierde (Bedürfnis) und bei nötiger Voraussetzung (Kaufkraft) auch sofortigen Vollzug bewirken. Nicht umsonst argumentiert Händlerwerbung mit Sonderangeboten/-verkäufen, also sachlich und zeitlich begrenzten Okkassionen, die unmittelbar aktional wirken. Dementsprechend arbeiten Hersteller- und Händlerwerbung notwendigerweise auf zwei verschiedenen Ebenen. Vermeidbar aber wäre, dass sie sich nicht einmal ergänzen, sondern gegeneinander wirken.

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Für Hersteller ist der einheitliche Auftritt ihrer Kommunikation in höchstem Maße bedeutsam, um zur objektiven Beschaffenheit des Angebots kongruente Markenkompetenz mit angemessenem kommunikativen Umfeld auf- bzw. auszubauen. Stetig in der Penetration, aber beständig im Wandel der Anpassung an wechselnde Umfeldbedingungen. Diese Bemühungen werden auf der Handelsstufe oft durch fallweise und zufällig anmutende Bestrebungen zur Outletprofilierung konterkariert, wobei die geführten Artikel nicht als Markenpersönlichkeiten in sich gepflegt (Objekt­charakter), sondern als Mittel zum Zweck individueller Profilierung benutzt werden (Instrumentalcharakter), das der Durchsetzung des Ladenkonzepts dient. Händlern ist darüber hinaus an variabler Herausstellung komplementärer Angebote gelegen (z. B. Setgedanke in der Textilbranche). Dadurch wird spontane Absatzausweitung wahrscheinlich. Ein Hersteller ist zunächst und vor allem an eigenständiger Präsentation interessiert. Er kann diesem Gedanken also allenfalls folgen, wenn alle dazu angebotenen Waren aus seinem Haus stammen. Regelmäßig ist dies aber nicht der Fall, und der Verbundgedanke wird abhängig von individuellen Sortimentsstrukturen, zeitlichen und geschmacklichen Zufälligkeiten. Bei konglomeralen Konzernen werden dadurch oft indirekte Konkurrenten verschiedener Märkte tangiert und gemeinsam gefördert. Hersteller erwarten häufige Dekorationswechsel, um die Präsentation ihres Angebots immer wieder aktuell erscheinen zu lassen sowie den Einsatz wirksamer Präsentationshilfen im Eigeninteresse des Handels zur Förderung des gemeinsamen Absatzes. Händler suchen demgegenüber ökonomische Dekorationszyklen mit Änderungen, z. B. nur zu Saisons oder Sonderanlässen. Denn Deko-Arbeiten sind zeitaufwändig und personalintensiv. Zudem behindern sie oft den Verkauf während des Umbaus und sind wegen ihres Umstands bei Mitarbeitenden ungeliebt, sofern nicht Deko-Fachleute / externer Deko-Dienst eigens dafür zur Verfügung stehen. Die Aktualität des Handelssortiments wird im übrigen allein schon dadurch gewahrt, dass über alle Warengruppen hinweg ohnehin Veränderungen genug stattfinden, das Geschäftslokal sich somit immer abwechslungsreich und interessant präsentieren kann. In Bezug auf Präsentationshilfen werden vom Handel kostenminimale Lösungen angestrebt. Dies führt evtl. zum Einsatz technisch unzulänglicher und geschmacklich umstrittener Werbemittel vor Ort. So dass Hersteller zur Gewährleistung adäquaten Präsentationsumfelds eigene Werbemittel anliefern und im Zweifel auch aufbauen lassen. Nur damit kann eine wirksame Verlängerung der klassischen Kampagne an den Handelsplatz gewährleistet werden. Hersteller erwarten vom Handel Initiativen zur Forcierung des Absatzes. Dazu gehören angemessene Präsentationsflächen evtl. mit Berücksichtigung im Schaufenster oder durch Zweitplatzierung im Geschäftslokal sowie Publizierung des An-

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

gebots in zumutbarem Rahmen innerhalb der Eigenwerbung des Händlers. Zumal sachliche wie monetäre Hilfen dazu bereitgestellt werden. Händler wollen jedoch deckungsbeitragsoptimale Präsentationsflächen einrichten. Für die Ausstellung im Schaufenster erwarten sie entsprechende Incentives in Form von Sonderkonditionen oder Beihilfen. Von solchen Incentives wird im Allgemeinen auch die Zurverfügungstellung von Zweitplätzen abhängig gemacht. Schließlich werden eigens erstellte Werbemittel vom Handel als Kostenfaktor angesehen, zu dessen Rechtfertigung die Bereitstellung technischer Vorlagen nicht ausreicht. Vielmehr wird eine Beteiligung der Hersteller an Produktions- und Streukosten gefordert und von diesen auch (widerwillig) gewährt. Gelegentlich fordern aber auch Hersteller für zentrale Werbemaßnahmen im Namen der Absatzmittler von diesen eine Kostenbeteiligung für Entwicklung / Durchführung von Koop-Maßnahmen. Schließlich betrachten Händler bei Verkaufsförderung nur die an Endverbraucher gerichteten Maßnahmen als förderlich. Denn nur diese können ihnen helfen, für sich mehr Geschäft zu schaffen. Die hohen Investitionen der Hersteller in die Absatzmittler-Unterstützung, deren Vorleistungen an Information, Motivation und verdeckten Nebenleistungen bleiben außer Ansatz. Obgleich sie einen Kostenfaktor darstellen, der bei der Rentabilitätsrechnung erheblich ins Gewicht fällt.

4.2.4 Verfügbarkeitsparameter Hersteller sind an möglichst hohen Bestellmengen interessiert. Das hat verschiedene Gründe. Es schafft logistische Vereinfachung bei der Auftragsbearbeitung und -ausführung, es entsteht Druck in der Pipeline des Handels zum Abverkauf, und diese Pipeline wird gleichzeitig für Konkurrenten gesperrt, wodurch sich der eigene Umsatz maximiert. Händlern ist demgegenüber an gestaffelten Bestellmengen gelegen, weil somit reagibel zum Markterfolg disponiert und die Finanzmittelbindung reduziert werden kann. Hohe Nachfragekonzentration auf der Absatzmittlerstufe führt heute realiter zur Durchsetzung rabattspreizender Konditionen auch für gestaffelte Lieferung und Zahlung. Hersteller sind regelmäßig an hoher Distributionsdichte bis hin zur Ubiquität ihres Angebots interessiert. Denn damit erhöhen sie über mehr Kontaktstrecke/punkte zum Abnehmer ihre individuellen Absatzchancen. Händler wünschen dagegen eher selektive oder exklusive Distribution. Selektiv bedeutet, dass nur eine bestimmte Anzahl von Händlern lokal ein Angebot führen darf, meist in Abhängigkeit von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen wie Beratungsservice, Warengruppenumsatz etc. Exklusiv bedeutet, dass regional sogar nur ein Händler distribuiert ist. Dies schafft auf der Handelsstufe Wettbe-

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werbsschutz durch Errichtung von Marktzutrittsschranken, Nachfragekonzentration durch Ausschöpfung des Kundenpotenzials und eine engere Beziehung zum Hersteller durch Abrede von Unterstützungsmaßnahmen. Gelegentlich werden solche Distributionsbeschränkungen auch von Herstellern initiiert, etwa wenn es darum geht, die Besonderheit eines Angebots durch die Art / Auswahl der belieferten Outlets zu unterstreichen. Hersteller wollen die bestmögliche Platzierung innerhalb des Handelsbetriebs für ihr Angebot erreichen, z. B. rechts, in Augenhöhe, in der Kassenzone. Davon ist in erheblichem Maße der Absatzerfolg abhängig. Deshalb gehen Hersteller dazu über, durch Merchandising Platzierung und Präsentationsumfeld ihrer Ware zu optimieren. Händler streben andererseits eine optimale innerbetriebliche Platzierung der Waren im Rahmen des Gesamtdeckungsbeitrags und des beobachteten Kundenstroms an, also gleichmäßige Präsentation aller Artikel innerhalb einer Warengattung bzw. deren Anordnung entsprechend der Aufteilung der Verkaufsfläche und internen Akquisitionserfordernissen. Die Herausstellung einzelner Angebote scheint ihnen dabei im Rahmen von Aktionen (Sonderangebot, Zweitplatzierung) gerechtfertigt. Zudem müssen Händler bei der Präsentation notwendigerweise auf lokale Konkurrenzerfordernisse, Einkaufsgewohnheiten der Stammkundschaft etc. Rücksicht nehmen. Hersteller wünschen die vollständige und permanente Bevorratung ihres Programms am Handelsplatz (Fullline Orders), um ihren Absatz je Warengruppe zu maximieren. Dies entspricht dem Wirtschaftlichkeitsprinzip der Unternehmensführung. Händler sind demgegenüber auf Bevorratung mit sachlich und zeitlich ausgewählten Produkten eines Herstellerprogramms eingestimmt. Sie suchen sich als „Rosinenpicker“ jeweils die bestvorverkauftesten, bewährtesten, spannenstärksten Angebote eines Lieferanten aus und vernachlässigen die übrigen Varianten teilweise oder völlig. Erfolgt diese Strategie über alle Herstellerprogramme hinweg, so ergibt sich daraus ein omnipotentes Händlersortiment bester Angebote ohne Substitutionseffekte. Zugleich widerspricht dies jedoch dem Herstellerziel, Allein- oder zumindest Primärlieferant eines Händlers zu sein, was schon deshalb nicht in dessen Interesse liegen kann, weil damit eine einseitige Abhängigkeit aufgebaut wird. Herstellern insbesondere erklärungsbedürftiger Produkte ist an umfangreichem Beratungsservice am POS gelegen, da nur dadurch spezifische prima facie kaum auszumachende Leistungsvorteile ihrer Produkte marktwirksam werden. Dies sollte zwar ohnehin gegeben sein, muss doch jedem Händler an bestmöglicher Betreuung seiner Klientel gelegen sein. Die Realität schafft allerdings wie so oft andere Prioritäten. Händler wollen vor allem einen flexiblen Personaleinsatz gemäß ihrer innerbetrieblichen Erfordernisse erhalten. Dem steht jede übermäßige Spezialisierung

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

als Hindernis im Wege. Insofern wird eher ein angemessen, aber nicht übertrieben hohes Beratungsniveau angestrebt. Oft ist aus Kapazitätsgründen eine entsprechende Spezialisierung auch gar nicht darstellbar. In jedem Fall aber müssen solche Kenntnisse und Fertigkeiten erst einmal vermittelt werden bzw. fordern stetiges Updating. Der Handel zögert oft bei derartigen Investitionen wegen Arbeitszeitausfall und Fluktuation. Zumal Hersteller bereitwillig Schulungs- und Trainings­ programme anbieten, sei es, um unter dem Vorwand objektiv anmutender Information die eigenen Produkte besser zu argumentieren, aus Motivationsgründen (über die Wahl des Veranstaltungsortes und Rahmenprogramms) oder aus akquisitorischer Notwendigkeit (z. B. bei Franchising). Auch hierbei erfolgt eine Rückverlagerung von Handelsfunktionen in die Herstellersphäre.

4.3 Absatzkanalpräsenz Per Saldo erweist es sich nach wie vor als Problem, wenn die organischen Funktionen Beschaffung / Produktion einerseits und Absatz andererseits von verschiedenen Institutionen (Hersteller / Handel) übernommen werden. Eine konfliktfreie Integration ist nur durch Direktabsatz, also die Zusammenführung von Beschaffung / Produktion und Absatz in einer Institution möglich.

Abbildung 132: Optionen der Absatzkanalpräsenz

Bei antinomischen Relationen stellt sich hingegen die Frage, wie man als Hersteller / Importeur der Absatzmittlerstufe erfolgversprechend gegenübertritt. Denkbar sind die angestrebte Dominanz des Herstellers gegenüber dem Händler oder die angestrebte Dominanz des Händlers gegenüber dem Hersteller. Beantwortet man deren Durchsetzung jeweils kategorial mit „Ja“ oder „Nein“, so ergeben sich daraus vier Kombinationen möglicher Strategien (siehe Abbildung 132: Optionen der Absatzkanalpräsenz): • Eine Dominanz des Herstellers bei Subordination des Händlers als Umgehungsstrategie erfolgt durch Nutzung neuer Absatzwege mit besserer Kontrollmöglichkeit seitens des Herstellers (Emanzipationsstrategie). Hierbei ist vor allem an direkten Vertrieb unter Ausschaltung der Absatzmittler zu denken. Damit

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sind jedoch regelmäßig erhebliche investive Aufwendungen verbunden, die, vor allem in der Aufbauphase, die meisten Anbieter überfordern. Dennoch gibt es zahlreiche erfolgreiche Beispiele, so etwa Flötotto. Dieser Möbelhersteller preist seine Ware über Katalog, der mittlerweile auch im Pressehandel erhältlich ist, und Internet an und kommt so dem Bedürfnis entgegen, in Ruhe zuhause die Einrichtungsgegenstände der eigenen Wahl auszusuchen und über (telekommunikative) Rückantwort zu bestellen. • Dominanz des Herstellers bei Dominanz des Händlers als Konfliktstrategie zielt auf die Durchsetzung der eigenen Interessen (Pragmatismus-Strategie) ab. Wird auf die Gestaltung der Absatzwege aktiv Einfluss genommen und werden Handelsreaktionen darauf außer Acht gelassen, um die Herstellerinteressen durchzusetzen, resultiert daraus der Konflikt. Diese Strategie bietet sich nur bei geringer Austauschbarkeit des Angebots an. Ansonsten wird der Handel auf kooperativere Lieferanten ausweichen. Diese Situation war lange Jahre kennzeichnend für die Beziehungen im Absatzkanal. Nur Pflichtartikel des Handels, die wegen ihrer geringen Austauschbarkeit und hohen Verbraucherbekanntheit aus Abnehmersicht im Handelssortiment praktisch unverzichtbar sind, können sich eine solche Strategie erlauben. Ob sie sinnvoll ist, muss selbst dann bezweifelt werden. Vielmehr kann es herstellerseitig sinnvoller sein, Interessenidentitätsfelder mit dem Handel zu suchen, da dieser das unüberwindliche Nadelöhr zum Endabnehmer bildet. • Eine Dominanz des Händlers bei Subordination des Herstellers ergibt sich aus der Abgabe der Kanalführerschaft an den Handel (Anpassungsstrategie). In Anbetracht der hohen Machtkonzentration auf der Handelsstufe und fehlenden eigenen Zugriffs auf Endabnehmer ist dies eine sehr risikoreiche Strategie. Der Produzent begibt sich dabei in eine Abhängigkeit. Möglich wird dies nur, wenn ein Angebot kein ausreichendes Profil im Publikum hat, das Nachfrageattraktivität ausübt. Dann wiederum fehlt es an ausgeprägter Markenpolitik und vor allem Publikumswerbung. Die Finanzmittel dazu sind bei konditionendrückender Abnahmepolitik des Handels auch nur schwerlich zu erwirtschaften. Aus dieser Unterordnungsstrategie entwickelt sich ein gefährlicher Circulus vitiosus. • Subordination des Herstellers und Subordination des Händlers entsteht durch Interessenintegration (Kooperationsstrategie). Dieser Weg wird verstärkt eingeschlagen, da die Auseinandersetzungen im Absatzkanal dysfunktionale Züge tragen und keinen der Beteiligten befriedigen. Wesentliches Mittel dazu ist die Direkte Produkt-Profitabilität (DPP). Sie ist eine relative Deckungsbeitragsrechnung des Handels und ermöglicht ihm, Platzierungen gewinnorientiert zu steuern. Kriterium ist der Rohertrag je Flächennutzungseinheit. Dieser ist etwa hoch bei Damenbekleidung, Kosmetika, Schmuck etc. Nimmt man noch die Dreh­geschwindigkeit hinzu, kann man den Warendurchsatz je Zeiteinheit maximieren. So bietet Mars z. B. dem Handel im Rahmen des Shelf Managements eine zentrale, objektiv nachvollziehbare Auswertung der gesamten, auch konkurrierenden Schokoriegel-Daten an, um daraus eine optimierte Regalflächenstruktur nach Marken, Größen, Sorten etc. zu ermitteln.

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Seit geraumer Zeit wird allerdings angestrebt, vermehrt Felder gemeinsamer Interessen / Synergien zu identifizieren und zu bearbeiten, z. B. durch Einbringung herstellerspezifischen Know-hows, Ablösung der Konditionendebatten durch integrierte Vermarktungskonzepte, Aufbau einer gemeinsamen Datenbasis und Ergebnissteuerung im Rahmen von Artikelnumerierung mit Scanning.

5. Kooperation im Absatzkanal Der beiderseitige Wunsch nach besserer Koordination innerhalb des Absatz­ kanals hat in den letzten Jahren zu ausgeprägten Formen der Kooperation geführt. Dabei lassen sich verschiedene Intensitäten unterscheiden. Die schwächste Form der Kooperation erfolgt über eine informelle Verhaltensabstimmung zwischen Hersteller- und Handelsstufe (5.2). Häufig anzutreffen ist aber auch die Vermietung von Geschäftsfläche des Handels an Hersteller, wobei eine partielle Ablösung von Handelsspanne durch Raummiete vonstatten geht (5.3). Verbreitet ist auch ein Tausch von Geschäften in eigenem Namen und auf eigene Rechnung gegen solche in fremdem Namen und / oder auf fremde Rechnung als Absatzhelfer (Vermittler) (5.4). Weiterhin sind selektive oder exklusive Vertriebsvereinbarungen zwischen Hersteller und ausgewählten Händlern im Zuge einer beidseitigen Bindung üblich, etwa als Depots, Lizenzierung, Franchising oder Vertragshändler (5.5). Darüber hinaus sind Sonderformen auf den Handelsstufen vorhanden (5.6).

5.1 Darstellung Kooperation bedeutet allgemein die freiwillige und begrenzte Zusammenarbeit selbstständig bleibender Partner und ist horizontal, vertikal oder diagonal auslegbar. Diagonale Kooperation betrifft die branchen- und stufenverschiedene Zusammenarbeit, die einerseits zur Risikoreduktion und andererseits zur Diversifikation dient. Diese kommt hier allerdings nicht in Betracht. Die horizontale, also stufengleiche Kooperation kann konkurrenzsuchend erfolgen, d. h. agglomerativ im Sinne räumlicher Konzentration der Einkaufsstätte, dabei wiederum branchengleich, also mit wachsender Sortimentstiefe, d. h. zunehmender Zahl von Varianten des gleichen Angebots, z. B. als Ladenpassage für hochwertige Gebrauchsgüter, die räumlich konzentriert angeboten werden, oder branchenverschieden, also mit wachsender Sortimentsbreite, d. h. zunehmender Zahl verschiedener Angebote, z. B. als Gemeinschaftswarenhaus für unterschiedliche Waren. Außerdem konkurrenzmeidend (evitativ), z. B. als SB-Warenhaus auf der „grünen Wiese“. Die Konkurrenzsuche im Wege der Agglomeration mag zunächst überraschend erscheinen. Ihr liegt jedoch die aus Erfahrung entstandene Tatsache zugrunde, dass von einem räumlich konzentrierten Angebot eine Magnetwirkung ausgeht. Diese

5. Kooperation im Absatzkanal

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beruht nachfrageseitig auf mehreren Effekten, so der Bequemlichkeit der Bedarfsdeckung an einem Ort, der höheren Markttransparenz durch Vergleichsmöglichkeit und der Vermutung höherer Wettbewerbsintensität und besserer Konditionen infolge der räumlichen Interaktion. Diese Konkurrenzsuche kann geplant sein, wie im Beispiel der Ladenpassage, die vor allem in innerstädtischen Zentrallagen und Stadtteilzentren anzutreffen ist, oder des Wochenmarkts vornehmlich für landwirtschaftliche Produkte. Aber sie kann auch ungeplant entstehen, indem sich im Dunstkreis eines attraktiven Standorts nach und nach weitere Geschäftslokale durch Zentrifugalkraft ansiedeln. Ersteres ist überwiegend bei branchengleicher Agglomeration der Fall, letzteres überwiegend bei branchenverschiedener. Ausnahmen davon bestätigen die Regel. So vergeben Einkaufszentren gezielt Konzessionen an leistungsergänzende Betriebe, vornehmlich aus dem Dienst­leistungshandwerk, um die Attraktivität ihres Standorts zu erhöhen, an der die Konzessionäre ihrerseits partizipieren. Oder Autohäuser siedeln sich, ohne dass dies abgestimmt wäre, parallel in einem Industriegebiet oder entlang einer Ausfallstraße an, weil dort die benötigten großen, erschlossenen Flächen vergleichsweise kostengünstig verfügbar sind. Selbst Discounter suchen bewusst ihren Standort in räumlicher Nähe bereits etablierter LEH-Filialisten, um dort ein alternatives Angebot zu platzieren. Funktional, d. h. ohne räumliche Konzentration, kann eine Kooperation als Verkaufsvereinigung oder Konsumgenossenschaft betrieben werden. Dabei schließen sich, auf privater oder gemeinwirtschaftlicher Basis, Einzelhändler zusammen, um gemeinsam eine Verbesserung der betriebsindividuellen Leistungsfähigkeit durch Erfahrungskurvenvorteile zu realisieren. Die genossenschaftlichen Systeme sind, außer in der Agrarwirtschaft, wo jedoch durch die EU-Bewirtschaftung Wett­ bewerbsverzerrungen vorliegen, in praxi weniger erfolgreich. Die vertikale, also stufenverschiedene und branchengleiche, Kooperation kann vertragsfrei oder vertragsgebunden erfolgen. Letztere Form nennt man auch Kontraktmarketing (Controlled & Regulated Distribution) und kann je nach Aus­ prägung ein- oder mehrstufig, lückenlos oder -haft, ein- oder gegenseitig, ver- oder gebietend, schwach oder stark etc. sein. Kontraktmarketing ist die stufenübergreifende, vertikale Kooperation rechtlich selbstständig bleibender Hersteller und / oder Absatzmittler im Absatzkanal unter Einschränkung deren wirtschaftlicher Selbstständigkeit zur Effizienzsteigerung bei Absatz, Organisation und Beschaffung. Horizontale Kooperationen betreffen hingegen die Zusammenarbeit auf der Groß- oder der Einzelhandelsstufe. Dafür ergeben sich verschiedene Integrationsformen, vor allem Abstimmung mit der Handelsstufe, Raumvermietungsgeschäfte des Handels, Warenvermittlungsgeschäfte des Handels, Warenverkaufsgeschäfte des Handels (siehe Abbildung 133: Vertikale Kooperationsformen im Absatzkanal). Kooperationen zwischen Hersteller- und Handelsstufe unterliegen immer wettbewerbsrechtlichen Bedenken, gerade wenn dabei marktmächtige Akteure betei­

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Abbildung 133: Vertikale Kooperationsformen im Absatzkanal

ligt sind. Daher ist zuvörderst auf eine sensible rechtliche Ausgestaltung im Detail zu achten.

5.2 Abstimmung mit der Einzelhandelsstufe Für eine Abstimmung der Hersteller- mit der Handelsstufe sind vor allem zwei Ausformungen vorzufinden, Rahmenvereinbarung und Herstellergestützter Mittelstandskreis. Die Rahmenvereinbarung stellt eine Absichtserklärung im Zuge des planvereinbarten Marketing dar, in der zwischen Hersteller und Handel die Eckpunkte des Geschäftsinhalts in Bezug auf Zielumsatz, Bestellsortiment, Aktionsrunden, Stammplatzierung, Leistungsvergütung etc. für das nächste Kalenderjahr definiert werden. Dies erleichtert beiden Seiten die Maßnahmenplanung. De facto ist dies angesichts der allgemeinen Machtkonzentration primär auf Handels- aber auch auf Herstellerseite ein sensibles Unterfangen. Deshalb bereiten Experten auf beiden Seiten, Key Account- bzw. Trade-Manager sowie Zentraleinkäufer, diese wichtigen

5. Kooperation im Absatzkanal

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Verhandlungen minutiös vor. Meist sitzen sich dabei nicht Einzelpersonen, sondern Gremien gegenüber (Buying Center und Selling Center). Die Rollen der Beteiligten in diesen Gruppen sind arbeitsteilig geregelt. Rahmenvereinbarungen werden für gewöhnlich nur mit A-Kunden getroffen. Dies sind die relativ wenigen Kunden, die absolut große Teile des Umsatzes bestreiten. Infolge dieser Konzentration haben die dort mit Absatzmittlern ausgehandelten Konditionen hohen Einfluss auf die Gewinnsituation des Herstellers im Geschäftsjahr. Zumal diese Konditionen quasi in den Besitzstand des Handels übergehen und im folgenden Geschäftsjahr nicht mehr Ergebnis, sondern Ausgangspunkt von Verhandlungen sind. Der Herstellergestützte Mittelstandskreis ist ein Zusammenschluss klein- und mittelständischer Händler zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Großbetriebstypen der Branche. Zu diesem Zweck dürfen deren Teilnehmer als Ausnahmeregelung zum allgemeinen Kartellverbot gemeinsame Verabre­ dungen treffen, die Marktwirksamkeit haben. Außerdem ist es erlaubt, dass sich Hersteller in diesen Mittelstandskreisen engagieren, sofern sie keinen Druck auf die Teilnehmer zur Einhaltung bestimmter Verhaltensweisen ausüben. Auf diese Weise ist es wiederum legal möglich, näherungsweise ein abgestimmtes Verhalten zu erreichen. In Mittelstandskreisen dürfen sich unter dem Schutz des GWB also kleine und mittlere Unternehmen zusammenschließen. Was als klein und was als mittel gilt, ist im Gesetz allerdings nicht definiert. Aber im Handelsbereich fallen Fachhändler regelmäßig darunter, weil auf die Marktstellung im Vergleich zu den Großbetriebsformen abgehoben wird. Mittelstandskreise dürfen ihren Mitgliedern gegenüber Empfehlungen aussprechen, auch in Bezug auf Preise, die durch Mitgliederrundschreiben intern bekanntzugeben und ausdrücklich als unverbindlich zu bezeichnen sind. Um sie durchzusetzen, darf keinerlei Druck ausgeübt werden, wie z. B. Liefersperre, Ausschluss. In Werbemitteln brauchen derart vereinbarte Preise jedoch nicht als unverbindlich gekennzeichnet zu werden. Alle ausgesprochenen Empfehlungen müssen die Leistungsfähigkeit der Beteiligten gegenüber den Branchenriesen fördern. Führen Empfehlungen zu höheren Auspreisungen, sollten damit gleichzeitig relevante nachvollziehbare Leistungssteigerungen verbunden sein, wie bedarfsgerechtere Sortimentsgestaltung, besserer Beratungsservice etc. Der Marktanteil preisempfohlener Produkte sollte 15 % nicht überschreiten, da sonst Einspruch von Seiten des Kartellamts droht. Mittelstandsempfehlungen brauchen nicht angemeldet zu werden. Es empfiehlt sich jedoch, vorzufühlen, ob Einwände bestehen. Dies gilt besonders, wenn es sich um eine herstellergestützte Mittelstandsempfehlung handelt. Als Grundlage dienen Vertriebsbindungsverträge, in denen der Hersteller z. B. anbietet, dass bestimmte Produktlinien nur an Mitglieder des Mittelstandskreises vertrieben werden. Diese erhalten dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber oft branchenfremden, aggressiven Betriebsformen, die über diese Produktlinien nicht verfügen, wodurch die Vergleichbarkeit gemindert wird. Die Mitgliedschaft im Mittelstandskreis kann

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mit Beiträgen verbunden sein, die für spezifische Werbung und Verkaufsför­derung eingesetzt werden. Als Rechtsform kommt eine GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) in Betracht, die interne Organisation erfolgt durch Selbstverwaltung. Hersteller dürfen zwar nicht Mitglieder sein, wohl aber Kooperationspartner. Die Initiative muss allerdings von den Händlern ausgehen. Hersteller dürfen Ideen liefern und Hilfestellung leisten, z. B. Beratung bei der Ladengestaltung, Vorschlag von Aktionspaketen. Als Ansprechpartner kann ein Händlerbeirat fungieren. Mittelstandskreise werden vom Kartellamt beobachtet und bei Missbrauch beanstandet. Die angeführte Gestaltung ist jedoch nicht missbräuchlich, sofern der Hersteller lediglich anregt, die Einigung aber im Übrigen auf Händlerebene zustande kommt. Dies kann wiederum durch Maßnahmen des Herstellers unterstützt werden.

5.3 Raumvermietungsgeschäfte des Einzelhandels Dafür ergeben sich im Wesentlichen zwei Ausformungen, Untervermietung und Konzessionierung. Die Untervermietung unterteilt sich wiederum in Shop in the Shop-System, Store in the Store-System und Rack Jobber-System. Das Shop in the Shop-System basiert auf der Untervermietung von Geschäftsfläche des Handels an Hersteller, wobei diesen ein bestimmter Platz im Laden zugewiesen wird, der auch der eigenständigen Präsentation dient. Der vermietende Handel sieht darin die Chance zur Auflockerung seines Shop Outfit und zur Anreicherung des Sortiments um prominente Marken. Der Hersteller sichert sich knappen „Regalplatz“ und wahrt sein Corporate Design. Dafür übernimmt er neben der Mietzahlung weitergehende Merchandising-Leistungen. Zum Beispiel arbeitet Esprit nach diesem System. Als hoch attraktive Marke für Young Fashion stellt Esprit einen Magneten für jede Warenhausfachabteilung dar. Von daher bieten fast alle Waren- und Kaufhäuser solche Shop in the Shop-Lösungen an. Der Esprit-Shop ist z. B. durch Raumteiler erkennbar von der übrigen Verkaufsfläche abgetrennt. Die Warenträger sind speziell gestaltet, es bedient eigenes Personal, Beleuchtung und Musik sind anders als im übrigen Laden. Dadurch wahrt Esprit seine eigene Identität und wird durch das Restsortiment nicht tangiert. Andere Beispiele sind Marc O’Polo und Tommy Hilfinger. Das Store in the Store-System ist eine weitergehende Form der Untervermietung. Hier wird eine komplette Abteilung des Hauses bzw. ein Laden im Gemeinschaftswarenhaus einem Dritten (Hersteller oder Handel) zur Bewirtschaftung überlassen. Dieser führt die ihm überlassene Fläche wie ein eigenständiges Geschäft, trägt alle Kosten, behält Gewinne ein und leistet dafür eine Pachtzahlung. Der Mieter erhält dafür Zugang zu I a-Lagen. Oft handelt es sich um Lebensmittelabteilungen

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in Warenhäusern (Kaufhof / Rewe), die für diese als Frequenzbringer unerlässlich sind, jedoch in der Führung spezielles Know-how und Größendegression erfordern. Gerade diese sind jedoch infolge der hohen Mietumlagen und der adäquat aufwändigen Präsentation erfahrungsgemäß selten rentabel zu führen. Beim Rack Jobber-System handelt es sich um eine geringere Form der Untervermietung, nämlich nur von Regalen. Der Rack Jobber ist Großhändler oder Hersteller, der im Handel Regalfläche fest anmietet und diese auch selbst bewirtschaftet. Der Rack Jobber übernimmt das Design und den konkreten Aufbau des Regals, präsentiert dort seine Ware selbst und füllt ggf. Prospektmaterial auf und nimmt die Preisauszeichnung vor. Auch übernimmt er die Bestellung und die Verräumung der Ware sowie die Pflege des Regals, insb. in Bezug auf inaktuelle Ware (Aufrufretouren), Rückruf (Defektretouren) oder MHD-Erreichung, aber auch Regalumbau/-umrüstung. Die Erlöse werden getrennt abgerechnet. Damit macht man sich die Agglomerationswirkung von Händler-Outlets zunutze, und diese gewinnen interessante Angebote hinzu. Das Merchandising vor Ort wird wegen der Rüstzeiten oft für verschiedene Auftraggeber parallel übernommen. Als Beispiel dient das Wenco-Regal mit kleinen Haushaltshelfern im Lebensmittelhandel. Es handelt sich um Haarmoden, Haushalts-, Kurz-, Schreib- und Spielwaren. Die Zielgruppe Hausfrauen/-männer findet dort ein Ergänzungsangebot. Auftraggeber sind Lego, Victorinox, Faber Castell, Henkel etc. Das Konzessionssystem bedeutet die Standortlizenz im Pachtregime. Sie betrifft Händler, die im Rahmen eines Untervermietungssystems in Ladenpassagen, Einkaufszentren, Warenhäusern etc. sortimentsergänzende Angebote machen und dafür am Handelsplatz Verkaufsfläche eingeräumt erhalten. Sie rechnen erhaltene Zahlungen getrennt ab. Konzessionäre sind dabei an mehr oder minder strenge Generalklauseln gebunden. Wie bei Flächenpartnerschaften üblich, zahlen sie dafür eine Raummiete, profitieren aber von einer Kontaktfrequenz vor Ort, die sie allein nicht imstande wären, darzustellen. Der Handel tauscht damit Einnahmen aus Miete gegen Spanne. Als Beispiel diente ehedem Candy & Company, die in den Eingangs- und Ausgangszonen von Warenhäusern Konfekt in aufwändiger Verpackung zu hohen Preisen in spezieller Dekoration anboten. Oder der Krawattenshop, der in Ladenpassagen Seidenschlipse zum Einheitspreis verkauft. Oder Bäcker, Schuster, Schlüsseldienste, Reinigungen, Lotto / Toto-Annahmestellen etc., die in Einkaufszentren Convenience-Angebote machen und deren Agglomerationswirkung ausnutzen. Insofern kann von einer Symbiose ausgegangen werden.

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5.4 Warenvermittlungsgeschäfte des Einzelhandels 5.4.1 Agenturvertrieb Hier wirken die Händler als Handelsvertreter für Hersteller und vertreiben Waren für deren Rechnung und in deren Namen (s. u.). Der Betrieb eines Handelsvertretungsgeschäfts heißt Agentur. Damit verbunden sind ein einheitliches Präsentationskonzept und Gebietsschutz. Diese Form stellt eine elegante Möglichkeit zur legalen Umgehung des Verbots der Preisbindung der zweiten Hand dar. Da die Handelsstufe nur als Absatzhelfer wirkt, ist diese weisungsgebunden hinsichtlich aller Auftragsparameter. Die Vorteile für den Hersteller liegen in folgendem: • Es besteht die Chance zur Gewinnung kleinerer und mittlerer Einzelhändler und damit einer hohen Distributionsdichte, da Finanzierungs- und Umsatzrisiken ihnen abgenommen werden. • Es ergeben sich Kommunikationsvorteile wie bei einer eigenen Verkaufsorganisation, d. h. einheitliches Erscheinungsbild, zeitgleiche Produkteinführungen und kohärente Werbestrategien. • Die Einführung von festen Preisangaben ist möglich, um einem Preisverfall Einhalt zu gebieten, wie er durch starken Importdruck entstehen kann. • Eine bevorzugte Beratung und Empfehlung der Agenturware seitens des Handels gegenüber Endabnehmern ist wahrscheinlich und erhöht damit die Verkaufs­ chancen. • Es besteht die Möglichkeit zur Feinsteuerung des Angebots über (gegeneinander) differenzierte bzw. (im Zeitablauf) variierte Provisionssätze. Nachteile des Herstellers ergeben sich aus Folgendem: • Die Finanzierungs- und Umsatzrisiken liegen beim Hersteller, denn dieser bleibt Eigentümer der Ware, der Händler bezahlt die Produkte erst nach dem Verkauf. • Es besteht ein Rückgaberecht der Absatzhelfer für nicht verkaufte Produkte. Dies macht eine Kontrolle der Preise und Absatzmengen erforderlich, da der Hersteller die Sortimentsausstattung des Händlers übernimmt. • Es besteht die Gefahr der Preisunterbietung bei Händlern durch Weitergabe von Provisionen über den Preis. Dieses Verhalten führt aber zum sofortigen Systemausschluss wegen Vertragsverstoßes. • Die Festlegung des optimalen Wettbewerbspreises einheitlich für alle Händler bewirkt möglicherweise Umsatzverluste, wenn dieser einheitliche Preis durch Konkurrenzprodukte unterboten wird. • Durch die starke Bindung der Absatzhelfer wird ein möglicher Verlust von preisaggressiven, aktiven Händlern in Kauf genommen.

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Allgemeine Vor- und Nachteile für Absatzhelfer liegen in Folgendem. Zunächst zu den Vorteilen: • Ausschluss des Preiswettbewerbs in Bezug auf die Agenturware, da alle distribuierten Outlets an den gleichen Preis gebunden sind. • Gesicherte Spannen durch feste Provision für jedes vermittelte und abgeschlossene Geschäft führen bei unveränderten Kosten zu einer Verbesserung der Rentabilität. • Strikt begrenzte Anzahl konkurrierender Absatzhelfer im Einzugsgebiet durch streng exklusiven Vertrieb mit weitgehend gesichertem Gebietsschutz. • Enge Anbindung an Hersteller mit umfangreicher akquisitorischer Unterstützung. Wesentliche Nachteile der Absatzhelfer lauten: • Der Ausfall des wichtigsten Wettbewerbsparameters Preis für die Agenturware führt zu weitgehender Vergleichbarkeit der Absatzstellen im Agentursystem. • Einschränkungen in der Präsentation des übrigen Sortiments durch Bevorzugung der Agenturware sind unvermeidlich und schwächen den Umsatz der NichtAgenturwaren. • Es besteht eine hohe wirtschaftliche Abhängigkeit von einer dauerhaft erfolgreichen Geschäftspolitik des Herstellers der Agenturware. Beispiele im Markt finden sich bei den Mineralölkonzernen (Tankstellen). Diese vergeben Standorte, die sie in Eigenregie erstellt haben, an Tankwarte, die für Geschäftsvermittlung und -abschluss Provision erhalten. Angesichts kontinuierlich steigender Mineralölpreise stellt sich dabei als Nachteil für die Pächter heraus, dass diese Provision mengen- und nicht wertabhängig ist, sie von Preissteigerungen also nicht profitieren, sondern infolge sinkenden Absatzes sogar Einnahmeeinbußen erleiden. Im Übrigen dient Kraftstoff zunehmend nur noch als Frequenzbringer für Umsätze im Impulssortiment, das allein ordentliche Spannen erbringt. Je nach Auslegung ist dies jedoch nicht Bestandteil des Agenturgeschäfts. 5.4.2 Kommissionsvertrieb Beim Kommissionsvertriebssystem erfolgt der Absatz vom Händler als Kommissionär des Herstellers, also zwar in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung (s. u.). Der Kommittent bleibt auf diese Weise Eigentümer der Ware und kann weitreichenden Einfluss auf deren Vermarktung nehmen. Die Vorteile des Herstellers liegen vor allem in Folgendem: • Möglichkeit zur Festsetzung einheitlicher Preise sowie entscheidender Einfluss auf die Sortimentspolitik und Warenpräsentation am POS.

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• Eine rasche, flächendeckende und gleichmäßige Einführung neuer Produkte wird durch straffe Organisation und Aktionsbindung der Händler möglich. • Es ergeben sich direkte Informationen über Wirkungen von Marketingaktivitäten und damit gute Entscheidungsgrundlagen für das Produktprogramm. Nachteile des Herstellers ergeben sich aus Folgendem: • Es ist ein großes Finanzierungspotenzial zur Etablierung des Systems notwendig, zumal das Absatzrisiko allein beim Hersteller liegt. • Aktive weil preisaggressive Händler können nicht gewonnen werden, da ihnen ihr Hauptaktionsparameter aus der Hand genommen wird, nämlich die Preissetzung. • Es ist keine taktische Preisanpassung in Abhängigkeit von individuellen Wettbewerbsbedingungen möglich, da die Preisfestsetzung immer für alle Kommissionsbetriebe gleichermaßen gilt. • Es besteht eine wettbewerbsrechtliche Problematik, da die Kartellbehörde nicht zu Unrecht hinter diesem System wettbewerbshemmende Absprachen vermutet. Für die Bewertung aus Absatzhelfersicht ergeben sich folgende Vorteile: • Es besteht kein Absatz- und Finanzierungsrisiko, da die Konsignationsware im Eigentum des Kommittenten verbleibt, vom Handel also nicht vorfinanziert werden muss. • Es ist eine sichere Handelsspanne gegeben, die auf den vereinbarten Konditionen beruht und damit immanente Geschäftsrisiken reduziert. • Einige der akquisitorischen Tätigkeiten werden vom Hersteller übernommen, so dass sich eine Entlastung im Bereich der Handlungskosten ergibt. Nachteile für Absatzhelfer ergeben sich aus Folgendem: • Ein eigenständiges Marketing, insbesondere in Bezug auf die Differenzierung zum Mitbewerb, ist erschwert, weil Vorgaben in Preis, Sortiment, Präsentation etc. gegeben sind. • Verlust der wirtschaftlichen Selbstständigkeit hinsichtlich der Vertragsprodukte behindert die unvoreingenommene Umsetzung der eigenen Vertriebsstrategie. • Es ist eine Abhängigkeit von Erfolg und Wohlwollen des Kommittenten gegeben, da andernfalls eine Beeinträchtigung des Images auch der eigenen Geschäftsstätte droht. Anzutreffen ist das Kommissionssystem z. B. im Nebengeschäft der Bäckereien (Tchibo). Dies ist zu unterscheiden von den ebenfalls vorhandenen, in Eigenregie betriebenen Outlets (Direktabsatz über Filialen und Rack Jobber). Als diese nicht mehr ausreichten, eine genügende Versorgung mit einem Produkt hoher Kauffrequenz wie Kaffee sicherzustellen, wurden Bäckereien als paralleler Ab-

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satzkanal erschlossen, die in Verdrängungswettbewerb durch Fachabteilungen preisaggressiver Betriebsformen des Handels gerieten und Kaffee zur Sortimentsabrundung nutzten, Kundenbindung und Gewinnsteigerung begrüßten, zumal mit der Distribution umfangreiche betriebswirtschaftliche Unterstützung verbunden ist. Zugleich dienen die Bäckereien als Bestellcenter für die regelmäßigen Tchibo-Merchandising-Artikel.

5.5 Warenverkaufsgeschäfte des Einzelhandels 5.5.1 Depotsystem im Eigenhandel Hier beliefert ein Hersteller den Handel selektiv unter der Voraussetzung der Category-Exklusivität und Sortimentsabnahmepflicht, also der Anlage eines Depots. Damit soll gewährleistet sein, dass bestimmte Händler über ein repräsentatives Angebot der Marke verfügen und diese kompetent beraten. Dafür leistet der Hersteller umfangreiche Marketing-Hilfestellung, verlangt aber eine einheitliche Präsentation. Das Personal wird teils vom Hersteller geschult oder bereitgestellt. Dies ist z. B. bei hochwertigen Kosmetika weit verbreitet, bei Markenuhren und bei Designermode. Im Unterschied zu Warenvermittlungsgeschäften wird der Depothändler Eigentümer der Ware und trägt alle damit verbundenen Kosten und Risiken, im Unterschied zu Raumvermietungsgeschäften bietet er auf eigener Fläche an. Dafür ist er frei in seiner Geschäftsführung. Da es sich bei der Depotware jedoch um erheblich vorverkaufte und damit hoch attraktive Produkte handelt, deren Produzent jedoch auf einem exklusiven Vertrieb besteht, ist er bereit, als Gegenleistung für die Aufnahme in die Distribution bestimmte Verpflichtungen einzugehen. Dazu gehört die Führung eines repräsentativen Sortiments, da der Hersteller bei nur begrenzter Distribution darauf angewiesen ist, dass in den wenigen Absatzstellen sein Programm möglichst vollständig vertreten ist. Dazu gehört auch die bevorzugte Beratung der im Depot geführten Waren, indem die Präferenz des Herstellers für den Absatzmittler von diesem an seine Endabnehmer weitergegeben wird. Und schließlich die prominente Präsentation des die Depotwaren betreffenden Sortimentsausschnitts, sowohl im Innenraum / Eingangsbereich als auch im Schaufenster, damit Kunden dieses Angebot zuvörderst gewahr werden. Diese Forderungen lassen sich allerdings nur durchsetzen, wenn eine hohe Markenstärke gegeben ist, also eine Verkäufermarktsituation gegenüber der Handelsstufe. Diese wird meist durch intensive Kommunikationsmaßnahmen erreicht.

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5.5.2 Vertriebslizenz Unter Lizenz versteht man allgemein die vollständige oder teilweise Übertragung Gewerblicher Schutzrechte durch den Urheber an andere Personen oder Organisationen. Je stärker der Lizenzgeber dabei Einfluss nehmen kann, desto geringer ist sein Risiko. Von den verschiedenen Arten der Lizenzvergabe/-übernahme interessiert hier die Vertriebslizenz, also die Übertragung der Absatzfunktion an selbstständige Lizenznehmer. Es ergeben sich folgende Vorteile für den Lizenzgeber: • Schnellerer und leichterer Marktzugang, wenn der Lizenznehmer über größeres Vertriebs-Know-how verfügt als der Lizenzgeber, • begrenzter finanzieller und personeller Einsatz, da die Absatzleistungen fremderbracht werden, • Einnahmequelle. ohne dass dafür weiter erhebliche Leistungen zu erbringen sind, • Kapitalengpässe im eigenen Unternehmen werden umgangen, da keine Vermarktung unter eigener Regie erfolgt. Nachteile für den Lizenzgeber liegen in Folgendem: • Wahl des Lizenznehmers ist risikobehaftet und bedarf großer Sorgfalt, • Qualität der Ware muss auch durch Lizenznehmer gesichert bleiben bzw. darf nicht auf dem Vertriebsweg leiden, • Transferrisiko der Lizenzeinnahmen, abhängig von Bonität / Solvenz des Lizenznehmers, • Sicherstellung kaufbegleitender Dienstleistungen, damit es zu nachhaltigem Absatzerfolg kommen kann, • potenzielle Streitpunkte in vertraglichen Bestimmungen, sofern diese nicht eindeutig bzw. missverständlich interpretierbar sind, • Konkurrenzgefahr nach Vertragsauslauf, da gute Marktkenntnis und direkter Kontakt zu Abnehmern vorhanden sind. Es ergeben sich außerdem folgende Vorteile für den Lizenznehmer: • Der Zugang zu neuen Produkten wird beschleunigt, indem fremdes Know-how genutzt werden kann, • Handelshemmnisse (z. B. bei eigenem Distributionszugang) können umgangen werden, • der Lizenznehmer partizipiert am Image des Lizenzgebers durch Abstrahlung, • möglicherweise kann der Lizenzvertrag als erste Stufe zu einer engeren Kooperation angesehen werden.

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Nachteile für den Lizenznehmer liegen in Folgendem: • Wenn keine Exklusivlizenz vergeben wird, besteht die Gefahr, dass weitere Anbieter am eigenen Markt als Lizenznehmer fungieren, • die eigene Unternehmenspolitik wird erheblich eingeschränkt, da eine Abhängigkeit vom Lizenzgeber besteht, • Abhängigkeit der Wettbewerbsfähigkeit von dem Qualitätsstandard und der Produktpflege des Lizenzgebers, • es bestehen nur geringer Einfluss und begrenzte Kontrollmöglichkeiten beim Bezug von Fertigwaren, • Lizenzgebühren belasten das Betriebsergebnis und damit die Rentabilität. Eine Sonderform der Lizenz als Systemlizenz stellt das Franchisingsystem dar. 5.5.3 Franchising Franchising ist ein vertikal kooperativ organisiertes Absatzsystem rechtlich selbstständiger Unternehmen auf der Basis eines vertraglichen Dauerschuldverhältnisses (auch Systemlizenz). Dieses System tritt am Markt einheitlich auf und wird geprägt durch ein arbeitsteiliges Leistungsprogramm der Systempartner, sowie durch ein Weisungs- und Kontrollsystem zur Sicherung systemkonformen Verhaltens. Partner sind dabei • Hersteller und Großhandel, z. B. Coca-Cola, Pepsi, • Großhandel und Einzelhandel, z. B. Fressnapf, OBI, • Hersteller und Einzelhandel, z. B. WMF, Yves Rocher, • Dienstleister und Einzelhandel, z. B. Backwerk, Subway. Das Leistungsprogramm des Franchisegebers ist das Franchise-Paket, bestehend aus Beschaffungs-, Absatz- und Organisationskonzept, das ständig weiterent­ wickelt wird, dem Nutzungsrecht an Schutzrechten, der Aus-/Weiterbildung des Franchisenehmers und der Verpflichtung, diesen aktiv und laufend zu unterstützen. Weitere Leistungen umfassen die Bereitstellung von Produkt-, Firmen- und Markenzeichen, die Überlassung des System-Know-how, die Gewährung von Nutzungsrechten am Systemimage, Hilfe beim Betriebsaufbau, Werbung, Verkaufsförderung, Aktionen, Sortimentsplanung, laufende Beratung auf allen Unternehmensgebieten, betriebwirtschaftliche Dienstleistungen und Organisationsmittel, Erfahrungsaustausch, Belieferung bzw. Nachweis von Einkaufsgelegenheiten zu festgelegten Konditionen, Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit des Systems, Gewährung von Gebietsschutzrechten. Der Franchisenehmer ist auf eigenen Namen und eigene Rechnung tätig. Er hat das Recht, aber auch die Pflicht, das Franchisepaket gegen Entgelt zu nutzen.

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Als Leistungsbeitrag liefert er Arbeit, Kapital und Information. Weitere Leistungen betreffen u. a. die Führung des Geschäfts nach vorgegebenen Richtlinien, die Verwendung von Marken und Zeichen des Franchisegebers, den vorbehaltlosen Einsatz für das System, die Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, periodische Daten- und Ergebnismeldungen, ausschließlicher Bezug beim Franchisegeber oder bei von ihm vorgegebenen Bezugsquellen, Duldung von Kon­ trollen und Inspektionen, Anerkennung des Weisungsrechts des Franchisegebers, Sortimentsbildung und Einhaltung des Systemstandards, Inanspruchnahme der Dienstleistungen des Franchisegebers. Aus dem Vertragswerk ergeben sich also umfangreiche gegenseitige Pflichten zur Förderung der gemeinsamen Ziele, für den Franchisegeber z. B. zu Know-howTransfer durch Systemerfahrung und Reglementierung, Marken-Imageaufladung durch Partizipation und Förderung eines Vertrauensverhältnisses, Motivation, Betriebsaufbau durch Hilfe bei Standortwahl bis zur schlüsselfertigen Übergabe, Dienstleistungen wie Werbemittel, Finanzierung, Betriebsführung, Geschäftsplan, Ausrüstungs-, Warengestellung durch Qualitätsstandards für erfolgreiche und erprobte Produkte. Für den Franchisenehmer folgt daraus die Verpflichtung zu Engagement durch Arbeitsteilung, Initiative und Arbeitskraft, Risikoübernahme durch unternehmerische Selbstständigkeit und Kapitaleinsatz, ökonomische Transparenz durch Erfahrungsaustausch und Weiterentwicklung, Marktdurchdringung mit Gebietsschutz, laufende Gebührenzahlung für Miete, Werbeumlage, Abschreibung und Lizenzentgelt, Warenzahlung für Großeinkauf unter Bezugsbindung. Beispiele verbreiteter Franchisesysteme sind folgende: – Biffar (Haustürstudio), Burger King (Fastfood), Cosy Wash (Autowaschanlage), Der Teeladen (Teefachgeschäft), Didactica (Superlearning), Eismann (Tiefkühlheimdienst), Ligne Roset (hochwertige Möbel), Manpower (Zeitarbeit), Marc O’Polo (Boutique), McDonald’s (Fastfood), Mövenpick (Eiskiosk), OBI (Heimwerkermarkt), Portas (Türrenovierung), Rewe (Lebensmittelmarkt), Spinnrad (DIY-Kosmetik), Stefanel (Modefachgeschäft), Thomas Studio (Betten). Die Beurteilung des Franchising unterliegt vielfältigen Kriterien. So gibt es aus Sicht des Franchisegebers • Vorteile durch eine gute Realisierbarkeit der eigenen Marketingkonzeption, die schnelle Expansionsmöglichkeit, hohen Distributionsgrad, geringes Absatzrisiko, hohe Motivation der Distributionsorgane, niedrige Distributionskosten, geringe Kapitalbindung. • Nachteile durch Aufbau und Unterhalt einer starken Marktstellung, hohe notwendige Managementqualifikation des Führungspersonals, oftmalige Mitbestimmung der Partner, aufwändige Kontrolle, geringe Flexibilität.

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Aus Sicht des Franchisenehmers ergeben sich: • Vorteile durch Risikoabsicherung, Wettbewerbsvorsprung durch wirkungsvolle Marketingkonzeption, günstige Einkaufsmöglichkeiten, laufende Managementberatung, die (oft einzige) Möglichkeit zur Selbstständigkeit, Finanzierungs­hilfen. • Nachteile durch weitgehende Aufgabe der Dispositionsfreiheit, Tragen des Absatzrisikos, fehlende situative Anpassungsmöglichkeit, Zwang zur Standardisierung, hohe Arbeitsbelastung. 5.5.4 Vertragshändler Das Vertragshändler- unterscheidet sich vom Franchisesystem vor allem dadurch, dass dafür keine Gebühr zu entrichten ist, weder als Einstieg noch laufend. Der Vertragshändler übernimmt das Herstellerkonzept im eigenen Namen und auf eigene Rechnung und verpflichtet sich zur Förderung des Vertragswarenabsatzes. Dies wird durch weitreichende Vereinbarungen sanktioniert. Dafür erhält der Handel Gebietsschutz und umfangreiche Dienstleistungsunterstützung. Die Pflichten des Vertragshändlers lauten: • Produkte anderer Hersteller in derselben Preisklasse dürfen ohne Zustimmung nicht in das Sortiment aufgenommen werden. • Es bestehen vorgegebene Mindestabnahmemengen pro Zeitraum, woraus Verkaufsdruck resultiert. • Es sind Mindestlagerbestände zu beachten, um eine jederzeitige Lieferbereitschaft zu gewährleisten. • Imageübernahme vom Lieferanten im Wege der Adaptation zu dessen Identifikation am Handelsplatz. • Kundendienstübernahme zur Gewährleistung ausreichenden Nachverkaufsservices. • Werbemaßnahmen zur Forcierung der vertretenen Produkte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Die Rechte des Vertragshändlers lauten: • Der Händler vertreibt in seinem Gebiet die Produkte ausschließlich, er kann Unterorganisationen aufbauen. • Der Händler kann das Herstellerzeichen verwenden und nimmt so am Goodwill des Herstellers teil. • Der Hersteller ist aufgrund seiner Kontakte und Werbeaktivitäten bemüht, den Absatz des Händlers zu sichern.

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• Der Hersteller unterstützt bei der Ausbildung der Mitarbeitenden durch Schulung und Training. • Betriebsberatung durch den Hersteller gibt Aufschluss über Optimierungschancen und relativen Erfolg zu anderen Systempartnern. • Verkaufsförderungs-Unterstützung für den Vertragshändler am POS und in Medien (Prospekt, Direct Mail etc.). • Ersatzteil-/Zubehörversorgung mit qualitätsnormierten Teilen und entsprechenden Applikationshilfen (z. B. Werkzeuge, Warenträger). Der Vertragshändler hat einen Ausgleichsanspruch, sofern er sich verpflichtet, dem Lieferanten bei Ausscheiden seinen Kundenstamm zu überlassen (z. B. in Form der Kundendatei). Er übernimmt im Wesentlichen drei Risiken, das Entgelt-, das Waren- und das Lagerrisiko. Das Entgeltrisiko besteht im Rohertrag aus einem Geschäft, also u. a. auch im Einkaufspreis vom Hersteller. Das Warenrisiko besteht in der Haftung gegenüber dem Käufer für mangelfreie und rechtzeitige Lieferung. Das Lagerrisiko besteht in der Notwendigkeit des Warenvorrats, der bei Lieferantenwechsel weitgehend wertlos wird. Besonders häufig ist das Vertragshändlersystem im Kfz-Handel anzutreffen. Dabei dominiert in Deutschland das Prinzip des Einmarkenhändlers, bei mehr als einer Marke ist darauf zu achten, dass diese nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Dieses System ist rechtlich umstritten, wird jedoch mit der Notwendigkeit zu umfangreichem, fachkundigem und raschem Service argumentiert. Ein weiteres Beispiel findet sich in der Gastronomie bei Brauereien (Konzessionssystem). Der Gastwirt wird dabei auf den Ausschank der Biermarken einer Brauerei verpflichtet und hält Konkurrenzausschluss ein. Im Gegenzug unterstützt die Brauerei seinen Betrieb bei der Standortsuche (incl. Renovierung), der Lokalausstattung (Küche, Gasträume, Außenanlage), der Einrichtung (Möbel, Lampen, Gläser, Werbeschilder etc.). Häufig wird auch Startkapital (Eigenkapitalersatz) zur Kreditaufnahme bei Banken bereitgestellt. Im Gegenzug verpflichtet sich der Gastronom zu einer Mindestabnahmemenge Bier pro Jahr zu einem festen Preis (Bierbezugsverpflichtungsvertrag).

5.6 Sonderformen zwischen den Handelsstufen Eine vertikale Abstimmung zwischen Handelsstufen ergibt sich zwischen ­ roßhandel und Einzelhandel durch zwei Alternativen, die Freiwillige Kette und G den Einkaufsverbund, beide auch unter dem Begriff Verbundgruppe zusammengefasst. In der Freiwilligen Kette schließen sich mehrere Groß- und Einzelhandelsbetriebe auf Initiative des Großhandels zusammen, um Kooperationsvorteile zu

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nutzen. Diese liegen beim Einzelhandel im Wesentlichen in der Kostendegression großer Lose durch Zentraleinkauf und im betriebswirtschaftlichen Erfahrungsaustausch. Auf der Großhandelsstufe wird die Einbindung von Händlern für dauerhafte Geschäftsbeziehungen angestrebt. Als Beispiele gelten Markant, Noweda, Vedes, Lekkerland, Sport 2000 etc. Ausgangspunkt des vertikalen Marketing ist dabei die Situation des Großhandels, der sich zunehmend der Gefahr der Ausschaltung gegenüber sieht. Um die eigene Absatzbasis zu sichern, hat dieser daher ein Interesse daran, seine Abnehmer im Einzelhandel enger an sich zu binden, damit diese gegenüber Anfechtungen einstufig indirekter Lieferungen von Herstellern immun werden, und der Großhandel seinerseits die Interessen der ihm verbundenen Einzelhändler geschlossen bei Herstellern geltend machen kann. Dadurch wird ein zweistufig indirekter Absatz perpetuiert, der beiden Absatzmittlerstufen Vorteile bringt. Dies gilt umso mehr, wenn sich mehrere Großhändler mit ihren angeschlossenen Einzelhändlern zusammentun. Dem Einkaufsverbund (auch Einkaufsverband, Einkaufsgemeinschaft) liegt eine Übereinkunft von Einzelhändlern zugrunde, ihr Sortiment ganz oder teilweise über eine gemeinsame Großhandelszentrale zu beschaffen, um von den dabei entstehenden Verhandlungsvorteilen zu profitieren. Insofern ist bei dieser Kooperation von Einzelhändlern eine eigene Großhandelszentrale gegeben, z. B. Euronics Nord-West-Ring Schuhe, Sana Medizinbedarf etc. Im Unterschied zur Freiwilligen Kette geht die Initiative dabei von der Einzelhandelsstufe aus, die, freilich mit den gleichen Zielen, ihre Interessen gegenüber Herstellern sammelt und in einer Großhandelszentrale manifestiert. Dies ist eine Defensivstrategie eher traditioneller Betriebsformen des Handels, die ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber aggressiven Großbetriebsformen schwinden sehen und durch Konzentration zu retten beabsichtigen. Viele Einkaufsverbünde agieren auch als internationale Einkaufsgemeinschaften für ihre nationalen Handelsketten, vor allem, um in der Beschaffung Skaleneffekte aus großen Auftragsvolumina zu nutzen.

6. Absatzhelfereinsatz Absatzhelfer begleiten den Marktprozess zwischen den Absatzorganen der Produzenten und des Handels sowie den Beschaffungsorganen der Abnehmer / Verbraucher und können akquisitorisch, logistisch oder leistungsergänzend tätig werden. Sie werden im Gegensatz zu Absatzmittlern nicht Eigentümer der Ware, sind also nicht direkt in den Waren-, Geld- und Informationsfluss einbezogen, sondern agieren parallel dazu selbstständig (siehe Abbildung 134: Formen von Absatzhelfern). Man unterscheidet akquisitorische Absatzhelfer (6.1) sowie logistische Absatzhelfer und weitere Formen (6.2).

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Abbildung 134: Formen von Absatzhelfern

6.1 Akquisitorische Absatzhelfer 6.1.1 Handelsvertreter Handelsvertreter sind in fremdem Namen und auf fremde Rechnung tätig. Nach der Ermächtigung zum Verkaufsabschluss unterscheidet man • Vermittlungsvertreter, diese dürfen keine Geschäftsabschlüsse tätigen, sondern treten nur im Namen des vertretenen Unternehmens auf, um die Nachfrage zu sondieren und leiten den Auftrag zur Entscheidung über die Annahme an das vertretene Unternehmen weiter. • Abschlussvertreter, diese dürfen für den Auftraggeber verbindlich Geschäftsabschlüsse tätigen, die im Außenverhältnis gültig sind. Allenfalls in der Innenwirkung sind berechtigte Forderungen des Unternehmens durchsetzbar. Nach der Zahl der Vertretungen gibt es • Einfirmenvertreter, diese sind nur für einen Auftraggeber tätig, was jedoch eher die Ausnahme ist, da die Einkommensbasis des Handelsvertreters begrenzt bleibt und seitens des vertretenen Unternehmens keine Multiplikationseffekte erreicht werden. • Mehrfirmenvertreter, diese sind für mehrere, jedoch regelmäßig nicht konkurrierende Auftraggeber tätig und stellen den Regelfall dar. Diese parallele Tätigkeit bringt jedem der vertretenen Unternehmen Vorteile aus der Generierung zusätzlicher Kontakte.

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Nach dem Umfang der Rechte ergeben sich • Alleinvertreter, diese sind für das vertretene Unternehmen in seinem Bezirk ausschließlich allein tätig (er darf regelmäßig nicht in andere Marktverantwortungs­ gebiete aktiv hinein akquirieren, kann aber passiv Anfragen aus anderen Gebieten bearbeiten). • Bezirksvertreter, dieser hat Anspruch auf Provision aus allen Geschäften, die mit Abnehmern seines Bezirks während der Dauer des Vertragsverhältnisses abgeschlossen werden, auch wenn er bei Geschäftsvermittlung und -abschluss nicht involviert war. Nach der Stellung in der Organisation gibt es • Generalvertreter, dieser lässt die Vermittlungstätigkeit für das vertretene Unternehmen durch Untervertreter ausüben, die er selbst beschäftigt. Er gebietet also über eine eigene Vertreterorganisation. • Untervertreter, diese sind als Handelsvertreter für einen anderen Vertreter tätig. Es kommt damit zu einem Strukturvertrieb (Multi Level Marketing), der an sich rechtlich zulässig ist. Allerdings gibt es sittenwidrige Ausprägungen, die verboten sind (Pyramidensystem, hier liegt der Schwerpunkt auf der Warenbevorratung der Systemteilnehmer, oder Schneeballsystem, hier liegt der Schwerpunkt auf der Akquisition neuer Systemteilnehmer), denn bei diesen steht nicht die Gewinnung von Kunden im Vordergrund des Systems. Multi-Level-Marketing ist eine Organisationsform für den laiengestützten Direktvertrieb von Waren / Diensten an private Endabnehmer. Die Vertriebsrepräsentanten betreiben ihr Engagement neben- oder hauptberuflich als selbstständige Gewerbetreibende, ohne Lagerbestände zu führen oder Abnahmeverpflichtungen einzugehen. Jeder Vertriebsrepräsentant kann neue Vertriebsrepräsentanten gewinnen, einarbeiten, schulen und betreuen. Dadurch entstehen vielstufige Vertriebsstrukturen. Als Honorierung für den Verkauf der Leistungen erhält jeder Teilnehmer Provision. Als Honorierung für die Akquisition neuer Vertriebsrepräsentanten erhalten sie eine Leitungsprovision, die sich aus der erreichten Leitungsstufe ergibt. Beispiele finden sich vor allem bei Finanzdienstleistungen wie DVAG, OVB, Quinz, Bonnfinanz. Nach der Stellung im Absatzkanal entstehen • Vertreter auf Großhandelsstufe, diese sind für einen Hersteller gegenüber dem Großhandel tätig. • Einzelhandelsstufe, diese sind für einen Hersteller gegenüber dem Einzelhandel oder seltener für einen Großhändler gegenüber dem Einzelhandel tätig. Der Handelsvertreter ist ständig damit betraut, Geschäfte für Unternehmen zu vermitteln oder abzuschließen. Er kann seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst bestimmen. Er hat dabei das Interesse des vertretenen Unter-

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nehmens zu wahren. Er hat Anspruch auf Provision, die er aus den Unterlagen des Unternehmens nachprüfen lassen kann (Bucheinsicht). Und zwar normalerweise unabhängig davon, ob mängelfrei und rechtzeitig geliefert wird. Geschäfte mit „faulen“ Kunden bringen hingegen keine Provision. Die Abrechnung ist spätestens am Ende des Folgemonats des Geschäftsabschlusses fällig. Inkassoprovision wird für das Einziehen von Forderungen fällig, Delkredereprovision für die schriftliche Haftung in Bezug auf den Zahlungseingang (Bonität) des Kunden. Per Saldo ergeben sich folgende Rechte und Pflichten aus dieser Absatzhelferbeziehung. Zunächst die Rechte des Handelsvertreters. Er erhält vom vertretenen Unternehmen • alle nötigen Unterlagen wie Muster, Preisliste, Werbemittel etc. zur freien Verfügung gestellt, • unverzüglich Nachricht über die Annahme oder Ablehnung für von ihm vermittelten Geschäfte, • eine Abschlussprovision für alle ausgeführten Aufträge, auch für Nachbestel­ lungen, • einen Buchauszug über alle provisionspflichtigen Geschäfte zur Nachprüfung seiner Abrechnung, • einen angemessenen finanziellen Ausgleich dafür, dass sein Auftraggeber weiterhin mit dem vom Vertreter geworbenen Kunden Geschäfte abschließen kann. Im Gegenzug verpflichtet sich der Handelsvertreter, • sich um Vermittlung und Abschluss von Verträgen zu bemühen, die Interessen des vertretenen Unternehmens zu wahren und deshalb keine gleichen oder gleichartigen Vertretungen zu übernehmen (abdingbar), • von jedem Auftrag unverzüglich dem vertretenen Unternehmen Nachricht zu geben, • die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns bei allen geschäftlichen Belangen walten zu lassen, • Betriebsgeheimnisse weder während noch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mitzuteilen oder zu verwerten. Im Effizienzvergleich liegen mit steigender Verkaufsmenge die Kosten angestellter Reisender, die Fixum und Prämie erhalten, unter denen selbstständiger Handelsvertreter, die auf Provisionsbasis arbeiten. Zum Großhandel grenzt sich der Handelsvertreter dadurch ab, dass er bedingt weisungsgebunden, weil Mitglied der Vertriebsorganisation des Herstellers ist, kein Eigentum an der gehandelten Ware erwirbt, sondern dafür Provision bezieht und kein Waren- oder Forderungsausfallrisiko trägt. Wenn der Absatzhelfer die

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Vertretung der Ware übernommen hat, ist sie noch nicht verkauft, erst wenn dieser einen Abnehmer dafür gefunden hat, kommt es zwischen Hersteller und Abnehmer zum Kaufvertrag. Der Großhändler ist demgegenüber völlig selbstständig, wird Abnehmer der Handelsleistung, erwirbt Eigentum an der gehandelten Ware, um daraus Gewinn zu schöpfen und trägt das volle Güter- oder Zahlungsausfallrisiko. 6.1.2 Weitere Formen Weitere gesetzlich geregelte Formen akquisitorischer Absatzhelfer sind der Kommissionär, der Handelsmakler und der Handelsversteigerer. Der Kommissionär ist in eigenem Namen und auf fremde Rechnung tätig. Die Entlohnung erfolgt über Provision und Auslagenersatz durch den Auftraggeber (Kommittent). Als Verkaufsunterlagen dienen Katalogangebote, Proben, Modelle und Gebrauchsmuster. Außerdem wird ein Konsignationslager unterhalten, das sich im Eigentum des Auftraggebers befindet. Nach Abschluss jedes Geschäfts wird eine Ausführungsanzeige erstellt und an den Kontrahenten weitergeleitet, da der Kommissionär sonst für dessen Erfüllung selbst haftet. Gleichfalls werden dabei ohne Widerspruch Abweichungen von der Preisbestimmung als genehmigt angesehen. Der Kommissionär ist verpflichtet, das Interesse des Kommittenten wahrzunehmen und dessen Weisungen zu folgen. Andernfalls ist er schadensersatzpflichtig. Der Erlös der Geschäftsbesorgung steht in vollem Umfang dem Kommittenten zu. Der Kommissionär ist für den Verlust oder die Beschädigung des in seiner Verwahrung befindlichen Gutes regelmäßig verantwortlich, ebenso wie für das Delkredere des Erlöses. Vorteile aus der Einschaltung eines Kommissionärs ergeben sich aus Herstellersicht aus Folgendem: • Es ist kein eigenes Lager erforderlich, da der Kommissionär ein eigenes Konsignationslager unterhält. • Es werden kurze Lieferzeiten möglich, da der Kommissionär im Regelfall sofort lieferfähig ist. • Es bestehen kurze Transportwege, da dezentrale Standorte mehrerer Kommissionäre Entfernungen minimieren. Ein Beispiel findet sich in der Verlagsbranche. Der Buchhandel übernimmt die Verlagserzeugnisse, sowohl Bücher / Tonträger als auch Zeitschriften / Zeitungen, in Kommission, was bedeutet, dass nur die tatsächlich verkauften Exemplare auf ihn abgerechnet werden. Die nicht verkauften Exemplare gibt der Händler an den Verlag zurück und erhält dafür eine Gutschrift, die mit der nächsten Lieferung verrechnet wird. Auf diese Weise verbleibt das Warenverkaufsrisiko beim Verlag. Dieser kann die Erzeugnisse bei Bedarf dann aus der Preisbindung herausnehmen (Mängelexemplar, Antiquariat o. Ä.) und über andere Absatzkanäle vermarkten.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Der Handelsmakler ist mit der fallweisen Vermittlung von Abschlüssen befasst, ohne selbst in den Warenfluss eingeschaltet zu sein. Er ist ohne Dauervertragsverhältnis im Interesse beider Parteien, Verkäufer und Käufer, tätig (nach entsprechender Offenlegung auch nur im Interesse einer Partei). Dabei hält er Kontakt zu mehreren Verkäufern und Käufern, die Kaufleute sind. Die Entlohnung erfolgt durch Courtage in Abhängigkeit vom vermittelten Warenwert bei Akquisitionsnachweis, im Regelfall durch beide Parteien je zur Hälfte. Denkbar ist aber auch eine Courtagepflicht nur für die beauftragende Seite (Bestellerprinzip). Über das vermittelte Geschäft erstellt der Makler eine Schlussnote mit allen wichtigen Einzelheiten. Außerdem führt er ein Tagebuch zum Nachweis seiner Tätigkeit, um bei Streitigkeiten seinen Entgeltanspruch erhärten zu können. Der Handelsmakler gilt nicht als ermächtigt, Zahlungen entgegenzunehmen oder andere Vertragsleistungen zu erbringen. Handelsmakler finden sich als Warenmakler (an Warenbörsen), Effekten­makler (Wertpapieran- und -verkauf an Börsen), Versicherungsmakler (Vermittlung von Sach- oder Personenversicherungen), Schiffsmakler (Frachtraum zur Verschiffung). Davon zu unterscheiden sind Zivilmakler, bei denen eine oder beide Seiten Privatpersonen sind und / oder für Güter, die nicht im Handelsverkehr vorkommen. Dazu gehören etwa Heiratsmakler (Ehevermittler), Immobilienmakler, Darlehensmakler etc. Eine Courtage wird hier nur bei Geschäftsabschluss fällig. Der Handelsversteigerer ist fallweise oder dauerhaft in fremdem Namen und auf fremde Rechnung tätig. Die Entlohnung erfolgt durch Aufgeld (meist vom Käufer) plus Spesen (meist vom Verkäufer) aus dem Auktionserlös. Der professionelle Versteigerer tritt auf öffentlich angekündigten Marktveranstaltungen auf, um nicht fungible Waren im Wege des Bieteverfahrens an denjenigen zu versteigern, der das beste (höchste / niedrigste) Gebot dafür abzugeben bereit ist. Versteigerer bedürfen einer Erlaubnis nach GewO. Diese wird vom Ordnungsamt / Gewerbeamt erteilt (evtl. mit öffentlicher Bestellung und Vereidigung für öffentliche Versteigerungen durch die IHK), sofern keine Zweifel an der Zuverlässigkeit bestehen (z. B. wegen bestimmter Vorstrafen, ungeordneter Vermögensverhältnisse). Versteigerungen sind vorab anzuzeigen, und es ist Gelegenheit zur Besichtigung des Versteigerungsguts durch potenzielle Bieter zu geben. Der Handelsversteigerer darf selbst nicht mitbieten, auch nicht durch Verwandte oder Bekannte mitbieten lassen und keine Objekte versteigern, mit denen er selbst handelt oder an denen er Pfandrechte besitzt. Auktionsgegenstand sind für gewöhnlich schnell verderbliche Waren (z. B. Obst und Gemüse), Waren mit stark schwankender Quantität (z. B. Rohstoffe), Notversteigerungen als Verwertung (z. B. von Pfändern) oder Sammlerstücke für Liebhaber (z. B. Kunst). Vorteile des Verkäufers aus Versteigerungen sind die Konzentration der Nachfrage, ein großer Umsatz in kurzer Zeit, ein besserer Preis durch gegenseitiges Überbieten und die Einschaltmöglichkeit von Absatzhelfern. Nachteile des Verkäufers sind der Preisdruck bei geringer Nachfrage und ein schwieriger Absatz

6. Absatzhelfereinsatz

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bei geringer Qualität der Lose. Vorteile der Käufer sind der gute Überblick über die Marktlage, bei Überangebot ein günstiger Einkauf auch kleiner Mengen und die vorherige Besichtigungsmöglichkeit. Nachteile der Käufer sind der oft zu hohe Preis durch Überbieten sowie die meist erforderliche Übernahme von Mittlergebühren und Lagerspesen.

6.2 Logistische Absatzhelfer und weitere Formen Hierzu gehören Transport- und Lagerunternehmen wie Spedition, Paketdienst, Verkehrs-, Lagerbetrieb etc., die eigenverantwortlich tätig werden. Dabei handelt es sich vor allem um folgende. Spediteure übernehmen es gewerbsmäßig, in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle der Beförde­ rung von Gütern vom Absender zum Empfänger vorzunehmen. Versandspediteure verteilen Waren, Empfangsspediteure sammeln diese ein. Häufig kooperieren Speditionsbetriebe in bestimmten Gebieten zur Wege- und Zeitminimierung (Gebietsspedition). 3rd Party-Spediteure übernehmen dabei logistikbegleitende Services für Unternehmen (Verzollung, Versicherung, Zwischenlagerung etc.) und 4th Party-Spediteure koordinieren das gesamte Transport- und Lagerwesen für Unternehmen (Outsourcing). Frachtführer verpflichten sich als selbstständige Kaufleute durch Abschluss eines Beförderungsvertrags, die Beförderung von Gütern per Schiene, Straße, See, Luft, Binnengewässer oder in Kombination (Vor- bzw. Nachlauf) dieser Transportarten je nach Zweckmäßigkeit durchzuführen. Ein Spediteur kann zugleich auch Frachtführer sein. Frachtführer haften für die Vertragserfüllung. Unter KEP werden Kurier-, Express- und Paketdienste zusammengefasst. Sie übernehmen die „letzte Meile“ der Zustellung zum Abnehmer nach Gewichtsgrenze, Packstückvolumen, Zustellgeschwindigkeit und verbundenen Services. Der größte Versanddienstleister ist DHL für Päckchen unversichert ohne Sendungsverfolgung bzw. Pakete versichert mit Sendungsverfolgung. DHL verfügt über Filialen, Paketabholstationen und Paketshops. Ebenfalls mit Paketshops arbeiten die privaten Servicers DPD, TNT, GLS, Hermes und UPS. Speziell bei Expresssendungen, Sperrgut, internationalem Versand o. Ä. ist auch FedEx gefragt. Problematisch sind die schwankenden Uhrzeiten der Zustellung und die oft wenig kundenfreundlichen Auslieferungsstandards. Häufig sind auch prekäre Arbeitsverhältnisse anzutreffen. Dennoch werden umfangreiche Zusatzleistungen geboten. Sie sind vor allem im B-t-C-E-Commerce unverzichtbar, aber auch für gewerbliche Abnehmer. Zusatzleistungen für private Auftraggeber sind u. a. folgende: – Alternative Zustelladresse (z. B. Abgabe beim Nachbarn), – zwei oder mehr Zustellversuche,

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

– Ankündigung der Zustellung per SMS oder E-Mail, – Vorwahl von Zustellungsort und -zeit (bevorzugte Zustellung), – Lieferung am selben Tag / über Nacht, – Zustellung in online-angekündigtem Stunden-Zeitfenster, – Sendungsverfolgung / Online Tracking und Sendungsdokumentation / Online Trac­ ing, – automatischer Abliefernachweis („erfolgreich zugestellt“), – Altersverifikation / Identifikation des Abnehmers bei Software, DVD, Arzneimittel etc., – Express-Zustellung, – Urlaubslagerung bei temporärer Abwesenheit. Weitere Leistungen der Versanddienstleister für gewerbliche Auftraggeber sind folgende: – Zugriff auf ein Online-Portal zur Versandabwicklung, z. B. Bereitstellung von Versandetiketten, – flexible Zustell- und Abholrhythmen (Zeitfenster), auch mehrmals täglich, wegen der besseren Planbarkeit, – internationaler Versand mit Erledigung der Grenz-/Zollformalitäten außerhalb des Schengen-Raums, – Nachnahmeservice mit Einzug des Sendungspreises und Weiterleitung an den Auftraggeber, – Paketversicherung mit pauschalierten Schadenersatzbeträgen bei Bruch, Verlust o. Ä., – Abfolge mehrerer Zustellversuche mit Zeit-Slot, – Sonderversand bei sperrigen / schweren Waren wie Möbel, Großgeräte etc. („logistik­kritische Sendungen“), – Fulfillment, z. B. Kommissionierung von Retouren, Neuverpackung, Debitorenmanagement etc. Lagerhalter verpflichten sich als selbstständige Kaufleute durch Abschluss eines Einlagerungsvertrags, die Lagerung und Aufbewahrung von ihnen überlassenen Gütern zu übernehmen. Einzellagerung erfolgt für jeden Auftraggeber getrennt, Sammellagerung erfolgt durch Vermischung / Vermengung der Lagergüter mehrerer Eigentümer. Ein Spediteur kann zugleich auch als Lagerhalter fungieren.

7. Reisendeneinsatz

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Hinzu kommen leistungsergänzende Absatzhelfer. Sie betreffen vor allem die Bereiche • Finanzierung durch Bank, Kreditanstalt o. Ä., • Absicherung durch Versicherung o. Ä., • Information durch Auskunftei, Mafo-Institut o. Ä., • Beratung durch Werbeagentur, Consultants o. Ä. Leistungsergänzende Absatzhelfer sind parallel zum Warenfluss selbstständig tätig, meist in diesen aber nicht einbezogen, sondern nur durch den Geld- und Informationsfluss tangiert. Da diese jedoch unverzichtbares Komplement zum Warenfluss sind, kommt ihnen dabei erhebliche Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr, als die bewegten Warenvolumina ansteigen, verstärkt ländergrenzenübergreifende Transaktionen erfolgen und mit der zumindest potenziellen Konkurrenzintensität das Investitionsrisiko steigt. Daher sind dort fähige und verlässliche Partner unverzichtbar.

7. Reisendeneinsatz Vertriebsaußendienstmitarbeiter (VADMs) sind Angestellte des Hersteller-, Importeurs- oder Handelsunternehmen und übernehmen die Akquisition von Bestellungen und die Pflege von Beziehungen zu aktuellen und potenziellen Auftraggebern im persönlichen Verkauf. Sie können nach Aktivitätsschwerpunkt, Branche und Kontaktzielgruppe unterschieden werden. Grundsätzlich stellt sich auch die Alternative, diese Aufgaben von selbstständigen Absatzhelfern erledigen zu lassen (7.1). In beiden Fällen wird eine zusätzliche Motivation als Leistungsanreiz für erforderlich gehalten (7.2), obgleich dafür schon Gehalt bzw. Provision gezahlt werden.

7.1 Vergleichende Bewertung Für ein Unternehmen stellt sich regelmäßig die Frage, ob der Vertrieb durch Reisende oder Handelsvertreter durchgeführt werden soll. Dabei sind quantitative und qualitative Aspekte zu berücksichtigen. Quantitativ lässt sich ein Break evenAbsatz ermitteln, bei dem die Kosten von Reisendem (hohes Fixum und geringe Prämie ab Mindestumsatz) und Handelsvertreter (niedriges Fixum und hohe, sofortige Provision) gleich sind (siehe Abbildung 135: Kostenvergleich Reisender vs. ((Einfirmen-))Handelsvertreter). Vor diesem Punkt, also bei geringerer Menge, sind die Kosten des Handelsvertreters niedriger, danach, also bei höherer Menge, die des Reisenden. Deshalb bietet sich der Einsatz von Reisenden vor allem für größere Unternehmen an, deren Absatzmengen hoch genug sind, die Fixkosten-

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

belastung durch Verteilung zu tragen, sowie bei markteingeführten Produkten, die auf eine breite Absatzbasis zurückgreifen können. Umgekehrt ergibt sich daraus eine Präferenz für den Einsatz von Handelsvertretern bei kleineren Unternehmen und marktneuen Produkten, die sich ihre Absatzbasis erst noch erarbeiten müssen. Denkbar ist auch der parallele Einsatz von Reisenden und Handelsvertretern für verschiedene Programmsegmente, etwa marktbreite Produkte durch Reisende und Nischenprodukte durch Handelsvertreter.

Abbildung 135: Reisender vs. (Einfirmen-)Handelsvertreter (eig. Darst.)

Qualitativ sind darüber hinaus folgende Aspekte zu berücksichtigen. Angestellte Reisende bieten Vorteile in Bezug auf Folgendes: • Detailsteuerung durch das Unternehmen wegen ihrer strikten Weisungsgebundenheit, da sie als Angestellte, also unselbstständig, tätig sind, • Vorgabe von Besuchsnormen und Reiserouten, deren Kontrolle im Berichtswesen jederzeit nachvollziehbar ist, wodurch gewährleistet wird, dass alle Unternehmensstandards eingehalten werden, • Motivationsschub ist durch Zulagen oder ähnliche Anreize jederzeit möglich, also flexibel im Ausmaß und der raum-zeitlichen Erstreckung, • Spezialisierung auf das Angebot nur eines Unternehmens, damit hohe Identifikation mit den vertretenen Produkten und mutmaßlich bessere Überzeugung der Ansprechpartner, • Interessenidentität mit eigenem Unternehmen, so dass keine Divergenzen auftreten, die den Geschäftserfolg beeinträchtigen könnten, • kein Ausgleichsanspruch bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, daher jederzeitiger Austausch der Vertriebsaufstellung möglich,

7. Reisendeneinsatz

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• Gebietskorrekturen sind leicht und ohne Abfindung und Änderungskündigung machbar, woraus ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit resultiert, • direkter Kontakt zwischen Kunde und Unternehmen ist vorhanden, deshalb ist die Gefahr des Kundenverlustes bei Ausscheiden eines Reisenden gering. Zieht man den Vergleich zum selbstständigen Handelsvertreter, so bietet dieser Vorteile in Bezug auf Folgendes: • Nur oder weit überwiegend erfolgsabhängige, variable Kosten, die bei Umsatzrückgang nicht die Rentabilität belasten, sondern sich parallel abbauen, • intensive Verkaufsbemühungen aus originärer Unternehmerinitiative und freie Arbeitszeitgestaltung und -organisation zur Erreichung höchstmöglicher Effizienz, • vielseitige Kundenkontakte (vor allem bei Mehrfirmenvertretern), daher in der Aufbauphase schnelle und kostengünstige Akquisition von Aufträgen, • Reklamationsabwicklung wegen Neutralität unproblematischer, da ein interessenausgleichendes Verhandlungsangebot unterbreitet werden kann, • eher geringer organisatorischer Aufwand, da eigenverantwortliche Arbeitsvorbereitung und -organisation wie etwa eigene Routenplanung, • bei eigener Lagerhaltung hohe Lieferbereitschaft für Ad hoc-Abschlüsse und kleine Liefermengen als Mitnahmeeffekt, der anderweitig nicht gegeben ist. Eine wesentliche Arbeitsunterlage des Reisenden ist sein Besuchsbericht. Dieser enthält folgende Angaben: – Verkäufer / Verkäufernummer / Kostenstelle / Verkaufsbezirk, – Besuchsdatum / Firma / Adresse / Betriebstyp / Kundennummer / Größe, – Kundenkategorie / Besuchshäufigkeit / letzter Besuch / Auftragsstand, – Besuchsanlass (Verkaufsförderung, Reklamation, Akquisition, Kontaktkontakt, Auftragseinholung, sonstiges), – Besuchsergebnis (Auftragseinholung, Auftragsablehnung, Konkurrenzkunde wegen Liefermöglichkeit, Qualität, Preis, Werbeunterstützung, Zahlungsbedingungen etc.), – Berichtskopieverteiler / Bemerkungen / Terminvormerkung / Rücksprache, – Jahresumsatz / laufender Umsatz, – Warenplatzierung (Kontaktstrecke, Regal, Zweitplatz, Kasse), – Werbemitteleinsatz (innen, außen).

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

7.2 Motivation Die Motivation erfolgt explizit durch Leistungsanreize. Diese können materieller oder ideeller Natur sein. Materiell ist die Entlohnung zu nennen. Sie erfolgt über • Festgehalt(-ssockel), d. h. leistungsunabhängige Bezahlung als Fixum während eines Zeitraums, • durch (lineare, degressive, progressive) Zulagen, d. h. fest vereinbarte, jedoch in ihrer Höhe leistungsabhängige Vergütungsbestandteile, die meist in Kombination mit einem Fixum gewährt werden, • (Sach- bzw. Monetär-)Prämie, d. h. freiwillige, leistungsabhängige Vergütungsbestandteile, die meist in Kombination mit Fixum oder zusätzlich zu Zulagen gewährt werden. Solche Leistungsanreize bemessen sich dabei z. B. nach • Arbeitsumfang, z. B. Rein-/Rausverkaufsmenge, Auftragsqualität, Neukunden- /  -produktauftrag, Werbemitteleinsatz, Mehrfachplatzierung, Sortimentsbreite, • Ergebnis, z. B. Inkasso, Konditionen, Deckungsbeitrag, Ersparnis, Nutzen, • Zeitraum. Betrachtet man die verschiedenen Entlohnungsformen, so liegen die Vorteile des Fixums in der finanziellen Sicherheit für den Mitarbeitenden, in der einfachen, übersichtlichen Handhabung und der Degression bei steigenden Umsätzen. Außerdem wird einem „Verkaufen um jeden Preis“ vorgebeugt. Jedoch besteht wenig Leistungsanreiz und damit Ungerechtigkeit gegenüber tüchtigen Mitarbeitenden. Bei fallenden Umsätzen schlägt die progressive Wirkung des Fixums voll durch. Die Steuerung muss durch zusätzliche Anweisungen oder Anreize erfolgen. Und es besteht die Gefahr der Abwanderung aktiver Kräfte und des Verbleibs der Passiven. Mit einer Zulage wird ein starker Leistungsanreiz ausgelöst, der gezielt steuerbar ist und sich parallel zur Umsatzentwicklung bewegt. Jedoch entsteht womöglich eine gewisse Unübersichtlichkeit im Anreizsystem und werden als Folge evtl. wichtige indirekte Verkaufsaufgaben vernachlässigt oder gar unfaire Verkaufspraktiken eingesetzt. Außerdem besteht die Gefahr von Preis-Zugeständnissen an Kunden. Neue Mitarbeitende sind nicht nahtlos zu integrieren, in schlechten Zeiten wandern zudem zuerst die guten Verkäufer ab. Prämien sind flexibel zu handhaben und schnell wirksam, erfordern jedoch ein aufwändiges Handling. Sie sind besonders für Verkaufsförderungsmaßnahmen geeignet, die sachlich, zeitlich und räumlich begrenzt stattfinden. Die Abgrenzung und Zurechnung ist jedoch aufwändig, so dass die Prüfung der Richtigkeit ihrer Prämienabrechnung für Mitarbeitende wie Arbeitgeber schwierig ist. Daneben treten verstärkt ideelle Anreize (Incentives). Sie sind immaterieller Natur und bestehen z. B. aus Karrieregespräch, Lob, Auszeichnung, Ernennung, Voll-

8. Abschlussmärkte

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macht, Fortbildung etc. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Grenznutzen geldlicher Leistungen mit steigendem Niveau abnimmt, sich Abnutzungserscheinungen zeigen und die Rentabilität belastet wird. Probleme bereiten oft Bemessungsgrundlage und Berechnungszeitraum von Incentives besonders bei Poolprämien. Incentives vermitteln ein starkes Erfolgserlebnis und wirken daher leistungserhöhend, jedoch ist die Chancengleichheit der Teilnehmer fraglich und Wear outEffekte entstehen. Außerdem wird die Attraktivität von Incentives interpersonell unterschiedlich bewertet. Weitere Anreize, wie Bonus, Gratifikation, freiwillige Sozialleistung etc. fördern das Image des Arbeitgebers und bieten Zusatzeinkommen, sind jedoch nicht immer leistungsgerecht und nur schwer wieder abbaubar, da sie bald als fester Entlohnungsbestandteil angesehen werden. Fraglich ist, ob es solcher speziellen Leistungsanreize bedarf oder ob nicht die Honorierung der laufenden Tätigkeit bei entsprechender intrinsischer Motivierung ausreichend sein sollte, wie bei fast allen anderen Berufen auch. Zunehmend wird der persönliche Verkauf jedoch durch E-Commerce, zumindest aber Telefonverkauf abgelöst. Die Gründe dafür sind kostenbedingt. Üblich ist auch eine abgestufte Zuteilung des Reisendeneinsatzes nach Kundenwert.

8. Abschlussmärkte Marktveranstaltungen haben primär Kundeninformation, Kontaktgespräch, Konkurrenzanalyse, Erfahrungsaustausch, Repräsentation und Auftragseinholung zur Aufgabe, indem sie die Interessen von Anbietern und Nachfragern konkret koordinieren. Man unterscheidet im Wesentlichen Repräsentationsmärkte der Informationspolitik und Abschlussmärkte der Distributionspolitik. Letztere sind hier relevant und in verschiedenen Formen vorzufinden, vor allem aber reglementiert (8.1) oder frei (8.2) (siehe Abbildung 136: Formen von Abschlussmärkten).

Abbildung 136: Formen von Abschlussmärkten

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

8.1 Reglementierte Formen Abschlussmärkte sind durch eine verfahrensmäßig abgestimmte Bewerberrivalisation gekennzeichnet, und zwar als Formen reglementierter Nachfrager- oder Anbieterkonkurrenz. Es handelt sich dabei um Auktionen. Zunächst zur reglementierten Nachfragerkonkurrenz: • Die Versteigerung ist ein öffentliches Bietverfahren mit Zuschlag für Höchst­ gebot und Barzahlungspflicht für physisch vorhandene Güter, die nicht standardisierbar sind. Die Preisanpassung erfolgt von unten nach oben, also auf Aufstrich (Ggs. Veiling: Preisanpassung von oben nach unten, d. h. auf Abstrich). Dabei gibt es weitere wesentliche Merkmale. Es handelt sich um die Organisation eines Marktes für ein bestimmtes Angebot durch Anziehung einer Mehrzahl von Kaufinteressenten zu einem bestimmten Zeitpunkt an einen bestimmten Ort. Die Präsenz der Auktionsobjekte am Auktionsort bzw. in dessen Nähe ist gegeben. Die Inaugenscheinnahme der Auktionsobjekte kann durch den Kaufinteressenten im Regelfall erfolgen. Die Abgabe von Preisgeboten vollzieht sich durch verschiedene Kaufinteressenten, wobei eine Tendenz zum gegenseitigen Überbieten ausgelöst wird. Der Zuschlag wird im Regelfall an den Höchstbietenden erteilt. Versteigerungen sind vor allem dann zu bevorzugen, wenn es um einen schnellen, sicheren Absatz ankommt, für den sich ein adäquater Preis erst noch bilden muss (nicht fungible Waren). Die Verkäufer ordnen dem ihr Preisinteresse unter. Genau darin liegt zugleich die Attraktivität für potenzielle Käufer. Versteigerungen können nach vielfältigen Kriterien gegliedert werden. So nach: – der Teilnehmerzahl in freie oder begrenzte Teilnahmemöglichkeiten, – einer zu entrichtenden Teilnahmegebühr, oft auch nur symbolisch, – der Versteigerungszeit in fixierte oder variable Dauer, – einem vorhandenen Mindestgebot, und dem Verfahren, wenn dieses Gebot nicht überschritten wird, – den Regelungen, die starr oder flexibel (heikel) ausgelegt sein können, – den Gebotsschritten in festen oder beliebigen Wertabständen (Inkremente). • Die Einschreibung (auch Geheime Auktion) als verdeckte Bieterkonkurrenz ist eine Auktionsart, bei der potenzielle Käufer ihr Gebot für jedes Einzelobjekt bzw. Los bis zu einem bestimmten Zeitpunkt schriftlich und geheim abgeben. Hierzu werden sie durch einen fachöffentlich verbreiteten Aufruf aufgefordert. Dadurch sollen Absprachen der Nachfrager (Ringbildungen) verhindert werden. Die Höhe der Gebote aller Nachfrager kennt nur der Auktionator. Nach Ablauf der Frist werden von ihm alle Gebote geöffnet, und der Nachfrager mit dem höchsten Preisgebot erhält den Zuschlag. Ein nachträgliches Überbieten ist nicht möglich, es sei denn, es ist eine Nachgebotsfrist der Bestbietenden vorgesehen. Es besteht kein Zwang zur Angebotsannahme gegenüber Kaufwilligen (daher wird meist eine Bietungsgarantie vereinbart, die bei Ablehnung verfällt und bei Annahme verrechnet wird).

8. Abschlussmärkte

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Als Formen reglementierter Anbieterkonkurrenz ergeben sich folgende: • Die Lizitation (auch Umgekehrte Auktion) ist eine sehr selten vorkommende Form der Marktveranstaltung mit offener Bieterkonkurrenz, d. h., die Anbieter unterbieten sich einem Nachfrager gegenüber im Preis ihrer Leistung solange, bis der Anbieter mit der niedrigsten Preisforderung den Zuschlag erhält. Voraussetzung ist eine enorme Käufermarktsituation, wie sie etwa auf dem Tankermarkt durch Überkapazitäten gegeben ist, die es den Mineralölkonzernen erlaubt, die Frachtraten auf diese Weise zu drücken. • Die Submission (auch Ausschreibung) lässt sich definieren als eine von einem Nachfrager zum Zwecke eines Vertragsabschlusses an potenzielle Anbieter gerichtete Aufforderung, für bestimmte, durch eine Beschreibung (Lastenheft  / ​ Pflichtenkatalog) präzisierte Leistung, schriftliche Angebote abzugeben. Diese werden nach bestimmten Verfahrensregeln hinsichtlich Ort und Zeit der Öffnung der Angebote behandelt, wobei das unter Einbeziehung aller Aspekte günstigste Angebot den Zuschlag erhält. Dazu gehört, dass eine Bietungsfrist einzuhalten und keine Nachbesserungsmöglichkeit gegeben ist. Der Anbieter kann jedoch hilfsweise ein von der Ausschreibung abweichendes, begründetes Angebot machen. Die Ausschreibung ist damit eine Marktveranstaltung zur Auslösung und Steuerung eines rivalisierenden Bewerbens von Anbietern um den Auftrag eines Nachfragers. Insofern wird durch einen Nachfrager (den Submissionar) Konkurrenz unter einer Mehrzahl von Anbietern (den Submittenten) von Gütern / Diensten geschaffen. Hauptanwendungsbereich ist die Beschaffung der Öffentlichen Hand, wobei die Ausschreibung dazu dient, die Auftragsvergabe möglichst wirtschaftlich und präferenzfrei zu gestalten. Probleme entstehen für den Nachfrager aus der Gefahr informeller oder organisierter Absprachen der Anbieter und für die Anbieter aus der Unsicherheit über erfolgversprechende Angebotspreise und damit verbundene Einschränkungen in ihrer Dispositionsfreiheit bis zum Ende der Zuschlagsfrist, dem Zeitpunkt also, zu dem sie das Ergebnis der Ausschreibung erfahren und bis zu dem sie an ihr Angebot gebunden sind. Üblich sind folgende Ausschreibungsformen: – Request for Information (RfI) ist die Anfrage an potenzielle Lieferanten, ob und zu welchen Bedingungen sie einen skizzierten Bedarf erfüllen können. Dies dient einer ersten Marktsondierung. – Request for Quotation (RfQ) ist die Anfrage aufgrund einer Leistungsbeschreibung (Lastenheft), zu welchem Preis diese von Lieferanten erfüllt werden kann. – Request for Proposal (RfP) ist die Anfrage zur Teilnahme an einer Submission aufgrund einer detailllierten Leistungsbeschreibung (Pflichtenkatalog) sowie aller zugehörigen Kontraktbedingungen. Weder sind Lieferanten verpflichtet, daran teilzunehmen noch Abnehmer, deren Angebote anzunehmen. – Request for Feature (RfF) ist die Anforderung im Zuge einer Erweiterung / Fortführung bereits zugeschlagener Leistungen.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

8.2 Offene Formen Abschlussmärkte mit freier Bewerberkonkurrenz sind durch normierten (Börse) oder nicht normierten Handelsverkehr (übrige) gekennzeichnet. Dazu sind im Einzelnen folgende zu nennen: • Die Börse ist eine regelmäßig stattfindende, korporativ organisierte Marktveranstaltung, an der bestimmte Kaufleute nach festliegenden normierten Bedingungen und Verfahren Geschäfte in fungiblen, nicht ortsanwesenden Objekten abschließen. Fungibilität bedeutet dabei die Gleichartigkeit aller Teile einer Warengesamtmenge, die von verschiedenen Anbietern stammen, derart, dass sie untereinander austauschbar sind. Jedes Einzelexemplar kann insofern das Warengesamt hinreichend vertreten (vertretbare Waren). Muster sind bei überbetrieblichen Normen verzichtbar, die zu Standards erhoben werden. Ebenso sind die Bestandteile des Geschäftsabschlusses standardisiert. Dies gilt etwa für abschließbare Menge, Lieferungstermin, Andienungsplatz, Zahlungsweise, Streitregelung etc. Damit sind auch die zustande kommenden Verträge fungibel. Durch den beschränkten Zugang, straffe Organisation und räumliche, zeitliche Konzentration (regelmäßig) werden die Märkte übersichtlich gestaltet und vereinfacht. Die Logistik von Waren entfällt, andere Parameter als der Preis verlieren an Bedeutung. Dies gilt auch grenzüberschreitend. Absatzpolitische Anstrengungen entfallen weitestgehend, vielmehr kann das Bemühen auf die Erzeugung von Waren eines normierten Standards zu möglichst niedrigen Gestehungskosten konzentriert werden. Häufigste Erscheinungsformen sind Effekten- und Warenbörsen. • Die Messe ist eine Marktveranstaltung, auf der nach Bestellmustern abgesetzt wird. Dabei sind einige Grundmerkmale zu definieren. Im Rahmen der Veranstaltung werden bewusst und geplant Anbieter und Nachfrager in großer Zahl zusammengeführt. Es wird ein umfassendes Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige (Fach-/Universalmesse)  gezeigt. Dabei ist die Abgrenzung von umfassend zu relativieren, jedenfalls handelt es sich aber um ein überbetriebliches Angebot. Die Messe findet in regelmäßigem Turnus am gleichen Ort statt, d. h. sie ist weder dauerhaft präsent (wie z. B. Musterläger) noch einzeln veranstaltet (wie z. B. Sonderschauen) und im Standort wechselnd (wie z. B. Wanderschauen). Es wird aufgrund von Mustern, die verkaufsaktiv wirken sollen, gekauft, d. h., der Absatz erfolgt erst im Wege des Lieferungsgeschäfts nach dem Kaufabschluss. Messen sind nicht für Endabnehmer bestimmt, sondern für Wiederverkäufer, Weiterverarbeiter, gewerbliche Nutzer und Großabnehmer, wobei größere Mengen / Werte umgesetzt werden. Der Zutritt ist grundsätzlich nur Fachbesuchern vorbehalten. • Die Musterung dient zur Präsentation von Prototypen, anhand derer geordert wird, z. B. bei Modeartikeln. Die Mustermesse ist eine organisierte Musterung für Fachleute. Findet sie mit inländischen Anbietern im Ausland statt, so handelt es sich um eine Exportmusterschau. Findet sie kontinuierlich statt, handelt es sich

9. Logistisches Distributionssystem

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um ein Musterlager. Solche Musterläger sind permanent zugängliche Marktveranstaltungen, auf denen Muster industriell oder handwerklich gefertigter Erzeugnisse gezeigt und Verbindungen zwischen Anbietern und Nachfragern vermittelt werden. Musterungen werden genutzt, um nach Nachfrage zu produzieren. Von daher handelt es sich um eine Art von Markttest, der die Produktion und das Angebotsprogramm steuert. Im großen Stil findet dies für die Modebranche durch aufwändige Modeschauen (Pret à porter) statt. • (Jahr-, Wochen-, Groß-, Kram-, Handwerks-)Marktwesen mit Veranstaltungen vor allem für Agrarprodukte, Secondhand-Produkte, Karnivorenproduke, ihr Kennzeichen ist der informelle Handelsverkehr. Hier treffen sich raumzeitlich definiert und meist sachlich begrenzt Anbieter und Nachfrager, um frei ausgehandelte Geschäfte zu tätigen, die meist formlos, also durch konkludentes Handeln, abgeschlossen werden und denen aktive Preisverhandlungen vorausgehen. Ware und Geld werden für gewöhnlich physisch übergeben. Am Marktplatz herrscht das Marktrecht, das die Rahmenbedingungen festlegt. Märkte lassen sich u. a. unterscheiden nach ihrer Frequenz im Zeitablauf, nach den dort gehandelten Waren, nach der Art der Teilnehmer, nach der Herkunft der Teilnehmer. Der Übergang zu Messen ist fließend.

9. Logistisches Distributionssystem Neben das bisher dargestellte akquisitorische Distributionssystem tritt das logistische Distributionssystem. Logistische Prozesse beschäftigen sich allgemein mit Vorgängen des (physischen) Transports, der Speicherung und der Handhabung von Stoffen (Gütern), Lebewesen, Informationen und Energien. In logistischen Prozessen werden Objekte von einem Anfangs- in einen Endzustand transformiert, wobei sich mindestens eine der Systemgrößen Zeit, Ort, Menge, Sorte ändert, ohne dass die Objekte eine unerwünschte Änderung ihrer Eigenschaften erfahren. Die Logistik umfasst damit alle Tätigkeiten, in denen solche logistischen Prozesse untersucht, geplant, realisiert, betrieben und optimiert werden. Sie bedient sich dabei verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen und Fachgebiete. Der logistische Auftrag besteht darin, die richtige Menge der Objekte (Güter, Lebewesen, Informationen, Energien) zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem gewünschten Ort zu haben, um damit in einem abgegrenzten logistischen System minimale Kosten für notwendige Transformationen der Objekte zu erzielen. Dabei besteht ein magisches Dreieck zwischen einem möglichst hohen Grad der Lieferfähigkeit bei möglichst niedriger Kapitalbindung in den Lägern und möglichst niedrigen Kosten der Beschaffung. Im Rahmen der Logistik ist hier die Marketinglogistik relevant (9.1). Diese bedient sich verschiedener Techniken in Lagerung und Transport (9.2).

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

9.1 Marketinglogistik 9.1.1 Darstellung Der Logistik kommt im Vertrieb für gewöhnlich lediglich eine Randbedeutung als technische Hilfsfunktion zu. Doch die Schaffung kaufkräftiger Nachfrage kann letztlich nur eine Hälfte des Erfolgs ausmachen, die Erfüllung des derart generierten Bedarfs ist unabdingbar die notwendige andere. Damit aber ist die Logistik gefordert, ihren Beitrag zu 1eisten. Unter Marketinglogistik wird die Gestaltung und Regelung von Realgüterströmen zur Überwindung von Raum- und / oder Zeitdisparitäten zwischen Angebot und Nachfrage verstanden. Damit ist sie definitorisch Begriffsbestandteil der Distribution, die aber weiterhin die Wahl der Distributionskanäle und -organe umfasst. Andererseits grenzt sich Logistik deutlich gegenüber der Absatzmethode als Absatzform und Vertriebssystem ab, denn sie umfasst ausschließlich den körperlichen Umschlag von Waren, Rohstoffen, Halb- und Fertigfabrikaten, nicht aber den Finanzmittel- und Informationsstrom zwischen Unternehmen. Von daher ist es korrekt, Logistik mit physischer Distribution gleichzusetzen, einem Begriff, der aus dem Militärwesen, dort wiederum aus der Nachschubtechnik, stammt. Zur methodischen Erfassung und Lösung von Verteilungsfragen werden in der unternehmerischen Praxis Logistiksysteme entwickelt und implementiert, die eine in Hinblick auf das Kosten-Leistungs-Verhältnis möglichst effiziente und zuverlässige Überbrückung von Raum und / oder Zeit gewährleisten, also eine Optimierung der betrieblichen Warenverteilungspolitik zum Ziel haben. Schließlich garantiert erst die physische Produktdistribution die materielle Verfügbarkeit der Waren am Ort und zur Zeit der gewünschten Bedarfsdeckung und hat damit eine wesentlich limitierende Funktion in der Absatzpolitik. Da jegliche Produktions- und Konsumtionsvorgänge von Unternehmen und Haushalten unter diesem RaumZeit-Bezug stehen und ablaufen, bestimmt das logistische System im Effekt den Umfang der Kontaktaufnahme der Unternehmen mit ihren Absatzmärkten. Die Dimen­sionierung der Logistik-Systeme begrenzt insofern den Aktivitätsrahmen des Unternehmens und somit die Einflussnahmemöglichkeiten auf die Nachfrage­ entfaltung. Die physische Distribution der Unternehmensleistungen am Markt ist weiterhin Voraussetzung für deren Honorierbarkeit durch Abnehmer und somit mitbestimmend für die Unternehmensexistenz. Denn es ist leicht einsehbar, dass nur ein Angebot wahrgenommen werden kann, das physisch überhaupt vorhanden ist, und zwar genau dann und genau dort, wenn bzw. wo Bedarf entsteht und kaufwirksam wird. Aus einer eher routinemäßigen Hilfsaufgabe von untergeordneter Bedeutung bzw. nur unterstützendem Charakter ist somit in jüngerer Zeit angesichts weiter zunehmenden Konkurrenzdrucks bei gleichzeitiger Gewinnnivellierung eine Haupt-

9. Logistisches Distributionssystem

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funktion des Marketing-Mix geworden. Zumal kompetitive Aktivitäten teilweise über Zusatzleistungen laufen, die durch Logistik optimal bereitgestellt werden müssen. Dadurch ist Logistik zu einem originären Instrument der Nachfragestimulierung und zu einem wettbewerbswirksamen Aktionsparameter geworden. Daraus folgt natürlich auch ein gesteigertes Interesse an dessen Funktionserfüllung seitens der Unternehmensleitung. Vor allem, weil sich dort noch erhebliche Rationalisierungsreserven verbergen. Parallel wird die Entwicklung durch den Trend zu wachsender geografischer Ausdehnung der Märkte (Internationalisierung) sowie breiteren und zugleich tieferen Programmen (Proliferation) verstärkt. Schließlich führen immer differenziertere Kundenwünsche mit der Konsequenz kleinerer, dafür aber häufigerer Bestellungen sowie die Rückverlagerung von Teilen der Distributionsfunktion von der Handels- auf die Herstellerstufe zur Forderung nach schneller, bequemer und problemloser Bedarfsdeckung, die nur durch quantitativ wie qualitativ verbesserte Marketing-Logistik-Systeme erfüllbar wird.

9.1.2 Serviceniveau Ziel aller logistischen Bemühungen ist in jedem Fall die Erreichung eines unternehmerisch sinnvollen Serviceniveaus im Absatzkanal, dessen wichtigste Komponenten Lieferbereitschaft, Lieferzeit und Lieferzuverlässigkeit sind. Unter Serviceniveau wird verstanden, die richtige Ware zur richtigen Zeit am richtigen Ort, im richtigen Zustand physisch verfügbar zu machen. Dazu gehören folgende Anforderungen, die das Serviceniveau ausmachen: • Unter Lieferbereitschaft wird die Fähigkeit eines Lieferanten verstanden, bestellte Ware tatsächlich innerhalb der vereinbarten Lieferfrist verfügbar machen zu können. Dies setzt entweder eigene Lagerbestände oder Just in Time-Zulieferungen voraus. Dabei ist der subjektiv vom Markt verlangte Sicherheitsgrad u. a. abhängig von der Substituierbarkeit der Ware, von der Länge des Produktlebenszyklus und den Nachfrageschwankungen der Ware, vom monopolistischen Aktionsspielraum des Anbieters, von der Kundenstruktur etc. • Unter Lieferzeit versteht man die Frist zwischen dem Bestelleingang beim Lieferanten und dem Wareneingang beim Abnehmer. Diese kann terminlich fixiert oder schnellstmöglich erfolgen. Die Zeitdauer umfasst insofern die gesamte Auftragsabwicklung vom Zeitpunkt der Auftragserteilung an gerechnet bis zum Eintreffen der Ware am Bestimmungsort. • Unter Lieferzuverlässigkeit (auch Liefertreue) versteht man die Einhaltung der vereinbarten Bestellvorgaben bei der tatsächlichen Lieferung, genauer den Grad der richtigen Lieferbeschaffenheit (ohne Mängel) und Liefergenauigkeit (kein

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Aliud), vor allem in Bezug auf den einwandfreien Zustand der Ware und die Einhaltung der bei Geschäftsabschluss vereinbarten Auftragsbestandteile. Die Ausprägung des Serviceniveaus selbst wird im Wesentlichen durch die Marktüblichkeit, den Leistungsgrad der Konkurrenz und die Ansprüche der Nachfrager bestimmt. Zu dessen sinnvoller Gestaltung muss versucht werden, durch Marktsegmentierung einzelne Kunden jeweils nicht besser als aus deren Sicht mindestens notwendig zu bedienen, da einmal gewährte Serviceleistungen nicht mehr ohne Gefahr des Kundenverlustes rückgängig gemacht werden können. Allenfalls ist eine Kompensation durch andere Zugeständnisse denkbar, die ihrerseits aber auch wieder kostenträchtig sind. Außerdem sollten auf jeden Fall Steigerungsmöglichkeiten offenbleiben, ohne gleich aus der Rentabilitätszone absinken zu müssen. Denn Preiserhöhungen schränken meist die Absatzchancen weiter ein. Das Serviceniveau ist also möglichst kundenindividuell bzw. kundengruppenindividuell nach Art und Umfang abzustimmen. Ein Problem stellen dabei Marktverbundenheiten dar. Bereits hier wird deutlich, dass es grundsätzlich einen Zielkonflikt zwischen Serviceniveau als Output des Marketinglogistik-Systems einerseits und Kostenhöhe als dessen Input andererseits gibt. Daraus lässt sich je nach unterstelltem ökonomischen Prinzip des Unternehmens eine Maximal- oder eine Minimalversion ableiten, d. h. ein bestimmtes Serviceniveau bei minimalen Kosten oder aber mit bestimmten Kosten ein maximales Serviceniveau zu realisieren. Der Konflikt bleibt jedoch unverändert bestehen, denn serviceniveau-erhöhende Maß­ nahmen führen in der Regel zu Kostenerhöhungen, wohingegen umgekehrt Kosteneinsparungen meist nur über Rücknahme des Serviceniveaus erreichbar sind. Dabei wird jeweils gleiche Wirtschaftlichkeit der Prozesse vorausgesetzt, d. h. keine unnötigen Unterbrechungen der Warenflüsse, möglichst späte, im Absatzkanal fortgeschrittene Heterogenisierung / Auflösung der Warenströme, minimale Lager­fristen etc. Da das Marketinglogistik-System umso effizienter arbeitet, je günstiger die Relation von generiertem Lieferservice zu dadurch verursachten Kosten ist, wird das Optimum dort erreicht, wo jede Erhöhung des Serviceniveaus in ihrem akquisitorischen Nutzen für den Anbieter durch eine Logistikkostenerhöhung überkompensiert wird bzw. jede Logistikkostensenkung zu einer Serviceniveausenkung führt, die einen vergleichsweise größeren Nutzenentgang für die Nachfrager bedeutet. Unter Logistikkosten wird dabei der bewertete Verzehr an Gütern und Diensten zur betrieblichen Warenverteilung, evtl. unter Zuschlag von Opportunitätskosten für Auftragsentgang, verstanden. Logistikkosten und Serviceniveau verhalten sich regelmäßig gegenläufig (siehe Abbildung 137: Trade-off zwischen Logistikservice und Logistikkosten). Die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems ist wesentlich abhängig von den Einwirkungsmöglichkeiten des betreffenden Unternehmens auf die Beschaffungsund Absatzmärkte, wobei eine möglichst breite und tiefe Kontrollspanne anzu-

9. Logistisches Distributionssystem

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Abbildung 137: Trade-off zwischen Logistikservice und Logistikkosten (eig. Darst.)

streben ist. Darin wirken angebotsmächtige Lieferanten oder nachfragemächtige Abnehmer sowie rechtliche, politische und allgemein wirtschaftliche Richtlinien limitierend.

9.2 Technik der Logistik 9.2.1 Lagerung Aufgabe ist hier die Erfassung aller Lagerbewegungen, die Buchung der ein- und ausgehenden Waren nach Art und Menge und die Fortschreibung des Lagerbestands für die Funktionen Zeitüberbrückung, Mengenausgleich und Preisausgleich. Dabei erfolgen die zumindest stichprobenartige Warenprüfung (Beleg-, Mengen-, Zeit-, Qualitätsprüfung) und die Rechnungsprüfung (sachlich, rechnerisch, preislich). Die Einlagerung erfolgt nach dem Freiplatzsystem mit Lagerplatznummern oder nach dem Festplatzsystem in geschlossenen, halboffenen, offenen und Hoch-Regalen. Lagerarbeiten betreffen die Manipulation und Kommissionierung von Waren. Für den Lagerbestand ist zum Ende des Geschäftsjahres eine Inventur als Aufstellung über Vermögen und Schulden durch Messen, Zählen, Wiegen erforderlich. Das Ergebnis ist das Inventar. Die Bestandsbewertung erfolgt als Einzel- oder Sammelbewertung nach dem Niederstwertprinzip. Unter Umständen sind dafür FiFo (First in – First out), LiFo (Last in – First out) und HiFo (Highest in – First out) nach Handels- bzw. Steuerrecht zulässig. Einflussgrößen auf die Lagerbestandsplanung entstehen neben Lieferbereitschaft, Lieferzeit, Lieferzuverlässigkeit aus den Fehlmengenkosten. Letztere umfassen

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

• zusätzliche Kosten für Eillieferungen, Konventionalstrafen, Stillstandskosten, Einsatz höherwertigerer Güter etc., • Erlösschmälerungen wegen entfallender Preisnachlässe, Opportunitätskosten durch entgangene Deckungsbeiträge bei Einschränkung der Geschäftstätigkeit in Abhängigkeit von Fehlmengen, die nicht nachgeliefert werden können und Fehlmengen, die als Auftrag verloren gehen. Lagerkennzahlen umfassen Mindestbestand (für die Lieferbereitschaft), Meldebestand (für die Lieferzeit), durchschnittlichen Bestand, Umschlagshäufigkeit und Lagerdauer (für die Wirtschaftlichkeit). Lagerkosten umfassen im Wesentlichen Raumkosten (Abschreibung, Instandhaltung, Versicherung, Energie), Personalkosten (Löhne, Sozialaufwendungen), Risikokosten (Versicherung, Abschreibung, Schwund, Verderb, Veralterung, Preisschwankung) und Zinskosten. Vor allem stellen sich die Fragen von Lagerbetrieb und Lagerstandortwahl. Zunächst zum Entscheid über den Lagerbetrieb: • Ein Eigenbetrieb bietet sich u. a. an, wenn die Nachfrage stabil ist, Märkte stark konzentriert sind, hoher Lagerumschlag gewährleistet scheint, direkte Kontrolle erforderlich bleibt, spezielle Ausrüstungen zur Manipulation nötig sind und eine spezifische Behandlung vor Auslieferung erfordern. • Fremdbetrieb hingegen bietet sich eher an, wenn u. a. die Nachfrage stark (sai­ sonal) schwankt, Märkte stark verstreut sind oder häufiger wechseln, verschiedene Transportmittel eingesetzt werden, ein Produkt erst neu eingeführt wird etc. In Bezug auf den Lagerstandort ergeben sich folgende Alternativen: • Der Lagerstandort betrifft die zentrale Lagerung, i. d. R. am Betriebsstandort. Von dort aus erfolgt dann die Zustellung an den Auftragsorten. Dies rationalisiert die Lagerhaltung (Kostendegression), verlängert jedoch die Lieferzeit um den Transportweg zwischen zentralem Lager und Abnehmerstandort. • Alternativ dazu ist die dezentrale Lagerung möglich. Mit steigender Zahl der Lager sinken zwar die Transportkosten von den Lagerstandorten zu den Kunden, umgekehrt steigen jedoch die Lagerhaltungskosten (Fixkostenintensität) und die Transportkosten vom Produktionsstandort zu den Lagerstandorten. Zwischen diesen beiden gegenläufigen Entwicklungen ergibt sich ein Optimum beim Gesamtkostenminimum.

9.2.2 Transportmittelwahl In der Transportlogistik lassen sich bei der Wahl verschiedene Transportmittel unterscheiden. Im Folgenden wird kurz auf Schiff, Eisenbahn, Automobil (Lkw) und Flugzeug eingegangen.

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Beim Wasserfrachtverkehr ist nach See- und Binnenschifffahrt sowie Küstenschifffahrt zu unterscheiden. Entscheidungen umfassen hier vor allem die Hafenwahl, z. B. in Abhängigkeit von den dort befindlichen Hafenanlagen, die Reederwahl, z. B. in Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Verfrachter, und die Wahl der Transportart, z. B. in Abhängigkeit von der Präferenz für Linien- oder Trampschifffahrt. Linienschiffe bieten Vorteile aus • klarer Terminkalkulation, da sie nach festen Routenplänen verkehren, • Anlauf bestimmter Standardhäfen in verlässlichen, regelmäßigen Zeitabständen, • guter Klassifizierung der eingesetzten Schiffe für den speziellen Transportzweck, • vorhersehbarem, festen Ankunftstermin für die Organisation des Vor- und Nachlaufs. Nachteile betreffen • die Kostenhöhe durch eine kartellähnliche Marktstruktur unter den Anbietern, • die Bindung an zugeteilte Schifffahrtslinien, die auf den jeweiligen Routen verkehren. Vorteile der Trampschifffahrt (auch Charter) sind • frei aushandelbaren Frachtraten, die sich allein nach Angebot und Nachfrage richten, • die Flexibilität in der Routenwahl, die auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt werden kann. Nachteile liegen in • oftmals leicht mangelnder Seriosität und Bonität von Reederei und Schiffs­ einheit, • mangelnder Eignung des Schiffes für den optimalen Transport der jeweiligen Güter, • der Gefährdung der Termintreue durch teilweise unzuverlässige Verbringung, • problematischer Kostenüberschaubarkeit, da die Preise im Vorhinein durch schwankende Auslastung schwer kalkulierbar sind. Als Frachtinhalt kommt für den Schiffstransport vor allem Massengut oder Stückgut in Betracht. Die Binnenschifffahrt hat oft eine Vorlauf- oder Nachlauftransportaufgabe. Man unterscheidet Motor-, Schlepp- und Schubschifffahrt. Im Schienenfrachtverkehr sind Waggonladungen oder Stückgut als normales Frachtgut oder als Eilgut zu befördern. Be- und Entladungen übernehmen dabei Absender bzw. Empfänger. Berechnungsbasis ist der Eisenbahntarif. Beim Schie-

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

nengüterverkehr unterscheidet man Wagenladungs-, Stückgut-, Expressgut- und Dienstgutverkehr (werksintern). Vorteile dieser Transportart liegen in Folgendem: • Eignung besteht für fast jede Güterart durch die hohe Variabilität der Transportmittel der Bahn, • eine weitgehende Unabhängigkeit von Verkehrsaufkommen und Witterung ist gegeben, • Eignung für sicheren Landtransport, der wenige Risiken des Verlustes birgt, ist gegeben, • gute Erreichbarkeit des Abnehmers durch die große Zahl von Bahnhöfen, • schonende Behandlung des Frachtguts bei der Be- und Entladung sowie während der Fahrt. Als Nachteile sind vor allem folgende zu nennen: • Bindung an vorgegebene Trassen und Güterbahnhöfe, gebrochener Verkehr ist daher meist unvermeidlich, • Bindung an feste Zeitpläne mit Wartezeiten und Zwischenstopps, • komplizierte, intransparente Tarifstruktur, • vorwiegend bürokratisches Prozedere in der Durchführung. Der Straßenfrachtverkehr steht in hartem Verdrängungswettbewerb zum Eisenbahngüterverkehr, bisweilen auch zur Binnenschifffahrt. Vorteile liegen in • der faktischen Haus-zu-Haus-Beförderung, auch als vor- bzw. nachgeschaltete Transportart (Vor-/Nachlauf), • hoher Flexibilität des Transports durch freie Vereinbarung von Routen, Zeiten und Kapazitäten. Von Nachteil sind hingegen • das relativ geringe gemeinsame Transportvolumen je Verkehrseinheit, • Sekundäreffekte wie Umweltbelastung durch Schadstoffemission, Lärmbelästigung und Verkehrsgefährdung. Beim Straßengüterverkehr unterscheidet man Nah- und Fernverkehr auf gewerblicher Basis, der vielfach reglementiert ist. Daneben gibt es den werksinternen Verkehr zwischen den Standorten eines Unternehmens. Die wesentlichen Beurteilungsparameter für die Eignung des Luftfrachtverkehrs für den Transport liegen darin, dass • Luftfrachtraten in jeder Beziehung deutlich teurer als Seefrachtraten sind,

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• die Transportdauer dafür auch unvergleichlich viel kürzer ist, • der Zielflughafen meist näher am Bestimmungsort liegt als der Zielseehafen, so dass auch binnenländische Destinationen gut erreicht werden können, • eine erhöhte Lieferfähigkeit durch Einsatz der Luftfracht die Wettbewerbsfähigkeit des Lieferanten steigert, • bei hohem spezifischen Warenwert (d. h. Wert pro Gewichts-/Volumeneinheit) der Transportkostenanteil an den Gesamtkosten schrumpft, • der Verpackungsaufwand bei Luftfracht gemindert wird, da eine äußerst schonende Manipulation gegeben ist, • die Versicherungsprämien niedriger sind, da bezogen auf die transportierten Mengen die Luftfahrt als sehr sicheres Verkehrsmittel gilt, • eine geringere Kapitalbindung durch höhere Schnelligkeit der Lieferung erreicht wird. Der Luftverkehrstransport erfolgt entweder im Linienverkehr durch reinen Warentransport oder subsidiär zum Personentransport sowie im Charterverkehr durch fallweise Fluggerätbereitstellung. 9.2.3 Transportmittelbetrieb Eine weitere Entscheidung betrifft die Wahl zwischen Make or Buy, die sich grundsätzlich bei jedem Transportmittelbetrieb stellt. Dazu ist in jedem unternehmensindividuellen Einzelfall eine Abwägung zu treffen: • Für Eigenbetrieb sprechen die größere Kontrolle über Service (Zeit) und Produkte (Qualität), der Einsatz von Spezialausrüstungen, die (akzidentelle) Werbeträgernutzung, die höhere, kurzfristige Flexibilität, die stärkere Abnehmer-Lieferanten-Beziehung etc. • Für Fremdbetrieb hingegen sprechen die Gewährleistung professioneller Services, die größere räumliche Abdeckung, die Delegation von Pflichten und Verantwortung gegen Rechnung, Fixkostenersparnisse durch fehlende Investition und Instandhaltung, die freie Transportmittelwahl etc. Bei mehrgliedrigem Verkehr werden die Waren zwischen Verkehrsmitteln umgeladen, bei eingliedrigem Verkehr findet hingegen keine Umladung statt. Bei unimodalem Verkehr bleibt das Verkehrsmittel über die gesamte Strecke gleich. Bei multimodalem Verkehr wird bei der Umladung zwischen den Verkehrsmitteln gewechselt. Meist handelt es sich dann um gebrochenen Güterverkehr, d. h., mit Umladung der transportierten Güter. Bei intermodalem Verkehr wird hingegen eine ganze Ladeeinheit mit Fracht (meist Container, Palette) umgeschlagen.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Anhand der unterschiedlichen fixen und variablen Kosten der Transportmittel kann ein Zusammenhang zwischen diesen und der Transportzeit hergestellt werden. So ist mit steigender Menge die Reihenfolge Luftfracht (niedrige fixe, dafür hohe variable Kosten), Straße, Bahn und Schiff (hohe fixe, dafür niedrige variable Kosten) gegeben (siehe Abbildung 138: Spezifische Transportmittelkosten).

Abbildung 138: Spezifische Transportmittelkosten (eig. Darst.)

Eine wichtige Hilfe sind Transportbehältnisse. Durch die Verwendung von Containern als Normverpackung wird der Stückguttransport rationalisiert. Umverpackungen entfallen, Beladung und Löschung werden vereinfacht. Kleinere Ladungen können zu Sammelladungen kombiniert werden, um die Container­kapazität optimal auszunutzen. Üblich sind auch transportgeschützte Paletten zur praktischen Bündelung von Ladeeinheiten. Einwegsysteme, meist aus Holz, sind aus ökologischen Gründen tabu, Mehrwegsysteme kommen durch Palettentausch, -weiterverkauf oder -Poolmiete zustande. Die Abmessungen sind als Europalette (Voll-, Halb-, Viertel-) standardisiert auf 120 × 80 cm (Düsseldorfer Palette) oder größer als Industrie- oder Großpalette. Palettenboxen sind stapelfähig. Ein weiteres wichtiges Transportsystem sind Rohrleitungen, z. B. als Rohöloder Produktepipelines, wobei hier der immobile, unflexible Charakter eine Besonderheit darstellt. Pipelinefähig sind flüssige, gasförmige und schlämmige Stoffe. Eine zentrale logistische Funktion ist die der Abfallwirtschaft. Abhängig von den besonderen Gegebenheiten in Unternehmen stehen diese unter immer strengeren Umwelt- und Abfallbeseitigungsauflagen bei zunehmender Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Die wichtigsten Einzeltätigkeiten sind die Abfall- und Überschussmaterialbeseitigung bzw. -rückführung, die Reduktion der Schadstoff­emission, die Sammlung, Aufbereitung und Umformung von Verwertungsprodukten.

10. Verkauf im Handel

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Einzelaufgaben betreffen die • geordnete Abfallentsorgung mit Erfassung, Transport, • Untersuchung der anfallenden Abfallmengen,  -arten, -zusammensetzung und -herkunft, • Abfallvermeidung als erste Priorität vor Weiter- / Wiederverwertung und Weiter- /  Wiederverwendung, • Abfallbehandlung durch Kreislaufwirtschaft oder, mangels Alternative, thermische Entsorgung (Verbrennung), • Lagerung von Abfällen bzw. deren evtl. Vermarktung. Im Handel sind nicht nur Abfälle, sondern auch Rückstände wie Batterien, Altelektrogeräte, Leergut etc. von Bedeutung. Deren Dokumentation ist heute obligatorisch, Verstöße sind strafbewehrt. Die Entsorgung kann im Bringprinzip (Sammelstelle) oder Holprinzip (Entsorger) erfolgen, dezentral (für Bereiche) oder zentral (Werk).

10. Verkauf im Handel Zu den situativen Faktoren des Verkaufs gehört neben anderen der Verkauf im Handel. Der Handel stand neben der Industrie lange Zeit im Fokus des betriebswirtschaftlichen Interesses. Vor allem galt dies für das Marketing, da in der Industrie der Verkauf lange Zeit als unwichtig im Vergleich zu Beschaffung, Produktion, Investition etc. angesehen wurde, wohingegen im Handel die Verkaufsbedeutung offensichtlich war. Erst nachdem der Fokus der BWL von der Produktion und Beschaffung auf den Absatz als geschäftspolitischem Engpass wanderte, trat auch der Verkauf dort in den Vordergrund. Heute verschwindet der Handel als Institution vielfach aus dem Absatzkanal, wohingegen er als Funktion auf absehbare Zeit allgegenwärtig ist. Von daher unterscheidet sich das Marketing im Handel erheblich vom Marketing in der Industrie. Die Handelsstufe betreibt ihrerseits Profil­marketing (10.1) über Sortimentsbildung, Mischkalkulation, Eigenwerbung und Standort. Um die Waren- und Geldflüsse auf der Handelsstufe transparent zu machen, wird Handelsforschung betrieben (10.2).

10.1 Profilmarketing Für die Vertriebsaktivitäten des Handels stehen mehrere Parameter im Rahmen des Profilmarketing zur Verfügung. Die Sortimentsbildung erfolgt • nach der Bedeutung in Grundsortiment, d. h. Waren, die das hauptsächliche Angebot eines Handelsbetriebs umfassen oder Randsortiment, d. h. Waren, die mit geringerer Gewichtung eher nebenher geführt werden.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

• nach dem Ziel in Kernsortiment, d. h. Waren, welche die Rendite des Betriebs sicherstellen sollen oder Akquisitionssortiment, d. h. Waren, die der Anlockung von Kunden dienen, indem sie besondere Vorteilhaftigkeit signalisieren. • nach der Zeitdauer in Standardsortiment, d. h. Waren, die kontinuierlich im Handelsbetrieb geführt werden oder Saisonsortiment, d. h. Waren, die nur temporär präsent sind, um sich Nachfrageschwankungen anzupassen. • nach der Präsenz in Lagersortiment, d. h. Waren, die ab Lager grundsätzlich jederzeit lieferbar sind oder Bestellsortiment, d. h. Waren, die nur auf Bestellung ausgeliefert werden können. • nach dem Eigentum in Eigensortiment, d. h. Waren, die sich im Eigentum des Handelsbetriebs befinden oder Fremdsortiment, d. h. Waren, die sich nur im Besitz des Handelsbetriebs befinden, aber im Eigentum eines Dritten (Hersteller). • nach der Stellung, wobei zwei und mehr Artikel eine Sorte bilden, zwei und mehr Sorten eine Warenart, zwei und mehr Warenarten eine Warengattung, zwei und mehr Warengattungen einen Warenbereich und zwei und mehr Warenbereiche ein Sortiment. Angestrebt wird eine Idealsortierung (im Gegensatz zur Unter- oder Übersortierung mit zu wenig bzw. zu viel Ware) gemäß händlerindividueller Zielsetzung. Dabei ist der Verbund von Artikeln im Sortiment zu berücksichtigen. Dieser kann aus Faktoren wie Lieferung, Einkauf, Gebrauch, Einkaufsstätte etc. folgern, die Wirkung kann dabei substitutiv oder partizipativ sein. Substitutiv (ersetzend) bedeutet, dass mehrere Artikel im Sortiment zueinander in einem Konkurrenzverhältnis um die Bedarfserfüllung von Kunden stehen. Partizipativ (ergänzend) bedeutet, dass mehrere Artikel im Sortiment in einem Komplementärverhältnis bei der Bedarfserfüllung von Kunden zueinander stehen. Die Sortimentsbildung selbst erfolgt durch Zusammenstellung nach verschiedenen Prinzipien, so • nach der Herkunft, d. h. orientiert an Material als gemeinsames Urprodukt, z. B. Keramik, an Verfahren als gemeinsamer Prozess, z. B. Wirkwaren, an Hersteller als gemeinsamer Absender, z. B. Automobilmarke oder Region als gemeinsames Ursprungsgebiet, z. B. Provenienz. • Hinkunft, d. h. orientiert an der Bedarfsart als gemeinsamer Produktgruppe, z. B. Arzneimittel, am Bedarfsträger als gemeinsamer Nutzung, z. B. Atelierbedarf, am Bedarfsanlass als gemeinsamem Kaufauslöser, z. B. Babywaren oder am Interessenfeld als gemeinsamer Emotionalisierung, z. B. Hobby. • Betrieb, d. h. orientiert an der Artikelart als gemeinsamer Funktion, z. B. Kleinbedarf, der Tradition als gemeinsamen Geschäftswurzeln, z. B. Schmuck, dem Angebot als gemeinsamer Selbstverkäuflichkeit, z. B. SB-Waren oder am Preis als gemeinsamer Qualitätseinstufung, z. B. Luxusartikel.

10. Verkauf im Handel

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Innerhalb des Sortiments wird ein preispolitischer Ausgleich durch Mischkalkulation angestrebt. Dabei werden Artikel nicht nach dem Verursachungs-, sondern nach dem Tragfähigkeitsprinzip behandelt. Es ergeben sich Zugartikel (Zeigerwaren) als Ausgleichsnehmer und Kompensationsartikel als Ausgleichsgeber. Erstere werden wegen ihres niedrigen Preises forciert, letztere erbringen erst die per Saldo gewünschte Rendite. Dabei unterscheidet man jeweils drei Grade: • Ausgleichsnehmer 3. Grades mit Preisansatz unterhalb der Einstandskosten (=  Untereinstandspreisverkauf / UEPV), • Ausgleichsnehmer 2. Grades mit Preisansatz zu Einstandskosten, • Ausgleichsnehmer 1. Grades mit Preisansatz zu Einstandskosten plus Handlungskosten (= Selbstkosten), jedoch ohne Gewinn, • Ausgleichsgeber 1. Grades mit Preisansatz zu Selbstkosten plus für die Warengruppe unterdurchschnittlichem Gewinnaufschlag, • Ausgleichsgeber 2. Grades mit Preisansatz zum für die Warengruppe planmäßigen Gewinnaufschlag, • Ausgleichsgeber 3. Grades mit Preisansatz zum für die Warengruppe überdurchschnittlichen Gewinnaufschlag. Der zeitliche Ausgleich kann simultan, also zeitgleich bei einem Einkauf, oder sukzessiv, also zeitversetzt über mehrere Einkäufe hinweg, angestrebt werden. Die Spekulation besteht darin, dass sowohl knapp als auch reichlich kalkulierte Artikel gemeinsam eingekauft werden und so per Saldo die angestrebte Marge erbringen. Die Zugartikel dienen jedoch beim Publikum als Aufreißer, die Kompensationsartikel werden aus Bequemlichkeit (One Stop Shopping) im gleichen Vorgang mitgekauft. Die Handelsstufe ist grundsätzlich frei in der Preisgestaltung, sofern sie rechtlich selbstständig ist und die gehandelten Waren sich in ihrem Eigentum befinden. Dennoch wirken vielfältige Einflussfaktoren ein, so • Herstellerpreisvorgaben als Unverbindliche Preisempfehlungen, allerdings mit Missbrauchsaufsicht seitens des Kartellamts bei Mondpreisverdacht, d. h. erheblicher Abweichung des realen Marktpreises vom empfohlenen Preis nach unten, hingegen mit Abweichungsfreiheit bei Angabe als Hauspreis, • Festpreise als Preisbindung der Zweiten Hand trotz Verbots durch einige Ausnahmen wie Verlagserzeugnisse, ethische Arzneimittel, Saatgut etc., • Handelsspanne als Differenz zwischen den realen Selbstkosten und dem potenzielle Preissetzungsspielraum, • Liquidität verschiedener Grade zur Deckung der direkt ausgabewirksamen Kostenpositionen, • Sortimentsbereinigung durch forcierten Abverkauf objektiv oder subjektiv obsoleter Waren (z. B. als Sonderangebot vor Verderb oder Auslauf),

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

• Lagerräumung über informelle Sonderverkäufe (etwa zum Saisonende), • Anlässe wie Renovierung, Jubiläum, Geschäftsaufgabe etc., die jedoch im UWG restriktiv definiert sind, • Akquisitionseffekte über Loss Leader, die im Wege der Mischkalkulation ausgeglichen werden oder Image Leader, die ein Trading up der Geschäftsstätte verkörpern, • die Preissetzung der lokalen Konkurrenz, • die Direkte Produkt-Profitabilität (DPP) als relativer Deckungsbeitrag je Flächen-Zeit-Einheit. Als Hilfe für die Handelspreisgestaltung wird von Herstellerseite vor allem die Unverbindliche Preisempfehlung / UPE angesehen. Die UPE schafft eine konkrete Hilfestellung bei der Kalkulation, die Vorauszeichnung der Produkte durch Packungsaufdruck seitens des Herstellers, was die Handlungskosten verringert und den Schutz des mittelständischen Handels gegenüber preisaggressiven Groß­ betriebsformen. Die preisliche Akquisition erfolgt durch Schlüsselartikel in Bezug auf • Imagedominanz auf Premiumpreislevel bzw. Kostendominanz auf Discountpreislevel, • Bedarfsverbund bei Komplementärprodukten (z. B. Setgedanke, Zubehör), • Konkurrenzorientierung bei konjekturaler Preisführerschaft bzw. -folgerschaft. Geschlossene Waren-Wirtschafts-Systeme, die aus computergestützten Einhei­ ten für Wareneingang, Warenausgang, Bestellung und Bestandsmanagement bestehen, erlauben dabei eine schnelle und genaue Kontrolle der Effizienz dieser Maßnahme (s. o.). Die Herstellerstufe hat der hohen Bedeutung bestimmter Handelsorganisationen durch die Einrichtung eines Key Account-Managements Rechnung getragen. Dabei betreuen besonders qualifizierte Verkäufer direkt einzelne, große Handels­häuser. Ergänzend übernimmt das Trade Management Merchandising (Regalpflege), Konditionen, Logistik etc. zum Handel hin. Die Feldorganisation wird im übrigen Handel über die Bestimmung von • Touren / Routen, d. h. Anzahl der Besuchskontakte je Zeiteinheit und günstige Reihenfolge der Besuche, • die Gebietsaufteilung nach Marktverantwortung, intra-/international, • die Besuchsnormen für Aktivitäten wie Interessentenkontakt, Präsentation, Angebot, Service, meist abgestuft nach Kundenwert, • die Besuchshäufigkeit, Besuchsdauer, etc.

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mit geringerer Intensität, teilweise auch nur telekommunikativ, tätig. Technische Voraussetzung für den Durchverkauf ist die handelsinterne Listung zur Bestellung. Die Motivation zum Kaufentscheid wird durch vielfältige Anreize (Incentives) zu erhöhen versucht. Die Kommunikation zum Endabnehmer hin ist im Normalfall eine duale, nämlich einerseits vom Hersteller im Wege der Sprungwerbung zur Markenkonditionierung, andererseits vom Handel im Wege der Eigenwerbung zur Bezugsquellenkonditionierung. Zu unterscheiden ist davon die Handelswerbung, d. h. die Umwerbung des Handels durch Hersteller in Fachmedien in der Fachöffentlichkeit. Idealerweise greifen beide integrativ ineinander. Faktisch jedoch wird die Werbung des Handels zur Verlängerung der Werbung des Herstellers benutzt oder konterkariert diese sogar. So kann von der Händlereigenwerbung sogar die Gefahr der Reputationsbeeinträchtigung für die Herstellermarke ausgehen (Brand Safety). Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen: – Aggressive Niedrigpreiswerbung, wodurch die Qualitätsanmutung einer Ware im Publikum und damit deren Preisbereitschaft mangels demonstrativen Konsums sinken, – indirekt vergleichende Werbung zu eigenen Handelsmarken mit überlegenem Preis-Leistungs-Verhältnis, etwa durch gemeinsame Darbietung im gleichen Werbemittel (Side by Side, z. B. Lidl), – irreführende Werbung, z. B. durch Übertreibung, die über Präferenzmanipulation der Nachfrager zu deren Enttäuschung auch hinsichtlich der Ware führt, – negative Ausstrahlung vom Image des Werbeträgers (z. B. Anzeigenblatt) auf das ausgelobte Produkt, dem vom Hersteller eine gewisse Hochwertigkeit und Selektivität zugedacht ist, – negative Ausstrahlung des Werbeumfelds und der Gestaltung auf das ausgelobte Produkt (z. B. beim Angebot hochwertiger Gebrauchsgüter in Faltblättern von Verbrauchermärkten zu beobachten), – Gewinnspiele mit Markenartikeln als Preisen, die deren Wertigkeit ausbeuten und mindern, – nicht individualisierend wirkende Standardwerbung aus vorgefertigten Gestaltungsmodulen, bei denen der Absatzmittler-Auftritt den des Produkts dominiert. Zu den konstitutiven Merkmalen des Handels gehört dessen Standort. Dies gilt vor allem für den Einzelhandel im Residenzprinzip, der auf Frequentierung durch potenzielle Kunden (Traffic) angewiesen ist. Zur Wahl eines geeigneten Standorts gibt es vielfältige, aufschlussreiche Einflussgrößen wie Demografie, Kaufkraft, Psychologie, Infrastruktur, Konkurrenzsituation, Objektbewertung, Standortkosten etc. Diese können einer vergleichenden Bewertung unterzogen werden (Nutzwertanalyse, Scoring).

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Neben diesen Checklistenpositionen sind auch analytische Verfahren üblich. Diese beziehen sich etwa auf die Analogie zwischen einem geplanten und einem dazu strukturidentischen Standort, für den Kennzahlen wie Pro-Kopf-Kaufkraft, Geschäftsanteil, Umsatz, Bedarfsträgerzahl, Wiederkaufrate etc. bekannt sind und analog übertragen werden können. Im Raumgebietsmodell wird versucht zu bestimmen, ob eine Person, die zwischen zwei Geschäftsstandorten lokalisiert ist, den einen oder den anderen Standort wählt (Gravitationsmodell) bzw. welchen Geschäftsstandort sie wahrscheinlicher wählt (Potenzialmodell). Im ersten Fall geht es um die Abgrenzung zwischen Einzugsgebieten, im zweiten um die Anziehungskraft eines Standorts auf einen benachbarten anderen. Schließlich kann auch eine Distanzenbetrachtung nach Wegstrecke, Entfernung in Luftlinie, Zeitdauer der An- und Abfahrt oder Kosten der An- und Abfahrt vorgenommen werden. Bei der Standortwahl sind allerdings umfangreiche Restriktionen (Baunutzungs​ VO, LandesplanungsG, BundesraumordnungsG, Baugesetzbuch etc.) zu beachten.

10.2 Handelsforschung In dem Maße, wie Hersteller über Absatzmittler (Handel) absetzen, verlieren sie den unmittelbaren Kontakt zu ihrem Endmarkt. Das hat bedeutende Konsequenzen. Denn der Hersteller „sieht“ nur die Aufträge der von ihm belieferten Händler, erhält aber keine Aufklärung darüber, wie sich die gelieferte Ware verkauft, und zwar differenziert nach unterschiedlichen Parametern, wie sich konkurrierende Waren vergleichsweise verkaufen oder nicht-belieferte Händler sich geschäftlich entwickeln. Bei Nachfrageveränderung nach einem Produkt ordert der Handel zunächst unverändert viel Ware in der Annahme, dass es sich dabei nur um eine vorübergehende Erscheinung handelt. Durch kontinuierlich mangelnden Abverkauf baut sich dort im Zeitablauf das Lager auf, bis der Handel weitere Orders stoppt und abwartet, bis wieder der Meldebestand erreicht ist. Dieser Orderstopp kommt für den Hersteller völlig überraschend, da ihm der Lageraufbau beim Handel verborgen bleibt. Bei Nachfrageanstieg nach einem Produkt ordert der Handel ebenfalls zunächst unverändert viel Ware. Durch hohen Abverkauf kommt es im Zeitablauf zu Vorratslücken und daraus folgend zu Fehlverkäufen (Out of Stocks), da viele Betriebsformen des Handels lagerlos arbeiten. Zusätzliche Orders werden erforderlich, um Lücken zu schließen und kommen für die Lieferfähigkeit des Herstellers ebenfalls völlig überraschend, da ihm der Vorratsabbau beim Handel verborgen bleibt. Der Absatz von Waren wird wesentlich durch den dafür eingeräumten Regalplatz (Kontaktstrecke), den Ort der Platzierung und den Einsatz verkaufsfördernder Maßnahmen (Zweitplatz, Werbemittel, Sonderangebot etc.) bestimmt. Da Händler

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selbstständige Kaufleute sind, liegen diese Aktivitäten ausschließlich in ihrem Befinden. Wie Warenpräsentation und Konditionen im Handel aber wirklich aussehen, bleibt dem Hersteller, bis auf Stichproben oder Formen der gesteuerten und reglementierten Distribution (Kontraktmarketing), verborgen. Der Erfolg eines Produkts wird wesentlich von den Angebotsparametern konkurrierender anderer Produkte determiniert. Diese werden wiederum in Handelsautonomie bestimmt. Wie die komparative Position des eigenen Angebots sich darstellt, bleibt dem Hersteller ebenfalls zumeist verborgen. Dies gilt erst recht für die Situation des Mitbewerbs in selbst nicht distribuierten Absatzstellen. Da aber die Transparenz über diese Bereiche unerlässlich für die Absatz­ planung ist, kommt hier die Handelsforschung zuhilfe. Sie bedient sich dabei der Längsschnittanalyse einer Stichprobe in Form eines Panel. Man unterscheidet Verbraucher- und Händler-Panels, letztere als Großhandels- und Einzelhandels-Panels, letztere wiederum in Lebensmitteleinzelhandels-Panels (für Lebensmittelgeschäfte, Lebensmittelfachabteilungen etc.) und Fachhandels-Panels (für Apotheken, Drogerien, Süßwarengeschäfte, Parfümerien, Friseurgeschäfte, Elektrohandel, Tabakwarenläden, Spirituosenhandel etc.). Umfangreiche Handels­ forschung durch Nielsen / GfK sichert aussagefähige Daten. Denn Fabrik- und Endverbraucherabsatz können über längere Zeit voneinander abweichen. Ein Panel ist allgemein eine Untersuchung bei einem bestimmten, gleich bleibenden Kreis von Erhebungseinheiten in regelmäßigen zeitlichen Abständen wiederholt zum selben Themengegenstand. Sie ist Teil der Kohortenanalyse, zu der auch die Wellenerhebung gehört. Die Analyse erfolgt traditionell als zweimonatliche, physische Inventur, also durch Messen, Zählen, Wiegen vor Ort (am POS), innerhalb eines dysproportionalen, stehenden Handelspanels (d. h. umsatzgewichtete Repräsentanz) als Fremdbeobachtung für alle Produkte einer Branche im Lebensmittelbereich. Verbreitet kommen moderne Methoden über Anzapfen der Geschlossenen Waren-Wirtschafts-Systeme (GWWS) im Handel zum Zuge. Dadurch können der Erfassungsaufwand drastisch gesenkt und die Aktualität der Auswertung erhöht werden. Bei einem GWWS handelt es sich um ein computergestütztes System, das den Warenweg vom Wareneingang über die Verkaufsraumplatzierung bis zum Kassen-Check out erfasst und nach Art der Ware, Lieferant dieser Ware, Menge / Sortierung, Rechnungsübereinstimmung, Eingangstermin, Verbleibdauer im Geschäft / im Regal, Regalflächenbeanspruchung, Platzierung, Kaufverbund, Preis, Ausgangstermin etc. ausweist. Die Dateneingabe erfolgt über Erfassungssysteme (EAN, RFID, QR etc.) und die Auswertung über Erfolgskennziffern (Handelsspanne, Kalkulationsaufschlag, DPP, DPR etc.). Diese Daten können für Zwecke der Handelsforschung genutzt werden. Die Verrechnung wird aktuell und im Zeitvergleich ausgewiesen und vollzieht sich durch Skontrahierung:

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

• Lagerbestand am Periodenbeginn + Einkäufe während der Periode von Hersteller und Großhandel = Warenbestand während der Periode − Lagerbestand am Periodenende = Verkäufe während der Periode. Vor allem werden die Numerik der Distribution, d. h. der Anteil der das einzelne Produkt führenden Geschäfte an allen die Produktgruppe betreffenden Geschäften, und die Gewichtung der Distribution, d. h. die mit der Umsatzhöhe gewichtete Bedeutung der das einzelne Produkt führenden Geschäfte an allen die Produktgruppe führenden Geschäften der Händler, erfasst und verrechnet, wobei wiederum zu unterscheiden ist nach • führend, d. h., das betreffende Produkt wurde bei Erhebung im Geschäft vorgefunden / war gelistet, • ohne Vorrat, d. h., das betreffende Produkt wurde bei Erhebung im Geschäft nicht vorgefunden, ist aber gelistet, • einkaufend, d. h. mit Reinverkauf des beobachteten Produkts während der Berichtsperiode, • verkaufend, d. h. mit Abverkauf des beobachteten Produkts während der Berichtsperiode. Im Rahmen der Analyse werden u. a. folgende Kenndaten erhoben und stehen als Information in schriftlicher Form und zur mündlichen Präsentation zur Verfügung: – Fortlaufender Trend (langfristiger Vergleich) der Absatzentwicklung der betreffenden Warengruppe, welche dem Wunsch des Auftraggebers entsprechend nach Marken, Sorten, Größen etc. aufgegliedert wird, – Endverbraucherabsatz, – wertmäßig durch Preis am Regal (Durchschnittspreis), – absolut in Menge, – nach Marktanteil (In Shop Market Share), – Endverbraucherabsatz in Mengeneinheiten (Packung, Kilogramm, Liter etc.), absolut und nach Marktanteil, – Einkäufe des Einzelhandels in Mengeneinheiten, absolut und als Anteil, – Lagerbestand des Einzelhandels, absolut und als Anteil im Verkaufsraum bzw. außerhalb des Verkaufsraums, – Lagerumschlaggeschwindigkeit im Einzelhandel (Lagerreichweite in Monaten),

10. Verkauf im Handel

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– durchschnittlicher Monatsabsatz je Geschäft, das die Ware führt, – durchschnittlicher Lagerbestand je Geschäft, das die Ware führt, – durchschnittlicher Monatseinkauf je Geschäft, das die Ware eingekauft hat, – durchschnittlicher Lagerbestand im Verkaufsraum je Geschäft, das die Ware im Verkaufsraum lagert, – Anteil der direkt vom Hersteller gelieferten Einkaufsmenge und Prozentsatz der direkt belieferten Geschäfte, sowie andere Lieferanten, – Prozentsatz der Geschäfte, in denen eine bestimmte Ware an zumindest zwei Stellen für den Konsumenten sichtbar und zugriffsbereit angetroffen wird (Zweitplatzierung, numerisch und gewichtet), – Prozentsatz der Geschäfte, in denen gekennzeichnete / neutrale Verkaufshilfen, Einwegkartons angetroffen werden, – Angaben über Ladenwerbung, jeweilige Betriebsform des Handels, regionale Verteilung des Endabnehmerabsatzes, Aktionserfolg, Ortsgrößenklasse etc. GfK deckt vornehmlich technische Gebrauchsgüter ab und die Nielsen-Skala der Verbrauchsgüter reicht von Babytrockennahrung bis Zucker, von Abschminkhilfen bis Zahnersatzreinigern. G & I (GfK / Infratest) bezieht statt Handels- Haushaltspaneldaten mit ein. Es geht also nicht darum, was verkauft wird, sondern was gekauft wird. Haushaltspanels erfassen Informationen wie: – Anzahl einkaufender Haushalte an der stehenden Stichprobe, – Menge je Artikelgruppe, die im Berichtszeitraum eingekauft wird, – Preisniveau der jeweils eingekauften Waren, – Marken, die im Berichtszeitraum eingekauft werden, – Marktanteile nach Marken, Produktgruppen, Herstellern, – Packungsgrößen, – Sorten, die im Berichtszeitraum eingekauft werden, – Einkaufsstätten, jeweils nach Gebieten, Ortsgrößen, Sozial-/Altersgruppen, Haushaltsgrößen, mit Ausweis von Käuferwanderung und Markentreue, Einkaufshäufigkeit/-menge und Mehrfachkäufen, Einkaufstagen, Werbeeinfluss etc. Marketinganalysen werden räumlich regelmäßig anhand von Nielsen-Gebieten anstelle von Bundesländern eingeteilt. Nielsen (Dun & Bradstreet) teilt jedes beobachtete Land in Nielsen-Gebiete ein. Deutschland ist aufgeteilt in: • Nielsen 1: Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg, Bremen, • Nielsen 2: Nordrhein-Westfalen,

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

• Nielsen 3a: Hessen, Saarland, Rheinland-Pfalz, • Nielsen 3b: Baden-Württemberg, • Nielsen 4: Bayern, • Nielsen 5: Berlin, • Nielsen 6: Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, • Nielsen 7: Sachsen, Thüringen.

11. E-Commerce-Verkauf E-Commerce ist die digitale Form des Direktabsatzes, vergleichsweise in analoger Form traditionell über Printkatalog, Versandhandel, Direct Mail o. Ä. Der E-Commerce-Verkauf ist in verschiedenen Ausprägungen und mit abweichender Breite (11.1) zur Markterfassung und Zugangsmöglichkeit sowie Tiefe (11.2) des Marktzugriffs möglich, letzteres als nullstufiger Direktabsatz, halbstufiger Direktabsatz und Indirektabsatz über Online-Händler. Der Verkaufsprozess im E-Commerce (11.3) bedarf besonderer Sorgfalt, damit das Kundenerlebnis beim Einkauf (Customer Experience) ein hohes Maß an Zufriedenheit erreicht. Zugleich ist der Prozess sorgfältig zu durchdenken, da er selbsterklärend angelegt sein bzw. gezielte Kuratierungen bieten muss (Customer Journey). Da er durch die komplette Externalisierung zudem recht kompliziert und damit störanfällig ist, sind diese Aufgaben alles andere als trivial.

11.1 Breite des Online-Marktzugriffs 11.1.1 Markterfassung Traditionell und in seiner mittelfristigen Zukunftsperspektive massiv gefährdet ist der Absatz ausschließlich offline, etwa über den stationären Einzelhandel. Die Zukunft gehört vielmehr dem elektronischen Direktabsatz. Wesentliche Vorteile des E-Commerce-Verkaufs sind folgende: • Das Leistungsangebot ist rund um die Uhr und an jedem Wochentag vermittelbar (24/7). • Die Vertriebskosten sind deutlich geringer als bei persönlichem Absatz. • Es können alle Absatzgebiete ausgeschöpft werden. • Es ist ein optimaler Absatz auch für Dienstleistungen möglich, die ohnehin in digitalisierter Form vorliegen. • Sehr gute Präsentationsmöglichkeiten sind verfügbar.

11. E-Commerce-Verkauf

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Wesentliche Nachteile sind hingegen: • Es stehen immer noch Vertrauensbarrieren im Weg. • Der Roll-out der Online-Technik hat immer noch nicht alle Teile der Bevölkerung gleichermaßen erreicht. • Die Bezahlung bleibt mehr oder minder unsicher und kompliziert. • Eine hohe Wettbewerbsintensität besteht zwischen den Anbietern. Die Einteilung des E-Commerce-Verkaufs ist nach mehreren Gesichtspunkten denkbar, insb. nach der Markterfassung, den Online-/Offline-Anteilen und dem Marktzugang sowie nach der Tiefe des Marktzugriffs (siehe Abbildung 139: Auslegungen des E-Commerce-Absatzes).

Abbildung 139: Auslegungen des E-Commerce-Absatzes

Eine Einteilung nach Anzahl der angebotenen Produktgruppen und Anzahl bearbeiteter Branchen kommt zu folgender Unterscheidung: • Bei generalisiertem Online-Absatz werden verschiedenartige E-Commerce-Produkte und -Dienste für unterschiedliche Nachfragergruppen angeboten. Die Absicht der Anbieter liegt darin, „alles aus einer Hand“/„einmal hin und alles drin“ zu bieten. Dies appelliert vor allem an die Bequemlichkeit von Nachfragern, die sich auf die Kompetenz des Online-Anbieters verlassen. Entscheidender Hebel zum Erfolg ist hier das Vertrauen der Kunden in den Anbieter bzw. die Reputation des Anbieters bei seinen Kunden. Wichtig ist vor allem eine hohe Übersichtlichkeit des Angebots, erreicht u. a. durch eine flache Site-Struktur, komfortable Suchhilfen und leicht wahrnehmbare Präsentation. Ein Beispiel sind Preisvergleichsplattformen mit integrierter Transaktionsfunktion (z. B. Check24). • Ein vertikal-spezialisierter Online-Absatz kennt nur eine eng abgegrenzte Produktgruppe, die dort unterschiedlichen Nachfragergruppen angeboten wird. Der Online-Absatz baut auf dem nachfragerzugeschriebenen Spezialisten-Knowhow dieser Sites auf. Der Absatz kann sich dabei auf Neuwaren beziehen, z. B. bei Internet-Apotheken, oder verstärkt auch auf Gebrauchtwaren, z. B. bei Pkw. Dabei erfolgt zunehmend eine Umstellung der Präsenz vom Absatzhelfer- auf

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Absatzmittlerstatus (eigener Name / eigene Rechnung). Das Absatzpotenzial ist hier zwar begrenzt, dies gilt aber auch für die Zahl der Mitbewerber. • Ein horizontal-spezialisierter Online-Absatz wendet sich nur an eine bestimmte Nachfragergruppe, der aber verschiedene Produkte und Dienste angeboten werden, die für sie mutmaßlich von Bedarf sind. Das Geschäftsprinzip richtet sich hier, marketingtypisch, nicht an angebotenen Produkten bzw. Diensten aus, sondern an anvisierten Zielpersonen. Diesen werden nur solche Produkte / Dienste offeriert, die für sie mutmaßlich bedeutsam sind (z. B. Kleinkindbedarf). Der Segmentierung können dabei unterschiedliche Kriterien zugrunde liegen, am häufigsten sind quantitative Kriterien vorzufinden wie Geschlecht, Alter, aber durchaus auch qualitative, vor allem Hobbies. Dadurch kann eine enge Bindung zwischen Nutzer und Online-Anbieter erzeugt werden. Dies alles betrifft den Privatkundenbereich (B-t-C). • Bei fokussiertem Online-Absatz wird nur eine Produktgruppe für eine Nachfragergruppe angeboten. Dies ist bei Special Interest-Gruppen gegeben, etwa im B-t-C-Bereich bei Tierhaltern-, Behinderten-, Schwangerenbedarf o. Ä. Die Marktbedeutung ist dementsprechend meist gering. Zugleich gibt es eine sehr große Anzahl von vergleichsweise kleinen Anbietern. Verbreitet ist diese Konstellation allerdings im B-t-B-Bereich. Gewerbekunden können sowohl Endabnehmer für den eigenen Bedarf sein als auch Zwischenabnehmer zur Weiterleitung an Endabnehmer oder zur Weiterverarbeitung/-bearbeitung bzw. zum Einbau in eigene Endprodukte. Zumeist erfolgt ein spezialisiertes Angebot, die Zielgruppe ist qua Firmenkundenstatus definiert. Eine Einteilung nach den Anteilen von Offline- und Online-Absatz kommt zu folgenden Unterscheidungen: • Pure Player-Prinzip bedeutet E-Commerce-Verkauf ausschließlich über OnlineShop, Affiliation, Online-Marktplatz und Online-Börse (z. B. Zooplus) oder ausschließlich über Offline-Indirektabsatz (z. B. Backwerk). Vielfach wird vorhergesagt, dass ein reiner Offline-Handel nicht mehr zukunftsträchtig ist, teilweise wird aber auch eine Renaissance vorhergesagt. • Das Mixed Player-Prinzip aus kombiniertem Online- und Offline-Ansatz in jeweils mehr oder minder hohem Anteil gilt bei einstufig und zweistufig indirekten E-Commerce-Verkauf über Einzelhandel und Großhandel. Anwendungsbeispiele sind Dienstleister mit Online-Shops wie ADAC, ATU, Sparkassen, Vergölst etc., Versandhändler mit Online-Shops wie Conrad Electro­ nic, Heine, Klingel, Otto etc. Das Mixed Player-Prinzip wiederum kann eine dominante Offline- oder OnlineGeschäftsbasis vorsehen: • Dominante Offline-Geschäftsbasis bedeutet, dass der Absatz grundsätzlich offline / physisch ausgelegt ist, jedoch um Online-Komponenten ergänzt wird (z. B. Douglas, Adidas, Boss, Esprit, Lacoste, Nivea).

11. E-Commerce-Verkauf

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Ein bekanntes Anwendungsbeispiel im Handel ist das Click & Collect-Prinzip, ein anderes das Click & Meet-Prinzip. Dabei bieten Offline-Händler ihr Sortiment über eine Website an, zusätzlich können dort Artikel ausgewählt und reserviert werden, um sie dann vor Ort abzuholen und zu bezahlen bzw. es werden, etwa bei Kontaktbeschränkungen, online Termine reserviert, um vor Ort (Residenzprinzip) eine Kundenberatung oder andere Dienstleistungen vornehmen zu können. Ein Feldversuch wurde zunächst durch Ebay in Mönchengladbach gestartet. Das Prinzip hat in der Pandemie 2021 breiten Einsatz gefunden und manch stationäre Einzelhandelsexistenz über die Zeit gerettet. • Dominante Online-Geschäftsbasis bedeutet, dass der Absatz grundsätzlich online / virtuell erfolgt, aber um Offline-Komponenten ergänzt wird. Beispiele finden sich bei Apple, Amazon, Cyberport, Mymuesli, Notebooksbilliger, Zalando (in mehreren Großstädten), Mytoys (Essen), Home 24 (Frankfurt), Mister Spex (Dortmund) o. Ä. Dabei eröffnen erfolgreiche Online-Anbieter punktuell in der Fläche Offline-Geschäftsstätten, die vornehmlich nicht zu Absatz-, sondern zu Imagezwecken betrieben werden. Solche Concept Stores sollen das Online-Angebot konkret erlebbar werden lassen, indem sie es „anfassbar“ machen. Dadurch soll ein Viral-Effekt auf das Web-Angebot entstehen. Dazu wird ein aufwändiger POS-Auftritt inszeniert und eine Ia-Lage genutzt. Die Online-Präsenz eines stationären Einzelhandelsgeschäfts sollte regelmäßig folgende Inhalte berücksichtigen: – Ladenadresse, Parkmöglichkeiten, Anfahrthinweise / ÖPNV, Öffnungszeiten, akzeptierte Zahlverfahren, Lieferkonditionen, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Sor­timentsinhalte / Marken, spezifische Angebote / Services, Events, Blog, On/  Videos von Geschäft und Waren, line-Katalog, Kundenbewertungen, Fotos  Newsletter / -Anmeldung, Zugänge zu Sozialen Medien, Download-Möglichkeiten, Suchfunktion / FAQs, Chat-Funktion / Callback-Button, Produktfinder, Lieferverfügbarkeit/-status, Coupons, Barrierefreiheit, angemessene Schriftgröße, Pop-up-Blocker-Deaktivierung, nutzerfreundliche Navigation / Usability, mehrere Browser-Typen, niedrigschwellige Hardware-Anforderungen, Impressumsinhalte. 11.1.2 Zugangsmöglichkeit Nach der Erreichbarkeit des Anbieters ergeben sich folgende Einteilungen. Der offene Online-Absatz ist der Normalfall des Angebots, dieses ist für jedermann, an jedem Ort und zu jeder Zeit verfügbar und zwar sofort. Dies entspricht einem ubiquitären Zugang und damit den Grundvorteil jedes Online-Absatzes. Ziel ist hierbei die Akquisition und Bedienung jedes Interessenten. Dies geschieht um den Preis einer großen Heterogenität der Kundschaft, vor allem auch mit zahl-

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

reichen Detailumsätzen. Diese sind zwar prozesstypisch aufgrund des LongtailPhänomens unproblematisch, allerdings erfordern sie hohe Investitionen in leistungsfähige Computerinfrastruktur, die erst einmal gestemmt und vor allem auch kontinuierlich gepflegt sein will. Dies bezieht sich vor allem auf Logistikanforderungen, sofern ein Händler-Streckengeschäft vorliegt, auch auf das Supply Management. Denn Unzulänglichkeiten in der Auftragsausführung nach Termin, Ort, Zusammenstellung, Zustand o. Ä. werden von Abnehmern dem Online-Anbieter zugerechnet, unabhängig davon, ob er diese verursacht hat oder nicht. Insofern ist ein hohes Potenzial für Unzufriedenheit und damit auch für Kundenfluktuation gegeben. Bei geschlossenem Online-Absatz ist die Erreichbarkeit des Angebots limitiert. Damit einher geht ein begrenzter Marktzugriff, der in einigen Fällen vorteilhaft sein kann. Als Abstufungen sind folgende Erreichbarkeiten denkbar: • Erst nach Anmeldung eines Nutzers stellt den Regelfall dar, die Erreichbarkeit setzt eine Registrierung voraus, durch die sich der Teilnehmer identifiziert. Je nach Anlage können dabei mehr oder minder umfangreiche Daten angefordert werden. Teils dienen diese nur der Adressierung von Website-Besuchern im Falle einer späteren Transaktion, großenteils dienen sie aber dazu, eine Idee über das Profil der Website-Besucher zu erhalten bzw. dieses mit der intendierten Zielgruppe abzugleichen. Auf dieser Basis können auch Nachverfolgungen starten, automatisiert über Tracking-Tools oder (scheinbar) individuell über Kontaktangebote. Dies gilt auch bei Gastzugängen. Verbreitet sind drei Optionen: – Beim Log-in werden zahlreiche Informationen technisch erforderlich im WWW-Logfile protokolliert, insb. Datum (JJJJ-MM-TT), Uhrzeit des Zugriffs (GMT), Name des Service, Name des Server, IP-Adresse des Server, Methode (z. B. Abruf einer Datei), Name / Pfad des angeforderten Dokuments, Port des Server, IP-Adresse des Besuchers, verwendetes Protokoll (z. B. http), verwendete Browser-Version, verwendete Betriebssystem-Version, zuvor besuchte Website (Referrer), Return-Code des Server, win32-Statuscode (z. B. erfolgreicher Transfer), abgerufene Datenmenge vom Server (in Bytes), zum Server übertragene Datenmenge (in Bytes), benötigte Transportzeit, genutzter Internetzugang / Provider. Dies erlaubt ein detailliertes Tracking. – Häufig wird auch ein Social Media-Log-in angeboten (z. B. mit Facebook-, Google-, Twitter-, Amazon-Daten). Dies erübrigt die Anlage von individuellen Accounts bei jedem E-Commerce-Anbieter mit Registrierung, Dateneingabe, zusätzlicher Passworterstellung, Kontodaten etc. Dies erhöht zwar den Komfort, ist jedoch auch anfällig für Sicherheitslecks. Daher ist eine Absicherung durch ein starkes General-Passwort, Zwei-Faktor-Authentifizierung Limitierung der Account-Rechte u. Ä. angezeigt. – In der einfachsten Form wird ein Captcha (Completely automated public Turing test to tell Computers and Humans apart) aufgegeben (challenge), um Bot-Anmeldungen zu verhindern und damit die Betreiberressourcen etwa bei

11. E-Commerce-Verkauf

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Cost per Click-Abrechnungen zu schonen. Captchas werden per Zufallsgenerator gebildet und bestehen meist aus Buchstaben-/Ziffern- oder Fotoelementen. Dies ist jedoch weder barrierefrei noch algorithmierbar. • Bei Anmeldung plus Zulassung registrieren sich Besucher bei einem OnlineAnbieter, was aber nicht notwendigerweise als Transaktionsbasis gilt, so dass erst noch die explizite Akzeptierung des Besuchers bestätigt wird. Dies ist der Regelfall bei nicht-öffentlichen Angeboten, etwa aufgrund von Mitgliedschaften. Nach der Zulassung ist dann der Zugang zur Website möglich, ohne Zulassung bleibt dieser hingegen versperrt. Häufig liegt gerade in dieser Limitierung die Attraktivität von Angeboten, zugelassene Besucher fühlen sich gegenüber anderen privilegiert, was sie besonders auf die dann zugänglichen Angebote reflektieren lässt und dadurch akquisitorisch wirkt. Dies entspricht einem selektive Zugang. Um Unstimmigkeiten zu vermeiden, ist es notwendig, für die Zulassung objektive Kriterien zu definieren wie Geschlecht, Alter, Studium, Zugangscode o. Ä., die durch Unterlagen zu belegen und anbieterseitig zu verifizieren sind. Dies erfordert im Zweifel, etwa zur Betrugsvorbeugung, einen hohen manuellen Aufwand, vermeidet aber, dass nicht Adressierte Zugang zum Anbietersystem erhalten, z. B. Männer bei Dating-Plattformen nur für Frauen, Minderjährige bei nicht-jugendfreiem Content. • Ein Zugang erst nach Einladung ist der Fall, wenn die Initiative zur Transaktion nicht vom Online-Anbieter ausgeht, sondern von Interessenten daran. Häufig sind Referenzen bestehender Kunden die Basis (Kunden werben Kunden) oder Listen zum Abgleich mit anbietergewünschten Kunden. Dadurch findet eine erhebliche Verknappung des Zugangs statt, woraus eine nennenswerte Strahlkraft folgt. Dies entspricht einem exklusiven Zugang, bedeutet aber auch eine erhebliche Einschränkung des Absatzpotenzials. Daher ist hier abzuwägen. Eine Alternative dazu besteht in der erforderlichen Einladung durch eine oder mehrere Personen, die bereits Zugang zum geschlossenen Anbietersystem hat (z. B. Clubhouse). Dadurch kann vor allem eine gewisse Homogenität der Teilnehmer erreicht werden, die jedoch mit wachsender Teilnehmerzahl auch wieder einbüßt.

11.2 Tiefe des Online-Marktzugriffs 11.2.1 Nullstufiger Direktabsatz 11.2.1.1 E-Shop Bei nullstufigem Absatzweg (Hersteller) bzw. einstufig-indirektem Absatzweg (Händler) erfolgt dieser vom Online-Anbieter an gewerbliche oder private Endabnehmer. Dabei sind keine weiteren Intermediäre zwischengeschaltet. Dies entspricht dem Grundprinzip des E-Shop. Durch die Verbreitung des Internets kann jeder Interessent von überall immer sofort in Interaktion, und falls gewünscht auch

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Transaktion, mit dem Anbieter treten. Die informationelle und logistische Multiplikationswirkung zwischengeschalteter Absatzstufen entfällt, aber damit auch deren Kosten bzw. Gewinneinbuße. Diese Beträge können entweder anbieterseitig eingestrichen oder in Preisvorteil an Abnehmer weitergegeben werden. Dies wirkt disruptiv, weil dadurch breite Teile der Handelsstufe dauerhaft ausgeschaltet werden. Die höchsten B-t-C-Online-Umsätze werden in folgenden Branchen erzielt: – Bekleidung / Textilien / Schuhe, Computer, Unterhaltungselektronik, Handys, Zubehör, Accessoires (ohne Schmuck), Software, Musik, Videos, Games, Möbel, Dekorationsartikel, Bücher, CDs / DVDs, Hobby-, Sammel- und Freizeitartikel, Medikamente, Spielwaren / Babyartikel, Sportartikel, Auto / Motorrad / Zubehör, Do it yourself-/Bastelbedarf, Bürobedarf, Foto, Druck, Books on Demand, Outdoor-Artikel, Lebensmittel, Tierbedarf, Drogeriewaren, Kosmetik. Große B-t-C-Online-Händler sind folgende: – mytoys.de, windeln.de, babymarkt.de, notebooksbilliger.de, cyberport.de, amazon.com, zalando.de, buch.de, home24.de, westwing.com, brands4friends.de, asos.com, javari.de, allyouneed.com, flaconi.com, glossybox.com. Im E-Shop erfolgt der Absatz in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Dies kann IuK-technisch im Einzelnen wie folgt realisiert werden. Die Software wird • in Eigenregie programmiert. Damit kann zwar eine maßgeschneiderte Version erreicht werden, allerdings ist der Initialisierungsaufwand zeit- und kostenbezogen erheblich, und es bestehen unzählige Fehlerquellen (Bugs), die kontraproduktiv auf Interessenten / Kunden wirken. Zudem ist eine kontinuierliche Administration erforderlich, dies erfordert zumeist hohe einmalige und laufende Ausgaben im Outsourcing. • als Fertigprodukt fremd zugekauft. Damit können Fehlerquellen minimiert werden, allerdings werden hohe Kaufpreise aufgerufen und vor allem muss die eigene Organisation dem Organisations-Master der Software möglichst angenähert werden. Dies involviert erhebliche aufbau- und ablauforganisatorische Veränderungen im Betrieb, werden diese nicht realisiert, muss die Standard-Software aufwändig umprogrammiert werden, wodurch ihre Vorteile wieder weitgehend verlorengehen. • als Fertigprodukt angemietet, mit der Möglichkeit kontinuierlicher Updates. Hier gilt das gleiche wie für Fertigprodukte, allerdings wird der Kaufpreis in Mietzahlungen „gestückelt“, viele Shop-Software-Anbieter bieten nur noch ein solches Mietmodell (SaaS / Software as a Service) an, im Regelfall cloud-gestützt. Daraus folgt zudem eine erhebliche Abhängigkeit vom Anbieter i. S. e. Kundengebundenheit. • als Open Source-Software kostenlos bereitgestellt und nach eigenen Vorstellungen modifiziert. Dies ist die kostengünstigste Anschaffungsmöglichkeit, setzt

11. E-Commerce-Verkauf

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jedoch erhebliches eigenes IT-Know-how voraus, das häufig nicht gegeben und damit erst teuer und risikoreich einzukaufen ist, wodurch der Vorteil wieder kompensiert wird. Zudem ist die Lösung stark schematisiert und damit wenig eigenständig. • in Untermiete von Hosts betrieben wie Amazon, Ebay, Scout24. Dies ist sicherlich die reibungsloseste, effizienteste Version, da man das Know-how und die Marktbreite professioneller Champions für die eigene Geschäftspräsenz nutzen kann, dafür begibt man sich wirtschaftlich mehr oder minder in deren Hand und kann nur noch begrenzt autonom agieren, zudem fallen hohe Gebühren für das Hosting an. Die wichtigsten Ausstattungen jedes E-Shops betreffen dabei folgende Elemente: • Eine Produktdatenbank gibt möglichst detailliert und aussagefähig Auskunft über die im Sortiment angebotenen Produkte, deren Profil, Auswahl und Verfügbarkeit. • Die Stammdatenverwaltung ist wichtig, um Artikel und Besteller sicher zuordnen und administrieren zu können. Dies erleichtert auch die Usability des Shop für seine Besucher. • Das Präsentationssystem sorgt für eine attraktive und aussagefähige Darstellung der Leistungen im Internet. Dies wirkt akquisitorisch und beugt womöglich auch Retouren, Reklamationen und Unzufriedenheiten vor. • Ein Empfehlungsdienst gibt Erfahrungen anderer Nutzer weiter und wirkt dadurch risikoreduzierend. Dies erleichtert Interessenten die Entscheidung und erhöht die Profitabilität des Shop. • Konfiguratoren sollen Interessenten die Anpassung der Waren an ihre individuellen Bedarfe ermöglichen, so nach Ausführung, Menge, Lieferservice etc. • Das Bezahlverfahren muss sicher, eindeutig und bequem sein, Anforderungen, die gerade in einem bewusst offenen System wie dem Internet nur schwer zu erfüllen sind. Typische Elemente eines Shop-Systems sind folgende (nach Kamps / Schetter): – Intelligente Suchfunktionen mit fehlertoleranter Eingabe, – Produktfinder für Produktvorschläge, Produktkonfigurator, Angebot von Produkt-Bundles, unterschiedliche Farbvarianten, – Zoom-Bilder mit Detailansichten und 3-D-Animationen, Lupenfunktion, – Abruf von Produktvideos, Abruf von Schulungs-Videos (Tutorials) z. B. für Bedienungsanleitungen, – automatische Präsentation der Topseller auf der Webseite, Featuring von Sonderangeboten,

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

– Speicherfunktion für Produkte und Produktkonfigurationen, Merkzettel, Wunschliste, – Online-Vermessung des Betrachters (z. B. bei Bekleidung), – Kaufempfehlungen durch Analyse der Transaktionshistorie oder Interaktionen, – Hinweise auf Zusatzprodukte (Add-ons, Upgrades etc.), – gewünschte Kommunikationskanäle (Telefon, E-Mail, Fax, Call-/Callback-Button, Co-Browsing, Online-Chat), – FAQs, Nutzer helfen Nutzer-Bereich, Angebot von Informationsmaterial (online), – vertrauensstiftende Elemente wie Referenzen, Bewertungen etc., – Lokalisierung der Ansprache, evtl. Verknüpfung mit Ladengeschäft, – Integration eines Like Button / Send  a Friend Button, eines Pinterest Pin, des Follow-us on Twitter, – Vergabemöglichkeit von Social Bookmarks, Vernetzung zu Produktvideos auf Youtube, – Hinweise auf Online-Foren / Communities, eigene App / Partner-App, – Angebot eines RSS-Feed (Push-e-Mail), – Warenkorb-Funktion / Drag & Drop, – Angabe von Verfügbarkeit, Lieferzeit, Versandkostenausweis, Rückgabemöglichkeiten, – verschiedene Bezahlmethoden, multiple Währungen, Zahlungsbedingungen, Garantieleistungen etc., – Statusabfrage der Bestellung durch Kunden, – Couponing-Aktivität / Geschenk-Gutschein, Freundschaftswerbung (Prämie), – Shop-Bewertungsmöglichkeit, – Mehrsprachenfähigkeit, Barrierefreiheit, Serviceleistungen, – Hinweise auf Impressum, AGBs, Datenschutzhinweis, Hinweise auf Kontakt­ zeiten, Adresse, Telefonnummer etc., Cookie-Einsatz, – Monitoring / Kampagnenanalyse (Visits, CPO, abgebrochene Bestellungen, Shop Stickiness, Weiterempfehlungen, Gefällt mir, Kommentare etc.), – Schnittstelle zum Warenwirtschaftssystem (Einkauf, Bestand, Versand etc.), zum CRM-System, zum Content Management System, – Sicherheitsvorkehrungen (TLS etc.), – Bonitätsprüfung im Hintergrund.

11. E-Commerce-Verkauf

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Die Darstellung erfolgt durch aggregierte Produktübersichten (Kataloge), die online gestellt werden und in die sich Interessenten einloggen können. Die Preisfindung erfolgt auf Basis von Einheitspreisen oder mit abnehmerorientierter Rabattierung. Die technische Anbindung erfolgt meist über XML (Extensible Markup Language). Man unterscheidet im Einzelnen attributbasierte Kataloge, die nach anzuwählenden Produktarten sortiert sind, konstruierende Kataloge, die vorab den Bedarf über Konfiguratoren spezifizieren, beratende Kataloge, die über Software-Agenten Informationen gemäß Kundenprofilen individuell zusammenstellen sowie natursprachliche Kataloge, die mit Avataren / Bots agieren, die z. B. FAQs beantworten. Als Einkaufsassistenten dienen gelegentlich Avatare. Dies sind künstliche Wesen im Internet, meist in menschlicher Gestalt oder als Comicfigur, die mit dem Benutzer in Alltagssprache kommunizieren. Sie werden häufig durch Chatbots unterstützt. Diese basieren auf Wissensdatenbanken und Erkennungsmustern Künstlicher Intelligenz und interagieren durch Text und / oder Spracherkennung automatisiert mit Interessenten / Kunden auf deren Anforderungen hin (Information, Problemhilfe o. Ä.). 11.2.1.2 Nutzererlebnis Die Customer Journey beschreibt die „Reise“ eines Nutzers vom ersten Kontakt zum Anbieter bis zur gewünschten Reaktion (meist dem Kauf). Im Zuge einer Customer Journey ist dabei tatsächlich der Besuch mehrerer Websites üblich, z. B. zuerst Testberichtsseite, dann Preisvergleichsseite und danach erst Händlerseite. Bei allen Customer Touchpoints kommt es auf die positive Gestaltung der Interaktion an: • Webseiten innerhalb der Website-Navigation, Warenkorbablage des gewünschten Artikels, Kassenfunktion für Rechnungsbetrag, Eingabe persönlicher Daten (Log-in), Wahl der präferierten Zahlungsmodalität, Empfang der Auftrags­ bestätigung mit Vorausdank, Warenübergabe durch Versanddienstleister, Widerruf / Retoure, laufender Kundenkontakt. Gleich ob es dann zur finalen Aktion kommt oder nicht, ist eine Kontaktnachverfol­ gung (Tracking) von zentraler Bedeutung, sei es für More-, Cross-, Up-, Re-Buying oder sei es zur Finalisierung des Kontakts. Für ein solches Tracking kommen mehrere Verfahren in Betracht: • Beim Cookie-Tracking erhält jedes Werbemittel eine ID, so dass eine Zuordnung möglich ist. Auf mobilen Endgeräten sind Cookies allerdings nur eingeschränkt verwendbar, etwa bei App-Anwendungen. Abhilfe kann durch digitale Signaturen geschaffen werden. Weiterhin sind die Cookies an die Endgeräte, auf denen die Website-Nutzung stattgefunden hat, gebunden, sind also bei Cross DeviceEinsatz mit zwei oder mehr Endgeräten je Nutzer wenig aussagefähig. Third Party Cookies sind zudem obsolet.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

• Das URL-Tracking kann nicht abgeschaltet werden. Unter URL (Unique Resource Locator) ist eine eindeutige Internetadresse zu verstehen, die eine Webpräsenz identifiziert. Die URL passt aber nur bei Direktzugriff des Nutzers von seinem Browser auf eine Seite, nicht hingegen bei Weiterleitung von einer anderen Site. Insofern ist hier ein Zusatzaufwand zur Auswertung involviert. Die Weiterleitung von Tracking-Daten wird teils als systemkritisch angesehen. • Beim Datenbank-Tracking ist eine einmalige Registrierung der Besucher auf der Webseite erforderlich. Damit ist jeder Besucher dann in der Datenbank abgespeichert und alle Bewegungsdaten können verfolgt werden. Allerdings besteht verbreitet Misstrauen gegen eine solche, extern kaum nachvollziehbare Speicherung von Besucherdaten, so dass die Akzeptanz massiv beeinträchtigt ist. Insofern liegt hier eine Sperre für weitere Interaktionen vor. • Das Session-Tracking bedient sich in erster Linie der o. g. Cookies. Ausgangspunkt ist hierbei der kontinuierliche Besuch einer Seite. Persistente Cookies werden dauerhaft gespeichert, temporäre Cookies sind nur für die laufende Session oder ein Zeitlimit, meist 30 Tage, aktiviert und gehen danach verloren. Probleme entstehen durch Cookie-Blockung/-Löschung. Nicht betroffen davon sind essenzielle Cookies, also solche, die technisch notwendig sind, diese bedürfen auch keiner Einwilligung. • Beim Setzen eines Zählpixel wird bei der Auslieferung eines Webdokuments ein transparentes 1 × 1 Pixel (Webbug) integriert, das auf dem Monitor praktisch unsichtbar ist und bei Aufruf einer Webseite an einen Analyse-Servicer weitergeleitet wird. Im Unterschied zu Cookies können Zählpixel nicht im Browser geblockt werden, enthalten aber auch keine spezifischen Informationen, sondern protokollieren nur den Clientzugriff binär (besucht / nicht besucht). Jedoch können IP-Datenbank-Informationen ergänzt werden wie Land (TLD), Gebiet (Bundesland / Telefonvorwahl), Branche (bei B-t-B) etc.

11.2.2 Halbstufiger Direktabsatz 11.2.2.1 Affiliation Ein halbstufiger Direktabsatz erfolgt über Affiliates, Online-Marktplätze und Online-Börsen als Absatzhelfer an Wiederverkäufer, gewerbliche und private Endabnehmer. Affiliation ist allgemein ein performance-basiertes Online-Instrument, das auf der Vergütung von Mittlern durch Provision für unternehmensexterne Vertriebspartner beruht, die einem werbenden Unternehmen Interessenten / Käufer über ihre Onlinepräsenz zuführen. Die Vergütung kann dabei auf verschiedenen Bezugsgrößen basieren (im Folgenden dazu Deges).

11. E-Commerce-Verkauf

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Bei direkter Affiliation gibt es zwei Beteiligte im System, einen Anbieter als werbungtreibendes Unternehmen (Merchant) und zwei oder mehr Werbedurchführende als Vertriebspartner (Affiliates / P ublishers). Bei indirekter Affiliation kann ein Werbemittler als Affiliate Network wie Affilinet, Awin etc. zwischengeschaltet werden, der ein virtuelles Mittlernetz auf zielgruppen- bzw. themenorientierten Websites bildet. Die Affiliates (Absatzhelfer) platzieren dazu i. d. R. Displaywerbung auf ihrer Website, die beim Anklicken per Hyperlink zur Landing Page des Merchant (Hersteller / Händler) durchverbindet. Je nach vereinbarter Aktion erwirtschaften die Affiliates daraus einen Vergütungsanspruch. Dabei sollte es je Zielgruppe und je Ausgangs-Webseite eine dedizierte Landing Page geben. Wichtige Elemente sind dort das Logo des Anbieters, die Headline aus der Bannerwerbung und ein Call to Action-Text zur Handlungsauslösung. Basis ist eine motivierende Angebotsbeschreibung mit unterstützenden Elementen (Supporting Evidence) wie positive Kundenstimmen, absicherndes Zertifikat, authentische Bewertungen, Garantien etc. Keinesfalls sollte es ein Navigationsmenü geben, das aus der Landing Page wegführt, für die Zielgruppe irrelevante Informationen enthält, also solche, die sie eher verunsichern, oder Social Media-Buttons, denn diese lenken nur ab und bringen im Übrigen auch Datenschutzprobleme. Bullet Points bzw. nächste Schritte und Icons sollten die Prozedur vorgeben. Im Feedback ist unerlässlich, den Traffic zu analysieren und Gestaltung, Inhalte und Verlinkung zu optimieren. Der Affiliate-Link trägt dazu eine Partnerkennung, so dass ersichtlich ist, wer als Zubringer fungiert, außerdem gibt es einen Zeitstempel (Timestamp mit Datum / Uhrzeit) für das Tracking. Die Banner haben also keine „reine“ Werbefunktion, sondern sind konkreter Vermarktungsansatz. Denkbar sind dabei vielfältige Ausgestaltungen, so zeitliche Begrenzung der Provisionszahlung, z. B. auf Produktneueinführung, Saisonware, Sonderverkauf wie Singles’ Day, Black Friday, Cyber Monday, Kopplung an Mindest- oder Höchstprovisionshöhen (Floor /  Ceiling), Treuebonus für Loyalität oder Eintrittsbonus zum Willkommen, Gegenrechnung der Provision mit Retouren (wegen systematischer Scheinbestellungen) o. Ä. Bei den Absatzhelfern kann es sich um reine Affiliate-Anbieter (Thin Affiliates) handeln, im Wesentlichen Gutschein-Portale, Deal-Seiten (Schnäppchenjagd), Cashback-Portale, Bonussysteme, Preisvergleichsportale. Sie haben kein oder nur ein marginales eigenes Angebot. Oder es handelt sich um verdeckte Anbieter als Content-Publisher wie Verlage oder Community-Publisher wie Influencer, Blogger mit eigenem Angebot. Für die Auswahl ist vor allem deren Kongruenz mit der Zielgruppe wichtig, und zwar • quantitativ, also nach Reichweite, nationaler / internationaler Präsenz etc., • qualitativ, also nach Platzierungsmöglichkeiten, Reputation / Image, Usability der Webpräsenz etc.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Ein offenes Vertriebspartner-Netzwerk zielt in quantitativer Priorität auf möglichst viele Affiliates ab, ein geschlossenes setzt hingegen in qualitativer Priorität auf ausgewählte Affiliates. Bei ersterem kann ein Partner autonom beitreten, bei letzterem hat er eine Prüfung auf Kompatibilität zu gegenwärtigen. Bei offener Anlage besteht vor allem die Gefahr, an unseriöse Vertriebspartner zu geraten, welche die eigene Reputation beschädigen. Als Werbeträger kommen General Interest Sites mit jeweils breit streuendem Inhalt und Zielpublikum, Special Interest Sites mit jeweils eng fokussiertem Inhalt und Zielpublikum, kontextsensitive Sites mit denotativ bzw. konnotativ verwandtem Angebot zum eigenen Angebot oder Sites ohne originäres Angebot in Betracht. Als Werbemittel sind vor allem an Banner verbreitet. Die Erfassung (Tracking) erfolgt aktiv, meist durch Log-in / Anmeldung, oder passiv über Cookies, URL-Trackings, Webbugs etc (s. o.). Bei Cookies werden die Werbemittel des Merchant auf dem Link mit einem Partnercode versehen. Bei den anderen Formen können Besucheraktivitäten dem jeweiligen Partner durch eine CSV-Datenbank zugeordnet werden. Dem Affiliate steht dann eine Provision bei Transaktion z. B. innerhalb 24 Stunden nach Aufruf zu. Die Auszahlung erfolgt aber 14 Tage zeitverzögert, um Gutschriftanlässe abzuwarten. Wegen eingeschränkter Tracking-Möglichkeiten sind Manipulationsversuche zur Erschleichung von Provisionen verbreitet, zu denken ist an Cookie Dropping als künstlich erzeugte Klicks, Cookie Stuffing zur Simulation von Partner-Klicks oder Ad-Hijacking mit gefälschten Anzeigenkopien. Als merchant-seitige Vorteile von Affiliations ergeben sich vor allem folgende: • Die Kosten sind rein performance-orientiert, haben also keinen Fixcharakter, sondern entstehen erfolgsabhängig, • durch Backlinks auf die Merchant-Landing Page erhöht sich deren Suchmaschinen-Attraktivität im Ranking, • eine intensive Lead-Generierung zur Neukundengewinnung ist darstellbar, • eine effektvolle Integration von Influencers auf deren Social Media-Seiten ist möglich, • es entsteht eine hohe virtuelle Präsenz bzw. Reichweite (Visibilität), z. B. zur Erhöhung des Bekanntheitsgrads oder der Website-Besucherzahlen, • der eigene Vertrieb wird entlastet, die Kosten vermindern sich entsprechend, • die Einblendung wird von Besuchern häufig als Empfehlung des Website-Betrei­ bers interpretiert, wirkt also akquisitorisch, • es ist eine effiziente Werbeerfolgskontrolle möglich, zusätzlich werden Informationen über das Surf-Verhalten in der Zielgruppe gewonnen.

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Affiliate-seitige Vorteile sind folgende: • Es besteht keine Verpflichtung zur Übernahme von Logistik, Zahlungsverkehr und anderen Abwicklungsaufgaben, • die Vergütungen liegen im Zweifel deutlich höher als bei Werbeeinnahmen aus der Bannerschaltung, • die Einnahmen entstehen „leistungslos“, erfordern also keine zusätzlichen Aktivitäten, außer der Zulassung der Banner-Integration, • es besteht kein Risiko, da keine Initialinvestition zur Einnahmenerzielung erforderlich ist, • bei geeigneten Merchants entsteht eine Erhöhung der Site-Attraktivität durch Abstrahlwirkung (Image-Irradiation). Zur Erleichterung der Durchführung werden in der Praxis häufig Affiliate Networks zwischengeschaltet, die den Kontakt zwischen der Partnern herstellen sowie die technische und kaufmännische Abwicklung organisieren. Alternativ dazu kann der Merchant diese Aufgaben aber auch selbst übernehmen und erspart sich dann die Kosten, nicht aber die Mühen (Make or Buy-Entscheid). Affiliate-Netzwerkbetreiber wie Affilinet, Zanox, Tradedoubler etc. übernehmen vor allem administrative Aufgaben. Vorteile aus der Einschaltung eines Netzwerks für den Merchant (Buy) sind vor allem folgende: • Betreuung der Affiliates für deren Betrieb, Pflege, Aktualisierung des Systems, • automatisierte Platzierung der Banner nach Maßgabe des Merchant, • geringer Handling-Aufwand durch Outsourcing von Akquisition, Steuerung, Kontrolle der Affiliates, • niedrige Anlaufkosten, meist in Form einer Set up-Gebühr, • juristisch geprüfte Standardverträge, die Rechtssicherheit geben, • Werbemultiplikation / mehr Reichweite durch das Netzwerk mit Verbreitung über zahlreiche Affiliates parallel, • gebündelte Abrechnung der Provisionen mit Prozesskostenersparnis, • Bereitstellung sicherer technischer Infrastruktur mit Updates zur Anpassung an technische Entwicklungen, • Reporting der Aktivitäten, insb. hinsichtlich der Conversion Rate, aber auch gängiger anderer Online-Metrics, • Selektionierung durch Erfüllung der Beitrittsbedingungen für Affiliates. Nachteile sind hingegen vor allem folgende: • Ein Vorschuss auf bzw. Absicherung von Provisionszahlungen ist erforderlich, • die Provisionsteilung mit dem Network (Split Commission, meist 30 % des Innenumsatzes) schmälert den Gewinn,

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• es erfolgt eine einzelfallgeprüfte Zulassung zur Aufnahme von Merchants in das Affiliate-Netzwerk, • zumeist fehlende Eignung für Nischenprodukte wegen mangelnder Marktbreite, • keine Backlinks zur eigenen Seite (negativ für Suchmaschinen-Ranking), allerdings erfolgen Referrer-Einträge, • Notwendigkeit zur Akzeptierung vorhandener Vertragsmodelle, i. d. R. ohne individuelle Anpassungsmöglichkeit, • keine autonome Auswahl der Vertriebspartner möglich, da diese dem Affiliate zufällt, • dauerhaftes Know-how-Defizit durch Auslagerung der Aktivitäten. Die Vor- und Nachteile einer Make-Alternative verhalten sich entsprechend spiegelbildlich. Für die Auswahl eines Network sind vor allem Kriterien wie • Erfahrungsbasis, Leistungsspektrum, Systemreichweite, Branchen-/Landesfokus, Akkreditierungsprozess, Leistungskontrolle, Servicequalität, Reportingtransparenz etc. von Bedeutung. In der Vertragsgestaltung geht es dann vor allem um folgende Inhalte: • Vergütung, Zahlungsmodalitäten, Einsatz / Umfeld der Werbemittel, Laufzeit / ​ Kündigungsgründe, Haftung für Schutzrechtsverletzungen, Exklusivität nach Produktgruppe / Affiliate-Site, Datenschutz. Für die Vergütung sind ebenfalls verschiedene Modelle üblich, im Folgenden die gebräuchlichsten von ihnen (nach Kreutzer): • Pay per Click bedeutet, dass die Provision pro erfolgtem Anklicken eines Werbemittels auf der Affiliate-Webseite fällig wird. Als Problem ergeben sich hier Klickgeneratoren (Robots), deren Verzerrung nur durch aufwändige Musterererkennung eingedämmt werden kann. • Pay per Click-out bedeutet, dass die Provision nicht schon beim Anklicken auf der Affiliate-Seite fällig wird, sondern erst bei Anklicken einer Aktion auch auf der Merchant-Webseite. • Pay per Link bedeutet, dass bereits das bloße Einblenden des Werbemittels auf der Webseite bezahlt wird, ohne dass es angeklickt werden müsste, dies entspricht einem Page View. • Pay per Lead bedeutet, dass die Provision bei Kaufinteressentenidentifikation gezahlt wird, unabhängig von einem Abschluss, es gilt also bereits ein qualifizierter Kontakt, ausgenommen davon sind allerdings Bestandskunden. • Pay per Action schafft eine Vergütung erst bei Vollzug einer gewünschten Aktion wie Info-Material-Anforderung, Log-in-Registrierung, Bestellung o. Ä.

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• Pay per View bedeutet, dass die Provision bereits bei jedem Aufruf einer Webseite mit Werbemittel fällig wird, hier besteht die manifeste Gefahr von Click Fraud (Klickbetrug), etwa indem Affiliates selbst massiv ihre eigene Webseite aufrufen. Daher kann eine IP-Sperre eingesetzt werden, die wiederholte Seitenaufrufe von derselben Adresse verhindert. • Pay per Post-view bedeutet, dass beim Besuch einer Webseite mit Banner ein Cookie gesetzt wird, eine Provision fällt aber nicht schon dann an, sondern erst, wenn ein erneuter Besuch dieser Webseite erfolgt, weil erst die spätere Nutzung des Werbemittels erfasst wird. • Pay per Print-out erfordert für die Provision den Ausdruck einer werblichen Information wie Ticket, Flyer, Coupon etc., identifiziert durch ausgelösten Druckauftrag auf der Website. • Pay per Install kann für digitalen Output dienen wie z. B. Software-Installation von Demo-Versionen, identifiziert durch ausgelösten Download-Auftrag auf der Website. • Pay per Sign-up bedeutet, dass die Provision fällig wird, wenn sich ein Interessent auf der Seite des Merchant durch Hinterlegung eines ausgefüllten Kontaktformulars, z. B. zum Newsletter-Bezug, registriert. • Pay per Sale orientiert sich am monetären Wert der Aktionen innerhalb des definierten Zeitraums, unabhängig, ob durch einfachen oder mehrmaligen Kontakt ausgelöst. • Pay per Order orientiert sich an der Menge der Aktionen innerhalb des definierten Zeitraums, unabhängig von deren monetärem Wert. • Pay per Call / Callback bedeutet, dass die Hinterlassung von Telefon-Kontaktdaten für den Merchant provisioniert wird, die ihm gezielte Response-Aktivitäten ermöglicht. • Pay per Airtime legt für die Provisionierung die Verbindungszeit mit der Merchant-Site im Mobilfunknetz zu portablen, internetfähigen Endgeräten zugrunde. Praktisch werden jedoch hybride Abrechnungsmodelle eingesetzt, also Kombinationen aus zwei oder mehr der angeführten Modelle. Allerdings entsteht dabei rasch ein hohes Maß an Unübersichtlichkeit, die vor allem der Nachprüfbarkeit der Provisionsabrechnung abträglich ist. Für die Vergütungszurechnung kommen im Einzelnen mehrere (statische) Attributionsmodelle in Betracht (nach Kamps / Schetter): • Last Cookie wins bedeutet Provisionsanspruch nur für das Affiliate, das den letzten Kontakt zum Interessenten / Kunden nachweisen kann, denn dieser ist der zwingende Auslöser für die gewünschte Aktion. Dies hat zu Beginn dazu geführt, dass sich alle Affiliates auf die Stufe unmittelbar vor der gewünschten Aktion,

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meist den Kauf, konzentrierten und die kaufeinleitenden Stufen vernachlässigt wurden (Thin Affiliates). Daraufhin erst entstanden weitere Attributionsmodelle als Optionen. • First Cookie wins bedeutet Provisionsanspruch nur für das Affiliate, das als Erstes einen Kontakt zum Interessenten / Kunden nachweisen kann, denn ohne dieses Einfallstor wären alle weiteren Aktionen gar nicht erst zustande gekommen. Dazu empfiehlt sich der Einbau einer Affiliate-Weiche, um einer Mehrfachprovisionierung vorzubeugen. Das erste Affiliate setzt die Weiche in Funktion und sperrt die nachfolgenden vom Anspruch aus. • Denkbar ist die Beteiligung aller Affiliates gleichmäßig an der Provisionsausschüttung, egal ob sie im Einzelfall am Erreichen einer gewünschten Aktion beteiligt sind oder nicht. Dies stellt eine erhebliche Abrechnungsvereinfachung dar, wird aber verbreitet als ungerecht empfunden, obgleich durchaus strittig und auch kaum nachweisbar ist, welcher Kontakt letztlich welchen Beitrag zur gewünschten Aktion geleistet hat oder auch nicht. • Denkbar ist auch eine Provisionsteilung (Split Commission) zwischen dem ersten und dem letzten Affiliate, weil diesen beiden Kontakten besondere Bedeutung zugewiesen wird, einmal als Einstieg in den Prozess, ein andermal als Auslöser der Transaktion. Ob dies objektiv gerechtfertigt ist, bleibt allerdings fraglich. • U-Form bedeutet die anteilige Provisionsteilung zwischen den Affiliates im Zeitablauf, weil der erste und der letzte Kontakt zwar als wesentliche Initiatoren für eine gewünschte Aktion zu gelten haben, die Affiliates dazwischen aber als Brückenkontakte auch, wenngleich geringer gewichtet, zentral bedeutsam sind. • Ein steigender Anteil an der Provision (Backloading) für alle beteiligten Affiliates erfolgt mit zunehmender Zeitnähe zur gewünschten Aktion. Die zeitlich ersten Kontakte werden demgegenüber als weniger relevant erachtet als die zeitlich letzten und dementsprechend geringer provisioniert. • Ein fallender Anteil (Frontloading) mit steigender Zeitnähe zur Aktion hingegen bedeutet umgekehrt, dass die ersten Kontakte als prioritär angesehen werden, weil sie den Einstieg in den Affiliate-Funnel darstellen. Die darauffolgenden Kontakte werden entsprechend geringer gewichtet und provisioniert. • Schließlich kommt auch eine Lifetime-Provision für die Gültigkeitsdauer des Cookie in Betracht, dadurch können auch verzögerte Transaktionen wie Folgekäufe verprovisioniert werden. Diese Provision kann je nach Auslegung für verschiedene berechtigte Affiliates gelten. Ebenso sind dynamische Vergütungsformen vermehrt vorzufinden. Dabei wird ausgehend von einer Startformation geprüft, ob diese marktadäquat ist und falls nicht, werden solange Veränderungen vorgenommen, bis dieser Status erreicht ist. Problematisch ist dabei die rechtliche Wirkung der Vertragsänderung (stillschweigende Einwilligung vs. aktive Zustimmung).

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11.2.2.2 Online-Marktplatz Der halbstufige Online-Absatz hat die größte Bedeutung im Gewerbekundengeschäft (B-t-B) und erfolgt über Marktplätze bzw. Plattformen / Portal Sites im • eigenen Namen und auf fremde Rechnung als Kommissionär, • fremden Namen und auf fremde Rechnung als Handelsvertreter, • fremden Namen und auf eigene Rechnung als Treuhänder. Nach dem Angebotsinhalt werden auf Online-Marktplätzen vorwiegend folgende Produkte gehandelt: • Wartungs- und Reparaturleistungen als Kundendienste, • Betriebsstoffe, die nicht in ein zu vermarktendes Endprodukt eingehen, aber zu dessen Erstellung erforderlich sind (z. B. Öle, Energie), • Hilfsstoffe, die nur als unwesentlicher Bestandteil in ein Endprodukt eingehen, • indirekte Produkte, die im administrativen Bereich der Organisation eingesetzt werden (z. B. Büroausstattungen), nicht in der Produktion, • Commodities, also Produkte, die durch Normen weitgehend standardisiert und damit generisch sind, • Restposten als Produkte, die nicht mehr marktgängig oder aus dem Programm genommen worden sind und meist verramscht werden (z. B. Retourenware), • Gebrauchtwaren (Rebuy) als noch funktionsfähige Produktivgüter, deren Eigentümer diese ausgesteuert hat und damit einen Resterlös erzielen will, • C-Produkte mit geringem Wert-/Volumenanteil im Beschaffungsbudget als direkte Produkte, die ansonsten im Vergleich zu ihrem Warenwert überproportionale Prozesskosten verursachen, • Digitale Produkte, die konstitutiv auf das Internet als Vertriebsweg angewiesen sind. Weiterhin unterscheidet man nach der Veranlassung • anbietergetriebene Marktplätze, die von Lieferanten zum Zwecke der Offerte ihrer Produkte installiert werden. Dort können sich potenzielle Nachfrager einen raschen Marktüberblick verschaffen. Und nachfragergetriebene Marktplätze, die von Abnehmern zum Zwecke der Bedarfsdeckung installiert werden. Dort können sich potenzielle Lieferanten melden und ihren Lieferwunsch abgeben. Sowohl anbieter- wie auch nachfragerinitiierte Marktplätze dienen der direkten Transaktionsaufnahme. • maklergetriebene Marktplätze. Dabei handelt es sich um Absatzhelfer, die auf Marktplätzen Angebot und Nachfrage aggregieren und von der Provision zur Herstellung des Kontakts zwischen beiden profitieren. Dazu eröffnet der Inter-

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mediär eine Plattform, auf der Anbieter und Nachfrager unabhängig voneinander Leistungen bzw. Gebote platzieren. Oft kann auch die Zahlungsabwicklung und -besicherung über diese Marktplätze vorgenommen werden. Kommt dann eine Transaktion dort zustande, wird die Provision (Courtage) fällig. • mittlergetriebene Marktplätze. Derartige proprietäre Marktplätze werden häufig durch Verbände, Konsortien, Institutionen o. Ä. betrieben. Auf freien, nicht-proprietären virtuellen Marktplätzen treffen sich die Beteiligten auf Basis informeller Verabredungen. Mittler sind dabei rechtlich nicht als Makler tätig und bestreiten ihre Einnahmen daher aus anderen Quellen, meist aus Werbeeinschaltungen auf der Website oder aus Eintragungsgebühren für die Notierung. Zum Betrieb bedarf es einer Zulassungsregelung. Die Marktplätze können unter dem Zeitaspekt • nur fallweise / anlassbezogen „geöffnet“ sein, z. B. wenn Warenbestand gezielt abverkauft werden soll oder Aktionszeitpunkte sind (Black Friday / Cyber Monday), • kontinuierlich zu Transaktionen genutzt werden, also fortlaufend (24/7), • sich zyklisch mit konstanter Frequenz und gleichbleibenden Abständen wiederholen, z. B. nach Wochentagen, Monaten, Quartalen oder wenn der Warenvorrat ausläuft bzw. neuer ankommt. Weiterhin sind der Zugriff auf den Online-Marktplatz (s. o.) sowie die Preisbildung (s. u.) zu steuern. Letztere kann statisch oder dynamisch erfolgen. Eine ­statische Preisbildung bedeutet, dass Optionsfixierung („Katalogpreisbildung“) gilt, d. h., eine Marktseite macht der anderen Marktseite ein Preisangebot, das diese annehmen oder ablehnen kann. Dynamisch bedeutet, dass sich der Preis erst im Zusammenspiel zwischen Angebot und Nachfrage ergibt (Unterschied zur Preisvariation, die einseitig erfolgt). Zumeist erfolgt ein Ausgleich über einseitige oder beidseitige Gebote. Dabei können Mindestgrenzen (Bottoming / ab X €)/ Höchstgrenzen (Ceiling / bis X €) eingezogen werden, ebenso Zeitfenster, Gebotsstufen etc (von – bis). Vor allem ist eine rechtssichere Definition der zu handelnden Leistung erforderlich, was wiederum einen eindeutigen Organisationsrahmen erfordert. Vorteile virtueller Marktplätze sind ihre grundsätzlich ständige Verfügbarkeit, d. h. Zeit und Raum (ortsungebunden) spielen für die Nutzung keine Rolle. Die Informationsbeschaffung wird für alle Marktteilnehmer erheblich erleichtert, indem Angebote / Gebote rasch miteinander verglichen werden können. Durch leichtere und schnellere Informations- und Kommunikationsprozesse bleiben die Transaktionskosten gering. Ebenso können grundsätzlich alle denkbaren Anbieter am Markt teilnehmen. Für spezifische Formen können der Zugang für Teilnehmer sowie die zeitliche und räumliche Verfügbarkeit begrenzt werden.

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11.2.2.3 Online-Börse Online-Börsen beziehen sich systemtypisch auf digitale Produkte wie Suchaufträge, Textnachrichten, Musikdateien, Videostreams, Zahlungsautorisierungen etc., aber zunehmend auch auf physische Produkte. Dabei treten mehrere Anbieter und mehrere Nachfrage zeit- und raumgleich planmäßig in Kontakt zueinander. Damit liegt eine polypolähnliche Marktstruktur vor, die zugleich von sehr hoher Markttransparenz gekennzeichnet ist, also einem vollkommenen Markt nahekommt. Individuelle Vorteile können, wenn überhaupt, nur durch immaterielle Leistungen als akquisitorisches Potenzial wie Vertrauen, Branding generiert werden, sie sollen die Markttransparenz verringern und den Preissetzungsspielraum erhöhen. Online-Börsen (N : N) arbeiten durch offenes, verdecktes, geheimes oder inverses Gebot sowie in einigen Varianten wie folgt. Bei offener Auktion ergeben sich die Möglichkeiten der englischen Auktion (Englisch Auction, auf Aufstrich), bei der das Höchstgebot den Zuschlag erhält und die den Regelfall darstellt, oder der holländischen Auktion (Dutch Auction, auf Abstrich). Die Bietinkremente können dabei frei gewählt werden. Alternativ ist auch ein festes Inkrement als japanische Auktion möglich. Bei verdeckter Auktion gilt die Zweithöchstpreis-Auktion (Vickrey), d. h. der Zuschlag für den Höchstbietenden zum unbekannten Gebot des Zweithöchstbietenden. Dadurch kann die individuelle Preisbereitschaft abgeschöpft werden. Auf Marktplätzen übernehmen Biet-Agenten die regelbasierte Reaktion auf andere Gebote, etwa indem diese bis zu einem vorgegebenen Limit mit einer Mindesterhöhung reagieren. Bei Scratch-Auktion startet die Auktion mit einem Höchstpreis, durch Kauf eines Credit wird der Preis um ein Inkrement gesenkt, der aktuelle Preis ist unsichtbar, nur, wer einen Credit kauft, kann den Preis sehen und dann entscheiden, ob er abschließt oder den Credit verfallen lässt, bei Kauf ist die Auktion beendet. Der Veranstalter finanziert sich aus den kumulierten Credits. Bei geheimer Auktion wird das Gebot nicht offengelegt, sondern ist nur für den Veranstalter sichtbar (Einschreibung). Auf diese Weise sollen Abreden zwischen den Bietern (Ringbildung) erschwert / verhindert werden. Bei Niedrigstpreis-Auktion erhält derjenige Bieter den Zuschlag, der das niedrigste, nur einmal benannte Gebot abgegeben hat, zu jedem Gebot muss ein Token gekauft werden, der nicht erstattet wird, die Auktion endet mit Zahlung des Kaufpreises. Der Veranstalter finanziert sich wiederum aus den kumulierten Tokens. Bei kumulativer Auktion (American Auction) erfolgt jeweils nur eine Inkrementeinzahlung zwischen dem alten und dem eigenen neuen Angebot, der Verkäufer erhält also den Preis nicht von einem, sondern kumuliert über alle Bieter, der Höchstbietende erhält den Zuschlag für die Einzahlung nur seines letzten Inkrements. Davon geht eine besondere Attraktivität aus.

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Bei inverser Auction (Reverse Auction) überbieten sich nicht mehrere Nachfrager der Angebotsseite gegenüber, sondern mehrere Anbieter unterbieten sich der Nachfrageseite gegenüber. Dies kann sowohl offen, also für alle Beteiligten sichtbar (Lizitation), wie auch verdeckt, also nur für die potenziellen Transaktionspartner sichtbar (Ausschreibung) erfolgen. Allerdings setzt dies eine enorme Käufermarktsituation voraus, wie diese jedoch immer häufig zu beobachten ist (z. B. Erdöl, Erdgas, Integrierte Schaltkreise, Seltene Erden). 11.2.3 Indirektabsatz Wie bei realem ist auch bei virtuellem Absatz anstelle einer direkten eine indirekte Auslegung über selbstständige Absatzmittler möglich, und zwar einstufig oder zweistufig, nur ausnahmsweise auch mehrstufig. Einstufig indirekt vollzieht sich der E-Commerce-Verkauf über eine zwischengeschaltete Großhandelsstufe, wie etwa in der Tourismusbranche. Dort werden Herstellerangebote von Großhändlern gebündelt und an Einzelhändler weitergereicht (z. B. Städtereisen mit Programm, Kulturreisen oder Wanderreisen). Dies bietet sich an, wenn Einzelhändler nicht über die Marktmöglichkeiten zur eigenständigen Konfiguration eines solchen Angebots verfügen oder Großhändler Kostendegressionsvorteile bieten. Denkbar sind dabei zwei Richtungen, erstens stellen Großhändler im Internet Einzelhändlern ihre Dienste zur Verfügung (Freiwillige Kette), zweitens können aber auch Einzelhändler zur Vorteilsnutzung eine Großhandelsstufe etablieren (Verbundgruppe) (s. o.). Alternativ dazu ist auch der einstufig indirekte Online-Vertrieb über eine zwischengeschaltete Einzelhandelsstufe möglich. Dabei machen Hersteller ihre Offerte über die Webpräsenz von Einzelhändlern, ausschließlich oder zusätzlich zum eigenen Angebot präsent. Bekanntestes Beispiel ist Amazon. Der Zwischenhandel streicht dabei einen Differenzialgewinn ein, der aufgrund des starken Preiswettbewerbs im Internet zulasten der Herstellermarge geht. Dafür bieten Einzelhändler vor allem den Vorteil eines breiten Marktzugriffs und eine entscheidende Entlastung bei Logistikdurchführung und Zahlungsabwicklung. Zudem erlauben sie meist eine professionellere Angebotspräsentation und hohen Traffic durch mehr oder minder intensive Werbemaßnahmen zugunsten der eigenen Plattform. Daher sind auch hier diese Vorteile gegen den Nachteil der Senkung des Herstellerabgabepreises abzuwägen. Bei parallelem Online-Vertrieb nullstufig und einstufig-indirekt über die Verkaufsplattform sieht sich der Einzelhandel einer Konkurrenzsituation gegenüber, der er entgegen zu wirken sucht, indem er eigene Angebote kreiert (Handelsmarke), oft unter Nutzung der vorliegenden Verkaufsdaten. Zweistufig indirekt vollzieht sich der Online-Vertrieb kumulativ über zwischengeschaltete Großhandelsstufen und die Einzelhandelsstufe. Dies widerspricht zunächst dem Prinzip der Disintermediation im E-Commerce-Verkauf, kann jedoch

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sinnvoll sein bei Produkten, die nur äußerst geringe Transaktionskosten aufweisen. Ein Beispiel ist hier Strom. Da sich Energieerzeuger einer weitgehend starren Produktion gegenübersehen, müssen sie bei schwankender Nachfrage entweder Strom extern zukaufen oder bereits erzeugten Strom weiterverkaufen, um die Spannung im Stromnetz konstant zu halten, solange es an geeigneten Speicherkapazitäten mangelt. Da die Nachfrage nach Strom ausgesprochen dispers ist, gelingt zwar die Kontaktaufnahme zu gewerblichen Abnehmern, nicht aber zu privaten. Strom wird daher an Online-Börsen gehandelt. Dort geben Erzeuger überschüssige Mengen an Großhändler ab oder kaufen fehlende Mengen etwa aus dem Ausland von diesen zu. Da der Energiebedarf lokal und kleinteilig angelegt ist, überlassen sie diese Mengen Einzelhändlern (wie öffentlichen Stadtwerken), teilweise auch Absatzhelfern (wie privaten Stromanbietern), zur Weiterleitung an gewerbliche und private Abnahmestellen. Diese Einspeisung ins Netz erfolgt in jedem Fall lokal. Die Verteilung passiert also nur virtuell, und es entstehen daraus nur vernachlässigbare Kosten je Abrechnungseinheit. Infolge der weitgehenden Intransparenz des Marktes und der geringen Reaktionsgeschwindigkeit privater Endabnehmer bleiben diese nur von untergeordneter Bedeutung. Tabelle 22 Distribution im E-Commerce

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11.3 Prozessphasen des Online-Absatzes 11.3.1 Angebotspräsentation E-Commerce verläuft über einen vielstufigen Absatzprozess als Gestaltungsvo­ raussetzung, der perfekt durchorganisiert sein will, weil Inkonsistenzen durch Automatisierung kaum ausgeglichen werden können oder aufwändige manuelle Regelungen erfordern, welche die generischen Effizienzvorteile aufheben. Zu diesem Ablauf gehören die Angebotspräsentation, die Kaufvorbereitung, der Checkout zur Kasse, der Zahlvorgang, die Kaufabsicherung, die Auftragskommunikation, die Auftragslogistik und das Retourenhandling (siehe Abbildung 140: Phasen des Online-Absatzprozesses).

Abbildung 140: Phasen des Online-Absatzprozesses

Einfallstor für Geschäftsabschlüsse im E-Commerce ist, neben der generischen Notwendigkeit zur guten Auffindbarkeit des Angebots, eine gekonnte Angebotspräsentation. Wichtig ist dabei für Kaufinteressenten eine stringente Eingrenzung der Angebotsvielfalt gemäß der eigenen Anforderungen. Dazu dienen entsprechende Filter, die auch kumuliert gesetzt werden können. Viele Anbieter versuchen, dabei weitere Artikel, die nicht der Filtersetzung entsprechen, hinein zu schmuggeln, dies führt aber meist zu keinem sinnvollen Besuchserlebnis. Vielmehr ist es ärgerlich, trotz gewünschter Präzisierung der Auswahl auf Angebote zu treffen, die dieser nicht entsprechen und stattdessen die Übersicht im Weiteren behindern. Für die Angebotspräsentation ist es hilfreich, einige Gestaltungshinweise zu beachten. So ist die Reihenfolge der Bildschirmseiten zu bestimmen (Pacing), die einer bewussten Dramaturgie folgen sollte, etwa thematisch nach Jahreszeiten, sachlich nach Produktgruppen oder inhaltlich nach Anwendungen. Ebenso ist die Anzahl der jeweils präsentierten Produkte je Seite zu bestimmen. Daraus ergibt sich auch der Anteil jedes Produkts an der Bildschirmseite, der etwa aus dessen Deckungsbeitrag / Gewinn resultiert. Sofern mehrere Produkte je Seite präsentiert werden (Paging), sollte die Anordnung dem Blickverlauf folgen. Die Aufmacherseite (Homepage) soll Neugierde und Anmutung vermitteln. Die Folgebildschirmseiten sollten einem Layoutraster folgen.

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Abbildungen sollten ggf. mit Anwendungen oder Requisiten gezeigt werden, damit sie selbsterklärend sind. Außerdem ist dabei auf starke Kontraste und klare Figur-Grund-Differenzierung zu achten. Nicht jeder Monitor ist optimal eingestellt. Ergänzend kommen Hinweise auf produktbegleitende Services, absenderbezogene Informationen (Kompetenz), Cross Selling / Zubehör etc. in Betracht. Hilfreich sind auch Orientierungshinweise zur Suche, gerade bei hoher Diversität des Angebotprogramms. Ergänzend kommen Texte unter oder rechts neben Abbildungen in Frage. Dabei ist auf lesefreundliche Typo, normale Laufweite der Schrift, normalen Wortabstand, sinnvolle Hervorhebungen, Zeilendurchschuss und Zeilenumbruch (responsiv) zu achten. Formulierungen sollen der Maßgabe einfach, z. B. keine unerklärten Fachbegriffe, einfallsreich, also anschaulich, und exakt, d. h. mit möglichst wenig Vorwissen zu verstehen, folgen. Ob die Ansprache mit „Sie“ oder „Du“ erfolgt, hängt von der Zielgruppe ab. Wichtig sind Schlüsselwörter im Text wie „neu“, „gratis“, „exklusiv“ etc., die aktivieren. Eine starre Angebotspräsentation erfolgt über E-Kataloge. Dabei lassen sich attributbasierte, die nach Produktarten sortiert sind, konstruierende, die zuerst den Bedarf über Konfiguratoren spezifizieren, beratende, die über Software-Agenten Informationen gemäß Kundenprofilen individuell zusammenstellen sowie natursprachliche Kataloge, die mit Avataren oder Chatbots agieren, unterscheiden. Dadurch kann zumindest Interesse geweckt und bestärkt werden. Hilfreich ist hier zudem der Hinweis auf Aktionen, meistgekaufte Promotions-Artikel („Topseller“/ „Sale“), neue Angebote etc. Diese Angaben wirken risikoreduzierend und erhöhen damit die Verkaufschance. Darüber hinaus können Empfehlungen aus dem Käuferverhalten, z. B. „Andere Kunden kauften auch …“ oder „Andere Besucher interessierten sich für folgende Artikel: …“ offeriert werden. Einen Schritt weiter geht die anbieterseitige Einkaufsbegleitung (Curated Shopping). Dabei werden Interessenten nach ihren Wünschen für ein aus ihrer Sicht passendes Angebot befragt. Daraufhin wird ein individuelles Angebot präsentiert, teils als Produktbündel aus mehreren komplementären oder alternativen Produkten, etwa bei Kleidung für Männer (Outfittery). Hinzu tritt häufig die Möglichkeit, einen Video-Chat aufzuschalten, um direkt weitergehende Informationen / Beratung einzuholen. Unverzichtbar ist eine fehlertolerante Suchbegriffseingabe in der website-internen Funktionalität, damit auch Tippfehler bei ungeübten Besuchern oder mangelnden Sprachkenntnissen dennoch zum Ziel führen. Gleiches gilt für intelligente Suchfunktionen mit Vorgabe per Pulldown, etwa bei unbekannten oder unklaren Modellbezeichnungen, um so dennoch zur gewünschten Auswahl zu führen. Erleichternd wirkt auch eine Autocomplete-Funktion bei der Eingabe, d. h. für unvollständige Eingabebegriffe werden gängige Vervollständigungen aus Erfahrung angeboten.

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Der Produktbegriff ist zentral für die Suchmaschinen-Eingabe. Hier sind alternative Bezeichnungen vorzugeben, da man nicht davon ausgehen kann, dass der Interessent immer die genaue Modellbezeichnung kennt. Dies ist auch wichtig bei verschiedenen Modellversionen / Varianten. Hier machen es viele Anbieter ihren Interessenten nicht leicht, indem sie technisch basierte, kryptische Typenbezeichnungen vorsehen, etwa bei Großbild-Fernsehern von Samsung GU85TU8079U oder bei Pkw von Audi R8 Spyder V10 Performance RWD. Die Ziffern und Buchstaben stehen zwar für bestimmte Produktfeatures, diese bleiben der Masse der Interessenten jedoch verborgen. Die Produktbeschreibung sollte verständlich, also nicht warenkundlich verklausuliert, erfolgen und möglichst keine unerklärten Fremdwörter und auch kein „Denglisch“ enthalten. Der Text soll die Produktvorteile ausdrücklich nennen und ausloben. Je nach Produktart sind weiterhin unbedingt juristische Pflichtangaben zu berücksichtigen, etwa aus Sicherheitsgründen bei Arzneimitteln, Elektroartikeln, Spirituosen. Auch hier sind TV-Geräte ein warnendes Beispiel, von der Darstellungstechnik wie LED, LCD, UHD, OLED, QLED etc. oder dem Bildschirmformat gemessen in Zoll / Inch der Bildschirmdiagonale bis zu den Anschlüssen wie HDMI, LAN / W LAN, F-Stecker, Scart-Stecker etc. Da Interessenten danach trachten, rasch und treffend ihren Informationsbedarf zu stillen, muss ein passendes Angebot in wenigen, idealerweise schon nach zwei, höchstens drei, Klicks verfügbar sein. Dies entspricht einer geringen Website-Tiefe, die nur erreicht werden kann, wenn auf der Einstiegsseite multiple Auswahloptionen vorgesehen sind wie technischer Standard, Preisgrenze, Produktzustand o. Ä. Zur Vermeidung von Unzufriedenheiten und daraus abfolgenden Retouren ist unbedingt eine aussagefähige Produktbeschreibung erforderlich. Diese muss sowohl „technische“ Daten (auch Character Selling) als auch Einsatz- und Komfortangaben (auch Benefit Selling) enthalten. Bei großem Informationsumfang kann dieser portioniert und getrennt aufgerufen werden. Dennoch ist es immer wieder erstaunlich, dass essenzielle Produktangaben fehlen wie Abmessungen, Material, Schnitt etc. Auch werden bei Büchern teilweise Format und Gewicht angegeben, nicht aber weitaus relevantere Daten wie Erscheinungsjahr, Auflage oder Seitenumfang. Bedeutsam sind daher vor allem die genauen Produktdetails wie Größe, Farbe, Produktgeneration. Diese sollen über Konfiguratoren weitgehend individuell zusammenstellbar und auch speicherfähig sein. Hierzu gehören auch eine Zoomfunktion („Lupe“) für Detailansichten, eine 360 °-Ansicht oder Animationen in 3-D („Igel“). Dabei ist für eine bewusste Inszenierung der Abbildungen zu sorgen, deren Attraktivität sich dabei aus der Sicht der Zielgruppe bemisst. Für Abbildungen ist der Aufbau einer Bilddatenbank sinnvoll, um unnötige Produktionskosten zu vermeiden. Bei allen Auslobungen sind wiederum penibel die (engen) rechtlichen Bedingungen einzuhalten. Insb. für juristisch relevante In-

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halte dürfen nur freigegebene, unveränderbare Textbausteine verwendet werden. Auch bei Übersetzungen ist auf Rechtssicherheit zu achten, vielmehr aber noch auf sprachliche Verständlichkeit. Ein Verstärker ist das Herstellerlogo, sofern es sich um Originalprodukte handelt. Das gleiche gilt für Test- und Gütesiegel, sowohl für den Shop, den Zahlungs- oder Transportdienstler als auch für den Artikel selbst. Wichtig ist eine hohe Foto-/Videoqualität der Präsentation, dies bedingt professionelle Ausleuchtung, hohe Bildauflösung und -schärfe, evtl. mit zusätzlicher Bildbearbeitung, ohne die Realität unzulässig zu verfälschen. Bei fremden Bildern ist unbedingt die Genehmigung zur Abbildung einzuholen (Copyright), ansonsten droht eine schmerzliche Abmahnung. Wegen dieser Ansprüche lohnt sich das Outsourcing an Profis in dieser Sache, auch für Farbkorrekturen, Filtereinsatz, Ausschnittbestimmung etc. Leider sind in der Praxis immer wieder lieblose, missverständliche und unvollständige Präsentationen zu finden, die es Nutzern leicht machen, besser zum nächsten Angebot zu klicken. Interessant sind auch Anwendungsvideos / Tutorials oder Einsatzempfehlungen für das Produkt oder Pflegehinweise im Gebrauch. Dies gibt Sicherheit und erleichtert den Kaufentscheid. Zudem kann man davon ausgehen, dass Nutzer, die sich solche Tipps einholen, ein gesteigertes Interesse am Produkt haben, so dass sie mit verstärkenden Informationen versorgt werden können, vor allem einem deutlichen Call to Action. Hilfreich ist bei der Präsentation weiterhin das Angebot von Zubehörartikeln, Ausstattungen, Aufwertungen etc., um den Kaufbon zu erhöhen (= Add-on Selling). Dazu soll die Transaktionshistorie des Kunden im System hinterlegt sein, um daraus entsprechende Vorschläge ableiten zu können. Vielfach werden diese naheliegenden Umsatzchancen jedoch leichtfertig und fantasielos vergeben. Wo immer möglich, sollen Online-Vermessungen, z. B. bei Bekleidung, Wohnungs­ einrichtung, eingesetzt werden. Über 3-D-Simulationen können reale und virtuelle Gegebenheiten kombiniert werden, z. B. beim Brillenkauf (Augmented Reality). Unverzichtbar ist dabei die Kamera im Desktop-PC oder Laptop. Daraus ergibt sich auch der Vorteil von Apps bei der Adressierung der mobilen Endgeräte Tablet oder Smartphone, denn diese können u. a. auf interne Gerätefunktionen zugreifen. Hilfreich ist auch die Möglichkeit zur Vormerkung (Watchlist / Preisalarm) eines gewünschten Artikels, falls dieser aktuell nicht in der gewünschten Art (Größe / Farbe / Ausstattung etc.) oder Preishöhe (Aktion) lieferbar ist. Hier kann für registrierte Kunden eine Push-Nachricht generiert werden, sobald der Lieferstatus wechselt. Denkbar sind auch Push-Nachrichten bei Neuprodukteingang (z. B. neue Kollektion), Vorratsaufbrauch (allerdings häufig manipuliert) oder Wiederverfügbarkeit nach Out of Stock. In jedem Fall ist die Möglichkeit zur unkomplizierten Kontaktaufnahme zum Anbieter zu offerieren. Von dort ist dann anbieterseitig eine rasche Bearbeitung und kompetente Auskunft erforderlich, dafür werden Kapazitäten in anbietereigenen

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oder angemieteten Interaction-Centers vorgehalten. Ersatzweise können FAQs hilfreich sein, die auf häufig gestellte Fragen standardisierte Antworten bereitstellen. Außerdem ist der Lieferumfang zu spezifizieren, also Originalverpackung, Farbabweichungen, Größentoleranzen o. Ä. Ebenso sind die Maße der verpackten Ware anzugeben und auch das Gewicht o. Ä. Bei technischen Produkten sind alle relevanten Daten vorzusehen. Für die Auftragsabwicklung ist die Artikelnummer bzw. EAN / GTIN unerlässlich. Immer wichtiger werden auch Ökologie-Angaben zu verarbeiteten Materialien, Herkunft der Rohstoffe, Einhaltung von Umweltstandards etc. 11.3.2 Kaufvorbereitung Der erste Schritt zum Kaufabschluss ist die Vorbereitung des konfigurierten Artikels für den Warenkorb. Dazu wird meist eine Buybox am rechten, oberen Bildschirmrand eingeblendet. Hier finden sich die genauen Angaben zu Produktdetails wie Ausführung / Version, Normen / Standards, Modelljahr / Generation. Dies dient der Kontrolle, ob der angeklickte Artikel tatsächlich dem gewünschten entspricht. Insofern liegt eine hohe Transparenz hier zur Vermeidung von Retouren im Anbieterinteresse. Außerdem wird die aktuelle Warenverfügbarkeit angezeigt sowie die voraussichtliche Zurverfügungstellung beim Kunden angegeben („Lieferung zwischen … und … bei heutiger Bezahlung“). Die bestellte Menge wird angezeigt, der Preis je Mengeneinheit und der sich daraus ergebende Gesamtpreis nach Gutschein bzw. Rabatt. Die Preise gelten im Privatkundengeschäft immer incl. MwSt. sowie obligatorischen Zuschlägen etwa für Versicherung, Zoll etc. Zusätzlich sind die Versandkosten auszuweisen. Denkbar ist auch eine bezahlte Prioritätssetzung für die Auftragsbearbeitung. Die Lieferbarkeit kann durch eine Ampel angezeigt werden. Dabei greift das Warenwirtschaftssystem auf die Lagerdaten zu. Ausgangspunkt ist die Bestandsmenge bzw. die Zeitspanne bis zur Lagerauffüllung auf den Sollbestand. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei Verkauf über mehrere parallele Online-Kanäle die tatsächliche Bestandsreichweite schwierig einzuschätzen ist. Daher kann auch eine Mengenlimitierung für die Bestellung vorgesehen werden, um die jeweilige Lieferfähigkeit sicherzustellen. Ein Hinweis auf limitierte Verfügbarkeit, etwa bei Aktionsartikeln, ist zur Vermeidung von Kundenverärgerung unerlässlich. Zugleich kann dadurch die Attraktivität des Angebots steigen. Förderlich auf die Entscheidungssicherheit wirken der Ausweis von Produktbewertungen anderer Käufer bzw. die Wiedergabe von Kundenmeinungen ein. Diese Bewertungen können allerdings wenig aussagefähig sein, sich also z. B. nicht auf den Artikel oder Shop beziehen, sondern auf den KEP-Servicer oder auf das Vorgängerprodukt oder spezielle Konfigurationen. Hilfreich ist eine Visualisierung

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der Klassifikation durch Sterne / Balken. Zur Anreicherung des Bewertungsfundus sollten Kunden gezielt aufgefordert werden, ihre Meinung rückzumelden. So können auch Unzufriedenheiten identifiziert und frühzeitig behoben werden. Zwischenzeitlich ist hinlänglich bekannt, dass positive Bewertungen auch in Bausch und Bogen von Fake-Servicers zugekauft werden können. Diese gehen durchaus geschickt dabei vor, indem sie etwa zu erstellende Kommentare auf verschiedene Rezensenten verteilen, um Gemeinsamkeiten im Duktus vorzubeugen, oder die Kommentare zeitlich strecken, damit sie realistischer erscheinen. Teilweise werden auch Produkte probeweise gekauft, um eine verifizierte Kaufbewertung zu erreichen, und danach wieder gegen volle Kaufpreiserstattung zurückgegeben. Falls Unklarheiten verbleiben, können Fragen zum Produkt per Fax, E-Mail / ​ Telefonhotline / Button-Klick o. Ä. an den Anbieter gesendet werden. Häufig öffnet sich dann ein Chat-Fenster zur schriftlichen Sofortkommunikation auf der Buybox-Seite. Daraus ergeben sich für den Anbieter wertvolle Hinweise auf fehlende, unklare, missverständliche Auslobungen, die wiederum Kundenunzufriedenheiten vorbeugen. Nach längeren Website-Besuchen geht häufig die Übersicht über die bereits aufgerufenen bzw. erwogenen Produkte verloren. Dagegen hilft ein tabellarischer Vergleich der zuletzt angesehenen Produkte. Dadurch kann verhindert werden, dass Interessenten den Kauf abbrechen oder zu anderen Websites wechseln, weil sie die Orientierung verloren haben, es ihnen zu mühsam ist, selbst diese Ordnung herzustellen oder kognitive Dissonanzen entstanden sind. Optional kann eine Best Price-Garantie vorgesehen werden. Damit sagt ein Anbieter zu, auf den niedrigeren Preis eines nachweisbaren anderen Anbieters im WWW vorbehaltlos einzusteigen. Um einem Margenschwund entgegen zu wirken, kann dabei mit anbieterspezifischen Modellversionen gearbeitet werden, welche die Vergleichbarkeit einschränken (z. B. Media-Markt / Saturn) bzw. die Wirkung der Preisgarantie aussetzen. Empfehlenswert ist die Beibehaltung des ausgelobten Preises im Shop bei Zugabe eines Gutscheins an den garantiebeanspruchenden Interessenten über die Differenz zwischen dem eigenen und dem Best Price. So greift die Garantie nur für den einzelnen Kunden und führt nicht zu einer linearen, renditeschmälernden Preissenkung gegenüber allen Nachfragern. Die Versandkosten machen je nach Warenwert einen mehr oder minder großen Anteil am Gesamtpreis aus. Daher ist zu prüfen, ob versandkostenfrei geliefert werden soll. Dieses Angebot suggeriert Interessenten eine freiwillige Zusatzleistung im Vergleich zu anderen Anbietern und erhöht damit die Kaufappetenz. Der Kunde hat den Eindruck, etwas geschenkt zu bekommen, was die Attraktivität des Angebots erhöht. Außerdem werden Versandkosten als unproduktiv angesehen, weil sie nicht den Produktwert erhöhen. Dadurch, dass der All-in-Preis die Versandkosten nicht explizit nennt, wird deren Bedeutung zurückgedrängt. Jedoch ist die Inkludierung ausdrücklich herauszustellen, da ansonsten nachteilige Preisvergleiche entstehen. Wichtig ist die Reduktion der Versandkosten bei zwei oder mehr

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gleichzeitig bestellten Produkten. Dies führt in der Tendenz zum More Selling bzw. Single Source Buying. Alternativ können verschiedene Versandoptionen mit ihren jeweiligen Kosten dargestellt werden. Dabei werden zumeist Standardversand, Expressversand, Sonderversand je nach Größe / Gewicht / Produktart etc., Nachnahmeversand oder Selbstabholung vorgegeben. Die Kosten sollten nach Schnelligkeit der Lieferung gestaffelt werden. Die Versandkosten können im Einzelnen in Kosten der Kommissionierung, der Verpackung, der Packlossicherung, der Packhilfsmittel und der Zustellung aufgesplittet werden (= Partitioned Pricing), womit dann eine höhere Kostenakzeptanz entsteht, weil die Teilbeträge optisch niedriger sind bzw. in der Summe das Zustandekommen des Gesamtbetrags erklären. Dabei können auch nur Teilkosten verschiedener Stufen weiter berechnet werden. Teilweise wird aber im Gegenteil durch diese Preisposten zusätzlicher Gewinn realisiert. Weiterhin können in der Buybox Verbundprodukte angezeigt werden („Nicht vergessen…“) wie Batterien bei Elektrokleingeräten, Möbelpolitur bei Kleinmöbeln, Lederpflege bei Schuhen o. Ä. Hilfreich ist eine Drag & Drop-Funktion für die Warenablage oder ein One Click-Prinzip, um das Einkaufen so leicht wie möglich zu gestalten. Wichtig ist daher, vom Kunden aus zu denken (= Customer Centricity) und nicht von der Technik aus. 11.3.3 Kassen-Check out Bei Vollzug wird die Bestellauswahl dann in den Warenkorb transferiert. Dort bleibt sie gespeichert, während man weiter einkauft, auch bei Verlassen der Website bis zu den nächsten Besuchen, sofern man als Kunde im Online-Shop registriert ist. Von dort sollte ein jederzeitiger Rücksprung auf die Kaufseite bzw. die Produktauswahl möglich sein, um den Einkauf fortzusetzen. Durch die Warenkorbablage entsteht rechtlich keinerlei Kaufpflicht, auch nicht als vorvertragliche Pflicht. Allerdings kann der Artikel auch ausverkauft sein, wenn man zu lange mit der Bestellausführung wartet. Waren, die fest gekauft werden sollen, werden vom Warenkorb zur Kasse geleitet. Bei mehreren Waren und bei Marktplätzen sollten alle Artikel im Warenkorb in einem Zahlvorgang beglichen werden können oder auch nur einzelne von ihnen, wobei die übrigen dann zurückgestellt bleiben. Artikel können nach Belieben auch wieder aus dem Warenkorb gelöscht werden. Ebenso kann die Anzahl je Artikel variiert werden, der sich daraus ergebende neue Gesamtpreis wird dann automatisch neu errechnet. Umstritten ist die Registrierung von Erstkunden mit Nutzername und Kennwort gegenüber der Bestellung als Gast. Die Registrierung mit Kundenkonto hat das Problem, dass das vergebene Kennwort leicht vergessen wird, dann muss erst ein neues Kennwort per E-Mail umständlich angefordert werden. Folgt die nächste

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Bestellung dann erst mit einigem zeitlichen Abstand, wiederholt sich diese Prozedur. Erschwerend wirken auch Anforderungen an die Stärke des Kennworts wie Mindestlänge, Einbau von Sonderzeichen, Groß-Kleinschreibung o. Ä. Eine „Als Gast“-Bestellung erleichtert hier den Zugang, allerdings gehen die Transaktionsdaten hinsichtlich Zahlungs-/Lieferstatus kundenseitig mit Verlassen der Webseite verloren. Für den Anbieter entsteht daraus kein Nachteil, außer dass er sich der Chance zur Nachbereitung vergibt. Aber dazu muss ein Privatkunde sich erst einmal bereit erklären. Erleichtert wird die Registrierung durch ein vorausgefülltes Anmelde-Template, evtl. auch maskiert. Der Check out-Prozess sollte so kurz wie möglich gehalten werden. Bei mehrstufigem Prozedere ist eine Fortschrittsanzeige (Balken / Meilensteine) über den bereits erreichten Status hilfreich, ebenso wie eine Motivation zum Weitermachen („so, jetzt ist es bald geschafft“/„nur noch ein Schritt“). Hilfreich sind dabei Hinweise auf Übertragungssicherheit (z. B. SSL-Verschlüsselung der Daten) sowie, ohne werbliche Formulierung, auf Gewährleistungen bzw. darüber hinaus­gehende Garantien, auch wenn erstere gesetzlich vorgeschrieben sind. Dies sollte nicht nur in den AGBs versteckt werden, da damit ein akquisitorischer Effekt verschenkt wird. Die Warenkorbansicht enthält die genaue Spezifikation der Bestellung, also Artikelname, Hersteller / Marke / Versionskennzeichen, Artikelnummer etc. Hilfreich ist dabei eine zusätzliche, verkleinerte Abbildung als Thumbnail. Ebenso wird vom Kunden eine Lieferbarkeitsbestätigung erwartet. Außerdem werden die Eckdaten wie Einzelpreis je Artikel, Anzahl der bestellten Artikel, Gesamtpreis, aber auch voraussichtlicher Liefertermin mit Zeitspanne etc. wiederholt. Sofern über Gutscheine gearbeitet wird, kann hier ein Coupon durch Angabe der Nummer (Gutscheincode) eingelöst werden. Solche Gutscheine resultieren meist aus Beilegern zu Warensendungen desselben oder anderer Anbieter und dienen vor allem der Neukundengenerierung. Daher sollten sie sorgfältig gestaltet sein, also auffällig, nicht zu klein, attraktiv etc. Der Gutschein kann u. a. – einen prozentualen oder absoluten Betrag gratifizieren, – anbieterindividuell gestaltet oder standardisiert ausgelegt sein (z. B. bei Gutscheinportalen), – zeitraumbeschränkt oder zeitraumoffen gültig sein, – nur für bestimmte Kundengruppen gelten oder für alle Kunden, – nur für bestimmte Produkte / Warengruppen gelten oder für das gesamte Sortiment, – nur für bestimmte Absatzgebiete / Länder gelten oder raumübergreifend, – einen Mindestbestellwert erfordern oder ohne angeboten werden, – mit anderen Gutscheinen kombinierbar oder nur allein gültig sein,

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– für denselben Kauf wirken (falls Post Payment) oder sinnvollerweise erst für den Folgekauf (als Wiederkäufer), – einzeln berechtigen oder eine Sammlung mit Mindestmenge/-wert erfordern. Für den Check-out ist die vollständige Adressangabe der Kunden für Zahlung und Versand erforderlich, also Anrede, Nachname, Vorname, Straße, Hausnummer, PLZ, Ort, Bestellerland, E-Mail-Adresse, je nach Produktart auch Geburtsdatum, Titel und Zusatzangabe. Im Gewerbekundengeschäft kommen Angaben zu Firmierung, Faxnummer, Telefondurchwahl, USt-Ident.-Nr. und Bundesland hinzu. Die Pflichtfelder zum Ausfüllen werden zumeist mit Sternchen oder farblich markiert. Für bestimmte Angaben sind Pulldown-Menüs hilfreich, etwa Land, Bundesland, PLZ, Geburtsdatum. Besonderheiten bestehen bei Versand an eine Packstationsadresse aus Auswahlliste oder Auslandsversand, ggf. sind dann Sprachversionen zu hinterlegen. Fehlerhafte / unplausible Einträge erzeugen dabei einen Fehlerhinweis, so dass die Datenstabilität steigt. Weiterhin ist die gewünschte Zahlungsart zu wählen. Anbieterseitig ergibt sich diese aus Kriterien wie Zahlungsausfallrisiko, Kosten der Zahlungsabwicklung, manueller Aufwand der Administration etc. Meist wird hier kundenseitig eine gewisse Varietät als vorteilhaft angesehen, erhöht aber infolge Kunden­ überforderung nicht immer die Abschlusschancen. Bei mehreren Zahlungsoptionen kann anbieterseitig eine Beeinflussung durch Reihenfolge deren Ausweises, durch Vorauswahl einer bestimmten Zahlungsart oder optische Hervorhebung der anbieterpräferierten Art erreicht werden. Verbreitete Widerstände bestehen aus Sicherheitsgründen, anbieterseitig gegen Kreditkarten-Zahlung und nachfrager­ seitig gegen Vorauszahlung (s. u.). Zudem ist die Funktion von Zahlungsdienstleistern, wie Klarna, Ratepay etc., verbreitet unklar und führt daher zur Verunsi­ cherung. Gleiches gilt für die Versandart. Dabei ist der jeweils eingeschaltete Versanddienstleister anzugeben. Dies enthält auch die Möglichkeiten zum Tracking des Versandstücks, also des Ausweises des aktuellen Versandstatus, und dessen Trac­ ing, also zur Nachverfolgung der Logistik, verbunden mit der Vorankündigung der Zustellung (Zeitfenster), was einerseits der kundenseitigen Klarheit der Abwicklung dient, andererseits der anbieterseitigen Sicherheit der Zustellung und auch der Vermeidung von Fehlzustellungen durch den Versanddienstleister. Auf der abschließenden Übersichtsseite des Warenkorbs werden alle relevanten Positionen, also Einzel-/Gesamtpreise, Liefer-/Zahlungsadresse, Zahlungsart etc., noch einmal angegeben. Es folgt dann i. d. R. der „Jetzt kaufen“-Button für den Abschluss (auch „kostenpflichtig bestellen“, „zahlungspflichtigen Vertrag abschließen“). Ein Klick hier ist rechtsverbindlich, führt also zur Zahlungspflicht und kann nur durch einen expliziten Widerruf (B-t-C) rückgängig gemacht werden. Nach dem Kaufabschluss folgt die unmittelbare Rückmeldung über den Bestelleingang per E-Mail. Die Inhalte der Bestellübersicht werden wiederholt, weiterhin

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werden die Widerrufsbelehrung, die AGB und die Anbieterkennzeichnung ausgewiesen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Stammdatenverwaltung, damit Artikel und Besteller sicher zuzuordnen sind und der Prozess verwaltet werden kann. Die Nachricht über den Bestelleingang bedeutet nicht zugleich die Annahme des Vertragsantrags, sondern zunächst nur dessen technisch erfolgreiche Übermittlung. Dadurch kann bei pulsierender Nachfrage noch einmal die Verfügbarkeit geprüft werden, erst danach erfolgt dann eine Bestellbestätigung, die rechtlich verbindlich ist. Alternativ dazu ist auch eine telefonische Bestellannahme möglich. Im Vergleich zur Online-Abwicklung ist diese jedoch sehr aufwändig und auch fehleranfällig, so dass die Offerte dieser Option gut überlegt sein will. Die Transaktionsdaten müssen umständlich erfasst werden, abhängig von Tonqualität, Aussprache etc., die Rechtssicherheit kann in vielen Fällen (z. B. Finanzdienstleistungen) nur durch Audiomitschnitt gewährleistet werden. Insgesamt scheinen die Unsicherheiten hier zu hoch, zumal Unzufriedenheiten infolge Warteschleife, mangelnde Auskunftsfähigkeit am Telefon, abgebrochene Gespräche etc. entstehen können. 11.3.4 Bezahlvorgang 11.3.4.1 Pränumerando Als nächstes steht der Bezahlvorgang an. Für die Entscheidung zum Zahlverfahren gibt es mehrere Entscheidungskriterien. Zunächst ist zu bestimmen, ob dazu ein Zahlungsdienstleister zwischengeschaltet werden soll (indirekt) oder nicht (direkt). Dieser übernimmt wichtige Dienstleistungen, wie die automatische Bonitätsprüfung vor Kaufabschluss, berechnet dafür aber Gebühren. Zudem ist diese Prüfung datenschutzrechtlich umstritten, weil es womöglich am berechtigten Interesse des Dienstleisters an einer solchen Prüfung fehlt. Außerdem entsteht dort eine unvermeidliche Transparenz über die Geschäftsbeziehungen des Auftraggebers mit seinen Kunden. Das Risiko eines Zahlungsausfalls ist am höchsten beim Sukzessivgeschäft, etwa Lastschriftverfahren oder Kauf auf Rechnung, am geringsten beim Pränumerandogeschäft, etwa Kreditkartenakzeptierung oder Online-Sofortüberweisung. Die angebotenen Zahlungsoptionen können auf Basis des Warenkorbwerts und des Kundenstatus eingeengt werden, z. B. kann bei hohem Warenkorbwert und / oder Neukundenstatus auf die Anzeige der Optionen „Kauf auf Rechnung“ und „Lastschriftverfahren“ verzichtet werden. Problematische Kunden, etwa mit hoher Retourenquote oder auffälliger ausländischer Versandadresse, können auf hinterlegten Blacklists und für bestimmte Zahlungsarten gesperrt oder evtl. vom Kauf auch ganz ausgeschlossen werden (gilt nur außerhalb der EU). Dies muss jedoch bereits vor Einleitung des Check out-Prozesses erfolgen. Denkbar für die Zuweisung sind auch das erkannte Betriebssystem des Nutzer-Endgeräts (so gelten

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Apple-Nutzer als vergleichsweise „solventer “), die Uhrzeit der Bestellung (z. B. Feierabend, Wochenende) oder die Zusammenstellung des Warenkorbs. Ein wichtiges Kriterium ist auch die Affinität des Zahlverfahrens in der jeweils bedienten Zielgruppe, z. B. bei Privat- oder Geschäftskunden oder nach Bonwert der Käufe als Nano-, Micro-, Macro-Payments. Bei Kreditkartenzahlungen sind wegen des Prozessaufwands oft Mindestwerte pro Bestellung vorgegeben, bei Paypal aber Höchstwerte, was mit der dort angebundenen Versicherungsleistung zu tun hat. Weiterhin gibt es je Anbieter Limits für die gesammelten Bestellwerte in einem Zeitraum, um einem Klumpenrisiko vorzubeugen. Ebenso sind die systembedingten Kosten auf Anbieterseite relevant, und zwar einmalig zur Integration des Systems in den Online-Bestellprozess und laufend zu dessen Unterhalt und Aktualisierung. Dabei ist zu bedenken, dass diese Kosten unmittelbar gewinnschmälernd wirken, also nicht als Erlösschmälerungen o. Ä. anzusehen sind, sondern als Opportunitätskosten. Die Frist zwischen Lieferung und Auskehrung des Zahlungseingangs kann zwischen unmittelbar bei Kauf auf Rechnung, Vorkasse oder Paypal bis zu mehreren Tagen bei Lastschrifteinzug oder Nachnahme oder auch mehreren Wochen bei Kreditkarteneinsatz reichen. Für gewöhnlich sind Zahlungszeitpunkt und Zahlungsmittel kombiniert. Letztlich ergibt sich daraus eine Einteilung von Zahlungsverfahren in solche mit Geld vor Ware, Zug um Zug und Ware vor Geld (siehe Abbildung 141: Optionen beim E-Commerce-Bezahlvorgang). Zunächst zum Pränumerandogeschäft.

Abbildung 141: Optionen beim E-Commerce-Bezahlvorgang

Häufig wird eine Vorkassenüberweisung gefordert / angeboten. Dadurch wird das anbieterseitige Zahlungsausfallrisiko minimiert. Zugleich entstehen aber hohe Gebühren je Zahlungseingang, welche die Marge schmälern. Auch ist ein hoher manueller Aufwand in der Abwicklung gegeben. Vor allem aber ist die Kundenfreundlichkeit belastet, da eine einseitige Risikoverlagerung auf den Abnehmer stattfindet. Das Angebot dieser Zahlungsform kann daher zum Abbruch der Transaktion oder sogar zur weiteren Meidung des Anbieters führen. Daher sind die Sicherheitserwägungen sorgfältig gegen diese Einstiegsbarriere abzuwägen.

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Eine weitere Option ist die Prepaid-Konto-Zahlung (Geldkarte / Smartcard, z. B. Paysafecard). Dies erfordert den Kauf einer aufgeladenen Prepaid Card, erfolgt dies vor Ort, wird dadurch anonymes Bezahlen möglich. Zum Bezahlen wird auf einem Rubbelfeld die PIN freigelegt, die bei der Zahlung anzugeben ist. Der Wallet-Bestand kann an Zahlungsautomaten oder per Telefonabfrage beim Editor abgerufen werden. Die Sicherheit ist als hoch einzuschätzen, die Kosten für den Händler sind gering, für den Kunden fallen i. d. R. keine Kosten an. Es bestehen keine Phishing-Möglichkeiten (da offline), und es erfolgt keine Speicherung persönlicher Daten, bei Kartenverlust ist keine Kontosperrung nötig, und es sind weder Girokonto noch Kreditkarte erforderlich. Allerdings geht bei Kartenverlust oder Zeitablauf auch ein aufgeladenes Guthaben verloren. Ebenso können vollzogene Transaktionen nicht rückgängig gemacht werden, für den Einsatz besteht eine geringe Verbreitung, und eine eigenständige Nachladung erfordert ggf. ein Terminal vor Ort. Andernfalls ist bei Guthabenverbrauch der Erwerb einer neuen Karte erforderlich. Die Betragsdeckung kann auch aus vorab gesammelten Bonuspunkten bestehen, die gegen Sach- oder Dienstleistungen eingetauscht werden können (z. B. Payback). Prepaid-Karten werden allerdings wegen ihrer Anonymität häufig für kriminelle Handlungen eingesetzt. E-Mail-basierte Zahlverfahren, z. B. Paypal, Amazon Payments, stellen i. d. R. eine Vorauszahlung dar, dazu sind sowohl von Verkäufer wie Käufer die Bankdaten zu hinterlegen. Dieses Verfahren ist weit verbreitet. Dazu wird vom Zahlungsdienstleister auch eine Konfliktmediation zwischen Käufer und Verkäufer angeboten, allerdings erfordert dies tatsächlich umständliche Dokumenteneinreichungen. Daher kommt es häufig zu Kulanzregelungen, verbunden mit entsprechendem, anbieterseitigem Ertragsausfall. Weiterhin ist eine Zahlungsversicherung eingeschlossen. Vorteilhaft sind vor allem die globale Verbreitung und Akzeptanz, der Verzicht auf Übermittlung von Bank- oder Kreditkartendaten des Kunden an den Verkäufer sowie ein sicherer Datentransfer. Dieser Dienst ist auch für Online-Überweisungen nutzbar und für Privatkäufer kostenlos. Nachteile entstehen aus häufigen Phishing-Attacken, bei Passwortverlust sind sogar Einkäufe ohne Bankdaten zulasten des Kundenkontos möglich. Auch besteht keine zusätzliche Absicherung durch ein TAN-System und Daten liegen meist auf U. S.- oder Offshore-Servers, von denen unklar bleibt, wie es um ihren Datenschutz bestellt ist. Außerdem entstehen hohe Gebühren für den Anbieter. Zur Erhöhung der Sicherheit wird eine Zwei-Faktor-Authentifizierung vorgesehen, etwa über zusätzliche Bestätigung eines angezeigten Code im Mobiltelefon, durch Fingerabdruckidentifikation, durch Gesichts-Scan o. Ä. Angesichts dominanter Nutzung von Mobilfunk-Endgeräten (Smartphone / Tablet) wird das mobile Bezahlen immer wichtiger. Dabei ist auch die Bezahlung am POS verbreitet. Dazu bieten vor allem Mobiltelefon- und Social Media-Anbieter wie Apple (Apple Pay), Google (Google Wallet), Huawei (Pay), Samsung (Pay), Garmin (Pay), Tencent (We Chat Pay) oder Alibaba (Alipay) Lösungen an, die von Geldinstituten international unterstützt werden. Bei Apple beispielsweise funk-

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tioniert die Zahlungsautorisierung per Fingerabdruck am iPhone / iPad, zusätzlich ist eine Zweifaktor-Authentifizierung durch PIN-Eingabe erforderlich, alternativ auch über Gesichtserkennung. Üblich ist das Einscannen eines angeforderten Barcodes unter einem Lesegerät oder das Abfotografieren der Rechnung / eines Schecks mit Benachrichtigung des Verkäufers. Eine E-Commerce-spezifische Form der Anwendung sind In-App-Zahlungssysteme (z. B. Ayden). Dabei kann aus App-Anwendungen heraus bei Käufen dort direkt der Zahlvorgang ge­startet, gesichert und ausgeführt werden. Die Anwendung muss also nicht verlassen werden. Dabei handelt es sich sowohl um nicht-aufbrauchbare Gegenleistungen wie Bonusspiele / Upgrades als auch aufbrauchbare wie Abonnements / Dienstleistungen. Verbreitet ist auch die mobile Zahlung per SMS. Dabei wird ein Zahlbetrag durch Eingabe der Mobilfunknummer oder Angabe eines Stichworts angewiesen. Durch die Absenderkennung ist der nach Abzug der Transportgebühren verbleibende Betrag zuordenbar. Die Auslieferung erfolgt dann digital für Apps, Spiele, Musik, E-Books, Tickets etc. Die Belastung wird über die Rechnung des Mobilfunk-Provider abgerechnet. Die Abwicklung ist komfortabel, für die Sicherheit sind einige Randbedingungen zu beachten („sauberes“ Mobilfunkkonto etc.). 11.3.4.2 Zug-um-Zug Bei den Optionen der Zug-um-Zug-Geschäftsabwicklung handelt es sich um folgende. Die Sofortüberweisung erfolgt als Inkassoverfahren (z. B. Klarna). Dazu wird die passende Bankverbindung ausgewählt und der Zahlbetrag angewiesen, zur Sicherheit ist üblicherweise eine doppelte Authentifizierung erforderlich, also über SMS und / oder Sprachanruf und / oder Authentifizierer und Password / TAN, dann wird eine Datenverbindung zur Online-Bank aufgerufen. Von der Anbieter-Website aus erfolgt eine Weiterleitung auf die Website des Zahlungsdienstleisters. Die Überweisung ist entsprechend der bei der Bestellung eingegebenen Daten bereits vorausgefüllt und auch nicht mehr veränderbar. Die Zahlungsautorisierung erfolgt durch PIN / TAN bzw. QR-Code. Die Verbreitung ist mittelhoch. Voraussetzungen sind Girokonten auf Seiten von Anbieter und Kunde sowie die Teilnahme am PIN-/TAN-Verfahren auf Kundenseite. Die Sicherheit ist als hoch einzuschätzen, dennoch sind Phishing-Attacken möglich. Die Kosten für Anbieter sind gering, für Kunden fallen meist keine Kosten an. Im klassischen Lastschriftverfahren beauftragt der Käufer per Einzugsermächtigung seine Bank, einen vom Verkäufer übermittelten Lastschriftbeleg per Abbuchungsverfahren von seinem Konto einzuziehen. Diese Ermächtigung kann jedoch zwischen Bestellung und Einreichung bereits widerrufen sein, das Geldinstitut wird die Zahlung dann ablehnen. Eine erfolgte Zahlung kann ohne Angabe von Gründen auch binnen acht Wochen nach Lastschrift rückgebucht werden. Gründe sind zumeist folgende:

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• Konto zwischenzeitlich erloschen, Kontonummer unzutreffend, kein Abbuchungsauftrag / keine Einzugsermächtigung vorliegend, Widerspruch für Lastschrift durch Kontoinhaber, Kontoinhaber streitet ab, eine Zahlung veranlasst zu haben, zwischenzeitliche Kündigung von Mitgliedschaft / Abonnement, Frist zur Abbuchung wurde anbieterseitig überschritten, Ware wurde kundenseitig retourniert, unklare Zuordnung der Abbuchung durch Kontoinhaber. Daher sollte dieses Verfahren besser nur vertrauten Kunden zugänglich sein, oder es sollte elektronisch abgewickelt werden (z. B. Click & Buy, Paydirect). Voraussetzung ist, dass sowohl Verkäufer als auch Käufer dazu online ihre Bankverbindungen hinterlegen. Nach dem Kauf erfolgt eine Weiterleitung von der Verkäufer-Website auf die Zahlungsdienstleister-Website, dort loggt sich der Käufer mit seinen Zugangsdaten ein, bestätigt den Kauf und gibt damit den Kontoeinzug für den Verkäufer frei. Der Dienstleister sammelt dann alle Zahlungseingänge und überweist diese als Einmalbetrag an den Anbieter. So ist elektronisch keine getrennte Übermittlung von Bankdaten an den Verkäufer erforderlich, zudem besteht eine hohe Datensicherheit über inländische Server. Die Kosten für den Anbieter bleiben gering, für Kunden fallen i. d. R. keine Kosten an. Die Zahlungssicherung für Anbieter ist hoch, ebenso die Kundenfreundlichkeit, und es entsteht ein geringer manueller Aufwand für Einrichtung und Abwicklung des Verfahrens. Allerdings kann es durch das Fehlen von TANs zu Zuordnungsproblemen bei Zahlungseingängen kommen, Phishing-Angriffe bei Kunden sind möglich bzw. tatsächlich wahrscheinlich und bei der Rücküberweisung bei häufigem Kaufwiderruf fallen Gebühren an. Weiterhin besteht die Gefahr der Rücklastschrift oder des fehlenden Nachweises einer Einzugsermächtigung des Kunden bei der Bank. Bei der Debitkarten-Zahlung (EC) werden Karteneditor, Name des Karten­ halters, Kontonummer / IBAN eingegeben, dann erfolgt eine vollständige Prüfung auf Kontoguthaben / unausgeschöpftes Überziehungslimit bzw. eine stichprobenartige Prüfung, evtl. abhängig vom jeweiligen Kundenstatus. Die Verbreitung ist sehr hoch. Für den Office-Einsatz ist ein Kartenhalter bzw. Lesegerät zu installieren. Die Sicherheit ist als hoch einzuschätzen, da keine Datenübertragung im Internet erforderlich ist. Stattdessen erfolgt eine kabelgestützte GZS-Abfrage. Dafür entstehen dem Händler geringe Kosten, für Kunden ist eine EC-Karte meist kostenlos erhältlich. Verbreitet sind zwischenzeitlich auch Kundenkarten mit Transaktionsfunktionalität, die zur Begleichung des Kaufpreises eingesetzt werden. Dabei handelt es sich um Zwei-Parteien-Formate, wenn der Anbieter die Kundenkarte selbst editiert und administriert, oder um Drei-Parteien-Formate, wenn Finanzdienstleister dies für den Anbieter übernehmen. Entsprechend werden die Kartendaten zur Transaktion eingegeben, häufig werden bei Einsatz der Kundenkarte zur Kundenbindung auch Vergünstigungen gewährt. Die Abgabe der Kundenkarte kann an Bonitätskriterien gebunden sein oder wahlfrei erfolgen. Im Regelfall sind an die Karte Club-Aktivitäten angebunden wie Promotions, Newsletters, Events etc.

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Vielfach erfolgt die Zahlung auch nicht mehr mit Buchgeld, sondern mit Digitalwährung (auch Electronic Money oder Netzgeld). Dabei handelt es sich um software-basiertes Geld, z. B. Cybercoins, MilliCents, e-Cash. Die Verbreitung wächst rasch an. Voraussetzung zum Einsatz ist kundenseitig eine Wallet-App. Die Sicherheit ist als sehr hoch einzuschätzen (SET-Verfahren der Datenübertragung), die Kosten für Händler und Kunden sind mittelhoch und zumeist pauschaliert. Es handelt sich um ein einfaches und schnelles Verfahren, vor allem sind weder ein eigenes Bankkonto noch erst recht eine Kreditkarte notwendig. Jedoch erhält der Zahlungsdienstleister auf diesem Wege sensible Daten wie Geldbörsenbestand, Betragsdeckung etc., auch ist eine hohe Datenschutzproblematik gegeben bzw. zu vermuten. Eine viel versprechende Sonderform der Digitalwährung ist die Bezahlung durch Kryptowährung. Bedeutendstes System ist Bitcoin. Dabei wird ein digitaler Vermögenswert generiert, der auch als Tauschmittel dient (aber auch zur Spekulation). Die Vermögenszu- und -abschreibungen sind dabei in einer öffentlichen Finanztransaktionsdatenbank (Blockchain) fälschungssicher dokumentiert. Kryptos unterliegen allerdings erheblichen, schwer prognostizierbaren Kursschwankungen. 11.3.4.3 Sukzessiv Bei den Sukzessivgeschäftsarten handelt es sich um folgende. Barzahlung kommt bei hybriden E-Commerce-Formen in Betracht, also etwa Click & Collect (Abholung vor Ort) oder auch Webrooming (Research online – Purchase offline). Es gibt jedoch starke Bestrebungen, die Barzahlung durch unbare Zahlungsformen, auch am POS, zu ersetzen. Genannt werden dafür Sicherheitsaspekte (Diebstahl, Geldfälschung etc.), Handlingaufwand (Noten-/Münzensortierung und Einlieferung), Zeiteinsparung beim Kassiervorgang (obgleich dies in vielen Fällen fraglich ist) und eine hohe Verbreitung M-Commerce-tauglicher Endgeräte. In einigen Ländern ist Bargeld bereits verdrängt (z. B. Schweden, Norwegen), in anderen betragsbegrenzt (z. B. Deutschland). Vor allem hierzulande gibt es erhebliche Widerstände gegen die Bargeldabschaffung. Seit einiger Zeit sind jedoch in den Kassenbons zur Überprüfung umfangreiche steuerliche Angaben erforderlich, so • TSE-Transaktionsnummer (TSE = Technische Sicherheits-Einrichtung), TSESignaturnummer, TSE-Start Datum / Uhrzeit, TSE-Ende (Datum / Uhrzeit), TSESignatur, TSE-Seriennummer, TSE-Public Key, TSE-Hashalgorithmus, TSEZeitformat, Kassen-ID, Steuer ID. Nachnahme (bei Zustellung) stellt ebenfalls eine Post Sales-Zahlung dar, dazu werden die Lieferdetails vom Transportdienstleister bei Zustellung vor Ort geprüft und die Ware dann gegen Unterschrift an den Adressaten übergeben. Nachnahme wird von allen großen KEP-Servicers angeboten, der Zusteller bestätigt die Entgegennahme der Geldgegenleistung. Die Verbreitung ist sehr hoch, Voraussetzungen sind keine gegeben, außer festem Wohnsitz und Bargeld auf Kundenseite. Die Sicherheit ist sehr hoch, da keine Internet-Übertragung erfolgt. Kosten für den

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Händler entstehen meist nicht, da die Nachnahmegebühr bereits im Lieferpreis eingerechnet ist. Allerdings verbleibt ein hoher manueller Aufwand in der Buchhaltung. Die Kosten für Kunden sind sehr hoch, vor allem bei geringem Warenwert. Die Zahlung bei Abholung ist außerhalb des Internet üblich, dies ist typisch bei Click & Collect-Angeboten, teilweise auch bei Auktionsgeschäften. Ein hilfreiches Feature ist dabei NFC (Nearfield Communication). Es stellt eine kabellose Verbindung zwischen digitalen Geräten über sehr kurze Distanz her, im Unterschied zu Bluetooth wird mit dem Kontakt automatisch eine Interaktion ausgelöst, hier der Bezahlvorgang. Für eine Kreditkarten-Zahlung sind kundenseitig Karteneditor, Name des Kartenhalters, Kreditkartennummer, Aktivierungsstatus, Kartenablaufdatum und die drei letzten Ziffern des Sicherheitscodes einzugeben, dann erfolgt online eine Prüfung des eingeräumten Kreditrahmens bei der Gesellschaft für Zahlungssysteme (GZS), und sofern dieser eingehalten wird, die Zahlungsfreigabe. Als Voraus­ setzung ist ein Vertrag des akzeptierenden Anbieters mit dem Kreditkarten-Editor erforderlich. Die Übertragungssicherheit ist als hoch einzuschätzen, da Internetfrei. Allerdings entstehen für den Anbieter hohe Gebühren / Provisionen und für den Kunden im Regelfall eine jährliche Haltepauschale der Karte. Das Zahlungsausfallrisiko bleibt gering, da der Kreditkartenemittent (Visa, Mastercard o. Ä.) eine eigene Prüfung vornimmt. Der manuelle Aufwand für Implementierung und Unterhalt bleibt niedrig, die Verbreitung dieser Zahlungsform ist in vielen Zielgruppen wie Jugendliche, Ältere, sozial Schwache, aber gering, was den Käuferkreis einengt. Die Kreditkartenzahlung kann widerrufen werden. Die Sicherheit ist durch 3-D-Secure-Verfahren hoch, wenngleich verbreitet dennoch Sicherheitsbedenken bestehen. 3 D-Secure bedeutet, dass sich Käufer zweifach authentifizieren müssen, durch Nutzer-Password / Einmal-PIN und / oder Fingerabdruck / Gesichtserkennung. Eine Freischaltung durch das Geldinstitut ist erforderlich. Die Übertragung erfolgt mit SSL- oder SET-Verschlüsselung. Kreditkartenzahlung ist vor allem bei internationalen Geschäften üblich. Rechnungszahlung ist ein Offline-Post Sales-Zahlverfahren. Der Käufer überweist dabei den Zahlbetrag von seinem Konto auf das Konto des Verkäufers nach Erhalt der Ware und der Rechnung, der Nachfrager benötigt dazu kein Konto beim Anbieter, für den Anbieter entsteht jedoch der Aufwand des Abgleichs der Rechnungen mit den eingegangenen Zahlungen, zumal diese irrtumsanfällig sind durch Schreibfehler, Zahlendreher, fehlende Schlüsselnummern etc. Die Zahlungsfrist beträgt i. d. R. zwei Wochen, alternativ ist auch die Sammlung aller Rechnungen eines Anbieters mit Begleichung zum Monatsende möglich. Die Sicherheit ist sehr hoch, da keine Internet-Übertragung erfolgt. Weitere Kosten für Anbieter oder Kunde fallen nicht an, außer evtl. Postengebühren für das Konto. Für den Anbieter bestehen allerdings ein hohes Zahlungsausfallrisiko, hohe Gebühren je Zahlungseingang und hoher manueller Aufwand. Die Verbreitung ist groß ebenso wie die Kundenfreundlichkeit. Allerdings sollte diese Zahlungsart wegen des Ausfallrisikos nur Stammkunden angeboten werden bzw. vorbehalten bleiben.

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Häufig wird die Rechnungszahlung mit Factoring verbunden. Dabei werden die Forderungen aus Rechnungen vom Anbieter von ihm an einen Factor verkauft und ihm von diesem bevorschusst. Zuvor werden Gebühren für Handling, Risiko, Zinsvorteil abgezogen, zugleich übernimmt der Factor das Uneinbringlichkeitsrisiko. Außerdem ist die Übernahme von Dienstleistungen üblich wie Buchhaltung, Statistik o. Ä. Das Risiko für den Anbieter ist damit sehr gering und die Akzeptanz bei Kunden, die im Regelfall um den Forderungsverkauf nicht wissen, hoch. Allerdings entsteht ein hoher IT-Integrationsaufwand, der ein Mindestvolumen standardisierter Forderungen nach Anzahl und Wert voraussetzt. Weiterhin ist das Angebot einer Ratenzahlung mit entsprechender Hintergrundfinanzierung durch ein Kreditinstitut üblich. Dies schafft eine hohe Kundenfreundlichkeit, setzt aber wegen der Kredit- und Abwicklungskosten sinnvollerweise hohe Kaufbeträge voraus. Das Risiko kann durch Kreditausfallversicherung mit Eigenbeteiligung bei einem Kreditversicherer begrenzt werden. Vor allem für Dienstleistungen ist auch eine Abrechnung per Telefonrechnung für Festnetz oder Mobilfunk verbreitet (Carrier Billing). Früher handelte es sich dabei um Klingeltöne oder Tapeten, heute sind etwa Streaming-Abrufe üblich. Der Ausweis / die Abbuchung der Beträge erfolgt jeweils zum Monatsanfang für den zurückliegenden Monat, umfasst also eine Kreditdauer bis zu einem Monat. Die Weiterleitung vom Telefonie-Provider ist für Anbieter gebührenbewehrt und eignet sich als rationelle Abwicklung für Kleinbeträge. Der Telefonanschluss dient zugleich der Authentifizierung des Online-Käufers. 11.3.5 Kaufabsicherung Der Fernabsatz birgt per se wegen der großen faktischen Distanz der Beteiligten eine hohe empfundene Unsicherheit. Diese strebt daher nach Kaufabsicherung. Online-Zahlverfahren gleich welcher Art sollen per Saldo folgende Anforderungen erfüllen (siehe Kreutzer): – Zahlungstransaktionen müssen zuverlässig und fehlerfrei abgewickelt werden können, ohne Dopplungen / Streichungen, ungewollte Veränderungen etc. – Das Zahlungssystem muss im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr einsetzbar sein, also auch mehrere Währungen mit Umrechnung akzeptieren. – Das Zahlverfahren darf nicht der Gefahr von Fälschungen beim Geldeingang oder -ausgang unterliegen. – Die Zahlungsinformationen müssen während der Übertragung und auch danach gegen Veränderungen geschützt werden (Integrität). – Die Identität der Transaktionspartner muss eindeutig bestimmbar sein (Authentizität).

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– Die Identität der Teilnehmer am Zahlungsverfahren muss geschützt bleiben, so dass ohne Einverständnis des Kunden seine Kaufgewohnheiten nicht überwacht werden können (Anonymität). – Der Zugang zum Zahlungssystem darf nur berechtigten Nutzern möglich sein. – Abgegebene Willenserklärungen dürfen nicht mehr bestreitbar sein, um Rechtssicherheit zu schaffen (Non-Repudiation). – Einzelheiten einer Zahlungstransaktion dürfen nur autorisierten Personen zugänglich sein (Vertraulichkeit). – Die Nutzungs- und Transaktionskosten für Kunden und Händler müssen möglichst gering bleiben. – Das System muss für Benutzer leicht und intuitiv bedienbar sein. – Die Abrechnung auch von Klein- und Kleinstbeträgen muss möglich sein. – Das Zahlverfahren muss auf allen gängigen Hardware-Systemen einsetzbar sein (Kompatibilität). – Es darf nur eine kurze Zeitspanne zwischen Zahlungsanweisung und -ausführung liegen. – Bei Transaktionsstörungen oder Systemausfall ist ein definierter Zustand beizubehalten, der in einen Neustart übernommen werden kann. – Das System muss jederzeitig und ortsunabhängig verfügbar sein. – Die Nutzungskosten für die Beteiligten müssen möglichst gering bleiben. – Eine faire Verteilung der Betriebs- und Transaktionskosten sowie Risiken zwischen Verkäufer und Käufer muss eingehalten werden. – Es sollen ein geringer Implementierungsaufwand und eine minimale HardwareAusstattung erforderlich sein. – Es sollen eine Skalierbarkeit der Anwendung und hohe Verbreitung im Markt (De facto-Standard) gegeben sein. – Eine hohe Zielgruppenkonformität, d. h. Akzeptanz durch Beteiligte, ist zentral. Bei Vorauszahlung erfolgt häufig eine zusätzliche Absicherung des Zahlvorgangs für Kunden, indem die Zahlung nicht unmittelbar vom Käufer (Treugeber) an den Verkäufer (Treunehmer) transferiert, sondern zunächst an ein Treuhandkonto weitergeleitet wird. Der Treuhänder (auch Trustee) meldet den Zahlungseingang an den Verkäufer, dieser veranlasst daraufhin die Bestellausführung. Nach Bestätigung der Zustellung durch den Versanddienstleister wird der Kaufpreis nach zwei Wochen, das ist die gesetzliche Widerrufsfrist bei Fernabsatz, vom Konto freigegeben. Die Transaktion ist damit abgeschlossen. Der Treuhänder wird aufgrund eines Treuhandvertrags verpflichtet, die ihm zugewiesenen Interessen eines Dritten wahrzunehmen, er handelt somit im fremden

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Namen, aber auf eigene Rechnung. Der Vertrag zwischen Treugeber und Treunehmer wird im Innenverhältnis geschlossen und ist dort bei Fehlverhalten auch sanktionierbar, im Außenverhältnis geht die vollständige Rechtsmacht an den Treunehmer über, also auch die Finanzierung. Insofern muss der Treugeber darauf vertrauen, dass der Treunehmer tatsächlich in seinem Interesse agiert. Dieser Service ist im E-Commerce verbreitet. Dadurch wird das Käuferrisiko bei Vorauszahlung abgefedert und das Verkäuferrisiko bei Zielzahlung vermieden. Der Treuhänder erhält dafür von einer oder beiden Parteien anteilig eine Gebühr, kommt aber auch für Verluste aus dem Treuhandgeschäft auf, also mangelbehaftete Lieferung bzw. Annahmeverweigerung (z. B. Paypal). Dies bietet dem Käufer eine zusätzliche Sicherheit, die der einseitigen Risikoverlagerung einer Vorauszahlung auf ihn entgegenwirkt. Falls eine Verifizierung von Kundendaten als erforderlich angesehen wird, ergeben sich dafür verschiedene Ansätze. Eine Prüfung der Anschrift erfolgt durch (siehe Kreutzer): – Auftragsbestätigung der Post mit Rückschein, dies ist allerdings sehr kostenintensiv und langwierig, – Verifizierungscode per Brief an die angegebene Adresse mit dem die Lieferung auf der Anbieter-Website freigeschaltet werden kann, – Anforderung einer Ausweiskopie, dies ist allerdings im Zweifel sehr schwierig zu überprüfen, – Abgleich mit den Daten des Zustelldienstes über die Empfängeradresse, woraus sich aber nicht die Identität von Empfänger und Besteller ergibt, – Abgleich mit Daten von Auskunfteien, Wirtschaftsinformationsdiensten, sofern deren Daten zugänglich sind, was jedoch kostenbelastet ist und sich daher nur im B-t-B-Bereich rechnet, – Address Verification Service (AVS) bei Kreditkartenzahlung durch Abgleich der vorliegenden Daten mit Daten beim Kreditkarteninstitut oder probeweiser Micro-Belastung bzw. -Gutschrift (1 €C) des Kontos, – Postident-Verfahren durch Vorlage des Personalausweises bei einer Poststelle, dies ist allerdings sehr handlingintensiv, die Kosten sind vom Anbieter zu tragen, – Online-Identifizierung des Personalausweises, dies erfordert zumindest einen Videozugang zum Nutzer, – Anruf bei angegebener Festnetznummer, dies ist sehr zeitaufwändig, oder Abgleich mit Telefonbuchdaten, diese sind allerdings weithin unvollständig (Geheimnummern / Aktualität / Namensgleichheit etc.), – Versand einer Auftragsbestätigung per SMS bei angegebener Mobilfunknummer oder Versand eines Verifizierungscodes per SMS oder auch via Anruf, – Versand einer Auftragsbestätigung bei angegebener E-Mail-Adresse oder Versand eines Verifizierungscodes per E-Mail, mit dem die Lieferung erst freizuschalten ist.

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Es gibt zumindest Indikatoren, die gerade wenn sie zusammenkommen, auf einen Betrugsversuch hindeuten. Dazu gehören u. a. folgende: – überdurchschnittlich hoher Wert des Warenkorbs, gerade bei Neukunden, – nicht-plausible Auswahl von Produkten, – IP-Adresse und / oder Kreditkartennummer und / oder Postadresse aus einem „Risikoland“, – anonymer Proxy-Server oder Satellitenübertragung der Daten, – Kreditkartenzahlungen werden nicht autorisiert, – Herkunftsland der Kreditkarte und Lieferland der Ware stimmen nicht überein, – Angabe mehrerer Kreditkartennummern, – Anforderung der Tracking-ID beim Anbieter, – Bestehen auf Express-Lieferung der Ware, – Kunde ist nur per Mobiltelefon erreichbar, – E-Mail-Provider ist unklar / zweifelhaft, – untypisch hohe Frequenz von Bestellungen in kurzer Zeit. Die Zahlungsausfallrate liegt erfahrungsgemäß bei 1–5 % des Umsatzes. Vorher ist eine Mahnung üblich, sie ist nur erforderlich, wenn in der Rechnung kein Datum für die Zahlung angegeben ist oder 30 Tage nach Rechnungsdatum, bei Privat­ kunden nur, wenn auf den Mahnverzicht nicht in der Rechnung hingewiesen worden ist. In allen anderen Fällen, also bei Zahlungsdatum/-frist und Mahnverzichthinweis, tritt Verzug automatisch mit Fälligkeit ein. Üblich ist dann zunächst eine außergerichtliche Mahnung durch Zahlungserinnerung, in der Praxis zur Siche­r ung der Kundenbeziehung meist dreifach, mit eskalierender Dringlichkeit. Rechtlich erforderlich ist dies nicht, vielmehr kann auch sofort ein gerichtliches Mahnverfahren angestrengt werden. Dazu wird beim örtlichen Amtsgericht zunächst ein Mahnbescheid ohne Prüfung der Details erwirkt, der dem Schuldner per Post zugestellt wird. Dieser hat dann eine Zweiwochenfrist für einen Widerspruch, dieser führt zum streitigen Klageverfahren. Erfolgt keine Zahlung wird wiederum beim zuständigen Amtsgericht ein Vollstreckungsbescheid erwirkt. Auch hier bestehen wieder zwei Wochen Frist zum Widerspruch. Danach setzt das Klage­verfahren ein, d. h., das Gericht prüft die Berechtigung der Zahlungsaufforderung. Im positiven Fall folgt bei weiterer Zahlungsverweigerung daraus die Zwangsvollstreckung durch Pfändungsbeschluss. Im Zuge einer Insolvenz wird die Verität dieser Forderung meist stark beschränkt.

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11.3.6 Auftragskommunikation Im Zuge der Auftragserteilung vollzieht sich eine mehrstufige Kommunikation zwischen Verkäufer und Käufer. Dafür stehen mehrere Kanäle zur Verfügung, wobei ggf. Mehrsprachigkeit in der Shop-Software notwendig ist: • IP-Telefonie, d. h., der Anwender kann parallel zum Surfen im Netz mit dem Online-Shop sprechen, vorausgesetzt ist dabei, dass der PC mit den üblichen Multimedia-Features ausgestattet ist wie Soundkarte, Mikrofoneingang, Kopfhörerausgang, • Telefax, wird nur noch selten eingesetzt, ist aber in bestimmten Ländern und Branchen durchaus verbreitet, • E-Mail, gehört zur verschriftlichten Standardkommunikation, • Callback Button, d. h., bei Anklicken öffnet sich eine Webseite mit einem Formular, in das der Nutzer seine Telefonnummer zum Zwecke des Rückrufs einträgt, dieser kann sofort oder zu einem kundengewünschten Zeitpunkt erfolgen, dazu ist dann aber ein Medienwechsel erforderlich, • Co-Browsing, d. h., während eines IP-Telefonats können zusätzliche Informationen in Bild und Text übertragen werden, etwa Details zum Produkt oder zur Kaufabwicklung, • Video Callback, d. h., in einem Monitorfenster des Kunden wird der Call Center Agent live oder als Avatar angezeigt, so kann er Handhabungen in Bewegtbild live demonstrieren, vorbereitete Videosequenzen einspielen o. Ä., • Online-Chat, d. h., am Bildschirm öffnet sich ein Chat-Fenster, dort gibt ein Mitarbeitendender des Anbieters schriftlich Auskunft auf Fragen. Denkbar ist auch die Einrichtung einer Nutzer-Plattform für Informationsaustausch und Kundenpflege, möglich ist hier die Integration von Likes / Send a Friend Buttons, Sozialen Medien (Follow us o. Ä.), die Vergabe von Social Booksmarks, der Hinweis auf themenaffine Online-Foren / Communities, das Angebot von RSS-Feeds (Push-E-Mail), Couponing bzw. Geschenkgutscheinen, Freundschaftswerbung / Prämien. Unmittelbar nach der Bestellung folgen, meist per E-Mail, eine Eingangsbestätigung der Bestellung, die noch keine Auftragsannahme ist, sondern nur angibt, dass die Bestellung technisch eingegangen ist, daraus ergeben sich aber noch keine rechtlichen Folgen, sowie eine Auftragsbestätigung, die eine verbindliche Antragsannahme darstellt und den Anbieter zur einwandfreien Andienung seiner angebotenen Leistung verpflichtet. Darin werden jeweils alle Eckdaten der Bestellung aufgeführt wie Artikelart, Ausführung, Anzahl, Einzelpreis, Gesamtpreis, Versandart, AGB etc. Für den Fall, dass die Bestellung fehlerhaft war, kann nunmehr käuferseitig eine Korrektur oder, bei Privatkunden, auch ein Widerruf erfolgen.

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Dies erspart etwaig nachträglich auftretenden Aufwand. Üblich ist es, dem Käufer dabei für die Auftragserteilung und sein damit ausgedrücktes Vertrauen zu danken. Mit der Bearbeitung des Auftrags können weitere Informationen bereitgestellt werden, so über den aktuellen Lieferstatus, den voraussichtlichen Liefertermin, den beauftragten Versanddienstleister. Durch diese Daten wird dem Käufer das Gefühl vermittelt, dass seine Bestellung sich in zügiger Bearbeitung befindet. Ebenso können Gründe für etwaige Verzögerungen in der Bearbeitung angeführt werden, die verkäuferseitig (z. B. Bevorratung) oder käuferseitig (z. B. nicht plausible Daten) verursacht sind. Nach Abschluss der Bearbeitung wird der Käufer über die Übergabe seiner Sendung an den Versanddienstleister informiert. Zugleich wird dieser intern angewiesen, die Sendungsnummer und den Versandstatus zu übermitteln. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Kundenzufriedenheit umso weniger gefährdet ist, je schneller die Logistikprozesse ablaufen. Daher ist Abwicklungsmanagement immer auch Zeitmanagement. Bei hohem Warenwert im B-t-B-Sektor kann ein RFID-Chip in der Umverpackung (erlaubt die Wiedergewinnung) oder am Inhalt selbst befestigt sein, der von definierten Gates angetriggert wird und den Versandstatus meldet. Die Systeme unterscheiden sich vielfach nach • Kopplungsmethode (kapazitativ / induktiv / terrestrisch), Reichweite (close / remote / ​long), Betriebsfrequenz (LW / KW / UHF / Mikro), Energieversorgung (aktiv / ​semi-aktiv / passiv), Wiederbeschreibbarkeit, Speicherkapazität, Datenstrombetrieb (duplex / sequenziell) sowie diversen Zusatzfunktionen (wie Antikollision, Verschlüsselung, Modulation etc.). Die Lieferfrist setzt sich im Einzelnen aus der Bearbeitungszeit des Auftrags, der Auslieferungszeit der Kurier-/Express-/Postdienste und dem evtl. Abwarten des Zahlungseingangs zusammen. Je besser der Informationstransfer zwischen den Beteiligten organisiert ist, desto reibungsloser und kundenfreundlicher kann diese Abwicklung erfolgen. Um zu einer Lernkurve zu gelangen, ist ein Auftrags-Feedback hilfreich. Dazu gehören Bewertungen mit entsprechenden Ergänzungskommentaren. Beliebt sind hier leider auch Bewertungserpressungen, d. h., die Abgabe einer positiven Bewertung wird käuferseitig von Zugeständnissen des Verkäufers abhängig gemacht. Ebenso sind Bewertungsmanipulationen weit verbreitet, d. h., die Bewertungen stammen nicht aus getätigten bzw. verifizierten Käufen. Viele Anbieter kaufen positive Bewertungen en masse ein, meist zu erkennen an weitgehend standardisierten Formulierungen, zeitfernen Erstellungsdaten, räumlicher Ballung (IPs) o. Ä. Viele Plattformbetreiber filtern solche zweifelhaften Bewertungen durch KI-Programme und blenden diese präventiv aus. Dies führt einerseits zu einem Overkill, d. h., echte Bewertungen werden ausgeblendet, weil sie zufällig Merkmale von Fake-Meldungen enthalten, andererseits zu einem Underkill, d. h., unechte Bewertungen bleiben unerkannt, weil sie geschickt angelegt sind.

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Häufig sind auch Kommentare vorzufinden, die einer sachlichen Rechtfertigung entbehren. Hier besteht die Möglichkeit, den betreffenden Nutzern direkt oder öffentlich einsehbar zu antworten. Dabei dürfen keine negativen Unterstellungen, wie sie etwa aus Frustration herrühren, vorkommen. Daher ist es angezeigt, mit der Antwort bis zum nächsten Tag zu warten. Sofern Fehler gemacht wurden, sollten diese eingestanden und mit einer Entschuldigung / Wiedergutmachung verbunden werden. Sofern keine Fehler ursächlich erkennbar sind, ist sachlich darauf hinzuweisen. Bei nicht-gerechtfertigten negativen Kommentaren besteht zudem ein Recht auf Löschung beim Betreiber. Weiterhin bietet die Online-Präsenz bei eingeloggten Nutzern zusätzliche Informationen wie den Hinweis auf eine wiederholte Bestellung zur Vorbeugung gegen versehentliche Doppelbestellungen, den Ausweis noch offener Posten, also beauftragt, aber noch nicht geliefert, stornierter Bestellungen oder ausstehender Zahlungen. Ebenso ist eine Bestellhistorie abrufbar, die Artikelart, Anbieter, Datum, Menge, Betrag etc. ausweist. Weiterhin wird das Procedere von Stornierungen oder Änderungen von Bestelldetails erläutert. Allgemeine Informationen beziehen sich auf die Standards zur Sicherheit der Datenübermittlung, die Regularien zum Datenschutz bei Datenbearbeitung und -speicherung, die Warnung vor Phishing-/Spoofing-Attacken, die Verwendung von 1st Party Cookies, die zugrunde gelegten AGBs (häufig als Nutzungsbedingungen deklariert) etc. Im Falle der Warenrückgabe (Wandelung) wird das Procedere zur Kaufpreiserstattung in Abstimmung mit dem jeweiligen Zahlungsdienstleister ausgeführt. Ebenso ist die Regelung der Rücksendekosten angeführt, die Kosten werden aus Kulanz praktisch meist vom Verkäufer übernommen. Auch die Regularien zum Warenumtausch sind ausgewiesen. Die Widerrufsrechte werden ausgeführt, ebenso die Folgen eines Widerrufs, außerdem erfolgt der Hinweis auf das standardisierte Widerrufsformular und die Kontaktadresse. Zu den Kerninhalten gehören auch Informationen über Garantie- und Reparaturleistungen sowie Recycling-Hinweise. Hier besteht ein hohes gesellschaftliches Interesse an einer ökologisch möglichst verträglichen Regulierung. Dazu haben Medienberichte beigetragen, welche die massenhafte Vernichtung marktreifer Artikel durch E-Commerce-Anbieter oder deren Servicers zeigen. Auch das eigene Erleben unnötig voluminöser Standardverpackungen anstelle „downgesizeter“ Spezialverpackungen sorgt hier für Sensibilisierung. Die Vernichtung neuwertiger Waren ist jedenfalls reglementiert (Obhutspflicht). Nicht-verkaufsfähige Retouren sollen gespendet werden (evtl. gegen Umsatzsteuererstattung). Rohstoffe aus Retourenartikeln sollen in den Wertkreislauf zurückgelangen. Hilfreich sind auch Gütesiegel, wobei es dabei weniger um die Qualität der Produkte, sondern vielmehr die des Online-Shop geht. Bekanntestes Beispiel ist Trusted Shop, eine Bewertungsplattform, bei der jeder kostenpflichtig angemeldete

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Online-Shop umfangreich geprüft und ggf. zertifiziert wird. Dies soll häufigen Problemen mit unprofessionellen Online-Anbietern vorbeugen wie etwa bestellte Ware ist doch nicht lieferbar, Lieferung erst mit großem Zeitverzug, keine Kommunikation des Anbieters, verzögerte Kaufpreisrückerstattung bei Retoure etc. 11.3.7 Auftragslogistik Bei der Auftragslogistik ist u. a. die Paketgestaltung von Bedeutung. Darunter versteht man die zweckmäßige Gestaltung der Versandeinheit in Bezug auf • Verpackungsmaterial, hier sollten umweltfreundliche Materialien selbstverständlich sein, • Paketform, dabei ist Quaderform wegen des unproblematischen Handlings (z. B. Stapelbarkeit) zu bevorzugen, • Paketdesign zur spezifischen Wiedererkennbarkeit wie bei Amazon oder ­Douglas, auch durch Innenbedruckung, • Paketstabilität zur Verhinderung von Beschädigungen wie Bruch, Dellen, Risse etc., • Größe, hier sind leider überdimensionierte Standardgrößen üblich, wo angepasste Größen sinnvoller wären, • Gewicht, am besten Verteilung auf mehrere Pakete bei hohem Gewicht, aber mit zeitgleicher Zustellung, • Beschriftung mit Absenderangabe und Versandadresse, Zusätze wie „Vorsicht Glas“, „oben“, „nicht stürzen“ etc., • Packstoff, dieser bezweckt die Ausfüllung von Hohlräumen im Paket zur Transportschonung, • Transportsicherung wie Spannband, Textilklebestreifen, Klammerung etc., • Öffnungshandling, nutzerfreundlich („fingernagelschonend“) und qualitätssichernd, • Auspackqualität hinsichtlich hochwertiger und ansprechender Anmutung bei der Entpaketierung, • Paketbeileger, eigen für Cross Selling oder fremd gegen Entgelt oder Tausch, sowie mit Coupons, • Rechnung und / oder Anschreiben als Beleg, evtl. mit Bezahlvermerk, beides wird leider häufig versäumt, • Retourenformular/-aufkleber, je nach Konzept mehr oder minder kundenfreundlich (s. u.), • Beilage mit Goodie als Dankeschön (z. B. Gummibärchen, Schokoriegel).

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Ein Trend im E-Commerce liegt dabei im Dropshipping, das als Streckengeschäft aus der traditionellen Logistik bereits bekannt ist. Dabei bestellt der Kunde im Online-Shop des Anbieters die gewünschte Ware, dieser übernimmt deren Logistik aber nicht selbst, sondern leitet den erhaltenen Auftrag an den jeweiligen Hersteller bzw. Großhändler zur Bearbeitung und Ausführung weiter. Dieser übernimmt nunmehr die Auftragsausführung direkt an dessen Endkunden, den Auftraggeber. Auf diese Weise können Transport-, Umlade- und Lagerarbeiten (TUL) in der Supply Chain vermindert werden. Von Vorteil für den Online-Shop ist dabei vor allem, dass ein Start-up weitgehend ohne Working Capital möglich ist, da eine Lieferung im Dropshipping beim Hersteller / Großhändler erst bezahlt werden muss, wenn der Endabnehmer bezahlt hat. Insofern bleibt das finanzielle Risiko überschaubar, und es entsteht keine vermeidbare Kapitalbindung (Vorfinanzierung). Es ist keine eigenbetriebene Lager- und Transportlogistik erforderlich. Auch bleibt das Flopprisiko begrenzt. Nachteilig ist die Abhängigkeit vom Hersteller hinsichtlich Qualitätsstandards und Termineinhaltung. Außerdem können nur begrenzt Mengennachlässe erreicht werden, da kein Gesamtlos bestellt, sondern Einzelaufträge erteilt werden, allenfalls ist eine Annäherung durch Rahmenverträge möglich. Weiterhin besteht Transparenz über die Umsatz- und Kunden-des-Kunden-Daten. Zu entscheiden ist außerdem ein Retourenhandling durch den Anbieter selbst oder das Herstellerunternehmen. Ebenso steigt die Bedeutung der Versanddienstleister (KEP für Kurier, Express, Paket). Dabei ist ein erhebliches Maß an Mehrfacharbeit gegeben, d. h., die selbe oder räumlich benachbarte Kundenadressen werden von konkurrierenden Servicers mit jeweils fraktionierten Liefermengen angefahren. Dies ist angesichts der Verkehrssituation auf Fernstraßen und in Stadtgebieten ökonomisch und ökologisch nicht länger vertretbar. Lösungen sind etwa Depots, die von mehreren Transportdienstleistern angefahren werden und von denen die Warensendungen von Käufern abgeholt werden oder, umfassender, eine exklusive Aufteilung der Zustellgebiete auf die jeweiligen KEP-Anbieter wie das in anderen Ländern bereits praktiziert wird, so dass jeweils nur einer von ihnen ein Zustellgebiet abdeckt, dies bedürfte allerdings einer Ausnahmegenehmigung des Kartellamts, die aus übergeordneten Gründen jederzeit möglich wäre. Der Versand erfolgt dann von Anbietern zunächst an das Warenverteilzentrum des für das Gebiet jeweils zuständigen Versanddienstleisters. Dabei geht allerdings die exklusive Bindung zwischen Anbieter und KEP verloren und sensible Daten können proliferieren. Die Auswahl des Versanddienstleisters geschieht abhängig von Faktoren wie Versandart, Lieferland, Zustelltempo etc. (s. o.). Verschärft wird die Logistiksituation durch zugesagte Same Day-Zustellungen oder die Einhaltung von Wunschterminen für die Ablieferung. Vor allem das Liefertempo stellt jedoch einen wesentlichen Zufriedenheitsfaktor dar, verschafft positive Bewertungen und vermeidet Retourenhäufungen. Entsprechend sind die Versanddaten realtime an den Logistiker zu übermitteln. Denkbar ist auch, einen Logistik-Broker (3rd Party) einzuschal-

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ten, der die Koordination der physischen und virtuellen Teilleistungen übernimmt. Wichtig sind Schnittstellen zum internen Warenwirtschaftssystem (Einkauf, Bestand, Versand etc.), zum CRM-System für die Kundenpflege und zum Content Management-System (CMS) für Angebotsinhalte wie Aktionsangebote. Die Versandkosten sind für den Anbieter verhandelbar, vor allem in Bezug auf versteckte Zuschläge für Inselzustellung, entfernungsabhängige Treibstoffkosten etc., und abhängig von Service Levels nach Volumen, Leistungsumfang, Wochenendzustellung, Abholung durch Kunden an Packstation etc. Das Porto kann auch einzeln digital bezahlt werden. Dazu werden entsprechende Postwertzeichen ausgedruckt und auf das Poststück aufgeklebt. In Bezug auf die Berechnung der Versandkosten kann die Lieferung grundsätzlich versandkostenfrei, versandkostenfrei ab einem Mindestbestellwert oder generell kostenpflichtig sein. Dazu kann eine Versandkostentabelle einen Vergleich nach Gewicht, Zielland etc. geben. Bei Abo-Modellen wird häufig versandkostenfrei geliefert. Besonderheiten finden sich bei Aktionskonditionen. Denkbar ist, die Versandkosten quer zu subventionieren, damit sie optisch, vor allem bei geringem Warenwert, weniger ins Gewicht fallen. Einen guten Kompromiss stellt die Mindestbestellwert-Grenze dar, wobei dieser Wert sorgfältig zu bestimmen ist, am besten leicht oberhalb des Durchschnittbestellwerts, da sich damit der Bonwert erhöht. Der Versand von sperrigen oder schweren Waren kann auch per Spedition ausgeführt werden. Damit sind allerdings zumeist erheblich höhere Versandkosten verbunden. Da dem jedoch üblicherweise ein entsprechend höherer Warenwert oder eine besondere Wichtigkeit gegenüber steht, ist dies meist akzeptabel. Zudem sind kaufmännisch exakt die ersparten eigenen Aufwendungen für die Abholung gegenüber zu stellen, zu denen neben Treibstoff auch Abschreibungen, Opportunitätskosten aus der eingesetzten Zeit, Parkkosten, bewerteter Nerven- und Kraftaufwand, Versicherungsprämie, Personal- und Personalnebenkosten etc. gehören.

11.3.8 Retourenhandling Privaten Endkunden steht bei Abschluss von Fernabsatzverträgen ein grundsätzliches Widerrufsrecht zu (§ 312g Abs. 1 BGB). Der Gesetzgeber setzt nach § 355 Abs. 2 BGB mindestens eine Widerrufsfrist von 14 Tagen an, sofern der Verkäufer darauf ausdrücklich hingewiesen hat. Dabei muss der Widerruf nach Gesetz vor der Warenrücksendung eindeutig erklärt werden, die bloße Rücksendung reicht gesetzlich hingegen nicht aus. Online-Händler können aber weiterhin aus Kulanz auf eine ausdrückliche Erklärung des Widerrufs verzichten und den Widerruf konkludent alleine durch die Rücksendung der Retoure als wirksam anerkennen. Sie können auch eine längere als die 14-Tage-Frist akzeptieren. Die Rückerstattung des ggf. bereits gezahlten Kaufpreises an den Kunden hat dabei grundsätzlich innerhalb von 14 Tagen nach Eingang der Retoure beim Online-Händler zu erfolgen.

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Ein späterer Rücktritt ist nurmehr bei mangelhafter Lieferung möglich. Im Zweifel gilt für die ersten zwölf Monate eine Beweislastumkehr, d. h. der Verkäufer muss beweisen, dass ein Fehler erst nach der Übergabe entstanden ist, danach liegt die Beweislast, dass der Fehler bereits bei Übergabe vorhanden war, beim Käufer. Erfolgt die Rücksendung wegen Nichtgefallens später als 30 Tage nach Zustellung, können die Rücknahme verweigert oder dem Kunden zumindest die Kosten der Rücksendung berechnet werden. Für die Rückzahlung muss der Anbieter dasselbe (oder ein schnelleres) Zahlungsverfahren verwenden als der Nachfrager bei der Zahlung verwendet hat (§ 357 Abs. 3 BGB). Immer mehr Anbieter berechnen für die Rücksendung einen zumindest symbolischen, nicht selbstkostendeckenden Preis zur Disziplinierung (zum Folgenden siehe Deges). Ausnahmen für den Vertragsrücktritt bestehen für kundenindividualisierte Produkte, schnell verderbliche Waren, ursprünglich aus Hygienegründen versiegelte Waren und ursprünglich versiegelte Ton-, Daten- und Bildträger sowie angebrochene Verbrauchsprodukte. Außerdem, wenn Waren untrennbar vermischt worden sind (z. B. Abtönfarbe), bei Presseerzeugnissen und bei Überschreiten des Verfallsdatums (MHD). Der Rücktrittsanspruch erlischt nicht bei Ausprobieren / probeweiser Inbetriebnahme oder Verpackungsöffnung, etwa um die Vollständigkeit von Zubehör zu prüfen, wie das auch im stationären Einzelhandel üblich wäre. Bei unverhältnismäßiger Abnutzung kann der Anbieter allerdings einen Wertersatz fordern oder den Wertverlust vom Warenpreis abziehen. Tatsächlich wird das Widerrufsrecht praktisch häufig missbraucht. Beispiele sind das teure Kleid, das für einen festlichen Anlass getragen und danach zurückgesandt wird, der GroßformatFernseher, der nach dem TV-Sportereignis retourniert wird oder auch hochwertige Schmuckstücke und Uhren, die für eine Familienfeier geordert und anschließend wieder zurückgegeben werden. Die Kosten des Rückversands trägt nach Gesetz der private Endkunde. Als Service kann sie jedoch auch der Anbieter übernehmen, was als marktüblich anzusehen ist. Die Retourenquote liegt etwa bei Bekleidung / Schuhen um die 50 %, stellt also einen erheblichen Kostenfaktor dar und verteuert auch die Ware für alle nicht-retournierenden Kunden, ganz abgesehen von ökologischen Belastungen durch Hinund Rücktransport, Verpackung etc. Als Gründe werden dabei verbreitet produkt-, preis- und logistikbezogene genannt (im Folgenden in Anlehnung an Deges): • der Artikel passt nicht / gefällt nicht, der Artikel entspricht subjektiv nicht der Produktbeschreibung, der Artikel ist bereits defekt / beschädigt angekommen, mehrere Versionen eines Artikels (z. B. Größen, Farben) wurden von vornherein zur Auswahl bestellt, aber nur eine wird benötigt, versehentliche, unvollständige oder falsche Bestellung (Aliud), zu lange Lieferzeit und zwischenzeitlich anders überlegt, bei mehreren Online-Shops parallel bestellt, um bei engem Bedarfstermin auf „Nummer Sicher“ zu gehen. Die Abfrage der Retourengründe gibt wichtige Hinweise auf bislang unentdeckte Unzufriedenheiten bzw. Leistungsverbesserungspotenziale. Retouren be-

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treffen aber nicht nur private Endkunden, sondern, nach Vertrag, auch nachfragemächtige gewerbliche Kunden, die sich auf diese Weise selbstverursachter Risiken entledigen wollen. Betriebsinterne Ziele des Retourenhandling betreffen dabei die Verringerung der Rücksendewahrscheinlichkeit und der mit der Vermeidung und Verhinderung von Retouren verbundenen Kosten, die Senkung der Prozesskosten bzw. Erhöhung der Prozessgeschwindigkeit und die Steigerung der Prozessqualität. Kundenexterne Ziele betreffen die Absatzstimulierung durch kulante Rücknahmeregelungen, die Absicherung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung bzw. Erhöhung der Wiederkaufwahrscheinlichkeit, die Weiterempfehlung durch Kunden und den kundenwahrgenommenen Differenzierungsvorteil gegenüber vergleichsweise restriktiver handelnden anderen Online-Anbietern. Im Retourenhandling sind grundsätzlich zwei Ansätze zu unterscheiden: • Präventives Retourenhandling beschäftigt sich mit Maßnahmen zur Vermeidung von Retouren bereits vor einer Bestellung, während der Bestellung durch Beeinflussung der Warenkorbzusammenstellung sowie zur Verhinderung von Retouren nach der Bestellung. • Reaktives Retourenhandling beschäftigt sich mit Maßnahmen zur effizienten Bearbeitung des Retoureneingangs, der bestmöglichen Wiederaufbereitung von Retouren und ihrer Rückführung in den Warenbestand sowie zeitnaher Wiederverwertung / Neuvermarktung von Retourenwaren. Als Stellgrößen zur Verringerung der Retourenquote sind im präventiven Retourenhandling folgende denkbar (nach Deges). In der ersten Stufe geht es um die Verbesserung des Informationsstands vor Auftragserteilung durch • aussagefähige Produktbeschreibung/-darstellung nach Größe, Farbe, Material, Angabe der Passform (wie körpernah geschnitten), notwendiges Zubehör, Kompatibilität / Systemvoraussetzungen, Varianten, • funktionale Fotos mit Zoomfunktion / Detailausschnitt, 360°-Ansicht o. Ä., • Beratung durch Maßtabellen, Spezifikation der Konfektionsgröße nach Land, • denkbar ist eine Körpervermessung realtime via Avatar, oder auch in VR (z. B. bei Brillen je nach Kopfform), • positive, möglichst verifizierte Kundenbewertungen, die immer noch als sehr glaubwürdig angesehen werden, • Beratung durch Aufruf eines Live-Chat in einem Pop up-Fenster oder über Hotline, auch mit passenden Bestellvorschlägen / Kommissionierung, • FAQs und / oder Erklärvideos (Tutorials), vor allem in Bezug auf Handhabung, Sicherheitshinweise, Leistungsprofil etc.

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In einer zweiten Stufe folgen Maßnahmen beim Warenversand durch • Kontrolle der Übereinstimmung des Packinhalts mit der Bestellung vor dem Versand, z. B. keine fehlerhaft zusammengestellten Bundles, um dies als Retourengrund auszuschließen, • kurze Lieferzeit, da erfahrungsgemäß eine positive Korrelation („Kaufeuphorie“) zwischen Lieferdauer und Retourenquote besteht, • Ankündigung (und Einhaltung) eines Lieferzeitfensters, Tracking-Möglichkeit / ​ Paketverfolgungsnummer, allerdings abhängig vom KEP-Servicer, • stabile Umverpackung aus Kartonage mit Klebeband, Spannband, Tacker etc., • ansprechende Auspackqualität, die Sorgfalt und Wertigkeit erkennen lassen, • Beileger, die Individualität und Bemühen um Kundenzufriedenheit ausdrücken wie Anschreiben, Gutschein, kleines Dankeschön o. Ä., • Appell an Umweltschutz und Fairness (Moral Suasion) durch Retourenmeidung, dies bleibt allerdings bei Kunden weitgehend wirkungslos, wenngleich die Rücksendung oft als mühsam und zeitaufwändig erlebt wird, • Incentives für Verzicht auf Retoure, etwa Rabatt, Coupon, Bonuspunkte etc. bis zu Gutschrift in Höhe der Retourenkosten. In einer dritten Stufe ist der Verzicht auf Rücksendung bei Widerruf für geringwertige Artikel denkbar, wenn die Marge des infrage stehenden Produkts unter den Prozesskosten des Retourenhandlings liegt. Denkbar ist aber auch die kritische Überprüfung der Bestellung (etwa bei Zalando, Breuninger etc.) durch • proaktive Kontaktaufnahme bei ungewöhnlichem Warenkorbinhalt (z. B. mehrere Ausführungen eines Produkts), auffälligen Adressen („exotisches“ Ausland), negativer Bestellhistorie des potenziellen Käufers, • Sanktionen bei schlechter Kundenbonität bzw. hoher Retourenrate durch Zahlung nur per Vorkasse mit daraus resultierender Barrierewirkung, • letztlich auch Bestellausschluss bzw. Versagung der Auftragsannahme wegen Erreichen eines Retourenlimits, allerdings mit negativer WoM-Wirkung, • bewusste Erhöhung des Retourenaufwands, z. B. Versagen der Retourenanerkennung bei Überziehen der Widerrufsfrist, Retourenschein muss per E-Mail erst angefordert werden, ausdrückliche Erklärung des Widerrufs auf einem Formular, dies wirkt allerdings kontraproduktiv auf die Kundenzufriedenheit. Bei Ansätzen zum reaktiven Retourenhandling handelt es sich vor allem um folgende Maßnahmen (nach Deges): • Standardisierung des Retourenprozesses, z. B. vorausgefülltes Widerrufformular mit Rückadresse, Rechnungsnummer, Artikelnummer etc., ansonsten entstehen Querelen aus schlechter Lesbarkeit, falschen Angaben o. Ä. Der retournierende Kunde macht das Paket versandfertig. Dazu verwendet er entweder den Ori-

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ginalkarton oder eine andere stabile Außenverpackung. Der Sendung liegt ein vorgefertigter, zweifacher Retourenaufkleber mit Adresse, Logistikangaben, QRCode etc. bei, eine Ausfertigung dient als Auflieferungsbeleg, die andere als Versandetikett. Zur Retoure gehört die vollständige Rückgabe allen mitgelieferten Zubehörs, bei getrennten Paketen, etwa wegen Umfang, Abmessung o. Ä., sind die Pakete durchzunumerieren. Die ursprünglichen Versandaufkleber sind vorher zu entfernen, um Verwechslungen auszuschließen. Retourenpakete können beim Paketdienstleister kostenlos aufgegeben werden. Statusinformationen sind über dessen Website zugänglich. Besondere Bestimmungen gelten bei Gefahrgut, wie z. B. Akkus, dann ist auch ein Gefahrgutaufkleber gut sichtbar anzubringen. • Optimierung der Durchlaufzeiten im Retourenprozess von der Anlieferung der Retoure bis zu deren Wiederverwertung, gemessen qualitativ als Menge pro Zeiteinheit und quantitativ als fehlerfreie Warenaufbereitung. Die Durchführung umfasst die Warenannahme, die Mengenprüfung auf Vollständigkeit, die Qualitätsprüfung auf Funktion o. Ä. und ist abhängig von Menge bzw. Vielfalt der Artikel, Automatisierungsfähigkeit der Bearbeitung etc. Dazu gehören Einscannen des Rücksendeetiketts, Entpaketierung der Retourensendung, Abgleich mit der versendeten Ware, Prüfung auf Einhaltung der Widerrufsfrist, Separierung der einzelnen Artikel etc. Nach der Registrierung wird eine Bewertung der Artikel vorgenommen, evtl. mit Verweigerung der Kaufpreiserstattung bei übermäßiger Abnutzung, verbunden mit der Rücksendung des Artikels (Problem: möglicher Preisverfall zwischen Warenbestellung bei Hersteller und Retoureneingang beim Online-Anbieter). Danach erfolgt eine Klassifizierung der Ware nach vier Gruppen (A, B, C, D) durch geschulte Mitarbeitende zur bestmöglichen Nutzung retournierter Waren wie folgt (nach Deges): • Bei Unversehrtheit (A-Retoure) erfolgt eine möglichst rasche Wiedereinstellung des Artikels im Warenwirtschaftssystem, verbunden mit der Verkaufsfreigabe (zur Vermeidung unnötiger Kapitalbindung), die Wahrscheinlichkeit, solche Retouren als Neuware zu erhalten, ist je nach Produktgruppe sehr hoch. • Bei leichten Gebrauchsspuren (B-Retoure)  kommt es zur Wiederaufbereitung des Artikels bei Rückführung in den Neuwarenbestand mit Smart Repair durch Reinigung, Bügelung, Faltung, Neuverpackung o. Ä., nicht immer werden diese Waren als gebraucht ausgewiesen (Resale, Warehouse, Re-Store, Refurbished etc.). • Bei starken Gebrauchsspuren (C-Retoure) kommt es zur Weiterleitung an Resteverkäufer (Partievermarkter) wie Outlet-Centers, Pop up-Stores, Postenhändler etc., diese erhalten gemischte Paletten, meist zum Versand nach Osteuropa. • Bei großen Mängeln (D-Retoure)  schließlich bleiben Vernichtung oder Entsorgung der Retourenware, beides ist nach KrWG bei neuwertigen Waren zwar untersagt, dennoch wird dagegen wohl, mangels ausreichender Durchsetzung, verbreitet verstoßen.

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Parallel dazu wird eine Prüfung auf weitergeleitete Reklamation mit Wert- / ​ Schadensersatz vom Hersteller (bei Warenmängeln) oder Versanddienstleister (bei Transportschäden o. Ä.) vorgenommen. Bei den anfallenden Kosten handelt es sich um direkt-retourenbedingte Einzelkosten, indirekte Prozesskosten (Overheads) oder retourenbedingten Wertverlust, abzgl. Wiederverwertungserlös. Eine wichtige unternehmerische Entscheidung betrifft auch hier die des Make or Buy, also die Eigenorganisation der Retourenbearbeitung oder deren Outsourcing an spezialisierte Servicers, denkbar ist auch eine Kombination im Prozessablauf. Zur Auswertung ist weiterhin ein Retouren-Controlling als Erfolgskontrolle bzw. ein Retouren-Auditing als Wirkungsprüfung unerlässlich.

12. Persönlicher Verkauf Unter Persönlicher Verkauf wird der Face to Face-Kontakt zwischen Verkäufer und Käufer gefasst. Dabei wirken zahlreiche Einflussfaktoren im Verkaufs­ gespräch ein (12.1). Zur Einordnung ist eine Aufteilung in Phasen des Verkaufsgesprächs (12.2) didaktisch sinnvoll.

12.1 Einflussfaktoren im Verkaufsgespräch Es gibt keine Patentrezepte für die optimale Führung eines Verkaufsgesprächs. Es wird vielmehr so sein, dass jeder Verkäufer mit seinem persönlichen Stil, mit dem er intuitiv sicher agiert, am besten fährt. Das Verkaufsgespräch ist allgemein eine weit verbreitete Verkaufsform durch unmittelbaren Gesprächskontakt mit Kunden zum Zwecke des Abschlusses des Kaufvertrags. Als personengebundene Einflussfaktoren der mündlichen Kommunikation gelten alle kommunikativen Zeichen. Diese sind • hörbar in Form von vokalen und nicht-vokalen Zeichen. Vokale, auch aurale, Zeichen sind z. B. Stimmlage, Sprachbegleitung wie Lachen, Schreien, Hüsteln, Seufzen etc., Melodie wie Betonung, Kadenz, Pause etc., Phonetik, Syntax, • sichtbar, in Form von Gestik wie Mimik, Haltung etc., Eindruck wie Kleidung, Haartracht, Kosmetik etc., Zuneigung wie Blickkontakt, Körperwendung etc. Außerdem kommen indirekte Zeichen in Betracht (Statik). Diese betreffen vor allem Physiognomie, Aussehen, Statur etc. und Verhalten, Bewegung, Reflex etc. Je mehr Kongruenz dabei bezüglich dieser Zeichen zwischen Sender (Verkäufer) und Empfänger (Käufer) herrscht, desto eher und besser kommt Kommunikation zustande. Das Verkaufsgespräch ist ein Sach- oder Zweckgespräch, für das sich hilfreiche Techniken feststellen lassen. Für die Anlage des Gesprächs sind mehrere

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Einflussfaktoren bedeutsam. Bei der Sprache lassen sich alternative Sprachcodes unterscheiden: • Restringierte Sprache beinhaltet einfache, kurze Sätze, einfache Satzverknüpfungen, überwiegend Hauptsätze, konkrete Sprache, oft Dialekt, kleiner Wortschatz, kaum Fremdwörter, fehlerhafte Grammatik, Gesten als Ersatz für fehlende Wörter, direkt. • Elaborierte Sprache beinhaltet komplexe, komplizierte Sätze, personenorientierte Formulierung, logische Argumentation, abstrakt, hochdeutsch, großer Wortschatz, Gebrauch von Fremdwörtern, richtige Grammatik, wenige, gezielte Gesten, durch Analogie, Vergleich, Beispiel arbeitend. Aus der Sprache lassen sich gute Anhaltspunkte für das soziale Beziehungsfeld eines potenziellen Kunden ableiten. Für den Vortrag können verschiedene Sprachvariablen eingesetzt werden. Es handelt sich dabei um (jeweils beste Ausprägung) • Stimmklang (eher sonor), Lautstärke (nicht aufdringlich, nicht schüchtern), Pausensetzung (dramaturgisch), Sprechtempo (eher engagiert, dynamisch, initiativ), Modulation / Rhythmus (akzentuiert), Atemtechnik (nicht kurzatmig), Aussprache (deutlich, hochdeutsch), Wortwahl (eher verbisch als substantivisch), Satzbau (keine Schachtelsätze), Ablauf (logische Verkettung). Die Körpersprache ergibt sich aus der Kombination von Einflussfaktoren: • Die Mimik betrifft alle Ausdrucksformen des Gesichts, so z. B. Stirnrunzeln, Augenbrauen heben, Mundwinkel senken, Lippen zusammenpressen, Lippen kauen. Da es sich dabei um unwillkürliche Reaktionen handelt, lassen sich daraus gute Rückschlüsse auf die psychische Situation des Gesprächspartners ziehen. • Die Gestik umfasst alle Ausdrucksformen des Körpers, so z. B. Hände ballen, Handflächen nach unten halten, Armbewegungen, Nasereiben, Kinnstreicheln, Kleidung glattstreichen, Hände in den Hosentaschen, Hände in die Hüfte gestemmt, Fingerspitzen aneinandergelegt, überkreuzte Beine, mit den Füßen wippend, breitbeiniges Stehen, Hände hinter dem Kopf verschränkt. • Die Kopfhaltung drückt sich z. B. aus als Kopf zur Seite geneigt, Kopf betont erhoben, zwischen den Schultern eingezogen, gesenkt, seitlich hin- und herwiegend. • Dabei kann auch die Blickrichtung aufschlussreich sein, so z. B. seitlich aus den Augenwinkeln, am anderen vorbeischauend, in die Augen schauend, durch den anderen hindurch. Außerdem sind Distanzen im Gespräch aufschlussreich. Sie betreffen das instinktive Revierverhalten des Menschen und sind keulenförmig um den Körper nach vorn gerichtet. Zu unterscheiden sind die Intimdistanz (ca. 70 cm), die (persön­ liche) Gesprächsdistanz (ca. 120 cm), die (gesellschaftliche) Wahrnehmungsdistanz (ca. 220 cm) und die öffentliche Distanz (ca. 400 cm) Abstand zum Partner. Distanzen werden auch durch die Platzierung persönlicher Gegenstände verletzt (z. B. Aktentasche, Laptop, Präsentationsunterlagen auf dem Schreibtisch).

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12.2 Verkaufsgesprächsphasen 12.2.1 Gesprächseinstieg Im Folgenden werden als Phasen im Verkaufsgespräch Gesprächseinstieg, Kundenqualifizierung, Vorteilspräsentation, Einwandbehandlung, Konfliktüberwindung, Preisargumentation, Kaufabschluss und Kaufnachbereitung unterschieden (siehe Abbildung 142: Verkaufsgesprächsphasen).

Abbildung 142: Verkaufsgesprächsphasen

Der Gesprächseinstieg erfolgt durch die Kontaktphase, diese fördert durch Anerkennung des Gesprächspartners und Rücksichtnahme auf sein Geltungsbedürfnis den erfolgreichen Anlauf des Gesprächs. Dies erreicht man durch kurze Anerkennungsbemerkungen, die sich leicht in die Gesprächseröffnung einstreuen lassen. Gesichtsausdruck und Haltung strahlen dabei Einfühlung und Verständnis aus. Jeder Mensch fühlt sich beachtet, wenn er mit seinem Namen (richtige Aussprache vorausgesetzt) angeredet wird. Vielen Menschen schmeichelt es, wenn man ihre Titel kennt und diese Kenntnis im Gespräch geschickt durchblicken lässt, sie zumindest aber mit ausgesuchter Höflichkeit anspricht. Vorsicht ist allerdings bei unangenehmen Gesprächen in Gegenwart Dritter geboten (z. B. Beschwerde). Dann führt die Personifizierung leicht zu einer Verhärtung der Atmosphäre. Das gleiche gilt für Tabuthemen (Politik, Moral, Religion etc.), die man tunlichst meidet. Ein gepflegtes Äußeres fördert das Gesprächsklima. Frauen achten mehr auf zeitgemäße modische Kleidung ihres Gesprächspartners als Männer. Als gutes Aussehen wirken sauberer Haarschnitt, gepflegtes Gesicht, sorgfältige Kleidung. Die Kleidung soll seriös und ordentlich sein, gleichzeitig aber nicht zu auffällig und fein. Der Augenkontakt zwingt den Gesprächspartner, sich dem Gesprächsthema zuzuwenden. Ein offener, lebhafter Augenkontakt intensiviert die Wirkung des gesprochenen Wortes. Starren hingegen wirkt unangenehm. Unsteter, den Augen des Partners ausweichender Blick wird häufig als Unsicherheit gedeutet und führt

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zu einem Verlust an Wirkungskraft. Störend wirken u. a. Fingertrommeln, Spielen mit Gegenständen, Floskeln, Dauerreden, sprunghafter Themenwechsel, zu große Nähe, Anfassen. Die mimische Begleitung ist vom Kulturkreis abhängig, außerdem von Geschlecht, sozialer Schicht und Abstammung. Die Mimik des Sprechers unterstützt das gesprochene Wort. Zugleich ist sie verräterisch, wenn er es nicht ehrlich meint. Gleichermaßen unterstützt die Gestik das gesprochene Wort. Die Stimme des Sprechers trägt den Inhalt durch Melodie, Rhythmus, Stimmhöhe, Lautstärke etc. Gesprochene Worte unterliegen Missverständlichkeiten, sofern ihr Verständnis verschieden ist. Deshalb sind Wörter vorsichtig auszuwählen. Zu große Aufmerksamkeit auf den Sprechakt erschwert jedoch das Reden. Zur Gesprächseröffnung gilt es, am besten sofort Augenkontakt zu suchen, ein freundliches Gesicht zu zeigen, den Gesprächspartner möglichst mit Namen anzusprechen und mit dem Entgegenstrecken der Hand zu warten, bis der andere die Hand reicht (kann sonst aufdringlich wirken). Außerdem sollte man den Händedruck weder zu lasch noch zu kräftig ausfallen lassen und einen leichten Diener bei Begrüßung von Frauen, aber keine Verbeugung, vorsehen. Weiterhin sollte man sich mit Namen vorstellen, seine Funktion erläutern, eine positive Ausstrahlung vermitteln und eine aufrechte Körperhaltung einnehmen, keine Standardphrasen verwenden oder mit Kollegen schwatzen. Kleine Höflichkeitsbezeugungen wie Platz anbieten, Türe schließen helfen, Regenschirm abnehmen etc. wirken gut. Bei Außenbesuchen ist vorher immer ein Termin zu vereinbaren (mit alternativen Terminvorschlägen) und anzumelden. Es ist sehr wichtig, den Kunden die Ware nach Möglichkeit anfassen und in die Hand nehmen zu lassen. Vor allem ist eine positive Einstellung zum Kunden als Partner wichtig. Denn die Einstellung spiegelt sich untrüglich im Verhalten wider, und wer den Kunden nicht als Partner akzeptiert, wird dies früher oder später im Gespräch verraten und damit seine Chancen verspielen. Vor allem darf der Kunde nicht das Gefühl erhalten, dass ihm etwas verkauft werden soll. Er erhält vielmehr die Chance, einen subjektiven Vorteil (= Nutzen) zu erwerben. Produktvorteile sind explizit festzuhalten, weil man nicht davon ausgehen kann, dass Selbstverständlichkeiten ausreichend erkannt und gewürdigt werden. Außerdem sollte immer eine partnerbezogene Argumentation erfolgen (Sie). Die Nutzen aus den Angebotseigenschaften sind zentral in den Mittelpunkt zu stellen, denn letztlich rechtfertigt nur der subjektive Nutzen jegliche Geldausgabe. Bei der Gesprächseröffnung ist es wichtig, die Motivation des potenziellen Käufers anzusprechen. Eine Ansprache wird als umso motivierender empfunden, je höher sie innerhalb der Motivhierarchie angesiedelt ist. Widersprüchliche Meinungen gibt es dahingehend, ob das stärkste Argument an den Schluss (Recency-Effekt) oder an den Anfang zu stellen ist (Primacy-Effekt). Letzteres gilt vor allem bei Einwänden als empfehlenswert.

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Zentrale Elemente des Gesprächs betreffen folgende Maßgaben: • Einfachheit. Am besten, man spricht natürlich, frisch, nicht zu leise, nicht zu schnell. Vorteilhaft sind klare, überschaubare, wirkungsvolle Formulierungen, kurze Sätze, einfache Darstellung, geläufige Wörter, erklärte Fachtermini, anschaulicher Ausdruck. • Prägnanz. Das bedeutet kurz, auf das Wesentliche beschränkt, komprimiert, auf das Verkaufsziel konzentriert, so wenig Worte wie möglich, dazu unterstreichende Gesten und Glaubwürdigkeit durch Identifizierung mit der gemeinsamen Sache. • Ordnung. Das heißt, gegliederter Vortrag, folgerichtige Argumentation, übersichtlich, Wesentliches von Unwesentlichem getrennt, mit rotem Faden im Vortrag, in sachlogischer Reifenfolge, deutliche Aussprache mit verstärkender Betonung. • Stimulanz. Hier sind ein anregender Vortrag, interessante Darstellung, abwechslungsreiche Anschauung und persönliches Involvement gemeint, außerdem ein Sicherheit vermittelnder Blickkontakt und eine Zuwendung signalisierende ­Mimik. 12.2.2 Kundenqualifizierung Durch Fragen kann das Verkaufsgespräch gesteuert werden, wenngleich diese nicht übertrieben eingesetzt werden sollten. Zum einen müssen keine Behauptungen aufgestellt werden, die zu beweisen bleiben. Zum anderen wird der Gesprächspartner durch Antworten aktiviert. Dabei werden dessen Einstellungen und Meinungen sowie allgemeine Informationen bekannt. Dies führt zu Übereinstimmungen und Problemlösungen, die eine positive Atmosphäre erzeugen und den Verkauf stützen. Es können verschiedene Frageformen unterschieden werden: – Die Informationsfrage hat zum Ziel, primär objektive Daten über die Bedarfslage des Gesprächspartners zu erfahren. – Die Ergänzungsfrage versucht, präzisere Informationen über den Sachverhalt zu eruieren. – Bei Suggestivfragen versucht man, den Gesprächspartner im eigenen Sinne zu beeinflussen. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass dieser sich gegängelt fühlt und aggressiv reagiert. – Bei der Alternativfrage hat der Gesprächspartner die Möglichkeit, zwischen zwei Antwortalternativen zu wählen, die beide positiv für den Verkäufer sind und damit in jedem Fall zum Erfolg führen. – Gegenfragen bieten die Möglichkeit, auf eine Frage hin wieder die Initiative zurückzugewinnen. Außerdem schaffen sie einen besseren Wissensstand.

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– Kontrollfragen im Verlauf des Gesprächs dienen dazu, festzustellen, inwieweit bereits Übereinstimmung zwischen den Gesprächspartnern erreicht ist. Es handelt sich meist um geschlossene Fragen. – Fangfragen sollen dem Geschäftserfolg dienliche Informationen vom Gesprächspartner erbringen, deren dieser sich selbst nicht unbedingt bewusst ist. – Motivationsfragen dienen dazu, den Gesprächspartner zur Offenlegung seiner Beweggründe für den Kauf zu veranlassen. – Rhetorische Fragen wiederum dienen primär dazu, die Aufmerksamkeit des Gesprächspartners zu gewinnen und zu erhalten. – Ja-Fragen sind spezielle Suggestivfragen, die als einzige sinnvolle Antwort ein „Ja“ im Sinne des Kaufprozesses ermöglichen. – Provozierende Fragen sind solche, die den Gesprächspartner emotional anheizen sollen. Dies ist wichtig, um den subjektiv empfundenen Kaufdruck zu erhöhen. Fragen sind, geschickt gestellt, eine der wichtigsten Voraussetzungen für die anschließende Kundennutzen-Argumentation. Ehrlich interessiertes Fragen gibt dem Gesprächspartner das Gefühl, auf ihn einzugehen und schafft damit die nötige Vertrauensbasis. Fragen sind auch nötig, um den Gesprächspartner und seine Bedürfnisse bzw. Kaufmotive besser einzuschätzen. Durch Fragen kann die Gesprächsrichtung vorgegeben werden, denn „Wer fragt, der führt“. Fragen sind hilfreich, um Kaufwiderstände schneller zu erkennen und die Kaufentscheidung zu forcieren. Sie bringen zusätzliche Informationen und Zeitgewinn in der Defensive. Fragen ermöglichen zudem ein konfliktfreies Korrigieren des Gesprächspartners. Sie schaffen es, vom Monolog zu einem partnerschaftlichen Dialog zu gelangen. Durch Fragen kann man den Gesprächspartner besser einbeziehen und sicherstellen, dass er wirklich zuhört. Außerdem wird die Übereinstimmung laufend geprüft. Freundliche Fragen dienen der Präzisierung von Aussagen. Ohne die Fähigkeit, aktiv zuzuhören, nützt allerdings auch die beste Fragetechnik nichts. Intensives Zuhören stärkt das Selbstwertgefühl des Partners und zeigt ihm, dass man ihn ernst nimmt und schätzt. So fühlt er sich verpflichtet, auch die eigenen Worte ernst zu nehmen. Dadurch wird Verkaufen leichter. Erst nachdem der Bedarf des potenziellen Kunden geklärt ist, kann eine zielgerichtete Vorteilspräsentation des offerierten Produkts / Dienstes erfolgen. 12.2.3 Vorteilspräsentation Die Präsentation soll didaktisch vom Einfachen zum Komplizierten, vom Bekannten zum Unbekannten, vom Detail zur Ganzheit, vorgehen. Wichtig ist zu berücksichtigen, dass eigene Aktivität des Interessenten (schätzungsweise 90 % Erinnerungsquote als Anhaltspunkt) dabei vor seiner Wahrnehmung durch Sehen

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und Hören (ca. 50 %), vor nur bildlicher Wahrnehmung (ca. 30 %), vor nur auditiver Wahrnehmung (ca. 20 %) und vor nur schriftlicher Wahrnehmung (ca. 10 %) stehen. Die Demonstration soll wirkungsvoll eingeübt werden und immer so erfolgen, dass dabei verständlich erläutert wird, was gerade passiert und der Nutzen ausdrücklich ausgelobt wird. Dabei am besten die Reihenfolge vom Einfachen zum Komplizierten, vom Bekannten zum Unbekannten, von Details zur Ganzheit beachten. Die Demonstration soll ohne Ablenkung erfolgen. Den Kunden mitarbeiten lassen, Aha-Erlebnisse fördern, das begünstigt die innere Beziehung zum Produkt. Zudem sollen nur zwei Alternativen gleichzeitig demonstriert werden, weil sonst leicht Überforderung oder Konfusion eintreten kann, bei größerer Auswahl ist dazu sukzessiv vorzugehen. Wichtig ist die Förderung von Aha-Erlebnissen beim Gegenüber. Dies erfolgt durch Inszenierung / Dramatisierung der Produktleistung. Dadurch können auch Selbstverständlichkeiten überzeugend wirken. Bei der Erläuterung soll auf Konkurrenzprodukte kein direkter Bezug genommen werden, denn das wertet diese nur unnötig auf. Produktmuster müssen immer pfleglich behandelt werden. Teilweise versuchen Verkäufer, die Robustheit ihrer Produkte durch bewusst rauen Umgang mit ihnen zu betonen. Das sollte vermieden werden, es sei denn, man hat für solche Zwecke (Torture Test) ein gesondertes Muster parat. Auch darf auf keinen Fall das Demonstrationsprodukt verkauft werden, sondern immer ein „unbenutztes“ („originalverpackt“). Bei der Vorteilsargumentation geht es darum, aus absenderbezogenen Angebotsmerkmalen als Character Selling, z. B. „Diese Maschine schafft 5.000 Umdrehungen / Min.“ adressatenbezogene Kundennutzen als Benefit Selling werden zu lassen, z. B. „Diese Maschine verschafft Ihnen einen kaum einholbaren Wettbewerbsvorsprung.“. Denn Kunden sind nur daran interessiert, was ihnen ein Angebot an Nutzen bringt. Daher kommt es darauf an, für jedes Angebotsmerkmal den rationalen oder auch emotionalen Kundennutzen auszuloben. Mögliche Nutzen hängen von der Motivation ab, diese ist durch Bedarfe geprägt, die wiederum aus der Kundenqualifizierung bekannt sein sollten. Man geht dabei von einer Nutzenhierarchie aus, bei der alle Vor- und Zwischennutzen in Endnutzen münden (Endbenefits), die Leistung, Kennerschaft, Trendzugehörigkeit und Prestige lauten. Dabei geht man von einer Zweck-Mittel-Kette zum Endnutzen aus (auch Means-End Chain). So etwa folgendermaßen (bei einem Pkw): – konkrete Eigenschaft: stabile Karosserie, – abstrakte Eigenschaft: hohe Steifigkeit, – funktionaler Nutzen: geringeres Verletzungsrisiko, – psychologischer Nutzen: sich sicher fühlen, – instrumenteller Wert: körperliche Unversehrtheit, – terminaler Wert: länger gesund bleiben (Lebensfreude).

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Dies wissend, kann man sich in der Argumentation auf ein immer höheres Nutzenniveau hangeln, darf dabei aber auch nicht zu komplex werden. 12.2.4 Einwandbehandlung Jeder Einwand signalisiert einen Kaufwiderstand. Deshalb gilt es, den Kunden ausreden lassen, ihm aufmerksam zuhören, keinen echten Einwand zu übergehen. Der Verkäufer sollte auf keinen Fall verärgert reagieren, Einwände bagatellisieren, tabuisierte Themen ansprechen oder den Kunden versuchen, überreden zu wollen. Auf jeden Fall sollte er diplomatisch reagieren. Dafür sind zahlreiche Antworttechniken zur Einwandbehandlung vorhanden: – Papagei, d. h., der Einwand des Kunden wird zunächst als Frage wiederholt. – Trägheit, d. h., die wichtigste Aussage zum Produktvorteil wird beständig, in leicht abgewandelter Form wiederholt. – Vorwegnahme, d. h., ein möglicher Einwand wird vorweggenommen und entkräftet, indem man gleich Gegenargumente nennt (Bismarckmethode). – Zurückstellung, d. h., Aufschieben eines Einwands auf einen späteren, vorgeblich günstigeren Zeitpunkt. – Umformulierung, d. h. Abschwächung des Einwands durch rhetorische Umformulierung mit milderen Worten. – Plus-Minus, d. h., ein Nachteil wird bewusst eingestanden, um größere Vorteile dagegenstellen zu können (auch Kompensationstechnik). – Referenz, d. h., Verstärkung des Nutzens durch Bezug auf andere Kunden oder Autoritäten. – Entlastung, d. h., ein Einwand wird bagatellisiert und der Kunde gleichzeitig von den mit dieser Aussage verbundenen Problemen entlastet. – Gegenfrage, d. h., der Versuch, den Kunden zur Begründung seines Einwands zu bewegen, um dadurch mehr über dessen Ursache zu erfahren und gleichzeitig Zeit zur Beantwortung zu gewinnen. – Salami, d. h., durch gezielte Statements wird ein Einwand zergliedert und jedes Teilargument einzeln abgearbeitet. – Ja, aber, d. h., anfänglich wird Zustimmung für die Aussage des Kunden signalisiert, aber dann erfolgt eine erhebliche Einschränkung, die das Ergebnis ins Gegenteil verkehrt, ohne dem Kunden widersprechen zu müssen. – Verkleinerung, d. h., der Preis wird auf Einzeleinheiten bezogen (Division). – Vergrößerung, d. h., der Preis wird auf die darin beinhaltete Stückzahl bezogen und wirkt dadurch optisch günstiger (Multiplikation).

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– Korkenzieher, d. h., durch Fragen wird versucht, etwaig vorhandene, noch nicht geäußerte Einwände hervorzulocken (Warum-Fragen). – Vergleich, d. h., es werden Gleichnisse für Nutzen des Produkts gegeben, um ein verlockendes oder abschreckendes Beispiel herauszuarbeiten. – Umkehrung, d. h., ein angeblicher Nachteil wird in einen Vorteil umgewidmet (auch Bumerangmethode) oder der Einwand in Zweifel gezogen. – Seitliche Arabeske, d. h., ein Nachteil wird stillschweigend zugegeben, aber übersprungen, um ihn dann sofort durch einen anderen Gesichtspunkt zu ergänzen. – Eisbrecher, d. h., der zögerliche Kunde wird direkt auf seinen Einwand ange­ sprochen. – Isolierung, d. h., Feststellung, ob nach Klärung des letzten Einwands dem Abschluss nichts mehr im Wege steht. – Praktischer Vergleich, d. h., der Kunde soll den Erlebnis- und Gebrauchswert des Produkts selbst nachvollziehen. – Unbeantwortete Frage, d. h., der Verkäufer stellt bedeutungsschwer eine Frage in den Raum, die er unbeantwortet lässt, deren Antwort aber vom Kunden im Kopf leicht ergänzt werden kann. Erst wenn alle Einwände überzeugend wegargumentiert worden sind, ist die Lage so, dass die Abschlussphase eingeleitet werden kann. Ansonsten bricht der Prozess hier bereits erfolglos ab. 12.2.5 Konfliktüberwindung Auf das Erreichen der Abschlussphase deuten mehrere Signale hin, sowohl Verhaltenssignale wie Kopfnicken, Anfassen des Produkts etc. als auch Sprachsignale wie Kaufwunschäußerung, Fragen nach Details wie Kundendienst, ­Garantie, Referenzen etc. Zur Überwindung dabei entstehender Konflikte stehen wiederum mehrere Techniken zur Verfügung: – Alternative, d. h., es erfolgt keine grundsätzliche Entscheidung, sondern nur eine Auswahl zwischen „So oder so“. – Zusammenfassung, d. h., die wichtigsten oder alle Argumente werden noch einmal resümierend genannt. – Feststellung, d. h., es erfolgt eine Ja-Verkettung als Antworten auf die Fragen des Verkäufers. – Empfehlung, d. h., der Verkäufer wählt im Urteil des Käufers, um zu einer Objektivierung seiner Aussage zu gelangen.

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– Referenz, d. h., eine Absicherung der Aussage durch Zeugen wird angestrebt. – Pro-Contra, d. h., Zusammenfassung aller positiven und negativen Argumente (also scheinbare Objektivierung). – Teilentscheidung, d. h., die Entscheidungsfestlegung erfolgt zunächst nur in Randoder Teilgebieten des Kaufs. – Vorschlag, d. h., es wird ein Vorschlag für einen Kaufentscheid gegeben, wenn das Verkaufsgespräch nicht recht vorankommt. – Annahme, d. h., die Zustimmung des Kunden ist zunächst nur hypothetisch, auf Basis einer Annahme eben, zu verstehen. – Falsche Wahl, d. h., der Verkäufer versucht bei Alternativen, den Kunden zu einer Entscheidung zu bewegen, die dieser sicher nicht will. Die Reaktion des Kunden wird strikte Ablehnung sein, worauf sofort die jeweils andere Alternative in den Mittelpunkt rückt. – Übertreibung, d. h., durch Vorlage eines überzogenen Vorschlags soll eine Reaktion provoziert werden, dies kann allerdings auch unseriös wirken. – Vorteilhaftigkeit, d. h., die besondere Gelegenheit, die man sich verscherzen kann, wird herausgestellt. – Reserveargument, d. h., das Nachschieben von Argumenten in letzter Minute. – Entscheidungseinschränkung, d. h., dem Kunden wird die Möglichkeit gegeben, seine Entscheidung später zu revidieren, ohne dadurch Nachteile in Kauf zu nehmen. Zur Konfliktüberwindung sind verschiedene Verhandlungsmethoden entwickelt worden. Am überzeugendsten ist sicherlich das Harvard-Konzept. Es beruht auf folgenden Maßgaben: • Trennung von Menschen und Problemen, dazu gehört, sachlich zu argumentieren, den Gegenüber als Partner zu sehen, keine früheren Probleme aufzuwärmen und sich in die Lage des Anderen hinein zu versetzen, • Priorität auf Interessen, nicht auf festen Positionen, d. h. die Motivation hinter dem Verhalten herausfinden und dann entsprechend dieser zu argumentieren, selten legen Interessenten ihre wahre Motivation von selbst offen, oft sind sie sich dieser auch nicht einmal bewusst, • Entwicklung von zwei oder mehr beidseitig akzeptablen Entscheidungsoptionen (Win – win), also nicht nur „so“, sondern auch „so oder anders“, dies lässt dem Gegenüber die Chance der Wahl, • Festlegung objektiver Entscheidungskriterien vor der Verhandlung, anhand derer Optionen fair bewertet werden können, so vermeidet man eine subjektive Entscheidungsverzerrung,

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• Frage nach der nächstbesten Alternative, dies ist wichtig für die Festlegung einer „Schmerzgrenze“, etwa beim Preis, nur wenn die nächstbeste Alternative akzeptabel ist, lohnt sich eine Ablehnung. 12.2.6 Preisargumentation Das größte Abschlusshindernis bildet erfahrungsgemäß der Preis. Da dieser erst in einem fortgeschrittenen Stadium des Verkaufsgesprächs eingebracht wird, ist er besonders gefährlich. Daher gibt es spezielle Techniken zur Entschärfung dieser etwas heiklen Situation: – Verzögerung, d. h., zunächst werden die Produktvorteile genannt und dann erst der Preis. – Sandwich, d. h., der Preis wird vorher und nachher von Produktvortei1en eingerahmt. – Relativierung, d. h., der Preis wird durch andere, eher gewöhnte Ausgaben verkleinert. – Differenz, d. h., es wird nur die Zuzahlung als Mehrpreis zwischen einem Normal- und einem Klasseangehot genannt. – Division-Multiplikation, d. h., der Preis wird aufgeteilt oder die Menge multipliziert. Dadurch können absolute Preishöhen effektvoll relativiert werden. – Appell, d. h., das Sicherheitsgefühl des Kunden wird angesprochen. Ihm wird suggeriert, dass er bei seiner Investition kein Risiko eingeht. – Nachteil, d. h., die Produktnachteile der billigeren Kaufalternative werden aufgezeigt. – Bagatellisierung, d. h., die Preisdifferenz zwischen konkurrierenden Angeboten wird auf den Grundpreis bezogen und dadurch verharmlost. – Zerlegung, d. h., die Gesamtleistung wird in Einzelleistungen zerlegt, deren Preise jeweils optisch niedriger scheinen. – Zugabe, d. h., zum puren Produkt werden weitere, geldwerte Vorteile gewährt. – Du ot des (Zugeständnis für Zugeständnis), d. h., Preiszugeständnisse werden nur bei gleichzeitiger Gegenleistung des Kunden gewährt. – Qualität, d. h., der höhere Preis wird gegen eine höhere Qualität, die diesen rechtfertigt, gestellt. – Nutzen, d. h., dem Kunden wird vor Augen geführt, welche Anforderungen er selbst an die Qualität stellt und dass diese mit billigeren Produkten nicht zu befriedigen sind.

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– Nutzenentgang, d. h., der Kunde wird mit der Konsequenz konfrontiert, mit dem Kaufverzicht auch auf die damit verbundenen Nutzen zu verzichten. – Kompensation, d. h., es werden noch einmal summarisch alle Angebotsvorteile aufgeführt, die den Preis rechtfertigen. – Kosmetik, d. h., der Preis wird um Attribute wie „nur“, „jetzt nur“, „inklusive“ etc. sprachlich verkleinert, um eine besondere Preisgünstigkeit zu suggerieren. Zentral ist, dabei herauszustellen, dass der Preis immer relativ ist. Er ist relativ zur dafür gebotenen Gegenleistung (Qualität / Nutzen), er ist aber auch relativ zum Mitbewerb und dessen Gegenleistungen. Es gibt also kein „zu teuer“, weil selbst sehr teure Produkte im wahrsten Sinne des Wortes preiswert sein können. Sonst könnten Luxusgüter nicht zu scheinbar überhöhten Preisen verkauft werden, denn reiche Personen würden keinen überzogenen Preis zahlen, denn sie haben auch nichts zu verschenken. Vielmehr ist das teure Luxusprodukt aus ihrer Sicht jeden Euro wert, weil sie andere Ansprüche stellen als Normalverdiener. Auch muss der Preis des eigenen Produkts in Relation zum Mitbewerb gestellt werden. Es mag sein, dass deren Produkte optisch billiger sind, aber sind sie auch wirklich günstiger oder wird der niedrigere Preis nur durch geringere Qualität bzw. Funktionalität erkauft? Und hat sich aus der Erfahrung heraus nicht ein vermeintlich billiger Kauf in Nachhinein oft genug als teuer herausgestellt? 12.2.7 Kaufabschluss Der erfolgskritische Faktor im Verkaufsgespräch ist der Kaufabschluss (auch Closing). Hier kommt es darauf an, die bis dahin vorgeleisteten Bemühungen zu monetarisieren. Hierbei kommt es kundenseitig oft zu unerfreulichen „Spielchen“ wie • unentschuldigtes Wartenlassen trotz vereinbarten Termins (höflich in Erinnerung bringen), • Telefonieren neben dem Gesprächsverlauf (Angebot, das Gespräch zu unter­ brechen), • falsche Behauptungen über Leistungen von Mitbewerbern („Nennen Sie mir den Mitbewerber“), • verzerrter Call Report mit Konditionen, die so nicht vereinbart worden sind. Häufig erlebt man im Verkauf allerdings, dass die Entschlossenheit zum Abschluss durchaus fehlt. Interessenten werden nicht stringent kuratiert. Dies ist aber unerlässlich, da Menschen „proaktives Bedauern“ (Vorkaufdissonanzen) vor Entscheiden verspüren und daher nach allen möglichen Auswegen suchen. Solche Auswege sind etwa folgende: – Vertagen auf einen späteren Zeitpunkt („… vielleicht beim nächsten Mal“),

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– Entscheidungsflucht („keine Zeit, sich jetzt damit intensiv zu beschäftigen …“), – kein Interesse an einem Abschluss (als Vorwand), – Alternativangebotseinholung („zuerst weitere Angebote anfragen“), – kein Entscheidungsdruck („zuerst noch weitere Informationen sammeln“), – Vorwände (wie kein Budget, keine Zeit, …), – Kompetenzmangel („nicht selbst entscheiden können“), – Präferenz für ein anderes Angebot, – mutmaßliche Ablehnung durch Dritte (wie Einkaufsgremium), – Hilflosigkeit („helfen Sie mir, ich habe da ein tolles Angebot von der Konkurrenz“), – Rabattjäger („einmal ist keinmal“/Ausnahmefall). Vorkaufdissonanzen enstehen aus einer Disharmonie zwischen Kognition und Affektion, also dem Wissen um die Vorteilhaftigkeit eines Kaufabschluss, aber dem Gefühl, sich mit der endgültigen Festlegung darauf der Chance auf womöglich auftauchende, noch bessere Kaufgelegenheiten zu begeben. Interessenten glauben im Allgemeinen aus Erfahrung zu wissen, dass vergleichbare Abschlussgelegenheiten immer wieder auftauchen und daher keine Übereilung erforderlich ist. Damit entgeht ein schlüssig vorbereiteter Kaufabschluss. Daher müssen Vorkaufdissonanzen unbedingt reduziert werden. Es macht auch keinen Sinn, dabei zurückzustecken, um dann doch wiederholt die einzelnen Verkaufsgesprächsphasen durchlaufen zu müssen. Vielmehr gilt es, den Kaufabschluss hier und jetzt anzustreben. Dabei hilft wiederum der Push & Pull-Ansatz, also die dosierte Ausübung von Kaufdruck auf Interessenten einerseits und ihre gezielte Anlockung durch Motivation andererseits. Dies erfolgt durch folgende Ansätze: – Betonung der Sicherheit aus Marken- oder Geschäftsstättentreue sowie Meidung neuer Anbieter / Produkte, – Primat des Normverhaltens zur Vermeidung von Bestrafung und Gewährung von Belohnung durch das soziale Umfeld über Ausrichtung an informellen Standards (Social Support), – Absicherung des Kaufentscheids durch Beleg aus Testergebnis, aber auch langer Marktpräsenz und hoher Marktakzeptanz, breiter Bekanntheit, gutem Image, – Eingrenzung durch Vereinbarung einer Anzahlung, durch Zusage einer Hersteller- oder Händlergarantie bzw. durch Vereinbarung eines Rückgaberechts.

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12.2.8 Kaufnachbereitung Hier soll vor allem kognitiven Nachkaufdissonanzen vorgebeugt und Kundenbindung generiert werden. Dissonanz bedeutet ein empfundenes Ungleichgewicht, das den Menschen beschleicht, sobald er eine Entscheidung gefällt hat und das er, da ihm die Tendenz zur Konsonanz innewohnt, zu reduzieren sucht. Als reales Phänomen treten so im Nachhinein Zweifel an der Richtigkeit einer getroffenen Entscheidung auf, die ausgeräumt werden sollen. Dies geschieht über einige Techniken des Selbstbetrugs, so die • nachträgliche Aufwertung der gewählten Alternative durch Sammlung zusätzlicher oder stärkere Gewichtung vorhandener positiver Informationen bzw. nachträgliche Abwertung der verworfenen Alternativen durch Bagatellisierung vorhandener Gegeninformationen und deren Anzweiflung. • Unterstellung der Gleichartigkeit der gewählten und verworfenen Alternativen, auch durch Umwidmung der Bedeutung einzelner Leistungscharakteristika, die überlegene Angebote nivellieren und unterlegene nachbessern. • selektive Suche nach weiteren bestätigenden Informationen aus Medien (z. B. Anzeigen, Spots, Plakate)  und von Personen / Institutionen, Beratern etc. bzw. bewusste Ausblendung verunsichernder Informationen. Kognitive Dissonanzen sind umso größer, je • größer die Anzahl der Kaufalternativen ist (deshalb lohnt es sich, die Auswahl eher klein zu halten), • höher die Attraktivität der zurück gewiesenen Alternativen ist, • länger / höher die Mittelbindung nach Dauer und Wert ist, • geringer die Abweichungen zwischen den Alternativen sind (deshalb klare Profile schaffen), • höher die soziale Bedeutung des Kaufs ist. Insgesamt ist eine positive Dialektik einzusetzen, die Rücksicht auf das Selbstwertgefühl des Gesprächspartners nimmt, Verständnis signalisiert und bescheiden bleibt, also die Philosophie des Dienens ohne zu dienern. Der Verkäufer kann kognitive Dissonanzen bereits im Ansatz reduzieren, indem er bestätigend auf den Käufer einwirkt. In Gebrauchsanleitungen wird dieser Effekt wiederholt, indem dem Nutzer zunächst zum Kauf des hochwertigen, modernen, leistungsfähigen etc. Produkts gratuliert wird. Diese Kaufnachbereitung kann auch in festen Betreuungs- und Nachfassprogrammen (Kunden-Kontakt-Programm / KKPs) institutionalisiert werden, etwa zur Generierung von Zusatzverkäufen (Add-on Selling) oder markentreuem Wiederkauf (Re-Buying). Zur Kaufnachbereitung gehört allerdings auch die Reklamationsabwicklung. Diese bildet sicherlich eine der unangenehmeren Verkäuferpflichten. Hier wird die

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Kundenbindung auf eine harte Probe gestellt. Umso wichtiger ist es, auch diese Klippe so elegant wie möglich zu umschiffen. Bewährt hat sich das Phasenschema: • Kunden austoben lassen. Ein verärgerter Kunde will sich zuerst Luft machen, bevor er für Erklärungen aufnahmefähig ist. Das bedeutet für den Verkäufer, sich zu beherrschen, ruhig und höflich zu bleiben, aufmerksam zuzuhören, nicht zu unterbrechen, Anteilnahme und Mitgefühl zu zeigen, bis der Reklamierende sich abreagiert und sein Pulver verschossen hat. Streitgespräche sollten immer unter vier Augen stattfinden. Im Sitzen streitet es sich übrigens schwerer. Reklamiert ein Kunde und braucht dabei böse Worte, so meint er das in aller Regel nicht persönlich. So kann man das Befreiungsgefühl des Kunden abwarten. Mitschreiben führt zu gemäßigtem Ausdruck. • Reuegefühl als Verkäufer zeigen. Sind Fehler gemacht worden, muss der Verkäufer bereit sein, dafür einzustehen. Nachgeben und eine Entschuldigung ohne Schuldeingeständnis und Dank für das Verständnis führen häufig zu Reue beim Kunden wegen überzogener Äußerungen. Wenn man Details erfragt, stellt sich die Sache meist als nicht mehr so schlimm heraus. Dennoch sollten Probleme keinesfalls als Petitessen hingestellt werden. • Wiedergutmachung anbieten. Der Verkäufer sollte zusagen, alles Nötige schnellstens zu veranlassen, dabei nicht kleinlich sein und versprechen, sich dafür persönlich einzusetzen. Dazu gehört ein Vorschlag, wie die Angelegenheit zu regeln ist, auch bei juristisch nicht fundierten Beschwerden. Das Ergebnis sollte man auch selbst „verkaufen“. Auf jeden Fall muss die Kontaktbrücke zum Kunden erhalten bleiben, denn zufriedenstellend erledigte Reklamationen sind eine ausgezeichnete Basis für weitere Geschäfte.

13. Verkaufsförderung Verkaufsförderung umfasst alle Maßnahmen der punktuellen Aktivierung zur Erhöhung von Absatzerfolg und Absatzchancen mit Bezug auf Vertriebsmannschaft, Absatzmittler (Reinverkauf / Abverkauf) und Endabnehmer. Es handelt sich bei Verkaufsförderung also um die Planung, Organisation und Kontrolle von Maßnahmen, d. h., Verkaufsförderung ist wesentlich durch einen Handlungsaspekt gekennzeichnet. Es geht bei Zielpersonen (13.1) um die punktuelle Aktivierung (13.2), d. h., die Aktivierung ist begrenzt und soll einen Zustand vorübergehend erhöhter innerer Erregung und Spannung bei diesen erzeugen. Es soll Absatzerfolg bewirkt werden, d. h. vollzogene Kauf-/Verkaufstransaktionen bzw. die Wahrscheinlichkeit dazu soll erhöht werden (Absatzchancen), indem wichtige Voraussetzungen für den Absatzerfolg verbessert werden. Aktionen können vielfältig angelegt sein (13.3) und unterliegen zahlreichen Restriktionen (13.4).

13. Verkaufsförderung

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13.1 Zielgruppen Es ist durchaus strittig, ob die Verkaufsförderung als Instrument der Kommuni­ kations- oder der Distributionspolitik zuzuordnen ist. Immerhin besteht Einigkeit über die Zielgruppen der Verkaufsförderung. Demnach richten sich Sales Promotions als Oberbegriff an die folgenden Zielgruppen (siehe Abbildung 143: Verkaufsförderungsmechanik): • Vertriebsteam (Staff Promotion). In diesem Zusammenhang soll bereits eine Verfeinerung vorgenommen werden, indem unterteilt wird nach dem Abgabeprinzip in Innenverkauf (Residenzprinzip) und Außenverkauf (Domizilprinzip). Das heißt, Maßnahmen zur Absatzförderung richten sich an Mitarbeitende des Unternehmens beim Verkauf im Haus sowie an Reisende auf Tour vor Ort (auch im Treffprinzip). Diese Unterscheidung ist sinnvoll, weil die Ausgangslage bei beiden Gruppen unterschiedlich ist. • Absatzmittler. Auch hierbei ist eine Verfeinerung denkbar als Promotion vom Hersteller / Importeur an Einzel- / Großhandel (Dealer Promotion) und als Promotion von Vertriebsmitarbeitern an Einzel- / Großhandel (Trade Promotion). Damit wird dem zweistufig indirekten und einstufig indirekten Vertrieb Rechnung getragen. Die Ausgangslage beider Gruppen ist unterschiedlich, wobei eine starke Tendenz zur Ausschaltung der Großhandelsstufe besteht. In vielen Bereichen, namentlich der Investitionsgüterindustrie, entfällt die Absatzmittlerstufe sogar völlig. Dort werden allerdings teilweise ähnliche Funktionen durch Meinungsbildner wahrgenommen.

Abbildung 143: Verkaufsförderungsmechanik (eig. Darst.)

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

• Endabnehmer. Dabei kann es sich um eine Promotion vom Einzel- / Großhandel an private / gewerbliche Endabnehmer (Retail Promotion) oder eine Promotion vom Hersteller / Importeur an private / gewerbliche Endabnehmer (End-user Promotion) handeln. Weiterhin erfolgt eine Unterteilung nach der Güterart in Gebrauchs- und Verbrauchsgüter (Konsumtivgüter) und Investitions- und Produktionsgüter (Produktivgüter). Dies ist bedeutsam für die Entscheidungsfindung, die bei Produktivgütern oft in Gremien (Buying Centers) getroffen wird, also primär unter Rationalgesichtspunkten. Wohingegen bei Konsumtivgütern Entscheidungen unter Spontan-, Sozial- oder Gewohnheitsgesichtspunkten dominieren, die für Verkaufsförderungs-Aktionen a priori einen größeren Spielraum lassen.

13.2 Maßnahmengliederung Weitgehende Einigkeit besteht über die Abgrenzung der Verkaufsförderung zur Werbung. Beide verfolgen die grundsätzlich gleichen Ziele als die verkaufspolitischen Zwecken dienende, absichtliche und zwangfreie Einwirkung auf Menschen durch Kommunikationsmittel in bezahlten Medien unter eindeutiger Absenderidentifikation im Wege einer Lernsituation. Beide unterscheiden sich allerdings durch die Dimensionierung. Während Werbung kontinuierlich, breit und umfassend angelegt ist, wird Verkaufsförderung als zeitlich, räumlich und / oder sachlich konzentriert gesehen. Doch auch hierbei gibt es ungelöste Abgrenzungsprobleme. Der zeitliche Einsatz der Werbung muss nicht durchgängig erfolgen. Für den Fall, dass zeitlich begrenzt geworben wird, ist die Abgrenzung zur Verkaufsförderung fließend. Der räumliche Einsatz der Werbung muss nicht flächendeckend erfolgen. Er kann sich auch auf regionale oder lokale Gebiete beschränken. Dann ist der Übergang zur Verkaufsförderung fließend. Der sachliche Inhalt der Werbung muss nicht immer konstitutiv sein, er kann sich auch auf Argumentationsfacetten beschränken. In diesem Fall ist der Übergang zur Verkaufsförderung wiederum fließend. Die Abgrenzung zur Öffentlichkeitsarbeit ergibt sich, indem diese nicht die Auslobung eines konkreten Angebots zum Ziel hat, sondern die Auslobung des Absenders. Doch auch dabei ergeben sich Abgrenzungsprobleme. Ist die Marke, also der Name eines Produkts / Dienstes gleich der Firma, also dem Namen eines Unternehmens, so hat jede Verkaufsförderung für die Herstellermarke zugleich PR-Wirkung. Man spricht von Product Publicity. Ist die Marke ungleich der Firma, hat Verkaufsförderung keine PR-Wirkungen für den Herstellerabsender. Die Abgrenzung zum Persönlichen Verkauf ergibt sich aus der Tatsache, dass dieser immer der mündlichen oder fernmündlichen Kontaktanbahnung / Verkaufsabwicklung bedarf. Insofern gibt es einige Verkaufsförderungsmaßnahmen, die den Tatbestand des Persönlichen Verkaufs erfüllen, nämlich alle solche, die P ­ eople Promotions sind.

13. Verkaufsförderung

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Konkrete Aufgaben der Verkaufsförderung sind die Funktionen der Herstellung von Aufmerksamkeit / Kontakt, und zwar zur Etablierung neuer Angebote und zur Aktualisierung bestehender Angebote. Dann die Weckung von Interesse / Motivation, und zwar bei eigenen Mitarbeitenden und (fremden) Absatzhelfern. Weiterhin Auslöser / Umsetzung des Kaufakts, und zwar bei Einzelpersonen und Gruppen (Familie, Buying Center). Nimmt man nun die vier Zielgruppen der Verkaufsförderung, nämlich • Antrieb der Vertriebsmannschaft (Staff Promotion), Reinverkauf bei Absatzmittlern (Pipeline Filling), Abverkauf bei Absatzmittlern (Merchandising) und Durchverkauf an private / gewerbliche Endabnehmer (End-user Promotion) sowie die Funktionen der Verkaufsförderung in den verschiedenen Phasen als • Aufmerksamkeit / Kontakt, Interesse / Motivation, Auslöser / Umsetzung, so ergeben sich daraus die Kombinationen für Verkaufsförderungsmaßnahmen. Verkaufsförderungsmaßnahmen sind keineswegs an die Marketing-Instrumente Distribution und Kommunikation gebunden. Vielmehr stellt Verkaufsförderung ein selbstständiges Instrument dar, das verschiedene Marketing-Mixbereiche umfasst. Zur Illustrierung seien folgende gängigen Beispiele genannt: • Sonderverpackungen/-packungen weisen aus verkaufsfördernden Gründen Abweichungen von der Serie auf. Dies können z. B. Zweitnutzen-Packungen sein, die nach der zweckentfremdeten Verwendung des Produktstoffes erhalten bleiben und idealerweise auch weiterhin das Branding tragen. • Sondergrößen sind Einheiten, die ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis darstellen, d. h., sie bieten mehr Menge für den gleichen oder einen überproportional niedrigeren Preis. Sie treten in Form von Multipacks auf, d. h. zwei oder mehr identische Produkteinheiten, die fest zu einer Verkaufseinheit zusammengefasst werden. Eine andere Form sind Overfills, d. h. Packungsgrößen, die von den herkömmlichen Maßen nach oben abweichen. Ziel ist es, die Nachfrage nach dem Produkt zu erhöhen, so dass der Absatzkanal für Wettbewerber blockiert bleibt. Die Attraktivität ist hoch, weil die Verbraucher dies als günstige Gelegenheit sehen und das Produkt ohnehin benötigen. • Sonderausführungen sind Versionen eines Produkts, die außerhalb der Verkaufsförderung nicht erhältlich sind. Das können spezielle Geschmacksrichtungen sein, z. B. bei Getränken oder Speiseeis, spezielle Farben, z. B. bei Autos oder Haushaltsgeräten, spezielle Düfte, z. B. bei Reinigungsmitteln, spezielle Mate­ rialien, z. B. bei Kaffees usw. Diese Varianten sollen die Bevorratung bei bestehenden Kunden beschleunigen, aber auch die Bereitschaft zum Ausprobieren neuer Produkte erhöhen. Darauf aufbauend erhofft man sich einen „Klebeeffekt“ bei einem Teil der Neukunden. • Beliebt sind in diesem Zusammenhang auch Produktzugaben. Man spricht von Onpacks, wenn Ergänzungen zum Produkt angeboten werden, die fest mit dem

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Produkt verbunden und von außen separat zugänglich sind. Inpacks sind Beiga­ ben zum Produkt, die erst nach dem Öffnen der Verpackung zugänglich sind, hauptsächlich aus Gründen des Diebstahlschutzes. Crosspacks sind Zusätze von anderen Produkten aus dem Programm des Herstellers. Nearpacks bedeuten, dass solche Zusätze nur lose mit dem Produkt verbunden und damit von außen zugänglich sind. Ziel dieser Packungsbeigaben ist es, das Produkt attraktiver zu machen und damit den Absatz zu fördern. • Add-ons sind produktbezogene Kundendienste, die in Verbindung mit dem Produkt angeboten werden. Diese Kundendienste können technischer oder kaufmännischer Natur sein. Sie werden kostenlos oder gegen ein pauschales Entgelt angeboten. Es ist z. B. denkbar, dass Internetseiten durch einen Zugangscode im Produkt selbst, z. B. einem Flaschenverschluss, freigeschaltet werden können. Dort werden dann bestimmte Dienste zugänglich gemacht, die für andere Personen nicht oder nur gegen eine gesonderte Gebühr zugänglich sind. • Couponing bedient sich eines Gutscheins, der den Endverbraucher berechtigt, ein Produkt / eine Dienstleistung zu einem reduzierten Preis oder sogar kostenlos zu erwerben, ggf. unter bestimmten Einlösebedingungen. Sein Emittent gibt einem ausgewählten Personenkreis damit über ein Medium einen Berechtigungsschein, dessen Verwendung in einer vordefinierten Akzeptanzstelle während eines definierten Zeitraums einen bestimmten Vorteil gewährt, sofern die Zielperson ein gewünschtes Verhalten zeigt. • Zweitplatzierungen sind vor allem im Rahmen von Verkaufsförderungsmaßnahmen üblich. Dabei handelt es sich um die temporäre oder dauerhafte Platzierung von Waren außerhalb ihrer zugehörigen Warengruppe (Out of Category). Dadurch wird die Kontaktwahrscheinlichkeit erhöht. Einige Betriebsformen des Einzelhandels nutzen auch permanente Zweitplatzierungen für Verbundkäufe komplementärer Warengruppen (z. B. Fleisch / Wurstwaren und Senf / Mayonnaise). • Der Mietaußendienst stellt ein Arbeitskräfte-Leasing dar, um den eigenen Außendienst zu entlasten und die Marktdurchdringung zu verbessern. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn mehrere Aktivitäten mehr oder weniger gleichzeitig durchgeführt oder neue Absatzkanäle mit risikoreichen Eigenheiten bedient werden sollen. • Der Salesfolder ist ein Vorverkaufswerbemittel, das beim Handel als Gesprächsaufhänger und im Handel als Orderunterlage dient. Dabei findet der herstellerseitige Vorverkauf in den Einkaufszentralen durch Key Accounter statt (= Listung), der Reinverkauf (= Bestellung) aber in den Filialen durch die Feldorganisation der Verkäufer anhand eines Ordersatzes, d. h. heute eines elektronischen Verzeichnisses der Muss-, Kann- und Lokalsortimentsanteile. • Als Aktionswerbemittel am POS kommen folgende in Betracht. Im Schaufensterbereich gibt es Schaufensterplakate, Fensterfriese, Fensterbänder o. Ä. Die Schaufensterfront kann auch für Werbezwecke genutzt werden. Der Eingangs-

13. Verkaufsförderung

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bereich hat vor allem die Funktion der Schwellenüberwindung, hier können Aktionsmittel Interessenten zum Eintritt motivieren. Im Laden selbst gibt es Werbemöglichkeiten durch Regalwinker / Wobbler für darunter liegende Waren, Regalnasen für daneben liegende Waren, Regalschürzen für darüber liegende Waren etc. Die Decke bietet die Möglichkeit für Deckenhänger, die vor allem aus der „Ferne“ gut sichtbar sind. Auf dem Boden können Bodendisplays mit oder ohne Ware, auf der Theke Thekendisplays mit oder ohne Ware platziert werden. Auch Einkaufswagen bieten Werbemöglichkeiten, ebenso wie Bodenfliesen, Kassenbänder, Einkaufstaschen usw. Darüber hinaus sind die Beleuchtung und Beduftung wichtige Werbemaßnahmen, die eine indirekte Wirkung haben.

13.3 Anlage von Aktionen Verkaufsförderungsaktionen müssen Passivität und Desinteresse im Absatzkanal überwinden helfen, um Engagement sowie Beschäftigung mit ihren Zielen und Inhalten zu erreichen (= Involvement). Dazu muss sich jeder Angesprochene emotional in die Aktion einbringen können. Und zwar sowohl Außendienst, Groß- und Einzelhandel sowie andere zwischengeschaltete Absatzmittler als natürlich auch gewerbliche und private Endabnehmer. Aktionen müssen als Belohnung für erbrachte Leistungen Außergewöhnliches erleben lassen. Dabei ist das Maß zu investierender Anstrengung für die Teilnehmer entscheidend. Bei einem Gewinnspiel z. B. dürfen die zu lösenden Aufgaben weder zu einfach / banal sein, noch zu schwierig / anspruchsvoll, damit sich Motivation aufbaut und der Gewinn „verdient“ erscheint. Also kein überzogener Einsatz, sondern immer noch Spiel / Unterhaltung, wobei den Akteuren aber auch nichts geschenkt wird. Die Lösung muss subjektiv erreichbar scheinen, also nicht zu weit entfernt oder zu greifbar nah liegen. Das gilt im übertragenen Sinne auch für andere Verkaufsförderungsmaßnahmen. Als Motivation kommt vor allem eine solche in Betracht, die ohne Weiteres für Geld nicht erhältlich ist. Speziell jene, welche geeignet scheint, für den Aktionsteilnehmer in dessen sozialem Umfeld profilierend zu wirken, also eher ideelle Werte wie Hervorhebung, Auszeichnung etc. Bei mehrstufigen, verzweigten Aktionsabläufen ist unbedingt darauf zu achten, dass alle Konzeptstufen verständlich sind und überschaubare Aktionszeiträume eingehalten werden. Dies ist bedeutsam, weil eine wirklich interessante, umfassende Aktionsanlage leider meist vertrackte Procederes erfordert. Deren Aktionsmechanik darf nicht zu Irritation / Unsicherheit führen, die Rezipienten verwirren könnte und Abstand nehmen lässt. Ganz wichtig ist, dass eine Aktion neuartig wirkt und nicht Altbekanntes perpetuiert. Solche Strukturen sind abgegriffen und nicht mehr in der Lage, Aktivierung zu generieren. Vielmehr müssen neuartige, überraschende, ungewöhnliche

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Aktionsanlagen gefunden werden, die noch nicht den bekannten Wear out-Effekten unterliegen. „Ohne Flei. kein Prei.! Ergänzen Sie die fehlenden Buchstaben!“ hat endgültig ausgedient. Die Aktion muss nach Anlage und Ablauf zum vorhandenen oder angestrebten Marken-/Produktkonzept passen bzw. dieses sinnvoll ergänzen / ausbauen. Aktionen bieten zwar generell gute Chancen zur Forcierung bestimmter Imagefacetten durch ihre hohe Aufmerksamkeitsstärke, sowie zur Modernisierung des gewachsenen Markenkerns durch ihre Aktualität. Jedoch dürfen sie kein störendes Eigenleben entwickeln. Ausgeschlossen scheint es hingegen, durch Aktionen allein vorhandene Imagedefizite auszubügeln. Diese sind regelmäßig fest verankert und nur durch kontinuierliche Maßnahmen auszugleichen. Im Mittelpunkt stehen die potenziellen Teilnehmer jeder Verkaufsförderungsaktion und deren oft verschiedenartige Interessen, d. h., jede Aktion muss die Nutzenleistung der Zielgruppe ansprechen, damit überhaupt eine faire Chance zu deren Aktivierung besteht. Vor allem aber muss sie die Zielpersonen in der Anlage von Forderung zur Mitarbeit und Belohnung bei Erfüllung ernst nehmen und dadurch als Partner gewinnen. Der Handel bzw. jede andere zwischengeschaltete Absatzmittlerstufe darf durch die Organisation / Abwicklung der Aktion nicht / kaum belastet werden, da sonst die Gefahr besteht, dass sie bereits im Absatzkanal im Sande verläuft. In diesem Zusammenhang eskaliert das Erwartungsniveau aller Beteiligten an Convenience bzw. Support erheblich. Verkaufsförderungsaktionen müssen dem Handel bzw. anderen zwischengeschalteten Absatzmittlern helfen, sich gegenüber ihren Zielpersonen und in Relation zu ihrem Wettbewerb zu profilieren. Denn dann wird das Interesse des Maßnahmenabsenders zum Interesse der Mittler gemacht. Damit wird Zieldivergenzen, wie sie zwischen Hersteller und Absatzmittler oft vorhanden und kontraproduktiv für Aktivitäten sind, vorgebeugt.

13.4 Restriktionen Aus der Verkaufsförderung können vor allem durch die Interaktion mit der Handelsstufe latente Gefahren für die Marke entstehen. Daher sind einige Restriktionen zu beachten. Der Handel profiliert sich gegenüber seinem Publikum vornehmlich durch Sonderangebotsaktionen, die er mit bekannten Markenartikeln fährt. Denn nur das preisaggressive Angebot renommierter Marken wird ihm von seiner Kundschaft als eigene Leistung anerkannt. Die Preiseinschätzung einer Marke leidet jedoch zwangsläufig, wenn sich kontinuierlich und überall Sonderangebotspreise in das Bewusstsein der Nachfrager einprägen, die zum realen Preisniveau in keiner vernünftigen Beziehung mehr stehen. Da vom Preis zudem oft auf die Qualität eines Produkts geschlossen wird, ist damit ein fatales Down Grading verbunden,

13. Verkaufsförderung

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dem der Hersteller nur bedingt Einhalt gebieten kann, liegt doch die Preisstellung des Handels allein in dessen unabhängiger Entscheidungsmacht. Im Rahmen von Aktionen wird oftmals bei Onpack-Promotions ein größerer Mengeninhalt an Ware zum gleichen Preis angeboten, um bereits herstellerseitig die Preis-Leistungsrelation zu verbessern, ohne dass ein Price off erforderlich ist. Dieses Verschenken von Produkten erweist sich jedoch als ebenso schädlich für die Marke wie Preisunterbietungen selbst, läuft es doch im Effekt auf dasselbe hinaus. Entsprechendes gilt grundsätzlich auch für Aktionen mit produktfremden Onpacks und Zugaben, sofern diese nicht in einem engen konzeptionellen Zusammenhang mit der Markenbotschaft stehen. Sie mögen zwar Probierkäufe provozieren, führen aber letztlich nur dann zur Markentreue, wenn über die reine Gimmickebene hinaus emotionale Bindungen zwischen Klient und Angebotsprofil aufgebaut werden können. Angesichts stagnierender Verkaufszahlen besteht die Neigung, durch Angstappelle oder starke Incentives überzogenen Handlungsdruck auf die Vertriebsmannschaft auszuüben. Diese Maßnahmen unterliegen bedauerlicherweise ertragsgesetzlichen Effekten, d. h., der Leistungszuwachs wird mit jedem Einsatz geringer, so dass solche Initiativen bald verpuffen. Werbeaufwendungen des Herstellers werden zunehmend in Werbekostenzuschüsse (WKZ) des Handels und andere versteckte Rabatte umgewidmet. Hierbei unterbleiben dann markenaufbauende, strategische Investitionen zugunsten aktionaler Handgelder, denen gewiss keine Markenwirkung zukommt. Wenn solche Absatzmittlerzuwendungen aus Herstellersicht überhaupt Sinn machen, dann nur gekoppelt an markenfördernde Aktionen und Platzierungen. Dabei bleibt allerdings der Markenauftritt im Handel praktisch nur schwer durchsetzbar, da die großen Handelsorganisationen in ihren Werbemitteln zwischenzeitlich ein eigenes Corporate Design verfolgen, welches das des Markenabsenders nur zu leicht dominiert. Andererseits bleiben wenig andere Möglichkeiten, sich von der Nachfragemacht des Handels zu befreien, außer durch Sprungwerbung zur Markenprofilierung direkt beim Endabnehmer. Da die Grenzen klassischer Werbung allein zunehmend erreicht scheinen, besteht die Tendenz, neue Impulse vorzugsweise über Verkaufspromotions und Preisausschreiben zu realisieren. Diese unterliegen jedoch starken Abnutzungseffekten und lenken, sofern sie nicht zur intensiven Auseinandersetzung mit der Markenaussage führen, eher von dieser ab. Insbesondere generieren solche Maßnahmen weniger Käufer, die der Marke aus Überzeugung nahestehen, als vielmehr solche, die z. B. auf eine Gewinnspielchance spekulieren und sich nur deshalb für ein Angebot interessieren. In solchen Situationen scheint oft der hektische Wechsel der Berater, vor allem der Werbeagentur, angezeigt, weil damit ein, zudem externer, Schuldiger ausgemacht ist, der das Management von Fehlern exkulpiert. Mit jedem Wechsel ist

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aber zwangsläufig eine Know-how-Vernichtung größeren Ausmaßes verbunden, die mit neuen Beratungspartnern erst einmal zu Reibungsverlusten führt und positive Leistungseffekte auf geraume Zeit neutralisieren mag, bevor Erfolg eintritt.

14. Auslandsvertrieb Der Anteil des internationalen Waren- und Diensteaustauschs an der gesamtwirtschaftlichen Leistung nimmt immer weiter zu. Dies gilt besonders für die Bundesrepublik als sehr stark außenhandelsabhängige Volkswirtschaft. Viele Großunternehmen und auch spezialisierte Anbieter im Klein- und Mittelstand realisieren bereits dominante Umsatzanteile im Ausland (wie Deutschland in starkem Maße von Importen abhängig ist, bei Rohstoffen, Energie, High-tech etc.). Dabei stellt der Auslands- gegenüber dem Inlandsvertrieb einen erhöhten Schwierigkeitsgrad dar. Dies rührt vor allem aus den andersartigen, teils unbekannten Markt-, Wettbewerbs- und Absatzkanalbedingungen her, teils aber auch aus Zielgruppenabweichungen, die etwa aus kulturellen Besonderheiten folgen sowie teils aus externen Faktoren wie Politik, Recht, Ökologie etc. Insofern ist die Berücksichtigung besonderer Anforderungen notwendig bzw. die Anpassung an abweichende Vermarktungsbedingungen. Im wesentlichen geht es dabei um Aspekte der Marktwahl (14.1), die Vertriebsformen im Ausland (14.2) und die Abfolge und Führung in der Marktorientierung (14.3). Dabei spielen internationale Kulturunterschiede eine zentrale Rolle (14.4). Pragmatisch sind auch Incoterms als internationale Handelsbräuche von Bedeutung (14.5).

14.1 Marktwahl Die Marktwahlfrage ist, im Vergleich zum nationalen Markt, durch ein allgemeines Informationsdefizit gekennzeichnet, das risikoerhöhend wirkt. Die Verhältnisse auf Auslandsmärkten sind bei Weitem nicht so transparent und treffend einschätzbar wie im Inland. Zugleich sehen immer mehr Unternehmen länderübergreifende Aktivitäten aber als Notwendigkeit an, um ihre hohen Vorinvestitionen zu kapitalisieren und etablierte Marktpositionen zu festigen. Daher ist es zunächst erforderlich, den Informationsstand über die relevanten Auslandsmärkte zu verbessern. Auf Basis dieser Informationen ist dann eine bessere Auswahl der zu bearbeitenden Märkte möglich. Die Umfeld-Analyse beinhaltet vor allem die Auswertung folgender Themenbereiche • Markt, d. h. Marktabgrenzung, Marktcharakterisierung in Bezug auf Entwicklungen, Eigenheiten, Schwerpunkte, Segmente, Einflussfaktoren wie Konjunkturoder Saisonzyklen, aktuelles Marktvolumen, Marktpotenzial, Angebotsbreite und -tiefe am Markt, Trends, Innovationen etc.

14. Auslandsvertrieb

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• Wettbewerb, d. h. Marktanteile aktuell und im Zeitablauf, Marktanteile nach Menge und Wert, Anzahl der Mitbewerber und deren Gewichtung, Marketingeinstellung und Profilierung der Mitbewerber, Imagedimensionen und Kompetenzen, Marketing-Mix-Einsatz, Markenpolitik, Wettbewerbsbeschränkungen, Außenwirtschaftsbeitrag etc. • Absatzkanal, d. h. Anzahl und Merkmale der Absatzmittler, Autonomie der Handelsstufe, Betriebsformen des Handels, Distributionsdichte, regionale Verteilung des Absatzes, Regalplatzierung etc. • Endabnehmer, d. h. Angebotskenntnis und -einstellung, Informations- und Entscheidungsverhalten, Qualitätserwartung und -bedarf, Markenakzeptanz und -treue, Käufer- und Verwenderschaftsstrukturen, Soziodemographie, Entscheidungskriterien, Lifestyle-Merkmale etc. • eigenes Angebot, d. h. Physis nach Eigenschaften und Anwendungen, Programmverbund, Ausstattung / Packung, komparative Produktbeurteilung, Lebenszyklusstadium, Preis-Leistungs-Relation, Kommunikation etc. • Randbedingungen, z. B. Marktforschungsergebnisse, unternehmenspolitische Vorgaben, rechtliche Restriktionen, Timing, Unternehmensziele etc. Im Ergebnis kommt es zu einer aussagefähigen Verdichtung mit Herausarbeitung lösungsrelevanter Tatbestände. Zweckmäßig ist es, diese Informationen in Form eines Factbook zu dokumentieren. Ältere Daten werden dabei gegen jeweils aktuelle ausgetauscht. Dabei spielen vor allem die implizierten Risiken eine entscheidende Rolle. Denn ein unvermeidliches Informationsdefizit macht sich vor allem in einem höheren wahrgenommenen einzelwirtschaftlichen Risiko bemerkbar. Dabei sind vor allem drei Risiken beachtenswert: • Das Dispositionsrisiko entsteht durch Beeinträchtigungen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit durch die Regularien auf Auslandsmärkten. • Das Transferrisiko entsteht durch Beeinträchtigung der finanziellen Transaktionen in das Ausland hinein bzw. aus dem Ausland heraus. • Das Enteignungsrisiko entsteht durch entschädigungslosen Zugriff ausländischer Staaten auf das Eigentum eines Unternehmens dort. Hinzu kommen unvermeidlich zahlreiche allgemeine Risiken, etwa von Elementarschäden oder Währungsschwankungen. Nachdem diese Risiken für jeden relevanten Auslandsmarkt recherchiert worden sind, gilt es, sie zu bewerten. Dazu gibt es in der Praxis verschiedene Konzepte. Problematisch ist dabei vor allem, dass zahlreiche qualitative Risiken gegeben sind, die für eine Bewertung ggf. erst noch zu quantifizieren sind. Eine solche Quantifizierung impliziert immer auch die subjektive Verzerrung objektiver Daten und kann damit zu falschen Entscheidungen führen. Daher liegt die Komprimierung in Form von Kennzahlen nahe.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung Tabelle 23 Umfeld-Analyseraster (Formular)

Am bekanntesten ist in diesem Zusammenhang sicherlich der BERI-Index (Business Environment Risk Information). Er umfasst als Subindices • den Political Risk Index (PRI), den Operation Risk Index (ORI) und den Re­ mittance and Repatriation Factor Index (RFI), die zusammen den Risikowert eines Landes, seinen Profit Opportunity Risk Index (PORI), ergeben. Die Basis der Bewertung bilden dabei vielfache Expertenschätzungen, im Ergebnis kommt es zu einer Empfehlung über die Aufnahme und auch Art der Geschäftstätigkeit in einem Land oder den Verzicht darauf. Daraus folgen dann Ländereinteilungen in Cluster.

14. Auslandsvertrieb

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Die Informationen werden darüber hinaus durch vielfältige leistungsergänzende Absatzhelfer zur Verfügung gestellt. Dazu gehören Industrie- und Handelskammern (IHK), insb. Außenhandelskammern (AHK), bilaterale Handelskammern und die Internationale Handelskammer (ICC). Weitere Informationen stammen von Bundesämtern, wie dem Statistischen Bundesamt, der German Trade and Invest, dem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, Bundesbank und auswärtigem Dienst. Als weitere unterstützende Institutionen kommen Ländervereine, Kreditinstitute, Marktforschungsunternehmen, der Ausstellungs- und Messeausschuss der Deutschen Wirtschaft (AUMA), wirtschaftswissenschaftliche Institute und Verbände hinzu. Diese stellen hoch detaillierte, sehr aktuelle und aussagefähige Informationen zu jedweden Auslandsmärkten zur Verfügung, so dass in Bezug darauf zwischenzeitlich ein erhebliches Maß an Transparenz erreicht werden kann.

14.2 Vertriebsformen im Ausland 14.2.1 Außenhandel Für den Auslandsvertrieb kommen im Grundsatz drei Formen in Betracht, Außenhandel, Vertragsabsatz und Vertriebsdirektinvestition (siehe Abbildung 144: Vertriebsformen im Ausland).

Abbildung 144: Vertriebsformen im Ausland

Beim Außenhandelsvertrieb handelt es sich im einfachsten Fall um den Export von Waren und Leistungen aus dem Inland in das Zielland. Export betrifft somit die geschäftlichen Beziehungen zum Ausland auf Basis grenzüberschreitenden Waren- und Diensteverkehrs sowie von Rechteübertragungen. Der Export kann dabei in zwei Formen ausgeprägt sein, als direkter Export oder als indirekter Export Direkter Export liegt vor, wenn Waren ohne einen zwischengeschalteten inländischen Außenhandelsbetrieb an einen im Ausland ansässigen Handelsbetrieb (Absatzmittler), einen Absatzhelfer oder gewerblichen bzw. privaten Endabnehmer abgesetzt werden. Dies erfolgt vor allem im Industriegütergeschäft, da hier häufig

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

der unmittelbare, persönliche bzw. organisatorische Kontakt notwendig ist. Nicht selten sprechen auch Kostenersparnisgründe dafür. Voraussetzung ist jedoch eine profunde Kenntnis des Auslandsmarkts hinsichtlich aller relevanten Dimensionen. Außerdem verlängert sich die Finanzierungsdauer, wodurch wiederum das Kreditrisiko steigt. Zudem müssen Aufträge selbst akquiriert werden, dies erfordert die Einrichtung entsprechend tätiger Stellen. Indirekter Export erfolgt über zwischengeschaltete, rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Inländer-Dritte, d. h., inländische Handelsunternehmen (Exporthäuser) werden zur Abwicklung eingeschaltet. Diese haben meist eine spezifische Länderorientierung mit genauen Kenntnissen der jeweiligen Region, guten Kontakten zu dort ansässigen Abnehmern und Vertrautheit mit den landesspezifischen Vermarktungsmodalitäten. Die gesamte Marktbearbeitung sowie die Anbahnung und Realisierung der Einzelabschlüsse werden dabei diesem Zwischenhändler überlassen. Kosten und Risiken liegen also im Weiteren bei ihm. Er erhebt dafür einen Kalkulationsaufschlag. Dies ist besonders bei mittelständischen Unternehmen und bei geringen bzw. wechselnden Umsatzvolumina günstig. Denkbar sind eine Exklusivbindung zwischen Hersteller und Absatzmittler/-helfer oder eine nur fallweise Zusammenarbeit. Darüber hinaus gibt es verschiedene Mischformen des Außenhandels. Zu nennen sind hier vor allem zwei. Das Veredelungsgeschäft führt unter Einschaltung eines anderen Landes zu einem höherwertigeren Produkt. Dafür sind mehrere Optionen gegeben: • Eine Fremdveredelung liegt vor, wenn ein Produktionsbetrieb auf kommerzieller Basis, also gegen Entgelt, in der speziellen Funktion eines Veredelers für andere Produktions- und Handelsbetriebe auf eigenen Anlagen und eigene Rechnung tätig wird. • Betriebsveredelung bedeutet hingegen allgemein, dass ein Anbieter selbst auf eigenen Anlagen und auf eigene Rechnung die Veredelung absatzfähiger Erzeugnisse vornimmt. • Von passiver Veredelung spricht man, wenn inländische Waren zur Veredelung ins Ausland verbracht und anschließend re-importiert werden, um dort zu verbleiben oder endgültig exportiert zu werden. • Von aktivem Veredelungsverkehr ist hingegen die Rede, wenn ausländische Waren zur Veredelung ins Inland verbracht und anschließend zur endgültigen Wiederausfuhr re-exportiert werden. Bei Kompensationsgeschäften handelt es sich um den völligen oder teilweisen Austausch von Waren gegen Waren. Dies kommt in Betracht, wenn ein Abnehmer kein Geld hat, wohl aber Bedarf, wenn er zwar über Geld verfügt, das aber Weichwährung darstellt oder die Währung nicht frei konvertierbar ist. Dann ist im Grundsatz kein Abschluss möglich, es sei denn, man akzeptiert statt Geld Ware (Barter-Geschäft).

14. Auslandsvertrieb

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Für die Ausgestaltung kommen verschiedene Auslegungen in Betracht, nach • dem Umfang der Kompensation gibt es die Vollkompensation (1 : 1) oder die Teilkompensation mit mehr oder minder großem Wertanteil in Geld, • der Anzahl der Beteiligten gibt es die bilaterale Kompensation mit zwei Beteilig­ ten und die multilaterale mit > 2 Beteiligten, die fortgesetzt Ware gegen Ware tauschen, • der Verwertung kann es sich um eine Eigenkompensation handeln, d. h., die Tauschware wird selbst genutzt, oder um eine Fremdkompensation, d. h., die Tauschware wird zunächst weitergegeben, bevor die äquivalente Geldzahlung beim Verkäufer ankommt (z. B. als Barter-Ring, Switchgeschäft), • der Zeiterstreckung kann die Kompensation zeitgleich oder zeitversetzt erfolgen (Vorwegverkauf / Deferred Barter), d. h. als Gegenleistung vor oder nach der Leistung, • der Art der ausgetauschten Waren können diese gleichartig / verbunden oder verschiedenartig / unverbunden ausgelegt sein, • der Anzahl der Verträge kann der Tausch in einem Vertrag (klassischer Barter) oder in mehreren Verträgen stattfinden (Parallelgeschäft, Rückkaufgeschäft, Offsetgeschäft, Clearing etc.). Aus der Kombination dieser Ausprägungen kann im Einzelfall die jeweilige Barterform sehr individuell ausgestaltet werden. Allerdings gibt es trotz Anerkennung der Vorteilhaftigkeit internationalen Handels vielfältige protektionistische Hemmnisse etwa durch folgende Maßnahmen: • Kontingentierungen als staatlich verordnete Mengengrenzen für die Ein- oder Ausfuhr bestimmter Waren durch wert- und mengenmäßige Quotierung, meist zum Schutz inländischer Produktion. Genehmigungen werden erst nach zeitlicher Antragsreihenfolge, nach Vergleichswerten oder durch gleichmäßige Zuteilung erteilt. • Konvertierungsbeschränkungen sind befristete oder unbefristete Umtauschverbote der Auslands- gegen die Inlands- oder jede andere Währung. Dies ist häufig bei hoch verschuldeten, devisenarmen Ländern der Fall. Bei entsprechender Wichtigkeit des Geschäfts kann eine Hinterlegung des Zahlungsbetrags bei der Notenbank des Schuldnerlands erreicht werden. • Transferbeschränkungen betreffen Zahlungen an das Ausland in Inlandswährung und / oder in Fremdwährung, die untersagt bzw. zeitlich befristet oder auf bestimmte Beträge beschränkt werden können. Meist dient dies dazu, Kapitalflucht oder Devisenknappheit vorzubeugen. • Zahlungsverbote betreffen die vorübergehende oder landesselektive Untersagung aller Zahlungen ins Ausland, evtl. auch für bereits vollzogene Importe. Dies ist im Allgemeinen Folge einer Zahlungsunfähigkeitserklärung des Schuldnerlands.

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• Bei Embargos handelt es sich um staatlich angeordnete Maßnahmen, mit denen der Güterhandel und Kapitaltransfer mit bestimmten Ländern aus politischen Motiven heraus unterbunden werden soll. • Ein Moratorium ist ein befristeter oder unbefristeter Zahlungsaufschub bzw. eine Teilzahlung von ausländischen Forderungen in in- oder ausländischer Währung. Davon zu unterscheiden ist der Zahlungsschnitt als Teilerlass des Zahlungs­ betrags („Haircut“). • Weitere Maßnahmen sind Preisregulierungen, direkt wie durch Minimal- / Maximalpreise, Preisstopps, Preisbindungs- oder Rabattierungsvorschriften etc. oder indirekt wie durch Lizenzen, Gestaltungsvorschriften etc.

14.2.2 Vertragsabsatz Beim vertragsbasierten Auslandsvertrieb liegen internationalisierte Formen von Dauerschuldverhältnissen wie vor allem Lizenzierung, Master-Franchising, Kooperation oder Unternehmensnetzwerk. Lizenzierung bedeutet allgemein die Nutzung von Gewerblichen Schutzrechten. Internationale Lizenzen können in verschiedener Weise ausgestaltet sein (dabei hat jeweils ein / mehrere Partner den Sitz im Inland und ein / mehrere andere im Ausland). Das Entgelt kann dabei als Pauschalgebühr (Lump Sum) oder umsatz-/ absatzabhängige Zahlungen (Royalties) sowie als Mischform aus einmaliger Lizenzerteilungsgebühr (Down Payment) und laufenden Nutzungsgebühren (Fees) mit oder ohne garantierten Mindestbetrag bestehen. Die Lizenzierung ist in verschiedenen Abstufungen umsetzbar: • Bei der Vertriebslizenz geht es um den Verkauf fertig bezogener Waren mit nur unwesentlicher Be- oder Verarbeitung unverändert. Dabei geht es um die vollständige oder teilweise Übertragung von Gewerblichen Schutzrechten (meist Marken) durch den Urheber an andere Personen / Organisationen, die Produkte in Lizenz vertreiben. Je stärker der Lizenzgeber dabei Einfluss nehmen kann, desto geringer ist sein Risiko. Insofern ist ihm nicht an einer inhaltlichen Begrenzung der Lizenzvergabe gelegen. • In der Vorstufe der Produktionslizenz geht es um die Herstellung von Waren nach vorgegebenen Normen. Der Vertrieb erfolgt weiterhin durch den Lizenzgeber. Dabei stellt ein Hersteller materieller Güter einem ausländischen Produzenten auf vertraglicher Basis und gegen Entgelt (Lizenzgebühr) die Ergebnisse seiner Produktentwicklung und Produktionsvorbereitung zur Verfügung und räumt ihm das Recht ein, danach gleiche Produkte herzustellen und / oder zu verbauen. • Die Folgestufe der Know-how-Lizenz schließt neben Herstellung und Vertrieb von Waren auch die Nutzung darauf bestehender Gewerblicher Schutzrechte mit

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ein. Ziel ist dabei die Durchsetzung eines einheitlichen Marktauftritts. Dazu werden nicht geschützte, aber geheime, technische und kaufmännische Kenntnisse und Fertigkeiten transferiert. Dies betrifft vor allem Forschung und Entwicklung (FuE) und Beschaffung. • Schließt dies darüber hinaus die aktive Unterstützung des Lizenzgebers ein, liegt eine Systemlizenz vor (auch Franchising, s. o.). Bei der Sonderform des internationalen Master-Franchising erhält ein Master-Franchisee das unmittelbare Recht von Franchisor eingeräumt, seinerseits in einem Land mittelbare Unterfranchisen zu vergeben. Dabei sind mehrere Einteilungen möglich nach – der Zahl der Länder bzw. der kulturellen / geografischen Distanz zwischen ihnen, – der Zahl der Unter-Franchisenehmer einfach, also mit mehreren Lizenznehmern parallel, oder ausschließlich, – den Rechten vollständig, also alle Parameter umfassend, oder teilweise, also sachlich, räumlich oder zeitlich begrenzt, – dem Umfang auf die gesamte Wertschöpfung bezogen oder nur auf einzelne Unternehmensbereiche. Die Waren werden entweder vom Franchisor selbst bereitgestellt oder durch von ihm kontrollierte Dritte. Zwar kann ein Franchisee auf diese Weise das größere Know-how des Franchisor nutzen und sich mit geringem Kapitaleinsatz selbstständig machen und an einem marktgerechten System partizipieren, doch muss er dafür in Kauf nehmen, dass sein Handlungs- und Entscheidungsspielraum erheblich eingeschränkt wird und er sich dem Willen des Franchisor weitgehend unterzuordnen hat. Damit besteht die Selbstständigkeit dann de facto wiederum nicht. Bei der internationalen Kooperation handelt es sich um den Zusammenschluss von rechtlich selbstständigen Unternehmen in zwei oder mehr Ländern, die ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit nur in Bezug auf den Kooperationszweck Auslandsvertrieb einschränken. Nach der Auslegung handelt es sich dabei um eine • horizontale Kooperation, d. h., Partner der gleichen Wertschöpfungsstufe (hier Vertrieb) arbeiten international temporär zusammen, • vertikale Kooperation, d. h., Partner einander vor- oder nachgelagerter Wertschöpfungsstufen (z. B. Werbung bzw. Kundendienst) arbeiten international temporär zusammen, • operative Kooperation, d. h. die Zusammenarbeit bezieht sich auf primäre Wertschöpfungsaktivitäten / Nutzleistungen wie Einkauf, Produktion, Absatz, Kundendienst o. Ä., • strategische Kooperation, d. h. die Zusammenarbeit bezieht sich auf sekundäre Wertschöpfungsaktivitäten / Stützleistungen, man spricht dann auch von Strategischer Allianz.

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Ein virtuelles Vertriebsnetzwerk entsteht, wenn mehrere Partner zur Wertschöpfung über Ländergrenzen hinweg miteinander arbeitsteilig interagieren und Waren und Dienste austauschen, ohne dass dabei Direktinvestitionen getätigt werden müssen. Von der einfachen Kooperation unterscheidet sich dies dadurch, dass ein Unternehmen als Koordinator und Integrator fungiert (fokales Unternehmen) und die administrativen Stützleistungen übernimmt, wohingegen sich andere auf die Nutzleistungen konzentrieren, hier konkret den Auslandsvertrieb.

14.2.3 Vertriebsdirektinvestition Beim Auslandsvertrieb auf Basis einer Direktinvestition findet ein direktes finanzielles Engagement des inländischen Unternehmens im Ausland statt. Handelt es sich um bestehende Unternehmen („Brownfield Investment“), sind zwei Ausprägungen denkbar. Bei einer Beteiligung (auch Acquisition) kauft ein Unternehmen aus dem Inland einen minderheitlichen, paritätischen oder mehrheitlichen Kapitalanteil an einem (Vertriebs-)Unternehmen im Ausland, um seine Aktionsbasis dadurch zu verbreitern (kein Portfolio-Investment). Diese kann kurz- oder langfristig ausgelegt sein. Bei der Beteiligung können verschiedene Ausprägungen unterschieden werden nach • dem Umfang handelt es sich um eine Teilakquisition (nur einzelne Betriebsteile betreffend) oder eine Gesamtakquisition (den gesamten Betrieb betreffend), • der Ausrichtung handelt es sich um eine nur kurzfristige Orientierung (Raider) oder eine langfristige (Strategie) in Schaffung und Ausbau nachhaltiger Erfolgspositionen, • der Intensität handelt es sich um eine Erhaltungsbeteiligung mit Autonomie und selbstständiger Identität des akquirierten Unternehmens, eine symbiotische Beteiligung mit weitgehender Selbstständigkeit oder eine Absorptionsbeteiligung mit völliger Anpassung an das akquirierende Unternehmen. • dem Ausmaß handelt es sich um eine Minoritätsbeteiligung (< 50 %), eine Paritätsbeteiligung (= 50 %) oder eine Majoritätsbeteiligung (> 50 %). Bei einer Übernahme (auch Merger) gliedert ein Unternehmen aus dem Inland (initiativ) ein ausländisches (reaktiv) in sein eigenes ein oder verschmilzt es mit diesem, evtl. auch zu einem neuen Unternehmen. Bei den Unternehmen kann es sich um marktstufengleiche oder -verschiedene handeln. Bei der Übernahme wird ein übernommenes (Vertriebs-)Unternehmen voll und ganz in das übernehmende integriert. Dabei gibt es verschiedene Ausprägungen: • nach der Marktstufe kann es sich um eine horizontale Übernahme auf gleicher Marktstufe, eine vertikale Übernahme auf vor- oder nachgelagerter Marktstufe oder eine laterale Übernahme in einem anderen Wirtschaftsbereich handeln.

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• nach dem Übernahmeverhalten handelt es sich um eine feindliche Übernahme (Hostile Takeover) ohne Zustimmung des übernommenen Unternehmens oder um eine freundliche Übernahme (Friendly Takeover). • nach der Richtung kann eine aktive Übernahme oder eine passive Übernahme vorliegen (letzteres ist mangels alternativer Perspektive durchaus sinnvoll). Eine Neugründung kann allein oder in Gemeinschaft erfolgen. Bei der Alleingründung können die Geschäftsparameter autonom gestaltet und die Vertriebsparameter nach Wahl eingestellt werden. Allerdings handelt es sich um eine Langsamstrategie, d. h., die Zuwachsrate über internes Wachstum wird wahrscheinlich immer unter der durch externes Wachstum liegen. Das liegt darin begründet, dass durch externes Wachstum schlagartig Umsatzvolumen zuwächst, während dies bei organischem Wachstum erst sukzessiv im Zeitablauf gelingt. Außerdem sind die Wettbewerbsvorteile bereits am Markt etablierter Anbieter möglicherweise so stark, dass es selbst potenten Neueinsteigern selten gelingt, allein eine adäquate Marktposition zu erreichen. Dies gilt erst recht im Ausland, dessen Marktverhältnisse weniger transparent und zugänglich sind. Bei einem Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture)  ist die Neugründung eines Drittunternehmens gegeben, das durch kapitalmäßige oder vertragliche Bindung der Partner bestimmt wird, ohne dass diese ihre Unabhängigkeit dadurch verlieren. Merkmale sind eine geteilte Verantwortung, die Beibehaltung der individuellen Unternehmensidentitäten, ein kontinuierlicher Ressourcentransfer und die Unteilbarkeit der Ergebnisse. Internationale Vertriebs-Joint Ventures können verschiedene Ausprägungen haben: • Das Joint Venture kann horizontal, also auf der gleichen Wertschöpfungsstufe einer Branche, vertikal, also auf einer vor- oder nachgelagerten Wertschöpfungsstufe derselben Branche, diagonal, also auf der gleichen Wertschöpfungsstufe einer anderen Branche oder lateral, also auf einer anderen Wertschöpfungsstufe einer anderen Branche, angesiedelt sein. • Das Joint Venture kann bilateral (Dual Joint Venture mit zwei Partnerländern) oder multilateral (mit mehr als zwei Partnerländern) der Gründer angelegt sein. • Nach der Zusammensetzung können die Partner aus dem gleichen Stammland kommen und für das Zielland gründen, oder aus verschiedenen Stammländern oder aus Stamm- und Zielland. • Die Anlage kann kurzfristig (projektbezogen / Contractual Joint Venture) oder, typischerweise, mittel- und langfristig konzipiert sein. • Das Joint Venture kann eine Imparität der Beteiligungsverhältnisse der Partner (Majorität / Minorität) oder eine Parität vorsehen. Im Falle der Parität sind Entscheidungsmechanismen vorzusehen (z. B. nach Zuständigkeit, mit Moderation). Häufig sind Joint Ventures auch eine Vorstufe für eine Unternehmenskonzentration der Eigner. Im internationalen Geschäft sind bereits häufig die Gastländer

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zwangsweise an dem Joint Venture beteiligt (Local Content). Dies liegt im nachvollziehbaren Wunsch dieser Länder begründet, am wirtschaftlichen Erfolg und dessen Management angemessen beteiligt zu sein.

14.3 Marktorientierung 14.3.1 Optionen der Marktabfolge Für den Fall, dass ein Unternehmen beabsichtigt, nicht nur einen Auslandsmarkt zu bearbeiten, sondern mehrere, stellt sich zudem die Frage nach der Reihenfolge des Markteintritts (siehe Abbildung 145: Optionen der internationalen Marktabfolge). Die Auslandsmärkte können sukzessiv Land für Land distribuiert werden („Wasserfall“-Technik). Dabei besteht ein geringes Risiko durch Vermeidung von Verzettelung und Kräftezersplitterung. Die besonderen Anforderungen jedes einzelnen Landes können durch Konzentration besser berücksichtigt werden. Die steigende Erfahrung in der Vermarktung reduziert die Flopgefahr beim Eintritt in weitere Märkte. Anlaufverluste bei Neueintritt können durch bereits erfolgreich abgeschlossene anderweitige Markteroberung kalkulatorisch kompensiert werden. Jedoch besteht die Gefahr der Fehleinschätzung neuer Märkte durch eine womöglich unzutreffende Erfahrungstransformation auf die nachfolgende Marktbearbeitung. Es handelt sich um ein langwieriges Unterfangen. Dieses wird von Mitbewerbern oft frühzeitig wahrgenommen und mit entsprechenden Gegenmaßnahmen antizipiert.

Abbildung 145: Optionen der internationalen Marktabfolge

Die Auslandsmärkte können aber auch simultan distributiert werden („Sprinkler“-Technik). Es kommt zu einer schnellen Penetration mehrerer Landesmärkte. Dadurch wird die Amortisationszeit von Investitionen verkürzt. Die breite Diffusion fördert die Etablierung von Branchenstandards. Durch die Länderstreuung kommt es zu einem Risikoausgleich. Gleichzeitig kann ein Innovationsimage als globaler Pionier aufgebaut werden. Hinzu kommt die Ausnutzung von Größenvorteilen durch Standardisierung. Wegen begrenzter Ressourcen ist allerdings oft nur eine geringe Marktbearbeitungsintensität möglich. Es besteht die Gefahr der Ressourcenverzettelung. Durch die eher schwache Marktstellung, zumindest zu

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Beginn, können lokale Mitbewerber gefährlich werden. Eine weithin standardisierte Maßnahmenauslegung vernachlässigt tendenziell Marktbesonderheiten. Und Flops sind in voller Breite auszubaden. Einen Kompromiss versucht die Mischform der alternierenden Wasserfall- und Sprinkler-Technik („Brückenkopf“-Technik). Dabei wird zunächst nur ein Auslandsmarkt bearbeitet. Sobald dort genügend Erfahrung gesammelt worden ist, werden diesem ähnliche, meist räumlich benachbarte Auslandsmärkte distribuiert. Wenn diese konsolidiert sind, wird ein dazu verschiedener Auslandsmarkt bearbeitet, und sofort. Im Prinzip werden die Vorteile der Wasserfall- oder Sprinkler-Technik nicht voll genutzt, dafür aber auch deren Nachteile eingeschränkt. Einen anderen Kompromiss unternimmt die „Speerspitzen“-Technik auf Basis eines vorangehenden Marktgebiets. Dabei wird ein Auslandsmarkt, meist der ökonomisch bedeutendste, als Startmarkt ermittelt. Für diesen wird die Distribution optimiert. Sobald sich der gewünschte Erfolg einstellt, wird ein Roll-out in die übrigen intendierten Märkte vorgenommen. Insofern hat man einen realen Testmarkt. Wiederum werden jeweilige Vor- und Nachteile der Wasserfall- bzw. SprinklerTechniken geglättet, dafür wird mit dem Lead Country dessen wirtschaftliche Gewichtung berücksichtigt. 14.3.2 Optionen der Marktführung Nachdem die Form des internationalen Markteintritts durch Abwägung der jeweiligen komparativen Vor- und Nachteile bestimmt ist, stellt sich die Frage der vertriebsbezogenen Führung der so bestimmten Märkte. Nach Perlmutter ergeben sich im EPRG-­Modell dafür vier Optionen: • Ethnozentralität bedeutet, dass die Auslandsmärkte nach dem Vorbild des Inlandsmarkts geführt werden. Idee ist dabei, dass das, was im Inland erfolgreich ist, auch für das Ausland sinnvoll sein wird. Ob diese Annahme allerdings gerechtfertigt ist, ist fraglich. Die Intensität der Marktführung liegt damit im Inlandsmarkt. • Polyzentralität bedeutet, dass jeder Auslandsmarkt anders, und zwar speziell abgestimmt auf die dort jeweils vorzufindenden Gegebenheiten hin, geführt wird. Dadurch entsteht jedoch ein hohes Maß an Komplexität im internationalen Management. Die Intensität der Marktführung liegt damit in den Auslandsmärkten. • Regiozentralität bedeutet einen Kompromiss derart, dass Wirtschaftsräume bestimmt werden, die untereinander vergleichsweise gleichartig, zueinander aber verschiedenartig sind. Diese können dann innerhalb der Region gleich, von Region zu Region aber verschiedenartig geführt werden. • Geozentralität bedeutet, dass alle Auslandsmärkte gleichartig, und zwar unabhängig vom Inlandsmarkt, geführt werden. Dem liegt die Vorstellung zugrunde,

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dass die internationalen Märkte sich einander in ihren Umfeldbedingungen annähern und daher gleich behandelt werden können. Für die Marktführung ergeben sich nach Levitt und Kotler die Alternativen der Generalisierung bei ethnozentrischer und geozentrischer Form sowie der Fokussierung bei polyzentrischer und regiozentrischer Form. Für eine Generalisierung sprechen vor allem drei Thesen: • Erstens die Konvergenzthese, die besagt, dass die entwickelten Industrienationen vornehmlich der westlichen Hemisphäre im Wirtschaftswunder eine gleichartige Entwicklung genommen haben. Demnach ist es zu konvergenten gesellschaftlichen Strukturen gekommen, d. h., die Markt-, Wettbewerbs- und Nachfragedeterminanten weichen von Land zu Land nurmehr geringfügig voneinander ab. • Zweitens die Standardisierungsthese, die besagt, dass unifizierte Produkte in hohen Losgrößen produziert zu erheblichen Kostendegressionseffekten führen und über damit mögliche niedrige Preise zu einer erhöhten Konkurrenzfähigkeit verhelfen. Die dabei erforderlichen Auflagen sind aber nur ländergrenzenübergreifend absetzbar. Dies wiederum wird möglich, weil aufgrund der Konvergenz gleiche Produkte in verschiedenen Ländern gleichermaßen vermarktbar sind. • Drittens die Zentralisationsthese, die besagt, dass Entscheidungen über die Vermarktung dieser Produkte nurmehr zentral getroffen werden können, da eine straffe Koordination erforderlich ist. Eben diese zentralen Entscheidungen machen eine Generalisierung erforderlich. Als Vorteile der Generalisierung gelten die Reduzierung der Forschungs- und Entwicklungskosten auf eine Version, die marktübergreifend vertrieben werden kann. Es kann ein einheitliches Marken-/Firmenimage auf allen bearbeiteten Märkten durch gleiche Positionierung geschaffen werden. Es kommt zur Erleichterung effektiver Planung und Organisation durch einheitliche Zielsetzung, die nicht der Berücksichtigung divergierender Interessen bedarf. Ähnlichkeiten in den Zielgruppen und deren steigende Mobilität führen ohnehin zu einer Konvergenz der Marktbedingungen. Die Koordination und Kontrolle wird durch bessere Übersichtlichkeit und Reduktion der Anzahl der Strategieoptionen vereinfacht. Die Ausnutzung von Know-how-Transfer auf operativer und taktischer Ebene gelingt. Eine Zentralisation des Managements führt zu effizienterer Unternehmenssteuerung. Der Internationalisierung des Wettbewerbs wird Rechnung getragen, wobei nicht mehr Einzelmärkte, sondern Marktzusammenhänge entscheidungsrelevant sind. Media-Overlappings bzw. nicht zu verhindernde grenzüberschreitende Kommunikation infolge moderner Kommunikationsmedien können ausgenutzt werden. Die Fokussierung bestreitet die Richtigkeit dieser Thesen und behauptet im Gegenteil eine zunehmende Fraktionierung der Märkte. Das bedeutet, dass nicht nur nicht zwischen den Ländern, sondern sogar innerhalb eines Landes keine übergreifenden Gemeinsamkeiten in nennenswertem Ausmaß vorzufinden sind (All Business is local). Vielmehr ist eine zunehmende Fragmentierung auch natio-

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naler Märkte gegeben, die ein immer feinteiligeres Eingehen auf Bedürfnisse im Rahmen der Unternehmensführung erfordert. Eine mangelnde Berücksichtigung länderspezifischer Besonderheiten, die Markterfolge negativ tangiert, ist nicht ausgeschlossen. Es bestehen erhebliche Unterschiede in der Medienlandschaft nach Struktur und Nutzung. Abweichende Produktgebrauchsbedingungen und -gewohnheiten sind nicht bzw. schwer korrigierbar, wenn sie sich nur aus dem kulturellen und mentalen Zusammenhang heraus erklären. Es können unterschiedliche Stadien im Marktlebenszyklus gegeben sein, die eine abweichende Unternehmenssteuerung erforderlich machen, da verschiedene Personen-/Entscheidergruppen im Diffusionsprozess angesprochen werden. Eine zentrale Kontrolle und Koordination ist letztlich nicht praktikabel, da davon kontraproduktive Wirkungen und inakzeptable Entscheidungsverzögerungen ausgehen. Das „Not invented here“-Syndrom, das auf verständlichen Länderegoismen beruht, behindert die Übernahme fremder Lösungen. Es bestehen Imagedefizite multinationaler Konglomerate in der Öffentlichkeit, die durch standardisierte Aktivitäten noch verstärkt werden. Kostenvorteile fallen bei näherem Hinsehen vielfach geringer aus als unterstellt, so dass sie durch anderweitige Effizienznachteile (Komplexitätskosten) leicht überkompensiert werden. Eine unterschiedliche Preisstruktur erfordert eine abweichende Positionierung von Angeboten. Zielgruppendaten weichen erheblich voneinander ab, so dass auch die Ansprache individuell gehalten werden muss. Häufig wird als Ausweg aus diesem Dilemma das Postulat des „Think global, act local“ (auch glokale Ausrichtung) verbreitet. Tatsächlich handelt es sich dabei womöglich nur um einen faulen Kompromiss. Letztlich ist eine Wahl zwischen der mutmaßlich höheren Effektivität der Fokussierung und der höheren Effizienz der Generalisierung zu treffen. In der Praxis hat sich die Sichtweise der Generalisierung durchgesetzt, aber nicht unbedingt wegen ihrer systematischen Vorteile, sondern aus pragmatischen Gründen. Sie bietet der Zentrale (Headquarter) eine willkommene Argumentation zur Entscheidungsentralisation. Damit können die Länderdependancen enger führt werden und entwickeln weniger Eigenleben.

14.4 Internationale Kulturunterschiede Bei der Entscheidung zugunsten einer Fokussierung werden internationale Kulturunterschiede als zentral angesehen. Die Kultur prägt typische allgemeine Einstellungen von Menschen zu ihrer Umwelt, ihrer Weltanschauung und ihren Werthaltungen. Diese ist im Wesentlichen durch weiche Faktoren wie Geschichte, Religion, Sprache etc. geprägt. Daher stellt sich die Frage nach deren Operationalisierung. Denn bei Kultur handelt es sich um Einstellungen und Verhaltensweisen, die der Gesellschaft eines Landes gemein sind, aber ein theoretisches Konstrukt darstellen, also nicht direkt, sondern nur über Indikatoren messbar sind. Es ist jedoch fraglich, welche Indikatoren aussagefähig für etwas, was nicht direkt zugänglich ist, sind. Die Ansichten darüber gehen denn auch weit auseinander.

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Für die Identifizierung der Kultur gibt es verschiedene Modelle (Hall / Hall, Schwartz, Globe etc.), das bekannteste stammt jedoch von Hofstede. Er unterscheidet zur Operationalisierung des theoretischen Konstrukts Kultur in folgende Dimensionen: • Machtdistanz/-nähe (Machtgefälle vs. Augenhöhe, Beispiele für große Machtdistanz sind Lateinamerika, Asien, Afrika, Beispiele für kleine Machtdistanz sind USA, GB, Skandinavien, Mitteleuropa, Index Deutschland: 35 von 100), • Individualismus / Kollektivismus (Freidenkertum vs. soziale Kontrolle, Beispiele für Individualismus sind englischsprache Länder, Skandinavien, deutsprachiger Raum, Beispiele für Kollektivismus sind Lateinamerika, Asien, arabische Länder, Afrika, Index Deutschland 67 von 100), • Unsicherheitsvermeidung/– akzeptanz (Sicherheit vs. Risiko, Beispiele für Unsicherheitsvermeidung sind Japan, Südkorea, deutschsprachiger Raum, Beispiele für Unsicherheitsakzeptanz sind Skandinavien, englischsprachige Länder, Index Deutschland 65 von 100), • Maskulinität / Feminität (Selbstbewusstsein vs. Bescheidenheit, Beispiele für Mas­ kulinität sind Japan, Österreich, Schweiz, Beispiele für Feminität sind Schweden, Norwegen, Niederlande, Index Deutschland 66 von 100), • Langfrist  –/Kurzfristorientierung (nachgeschobene Dimension: Planung vs. Flexibilität, Beispiele für Langfristorientierung sind China, Japan, Beispiele für Kurzfristorientierung sind Indien, Mexiko, Südamerika, Index Deutschland 83 von 100). • Genuss / Beherrschung (nachgeschobene Dimension: Selbstverwirklichung vs. strenger Umgang mit Kulturwerten, Beispiele für hohe Genusssucht sind Mexiko, Dänemark, Australien, Beispiele für hohe Beherrschung sind Ungarn, Libyen, Russland, Indien, Südkorea, Index Deutschland 40 von 100). Danach können Länder ähnlicher Dimensionsausprägungen gleichartig mit Vertriebsmaßnahmen bearbeitet werden, und Länder mit abweichenden Dimensionsausprägungen bedürfen verschiedener Vertriebsmaßnahmen. Allerdings wird zunehmend die These des Global Marketing (Levitt) vertreten, wonach sich zumindest die westlichen Länder im Zuge ihrer wirtschaftlichen Entwicklung kulturell angenähert haben, so dass sich eine national ausgerichtete Vermarktung erübrigt. Die Studie von Hofstede ist allerdings heftiger Kritik ausgesetzt. So werden die gezogenen Stichproben als nicht repräsentativ erachtet (IBM-Mitarbeitende), Unterschiede innerhalb eines Landes werden nivelliert, die Auswahl der Kultur-Items erscheint willkürlich etc. Jedenfalls dürfte dies für Culture free-Produkte gelten, wie Telcom, UE, Softdrinks, Kosmetik etc., die beinahe unabhängig vom jeweiligen kulturellen Kontext in homogen Zielgruppen gleichartig vermarktbar sind. Dem steht jedoch die These des Domestic Marketing (Freeman) gegenüber, die unterlegt, dass jede Vermark-

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tung im lokalen, kulturellen Kontext zu sehen ist und letztlich des Eingehens auf die Individualität jedes Käufers bedarf.

14.5 Incoterms Die Austauschbedingungen mit dem Ausland werden zumeist durch Incoterms (International Commercial Terms) geregelt. Diese beruhen auf Handelsbräuchen, die sich aus der Wirtschaftspraxis heraus entwickelt haben und werden von der Internationalen Handelskammer (ICC / Paris) formuliert und regelmäßig aktualisiert. Sie befassen sich ausschließlich mit der logistischen Abwicklung und sind nur verbindlich, sofern sie ausdrücklich vereinbart wurden. Sie haben damit keine Gesetzeskraft, vereinfachen aber internationale Warentransaktionen ungemein, indem sie technische Details vereinheitlichen. Im Wesentlichen können elf Klauseln in vier Gruppen (E, F, C, D) wie folgt unterschieden werden (siehe Abbildung 146: International Commercial Terms).

Abbildung 146: International Commercial Terms (Quelle: abcofprocurement.com/incoterms/)

Bei EXW – Ab Werk / Ex Works (E-Klausel) liefert der Verkäufer bereits gültig, wenn er die Ware dem Käufer an einem anderen benannten Lieferort (z. B. Fabrik oder Lager) zur Verfügung stellt. Dieser benannte Ort kann auch auf dem

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Gelände des Verkäufers liegen. Der Verkäufer muss die Ware weder auf ein abholendes Transportmittel verladen, noch muss er sie zur Ausfuhr freimachen, falls dies erforderlich sein sollte. Der Käufer soll damit die Risiken und die Kosten der gesamten Transportstrecke ab dem Werk des Verkäufers (sofern dies als benannter Lieferort bestimmt wurde) tragen. Sämtliche Kosten ab dem benanntem Abholort gehen zu seinen Lasten; der Gefahrenübergang auf den Käufer beginnt bereits ab Bereitstellung am benannten Lieferort durch den Verkäufer. Die F-Klauseln bieten sich an, wenn der Käufer nicht die Kosten und Risiken für den gesamten Transportweg, sondern nur für den Haupttransport, nicht jedoch den Vor- und Nachlauf, tragen soll. „Frei“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Käufer die Kosten ab dem benannten Lieferort zu tragen hat. Bis dorthin trägt der Verkäufer das Risiko des Verlustes oder der Beschädigung der Ware. Dabei gibt es konkret drei Ausprägungen (zwei davon nur für Schiffstransport): • FCA – Frei Frachtführer / Free Carrier: Der Verkäufer liefert die Ware dem Frachtführer oder einer anderen vom Käufer benannten Person beim Verkäufer oder an einem anderen benannten Ort an. Dabei ist die Stelle innerhalb des benannten Lieferortes so exakt wie möglich zu bezeichnen, da genau dort die Gefahr vom Verkäufer auf den Käufer übergeht. • FAS – Frei Längsseite Schiff / Free alongside Ship: Der Verkäufer liefert, wenn die Ware längsseits des Schiffs (z. B. an einer Kaianlage oder auf einem Binnenschiff) im benannten Verschiffungshafen verbracht ist. Die Gefahr des Verlusts oder der Beschädigung der Ware geht auf den Käufer über, wenn sich die Ware längsseits des Schiffs befindet. Der Käufer trägt ab diesem Zeitpunkt alle Kosten. • FOB – Frei an Bord / Free on Board: Der Verkäufer liefert die Ware an Bord des vom Käufer benannten Schiffs im benannten Verschiffungshafen oder beschafft die bereits so für die Verschiffung gelieferte Ware. Die Gefahr des Verlusts oder der Beschädigung der Ware geht über, wenn die Ware an Bord des Schiffs ist. Der Käufer trägt ab diesem Zeitpunkt alle Kosten. Die C-Klauseln werden gewählt, wenn die Kosten des Haupttransports vom Verkäufer übernommen werden. Die Transportkosten bis zum benannten Bestimmungsort/-hafen gehen zulasten des Verkäufers; mit Übergabe der Ware an den Frachtführer geht die Gefahr auf den Käufer über. Dabei gibt es folgende Ausprägungen: • CFR – Kosten und Fracht / Cost and Freight: Der Verkäufer liefert die Ware an Bord des Schiffs oder beschafft die bereits so für die Verschiffung gelieferte Ware. Die Gefahr des Verlusts oder der Beschädigung der Ware geht über, wenn die Ware an Bord des Schiffs ist. Dabei schließt der Verkäufer den Beförderungsvertrag ab und trägt die Frachtkosten bis zum benannten Bestimmungshafen. • CIF – Kosten, Versicherung und Fracht / Cost, Insurance and Freight: Der Verkäufer liefert die Ware an Bord des Schiffs oder beschafft die bereits so für die

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Verschiffung gelieferte Ware. Die Gefahr des Verlusts oder der Beschädigung der Ware geht auf den Käufer über, wenn die Ware an Bord des Schiffs ist. Der Verkäufer schließt den Beförderungsvertrag ab und trägt die Frachtkosten zum benannten Bestimmungshafen. Zudem schließt der Verkäufer auf eigene Kosten eine Transportversicherung ab, die zumindest einer Mindestdeckung entspricht. • CPT – Frachtfrei / Carriage paid to: Der Verkäufer liefert die Ware dem Frachtführer an einen vereinbarten Ort an. Der Verkäufer schließt den Beförderungsvertrag ab und trägt die für die Beförderung der Ware bis zum benannten Bestimmungsort entstehenden Frachtkosten. • CIP – Frachtfrei versichert / Carriage and Insurance paid to: Der Verkäufer liefert die Ware dem Frachtführer an einen vereinbarten Ort an. Der Verkäufer schließt den Beförderungsvertrag ab und trägt die für die Beförderung der Ware bis zum benannten Bestimmungsort entstehenden Frachtkosten. Zudem verpflichtet er sich, einen Transportversicherungsvertrag mit umfassendem Deckungsschutz für die auf den Käufer übergehende Gefahr des Verlusts oder der Beschädigung der Ware während des Transports von der Lieferstelle mindestens bis zum Bestimmungsort abzuschließen. Bei den D-Klauseln gehen die Transportkosten bis zum benannten Bestimmungsort/-hafen zulasten des Verkäufers; die Gefahr geht mit der Bereitstellung der Ware am Bestimmungsort auf den Käufer über. Folgende drei Formen sind vorkodifiziert: • DPU – Geliefert benannter Ort entladen / Delivered at Place unloaded: Der Verkäufer liefert die Ware bestimmungsgemäß, sobald sie vom ankommenden Beförderungsmittel entladen wurde und an einem benannten Bestimmungsort zur Verfügung gestellt wird. Er trägt alle Gefahren, die im Zusammenhang mit der Beförderung zum und der Entladung der Ware am benannten Bestimmungsort entstehen. • DAP – Geliefert benannter Ort / Delivered at Place: Der Verkäufer liefert, wenn die Ware dem Käufer auf dem ankommenden Beförderungsmittel des Verkäufers entladebereit am benannten Bestimmungsort zur Verfügung gestellt wird. Der Verkäufer trägt alle Gefahren, die im Zusammenhang mit der Beförderung zum benannten Ort entstehen. • DDP – Geliefert verzollt / Delivered Duty paid: Der Verkäufer liefert, wenn er die zur Einfuhr freigemachte Ware dem Käufer auf dem ankommenden Beförderungsmittel entladebereit am benannten Bestimmungsort zur Verfügung stellt. Der Verkäufer trägt alle Kosten und Gefahren, die im Zusammenhang mit der Beförderung der Ware bis zum Bestimmungsort stehen und hat die Verpflichtung, die Ware für die Aus- und Einfuhr freizumachen, alle Abgaben sowohl für die Aus- als auch Einfuhr zu zahlen sowie alle Zollformalitäten zu erledigen. Dies stellt die Maximalverantwortung für den Verkäufer dar.

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Die E-Klausel ist eine Abholklausel, die F-Klauseln sind Absendeklauseln ohne Übernahme von Kosten für den Haupttransport durch den Verkäufer, die C-Klauseln sind Absendeklauseln mit Übernahme der Kosten für den Haupttransport durch den Verkäufer und die D-Klauseln sind Ankunftsklauseln. Alle Lieferklauseln haben gemein, dass der Lieferant die Ware ordnungsgemäß am benannten Ort abliefert, die erforderlichen Dokumente beschafft bzw. die Beschaffung auf Kosten des ausländischen Abnehmers übernimmt, eine angemessene Verpackung durchführt, definierte Nebenkosten, z. B. für Prüfung, übernimmt, und der Importeur ordnungsgemäß und fristgerecht abnimmt. Die praktisch häufigsten Klauseln betreffen CIF und FOB.

15. Industriegütervertrieb Beim Industriegütervertrieb liegen sehr heterogene Transaktionsbedingungen vor, die eine Reihe von Besonderheiten gegenüber, zumeist implizit unterstellten, konsumtiven Produkten aufweisen. Generell können vier industrielle Produktarten unterschieden werden, industrielle Anlagen (15.1), Anwendungssysteme (15.2), verarbeitete Produkte (15.3) und unverarbeitete Produkte (15.4) (siehe Abbildung 147: Industrielle Produktarten). Dies schlägt sich naturgemäß auch im Industriegütervertrieb nieder. Dabei steht der Absatz allerdings vergleichsweise selten im Fokus der Unternehmen. Diese sind vielmehr technik- und ingenieursgetrieben, Produktion und Einkauf dominieren. Hergestellt wird, was die Kompetenz hergibt und nicht unbedingt, was der Markt braucht. Marketing und Vertrieb werden sogar vielfach abwertend oder gar feindlich angesehen. Es ist allenfalls von Technischem Vertrieb die Rede, Marketing wird hingegen dem Konsumgüterbereich zugeordnet, von dem man sich in Selbstverständnis und Schwierigkeitsgrad positiv abzuheben gedenkt. In diesem Zusammenhang sind auch die Phasen des industriellen Beschaffungsprozesses relevant (15.5).

Abbildung 147: Industrielle Produktarten

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15.1 Industrielle Anlagen Das Anlagengeschäft ist wohl das „typischste“ Geschäft im Industriegüter­ vertrieb. Es ist durch folgende Merkmale charakterisiert. Es erfolgt eine kundenindividuelle, meist einmalige Leistungserstellung in Sortenoder Einzelauftragsfertigung. Die Losgröße ist = 1. Daraus erwächst eine erhebliche Fixkostenproblematik mit fehlender Kostendegression. Evtl. Rationalisierung ergibt sich durch Modularisierung der komplexen Leistung oder Plattformkonzepte als einheitlicher Produktionsbasis, für die dann Degressionseffekte auszumachen sind. Die Abwicklung ist sehr langfristig angelegt und umfasst verschiedene „Episoden“ als in sich homogene Transaktionsabschnitte, innerhalb derer jeweils umfassende Entscheidungen zu treffen sind. Aus Anbietersicht ist vor allem die Episode des Closing von hoher Spannung. Es handelt sich um extensive Kaufentscheide, die ein hohes Risiko implizieren, so dass umfassende Informationen als erforderlich angesehen werden. Dazu wird eine breite Auswahl von Anlagen gesichtet und dann sukzessiv auf die subjektiv optimale Option verdichtet. Die Geschäftsausrichtung ist international, weil nur auf dieser Basis genügend Geschäftspotenzial für spezialisierte Anbieter (Hidden Champions) auszumachen ist, denn zwischen den Anschaffungen liegen häufig lange Zeitintervalle, oft ist auch nur ein Einmalabschluss möglich. Zudem ist der Bedarf für Anlagen sehr gering verbreitet. Es besteht die Notwendigkeit zu einer Absatzfinanzierung (Financial Engineering, z. B. als Bestellerkredit der Bank aus eigener Bonität). Im Auslandsgeschäft kommen Absicherungen gegen Zahlungsausfall hinzu, gegen Preisentwertung und auch gegen Kursschwankungen. Im Regelfall behauptet der Interessent, zwar über Kaufinteresse, nicht aber genügend Finanzmittel zur Anschaffung der Anlage zu verfügen. Entweder gelingt es dann, ihm ein Finanzierungskonzept anzubieten, das vorteilhafter ist als die Finanzierung, die er selber darstellen kann, oder ein Abschluss kommt nicht zustande. Häufig werden lange Zahlungsziele vereinbart, meist mit zeitlich verteilten Abschlagszahlungen (pro rata temporis). Bei öffentlicher Auftragsvergabe ist eine Ausschreibung ab sehr niedrigen Auftragswerten zwingend, ab bestimmten, ebenfalls niedrigen Werten auch europaweit. Abstimmungen der Bieter sind dabei sehr risikoreich, erst recht, wenn sie schriftlich fixiert werden (was daher unbedingt zu vermeiden, aber bei internationalen Konkurrenten, die man meist nicht so genau kennt, nachvollziehbar ist). Hilfreich sind computergestützte Kalkulationssysteme, die zugleich die Zuschlagswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von definierten Parametern optimieren. Typisch für das Anlagengeschäft ist eine hohe Diskontinuität des Auftragseingangs. Daraus erwachsen erhebliche Kapazitätsauslastungs- und Bereitschafts-

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

kostenprobleme. Diese betreffen einerseits die Gefahr der Illiquidität bei negativem Cash-flow und anderseits die weithin fehlende Abbaubarkeit von Fixkosten (Remanenz). Im Anlagengeschäft sind leistungsergänzende Kundendienste unerlässlich. Abnehmer erwarten „Turnkey Projects“, also betriebsfertige Anlagen vorzufinden, erstellt aus einer Hand (One Face to the Customer). Dies erfordert eine Kundensichtweise anstelle einer Produktsicht, wie das für modernes Marketing durchaus zwingend ist. Dadurch kann auch bei Kostennachteilen noch eine Präferenz für das eigene Angebot geschaffen werden. Häufig kommt es zur Bildung von Gelegenheitsgesellschaften, die arbeitsteilig (substitutiv) oder ergänzend (komplementär) ausgerichtet sind. Gründe sind einerseits die Reduktion eines Klumpenrisikos und andererseits die Darstellung eines schlüsselfertigen Projekts. Mögliche Ausprägungen sind (ohne eigene Rechtsform) Arbeitsgemeinschaften oder Werkgemeinschaften sowie (mit eigener Rechtsform) Konsortien und Partizipationen (abgestuft nach Innen- oder Außenwirkungen). Unerlässlich ist auch ein Kundenbeziehungsmanagement (CRM), da im Anlagengeschäft enge Märkte gegeben sind, die Wege der Beteiligten sich also immer wieder kreuzen dürften. Es handelt sich daher mehr noch als in anderen Märkten um „People Business“, d. h., die Chemie der Entscheider zählt. Die endgültige Ausgestaltung der Anlage erfolgt im Regelfall erst unter Abnehmereinfluss, d. h. keine Anlage wird so realisiert wie sie geplant wurde. Dies erfordert eine strikte projektbegleitende Kalkulation und eine konsequente Protokollierung aller Änderungen, da es erfahrungsgemäß später über dafür anfallende zusätzliche Kosten Dissens gibt. Referenzen spielen eine marktschließende Rolle. Projekte werden zumeist nur an Anbieter vergeben, die nachweisen können, dass sie vergleichbare Projekte bereits erfolgreich realisiert haben. Neuen Anbietern fehlt eine solche Referenz. Daher ist es durchaus üblich, Projekte zur Akquise zu subventionieren, nur um sie bei anderen Projektgebern als Referenz nachweisen zu können (denkbar sind eine Anlagenreferenz, Know-how-Referenz, Kompetenzreferenz oder Koalitionsreferenz). Dies erfordert aber zugleich, dass jedes Projekt referenzfähig gehalten wird, also keine Unzufriedenheiten verbleiben. Daraus folgt die erhebliche Bedeutung der Nachkaufphase.

15.2 Anwendungssysteme Beim Systemgeschäft ist der Kaufentscheid für ein Produkt abhängig von anderen, vorausgegangenen und potenziell nachfolgenden Kaufentscheiden, und zwar eigenen wie fremden. Am Anfang steht ein Initialkauf, dem gleichartige oder verschiedenartige Folgekäufe folgen. Gründe für diese zeitliche Verkettung

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sind ökonomische durch Budgetrestriktion (Staffelung der Anschaffung), risikobezogene mit der Hoffnung auf Erfahrungszuwachs, zeitliche infolge technischen Fortschritts, organisatorische im Rahmen innerbetrieblicher Anpassungen (z. B. ERP-System, Unternehmensverbindung), netzwerkbedingte durch Abwarten des Diffusionsprozesses oder erzwungene infolge mangelnder Ad hoc-Verfügbarkeit. Oft erfolgt daher nicht die Anschaffung eines „kompletten“ Systems, sondern zunächst nur eines „zentralen“ Systemkerns, dem dann weitere Anschaffungen folgen. Generell besteht ein Informationsdefizit in Bezug auf die zukünftige Systementwicklung mit fraglicher Aufwärtskompatibilität der Elemente. Deshalb sind das Ausmaß und die zeitliche Abfolge von Folgeinvestitionen a priori unbekannt. Zumal auch der zukünftige Bedarf meist nicht hinreichend prognostizierbar ist. Die Konsequenz eines Systemwechsels bedingt eine erhebliche Kostenproblematik (Sunk Cost). Hinzu kommen Probleme der Redistribution / Entsorgung. Systeme haben daher Vertrauensgutcharakter. Die hohe Intransparenz erfordert Kompetenzsignale vom Anbieter (z. B. Referenzen). Zudem sind Kundendienste erforderlich (Konfiguration, Integration, Folgedienste etc.). Häufig erfolgt auch eine Einbindung bestimmter Abnehmer in die Systementwicklung (Lead User). Insofern ist die Weiterentwicklung des Systems durch den Anbieter von zentraler Bedeutung. Gerade dies ist aber aus Nachfragersicht unsicher. Aus Systemen kann eine hohe Anbieterabhängigkeit entstehen. Dieser Bindungseffekt (Lock-in) kann zur Aufrüstung bestehender Systeme entgegen der Leistungsrationalität führen, weil man untergehende Kosten vermeiden oder sich einfach auch nicht die falsche Entscheidung der Vergangenheit eingestehen will. Insofern ist der Nutzenentgang bei Stay-Entscheid den Kosten bei Systemwechsel gegenüber zu stellen. Systemgeschäfte lassen sich nach zahlreichen Kriterien einteilen. Nach der Systemrichtung gibt es • horizontale Erweiterungssysteme, die gleichartig-additiv ausgelegt sind, also eine quantitative Anpassung erlauben (z. B. mehrere Bürostühle im Besprechungsraum), • vertikale Verkettungssysteme, die verschiedenartig-integrativ ausgelegt sind, also durch Verbindung unterschiedlicher interaktiver Teilsysteme über Schnittstellen entstehen (z. B. Sky Pay-TV, Lkw-Mautsystem). Hier liegt daher keine einheitliche Architektur vor, sondern diese muss erst anwendungs- bzw. kundenindividuell hergestellt werden. Es handelt sich um ein Leistungsbündel aus Systembetreiber, Peripherielieferanten, Infrastruktur- und Mehrwertdienste-Bereit­steller. Nach dem Leistungsumfang gibt es • Teilsysteme (Stand alone), die bereits isoliert funktionsfähig sind, aber zu Systemen mit Zusatzleistungen erweitert werden können (z. B. ausbaufähiger Fotokopierer) und

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• Systemkomponenten, die allein nicht funktionsfähig, sondern erst mit anderen sinnvoll nutzbar sind (z. B. CD-ROM-Laufwerk). Bei beiden entsteht ein Systembindungseffekt, der Initialkauf bedingt systemtreue Folgekäufe und impliziert daher ein hohes Risiko hinsichtlich Leistungsfähigkeit, Anbieterbestand und Systemaktualität. Dies erfordert daher oft die Unterstützung durch den Anbieter oder unabhängige Berater. Nach der Systemverbreitung gibt es • Knappheitssysteme, für die gilt, dass ihr Wert umso höher ist, je seltener sie vorkommen (normale Preisreaktion), • Kritische Masse-Systeme, die eine gewisse Mindestverbreitung zu ihrer sinnvollen Nutzung bedingen. Für diese ist ihr Wert daher umso höher, je verbreiteter sie sind. So steigt der Wert Sozialer Netzwerke mit ihrer Teilnehmerzahl. Solange die Kritische Masse (Tipping Point) nicht erreicht ist, zögert jeder Interessent mit dem Kauf, so dass selbst leistungsfähige Systeme oft an nicht hinreichend rascher Verbreitung scheitern (z. B. HD-DVD, Betamax). Wichtig sind daher ein früher Markteintritt und eine Penetrationspreispolitik (bis hin zum Follow the Free). Man unterscheidet genauer direkte Netzeffekte infolge Verbreitung des Systems und indirekte Netzeffekte infolge Ergänzung durch komplementäre Leistungen. Nach der Integralqualität gibt es • geschlossene Systeme (proprietär), diese sind nur intern kompatibel, die Schnittstellen zu anderen Systemen werden geheim gehalten oder durch Lizenzrechte restringiert und • offene Systeme (propagandiv), diese sind extern kompatibel zu anderen Teilsystemen. Absicht die eine rasche Marktdurchdringung zur Schaffung eines De facto-Standards. Zwar wird damit das eigene Geschäft kannibalisiert, jedoch ist die Annahme, dass der positive Effekt des De facto-Standards diese Einbußen bei Weitem überkompensiert. Die Folge ist, dass häufig am Markt nicht die besten Lösungen obsiegen, sondern die am schnellsten verbreiteten (Zeit als Wettbewerbsfaktor). Systeme können dabei technisch (z. B. Apple), funktional / ästhetisch (z. B. Designermöbel) oder durch Spezifität (z. B. Einbauküche) entstehen.

15.3 Verarbeitete Produkte Einzelteile und Aggregate als verarbeitete Produkte sind Gebrauchsgüter und dienen dem Einsatz zur Fremdbedarfsdeckung. Sie sind weder kundenindividuell wie Anlagen, noch unverarbeitet wie Rohstoffe und stehen nicht im Kaufverbund wie Systeme. Sie werden in Sorten-, Chargen-, Serien- oder Massenfertigung hergestellt und durch Rahmenverträge als dauervertragliche Schuldverhältnisse verkauft.

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Man unterscheidet Einzelteile und Aggregate. Einzelteile gehen ohne wesentliche Be- oder Verarbeitung unter Wahrung ihrer Entität in übergeordnete Produkte ein. Ihre Unterscheidbarkeit ist vielfältig nach Produktart, Komplexitätsgrad, Erklärungsbedürftigkeit, physischer Verbundenheit, Funktionalität, Sichtbarkeit, Lebensdauer, Wertdimension etc. möglich. Aggregate sind allein funktionsfähige Betriebsmittel. Sie können zu Teilsystemen werden. Ihre Kennzeichen sind ihre • hohe Standardisierung, ein mittlerer Komplexitätsgrad, ihre hohe Integralqualität und ihre Wertdimension, • Produktmarkierung (Ingredient Brand), die eine mehrstufige Markenbildung im Absatzkanal ermöglicht, • meist indirekte Distribution über den Produktionsverbindungshandel (PVH). Produkte und Aggregate werden im Industriellen Marketing zwischenzeitlich ebenfalls weitgehend vom Produktmanagement übernommen. Dessen Aufgaben betreffen vor allem folgende: • Ideenfindung durch betriebsinterne/-externe Ideenquellen und Einsatz von Kreativitätstechniken (intuitiv-lateral, logisch-diskursiv, systematisch-adaptiv), daraus Ideensichtung und Ideenbewertung bei abgestuften Neuheitsgraden, • Planung in Bezug auf das Innovationstiming als Pionier, Früher Folger, Später Folger oder Nachzügler, • Informationsbasis durch Sekundär- und Primärrecherche mündlich, fernmündlich, schriftlich, fernschriftlich, computergestützt oder online, • wirtschaftliche Durchführbarkeitsprüfung in Bezug auf statische / dynamische Investitionsanalyse, Finanzierung, Budgetierung, Break even-Punkt, Preisuntergrenzen, Markttestergebnisse etc., • technische Durchführbarkeitsprüfung in Bezug auf grundlegende oder angewandte Forschung, Vor- und Prozessentwicklung, Prototyp, Erprobung, Lastenheft / Pflichtenkatalog, Werkzeugeinsatz, Produktionsablauf etc., • Sicherung Gewerblicher Schutzrechte in Form von Patent, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster, Markenzeichen, Urheberschaft incl. Lösung in Bezug auf Umgehungserfindungen, • Abschätzung der Markterwartungen aus intuitiven / quantitativen Prognosever­ fahren in Bezug auf Absatzpotenzial/-volumen, Marktpotenzial / -volumen, Marktausschöpfung, Marktanteil etc., • Entscheidung über die Markteinführung (Go), die Optimierung (On) oder den Verzicht darauf (No go), • Betreuung der Produkte im Verlauf des Lebenszyklus mit Release, Upgrade, Relaunch o.Ä.,

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

• Nutzung von Produktdifferenzierungen zur Abschöpfung von Nachfragerrenten oder Ausschöpfung von Nachfragepotenzial, • Entscheidung über den Verbleib am Markt oder die Elimination des Produktes. Zunehmend wird darauf abgezielt, die Identität gelieferter Teile in veredelten Produkten zu erhalten (Ingredient Branding). Sofern dies gelingt, kann eine Zangenwirkung auf Abnehmer ausgeübt werden (Push & Pull). Dazu ist es allerdings erforderlich, erstens die Teile zu markieren, zweitens diese Markierung mit Wertinhalten anzureichern, die als attraktiv wahrgenommen werden und drittens, diese auf der Ebene der Kunden des Kunden werblich auszuloben. Idee ist dabei, diese Kunden des Kunden zu veranlassen, bei ihrem Lieferanten, dem eigenen Kunden, darauf zu drängen, dass die eigenen Teile anstelle anderer, meist anonymer Teile in die bestellten Produkte eingebaut werden. Auf diese Weise kann ein Nach­fragesog initiiert werden. Zugleich kann Angebotsdruck aufgebaut werden (z. B. Intel Prozessoren). Insofern ist diese typische B-t-C-Mechanik auch im B-t-B-Sektor anwendbar. Sogar leichter als dort, weil die Kunden in ihren Merkmalen bekannt und in ihrer Anzahl überschaubar sind, der Werbedruck also viel geringer ausfallen kann als in weitgehend anonymen Massenmärkten.

15.4 Unverarbeitete Produkte Bei unverarbeiteten Produkten handelt es sich um Urprodukte und weitere Rohstoffarten. Urprodukte sind wiederum Anbauwaren wie land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Abbauwaren wie Mineralien, fossile Träger etc. Man spricht hier von Commodities, genauer Born Commodities. Commodities sind typischerweise börsenfähig. Es handelt sich sowohl um Hard Commodities (metallisch) als auch Soft Commodities (nicht-metallisch). Voraussetzung für praktische Transaktionen ist ihre Fungibilität, d. h. jede Einheit gleicht der anderen, wodurch dann eine Standardisierung der Kontraktbestandteile möglich wird. Atypische Commodities sind hingegen nicht-börsenfähig. Urprodukte weisen generell folgende Kennzeichen auf. Ihr Vorkommen ist standortgebunden. Dies bedeutet, dass ein objektiv begrenzter Marktzugang gegeben ist (natürliches Monopol). Bei nicht-regenerativen Rohstoffen ist daher die Sicherung der Lage entscheidend. Dabei stellt sich er­schwerend heraus, dass die Vorkommen oft in krisenanfälligen Regionen liegen (z. B. Seltene Erden). Hinzu kommt die Recyclierbarkeit, die bei immer knapper werdenden Vorräten oft die einzige Möglichkeit zur ausreichenden Marktversorgung darstellt. Durch die natürlichen Monopole besteht eine hohe Angebotsmacht auf den Märkten (z. B. Erdöl, Erdgas). Diese kann missverständlich interpretiert zur Erpressung der Abnehmer führen. Dies setzt allerdings eine Interessenidentität der

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Anbieter voraus, die heute häufig nicht mehr gegeben ist (im Unterschied zu früher, z. B. OPEC). Bei Urprodukten sind naturgemäß starke Qualitäts- und Quantitätsschwankungen gegeben. Ursächlich dafür sind Witterungseinflüsse, Fehlernten, Schädlingsbefall, Naturkatastrophen etc. Die Folge sind hohe Preisschwankungen zulasten der Erzeuger, d. h. bei Überangebot fallen die Preise, bei Unterangebot können trotz steigender Preise keine hinreichenden Erlöse erzielt werden. Für die Verarbeiter haben stark schwankende Preise nachteilige Folgen, so dass den Beteiligten an einer Verstetigung des Preisniveaus gelegen ist. Dies führt zur Tendenz der Bewirtschaftung der Märkte durch dirigistische Eingriffe. Dem liegt die Annahme zugrunde, das Urproduktmärkte nicht-funktionsfähig sind, also zu keinem natürlichen Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage führen (Cobweb-Effekt). Allerdings wird dabei womöglich Ursache und Wirkung verkehrt, d. h. weil Eingriffe erfolgen, kommt es nicht zur Funktionsfähigkeit der Märkte. Die Folge sind Unwirtschaftlichkeiten (Butterberg, Milchberg etc.), die evtl. größer sind als ohne die Bewirtschaftung („gut gemeint ist nicht unbedingt gut gemacht“). Die Dysfunktionalität der Märkte rührt vor allem von der begrenzten Lagerfähigkeit der Rohstoffe her. Diese sind entweder durch alsbaldigen Verderb bedroht oder mit hohen Kapitalbindungskosten verbunden. Insofern wird eine Verstetigung der Nachfrage gewünscht. Diese kann durch Rahmenverträge erreicht werden, die ein Gesamtvolumen definieren, das in Form von Abrufaufträgen ausgeliefert wird. Eine andere Möglichkeit ist die Vernichtung von Ware (meist symbolisch gemeint) oder die Bildung subventionierter Pufferläger. Da Rohstoffe die früheste Form der Wertschöpfung darstellen, liegen alle weiteren Wertschöpfungsstufen dahinter (downstream). Man weiß, dass bereits geringe Schwankungen auf diesen nachfolgenden Märkten sich verstärkend auf die Rohstoffmärkte auswirken, wie dies genau erfolgt, ist hingegen nach wie vor unbekannt. Insofern sind die Effekte immer wieder überraschend („Bullwhip“). Zur rationellen Handelbarkeit (Fungibilität) ist eine Vereinheitlichung des Angebots wünschenswert. Da die Qualitäten aber schwanken, erfordert dies die Bildung von Güteklassen (z. B. Brent Spar bei Mineralöl) und Quantitätsnormen (z. B. Barrel). Gerade dies blockiert eine beabsichtigte Differenzierung zum Mitbewerb und die Profilierung gegenüber der Nachfrage. Insofern ist Rohstoffmarketing besonders schwierig, oft ist der Preis das einzige Differenzial. Die Fungibilität ermöglicht es aber, Rohstoffe zu handeln, ohne dass diese physisch am Ort verfügbar sein müssen. Dies ist sehr erleichternd, weil Rohstoffe oft einen geringen spezifischen Wert aufweisen und ihre Logistik daher ökonomisch limitiert ist. Die Gleichnamigmachung der Rohstoffe erlaubt ihren Handel an Warenbörsen. Durch Spezifizierung von Güte und Menge ist allgemein bekannt, was Inhalt des Handelsobjekts ist.

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An den Warenbörsen (Commodity Trades) werden nicht nur aktuelle Kontingente und Bedarfe abgeglichen, sondern auch zukünftige. Hierbei geht es für Nachfrager darum, sich bereits heute einen Preis für eine zukünftige Lieferung zu sichern, etwa wenn ein Preisanstieg auf Sicht vermutet wird oder Preisrisiken vermindert werden sollen. Umgekehrt geht es für Anbieter darum, sich bereits heute einen Preis zu sichern, wenn ein Preisverfall vermutet wird bzw. Preisrisiken vermindert werden sollen. Dies ist ökonomisch berechtigt. An den Warenbörsen werden aber auch Spekulanten aktiv, d. h. Anbieter und Nachfrager, die gar nicht an einer physischen Versorgung mit Rohstoffen interessiert sind, sondern auf Preisschwankungen zu ihren Gunsten hoffen. Sie kaufen Rohstoffe ohne die Absicht der Abnahme oder verkaufen Rohstoffe, ohne über diese zu verfügen. Für diese Optionsgeschäfte ist jeweils nur ein Einschuss von 10 % der Abschlusssumme erforderlich, so dass sich ein erheblicher Leverage-Effekt auf die Rendite ergibt, aber auch Totalverlust droht. Als weiterer Geschäftstyp wird das Zuliefergeschäft genannt. Hierbei handelt es sich um Komponenten (Halbfertigfabrikate), die im Zuge einer Lieferantenpyramide mit mehreren Tier-Ebenen fortschreitend kundenspezifisch für einen gewerblichen Endabnehmer (OEM) erstellt werden. Es weist daher Elemente sowohl des Produkts- wie des Systemgeschäfts auf. Darüber hinaus gibt es im Wesentlichen das Energiegeschäft (Erzeugung, Verkauf, Verteilung) und das Immobiliengeschäft, die beide durch die Besonderheiten ihrer Marktgegebenheiten gekennzeichnet sind.

15.5 Beschaffungsprozess 15.5.1 Problemerkennung Der industrielle Beschaffungsprozess durchläuft grob die Stufen der Problemerkennung, der Problembeschreibung, der Einkaufstaktikwahl, der Angebots­ einholung, der Angebotsbewertung, der Lieferantenauswahl, des Bestellverfahrens und der Nachkaufzufriedenheit (siehe Abbildung 148: Beschaffungsprozess). Zunächst geht es tatsächlich um das Erkennen eines Problems. Häufig sind sich potenzielle Kunden nicht ihres Bedarfs zur Problemlösung bewusst oder wissen nicht um bessere Lösungen als die, die sie derzeit einsetzen. Dann aber ist ein Verkauf nicht möglich. Also besteht die Notwendigkeit zur Problemweckung bei ihnen. Das bedingt, dass man nicht verkaufen, sondern einen Nutzen vorstellen will. Ist eine Problemerkennung vollzogen, geht es im Regelfall in Auktionsverfahren. Diese sind häufig unternehmensintern, teils sogar gesetzlich, vorgeschrieben. Das Procedere sieht vor, dass zunächst eine einheitliche Auftragsdefinition erfolgt. Diese ist möglichst umfangreich und detailliert, so dass nachher tatsächlich nur die

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Abbildung 148: Beschaffungsprozess

Preise der Anbieter miteinander verglichen werden müssen, da die Leistungsbasis standardisiert ist. Dies ist von großem Nachteil im Industriegütervertrieb, denn die so wichtige persönliche Komponente wird dabei ausgeblendet. Daher muss es das primäre Ziel im Verkauf sein, eine Auktionierung zu vermeiden. Dafür gibt es einige denkbare Konstellationen. Für das ausgeschriebene Industriegut • gibt es einen langjährigen, bewährten Lieferanten, der sich bei geschicktem Agieren mit Präferenz positionieren kann. • gilt, dass es Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unterliegt, die nicht proliferieren sollen. • werden die Ausschreibungsbedingungen so beeinflusst, dass sie dem eigenen Angebot entgegenkommen. • werden Teillose beauftragt, die jedes einzeln unter der betriebsinternen Ausschreibungsgrenze liegen (problematisch). • kann ein alleinstellendes Merkmal hineinargumentiert werden, das eine Monopolisierung des Angebots erlaubt. Dies alles ist aber nur möglich, wenn proaktives Tätigwerden vorliegt, d. h. ein Lieferant schon vor der Ausschreibung einwirken kann. Dies wiederum erfordert einen stetigen Kundenkontakt, am besten vor Ort, denn nur dann hat man die Chance, frühzeitig von solchen Absichten zu erfahren und diese noch zu beeinflussen. Läuft die Ausschreibung erst einmal, ist eine marketingtechnische Beeinflussung kaum mehr möglich. Dann wird der niedrigste Preis zum ausschlaggebenden Kriterium. Industriegüter werden im Geschäftskunden-(Business to Business-)Bereich vermarktet (auch Investitionsgüter oder Technischer Vertrieb). Diese sind durch die Merkmale • Multitemporalität mit oft langen Entscheidungszyklen, • Multioperativität mit vielfältigen, dabei zu erledigenden Aufgaben,

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• Multiorganisationalität mit verschiedenartigen beteiligten Unternehmensein­heiten, • Multipersonalität mit verschiedenen einbezogenen Personen im Unternehmen, charakterisiert. Daraus ergeben sich verschiedene Beschaffungssituationen. Nach dem Neuheitsgrad, dem erforderlichen Informationsbedarf und dem Ausmaß der Auswahlmöglichkeiten können vier mögliche Kaufklassen unterschieden werden: • Beim Erstkauf (New Task) steht der einkaufende Betrieb vor einer völlig neuen Problemstellung, bei der bisherige Erfahrungen wenig helfen. Beim Objekt kann es sich um eine absolute Neuheit, meist jedoch um eine relative Neuheit handeln. Daher werden für gewöhnlich alle Kaufphasen durchlaufen, ansonsten erfolgt dies nur mehr oder minder verkürzt. Ein Erstkauf wird von außerhalb des Unternehmens initiiert oder auf interne Anregung. Es besteht wenig oder keine einschlägige Kauferfahrung und somit ein hoher Informationsbedarf. Daher werden alternative Problemlösungen und Anbieter gesucht und verglichen. Der Kaufanlass tritt unregelmäßig bzw. selten auf, der Kauf hat hohe Bedeutung für nachgelagerte Entscheide. • Beim modifizierten Wiederholungskauf (Modified Rebuy) liegt eine Problemstellung vor, die ihrer Art nach zwar nicht völlig neu ist, jedoch von bisherigen Erkenntnissen abweicht, etwa infolge technischen Fortschritts, Modifikation der Spezifikation, Preisänderung o. Ä. Insofern sind bekannte Kaufoptionenn gegeben, die sich aber seit dem letzten Einkauf geändert haben. Insofern besteht zusätzlicher Informationsbedarf aufgrund interner oder externer Einflüsse. Die Kaufphasen werden aber nur teilweise wieder aufgerollt und durchlaufen. • Beim reinen Wiederholungskauf (Straight Rebuy) liegt ein fortlaufender Bedarf vor, der nach Routinen erledigt wird. Der Entscheid fällt im Einkaufsbereich auf Basis einer expliziten oder impliziten Liste möglicher Lieferanten. Neuen Lieferanten fällt es schwer, dabei berücksichtigt zu werden. Es besteht Kauferfahrung und geringer Informationsbedarf. Kaufobjekt, Preis, Lieferzeit etc. können variieren, bis die Grenze zu einem modifizierten Wiederholungskauf überschritten wird. Hierbei erfolgt nur ein Abgleich, ob sich Änderungen am Objekt, im Umfeld, am Einsatzzweck ergeben haben, falls nicht, wird nach bewährter Form verfahren. • Beim automatisierten Wiederholungskauf (Automatic Task) werden maschinelle Entscheide aufgrund von Indikatoren oder Algorithmen getroffen. Dabei wird kein individueller Kaufentscheid mehr getroffen, sondern innerhalb vordefinierter Kriterien löst der Rechner selbsttätig Käufe aus. Dies erfolgt etwa bei computerisierten Abrufaufträgen innerhalb eines vereinbarten Rahmenvertrags oder für virtuelle Marktplätze bei normierten Artikeln geringer Komplexität, bei denen individuelle Präferenzen keine Rolle spielen. Dazu durchsuchen Agentenprogramme auf Anbieter- oder Nachfragerseite automatisch Marktplätze nach Abschluss­

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chancen und nehmen diese passiv durch bloße Freigabe vom Entscheider oder auch völlig selbstständig in Abhängigkeit vorgegebener Limits wahr. Dies ist bei enger informationeller Vernetzung in der Supply Chain vorzufinden und zunehmend häufiger. Der Preis wird zentral, akquisitorische Einflussnahme wird restringiert, da eine aktive Auseinandersetzung mit dem Kaufakt kaum mehr stattfindet. 15.5.2 Produktbeschreibung Das durch Beschaffung zu lösende Problem wird zumeist in zwei Dimensionen dargestellt: • Das Lastenheft gibt eine objektive (meist technische) Problemdefinition (Was?), für die eine Lösung durch Zukauf gesucht wird. Es geht um die Summe der Anforderungen, Bedürfnisse und Erwartungen an die zu beschaffende Sach- oder Dienstleistung hinsichtlich Liefer- und Leistungsumfang. Dazu gehören die Projektvorstellung, die Beschreibung der Istsituation, die Aufgabenstellung, die Bestimmung der Integration, die technischen Anforderungen, die Anforderungen an Inbetriebnahme / Einsatz, die Qualitätsmaßstäbe, die Projektabwicklung, die Aufwandskalkulation sowie spezifische infrastrukturelle und personelle Forderungen. • Der Pflichtenkatalog enthält die denkbare oder präferierte Lösungskonzeption für das technische Problem (Wie?). Er beschreibt daher die Produkteigenschaften bzw. Produktionsverfahren. Es geht um die Umsetzung der Anforderungen in Produkt- und Prozessparameter unter Beachtung aller Randbedingungen und äußeren Einflüsse für die Entwicklung der Produktion wie Marktsituation, Entwicklungsziel, technische Lösung, Qualität, Einhaltung der Vorschriften / Verordnungen / Gesetze / Normen / Patente, Stückzahlen, Liefertermine, Kosten / Preise, personelle Forderungen etc. Dasjenige Angebot hat die größte Chance, zum Zuge zu kommen, das in seinen Merkmalen der Beschreibung von Lastenheft und / oder Pflichtenkatalog am ehesten entspricht. Die Aktivitäten auf Einkaufsseite sind im Einzelnen davon abhängig, ob es sich bei der zu beschaffenden Sach- oder Dienstleistung um eine solche mit hohem oder niedrigem Kaufrisiko und Gewinneinfluss handelt. Dies wird meist in Form einer Matrix veranschaulicht, wobei folgende Objekte unterschieden werden: • Hebelprodukte weisen ein hohes Beschaffungsrisiko und einen hohen Gewinneinfluss auf. Daher bedarf es abnehmerseitig einer präzisen Bedarfsprognose und sicherer, langfristiger Lieferantenbeziehungen. Maßnahmen sind Global Sourcing, Preisstrukturanalyse, Qualitätssicherung etc. • Engpassprodukte weisen ein hohes Beschaffungsrisiko, aber einen niedrigen Gewinneinfluss auf. Hier geht es in erster Linie um die Mengensicherung des beschafften Artikels, flankiert von Ausweichplänen für den Notfall von Liefer-

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ausfällen. Maßnahmen sind Sicherheitsbestände, langfristige Lieferbeziehungen, Fremdbevorratung, Bedarfsbündelung etc. • Schlüsselprodukte weisen einen hohen Gewinneinfluss, aber ein niedriges Beschaffungsrisiko auf. Hier gilt es, die Einkaufsmacht für günstige Konditionen zu nutzen bzw. den besten Lieferanten zu identifizieren. Maßnahmen sind Beschaffungsmarktforschung, Lieferantenbindung, Verhandlungsvorbereitung etc. • Normalprodukte weisen ein niedriges Beschaffungsrisiko und einen niedrigen Gewinneinfluss auf. Insofern werden abnehmerseitig eine Standardisierung der Artikel und eine Optimierung der Auftragsprozesse angestrebt. Maßnahmen sind E-Procurement, zentrale Einkaufsvereinbarungen etc. Nach den Einsatzschwankungen der Einkaufsobjekte kann in drei Gruppen unterteilt werden (XYZ-Analyse): • X-Artikel sind von stetiger Nachfrage mit nur gelegentlichen Schwankungen. Ihre hohe Vorhersagegenauigkeit erlaubt daher eine verbrauchssynchrone Beschaffung mit geringer Reichweite der Bestände. • Y-Artikel sind von konstant fallender oder steigender Nachfrage (Y1) oder oszillierender Nachfrage (Y2) im Rahmen saisonaler Schwankungen. Sie haben eine mittlere Vorhersagegenauigkeit und erfordern daher eine Vorratsbeschaffung mit hoher Reichweite der Bestände. • Z-Artikel sind von völlig unregelmäßiger Nachfrage. Sie haben daher eine geringe Vorhersagegenauigkeit und erfordern eine bedarfsabhängige Beschaffung mit möglichst geringer Reichweite der Bestände. 15.5.3 Einkaufstaktik Für die konkrete Lieferantenauswahl wird die Vertriebsseite mit verschiedenen Bestelltaktiken konfrontiert. Nach der Anzahl der Lieferanten können dabei folgende unterschieden werden: • Mit Single Sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in jeder Warengruppe auf genau einen Lieferanten festlegt. Dadurch kann vor allem eine willkommene Komplexitätsreduktion erreicht werden. Allerdings entsteht auch ein hohes Maß an Abhängigkeit. • Mit Dual Sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in einer Warengruppe alternierend zweier Lieferanten bedient, meist im Mengenverhältnis ca. 2 : 1. Motiviert ist diese Sourcing-Strategie durch ein Sicherheitsdenken (Fallback Position). Insofern wird ein guter Kompromiss erreicht. • Mit Multiple Sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in jeder Warengruppe mehrerer Lieferanten bedient, die er einem Angebotsvergleich unterzieht, um beim jeweils günstigsten von ihnen zu bestellen. Einerseits wird dadurch Un-

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abhängigkeit gewonnen, andererseits bleibt das Involvement der Lieferanten angesichts deren Konkurrenzsituation begrenzt. • Mit Sole Sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in jeder Warengruppe nur einem Lieferanten gegenübersieht (Angebotsmonopol). Dies ist zwar selten der Fall, aber gelegentlich in der öffentlichen Beschaffung gegeben. Eine weitere Unterscheidung geht vom Raumgebiet, innerhalb dessen ein Beschaffer nach Lieferanten Ausschau hält, aus. Dabei kommt es ebenfalls zu vier Formen: • Beim Global Sourcing erfolgt eine räumlich unbegrenzte, internationale Lieferantensuche durch den Abnehmer. Dies ist sowohl für standardisierte, weithin unkomplizierte als auch hoch spezialisierte, selten angebotene Artikel der Fall. • Beim Local Sourcing erfolgt eine auf den Abnehmerstandort bezogene Lieferantensuche. Das heißt, jeder, auch internationale Standort bestimmt seine Liefe­ ranten unter der Auswahl der im jeweiligen lokalen Umfeld ansässigen. Dies ist ökologisch sinnvoll, ökonomisch aber wenig chancenreich. • Beim Domestic Sourcing werden nur inländische Lieferanten berücksichtigt. Dies ist häufig bei Local Content-Vereinbarungen der Fall, die etwa im jeweiligen Ausland aus Protektionismusgründen vorgegeben werden. Dadurch verengt sich der Kreis potenzieller Lieferanten auf die dort inländischen. • Beim Regional Sourcing werden Lieferanten aus der Länderregion des Abnehmerstammsitzes gewählt. Dies schafft einen guten Kompromiss zwischen einer größeren Auswahl an Lieferanten und vergleichsweise kurzen Wegen bzw. schnellen Zeiten. Nach der Einkaufsabwicklung kann der Einkauf dabei individuell (Individual Sourcing) oder kooperativ erfolgen. Für eine kooperative Auslegung (Cooperative Sourcing) spricht vor allem die Möglichkeit zur Nutzung von Kostendegressionen. Wenn mehrere Abnehmer ihr jeweiliges Abnahmevolumen poolen (Einkaufsverband), können sie potenziellen Lieferanten gegenüber ihre Einkaufsmacht erhöhen. Immer stärker spielen auch Internet-Marktplätze für standardisierbare Waren eine Rolle (Marketplace Sourcing) sowie Warenbörsen (Market Event Sourcing). Nach dem Grad der Verschränkung in der Lieferkette sind in fortgeschrittenen Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen bereits vom Lieferanten administrierte Bestellungen üblich (Vendor Managed Inventory). Eine Mischform stellen Co-­ Managed Inventories dar. Stock Sourcing bedeutet den Einkauf auf Lager. Soll eine unnötige Lagerbildung vermieden werden, ist ein Realtime Sourcing möglich. Dabei stellt der Lieferant die zeitgetreue Anlieferung der bestellten Ware sicher, so dass der Abnehmer immer nur soviel Vorrat benötigt, wie für die Fortführung des unmittelbar anstehenden Geschäfts erforderlich. Dies verringert entscheidend seine Kapitalbindung. Die dabei entstehende Komplexität geht häufig zu Lasten des Lieferanten.

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Konsignations-Sourcing bedeutet, dass gelieferte Ware solange im Eigentum des Lieferanten verbleibt („Konsi-Ware“), bis der Abnehmer sie durch Lagerabruf braucht. Dann geht das Eigentum automatisch zu vorab festgelegten Bedingungen über und eine Rechnung wird fällig. Der Vorteil für den Abnehmer liegt in den vermiedenen Kapitalbindungskosten im Lager sowie in der sofortigen Nachschubmöglichkeit. Wesentliche Dispositionsziele sind dabei im Einzelnen eine hohe Versorgungssicherheit, eine ausgezeichnete Qualität, niedrige Einstandkosten und eine große Nachhaltigkeit. 15.5.4 Angebotseinholung In der Anfragephase konkretisiert sich das Auftragsszenario weiter. Dabei sind mehrere Entscheidungen erforderlich: • Die Budgetentscheidung bestimmt, welche Anschaffungen überhaupt finanzierbar sind. Dies kann durch laufende Mittel und / oder auch durch Finanzierungsmaßnahmen der Anbieter unterlegt sein. • Die Produktgruppenentscheidung bestimmt, welche Anschaffungen am dringlichsten durchzuführen sind. Denn naturgemäß reichen die Finanzmittel nicht zur Durchführung aller Beschaffungen aus. • Die Lieferantenentscheidung bestimmt, welche Lieferanten für die jeweiligen Anschaffungen ins Auge gefasst werden. Nur unter diesen fällt letztlich die engere Auswahl. • Die Mengenentscheidung bestimmt, welche Beschaffungsvolumina jeweils notwendig sind. Dabei wird aus Konditionengründen zumeist eine Regelung über Rahmenverträge gesucht, die eine lieferantenseitige Kommissionierung von Waren (Vorfinanzierung) oder eine Sukzessivlieferung vorsehen. • Die Zeitentscheidung bestimmt, wann die Lieferungen jeweils zu erfolgen haben. Dabei wird im Regelfall eine bedarfssynchrone Lieferung vereinbart, bei der Produkte exakt zu dem Zeitpunkt bereitgestellt werden, zu dem sie erforderlich sind (J-i-T). Häufig ist mit der Anfrage bereits eine Durchführbarkeitsplanung (Feasibility Study) verbunden. Diese bezieht sich darauf, wie ein potenzieller Lieferant die angefragte Leistung zu erstellen gedenkt. Dabei werden die erforderlichen Ressourcen berücksichtigt, das notwendige Know-how, die Vorkehrungen in der Organisation, die Vorhaltung entsprechender Kapazitäten etc. Dazu sind ggf. Anbietergemeinschaften sinnvoll. Wegen der komplizierten Pflichten und Rechte dort ist deren gründliche juristische Absicherung unerlässlich. Meist kann jedoch die Leistungsfähigkeit des gesamten Angebots durch die Einbindung gegenüber Kooperationspartnern entscheidend erhöht werden.

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Sofern es gelingt, Produkte entsprechend Normen zu definieren, steht auch E-Procurement zur Auswahl bereit. Vor allem im B-t-B-Bereich können durch Internet-Marktplätze vorwiegend Wartungs- und Reparaturleistungen (Kundendienste) sowie Betriebsstoffe und indirekte Produkte gehandelt werden (MROProdukte), weiterhin C-Produkte (geringer Wertanteil im Beschaffungsbudget) und natürlich digitale Produkte. Zwischenzeitlich geht es selbst bei Routinebeschaffungen nicht mehr ohne mindestens dreifache Ausschreibung (Triple Pitch). Dies gilt erst recht bei öffentlichen Institutionen, zumal dabei formalisierte Vergabeverfahren hinzukommen (nach LSP, VPöA). Die Bestandteile eines Angebots sind im Einzelnen umfangreich und teilen sich in Anschreiben, Kernteil und Anlagen auf. Das Anschreiben enthält den Adressaten der Anfrage (Name, Funktion, Position), die Anfragenummer, den Bezug der Anfrage und die Art des Angebots. Häufig wird auch eine spätere Kontaktaufnahme („Wiedervorlage“) avisiert. Der Kernteil des Angebots umfasst eine Reihe von Inhalten wie folgt: – die einzelnen Angebotspositionen nach Menge, Material, Art, Güte, Handelsklasse etc., – evtl. eine Alternativlösung zur angefragten Leistung, wenn dies argumentiert werden kann, jedoch nicht bei Preisbietungsverfahren, – die technische Lösung, die sich laut Pflichtenkatalog ergibt, vor allem auch der Nachweis der Integration in die bestehende technische, informationelle und organisatorische Infrastruktur, – begleitende Dienstleistungen (Kundendienste), die angeboten werden, dabei ist zu klären, ob diese entgeltlich und / oder durch Dritte (Third Party) erbracht werden, – genaue Spezifikationen der Leistungsdetails, vor allem Einhaltung der vorge­ gebenen Normen und Standards, – Voraussetzungen für die Inbetriebnahme und Abnahme, – Erfüllungsort und Gerichtsstand, beides relevant für den Eigentums- und Gefahrenübergang, – genauer Preis pro Leistungseinheit nach Abzug aller Nachlässe und Berücksichtigung aller Zuschläge, – Lieferzeitpunkt/-frist incl. Zwischenterminen, evtl. auch mit Lieferung auf Abruf, – inkludierte Nebenleistungen wie Verpackung, Verzollung, Versicherung, Kauffolgekosten etc., – anzuwendendes Recht, vor allem im internationalen Geschäft, ggf. Schiedsgerichtsvereinbarung bzw. Mediationsverfahren und salvatorische Klausel zur Wirksamkeit des Vertrags,

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– Zahlungs- und Lieferungsbedingungen, evtl. standardisiert (nach Incoterms im internationalen Geschäft), – gegenseitige Informations- und Dokumentationspflichten bzw. -rechte, – vertragliche Haftungsbedingungen und Gewährleistungsrechte, – Kreditbedingungen bei Absatzfinanzierung und korrespondierende Sicherungsklauseln, – Geheimhaltungsverpflichtungen für beide Parteien (Non Disclosure Agreement), – Rücktritts- und Kündigungsmöglichkeiten vom Vertrag, – Regelungen im Falle von Leistungsstörungen, insb. Vertragsstrafen / Pönale. Die Anlagen betreffen obligatorische ergänzende Inhalte wie technische Zeichnungen (CAD), Muster oder Abbildungen zur Spezifikation der Leistung. Weiterhin sind Prospekte und Referenzlisten sowie bei komplexen Projekten eine Wirtschaftlichkeitsberechnung zu erwarten. 15.5.5 Angebotsbewertung Nach Abgabe der Angebote werden diese beim Beschaffer kollektiert, formal auf Vollständigkeit und Aussagefähigkeit hin geprüft und abgeglichen. Materiell werden unterschiedliche Bewertungskriterien angelegt, die unternehmensindividuell sind und sich aus den Anfrageinhalten ergeben. Dabei lassen sich im Einzelnen mindestens fünf Teilrisiken ausmachen: • Das Qualitätsrisiko beinhaltet die Ungewissheit, ob das angebotene Produkt den Erwartungen und Anforderungen im Hinblick auf seine objektive (meist technische) Problemlösungsfähigkeit entspricht. Hier sind aussagefähige Funktionsnachweise hilfreich, welche die Zweckeignung der Problemlösung belegen. • Das Herstellerrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers hinsichtlich der fachlichen Qualifikation und Zuverlässigkeit des Lieferanten. Daher sind vertrauenswürdige Informationen über den Anbieter erforderlich, z. B. Branchenstellung, Betriebserfahrung, Anerkennung im Markt (Reputation). • Das Preisrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers darüber, einen unangemessen hohen Preis für das ihm angebotene Produkt zu zahlen. Hier wird Risikoreduktion angestrebt, etwa durch Preisstrukturanalyse oder aussagefähige Preisvergleiche. • Das Informationsrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers, nicht über das erforderliche Maß an Informationen zur Bewertung angebotener Lösungen zu verfügen. Ein Übermaß an Information ist ebenso schädlich wie ein Zurückhalten als relevant angesehener Informationen.

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• Das Sozialrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers darüber, wie der Kaufentscheid in seinem sozialen (privaten oder beruflichen) Umfeld aufgenommen wird. Hier wirken Referenzen risikoreduzierend, die als Vergleichsmaßstab für die Tauglichkeit eines Angebots dienen. Eine Risikoreduktion seitens der Nachfrager kann sich auf folgende Absichten beziehen: • Reduktion externer Ungewissheiten wie z. B. Besichtigung einer Referenzanlage des Anbieters, • Reduktion interner Ungewissheiten wie z. B. durch Kontaktaufnahme zu anderen Kunden des Anbieters, • Begrenzung externer Konsequenzen wie z. B. durch Order Splitting auf zwei oder mehr Lieferanten, • Begrenzung interner Konsequenzen wie z. B. durch organisatorische Verantwortungsdelegation auf Vorgesetzte oder Gremien. Im Fall kooperativer Entwicklung ist auch die Fähigkeit eines Lieferanten zur Vorentwicklung von Bedeutung. Darunter versteht man den Funktionsnachweis einer geforderten technischen Problemlösung und die Umsetzung in Form eines Musters (Prototyping). Darüber hinaus ist auch die Prüfung der Produktionsverfahren wichtig. Nur so ist gewährleistet, dass die alles entscheidende, unzweifelhaft hohe Qualität bereits im Serienanlauf eines Prozesses bzw. unmittelbar nach Lieferantenwechsel gewährleistet ist. Dies bedeutet zwar erhebliche Vorinvestitionen seitens des Lieferanten, dafür winkt ihm jedoch bei erfolgreichem Abschluss ein Dauerliefervertrag (Lifetime Contract) mit pauschaliert zugesicherten Mindestabnahmemengen. Zur Verfeinerung werden die einzelnen Angebotsattribute meist einem Bewertungsverfahren unterzogen. Werden dabei nur quantitative Kriterien zugrunde gelegt, handelt es sich um ein Scoring. Entscheidend ist hier die Berücksichtigung / Nichtberücksichtigung oder auch graduelle Gewichtung relevanter Kriterien. Häufig sind es aber gerade qualitative Kriterien, die für eine Auftragserteilung ausschlaggebend sind. Dann ist es für Beschaffer erforderlich, diese im Rahmen der Angebotsbewertung zunächst zu quantifizieren. Dies erfolgt über eine Nutzwertanalyse. Dabei werden vordefinierten Ausprägungsspannen qualitativer Kriterien Punktzahlen zugeordnet, die dann für jedes Angebot addiert werden. Nicht selten wird dabei allerdings eine Scheingenauigkeit vorgespiegelt.

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15.5.6 Lieferantenauswahl Neben der Klassierung spielt auch der Lieferantenstatus eines Anbieters im Einkauf eine wichtige Rolle. Dabei werden zumeist vier Klassen (ABCD-Analyse) unterschieden: • A-Lieferanten sind solche, für die aus Abnehmersicht anderweitig keine wirklich akzeptable Alternative am Markt zu finden ist. Insofern nimmt der Lieferant hier eine starke Position ein. • B-Lieferanten sind solche, für die aus Abnehmersicht immerhin Alternativen am Markt bereits vorhanden sind oder herangezogen werden können, auf die jedoch zumindest nicht unmittelbar ausgewichen werden kann. • C-Lieferanten sind solche, die aus Abnehmersicht in ihrer Leistung austauschbar zu vielfältigen anderen am Markt sind. Daher befinden sich Lieferanten hier in einer ausgesprochen schwachen Position. Insofern treten Preise und Konditionen in den Vordergrund. • D-Lieferanten sind schließlich solche, die aus Abnehmersicht als nicht leistungsfähig genug angesehen werden, die Lieferantenbewertung ist negativ, prozessuale Schnittstellen werden aufgegeben, der Lieferant früher oder später ausgelistet. Im Zuge der Anbieterauswahl wird als erste Vereinbarung häufig ein Letter of Intent (LoI) abgeschlossen. Er ist informeller Natur und in seinem Inhalt noch unverbindlich. Zumeist dauert die Ausarbeitung vertraglicher Details noch so lange, dass dem Beschaffer zur Beschleunigung der Geschäftsprozesse daran gelegen ist, diese Absichtserklärung zu geben. Außerdem stellt der LoI dem Lieferanten sicher, dass ihm Aufwendungen, die er zur Vorbereitung der Geschäftsabwicklung ab Unterzeichnung eines LoI tätigt, vom Abnehmer auch ersetzt werden, falls es letztlich aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, doch nicht zum Geschäftsabschluss kommt. Am Ende der Verhandlungen steht eine Lieferantenvereinbarung, die, im Unterschied zur Absichtserklärung, formal verbindlich und ausführlich ausgelegt ist. Darin werden über die rein juristischen Vertragsinhalte hinaus vor allem Anhaltspunkte zur prozessualen Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Abnehmer fixiert. Dies ist für Beschaffer umso bedeutsamer, je mehr ihr eigener Markterfolg vom Funktionieren der Lieferanten abhängig ist, also bei geringer Fertigungstiefe. Die Ausgestaltung der Inhalte hängt im Einzelnen von der relativen Verhandlungsmacht und dem Geschick der Beteiligten ab. Von Bedeutung ist dabei vor allem eine unvermeidliche Informationsasymmetrie zwischen Beschaffer und Lieferant, denn der Lieferant weiß zunächst sehr wohl, wie er zu leisten gedenkt, der Beschaffer aber kann nur hoffen, dass der Lieferant sich an seine Bekundungen hält (etwa durch Garantiezahlung besichert). Umgekehrt weiß der Beschaffer später sehr wohl, wie sein Zahlungsverhalten aus-

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fällt, der Lieferant hingegen kann nur hoffen, dass seine Forderung nach Leistung auch beglichen wird (etwa durch Zahlungsbedingungen besichert). Beide Seiten haben somit ein Interesse daran, Sicherheit zu gewinnen. Dies geschieht vor allem durch Anreize, die jedem Partner in Aussicht gestellt werden, wenn er sich an seine Zusagen hält (z. B. Skonto bei vorzeitiger Zahlung) und Beiträge, die jeder Partner leisten muss, wenn er sich nicht an seine Zusagen hält (z. B. Anfallen von Vertragsstrafen). Nur wenn Anreize bzw. Beiträge größer sind als die Ausnutzung eines spezifischen Informationsvorsprungs (opportunistisches Verhalten), wird die Transaktion funktional ablaufen. Letztlich geht es dem Beschaffer um die gleichzeitige Erfüllung von vier Anspruchsgrößen: Preis, Qualität, Zeit und Individualität. In Bezug auf den Preis ist es naturgemäß sein Ziel, den niedrigstmöglichen Preis für ein Einkaufsobjekt zu realisieren. Zugleich ist es sein Ziel, dafür die höchstmögliche Qualität zu realisieren. Die gleichzeitige Umsetzung beider Ziele führt zum günstigsten PreisQualitäts-Verhältnis. Dabei ist die Zeit als immer wichtigerer Leistungsparameter anzusehen, so dass Zeitvorteile ein bedeutsames Argument sind. Weiterhin ist es unerlässlich, mit einem Partner zusammenzuarbeiten, der in der Lage ist, individuell passende Problemlösungen maßzuschneidern (Customization). 15.5.7 Bestellverfahren Vor allem für Verbrauchsgüter ist die Durchführung des Bestellverfahrens in der Kaufabwicklungsphase von zentraler Bedeutung. Darauf wirken insb. die Beschaffungszeit, also die Zeitspanne zwischen Auftragserteilung und tatsächlicher Verfügbarkeit bestellter Waren, und die Einhaltung optimaler Bestellmengen, also die Minimierung der Kapitalbindungskosten bei gegebenem Servicegrad, ein. Am bekanntesten ist hier die Andler’sche Formel, die Bedarfsmengen, Bestellkosten, Einstandspreise und Lagerhaltungskosten berücksichtigt. Tatsächlich wirken aber auch Boni, Verwaltungskosten, Bedarfsschwankungen und Transportkosten darauf ein. Insofern kann das Ergebnis nur als Anhaltspunkt gelten. Neben der Menge geht es um die Bestimmung der optimalen Beschaffungstermine. Zur Lösung gibt es verschiedene Bestelldoktrinen: • Beim Bestellpunktverfahren wird zu einem jeweils veränderlichen Liefertermin disponiert. Der Bestellpunkt ist diejenige Menge, bei der eine Beschaffung ausgelöst wird. Dann wird eine feste oder variable Menge bestellt: – Bei der s,q-Technik wird eine konstante Bestellmenge disponiert, die jeweils bei individueller Mindestbestandsunterschreitung ausgelöst wird (Bestellpunkt-Bestellmengen-Verfahren). – Bei der s,S-Technik wird eine veränderliche Bestellmenge disponiert, die jeweils bei individueller Mindestbestandsunterschreitung ausgelöst wird (Bestellpunkt-Grundbestands-Verfahren).

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• Beim Kontrollpunktverfahren wird ein Auffülltermin bestimmt, der abhängig vom Meldebestand ist. Dann wird eine feste oder variable Menge aufgefüllt: – Bei der t,s,q-Technik wird eine konstante Bestellmenge disponiert, die bei intervallbezogener Prüfung des Mindestbestands ausgelöst wird (BestellpunktBestellmengen-Zeitintervall-Verfahren). – Bei der t,s,S-Technik wird eine veränderliche Bestellmenge disponiert, die bei intervallbezogener Prüfung des Mindestbestands ausgelöst wird (Bestellpunkt-Grundbestands-Zeitintervall-Verfahren). • Beim Bestellrhythmusverfahren wird zu einem festen Liefertermin disponiert. Der Bestellrhythmus ist derjenige Intervall, der zwischen den Bestellprüfungen bzw. -auslösungen liegt. Wird wiederum jeweils bis zum Grundbestand aufgefüllt, ergeben sich folgende Techniken: – Bei der t,q-Technik wird zu einem festen Zeitpunkt eine konstante Bestellmenge bei Unterschreitung des Mindestbestands disponiert (BestellrhythmusBestellmengen-Verfahren). – Bei der t,S-Technik wird zu einem festen Zeitpunkt eine veränderliche Bestellmenge bei Unterschreitung des Mindestbestands disponiert (BestellrhythmusGrundbestands-Verfahren). Ziel dieser Verfahren ist es jeweils, die Fehlmengenkosten, d. h. die Opportunitätskosten aufgrund nicht realisierter, abrechenbarer Leistungen der beschaffenden Unternehmung, zu minimieren. Dabei entsteht allerdings ein Zielkonflikt derart, dass diese Minimierung zum Aufbau hoher Kapitalbindung im Umlaufvermögen führt. Gerade diese ist aber zu Zeiten von Lean Production nicht tolerierbar. Daher ist eine Optimierung beider Kostenverläufe im Gesamtkostenminimum erforderlich. 15.5.8 Nachkaufzufriedenheit Für die Retrospektive sind einige wichtige Inhalte zu berücksichtigen. Von zentraler Bedeutung ist die Kundenzufriedenheit. Dabei stellen sich vor allem zwei Fragen: Was genau hat man unter Kundenzufriedenheit zu verstehen? Und wie kann diese gemessen werden? Hinsichtlich des Inhalts der Kundenzufriedenheit besteht heute Konsens dahingehend, dass diese aus dem Vergleich der vorgelagerten Erwartung einer Person / Organisation an eine Transaktion mit dem eingetretenen Erlebnis der Transaktion besteht. Eine positive Differenz (Erwartung < Erlebnis) wird als Begeisterung interpretiert, eine negative (Erwartung > Erlebnis) als Enttäuschung. Enttäuschungen gilt es naturgemäß auf jeden Fall zu vermeiden. Dabei hilft es, im Vorfeld die Erwartungen nicht unnötig hoch zu schrauben, denn desto wahrscheinlicher wird eine Unterdeckung, aber auch nicht unnötig tief zu stapeln, denn das kann die Einleitung einer Transaktion verhindern. Zufriedenheit

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entsteht, wenn das geleistet wird, was versprochen wurde. Auch eine Übererfüllung der Erwartungen ist nicht ratsam, da man zwar für den Moment den Kunden begeistert, dieses Erlebnis einer Transaktion aber in seine Erwartung der Folgetransaktion als Maßstab eingeht und dann, selbst bei gleich toller Leistung, Unzufriedenheit entsteht. Dies ist deshalb problematisch, weil Unzufriedenheit ein wesentlicher Grund für Kundenabwanderung ist. Das bedeutet aber, dass das Begeistern eines Kunden von heute schon übermorgen dazu führen kann, dass dieser enttäuscht zum Mitbewerb abwandert. Entsprechen Erwartung und Erlebnis aber einander, ist Kundenzufriedenheit gegeben und die Wahrscheinlichkeit für Kundentreue hoch, da jeder Wechsel schließlich das Risiko einer Verschlechterung der Bilanz birgt. Woraus sich die Frage ergibt, wie man die Kundenzufriedenheit aussagefähig messen kann. Hier stellt sich das Problem, dass es sich dabei um ein hypothetisches Konstrukt handelt, also einen inneren Vorgang des Menschen, der von außen nicht zuverlässig und gültig erkennbar ist. Insofern sind objektive Zufriedenheitsindikatoren wie Umsatz unergiebig. Vielmehr gilt es, nach subjektiven Indikatoren zu suchen, die eng mit diesem Konstrukt korrelieren, aber im Unterschied zu diesem für Dritte erfassbar sind. Um welche Indikatoren es sich zweckmäßigerweise dabei handelt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Einfach ist die offene Abfrage nach dem Zufriedenheitsgrad, jedoch sind dabei zahlreiche Verzerrungen der Meinungsäußerung zu unterstellen wie Überforderung, falsches Verständnis, soziale Erwünschtheit, EgoInvolvement etc., die an der Aussagefähigkeit stark zweifeln lassen. Dies ist problematisch, weil gerade diese scheinbar einfache Form der Erhebung weit verbreitet angewendet wird und dann die Basis für kundenorientierte Entscheidungen bildet. Weitaus aussagefähiger als der explorative Ansatz sind merkmalsorientierte Ansätze. Diese verzichten wegen der Probleme auf die Erfassung der Zufriedenheit, sondern heben auf Charakteristika der Angebotsleistung und deren spezifische Wahrnehmung durch Kunden ab. Ereignisorientierte Ansätze machen an als bedeutsam angesehenen Interaktionen zwischen Nachfrager und Anbieter fest, und problemorientierte nur an solchen, die negativ herausgehoben sind.

16. Dienstleistungsvertrieb Innerhalb der drei gesamtwirtschaftlichen Sektoren ist der tertiäre Sektor der Dienstleistungen in hoch entwickelten Volkswirtschaften der mit Abstand größte. Je nach Messung liegt er hierzulande bei gut über 70 % in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bzw. knapp 75 % in Bezug auf die Beschäftigtenzahl. Dennoch stilisiert sich Deutschland immer noch als Industrieland, obgleich dies bei ausgeprägten Standortnachteilen immer weniger wettbewerbsfähig wirkt (ca. 26 % des BIP, ca. 24 % der Beschäftigten).

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Dienstleistungen sind Konsumgüter oder Industriegüter. Sie zeichnen erhebliche Besonderheiten aus, die im Folgenden kurz dargestellt werden. Vor allem werden Dienstleistungen zuerst verkauft und dann erst produziert, sind also in hohem Maße vertriebsrelevant. Insofern stellen sich hier besondere Herausforderungen. Dienstleistungen weisen gegenüber Sachleistungen relevante Spezifika auf (16.1). Innerhalb des Vertriebs hat dies Auswirkungen auf die akquisitorische Verfügbarkeit (16.2) sowohl als auch die logistische Verfügbarkeit (16.3).

16.1 Besonderheiten von Dienstleistungen Dienstleistungen sind vor allem durch drei Merkmale gekennzeichnet. Erstens durch ihr Ergebnis, d. h. die geldwerte Leistung, zweitens durch ihren Prozess, d. h. die zeitsynchrone Interaktion mit Kunden (auch Externer Faktor) und drittens durch ihr Potenzial, d. h. die abrufbare Leistungsbereitschaft. Alle drei Merkmale treffen aber isoliert auch auf Sachleistungen zu, in Kombination sind sie jedoch in der Lage, Dienstleistungen trennscharf abzugrenzen. Dienstleistungen sind also marktfähige Verrichtungen und Leistungsbereitschaften am Externen Faktor. Sie resultieren kumulativ aus der Bereitstellung interner Leistungspotenziale, der Durchführung kundenintegrierender Leistungsprozesse und dem Angebot immaterieller Leistungsergebnisse. Das Merkmal der Intangibilität ergibt sich aus der Nichtfassbarkeit (Immaterialität) von Dienstleistungen. Dies erschwert die Realisierung von Erlösen am Markt, denn vergütet wird nur, was wahrnehmbar ist. Daher bedarf es meist der Tangibilisierung, mindestens aber der Inszenierung von Dienstleistungen zu ihrer Honorierbarkeit. Dafür gibt es mehrere Ansatzpunkte, so die physische Präsenz der Leistungsumgebung, die Arbeitsmittel im Verfügungsbereich des Dienstleisters oder die Kennzeichnung der Leistungsobjekte (intern oder extern) sowie der Dienstleistungssubjekte (intern oder extern). Die Tangibilisierung erfolgt durch unterschiedlichste Formen physischer „Placebos“. Häufig ist es selbst dann schwierig, die Leistung zutreffend einzuschätzen, da es sich weitgehend um Vertrauenseigenschaften handelt, also solche, die erst im Nachhinein beurteilt werden können. Denn bei Dienstleistungen geschieht der Verkauf / Kauf zeitlich vor der Produktion / ​ Endkombination, bei Sachleistungen jedoch regelmäßig erst danach. Die Intangibilität hat zwei konkrete Konsequenzen, zum einen die Nichtlager­ fähigkeit und zum anderen die Nichttransportfähigkeit von Dienstleistungen. Durch den zeitlichen Zusammenfall von endgültiger Angebotsproduktion und Nachfragekonsumtion sind Dienstleistungen in ihrem Arbeitsanfall fremdbestimmt. Deshalb muss bei schwankender Nachfrage stets eine hohe Leistungs­ bereitschaft vorgehalten werden, um Dienste in vertretbarer Frist auf hohem Niveau anbieten zu können. Daraus ergibt sich eine starke Fixkostenbelastung. Dem kann nur durch hohe sachliche, räumliche, zeitliche und personelle Flexibilität

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entgegengewirkt werden, die jedoch angesichts menschlicher Arbeitsleistung durch vielfältige Restriktionen sozialpolitisch beschnitten ist. Insofern ist eine schwierige Gratwanderung erforderlich. Daher wird zunehmend versucht, anstelle der Leistungsbereitstellung, also der Angebotskomponente, die Leistungsinanspruchnahme, also die Nachfragekomponente, zu steuern. Es handelt sich dann um das Yield Management als kapazitätsgesteuerter Nachfragelenkung und Sonderform der (variablen) zeitlichen Preisdifferenzierung. Außerdem gibt es die Möglichkeit der Veredelung von Dienstleistungen. Dies erfolgt durch Speicherung der Leistung auf Datenträger. Dadurch wird die Nichtlagerfähigkeit überwunden, damit verliert die Leistung aber zugleich auch ein konstitutives Kennzeichnung von Services und wird womöglich zur Sachleistung. Das gleiche gilt für die Übertragung in Datenleitungen. Dadurch wird die Nichttransportfähigkeit überwunden. Während die Vorkombination der internen Faktoren noch an beliebigem Ort stattfinden kann, ist die Endkombination mit dem Externen Faktor an dessen physische Präsenz gebunden. Nur wo Kundenbedürfnis und Leistungsangebot zeitlich und räumlich zusammentreffen, entsteht Umsatz. Durch das starre Angebot sind Nachfrager aber darin unsicher, ob sie anlässlich ihrer individuell gewünschten Endkombination zum Zuge kommen oder der Kapazitätsrestriktion des Anbieters zum Opfer fallen. Umgekehrt ist der Anbieter unsicher darin, wie er seine Kapazität steuern soll. Abhilfe für beide Seiten schaffen hier Anrechtsbelege. Nachfrager können sicher sein, dass ihr Begehren auf Leistungsabnahme innerhalb der Kapazitätsrestriktion des Anbieters liegt, sie also in den Genuss der gewünschten Dienstleistung kommen. Anbieter können sicher kalkulieren, auf welches Ausmaß an Nachfrage sie sich einzustellen haben. Ist absehbar, dass die Leistungskapazität von der Nachfrage nicht ausgeschöpft wird, kann versucht werden, die Nachfrage zu stimulieren, z. B. über Preisnachlass, Werbung, oder die Kapazität zu begren- zen, um Fixkosten bei der Vorkombination einzusparen. Unterbleibt die Endkombination ganz, gehen auch die Kosten der Vorkombination unter. Wird die für die Endkombination bereitgestellte Leistungskapazität von der Nachfrage überausgeschöpft, kann versucht werden, Nachfrage zu verdrängen, z. B. über Aufpreis (Peakload Pricing) oder die Kapazität zumindest kurzfristig zu erhöhen. Anrechtsbelege müssen eine feste Zusage für die Leistungserstellung in der Endkombination verbriefen, sie sind handelbar, es sei denn, sie sind an eine bestimmte Person gebunden, und unterliegen Wertschwankungen als eine Form des Wertpapiers. Evtl. können sie zurückgegeben oder gegen ein anderes Anrecht getauscht werden. Auch dadurch verlieren sie ihren Dienstleistungscharakter, nicht hingegen verliert die verbriefte Leistung ihren Dienstecharakter. Die Integration des Externen Faktors ist erforderlich, weil dieser nur raumzeitlich begrenzt in den Verfügungsbereich des Dienstleisters gelangt, um einen gewünschten Zustand zu erhalten oder wiederherzustellen, bestimmte Eigenschaften zu schaffen bzw. zu verändern oder Verrichtungen an ihm vorzunehmen. Der Externe Faktor ist vom Dienstleister nicht autonom disponierbar. Externer Faktor

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ist zumeist der Kunde als Person oder eine Sache in seinem Besitz / Eigentum (beigestelltes Produkt). Daher ist im Dienstleistungsbereich eine markthonorierte Produktion ohne Kundenbeteiligung nicht möglich, im Unterschied zu Sachleistungen, die gänzlich ohne Kundenbeteiligung produziert werden können. Sachleistungen werden zuerst produziert, dann zwischengelagert und anschließend verkauft und ver-/gebraucht. Dienstleistungen hingegen werden zuerst verkauft und anschließend zeitgleich produziert und konsumiert. Dienste sind also personen- und kundenpräsenzgebunden, d. h., sie werden für und unter Beteiligung jedes Kunden erbracht. Der Kunde ist also Co-Produzent (Prosumer). Die Qualität der Dienstleistung hängt demnach auch von der Kooperationsfähigkeit und -willigkeit der Nachfrager ab, d. h., je besser diese Interaktion gelingt, desto höher wird die Qualität des Ergebnisses sein. Wenn es gelingt, den Externen Faktor zu lagern bzw. zu transportieren, ist eine Leistungserstellung nach betriebsgesteuerten Maßgaben möglich. Dies ist jedoch abhängig von der Mobilität und der Zeitpräferenz der Kunden. Sind diese nicht gegeben, was häufig der Fall ist, bleibt nur eine Veredelung der Leistungen als Möglichkeit, wodurch diese ihren Dienstecharakter allerdings womöglich verlieren. Dafür wird eine gewisse Unabhängigkeit von der Nachfrage erreicht und damit wieder eine effiziente, gezielte Kapazitätsnutzung darstellbar. Ein weiteres Kennzeichen von Dienstleistungen ist ihre Individualität, denn da sie immer unter Beteiligung von Kunden bzw. deren Objekten stattfinden, sind ist auch immer so individuell wie diese Kunden bzw. deren Objekte. Die jeweiligen Veränderungen bedingen eine entsprechende Vorbereitung (Rüstzeiten) und Durchführung (Maßschneiderung) der Dienstleistung, welche die Einhaltung hoher Effizienz in der Erstellung erschwert, z. B. durch Konzeptplanung, Mittelbereitstellung, Mitteleinstellung, Nachbereitung etc. Insofern ist ein Zielkonflikt zwischen der hohen Rentabilität eines standardisierten Leistungsangebots bei allerdings geringerer Akquisitionswirkung und der geringen Rentabilität eines individualisierten Angebots bei höherer Akquisitionswirkung gegeben. Dies ist durch zwei Strategien auflösbar, einerseits durch Weiterwälzung der entstehenden Kosten auf Kunden, was jedoch angesichts harter Wettbewerbsbedingungen zunehmend erschwert wird, und andererseits durch zumindest teilweise Standardisierung der Leistungserstellung (Industrialization of Services). Für eine solche Standardisierung gibt es mehrere Ansätze: • Erstens kann eine Standardisierung des (Sach- und Human-)Potenzials angestrebt werden. Die Standardisierung der Sachanlagen kommt durch strikte Eingangsprüfung eingesetzter Arbeitsmittel und Null-Fehler-Toleranz für Zulieferteile zustande. Die Standardisierung des Humankapitals erfolgt durch Auswahl und Bewertung bei der Mitarbeiterbeschaffung sowie durch Qualifizierung förderungswürdiger Mitarbeitender. Dennoch bleiben erhebliche Streuungen in der Leistungserstellung bestehen. Im Übrigen kommt es auch weniger auf das Potenzial als vielmehr auf die tatsächliche Leistungserstellung an.

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• Daher ist zweitens eine Standardisierung der Prozesse sinnvoll. Dies betrifft die Art und Weise der Leistungserstellung. Dazu ist eine Qualitätssteuerung, wie sie im Rahmen des Qualitätsmanagements angestrebt wird, hilfreich. Allerdings ist dabei die Balance zur Motivation als Leistungsanreiz der Mitarbeitenden pro­ blematisch, denn oft sind motivierender Gestaltungsspielraum bei der Arbeit und strenge Vorgaben zur Reglementierung konfliktär. • Drittens ist eine Standardisierung der Ergebnisse durchzuführen. Dabei wird anhand einer Checklist festgeschrieben, wie genau diejenige Leistung „auszusehen“ hat, die den vom Anbieter selbst gesetzten oder von Nachfragern vorgegebenen Standards genügt. Bei einer negativen Abweichung ist es allerdings im Einzelfall oftmals bereits zu spät, so dass Wiedergutmachung erforderlich wird. Ebenso stellt sich ein Problem in der operationalen Messung der Dienstleistungsqualität, denn dabei kommt es ausschließlich auf die Sicht des Nachfragers an. Gleichzeitig soll kostentreibende Überqualität vermieden werden, erst recht, wenn sie von Nachfragern nicht honoriert wird. • Viertens kann auch eine Standardisierung des Externen Faktors angestrebt werden. Dies gelingt ansatzweise durch Normierung der Kundenerwartungen. Je feinteiliger Märkte segmentiert werden, desto eher kommt es zu deren Homogenität. Wegen des Vertrauensgutcharakters von Dienstleistungen spielt dabei die Anbieterkommunikation eine große Rolle. Werden darin bestimmte Qualitätserlebnisse versprochen, so ist hochwahrscheinlich, dass auf diese Botschaft nur solche Personen reflektieren, die in ihren Qualitätserwartungen damit übereinstimmen, deren Qualitätserlebnis also Zufriedenheit evoziert. Allerdings wird damit auch das Marktpotenzial eingeengt, was wiederum Angebotsdifferenzierung bedingt, wobei die Gefahr der Kannibalisierung entsteht, wenn es nicht gelingt, die Segmente gegeneinander abzuschotten (Fencing). • Und fünftens ist schließlich eine Standardisierung der situativen Faktoren denkbar, also vom Ort der Leistungserstellung (s. u.), von der Zeit der Leistungserstellung (s. u.) und von den eingesetzten Arbeitsmitteln. So können die einzelnen Leistungen hinsichtlich der Gleichheit ihrer Arbeitsmittel angeordnet werden. Dadurch kommt eine beträchtliche Vereinfachung zustande. So haben ambulante Klinikpraxen häufig einen festen OP-Tag pro Woche eingerichtet, weil dieser spezifische Vorkehrungen hinsichtlich Operationsinstrumenten, Desinfektionsbedingungen, Spezialpersonal wie Anästhesisten etc. erfordert. Müssten diese situativen Faktoren fallweise erst hergestellt werden, entstünden dadurch erhebliche Rüstkosten und Zeitverzögerungen. Zur Rationalisierung werden daher häufig zwei Konzepte genutzt. Die Automatisierung von Dienstleistungen erfolgt durch Substitution von Arbeit durch Kapital, d. h. Leistungen, die vordem von Menschen erbracht wurden, werden nunmehr von Maschinen erbracht, z. B. beim Geldautomaten der Bank. Die Externalisierung von Dienstleistungen erfolgt durch Verlagerung von Aktivitäten vom Anbieter auf den Nachfrager, d. h. Leistungen, die vordem vom Anbieter erbracht wurden, werden

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nunmehr vom Nachfrager erbracht, z. B. bei der SB-Tankstelle. Dabei erfolgt ein gradueller Übergang (siehe Abbildung 149: Prinzip der Dienstleistungs-Externalisierung). Verbreitet ist auch eine Kombination aus Externalisierung und Automatisierung, d. h., Leistungen werden vom Anbieter auf den Nachfrager verlagert und dort unter seiner Bedienung von Maschinen erbracht, z. B. Fahrscheinautomat im ÖPNV, Bankomat im Direct-Banking. Die Erbringung der Dienstleistung durch Menschen auf Anbieterseite ist jedoch in Bezug auf Qualität und Kosten schwierig.

Abbildung 149: Prinzip der Dienstleistungs-Externalisierung (eig. Darst.)

16.2 Akquisitorische Verfügbarkeit 16.2.1 Methode des Marktzugangs Das Distributionsdesign gliedert sich vor allem in die Methode, die Stufigkeit und die Struktur des Marktzugangs. Die Marktzugangsmethode gibt an, wie ein Dienstleistungsanbieter die Distanz zwischen seiner Leistungserstellung und der Leistungsinanspruchnahme durch Nachfrager zu überbrücken gedenkt. Entsprechende Entscheidungen sind von konstitutiver Bedeutung, sollten also schon vor Aufnahme eines Geschäftsbetriebs gründlich überlegt und danach möglichst lange unverändert so beibehalten werden. Hinsichtlich der Methode des Marktzugangs sind Entscheidungen in Bezug auf Vertriebssystem und Absatzform erforderlich. Beim Vertriebssystem ergeben sich zwei Entscheidungsalternativen (siehe auch Kap. V. 2.2): • Zentraler Zugang erfolgt über die Vertriebsabteilung des Dienstleistungsanbieters, etwa die Anlageberatung bei einer Privatbank. Dem wesentlichen Vorteil der besseren Planung und Kontrolle steht dabei die relativ große Marktferne als wesentlicher Nachteil entgegen.

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• Dezentraler Zugang erfolgt über Absatzstellen des Dienstleistungsanbieters, etwa die Beratung in den Filialen einer Geschäftsbank. Dem wesentlichen Vorteil größerer Marktnähe steht damit die aufwändigere Organisation als wesentlicher Nachteil gegenüber. Weitere Möglichkeiten sind Niederlassungen mit eige­nem Geschäftssitz und eigenem Gerichtsstand sowie Flagship Stores im Einzel­handel. Als Sonderform erfolgt ein ausgegliederter Zugang über Repräsentanten. Zu denken ist etwa an folgende Formen der Ausgestaltung: • Hausbesuche / Door to Door Selling stellen Kontakte im Haushalt zum Angebot von Dienstleistungen dar. Dabei können vorselektierte / heiße Adressen zugrunde liegen, die der Dienstleistungsanbieter zur Verfügung stellt und die dementsprechend relativ größere Erfolgschancen bieten wie bei Versicherungsrepräsentanten. Oder mehr oder minder wahllos ausgesuchte / kalte Adressen, deren Erfolgspotenzial eng begrenzt bleibt, etwa bei Abonnement-Verkäufen der Verlage. Zudem sind rechtliche Beschränkungen im Vertragsabschluss zu beachten wie das Rücktrittsrecht bei Haustürgeschäften. • Handelsmakler sind mit der fallweisen Vermittlung von Abschlüssen befasst, ohne selbst in den Absatzkanal eingeschaltet zu sein. Sie weisen Geschäftsabschlusschancen durch Kontakt zu mehreren potenziellen Abnehmern und / oder Anbietern nach und erhalten dafür Provision / Courtage, die vom Besteller zu tragen ist. Über den vermittelten Abschluss wird eine Schlussnote erstellt. Ein Tagebuch dient dem Nachweis der Tätigkeit als Entlohnungsvoraussetzung, etwa bei Frachtenmaklern. Bei der Wahl der Absatzform (siehe Kap. V. 2.1) ergeben sich ebenfalls zwei Entscheidungsalternativen (s. o.). Die Eigengestaltung erfolgt durch Persönlichen Verkauf nach verschiedenen Prinzipien: • Beim Residenzprinzip erfolgt die Leistungsabgabe am Ort des Verkäufers wie beim Theater oder Museum. Der Käufer begibt sich dazu dorthin, wie dies vor allem bei Ladenhandwerksleistungen üblich ist. Dies ist auch zwingend der Fall, wenn das Dienstleistungsangebot immobil ist. • Beim Domizilprinzip erfolgt die Leistungsabgabe am Ort des Käufers wie bei Schornsteinfeger, Pannenhilfe oder Dekorateur. Der Verkäufer begibt sich dazu dorthin. Dies ist auch zwingend der Fall, wenn die Dienstleistungsnachfrage immobil ist. • Beim Treffprinzip erfolgt die Leistungsabgabe an einem dritten Ort, sowohl Käufer als auch Verkäufer begeben sich dazu dorthin, etwa bei Marktveranstaltungen oder ÖPNV. Dies setzt bei Leistungserbringung voraus, dass sowohl Dienstleistungsangebot als auch -nachfrage mobil sind. Dieser dritte Ort kann fest oder wechselnd sein.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Im Distanzprinzip überbrücken Medien und Datenleitungen die Zeit- bzw. Raumdistanz zwischen Angebot und Nachfrage und ermöglichen so dennoch einen Abschluss. Die Fremdgestaltung erfolgt über wirtschaftlich und / oder rechtlich selbstständige Akteure. Und zwar Absatzmittler, die in eigenem Namen und auf eigene Rechnung tätig werden, sowie Absatzhelfer, die in eigenem oder fremdem Namen und auf fremde Rechnung tätig werden. Bei letzteren kann es sich um akquisitorische Absatzhelfer handeln, die den Dienstleistungsabsatz fördern, um logistische Absatzhelfer, die zwischen Vor- und Endkombination der Produktionsfaktoren bzw. beim Transfer veredelter Dienstleistungen tätig sind wie Service Provider in der Telekommunikation. Oft werden beim Dienstleistungsabsatz auch leistungsergänzende Absatzhelfer tätig. Diese befassen sich vornehmlich mit der Finanzierung als Kreditinstitute und Venture Capital-Fonds, der Risikotragung als Versicherungen und Treuhänder, der Information als Auskunfteien und Datenanalysten und der Beratung als Werbeagenturen und Rechts-/Wirtschaftsberater. Sie sind weder in den Leistungsnoch in den Gegenleistungsstrom eingeschaltet, sondern nur in den Informationsstrom. Weitere Absatzhelfer sind die Veranstalter von Messen und Musterungen als Messegesellschaften sowie Märkten als Marktbetreiber. Sie bewirken das raumzeitgleiche Zusammentreffen von Anbietern und Nachfragern etwa bei der ITB / ​ Internationale Tourismus-Börse. Dabei kann es sich um physische oder virtuelle Messen handeln, die der Transaktion im Unterschied zur Ausstellung dienen und mit statischer Preisbildung („Katalog“) erfolgen. Sofern ein passender Absatzhelfer nur für einen Auftraggeber tätig wird, ergibt sich sozialversicherungstechnisch das Problem der Scheinselbstständigkeit. Wenn der Status als Selbstständiger von den Sozialversicherungsträgern nicht anerkannt wird, folgt daraus die gesetzliche Beteiligung des Auftraggebers an den Sozialversicherungskosten, also Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung. Eine Scheinselbstständigkeit ist zu bejahen, wenn drei der nachfolgenden fünf Kriterien gegeben sind: • keine eigenen, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, nur oder fast ausschließlich für einen Auftraggeber tätig, eine alternative Verrichtung durch abhängig Beschäftigte beim Auftraggeber ist nicht vorhanden, Fehlen von Firmenlogo, wirtschaftlicher Risikotragung und eigenen Geschäftsräumen, die Tätigkeit ist ähnlich derjenigen, die zuvor von ihm als Arbeitnehmer erfüllt wurde.

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16.2.2 Stufigkeit des Marktzugangs 16.2.2.1 Direkter Dienstleistungsabsatz Die Stufigkeit des Marktzugangs kann direkt oder indirekt ausgelegt sein (s. o.). Direkter Dienstleistungsabsatz liegt vor, wenn die Distribution ohne Einschaltung selbstständiger Absatzpartner unmittelbar durch den Dienstleistungsanbieter an Endabnehmer erfolgt. Der Dienstleistungsbetrieb lenkt dabei also die Distribution vollständig selbst. Im Direktabsatz kann der Dienstleistungsbetrieb nur durch Multiplikation des Leistungspotenzials im Wege der Filialisierung eine höhere Distributionsdichte erreichen. Damit reduziert sich für Nachfrager der Aufwand zur Raumüberbrückung. Dabei muss der Dienstleistungsbetrieb aber sicherstellen, dass sein vervielfältigtes Angebot an den verschiedenen Leistungserstellungsorten eine einheitliche Qualität aufweist, will er Unzufriedenheitsgefahren bannen. Sofern die Multiplikation der Leistungspotenziale bzw. -versprechen über fremde, zwischengeschaltete Absatzpartner stattfindet, liegt hingegen Indirektabsatz vor. Der Direktabsatz kann sich auch nur auf das Leistungsversprechen des Dienstleistungsbetriebs beziehen, das dann an anderem Ort und zu anderer Zeit eingelöst wird. Möglich sind hierbei • ein dezentraler Verkauf von Anrechtsbelegen bei zentraler Leistungserbringung wie beim Verkauf von Versicherungspolicen durch anbietereigene Außendienstmitarbeiter bei Einlösung des Versicherungsversprechens durch das Unternehmen bzw. • ein zentraler Verkauf von Anrechtsbelegen bei dezentraler Leistungserbringung wie bei der Annahme eines Kontingents von Kurierdienstaufträgen für eigene Fahrer, die Transportaufträge durchführen, jeweils durch eigene Absatzorgane. Die Durchführung erfolgt über eigene Kundenkontaktmitarbeiter als interner, unmittelbarer Direktabsatz, nicht- oder nebengewerbliche Absatzhelfer als externer, mittelbarer Direktabsatz sowie geprintete und elektronische Medien wie bei Heimwerkermarkt-Websites. In diesem Distanzprinzip werden verstärkt veredelte Dienstleistungen abgesetzt wie etwa beim Direct Banking. Dies setzt voraus, dass die Leistungserbringung kein räumliches Zusammentreffen von Dienstleistungsangebot und -bedarf erfordert, sondern ein medialer Kontakt dafür ausreicht. Hier können sowohl Leistungsversprechen wie die Eintrittskarte ins Kino oder die Portofrankierung bei der Post als auch Leistungserstellungen selbst distribuiert werden wie die telefonische Anwaltsberatung oder die Datenbankrecherche. Ein direkter Dienstleistungsabsatz erfolgt häufig durch angestellte Reisende (auch Verkaufsaußendienstmitarbeiter / VADM). Dabei stellt sich regelmäßig die Frage, ob der Einsatz solcher Reisender oder aber alternativ der von (Einfirmen-)

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Handelsvertretern vorteilhafter ist. Dabei sind wie dargestellt quantitative und qualitative Aspekte zu berücksichtigen. Zusätzlich wird vielfach der Innenverkauf / Traffic forciert. Wichtiges Hilfsmittel dabei sind Telefon und Internet. Aktiver Telefonverkauf (auch Outbound) eignet sich vor allem für die Kontaktanbahnung mit Interessenten / Neukunden, zur Aktivierung von Altkunden, zur Kundenbindung nach dem Kauf und zum Zusatzverkauf. Die Kontaktaufnahme darf im Endabnehmerbereich nur bei bestehender Geschäftsbeziehung oder bei ausdrücklicher Zustimmung von Prospects erfolgen, im gewerblichen Bereich nur, soweit das vertretene Serviceangebot dem Gewerbezweck des Angerufenen entspricht. Passiver Telefonverkauf (auch Inbound) besteht in der Entgegennahme von Anrufen für Aufträge, Terminwünsche oder Kurzinformationen. Dies ist natürlich jederzeit möglich. Oft wird eine personenbezogene Trennung zwischen Kontaktgenerierung als Sales Leads und Verkaufsgespräch durch den Vertriebsbeauftragten selbst vorgenommen. Denn der Verkauf über Telefon ist ausgesprochen schwierig, da das Spektrum der Kommunikationsmöglichkeiten auf Inhalt und Akustik reduziert ist und kein Einblick in die spezifische Umfeldsituation des Angerufenen besteht. Call Centers werden hier zunehmend zu Interaction Centers umfunktioniert mit Ansprache über mehrere Kommunikationskanäle, vor allem E-Mail, und Erledigung von Standardaufgaben wie Terminanfragen, häufig durch Autoresponder, zunehmend auch durch Chatbots zur Erledigung einfacher Informationsaufgaben.

16.2.2.2 Indirekter Dienstleistungsabsatz Der indirekte Marktzugang erfolgt mit Hilfe von Absatzmittlern, und zwar einstufig, also vom Dienstleistungsanbieter über Absatzpartner einer Stufe im Absatzkanal an Bedarfsträger, oder seltener zwei- oder mehrstufig vom Dienstleistungsanbieter über Absatzpartner auf zwei oder mehr Stufen etwa bei zwischengeschalteten Großhändlern wie im Tourismusgeschäft im Absatzkanal an Bedarfs­träger. Voraussetzung für diese Form der Absatzkanalgestaltung ist, dass es gelingt, die Dienstleistung zu veredeln, indem ein Datenträger als Anrechtsbeleg für deren Inanspruchnahme nach Kaufvertragabschluss dient wie bei Eintrittskarten für Musical-Aufführung oder Sportveranstaltung. In diesem Moment verliert die Dienstleistung allerdings formal einen Teil ihrer Immaterialität. Ebenso kann eine Veredelung durch Verbindung in Datenleitungen zwischen Anbieter und Nachfrager erfolgen, sofern das Angebot digitalisierbar ist, was aber für eine steigende Vielzahl von Anwendungsfällen zutrifft. Hinsichtlich der Arbeitsteilung sind drei Modelle anzutreffen: • Erstens kann es sich um eine vollständige Abtretung von Verkauf und Erstellung einer Dienstleistung an Absatzpartner handeln. Ein solcher vollständig indirekter Vertrieb erfolgt durch Lizenzformen wie Franchising oder Vertragshändler-

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System. Leistungsvertrieb und Leistungserbringung fallen dabei institutional zusammen, sind jedoch gemeinsam vom Träger des Dienstleistungsangebots getrennt. Franchising ist ein speziell bei Dienstleistungen ausgeprägtes, vertikal kooperativ organisiertes Absatzsystem rechtlich selbstständiger Unternehmen auf Basis eines dauervertraglichen Schuldverhältnisses. Dieses System tritt am Markt einheitlich auf und wird durch ein arbeitsteiliges Leistungsprogramm der Systempartner geprägt sowie durch ein Weisungs- und Kontrollsystem zur Sicherung systemkonformen Verhaltens. • Zweitens kann es sich nur um die Abtretung der Erstellung einer Dienstleistung an Absatzpartner handeln, der Verkauf erfolgt dann durch den Träger des Dienstleistungsangebots. Leistungsvertrieb durch den Hersteller und Leistungserbringung durch Absatzmittler fallen damit institutional auseinander. Der Leistungsanspruch wird durch einen Anrechtsbeleg verbrieft, wie beim Kfz-Kundendienst durch Vertragswerkstätten des Autoherstellers entsprechend der Garantieurkunde des Kfz-Herstellers. • Drittens kann es sich nur um die Abtretung des Verkaufs an die Absatzpartner handeln, die Erstellung erfolgt dann weiterhin durch den Träger des Dienstleistungsangebots. Leistungserbringung durch den Träger und Leistungsvertrieb durch Absatzmittler fallen wiederum institutional auseinander, erstere ist jedoch mit dem Träger des Dienstleistungsangebots vereint. Aufgrund der hohen Abhängigkeit beider Parteien ist dabei im Allgemeinen eine dauervertragliche Distributionsgestaltung anzustreben wie beim Angebot von Kfz-Leasing oder Kfz-Finanzierung durch den Kfz-Vertragshändler aufgrund eines Serviceangebots des Autoherstellers. Beispiele für den indirekten Vertriebsweg etwa im Handwerk sind u. a. folgende: – Architekten vertreiben ihre Leistungen an Immobilienbüros und Objektentwickler, die dann Haus-/ETW-Käufer akquirieren. – Konditoren vertreiben ihre Leistungen an Cafés und Gaststätten, die Konditoreiwaren an ihre Gäste verkaufen. – Dachdecker vertreiben ihre Leistungen an Bauträger und Hausverwaltungen, die sich den Preis von Eigentümern / Mietern zurückholen. – Fleischer vertreiben ihre Leistungen an Supermärkte und Hotels, die diese an Kunden / Gäste weiterverkaufen. – Sattler vertreiben ihre Leistungen an Kfz-Werkstätten und Restaurierer, die damit ihre Autokunden bedienen. – Fotografen vertreiben ihre Leistungen an Bildagenturen und Presseverlage, welche die Fotos vermieten oder selbst nutzen. – Kanalreiniger vertreiben ihre Leistungen an Stadtwerke und öffentliche Entsorger, welche die Kosten von den Bürgern eintreiben.

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– Teppichreiniger vertreiben ihre Leistungen an Kaufhäuser und Kultureinrichtungen, die den Preis in die Verkaufspreise bzw. Eintrittsgelder umrechnen. Der indirekte Vertrieb über Absatzmittler beinhaltet insofern gleich eine doppelte Dienstleistung, denn einerseits handelt es sich um die Dienstleistung an sich und andererseits um den Distributionsservice der sie verkaufenden Absatzmittler. Zum Beispiel kauft ein Konzertvermittler Eintrittskarten für Musical-Aufführungen an anderen Orten und zu anderen Zeitpunkten als dem Verkauf vom Veranstalter an und gibt diese in Form von Anrechtsbelegen an Interessenten in seinem Einzugsgebiet ab. Womöglich wird der Eintrittspreis kreditiert, um mehr Interessenten anzulocken und auch eigene Werbung in lokalen Medien getrieben. Aus Erfahrung früherer Veranstaltungen hat jede Vorverkaufsstelle einen Überblick über die ungefähre Marktsituation und kann dieses Wissen an den Veranstalter weitergeben. Am POS kann durch Plakate und Aufkleber das Angebot forciert werden, im Kontaktgespräch werden Erläuterungen hinsichtlich Plätzen und Terminen gegeben. Durch das Inkasso wird die Nachfrage für den Veranstalter erst kaufkräftig. In der Vorverkaufsstelle sind Mitarbeitende bemüht, Kundenbindung zu erzeugen, indem sie ein hohes Maß an Servicequalität bereitstellen. Die abgenommenen großen Lose der Eintrittskarten werden in Detailmengen an Endabnehmer weitergeleitet und vorab nach Preisklassen gebündelt, im Vorverkauf werden Preisvergünstigungen gewährt. Parallel sind unterschiedliche Veranstaltungen verfügbar, deren Karten-Mix aus Erfahrungen resultiert und die Präferenzen der Nachfrage widerspiegelt. Neben der Einzelhandelsstufe kann auch die Großhandelsstufe einzelvertraglich eingebunden sein. Dies findet sich etwa bei Elektrizität, Telekommunikation oder Reisen. Im Falle des Service-Großhandels übernimmt diese Stufe ergänzende Leistungen, bei Lekkerland etwa das Sortiments-, Promotions-, Space-, Innovationsmanagement für Tankstellenshops. Im Energiebereich wird die erste Großhandelsstufe durch Importeure von Erdgas wie Uniper gebildet. Diese liefern an gewerbliche Endabnehmer (Gewerbetreibende) und Zwischenabnehmer (wie vor allem Stadtwerke). Diese bilden die zweite Großhandelsstufe zur Abgabe von Gas an Gewerbetreibende und Service Provider. Die Einzelhandelsstufe wird einerseits durch lokale Netzbetreiber (Stadtwerke)  mit Abgabe an private Haushalte dargestellt, andererseits durch Service Providers, ebenso mit Abgabe an private Haushalte. Dazwischen sich Absatzhelfer eingeschaltet wie Marktplätze, Preisvergleichsportale, Broker o. Ä. In Bezug auf den Marktzugang ist nicht zwangsläufig ein Entweder-Oder erforderlich, sondern durchaus kann sowohl ein direkter als auch ein indirekter Parallelzugang gewählt werden. So nutzen etwa Pauschalreiseveranstalter branchenfremde Distributionsorgane wie Versandhändler und Warenhäuser zusätzlich zu ihren eigenen Absatzorganen. Häufig wird E-Commerce als zweiter direkter Absatzweg neben dem traditionellen indirekten Absatzweg eingesetzt, etwa bei der

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Reisebuchung online statt im Reisebüro. Inwieweit die Dienstleistung durch den Transport damit eine ihrer charakteristischen Eigenschaften verliert, ist strittig.

16.2.3 Struktur des Marktzugangs Innerhalb des Marktzugangs wird weiterhin zwischen parallelem und gesplittetem Absatz unterschieden. Beim parallelen Absatz wird zeit- und angebotsgleich mehr als ein Absatzkanal von einem Dienstleistungsanbieter bearbeitet. Dies kann zweigleisig oder mehrgleisig erfolgen. Dabei kann es sich nur um direkte Absatzwege, nur um indirekte Absatzwege oder gemischte Absatzwege als hybrider Absatz handeln, die einander ergänzen. Ein Beispiel findet sich im E-Commerce bei RoPo (für Research online / P urchase offline) als Webrooming beim selben Anbieter oder RoPo (für Research offline / Purchase online) als Showrooming beim selben Anbieter. Ein interessantes Mehrkanalbeispiel ist das Angebot von Mr. Spex, dem OnlineOptiker. Obgleich ein hoch erklärungsbedürftiges, medizinisches Angebot nur schwer onlinegängig zu machen scheint, ist hier eine sehr gute Integration der Absatzwege gelungen: – Eigene Offline-Stores (ca. 40 in D.A.CH) erlauben die Kombination von Vorwahl im Online-Shop und fachlicher Beratung vor Ort. Insofern unterscheidet sich Mr. Spex dann kaum von traditionellen Optikern. – Zur Raumabdeckung werden Sehtests und individuelle Brillenanpassungen flächendeckend mit Kooperationspartnern im Augenoptiker-Handel angeboten. Kooperierende Optiker erhalten einen Provisionsanreiz. – Nur über Internet erfolgt die Online-Typberatung nach Kopfform, Brillenbreite, Brillenform etc. mit virtueller Anprobe nach Kopf- und Augenvermessung. Der Versand mehrerer Brillen zur Probe mit Rückgabe ist onlinetypisch möglich. Zur Vermeidung dabei unvermeidlich entstehender Nachteile wie Kannibalisierung, Komplexität, horizontale Konkurrenz im Absatzkanal u. Ä., ist ein gesplitteter Absatz möglich. Dabei werden nicht alle distribuierten Absatzkanäle gleichartig behandelt, sondern diese gegeneinander differenziert. Die Nachteile können bei Dual- oder Polydistribution zwar nicht behoben, wohl aber durch „Spreizung“ der Kanäle vermindert werden. Als Ordnungskriterien bieten sich die Parameter Leistung / -sgruppe, Absatzgebiet / Land und Kunden/-gruppe an: • Eine gesplittete Distribution nach Dienstleistungsprodukten bedeutet, dass nicht jeder Absatzkanal alle Dienstleistungen anbieten kann, sondern bestimmte Dienstleistungen bestimmten Absatzkanälen zugeordnet sind, wie bei PremiumServices nur durch Telcom-Stützpunkthändler und die restlichen Services durch Telefonläden.

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• Eine gesplittete Distribution nach Absatzgebieten bedeutet, dass nicht jeder Absatzkanal in allen Marktgebieten tätig sein kann, sondern bestimmte Gebiete bestimmten Absatzkanälen zugeordnet sind wie Direktabsatz der Dienstleistung im Inland und Indirektabsatz über Mittler im Ausland. • Eine gesplittete Distribution nach Kundengruppen bedeutet, dass nicht jeder Absatzkanal alle Kunden bedienen kann, sondern bestimmte Kunden bestimmten Absatzkanälen zugeordnet sind wie Neuwagenverkauf für Geschäftskunden nur bei Stützpunkthändlern und Neuwagenverkauf für Privatpersonen bei allen Händlern der Marke. Dienstleistungen erfolgen in verstärkter Form einfach, etwa als Hotlines der Computerhersteller oder Recherche in Internet-Suchmaschinen, oder veredelt, etwa als Download von Computer-Software, E-Book- oder Musik-Übermittlung als Content, im Rahmen des E-Commerce. Dieser fungiert als zusätzlicher Direkt­ absatzkanal im Distanzprinzip, der zunehmend den Absatz im klassischen Distanzprinzip übernimmt. Bei Nutzung mehrerer indirekter Absatzkanäle können die Handelsfunktionen auf zwei oder mehr Kanäle aufgeteilt werden. Es entsteht eine Überkanaldistribution (Cross Channel Distribution) mit gegenseitigem Verweis untereinander. Dabei kann sich die Aufteilung auf zwei Dimensionen beziehen. Erstens auf die Aufteilung nach dem Verkaufsfluss in Vorkauf-, Kauf- und Nachkaufphase. Und zweitens auf die Aufteilung nach den Kontaktpunkten in realer und virtueller Form als Customer Touch Points. Ziel ist die Erreichung eines Channel-Flow, d. h. einer gewünschten Abfolge von Verkaufsphasen und Kontaktpunkten, um dadurch einen optimalen Transaktionsablauf zu erreichen. Dazu wird eine Customer Journey als Blaupause eines oder mehrerer wünschenswerter Abläufe zugrunde gelegt. Durch planmäßigen gegenseitigen Verweis innerhalb dieser Customer Journey und gesicherte Übernahme des bereits erreichten Informations- und Transaktionsstands kann der Ablauf optimiert werden.

16.3 Logistische Verfügbarkeit 16.3.1 Raumdimension 16.3.1.1 Standort Die Standortwahl befasst sich mit allen Entscheidungen und den daraus resultierenden Maßnahmen, die dazu dienen, diesen Ort der Leistungserstellung zu bestimmen und zu erschließen. Mögliche Anlässe für die Standortwahl sind die • Neugründung von Betrieben, Umsiedlung ohne Veränderung der Betriebsgröße, Verlagerung mit Erweiterung der Betriebsgröße, räumliche Ausweitung der Ge-

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schäftstätigkeit, räumliche Differenzierung der Geschäftstätigkeit, Zusammenlegung von Betrieben, Schließung von Betrieben. Die Standortwahl gehört zu den konstitutiven Entscheidungen jedes Dienstleistungsbetriebs. Daher gilt es, diese gut zu überlegen und dann auch nicht ohne Not zu ändern. Für die Standortentscheidung bieten sich einige Hilfe an, die im Folgenden skizziert werden. Dabei handelt es sich um Checklisten-Technik, Analogie-Methode, Raumgebiets-Modell und Distanzen-Betrachtung, die bei B-t-CDienstleistungen, etwa des Einzelhandels, zum Zuge kommen. Dabei spielen auch praktische Restriktionen eine Rolle. Checklisten-Techniken versuchen, zu einer Rationalisierung der Entscheidungsfindung durch vollständige Berücksichtigung aller relevanten Einflussgrößen für den Standort zu gelangen. Problematisch ist dabei, dass Faktorenkategorien einander inhaltlich überschneiden, daher ist ein Abgleich der Faktoren erforderlich, und nicht unbedingt gleichgewichtig sind, daher ist die Gewichtung der Faktoren erforderlich. Zudem handelt es sich um eine Momentaufnahme, die um per­ spektivische Aspekte ergänzt werden sollte. Auch sind viele Faktoren qualitativer Natur und daher von subjektiver Schätzung abhängig. Pragmatisch kann das (gewogene)  Mittel aus mehreren, unabhängigen Schätzungen gezogen werden. In der Zusammenfassung ist dann ein Standortprofilvergleich über alle Kriterien möglich. Im Folgenden sind Kriterien einer Checkliste zu Standortfaktoren benannt: – Demografische Faktoren wie Bevölkerungsstand und -verteilung mit Gesamteinwohnerzahl, Einwohnerzahl und Haushaltungen nach Entfernungszonen, Bevölkerungsdichte, -entwicklung, Bevölkerungsstruktur mit Altersklassen, Familienstand, Nationalität, Haushaltsstruktur, Erwerbs- und Sozialstruktur mit Erwerbsquote, selbstständige und unselbstständige Erwerbstätige, berufstätige Frauen, soziale Einstufung, – Wirtschaftsfaktoren wie Einkommensverhältnisse mit Pro Kopf-Einkommen, Aufteilung nach Einkommensklassen, Pro Kopf-Sparquote, Einkommenskennziffern, Einkommensverwendung mit konsumtiver Pro Kopf-Kaufkraft, durchschnittlichem Wohnungsmietwert, Haushaltsausgaben, Kaufneigung, regionalen Verbrauchskennziffern, Marktpotenzial mit Berufspendlerströmen, Reise- und Ausflugsanlässen, Einkaufspendlern, Fremdenverkehr, Passantenfrequenz, – psychologische und sozialpsychologische Faktoren wie Lebensgewohnheiten mit Lebensstandard, Freizeit, Arbeitszeit, Motorisierung, Konsumgewohnheiten mit Einkaufsintervall, durchschnittlichem Einkaufsbetrag, erforderlicher Wegstrecke, benutztem Verkehrsmittel, Einkaufszeiten, Mentalität mit Geschäftsstättenattraktivität, Erlebnisumfeld, – Infrastruktur wie Städtebau mit Regionalplanung, Stadtfunktionen, City-Entwicklung und Agglomeration, öffentliche und private Bauprojekte, „Zentrifugal-

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kraft“ der Stadt, Verkehr mit Verkehrslage, öffentlichen Verkehrseinrichtungen, privatem Verkehrsanteil, zeitlicher Verteilung, Parkplatzangebot nach Entfernungszonen, topografischen oder künstlichen Hindernissen, – Konkurrenzverhältnisse wie Konkurrenzbestand und Formen mit Anzahl und Größe der Betriebe, Distributionsform, Rechtsform, Umsatz, Filialbetriebe, Kon­kurrenzwirkung in Bezug auf Sortiment mit Substitutions- und Komplementärangeboten, Kaufkraftkonkurrenz, räumliche Präferenzen mit Kundennähe, „Kundenmagneten“, sachliche Präferenzen mit Preis, Qualität, Auswahl, Image, Kundendienst, – Objektbewertung wie Geschäftslokal mit Objektgröße, Ladenfront, Ausbaumöglichkeiten, Zufahrtsmöglichkeiten, Lagerraum, Umfeld mit Wert / Struktur der Nachbargeschäfte, Verkehrsnetzanbindung, – standortabhängige Kosten wie Beschaffung und Logistik mit Zulieferung, Hauszustellung, Fuhr- und Wagenpark, gebrochener Lieferung, Gebäude und Unterhalt mit Grundstücks- und Gebäudekosten, Miete und Pacht, Einrichtungskosten, Reparaturen, Wartung, Energie, Verkauf mit Personal, Steuern und Abgaben, Umlage aus Gemeinschaftsaktionen, – Restriktionen wie gesetzliche Bestimmungen mit Ladenöffnungszeiten, baupolizeilichen Vorschriften und Immissionen mit Lärm, Geräusch, Geruch. Bei der Analogie-Methode wird ein strukturidentischer Vergleichsstandort herangezogen, von dessen Erfolg auf den mutmaßlichen Erfolg am Bewertungsstandort geschlossen wird. Dafür gibt es verschiedene Umrechnungsansätze (B-t-C): • Bei der Pro Kopf-Umrechnung wird der Quotient aus der Absatzmenge des Vergleichsstandorts und der Zahl der Haushalte bzw. Betriebe dort mit der Zahl der Haushalte bzw. Betriebe am Bewertungsstandort multipliziert. • Bei der Marktanteils-Umrechnung wird der Quotient aus der Absatzmenge des Vergleichsstandorts und der Absatzmenge der zugehörigen Leistungsgruppe dort mit der Absatzmenge dieser Leistungsgruppe am Bewertungsstandort multipliziert. • Bei der Umsatzverhältnis-Umrechnung wird der Quotient aus der Absatzmenge des Vergleichsstandorts im Gesamtmarkt und der Absatzmenge des Bewertungsstandorts mit der Absatzmenge des Vergleichsstandorts multipliziert. • Bei der Kaufkraftindex-Umrechnung wird der Quotient aus dem verfügbaren Einkommen am Vergleichsstandort und dem verfügbaren Einkommen am Bewertungsstandort mit der Absatzmenge am Vergleichsstandort multipliziert. • Bei der Wiederkäufer-Umrechnung wird der Quotient aus der Haushaltszahl, die am Vergleichsstandort einkaufen, und der Haushaltszahl am Bewertungsstandort mit der durchschnittlichen Absatzmenge pro Wiederkäuferhaushalt und der Zahl der Haushalte im Gesamtmarkt multipliziert.

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Voraussetzung ist dabei immer, dass der Vergleichsstandort auch wirklich hinsichtlich aller relevanten Parameter vergleichbar ist, was jedoch meist in Zweifel zu ziehen ist. Bei Raumgebietsmodellen geht es um die Bestimmung der räumlichen Grenzen von Marktgebieten. Dazu gibt es deterministische Ansätze als Gravitationsmodelle und stochastische Ansätze als Potenzialmodelle: • Grundlage von Gravitationsmodellen ist das soziale Gesetz. Danach ziehen zwei Zentren die Kaufkraft eines zwischen den beiden Zentren angesiedelten Nach­ frageorts an sich, und zwar im Verhältnis zur Größe der Bevölkerung und reziprok zu den Entfernungen der beiden Zentren zum dazwischen liegenden Ort. Dort, wo die Anziehungskräfte zweier Verkaufsorte auf Kunden gleich stark sind, liegt die relative Grenze ihres jeweiligen Einzugsgebiets. Die relativen Grenzen mehrerer Nachbargebiete verbunden ergeben die absolute Grenze der Region als Isokurve, dies ist die größte Entfernung zum Verkaufsort, bis zu dem noch Kunden an diesem Verkaufsort kaufen und nicht zu einem Nachbargebiet abwandern. Dem liegen allerdings rigide, modelltheoretische Prämissen zugrunde, vor allem in der Operationalisierung. • Grundlage von Potenzialmodellen ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde seinen Bedarf nicht am Wohnort, sondern in einer benachbarten Geschäfts­ agglomeration deckt. Diese steht in direkter Beziehung zum Agglomerationsgrad der für ihn erreichbaren Einkaufsorte und deren Entfernung zu seinem Standort. Ausschlaggebend ist also nicht der absolute Nutzen eines Einkaufs, sondern der um die dafür aufzuwendenden Kosten reduzierte relative Nutzen. Dabei kann von objektiven Größen wie Fahrstrecke, Verkaufsfläche, Preisniveau, Servicegrad, Sortimentsbreite oder Öffnungszeit ausgegangen werden, oder, sinnvoller, von subjektiv wahrgenommenen Größen. Allerdings fallen diese Werte für jede Bedarfsgruppe anders aus, so dass enorm viele Berechnungen erforderlich sind, was die praktische Nutzbarkeit eng begrenzt. Man kann die Betrachtung jedoch auch umkehren und nicht den Standort des Kunden, sondern den potenziellen Standort des Geschäfts als Basis nehmen und das entsprechende Einzugsgebiet betrachten. Für die zugrunde gelegten Größen sind mehrere Ansätze der Distanzenbetrachtung denkbar: • Bei der Entfernungsmethode wird die kürzeste räumliche Distanz zwischen Standort und Einzugsgebiet zugrunde gelegt. Praktisch kann man konzentrische Kreise mit definiertem Radius um den Standort legen, dies entspricht der Luftlinie. Mit steigender Entfernung, sinkt dabei das Kundenpotenzial. • Bei der Wegemethode wird der effektive räumliche Abstand zwischen Standort und Einzugsgebiet zugrunde gelegt, dies entspricht der tatsächlichen Wegstrecke. Zonen gleicher Wegstrecke werden zusammengefasst und von einer Indifferenzkurve umgeben.

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• Bei der Zeitdauermethode wird der effektive Zeitbedarf für die Zurücklegung dieser Distanz zugrunde gelegt. Dieser ist vor allem abhängig von Streckenausbau und Verkehrsanbindung innerhalb der Region. • Bei der Kostenmethode wird der effektive Kostenaufwand für die Zurücklegung dieser Distanz zugrunde gelegt. Dieser ergibt sich aus den Transferkosten je Wegeeinheit. Welche Wege / Zeiten / Kosten für die Erreichung einer Verkaufsstelle in Kauf genommen werden, hängt allerdings wesentlich vom intendierten Kaufobjekt und der Anziehungskraft des Geschäfts ab. Allerdings sind vielfache rechtliche Restriktionen für die freie Standortwahl zu beachten. Grundlagen sind hier das • Bundesraumordnungsgesetz, dieses dient der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen und der Verbesserung der Daseinsvorsorge in allen Teilräumen Deutschlands, dem liegt die Doktrin zugrunde, dass die räumliche Verteilung der Versorgungseinrichtungen auf Basis der Arbeitsteilung mit den Kategorien Klein-, Mittel- und Oberzentrum, denen abgestufte Versorgungsfunktionen zufallen, mit anschließenden Landesplanungsgesetzen, erfolgen soll. • Bundesbaugesetz, dabei wird die grundsätzliche Nutzung in Bauleitplänen ausgewiesen, also Wohnungsbau, gemischte Bebauung, Sonderbaufläche, im Flächennutzungsplan und Bebauungsplan wird zudem die detaillierte Nutzung von Standorten reglementiert. • Baunutzungsverordnung, dort werden Siedlungsgebiete, reine Wohngebiete, hier sind keine Geschäfte zulässig, allgemeine und besondere Wohngebiete, Dorfgebiete, Mischgebiete, Sonder- und Kerngebiete für Großbetriebsformen, Gewerbe-/Industriegebiete untergliedert, wodurch das mittelständische, vornehmlich innerstädtische Gewerbe vor der Konkurrenz preisaggressiver Großbetriebsformen außerhalb der Stadtzentren geschützt werden soll.

16.3.1.2 Netzwerkkonzept Bei Dienstleistungsabsatz im Residenzprinzip gehen von der Wahl des Standorts zahlreiche akquisitorische Wirkungen aus. Der Standort ist der geografische Ort, an dem der Dienstleistungsanbieter zum Zweck der Erreichung seiner Ziele Produktionsfaktoren zur Leistungserstellung kombiniert. Häufig kommt dabei der bequemen Erreichbarkeit zentrale Bedeutung zu. Einen Ausweg stellen allenfalls Angebote zur schnellen und kostengünstigen Überbrückung von Entfernungen für den Externen Faktor dar. Dies gilt auch für standortungebundene Dienstleistungsangebote im Domizil- oder Treffprinzip in Bezug auf interne Produktionsfaktoren, da Convenience ein wichtiger Wettbewerbsfaktor ist.

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Der Direktabsatz kann, ausgehend von einem gegebenen Status, durch Multiplizierung ohne oder mit Strukturveränderung erfolgen. Ersteres bedeutet, dass die Zahl der Standorte gleichbleibt, jedoch das Einzugsgebiet je Standort verändert wird, meist als Marktvergrößerung bei gleicher Durchdringung bzw. erleichterte Zugänglichkeit der Dienstleistung. Eine Vergrößerung kann auf mehrerlei Weise erfolgen, etwa durch Hilfen der Nachfrager zur Raum- bzw. Zeitüberbrückung, durch Erweiterung des Aktionsradius beim Anbieter oder durch Nutzung von Medien. Eine Verringerung erfolgt genau gegenläufig. Letzteres bedeutet, dass die Zahl der Standorte verändert wird, die Zugänglichkeit jedoch gleichbleibt. Eine Erhöhung der Zahl der Standorte führt zu einer breiteren Distributionsbasis, also zur Marktdurchdringung bei gleichem Markt, eine Verringerung zu einer schmaleren Distributionsbasis. Beide Maßnahmen können auch kombiniert werden, es kann also sowohl die Zahl der Standorte als auch deren Einzugsgebiet / Zugänglichkeit verändert werden. Eine Erhöhung bedeutet dann mehr Standorte und geringeres Einzugsgebiet bzw. bessere Zugänglichkeit, wie sie für eine Geschäftsexpansion typisch ist etwa bei Tiefkühl-Heimdiensten, Getränke-Zustellern, Frische-Bringdienste etc., eine Verringerung bedeutet weniger Standorte und ein größeres Einzugsgebiet bzw. schlechtere Zugänglichkeit, wie das bei Rationalisierung typisch ist etwa bei Filialbanken. In jedem Fall ist eine Steuerung der Distributionsdichte gemäß der Nachfrageverteilung wichtig, also breit distribuiert für engmaschig verteilt nachgefragte und schmal distribuiert für großflächig verteilt nachgefragte Dienstleistungen. Ausschlaggebend dafür ist wiederum der relative Standort des Anbieters. Allgemein werden damit die Ziele der Präsenz und Erreichbarkeit von Dienstleistungen, deren kurzzeitige Verfügbarkeit, des problemlosen Zugangs des Externen Faktors zur Leistungserbringung, des hochstehenden Images und der Kooperationsbereitschaft im Absatzkanal, der Lieferbereitschaft und -zuverlässigkeit sowie einer qualitätsorientierten Beratung angestrebt. Viele Dienstleistungen sind parallel nicht zu multiplizieren und an verschiedenen Standorten zugänglich zu machen, etwa weil sie von einer Person abhängig sind wie bei stationären Professional Services / Freie Berufe. Dann hängt der Erfolg des Dienstleistungsangebots vor allem von dessen professioneller Attraktivität und von der Kapazitätsrestriktion des Dienstleisters selbst ab. Denkbar ist hier aber eine ambulante Präsenz sukzessiv an mehreren Orten. Die Spannweite der Standorte eines Dienstleistungsbetriebs geht (am Beispiel Kultur) von einem zentralen Standort, an dem allein die Leistungserbringung stattfinden kann, etwa die Führung durch den Louvre, über einige wenige räumlich verteilte Standorte wie bei internationalen Opernhauspremieren bis zu vielen räumlich verteilten Standorten wie bei nationalen Kunstausstellungen oder beinahe beliebig vielen Standorten wie bei Kinovorführungen.

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16.3.1.3 Zwischenlagerung und Zwischentransport Zunächst scheint es fraglich, inwieweit Lagerungs- und Transportmaßnahmen angesichts der postulierten Nichtlager- und Nichttransportfähigkeit von Dienstleistungen überhaupt relevant sind. Dies ist aber tatsächlich in vielfältiger Weise der Fall, wenn die internen Produktionsfaktoren oder der Externe Faktor für einen Abschluss transportiert oder (zwischen-)gelagert werden. So sind etwa der Externe Faktor zum betrieblichen Standort zu verbringen wie beim Abschleppen eines liegen gebliebenen Pkw in die Autowerkstatt oder die internen Faktoren zum Standort des Externen Faktors wie beim Gärtner und seinen Gerätschaften in den heimischen Garten. Dies sind eindeutig logistische Vorleistungen, ohne welche die eigentliche Dienstleistungserstellung nicht stattfinden kann. Oder logistische Nachleistungen, ohne die diese nicht komplett ist wie die Rücksendung des reparierten Mobiltelefons vom Kundendienst an den Nutzer oder die Kurierzustellung des ausgearbeiteten Rechtsgutachtens einer Kanzlei an ihren Mandanten. Außer diesen Zusatzleistungen müssen logistische Kernleistungen durch Anbieter immer dann erbracht werden, wenn der Externe Faktor immobil ist, um die richtigen internen und Externen Faktoren zum geplanten Zeitpunkt, am richtigen Ort, in der richtigen Menge und in der vereinbarten Qualität zur Verfügung zu stellen. Logistische Zusatzleistungen sind hingegen für die eigentliche Leistungserbringung nicht unbedingt notwendig, runden aber das Angebot ab wie der Parkservice für Gästefahrzeuge im Hotel oder der Hol- und Bringservice bei KfzWerkstätten. Es handelt sich also um eine zweistufige Dienstleistung, einmal im Kern- und dann im Zusatzservice. Eine weitere Entscheidung betrifft die nach der Erfüllung dieser logistischen Leistungen. Sie können selbsterstellt werden, also durch den Dienstleistungsbetrieb oder fremderstellt, also im Wege des Outsourcing (Outside Resource Using) an Dienstleistungszulieferer vergeben werden wie an Servicer für die Einholung und Verbringung reparierter Geräte. Wichtige Entscheidungen betreffen dabei die Wahl von Transportmittel, Transportzeit, Transportsicherheit und die Konsequenzen der Transportkosten daraus. Weitere Maßnahmen betreffen die • Lagerung der internen Faktoren, also der Materialien, die zur Leistungserbringung benötigt werden wie Schrauben, Flansche oder Dübel im Handwerksbetrieb, • „Lagerung“ von Personalreserven etwa im Pausenraum der Arztpraxis, • „Lagerung“ des Externen Faktors, dies bezieht sich sowohl auf vom Kunden beigestellte Produkte als auch die Person des Kunden selbst wie bei eingereichten Akten in der öffentlichen Verwaltung oder im Patientenwartezimmer beim Arzt.

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Insgesamt kommt es auf eine bestmögliche Abstimmung der Angebotszeit nach der Endkombination und der Bedarfszeit des Externen Faktors an. Dabei sind folgende Ausgestaltungen denkbar: • der Verkauf und die externe Endkombination finden zu einem gemeinsamen Zeitpunkt statt, • der Verkauf und die externe Endkombination finden nacheinander zu verschiedenen Zeitpunkten statt, dabei erfolgt ein Ausgleich über Anrechtsbelege, • die Dienstleistung findet nach vorheriger Anmeldung statt, der Zeitpunkt wird vom Anbieter bestimmt, • die Dienstleistung findet auf Abruf selbsttätig statt, den Zeitpunkt dazu bestimmt der Kunde, • die Dienstleistung findet nach Bereitstellung Zug um Zug statt, der Zeitpunkt wird von beiden Seiten gemeinsam bestimmt, • die Dienstleistung findet während eines Zeitfensters des Anbieters statt wie bei den Ladenöffnungszeiten bei Absatz im Residenzprinzip, • die Dienstleistung findet während eines Zeitfensters des Kunden statt wie bei Bürozeiten bei B-t-B-Absatz im Domizilprinzip.

16.3.2 Zeitdimension 16.3.2.1 Abwicklungszeit Die zeitliche Verfügbarkeit betrifft vor allem Wartezeiten auf die Leistungserbringung. Die Abwicklungszeit zur Leistungserbringung setzt sich aus Transferzeiten als Stützleistung, Vorbereitungszeiten als Stützleistung, eigentlichen Ausführungszeiten als Nutzleistung, Nachbereitungszeiten als Stützleistung und Wartezeiten als Blindleistung zusammen. Die Nutzleistung dient der tatsächlich wertschöpfenden Ausführung, die Stützleistung entsteht durch Transaktion wie Ziehung der Patientenakte, Weiterleitung vom Behandlungszimmer in den Röntgenraum und Zurückbringen in das Wartezimmer, sowie durch Abwicklung etwa bei Computerein- und -ausgaben. Wartezeiten sind Verlustzeiten zum Transfer und zur Abwicklung zwischen internen Faktoren und Externem Faktor. Transferzeiten für den Externen Faktor sind u. a. erforderlich für Fahrten zum Dienstleister und zurück, für die Suche nach einem Parkplatz, für Wege innerhalb des Gebäudes. Sie können abgebaut werden durch geeignete Standortwahl, also verkehrsgünstig gelegen, mit ausreichendem Parkplatzangebot und ÖPNV-Anbindung, innerbetriebliche Leitsysteme, die durch klare Piktogramme markiert sind oder Nutzung von Tele- anstelle von

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Face to Face-Kommunikation, durch Abhol- bzw. Bringservices sowie Veredelung von Dienstleistungen. Vorbereitungs- und Nachbereitungszeiten sind u. a. erforderlich für Terminabsprachen, Ausfüllen von Formularen, Übergabe bzw. Übernahme eingebrachter Objekte als beigestellte Produkte, Buchungen oder Check-outs. Sie dienen der Realisierung der eigentlichen Leistungserbringung und können durch Verfahrensvereinfachung etwa aus der Standardisierung von Prozessen oder Externalisierung der Leistungserbringung (Prosumership) bzw. Automatisierung der Leistungs­ erstellung abgebaut werden. Wartezeiten entstehen durch mangelnde Abstimmung von Angebots- und Bedarfszeiten und werden generell als ärgerlich empfunden. Sie überbrücken Pausen zwischen den Stufen der Leistungserbringung bzw. vorher und nachher. Auch sie können durch die Schaffung von Unterhaltungs- bzw. Aktivitätsmöglichkeiten wie einem Bildschirm mit Videoprogramm im Sichtfeld des Zahnarztpatienten oder Unterlassung der sichtbaren, aber unverständlichen Vorzugsbehandlung einzelner Kunden vor anderen abgebaut werden wie durch getrennte Sprechstundenzeiten / Wartezimmer für Selbstzahler und Kassenpatienten in der Arztpraxis. Hilfreich sind allgemein • die frühzeitige Einbeziehung des Externen Faktors in alle Prozessphasen oder die Information der Kunden über plausible Wartegründe und die voraussichtliche Wartedauer, etwa durch eine Restwartezeitanzeige wie das an den Haltestellen von Bussen und Bahnen üblich ist, eine vorherige Terminvereinbarung, die dann aber auch realistisch sein sollte, die Trennung von Angebotselementen mit unterschiedlichem subjektiven Wert, etwa als Schnellservice für limitierte Leistungsumfänge wie beim Express-Schalter bei Kleineinkäufen im Möbelhandel, eine zeitliche Preisdifferenzierung durch Yield Management, bei der höhere Preise Kunden in Stoßzeiten verdrängen, ein flexibler Personaleinsatz nach Kundenanfall etwa durch Einsatz von Teilzeitkräften oder Springern und entsprechende arbeitsorganisatorische Vorkehrungen. 16.3.2.2 Fristverkürzung Am besten ist der Versuch einer Reduzierung der Wartezeiten. Es gibt im Grundsatz drei Möglichkeiten zur Fristverkürzung, linear, prozedural und über Warteschlangen. Die lineare Strategie strebt eine Verkürzung aller drei Arten von Wartezeiten, also Transfer-, Abwicklungs- und Transaktionszwischenzeiten an. Dazu ist eine bessere Abstimmung der Teilprozesse aufeinander erforderlich. Eine solche zeitliche Harmonisierung kann durch Prioritätsregeln erreicht werden. Denkbar sind dabei folgende: • First come, first served bedeutet, dass der Kunde, der die relativ längste Wartezeit aufweist, Priorität in der Bearbeitung erhält (FiFo).

16. Dienstleistungsvertrieb

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• Kürzeste Operationszeit bedeutet, dass der Externe Faktor / Kunde mit der kürzesten Episodenzeit im Engpass Priorität erhält, damit alle anderen rascher nachrücken können. • Kürzeste Gesamtoperationszeit bedeutet, dass der Externe Faktor / Kunde mit der kürzesten Transaktionszeit als Summe aller Episodenzeiten, also incl. Transfer, Vor- und Nachbereitung, Priorität erhält. • Längste Operationszeit bedeutet, dass der Externe Faktor / Kunde mit der längsten Episodenzeit Priorität erhält, weil dabei eine höhere Profitabilität je Engpassbelegungseinheit zu vermuten ist. • Frühester Fertigstellungstermin bedeutet, dass der Externe Faktor / Kunde mit dem frühesten Endtermin seiner Leistung Priorität erhält, um Terminüberschreitungen zu vermeiden. • Erstellungsrestzeit bedeutet, dass der Externe Faktor / Kunde, dessen Auftrag bei mehrstufiger Bearbeitung die kürzeste verbleibende Erstellungszeit aufweist, Priorität erhält. • Schlupfzeit bedeutet, dass der Externe Faktor / Kunde mit der geringsten Differenz zwischen der verbleibenden Erstellungszeit und dem geplanten Endtermin der Dienstleistung Priorität erhält. • Kundenwert bedeutet, dass der Externe Faktor / Kunde mit dem höchsten zu erwartenden Überschuss seiner Auszahlungen über seine Einzahlungen bei den anstehenden Aufträgen Priorität erhält. Die prozedurale Strategie strebt die Füllung der Transfer-, Abwicklungs- und Wartezeiten durch andere Aktivitäten an, meist durch Beschäftigung wie Ausfüllen eines Patientenbogens in der Arztpraxis vor der Behandlung. Es ist auch eine Kombination aus linearer und prozeduraler Strategie denkbar. Dies eröffnet interessante Perspektiven. So ist kaum jemandem wirklich bewusst, welche vielfältigen Leistungen ein Frisör anbietet. Daher wird bei der, zugegebenermaßen fantasielosen Frage nach dem „Was darf es sein?“ immer nur ein kleiner Ausschnitt des tatsächlichen Angebotsspektrums abgefordert. Zugleich sind aber kleinere Wartezeiten beim Frisör durchaus akzeptiert. Denkbar wäre es daher, die Wartezeit zu überbrücken, indem man die Kunden in einem attraktiv aufgemachten Leistungskatalog ihre spezifisch gewünschten Leistungen auswählen lässt oder ein entsprechendes Video an der Monitorwand gezeigt wird. Damit wird zunächst einmal die komplette Leistungspalette sichtbar. Versieht man jede Teilleistung noch mit einigen erläuternden Worten über ihren Nutzen wie etwa beugt Haarausfall vor, gibt dem Haar mehr Glanz, ist es sehr wahrscheinlich, dass gegenüber der ursprünglichen Absicht zusätzliche Leistungen abgefordert werden. Damit erhöht sich der Kundenwert erheblich. Zugleich wird die unvermeidliche Wartezeit informativ und unterhaltsam überbrückt.

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

Als allgemeine Anhaltspunkte zum Umgang mit Wartezeiten im Dienstleistungsvertrieb sind die Folgenden hilfreich: • Aktiv verbrachte Zeit wird im Vergleich zu passiv verbrachter Zeit von Kunden als kürzer empfunden. • Wartezeiten während des Prozesses, etwa zwischen dem Setzen einer Betäubungsspritze und dem Aufbohren einer Kavität beim Zahnarzt, erscheinen kürzer als das Warten auf den Prozess selbst, also die Zahnbehandlung. • Wartezeiten, die mit Ungewissheit verbunden sind, werden als länger wahrgenommen. Weiß man, wie lange die Wartezeit dauern wird, erscheint sie kürzer. Deshalb wird am Bahnsteig vielfach die verbleibende Zeit herunter gezählt. • Gleiches gilt, wenn man weiß, warum es so lange dauert, etwa durch Hinweis auf einen zwischengeschobenen Schmerzpatienten in der Arztpraxis, für den die meisten Patienten großes Verständnis aufbringen, weil es sie einmal auch selbst erwischen könnte. • Wartezeiten, die interpersonell als „fair“ empfunden werden, werden als kürzer wahrgenommen als „unfaire“. • Wartezeiten auf subjektiv „wertvolle“ Dienstleistungen werden als kürzer erlebt, etwa vor einem Notariatstermin oder einer radiologischen Untersuchung. • Wartet man innerhalb einer Gruppe, vergeht die Wartezeit häufig schneller als allein. Wobei es allerdings auch auf die Interaktion in der Gruppe ankommt, ggf. erscheint die Wartezeit in der Gruppe dann sogar länger. Bei Warteschlangen ist eine Entscheidung über deren Anzahl erforderlich. Hier gibt es das Multiple Queuing oder das Single Queuing. Ersteres bedeutet, dass es mehrere Leistungspunkte gibt, die getrennte Warteschlangen haben, letzteres bedeutet, dass es mehrere Leistungspunkte mit einer gemeinsamen Warteschlange gibt. Denkbar ist auch ein Leistungspunkt mit mehreren Warteschlangen, nach Priorität. Der Regelfall ist ein Leistungspunkt mit einer dazugehörigen Warteschlange. Insofern ergeben sich folgende Kombinationen: • Single Queuing / Single Desk, also eine Warteschlange an einem Schalter, das ist der einfachste Fall, jedoch entsteht ein wenig kundenfreundlicher Eindruck, da einerseits die Angebotskapazität als zu knapp bemessen erscheint und andererseits die Kundenzufriedenheit angesichts langer Schlangen leidet. • Bei Multiple Queuings / Single Desk, also mehrere Warteschlangen an einem Schalter, wird eine Prioritätsregelung erforderlich, ohne dass Unzufriedenheiten aufkommen, dies ist als häufige Situation in Arztpraxen bei Privatpatienten und Kassenpatienten anzutreffen. • Single Queuing / Multiple Desks, also eine Warteschlange für mehrere Schalter, ist wohl der günstige Fall, da die Angebotskapazität ausreichend bemessen er-

16. Dienstleistungsvertrieb

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scheint und Fairness herrscht, niemand wird augenscheinlich bevorzugt oder benachteiligt, der jeweils nächste ist an der Reihe. • Bei Multiple Queuings / Multiple Desks, also jeder Schalter mit eigener Warteschlange, ist eine Spekulation darüber erforderlich, welcher Schalter am raschesten vorankommt, wo also die kürzeste Wartezeit entsteht. Leider geht diese Spekulation nur selten auf wie weithin an Supermarktkassen zu besichtigen.

16.3.3 Ausgangslogistik Die Ausgangslogistik verbindet den Dienstleistungsbetrieb mit seinen Absatzmärkten. Die Leistungsströme fließen dabei entweder direkt vom Anbieter zum Empfänger oder häufiger in mehreren Stufen indirekt, wobei sich Bündelungs- und Auflösungspunkte ergeben. Der direkte Fluss wird eingliedrig genannt, weil er ohne Umschlagvorgänge auskommt. Ein gebrochener Fluss erfolgt mit mehreren Verkehrsträgern. Dabei wird in Vorlauf zur Bereitstellung der Leistungseinheit, Hauptlauf zur Überbrückung der großen Distanz zwischen Sammelpunkt und Verteilpunkt und Nachlauf zum Transfer der Leistungseinheit sowie Umkehrlauf zur evtl. Rücknahme unterschieden. Das Problem bei direktem Fluss besteht darin, dass häufig Leer- oder Teilleerfahrten erfolgen, die bei Serviceeinsätzen unnötige Kosten verursachen und die Umwelt belasten. Daher werden Verteilzentren eingerichtet, an denen zu- und abgehende dienstleistungsbegleitende Sachleistungen wie Ersatzteile konsolidiert werden. Lieferanten- und abnehmerorientierte Spediteure tauschen dort gegenseitig ihre Ladungen aus. Zur Durchführung der Distributionsvorgänge werden Transportsysteme eingesetzt. Wichtige Entscheidungskriterien sind die Dichte des Verkehrsnetzes, also die tatsächliche Erreichbarkeit der Destinationen, die Erschließung der Region, also die Effizienz der Entfernungsüberbrückung und die Transportelastizität, also die Anpassbarkeit des Transportvolumens. Immer wichtiger wird auch die Ökobilanz des Transports als Carbon Footprint. Für die Findung der optimalen Route zwischen mehreren Start- und Endpunkten des Transports ist eine Transportplanung erforderlich. Diese erfolgt computergestützt durch Transportmodelle auf OR-Basis. Ein verbreitetes Verfahren ist die Simplexmethode. Heuristisch können mit der Nordwest-Ecken-Regel ausgehend von einer Anfangskonstellation sukzessive Verbesserungen nach der Stepping Stone-Regel zu erreichen gesucht werden. Die Tourenplanung betrifft die Zusammenfassung von Einzelaufträgen zu Distributionstouren je Fahrzeug für einen gemeinsamen Auslieferungsort. Dabei sind zahlreiche Restriktionen zu beachten wie Gewicht, Volumen oder Arbeitszeit. Dies gilt immer dann, wenn die Auslieferungsmenge größer ist als mit einem Transport-

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung

mittel allein zu bewältigen. Heuristisch wird ausgehend von einer Einzelbelieferung eine kostenminimale Zusammenstellung von Aufträgen im Savings-Verfahren angestrebt. Es wird unterstellt, dass damit auch eine Zeiteinsparung erreichbar ist. Bedeutsam sind dabei einfache Netzwerke als Hubs and Spokes wie auch mehr oder minder komplexe, vernetzte Systeme. Die Routenplanung betrifft die Reihenfolge der anzusteuernden Kontaktpunkte während einer Tour. Auch hierbei geht es um eine entfernungs- bzw. zeitminimale Ausgestaltung, diesmal der Reihenfolge der Auflade- bzw. Abladeorte. Dabei sind Parameter wie Luftlinie, Entfernung oder Wegerestriktionen zu berücksichtigen, ebenso Parameter wie Zeitdauer oder Geschwindigkeitsbegrenzungen. Theoretisch wird dies im Wege des Travelling Salesman Problem als Rundreise gelöst oder nach dem zweistufigen Sweep-Verfahren bzw. dem Branch and Bound-Verfahren. Praktisch kommen GPS-Routenplaner zum Einsatz, die nach gewählten Kriterien wie kein Linksabbiegen, keine Wegschleifen, keine verkehrberuhigten Zonen etc. optimierte Wege angeben. Logistische Dienstleistungen können vom Betrieb selbst erbracht werden / Make oder fremd zugekauft werden / Buy. Im Verlauf der Zeit haben sich für letzteres vier Generationen von Logistikdienstleistungen ergeben: • Bei First Party Logistics erfolgt die Vergabe von Transportaufträgen durch das Lieferunternehmen selbst. • Bei Second Party Logistics erfolgt die Vergabe an Spediteure, die ihrerseits eigene oder fremde Frachtführer einsetzen. • Bei Third Party Logistics kümmern sich Spediteure nicht nur um die Durchführung der Logistik, sondern liefern auch ergänzende Dienstleistungen wie Tracking, Tracing oder Transportdokumente. • Bei Fourth Party Logistics wird die Steuerung der gesamten Logistikkette durch Provider übernommen. Dabei geht es um die Optimierung der Logistik.

16. Dienstleistungsvertrieb Tabelle 24a Distributions- und Verkaufsplanung (Formular)

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Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung Tabelle 24b Distributions- und Verkaufsplanung (Forts.)

16. Dienstleistungsvertrieb Tabelle 24 c Distributions- und Verkaufsplanung (Forts.)

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982

Kap. V: Operative Distributions- und Verkaufsplanung Tabelle 24d Distributions- und Verkaufsplanung (Forts.)

16. Dienstleistungsvertrieb Tabelle 24e Distributions- und Verkaufsplanung (Forts.)

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Kapitel VI

Instrumentalabstimmung Wie aufgezeigt, bieten die gängigen vier Marketing-Mix-Instrumente jedes für sich eine Vielzahl an Stellgrößen und Ausgestaltungen. Damit diese Einflusselemente (1.) synergetisch ineinander greifen, ist es unerlässlich, sie intrainstrumental, also innerhalb jedes Instruments, aber auch interinstrumental, also zwischen den Instrumenten, fein abzustimmen. Wegen der praktisch unendlichen Kombinationsmöglichkeiten, aber auch qualitativer Faktoren, führt dies jedoch zu Entscheidungsdilemmata (2.). Zumal die Umfeldbedingungen (Markt, Wettbewerb, Nachfrage) dafür sorgen, dass sich die Anforderungen an die zu wählende Instru­ mentalkombination ständig verändern. Letztlich scheitert jede wünschenswerte Optimierung der Instrumentalabstimmung an der Vielzahl der Unwägbarkeiten.

1. Einflusselemente Jedes der vorgestellten Marketing-Instrumente ist in mannigfacher Form, d. h. Auswahl, Intensität, Zeit-Raum, Inhalt etc., einsetzbar. Aus der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Instrumente und deren vielfältigen Ausprägungen ergibt sich eine immense Anzahl von Kombinationsmöglichkeiten. So geht es nicht nur um die Allokation der vier Submixes zueinander (= interinstrumenteller Abgleich), sondern auch um die Allokation der einzelnen Stellgrößen innerhalb jedes Submixes (= intrainstrumenteller Abgleich). An der Aufgabe, den optimalen Marketing-Mix herauszufinden, scheitern Theorie und Praxis daher verständlicherweise bislang. Und theoretische Modelle sind vor allem wegen ihrer unrealistischen Prämissen nicht anwendbar. Zumal es genügend Beispiele gibt, dass ganz unterschiedliche Kombinationen erfolgreich sind, immer wieder auch solche, bei denen jede rationale Analyse eigentlich nur zum Ergebnis eines prospektiven Misserfolgs kommen kann (IKEA, Body Shop, McDonald’s etc.). Tatsächlich hilft hier nur Trial & Error, d. h., ein bestimmter Marketing-Mix wird heuristisch bestimmt und durch realen Test partiell optimiert, ohne jemals ein absolutes Optimum zu erreichen. Dies verhindert allein schon die Dynamik der Märkte. Ursachen für die Unbestimmbarkeit von Wirkungen im Instrumental-Mix sind die vielfältigen Beziehungen der Stellgrößen untereinander, die mit jeder neuen Kombination von Neuem in vorab unbestimmbarer Weise miteinander in Verbund treten. Reduziert auf bilaterale Beziehungen ergeben sich die folgenden Möglichkeiten.

1. Einflusselemente

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Independente Elemente bedeuten, dass die Setzung eines Elements keinerlei Auswirkungen auf den Erfolg des anderen hat. Diese Beziehung dürfte allerdings recht selten sein, da die enge Vernetzung ökonomischer Bereiche dazu führt, dass praktisch jedes Element des Marketing-Mix mit jedem anderen in Verbindung steht und deshalb die Änderung eines Elements immer auch mehr oder minder große Auswirkungen auf das andere hat. Interdependente Elemente bedeuten, dass die Setzung eines Instruments Auswirkungen auf den Erfolg des anderen hat, und zwar positiv im Sinne von unterstützend oder negativ im Sinne von beeinträchtigend, additiv im Sinne von voraus­setzend oder kompensativ im Sinne von ersetzend. Hierbei ergeben sich die

Abbildung 150: Marketing-Mix-Beziehungen (am Beispiel von zwei Instrumenten) (eig. Darst.)

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Kap. VI: Instrumentalabstimmung

folgenden Zusammenhänge (siehe Abbildung 150: Marketing-Mix-Beziehungen (am Beispiel von zwei Instrumenten)): • Substitutiv bedeutet, dass ein Element in seiner Wirkung stufenlos durch ein anderes ersetzt werden kann. Ein bestimmtes Wirkniveau ist also durch jede beliebige Kombination des Marketing-Mix erreichbar. Wird ein Element verstärkt eingesetzt, ohne das andere zurück zu nehmen, wird ein höheres Wirkniveau erreicht. Die Relation von Input und Output kann proportional, überproportional oder unterproportional sein. • Limitational bedeutet, dass ein Element zu seiner Wirkung eines genau de­ finierten Einsatzes des anderen bedarf. Deshalb gibt es für jedes Outputniveau nur eine effiziente Inputkombination. Der Überschuss eines Elements führt nicht zur Erreichung eines höheren Wirkniveaus, der Mangel bereits eines Elements aber verhindert die Erreichung des dem anderen Element angemessenen Wirkniveaus. Daher ist die Engpassorientierung dominant (= Ausgleichsgesetz der Planung). • Beschränkt limitational bedeutet, dass ein Element auf mehreren verschiedenen Niveaus effizient mit einem anderen kombiniert werden kann. Zwischen diesen Levels bewirkt der Einsatzüberschuss eines Elements jedoch noch keinen Wirkniveauanstieg, und ein Einsatzmangel eines Elements ergibt sogleich eine Wirkniveausenkung, es sei denn, dabei wird eine weitere effiziente Kombination der Elemente realisiert. Schließlich ist nach dem Einsatz obligatorischer und fakultativer Elemente zu unterscheiden, d. h., nicht alle Marketinginstrumente müssen zwangsläufig in Anspruch genommen werden, obgleich einige unerlässlich sind.

2. Entscheidungsdilemmata Marketing ist ein äußerst komplexer, vielschichtiger und ineinander verzahnter Themenbereich. Entscheidungen in einem solchen Umfeld zu treffen, ist besonders anspruchsvoll. Dabei kommen weitere Faktoren erschwerend hinzu. Marketing ist dynamisch, weil die Märkte, die deren Gegenstand bilden, sehr schnelllebig sind. Und das Tempo der Veränderung nimmt eher noch zu, damit auch die Notwendigkeit, absatzpolitische Beschlüsse rasch zu fassen und konsequent zu revidieren. Es gibt eine Vielzahl möglicher Kombinationen von Aktivitäten im Marketing, die in unterschiedlicher Beziehung zueinander stehen und sich gegenseitig aufschaukelnd oder kompensierend beeinflussen sowie nur schwer gegeneinander abzugrenzen sind. Es liegen keine linearen Zusammenhänge zwischen unabhängigen (Nachfrage, Wettbewerb)  und abhängigen Variablen (Marketinginstrumente)  vor. Vielmehr bleiben diese Zusammenhänge unstetig und kaum prognostizierbar, weil sie meist

2. Entscheidungsdilemmata

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qualitativer Natur und deshalb nur schwer nachvollziehbar sind bzw. sich einer Quantifizierung weitgehend entziehen. Es bestehen vielfältige zeitliche Verzögerungen (Carry over-Effekte), die dazu führen, dass sich in der aktuellen Periode Maßnahmen der mehr oder minder weit zurückliegenden Vergangenheit und der Gegenwart mischen, ebenso wie in zukünf­ tigen Perioden die Maßnahmen der Gegenwart und Zukunft aufeinander einwirken. Dies macht insbesondere Erfolgskontrollen im Marketing nur schwer möglich. Hinzu kommen räumliche Beeinflussungen (Lap over- / -in-Effekte) durch mobile Marktakteure. So haben Aktivitäten auf einem räumlichen Markt durch Austauschbeziehungen zwischen Märkten kaum kontrollierbare Auswirkungen auf andere, ursprünglich nicht intendierte Märkte. Schließlich bestehen auch mehr oder minder enge sachliche Zusammenhänge (Spill over-/-in-Effekte). Zu denken ist an Partizipationseffekte innerhalb eines Programms oder auch an Substitutionseffekte. Diese sind schwer nachvollziehbar und kaum vorhersehbar. Zusammenhänge sind meist stochastischer Natur, d. h., es liegen keine deterministischen Ursache-Wirkungs-Aussagen wie in Teilen der Betriebswirtschaftslehre vor, sondern nur Hypothesen mit daraus abgeleiteten Übergangswahrscheinlichkeiten für Auslöse-Folge-Wirkungen. Marktrelevante Größen sind in vielfältiger Weise verwoben. Denn Marketing hat zu allererst mit Menschen und ihren Bedürfnissen zu tun. Und diese sind eben nur ausnahmsweise vernünftig begründbar. Es bestehen vielfältige, zunehmend rigidere Restriktionen in der Mikro- und Makroumwelt, die bei der Marketing-Entscheidung zu berücksichtigen sind (z. B. solche sozialer, ökologischer, politischer, rechtlicher Art). Marketing verfolgt in der Regel ein mehrdimensionales Zielsystem, so dass sich bei häufigst vorkommenden Zielkonflikten Präferenzprobleme ergeben, die ständig das Erfordernis zur Kompromissschließung beinhalten, damit also nicht eindimensional gefasst werden können. Es handelt sich im Marketing meist um mehrstufige Entscheidungsprozesse, denen schlecht strukturierte Problemstellungen zugrunde liegen. Das Gewicht verlagert sich demnach vom objektiven Kalkül auf subjektive Intuition. Damit sind Entscheidungen im Marketing weniger berechenbar, als vielmehr von Erfahrung und Sensibilität getragen. In die verschiedenen Stadien sind meist mehrere, selbstständige Entscheidungsträger involviert, die durchaus verschiedenartige egoistische Interessen verfolgen (z. B. Handelsstufen). Deren konstruktive Einbindung bereitet große Probleme. Hier entscheidet letztlich die Marktmacht darüber, wer sich mit seinen Interessen gegen den anderen durchzusetzen vermag.

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Kap. VI: Instrumentalabstimmung

Es ergeben sich Abnutzungserscheinungen in der Wirkung einzelner Marketingaktivitäten. Deren überzogener Einsatz führt zu Wear Out-Effekten bis hin zur Reaktanz (z. B. in der Kommunikationspolitik). Die Instrumente im Marketing sind in mehr oder minder großem Umfang substituierbar. So kann eine Absatzsteigerung sowohl durch Preissenkung als auch durch Verkaufsförderung zu erreichen gesucht werden. Andererseits stehen sie jedoch auch in einem Komplementärverhältnis zueinander. So ist etwa ein Hochpreisniveau an Spitzenproduktqualität gebunden, soll es auf Dauer Erfolg haben. Es bestehen Wirkschwellen, die dazu führen, dass Aktivitäten unterhalb eines gewissen Niveaus keine Wirkungen zeitigen und bereits vergleichsweise kleine Erhöhungen oder Senkungen des Intensitätsniveaus zu sprunghaften Veränderungen führen, nämlich dann, wenn solche Wirkschwellen über- oder unterschritten werden. Der Erfolg der eigenen Marketingaktivitäten wird immer auch vom Wettbewerb beeinflusst. Insofern ist zusätzlich auch die Relation zum Konkurrenzumfeld einzubeziehen. Die mangelnde Abgrenzung des Effekts eigener Aktivitäten zu den autonomen Aktivitäten des Wettbewerbs erschwert eine zielgerichtete Marketingsteuerung. Ebenso ist ein Erfolg nur ungenügend gegenüber autonomen Verhaltensänderungen der Nachfrager abzugrenzen. Trends (z. B. Paradigmawechsel) schlagen vielmehr in vollem Umfang durch.

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Sachverzeichnis A-Geschäft (Kreditierung)  593 Abhol-Großhandel 743 Ablaufdiagramm 331 Ablauforganisation 311 Above the Line-Medien  681 Abrufvertrag 600 Absatz-Großhandel 745 Absatzdokumente 603 Absatzform, Distanzprinzip  732 Absatzform, Domizilprinzip  731 Absatzform, Eigengestaltung  732 Absatzform, Fremdgestaltung  732 Absatzform, gebundene Gestaltung  733 Absatzform, Residenzprinzip  731 Absatzform, Treffprinzip  732 Absatzhelfereinsatz  805, 806 Absatzhelfer, akquisitorisch  806 Absatzhelfer, logistisch  811 Absatzkanal, Akteure  714 Absatzkanalbeziehungen 729 Absatzkanalbreite  717, 724 Absatzkanalkonflikte, Angebot  779 Absatzkanalkonflikte, Gegenleistung  781 Absatzkanalkonflikte, Information  784 Absatzkanalkonflikte, Verfügbarkeit  786 Absatzkanalkonflikte, vertikal  780 Absatzkanalkonzentration 777 Absatzkanalkooperation, Abstimmung  792 Absatzkanalkooperation, Raumvermietung 794 Absatzkanalkooperation, vertikal  792 Absatzkanalkooperation, Warenverkauf  799 Absatzkanalkooperation, Warenvermittlung ​ 796 Absatzkanalpräsenz, Anpassung  789 Absatzkanalpräsenz, Dominanz  789 Absatzkanalpräsenz, Kooperation  789 Absatzkanalpräsenz, Umgehung  788 Absatzkanaltiefe 724 Absatzmethode 731 Absatzmittler 739 Absatzmittler, Funktionen  739

Absatzpolitik  41 Absatzprognose, qualitativ  438 Absatzprognose, quantitativ  437 Absatzprogramm 461 Absatzquelle  225, 228 Absatzvertragsformen 600 Absatzwege  725, 727 Absatzweg, direkt  724 Absatzweg, indirekt  724 Abschlussmärkte 817 Abschlussmärkte, offen  820 Abschlussmärkte, reglementiert  818 Abschlussvertreter 806 Abschöpfungspreissetzung 551 Abwicklungszeit 973 Adoption 94 Affiliate Network  853 Affiliate-Attributierung 855 Affiliate-Vergütung 854 Affiliation 850 Affinität (Media)  640 AGB 603 Agenturvertrieb 796 Aggregate 937 Akquisitorisches Potenzial  512 Aktionspreissetzung 552 Alleinfinanzierung 595 Alleingründung 923 Alleinvertreter 807 Altersquerschnitt-Analyse 113 Analyseverhalten (strategische) 90 Angebotsanspruch (Positionierung)  279 Angebotsausweitung (Absatzquelle)  234 Angebotsausweitung, Cross Selling  235 Angebotsausweitung, Gebietsausdehnung  236 Angebotsausweitung, Kategoriewechsel  238 Angebotsausweitung, Konkurrenzverdrängung ​ 237 Angebotsausweitung, Präsenzstreckung  237 Angebotsausweitung, Up Selling  234 Angebotsbewertung 948

Sachverzeichnis Angebotseinholung 946 Angebotspräsentation, Online  862 Annahmeverzug 605 Anspruchsbegründung (Positionierung)  279 Anteilsstruktur-Analyse 111 Anwendungsforschung 393 Anwendungssysteme, Integralqualität  936 Anwendungssysteme, Leistungsumfang  935 Anwendungssysteme, Systemrichtung  935 Anwendungssysteme, Systemverbreitung ​936 Anzeigenbesonderheiten 628 App 678 Audio Visual Transfer  632 Aufbauorganisation 311 Aufkauf-Großhandel 745 Aufmachung 474 Auftragskommunikation, Online  882 Auftragslogistik, Online  885 Augmented Product (Kotler)  344 Auktion, amerikanisch  859 Auktion, englisch  859 Auktion, geheim  859 Auktion, holländisch  859 Auktion, invers  860 Auktion, japanisch  859 Auktion, Zweithöchstpreis  859 Ausgangslogistik, Routenplanung  978 Ausgangslogistik, Tourenplanung  977 Ausgleichsprinzip 55 Auslandsvertragsabsatz 920 Auslandsvertrieb, Außenhandel  917 Auslandsvertrieb, Direktinvestition  922 Auslandsvertrieb, Marktabfolge  924 Auslandsvertrieb, Marktführung  925 Auslandsvertrieb, Marktwahl  914 Auslandsvertrieb, Vertragsabsatz  920 Ausstattung 474 Ausstellung, Standart  683 Ausstellung, Standbauweise  683 Ausstellung, Standbetrieb  683 Ausstellung, Standfläche  682 Ausstellung, Standgestaltung  684 Ausstellung, Standlage  682 Austauschgeschäft 590 Auswahlverfahren 412 Auswahlverfahren, bewusst  412 Auswahlverfahren, zufällig  412 Außen-Großhandel 745

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Außenhandel, direkter Export  917 Außenhandel, indirekter Export  918 Außenhandel, Kompensationsgeschäft  918 Außenhandel, Protektionismus  919 Außenhandel, Veredelungsgeschäft  918 Außenwerbung, mobil  636 Außenwerbung, Sonderwerbeformen  637 Außenwerbung, stationär  636 Automatenverkauf 755 B-Geschäft (Kreditierung)  594 Balanced Score-Card  339 Balkendiagramm 331 Bandwagon-Effekt 525 Banner (Display-Werbung)  652 Banner, einfach integriert  652 Banner, elaboriert integriert  652 Banner, Layer Ads  654 Banner, New Window Ads  653 Barter (Warentausch)  592 Befragung, computergestützt (CAPI)  407 Befragung, computergestützt (CASI)  408 Befragung, computergestützt (CATI)  408 Befragung, medial  404 Befragung, online  406 Befragung, persönlich  401 Befragung, schriftlich  405 Befragung, telefonisch  404 Below the Line-Medien  680 Benchmarking 341 Benchmarking, externes  342 Benchmarking, internes  342 Beobachtung, Kriterien  409 Beobachtung, online  411 Beschaffung, Angebotsbewertung  948 Beschaffung, Angebotseinholung  946 Beschaffung, Bestellverfahren  951 Beschaffung, Einkaufstaktikwahl (Sourcing) ​ 944 Beschaffung, Lieferantenauswahl  949 Beschaffung, Nachkaufzufriedenheit  952 Beschaffung, Problembeschreibung  943 Beschaffung, Problemerkennung  940 Beschaffungsprozess 941 Bestellpunktverfahren 951 Bestellrhythmusverfahren 952 Beteiligung (Acquisition)  922 Betriebsformen, Dynamik  756

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Sachverzeichnis

Betriebsformen, Einzelhandel  752 Bewusstauswahlverfahren 414 Bezahlvorgang, Online  871 Bezirksvertreter 807 Binnen-Großhandel 745 Bionik 382 Blocktarif 559 Blue Ocean-Strategie  154 Börse 820 Brainstorming 380 Branchenstruktur-Analyse, Abnehmer  98 Branchenstruktur-Analyse, aktuelle Konkurrenten 101 Branchenstruktur-Analyse, Lieferanten  98 Branchenstruktur-Analyse, potenzielle Konkurrenten 100 Branchenstruktur-Analyse, Substitutionsanbieter 99 Brandpark 686 Break even, gewinnwirksam  581 Break even, liquiditätswirksam  581 Break even, vollkostenwirksam  581 Break even-Analyse  581 Budgetflexibilität 336 Budgetierung 333 Budgetierungsdauer 336 Budgetierungsverfahren 335 Budgetierungsverfahren, analytische  335 Budgetierungsverfahren, nicht-analytische 335 Business Mission  52, 471 Buying Center  259 C-Geschäft (Kreditierung)  594 Capital Asset Pricing Model  224 Captcha 844 Category Management  770 Centerorganisation 316 Chancen-Risiken-Analyse 117 Clarifier / Simplifier  261 Clubsystem 736 Community (Online-)  671 Conjoint-Analyse 535 Cookies 645 Corporate Behaviour  705 Corporate Communications  706 Corporate Design  706 Corporate Identity  705 Corporate Social Responsibility  482

Corporate Website  645 Corporate Website, Charakteristika  645 Corporate Website, Funktionalitäten  647 Corporate Website, Nutzerführung  650 CPFR (Collaborative Planning Forecasting Replenishment) 771 Cross Channel Distribution  723 Customer Journey  849 Dach- / Firmenmarke  363 Data Mining  303 Datenbasis 302 Datenmarketing 44 Datensysteme 302 Deckungsbeitragsrechnung 574 Delphi-Technik 439 Depotsystem im Eigenhandel  799 Dienstleistung 348 Dienstleistung, Abwicklungszeit  973 Dienstleistung, Abwicklungszeitverkürzung ​ 974 Dienstleistung, akquisitorische Verfügbarkeit ​ 958 Dienstleistung, Ausgangslogistik  977 Dienstleistung, Automatisierung  957 Dienstleistung, Besonderheiten  954 Dienstleistung, Externalisierung  957 Dienstleistung, Individualität  956 Dienstleistung, Intangibilität  954 Dienstleistung, Integration des Externen Faktors 955 Dienstleistung, Warteschlangen  976 Dienstleistungsabsatz, ausgegliedert  959 Dienstleistungsabsatz, dezentral  959 Dienstleistungsabsatz, direkt  960 Dienstleistungsabsatz, eigengestaltet  959 Dienstleistungsabsatz, fremdgestaltet  960 Dienstleistungsabsatz, gesplittet  965 Dienstleistungsabsatz, indirekt  962 Dienstleistungsabsatz, Marktzugang, Metho­de  958 Dienstleistungsabsatz, Marktzugang, Struktur  965 Dienstleistungsabsatz, Marktzugang, Stufigkeit 960 Dienstleistungsabsatz, parallel  965 Dienstleistungsabsatz, zentral  958 Dienstleistungsvertrieb 953

Sachverzeichnis Dienstleistungsvertrieb, logistische Verfügbar­ keit 966 Dienstleistungs-Externalisierung 958 Diffusion 93 Direktabsatz, einstufig-indirekt  725, 727 Direktabsatz, extern  725, 726 Direktabsatz, halbstufig  850 Direktabsatz, Handlungsgehilfen  735 Direktabsatz, intern  724, 726 Direktabsatz, mehrstufig-indirekt  726, 728 Direktabsatz, nullstufig  845 Direktabsatz, zweistufig-indirekt  725 Direkte Produkt-Profitabilität (DPP)  765 Direkte Produkt-Rentabilität (DPR)  765 Direktwerbung, Adressen  687 Direktwerbung, Aussendung  686 Direktwerbung, elektronisch  689 Direktwerbung, geprintet  688 Discounter 753 Disintermediation 724 Diskontpreissetzung 549 Display-Werbung 652 Display-Werbung, Einkaufsprogrammatik  655 Display-Werbung, Formen  652 Distribution, Ausschöpfungsgrad  717 Distribution, Exklusivität  717, 720 Distribution, geschlossen  720 Distribution, gesplittet  723 Distribution, gewichtet  716 Distribution, Intensität  717, 719 Distribution, numerisch  716 Distribution, offen  721 Distribution, parallel  723 Distribution, realisiert  717 Distribution, Selektivität  717, 719 Distribution, Ubiquität  717, 718 Distributions- und Verkaufsplanung  713 Distributions- und Verkaufspolitik  353 Distributionslogistik 821 Distributionsqualität 716 Diversifikation 466 Divisionskalkulation 572 Dominanz-Grafik 219 Down Grading  446 Drittmarke 365 Dropshipping 886 E-Commerce, Absatz  841, 861

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E-Commerce, dynamische Vergütung  856 E-Commerce, statische Vergütung  855 E-Commerce, Tracking  850 E-Commerce-Verkauf 840 Effektivpreis 582 Efficient Consumer Response  769 Eigenfertigung 463 Einfirmenvertreter 806 Einkaufsgremium 259 Einkaufsprogrammatik (Media)  655 Einkaufsstätte 526 Einkaufstaktik, Einkaufsabwicklung  945 Einkaufstaktik, Lieferantenzahl  944 Einkaufstaktik, Raumgebiet  945 Einkaufsverbund 805 Einkaufszeitpunkt 526 Einkaufszentrum 754 Einkommenselastizität 541 Einlinienorganisation 314 Einschreibung 818 Einstellung 248 Einzelbefragung 402 Einzelhandel, Abgabeprinzip  751 Einzelhandel, Absatzvollzug  752 Einzelhandel, Akquisitionsform  750 Einzelhandel, Anbindung  751 Einzelhandel, Beeinflussungs-Mix  750 Einzelhandel, Betriebsformen  752 Einzelhandel, Betriebsgröße  750 Einzelhandel, Erfolgsparameter  766 Einzelhandel, Integrationsform  751 Einzelhandel, Preisgestaltung  749 Einzelhandel, Sortimentsdimension  749 Einzelhandel, Sortimentsinhalt  749 Einzelhandel, Sortimentsniveau  749 Einzelhandel, Standortwahl  749 Einzelhandel, Treueorientierung  751 Einzelhandel, Verkaufspunkt  751 Einzelkennzahlen 339 Electronic Mail-Werbung  656 Electronic Mail-Werbung, Applikation  656 Electronic Mail-Werbung, Funktionalitäten  657 Emotion 247 Endnutzen 621 Engpass-Analyse (Strategische Bilanz)  108 Entscheidungsbasis 318 Entscheidungsbaum-Verfahren 333

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Sachverzeichnis

Entscheidungshilfen 318 Entscheidungssituation, deterministisch  318 Entscheidungssituation, indeterministisch  319 Entscheidungssituation, objektiv-stochastisch  321 Entscheidungssituation, subjektiv-stochastisch  323 Entwicklung (FuE)  393 Erfolgsfaktoren (in Marketing und Vertrieb)  282 Erfolgskontrolle 764 Erfolgssteuerung 766 Erlebnishandel  758, 760 Erlösminderungen 585 Erprobung 393 Erstkauf 942 Erstpositionierung 269 E-Shop 845 Ethnozentralität 925 Event 685 Export, direkt  917 Export, indirekt  918 Fachgeschäft 752 Fachmarkt 753 Fachversandhandel 754 Fachwerbung  637, 730 Factoring 596 Factoring, Formen  598 Factory Outlet  735 Familie (soziologische Abgrenzung)  252 Familien- / Rangemarke  363 Familienlebenszyklus  516, 517 Familienlebenszyklus, Entscheidungsanteil  516 Familienlebenszyklus, Zeitablauf  516 Fehlerbegriff 497 Fehlerfolgen 499 Fehlerkosten, extern  497 Fehlerkosten, intern  497 Fehlerverhütungskosten 497 Fernsehen 629 Fernsehen, öffentlich-rechtlich  629 Fernsehen, privat-wirtschaftlich  630 Fernsehsender, Eigentümerschaft  631 Festpreis 564 Fischgrät-Analyse  494, 495 Flagship Store  736

Fokussierung (international)  926 Forfaitierung 599 Forschung und Entwicklung, Risiken  392 Forschung und Entwicklung, Stufen  392, 393 Forschung und Entwicklung, Technologien  397 Forschung und Entwicklung, Träger  394 Frachtführer 811 Fragenkatalog (Kreativitätstechnik)  383 Franchising 801 Freiwillige Kette  804 Fremdbezug 463 Frühaufklärungssystem 306 Früher Folger  207 Früherkennungssystem 305 Frühwarnsystem 305 FuE, Auftrags-  394 FuE, Ergebniskauf  396 FuE, Ergebnisverkauf  396 FuE, Gemeinschafts-  394 FuE, Lizenznahme  395 FuE, Lizenzvergabe  395 FuE-Risiken 393 Funktionsrabatt 582 Gabor-Granger-Verfahren 534 Gap-Analyse (Strategische Lücke)  226 Gattungsware (Generic)  366 Gebietsorganisation 313 Gebrauchsanleitung 697 Gebrauchsmusterschutz 389 Gedächtnis 251 Geld-vor-Ware 602 Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture)  923 Gemischtwarenladen 753 Generalisierung (international)  926 Generalvertreter 807 Geozentralität 925 Geschäftsausstattung (Stationery)  698 Geschäftsbedingungen 603 Geschäftsmodell  67, 69 Geschäftsmodell, Konzeptionsbasis  70 Geschäftsmodell, Kunden- und Marktzugang ​ 71 Geschäftsmodell, Wertschöpfungsarchitektur  70 Geschäftsprozess 74

Sachverzeichnis Geschmacksmusterschutz 390 Geschlossenes Waren-Wirtschafts-System 764, 769 Gewerbliche Schutzrechte  387 Gewerblicher Rechtsschutz, Funktion  386 Gewinnschwelle 579 Giffen-Effekt 526 Gleichgewichtspreis 536 Gremienorganisation 316 Großhandel, Abnehmerart  746 Großhandel, Betriebsformen  743 Großhandel, einzelwirtschaftlich  744 Großhandel, genossenschaftlich  745 Großhandel, konsumnah  745 Großhandel, Lagerung  743 Großhandel, Marktgebiet  745 Großhandel, Marktrichtung  745 Großhandel, naturnah  745 Großhandel, Rechtsform  744 Großhandel, Sortimentsbreite  744 Großhandel, Sortimentsinhalt  745 Großhandel, Transport  743 GRP-Wert 641 Grundbedarf  528, 529 Grundlagenforschung 392 Gruppenbefragung 402 Händlereigenwerbung 730 Handel, Profilmarketing  831 Handelsbetriebsformen, Dynamik  756 Handelsbetriebsformen, Einzelhandel  748 Handelsforschung 836 Handelsfunktion Angebots-/Nachfrageermittlung/-lenkung 741 Handelsfunktion Aufsplittung großer Lose  742 Handelsfunktion Beratung  741 Handelsfunktion Einkaufsbequemlichkeit / -erlebnis 742 Handelsfunktion Kontakt und Absatzvollzug  742 Handelsfunktion Kreditgewährung  741 Handelsfunktion Kundenakquisition  741 Handelsfunktion Kundenpflege  742 Handelsfunktion Marktanpassung  742 Handelsfunktion Markterschließung  741 Handelsfunktion Nachfragegenerierung  741 Handelsfunktion Preisgestaltung  741

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Handelsfunktion Sammlung von Einzelangeboten 743 Handelsfunktion Sortimentszusammenstellung  743 Handelsfunktion Spannenanpassung  742 Handelsfunktion Veredelung  741 Handelsfunktion Warenumgruppierung  742 Handelsfunktion, räumliche Überbrückung  740 Handelsfunktion, zeitliche Überbrückung ​741 Handelsmakler 810 Handelsmarke 366 Handelspanel 839 Handelsplatzauftritt 685 Handelsverkauf 831 Handelsversteigerer 810 Handelsvertreter, Organisationsstellung  807 Handelsvertreter, Pflichten  808 Handelsvertreter, Rechte  808 Handelsvertreter, Rechteumfang  807 Handelsvertreter, Verkaufsermächtigung  806 Handelsvertreter, Vertretungszahl  806 Handlungsgehilfen, herstellereigen  735 Handlungsgehilfen, herstellerfremd  736 Handwerkshandel 746 Hard Customization  299 Hausbesuch 736 Haushaltspanel 839 Herstellergestützter Mittelstandskreis  793 Herstellerniederlassung 734 Höchstpreis 564 Hörfunk 632 Hörfunk, Empfangswege  633 Hörfunk, Sonderwerbeformen  633 Hofstede-Modell 928 Home Party  737 House of Quality  491 Hybrides Kaufverhalten  527, 528 Hyper Competition-Konzept  214 Ideenbewertung 385 Ideenfindung 378 Ideenquellen 378 Ideenquellen, betriebsextern  377 Ideenquellen, betriebsintern  377 Ideensichtung 385 Identitätssicherung (CI)  704 Impulshandel 755

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Sachverzeichnis

Incoterms 929 Indirektabsatz, einstufig  860 Indirektabsatz, zwei- und mehrstufig  861 Industriegütermarkt 351 Industriegütervertrieb 932 Industrielle Anlagen  933 Ingredient Brand  938 Inhaltsaggregation (Web)  672 Implementierung 302 Incoterms 929 Industriegütervertrieb 932 Informationsbasis 302 Innovation, Ausmaß  376 Innovation, Inhalt  376 Innovationsführer 204 Innovationsneigung 204 Intermediavergleich  699, 700, 703, 704 Interview, frei  403 Interview, strukturiert  403 Interview, teilstandardisiert  402 Interview, vollstandardisiert  402 Intramediavergleich 639 Investitionsrechnung, dynamisch  418 Investitionsrechnung, statisch  415 Investitionsrechnungsverfahren 415 Involvement 248 Käufermarkt 537 Kalkulationsgrundlage 570 Kalkulationsverfahren 572 Kalkulationsvorgabe 569 Kanalführerschaft 778 Kapitalwertmethode 223 Kassageschäft 590 Kassen-Check out, Online  868 Katalog 695 Kaufabsicherung, Online  878 Kaufentscheidungsanteil 519 Kaufhaus 753 Kaufklassen 942 Kaufkraft, diskretionär  531 Kaufkraft, disponibel  531, 533 Kaufprotokoll 422 Kaufrisiko 529 Kaufvereinfachung  529, 530 Kaufvertrag 601 Kaufvorbereitung, Online  866 Kennzahlen 336

Kennzahlensystem 339 Kennzahlenvergleich 338 KEP-Versanddienstleister 811 Kerninflationsrate 531 Kernkompetenz 63 Kernkompetenz, Kriterien  65 Kino 634 Kinorubriken 634 Kinosonderwerbeformen 636 Kinowerbeformen 635 Klassische Medien  624 Know-how-Lizenz 920 Kollektivmarke 368 Kommissionär 809 Kommissionsvertrieb 797 Kommunikation, Budget  613 Kommunikation, Eckdaten  611 Kommunikation, Gebiet  619 Kommunikation, Konzept  609 Kommunikation, Objekt  614 Kommunikation, Prozess  609, 610 Kommunikation, Zeit  616 Kommunikation, Ziel  612 Kommunikation, Zielgruppe  614 Kommunikations- und Identitätsplanung  609 Kommunikations- und Identitätspolitik  352 Kommunikationsberatung 707 Kommunikationstrichter (Funnel)  613 Kommunikationsziel, ökonomisch  612 Kommunikationsziel, vorökonomisch  612 Komparativer Konkurrenzvorteil (KKV)  174 Kompensationsgeschäft  592, 918 Komplexität 295 Komplexitätskosten 459 Komplexitätsreduktion 297 Konditionensystem 585 Konkurrenzvorteil, Dreifelder-Ansatz 181, 182 Konkurrenzvorteil, konzentrierte Kostenführerschaft 189 Konkurrenzvorteil, konzentrierte Leistungsführerschaft 188 Konkurrenzvorteil, Spezialisierung  182 Konkurrenzvorteil, umfassende Kostenführerschaft 187 Konkurrenzvorteil, umfassende Leistungsführerschaft 186 Konkurrenzvorteil, Vierfelder-Ansatz  185

Sachverzeichnis Konkurrenzvorteil, Zweifelder-Ansatz 174, 177 Konsumgütermarkt 350 Konsumtiv-Großhandel 746 Kontaktintensität 640 Kontraktmarketing  733, 791 Kontraktmarketing, Abstimmung mit der EH ​ 792 Kontraktmarketing, Raumvermietungsgeschäf­te des EH  794 Kontraktmarketing, Warenverkaufsgeschäfte des EH  799 Kontraktmarketing, Warenvermittlungsgeschäf­te des EH  796 Kontrollpunktverfahren 951 Konzessionssystem 795 Kooperation, international  921 Kooperation, vertikal  790 Kostenartenrechnung 570 Kostenführerschaft, konzentriert  188 Kostenführerschaft, umfassend  187 Kostenplan (Media)  643 Kostenpreis, Istkosten  571 Kostenpreis, Normalkosten  572 Kostenpreis, Plankosten  572 Kostenpreis, Teilkosten  571 Kostenpreis, Vollkosten  571 Kostenstellenrechnung 571 Kostenträgerstückrechnung 571 Kostenträgerzeitrechnung 571 Kreativitätstechniken, intuitiv-lateral  380 Kreativitätstechniken, logisch-diskursiv  378 Kreativitätstechniken, systematisch  383 Kreditierung  593, 595 Kreislaufwirtschaft 480 Kreuzlinienorganisation 314 Kreuzpreiselastizität der Nachfrage  541 Krisenbewusstsein 304 Kritischer Weg  328 Künstliche Veralterung  489 Kultur, international  927 Kulturpyramide 56 Kulturwandel  57 Kundenanteils-Analyse 112 Kundendienst, Gegenleistung  485 Kundendienst, Gewerbekunden, Absatzmittler 486 Kundendienst, Gewerbekunden, Endverwender 486

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Kundendienst, Information  485 Kundendienst, Inhalt  484 Kundendienst, Privatkunden  484 Kundendienst, Verbindlichkeit  484 Kundendienst, Verfügbarkeit  485 Kundendienst, Zeit  484 Kundenorganisation 313 Ladenlayout 762 Ladenorganisation, Abteilungsanordnung  761 Ladenorganisation, Geschäftsfläche  761 Ladenorganisation, Standort  760 Ladenpassage 754 Lager-Großhandel 743 Lagerbetrieb 826 Lagerhalter 812 Lagerstandortwahl 826 Lagerung 825 Lastenheft 943 Layoutraster 706 Lead Country-Technik  925 Leapfrogging 398 Leasing 596 Leasing, Formen  597 Lebenszyklus-Analyse 90 Lebenszyklus, Degenerationsphase  92 Lebenszyklus, Innovationsphase  90 Lebenszyklus, Penetrationsphase  91 Lebenszyklus, Saturationsphase  92 Lebenszyklus, Vorbereitungsphase  90 Leihvertrag 601 Leistungsführerschaft, konzentriert  188 Leistungsführerschaft, umfassend  186 Leistungsstörungen 604 Leistungsverzug 605 Lenkpreise 558 Lernen (kognitives)  250 Lieferantenauswahl 949 Lieferantenstatus 949 Lieferantenvereinbarung 950 Lieferbereitschaft 823 Lieferungsbedingungen 599 Lieferverzug 604 Lieferzeit 823 Lieferzuverlässigkeit 823 Lizenzmarke 367 Lizitation 819 Location-based Service  676

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Sachverzeichnis

Logistik, Verfügbarkeit  966 Logistikkosten 825 Logistikservice 825 Logo 707 Luftfrachtverkehr 828 Luxusmarke 366 Mapping  266, 267, 269 Marke, Verbreitungsgebiet  369 Markenarten, horizontal  363 Markenarten, lateral  366 Markenarten, vertikal  365 Markenartikel 355 Markeneigenschaften 357 Markenführung 363 Markenfunktionen 360 Markengebiet 369 Markeninhalte 356 Markenname 360 Markenpflege 373 Markenschutz 390 Markenwert 370 Markenwert, finanzorientiert  371 Markenwert, kombiniert  371 Markenwert, verhaltensorientiert  371 Markenzeichen  360, 362 Marketing, Beziehungsmanagement  41 Marketing, datenorientiertes  44 Marketing, Definition  39 Marketing, Denkhaltung  37 Marketing, Engpass  37 Marketing, Entwicklung  40 Marketing, Erfolgsfaktoren  282 Marketing, Instrumentalabstimmung  984 Marketing, Instrumentalkombination  985 Marketing, Konzeption  225 Marketing, Logistik  822 Marketing, marktarten-spezifisch  350 Marketing, marktorientierter Ansatz  63 Marketing, ökologisches  43 Marketing, produktarten-spezifisch  343 Marketing, ressourcenorientierter Ansatz  64 Marketinglogistik, Lagerung  825 Marketinglogistik, Serviceniveau  823 Marketinglogistik, Transportmittelbetrieb ​829 Marketinglogistik, Transportmittelwahl  826 Marketing-Mix  343, 352 Marketingmix, Beziehungen  985

Marketingmix, Elemente  984 Marketingmix, Entscheidungsdilemma  986 Marketingmix, Instrumente  352, 984 Marketingorganisation 311 Marketingphasen 40 Marketingschnittstellen 343 Marktabfolge, Optionen  924 Marktabfolge, simultan  924 Marktabfolge, sukzessiv  924 Marktanführer 191 Marktanpassung 742 Marktanteil 436 Marktarten 350 Marktausschöpfung 436 Marktaustrittsschranken 169 Marktbarrieren 166 Marktdurchdringung 436 Marktdurchdringung (Absatzquelle)  239 Marktdurchdringung, Bundling/Unbundling  233 Marktdurchdringung, Kundenabhängigkeit 231 Marktdurchdringung, Kundenlieferanteil  230 Marktdurchdringung, Kundenrückgewinnung  231 Marktdurchdringung, Intensitätssteigerung 229 Marktdurchdringung, Set-Alternative  234 Markteintrittsschranken 166 Markterfassung 156 Markterwartungen  424, 435 Marktformen 537 Marktforschungsverfahren 399 Marktführerschaft 192 Marktführung, Optionen  925 Marktgestaltung 41 Marktherausforderer 194 Marktherausforderer, Handlungsoptionen  195 Marktinformation, Primärforschung  401 Marktinformation, Sekundärforschung  399 Marktkapazität 434 Marktmechanik, Störung  564 Marktmitläufer 197 Marktmitläufer, Handlungsoptionen  198 Marktmorphologie 538 Marktnischenanbieter 198 Marktparzellierung  156, 157 Marktparzellierung, Marktspezialisierung  159 Marktparzellierung, Produkt-Markt-Fokussie­ rung 160

Sachverzeichnis Marktparzellierung, Produkt-Markt-Generali­ sierung 159 Marktparzellierung, Produktspezialisierung  158 Marktpotenzial 434 Marktpreis 536 Marktrolle 191 Marktsättigung 436 Marktschranken 166 Marktsegmentierung 161 Marktsegmentierung, Anforderungen  164 Marktsegmentierung, Businessmarkt  262 Marktsegmentierung, Consumermarkt  244 Marktspielregeln 200 Markttest 429 Markttest, reduziert  431 Markttest, regional  429 Markttiming 204 Marktverhalten 191 Marktvolumen 434 Marktwahlkombination 172 Marktwesen 821 Marktzugang, direkt  961 Marktzugang, indirekt  962 Marktzugang, Methode  958 Marktzugang, Struktur  965 Mash-up 676 Mass Customization  295 Master-Franchising 921 Mediadurchführung 643 Medialeistungswerte  639, 640 Mediaplanung, Web 1.0  664 Mediaplanung, Web 2.0  678 Mediasharing 670 Mehrfirmenvertreter 806 Mehrkanaldistribution 722 Mehrkanaldistribution, mehrgleisig  722 Mehrkanaldistribution, zweigleisig  722 Mehrlinienorganisation 314 Mehrthemenbefragung 403 Meilensteinplan 332 Meinungsbildner-PR 691 Meinungsführer 253 Mengenrabatt 583 Messe 820 Methode 6-3-5  381 Microblog 669 Mindestpreis 563

1001

Mini-Markttest 432 Mission 52 Mittelstandskreis, herstellergestützt  793 Mixed Bundle  447 Mixed Components  448 Mobile-Werbung 674 Mobiler Handel  754 Monopol  537, 539 Morphologischer Kasten  378 Motivation 247 Multi Level Marketing  807 Musterung 820 Nachfrageeffekte 525 Nachfrageentwicklung (Absatzquelle)  239 Nachfrageentwicklung, Komplementärproduk­te  242 Nachfrageentwicklung, Marktschaffung  243 Nachfrageentwicklung, Problemweckung  240 Nachfrageentwicklung, Produktwandel  239 Nachfrageentwicklung, Wachstumspartizipation 243 Nachfrageentwicklung, Zusatzverkäufe  242 Nachfragepreis 516 Nachkaufzufriedenheit 952 Nachzügler (Markttiming)  210 Networking (PR)  693 Netzplantechnik  327, 328 Neunfelder-Portfolio  132, 133 Neunfelder-Portfolio, gelbe Zone  135 Neunfelder-Portfolio, grüne Zone  134 Neunfelder-Portfolio, rote Zone  135 Newsletter   657 Nicht-klassische Medien  680, 681 Nichtleistungs-Konditionen 584 Nutzendarlegung (Proof)  623 Nutzenversprechen (Benefit)  620 Nutzwert-Analyse 222 Oberziele des Unternehmens  50 Objektorganisation 312 Öffentlichkeitsarbeit, modern  692 Öffentlichkeitsarbeit, traditionell  690 Ökologisches Marketing  43 OEM-Ware 461 OLAP 302 Oligopol 538 Online-Absatz, Angebotspräsentation  862

1002

Sachverzeichnis

Online-Absatz, Anmeldung  844 Online-Absatz, Anmeldung plus Zulassung  845 Online-Absatz, Auftragskommunikation  882 Online-Absatz, Auftragslogistik  885 Online-Absatz, Bezahlvorgang, Pränumeran­do  871, 872 Online-Absatz, Bezahlvorgang, Sukzessiv  876 Online-Absatz, Bezahlvorgang, Zug-um-Zug  874 Online-Absatz, dominant  843 Online-Absatz, Einladung  845 Online-Absatz, ergänzend  843 Online-Absatz, fokussiert  842 Online-Absatz, generalisiert  841 Online-Absatz, halbstufig  850 Online-Absatz, horizontal-spezialisiert  842 Online-Absatz, Kassen-Check out  868 Online-Absatz, Kaufabsicherung  878 Online-Absatz, Kaufvorbereitung  866 Online-Absatz, Mixed Player  842 Online-Absatz, nullstufig  845 Online-Absatz, Prozess  862 Online-Absatz, Pure Player  842 Online-Absatz, Retourenhandling  887 Online-Absatz, Tracking  849 Online-Absatz, vertikal-spezialisiert  841 Online-Befragung 406 Online-Börse 859 Online-Börse, Gebotsformen  859 Online-Direktabsatz, nullstufig  845 Online-Indirektabsatz, einstufig  860 Online-Indirektabsatz, zweistufig  861 Online-Markterfassung 840 Online-Marktplatz, anbietergetrieben  857 Online-Marktplatz, Angebotsinhalt  857 Online-Marktplatz, maklergetrieben  858 Online-Marktplatz, mittlergetrieben  858 Online-Marktplatz, Preisbildung  858 Online-Marktplatz, Veranlassung  857 Online-Marktplatz, Zeitaspekt  858 Online-Marktzugriff, Breite  840 Online-Marktzugriff, Tiefe  845 Online-Mediaplanung 664 Online-Messwerte, werbemittelbezogen  664 Online-Messwerte, werbenutzerbezogen  665 Online-Messwerte, werbeträgerbezogen  664 Online-Zugangsmöglichkeit 843

Online-Zugangsmöglichkeit, geschlossen 844 Online-Zugangsmöglichkeit, offen  843 Onlinemedien  644, 646 Operative Planung  355, 504, 609, 713 Optionsvertrag 600 Organisationales Beschaffungsverhalten  259 Organisationsinhalte 311 Organisationskonfiguration 314 Organisationskoordination 315 Organisationsspezialisierung 312 Outdoorwerbung 636 Outpacing-Konzept, präventiv  213 Outpacing-Konzept, proaktiv  212 Paarvergleichs-Matrix 218 Pachtvertrag 601 Packung, Begrifflichkeiten  473 Packung, Dimensionierung  477 Packung, Information  477 Packung, Logistik  476 Packung, Nachhaltigkeit  480 Packung, Präsentation  478 Packung, Qualitätsauslobung  479 Packung, Verkaufsfähigkeit  479 Packung, Verwendungserleichterung  479 Packungsfunktion, Kommunikation  478 Packungsfunktion, Nachhaltigkeit  480 Packungsfunktion, Rationalisierung  476 Packungsfunktion, Verwendungserleichterung  479 Packungsfunktionen 476 Panel  404, 837 Patentschutz 387 PDCA-Zyklus 490 Penetrationspreissetzung 550 Persönlicher Verkauf, Einwandbehandlung 899 Persönlicher Verkauf, Gesprächseinstieg  894 Persönlicher Verkauf, Kaufabschluss  903 Persönlicher Verkauf, Kaufnachbereitung  905 Persönlicher Verkauf, Kommunikation  893 Persönlicher Verkauf, Konfliktüberwindung  900 Persönlicher Verkauf, Kundenqualifizierung  896 Persönlicher Verkauf, Preisargumentation  902 Persönlicher Verkauf, Vorteilspräsentation  897

Sachverzeichnis PESTEL-Analyse 94 Peters / Waterman-Ansatz  289 Pflichtenkatalog 943 PIMS-Studie  282, 285, 286 Pionier 204 Pipeline-Effekte 775 Pipeline, Druckerzeugung  776 Pipeline, Durchmesservergrößerung  775 Pipeline, eigene Absatzorgane  776 Pipeline, Erweiterung  775 Pipeline, Fließwiderstandsverringerung  776 Pipeline, Sogerzeugung  776 Pipeline, Substitution  775 Placement 692 Planungsabfolge 49 Planungsablauf 49 Planungsanpassung 48 Planungsbasis  46, 47 Planungselastizität 48 Planungsphasen 47 Planungstiefe 48 Planungsumfang 48 Podcast 677 Polypol 538 Polyzentralität 925 Portfolio-Analyse 122 Positionierung, Ähnlichkeitsraum  266 Positionierung, Anforderungen  281 Positionierung, Anlässe  269, 270 Positionierung, Bedarfsabdeckung  275 Positionierung, Dominanz  278 Positionierung, Eigenschaftsraum  264 Positionierung, Entwicklung  264, 265 Positionierung, Idealpunktverfahren  267 Positionierung, Idealvektorverfahren  268 Positionierung, Joint Space  267 Positionierung, künstliche Alleinstellung  273 Positionierung, Marktnische  275 Positionierung, Marktschnittstelle  276 Positionierung, Me too  274 Positionierung, Optionen  271, 272 Positionierung, Präferenzraum  266 Positionierung, Single Choice  268 Positionierung, UAP  272 Positionierung, USP  271 Positionierung, Wahlaxiom  268 Positionierung, Wahrnehmungsraum  264 Positionierung, Zuspitzung  275

1003

Positioning Statement  278 Positionsaktualisierung 270 Positionsverstärkung 270 Posten-Großhandel 744 PR, extern  690 PR, intern  690 Potenzial-Analyse  106, 107 Präferenz-Position 177 Prämienpreissetzung 548 Pränumerandogeschäft 591 Präventionssysteme (Krisen-)  305 Preis-Absatz-Funktion, doppelt-geknickt  510, 511 Preis-Absatz-Funktion, einfach-geknickt  513, 514 Preis-Leistungs-Quotient 520 Preis-Leistungs-Verhältnis 526 Preis-Mengen-Position 180 Preis- und Konditionenplanung  504 Preis- und Konditionenpolitik  352 Preisbandbreiten 527 Preisbaukasten  558, 559 Preisbildung, administriert  562 Preisbildung, kostenorientiert  570 Preisbildung, marktorientiert  536 Preisbildung, nachfrageorientiert  516 Preisbildung, zielsetzungsorientiert  548 Preisbindung 567 Preisbindung, Verbotsausnahmen  568 Preisbündelung 560 Preisdifferenzierung 553 Preisdifferenzierung, agglomerativ  555, 556 Preisdifferenzierung, Bezugsgrößen  553 Preisdifferenzierung, deglomerativ  554, 555 Preisdifferenzierung, Grade  556 Preiselastizität 540 Preiselastizität, direkt  540 Preiselastizität, indirekt  541 Preisempfinden  524, 527 Preisempfehlung 565 Preisempfehlung, Vorteile  566 Preisexperiment 534 Preisfindung, erstmalige  534 Preisfolgerschaft 543 Preisführerschaft, barometrisch  542 Preisführerschaft, dominant  542 Preisführerschaft, kolludierend  542 Preisfunktionen 563

1004

Sachverzeichnis

Preisgefüge 527 Preisgegenüberstellung 527 Preisgleitklausel 570 Preishöhe 563 Preisinteresse 526 Preiskalkulation 570 Preiskenntnis  524, 527 Preisklauseln 589 Preislotterie 535 Preisnachlass 583 Preisoptik 527 Preispolitischer Ausgleich  557 Preispolitischer Ausgleich, Ausgleichsprinzip  557 Preispolitischer Ausgleich, Tragfähigkeitsprinzip 557 Preispositionierung 548 Preispsychologie 524 Preisschwellen 527 Preissetzung, flexibel  550 Preissetzung, starr  548 Preisstopp 565 Preistheorie 504 Preistheorie, Standardvoraussetzungen  505 Preistransparenz 558 Preistreppe 586 Preisuntergrenze 580 Preisvorgabe 563 Preiswahrnehmung 524 Preiszuschlag, Eillieferung  588 Preiszuschlag, Mindermenge / Mindestauftragsgröße 588 Preiszuschlag, Sonderanfertigung  588 Preiszuschlag, Verpackungskosten  587 Preiszuschlag, Versandkosten  588 Preiszuschlag, Versicherungsprämien  588 Preiszuschlag, Zusatzausstattung  588 Premiummarke 365 Primärforschung, computergestützte Formen  407 Primärforschung, mediale Formen  404 Primärforschung, persönliche Formen  401 Printwerbung 624 Printwerbung, Formen  627 Printwerbung, Zeitschrift  626 Printwerbung, Zeitung  625 Probekauf 600 Produkt-Markt-Kombinationen 123

Produkt- und Programmplanung  35 Produkt- und Programmpolitik  352 Produktarten (Aspinwall)  343 Produktarten (Attraktivität)  345 Produktarten (Einkommen)  345 Produktarten (Erklärungsbedürftigkeit)  346 Produktarten (Kaufrisiko / Budgetanteil)  345 Produktarten (Interessegrad)  346 Produktarten (Miracle)  343 Produktarten (Nutzungsdauer)  347 Produktarten (Wahlentscheid)  347 Produktarten (Zeithaml)  344 Produktarten, industrielle  932 Produktbündelung 447 Produktbündelung, Arten  448 Produkte, unverarbeitete  938 Produkte, verarbeitete  936 Produkteinführung 434 Produktelimination  449, 453 Produktelimination, Anlage  449 Produktelimination, Umsetzung  451, 453 Produkthaftung 499 Produktinnovation 375 Produktinnovation, Arten  376 Produktinnovation, betriebsexterne Ideenquellen 377 Produktinnovation, betriebsinterne Ideenquellen 377 Produktionslizenz 920 Produktionsprogramm 461 Produktionsverbindungshandel 746 Produktkuratierung 441 Produktmodernisierung 442 Produktmodifikation 441 Produkt-Monomarke 364 Produkt-Multimarke 364 Produktorganisation 312 Produktpflege  440, 441 Produktqualität 487 Produktqualität, Dimensionen  487 Produktrevitalisierung 442 Produktrevival 443 Produktsicherung 499 Produkttest, aktualgenetisch  422 Produkttest, apparativ  421 Produkttest, explorativ  412 Produkttest, mechanisch  426 Produkttest, projektiv-assoziativ  427

Sachverzeichnis Produkttest, psychomotorisch  424 Produkttestverfahren 421 Produktvariation 445 Produzentenhaftung 499 Profilmarketing, Eigenwerbung  835 Profilmarketing, Mischkalkulation  833 Profilmarketing, Preisgestaltung  833 Profilmarketing, Sortimentsbildung  831, 832 Profilmarketing, Standort  966 Profit Pool-Analyse  110, 111 Programmbereinigung  457, 460 Programmbreite 454 Programmdifferenzierung 458 Programmdimensionen 455 Programmdiversifikation 465 Programmdiversifikation, heterogen, lateral 468 Programmdiversifikation, heterogen, medial  467 Programmdiversifikation, homogen, vertikal  466 Programmdiversifikation, Umsetzungsformen  471 Programmgestaltung 462 Programminhalt 461 Programmproliferation 455 Programmproliferation, Treueorientierung 456 Programmstandardisierung 459 Programmstruktur 454 Programmtiefe 458 Programmumfang 454 Programmunifizierung 457 Projektorganisation 315 Projektplan 332 Promotoren / Opponenten  260 Promptvertrag 600 Protektionismus 919 Prozess, Wirkungsgrad  294 Prozessorientierung 293 Prozessqualität 490 Pull 729 Punktbewertungsverfahren 221 Pure Bundle  447 Pure Components  447 Purpose 50 Push 729 Push & Pull (Durchverkauf)  729 Qualitätsdimensionen 487

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Qualitätsfehler 497 Qualitätsfehler, Arten  498 Qualitätskosten 495 Qualitätsmangel, Arten  498 Qualitätsprüfkosten 497 Qualitätsregelkarte 493 Qualitätswerkzeuge 490 Quality Function Deployment  491 QR-Code 678 Rabattbezug Basis  584 Rabattbezug Berechnung  584 Rabattbezug Form  584 Rabattbezug Höhe  584 Rabattbezug Verlauf  584 Rack Jobber-System  795 Rahmenvereinbarung 792 Rahmenvertrag 600 Rangreihung (Media)  642 Raumvermietungsgeschäfte des Einzelhandels  794 Reagierer-Konzept 261 Recycling 481 Refinanzierung 595 Regalplatz, Knappheitsfaktoren im Händlerbereich 774 Regalplatz, Knappheitsfaktoren im Herstellerbereich 773 Regalplatz, Knappheitsfaktoren im Konsumentenbereich 773 Regalplatzwettbewerb 772 Regionaler Markttest  429 Regiozentralität 925 Reichweite 639 Reisende 813 Reisendenmotivation 816 Reisendenvergütung 816 Relaunch 445 Relaunch, Down Grading  446 Relaunch, Side Moving  446 Relaunch, Up Grading  445 Relevanter Markt, nutzenorientiert  145 Relevanter Markt, physikalisch orientiert  143 Relevanter Markt, situationsorientiert  146 Relevanter Markt, unternehmensorientiert  145 Reputation 249 Ressourcen-Analyse 105 Retourenhandling, Online  887

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Sachverzeichnis

RFID 765 Risikoempfinden 249 Risikomanagement 304 Rolle 253 RSS-Feed 675 Rundfunk 629 Rundfunkwerbung, Fernsehen  629 Rundfunkwerbung, Hörfunk  632 Rundfunkwerbung, Kino  634 Sachmängelhaftung 605 Sammelbesteller 738 SB-Geschäft 753 Schauwerbung 682 Schienenfrachtverkehr 827 Sekundärforschung, externe Datenquellen  400 Sekundärforschung, interne Datenquellen  400 Service-Großhandel 744 SGE, dual-kriterielle Abgrenzung  147 SGE, multi-kriterielle Abgrenzung  148 SGE, nutzenorientierte Abgrenzung  145 SGE, physikalisch orientierte Abgrenzung 143 SGE, situationsorientierte Abgrenzung  146 SGE, unternehmensorientierte Abgrenzung 145 Shop in the Shop-System  794 Shop Software  846 Simultaneous Engineering  398 Slogan 707 Snob-Effekt 525 Social Media-Log-in  844 Soft Customization  299 Sortiments-Großhandel 744 SoV / SoM  614 Soziale Schicht  252 Soziales Netzwerk  667 Später Folger  209 Spannenpreis 564 Spediteur 811 Spezial-Großhandel 744 Spezialgeschäft 752 Spezialisierungsposition 189 Sponsoring 692 Sprinkler-Technik 925 Sprungwerbung 730 Stablinienorganisation 314 Stakeholders  41 Standort, Netzwerkkonzept  970 Standortwahl, Analogie  968

Standortwahl, Checklist  967 Standortwahl, Distanzen  969 Standortwahl, Raumgebietsmodell  969 Stärken-Schwächen-Analyse 114 Statistische Prozessregelung  492 Status quo-Diagnose  90 Store in the Store-System  794 Storetest 431 Straßenfrachtverkehr 828 Strategie 46 Strategie, marktorientierter Ansatz  141 Strategie, ressourcenorientierter Ansatz  141 Strategiebegriff 139 Strategiebewertung, Capital Asset Pricing  224 Strategiebewertung, Checkliste  217 Strategiebewertung, Dominanz  219 Strategiebewertung, Kapitalwertmethode  223 Strategiebewertung, Nutzwert-Analyse  220 Strategiebewertung, Punktbewertung  220 Strategiebewertung, Schnittvergleiche  216 Strategiebewertung, Scoring-Analyse  219 Strategieentwicklung 138 Strategische Geschäftseinheit  122, 123 Strategische Gruppe  149 Strategische Gruppe, Dominanz  151 Strategische Gruppe, Gründung  154 Strategische Gruppe, Wechsel  153 Strategische Lücke-Konzept  225 Strategische Planung  37 Strategisches Geschäftsfeld  143 Strategisches Geschäftsfeld, Abgrenzung  143 Strategisches Spielbrett  201 Strecken-Großhandel 744 Streuplan 643 Streuprospekt 694 Strukturorganisation (im Marketing)  313 Stückkalkulation 575 Subkultur 251 Submission 819 Subsidiärmarke 368 Substitutionszeitkurve 398 Suchmaschineneinsatz 660 Suchmaschinennutzung (für Marketing)  662 Suchmaschinenoptimierung 662 Suchmaschinentypen 660 Suchmaschinenwerbung 663 Sukzessivgeschäft 590

Sachverzeichnis Supermarkt 753 Supply Chain Management  770 SWOT-Tableau  119, 120 Synektik 381 Szenariotechnik 439 Target Costing  577 Target Price  576 Targeting 666 Teamorganisation 315 Technologie, Basis-  397 Technologie, Schlüssel-  397 Technologie, Schrittmacher-  397 Technologie, Zukunfts-  398 Technologieabfolge 398 Technologiefolgenabschätzung 398 Teilkostenverfahren 573 Telefonverkauf 755 Testaufbau 432 Testmarktreduktion 431 Testsituation 428 Testverfahren, aktualgenetisch  422 Testverfahren, apparativ  422 Testverfahren, mechanisch  426 Testverfahren, projektiv-assoziativ, figural  427 Testverfahren, projektiv-assoziativ, verbal  428 Testverfahren, psychomotorisch  424 Tiefen-Interview 421 Tonalität 707 TOWS-Matrix  120, 121 Trademart 746 Trading-down 757 Trading-up 756 Tragfähigkeitsprinzip 557 Transfermarke 367 Transportmittelbetrieb 829 Transportmittelkosten 830 Transportmittelwahl 826 Treuhänder 879 Typografie 706 Übernahme (Merger)  922 Umfeld-Analyse  914, 916 Umpositionierung 270 Umsatzanteils-Analyse 112 Umsatzpotenzial 435 Umsatzvolumen 435 Umschlaggeschwindigkeit 766

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Umverpackung 473 Unbundling 449 Universalversandhandel 754 Unternehmenskultur, Basisannahmen  55 Unternehmenskultur, Standards 56 Unternehmenskultur, Verhalten 56 Unternehmensleitsätze 59 Untervertreter (MLM)  807 Up Grading  445 Valutageschäft 591 van Westendorp-Methode  534 Veblen-Effekt 525 Verbrauchermarkt 753 Verbundeffekte, raum-zeitlich  450 Verbundeffekte, sachlich  450 Veredelungsgeschäft 918 Verkaufsförderung, Absatzmittler  907 Verkaufsförderung, Aktionsanlage  911 Verkaufsförderung, Endabnehmer  908 Verkaufsförderung, Maßnahmen  908 Verkaufsförderung, Restriktionen  911 Verkaufsförderung, Vertriebsteam  907 Verkaufsförderung, Zielgruppen  907 Verkaufsförderungsmechanik 907 Verkaufsgespräch, Einflussfaktoren  982 Verkaufsgespräch, Einwandbehandlung  899 Verkaufsgespräch, Gesprächseinstieg  894 Verkaufsgespräch, Konfliktüberwindung  900 Verkaufsgespräch, Kaufabschluss  903 Verkaufsgespräch, Kaufnachbereitung  905 Verkaufsgespräch, Konfliktüberwindung  900 Verkaufsgespräch, Kundenqualifizierung  896 Verkaufsgespräch, Preisargumentation  902 Verkaufsgespräch, Vorteilspräsentation  897 Verkaufsgesprächsphasen 894 Verkaufsliteratur 694 Verkettungseffekt 451 Vermittlungsvertreter 806 Verpackung 473 Verpackungsverordnung 483 Versanddienstleister 886 Versorgungshandel 758 Versteigerung 818 Vertragsabsatz 920 Vertragsformen 600 Vertragshändler   803 Vertriebsaußendienstmitarbeiter 813

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Sachverzeichnis

Vertriebsdirektinvestition 922 Vertriebslizenz  800, 920 Vertriebssystem 733 Vertriebssystem, ausgegliedert  735 Vertriebssystem, dezentral  733 Vertriebssystem, zentral  733 Vierfelder-Portfolio  126, 127, 128 Vierfelder-Portfolio, Cash Cows  129 Vierfelder-Portfolio, Poor Dogs  129 Vierfelder-Portfolio, Question Marks  129 Vierfelder-Portfolio, Rising Stars  129 Vision  51 Vollkostenverfahren 572 Vorgangsknoten-Netzplan  329, 330 Vormerkvertrag 600 Vorzugsplatzierung (Einzelhandel)  763 VRIO 65 Wahrnehmung 250 Ware-vor-Geld 602 Warenbestand 760 Warendurchsatz  761, 772 Warenhaus 752 Warenverkaufsgeschäfte des Einzelhandels ​ 799 Warenvermittlungsgeschäfte des Einzelhandels 796 Warenversorgung 769 Warteschlangen 976 Wartezeit 974 Wartezeit, lineare Fristverkürzung  974 Wartezeit, prozedurale Fristverkürzung  975 Wasserfrachtverkehr 827 Web 1.0-Medien  644 Web 2.0-Medien  666 Weblog 667 Wellenerhebung 404 Werbe-Controlling 708 Werbeagentur 707 Werbeagentur, Auswahl  708 Werbeagentur, Vergütung  708 Werbeerfolg  613, 709 Werbetiming, Einsatz  616 Werbetiming, Einsatzabfolge  618 Werbewirkung  613, 709 Werbung, Einsatzabfolge  617 Werbung, Einsatztiming  616 Werbung, erfolgversprechende  622

Werkvertrag 601 Werklieferungsvertrag 601 Wertanalyse 384 Wertgestaltung 74 Werthaltung 254 Wertkettenspanne, Kürzung  80 Wertkettenspanne, Verlängerung  78 Wertkettenstruktur  75, 76 Wertkettenverschränkung 81 Wertkettenverschränkung, Insourcing  84 Wertkettenverschränkung, Lieferantenhierarchie 83 Wertkettenverschränkung, Outsourcing  82 Wertschöpfungsbreite 78 Wertschöpfungstiefe   81 Wertspanne 78 Wettbewerb, funktionsfähiger  545 Wettbewerb, Prinzipien  543 Wettbewerb, Verstöße  546 Wettbewerbsforschung 308 Wettbewerbspositionsmatrix 186 Wettbewerbsregeln 547 Wettbewerbswert Freiheit  543 Wettbewerbswert Gerechtigkeit  544 Wettbewerbswert Wohlstand  544 Wiederholungskauf, automatisiert  942 Wiederholungskauf, modifiziert  942 Wiederholungskauf, rein  942 Willensbildung 317 Willensbildung, Richtungen  317 Wirtschaftlichkeit (Media)  641 Wissensleistung 349 Wissensmanagement 307 WWW-Logfile 844 Yield Management, Taktiken  561 Yield Management, Voraussetzungen  562 Zahlungsbedingungen  590, 591 Zahlungsverzug 605 Zeitrabatt 583 Zeitschrift 626 Zeitschriftentypen 626 Zeitung 625 Ziel-Portfolio 136 Zielanforderungen 88 Zielausmaß  87 Zielbeziehungen 85

Sachverzeichnis Zieldimensionen 85 Zieleinheit 85 Zielgewichtung 88 Zielgruppe, aktiografisch  246 Zielgruppe, demografisch  244 Zielgruppe, neuroökonomisch  257 Zielgruppe, psychografisch  246 Zielgruppe, soziografisch  251 Zielgruppe, typologisch  254 Zielgruppenabgrenzung 244 Zielgruppenabgrenzung, B-t-B  259 Zielgruppenabgrenzung, B-t-C  245 Zielhierarchie 85 Zielinhalt 87 Zielkostenkalkulation  576, 578 Zielobjekt 85

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Zielpreis 576 Zielraumerstreckung 86 Zielrichtung 87 Zielsetzung (in Marketing und Vertrieb)  45 Zielsystem 50 Zielzeitbezug 86 Zufallsauswahlverfahren 412 Zug-um-Zug 602 Zusatzbedarf  528, 529 Zuschlagskalkulation 573 Zustell-Großhandel 743 Zweitmarke 365 Zwischenlagerung 971 Zwischentransport 971

Firmen- / Markenbeispiele (Auszug) 3 M  469

Frosch 363

Accor 365 Aldi 181 Alpecin 272 Amazon 202 Amselfelder 273 Apple  51, 457, 490 Audi 153 Auto 1 Group  202

Galeria Karstadt Kaufhof  176 GSK 130

Bang & Olufsen  199, 276 BASF 62 Beiersdorf 454 Bertelsmann 125 Biontech 706 Blend-a-med 274 BMW  61, 301, 460, 734 Bosch 206 Brother 67 Celonis 202 Clausthaler 234 Coke 196 DeepL 202 Deutsche Bank 24 340 Dr. Best  237 Du darfst  367 Duplo 241 Dyson  152, 179 Esprit 794 Fairy Ultra  278 Ferrero  159, 241, 364 Fischer Technik  159, 468 Flix Mobility  155, 202 Focus 152 Ford 53

Hello Fresh  202 Henkel 62 Hipp 240 HP 300 IBM 187 IKEA  155, 446, 758 Intel  300, 369 Jacobs Suchard  454 JDE 364 Kärcher 158 Kettler 469 Kiekert 83 Kirch Gruppe  236 Knirps 468 König Pilsener  365 Krupp 53 Lacoste 199 Lego 467 Leica 467 Loewe Opta  276 Mannesmann  130, 471 Märklin 736 Mars 273 Mars-Effem 454 MCC Smart  95, 115, 119, 122 McDonald’s 208 Mercedes-Benz  153, 162, 274 Milka  367, 455, Motel One  190, 203 Mövenpick 63

Firmen- / Markenbeispiele (Auszug) Mr. Spex  965 Müller Milch  456 Nestlé  277, 736 Nivea  160, 367 Nixdorf  53, 61 Nvidia 189 Pepsi Co  468 Personio 203 Philip Morris  467 Philips 471 Porsche  53, 159 Preussag 471 Procter & Gamble  125, 278 Punica 238 Rose Bikes  160, 459 Rügenwalder 203 Samsung 153 Sharp 209 Siemens 470 Sixt  152, 196 Sony  205, 277 Southwest Airlines  73 Starbucks 155 Steiff 468 Swatch 300

Tchibo 232 Teamviewer 203 Tempo  275, 442 The Body Shop  62 Time Warner  79 Trill 273 TUI 79 Tupperware 737 Twitter 669 Uniper 964 Verpoorten 161 Victorinox 467 Volkswagen  160, 457 Vorwerk 737 Wal-Mart  156, 236 Weight Watchers  738 Wenco 795 Wrigley’s  53 Würth 203 Xerox  54, 66, 84 Zalando  201, 203 Zara 80

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