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German Pages [412] Year 2014
Papsttum im mittelalterlichen Europa BA N D 3
Herausgegeben von Jochen Johrendt und Harald Müller
Ursula Gießmann
DER LETZTE GEGENPAPST: FELIX V. Studien zu Herrschaftspraxis und Legitimationsstrategien (1434 –1451)
2014 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf und des Lehrstuhls Mittelalterliche Geschichte II der Humbolt-Universität zu Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.
Umschlagabbildung: Herzog Amadeus von Savoyen reitet nach seiner Wahl zum Papst Felix V. am 18. Juni 1440 in Bern ein, Burgerbibliothek Bern, Mss.h.h.I.2, S. 7.
© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Frank Schneider, Wuppertal Satz: synpannier. Gestaltung & Wissenschaftskommunikation, Bielefeld Druck und Bindung: Strauss, Mörlenbach Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-22359-5
Inhalt Vorwort . . .....................................................................................................................
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1. Einleitung ............................................................................................................
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2. Von Ripaille nach Basel (1434 –1440) .......................................................... 33 2.1 Ripaille als dynastischer Memoria-Ort und heimliche Residenz ........ 33 2.2 Amadeus VIII. als Gesetzgeber ................................................................. 42 2.3 Ripaille als politisches Zentrum ................................................................ 54 2.4 Papstwahl Felix’ V. auf dem Basler Konzil . . ............................................ 64 2.5 Der Herzog wird Papst: Wahlannahme in Ripaille .. .............................. 119 2.6 Die provisorische päpstliche Residenz in Thonon ................................ 136 2.7 Ripaille: Propaganda und Kalkül .. ............................................................ 140 3. Rom in Basel (1439 –1442) . . ........................................................................... 3.1 Der Papsthof in Basel .................................................................................. 3.2 Der Einzug Felix’ V .. .................................................................................... 3.3 Die Papstkrönung auf dem Basler Münsterplatz .................................... 3.4 Liturgische und akustische Präsenz .. ........................................................ 3.5 Kardinäle und Behörden – die Kurie Felix’ V. ........................................ 3.6 Dynastie und Diplomatie . . ......................................................................... 3.7 Savoyardisierung Roms in Basel ................................................................
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4. Savoyen als Patrimonium Petri (1442 –1449/51) ...................................... 311 4.1 Die Benefizien Felix’ V. .............................................................................. 312 4.2 Päpstlich-herzogliche Hofkultur am Genfer See . . ................................. 324 4.3 Der Genfer Altar: Savoyen als Heiliges Land und Patrimonium Petri 333 4.4 Ende des Pontifikats . . ................................................................................. 345 4.5 Amadeus als Kardinal und Bischof von Genf .. ....................................... 355 4.6 Tod und Begräbnis ..................................................................................... 363 4.7 Der Papst und sein Land .. .......................................................................... 373 5. Der letzte Gegenpapst ...................................................................................... 375
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Inhalt
Anhang .. ...................................................................................................................... Abbildungsverzeichnis ....................................................................................... Ungedruckte Quellen . . ....................................................................................... Gedruckte Quellen ............................................................................................. Literatur . . .............................................................................................................. Personen- und Ortsregister ...............................................................................
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Vorwort Die vorliegende Studie wurde am 17. Februar 2012 von der Philosophischen Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin als Promotionsschrift mit dem Titel „Der Konzilspapst Felix V. – Untersuchungen zu Herrschaftspraxis und Legitimationsstrategien“ angenommen (Dekan Prof. Michael Seadle, PhD). Für die Drucklegung wurde der Text auf Grundlage der Gutachten in Teilen überarbeitet und stellenweise ergänzt. Ich danke dem Erstgutacher Johannes Helmrath für die Betreuung meiner Dissertation, die er mit Interesse, förderlicher Kritik und wichtigen Hinweisen begleitet hat. Frau Barbara Schlieben sei für die Erstellung des Zweitgutachtens gedankt. Dem anregenden Klima am Lehrstuhl Mittelalter II des Instituts für Geschichtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin verdanke ich viel. Für hilfreiche Hinweise danke ich vor allem Thomas Woelki und Christian Jaser sowie allen Angehörigen des dortigen Oberseminars. Darüber hinaus bin ich Harald Müller nicht nur für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe „Papsttum im mittelalterlichen Europa“, sondern auch für die initiale Anregung, mich mit Gegenpäpsten zu beschäftigen, sehr verbunden. Dank eines großzügigen Promotionsstipendiums der Gerda Henkel Stiftung war es mir möglich, umfangreiche Archivstudien in Turin, Basel, Lausanne und Genf zu unternehmen. Durch die freundliche Aufnahme von Andreas und Maria-Luise Como, Konstanze Römer, Olga Sparschuh und Joanna Voss-Naddeo habe ich diese Zeit in angenehmster Erinnerung. Die Assoziierung mit dem kunsthistorischen Graduiertenkolleg der Universitäten Basel, Bern und Zürich Pro*Doc „Kunst als Kulturtransfer seit der Renaissance“ führte zu einem intensiven interdisziplinären Austausch, der viele Gedanken angestoßen hat. Hier sei den Kollegiaten, vor allem Berit Wagner und Beate Böckem, den Betreuern Lothar Schmidt und Johannes Rößler und den Leitern Andreas Tönnesmann, Norberto Gramaccini und Andreas Beyer für ihre Offenheit und wissenschaftliche Neugier gedankt. Ich hatte Gelegenheit, meine Dissertation in den Oberseminaren von Johannes Helmrath, Harald Müller, Sabine von Heusinger, Annette Kehnel, Achim Hack und Sigrid Hirbodian sowie im Kolloquium des Requiemprojekts der Humboldt-Universität zu Berlin und im Basler Renaissancekolloquium vorstellen und diskutieren zu können. Darüberhinaus gaben mir Heribert Müller, Matteo Nanni, Tristan Weddigen und Harald Müller die Möglichkeit, einzelne Passagen auf den von ihnen veranstalteten Tagungen zu präsentieren. Allen Beteiligten sei herzlich für die vielfältigen Anregungen gedankt. Ein Großteil dieser Dissertation entstand in der Staatsbibliothek zu Berlin. Ich danke den dortigen Mitarbeitern für die hervorragenden Bedingungen zur wissenschaftlichen Arbeit. Den Berliner Freunden sei für die gemeinsam verbrachte Zeit
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Vorwort
innerhalb und außerhalb der Stabi gedankt. Christiane und Alexander Stäblein haben durch ihre großzügige Hilfe viel zu der Vollendung dieses Buches beigetragen. Die Drucklegung schließlich wäre nicht ohne das Verständnis und die Ermutigung der Angehörigen des Kölner Lehrstuhls für die Geschichte des Spätmittelalters, insbesondere Sabine von Heusinger, möglich gewesen. Julia Bruch und Letha Böhringer lasen und korrigierten, dafür sei ihnen herzlich gedankt. Dorothee Rheker-Wunsch vom Böhlau Verlag betreute die Publikation. Ich danke dem Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte II der HU Berlin, Johannes Helmrath, und der Gerda Henkel Stiftung für die Übernahme der Druckkosten. Mein Mann Sebastian hat durch seine Inspiration und Zuversicht erheblichen Anteil an der Fertigstellung dieses Buches und fand bei zahlreichen Computerpro blemen eine Lösung. Zuletzt und von Herzen danke ich meinen Eltern, Annelies und Gustav Adolf Lehmann, die mich in liebevoller Geduld durch ihr inhaltliches Interesse bestärkt und in jeder denkbaren Hinsicht unterstützt haben. Ihnen sei dieses Buch gewidmet. Köln, im Frühjahr 2014 Ursula Gießmann
1. Einleitung Bis zum Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI. am 28. Februar 2013 und der Wahl seines Nachfolgers Papst Franziskus am 13. März 2013 wurden zwei parallel existierende Päpste als ein Phänomen der Kirche des Mittelalters angesehen. In dieser außergewöhnlichen Situation im Frühjahr 2013 musste die römische Kurie etwa auch Fragen klären, wie der zurückgetretene Papst zu bezeichnen sei oder welche Insignien ihm weiterhin zukommen könnten 1. Vor Problemen dieser Art stand man in der Geschichte des Papsttums nicht zum ersten Mal und so verweist der päpstliche Rücktritt Benedikts XVI. auf ähnliche Konstellationen in der Kirchengeschichte und macht deutlich, dass bisherige Interpretationen von Schismen und Gegenpäpsten nun erst recht zu überprüfen sind. Der im Zentrum dieser Studie stehende Gegenpapst Felix V., vormals Herzog Amadeus VIII. von Savoyen (1383 – 1451), schloss sich durch seinen Rücktritt von der Papstwürde am 7. April 1449 selbst aus der Reihe der legitimen Päpste aus. Mit seiner renuntiatio ging nämlich zum einen die Anerkennung des römischen Prätendenten Papst Nikolaus V. (1447 – 1455) einher und zum anderen die Verpflichtung, diesem Gehorsam zu leisten. Doch der Gegen-Pontifikat Felix’ V. (1439 – 1449) war keineswegs von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Vielmehr dauerte das letzte PapstSchisma zwischen Eugen IV. bzw. Nikolaus V. auf der römischen und Felix V. auf der Seite des Basler Konzils fast zehn Jahre. Währenddessen bestand zeitweise parallel ein Konzilsschisma zwischen der Generalsynode von Basel/Lausanne und derjenigen von Ferrara/Florenz/Rom. Diese komplexe Gemengelage von Akteuren und Interessen prägte die 40er Jahre des 15. Jahrhunderts, die auch als „Ende des konziliaren Zeitalters“2 bezeichnet wurden. Da vielschichtige Entwicklungen der lateinischen Kirche hier angestoßen wurden bzw. zu einem Ende kamen, wurden bereits umfangreiche Forschungen unternommen 3. Dabei blieb das Profil des vorerst letzten Gegenpapstes
1 Die offizielle Sprachregelung bezeichnet den zurückgetretenen Benedikt XVI. als Pontifex Emeritus. Vgl. dazu: http://de.radiovaticana.va/storico/2013/02/26/pater_lombardi:_papst_ bleibt_seine_heiligkeit_benedikt_xvi./ted-668579 (abgerufen am 11. April 2014). 2 So der Titel des Tagungsbands von Müller, Heribert (Hg.): Das Ende des konziliaren Zeitalters (1440 – 1450). Versuch einer Bilanz. München 2012 (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 86). 3 Grundlegende Forschungsergebnisse zum Basler Konzil in Auswahl: Helmrath, Johannes: Das Basler Konzil 1431 – 1449. Forschungsstand und Probleme, Köln/Wien 1987 (Kölner Historische Abhandlungen, 32); Sudmann, Stefan: Das Basler Konzil. Synodale Praxis zwischen Routine und Revolution, Frankfurt/M. u. a. 2005 (Tradition – Reform – Innovation, 8); vgl. auch den Sammelband zu den Konzilien des 15. Jahrhunderts: Helmrath,
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Einleitung
Felix V. freilich insgesamt blass. Denn je nach Deutungsabsicht wurden stark überzeichnete Interpretationen des Pontifikats vorgelegt, in denen Felix V. zwischen fromm und arglistig oszilliert. In dieser Studie wird deshalb erstmals den Strategien der Legitimierung sowie der Herrschaftspraxis Felix’ V. nachgegangen. Dabei sollen sowohl die Umstände seiner Erhebung zum Papst als auch die Ursachen seines Endes als Gegenpapst freigelegt und eingeordnet werden. Felix V. wurde am 5. November 1439 in Basel von Vertretern der dort seit 1431 tagenden Konzilsversammlung gewählt. Dieses Konzil verstand sich als Repräsentant der Universalen Kirche, das aufgefordert war, den „Problemstau“ der Kirche zu beseitigen 4. Diese Aufgabe kam den Konzilien spätestens seit der Überwindung des Abendländischen Schismas auf dem Konstanzer Konzil (1414 – 1418) zu, als es einem Generalkonzil gelungen war, die kirchliche Einheit wiederherzustellen 5. Dadurch waren aber auch neue Konflikte absehbar, denn das wiedererstarkte Papsttum in Rom unter Martin V. strebte eine Restauration seiner Macht an. Zugleich hatten die Anhänger der konziliaren Theorie durch den erfolgreichen Abschluss des Konstanzer Konzils erheblich an Selbstbewusstsein gewonnen und setzten sich entschieden für die Umsetzung des Konstanzer Dekrets Frequens ein 6. Johannes/Müller, Heribert (Hg.): Die Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414 – 1418) und Basel (1431 – 1449), Ostfildern 2007 (VuF, 67). Lazarus, Paul: Das Basler Konzil. Seine Berufung und Leitung, seine Gliederung und Behördenorganisation, Berlin 1912 ( ND Vaduz 1965). Zuletzt mit umfangreichen Literaturangaben: Müller, Heribert: Das Basler Konzil (1431 – 1449) und die europäischen Mächte. Universaler Anspruch und nationale Wirklichkeiten, in: HZ 293 (2011), S. 593 – 629. 4 Miethke, Jürgen/Weinrich, Lorenz: Einleitung, in: Miethke, Jürgen/Weinrich, Lorenz (Hg.): Die Konzilien von Pavia/Siena (1423/24), Basel (1431 – 1449) und Ferrara/ Florenz (1438 – 1445), Darmstadt 2002 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, 38b; Quellen zur Kirchenreform im Zeitalter der großen Konzilien des 15. Jahrhunderts, 2. Teil), S. 15 – 82, S. 15. 5 In der Folge des 600-jährigen Jubiläums 2014 erscheinen eine Reihe neuer Publikationen zum Konstanzer Konzil. Braun, Karl-Heinz (Hg.): Das Konstanzer Konzil: 1414 – 1418. Weltereignis des Mittelalters, Essays, Stuttgart 2013. Buck, Thomas Martin/Kraume, Herbert: Das Konstanzer Konzil. Kirchenpolitik, Weltgeschehen, Alltagsleben, Ostfildern 2013. Die ältere Forschung ist zu erschließen über: Walter Brandmüller: Das Konzil von Konstanz 1414 – 1418, 2 Bde., Paderborn 1991 (Konziliengeschichte, Reihe A, Darstellungen). 6 Conciliorum Oecumenicorum Decreta, Bd. 2, ed. Giuseppe Alberigo, Bologna 31973 (im Folgenden abgekürzt: COD), S. 438 – 443. Zum Pontifikat Martins V. vgl. umfassend: Studt, Birgit: Papst Martin V. (1417 – 1431) und die Kirchenreform in Deutschland, Köln u. a. 2004 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii, 23). Zur Umsetzung des Dekrets Frequens mit weiteren Nachweisen vgl. Decaluwe, Michiel: A Successful Defeat, Eugene IV’s Struggle with the Council of Basel for Ultimate Authority in the Church 1431 – 1449, Rom/Brüssel 2009, S. 50 – 54.
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Dieses Dekret schrieb das häufige Abhalten von Generalkonzilien vor, um sich weiterhin der Reform der Kirche und anderen Fragen widmen zu können. Nach dem Konzil von Pavia/Siena (1423/24) trat 1431 das Basler Konzil zusammen und sollte – in sich allmählich stark ändernder Zusammensetzung – bis 1449 bestehen bleiben 7. Der Versuch des Papstes Eugen IV., das Konzil durch Verlegung nach Bologna bereits kurz nach der Eröffnung aufzulösen, führte zu einem dauerhaften Misstrauensverhältnis zwischen den Konzilsteilnehmern und dem Papst 8. Als wegen der Pläne für eine Union mit der Ostkirche wieder die Ortsfrage debattiert wurde, eskalierte der Streit 9. Der ursprüngliche Dissens wurde schließlich überlagert von dem längst angelegten Verfassungskonflikt um die Superiorität der kirchlichen Leitungsinstanzen. Er fand seinen vorläufigen Höhepunkt in dem Prozess gegen Eugen IV., in dessen Folge er vom Basler Konzil als Häretiker verurteilt und am 25. Juni 1439 als Papst abgesetzt wurde. Da nun aus Basler Perspektive die Cathedra Petri unbesetzt war, entschloss sich das Konzil zu der Wahl eines neuen Papstes, die auf den savoyischen Herzog Amadeus VIII. fiel. Dieser wurde am 5. November 1439 in Basel zum Papst gewählt und gab sich den Namen Felix V.10. Es handelt sich bei dem savoyischen Herzog um einen Aufsteiger, der die beständige Ausweitung seines Herrschaftsbereichs recht erfolgreich betrieben hatte. Der Ausruf des burgundischen Chronisten Olivier de la Marche über den ersten Herzog von Savoyen, Amadeus VIII. ist bezeichnend: Si sagement se gouverna que son pays de Savoye estait le plus riche, le plus sur et le plus plantureux de ses voisins 11. In der Tat erwarb Amadeus VIII. Herrschaftsrechte an den Grafschaften Genf, Bresse, Bugey und Tenda, wurde Statthalter von Nizza und Lehnsherr von Saluzzo und Vercelli.
7 Zum Konzil von Pavia-Siena, vgl. Brandmüller, Walter (Hg.): Das Konzil von Pavia- Siena 1423 – 1424. Bd. 1: Darstellung. Bd. 2: Quellen, Münster 1968 – 1974 (Vorreforma tionsgeschichtliche Forschungen, 16). 8 Zu Papst Eugen IV. vgl. Stieber, Joachim W.: Pope Eugenius IV, the Council of Basel, and the Secular and Ecclesiastical Authorities in the Empire. The Conflict over Suprem Authority and Power in the Church, Leiden 1978 (Studies in the History of Christian Thought, 13), Decaluwe: Successful Defeat, S. 57 – 62. 9 Zur Ortsfrage allgemein: Helmrath, Johannes: Locus concilii. Die Ortswahl für Generalkonzilien vom IV. Lateranum bis Trient, in: Annuarium Historiae Conciliorum, 27/28 (1995/96), S. 593 – 662. 10 Zum Forschungsstand zu Amadeus VIII. und Felix V. vgl. bisher Andenmatten, Bernard/ Paravicini Bagliani, Agostino (Hg.): Amédée VIII – Félix V. Premier Duc de Savoie et Pape (1383 – 1451), Lausanne 1992 (Bibliothèque historique vaudoise, 103). 11 Mémoires d’Olivier de La Marche, maître d’hôtel et capitaine des gardes de Charles le Téméraire, ed. Henri Beaune, Jules d’Arbaumont, Paris 1883, zitiert nach Demotz, Bernhard: Amédée VIII et le personnel de l’état savoyard, in: Andenmatten/Paravicini Bagliani, (Hg.): Amédée VIII – Félix V, S. 123 – 142, S. 123.
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Dies anerkennend erhob der deutsche König Sigismund die Grafschaft 1416 in den Rang eines Herzogtums 12. Der savoyische Herzog errang zwischen 1401 und 1430 überdies großes Ansehen als Diplomat, als er sich in Frankreich um einen Ausgleich zwischen Armagnacs und Bourguignons bemühte. Auch die familiären Verbindungen Amadeus’ VIII . waren glänzend: Er selbst war Enkel der Bonne de Bourbon, der Schwester König Phillips VI. von Frankreich, und heiratete Maria von Burgund (†1422), Tochter P hilipps des Kühnen. Die aus dieser Ehe entstandenen Kinder hatte er mit den großen Fürstenfamilien vermählt; so war er der Schwiegervater von Filippo Maria Visconti und von Louis von Anjou. Sein ältester Sohn und Nachfolger Herzog Ludwig VII. heiratete Anna von Cypern. Amadeus VIII. selbst unterhielt enge Beziehungen zum französischen König Karl VII.13 Neben seiner Profilierung als Friedensstifter tat er sich auch als Reformer hervor, indem er die Verwaltung seines Herzogtums in vorbildlicher Weise neu strukturierte 14. Bei seiner Wahlannahme am 17. Dezember 1439 gab er sich den Namen Felix V. und war der letzte Laie, der zum Papst-Amt berufen wurde, und der vorerst letzte Gegenpapst.
Zum Begriff Gegenpapst Mit Eugen IV. und Felix V. nahmen 22 Jahre nach dem Ende des Konstanzer Konzils wieder zwei Prätendenten die Petrusnachfolge für sich in Anspruch. Diese fundamentale Konkurrenz war ohne kirchenpolitischen Schaden nicht auflösbar: Das Papstamt ist unteilbar – ein Gegenpapst deshalb gewissermaßen ein pathologischer Unfall. Diese Bezeichnung kommt daher einem Verdikt gleich, mit dem in erster Linie die Illegitimität seines Trägers angezeigt werden soll. Diese Illegitimität ist jedoch zumeist nur eine geschichtspolitische Festschreibung ex post. Der in die offizielle Papstreihe aufgenommene, legitime Papst ist in der Regel derjenige vormalige Prätendent, dem es gelang, die Machtfrage für sich zu entscheiden 15. Die s chismatische
12 Vgl. die Karte Savoyens in der Zeit Amadeus’ VIII. im Anhang S. 380. 13 Vgl. Baud, Henri: La correspondance entre le roi Charles VII et le duc Amédée VIII pendant la guerre de Cent ans, in: Andenmatten/Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V., S. 247 – 257. Baud meint, in diesem Briefwechsel Ehrerbietung und Respekt Karls VII. gegenüber dem älteren Amadeus VIII. entdeckt zu haben, S. 256. 14 Vgl. dieses Buch, Kap. 2.2. 15 Vgl. dazu die Ergebnisse der Tagung 2011 in Aachen zu den Gegenpäpsten in diachroner Perspektive: Müller, Harald/Hotz Brigitte (Hg.): Gegenpäpste. Ein unerwünschtes mittelalterliches Phänomen, Köln u. a. 2012 (Papsttum im mittelalterlichen Europa, 1). Dazu auch: Sprenger, Kai-Michael: Damnatio memoriae oder damnatio in memoria? Überlegungen zum Umgang mit sogenannten Gegenpäpsten als methodisches Problem der
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Fundamentalkonkurrenz zwischen zwei Prätendenten der obersten Kirchenleitung war bereits im Hochmittelalter wiederholt vorgekommen. Insgesamt ist aber das Phänomen des Gegenpapsttums von der Forschungsdiskussion wenig beachtet und „nach heutigen Maßstäben ausgesprochen tendenziös“ behandelt worden 16. Erst seit kurzer Zeit wird von der historischen Forschung der Begriff Gegenpapst als heuristische Kategorie aufgefasst, die dazu dient, die Zuschreibungen von legitimer Amtsführung und Machtausübung zu hinterfragen 17. Damit wird einerseits darauf hingewiesen, dass es zwei konkurrierende Papstprätendenten gab, andererseits ist damit eben keine Legitimitäts-Bewertung intendiert. Vielmehr wird es durch dieses Begriffsverständnis möglich, die Kategorien, die zu dem Verdikt Gegenpast führten, freizulegen und zu historisieren. Dieses wertungsfreie Verständnis des Begriffs liegt auch dieser Arbeit zugrunde, und deshalb wird die Bezeichnung Gegenpapst nicht in Anführungsstriche gesetzt. Der Begriff Gegenpapst ruft freilich die Notwendigkeit hervor, die zentrale Bewertungskategorie der Legitimität näher zu bestimmen.
Legitimität Legitimität wird allgemein verstanden als „Gültigkeit des Rechts“, als „Verbindlichkeit bestimmter Normen oder Entscheidungen“, oder als die „Überzeugung vom Wert bestimmter Prinzipien, nach denen diese zustande gekommen sind“18. Dies führt zu Überlegungen, wie die „faktische Überzeugung von der Richtigkeit oder der verbindlichen Kraft dieses Entscheidens“ verbreitet werden kann, wenn nur wenige in menschlichen Gemeinwesen entscheiden 19. Legitimität besteht nur dann, wenn Entscheidungen anerkannt werden 20. Zugleich steht Legitimität in einem engen Bezug zu dem Besitz der faktischen Macht; denn es handelt sich sozialpsychologisch um eine Kategorie sachlicher Fügsamkeitsmotivation gegenüber Herrschaftsansprüchen, wie
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Papstgeschichtsschreibung, in: QFIAB 89 (2009), S. 31 – 62, S. 43 – 44. Als Beispiel für eine Einzelstudie jüngeren Datums: Sprenger, Kai-Michael: Zwischen den Stühlen: Studien zur Wahrnehmung des Alexandrinischen Schismas in Reichsitalien (1159 – 1177), Berlin 2012 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom, 125). Sprenger: Damnatio memoriae, S. 52. Zum Begriff Gegenpapst vgl. Müller, Harald: Gegenpäpste – Prüfsteine universaler Autorität im Mittelalter, in: Müller/Hotz (Hg.): Gegenpäpste, S. 13 – 53, hier bes. S. 22 – 24. Luhmann, Niklas: Legitimation durch Verfahren, Frankfurt 1983, S. 27. Luhmann: Legitimation, S. 27. Dies verhält sich analog zur Positivierung des Rechts, für das charakteristisch ist, dass alles Recht durch Entscheidung gesetzt ist. Vgl. dazu Luhmann: Legitimation, S. 31.
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sie Max Weber in seiner grundlegenden Typologie legitimer Herrschaft entfaltet hat. Demnach beruhe die legale Herrschaft „auf dem Glauben an die Legalität gesatzter Ordnungen und des Anweisungsrechts der durch sie zur Ausübung der Herrschaft Berufenen“, die traditionale Herrschaft „auf dem Alltagsglauben an die Heiligkeit von jeher geltender Traditionen und die Legitimität der durch sie zur Autorität Berufenen“, während die charismatische Herrschaft sich „auf die außeralltägliche Hingabe und die Heiligkeit oder die Heldenkraft oder die Vorbildlichkeit einer Person und der durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnungen“ gründe 21. Aus dieser Typologie wird deutlich, dass physische Zwangsgewalt allein auf Dauer nicht vermag, Legitimität herzustellen, wenn nicht der allgemeine Konsens, ausgedrückt in der Entscheidung, hinzutritt. Niklas Luhmann kommt demnach zu einer Definition von Legitimität, wonach „Gesetze, Verwaltungsakte, Urteile usw. als Entscheidungen legitim sind, wenn und soweit anerkannt wird, daß sie verbindlich gelten und dem eigenen Verhalten zugrunde gelegt werden müssen“22. Erst durch Verbindlichkeit erfährt Herrschaft also die Legitimität, die sie herstellt. Dabei gewinnt der „Legitimitätsglauben“, der ihr entgegengebracht wird, eine fundamentale Bedeutung. Es ist gewissermaßen ein Vorschuss an Vertrauen, oder, mit Luhmann formuliert, „eine generalisierte Bereitschaft, inhaltlich noch unbestimmte Entscheidungen innerhalb gewisser Toleranzgrenzen hinzunehmen“, die eine Durchsetzung erst ermöglicht 23. Erst der Glaube an die Rechtmäßigkeit ermöglicht also die Anerkennung einer Entscheidung. Die Durchsetzung dieser setzt dabei auch die Möglichkeit voraus, dass Zwangsmittel zur Verfügung stehen. Ohne sie mag die Legitimität eine Entscheidung vielleicht wünschenswert, weil normativ wertvoll, erscheinen, doch Legitimität entsteht erst aus einem Mischungsverhältnis von Zwang und Konsens. Klaffen jedoch Norm und Wirklichkeit weit auseinander, wird es notwendig, die vorausgegangene Entscheidung neu zu treffen, da ihre Relevanz fragwürdig geworden ist. Dies gilt für Gesetze ebenso wie für Institutionen. Die Frage nach der Relevanz muss gerade dann gestellt werden, wenn zwei konkurrierende Amtsträger die Rechtmäßigkeit für sich allein in Anspruch nehmen – etwa, wenn an der Spitze der kirchlichen Hierarchie zwei Päpste stehen. Nach päpstlichem Verständnis begründet sich ihre Legitimität auf die Gottgewolltheit der faktischen Herrschaft 24. Während jedoch die göttliche Herkunft der Herrschaft gemäß Röm. 13,1 und damit die 21 Weber, Max: Die Typen der Herrschaft, in: Weber, Max (Hg.): Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, Tübingen 31976, S. 124. 22 Luhmann: Legitimation, S. 32. 23 Luhmann: Legitimation, S. 31. 24 Vgl. Fuhrmann, Horst: „Der wahre Kaiser ist der Papst.“ Von der irdischen Gewalt im Mittelalter, in: Bungert, Hans: Das antike Rom in Europa, Regensburg 1986, S. 99 – 121, S. 100f.
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Legitimität insgesamt nicht weiter verhandlungswürdig erschienen, rückten in der politischen Theorie seit Wilhelm von Ockham „die zwischengeschalteten menschlichen Akte wie Wahl und Konsens in den Mittelpunkt“25. Zudem steht Legitimität in einem direkten Verhältnis zur Durchsetzung ihres Anspruches. Max Weber klassifiziert eine Herrschaft danach, ob ihr eigener Legitimitätsanspruch der Art nach in einem relevanten Maß gilt; dabei könne jedoch am Ende „nur der Erfolg rechtfertigen“, wobei es zunächst zweitrangig sei, wie dieser jeweils zustande gekommen ist 26. Erfolg als Kriterium für die Legitimation von Herrschaft ist für das Phänomen der Gegenpäpste von entscheidender Bedeutung. Denn der von der Nachwelt in die offizielle Papstreihe aufgenommene und dadurch legitime Papst war immer derjenige, der sich durchsetzen konnte und Anerkennung fand. Es sind also nicht nur Verfahren 27 der Konsens-Erzeugung, aus denen Legitimität geschöpft werden kann. Eine Entscheidung kann auch durch ihre allgemeine Anerkennung als legitim betrachtet werden. Anerkennung bedeutet hierbei, dass diese Entscheidung dem eigenen Verhalten zugrunde gelegt wird; geschieht dies durch Herrschaftsmittel, die der Sphäre des Zwangs zuzuordnen sind, so stellt dies eine Form von Legitimationserzeugung dar, die sich ebenso grundlegend und entscheidend auszuwirken vermag wie konsensuale Übereinkünfte. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, Legitimation mit Niklas Luhmann als ein Mischungsverhältnis von Zwang und Konsens aufzufassen und dies folgerichtig bei der Betrachtung der Legitimationserzeugung für den Konzilspapst Felix V. als Träger der Petrusamtes zu Grunde zu legen 28.
Konsens Der universale Konsens bildete einen Grundbegriff der abendländischen Verfassungsdiskussion in der Zeit nach dem Konstanzer Konzil. Dabei konstituierte dieser Begriff das rechtliche, aber vor allem das theologische Selbstverständnis der konziliaren Repräsentation. In der konsensualen Übereinkunft, einen auf dem Konstanzer
25 Hofmann, Hasso: Legalität, Legitimität, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. V., Basel 1980, Sp. 161 – 166, Sp. 162. 26 Weber: Typen, S. 123. 27 In der Systemtheorie werden unter Verfahren soziale Systeme verstanden, die die spezifische Funktion erfüllen, eine einmalige verbindliche Entscheidung zu erarbeiten, und die eigenen dadurch von vornherein in ihrer Dauer begrenzt sind. Das Verfahren bedeutet hierbei zunächst wirkliches Geschehen und nicht eine normative Sinnbeziehung. Es beinhaltet auch die Gewissheit, dass eine Entscheidung zustande kommen wird, wobei die Ungewissheit, welche Entscheidung es sein wird, wesentlich für Verfahren ist. Siehe hierzu Luhmann: Legitimation, S. 41 – 51. 28 Luhmann: Legitimation, S. 28.
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Konzil gewählten Papst anzuerkennen, war es der Christenheit gelungen, ihr Schisma zu überwinden. Der Konsens „erwies sich damit als das fundamentale Gestaltungsprinzip kirchlicher Universalität“29, so Erich Meuthen, der weiterhin ausführt, dass sich die Vorstellung von Konsens aber nur deshalb zur Krisenbewältigung eignete, weil er sich aus der jahrhundertelangen existentiellen Selbstverständlichkeit speiste, wonach die Kirche als Hierarchie konsentierend gelebt worden sei. Die Vorstellung von Konsens ging weit darüber hinaus, nur formaljuristische Legitimität erwirken zu wollen. Seine inhaltliche Ausgestaltung fügte sich in die generelle Tendenz einer Retheologisisierung des seit dem 12. Jahrhundert überaus stark verrechtlichten Kirchenbegriffs, die in den Debatten im Zuge des Basler Konzils wahrnehmbar wurde. Als herausragender Theoretiker der Konsenslehre gilt N ikolaus von Kues, der diese vor allem in dem zweiten Buch der Concordantia catholica grundlegte. Er bezog sich dabei unter anderem auf Francesco Zabarella, der bereits die vom Konsensprinzip durchformte hoch- und mittelalterliche Korporationslehre konsequent auf die Kirchentheorie angewandt hatte 30. Bei Nikolaus von Kues legitimiert der Konsens die gestufte Ordnung der kirchlichen Hierarchie vom gläubigen Volk, das (idealtypischerweise) den Pfarrer wählt, bis zum Papstwahlkolleg der Kardinäle. Der Papst wurde jedoch nicht allein durch den gestuften Konsens der Gläubigen, sondern vor allem kraft göttlicher Sendung berufen. Der juristische Konsens bedurfte also einer theologischen Konsonanz durch das Wirken des Heiligen Geistes 31. Nach der Auffassung von Nikolaus von Kues ist Repräsentation ohne Konsens nicht möglich, zugleich sei Einmütigkeit auch immer als ein Garant der Wahrheit anzusehen 32. 29 Meuthen, Erich: Konsens bei Nikolaus von Kues und im Kirchenverständnis des 15. Jahrhunderts, in: Albrecht, Dieter u. a. (Hg.): Politik und Konfession: Festschrift für Konrad Repgen zum 60. Geburtstag, Berlin 1983, S. 11 – 29, S. 12. 30 Vgl. Krämer, Werner: Konsens und Rezeption. Verfassungsprinzipien der Kirche im Basler Konziliarismus, Münster 1980 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, NF 19), S. 265 – 277; Sieben, Herrmann Josef: Traktate und Theorien zum Konzil. Vom Beginn des Großen Schismas bis zum Vorabend der Reformation (1378 – 1521), Frankfurt a. M. 1983 (Frankfurter theologische Studien, 30), S. 59 – 110, mit einem Forschungsüberblick bis 1984 und weiteren Literaturangaben. Zuletzt mit der Aufarbeitung der neueren Forschung: Miethke, Jürgen: Die Einheit der Kirche in der Concordantia Catholica des Nikolaus von Kues, in: Khoury, Raif Georges/Halfwassen, Jens (Hg.): Platonismus im Orient und Okzident, Neuplatonische Denkstrukturen im Judentum, Christentum und Islam, Heidelberg 2005, S. 201 – 213. 31 Vgl. Meuthen: Konsens, S. 15. 32 Nikolaus von Kues Brief Nr. 4, S. 39, in: Cusanus-Texte IV. Briefwechsel des Nikolaus von Cues, ed. Josef Koch, Heidelberg 1944. Vgl. Krämer: Repräsentation, S. 213. Vgl. auch: Meuthen: Konsens, S. 16. Gemäß seiner Konsenstheorie spricht Nikolaus von Kues damit
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Nach seiner Auffassung ist für die Legitimität von Recht und Regierung vor allem auch Zustimmung notwendig. Diese bestimme sich jedoch nicht allein durch eine numerische Mehrheit. Er versteht unter Konsens vielmehr „die Zustimmung der Weisen und Vornehmen und die Einwilligung der übrigen“33. Mehrheiten werden bei ihm eher körperschaftlich als individuell generiert. Doch habe auch die „gesunde Minderheit“, sanior pars, das Recht, berücksichtigt zu werden: Unter Konsens ist also mehr zu verstehen als ein Majoritätsvotum 34. Im allgemeinen Kirchenverständnis bestand Konsens bei Übereinstimmung von Haupt und Gliedern, Papst und Kirche. Damit war ein Konzilsakt erst nach Zustimmung des Papstes legitim; dies bedeutet, dass kein Konsens ohne den die Einheit repräsentierenden Papst entstehen konnte. Papst Eugen IV. und den Basler Konzilsvätern gelang jedoch seit 1437 keine konsensuale Übereinkunft mehr; dies bedeutet, dass bereits vor der Wahl Felix’ V. ein Schisma zwischen den beiden höchsten kirchlichen Verfassungsorganen Papst und Konzil bestanden hat. Nikolaus von Kues zufolge kann man einen Konsens über Entscheidungen anhand ihrer Rezeption, Realisierung und Umsetzung feststellen; im Sprachgebrauch des 15. Jahrhunderts durch die acceptatio 35. Damit existierte in der Praxis eine Überprüfbarkeit des theoretischen Konsens’ zumindest ex negativo, denn die Nichtanwendung, der non-usus, beendete die Gesetzesgültigkeit; damit wurde dem handelnden Menschen ein hohes Maß an Verantwortung zugewiesen, indem er eine Mitentscheidungskompetenz gewann 36.
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dem Basler Konzil einen Repräsentationsanspruch spätestens seit dem Zeitpunkt ab, als es in seinen Dekreten, allen voran De veritate fidei catholice per tres veritates (33. Sitzung vom 16. Mai 1439), und in der Absetzung Eugens IV. nicht mehr den Konsens der Christenheit ausdrückte. Am Ende wurde Nikolaus von Kues sogar zum offenen Gegner des Basler Konzils, zum „Herkules der Eugenianer“. So charakterisiert ihn Enea Silvio Piccolomini in seiner Darstellung des Basler Konzils: Enea Silvio Piccolomini, De gestis Basiliensis commentatorium libri II, ed. Denis Hay/W. K. Smith, Oxford 1992, S. 14. Nikolaus von Kues: De concordantia catholica, ed. Gerhard Kallen, Bd. I–IV, Hamburg 1963 – 68, N. 279, Z. 4f. Vgl. dazu: Sigmund, Paul E.: Konsens, Repräsentation und die Herrschaft der Mehrheit bei Marsilius und Cusanus, in: MFCG 24 (1998), S. 195 – 204. Meuthen: Konsens, S. 18. Allgemein zum Mehrheitsprinzip: Elsener, Ferdinand: Zur Geschichte des Majoritätsprinzips (Pars major und pars sanior), in: ZRGKanAbt 42 (1956), S. 73 – 116, 560 – 70. Zuletzt mit enzyklopädischem Zuschnitt: Flaig, Egon: Die Mehrheitsentscheidung. Entstehung und kulturelle Dynamik, Paderborn 2013. Meuthen: Konsens, S. 22. Indem Nikolaus von Kues die Rezeption und Anerkennung betonte, kritisierte er zugleich auch die Dekrete der Basler, da er ihnen vorwarf, sie seien nicht übernommen und angewandt worden. Er selbst hat sich wie kaum ein anderer für die Umsetzung der Basler Reformdekrete eingesetzt, wie seine Legationsreise 1451/52 und sein Wirken im Fürstbistum Brixen
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Kirchliche Macht konstituierte sich bei Nikolaus von Kues nach dem göttlichen Recht und dem Naturrecht wesentlich aus der Zustimmung. So bildeten Amtsträger und Volk erst durch gegenseitige Zustimmung einen (Sozial-)Körper. Amtsinhaber der Kirche konstituierten sich in zwei Verfahren, einerseits durch konsensuale Wahl und andererseits durch die Gnade Gottes, die in den Weihen zuteil wurde 37. Erich Meuthen verwendet entsprechend den Begriff „Obödienz“ als Gegenstück zu „Konsens“38. Unter Obödienz ist allgemein der geographische Raum zu verstehen, in dem Gehorsam gegenüber den kirchlichen Instanzen wirksam wird. Da in dem Konflikt zwischen Papst und Konzil kein universaler Konsens hergestellt werden konnte, gewann die Obödienzfrage in Gestalt partikularpolitischer Abhängigkeit entscheidend an Gewicht. Insofern sollen hier einzelne Stationen des Machterwerbs, des Machterhalts sowie des Machtausbaus untersucht werden, die Felix V. allein dazu dienen sollten, als legitimer Inhaber der Cathedra Petri anerkannt zu werden. Es ist also unter anderem zu fragen, wie Felix V. zu der Papstwürde kam, wie er sie ausfüllte und was er unternahm, um Anerkennung zu finden.
Fragestellung Zehn Jahre nach dem Auseinanderbrechen des Konzils war das in Basel verbliebene (Rest-)Konzil marginalisiert, doch Papst Nikolaus V., der Nachfolger Eugens IV . kompensierte die am 7. April 1449 von Felix V. vollzogene Renuntiation, den Rücktritt von der Papstwürde, mit dem Titel eines Kardinals von S. Sabina und der Position eines päpstlichen Legaten in Savoyen 39. Damit erhielt er, nun mit dem Namen Kardinal Amadeus, das exklusive Recht zur Ämterbesetzung in seinem Sprengel, der nicht nur das Herzogtum Savoyen, sondern auch die Diözesen Lausanne, Basel, Genf, Straßburg, Konstanz, Chur und Sitten umfasste. Hinzu kam auch ein Konkordat mit dem Haus Savoyen, das nach seinem Tod 1451 bestätigt wurde. Erst Nikolaus V. war bereit, diesen Preis für die Aufhebung des Schismas zu zahlen. Er entschärfte
(1450 – 1458) zeigen. Vgl. dazu: Meuthen, Erich: Die deutsche Legationsreise des Nikolaus von Kues 1451/1452, in: Boockmann, Hartmut u. a. (Hg.): Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, Göttingen 1989, S. 421 – 499, und K rämer, Werner: Konkordanz und Konsens in Kirche und Respublica Christiana. Inhaltliche Tragweite und geschichtlicher Hintergrund, in: MFCG 21 (1994), S. 231 – 273, S. 264. 37 Krämer: Konkordanz, S. 247f. 38 Meuthen: Konsens, S. 27. 39 Vgl. hierzu ausführlich: Giessmann, Ursula: Die renuntiatio Felix’ V. (1449), in: M üller/ Hotz (Hg.): Gegenpäpste, S. 391 – 410, S. 394f.
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den innerkirchlichen Konflikt, indem er die Anhänger Felix’ V. und die verbliebenen – exkommunizierten – Konzilsväter absolvierte und in den kirchlichen Verband reintegrierte bzw. sie teilweise in ihren Ämtern beließ. Obwohl das Papsttum Felix’ V. mit seinem Rücktritt offensichtlich gescheitert war, gelang es dem vormaligen Herzog und Papst, sogar von seiner Niederlage noch zu profitieren, denn er gewann für sich und nachfolgend für sein Haus, die Casa Savoia, eine von Rom garantierte, umfassende Hoheit über die Kirche in seinem Territorium. Der Gegenpapst Felix V. ist freilich weder mit dem Auftakt noch mit dem Ende seines Pontifikats allein ausreichend eingeordnet. Deshalb wird in dieser Arbeit drei Fragen nachgegangen, um den Charakter des Pontifikats Felix’ V. präziser erfassen zu können. 1. Zunächst sollen Darstellung und Repräsentation des Gegenpapstes Felix V. in den herrschaftskonstituierenden Akten – Wahl, Einzug und Krönung – untersucht werden. Aus diesen, durch verschiedene Quellenarten überlieferten Akten kann auf die Konzeption des Papsttums geschlossen werden, da sich in diesen hochgradig zeremoniell ausgestalteten Inszenierungen und ihren Repräsentationen zweiter Ordnung, den Quellen, das Selbstverständnis sowohl des Konzils als auch dasjenige Felix’ V. und seines Umfelds, des savoyischen Herzogshofs, widerspiegeln. Aus ihrer Analyse treten sowohl die Legitimationsstrategien Felix’ V. wie auch diejenigen des Basler Konzils hervor. Hierbei wird einerseits deutlich, dass die Imitation des römischen Modells von Konzilsseite gewünscht und entsprechend auch in der historiographischen Überlieferung betont wird 40. Die überwiegend urkundlichen und wirtschaftsgeschichtlichen Quellen der savoyischen Seite, Rechnungen und Inventare, vermitteln andererseits den Eindruck, dass mit Papst Felix V. und seinem Gefolge in Basel eher der savoyische Fürstenhof einzog und bis November 1442 seine Residenz einrichtete, als der Vertreter eines Papsttums, das von Joachim Stieber als konstitutionell charakterisiert wurde 41. Aus der Gegenüberstellung beider Überlieferungen gelingt der differenzierte und neue Befund einer weitreichenden Überblendung und Hybridisierung römischer und savoyischer Zeichensysteme, die sich auch außerhalb der zeremoniell-rituellen Akte nachweisen lassen, und die sich zu einer handlungsleitenden Konstante des felicianischen Pontifikats entwickelten. 2. Der zweite Fragenkomplex widmet sich der Herrschaftspraxis des Gegenpapstes Felix’ V. Auch hier steht die Selbstartikulation, die aus einer Analyse der 40 Vgl. zur imitatio Romae-Vorstellung: Sieber-Lehmann, Claudius: Basel und „sein“ Konzil, in: Helmrath/Müller (Hg.): Konzilien, S. 173 – 204, S. 196 – 204. Zur Kopie der Römischen Kurie am Rhein vgl. Helmrath, Johannes: Die lateinischen Teilnehmer von Ferrara/Florenz, in: AHC 22 (1990), S. 146 – 198, S. 168. 41 Stieber, Joachim W.: Amédée VIII et le concile de Bâle, in: Andenmatten/Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V, S. 339 – 362.
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repräsentativ-performativen Akte ablesbar ist, im Mittelpunkt der Untersuchung. Es wird dabei der Frage nachgegangen, ob die zuvor identifizierten Strategien der Legitimation in der Herrschaftspraxis tatsächlich eine Umsetzung erfahren haben. Aus seinen Handlungen als Papst wird deutlich, über welche Spielräume Felix V. verfügte, wie er in dem Kräftefeld agierte, das zum einen von der Basler Konzilsversammlung und zum anderen von der savoyischen Hofgesellschaft bestimmt war. Das Ringen des B asler Konzils und Felix V. um Obödienz spielte sich aber darüber hinaus auf der Ebene der europäischen Mächte ab, die die Konkurrenz zwischen Rom und Basel nutzten, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen 42. Damit sind zwei Felder benannt, auf denen die Herrschaftspraxis Felix V. untersucht wird: Zum einen die Repräsentation in Basel selbst, innerhalb und außerhalb der Residenz, und die Ausgestaltung seines Herrschaftsapparats, der Kurie. Zum anderen wird den diplomatischen Aktivitäten nachgegangen, bei denen eine eigene Akzentsetzung Felix’ V. selbst sichtbar wird. Da das Basler Konzil bei der Obödienz werbung die entscheidende Rolle spielte, wurde sie von der Forschung bereits weitgehend aufgearbeitet, so dass eine schlaglichtartige Analyse genügt 43. Innerhalb der eigenen Kurie tritt ebenfalls eine Tendenz zur Verschmelzung von Rom und Savoyen zu Tage. Dies ist im Bereich der Personalpolitik kaum überraschend, da die Funktionsträger Felix’ V. überwiegend auch savoyische Landeskinder waren. Es handelte sich dabei um ein erprobtes Muster des römischen Papsttums, das zudem der Not geschuldet war, dass die mehrfach unternommenen „internationalen“ Kardinalskreationen häufig daran scheiterten, dass die Kandidaten das Amt ablehnten. Die bereits in den herrschaftskonstituierenden Kontexten wie in Fragen der Personalpolitik beobachtete savoyisch-römische Hybridbildung nahmen aber bei der finanziellen Ausgestaltung des päpstlichen Haushalts innovative Züge an. So kann eine weitreichende Verschmelzung der päpstlichen wie der herzoglichen Ressourcen beobachtet werden. Als Ersatz für das nicht erreichbare Patrimonium Petri billigte das Basler Konzil Felix V. nach und nach zu, sein vormaliges Herzogtum Savoyen entsprechend zu nutzen. Dies trägt auch der Entwicklung Rechnung, dass der Obödienzbereich Felix’ schließlich auf sein vormaliges Territorium reduziert war. Daraus ergeben sich ganz grundsätzliche Fragen, z. B. über welche Ressourcen, materiell und immateriell, der Papst verfügen musste, um nicht als Gegenpapst zu enden. 3. Diese Überlegungen bilden den Kern des dritten Fragenkomplexes, in dem zu identifizieren sein wird, was ein Papst materiell, symbolisch und rechtlich benötigte, um Papst zu sein. Denn Felix V. scheiterte mit seiner Ambition, als legitimer Papst anerkannt zu werden, und wird gemäß der Logik von Gewinner und Verlierer auf
42 Vgl. dazu Müller: Basler Konzil. 43 Vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen Helmrath: Basler Konzil; Sudmann: Basler Konzil.
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der Liste des Annuario pontificio als Gegenpapst geführt 44. Er trat am 7. April 1449 von der Papstwürde zurück und erkannte Nikolaus V. als legitimen Papst an. Damit stellte er sich selbst auf die Seite der Illegitimen und Gegenpäpste. Aus seinem Scheitern kann jedoch auch darauf geschlossen werden, was in der Mitte des 15. Jahrhunderts zu einem erfolgreichen Papst gehörte und was Felix V. letztlich fehlte. Zugleich erscheint sein Pontifikat auch als Vorläufer des künftigen sog. Renaissance-Papsttums, das in den folgenden Jahrzehnten die kirchliche Struktur bestimmen sollte. Mit der reichlichen Belohnung für seine Abdankung gelang es Felix V., seine hybride herzog lich-päpstliche Herrschaft als Kardinal Amadeus auch nach Ende seines Pontifikats in kaum veränderter Weise fortzusetzen und gewissermaßen als papa in territorio suo zu agieren. Eine Reihe von Indulten und Konkordaten perpetuierte den Einfluss des savoyischen Herzogs auf die Kirche seines Territoriums, so dass sich ein savoyisches Landeskirchenregiment avant la lettre bilden konnte.
Methodische Überlegungen Im Folgenden werden zentrale Ereignisse und Strukturen des Papsttums Felix’ V. untersucht, in denen als zentrale Legitimationsstrategie die Überblendung von Herzogtum und Papsttum hervortreten. Diese charakterisierte die Herrschaftspraxis Felix’ V. und hält für die Historisierung des Papsttums wichtige Ergebnisse bereit. Die Arbeit nutzt dafür als theoretisch-methodische Konzepte zum einen die Symbolische Kommunikation und zum anderen die Raumtheorie. In dieser Arbeit werden Ansätze und Analysebegriffe der Forschungen zur Symbolischen Kommunikation aufgegriffen und weitergeführt. Hierzu zählt neben Repräsentation und Performanz vor allem das Zeremoniell 45. Bei einem Zeremoniell wird 44 Im Annuario Pontificio wird jährlich eine Aufstellung der Päpste im Sinne einer „historischen Legitimation“, so Müller: Gegenpäpste, S. 14, Anm. 4, veröffentlicht, die auf Grundlage der 1947 von Angelo Mercati, dem damaligen Präfekten des vatikanischen Archivs, erstellt wurde: Mercati, Angelo: The New List of the Popes, in: MSt 9 (1947), S. 71 – 80. 45 Vgl. dazu nur einige Arbeiten aus der reichen Forschungsdiskussion über die symbo lische Kommunikation in der Vormoderne, die jeweils auf weitere Literatur verweisen: Stollberg-Rilinger, Barbara: Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Begriffe – Thesen – Forschungsperspektiven, in: ZHF 31 (2004), S. 489 – 527. Stollberg-Rilinger, Barbara: Einleitung: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, in: Stollberg-Rilinger, Barbara (Hg.): Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, Berlin 2005 (ZHF, Beihefte, 35), S. 9 – 25. Darin auch: Reinhard Blänkner, Historizität, Institutionalität, Symbolizität. Grundbegriffliche Aspekte einer Kulturgeschichte des Politischen, S. 71 – 95. Althoff, Gerd: Die Macht der Rituale: Symbolik und Herrschaft im Mittelalter, Darmstadt 2003. Althoff, Gerd: Zur Bedeutung symbolischer Kommunikation für das Verständnis des
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durch eine Fülle von öffentlichen und symbolischen Gesten den Mitwirkenden und dem Publikum zumeist nonverbal ein Bild der politischen, sozialen oder religiösen Ordnung vermittelt. Der Ablauf eines Zeremoniells folgt einer festen Choreographie mit hohem Symbolgehalt; es kann also im höchsten Maße als inszeniert angesehen werden, woraus sich ergibt, dass ein Zeremoniell eine bereits bestehende Ordnung zum einen abbildet, sie zum anderen aber erst öffentlich in Kraft setzt 46. Dieser Arbeit liegt die Einschätzung zugrunde, dass aus den konstitutiven Rechts akten der Papstkreation wie aus Sequenzen der Herrschaftsrepräsentation nach innen und außen die dort performativ ausgedrückte Macht aus den symbolischen und zeremoniellen Zeichen hervortrat. In den flüchtigen, performativen Aufführungen zeigt sich das immaterielle Selbstverständnis der jeweiligen Akteure bzw. ganzer Gesellschaften und Kulturen, das eigentlich nicht gegenständlich werden kann, in Zeichen, Symbolen und Handlungen, d. h., es materialisiert sich und wird dadurch analysierbar. So kann aus der Untersuchung dieser nur in der performativen Inszenierung sichtbaren, symbolischen Kommunikation auf die Motive, Konzepte und Haltungen selbst geschlossen werden 47. Diese öffentlichen Inszenierungen selbst Mittelalters, in: FmSt 31 (1997), S. 370 – 389. Althoff, Gerd/Stollberg-Rilinger, Barbara: Rituale der Macht in Mittelalter und Früher Neuzeit, in: Michaels, Axel (Hg.): Die neue Kraft der Rituale, Heidelberg 2007, S. 141 – 177. Arlinghaus, Franz-Josef: Forschungsbericht. Rituale in der historischen Forschung der Vormoderne, in: Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte 31 (2009), S. 274 – 291. Als Beispiel für eine gelungene Anwendung dieses Ansatzes sei hier stellvertretend für viele genannt: Schenk, Gerrit Jasper: Zeremoniell und Politik. Herrschereinzüge im spätmittelalterlichen Reich, Köln u. a. 2003 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii, 21). Spiess, Karl-Heinz: Kommunikationsformen im Hochadel und am Königshof im Spätmittelalter, in: Althoff, Gerd (Hg.): Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter, Stuttgart 2001 (VuF, 51), S. 261 – 290. Franke, Birgit: Die Januarminiatur der ‚Très Riches Heures‘. Die Sprache der Dinge in den Bildern und vor den Bildern, in: Stollberg-Rilinger, Barbara (Hg.): Die Bildlichkeit symbolischer Akte, Münster 2010 (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme: Schriftenreihe des SFB 496, 28), S. 55 – 90. 46 Die definitorische Unterscheidung von Ritual und Zeremoniell wurde vorgenommen von: Leyser, Karl: Ritual, Zeremonie und Gestik. Das Ottonische Reich, in: Frühmittelalterliche Studien 27 (1993), S. 1 – 26. Sie wurde nochmals bestätigt etwa von: Paravicini, Werner: Zeremoniell und Raum, in: Paravicini, Werner (Hg.): Zeremoniell und Raum, Sigmaringen 1997 (Residenzenforschung, 6), S. 11 – 38, S. 14. Vgl. Stollberg-Rilinger: Symbolische Kommunikation, S. 502 – 504. 47 Zur Genese des Begriffs und des Forschungsansatzes Fischer-Lichte, Erika: Performance, Inszenierung, Ritual: Zur Klärung kulturwissenschaftlicher Schlüsselbegriffe, in: M artschukat, Jürgen/Patzold, Steffen (Hg.): Geschichtswissenschaft und ‚performative turn‘. Ritual, Inszenierung und Performanz vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Köln u. a. 2003,
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sind weder fixier- noch tradierbar, sondern in höchstem Maße flüchtig und transitorisch. In den performativen Akten wird die Ordnung selbst aufgeführt und dadurch zugleich neu bekräftigt. Angewendet auf die Situation 1439/40 in Basel heißt dies, dass das Selbstverständnis dieser Versammlung, die sich selbst als Repräsentation der Universalkirche verstand, während der Wahl und der Krönung des Papstes Felix V. durch das Konzil von Basel sichtbar wurde. Eine definitorische Unterscheidung zwischen den Begriffen Ritual und Zeremoniell ist nach wie vor strittig. Während Funktionalisten besonders auf den Wandlungscharakter des Rituals abheben, unterscheidet die interpretative Lesart ein Ritual weniger stark von einem Zeremoniell, dessen Definition besonders auf den abbildenden Charakter zielt 48. Kennzeichnend für das gewohnheitsrechtlich geltende, feierliche und magisch-sakrale Ritual gegenüber dem schriftlich fixierten, den ganzen Alltag erfassenden, differenzierten und von speziellen Amtsträgern verwalteten Zeremoniell ist der Statuswechsel des Rituals, den ein Zeremoniell nicht leistet 49. So stellt die Krönung des Papstes innerhalb des schriftlich gefassten, ausdifferenzierten päpstlichen Zeremoniells den konstituierenden Akt mit rituellem Charakter dar. Innerhalb der Forschungsdiskussion zu Papstkrönungen wird allerdings in der Regel und insbesondere für den hier zu betrachtenden Zeitraum meist von Zeremoniellen gesprochen 50. Bei der Analyse performativer Akte führen zwei Schwierigkeiten zu der Notwendigkeit, verschiedene Ebenen auseinanderzuhalten. So hat einerseits der transitorische Charakter jeder performativen Situation entscheidende Auswirkungen auf die Überlieferung und damit für die Arbeit der Historikerin. Der Aufführungscharakter hat aber andererseits Auswirkungen auf die verwendeten Medien, die ebenfalls Elemente in einem dynamischen Prozess sind und damit einen ephemeren Charakter besitzen. Die historische Forschung versteht sich noch immer vor allem auf die Analyse von schriftlichen Fixierungen in Texten. Damit entgehen der Analyse oft weitere, S. 33 – 54. Vgl. für eine produktive Nutzung des Performanz-Ansatzes im höfischen Kontext des 14. und 15. Jahrhunderts die Studie von: Crane, Susan: The Performance of Self. Ritual, Clothing, and Identity during the Hundred Years War, Philadelphia 2002. Zum Verständnis der Begriffe vgl. bes. S. 3 – 6. 48 Rexroth, Frank: Rituale und Ritualismus in der historischen Mittelalterforschung. Eine Skizze, in: Bremer, Ernst u. a. (Hg.): Mediävistik im 21. Jahrhundert. Stand und Perspektiven der internationalen und interdisziplinären Mittelalterforschung, München 2003 (Mittelalter Studien des Instituts zur Interdisziplinären Erforschung des Mittelalters und seines Nachwirkens, 1), S. 391 – 408, S. 393. 49 Vgl. Stollberg-Rilinger, Barbara: Zeremoniell, Ritual, Symbol. Neue Forschungen zur symbolischen Kommunikation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: ZHF 27 (2000), S. 389 – 405, S. 397. 50 So vor allem in den Arbeiten von Bernhard Schimmelpfennig, siehe aber auch: Carlen, Louis: Zeremoniell und Symbolik der Päpste im 15. Jahrhundert, Freiburg i. Ue. 1993.
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entscheidende Sinnschichten, wie etwa Atmosphäre und Körperlichkeit, aber auch die akustische Dimension – diese Liste an Defiziten ließe sich fortsetzen 51. Zugleich wissen wir über den Einsatz von Objekten, wie Baldachin und Krone, zumeist nur durch schriftliche Zeugnisse. Hier ist zudem zu unterscheiden zwischen Texten mit einer narrativen Grundstruktur, wie historiographischen Berichten oder Schilderungen in Briefen, und Texten mit einem vorwiegend dokumentarischen Charakter, wie etwa Inventare oder Rechnungen. Um die Grenzen der bisherigen Zeremoniell- und Ritualforschung zu erweitern 52, wird in dieser Arbeit daher zum einen versucht, Dokumente aus der Planungsphase sowie historiographische Schilderungen aus der Rückschau mit einzubeziehen. Zum anderen wird vor allem eine große Aufmerksamkeit auf die Ausstattung und das Dekor dieser situativen Manifestation der Herrschaftsrepräsentation Felix’ V. gerichtet. Dies wird vor allem durch eine Analyse von Inventaren und Rechnungen möglich, da sich die ephemeren Ausstattungsmedien in der Regel nicht erhalten haben. Dabei müssen verschiedene Ebenen auseinandergehalten werden, denn die für Historiker zumeist in Schriftform greifbaren Überlieferungen dieser dargestellten Ordnungsvorstellungen stellen wiederum Repräsentationen zweiter Ordnung dar, die jeweils in ihrer Eigenlogik verstanden werden müssen. Dies gilt insbesondere für visuelle Repräsentationen, die sich hier jedoch abgesehen von wenigen Illuminationen und dem Siegelbild des Basler Konzils nur im Genfer Altarretabel von Konrad Witz erhalten haben 53. Der zweite theoretische Schwerpunkt dieser Arbeit stützt sich auf raumsoziolo gische Überlegungen zur Verräumlichung von Macht. Diesem Ansatz zufolge können Räume, etwa zentrale Punkte in einer Stadt, in einer Residenz oder in einer Landschaft durch Zeichen und Dekor, wie etwa Wappen, Devisen, spezifische Farben, 51 Vgl. mit Verweisen auf neue Studien zum Acoustic Turn: Missfelder, Jan-Friedrich: Period Ear. Perspektiven einer Klanggeschichte der Neuzeit, in: Geschichte und Gesellschaft 38 (2012), S. 108 – 121. Wegweisend für den Material Turn im Bereich der spätmittelalterlichen Geschichte: Simon-Muscheid, Katharina: Die Dinge im Schnittpunkt sozialer Beziehungsnetze: Reden und Objekte im Alltag (Oberrhein, 14.–16. Jahrhundert), Göttingen 2004 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 193). 52 Vgl. die konzise und kritische Herleitung des Aneignungsprozesses der Ritualforschung durch die historische Forschung: Carlson, Laura M.: Dangerous Acquisitions? An Examination of History’s Appropriation and Utilization of Ritual Theory. Journal of the Oxford Historical Society 6 (2009), S. 1 – 14. Vgl. dazu auch: Büttner, Andreas u. a. (Hg.): Die Grenzen des Rituals: Wirkreichweiten – Geltungsbereiche – Forschungsperspektiven, Köln u. a. 2014 (Norm und Struktur, 42). 53 Vgl. mit einer kritischen Haltung zum Begriff ‚Bildquelle‘: Bickendorf, Gabriele: Die Geschichte und ihre Bilder vom Mittelalter. Zur „longue durée“ visueller Überlieferung, in: Craque, Bernd u. a. (Hg.): Visualisierung und Imagination. Materielle Relikte des Mittelalters in bildlichen Darstellungen der Neuzeit und Moderne, Göttingen 2006, S. 105 – 152.
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herrschaftlich kodiert werden. Damit werden Orte durch aneignendes Handeln zu einer räumlichen Dimension von Macht 54. Dies wird für die Frage der politischen Relevanz von Dekor und seiner Interpretation oft unterschätzt, dabei führt die Aneignung von Orten etwa durch dynastisch geprägte Zeichen nach Michel de Certeau zu einer „Beherrschung der Orte durch Sehen“55. Die hier eingesetzten Medien sind aber interessanterweise genau diejenigen, die auch in der performativen Inszenierung von Herrschaft eine Rolle spielen, da sie ebenfalls einen transitorischen, ephemeren Charakter besitzen.
Forschungsstand Aufgrund dieser theoretischen Basis erfolgt eine Neuausrichtung des Blicks auf den Pontifikat des Gegenpapstes Felix’ V. und eine Verlagerung und Erweiterung der in der Forschungsdiskussion bislang behandelten Schwerpunkte, etwa ob Amadeus VIII. seine Wahl als Papst schon lange zuvor betrieb 56, oder ob es sich bei dem Papsttum Felix V. um eine neue Spielart der Kirchenverfassung im Sinne eines „konstitutionellen Papsttums“ gehandelt haben könnte 57. Das bisherige Urteil der historischen Forschung über Felix V. changiert zwischen „Heiligkeit und Heuchelei“58, d. h. zwischen einem „fromm-weltfremden Mann, der sich in die Rolle des Gegenpapstes hatte drängen lassen“59, und einem unbändig
54 Vgl. dazu: Löw, Martina: Raumsoziologie, Frankfurt a. M. 2001, S. 198 – 203. Zum höfischen Kontext vgl. Paravicini (Hg.): Zeremoniell. 55 de Certeau, Michel: Die Kunst des Handelns, Berlin 1988, S. 88. Vgl. zu de Certeaus Konzept von ‚Aneignung‘: Füssel, Marian: Zum Begriff der Aneignung in der Geschichtswissenschaft, in: Sozial.Geschichte 21 (2006), S. 7 – 28. 56 Zuletzt dazu mit ausführlichen Verweisen auf die ältere Forschung: Woelki, Thomas: Lodovico Pontano (ca. 1409 – 1439). Eine Juristenkarriere an Universität, Fürstenhof, Kurie und Konzil, Leiden/Boston 2011 (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance, 38), S. 429 – 430. 57 Vgl. Stieber: Amédée, in: Andenmatten/Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V, S. 339 – 362. Joachim Stieber erweiterte 2012 im Tagungsband von Heribert Müller diesen Ansatz, in dem er den Pontifikat Felix V. als eine personifizierte Umsetzung der Basler Reformdekrete charakterisierte, vgl.: Stieber, Joachim: Felix V. als Papst des Konzils von Basel und die langfristige Bedeutung des Kirchenfriedens von 1449, in: Müller (Hg.): Ende des konziliaren Zeitalters, S. 297 – 313, S. 297. 58 Helmrath, Johannes: Poggio Bracciolini als päpstlicher Propagandist. Die Invectiva in Felicem antipapam (1447) in: Forner, Fabio u. a. (Hg.): Margarita Amicorum. Studi di cultura europea per Agostino Sottili, Milano 2005, S. 541 – 584, S. 546. 59 Gülke, Peter: Guillaume Dufay. Musik des 15. Jahrhunderts, Stuttgart 2003, S. 347.
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achthungrigen, „auf Annexion und Expansion bedachte[n] Territorialfürst[en]“60. m Die savoyische Hofhistoriographie hat seit dem 16. Jahrhundert in apologetischer Weise die Stilisierung des Herzogs Amadeus als Friedensfürst – Amadeus pacificus – gepflegt 61. Neben Studien aus der Anfangszeit des 20. Jahrhunderts zur Wahl Felix’62 und seiner Finanzlage 63 ist vor allem die umfangreichere Biographie Marie Josés Reine d’Italie zu erwähnen, die allerdings in erster Linie einen erzählenden und anekdotischen Charakter besitzt und für eine systematische Fragestellung zum Gegenpapsttum Felix’ V. wenig Material bereithält 64. Eine Biographie von Francesco Cognasso über Amadeus VIII. von 1930 handelt den Pontifikat Felix V. auf wenigen Seiten ab. Im selben Jahr erschien eine Studie zu Felix V. von Josef Stutz, die sich vor allem auf die Arbeiten von Manger und Eckstein stützt 65. Der aktuelle Forschungsstand zu Amadeus VIII ./Felix V. ist weitgehend noch immer einem Sammelband von 1992 zu entnehmen, den Bernard Andenmatten und Agostino Paravicini Bagliani herausgegeben haben 66. Darin werden die verschiedenen Aspekte im Leben und Wirken von Amadeus VIII./Felix V. als Graf und ab 1416 als Herzog sowie als Ritter-Mönch und Papst betrachtet.
60 Müller, Heribert: Frankreich, die Franzosen und das Basler Konzil, 2 Bde., Paderborn 1990 (Konziliengeschichte, Reihe B. Untersuchungen), S. 532, vgl. auch S. 101, 146, 200, 529 – 532, 600. 61 Eine quellennahe Aufarbeitung der Beziehungen zwischen Felix V. und Eugen IV. unternahm erstmals: Monod, Pierre: Amedeus Pacificus, seu De Eugenii iv. et Amedei Sabaudiae Ducis in sua obedientia Felicis Papae V. nuncupati controversiis commentarius iussu Serenissimi Ducis ab eius Historiografico digestus, Torino 1624 (ND Paris 1626). Eine umfassende Geschichte des Savoyischen Herrscherhauses unternahm mit höfischem Auftrag: Guichenon, Samuel: Histoire généalogique de la royale maison de Savoie, 4 Bde., Torino 1778 – 1780. Diesen Arbeiten billigt die zeitgenössische Forschung weiterhin Berechtigung zu, so etwa: Tabacco, Giovanni: Amadeo VIII. di Savoia nella tradizione storiografica, in: Andenmatten/ Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V., S. 53 – 70, S. 55. Vgl. hierzu kritisch Woelki: Pontano, S. 430. 62 Manger, Hugo: Die Wahl Amadeo’s von Savoyen zum Papste durch das Basler Konzil (1439), Marburg 1901. 63 Eckstein, Alexander: Zur Finanzlage Felix’ V. und des Basler Konzils, Berlin 1912. 64 José, Marie: Maison de Savoie. Amédée VIII – le Duc qui devint Pape, I–III, Paris 1956 – 62, bes. Bd. III, S. 146 – 263. 65 Cognasso, Francesco: Amadeo VIII (1883 – 1451), 2 Bde., Torino 1930, Bd. II, S. 190 – 201. Stutz, Josef: Felix V., in: ZSKG 24 (1930), S. 1 – 22, 105 – 120, 189 – 204, 278 – 299. 66 Andenmatten/Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V. Eine knappe Skizze des Pontifikats unternahm jetzt: Stieber: Felix V., in: Müller (Hg.): Ende des konziliaren Zeitalters, S. 297 – 313.
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Eine verstärkte Aufmerksamkeit hat in rezenten Studien zum Basler Konzil 67 hingegen die zweite Hälfte des Basler Konzils zwischen 1440 und 1450 erhalten. Insbesondere wurden die Folgen des Konzilsschismas und die allmähliche Marginalisierung des Basiliense und damit des Konziliarismus für einzelne Protagonisten erörtert 68. Vor allem aber werden aktuell die Auswirkungen dieses Bedeutungsverlustes für die Struktur der Kirche wie für die europäischen Mächte insgesamt diskutiert 69.
Quellengrundlage In der hier unternommenen Analyse werden Darstellungsweise und Repräsentationsabsichten des Gegenpapstes Felix’ V. ermittelt. Dazu werden die historiographischen Quellen mit den materiellen Zeugnissen, auch der Sachkultur, die in Inventaren und Rechnungen verzeichnet sind, zueinander in Verbindung gesetzt. Auch Anordnungen der Stadt Basel wie des Konzils und der savoyischen Verwaltung zur Vorbereitung
67 Etwa Sudmann: Basler Konzil, Decaluwe: Successful Defeat. Vgl. auch die Beiträge in: Helmrath/Müller (Hg.): Konzilien. Mit dem Fokus auf eine zentrale Gestalt des Basler Konzils und die Aufgabenfelder eines Konzilsangehörigen grundlegend: Woelki: Pontano, S. 223 – 500. Vgl. auch die prägnante Synthese von Helmrath, Johannes: Die Zeit des großen Konzilien, in: Kaufmann, Thomas/Kottje, Raymund (Hg.): Ökumenische Kirchengeschichte. Vom Hochmittelalter bis zur frühen Neuzeit, Darmstadt 2008, S. 133 – 165, S. 149 – 160. Eine umfassende Aufstellung des geschichtswissenschaftlichen Ertrags der vergangenen 20 Jahre zum Basler Konzil bietet: Cadili, Alberto: Il Concilio di Basilea nella produzione storiografica degli ultimi vent’anni, in: Cristianesimo nella storia 30 (2009), S. 635 – 727. Mit einer weiten kirchen- und wissenschaftspolitischen Perspektive: Müller, Heribert: Konzilien des 15. Jahrhunderts und Zweites Vatikanisches Konzil. Historiker und Theologen als Wissenschaftler und Zeitgenossen, in: Hein, Dieter u. a. (Hg.): Historie und Leben. Der Historiker als Wissenschaftler und Zeitgenosse. Festschrift für Lothar Gall, München 2006, S. 115 – 135. 68 Hier sei vor allem Müller (Hg.): Ende des konziliaren Zeitalters genannt und die darin enthaltenen Beiträge von Märtl, Claudia: Dialogische Annäherung an eine Bewertung des Basler Konzils. Zu einem unbekannten Werk des Martin Le Franc, S. 29 – 58; Prügl, Thomas: Herbst des Konziliarismus? Die Spätschriften des Johannes von Segovia, S. 153 – 174; Wünsch, Thomas: Vom Konziliarismus zur Devotio Moderna: Die Transformation der Reformidee bei dem polnischen Theologen Jakob von Paradies in den Jahren 1440 – 1450, S. 175 – 196. 69 Dendorfer, Jürgen/Märtl, Claudia (Hg.): Nach dem Basler Konzil. Die Neuordnung der Kirche zwischen Konziliarismus und monarchischem Papat (ca. 1450 – 1475), Berlin 2008 (Pluralisierung und Autorität, 13); Christianson, Gerald u. a. (Hg.): The Church, the Councils, and Reform. The Legacy of he Fifteenth Century, Washington 2008; Müller: Basler Konzil.
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des Einzugs und der Krönung sowie zur Ausstattung der päpstlichen Residenz(en) werden hier berücksichtigt 70. Zusätzlich werden an einigen Stellen Bildquellen herangezogen, da in diesem Medium mitunter Verbindungen und Ansprüche sichtbar werden, die bislang von der historischen Forschung nicht berücksichtigt wurden; dies gilt vor allem für den „Wunderbare(n) Fischzug“ des Genfer Altars von Konrad Witz von 144471. Es erscheint bei diesem Ansatz unverzichtbar, auf die historiographische Tradition intensiv einzugehen, insbesondere auf zwei Autoren, die als Zeitgenossen am Konzil aktiv teilnahmen. Johannes von Segovia und Enea Silvio Piccolomini. Johannes von Segovia verfasste zwischen 1449 und 1453, damit nach Ende des Pontifikats Felix’ V., eine Konzils-Chronik, die Historia gestorum generalis synodi Basiliensis 72. Diese umfangreiche Schrift stellt eine Apologie dar, „offensichtlich mit dem Ziel, den Kampf des Konzils von Basel für die Lehre von der höchsten Autorität der allgemeinen Konzilien zu verteidigen und der Erinnerung späterer Geschlechter aufzubewahren“73. Der Informationsgehalt dieses Quellenwerks ist dabei vor allem deshalb von großer Bedeutung, weil Segovia Dokumente Dritter in sein Geschichtswerk integrierte, wie etwa Konzilsdekrete und päpstliche Briefe sowie Schreiben anderer Personen 74. Darüber hinaus lassen sich seine Darlegungen über den Verlauf des Basler Konzils anhand einer Reihe weiterer Quellen überprüfen; diese Analyse hat mittlerweile dazu geführt, Segovias Geschichte des Basler Konzils als verlässliche
70 Die savoyischen Quellen liegen in Auswahl ediert vor, in: Bruchet, Max: Le château de Ripaille, Paris 1907. Die Quellen der Stadt Basel liegen ebenfalls in Auswahl ediert vor, in: Urkundenbuch der Stadt Basel, Bd. 6, ed. Rudolf Wackernagel, bearb. v. August Huber, Basel 1902. Urkundenbuch der Stadt Basel, Bd. 7, ed. Johannes Haller, Basel 1899. Sowie in Auszügen in: Basler Chroniken, Bd. V, ed. August Bernoulli, Leipzig 1895. 71 Vgl. dieses Buch, Kap. 4.3, ab S. 333 und Abb. 2 – 4. 72 Monumenta Conciliorum Generalium seculi decimi quinti ed. Caesareae Academiae Scientiarum socii delegati, I – II, Wien 1857 – 73; Tomus … a sodalitate Basiliense quae vocatur Historische und Antiquarische Gesellschaft confectus III, Wien/Basel 1886 – 1932 (im Folgenden hier abgekürzt mit MC). 73 Fromherz, Uta: Johannes von Segovia als Geschichtsschreiber des Konzils von Basel, Basel 1960, S. 40. Zur Entstehung der Historia gestorum vgl. ebd. S. 67 – 71. Zu Segovias Leben und Karriere vgl. Rolf De Kegel, in: Einleitung, in: Johannes von Segovia Liber de magna autoritate episcoporum in concilio generali, ed. Rolf De Kegel, Freiburg i. Ue. 1995, S. 37 – 50. 74 Eine umfangreiche Quellensammlung zum Basler Konzil liegt vor: Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concilii von Basel, ed. mit Unterstützung der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft von Basel, Bd. I – VIII, Basel 1989 – 1936 (im Folgenden abgekürzt: CB). Zudem die entsprechenden Bände, in: Sacrorum Conciliorum nova et amplissima collectio ed. Joannes Dominicus Mansi, Bd. I–XXXXI, Florenz, Venedig 1759 – 1798 (ND Graz 1960 – 61) (im Folgenden abgekürzt: Mansi).
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Quelle einzuschätzen 75. So ist sie auch mit erheblich weniger Vorbehalten nutzbar als die vielgestaltigen Äußerungen von Enea Silvio Piccolomini, dem späteren Papst Pius II. (1458 – 1464). Wie kein anderer hat Piccolomini das Bild von Felix V. geprägt. Mitunter bestimmen seine Urteile bis heute die Forschungsdiskussion, so etwa in der Einschätzung des ‚Rückzugs nach Ripaille‘, den der Herzog Amadeus VIII. als Eremit zwischen 1434 und 1439 unternommen haben soll. Dieses von Piccolomini erfolgreich etablierte Narrativ soll im ersten Teil untersucht und der Rückzug in einigen Punkten relativiert werden. Die Schriften des Enea Silvio Piccolomini über die Ereignisse zwischen 1439 und 1442 gehören zu den detailreichsten Zeugnissen überhaupt. Er hatte als Zeremoniar im Wahlverfahren genauen Einblick in das Geschehen rund um die Kreierung des Basler Papstes und war später als päpstlicher Sekretär ein intimer Kenner des päpstlichen Hofs und seiner Verwaltung. Gleichwohl muss bei seinen Zeugnissen beachtet werden, dass er sie aus wechselnden Intentionen heraus verfasste und er sich zwischen starker Verehrung und vehementer Ablehnung von Felix V. bewegte. Die in seiner Biographie begründeten Wechsel seiner Haltung gegenüber dem Konzil und dem Papsttum finden in der Bewertung und Darstellung der Person Felix’ V. ihren Niederschlag 76. Die Dekrete des Basler Konzils sind bislang nur für den Zeitraum von 1431 bis 1437 – während dieser Periode wird es von der katholischen Kirche als reguläres Konzil gewertet – in die Sammlung Conciliorum Oecumenicorum Decreta aufgenommen. Zurzeit wird von Joachim Stieber eine Neuedition der Konzilsdekrete vorbereitet, die über die Anerkennungsfrage hinweggeht und die Dekrete bis 1449 ebenfalls berücksichtigen wird. Da diese noch nicht greifbar ist, wurden die Dekrete des Basler Konzils nach 1440 in der archivalischen Überlieferung in Turin herangezogen 77, wie auch einige relevante Entscheidungen, die in dem Bullarium 78 Felix’ V. festgehalten sind.
Gliederung Der erste Teil dieser Arbeit behandelt den Aufenthalt Herzog Amadeus’ VIII . in Ripaille von 1434 – 1439 sowie das Verfahren seiner Wahl am 5. November 1439 in Basel und die Wahlannahme wenige Wochen später in Ripaille. Zunächst wird es 75 Decaluwe: Successful Defeat, S. 22 – 23. 76 Vgl. dieses Buch, S. 89. 77 AST, mat. eccl. per categorie, 45, Mazzo 3. Die Neuedition konnte für den Druck nicht mehr berücksichtigt werden: Conciliorum oecumenicorum generaliumque decreta, ed. Istituto per le Scienze Religiose, Bologna. General ed. Giuseppe ALBERIGO, Brepols 2014. 78 AST, Bollario Felice V., I–VIII.
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darum gehen, Ripaille als savoyischen Zentralort zu charakterisieren, der keinesfalls im Sinne eines locus amoenus Amadeus VIII. als meditativer Rückzugsort diente. Vielmehr wurde hier die Auffassung Amadeus’ vom „Gottesdienst als Regierung“ (servire Deo regnare est) gleichsam in Szene gesetzt. Diese Art der Herrschaftskonzeption hatte Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Papstamtes und soll deshalb in einem Rückblick eingehender dargelegt werden. Daran schließt eine Darlegung über die Voraussetzungen für die Papstwahl von Amadeus VIII, dem späteren Felix V., an. Der Wahl eines Papstes durch das Basler Konzil ging nämlich der Häresieprozess gegen Papst Eugen IV. voran, sowie eine umfassende Diskussion der Basler Konzilsväter über das anzuwendende Wahlverfahren. Dieses musste der Situation in Basel angepasst werden, da überhaupt nur noch ein einziger Kardinal, Louis Aleman, 1439 auf dem Konzil noch anwesend war. Hierzu werden vor allem die historiographischen Berichte von Johannes von Segovia und Enea Silvio Piccolomini herangezogen. Sodann werden Wahl, Wahlannahme sowie die Herrschaftsübergabe an den Sohn des Herzogs untersucht. Damit wird der Weg Amadeus’ VIII. von Ripaille nach Basel nachvollzogen, wo er schließlich im Sommer 1440 als Papst Felix V. eintraf. Der zweite Teil beschäftigt sich mit Felix’ V. als Papst während der Zeit seiner Residenz in Basel. In diesem Zeitraum von etwa zweieinhalb Jahren ( Juni 1440 bis November 1442) fanden die zentralen zeremoniellen Akte wie der feierliche Einzug in Basel im Juni 1440 und seine Krönung einen Monat später statt. Bei ihrer Analyse wird der Frage nachgegangen, ob und wie versucht wurde, das römische Modell in Basel zu verwirklichen. Dieser in der Forschung pauschal angenommene Befund einer Imitatio Romae in Basel erfordert dabei einige Präzisionen. Die Frage nach der Modellhaftigkeit Roms – die hier als Chiffre für die Römische Kurie verwendet wird sowie für das dort entwickelte päpstliche Zeremoniell – leitet auch die Untersuchung. Dabei geht es darum, wie etwa Felix seine Kurie am Rhein (und später am Genfer See) etablierte, Kardinalskreierungen vornahm und sich auf verschiedenen diplomatischen Feldern um Anerkennung bemühte. Während dieser Zeit in Basel zeichnete sich bereits ein Bruch zwischen Papst und Konzil ab, der im November 1442 offen zu Tage trat, als Felix V. seine Kurie nach Savoyen verlegte, um von dort aus den Amtsgeschäften nachzukommen. Der dritte Teil dieser Arbeit widmet sich dem Zeitraum zwischen 1442 – 1451, in dem sich Felix V. vorrangig in Savoyen aufhielt. Sein vormaliges Herzogtum wurde dabei konsequent als Analogie zum Patrimonium Petri aufgefasst. Der Aktionsradius Felix’ V. beschränkte sich mehr und mehr auf Savoyen, das nun sein Sohn Ludwig regierte. Zwischen beiden herrschte ein so reger Austausch, dass der Eindruck entsteht, der Papst des Konzils blieb stets auch Herzog von Savoyen. Mit wachsendem Zugriff auf das Benefizialwesen seines Territoriums gelang es Felix, eine Art „savoyische Landeskirche“ unter Leitung des Fürstenhauses zu kreieren. Dies wird insbesondere während der Verhandlungen um einen Rücktritt Felix’ V. deutlich, die im August
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1447 einsetzten, als sich in Lyon erstmals gemeinsam Delegationen des Konzils, des Papstes Felix V., des Herzogtums Savoyen, Frankreichs, des Papstes Nikolaus V. und des Reichs trafen. Dieses Treffen aller beteiligten Gruppen wurde im Oktober 1447 in Genf fortgesetzt, im Juli 1448 wurden die Verhandlungen in Rom weitergeführt. Bereits in diesen Ortswahlen deutet sich an, welche politischen Mächte die Beendigung des Basler Schismas bestimmten: Nikolaus V. in Rom, Felix V. in Genf und als Vermittler der französische König Karl VII . in Lyon. Der letzte Tagungsort des Konzils, Lausanne, spielte hingegen keine Rolle. Nach seiner Abdankung in Form einer renuntiatio blieb der vormalige savoyische Herzog und Papst Bischof von Genf und wurde im Rang eines Kardinals zum päpstlichen Legaten und Vikar für seinen vormaligen Obödienzbereich erhoben; damit übte Kardinal Amadeus, wie Felix V. nach seinem Amtsverzicht hieß, die vollständige Kontrolle in kirchlichen Angelegenheiten im Herzogtum Savoyen aus. Dieser starke Einfluss der savoyischen Herzöge, insbesondere auf die Stadt Genf, konnte nach seinem Tod durch Konkordate perpetuiert werden. Die Lösung der Kirchenfrage indes, d. h. die Beendigung des Verfassungsstreits zwischen dem Basler Konzil und dem Papst, erreichte dabei der französische König Karl VII. durch Verhandlungen zwischen den Kurien in Rom und Lausanne. Damit konnte sich der französischen König als Defensor ecclesiae profilieren, was auf dem Konstanzer Konzil noch dem Reichsoberhaupt, König Sigismund, gelungen war 79.
79 Vgl. hierzu Müller: Basler Konzil, S. 613 und mit weiteren Nachweisen S. 623.
2. Von Ripaille nach Basel (1434 –1440) Der erste Teil dieses Buches behandelt den Zeitraum vor dem Pontifikat Felix’ V. und damit zugleich den Weg, der den künftigen Gegenpapst von Ripaille am Genfer See, wo er ab 1434 als Herzog Amadeus VIII. residierte, nach Basel führte, wo er im Sommer 1440 als Papst Felix V. einzog. Ausgehend von einer eingehenden Charakterisierung des Ortes Ripaille, der in der Forschung immer wieder zu Spekulationen einlud, wird die Herrschaftsauffassung des Herzogs Amadeus VIII. dargelegt, da diese sich darauf auswirkte, wie der vormalige savoyische Herzog später sein Papstamt ausfüllte. Die Wahl eines Papstes durch das Basler Konzil wurde erforderlich, da sich Konzil und Papst Eugen IV. über grundsätzliche Fragen der Kirchenverfassung nicht einigen konnten. Der Streit eskalierte schließlich in der Absetzung des römischen Papstes durch das Basler Konzil am 24. Juni 1439. Das für eine Papsterhebung notwendige Wahlverfahren musste in Basel daran angepasst werden, dass nur noch ein einziger Kardinal zur Konzilsversammlung gehörte: das Wahlgremium ergänzten schließlich Konzilsteilnehmer. Der Weg ins Schisma sowie die intensive Debatte über das Wahlverfahren werden hier vor allem mit Blick auf implizite legitimationsstrategische Aussagen über den künftigen Gegenpapst hin untersucht, bevor die Wahl von Amadeus VIII. zum Papst Felix V. selbst in den Mittelpunkt rückt. Diese Wahl stellt aufgrund des detaillierten Berichts von Enea Silvio Piccolomini die am besten überlieferte Papstwahl überhaupt dar; zugleich erfordert dieser Bericht aufgrund der wechselnden Positionen seines Autors in Fragen der kirchenpolitischen Ausrichtung eine besonders hohe quellenkritische Umsicht. Da die Wahl überdies zu den entscheidenden konstituierenden Akten einer Papstkreation gehört, soll auf sie besonders aufmerksam eingegangen werden. Sodann schließt sich eine Untersuchung der Wahlannahme und die Übergabe der savoyischen Herzogswürde an den Sohn des Papstes an, die zwischen dem 17. Dezember 1439 und dem 6. Januar 1440 in Ripaille und Thonon am Genfer See erfolgte. Zuletzt wird der Frage nachgegangen, ob die Wahl zum Papst von Amadeus VIII. langfristig verfolgt wurde.
2.1 Ripaille als dynastischer Memoria-Ort und heimliche Residenz Über die fünfjährige Zeitspanne vor der Wahl des savoyischen Herzogs Amadeus VIII. zum Gegenpapst Felix V. durch das Basler Konzil am 5. November 1439 wurde in der historischen Forschung immer wieder spekuliert. Es ging dabei im Kern um die
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Frage, ob der savoyische Herzog einen langfristigen Plan für seine Wahl zum Papst durch das Basler Konzil hegte. Als Anlass für diese Überlegungen wird vor allem auf Ripaille verwiesen, ein Ort an der Südseite des Genfer Sees unweit der savoyischherzoglichen Residenz Thonen. Herzog Amadeus soll sich dorthin gemeinsam mit dem von ihm gegründeten Ritterorden von St. Mauritius zurückgezogen und eine asketische Lebensweise gepflegt haben. Zuvor habe er 1434 die herzoglichen Amtsgeschäfte vollständig an seinen Sohn Ludwig übertragen. Ripaille wird dabei als bescheidene Klause aufgefasst und Amadeus als frommer Eremit, der sich auf diese Weise für das Papstamt qualifizierte. Die ab 1434 plötzlich eintretende und dauerhafte Sesshaftigkeit des Herzogs in Ripaille erscheint in der Tat beachtenswert. Auch die Ordensgründung der „Ritter von St. Mauritius“, dem Familienpatron, und das eigenwillige Erscheinungsbild dieser insgesamt sechs „Elder Statesmen“ von Savoyen haben zu unterschiedlichen Erklärungsversuchen geführt. Nach der Beschreibung von Enea Silvio Piccolomini trugen die sieben Ritter von St. Mauritius ein graues Gewand mit Mantel, Kapuze und Gürtel; lediglich ein goldenes Kreuz „wies auf ihren Adelsstand hin“80. Bei dem Orden von St. Mauritius wurde bislang übersehen, dass es sich um einen Zusammenschluss von Rittern handelte und keinesfalls um eine ausschließlich religiös motivierte Gemeinschaft von Eremiten 81. Noch in den 1960er Jahren haben sich Historiker nicht gescheut, Mutmaßungen über das Gefühlsleben von Amadeus VIII. zu äußern, für
80 Pius II. Commentarii, ed. Luigi Totaro, Milano 1984, Buch VII, Kap. 8, S. 1402: Crucem auream eremitae in pectore gestaverunt: id tantum nobilitatis signum retinuere. 81 Die mit dem Herzog Amadeus sieben Mitglieder umfassende Gemeinschaft in Ripaille mag als Verweis auf die sieben Diakonoi der Urgemeinde verstanden werden. Vgl. zur Wahrnehmung des Herzogs Amadeus VIII. als Eremit und Friedensfürst: Müller: Franzosen, S. 163, Anm. 82, Stieber: Amédée, S. 353. Johannes Helmrath befindet, „das ritterliche Semireligiosentum, das Amadeus in Ripaille nach seinem Rücktritt als Herzog seit 1434 zelebrierte“, rücke ihn „ins Zwielicht zwischen Heiligkeit und Heuchlei“, vgl. Helmrath: Poggio Bracciolini, S. 546. Gerade dieser Eremitismus wurde von Seiten Eugens IV. rasch als Kalkül Felix’ V. interpretiert, um an die – wenn auch schismatische – Tiara zu gelangen. Es sei an dieser Stelle auf andere „fürstliche Eremiten“ hingewiesen, die sich in der Tradition der Wüstenheiligen von der aktiven Politik an einen weitgehend spirituellen Ort zurückgezogen haben. Der bekannteste ist vielleicht Karl V., der ab 1557 fernab des Hofes in Yuste lebte. Den fürstlichen Eremiten ging es dabei nicht um einen vollständigen Rückzug von der Welt; Catherine Santschi konstatiert „la plupart continuent de s’intéresser aux affaires publiques, de se sentir responsables de leurs Etats, particulièrement en matière religieuse et confessionnelle. (…) La retraite au désert leur permet de puiser dans la prière les forces morales et intellectuelles pour accomplir leur tâche, pas forcément au faîte du pouvoir, mais à un haut degré d’autorité.“ Santschi, Catherine: L’érémitisme princier, in: Andenmatten/ Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V, S. 71 – 87, S. 86.
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deren Stichhaltigkeit es keinerlei Anhaltspunkte gibt: So soll Amadeus VIII. nach Ferdinand Elsener „seit seiner Jugend eine Neigung zum Studium, zur Meditation und zur Zurückgezogenheit (Einsamkeit)“ besessen haben: „Diese Neigungen verstärkten sich wieder nach dem Tode seiner Lebensgefährtin Maria von Burgund (†1422).“ Auch sollen die „Klausner im übrigen nur zum gemeinsamen Gebet und zu Spaziergängen im benachbarten Wald“ zusammengekommen sein 82. Noch auffälliger stehen sich die einander völlig widersprechenden Interpreta tionen dieser „fünf Jahre Einsamkeit“ selbst gegenüber: Je nach Motivlage wird entweder die Frömmigkeit des sogenannten Fürsten-Eremiten betont, der dann wie aus dem Nichts auf den Basler Papstthron gesetzt worden sein soll. Oder aber es wird Amadeus VIII. das Kalkül unterstellt, sich mit langfristigem Vorsatz als frommer Eremit zu gerieren, um vor den Konzilsvätern papabel zu erscheinen 83. Unstrittig bleibt jedoch bei beiden Positionen die Vorstellung, dass sich Amadeus VIII. innerhalb kürzester Zeit von einem machtbewussten Herzog in einen weltabgewandten Eremiten verwandelt habe 84. Doch trifft der bei Enea Silvio Piccolomini etwa mit in eremum concessit beschriebene Rückzug von der Welt in solitudine Ripallie – wie Johannes von Segovia wiederholt angibt 85 –, also in die Einsamkeit von Ripaille, wirklich zu? Im Folgenden wird dargelegt, dass es sich bei Ripaille keineswegs um eine welt abgewandte Klause handelte, wo Amadeus mit einigen verdienten Weggefährten 82 Elsener, Ferdinand: Der „Arme Mann“ (pauper) im Prozeßrecht der Grafen und Herzöge von Savoyen, in: Ebel, Friedrich/Willoweit, Dietmar (Hg.): Studien zur Rezeption des gelehrten Rechts. Ausgewählte Aufsätze, Sigmaringen 1989, S. 220 – 239, S. 231, Anm. 53, mit Verweis auf die Enciclopedia Italiana II, S. 829. 83 Diese von Poggio Bracciolini begründete Lesart, vgl. Helmrath: Poggio Bracciolini, hat Pius II. in seinen Commentarii aufgegriffen und ausgeschmückt. Demnach hätten die in Savoyen zahlreich vertretenen Hexen Herzog Amadeus VIII. vorausgesagt, dass er nach Absetzung von Papst Eugen IV. durch das Basler Konzil zum Papst erhoben würde, woraufhin er sich vom weltlichen Pomp in die Einsamkeit zurückgezogen hätte. Vgl.: Pius II. Commentarii, ed. Totaro VII 8, S. 1398: Striges, ut aiunt, quae multae in Sabaudia sunt praestigiis et arte daemonum futura praedicentes, Amedeum adiere: eique summum pontificatum obventurum praedixerunt, quod in Concilio deponendus Eugenius esset et ipse substituendus. Amedeus, sive hac spe ductus, sive alioquin suopte ingenio, relicto ducali fastigio et omni saeculi pompa procul eiecta, gubernatione subditorum primogenito commissa, ad eremum concessit. 84 Vgl. die grundsätzlich ausgewogene Position von Santschi: l’eremetisme princière, die aber auch davon ausgeht, Amadeus VIII. habe als Eremit in Ripaille gelebt. 85 Vgl. MC III, S. 442, 445, 450, 454: in solitudine Ripallie. Vgl. auch den Procès verbal der Wahlannahme von Kardinal Aleman, in: Guichenon: Histoire, S. 316: Quae quidem electio tandem cum solemnitate congrua in eadem Synodo rite et canonice celebrata extitit de persona Sanctissime Felicis quinti tunc Amedei Ducis Sabaudiae ac Decani Militum in solitudine Ripaliae Gebennensis Diocesis in humilitatis Spiritu Domino famulantium, prout Decreto XXXIX Sessionis dictae Synodi super hoc confecto plenius continetur.
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die Einsamkeit suchte. Es soll hier gezeigt werden, dass es sich bei der Eremitage von Ripaille um ein umfassendes Projekt der fürstlichen Repräsentation von Amadeus VIII. handelte, in der dynastische Frömmigkeitspraxis und Adelsethos, fürst liches Selbstverständnis und heilsgeschichtlicher Anspruch zusammengefügt wurden und einander überlagerten.
Ripaille Zunächst sollte die Lage der angeblichen „Klause“ bzw. des Jagdschlosses Ripaille beachtet werden: Topographisch liegt dieser Ort keineswegs abgelegen oder schwer erreichbar, sondern lediglich etwa 1,5 Kilometer von Thonon und damit fußläufig von einer der Hauptresidenzen der Savoyer entfernt 86. Zudem liegt Ripaille ausgesprochen exponiert etwa 18 Meter über dem See an der Bucht von Thonon und ist damit auch vom Wasser aus sichtbar und gut zu erreichen. Johannes von Segovia, Theologe, Konzilsvater und Chronist des Basler Konzils, beschreibt anlässlich der Wahlannahme Felix’ V. in Ripaille, dass am 17. Dezember 1439 die Glocken in Thonon geschlagen und Lichter in die Fenster gestellt wurden 87. Ripaille befand sich also eindeutig in Sicht- und Hörweite von Thonon. Handelte es sich bei der „Klause“ von Ripaille nicht eher um eine spirituell überformte Residenz? Neben Thonon liegen am Genfer See noch weitere gern genutzte Residenzen der Savoyer: z. B. Chillon, Morges und Evian. Zudem befindet sich auch das mit der Casa Savoia eng verbundene Kloster St. Mauritius in Agaune im Rhonetal unweit des Zuflusses zum See. Auch der von Amadeus 1422/24 gestiftete Konvent der Colettinerinnen am Genfer See in Vevey befand sich in der Nähe von Ripaille 88. 86 Bereits bei der Beschreibung von Pius II. in den Commentarii wird die Entfernung zwischen Thonon und Ripaille weitgehend korrekt mit mille passibus angegeben. Vgl. Pius II. Commentarii, ed. Tortaro VII, 8, S. 1402: Loco Ripalia nomen fuit, mille passibus fere ab oppido Tononio distanti. 87 MC III, S. 453: Redeuntes autem Thononium oratores repererunt carrerias ignibus et intorciis ad portas fenestrasque resplendentes, magna cum leticia cunctorium, resonante campanarum continua pulsacione. 88 Wildermann, Ansgar: Colettinerinnenkloster Vevey, Vaud, in: HS V,1, S. 601 – 605. Vgl. auch: de Baume, Perrine: Vie de Ste Colette, in: d’Alecon, Ubald (Hg.): Les vies de Ste Colette Boylet de Corbie réformatrice des frères mineurs et des clarisses (1381 – 1447) écrites par ses contemporains P. Pierre de Reims dit de Vaux et Saeur Perrine de la Roche et de Baume, Paris-Couvin 1911, S. 202 – 291, S. 244, 268. Lopez, Élisabeth: Culture et sainteté. Colette de Corbie (1381 – 1447), Saint-Etienne 1994, S. 261 – 262. Élisabeth Lopez, in: Andenmatten/Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V., S. 317 – 326; auf S. 326 wird erwähnt, dass Colette gemäß ihrer hagiographischen Überlieferung 1436
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Die stetig wiederholte Formulierung in solitudine trifft also für eine topographisch-historische Beschreibung des Ortes nicht zu. Des Weiteren ist Ripaille keineswegs ein „neuer“ Ort, sondern wurde zu diesem Zeitpunkt mindestens schon seit 100 Jahren vom savoyischen Herrscherhaus genutzt und war damit dynastisch konnotiert: Amadeus’ Mutter, Blanche, die Tocher des Herzogs von Berry, ließ das dort bereits seit Anfang des 14. Jahrhunderts bestehende Jagdrefugium ausbauen und hielt sich hier bevorzugt in ihrer Menagerie auf 89. Sein Vater erlag an diesem Ort einem angeblichen Giftmordanschlag 90. Amadeus VIII . schließlich richtete hier 1410 für zwölf Regularkanoniker ein Priorat ein und stiftete umfangreiche Bauten 91. Bereits 1422 erteilte Herzog Amadeus den Auftrag zur Erbauung der ursprünglich von sieben Türmen beherrschten Anlage (auf einer Länge von 104 Metern), die mit ihrer gestaffelten Hofanlange, mehreren Gräben und Ziehbrücken zum einen wehrhaften Charakter besaß und zum anderen auch Elemente fürstlicher Schlossarchitektur aufwies; Bauformen eines Klosters hingegen zeigen sich indes nicht 92. Die Ausstattung entsprach der üblichen, adeligen Repräsentation der Zeit: Das Interieur mutete durchaus standesgemäß an, so gab es in der vermeintlichen Klause einen Audienzsaal mit Kamin, der aufwendig dekoriert war. Auch wurden für Ripaille eine Fülle von Tapisserien sowie wappen- und devisenführende Seiden- und Samt textilien angeschafft und eingesetzt. Diesen Ort hätte, so die sicherlich hyperbolische
Amadeus VIII. in Ripaille aufgesucht und vor der Annahme der Papstwürde gewarnt haben soll. Vgl. mit Literaturüberblick: Huthwelker, Thorsten: Elizabeth de Bavière († 1478) – eine Tochter Pfalzgrafs Ludwigs III. als Vertraute der heiligen Colette und die geplante Gründung eines Klarissenkonvents in Heidelberg, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 157 (2009), S. 63 – 77. 89 Zu den Jagdrevieren als landesherrliche Domäne vgl.: Franke, Birgit: Jagd und landesherrliche Domäne. Bilder höfischer Repräsentation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Martini, Wolfram (Hg.): Die Jagd der Eliten in den Erinnerungskulturen von der Antike bis in die Frühe Neuzeit, Göttingen 2000, S. 190 – 218, bes. S. 202 – 211. 90 Dazu umfänglich: Moyard, Salima: Crime de poison et procès politique à la cour de Savoie, L’affaire Pierre Gerbais (1379 – 1382), Lausanne 2008, bes. S. 299 – 324. Vgl. für die ältere Forschung: Avezou, Robert: La mort du Comte Rouge, in: La Revue de Savoie 1941, 1, S. 19 – 24. 91 Vgl. Bruchet: Ripaille, S. 71 – 80, und Preuve 54, S. 438 – 455: Compte de Peronet du Pont, vice–châtelain de Thonon, relatif aux travaux exécutés dans la prieuré de Ripaille. Zu Ripaille vgl. auch: Sache, Bernard: Le siècle de Ripaille, 1350 – 1450, La Fontaine de Siloé 2007. 92 Vgl. Mojon, Luc: Der Münsterbaumeister Mathäus Ensinger, Berlin 1967 (Berner Schriften zur Kunst, 10), S. 64 – 69.
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(aber auch nicht unrealistische) Einschätzung von Enea Silvio Piccolomini, kein König oder Papst als unwürdig erachtet 93. Bei der Andachtsfunktion Ripailles mag es sich damit um eine Aufgabe unter den vielen gehandelt haben, die einer Residenz zukamen. Das zeigen auch die erhaltenen Rechnungen der Hofhaltung in Ripaille, die entschieden auf höfisches Niveau hinweisen und weniger auf eremitische Askese 94. Auch den in Ripaille verfügbaren Manuskripten war nicht allein fromme Erbauungsliteratur zu entnehmen, sondern ein breites Spektrum unterschiedlicher Textsorten in französischer, italienischer und lateinischer Sprache: Hier sind in höfischer Manier Heldenepen und Geschichtswerke zu finden, neben juristischen Traktaten und Gesetzestexten auch philosophische Schriften sowie – erwartbare – liturgische Texte und Heiligenviten. Einige Handschriften, die Amadeus VIII. zuzuordnen sind, zeichnen sich durch aufwendige Miniaturen aus 95.
93 Pius II., Commentarii VII, 8, ed. Tortaro, S. 1400: […] septimam principi dicatam, nemo rege aut summo pontifice iudicasset indignam. hic Amedeus habitavit. Vollständige Beschreibung Piccolominis von Ripaille ebd.: in eo septem mansiones fuere, sex aequales dignae, quae cardinales reciperent, nulli sua defuit aula, nulli camera et anticamera et secreta quaedam cubicula, seu pretiosarum rerum receptacula. 94 Bruchet: Ripaille, Preuves 66: Compte de Michel de Fer, receveur de l’ordre de Saint– Maurice, pour la première année du sejour des chevaliers à Ripaille (1434), S. 491 – 498, für das Jahr 1435 – 1436: Preuve 67, S. 499 – 501. Das Rechnungsbuch gibt auch Auskunft über Einsatz von Wappen, Mimen und Trompetern anlässlich der Ritterkreierung am 7. November 1434, vgl. S. 93 und S. 251. Über die Verköstigung in Ripaille vgl. S. 156. 95 Vgl. Bruchet: Ripaille, Preuve Nr. 26, S. 374 – 375: Eine Abrechnung über zwischen 1431 und 1434 instandgesetzte Manuskripte verzeichnet folgende Texte: de Regimine principum; liber Croniquarum Francie; Vitia et Virtutes; Digesti veteris in gallice; Vite Sanctorum; liber Sancti Graal et de Merlin; Etique et Politique; Legende sanctorum in latino; liber Ystoriarum antiquarum Romanorum de Cartage et aliorum plurimum; Geneologie; secunda et tercia pars Quastionum super tertio, quarto et quinto Decretum; una Biblia in gallico; Decretalibus in gallico; Thesaurus; Tractatus virtutum; Legenda sacntorum; Biblia; liber novem antiquorum philosophorum; liber de Dant; Decretalibus; Missali, liber Bellorum Francie et Anglie terre; liber statutorum Lombardie; liber Trojani in gallico; liber Dictorum philosophorum; Liber de Mandevie; libri Romani Rose et Centum Novelarum in lombardo; libri epistolarum de Senecha et Apocalicis (sic!); libri de Mandevie et Trojani in lombardo. Vgl. zu den Manuskripten am savoyischen Hof: Binz, Louis: Vie religieuse et réforme ecclésiastique dans le diocèse de Genève pendant le Grand Schisme et la crise conciliare (1378 – 1450), Bd. I (Mémoires et documents publiés par la Société d’histoire et d’archéologie de Genève 46), Genf 1973, S. 106f.; Helmrath: Basler Konzil, S. 235; Edmunds, Sheila: The medieval library of Savoy, in: Scriptorium 24 (1970), S. 318 – 327, 25 (1971), S. 253 – 284, 26 (1972), S. 269 – 293. Zuletzt: Saroni, Giovanna: La Biblioteca di Amedeo VIII di Savoia (1391 – 1451), Torino 2005.
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Die Bewohner dieser vermeintlichen fürstlichen Klause, die sieben Ritter von St. Mauritius, können als innerer Staatsrat bezeichnet werden, den der Herzog durch die gemeinsame Lebensform noch enger und näher an sich zu ziehen vermochte, als dies in einer reisenden Hofgesellschaft möglich war. Amadeus gibt bezeichnenderweise in seinem Testament an, dass die Ratgeberfunktion, vor allem in militärischen Fragen zum Wohl des Vaterlandes, Zweck der Gründung gewesen sei 96. Der savoyische Hof pflegte insgesamt eine über das an europäischen Höfen des Spätmittelalters übliche hohe Maß noch hinausgehende Vorliebe für Ritterorden 97: So führte man einerseits die bereits etablierten Orden weiter und stabilisierte damit nicht nur die Hofordnung, sondern verfügte auch über ein differenziertes Auszeichnungsarsenal. Darüber hinaus aber entstanden auch Neugründungen. In diesem Kontext ist der Zusammenschluss der sieben Ritter von St. Mauritius zu verstehen.
Das Bauprojekt Notre Dame de Ripaille Neben einer kontinuierlichen Fortsetzung des Palastausbaus beauftragte Amadeus VIII. 1435 einen der profiliertesten Baumeister seiner Zeit für ein ambitioniertes Kirchenbauprojekt in Ripaille: Die Kirche Notre Dame de Ripaille sollte von Mathäus Ensinger gebaut werden, zu dessen bekanntesten Bauten das Esslinger, Berner, Freiburger i. Ue.
96 Das Testament des 6. Dezember 1439 Herzogs Amadeus VIII . liegt ediert vor, in: Andenmatten/Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V., S. 470 – 505, S. 478: […] eligantur et assumantur ad gremium dicti conventus viri egregii in ordine militari constituti, etate proventi, in artibus militaribus honorabilibus et longuinquis usagiis et peregrinacionibus principum consiliis et legacionibus aliisque virtuosis et arduis negociis domini et commendabiliter excitati, prudencia ac probitate comprobati et ab omni opproboso crimine immaculati, mondane que milicie ac pompose pro felici vite sue conclusione et salute sponte renunciare et deinceps continenter et virtualiter vivere dispositi, qui tanquam proceres consiliarii prefatorum domini nostri ducis testatoris ac eius successorum ducem Sabaudie eorumque patris in hiis presertim que militaria et alia ardua politica concernent negocia in casibus occurentibus et de quibus eis dare consilium licebit fideliter ipsis dominis et patrie consulere valeant ac etiam tenenatur prout idem dominus testator singulariter confidit et hac de causa post honorem Dei ad huiusmodi fundacionem pro rei publice tocius patrie sue utilitate asserit de specialiter esse motum. Vgl. die Zusammenschau fürstlicher Testamente, in: Kasten, Brigitte (Hg.): Herrscherund Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter, Köln u. a. 2008. 97 Mit weiterer Literatur zu savoyischen Ritterorden: Ripart, Laurent: Du cygne noir au Collier de Savoie: genèse d’un ordre monarchique de chevalerie (milieu XIVe–début XVe siècle), in: Bianchi, Paola/Gentile, Luisa Clotilde (Hg.): L’affermarsi della Corte Sabaudia. Dinastie, poteri, élites in Piemonte e Savoia fra tardo medioevo e prima età moderna, Torino 2006, S. 93 – 114.
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und schließlich das Ulmer Münster zählen. Ensinger war zum damaligen Zeitpunkt Münsterbaumeister in Bern und arbeitete auch am Basler Heilsspiegelaltar von Konrad Witz mit, der während des Konzils für St. Leonhard in Basel angefertigt wurde 98. Der Bau in Ripaille selbst ist indes nicht über die Grundmauern hinausgekommen. Auf der Basis von Ausgrabungen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurden, fertigte Luc Mojon eine Rekonstruktion des Grundrisses an: Er bemerkt dazu, dass sich – wäre die Kirche Notre Dame de Ripaille vollendet gewesen – „der eindrückliche Bau beispielsweise mit der Kathedrale Saint-Nicolas zu Freiburg im Uechtland oder der Frauenkirche zu Esslingen hätte messen lassen“99 können. Die dreischiffige basilikale Anlange mit einer Gesamtlänge von 59 Metern und einer Schiffbreite von 21 Metern entspricht dem Typus des Berner Münsters und weicht nur wegen seiner Aufgabe als Ordenskirche davon ab. Neben dem ordenstypischen Querhaus war ein Südportal mit ähnlichem Ausmaß zu der Schlossseite hin vorgesehen, das den repräsentativen Wünschen des frisch gegründeten Ritterordens von St. Mauritius entgegengekommen wäre. Die Westfassade war nach Nord-West und somit zur Thononer Residenz wie auch zum See ausgerichtet. Mojon neigt dazu, eine Schreinfassade anzunehmen, was der geplanten Grablegefunktion am ehesten entsprochen hätte. Denn Amadeus bestimmte in seinem herzoglichen Testament vom 6. Dezember 1439, also elf Tage vor Annahme der Papstwahl, den Hochaltar der noch zu vollendenden Kirche als Ruhestätte für sein Herz 100. Neben der etablierten dynastischen Grablege in der ausgesprochen schwierig zu erreichenden Zisterzienserabtei Hautecombe am Lac du Bourget, die seit Humbert III. (1148 – 1189) als Grablege der savoyischen Herrscher genutzt wurde, richtete Amadeus damit eine weitere Grablege für sich und sein Haus ein 101. Die Stiftungen für Ripaille 98 Zum Heilsspiegelaltar vgl. Brinkmann, Bodo: Der Basler Heilsspiegelaltar, in: Bodo Brinkmann u. a. (Hg.): Konrad Witz, Ostfildern 2011, S. 60 – 101. 99 Mojon: Mathäus Ensinger, S. 65 und Fig. 12 sowie Abb. 21. 100 Testament, Amadeus, ed. Andenmatten/Paravicini Bagliani: S. 472: […] et ibidem ante magnum altare Beatae Mariae Virginis ecclesiae per ipsum dominum testatorem Deo authore construi et edificari incoatae, si tempore obitus ipsius domini testatoris ipsa ecclesia vel saltem chorus seu presbitorium eiusdem sint constructi. Vgl. zu den Details seiner Begräbnisplanungen dieses Buch, S. 365. 101 Andenmatten, Bernard/Ripart, Laurent: Ultimes Itinérances. Les sépultures des princes de la Maison de Savoie entre Moyen Age et Renaissance, in: Paravicini Bagliani, Agostino u. a. (Hg.): L’itinérance des seigneurs (XIVe – XVIe siècle). Actes du colloque international de Lausanne et Romainmotier, 29. novembre – 1er décembre 2001, Lausanne 2003 (Cahiers lausannois d’histoire médiévale, 34), S. 193 – 248, S. 194 – 200, vgl. auch die Karte, S. 203. Vgl. für die ältere Foschung Blanchard, Claudius: Histoire de l’abbaye d’Hautecombe en Savoie, in: Mémoires et documents publiés par l’Académie de Savoie, 3e série, 11 (1867), S. 185 – 215. Pollini, Nadia: La Mort du Prince. Rituels funéraires de la Maison de Savoie
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wurden auch finanziell in seinem Testament verankert. Sie nahmen dort eine relative Spitzenstellung ein, wobei vor allem die Finanzierung des anspruchsvollen Bauvorhabens abgesichert werden sollte. Dieser deutlichen Favorisierung von Ripaille wurde nach seinem Tod Rechnung getragen, denn entgegen seinem Testament wurde dort nicht nur sein Herz, sondern der gesamte Leichnam beigesetzt. Freilich – und wie im Testament von 1439 für den Fall vorgesehen, dass der Neubau Notre Dame noch nicht vollendet sein sollte – geschah dies in der bereits bestehenden Kirche St. Maurice in Ripaille, in der Manfred von Saluzzo, marescalli quondam Sabaudie, 1436 bestattet worden war. Sein Grabmal war ebenfalls von Mathäus Ensinger ausgeführt worden 102. Dieser Hinweis auf den bereits bestehenden Kirchenbau in Ripaille führt vor Augen, dass offenbar keine zwingende Notwendigkeit bestand, einen umfangreichen Kirchenbau in Angriff zu nehmen, denn den gab es bereits. Amadeus’ ambitioniertes Bauvorhaben muss zentraler Bestandteil des gesamten „Ripaille-Projektes“ gewesen sein, das offenbar vor allem von Memoria-Absichten getragen war 103. Bereits während des Planungsprozesses hatte der Herzog mehrere Modelle und Abbildungen des Baues finanziert 104. In seinem Testament betonte er nicht nur beständig seine Stiftertätigkeit, das Augustiner-Kloster in Ripaille bezeichnete er explizit als monasterium suum Ripaille 105. Bei Ripaille handelte es sich demnach um ein langfristiges Projekt Amadeus’ VIII. zur Sicherung und Förderung seiner Memoria und der seines Hauses: Ohne die hergebrachte Grablege in Hautecombe völlig aufzugeben, versuchte er einen eigenen, jedoch nicht traditionslosen Ort als Memorial-Stätte zu kreieren. Ripaille war als das
(1343 – 1451), Lausanne 1994 (Cahiers lausannois d’histoire médiévale, 9), S. 8: „L’abbaye d’Hautecombe fonctionne donc comme un point de référence significatif et stable dans les Etats savoyards, dont la cour du pronce reste itinérante.“ 102 Vgl. Bruchet: Ripaille, Preuve Nr. 69, S. 504: Libravit Gilleto Franc, valeto magistri Mathei, bombarderii, pro certis crusolis per ipsum apportatis pro fondendo lothonum ad faciendum tymullum domini Manfredi de Saluciis, marescalli quondam Sabaudie, eciam pro suis expensis veniendo a Berna Rippailliam et inde reddeundo, 2 fl. p. p. 103 Vgl. dazu die dynastische Grablege des burgundischen Herzogshauses in Champmol. Grundlegend aufgearbeitet von: Prochno, Renate: Die Kartause von Champmol: Grablege der burgundischen Herzöge 1364 – 1477, Berlin 2002. 104 Bruchet: Ripaille, S. 103, Anm. 1: Libravit (13 julii 1435) cuidam magistro Alamagno de Berno, qui venit ad dominum apud Rippailliam pro avidendo et ordinando modum ordinationis ecclesie Rippaillie 10 ducat; Libravit (20 julii 1435) cuidam Alamagno qui venit ad dominum pro faciendo patronum ecclesie Rippallie, dono sibi per dominum facto 10 duc. auri. […] eciam pro pena per eum habita apportando duas ymagies quas prefatus magister Matheus . 1438 janvier. Le prince de Piémont donne des étrennes au ‚maistre de l’église de Rippaillie‘ […] (AST, archives camérales, Compte du trésorier général 83, fol. 154v.). 105 Testament, ed. Andenmatten/Paravicini Bagliani, S. 477.
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neu zu etablierende, spirituelle Zentrum des jungen Herzogtums geplant. Zugleich erfuhr damit auch die Residenz Thonon – in der Regierungszeit Amadeus’ VIII. und während seines Pontifikats die meist genutzte Savoyerresidenz – eine sakrale Aufwertung durch die Herrschergrablege in ihrer unmittelbaren Nähe.
2.2 Amadeus VIII. als Gesetzgeber Während seiner Regierungszeit als Herzog strebte Amadeus VIII. in seinem Territorium Savoyen einen kohärenten Gesellschaftsaufbau an, dessen normative Grundlage er 1430 in den Decreta Sabaudiae Ducalia festlegte. Dieses Gesetzeswerk regelte die Verfassung sowie Verwaltung, Finanzen und das Gerichtswesen des Herzogtums. Vor allem aber widmete es sich der Ordnung und dem geordneten Miteinander aller Gruppen und Stände Savoyens, einschließlich der Randgruppen wie Prostituierten, Bettlern und Juden. In den Decreta Sabaudiae zeigte sich ein Gesellschaftsentwurf, der in sich geschlossen, an kanonischen Normen orientiert und hierarchisch strukturiert war. Herzog Amadeus VIII. strebte mit einem umfassenden Ansatz eine Landesbesserung an, die auf kollektives Heil zielte. Dazu diente auch eine verstärkte Verfolgung sozialer und spiritueller Devianzen, aus der sich ein wirksames Mittel der sozialen Kontrolle entwickelte. Sie wirkte zudem strukturierend nach innen und erhöhte letztlich die Durchsetzung der fürstlichen Herrschaft 106. Dieses umfassende Gesetzeswerk hatte bereits einen Vorläufer: Wenige Jahre nach der Übernahme der Landesherrschaft publizierte Amadeus VIII. am 31. Juli 1403 eine allgemeine Gesetzessammlung für ganz Savoyen, die sogenannten Antiqua Sabaudia Statuta 107. Sie waren in der Absicht entstanden, nach Erwerb und Annexion weiter Landesteile um die Jahrhundertwende das gräfliche Recht als einheitliches landesherrliches Recht in ganz Savoyen festzuhalten 108. Der savoyische Graf (ab 1416 Herzog)
106 Decreta Sabaudiae Ducalia, Faksimiledruck der Ausgabe Turin 1477 mit einer Einleitung von Gerhard Immel, Glashütten 1973, fol. 1v.–2r. (im Folgenden abgekürzt mit: DSD). Vgl. dazu auch Comba, Richard: Il progetto di una società coercitivamente cristiana: gli statuti di Amadeo VIII di Savoia, in: Rivista Storica Italiana 103 (1991), S. 33 – 56. 107 Edition, in: Buraggi, Gian Carlo: Una nuova fonte legislativa sabauda, in: Atti dell’Accademia delle Scienze di Torino 75 (1939/40), S. 265 – 303. Vgl. dazu die Studie: Buraggi, Gian Carlo: Gli statuti di Amedeo VIII del 31 luglio 1403, in: Memorie dell’Accademia delle Scienze di Torino, 2. serie 79 (1942), S. 1 – 38. Dazu instruktiv: Bardelle, Thomas: Juden in einem Transit- und Brückenland. Studien zur Geschichte der Juden in Savoyen-Piemont bis zum Ende der Herrschaft Amadeus VIII., Hannover 1998, S. 84 – 104. 108 Vgl. Soffietti, Isidoro: Problemi relativi alle fonti del diritto negli stati sabaudi (secoli XV–XIX), Torino 1988.
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orientierte sich dabei streng an kanonischen Richtlinien und nahm dort bereits als knapp 20-jähriger Herrscher eine umfassende Normierung des alltäglichen Lebens vor: Es gab ein Kapitel über den Missbrauch des Fluchens, den Umgang mit Prosti tuierten, die Achtung der Festtage, den Schutz des Kreuzzeichens und das Verbot von Mummereien. „Erstmals wurden damit nicht streng der Rechtsprechung und Verwaltung verpflichtete Normen in die statutarische Gesetzgebung Savoyens aufgenommen, so daß die gesellschaftliche Ordnung der Grafschaft als neuer Schwerpunkt landesherrlicher Politik unter Amadeus VIII.“ hinzutrat 109. In den folgenden 20 Jahren fand eine beständige Weiterentwicklung des landesherrlichen Rechts statt; so folgte 1423 eine Prozessreform 110, bis schließlich im Juni 1430 die Decreta Sabaudiae Ducalia in Chambéry vor den geöffneten Schlosstoren verkündet wurden 111. Die Statuten von 1430 waren gegenüber denjenigen von 1403 stärker systematisiert – statt eines einzigen Textes gliederten fünf Bücher die Rechtsmaterie, und ihr Umfang wurde von 119 auf insgesamt 357 Rubriken erheblich erweitert. Das erste Buch widmete sich den Themen Kult und Religion und ihren „Gegnern“112, wobei detaillierte Regeln über das christlich-jüdische Zusammenleben fast die Hälfte ausmachten 113. Die erste Hälfte befasste sich mit anderen „Abweichlern“, also Ketzern, Hexen, Wahrsagern, Fluchern, Lästerern, „deren Vergehen einer genau
109 Bardelle: Juden, S. 89. Dort merkt Bardelle die Beobachtung Buraggis an, dass „die ersten sieben Kapitel zur Religion und Moral auch aus sprachwissenschaftlicher Sicht auf Grund einer besonders korrekten Sprache, eines eleganten und ausgewählten Stils, der umfassenden theoretischen Ausarbeitung der Regelungen sowie des nur in diesen Kapiteln gebrauchten Pluralis majestatis als das eigentliche Herzstück der neuen Statuten angesehen werden“ können. Vgl. Buraggi: Fonte, S. 271f. Daneben wurden dort auch umfassende Regelungen über die Juden getroffen und alle wichtigeren Bestimmungen des kanonischen Rechtes aufgegriffen, die seit dem III. (1179) und IV. (1215) Laterankonzil Grundlage repressiver päpstlicher Politik gegenüber den Juden geworden waren. Die Beschäftigung christlicher Diener und Ammen in jüdischen Haushalten wurde verboten, Juden waren verpflichtet, ein rundes, rot-weißes Zeichen auf dem oberen Bereich der Kleidung zu tragen, es bestand das Gebot, eine eigene, jüdische Schlachtbank zu benutzen, und es war untersagt, koscheres Fleisch öffentlich zu verkaufen. Vgl. dazu ausführlich Bardelle: Juden, S. 89f. 110 Cognasso: Amadeo VIII., S. 523, Heimpel, Hermann: Die Vener von Gmünd und Straßburg 1162 – 1447. Studien und Texte zur Geschichte einer Familie sowie des gelehrten Beamtentums in der Zeit der abendländischen Kirchenspaltung und der Konzilien von Pisa, Konstanz und Basel, 3 Bde., Göttingen 1982 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 52), S. 850. 111 Heimpel: Vener, S. 692. 112 DSD, fol 10r.: […] in quorum primo ea que divinum honorem atque cultum una cum suis principalibus oppositis. 113 DSD, fol. 12v.–16v.
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festgelegten Bestrafung zugeführt werden sollen“114. Sodann folgten Statuten über die Feiertagsheiligung, die herzoglichen Schlossgottesdienste, den Respekt vor Kirchen und anderen heiligen Objekten sowie die Unterhaltung der Kultorte. Auch gegen Personen, die durch „Hohnspiele“ (ludibria) die Kultpraxis störten, so vor allem Maskierte, Geschminkte und Vermummte, wurden Maßnahmen festgeschrieben 115. Im zweiten Teil des ersten Buches ging es dagegen um grundsätzliche ‚Gegner‘ des christlichen Kultes, um die Juden 116: Ihnen wurde der Bau neuer Synagogen untersagt 117, zudem sollte sich ihr Leben auf einen von der christlichen Umgebung abgeschlossenen, judeaysmus genannten Bezirk innerhalb der von ihnen besiedelten Städte beschränken 118. Zudem bestand eine Kennzeichnungspflicht durch ein rundes, vier Finger breites Zeichen aus rotem und weißem Stoff, das vorn und hinten an der linken Schulter getragen werden sollte 119, wie auch das Verbot des Wuchernehmens 120 und das Verbot des Gebrauchs von als blasphemisch oder häretisch verurteilten Büchern 121. Mit der Integration kanonischer Vorschriften in die weltliche Gesetzgebung, wie bereits 1403 geschehen, setzte Amadeus VIII. seine Herrschaftsauffassung, in der sich weltliche und geistliche Machtausübung vereinigten, programmatisch weiter fort 122. Das zweite Buch regelte die Organe der Verwaltung und Justiz des savoyischen Herzogtums, das dritte befasst sich mit den einzelnen Ständen und Wirtschaftszweigen. Daneben wurden dort aber auch sog. sittenpolizeiliche Statuten festgehalten, also die Bestimmungen gegen Zuhälter, arbeitsfähige Bettler, Streuner, Konkubinarier und Dirnen. In der systematisierenden Vorrede des dritten Buches hieß es dazu, diese Untertanen bedürften einer „Korrektur in sittlichen Fragen“123. Das vierte und
114 Bardelle: Juden, S. 105. 115 DSD, fol. 17r–19r. 116 Vgl. Bardelle: Juden, S. 111 – 114. 117 DSD, fol. 13r. 118 DSD, fol. 13v. 119 DSD, fol. 13v–14r. 120 DSD, fol. 16r. 121 DSD, fol. 14v. 122 Bardelle: Juden, S. 116, Anm. 171. Bardelle lehnt die Vermutung Heribert Müllers ab, Amadeus VIII. habe sich bei der Abfassung seiner die Juden betreffenden Statuten von dem Vorbild oder dem Einfluss des Lyoner Erzbischofs Amédée de Talaru leiten lassen, „da er mit der von Talaru geleiteten Erzdiözese in diesen Jahren wegen territorialer Ansprüche von savoyischer Seite häufig im Streit lag und Talaru selbst erst später beim Prozeß gegen die jüdische Gemeinde in Trévoux und bei der Erarbeitung des Juden- und Neophytendekrets des Basler Konzils seine Vorstellungen über das christlich-jüdische Verhältnis offenbarte“. Vgl. dazu Müller: Franzosen, S. 82f. und 129. 123 DSD, fol. 10r.: Ea, quae subditorum nostrorum statum honestum morumque correctionem concernunt.
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kürzeste Buch befasste sich mit den Tarifen und Rechten bei der Abfassung von Urkunden aller Art. Das fünfte und letzte Buch beinhaltete eine Kleider- und Luxusordnung der gesamten savoyischen Gesellschaft, die schrittweise vom Herzog und seiner Familie ausgehend die Ständeleiter abwärts führte 124. Darin wurden alle Untertanen kleinteilig in Gruppen eingeordnet und ihr äußeres Erscheinungsbild obrigkeitlich festgelegt. Das Buch stellt die erste Kleiderregelung in Savoyen überhaupt dar und wurde erst verhältnismäßig spät formuliert, denn ausgehend von Italien wurden seit dem 12. Jahrhundert in fast allen Territorien und Städten Kleider- und Konsumregelungen getroffen 125. Buch V steht dabei, wie im Prolog erläutert wird, unter dem Leitgedanken der temperantia. Dieser Tugend wird die Kraft zugesprochen, den „Trieb der gesamten Unordnung“ zu bändigen 126. Damit findet die Systematik des gesamten Gesetzeswerkes in dieser Kleiderordnung ihren umfassenden Abschluss. Die soziale und wirtschaftliche Hierarchisierung wurde in den vestimentären Codes sichtbar, da diese Vorschriften am sozialen Status entlang ein präzises Raster bildeten, in das die gesamte savoyische Gesellschaft eingeordnet wurde – auch diejenigen, die einer „sittlichen Korrektur“ bedurften. Die jeweilige Position wurde durch den nach außen repräsentierten „Aufwand“ nunmehr bestimmbar, dessen Grenzen für jedes Mitglied der Gesellschaft Herzog Amadeus VIII . bis ins Detail festsetzte: Die soziale
124 DSD, fol. 153v.–159r. Vgl. Page, Agnès: Vêtir le Prince. Tissus et couleurs à la Cour de Savoie (1427 – 1447), Lausanne 1993 (Cahiers lausannois d’histoire médiévale, 8), S. 13f., 20, 62, 82, 127f. und Bulst, Neithard: La législation somptuaire d’Amédée VIII, in: Andematten/ Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V, S. 191 – 200. Vgl. auch: Chevailler, Laurent: La police religieuse, économique et social en Savoie d’après les Statuta Sabaudiae d’Amédée VIII (1430), in: Mémoires et documents publiés par l’Academie chablaisienne 61 (1977), S. 9 – 33. 125 Vgl. vor allem die Arbeiten von: Eisenbart, Liselotte: Kleiderordnungen der deutschen Städte zwischen 1350 – 1700. Göttingen 1962; Piponnier, Françoise: Costume e vie sociale. La Cour d’Anjou XIVe–XVe siècle (Civilisations et sociétés, 21), Paris/Den Haag 1970. Bulst, Neithard: Zum Problem städtischer und territorialer Kleider-, Aufwands- und Luxusgesetzgebung in Deutschland (13. bis Mitte 16. Jahrhundert), in: Gouron, André/ Rigaudière, Albert (Hg.): Renaissance du pouvoir législative et genèse de l’état, Montpellier 1988, S. 29 – 57. Jaritz, Gerhard: Kleidung und Prestige-Konkurrenz. Unterschiedliche Identitäten in der städtischen Gesellschaft unter Normierungszwängen, in: Saeculum 44 (1993), S. 8 – 31. Bulst, Neithard: Kleidung als sozialer Konfliktstoff. Probleme kleidergesetzlicher Normierung im sozialen Gefüge, in: Saeculum 44 (1993), S. 32 – 46. Killerby, Catherine Kovesi: Sumptuary Law in Italy 1200 – 1500, Oxford 2002. 126 DSD, fol. 153 v.: […] temperantie: Presens liber quintus et novissimus vestigia persequatur. Que quidem temperantie virtus ligni sua qualitate omnium inordinatorum appetituum refirmatione comprehendat.
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Ordnung begann beim Herzog selbst und endete bei den unverheirateten Töchtern der Bauern, denn die Reglementierungen für den jeweiligen Ranginhaber schloss Frauen und Töchter mit ein. Mit der Integration des Fürsten in diese Aufwandsgesetzgebung, die zugleich auf normativer Ebene versuchte, eine umfassende Gesellschaftsordnung festzulegen, unterschied sich das savoyische Regelwerk von anderen seiner Art: Der Herzog stand ihr zwar vor, war aber nicht über sie erhaben. Damit wurde die Einhaltung seiner Regeln betont, denn eine Missachtung wäre nicht nur einem Gesetzesverstoß, sondern einer Verletzung des Herzogs gleichgekommen 127. Sein Verhalten bestimmte dasjenige aller ihm untergeordneten Stände (gradus), da sich jede Abgrenzung nach oben und nach unten letztlich an der hierarchischen Spitze orientieren musste 128, obgleich die Spannung zwischen der Repräsentation herzoglicher Würde und der Betonung tugendhafter Bescheidenheit bereits in der Rubrik über die herzogliche Familie offen zu Tage trat 129. Die Wertigkeit des Erscheinens ermaß sich vor allem an der Qualität der Stoffe, aus denen die Kleidungsstücke gefertigt waren, weniger an der Menge des verbrauchten Stoffes oder den verwendeten Farben. Zugleich bestanden für einzelne Farben strenge Vorschriften – „scharlachrot“ zu tragen war nur der herzoglichen Familie, den Baronen und Vavasseurs gestattet 130. Doch auch die Verwendung von Pelzen und Fellen, die Einarbeitung von Edelmetallen in die Kleidung sowie die Kopfbedeckungen unterstanden einem detaillierten Reglement. Ferner wurden in Buch V Regelungen über den Ablauf von Hochzeiten getroffen; so gab es je nach Stand Vorschriften über Kleider, Essen und Anzahl der Gäste 131. Andere normativen Vorgaben bezogen sich auf die Länge der Trauerzeiten 132, den Besuch bei Hebammen 133, die Wahl der Vornamen 134, Fragen der Titelführung und 127 Vgl. Bulst: Législation, S. 195 – 196. 128 Zu den Auswirkungen der Decreta Sabaudiae auf die Struktur des savoyischen Hofes vgl. Castelnuovo, Guido: L’Hôtel de Savoie et ses Métiers à la fin du Moyen Age, in: Bianchi/ Gentile (Hg.): L’affermarsi alla Corte, S. 23 – 53, S. 35 – 44, S. 41: „Les principaux caractères des offices curiaux sous Amédée VIII me semblement donc les suivants: leur organisation se précise, leur institutionnalisation se dessine, leurs spécialisations s’affinent.“ 129 DSD, fol. 153v.–154r. 130 Vgl. hierzu Page; Prince, S. 13 und S. 62. Für einen Überblick des Farbkanons am herzoglichen Hof vgl. ebd., S. 61 – 73. Michel Pastoureau erklärt die relativ weichen Vorgaben zur Farbigkeit von Kleidungsstücken damit, dass Farbe „Sache der Kirche“ war: Pastoureau, Michel: L’Église et la couleur des origines à la Réforme, in: Actualité de l’Histoire à l’École des Chartes, Paris/Genève 1989, S. 203 – 230. S. 206. 131 DSD, fol. 159r.–160r. 132 DSD, fol. 160v.–162v. 133 DSD, fol. 160v. 134 DSD, fol. 163v.
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den Erwerb von Wappen 135. Damit nahm das Maß der Verhaltensnormierung einen überdurchschnittlichen Umfang an. Insbesondere im Hinblick auf die verordnete „Quantität der Gefühle“136 bei der Trauerlänge etwa wird die Distanz zwischen Herzog und seinen Untertanen offenbar 137. Der obrigkeitliche Zugriff auf das öffentliche wie private Leben geschah nicht zufällig über die Regelung des äußeren Erscheinungsbildes: Das Kleid stiftete die eigene Identität und wirkte zugleich als Repräsentation des Trägers 138. Diese besondere Zeichenqualität machte es damit zu dem Indikator von sozialem Rang, zum Ausdruck von Macht und Ehre oder zu einer stigmatisierenden Hülle. Das Kleid kann nach Max Weber als „Mittel zur sozialen Selbstbehauptung“139 beschrieben werden. Offenbar bestand jedoch das Bedürfnis, die Aussagekraft der vestimentären Codes über den sozialen Rang verlässlicher zu machen: Kleiderregelungen sollten daher zum einen die Manipulierung des Zeichens unterbinden und die Eindeutigkeit seiner Aussagen erhöhen, zugleich konnten sie aber auch bei der Durchsetzung übergeordneter politischer Ziele dienen. Im Falle des 5. Buchs der Statuta Sabaudiae war dies nichts Geringeres als die Etablierung einer geschlossenen christlichen Gesellschaft. In seinem Prolog formulierte Amadeus VIII. explizit die Absicht, unter Berufung auf die Tugend temperantia, jeglicher Unordnung beikommen zu wollen und auf diese Weise eine gottgefällige Gesellschaft zu kreieren 140. 135 DSD, fol. 164r. Mitunter erscheint Buch V auch die Funktion einer Hofordnung erfüllt zu haben, da bei Angehörigen des savoyischen Adels besonders feine Unterschiede gemacht wurden. 136 Bulst: Législation, S. 196. 137 So darf der Herzog erheblich länger um seine verstorbene Gattin (50 Tage, fol. 161r.) trauern als ein Stadtbürger (20 Tage, fol. 161v.), dieser wiederum länger als ein Bauer (keinen Tag, fol. 162r.) Vgl. dazu auch Jussen, Bernhard: Dolor et Memoria. Trauerriten, gemalte Trauer und soziale Ordnungen im späten Mittelalter, in: Oexle, Otto Gerhard (Hg.): Memoria als Kultur, Göttingen 1995 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts, 121), S. 207 – 250, S. 216. 138 Vgl. von Moos, Peter: Das mittelalterliche Kleid als Identitätssymbol und Identifikationsmittel, in: von Moos, Peter (Hg.): Unverwechselbarkeit, Köln u. a. 2004 (Norm und Struktur, 23), S. 123 – 146, S. 127 – 133. Groebner, Valentin: Der Schein der Person. Steckbrief, Ausweis und Kontrolle im Europa des Mittelalters, München 2004, S. 48 – 67. 139 Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 651. 140 DSD, fol. 153v.: Videlicet trium virtutum theologicarum fidei spei et caritatis: Liber primus cardinalium: virtutis iusticie et fortitudinis: Secundus. Prudentie: Tercius et quartus. Temperantie: Presens liber quintus et novissimus vestigia persequatur. Que quidem temperantie virtus ligni sua qualitate omnium inordinatorum appetituum refirmatione comprehendat. Consistit tamen principaliter in repressione superflui victus et vestitus evangelica doctrina demonstrante in narratione status divitis epulonis de quo dicitur induebatur purpura et bisso et epulabatur quotidie splendide. Ex quibus instruimur victus et vestitus servare moderamen minus igitur
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Die Statuten von 1430 stießen auf großes Interesse bei einigen Protagonisten der sogenannten „Reichsreform“. Im Nachlass von Job Vener ist der „geistliche Teil der Statuten Herzog Amadeus’ VIII. von Savoyen 1430“ als Teil einer Sammlung unterschiedlicher Schriften zur Reform verzeichnet 141. Unter der Überschrift Reformatio Sabaudiensis ist auf fol. 19 – 24 eine Vorabpublikation der „berühmten und in ihrer Art großartigen“142 Statuten des Herzogs Amadeus VIII. zu finden – ein Normenwerk, das in „fünf Büchern ein Monument staatlicher Verfassung, Verwaltung, besonders der Finanzen, des Gerichtswesens und landesherrlicher Kirchenherrschaft darstellt und hierbei eine bis ins kleinste gehende, grausame Sittenpolizei bietet“, so die Einschätzung von Hermann Heimpel 143. Der Herzog hatte am 16. Februar 1430 in Turin nicht nur jene religiösen Statuten vorab veröffentlicht, die später das 1. Buch der Statuten ausmachen sollten, sondern auch die „sittenpolizeilichen Statuten“, die später im 3. Buch aufgestellt wurden. Job Vener nahm an diesem Manuskript mit eigener Hand Korrekturen vor 144. Die Statuten entfalteten über die „Drehscheibe“145 des Basler Konzils eine beträchtliche Rezeption im Reich: Ein Exemplar soll Amadeus VIII. 1433 dem Reichsprotektor Herzog Wilhelm III. von Bayern zur Einsichtnahme übergehen haben 146. Auch soll nach dem Reformtraktat des Magdeburger Domherren Heinrich Toke (1442) „Concilia wie man die halten soll“ König Albrecht II. geplant haben, diese ins Deutsche
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doctrine sanctissime fundamentis inherentes ad laudem et honorem hobedientiam et captationem gratie conductoris. Publicunque animarum et corporum ac bonorum subditorum nostrorum prefectum: hec statuta pomparum et superfluitatum vestimentorum ornatuum et conversationum restrictiva duximus salubriter edicenda a culmine nostri status in choando per singulos gradus personarum ordinato statum cuiuslibet regulando. Ut quisque dicat se ipsum cognoscere superioribus revereri: inferioribus condescendere et omnes iniciis suarum facultatum terminis debitam humilitatem servare. Heimpel: Vener, S. 691. Die Reformatio Sabaudiensis ist enthalten auf fol. 19 – 24 einer Sammelhandschrift, in: Wien, Österreichische Nationalbibliothek, CVP 5097, vgl. dazu auch Heimpel: Vener, S. 1020 – 1058, bes. S.1024 – 1026. Heimpel: Vener, S. 692. Heimpel: Vener, S. 692. Heimpel: Vener, S. 693 – 695. Diese Metapher führte Jürgen Miethke ein, in: Miethke, Jürgen: Die Konzilien im 15. Jahrhundert als Drehscheibe internationaler Beziehungen, in: Krimm, Konrad/Brüning, Rainer (Hg.): Zwischen Habsburg und Burgund. Der Oberrhein als europäische Landschaft im 15. Jahrhundert, Tübingen 2003 (Oberrheinische Studien, 21), S. 257 – 274. Molnár, Amedeo: Die Waldenser. Geschichte und europäisches Ausmaß einer Ketzerbewegung, Freiburg u. a. 1993, S. 302. Vgl. dazu auch Tschacher, Werner: Der Formicarius des Johannes Nider von 1437/1438, München/Zürich 2000 (Berichte aus der Geschichtswissenschaft), S. 316.
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übertragen zu lassen 147. Toke sah die Statuten als Vorbild für die anstehende Reichsreform an und hatte überdies die Hoffnung, dass der savoyische Herzog Amadeus VIII. als Papst Felix seine in Savoyen durchgeführte Reform der geistlichen Machtbefugnisse auf die Christenheit seiner Obödienz übertragen würde 148.
Vorgehen gegen spirituelle Devianz In den Statuten wies Amadeus VIII . allen sozialen und ökonomischen Gruppen, inklusive Abweichlern und Randgruppen, ihren Platz in der „dem christlichen Heilswesen verpflichteten“ Gesellschaft in seinem Herrschaftsbereich zu. Außenseiter wie die Juden wurden nicht ausgewiesen, „sondern in ihrer religiösen, sozialen wie wirtschaftlichen Lebensführung von obrigkeitlicher Seite reglementiert“149. Die Verfolgung der Häretiker, Sortilegi (Wahrsager) und Gotteslästerer sollte durch weltliche Gerichte in Zusammenarbeit mit der Inquisition geregelt werden. Der Landesherr Amadeus VIII. wollte an dieser Stelle einen Rechtsbereich ausschließlich kirchlicher Zuständigkeit in seine gesetzgeberische Kompetenz integrieren. Doch wenn ihm dies auch nicht gelang, führte er gleichwohl das inquisitorische Verfahren ein und wies seine Beamten an, die Inquisitoren zu unterstützen 150. Grundsätzlich ist unter dem sogenannten „modernen Hexenbild“ eine Verbindung von christlichen Häresien wie etwa der Waldenser, Katharer, Hussiten mit Alltagsmagie, z. B. Schadenszauber, zu verstehen; dies hat in den letzten Jahren insbesondere eine Forschungsgruppe in Lausanne herausgearbeitet 151. Die Vorstellungen, 147 So Loebel, Hansgeorg: Die Reformtraktate des Magdeburger Domherrn Heinrich von Toke, Göttingen 1949, S. 122. 148 Vgl. auch Smend, Rudolf: Ein Reichsreformprojekt aus dem Schriftenkreis des Basler Konzils, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 32 (1907), S. 746 – 749, S. 748f. und Loebel: Reformtraktate, S. 68f., Heimpel: Vener, S. 850f. 149 Bardelle: Juden, S. 117. 150 Amadeus VIII. schloss am 16. Januar 1432 ein Konkordat mit den Bischöfen von Tarantaise, Aosta, Maurienne und Belley, mit dem die Zuständigkeit bei Ketzerei, Zauberei bzw. Hexerei (crimen sortilegii) und Simonie den kirchlichen Gerichten zugewiesen wurde. Vgl. dazu Poudret, Jean-François: Un concordat entre Amédée VIII et le clergé de Savoie, in: Andenmatten/Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V, S. 157 – 178, S. 171. Vgl. Utz-Tremp, Kathrin: Von der Häresie zur Hexerei. „Wirkliche“ und imaginäre Sekten im Spätmittelalter, Hannover 2008, S. 437. Chiffoleau: Amédée VIII, S. 43. Comba: Decreta Sabaudiae, S. 187f. 151 Vgl. die Einführung in: Utz-Tremp: Häresie, S. 1 – 26. Dort werden die frühesten Beschreibungen der Hexensekte sowie der aktuelle Forschungsstand zusammengefasst. Vgl. für den Forschungsstand vor 1990: Blauert, Andreas: Frühe Hexenverfolgung: Ketzer-,
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unter denen im 15. Jahrhundert Anklage gegen Hexerei erhoben wurde, das „moderne Hexenstereotyp“, bestand im Kern aus einer Verbindung von Häresie mit Schadenszauberei und sexueller Freizügigkeit. Die Verfolgung religiöser Devianz durch die Inquisition greift damit auf spezifische Handlungen der Hexenverfolgung aus, etwa der Flug zum sogenannten Sabbat (Transvection), Teufelspakt, Tierverwandlungen, Kindsmord, Teufelsbuhlschaft, magische Salben und weiteres mehr. Diese dämonologischen Stereotypen werden gemeinsam mit waldensischen und katharischen „Irrtümern“ in den einzelnen Anklagepunkten ausgebreitet. Savoyen kommt dabei in den 1430er und 1440er Jahren eine besondere Rolle zu, da dort und in den angrenzenden Gebieten, wie der Dauphiné und im Piemont, zum ersten Mal mit Präzision dasjenige beschrieben und definiert wurde, was als
Zauberei- und Hexenprozesse des 15. Jahrhunderts, Hamburg 1989. Blauert, Andreas: Die Erforschung der Anfänge der europäischen Hexenverfolgungen, in: Blauert, Andreas (Hg.): Ketzer, Zauberer, Hexen. Die Anfänge der europäischen Hexenverfolgung, Frankfurt 1990, S. 11 – 42. Ein Forschungsüberblick von 2002: Modestin, Georg/Utz-Tremp, Kathrin: Hexen, Herren und Richter. Die Verfolgung von Hexern und Hexen auf dem Gebiet der heutigen Schweiz am Ende des Mittelalters, in: Schweizerische Zeitung für Geschichte 51 (2002), S. 103 – 163. Vgl. folgende Einzelstudien zu Savoyen: Ostorero, Martine: „Folâtrer avec les démons“. Sabbat et chasse aux sorciers à Vevey en 1448, Lausanne (2. überarb. Aufl.) 2008. Tschacher: Formicarius des Johannes Nider; Modestin, Georg: Le diable chez l’évêque. Chasse aux sorciers dans le diocèse de Lausanne (vers 1460), Lausanne 1999 (Cahiers lausannois d’histoire médiévale, 25). Modestin, Georg: Des Bischofs letzte Tage. Georg von Saluzzo und die Hexenverfolgung im Fürstbistum Lausanne (1458 – 1461), in: Voltmer, Rita (Hg.): Hexenverfolgung und Herrschaftspraxis, Trier 2006 (Trierer Hexenprozesse. Quellen und Darstellungen, 7), S. 51 – 72. Modestin, Georg: Der Teufel in der Landschaft. Zur Politik der Hexenverfolgungen im heutigen Kanton Freiburg von 1440 bis 1470, in: Freiburger Geschichtsblätter 77 (2000), S. 107 – 129. Schatzmann, Niklaus: Verdorrende Bäume und Brote wie Kuhfladen. Hexenprozesse in der Leventina 1431 – 1459 und die Anfänge der Hexenverfolgung auf der Alpensüdseite, Zürich 2003. Ostorero, Martine u. a. (Hg.): L’imaginaire du sabbat. Edition critique des textes les plus anciens (1430c.–1440c.), Lausanne 1999 (Cahiers lausannois d’historie médiévale, 26). Darin sind folgende Texte editiert und eingeordnet: Hans Fründ: Rapport sur la chasse aux sorciers et aux sorcières menée dès 1428 dans la diocèse de Sion; Johannes Nider: Formicarius (Livre II , chapitre 4 et livre V, chapires 3, 4 und 7); Anonym: Errores gazariorum seu illorum qui scopam vel baculum equitare probantur; Claude Tholosan: Ut magorum et maleficiorum errores. Martin Le Franc: Le Champion des Dames, Livre IV . (17377 – 18200). Vgl. dazu auch: Chène, Catherine: L’hérésie hussite vue par un dominicain observant: le Formicarius de Jean Nider (ca. 1380 – 1438), in: de Lange, Albert/Utz-Tremp, Kathrin (Hg.): Friedrich Reiser und die „waldensisch-hussitische Internationale“, Heidelberg 2006, S. 317 – 340. Eine kritische Edition des Formicarius ist in Vorbereitung.
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neuzeitliches Hexenbild eine große Beachtung und Rezeption erfahren und sich in den „mentalen Horizont“ Europas eingeschrieben hat 152. Herzog Amadeus VIII . nutzte dabei die sogenannte Frühe Hexenverfolgung, um seine Herrschaft in Bereiche auszuweiten, die bislang lokal begrenzt waren bzw. eigenen begrenzten Rechtsbereichen angehörten. Dies ist als eine umfassende Affirmation seines Herrschaftsanspruchs zu verstehen. So hat Amadeus VIII . unter anderem die Hexerei und ihre Bekämpfung instrumentalisiert, um eine starke, zentralistische und christlich überhöhte Staatsgewalt, seine umfassende Majestas, zu entfalten 153. Die Verfolgung dieser neuen Sekten ist damit offenbar als ein Mittel zur savoyischen Staatsbildung zu verstehen, als ein Teil progressiver Herrschaftsverdichtung, da mit der Stärkung der gerichtlichen Zuständigkeit die Herrschaftsgewalt insgesamt erhöht werden sollte. Amadeus strebte mit der Verfolgung von spiritueller, und wie gezeigt wurde, auch sozialer Devianz eine verdichtete, auf kollektives Heil zielende Staatlichkeit an. Das Zusammenwirken von landesherrlichen und kirchlichen Kräften stand dabei am Anfang eines landesherrlichen Kirchenregiments. Seine umfassende Herrschaftsauffassung wirkte sich auch auf die Struktur seines Archivs aus: Nach gründlicher Analyse von Peter Rück muss „die Ordnung des savoyischen Archivs unter Amadeus VIII.“ als „das Spiegelbild seiner zum Absolutismus tendierenden Staatsauffassung“ aufgefasst werden, dieses Archiv war ein „monarchisches Archiv“154.
152 Ostorero u. a.: L’imaginaire du sabbat, S. 9. 153 Chiffoleau: Amédée VIII, S. 43: „Pour le prince et pour ses officiers, vouloir traquer les sorcières, c’est sans doute aussi vouloir affirmer un pouvoir souverain, en prétant lutter pour l’intégrité de la Majestas.“ 154 Vgl. dazu Rück, Peter: Die Ordnung der herzoglich savoyischen Archive unter Amadeus VIII., in: Archivalische Zeitschrift 67 (1971), S. 1 – 101, S. 100.
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Zuletzt sei noch auf die Miniatur von Jean Bapteur 155 in einer Handschrift von De doctrina dicendi et tacendi des Albert von Brescia 156 hingewiesen, die etwa um 1430 ausgeführt wurde und den vollbärtigen Amadeus VIII. im Herrscherornat thronend frontal vor einem blauen, mit Goldschlingen verzierten Baldachin zeigt. Neben den Herrscherattributen wie Bart, Mantel und Thron fallen insbesondere Schwert und Lilie in seinen Händen auf, die gemeinsam gewöhnlich nur in Darstellungen des Jüngsten Gerichts erscheinen. Laurence Rivière Ciavaldini hat aus dieser Illumination, ergänzt um Darstellungen von Amadeus VIII. in der reich illuminierten Handschrift ‚Apoklypse des Escorial‘, einen theokratischen Herrschaftsentwurf des savoyischen Herzogs hergeleitet. Denn die religiöse Repräsentation seiner Person überrschreite den gewöhnlichen Rahmen von religiöser Devotion und „affirmant du même coup la conception théocratique de sa puissance dont il revendique le caractère sacré“ 157. Auf diese sakrale Erhöhung seiner Herrschaft läuft auch sein Ripaille-Projekt mit der groß angelegten Schaffung eines dynastischen Memoria-Ortes hinaus.
155 Vgl. Abb. 1 Frontispiz von Jean Bapteur zu Albert von Brescia De doctrina dicendi et tacendi, ca. 1435, Bruxelles, Bibliothèque Royale de Belgique, ms 10317 – 18, fol. 1. Bei Jean Bapteur handelte es sich um einen Hofkünstler, wie ihn Martin Warnke typisiert hat. Jean Bapteur ist in den Rechnungsbüchern des savoyischen Hofs von 1427 – 1453 als pictor et familiaris domini verzeichnet. Er wurde für die gesamte dekorative Ausstattung des Hofes herangezogen, war aber auch für anspruchsvolle Illuminationen zuständig, wie etwa die meisterhafte, sog. ‚Apokalypse des Escorial‘ zeigt. Vgl. zur Apokalypse: Rivière Ciavaldini, Laurence: Imaginaires de l’Apocalypse. Pouvoir et spiritualité dans l’art gothique européen, Grenoble 2007. Zu Bapteur mit weiteren Angaben und Auszügen aus den Rechnungsbüchern: Castelnuovo, Guido/Deragne, Marie-Aude (Hg.): Peintres et ménétriers à la Cour de Savoie sous Amédée VIII (1391 – 1451). Salaires, statuts et entregent, in: Guidobaldi, Nicoletta (Hg.): Regards croisés. Musiques, musiciens, artistes et voyageurs entre France et Italie au XV e siècle, Paris/Tours 2002, S. 31 – 59, S. 47 – 50. Vgl. zum Frontispiz: Rivière Ciavaldini, Laurence: Un prince en quête de majesté. A propos de deux portraits d’Amédée VIII de Savoie, in: Les cahiers du CRHIPA (Centre de recherche sur l’histoire et l’histoire de l’art de l’Italie et des Pays Alpins de Grenoble) 4 (2001), S. 291 – 312. 156 Albert von Brescia und sein Werk Liber de doctrina dicendi et tacendi, vgl. Edition und Einführung: Albertano da Brescia Liber de doctrina dicendi et tacendi. La parola del cittadino nell’Italia del duecento, ed. Paola Navone, Firenze 1998. Der 1245 verfasste, didaktische Traktat behandelt in sieben Büchern unter reichlicher Verwendung (pseudo-)klassischer und biblischer Zitate die Möglichkeiten der Kommunikation. Hierbei richtet er sich an die kommunale Gesellschaft Mittel- und Norditaliens des 13. Jahrhunderts. 157 Rivière Ciavaldini, Laurence: Un prince en quête de majesté. A propos de deux portraits d’Amédée VIII de Savoie, in: Paravy, Pierrette/Verdier, René (Hg.): De la principauté à la province. Autour du 650è anniversaire du Transport du Dauphiné à la couronne de France, Grenoble 2001, S. 291 – 312, S. 312.
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Abb. 1: Frontispiz von Jean Bapteur zu Albert von Brescia De doctrina dicendi et tacendi, ca. 1435.
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Von Ripaille nach Basel (1434 – 1440)
Diese Analyse seiner Herrschaftsweise zeigt, dass das Ziel von Amadeus VIII. bei der Landesordnung und seiner Devianzverfolgung darin bestanden hat, die Kreierung einer gottgefälligen Gesellschaft voranzutreiben. Er versuchte, sich dieser insbesondere durch obrigkeitliche Rechtssetzung zu nähern und griff dabei weit in die geistliche Rechtssphäre aus. Diese letztlich theokratische Herrschaftsauffassung von Herzog Amadeus VIII. spiegelt sich in seiner Repräsentation im Bild, seinen Stiftungen, in seiner Gesetzgebung, die als Grundlage einer gottgefälligen Gesellschaft diente, und in der Verfolgung spirituell-sozialer Devianz wider.
2.3 Ripaille als politisches Zentrum Bislang blieb bei der Bewertung des vermeintlichen Rückzugs nach Ripaille unberücksichtigt, dass Amadeus auch während seines Aufenthalts in Ripaille in den Jahren 1435 – 1439 weiterhin Herzog blieb. So widerspricht nicht nur die Lage Ripailles und das dortige Bauvorhaben der in Quellenzeugnissen und in der modernen Forschungsdiskussion verbreiteten Auffassung, Amadeus VIII . habe sich hierhin als Eremit in solitudine zurückgezogen, wichtiger noch ist die Tatsache, dass er seinen Titel keinesfalls aufgegeben hatte. Amadeus VIII. zog während der Ripailler Jahre seinen ältesten Sohn Ludwig verstärkt ins politische Tagesschäft mit ein, gab jedoch die Finanzaufsicht und vor allem diplomatische Angelegenheiten keineswegs aus der Hand. Vielmehr diente Ripaille als Versammlungsort für nicht unerhebliche diplomatische Vorgänge wie den Empfang von Gesandtschaften und Vertragsabschlüssen: So wurde etwa die Verlobung zwischen Amadeus IX. von Savoyen und Yolande von Frankreich am 26. August 1436 ebendort vereinbart 158. Die Briefe von Amadeus etwa an das Basler Konzil oder an Eugen IV. verzeichneten stets Ripaille als Ausstellungsort. Auch versammelten sich die savoyischen Generalstände 1438 und 1439 in Ripaille 159. Entgegen der häufig dargelegten Ansicht, der Thronfolger Ludwig sei bereits ab 1434 Herzog von Savoyen gewesen, fand die reguläre, d. h. rechtskräftige Übertragung
158 Vgl. die Darstellung der diplomatischen Aktivitäten bei Bruchet: Ripaille, S. 105 – 106. Zur Verlobung: Guichenon: Histoire, S. 420, Bruchet: Ripaille, preuve Nr. 70, S. 508 – 509. Darin ist vor allem aus Rechnungsbüchern der Empfang von Gesandten belegt; doch neben der Mitgiftverhandlung ist an dieser Stelle eine weitere Finanztransaktion zwischen Amadeus VIII. und Karl VII. von Bruchet belegt, die ebenfalls von Ripaille aus unternommen wurde (beides S. 509). Auch die Heimführung der jung verwitweten Tochter Margarete und damit die Sicherung ihres Wittums organisiert Amadeus VIII. 1435 von Ripaille aus (S. 506). 159 Parlamento Sabaudo, Patria Cismontana, Vol. III (1427 – 1458), ed. Armando Tallone, Bologna 1929, S. 154: 20. Januar 1438; Dezember 1439. Bruchet: Ripaille, S. 522.
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der Herzogswürde sowie der damit zusammenhängenden Macht an seinen Sohn Ludwig erst am 6. Januar 1440 statt, also nach der Annahme des Papstamtes am 17. Dezember 1439160. Zudem ist dieser Herrschaftswechsel im savoyischen Herzogshaus als Herrschaftsverzicht von Seiten Amadeus VIII. zu verstehen und weniger als Abdankung vom Herzogsamt. Der Herrschaftsverzicht wurde mit seiner Wahl zum Papst gerechtfertigt und durch Heranziehung biblischer Zitate legitimiert 161. Freilich wurde dieser im Januar 1440 vollzogene Verzicht bereits im November 1434 in einzelnen Aspekten vorweggenommen, als Amadeus seinen ältesten Sohn L udwig zum Statthalter des Herzogtums und Prinzen von Piemont und zugleich seinen zweitgeborenen Sohn Philipp zum Grafen von Genf erhob 162. Die Urkunde, mit der Philipp zum Grafen von Genf wurde, hält dabei deutliche Kompetenzbeschränkungen fest, womit die politische Handlungsfähigkeit bei Herzog Amadeus blieb, der als Dominus Dux Sabaudie bezeichnet wird. Ort des Geschehens war bezeichnenderweise der große Saal in Ripaille, wo zeitgleich in einem feierlichen, höfischen Rahmen die Söhne des Herzogs in den savoyischen Orden del Collier aufgenommen wurden 163. 160 Thalia Brero merkt an, dass Ludwig und seine Gattin Anne de Lusignan 1435 bei Geburt ihres ältesten Sohnes Amadeus noch nicht die Räume des Herzogs von Savoyen bezogen hatten. Vgl.: Brero, Thalia: Les baptêmes princieres. Le cérémonial dans le cours de Savoie et Bourgogne (XVe–XVIe s.), Lausanne 2005 (Cahiers lausannois d’histoire médiévale, 36), S. 150. 161 Vgl. dieses Buch, S. 134. 162 Zur Abdankung von Amadeus VIII. vgl.: Gigliotti, Valerio: La renuntiatio alla corona ducale di Amedeo VIII di Savoia: un’abile mossa per non perdere il potere, in: Rivista di storia del diritto italiano 76 (2003), S. 339 – 392, mit Edition der Urkunden, S. 370 – 392, wie bereits in: Zucchi, Mario: Origini e vicende del titolo di principe di piemonte, in: Miscellanea di storia italiana, 3. Serie, Tomo 15, 1913, S. 305 – 364, S. 360 – 364. Die Übertragung der Herrschaftstitel an die Söhne von Amadeus VIII. in Thonon ähnelt dem savoyischen Festeinzug in Basel. Die entscheidenden Dokumente liegen ediert vor, in: Parlamento Sabaudo, VIII, Patria oltramontana V, I, ed. Armando Tallone, Bologna 1935 (ND 1969), S. 121 – 124. Zur Investitur seines Sohnes Philipp mit der Grafschaft Genf vgl. Gigliotti: Renuntiatio, S. 370 – 375. 163 Gigliotti: Renuntiatio, S. 343 bezeichnet dies als ein Präludium (preludo) für die bevorstehenden Titelübertragungen. Vgl. Bruchet: Ripaille, S. 93, Anm.1: Libravit heraldis mimis et trompetis domini largiciam vociferantibus die 7 novembris, qua ordine milicie et colaris illustrissimi domini princeps Pedemontis et comes Gebennarum fuerunt insigniti et dictus dominus noster princeps Pedemontis ad titulum principatus Pedemontis translatus, ut per litteram domini principis nostri, datam Thononii die 8 novembris a. D. 1434. (AST, Archivio camerale, Conti del tesoriere Generale 80, f. 269). Zum Orden de Collier vgl. Ripart: Cygne, S. 98 – 104. Vgl. Zucchi: Origini, S. 339 – 342. Auch an den Gewändern der beiden savoyischen Prinzen ist abzulesen, dass sich Ripaille für höfische Repräsentation eignete. Vgl. dazu Bruchet: Ripaille, S. 479 – 480: Diese waren aus Goldbrokat gefertigt und wiesen
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Die Übertragung des Titels Prinz von Piemont an Ludwig erfolgte erst, nachdem er den Titel des Grafen von Genf an den Vater zurückgegeben hatte, der ihn anschließend wiederum an seinen Sohn Philipp vergab. Quelle und Ursprung der Macht lagen also beim Herzog 164: Er war es, dem es zukam, Personen einzusetzen und Titel zu vergeben. Zugleich war die Übergabe der Kompetenzen keineswegs vollständig, sondern geschah unter Vorbehalt, bzw. innerhalb schriftlich fixierten Grenzen: So behielt der Herzog auf Lebenszeit die gesamte Administration, totalem administrationem, über die Gesamtheit des savoyischen Territoriums 165. Ähnlich in Form und Inhalt gestaltete sich auch die Übertragung der Grafschaft Genf an Philipp. Valerio Gigliotti bemerkt bei der langen Beschränkungsliste, mit der Amadeus seine Rechte und Machtansprüche zu bewahren suchte, eine Diskrepanz zwischen formalen Restriktionen und der effektiven Machtkompetenz Ludwigs, aus der er einen bloß äußeren, „augenscheinlichen Charakter“ (palese carattere) des Investiturzeremoniells ableitet 166. Dabei ist die von Amadeus getroffene Machtbalance genau umgekehrt einzuschätzen: Die Söhne erhielten durch ihre neuen Titel gewisse Anteile an der Macht im Herzogtum, gleichwohl blieb der Herzog allein Ursprung und Zentrum der Herrschaft. Dies lässt sich im Folgenden an konkreten Beispielen aus dem politischen Geschehen in dem Jahrfünft in Ripaille (1434 – 1439) erschließen. Zugleich greift die Abwertung der zeremoniellen Akte als „Augenscheinlichkeit“ zu kurz. Sie verkennt die inhärente Logik symbolischer Kommunikation und den Charakter von Rechtsakten. Durch sie wurde Macht performativ konstituiert und zugleich waren diese entscheidenden konstituierenden Akte immer auch zeremoniell eingebettet 167. Diese sichtbaren Übertragungen von Herrschaftszeichen, und damit zugleich Kompetenzen, erzeugten erst die Ordnung, die sie zugleich abbildeten. Das Augenscheinliche wurde damit zu der sichtbaren Figuration von Herrschaft. Im Vergleich mit der tatsächlichen Herzogskreierung von Ludwig am 6. Januar 1440 wird der graduelle Unterschied zu den Titelvergaben vom November 1434 sichtbar 168.
zusätzlich Applikationen aus Gold und Silber auf. Im Rechnungsbuch wird als Anlass verzeichnet, dass die beiden Prinzen zu Rittern gemacht wurden: quant il furent fait chivallier. 164 Vgl. Gigliotti: Renuntiatio, S. 346: […] constituit, stabilavit et ordinavit. 165 Gigliotti: Renuntiatio, S. 347. 166 Gigliotti: Renuntiatio, S. 348: „Così la solennità della cerimonia e della forma di stesura del documento non può celare il palese carattere di concessione dell’investitura […]“. 167 Vgl. dazu in der Einleitung dieses Buches den Abschnitt zur Symbolischen Kommunikation, ab S. 21. 168 Vgl. dazu dieses Buch, ab S. 134. Gigliotti bleibt den Nachweis über die Abgeschiedenheit Ripailles schuldig. Zudem weist er darauf hin, dass sich in Ripaille der Staatsrat Savoyens um Amadeus scharte und Ludwig zwischen 1434 und 1440 die Herzogsrolle keineswegs bereits effektiv ausfüllte.
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Als weiteres Argument gegen einen Herrschaftswechsel zwischen Ludwig und Amadeus VIII. bereits 1434 darf nicht unerwähnt bleiben, dass Ludwig erst 1440, anlässlich des Einzuges in Basel zur Krönung seines Vaters 169, seine Devise von einer persönlichen zu der dynastischen änderte. Als Prinz von Piemont trug er eine Devise, die aus einer weißen Feder an einem Zweig begleitet von dem Schriftzug fert bestand 170. Erst 1440 gebrauchte er die den Herzögen von Savoyen vorbehaltene dynastische Falken-Devise 171. Die Machtbereiche, die Amadeus VIII. zeitgleich mit der Ordensgründung der Ritterschaft von St. Mauritius und der Etablierung seiner dauerhaften Residenz in Ripaille an seine Söhnen übergab, waren rechtlich ausgesprochen eingeengt; diese Einschränkungen spiegelten sich auch im Zeremoniell wider. Daraus, wie auch aus den politischen Aktivitäten Amadeus’ VIII. von Ripaille aus, muss gefolgert werden, dass ein „Rückzug“ nicht stattgefunden hat. In Ripaille blieben weiterhin Politik und Hof präsent. Lediglich der Kleiderwechsel Amadeus’ gibt Anlass zum Erstaunen 172. Denn es ist in der Tat beachtenswert, dass Amadeus VIII. die fürstliche Kleidung ablegte, um einen einfachen, grauen Habit zu wählen. Die Symbolkraft der Kleidung war ihm dabei ausgesprochen bewusst, wie etwa die umfangreiche Kleiderordnung innerhalb der Statuta Sabaudiae zeigt 173. Gleichwohl sprechen die politischen Aktivitäten des
169 Vgl. dazu dieses Buch, ab S. 201. 170 Zur savoyischen Devise fert vgl. dieses Buch, S. 160. 171 Vgl. Pibiri, Eva: Une double consécration? Le Duc Louis de Savoie au couronnement de Félix V. à Bâle, in: Andenmatten, Bernard (Hg.): Mémoires du cour, Festschrift für Agostino Paravicini Bagliani, Lausanne 2009, S. 275 – 302, S. 282. Ludwig fügte erst im Juli 1440 dem Falken – diese Devise ‚de faucon‘ trugen zuvor Amadeus VI., VII. und VIII. – einen Kastanienzweig hinzu. Zur materiellen Qualität dieser Bildmedien vgl. die umfassende Einordnung von: Schmidt, Peter: Materialität, Medialität und Autorität des vervielfältigten Bildes. Siegel und andere Bildmedien des Mittelalters in ihren Wechselwirkungen, in: Späth, Markus (Hg.): Die Bildlichkeit korporativer Siegel im Mittelalter. Kunstgeschichte und Geschichte im Gespräch, Köln u. a. 2009, S. 89 – 111, bes. S. 109 – 110. 172 Der Kleiderwechsel wurde als Zeichen für den ‚Rückzug von der Welt‘ verstanden und als solcher z. B. von Piccolomini in seinem Bericht über Papstwahl Felix’ V. angeführt, um die Frömmigkeit und die Aufrichtigkeit des herzoglichen Eremiten zu betonen. Vgl. etwa auch die Stellungnahme des Konzils anlässlich der Wahl Felix’ V. am 17. November 1439, in: Mansi, Bd. 29, Sp. 200: Facto quinto scrutinio […] compertum est religiosum et nobilem virum Amedeum ducem Sabaudiae in solitudine Ripaliae, Gebennensis diocesis, iam a pluribus annis in virtute continentiae honeste conversantem et virtutum Domino in spiritu humilitatis ac simplici et humili habitu deservientem, in summum Pontificem universalis et Romanae Ecclesiae esse electum. 173 Vgl. dazu dieses Buch, S. 45.
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„Eremiten-Herzogs“ während der fünfjährigen Residenz in Ripaille zwischen November 1434 und November 1439 gegen einen realen Rückzug von der politischen Bühne; diese werden im Folgenden kurz umrissen 174. Zahlreiche Einträge in den Rechnungsbüchern der savoyisch-herzoglichen Kammer verzeichnen für die Jahre zwischen 1435 und 1439 eine Vielzahl von Gesandtschaften, die im Auftrag des Herzogs und nicht des Prinzen von Piemont unternommen wurden 175. Diese mitunter recht langfristigen, mit hohen Kosten verbundenen Gesandtschaften dienten der Vertretung savoyischer Interessen nicht nur am Basler Konzil, sondern am französischen, burgundischen und ungarischen Hof, bei Papst Eugen IV., beim Herzog von Bayern, in Mailand und Florenz 176. Von Ripaille aus trug Amadeus VIII. auch die langwierigen Auseinandersetzungen mit dem Basler Konzil um den Lausanner Bischofsstuhl aus 177. Das Konzil hatte im April 1435 endgültig für den altgedienten Konzilsvater Louis de Lapalud und gegen den herzoglichen und päpstlichen Favoriten Jean de Prangins als Lausanner Bischof entschieden. Dieser Konflikt begann 1431 und konnte erst 1440 – und damit nach der Wahl des savoyischen Herzogs zum Konzilspapst – durch eine Art Ringtausch gelöst werden 178. Für die Frage, ob sich Amadeus VIII. seit November 1434 vom politischen Geschehen entfernt hat, interessieren dabei weniger die einzelnen Positionen im Lausanner Bistumsstreit, der sich zwischen Basler Konzil, Papst Eugen IV. und Amadeus VIII. abspielte. Wichtiger ist vielmehr, dass es weiterhin Amadeus VIII. war, der sich in Briefen an das Konzil wandte, und dass diese Schreiben in Ripaille verfasst wurden 179. So entstand in Ripaille auch das scharf formulierte Protestschreiben, in dem die 174 Zu den Nachweisen für Amadeus’ Aktivitäten im innenpolitischen Alltag vgl. Angaben bei: Scarabelli, Luciano: Paralipomeni di Storia Piemontese dell’anno 1285 al 1617, Vol. I, Dichiarazione di alcuni documenti per servire alla storia degli Amedei, VI, VII e VIII di Savoia, Firenze 1847, S. 274 – 279. 175 Vgl. für die Titulierung in den Rechnungsbüchern des savoyischen Hofes Bruchet: Ripaille, Preuve 58 und Preuve 60. Die Aufstellungen für dominus noster dux (Amadeus VIII.) wurden darin auf Latein, für Ludwig, Monsigneur le Prince de Piémont, auf Französisch festgehalten. 176 Vgl. Bruchet: Ripaille, Preuve 58, S. 463 – 467. 177 Zum Lausanner Bistumsstreit im Detail: Schweizer, Julius: Le cardinal Louis de Lapalud et son procès pour la possession du siège épiscopal de Lausanne, Paris 1929, (Études d’histoire et de philosophie religieuses 20); Helmrath: Basler Konzil, S. 190f.; Sudmann: Basler Konzil, S. 50 – 60. Stieber: Amédée, in: Andenmatten/Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V, S. 347 betrachtet die Beziehungen zwischen Herzog und Konzil wegen der Lausannefrage vor 1439 als vergiftet (envenimées). Vgl. Müller: Franzosen, S. 842. 178 Sudmann: Basler Konzil, S. 56f. 179 Mansi, 30, Sp. 899ff.
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Prozessführung als parteiisch gebrandmarkt und der Konzilskandidat Lapalud als „unehrlicher Mönch“ betitelt wurde 180. Doch sollte dieser Angriff sich nicht langfristig auf das Verhältnis von Louis de Lapalud und Amadeus VIII./Felix V. auswirken, der denselben bereits im April 1440 zum Kardinal erhob und schließlich mit dem Bistum Maurienne versorgte. Gemeinsam mit Louis Aleman sollte Lapalud sogar eine entscheidende Rolle bei der Krönung Felix’ V. spielen 181. Auch im Konflikt um den Erzbischofsstuhl von Tarentaise 1438 intervenierte Amadeus VIII. beim Basler Konzil, da ihm der päpstliche Kandidat und Nepot Eugens IV., Marco Condulmer, nicht genehm war 182. Dieser wurde dann auch zügig gegen den savoyischen Wunschkandidaten Jean d’Arcès ausgetauscht. Dieser war ein treuer Gefolgsmann Felix’ V. und wurde von ihm ebenfalls zum Kardinal erhoben 183. Auch von außen wurde weiterhin Amadeus VIII., auch wenn er nun in Ripaille residierte, als die entscheidende Person in der savoyischen Politik angesehen. Entsprechend wandten sich Delegationen in diplomatischen Angelegenheiten an Amadeus und suchten ihn in Ripaille auf 184. So erschien etwa Kardinal Nikolaus Albergati im Juni 1435 in Begleitung von Enea Silvio Piccolomini, der diese Episode in seiner Kurzbiographie Amadeus’ VIII. in de viris illustribus sowie in den Commentarii erwähnt, auf dem Weg zum Kongress von Arras 185. Piccolomini erwähnt dabei auch, dass Pietro 180 Protestation vom 1. Mai 1435: Sacrosancta Concilia ad regiam editionem exacta, Bd. XII: Ab Anno MCCCCXIV ad annum MCCCCXXXVIII, ed. Philippe Labbé, Gabriel Cossart, Paris 1672, Sp. 989. Verlesen am 15. Mai 1435, vgl. CB III, S. 389, V, S. 130; Bruchet: Ripaille, S. 115; Marie José: La maison de Savoie, II,2, S. 154; Sudmann: Basler Konzil, S. 57. 181 Vgl. dazu dieses Buch, S. 198. 182 Sudmann: Basler Konzil, S. 103, CB V, S. 163, Müller: Franzosen, S. 186. 183 Vgl. Eubel, Konrad: Die durch das Basler Konzil geschaffene Hierarchie, in: Römische Quartalschrift für chirstliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 16 (1902), S. 269 – 286, S. 275; Müller: Franzosen, S. 186, 679, Anm. 38; zur Legationsreise von Pontano im Auftrag des Konzils: Woelki: Pontano, S. 428 – 446. 184 Vgl. zur Lyoner Delegation, die sich vom 6. bis zum 28. August 1437 in Ripaille aufhielt, Müller: Franzosen, S. 160, Anm. 71. 185 Vgl. Märtl, Claudia: Tommaso Parentucelli, Pietro da Noceto, Petrus de Bonitate und Enea Silvio Piccolomini. Zur Kanzlei der Legation Niccolò Albergatis in Arras (1435), in: Giessauf, Johannes u. a. (Hg.): Päpste, Privilegien, Provinzen. Beiträge zur Kirchen-, Rechtsund Landesgeschichte, Wien/München 2010, S. 291 – 311. Müller, Heribert: Konzil und Frieden. Basel und Arras (1435), in: Fried, Johannes (Hg.): Träger und Instrumentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter, Sigmaringen 1996 (VuF, 43), S. 333 – 390, S. 357 und S. 343, Anm. 33. Lacaze, Yvon: Aux origines de la paix d’Arras (1435). Amédée VIII de Savoie médiateur entre France et Bourgogne, in: Revue d’histoire diplomatique 87 (1973), S. 232 – 276. Pius II. Commentarii VII, 8, ed. Totaro, S. 1402; Enea Silvio Piccolomini, De Amedeo Sabaudie Comite, ed. Adrianus van Heck, in: De Viris Illustribus, Vatikanstadt 1991, S. 74 – 79, S. 75.
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da Noceto bei dieser Gelegenheit nulli alteri quam mihi visus, ein gegenüber Amadeus kritisches Cicero-Zitat, in die Mauern der Ripailler Residenz geritzt habe 186. Die Rolle des „Friedensfürsten“, die Amadeus VIII. von der savoyischen Hof- Historiographie zugeschrieben wurde und suggestiv bis heute die Historiographie beeinflusst, ist in überzeugender Weise relativiert worden 187. Denn in territorialpolitischen Auseinandersetzungen agierte Amadeus VIII. von Ripaille aus keineswegs immer friedfertig: So etwa im Konflikt zwischen ihm und dem Lyoner Erzbischof Amédée de Talaru, u. a. um die Burg Riottier an der Saône 188. Darüber hinaus ist den Prozessregistern zu entnehmen, dass die Versuche Savoyens, sich auf Kosten des Lyoner Erzbistums nach Westen zu vergrößern, offenbar ausschließlich auf die Inititative Amadeus’ VIII. von Ripaille aus zurückzuführen sind 189. Auch Papst Eugen IV. richtete im Februar 1438 seine Aufforderung zur Teilnahme am Konzil in Ferrara an Amadeus VIII. und schickte zugleich als päpstlichen Legaten den Bischof von Cavaillon nach Ripaille 190. Der Statthalter von Amadeus und Prinz von Piemont, sein Sohn Ludwig, wurde von der politischen Welt zwar nicht ignoriert, doch wurde er in einem Schreiben von Papst Eugen IV. „nur“ als Sohn von Amadeus angesprochen 191. Im Konflikt um die Verlegung des Konzils von Basel nach Ferrara richtete Amadeus VIII. seine diplomatische Aktivität sowohl nach Italien wie an den Rhein, wo als sein Gesandter der Abt von Abondance, François Ducrest, vor den Konzilsvätern um Frieden warb 192. Im Gegenzug schickte Amadeus VIII. seinen Gesandten, den Bischof von Aosta, Georg von Saluzzo, nach Florenz 193.
186 Piccolomini, De Amedeo, ed. Van Heck, S. 75. 187 Vgl. Müller: Franzosen, S. 163 – 165. Pierre Monod hat mit seiner apologetischen Schrift, Monod: Amedeus Pacificus, die historiographische Tradition des „Friedensfürsten“ Amadeus im 17. Jahrhundert begründet. 188 CB IV, S. 269. 189 Müller: Franzosen, S. 163. 190 Breve Eugens IV. an Amadeus VIII. (Ferrara, 13. Februar 1438), in: Guichenon: Histoire, Preuves, S. 300f. Ein zweites Schreiben ähnlichen Inhalts ist gleichzeitig der Kredenzbrief für den alsbald nach Savoyen gesandten päpstlichen Legaten, den Bischof von Cavaillon, ed. Guichenon, Preuves, S. 301 (15 Februar 1438). Die Gesandtschaft wurde bereits am 27. Januar 1438 angekündigt, vgl. Scarabelli: Paralipomeni, S. 282. Vgl. ein weiteres Schreiben vom 18. Februar 1438 bei Scarabelli: Paralipomeni, S. 280. Auch das Konzil hatte sich bereits am 17. Januar 1438 an den Herzog gewandt, vgl. Cognasso: Amedeo I, 2, S. 80, Abb. 8: Faksimile und italienische Übersetzung. 191 Monod: Amedeus, S. 72 (Dilectum filium). 192 CB V, S. 152, CB VI, S. 207, MC III, S. 60. 193 Die Gesandtschaft war mit 20 Reitern vom 10. März bis zum 4. Juni 1438 unterwegs; vgl. Bruchet: Ripaille, S. 464 (Abrechnungen des savoyischen Hofes); CB VI, S. 203 (Nennung
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Auch von Basler Seite wurde nach der Spaltung des Konzils das Werben um noch unentschiedene Fürsten intensiviert 194. Zum savoyischen Herzog schickte man als profilierten Gesandten den Juristen Ludovico Pontano 195 nach Ripaille, um sich der savoyischen Unterstützung zu vergewissern, und mit ihm auch den verschmähten Lausanner Bischofskandidaten, Louis de Lapalud. Dies war offensichtlich nötig, denn noch im März 1438 teilte der Abt von Abondance als Haupt einer savoyischen Gesandschaft dem Konzil in Basel die Auffassung von Amadeus VIII. mit, die Versammlung solle Frieden mit Eugen IV . quantum fuerit possibile schließen 196. Die umfangreichen Reden Pontanos sowie die ihm überreichten Geschenke zeugen von großer Aufmerksamkeit und wohlwollendem Entgegenkommen des savoyischen Herzogs gegenüber den Anliegen der Basler Konzilsversammlung. Zudem versprach er, hochrangige savoyische Kleriker nach Basel zu schicken, womit er einer zentralen Bitte des Konzils entsprach 197. Ähnlich wie Pontano wurde auch Johannes von Ragusa in Ripaille mit aufwendigen Geschenken ausgezeichnet; dieser konsultierte Amadeus VIII. nochmals am 1. August 1439 im Auftrag Kardinal Alemans, um ihn zu fragen, ob er Papst werden wolle 198. In Ripaille beschloss Amadeus VIII. 1437, sich an der Basler Gesandtschaft nach Konstantinopel zu beteiligen, die in großen Teilen mit savoyischen Mitteln finanziert war und unter prominenter Teilnahme von Savoyern stattfand. Die Konzilsflotte wurde kommandiert von Nicod de Menthon, ein Vertrauter Amadeus’ VIII. und dessen Statthalter in Nizza. Auch der savoyische Herold Jean Piémont hat eine wichtige Stellung in der Flotte inne 199. Das Scheitern der Konzilsflotte sowie das Verhalten des
der anderen Gesandten); Concilium Florentinum III/2: Fragmenta, Protocolli, Diaria privata, Sermones, ed. Georg Hofmann, Roma 1951, S. XXXVIf., S. 60 – 62. 194 MC III S. 60 und S. 103. Vgl. CB V, S. 175. Gesandtschaften zu Albrecht II., Karl VII., Filippo Maria Visconti; weitere Gesandte wurden bereits vorher nach England und zu den Kurfürsten (Frankfurter Wahltag) geschickt. 195 Vgl. Woelki: Pontano, S. 428 – 446. 196 CB IV., S. 202. 197 Amadeus VIII. versprach die Teilnahme von vier bis sechs Bischöfen und mehreren Äbten; siehe CB V, S. 163; MC III, S. 117. Vgl. Woelki: Pontano, S. 445. 198 Vgl. Pérouse, Gabriel: Le Cardinal Louis Aleman et la fin du grand Schisme, Lyon 1904, S. 308 mit Verweis auf weitere Quellen. 199 Mugnier, François: Nicod de Menthon, I. L’expédition du concile de Bâle à Constantinople pour l’union de l’Eglise latine grecque à l’Eglise latine 1437 – 1438 – II. Diverses charges de Nicod de Menthon, in: Mémoires et documents publiés par la Société Savoisienne d’histoire et d’archéologie 32 (1893), S. 25 – 79, S. 43, Anm.2: de Menthon wies in Byzanz sein Geleitschreiben von Amadeus VIII. und dem französischen König Karl VII vor. Die Konzilsflotte sei deshalb, so Mugnier, als Repräsentation der französischen Nation aufgetreten. Dazu auch: Mansi, 30, S. 1033, 1121f. (19. November 1427: Übertragung des Titels
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päpstlichen Nepoten Marco Condulmer, der Amadeus bereits im Tarentaisekonflikt missfallen und der den savoyischen Herold vermutlich hatte umkommen lassen, trugen wahrscheinlich zur Abkühlung des Verhältnisses zwischen Savoyen und Eugen IV. bei 200. Zugleich intensivierten sich auf diese Weise ab Anfang 1438 die Kontakte zwischen dem Basler Konzil und Amadeus VIII 201. Eine deutliche Annäherung zwischen Konzil und Herzog fand von Ripaille aus statt, das in vielfältiger Hinsicht ein politisches Zentrum darstellte und von dem aus Amadeus VIII. auch in seinem neuen Gewand weiterhin diplomatische Aktivitäten als Herzog unternahm.
Zusammenfassung Abschließend ist festzuhalten, dass Ripaille die Funktion einer fürstlichen Residenz zugewiesen werden muss, in der Amadeus VIII. einen dynastischen Sakralort etablierte. Darin sollte traditionelle Heiligenverehrung, insbesondere der Kult um den savoyischen Familien- und Landespatron St. Mauritius, mit zeitgemäßem Adelsethos verschmelzen. So kam dem 1434 von Amadeus kreierten Ritterorden, dessen Mitgliedschaft adeligen Savoyern vorbehalten war, neben den ansässigen Augustinermönchen die Obhut dieses Sakral- und Memoria-Ortes zu. Die Vereinnahmung des savoyischen Adels in den Kult um einen Familienpatron ist bemerkenswert, schließlich entstand auf diese Weise ein neuer Grad an Verpflichtung und Loyalität des niederen Adels gegenüber dem Landesherrn. Hinzu kommen dynastische Frömmigkeitsformen und die Repräsentation des Landesvaters als Hüter und Schöpfer einer gottgefälligen Gesellschaft, wie sie in eines Admirals), Müller: Franzosen, S. 199, Anm. 115; Cognasso: Amedeo, S. 180 – 181; Bruchet: Ripaille, S. 99, 115 – 117. Vgl. auch: de Foras, Eloi: Chevaliers de l’Ordre du Collier de Savoie dit de l’Annonciade appartenant on duché de Savoie de 1362 à 1860: Extrait de l’Armonial et Nobiliaire de l’ancien duché de Savoie, Grenoble 1978, Bd. III, S. 444, 445; Lazarus: Basler Konzil, S. 295 – 296. Vgl. dazu auch Scarabelli: Paralipomeni, S. 279. Müller: Franzosen, S. 140, 741, 820. Cohn, Willy: Die Basler Konzilsflotte des Jahres 1437, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 12 (1913), S. 16 – 52, S. 16. 200 Vgl. dazu mit ausführlichen Verweisen auf die ältere Forschung: Woelki: Pontano, S. 432 – 434. Dazu auch: Helmrath: Lateinische Teilnehmer, S. 175 – 180. Helmrath: Locus concilii, S. 640 – 644. 201 Zu den Vorgängen MC III, S. 38f.; S. 46f.; CB V, S. 142,28 – 144,25 (29. Januar 1438), den Gesandtschaftsbericht: CB V, S. 274 – 362 (1,3 – 4 Februar 1438), hier S. 335. Vgl. CB I, S. 132, Anm. 1; Valois, Noël: La crise religieuse du XVe siècle. Le Pape et le Concile (1418 – 1450), 2. Bde., Paris 1909, Bd. 2, S. 73; José, Marie: La maison de Savoie, Bd. 2, S. 157f. Vgl. zur Empörung des Herzogs gegenüber Marco Condulmer CB V, S. 163, 16 – 28 (21. Mai 1438).
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den Statuta Sabaudiae formuliert und in der visuellen Inszenierung als „Weltenrichter“ und „Majestät“ zugleich sichtbar wird. Eine seiner Devisen lautete: Servire Deo regnare est. Dieser Schriftzug zierte etwa eine in Ripaille und dann auch in Basel als Tischputz verwendete Goldschmiedearbeit 202. Mit dieser Devise leitete er auch die Urkunde ein, mit der Amadeus seinen Sohn Ludwig zu seinem Statthalter machte und sich selbst in Ripaille etablierte 203. Der Gottesdienst als Regierung bzw. Regieren als Gottesdienst ist wohl als Essenz des Phänomens der vermeintlichen Eremitage von Ripaille zu verstehen, wodurch dort das Regierungsgeschäft signifikant erhöht und auf die wichtigsten Fragen konzentriert wurde. In Ripaille kümmerte sich Amadeus, wie es in seinem Testament heißt, um militaria et alia ardua politica 204. Damit steigerte der Herzog auch seine Autorität als Herrscher, denn sein Eremitendasein beschränkte sich wohl auf den grauen Habit sowie Bart- und Haartracht. Dabei stellte zumindest der Bart ein polyvalentes Herrscherattribut dar 205, und auch die Eremitenkleider haben durch ihre unhöfische Extravaganz und Herausstellung der Herrschertugend der humilitas Status und Rang des Herzogs eher erhöht denn vermindert 206. Die Residenz in Ripaille wie auch die Regierungspraxis zwischen 1434 und 1439 sind als modellhaft für die Herrschaftsauffassung von Amadeus VIII. anzusehen. Es konnte hier deutlich gemacht werden, dass er seine Herrschaft, verstanden als Gottesdienst mit heilsgeschichtlichem Anspruch, durch umfassende dynastische Frömmigkeitspraxis, Stiftungen und die damit verknüpften Memoriaabsichten implementierte und damit legitimierte. Ordensstiftung, Bauprojekt und Eremitenhabit konnten bei
202 Vgl. zur Ausstattung in der Basler Papstresidenz, dieses Buch, ab S. 157. 203 Guichenon: Histoire, S. 350: Servire Deo regnare est, Regnum eius quaerentibus cuncta adijciuntur et singula offerendo, centupla accipiuntur. Operosus ergo Pater ille familias, qui licet Denario humanis cum Individuis pepigerit, novissimosque prioribus aequaverit poenis annuere, quam cohibere censetur, ut quamquam ampla seges sulcis abdita frugem polliceatur uberiorum, nos talem talibus lacessiti caducibus extremae vitae exitu preastolari vereamur et a quo talenta recepimus segnius occurrere, quam praeveniri debeamus. 204 Amadeus Testament, ed. Andenmatten/Paravicini Bagliani, S. 478, vgl. dazu Anm. 18. 205 Vgl. dazu dieses Buch, ab S. 124. 206 Vgl. dazu: Lehmann, Ursula: Die „heikle“ Bartfrage. Verhandlungen und Zeremoniell anlässlich der Wahlannahme von Felix V., in: AKG 91 (2009), S. 91 – 112. Vgl. dazu auch dieses Buch, S. 140f. Unter Herzog Ludwig avanciert dann die Farbe Grau rasch zu der fürstlichen Farbe schlechthin, vgl. dieses Buch, S. 203 und Page: Vêtir le Prince, S. 61 – 74. Vgl. dazu auch: Frieling, Kirsten O.: Sehen und gesehen werden. Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 – 1530), Ostfildern 2013 (Mittelalter-Forschungen, 41), S. 177 und S. 184, die freilich die Zuschreibung einer sich vermeintlich in der Farbe Grau abbildenden, nicht weiter erläuterten Frömmigkeit Ludwigs von Savoyen von Agnes Page übernimmt.
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Amadeus selbstverständlich mit der Ausübung seines Herrschaftsamtes und fürstlicher Repräsentation einhergehen, und so ist auch das schlichte Gewand als Zeichen seiner maiestas zu interpretieren – versteckt unter der Chiffre humilitas. Ripaille als bescheidene, weltabgewandte Klause aufzufassen – wie dies in der Forschungsdiskussion bislang üblich ist –, würde verkennen, dass Amadeus VIII. hier ein langfristiges Großprojekt für die dynastische Memoria plante, das daher als spirituell-sakrales Zentrum des Herzogtums Savoyen verstanden werden sollte.
2.4 Papstwahl Felix’ V. auf dem Basler Konzil Die Wahl von Herzog Amadeus VIII . von Savoyen zum Papst Felix V. fand am 5. November 1439 in einem konsensualen Verfahren statt. Im Vorfeld war der Ablauf der Wahl durch die Generalkongregation des Basler Konzils genau bestimmt worden. Nach dem Wunsch der dort versammelten Konzilsväter sollte die Wahl bis ins Detail dem kanonischen Recht und der Tradition entsprechen. Doch ein ordentliches Konklave konnte in Basel schon deshalb nicht stattfinden, da sich nur noch ein einziger Kardinal unter den Konzilsangehörigen befand. Seit dem Papstwahldekret von 1059 oblag es exklusiv den Kardinälen, einen Kandidaten – zumeist aus den eigenen Reihen – auf den Stuhl Petri zu erheben. In Ermangelung eines Kardinalkollegiums war es deshalb notwendig, das Wahlgremium in Basel neu zu konstituieren. Warum war es 1439 in Basel aber überhaupt erforderlich, einen neuen Papst zu wählen? Und weshalb wurde dieser Papst letztlich nicht anerkannt und ging als letzter Gegenpapst in die Kirchengeschichte ein? Um diese Fragen zu klären, wird in diesem Kapitel der Weg ins Basler Schisma nachgezeichnet, das zunächst vor allem ein Schisma von zwei Konzilien war, nachdem Eugen IV. das in Basel tagende Generalkonzil nach Ferrara verlegte und am 8. Januar 1438 eröffnete. Eine Mehrheit der Basler lehnte dieses Konzil Eugens ab und setzten die Kirchenversammlung in Basel fort. Stattdessen entbrannte nun ein Streit, in dessen Folge Papst Eugen IV. am 26. Juni 1439 durch das Basler Konzil als Häretiker verurteilt und in der Folge vom Papstamt enthoben wurde. Im Folgenden werden die einzelnen Eskalationsstufen knapp umrissen, die zu der Absetzung führten 207. Aus Perspektive der Basler Konzilsversammlung war der Papststuhl vakant und die Notwendigkeit gegeben, einen neuen Papst zu wählen. Seit der Wahl Martins V. auf dem Konstanzer Konzil (11. November 1417) bestand in Basel kein Zweifel daran,
207 Ein Papst konnte nach den Vorschriften des kanonischen Rechts nur seines Amt enthoben werden, wenn er als papa haereticus (häretischer Papst) vom Glauben abgefallen war. Vgl. dazu dieses Buch, S. 69.
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dass der neue Papst vom Basler Konzil gewählt werden müsse. Da jedoch mit Louis Aleman nur ein einziger Kardinal noch dem Basler Konzil angehörte, musste das Wahlgremium von Grund auf neu konstituiert werden, worüber die Basler Konzilsväter intensiv diskutierten. Diese Debatten über Details des Wahlverfahrens und mögliche Konklave-Teilnehmer im Vorfeld der Wahl sollen hier knapp dargelegt werden, da aus diesen Auseinandersetzungen zentrale Positionen des sogenannten Basler Konziliarismus deutlich hervortreten. Die Außerordentlichkeit eines Konzilsschismas führte zu einer genauen Festlegung des Verfahrens; so wurden die Teilnehmer an der Wahl der eigenen Situation angepasst und im Vorfeld genau festgelegt 208. Grundsätzlich befand man sich damit auf einer Linie mit dem Konklave zur Wahl Martins V. auf dem Konzil von Konstanz, das ebenfalls die Reihen des Konklaves neben den anwesenden Kardinälen mit anderen Konzilsangehörigen aufgefüllt hatte 209. Doch das in Basel neu konstituierte Wählergremium repräsentierte die Auffassung des Konzils in entscheidenden Punkten 210; so wurden die Papstwähler im Konklave vor allem nach Rang und landsmannschaftlicher Zugehörigkeit bestimmt. Die detailgenaue Erfüllung weiterer Normen – mit einer geradezu peniblen Einhaltung der innerkirchlichen Vorschriften wie etwa der Konklaveordnung von 1274 – sollte hingegen Zweifel am Verfahren und damit Zweifel an dem gewählten Papst verhindern, denn von der Unangefochtenheit seines künftigen Papstes hing zu erheblichem Anteil auch die Rechtmäßigkeit und Wirkungskraft des Konzils insgesamt ab. Die Wahl zum Papst stellte neben der Krönung den zentralen legitimationsstiftenden Akt der Papstentstehung dar. Da in dieser Studie die Legitimationsstrategien des Gegenpapstes Felix V. im Zentrum der Fragestellung stehen, wird dem Wahlverfahren eine besonders hohe Aufmerksamkeit geschenkt. Die vielfältigen Verfahrensfragen werden zunächst anhand ihrer Überlieferung, insbesondere durch die Berichte von Johannes von Segovia und Enea Silvio Piccolomini nachgezeichnet. Dabei fällt in diesen historiographischen Schriften die beständige Affirmation der Regelhaftigkeit
208 Vgl. dieses Buch S. 82. Dort wird ausgeführt, dass nach Niklas Luhmann ein definierter Teilnehmerkreis als ein Kennzeichen von hoher Verfahrensautonomie gilt. 209 Der Kenner des Konstanzer Konzils Karl August Fink äußerte über das Basler Konzil: „Unter den Reformen der Kurie ragen an Bedeutung die Bestimmungen über die Papstwahl und das Kardinalskolleg hervor.“ Vgl.: Handbuch der Kirchengeschichte, III/2, Freiburg i. Br. 1985, S. 579. 210 Der ‚Nationenproporz‘ fand sich allerdings auch zu gewissen Anteilen im Kardinalskollegium wieder. Zumindest wählte Eugen IV. bei seinen Kardinalskreationen während des Basler Konzils gezielt Personen aus allen Gebieten der damaligen Christenheit aus. Vgl. Eubel, Conrad(us): Hierarchia Catholica Medii Aevi sive Summorum pontificum, S. R. E. cardinalium, ecclesiarum antistitum series, Bd. II: 1431 – 1503, Münster (2. Aufl.) 1914, S. 7f.
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auf. Dies gilt insbesondere für das Konklave in Basel selbst, das durch den Bericht Piccolominis zu einer der am besten überlieferten Papstwahlen überhaupt wurde. Es ist deshalb als Zweites zu fragen, welche legitimationsstrategischen Intentionenen diesen Berichten zugrunde liegen. Zuletzt sollen zu der häufig gestellten Frage, ob Herzog Amadeus VIII. langfristig die Strategie verfolgte, sich durch das Basler Konzil zum Papst wählen zu lassen, einige Anmerkungen gemacht werden.
Der Weg ins Schisma Das grundsätzliche Misstrauen vieler Konzilsväter gegenüber Eugen IV.211, der das Basler Konzil (1431 – 1449) gleich zu Beginn (18. Dezember 1431) für aufgelöst erklärt hatte, stieg in den Auseinandersetzungen um eine Union zwischen der lateinischen mit der orthodoxen Kirche und der Lösung des Schismas von 1054, der sogenannten ‚Griechenunion‘, nochmals an. Seine ablehnende Haltung gegenüber dem Basler Konzil hatte Eugen IV. bereits im Juni 1436 in dem an die europäischen Fürsten gerichteten Memorandum, dem Libellus apologeticus 212, formuliert, wobei er die Versammlung zu diesem Zeitpunkt zumindest noch offiziell als legitim tagendes Generalkonzil ansah. Im Libellus bezichtigte er das Konzil, den monarchisch verfassten Papat stürzen zu wollen 213. Joachim Stieber vermutet darin die Absicht, die Unterstützung für das Basler Konzil bei den säkularen Fürsten unterminieren zu wollen 214. In dem Libellus – Heribert Müller charakterisiert ihn als eine injection monarchique 215 – äußerte Eugen IV. auch sehr konkret seine Kritik an fundamentalen Auffassungen 211 Zum Forschungsstand mit Literaturangaben zu Papst Eugen IV. siehe: Diener, Hermann/ Schwarz, Brigide: Das Itinerar Papst Eugens IV. (1431 – 1447), in: QFIAB 82 (2002), S. 193 – 229. Vgl. das Repertorium Germanicum für das Ponitifikat Eugens IV. Diener, Hermann/Schwarz, Brigide (Hg.): Repertorium Germanicum, Verzeichnis der in den Registern und Kameralakten vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches, seiner Diözesen und Territorien. Bd. V: Eugen IV. 1431 – 1447, Redaktion Christian Schöner, Tübingen 2004. Zu Eugen IV. und seinem Verhältnis zum Basler Konzil: Stieber: Eugenius IV. 212 Libellus Apologeticus pro Eugenio, in: Annales Ecclesiastici denuo excusi et ad nostra usque tempora perducti ab Augustino Theiner, Bd. 28, ed. Caesare Baronius, Paris 1874, S. 194 – 211. Siehe auch Stieber: Eugenius IV, S. 27 – 32. Black, Anthony: Monarchy and Community. Political Ideas in the Later Conciliar Controversy 1430 – 1450, Cambridge 1970, S. 86 – 90. 213 Libellus Apologeticus, ed. Baronius, S. 200: Cur monarchiam hanc, quam Deus suo ore instituit, ad populorum statum et ad democraciam deducere festinant? 214 Stieber: Eugenius IV., S. 32. 215 Müller, Heribert: Les Pays Rhénans, la France et la Bourgogne à l’Epoche du Concile de Bâle, in: Francia 30/1 (2003), S. 107 – 133, S. 108.
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und Vorhaben des Konzils: So konnte er den Superioritätsanspruch des Konzils gegenüber dem Papst nicht akzeptieren und damit auch nicht die aus dieser Haltung resultierenden Dekrete, in denen die Einkünfte und die Amtsgewalt des Papstes beschnitten wurden 216. Zudem verurteilte er die Ausschreibung eines Ablasses 217 zur Finanzierung des geplanten Unionskonzils von Seiten des Konzils als einen Eingriff in päpstliche Reservatrechte 218. Es gebe aufgrund der „illegitimen Amtsanmaßung“ und „Selbstüberschätzung der Konzilsväter“ duo tribunalia et duo capita in Ecclesia 219. Der schwelende, grundlegende Konflikt über die Verfassungsstruktur der Kirche eskalierte angesichts der Überlegungen Eugens, das Konzil von Basel an einen anderen Ort zu verlegen. Diese Frage spaltete die Anhängerschaft und führte zu einem vollständigen Auseinanderbrechen der Fraktionen und schließlich zu einem Schisma zwischen den Konzilien von Basel und Ferrara/Florenz und in der Folge zu dem Schisma zwischen den Päpsten Eugen IV. und Felix V. Sowohl der Papst als auch das Konzil verhandelten mit Byzanz über eine mögliche ‚Griechenunion‘. Dabei entstand in der Erörterung der Unionsfrage eine Debatte um den Konzilsort, da die Griechen einen mit dem Schiff gut erreichbaren Tagungsort forderten. Eugen IV. nutzte diese Bedingung, um das ungeliebte Konzil von Basel in seinen direkten Einflussbereich nach Italien zu verlegen. Dies rief bei den gegenüber einer Einflussnahme des Papstes in konziliare Angelegenheiten äußerst misstrauischen Baslern schlagartig Erinnerungen an die Verlegung des Konzils von Pavia nach Siena 1423 durch die päpstlich ernannten Präsidenten und die anschließende Auflösung der Versammlung wach. Die Basler Väter schienen geradezu traumatisiert von einer Verlegung des Tagungsortes zu sein, zumal einer Translation nach Italien 220. Die Frage einer Translation des Konzilsortes war keineswegs nur ein „ideologisch aufgebauscht(es)“ Problem 221, denn es ging dabei um mehr als nur innerkonziliare Gruppen- oder Einzelinteressen. Das Konzil – mit seinem Vorsitzenden Giuliano
216 Damit bezieht er sich vor allem auf das Annatendekret (9. Juni 1435, 21. Sessio, COD, S. 488 – 492, S. 488f.) und die Bindung des Papstes durch einen Eid (26. März 1436, 23. Sessio, COD S. 495 – 505, S. 496). Vgl. Decaluwe: Successful Defeat, S. 252 – 255. 217 COD, S. 506f. 218 Siehe zum Konzilsablass Sudmann: Basler Konzil, S. 291 – 324. 219 Sudmann: Basler Konzil, S. 18. 220 Vgl. Helmrath: Basler Konzil, S. 373. Dazu auch Helmrath: Locus Concilii, S. 620 – 621, 645. Dies betont auch nochmals Miethke, Jürgen: Kirchenreform auf den Konzilien des 15. Jahrhunderts. Motive – Methoden – Wirkungen, in: Helmrath, Johannes/Müller, Heribert (Hg.): Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen, Bd. I, München 1994, S. 13 – 42, S. 27f. und Miethke: Drehscheibe, S. 273. 221 Krämer: Konsens, S. 279. Zu der Ortswahlproblematik siehe umfassend: Helmrath: Locus concilii.
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Cesarini 222 als Vertreter des Papstes – hatte eine solche Selbständigkeit entwickelt, „dass eine Translation allein auf Grund päpstlicher Verfügung, noch dazu in das politische Machtgebiet des Papstes, das Ende einer durch das Konstanzer Konzil sanktionierten Entwicklung bedeuten musste“223. Im Widerspruch zu den „Dekreten Haec Sancta und Frequens würde das Allgemeine Konzil der Gesamtkirche sich im Fall einer widerstandslosen Vertagung zu einer Papst-Synode degradiert“ sehen 224. Es schien für das Papsttum ohnehin weniger problematisch zu sein, ob eine konziliare Zusammenkunft erfolgte, als vielmehr, an welchem Ort sie stattfinden sollte 225. Eugen IV. und seine nicht sehr zahlreichen Anhänger in Basel standen einer großen Mehrheit Basler Konzilsväter gegenüber, die eine Verlegung nach Italien kategorisch ablehnten. Als Kompromissversuch wurde ein Unionskonzil in Avignon oder in einer Stadt in Savoyen angeregt; einer Verlegung dorthin konnten in einer Generalkongregation am 5. Dezember 1436 immerhin zwei Drittel der Anwesenden zustimmen 226. Damit hatte sich das Konzil an der Ortsfrage entzweit 227. Zwar blieben Konzil und Papst parallel darum bemüht, die Griechen zur Teilnahme an einem Einigungskonzil zu bewegen. Doch gelang es der päpstlichen Diplomatie schon bald, die Griechen für ihre Vorschläge und für die Abhaltung eines Unionskonzils in Ferrara zu gewinnen. Eine Teilnahme des Papstes an dieser Versammlung war eine Grundbedingung für den Patriarchen von Konstantinopel Josef II. (1416 – 1439), der davon ausging, dass konziliare Abmachungen gegen oder ohne den Papst nicht sinnvoll seien. Der oströmische Kaiser und sein Patriarch waren essentiell auf rasche und handfeste militärische Unterstützung gegen die Bedrohung durch die Osmanen angewiesen. Jedenfalls konnte man sich von päpstlicher Seite eine wirkungsvollere Unterstützung gegen die Türken erhoffen als von den Basler Vätern. Gemäß ihrer Devise „keine 222 Siehe zu Giuliano Cesarini: Christianson, Gerald: Cesarini. The Conciliar Cardinal. The Basel Years, 1431 – 1438, St. Ottilien 1979. Zur Rolle Cesarinis in der Anfangszeit des Basler Konzils vgl. mit neuerer Literatur: Decaluwe: Successful Defeat, S. 64 – 99; zu seiner Konzilsauffassung vgl. Krämer: Konsens, S. 125 – 163. 223 Krämer: Konsens, S. 280. 224 Krämer: Konsens, S. 280. 225 Vgl. Thomson: Popes, S. 5. 226 Vgl. Helmrath: Basler Konzil, S. 164 mit weiteren Angaben. 227 MC II, S. 921. Die Debatte um den Konzilsort ist detailreich nachzuverfolgen bei Valois: Crise, S. 34 – 70. In der 25. Sessio, am 7. Mai 1437, wurde ein Dekret De locis futuri et oecumenici concilii pro Graecis verabschiedet, in dem an Basel festgehalten wurde. Darin wurden als Alternativen zudem Avignon, und wenn dies abgelehnt würde, ein Ort in Savoyen genannt. In derselben Sitzung wurde zu dieser Frage ein ‚Minderheitendekret‘ verabschiedet, in dem festgelegt wurde, das Konzil solle entweder nach Florenz oder Udine oder an einen anderen Ort in Italien verlegt werden. Vgl. COD, S. 510 – 513; dazu Helmrath: Locus concilii, S. 626 – 640.
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Union ohne Papst“228 stach die griechische Delegation in Konstantinopel auf der sie abholenden, päpstlichen Flotte in See, während die Schiffe der Basler unverrichteter Dinge zurückkehren mussten. Diese Flotte des Konzils war zu nicht unerheblichen Teilen vom savoyischen Herzog Amadeus VIII. finanziert worden 229. Aus dem konkreten Streitpunkt um den Konzilsort enstand eine grundsätzliche Auseinandersetzung über die Superiorität der beiden Verfassungsinstitutionen Konzil und Papst, die zu einem erneuten Schisma führte 230. Der vom Konzil in der Folgezeit angestrengte Häresie-Prozess gegen den Papst durchlief zwischen 1437 und 1439 mehrere Eskalationsstufen mit retardierenden Phasen, in denen sich einige Konzilsväter für eine Konfliktlösung einsetzten. Doch insgesamt wurde stetig eine Verurteilung Eugens IV. als Häretiker betrieben 231, und damit seine Absetzung als Papst bewusst herbeigeführt. Für diesen Fall der Absetzung eines häretisch gewordenen Papstes sahen Tradition und kanonisches Recht die Superiorität des Konzils als evident und unangefochten an 232. Um die Ausgangsituation der Papstwahl Felix’ V. einschätzen zu können, soll an dieser Stelle knapp auf die Debatte um den häretischen Papst näher eingegangen werden. Die Immunität des Bischofs von Rom als ranghöchstem Episcopus reicht in ihrer schriftlichen Fixierung bis in das 5. Jahrhundert zurück, denn es galt, dass „der erste Stuhl nicht gerichtet werden“ dürfe 233. Die Möglichkeit einer Häresie des Papstes wurde dennoch für möglich erachtet, so etwa forderte der Kardinal Humbert von Silva Candida in einem Brief an Leo IX. die Bestrafung eines häretischen Papstes 234. Die Indefektibilität der römischen Kirche schloss die Immunität des Papstes mit ein, die jedoch durch die Häresieklausel unvollständig blieb. Diese Auffassung findet sich im Decretum Gratiani, so werden der Grundsatz Papa nemine iudicatur (C.9 q.3 c.10 – 18) und die Häresieklausel nisi a fide devius (D.40 c.6) genannt, ohne, wie 228 Helmrath: Basler Konzil, S. 377. 229 Vgl. zur savoyischen Unterstützung der Konzilsflotte nach Konstantinopel dieses Buch, S. 61. 230 Vgl. hierzu die einschlägige Studie von: Vagedes, Arnulf: Das Konzil über dem Papst? Die Stellungnahmen des Nikolaus von Kues und Panormitanus zum Streit zwischen Basel und Eugen IV., Paderborn u. a. 1981. 231 Siehe den Überblick bei Stieber: Eugenius IV, S. 35 – 56; Rosenblieh, Émilie: Témoigner contre le pape. Témoins et témoignages produits contre Eugène IV au concile de Bâle (juillet 1437–jion 1439), in: Müller: Ende des konziliaren Zeitalters, S. 59 – 81. Decaluwe: Successful Defeat, S. 270 – 294. 232 Zu dieser Frage grundlegend: Prügl, Thomas: Der häretische Papst und seine Immunität im Mittelalter, in: Münchener Theologische Zeitschrift 47 (1996), S. 197 – 216. 233 Diese Grundannahme steht auch im 19. Satz des sogenannten Dictatus Papae (1075): Quod a nemine ipse iudicari debeat. Vgl. Prügl: Häretischer Papst, S. 197. 234 Prügl: Häretischer Papst, S. 198.
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Thomas Prügl befindet, „die beiden Gedanken befriedigend zu vermitteln“235. Die somit – zumindest in der Theorie – entwickelte Möglichkeit einer Papstanklage erhob das Allgemeine Konzil zu einem „potentiellen Kontrollorgan“ der monarchischen Spitze innerhalb der Kirche 236. Einen vorläufigen Abschluss der kanonistischen Theorie über den papa haereticus stellt Pedro de Lunas (Benedikt XIII.) Traktat von 1408 dar, in dem er die Frage, ob ein Papst, wenn er sich als Häretiker erweist, durch das Konzil gerichtet, verurteilt und abgesetzt werden dürfe, dahingehend beantwortete, dass die Hartnäckigkeit der Häresie dem Papst einwandfrei nachgewiesen werden müsse 237. Selbst der Avignon-Papst konnte sich auch nicht für eine absolute Immunität entscheiden. Dagegen standen die widerstreitenden Prinzipien der juristischen Superiorität des Amtes und die theologische Heiligkeit der Kirche – hier die Immunität des Papstes, dort die Indefektibilität des Glaubens. Nicht die Beseitigung dreier Papstprätendenten auf dem Konzil von Konstanz, sondern erst die Ereignisse auf dem Basler Konzil, wo „ein Allgemeines Konzil frei über den Papst verfügen und ihm befehlen wollte“, riefen papale Kräfte auf den Plan, die nun daran gingen, mit der Theorie von der absoluten Immunität des Papstes „die letzte Schwachstelle der hochmittelalterlichen Papaltheorie zu beseitigen“238, um den absoluten Vorang des Papstes über das Allgemeine Konzil zu zementieren. Zur Überwindung eines Schismas boten sich grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten an: Der Pariser Theologe Heinrich von Langestein hatte empfohlen, Neutralität zwischen den streitenden Päpsten zu wahren, bis die gesamte Kirche auf einem Konzil eine Lösung herbeiführen würde. Neben der via concilii generalis stand auch die via compromissi oder comprimissionis zur Verfügung, die allerdings kaum gangbar erschien. Mehr Erfolg versprach die via cessionis, die als Lösung die Abdankung beider Prätendenten vorsah, um die Wahl eines nicht angezweifelten Pontifex zu ermöglichen. Falls auch dies nicht fruchtete, blieb allein die via subtractionis, der Entzug des Gehorsams 239.
235 Prügl: Häretischer Papst, S. 199. 236 Prügl: Häretischer Papst, S. 199; Woelki: Pontano, S. 239. Vgl. dazu auch mit weiter Perspektive: Walther, Helmut G.: Konziliarismus als politische Theorie? Konzilsvorstellungen im 15. Jahrhundert zwischen Notlösungen und Kirchenmodellen, in: Müller/Helmrath (Hg.): Konzilien, S. 31 – 60, S. 60. 237 Vgl. dazu Girgensohn, Dieter: Ein Schisma ist nicht zu beenden ohne die Zustimmung der konkurrierenden Päpste. Die juristische Argumentation Benedikts XIII. (Pedro de Lunas), in: AHP 27 (1989), S. 197 – 247. 238 Prügl: Häretischer Papst, S. 214. 239 Vgl. Girgensohn, Dieter: Das Recht der Kirche gegenüber dem irrenden Papst: juristische und theologische Doktrin im späteren Mittelalter, in: Pennington, Kenneth/Chodorow,
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Eine umfassende Strategie zur Beseitigung des Großen Abendländischen Schismas hatte der Jurist Francesco Zabarella in seinem Tractatus de schismate entworfen. So sollten alle Nationen der Christenheit den streitenden Päpsten den Gehorsam aufkündigen und ihre Repräsentanten – zusammengetreten in einem Generalkonzil – die Hartnäckigkeit und damit den Amtsverlust feststellen; sodann sollte ein Papst der Einheit gewählt werden 240.
Prozess gegen Eugen IV. Zuletzt ging es bei diesem Konflikt um die Klärung der grundsätzlichen Frage, wer in der Kirchenverfassung die oberste Leitungsinstanz innehatte, Papst oder Konzil. Da diese innerkirchliche Auseinandersetzung zwischen Konzil und Papst vor allem als eine Rechtsfrage behandelt wurde, kam der Kanonistik die zentrale Rolle zu. Zumindest führt die rechtswissenschaftliche Argumentation auf beiden Seiten zu dem Eindruck, dass hier letztlich eine Rechtsfrage geklärt werden sollte 241. Die kanonistisch geschulten Kleriker auf beiden Seiten arbeiteten fallbezogene Lösungen aus und versuchten, diese durch wörtliche Zitate aus autoritativen Texten abzusichern 242. Dabei waren sie weniger daran interessiert, ein dialogisches Verständnis herbeizuführen, als den eigenen Standpunkt überzeugend zu vertreten und die gegnerischen Argumente zu widerlegen 243. Themen der Auseinandersetzungen betrafen eher
Stanley/Kendall, Keith (Hg.): Proceedings of the Tenth International Congress of Medieval Canon Law, Vatikanstadt 2001, S. 705 – 726, S. 716. 240 Vgl. zu Francesco Zabarella: Girgensohn, Dieter: Francesco Zabarella aus Padua. Gelehrsamkeit und politisches Wirken eines Rechtsprofessors während des großen abendländischen Schismas, in: ZRGKanAbt 79 (1993), S. 232 – 277. 241 Vgl. Miethke, Jürgen: Konziliarismus – Die neue Doktrin einer neuen Kirchenverfassung, in: Hlavácek, Ivan/Patschovsky, Alexander (Hg.): Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (1414 – 1418) und Basel (1431 – 1449), Konstanz 1996, S. 29 – 59, S. 38 – 41; Sieberg, Werner: Studien zur Diplomatie des Basler Konzils (phil. Diss.), Heidelberg 1951, S. 64 – 74; Tierney: Foundations, S. 217; Vagedes: Konzil, S. XIII; Woelki: Pontano, S. 238 – 239. Zum Prozess des Basler Konzils gegen Eugen IV. vgl. die umfangreiche Aufarbeitung der Akten in der bislang ungedruckten Thèse von Rosenblieh, Émilie: Juridiction conciliaire et juridiction pontificale au temps du concile de Bâle 1431 – 1449. Recours, procédures et suppliques, Paris 2010. 242 Vgl. Krämer: Konsens, S. 59: „Hauptaufgabe der technisch geschulten Juristen war der Aufbau einer stringenten Zitatreihe.“ 243 Miethke: Konziliarismus, S. 36; zur juristischen Methode vgl. Kantorowicz: Zwei Körper, S. 133f., Bermann:Recht, S. 199 – 271, Helmrath: Kommunikation, S. 144.
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rechtliche als theologische Fragen, wie etwa die Zulässigkeit einer Konzilsauflösung oder -verlegung durch den Papst, die Gültigkeit von Konzilsbeschlüssen, die nicht von einer Mehrheit der Bischöfe getragen wurden, oder die Legitimität eines konziliaren Prozesses gegen den Papst. Letzteres kann kaum nur als eine bloße Rechtsfrage aufgefasst werden, doch es waren vor allem juristische Argumente, die in dem sich zunehmend verschärfenden Konflikt zwischen Eugen IV . und dem Basler Konzil ausgetauscht wurden 244. So entsteht der Eindruck, dass Konzil und Papst gewissermaßen als Parteien in einem Rechtsstreit agierten, die ihre ‚Anwälte‘, vornehmlich Juristen wie Panormitanus (Nikolaus de Tudeschi, Erzbischof von Palermo) und Lodovico Pontano auf der Seite des Konzils und Nikolaus von Kues und Antonio da Roselli auf der päpstlichen Seite, für sich auftreten und sprechen ließen 245. Der Prozess des Konzils gegen den Papst begann mit seiner Vorladung vor das Gericht des Konzils am 31. Juli 1437246. Darin wurde Eugen IV . aufgefordert, sich zu seiner Weigerung zu erklären, die Reformdekrete Basels zu befolgen. Die Frist von 60 Tagen ließ er verstreichen, löste stattdessen am 18. September 1437 mit der Bulle Doctoris gentium das Konzil in Basel auf und rief das mit den Griechen verabredete Unionskonzil in Ferrara ein 247. Die Basler antworten darauf in der 28. Sessio vom 1. Oktober 1437 mit einer Kontumazerklärung gegenüber dem Papst 248. Nachdem dieser am 8. Januar 1438 das Unionskonzil in Ferrara eröffnet hatte, suspendierten ihn die Basler Konzilsväter am 24. Januar 1438249. In dem Dekret De veritate fidei catholice per tres veritates vom 16. Mai 1439 wurde die Superiorität des Konzils über den Papst und die Unauflösbarkeit eines Konzils als Glaubenswahrheit verkündet und jeder Verstoß dagegen ausdrücklich als Häresie erklärt 250. Auf dieser Grundlage 244 Walther: Konziliarismus, in: Helmrath/Müller (Hg.): Konzilien, S. 31 – 60, bes. zur Rolle der Juristen S. 51 – 58; Sieberg: Diplomatie, S. 165. 245 Vgl. Woelki: Pontano, S. 327 – 339. 246 Vgl. den Text des Monitoriums, die gerichtliche Vorladung des Papstes: MC II, S. 1010 – 1013; vgl. Rosenblie, Émilie: La juridiction du concile de Bâle ou la tentative d’instaurer la communauté conciliaire dans l’Église (1431 – 1449), in: Hypothèse 2005, S. 127 – 136. 247 Der Text der Bulle Doctoris gentium Eugens IV. in: Epistolae Pontificiae ad Concilium Florentinum Spectantes, ed. Georg Hofmann, Pars I, 1418 – 1438, Roma 1940, S. 91 – 99. Vgl. für den Text der Translationsbulle auch MC II, S. 1033 – 1054. 248 MC II, 1011 – 13, S. 1028 – 1032. 249 MC III, S. 20ff. Vgl. die einschlägige Literatur zum Konzil von Ferrara/Florenz in: AHC 22 (1990), 23 (1992); Gill, Joseph: The Council of Florence, Cambridge 1959. Breit gestreute Aspekte behandeln die Sammelbände: Alberigo, Giuseppe (Hg.): Christian Unity. The Council of Ferrara/Florence, 1438/39 – 1989, Löwen 1991; Vitti, Paolo (Hg.): Firenze e il concilio del 1439. Convegno di studi, Bd. 1 – 2, Firenze 1994. 250 Das Dekret De veritate fidei catholice per tres veritates, in: MC III, S. 278 und Mansi 29, 178B – 179B. Vgl. dazu auch: Decaluwe: Successful Defeat, S. 295 – 300.
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wurde Eugen IV . als Ketzer verurteilt und am 25. Juni 1439 als häretisch gewordener Papst abgesetzt 251. Am 5. Juli 1439 verkündete Eugen IV. in Florenz die Union mit den Griechen. In der Unionsbulle Laetentur Coeli vom 6. Juni 1439252 formulierte er eine Superioritätserklärung des Papstes gegenüber dem gesamten Erdkreis. Dies stellte eine direkte Antwort und zugleich eine Verwerfung des Basler Konziliarismus dar, wie er in dem Dekret De veritate fidei catholice per tres veritates vom 16. Mai 1439 ausgedrückt war. Die ‚Griechenunion‘, wiewohl nicht von Dauer, brachte Eugen IV. einen veritablen Prestigeerfolg; zudem konnte er nun den Baslern vorwerfen, sich der Union und damit der Wiederherstellung der kirchlichen Einheit verweigert zu haben, obwohl dies eine ihrer erklärten Kernaufgaben war 253. Unter den lateinischen Teilnehmern in Ferrara/Florenz war vor allem der hohe Klerus stark vertreten 254. Mehr noch als diese unterstrichen freilich die hochrangigen und zahlreichen Gesandtschaften aus Konstantinopel und aus anderen Gebieten der Ostkirche den Anspruch Eugens IV., der rechtmäßige Papst zu sein. Ihm war es nach eigenem Verständnis endlich gelungen, das Schisma von 1054 – und, was noch schwerer wog, die tiefe Entfremdung seit der Plünderung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer von 1204 – überwunden zu haben 255. Unter dem Eindruck eines vollzogenen Konzilsschismas verließen viele Konzils teilnehmer Basel 256. Auch hochrangige und prominente Väter wie Nikolaus von Kues, Juan de Palomar oder auch der Konzilspräsident Giuliano Cesarini folgten dem Ruf Eugens IV. nach Ferrara. Dessen Amt als Konzilspräsident nahm seit dem 14. Februar 1438 Louis Aleman, Kardinal von Arles 257, ein, der als einziger Kardinal in Basel verblieben war und fortan die Konzilspolitik steuerte. Der mit der Absetzung Eugens IV. vollzogene, finale Bruch zwischen Konzil und Papst, das neue Schisma, entfremdete endgültig viele vormalige Konzilsväter und Fürsten der Basler Synode, die sich in der Folge ganz vom Konzil abwandten bzw. ihre Gesandten abzogen 258. 251 Für das Absetzungsdekret der 34. Sessio siehe: MC III, S. 325 – 327. 252 COD, S. 523 – 528. Vgl. auch Krafft, Otfried: Illuminierte Unionsbullen. Burgund, das Konzil von Florenz und die Urkunden Letentur celi und Cantate domino von 1439 und 1442, in: Arndt, Steffen/Hedwig, Andreas (Hg.): Visualisierte Kommunikation im Mittelalter. Legitimation und Repräsentation, Marburg 2010, S. 111 – 135. 253 Siehe hierzu mit umfangreichen Literaturangaben Helmrath: Basler Konzil, S. 382f. 254 Vgl. Helmrath: Lateinische Teilnehmer. 255 Siehe hierzu: Meuthen, Erich: Eugen IV., Ferrara-Florenz und der lateinische Westen, in: Annuarium Historiae Conciliorum 22 (1990), S. 219 – 233. 256 Vgl. dazu Helmrath: Lateinische Teilnehmer, S. 165 – 176. 257 Zu Kardinal Louis Aleman vgl. Pérouse: Cardinal; Müller: Franzosen, S. 129 – 144. 258 Bereits Anfang Mai rief der französische König Karl VII. seinen Gesandten, den Erzbischof von Lyon Amédée de Talaru, an seinen Hof nach Lyon, Ende Mai den Erzbischof von Tours
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Mit der Existenz zweier rivalisierender Konzilien setzte ein offensives Werben um Anhängerschaft ein, und dabei sahen sich „les princes de la Chrétienté latine poursuivsi par les ambassades rivales d’Eugene IV et du concile de Bâle, chacune d’elles essayant d’obtenir son soutien exclusif“259. Eugen IV. fand von Beginn an die Unterstützung von Burgund, England und den meisten italienischen Bischöfen. Unbeeindruckt von der fortschreitenden Radikalisierung, mit der die Basler den Prozess und schließlich die Absetzung Eugens IV. betrieben, unterstützten vor allem Aragon, Mailand und Schottland, Savoyen und die Eidgenossenschaft das Konzil 260. Das Reich – nach dem Tod Kaiser Sigismunds († 9. Dezember 1437) und der nur kurzen Amtsperiode von König Albrecht II. (18. März 1438 – 27. Oktober 1439), repräsentiert durch die Kurfürsten – erklärte sich bis zu der Wahl eines deutschen Königs in dieser Angelegenheit für neutral 261. Indes hielt Karl VII. von Frankreich zwar an Eugen IV. fest, untersagte aber mit der Ordonnanz vom 23. Januar 1438 in Königreich und Dauphiné 262 die Teilnahme am Konzil in Ferrara. Damit drückte er sein Missfallen über den Konzilsort Ferrara aus, denn es wäre in seinem Interesse gewesen, wenn das Unionskonzil in Avignon stattgefunden hätte. So versuchte er gewissermaßen im Spagat sowohl an Eugen IV. als auch am Basler Konzil festzuhalten, wobei er letzteres nur so lange unterstützte, wie es mit einer unangefochtenen Anerkennung des Römischen Primats nicht kollidierte. Der französische König hatte seinerseits jedoch mit der Unterzeichnung der
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Philippe de Coëtquis zu sich. Diese überzeugten Konziliaristen kehrten nicht mehr nach Basel zurück. So hat es von Seiten des französischen Königshofes, wie etwa bei anderen Mächten, zuletzt Aragon 1443, nie eine offizielle Abberufung der Gesandten gegeben. Doch gelang es auf diese Weise nach Einschätzung Heribert Müllers „diskret vorgehend, umso wirkungsvoller, Fakten zu schaffen“. Vgl. Müller: Franzosen, S. 202. Stieber: Amédée, in: Andenmatten/Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V, S. 342. Zeitweise auch die Herzöge von Österreich, Tirol und von Bayern, Königin Elisabeth von Ungarn, die Länder Polen, Dalmatien, der Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen, die Universitäten Paris, Wien, Köln, Leipzig, Erfurt, Krakau, vgl. CB VII 228, 229. Für die Obödienzfrage siehe dieses Buch, ab S. 280. Vgl. zum Verhältnis der europäischen Mächte und dem Basler Konzil: Müller: Basler Konzil. Für die Universitäten vgl. den Überblick bei Helmrath: Basler Konzil, S. 132 – 160. Die feierliche Neutralitätserklärung fand am 17. März 1438 in Frankfurt, einen Tag vor der Wahl Albrechts II. zum deutschen König statt. Vgl. hierzu: Helmrath: Basler Konzil, S. 289 – 306. Zum konfliktreichen Verhältnis zwischen dem Dauphiné und Savoyen vgl. den Überblick von: Bligny, Bernard: Le Dauphiné: quelques problèmes, in: Mayer, Theodor (Hg.): Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters, Konstanz/Stuttgart 1965, S. 221 – 233.
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Pragmatischen Sanktion von Bourges am 7. Juli 1438 bereits das Fundament für die sogenannten Gallikanischen Freiheiten gelegt 263. Schon während des Absetzungsprozesses von Eugen IV. begannen die Basler Väter, über die Wahl eines neuen Papstes zu debattieren. Dabei ging es vor allem um die Einhaltung der formalen Voraussetzungen einer Papstwahl und weniger um die Frage, wie denn die Position eines Papstes, der durch ein Konzil gewählt war, beschaffen sein müsste 264. Die Notwendigkeit der Wahl eines neuen Papstes war dabei grundsätzlich unbestritten, denn ein Konzil konnte ohne Papst oder einen autorisierten Stellvertreter nicht existieren 265. Dies entsprach der Vorstellung, dass ein Konzil die ecclesia universalis repräsentiere, also das Haupt und die Glieder, oder, wie Walter Brandmüller formuliert, die „doppelte Repräsentation“ innehabe 266. Innerhalb dieses Gedankenganges war es daher konsequent, wenn das Konzil einen neuen Papst wählte. Der ekklesiologische Grundgedanke des Basler Konzils, die Universalkirche werde durch das Universalkonzil repräsentiert, beruhte auf der Vorstellung, Christus als oberstes Haupt der Urkirche habe die Regierungsgewalt den Aposteln gemeinsam übertragen, indem er ihnen die Schlüsselgewalt insgesamt übergeben habe 267. 263 Vgl. Müller: Franzosen, S. 527 – 529. Dabei ist die Motivation Karls VII. in erster Linie davon geprägt, die französische Kirche unter seine Herrschaft zu stellen. Vgl. Müller, Heribert: Charles VII et Eugène IV. Notes sur le Gallicanisme monarchique, in: Gazzinga, JeanLouis (Hg.): L’église de France à la fin du Moyen Age. Pouvoirs et Institutions, Goldbach 1995, S. 59 – 69, S. 65: „Le roi veut une Eglise en son pouvoir, ce qui est bien l’un des traits dominants du gallicanisme monarchique.“ Eine Edition der ‚Pragmatischen Sanktion‘ von Bourges (30. Juni 1438) liegt vor, in: Miethke/Weinrich (Hg.): Konzilien, S. 411 – 441. Sie entspricht der Edition in: Recueil général des anciennes lois françaises. Bd. 9: Troisième race, Branche des Valois. Fin du règne de Charles VII. 1438 – 1461, ed. François Isambert/ Alphonse H. Decrusy, Paris 1822 – 1833 (ND Ridgewood, N. J. 1964), S. 3 – 47. Zusammenfassend zur Pragmatischen Sanktion siehe: Müller, Heribert, in: LMA 7 (2002), Sp. 166f. 264 Die finanzielle Ausstattung des Papstes blieb bis 1442 ungeklärt. Vgl. dazu S. 313. 265 Der Chronist des Konzils, Johannes von Segovia, stellt in der Einleitung des 16. Buches, das der Papstwahl gewidmeten ist, fest (MC III, S. 399.): […] quanta sit necessitas ex divini iuris auctoritate, ut papatus officium continue permaneat in ecclesiae; exponunturque raciones urgentes synodum Basiliensem, ut post deposicionem Eugenii pape quarti plenopere intenderet ad eleccionem Romani pontificis. 266 Brandmüller: Konzil, S. 168. Dabei ist zu beachten, dass auch Nikolaus von Kues dies allgemein für unabstreitbar ansieht. Im Basler Fall freilich, so die Argumentation des C usanus’, sei die Häresie Eugens nicht von einem Konzil festgestellt worden, welches für sich in Anspruch nehmen könnte, die ganze Kirche zu repräsentieren. Viele der ursprünglichen Konzilsväter hätten Basel den Rücken gekehrt; in der Tat waren vor allem Angehörige des niederen Klerus’ und Universitätsangehörige in Basel geblieben, weniger hingegen hochrangige Kleriker. 267 So formuliert dies Johannes von Ragusa in seinem Tractatus de ecclesia (1434): Tractatus de ecclesia, II, 23, 121, ed. Franjo Šanjek, Zagreb 1983 (Croatica christiana, 1): De his clavibus
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In nachapostolischer Zeit wurde dann die Universalkirche – gedacht als Korporation – Trägerin der kirchlichen Leitungsgewalt und Nachfolgerin des versammelten Apostelkollegiums268. Als sich aber nicht mehr die gesamte Kirche – gewissermaßen eins zu eins – versammeln konnte, wurde der Apostelkreis „als identifikative Stellvertretung der Kirche“ in der Versammlung des Universalkonzils aktualisiert 269. Diese Identität zwischen Universalkirche und Universalkonzil stellte sich, so die Basler Annahme, durch den Akt des Versammeltseins her, während Rang oder Autorität der einzelnen Kleriker nicht entscheidend waren. Die Versammlung im Namen Christi gemäß Mt. 18,20, ubi enim sunt duo vel tres congregati in nomine meo ibi sum in medio eorum, machte das Universalkonzil zu der Repräsentation der Universalkirche, wie dies in dem programmatischen Eingangssatz in allen Schreiben bis zum Ende des Basler Konzils stets neu formuliert wurde: S acrosancta generalis synodus Basiliensis in spiritu sancto legittime congregata universalem ecclesiam representans 270. Das Konzil von Basel modifizierte sein Selbstverständnis, die Kirche in ihrer wahren Repräsentation zu verkörpern, durch die Auseinandersetzungen mit Eugen IV. und dem Fortgang vieler vormals wortmächtiger Konzilsväter nicht. Es genügte „ein Hinweis“, so Krämer, „auf die kurze Identitätsformel, universale concilium sive ecclesia universalis, um die höchste Kirchengewalt zu begründen“271. Die in Basel verbliebenen Konzilsväter strebten in dem Bewusstsein, das supremum tribunal der Kirche zu sein, unter Führung des Kardinals Louis Aleman den Prozess gegen Eugen IV. an, und mit diesem Selbstbewusstsein wählten sie Herzog A madeus VIII. von Savoyen zum Papst Felix V. Erst aus der Gewissheit der Basler Väter, unanfechtbar zu sein, wird das Basler Schisma verständlich. Wie bereits dargelegt, verstand sich das Konzil als wahre Repräsentation der ecclesia universalis und nahm dementsprechend für sich
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dictum est apostolis insimul congregatis repraesentantibus Ecclesiam universalem. Zu Ragusa: Krämer: Konsens, S. 90 – 124, ins. S. 92 – 96. Johannes von Ragusa: Tracatatus de ecclesia, II, 22, 120, ed. Franja Šanjek: […] quod auctoritas regiminis collata apostolis durata sit in eorum successoribus usque in finem saeculi, idest quamdiu durabit Ecclesia militans. Prügl, Thomas: Successores Apostolorum. Zur Theologie des Bischofsamtes im Basler Konziliarismus, in: Weitlauff, Manfred/Neuner, Peter (Hg.): Für euch Bischof mit euch Christ, St. Ottilien 1998, S. 195 – 217, S. 197. COD, S. 456f. Vgl. auch Dephoff, Joseph: Zum Urkunden- und Kanzleiwesen des Konzils von Basel, Hildesheim 1930, S. 16. Vgl. dazu auch Dendorfer, Jürgen: Inszenierung von Entscheidungsfindung auf den Konzilien des 15. Jahrhunderts. Zum Zeremoniell der sessio generalis auf dem Basler Konzil, in: Peltzer, Jörg u. a. (Hg.): Politische Versammlungen und ihre Rituale. Repräsentationsformen und Entscheidungsprozesse im späten Mittelalter, Ostfildern 2009, S. 37 – 53, S. 37. Krämer: Wahre Repräsentation, S. 204.
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in Anspruch, unfehlbar zu sein 272. Denn die von Christus gestiftete Gemeinschaft der Universalkirche garantierte zugleich ihre Infallibilität und Ewigkeit. Doch auch wenn das Eigenbild des Basler Konzils diesen Anspruch vertrat, blieb die Absetzung Eugens IV . weitaus problematischer als die Absetzungsverfahren in Konstanz gegen Johannes XXIII . und Benedikt XIII . Denn als „vom Glauben abgefallen“ (Decretum Gratiani D.40 c.6) konnte Eugen IV . nur gelten, wenn das Konzil seine eigenen Dekrete der Selbstbehauptung und die Beschlüsse des Constantiense in vollem Umfang als Glaubenswahrheiten auffasste 273. Primär aus diesen Gründen wurden am 16. Mai 1439 das Dekret über die drei Wahrheiten des Glaubens (Tres Veritates) zum Dogma erhoben, „um die unanfechtbare Handhabe für eine juristisch korrekte Papstabsetzung in die Hand zu bekommen“274. Bezeichnenderweise verzichtete das Basler Konzil darauf, in dem Dekret De veritate fidei catholice per tres veritates die aktuellen und konkreten Aufgaben des Konzils zu benennen: So wird die Griechenunion nicht erwähnt, und die Basler sahen auch davon ab, die Reform an Haupt und Gliedern als Grund für die Fortsetzung des Konzils explizit herauszustellen. Die Aussage des Dekrets war zu einer „strukturellen Definition von Über- und Unterordnung geronnen, die die Souveränität des Konzils von jeder päpstlichen Einwirkung“275 freihielt. Das bereits vor der Dogmatisierung von Haec Sancta eingeleitete Absetzungsverfahren gegen Eugen IV . entsprach damit eher einem regulären Ketzerprozess, dessen „Urteil schon zu Beginn abzusehen“ war 276. In dem Dekret über die Tres Veritates offenbarte sich deutlich das Selbstverständnis des Basler Konzils. Auf seiner Basis konnten alle Vorwürfe
272 Vgl. dazu umfänglich: Sieben, Herrmann Josef: Die ‚Quaestio de infallibilitate concilii generalis‘ (Ockam-Exzerpte) des Pariser Theologen Jean Courtecuisse († 1423), in: Sieben, Herrmann Josef (Hg.): Studien zur Gestalt und Überlieferung der Konzilien, Paderborn 2005, S. 153 – 176. 273 MC III, S. 278: Veritas de potestate concilii generalis, universalem ecclesiam representatis, supra papem et alterum quemlibet, declarata per constancience et hoc Basiliense generalia concilia, est veritas fidei katholice. Veritas hec, quod papa concilium generale, universalem ecclesiam representans, actu legittime congregatam super declaratis in prefata veritate aut aliquo eorum sine eius consensu nullatenus auctoritative potest dissolvere, aut ad aliud tempus prorogare, aut de loco ad locum transferre, est veritas fidei katholice. Veritatibus duabus predictis pertinaciter repugnans est censendus hereticus. 274 Helmrath: Basler Konzil, S. 474 nennt als weitere Triebfedern für das Dekret über die drei Wahrheiten des Glaubens, De veritate fidei catholice per tres veritates: „[…] die von Ferrara und Florenz ausgehende Demontage der ekklesiologischen Grundpfeiler des Konzils, die endgültige Beseitigung noch bestehender Zweifel an der Glaubensrelevanz von Haec Sancta und zudem, um sich als die höchste Lehrinstanz der Kirche auszuweisen.“ 275 Miethke/Weinrich: Konzilien, S. 61. 276 Sudmann: Basler Konzil, S. 171; vgl. dazu auch: Rosenblieh: Témoigner contre le pape.
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gegen die problematische Legitimationsgrundlage der Versammlung, die durch den Rückzug von Teilnehmern geschwunden war, mit dem Hinweis auf die sanior pars entkräftet werden. Bereits zwischen 1438/39 hatten zahlreiche und viele prominente Konzilsväter Basel verlassen, um am Konzil von Ferrara/Florenz teilzunehmen. Andere flohen aus Furcht vor der Pest, die seit Ostern 1439 in Basel wütete; manche waren ihr direkt zum Opfer gefallen 277. Zugleich trafen seit Sommer 1439 – trotz Pest – neue Teilnehmer vor allem aus Savoyen in Basel ein; dieser deutliche, savoyische Zustrom zum Basler Konzil ist seit Juni 1439 nachweisbar, wobei auffällt, dass sich unter den Neuinkorporierten aus dem Umfeld Amadeus’ VIII., entgegen der allgemeinen Tendenz, auch Angehörige des hohen Klerus befanden 278. Insgesamt aber wirkte sich die Seuche auf das Konzil verheerend aus, da bedeutende Persönlichkeiten des Konzils an der Epidemie starben 279.
277 Dies hat auch Auswirkungen auf Basel als Konzilsort: Vgl. Widmer, Berthe, in: Enea Silvio Piccolomini, ausgewählte Texte aus seinen Schriften, ed., übers. und biographisch eingeleitet v. Berthe Widmer, Basel/Stuttgart 1960, S. 37: Mit dem Festhalten am Konzilsort Basel und dem sich daraus entwicklten Konzilsschisma war die „Rechtskraft des nördlichen Konzils so an die Stadtmauern Basels gebunden, dass es sich mit dem Wegzug, wenigstens in den Augen vieler, kurzum vernichtet hätte.“ Zur Pest in Basel grundlegend: Jörg, Christian: Teure, Hunger, Großes Sterben. Hungersnöte und Versorgungskrisen in den Städten des Reiches während des 15. Jahrhunderts, Stuttgart 2008, bes. S. 162 – 173. 278 Dieses starke Anwachsen der savoyischen Konzilsteilnehmer wird oft als Indiz gewertet, Amadeus VIII. habe bereits im Sommer 1439 seine Wahl zum Papst betrieben. Vgl. Müller: Franzosen, S. 198. Für Mai und Juni 1439 sind folgende Neuinkorporationen belegt: Kapitelvertreter und Kanoniker aus Aosta am 22. Mai: CB VI, S. 430. Probst S. Imier aus Lausanne am 5. Juni: CB VI, S. 469, MC III, S. 288. Bischof von Ivrea und Praezeptor von Chambery am 23. Juni: CB VI, S. 520, MC III, S. 287 – 288. Der Bischof von Vercelli, Bischof von Turin, Abt der Abtei Fruttuaria sowie der Abt der Abtei S. Benedetto in Vercelli, der Dekan St. Jean de Maurienne und der Pfarrrektor Diözese Aosta sind seit dem 25. Juni inkorporiert: CB VI 523, MC III, S. 287 – 288. 279 So etwa der Kanonist und Protonotar Ludovico Pontano, Ludwig von Teck (Patriarch von Aquileia), wie auch Martial Formier, Bischof von Evreux, sowie Johann Schele, Bischof von Lübeck und andere. Siehe zur Pest und ihren Opfern in Basel die Schilderungen von Enea Silvio Piccolomini, in: Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 192 – 198. Johannes von Segovia gibt Auskunft über die Totenmessen, in: MC III, S. 429. Zusammenfassend: Wackernagel, Rudolf: Geschichte der Stadt Basel, Bd. I, Basel 1907, S. 522 – 525. Piccolomini wertet die wachsende Zahl der Konzilsteilnehmer in der verseuchten Stadt als Reaktion vieler Kleriker, die sich aufgrund der kursierenden Gerüchte, das Basler Konzil sei wegen der Pest in Auflösung begriffen, demselben nun erst recht anschlössen, vgl.: Piccolomini: De gestis, ed. Hay/Smith, S. 204: Dumque ista geruntur, iam fama in orbem ierat cessasse apud Basilienses pestem, electionemque Papae accelerari. Quatpropter
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Vorbereitung der Papstwahl Im Folgenden sollen die genaue Ausgestaltung des Wahlverfahrens und wie das Basler Konzil versuchte, seine Papstwahl als legitim darzustellen, eingehender betrachtet werden. Wahlen stellen generell ein bemerkenswertes Verfahren dar, um den „Erwerb von Herrschaft zu regeln und zu ordnen“280. Deshalb wird hier auch die grundsätzliche Frage berührt, wie sich politische Verfahren und Legitimation zueinander verhalten. Die Wahl FelixV. auf dem Basler Konzil muss in verschiedener Hinsicht betrachtet werden: Einerseits geht es allgemein um die Wahl als legitimationsstiftendes Verfahren der Papstkreierung. Andererseits sind die spezifischen Rahmenbedingungen auf dem Basler Konzil, insbesondere der Mangel an Kardinälen, zu beachten. Die historiographische Überlieferung, vor allem die Berichte von Enea Silvio Piccolomini und von Johannes von Segovia, offenbart den erheblichen Legitimationsdruck, der auf dem Konzil lastete. Nur eine kanonische Wahl durch ein würdiges, göttlich in spiriertes Wahlgremium konnte auf allgemeine Anerkennung hoffen. Daher wird den legitimatorischen Strategien dieser Berichte in besonderer Weise nachgegangen. Der Papstwahl selbst, deren Durchführung Horst Fuhrmann als eine Ordnung „von unvergleichlicher Ausgewogenheit“ und „Ergebnis jahrhundertelanger Erfahrung“ charakterisierte und als ein „Werk historischer Vernunft“281 bezeichnete, stand keinerlei verfahrensmäßige Alternative gegenüber. Diese in verschiedenen normativen Texten festgelegte Wahl in einem Konklave erschien offenbar auch den Konzils vätern als das einzig denkbare Verfahren, einen Papst auf legitime Weise zu ermitteln. In Basel stellte sich dabei das Problem, den Mangel an Kardinälen aus den eigenen Reihen kompensieren zu müssen. Zugleich musste diese fundamentale Änderung des Wahlgremiums in Übereinstimmung mit der geltenden Rechtslage und der Tradition gebracht und möglichst überzeugend vermittelt werden. Nach der Deposition Papst Eugens IV. bereitete sich das Basler Konzil im Sommer 1439, der von Pest und Sedisvakanz geprägt war, auf die Wahl eines neuen Papstes vor. Hierbei stand zunächst die Frage im Mittelpunkt, ob die Frist von 60 Tagen, die vor
ad spectaculum tantae rei ex diversis regionibus complurimi advolarunt, inter quos etiam plerique insignes praelati profecti sunt. 280 Rottmann, Joachim: Wahlverfahren, in: Fraenkel, Ernst/Bracher, Karl Dietrich (Hg.): Staat und Politik, Frankfurt a. M. 1957, S. 314 – 328, S. 322. 281 Zu diesem enthusiastischen Urteil gelangt Fuhrmann, Horst: Die Wahl des Papstes. Ein historischer Überblick, in: GWU 9 (1958), S. 762 – 780, S. 763. Im Nachdruck dieses Aufsatzes von 1987 erfolgte eine aufschlussreiche Änderung des Untertitels von „Überblick“ in „Verfahren“, die freilich nicht vermerkt wurde: Fuhrmann, Horst: Die Wahl des Papstes. Ein historisches Verfahren, in: Fuhrmann, Horst (Hg.): Einladung ins Mittelalter, München 1987, S. 135 – 150, vgl. auch S. 300.
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der Wahl eines Nachfolgers auf dem Heiligen Stuhl verstreichen musste, einzuhalten sei. In dem Wahldekret der 7. Sessio vom 6. November 1432282 war ein 60-tägiger Abstand zwischen dem Amtsende, in der Regel dem Tod eines Papstes, und der Wahl eines Nachfolgers festgehalten worden, sofern diese Situation während eines tagenden Konzils eintrat. Die verlängerte Frist sollte es abwesenden Kardinälen ermöglichen, am Konklave teilzunehmen. Diese Änderung schränkte die Geltung des Wahldekrets Ubi periculum 283 von Gregor X. (1274) ein. Dort war der zehnte Tag nach dem Tod als Anfangstermin des Konklaves festgelegt worden. Zum einen ging es hier darum, auswärtigen Kardinalen die Teilnahme am Konklave zu ermöglichen, zum anderen spielten auch rituelle Veränderungen eine Rolle, denn seit Mitte des 13. Jahrhunderts scheint sich die Novene oder das Novemdiale etabliert zu haben, um des verstorbenen Papstes zu gedenken 284. Doch war angesichts der Pest und der Befürchtung einer „Kopflosigkeit“ 285, wie Piccolomini berichtet, die Bereitschaft unter den Konzilsangehörigen recht groß, das eigene Dekret zu übergehen und möglichst rasch einen neuen Papst zu wählen. Piccolomini schätzt die allgemeine Anschauung unter den Konzilsvätern insgesamt als disparat ein: es habe jedoch Einigkeit darin bestanden, dass es pragmatischer (utilius) sei, einen neuen Papst gleich zu wählen, die Respektierung der vorge sehenen Frist hingegen sei ehrenhafter (honestius)286. Segovia vertrat die Position, 282 COD, S. 464: […] quod in casu vacationis sedis apostolicae presenti concilio durante ante LX dies a die vacationis continue computandos, ad electionem Romani pontificis minime procedatur. 283 COD, S. 314 – 318, S. 314f.: Sacro concilio approbante, statuimus ut, si eundem pontificem in civitate, in qua cum sua curia residebat, diem claudere contingat extremum, cardinales qui fuerint in civitate ipsa preaesentes, absentes expectare decem diebus tantummodo teneantur. 284 Siehe hierzu das Kap. III.‚Unvergänglichkeit‘ in: Paravicini Bagliani, Agostino: Leib des Papstes. Eine Theologie der Hinfälligkeit, München 1997, S. 144 – 163. Paravicini Baglinai untersucht hier die Phase der Sedisvakanz, in der die Spannung zwischen dem vergänglichen Leib des Papstes und der Ewigkeit des Papstamtes besonders deutlich hervortritt. Er zeichnet zudem die Entwicklung verschiedener Trauerzeremonien, des Konklaves und die Einsetzung des neuen Amtsträgers unter dem Aspekt der ‚Hinfälligkeit‘ nach. Siehe auch Schimmelpfennig: Papstwahlen, S. 177. Zum Papstbegräbnis allgemein vgl. Herklotz, Ingo: Paris de Grassis’ Tractatus de funderibus et exequiis und die Bestattungsfeiern von Päpsten und Kardinälen in Spätmittelalter und Renaissance, in: Garms, Jörg/Romanini, Angiola M. (Hg.): Skulptur und Grabmal des Spätmittelalters in Rom und Italien, Wien 1990 (Publikationen des Historischen Instituts beim Österreichischen Kulturinstitut, 10), S. 217 – 248. 285 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 188: Quibus festinanda electio pontificis videbatur, plenum periculis dicunt congregationi huiusmodi sine capite gubernari. Morbum esse in tota urbe pestiferum […]. 286 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 190: Re igitur inter omnes diligenter trutinata, licet ‚quot homines, tot sententiae‘ forent, et ‚suus cuique mos‘ esset, constare tamen inter omnes
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am göttlichen Rat festzuhalten, zudem sei er der Auffassung, dass Gesetze solcher Art nicht aufhebbar seien. Auch müsse nicht nur an den Buchstaben des Dekrets, sondern auch an seiner Intention festgehalten werden 287. Ohne Zweifel erschien ihm die Papstwahl an sich unbedingt notwendig, um das Werk der Reform fortführen zu können und um den alten Papst auch de facto vom Stuhle Petri zu entfernen 288. Dann erst könne die Autorität des Konzils triumphieren und alle dem Konzilspapst anhängen. Allerdings habe man auch in Pisa und Konstanz nicht mit der Wahl gewartet bis der feindliche Papst wirklich abgedankt hatte. Ebenso sei David noch zu Lebzeiten Sauls König geworden 289. In der 35. Sitzung am 10. Juli 1439 wurde schließlich das Wahldekret der 7. Sitzung und damit die Einhaltung der selbstgesetzten Frist bestätigt 290. Damit war der Weg zur Wahl eines Papstes und dem damit entstehenden Schisma bereitet.
videbatur utilius esse statim eligere, differre honestius. 287 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 190: Mihi enim non videtur, quod sic factum legibus rescindi posse, decretique nostri non solum verba, sed mentem quoque servandam censeo. Vgl. dazu auch Fromherz: Segovia, S. 31. 288 MC III, S. 400: […] Papatus igitur, quia dignistate primum et causalitate universalissimum est officium in Dei ecclesia, permanencia utique eius summe ac permaxime est necessaria. 289 MC III, S. 401: Summo quidem pontifice per concilium electo, illam profitente, nemo illi a uderet resistere, permaxime attento, quod per ecclesiam tociens desuper facta extiterat declaracio, et post tam divitinam vehentissimamque resistenciam profitebatur illam pontifex summus, cuius precipue concernebat statum. Fuerunt eciam alie quamplurime neccessarie raciones, ut absque expectatione ulteriori sancta synodus eleccioni interederet, conformiter agens generalibus synodis, nostris celebratis diebus. Siquidem in Pysano concilio sentencialiter depositis contendentibus de papatu Benedicto XIII. et Gregorio XII. sic nominatis decimo sequenti die cardinales intrarunt conclave pro eleccione futuri pastoris. In sancta vero Constanciensi synodo ingressus conclavis dilacionem accepit, sed nec tantam, ut in Basiliensi, propter contraferencias tunc magnas, si per cardinales dumtaxat, aut per eos aliosque per concilium deputatos fienda esset eleccio. […] Quemadmodum eciam vivente Saule, notificata illi s entencia sue eleccionis, continuo fuit electus in regem David, quamplurimas plurimo quoque tempore persecuciones passus, priusquam tronum regni pacifice possideret. Exemplo vero isto commode tribuente exposicionis causam id dicendum se offert, ut quemadmodum David fuit electus supra humanam estimacionem eciam prophete Samuelis, illum ungentis, qui respiciebat primo ultum et altitudiem stature fratris sui primogeniti, quasi dignitate regia, velut facies Priami digna imperio esset. 290 Mansi 29, S. 181f.: Et quoniam debite observata, res arduae, quae in manibus sunt, poterant maturius & ordinatius tractari, & praecipue circa electionem futuri summi Pontificis, quae maiorem attentionem requirit; non intendit haec sancta Syondus ante terminum sexaginta dierum in decreto septime sessionis eiusdem super ipsa electione in hoc concilio fienda praefixum, computandorum a die depositionis Gabrielis, olim dicti Eugenii Papae quarti, quae fuit septimo Kalendas Julii, ad huiusmodi electionem procedere.
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Wahlen und Verfahrenslegitimation Inwiefern stellte die Wahlordnung das Konzil nun vor ein institutionelles Problem? Es ist beispielsweise fraglich, ob und wie bei der reduzierten Anwesenheit von Kardinälen, in Basel war es nur noch ein einziger, ein legitimes Konklave und mithin ein legitimes Wahl-Verfahren überhaupt stattfinden konnte. Bestand im Rahmen des Konklaves die legitimationserzeugende Kraft des Wahlverfahrens nicht weniger im Verfahren selbst als in der Beteiligung der darin eingebundenen Privilegienträger, also der Kardinäle? Wahlen stellen eine friedliche Form dar, den Erwerb von Herrschaft zu regeln und zu ordnen 291. Der in dieser Definition ausgedrückte Machtaspekt negiert freilich nicht die in der Wahl – neben der Dominanz der Macht – enthaltene Suche einer „Legitimation durch Verfahren“ (Luhmann). Die aus dem Wahlkonsens entstehenden „absichernden Rechtstitel“ verleihen auch politisch „überragenden Machtstrukturen einen verbindlichen Charakter“292. Verfahren, bei denen es von besonderer Wichtigkeit ist, dass sie in kurzer Zeit zu einer eindeutigen und unanfechtbaren Entscheidung führen, besitzen ein hohes Maß an Verfahrensautonomie; d. h., vereinbarte Regeln, unter Umständen auch mit Gesetzesrang, genießen Vorrang vor Einflüssen von außen. Als ein solches Verfahren muss die Papstwahl angesehen werden. Allerdings ist zu beachten, dass – wie generell in vormodernen Verfahren – ein sehr hohes Maß an Konsensbedürftigkeit bestanden hat. In erster Linie ist dies auf die geringen Erzwingungschancen des schwach ausgeprägten Gewaltmonopols zurückzuführen. Doch der hohe Konsensdruck ergab sich auch daraus, dass „Konflikte leichter eskalieren konnten“293. Normativ überlagert wurden diese Bedingungen von der religiös verankerten Überzeugung, dass allein aus dem Konsens die erforderliche „transzendente Dignität“ entstand, gemäß dem Dictum, wonach in scissura mentium deus non est 294. Die feste Einbindung der ermächtigten Privilegienträger, also der Kardinäle 295, erhöhte die Verbindlichkeit der von diesem Wahlkolleg getroffenen Entscheidung. Zugleich gilt ein klar definierter Teilnehmerkreis, wie ihn das Kardinalskolleg darstellt,
291 Schneider, Reinhard: Zur Einführung, in: Schneider, Reinhard/Zimmermann, Harald (Hg.):Wahlen und Wähler im Mittelalter, Sigmaringen 1990 (VuF, 37), S. 9 – 14, S. 11. 292 Schneider: Einführung, S. 14. 293 Stollberg-Rilinger: Symbolische Kommunikation, S. 518. 294 Stollberg-Rilinger, Barbara: Einleitung, in: Stollberg-Rilinger, Barbara (Hg.): Vormoderne politische Verfahren, Berlin 2001 (Zeitschrift für historische Forschung, Beihefte, 25), S. 9 – 24, S. 19 – 23. 295 Vgl. zum Kardinalat dieses Buch Kap. 3.5, S. 234.
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als ein entscheidendes Merkmal für die Autonomie des anstehenden Verfahrens 296. Dabei kann das Konklave als ein echtes politisches Verfahren charakterisiert werden, da die zu treffende Entscheidung grundsätzlich offen war (und ist) und konstitutiv die Bereitschaft bestand, diese auch zu akzeptieren – unter weitgehendem Verzicht auf das Prinzip der Idoneität. Hinzu kommt noch der Gesichtspunkt der Exklusivität des Verfahrens, denn nur in dieser Versammlung konnte die fragliche Entscheidung getroffen werden 297. Es stellte sich in Basel die Frage, wer überhaupt in die zu konstituierende Wählergruppe aufgenommen werden sollte. Denn auf die Wahlordnungen seit dem 11. Jahrhundert ließ sich nicht ohne weiteres zurückgreifen. Dabei hatte sich die Entwicklung und Ausgestaltung der Nachfolgeregelung für das Petrusamt zu einem echten politischen Verfahren der Vormoderne bekanntlich in drei entscheidenden Schritten vollzogen. Die zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert festgelegten Vorschriften gelten seither und stellen jeweils Antworten auf (Verfassungs-)Krisen dar, die bei Wechseln im Papstamt entstanden waren. Durch das Papstwahl-Dekret In nomine Domini von 1059 war die Wahl des Papstes den Kardinalbischöfen vorbehalten und damit der Teilnehmerkreis erstmals verbindlich definiert 298. Das 3. Laterankonzil 1179 hatte sodann die Papstwahl entscheidend modifiziert, denn es bestätigte in der Dekretale Licet de vitanda das exklusive Wahlrecht jetzt aller Kardinäle und bestimmte, „wenn […] unter den Kardinälen bei der Papstwahl keine volle Stimmeneinheit zu erreichen ist, […] dann soll ohne Ausnahme derjenige von der gesamten Kirche als Papst anerkannt werden, der von zwei Dritteln gewählt und angenommen ist“299. Dieser Fortfall der „Idoneität“ des zu Wählenden 296 Zudem muss davon ausgegangen werden, dass die Machtposition der Kardinäle aus ihrer Funktion der Papstwähler entsteht, wie auch der Möglichkeit, selbst bei der nächsten Wahl berücksichtigt zu werden. 297 Ein Verfahren ist definiert durch seinen „ergebnisoffenen Ablauf “ im Unterschied zum „alternativlosen Ablauf des Rituals“ (Luhmann: Legitimation, S. 40), und zugleich durch die „Gewissheit, dass eine Entscheidung zustande kommen wird“ (ebd., S. 51), die dann legitim ist, wenn anerkannt wird, dass sie verbindlich gilt und dem eigenen Verhalten zugrunde gelegt wird (vgl. ebd, S. 32). 298 CIC I, D.23 c.1: Sp. 77 – 79, § 3. Dazu: Jasper, Detlev: Das Papstwahldekret von 1059, Überlieferung und Textgestalt, Sigmaringen 1986; Ullmann, Walter: Zum Papstwahldekret von 1059, in: ZRG KA 68 (1982), S. 32 – 51; Krause, Hans-Georg: Die Bedeutung der neuentdeckten handschriftlichen Überlieferung des Papstwahldekrets von 1059, in: ZRGKanAbt 107 (1990), S. 89 – 134. 299 COD, S. 211: […] Statuimus igitur, […] inter cardinales de substituendo pontifice non potuerit concordia plena esse, […] ille Romanus pontifex habeatur, qui a duabus partibus fuerit electus et receptus. Vgl. Schimmelpfennig: Bischof- und Papstwahlen, S. 175f.; Fuhrmann: Wahl, S. 771.
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garantierte die Akzeptanz des Ergebnisses im Vorhinein. Um der Papstwahl die mitunter quälende Länge zu nehmen, setzte Gregor X. auf dem 2. Konzil von Lyon nun eine Wahlordnung in Kraft, Ubi periculum, durch die fortan die Wahl des Papstes durch ein „Konklave“ beschleunigt werden sollte 300. Darin war die Exklusivität der Wahl auch räumlich festgelegt und der Ablauf präzise geregelt. Dies stellt wiederum ein Kennzeichen hoher Verfahrensautonomie dar. Bei der Papstwahl ist das passive Wahlrecht erheblich weiter gefasst als das aktive: theoretisch kann noch heute jeder männliche, unverheiratete Katholik gewählt werden, in der Praxis wurde jedoch die Wählbarkeit immer stärker auf den Kardinalklerus eingeschränkt 301. Die Bedeutung des Konsenses in diesem Verfahren muss betont werden. Der Konsens war freilich in ganz erheblichem Maße von der Fähigkeit zum Kompromiss abhängig. Die Konklaveordnung von 1274 bestätigte das Wahldekret von 1179 und bestimmte, dass erst mit der Vereinigung von zwei Drittel aller Stimmen auf einen Kandidaten die Wahl beendet sein solle. Zugleich wird darin die Notwendigkeit des Konsenses im Konklave in augenfälliger Weise betont 302. Das Verfahren konnte nur durch einen erfolgreichen Abschluss der Wahl beendet werden. Der zwingend erforderliche Konsens wird auch dadurch stark betont, dass regelrecht von einer „Ehe zwischen Wähler und Gewähltem“ die Rede ist, wobei der Gewählte zum Gemahl (sponsus) und die Kirche, deren Wille sich im Votum der Wähler manifestiert, zu seiner Gattin (sponsa) werden soll 303. Dieses in mehreren Schritten ausdifferenzierte Verfahren der Papstwahl war auf dem Konstanzer Konzil insoweit an die Konzilssituation angepasst worden, als das
300 COD 314 – 318. Siehe hierzu: Schimmelpfennig: Bischof- und Papstwahlen, S. 177 – 180. 301 Schimmelpfennig: Bischof- und Papstwahlen, S. 180, dazu auch Anm. 44. 302 Beachtenswert erscheint, wie die gewünschte unanimitas geradezu beschworen wird, in: COD, S. 317: […] ut ipse ‚qui concordiam facit in sublimibus suis‘ (Ib 25,2), sic efficiat eorumdem cardinalium corda in eligendo concordia, quod proviso celer, concors et utilis, prout animarum salus axigit et totius requirit orbis utilitas, ex ipsorum unanimitate sequatur. 303 Vgl. Schimmelpfennig: Bischof- und Papstwahlen, S. 173 zu Huguccio über D.63 c.10,v. Subscripta realtio: […] contrahitur inter eos matrimonium spirituale, ut ille iam dicatur sponsus istius ecclesiae vel istorum clericorum et hec ecclesia sponsa ipsius. Auch wenn sich dieses Zitat Huggucios nicht auf die Papstwahl beschränkt, sondern auch die Bischofswahl etwa einschließt, also generell die Ehe zwischen Bischof (auch dem römischen) und ‚seiner Kirche‘ bezogen ist, so ist es doch aufschlussreich, wie ein Wahlverfahren zur Amtsbestellung als Art ‚geistige Ehe‘ verstanden und damit die Unauflösbarkeit betont wird, die ein solches Verfahren offenbar erreicht. Da Huguccio später zudem von der ‚fleischlichen Vereinigung‘ spricht, die der ‚geistlichen Eheschließung‘ folge, stoßen wir an dieser Stelle wieder auf die organologisch begriffene Ekklesiologie und die darin enthaltene Auffassung, ‚Konsens‘ erwachse einem gemeinsamen Körper und sei Ergebnis einer unanimitas.
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Kardinalskollegium durch Vertreter der Konzilsnationen ergänzt worden war 304. An diesem Verfahren konnten sich die Basler Konzilsväter im Sommer 1439 orientieren. Wie schon für die Versammlung in Konstanz war es jetzt für die Basler Konzils väter besonders schwierig, zu einem einvernehmlichen Wahlmodus zu gelangen. Im Gegensatz zu Konstanz ging es aber durchaus nicht darum, ein Kardinalskollegium angemessen zu ergänzen, da mit dem Präsidenten Aleman überhaupt nur ein einziger Kardinal in Basel verblieben war 305. Stattdessen sollte die zu konstituierende Wähler gruppe das Konzil im Ganzen abbilden.
Berichte von Enea Silvio Piccolomini und Johannes von Segovia Neben Johannes von Segovia bietet insbesondere Enea Silvio Piccolomini einen detaillierten Bericht von Vorbereitungen, Ablauf und Ergebnis dieses Wahlverfahrens. Auf ihre Ausführungen soll deshalb im Folgenden intensiver eingegangen werden, um die darin implizit formulierte Repräsentations- und Herrschaftspraxis des Konzils zu ermitteln. Beide Darstellungen der Wahl Felix’ V. durch das Konzil von Basel stellen als legitimierendes Element der Wählerschaft die Einleibgemeinschaft durch die Kommunion, den gemeinsamen Eid wie auch die für eine legitime Wahl notwendige Anwesenheit des Heiligen Geistes in den Vordergrund. Damit geben beide Autoren das Selbstverständnis des Basler Konzils wieder, das sich im Konsens mit dem Heiligen Geist begriff, in dessen Namen es sich versammelte und der seine Arbeit leiten sollte. Ein bildlicher Ausdruck dieser Grundhaltung findet sich auf dem Konzilssiegel, einer Bleibulle mit einer ikonographischen Neuschöpfung, das die Konzilsväter im Halbkreis unter dem segnenden Christus und der Taube als Zeichen des Heiligen Geistes zeigt 306. 304 Fink, Karl-August: Die Wahl Martins V., in: Franzen, August/Müller, Wolfgang (Hg.): Das Konzil von Konstanz, Freiburg u. a. 1964, S. 138 – 151; Girgensohn, Dieter: Berichte über Konklave und Papstwahl auf dem Konstanzer Konzil, in: AHC 12 (1987), S. 351 – 391; Brandmüller: Konzil von Konstanz, Bd. II, S. 322 – 370; Fromme, Bernhard: Die Wahl des Papstes Martin V., in: RQ 10 (1896), S. 133 – 161. 305 Pérouse: Aleman, S. 309: „On manquait de cardinaux.“ Zu den Verhandlungen zur Konstituierung des Wahlgremiums vgl. Manger: Wahl, S. 23 – 45. 306 Vgl. Historisches Museum Basel, Inv. 1905.1557. Vgl. dazu: Schneider, Hans: Die Siegel des Konstanzer Konzils, in: AHC 10 (1978), S. 310 – 345, S. 312, 338f., Dephoff: Urkunden- und Kanzleiwesen, S. 9 – 12. Zu dieser Innovation in Basel: Hack, Achim Thomas: Die zwei Körper des Papstes … und die beiden Seiten seines Siegels, in: Signori, Gabriela (Hg.): Das Siegel, Darmstadt 2007, S. 53 – 63, S. 62 – 63. Zu Siegeln als Bildmedium vgl. Späth, Markus (Hg.): Die Bildlichkeit korporativer Siegel im Mittelalter. Kunstgeschichte und Geschichte im Gespräch, Köln u. a. 2009. Zu Blei als Material der Römischen Kurie
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Zugleich stellen beide Berichte vor allem eine historiographische Nachbearbeitung des Basler Wahlverfahrens dar. Dies bietet einerseits die Möglichkeit, konzeptionelle Differenzen in der Fragen der Repräsentation der beiden Autoren freizulegen, andererseits stellen beide Berichte hohe Anforderungen in quellenkritischer Hinsicht, da insbesondere die Einordnung des Berichts von Piccolomini in die Gesamtheit seiner Äußerungen zum Basler Konzil aufgrund seiner biographischen Entwicklung eine komplexe Aufgabe darstellt. Deshalb erfolgen an dieser Stelle zunächst einige Bemerkungen zum Oevre Piccolominis, bevor die Berichte über die Wahl Felix’ V. dargestellt und mit Blick auf ihren legitimationsstrategischen Gehalt interpretiert werden.
Enea Silvio Piccolomini als Historiograph des Basler Konzils Ohne die historiographischen Schriften von Enea Silvio Piccolomini wären unsere Kenntnisse über die Entstehung des Basler Schismas, die Wahl des konziliaren Gegenpapstes Felix V. und insbesondere über seine Krönung am 24. Juli 1440 in Basel erheblich ärmer. Der spätere Papst Pius II. gehört indes nicht nur zu den eloquentesten Intellektuellen des 15. Jahrhundert, er hat vor allem in ausgiebiger Weise seine eigene Rolle im Zeitgeschehen zum Thema gemacht und so sich selbst darin eine Rolle zugewiesen, die in Ermangelung von unabhängigen und ähnlich umfangreichen Quellen schillernd bleibt 307. Da er jedoch im Verlauf seines Lebens die eigene Biographie in verschiedener Weise neu konzipierte, müssen die Zeugnisse aus den Basler Jahren, insbesondere die Schriften de gestis und der libellus dialogorum sowie seine Briefe, nicht nur was Intention, Publikum und Rezeption anbelangt kontextualisiert, sondern darüber hinaus in sein Werk insgesamt historisch eingeordnet werden 308. vgl. auch: Schmidt, Peter: Materialität, Medialität und Autorität des vervielfältigten Bildes. Siegel und andere Bildmedien des Mittelalters in ihren Wechselwirkungen, in: Späth (Hg.): Bildlichkeit, S. 89 – 111, S. 106, sowie: Raff, Thomas: Die Sprache der Materialien. Anleitung zu einer Ikonographie der Werkstoffe, München 1994, S. 30f. 307 Vgl. O’Brien, Emily: Aeneas Sylvius Piccolomini and the Histories of the Council of Basel, in: Christianson, Gerald u. a. (Hg.): The Church, the Councils and Reform: The Legacy of the Fifteenth Century, Washington 2008, S. 60 – 81. Vgl. Izbicki, Thomas M.: Reject Aeneas! Pius II on the errors of his youth, in: von Martels, Zweder/Vanderjagt, Arjo (Hg.): Pius II. El piu expeditivo pontefice. Selected studies on Aeneas Silvius Piccolomini (1405 – 1464), Leiden/Boston 2003, S. 187 – 203, S. 203. 308 In der Bulla retractationis fordert Pius II. dazu auf, alle Äußerungen, in denen eine Opposition zum Papsttum zum Ausdruck kommt, die er vorzugsweise in seiner Jugend verfasst hat, zu verwerfen: Si quis adversus hanc doctrinam inveneritis aut in dialogis aut in epistolis nostris, quae plures a nobis editae sunt, aut in opuscolis nostris multa enim scripsimus adhuc iuvenes respuite atque contemnite.
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Da er von April 1440 bis November 1442 als Sekretär Felix’ V. dem innersten Kreis der konzilspäpstlichen Kurie angehörte, hat er als intimer Kenner der betroffenen Personen und Ereignisse zu gelten. Er war überdies als Zeremonienmeister für den korrekten Ablauf des Basler Konklaves zuständig und auch an den Feierlichkeiten der Papstkrönung beteiligt. Damit nehmen die Schriften seiner Basler Jahre 1437 – 1442 in einer Studie über Felix V. einen herausgehobenen Rang ein. Gerade auch in Abgrenzung zu seinen späteren Relativierungen und Distanzierungen gegenüber seiner Konzilszeit in Basel bedürfen sie einer eingehenden Kritik. Enea Silvio Piccolomini kam im Gefolge von Kardinal Capranica 1432 nach Basel und erscheint hier rasch als Schreiber des Konzils 309. Nachdem er an einigen Gesandtschaftsreisen des Konzils teilgenommen hatte, so etwa nach Schottland, aber auch nach Ripaille 310, war er seit 1436 als Abbreviator in der Basler Kurie tätig und etwa bei den Verhandlungen um die Griechenunion anwesend. Er stand im Dienst der
Die Bulle In minoribus agentes von 1463 ist ediert in: Magnum Bullarium Romanum, Bd. 373, Roma 1743, ND Graz 1964, S. 101. Vgl.: Reject Aeneas, accept Pius: Selected letters of Aeneas Sylvius Piccolomini (Pius II), ed. Thomas M. Izbicki/Gerald Christianson/ Philip Krey, Washington 2006, S. 274 – 286 und 392 – 406. 309 MC II 275f. Vgl. zum Folgenden auch Christianson, Gerald: Aeneas Sylvius Piccolomini and the Historiography of the Council of Basel, in: Brandmüller, Walter u. a. (Hg.): Ecclesia militans. Studien zur Konzilien- und Reformationsgeschichte. Remigius Bäumer zum 70. Geburtstag gewidmet, Bd. I: Zur Konziliengeschichte, Paderborn u. a. 1988, S. 157 – 184. Bürck, Gerhard: Selbstdarstellung und Personenbildnis bei Enea Silvio Piccolomini (Pius II.), Basel/Stuttgart 1956, S. 97 – 102. Diener, Hermann: Enea Silvio Piccolominis Weg von Basel nach Rom, in: Fleckenstein, Josef/Schmid, Karl (Hg.): Adel und Kirche. Gerd Tellenbach zum 65. Geburtstag dargebracht von Freunden und Schülern, Freiburg i. Br. u. a. 1968, S. 516 – 533. Vgl. Iaria, Simona: Tra Basilea e Vienna. Letture umanistiche di Enea Silvio Piccolomini e la frequentazione della Biblioteca di Francesco Pizolpasso, in: Humanistica Lovaniensia 52 (2003), S. 1 – 32. 310 Piccolomini Commentarii, ed. Totaro, I, 4 – 6, S. 15 – 31; I, 8, S. 35 – 37: Quotines e nationibus aliqui ad res singulares dellecti sunt, raro is unus non fuit. Legationes synodales ei ad Argentinam tres, ad Constantiam duae, ad Frankfordiam una, ad Sabaudiam una demandatae sunt, atque omnes feliciter obivit. Zu seiner Reise nach Ripaille vgl. Schilderung in: Piccolomini, De Amedeo, ed. van Heck, S. 74 – 79. Vgl. Totaro, Luigi: Enea Silvio e il Concilio di Basilea, in: Terzoli, Maria Antonietta (Hg.): Enea Silvio Piccolomini. Uomo di lettere e mediatore di culture. Gelehrter und Vermittler der Kulturen, Basel 2006, S. 73 – 144, S. 78 – 80. Vgl. zu den Commentarii Pius’ II.: O’Brien, Emily: Arms and Letters: Julius Caesar, the Commentaries of Pope Pius II, and the Politicization of Papal Imagery, in: Renaissance Quarterly 62,4 (2009), S. 1057 – 1097.
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Prälaten Nikolaus Albergati 311, Bartholomeo Visconti 312 und Francesco Pizolpasso 313 und blieb in Basel, auch nachdem Eugen IV. das Konzil nach Ferrara verlegt hatte; so wurde er Zeuge von der Absetzung des Papstes. In dem ersten Buch des Werkes De gestis concilii Basiliensis Commentariorum erzählt Piccolomini von der Debatte um die Absetzung Eugens IV . und dessen Verurteilung als Häretiker 314. In seiner Darstellung erscheinen die Verhandlungen auf dem Basler Konzil als eine Abfolge umfangreicher Reden 315. Auf diese Weise folgt er einerseits klassischen literarischen Mustern, andererseits gelingt ihm damit auch die Entfaltung seiner eigenen rhetorisch-schriftstellerischen Fähigkeiten sowie seiner konziliaristischen Grundhaltung, die er zu diesem Zeitpunkt noch hatte. In dem zweiten Buch der De gestis berichtet Piccolomini über das Konklave, das am 5. November 1439 den savoyischen Herzog Amadeus VIII. zum Papst wählte. Dort versah er das Amt des Zeremonienmeisters und beschreibt in gewohnter Detailfreude den Ablauf des Konklaves. Kurz nach der Wahlannahme Felix’ V. wurde er Sekretär an der päpstlichen Kurie in Basel und verfasste zwischen November 1439 und Juli 1440 seine Kommentare zur Geschichte des Basler Konzils. Er versah das Sekretärsamt bis November 1442, als er an die Kanzlei König Friedrichs III. wechselte, der ihn wenige Monate zuvor auf dem Frankfurter Reichstag am 27. Juli 1442 zum Poeta laureatus gekrönt hatte 316. In den zweieinhalb Jahren als päpstlicher Sekretär verfasste er neben dem Werk De gestis im November 1440 noch eine weitere Schrift: den Libellus
311 Vgl. mit weiterer Literatur: Märtl: Kanzlei, S. 291 – 311. 312 Piccolomini hielt sich mit seinem damaligen Dienstherren Bartholomeo Visconti von Herbst 1433 bis Sommer 1434 in Oberitalien, u. a. in Mailand auf. Zu den brieflichen Belegen vgl. die Angaben bei Schingnitz, Christoph (Hg.): Eneas Silvius Piccolomini, Pentalogus, Hannover 2009 (MGH, Staatsschriften des späteren Mittelalters, 8), S. 172, Anm. 418. 313 Zu Enea Silvio Piccolomini in den Diensten des Mailänder Erzbischofs Francesco Pizzolpasso (†1443) vgl. Iaria: Letture, S. 10; Schingnitz (Hg.): Pentalogus, S. 119, Anm. 249: Dort auch Angabe der brieflichen Belege. 314 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 16 – 187. Dazu auch: Totaro: Enea Silvio, S. 82, Anm. 22. 315 Vgl. Helmrath, Johannes: Diffusion des Humanismus und Antikenrezeption auf den Konzilien von Konstanz, Basel und Ferrara/Florenz, in: Grenzmann, Ludger u. a. (Hg.): Die Präsenz der Antike im Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit, Göttingen 2005, S. 9 – 54, S. 29. 316 Zu Dichterkrönungen vgl. Schirrmeister, Albert: Triumph des Dichters. Gekrönte Intellektuelle im 16. Jahrhundert, Köln u. a. 2003. Zu Enea Silvio Piccolomini vor allem: Mertens, Dieter: Petrarcas Privilegium laureationis, in: Borgolte, Michael/Spilling, Herrad (Hg.): Litterae Medii Aevi. Festschrift für Johanne Autenrieth zu ihrem 65. Geburtstag, Sigmaringen 1988, S. 225 – 247, bes. S. 230.
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dialogorum de generalis concilii authoritate et gestis Basiliensium, den er an die Universität Köln und ihren Rektor Johannes Tinctoris richtete 317. Seinen Abschied von Basel nahm Enea Silvio Piccolomini zum gleichen Zeitpunkt wie Felix V., der ebenfalls im November 1442 Basel verließ; beide reisten jeweils in unterschiedliche Richtungen ab. Äußerer Anlass war in beiden Fällen der Besuch Friedrichs’ III. in Basel. Doch während Felix V. durch die fortgesetzte Weigerung des deutschen Königs, ihm Obödienz zu leisten, kaum noch Chancen für das Basler Papsttum sah, sich entsprechend umorientierte und in sein angestammtes Herzogtum übersiedelte, wurde für Enea Silvio Piccolomini König Friedrich III. der neue Brotherr 318. Piccolomini wechselte an den habsburgischen Hof, wurde dort ebenfalls Sekretär und in wichtigen Gesandtschaften eingesetzt. Nach einer Übergangszeit, in der er – wie der König – eine neutrale Haltung gegenüber dem Konzil einnahm, wandte er sich schließlich vom Basler Konzil ab und Eugen IV. zu. Seine vollständige Abkehr von den konziliaren Ideen wurde manifest, als er sich im März 1445 mit Eugen IV. in Rom verständigte, seine vermeintlichen Verirrungen bereute und ihm vergeben wurde. Zuvor hatte er bereits seine vakante Sekretärsstelle bei Felix V. zum Verkauf angeboten 319. Ohne hier die weitere Distanzierung von Piccolomini gegenüber dem Konzil in den Blick zu nehmen, soll nunmehr auf den Aussagewert seiner Konzilsschriften vor der „Wende“ von 1445 eingegangen werden 320. Sein Ruf als Historiograph des
317 Die Edition von Enea Silvio Piccolomini, Libellus dialogorum durch Adam Franz Kollár stammt aus dem Jahr 1762: Piccolomini, Enea Silvio, Libellus dialogorum de auctoritate generalium conciliorum et gestis Basiliensium, in: Analecta monumentorum omnis aevi Vindobonensia 2, ed. Adam Kollár, Wien 1762 (ND Farnborough, 1970), S. 685 – 790. Eine moderne Edition wird von Simona Iaria vorbereitet. Zu Verbreitung und Rezeption vgl. Iaria, Simona: Diffusione e ricezione del Libellus Dialogorum di Enea Silvio Piccolomini, in: Italia medioevale e humanistica 44 (2003), S. 66 – 114. Vgl. zum libellus dialogorum auch Helmrath: Zweite Dekade, S. 329 – 330 und S. 340; Wengorz, Kristina: Schreiben für den Hof als Weg in den Hof: Der Pentalogus des Enea Silvio Piccolomini (1443), Frankfurt a. M. u. a. 2013, S. 92 – 97. 318 In einem Brief an Francesco Pizzolpasso schreibt Piccolomini am 5. Dezember 1442, in: Enee Silvii Piccolominei Epistolarium seculare complectens De duobus amantibus, De naturis equorum, De curialium miseriis post Rudolf Wolkan iterum recognouit ed. Adrianus van Heck, Vatikanstadt 2007 (Studi e Test, 439), Epistula Nr. 42, S. 119 – 123, S. 117: Idque nunc arbitror euenisse, quando me neque querentem neque somniatem quidem cesar noster Fredericus Augustus in suum secretarium accersiuit, […]. Vgl. auch die von Piccolomini verfasste Vita Friedrichs III, in: Piccolomini, De Viris, ed. van Heck, S. 61. 319 Piccolomini an Giovanni Peregallo, 18. April 1444, in: Enee Silvii Piccolominei, Epistole seculares, ed. van Heck, Nr. 136, S. 276 – 277. 320 Zu der folgenden Entwicklung: Izbicki: Reject Aeneas.
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Basler Konzils bezieht sich vor allem auf die beiden bereits erwähnten Schriften De gestis concilii und den Libellus dialogorum sowie einzelne Briefe, insbesondere die Schreiben an Pietro Noceto 321 1437, an Johannes von Segovia 1440 und an Hartung von Kappel 1443322. Diese Schriften entstanden nicht allein aus literarischem Gestaltungswillen oder gar reiner Fiktion, sondern „verdanken ihren Ursprung“, so Simona Iaria, „einem realen Anlass“323. Von einer faktengetreuen, gewissermaßen reinen Wiedergabe der Geschehnisse kann aber nur bedingt die Rede sein, vielmehr nahm Piccolomini historiographische Stilisierungen und Überarbeitungen vor und versah sie mit Widmungsschreiben 324. Doch darüber hinaus sind auch diese Schriften literarische Arbeiten eines äußerst produktiven Schriftstellers, der sich als „Humanist verstand, weil er von Schreiblust erfüllt war“325. Sein flüssiger Stil und die immens rhetorische Kraft drängen sich jedoch nicht auf, entfalten dafür ihre Wirkung beim Leser „im Unterbewusstsein umso stärker“326. Sein Ziel, sich klar und durchsichtig – aperte et dilucide 327 – auszu drücken, machten die Inszenierung der Ereignisse nur noch wirkungsvoller, freilich auch manipulativer. Er griff dabei auf einige sich wiederholende Grundmuster zurück: So vertrat er die später von ihm verurteilten Ideen zum Verhältnis von Papst und Konzil in seinen Werken nicht selbst, sondern legte sie anderen Personen in den Mund: im Libellus dialogorum Stefano Caccia und in De gestis concilii Stefano Tedeschi, Johannes von Segovia und Louis Aleman. Auch die Gegenseite wurde innerhalb der Gattungen Dialog und Historiographie durch Protagonisten wie etwa Nikolaus von Kues vertreten und angemessen inszeniert 328. Es handelt sich in diesen Schriften eben nicht um juristisch-theologische Traktate, sondern um Prosa-Werke, die auch nach literarischen Kriterien 321 Zu Pietro Noceto vgl. Gualco, Germano: Pietro da Noceto e l’evoluzione della segreteria papale al tempo di Niccolò V (1447 – 1455), in: Cosma, Rita (Hg.): Diplomatica pontificia e umanesimo curiale. Con altri saggi sull’Archivio Vaticano, tra medioevo ed età moderna, Roma 2005, S. 435 – 449. 322 Enee Silvii Piccolominei, Epistole seculares, ed. van Heck, Nr. 24, S. 61 – 75; Nr. 34, S. 105 – 109; Nr. 47, S. 129 – 140. 323 Iaria: Piccolomini, S. 84. 324 Vgl. dazu: Clough, Cecil H.: The Cancery letter-files of Aeneas Silvius Piccolomini, in: Maffei, Domenico (Hg.): Enea Silvio Piccolomini – Papa Pio II. Atti del convegno per il V. centenario della morte e altri scritti, Siena 1968, S. 117 – 132. 325 Vollmann, Benedikt Konrad: Der Literat Enea Silvio Piccolomini, in: Fuchs (Hg.): Piccolomini, S. 9 – 20, S. 13. 326 Vollmann: Literat, S. 14. 327 Zit. nach Vollmann: Literat, S. 14. 328 Vgl. zu den „echten“ Auffassungen von Nikolaus von Kues mit weiterführender Literatur: Stieber: Kirchenbegriff, S. 87 – 162.
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beurteilt werden könnten 329. In seiner Argumentation zu Gunsten der konziliaren Position griff er dabei aber umfangreich auf ebendiese juristisch-theologischen Traktate zurück, etwa auf das zweite Buch der Concordantia Catholica von Nikolaus von Kues 330.
Wählerkreation bei Piccolomini Enea Silvio Piccolomini verfasste seinen Bericht über die Ereignisse des Basler Konzils bereits 1440 und damit in direktem Anschluss an die Wahl. Während sich das erste, umfangreichere Buch der De gestis concilii Basiliensis commentariorum den Debatten widmet, die zu der Absetzung Eugens IV. und damit zum Basler Schisma geführt hatten, konzentriert sich das zweite überlieferte Buch auf die Wahl Felix’ V. Er eröffnet seine Darlegung mit einer ausgreifenden biblisch argumentierenden Rechtfertigung des Prozesses gegen Eugen IV., der mit der Absetzung des Papstes seinen legitimen Abschluss gefunden habe 331. Dieser Prozess müsse als göttliche Rettung der Kirche begriffen werden, außerdem werde nunmehr ein neuer ‚Pastor‘ erscheinen, der alles richten werde 332. Und Piccolomini verrät bereits ganz am Anfang, dass niemand anderes als Amadeus VIII., Herzog von Savoyen, den er als sapientissismus charakterisiert,
329 Vgl. Iaria, Simona: Enea Silvio Piccolomini und Pius II.: Ein Vergleich unter der Perspektive des Konziliarismus mit Ausblick auf die Reformation, in: Dendorfer, Jürgen/Märtl, Claudia (Hg.): Nach dem Basler Konzil. Die Neuordnung der Kirche zwischen Konziliarismus und monarchischem Papat (ca. 1450 – 1475), Berlin 2008, S. 97 – 119. 330 Vgl. Prodi, Paolo: Il sovrano pontefice. Un corpo e due anime: la monarchia papale nella prima età moderna, Bologna 1982, S. 33 – 40. Zum Verhältnis von Nikolaus von Kues und Enea Silvio Piccolomini vgl. Baum, Wilhelm: Nikolaus von Kues und Enea Silvio Piccolomini: eine Humanistenfreundschaft?, in: Thurner, Martin (Hg.): Nicolaus Cusanus zwischen Deutschland und Italien, Berlin 2002, S. 315 – 337. Auch im Pentalogus stützt sich Enea Silvio Piccolomini auf die Concordantia Catholica von Nikolaus von Kues, insbesondere in Kirchenrechtsfragen. Vgl. Schingnitz (Hg.): Pentalogus, S. 27. Vgl. zu den Inhalten des Pentalogus umfassend Wengorz: Pentalogus. 331 Vgl. zur biblizistischen Argumentation auf dem Basler Konzil generell: Prügl, Thomas: Das Schriftargument zwischen Papstmonarchie und konziliarer Idee. Biblische Argumentationsmodelle im Basler Konziliarismus, in: Pecar, Andreas/Trampedach, Kai (Hg.): Die Bibel als politisches Argument. Voraussetzungen und Folgen biblizistischer Herrschaftslegitimation in der Vormoderne, München 2007 (HZ Beihefte, 43), S. 219 – 242. 332 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 188: […] quo Synodali sententia ex apostolica sede praecipitato, factus est Dominus in refugium ecclesiae, gregique suo pastorem largitus est, qui derelicta (ut spes optima est) visitabit, dispers quaeret, confractum sanabit, carnes pinguium non comedet, et id quod stat sapienter enutriet. (Ezech 11,16).
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dieser Heilsbringer sei 333. Zunächst seien jedoch, so Piccolomini, einige Schwierigkeiten zu bewältigen gewesen, die sich aus der besonderen Situation einer Papstwahl auf einem Konzil ergeben hätten. Diese stellten sich zumal, da mit Louis Aleman nur ein einziger Kardinal am Ort verblieben sei. Anschließend legt Piccolomini die Auseinandersetzungen dar, ob nun angesichts der Pest 334 und dem befürchteten Schwund der Konzilsväter mit der Wahl eines neuen Papstes tatsächlich 60 Tage gewartet werden solle, um die eigenen Konzilsdekrete nicht zu desavouieren, oder eine pragmatischere Lösung gefunden werden müsse. Letztlich sei man dem weisen Ratschlag von Johannes von Segovia gefolgt, sich an den „Geist des eigenen Dekretes“ zu halten und die Wahl nach 60 Tagen anzusetzen 335. Das Konzil habe nach eingehender Diskussion, wie bei der Wahl zu verfahren sei 336, schließlich ein Dreiergremium beauftragt, bestehend aus Thomas de Courcelles 337, Thomas Livingston 338 und Johannes von Segovia, das Wahlkolleg zusammenzustellen. Diesen drei Wahlmännern oblag es, mit Rücksicht auf Nationen und Deputationen
333 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S.. 188: […] enerrandus est mihi in eo qui sequitur libro electionis ordo, quo nunc Amadeus, Sabaudiae dux sapientissimus, in Romanum pontificem sit assumptus. 334 Piccolomini widmet sich den Opfern und der Härte der Pest in anschaulich-rührender Weise, vgl. Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 190 – 198, S. 192f.: Tantaque morbi vis fuit, ut aliquem nunc in platea laetum et validum cerneres, post horam decimam humatum fore audires. Auch zwei „Säulen des Konzils“ raffte die Seuche hinweg, S. 194: Iamque duas Concilii columnas porstratas esse dicebant, protonotarium et patriarcham. Zuletzt berichtet er auch, dass er selbst schwer erkrankte, sich jedoch erholen konnte. 335 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 190: Mihi enim non videtur quod sic factum legibus rescindi posse, decretique nostri non solum verba, sed mentem quoque servandam censeo. 336 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 198f.: […] visum est patribus ad electionem pontificis intendendum, habitisque inter primates de modo procedendi sermonibus, avisatum est et tandem in deputationibus et in plenaria congregatione conclusum duos et triginta patres ex corpore Concilii assumi debere, omnes in diaconatus ordine constitutos, qui suscepto iureiurando per sanctam Synodum ordinato, una cum cardinali Arelatensi intrantes conclave, Romanum Papam eligerent. 337 Zur Biographie Thomas’ de Courcelles vgl. die Studie von Müller, Heribert: Thomas von Courcelles. Zum Lebensweg eines Pariser Universitätslehrers und Basler Konzilvaters am Ausgang des Hundertjährigen Krieges, in: Arnold, Johannes u. a. (Hg.): Väter der Kirche – Ekklesiales Denken von den Anfängen bis in die Neuzeit. Festgabe für Hermann Josef Sieben SJ zum 70. Geburtstag, Paderborn u. a. 2004, S. 861 – 915; zu seiner Rolle bei der Wahl Felix V. vgl. S. 881 – 885. 338 Zu Thomas Livingston, dem Abt von Dundrennan, siehe: Shaw, Duncan: Thomas Livingston, a Conciliarist, in: Records of the Scottish Church History Society 12 (1958), S. 120 – 155. Stieber: Eugenius IV, S. 52, Anm. 78 mit biographischen Informationen und Literaturangaben.
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Papstwähler aus dem ganzen Konzil zu ernennen; zudem verpflichteten sie sich durch Eid, nur „gottesfürchtige Männer“ auszuwählen, die zumindest den Weihegrad eines Diakons besitzen sollten und die sich ihrerseits gegenüber dem Konzil mit einem Eid zu verpflichten hätten 339. Auffällig an den Auswahlkriterien der Papstwähler war, dass die Marginalisierung der nationes aus den Anfangstagen des Basler Konzils, wie man sie etwa der Geschäftsordnung entnehmen kann 340, in dem Wahldekret fast ein Jahrzehnt später nun auch offiziell nicht mehr aufrechterhalten wurde. Es zeigt sich darin deutlich, wie stark Nationenprinzip und landsmannschaftliche Zugehörigkeit die Gruppen der Konzils teilnehmer strukturierten. Die Entscheidung, welche Konzilsväter zu Papstwählern ernannt werden sollten, wurde nach Aussage von Piccolomini mit großer Besonnenheit gefällt. Daraus spricht in auffälliger Weise, verstärkt noch durch die wiederholte Betonung ebendieser Sorgfalt, das Bedürfnis, die Teilnehmer des Konklaves in ihrer Qualifikation zu rechtfertigen. So wird in den folgenden Passagen immer wieder auf die Besonderheiten der Basler Situation apologetisch hingewiesen 341. Die Gruppe der drei Wahlmänner wurde schließlich noch um einen Vierten ergänzt, den damaligen Vorsitzenden der deutschen Nation, Mag. Theol. Christian von Königgrätz: Ihnen oblag nun insgesamt die Aufgabe, für eine ausgewogene Berücksichtigung der Nationen und Deputationen zu sorgen; d. h. jeweils acht Stimmen pro Nation, zudem auch eine möglichst gleichmäßige geographische Verteilung und die Berücksichtigung von insgesamt 28 würdigen Kandidaten – zu diesen sieben Stimmen pro Nation kamen noch diejenigen der vier Wahlmänner hinzu, die auch jeweils ihre Konzilsnation vertraten, des Weiteren der ohnehin gesetzte Kardinal Louis Aleman. Nach der Aussage Piccolominis waren tatsächlich nur „herausragende und edle“ (bonitate et nobilitate) Konzilsväter zu Papstwählern bestimmt worden, die am 29. Oktober 1439 bekannt gegeben und einen Tag später, in der 38. Sessio, offiziell mit dieser Aufgabe betraut wurden 342. In einer Ansprache, die Piccolomini in seinen Bericht integriert hat, stimmte Kardinal Aleman das Konzil auf die Bedeutung der
339 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 202: […] stricti sunt viros idoneos et timorem Dei habentes nominare. 340 Die Geschäftsordnung des Basler Konzils vom 11. April und 26. September 1432 wurde mehrfach ergänzt, so am 26. April 1434. Vgl. MC II, S. 260 – 163, Mansi 29, S. 377 – 385. Vgl. Helmrath: Basler Konzil, S. 18 – 34. 341 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 204: Prius tamen quam id ageretur, viros expertos ex singulis nationibus in colloquiis habuerunt, quorum relatu et mores hominum persenserunt, et qualis quisque in sua patria haberetur, subtili indagine didicerunt. 342 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 208: In omnibus autem per se nominatis aut summam scientiam cum bonitate et nobilitate se invenisse. MC III, S. 423: de confirmatione synodali electorum summi pontificis. Siehe auch die Protokolle Jacob Hüglins, CB VI, 674 – 91.
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aktuellen Ereignisse ein. Es gehe um nichts geringeres als den Zustand der Kirche, der von der Nominierung der Konklaveteilnehmer abhänge. Piccolomini schildert detailreich die Aufregung und Ängste des Kardinals über die Zusammensetzung des Wahlgremiums. Nach Piccolominis Bericht war es Alemans größte Sorge, dass statt der ranghöhsten Prälaten (maioribus praelatis) nur Angehörige des niederen Klerus ausgewählt worden seien 343. Diese Äußerung tiefer Besorgnis habe nun wiederum Segovia bewegt, so Piccolomini weiter, im Namen des Auswahlgremiums die Kriterien für die Zusammensetzung des Konklaves darzulegen. Dieses Gremium sei unter Berücksichtigung der Lehre Platons, also unter Maßgabe der Gesundheit des ganzen Körpers, berufen worden 344. Es sei insbesondere darauf geachtet worden, keine Titularbischöfe oder Äbte ohne Kloster zu berufen 345. Hier fällt auf, dass offenbar die Repräsentationskraft der einzelnen Stimme, im Sinne einer Delegation, im Konklave als maßgebliches Kriterium für erwähnenswert gehalten wurde. Zugleich wird auf die Abhängigkeit der einzelnen Glieder in einem Körper mit Verweis auf Platon verwiesen. Als entscheidende Charaktereigenschaften für einen Papstwähler, so berichtet Piccolomini, habe Segovia gängige Tugenden wie bonitas, nobilitas, scientia benannt. Er führt weiter aus, dass für das Wahlkolleg zwölf Bischöfe, sieben Äbte, fünf Theologen, neun Gelehrte und Doktoren, alles ordinierte Priester, ausgewählt wurden 346. Diese Ausführungen Segovias führten nach Piccolomini zu großer Beruhigung unter den Versammelten, die sodann „wundersam“ still die Verlesung der Namen verfolgten 347. Enea Silvio Piccolomini verhehlt in seinem Bericht nicht die Schwierigkeiten, den verschiedenen Ebenen des Proporzes gerecht zu werden. Auch die Berufung des vierten Manns in das Berufungsgremium zeigt die kollektive Angst in der Konzilsversammlung, wichtige Gruppen würden nicht ausreichend berücksichtigt.
343 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 206: Verebatur nanque optimus ille pater ne tresviri, spretis maioribus praelatis, plures ex inferioribus accepissent. 344 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 208: Idque ex Platonis summi philosophi praeceptis se didicisse, qui rectores civitatum sic curare totum rei publicae corpus iubet, ne, dum partem aliquam tueantur, reliquas deserant. (Res public, iv. 419 – 20.) 345 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 208: In electis vero magnam curam habuisse ne vel episcopum sine plebe, vel abbatem sine monasterio sumerent. 346 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 208: Et in episcopis quidem cum cardinali, qui episcopus esset, numerum esse Apostolis aequatum. Abbates septem, theologos quinque, inter luminatos ac doctores novem, omnes autem in presbyteratus ordine constitutos. 347 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 208: Quibus dictis aliquantisper multitudinem placaverunt; factoque miro inter omnes silentio, apertae sunt nominationis tabulae, quas Ioannes Segovius legit.
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Offenbar bestand jederzeit die Möglichkeit, dass ein Rang-, Nationen- oder Deputationskonflikt entstand 348. Neben den Angehörigen des Wahlgremiums 349 wurden auch die Beamten des Konklaves bekannt gegeben 350. Piccolomini führt auch hier die Nationsangehörigkeit auf und ordnet die Teilnehmer des Konklaves gemäß landsmannschaftlichen Kategorien. Dies unternimmt er sogar im Widerspruch zum Wortlaut des Dekrets, das unmittelbar vor dem Eintritt in das Konklave am 30. Oktober im Rahmen einer Sessio offiziell angenommen wurde und von Segovia ohne weitere Erläuterungen wiedergegeben wird 351. Anders Piccolomini: er ergänzt die Nationsangehörigkeit der Papstwähler und führt sodann Gründe für seine Sortierung nach Nationen aus: Er bewahre damit die in Konstanz angewandte Ordnung und fürchte sich im Übrigen nicht davor, auf diese Weise irgendwelche Neidgefühle hervorzurufen. Bei diesem Ordnungsprinzip werde nicht auf Tugend oder Rang rekuriert, vielmehr gehe es um die Zeit, also das Kriterium der Ancienntität. Denn, so Piccolomini weiter, einige Nationen hätten das Wort Gottes früher als andere vernommen. Das könne man jedoch niemandem vorwerfen, genauso wenig freilich jemanden dafür loben. Sich auf Mt 20,1 – 16 beziehend sei es, so Piccolomini, schließlich nicht wesentlich, ob man morgens oder abends in
348 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 208: quam circa nominationem habuisse se et ad deputationes, ut iniunctum sibi fuerat, oculum. […] fuitque omissus in illis nationum ordo, onerosum enim triumviris putatum est nationem nationi praeferre. Ideoque ut quisque prior aut praelatura aut dignitate fuit, sic prius est nominatus. 349 Für die Angehörigen des Wahlgremiums siehe: Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 210 – 218, MC III, S. 424, Mansi 29, 197f. 350 Vgl. Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 220: Vizekämmerer des Konklaves war Bischof Louis Lapalud von Lausanne, dieser war bereits bei der Wahl Martins V. Vizekämmerer gewesen und hat als Kämmerer bei der Wahl Eugens IV. ebenfalls diesen Dienst versehen. Als acht Konklave-Wächter wurden benannt: Percevallus de la Baulme, Bischof von Belley (inkorporiert Oktober 1439) und Nikolaus di San Gemigniano OP, Bischof von Grosseto in Etrurien. Die Äbte Johannes vom Benediktinerkloster St. Michael de Clusa, Diözese Turin (inkorporiert Oktober 1439) und Franciscus vom Augustinerkloster Abundantia, Diözese Genf, die Gelehrten Franciscus de Fuxe, Mag. Theol. und Wilhelm von Konstanz, Dr. legum, die Kanoniker Johannes de Turicella, Dekan in Segorbe bei Valencia und Theoderich Nagel aus Riga. Zum Zeremonienkleriker wurden die Konzilsnotare Michael Brunon, Kanoniker von Beauvais und Enea Silvio Piccolomini, Kanoniker in Trient; Promotoren Hugo Barardi und Johann Sletzenrode; Prokuratoren Robert Magnagni und Exekutor Petrus von Atro. 351 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 208: […] fuitque omissus in illis nationum ordo, onerosum enim triumviris putatum est nationem nationi praeferre.
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den Weinstock des Herrn gelangt sei. In jedem Fall gehöre Italien an die erste Stelle, wegen der Cathedra Petri und als Zentrum des Römischen Reiches 352. Dies ist nun eine recht verblüffende Argumentation gemäß historischer Traditionen, zumal alle Angehörigen der italienischen Nation aus Savoyen stammten und erst nach Eugens Suspendierung nach Basel gekommen waren und inkorporiert wurden. Neben den Italienern nahmen sechs weitere Konklavemitglieder, also insgesamt 15 der 33 Papstwähler, erst seit der Absetzung Eugens am Basler Konzil teil. Eine relativ kurze Anwesenheit in Basel scheint für das Berufungsgremium offenbar kein Kriterium für einen Ausschluss vom Konklave gewesen zu sein. Ob man sich auch hier an dem Gleichnis von der Arbeit im Weinberg orientierte, muss offenbleiben. Nach der Vorstellung der Italiener fährt Piccolomini mit den Wählern aus der französischen, der deutschen und zuletzt der spanischen Nation fort. Wie bei der italienischen Nation fügt er jeweils eine charakterisierende Bemerkung hinzu. So betont er die überaus großen Leistungen der Franzosen für die Kirche 353. Bei den Deutschen hebt er hervor, sie stellten die größte Gruppe von allen dar, und bei den Spaniern, dieses weite Land werde von vier christlichen und einem ungläubigen Herrscher regiert 354. Historisch-ethnographisches Detailwissen gibt Piccolomini in dieser frühen Schrift also nicht wie in späteren Werken preis 355. Nach Auskunft von 352 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 210: Nationem tamen Italicam etiam sedes beati Petri et Romanum imperium facit priorem. 353 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith,, S. 212: Ex natione Gallica, quae et ipsa secunda est, cuiusque in ecclesiam dei permaxima extant beneficia, nominati sunt. 354 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 216: Ex natione Hispanica, quae et ipsa vastissimos habet ac pernobiles campos, quatuor Christianis regibus et uno infideli regnata […]. Vgl. für das Urteil über Franzosen und Frankreich bei Pius II.: Gilli, Patrick: Les éléments pour une histoire de gallophobie italienne à la Renaissance: Pie II et la nation française, in: MÉFR MA/TM 106,1 (1994), S. 275 – 311. 355 Vgl. dazu seine späteren Schriften, vor allem die Europa und Asia als Teil einer Cosmographia, die er als Papst dann in universaler Perspektive zu verfassen begann. Darin wollte er „alle ethnischen, geographischen und geschichtlichen Entitäten“ würdigen. Vgl. mit Angaben weiterer Literatur: Helmrath, Johannes: Vestigia Aeneae imitari. Enea Silvio Piccolomini als „Apostel“ des Humanismus. Formen und Wege seiner Diffusion, in: Helmrath, Johannes/Muhlack, Ulrich/Walther, Gerrit (Hg.): Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer Humanisten, Göttingen 2002, S. 99 – 141, S. 140. Worstbrock, Franz Josef: Piccolomini, Aeneas Silvius Piccolomini (Papst Pius II.), in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 7, 1989, Sp. 634 – 669, Sp. 658f. Editionen: Die Asia: Enea Silvio Piccolomini, Beschreibung Asiens, ed. Wilhelm Baum, übersetzt von Raimund Senoner, Klagenfurt 2005. Die Europa: Pius II. Enee Silvii Piccolominei postea Pii PP. II De Europa, ed. commentarioque instruxit Adrianus van Heck, Città del Vaticano 2001. Deutsche Übersetzung: Enea Silvio Piccolomini Europa, ed. Günter Frank/Paul Metzger/Albrecht Hartmann, Heidelberg 2005. Zu Piccolomini
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Piccolomini war der anfangs besorgte Kardinal Aleman mit der Auswahl hochzufrieden, so dass er mit einem heiteren Gesicht eine Rede hielt, deren Stimmung sich auf die gesamte Versammlung übertrug 356. Piccolimini nennt in folgender Reihenfolge die Teilnehmer des Konklaves (die Inkorporationen, die nach der Suspension Eugens stattfanden, wurden hier hinzugeführt)357: Kardinal Louis Aleman, Erzbischof von Arles Aus der italienischen Nation: Bischof von Vercelli, Guglielmus (inkorporiert Juni 1439) Bischof von Aosta, Georg von Saluzzo (inkorporiert Oktober 1439) Bischof von Ivrea, Giovanni de Parella (inkorporiert Juni 1439) Bischof von Turin, Lodovico de Romagnago (inkorporiert Juni 1439) Abt der Benediktinerabtei Fruttuaria, Aleranus (inkorporiert Juni 1439) Abt von Susa, Jacobus (inkorporiert Oktober 1439) Prior des Antoniterhospitals Monte Canuto, Johannes Dr. decretorum (inkorporiert Oktober 1439) Prior des Antoniterhospitals Chiviasso, Bartholomeo Provana Dr. decretorum (inkorporiert Oktober 1439) Aus der französischen Nation: Erzbischof von Tarantaise, Jean d’Arces (inkorporiert im Oktober 1439) Bischof von Genf, François de Metz Bischof von Dax, Bernhard de la Planche Abt des Benediktinerklosters Conques, Raimund Nikolaus Tibout, Kanoniker in Coutances, Mag. Theol. Johannes de Valle, Rektor von Plounéor, Mag. Theol. Thomas von Courcelles, Kanoniker in Amiens, Mag. Theol. Archidiakon von Metz, Guillaume Hugues d’Étain, Dr. leg.
und Europa vgl.: Baldi, Barbara: Enea Silvio Piccolomini e il ‚de Europa‘. umanesimo, religione e politica, in: Archivio storico italiano 161 (2003), 619 – 683. Vgl. auch: Helmrath, Johannes: Enea Silvio Piccolomini. Vater des modernen Europagedankens?, in: Hohls, Rüdiger (Hg.): Europa und die Europäer. Quellen und Essays zur modernen europäischen Geschichte. Festschrift für Hartmut Kaelble zum 65. Geburtstag, Berlin 2005, S. 361 – 369. 356 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 220: Factusque laetus sereno vultu concionem quoque exhilaravit, quae, illo maestitiam onstendente, non tristis esse non poterat. 357 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 210 – 220.
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Aus der deutschen Nation: Bischof von Basel, Friedrich zu Rhein Abt des Zisterzienserklosters Klein Lützel bei Basel, Konrad Abt des Zisterzienserklosters Dundrennan, Thomas Livingston Archidiakon von Krakau, Derzelaus, Dr. decretorum (inkorporiert im Mai 1439) Johan Wyler, Dekan von Basel, Dr. decretorum Heinrich von Jude aus Köln, Dr. legum Jacob Friesheimer von Salzburg, Kanoniker in Regensburg, Licentiat in iure canonico Christian von Königgrätz, Kanoniker in Olmütz, Mag. Theol. (inkorporiert im April 1439) Aus der spanischen Nation: Bischof von Tortosa, Odo de Moncada (inkorporiert Juni 1438) Bischof von Vich, Georg von Ornos Bischof von Viseu, Ludwig de Amaral Abt des Benediktinerklosters St. Cucufas, Petrus (inkorporiert Juni 1438) Abt des Benediktinerklosters Arula, Antonius Bernhard de Bosco, Kanoniker in Lerida, Dr. decretorum (inkorporiert Dezember 1438) Raimund Albioli, Kanoniker in Tarazona, Dr. decretorum (inkorporiert September 1438) Johannes von Segovia, Mag. Theol. Die Legitimität des Konzilspapstes hing in hohem Maße davon ab, dass die Wahl gemäß den Regeln und Ordnungen der vorangegangenden Konklave-Versammlungen verlief. So ist die große Aufmerksamkeit verständlich, mit der Piccolomini die Einberufung der Papstwähler beschreibt. Mit Emphase preist er eben diese als „vollkommene Brüdergemeinschaft“ und den „wahren Senat der Welt“358. Die Verwendung des Attributs „wahr“ (verum) ist vor allem als Rechtfertigung gegenüber dem überkommenen Papstwahlgremium, den Kardinälen, zu verstehen, die gewissermaßen den bloß „vorhandenen“ Senat der Kirche darstellten. Der möglichst hohe Rang der ausgewählten Konklaveteilnehmer weist auf das Festhalten des Konzils am Kriterium der kirchlichen Hierarchie hin. Damit wurde die strukturelle Offenheit der Versammlung, die sich in den Inkorporationsmöglichkeiten 358 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 238: Omittam illam sanctissimam vitam beatam et omni stricta religione mundiorum; ubinam gentium talis patrum est chorus, ubi tantum scientiae lumen, ubi prudentia, ubi bonitas est, quae horum patrum aequari virtutibus queat? O integerrimam fraternitatem! O verum orbis terrae senatum. […] Potuitne unquam religio hac excellentior inveniri?
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hinunter bis zum einfachen Pfarrer zeigte, im Konklave nicht verwirklicht und weitergeführt. Vielmehr wurden möglichst viele der anwesenden Bischöfe und Äbte ins Konklave geschickt, diese freilich nur, sofern sie tatsächlich eine Diözese oder Klostergemeinschaft führten und damit auch reale, also territoriale Macht verkörperten. In der nachfolgenden Debatte um die Anerkennung des Basler Konzils und seines Papstes Felix wird von der Seite der Eugenianer oft der Mangel an Kardinälen vorgebracht sowie der niedrige Rang der meisten Konzilsteilnehmer 359. Die Auswahl der Papstwähler war also mit Blick auf kommende Auseinandersetzungen folgerichtig. Nur den ranghöchsten Klerikern war überhaupt eine durchsetzbare Wahl zuzutrauen, auch wenn selbst diese den Gegner zur Kritik veranlassten. Die „Aussendung“ der Wähler ins Konklave vollzog sich gemäß dem Bericht von Piccolomini in einem aufwendigen zeremoniellen Rahmen. Er schildert mit spürbar legitimierender Absicht das venerandum spectaculum, im Sinne einer ‚rite de passage‘, in dem die Wähler unter Tränen die Eucharistie von Kardinal A leman empfingen, einen Kleiderwechsel vollzogen und schließlich den in der 23. Sessio verabschiedeten Eid der Papstwähler schworen. Darin verpflichteten sie sich, zum größten Nutzen in spiritualibus et temporalibus der universalen Kirche einen Pontifex zu wählen und ihm erst nach Anerkennung der Dekrete des Basler Konzils Obödienz zu leisten 360. Piccolomini gewichtet in seinem Text die Inhalte des Eides neu: Der bei ihm wieder gegebene Eid erwähnt zwar die Verantwortung für die gesamte Christenheit, vor allem aber werden darin Autorität und Standhaftigkeit des Konzils beschworen, und – an zentraler Stelle – die Einleibgemeinschaft mit Christus hervorgehoben 361. Ihre Betonung im Schwur verstärkte die Bedeutung der gemeinsamen Kommunionfeier, die 359 Vgl. mit weiteren Nachweisen: Helmrath: Poggio, S. 550 – 555. 360 COD, S. 495: Ego N. talis cardinalis iuro et promitto omnipotenti Deo Patri et Filio et Spiritui sancto, ac beato Petro apostolorum principi, eum eligere in pontificem, quem credam ecclesiae universali in spiritualibus et temporalibus utilem, et tantae dignitati idoneum; nec illi vocem dare quem verisimiliter scivero promissione aut datione alicuius rei temporalis, seu prece per se vel alium interposita, aut alias qualitercumque directe vel indirecte, pro se electionem procurare, electoque in pontificem non prius obedientiam facere, quam iuret iuxta formam decreti sacri Basilieensis concilii, ita me Deus adiuvet, cui in die tremendi iudicii redditurus sum de hoc iuramento et cunctis operibus meis rationem. 361 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 226: Ego reverendissimi patres, coram Domino meo, Iesu Christo, cuius modo sacratissimum corpus indignus peddator manducavi, cuique in tremendo et magno finali iudicio de omnibus per me factis, rationem sum redditurus, promitto, iuro et voveo quoniam in hoc electionis negotio, ad quod nunc volente concilio mittimus, nil aliud quaeram quam populi Christiani salutem et universalis ecclesiae bonum. Idque mihi curae erit studere ne autoritas generalium conciliorum vilipendatur, ne fides catholica expugnetur, neve patres in Concilio persistentes opprimi possint; hoc quaeram, hoc sollicitabo, ad hoc viribus totis incumbam, nihil in hac re aut mei aut meorum amicorum causa faciam, sed solum Deum et
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Enea Silvio ohnehin zum Kern der Ausssendungszeremonie macht. An dieser Stelle wird freilich die generelle Erwartung deutlich, die das B asler Konzil dem Eid als politisch-rechtlichem, aber auch spirituell-religiösen Instrument beigemessen hat. Paolo Prodi hat den „Eid im Konziliarismus“ treffend als den letzten Versuch beschrieben, „eine Versöhnung innerhalb des sozialen Körpers zu erreichen, indem man den Eid als Garanten für die Legitimität und die Autorität der Kirche als Körperschaft einsetzte“362.
Wählerkreation bei Johannes von Segovia Johannes von Segovia beginnt sein 16. Buch der Konzilsgeschichte, das der Wahl Felix’ V. gewidmet ist, mit einer Schilderung der Bestellung der Papstwähler und einer Wiedergabe der für das Konklave erlassenen, notwendigen Dekrete. Wie auch Piccolomini paraphrasiert er im Abschnitt über die Kreation der Papstwähler die in einer Sitzung geäußerten Ansichten des Kardinals Aleman, dass es in diesen Zeiten notwendig sei, einen mächtigen und vor allem einen vermögenden Papst zu wählen. Aleman als einziger Kardinal werde, so Segovia, zumindest keinem anderen Kandidaten seine Stimme geben 363. Diese Auffassung bekräftigte er nochmals in den einzelnen Deputationen und der Generalkongregation. Demnach dürfe nicht „irgendein, wie auch immer hochgelehrter, Magister der Theologie gewählt werden, sondern ein mächtiger, der die Kirche erhalten könne“364. Mit dieser Darstellung des Konzilspräsidenten und einzigen Kardinals als standesbewusstem, kühl kalkulierenden und massiv auftretenden Machtpolitiker distanziert sich Segovia verhalten, aber deutlich von Louis Aleman und möglicherweise auch von dessen Haltung. Schließlich war er selbst, wie auch zwei weitere Mitglieder des Berufungsgremiums, Thomas de Courcelles und Christian von Königsgrätz, Magister der Theologie – ein Rang, der nach Aleman nicht ausreichend sei, um vom Konzil zum Papst gewählt werden.
ecclesiae suae utlitatem respiciam. Hoc animo, hac mente, hoc denique corde conciliare suscipio iuramentum. 362 Prodi: Sakrament, S. 142. 363 MC III, S. 408: […] desideraret eligi talem, per quem conservaretur ecclesie status, non autem, qui conservare non posset, quia satis esset miseria nunc in ecclesie status, et , si ille non haberet, unde se sustentaret, quomodo per eum conservaretur ecclesie status? Quocirca ipse publice dicebat ac forcius clamaret in tempore neccesse fore eligi potentem, et si alius eligi deberet, nunquam consentiret. 364 MC III, S. 408: quod non expediret eligi aliquem in theologia magistrum, quamvis doctissimum, sed potentem, sustentaturum statum ecclesie.
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Damit sprach Kardinal Aleman in Segovias Bericht auch implizit ein Urteil über die notwendigen Eigenschaften der Papstwähler aus, denn auch sie sollten möglichst mächtig und einflussreich sein, um die Wahl eines weithin anerkennbaren Papstes zu ermöglichen 365. Daher wurde von den Wählern zunächst lediglich Gottesfürchtigkeit erwartet 366. Doch nach Segovias Bericht wiesen auch Vertreter der italienischen Nation das Dreiergremium darauf hin, dass in den schwächer besetzten italienischen Reihen des Konzils ausreichend vornehme Kleriker am Konzil anwesend seien 367. Damit wurde deutlich die Auffassung formuliert, dass der Rang der Kleriker ebenso wie die Repräsentation der jeweiligen Nationen die wichtigsten Kriterien für die Wählerschaft waren. In der 37. Sessio am 24. Oktober 1439 wurden die Dekrete über die Abhaltung einer Papstwahl verkündet. Die Eröffnungsmesse der Sessio feierte der gerade in Basel eingetroffene Bischof von Aosta, Georg von Saluzzo, der zu den vielen, hochrangigen Klerikern aus Savoyen gehörte, die zwischen August und Oktober 1439 dem Konzil inkorporiert wurden 368. In der Sessio wurde zunächst das Dekret über Art und Weise der Papstwahl verabschiedet. Darin sind Vorschriften des Konstanzer Konzils zur Wahl Martins V. aufgenommen, das – wie kaum anders zu erwarten – auch in diesem Punkt das Vorbild schlechthin für die Basler Konzilsväter darstellte. Im Anschluss bestimmte die Basler Synode, dass alle Hindernisse, die einer legitimen Papstwahl
365 MC III, S. 408: Quocirca ipse publice dicebat ac forcius clamaret in tempore neccesse fore eligi potentem, et si alius eligi debret, nunquam consentiret. 366 MC III, S. 407: […] ut eligerent viros timoratos etc. […] 367 MC III, S. 407: intimantes vero concilio interesse notabiles personas de Ytalica nacione, supplicabant requirentes. 368 Georg von Saluzzo war von 1433 bis 1440 Bischof von Aosta und übernahm 1440 den Lausanner Bischofsstuhl. Er ist vor allem als einer der ersten Hexenverfolger prominent in Erscheinung getreten: Er veröffentlichte in seiner Diözese Lausanne 1447 neue Statuten, in denen er u. a. Basler Dekrete mit aufnahm. In Vevey kam es 1448 zu einem neuartigen Hexenprozess, einen solchen wiederholte Bischof Saluzzo 1461 in Lausanne. Bereits 1439 unterbreitete er dem Basler Konzil in einer Supplik die Bitte, in Ermangelung eines Inquisitors an Ort und Stelle die Untersuchungsgewalt in einigen Glaubensfällen selbst zu erhalten; drei von vier Deputationen stimmten ihm zu, CB VI, S. 655. Zudem ließ er 1453 seine Diözese visitieren. Vgl. zu seiner Person: Wildermann, Ansgar: La Visite des Églises du diocèse de Lausanne en 1453, 2 Bde., Lausanne 1993, Bd. 1, S. 25 – 37 und HS I,4, S. 139 – 140. Für die frühe Hexenverfolgung im Bistum Lausanne vgl. Ostorero: Folâtrer avec les démons; Modestin: Diable chez l’évêque; sowie ders.: Bischofs letzte Tage; zudem war er Besitzer der berühmten Trajan- und Herkinbaldtapisserie, vgl. dazu: Lehmann, Ursula: Textiles and memoria: Oberservations on the Trajan and Herkinbald Tapestry, in: Weddigen, Tristan (Hg.): Unfolding the Textile Medium in Early Modern Art and Literature, Berlin 2011, S. 33 – 44.
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noch entgegenstehen könnten, beseitigt werden sollten. So verdammte, verurteilte und annullierte die Generalkongregation in den drei Dekreten der 37. Sessio alle Verabredungen, Eide gegenüber einem geistlichen oder weltlichen Würdenträger, die dieser Wahl „in den feststehenden Formen“ entgegenstehen könnten 369. Um den Ablauf des Konklaves nicht zu behindern, wurden alle Audienzen suspendiert 370. Zudem wurde das übliche Verbot ausgesprochen, Hab und Gut des Neugewählten zu plündern 371. Zu Beginn des Dekrets über den Wahlakt wurde festgehalten, dass zu verschiedenen Zeiten verschiedene Arten der Papstwahl beobachtet worden seien. Mit diesem knappen Passus ordnete das Basler Konzil die eigene Sonderform der Papstwahl in die römische Tradition ein 372. Der Anpassungswille der Basler hielt sich freilich im Weiteren eng an das Vorbild von Konstanz, ohne diese Anleihen immer explizit zu nennen. So meint jedenfalls Hugo Manger entdeckt zu haben, dass vor allem die im Vergleich zu Konstanz recht ähnlichen Auswahlkriterien der Wähler bezeichnenderweise nicht erwähnt wurden, andere Vorschriften, wie die Frage des Scrutinium 373, seien hingegen mit Quellenangaben – das Zeremonienbuch des Kardinals Fillastre – ausgewiesen worden: „Dieses eigentümliche Schweigen unseres Dekrets über seine Vorgänger zu Konstanz zwingt zu der Annahme, daß bei den Abweichungen von dem geltenden Recht das Bewusstsein des Neuen, nach der Tradition Unberechtigten, die Väter nicht so sehr beseelt haben mag, wie wir wohl denken möchten“374. Dieses flexible Verhalten der Basler Väter gegenüber den neu getroffenen wie auch den überkommenen Verabredungen zeigt sich auch deutlich bei der Modifizierung des Schwurs, den die Papstwähler zu leisten hatten. Dieser basierte aber, bei allen notwendigen Anpassungen, auf Dekreten des Konstanzer Konzils und den kanonischen Bestimmungen aus dem Bereich der Extravaganten 375. Zugleich waren 369 MC III, S. 409: […] in adversum huius eleccionis factas et facta fiendas et fienda ex habundanti dampnat, reprobat et annullat, […]. Dazu auch Manger: Wahl, S. 30. 370 MC III, S. 409. 371 MC III, S. 414: […] ne bona eligencium et electi in papam rapiantur. Vgl. dazu den Abschnitt ‚Papstwahl und Plünderung‘ in: Paravicini Bagliani: Leib des Papstes, S. 149 – 153. Er bezeichnet die Plünderung des Kardinalspalastes nach seiner Wahl zum Papst als einen Übergangsritus, S. 152: „Indem er sich ausplündern lässt, legt der zum Papst gewählte Kardinal den ‚alten Menschen‘ ab und wird nun die päpstliche ‚Überperson‘.“ Zur Spoliierung während des Adventus Felix’ V. vgl. dieses Buch S. 169. 372 MC III, S: 409: Et licet diversis temporibus diversi modi super eleccione Romanorum pontificum observati sint, prout necessitas et utilitas ecclesie exposcebat, […]. 373 Vgl. MC III, S. 426. Die Wahl durch Scrutinium wurde seit dem 14. Jahrhundert immer mehr zur üblichen Form. Vgl. Schimmelpfennig: Papst- und Bischofswahlen, S. 187. 374 Manger: Wahl, S. 33. 375 MC III, S. 407: […] Fuerunt eciam conclusa decem capitula iuranda per elctores pape, mutatis mutandis, prout in Constancinesi concilio ordinata fuere, conformiter ad c. ‚Ubi maius‘ et
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die E idesleistungen, mit denen das künftige Verhalten des Römischen Bischofs, aber auch das der Kardinäle gebunden werden sollte, in der 23. Sessio des Basler Konzils verabschiedet worden 376. Der Papsteid, der in der 37. Sitzung nochmals bestätigt wurde 377, stellte zugleich die Wahlkapitulation dar. In diesem Eid wurde in erster Linie die Bindung des Pontifex an die Dekrete der Konzilien und die weitere Abhaltung autorisierter Kirchenversammlungen sowie die prinzipielle Anerkennung der Superiorität des Konzils über den Papst festgehalten 378. Segovia benannte in seiner Chronik, bevor er mit den Dekreten der 38. Sessio nur eine Woche später auch die Papstwähler selbst bekannt gab, nochmals die einstimmige, sorgfältige Bestimmung der Papstwähler, über die so viele Auskünfte wie nur möglich eingeholt worden seien. Zudem gibt er an, dass ein gleichmäßiger Proporz (respectus) nach Nationen und Deputationen einzuhalten war 379. Die Elektoren wurden schließlich einstimmig von der Generalkongregation bestimmt, ebenso wie die Zeremonialkleriker, die Wächter und ihre Stellvertreter. Auch hier wird auf die Erfahrung und Parallelität zu der Wahl in Konstanz hingewiesen. So erhielt etwa Louis de Lapalud, der noch amtierende Bischof von Lausanne, die Aufgabe des Camerarius’ bzw. des locumtenens Camerarii, weil er schon bei der Wahl Martins V. und bei der Wahl Eugens IV . dieses Amt versehen hatte.380 Als Konklavewächter erkor man die Bischöfe Percevallus von Belley und Nikolaus von Grosseto sowie zwei Äbte, den Minoriten Franz Fuste und drei Domherren. Als Zeremonienmeister fungierten Enea Silvio Piccolomini und ein Domherr von Beauvais, als Promotoren Hugo Barardi und Johann Sletzenrode, als Fiskalprokurator Robertus Magnagni, als Soldanus Petrus von Atri 381. extravagantem Clementis VI., incipitem ‚Licet in constitucione Gregorii‘, […]. 376 Vgl. COD, S. 495 – 505. 377 MC III, S. 413. 378 COD, S. 495: […] Iuro eciam prosequi celebracionem conciliorum generalium et confirmacionem electionum, iuxta decreta sacri concilii. Vgl. zur Eidesleistung Felix’ V. dieses Buch, S. 131. 379 MC III, S. 416: […] quorum omnium unanimi consensu omnes persone in cedula expresse nominate fuissent, habito respectu, ut eius tenore apparebat, ad naciones et, quantum possibile fuit, eciam ad deputaciones, quodque eorum fuisset studium haberi informacionem super omni bona honestate electorum, utque forent de distantibus, quantum possibile erat, regionibus et pre eminentes honore, quatenus eleccio in hiis, que prope, et in hiis, que longe, condignum ipsorum eligencium haberet testimonium. 380 MC III, S. 416: Quo vero ad vices gerentem camerarii ad custodiam conclavis, visum fuerat eis de Ludovico Lausanensi episcopo, qui loco cardinalis Arelatensis constancie dum vicecamerarius in eleccione Martini pape V., Rome autem cum camerarius esset, in eleccione olim Eugenii pro eo officium exercuisset, quod eciam ut id Basilee ageret, aptus foret, si sacto placeret concilio, eaque de causa ipsum inter elecotires non numeraverant. 381 Eubel: Basler Konzil, S. 271.
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Zudem erwähnt Segovia die vorbereitende Versammlung der Papstwähler am selben Abend im Haus des Kardinals von Arles. Sie erklärten sich bereit, ins Konklave zu gehen, und regelten praktische Fragen der Unterbringung. Auch in diesem Abschnitt der Konzilschronik spart Segovia nicht mit ausdrücklichen Bestätigungen und Bekräftigungen der „Gewohnheit der Kirche“ bzw. den „Gebräuchen der Konzilien“382. Ähnlich wie Piccolomini erwähnt auch Segovia den festlichen Charakter der 38. Sessio, mit der am 30. Oktober die Papstwähler offiziell durch ein Dekret berufen und verkündet wurden. Im Anschluss erfolgten die feierliche Eidleistung der Papstwähler und ihr Einzug ins Konklavegebäude 383. Neben allen Konzilsvätern waren Angehörige der städtischen Kirchen und Klöster Basels mit festlicher Kleidung und Reliquien ausgestattet sowie der Rat und Vertreter der Zünfte anwesend. Darüber hinaus waren auch viele Adelige und Ritter (non Theutonici) in Basel, um den Beginn des Konklaves mitzuverfolgen. Nach der Heilig-Geist-Messe, zelebriert durch den Kardinal von Arles, empfingen die 32 Wähler mit magna honestate, ordine ac devocione die Eucharistie aus seiner Hand, der sie danach küsste. Damit evoziert auch Segovia die Wahrnehmung dieser Gruppe als eine Einleibgemeinschaft. Ihre Fähigkeit, eine legitime Wahl durchzuführen, sollte durch diese Eigenschaft herausgestellt werden 384. Sodann erfolgte die Verlesung der durch ein einstimmiges placet nun offiziell angenommenen drei Dekrete; das dritte enthielt die Namen der Papstwähler, im Gegensatz zu Piccolominis Bericht wird jedoch die Nationsangehörigkeit bei S egovia nicht genannt. An die Publikation der Namen schloss sich die Eidleistung und Entsendung der Wähler in das Konklave an. Mit der Verabschiedung des Dekrets über die Konklaveteilnehmer am 30. Oktober 1439 in der 38. Sessio wurde auch der Libellus Moyses vir dei von Eugen IV. (4. September 1439) verdammt. Darin hatte Eugen nochmals die Auflösung des Konzils mit der Verlegung nach Ferrara und damit die Unrechtmäßigkeit des Basler Konzils bestätigt 385.
382 Vgl. MC III, S. 417: ecclesie consuetudinem, iuxta morem concilii. 383 Vgl. dazu dieses Buch, ab S. 107. 384 Vgl. zur feierlichen Inszenierung des konziliaren Konsenses in der sessio generalis Dendorfer: Inszenierung, S. 52 – 53. 385 Zur Verabschiedung der Wahldekrete und der Verdammung des Libellus Moyses vir dei vgl. MC III, S. 417ff., dazu auch: Stieber, Eugenius IV., S. 192f. Piccolomini nutzte die Gelegenheit zu einer nochmaligen Rechtfertigung der Papstwahl durch das Konzil, Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 228: Quis enim non illum summo pontificio dignum putet, qui tot sacerdotum episcoporum iudicio sit comprobatus, praesertim cum illi antea suscepto Dominico corpore iusiurandum praestiterit, nullum se electuros, nisi quem sciverint tantae idoneum dignitati?
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Interpretation der Berichte über das Wahlverfahren Auch wenn vieles bei Johannes von Segovia und Enea Silvio Piccolomini inhaltlich übereinstimmt und die Wählerkreation vermutlich weitgehend ihren Schilderungen entsprochen hat, wird jetzt deutlich, dass Segovia in seinem Bericht andere Schwerpunkte als Piccolomini setzte. Bei Segovia stand nicht, wie bei Piccolomini, die Konformität der Basler Wahl mit vorangegangenen, legitimen Papstwahlen im Vordergrund seiner Darstellung. Er betont hingegen offener als P iccolomini die notwendige Berufung hochrangiger Kleriker, wobei er sich freilich von dem prominentesten Anhänger des Rangkriteriums, Kardinal Aleman, leise distanzierte. Weniger deutlich als Piccolomini verweist er hingegen auf die Nationsangehörigkeit, er dokumentiert sie nicht einmal. Die Betonung der Nationsangehörigkeit unter den künftigen Papstwählern, die Piccolomini vornimmt, könnte an seinem generellen Interesse an Geo-Genealogie und Ethnographie zusammenhängen. Zudem scheint es ihm ein Anliegen zu sein, eine Hierarchie unter den einzelnen nationes zu etablieren, wobei Italien, wie bereits ausgeführt, der höchste Rang zukommen sollte 386. Hierbei gibt er als entscheidendes Kriterium für eine Rangstellung den Zeitpunkt der Christia nisierung an, was ihn wiederum als Historiker ausweist, der insbesondere diachrone Entwicklungen wahrnimmt und als strukturbildend bewertet. Die Frage nach der hierarchischen Stellung der Papstwähler thematisiert Piccolomini erst später, wenn er das Konklave selbst beschreibt 387. Auch dort legt er Kardinal Aleman die Sorge in den Mund, in Basel seien zu wenig ranghohe Kleriker anwesend. Der Vorwurf, Felix V. sei von einem „conventiculum der Minderwertigen“388 gewählt worden, entwickelte sich vor allem in den folgenden Jahren als eines der Hauptargumente der Propaganda Eugens IV. Johannes von Segovia prägte während dieser sich an die Wahl Felix’ V. anschließenden verbalen Legitimationskämpfe die Formel von der Repräsentation durch Identität 389. Im Abschnitt der Konzilschronik über die 37. Sessio, in der das Wahldekret verabschiedet wurde, verweist Segovia vor
386 Vgl. dieses Buch, S. 95. Zur Rangproblematik auf Konzilien vgl. grundlegend: Helmrath, Johannes: Rangstreite auf Generalkonzilien des 15. Jahrhunderts als Verfahren, in: Stollberg-Rilinger (Hg.): Verfahren, S. 139 – 173. 387 Vgl. dieses Buch, S. 94. 388 Vgl. Helmrath, Johannes: Die zweite Dekade des langen Basler Konzils (1440 – 1449): Perspektiven, Konversionen, Piccolominiana. Überlegungen am Ende einer Tagung, in: Müller (Hg.): Ende des konziliaren Zeitalters, S. 315 – 347. 389 Vgl. dazu Segovias Rede auf dem Mainzer Kongress 1441 gegen Nikolaus von Kues, in: RTA 15, S. 648 – 759, S. 681. Dazu vor allem Hofmann, Hasso: Repräsentation. Studien zu Wortund Begriffsgeschichte von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, Berlin 42003 (Schriften zur Verfassungsgeschichte, 22), S. 212, Krämer: Repräsentation, S. 233.
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allem auf die besondere Situation, in der sich die Kirche befunden habe, und auf die neutestamentliche ‚Geburtsurkunde‘ des Konzils, Mt 18,20 (Ubi sunt duo vel tres con gregati)390. Eine Darlegung der Auswahlkriterien für das Wahlgremium, etwa das Konzil abzubilden, findet sich an dieser Stelle nicht explizit. Gleichwohl kann die Auswahl selbst als Repräsentations-Praxis gelten und entsprechend müssen Nationenprinzip, Weihegrad und Anzahl der Papstwähler interpretiert werden. Die vehemente Ablehnung des Wahlverfahrens durch die Gegner des Konzils weist deutlich auf die zentrale Bedeutung des Konklaves für den Erwerb der Papstwürde hin. Zugleich wird ein weiterer Aspekt deutlich: Das Konzil verstand sich als Repräsentation der Kirche durch Identität, das Wahlgremium wiederum stellte ein Abbild des Konzils dar. Insofern kann die Zusammensetzung des Papstwahlgremiums einen Blick auf das Kirchenverständnis des Basler Konzils bieten. Im Konklave des Konzils repräsentierte sich die Kirche gewissermaßen in zweiter Ordung. Dementsprechend muss der Wählerrekrutierung, die das Dreiergremium im Auftrag des Konzils vollzog, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dies ist umso entscheidender, da Johannes von Segovia, Thomas de Courcelles und Thomas Livingston keineswegs einen „Querschnitt“ der Konzilsteilnehmer als Papstwähler bestimmten, sondern nach den Kriterien der Landsmannschaft und vor allem des Weihegrads auswählten. Mit dem Nationenprinzip wurde die in Konstanz aus der Universitätsverfassung übernommene Abstimmung nach Nationen nun auch offiziell reaktiviert; ein Verfahren, das nach Einschätzung von Hasso Hofmann mit dem „Prinzip hierarchischer Repräsentation“ brach, ohne diese „Repräsentation eigentlich zu demokratisieren“391.
Konklave Im Anschluss an die 38. Sessio begann das Konklave. Nach sechs Tagen im vierten Wahlgang konnte Herzog Amadeus VIII. von Savoyen 26 von 33 Stimmen auf sich vereinen 392. Die Kenntnisse über das Konklave, in dem der savoyische Herzog Amadeus VIII.
390 MC III, S. 410: Et licet diversis temporibus diversi modi super eleccione Romanorum pontificum observati sint, prout necessitas et utilitas ecclesie exposcebat, nunc tamen cura rei huius sub direccione omnipotentis Dei incumbit huic sancte synodo, congregate pro reformacione ecclesie et salute omnium fidelium in nomine Christi salvatoris, qui ait ‚Ubi sunt duo vel tres congregati in nomine meo, ibi ego sum in medio eorum‘. 391 Hofmann: Repräsentation, S. 275. 392 MC III, S. 426 – 427; Valois: Crise, S. 182: Für Amadeus VIII. votierten im ersten Wahlgang 16, im zweiten 19, im dritten und vierten 21, im fünften schließlich 26 Konklaveteilnehmer. Neben Amadeus erhielten folgende Personen jeweils mehr als zwei Stimmen: Die Kardinäle Petrus de Fuxo, Louis Aleman und Johann Cervantes, die Erzbischöfe Dietrich
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zum Papst durch das Basler Konzil gewählt wurde, sind aufgrund des Berichts von Enea Silvio Piccolomini, der hier als Zeremonienmeister tätig war, recht gut. Die Wahl Amadeus’ VIII./Felix’ V. gehört aufgrund des Augenzeugenberichts Piccolominis zu den am besten dokumentierten Papstwahlen überhaupt 393. Anhand seiner Schilderung soll der Verlauf des Basler Konklaves nachgezeichnet und zugleich der Bericht auf seine legitimatorischen Absichten hin untersucht werden. Der Einzug der Papstwähler vom Münster über den Münsterplatz in das schräg gegenüberliegende „Haus zur Mücke“, in dem das Konklave stattfinden sollte, vollzog sich in zeremoniell aufwendiger Weise. Im Aufbau der Prozession wie auch in den einzelnen teilnehmenden Gruppen waren Elemente präsent, die sich später im Adventus- wie auch im Krönungszug Felix’ V. wiederholten: Den Anfang bildeten weißgekleidete Kinder, dann folgten Kleriker der Stadt, die den Reliquienschatz Basels mit sich führten, sowie eine Menge Konzilsteilnehmer, deren Weg von der Stadtbevölkerung gesäumt wurde. Als Ort des Konklaves war der Tagungsort der Deputation pro communibus, das „Haus zur Mücke“ vorgesehen, in dem ursprünglich städtische Theater- und Tanzveranstaltungen stattgefunden hatten 394. Das Gebäude war gemäß den Erfordernissen eines Konklaves umgestaltet worden, die Piccolomini teilweise sehr präzise darlegt. Er konzentriert sich dabei auf Umbauten und Vorrichtungen, die er der zugrundeliegenden Absicht seines Berichts, nämlich den Nachweis über den legitimen Ablauf der Papstwahl in Basel zu führen, für sachdienlich hält. Dies stellte zum einen seine Aufgabe als Zeremonienmeister des Konklaves dar, zum anderen wies er damit die Legitimität seines künftigen Brotherren, Felix V. nach. Auf die für eine Papstwahl notwendige Anwesenheit des Heiligen Geistes deuteten auch kleinste innenarchitektonische Details hin, wie Piccolomini akribisch aufführt: Dies beginnt bereits bei der Zuteilung der hier eingerichteten Zellen für die Teilnehmer des Konklaves. Sie wurden per Los zugwiesen, was nach seiner Einschätzung nicht anderes als eine divina dispensatio war 395. Die Anwesenheit des heiligen Geistes zeigte sich in nichts anderem so eindeutig wie in der Ordnung und der Ordnungsgemäßheit des Verfahrens. Dies betont vor
von Moers (Köln) und Amadeus Talaru (Lyon), Bischof Georg von Vich sowie Johann von Segovia und Thomas de Courcelles, vgl. MC III, S. 426, Manger: Wahl, S. 55. 393 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 230 – 242. 394 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith,, S. 230: Hic igitur conclave haberi posse est visum ut esset domus orationis, ubi fuerat lasciviae campus, et succederent mores, ubi vitia triumphant. Hierzu auch Wackernagel: Basel, S. 526. 395 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 224: Miraque in re hac distributio sortis fuit, aut potius divina dispensatio, quae consilia hominum reprobans, doctorem primum, episcopum autem postremum fecit, cum statuissent ante praelati cellulas sibi digniores asscribere.
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allem Piccolomini, aber auch Segovia, in immer neuen Varianten: Nicht nur die vor Verschluss des Gebäudes nochmals kontrollierenden Basler Bürger zeigten sich erfreut über die Ordnung des gesamten Arrangements 396, sondern auch die Basler Papstwähler seien noch strenger mit dem Konklave in ihrer Stadt gewesen, als es die ohnehin strengen Regeln überhaupt vorsahen 397. Zusätzlich beruft Piccolomini sich oft auf die Wahl Martins V. in Konstanz, die stets als Modell diente. So schildert er kleinere Konflikte um Vorrang etwa bei der Zellenzuweisung, die aber umgehend mit dem Verweis auf Konstanz beigelegt wurden. Die von Piccolomini vorgenommene Erinnerung an Konstanz hatte jedoch auch immer legitimierenden Charakter, da sie die Vorgänge in Basel in eine Tradition einschrieb, die im Gegensatz zur eigenen Situation bereits allgemeine Anerkennung fand. An den Einzug schließt Piccolomini seine berühmt gewordene Beschreibung des Konklavegebäudes an. Er ist dabei ausgesprochen detailliert und sehr anschaulich, weshalb sie zu den populärsten Passagen der Konzilsgeschichte Piccolominis zählt. Gleichwohl verfolgte er durch diese bildreiche Realitätsevokation und Authentitätsfiktion mit historiographischen Mitteln vor allem das Ziel, die Rechtmäßigkeit des Konklaves herauszustellen. Je genauere Vorstellungen von diesem ungewöhnlichen Konklavegebäude beim Leser entstanden, desto realer erschien das Erzählte insgesamt und desto glaubhafter wirkte die hier geschilderte Ordnung insgesamt. Um diese Wirklichkeitsfiktion zu erzielen, wies er jedem Detail einen genauen Ort in dem räumlichen Gebilde zu, in dem die Ereignisse stattfanden. Dabei ging es ihm nicht um eine Beschreibung der Architektur als Selbstzweck im Sinne der Ekphrasis, sondern um die „innere Funktion“, die sie zu erfüllen hatte 398. So sollte die Baubeschreibung die Glaubwürdigkeit des Augenzeugen bekräftigen, der angesichts der Authentizität seines Berichts alle Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens ausräumen wollte. Und auf Einzelheiten kam es bei der Papstwahl, bei der die Rechtmäßigkeit des Verfahrens von einer Vielzahl von Regeln abhing, tatsächlich an. Diese Regeln betrafen nicht nur die Verriegelung der Fenster und Türen oder die Kargheit der Einrichtung – als legitimationsstiftend wurde ebenfalls die strikte Einhaltung der Speisevorschriften aufgefasst.
396 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 230: Cum vero iam noctis venissent tenebrae, ingressus est protector cum quibusdam civibus, et ut quisque locatus esset visurus, et voluptatem magnam ex tanto ordine suscipiens. 397 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 230: Post eum vero intravit Lausanensis vicecamerarius, et ipsum secuti sunt custodes conclavis; aliqui ex iis singulas cameras diligenter remati, et personarum et rerum examen habuerunt, excussuri extra conclave, si quid contra leges reperissent, nihilque praeter ordinem invenientes abierunt. 398 Vgl. Tönnesmann, Andreas: Enea Silvio und die Architektur, in: Terzoli (Hg.): Piccolomini. S. 313 – 340, S. 315.
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Dass von der Rechtmäßigkeit des Verfahrens die Legitimität des künftigen Papstes und des Konzils insgesamt abhing, wird umso deutlicher, als gerade in der späteren Obödienzdebatte die Rechtmäßigkeit des Wahl-Verfahrens massiv in Frage gestellt wurde. Umstritten war nicht nur die Zusammensetzung des Wahlgremiums, sondern auch Ablauf und Ort des Geschehens insgesamt. Als nehme Piccolomini die späteren Angriffe vorweg, wiederholt er mit großer Emphase die strenge Ordnung dieses Konklaves, die selbst noch die Nahrung umfasste: Si quis autem in legem commisit, partem alteram in ostio predidit 399. Er zeigt in den Passagen über die Speiseregeln im Konklave dabei einerseits seine Kennerschaft in Zeremonialfragen und andererseits durch antike Klassikerzitate, wie etwa von Macrobius, seinen breiten literarischen Horizont. Zugleich wird der hohe Anspruch der Konklaveteilnehmer mitgeteilt und die Vorbildlichkeit des Gremiums und damit der Papstwahl insgesamt unterstrichen 400. Mit dem leidenschaftlichen Ausruf über das strenge, reine Leben der Kleriker im Konklave, die den bereits erwähnten „wahren Senat“ des Erdkreises bildeten, wurde einerseits das Gegenstück zum streitenden Konzilsalltag gezeichnet, vor allem aber war dieser Konsens Zeichen für die Anwesenheit des Heiligen Geistes. Erst der Heilige Geist verschaffte der Wahl des künftigen Papstes ihre Legitimität. In der Logik des Historiographen galten Tugend, Reinheit und Frömmigkeit der Teilnehmer sowie die Ordnung des Verfahrens als Indikatoren für die wirkende Anwesenheit des Heiligen Geistes, der die nichtkanonischen Umstände und die insgesamt außerordentliche Konklavesituation vollständig kompensieren und aufheben konnte 401. Zugleich streicht Piccolomini seine Leistungen als Zeremonialmeister des Konklaves indirekt auch mit heraus.
399 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 234. 400 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 236: Rigidusque huiusmodi legum non solum observator sed custos etiam fuit Ioannes Segovius, qui non aliter violare alienas leges exhorruit quam suas proprias apud Romanos Antius Restio, de quo illud memorabile fertur eum foris, quoad vixit, postea non coenasse, ne testis fieret contemptae legis quam ipse bono publico pertulisset. 401 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 238: Omittam illam sanctissimam vitam beatam et omni stricta religione mundiorum; ubinam gentium talis patrum est chorus, ubi tantum scientiae lumen, ubi prudentia, ubi bonitas est, quae horum patrum aequari virtutibus queat? O integerrimam fraternitatetem! O verum orbis terrae senatum. Potuitne unquam religio hac excellentior inveniri? S. 240: Ac ego existimo illis in locis irriguos magis fontes et splendidas cellas aliaque aedificea esse admirationi quam homines. In nostro vero convetu caetera contemnenda, viri duntaxat admirandi fuerunt. Quorum modestiam nemo potuit satis contemplari; nullae illic rixae, nullae contentiones, omnia in amicitia, omnia in dilectione fiebant.
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Das Wahlverfahren selbst, soweit dies aus dem Bericht Piccolominis hervorgeht, richtete sich geradezu minutiös nach der Ordnung von 1274402. Es entsteht damit ein ähnlicher Eindruck wie bei der Schilderung des Häresieverfahrens gegen Eugen IV .: Dort wie hier wurde penibel auf die Umsetzung der kanonischen Rechtsvorschriften geachtet, insbesondere auf die von einem Konzil verabschiedeten Dekrete. Damit bewegte sich das Konzil ganz bewusst innerhalb der kirchlichen Ordnung. Allein die päpstliche Autorität wurde entsprechend dem eigenen Selbstverständnis, wie es etwa in dem Dekret über die drei Wahrheiten des Glaubens, De veritate fidei catholice per tres veritates, formuliert wurde, nicht widerspruchslos anerkannt, sondern modifiziert und den eigenen Bedürfnissen und der gegebenen Situation angepasst 403. Bei allem Selbstbewusstsein ob der eigenen Repräsentationskraft und Unabhängigkeit von der Hierarchie war dabei die von Piccolomini mitgeteilte Sorge Kardinal Louis Alemans nach einer eventuell recht geringen Anzahl von ranghohen Klerikern ein sprechender Beleg für die Ansicht, dass die Bedeutung des Konzils und seiner Entscheidungen abhängig vom Weihegrad und hierarchischen Rang seiner Angehörigen war 404. Der egalitäre Gedanke kehrte indes ins Konklave selbst zurück, denn dort fand 402 Zur Einhaltung des zeremoniellen Ablaufs darf ein Verweis auf den konzilseigenen Anspruch des de more fieri nicht fehlen, etwa in MC III, S. 411: […] Post nominacionem eorum in congregacione generali conveniant omnes in maiori ecclesia Basiliensi, in qua missa et sermo solemnes celebrentur et fiant, prout est de more fieri in die, quando intratur conclave. Die eingehende Schilderung des Konklaves im ‚Haus zur Mücke‘ findet sich bei Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 230 – 242. Auch Stieber: Eugenius IV., kommt S. 57 zu der Einschätzung, „that in conducting the conclave, the Council of Basel took the utmost care to observe all the traditional legal forms used in electing a Roman Pontiff.“ Besonders anschaulich sind die Passagen, in denen Piccolomini die bisweilen unangenehme Einhaltung der strengen Regelungen, was Mahlzeiten, die wenig komfortable Unterbringung oder den ausschließlichen Gebrauch der lateinischen Sprache betrifft, mit teilweise grotesk anmutenden Passagen konkretisiert. 403 Dies immer mit dem Anspruch der Unfehlbarkeit eines Universalkonzils, das damit berechtigt war, überkommene Vorstellungen, wie etwa die exklusive Handhabung des Wahlrechts durch die Kardinäle, zu ändern. Dazu auch: Helmrath, Johannes: Selbstverständnis und Interpretation des Basler Konzils, in: AKG 66 (1984), S. 215 – 229, S. 225. 404 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 206: Verebatur nanque optimus ille pater ne tresviri, spretis maioribus praelatis, plures ex inferioribus accepisset. Dieser Vorfall gibt auch Auskunft über das Repräsentationsverständnis, denn offenbar dachte Aleman zumindest in Bezug auf das Konklave, das Konzil sei nicht mehr als die Summe der einzelnen Teile. Vgl. Pérouse: Aleman, S. 312 – 316. Seine Einschätzung des Konklaves, S. 317: „En somme, le conclave de Bâle ne méritait pas tous les outrages dont le Pape et ses amis l’accablèrent, traitant ses membres de vendus, d’ignobles cuistres à peine bons à élire un doyen; du moins, le Cardinal avait–il craint pire et se tint-il pour content de ces collaborateurs,
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die Verteilung auf die Kammern des Konklaves nach dem Los, wie in Konstanz, und ohne Ansehen der Person statt 405. Bereits im Vorfeld der Wahl hat Aleman mehrfach auf die Notwendigkeit hingewiesen, einen mächtigen einem gelehrten Kandidaten vorzuziehen (doctissimum, sed potentem)406. Im Konklave selbst hat Aleman nach Segovias Bericht darauf gedrungen, bei der Wahl zu beachten, dass mindestens 40.000 Dukaten aufgebracht werden müssten, um den Erhalt des Konzils zu sichern 407. Auch wenn er sich, soweit dies aus den Quellen zu schließen ist, zu diesem Zeitpunkt nicht explizit für Amadeus VIII. ausgesprochen hatte, sollte nicht unterschätzt werden, dass er selbst aus Savoyen (Bugey) stammte und seine Familie Vasall des Hauses Savoyen war und dort Ländereien besaß 408. In seiner Schilderung des Konklaves gibt Piccolomini die Diskussion um die Person Amadeus’ VIII. von Savoyen innerhalb des Konklaves wieder, als sich eine Vereinigung von zwei Drittel aller Stimmen auf seine Person ankündigte, also nach dem vierten Wahlgang. Er lässt dabei einen Wahlberechtigten savoyischer Herkunft ein veritables Herrscherlob anstimmen und die Befähigung dieses Herzogs für das Papst-Amt hervorheben: Dabei werden zunächst topisch die säkularen Herrschertugenden wie Gerechtigkeit, Großzügigkeit und Friedensliebe betont 409. Dann allerdings geraten dem Papstwähler die Besonderheiten des savoyischen Herrschers in den Blick, etwa Amadeus’ – vermeintlicher – Rückzug von der Welt in die Eremitage von Ripaille. Dies sei als Zeichen der Nachfolge Christi und Ausdruck der Frömmigkeit des Herzogs
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parmi lesquels ignares et ambiteux laissaient une place à quelques prélats irréprochables et à d’éminents docteurs.“ Vgl. zum Problem der Rangstreite allg.: Helmrath: Rangstreite. Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 222f.: Constantiae cardinales admodum multos, non tamen respuisse cum episcopis et doctoribus sortem subire. MC III, S. 408: […] necesse fore eligi potentem et si alius eligi deberet, nunquam consentiret … expresse contestando, quod non expediret eligi aliquem in theologia magistrum, quamvis doctissimum, sed potentem. MC III, S. 425: Qui plenius pericula exponens, que diebus his ecclesia et fides paciebantur, mulitpharie allegabat necessitate eligendum fore in pontificem potentem genere et diviciis, per quem firmaretur ecclesie status, quia neccesse foret statim habere quadraginta milia ducatorum ad mittendas ambassiatas, patres vero concilii possent eciam recolligere se in eius dominio pro defensione eorum. Stieber: Amédée, in: Andenmatten/Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V, S. 341; Müller: Franzosen. Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 244: Cuius tempore regina virtutum semper iustitia floruit. […] Ipse pupillis tutor, ipse viduis advocatus, ipse pauperibus protector fiebat. […] Nulli unquam intulit bellum, illato vero resistens, semper de pace magis quam de vindicta cogitavit, et hostes singulos beneficio potius vincere quam gladio studuit.
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zu verstehen 410. Im Anschluss daran wies er auch auf die persönliche Disposition des Herzogs hin, der verwitwet und Vater von sieben Kindern war, von denen noch vier am Leben seien. Dieser Defekt wurde auch eingeräumt. Dann aber kam das entscheidende Motiv für die Wahl Amadeus’ VIII. zur Sprache: In stürmischen Zeiten bedürfe es eines starken Steuermannes, um zu bestehen: Vobis eligendus est gubernator, qui non solum consiliis, sed etiam viribus navim regat. Validus ventus est 411. Zudem weise der Kandidat günstige ‚geostrategische Merkmale‘ auf, denn er habe einen Fuß in Italien und einen in Frankreich 412. Mit der Erwähnung der Steuermannsfigur gebraucht Piccolomini eines der beziehungsreichsten und wirkmächtigsten Bilder eines Staatsmannes überhaupt. Das Bild der Steuermannsfigur präsentiert einen höchstens durch Sachzwänge, niemals aber an positive Gesetze gebundenen, allein auf sein Fachwissen sowie seine persönlichen Fähigkeiten und Tugenden verwiesenen Inhaber autoritärer Entscheidungskompetenz. Diese Eindeutigkeit des Grundgedankens, der sich über eine mehr als 2000-jährige Tradition verfolgen lässt, zeichnet den Steuermannstopos vor anderen aus. So hat das Bild vom Steuermann (kybernetes) eines Schiffes schon auf die griechische Polis (Platon) und die römische res publica (Cicero) Anwendung gefunden; es hat einem mittelalterlichen Verfechter christlicher Monarchie (Thomas von Aquin) ebenso als Argument gedient wie einem frühen Theoretiker des neuzeitlich-souveränen Staates ( Jean Bodin)413. Nach Meichsner mache seine charakteristische Stabilität „den Steuermannstopos zu einem Instrument, das pegelartig empfindlich feinste Schwankungen in der Entfaltung der Frage nach Herrschaft anzuzeigen vermag“414. Platon hat die gesamte Tradition dieses Topos bestimmt: So wird die Steuermannsmetapher immer wieder in einem kritischen Moment mit Hinweis auf den dramatischen „Augenblick der Gefahr“ beschworen. Das kleine Schiff von überschaubarer Größe ist in Gefahr und eine einzige verantwortliche Person handelt zum Wohle der gesamten
410 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 246: Contempto nanque seculi fastu, omnique pompa mundiali despecta, vocatis secum charissimis amicis in eremum concessit; ubi constructo mirae devotionis et artis monasterio, in servitium Dei se relegavit, et tollens crucem suam, secutus est Christum. 411 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 250. 412 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 250: Amadeus, qui alterum in Italia, alterum vero in Gallia pedem habet. 413 Meichsner, Irene: Die Logik von Gemeinplätzen. Vorgeführt an Steuermanntopos und Schiffsmetapher, Bonn 1983, S. 1; Curtius, Ernst Robert: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, München 1978, S. 136 – 138; Quaritsch, Helmut: Das Schiff als Gleichnis, in: Ipsen, Hans Peter/Necker, Karl-Hartmann (Hg.): Recht über See. Festschrift Rolf Stödter zum 70. Geburtstag, Hamburg/Heidelberg 1979, S. 251 – 286. 414 Meichsner: Logik, S. 10.
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Besatzung 415. Der Grundgedanke besteht in der Einheitlichkeit des politischen Handelns und in der Notwendigkeit des Zusammenhalts sowie dessen Konstitution durch Macht und damit Befehlsgewalt. Das Machtpotential wird monopolisiert. Mit dem Bild des Steuermanns rekurriert Piccolomini auf die petrinische Tradition, die sich auf Mt 16,18, die alleinige Berufung Petri, stützt 416. Auch in der Epik häuft sich die Verwendung von Schifffahrtsmetaphern zur Darstellung von Herrschaft mit einer personellen Spitze. Dabei werden insbesondere die verdeckte Maschinerie und die prächtige Schauseite als tertium comparationis von Schiffen und Herrschaft herangezogen 417. Die von Piccolomini gewählte Steuermannsmetapher nutzt dabei die Eigenschaften des Schiffs als „die Heterotopie schlechthin“418, hier in der Funktion einer Illusionsheterotopie, mit der der Papstwähler den Wunsch nach einer hierarchischen Ordnung aus autoritärer Kraft heraus als Notwendigkeit deklarierte. In dem Steuermannsbild hebt er neben den „Ratgebern“ (consiliis) – gewissermaßen die Kompetenz der Konzilsväter – vor allem auch die Kräfte (viribus) – d. h. das monetäre wie physisch-miliärische Vermögen von Herzog Amadeus VIII. – heraus. Es bedürfe in einer Situation, in der der Wind stark wehe (ventus validus est), nicht nur spiritueller-moralischer Kraft, um das Schiff zu lenken; vonnöten seien nun auch Geld, physische Potenz und strategische Erfahrung 419. 415 Meichsner: Logik, S. 28. 416 Dabei ist im Hinblick auf den 1444 in Genf entstandenen Flügel des Petrus-Retabels mit dem Wunderbaren Fischzug Petris, zu berücksichtigen, dass Steuermanntopos und Schiffsmetapher voneinander getrennt beobachtet werden mussen. Vgl. zum Wunderbaren Fischzug dieses Buch, Kap. 4.3, S. 333. Vgl. auch Schäfer, Eckart: Das Staatsschiff. Zur Präzision eines Topos, in: Peter Jehn (Hg.): Toposforschung, Frankfurt 1972, S. 259 – 292. Blumenberg, Hans: Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigma einer Daseinsmetapher, Frankfurt 1979. Blumenberg, Hans: Beobachtungen an Metaphern, in: Archiv für Begriffsgeschichte 15 (1971), S. 161 – 214. Zur Kybernetik vgl. etwa den Überblick bei: Wolf, Burkhardt: Das Schiff, eine Peripetie des Regierens. Nautische Hintergründe von Kybernetik und Gouvernementalität, in: MLN 123 (2008), S. 444 – 468. 417 Wenzel, Horst: Sekretäre – heimlichaere. Der Schauraum öffentlicher Repräsentation und die Verwaltung des Geheimen, in: Siegert, Bernhard/Vogl, Joseph (Hg.): Europa. Kultur der Sekretäre, Zürich/Berlin 2003, S. 29 – 43, S. 38 – 41. Mit dem Wechsel der Verfassungen ändert sich auch die Schifffahrtsmetaphorik, etwa bei Jean Bodin oder Heinrich Heine. Dazu auch: Peil, Dietmar: Untersuchungen zur Staats- und Herrschaftsmetaphorik in literarischen Zeugnissen von der Antike bis zur Gegenwart, München 1983. 418 Foucault, Michel: Andere Räume, in: Barck, Karlheinz u. a. (Hg.): Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik, Leipzig 1992, S. 34 – 46, S. 46. 419 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 250: Vobis eligendus est gubernator, qui non solum consiliis, sed etiam viribus navim regat. Validus ventus est. Prominentes Beispiel ist auch Petrarcas Brief ohne Namen I (1342). Vgl. dazu mit Edition: Piur, Paul: Petrarcas „Buch ohne Namen“ und die päpstliche Kurie. Ein Beitrag
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Mit der Metapher gab Piccolomini also den zentralen Grund für die Wahl des savoyischen Herzogs an, ohne den Konklaveteilnehmern damit einen Gesichtsverlust zumuten zu müssen. Das Geschick des Staatsmannes wie auch die physische Kraft des Fürsten wurden Amadeus attribuiert, und beide Eigenschaften würde man in den künftigen Auseinandersetzungen brauchen. Nach Piccolomini legte dann der savoyische Redner dar, es sei notwendig, den Kirchenstaat zu erobern, ohne den der römische Pontifex nur eine lächerliche und machtlose Figur und Sklave der Fürsten sei 420. Sodann erwähnte er das Constitutum Constantini und erklärte, der Besitz des Patrimonium Petri sei Voraussetzung für eine Wiederherstellung des Papsttums 421. Damit schloss Piccolomini die fiktive Rede des savoyischen Konklaveteilnehmers, der er eine hohe Wirkungskraft zusprach und damit sich selbst und seiner oratorischen Fähigkeit ein hohes Lob ausstellte. Doch auch dem Genre der historischen Rede wird damit eine hohe deliberative bzw. persuasive Wirkung zugemessen, denn im Anschluss an diese Darlegung erfolgte die Wahl des gepriesenen Kandidaten, Herzog Amadeus VIII. von Savoyen. „Damit lobten alle Völker Gott, weil wir einen Hirten haben, welchen er selbst uns gab, um ihn zu lieben, und den schlechten, um ihn zu fürchten“422. Die literarische Komposition Enea Silvio Piccolominis siedelte diesen Lobpreis des Herzogs von Savoyen direkt vor dem finalen Wahlgang an. Auch wenn man die
zur Geistesgeschichte der Frührenaissance, Halle (Saale), S. 165 – 166; Köhren-Jansen, Helmtrud: Giottos Navicella. Bildtradition, Deutung, Rezeptionsgeschichte, Worms 1993, S. 95. Hier steuert das Schifflein Petri auf falschem Kurs. Der Steuermann hält sich unschlüssig und ängstlich in der Nähe der gefährlichen klippenreichen Küste, anstatt den Blick nach dem zuverlässigen Seemannsgestirn, dem arktos, zu richten und offenen Kurs auf das viel weniger gefährliche hohe Meer zu nehmen. Die Ruder halten unerfahrene Männer. Equorei senis cimba tantis impar est fluctibus nimius carbasa ventus implevit et carina gravissimo fasce depromitur. Remos agunt inexperti. Clavi autem rector, ut vides, artis nautice precepta despiciens, terram amat, quod ingens navigantibus solet esse periculum. Idem et sereno nimium fidit demens, et stellas vagas intuens stabilem Arcton, fidam puppibus ducem, spernit. 420 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 250: Nunc autem didici quoniam ridiculosa est sine potentia virtus, nec alius est Romanus pontifex sine patrimonio ecclesiae quam regnum et principum servus. 421 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 250: At cum hodie terrae ecclesiae, partim per Gabrielem, partim per alios occupentur tyrannos, providendum nobis est ut virum talem eligamus, qui et recuperare patrimonium queat ecclesiae, et in quo Christi vicariatus non contemnatur, cuiusque potentiae clypeo eorum contumacia conteratur qui rationem contemnunt et veritatem. Vgl. zur Bedeutung des Patrimonium Petri für das Papsttum dieses Buch, ab S. 317. 422 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 254: Quocirca laudent omnes populi Deum, quia pastorem habemus, qualem ipse dedit amandum nobis et malis timendum.
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emphatische Eloge seitens eines Landsmannes als literarisch-oratorische Komposition auffassen sollte, so werden hier doch die entscheidenden Argumente für eine Wahl Amadeus’ VIII. zum Papst vorgestellt: Er war ein erfahrener Staatsmann, der als Friedensfürst seine Grafschaft zu einem Herzogtum erhöhte, der Reichtum und militärische Potenz ausstrahlte. Amadeus stand zudem in dem Ruf großer Frömmigkeit, und seine weitverzweigte Familie zu den Fürstenhäusern Europas ließ die Hoffnung auf breite Anerkennung aufkommen. Die Stimmung im Konklave zu Gunsten des Savoyers wird zu einem nicht unerheblichen Anteil von seinen Landeskindern mit beeinflusst worden sein, denn es liegt auf der Hand, dass sie sich bei der Wahl ihres Fürsten auch persönlich große Hoffnungen auf eine Karriere machen konnten; die landsmannschaftliche Vernetzung, der sogenannte „Campanalismo“, stellte einen ganz wesentlichen Beitrag zur Herrschaftssicherung vor allem im geistlichen Bereich dar 423. Die Wahl Amadeus’ VIII. lässt jedoch noch deutlicher die Bedürfnisse des Konzils und die eigene Disposition hervortreten: „Le concile avait besoin du support politique et financier de la Maison de Savoie“424. Doch allein die Stimmen der savoyischen Konklaveteilnehmer hätten für die Wahl nicht ausgereicht. Es stammten zwar sechs der elf Bischöfe, neben dem Kardinal, und zwei der sechs Äbte aus dem Herzogtum, doch im 5. Wahlgang vereinigte Amadeus 26 der 33 Stimmen auf sich. Damit war die notwendige Zweidrittel-Mehrheit erreicht, die übrigen sieben Wähler fanden sich jedoch nicht bereit, dieser Wahl beizutreten. Sodann berichtet Segovia, dass Graf von Tierstein, der Provinzial des Elsasses, die Bürger- und Zunftmeister der Stadt Basel sowie Louis Lapalud und Johannes de Turicella hineingerufen wurden. In ihrer Anwesenheit habe Kardinal Aleman nochmals die Abläufe des Konklaves im Einzelnen dargelegt – insbesondere über die Abhaltung der Messfeiern, die Hingabe und Gebete der Teilnehmer während des gesamten Verfahrens. Dann habe Aleman über den letzten Wahlgang berichtet, der, während draußen vor dem Haus zu Mücke veni creator spiritus gesungen wurde, die entscheidende Mehrheit für Amadeus VIII. gebracht habe. Die Zustimmung für ihn sei jeden Tag gewachsen. Sodann habe Aleman die anwesenden Zeremonialkleriker Enea Silvio Piccolimini und Michael Brumen sowie den Notar Johannes Bernardi beauftragt, die entsprechenden Schriftstücke aufzusetzen 425. 423 Vgl. Reinhard, Wolfgang: Freunde und Kreaturen. „Verflechtung“ als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen. Römische Oligarchie um 1600, München 1979, S. 36f. 424 Stieber: Amédée, S. 340. 425 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 252: Quocirca vocatis notariis, et intromissis testibus, confectum est de ipsa electione chirographum. Hier ist eine besonders augenfällige Parallele mit dem Bericht über das Konklave von Konstanz beobachtbar: Richental berichtet, dass die Wähler im Konstanzer Kaufhaus am 11. November 1417 ebenfalls den außen gesungenen Hymnus Veni creator spiritus vernahmen und Darnach do wurdent sy glich ains
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Nach dem Mittagessen wurden Piccolomini zufolge die gesicherten Fenster aufgebrochen und ein Kreuz aufgestellt. In den Fensteröffnungen hätten sich sodann die Prälaten, angetan mit Pluviale und Mitra, und die übrigen Wähler in ihren Gewändern gezeigt. Sodann habe Aleman der davor versammelten Menschenmenge auf Latein folgende Worte verkündet: „Ich verkünde Euch eine große Freude! Zum Ruhme Gottes, Nutzen der Kirche und Trost des Konzils und der Stadt Basel, deren kluge Herrschaft seit langer Zeit die Freiheit des Konzils bewahrt hat, ist die rasche Wahl auf den tugendhaften Herzog gefallen.“426 Nach einer Übersetzung ins Deutsche sei das Te Deum angestimmt worden und unter Glockengeläut seien die Wähler wie beim Einzug zurück in das Münster gegangen, begleitet von der gesamten Stadt, Angehörigen des Konzils und einer Menge Bewaffneter. Dort habe man wiederum das Te Deum gesungen und gebetet. Vor allem aber seien die Stadt Basel und die Wächter des Konklaves gelobt und die notwendigen Bestätigungen von den Notaren unterzeichnet worden. Nach einem letzten Segen durch den Kardinal war das Konklave offiziell beendet.427 Der Abschluss des Konklaves ereignete sich nach Darstellung Segovias damit genauso regelhaft und aufgrund der gewissenhaften Dokumentation, die Segovia mehrfach erwähnt, überprüfbar und ordnungsgemäß, wie der Einzug der Wähler in das Haus zur Mücke fünf Tage zuvor. Auch Piccolomini erwähnt eingehend die herbeigerufenen Zeugen und Notare, die ein Dokument (Chirographum) über die gerade erfolgte Wahl ausstellten.428 Ebenso betont er die gleiche Form, mit der die Papstwähler nach der Verkündigung des Wahlergebnisses aus dem geöffneten Fenster wieder in das Münster zurückzogen, in den gleichen festlichen Gewändern und Kopfbedeckungen und erneut geleitet vom Klerus und den Reliquien der Stadt 429. Die Frage, ob die Ereignisse von den beiden Konzilschronisten exakt und wahrheitsgemäß berichtet wurden, ist nicht allein relevant. Wichtig ist, dass beide der äußeren Form des Konklave-Verlaufs so große Aufmerksamkeit schenkten. Beide haben
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und wählten Oddo Colonna zum Papst. Vgl. Chronik des Konstanzer Konzils 1414 – 1418 von Ulrich Richental, ed. Thomas Martin Buck, Ostfildern 22011, S. 108 (260.2). Vgl. dazu auch: Buck: Konstanzer Konzil, S. 187. MC III, S. 427: Annuncio vobis gaudium magnum. Summarie post hoc referens de eleccione facta in personam ducis, brevissime autem virtutes eius commemorans contestabatur eleccionem hanc esse ad gloriam Dei, ecclesie utilitatem, consolationem concilii et civitatis Basiliensis, ciuius prudenti regimine tamdiu en ea tanta libertate consilium permanserat. MC III, S. 427. Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 252: Quocirca vocatis notariis, et intromissis testibus, confectum est de ipsa electione chirographum. Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 252: Postque hora iam terita praelati cum pluvialibus et mitris, ac clerus urbis cum reliquiis ad concellos conclavis venientes, electores similiter exornatos ad maiorem ecclesiam reduxerunt.
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die Ordnung, die Regelkonformität, die Einhaltung der Tradition, von der Kleidung über die Nahrung bis zur Dokumentation der Wahlentscheidung in sehr umfangreicher Form festgehalten. Beiden Texten liegt dabei eindeutig eine legitimierende Absicht zugrunde. Ebenfalls setzten beide Historiographen die schriftliche Überlieferung ein, um durch den Text eine Ordnung zu erzeugen, die legitimationsstiftend wirken sollte, deren Wirksamkeit freilich begrenzt geblieben ist. Doch wird gerade durch die Schilderung kleinster Details deutlich, dass die Oberfläche keineswegs als oberflächlich angesehen wurde und anzusehen ist, sondern einen Reflexionsraum darstellte, dessen genauer Beschreibung höchste Aufmerksamkeit geschenkt wurde.
Legitimität der Wahl? Die Diskussion auf den Reichstagen von 1441 – 1446 im Wettstreit um die Obödienz des Reichs gegenüber Eugen IV. und dem Konzil von Ferrara/Florenz/Rom auf der einen und dem Basler Konzil und Felix V. auf der anderen Seite drehte sich im Kern um die Frage, ob die Basler Papstwahl dem kanonischen Verfahren entsprach. Auch die Argumentationsstrategien von Piccolomini und Segovia in ihren jeweiligen Berichten von der Wahl Felix’ V. zielten in diese Richtung: Beiden ging es darum, die Ordnung des Verfahrens gemäß der überkommenen Regeln, vor allem der hochmittelalterlichen Konklaveordnung von 1274, nachzuzeichnen. Beide verwiesen aber auch stets auf das Konstanzer Konzil und die erfolgreiche Wahl Martins V. Dessen allgemein anerkannte Wahl wurde zu der legitimatorischen Referenz schlechthin. Zudem richteten beide Berichte große Aufmerksamkeit auf die Kreierung des Wählergremiums. Da es in Basel an Kardinälen mangelte, musste Ersatz gefunden werden. Hierbei nannten beide die Kriterien, nach denen das Dreier-, dann Vierer- Gremium und die weiteren 29 Wähler rekrutiert wurden. Wenig überraschend wurde auf untadelige Persönlichkeit, den kirchlichen Rang sowie die Nationenzugehörigkeit geachtet. Damit bildete das Konklave freilich nicht den Durchschnitt des Konzils ab, sondern man versuchte, die ‚besten‘ Vertreter zu finden. Die Güte eines Wählers bemaß sich dabei überwiegend nach hierarchischen Kriterien innerhalb der Ordnungskategorien Nations- und Deputationsangehörigkeit. Überraschend sind dabei die detaillierten Erläuterungen bei beiden Autoren zu verfolgen, wie die Wähler ausgewählt wurden: Diese Transparenz des Verfahrens zur Wählerkreation verdient es, herausgehoben zu werden. Die Rolle des einzig verbliebenen Kardinals, Louis Aleman, wird in beiden Berichten stark betont. Seine Redeanteile sind bei beiden Autoren recht hoch, und ihm wird übereinstimmend insbesondere die Sorge um den Rang der Papstwähler in den Mund gelegt. Es muss offenbleiben, ob Aleman dieses entscheidende Kriterium tatsächlich so stark hervorhob, doch beiden Chronisten lag offenbar einiges daran, ihn
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als Bewahrer der Hierarchie darzustellen und ihn damit zugleich gegen die strukturelle Offenheit des Konzils abzugrenzen. Darüber hinaus betreibt Piccolomini durch die detailreiche Schilderung der Räumlichkeiten und der Ausstattung des Konklavegebäudes sowie des Alltags im Konklave eine gezielte, legitimationsstiftende Realitätsevokation. Er geht davon aus, dass die regelkonforme Einrichtung des Konklavegebäudes die korrekte Durchführung des Wahlverfahrens überhaupt erst ermöglichte. Mit der Beschreibung des Wahlverfahrens, wie im Folgenden auch bei der Immantatio (Wahlannahme) sowie der Krönung, verfolgte Piccolomini die Intention, zu belegen, dass bei der Kreation des Papstes Felix V. alle zeremoniellen Regeln und kanonischen Vorschriften beachtet sowie die römische Tradition insgesamt exakt eingehalten wurden. Damit wurde der äußeren Form, dem Dekor, der Einrichtung, der richtigen Nahrung und Kleidung ein hoher legitimationsstiftender Rang beigemessen, der keineswegs unterschätzt werden darf. Dieser hohe Stellenwert der äußeren Zeichen und Ausstattung insgesamt wird sich in der Repräsentation Felix’ V. weiter fortsetzen. In seinen historiographischen Schriften betonte Enea Silvio Piccolomini mehrfach, dass in Basel gemäß dem römischen Modell bzw. wie in Rom verfahren wurde. Dabei suggerierte gerade die Hervorhebung von Details vollständige Authentizität, wie etwa in der Beschreibung der Räumlichkeiten im Haus zu Mücke, in dem das Konklave abgehalten wurde. Ein anderes Beispiel stellt die Beschreibung des ausgeklügelten Systems dar, wie den Konzilsteilnehmern ihre Nahrung von außen hereingebracht wurde, ohne Botschaften ins Konklave hinein oder hinaus zu schmuggeln 430. Seien es die beengte Unterkunft oder das sparsame Essen, nach Piccolominis Darstellung legitimierte die Einhaltung der strengen Regeln von 1274 das Wahlverfahren. Diese Beachtung der normativen Vorgaben war nach Piccolomini den herausragenden Charaktereigenschaften der Papstwähler zu verdanken, über die er ausruft, wer könne es mit dem Wissen, der Klugheit und den guten Eigenschaften dieser Gemeinschaft aufnehmen. Niemand käme dieser vollkommenen Bruderschaft gleich, hier handele es sich um den wahren Senat des Erdkreises 431. Es kann hier letztlich nicht entschieden werden, ob sämtliche Schilderungen und Angaben Piccolominis korrekt, übertrieben oder gar fiktiv sind. Zentral ist allein, dass er den Leser davon überzeugen wollte, alle Verfahrensregeln, insbesondere beim
430 Vgl. dazu auch S. 108; zur Architekturbeschreibung: Tönnesmann: Enea Silvio, S. 314 – 315. 431 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 238: […] ubinam gentium talis patrum est chorus, ubi tantum scientiae lumen, ubi prudentia, ubi bonitas est, quae horum patrum aequari virtutibus queat? O integerriam fraternitatem! O verum orbis terrae senatum. Vgl. zum „wahren Senat“ auch dieses Buch, S. 98. Piccolomini selbst grenzt sich damit entschieden von der Skepsis Kardinal Alemans ab, was den hierarchischen Rang der Basler Papstwähler betrifft.
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Wahlakt, seien in Basel verlässlich und ordnungsgemäß eingehalten worden. Auch sei gemäß dem päpstlichen Zeremoniell verfahren worden. Diese stets betonte Beachtung der Verfahrensordnung sowie die Orientierung am Konklave in Konstanz stellten im weiteren Verlauf des Basler Schismas das Argumentationsarsenal für die Verteidigung Felix V. sowie in der Obödienzwerbung dar, insbesondere während der Reichstage. Es stand bei dieser Debatte stets die Einhaltung des Wahlverfahrens im Vordergrund, nicht zuletzt, weil in diesem der Heilige Geist agierte, was sich in der konsensualen Entscheidung ausdrückte.
2.5 Der Herzog wird Papst: Wahlannahme in Ripaille Die Wahlannahme ereignete sich am 17. Dezember 1439 in Ripaille. Aufgrund der Abwesenheit des gewählten Kandidaten konnte sie sich nicht wie üblich unmittelbar an den Wahlakt im Konklave zu Basel anschließen, sondern erfolgte erst mit fünfwöchiger Verspätung. In einem normalen Ablauf der Papstkreierung – Wahl im Konklave, Annahme der Wahl und anschließende Einkleidung (Immantatio) – wird die Wahlannahme nicht als eigener konstitutiver Akt aufgefasst. Während der Situation im Basler Schisma gewann sie aber an Bedeutung und bedarf daher einer gesonderten Betrachtung. Nach der Wahl des savoyischen Herzogs Amadeus VIII. zum Papst auf dem Basler Konzil am 5. November 1439 dauerte es fast sechs Wochen, bis eine vielköpfige und ausgesprochen prominent besetzte Delegation des Konzils in Ripaille dem Herzog das hohe Amt persönlich antragen konnte 432. Am 15. Dezember 1439 traf in Ripaille eine Delegation des Basler Konzils um Kardinal Louis Aleman ein. Diese bestand unter anderem aus den Bischöfen von Tortosa, Vich, Viseu, Aosta und Basel, drei Äbten und vierzehn weiteren Konzilsvätern, dem Vizeprotektor des Konzils Graf Rudolf von Thierstein und dem Bürgermeister von Basel, also insgesamt aus 25 Gesandten mit ihrem Gefolge. Diese Delegation war in Basel feierlich verabschiedet und Kardinal Aleman als legatus a latere mit dem Kreuz und weiteren Insignien ausgezeichnet worden. Damit war die volle Entscheidungskompetenz des Konzils an ihn delegiert worden 433. Die Basler wurden in Ripaille feierlich empfangen, doch nachdem Amadeus VIII. die Beweggründe für seine Wahl vernommen hatte, ließ er die Versammlung zunächst vertagen und dann am folgenden Tag den Konzilsvätern durch seinen Kanzler mitteilen,
432 Zu den Ereignissen in Ripaille anlässlich der Wahlannahme vgl. auch Bruchet: Ripaille, S. 81 – 108. 433 CB VI, S. 733.
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er sehe drei offensichtliche Schwierigkeiten (tres aperte difficultates), die Wahl anzunehmen 434. Der Schilderung des Konzilschronisten Johannes von Segovia zufolge waren dies folgende Punkte: Zunächst wünschte Amadeus dem Wortlaut des Papstschwurs, den das Konzil in der 23. Sitzung (26. März 1436) verabschiedet hatte 435, eine Passage hinzuzufügen: Er wolle verdiente Konzilsväter auf Kirchenämter befördern 436. Des Weiteren wolle er sein Habit und seinen Namen auch als Papstnamen (Amadeus I.) beibehalten 437. Zum Ende des Kapitels erwähnt Segovia einen weiteren offenen Verhandlungspunkt de rasione barbe: „Es gab“, so Segovia, „eine weitere Schwierigkeit wegen der Bartrasur; seine Berater bestanden mit Nachdruck darauf, dass die Abnahme des Bartes nicht geschehen dürfe“438. Gemäß der Beschlüsse des Konzils vom 26. März 1436, in denen der Eid des Papstes neu formuliert worden war, musste die Wahlannahme innerhalb eines „natürlichen Tages“, (infra diem naturalem ab hora requisicionis), geschehen: Amadeus verstieß also mit der von ihm verfügten Vertagung bereits gegen ein zentrales Dekret des Basler Konzils 439. Offenbar wurde dieser offene Affront von Segovia übergangen, zumindest sind keine weiteren Konsequenzen bekannt. Streng genommen war jedoch damit die Wahl des Konzilspapstes ungültig. Entsprechend angespannt dürfte die Verhandlungssituation vermutlich gewesen sein. Die drei Bedingungen, die Amadeus VIII. an das Konzil stellte und die den Papstschwur, seinen Namen und seinen Eremitenhabit inklusive Barttracht betrafen, lehnte die Delegation des Konzils gänzlich ab und erfüllte keine der savoyischen Forderungen 440: Die von Amadeus vorgeschlagene Ergänzung des Papsteides, verdiente
434 MC III, S.449: Qua priusquam oratores adirent electi presenciam, per consiliarios eius fuerint tres aperte difficultates de forma professionis. 435 Vgl. die Eidesformel in: COD, S. 495f. 436 MC III, S. 449: […] utrum verbum illud „Iuro eciam” prosequi celebracionem conciliorum generalium annotaret clausulam precedentem comprehendi sub iuramento, namque electus cupiebat personas, que pro servicio ecclesie tamdiu laboraverant in concilio, prout bene merite erant, promovere ad electivas dignitates. 437 MC III, S. 449: […] super mutacione quoque habitus, quia multis videretur decens in suo habito heremetico Basileam accessurum esse, ut confunderentur dicentes de statu laycali in papatum assumptum. De mutacione item nominis ne fierit, sed vocaretur Amedeus primus. 438 MC III, S. 451: Fuit rursus difficultas altera de rasione barbe, sed ut non fieret, consiliarii illi ex animo perstitere. 439 Vgl. COD, S. 495f. 440 An anderer Stelle nennt übrigens Piccolomini eine von Segovia nicht aufgeführte Bedingung: Er wolle den Papat nicht annehmen, wenn er nicht die finanziellen Mittel erhielte, mit denen er sich als Papst unterhalten könne. Denn er wolle „mit seiner ihm eigenen Gerechtigkeit zwar der Kirche dienen, aber dennoch die Güter seiner Kinder nicht verschwenden.“ Vgl.: Piccolomini, De Amedeo, ed. van Heck, S. 77: Sed cum essemus in via, significavit Amedeus se nolle
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onzilsväter zu befördern, betraf vitale Interessen der päpstlichen Personalpolitik, K da er damit explizit die Wahlämter unter seine persönliche Kontrolle zu bringen beabsichtigte. Dies war für die Konzilsgesandten inakzeptabel, da es der beschrittenen Reformlinie des Basler Konzils völlig zuwiderlief. Darüber hinaus hätte dieser Zusatz die Änderung eines Konzilsdekretes bedeutet und damit eine Unterminierung des Konzils insgesamt dargestellt. Die entschiedene Ablehnung weist zudem auf die Sensibilität der Konzilsväter gegenüber päpstlichen Eingriffen in konziliare Regelungen hin, die sogleich als Verletzung der konziliaren Souveränität aufgefasst werden konnte 441. Die strikte Einhaltung der Dekrete von Konstanz und Basel, insbesondere über die Autorität allgemeiner Konzilien, war vom Papstprätendenten explizit zu beschwören 442; ihre Verletzung von päpstlicher Seite stellte den denkbar größten Affront dar, wie dies bereits im Konflikt mit Eugen IV. mehrfach zum Ausdruck gekommen war. Der Verstoß gegen Konzilsdekrete hatte schließlich den formalen Anlass dargestellt, Papst Eugen IV. wegen Ketzerei anzuklagen, ihn der Häresie schuldig zu sprechen und ihn auf diese Weise aus dem Amt zu entfernen 443. Der Eid stellte überdies nicht nur den Kern der juristischen Amtsübertragung dar, es ging darin auch um den sicht- und hörbaren Ausdruck der Position, dass sich die Macht des Papstes derjenigen des Konzils unterordnete und er verpflichtet war, gemäß den Dekreten des ‚Heiligen Konzils‘ zu handeln 444. Erst aus der Schwurleistung – und
papatum acceptare, nisi et provisio fieret, per quam posset se in papatu substinere. Nam etsi vellet cum justitia sua servire Ecclesie, filiorum tamen bona nolebat dissipare. Diese Verhandlungsposition erscheint durchaus gerechtfertigt, denn das Konzil hatte die Einkünfte des Papstes durch seine Reformdekrete so umfangreich beschnitten, dass nun auch der von ihm gewählte Papst den Aufwand für dieses Amt eigentlich nur aus seiner Privatschatulle finanzieren konnte. Das Konzil sollte in den folgenden Monaten einige seiner strengsten Bestimmungen, die die Einkünfte des Papstes betrafen, aufweichen und im Laufe des Pontifikats sogar fast vollständig zurücknehmen. Vgl.: Eckstein: Finanzlage; Helmrath: Basler Konzil, S. 50 – 54. 441 Vgl. dazu mit anderer Gewichtung Stieber: Felix V. 442 Vgl. COD III, S. 495f. 443 Helmrath: Basler Konzil, S. 474; zum Absetzungsdekret, MC III, S. 325 – 327, Stieber: Eugenius IV., S. 55. 444 Vgl. Prodi: Sakrament, S. 159 – 163. Prodi beurteilt die Eidleistung des Papstes, „als das revolutionärste Vorhaben“ des Konstanzer Konzils, „den Papst einem Amtseid als Verwalter der kirchlichen Körperschaft zu unterwerfen.“ Das Konzil versuchte, so Prodi, „selbst Schiedsrichter über den Eid zu werden und also unter anderer Form eine subversive Macht zu bilden. […] eine Macht, die für die entstehenden Landeskrichen und für die Herrscher gefährlicher als das Papsttum gewesen wäre.“ (S. 159) Nach Prodi verfolgte der Konziliarismus „das Ideal einer Gesellschaft, die auf einem Netz von Eiden beruhte, welches den gesamten Bau der geistlichen und weltlichen Gesellschaft zu tragen vermochte.“ (S. 161).
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dem Wahlverfahren – wird die konzilsspezifische Modifikation des Papsttums, seine wirksame Bindung an Konzilien und ihre Dekrete, deutlich. Aus den zeremoniellen Akten der Papstkreation ist diese Modifikation freilich nicht zu erschließen. Vielmehr hielten sich die Basler Konzilsväter – ähnlich wie im Konklave – bei der Wahlannahme in rigider Weise an den überkommenen Ablauf der Immantation wie auch an das traditionelle Erscheinungsbild des Bischofs von Rom, wie im Folgenden dargelegt werden wird. So war es nur konsequent, dass die weiteren Wünsche des Herzogs Amadeus ebenfalls abgelehnt wurden. Es wurde ihm versagt, sein Eremitenhabit und seinen Bart auch als Papst weiterhin zu tragen sowie seinen persönlichen, dynastischen Namen zu behalten 445. Hierin zeigt sich die Auffassung des Konzils, dass man an den traditionellen päpstlichen Herrschaftszeichen keinerlei Änderung vornehmen wollte: Die Namensänderung sei, so berichtet Segovia, ein Brauch ab origine ecclesie und gehe auf die Worte Christi gegenüber Petrus zurück 446. In dieser Absage an Amadeus’ Vorstellungen und der Betonung der apostolischen Tradition in ihren äußeren Kennzeichen wie Kleidung und Namen wird der Anspruch auf einen Papat formuliert, der Rom und seinen Traditionen verhaftet bleiben sollte. Diese konnten keinesfalls preisgegeben werden, da die Konzilsväter offenbar der Ansicht waren, dass aus dem Gebrauch der Zeichen und der Traditionswahrung die Legitimation in der Petrusnachfolge erst entstand. Dazu bekennt sich das Konzil konkludent durch die Befolgung der Konklaveordnung von 1274 und die Investitur gemäß dem Zeremoniale von Gregor X. Besonders deutlich zeigt sich diese ‚traditionalistische‘ Auffassung im Zeremoniell dann anlässlich der Krönung von Papst Felix V. am 24. Juli 1440 in Basel, aber auch bei der Immantation (Einkleidungszeremonie) in Ripaille: Es ging bei diesen zeremoniellen, herrschaftskonstituierenden Akten um die strikte, geradezu penible Wahrung der römischen Tradition 447.
445 Die Beibehaltung des eigenen Taufnamens als Papstnamen unternahm dann tatsächlich Papst Julius II. (1503 – 1513), vormals Giuliano della Rovere. Es wird vermutet, dass er sich damit in die Nachfolge Julius Caesars stellen wollte. Vgl. Zucker, Marc J.: Raphael and the Beard of Pope Julius II, in: The Art Bulletin 59 (1977), S. 524 – 533, S. 527 und Anm. 29. Weiss, Roberto: The Medals of Pope Julius II, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 28 (1965), S. 163 – 182. Dazu auch: Verspohl, Franz-Joachim: Michelangelo Buonarotti und Papst Julius II. Moses – Heerführer, Gesetzgeber, Musenlenker, Göttingen/Bern 2004, S. 88 – 97. 446 MC III, S. 451: […] Similiter et de mutacione habitus, quia per tradicionem insignium papalium de papatu investiebatur et accipiebat possessionem illius. De nomine eciam, quia sic fuisset consuetum ab origine ecclesie consuetudine hac fundata ex Christi accione nomen Symonis mutantis in nomen Petrus, quando illi dixit […]. 447 Enea Silvio Piccolomini schildert in einem Brief an Johannes von Segovia die Feierlichkeiten in Basel anlässlich der Papstkrönung Felix’ V.: Enee Silvii Piccolominei Epistolarium seculare
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Mit dem Wunsch von Amadeus, seinen persönlichen Namen auch als Papst tragen zu dürfen, drückte er seine Weigerung aus, mit der Annahme eines Papstnamens auch den signifikantesten Übergangsritus eines normalen Klerikers in das Petrusamt anzuerkennen. Sein Bestreben, als Amadeus I. in die Reihe der Päpste einzugehen, zeigt, wie sehr er daran interessiert war, mit seinem Taufnamen, den er als Achter seiner Familie trug, zugleich auch seine Dynastie und ihr Ansehen zu befördern und gewissermaßen petrinisch zu erhöhen. Immerhin gewährten die Gesandten des Konzils ihrem Kandidaten ein kleines Zugeständnis in diesem Punkt: So sollte das Konzil auf seiner nächsten Sitzung darüber entscheiden, ob er seinen Namen, der ja bereits von großer Frömmigkeit zeuge, behalten dürfe 448. Dazu kam es jedoch nicht. Amadeus wählte, wie z. B. auch Martin V., den Namen des Patrons des Wahltages, in diesem Falle Felix 449. Doch das an dieser Stelle erstmals greifbare Motiv von Amadeus VIII./Felix V., das Papsttum vor allem in den Dienst der savoyischen Dynastie zu stellen, wird nicht nur im Folgenden anhand der „Bartfrage“ deutlich, sondern den gesamten Pontifikat bestimmen 450. Es stellt sich also zuletzt die oftmals als Kuriosität aufgefasste Frage, warum A madeus VIII. so sehr an seinem grauen Eremitengewand und vor allem an seinem Vollbart hing. Das graue Gewand der sieben Ritter von Ripaille war als Papstgewand vollkommen untauglich, schließlich kennzeichnete die Farbsymbolik von Weiß und
ed. van Heck, Epistula Nr. 34, S. 105 – 109 (im Folgenden zit. als „Krönungsbericht“), vgl. zudem MC III, S. 494f. und CB VII, S. 212 – 215. Vgl. dieses Buch ab S. 212. 448 MC III , S. 451: De nomine eciam, quia sic fuisset nomen Symonis mutantis in nomen Petri, quando illi dixit: ‘Tu es Symon filius Ioanna, tu vocaberis Cephas’ quod interpretatus Petrus. Obtulerunt autem oratores se daturos operam, ut sancta synodus decerneret nomen Amedei inter Romanorum pontificum nomina futuris temporibus ponendum fore, ut impositum in cathalogo eorum illud per summos pontifices pro tempore canonice eligendos assumi posset. Quod et sancta synodus magnis commemoratis laudibus de eius persona nomen Amedei exponens iuxta vulgarem interpretacionem Amans deum decrevit sub data X. Kl. Februarii anni sequentis. 449 Im Procès Verbal Kardinal Alemans, in: Guichenon: Histoire, Preuve, S. 317: […] ac per dictum Cardinalem, quo vocari vellet nomine interrogatus (prout moris est) in Romanum pro tempore Pontificem electo, Felix nomen duxit sibi eligendum, wird die Einhaltung des Namenswechsels gemäß der kurialen Tradition durch das die Ergänzung prout moris est eigens betont. Zu Papstnamen vgl. mit Einschränkung: Hergemöller, Bernd-Ulrich: Die Geschichte der Papstnamen, Münster 1980, Presch, Gunter: Namen in Konfliktfeldern: wie Widersprüche in Eigennamen einwandern, Tübingen 2002, S. 20 – 45. Zu Pius II. vor allem: Reinhard, Wolfgang: Papa Pius: Prolegomena zu einer Sozialgeschichte des Papsttums, in: Bäumer, Remigius (Hg.): Von Konstanz nach Trient, München 1972, S. 261 – 299. Vgl. Paravicini Bagliani: Leib des Papstes, S. 90 – 98. 450 Vgl. dazu Lehmann: Bartfrage.
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Rot in vielfältiger Weise den Papst und sein Zeremoniell seit der Spätantike. Das graue Gewand auch als Papst tragen zu wollen, kann als Wahl-Bedingung nicht ernsthaft gestellt worden sein. Vielleicht muss dieser Wunsch eher als ein wohlfeiler Demutstopos interpretiert werden. Dieser war besonders unglaubwürdig, da auch die savoyischen Farben Weiß und Rot waren. Tatsächlich sollte Felix V. in der Folgezeit von der farblichen Übereinstimmung der Casa Savoia und des Stuhls Petri noch häufig Gebrauch machen 451. Der Habit mag vielmehr als Tarnung für den Bart gedient haben, da dieser zusammen mit dem grauen Gewand nicht sogleich als fürstliches Herrschaftszeichen, sondern als harmloser Eremitenbart verstanden werden konnte. So bleibt zuletzt nur die „Bartfrage“ als echte Bedingung bestehen, die Amadeus VIII. persönlich formuliert hatte. Dafür spricht jedenfalls, dass zwar alle Berichte über die Wahlannahme, die bislang bekannt sind, im Detail verschiedentlich voneinander abweichen, bei der Thematisierung des Bartes jedoch übereinstimmen. Von der Wahlannahme berichten insgesamt drei Quellen: Johannes von Segovia in seiner Chronik des Basler Konzils, ferner eine recht zeitnahe Schilderung von Enea Silvio Piccolomini in seiner Schrift De Viris Illustribus (ca. 1445). Eine dritte Beschreibung des Konzils findet sich ebenfalls bei Piccolomini – allerdings fast 20 Jahre später und mit einer erheblich anderen Stoßrichtung als in De Viris Illustribus. Denn in den Commentarii, die er als Papst Pius II. niederschrieb, vermied er jegliche Äußerung, aus der hervorgehen konnte, dass er einst Parteigänger dieses schismatischen Papstes gewesen war, während er sich De Viris Illustribus noch ganz unbekümmert dazu bekannt hatte 452. In diesen drei Texten wird die Wahlannahme mit unterschiedlichen Details geschildert, wobei Johannes von Segovia den ausführlichsten Bericht bietet, der auch zeitlich den Ereignissen recht nahe steht. In allen drei Schriften wird übereinstimmend die Bartfrage thematisiert; allein dies macht es sehr wahrscheinlich, dass sie tatsächlich ein Problem dargestellt hat, bzw. als besonders erwähnenswert erschien. Es wird
451 Vgl. dazu den Einzug Felix’ V. in Basel Kap. 3.4, S. 222, wie auch denjenigen seines Sohnes, dieses Buch, ab S. 201, des Weiteren den Erwerb kostbarer, vorzugwsweise weißer und roter Textilien, den die Rechnungsbücher des savoyischen Hofes anlässlich der Vorbereitungen der Wahlannahme von Amadeus VIII./Felix V. im Zeitraum zwischen Mitte November und Anfang Dezember 1439 verzeichnen: AST, SR, Camera Savoia, Inventar 16, Mazzo 85, fol. 132v–135v. Zur felicianischen Emblematik sehr knapp: Pastoureau, Michel: De la croix à la tiare. Amédée VIII et l’emblématique de la Maison de Savoie, in: Andenmatten/ Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII/Félix V, S. 89 – 104, bes. S. 102 – 104. 452 Piccolomini, De Amedeo, ed. Van Heck, S. 77: […] meque tunc in secretarium accepit, quamvis Galiicis non sint multum accepti Italici. Vgl. zu Enea Silvio Piccolomini dieses Buch, ab S. 86.
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nämlich von allen betont, dass sich Amadeus VIII. als Papst Felix V. schließlich den Bart abgenommen hat 453. Johannes von Segovia wie auch Enea Silvio Piccolomini nennen den Bart des Papstprätendenten Amadeus VIII. im Kontext mit seinem Eremitenhabit. Segovia charakterisiert ihn sogar explizit als heremeticam barbam, zugleich berichtet er freilich auch, dass Papst Felix V. – nunmehr ohne „Eremitenbart“ – die fürstlichen Attribute Schwert und Fürstenhut seinem Sohn übergeben habe 454. Die doppelte Zuschreibungsfähigkeit des Bartes zum einen als fürstliches, zum anderen als mönchisches Attribut wird an dieser Stelle überaus deutlich. Bezeichnenderweise wird die Abnahme des Bartes an dieser Stelle gemeinsam mit dem päpstlichen Weihnachtsdienst 1439 in Thonon genannt. Die Weihnachtsvigil ist hierbei kein zufällig gewählter Zeitpunkt, sondern gehörte zu den wenigen Messen, die der Papst persönlich zu zelebrieren hatte. Zu diesem Anlass trat Felix V. erstmals als Papst auf und handelte als solcher ohne Bart und ohne säkulare Herrschaftszeichen. Es ist in diesem Zusammenhang zentral, dass Segovia die Abnahme des Bartes in ein und demselben Satz mit der Übergabe von Schwert und Fürstenhut erwähnt. Im sogenannten Weihnachtsdienst beschenkt der Papst den vornehmsten Laiengast am Papsthof. Dieser ranghöchste Laie ist aufgefordert, das Evanglium in der zweiten Nokturn der Weihnachtsmatutin zu verlesen, und erhält vom Papst als Ehrengaben Schwert und Hut 455. Im Gegensatz zu der Weihnachtsvigil 1414 in Konstanz stand 1439/40 in Thonon kein König zur Verfügung, der das Evangelium hätte lesen können.
453 MC III, S. 455: Vigilia autem nativitatis, cum papa vesperis interfuisset heremiticam retinens barbam, illa deposita matutinum inchoavit, datusque est ensis et pilleus principi Pedemoncium leccionem eidem distributam cantanti gratissime. Piccolomini, De Amedeo, ed. Van Heck, S. 77: Ripalliam moxque postea Tononium venit, ubi et barbam deposuit et officiales elegit […]. Pius II. Commentarii VII, 8, ed. Tortaro, S. 1404: Quo dicto, mox in conclavi receptus est et, abrasa barba tonsoque vertice, […]. 454 MC III, S. 455: Vigilia autem nativitatis, cum papa vesperis interfuisset heremiticam retinens barbam, illa deposita matutinum inchoavit, datusque est ensis et pilleus principi Pedemoncium leccionem eidem distributam cantanti gratissime. 455 Zum Weihnachtsdienst: Heimpel, Hermann: Königlicher Weihnachtsdienst im späteren Mittelalter, in: DA 39 (1983), S. 131 – 206. Heimpel, Hermann: Königlicher Weihnachtsdienst auf den Konzilien von Konstanz und Basel, in: Kamp, Norbert Wollasch, Joachim (Hg.): Tradition als historische Kraft, Berlin 1982, S. 388 – 411. Schenk, Gerrit Jasper: Sehen und gesehen werden. Der Einzug König Sigismunds zum Konstanzer Konzil 1414 im Wandel der Wahrnehmung und Überlieferung (am Beispiel von Handschriften und frühen Augsburger Drucken der Richental-Chronik), in: Mauelshagen, Franz/Mauer, Benedikt (Hg.): Medien und Weltbilder im Wandel der Frühen Neuzeit, Augsburg 2000, S. 71 – 106. Cornides, Elisabeth: Rose und Schwert im päpstlichen Zeremoniell von den Anfängen bis zum Pontifikat Gregors XIII., Wien 1967, S. 55 – 59.
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Felix handelte an dieser Stelle erstmals – unter Befolgung des Zeremoniells – als bartloser Papst, der zugleich seinem eigenen Sohn Ludwig als höchsten anwesenden Laien die traditionellen fürstlichen Attribute verlieh. Dabei bezeichnet der Hut auch die herzogliche Würde, die Ludwig von Savoyen nunmehr zukam, während die eigentliche Amtsübergabe am 6. Januar 1440 noch bevorstand. Segovia beschreibt hier also zweierlei: Das päpstliche Weihnachtszeremoniell wie auch einen Attributswechsel, den Segovia als solchen jedoch nicht benennt, indem er Bart und Schwert gesondert charakterisiert. Es liegt durchaus nahe anzunehmen, dass Segovia die direkte Vergangenheit von Amadeus VIII. als frommen Eremit von Ripaille betonen wollte, wobei er freilich damit verkennt, wie sehr Amadeus auch von Ripaille aus weiterhin herzogliche Machtpolitik betrieben und keineswegs die Regierungsgeschäfte seinem Sohn überlassen hatte. Der Bart von Amadeus VIII. galt bereits vor seiner Zeit in Ripaille als eine Art ‚Markenzeichen‘ des savoyischen Herzogs, wie etwa auf einem Dedikationsbild deutlich wird 456. Diese Miniatur von Jean Bapteur (Abb. 1) in einer Handschrift von De doctrina dicendi et tacendi des Albert von Brescia 457, ausgeführt etwa um 1430, zeigt frontal den vollbärtigen Amadeus VIII . im Herrscherornat thronend vor einem blauen, mit Goldschlingen verzierten Baldachin. Er trägt einen roten, mit Hermelinpelz gefütterten Mantel und einen ebenso ausgestatteten Fürstenhut. Mit der linken Hand hält er ein erhobenes Schwert und in der rechten eine Lilie. Er ist umgeben von Angehörigen seines Hofes, die jedoch bedeutend kleiner bzw. kniend dargestellt werden. Neben den Herrscherattributen wie Bart, Mantel und Thron fallen auch Schwert und Lilie auf, die gemeinsam gewöhnlich nur in Darstellungen des Jüngsten Gerichts erscheinen. Erneut wird deutlich, dass Amadeus VIII. auch nach seiner Entscheidung, künftig mit seinen Rittern von St. Mauritius in Ripaille zu leben, niemals die Regierungsgeschäfte vollständig aus der Hand gegeben und damit auch nie aufgehört hat, Herzog zu sein. Der Bart stellte vielmehr eines der sichtbarsten persönlichen Herrschafts zeichen für Amadeus VIII. dar, mit dem er als weltlicher Fürst identifiziert wurde und als solcher gelten wollte. Mit dem Bart gebrauchte der savoyische Herzog eines der archaischsten Herrschaftszeichen überhaupt 458. 456 Dazu Abb. 1: Frontispiz von Jean Bapteur zu Albert von Brescia De doctrina dicendi et tacendi, ca. 1435, Bruxelles, Bibliothèque Royale de Belgique, ms 10317 – 18, fol. 1r. Vgl. zur Illumination: Rivière Ciavaldini: Prince. Zu Jean Bapteur mit weiterführender Literatur vgl. Saroni, Giovanna: La Biblioteca di Amedeo VIII di Savoia (1391 – 1451), Torino 2004, S. 78 – 94. 457 Vgl. dieses Buch, S. 52. 458 Die Bedeutung des Bartes als weltliches Herrschaftssymbol im Mittelalter tritt besonders deutlich in den ottonischen Herrschersiegeln vor Augen, auf denen in innovativer Weise
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Von Seiten des Konzils hingegen war die Bartfrage offensichtlich nicht verhandelbar. Im 15. Jahrhundert war die Papstwürde mit Bartlosigkeit verbunden, wie überhaupt das 15. Jahrhundert als „a shaven age“ gilt 459. Doch die entscheidenden Regeln zur Bartlosigkeit des römischen Klerus’ stammen bereits aus dem Frühmittelalter und wurden schließlich während des sogenannten Reformpapsttums im 11. Jahrhundert in die kanonischen Vorschriften aufgenommen.460 So bestimmte Papst Gregor VII. umfangreiche Sanktionen gegen den Klerikerbart, unter Gregor IX . erhielt das
das Herrscherporträt frontal dargestellt wird. Das Haupt werde, so Hagen Keller, „durch eine detailliert ausgearbeitete Krone, durch die markante Augenpartie mit dem nach vorn gerichteten Blick, durch die ungewohnte Barttracht hervorgehoben“ (S. 141); damit gehört der Bart neben Krone, Zepter und Globus zum engen Kreis der Herrschaftsinsignien. Mit dem ‚ottonischen Kaisersiegel‘, das nach Hagen Keller zu dem ‚Majestätsiegel‘ der europäischen Könige geworden (S. 165) ist, hat auch der Bart im europäischen Mittelalter einen neuerlichen Bedeutungszuwachs erhalten bzw. die semantische Verknüpfung von Bart und Majestät eine wirkmächtige Aktualisierung erfahren. Vgl. mit weiterer Literatur: Keller, Hagen: Ottonische Herrschersiegel. Beobachtungen und Fragen zu Gestalt und Aussage und zur Funktion im historischen Kontext, in: Keller, Hagen (Hg.): Ottonische Königsherrschaft: Organisation und Legitimation königlicher Macht, Darmstadt 2002, S. 167 – 183, 298 – 310. Vgl. zum Zusammenhang von Haar und Heil: Wallace-Hadrill, J. M.: The long-haired Kings, London 1962. Leyser, Conrad: Long-haired Kings and Short-haired Nuns: Power and Gender in Merovingian Gaul, in: Medieval World, Maarch/April (1992), S. 37 – 42. Zu Bärten allgemein: Peterkin, Allan: One thousand beards: a cultural history of facial hair, Vancouver 2001. Reynolds, Reginald: Beards. An omnium gatherum, London 1950. Zu Bärten als Herrschaftszeichen: Schramm, Percy E.: Zur Haar- und Barttracht als Kennzeichen im germanischen Altertum und im Mittelalter, in: Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, Bd. I, Stuttgart 1954, S. 118 – 127. Bartlett, Robert: Symbolic meanings of Hair in the Middle Ages, in: Transaction of the Royal Historical Society, 6th ser. 4 (London 1994), S. 43 – 60. Coates, Simon: Scissors or Sword? The Symbolism of a Medieval Haircut, in: History Today 49.5 (1999), S. 7 – 13. Dutton, Paul Edward: Charlemagne’s Mustache, in: Dutton, Paul Edward (Hg.): Charlemagne’s Mustache and other cultural clusters of a dark age, New York 2004, S. 3 – 42, S. 201 – 209. Zur Haartracht im Allgemeinen: Corson, Richard: Fashions in Hair, London 92001, jetzt auch: Janecke, Christian (Hg.): Haar tragen. Eine kulturwissenschaftliche Annäherung, Köln u. a. 2004. Zur Rasur als Teil eines Schandrituals, in: Die Chronik der Böhmen des Cosmas von Prag, ed. Bertold Bretholz, MGH SS rer. Germ. N. S. 2, Berlin 1923, lib III, cap. 32, 203: Zur Bestrafung Privitans wird ihm am Ende des „Hundetragens“ der Bart abgeschnitten und er ins Exil nach Polen verstoßen, vgl. Weinfurter, Stefan: Tränen, Unterwerfung und Hundetragen. Rituale des Mittelalters im dynamischen Prozeß gesellschaftlicher Ordnung, in: Harth, Dietrich/Schenk, Gerrit Jasper (Hg.): Ritualdynamik. Kulturübergreifende Studien zur Theorie und Geschichte rituellen Handelns, Heidelberg 2004, S. 117 – 137, S. 121. 459 Zucker: Raphael, S. 525; Reynolds: Beards, S. 165. 460 Hofmeister, Philipp: Der Streit um des Priesters Bart, in: ZfKG 62 (1943/44), S. 72 – 94.
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Bartverbot schließlich Eingang in das Kanonische Recht 461. Dabei standen verschiedene Abgrenzungsmotive im Vordergrund. Zunächst schied die Bartlosigkeit den Klerus von der weltlichen Sphäre. Sie markierte freilich auch den theologischen und institutionellen Graben zwischen römischer Westkirche und griechischer Ostkirche, und so ist es wenig erstaunlich, dass der Bartfrage seit dem 9. Jahrhundert von römischer Seite wachsende Aufmerksamkeit geschenkt wurde, während die Kluft zwischen den Kirchen immer größer wurde 462. Umso auffälliger erscheint der Wunsch von Amadeus VIII., seinen Bart als Papst behalten zu dürfen. Enea Silvio Piccolomini, respektive Pius II., legte in seinen Commentarii dar, das einzige Motiv von Amadeus VIII./Felix V., sich den Bart stehen lassen zu wollen, sei seine Eitelkeit gewesen: „Seine Erscheinung wurde immer verächtlicher, je mehr er kostbare Kleidung anlegte. Denn sein wahrer und eigener Schmuck war ihm vom Messer des Barbiers geraubt worden: sein wallender und prächtiger Bart, der die Flecken in seinem Gesicht bedeckt und ihm ein majestätisches Erscheinungsbild verliehen hatte. Ohne den Bart stachen nun aus seinem winzigen Gesicht die schiefen Augen, denn in der Tat schielte er, und seine schlaff herunterhängenden Wangen hervor. Insgesamt ähnelte dadurch sein Anblick dem eines häßlichen Affen“ 463. Freilich ist hier zu berücksichtigen, dass der Verfasser Papst Pius II. mit dieser schmähsüchtigen und toposhaften Schilderung von Amadeus VIII./Felix V. die Absicht
461 CIC, X 3.1.5, ed. Friedberg II, Sp. 449: Clericus neque comam nutriat, neque barbam. 462 Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wandelten sich das Erscheinungsbild der Päpste und ihre Einstellung zum Bart grundsätzlich. Der erste prominente päpstliche Bartträger war Julius II. (1503 – 1513), der von Raffael als bärtiger Papst porträtiert wurde und als solcher in Erinnerung geblieben ist. Vgl. Zucker: Raphael, S. 524 – 533. Dabei trug Julius II. den Bart nur für etwa zwei Jahre und starb seinerseits bartlos. Er hatte sich den Bart als Zeichen der Trauer über die erlittene Niederlage im Krieg gegen die Franzosen wachsen lassen. Noch im Kampf um den Kirchenstaat, als er sich freilich zurück auf der Gewinnerseite wähnte, legte er den Bart wieder ab. Seine direkten Nachfolger Leo X. (1513 – 1521) und Hadrian VI. (1522 – 1523) waren ihrerseits bartlos. Erst Clemens VII. (1523 – 1534) ließ während seiner Blockade in der Zeit des Sacco di Roma einen Bart wachsen; im Gegensatz zu Julius II. trennte er sich von diesem Trauerbart auch nicht mehr. Vielmehr schaffte er 1531 das Bartverbot für Kleriker ab. Für die nächsten 150 Jahre sollten alle seine Nachfolger im Petrusamt durchgängig Bart tragen. Zu antiken Trauerbärten vgl.: Linfert, Andreas: Bärtige Herrscher, in: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 91 (1976), S. 157 – 174, bes. S. 158 – 160, der zu Recht davor warnt, „jeglichen Bart als Modeerscheinung oder persönliche Note abzutun“, S. 174. 463 Piccolomini, Commentarii VII, 8, ed. Totaro, S. 1404: […] tanto despiciendus magis quanto preciosiores induerat vestes. Nam quod erat verum et proprium ornamentum, tonsoris ferrum ademerat prolixam et copiosam barbam, quae omnes faciei maculas obtegebat et maiestatem quandam videbatur afferre; sine qua prodiens, facie parvula, obliquis oculis, erat enim strabo, genis pendentibus, quasi turpissimae simiae prae se speciem tulit.
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verfolgte, sich von seinem vormaligen Dienstherren und damit von seiner eigenen Vergangenheit abzugrenzen. Fortan entstand immer wieder das Bedürfnis, die eigene Rolle in diesem Schisma abzulehnen bzw. zurückzunehmen, wie dies etwa in der berühmten Bulla retractoria von 1463 deutlich wird: Aeneam reiicite, Pium accipite 464. Ohne vage Aussagen über die Eitelkeit des savoyischen Herrschers und die Spottlust des Piccolomini-Papstes zu treffen, erscheint ein anderer Aspekt für den Wunsch des savoyischen Herzogs, seinen Bart auch als Papst behalten zu wollen, plausibel und von politisch grundlegender Bedeutung: Amadeus VIII. wollte seinen Bart deshalb nicht ablegen, weil er mit Bart und päpstlichem Ornat die Symbole zweier Machtbereiche in seiner Person vereint und damit repräsentiert hätte: Er wäre als Herzog Papst geworden. Hingegen markierte die Trennung vom Bart erst die Trennung von der Herzogswürde. Für einen, wenn auch ausgesprochen überschaubaren Zeitraum (17.–25. Dezember 1439) zeigte sich Felix V. als bärtiger Papst – wenn auch noch ohne Tiara, die ihm erst bei der Krönung am 24. Juli 1440 in Basel verliehen wurde 465. Nachdem die Einwände von Amadeus VIII . abgelehnt worden waren und er sich gleichwohl zur Annahme der Wahl entschlossen hatte, wurde er während der Immantation, als Teil des Erhebungs-Zeremoniells, mit dem päpstlichen Ornat, inklusive Fischerring und Mitra, bekleidet. Amadeus/Felix nahm die Wahl an, um Gott gegenüber gehorsam zu sein, wie es sein Kanzler Pierre Marchand ausdrückte 466. Wie bereits im Konklave wurde auch hier der Ordo Gregors X. unter der Berücksichtigung, dass die Wahl außerhalb Roms stattgefunden hatte, en détail umgesetzt 467. Danach
464 Ediert in: Magnum Bullarium Romanum, Augusta Taurinorum 1860, V, S. 175. Vgl. auch Diener: Weg von Basel nach Rom, S. 527. Totaro: Enea Silvio, S. 96 – 98. Dazu auch Izbicki: Reject Aeneas; Helmrath: Zweite Dekade, bes. S. 338 – 347. 465 Vgl. dieses Buch, S. 213. 466 MC III, S. 452: […] Exposuit deinde causas, quare acceptanda esset, ut Deo obsequeretur in tanta ecclesie neccessitate ad defendendum fidem, veritatem et iusticiam eius, ideoque prevalente spiritus racione cum tremore fiduciam habens in Deo eleccionem acceptaret, illi consciens. Zu Pierre Marchand vgl. auch: Pibiri, Eva: „En ambassarie devers le Roi des Romains.“ Les émissaires du Duc Amédée VIII vers l’Empereur Sigismond, in: Morerod, Jean-Daniel u. a. (Hg.): La Suisse occidentale et l’Empire, Lausanne 2004, S. 289 – 309, S. 298 – 300. 467 Ordo 1273, in: Le cérémonial papal. De la fin du Moyen Âge à la Renaissance, ed. Marc Dykmans, Bd. I, Brüssel/Rom 1977 (Bibliothéque de l’Institut historique belge de Rome, 24), S. 159: Et postea ponit ei mantum et dicit „Investio te de papatu romano, ut presis urbi et orbi“. Et tradit ei etiam anulum quo uti consuevuerunt predecessores ipsius, et ei mitram competentem tempori super caput imponit. Et petit ab eo quo nomine vocari velit. Ipsum eo nomine quo ei placuerit vocabunt. Quo facto, facit eum sedere in sede vel in faldistorio et depositis communibus calceis, si habentur rubea calciamenta papalia calciantur eidem. […] Idem electus ipsos ad pedem recipit et ad pacis osculum, necnon et alios capellanos ac ceteros clericos et laicos venientes ad eius reverentiam […].
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sprach Felix, unter Tränen vor einem Tragaltar kniend, den Eid, so berichtet Segovia, „unversehrt, vollständig und deutlich“. Er schwor, weiterhin dem katholischen Glauben gemäß den Aposteln und den Konzilien anzuhängen 468. Dabei ist – wie Segovia freilich an späterer Stelle vermerkt – ein gravierender Fehler unterlaufen, der jedoch erst nach der Krönung im folgenden Sommer aufgefallen sein soll. Demzufolge soll ein unaufmerksamer Schreiber der Eidesformel die in der 37. Sessio beschlossenen Zusätze nicht hinzugefügt haben. Somit hatte der herzogliche Papstelekt einen Eid verlesen und unterzeichnet, dem ein wichtiger Passus fehlte: die Verpflichtung auf die Dekrete von Konstanz und Basel. Ob nun eine Fälschung, eine Absicht von Amadeus oder tatsächlich nur ein Versehen vorlag, kann nicht mehr rekonstruiert werden. Segovia berichtet jedenfalls, dass der Fehler erst in dem ersten Konsistorium Felix’ V. am 29. Juli 1440 aufgefallen sei und mit einer neuerlichen Eidleistung umgehend
468 MC III, S. 453: […] In nomine sancte et individue trinitatis. ‚Ego Felix electus in summum pontificem etc.‘ Qua perlecta integre, perfecte et intelligibiliter in presencia omnium astancium subscriptis subscriptis se propria manu. Vgl. Guichenon: Histoire, Preuve, S. 316: […] electionique de eo factae genibus flexis, exortisque lachrimis, etiam infra statutum ad hoc in Decreto XXXVII. Sessionis huiusmodi terminum ad laudem Dei Omnipotentis devote consensit, et humiliter acquievit, ac per dictum Cardinalem, quo vocari vellet nomine interrogatus (prout moris est) in Romanum pro tempore Pontificem electo, Felix nomen duxit sibi eligendum, Chlamydeque et Caputo quibus tunc utebatur, depositis, etiam genibus felxis professionem iuxta praefatae XXXVII. Sessionis continentiam atque formam emisit, et propria manu subscripsit die et anno superius expressis. Cuius quidem professionis tenor talis est: (Für den Wortlaut des Schwurs der 37. Sessio: MC III, S. 413) ‚In nomine domini amen. In nomine sancte et individue trinitatis, patris et filii et spiritus sancti. Ego N., electus in papam, omnipotenti Deo, cuius ecclesiam suo presidio regendam suscipio, et beato Petro, apostolorum principi, corde et ore profiteor, quamdiu in hac fragili vita constitutus fuero, me firmiter credere et tenere fidem catholicam secundum tradicionem apostolorum, generalium conciliorum et aliorum patrum, maxime autem octo conciliorum universalium, videlicet primi Niceni, secundi Constantinopolitani, tercii Ephesini primi, quarti Calcedonensis, quinti et sexti item Constantinopolitani, septimi item Niceni, octavi quoque Constantinopolitani; necnon Lateranensis, Lugdunensis, Viennensis, Constantciensis et Basiliensis, generalium eciam conciliorum, et illam fidem usque ad unum apicem inmutilatam servare et usque ad animam et sanguinem confirmare, defensare et predicare, ritumque pariter sacramentorum ecclesiasticorum ecclesie traditum omnimode prosequi et observare. Polliceor eciam fideliter laborare pro tuicione fidei catholice et extirpacione heresum et errorum, reformacione morum, execucione et observacione decretorum Constanciensis et Basiliensis conciliorum ac pace in populo christiano. Iuro etiam prosequi celebracionem conciliorum generalium ac confirmacionem eleccionum iuxta decreta sacri Basiliensis concilii. Hanc autem professionem mea manu subscripsi, et tibi, omnipotenti Deo, cui in die trmendi iudicii redditurus sum de hoc et aliis meis operibus racionem, pura mente super altare offero, quam in primo publico consistorio solemniter repetam. Datum in sessione nostra publica, in maiori ecclesia Basiliensi solemniter celebrata, nono Kalendas Novembris anno a nativitate domini MCCCCXXXIX.
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korrigiert wurde 469. Gleichwohl rückt diese unkorrekt vollzogene Eidleistung die nachfolgenden Verhandlungen um die Provision Felix’ V., die in einem Zusammenhang mit der verzögerten Ankunft des gewählten Papstes in Basel stehen, in ein anderes Licht. Falls Felix V. bewusst die Bindung an die Dekrete von Konstanz und Basel ausgelassen haben sollte, wäre er auch in der Provisionsfrage nicht an sie gebunden gewesen und hätte ganz andere Einnahmen für sich reklamieren können. Diese für ihn günstige Verhandlungsposition wirkte sich jedoch – wenn es sich tatsächlich so verhalten haben sollte – nicht weiter aus. Denn seine finanzielle Ausstattung wurde erst am 4. August 1440 unter Berücksichtigung der Basler Beschlüsse in einem Dekret in der 42. Sessio verabschiedet und während seines gesamten Pontifikats mehrfach modifiziert 470. Im Anschluss an den Schwur wurde das päpstliche Immantationszeremoniell mit Einkleidung und Thronsetzung fortgesetzt. Segovia benennt unter den päpstlichen Gewändern Mantel und Schuhe, die ihm Kardinal Aleman mit den Worten anlegte, er investiere ihn de papatu universalis et Romane ecclesie, ut presesset urbi et orbi 471. Das 469 MC III, S. 496: Arelatensis deinde legit professionis formam iurandam per papam, positis in ea verbis illis execucione et observacione decretorum Constanciensis et Basiliensis conciliorum, que non reperiebantur scripta in cedula originali, lecta ore et subscripta manu pape. Utrum vero industria aut casu evenerit nescitur; temerarii esset iudicii, alterum firmare. Id autem plena attestacione firmatur, quod ante edicionem decreti XXXVIII sessionis, formam illam explicantis, non mediocres patrum fuere agitaciones, eorum multitudine optante, ut electus in summum pontificem pleniori forma iuraret de observandis omnibus decretis Constanciensis et Basiliensis conciliorum, sed quare id non conveniret, multipharia in deputacionibus extensa raciocinacione, dictis verbis expressis differencia illa finem accepit. Quomodo autem super ipsis verbis difficultas ingesta fuit, quia cedula illa per alterum ex notariis concilii scripta fuit die prestiti consensus pape, dum instancie fiebant pro acceptanda eleccione, potuit per inadvertenciam illa clausula pretermitti. Sed die ista cedulam ipsam professionis integre verba omnia continentem papa per semetipsum legit et abinde per Erardum Ronsselli, concilii notarium, perlecto decreto XI. sessionis papa ex cathedra surgens, ad altare constitutus, super missale apertum loco, ubi dicitur „Te igitur“ manus apponens utramque iuravit, sed decretum modificacione, in quantum concerneret summum pontificem; subscripio vero propria eius manu fuit: Ego Felix quintus episcopus, servus servorum Dei, ita iuravi et pollicitus sum una cum decreto XI sessionis Basiliensis concilii, quod incipit: „Quoniam frequens“; hanc autem cedulam propria manu subscripsi, de quo actu a promotoribus concilii requisiti notarii testimonia confecere. Vgl. dazu auch Manger: Wahl, S. 85 und Stieber: Felix V., S. 303 – 304. 470 Vgl. zu den Benefizien Felix’ dieses Buch, Kap. 4.1, ab S. 312. 471 MC III, S. 453: Indutus igitur papalibus vestimentis et calciatus cum pluviali precioso et mitra aurifrisiata, papale cruce precedente in locum reversus priorem, alciori sedit throno, cui Arelatensis benediccione illi data, ut in pontificali anulum sive sigillum piscatoris eidem tradens, dixit se investire eum de papatu universalis et Romane ecclesie, ut presesset urbi et orbi, quodque ponebat eum in possesione papatus, recipiensque eum in talem facta reverencia, ut moris
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päpstliche Pluviale wird bei Segovia als preciosum und nicht explizit als rot bezeichnet. Aus den Rechnungsbüchern des savoyischen Hofes für 1439/40 ergibt sich, dass dort am 16. Dezember – neben vielen anderen Ausstattungsstücken pro domino nostro Pape – für einen päpstlichen Mantel feiner roter Stoff zu einem Preis von 31 Dukaten gekauft wurde, der alle anderen Posten bei weitem übertraf 472. Nach der Einkleidung überreichte Kardinal Aleman den Fischerring und setzte Felix V. eine goldverzierte Mitra als Zeichen des zum römischen Bischof Erwählten auf das Haupt 473. Es folgten Huldigungen wie Fuß- und Handkuss und der Gesang des Te Deum laudamus. Aus der Beschreibung der Einkleidung des Papstes mit dem Mantel und der Ernennung durch den Kardinaldiakon sowie die Huldigung der übrigen Kardinäle, ergibt sich auch für diesen entscheidenden Akt der Papstkreation, dass exakt dem römisch-kurialen Zeremoniell entsprochen wurde 474. Auf diese Weise drückt Segovia in der historiographischen Überlieferung des Konzils die Kontinuität der Petrusnachfolge aus, innerhalb derer das Basler Konzil seinen Papst Felix V. verstand und die von den Gläubigen, insbesondere von den Fürsten, anerkannt werden sollte. Auch der Zug von Ripaille nach Thonon am Tag nach der Wahlannahme stand ganz im Zeichen des päpstlichen Zeremoniells. So erwähnt Segovia, dass Felix V. auf einem mit rotem Tuch bedeckten Schimmel geritten sei und ihm, begleitet von 24 Fackeln, ein Kreuz und die in einer Monstranz aufbewahrte Eucharistie vorangetragen worden seien. Als Sacristan fungierte der Bischof von Augsburg, auch werden Ehrenschildträger erwähnt sowie die Angehörigen der Basler Delegation, savoyischer Adel und andere Kleriker. In dieser ersten Prozession, an der Felix V. als Papst teilnahm, ritt er bereits in vollem Ornat unter einem goldenen Baldachin. Der päpstliche, rotgeschmückte Schimmel wurde dabei von seinen Söhnen geführt, während savoyische Barone den Mantel hielten. Segovia beschreibt im Kern den gleichen Prozessionsaufbau, wie er est cardinalium, eidem tanquam pape obedienciam exhibuit osculatus pedem, manum eius sub cappa et maxillam. 472 AST, SR, Camera Savoia, Inv. 16, Mazzo 85, f. 133v.: Libravit die XVI dicti mense prodicto mercatori florencie pro precio unius ulne damasquini albi pro faciendo unum bonetum domino nostro pape traditum dictum septimo: III ducatu. Libravit dicta die Anthonie de Serepaule mercatori predicto pro precio novem ulnarium satini rubei cremesini emptarum pro faciendo mantellum dicti domini nostri Pape […] XXXI ducatu condimidio. 473 MC III, S. 453: […] pluviali precioso et mitra aurifrisiata […]. Siehe dazu: Eichmann, Eduard: Weihe und Krönung des Papstes im Mittelalter, München 1951, S. 56; Benson, Robert L.: The Bishop Elect, Princton 1968, S. 151ff. 474 Le cérémonial papale, ed. Dykmans, Bd. I, S. 159. Der Kardinaldiakon ist für die Durchführung des Zeremoniels vorantwortlich. Nach Hack, Achim Thomas: Nähe und Distanz im Zeremoniell – eine Frage des Vertrauens? Bemerkungen zur mittelalterlichen Ritualpragmatik, in: FmSt 39 (2006), S. 431 – 479, S. 440 kann „man in ihm eine Art päpstlichen Zeremoniar sehen“.
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auch für den Adventus in Basel und bei der Krönung überliefert ist. Auch das stereotype prout moris bleibt nicht unerwähnt 475. Die Nachricht, der Papstelekt habe seiner Wahl zugestimmt und geschworen, die Dekrete des heiligen Konzils einzuhalten – was er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht getan hatte –, wurde in Basel als „überaus freudige Neuigkeit“ aufgenommen und eine feierliche Prozession abgehalten, an der Prälaten in vollem Ornat, der städtische Klerus sowie die Baseler Bevölkerung in großer Zahl teilgenommen haben sollen 476. Aus den Aufwendungen, die in Thonon für Empfang und Verköstigung der Basler Delegation sowie für die hierarchisch gestaffelten Geschenke an einzelne Personen geleistet wurden und deren Rechnungen sich am savoyischen Hof erhalten haben, spricht einerseits die hohe Wertschätzung gegenüber den Konzilsvätern 477. Andererseits demonstrieren sie auch Reichtum, Macht und Pracht von Herzog Amadeus VIII. sowie des gesamten savoyischen Hofes, denn diese Behandlung der Gäste wie auch die Geschenke waren ein zentraler Ausweis höfischer Kultur, höfischen Geschmacks und höfischer Finanzkraft, die keineswegs als Repräsentation eines Eremiten missverstanden werden konnten 478. 475 MC III, S. 454: Die vero sequenti oratoribus euntibus ad ipsum et associantibus papa eductus de Ripallia venit Thononium moraturus cerimoniis solitis, equitante papa, observatis equis albis, panno rubeo coopertis, cruce et eucharistia cum XXXXIIIIor intorticiis precedentibus, Augustensi episcopo velut sacrista comitante; portabantur eciam capelli rubei per scutiferos honoris. Cardinalem vero Arelatensem baculum rubeum habentem in manu sequebatur papa cum pluviali et mitra sub pallio aureo, sustentato per oratores seculares concilii, principe Pedemoncium et comite Gebenarum dextrantibus equum, ac multis baronibus oram tenentibus pluvialibus. Ipse autem data benediccione, prout moris, a dextris stantibus et sinistris, specialiter nate sue regine Cicilie et allis cum ea stantibus in Ripallia, prospicientibus per fenenstras, fere iam noctu Tononium applicuit copiosissima multitudine luminarum crepusculum illustrante. 476 CB VI, S. 741: Pro hiis jocundissimis novis indicta fuit processio solemnis ad diem crastinam. 477 Bruchet: Ripaille, Preuve Nr. 75, S. 523: Sequntur panni veluti, cirici et excarlate qui fuerunt donati ambassiatoribus sacri Basiliensis concilii, qui venerunt a Basilea Thononium ad presentandam electionem factam per ipsum concilium sanctissimo domino nostro duci in summum pontificem electo. Preuve Nr. 77, S. 526 – 528: Sequuntur expense facte per dominos ambassiatores sacri Basilii concilii subscriptos, veniendo a Basiliea ad sanctissimum dominum nostrum Sabaudie ducem, in summum pontificem electum […]. 478 Vgl. AST, SR, Camera Savoia, Inventar 16, Mazzo 85, fol. 243r. Auszüge bei Bruchet: Ripaille, Preuve, Nr. 75, S. 523: Mit aufwendigen Textilien, jedoch mit differierendem monetären Gegenwert wurden am 18. Dezember 1439 folgende Personen in einer eigenen Geschenkehierarchie bedacht: Der Bürgermeister von Basel (155 Dukaten), Graf Thierstein (120 Dukaten), Bischof von Basel (99 Dukaten), Provinzial Preußens (78 Dukaten), Wilhelm von Grünberg (51 Dukaten), Johann Ramstein (35). Die prominenten Kleriker des Basler Konzils tauchen in dieser Ehrenliste nicht auf; vielmehr handelt es sich – abgesehen vom Basler Bischof, immerhin nominell der Stadtherr Basels – um
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Übertragung der savoyischen Herzogswürde Der spezifische, zwischen geistlicher und weltlicher Repräsentation oszillierende Charakter der savoyischen Herrschaftsrepräsentation in Thonon und Ripaille konnte bereits während der oben geschilderten Weihnachtsvigil 1439 beobachtet werden. In ähnlicher Form vollzog sich die offizielle Trennung Amadeus VIII./ Felix V. von seiner Herzogswürde, die am 6. Januar 1440 in einer aufwendigen Zeremonie stattfand. Es handelte sich bei der definitiven Übergabe der Herzogswürde von Amadeus VIII. an seinen Sohn Ludwig einerseits um eine Notwendigkeit, da der nunmehr gewählte und investierte Papst nicht zugleich Herzog bleiben konnte, andererseits kann nicht von einer Abdankung gesprochen werden, vielmehr verzichtete Herzog Amadeus VIII. auf eine weitere Ausübung seines Herzogsamtes. Er begründete diesen Schritt in der Übertragungs-Urkunde damit, dass er sich als Papst Felix nunmehr mit der Kirche ehegleich verbunden sehe, deshalb seine „alte Familie“ verließ und damit auch seine Herzogswürde ablegte 479. Er argumentierte hier biblisch und legitimierte damit seinen Schritt durch die Heilsgeschichte 480. Noch vor der Niederlegung der herzoglichen Macht in der symbolischen Form der Devestition „befreit und entlässt“ Amadeus/Felix seinen Sohn und gab ihm damit alle Freiheiten und Rechte zurück 481: weltliche Herren in entscheidenden, politischen Schlüsselpositionen bzw. um Basler Magnifizienzen. Vgl. zum Sinngehalt von Geschenken bzw. zum höfischen Gabentausch: Hirschbiegel, Jan: Gabentausch als soziales System? – Einige theoretische Überlegungen, in: Ewert, Christian Ulf/Selzer, Stephan (Hg.): Ordnungsformen des Hofes, Kiel 1997, S. 44 – 55, S. 51 – 53, darin auch: Ehm, Petra: Der reisende Hof und die Gabe. Zur Geschenkpraxis Philipps des Guten auf seiner Reise 1454 in das Reich, S. 67 – 77. Umfassende Darstellung zur Geschenk- als Herrschaftspraxis: Groebner, Valentin: Gefährliche Geschenke, Konstanz 2000. Vgl. zum französischen Hof: Hirschbiegel, Jan: Étrennes. Untersuchungen zum höfischen Geschenkverkehr im spätmittelalterlichen Frankreich zur Zeit König Karls VI. 1380 – 1422, München 2003. 479 AST, Corte, Materie politiche per rapporto all’interno. Principe del Sangue, m. 9, n. 1. ed. in: Gigliotti: Renuntiatio, S. 375 – 380, S. 376: Considerans propterea eis que celestia sunt et ad suum apostolatus officium pertinent, dimissa secularium mundanorumque et sui principatus cura eum intendere opportere iuxta dominicam doctrinam scriptam in Genese secundo capitulo dum inquit: dimictes patrem et matrem et adherebis uxori tue id est Sancte Matri Ecclesie. 480 Vgl. zur biblizistischen Argumentation während des Basler Konzils Prügl: Schriftargument, S. 219 – 242. 481 Gigliotti: Renuntiatio, S. 378: Devestiens se idem sanctissimus dominus noster electus dudum Amedeus dux prefatus de dictis suis dignitatibus, civitatibus, opidis, villis, castris, iurisdicionibus, cum eorum et earum iuribus et pertinenciis ut supra donatis, salvis semper pactis preinsertis, et de eisdem prefatum eius illustrem primogenitum dominum Ludovicum de Sabaudia presentem
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Neben der Herrschaftsübertragung an Ludwig verlieh Amadeus/Felix seinem Sohn Philipp den Titel des Grafen von Genf und machte seinen Enkel Amadeus zum Prinzen von Piemont, Nizza und Vercelli. Sein illegitimer Bruder Humbert hingegen wurde Graf von Romond (Montis Rotundi). Er übergab diese Titel in hergebrachter Form, indem er seinen Söhnen, seinem Enkel und seinem Halbbruder gezogene, blinkende Schwerter überreichte; einzig dem neuen Herzog verlieh er ein Schwert mit einer vergoldeten Scheide. Eine zentrale Rolle bei diesem Akt schreibt Johannes von Segovia Kardinal Aleman zu, während die savoyische Überlieferung von ihm schweigt 482. Doch wird dadurch nicht der Eindruck geschmälert, dass Amadeus/Felix erst am 6. Januar 1440 die weltliche Herrschaft an die nächste Generation weitergab, und dass die Macht über das Herzogtum Savoyen keineswegs bereits seit 1434 vollständig in den Händen seines Sohnes Ludwig lag. Der ähnlich wie in der Weihnachtsvigil zwischen Herzogs- und Papstwürde changierende Charakter von Amadeus VIII./Felix V. wird auch in dem diese Übergabe dokumentierenden Schriftstück der Notare Festi und Fabri deutlich: Amadeus VIII. wird darin einerseits noch als Herzog, Markgraf, Graf und kaiserlicher Generalvikar angesprochen und andererseits auch schon als Vicarius Christi 483.
humiliterque acceptantem, stipulantem et sollempniter recipientem pro se et suis heredibus et successoribus iuxta disposicionem dicti sui testamenti, investiens per tradicionem unius ensis evaginati per eum in manibus ipsius domini Ludovici donatarii positi. Zur Devestition als ‚Rite de marge‘ vgl. Elliott, Dyan: Dressing and Undressing the Clergy, in: Burns, Jane (Hg.): Medieval Fabrications. Dress, Textiles, Clothwork, and other cultural Imaginigs, New York 2004, S. 55 – 69. 482 MC III, S. 455: Supplicavit ex parte Sabaudie, quoniam iam spiritualibus intendere deberet, ut ipsis daret temporalem administracionem. Quos genuflexos, stantes ante ipsum, tenens eorum manus inter suas et abinde relaxans liberavit a patria potestate, fecitque Ludovicum seniorem ducem Sabaudie etc., Philippum vero comitem Gebennarum nepotemque suum Amedeum principem Pedemoncium dominum Nicie ac Vercellarum et Humbertum germanum suum comitem Montis rotundi, et predicens se confidere acturos eos iuxta verba domini, Arelatensis dato osculo benedixit eos, […]. Cum vero illi fuissent induti habitibus iuxta suarum exigenciam dignitatum donavit enses ab eis tunc vibratos, duci autem cum vagina deaurata. Cui comites ipsi prestituerunt homagium, fidelitatem iurantes. Cardinalis vero Arelatensis in apparamento pluviales et mitre, cantatis super eos benediccionibus, prout in pontificali, aqua benedicta aspersit, magnificenciori isto pre die natalis exhibito coram papa convivio dictis principibus, quos antecedebat Arelatensis, et qui remanserant concilii oratoribus. 483 Gigliotti: Renuntiatio, S. 378: Devestiens se idem sanctissimus dominus noster electus Amedeus dux preafatus de dictis suis dignitatibus […].
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2.6 Die provisorische päpstliche Residenz in Thonon Ab Dezember 1439 erfolgte der umfangreiche Erwerb von Textilien und Kleidungsstücken sowie von anderen mobilen Objekten, die für das Zeremoniell der Wahlannahme und die Ausstattung der provisorischen Residenz des Papstelekten in Thonon von Dezember 1439 bis Mai 1440 gebraucht wurden. Schon vor der Annahme seiner Wahl zum Papst sind in den Rechnungsbüchern des savoyischen Hofes Ausgaben für die Ausstattung des künftigen Papstes aufgeführt, die auch explizit als solche verzeichnet wurden: pro Sanctissimo nostro Papa 484. In den Rechnungen sind Ausgaben für Textilien genannt, aus denen die päpstliche Kleidung wie etwa Mantel, Kapuze, Stiefel, Nachtbekleidung und Insignien, wie etwa das Pallium, gefertigt wurden sowie Textilien, die der Raumausstattung dienten: Textile Überzüge für die Kathedra, für Bänke und Türvorhänge. Genannt werden auch Stoffe für die päpstliche Capella und die Camera Papagalli. Zudem wurde auch das mobile Umfeld des Papstes, sein Pferd und die Reittiere seines Gefolges, durch Stoffe markiert: Durch Pferdeumhänge, sogenannte Schabracken, und diverse Überzüge für Sattel- und Zaumzeug. Stoffe schützten auch geistliches Gerät und hoben es zugleich heraus, so etwa Monstranzen 485. Abgesehen von diesen Einkäufen, die zum Teil auch als Geschenke für die B asler Gesandten gedacht waren, sind weitere Rechnungen überliefert, die deutlich machen, wie stark die savoyische Residenz in Thonon umgestaltet werden musste, um künftig als Residenz des Papstes dienen zu könnten. Der Kastellan von Thonon, Johannes Veteris, hatte am 17. Februar 1440 eine Rechnung aufgestellt, aus der detailliert hervorgeht, was im Herzogspalast von Thonon alles unternommen wurde, um dort übergangsweise eine Papstresidenz einzurichten 486: Die provisorische Residenz in Thonon wurde papstgerecht ausgestattet, indem für das Tinellum (hier oft auch tynel) – also den Audienz- und allgemeinen Zeremonialraum, der zumeist auch der größte Raum in einem Palast ist – sechs Dutzend Stühle erworben wurden. Weiter wurde ein Schreiner für die Fertigung eines Tisches bezahlt, faire la table de nostre seint pere, sowie ung chaslit, ung petit couffert et de bancs neccessayres aut tynel. Zusätzlich wurden weitere Stoffe erworben. Die Ausstattung des Tinellums bestand demnach zumindest aus 484 AST, Inv. 16, Mazzo 85, fol. 131r.–135v., vgl. Bruchet: Ripaille, S. 524 – 526; die Rechnung ist dort in Auszügen wiedergegeben. 485 Zur ephemeren Ausstattung von Fürstenhöfen im 15. Jahrhundert, die vorrangig durch Textilien erfolgte, am Beispiel des burgundischen Hofes vgl. Franke, Birgit/Welzel, Barbara: Paläste und Zelte voller Kunst. Zur Hofkultur Karls des Kühnen, in: Marti, Susan u. a. (Hg.): Karl der Kühne (1433 – 1477). Kunst, Krieg und Hofkultur, Stuttgart 2008, S. 51 – 61. 486 Vgl. für die folgenden Angaben: Bruchet: Ripaille, S. 525f.: AST, compte de la châtellenie de Thonon.
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einer Tafel, einem Sitz- bzw. Zeremonialbett sowie Stühlen und Bänken. Die Wände des Audienzsaales waren mit Stoffen behängt. Die Rechnung führt nun weitere Ausstattungselemente auf, aus denen deutlich hervorgeht, dass auch eine nur provisorisch eingerichtete Papstresidenz einer die Raumfolge betreffenden „Mindestausstattung“ bedurfte, die aus folgenden Räumen bestand: Der Kapelle (chapella), dem Saal (tynel), einem Paramentenzimmer (chambre de parement) sowie dem Papageienzimmer (chambre du papegau) und zuletzt einem Zimmer für den Papst (chambre de nostredit saint pere)487. Die hier genannten Raumbezeichnungen waren spezifisch für den päpstlichen Palast und gehörten dort zur der Grundausstattung: Zeremonialraum (tinellum), Vorzimmer (camera paramenti/papagallo), Räume des Papstes (studium/camera pape/cubiculum) und eine Kapelle (capella secreta)488. Den einzelnen Zimmern können Gottfried Kerscher zufolge genaue Funktionen innerhalb des päpstlichen Zeremoniells zugeordnet werden 489. So diente die Camera pape nicht nur als Schlafzimmer, in ihr fanden auch Empfänge und Beratungen statt. Sie ist als ein semi-öffentlicher Raum zu verstehen, dessen Zugang zwar nicht exklusiv war, aber doch dem engeren Hof vorbehalten blieb. Im Paramentenzimmer wurde zunächst Kleidung aufbewahrt, die dort auch angelegt wurde. Dies gilt insbesondere für Einkleidungszeremonien, also feierliche Ernennungen, die mit einem Kleiderwechsel, einer Investitur, verknüpft waren. Entsprechend fungierte der Raum auch oft als Empfangssaal 490. Das Papageienzimmer wurde als Raum für Beratungen und vielfältige Rechtsakte genutzt. Entscheidend ist seine Funktion als Übergangsraum zwischen dem öffent lichen Palast und den weniger zugänglichen Wohnräumen des Papstes. Zudem diente die Camera Papagalli als Versammlungs- und Tagungsraum des Konsistoriums 491. Doch 487 Bruchet: Ripaille, S. 526: […] une feurre de pailliace pour metre en la chambre de nostredit saint pere; […] Un seralie à resort mise en la chambre de parement de nostre saint pere; une barre de fert et ung louquet à la guise d’Alemaigne mise en la porte de l’allent par ou l’en va en la chambre de nostre saint pere le pape. Sodann: […] 1300 taches petites pour fere les verreres des fenestres de papier; item, mais acheté I millier de taches petites pour estacher le drap vert duque la chapella est tapicés et ausi la chambre du papegau […]. 488 Kerscher, Gottfried: Die Perspektive des Potentaten. Differenzierung von „Privattrakt“ bzw. Appartement und Zeremonialräumen im spätmittelalterlichen Palastbau, in: Paravicini (Hg.): Zeremoniell, S. 155 – 186, S. 167. 489 Kerscher, Gottfried: Architektur als Repräsentation. Spätmittelalterliche Palastbaukunst zwischen Pracht und zeremoniellen Voraussetzungen, Avignon – Mallorca – Kirchenstaat, Berlin 2000, S. 332. 490 Elliott: Dressing, S. 55 – 70. 491 Vgl. zur Funktionsbestimmung und Ausstattung des Papageienzimmers im Vatikanspalast L’oevre de Patrizi Piccolomini ou Le cérémonial papale de la première Renaissance, ed. Marc
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auch andere Beratungen fanden dort statt, so etwa das Treffen zwischen Felix V. und König Friedrich III. im November 1442 in der Camera Papagalli im Basler Bischofshof 492. Während der Abdankungs- verhandlungen im September 1448 trafen die Verhandlungspartner des Papstes und des französischen Königs im Papageienzimmer in der Genfer Residenz zusammen 493. Das Tinellum, der Audienzsaal, diente Empfängen, Festessen und anderen Anlässen wie großen Beratungen und Audienzen. Er gilt als öffentlichster, größter Raum und ist meist aufwendig, etwa mit Tapisserien, dekoriert. Zudem gehört zur päpstlichen Raumfolge auch eine Kapelle. In den wechselnden Residenzen Felix’ V. wurden jeweils die gleichen Räume mit den gleichen Raumfunktionen eingerichtet, wobei noch ein weiteres Zimmer genannt wird, das Cubiculum bzw. die camera secreta, der spätere studiolo, in dem oftmals Urkunden oder Briefe unterzeichnet wurden. Die spezifischen, für das 15. Jahrhundert geltenden Raumfunktionen des Papst palastes etablierten sich während des Aufenthalts der Kurie in Avignon494. Das dort
Dykmans, Bd. I und II, Vatikanstadt 1980 – 82 (Studi e testi, 293 – 294), Bd. I, S. 168, Nr. 455: Secretum consistorium celebratur in aula aliqua palatii apostolici remotiori – hodie cameram Papagalli appellant. Sedes pontificalis parieti heret in medio. Surgit a solo sine thalamo aut gradibus. Scabellum habet magnum, super quod pedes pontifex tenet, et aliud parvum per quod ad maius ascenditur. Nr. 457: Pontificis sedes aurio panno est ornata; scabella cardinalium nuda sunt, sed picta rubeo colore cum armis pape. Locus inter sedem pape et scabella cardinalium tapetis sterni consuevit. 492 Vgl. dieses Buch, S. 295, und Hack, Achim Thomas: Das Empfangsprotokoll bei mittelalterlichen Papst-Kaisertreffen, Köln u. a. 1999 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii, 18), S. 575 – 580. 493 Vgl. zum Papageienzimmer Diener, Hermann: Die Camera Papagalli im Palast des Papstes. Papageien als Hausgenossen der Päpste, Könige und Fürsten des Mittelalters und der Renaissance, in: AKG 49 (1976), S. 43 – 97, zu Felix V., S. 57. Für den Vatikanpalast: Weddigen, Tristan: Raffaels Papageienzimmer. Ritual, Raumfunktion und Dekoration im Vatikanpalast der Renaissance, Berlin 2006. Zum Treffen von Friedrich III. und Felix V. im Papageienzimmer in Basel im November 1442, vgl. MC III, S. 1237 – 1241. Zu den Rücktrittsverhandlungen in Genf 1447: CB VIII, S. 347. Vgl. dazu dieses Buch, S. 347. 494 Vgl. Schimmelpfennig, Bernhard: Die Funktion des Papstpalastes und der kurialen Gesellschaft im päpstlichen Zeremoniell vor und während des großen Schismas, in: Genèse et débuts du Grand Schisme d’occident. Colloques Internationaux du C. N. R. S., Paris 1980, S. 317 – 328; Schimmelpfennig, Bernhard: Der Palast als Stadtersatz. Funktionale und zeremonielle Bedeutung der Papstpaläste in Avignon und im Vatikan, in: Paravicini (Hg.): Zeremoniell, S. 239 – 256; Weiss, Stefan: Die Versorgung des päpstlichen Hofes in Avignon mit Lebensmitteln (1316 – 1378): Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte eines mittelalterlichen Hofes, Berlin 2002. Kerscher: Architektur. Vgl. auch De Blaauw, Sible: Cultus et Decor. Liturgia e architettura nella Roma tardoantica e medievale: Basilica Salvatoris, Sanctae Mariae, Sancti Petri, 2 Bde., Città del Vaticano 1994. Sohn, Andreas:
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auf den Palast bezogene Zeremoniell wies jedem der Räume eine bestimmte Funktion zu und diente der Repräsentation des Papstes auf jeweils eigene Weise. Dabei funktionierte das Zeremoniell unabhängig von der architektonischen Situation, bzw. es war offenbar möglich, an jedem Ort einen Papstpalast mit seiner spezifischen Raumaufteilung einzurichten. Zugleich lag es in der Logik der zeremoniellen Abläufe, die jeweiligen Räume in der etablierten Weise zu benennen und damit Orientierung zu ermöglichen. In Avignon entwickelte sich ein hochdifferenziertes Palastzeremoniell, das zu einer unvermeidbaren Abwendung von der stadtrömischen Tradition führte, die B ernhard Schimmelpfennig vor allem in den Stationsgottesdiensten und den durch die Stadt führenden Prozessionen erkennt. Dieses nun interne, auf das Palastinnere konzentrierte Zeremoniell verlor in der Folgezeit seinen Charakter als Provisorium und Ausnahme. „Nicht nur für die Päpste der Avignoneser Obödienz, sondern auch für die der Römischen und Pisaner Obödienz und für ihre Nachfolger seit Martin V. war der Gottesdienst in der capella die Regel, der Besuch einer römischen Kirche die Ausnahme“495. Mit der Rückkehr des Papsttums nach Rom behielt der Papst palast seine zentrale Rolle für das Zeremoniell, dieses blieb fortan unabhängig von der stadtrömischen Topographie. Der Aufenthalt Felix’ V. in Thonon war nur bis zu seiner Abreise nach Basel geplant, wo die Krönung stattfinden und er dauerhaft residieren sollte. Zwar verschob sich diese bis in den Mai 1440, die Zeit seiner Residenz in Thonon umfasste jedoch nicht einmal fünf Monate. Diese kurze Dauer war bereits im Februar 1440 – auf dieses Datum sind die Rechnungen für die Einrichtungsgegenstände ausgestellt – absehbar. Gleichwohl wurde auch diese Übergangsresidenz gemäß den Erfordernissen des päpstlichen Zeremoniells eingerichtet, ausgestattet und dafür auch ein nicht geringer finanzieller Aufwand betrieben. Damit wird die zentrale Rolle, die der richtigen Ausstattung der päpstlichen Raumfolge zukam, nochmals deutlich – ohne diese war legitimes päpstliches Handeln nicht möglich und offenbar auch nicht denkbar. Ripaille hingegen wurde nicht als provisorische, päpstliche Residenz eingerichtet. Ob dies aus Platzmangel oder anderen Gründen geschah, muss offen bleiben. Die Wahl der savoyischen Hauptresidenz Thonon als provisorischer Papstpalast weist jedoch deutlich auf die künftige, von Amadeus/Felix an fürstlichen Maßstäben Die ‚neue‘ Vatikanresidenz und die ‚neue‘ Stadt. Papst, Kurie, Topographie und Urbanismus im Rom der beginnenden Renaissance, in: Paravicini (Hg.): Zeremoniell, S. 257 – 278. 495 Schimmelpfennig: Papstpalast, S. 323. Vgl. auch Bölling, Jörg: Das Papstzeremoniell der Renaissance, Frankfurt a. M. 2006, S. 18: „Die Tatsache, dass der Papst im 13. Jahrhundert oft außerhalb der Stadt residierte, trug zur Konzentrierung nahezu sämtlicher Zeremonien auf die Kurie selbst bei. […] Die deutliche Bezogenheit des Papstzeremoniells auf den Palast setzte demzufolge bereits im Hochmittelalter und nicht erst in Avignon ein.“
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orientierte Interpretation seines Papstamtes von Konzils Gnaden hin. Die päpst liche Überformung der bereits bestehenden fürstlichen Einrichtung in der Thononer Herzogsresidenz führte zu der eigentümlichen Hybridbildung, in der savoyische und päpstliche Herrschaftszeichen sich in ähnlicher Weise überlagert, überblendet oder gewissermaßen verwoben haben, wie sie später auch im Bischofspalast in Basel begegnet. Auf diese repräsentative Vorwegnahme des Regierungsstils im Dekor wird später noch einzugehen sein.
2.7 Ripaille: Propaganda und Kalkül Bei Ripaille handelte es sich, wie hier dargelegt wurde, um ein langfristiges Projekt des savoyischen Herzogs Amadeus VIII. zur Sicherung und Förderung seiner Memoria und derjenigen seines Hauses: Ohne die hergebrachte Grablege in Hautecombe völlig aufzugeben, versuchte er eine eigene Memorialstätte zu schaffen und als spirituelles Zentrum zu etablieren. Zugleich erfuhr damit auch die in Sichtweite von Ripaille gelegene Herzogsresidenz in Thonon eine sakrale Aufwertung durch die künftige Herrschergrablege in direkter Umgebung. Für einen repräsentativen Neubau der Kirche beauftragte Amadeus einen der angesehensten Baumeister seiner Zeit, Mathäus Ensinger. Der Herzog verbrachte die fünf Jahre unmittelbar vor seiner Wahl zum Papst in Ripaille. Diese zeitliche Nähe führte bereits während seines Pontifikats dazu, die Papstwahl und seinen Aufenthaltsort Ripaille in einen Zusammenhang zu stellen. Sein Konkurrent, Papst Eugen IV., und Angehörige seiner Kurie vermuteten, A madeus habe seine Wahl zum Papst selbst seit langer Zeit betrieben und sich als Eremit ausgegeben, um vor den Konzilsvätern als papabel zu erscheinen. In der Tat verwendete der Konzilschronist Johannes von Segovia wiederholt den Ausdruck in solitudine Ripaillie 496. Doch die zur Verfügung stehenden Quellen können den Eindruck R ipailles als einsame Klause nicht bestätigen 497. Und auch der sogenannte „Rückzug nach Ripaille“ führte – wie dargelegt – keineswegs zu einem Einsiedlerleben des Herzogs jenseits der politischen Bühne. Die Pläne für ein Memoria-Projekt, das dynastische Frömmigkeitspraxis und Adelsethos prägten, können nicht als Argument für ein möglicherweise vorhandenes Kalkül mit Ziel der Papstwahl herangezogen werden, da dieses Vorhaben bereits erhebliche Zeit vor der Eröffnung des Basler Konzils und dem Konflikt zwischen Konzil und Eugen IV. entwickelt wurde 498. 496 Vgl. dieses Buch, S. 35. 497 Vgl. Stieber: Amédée, S. 340 – 342; Pérouse: Aleman, S. 300 – 308; Bruchet: Ripaille, S. 117 – 126; Valois: Crise, S. 186 – 189. 498 Pérouse: Aleman, S. 303.
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Freilich ist anzumerken, dass die kostenintensive Unterstützung der Konzilsflotte auf ihrer Werbefahrt nach Konstantinopel die Nähe zwischen Basler Konzil und savoyischem Herzog befördert haben dürfte. Hierfür sprechen auch die intensiven Kontakte durch Delegationen und Briefverkehr zu einer Zeit, in der der Konflikt zwischen Eugen IV . und dem Konzil bereits offen zutage getreten war. Doch der unwiderlegbare Anstieg an savoyischen Konzilsteilnehmern, vor allem ihr Stimmgewicht im Konklave, dürfte auf die Initiative Kardinal Louis Alemans zurückzuführen sein, der auch die treibende Kraft bei der Absetzung Eugens IV. war. Ihr Stimmanteil allein hätte für eine Zweidrittelmehrheit zudem nicht ausgereicht. Letztlich kann eine eindeutige Hinwendung von Amadeus VIII. zum Basler Konzil vor der Absetzung Eugens IV. nicht nachgewiesen werden 499. Vermutlich haben die weit verbreiteten Schriften Enea Silvio Piccolominis über Amadeus VIII. entscheidend zu der Ansicht beigetragen, der savoyische Herzog habe bereits seit einiger Zeit seine Wahl zum Papst betrieben. Piccolomini widmete ihm ein längeres Porträt in seiner Abhandlung De viris illustribus 500, die in den Jahren von 1448 bis 1451 entstand. Damals war Piccolomini bereits Bischof von Triest und versammelte nach dem antiken Vorbild der Reihenbiographie von Cornelius Nepos eine größere Anzahl Charakterstudien zeitgenössischer Persönlichkeiten, von denen einige verloren gegangen sind, wie etwa die Porträts der Päpste Gregor XII., Johannes XXIII., Martin V. und Eugen IV.501. Dagegen sind die Darstellungen der Gegenpäpste Pedro de Luna und Amadeus VIII . (De Amedeo Sabaudie comite) erhalten geblieben. Letztere entstand Anfang 1449, als Felix V. seine Abdankung noch nicht vollzogen hatte – dies geschah erst am 7. April 1449 –, auch war ihm sein neuer Rang, Kardinal von S. Sabina, von Papst Nikolaus V. noch nicht zugesprochen worden. In diesem Porträt hob Piccolomini die Leistung des Fürsten hervor, sein Territorium über 40 Jahre hinweg friedlich regiert zu haben und es im Schatten der kriegerischen Auseinandersetzungen der Nachbarn wachsen und blühen zu lassen 502. Der „Rückzug 499 Stieber: Amédée, S. 342: „Ils nous manque les documents qui nous permettraient d’affirmer que le duc de Savoie ait consenti à un tel projet avant la déposition d’Eugène IV.“ Anders argumentiert Müller: Franzosen, S. 196 – 199: Er zitiert einen Brief Konrads von Weinsberg, Protektor des Basler Konzils, in dem vermerkt ist, dass bereits im Mai 1439 vielfach ein künftiger Papst Amadeus VIII. von Savoyen gegenüber allen anderen Kandidaten präferiert wurde. In Übereinstimmung mit Stieber ist allerdings allein aus dieser Bemerkung noch nicht zu schließen, Amadeus VIII. habe selbst seine Wahl befördert. 500 Piccolomini, De Amedeo, ed. van Heck, S. 74 – 79. Vgl. dazu: Iaria, Simona: Ritratto di un antipapa. Amadeo VIII. di Savoia (Felice V) negli scritti di Enea Silvio Piccolomini, in: Annali di Studi religiosi 8 (2007), S. 323 – 342, S. 332ff. 501 Viti, Paolo: Osservationi sul De viris aetate sua claris di Enea Silvio Piccolomini, in: Rotondi Secchi Tarugi, Luisa. (Hg.): Pio II e la cultura del suo tempo, Milano 1991, S. 199 – 214. 502 Piccolomini, De Amedeo, ed. van Heck, S. 74.
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nach Ripaille“ wurde von Piccolomini dann mit der heimlichen Absicht erklärt, sich für den Papststuhl zu qualifizieren, denn die ‚Begierde‘ des savoyischen Herzogs habe sich auf diese neue höchste Würde gerichtet 503. Spätestens hier etablierte Piccolomini die Darstellung Ripailles als locus amoenus 504. Doch die Vorstellung vom Streben des savoyischen Herzogs nach der Tiara gestaltete Piccolomini an prominenter Stelle noch weiter aus. Seine letzte und zugleich umfangreichste Schrift, die Commentarii, verfasste Piccolomini bereits als Papst Pius II .505. In den Commentarii, einer Autobiographie und historiographischen Beschreibung seines Pontifikats, geht Pius II. im 7. Buch umfangreich auf Savoyen und seinen Herzog ein und widmet ein vollständiges Kapitel der Frage, ob Amadeus die Papstwürde schon länger anstrebte: De Sabaudia, et qui in ea quave fortuna regnaverunt, et de Amedei vita et antipapatu 506. Dabei werden die Verdienste und positiven Leistungen des Herzogs nicht erwähnt, Amadeus VIII. sei vielmehr Nutznießer des Unglücks seiner Nachbarn gewesen: Fortunatissimum vicinorum miseriae fecerunt. Zudem habe er ausgehend von der Weissagung einer der zahlreichen Hexen in Savoyen eine Strategie entwickelt, wie er Papst werden könne. Dies seien die strategischen Hintergedanken gewesen, warum er sich entschieden habe, von der Pracht der Welt Abschied zu nehmen und künftig als Eremit zu leben 507. Die hier vorgenommene Verknüpfung einer magisch-teuflischen Prophezeihung mit dem langfristigen Vorhaben Amadeus’ VIII., als frommer Eremit von Ripaille den Papstthron anzustreben, stammte nicht originär von Pius II. In einer von Poggio
503 Piccolomini, De Amedeo, ed. van Heck, S. 75: […] eratque jam tum rumor papatus cupidine eum ad heremum sese recipisse. 504 Piccolomini, De Amedeo, ed. van Heck, S. 75: Is, cum iam instaret basiliense concilium, in loco amono supra lacum Lemannum, ubi parcum ferarum habuit ingentemque silvam muro cinctam, egregium edificium struxit et fossa muroque cinxit ad resistendum, ac sub titulo Sancti Maritii templum erexit collegiumque canonicorum fundavit. Vgl. zum locus amoenus als Ideallandschaft grundlegend: Curtius: Literatur, S. 191f. 505 Zur Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte der Commentarii vgl. Petersohn, Jürgen: Die Erstausgaben der Kommentare Papst Pius’ II., in: ZHF 14 (1987), S. 317 – 324; Totaro, Luigi: Pio II nei suoi Commentarii. Un contributo alla lettura della autobiografia di Enea Silvio Piccolomini, Bologna 1978; Esch, Arnold: Enea Silvio Piccolomini als Papst Pius II.: Herrschaftspraxis und Selbstdarstellung, in: Boockmann, Hartmut/Moeller, Bernd/ Stackmann, Karl (Hg.): Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, Göttingen 1989, S. 112 – 140. 506 Piccolomini, Commentarii, ed. Totaro, VII, 8, S. 1396. 507 Piccolomini, Commentarii, ed. Totaro, VII, 8, S. 1398 – 1404: Amedeus, sive hac spe ductus, sive alioquin suopte ingenio, relicto ducali fastigio et omni saeculi pompa procul eiecta, gubernatione subditorum promogenito commissa, ad eremum concessit. […] Amedeum scilicet sperare papatum, atque iccirco eremitam factum.
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Bracciolini konzipierten Bulle vom 23. März 1440 warf der römische Papst Eugen IV. seinem Gegner Felix V. die Inanspruchnahme magischer Hilfsmittel vor, um an die Tiara zu gelangen 508. Der römische Konkurrent Eugen IV. verdächtigte den vom Basler Konzil gewählten Papst, über viele Jahre einen teuflischen Plan verfolgt zu haben, der zunächst auch aufzugehen schien. Insbesondere das Engagement des savoyischen Herzogs gegen vermeintliche Hexereien wurde ihm nun negativ angelastet. In dieser Schmähschrift bezichtigte Eugen IV. den Papstelekten, nicht nur Anführer der Basler Konzilsversammlung und „Architekt“ des Schismas zu sein, sondern nannte ihn auch „den erstgeborenen Sohn des Satans“509. Von vielen werde bezeugt, so Eugen, dass Felix durch die „Gaukeleien der Wahrsager“ (prestigiis sortilegiis) seinen Heiland verlassen habe, wie auch durch die „wahnhaften Vorstellungen einiger unheilvoller Männer und Dirnen“ (phantasmatibus nonnullorum infelicium hominum ac muliercularum) schon vor etlichen Jahren von diesen verführt worden sei. Diese Leute bezeichne man auch als stregnes oder stregones oder auch als waudenses und man erzähle von ihnen, dass es in seinem Vaterland Savoyen eine große Menge von ihnen gebe 510. Die Schärfe der Beschimpfungen lässt sich nicht nur aus der fundamentalen Konkurrenz zwischen den zwei Prätendenten um das Papstamt erklären 511. Die von Eugen erwähnte große Zahl von Hexen und Hexern in Savoyen, weist auch darauf hin, dass der Herzog als „Pionier“ bei der Verfolgung der sogenannten modernen Hexe eingeschätzt wurde. Doch der religiöse Eifer des Herzogs, Häresien, Wunderglaube und
508 Edition, in: Epistolae pontificiae ad concilium florentinum spectantes, ed. Georgius Hofmann, Bd. 3, Roma 1946, Nr. 238, S. 4 – 12; vgl. dazu Helmrath: Poggio, S. 566. 509 Epistolae pontificiae, Nr. 238, S. 7: Horum dux et princeps ac totius tam nefarii operis architectus extitit primogenius ille satane, infelicissimus Amedeus, […]. 510 Epistolae pontificiae, Nr. 238, S. 7: […] ut a plerisque asseritur, prestigiis, sortilegiis, ac phantasmatibus nonnulorum infelicium hominum ac muliercularum, qui suo salvatore relicto, retro post satanam conversi, demonum illusionibus seducuntur, qui vulgari nomine stregnes vel stregones seu waldenses nuncupantur, et quorum in patria sua permagna copia esse narratur. Ähnlich Segovia, in: MC III, S. 480 – 488, S. 480. Vgl dazu auch Tschacher: Formicarius, S. 318, der unkritisch gegenüber dem propagandistischen Charakter des römischen Monitoriums argumentiert. 511 Vgl. zur römischen Propaganda gegen Felix V.: Helmrath, Poggio; Mann, Jesse D.: Refuting the Pope: Comments on Juan de Segovia’s Gloss on the Bull Etsi non dubitemus, in: AHC 37 (2005), S. 323 – 340; Mann, Jesse D.: The Devilish Pope: Eugenius IV as Lucifer in the Later Works of Juan of Segovia, in: Church History 65 (1996), S. 184 – 196, S. 184 – 186; Clavuot, Ottavio: Verus Christi vicarius. Programmatik der Darstellung Papst Eugens IV. in Biondos Schriften und an Filaretes Portal von St. Peter, in: Meyer, Andreas u. a. (Hg.): Päpste, Pilger, Pönitentiarie. Festschrift für Ludwig Schmugge zum 65. Geburtstag, Tübingen 2004, S. 83 – 107; vgl. Helmrath: Lateinische Teilnehmer, S. 165 – 186.
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Schadenszaubereien in seinem Territorium zu verfolgen und zu bestrafen, wurde ihm im Propagandakampf von Eugen IV. negativ angelastet 512. Die von dem Sekretär und Propagandisten Eugens IV., Poggio Bracciolini, in die Welt gebrachte und von Piccolomini/Pius II. fortgeschriebene Auffassung, der savoyische Herzog Amadeus VIII. habe sich an einen entlegenen Ort zurückgezogen, um dort mit magischen Mitteln seine Wahl zum Papst zu betreiben, hat sich in der Historiographie und bis heute in der modernen historischen Forschung als ein erfolgreiches Narrativ erwiesen. Doch konnten für die Ansicht, Amadeus habe bereits vor 1439 auf das Papstamt hingearbeitet, bislang keine weiteren belastbaren Nachweise gefunden werden. Die hier dargelegte Einschätzung Ripailles als savoyischer Zentralort und Materialisierung einer Herrschaftsauffassung, die sich als Dienst an Gott verstand, unterstreicht jedoch die Auffassung, dass es sich bei der Annahme, Amadeus’ VIII. habe sich als Klausner nach Ripaille zurückgezogen mit der Absicht, auf die Catherda Petri zu gelangen, letztlich um eine Fortschreibung der römischen Propaganda gegen einen fundamentalen Gegner, einen Gegenpapst, handelte.
512 Dem Basler Konzil wird für die Verbreitung des sich zu dieser Zeit wandelnden Hexenbildes eine ‚Drehscheibenfunktion‘ zugewiesen. So können sämtliche, heute bekannten Texte, in denen das neue Hexenbild verbreitet wurde, in einen engeren Zusammenhang mit dem Basler Konzil gebracht werden. Bailey, Michael D./Peters, Edward: A Sabbat of Demonologists: Basel 1431 – 1440, in: The Historian 65 (2003), S. 1375 – 1395, S. 1377: „This article will survey the many lines of connection that pass through Basel and will explore the central role the council played in defining witchcraft and spreading concern over this diabolical crime across Europe.“ Dies gilt vor allem für die Gebiete der nachmaligen Westschweiz, aber auch für Savoyen, die Dauphiné und das Aostatal: So die Errores Gazariorum (entstanden in der zweiten Hälfte der 1430er Jahre im savoyischen Aostatal), der Formicarius des Johannes Nider (Prior der Dominikaner in Basel); den Champion des Dames verfasste Martin Le Franc zwischen 1440 – 42, während er Sekretär Felix’ V. war. Darin wird sprunghaft die Zuspitzung des Hexentypus auf Frauen deutlich. Auch Tholosans Traktat Ut magorum et maleficiorum errores entstand 1436 in der Dauphiné und weist Verbindung nach Basel und nach Savoyen auf, vgl. hierzu auch Schatzmann: Hexenpozesse S. 61f. Zu diesen Schriften vgl. Utz-Tremp: Häresie, S. 5 – 24. Vgl. zur Rolle der Hexen-Debatte im Kontext anderer Themen des Basler Konzils differenziert Sudmann, Stefan: Hexen – Ketzer – Kirchenreform. Drei Debatten des Basler Konzils im Vergleich, in: Ostorero, Matine u. a. (Hg.): Chasses aux sorcières et démonologie. Entre discours et pratiques (XIVe–XVIIe siècles), Firenze 2010, S. 169 – 197, bes. S. 186 – 191.
3. Rom in Basel (1439 – 1442) In der neueren Forschung wird wiederholt darauf hingewiesen, Felix V. und das Basler Konzil hätten eine „Imitation Roms“ betrieben 513. Man geht dabei davon aus, dass eine der ausgewiesenen Legitimationsstrategien Felix’ V. in der visuellen und symbolischen Aneignung des Stadtraums von Basel nach römischem Vorbild bestanden habe, d. h. gemäß einer bereits vorhandenen, überörtlich konzeptionalisierten RomIdee. Dabei ist in den Hintergrund getreten, dass Felix’ V. und seiner Entourage dieses überörtliche Rom-Konzept savoyisch ausformulierten. Diese spezifisch savoyische Aneignung „Roms“ ist zum Teil als Konzept implizit wahrnehmbar, auf eine legitimierende Strategie kann dabei jedoch nur partiell geschlossen werden. Denn eine Vergegenwärtigung der römischen Tradition und mithin Roms selbst ist ohne ihre explizite Formulierung und konkrete Verankerung nicht möglich. Es ist deshalb Ziel dieses Kapitels, die räumlich-symbolischen Referenzen der überlieferten Handlungssequenzen in den herrschaftskonstituierenden Akten präziser, als dies bislang unternommen wurde zu analysieren. Dafür wird die Gestaltung der repräsentativ-symbolischen „Hülle“ des Gegenpapstes Felix V. umfassend untersucht, wodurch seine in der Repräsentation hervortretenden Legitimationsstrategien sichtbar werden. Die deutlichen Überblendungen der herzoglich-savoyischen Herrschafts zeichen mit denjenigen der römisch-päpstlichen Tradition, die den Pontifikat Felix V. von Beginn an prägten, sind auch im Folgenden in der historischen Überlieferung nachweisbar und können somit als zentrale Legitimationsstrategie identifiziert werden. Das päpstliche Amt gilt in besonderer Weise als visuell-symbolisch kodiert, doch wurde Felix V., der letzte Gegenpapst, als Inhaber der Cathedra Petri und damit als Träger der sichtbaren Zeichen des Papsttums nicht widerspruchslos anerkannt. Er musste vielmehr durchgehend um Obödienz werben. In dem reziproken Prozess der Obödienzgewinnung und -gewährung bzw. ihrer Verweigerung wurde dabei in auffälliger Weise auf die Einhaltung der römischen Tradition geachtet, oder zumindest in der schriftlichen Überlieferung diese Einhaltung besonders betont: Dies wird nicht nur bei den entscheidenden konstituierenden Akten der Papstkreierung wie Wahl und Krönung deutlich, sondern tritt auch im alltäglichen Erscheinungsbild des Papstes und seiner Kurie sowie der Ausstattung der Basler Residenz und des jeweiligen Residenzortes insgesamt in Erscheinung. An dieser Stelle soll zunächst der Invention päpstlicher Orte nachgegangen werden, indem hier beobachtet wird,
513 Zur Rom-Imitation vgl. Sieber-Lehmann, Claudius: Basel und ‚sein‘ Konzil, in: Helmrath/Müller (Hg.): Konzilien, S. 173 – 204, S. 196. Ähnlich auch Sudmann: Basler Konzil, S. 424.
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wie bislang bischöfliche bzw. städtische Räume nun päpstlich umgenutzt und damit umdekoriert wurden. Papst Felix V. und das Konzil, das ihn gewählt hatte, befanden sich nicht in Rom und damit nicht am Ort der Apostelgräber, dem legitimatorischen Ursprung der apostolischen Sukzession der Päpste. Dies ist freilich in der päpstlichen Geschichte keine Seltenheit, da die römischen Bischöfe, also die Päpste, verschiedentlich und teilweise dauerhaft außerhalb Roms residierten, am längsten bekanntlich in Avignon. Da Basel zunächst nicht verlassen werden konnte und sollte – die Ortsfrage berührte den neuralgischen Punkt des Basler Schismas –, wurde stattdessen in Basel selbst gewissermaßen „Rom“ in Szene gesetzt. Dies geschah vor allem mit Hilfe des Dekors, denn Felix V. eignete sich sowohl den Basler Stadtraum wie auch das römische Zeremoniell überwiegend auf ephemere Weise an, denn dauerhafte topographische oder architektonische Eingriffe sind für die Konzilszeit in Basel nicht überliefert. Bei der insgesamt durch Quellen recht gut dokumentierten päpstlich-savoyischen Aneignung der Stadt Basel steht in der folgenden Analyse einerseits die Residenz Felix’ V. und die Umgestaltung des Basler Bischofhofs in einen päpstlichen Palast, andererseits der Stadtraum Basels selbst im Vordergrund. Dieser wird während des Einzugs Felix’ V. und anlässlich seiner Papst-Krönung zu einem päpstlichen Repräsentationsraum, in dem sich die in den zeremoniellen Akten wie Prozessionszügen anlässlich des Adventus und der Krönung inhärenten und erstrebten Legitimationsstrategien abzeichnen und damit beobachtbar werden. Diese geplante Aneignung Basels erfolgte zum einen als Adaption einer gleichsam überörtlichen Rom-Vorstellung, etwa im päpstlichen Zeremoniell, und zum anderen durch Markierung und Besetzung des städtischen Raums mit savoyischen Zeichen, die oftmals aber auch dem Papsttum zugeordnet werden konnten. Entsprechend oszillierten die Aneignungspraktiken zwischen „savoyisch“ und „römisch“, wobei man davon ausgehen kann, dass die doppelte Zuschreibung intendiert war 514. 514 Unter Strategie wird hier in Anlehnung an Michel de Certeau die „Berechnung (oder Manipulation) von Kräfteverhältnissen verstanden, die in dem Moment möglich wird, wenn ein mit Willen und Macht versehenes Subjekt […] ausmachbar ist“. Diese Auffassung von Strategie „setzt einen Ort voraus, der als etwas Eigenes beschrieben werden kann und somit als Basis für die Organisierung von Beziehung zu einer Exteriorität dienen kann, seien dies Stoßrichtungen oder Bedrohungen (Kunden oder Konkurrenten, Feinde, das Umland der Stadt Forschungsziele und -gegenstände etc.). Jede strategische Rationalisierung ist darauf ausgerichtet, das ‚Umfeld‘ vom ‚eigenen Bereich‘, das heißt vom Ort der eigenen Macht und des eigenen Willens abzugrenzen.“ Vgl.: De Certeau, Michel: Die Kunst des Handelns, Berlin 1988, S. 87. Vgl. auch S. 88: „Diese Zäsur zwischen dem angeeigneten Ort und dem anderen hat beträchtliche Auswirkungen“. Eine davon wird als „Beherrschung der Orte durch Sehen“ beschrieben. Vgl. zu de Certeau: Füssel, Marian: Zum Begriff der Aneignung in der Geschichtswissenschaft, in: Sozial.Geschichte 21 (2006), S. 7 – 28 und Füssel, Marian:
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Dieser Interpretation liegt die Annahme der jüngeren Raumforschung zugrunde, dass Orte erst durch aneignendes Handeln zur räumlichen Dimension von Macht werden 515. Es wird hier erkennbar, dass sich savoyische Herrschaftspraktiken flexibel in das päpstliche Zeremoniell einfügen ließen und der bislang konziliar genutzte Zeremonial-Raum in Basel savoyisch-päpstlich umkodiert werden konnte.
3.1 Der Papsthof in Basel Seit seinem feierlichen Einzug am 24. Juni 1440 residierte Felix V. im Basler Bischofshof. Außerdem standen ihm und seinem Gefolge der benachbarte Ramsteinerhof zur Verfügung, wie sich aus Rechnungen über die Entrichtung des Mietzins durch die Stadt Basel für Felix V. ergibt 516. Währendessen logierte der Basler Bischof Friedrich zu Rhein (1437 – 1451) im Schürhof, wo er schließlich 1451 verstarb 517. Im Folgenden werden die architektonische Situation sowie die Ausstattung der päpstlichen Räume in den Blick genommen, um die Repräsentation Felix’ V. präziser skizzieren zu können. Die bischöfliche Residenz neben dem Münster wurde seit 1346, als sie nach einem Abgleiten der Rheinhalde zerstört wurde, kaum als solche mehr genutzt. Zwar ist ab 1362 eine neue Bauaktivität wieder nachweisbar, doch auch in der Folgezeit logierten die Basler Bischöfe zumeist in anderen Gebäuden am Münsterplatz, so etwa im
Aneignungen eines Denkers. Neue Forschungen zu Michel de Certeau, in: Storia della Storiografia 45 (2004), S. 95 – 108. 515 Vgl. dazu: Löw, Martina: Raumsoziologie, Frankfurt a. M. 2001, S. 198 – 203. 516 Zum Mietzins der Stadt für den Ramsteinerhof: Harms: Stadthaushalt, Bd. 1.2, S. 218: Item geben hern Heinrichen von Ramstein IIIc guldin hofezinses, als unser heiliger vatter der babst in sinem hofe lijt, facit IIICXLV lb. S. 222: Item geben hern Heinrichen von Ramstein IIc LXX guldin hofezinses unserm heiligen vatter dem babst und ist bezalt untz sant Johanns tag zu sunwenden nechstvergangen, facit IIIcXJ lb.; S. 225: Item so ist geben herr Heinrich von Ramstein hofezinses zem lesten, als der babst enweg zohe, LXXXXV guldin, facit CIX lb vß. Wie auch in: Urkundenbuch der Stadt Basel, Bd. 7, ed. Rudolf Wackernagel, Basel 1904, Nr. 8., S. 14; Basler Chroniken Bd. V, S. 493. Zum Ramsteinerhof: Nagel, Anne: R amsteinerhof, in: Kunstdenkmäler Bd. VII, S. 145 – 154. 517 Christian Wurstisen Beschreibung des Basler Münsters und seiner Umgebung, ed. Rudolf Wackernagel, in: Beiträge zur vaterländischen Geschichte 12 (1888), S. 399 – 522, S. 485: Bischofs Scheurhofe: Als bey zeiten deß grossen Basler conciliums bapst Felix in den bischoflichen hof gelosiert gwesen, wohnte in disem hauß bischof Friderich geboren ze Rhein, unnd dieweil durch deß bapsts hilf unnd steur hernach der bauw deß einen stocks, darinnd ie hofstuben sind, fürgenommen ward, bliebe bischof Friderich im scheurhofe, in dem er auch, ehe dann ihener bauw vollendet worden, d. 5. Januarii todts verschiede.
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Schürhof (Nr. 19) und im Fridolinshof (Nr. 12)518. Die Anlage des Bischofshofs wird vor der Vollendung des Neubaus in den 1450er Jahren an gleicher Stelle als ausgesprochen bescheiden geschildert. So charakterisiert der Basler Chronist Christian Wurstisen im 16. Jahrhundert das gehäuse gegen dem Rhein als für einen fürsten ein schlechte wonung 519. Die im Areal des Bischofshofes liegende Nikolauskapelle wurde im 11. oder 12. Jahrhundert um rund die doppelte Länge auf den heutigen Grundriss vergrößert. „Der massiv fundamentierte, über der Rheinhalde hoch aufragende Bau war möglicherweise bereits zu jenem Zeitpunkt die bischöfliche Palastkapelle“520. Die für Palastkapellen bevorzugte Bauform einer Doppelkappelle trifft auf Basel zu; so sind seit dem frühen 14. Jahrhundert im Erdgeschoss Altarstiftungen und Bestattungen fassbar, das Obergeschoss fungierte vermutlich als Privatkapelle 521. Erst unter dem Bischof Arnold von Rotberg (1451 – 1458) wurde die von seinen Zeitgenossen als magnifice 522 bezeichnete bischöfliche Residenz als Repräsentationsbau vollendet, die noch heute steht. Laut späteren chronikalischen Quellen soll dieser Bau von Felix V. angeregt worden sein 523. Als eigentlicher Bauherr des Basler Bischofshofs mitsamt der Kapelle darf freilich Arnold von Rotberg gelten, da er mit zahlreichen Wappen gleich mehrere Auftraggebersignaturen hinterlassen hat. Arnold von Rotberg besaß enge familiäre Verbindungen zum Basler Rat, da Großvater, Vater, Bruder und Onkel Bürgermeister gewesen waren. Seine Mutter wie auch Großmutter stammten aus alteingesessenen, vielfach im Domkapitel vertretenen Familien des Ministerialadels. „Da der aufwendige Residenzbau
518 Zum baugeschichtlichen Forschungsstand vgl. Nagel, Anne: Bischofshof, in: Nagel, Anne u. a. (Hg.): Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt, Band VII: Die Altstadt von Grossbasel, Bd. I, Profanbauten, Bern 2006, S. 131 – 143. Mit Nennung der älteren Literatur. Zum Bischofshof in Basel vom 12.–14. Jahrhundert vgl. mit umfangreicher Literatur: Kälble, Mathias: Bischöflicher Hof in Basel zwischen Stadt, Adel und Reich vom 12. bis zum 14. Jahrhundert, in: Zotz, Thomas (Hg.): Fürstenhöfe und ihre Außenwelt. Aspekte gesellschaftlicher und kultureller Identität im deutschen Spätmittelalter, Würzburg 2004, S. 161 – 200. Zu weiteren Bischofshöfen bzw. -residenzen am Oberrhein bzw. im Bodenseegebiet vgl. Bihrer, Andreas: Der Konstanzer Bischofshof im 14. Jahrhundert. Herrschaftliche, soziale und kommunikative Asptekte, Ostfildern 2005, bes. S. 432 – 449. 519 Wurstisen Beschreibung des Basler Münsters, ed. Wackernagel, S. 496. 520 Nagel: Bischofshof, S. 132. 521 Nagel: Bischofshof, S. 132. 522 Basler Chroniken, Bd. 7, S. 130. 523 Hirsch, Volker: Der Hof des Basler Bischofs Johannes von Venningen (1458 – 1478): Verwaltung und Kommunikation, Wirtschaftsführung und Konsum, Ostfildern 2004 (Residenzenforschung, 16), S. 166. Hierzu ist anzumerken, dass die teilweise tendenziösen Urteile aus den Basler Chroniken über Felix V. von Hirsch unhinterfragt übernommen werden.
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vermutlich die finanziellen Möglichkeiten der bischöflichen Kasse überstieg, ist anzunehmen, dass Arnold von Rotberg den Bau grösstenteils privat finanzierte“524. Der Neubau wird erst unter Arnold, demnach zwischen 1451 und 1458 beendet, jedoch für den Zeitraum, in dem Felix V. dort residierte, bleibt nach Auskunft der neuesten Forschung die bauliche Situation des Bischofshofs recht unklar. Offensichtlich ist, dass der Bau zur Zeit des Konzils für Repräsentationszwecke wenig geeignet war. Während dieser Zeit wurde offenbar ein Neubau in die Wege geleitet sowie Anund Umbauten ausgeführt, über deren Planungen freilich keinerlei Informationen überliefert sind. Für den hier angesprochenen Zusammenhang ist es dabei betonenswert, dass der offenbar architektonisch unbefriedigende und unzureichende Bau die Notwendigkeit ephemeren Dekors im Innenraum erhöhte. Seine Bedeutung für die angemessene päpstliche Repräsentation steigt dadurch erheblich. Da über die bauliche Situation keine Aussagen gemacht werden können, soll eine Rekonstruktion der päpstlichen Raumsituation in der Basler Residenz durch eine Analyse der Ausstattung und des inneren Dekors erfolgen. Als Quellenbasis stehen das Inventar Felix’ V. (29. Juli 1440525) und Rechnungen über die ab Dezember 1439 vom savoyischen Hof erworbenen Paramente zur Verfügung 526, die bislang kaum ausgewertet wurden.
Rekonstruktion der Raumfunktionen In entscheidender Weise prägten Räume und spezifisches Dekor das Zeremoniell und die Hofordnung, die von bestimmten Orten sowie visuellen Zeichen in einem so hohen Maße abhängig waren, dass sie gegenüber der Architektur „zweifellos als die vorrangigeren Elemente angesehen wurden, die zu einer steten Veränderung der Architektur führen konnten“527. Daher soll die durch ein Inventar überlieferte
524 Nagel: Bischofshof, S. 134. Zur finanziellen Situation vgl. Weissen, Kurt: „An der stuer ist ganz nuett bezalt“. Landesherrschaft, Verwaltung und Wirtschaft in den fürstbischöf lichen Ämtern in der Umgebung Basel (1435 – 1525), Basel/Frankfurt a. M. 1994, S. 488f. 525 AST, Gioi e mobili, Mazzo 1, Nr. 2, weitgehend transkribiert, in: Promis, Vincent: Inventaire fait au quinzième siècles des meubles, ornements religieux, vaisselle, tapisseries, etc. empruntés par le pape Félix V a l’hôtel de la maison de Savoie, in: MDS 15 (1876), S. 299 – 323. Zum Inventar als Quellengattung vgl. Burkart, Lucas: Das Verzeichnis als Schatz. Überlegungen zu einem Inventarium Thesauri Romane Ecclesie der Bibliotheca Apostolica Vaticana, in: QFIAB 86 (2006), S. 144 – 207. 526 AST, SR, Camera Savoia, Inventar 16, Mazzo 85, 1439/1440, fol. 130r.–135v. 527 Kerscher: Architektur als Repräsentation, S. 32. Zu den Raumfunktionen des Papstpalastes vgl. dieses Buch, S. 137.
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ephemere Ausstattung und Innendekoration der Basler Papstresidenz erstmals näher betrachtet werden. Dieses Inventar ist auf den 29. Juli 1440 unmittelbar nach der Krönung Felix’ V. datiert und belegt damit die Erstausstattung der päpstlichen Residenz in Basel. Aus seinen Angaben lassen sich die gestalterische Absicht zu Beginn des Pontifikats und damit auch ein visuell-dekorativer Papsttumsentwurf von Felix V. ableiten. Zudem werden die durch das Dekor definierten Raumfunktionen identifizierbar, zudem können aus einer Analyse des Dekors präzise Aussagen über die in Basel praktizierte, bislang nur vermutete Rom-Imitation getroffen werden. Der von konziliarer Seite insgesamt häufig hervorgehobene Verweis auf Einhaltung der römischen Tradition steigerte sich ausgesprochen signifikant während des Basler Papstschismas: Für die Konzilsväter war es von entscheidender Bedeutung, dass die Wahl des Papstes am 5. November 1439 als rechtmäßig und kanonisch anerkannt wurde. Dabei bedingte der korrekte Ablauf des Wahlverfahrens, das durch die Konklaveordnung von 1274 eindeutig geregelt war, die Rechtmäßigkeit der Wahl. Die Einhaltung der äußeren Form galt dabei als der entscheidende Beweis, dass göttlicher Segen diese Wahl begleitete. Diese Formbewahrung wurde von konziliarer Seite ausgesprochen häufig und deutlich betont, und dies gilt nicht nur für das Konklave, sondern auch für die Krönung und den Aufbau der kurialen Verwaltung 528. Es ist dabei jedoch durchaus fraglich, ob die Imitatio Romae in Basel vor allem in schriftlichen Zeugnissen stattgefunden hat, oder ob tatsächlich ein überörtlich konzeptioniertes Rom mit dem von der römischen Topographie maßgeblich geprägten, päpstlichen Zeremoniell in Basel gewissermaßen imitiert und damit nachgebaut und inszeniert wurde. Das päpstliche Zeremoniell präfigurierte die Raumordnung einer päpstlichen Residenz und galt unabhängig von der jeweiligen baulichen Situation. Sie war damit topographisch autonom und funktionierte gemäß dem Diktum ubi Papa, ibi Roma, d. h. überörtlich 529. Durch das spezifische Dekor kann daher auf die Raumfunktion 528 Vgl. dieses Buch: Wahl, ab S. 105, Krönung (Kap. 3.3, ab S. 194), Kurie (Kap. 3.5, ab S. 234). 529 Die Zeremonialbücher des 13. Jahrhunderts bestanden aus Ordinarienbüchern, die sich stetig weitentwickelten; es sind zunächst Kompilationen von einzelnen Regeln. Der Stationsgottesdienst war das einzige liturgische Element, das das päpstliche Zeremoniell mit der römischen Stadt-Topographie verband. de Blaauw: Cultus et Decor, S. 40: „Per il resto Roma era in primo luogo un’idea.“ Die Formel ubi Papa, ibi Roma stammt aus der Umgebung von Innozenz IV., der sich lange in Lyon aufgehalten hat. Der Römer Stefaneschi versuchte in seinem Zeremoniale, das er in Avignon vollendete, möglichst viel der Tradition und vom römischen Charakter zu bewahren. Die folgenden Zeremonialen sind dann in Folge vor allem libri di Palazzo, also Hofordnungen. Das Päpstliche Zeremoniel sollte deshalb nach Sible De Blaauw als ein Komplex verstanden werden, der aus allen Handlungen besteht, die der Papst öffentlich vollzieht, vgl. ebd. Bernhard Schimmelpfennig schlägt in diesem Zusammenhang als Definition für ‚öffentlich‘ vor: „Öffentlich tritt der Papst immer dann
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geschlossen werden. Sofern es gelingt, diese in der Basler Residenz durch die Angaben im Inventar eindeutig zuzuweisen, können verlässliche Auskünfte über die in Basel vorgenommene Raumnutzung getroffen werden.
Rom in der Basler Papstresidenz Das Inventar 530 wurde am 29. Juli 1440 in Basel von Felix’ Sekretär, Martin Le Franc, angefertigt und von Jean de Lestelley, einem Notar aus Genf, überprüft. Bei der Ausstellung waren die Kardinäle Louis Aleman und Louis de Varambone, der Bischof von Belley, Markgraf Ludwig von Saluzzo, Johannes de Seysell, Peter de Grôlée sowie Guillaume Bolomier anwesend 531. In diesem Inventar sind die mobilen Güter verzeichnet, die Felix V. aus dem Besitz seines Hauses geliehen hatte, um sie mit nach Basel zu nehmen. Der gesamte Besitz des Herzogs war bei der Herrschaftsübergabe am 6. Januar 1440 an seine Söhne bzw. deren Nachfahren weitergegeben worden 532. Durch das Inventar wurde festgehalten, dass die verzeichneten Objekte dem Haus nicht entfremdet wurden und in deren Besitz verbleiben. Im Inventar werden die Objekte in drei Kategorien eingeteilt: Der erste Abschnitt führt liturgische Objekte auf, vor allem Reliquien, Bücher und Schmuck sowie die für die Kapelle bestimmten zahlreichen Paramente. Als Zweites werden die mitgebrachten Tapisserien und andere Stoffe genannt, als drittes Tafelgeschirr und Juwelen.533
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auf, wenn er nicht bewußt als Privatperson handelt.“ Schimmelpfennig: Palast als Stadt ersatz, S. 318. Vgl. dieses Buch, S. 149. Zu den letzten drei Vertretern namhafter savoyischer Adeliger vgl. mit weiterer Literatur: Lafargue, Pierre: Les élites chambériennes et la cour de Savoie (XVe siècle), in: L’affermarsi della corte sabaudia, S. 177 – 192, und: Meyer, Frédéric Meyer: Les évêques de Savoie et la cour (XVIe–XVIIe siècles), in: ebd., S. 387 – 405. Inventar, ed. Promis, S. 321: Que premissa omnia et singula superius inventorizata et agnotata vult iubet et precepit idem dominus noster papa reddi integre libereque et integraliter restituti prefato domino nostro Sabaudie duci ac suis in ducatu Sabaudie successoribus quamprimum id duxerint requirendum conservanda habenda et dividenda cum illustri domino Philippo de Sabaudia comite Gebennensi et barone Faucigniaci ipsius domini nostri pape secundo genito secundum formam elogii seu ultime disposicionis testamentarie ipsius domini nostri pape dum adhuc erat in minoribus conduti et per viros egregios magistros Nycodemi Festi et Franceschini Fabri eius secretariis recepti et confecti. Inventar, ed. Promis, S. 303: Et primo sequitur inventarium reliquiarium librorum vestimentorum et aliorum ornamentorum capelle et lingiorum. Secundo descriptio seu inventarium tapisserie. Tercio descripcio seu inventarium veyselle et ioialium.
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Für eine Rekonstruktion der Basler Papstresidenz ist vor allem der zweite Abschnitt zentral, da dort das gesamte textile Dekor, und zwar zweifach, aufgeführt ist. Zunächst werden sechs verschiedene Camerae beschrieben. Unter dem Begriff Camera wird ein zusammengehörendes Set von unterschiedlichen Textilien verstanden, das aus Wandbehängen, Bankhussen und Zeremonialbett-Ausstattungen (Himmel, Überwurf etc.) bestand 534. Das Inventar führt nicht nur die sechs Camerae auf, es werden darüber hinaus auch alle dort verzeichneten Tapisserien noch einmal genannt – unterschieden nach Größe, Inhalt und Farbe sowie Funktion. Vier der beschriebenen Camerae lassen sich deshalb näher bestimmen und durch die Artefakte funktionsgeschichtlich einordnen, d. h. konkreten Räumen zuweisen. Durch eine solche Einordnung der Dekoration des Papstpalastes lassen sich Rückschlüsse auf die Repräsentation des konziliaren Gegenpapstes Felix V. in Basel ziehen 535. Dem Inventar zufolge bestand die Camera prima aus einem Zeremonialbett mit Himmel, Rücken und Bettüberwurf aus rotem Satin, das mit goldenen und silbernen Fäden durchwirkt ist. Zudem sind für diese Camera fünf große und sechs kleine Tapisserien aufgeführt. Allein aus der Zahl der sechs großen Tapisserien, die als magne tapisserie näher beschrieben sind, ergibt sich eine Zuordnung als Ausstattung der sala magna oder des tinellum magnum, des Audienzsaales: Bis auf den Teppich mit der ystorie beate Margarite weisen alle Tapisserien profane Inhalte auf. Eine solche textile
534 Ein Testament der Mutter von Amadeus VIII./Felix V., Bonne de Berry, von 1427 verfügte an ihn eine camera de paramento. Es bleibt unklar, ob die Gegenstände wirklich an ihn gegangen sind, denn in einem weiteren Testament von 1430 hinterließ sie ihm lediglich einen goldenen Hl. Michael ohne weitere Angaben, vgl. Meiss, Millard: French Painting in the time of Jean de Berry. The Limbourgs and their contemporaries, New York 1974, Bd. I, S. 322 Dennoch erscheinen die im Testament von 1427 beschriebenen Paramente, wie auch die erwähnten Tapisserien, sehr ähnlich denjenigen Tapisserien, die im Inventar von 1440 verzeichnet sind, in: Meiss: Painting, S. 322: Et primo quamdam cameram de paramento de cyrico, auro, et argento, operatam, de Tapisseria ad altam liciam, factam ad personagia, et munitam suis tentis, videlicet Caelo capite, coportura (sic), et tribus cortinis currentibus a lateribus et pedibus. Nec non sec tapissis mictum operatis de cirico, auro, et argento ac lana, ac (sic) personagia similia camerae predictae. Nec non sec oriellieriis, sive acrrellis, factis ad decorationem dictae camerae. Item plus, unum aliud tapissum operatum mixtum lana, cirico, auro et argento, in quo sunt operatae et depictae septem virtutes et septem vicia, et quod tapissum est de alta licia et factum ad decorationem unius magnae aulae. Item plus unum tapissum vellutum magnum diversorum colorum, in quo sunt figurata diversa animalia grossa, et quod tapissum est factum pro ponendo et tenendo in aliqua camera, super terram, pro deambulando desuper, et hoc ad decorationem dictae camerae. Vgl. zu textilen chambres auch: Franke: Jagd, S. 192. 535 Vgl. zu Einsatz und Bedeutung von Textilien am Papsthof den Forschungsüberblick von Ertl, Thomas: Stoffspektakel. Zur Funktion von Kleidern und Textilien am spätmittelalterlichen Papsthof, in: QFIAB 87 (2007), S. 139 – 185 mit weiterführenden Literaturangaben.
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Ausstattung ist ausschließlich dem repräsentativ-höfischen Kontext des Empfangs- und Festsaales zuweisbar, wobei die explizit betonte Größe der Tapisserien dies unterstützt 536. Die zweite Camera war farblich in rot und weiß gehalten und bestand aus einem Zeremonialbett und drei Wandteppichen. Gemäß seiner farblichen Gestaltung sowie der genannten Tapisserien kann dies als Ausstattung für das im päpstlichen Zeremoniell zentrale Paramentenzimmer gelten, in dem etwa Investituren und Amtsernennungen stattfanden, wie sie in den Protokollen des Basler Konzilsschreibers Hüglin für das Paramentenzimmer der Basler Residenz festgehalten worden sind 537. Das dritte Zimmer, Camera tercia, bestand aus sieben sogenannten sargia. Dabei handelte es um Stoffbahnen, die auf Rahmen aufgezogen waren und wie Stofftapeten gewirkt haben müssen. Die Raumfunktion kann nicht weiter spezifiziert werden, möglicherweise handelt es sich um eine Antecamera-Ausstattung 538. Das vierte Zimmer kann durch die eindeutige Farbgebung als das Papageienzimmer identifiziert werden. Die genannten Tapisserien werden chapelletis cum armis Sabaudie Burgondieque beschrieben und in der zweiten Nennung präzisiert als: Decem tapissia chapelletorum viridia cum armis Sabaudie et Burgondie. Damit wird hier vor allem die grüne Farbgebung aller zehn Tapisserien betont. Neben einem Zeremonialbett, weiteren sechs sargia werden auch drei ebenfalls grüne bancheria, also Bankhussen, genannt. Segovia bezeichnet das päpstliche Papageienzimmer als camera viridia sive papagai und ermöglicht damit eine genaue Zuordnung der camera quarta als Papageienzimmer, das innerhalb der päpstlichen Raumfolge spätestens seit der päpstlichen Residenz in Avignon eine zentrale Stelle einnahm 539. Die in diesem Zimmer
536 Vgl. AST, Gioi e mobili, Mazzo 1, Nr. 2. Magne Tapisserie: artilicie cleodonis frantine, secundo magnum tapissium coloris magni, tercio magnum tapissium tocius ystorie Thesey, quarto Magnum tapissum duelli duorum liberorum Raymandi de Monanband, quinto magnum tapissium grossarum gencium, sexto tapissium ystorie Beate Margarite. 537 CB VII, S. 222: Pronunciacio domini Bertrandi Rosmadic in electum Leonensem episcopis. Eadem die veneris XXIX. Julii post tentum consistorium, […] postquam dominus noster papa Felix V. ad suum rediit palacium, in eodem palacio, videlicet in camera paramenti, sedente ipso domino nostro in cathedra sua indutus pluviali, assistentibus sibi dominis Arelatensi et de Varambone cardinalibus, episcopus Vicensi, Dertusensi, Vercellensi, Aquensi, Tauriensi, Laußanensi et Bellicensi, reverendissimus dominus cardinalis Arelatensis de mandato et ex parte et in presenscia dicti domini nostri pape venerabilem dominum Bertrandum Rosmadic archidiacoum Leonensem in electum Leonensem pronunciavit et eundem promovit in forma consueta. 538 Zu Sargia, mod. franz. ‚serge‘ od. ‚sergé‘, vgl.: Cardon, Dominique: À la decouverte d’un metier médiéval. La teinture, l’impression et la peinture des tentures et des tissus d’ameublement dans l’Arte della lana (Florence, Bibl. Riccardiana, ms. 2580), in: MEFRM 111 (1999), S. 323 – 356, bes. S. 326 – 338. 539 Vgl. das päpstliche Zeremoniell anlässlich des Treffens Felix’ V. mit König Friedrich III., dieses Buch, S. 228.
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vorhandenen Sitzgelegenheiten entsprechen der Funktion eines Beratungszimmers. Auch gemäß seiner Funktion als „Angelpunkt“ zwischen zeremoniell-öffentlichen und den weniger zugänglichen Räumen des Papstes ist die Camera quarta als Papageienzimmer zu identifizieren 540. Das Papageienzimmer war ein für die Papstwohnung konstitutiver Raum, der eingerichtet werden musste. Durch seine Etablierung konnte eine beliebige Raumfolge zu einer päpstlichen Residenz werden. Eindeutig belegt wird dies etwa bei der Einrichtung des Papstpalastes in Pienza für Pius II.541. Camera fünf und sechs bezeichnen vermutlich das cubiculum und/oder die camera secreta, ebenfalls ist die Zuordnung als camera pape möglich. Dabei ist hervorzuheben, dass die camera quinta mit tapisserie moreta, also dunkel ausgekleidet, das sechste und letzte Zimmer hingegen blau gehalten und mit eindeutigen dynastischen Zeichen markiert war, nämlich den zwei prominentesten savoyischen Devisen im 15. Jahrhundert: Zum einen war dies der Schriftzug‚ fert, zum anderen die sogenannte „savoyische Schleife“542. Das Inventar selbst ist in der Camera Cubicularii ausgestellt worden. Daraus kann einerseits geschlossen werden, dass die Inventarisierung der an den Papst ausgeliehenen savoyischen mobilen Güter eine Angelegenheit der Casa Savoia war, die in einem 540 Im Vatikanpalast der Renaissancezeit handelte es sich bei dem Papageienzimmer um den letzten öffentlichen Raum, an den sich zeremoniell sowie liturgisch nicht weiter definierte Zimmer anschlossen. Die Zuständigkeit des Zeremonienmeisters endete im Papageienzimmer. Vgl. Weddigen: Papageienzimmer, S. 71: „Die bewachte Camera papagalli war die Schwelle, jenseits derer der explizit private Bereich des Pontifex begann.“ Sie bildete damit den Angelpunkt zwischen dem öffentlichen-zeremoniellen und dem ‚privaten Raum‘, als eine „erste Bühne des Papstes vor einer ausgewählten Öffentlichkeit.“ Auch Hermann Diener betont die Exklusivität des Zugangs zum Papageienzimmer: Diener: Papageienzimmer, S. 49: „Es kam sozusagen einer Auszeichnung gleich, diesen besonders behüteten Saal betreten zu dürfen.“ Ein im Inventar genannter Unum tapissium vetus de papagalis mag wohl hier seinen Platz gefunden haben. 541 Vgl. Tönnesmann, Andreas: Pienza. Städtebau und Humanismus, München 1990, S. 69: „In Pienza mußten vor der Ankunft des Papstes jeweils Vorkehrungen getroffen werden, um wenigstens für die Dauer des Aufenthalts die Funktionsfähigkeit des Baus als offizielle Residenz zu gewährleisten. 1462 und 1462 wurden kurz vor den jeweiligen Papstbesuchen ein Papagei und eine auf Leinwand gemalte, also transportable Weltkarte aus Rom herbeigeschafft, offenbar zur provisorischen Einrichtung einer camera del papagallo und einer sala del mappamondo.“ Mit Verweis auf: Mack, Charles Randall: Pienza. The creation of a Renaissance city, Ithaca/London 1987, Dok. 83 und Dok. 84. 542 Inventar, ed. Promis, S. 311: Item aliam sectam cameram sactini persici cum laqueis et fert pointure sive brodeatura munitam celo dorsocelo et tribus pendentibus sactini persici una sargia persica in coperturam et sex sargiis persicis muralie de bendis assortissantibus dicte camere. Vgl. Abbildungen der beiden savoyischen Devisen bei: Pastoureau: L’emblematique princière, S. 42 und 43.
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halb-öffentlichen Rahmen geregelt wurde. Es wird dabei aber andererseits auch deutlich, dass das päpstliche Cubiculum in Basel dem innersten Machtkern offenstand, und dass offizielle Urkunden dort ausgefertigt wurden. Zum Cubiculum des Papstes wird generell nur exklusiv Zugang gewährt, es ist aber prinzipiell ein Herrschaftsraum, den eine selektive Öffentlichkeit betreten konnte 543. Auffällig erscheint die für jedes Zimmer aufgeführte Ausstattung mit einem Bett, die nicht nur durch die bedrängte Raumsituation in Basel erklärbar ist. Diese Praxis ist auch für das Bischofspalais von Bourges durch ein Inventar von 1457 belegt, in dem Bettgestelle für 25 bis 30 Personen genannt werden 544. Die engere Entourage schlief offenbar in der Nähe des Papstes, dessen eigenes Bett zusätzlich beschrieben ist 545. Grundsätzlich stellen Funktion und Rolle der Zeremonialbetten freilich noch ein Forschungsdesiderat dar 546. Die Zuschreibung der jeweiligen Raumfunktion anhand des bezeugten Dekors kommt freilich über einen gewissen Grad an Plausibilität nicht hinaus. Gleichwohl ist kaum anzunehmen, dass zwar in der provisorischen Residenz in Thonon fünf Zimmer mit den jeweils spezifischen Bezeichnungen des Papstappartements versehen wurden, diese in Basel jedoch nicht eingerichtet worden sein sollten. Das Inventar verzeichnet des Weiteren Ausstattungsstücke wie etwa Reliquiare und Skulpturen vornehmlich aus vergoldetem Silber, aber auch liturgisches Altargerät und
543 Inventar, ed. Promis, S. 322: Acta et data sunt premissa Basilie in palacio apostolico videlicet in camera cubiculari ipsius sanctissimi et domini nostri. 544 Vgl.: Mollat du Jourdin, Michel: Der königliche Kaufmann. Jacques Cœur oder der Geist des Unternehmertums, München 1991, S. 251. 545 Inventar, ed. Promis S. 314: Lectus domini nostri pape munitus culcitra et pulviali. Zu dem wenig aufgearbeiteten Thema der Zeremonialbetten vgl.: Mane, Perrine: Le lit et ses tentures d’après l’iconographie du XIIIe au XVe siècle, in: MEFRM 111 (1999), S. 393 – 418, die sich jedoch auf textilhistorische Fragen beschränkt. Am Rande werden Zeremonialbetten von Birgit Franke und Barbara Welzel erwähnt, in: Franke, Birgit/Welzel, Barbara: Kulturgeschichte, Hofforschung und die Kunst der burgundischen Niederlande, in: Opitz, Claudia (Hg.): Höfische Gesellschaft und Zivilisationsprozess. Norbert Elias’ Werk in kulturwissenschaftlicher Perspektive, Köln u. a. 2005, S. 59 – 86. Vgl. S. 77: „Nicht nur in diesen Räumen (Schlafzimmern) befand sich meist ein Baldachinbett, das – wie französische und niederländische Miniaturen belegen – neben dem Baldachinthron wohl wichtigste Zeremonialmöbel des Spätmittelalters.“ Nach mündlicher Auskunft von Tristan Weddigen (Zürich) ist davon auszugehen, dass in den Zeremonialbetten auch geschlafen wurde, wie dies im Vatikanpalast bis weit ins 20. Jahrhundert üblich war. 546 Vgl. den ‚lit de justice‘ des französischen Königs im Parlement. Dazu: Hanley, Sarah M.: The Lit de Justice of the Kings of France: Constitutional Ideology in Legend, Ritual and Discourse, Princeton 1983. Vgl. zu einer golddurchwirkten Bettausstattung mit Jagdmotiven, die Heinrich V. von England 1422 bestellte: Franke: Jagd, S. 192.
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Paramente, die am Altar und im Chor eingesetzt wurden. Der textile Dekor war in den verschiedenen liturgischen Farben Weiß, Rot, Schwarz, Violett, Grün und auch Blau vorhanden. Zudem brachte Felix V. zwei Missale, ein Epistolarium, ein Evangelium, einen Psalter, zwei Antiphonare sowie ein Graduale aus Savoyen mit nach Basel 547. An liturgischem Gerät werden ein Kelch mit savoyischen Wappen, verschiedene Kandelaber sowie Kännchen, Büchsen und Lampen genannt. Der päpstliche Schatz enthielt zudem Skulpturen folgender Heiligen: Maria, Johannes Ev., Antonius (mit savoyischem Wappen), Mauritius und Martin. Es werden Reliquien des Heiligen Laurentius’ und Johannes’ des Täufers aufgeführt, zudem wurden Armreliquien von Theodulf von Orléans und Gregor dem Großen nach Basel gebracht. Eine Büste des Hl. Stephanus sowie eine des Hl. Epipde (einer der 34 Lyoner Märtyrer) beschließen den savoyischen Heiligenhimmel. Als Höhepunkt des päpstlichen Schatzes muss ein goldenes Kreuz gelten, das mit 14 Saphiren, 15 Rubinen, drei Diamanten und 42 Perlen geschmückt war. Seinen Fuß schmückten Skulpturen der Muttergottes und Johannes, des Evangelisten 548. Die im Inventar genannte liturgische Kleidung weist vielfältige Formen auf und ist in sechs verschiedenen Farben (Weiß, Rot, Schwarz, Violett, Grün und auch Blau) vorhanden. Bei den weißen und roten Gewändern sind savoyische und burgundische Wappen appliziert. Lediglich ein einziges Stück trägt das päpstliche Wappen, das jedoch von ausgesuchter Pracht gewesen zu sein scheint: Ein Pluviale, das aus schwarzem Samtbrokat gefertigt war und das ein aus Goldfäden gesticktes, felicianisches Wappen zierte, während die aus vergoldetem Silber gefertigte Chormantelschließe aus Emaille das savoyische Wappen zeigte 549. Eine ebenfalls aufwendig gestaltete Stola wies neben einem Kreuz auch St. Mauritius auf und stammte aus den Beständen Ripailles 550. 547 Zum Buchbesitz Felix’ V., vgl. Saroni: Biblioteca, S. 65 – 77: Aquisti e commissioni dell’antipapa Felice V (1439 – 1449). Saroni ordnet die Bücher aus dem Bestand der Sainte Chapelle von Chambéry der Bibliothek Felix’ V. zu, der diese im Laufe seines Pontifikats sukzessive ergänzt hat: So hat er „seine Abtei“ San Benigno in Fruttuaria gebeten, ihm H andschriften patristischer Werke zukommen zu lassen. Zudem hat er Aufträge an Jean Bapteur und Peronet Lamy vergeben, jeweils ein Missale mit Miniaturen zu versehen. Vgl. dieses Buch, ab S. 331. 548 Inventar, ed. Promis, S. 305: Item unam crucem auream ponderantem quinque marchas et tres uncias, in qua sunt quatuordecim saphiri valentes quislibet decem ducatos, quindecim ballex valentes quislibet decem ducatos. Tres dyamantes valentes quislibet quadraginta ducatos, et quadraginta due perlie quelibet valens tres ducatos. Sita ipsa crux supra unum pedem de argento deaurato cum ymmaginibus beate Marie et sancti Iohannis evangeliste, ponderantem decemseptem machas. 549 Inventar, ed. Promis, S. 305: Item duo emaux armata armis Sabaudie ad ponendum in pluviali, ponderantes unam marcham argenti deaurati. 550 Zu liturgischen Farben: Berger, Rupert: Farben, liturgische, in: Neues Pastoralliturgisches Handlexikon, Freiburg i. Br. u. a. 1999, S. 138f.
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Auf den vielfältigen Textilien für die Dekoration des Chorraumes sind überwiegend savoyische Wappen und dynastisch besonders verehrte Heilige abgebildet: So etwa die capella violacea: duos pannos de satino persico pro cothidiano, in uno quorum est ymage sancti Mauricii, in alio arma Sabaudie 551. Die Tapisserien für die päpstliche Kapelle muten gegenüber denjenigen für die Residenz bestimmten eher bescheiden an. Es werden lediglich eine im Hautelisse- Verfahren gefertigte Kreuzigung, eine Gottvaterdarstellung und eine kleinere Kreuzigungsszene genannt sowie ein Stuhlbaldachin mit Rückenteil. Daneben gab es noch eine Stickerei mit der Enthauptung des Hl. Johannes. Demgegenüber stellt sich das nach Basel gebrachte profane Tafelgerät ausgefallener und umfangreicher dar. Seine Herkunft als Ausstattung des savoyischen Hofes ist nicht zu übersehen, da fast nur Stücke aufgeführt wurden, für die auch ein savoyisches Wappen und/oder Devise vermerkt ist: Zum Beispiel zwei vergoldete, große Becken mit Löwen, die savoyische Wappen tragen, zudem zwei vergoldete große Tafel-Schiffe mit Löwen und Wappen 552. Ein kleines vergoldetes Schiff trägt die bereits in Ripaille mehrfach verwendete Devise Servire Deo regnare est, ein weiteres kleineres, vergoldetes Schiff die savoyische Devise fert und ein Tafelbesteck das Mauritiuskreuz. Insgesamt sind 13 Pokale aus verschiedenem Material mit savoyischen Wappen, weitere Schalen (54 vergoldete, 30 einfache) und Trinkbecher wie auch vergoldete Hand-Waschschalen und ein vergoldetes Tafelgeschirr verzeichnet, die alle das savoyische Wappen zierte. Darunter findet man auch Kostbarkeiten, wie unum phisum copertum aureum cum quo bibit dominus noster cum una eygueria aurea ponderants septem marchas und unum gobelletum aureum operatum ad damasquinum munitum tam in pede quam in coperto duodecim perliis […], sex saphiris et sex baleysiis […], et in summitate uno saphiro 553. Zuletzt wird unter den profanen Stücken im Inventar ein goldenes Gewand mit langer Schleppe genannt 554, wie es im Einzugsbericht beschrieben wird.
551 Inventar, ed. Promis, S. 308. 552 Zu Tafelschiffen vgl.: Oman, Charles: Medieval Silver Nefs, London 1963. Schiedlausky, Günther: Tafelschiffe, in: Kunst und Antiquitäten 12 (1991), S. 30 – 39. Franke, Birgit: Pracht und Zeremoniell. Burgundische Tafelkunst in franko-flämischen Bildteppichen des 15. Jahrhunderts, in: Ottomeyer, Hans/Völkel, Michaela (Hg.): Die öffentliche Tafel. Tafelzeremoniell in Europa 1399 – 1900 (Ausstellungskatalog, Berlin, Deutsches Historisches Museum), S. 38 – 47, hier S. 40f. Vor allem auch: Franke, Birgit: Die Januarminiatur der „Très Riches Heures“. Die Sprache der Dinge in den Bildern und vor den Bildern, in: Stollberg-Rilinger, Barbara (Hg.): Die Bildlichkeit symbolischer Akte, Münster 2010, S. 55 – 90, S. 65 – 66. 553 Inventar, ed. Promis, S. 319. 554 Inventar, ed. Promis, S. 321: Item unum basilicum aureum cumlunga sepentina ponderantem sex uncias cum dimidia.
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Die Basler Ausstattung Felix’ V. war vielfach mit savoyischen Wappen gekennzeichnet und wurde damit zum Träger jener genealogischen Verknüpfung, die Wappen inhärent ist: Wappen müssen grundsätzlich als Medien des Körpers aufgefasst werden, an dessen Stelle sie treten und dessen Präsenz sie zeitlich und räumlich erweitern. Den Wappen kommt eine zentrale Aufgabe bei der Repräsentation zu, denn sie zeigen den dynastischen, genealogischen Körper, der vererbbar ist. Sie sind als „Ausweise einer Genealogie, die von Körpern getragen“ wird, zu verstehen 555. Das Wappen hält „die genealogische Kette in Erinnerung, die über das Leben der Person in beiderlei Richtung“556 hinaus weist. Diese im Inventar verzeichnete Ausstattung aus der savoyischen Residenz verweist deutlich auf die Herkunft des Papstes, auf sein Herrscherhaus, die Casa Savoia. Insbesondere die profane Ausstattung ist stark dynastisch markiert, vor allem die umfangreichen Wandbehänge und die wertvolle Tafelausstattung. Letztere war ausgesprochen vielfältig und aus kostbaren Materialien gefertigt, vergoldetes Silber dominiert. In diesem repräsentativen Tafelputz befand sich kaum ein Stück ohne Kennzeichnung mit einem savoyischen Wappen oder Devise. Es handelte sich um eine weltlich-fürstliche Ausstattung, die dynastischen Repräsentationszwecken diente. Diese Stücke wurden zugleich auch als typische Geschenke im diplomatischen Umgang verwendet 557. Die Basler Ausstattung Felix’ V. zeigt zudem das typische Zusammenspiel von Wappen und Devisen, die erst gemeinsam – genealogisches Wappen und personale Devise – das „heraldische Gesicht“558 bildeten.
555 Vgl. Belting, Hans: Wappen und Porträt. Zwei Medien des Körpers, in: Belting, Hans (Hg.): Bild-Anthropologie. Entwürfe einer Bildwissenschaft, München 2001, S. 115 – 142, S. 121. Vgl. auch Paravicini, Werner: Gruppe und Person. Repräsentation durch Wappen im späteren Mittelalter, in: Oexle, Otto G./von Hülsen-Esch, Andrea (Hg.): Die Repräsentation der Gruppen. Texte – Bilder – Objekte, Göttingen 1998, S. 327 – 389; auf S. 366 – 368 wird das Aufkommen der Devisen und Badges im 14. und 15. Jahrhudert als „wahrer Triumph der Person und ihrer Individualität“ charakterisiert, wobei Paravicini auf die Erblichwerdung einzelner Devisen hinweist. Vgl. auch: Huthwelker, Thorsten: Die Darstellung des Rangs in Wappen und Wappenrollen des späten Mittelalters, Stuttgart 2013 (Rank: Politisch-soziale Ordnungen im mittelalterlichen Europa, 3). 556 Belting: Wappen, S. 141. 557 Vgl. Groebner: Gefährliche Geschenke, S. 63f. Vgl. auch die umfassende Studie von: Hirschbiegel: Étrennes. 558 Belting: Wappen, S. 141. Die Repräsentation des Papstes Felix V. innerhalb liturgischer Kontexte trug, wie zu zeigen ist, weit weniger stark dynastisch ausgeprägte Züge, auch wenn hier ebenfalls Wappen und einige Familienheilige präsent waren.
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Interpretation der Innenausstattung Im Dekor der Residenz Felix’ V. wurden verschiedene Verweissysteme miteinander verknüpft, so dass eine eigene hybride Kombination aus Savoyen und Rom entstand. Der aufwendige Transport und die zuvor kaum vorhandene Ausstattung des Basler Bischofshofs sprechen dafür, dass die im Inventar aufgeführte, mobile und ephemere Ausstattung benutzt wurde, auch wenn ihr performativer Einsatz nur partiell weiter belegt ist. Dabei konnten insbesondere Tapisserien und andere Textilien je nach Bedarf auf- und abgehangen und so differenziert eingesetzt werden 559. Da die mitgebrachten Prachtstücke geliehene Güter der Casa Savoia waren, zog mit ihnen das Herzogshaus in den Basler Papstpalast gewissermaßen mit ein und blieb dort visuell präsent. Felix V. stand vor der Notwendigkeit, selbst für eine repräsentative Tafel sorgen zu müssen, da in Basel kaum Tischgerät vorhanden war. Zugleich kann aus den mitgebrachten Objekten geschlossen werden, dass Felix V. beabsichtigte, seine Genealogie – neben den savoyischen sind oft auch die burgundischen Wappen seiner Frau präsent 560 – zu zeigen und diese legitimatorisch zu nutzen, bzw. seinen Herrschaftsraum damit zu kennzeichnen 561. Die dominanten Farben – neben Gold und Silber – sind Weiß, Rot, Grün. Das entspricht dem savoyischen Farbkanon, wie er von Herzog Amadeus VIII. in den Kleider- und Luxusgesetzen als Farbvorschriften im fünften Buch der Statuta Sabaudiae 1430 festgelegt worden ist; Grün bleibt dabei als exklusive Farbe der herzoglichen Familie vorbehalten 562. Doch nicht nur mit
559 Nach Angabe von Weissen: Landesherrschaft, S. 409, war im Bischofshof kein Prachtgeschirr vorhanden. Erst unter Bischof von Vennigen wurde ein Zinngeschirr angeschafft, wie Weissen einem bischöflichen Inventar von 1476 entnimmt. 560 Dies weist in Basel auf die Genealogie seiner Nachkommen hin, die aus beiden Häusern stammten. Es ist besonders aufschlussreich, dass Felix V. dies im Dekor hervorhob, da die realpolitische Situation dieser Zeichenpolitik entgegengestand. Ob dies als Versuch einer Überblendung der ablehnenden Haltung des burgundischen Herzogs gegenüber dem Konzil und Felix V. aufgefasst werden kann, muss hier offenbleiben. In jedem Fall stellt es einen Hinweis auf die dynastischen Verbindungen der Casa Savoia dar, vgl. dieses Buch, S. 12. 561 Heck, Kilian: Genealogie als Monument und Argument. Der Beitrag dynastischer Wappen zur politischen Raumbildung der Neuzeit, Berlin 2002. Zur visuellen Zeichenpolitik vgl.: Slanicka, Simona: Krieg der Zeichen. Die visuelle Politik Johanns ohne Furcht und der armagnakisch–burgundische Bürgerkrieg, Göttingen 2002, bes. S. 11 – 52. 562 Vgl. Pastoureau: L’emblématique, S. 21 – 23. Die savoyischen Farben Rot, Weiß und Grün wurden im 19. Jahrhundert zu den Nationalfarben des geeinten Italiens. Vgl. zu den savoyischen Farbregeln auch: Page, Agnès: Vêtir le Prince. Tissus et coulerus à la Cour de Savoie (1427 – 1447), Lausanne 1993, S. 13, 71, 155. Bulst: Législation, S. 191 – 200, de Merindol, Charles: Couleur, étoffe et politique à la fin du Moyen Âge. Les couleurs du roi et les coulerus d’une cour ducale, in: Actes du 112e congrès national des Sociétés savantes, Lyon 1987,
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Wappenbildnissen, sondern auch mit seinen persönlichen wie dynastischen Devisen kennzeichnete Felix V. Objekte und Räume. Die Devise fert ist zum Beispiel auch die Devise des Ordens du Collier, die Ludwig von Savoyen als Prinz von Piemont trug 563. Nach Simona Slanicka kommen Ordensdevisen und sogenannte Badges als politische Zeichen in Burgund um 1400 auf. Sie weist ihnen drei Funktionen zu 564: Zum einen entsprach die Erneuerung der Heraldik dem Bedürfnis des Adels, die normativen und einschränkenden Regeln, zu denen die heraldischen Kodifikationen inzwischen erstarrt waren, zu durchbrechen und den Abzeichen ihren persönlichen Charakter wiederzugeben, den die Wappen durch ihre zunehmende Komplexität verloren hatten. Zugleich nahmen sie eine wichtige Funktion in der spätmittelalter lichen Formation höfischer und hochadeliger Klientelsysteme ein, ließen sie sich doch in Form von Schmuckstücken und Abzeichen leicht vervielfältigen und dienten als Geschenk oder Uniformabzeichen zur sichtbaren Darstellung der eigenen Anhängerschaft. Darüber hinaus bezeichneten Devisen und Badges eine soziale Hierarchie und zeigten die Zugehörigkeit zur gleichen Gruppe an; sie dienten der Konstituierung einer „fiktiven Gesellschaft“ von Gleichgestellten – „fiktiv deshalb, weil zwar alle dieselben Farben oder Devisen trugen, die jeweiligen Hierarchiestufen sich aber dennoch klar in der unterschiedlichen Qualität der verwendeten Materialien, also der Stoffe, der Färbetechniken und der Goldschmiedearbeiten niederschlug und ablesbar blieb. Mit diesem scheinbar egalitären Aspekt weitete sich mit den Devisen ein Modell, das in den Ritterorden von einem kleinen elitären Kreis praktiziert worden war, auf die Gesamtheit der jeweiligen politischen Klientel aus“565.
Paris 1989, S. 221 – 249, Pastoureau, Michel: Une histoire des couleurs est-elle possible?, in: Ethnologie francaise 20 (1990), S. 368 – 377. Die Kleiderordnung für Savoyen wurde 1430 im 5. Buch der Statuta Sabaudiae festgelegt. Vgl. dieses Buch, S. 45. 563 Es existieren vielfältige Interpretationen zur Bedeutung der Devise fert; Michel Pastoureau argumentiert plausibel, fert sei 3. Person Singular Indikativ Präsens von ferre: er trägt. Dabei wird auf das Collier des Ordens (Ordre du Collier) verwiesen, das er trägt und dessen Devise fert ist, vgl. Pastoureau: L’emblématique princière, S. 30. Zum Ordre de Collier: Ripart: Cygne, S. 98 – 104. 564 Slanicka: Krieg, S. 39 – 42. 565 Slanicka: Krieg, S. 41. Visualisierung von Macht durch Livreenverleihung auch in Savoyen, vgl. Page: Vetir, S. 119. Für den savoyischen Hof ist die verstimentäre Einheit auch durch gleiche Farben gegeben; Dadurch wird die hierarchische Distinktion jedoch nicht aufgehoben, sondern verläuft über die Stoffqualität und die verarbeitete Stoffmenge. Sie ist damit diskret, aber wirkungsvoll und präsent. Vgl. etwa unten den Einzug von Herzog Ludwig in Basel anlässlich der Krönung Felix’ V., ab S. 201. Ein Überblick über die Livree als Hofgewand findet sich in: Frieling: Kleidung, S. 236 – 285. Zur Wechselwirkung zwischen Siegeln, Devisen und anderen Bildmedien vgl. jetzt: Schmidt: Materialität.
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Die Vervielfältigung der herrschaftlichen Repräsentationssysteme und der königlichen und adeligen Herrschaftszeichen nahm ab 1400 merklich zu. Die meisten Adeligen besaßen mehr als eine Devise. Sie konnten auf unterschiedlichen Gegenständen mit variablen Intentionen angebracht werden: Auf Tunierharnischen, Kleidern, Schmuckstücken, Geschirr, Miniaturen, Grabmälern oder Wandbehängen. Sie dienten zur Abgrenzung bzw. als Erkennungsmerkmal innerhalb eines Landes, einer Stadt oder eines Hofes. Tendenziell war jede Person, jeder Gegenstand und jeder Raum durch eine spezifische Herrschaftspräsenz und -identität „besetzbar“, so wie sie auch praktisch jede höfische Zeremonie, etwa in Form von Geschenken oder Dekor, markieren konnte 566. Neben der deutlichen Herrschaftsmanifestation durch Wappen und Devisen könnte in Basel die Markierung des eigenen Raums und der eigenen Anhängerschaft für Felix V. den Zweck gehabt haben, für savoyische Konzils- und Kurienangehörigen auf diese Weise, also durch den Einsatz bekannter Zeichen und Farben, einen vertrauten Raum zu schaffen – gleichsam ein visuelles „Zuhause“ und eine markierte Heraushebung Savoyens in Basel. Neben der genealogisch-heraldischen und emblematischen Präsentation wird in der Ausstattung des Papsthofes in Basel die herrschaftliche Tugend der Majestas inszeniert.567 Der Einsatz kostbarer Materialien demonstriert unübersehbar Herrschaft, Reichtum und Macht. Besonders die mobilen Güter wie Kleider, Tapisserien und Tafelausstattung gelten als „portable grandeur“ und fürstliches Requisit, dem ein hoher Grad an Repräsentativität zu eigen war 568.
566 Slanicka: Krieg, S. 42. 567 Rivière Ciavaldini, Laurence: Un prince en quête de majesté. A propos de deux portraits d’Amédée VIII de Savoie, in: Paravy, Pierrette/Verdier, René (Hg.): De la principauté à la province. Autour du 650è anniversaire du Transport du Dauphiné à la couronne de France, sous la direction de Grenoble 2001, S. 291 – 312. Chiffoleau, Jacques: Amédée VIII ou la Majesté im possible?, in: Andenmatten/Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII/ Félix V, S. 19 – 53, S. 34. Für Italien: Shepherd, Rupert: Republican Anxiety and Courtly Confidence: The Politics of Magnificence and Fifteenth Century Italian Architecture, in: O’Malley, Michelle/Welch, Evely (Hg.): The Material Renaissance, Manchester/New York 2007, S. 47 – 70. 568 Vgl. Welzel, Barbara: Sichtbare Herrschaft – Paradigmen höfischer Kunst, in: Nolte, Cordula u. a. (Hg.): Principes. Dynastien und Höfe im späten Mittelalter, Stuttgart 2002, S. 87 – 106. Welzel, Barbara/Franke, Birgit: Tapisserie – „portable grandeur“ und Medium der Erzählkunft, in: Welzel, Barbara/Franke, Birgit (Hg.): Die Kunst der Burgundischen Niederlande, Berlin 1997, S. 121 – 139. Zu Ephemerität: Diers, Michael (Hg.): Mo(nu) mente. Formen und Funktionen ephemerer Denkmäler, Berlin 1993. Vgl. zur Tafelausstattung: Ottomeyer/Völkel (Hg.): Tafel.
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Majestät und Magnifizenz – Prachtentfaltung, Großartigkeit und Großzügigkeit – sind als zentrale Fürstentugenden, insbesondere für den burgundischen Hof, gut erforscht 569. Ihre Ausmaße scheinen am savoyischen Hof bescheidener und weniger innovativ gewesen zu sein, doch Medien und Materialien gleichen sich: Es wird vor allem Gold verarbeitet, etwa im Tafelgeschirr, in Kleidern, liturgischem Gerät, in Tapisserien und in Skulpturen. Damit ist der Ausstattung der päpstlichen Residenz in Basel ein hohes Maß an ‚Höfischheit‘ zuzubilligen, habe sich doch „die Erforschung der Höfischheit von höfischer Kunst […] in besonderem Maße der Materialität und der materiellen Kostbarkeit der Werke zuzuwenden“570. In besonderer Weise muss die savoyische, höfische Pracht beeindruckt haben, da ein solcher Aufwand in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts noch nicht die Regel an den Höfen im Reich war 571. Savoyen war erheblich früher – sowohl durch die geographische Lage als auch durch verwandtschaftliche Bindungen – mit der stilbildenden, höfischen Repräsentation in Burgund vertraut. So entsprechen die Repräsentationsmedien wie -formen denjenigen der Burgundischen Herzöge. Die am savoyischen Hof offenbar entbehrlichen Ausstattungsstücke, die im Juli 1440 nach Basel kamen, zeugen davon. Neben magnifizierenden, mobilen Bildmedien wie Tapisserien lag in Savoyen, ebenso wie in Burgund, ein weiterer Schwerpunkt der fürstlichen Pracht und Repräsentation auch in illuminierten Handschriften und weniger etwa in repräsentativer Bautätigkeit. Beide bildeten gemeinsam die Ausstattungsmedien der Reiseherrschaft und der anlassbezogenen Fürsteninszenierung schlechthin. Die höfischen Räume besaßen in der Regel kein fixiertes Ausstattungsprogramm. Sie sind viel eher „als Gehäuse für ephemer inszenierte Herrrscherauftritte“ zu begreifen. Ephemerität ist das generelle Charakteristikum höfischer Kunstwerke, die am Hof neben anderen per se ephemeren Kunstformen wie etwa Musik, Theateraufführungen sowie Mummerein, Tänzen und Banketten stehen. 569 Vgl. Paravicini, Werner: Die zwölf Magnificences Karls des Kühnen, in: Althoff, Gerd (Hg.): Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter, Stuttgart 2001, S. 319 – 395. 570 Welzel: Herrschaft, S. 91. 571 „Gold und Edelsteine gehörten zur unentbehrlichen Ausstattung eines jeden Ritterromans. […] Die Inventare fürstlicher Familien und die Vermächtnisse aus dem Spätmittelalter vermitteln aber ein ganz anderes Bild. Das 14. und die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts unterscheiden sich in dieser Hinsicht wesentlich durch ihre verhältnismäßige Askese von der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und besonders vom 16. Jahrhundert.“ So Bojcov, Michail: Der diskrete Charme der Herrschaft. Zum Image deutscher Machtträger im 14.–15. Jahrhundert, in: Majestas 5 (1997), S. 23 – 66, S. 40. Einige seiner Schlussfolgerungen werden zurecht relativiert, von: Spiess, Karl-Heinz: Zu den Formen fürstlicher Herrschaftsrepräsentation im Spätmittelalter, ein Kommentar zum Beitrag von Michail A. Bojcov, in: Majestas 5 (1997), S. 67 – 77, bes. S. 76.
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Was passiert nun aber, wenn sich der höfisch-mobile Kontext in einer Weise änderte, wie im Falle Felix’ V.? Er hatte seine herzogliche Würde vollständig an seinen Sohn übergeben, sein Territorium auf Dauer verlassen und musste nunmehr an einem ihm unbekannten Ort in einer neuen Rolle, unter einem neuen Namen als Papst arrangieren 572. Unabhängig von der Frage, ob, wo und wie die Objekte seiner vom savoyischen Hof nach Basel transferierten Ausstattung tatsächlich eingesetzt wurden, gibt bereits ihre Präsenz und damit die potentielle Einsetzbarkeit der ephemeren Prachtdekoration und der savoyisch-höfischen Ausstattung am päpstlichen Hof in Basel signifikante Hinweise über seine Herrschaftsauffassung als Papst Felix V. Abgesehen vom Ortswechsel änderte Felix V. seine unmittelbare Umgebung sowie sein äußerliches Umfeld kaum. Einrichtung und Ausstattung seiner Residenz war diejenige seines Hauses und seiner Familie. Auch hatte er Objekte mit seinen Devisen und Wappen bei sich und setzte überdies ihm vertraute Personen in die jeweiligen Kurienämter ein. Sein Entwurf von der Herrschaft als Papst, wie er sich in der materiellen Ausstattung und damit verknüpften Repräsentationsabsicht äußerte, ist von derjenigen eines weltlichen Fürsten nicht zu unterscheiden. Diese Kontinuitätsbewahrung in den äußeren Zeichen wurde bereits bei der Wahlannahme deutlich und tritt auch hier eindrücklich hervor: Felix V. präsentierte sich als herzoglich-savoyischer Papst. Widerstand oder Kritik gegen die neu eingezogene, höfische Pracht am Basler Papsthof von Seiten der Konzilsväter ist – bislang – nicht bekannt geworden. Doch die in der Forschung von Joachim Stieber vermutete Konzeption eines „konstitutionellen Papsttums“ wird zumindest in Dekor und Zeremoniell nicht sichtbar 573. Als Zwischenbilanz zur Frage, ob in der päpstlichen Basler Residenz das in Avignon entwickelte und den Vorgaben des päpstlichen Zeremoniells genügende Raumschema eingerichtet wurde, und damit zu einer möglichen Rom-Imitation im Basler Papstpalast, kann Folgendes festgehalten werden: Soweit eine Aussage aus der Zuweisung für einzelne Räume überhaupt möglich ist – überzeugend gelingt dies lediglich für die Camera Papagalli –, richtete sich der savoyische Papst Felix V. seine Residenz in Basel gemäß den Vorgaben des päpstlichen Zeremoniells ein. Es bleibt jedoch fraglich, ob er damit beabsichtigte, ein überörtlich konzeptionalisiertes Rom zu imaginieren. Dieses „Rom“ wäre dann in jedem Fall „savoyisch“ dekoriert gewesen. Für eine überzeugende Rom-Imitation kann der Basler Bischofshof zwischen 1440 – 1442 nur insofern herangezogen werden, als die in Avignon entwickelte und später auch in Rom angewendete Raumfolge der päpstlichen Appartements 572 Vgl. dazu allg.: von Moos, Peter: Das mittelalterliche Kleid als Identitätssymbol und Identifikationsmittel, in: von Moos, Peter (Hg.): Unverwechselbarkeit, Köln u. a. 2004, S. 123 – 146. 573 Vgl. dazu Stieber: Amédée, S. 351, 360 – 362.
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grundsätzlich in Basel übernommen wurde. Das Inventar der nach Basel gebrachten Ausstattung vermittelt jedoch insgesamt eher den Eindruck, dass in Basel eine savoyische Residenz eingerichtet wurde 574. Auch die vestimentäre Ausstattung des „politischen Körpers“ Felix’ V. selbst war eine in erster Linie dynastisch-herzogliche. Lediglich ein Stück, der Chormantel, trug das päpstliche Wappen, alle anderen Paramente waren savoyisch markiert.
3.2 Der Einzug Felix’ V. Die Forschung hat darauf verwiesen, dass bei der Krönung Felix’ V. nicht nur das päpstliche Kurienzeremoniell minutiös befolgt wurde, vielmehr soll in Basel Rom selbst imaginiert worden sein 575. Ebenso wie für die Papstresidenz muss diese Annahme auch für das Zeremoniell außerhalb des Palastes differenziert werden. Zutreffend ist dabei gewiss, dass die Papstkrönung am 24. Juli 1440 in Basel gemäß dem überkommenen päpstlichen Krönungszeremoniell verlief, ebenso auch der Adventus Felix’ V. in Basel einen Monat zuvor. Diesen repräsentativen Akten muss ein hohes Maß symbolischer Kommunikation beigemessen werden, denn sie wurden auf verschiedenen Ebenen dezidiert legitimationsstiftend ausgestaltet. Berichte wie diejenigen von Jacob Hüglin und Johannes von Segovia betonen deshalb wiederholt die in Basel erfolgte Wahrung der kurialen Tradition. Dennoch können neben dem römisch-kurialen auch andere Referenzsysteme wahrgenommen werden. Die Beschränkung auf ein überörtliches Rom-Konzept in den repräsentativen Akten innerhalb des Basler Stadtraums läuft deshalb auf eine unnötige Engführung hinaus. An dieser Stelle werden die einzelnen legitimationsstrategischen Bezüge dargelegt und miteinander in Beziehung gesetzt. Über den Adventus Felix’ V. berichten verschiedene Quellen. Eine recht knappe Beschreibung befindet sich in der Konzilschronik von Johannes von Segovia 576 und
574 Vgl. dazu auch die Angaben für die Raumnutzung im savoyischen Zeremoniell anlässlich von Belehnungen 1424. Dort werden identische Bezeichnungen für Räume gewählt, in denen zeremonielle Ankleidungen und Schwurhandlungen stattfanden: Camera Cubicularia und Camera Paramenti: Vgl. 1424, 15 Aout: Ceremoniale prescritto dal Duca di Savoia Amedeo, in: Mémoires et Documents publiés par de l’Academie Chablesienne 10 (1896), S. XV–XXII. 575 Dabei wurde vor allem auf folgende Punkte rekurriert: Anpassung des Personals an kurienspezifische Ämter sowie Gestaltung der Basler Topographie analog zu derjenigen Roms: Es werde, so etwa Sieber-Lehmann, die römische Topographie auf Basel übertragen und damit der Rhein als Tiber und im possesso das Predigerkloster als Lateran verstanden, vgl. Sieber-Lehmann: Basel, S. 196 und S. 202. Zu bürokratischen Analogien vgl. Helmrath: Konzil als Behörde, S. 94 – 96, dazu auch Sudmann: Konzil, S. 19 und S. 35. 576 MC III, S. 479.
Der Einzug Felix’ V.
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in den Konzils-Protokollen von Jacob Hüglin 577. Ein deutschsprachiger anonymer Bericht wurde in die sogenannten Basler Chroniken aufgenommen 578. Zusätzliche Eindrücke gibt ein anonymer Bericht in französischer Sprache wieder 579. Außerdem ist der Zug des Papstelekten von Lausanne nach Basel in der Bildchronik Diebold Schillings dargestellt. Laut Bildunterschrift zog der gewählte Papst mit seinem Gefolge am 18. Juni 1440 in Bern ein 580. Neben diesen chronikalischen Berichten wurden vor allem die aufschlussreichen städtischen Dokumente über die Vorbereitungen des Einzugs untersucht, da aus ihnen der hohe symbolische Gehalt dieser zeremoniellen Sequenz hervorgeht 581. Darüber hinaus geben sie Auskunft über das Verhältnis der Hauptbeteiligten: Die gastgebende Stadt Basel, die Konzilsversammlung und der savoyische Herzogshof, die Casa Savoia. Aus dem Dokument, das die konziliar-päpstlichen Forderungen über die Ausrichtung des Empfangs der Stadt mitteilt, geht hervor, dass der Papst über die von Stadt und Konzil getroffenen Vereinbarungen unterrichtet war und Einzelheiten über den Ablauf des Einzugs mit seinen Gesandten 582 abgesprochen wurden. Die O rganisation oblag
577 CB VII, S. 188. 578 BC V., S. 578. 579 Joyeuse Entrée ed. Marc Dykmans, in: D’Avignon à Rome. Martin V et le cortège apostolique, in: Bulletin de l’Institut historique Belge de Rome 1968, S. 203 – 309, S. 282 – 285. Vgl. Guichenon, Samuel: Histoire genealogique de la Royale Maison de Savoie, Torino 1660, S. 319. Vgl. dazu: Paravicini Bagliani, Agostino: Félix V et le cérémonial pontifical, in: Fetes et cérémonies aux XIVe–XVIe siècles, Neufchâtel 1994 (Publication du centre européen d’Études Bourguignonnes (XIVe–XVIe siècles, 34), S. 11 – 18, S. 17 – 18. 580 Vgl. das Titelbild dieses Buches: Schilling, Diebold: Amtliche Chronik, Bern, Burgerbibliothek, Mss. h. h. I.2, S. 7. Zu Diebold Schillings Amtlicher Chronik der Stadt Bern vgl. mit weiteren Nachweisen Schmid, Regula: Geschichte im Dienst der Stadt. Amtliche Historie und Politik im Spätmittelalter, Zürich 2009, S. 64 – 67 und S. 94 – 99. 581 Vgl. Forderungen des Konzils den feierlichen Empfang des Papstes Felix V. durch die Stadt Basel, ed. Rudolf Thommen, in: Anzeiger für Schweizerische Geschichte 7, 26 (1897), S. 218 – 220, im Folgenden abgekürzt mit ‚Konzilsforderungen‘. Zur städtischen Reaktion auf diese Konzilsforderungen vgl. Protokoll des Großen Rates (?) mit den Antworten auf die vom Konzil gestellten Forderungen betreffend den Empfang des Papstes Felix V., ed. Rudolf Thommen, in: Anzeiger für Schweizerische Geschichte 7, 26 (1897), S. 220 – 223, im Folgenden abgekürzt mit ‚Ratsprotokoll‘. 582 Als Gesandte schickte Felix V. seinen Datar Humbert de Chissé und Guillermus Rgauldi, magistrum hospicii seines Sohnes, des Grafen von Genf und Ludwig Palluelli, scutiferum et fourrerium desselben Grafen. Dies teilt Felix V. am 28. April 1440 in einem Brief an Bürgermeister und Stadt mit: Vgl. CB VII, S. 113, Anm. 1; StA Basel: Politisches C 1; Conciliumsbuch, fol. 8b–9a. Seine Gesandten trafen am 1. Mai 1440 in Basel ein, zuvor sind am 19. April Kardinal Aleman und Bischof Odo von Tortosa nach Lausanne abgereist, um den Papst nach Basel zu geleiten.
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also vor allem Stadt und Konzil, wobei der Beschluss darüber erst mit den päpstlichen Gesandten gemeinsam gefasst wurde 583. Aufschlussreich ist auch der Verweis, man habe sich in Basel an anderswo beobachteten Sitten orientiert 584. Dies kann einerseits ein Verweis auf die Papsteinzüge in den Konzilsort Konstanz sein, da Konstanz aufgrund der zeitlichen und räumlichen Nähe in Konzilsangelegenheiten stets das Vorbild schlechthin für Basel war. Andererseits könnte von savoyischer Seite auch auf den Einzug Martins V. in Genf 1418 Bezug genommen worden sein, an dem Felix V., damals als savoyischer Herzog Amadeus VIII., teilgenommen hatte. Anlässlich dieses päpstlichen Adventus hatte der damalige Kämmerer und Onkel von Kardinal Aleman, der Erzbischof von Narbonne, François de Conzié, einen Ordo entworfen, der auch künftig anzuwenden sei 585. Dieser Ordo von 1418 weist stellenweise große Übereinstimmungen mit dem französischen Bericht über den Adventus Felix’ V. in Basel auf, der von einem anonymen savoyischen Teilnehmer verfasst wurde und auf
583 Vgl. die Genehmigung der capitula et compactata zwischen päpstlichen Gesandten, Stadt und Konzil durch die Deputation de Communibus am 30. Mai 1440 – die hier ihrerseits für das Konzil entscheiden musste – und schließlich die Verlesung in der Generalkongregation am 3. Juni, CB VII, S. 164; darin geht es um Fragen der Sicherheit, Festsetzung der Lebensmittelpreise und Wohnungen. 584 Konzilsforderungen, S. 218: Item cum prefatus dominus noster in brevi premittere habeat aliquos, qui cum civitate iuxta morem alias observatum capitulare habeant de securitate ipsius domini nostri et secum venientium ac aliis necessariis, expedit, ut prius super hac materia per sacrum concilium et civitatem avisetur, ut ispsis advenientibus res ipsa cicius concludatur. 585 Der Ordo für Genf 1418 von François de Conzié ist ediert in: Dykmans: D’Avignon à Rome, S. 237 – 243. Zum Vorbildcharakter vgl. S. 237: Pro aliquali memoria est sciendum, quod quando summi pontifices ingrediuntur de novo in aliquem insignem civitatem vel aliam villam, solent servari modus et ordo sequentes. Zu François de Conzié: Schimmelpfennig, Bernhard: Die Zeremonienbücher der Römischen Kurie im Mittelalter, Tübingen 1973, S. 120 – 126, S. 120f. François de Conzié wurde von Clemens VII. 1383 zum Kämmerer ernannt, wechselte dann bis zu seinem Tode am 31. Dezember 1431 lediglich päpstliche Dienstherren und Obödienzen, nicht aber seine Stellung. „Fast ein halbes Jahrhundert lang stand er an der Spitze der Finanzen, der Verwaltung des Haushaltes und auch der Politik des jeweiligen Papstes. […] Als Kämmerer war er auch während einer Sedisvakanz und auf Reisen der Kurie und bei außergewöhnlichen Ereignissen, wie Konklave oder Konzil, für die Bereitstellung und Ausstattung geeigneter Räumlichkeiten und in gewissem Maße auch – in Konkurrenz zu confessor, sacrista und Zeremonialkleriker – für die Durchführung der betreffenden Akte verantwortlich.“ Zum Verhältnis von Conzié und Amadeus VIII. vgl. S. 123. Dazu auch Dykmans: D’Avignon à Rome, S. 256 – 264. Müller, Robert W.: François de Conzié (1356 – 1431) und die Politik der Kurie in Avignon bis zum Konzil von Pisa, in: Weiss, Stefan (Hg.): Regnum et Imperium. Die französisch-deutschen Beziehungen im 14. und 15. Jahrhundert, München 2008, S. 197 – 217.
Der Einzug Felix’ V.
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1440 datiert wird 586. Die Übereinstimmungen mit dem Genfer Einzugsordo sind so erheblich, dass dieser als Vorbild gedient haben könnte. Dies ist umso wahrscheinlicher, als die Verbindungen über Aleman einerseits und den savoyischen Herzog andererseits verliefen, wobei die Verzahnung zwischen dem Konzilspräsident und dem Konzilspapst ohnehin stets wirkmächtig war 587. Aus den konziliar-päpstlichen Anweisungen an die Stadt, wie der Einzug abzulaufen habe, geht hervor, der Schmuck der Stadt diene ad decorem et eciam honorem domini nostri 588. Damit wurde die Dekoration der Stadt während dieses Empfanges unmittelbar mit der Ehre des Papstes verknüpft, die gleichzeitig auf die Ehre der Stadt Basel selbst zurückwirkte. Daraus wird deutlich, dass durch Analyse und Interpretation der äußeren Zeichen, des decor, bei dieser zeremoniellen Sequenz auf die ihnen inhärente symbolische Sinndimension honor geschlossen werden kann.
Organisation und Vorbereitungen Sowohl von Seiten des Konzils wie auch von Seiten der Stadt wurden umfangreiche Vorbereitungen für den Einzug Felix’ V. in die Stadt Basel getroffen. Die Einhaltung des Adventuszeremoniell – semper et eciam ubique locorum que pro tempore summi pontificis ingressi sunt – und die Wahrung von Ordnung und Sicherheit – de securitate ipsius domini nostri et secum venientium – wurden hierbei explizit als Ziel genannt. So hatte der Empfang Felix’ V. in modum magnifice et honorifice stattzufinden, also
586 Vgl. dieses Buch, S. 165. 587 Vgl. dazu: Galland, Bruno: Les papes d’Avignon et la maison de Savoie (1309 – 1409), Roma 1998. Binz, Louis: Le nepotisme de Clément VII et le diocèse de Genève, in: Genèse et débuts du grand schisme d’Occident (1361 – 1394), actes du colloque d’Avignon des 25 – 28 septembre 1978, Paris 1980, S. 107 – 123. Logoz, Roger-Charles: Clément VII (Robert de Genève). Sa chancellerie et le clergé romand au début du grand schisme (1378 – 1394), Lausanne 1974 (Mémoires et documents publiés par la Société d’histoire de la Suisse romande, 3e. série 10). Genequand, Philippe: Entre regnum et imperium. Les attitudes des pays d’Empire de langue française au début du grand schisme d’Occident (1378 – 1380), in: Weiss (Hg.): Regnum et Imperium, S. 165 – 195. Müller: Franzosen, S. 200ff. 588 Konzilsforderungen, S. 219: Item quod carrerie et strate, per quas dominus noster intrando civitatem venire habet, tam subtus pedes mundate et gramminibus et herbis ac frondibus decorate nec non unique et desuper per domos tapetis et aliis ornamentes honorifice sint fulcite, quantum fieri possit, et quod mulieres civitatis honeste in plateis huiusmodi sue fenestris domorum appareant aspectui veniencium ad decorem et eciam honorem domini nostri.
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auf pracht- und ehrenvolle Weise. Was genau darunter zu verstehen ist, kann aus den folgenden Ausführungen geschlossen werden589. Von konziliarer Seite wurde nicht nur um eine ausreichende Menge an Lebensmitteln, Schutzpersonal und die Bereitstellung des päpstlichen Baldachins gebeten, sondern auch um angemessenes Verhalten der anwesenden Basler Bevölkerung, die sich decenter et honeste zu benehmen habe. Zudem müssten Straßen und Wege ausgebessert sowie Vorkehrungen getroffen werden, dass die Basler ihre Hauswände und Straßenzüge selbst schmückten. Sicherheitsvorkehrungen waren zu treffen, nicht nur, um die erwarteten Massen auf den Straßen zu bändigen, sondern auch, um Brandschutz zu gewährleisten 590. Zudem forderte die konziliare Seite den Basler Klerus auf, dem Papst in einem Prozessionszug mit den Reliquien des Münsterschatzes entgegenzugehen und ihn vor der Stadt zu empfangen. Ebenso solle auch der Rat und das Volk von Basel den Papst vor der Stadt einholen und ihn unter einem wertvollen Baldachin, der von sechs Herren der Stadt zu tragen und auf Kosten der Stadt Basel anzufertigen sei, in Empfang nehmen und bis zu seiner Residenz begleiten. Zudem sei das Pferd, auf dem der Papst reiten werde, von den Stadthöchsten, oder, sofern vorhanden, von Adeligen am Zügel zu nehmen, wie es der Kaiser täte, wenn er anwesend wäre 591. 589 Vgl. zum Adventus allgemein vor allem: Hack: Empfangsprotokoll; Schenk: Herrschereinzüge; Johanek, Peter/Lampen, Angelika (Hg.): Adventus. Studien zum herrscherlichen Einzug in die Stadt, Köln u. a. 2009 (Städeforschung, 75). 590 Rufbuch I, ed. August Bernoulli, in: Basler Chroniken V, S. 496 – 498: Ir sollent ouch wissen, daz man mit allen glocken lútende wirt und freúde-fure machen, bede nacht und tag. Darumbe sol menglich bestelltne ein bútten mit wasser ins inem huse ze habende, und dester ernstlicher zem fúre und zem liecht ze luegende, und ernsthaftig und sorgsam ze sinde, fúrer denn zu andern ziten, wand daz ein grosz notdurft ist. 591 Konzilsforderungen, S. 219: Item, quod ordinetur pro dominus noster propter multitudinem secum venientium et aliosque concurrentium die illa qua intrabit bono manu habeat se parare cum apparatu decenti ad intrandum Civitatem post dominum Episcopum et clerum Basiliensem qui sibi cum Reliquiis processionaliter obviam venire debebunt eciam Consulatus et populus civitatis honorifice sibi pedes obviam veniant usque ad capellam ante portam Gebennensem et quod dominus noster suscipiatur sub tegumento precioso per Civitatem comparando et per maiores sex de Civitate deferendo ubi precedant et iuxta equum domini nostri pedes ambulent alii de civitate vel alii nobiles se qui presentes fuerint notabiliores apponentes manus in freno equi ad conducendum eundem quod eciam faceret Imperator si presens foret usque ad hospicium domini nostri. Hier wird explizit auf den sog. Stratordienst verwiesen. Vgl. zum Stratordienst bei Papst-Kaiser Treffen: Hack: Empfangsprotokoll, S. 527 – 535, mit Diskussion der älteren Forschungsliteratur, vor allem Holtzmann, Robert: Zum Strator- und Marschalldienst. Zugleich eine Erwiderung, in: HZ 145 (1932), S. 301 – 350. Zum „kaiserlichen Bügel-, Zügelund Prügeldienst“ Hack: Nähe, S. 471 – 474. Vgl. auch: Althoff, Gerd: Inszenierung verpflichtet. Zum Verständnis ritueller Akte bei Papst-Kaiser-Begenungen im 12. Jahrhundert,
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Anschließend wurde eingehend dargelegt, wie die Stadt zu schmücken sei: Neben einer Ausbesserung der Straßen und Wege wurde gewünscht, dass diese mit Gras, Kräutern und frischen Blättern zu bedecken und die Hauswände mit Teppichen und anderen ornamentis honorifice zu behängen seien 592. Zudem wurde gewünscht, dass ehrbare Frauen aus den Fenstern und auf den Plätzen zuschauen sollten. Die Kinder der Stadt Basel erhielten dabei eine besondere Aufgabe: Sie sollten mit gemalten Wappen und den Zeichen des Papstes jubelnd Heiterkeit verbreiten. Dies alles geschehe, worauf bereits hingewiesen wurde, ad decorem et eciam honorem domini nostri 593. Um die Sicherheit gewährleisten zu können, sollten mit Stöcken ausgerüstete Wachen in „guter Zahl“ anwesend sein, damit der Empfang des Papstes in bona pace cum debita solemnitate verlaufen konnte. Zu der geschuldeten Festlichkeit gehörten ebenfalls erbetene Freudenfeuer und Glockengeläut und alia signa leticie 594. Aufschlussreich ist neben diesen vorgeschriebenen Zeichen der Freude vor allem die im Vorfeld abgesprochene und organisierte Spoliierung des Baldachins sowie des Pferdes mitsamt seinem Zaumzeug und Decken, den sog. Schabracken 595: Et ibi descendente domino nostro equus suus cum suis paramentis cedit civitati et tegumentum, sub quo ducitur dominus noster ut supra, cedit servientibus armorum domini nostri, ubi bonum erit providere, ut non dilanient, prout aliquando factum est 596. Auffallend ist hierbei die Teilung der Spoliierungsbeute: So sollte das Pferd mit Schabracken, die einen eigenen hohen materiellen Wert darstellten, der Stadt Basel zufallen, während der Baldachin den bewaffneten Dienern des Papstes zugesprochen werden sollte. Damit wurde eine Art ‚Gabentausch‘ vereinbart, denn das Pferd stammte aus dem Besitz des savoyischen Papstelekten, während die Stadt Basel die Kosten für den Baldachin übernommen hatte 597. Die Organisation des Gewaltaktes im Vorfeld kann
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in: FmSt 35 (2001), S. 61 – 84; Kintzinger, Martin: Der weiße Reiter, in: FmSt 37 (2003), S. 315 – 353, S. 322 – 323, Literaturüberblick S. 325, Anm. 46. Zu Stratoren in päpstlichen und kaiserlicher Prozessionen allgemein: Hack: Nähe, S. 442. Die Attribuierung von Teppichen als „ehrender Schmuck“ zeigt die große Wertschätzung, die diesen Ausstattungsstücken und dem Ornament generell entgegengebracht wurden. Diese waren nicht inhaltlose Dekoration, sondern hatten eine „ehrende“ Funktion. Konzilsforderungen, S. 219. Konzilsforderungen, S. 219. Zur Spoliierung mit vielfältigen Literaturangaben: Schenk: Zeremoniell, S. 472 – 504, zur Spoliierung des Papstes im Zusammenhang mit seiner Wahl und Krönung ebd. S. 496 – 500. Zu Spoliierung auch Bojcov: Ephemerität, S. 89 und Anm. 31. Konzilsforderungen, S. 219. Ratsprotokoll, S. 221: Item von der stouphele wegen, dz die die stat machen lasse, sage man inen ouch zu. […] Die stouphönle ze machen ist empholhen Heinrich Halbisen, Andres Wiler, Johann Kesseler. Zum Gabentausch vgl. auch: Groebner: Geschenke, S. 21f. Groebner konstatiert allerdings kritisch zum Konzept des Gabentauschs und seiner magischen Implikationen, dass
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auch als Lehre aus dem Spoliierungskonflikt beim Einzug von Papst Johannes XXIII. in Konstanz verstanden werden, wo offenbar nicht allen Beteiligten klar gewesen war, dass das Pferd des Papstes der Stadt bzw. dem Bürgermeister zukommen sollte 598. Die Reaktionen des Basler Rats auf die Forderungen des Konzils lassen sich aus einem Ratsprotokoll erschließen. Dort wurden sämtliche Bitten und Forderungen des Konzils aufgenommen, insbesondere was Sicherheitsfragen in der Stadt betraf. Unter mehrfacher Androhung von Strafen wurden im Rufbuch die Bürger der Stadt zu Ordnung und Tugend aufgerufen 599. Zudem wurden die Wachen an den Toren und Türmen der Stadt und drei Wappenträger vor den Toren und einer auf dem Tor postiert 600. Ebenso viel Wert wurde auf die Präsenz der städtischen Eliten im Prozessionszug gelegt. Man regelte detailliert, wo Angehörige der Zünfte und des Rates zu gehen hatten; wer dies im Einzelnen jedoch sein sollte, ließ man zunächst offen 601. Ein weiterer Punkt städtischer Repräsentation zeigt sich in den Geschenken, die Basel dem ankommenden Papst machte: 20 Fässer Wein, 60 Säcke Hafer und „ein Trinkgeschirr für hundert Gulden“602. Seinem Sohn, dem savoyischen Herzog Ludwig,
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„Verträge – egal ob Kaufverträge, Arbeitsverträge oder politische Vereinbarungen – in den Städten des 15. Jahrhunderts nicht durch gemeinsam getrunkenen Wein abgesichert und ‚gültig gemacht‘ werden, sondern durch rechtliche Garantien, Zeugen, schriftliche Verträge, obrigkeitliche Kontrollinstanzen […].“ Ebd. S. 230: „Geschenke schaffen keine Rechtszustände, sondern publizieren sie.“ Vgl. zum Austausch des päpstlichen Reitpferdes auch: Paravicini Bagliani: Der Papst auf Reisen, S. 512. Vgl. zur Schilderung von Richental dieses Buch, S. 177. Ratsprotokoll, S. 222: Item als sy begerent etlich ze ordenen mit stecken, dz volk ze meisteren, dz tue man und ordene man von iglicher zunfte ein treffenlichen erbern man zu der zunften knechte, die semlichs versorgen und da zu die schultheissen ratsknecht amptlute und wachtmeister. Ratsprotokoll, S. 222: Turn und tore ze besorgen. Tagwacht und nachtwach. IIe gewaffenet. […] item me den XV mit stecken ze ordenen. Scheppelin ze haben. Item drie gewappenter under iegklichem thor, der selben einer daruf. Weitere Angaben dort zu der Anzahl der Wachen, die von den 15 Zünften gestellt werden sollten. Rufbuch, S. 496: Man wirt sin heilikeit ouch mit grossen eren emphohen mit dem heiltuem und mit aller phafheit, die mit allen kertzen werden gan in der procession. Des glichen werdent unser herren die raete ouch gan in einer procession, mit ihren schaepplin. Und wirt in ieder zunfte ein erber treflicher manne geordent, die stebe tragen sollent und den lúten weren und die zemen; des glichen der schulthes, vogt, die amptlúte, ratzknechte und wachtmeistere, und der zunfte knechte. Den selben sol ouch menglich gehorsam sin by den eiden, und sol sich niemand wider si setzen, by grosser straffung. Zu den Präsenten in Form von Wein und Hafer der Stadt Basel in den 1440er Jahren vgl. Groebner: Geschenke, S. 61, Anm. 38. Die Jahresrechnung der Stadt Basel für das Jahr 1439/40 verzeichnet, was Felix V. bei seinem feierlichen Einzug als Geschenke erhalten hat: Dazu auch Harms, Stadthaushalt Bd. 2, S. 215: Item so ist unserm heiligen vatter dem babste
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wurden vier Fässer Wein und 40 Säcke Hafer verehrt. Seine Wünsche hinsichtlich der Stadtdekoration ließ der Rat durch Stadtruf an die Bevölkerung weitergeben: dass jedermann vor seinem Haus mit tuchern und anderm die gassen ziere und mit grase und bom bestecke, so man beste möge 603. Über den Weg des Festzuges selbst wurde vermerkt, es handele sich um die Strecke, die auch an Fronleichnam genommen würde. Der Stadtbevölkerung teilte der Rat durch eine Ruf mit, dass Zunft- und Ratsangehörige geordnet und mit Kerzen mitmarschieren würden. Zugleich wurde gedroht, dass bei Widersetzlichkeiten mit erheblichen Strafen zu rechnen sei. Eine entscheidende Voraussetzung für den Einzug war die Zusicherung des sicheren Geleits, das am 12. Mai 1440 erteilt wurde 604. Felix V. nahm seinen Weg von Thonon nach Basel etappenweise. Zunächst hielt er sich mit seiner Kurie für längere Zeit in Lausanne auf, bevor er über Freiburg i. Ue., Bern und Solothurn weiterreiste und auch dort jeweils feierlich empfangen wurde 605.
Felicen und dem graffen von Jenffe sinem sun geschenkket als si harkamen XXhalb fuder wins, costent CL lb XVII ß. So ist siner heilikeit geschencket ein kleynot, costet CII guldin XIXß, facit CXVIII lb vß. So ist siner heilikeit und dem fraggen sinem sun geschenckt LXXXX vernzel habern, der costent LXV vernzal LXXXXVII lb, die andern hant die nachganden syben bezalt. So costet die stouphule die sinder heilikeit ouch geschenckt und damit er in gefurt wart LXXXIII lb VII ß.“ Offenbar wurden die Kosten für die Geschenke an Felix V. zwischen Stadt und Zünften aufgeteilt, denn die Angaben im Rechnungsbuch der Stadt zeigen, dass ihm und seinem Sohn von der Stadt Basel weniger Wein und Hafer zugedacht wurde, als zuvor im Ratsprotokoll festgehalten: Harms: Stadthaushalt, S. 215: „So ist die Differenz gegenüber der Mengen Wein und Hafer, die im Ratsprotokoll Felix V. und seinem Sohn zugedacht worden sind, damit zu erklären, dass die andern hant die nachganden syben bezalt.“ Im folgenden Jahr werden dem Herzog von Savoyen als er „harkam, geschenkcket XXXvernzal habern, costetent XXX guldin, VI halbe fuder wins, costent XXXVII lb IIIIß, und zwen slamen, costent IIII lb, summa zesamen LXXV lb XIIIIß. Item XXV vernzal habern wurdent unserm heiligen vatter dem babst geschenckt und kouft umb Peter Hanns Wentikom, kostent XXXVIIlb.“ 603 Ratsprotokoll, S. 222. 604 BUB, Bd. 6, Nr. 475, S. 444f. Vgl. auch Widmer, Berthe: Geleitbriefe und ihre Anwendung in Basel zur Zeit des hier tagenden Generalkonzils von 1431 – 1448, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 92 (1992), S. 9 – 99, S. 64. 605 Vgl. den Bericht von Jacob Hüglin, in: CB VII, S. 187f.: Jovis XXIII. dicti mensisi juliii non fuerunt deputaciones tente, sed domini prelati fere omnes et multi alii de concilio illo mane equitarunt ad sanctissimum dominum nostrum Felicem papam existentem in opido Lienstat. Zudem gibt der Herausgeber ebd. in Anm. 2 an, in Liestal habe Rudolf von Rüdesheim im Namen des Konzils zu Ehren des Papstes eine Begrüßungsrede an den Papst über Apg. 12, 11 Nunc scio vere, quia misit Dominus angelum suum et eripuit me de manu Herodis et de omni expectacione plebis Judorum (Rom Vatik. Bibl. Cod Reginae 1020, fol. 65a–68a cop. chart. saec. 15) gehalten. Diese programmatische Huldigungsadresse in Form einer Rede bzw. Predigt
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Einzug in Basel Nach den oben geschilderten Vorbereitungen zog am 24. Juni 1440 der gewählte Papst Felix V. in Basel ein. Seine Ankunft wurde laut Segovia schon lange herbeigesehnt, und in der Tat waren seit der Wahl am 5. November 1439 über acht Monate vergangen 606. Der Einzug wird im Folgenden zunächst aus den überlieferten Beschreibungen von Segovia, Hüglin sowie den anonymen Basler und savoyischen Berichten rekonstruiert, dann dem idealtypischen Papstadventus – wie in den kurialen Zeremonienbüchern beschrieben– gegenübergestellt. Im Anschluss sollen die sich daraus abzeichnenden Legitimationsstrategien Felix V. interpretiert werden. Am Vorabend des Einzugs in Basel machte Felix V. in Liechstal Station und wurde am Morgen außerhalb Basels an der Katherinenkapelle 607 von den beiden Bürgermeistern (dem amtierenden und dem bereits gewählten Nachfolger) sowie hochrangigen Vertretern des Rates empfangen 608. Diese trugen brennende Kerzen und den von der Stadt gefertigten Baldachin, der städtische Klerus und Angehörige des Konzils zogen mit Reliquien ebenfalls Felix V. entgegen 609. Der künftige Papst und sein Gefolge betrat gehört nach Schenk zu den typischen Elementen im Adventus, vgl. Schenk: Zeremoniell, S. 426 – 448. Vgl. für den Einzug nach Bern das Titelbild dieses Buchs. 606 MC III, S. 479: Quarto vicesimo die mensis huius intervenit diu iam desieratur ingressus Felicis pape V. 607 Vgl. Sieber-Lehmann: Basel, S. 196: Er gibt an, dass die Katharinenkapelle die Grenze des Stadtbanns markierte. 608 Vgl. zur Rolle der städtischen Bannmeile innerhalb des Adventus: Lampen, Angelika: Das Stadttor als Bühne. Architektur und Zeremoniell, in: Johanek/Lampen (Hg.): Adventus, S. 1 – 36, S. 1 – 2. 609 Vgl. die Schilderung des Konzilschronisten Johannes von Segovia, in: MC III, S. 479, Überschrift: Accessus factus pape ad concilium magna cum honestate, datique sunt deputati ad cum eo et cardinalibus intendendum rebus agendis. – Quarto vicesimo die mensis huius intervenit diu iam desideratus ingressus Felicis pape V. obviam illi a civitate longius exeuntibus prelatis et aliis incorporatis concilii, comite de Dyerstein, provinciali Elsacie ordinis Theutonicorum, Rodulpho de Ramstein, burgimagistris, comitibus, nobilibus et aliis permultis, reverenciam qui eidem fecerunt in campis, sociato cardinalibus Arelatensi et de Varambone, nato suo, comite Gebennarum, in preciosissimo apparatu architenencium aliorumque armatorum, marchione de Saluciis, marescallo Sabaudie, Bernensi, Friburgensi, Solodrensi ambassiatoribus et aliis quamplurimis, singulari vero dignis inspeccione militibus, qui secum degerant in solitudine Ripallie, barba et solito habitu, quo et ipse ante assumpcionem papatus utebatur, splendentibus. Extra vero portas civitatis introitum eius honoravere Basiliensis episcopus in pontificalibus totusque clerus cum reliquiis et paramentis, seculares autem cum cereis et intorticiis, horum notabilioribus pallium annexum in particis sustentatum desuper papam deferentibus. Prelati vero et alii incorporati concilii sequebantur eum una cum hiis ex Sabaudia venientibus quampluribus ecclesiasticis reputatumque pro miraculo, velut extitit, ut nimia condensacione nubium celum obumbrante,
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die bewachte und geschmückte Stadt Basel durch das Aeschentor 610 und zog auf dem üblichen Weg der Fronleichnamsprozession in folgender Ordnung durch Basel 611: Dem ausführlichen savoyischen Bericht zufolge begann der Zug mit 400 Trompetern und Bannerträgern der Stadt Basel. Ihnen folgten 300 Bürger der Stadt zu Pferd und der Protektor des Konzils, Konrad von Weinsberg. An diese Gruppe schloss sich das Gefolge des savoyischen Fürstenhauses an: Den Anfang bildeten 300 Trompeter und 400 Diener, gefolgt von 200 Rittern und Schildträgern des Grafen Philipp von Genf, dem Sohn Felix’ V. Nach diesen Rittern zogen 24 in Weiß gekleidete und mit Kränzen geschmückte Bogenschützen, gefolgt von zwölf betont ritterlich gewandeten Adeligen auf aufwendig geputzten Pferden. Nach ihnen ritt der Graf von Genf, der von Rittern und Adeligen aus allen Teilen des Herzogtums Savoyen zu Pferd begleitet wurde. Ihre Zahl schätzte der Berichterstatter auf 300612.
donec intravit ecclesiam, pluvia non descendit, tanta defluens extunc vehemencia, ut qui eum associarunt vix repetere potuerint domos suas. 610 Sieber-Lehmann: Basel, Anm. 126. Nach Angabe des savoyischen Berichters, war Basel tapissé et parée (vgl. Anm. 584). Die städtischen Vereinbarungen sprechen von Laub und Tüchern, vgl. dieses Buch, S. 171, Anm. 603. 611 Vgl. zu Prozessionen allg.: Löther, Andrea: Prozessionen in spätmittelalterlichen Städten. Politische Partizipation, obrigkeitliche Inszenierung, städtische Einheit, Köln u. a. 1999. Löther, Andrea: Städtische Prozessionen zwischen repräsentativer Öffentlichkeit, Teilhabe und Publikum, in: Melville, Gerd/von Moos, Peter (Hg.): Das Öffentliche und das Private in der Vormoderne, Köln u. a. 1998, S. 435 – 459. Mit weiterführender Literatur: Von Heusinger, Sabine: „Cruzgang“ und „umblauf “. Symbolische Kommunikation im Stadtraum am Beispiel von Prozessionen, in: Oberste, Jörg (Hg.): Kommunikation in mittelalterlichen Städten, Regensburg 2007 (Forum Mittelalter, 3), S. 141 – 156. Zu Fronleichnamsprozessionen vgl. Rubin, Miri: Corpus Christi. The Eucharist in Late Medieval Culture, Cambridge 1991, bes. S. 267 – 270. Oft wurden etablierte, d. h. alte Wege für Prozessionen genutzt. Damit konnte man auf kinästhetische Weise die Vergangenheit memorisieren und zur Identitätsstiftung der communitas beitragen. Zum Verhältnis von Nähe und Distanz in päpstlichen Prozessionen vgl. Hack: Nähe. 612 Joyeuse Entrée de l’antipape Félix V, ed. Mark Dykmans, in: De Avignon à Rome, in: Bulletin de l’Institut Historique Belge de Rome 39 (1968), S. 203 – 309, S. 282 – 285, S. 282: Premierement entrerent quatre cents trompettes et quatre cents menestriers de ladite cité de Basle, portant les bannieres et les armes d’icelle cité. Item, apres vindrent les chevaliers accompagnants les protecteurs du saint concile, jusques au nombre de CCC bourgeois a cheval, de ladite cité. Item vinrent apres les CCC trompettes et CCCC menestriers de Monsieur le comte de Geneve, connestable de nostredit saint Pere. Ici ensuivant entrerent en ladite cité CC chevaliers et escuyers feaulx de mondit sieur le comte. Item apres lesdits CC chevaliers vindrent vingt-quatre archiers de mondit sieur le comte, armés tous blans de salades sur leurs testes, richement portans leurs espées enceintes sur leurs flances, et par dessus n’eut onques qu’orfevreries.
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Zwei berittene Bannerträger kündigten die päpstliche Gruppe an. Sie zogen vor dem päpstlichen Schirm, der von mehreren Bewaffneten auf einem Wagen transportiert wurde. Der savoyische Beobachter benennt den Schirm des Papstes gemeinsam mit dem Wagen als Zeichen der Heiligen Kirche 613. Ihnen folgten zwölf Reiter, die jeder in zwei scharlachroten Truhen den päpstlichen Schatz trugen, denen nochmals zwölf, am Zügel geführte Schimmel ohne Reiter mit roten Schabracken folgten. Dieser Gruppe folgten 200 weißgekleidete Kinder der Stadt Basel, die Fähnchen mit dem päpstlichen Wappen schwenkten und fröhlich Viva Papa Felix gejauchzt haben sollen. Der anonyme Savoyer beziffert sie auf 1.200. Nach ihnen folgte der städtische Klerus mit Reliquien und Paramenten, insgesamt wohl etwa 600 Personen 614. Unmittelbar vor dem Vortragekreuz, dem das Corpus Christi in einer Monstranz folgte, das von einem weißen Esel mit einer goldenen Glocke um den Hals getragen
S. 283: Item apres lesdits archiers, vindrent douze pages gentilshommes sur douze corsiers beaux et richement harnachiés de toutes riches doreures, lesdits pages habilliés tous d’une façon et tres-bien chevauchants. Item apres vint Monsieur le comte de Geneve, accompagné de Monsieur le mareschal sieur de Barjat, le sieur de Choutagne, et plusieurs autres chevaliers et escuyers de Savoye, de Geneveys, de Vaulx, de Berne, de Fribourg, de Solleure, jusques au nombre selon l’estimation desdits Chevaux et Trompettes CCC chevaux. 613 Joyeuse Entrée, ed. Dykmans, S. 283: Item apres vindrent les deux bannieres que portoient deux Chevaliers. Item apres le Pavillion rouge et le Chariot signifiants sainte Eglise, lequel portoient plusieurs Gens d’armes. Vgl. zum Schirm des Papstes umfassend: Bojcov, Michail A.: Der Schirm des Papstes, der Sonnengott und die historischen Wege Russlands, in: Gengnagel, Jörg u. a. (Hg.): Prozessionen, Wallfahrten, Aufmärsche. Bewegung zwischen Religion und Politik in Europa und Asien seit dem Mittelalter, Köln u. a. 2008, S. 163 – 203. Zum Bild des „Karrens der Kirche“ vgl. vor allem das Motiv des Triumphwagens der Kirche, den Dante im 29. Gesang des Purgatorio der Divina Commedia prägte, der von Christus gezogen wird. Auch hier steigern antike imperiale Formen den Triumph der Kirche. Der Triumphwagen der Kirche ist hiernach in vielfältiger Weise aufgegriffen worden, auch der savoyische Berichterstatter konnte das Symbol offenbar zuordnen. 614 Joyeuse Entrée, ed. Dykmans, S. 283: Item, apres par belle ordonnance, vindrent douze hommes, portans chacun deux coffres richement armés et couverts d’escarlatte sur beaux cheveaux, lesquels estoient menés par la bride par divers compagnons. Item apres vindrent douze haquenées blanches couvertes de fins draps de velour rouge, lesquels estoient menées par la bride par douze compagnons. Item apres suivoient tous les enfans de ladite cité, deux et deux, en procession et chacun portans les armes dudit nostre saint Pere le pape, en lances et bastons d’une toyse en leurs mains, lesdits enfans vestus de surpelis à la façon de sainct Benoit, criants hautement et joyeusement à haute voix: „Vive Papa Felix“! et estoient au nombre de douze cents. Item apres vindrent les processions des esglises de ladite cité vestus de tres-riches chaseubles portans chacun en sa main grande quantité de precieuses reliques, jusques au nombre de six cents prebstres et religieux.
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wurde 615, gingen drei Angehörige des St. Mauritiusordens von Ripaille. Dem Papst selbst zogen die beiden Kardinäle Aleman und de Varambone 616 sowie der Markgraf von Saluzzo voran – die drei waren ihrer Landsmannschaft nach Savoyer. Dann folgte unter einem goldgewirkten Baldachin schließlich Felix V. Er trug einen goldenen Mantel sowie eine weißen, mit Edelsteinen geschmückte Mitra auf dem Kopf und ritt auf einem Schimmel in roter Schabracke 617. Der Baldachin wurde nach übereinstimmender Auskunft aller Berichte von Angehörigen des Basler Rates – Johans Súrlin, Hans Conradt Súrlin, Hans von Louffen, Heintzman Murer – getragen. Den päpstlichen Schimmel führten der amtierende (Arnold von Baerenfels) und der designierte Bürgermeister (Arnold von Rotberg) am Zügel. Auch der goldene Mantel des Papstelekten sowie die Schabracken des Pferdes wurden von Notablen der Stadt Basel getragen: Hanns Rych, Bernhart von Rotperg, Goetz Heinrich von Eptingen und Henman Offenburg 618. Die Namen erscheinen nur im Basler Bericht 619.
615 CB VII, S. 188: et consequenter eukaristie sacramento, quod in una capsa deaurata valde reverenter supra unam mulam deferebatur. 616 Zur Kardinalskreation von Louis de Varambon (de Lapalud) im April 1440, also noch vor der Krönung Felix’ V., vgl. dieses Buch, S. 237. 617 Joyeuse Entrée, ed. Dykmans, S. 284: Item estoyent et accompagnoient lesdits religieux douze cents hommes à pied, portans chacun en sa main une torche de l’hauteur d’une Lance. Item apres vindrent les escuyers d’honneurs portans quatre chapeaux de cardinaux. Item apres vindrent trois hermites de Rippaille. Item apres vint un religieux à cheval portant en sa main la croix de sainte Eglise, approchant nostre sainte Pere. Item apres ladite croix, vint un autre religieux portant une torche retorse. Item apres vint Corpus Christi, dessus un mulet blanc couvert d’escarlatte portant en son col une campane d’or et un religieux qui le menoit par la bride. Item apres vint un prestre qui a la charge de Corpus Christi. Item apres vindrent les deux cardinaux et le marquis de Saluces avex eux. Item apres vint nostre saint Pere sur une haquenée blanche couverte de velour rouge, vestu d’une chappe d’or battu ciselé, une miltre sur sa teste blanche toute chargée de fines pierres inestimables, […]. 618 Zu Henman von Offenburg vgl.: Gilomen-Schenkel, Elsanne: Henman von Offenburg (1379 – 1459), ein Basler Diplomat im Dienste der Stadt, des Konzils und des Reichs, Basel 1975. Kälble, Mathias: Fremdwahrnehmung und Selbstdarstellung: Zur Diffamierung von Grenzgängern in der Krise am Beispiel des Basler Bürgers Henman Offenburg (1379 – 1459), in: Fludernik, Monika/Gehrke, Hans-Joachim (Hg.): Grenzgänger zwischen Kulturen, Würzburg 1999 (Identitäten und Alteritäten, 1), S. 163 – 183. 619 BC V, S. 478: Und fuert in by dem zoum herr Arnold von Baerenfels burgermeyster und herr Arnold von Rotperg, rittere. Die kleyder truegent herr Hanns Rych, herr Bernhart von Rotperg, herr goetz Heinrich von Eptingen, herr Henman Offenburg, rittere. Item die himeltzen truegent, Johans Súrlin, Hans Conradt Súrlin, Hans von Louffen, Heintzman Murer.
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Der päpstlichen Gruppe folgten zu Pferd ca. 200 Konzilsangehörige in hierarchischer Ordnung sowie, auch zu Pferd, rund 200 weitere Adelige 620. Den Schluss des Zuges bildete ein Angehöriger der familia des Papstes, der geldauswerfend Abstand zwischen Festzug und Publikum schaffte. En bonne ordennance erreichte der Zug das Münster, wo Felix V. den Segen spendete und anschließend seine neue Residenz im Ramsteinerhof bezog. Dort wird die vom savoyischen Bericht nicht erwähnte, aber in den städtischen Quellen vermerkte Spoliierung von Pferd und Baldachin stattgefunden haben. Der überlieferte Adventus Felix’ V. in Basel weist in großen Teilen Übereinstimmungen mit den Schilderungen anderer Papsteinzüge auf. Besonders aufschlussreich ist hierbei eine Gegenüberstellung mit den Berichten von päpstlichen Einzügen während des Konzils in Konstanz, die Ulrich von Richental in seiner Konzils-Chronik geschildert hat 621. Das päpstliche Zeremoniell in Konstanz hatte bereits bei der Wahl Felix’ V. als Orientierung gedient 622.
620 Joyeuse Entrée, ed. Dykmans, S. 284: […] le poile dessus sa teste d’or battu qui estoit porté par six les plus notables de ladite cité, et estoit mené par deux seigneurs du pays de ladite cité et menoient apres eux six autres seigneurs qui tenoient sa chappe tout au tour de luy. Item apres estoient les herauts d’armes tout de blancs, portans leurs masses en leurs mains, S. 285 au service de Nostre Sainct Pere pour garder que nul ne luy fit dommage. Item apres tous les prestres comme archeveques, eveques, abbés, preurs et tous autres religieux à cheval jusques au nombre de deux cents. Item apres vindrent à cheval les valets desdits nobles, prelats et religieux, jusques au nombre de deux cents. Item apres vint l’ausmosnier gettant l’argent à pleins poings parmi le peuple qui suivoit nostredit sainct Pere, qui estoient tant de la ville comme de dehors au nombre de cinquante mille. Et ainsy fait entra en ladite ville cité de Basle qui estoit tapissé et parée, et l’ont suivi deux a deux en bonne ordonnance jusque à Nostre Dame ou ledit nostre saint Pere leur donna la benediction et puis entra en son palais en ladite eglise. 621 Richental-Chronik, ed. Buck. Wacker, Gisela: Ulrich Richentals Chronik des Konstanzer Konzils und ihre Funktionalisierung im 15. und 16. Jahrhundert: Aspekte zur Rekonstruktion der Urschrift und zu den Wirkungsabsichten der überlieferten Handschriften und Drucke, Tübingen 2002. Für die ältere Literatur: Matthiesen, Wilhelm: Ulrich Richentals Chronik des Konstanzer Konzils. Studien zu Behandlung eines universalen Großereignisses durch die bürgerliche Chronistik, in: AHC 17 (1956), S. 97 – 455. Mit weiterer Literatur: Maurer, Helmut: Das Konstanzer Konzil als städtisches Ereignis, in: Helmrath/Müller (Hg.): Konzilien, S. 149 – 172. 622 Gerrit Jasper Schenk erläutert instruktiv, dass man in Basel etwa seit 1424 wusste, dass die Stadt als Konzilsort in Frage kommen könnte, sich die Erfahrungen von Konstanz zu nutze machte und sie im sogenannten ‚Conciliumsbuch‘ festhielt. Diese vom Rat in Auftrag gegebene und von städtischen Schreibern angefertigte Schrift (StA Basel, Politisches C2) verzeichnet auf fol.128r bis 131r eine umfangreiche Handreichung, um sich auf die besondere Situation eines Konzils in der Stadt vorzubereiten. Diese Zusammenstellung folgt nach Schenk „recht deutlich über weite Strecken in Reihenfolge und Inhalt der Anordnung
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Der Einzug von Papst Johannes XXIII. in Konstanz begann ebenfalls vor den Toren der Stadt. Dort wurde er vom städtischen Klerus mit Reliquien empfangen und der Zug war in ähnlicher Weise strukturiert wie 25 Jahre später bei Felix V. Auch in Konstanz bildeten Fahne und Kreuz den Anfang, dann folgten Kinder der Stadt Konstanz, dann Franziskaner, Augustiner sowie Dominikaner, dann die meren schuler und der städtische Klerus mit Reliquien. Die päpstliche Gruppe wurde ebenfalls von reiterlosen Pferden in roten Schabracken angeführt, der päpstliche Schatz von einem mit rotem Stoff herausgeputzten Schimmel getragen. Sodann folgte der Kreuzträger, der wie ein ewangelier aussah und der ein Chorcappen und ein goldenes Kreuz auf einer Stange trug. Dem Papst voran zog ein Pferd, das auf seinem Rücken eine Monstranz mit dem Sakrament trug. Sodann ritt der weiß gewandete Papst mit einer Mitra auf dem Haupt auf einem Schimmel mit rotem Putz und Goldschmiedearbeiten geschmückt unter einem goldenen Baldachin 623. Dieser wurde – in Basel analog – von der Stadt Konstanz geschenkt und von hohen Amtsträgern getragen. Papst und Baldachinträger wurden ihrerseits von hohen Angehörigen der Zünfte sowie von Domherren mit Kerzen begleitet. Das sakramenttragende Pferd hatte ebenfalls wie in Basel eine Schelle um den Hals gebunden. Der Baldachingruppe folgten Kardinäle, Bischöfe und andere hohe Geistliche, die jeweils Pferdelenker und Mantelträger an ihrer Seite hatten 624. Interessant ist im Hinblick auf den Basler Einzug vor allem die Notiz über den Spoliierungskonflikt, der sich beim Adventus von Papst Johannes XXIII. in Konstanz ereignete: Das Pferd des Papstes stand dem Bürgermeister zu, jedoch wollten die päpstlichen Diener den städtischen Bediensteten das Pferd nicht überlassen 625. Die Prozedur wiederholte sich bei Martin V., diesmal aber offenbar ohne weitere Konflikte: […] und sandt der bapst Hainrichen von Ulm, der do burgermaister was, das ross, daruff er geritten was 626. Nach dem Einzug Felix’ V. in Basel wurde bereits am 26. Juni 1440 in Anwesenheit des Papstelekten im Münster eine Messe gefeiert, nach der Felix zunächst die
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und Auswahl, die auch Richental bietet.“ Auch wenn eine Auswertung der Richentalschen Chronik oder Materialsammlung mit Schenks Befund es nicht beweist, so kann doch mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Konstanzer Erfahrungen für Basel eine zentrale Orientierung in vielfältigen Fragen bot. Vgl. dazu Schenk: Einzug, S. 77 – 78. Girgensohn: Berichte über Konklave, S. 351 – 398. Vgl. Richental-Chronik, ed. Buck, S. 14, Kap. 23,4 – 7: […] und hub man ob im ain guldin tůch. Daz gaben im die von Costentz. Das trůgend vier burger ze Costentz ob im mit iiii stangen. Und warend daz die: Haintich Schilter, Hainrich Ehinger, sttammann, Hanns Hagen, vogt, und Hainrich von Ulm. Richental-Chronik, ed. Buck, S. 14 – 15, Kap. 23 – 25. Richental-Chronik, ed. Buck, S. 15, Kap. 26. Richental-Chronik, ed. Buck, S. 114, Kap. 267,1. Richental schildert weitere päpstliche Züge, so anlässlich der Krönung von Martin V. und des Auszugs des Papstes aus Konstanz.
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innerhalb des Münsters, dann auch die auf dem Platz anwesenden Gläubigen segnete und Ablässe verkündete 627. Der Gesang während dieser Messe wurde nach Auskunft der Basler Chronik von Christian Wurstisen von einem Zeitgenossen folgendermaßen beurteilt: Zwitschen der Meß sange man etliche Responsorien unnd Gebet uber den Babst, welche doch von wegen der Sengern unkönnenheit etwas unlieblich und lecherlich abgiengen 628.
Der Papstadventus: Versuch einer Typologie Ausgehend von der Annahme, dass sich Felix V. durch Einhaltung und rechte Ausgestaltung des päpstlichen Zeremoniells zu legitimieren suchte und zugleich seine päpstliche Legitimation in diesen symbolischen Akten erst eine wahrnehmbare Form annahm, ist es notwendig, die für den Papstadventus in Basel überlieferten Angaben mit der Standardform des päpstlichen Adventus’ zu kontrastieren, um daran im Detail den Einzug Felix’ V. einschätzen zu können. Eine Analyse der felicianischen Umsetzung des päpstlichen Einzugszeremoniells bietet zentrale Aufschlüsse über den Charakter des Pontifikats Felix’ V. Dabei soll vor allem der von François de Conzié für den Einzug Martins V. in Genf festgehaltene Ordo herangezogen werden, da dieser aus den bereits dargelegten Gründen vorbildlich war 629. Die entscheidenden Verweispunkte des Papstadventus’ beziehen sich auf einzelne Passagen des Alten und Neuen Testaments sowie auf das antike Kaiserzeremoniell. In ihm fließen biblische und achaemenidisch-hellenistische Traditionen zusammen. 627 CB VII, S. 191: Finitaque huiusmodi missa dedit dictus dominus noster papa benedictionem primo in ecclesia; deinde ecclesiam cum concomitantibus dominis prelatis et aliis dominis temporalibus supradictis exiens ibidem in cadafalco ad hoc sibi preparato dedit populo solemnem benedictionem. 628 Basler Chronik, Bd. 1, S. 366f. Zu den Urteilen über Musik nach dem Kriterium künstlerischer Qualität vgl. Bölling, Jörg: Zur Bedeutung der Musik im Adventus-Zeremoniell der Vormoderne, in: Johanek/Lampen (Hg.): Adventus, S. 229 – 266, S. 253. Den schiefen Gesang während der päpstlichen Krönung betont auch Piccolomini. Dieser soll für große Heiterkeit gesorgt haben, vgl. hierzu dieses Buch, S. 222, Strohm, Guillaume Du Fay, S. 26. 629 Dykmans, Mark: De Avignon à Rome, in: Bulletin de l’Institut Historique Belge de Rome 39 (1968), S. 203 – 309, S. 237 – 243, im Folgenden zit. als ‚Adventus-Ordo‘. Vgl. zu päpstlichen Prozessionen mit weiterer Literatur Hack: Nähe, S. 437 – 448, S. 461 – 466. Vgl. zum päpstlichen Adventus: Träger, Jörg: Der reitende Papst. Ein Beitrag zur Ikonographie des Papsttums, München/Zürich 1970. Ein Idealschema des Herrscheradventus’ entwirft Schenk: Zeremoniell, S. 238 – 402, und unterteilt dort sechs Phasen. Viele Elemente des Herrscher- und des Papstadventus stimmen überein.
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Vorherrschendes Motiv war dabei allerdings die Imitatio Christi im Einzug nach Jerusalem (Mt 21,1 – 11; Mk 11,1 – 11; Lk. 19,29 – 38, Jh 12,12 – 16) und die Wiederkehr Christi am Ende der Zeit gemäß der Apokalypse (19,11 – 16 sowie mit Bezug auf Jeremias 17,25). Dies zeigt sich bereits ganz zu Beginn durch die Einholung 630 des Papstes vor den Toren der mit Pflanzen und Tüchern geschmückten Stadt, in die er, begleitet von Glockengeläut 631 und jubelnden Kindern 632, einzieht. Entsprechend beginnt auch der Ordo von Conzié mit der Einholung vor der Stadt 633. Dieses Einholungsschema enthält zugleich eine eschatologische Dimension des Ordo commendationis animae: Das himmlische Jerusalem empfängt durch die Engel die Seele des Toten und feiert die Ankuft der Seele im Himmel 634. Daneben übernimmt der päpstliche Empfang auch Motive des antiken Kaiser- Adventus’ und setzt ihn in mehrfacher Hinsicht fort, denn „wie der antike Triumphator pflegte auch der Papst die Stadt nicht vor dem Einzug zu betreten, vielmehr vor den Toren zu übernachten, um am nächsten Tag feierlich einzureiten. Ebenso wurde das militärische Element beibehalten. Ziel des heidnischen Triumphzuges war das Capitol, wo dem Jupiter Optimus Maximus geopfert wurde. Analog hierzu pflegte der Papst nach seinem Einzug das Meßopfer zu feiern“635. Die Einholung des Papstes vor den Toren der geschmückten Stadt unter den Jubelrufen seiner Bevölkerung rekurriert also vorrangig auf den Einzug Jesu in Jerusalem, die in die längst etablierten Muster des Herrscherzeremoniells einbezogen worden sind: Das jubelnde Volk breitet Palmzweige und Gewänder vor dem einreitenden Messias aus. Anstelle einer kaiserlichen Akklamation wird ihm Hosianna zugerufen. Der Schmuck der Stadt mit grünem Laub und weißen Tüchern und Teppichen war 630 Zur Einholung der Herrschers, der occursio, vgl. Schenk: Zeremoniell, S. 278 – 289. 631 Schenk: Zeremoniell, S. 324: Der Einzug unter Glockengeläut gehörte zwingend zu einem Herrscheradventus, wobei damit verschiedene symbolische Referenzen gemacht wurden. Zum einen galten Glocken als vox domini, womit ihnen eine apotropäische Funktion im Glauben von Kirche und Volk zukam, zum anderen begleitete Glockengeläut allgemein Situationen des Übergangs: Sterbeläuten, Hochzeitsglocken, Einläuten des neuen Jahres etc. Zur akustischen Raumdurchdringung und Herrschaftsmanifestation durch gestiftete Glocken vgl. dieses Buch, S. 231, vgl. auch Zak, Sabine: Musik als „Ehr und Zier“, Neuss 1979, S. 121 – 148. 632 Schenk: Zeremoniell, S. 326. Zum Empfang durch Kinder insbesondere in eidgenössischen Städten vgl.: Schmid, Regula: „Liebe Brüder“. Empfangsrituale und politische Sprache in der spätmittelalterlichen Eidgenossenschaft, in: Johanek/Lampen (Hg.): Adventus, S. 85 – 112, S. 92 – 98. 633 Adventus-Ordo, ed. Dykmans, S. 237: Primo, extra portas civitatis, vel in portis, debent summo pontifici occurrere processiones dicte civitatis, solenniter et ordinate. 634 Träger: Papst, S. 71. 635 Träger: Papst, S. 89.
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„zweifellos ein in der Antike verbreiteter Brauch“ und eine Anspielung auf den Einzug Jesu in Jerusalem, „wobei die ursprünglich mit den Lorbeer-, Palm- und Ölbaumzweigen verbundene Sieges- und auch Friedensmetaphorik vielleicht sogar bewusst eingesetzt worden sein könnte“636. Unter diesem Gesichtpunkt sind auch die 1119 beim Einzug von Kalixt II. in Rom genannten singenden und ölzweigschwingenden Kinder einzuordnen. Sie werden auch im Ordo von Conzié gesondert aufgeführt und sind offenbar als zentraler Bestandteil des Adventus’ anzusehen 637. Zwar ist das Adventus-Zeremoniell nicht auf Rom beschränkt, sondern gilt eben immer, wenn der Papst eine Stadt erstmals betritt, doch soll hier kurz auf die Rolle Roms im päpstlichen Zeremoniell hingewiesen werden. Bis zum Pontifikat von Innozenz III. bestand das päpstliche Zeremoniell vor allem aus stadtrömischen Riten 638. Vormals von der liturgischen Topographie Roms abhängige Feste und Prozessionen konzentrierten sich jedoch, wie aus den Ordines seither hervorgeht, mehr und mehr auf capella oder familia des Papstes und wurden in den päpstlichen Palast verlegt – auch wenn „die idelle Präsenz Roms“ fortwährend aktualisiert wurde 639. Die Stadtherrschaft des Papstes über Rom, die sich neben seiner Funktion als oberster Liturge Roms im stadtrömischen Zeremoniell bis zum Ende des 12. Jahrhunderts ausdrückte, wurde mehr und mehr auf den possesso – die Inbesitznahme – des Laterans bei seiner Erhebung beschränkt 640. Mit der Fortführung des imperialen Zeremoniells im Adventus Papae wird der sakral-profane Doppelaspekt des Papsttums in jedem Adventus neu formuliert und damit stets aktualisiert. Wenn durch die Form einer Einholung vor allem auf den Typus des Vicarius Christi rekurriert wird, so verweisen die Attribute des Papstes 636 Schenk: Zeremoniell, S. 317. Adventus-Ordo, ed. Dykmans, S. 243: Item moris est, quod quando papa aliquam civitatem intraturus est, eius cives propter reverentiam Dei, cuius est vicarius, in die primi sui intritus, sternunt carrerias, per quas transiturus est, herbis virentibus, vel aliis, prout temporis qualitas exigit; parant eas, a dextris et sinistris; et desuper coperint telis, vel alias, prout melius possunt. 637 Träger: Papst, S. 89, vgl. zu Kindern als Element des Herrscheradventus’: Schenk: Zeremoniell, S. 326. Adventus-Ordo, ed. Dykmans, S. 238: Et quandoque etiam pueri multi, pedes, et ad hoc bene instructi, cum ramis virentibus, vel pennuncellis de suis armis, extra portas civitatis, aliquantulum longe etiam eidem occurunt, clamantes continue et alte: Vivat papa, etc. Et isti debent, post ingressum civitatis, immediate sequi processiones. 638 Dazu grundlegend: Schimmelpfennig, Bernhard: Die Bedeutung Roms im päpstlichen Zeremoniell, in: Schimmelpfennig, Bernhard/Schmugge, Ludwig (Hg.): Rom im hohen Mittelalter. Studien zu den Romvorstellungen und zur Rompolitik vom 10. bis zum 12. Jahrhundert, Sigmaringen 1992, S. 47 – 61, S. 47f. 639 Schimmelpfennig: Bedeutung Roms, S. 48. Vgl. zur Präsenz eines „überörtlichen Roms“ auch Schimmelpfennig: Palast als Stadtersatz, und dieses Buch, S. 150. 640 Vgl. zum possesso dieses Buch, S. 207 und S. 215.
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deutlich auf den inhärenten imperialen Sinngehalt 641. Hierbei stehen vor allem Farbe und Form des päpstlichen Ornats, seine Erscheinungsform und die ihn umgebenden Insignien und Personen im Vordergrund. Der Papst reitet in Weiß und Gold gewandet auf einem Schimmel 642 mit roter Schabracke unter einem Baldachin 643, Kreuz, Schirm und Sakrament werden ihm vorangetragen 644. Oftmals werden auch ihm voranziehende zwölf rot geputzte, reiterlose Schimmel genannt. Dieser Ritt des Papstes auf einem Schimmel entspricht der antiken Form des „kleinen“ Triumphzugs, der sogenannten ovatio. In dem päpstlichen Ritt auf einem Schimmel liegt auch eine besondere Signifikanz, da hier deutlich von der neutestamentlichen Referenzstelle des Adventus von Jesus in Jerusalem abgewichen wird. Dort ist Jesus auf einem Esel geritten. Ein Esel tritt zwar auch noch im päpst lichen Adventus in Erscheinung, doch trägt er dort das Sakrament in einer Monstranz. Auf einem Maultier reitet zudem der Elemosinar, der am Schluss des Zuges missilia (hier Almosen) verteilt 645. Nach Träger aber unterscheidet sich die „päpstliche Reit-Zeremonie“ von ihrem biblischen Vorbild „durch die Ausstattung, vor allem durch den Ornat des Protagonisten“646. Der Adventus müsse daher nicht nur als ein Abbild der imperialen Ambition des Papsttums verstanden werden, so Träger weiter, sondern sei vielmehr auch zu 641 Vgl. Träger: Papst, S. 107, der auch darauf verweist, dass auf dem während des Basler Konzils entstandenen Heilsspiegelaltar von Konrad Witz auch umgekehrt antike Imperatoren mit der Tiara dargestellt werden: So trägt hier Caesar die im 15. Jahrhundert schon antiquierte Papstkrone, wie sie Bonifaz VIII. auf Giottos Jubelfresko trägt. 642 Schenk: Zeremoniell, S. 293, der dieses Herrschaftszeichen als bewusste Anspielung auf das weiße Pferd des Richters am Weltenende (Offb 19,11 – 16) und im Rückgriff auf die verbreitete Lichtsymbolik sieht. Vgl. Offb 19,11: Ecce videlicet equus albus et qui sedebat super eum vocabatur Fidelis et Verax. Zum Schimmel vgl.: Kintzinger: Reiter, S. 324. Dazu auch: Fried, Johannes: Aufstieg aus dem Untergang. Apokalyptisches Denken und die Entstehung der modernen Naturwissenschaft im Mittelalter, München 2001. 643 Vgl. Adventus-Ordo, ed. Dykmans, S. 239: Subsequenter, intrant equi albi pape, cooperit panno rubeo, ducti per palafrenarios pedes. 644 Adventus-Ordo, ed. Dykmans, S. 239: Post istos portatus papallio pape […]; ebd. S. 240: […] sequitur subdiaconus portans crucem pape. Post eum, immediate debet sequi mula vel equus portans corpus Christi. 645 Adventus-Ordo, ed. Dykmans, S. 241: […] ultimo, sequitur elemosinarius pape, qui proicit missilia per carrerias. Vgl. zu der Praxis des päpstlichen Geldwurfs, missilia spargentibus, Hack: Nähe, S. 450 – 466; Laut Hack: Nähe, S. 466 muss zwischen den Aufgaben des Soldanus und des Elemosinar differenziert werden. Während der Soldanus beim possesso durch Geldwurf dem Papst Platz verschaffen soll, verteilt der Elemosinar beim päpstlichen Adventus Almosen. Gleichwohl gleichen sich die Funktionen zwischen beiden mehr und mehr an, „bis bei Agostino Patrizi schließlich die vollständige Identität erreicht ist“. 646 Träger: Papst, S. 107.
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deren Symbol geworden 647. Mit der Beibehaltung des Schimmels als Reitpferd, der Einführung des Hostienrosses bzw. -esels im 14. Jahrhundert und den zwölf reiterlosen Schimmeln hat das Papstzeremoniell die imperiale wie auch die auf den Christus der Apokalypse bezogene Pferdesymbolik fortgeführt 648. Damit bot die Prozession des römischen Bischofs mit dieser Reihe von Schimmeln ein symbolisches Abbild der zentralen Gestalten der kirchlichen Lehre: Die kaiserliche Repräsentation, Christus, die zwölf Apostel und den apostolischen Vicarius auf Erden 649. Mit der Farbe des Pferdes und des Ornats, vor allem der weiße und/oder goldene Mantel, wird zudem der Epiphaniegedanke übernommen. „Wie im antiken Kaisertum steht die Sonnen- und Lichtsymbolik im Vordergrund: Der päpstliche Kosmokrator, dessen Ornat kosmisch gedeutet wird und dessen Einholung vor den Toren der Stadt messianischen Charakter hat, zeigt sich mit dem uralten Lichtsymbol des weißen Pferdes“650. Durch Attribut und Ornat werden damit göttliche Gerechtigkeit und Reinheit mit dem sonnengleichen Adventus ihres irdischen Repräsentanten verknüpft. Neben Weiß und Gold, denen der gleiche symbolische Gehalt zu eigen ist, tritt vor allem in den Gewändern der weißen Pferde die Farbe Rot hinzu. Die Kombination von Rot und Weiß gilt als traditionelle Farbe des Papsttums, auch wenn ihm diese nicht exklusiv zukam 651. Zu den vielfachen Referenzen auf die messianische Lichtsymbolik gehört auch das Mitführen von Kerzen und Fackeln im Adventuszug, die auch bei Tag angezündet waren, sowie generell Freudenfeuer 652.
647 Träger: Papst, S. 107. 648 Schimmelpfennig, Bernhard: Die Krönung des Papstes im Mittelalter dargestellt am Beispiel der Krönung Pius II., in: QFIAB 54 (1974), S. 192 – 270, S. 226, gibt zu bedenken, dass bei Reisen eines Papstes „solch ein wandernder Tabernakel“ unverzichtbar war, um jederzeit eine Messe zelebrieren zu können. Dieses Element ist von den Einzügen des Papstes in die Krönungsprozession übernommen worden. Vgl. dazu auch Hack: Nähe, S. 443. 649 Träger: Papst, S. 112. 650 Träger: Papst, S. 117. 651 Im Ceremoniale Gregors X. werden die Farben des Papstes mit weiß und rot festgelegt. Dykmans: Le cérémonial, I, S. 159. Vgl. zu Farben des Papstes: Paravicini Bagliani: Leib des Papstes, S. 90 – 98. Suntrup, Rudolf: Liturgische Farbendeutung im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Blaschnitz, Getrud u. a. (Hg.): Symbole des Alltags, Alltag der Symbole. Festschrift Harry Kühnel, Graz 1992, S. 445 – 467, S. 454 – 459. Im Ceremoniale des Agostino Patrizi wird Rot als Farbe auch für niedrigere Ränge der Kurie, wie etwa die Stratoren angegeben, die darüber hinaus auch rote Stäbe (ferula) bei sich trugen, vgl. Hack: Nähe, S. 443. 652 Schenk: Zeremoniell, S. 291 und 318. Adventus-Ordo, ed. Dykmans, S. 240: Cursores autem portantes intorticia accensa debent esse circumcirca corpus Christi.
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Den reitenden Papst begleiteten ein ihm vorangetragener Schirm sowie ein Bal dachin 653. Während der Baldachin ein konstitutives Element für jeden Herrscheradventus war, galt der Schirm – er war schon ein Element der Herrscherrepräsentation des persischen Großkönigs – des Papstes als eines seiner wichtigsten Insignien, der seit Martin V. auch im Wappen des Papstes getragen wurde. Schimmel und Schirm waren zunächst kaiserliche Insignien und sollen Papst Silvester von Kaiser Konstantin mitsamt der Herrschaft über Rom übergeben worden sein 654. Die zwölf dem Papst vorangeführten reiterlosen Schimmel in roter Schabracke haben ebenfalls ihren Ursprung in den Triumphzügen antiker und mittelalterlicher Herrscher. Die Zwölfzahl bezieht sich dabei zweifellos auf das Apostelkollegium – eine Symbolik, die in den Lämmerfriesen mittelalterlicher Apsismosaiken eine Parallele hat und auch im Adventus- wie im Krönungszug öfter erscheint 655. Mantel, Baldachin und Schimmel werden im Papstadventus von ranghohen Angehörigen der empfangenden Stadt getragen bzw. geführt 656. Sie bilden damit die engste Umgebung des einziehenden Papstes und haben direkten Kontakt mit ihm, wirken also mit bei der Magnifizierung seines natürlichen Leibes und werden auf diese Weise Teil des „politischen Körper“ des Papstes, der Kontinuität und Legitimität des Amtes anzeigt 657.
653 Zum Schirm vgl. Bojcov: Schirm. Zum Baldachin umfassend: Schenk: Zeremoniell, S. 455 – 472. 654 Vgl. den Freskenzyklus in der Kirche SS. Quatro Coronati in Rom. 655 Träger: Papst, S. 111; Hack: Nähe, S. 443. 656 Adventus-Ordo, ed. Dykmans, S. 240 – 241: Item sciendum, quod papam debet adestrare pedes, maior dominus, qui pro tunc idibem erit, – et solus, si sit tante excellentie, ut facere posset dominus dux Sabaudie, – nisi esset ibi alius bene magnus, equalis vel prope, quia tunc unus posset adestrare a dextris, alius a sinistris. Si autem nullus horum ibidem existat, tunc adestrant papam maiores officiarii domini illius civitatis, qui ibi presentes sunt. Si autem hii non sint magne auctoritatis, adiunguntus eis honorabilis homines dicte civitatis. Fimbrias autem pluvialis papae, circumcirca suum equum, teneant quatuor vel sex notabiliores cives civitatis. 657 Für die Unterscheidung der „Zwei Körper des Königs“ vgl. die einflussreiche Studie von Kantorowicz , Ernst: Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, Stuttgart 1992 (Orginalausgabe: The King’s Two Bodies. A Study in Mediaeval Political Theology, Princeton 1957). Ernst, Wolfgang/Vismann, Cornelia (Hg.): Geschichtskörper. Zur Aktualität von Ernst H. Kantorowicz, München 1998. Benson, Robert L./Fried, Johannes (Hg.): Ernst Kantorowicz. Erträge einer Doppeltagung, Stuttgart 1997. Vgl. auch den Überblick dieses „ideengeschichtlichen Paradigmas“, in: Marek, Kristin: Die Körper des Königs. Effigies, Bildpolitik und Heiligkeit, München 2009, S. 103 – 109. Vgl. für die kritisch-sinnvolle Anwendung des Konzepts von den „zwei Körpern“ am Beispiel der Este von Ferrara: Burkart, Lucas: Bildnisproduktion und Herrschaftswahrnehmung am herzoglichen Hof von Ferrara, in: ZHF 25 (1998), S. 55 – 84, S. 59. Zur grundsätzlich anderen Auffassung vom Körper des Papstes:
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Typischerweise gehört zum Abschluss des Zuges die Umkehrung der Magnifizierung des Herrscherkörpers durch die Spoliierung, zumeist von Baldachin und Pferd. Dies gilt nicht allein für den Adventus Papae. Dieser Umkehrungs- bzw. Trennungsritus wird bei fast allen Herrschereinzügen beobachtet und ist nach Bojcov und Schenk historisch-anthropologisch als rite de marge (Trennungsritus) innerhalb des Übergangsrituals rite de passage zu verstehen 658. Im Genfer Ordo von Conzié wird eine Spoliierung freilich nicht erwähnt, was ihren „spontanen Charakter“ unterstreicht 659. Der Spoliierungsakt erhöht die Einmaligkeit und Ephemerität des vorübergehenden Einzugszeremoniells. Das Augenblickliche, Ephemere und Transitorische komme „dort, wo man auf Inszenierung des Ruhms, auf gezielte Wirkung und Gegenwärtigkeit setzt“660, zum Einsatz. Denn das Ephemere, Nicht-Permanente ist nach Walter Benjamin als „gerechter Preis“ für die „wahre Aktualität“ anzusehen 661. Zugleich wird in Berichten stets darauf Wert gelegt, der Zug sei sehr geordnet gewesen, gewissermaßen als Beweis für die Fähigkeit eines Fürsten, Ordnung in die soziale Welt zu bringen. „Die Schönheit einer repräsentativen Handlung muß doch rechtliche Inhalte und Normen der zwischenständischen Interaktion implizieren, und die Unordnung beim Einzug kann kaum etwas anderes als die Verletzung dieser Normen sein“662.
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Paravicini Bagliani: Leib des Papstes. Auch die Kardinäle werden zum Leib des Papstes gehörend aufgefasst, hierzu ebd. S. 73 – 75. Vgl. dazu auch dieses Buch, ab S. 235. Trennungsriten, sog. ‚Rite de marge‘, kennzeichnen als Schwellenriten bei Raumwechseln bzw. als Umwandlungsriten bei Zustandswechseln die Zwischenphase. Am Anfang einer breiten Forschungsliteratur: van Gennep, Arnold: Übergangsriten (Les rites de passage), Frankfurt a. M. 1999 (zuerst 1909), S. 28f. Zu Spoliierung auch Bojcov: Ephemerität, S. 89 und Schenk: Zeremoniell, S. 498. Eine Spoliierung fand auch bei den Bischöfen in den (erz-)bischöflichen Residenzstädten im Rheinland statt und betraf Pferde und Kleidung. Schenk: Zeremoniell, S. 496 – 504, Bojcov: Ephemerität, Anm. 15, vgl. auch Schenk, Gerrit Jasper: Rituelle Beraubung – Volksvergnügen oder Forschungsmythos? Vorgänge um die Einsetzung des venezianischen Dogen im Vergleich mit ähnlichen rites de passage, in: Steinicke, Marion/Weinfurter, Stefan (Hg.): Investitur- und Krönungsrituale, Köln u. a. 2005, S. 321 – 345, S. 333, S. 341 – 345. Diers: Mo(nu)mente, S. 4. Vgl. auch: Tuohy, Thomas: Herculean Ferrara. Ercole d’Este (1471 – 1505) and the Invention of a Ducal Capital, Cambridge 1996, S. 234 – 276, Kapitel 8: The Ephemera of Magnificence. Benjamin, Walter: Ankündigung der Zeitschrift: Angelus Novus, in: Gesammelte Schriften, ed. Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt 1972, Bd. II, S. 241 – 246, S. 246. Bojcov: Ephemerität, S. 88.
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Interpretation des Einzugs in Basel Diese knapp umrissenen Kriterien des typischen päpstlichen Adventus werden im Folgenden dem oben bereits aus den Quellen geschilderten Einzug Felix’ V. in Basel gegenübergestellt. Anhand der beobachteten Übereinstimmungen mit dem römisch- kurialen Zeremoniell, aber auch den Abweichungen von dem Modell sowie den Basler Besonderheiten werden die legitimatorischen Intentionen dieses repräsentativen Aktes abschließend ausgelotet. Dabei ist eine Abstufung einzelner Aspekte sinnvoll: Zunächst sind diejenigen Elemente im Basler Adventus zu benennen, die gemäß dem Normalschema vollzogen wurden und in denen eine Imitatio Romae erkennbar wird. Dann erscheint es zentral, die Anpassungen des päpstlichen Zeremoniells an die lokale Basler Situation festzuhalten. In diesen Fällen kann es sich zwar um Ausformungen des päpstlichen Zeremoniells handeln, eine Imitation Roms ist dies aber nicht mehr. Davon wiederum sind diejenigen Aspekte abzugrenzen, als deren Referenzsystem weder Basel noch Rom erkennbar ist. Als drittes Element legitimationsstrategischer Versicherung treten hier Savoyen bzw. das savoyische Herzoghaus hervor. Das päpstliche Zeremoniell wurde dabei von savoyisch-fürstlichen Repräsentationspraktiken überblendet und wurde auf diese Weise zum Vehikel einer dezidiert savoyischen Repräsentation. Diese drei, zunächst räumlichen Bezugspunkte – Rom, Basel, Savoyen – lassen es zu, auf einzelne Legitimationsstrategien zu schließen. Denn diese Ortsbezeichnungen stellen Chiffren für ganz unterschiedliche Motive, Traditionen, Denkmuster oder auch Handlungslogiken dar. Eine Gesamtschau der zeremoniellen Handlungssequenz des Einzugs Felix’ V. eröffnet dadurch Einsichten in den legitmationsstrategischen Gehalt dieses Adventus Papae am 24. Juni 1440 in Basel. Zunächst zu den genuin römisch-kurialen Elementen des päpstlichen Zeremo niells, die in Basel umgesetzt wurden: Übereinstimmend wird von der Einholung des Papstes vor der Stadt mit den entsprechenden Attributen berichtet: Betont wird dabei etwa das Erscheinen des städtischen Klerus’ mit Reliquien, während Mitglieder des Rates den von der Stadt finanzierten Baldachin und andere Honorationen weltlichen Standes Kerzen und Fackeln trugen 663. Dies entspricht ebenso dem Normalschema wie die Anweisungen des Rats an die Bürger, die Stadt mit frischem Grün und Stoffen zu schmücken. Auch die Anzahl der Pferde und ihr Putz in der zentralen päpstlichen Gruppe des Zuges ist zeremoniellgemäß. Auch der päpstliche Ornat und die ihn 663 Zu Fackeln und Kerzen, die auch tagsüber beim Einzug getragen werden, vgl. Schenk: Zeremoniell, S. 328, Hack: Empfangsprotokoll, S. 325. Zum Basler Münsterschatz vgl. Meles, Brigitte (Hg.): Der Basler Münsterschatz. Ausst.-Kat. Historisches Museum Basel, Basel 2001; Burkart, Lucas: Das Blut der Märtyrer. Genese, Bedeutung und Funktion mittelalterlicher Schätze, Köln u. a. 2009 (Norm und Struktur, 32), S. 302 – 385.
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begleitenden Insignien wie Vortragekreuz, Hostienschimmel, Schirm und Baldachin stimmen mit dem kurialen Zeremoniell überein. Diese zentralen Insignien der päpstlichen Macht wurden weitgehend aus dem antiken Kaiserzeremoniell übernommen und von Felix V. sorgfältig eingesetzt. Gleichwohl zeugt die Einholung durch beide Bürgermeister bereits bei der Katherinenkapelle vor dem Aeschentor offenbar von einem besonders hohen Entgegenkommen der Basler gegenüber Felix V. Üblicherweise fand der Kontakt zwischen Angehörigen der Stadt und dem Einziehenden erst unmittelbar am Stadttor statt 664. Die Gliederungsstruktur des Zuges entsprach weitgehend der römischen Tradition, doch im Detail werden aussagekräftige Abweichungen sichtbar: Den Anfang des Zuges bildeten städtische Bläser und weitere Basler Bürger zu Pferd, ihnen folgten Savoyer, denen sich der erste Teil der päpstlichen Gruppe, die Schirmgruppe mit Schatz und die zwölf reiterlosen Schimmel in roten Schabracken anschloss. Sie wird unterbrochen von der Gruppe des städtischen Klerus’ samt mitgeführtem Münsterschatz. Erst nach ihnen folgte der zentrale päpstliche Abschnitt, die Baldachin-Gruppe. Nach ihnen zog – hierarchisch gestuft – der Konzilsklerus. Den Schluss bildete ein münzenwerfender Angehöriger (Elemosinar) des päpstlichen Haushaltes 665. Die sich an den päpstlichen Einzug anschließende Spoliierung am Basler Münster, wo Felix V. seine neue Residenz bezog, gehörte zwar zum Standardrepertoire eines Herrscheradventus. Die im Vorfeld stattgefundene Absprache zwischen Rat und Konzil weist jedoch auf die spezifische Basler Situation hin. Hier zog eben nicht der Herr über die Stadt ein, sondern der Papst, den das in Basel tagende Konzil acht Monate zuvor gewählt hatte. Doch nicht allein die Spoliierung war auf die spezifische Situation in Basel abgestimmt, am deutlichsten reagierte das päpstliche Zeremoniell auf den konkreten Ort mit der gewählten Wegstrecke durch die Stadt, die dem etablierten Fronleichnamsweg folgte. Diese Anerkennung des von der städtischen Sakralgemeinschaft entwickelten und in steter Praxis erprobten Weges durch die Stadt und an entscheidenen Punkten der Basler Topographie entlang kann nicht als Rom-Imitation aufgefasst werden. Schließlich wird nicht eine andernorts etablierte Route nachgebildet und lokal adaptiert, sondern von Beginn an wurde der lokalen Tradition gefolgt. Der Krönungszug Papst Felix’ V. vier Wochen später zeigt, dass auch andere Wegstrecken denkbar waren. Die unmittelbaren Begleiter des Papstes, die Baldachin- und Mantelträger sowie die Führer seines Schimmels stammten aus der Basler Stadtregierung bzw. waren Reichsfürsten. Für Ordnung und Schutz des Papstes wurden Angehörige der Zünfte 664 Vgl. Lampen: Stadttor, S. 18f.; Schenk: Zeremoniell, S. 278f. 665 Zum Münzwerfen beim Herrscheradventus vgl. Schenk: Zeremoniell, S. 363 – 364. Zum Münzerwerfen beim päpstlichen Krönungszug, dem possesso des Laterans, vgl. Hack, Nähe, S. 461 – 466. Zum Münzwerfer bei dem possesso Felix’ V. in Basel vgl. dieses Buch, S. 217.
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herangezogen. Basler Bürger, darunter Mitglieder des Domkapitels, trugen Kerzen und Fackeln und verbanden sich auf diese Weise mit dem sekundären Herrscherkörper. In abgestufter Weise beteiligte sich auch die am Festzug nicht aktiv teilnehmende Stadtbevölkerung an der päpstlichen Repräsentation, etwa durch Schmückung des Weges, über den Felix V. ritt, sowie den Putz der Häuserwänder mit Tüchern und frischem Grün. Zentralen Anteil am Festzug hatten dagegen die Kinder der Stadt, die mit dem Wappen des Papstes gezierte Wimpel schwingend Felix V. voranschritten und zujubelten. Eine direkte Interaktion zwischen Stadt und Papst fand bei der bereits geschilderten Spoliierung nach Ende des Zuges statt. Die schon erwähnte vorangegangene Verabredung über den Ablauf dieser Aktion macht den rituellen Charakter dieses ‚Gewaltaktes‘ deutlich. Die beiden beteiligten Parteien verfolgten mit der Absprache im Vorfeld die Absicht, eine Beschädigung der kostbaren Paramente zu vermeiden: ubi bonum erit providere, ut non dilanient, prout aliquando factum est 666. So vereinbarte man, dass der Bürgermeister, wie üblich, das Pferd und die Schabracken erhielt, während die weltlichen Diener des Papstes den von der Stadt Basel gefertigten Baldachin an sich nehmen sollten: Letztlich handelte es sich dabei um einen rituellen Gabentausch. Dabei ist es signifikant, dass die Spoliierung mit Objekten vorgenommen wurde, die den Papst unmittelbar umgeben hatten. Die jeweiligen ‚Gaben‘ wurden schon während des Zuges von städtischer Seite partiell in Besitz genommen: Die höchsten Repräsentanten der Stadt trugen den Baldachin, führten das Pferd, hielten Mantel und Schabracke. Dadurch erfuhr einerseits der politische Körper des Papstes gleichsam eine Erweiterung. Andererseits waren Angehörige der städtischen Elite Basels als Baldachin- und Mäntelträger sowie als Zaum-Führer des päpstlichen Pferdes direkt mit zentralen Insignien des Papsttums in Kontakt und aktiv an seiner Magnifizierung beteiligt 667. Dabei handelte es sich freilich nicht nur um eine typische Geste der Ehrerbietung, vielmehr wurden zugleich auch konkrete Anteile am vergrößerten Herrscherkörper in die Hand genommen und damit auch Ansprüche markiert, die dann in der Spoliierung verwirklicht wurden. Im Ehrendienst städtischer Repräsentanten gegenüber Felix V. zeigte sich auf diese Weise auch eine Einschränkung seiner Macht, da nach dem Ende der Adventuszeremonie durch die Spoliierung ebendiese Macht-Träger paritätisch aufgeteilt wurden. Diese Aufteilung geschah dabei nicht zufällig, sondern war abgestimmt. Ob dabei vergleichbare Werte ausgetauscht wurden, muss offen bleiben. Deutlich wird aber, dass Ehrenzeichen und Prozessionsinsignien, die eigene Rangabzeichen darstellen,
666 Konzilsforderungen, S. 219, vgl. dieses Buch, S. 169. 667 Vgl.: Bojcov: Ephemerität, S. 88, bes. zur Magnifizierung der Person durch einen Baldachin, vgl. zum päpstlichen Schimmel auch Kintzinger: Reiter, S. 322 – 331.
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miteinander austauschbar waren. Die vereinbarte gewaltsame Trennung von diesen zentralen und tradierten Zeichen der Macht kennzeichnet den Übergangscharakter und Passagemoment der Jouyeuse Entrée, des Adventuszeremoniells. Auch wenn die Papst-Krönung in zeitlicher Verzögerung zum Einzug stattgefundet hat, so zog Felix V. in Basel ein, um dort zum Papst gekrönt zu werden und damit einen Statuswechsel zu vollziehen. Des Baldachins und Pferdes beraubt konnte er nun gewissermaßen mittellos und ortsungebunden – schließlich war er nun ohne eigenes Transportmittel – den neuen Rang einnehmen. In der Spoliierung fand letztlich eine Konversion der Herrschertugenden humilitas und magnificentia statt. Beide stellten zentrale Größen für den fürstlichen wie auch für den päpstlichen Herrscherkörper Felix’ V. respektive Amadeus’ VIII. dar. Beim Einzug des Papstes traten als Akteure der Papst sowie die Repräsentanten der Stadt auf, die auf vielfältige Weise im Umfeld des Papstes Ehrendienste als Stratoren und Baldachinträger versahen. Während in der savoyischen Quelle dann vor allem die Angehörigen des päpstlichen Herrscherhauses aufmerksam beschrieben wurden, blieben Konzilsteilnehmer, die sich als eigentliche Kreatoren des Papstes verstanden, weitgehend anonym und unscheinbar. Einzige Ausnahme bildeten dabei die beiden Kardinäle Aleman und de Varambone. Hier ist deutlich zu beobachten, dass nach Basel kein konziliarer Papst einzog, sondern ein savoyischer 668. Der prägende savoyische Anteil des Zuges lässt sich bereits an den präsentierten Wappen und den spezifischen Farben des Hauses erkennen 669. Auffällig deutlich wurde mit den genannten 300 Reitern, mit den ihnen voranziehenden 400 Wappenschildträgern und 300 Trompetern die militärische Potenz des Herzogtums Savoyens betont. Die reale Machtdemonstration war damit höfisch dekoriert. Neben dem Sohn des Papstelekten und den ihn insgesamt begleitenden 300 Rittern umfasste die päpstliche Entourage auch besonders reich geschmückte Adelige zu Pferd, die als betont ritterlich beschrieben wurden: Douze pages gentilshommes sur douze corsiers beaux et richement harnachiés de toutes riches doreures, lesdits pages habilliés d’une façon et tres-bien chevauchants 670.
668 Vgl. Paravicini Bagliani: Félix, S. 17: „Félix V. entre à Bâle pour se faire couronner pape par le concile, un peu comme un pape des Etats de Savoie.“ 669 Unter den savoyischen Adeligen tragen 30 die grüne savoyische Hoflivree mit der Falkendevise des Herzogs, die extra für Einzug und Krönung in Basel angefertigt und dem Hofstaat zu Verfügung gestellt wurden. Vgl. Pibiri: Consécration, S. 285, AST, Inv. 16, 86, fol. 189v: Cy s’ensyt l’ovrage de brodure fait per mestre Estivent le brodeur pour mon tres redoubté seigneur le duc de Savoye. Et premierement quant nostre siant pere partit de Losanne pour aller a Bale: XXX roubes de laz livreaz du foucon, livré a Guillaume de Avanchier chascune fasson de lesdictes roubes vallan X ducas, ordonné pour monseigneur le mareschal de la Morea, ledit Guillaume d’Avanchier et pour le tresorier, valent : IIIc. 670 Joyeuse Entrée, ed. Dykmans, S. 283.
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Neben den zur Casa Savoia wie auch zum Papsttum gehörenden Farben Rot und Weiß wurde vor allem viel Gold gezeigt und damit auch auf den Reichtum des Herzogtums verwiesen. Mit den 24 bekränzten, weiß gekleideten savoyischen Bogenschützen vingt-quatre archiers de mondit sieur le comte, armés toutes blans de salades sur leurs testes, richement portans leurs espees enceintes sur leurs flancs, et par dessus n’eut onques qu’orfevreries 671 spielte man in Zahlen und Bildern deutlich auf die im Einzug ohnehin präsente Apokalypse an: Dieser Abschnitt des Zuges bildete in hybrider Form gewissermaßen eine savoyische Apokalypse ab. Im Einzug Felix’ V. war durch die vielfältigen Anklänge und Aufnahmen des apokalyptischen Zeichenarsenals das messianische Element ausgesprochen präsent, so etwa bei den 24 bekränzten Bogenschützen oder dem päpstlichen Schimmel. Diese Verweise auf die Apokalypse gehörten zum Adventus, gleichwohl häufen sie sich in den jeweiligen Schilderungen des Einzugs nach Basel im Vergleich etwa zu den Papsteinzügen auf dem Konstanzer Konzil. Ein Grund mag in der besonderen Affinität der Casa Savoia zur Apokalypse und seiner Bildsprache liegen, wie dies etwa in einer von Amadeus VIII . in Auftrag gegebenen, aufwendig illuminierten Handschrift deutlich wird 672. Auffällig ist darüber hinaus, dass nicht die päpstlichen Elemente des Zuges auf die Apokalypse anspielten, sondern diejenigen des savoyischen Herzogshauses. Die Magnifizenz des Herrschers stellt eine der zentralen Kategorien für die Analyse von Legitimationsstrategien dar, so dass es lohnt, sich Art und Weise der Aneignung des Stadtraumes, auch des politischen Raumes, zu vergegenwärtigen. Farben und Stoffe, in die Pferde und Untertanen eingekleidet waren, kennzeichneten den politischen Körper der Herrschers, der von Angehörigen der städtischen Eliten begleitet und durch sie und den von ihnen berührten magnifizierenden Zeichen wie Baldachin, Mantel und Schimmel erweitert wurde. Der auf diese Weise in seiner Oberfläche erheblich vergrößerte, politische Körper Felix’ V. griff letztlich über den „natürlichen Leib des Herrschers“ hinaus 673. Damit eignete sich die savoyische Gruppe in vielfältiger Weise
671 Joyeuse Entrée, ed. Dykmans, S. 282, 283. Die 24 Ältesten in der Apokalypse sind ebenfalls ganz in weiß gewandet und tragen Kronen anstelle der hier genannten Kränze (salades), Offb. 4,4. Auch Johannes von Segovia erwähnt die Bogenschützen, da sie offenbar besonderen Eindruck machten. Vgl. MC III, S. 479: […] nato suo, comite Gebennarum, in preciosissimo apparatu architenencium aliorumque armatorum. 672 Zur sog. ‚Apokalypse des El Escorial‘ vgl. Rivière Ciavaldini: Imaginaires de l’Apocalypse,, bes. das Kapitel: Amédée VIII de Savoie: un souverain apocalyptique, S. 281 – 303. Zum Maler Jean Bapteur (mit weiterführender Literatur) vgl. Saroni: Biblioteca, S. 78 – 94. Vgl. zu den Ambitionen Amadeus’ VIII., eine gottgefällige Gesellschaft zu verwirklichen, dieses Buch, S. 54. 673 Burkart: Bildnisproduktion, S. 59.
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das genuin päpstliche Zeichenarsenal an und integrierte sich damit nicht nur in den politischen Körper des Papstes, sondern überblendete ihn partiell. Der fürstliche Gesamtkörper des Papstes Felix V. schloss nicht nur wertvolle Gegenstände, sondern auch Pferde und Höflinge mit ein, die ihn beim Einzug nach Basel begleiteten. Besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei die farbliche Einkleidung der Pferde und ihre Anzahl, die als Wahrnehmungsmuster von Herrschaft einzuschätzen sind 674. Es fällt dabei auf, dass savoyische und päpstliche Zugabschnitte kaum getrennt waren: Nach den apokalyptischen Bogenschützen zog der Graf von Genf, Sohn Felix’ V., gemeinsam mit zwölf festlich gerüsteten Rittern, deren Schimmel goldenes Zaumzeug trugen 675. Sie bildeten im Zug die savoyische Analogie zu den zwölf reiterlosen Schimmeln, die gemeinhin als Referenz auf die zwölf Apostel verstanden werden. Neben diesen visuellen und kinästhetischen Elementen des Zuges sollte kurz auf die akustische Raumaneignung verwiesen werden, da nicht nur Glockengeläut und Jubelrufe vermerkt sind, sondern auch eine große Anzahl von Trompetern: Für die städtische Seite sind 400 Trompetenspieler angegeben und für den savoyischen Zugabschnitt nochmals die gleiche Anzahl. Es ist unklar, ob diese Zahl als realistisch einzuschätzen ist. Es könnte sich auch um eine fiktive Zahlenangabe handeln, um die große Lautstärke zu beschreiben 676. Damit einher geht zugleich auch eine Beschreibung der Zahl der Anwesenden insgesamt. Denn generell gilt „je größer die Öffentlichkeit“ war, „desto lauter musste die Musik sein, um überhaupt gehört werden zu können“677. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass beim Einzug Felix’ V. in Basel das päpstliche Zeremoniell weitgehend eingehalten wurde und es zugleich gelang, die lokalen Eliten unmittelbar an den repräsentierten „politischen Körper“, respektive den sekundären „Herrschaftskörper“ Felix’ V. zu binden. Darüber hinaus – und in Abweichung vom Standard-Papstempfang – demonstrierte das savoyische Herrscherhaus bei diesem 674 Es geht hierbei um den politischen und nicht um den natürlichen Körper des Herrschers nach dem Konzept Kantorowicz’, vgl. Burkart: Bildnisproduktion, S. 86. 675 Joyeuse Entrée, ed. Dykmans, S. 283: Douze pages gentilshommes sur douze corsiers beaux et richement harnachiés de toutes riches doreures, lesdits pages habilliés d’une façon et tres-bien chevauchants. 676 Vgl. Zak: Musik, S. 127 – 137. Zak belegt mit vielen Beispielen, dass Trompetenspiel und Glockengeläut einerseits ein zentrales Element bei festlichen Anlässen war, andererseits immer auch ein kriegerisches und rechltiches Signal blieb. Vgl. auch Ernst, Fritz: Die Spielleute im Dienste der Stadt Basel, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 44 (1945), S. 80 – 236. Dazu auch Bölling: Musik, S. 232 – 241, zum Einsatz von Trompeten beim Einzug eines auswärtigen Herrschers bes. S. 239 – 241. 677 Leopold, Silke: Der politische Ton. Musik in der öffentlichen Repräsentation, in: Kintzinger, Martin/Schneidmüller, Bernd (Hg.): Politische Öffentlichkeit im Spätmittelalter, Ostfildern 2011 (VuF, 75), S. 21 – 39, S. 24.
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ersten Auftritt in Basel seine finanzielle wie auch militärische Potenz. Durch die deutliche Überblendung der savoyischen mit den päpstlichen Insignien und Z eichen sowie eine starke Analogiebildung mit dem Neuen Testament beabsichtigte und erwirkte es eine Erhöhung der Casa Savoia. In der raumaneignenden Gesamtheit aller Glieder des sekundären Herrschaftskörpers wurden spezifische Zeichen wie Wappen, Farben und Devisen gezeigt und dadurch der Anspruch auf Herrschaft formuliert. Der in dieser Weise repräsentierte politische Körper demonstrierte Kontinuität und Legitimität der Herrschaft, die im Falle Felix’ V. jedoch nicht eindeutig nur eine päpstliche, sondern in expliziter Weise auch eine fürstlich-dynastische Herrschaft war. Er zog nicht nur als Papst, sondern auch als savoyischer Fürst in das geschmückte Basel ein, das jedoch keineswegs zu seinem Territorium gehörte. Gegenüber dem Konstanzer Beispiel fällt beim Einzug Felix’ V. die Veränderung der üblichen Reihenfolge durch die starke Präsenz von Angehörigen des savoyischen Adels auf; eine so große und zudem mit Wappen, Trompeten und Kostümen herausgehobene Gruppe Bewaffneter ging weit über den Rahmen des Konstanzer Vorbildes hinaus. Da Richental in seiner Chronik die jeweilige Ausstattung und insbesondere Kleidung und Insignien stets stark betonte und Elemente oft einzeln benannte, kann davon ausgegangen werden, dass beim päpstlichen Einzug in Basel der savoyische Anteil exzeptionell war und als solcher auch wahrgenommen wurde 678. Die Stadt Basel bot ihrerseits dasjenige auf, was anlässlich des Einzuges eines Papstes erforderlich war. Städtische Gremien übernahmen die Organisation, es wurde Geld für Geschenke, Wein, Hafer, Baldachin, aber auch Ausbesserung der Wege und Plätze Basels aufgebracht. Die städtische Bevölkerung nahm durch ihre Präsenz auf den Straßen und in den Fenstern der Häuser, die jubelnden Kinder, den Hausschmuck etc. aktiv am Adventus Felix V. teil. Die gesamte Stadt, weltlich wie geistlich, repräsentierte sich beim Empfang außerhalb der Stadt, während der Prozession durch die Stadt und in der Schlusssequenz, der Spoliierung. Fortwährend trug sie dabei den Münsterschatz mit sich, die „schillerndste Repräsentation der Stadt […] umso mehr als sich damit Herrschaft und deren sakrale Legitimation schlechthin verband“679. Die Einbindung der Bevölkerung stellt für Sieber-Lehmann das zentrale Argument für die im Einzug nach Basel stattgefundene Imitatio Romae dar, doch wird nach dieser Analyse deutlich, dass es allein durch die weitgehende Einhaltung des päpstlichen Adventus-Schemas noch nicht gelang, Rom an den Rhein zu verlegen 680.
678 Vgl. zu dem Einzug des Herzogs Ludwig in Basel am Vorabend der Papst-Krönung dieses Buch, S. 201. 679 Burkart: Blut, S. 323. 680 Vgl. Sieber-Lehmann: Basel, S. 196 – 198 und S. 204: „Nach dem Ende der Festlichkeiten wurde das Rom am Rheinknie wieder zur Stadt Basel.“
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Schlussfolgerungen Der Einzug des Basler Gegenpapstes in die Stadt seiner Kreatoren, die Konzilsstadt Basel, war vielfach symbolisch aufgeladen. Es soll hier versucht werden, aus Erscheinung und Repräsentation Felix’ V. in seinem Adventus den Entwurf seines Papsttums herauszulesen. Am 24. Juni 1440 fand nicht der Einzug eines „konstitutionellen Papstes“ statt, der sich in seiner zeichenhaften Machtdemonstration vom tradierten Bild abgehoben und dem Konzil und seinen Vorschriften untergeordnet hätte. Vielmehr machte das Konzil in Übereinstimmung mit dem Papst der empfangenden Stadt Basel detaillierte Vorschriften, wie der Einzug zu verlaufen habe. Basel solle den Papst honorifice suscipere et magnifice honorare, also ehrenvoll empfangen und auf das höchste ehren. Dies war auch Sinn und Zweck des aufwendigen Dekors der Stadt und seiner Bewohner – ad decorem et eciam honorem domini nostri 681. Damit wird deutlich, welche zentralen Kategorien im Dekor und in der Ausstattung der zeremoniellen Akte der Einholung und des Einzuges des Papstes respektive des Herrschers sichtbar werden sollten. Sie sind einerseits Zeichen der Ehrerbietung gegenüber Herrschern, zugleich aber hat sich auch der Fürst selbst in seiner Magnifizenz zu präsentieren. In der äußeren Erscheinung zeigten sich nicht nur Macht, Status und Herrschaftanspruch, vielmehr entstanden diese erst, wenn ihre Zeichen unwidersprochen getragen und gezeigt werden konnten. Deshalb ist die erstmalige Aneignung vormals fremder Zeichen ein so entscheidender Moment: In dieser Situation, sofern sie störungsfrei verlief, wurde Herrschaft konkludent anerkannt und damit konstituiert. Das päpstliche Zeichenarsenal wurde Felix V. nun von zwei Seiten zugeeignet: Durch den Empfang gemäß dem überkommenen Brauch des römischen Zeremoniells erkannte Basel, Stadt und Klerus, Felix V. als Papst an. Dann wurde er von Seiten des Konzils regelgemäß und uneingeschränkt als Papst eingeholt und in seinen Palast geführt. Das Konzil, vor allem aber die Stadt, bewahrten durch die Einholung vor den Toren Basels, durch Schmuck der Häuser und mit Stoffbahnen bedeckte Straßen in passenden Farben, durch Freudenfeuer und Glockengeläut sowie helltönende Kinderstimmen, durch Baldachin und Stratordienst auf vielfältige Weise Traditions- und Kontinuitätslinien: Bis zu einem gewissen Grad wurde in Basel ein überörtliches Rom inszeniert. Das gilt für den Stadtraum wie auch für den Papstpalast selbst. Gleichwohl trug man der konkreten Situation in Basel in verschiedener Hinsicht ebenfalls Rechnung. Während sich Konzil und Stadt also der päpstlichen Tradition durch eine „ordnungsgemäße“ Ausführung des päpstlichen Adventuszeremoniells am 24. Juni 1440
681 Konzilsforderungen, S. 219.
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weitgehend beugten, verhielten sich Felix V. und sein Haus in deutlich anderer Weise. Der politische Körper des Papstes, der sich im Adventus-Zug vollständig zeigte, setzte sich eben nicht nur aus den von Stadt und Konzil gewährten Symbolen des traditionellen Papsttums zusammen. Der Basler Einzug wich von anderen päpstlichen Einzugszeremonien durch seinen herausgehobenen savoyischen Anteil ab. Savoyen ergänzte den politischen Körper des Papstes auf signifikante Weise. Nur mit der Unterstützung der relativ jungen herzoglichen, savoyischen Macht, ihren finanziellen und militärischen Mitteln und ihrem Prestige konnte dieses riskante Schisma überhaupt aufrechterhalten werden – folgerichtig hatte dies Piccolomini bereits während des Wahlverfahrens als entscheidenden Wahlgrund angeführt. Diese savoyische Papstkonzeption wurde in Basel repräsentiert, so dass hier zwei zentrale Elemente im Mittelpunkt standen: römische Tradition und savoyische Macht. Mit ihrer Repräsentation im Papstadventus manifestierte die Casa Savoia deutliche Machtansprüche und nahm den künftigen Charakter des Pontifikats symbolisch, vor allem visuell, durch die große Zahl der savoyischen Teilnehmer am Zug auch kinästhetisch und durch die mitgebrachten eigenen Trompeter vermutlich auch akustisch vorweg: Felix V. würde ein savoyischer Papst sein. Darüber hinaus erscheint im Adventuszeremoniell die Machtvollkommenheit des Papstes, die plenitudo potestatis, ungebrochen und unangefochten. Und eben dieses überkommene, von konziliaren Einschränkungen etwa der finanziellen Mittel völlig unberührte, päpstliche Zeichensystem wurde savoyisch überblendet bzw. savoyisch ergänzt. Damit präsentierte sich die reale und materielle Abhänigkeit des Konzils vom Papst aus Savoyen unverhüllt und eindeutig. Zugleich wurde dieses noch junge Fürstentum durch die symbolische Pracht der universalen kirchlichen Leitungsinstanzen Konzil und Papst universal erhöht. Das päpstliche Zeichenrepertoire steckte gewissermaßen in einer savoyischen Hülle, und damit stellte sich das savoyische Herrscherhaus zugleich an die Spitze der Hierarchie. Mit Verweisen auf die Apokalypse und Übernahmen aus dem Kaiser- respektive Papstzeremoniell zog der savoyische Papst Felix V. durch seinen Aufstieg den gesamten poltischen Körper des Herzogs, und damit ganz Savoyen, auf den höchsten universalen Thron – die Cathedra Petri. Das konziliare Moment hingegen blieb geradezu unsichtbar: Aus den äußeren Formen ist auf das in Basel veränderte Machtverhältnis von Papst und Konzil nicht zu schließen. Vielmehr sind es gerade die konziliaren Quellenzeugnisse, die die Einhaltung des kurialen Zeremoniells betonen – die theologische Deutungshoheit hat sich, abgesehen vom Siegelbild, nicht in visuellen Repräsentationsmedien entfalten können. Darüber hinaus ist es nicht bekannt, ob diese savoyische Herrschaftsmanifestation im Papsteinzug Kritik hervorgerufen hat. Zumindest kann aber die Mahnung des Freisinger Generalvikars Johannes Grünwalders in seiner Predigt eine Woche vor der Krönung Felix’ V. non transgrediaris terminos, quos
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constituerunt patres tui als eine Reaktion auf die savoyische Präsentation verstanden werden 682. Mit dieser Predigt ermahnte Grünwalder Felix V. unter Verweis auf seinen Vorgänger, „die vom Konzil erlassenen Dekrete zu beachten, die auch für ihn bindend seien“683. Bei der Krönung Felix’ V., die vier Wochen nach dem Einzug stattfand, war der Einfluss der Konzilsväter deutlicher zu spüren als im Adventus des Papstelekten in Basel. Noch war offenbar das Machtverhältnis zwischen savoyischem Papst und Basler Konzil nicht ausbalanciert. Es erscheint dabei nicht abwegig, dem hohen Aufwand, mit dem sich der Papstelekt und sein Haus in diesem Einzug präsentierten, die Absicht zu unterstellen, durch ostentative Pracht den theologisch prekären Status des Basler Papstes zu kompensieren 684.
3.3 Die Papstkrönung auf dem Basler Münsterplatz Wie bereits bei der Wahl, der Immantation und beim Papst-Adventus wurde auch bei der Krönung sehr darauf geachtet, die Vorgaben des kurialen Zeremoniells einzuhalten und damit den sichtbaren Einklang mit der göttlichen Ordnung zu demonstrieren. Für die Krönung Felix’ V. ist kein eigener Ordo überliefert. Einzelheiten über den Krönungsakt teilt jedoch Enea Silvio Piccolomini dem Konzilschronisten Johannes von Segovia in einem ausführlichen Brief vom 13. August 1440 mit; Segovia selbst befand sich damals in Bourges 685. Die Protokolle Jacob Hüglins ergänzen den Bericht Piccolominis an mancher Stelle: daneben geben die Anweisungen des Rats an die städtische Bevölkerung im Rufbuch der Stadt Basel wertvolle Hinweise über den Verlauf des Krönungszugs und die festliche Dekoration der Stadt 686. Gleichwohl stellen sie keine Zeremoniellanweisung im Sinne eines Ordos dar. Auch die rückblickenden, historiographischen Berichte lassen nicht durch wörtliche Übereinstimmungen auf römische Zeremonialtexte schließen, die als Vorbild herangezogen wurden. Gleichwohl
682 CB VII, S. 204: […] et dirigens verba sua ad dictum dominum nostrum narravit tribulaciones, quas perpessa est ecclesia ex eo, quod papa non obedivit decretis sacrorum conciliorum, exhortando dictum dominum nostrum pro observacione eorundem, adducens auctoritates, per quas idem dominus noster ad hoc astringitur. 683 Müller, Werner: Herzog Wilhelm III. von Bayern-München und Johann Grünwalder am Konzil von Basel (1431 – 1449), in: Oberbayerisches Archiv 129 (2005), S. 153 – 188, S. 178. 684 Vgl. zu dieser Frage: Steinicke, Marion: Politische und artistische Zeichensetzung. Zur Dynamik von Krönungs- und Investiturritualen, in: Steinicke/Weinfurter (Hg.): Investitur- und Krönungrituale, S. 1 – 26, S. 25. 685 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 105 – 109. 686 CB VII, S. 212 – 215.
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weist insbesondere Piccolomini vielfach implizit und explizit auf die Einhaltung der kurial-römischen Vorschriften hin 687. Das Krönungszeremoniell in Basel musste sich für die Wahrung der römischen Tradition an den vorangegangenen Krönungen orientieren, die ihrerseits schriftlich fixierten Ordines gefolgt waren. Als Vorbilder für die Basler Krönung gelten die in den verschiedenen Ordines seit Gregor X. niedergeschriebenen Regelungen, die wiederum ältere Vorschriften aufgenommen haben. Der sog. Ordo Romanus XIII Gregor’ X. von 1272/78 gilt als die instruktivste und modellhafte Anweisung für das päpstliche Krönungszeremoniell 688. Die darin enthaltenen Bestimmungen beziehen sich explizit auf Krönungen außerhalb Roms, da der Ordo offenbar nach der Ankunft Gregor’ X. in Viterbo am 10. Februar 1272, aber noch vor der Entscheidung, die Krönungszeremonie in Rom abzuhalten, abgefasst wurde. Maßgeblich für das Krönungszeremoniell des 14. und 15. Jahrhunderts bis zu seiner Kodifizierung wurde Ordo Romanus XIV, der die Krönung von der Benediktion in St. Peter bis zum abschließenden Bankett im Lateran beschreibt und in dem verschiedene Vorlagen miteinander verwoben wurden. Dieser Ordo ist vor allem bei den Krönungen von 1335 und 1342 in Avignon angewandt worden. Es wurde darin eine Vorlage integriert, die den Ablauf der Krönung Johannes’ XXII. am 5. September 1316 in Lyon festgehalten hat 689. Neben Ordo XIII. Gregors X. (1272/78) ist in diesen „avignonesischen“ Ordo XIV auch ein weiterer, auf die lokale Situation in Rom abgestimmter Ordo eingeflossen – mit dem Ergebnis, dass ganz spezifisch römische Bedingungen in Avignon adaptiert wurden. Die dortigen Krönungen selbst fanden vor der Fertigstellung des päpstlichen Palastes in Lyon statt 690. Aufgrund dieses Text-Arrangements eignete sich Ordo XIV für Krönungen außerhalb Roms. Nach den Krönungen in Avignon und derjenigen Martins V. in Konstanz spielte er selbst noch für den Krönungsordo von Pius II. 1458 in Rom eine zentrale Rolle 691. Neben dem steten Vorbild des Konstanzer Konzils ist es für die Kenntnis 687 Vgl. MC III, S. 494 über die Notwendigkeit, die vorgeschriebenen Kardinalsränge zu besetzen, pro complemento dicti officii […]. Vgl. dazu dieses Buch, S. 234, und zu Enea Silvio Piccolomini als Biograph Felix’ V. S. 86. 688 Ordo Romanus XIII, ed. Marc Dykmans: Le cérémonial papal de la fin du moyen age à la Renaissance, Bd. I, Brüssel/Rom 1977, S. 155 – 218. 689 Schimmelpfennig: Krönung, S. 196, Dykmans: Cérémonial, Bd. II, S. 290 – 325. 690 Schimmelpfennig, Bernhard: Papal Coronations in Avignon, in: Bak, János M. (Hg.): Coronations. Medieval and Early Modern Monarchic Ritual, Berkeley u. a. 1990, S. 179 – 196, S. 183, Dykmans: Cérémonial, Bd. II, S. 301. 691 Schimmelpfennig: Krönung, S. 197 und Schimmelpfennig: Coronations, S. 184. Edition des Ordo XIV, in: Dykmans: Cérémonial, Bd. II, S. 275 – 287; der Krönungsordo Martins V. in: Dykmans: Cérémonial, Bd. III, S. 462 – 473, der Krönungsordo Pius’ II. in: Schimmelpfennig: Krönung, S. 257 – 266.
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über die Basler Krönung 1440 zentral, dass Pius II./Enea Silvio Piccolomini bei der Krönung Felix’ V. anwesend war und an ihr mitwirkte. Selbst noch in den Commentarii erwähnt er, dass dort die üblichen Formen eingehalten wurden 692. Somit kann mit einiger Wahrscheinlichkeit für die Krönung in Basel vermutet werden, dass man sich dort am Ordo XIV orientiert hat. Es stellt sich jedoch jenseits der zeremoniellen Bedeutung der Krönung die Frage, wie die Rolle der Papstkrönung für das Amtsverständnis des römischen Bischofs zu bewerten ist. Mit der legitimen Wahl und ihrer Annahme ist der Papst bereits Papst 693. Ist also das Krönungs-Zermoniell rechtlich überhaupt bedeutsam gewesen? Warum drängten dann die Basler Konzilsväter Felix V. so sehr, endlich in Basel zu erscheinen und sich krönen zu lassen, wenn durch Annahme und Immantation doch eigentlich die entscheidenden rechtlichen Schritte schon unternommen worden waren? Welcher der einzelnen zu vollziehenden Akte bei der Papstkreierung nun der wirkmächtigste gewesen ist, lässt sich nicht ermitteln. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass erst die „Gesamtheit aller Akte die qualitative Veränderung bewirkte“694. Doch sollte nicht unterschätzt werden, dass mit dem Krönungstag der jeweilige Pontifikat in administrativer Hinsicht erst begann und entsprechend auch datiert und der Titel gebraucht wird. Zum vollgültigen Papst wurde der römische Bischof erst mit der Krönung, was sich z. B. durch Benutzung der Halbbulle, die ein bindendes Rechtszeichen bis zur Krönung ist, zeigte und für Felix V. besonders gut nachgewiesen ist. Mit einer sogenannten Halbbulle wurden die Urkunden Felix’ V. in dem Zeitraum zwischen der Wahl und seiner Krönung gesiegelt. Auf ihr befand sich nur die Siegelseite mit den Häuptern von Petrus und Paulus, jedoch noch nicht diejenige mit dem individuellen Papstnamen, die erst nach der Krönung hinzugefügt wurde 695. Im Folgenden soll zunächst der Ablauf der Krönung Felix’ V. gemäß den zur Verfügung stehenden Quellen rekonstruiert und dabei zum einen die legitimierende
692 Piccolomini, Commentarii, ed. Tortaro, Buch VII., S. 1406: Caerimoniae cunctae servatae sunt. 693 So die Argumentation von Prodi: Sakrament, S. 170: „Was zählte, war längst die Wahl und also die sich darauf beziehenden (beschworenen) Abmachungen; die Krönung dagegen glitt vollkommen in der Hintergrund, desgleichen der Eid an den Papst.“ 694 Schimmelpfennig: Krönung, S. 255. 695 Schneider, Hans: Die Halbbulle Felix’ V. Zur Imitation kurialen Kanzleibrauchs in der Basler Konzilskanzlei, in: AHC 17 (1985), S. 457 – 463, mit ihrem Gebrauch meint Schneider (S. 457) „das angestrengte Bemühen der Basler Konzilskanzlei“ zu erkennen, „alle Besonderheiten in den Bräuchen der apostolischen Kanzlei möglichst penibel zu befolgen“. Auch werde darin deutlich, wie tiefgreifend in der Basler Konzilskanzlei die Kenntnisse über römische Kanzleibräuche waren.
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Absicht dieses zeremoniellen Aktes herausgestellt werden und zum anderen gezeigt werden, welche Handlungsweisen und Instrumente legitimationsstrategisch eingesetzt wurden. Abermals stellen sich auch Fragen zur Imitation Roms in Basel, zur Rolle des savoyischen Fürstenhauses sowie nach dem spezifisch konziliaren Anteil im Zeremoniell.
Vorbereitungen der Krönung von konziliarer Seite Nach der Ankunft des Papstes konzentrierte sich auf konziliarer Seite alles auf die Organisation der Krönung. Die Leitung des entsprechenden Ausschusses hatten der Bischof von Vich, Georg von Ornos, und Bischof Guglielmus von Vercelli, der Abt von Abondance, François Ducrest OESA und Johannes von Bachenstein inne 696. Am 11. Juli 1440 wurde in der Deputation pro reformatorio beschlossen, dass Kardinal Aleman, Kardinalpriester von S. Cecilia, während der Krönung als Kardinalbischof von Ostia handeln sollte, um den Papst gemäß dem römischen Zeremoniell krönen zu können 697. Zudem wünschte die deputatio pro communibus den Zusatz, der Papst werde auctoritate universalis ecclesie gekrönt, und das Zeremoniell sei nötigenfalls zu ergänzen. Sie empfahl auch, aus jeder Deputation einen Kardinal ernennen zu lassen, um die Würde der Krönung zu steigern 698.
696 Johannes von Bachenstein (ca. 1400 – 1467) war Dr. decr. und Archidiakon, bis 1439 Gehilfe von Ludwig von Teck, Patriarch von Aquileja († 1439), vgl. zu Bachenstein, der dienstälteste Konzilsvater, der zudem die meisten Ämter bekleidete: Helmrath: Basler Konzil, S. 62, Anm. 166. 697 Die besondere Stellung der Kardinalbischöfe mit dem Bischof von Ostia an der Spitze des Ordos leitete sich aus ihrer Funktion während der Papstvakanz her. Dem Kardinalbischof von Ostia kam aufgrund seiner Funktion als Papstcoronator eine herausgehobene Stellung zu, er war nicht nur primus inter pares, sondern er übertraf „alle übrigen Kardinäle durch die mit seinem Titel verbundenen Aufgaben: dignitas ist hier klar an eine Funktion gekoppelt“, so: Lützelschwab, Ralf: Flectat cardinales ad velle suum? Clemens VI. und sein Kardinalskolleg. Ein Beitrag zur kurialen Politik in der Mitte des 14. Jahrhunderts, München 2007 (Pariser Historische Studien, 8), S. 30, Anm. 62. 698 CB VII, S. 205: Super avisamento dominorum de reformatorio de creando reverendissimum dominum cardinalem Arelatensem in episcopum cardinalem pro honore consecracionis domini nostri etc. placuit huiusmodi avisamentum, et quod sit episcopus Ostiensis. Et addidit sacra deputacio pro communibus, quod ipse dominus noster auctoritate universalis ecclesie consecretur et suppleantur cerimonialia, si quis defectus interveniret in eisdem. Et quod supplicetur ex parte sacre deputacionis domino nostro, quatenus pro honore dicte sue coronacionis debeat de singulis deputacionibus ad minus creare unum cardinalem.
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Dies geschah jedoch nicht. Nach Beschluss der Generalkongregation vom 23. Juli 1440, dem Vortag der Krönung, oblag die gesamte zeremonielle Ausgestaltung den beiden anwesenden Kardinälen Louis Aleman und Louis de Varambone 699. Louis Lapalud war von Felix V. bereits im April 1440 zum Kardinalpriester von S. Susanna erhoben worden und nannte sich fortan de Varambone 700. Nach den Protokollen Hüglins wurde die zeremoniell-organisatorische Leitung offiziell erst kurz vor Beginn der Krönung Kardinal Aleman als ranghöchstem Kardinal, Kardinalbischof von Ostia, übertragen, doch er hatte die Vorbereitungen, die den gesamten Juli andauerten, bereits dominiert. Zugleich wurde Kardinal de Varambone zum Prior der Kardinaldiakone ernannt. Er war damit der Tradition nach Hüter des Zeremoniells. Zugleich bildete er dadurch gewissermaßen ein personelles Gegengewicht zu Kardinal Aleman, und so wurde auf diese Weise eine zeremonielle Doppelspitze etabliert 701. Johannes von Segovia berichtet hingegen lediglich, dass den Kardinälen Aleman und de Varambone die zentralen Aufgaben während der Krönung, also consecratio und coronatio, zukamen und die Reihen der Kardinalpriester und Kardinaldiakone mit weiteren Erzbischöfen und Bischöfen aufgefüllt worden waren 702. Der hier offen
699 CB VII, S. 208: 18. Juli 1440: Cum consecracio domini nostri Felicis V. in Romanum pontificem electi instet de proximo celebranda et quamvis huiusmodi consecracio secundum statuta sanctorum patrum esset fienda per episcopos cardinales quorum numerus hocie deficit, cumque idem dominus noster electus ab universali ecclesia et ipsa electio per ipsam ecclesiam confirmata sit, visum est sacre deputationi pro communibus, quod huiusmodi consecracio fienda committatur reverendissimis dominis Arelatensi et de Varambone cardinalibus, qui habeant potestatem convocandi assumendi et associandi sibi episcopos in consecracione fienda et aliis necessariis et oportunis, et quascunque personas alias, que interesse habeant, pro illo numero, de quo eis videbitur oportunum, cum supplecione omnium cerimonialium et aliorum, que alias debuissent in predicta consecracione intervenire, ex certa sciencia et auctoritate predicta, committendo eisdem omnia, sine quibus predicta fieri non possunt. S. 211, 23. Juli 1440: Concordant omnes sacre deputaciones in avisamento sacre deputationis pro communibus, quod sequitur: Cum consecracio domini nostri Felicis V. in Romanum pontificem electi instet de proximo celebranda et quamvis huiusmodi consecracio etc. (quere de verbo ad verbum ante in actis diei lune XVIII. mensis julii.) Et fuit conclusum in forma. 700 Siehe dieses Buch, S. 237. 701 CB VII, S. 210 – 212, Beschluss der Generalkongregation vom 23. Juli 1440. 702 MC III, S. 496: Post vero notificationem predicti salvi conductus, in eo mencione facta, „eciam si preeminencie papalis“ attencius patres intendere super materia fiende coronacionis concessa potestate Arelatensi et de Varambone cardinalibus, ut pro complemento dicti officii ex prelatis assumerent suppleturos officia presbiterorum et dyaconorum cardinalium, prout fecerunt Tarentasiensem archiepiscopum, Dertusensem, Vicensem, Maurianensem, Vercellensem, Lausanensem et Basiliensem episcopos assumentes.
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zutage tretenden Mangel an Kardinälen in der Kurie Felix’ V. konnte erst durch das Konsistorium im Oktober 1440 beseitigt werden 703.
Vorbereitung der Krönung von städtischer Seite Wie bereits anlässlich des Einzugs Felix’ V. gab der Basler Rat der Bevölkerung auch bei der Papst-Krönung durch einen Ruf Anweisungen, wie sie sich während der Krönung zu verhalten hatte 704. Die Bestimmungen zielten in zwei Richtungen: Zum einen wurde bei der städtischen Bevölkerung um Mitwirkung beim Krönungsakt nachgesucht, zum anderen, und dies mit größerer Vehemenz, Gehorsamkeitspflicht in Sicherheitsfragen eingefordert. Während der Rat für Ersteres Lob und Ehre gegenüber Gott als Anreiz setzte, drohte er bei Letzterem mit Strafen. So wurde gemahnt, den Gästen ucht und eren [zu] erbieten mit worten und worgken, sonst wúrde darumbe gestroffet, daz im nútzer werde, er hette solichs getan 705. Zudem sollte bei der Krönung beachtet werden, dass sich Frauen und Männer vor der Tribüne, auf der die Krönung stattfinden sollte, getrennt aufzuhalten hätten. Eine Vermischung zöge ein Bußgeld von 10 Pfennigen nach sich. Doch hielt man das Publikum auch zu aktiver Teilnahme am Festakt an, denn es hatte dem Kyrie-Eleison-Ruf von der Tribüne in eben dieser Weise zu antworten. Außerdem wurde die Stadtbevölkerung aufgefordert, entlang der Strecke des Krönungszugs, der hier explizit genannt wird 706, die Straßen und Häuser zu reinigen und mit frischem Grün zu schmücken sowie auf dem Weg Tücher auszulegen. Dieser Aufwand geschehe dabei zur Ehre Gottes 707. Die im Rufbuch erwähnte Tribüne, auf der die Krönungsmesse und der Krönungsakt stattfanden, muss einen beträchtlichen Teil des Münsterplatzes eingenommen 703 704 705 706 707
Siehe dieses Buch, ab S. 240. Rufbuch, in: Basler Chroniken, Bd. V, S. 496. Rufbuch, Basler Chroniken, Bd. V, S. 496. Vgl. dazu auch die Karte bei Sieber-Lehmann: Basel, S. 199. Rufbuch, Basler Chroniken, Bd. V, S. 496: Ouch sollent ir wissen: Und wenn sin heilikeit gecroenet wirt, so wirt man ein procession haben mit kertzen und mit der priesterschaft von dem múnster untz zem Tútschen huse, zem thor usz den graben abe, und zem nehsten dem richthus anhin úber die Núwem Brugk, hinder dem bliben untz mornendes sant Jacobs tag. So wirt man sin heilikeit, als davor bescheen ist. Und wirt man an der selben widerfart gan von den Bredigern har vor der von Louffen hus anhin, vor sant Peters kilchen, vor dem Schöenen Hus uefhin, die Spaln harabe, und die Gerwer uefhin, vor der Barfuessen kilch anhin zem spittal, und en rein ufhin wider zem múnster. Darumbe tuent úch unser herren gebieten und bitten, daz menglich vor sinem huse in den selben strossen rumen und sufer machen solle, und mit frasz zetten und mit boemen bestecken, die strassen ouch mit húbschen tuechern bedecken, der es gehaben mag, got ze lobe und siner heilikeit zen eren.
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haben, da auf ihr nach Angabe von Enea Silvio Piccolomini etwa 2.000 Männer aus Klerus und Adel Platz gefunden haben sollen. Zudem war sie von einer Zeltkonstruktion überspannt, durch die Sonne wie Regen gebannt werden sollten 708. Wer die Kosten für diesen ephemeren Aufbau getragen hat, bleibt ungesagt. Einen besonderen Fall stellte der Ruf dar, den der Rat wegen der für die päpstliche Krönung offenbar unentbehrlichen jüdischen Gäste vorbereitete. In Basel waren nach ihrer Vertreibung 1397 keine Juden mehr ansässig und mussten deshalb aus dem Elsass nach Basel eingeladen werden. Der Ruf beinhaltete nun, dass den Juden kein Leid geschehen dürfe, da die Stadt ihnen Geleit und Trostung zugesichtert hatte. Dieser im Rufbuch verzeichnete Ruf ist indes gestrichen worden und sei nach Angaben des Herausgebers der Basler Chroniken deshalb wohl auch nicht ausgerufen worden 709. Es wird von Berthe Widmer hierzu gemutmaßt, „der Grund aber für die Streichung war wohl die Erwägung, dass es nicht klug sei, den städtischen Pöbel auf die verhassten Hebräer noch besonders aufmerksam zu machen, sondern dass diese am sichersten seien, wenn sie in der zahllosen Menge der fremden Gäste möglichst unbeachtet blieben“710. Ob sie aber aufgrund ihrer herausgehobenen Stelle im Krönungszeremoniell tatsächlich unbeachtet bleiben konnten, sei dahingestellt. Die Geleitzusagen galten ohnehin. Freilich wird deutlich, dass die Befolgung des päpstlichen Zeremoniells den Rat veranlasste, Juden nach Basel einzuladen und ihnen Verpflegung und Sicherheit zu gewähren. Enea Silvio Piccolomini erwähnt in seinem ausführlichen Bericht der Krönung Felix V. ihre Anwesenheit in Basel und ihren ‚Auftritt‘ gemäß dem Krönungszeremoniell 711.
708 Vgl. für die Tribüne: Basler Chronik V, S. 496: vor dem munster auf dem geruste. CB VII, S. 213: […] fuit consecracione pape Felicis V., videlicet in ambone valde longo et lato ad hoc ante ecclesiam majorem in platea preparato, extenso desuper tentorio sive coopertorio de panno. Fuitque ibidem preparatum unum pulcrum altare in bona altitudine multum solemniter et magnifice ornatum reliquiis et imaginibus preciosissimus aureis et argenteis. Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 106: Locus est ante cathedralem ecclesiam late patens, ubi spectacula populo fiunt. illic sublimis tumulus constructus est et super illum altare excelsum in angulo, desuper pretiosi panni, ne vel pluvia vel sol noceret. prospectus exinde in omnem plateam fuit. huc clerus et universa nobilitas ipseque coronandus pontifex conscendit. extimati sunt hominum circiter duo milia tribunal conscendisse. 709 Basler Chroniken, Bd. V, S. 494. 710 Widmer: Geleitbriefe, S. 89. 711 Vgl. dieses Buch, S. 218; Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108: sicque per plurimos civitatis recessus est itum, donec iudei, illum expectantes, nova et fallaci spe ducti legem moysaicam obtulerunt, quam ipse laudans ritum damnavit eorum. Die entsprechende Vorschrift aus Ordo XIV lautet, vgl. Dykmans, II, S. 283: Et ibi dominus papa stat, et veniunt illuc Iudei cum lege facientes ei laudem, et offerunt ei legem ut adoret. Et tunc papa commendat
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Vorbereitung der Krönung von savoyischer Seite Auch der savoyische Hof bereitete sich auf die Krönung Felix’ V. vor. Während der jüngere Sohn Philipp, Graf von Genf, seinen Vater bei seinem Zug nach Basel begleitet hatte, fand der Einzug des amtierenden savoyischen Herzogs Ludwig, ältester Sohn und Nachfolger Felix’ V., in Basel erst am Vortag der Krönung statt. Herzog Ludwig von Savoyen, der nach langen Jahren der Stellvertreterschaft nunmehr alleiniger Herr des savoyischen Herzogtums war, reiste unabhängig von seinem Vater, der mehr als einen Monat zuvor und auf anderer Route von Genf nach Basel gezogen war. Im Gegensatz zum Vater nahm er sich nur wenig Zeit für die Strecke und legte die Reise in knapp fünf Tagen zurück. Für zeremoniell-aufwendige Besuche der am Wege liegenden Städte blieb kaum Zeit 712. Hüglin erwähnt den Einzug in Basel am Vorabend zwar recht knapp, gibt dafür aber einige signifikante Informationen: So sei der savoyische Herzog mit seinem zahlreichen Gefolge in ausgesprochen schönem Putz von Kardinälen, Prälaten und den angesehensten der Konzilsväter sowie von seinem Bruder, dem Grafen von Genf, dem Grafen Thierstein, Bürgermeister Rotberg und anderen Basler Honorationen vor den Toren der Stadt empfangen worden 713. Der Einzug des savoyischen Herzogs mit seiner Entourage am Vorabend der Krönung stellte gewissermaßen ihren Auftakt dar und war als wiederholter Empfang des savoyischen Hauses zugleich eine ausgesprochen raffinierte zeremonielle Unternehmung. Denn auf diese Weise gelang es gleich zweimal innerhalb weniger Wochen, Glanz und Macht des Hauses in der Konzilsstadt zu repräsentieren. Die Reaktion Piccolominis auf die aufwendige und kostspielige Ausstattung der savoyischen Teilnehmer bestätigt diesen Eindruck 714.
legem et damnat observantiam Iudeorum sive intellectum, quia quem dicunt venturum, ecclesia docet et predicat iam venisse Dominum Iesum Christum. 712 Vgl. Pibiri: Consécration, S. 288 – 294. 713 CB VII, S. 212: Ingressus ducis Sabaudie. Eadem die sabbati XXIII. mensis julii hora vesperorum illustrissimus dominus dux Sabaudie hanc civitatem Basiliensem ad honorandum coronacionem sanctissimi domini nostri domini Felicis Pape V., eius genitoris, intravit cum comitiva maxima et pulcherrimo ornatu baronum procerum militum et aliorum nobilium in numero copioso. Cui obviam exiverunt domini cardinales prelati et alii fere omnes majores sacri concilii necnon dominus comes Gebennarum, dicti domini ducis frater, comes de Dierstein, burgimagister et majores milites et nobiles ac burgenses Basilienses. 714 Vgl. das Urteil von Enea Silvio Piccolomini über die savoyischen Teilnehmer im Krönungszug: Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108: […] quinto dux ipse, consilio suorum comitatus, aureis vestibus in terram demissis. inter hos, ut potuit, expompare nixus est quilibet: hic equi ostro et auro tecti, hic sage militum gemmis et argento onuste, hic tube tibicinesque et mimorum cohors preludens, varie vestes, varia ornamenta, ut nulli sat vidisse sit visum.
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Viele Angehörige des savoyischen Adels waren bereits mit Felix V. und seinem Sohn Philipp nach Basel gekommen. Durch die Entourage von Herzog Ludwig wurde ihre Anzahl nochmals aufgestockt und mit dieser Komplettierung der savoyischen Hofgesellschaft durch den amtierenden Fürsten stieg die Präsenz der Familie des Papstes, der Casa Savoia, in Basel erneut an 715. Wie schon beim Einzug Felix’ V. wurden auch bei der Krönung von savoyischer Seite dynastisch konnotierte, vestimentäre Codes eingesetzt, die auf eine Verschmelzung savoyischer und petrinischer Zeichen hinwirkten. Nähere Auskunft über die Vorbereitungen des savoyischen Auftritts in Basel geben die Rechnungsbücher des savoyischen Hofes.716 Dort sind neben den Gewändern des neuen Herzogs, die er im April 1440 anschaffte, auch die durch die Reise nach Basel entstandenen Aufwendungen verzeichnet. Ludwig von Savoyen ließ sich für seine eigene Garderobe einen scharlachroten Mantel mit rotem Futter, ebenfalls in scharlachrot eine Kappe, einen Hut, ein Wams und vier Paar Strümpfe anfertigen; auch erwarb er das gleiche Set Gewänder noch einmal in violettem Samt und ebensolcher Seide, des Weiteren einen Wams aus karmesinrotem Samt mit passender Kappe 717. Die Farbwahl dieser repräsentativen und aufwendigen Kleidungsstücke unterscheidet sich auffällig von seiner sonstigen Garderobe, bei der vor allem Weiß, Grau und Schwarz dominierten 718. Für seinen Auftritt in Basel dagegen wählte er die Farben Scharlach, Violett, Karmesinrot und Gold. Bei dem aufwendigsten Stück handelte es sich um einen mit Rückenmarder gefütterten Mantel aus karmesinrotem Goldbrokat in einem Wert von 108 Dukaten 719. Für seinen Hofstaat wurden zudem insgesamt 90 Livreen angefertigt, bei denen sich die Rangunterschiede in den verschiedenen Qualitäten des Stoffes bemerkbar machten, während Farben und Silhouette gleichblieben; der savoyische Hofstaat wurde in Grün und Weiß eingekleidet 720. Diese Farben sind nach den Statuta Sabaudiae exklusive 715 Für eine Analyse des savoyischen Hofes unter Ludwig ist es ausgesprochen aufschlussreich, wer nicht mit Felix V., sondern erst mit dem jungen Herzog Ludwig nach Basel reiste und damit zum engeren Kreis des neues Herzogs zählte. Vgl. Pibiri: Consécration, S. 295. Pibiri schätzt, dass mit Ludwig etwa 250 Personen nach Basel gereist sind. 716 Zur Bedeutung der Rechnung als demjenigen Dokumententyp, der den besten Blick auf materielle Zeichen und Symbole wie Kleidung, Fahnen, Wappen, Embleme, also die „ephemeren Kleinzeichen der optischen Kommunikation“ ermöglicht, vgl.: Selzer, Stephan: Überlegungen zur Optik des Reichstags. Kleidung und Heraldik fürstlicher Besucher auf spätmittelalterlichen Reichsversammlungen, in: Peltzer u. a. (Hg.): Politische Versammlungen, S. 247 – 262, S. 250. 717 AST, SR, Camera Savoia, Inventar 16, Mazzo 86, 1440 – 1441 f. 113v–121r. 718 Page: Vêtir, S. 62. 719 AST, SR, Camera Savoia, Inventar 16, Mazzo 86, 1440 – 1441, f. 117v. 720 Die stratifikatorische Differenz durch unterschiedliche Qualitäten der einzelnen Gewebe bei gleichbleibender Farb- und Schnittwahl ist typisch für die höfische Kleidung insgesamt. Vgl. zur savoyischen Kleiderordnung in den Statuta Sabaudiae unten, S. 45.
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Farben der fürstlichen Familie 721. Die Livreen waren zudem zu einem großen Anteil (bei 80 von 90) mit der Devise des savoyischen Herzogs bestickt 722. Anlässlich der Reise gebrauchte Ludwig erstmals die Falken-Devise des savoyischen Herrschers, die zuvor Amadeus VI., VII. und VIII. getragen hatten. Bislang hatte er als Prinz von Piemont eine andere Devise verwendet und vollzog auf der Reise nach Basel mit dem Devisenwechsel nun erstmals auch äußerlich den Statuswechsel vom Prinzen zum Herzog 723. Zugleich personalisierte er die dynastische Devise, indem er ihr ein Element seiner vormaligen Devise als Prinz von Piemont hinzufügte 724. Diese modifizierte dynastische Devise Savoyens trug nicht nur er beim Einzug in Basel, sondern er stattete sein gesamtes Gefolge damit aus. Sie zierte die Livreen des Hofpersonals, und die adeligen Herren Savoyens trugen sie als Stickerei aus Gold und Silber 725. Auch er selbst besaß eine Livree, die am linken Arm mit dieser Falkendevise geziert war, der rechte Ärmel hingegen trug eine Imprese, in der sich Sonnenstrahlen in einem Kreuz vereinigten 726. Das einheitliche Erscheinungsbild innerhalb einer Gruppe erhöht die visuelle Kohäsion sowohl für den Betrachter als auch für die Gruppenangehörigen und stellt zugleich vor allem in Kombination mit einheitlich geputzten Pferden eine eindrucksvolle Machtdemonstration dar. Livreen und Devisen besitzen dabei den gleichen semiotischen Gehalt und sind kaum voneinander zu trennen, da auch die Kleidung selbst Devisen zierte und diese ihrerseits durch die spezifische Farbenwahl selbst als Devise zu gelten haben 727. Für die Schabracken der Pferde wurden indes unterschiedliche Farben gewählt: Während seine Pagen auf rotgewandeten Pferde ritten, war das Pferd des Herzogs 721 Pastoureau: L’emblématique, S. 21 – 23: Die savoyischen Farben, die für Livreen, aber auch auch für Fürstengewänder und Fahnen verwendet wurden, waren Grün, Weiß und Rot: Die Letzteren waren ebenfalls die Farben des savoyischen Wappens: Nach den Statuta Sabaudiae blieb Grün der fürstlichen Familie vorbehalten und Scharlachrot gebürte allein dem Herzog. Pibiri: Consécration, S. 278. Zu den fürstlichen Farben auch Page: Vêtir, S. 61. 722 Pibiri: Consécration, S. 284 und oben, S. 154. 723 Vgl. Pastoureau, Michel: De la croix à la tiare: Amédée VIII et l’emblématique de la Maison de Savoie, in: Andenmatten/Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V., S. 89 – 104, S. 100. Pastoureau: L’emblématique, S. 16. Bruchet: Ripaille, preuve XXII, S. 143, S. 361 – 362. Pollini: Mort, S. 93 und S. 226. Vgl. auch dieses Buch, S. 57. 724 Als Prinz von Piemont trug er eine weiße Feder an einem Zweig begleitet mit dem Schriftzug fert. Nunmehr fügte er dem Falken einen Kastanienzweig hinzu. Vgl. Pibiri: Consécration, S. 283. Seine Gattin, Anna von Lusignan, hatte ihm 1438 einen Kastanienzweig in einer Gold emaillearbeit verehrt. 725 Vgl. Pibiri: Consécration, S. 283, S. 284. 726 Pibiri: Consécration, Anm. 72. 727 Vgl. Salnicka: Krieg, S. 31.
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pour son entrée à Bâle in weiße Seide gehüllt 728. Mit dem Ritt auf einem weiß eingekleideten Pferd bescheinigte er sich selbst bei seinem Adventus in Basel ein besonderes Gewicht und relativierte zu einem gewissen Anteil damit den eigentlichen Anlass der Reise, die Krönung seines Vaters – ohne jedoch mit dem Vater und künftigen Papst gleichzuziehen. Durch die weiße Schabracke des Pferdes wurden die vielfältigen symbolischen Referenzen des Herrschereinzugs auf einem weißen Pferd aktualisiert, die bereits im Hinblick auf die Rolle des Schimmels beim päpstlichen Adventus angesprochen wurden 729. Neben dem Ritt des savoyischen Herzogs auf einem weiß geputzten Pferd setzten sich die ambivalenten Farbspiele, die sich der eindeutigen Zuweisung zur Römischen Kirche oder zum savoyischen Herrscherhaus weitgehend entziehen, fort 730. Denn anlässlich des Einzugs in Basel wurden nicht nur neue Banner aus weißem und rotem Damast gefertigt, sondern auch die heraldische Kluft des savoyischen Herolds erneuert und zusätzlich die den Herzog ankündigenden Trompeter mit neuen Bannern geschmückt. Die heraldische Verwechselbarkeit des savoyischen Wappens mit dem Vexillum Christi des Papstes wurde also keineswegs vermieden. Der erstmalige Einsatz von Ludwigs modifizierten Devisen zeugt einerseits von der am Hof gepflegten Kontinuität der Dynastie, die man nach außen wie nach innen zu zeigen strebte. Die von Ludwig vorgenommene Ergänzung des Herrschaftszeichens markierten andererseits auch visuell den Generationen- und Herrschaftswechsel in Savoyen – dies umso deutlicher, als der neue Herzog gerade diese Reise nach Basel zum Anlass nahm, seinen Hofstaat und damit seinen sekundären Herrschaftskörper neu einzukleiden 731.
Die Papst-Krönung im „Normalablauf“ Die Krönung stellt nach Wahl und Immantation den letzten Akt der Papsterhebung dar. Sie war in drei Phasen unterteilt und wurde stets sonntags zelebriert. Gemäß römischer Tradition fanden zunächst innerhalb des Kirchenraums von St. Peter in Rom consecratio und benedictio durch den Kardinalbischof von Ostia, die Thronsetzung sowie die Überreichung des Palliums sowie die Laudes-Akklamation statt. Danach erfolgte die Krönung mit der Tiara durch den Prior der Kardinaldiakone auf den 728 AST, Inv. 16, 86, f. 123r., vgl. Pibiri: Consécration, S. 280. 729 Siehe dieses Buch, S. 182. 730 In päpstlichen Prozessionen gebührt es den Kardinälen, auf Pferden mit weißen Schabracken zu reiten. Erst 1465 erlaubt Papst Paul II. den Kardinälen, ihre Pferde, wie der Papst, mit roten Decken zu schmücken. Vgl Paravicini Bagliani: Papst auf Reisen, S. 513. 731 Für die Livreen inklusive der Devisenstickereien wurden insgesamt 1.474 Florin aufgewendet, vgl. Pibiri: Consécration, Anm. 69.
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Treppen von St. Peter. Als letzten Akt schloss sich der Zug von St. Peter zum Lateran mit dem dortigen possesso an. In der Folge der Konklaveregelung des 3. Laterankonzils wurde der possesso vom Anfang der Zeremonie an ihr Ende verlagert. Die Inauguration war mit bestimmten Insignien verknüpft, wie etwa der Übergabe verschiedener Gewänder, des Palliums als Zeichen der plenitudo potestatis officii und der Krönung mit der Tiara als Zeichen der weltlichen Macht, die den Papst als solchen identifizierte 732. Hier soll ein kurzer Überblick über den normalen Ablauf der päpstlichen Krönung gegeben werden, wie er sich aus den Ordines für die Papstkrönung Martins V. 1417 in Konstanz und die Krönung Pius’ II. 1458 in Rom erschließt. Diese beiden Krönungen sollen hier als exemplarisch gelten, da sie zum einen kaum von Ordo XIV abwichen. Zum anderen stellte die Krönung Martins V., wie die Konstanzer Situation insgesamt, das Vorbild für die Basler Zeremonie dar. Von der Krönung Felix’ V. berichtet Pius II./Enea Silvio Piccolomini, dessen Sekretär er zu diesem Zeitpunkt war, als Augenzeuge. Er hat später, bei aller Abgrenzung gegenüber dem Basler Konzil, stets betont, dass in Basel das Krönungszeremoniell eingehalten worden sei, d. h., die Basler Krönung folgte wie seine eigene 1458 den Vorgaben des Ordo XIV 733. Da die Krönung Martins V. in Konstanz und nicht in Rom stattgefunden hatte, stellt sie für die Frage der Rom-Imitation in Basel ein besonders geeignetes Referenzbeispiel dar, während sich die Krönung von Pius II. in Rom dazu eher als konstrastierende Folie anbietet. Freilich ist zu bedenken, dass auch hier – ähnlich wie beim Adventus – die Konstruktion eines Standard-Zeremoniells nur als ein komparatistisches Hilfsinstru ment zur Konturenverstärkung für den jeweiligen Einzelfall dienen soll. Die Krönung des Papstes begann mit dem Zug vom Palast in die Kirche. Zuvor wurden dem Papst in der camera paramenti das rote Pluviale als Zeichen des zum Bischof von Rom Erwählten angelegt und eine goldverzierte Mitra aufgesetzt 734. So bekleidet zog er in die Kirche oder Kapelle ein. Dann verrichtete der Papstelekt einige Gebete und nahm Platz auf einem Faltstuhl, dem Faldistorium 735. Dort empfing er die Kardinäle zum Hand- und Fußkuss und spendete dem Volk den feierlichen Bischofssegen. Anschließend wurden ihm in einer Seitenkapelle Messgewänder
732 Zu den Gewändern Schimmelpfennig: Krönung, S. 205 – 206; zum Pallium ebd., S. 211. Zur Tiara vgl. Schimmelpfennig: Coronations, S. 181. Vgl. Ladner, Gerhard B.: Der Ursprung und die mittelalterliche Entwicklung der päpstlichen Tiara, in: Cahn, Herbert A./ Simon, Erika (Hg.): Tainia –Roland Hampe zum 70. Geburtstag, Mainz 1980, S. 449 – 481. Vgl. auch: Scheller, Robert W.: Corona triplex und Triregnum. Überlegungen zu Kaiserund Papstkronen in der bildenden Kunst des späten Mittelalters, in: Münchener Jahrbuch der bildenden Kunst 53 (2002), S. 57 – 102, bes. 76 – 91. 733 Vgl. dieses Buch, S. 195. 734 Schimmelpfennig: Krönung, S. 204. 735 Analog zum Amtsantritt des römischen Obermagistraten.
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angelegt. Die Leitung übernahm dabei der Prior der Kardinaldiakone. Zurück vor dem Hauptaltar begann die eigentliche Papstmesse, deren nächster signifikanter Moment die Werg-Verbrennung darstellte mit der dreimal wiederholten Mahnung an den Papst, seine weltliche Vergänglichkeit zu bedenken: Pater sancte, sic transit gloria mundi 736. Daran schlossen sich Thronsetzung, Weihe und Benediktion sowie das Anlegen des Palliums an. Bei Martin V. ist auch die Konsekration beschrieben, da er im Gegensatz zu Pius II. noch nicht den Bischofsrang erlangt hatte, währenddessen bei Pius II. die Benediktionsgebete der Kardinalbischöfe angegeben sind. Nach Anlegen des Palliums durch den Prior der Kardinaldiakone folgten eine weitere Thronsetzung und der Empfang von Fuß- und Mundkuss aller Kardinäle und Prälaten diesmal in vollem Ornat. Der Papst sang dann das Gloria und erteilte den Friedensgruß. Nach dem Gloria wurden als konstitutives Element der Papstkrönung die Laudes gesungen, angestimmt vom Prior der Kardinaldiakone. Sie wurden beantwortet von den direkten Angehörigen der Kurie: Diakone, Subdiakone, Scrinarii und Iudices 737. Die Akklamation der Laudes Regiae bei der Papstkrönung wurde von Juristen durchgeführt, was „als die von den Spezialisten vollzogene, kirchenrechtlich gültige Anerkennung des neuen Papstes“ zu verstehen ist, „in dessen Gottesdiensten diese von nun an stets ihren Dienst am Altar versehen werden“738. Diese Akklamation wiederholte sich später im Lateran, wobei dort der ranghöchste Kardinalspriester die Laudes-Sänger anführte. Damit war das gesamte Kardinalskollegium gebührend berücksichtigt, „da der oberste Kardinalbischof ohnehin zur Thronassistenz“ gehörte 739. Mit den Laudes endeten consecratio und benedictio und es schloss sich eine normale Papstmesse an. Nach ihrem Ende war der erste Abschnitt der Papstkrönung 736 Vgl. für Martin V. Dykmans, II, S. 464; für Pius II. Schimmelpfennig: Krönung, S. 258, sowie S. 207 – 209, zur Vergänglichkeit insbesondere: Paravicini Bagliani: Leib des Papstes, S. 49. Dies ist in Analogie zum altrömischen Triumphzug zu verstehen. 737 Beschreibung bei Schimmelpfennig: Coronations, S. 187 – 189. Der Wortlaut des Wechselgesanges bei Martin V. und Pius II. stimmt mit Ordo XIV überein, vgl. Schimmelpfennig: Krönung, S. 213, (für Pius II.) S. 260 – 261, Dykmans III, S. 468 (Martin V.), Dykmans II, S. 271, Ordo XIV., zu den Laudes vgl.: Kantorowicz, Ernst: Laudes regiae: a study in liturgical acclamations and mediaeval ruler worship, Berkeley 1946, Elze, Reinhard: Die Herrscherlaudes im Mittelalter, in: Schimmelpfennig, Bernhard/Schmugge, Ludwig (Hg.): Päpste – Kaiser – Könige und die mittelalterliche Herrschaftssymbolik, ausgewählte Aufsätze, London 1982, S. 201 – 223. Vor allem Bölling: Papstzeremoniell, S. 167, 168, 200. Der in den Laudes angerufene Heiligenhimmel setzt sich beständig aus folgenden Heiligen zusammen: Maria, die drei Erzengel, Johannes der Täufer, Petrus und Paulus, Andreas, Stephanus, Saba, Leo und Gregor, Benedikt, Basilius dann die weiblichen Heiligen Agnes, Cecilia und Lucia. 738 Bölling: Papstzeremoniell, S. 167. 739 Bölling: Papstzeremoniell, S. 167.
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vollzogen. Der Sakralraum wurde verlassen, nachdem alle Teilnehmer, soweit nötig, festliche weiße Gewänder angelegt hatten: Der Papst trug nun außer den Messgewändern nicht nur die mitra pretiosa, das Pallium und den Fischerring, sondern auch Handschuhe. Diese „weiße Prozession“ zog nun aus dem Sakralraum nach draußen, wo der Papst einen provisorisch dekorierten Sitz auf einem hölzernen Podest einnahm. Auf dieser Tribüne, dem pulpitum, fand schließlich die eigentliche Krönung, coronatio, statt, die der Prior der Kardinaldiakone durchführte, indem er dem Papst die Mitra vom Kopf nahm und ihm die Tiara aufsetzte. Mit der Akklamation des „Kyrie eleison“ durch das anwesende Volk wurde dem Papst öffentlich gehuldigt und dieser zugleich anerkannt 740. Daran anschließend verkündete der Kardinalbischof von Ostia oder der Prior der Kardinaldiakone einen Ablass, der vom Papst bei jeder Krönung neu bestimmt wurde 741. Damit war die Krönung bereits abgeschlossen. Es folgte als dritter konstitutiver Akt der sogenannte possesso des Laterans. Dabei wurde in einem geordneten Zug mit festen Stationen von St. Peter aus die gesamte Stadt durchquert, bis der Papst den Bischofssitz von Rom in der Lateransbasilika in Besitz nahm. Mit dem Lateran- Possesso trat der Papst die weltliche und geistliche Herrschaft über die Stadt Rom und das Patrimonium Petri an 742.
Der Aufbau des Krönungszugs Die Teilnehmer dieses Krönungszugs setzten sich aus vier Sektionen zusammen: Den Auftakt des Zuges bildeten Laien und Angehörige des niederen Klerus’. Daran schloss sich der vor dem Papst ziehende, nach Rang geordnete Hofstaat und höhere Klerus an. Dann folgten der Papst und die ihm bei der Prozession Dienenden. Hinter ihm zogen seine persönliche Entourage und andere Kleriker. Den Schluss bildete wie beim Adventus der münzenstreuende Kurienmarschall, bzw. Kämmerer oder Elemosinar. Die Zusammensetzung dieser verschiedenen Gruppen war recht schwankend, generell steigerte sich vom 12. Jahrhundert bis Mitte des 15. Jahrhunderts vor allem die Anzahl der Teilnehmer, die zunehmend auch differenzierter beschrieben wurden. Sie ließen sich anhand ihrerer Kleider unterscheiden. So trugen die Gruppe unmittelbar vor dem Papst und die päpstliche Gruppe selbst geistliche Gewänder, während Spitze und Ende des Zuges nicht mit liturgischen Gewändern bekleidet waren. Meistens bestand die Spitze des Zuges aus zwölf Fahnenträgern mit dem Wappen der Kirche, 740 Bölling: Papstzeremoniell, S. 168. 741 Bei Pius II. ist es der Prior der Kardinaldiakone, bei Martin V. hingegen der Prior der Kardinalbischöfe. 742 Schimmelpfennig: Krönung, S. 239.
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zwölf reiterlosen weißen Pferden, Familiaren, Adeligen, Laien, Baronen, dem Hostienpferd sowie einem Subdiakon mit Vortrage-Kreuz. Neben den Fahnenträgern steigerten die mitziehenden Pferde und Adelige in entsprechenden Gewändern und Reittieren die Pracht des Zuges 743. Die nach Rang gestaffelte, direkt vor dem Papst ziehende Klerikergruppe setzte sich aus geistlichen und weltlichen Repräsentanten Roms und aus dem päpstlichen Hof zusammen. Hier wurden auch teilweise Gruppenbezeichnungen aufgeführt, die es gar nicht mehr gab: iudices, advocati, scrinarii, auch zwei prefecti navales 744. Zum Personal der Krönungsmesse gehörten auch der Chor der Subdiakone, die den Repräsentanten der universalen und der römischen Kirche folgten: Äbte, Bischöfe, Erzbischöfe, Patriarch, Kardinäle. Sodann ritt der Papst auf einem Schimmel unter einem Baldachin. Hinter ihm erschien der rot-gelbe Schirm. Dann folgten Angehörige der Kurie ohne Kardinalsrang sowie Mitglieder der Kurie, die nicht liturgisch gewandet waren, wie etwa Kanzleiangehörige. Den Schluss bildete der Elemosinar mit dem Auftrag, Münzen unter das Volk zu werfen. Die Reihenfolge beim Krönungszug in Konstanz entsprach diesem etablierten Schema. Diesmal trug der Klerus auch die Fahnen, die sonst von päpstlichen Kurien mitgliedern getragen wurden. Nach ihnen zogen zwölf reiterlose Schimmel mit roten Schabracken. Nach den rossen, so berichtet Richental, rittend die baculierer des bapstes, die procuratores, notarii und söllich volck des bapstes. Und dero hatt yeglicher ain steken in sinr hand, ainr eln lang, und daran roti fenli 745. Anschließend folgten Auditoren und Sekretäre, dann kam des bapstes crütz sowie die Sänger und ein weiterer Münzen werfender Priester. Der Ordo von Martin V. nennt hier zudem Diakone und Subdiakone, die auf Griechisch das Evangelium vorlasen 746. Ihnen folgten Äbte, Bischöfe, Erzbischöfe und Kardinäle, die jeweils zu zweit nebeneinander ritten und von Knechten am Zaum geführt wurden, sodann wieder ein Münzwerfer. Und darnach ain wiß ross, wol gesattlott und mit ainem, roten tuch wol bedekt. Uff dem sattel 743 Schimmelpfennig: Krönung, S. 226. Das Hostienpferd war von Gregor XI. bis Benedikt XIII., von 1370 bis 1730, ein festes Element des päpstlichen Adventus-Zeremoniells: Ein solches Pferd wird zum ersten Mal bei der Krönung von Papst Bonifaz VIII. erwähnt. Dort wird erstmals in der Krönungsprozession ein Schimmel genannt, der kostbare Reliquien trägt und hinter dem Prozessionskreuz dem Papst vorausgeht. Vgl. dazu Paravicini Bagliani: Papst auf Reisen, S. 513. 744 Vgl. Schimmelpfennig: Krönung, S. 230, 231, so werden bereits im 15. Jahrhundert an der Kurie nicht mehr geführte Gruppenbezeichnungen wie Skriniiare, Advokaten und Richter noch bis ins 16. Jahrhundert weiterhin als Teilnehmer im Krönungszug genannt. Für diesen Anachronismus innerhalb des Possessos wurden in der Regel Inhaber mittelhoher Kurienämter eingesetzt. 745 Dieses und folgende Zitate in: Richental-Chronik, ed. Buck, S. 113, 15 – 17, Kap. 267,1. 746 Dykmans III, S. 470: […] diaconi et subdiaconi qui legerunt epistolam et evanglium in greco.
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stundent tzway guldine kertzstall mit zwain brinnenden kertzen vor dem sacrament, daz uff dem sattel stund in ainr mustrantz 747. Der Hostienschimmel war nicht mehr in der ersten Gruppe anzutreffen, sondern an den hierarchisch höchsten Platz direkt vor dem Papst gerückt, so Richental weiter, darnach glich uff das sacrament do rait unßer hailger vatter bapst Martinus, als da vor benempt ist. Der Schirm des Papstes, eine seiner Hauptinsignien, wurde ihm in Konstanz nachgetragen. Sodann nennt Richental Bewaffnete, Angehörige der Zünfte und des Domkapitels mit Kerzen. Hier macht der Ordo Martins andere Angaben, so sei nach der Gruppe der Kardinäle unmittelbar vor dem Papst ein Subdiakon und ein Diener mit dem Schirm gezogen, qui duo ibunt aliquantulum sequestrati a papa 748.
Der Krönungszug in Rom Der Krönungszug von St. Peter zur Lateransbasilika führte an markanten Punkten der römischen Topographie vorbei. Während des Krönungszugs begegneten sich auf der späteren Piazza dell’Orologio traditionellerweise der Papst und die Juden der Stadt, die ihre Gesetzesrollen bei sich trugen und dem Papst Laudes sangen und ihn aufforderten, das Mosaische Gesetz zu verehren. Dies lehnte der Papst jedesmal von neuem mit dem Hinweis ab, der Messias sei ja bereits erschienen. Nach Bernhard Schimmelpfennig blieb dieses Schauspiel mit verteilten Rollen über Jahrhunderte lebendig, einzig der Schauplatz habe gewechselt. Darin huldigten die Juden dem Papst einerseits als ihrem Stadtherrn, andererseits wurde darin auch augenfällig gemacht, dass der jüdische Glaube durch das Christentum sinnlos geworden sei 749. Für Konstanz wird ebendiese Begegnung des Papstes mit den Juden berichtet, wobei der Treffpunkt unbekannt geblieben ist 750. An dieser Stelle wie auch an vier weiteren spezifischen Orten wurde beim römischen Krönungszug Geld geworfen 751. Dann erreichte der Zug den Lateranspalast. In Konstanz wurde als „Lateranersatz“ das Augustinerkloster gewählt.
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Richental-Chronik, ed. Buck, S. 113, 23 – 26, Kap. 267,1. Dykmans III, S. 470. Schimmelpfennig: Krönung, S. 234. Dykmans, III, S. 470: Et venient Iudei cum lege sua et facient ei laudem et offerent ei legem ut adoret, et tunc dominus papa commendabit legem et dampnabit observantia(m) Iudeorum sive intellectum, quia quem dicunt venturum ecclesia docet et predicat iam venisse Dominum Iesum Christum. 751 Vgl. Schimmelpfennig: Krönung, S. 231 – 238 zur Lokalisierung der sog. „Geldwurfstationen“. Mit einer differenzierten Interpretation und weiterführenden Literaturanmerkungen: Hack: Nähe, S. 461 – 466.
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Aus dem 13. Jahrhundert ist das Zeremoniell der „Besitzergreifung“ (possesso) des Laterans überliefert. Die dort stattfindenden „Geschehnisse im Lateran“ wurden nach Bernhard Schimmelpfennig „als letzter Akt einer Papsterhebung“ aufgefasst 752. Der Prior und andere Kanoniker der Lateranbasilika empfingen den Papst vor dem Eingang der Lateransbasilika und setzten ihn im Vorraum auf einen marmornen Thron, die sedes stercatoria. Nach einer Huldigung durch die Kardinäle und erneutem Geldwurf fand eine abermalige Thronsetzung in der Apsis der Basilika statt. Dort empfing der Papst den Fußkuss des Priors und der Kanoniker des Laterans, um die Anerkennung durch die Kirche anzuzeigen – die Lateransbasilika steht stellvertretend als Haupt aller Kirchen der Welt 753. Während Pius II. die Tiara erst nach dem Segen in der Lateranbasilika ab- und stattdessen die Mitra aufsetzte, wurde bei Martin V. die Tiara nach der Laudesakklamation durch den Prior der Kardinaldiakone sowie durch Richter und Scrinarii, die er noch auf dem Pferd sitzend empfangen hatte, gegen die Mitra getauscht 754. In der anschließenden Zeremonie auf zwei Sesseln unter wunderwirkenden Ikonen wurden dem Papst als Zeichen seiner Richtergewalt die ferula (Rute oder Stab)755 sowie als Zeichen seiner Binde- und Lösegewalt die Schlüssel der Basilika und des Palastes überreicht. Dem neuen Hausherrn huldigte man wiederum mit einem Fußkuss. Zudem erfolgte 1458 bei Pius II. und 1417 bei Martin V. in übereinstimmender Weise die Übergabe des sog. Presbyteriums, einer Geldgabe, die in die Mitren der Kardinäle gelegt wurde 756. Beim Festbankett saß der Papst allein an einem Tisch in Messgewändern, freilich ohne Kasel, Pallium und Handschuhe. Dazu trug er eine Mitra, ebenso die Kardinäle. Die Kardinalbischöfe und -priester saßen an einem Tisch rechts von ihm, die Kardinaldiakone links. Den Papst bedienten die ranghöchsten anwesenden Adeligen, die unterhalb der Kardinäle Platz nahmen 757. Die Rangfolge bestimmte den Zeitpunkt des Dienstes wie auch den Sitzplatz, mitunter auch die Speisen selbst. Die Prozession vom Lateran zurück hätte die eigentlich aufwendigere sein können, da hier auch Laien teilnahmen und der Papst nunmehr als Haupt der Universalen Kirche und der gesamten christlichen Gesellschaft auftrat. Die Reihenfolge, jetzt
752 Schimmelpfennig: Krönung, S. 239. 753 Schimmelpfennig: Krönung, S. 242, hier merkt er Anklänge an das in der Konstantinischen Schenkung beschriebene Programm an, vgl. Constitutum Constantini (MG Font. iur. Germ. ant. 10), Hannover 1968, S. 84. 754 Dykmans III, S. 471. 755 Vgl. zu Stäben in rituellen Kontexten: Töbelmann, Paul: Stäbe der Macht. Stabsymbolik in den Ritualen des Mittelalters, Husum 2011 (Historische Studien, 502). 756 Vgl. zum Zeremoniell im Lateran Schimmelpfennig: Krönung, S. 243 – 246. 757 Für das Tischzeremoniell gibt der Ordo Martins V. teilweise die Angaben von Ordo XIV wörtlich wieder. Vgl. Dykmans II, S. 287 und Dykmans III, S. 472.
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inklusive der neuen weltlichen Teilnehmer, stimmte ansonsten mit derjenigen auf dem Hinweg überein. Mit der Rückkehr in den eigenen Palast endete die Krönung des Papstes. Der Rückweg bleibt jedoch bei Martin V. und bei Pius II. weitgehend unbeachtet. Offenbar unterschied er sich nicht vom Hinweg, wurde aber als weniger zentral und bedeutungsvoll erachtet. Mit der großen Übereinstimmung des Krönungszeremoniells von Martin V. und Pius II. – was vor allem mit der Orientierung an Ordo XIV zusammenhängt – wird deutlich, dass das Krönungsgeschehen nicht an einen spezifischen Ort gebunden war. Die zeremoniellen Vorschriften der römischen Tradition waren vielmehr in der Lage, die spezifische Topographie zu vereinnahmen. Sie konnte deshalb tatsächlich universal angewandt werden. Fast alle Papstkrönungen des 14. Jahrhunderts fanden außerhalb Roms statt und das römische Zeremoniell wurde dessen ungeachtet eingehalten. Die Adaption einer Stadt an das römische Modell hatte mit der Krönung in Lyon 1316 bereits einen Vorläufer 758, an dem sich 100 Jahre später noch die Krönung von Martin V. 1417 in Konstanz orientierte. In Avignon selbst wurde der Palast zum maßgeblichen Ort des nun gleichsam intern ablaufenden päpstlichen Zeremoniells 759. Mit der Reetablierung des Papstes in Rom seit Mitte des 15. Jahrhunderts änderte sich das im 14. Jahrhundert außerhalb von Rom angewandte Krönungszeremoniell nicht grundlegend, wie aus dem Ordo Pius’ II. für seine Papstkrönung in Rom ersichtlich wird. Hier wie dort ist die Einhaltung der Tradition ein Bedürfnis, das teilweise auch Anachronismen rechtfertigt – etwa bei der Nennung von längst nicht mehr existenten Kurienrängen im Krönungszug, wie den prefecti navales 760. Auch für die Stellen des Geldwurfes beobachtet Schimmelpfennig ein ähnliches Muster, das „im Zeremoniell öfter festzustellende Beharren auf der Tradition“761.
Die Krönung Felix’ V. 1440 nach historiographischen Quellen Die Krönung Felix’ V. wird von Jacob Hüglin wie von Enea Silvio Piccolomini ausführlich und als Augenzeugen berichtet. Da Johannes von Segovia damals selbst nicht in Basel war und er deshalb in Briefform über den Krönungsverlauf von Enea Silvio Piccolomini unterrichtet wurde, ist sein Bericht nur ergänzend heranzuziehen. Ein
758 Dykmans, II, S. 290 – 305. 759 Vgl. hierzu die Arbeiten von Bernhard Schimmelpfennig und Andreas Kerscher, vgl. dieses Buch, S. 138, Anm. 494. 760 Schimmelpfennig: Krönung, S. 230. Zu den „ominösen prefecti navales“ vgl. auch Schimmelpfennig: Bedeutung Roms, S. 60. 761 Schimmelpfennig:Krönung, S. 238.
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eigener Ordo, wie bei der Krönung Martins V. oder Pius’ II., ist bislang nicht bekannt geworden762. Übereinstimmend mit der Ankündigung im Rufbuch teilen Hüglin und Piccolomini mit, dass die Krönung am 24. Juli 1440, einem Sonntag, um sechs Uhr bzw. zu Tagesanbruch begann, indem der gewählte Papst sowie der hohe Klerus und die übrigen Anwesenden auf die bereits erwähnte Tribüne vor dem Münster stiegen. Dort vollzog zunächst Kardinal Aleman als Kardinalbischof von Ostia die consecratio Felix’ V. und anschließend Kardinal de Varambone als Prior der Kardinaldiakone die coronatio. Die in Ordo XIV und in dem davon abhängigen Ordo der Krönung Martins V. in Konstanz verzeichneten Gebete, Gesänge, Ankleidezeremonien und Ortswechsel werden weder bei Hüglin noch bei Piccolomini im Detail genannt. Es ist also nicht bekannt, ob etwa ferula und pallium verliehen wurden oder die zeremonielle Werg-Verbrennung stattfand 763. Aus der beiläufigen Mitteilung Piccolominis, ut igitur finita missa est summusque ipse pontifex consecratus 764, ist erschließbar, dass Felix V. – wie auch Martin V. in Konstanz – die Bischofsweihe noch fehlte und diese deshalb im ersten Teil des Krönungsaktes von Kardinal Aleman vollzogen wurde. Über den Ablauf der Bischofsweihe selbst ist wenig bekannt, lediglich Hüglin berichtet, dass dem Papstelekten bei der Händewaschung seine Söhne sowie der Markgraf von Röteln, der Konzilsprotektor Konrad von Weinsberg und Graf Thierstein halfen. In Konstanz hingegen, wie auch in den übrigen überlieferten Krönungsordines, kam diese Aufgabe den Kardinaldiakonen zu. In Basel aber fehlte, wie schon erwähnt, ein Kardinalskollegium. Es wurden jedoch nicht Konzilsangehörige oder hohe Kleriker herangezogen, um diesen Mangel zu kompensieren. Vielmehr glichen die Söhne des Papstes, Herzog Ludwig von Savoyen sowie Graf Philipp von Genf, die fehlenden Kardinäle aus. Piccolomini erwähnt diese Miteinbeziehung der Papstsöhne in die Liturgie – diese habe stattgefunden, soweit es Laien erlaubt war 765. Den Abschluss der consecratio bildete die Laudes-Akklamation, die Enea Silvio Piccolomini
762 Jacob Hüglin, in: CB VII, S. 212 – 215; Enea Silvio Piccolomini, in: Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 105 – 109; Johannes von Segovia, in: MC III, S. 494 – 495. 763 Vgl. dieses Buch ab S. 205. 764 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 107. 765 Zu Martin V., vgl.: Dykmans III, S. 463: Quibus dictis et factis, lavabit manus, et dictus episcopus consecrator infundet sibi aquam, assistentibus duobus diaconis cardinalibus qui tenebunt tobaleam. Bei Hüglin, CB VII, S. 214: Servierunt sanctissimo domino nostro in ipsa consecracione de aqua et pelvi successive et alternatis vicibus domini dux Sabaudie, comes Gebennarum, marchio de Rotlin et dominus de Winßberg, protector sacri concilii, et comes de Dierstein et marescallus pape. Bei Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 107: Quasi enim novelle olivarum circum altare duo nati officiose attenteque, quantum laicis permittitur, ministrabant meritoque dici hunc Felicem omnes aiebant, […].
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ebenfalls beiläufig erwähnt, freilich mit Betonung der römischen Tradition: moris est. Er betont vor allem den missratenen Gesang der scrinarii und iudices, die dem Prior der Kardinaldiakone zu antworten hatten, der für große Heiterkeit gesorgt haben soll. Da der Wechselgesang zwischen diesen zwei Gruppen einen Kern des Krönungsaktes darstellte, konnte es sich nur um die Laudes, beginnend mit Exaudi Christe und der Anrufung bestimmter Heiligen, handeln 766. An die Konsekration schloss sich im Krönungszeremoniell die Messfeier an, die der Papst bei dieser Gelegenheit erstmalig feierte, wie Hüglin und Piccolomini betonen. Weihe und Messe dauerten nach Auskunft von Hüglin von sechs bis elf Uhr. Der anonyme Berichterstatter erwähnt, dass in dieser ersten Messe des Papstes, bevor ihm die Krone aufgesetzt wurde, die adeligen Laien, die bereits bei der Weihe involviert waren, dem Papstelekten Geschenke darbrachten: Ein goldenes und ein silbernes Brot sowie ein goldenes und ein silbernes Weingefäß 767. Die Krönung Felix’ V. fand nun wie Weihe und Krönungsmesse auf der Tribüne statt, wobei er für diesen Akt auf einem vorbereiteten Thronsessel Platz nahm, der vor dem Altar dem Publikum zugewandt war 768. Wer Felix V. krönte, wird von Hüglin und Piccolomini widersprüchlich überliefert. Möglicherweise ist dies durch unterschiedliche Entfernungen von der Tribüne zu erklären. Ersterer berichtet, Louis de Varambone, im Amt des Priors der Kardinaldiakone, habe Felix V. die Krone
766 Vgl. Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 107: moris est, ut inter ipsa solemnia precationes pontifici fiant, quas primus diaconorum cardinalium inchoat scrinariique et iudices subsequuntur. hic autem loco iudicum aduocati responderunt cantantique Ludouico, cardinali Sancte Susanne, uiro maximo et cerimoniarum apprime gnaro, qui presbiter pro diacono fuit, responsuri aduocati et scriniarii cantum adeo dissonum emiserunt, ut non solum risum, sed et lacrimas ab oculis omnium excusserint nec maior de ulla re octo post diebus quam de illorum cantu sermo sit habitus. Vgl. die Beschreibung der Laudes bei der Krönung von Martin V., Dykmans, III, S. 467 – 468: Quibus aciebus sic ordinatis, prior diaconorum incipiet laudem, alta voce, quasi legendo, et stabit sine mitra, scilicet Exaudi Christe et iudices et scrinaiarii respondebunt similiter in cantu quasi legendo ‚Domino nostro N. (addit supra rigam: Martino) a Deo decreto summo pontifici et universali pape vita‘. Et sic dicetur ter per dictum priorem cardinalium, et respondebitur ter a iudicibus et scriniariis. Bedauerlicherweise ist über die bei Felix V. angerufenen Heiligen, seinen persönlichen ‚Heiligenhimmel‘, nichts bekannt. 767 Basler Chroniken V, S. 492: Von bopst Felix erste mesz: Do er sin erste mesz zu Basel hat, do opfert im sin sun der hertzog von Saphoi ein guldin brott, der ander sun groff ze Jenff ein silberin brot, der margroff von Roetelen ein silberin vasz mit win, und groff Hans von Tierstein ein guldin vasz mit win. Und do die mesz uszkam, do satzt man im die kron uff. Ludwig schenkte seinem Vater darüber hinaus einen goldenen Ring mit einem balay in einem Wert von neun Golddukaten zu 21 Denaren, vgl. Scarabelli: Paralipomeni, S. 287. 768 CB VII, S. 214: […] sedente dicto domino nostro in cathedra preparata ante altare versus populum, coronam ibidem publice recepit, […].
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aufgesetzt. Diese Angabe stimmt mit dem römischen Zeremoniell überein, wonach der Prior der Kardinaldiakone die Krönung des Papstes vorzunehmen hatte 769. Bei Piccolomini versah dagegen Kardinal Louis Aleman diese Aufgabe. Dabei betont er auch, dass dieses Amt dem Kardinalbischof von Ostia zustehe, was aber nicht mit den Vorgaben des Ordo XIV übereinstimmt. Er ergänzt zudem, dass Kardinal Aleman gleichsam die Früchte seiner Mühen einsammelnd die überaus kostbare Tiara mit den drei Reifen verliehen habe 770. Piccolomini bemerkt in aufschlussreicher Weise, diese Aufgabe habe das Konzil an Aleman delegiert 771. Daraufhin akklamierten alle Anwesenden durch das gemeinsam gerufene Kyrie eleyson den neuen Papst. Auf diese Beteiligung war die Basler Bevölkerung durch den Ruf des Rates bereits vorbereitet worden. Diese Akklamation stellte die öffentliche Anerkennnung dar, die unverzichtbar war 772. An diesen öffentlichen Huldigungsruf schloss sich nun die Verkündung eines Plenarablasses an, den gewöhnlich auch der Prior der Kardinaldiakone im Auftrag des Papstes vornahm. In Basel tat dies nach Auskunft von Hüglin wiederum Kardinal Aleman. Dieser Ablass wurde mit päpst licher Autorität und Einwilligung des Konzils nicht nur verkündet, sondern auch in der Volkssprache, in vulgari Almanico, publiziert 773.
769 Schimmelpfennig: Krönung, S. 215: „Immer ist es der Archidiakon – d. h. seit der Mitte des 12. Jahrhunderts der Prior der Kardinaldiakone –, der den Papst krönt.“ Dieser Regel widersprechend wurde Piccolomini/Pius II. bei seiner eigenen Krönung auch vom Prior der Kardinalbischöfe gekrönt. ebd. S. 261. 770 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 107: […] quasi fructum suorum laborum jam colligens, […]. 771 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 107: Vt igitur finita missa est summusque ipse pontifex consecratus, sacer tiaras triplici corona insignis, compluribus gemmis prelucidus, allatus est, spectanteque uniuersa multitudine et animam comprimente Ludouicus cardinalis arelatensis, cui id officii, quod hostiensi episcopo debetur, synodus commiserat, quasi fructum suorum laborum jam colligens, coronam ipsam excellentis pretii, quam plurimi ad triginta milia aureorum censuerunt, felici capiti Felicis imposuit moxque per uniuersos acclamatum est, ut uita pape esset. Vermutlich stellt dies aufgrund der Detailfülle und der ausführlichen Kommentierung den plausibleren Bericht dar. 772 CB VII, S. 214: et illam imponendo clamarunt singuli ibidem astantes per magnum spacium ‚kirieleyson, kirileyson etc.‘. Vgl. dazu Bölling: Papstzeremoniell, S. 168. 773 CB VII, S. 214: Post quamquidem coronacionem reverendissimus dominus cardinalis Arelatensis auctoritate dicti domini nostri et de consensu sacri concilii annunciavit et publicavit ominus interessentibus et in statu gracie existentibus plenariam indulgenciam etc., que eciam publicata fuit et in vulgari Almanico per magistrum fabrice ecclesie majoris.
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Der Basler Krönungszug An die Krönung schloss sich der zeremonielle Zug an, der vom Münster durch die Stadt zum Predigerkloster außerhalb der Stadtmauern führte. Hier fanden das Zeremoniell des Lateranpossessos und das abschließende Festmahl statt. Die Reihenfolge des Zuges war ähnlich strukturiert wie diejenige des Adventus, die Strecke wich aber stellenweise von ihr ab 774. Ähnlich wie beim Adventus forderte der Basler Rat durch einen Ruf die Stadtbevölkerung auf, die Zugstrecke mit frischem Grün und Blumen sowie mit Textilien auf dem Boden und an den Häuserwänden zu schmücken. Die erste Gruppe und damit den Auftakt des Zuges bildeten auch beim Krönungszug Laien, die in gestaffelter Ordnung einherritten. Als ranghöchster Adeliger zog als Letzter in dieser Gruppe der savoyische Herzog mit seinem Hofstaat. Piccolomini hebt deren Prunkgewänder heraus: Die Savoyer ritten in bodenlangen, goldenen Gewändern auf Pferden in goldenen und purpurnen Schabracken, die Mäntel der Ritter waren mit Silber und Edelsteinen geschmückt 775. Ihnen folgte als zweite Gruppe der städtische Klerus zu Fuß, der Reliquien mit sich führte. Hinter ihnen zogen erneut weißgekleidete, singende Kinder. Den Auftakt für die zentrale Gruppe des päpstlichen Hofes und hohen Klerus’ bildeten zwölf reiterlose Schimmel mit roten Schabracken, hinter ihnen kam dann der rot-gelbe Schirm des Papstes 776. Sodann führt Piccolomini die einzelnen
774 Für den Weg vom Münster zum Predigerkloster wurde laut den Angaben des Rufbuchs eine Strecke gewählt, die zunächst durch das innere St. Albantor längs dem St. Albangraben durch das innere Aeschentor führte. Sodann ging es durch die Freie Straße am Rathaus vorbei, den Birsig über die neue Brücke querend durch die Sporrengasse, über die Brodlaube durch die Stadthaus- und Schwanengasse über den Blumenrain hinauf zum Predigerkloster. Vgl. Basler Chroniken V, S. 497; dazu auch die Karte bei Sieber-Lehmann: Basel, S. 199. 775 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108: quinto dux ipse, consilio suorum comitatus, aureis vestibus in terram dimissis. inter hos, ut potuit, expompare nixus est quilibet: hoc equi ostro et auro tecti, hic sage militum gemmis et argento onuste, […]. Segovia schreibt über den Krönungszug lediglich: MC III, S. 494: […] processio facta extitit usque ad conventum predicatorum, precedentibus primo inquis laycis et vulgari turba famulancium, nobilibus abinde militibus consequenter. 776 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108: post hos urbanus clerus pedes reliquias sanctorum vectitans et puerorum cantantium candidus ordo. his succedebat umbraculum rubei croceique coloris […]. Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108: hoc in ordine preteriuimus duodecim equos, qui ante umbraculum candore niuali, quales Rhesus ad Troiam duxit, rubeo tamen tegmine uestiti collotenus procedebant. Vgl. zu den weißen Pferden des mythischen Thraker-Königs Rhesos (Homer, Ilias, 10, 437: Die Thrakerrosse, weiß, hellglänzend durch die Nacht. Ihr Schimmer gleicht den Fittichen des Schwans am Strom) etwa das Vasenbild auf dem sog. Rhesoskrater (Volutenkrater Kat. 2) der Berliner Antikensammlung.
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urienämter im Zug auf: Zunächst gingen die scutiferi (Schildträger), dann, als Ersatz K für die prefecti navales, drei Ritter des Ordens von St. Mauritius in ihrem gewohnten Habit. Nach ihnen kamen Prioren, Sekretäre, Advokaten und Richter in ihren jeweiligen Amtsgewändern 777. Sodann nennt er in aufsteigender Reihenfolge den hohen Klerus, beginnend mit den Äbten, ihnen folgten die Bischöfe. Diese ritten auf geschmückten Pferden und waren mit Chormänteln und Mitren bekleidet 778. Ihnen folgte das Sakrament, das von dem Konzils-Theologen Johannes von Ragusa im Amt des Sacristans getragen und von großen Kerzen begleitet wurde 779. Hinter ihm ritten die Kardinäle Aleman und de Varambone sowie die Bischöfe von Tortona und Vich anstelle der in Basel fehlenden Kardinaldiakone 780. Unter einem goldenen Baldachin zog schließlich der Papst auf einem Schimmel, am Zügel geführt vom Markgraf von Röteln und Konrad von Weinsberg. Felix V. trug jetzt die Tiara auf seinem Haupt 781.
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Dazu: Giuliani, Luca: Tragik, Trauer und Trost. Bildervasen für eine apulische Totenfeier, Berlin 1995, S. 94 – 102, Abb. 73. Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108: […] et apud illud scutiferi, quos honoris vocant, locati erant, rubeos gestantes pileos. iuxta hos fuissent prefecti navales, si qui affuissent, sed loco illorum eremite Ripallie, quos milites Sancti Mauritii uocitant, suffecti sunt […]. illinc prioribus quibusdam pluuialia sine mitra gerentibus locus fuit. mox successere scriniarii et aduocati, pluuialia ex transuerso gestitantes […]. idem gestamen debitum erat his, qui sequebantur, iudicibus, quod minime obseruatum est incuria promotorum. habuerunt autem cappas et pileos, tanquam prelati. Enea Silvio Piccolomini stellt mit seinem Hinweis auf das Fehlverhalten der Richter nicht nur die Unachtsamkeit dieser Gruppe bloß, sondern weist auch auf seine umfassenden Kenntnisse in Zeremoniellfragen hin. Zur impliziten Juristenschelte, die Piccolomini auch an anderer Stelle betreibt, vgl.: Andermann, Ulrich: Von dem Quaken aufgeblasener Frösche und der Bissigkeit lästiger Stechmücken: Zur Juristenschelte vom 12. bis 16. Jahrhundert, in: Kretschmer, Bernhard (Hg.): Rechts- als Geisteswissenschaft. Festschrift für Wolfgang Schild zum 60. Geburtstag, Hamburg 2007, S. 11 – 35, S. 29. Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108: hos secuti sunt abbates et inde episcopi ornati pluuialibus infulatique equis insidentes faleratis. Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108: secundum episcopos Salvatoris Domini nostri Iesu inter decem magna luminaria corpus deferebatur, cuius conducendi cura Iohanni episcopo argensi, theologo non minus utilis quam laudate doctrine, tanquam sacriste commissa erat. Über die Schabracken der Pferde der Kardinäle wird keinerlei Auskunft gegegeben. Dabei wird der Stellenwert dieses Ausstattungselements deutlich, wenn man ihre Änderung unter Papst Paul II. (1465) betrachtet. Er gestattete dort seinen Kardinälen, ihre Pferde mit roten Schabracken zu bedecken. Bis dahin hatte nur das Pferd des Papstes das Recht, eine rote Decke zu tragen. Die Kardinäle hatten Pferde mit einer weißen Decke; die Pferde der Subdiakone, Kapläne und Richter waren ohne jede Decke. Vgl. dazu Paravicni Bagliani: Papst auf Reisen, S. 513. Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108: sequenti in ordine duo cardinales duoque episcopi, dertusensis uicensisque, qui diaconorum cardinalium tenebant locum. ultimo in loco summus ipse pastor, aureo tectus papilione, triplicem gestans coronam populoque benedicens,
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Nach ihm zogen Thesaurar und andere Kleriker der Kammer, die Münzen warfen, sowie die Gesandten von Fürsten und, so Piccolomini weiter, magnaque et confusa populi multitudo 782. Als einzige Station während des Krönungszuges vom Münsterplatz zum Prediger kloster erwähnt Piccolomini die Begegnung des Papstes mit den Juden. Sie hielten ihm das mosaische Gesetz entgegen, das er verehrte, den Kult selbst hingegen verurteilte 783. Im Predigerkloster wurde der Papst vom Prior und anderen Mönchen empfangen und zum Altar geleitet. Dort überreichte man ihm die Schlüssel des Klosters. Dann wurde der Possesso des Laterans zunächst unterbrochen, und Felix V. übernachtete im Kloster. Erst am nächsten Tag wurde mit dem Zeremoniell fortgefahren, wobei kaum noch Einzelheiten berichtet werden. Den Angaben Piccolominis kann lediglich entnommen werden, dass die Laudes-Akklamation des Priors der Kardinaldiakone und der Scrinarii und Juristen in der Kirche des Predigerklosters gesungen wurden 784. Erwähnt wird auch, diesmal übereinstimmend von Hüglin wie von Piccolomini, dass Felix V. den anwesenden Prälaten als Presbyterium zwei silberne Münzen und ein Goldstück 785 in die Mitra legte 786. Dann teilt Piccolomini lediglich noch mit, dass unus omnium oculis desideratus, incessu maturo procedebat, marchione de Roetelen et Conrado de Winsperg equum eius ductantibus. Hüglin, CB VII, S. 214: Ipse dominus noster et ceteri prelati omnes cum ornamentis et mitris, papa autem cum corona equos de albo buquassino cooperto. 782 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108. 783 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108: sicque per plurimos ciuitatis recessus est itum, donec iudei, illum expectantes, noua et fallaci spe ducti legem moysaicam obtulerunt, quam ipse laudans ritum damnauit eorum. 784 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 107: sequenti die, cum apud Predicatores idem officium exigeretur, […]. 785 Das Historische Museum Basel bewahrt einen Prägestempel für Goldgulden (ca. 71 x 22 cm), der das päpstliche Wappen Felix’ V. sowie die Umschrift Felix PP Qvintvs trägt (Inv. 1905.3596). Von diesem Stempel geprägte Münzen sind nicht überliefert, doch Gebrauchsspuren auf dem Stempel weisen eine Nutzung nach. Gleichwohl gibt es bislang keinerlei konkreten Hinweise darauf, dass dieser Stempel im Kontext der Krönung verwendet wurde, etwa um die hier erwähnten und als Presbyterium verschenkten Münzen anzufertigen. Vgl. dazu: Stückelberg, Ernst Alfred: Il Punzone del Papa Felix V a Basilea, in: Rivista italiana numismatica e scienze affini 21 (1908), S. 271 – 276; Matzke, Michael: Basilea/Basel, in: Travaini, Lucia (Hg.): Le zecche italiene fino all’unità, Bd. 2, Roma 2011, S. 1285. 786 Hüglin, CB VII, S. 214: et missa finita dedit dictus dominus noster dominis cardinalibus et prelatis omnibus presbiterium, videlicet cuilibet in sua mitra unum aureum et duos argenteos. Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108: altera die illuc ad missam omnes convenere, qua finita consummatisque nonnullis que restauerant cerimoniis, prelatis omnibus, qui interfuere, duo argentei nummi et unus aureus traditus est […]. Nach dem Zeremoniale des Patrizi erhalten die Kardinäle 2 aureos et 2 grossos argenteos, die Prälaten 1 aureum et 1 grossum argenteum, vgl. Schimmelpfennig: Krönung, S. 246.
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dort einige restliche Zeremonien erledigt worden seien 787, bevor schließlich das Krönungsmahl begann, bei dem die Söhne des Papstes wie der Markgraf von Saluzzo den zeremoniellen Tischdienst verrichteten. Es muss ein großes Fest gewesen sein, das in der Predigerkirche stattgefunden und über vier Stunden gedauert haben soll. Etwa 1.000 Menschen sollen laut Piccolomini dabei verköstigt worden sein 788. Danach kehrte der Zug in gleicher Ordnung, aber auf etwas anderem Weg zurück zum Münster, wo Felix V. seine Residenz im Bischofshof bezog. Nach Angaben des Rufbuchs führte der Weg vom Predigerkloster zurück zum Münster durch das innere St. Johannstor, die Petersgasse, den Nadelberg und den Spalenberg hinab zum Kornmarkt und von hier die Gerbergasse hinauf zur Barfüßerkirche zum Spital und auf den Münsterberg 789. Über eine wiederholte Spoliierung gibt es keinerlei Angaben.
Interpretation Vergleicht man den modellhaften Ordo XIV, die vorbildliche Krönung Martins V. in Konstanz sowie die Krönung Pius II. (Enea Silvio Piccolomini) mit der Krönung des Papstes „von Konzils Gnaden“, Felix V., so fällt auf, dass bei allen Krönungsabläufen mit größter Aufmerksamkeit Analogien zur römischen Tradition beschrieben wurden, bzw. die Einhaltung des römischen Zeremoniells explizit formuliert wurde, auch wenn Einzelheiten divergierten. Besonders auffällig wird dies bei der Huldigung der Juden während des Krönungszuges. Nachdem aus Basel alle Juden verjagt worden waren, mussten sie eigens aus dem Elsass eingeladen werden. Die während des Krönungszugs offenbar notwendige Huldigung der „stadtrömischen Juden“ gegenüber ihrem Schutzherren, dem Papst, war in Basel weit über das übliche Maß, wie etwa in Lyon und Konstanz, hinaus inszeniert worden. Dies war einzig den Vorgaben des römischen Zeremoniells geschuldet. Ähnlich wie in Lyon 1316 und Konstanz 1417 wurde auch in Basel der Lateranpalast durch ein Kloster substituiert. In Lyon und Basel waren es Predigerklöster, in Konstanz dasjenige der Augustineremiten. Hierbei kam es offenbar vorrangig darauf an, einen angemessenen Sakralort in ausreichender Distanz zur Kathedrale zu
787 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108: altera die illuc ad missam omnes convenere, qua finita consummatisque nonnullis que restauerant cerimoniis […]. 788 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 109: cenitatum est, ut libuit, laute sumptuoseque, pransitatum quoque; dubium est enim, prandium an cena fuerit. horis circiter quatuor homines plus mille cenati feruntur. 789 Vgl. Basler Chroniken V, S. 497; Karte bei Sieber-Lehmann: Basel, S. 203.
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finden 790. Zum bekannten römischen Weg vom Vatikan zum Lateran wurden nicht nur in Basel jeweils topographische Analogien gesucht, dies war ebenfalls auch in Lyon 1316791 und 1417 in Konstanz praktiziert worden. Die Einhaltung des römischen Krönungsordos wird von Piccolomini nicht immer gleich detailliert betont. So werden der Krönungsabschnitt im Lateran sowie die dort stattfindenden Zeremonien mit ihren zentralen Bedeutungen und Verweisen für das Papstamt zwar für notwendig gehalten, im Vergleich zur Krönung bzw. dem possesso aber eher am Rande erwähnt. Die komplexe Handlungssequenz hatte an Aufmerksamkeit spürbar eingebüßt. Piccolomini schreibt vielmehr recht salopp, es seien dort noch einige übriggebliebene Zeremonien erledigt worden 792. Sehr deutlich fallen hingegen die Abweichungen der Basler Krönung gegenüber den vorangegangenen Krönungen in Lyon und Konstanz und ihren Modellen auf; vor allem die Ortsverlagerung der Krönung selbst erscheint ausgesprochen signifikant. So fand das gesamte Krönungszeremoniell, also auch Weihe und Einkleidung, auf einer Tribüne auf dem Münsterplatz statt. Der sakrale Kontext durch eine geweihte Architektur wurde zu Gunsten einer öffentlichen Situation mit Massenpublikum aufgegeben und auf die Bezüge zu St. Peter in Rom mit dem Apostelgrab gänzlich verzichtet. Dafür mag man mehrere Gründe anführen, etwa die Besetzung des Münsters durch das dort tagende Konzil oder vielleicht die legitimationsstiftende Kraft durch die Anwesenheit der Stadtbevölkerung und der, vor allem savoyischen, Gäste 793. Dies bewegt sich aber in einem spekulativen Bereich und muss letztlich offen bleiben. Eine besondere Betonung der Sakralität des Papstamtes kann bei dieser Art des Krönungs-Vollzugs jedenfalls nicht entdeckt werden. Vielmehr wurde bezeichnenderweise die Weihe gegenüber der Krönung untergeordnet und aus dem Sakralraum
790 Für Felix V. ist bei seinen späteren häufigen Aufenthalten in Genf auch das Predigerkloster gewissermaßen der Lateranersatz, freilich stellt hier die Ansässigkeit außerhalb der Stadt das entscheidene Kriterium für die Wahl der Residenz dar. 791 Dies legt der Ordo von 1316 nahe, vgl. Schimmelpfennig: Coronations, S. 192. 792 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108: altera die illuc ad missam omnes convenere, qua finita consummatisque nonnulis que restauerant cerimoniis […]. 793 Zu Tribünen vgl. Töbelmann, Paul: Formen der Repräsentation auf Reichsversammlungen des hohen und späten Mittelalters, in: Peltzer u. a. (Hg.): Versammlungen, S. 219 – 245, S. 235. Er verweist auf die häufige Verwendung von Podesten und Tribünen bei öffentlichen Ritualen, „besonders solcher, die um die Herstellung hierarchischer Verhältnisse kreisen“. Nach Töbelmann bestand dabei die Aufgabe der provisorischen Architektur, wie dies auch bei der Krönung Felix V. der Fall war, in der „Ostentation gegenüber der Öffentlichkeit“.
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heraus an den Ort der Krönung verlegt. Der weltliche Charakter des Papstamtes wird damit deutlich hervorgehoben 794. Besser zu erklären ist hingegen die aktive Teilnahme der Söhne Felix’ V. an den Messhandlungen sowie die Übergabe der hochsymbolischen Geschenke der goldenen Brote und Messkelche durch die beiden ranghöchsten Savoyer und die beiden höchsten anwesenden Reichsfürsten, von Röteln und von Thierstein. Die Huldigung der ranghöchsten weltlichen Vertreter ist ähnlich wie die Zügelführung als Anerkennung der sakralen Würde, aber auch Teilhabe an derselben zu verstehen. Die Assistenz am Altar durch die Söhne des Papstes geht freilich deutlich über das übliche Maß an Huldigung und Anerkennung hinaus. Es stellt vielmehr – ähnlich wie schon bei der Wahlannahme, beim Weihnachtsdienst und insbesondere beim zweifachen Einritt des savoyischen Adels in Basel – ebenso wie bei der päpstlich-savoyischen Emblematik und Ausstattung der felicianischen Residenzen eine Hybridbildung eigener Art dar, in der savoyische und päpstliche Repräsentation miteinander verschmelzen und der eine Machtbereich den anderen überlagert. Eine deutliche Trennung zwischen dem, was savoyisch und was petrinisch ist, kann jedenfalls kaum vorgenommen werden. Dies wiederholt sich während der Krönung noch einmal beim Tischdienst im Predigerkloster; auch hier kommt den Söhnen des Papstes und dem savoyischen Vasall Saluzzo eine durch zeremonielle Vorschriften nicht gedeckte Sonderstellung zu 795. Eine ähnlich auffällige Integration von ranghohen savoyischen Laien in den päpstlichen Apparat kann wieder bei den Mauritius-Rittern von Ripaille, dem savoyischen Staatsrat, beobachtet werden, die ihren Platz im Krönungszug innerhalb der Kurien ämter anstelle der prefecti navales erhielten 796. Die Kompensation der mangelnden Kardinäle, insbesondere der Kardinaldiakone, erfolgte ohne spezifisches Muster. Mal ersetzten der Herzog von Savoyen und der Graf von Genf die fehlenden Kleriker, wie etwa bei der Händewaschung während der Bischofsweihe, mal sind es Bischöfe und verdiente Konzilsväter, wie etwa Johannes von Ragusa, der als Sakristan auftrat.
794 Bei der Herrscherübergabe am 6. Januar 1440 in Ripaille führte Amadeus VIII./Felix V. hingegen vor allem eine biblische Argumentation, vgl. dieses Buch, S S. 134. Zur allgemeinen Tendenz einer „Retheologisierung des stark verrechtlichten Kirchenbegriffs“, die sich nach Krämers Ansicht eindringlich in der Basler Konzilstheologie wie auch in der papstkirchlichen Entsprechung ausdrückte, Krämer: Wahre Repräsentation, S. 215; eine umfassende Einordnung bei Walther, Konziliarismus in: Helmrath/Müller (Hg.): Konzilien, bes. S. 56 – 58. 795 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 109: pincerne summo pontifice pulcherrima proles, duo filii, fuerunt, architriclinus marchio Salutiarum. 796 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108: iuxta hos fuissent prefecti nauales, si qui affuissent, sed loco illorum eremite Ripallie, quos milites Sancti Mauritii uocitant, suffecti sunt […].
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Die Notwendigkeit von Kardinälen im Zeremoniell ist allen Anwesenden bewusst gewesen; zu Neuberufungen kam es aber erst nach der Krönung, im Oktober 1440797. Die getreue Einhaltung des römischen Zeremoniells indes wird vor allem von Piccolomini häufig betont. Insbesondere soll Felix V. selbst skrupulös auf zeremonielle Makellosigkeit geachtet haben. Ihm weist Piccolomini damit die Rolle des obersten Zeremonien-Hüters zu, da dieser nämlich nicht den geringsten Verstoß gegen die Ordnung hingenommen habe 798. Neben dieser Suggestion römisch-kurialer Authentizität und Regeleinhaltung geizt Piccolomini nicht mit eigener genauester Kenntnis des kurialen Zeremoniells und seinen spezifischen Besonderheiten, auch wenn Kleinigkeiten in Basel nicht immer eingehalten werden konnten. Dies wird etwa deutlich, wenn er launig den Anachronismus der prefecti navales erkennbar beiläufig einfließen lässt: Juxta hos fuissent prefecti navales, si qui affuissent 799. Gleichwohl unterlaufen ihm auch Fehler, wie etwa die Benennung desjenigen Kardinalamtes, dessen Inhaber die eigentliche Krönung vorzunehmen hatte – dafür wusste er von dem Auftrag des Konzils an Kardinal Aleman. Signifikant ist seine hohe Aufmerksamkeit gegenüber den Gewändern der Zugteilnehmer, durch die sich einzelne Gruppen indentifizieren ließen und durch deren Einsatz die Pracht und finanzielle Potenz des savoyischen Herzogshauses nochmals betont werden konnte 800. Dies gilt insbesondere für den Ornat des Herzogs Ludwig, wie auch für die Tiara des Papstes, deren Wert hier auf rund 30.000 Gulden geschätzt wird 801. Konzilsspezifische Besonderheiten, die Hinweise auf Modifikationen zu Gunsten einer konziliaren Papsttumskonzeption in den zeremoniellen, äußeren Formen geben könnten, werden in den Berichten der Krönung Felix’ V., nicht geboten. Lediglich
797 Vgl. dieses Buch ab S. 245. 798 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 107: castigabat ipse per se aliorum errata nec aliquid vel minimum extra ordinem fieri ferebat celebrauitque missam suam et cantando et legendo plus quam dici posset solemniter, nichil omittens, nichil peruertens. 799 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 108. Neben diesen wären eigentlich die Prefecti Navales gewesen, wenn es welche gegeben hätte. 800 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 107f.: […] quarto loco barones, comites et marchiones, quinto dux ipse, consilio suorum comitatus, aureis uestibus in terram dimissis. Inter hos, ut potuit, expompare nixus est quilibet: hic equi ostro et auro tecti, hic sage militum gemmis et argento onuste, hic tube tibicinesque et mimorum cohors preludens, uarie uestes, uaria ornamenta, ut nulli satis uidisse sit uisum. 801 Piccolomini, Krönungsbericht, ed. van Heck, S. 107: Vt igitur finita missa est summusque ipse pontifex consecratus, sacer tiaras triplici corona insignis, compluribus gemmis prelucidus, […], coronam ipsam excellentis pretii, quam plurimi ad triginta milia aureorum censuerunt, felici capiti Felicis imposuit moxque per uniuersos acclamatum est, ut uita pape esset.
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am Rande bemerkt Piccolomini, die Aufgabe und Kompetenz von Kardinal Aleman, den Papst zu krönen, sei ihm vom Konzil verliehen worden 802. Letztlich kann als vorläufiger Befund festgehalten werden, dass die Rom- Imitation in Basel jedenfalls nicht das für Konstanz, Lyon und Avignon konstatierbare Maß überstiegen hat. Ganz im Gegenteil, an besonders signifikanten Punkten, wie etwa der Lokalisierung der Messe, wurden überkommene Regeln und Traditionen nicht beachtet und sogar preisgegeben. Ein Bericht wie derjenige Piccolominis betont zwar schriftlich und auf literarisch stilisierte Weise die Einhaltung der Ordnung und Regelhaftigkeit des Zeremoniells. Doch selbst der detailfreudige und teilweise mit witzigen Einschüben lebendig und real anmutende Text – so etwa im Abschnitt über die schiefsingenden Advokaten 803 – verweist auf ein Kennzeichen, das die Krönung in erheblich stärkerem Maße charakterisierte als die intendierte Rom-Imitation, das bereits wiederholt als spezifische Legitimationsstrategie des savoyischen Gegenpapstes identifiziert werden konnte: Es handelt sich um die zeichenmäßig deutliche Verschmelzung des Papats Felix’ V. mit der savoyischen Herzogswürde. Die Präsenz und Hervorhebung der Familie des Papstes und insbesondere der Söhne durch Modifizierungen des Krönungszeremoniells widersprechen klar den Bemühungen, durch Augenzeugenberichte ein überörtlich konzeptioniertes ‚Rom‘ in schriftlicher Form zu evozieren. Wie bereits für den Adventus Felix’ V. in Basel festgestellt werden konnte, erscheint auch bei der Krönung innerhalb der päpstlichen Repräsentation das savoyische Element am stärksten wahrnehmbar.
3.4 Liturgische und akustische Präsenz Liturgische Präsenz Aus den Protokollen Jacob Hüglins ist nur an wenigen Stellen anlässlich der großen Kirchenfeste päpstliche Präsenz zu entnehmen. So wird etwa über das Osterfest 1441 (15./16. April) lediglich vermerkt, der Papst habe an Gründonnerstag, Karfreitag und zu Ostern im Basler Münster den Dienst am Altar versehen und an Klerus und Bevölkerung Ablässe verliehen 804. Zu den Feierlichkeiten während der Fastenzeit,
802 Vgl. dieses Buch, S. 215. 803 Vgl. dazu auch Strohm: Guillaume Du Fay, S. 26. 804 CB VII, S. 354: Diebus jovis, veneris sancta et pasche sanctissimus dominus noster papa in maiori ecclesia Basiliensi fecit officium, dando indulgencias clero et populo.
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insbesondere in der Karwoche, in denen der Papst gemäß dem römischen Zeremoniell besonders hervortrat, wird hingegen geschwiegen 805. Stattdessen wird auf das päpstliche Zeremoniell am Weißen Sonntag, dem ersten Sonntag nach Ostern, hingewiesen, insbesondere auf die Herstellung und Segnung des sogenannten Agnus Dei. Bei diesen Lämmern handelte es sich um kleine wächserne weiße Scheiben, die aus einem Gemisch aus Wachs und Öl (teilweise Chrisam) bestanden, auf die mit einer Matrize Lämmer gedrückt wurden. Diese Lämmer wurden teilweise auch aus dem Wachs-Öl-Gemisch gegossen. Von zentraler Bedeutung bei diesen Objekten war dabei die weiße Farbe 806. Das Agnus Dei wurde am Vorabend (22. April 1441) des Weißen Sonntags im päpstlichen Palast angefertigt und gesegnet 807, und dann am Sonntag nach der Messe in der Privat-Kapelle Felix’ V. unter den Anwesenden verteilt 808. Die Segnung und Verteilung der Lämmer-Bildnisse am Weißen Sonntag durch den Papst ist seit dem 9. Jahrhundert überliefert 809. Damit sei, so Paravicini Bagliani,
805 Für das Jahr zuvor hingegen wird eine Palmprozession auf dem Basler Münsterplatz vermerkt, auch wurden während der Karwoche keine Deputationen abgehalten, sondern die kirchlichen Festtage begangen: CB VII, S. 92: Dominica sequenti in ramis palamarum fuit facta solemnis processio per plateam circa ecclesiam maiorem et deinde missa. Lune sequenti fuit missa solemnis celebrata in ecclesia maiori de sancto Benedicto propter eius festum, et proterea non fuerunt tente deputationes. Et ab illa die lune, que erat in septimana sancta, et per totam illam septimanam sanctam et septimanam paschalem usque ad diem illam quintam aprilis non fuerunt tente deputaciones nec congregaciones, sed fuerunt misse solemnes et alia divina officia celebrata. 806 Paravicini Bagliani: Leib des Papsts, S. 84 – 89, bes. S. 86. Christian Wurstisen erwähnt in seiner Chronik der Stadt Basel (1580), dass diese Agnus Dei etwa die Größe von Hostien besessen hätten. Sie dienten „zur sicherung für Feur und Wasserfahl für Donderschlege, Gespenste unnd andere unfahl am halß zutragen.“ Wursisen, Christian: Baszler Chronick, Basel 1580, S. 371. 807 CB VII, S. 355: Sabbati sequenti XXIIa dicti mensis sanctissimus dominus noster in palacio suo fecit et consecravit agnos Dei. 808 CB VII, S. 355: Die dominica sequenti XXIIIa dicti mensis celebrata missa per reverendissimum in Christo patrem dominum cardinalem Quatri Coronatorum in capella sanctissimi domini nostri ipse sanctissimus dominus noster predictos agnos Dei unicuique distribuit. 809 Vgl. dazu Dykmans III, S. 75 – 77 und einen Zeremonialtext aus der Zeit von Benedikt XIII., in: Dykmans, S. 336 – 340. Vgl. auch die hohe Wertschätzung, die das Agnus Dei erfuhr, das Pius II. der Stadt Basel verehrte: Die Verleihung wurde auf der sog. Universitätsmonstranz aus dem Basler Münsterschatz erwähnt, die sich jetzt im Berliner Kunstgewerbemuseum befindet. Zur Verleihung der Agnus Dei vgl. auch ein weiteres Zermoniale: Le cérémonial long, Dykmans III, S. 235 – 237. Zu der Segnung der Agnus Dei: Frenz, Adolph: Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, Bd. I, Freiburg i. Br. 1909, S. 553 – 571. Schauerte,
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auf die Christusnähe des Papstes verwiesen worden 810. Auch zeigte der Papst damit, dass er „rein und jungfräulich wie das Wachs der Lämmer sei“811. Die Verteilung der wächsernen Lämmer-Bildnisse war symbolisch zudem mit der Krönungsfeier verknüpft. So erwähnt Paris de Grassi, Zeremonienmeister unter Leo X. (1513 – 21), dass am Weißen Sonntag des ersten Amtsjahres den Kardinälen, Bischöfen und hohen Beamten ein wächsernes Täfelchen mit dem Bild eines Lammes, dem Wappen und dem Krönungsjahr des Papstes geschenkt würde. Dies könnte erklären, warum Felix V. die Verteilung der wächsernen Lämmer in seiner Privatkapelle vornahm und Jacob Hüglin dieses Agnus-Dei-Zeremoniell nur für das Jahr 1441 erwähnt. Anlässlich des Pfingstfestes hielt Felix V. im Basler Münster eine Messe, bei der Kardinal Tudeschi (Panormitanus) predigte 812. An Fronleichnam trug Felix V. eine geweihte Hostie im Rahmen einer Prozession durch die Stadt, was nach Hüglin von der Bevölkerung zufrieden aufgenommen wurde. Starker Regen führte jedoch zum Abbruch der feierlichen Handlungen, die Messe feierte schließlich Kardinal Aleman 813. Bei seinem einjährigen Krönungsjubiläum erneuerte Felix V. seinen päpstlichen Eid gegenüber dem Konzil. Anschließend verkündete er mit Zustimmung des Kardinalkollegiums, den Jahrestag der Papst-Krönung künftig am Namenstag der Heiligen Jacobus und Christophorus zu feiern 814. Damit wurde dem Krönungstag nicht mehr eigens gedacht, sondern die Feier einem bereits bestehenden Festtag hinzugefügt. Felix V. nahm am 22. September 1440 wie auch 1441 an einer Messe anlässlich des
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Heinrich/Dürig, Walter: Agnus Dei, in: LThK, Bd. I, Freiburg 1957, Sp. 203f. Vgl. auch zur Wechselwirkung der verwendeten Materialien: Schmidt: Materialität, S. 107. Paravicini Bagliani: Leib des Papstes, S. 88. Paravicini Bagliani: Leib des Papstes, S. 88. CB VII, S. 369, 4. Juni 1441: Die penthecostes, que fuit dominica IIII Junii, celebrata fuit missa synodalis per dominum nostrum papam et sermonicavit reverendissimus in Christo pater dominus Panormitanus. Fronleichnam am 14. Juni 1441, CB VII, S. 379: Jovis XV. fuit festum sacramenti et dominus noster papa Felix portavit sacramentum per civitatem, unde populares valde contentarunt, eo quod tempus pluviosum, quod incessanter fuerat, cessavit; et celebravit missam reverendissimus dominus cardinalis Arelatensis. CB VII, S. 396, 24. Juli 1441: Lune XXIIII Julii fuit solemnitas anniversarii coronationis sanctissimi domini nostri Felicis pape Vti et celebravit missam reverendissimus dominus car dinalis sancti Marcelli, et post ewangelium reverendissimus dominus cardinalis Arelatensis legit formam juramenti prestiti per dominum nostrum predictum publice alta et intelligibili voce, reducendo ad memoriam eidem domino nostro huiusmodi juramentum. Et deinde publicavit de mandato eiusdem domini nostri, quod ipse de consensu reverendissimorum dominorum cardinalium ordinavit, quod huiusmodi anniversarium deinceps celebretur in die festi sanctorum Jacobi et Christofori etc. propter causas per eum expressas et nichilominus sumatur pontificatus die predicta videlicet XXIIIIa.
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Namenstags des Hl. Mauritius teil, der, wie auch das Protokoll Hüglins weiß, P atroni videlicet domini nostri pape war. Die Vergangenheit des Papstes als „Eremit von St. Mauritius in Ripaille“ blieb dabei nicht unerwähnt 815. Die letzte feierliche sessio generalis wurde am 1. Juli 1441 in Basel abgehalten 816. In dieser 43. sessio wurde ein Dekret über den Festtag Mariae Heimsuchung verkündet, De celebratione visitationis beatae Virginis Mariae 817. Eine große Veränderung gegenüber den vorangegangenen sessiones stellte im Vorfeld die Anwesenheit des Papstes dar, denn die Basler Dekrete waren stets im Namen des Konzils approbiert worden, da bislang kein Papst persönlich anwesend gewesen war; der Konzilspräsident vertrat den abwesenden Papst und trug währenddessen eine vergoldete Mitra 818. Nach der Tradition der lateinischen Konzilien im Lateran, in Lyon, Vienne und Konstanz fanden die sessiones unter Vorsitz des anwesenden Papstes statt. Es bestand nun die Frage, ob dies in Basel auch so gehandhabt werden könnte 819. Dabei hatte man zu beachten,
815 CB VII, S. 251 (22. September 1440): Jovis sequenti fuit festum sancti Mauricii, patroni vicelicet domini nostri pape, dum Ripallie in heremo degebat, et idcirco fuit missa solemnis in ecclesia majori Basiliensi conciliariter celebrata presente dicto domino nostro. CB VII, S. 427 (22. September 1441): Veneris XXIIa septembris non fuit generalis congregacio, sed fuit missa solemnis in ecclesia majori in honore beati Mauricii et eius sociorum, in qua interfuit sanctissimus dominus noster, celebrata per reverendissimum dominum cardinalem de Varembone, et frater Andreas ordinis Minorum fecit sermonem. 816 Zur sessio generalis am 1. Juli 1441, MC III, S. 959 – 961. Seit der Annahme der Papstwahl, am 17. November 1439, wurden nur noch sehr wenige Sessiones abgehalten: am 27. Februar 1440, 23. Juli 1440 und 4. August 1440. 817 Der Wortlaut des Officiums wird von Segovia später angeführt: MC III, S. 1308 – 1316. Vgl. dazu Stieber: Felix V., in: Müller (Hg.): Ende des konziliaren Zeitalters, S. 305. 818 Zum Ablauf der feierlichen Sessio Sudmann: Basler Konzil, S. 40. Daran anknüpfend: Dendorfer: Inszenierung, S. 37 – 53. 819 Zu diesem Problem: Segovia MC III, S. 959: Sed et tunc difficultas altera ex parte pape, ut nullatenus illa die, sed post octavas apostolorum celebrari deberet. Non vero timor cuius, nomine concilii videlicet vel pape, decretum fieret; etenim, quia in generalibus conciliis apud Latinos celebratis, Lateranensi, Lugdunensi, Viennensi et Constanciensi, ubi papa presencialiter affuit, sub eius nomine sacro approbante concilio publicati sunt canones, multis sic videbatur fiendum, aut saltem, quod in forma decreti exprimeretur: papa Felice presidente, quomodo in concilio Senesi pronunciatum fuit de presidentibus pape, vel quod ipsemet concluderet et diceret bonis respectibus sibi placere, quod sub illa forma decretum transiret. At vero iam publicata die sessionis in ecclesia maiori congregatis nedum patribus concilii, sed de omnibus collegiis civitatis sacerdotibus et aliis cum reliquiis et paramentis ad assistendum misse et sessioni, deliberacionem deputatorum, ut sub nomine concilii fieri deberet, pape notificationibus duobus cardinalibus et ex prelatis atque doctoribus quatuor, respondit, quod facerent, prout sibi videretur, et tandem per vicecamerarium suum, quod placeret. Sed nec defuerunt, qui hoc postmodum coram ipso redarguere propter quod ultima die mensis huius per cardinales in eius presencia gravi colleccione
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die Ehre des eigenen Papstes nicht zu beschädigen. Schließlich wurde, wie Johannes von Segovia berichtet, ein Modus gefunden, indem man das Dekret kraft der Autorität des Konzils und derjenigen des Papstes verkündete. Zudem wurde in der sessio generalis der gebotene Aufwand getrieben: So versammelten sich alle Konzilsväter und die Kleriker der Stadt angetan mit festlichen Paramenten und den Reliquien im Basler Münster, feierten eine Heilig-Geist-Messe, in deren Anschluss Kardinal de Varambone das Dekret verlas. Sodann wurde das Te Deum laudamus unter Orgelbegleitung gesungen. Felix V. nahm an dieser sessio generalis nicht teil. Ob hier lediglich eine „latente Rivalität“ zwischen Papst und Konzil deutlich wird, wie Joachim Stiebers Einschätzung lautet, kann hinterfragt werden 820. Denn mit der Abwesenheit Felix V. könnte auch eine ausschließliche Kompetenz der Konzilsversammlung in Glaubensfragen ausgedrückt werden. Die Kreierung eines weiteren Marien-Feiertages kann ähnlich wie die Dogmatisierung der jungfräulichen Empfängnis als populäre Maßnahme des Konzils eingeschätzt werden, um auch auf volksfrömmiger Ebene um Anhängerschaft zu werben. Die beim Fest Mariae Heimsuchung geehrte Begegnung der zwei schwangeren Frauen Maria und Elisabeth, die eine eigentlich schon zu alt, um noch zu gebären, und die andere noch jungfräulich, erfreute sich großer Beliebtheit. Sie gehört zu den häufigen Darstellungen innerhalb des Marienlebens 821. Eine weitere, die 44. Sessio fand am 9. August 1442 statt. Dort wurde ein Dekret verkündet, dass den Beharrungswillen der Konzilsväter ausdrückte: Darin wurde beschlossen, dass ein inkorporiertes Konzilsmitglied nur noch und ausschließlich am Konzilsort selbst vor Gericht gebracht werden könnte. Der päpstliche Gerichtshof in Rom oder an einem anderen Ort war demnach nicht zuständig und dort gefällte Urteile besaßen keine Rechtskraft 822. Als Zelebrant einer Messe trat Papst Felix V. in Basel nochmals an Allerheiligen 1441 in Erscheiung. Dort wurde neben dem hohen Festtag auch die
habita, que forma congruencior foret, auditis utriumque racionibus contentus mansit. Celebravit autem missam Iohannes cardinalis sancti Calixti, qua celebrata tenta generali congregacione cardinalis Arelatensis, ut eciam honor pape servaretur, dixit se illam formam concludere auctoritate Basiliensis concilii et papae Felicis, completisque cerimoniis cum evangelio: ‚Exurgens Maria‘ usque ‚reversa est in domum suam’ cardinalis de Varambone associatus Tarentasiensi et Florentino archiepiscopis in ambone solito legit decretum tenoris subscripti, cantato continue: ‚Te Deum laudamus‘ in organis et sublimi voce patrum. Pro execucione autem die isto cardinalis Vicensis vesperas et sequenti missam celebravit solennem de festo visitationis, facto sermone desuper per magistrum Iohannem ordinis predicatorum procuratorem. 820 Stieber: Felix V., S. 305. 821 Lechner, Martin: Heimsuchung, in: LCI, Bd. 2, Sp. 229 – 235. 822 Wurstisen: Chronick, S. 396.
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Obödienzleistung Böhmens gegenüber dem Konzil und seinem Papst gefeiert 823. Dem böhmischen Gesandten Hieronymus Wolnlassen, Propst von Olmütz, wurde wenig später, am 12. November 1441, von Felix V. die Doktorwürde im kanonischen Recht verliehen 824. Die geringer werdende Frequenz der abgehaltenen sessiones und schließlich ihre völlige Einstellung zeugten nicht nur von der geringer werdenden Aktivität des Konzils Dekrete zu erarbeiten. Die sessiones generales waren auch eine Möglichkeit halb- öffentlicher Repräsentation des Konzils 825. In diesem Rahmen verkörperten sie die Versammlung der gesamten Kirche; diese Möglichkeit wurde während des Pontifikats Felix’ V. kaum noch genutzt. Die spezifisch konziliare Form der öffentlichen Verabschiedung von Dekreten in dem zeremoniell-liturgischen Rahmen der sessio wurde unter Felix V. weit weniger gepflegt als vor seiner Anwesenheit in Basel. Es ginge zu weit, von einer Verdrängung des Konzils durch den in Basel residierenden Papst zu sprechen, doch erscheint die päpstliche Repräsentation dominanter als die konziliare. Die sogenannten „Öffentlichen Konsistorien“ können bis zu einem gewissen Grad als Surrogat der sessiones verstanden werden, doch fanden auch diese nicht häufig oder regelmäßig statt, meist nur anlässlich der Verleihung von Kardinalswürden 826.
823 CB VII, S. 445: Die martis sequenti ultima Octobris fuit vigilia omnium sanctorum et fuerunt vespere papales in maiori ecclesia celebrate per dominum nostrum papam, et finitis vesperis proposuit magister Jeronimus prepositus ecclesie Olomucensis coram eodem domino nostro, ipso existente ante altare, ubi celebrantur misse conciliares, recommendando clerum regni Boemie sacro concilio et sue sanctitati, a quo, ut premittitur, erat missus atque destinatus pro obediencia prestanda sacro concilio et eidem sanctissimo domino nostro, et obedienciam nomine cleri prefati et domini Ulrici de Rosemberg gubernatoris regni Boemie habens speciale mandatum ad hoc prestitit atque dedit. Mercurii sequenti prima mensis Novembris anno quo supra fuit festum seu celebritas omnium sanctorum et missa celebrata per sanctissimum dominum nostrum papam, in qua interfuerunt omnes reverendissimi domini cardinales archiepiscopi episcopi abbates hic existentes usque ad numerum fere quadraginta, et fecit sermonem reverendus pater dominus episcopus Massiliensis. Vgl. dazu dieses Buch, S. 283. 824 CB VII, S. 451: Die dominica XIIa dicti mensis novembris fuit missa solemnis sacri concilii. Qua finita quidam venerabilis magister Jeronimus, ambassiator cleri fidelis Boemie regni ad hoc sacrum concilium Basiliense et sanctissimum dominum nostrum Felicem papam Vtum cum litteris credencialibus specialiter missus, insignia doctoratus juris canonici solempnissime recepit. Vgl. zu Hieronymus Wolnlassen: Schmidt, Valentin: Abt Sigismund Pirchan aus Hohenfurt, Bischof von Salona. Ein Beitrag zur Geschichte des Basler Konzils, in: StMBO und seiner Zweige 33 (1912), S. 643 – 652, S. 647. Er wird mitunter auch als Hieronymus Vogelsang bezeichnet und war noch 1448 in Basel am dortigen studium generale tätig. Vgl. hierzu, Redlich: Universität, S. 96. 825 Vgl. zum Zeremoniell der sessio generalis: Dendorfer: Inszenierung, S. 37 – 53. 826 Vgl. dazu dieses Buch, S. 245 und S. 253.
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Doch es gab Ausnahmen: Anlässlich seiner „Schweizer Reise“827 passierte König Friedrich III. Mitte September 1442 das Umland von Basel, ohne die Stadt zu betreten – mit den Worten Segovias prope Basileam ad tractum baliste pertransit 828. Einige seiner familiares aber nutzten die Gelegenheit, um im Rahmen eines öffentlichen Konsistoriums am 14. September 1442 Felix V. mit einem Fußkuss ihre Anhängerschaft anzuzeigen 829. Zwei Monate später schließlich konnte Friedrich III. doch in Basel empfangen werden, König und Papst begegneten sich jedoch nicht im Rahmen des feierlichen Adventus. Diesen bereiteten ihm am Martinstag 1442 die Stadt Basel, das Konzil und die päpstliche Kurie, wie es dem rechtmäßigen Stadtherren zukam, jedoch fehlte die Anwesenheit des seit über zwei Jahren in Basel residierenden Papstes. Eine öffentliche Begegnung von König und Papst hätte unzweifelhaft ein Höhepunkt der päpstlichen Präsenz Felix’ V. in Basel werden können. Diese wurde jedoch von königlicher Seite vermieden, weil darin eine Parteinahme für den Basler Papst und das Konzil gelegen hätte. Stattdessen trafen Friedrich III. und Felix V. im Rahmen einer eher begrenzten Öffentlichkeit im Papageienzimmer des Basler Papstpalastes einige Tage später, am 15. November 1442, aufeinander 830. Eine offizielle Obödienzleistung, etwa in Form eines Fusßkusses, gegenüber Felix V. unternahm Friedrich III. dabei nicht und reiste bereits am 16. November weiter. Bei seinem Abschied, so der Bericht von Johannes von Segovia, soll er an der Papst-Residenz vorbeigeritten sein und mit seinem Hut in Richtung des Papstes gewunken haben. Diesen Gruß habe der Papst erwidert, indem er den König mit einem Kreuzzeichen gesegnet und ebenfalls seinen Hut vom Kopf
827 Vgl. Seemüller, Joseph: Friedrichs III. Aachener Krönungsreise, in: MIÖG 17 (1896), S. 585 – 665. 828 MC III, S. 1216: Die XIIII. mensis Septembris quo ipse prope Basileam ad tractum baliste pertransiit, plures eius familiares, primo mane Basileam ingressi, visitantes papam Felicem in presencia cardinalium osculati sunt pedes eius. 829 Vgl. dazu auch Hack: Empfangsprotokoll, S. 579. Nach der Öbodienzleistung einiger Mitglieder des Königshofes zogen zwölf Kardinäle und andere Prälaten Friedrich III. außerhalb der Stadtmauern entgegen. Sie trafen eine italienische Meile (1,8 km) vor Basel mit dem König zusammen, der mit einigen sprach und ihnen seine Hand reichte. Ein feierlicher Zug, zunächst die neukreiierten Kardinäle, dann die Kardinäle Louis Aleman und Alexander von Masovien neben dem König, gefolgt von den übrigen Prälaten und Konzilsteilnehmern, geleitete den König honorifice (Hack: Empfangsprotokoll, S. 579) vorbei an der Margarethenkapelle und dem Leprosenhaus St. Jacob bis an das Rheinufer. 830 Friedrich III. kam im Rahmen seines Krönungsreise nach Stationen in Genf, Ripaille und Lausanne schließlich auch nach Basel, vgl. dazu: Seemüller: Krönungsreise, S. 653f. Vgl. zur Adventus-Literatur dieses Buch, S. 168, Anm. 589.
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genommen habe 831. Bei seinem Auszug begleiteten Friedrich dieselben Gruppen, die ihn bereits empfangen hatten. Der König verabschiedete sich von den Kardinälen und anderen Honorationen außerhalb der Stadtmauern per Handschlag 832. Diese hier von Johannes von Segovia knapp umrissene, sogenannte profectio 833, mit der das Einholungsritual beim Abschied umgekehrt wird, wiederholte sich nur einen Tag später nochmals, diesmal wegen des Auszugs Felix’ V. Nach dem ergebnislosen Treffen mit dem deutschen König verließ auch der Basler Papst die Konzilsstadt am Rhein. Felix V. begab sich mit seinem Hof an den Genfer See, wo er seine päpstliche Residenz im Kerngebiet seines vormaligen Herzogtums Savoyen etablierte. Der Auszug des Papstes mit seiner gesamten Entourage am 17. November 1442 aus Basel habe, so Segovia, den zeremoniellen Vorgaben entsprochen, die im Cerimoniale Romane curie verzeichnet seien für den Fall, wenn der Papst sein Quartier aufgebe 834. Mit diesem erneuten Hinweis auf Einhaltung der kurialen Regeln durch Johannes von Segovia wird dabei erstmals deutlich, dass in Basel offenbar kuriale Zeremonial-Schriften in Buchform vorlagen, an dessen normativen Vorgaben sich Konzil und päpstliche Kurie orientieren konnten. Den Aufenthalt am Genfer See unterbrach Papst Felix V. im Sommer 1446 und reiste noch einmal in die Konzilsstadt am Rhein; dort war er ab dem 21. August 1446 anwesend. Er feierte 1446 auch das Weihnachtsfest im Basler Münster und verließ am 9. Januar 1447 wieder die Stadt und das dort tagende Konzil. Der Basler Zeitgenosse Heinrich von Beinheim berichtet in seinen Chroniken der Jahre 1365 – 1452, die 1522 ins Deutsche übertragen und erweitert wurden, dass Felix V. noch Roemischer gewonheit dem Basler Bürgermeister Hans Rott, dem ranghöchsten anwesenden Laien, in der Weihnachtsmesse Hut und Schwert verliehen habe 835. Felix V. hatte also nochmals den traditionellen Weihnachtsdienst des Papstes in Basel verrichtet 836. 831 MC III, S. 1241: Rex autem die sequenti secunda post meridiem hora ordine, quo introiit, associatus e Basilea recessit, circuitum tamen faciens per subtus domum pape reverenter caput discoopertiens in directo fenestre, ubi intelligebat papam aspicientem esse, qui pro benedictione super eum fecit signum crucis, amoto eciam capello. 832 MC III, S. 2141: Cum fuit extra vienas civitatis, pro ultimo vale manum dedit cardinalibus et aliis prelatis. 833 Vgl. dazu Hack: Empfangsprotokoll, S. 578, der den Abschied von Friedrich III. aus Basel als eine „regelrechte Profectio“ ansieht, mit der „das Einholungsritual umkehrt“ wird. 834 MC III, S. 1243: cerimoniis integre atque magnifice observatis, que de recessu papae a quovis loco mansionis sue scribuntur in libro vocato Cerimoniale Romane curie. 835 Basler Chroniken Bd. 5, S. 397: Noch Roemischer gewonheit schanckt bapst Felix herr Hans Rott burgermeyster uff den wienachttag den hut und das schwert; und sang der burgermeyster die vierd letzgen in der mettin. Und am tag stund der burgermeyster neben dem bapst, und edelhub im den geschenckten hut und schwert. Hatten ouch dornoch grosz fest domit, und zugen in der stat umb. 836 Zum Weihnachtsdienst vgl. dieses Buch, S. 125.
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Anschließend feierte man ein grosz fest und zog durch die Stadt. Felix V. verließ kurz nach dem Dreikönigstag Basel und nahm einen Großteil seiner Kurie mit nach Savoyen. Dieser neuerliche Aufbruch aus Basel war ein endgültiger Abschied. Die letzten in Basel verbliebenen Konzilsväter folgten ihm im Sommer 1448, nachdem ihnen von der bislang gastgebenden Stadt Basel das Geleit aufgekündigt worden war, schließlich an den Genfer See, nach Lausanne, nach 837. Mit Verleihung der Goldenen Rose nahm Felix V. auch das dritte der päpstlichen Ehrengeschenke in sein Repertoire symbolischer Papstrepräsentation auf. Die Goldene Rose wurde seit Mitte des 11. Jahrhunderts vom Papst am Sonntag Laetare gesegnet und ein hochrangiger Fürst mit dieser wertvollen Goldschmiedearbeit bedacht 838. Diese Ehrengabe kann für Felix V. nur ein einziges Mal in der lokalen Überlieferung des Klosters Andechs nachgewiesen werden. In einem Andechser Heiltumsinventar von 1518 ist verzeichnet: Eine guldine Rosen, die sit gemacht von Gold, Bisem, und Balsam, und hat gesegnet der Heylig Vatter Pabst Felix der Fünfft des Namnes zu mitterfasten, und die geschickht, und geschenckt, auß besonderer Liebe, dem Durchleutigen, Hochgeborenen Fürsten, Herzog Albrechten von Bayern […]839. Demnach stiftete Herzog Albrecht III. von Bayern-München die ihm von Felix V. verliehene Rose dem Benediktinerkloster Andechs, das er 1455 gründete 840. Die Verleihung einer Goldenen Rose, die in Verbindung mit diplomatischen Interessen gesehen wird, an den Herzog der bayerisch-münchener Linie erscheint folgerichtig, da „Bayern dem Konzil sowohl durch seine Fürsten wie mit der Mehrheit seines Klerus den wohl größten und dauerhaftesten Rückhalt gewährt“841 hat. Unter den bayerischen Herzögen war wiederum Albrecht derjenige, der am „entschiedensten dem Konzil anhing“842.
837 Vgl. dazu dieses Buch, S. 347. 838 Zur Goldenen Rose: Vgl. allg. Cornides: Rose und Schwert, S. 23 – 33, 45 – 54. Zuletzt: Krafft, Otfried: Ludwig I. von Hessen, Papst Nikolaus V. und die Goldene Rose von 1450, in: Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte 59 (2007), S. 101 – 121, zu Felix V., S. 109 mit weiteren Nachweisen zur älteren Literatur. 839 Heiltumsinventar von 1518, in: Der Schatz vom Heiligen Berg Andechs (erschienen zur Ausstellung im Bayerischen Nationalmuseum 12. Mai bis 15. Oktober 1967), Kloster Andechs 1967, S. 36, Nr. 22 mit Abb. 26. 840 Hlawitschka-Roth, Ermengard: Herzog von Bayern-München und die Gründung des Benediktinerklosters in Andechs, in: Hlawitschka, Eduard/Hlawitschka-Roth, Ermengard (Hg.): Andechser Anfänge. Beiträge zur frühen Geschichte des Klosters Andechs, St. Ottilien 2000, S. 99 – 117, zur Goldenen Rose, S. 111. 841 Helmrath: Basler Konzil, S. 277. Vgl. dazu auch umfassend: Müller, Werner: Bayern und Basel: Studien zu Herzogshaus, Kirche und Konzil, in: Annuarium historiae conciliorum 29 (1997) S. 1 – 164 und S. 336 – 500, S. 142 – 146. 842 Vgl. Müller: Bayern, S. 146.
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Akustische Präsenz Durch ein besonderes Geschenk an die Stadt Basel als Dank für die Aufnahme seines Papsthofes blieb Felix V. der Stadt Basel dauerhaft im Ohr. Er stiftete 1442 für das Basler Münster eine neue, rund 70 Zentner schwere Glocke aus Bronze 843. Darauf war eine Inschrift angebracht, die den Stifter Felix preist, er sprieße wie ein Terebinthen-Baum: Hic Felix quintus, qui germinat ut terebinthus, me fieri fecit. Dieser Verweis auf den Terebinthen-Baum auf der Glockeninschrift öffnet einen weiten Assoziationsraum, denn der Terenbinthen-Baum wird nicht nur im Alten Testament mehrfach erwähnt und gilt den Juden als heiliger Baum 844, auch wurde gemäß der Acta Petri et Pauli der Apostel Petrus zuerst unter einer Terebinthe bei der Naumachie im vatikanischen Bezirk begraben, bevor er in sein endgültiges Grab verlegt wurde 845. Dieser Baum soll nach den Angaben von Flavio Biondo (1446) zwischen dem Hadriansmausoleum und der Meta Romuli am Tiberufer gestanden haben 846. In der Darstellung des
843 Zur Glockenstiftung für das Basler Münster vgl. Wurstisen, Beschreibung des Basler Münsters, ed. Wackernagel, S. 425f.: In diesem Thurn die gröste glock, von irem donatore die bapstglock geheissen, weil sie erstlich bapst Felix der fünft, ein geborener fürst von Saffoy, anno 1442, im wärenden Basler concilio, ob 70 centner schwer giessen lassen, mitwochens vor Mariae geburtstag, unnd sie in das Münster geschenckt. Der meister so sie machet hieß M. Hans Peier, wonhaft an den Spalen. Sie war Felix von irem ätty genant, unnd stunden doran folgende verß: «Nola de se ipsa: Te colo pia virgo, tibi me dat papa, Maria, Hic Felix quintus, qui germinat ut terebinthus, Me fieri fecit, Felix vocor: is sine vae sit, M cum C quater, X tot, post Ijungto duplex» Auch hab ich vor derselbigen folgende reimen gefunden: Ein M darzu vier C; Sovil X, zwey I, unnd nit mee; Da ward bapst Felix glock gegossen; Zwey jar vor der schlacht der eidtgenossen; darnach im neun unnd achtzigsten jar, Brache die selb glock das ist waar, Auch was sie zu derselben zeit; Unden umb zehen eln weit. Die Schlacht der Eidgenossen meint die Schlacht bei St. Jakob an der Birs am 26. August 1444, vgl. dazu: Meyer, Werner: ‚Also griffen die Eidgenossen das Volk an‘. Die Schlacht bei St. Jakob an der Birs – Hintergründe, Verlauf und Bedeutung, in: Geiser, Werner (Hg.): Ereignis – Mythos – Deutung. St. Jakob an der Birs, Basel 1994, S. 9 – 57. Niederstätter, Alois: Der alte Zürichkrieg: Studien zum österreichisch-eidgenössischen Konflikt sowie zur Politik König Friedrichs III. in den Jahren 1440 bis 1446, Köln u. a. 1995. 844 Murr, Josef: Die Pflanzenwelt in der griechischen Mythologie, Innsbruck 1890, S. 66. 845 Acta Petri et Pauli, in: Lipsius, Ricardus Adelbertus/Bonnet, Maximilianus (Hg.): Acta Apostolorum apocrypha I, Hildesheim 1959, S. 173: Statim ibi apparuerunt viri sancti, quos umquam nemo viderat ante nec postea videre potuerunt. isti dicebant se propter ipsum de Hierosolymis advenisse, et ipsa una cum Marcello, inlustri viro, qui crediderat et relinquens Simonem Petrum secutus fuerat, abstulerunt corpus eius occulte et posuerunt sub terebinthum iuxta Naumachiam in locum qui appellatur Vaticanus. 846 Flavio Biondo, Roma instaurata I, XLVIII, ed. Valentini, Roberto/Zucchetti, Giuseppe (Hg.): Codice topografico della città di Roma, Bd. IV, Roma 1953, S. 247 – 323, S. 272: de
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etrusmartyriums auf der Bronzetür Filaretes wurde die Terebinthe „als Zeichen des P christlichen Triumphes über Stadt und Erdkreis und somit als Zeichen des Triumphes der Ecclesia Romana et Univeralis als Ecclesia militans et triumphans“847 gestaltet. Der Vergleich des Glockenstifters Felix V. mit dem fruchtbaren Terebinthen-Baum könnte nun einen allgemeinen Triumphgestus beinhalten, doch der Nachsatz der Basler Glockeninschrift steht dem entgegen: Felix vocor: is sine vae sit. – „Ich heiße Felix: dieser möge ohne Weh’ sein“. Die hier formulierte Sorge um das Wohlergehen des Basler Papstes, der an gleicher Stelle mit dem fruchtbaren Wachstum desjenigen Terebinthen-Baums verglichen wird, unter dem Petrus begraben lag, mag vielleicht eher als feinsinnige Konnotation auf die Abwesenheit Felix V. vom Petrus-Grab in Rom gelesen werden. Zwar war Felix vom eigentlichen Grab des Apostels in Rom, über dem die Basilika St. Peter errichtet worden war, weit entfernt 848. Mit der Parallelisierung des Wachstums von Felix V. mit demjenigen der Terebinthe könnte jedoch das Basler Münster mit seinem – auch von der Glocke angesprochenen – Marien-Patrozinium als vorübergehende Station Felix’ V. verstanden werden. Basel wäre damit gleichsam ein Transitort auf dem Weg zum echten Petrus-Grab in Rom, sofern ihm kein Leid geschehe. Mit der Nennung des Terebinthen-Baums in der Widmungsschrift der Glocke formuliert ihr Stifter, Papst Felix V., seine Ambitionen auf Rom, der Grabstätte Petrus’, und damit auf die petrinische Sukzession an sich 849. Indirekt wird damit aber auch die Entfernung vom Apostelgrab und damit der bestehende Mangel innerhalb des Papsttums Felix’ V. eingestanden. Basel wird wie die Terebinthe zu einem Zwischenraum, der dabei von Felix’ Glocke beschallt wird.
hortis Neronis: Quibus in hortis eoque in loco ubi nunc est ecclesia Sanctae Mariae in Transtyberina (S. Maria in Tra(n)spontina) cum multi fuissent torti, occisi, laniatique christiani, Petrus fuit crucifixus. Terebinthum vero arborem quae, sicut gummi sui nominis exsudat, sic est humoris appetentissima fuisse ad eam tyberis ripam, cui dicta est ecclesia propinqua, verisimile crediderim. Vgl. dazu auch Kritzer, Ruth E.: Rom: Bewunderte Vergangenheit – inszenierte Gegenwart. Die Stadt in literarischen Topographien der Renaissance, Horn/Wien 2012 (Grazer Beiträge. Zeitschrift für die klassische Altertumswissenschaft, Supplementband XIV), S. 325, Anm. 302. 847 Stöckhert, Luise: Die Petrus- und Paulusmartyrien auf Filaretes Bronzetür von St. Peter in Rom. Eine Vorform des Panoramas als kirchenpolitische Aussage, Frankfurt a. M. 1997, S. 42. Vgl. dazu auch: Clavuot: Programmatik, S. 83 – 107. 848 Zur Terebinthe vgl.: Oechslin, Werner: Terebinthe, in: LCI, Bd. 4, Sp. 267 – 268. 849 Der Terebinthenbaum nimmt in der fast zeitgenössischen Darstellung des Portals von St. Peter von Filarete eine prominente Stellung ein. Vgl. die Abb. 3, 14 – 16 bei Stöckert: Petrus- und Paulusmartyrien, S. 199 und S. 210 – 212. Das Werk wurde 1445 fertiggestellt und mit der Anfertigung vermutlich 1433 begonnen, so Stöckhert, S. 15 mit Verweis auf Spencer, John R.: Filarete, the Medallist of the Roman Emperors, in: The Art Bulletin 61 (1979), S. 550 – 561, S. 552.
Liturgische und akustische Präsenz
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Dieses wertvolle Geschenk stellt auf besonders wirkungsvolle Weise eine Machtdemonstration dar, die zeichenhaft auf verschiedenen Ebenen den eigenen Charakter der felicianischen Herrschaft kommuniziert: Zunächst wird durch die Zeitsetzung selbst die obrigkeitliche Ordnungsmacht sicht- und hörbar. Als Teil der Ausstattung des Münsters und durch die Weihe besitzt eine Glocke darüber hinaus evidente sakrale Strahlkraft. Zudem ist die Glocke eines der wichtigen Schutzinstrumente der städtischen Kommunität, die vor Gefahren wie Brand, äußeren Feinden und anderen Katastrophen warnt 850. Nicht zuletzt vergrößerte die Glocke durch die akustisch-herrschaftliche Raumdurchdringung die felicianische Majestas, die zudem auf Dauer ausgerichtet ist, denn die Lebensdauer einer Glocke kann je nach Qualität weit über die Lebensspanne eines Menschen hinausgehen. Die sogenannte Basler Papst- Glocke erlitt 1489 beim Wetterläuten einen Sprung, wurde jedoch repariert. Ein Vers von Sebastian Brant anlässlich der Glocken-Neuhängung am 17. Oktober 1493, der neben der bereits vorhandenen Inschrift in die Glocke eingebracht wurde, erinnert daran. Diese Glocke überdauerte bis ins 19. Jahrhundert. Bevor sie vollständig eingeschmolzen wurde, trennte man das Stück mit dem Wappen des Basler Papstes heraus 851. Das Geschenk Felix’ V. an das Basler Münster und alle Bewohner der Stadt repräsentierte zwei Machtsphären: Mit seiner Glocke im Münsterturm erlangte der savoy ische Papst die akustische Herrschaft über die Definition von Zeit. Sein Glockenschlag bestimmte heilig-liturgische Zeiten, zugleich schützte und warnte er bei Gefahr und Not. In dem Glockengeschenk vereinigte sich zuletzt dasjenige, was Felix V. auch in seiner Person zu verbinden suchte und hier schon mehrfach beschrieben wurde: Weltliche und sakrale Majestas verschränkten sich unauflösbar miteinander.
850 Vgl. Haverkamp, Alfred: „… an die große Glocke hängen“. Über Öffentlichkeit im Mittelalter, in: Jahrbuch des Historischen Kollegs 1995, S. 71 – 112. Dazu auch: von Seggern, Harm: Herrschermedien im Spätmittelalter. Studien zur Informationsübermittlung im burgundischen Staat unter Karl dem Kühnen, Ostfildern 2003, S. 64 – 72. Kramer, Kurt: Die Glocke: eine Kulturgeschichte, Kevelaer 2012; Poettgen, Jörg: Glocken in der Spätgotik. Werkstätten von 1380 – 1550, Köln 1997; Patart, Christian: Les cloches civiles de Namur, Fosses et Tournai au bas Moyen-Âge. Recherches sur l’histoire de l’information de masse en milieu urbaine, Brüssel 1976. 851 Dieses Fragment wird aufbewahrt in: Historisches Museum Basel, Inv.-Nr.: 1873.55, Bronze, 31,6 cm hoch und 17 cm lang. Vgl. Abb. VI 18, in: Andenmatten, Bernard/de Raemy, Daniel (Hg.): La Maison de Savoie en Pays de Vaud, Lausanne 1990, S. 108.
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3.5 Kardinäle und Behörden – die Kurie Felix’ V. Das Kardinalskollegium Schon im Februar 1440 hatte das Basler Konzil dem Papst-Elekten Felix V. das Recht gewährt, Kardinäle zu ernennen. Diese Erlaubnis, bereits vor seiner Krönung und in Abwesenheit vom Konzil eigene Kardinäle zu kreieren, widersprach grundsätzlichen Bestimmungen des Konzils hinsichtlich des Kardinalats und muss als ein umfangreiches Entgegenkommen des Konzils gegenüber Felix V. eingeschätzt werden. Bereits in der 4. Sessio am 20. Juni 1432 war das Dekret Item cum multiplicatio cardinalium verkündet worden, das vom Konzil abwesenden Päpsten die Kreation neuer Kardinäle für die Dauer des Konzils verbat 852. Dieses Verbot wurde auch durch das Dekret De numero et qualitate cardinalium der 23. Sessio am 26. März 1436, mit dem das Basler Konzil umfangreich die Stellung der Kardinäle – einschließlich der Regeln ihrer Kreation – definierte, nicht außer Kraft gesetzt 853. Damit war im Februar 1440 ein Dispens von zwei Konzilsdekreten notwendig, bevor das Konzil Felix V. überhaupt erlauben konnte, vor seiner Krönung und vor Ankunft am Konzilsort Kardinäle zu ernennen. Diese Dispense wurden dann auch nur punktuell und anlassgebunden erteilt 854. Damit reagierte das Konzil auf die Notwendigkeit, nach der Wahl Felix’ V. in Basel eine päpstliche Kurie einzurichten. Die prinzipielle Konkurrenz zwischen dem Konzil mit seinem Anspruch, die oberste Legislativ- und Exekutivinstanz darzustellen, einerseits und dem Kardinalskollegium, dem „ordentlichen Leitungsorgan der Kirche“ andererseits, trat dabei offen zutage 855. Der Widerspruch, der sich aus dem „Dauerregiment“ des Konzils ergab, und der sich im weiteren Verlauf auch auf die finanzielle Versorgung – die Provisionsfrage – auswirkte, konnte auf diese Weise freilich nicht gelöst werden 856.
852 COD, S. 462 – 463, Mansi 29, Sp. 34. 853 Vgl. das Dekret Cum summo pontifici / De numero et qualitate cardinalium, in: COD, S. 501 – 504. 854 Die im Dekret der 4. sessio ausgedrückten Gründe für das Verbot, in Abwesenheit vom Konzil Kardinalskreationen vorzunehmen, galten für Felix V. nicht, so Johannes von Segovia, MC III, S. 463: […] quia raciones expresse in decreto quarte sessionis pro tempore currenti non militarent contra personam Felicis pape. 855 Helmrath: Basler Konzil, S. 120. 856 Vgl. Helmrath: Permanent Synod, S. 51 – 53. Vgl. zur Provisionsfrage Eckstein: Finanzlage, S. 77 – 88; dieses Buch, ab S. 313.
Kardinäle und Behörden – die Kurie Felix’ V.
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Für Felix V. war die Ernennung neuer Kardinäle von zentraler Bedeutung, denn so konnte er bereits vor seiner Ankunft in Basel den Zuschnitt seiner Kurie bestimmen und wichtige Persönlichkeiten an sich binden. Zugleich war aber auch den Konzils vätern die dringlich erforderliche Präsenz weiterer Kardinäle in Basel nicht entgangen, schließlich war mit Louis Aleman nur noch ein einziger anwesend. Damit konnte von einem Kollegium nicht die Rede sein. Die Kardinäle waren für die Leitung der Kirche „notwendig“, wie das Konzil selbst in seinem Dekret der 23. sessio festhielt 857. Das Konzil gab diesem Bedarf nach und am 29. Januar 1440 Felix die Zustimmung, weitere Kardinäle zu kreieren 858. Für die Kardinäle selbst galten die Regelungen des Dekrets der 23. Sitzung vom 26. März 1436, die den Kardinalat umfangreich ordneten und reformierten 859. Insbesondere die Kanonistik des 13. und 14. Jahrhunderts hatte den Kardinalat vor allem als Teil des päpstlichen Körpers, pars corporis pape, verstanden. Die Kardinäle repräsentierten mit dem Papst gemeinsam die ecclesia romana. Dieser Ansatz eines „kurialen Konstitutionalismus“, der noch während des Großen Abendländischen Schismas und des Konstanzer Konzils intensiv diskutiert wurde, war in Basel nicht mehr weiter verfolgt worden. Dort interessierten „die Kardinäle allenfalls bei der Kurienreform“860. So wurden in dem umfangreichen Dekret de numero et qualitate cardinalium vom Basler Konzil grundlegende Regelungen über den Kardinalat fixiert und entscheidende Reformanstöße gegeben 861. Sie betrafen zunächst die Anzahl – unter den maximal 24 Kardinälen sollte jede Nation wenigstens einen Vertreter haben, keine sollte jedoch über ein Drittel stellen – und persönliche Eigenschaften
857 COD, S. 501: Cum summo pontifici sancte Romane ecclesie cardinales in dirigenda christiana republica collaterales assistant, necesse est, ut tales instituantur, qui sicut nomine ita re ipsa cardines sint, super quos hostia universalis versentur et sustententur ecclesie. Vgl. dazu zusammenfassend: Dendorfer, Jürgen: Theorie des Kardinalats im konziliaren Zeitalter, in: Dendorfer, Jürgen/Lützelschwab, Ralf (Hg.): Geschichte des Kardinalats im Mittelalter, Stuttgart 2011, S. 373 – 383. 858 MC III, S. 463: Ut Felix V., priusquam Basiliam veniret insignia coronationis recepturus, aliquos fama praeclaros ac scientia seu magnae nobilitatis generositate conspicuos iuxta exigenciam decreti XXIII. sessionis in sancte Romane ecclesie cardinales assumere et publicare posset, insigniis et honoribus cardinalaltus ac emolumentis usuros. Vgl. auch Schweizer, Julius: Le Cardinal Louis de Lapalud et son procès pour la possession du siège épiscopal de Lausanne, Paris 1929, S. 175. 859 De numero et qualitate cardinalium in: COD, S. 501 – 504; vgl. auch Jedin, Hubert: Vorschläge und Entwürfe zur Kardinalsreform, in: Kirche des Glaubens – Kirche der Geschichte, Bd. II, Freiburg i. Br. 1966, S. 118 – 147, S. 124. 860 Helmrath: Basler Konzil, S. 113. 861 Vgl. Dendorfer: Theorie, S. 377 – 378.
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wie Bildungsstand 862 und Herkunft 863 der Kardinäle. Als Mindestalter wurde 30 Jahre festgesetzt. Zudem war nach dem Dekret für die Kreierung weiterer Kardinäle eine schriftliche Zustimmung der Mehrheit des Kollegiums der Amtsträger erforderlich 864. Auch der Wortlaut des Eides, den die Kardinäle nach ihrer Investitur im öffentlichen Konsistorium zu leisten hatten, wurde hier niedergelegt 865 und die Einkünfte wurden detailliert geregelt 866. Zudem wurde das Tätigkeitsprofil entworfen: Künftig sollte entlang der ordines – Kardinalbischöfe, Kardinalpriester und Kardinaldiakone – eine Aufgabenteilung stattfinden 867. Zugleich wurden Papst und Kanzler aufgefordert, den Kardinälen nicht andere Aufgaben quam electionem ecclesiarum cathedralium aut monasteriorum vel principum aut universitatum seu similes zuzuweisen 868. Außerdem erteilte das Dekret den Kardinälen das Recht, den Papst zu korrigieren, falls dieser seine Pflichten vernachlässigen sollte, und gegebenenfalls diese Versäumnisse „dem nächsten Allgemeinen Konzil zu melden“869.
862 Ein Drittel oder ein Viertel der Kardinäle mussten nach dem Dekret Magister oder Lizenziaten der Theologie sein, die anderen sollten ein juristischen Studium als Magister, Doktoren oder Lizenziaten cum rigore examinis abgeschlossen haben und nicht aufgrund eines päpstlichen Gnadenerweises als sog. lectores bullati promoviert worden sein. Vgl. Miethke/ Weinrich (Hg.): Konzilien, S. 367, Anm. 6. 863 COD, S. 501: Papst- wie Kardinalsnepoten wurden nicht mehr zum Kardinalat zugelassen. Söhne, Brüder oder Neffen von Königen oder bedeutenden Fürsten sollten hingegen in geringer Anzahl berücksichtigt werden; bei diesen genügte eine „befriedigende Allgemeinbildung“, competens litteratura. 864 COD, S. 501: Non fiat cardinalium electio solum per auricularia vota, sed illi solum assumi possint, in quos, facto vero scrutinio ac publicato, maiorem partem cardinalium per subscriptionem manus proprie constiterit collegialiter consensisse. 865 COD, S. 501. 866 COD, S. 501: Die Konstitution des Papsts Nikolaus IV., Const. coelestis altitudo vom 18. Juli 1289, in: Magn. Bull. Rom. III-2, S. 52, nach der den Kardinälen die Hälfte aus den Einnahmen und Einkünften der Länder der Römischen Kirche zusteht, wurde dabei bestätigt. 867 COD, S. 502. 868 COD, S. 504: „Es ist nicht gut für das Gemeinwesen, daß der Papst oder seine Kanzlei an die Kardinäle, die mit den schwierigen Angelegenheiten der universalen Kirche befaßt sein sollen, andere Fälle delegiert als jene, die Wahlen in Kathedralkirchen oder in Klöstern, Angelegenheiten von Fürsten oder Universitäten oder ähnliches betreffen.“ Hieraus schließt Hubert Jedin für die Kardinäle auf das „Recht, gehört zu werden in einer Reihe genau bezeichneter Fälle (res arduae).“ Jedin: Kardinalsreform, S. 124. Zu den res/causae arduae auch Dendorfer: Theorie, S. 377; zur Kurienreform auf dem Basler Konzil: Sudmann: Basler Konzil, S. 252 – 244, Helmrath: Basler Konzil, S. 331 – 341. 869 COD, S. 503: Si quando papam, quod absit, negligentem aut remissum seu agentem, que non decent, ipsi cardinales inspexerint, filiali reverencia et charitate tamquam patrem obsecrent, ut officio pastorali honorique ac debito suo satisfaciat. Et primo quidem aliquis vel aliqui de per
Kardinäle und Behörden – die Kurie Felix’ V.
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Am 12. April 1440 ernannte Felix V. – ausgestattet mit der bereits erwähnten, außerordentlichen Erlaubnis, fern von Basel Kardinäle zu kreieren – in der savoyisch-päpstlichen Residenz von Thonon vier Kardinäle, die vom Konzil im April 1440 approbiert wurden: Es handelte sich dabei um den Bischof von Lausanne, Louis de Lapalud, den Bischof von Novara, Bartholomeo Visconti, den erwählten Bischof von Utrecht, Walram von Moers, und den Protonotar Alfons Carillo. Damit war, gemäß den Vorgaben des Kardinaldekrets, jeweils ein Vertreter der vier Konzilsnationen ernannt worden. Doch nur der erstgenannte, Louis de Lapalud, nahm den Titel auch an. Seit seiner Ernennung erscheint er in den Protokollen des Konzils mit dem Beinamen „de Varambone“ (Ortsname), während er früher eher unter dem Beinamen „de la Palud“ oder auch „Lapalud“ (Familienname) bekannt war 870. Eine Urkunde Felix’ V. vom 4. Februar 1441 bestätigt, dass von den am 12. April 1440 in Thonon ernannten Kardinalskandidaten einzig Louis de Lapalud den Titel angenommen hatte: quorum sic nominatorum ipse Ludovicus tantum acceptavit 871. Diese hohe Absagequote wird auch die späteren Kardinalsberufungen Felix’ V. begleiten. Die Erlaubnis, vor der Krönung bereits Kardinalsernennungen vorzunehmen, muss als erhebliches Zugeständnis vom Konzil an Felix V. eingeschätzt werden. Dies wird umso deutlicher, als in der Folgezeit das Recht zur Kardinalsberufung bereits in den Wahlkapitulationen der Päpste eigens und recht restriktiv geregelt wurde 872. Diese Kardinalskreation vor der Papst-Krönung ist mit einer Interpretation als „delegiertes Ernennungsrecht“ Felix’ V. nicht treffend bezeichnet 873. Denn das Konzil hatte die Ernenung von Kardinälen einem nicht am Konzil anwesenden Papst zuvor explizit untersagt 874. Dieses Verbot wurde nun aufgehoben und damit Felix V. die legale Möglichkeit eröffnet, Kardinäle sogar außerhalb eines Konsistoriums zu berufen. Mit diesem Zugeständnis hätte er sogar fern vom Konzilsort eine eigene Kurie etablieren können. Auch wenn dies nicht geschah und die baldige Ankunft Felix’ V. in Basel erwartet wurde, sprechen die aufwendige Umgestaltung der Residenz in Thonon, se, deinde si se non corrigat, omnes collegialiter accersitis quibusdam notabilibus praelatis, praedicentes quod si non abstinuerit proximo generali concilio deferant. Vgl. dazu auch Stieber: Kirchenbegriff, S. 148. 870 Eubel: Basler Hierarchie, S. 273. 871 BSA: St. Urk. cap. 1237a, ed. in: Baumgarten, Paul M.: Die beiden ersten Kardinalkonsistorien des Gegenpapstes Felix V., in: RQ 22 (1908), S. 155. 872 Vgl. mit weiterer Literatur: Becker, Hans-Jürgen: Ansätze zur Kirchenreform in den päpstichen Wahlkapitulationen der Jahre 1458 (Pius II.), 1464 (Paul II.) und 1471 (Sixtus IV.), in: Dendorfer/Märtl (Hg.): Nach dem Basler Konzil, S. 331 – 356, ins. S. 334 – 336. 873 Vgl. Helmrath: Basler Konzil, S. 120. Diese Definition trifft hingegen auf die folgenden Kreationen durchaus zu. 874 COD, S. 462, Anm. 1: Quod pape, durante concilio, non possit creare cardinales, nec creatos publicare.
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der herausgezögerte Aufbruch nach Basel wie auch die Kanzleitätigkeit Felix’ V. in den fast acht Monaten zwischen Wahl und Krönung doch für eine partielle Unabhängigkeit des Elekten 875. Ausschlaggebende Gründe, von den eigenen Dekreten in dieser erheblichen Weise abzurücken, mögen für das Konzil – abgesehen davon, dass nur ein einziger Kardinal überhaupt in Basel anwesend war – zum Teil darin bestanden haben, dass Eugen IV. am 18. Dezember 1439 gleich 17 Kardinäle erhoben und damit eine Massenkreation durchgeführt hatte. Dadurch internationalisierte sich dessen Kurie zugleich stark, denn unter den 17 neuen Kardinälen waren fünf Italiener, vier Franzosen, je ein Engländer, Ukrainer, Grieche, Pole, Portugiese, Spanier, Ungar und mit Peter von Schaumburg, Bischof von Augsburg, ein Deutscher 876. Doch das Konzil verfolgte mit dieser Erlaubnis an Felix V. auch ganz eigene Interessen. Mit der Verleihung des Kardinalstitels an Louis de Lapalud konnte nämlich auch der Lausanner Bistumsstreit endlich beigelegt werden. Dieser hatte das Konzil, den savoyischen Herzog Amadeus VIII. (nunmehr Papst Felix V.) sowie Papst Eugen IV. bereits seit sieben Jahren beschäftigt 877. Das Konzil hatte sich dabei mit seiner Haltung, den Kandidaten des Domkapitels zu unterstützen, letztlich nicht gegen die Interessen des Landesherren und des Papstes durchsetzen können. Die im Frühjahr 1440 875 Vgl. AST, BF I, 69r, 219r. 220r. Zur Verwendung der Halbbulle in der Zeit zwischen Wahl und Krönung vgl. Schneider: Halbbulle, S. 458: Obwohl als Ortsangabe die temporäre Papstresidenz in Savoyen, Thonon, erscheint, sind die Urkunden in Basel geschrieben und von hier aus versandt worden. Es handelt sich dabei um zwei litterae vom 1. und 11. Februar 1440 an den Hochmeister des Deutschen Ordens bzw. an Friedrich III. Vgl. Schneider: Halbbulle, S. 460. 876 Vgl. Meuthen: Reiche, Kirche und Kurie, S. 612, Anm. 61, dazu auch Eubel: Hierarchia, Bd. 2, S. 7f. Differenziert zur Internationalität der Kurie Eugens IV. äußert sich auch Schwarz: Kurie, S. 245 – 248. Sie betont dabei weniger die Reverenz an die öffentliche Meinung als vielmehr die Folgen aus den Zusammenlegungen von Obödienzen. Dieses Argument fällt allerdings bei den Neuberufungen weniger stark ins Gewicht. Weitere Überlegungen zur Einbindung der Peripherien sind zu finden in: Jaritz, Gerhard/Jorgensen, Torstein/Salonen, Kirsi (Hg.): The Long Arm of Papal Authority. Late Medieval Christian Peripheries and Their Communications with the Holy See, Budapest 2004. Young, Francis Albert: Fundamental Changes in the Nature of the Cardinalate in the Fifteenth Century and their Reflection in the Election of Pope Alexander VI, Ann Arbor 1983, S. 13 – 20. Clavuot: Programmatik, S. 83 – 107, S. 98: Nach Flavio Biondos Einschätzung sollten damit die „Nationen der geeinten Christenheit angemessen vertreten werden“. 877 Der Papst-Elekt, als Herzog Amadeus VIII. noch einer der Gegenspieler des Konzils im Lausanner Bistumsstreit, hatte zugesichert, eine einvernehmliche Lösung zu finden. MC III, 454: […] quod intenderet causam illam terminare per concordiam vel iusticiam, commissurus aliquibus, ut effectualiter compleretur. Vgl. auch Sudmann: Basler Konzil, S. 58 und Schweizer: Louis de Lapalud, S. 177ff.
Kardinäle und Behörden – die Kurie Felix’ V.
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gefundene Lösung bestand aus einer Art Ringtausch. Der savoyisch-römische Kandidat Jean de Prangins übernahm von Georg von Saluzzo das Bistum Aosta. Saluzzo wurde Bischof von Lausanne und der Kandidat des Konzils, Louis de Lapalud (de Varambone), wurde von Felix V. zum Kardinal von S. Cecilia erhoben 878. Auf diese Weise bewahrten nicht nur das Konzil und der neue Papst Felix V., sondern auch alle beteiligten Kleriker ihr Gesicht. Neben dem Kardinalstitel versüßten auch umfangreiche Entschädigungszahlungen, die der neue Bischof von Lausanne, Georg von Saluzzo, an Kardinal de Varambone zahlen musste, seinen Verzicht auf das Bistum 879. Zudem erhielt er das Bistum Maurienne, sobald es durch Tod freigeworden war 880. Hierfür musste die Deputation pro communibus freilich Felix V. von dem Nominationsverbot dispensieren, das im Dekret sicut in construenda domo der 12. Sessio vom 13. Juli 1433 niedergelegt war. So stimmten die Konzilsväter in der Generalkongregation am 16. Januar 1441 zu Gunsten eines „verdienten Konzilsvaters“ und für dessen Nomination als Bischof von Maurienne, jedoch gegen ihre eigenen Prinzipien 881. Julius Schweizer sieht darin das Bestreben des Konzils, seinen Protégé Louis de Lapalud sicher und umfassend zu versorgen und zugleich den jahrelangen Konflikt mit dem savoyischen Herzog ohne Ansehensverluste für beide Seiten zu lösen 882. Der neue Kardinal de Varambone nahm während der Einzugs- und Krönungsfeierlichkeiten eine herausgehobene Stellung neben dem altgedienten Kardinal Aleman ein. Gemeinsam mit dem Papst wurden sie zu den Protagonisten innerhalb dieser zeremoniell aufwendig gestalteten Anlässe. Gerade bei diesen Gelegenheiten trat der weiterhin bestehende, gravierende Mangel an Kardinälen ganz sichtbar zutage und nahm für die Krönung legitimationsbedrohliche Züge an. Deshalb mussten auch die Bischöfe von Tortosa, Vich, Maurienne, Vercelli, Lausanne und Basel anlassgebunden als Kardinäle fungieren, um den ordo presbyteralis und diaconalis des Kardinalats bei der Krönung zu repräsentieren 883. Selbst die Kardinäle Aleman und Varambone führten während der Krönungszeremonie andere Titel als ihre eigenen, um dem päpstlichen Zeremoniell gerecht zu werden. So erstaunt es kaum, dass eine der ersten
878 Vgl. dieses Buch, S. 58. 879 Es handelt sich dabei um die Summe von insgesamt 12.000 Goldflorin, die über sechs Jahre direkt an de Varambone aus den Einkünften des Bistums Lausanne und der Kastellanei Glérolle von Georg von Saluzzo gezahlt wurden. Vgl. Stutz: Felix, S. 204 und Schweizer: Louis de Lapalud, S. 181. 880 Vgl. Schweizer: Louis de Lapalud, S. 181 – 183. 881 CB VII, S. 297, 298. 882 Schweizer: Louis de Lapalud, S. 181: „Le concile avait eu l’intention de procurer à son protégé un avenir assuré et persistait à considérer ce règlement de l’affaire de Lausanne comme provisoire.“ 883 MC III, S. 494.
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Amtshandlungen des gekrönten Papstes darin bestand, weitere Kardinäle zu berufen. Dafür sprach sich auch das Konzil aus und dispensierte ihn nochmals von dem Dekret der 23. Sessio 884. Am 12. Oktober 1440 ernannte Felix V. in einem Konsistorium acht neue Kardinäle, von denen schließlich sechs den Titel tatsächlich annahmen. In der öffentlichen Ankündigung dieser Kardinalskreation formulierte das Konzil zugleich auch seine Haltung gegenüber dem Kardinalat allgemein: Es verstand die Kardinäle als „Säulen, Verteidiger und Beschützer der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Autorität der Universalen Kirche“885. Auch seien sie Repräsentanten des Heiligen Konzils sowie des Papstes (sanctitatis). Durch das Werk der Kardinäle „könne die Kirche wieder erblühen“886. Das Kardinalskollegium wurde also in das institutionelle Gefüge der Kirche eingereiht und sollte künftig als Stellvertretung des Konzils wie auch des Papstes fungieren. In diesem Schriftstück, das im Auftrag von Kardinal Aleman ausgefertigt wurde, ist auch eine Kurzfassung des Ablaufs einer Kardinalskreation angegeben, diese werde ut est moris geschehen 887, ein Verweis auf die Einhaltung der römischen Tradition, wie dies bereits mehrfach bei zeremoniellen Fragen explizit betont wurde. Es erscheint an dieser Stelle sinnvoll, die Kardinalskreation in Basel mit dem ‚Normalablauf ‘ nach dem Zermoniale von Kardinal Jacopo Stefaneschi im sog. Ordo Romanus XIV abzugleichen, der nach 1334 entstanden war 888. Bei dieser Analyse ist es von Interesse, welche etablierten Zeremonialregeln übernommen bzw. eingehalten, welche Abweichungen im Protokoll als solche eigens hervorgehoben und welche völlig unkommentiert geschildert wurden. Vor der Folie der Kardinalskreierung gemäß dem Zeremoniale Stefaneschis konstrastieren die mitunter erheblichen Basler Modifikationen stärker.
884 MC III, S. 503: Fuit dispensatum, ut non obstantibus quibusdam qualificationibus, in decreto sessionis XXIII. de creatione cardinalium expressis, posset aliquos assumere in cardinales, de quibus eidem videretur, quod essent utiles aut neccessarii ecclesiae et sanctitati suae. 885 CB VII, S. 260: […] cardinales, qui veri sint columpne et defensores et protectores veritatis justicie et auctoritatis ecclesie universalis et huius sacri concilii ipsam representantis et sanctitatis prelibate […]. 886 CB VII, S. 260: […] et per quorum opera reflorere possit ecclesia in amenitate pacis et quietis in laudem omnipotentis Dei, […]. 887 CB VII, S. 260: Deinde erit publicum consistorium ad publicandum aliquos cardinales ex huiusmodi cardinalibus sic nominatis promotis et ordinatis, ut est moris. 888 Dykmans, Marc: Le Cérémonial papal. De la fin du Moyen Age à la Renaissance, Bd. II, De Rome en Avignon ou Le Cérémonal de Jacques Stefaneschi, Brüssel/Rom 1981, S. 188 – 189. Textedition: S. 475 – 507. (Hier zitiert als Cérémonial II, ed. Dykmans).
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Das Zeremoniell der Kardinalskreation Das Zeremoniell der Kardinalskreationen nimmt in dem zwischen 1334 und 1340 von Kardinal Jacopo Stefaneschi verfassten Zeremoniale ein eigenes Kapitel ein 889. Dieser Abschnitt existierte erst nach 1334 vollständig, wobei bislang unklar geblieben ist, ob dieser Teil von Stefaneschi selbst stammt, oder ob er in seinem Umkreis entstanden ist 890. Für die Kreation von Kardinälen ist insbesondere die erweiterte Version des Textes von Interesse, die Bernhard Schimmelpfennig als „Fassung Mabillons“ bezeichnet hat 891. In dem dort gemachten Nachtrag de consistorio werden allgemeine, insbesondere zeremonielle Fragen behandelt, die das Konsistorium betreffen, wie etwa Redeordnung, Empfang von Kardinallegaten, Königen, Kanonisationen, Kopfbedeckungen etc. Der Abschnitt beginnt dabei mit einem Kalender über die konsistoriumsfreien Tage 892. Entsprechend war auch die Ernennung von Kardinälen an diese liturgischen Zeiten gebunden und grundsätzlich nur in den Quatemberwochen vorgesehen 893. Die Kreation vollzog sich über einen Zeitraum von vier Tagen.
889 Cérémonial II, ed. Dykmans, S. 475 – 494, S. 475: Sequuntur ceremonie et solemnitates solite servari in creatione novorum cardinalium, et in datione anuli et assignatione tituli eis facienda, et quando presbitero cardinali non noviter providetur de titulo episcopali cardinalari et de adventu ad curiam novorum cardinalium si sue creationis tempore a curia sint absentes. 890 Zum Zeremoniell der Kardinalskreation nach Stefaneschi vgl. zusammenfassend: Lützelschwab, Ralf: Papst und Kardinäle zwischen Konsens und Konflikt, in: Dendorfer/Lützelschwab (Hg.): Geschichte des Kardinalats, S. 264 – 281, S. 264 – 266. Mit umfassenden Literaturangaben: Lützelschwab, Ralf: Flectat cardinales ad velle suum? Clemens VI. und sein Kardinalskolleg. Ein Beitrag zur kurialen Politik in der Mitte des 14. Jahrhunderts, München 2007, S. 18 – 44. Zur Autorschaft Stefaneschis vgl. Cérémonial II, ed. Dymans, S. 133 – 153. Dykmans sieht in Stefaneschi den Verfasser. Vgl. auch Weber, Christoph: Senatus divinus. Verborgene Strukturen im Kardinalskollegium der frühen Neuzeit (1500 – 1800), Frankfurt a. M. 1996. 891 Schimmelpfennig: Zeremonienbücher, S. 62 – 100, S. 64, 96f. Neben dem Pariser Original (Bibl. Nat., Cod. lat. 937) ist noch eine weitere Kopie überliefert (Rom, Bibl. Vat., Cod. lat. 5747). Darin wurde von der dritten der insgesamt acht Nachtragshände ein Abschnitt eingefügt, den Marc Dykmans de consistorio genannt hat. Vgl. dazu auch Hack: Zeremoniell und Inszenierung. 892 Cérémonial II, ed. Dykmans, S. 412 – 422: […] in quibus diebus et festivitatibus consueverunt Romani pontifices a consistoriis abstinere. 893 Bei den Quatemberwochen handelt es sich um vier über das Jahr verteilte Fasten- und Bußwochen: Die erste Fastenwoche, die Pfingstwoche, die Woche nach dem Fest Kreuzerhöhung (14. September), die Woche nach dem 3. Adventssonntag. Zu den Daten der vier Quatember siehe Grotefend, Hermann: Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, Hannover 142007, S. 16. Vgl. die Angaben in: CIC, ed. Friedberg, Bd. 1, Sp. 267 – 271.
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Zunächst trat an einem Mittwoch das consistorium secretum zusammen, um über die Erweiterung des Kardinalkollegiums zu beraten. Der Papst holte dabei den Rat der Kardinäle ein, ob eine neue Kreation erfolgen solle, war aber nicht an ihre Zustimmung gebunden 894. Zwei Tage darauf, am Freitag, wurden dann im Konsens mit den Kardinälen Anzahl und Namen der neuen Kardinäle bestimmt und ihre Provisionen ausgestellt 895. Laut Zeremoniale erfolgte die eigentliche Kreationszeremonie dann am nächsten Tag, einem Samstag, im Rahmen eines consistorium publicum 896. Dort hielt der Papst eine kurze Ansprache, in der er die Kandidaten für ihre Weisheit, Treue, Klugheit lobte und weitere Tugenden hervorhob 897. Dann wurden die nominierten Kardinäle von ihren bisherigen Benefizien gelöst und in den Kardinalsrang aufgenommen 898. Die Kandidaten, die bislang vor dem Konsistoriumssaal gewartet hatten, wurden von amtierenden Kardinälen begleitet vor den Papst geführt, der sie zu klugem Handeln ermahnte. Die künftigen Kardinäle küssten sodann den Fuß des Papstes. Im Anschluss wurde von allen Anwesenden das Te Deum gesungen, in dessen Verlauf sich die neuen Purpurträger zum Gebet vor den Altar begaben und niederknieten. Nun folgten der Mundkuss der Alt-Kardinäle und ein neuerlicher Fuß- und Mundkuss des Papstes. Erst daran anschließend wurde den Kandidaten ihr Platz im Konsistorium zugewiesen. Dieser Sitz richtete sich nach dem Rang des jeweiligen Kardinals innerhalb der ordines der Kardinäle, deren ranghöchste die Gruppe der Kardinalbischöfe war. Ihnen folgte der Rang der Kardinalpresbyter und zuletzt diejenige der Diakone. Innerhalb des jeweiligen ordo wurde der Rang gemäß Anciennität vergeben. Aus diesem Sitz im Konsistorium ergab sich die herausgehobene Stellung der Kardinäle, da sie dort gemeinsam mit dem Papst zentrale Entscheidungen trafen. Der Zuständigkeitsbereich des Konsistoriums war umfassend und reichte von der Besetzung der Bistümer über Heiligsprechungsverfahren und Fragen des Glaubens bis hin zur „Selbstreproduktion der kirchlichen Spitze“, d. h. der Kreation neuer Kardinäle 899. 894 Cérémonial II, ed. Dykmans, S. 476: Quo facto, dominus papa consuevit dicere: ‚Nos sequimur consilium dicentium quod fiant vel non fiant‘, secundum quod melius videbitur ei fiendum. 895 Cérémonial II, ed. Dykmans, S. 477. 896 Zur Entwicklung des öffentlichen Konsistoriums seit dem 12. Jahrhundert vgl. Wetzstein, Thomas: Heilige vor Gericht. Das Kanonisationsverfahren im europäischen Spätmittelalter, Köln u. a. 2004, S. 105 – 138, bes. S. 166 – 168. 897 Cérémonial II, ed. Dykmans, S. 478: Dominus vero papa facit ibi in presentia omnium unum brevem sermonem. In fine vero sermonis descendit per ordinem ad nominationem cardinalium, tam presentium in curia quam absentium, quos creavit, quemlibet eorum commendando de scientia, fidelitate, prudentia et aliis, prout merita cuiuslibet requirent. 898 Cérémonial II, ed. Dykmans, S. 478: Talem absolvimus a vinculo quo ecclesie sue tenebatur et eum assumpsimus et assumimus in presbiterium sancte Romane ecclesie cardinalem. 899 Hack, Achim Thomas: Zeremoniell und Inszenierung des päpstlichen Konsistoriums im Spätmittelalter, in: Peltzer u. a. (Hg.): Politische Versammlungen, S. 55 – 92, S. 57. Vgl.
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Diese Konsultationen des Papstes und der Kardinäle fanden im Konsistorium statt, zu dem der Papst und das Kardinalskolleg in den dafür bestimmten Räumlichkeiten des Papstpalastes zusammentraten, vornehmlich war dies die sogenannte Camera Papagalli 900. Man unterschied dabei zwischen einem consistorium secretum, an dem ausschließlich Kardinäle und Papst teilnahmen, und einem consistorium publicum, zu dem andere Personen der Kurie, aber etwa auch auswärtige Gesandte zugelassen waren. Hier genossen die Kardinäle das Recht, sich äußern zu können. Die Reihenfolge war dabei streng nach Rang reglementiert: Zunächst konnte der Prior der Kardinalbischöfe das Wort ergreifen, dann die übrigen Kardinalbischöfe, dann der Prior der Kardinalpresbyter, dann die übrigen Kardinalpresbyter; das gleiche Verfahren galt für die Kardinaldiakone. Allein der Papst konnte die Kardinäle jederzeit unterbrechen 901. Das Konsistorium besaß insbesondere im Prozessrecht Entscheidungsbefugnisse gegenüber Bischöfen, etwa bei Angelegenheit wie Exkommunikation, Exemtion und der Errichtung neuer Diözesen. Neben der Aussendung von Kardinallegaten wurden auch neue Kardinalskreationen im Konsistorium erörtert, wobei eine Konsultationspflicht von Seiten des Papstes nicht bestand. Die Kardinalswürde war seit dem Pontifikat Gregors IX. (1227 – 1241) mit einer Residenzpflicht an der Kurie verbunden 902. Daraus folgte, dass die Kardinäle weitgehend aus den Einkünften der Römischen Kirche finanziert werden mussten, und somit waren Veräußerungen päpstlichen Patrimonialbesitzes folgerichtig nur mit ihrer Zustimmung möglich 903. Mit der Bulle Coelestis altitudo (1289) ließ Nikolaus IV. den Kardinälen die Hälfte aller regulären Einkünfte zukommen; die Verteilung und Verwaltung ihrer Mittel organisierte eine eigene Kammer, an deren Spitze der Kardinalkämmerer stand 904. Nachdem die Aufnahme ins Konsistorium öffentlich vollzogen war, wurde daraus wieder ein consistorium secretum. Dort begann gemäß dem Zeremoniale von ebd. S. 55 – 58 die Skizze, über die institutionelle Entwicklung des Konsistoriums mit einer Übersicht über die Forschungsliteratur. Für die ältere Literatur: Alberigo, Giuseppe: Cardinalato e collegialità. Studi sull’ecclesiologia tra l’XI e XIV secolo, Firenze 1969. Robinson, Ian Stuart: The Papacy 1073 – 1198. Continuity and Innovation, Cambridge 1990, S. 98 – 120. 900 Lützelschwab: Clemens VI., S. 20. Zur Camera Papagalli als Ort des consistorium secretum vgl. Weddigen: Papageienzimmer, S. 133 – 137. 901 Cérémonial II, ed. Dykmans, S. 472: Nullus debet consulentem interrumpere nisi papa si vult. 902 Lützelschwab: Clemens VI., S. 23, Anm. 34. 903 Regesta pontificum Romanorum, ed. August Potthast, Berlin 1874, Nr. 9368. 904 Vgl. Baumgarten, Paul Maria: Untersuchungen und Urkunden über die Camera Collegi Cardinalium für die Zeit von 1295 – 1437, Leipzig/Berlin 1897. Mollat, Guillaume: Contribution à l’histoire du Sacré Collège de Clément V à Eugène IV, in: RHE 46 (1951), S. 22 – 112, S. 566 – 594. Diese Einkünfte bestätigte das Basler Dekret der 23. Sessio. Zur Finanzlage der Kardinäle Felix’ V. siehe dieses Buch, ab S. 258.
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Stefaneschi nun der erste Teil der aperitio oris, die sogenannte ‚Mundöffnung‘. Das Mundöffnungs-Ritual erfolgte in zwei Teilen: Vor der eigentlichen Mundöffnung wurden die neuen Kardinäle mit einem Schweigegebot – der impositio silentii – belegt, so dass sie bis zum nächsten Konsistorium von der vollständigen Teilnahme an den Beratungen im Konsistorium noch suspendiert waren. Nach dem consistorium secretum endete der Tag der öffentlichen Kreation mit einem Festmahl, an das sich die Verleihung der Insignien des Kardinalats anschloss: Der Papst verlieh den neu kreierten Kardinälen den roten Hut und betete mit ihnen gemeinsam in der Kathedrale 905. Am folgenden Tag, Sonntag, fanden Besuche und damit erste Gespräche zwischen den neuen und den alten Kardinälen statt 906. Im nächsten Konsistorium erfolgte dann der zweite Teil der „Mundöffnung“, mit der die liturgische Kreation der neuen Kardinäle vollendet wurde. Wie Stefaneschi erläutert, solle der Papst den Kardinälen in diesem Ritual den Mund mit den Worten öffnen: Nos aperimus tibi os (vel vobis, si sunt plures) tam in collationibus, quam in consiliis, et in electione Romani pontificis, et in omnibus actibus, tam in consistorio quam extra, qui ad cardinales spectant et quos sunt soliti exercere 907. Mit dem symbolischen Akt der Mundöffnung gab der Papst den Kardinälen das Recht, bei den Beratungen des Kardinalskollegiums zu sprechen und zu votieren, vor allem aber auch den Papst zu wählen 908. Zugleich wurde der Kandidat damit auch liturgisch zum Kardinal erhoben 909. Nach der Mundöffnung wurde den Kardinälen der Ring verliehen und die Titelkirche zugewiesen 910. Damit war die Kardinalskreierung im Zeremoniale von Stefaneschi abgeschlossen.
905 Cérémonial II, ed. Dykmans, S. 481: Post prandium vero eundem ordinem servant in sedendo tam antiqui quam novi cardinales. Et cum fuerit tempus recedendi, dominus papa sedendo in cathedra sua dat capellum rubuem nobis cardinalibus […]. 906 Lützelschwab: Clemens VI., S. 27. 907 Cérémonial II, ed. Dykmans, S. 484. 908 Hinschius: Kirchenrecht, S. 340, auch Lützelschwab: Clemens VI., S. 27. 909 Schimmelpfennig, Bernhard: Ein Provinzler erlebt den Papst. Die Notizen des Augsburger Kaplans Johannes Vetterlin aus dem Heiligen Jahr 1450, in: Flug, Brigitte/Matheus, Michael/Rehberg, Andreas (Hg.): Kurie und Region, Festschrift Brigide Schwarz, Stuttgart 2005, S. 255 – 261, S. 255. 910 Der Forschungsstand zu den Titelkirchen ist unbefriedigend. Bislang konnte auch noch nicht die Frage beantwortet werden, ob die Verleihung von Titelkirchen mit Bedacht getroffen wurde und vielleicht sogar politisch motiviert war. Vgl. dazu Lützelschwab: Clemens VI., S. 28, Anm. 58. Für die in Avignon residierenden Kardinäle änderte sich die Beziehung zu ihren römischen Titelkirchen grundlegend, vgl. ebd. S. 29 – 30.
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Die Kardinalskreation im Oktober 1440 in Basel Im Folgenden sollen nun die ausführlichen Schilderungen der zweiten Kardinals kreierung im Konzilsprotokoll von Hüglin und der Konzilschronik von Segovia dargelegt werden und durch eine weitere Analyse der Unterschiede und Übereinstimmungen der spezifische Charakter der Kurie von Papst Felix V. hervorgehoben werden. Das Protokoll von Hüglin berichtet, dass am Mittwoch, dem 12. Oktober 1440, um acht Uhr früh in der Kapelle des päpstlichen Palastes unter Anwesenheit des Papstes, der in pontificalibus, also im Festornat erschienen war, eine Heilig-Geist-Messe gefeiert wurde. Der Erzbischof von Tarantaise hielt diese Messe, an der sämtliche Konzilsväter – „alle Herren, Prälaten, Doktoren und Magister des Konzils“ – sowie große Teile der Bevölkerung teilnahmen 911. Im Anschluss verkündete Kardinal Louis Aleman, dass nunmehr der Papst mit den Kardinälen und anderen Kurialen (assistentibus) ein geheimes Konsistorium abhalten werde, in dem neue Kardinäle kreiert würden. Sodann werde ein öffent liches Konsistorium am Ort der Sessiones des Konzils, also im Münster, folgen 912. Nach dem geheimen Konsitorium zogen die Konsistoriumsteilnehmer, Papst Felix V., die Kardinäle Aleman und de Varambone sowie der Protonotar und Vizekämmerer Jean de Grôlée und der Bischof von Bellay begleitet von einer großen Anzahl weiterer Prälaten, Ritter, Doktoren und Magister in das Basler Münster 913. Der Papst nahm vor dem Hochaltar auf einer sedes preparata Platz 914. Ihn umringten die wichtigsten,
911 CB VII, S. 260: Mercurii XII. mensis octobris MCCCCXL de mane hora quasi octava celebrata fuit missa de Spiritu Sancto in capella palacii domini nostri pape, ubi ipse dominus noster interfuit in pontificalibus, celebravitque missam reverendissimus dominus archiepiscopus Tarentasiensis interfueruntque domini fere omnes prelati doctores et magistri sacri concilii et magna multitudo populi. 912 CB VII, S. 260: Missa huiusmodi finita reverendissimus dominus cardinalis Arelatensis de mandato domini nostri pape dixti, quod, cum missa huiusmodi sit celebrata, dictus dominus noster unacum cardinalibus et aliis assistentibus intendit celebrare consistorium secretum super nominacione cardinalium creandorum, quodque post huiusmodi consistorium secretum tenebitur consistorium publicum in loco sessionis sacri concilii. 913 Segovia bestätigt alle Angaben, bleibt aber insgesamt erheblich knapper als Hüglin, vgl.: MC III, S. 513: […] quodque creandi retinere possent quecumque beneficia eis competencia, eciam si metropolitane vel patriarchales essent ecclesie, intimacione facta precedenti die XII. huius post celebratam missam in capella pape, consultacione habita super numero et personis publicandis cum cardinalibus aliisque deputatis concilii patribus aliorumque multitudine magna deinde constitutis in loco sessionis in pape presencia perlectis bullis dectarum dispensacionum. 914 CB VII, S. 261: Successive celebrato huiusmodi secreto consistorio advenit papa ad locum sessionis cum dominis reverendissimus Arelatensi et de Varambone cardinalibus, eum concomitantibus dominis Johanne de Grolea prothonoratio et vicecamerario, episcopo Bellicensi pluribusque aliis
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in Basel anwesenden Bischöfen und Äbte, die Hüglin einzeln aufzählt, ferner auch weltliche Honorationen: so etwa der Protektor des Reiches, der Basler Bürgermeister, der savoyische Ritter und Konzilsadmiral Nicod de Menthon 915. Die einzelnen, von Hüglin genannten Personen stellte ein ungenannt bleibender Doktor als advocatus Romanus 916 dem betenden Papst im Consistorium publicum vor, denn, so ergänzt H üglin, dies sei so Sitte, prout moris est 917. Nach Verlesen der Bullen, mit denen Felix V. das Recht erhalten hatte, Kardinäle kreieren zu dürfen, wurde eine weitere Bulle verkündet, die verfügte, dass die Kardinäle nicht ihrer Benefizien entbunden würden 918. Kardinal Aleman betonte des Weiteren, die Macht, Kardinäle zu kreieren, sei Felix V. durch das Heilige Konzil verliehen worden.919 Zugleich hob Aleman auch die Notwendigkeit heraus, Kardinäle zu kreieren, wobei die einzelnen Argumente nicht überliefert sind 920. Zudem lobte Aleman die hervorragenden Eigenschaften der
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dominis prelatis militibus doctoribus et magistri in numero copioso. Sedenteque dicto domino nostro papa in sua sede sibi ante majus altare preparata […]. Vgl. auch MC III, S. 513. CB VII, S. 261: […] assistentibus sibi reverendissimis dominis Arelatensi et de Varambone cardinalibus, Johanne archiepiscopo Tarentasiensi, Vercellensi, Vulteranensi, Maurianensi, Montis Regalis, Cortonensi, Bellicensi, Yponensi, Augustensi, Massiliensi, Grossitano, Rondensi episcopis, Sistaricensi, Segobricensi electis, abbatibus Sancti Michaelis de Clusa, Intermoncium, Sancti Eugendi, Conchensi, Habundancie, de Alpibus, Bonimontis, in Zenna, Ambroniaci et sancti Stephani de Vercellis, presentibus dominis Rodulpho de Ruedersheim, Johanne de Bachenstein, Guillermo archidiacono Metensi, Bernardo Bosco, Johanne de Turicella, Anthonio Piocheti sancti palacii auditoribus, Anshelmo procuratore ordinis Theutonicorum, Rachele de Auro procuratore de Rodis, Johanne Wiler decano et Arnoldo de Rotberg canonicis ecclesie Basiliensis, Andrea Haselman et Augustino de Insula, decretorum doctoribus, Wilhelmo de Gruenenberg, Arnoldo de Rotperg burgimagistro civitatis Basiliensis et Johanne Riche, Johanne de Compeix et Nicodo de Menthone militibus […]. Zu Aufgaben und Stellung der Konsistorialadvokaten vgl. Märtl, Claudia: Interne Kon trollinstanz oder Werkzeug päpstlicher Autorität? Die Rolle der Konsistorialadvokaten nach dem Basler Konzil, in: Dendorfer/Märtl (Hg.): Nach dem Basler Konzil, S. 67 – 96, bes. S. 69 – 73. CB VII, S. 261: […] advocatus romanus orando proposuit coram dicto domino nostro, prout moris est proponere per advocatos in consistoriis publiciis. CB VII, S. 261: Quarum prima continebat potestatem datam domino nostro per sacrum concilium creandi cardinlaes eciam non qualificatos iuxta decretum. Secunda bulla continebat, quod huiusmodi cardinales creandi possint retinere sua beneficia iam habita nec vacare censeantur. CB VII, S. 262: Deinde facta aliquali proposicione et recitacione per dominum Arelatensem de potestate per sacrum concilium data sanctissimo domino nostro de creando cardinales. MC III, S. 513: […] oracione demum facta per cardinalem Arelatensem de necessitate crea cionis cardinalium, deque virtutibus et ydoneitate publicandorum, commemoratis serviciis per eos factis ecclesie et dampnis, que sustinuissent, de speciali mandato pape scripto legit quos papa nominaverat in sancte Romane ecclesie cardinales. Nomina quorum sunt: […].
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einzelnen Kandidaten 921, die Hüglin wie auch Segovia dann namentlich aufführen: Der in Basel nicht anwesende Alexander von Masovien 922, Patriarch von Aquileia und Administrator von Trient, wurde zum Kardinalpresbyter von S. Lorenzo in Damaso und der ebenfalls abwesende Odo von Moncada, Bischof von Tortosa, zum Kardinalpresbyter von Sta. Pudentiana erhoben. Die folgenden sechs neuen Kardinäle waren hingegen alle in Basel versammelt und nahmen auch ihren Titel an: Der Bischof von Vich, Georg von Ornos, wurde zum Kardinalpresbyter von Sta. Anastasia ernannt und der Bischof von Genf, François de Metz 923, zum Kardinalpresbyter von S. Marcello. Bernard de La Planche 924, Bischof von Dax, wurde zum Kardinalpresbyter von Sti. Nereo et Achilleo erhoben, und wechselte wenig später seine Titelkirche und war fortan Kardinal von Sti. Quattro Coronati. Johannes von Ragusa 925 OPraed., Bischof von Argensis (Ardjisch), wurde Kardinalbischof von S. Sisto. Johannes Grünwalder 926,
921 CB VII, S. 262: […] tandem dictus dominus Arelatensis recitando virtutes sciencias mores et merita singulorum dominorum […] 922 Vgl. Wos, Jan Wladyslaw: Allessandro di Masovia, Vescovo-Principe di Trento (1424 – 1444). Un profilo introduttivo, Pisa 21994. Weitere Angaben bei Sudmann: Basler Konzil, S. 122, Anm. 577. 923 François de Metz war seit 1426 Bischof von Genf und damit Nachfolger seines Onkels, Kardinal Jean de Brogny (1342 – 1426), der auch Bischof von Genf gewesen war, aber vor allem hohe Kurienämter bekleidet hatte. Er amtierte als Vizekanzler der römischen Kurie von 1391 bis zu seinem Tod. Währendessen protegierte er seinen Neffen François de Metz, der in der päpstlichen Kanzlei Martins V. Karriere machte. Von 1426 – 1428 hatte er die Kanzleileitung inne und wurde 1426 zum Bischof von Genf erhoben. Er weilte jedoch nur selten an seinem Bischofssitz, sondern verbrachte die meiste Zeit in Rom. Ab 1432 ist er auf dem Basler Konzil nachweisbar und nahm unter anderem an dem Konklave zur Wahl Felix’ V. teil, dessen Kanzlei er ab 1443 bis zu seinem Tod am 7. März 1444 in Genf leitete. Vgl. zu François de Metz vor allem Binz: Genève, S. 102 – 111, S. 126, S. 136 – 138, S. 168 – 170; HS (Helvetia Sacra), I,3, S. 101 – 102. 924 Zu Bernard de La Planche vgl. die biographische Skizze von Müller, Heribert: Gesandtschaft und Gewissen. Bernhard de La Planche, ein Bischof aus dem englischen Aquitanien, auf dem Basler Konzil, in: Thumser, Martin u. a. (Hg.): Studien zur Geschichte des Mittelalters. Jürgen Petersohn zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2000, S. 335 – 357, zu seinem Kardinalat bes. S. 348 – 354. 925 Zu Johannes von Ragusa vgl. Krämer: Konsens, S. 90 – 124. 926 Zu Johannes Grünwalder vgl. Meuthen, Erich: Johannes Grünwalders Rede für den Frankfurter Reichstag 1442, in: Kraus, Andreas (Hg.): Land und Reich. Stamm und Nation. Probleme und Perspektiven bayerischer Geschichte. Festgabe für Max Spindler zum 90. Geburtstag, Bd. 1, München 1984, S. 415 – 427, S. 415 – 417 und mit weiterer Literatur: Müller: Bayern, S. 153 – 188.
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Vikar von Freising, wurde zum Kardialpresbyter von S. Martino ai Monti und zuletzt Johannes von Segovia 927 zum Kardinalpresbyter von S. Calisto ernannt. Nach dieser Verlesung wurde das Zeremoniell der Kardinalseinsetzung fortgeführt: Die nominierten Kardinäle traten cum capis vor die Türen des Münsters und wurden von den beiden „Altkardinälen“ Aleman und Lapalud vor die Füße des Papstes geführt und vernahmen dort auf Knien die Verlesung ihrer neuen Titel durch den Papst 928. Sodann küssten sie die Füße, Hand und Mund des Papstes. Nunmehr folgte ein Abschnitt innerhalb der Kardinalskreation, der in dieser Form noch nicht erprobt war: Kardinal Aleman legte dar, dass die Kardinäle, junge wie alte, nicht auf den Papst, zu dessen Leib sie ja gehörten – pars corporis pape –, einen Eid leisten würden, sondern den Eid – festgehalten im Dekret der 23. Sessio – gemäß der Dekrete des Konzils auf eben dieses ablegen wollten 929. Sodann sprach einer nach dem anderen den Eid und legte dabei die Hände auf die Bibel. Diese Eidleistung gemäß der Dekrete des Basler Konzils wird auch in der Urkunde Felix’ V. erwähnt, qui eum (capellum rubeum) cum humilitate et reverencia debitis recipientes acceptarunt et iuramentum iuxta formam super hiis in decreto ipsius sancte synodi Basiliensis contentam nobis prestiterunt 930. Auch Johannes von Segovia teilt diese Neuerung, die Eidleistung auf die Dekrete des Konzils, mit: Post lectam singillatim formam iuramenti XXIII sessionis, tactis sacrosanctis per eos iuratam, papa imposuit super capita eorum cappellos, ammoniciones solitas, quomodo gerere se deberent, insinuans eis 931. Im Anschluss erläuterte Aleman, dass die Kardinäle nunmehr nicht, wie dies gewöhnlich bei der Kardinalskreierung der Fall ist, von ihren Benefizien gelöst seien 932.
927 Zu Johannes von Segovia als Kardinalpresbyter vgl. Diener, Hermann: Zur Persönlichkeit des Johannes von Segovia. Ein Beitrag zur Methode der Auswertung päpstlicher Register des späten Mittelalters, in: QFIAB 44 (1964), S. 289 – 365, S. 322ff. 928 CB VII, S. 263: […] venerunt cum capis ante portas ecclesie maioris et ingredientes locum dicte sessionis sive consistorii, facta prius per singulos reverencia dicto domino nostro, reverendissimi domini Arelatensis et de Varambone eos ad pedes ipsius domini nostri duxerunt, et ipsis ibidem coram eo genuculando stantibus dictus dominus noster legendo quandam cedulam dixit, qualiter eosdem ad honorem et titulum cardinalatus assumpsit, prout assumebat. 929 CB VII, S. 263: Quibus dictis et per eosdem pedibus dicti domini nostri deosculatis dixit dominus Arelatensis, quod, licet antiquitis cardinales sic assumpti non tenenbantur prestare pape iuramentum, cum sint pars corporis pape, nec ad hoc de iure tenentur, tamen, quia sic statuit sacrum concilium, voluit dictus dominus noster papa et vult, quod iurent iuxta formam decreti desuper per sacrum concilium editi, cuius decreti partem dictus dominus Arelatensis publice legit et satis substancialiter. 930 Baumgarten: Kardinalskonsistorien, S. 155. 931 MC III, S. 513. 932 CB VII, S. 263: Deinde dixit dictus reverendissimus dominus Arelatensis, quod beneficia huiusmodi dominorum cardinalium propter hanc assumptionem non vacabant nec censebantur
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Auch dies stellte eine erhebliche Änderung gegenüber dem üblichen Einsetzungszeremoniell dar. Wie auch die folgende Modifizierung: Der Papst wollte den neuen Kardinälen die roten Hüte nach dem Essen (post prandium) nicht in seiner Camera verleihen, sondern in Anwesenheit und Anschauung der Konzilsversammlung. Daraufhin setzte der Papst jedem einzelnen Kardinal den Roten Hut auf das Haupt. Währenddessen sangen die Sänger, begleitet von der Orgel, das Te Deum laudamus 933. Noch während des Gesangs führten die alten die frisch eingeführten Kardinäle in einer Prozession durch die ganze Kirche bis zum Ausgang, wo ein Altar errichtet und mit kostbaren Reliquiaren geschmückt war. Dort warfen sie sich zu Boden und beteten bis zum Ende des Te Deums. Wieder aufgestanden setzten die Kardinäle ihren neuen Hut ab, küssten den Altar und schritten paarweise mit den beiden dienstälteren Kardinälen zum Papst am anderen Ende des Kirchenschiffs zurück. Dort setzten sie sich auf Bänke, die in einem Kreis vor dem Papst aufgestellt waren 934. Ihnen wurde sodann vom Papst der Mund bis zum nächsten Konsistorium „verschlossen“. Damit war das öffentliche Konsistorium, zugleich der zweite Akt der Kardinalskreierung, beendet. Im nächsten Konsistorium wurde den neuen Kardinälen der Mund wieder geöffnet, um im Konsistorium beraten und votieren zu können. Dort erhielten sie auch den Ring. Mit der Erlaubnis des Papstes begleiteten die Alt-Kardinäle Aleman und Lapalud die neuen Kardinäle zu ihren Wohnstätten. Am folgenden Samstag, 15. Oktober, fand ein geheimes Konsistorium statt, das in der capella domini nostri pape gefeiert wurde. Dort verlieh der Papst den einzelnen Kardinälen als letzten Akt ihrer Kreation ihre Titel, öffnete ihnen den Mund und gab ihnen die Erlaubnis, den Kardinalsring zu tragen 935. Mit äußerst knappen Angaben beschließen Hüglin und Segovia ihre Berichte von der Kardinalserhebung, wobei vacare, sed eis remanebant nec a vinculo, quo eisdem erant astricti, absolvebantur. Diese Maßnahme war notwendig, um ihre finanzielle Situation nicht zu destabilisieren. 933 Ohne die Äußerungen Alemans zu erwähnen, teilt Segovia genau diese Abfolge mit. Nach dem Eid wurde den Kardinälen der rote Hut verliehen. Dies widerspricht dem Dekret der 23. Sessio, in dem explizit genannt wird, dass nach der Insignienvergabe der Eid geleistet werden soll: COD, S. 502: Cum recipient cardinales sue dignitatis insignia […] iurabunt in publico consistorio. 934 CB VII, S. 264: […] ubi sedentibus singulis super bancis ibidem preparatis ad modum circuli ante faciem dicti domini nostri […]. 935 CB VII, S. 264: Sabbati sequenti (15. Oktober) fuit consistorium publicum in capella domini nostri pape celebratum, in quo dominus noster dedit singulis cardinalibus noviter creatis titulos, aperuit eis ora, ut possint votare in consistoriis, et dedit eis licenciam deferendi annulos. In ähnlicher Weise auch Segovia, MC III, S. 514: Biduo autem sequenti dictam publicationem in consistorio secreto facta est predictis sex apercio oris generis illius, cuius et clausio fuerat, data videlicet a papa licencia, ut habere possent vocem in consistoriis et in collacionibus eleccioneque Romani pontificis, super hoc facecia quadam rogante eos, ut id facerent, quanto tardius possent.
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beide eine Erläuterung des Mundöffnungsrituals integrieren, und Segovia auch das Wahlrecht der Kardinäle eigens erwähnt. Er teilt auch mit, dass am Tag darauf, einem Sonntag, alle Kardinäle gemeinsam mit Felix V. ein großartig arrangiertes prandium magnificum einnahmen: Fuerunt autem omnes et antiqui et novi cardinales dominica sequenti cum papa in prandio magnifice distributo 936.
Interpretation der Basler Kardinalskreierung Gegenüber dem im Zeremoniale Stefaneschis beschriebenen Ablauf einer Kardinals erhebung fallen die in Basel praktizierten Abweichungen sofort ins Auge. Zunächst entsprach der Termin des Konsistoriums nicht den kanonischen Vorgaben, da der Termin zwischen dem 12. und dem 15. Oktober 1440 nicht in eine Quartemberwoche fiel. Auch wurden die Vorgaben zu den Wochenentagen nicht eingehalten. Vor allem aber tritt bei der Kardinalskreation die gegenüber Kardinal Aleman untergeordnete Rolle des Papstes deutlich zu Tage: Die Ansprache im öffentlichen Konsistorium, in der die Tugenden und Eignung der künftigen Kardinäle herausgestellt wurden, sollte laut Zeremoniale Stefaneschis der Papst selbst halten. In Basel jedoch erfuhren Papst Felix wie auch das Publikum vom Konzilspräsidenten Aleman, dass ihm sein Ernennungsrecht vom Konzil zugestanden wurde. Deutlicher noch wurde bei der Eidleistung mit der Tradition gebrochen und das neue Kräfteverhältnis zwischen Papst und Konzil zeremoniell ausbuchstabiert. In Basel wurde der Eid der Kardinäle auf die Bibel geleistet und nicht gegenüber dem Papst, was Aleman laut Protokoll von Hüglin explizit formulierte. Die Kardinäle wurden zwar von Aleman auch ausdrücklich als Teil des päpstlichen Leibes definiert, doch waren sie damit, wie der Papst selbst, an die Dekrete des Konzils gebunden, deren Einhaltung sie mit dem Eid auf die Bibel beschwörten. Die augenfälligste Neuerung im Zeremoniell der Kardinäle bestand in einer veränderten Sitzordnung des Konsistoriums: Im Zeremoniale Stefaneschis hatten die Kardinäle auf zwei Bänken neben dem Papst gesessen. Rechts von ihm nahmen die Kardinalbischöfe Platz, angefangen mit dem Bischof von Ostia, dann folgten auf derselben Seite die Kardinalpriester. Auf der linken Seite saßen die Kardinaldiakone, ganz links direkt neben dem Papst der Prior der Kardinaldiakone 937. Zu der Zeit des 936 MC III, S. 514. 937 Cérémonial II, ed. Dykmans, S. 471: Vacante sede apostolica, sedent episcopi a dextris, post ipsos presbiteri, a sinistris vero diaconi cardinales omnes suo ordine, gradu et loco, sicut faciebant papa presente; hac tamen salvo, quod interdum non dimittitur locus medius inter episcopos et diaconos, et tunc etiam episcopi sedent a dextris, ut dictum est, et presbiteri post eos; a sinsitris vero, iuxta tamen epsicopos, inmediate sedent prior diaconorum et alii post priorem.
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Kardinals François de Conzié, der das päpstliche Zeremoniell umfangreich schriftlich festgehalten hatte, bildeten die Kardinäle mit dem Papst ein Quadrat, in dem die Kardinäle ihren jeweiligen Platz gemäß Rang und Anciennität einnahmen. Bei Conzié saßen die Kardinalpresbyter in parte anteriore, also gegenüber dem Papstthron, auf einer eigenen Bank, womit sie das Rechteck oder Quadrat schlossen 938. Diese Form ergab sich bei Conzié insbesondere dadurch, dass die Zahl der Kardinäle in den drei Ordines sehr unterschiedlich sein konnte. Die Anzahl der Kardinalpresbyter konnte teilweise sehr hoch sein, wodurch der Platz auf der Bank der Bischöfe nicht mehr ausreichte und sie teilweise sogar auf der Bank der Kardinaldiakone Platz nehmen mussten. Conzié schildert damit eine Sitzordnung, von der am Ende des 15. Jahrhunderts (1488) auch Agostino Patrizi Piccolomini berichtet. Denn die viereckige Sitzordnung war nach dem Basler Konzil wieder üblich, wie das Zeremoniale von Patrizi deutlich macht 939. Das von den Kardinalsbänken gebildete Rechteck um die Cathedra des Papstes – Bänke und Papstthron waren im Übrigen immer mit Textilien, etwa Teppichen und Kissen ausgestattet – ist auch für die päpstliche Kapelle überliefert und wird spätestens seit dem 16. Jahrhundert als Quadratura bezeichnet. „Es bildet gewissermaßen einen Raum im Raum und hebt die Plätze der Kardinäle deutlich hervor“940. Im Basler Münster hingegen setzten sich Papst und Kardinäle in einem Kreis auf hierfür extra vorbereitete (preparatis) Bänke zusammen 941. Der hier gewählte Kreis
938 Cérémonial III, ed. Dykmans, S. 312: Sedent autem cardinales hoc ordine: quia episcopi iuxta suam prioritatem sedent a parte dextera pape, et post ipsos presbiteri, qui etiam si tantus sit eorum numerus, tenent partem anteriorem; partem vero sinistram, que non plus distare debet a papa quam dextera, tenet prior diaconorum, quem sequuntur alii diaconi ordine suo. Verum si tantus sit numerus presbiterorum quod non possint recipi in partibus dextera et anteriori, tunc recipere debent partem partis sinistre, hoc modo videlicet quod ulitmus inter eos dedeat post ultimum diaconum, demum penultimus, et sic deinceps donec cum alii sui ordinis retrogrado ordine omnes coniugnantur. 939 L’œuvre de Patrizi Piccolomini ou le cérémonial papal de la première Renaissance, ed. Marc Dykmans, 2 Bde., Vatikanstadt 1980 – 82, § 456, Bd. 1, S. 168: Scabella pro pedibus cardinalium ante pontificem locantur in forma quadrata a dextra, et a fronte sedent episcopi et presbyteri suo ordine unus post alium. Prior episcoporum primus post pontificem, deinde alii. A sinistra vero prior diaconorum primum iuxta papam obtinet locum, alii deinde sequuntur, ultimus presbyterorum proximus est ultimo diaconorum. Inter quos nemo cardinalium sedet. Vgl. dazu Weddigen: Papageienzimmer, S. 133 – 135. 940 Hack: Zeremoniell, S. 65, Anm. 42. Vgl. dazu auch Rasmussen, Niels Krogh: Maiestas Pontificia. A liturgical Reading of Etienne Dupérac’s Engraving of the Capella Sixtina from 1578, in: Analecta Romana Instituti Danici 12 (1983), S. 109 – 148, S. 123. 941 Vgl. dieses Buch, S. 249, CB VII, S. 264: […] super bancis ibidem preparatis ad modum circuli.
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kann als äußere Form für den in Basel angestrebten, kollegialen Charakter des Konsistoriums interpretiert werden. Denn dieser augenfällige Formwechsel darf nicht als geringfügig erachtet werden, wenn man bedenkt, welch große Aufmerksamkeit das Basler Konzil der Sitzordnung insgesamt schenkte 942. Zudem hing auch das Rederecht der Kardinäle von ihrem Platz im Konsistorium ab, wie Stefaneschi, Conzié und Piccolomini in ihren Zeremonialbüchern übereinstimmend festgehalten haben. Die Reihenfolge der Voten folgte der Sitzordnung und nicht der davon abweichenden Rangordnung der Kardinäle. Ob dies in Basel ebenfalls der Fall war, ist leider unklar. Doch könnte die Kreisform als ein Versuch gewertet werden, egalitäre Strukturen im Konsistorium zu verankern und sie sichtbar nach außen zu repräsentieren 943. Anhand der Arbeiten von Hermann Heimpel zu den „Rangstreitigkeiten auf dem Basler Konzil“ und der Schilderung von Hüglin kann dieses kreisförmige Arrangement im Basler Münster zur Zeit des Konzils recht gut lokalisiert werden 944. Vermutlich saß das Konsistorium auf dem Holzpodest vor dem Lettner, in dessen Mitte hinten erhöht ein hölzerner Altar für den Gottesdienst errichtet war 945. Dort hatten bereits Kaiser Sigismund, der päpstliche Legat und Konzilspräsident Kardinal Giuliano Cesarini sowie die vom Reichsoberhaupt ernannten Konzilsprotektoren Platz genommen. Die anwesende Masse von Konzilsteilnehmern hingegen war auf den zwei Tribünen platziert, die im Langhaus zu beiden Seiten durchgehend bis fast zum Westportal aus Holz errichtet worden waren 946. Damit ist zugleich auch eine rein praktische Ursache für die gewählte Kreisform auszuschließen, denn die architektonischen Vorgaben nötigten nicht dazu, die rechteckige Form bzw. die Bänke zu beiden Seiten der Cathedra aufzugeben.
942 Vgl. hierzu mit weiteren Angaben: Helmrath: Rangstreite, S. 139 – 173. Heimpel, Hermann: Sitzordnung und Rangstreit auf dem Basler Konzil. Skizze eines Themas. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Johannes Helmrath, in: Helmrath/Müller (Hg.): Studien, München 1984, S. 1 – 12. 943 Ähnlich dem symbolisch aufgeladenen Begriff des „Runden Tisches“, der als „Synonym für egalitäre Beratungen und Entscheidungen“ gilt. Vgl. dazu Hack: Zeremoniell, S. 66, Anm. 46. 944 Vgl. dazu Helmrath: Rangstreite, S. 148, Anm. 32. 945 Helmrath: Rangstreite, S. 148. 946 Helmrath: Rangstreite, S. 149. Vgl. Reinhardt, Hans: Die Anfertigung des Chorgestühls im Münster für das Basler Konzil, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 34 (1935), S. 189 – 192.
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Weitere Kardinalskreationen Bei der Kreation im Oktober 1440 waren keine Franzosen unter den Kardinälen. Eubel erklärt dies mit der Basler Unsicherheit, ob sie diese Wahl wohl angenommen hätten, und ob dafür der König sein Einverständnis gegeben hätte 947. Auf eine zustimmende Nachricht aus Frankreich hin, die Segovia erwähnt, erhob Felix V. am 12. November 1440 dann die nicht in Basel weilenden Franzosen Denis Du Moulin, Erzbischof von Toulouse, lateinischer Patriarch von Antiochien und Administrator von Paris, die Erzbischöfe Amedeus von Lyon (Talaru), und Philipp von Tours (Coëtquis) sowie Jean de Malestroit, Bischof von Nantes, und Gérard Machet, Bischof von Castres, zu Kardinälen 948. Auch der Erzbischof von Palermo, Nikolaus de Tudeschi, erhielt den Roten Hut. Er war als Gesandter des Königs Alfons V. von Neapel-Aragon in Basel anwesend und der einzige aus diesem Konsistorium, der ihn tatsächlich angenommen und getragen hat. Die Ernennung dieser hochrangigen französischen Kleriker, die sich vor dem Schisma um das Basler Konzil in vielfacher Hinsicht verdient gemacht hatten bzw. überzeugte Konziliaristen waren, leitete nach Ansicht Heribert Müllers die „törichte Hoffnung“ Felix’ V., „die Herrscher Frankreichs und der Bretagne doch noch für die Sache der Synode zu gewinnen“949. Zumindest ist die durch Johannes von Segovia erwähnte, positive Nachricht aus Frankreich nicht weiter nachweisbar und entspräche auch nicht der grundsätzlichen Haltung des französischen Königs und des französischen Klerus’. Es gab dort keinen Zweifel daran, dass Eugen IV. und nicht Felix V. der rechtmäßige Papst war. Innerhalb der Aufgabenverteilung des Basler Konzils erhielt das Konsistorium eigene Kompetenzen, die Segovia besonders hervorhebt: Die promociones ecclesi arum et monasteriorum, die bislang von der Konzilsversammlung entschieden worden waren, bestimmten nunmehr Papst und Kardinäle im consistorium secretum950. 947 Eubel: Hierarchie, S. 274. 948 MC III, S. 516: Duodecimo vero die habitis litteris ex Francia, tanquam acceptaturi essent dignitatem ipsam, papa constitutus in medio synodalis congregacionis consultatione prima habita cum cardinalibus ex primo creatis per ipsum, nominavit in cardinales prebiteros sancte Romane ecclesie Dyonisium patriarcham Antiochenum administratorem ecclesie Parisiensis, Amedeum Lugdunensem, Philippum Turonensem, Nicolaum Panormitanum archiepiscopus, Iohannem Nanatensem et Gerardum Castrensem episcopos, absentes omnes a loco. 949 Müller: Franzosen, S. 206. 950 MC III, S. 514: Cumque iam essent in competenti numero, promociones ecclesiarum et monasteriorum, que primo synodali auctoritate fiebant, relacione previa in generali congregacione, facte deinceps fuere in consistorio secreto per papam et cardinales. Vgl. zu den einzelnen Bischofs einsetzungen Sudmann: Basler Konzil, S. 121 – 130, Eubel: Hierarchie, S. 282. Das Konsistorium befasste sich zwischen 1440 – 1449 mit den Bistümern Mirepoix, Florenz, Chur, Aquileia, Calvi, Würzburg, Salzburg, Lucon, Sulci, Nikosia, Aix-en-Provence, Brixen und Freising
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Segovia nennt als Argument für diese Kompetenzzuweisung – die eigentlich keine war, da die Entscheidung über die beneficia maiora zu den Kernaufgaben des Konsistoriums schlechthin gehörte 951 – die ausreichende Anzahl von Kardinälen (competenti numero). Erst ein Kollegium konnte nach Ansicht des Konzils, wie auch nach römischer Auffassung, dieser Aufgabe gerecht werden. Die Hochschätzung des Kollegiums und somit des Kollegialitätsprinzips wird auch an dieser Stelle deutlich.952 Die drei Kardinalserhebungen des Jahres 1440 wurden am 4. Februar 1441 in urkundlicher Form festgehalten 953. Acht Tage nach Ausstellung der Bulle wurde am 12. Februar 1441 der bereits im November-Konsistorium berufene Nikolaus de Tudeschi in Basel zum Kardinal erhoben 954. Durch eine Teilnahme an einer Delegation war es noch nicht zu der zeremoniell-liturgischen Kreation gekommen. Doch war er am Donnerstag zuvor im vollen Kardinalshabit und mit rotem Hut in die Stadt eingezogen. Unter Anwesenheit des Papstes, der anderen Kardinäle, Bischöfe und Äbte wurde eine feierliche Messe gefeiert, sodann ein Brief von Alfons von Neapel-Aragon verlesen. Darin erkannte er das Basler Konzil als das wahre Konzil an und bestätigt als seinen Legaten Nikolaus de Tudeschi, genannt der ‚Panormitanus‘. Diese Obödienzleistung wurde ausgiebig gewürdigt und anschließend die Kardinalskreation vorgenommen 955. Der Bericht im Protokoll Hüglins fällt ähnlich wie die Schilderung der Kardinalskreation im November 1440 ausgesprochen knapp aus. Nur die Eidleistung des neuen Kardinals wird erwähnt und sodann von Kardinal Aleman angekündigt, das
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sowie mit den Diözesen Schottlands. Zu Freising vgl. auch Müller: Bayern, S. 153 – 188, Sudmann: Basler Konzil, S. 130 – 138, vgl. dieses Buch, ab S. 253. Hack, Zeremoniell, S. 79. Lützelschwab: Clemens VI., S. 20: „Die verstärkte Neigung der Päpste, insbesondere Urban II., das Kolleg bei allen wichtigen zur Entscheidung anstehenden Fragen zu konsultieren, führte zur Ausbildung eines regelmäßig tagenden Konsistoriums, zu dem Papst und Kardinalskolleg in den dafür bestimmten Räumlichkeiten des Papstpalastes zusammentraten.“ Vgl. zum Kardinalskollegium in Basel bis 1434: Decker, Wolfgang: Die Politik der Kardinäle auf dem Basler Konzil (bis zum Herbst 1434), in: AHC 9 (1977), S. 112 – 153; S. 315 – 400. Zu Beginn des Konstanzer Konzils ist von einem Beraterkreis um Johannes XXIII. eine Art Hofordnung für die Gestaltung des päpstlichen Alltags während des Konzils entworfen worden. Vgl. dazu Studt: Papst Martin V., S. 385 – 386, Mansi 27, Sp. 543f. und ACC 2, S. 171 – 348. Vgl. dies analog für das Bischofskollegium etwa in den ekklesiologischen Schriften von Johannes v. Ragusa, dieses Buch, S. 76. Die Bulle der Kardinalskreierung ist ediert bei Baumgarten: Kardinalkonsistorien, Anm. 18. Vgl. das Original, in: Basel, Staatsarchiv, Städtische Urkunden Nr. 1237a orig. membr. lit. pat. c. bulla plumb. pend. mit dem Vermerk auf der Rückseite: Registrata in camera apostolica. Datum Basilee 2. non. februarii (4. Feb.) 1441 pont. a.1 CB VII, S. 310 – 312. CB VII, S. 312.
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übrige kardinalsspezifische Kreationszeremoniell werde im nächsten geheimen Konsistorium „wie es Sitte sei“ vollzogen 956. Die Obödienzleistung von Aragon hingegen erfuhr große Beachtung. Im November 1442 verlegte Felix seine Kurie an den Genfer See, wodurch das Kardinalskollegium sich zwischen Basel und Lausanne aufteilte. Mit Papst Felix zogen die vier Kardinäle Louis de Varambone, François de Metz, Johannes von Ragusa und Alexander von Masovien an den Genfer See 957. In Basel verblieben Kardinal Louis Aleman, der sich um die Kanzlei kümmerte, und bis 1443 auch Kardinal Nikolaus de Tudeschi (Panormitanus), der u. a. für die Pönitentiarie zuständig war. Kardinal Johannes von Segovia, der ursprünglich Felix V. begleiten sollte, erwirkte seine weitere Anwesenheit in Basel, indem er auf seine Aufgaben in der apostolischen Kammer hinwies. Des Weiteren blieben in Basel auch Bernard de La Planche, Georg von Ornos, Odo von Moncada und Johannes Grünwalder 958. Nach dem Tod von Johannes von Ragusa und François de Metz in Genf musste Felix V. erneut Kardinäle kreieren, da in seiner Entourage Louis de Varambone als einziger Kardinal verblieben war. Am 6. April 1444 wurden in Genf vier Kardinal priester und ein Kardinaldiakon kreiert: Darunter waren Jean d’Arces 959, Erzbischof
956 CB VII, S. 312: Deinde prefatus dominus archiepiscopus accedens ad pedes dicti domini nostri pape ubi supra sedentis et coram sua sanctitate geniculando iuramentum per dominos cardinales noviter ad honorem cardinalatus assumptos prestari solitum iuxta decretum sacri concilii Basiliensis desuper editum, formam dicti iuramenti legendo, in manibus dicti domini nostri solemniter et publice prestitit, ambas manus suas supra sancta Dei evangelia ponendo. Finaliter dixit dominus Arelatensis quod cras teneretur consistorium secretum, in quo daretur per dominum nostrum papam titulus cardinalatus dicto domino Panormitano, prout moris est. 957 Vgl. dieses Buch, ab S. 278. 958 MC III, S. 1243: Remanserunt quoque Dertusensis (Odo von Moncada), Vicensis (Georg von Ornos), Aquensis (Bernard de La Planche) et sancti Martini ( Johannes Grünwalder) cardinales. 959 Amadeus VIII. hatte sich 1438 für die Besetzung des Erzbischofsstuhls mit Jean d’Arces eingesetzt und letztlich die Versetzung seines Vorgängers Marco Condulmer, Neffe von Eugen IV., bewirkt. Jean d’Arces stammte aus einer adeligen Familie der Dauphiné, genauer in der nahe Grenoble gelegenen Pfarrei Saint-Ismier. Er war Lizentiat des kanonischen Rechts und seit 1435 Prior von Saint-Valentin in Bissy und von 1419 – 1438 Propst von Gr. Sankt Bernhard als Nachfolger seines Onkels Hugues d’Arces. Mit den von ihm entworfenen Reformstatuten von 1437 (Statuten von Etoy), die auch vom Basler Konzil gebilligt wurden, konnte d’Arces den disziplinären und wirtschaftlichen Verfall aufhalten. 1438 wurde er Erzbischof von Tarentaise, ab Oktober 1439 Teilnehmer auf dem Basler Konzil und Papstwähler im Konklave. Vgl. dazu: HS (Helvetia Sacra) IV/1, S. 176 – 178; Eubel: Hierarchie, S. 275; Sudmann: Basler Konzil, S. 103; Müller: Franzosen, S. 186, 679, Anm. 38, Bruchet: Ripaille, S. 117; Roubert, Jaqueline: La seigneurie des archevêques-comtes de Tarentaise,
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von Tarentaise, Luis d’Amaral 960, Bischof von Viseu, Bartholomeo Vitelleschi 961, Bischof von Corneto, der Metzer Archidiakon Guillaume Hugues d’Étain 962 und Thomas de Courcelles 963. Dabei handelte es sich um Kleriker, die sich um das Konzil verdient (Luis d’Amaral, Guillaume Hugues d’Étain, Thomas de Courcelles) gemacht hatten und persönliche Favoriten Felix’ waren, wie Bartholomeo Vitelleschi, oder langjährige Weggefährten aus dem savoyischen Umfeld, wie Jean d’Arces. Nicht alle nahmen den Kardinalstitel an, so lehnte etwa Thomas de Courcelles den Roten Hut ab. Als Motiv vermutet Enea Silvio Piccolomini die zu geringe Ausstattung mit Pfründen, nicht nur bei ihm, sondern auch bei Guillaume Hugues d’Étain: non quia dignitatem refugerent, sed quod sumptus subire non possent idoneos dignitati. Villelmus tamen postea, susceptis beneficiis, in commendam cardinalatum accepit 964. Während also de Courcelles den Titel ablehnte, erschien die materielle Ausstattung d’Étain später doch ausreichend 965.
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963 964 965
in: Mémoires et documents publiés par l’Académie de Savoie, 6. Folge 5 (1961), S. 33 – 235, S. 118 – 122; CB VI S. 676, 681, 684, 689, 717. Helmrath: Basler Konzil, S. 249, Müller: Franzosen, S. 973. Vgl. zu Vitelleschi dieses Buch, S. 321. Bartholomeo Vitelleschi, der Neffe des Kardinals Giovanni Vitelleschi, wurde am 23. September 1441 in Basel inkorporiert (CB VII, S. 428,4f.). Sein Name erscheint auch in den Protokollen des Konzils von Ferrara/Florenz, vgl. Helmrath: Lateinische Teilnehmer, S. 173. Im Auftrag Felix’ V. visitierte er die Diözese Genf und veranlasste dort die Reform eines Leprosenhospitals. Seit dem 6. April 1444 war er Kardinal-Priester von S. Marco und wurde am 11. August 1446 von Felix’ V. in dessen Diözese Genf zum Generalvikar bestimmt. Zu seinem Onkel Giovanni Vitelleschi vgl. Law, John E.: Giovanni Vitelleschi: ‚prelato guerriero‘, in: Renaissance Studies 12 (1998), S. 40 – 66; Rolfi, Gianfranco: Giovanni Vitteleschi, arcivescovo di Firenze. La sua azione militare all’epoca del concilio, in: Viti, Paolo (Hg.): Firenze e il concilio del 1439, Firenze 1994, S. 121 – 146. Märtl, Claudia: Bartolomeo Vitelleschi (†1463). Ein italienischer Rat Friedrichs III., in: Fuchs, Franz u. a. (Hg.): König, Fürsten und Reich im 15. Jahrhundert, Köln u. a. 2009 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii, 29), S. 3 – 19. Müller, Heribert: Vom Konzil zur Kurie. Eine kirchliche Karriere im 15. Jahrhundert: Guillaume Hugues d’Étain, Archidiakon von Metz und Kardinal von Santa Sabina (†1459), in: ZfK 110 (1999), S. 25 – 52. Müller: Courcelles, S. 884. Enea Silvio Piccolomini, Epistula Nr. 44 (Brief an Carvajal), ed. Rudolf Wolkan, in: Fontes rerum Austriacum 67, II, S. 164 – 228, S. 203. Nach Ansicht Heribert Müllers standen für Thomas de Courcelles jedoch andere Motive im Vordergrund, Müller: Coucelles, S. 884: „Courcelles mußte sich zum damaligen Zeitpunkt eingestehen, daß der Sache des Konzils kaum noch Aussicht auf Erfolg beschieden war, zumal an der Institution, die ihm Rückhalt und Sicherheit verschafft hatte, die bisherige Einheitsfront für Basel und Felix V. zerbrach.“
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Als letzten Kardinal erhob Felix V. im August 1447 seinen Verwandten, den zyprischen Kleriker Lancelot de Lusignan 966. Dieser erscheint im Bullenregister Felix’ V. am 19. August und 2. September 1447 als Lancelotus presbiter cardinalis S. Laurentii in Damasus 967. Dort wird ihm auch der Titel des Patriarchs von Jerusalem zugeordnet. Zuvor war der illegitime Neffe des Kardinals Hugues de Lusignan von Felix V. zum Abt vom Pinerolo ernannt worden. Hugues de Lusignan war zudem als Rat am savoyischen Herzoghof tätig. Der Doktor beider Rechte stand Herzog Ludwig etwa in den Verhandlungen über die Vermählung von Charlotte von Savoyen mit Friedrich von Sachsen als Notar zur Seite 968. Unter den Kardinälen befanden sich in erster Linie ranghohe Kleriker und/oder verdiente Konzilsväter. So kann in den Kardinalskreationen Felix’ V. – abgesehen von der institutionalisierten Teilhabe der Kardinäle an der Leitung der Kirche – auch eine Hebung seines eigenen Ansehens vermutet werden. Dieser exklusive, eigene Beraterzirkel steigerte nicht nur seine Legitimation und Ehre. Das Kardinalskollegium fungierte auch als eine kommunikative Brücke zwischen Papst und Konzil. Der Logik seines Status als Gegenpapst entsprechend, konnte er nur besonders geschätzten Persönlichkeiten den Roten Hut antragen: „Da die Gegenpäpste die Bedürfnisse hatten, sich Vertrauen in der Welt zu verschaffen, nahmen sie nur Personen mit gutem Ruf, mit Wissen und Ehrenhaftigkeit des Benehmens als ihre Berater“969. Nur drei der 19 Kardinäle behielten nach Felix’ Resignation ihren Kardinalstitel: neben Louis de Lapalud wurden die Titel von Jean d’Arces, dem Erzbischof von Tarantaise, und Guillaume Hugues d’Étain von Papst Nikolaus V. bestätigt 970. Überproportional stark waren mit neun Kardinälen Savoyer und Franzosen vertreten. Recht zahlreich, mit sieben, waren auch Deutsche in den Kardinalsrang erhoben worden. Diese Gewichtung weist auf den politisch-instrumentellen Charakter der Kardinalskreationen hin. In sehr geringem Maße ist bei den Kardinälen Felix’ Mäzenatentum und eine eigene Hofhaltung nachweisbar. So sind etwa im Liber benefactorum der Kartause Kleinbasels die Kardinäle Louis Aleman, Odo von Tortosa und Georg von Vich mit Stiftungen verzeichnet 971. Der Genfer Bischof, François de Metz, beauftragte den B asler Maler Konrad Witz, einen Petrusaltar für die Genfer Kathedrale anzufertigen, der 966 Vgl. Rudt de Collenberg, Wipertus H.: Les Cardinaux de Chypre Hugues et Lancelot de Lusignan, in: AHP 20 (1982), S. 83 – 128, S. 115 – 126. 967 AST, BF V, fol. 313r. 968 Rudt de Collenberg: Cardinaux, S. 121. 969 Strika, Zvjezdan: Johannes v. Ragusa (†1443). Kirchen- und Konzilsbegriff in der Auseinandersetzung mit den Hussiten und Eugen IV., Augsburg 2000, S. 202. 970 Müller: Hugues d’Étain, S. 47 – 49, Müller: Courcelles, S. 895. 971 Widmer: Kulturelles Leben, S. 145f.
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1444 fertiggestellt wurde 972. Zu dieser Zeit nahm Felix V. bereits selbst den Genfer Bischofsstuhl ein. Sein Hof und die Diözese, vor allem die Kathedrale St. Pierre in Genf, traten damit in eine enge Verbindung.
Finanzsituation der Kardinäle Der geringe Repräsentationsaufwand der Kardinäle Felix’ V. mag an der recht dürftigen finanziellen Ausstattung der Kardinäle liegen, die von den Einkünften des Papstes abhängig und durch die kleine Obödienz, aber auch aufgrund der Dekrete des Basler Konzils alles andere als reichhaltig war. So hatten die Kardinäle ein vitales Interesse daran, die päpstlichen Einnahmen zu erhöhen und auf eine erweiterte Basis zu stellen. Auf ihre Initiative ist es zurückzuführen, dass nach langwierigen Verhandlungen das Konzil mit dem Dekret Etsi inscrutabili schließlich Felix V. am 19. Januar 1442 das Recht zusprach, über ein Priorat, eine Abtei und ein Bistum im Herzogtum Savoyen zu verfügen und die Einkünfte daraus zu beziehen 973. Damit wurden für die Kardinäle andere Mittel frei und sie konnten sich mit Felix V. schließlich im Herbst 1442 darüber einigen, die „Hälfte aller Einkünfte aus dem Zehnten zum Unterhalt der Kardinäle und der Kurialbeamten“ zu erhalten 974. Damit waren die Kardinäle an den Einkünften aus Savoyen beteiligt und hatten berechtigte Hoffnung auf sichere und regelmäßige Zahlungen. Davon unberührt gerieten Papst und Kardinäle zwischen Herbst 1442 und Mai 1443 in eine erbitterte Auseinandersetzung über die Ausstattung der Kurienbeamten, zumal kaum Zehntzahlungen eintrafen 975. Es erscheint J ohannes von Segovia überflüssig, über eine Aufteilung der kaum vorhandenen materiellen Grundlage zu berichten. Die Kardinäle finanzierten ihrerseits im Juni 1443 selbst eine Konzilsgesandtschaft: Zur Vermittlung zwischen den Eidgenossen und den Zürchern um das Erbe des Grafen Friedrich von Toggenburg im Alten Zürichkrieg entsandte das Konzil Legaten, deren Ausstattung die Kardinäle übernahmen, wie Johannes von Segovia
972 Vgl. dazu dieses Buch, Kap. 4.3. 973 Vgl. dazu dieses Buch, S. 313. 974 Vgl. MC III, S. 1244: […] quod papa reciperet mediam partem omnium proventuum ex quinto denario et incumberet ei supportare onera pro negociis ecclesiae, aliam vero reciperent Cardinales et de illa contenturi essent Officiales Romanae Curiae quodque hoc duraret usque ad unum vel duos annos per hoc in iure suo. 975 MC III, S. 1245 – 1247. Eckstein: Finanzlage, S. 85 – 87.
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berichtet 976. Er erwähnt den Konflikt an dieser Stelle erstmals, obwohl das Konzil bereits seit 1440 damit beschäftigt war 977. Die finanzielle Versorgung der Kardinäle blieb durchgängig bescheiden. Kardinal Aleman brauchte für die Belange des Konzils einen Großteil seines Vermögens auf, etwa für die Ausstattung von Gesandtschaften 978. Auch Kardinal de La Planche litt beständig unter Finanznot, ebenso verfügte auch Kardinal Segovia über nur recht bescheidene Einkünfte 979.
Die Administration Felix’ V. Die fundamentale Konkurrenz gegenüber dem Papst entstand durch den Anspruch des Basler Konzils, nicht nur in Glaubensfragen zu entscheiden, sondern als Universalgremium auch auf jurisdiktioneller und exekutiver Ebene zu agieren. Dies führte zu einer „Gewaltenverdopplung“ im institutionellen Bereich 980. Denn die sich in Basel entwickelnden Konzilsbehörden dienten keineswegs nur der Selbstverwaltung. Vielmehr waren sie eine Reaktion auf die wachsende Zahl an das Konzil adressierter Suppliken und Prozesse. Die von den Basler Vätern selbst formulierte Kernaufgabe pax – hier im Sinne eines Rechtsfriedens – verpflichtete sie, auf diese Bitten und Aufgaben zu reagieren. An der causa pacis werden die zwei zentralen Aufgaben des Basler Konzils deutlich. Zum einen verfolgte das Konzil den theoretischen Anspruch, eine vollständige Neuordnung der kirchlichen Struktur zu entwickeln. Zum anderen musste es alltäglich praktische Einzelfragen bearbeiten, die an das Konzil gerichtet wurden 981. Diese bis Ende der 1430er Jahre stark zunehmende Nachfrage führte zu einem stetigen institutionellen Ausbau gemäß der Logik „Dauer schafft Bedarf; Bedarf bewirkt Dauer“982.
976 Eckstein: Finanzlage, S. 79. Zum Alten Zürichkrieg und den Verhandlungen in Baden im Juni 1443 vgl. Niederstätter: Zürichkrieg, S. 192 sowie: Die Eidgenössischen Abschiede aus dem Zeitraume von 1421 bis 1477, ed. Anton Philipp Segesser, Luzern 1865, Nr. 260. 977 MC III, 1304 – 1307. Vgl. hierzu auch Sudmann: Basler Konzil, S. 157. 978 Perouse: Aleman, S. 349, Eckstein: Finanzlage, S. 80. 979 Vgl. Müller: De la Planche, S. 351. 980 Helmrath: Basler Konzil, S. 37. 981 Sudmann: Basler Konzil, S. 280 betont stark das reaktive Moment der „synodalen Praxis“ Basels. Vgl. die systematische Erschließung der „pax-Fälle“ bei Sudmann: Basler Konzil, S. 45 – 169. Zur causa pacis siehe auch die Ausführungen bei Meuthen: Protokollführung, S. 364f. 982 Helmrath: Behörde, S. 96.
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Das Konzil bildete seine behördliche Struktur der Römischen Kurie nach 983, ohne dies weiter zu reflektieren; die kuriale Verwaltung wurde bei aller Kritik „offenbar als alternativlos“ aufgefasst 984. Es entstand dabei keine dem eigenen Reformanspruch genügende Verwaltung. Dies erstaunt zunächst umso mehr, als das caput ecclesiae ja durchaus Ziel weitreichender und umfassender Reformbemühungen war. Die Verwaltung selbst jedoch wurde offenbar kaum als „Herrschaft im Alltag“ wahrgenommen 985. Zwar haben die Basler Väter mit großem Problembewusstsein eine eigene Geschäftsordnung entworfen – die erste geschriebene und verbindlich verabschiedete eines Konzils. Eine eigene Kanzleiordnung wurde hingegen nicht entwickelt 986. Von der Urkundenausstellung bis zur Verwaltungsorganisation insgesamt galt die an der Römischen Kurie gehandhabte Ordnung 987. Die naheliegende Erklärung, diese Parallelität zwischen römischer und Konzilskurie hätte aufgrund von weitgehender Kontinuität im Behördenpersonal bestanden, gilt zumindest nicht für die niederen Ämter etwa in der Kanzlei. Thomas Frenz kann für die Kanzlei von über 130 Konzilsschreibern nur acht Personen ausmachen, die zuvor an der päpstlichen Kurie beschäftigt waren 988. Diese Annahme trifft jedoch für die höheren Ämter zu, 983 Zu den kurialen Behörden vgl. Schwarz, Brigide: Die römische Kurie im Zeitalter des Schismas und der Reformkonzilien, in: Melville, Gerd (Hg.): Institution und Geschichte: Theoretische Aspekte und mittelalterliche Befunde, Köln u. a. 1992 (Norm und Struktur, 1), S. 231 – 258 (mit weiterer Literatur); daneben bislang unersetzt: Hofmann, Walter: Forschungen zur Geschichte der kurialen Behörden vom Schisma bis zur Reformation, Roma 1914. 984 Helmrath: Behörde, S. 95. 985 Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 126. Vgl. einführend zu Webers Diktum „Herrschaft ist im Alltag primär: Verwaltung“ das Kapitel ‚Herrschaft und Institutionenbildung‘, in: Reinhard, Wolfgang: Geschichte der Staatsgewalt, München 2000, S. 125 – 205. 986 Eine Kanzleiordnung von 1439 ist ediert in: Helmrath: Behörde, S. 104 – 113. Diese stellte jedoch in erster Linie eine Modifizierung der am 23. September 1435 verlesenen und im Protokoll festgehaltenen Kanzlei- und Taxordnung dar, die ad instar observancie in Romana curia solite entstanden war. CB III, S. 523 – 528. 987 Helmrath: Basler Konzil, S. 35 – 47; Frenz, Thomas: Die Urkunden des Konzils von Basel, Prag 1993 (Lectiones eruditorum in facultate philosophica Universitatis Carolinae Pragensis factae, 2), S. 7 – 26; Helmrath: Behörde, S. 94 – 99, 103; Gilomen, Hans-Jörg: Konziliare Bürokratie und Korporation am Basler Konzil. Strukturelle und prosopographische Aspekte, in: Helmrath/Müller (Hg.): Konzilien, S. 205 – 255, S. 223 – 229; vgl. hierzu auch die älteren und grundlegenden Studien: Lazarus, Paul: Das Basler Konzil. Seine Berufung und Leitung, seine Gliederung und Behördenorganisation, Berlin 1912 ( ND Vaduz 1965); Dephoff, Joseph: Zum Urkunden- und Kanzleiwesen des Konzils von Basel, Hildesheim 1930. 988 Frenz: Urkunden, S. 11. Allerdings gab es an der Spitze der Kanzlei sehr wohl eine Ämter- und Personenkontinuität, denn als erster Leiter der Behörde amtierte der vormalige Vizekanzler
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wie etwa die Rota-Auditoren, die zuvor vielfach an der römischen Rota als Richter tätig gewesen waren 989. Für die Konzilien von Pisa und Konstanz waren bereits eine eigene Verwaltung, vor allem eine eigene Kanzlei zur Ausfertigung ihrer Dekrete, notwendig geworden, da während des Schismas auf die in Konkurrenz stehenden päpstlichen Kanzleien nicht zurückgegriffen werden konnte. Zur Zeit des Basler Konzils stand allerdings der Behördenapparat der anerkannten Päpste Martin V. und Eugen IV. wenigstens in den Jahren von 1431 bis 1437 zur Verfügung. Die Einrichtung einer eigenen, differenzierten Verwaltung durch das Basler Konzil muss also als eine nachdrückliche Betonung der Eigenständigkeit der Synode und als Folge der räumlichen Trennung aufgefasst werden. Das Selbstverständnis des Konzils drückte sich überdies deutlich in der intitulatio und der Grußformel aus 990. Die Imitation der Römischen Kurie mag zu einem gewissen Anteil auf Funktionalitätsgründe zurückzuführen sein, wobei der Verweis auf sogenannte „Sachzwänge“ allein kaum analytischen Mehrwert besitzt. Sofern Institutionen auch als symbolische Form von Ordnungsarrangements aufgefasst werden, erklären Verweise auf ihre Funktionalität noch nicht ihre Struktur. Relevanz bekämen diese erst, wenn deutlich würde, in Hinblick auf welches Ziel sich etwas funktional verhält. Die vom Konzil selbst geäußerte Einschätzung, ihre Behörden folgten dem römischen Vorbild, zeugte dabei ebenso wie die vorgebliche Imitation von zeremoniellen Abläufen von der Absicht, „Legitimität und Verfahrenssicherheit“ zu signalisieren 991. Dies gilt insbesondere, wenn diese Imitation explizit – nach Auffassung von Hans-Jörg Gilomen „geradezu penetrant“992 – formuliert wurde. Über das tatsächliche Maß an Übereinstimmung zwischen Original- und Nachahmerkurie, was ihre Funktionsweise, ihre Struktur wie auch ihre mediale Repräsentation betraf, ist damit keine verläss liche Auskunft getroffen. Oftmals erweckte der insbesondere bei der Organisation
Eugens IV., Jean de Rochetaillé. Zu seiner Person: Müller, Heribert: Besançon, Burgund und das Reich: der Streit um die causa Bisuntina auf dem Basler Konzil (1433 – 35), in: Gougenheim, Sylvain (Hg.): Retour aux sources. Textes, études et documents d’histoire mediévale offerts à Michel Parisse, Paris 2004, S. 303 – 322, S. 310 – 312. 989 Gilomen: Bürokratie, S. 227. 990 Vgl. Frenz: Urkunden, S. 10, dort erläutert er leichte, aber entscheidende Modifikationen der päpstlichen Grußformel salutem et apostolicam benedictionem: Das Basler Konzil verwendete stattdessen als Grußformel salutem et omnipotentis dei benedictionem. Damit wurde aus „Gruß und apostolischem Segen“ „Gruß und Segen des allmächtigen Gottes“, wodurch der Gruß des Konzils damit in liturgischer Hinsicht erheblich wertvoller als derjenige des Papstes wurde. Vgl. dazu auch Dephoff: Urkunden- und Kanzleiwesen, S. 14 – 19. 991 Vgl. Helmrath: Konzil als Behörde, S. 95. 992 Gilomen: Bürokratie, S. 229.
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der Konzilskanzlei „stets wiederholte Bezug zum kurialen Vorbild“ den Anschein, fast „deklamatorisch“ zu sein 993. Seit 1431 entwickelte sich am Rhein eine eigene Kurie, die nicht auf eine vor Ort etablierte umfangreiche bürokratische Infrastruktur zurückgreifen konnte – Basel war zwar Bischofsstadt und hatte einige Klöster –, doch für die Einrichtung einer nach römischen Maßstäben vollentwickelten Kanzlei, Pönitentiarie und Kammer sowie eines Gerichtshofes bedurfte es der Kompetenz auswärtiger Fachkräfte. So formulierte Konzilspräsident Aleman am 27. August 1438 in einem Brief an Philibert de Montjeu und Johannes von Ragusa, in dem er sie über die Entwicklung in Basel unterrichtete: et sic formatur curia romana, was für diese Entwicklung einen sprechenden Ausdruck darstellt 994. Dabei ist zugleich beachtenswert, dass in Basel das Konzil für Suppliken und Supplikanten zugleich als Supplikenbüro, Prozessinstanz und Kasse fungierte, denn es gab keinen Unterschied zwischen Konzil und Behörde; es arbeitete „im Unterschied zu Ferrara in völliger personeller und institutioneller Identität“995. Der häufige Verweis ad instar curie romane bei Segovia und in den Konzilsprotokollen offenbart selbst bei eher oberflächlicher Analyse seine Unvereinbarkeit mit der Basler Situation. Die Konzilsbehörden unterschieden sich von dem römischen Vorbild und Konkurrenten in einigen wesentlichen Punkten. Dabei beschränkte sich das Konzil nicht nur auf die Erstellung von eigenen Taxordnungen. Auch grundsätzliche Haltungen, wie die „Empfindlichkeit einer egalitären Großkorporation“996 etwa gegen Amtsverfestigungen, bestimmten die behördliche Struktur 997. Ämterrotation und die zeitliche Befristung auf zwei Monate wirkten sich kaum effizienzfördernd aus, ebenso wenig wie die Bearbeitung jeder Supplik durch das ganze Konzil, wobei diese Praxis schon in der Anfangszeit (18. Dezember 1433) aufgehoben wurde 998.
993 Gilomen: Bürokratie, S. 226. 994 RTA XIII, S. 573, Nr. 300. 995 Helmrath: Lateinische Teilnehmer, S. 168. Vgl. dazu auch Helmrath: Basler Konzil, S. 35 – 46; Helmrath: Kommunikation, S. 122 – 124. 996 Helmrath: Behörde, S. 95. 997 Zur Amtszeitbeschränkung vgl. Gilomen: Bürokratie, S. 229 – 234; Meuthen, Erich: Rota und Rotamanuale des Basler Konzils, in: Gatz, Erwin (Hg.): Römische Kurie, kirchliche Finanzen, Vatikanisches Archiv. Studien zu Ehren von Hermann Hoberg, Bd. II, Roma 1979, S. 473 – 518, S. 487. Vgl. Helmrath: Basler Konzil, S. 43 – 46, dort wird darauf hingewiesen, dass die Ämterbefristung den Konzilsvätern als Prinzip in Universitäten, Orden und Kommunen vertraut war. 998 Suppliken de simplici iusticia wurden dem Vizekanzler, Einzelsuppliken mit gängigem Inhalt (Ehedispens etwa) wurden dem Kardinallegaten bzw. Konzilspräsidenten zur Signatur überlassen. Vgl. dazu Lazarus: Basler Konzil, S. 200f. mit Belegen und Helmrath: Behörde, S. 108, Anm. 75.
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Das Konzil sah sich nicht nur als Alternative zum Papst 999, sondern war nach eigener Einschätzung auch in der Lage, ihn nicht nur absetzen, sondern sogar vollständig ersetzen zu können. Mit dem Zerwürfnis zwischen dem Basler Konzil und Papst Eugen IV. wird dies manifest. Während des Absetzungsprozesses richtete sich das Konzil darauf ein, die Römische Kurie nach und nach vollständig zu substituieren 1000. Und in dieser Auffassung lag aus römischer Sicht auch die eigentliche Gefahr, da „die Bedrohung des Papsttums durch ein in seinem Zentralismus der Kurie vergleichbares, in päpstliche Prärogativen eingreifendes, korporativ verfasstes und kollektiv agierendes Konzil erfolgte“1001. Der unspektakuläre bürokratische Alltag, im Zuge dessen kirchenpolitische Entscheidungen durch das Konzil und nicht durch den Papst gefällt wurden, stellte die eigentliche Konkurrenz mit Rom dar 1002. Zudem stellte die Bearbeitung der Suppliken eine der Kernaufgaben des Konzils dar, denn gemäß der Aufgabe der Friedenswahrung (pax) war das Konzil verpflichtet, strittige Fragen innerhalb der Kirche beizulegen 1003. Die Wahl Felix’ V. zum Papst, der in seiner Amtsführung vom Konzil beschränkt war, änderte den Zuschnitt der Konzilsbehörden insgesamt. Bei den Erörterungen über die einzelnen Zuständigkeiten und Befugnisse des Papstes am 7. Juli 1440, also noch vor der Krönung Felix V., trat in erster Linie die Befürchtung vor einem Autoritätsverlust des Konzils hervor 1004. Kein Bereich wurde Felix allein anvertraut: Grundsätzlich herrschte das Prinzip der Duplizität 1005. Je nachdem, an wen die Supplik adressiert war – Papst oder Konzil –, in dessen Namen wurde sie auch expediert. Für die Kanzlei bedeutete dies einen höheren organisatorischen Aufwand, da sie jeweils mit zwei Ausstellern mit zwei verschiedenen Siegeln operieren musste. Die Supplikenverwaltung und ihre Einteilung folgten dabei in beiden Fällen dem römischen Modell, ebenso wie die von der Kanzlei ausgestellte Urkunde 1006. Der 999 Zur Frage des Dauerkonzils vgl. Helmrath: Permanent Synod. 1000 RTA XIII, S. 573, dazu auch Lazarus: Basler Konzil, S. 17. 1001 Sudmann: Basler Konzil, S. 291. 1002 Vgl. Meuthen: Protokollführung, S. 365. 1003 Vgl. zu den Aktivität den Basler Konzils als „Richter und Schlichter“, Sudmann: Basler Konzil, S. 45 – 163. 1004 Die Übertragung der Leitung von Teilen des behördlichen Apparats war von Aleman angeregt worden, der bereits im Juni den Deputationen einen Antrag super remissione officorum ad papam zukommen ließ. Vgl. die Angaben von Heinrich Herre in CB VII, S. XXXVI – X XXVIII. 1005 Vgl. MC III, S. 489 – 490, CB VII, S. 197 (7. Juli 40): Primo videtur, quod sanctissimus dominus noster conferat beneficia in hoc sacro concilio cum modificationibus, que secuntur. 1006 Vgl. Mongiano: Cancelleria, S. 61 – 63. Dephoff: Urkunden- und Kanzleiwesen, S. 1 – 37, vgl. auch Schneider: Halbbulle, S. 457f. Zu den Supplikenregistern: Marchal, Guy P.: Supplikenregister als codicologisches Problem: Die Supplikenregister des Basler Konzils,
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Geschäftsgang der Kanzlei war wie in Rom organisiert: Einzelne Stationen waren Konzept, Reinschrift, Bullierung, die Audientia litterarum contradictarum und die Registratur 1007. Bei der Registratur der Suppliken entstanden nach Guy Marchal jedoch einige Unterschiede zwischen den Supplikenregistern in Basel und denjenigen der Römischen Kurie. So bemerkt er „große Differenzen in der Chronologie der Einträge und die Häufigkeit der Handwechsel“1008. Auch will er bemerkt haben, dass „die Basler Skriptoren gegenüber den römischen Kollegen für die gleiche Arbeit mehr als die doppelte Zeit brauchten“1009. Die Arbeit der Skriptoren war nach Marchals Analyse bereits durch die Arbeit des Konzils präjudiziert, denn es gab nicht wie in Rom einen fortlaufenden Strom eingehender, bearbeiteter Suppliken, vielmehr trafen die erledigten Suppliken „normalerweise nur paketweise“ in der Registratur ein, jeweils „nach dem Konkordat in der Generalkongregation, die bestenfalls einmal wöchentlich stattfand“1010. Die besondere Kompetenz der Kanzlei, beneficia und gratiae zu gewähren, ließ die Konkurrenz zu Rom besonders deutlich werden 1011. Im Mikrokosmos dieser In stitution spiegelte sich die jeweils aktuelle Vorstellung, die das Konzil und sein Papst von der Kirche hatten. Die Angleichung von Felix’ Kanzlei an die römische war damit aber keine zwangsläufige. Als Referenzpunkt galt – wie schon in anderen Bereichen – Papst Martin V. bzw. seine Kanzlei. Die wenigen Reformen und Innovationen, die Eugen IV. an der Römischen Kurie in Kraft gesetzt hatte, wurden aufgehoben 1012. So stellte sich das Basler Konzil gegen die „wachsende Autonomisierung der Schreiberkollegien“, die sich jedoch im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts an der Römischen Kurie immer weiter durchsetzte 1013. Bei der Höhe der Taxen wich Felix V. hingegen in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 74 (1974), S. 201 – 235, S. 203f., S. 213, S. 217. 1007 Vgl. Gilomen: Bürokratie, S. 224. 1008 Marchal: Supplikenregister, S. 222. 1009 Marchal: Supplikenregister, S. 224. 1010 Marchal: Supplikenregister, S. 226. 1011 Zur Kanzlei Felix V. vgl. Mongiano: Cancelleria und Dies.: La cancelleria di un antipapa tra interessi papali e tendenze universali, in: Rivista storica del diritto italinao 55 (1992), S. 169 – 180. 1012 Vgl. Mongiano: Cancelleria, S. 110, 129. Zu Maßnahmen Eugens IV. vgl. Schwarz, Brigide: Die Abbreviatoren unter Eugen IV., in: QFIAB 60 (1980), S. 200 – 274. Zur Kurienreform bei Martin V. vgl. Studt: Martin V., S. 374 – 396, zur Kanzlei S. 380 – 382. 1013 Vgl. Helmrath: Behörden, S. 101; Schwarz: Abbreviatoren, S. 212. Joseph Dephoff gibt an, dass die Kanzleischreiber Felix’ V. im Gegensatz zu ihren Kollegen in der Konzilskanzlei mehr Selbständigkeit besessen hätten und ähnlich wie die Schreiber an der Römischen Kurie selbst über die Zulassung in ihr Kolleg entscheiden konnten. Damit wären Schreiber des Konzilspapstes näher am römischen Vorbild als diejenigen des Konzils. Dephoff zufolge
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nicht von etablierten kurialen Regelwerken ab; ihm erschien die Taxordnung Johannes’ XXII. als geeignete Orientierung für die Taxierung seiner Bullen. Sein Kontrahent Eugen IV. dagegen unternahm eine gründliche Umarbeitung des Taxbuches Johannes’ XXII ., die nach Ansicht Michael Tangls „den Grundstock zu jenem Taxbuch von 1479 gebildet hat“1014. Seit April 1435 amtierte Kardinal Louis Aleman als Vizekanzler des Konzils, der seit 1437 auch Konzilspräsident war. Seinem Stellvertreter kam dementsprechend die Leitung der laufenden Geschäfte in der Kanzlei zu: Dieses Amt hatte Ogerio de Confleto, Bischof von Maurienne im März 1440 inne, von November 1440 bis April 1442 Aymericus Segaud, Bischof von Mondovì im Piemont 1015. Seit April 1442 war dies die Aufgabe von Raimondo Talon, Bischof von Sisteron, Dr. Iur. utr. und Custos cancellariae, der ab 1440 bereits Rota-Richter gewesen war und schon während des Konklaves die Kanzlei geleitet hatte. Im November 1442 übernahm diese Aufgabe Bartolomeo Vitelleschi, Bischof von Corneto 1016. Nach der Verlagerung der päpstlichen Kurie im November 1442 blieb Kardinal Louis Aleman in Basel und war dort weiterhin Vizekanzler. In Lausanne übernahm diese Aufgabe François de Metz, Bischof von Genf 1017. Nach seinem Tod am 7. März 1444 folgte Pietro de Saxo, Abt der Benediktinerabtei von Ambronay, auf diese Position, die er bis einschließlich August 1448 inne hatte. In den letzten Monaten (ab November 1448) übernahm dann der 1447 noch zum Kardinal erhobene Zypriot Lancelot von Lusignan diese Aufgabe 1018. Am 7. Juli 1440, also in der Zeit zwischen der Ankunft des Papstelekten und seiner Krönung, wurden die Kompetenzen der Kurie zwischen konziliarer und päpstlicher
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hatte Felix V. erheblich weniger Schreiber zur Verfügung als das Konzil, Dephoff: Urkunden- und Kanzleiwesen, S. 76, Anm. 311. Tangl, Michael: Das Taxwesen der päpstlichen Kanzlei vom 13. bis Mitte des 15. Jahrhunderts, in: MIÖG 13 (1892), S. 1 – 106, S. 47, die Taxordnung Johannes XXII., S. 77 – 106. Vgl. zu Aymericus Segaud Helmrath: Lateinische Teilnehmer, S. 172; Mischlewski, Adalbert: Antoniter zwischen Konzil und Papst, in: Bäumer, Remigius (Hg.): Reformatio ecclesiae. Festgabe Erwin Iserloh, Paderborn 1980, S. 155 – 168, S. 164 – 168; Dephoff: Urkunden- und Kanzleiwesen, S. 39; Mongiano: Cancelleria, S. 41, Anm. 105, S. 102, S. 103 mit Anm. 674, S. 222 mit weiteren Verweisen. Mongiano: Cancelleria, S. 102. Nach Auskunft von Johannes von Segovia leiteten ab November 1442 Vizekanzler Louis de Varambone und Johannes von Ragusa die Kanzlei Felix’ V., vgl. MC III, S. 1243: Qui vero cum papa iverunt cardinales quatuor fuerunt: de Varambone, Aquilegiensis, Gebennensis et sancti Saxti; horum primo duorum cancellariam, alio penitenciariam in sua curia recturis. Mongiano teilt mit, diese Aufgabe wäre François de Metz, Bischof von Genf zugefallen, Mongiano: Cancelleria, Anm. 359. Vgl. auch die Liste der „Reggenti La Cancelleria“ bei Mongiano: Cancelleria, S. 214 – 215. Mongiano: Cancelleria, S. 103, Anm. 360 – 362.
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Zuständigkeit aufgeteilt. Auch im Fall der Pönitentiarie wurde nach dem üblichen Muster entschieden und die Bearbeitung der jeweiligen Supplik je nach Adressierung entweder der päpstlichen Kurie oder den Behörden des Konzils zugewiesen. Danach richtete sich auch die Annahme der Gebühren 1019. Zwei Pönitentiare wurden dazu angewiesen, dieses Amt in der Autorität des Konzils und des Papstes auszuführen 1020. Mit unklarer Datierung wurde bei der Organisation der Pönitentiarie auch ein formularius verwendet, das nach eigener Aussage die Minderpönitentiare des Basler Konzils auch gebrauchten (Incipit formularius, quo utebantur minores penitenciarii sacri concilii Basiliensis) und das spätestens im 14. Jahrhundert im Umfeld der päpstlichen Pönitentiarie entstanden war 1021. Die Minderpönitentiare agierten auf einer Hierarchieebene unter den Großpönitentiaren, ihnen standen ebenso wie Letzteren ein Schreiberkollegium und Prokuratoren zur Erledigung der Suppliken zur Seite. Die Pönitentiarstatuten enthielten auch Vorschriften, die etwa das Verhalten der Pönitentiare nach dem Tod des Papstes regelten. Diese hatten mit den Cubicularen und den Elemosinaren die Aufgabe, den Leichnam zu waschen, zu bekleiden und aufzubahren 1022. Die Audientia litterarum contradictarum unterstand seit dem 1. Juli 1440 Papst Felix V.1023. Die Bearbeitung gerichtlicher Fragen, der causae justitiae, oblag der Audientia causarum, die bereits nach dem Vorbild des Konstanzer Konzils im Juli 1432 eingerichtet worden war und analog zur römischen Instanz Rota genannt wurde 1024. Der
1019 CB VII, S. 197: […] ut unum vel duos penitenciarios assumat, qui in omnibus et per omnia officium huiusmodi exerceant auctoritate sacri concilii et sue sanctitatis. Et in expeditione supplicacionium porrectarum sue sanctitati servetur stilus curie; in aliis vero, que porriguntur sacro concilio, nominent se penitentiarios sacri concilii. Et in ipsarum litterarum taxacione serventur ordinaciones sacri concilii jam facte vel in posterum faciende per sacrum concilium et dominum nostrum […]. 1020 Zur Basler Pönitentiarie vgl.: Lazarus: Basler Konzil, S. 234 – 243, und Rutz, Daniel: Incipit formularis, quo utebantur minores penitenciarii sacri concilii Basiliensis, in: Meyer u. a. (Hg.): Päpste, Pilger, Pönitentiarie, S. 483 – 498, Edition, S. 490 – 498. Zur Pönitentiarie generell: Göller, Emil: Die päpstliche Pönitentiarie von ihrem Ursprung bis zu ihrer Umgestaltung unter Pius V., 2 Bände in 4 Teilen, Roma 1907 – 1911, und Lang, Alois: Beiträge zur Geschichte der Apostolischen Pönitentiarie im 13. und 14. Jahrhundert, in: MIÖG Ergängungsband 7, Wien 1907, S. 20 – 43. 1021 Edition, in: Rutz: Formularius, S. 490 – 498. 1022 Rutz: Formularius, S. 494 – 495. 1023 CB VII, S. 196, MC III., S. 489, Lazarus: Basler Konzil, S. 224. 1024 Vgl. zur Konzilsrota: Gilomen, Hans-Jörg: „… facto realiter in scriptis“: Schriftlichkeit und Mündlichkeit im Verfahren vor der Basler Konzilsrota, in: Lepsius, Susanne/Wetzstein, Thomas (Hg.): Als die Welt in die Akten kam. Prozeßschriftgut im europäischen Mittelalter, Frankfurt am Main 2008, S. 197 – 251, S. 197. Vgl. auch umfassend: Meuthen: Rota.
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Geschäftsgang der Konzilsrota „hielt sich“, so die Einschätzung Hans-Jörg Gilomens aus legitimatorischen Gründen, „bis in alle Einzelheiten an das römische Modell“1025. Ein Kollegium von fünf Praekognitoren entschied über die Zulassung der einzelnen Suppliken und Prozesse; ihm gehörte immer der Konzilspräsident an 1026. Die Rota entschied nicht über die causae maiores; über diese wurde in der Generalkongregation, in den Deputationen oder von externen Richtern geurteilt 1027. Die Zuständigkeit über diese Fälle ging im August 1440 auf das Konsistorium über, das Felix V. gemeinsam mit dem Kardinalskollegium bildete 1028. Dabei handelte es sich in der Regel um Bischofspromotionen, die von Felix V. und den anwesenden Kardinälen im consilium secretum einmal wöchentlich beraten wurden 1029. Stefan Sudmann kann auf Grund dieser nach der Krönung Felix’ V. neu zugewiesenen Kompetenzen in der Fallbearbeitung für die 1440er Jahre ein gewandeltes konziliares Selbstverständnis gegenüber der Zeit vor dem Schisma erkennen. So versuchte das Konzil während des Schismas und damit während des Pontifikats Felix’ V. nicht mehr, in den Streitigkeiten zwischen den jeweiligen Elekten, päpstlich providierten Bischöfen und Kandidaten weltlicher Mächte zu vermitteln. Vielmehr sah es sich berechtigt, im selben Maße wie Eugen IV. Konfirmationen vorzunehmen. Doch scheint dies eher mit einer „Zurücknahme der konziliaren Autorität“1030 zusammenzuhängen, denn nun entschied das geheime Konsistorium mit Felix V. und seinen Kardinälen. Am 12. Oktober 1440 wurde ein neuer Verfahrensweg für die Bischofskonfirmationen festgelegt. Die promociones ecclesiarum, welche zuvor durch das Konzil vorgenommen worden waren, erfolgten nunmehr durch den Papst mit seinen Kardinälen im consistorium secretum 1031. Felix V. und seine Kardinäle standen demnach zwar in einem juristischen und ideellen Abhängigkeitsverhältnis vom Konzil, doch waren sie verfahrenstechnisch befugt, bei einfachen Bischofskonfirmationen autonom zu arbeiten. Dies hatte ein beständiges Ringen innerhalb des Dreiecks Felix V., Eugen IV. und dem jeweiligen Domkapitel zur Folge. Dabei achtete Felix darauf, nicht gegen die Entscheidungen der Kapitel zu verstoßen, denn es ging ihm, wie auch dem Konzil,
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Gilomen: Schriftlichkeit, S. 199. Meuthen: Rota, S. 478, Lazarus: Basler Konzil, S. 274f. Gilomen: Schriftlichkeit, S. 199 und Gilomen: Bürokratie, S. 241. MC III, S. 490: Si contingeret aliquem contendencium aliquod relevamen in causa sua querere, habeatur recursus ad consistorium tenendum per Felicem V. vel ad sacras deputationes, et cesset penitus officium precognitorum. 1029 Die Aufgabe des consilium secretum war es nach Segovia, MC III, S. 514: […] ad audiendas relationes gravium commissionum in causis justicie. Vgl. dazu auch Lazarus: Basler Konzil, S. 280 und Sudmann: Basler Konzil, S. 121 – 129. 1030 Sudmann: Basler Konzil, S. 129. 1031 MC III, S. 514, Vgl. Eubel: Hierarchie, S. 282 und Sudmann: Basler Konzil, S. 121.
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grundsätzlich um die Bestätigung des gewählten Prätendenten. Das Basler Konzil hatte im Wahldekret 1433 die Autorität der lokalen electio canonica wiederhergestellt, wobei es diese Haltung in einigen Fällen selbst nicht eingehalten konnte 1032. Eugen IV. fühlte sich dagegen nicht an die Kapitelentscheidungen gebunden, so etwa in den Fällen Würzburg, Brixen und Trient sowie Nicosia 1033. Die Kammer war ebenso wie die anderen Behörden Felix V. unterstellt. Die Stelle des Kämmerers war nach der Suspendierung Eugens IV. entstanden und nach dem Vorbild der Kurie in Rom eingerichtet 1034. Hinzu kamen vier Kammerkleriker und zudem die Kollektoren. Unter Felix V. blieb das Amt des Kämmerers bestehen, der seinen engen Vertrauten Jean de Grôlée mit dieser Schlüsselstelle innerhalb der päpstlichen Verwaltung betraute. Dieser folgte ihm nach der Aufspaltung der Kurie nach Lausanne und war zwischen 1444 und 1445 zudem auch als päpstlicher Generalvikar in Genf tätig 1035. In Basel wurde Johannes von Segovia „Aufseher über das päpst liche Finanzwesen“1036 am Konzil, worüber er sich in seinen gesta concilii wiederholt beschwerte, weil die knappen Mittel nur einen Bruchteil der Ausgaben abdeckten 1037. Die Ansässigkeit der päpstlichen Kurie führte indes nicht zu einem Aufstieg des „Finanzplatzes“ Basel – im Gegenteil: Die Bank des Cosimo de’ Medici liquidierte
1032 Zum Konflikt um das Bistum Freising vgl. Sudmann: Basler Konzil, S. 130 – 138. Das Wahldekret der 12. Sessio vom 13. Juli 1433, mit Novellen (26. März 1436 und 30. Oktober 1439), in: COD, S. 469 – 472; S. 504 – 505. 1033 Vgl. Sudmann: Basler Konzil, S. 121 – 130, Eubel: Hierarchie, S. 280 – 286. 1034 CB VI, S. 576. Die Angleichung an die Bestimmungen Eugens IV. über die Kammer betont auch Gilomen: Bürokratie, S. 242. 1035 Jean de Grôlée stellt eine der zentralen Personen am Hof Felix’ V. dar. Er stammte wie Kardinal Louis Aleman aus dem Bugey, war Neffe des Kardinals Antonio di Challant und von Guillaume de Challant, Bischof von Lausanne. Er hatte Kanonikate in Cambrai, Lyon, Reims und Lausanne inne. Als Kollektor war er in den Provinzen Lyon, Vienne, Besançon, Tarantaise und den Diözesen Turin, Asti, Ivrea, Vercelli und Mondovia tätig. Als Delegierter Lyons wurde er am 24. Oktober 1436 in Basel inkorporiert. Er hatte neben dem Genfer Kanonikat auch das Generalvikariat des Erzbistums Tarantaise inne sowie das Priorat von Groß St. Bernhard (Montjoux), das besonders eng mit dem savoyischen Herzoghaus verbunden war. Schließlich wurde er Vizekämmerer Felix V. und nahm auch an dem Reichstag in Nürnberg 1443 und an den Renuntiationsverhandlungen Felix’ V. in Lyon und Genf teil, wo ihn Karl VII. zu seinem Rat ernannte. Papst Nikolaus V. bestimmte ihn zum General thesaurar für den Legationsbereich des Kardinals Amadeus von Savoyen. Damit wurde auch bei ihm gewissermaßen Amtskontinuität bewahrt. Er starb in Lyon am 14. Januar 1459. Vgl. Mongiano: Cancelleria, S. 14f.; Müller: Franzosen, S. 414f. und S. 834 – 836, HS I, 3, S. 132f. 1036 Vgl. Fromherz: Segovia, S. 33. 1037 Vgl. MC III, S. 1243, S. 1246, S. 1258.
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ihre Basler Niederlassung bereits 14411038. Sämtliche Reserven wurden der Genfer Medici-Filiale überschrieben, die auch die Abwicklung vornahm. Das Angebot der Medicibank, wie auch anderer Banken wie Albergati, Giantigliazzi und Borromei, richtete sich an Angehörige des hohen Klerus’. Dieser zog sich jedoch seit 1438 mehr und mehr vom Basler Konzil zurück. Das Verschwinden der großen Bankhäuser aus Basel stellt einen weiteren Indikator für den schrittweisen Bedeutungsverlust des Konzils dar.
Die Sekretäre Felix’ V. Als besonders enge Vertraute des Papstes traten seine Sekretäre Enea Silvio P iccolomini 1039, Martin Le Franc 1040, Guillaume Fabri und Bertrand Marva hervor. Abgesehen von Enea Silvio Piccolomini, der im November 1442 aus dem Dienst Felix’ V. schied, blieben die drei anderen Sekretäre Felix’ auch über dessen Rücktritt hinaus im Dienste des
1038 Vgl. Weissen, Kurt: Die Bank von Cosimo de’ Medici am Basler Konzil (1433 – 1444), in: ZSWG 82 (1995), S. 350 – 386. 1039 Vgl. Diener: Weg von Basel nach Rom, S. 518 – 521. 1040 Zu Martin Le Franc HS I,5, S. 386 – 387: Er wurde um 1408 in der Grafschaft Aumale in der Normandie geboren, studierte in Paris und war dort Schüler des Theologen Thomas de Courcelles. Seit 1439 war er Sekretär des Herzogs Amadeus VIII ., wurde am 1. Juli 1440 mit dem Titel eines Magister Artium als Sekretär von Papst Felix V. in Basel inkorporiert (CB VII , S. 193 – 194, S. 561). Von Felix V. erhielt er 1443 ein Kanonikat und eine Präbende in Lausanne, dann das Amt des Propstes, das er bis zu seinem Tod 1461 in Genf behielt, weitere Kanonikate in Turin (1444) und Genf (1447). Er nahm an den Verhandlungen über die Renuntiation Felix’ V. in Genf teil. Nachdem Felix V. als Papst zurückgetreten war, blieb Le Franc in seinen Diensten und wurde nach seinem Tod von dessen Sohn Herzog Ludwig übernommen. 1459 wurde er Administrator der Benediktinerabtei Novalese im Piemont. Hervorgetreten ist Martin Le Franc als Autor der Werke „Champion de Dames“ (1440 – 1442) und durch die im Auftrag von Philipp dem Guten von Burgund entstandene moraldidaktische Schrift „L’estrif de fortune et de vertu“ (1447/48). Vgl. HS I, 4, S. 386 – 388. Martin Le Franc, Le Champion des Dames, Tome 1 – 5, ed. Robert Deschaux, Paris 1999, S. VIII –X; Zu Martin Le Franc: Piaget, Arthur: Martin Le Franc, prévot de Lausanne, Lausanne 1888; Jung, Marc-René: Situation de Martin Le Franc, in: Ornato, Monique u. a. (Hg.): Pratiques de la culture écrite en France au XV e siècle, Louvain-la-Neuve 1995, S. 13 – 30; Strohm: Guillaume Du Fay, S. 30 – 37; Märtl, Claudia: Dialogische Annäherung an eine Bewertung des Basler Konzils. Zu einem unbekannten Werk des Martin Le Franc, in: Müller (Hg.): Ende des konziliaren Zeitalters, S. 29 – 55; vgl. auch dieses Buch, S. 327.
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Savoyers 1041. Von ihnen gehörte keiner zum festen Kern der Basler Konzilsväter; sie stammten aus Savoyen und waren zuvor schon im herzoglichen Dienst tätig 1042. Ihre Aufgaben unterschieden sich nicht von denjenigen der Sekretäre Martins V.1043. Demnach hatten die Sekretäre insbesondere diejenigen Schriften, Briefe und Urkunden zu verfassen, die nicht den üblichen Kanzleigang durchlaufen sollten und betrafen vor allem persönliche, diplomatische und politische Angelegenheiten. Martin V. versammelte herausragende Gelehrte und humanistisch versierte Stilisten unter den päpstlichen Sekretären, die u. a. Musterbriefe und Handbücher für nachfolgende Sekretärsgenerationen entwarfen und zusammenstellten, so etwa Poggio Bracciolini, Antonio Loschi, Bartholomeo Aragazzi da Montepulciano und Cencio de’ Rustici 1044. Daneben betätigten sich diese Sekretäre auch als Literaten in Briefen, Brieftraktaten oder Reden und prägten damit das kulturelle Klima am päpstlichen Hof 1045. Ähnliches ist zumindest für die Anfangszeit an der Kurie Felix’ V. ebenso zu vermuten, denn auch er hatte zwei herausragende schriftstellernde Sekretäre in seinen Diensten: Martin Le Franc und Enea Silvio Piccolomini. Der dichtende Sekretär war mehr „als ein subalterner Funktionsträger“1046. Zunächst konnte die Mitarbeit in einem 1041 Zu den Sekretären Felix V. vgl. Mongiano: Cancelleria, S. 113 – 115, zu Enea Silvios Karriere nach dem Basler Konzil: Diener: Weg von Basel nach Rom, S. 527 – 533. 1042 Martin Le Franc war spätestens seit April 1438 in Ripaille anwesend und wurde dort für die Übersetzung „mehrere(r) Bücher und Geschichten aus dem Lateinischen ins Französische und aus dem Französischen ins Lateinische mit 100 fl. entlohnt“. Vgl. Bruchet: Ripaille, Preuve XXVI, S. 375: […] pro nonnullis libris et istoriis de latino in gallicum et de gallico in latinum transferendis. 1043 Vgl. dazu Schwarz, Brigide: Die Organisation kurialer Schreiberkollegien von ihrer Entstehung bis zu Mitte des 15. Jahrunderts, Tübingen 1972, S. 112. Dies.: Abbreviature officium est assistere vicecancelllario in expeditione litterarum apostolicarum. Zur Entwicklung des Ab breviatorenamtes vom Großen Schisma bis zur Gründung des Vakabilistenkollegs der Ab breviatoren durch Pius II., in: Gatz (Hg.): Römische Kurie, S. 789 – 823, S. 809. Partner, Peter: The Pope’s men. The papal civil service in the Renaissance, Oxford 1990, S. 26 – 31. 1044 Zu den Sekretären Martins V. im Überblick und mit weiterer Literatur: Studt, Birgit: Tamquam organum nostre mentis. Das Sekretariat als publizistisches Zentrum der päpstlichen Außenwirkung, in: Flug u. a. (Hg.): Kurie und Region, S. 73 – 92, bes. S. 86 – 92 zu dem Kreis humanistisch orientierter Gelehrter. 1045 Vgl. auch: D’Amico, John F.: Renaissance humanism in papal Rome. Humanists and churchmen on the eve of reformation, Baltimore/London 1983. Mit einer über den Papsthof hinausreichenden Perspektive: Simonetta, Marcello: Rinascimento segreto. Il mondo del Segretatio da Petrarca a Machiavelli. Milano 2004 (Storia 329), zu Piccolomini, S. 65 – 81. 1046 Müller, Jan-Dirk: Archiv und Monument. Die Kultur der Sekretäre um 1500, in: Siegert/ Vogl (Hg.): Europa, S. 13 – 27, S. 15. Vgl. zu dem Selbstbild des Sekretärs, das Enea Silvio Piccolomini in seinem Libellus Dialogorum formuliert: Piccolomini, Libellus Dialogorum, ed.
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der Verwaltungsorgane zu einem raschen gesellschaftlichen Aufstieg führen, da die Sekretäre ungehinderten Zugang zum Fürsten hatten, durch diese Nähe einen hohen Rang gegenüber anderen fürstlichen Amtsträgern beanspruchen 1047 und zahlreiche Privilegien genießen konnten. Nicht zufällig wurden „die engsten Berater der Obrigkeit Heimliche, lateinisch secretarii genannt“.1048 Ihnen oblag nicht nur die Abwicklung des gesamten Schriftverkehrs, sondern vor allem auch die Registrierung und Archivierung der schriftlichen Spuren des Regierungshandelns, durch ihre Dichtkunst aber auch die rühmende Lobpreisung des fürstlichen Arbeitgebers, wobei zu beachten ist, dass die poetische Verehrung des Fürsten und „die Selbstmonumentalisierung als gebildete Mitglieder einer gebildeten Hofgesellschaft in eins fallen“ konnten 1049. Bei Felix V. diente die dichterische Tätigkeit der Sekretäre noch einem weiteren Zweck, denn sie widmeten ihre literarischen Werke keineswegs nur Felix V., sondern vor allem anderen Herrschern, zum Teil auch der gegnerischen Seite. So widmete Martin Le Franc sein monumentales Werk Champion de la Dame Herzog Philipp dem Guten von Burgund, der ein beständiger Anhänger Eugens IV. war. Daneben verfasste Le Franc einen Dialogtraktat, in dem er aktuelle und gelehrte Themen verhandelte. Dies mag in Abgrenzung oder Anlehnung an seinen Kollegen, Enea Silvio Piccolomini, geschehen sein, der unter anderem auch als Sekretär einen Dialog abfasste, in dem Martin Le Franc und er selbst als solche auftreten. Enea Silvio Piccolomini gelang es, sich als schriftstellernder Sekretär zu profilieren. So wurde er von Friedrich III. am 27. Juli 1442 auf dem Frankfurter Reichstag zum Poeta laureatus
Adamus Kollàr, Sp. 754: […] isque mea sententia vere secretarius est et hoc tam gravi nomine dignus, qui verba eligere et apte construere sciat; qui et sedandarum passionum et excitandarum artem calleat; in cuius scriptis lepos, facetiae et eruditio, libero digna homine, perluceant; qui omnem antiquitatem exemplorumque vim teneat; qui legum et iuris civilis terminos non ignoret; qui denique omnia, quaecunque inciderint, quae sint litteris explicanda, composite, ornate, memoriter, et prudenter praesto sit scribere […] atque ut uno verbo commoda huius officii ostendam quantum inter praesentes orator, tantum inter absentes secretarius reipublicae prodest. Die hier deutlich werdende Hochschätzung des Sekretärs dauerte bei Piccolomini rückblickend auf seine eigene Karriere auch als Papst Pius II. weiterhin an. Dazu auch Helmrath: Zweite Dekade, S. 346. 1047 Vgl. zu dem sich seit 1425 über ein halbes Jahrhundert hinziehenden Präzedenzstreit zwischen Sekretären und Konsistorialadvokaten Märtl, Claudia: Konsistorioaladvokaten, in: Dendorfer/Märtl (Hg.): Nach dem Basler Konzil, S. 66 – 96, S. 86 – 89; Studt: Sekretariat, S. 74 – 77. 1048 Hölscher, Lucian: Öffentlichkeit und Geheimnis. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung zur Entstehung der Öffentlichkeit in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1979, S. 130. Vgl. dazu auch: Wenzel, Horst: Sekretäre – heimlichaere. Der Schauraum öffentlicher Repräsentation und die Verwaltung des Geheimen, in: Siegert/Vogl (Hg.): Europa, S. 29 – 43. 1049 Müller: Archiv, S. 25.
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gekrönt 1050. Als Sekretär verfasste Enea Silvio Piccolomini zwei für die Geschichtsschreibung des Basler Konzils zentrale Werke: Den bereits ausführlich vorgestellten Bericht De gestis concilii und den sogenannten Libellus dialogorum 1051. Im Proömium des Libellus dialogorum erklärt Piccolomini seinen Wunsch, die „Fakten“ wahrheitsgemäß und einwandfrei festzuhalten: Idque etsi bono zelo et recto animo factum non dubitem, medendum tamen illi parti censeo, quam vulneratam non curastis 1052. In der literarischen Form des Dialogs, der zudem Anklänge an antike Komödien aufweist, einen wahrheitsgemäßen Bericht abliefern zu wollen, erscheint reichlich phantastisch bzw. ironisch 1053. Im Libellus dialogorum treten in einer fiktiven Debatte über die Autorität von Papst und Konzil Nikolaus von Kues und Stefano Caccia auf; in einem weiteren Gespräch erscheinen Piccolomini selbst und sein Kollege Martin le Franc, der andere Sekretär Felix’ V.1054. Während der ehemalige Konzilsanhänger Nikolaus von Kues mit dem überzeugten Konziliaristen Stefano Caccia über kontroverse Grundfragen diskutiert, wie z. B. die Verlegung des Konzils von Basel in eine andere Stadt, die Superiorität des Konzils über den Papst und die Möglichkeit, einen Papst zum Häretiker zu erklären und abzusetzen, sprechen Enea Silvio Piccolomini und Martin Le Franc über vielfältige Themen. Zuletzt wird Nikolaus von Kues von den Argumenten der konziliaren Position überzeugt, und die vier Gesprächspartner beenden ihre Auseinandersetzung. Der burleske Schluss berichtet von einem einträchtigen Abendessen in Basel 1055. Diese Bekehrung des Nikolaus von Kues zu einem Anhänger des Basler Konzils Ende 1440
1050 Vgl. dieses Buch, S. 88. 1051 Zum Libellus dialogorum vgl. dieses Buch, S. 88. 1052 Piccolomini, Libellus, ed. Kollar, Sp. 692. 1053 Mit der Situierung des Gesprächs im Freien außerhalb der Stadt am Rhein wird Platons Phaidros aufgegriffen, „sich am Fluß in lieblicher Landschaft zum Gespräch niederzulassen“,. Vgl. Müller, Wolfgang G.: Dialog und Dialogizität in der Renaissance, in: Guthmüller, Bodo/Müller, Wolfgang G. (Hg.): Dialog und Gesprächskunst in der Renaissance, Wiesbaden 2004 (Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung, 22), S. 17 – 31, S. 26. 1054 Zu realen und fiktiven Namen vgl. Ludwig, Walter: Formen und Bezüge frühneuzeitlicher lateinischer Dialoge, in: Guthmüller/Müller (Hg.): Dialog und Gesprächskunst, S. 59 – 103, S. 86 – 87. 1055 Neben diesen umfangreicheren Prosaschriften sind von Enea Silvio Piccolimini eine Reihe Briefe überliefert, die er an seine Heimatstadt Siena als Berichterstatter des Konzils adressierte, aber auch an Privatpersonen. So schrieb er etwa an den Chronisten des Basler Konzils, Johannes von Segovia, der zu diesem Zeitpunkt in Bourges weilte, eine umfangreiche Schilderung der Papstkrönung in Basel. Vgl. dieses Buch, S. 211, und mit weiteren Literaturangaben: Iaria, Simona: Enea Silvio Piccolomini und das Basler Konzil, in: Fuchs, Franz (Hg.): Enea Silvio Piccolomini nördlich der Alpen, Wiesbaden 2007, S. 77 – 96, S. 84 – 90.
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kann kaum als faktengetreuer Bericht, sondern muss vielmehr als Wunschdenken angesehen werden, wenn er nicht von vornherein in fiktiver Absicht verfasst wurde 1056. Auf Piccolominis Schrift verfasste Nikolaus von Kues eine Art Gegendarstellung, ebenfalls in Dialogform. Darin legt er in einem Meister-Schüler-Dialog dar, warum die konziliaristische Position – er nennt ihre Vertreter „Amedisten“ – abwegig und falsch sei 1057. Dabei ist „die Intention beider Werke identisch“, denn die Gegenseite sollte „mit ihren eigenen Waffen“ geschlagen werden 1058. Während von Kues versuchte, konziliare Quellen zur Rechtfertigung seiner eigenen Position zu benutzen, hatte Enea Silvio im Libellus dialogorum seinen Cusanus umgekehrt mit zahlreichen Äußerungen der Päpste überzeugen wollen. Benedikt Vollmann macht in den Gesprächsthemen der beiden Sekretäre Felix’ V., Enea Silvio Piccolomini und Martin Le Franc, eine innere Distanzierung zur Basler Debatte um das Verhältnis von Papst und Konzil aus. Denn im Gegensatz zu Stephano de Caccio und Nikolaus von Kues tauschten sich die beiden Sekretäre im Libellus dialogorum nicht über die kontroversen Konzilsthemen aus. Hinter einem Haselnussstrauch versteckt plauderten Piccolomini und Le Franc über humanistische Themen wie die Redekunst, Philosophie, Orthographie, über Begriffe wie Religion und Genius, die Einteilung von Tag und Nacht und die Aufgaben eines Sekretärs und die mythische Herkunft der Franken; Möglicherweise handelte es sich bei dem letzten Thema neben dem gelehrten Austausch über den Trojanischen Krieg, das Schicksal der Trojaner und Geschichtsschreibung auch um eine Art Kompliment für seinen offensichtlich von den „Franken“ abstammenden Gesprächspartner Martin Le Franc 1059. Die im Libellus dialogorum gepflegte Dialogform war im Mittelalter stark verbreitet und wurde von humanistischen Autoren fortgesetzt, freilich in Orientierung auf sehr unterschiedliche Referenzen: Die Reihe reicht vom Buch Hiob und dem Hohelied über Cicero, Augustinus, Cassianus, Macrobius zu Boethius und Gregor den Großen. Seit dem 14. und 15. Jahrhundert verstärkte sich die Rezeption der
1056 Piccolomini, Libellus, ed. Kollar, Sp. 787 – 790. 1057 Auf eine weitere Analyse des Dialogs von Nikolaus von Kues kann hier mit Verweis auf Meuthen: Dialogus verzichtet werden. Vgl. auch: Meuthen, Erich: Zwei neue Handschriften des Dialogus concludens Amedistarum erroem ex gestis et doctrina Basiliensis (mit einem gleichzeitigen Traktat des Louis Aleman), Gießen, Univ.-Bibl. 796, und: Würzburg, Univ. Bibl. M. ch. f. 245, in: MFCG 17 (1986), S. 142 – 154. 1058 Vgl. Ludwig: Formen, S. 75; zum humanistischen Schülerdialog allg. S. 69 – 72. 1059 Es handele sich dabei, so Vollmann: Literat, S. 18, um „Aelianische Buntschriftstellerei als Kontrastprogramm zur Konzilsthematik, die als verdeckte Kritik daherkommt: Gibt es denn nicht Wichtigeres und Interessantes als die ewige Streiterei um Konziliarismus und Antikonziliarismus?“
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neuentdeckten Dialoge von Cicero, Platon und Lukian deutlich.1060 Piccolomini griff in diesem Werk auch auf die Tradition der Buntschriftstellerei zurück, die vor allem von antiken Autoren wie Valerius Maximus, aber auch Stobaios oder Clemens Alexandrinos geprägt wurde. Die intellektuelle Prägung des Papsthofs in Basel durch die Sekretäre Felix’ V. kann letztlich nur vermutet werden, doch ist es bereits aussagekräftig, dass der B asler Papst mit Enea Silvio Piccolomini wie auch mit Martin Le Franc zwei literarisch versierte und mit einem weiten Bildungshorizont ausgestattete Humanisten als engste Berater verpflichtete 1061. Während Enea Silvio Piccolomini im November 1442 seinen Dienst bei Felix V. quittierte, blieb Martin Le Franc über die Renuntiation hinaus Sekretär des Basler Gegenpapstes.
Konzilsuniversität Mit dem Beginn des Pontifikats Felix’ V. änderte sich auch der Zuschnitt der Konzils universität. Johannes von Segovia erwähnt bereits 1432 das Bestehen eines Studium generale auf dem B asler Konzil; so wurde am 19. Mai 1432 mit dem Magister Simon de Valle ein venetianischer Jurist beauftragt, Vorlesungen zu halten 1062. Die Aufsicht über das Studium generale, das seinen Angehörigen seit Juni 1433 die entsprechenden
1060 Vgl. Cox, Virginia: The Renaissance dialogue. Literary dialogue in its social and political contexts. From Castiglione to Galileo, Cambridge 1992. Marsh, David: The Quattrocento Dialogue. Classical Tradition and Humanist Innovation, Cambridge, Mass./London 1980. Hempfer, Klaus W. (Hg.): Möglichkeiten des Dialogs. Struktur und Funktion einer literarischen Gattung in Italien zwischen Mittelalter und Renaissance, Stuttgart 2002; Mertens, Dieter: Zum politischen Dialog bei den oberdeutschen Humanisten, in: Guthmüller/ Müller (Hg.): Dialog, S. 293 – 317, S. 293. Dazu auch: von Moos, Peter: Literatur- und bildungsgeschichtliche Aspekte der Dialogform im lateinischen Mittelalter, in: Bernt, Günter (Hg.): Tradition und Wertung. Festschrift für Franz Brunhölzl, Sigmaringen 1989, S. 165 – 209; von Moos, Peter: Gespräch, Dialogform und Dialog nach älterer Theorie, in: Frank, Barbara (Hg.): Gattungen mittelalterlicher Schriftlichkeit, Tübingen 1997, S. 235 – 259. Zum Renaissancedialog zusammenfassend Wengorz: Pentalogus, S. 80 – 91. 1061 Vgl. Märtl: Annäherung, in: Müller (Hg.): Ende des konziliaren Zeitalters, S. 54: Dort stellt Märtl heraus, „dass Martin Le Franc einen Platz in der Spitzengruppe der französischen Humanisten des 15. Jahrhunderts verdient […].“ 1062 Vgl. dazu mit Aufarbeitung der bisherigen Forschung: Schwarz, Brigide: Kurienuniversität und stadtrömische Universität von ca. 1300 bis 1471, Leiden/Boston 2013 (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance, 46), S. 389 – 404. Schweizer, Julius: Zur Vorgeschichte der Basler Universität (1432 – 1448), in: Aus fünf Jahrhunderten Schweizerischer Kirchengeschichte, Basel 1932, S. 1 – 21, S. 3, vgl. MC II, S. 188.
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Privilegien gewährte 1063, übernahm der päpstliche Legat und Konzilspräsident Giuliano Cesarini. Von Beginn an war diese Einrichtung nur befristet, durante concilio, angelegt 1064. In dieser frühen Zeit der Konzilsuniversität folgte das Curriculum weitgehend den Bedürfnissen der anwesenden Konzilsväter, und der Unterricht in kanonischem Recht stand im Vordergrund. Die Vorbereitungen für ein Unionskonzil führten jedoch dazu, dass auch entlegenere Kenntnisse vermittelt wurden, wie etwa in griechischer Grammatik 1065. Die Schwierigkeiten, Konzil und Studium miteinander zu vereinbaren, führten zu einer wiederholten restauratio der Konzilsuniversität. Das Studium generale des Konzils wurde nach Wahl und Krönung Felix’ V. am 5. November 1440 als Kurienuniversität, Alma universitas studii curiae romanae, in der Barfüßerkirche zu Basel durch den Papst neu eröffnet 1066. Die Organisation des Studium in curia lehnte sich eng an das römische Vorbild an; dort bestand seit 1244 eine Kurienuniversität, die 1406 vorübergehend geschlossen und 1431 von Eugen IV. wieder eröffnet wurde. Wie an der römischen Kurienuniversität bildeten auch in Basel die theologische mit den beiden Jurafakultäten eine gemeinsame Körperschaft 1067. Rektor der neuen Universität wurde der Bretone Johannes Giquel, Archidiakon von Quimper, der zuvor als rector citramontanorum an der Universität Bologna tätig war. Zum Kanzler wurde der Vizekämmerer und Vertraute Felix’ V., Jean de Grôlée, bestimmt 1068. Dieser Neugründung waren Auseinandersetzungen um Kompetenzen vorausgegangen, insbesondere über das Ernennungsrecht der Doktoren. Man einigte sich schließlich darauf, dass Konzil, Papst wie auch Universität dazu berechtigt waren, außerordentliche Doktor-Ernennungen vorzunehmen 1069. Einen Einblick in das Innenleben der B asler Kurienuniversität bietet die Dankesrede von Johannes Keck anlässlich seiner Magisterpromotion, die in der Abtei
1063 CB II, 401: Studenten und Dozenten genießen die gleichen Rechte und Privilegien wie an den Universitäten Paris und Bologna. Zum entsprechenden Konzilsbeschluss MC II, S. 363. Dort bemerkt Segovia auch, dass der Konzilsbetrieb dem Studium nicht zuträglich sei. 1064 Schweizer: Vorgeschichte, S. 5. Zur „Dauer des Konzils“ vgl. die Überlegungen bei Helmrath: Permanent Synod, S. 36 – 43. 1065 CB VI, S. 58, S. 254. Zu Griechen: Helmrath, Basler Konzil, S. 157 – 160. 1066 CB VII, S. 253 und MC III, S. 514 – 515. 1067 Schweizer: Vorgeschichte, S. 13. Während Redlich, Virgil: Eine Universität auf dem Konzil in Basel in: HJb 49 (1929), S. 92 – 101, S. 97 eine medizinische Fakultät für wahrscheinlich hält, lehnt Schwarz: Kurienuniversität, S. 396 diese Überlegung kategorisch ab: „Eine medizinische Fakultät gab es jedenfalls ebensowenig wie an der Kurien universität“. 1068 Vgl. dazu Schwarz: Kurienuniversität, S. 397. 1069 CB VII, S. 253, 276, MC III, S. 514. Vgl. dazu auch Schwarz: Kurienuniversität, S. 395.
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Tegernsee überliefert wurde 1070. Die Rede wurde im großen Saal der päpstlichen Residenz gehalten, die sich im Basler Bischofshof befand. Aus seinen Äußerungen ist zu schließen, dass sich die akademischen Prüfungsverfahren und der Ablauf von Titelverleihungen nicht von denjenigen der Pariser oder Wiener Universität unterschieden haben 1071. Nach der Verlegung der Kurie Felix’ V. an den Genfer See gab es nach Elisa Mongiano Bemühungen, das Studium curiae in Lausanne weiter fortzusetzen, allerdings wohl in einem recht bescheidenen Maße. Sie sieht in der Äußerung Felix’ V., an der römischen Kurie sei immer auch ein Studium generale ansässig, „la precisa volontà di adeguamento al modello romano“1072. Stattdessen konstatiert Brigide Schwarz während der letzten Jahre der Kurienuniversität Felix’ V., dass „das Vorbild der traditionellen Kurienuniversität je länger je mehr aus den Augen verschwand und durch eine konventionelle Landesuniversität abgelöst wurde“ 1073.
1070 Keck bezeichnet sie als […] gratiarum actio modo doctorum theologie in suis vesperiis facienda. Vgl. Redlich: Universität, S. 94, Edition: S. 99 – 101. Keck war am 8. Dezember 1442 in das Kloster Tegernsee eingetreten, nachdem der Theologe seit dem 24. März 1441 inkorporiertes Mitglied des B asler Konzils gewesen war und seine Studien an der Kurienuniverstität ebendort fortgesetzt und wohl noch 1441 abgeschlossen hatte. 1071 Redlich, Virgil: Die Basler Konzilsuniversität, in: Iserloh, Erwin/Manns, Peter (Hg.): Glaube und Geschichte. Festgabe für Joseph Lortz, Bd. II, Baden-Baden 1958, S. 355 – 361, S. 358. 1072 Mongiano: Cancelleria, S. 151. Vgl. auch Mansi 31, doc. CXIII, Oktober 1440: Institutit (Felix) etiam fieri publicum consistorium semel in mense et in Romana curia semper esse studium generale. Dazu auch CB VII, S. 253. 1073 Schwarz: Kurienuniversität, S. 403.
Kardinäle und Behörden – die Kurie Felix’ V.
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In Basel bestand die Universität des Konzils bis 1448 weiter fort 1074. Nach nur einem knappen Jahrzehnt der Unterbrechung akademischer Studien gründete die Stadt Basel 1459/601075, bestätigt von Papst Pius II.1076, eine eigene Universität. 1074 Helmrath: Basler Konzil, S. 159f. 1075 Diese Universitätsgründung wird in engem Zusammenhang mit der Konzils- bzw. Kurienuniversität gesehen. Zum einen förderten ehemalige Angehörige die Neugründung in Basel entscheidend. Zum anderen stellte wohl auch der bereits vermutete Prestigegewinn aus der Gastgeberrolle ein entscheidendes Motiv für Basel dar, die Universitätsgründung voranzutreiben. Eine Stellungnahme der Stadtregierung gegenüber dem Großen Rat vermerkt nämlich, dass die Stadt aus der Zeit des Konzils noch in so hohem Ansehen stünde, dz man deshalb noch usz allen landen neigungen und guten willen zu der stat het. Bonjour, Edgar: Zur Gründungsgeschichte der Universtät Basel, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 54 (1955), S. 27 – 50, S. 47. Vgl. dazu auch: Bonjour, Edgar: Zur Gründungsgeschichte der Universität Basel, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 10 (1960), S. 59 – 80; Sieber, Martin: Motive der Basler Universitätsgründung, in: Lorenz, Sönke (Hg.): Attempto – oder wie stiftet man eine Universität. Die Universitätsgründungen der sogenannten zweiten Gründungswelle im Vergleich, Stuttgart 1999, S. 113 – 128. Weber, Christoph F.: Schriftstücke in der symbolischen Kommunikation zwischen Bischof Johann von Venningen (1458 – 1478) und der Stadt Basel, in: FmSt 37 (2003), S. 355 – 383. Zur treibenden Kraft der Basler Universitätsgründung, Peter von Andlau, vgl. Walther, Helmut, G.: Gelehrtes Recht, Stadt und Reich in der politischen Theorie des B asler Kanonisten Peter von Andlau, in: Boockmann, Hartmut u. a. (Hg.): Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Politik – Bildung – Naturkunde – Theologie, Göttingen 1989 (Abh. Göttingen, 3,179), S. 77 – 111, S. 85 – 94. 1076 Ein Grund, sich bei dem neu gewählten Papst Pius II. um ein Privileg zur Gründung einer Universität zu bemühen, lag in seinem persönlichen Verhältnis zur Stadt Basel. Die enge Verbindung Enea Silvio Piccolominis zeigte sich neben seinen vielfältigen Schriften auch in einem materiellen Zeugnis: Das Domkapitel stiftete 1460 ein wertvolles Ostensorium für ein von Pius II. geweihtes und Basel geschenktes, wächsernes Lamm, ein Agnus Dei. Neben einer Darstellung des Papstes ist auf dem Ostensorium auch der Text des mit dem Lamm verbundenen Ablasses eingraviert, der auf den engen Konnex zwischen Basel und Pius II. hinweist. So lautet der metallene Urkundentext, bei dem es sich um Hexameter handelt: Maximus antistes magna pietate secundus hunc Pius agnellum Dei sacraverat ipse wuam tibi pro magno celebris Basilea decore mittit et ex veteri qua te sub corde begnigno claudit amicicia venias superaddidit ultro agnas ad edem sancta hanc qui crimine fasso acceserat tristes exponens pectore culpas divesque solvetur celi reeabit in ortus donat tibi Eneas Pius hec Basiliea Secundus MCCCCLX. (Pius II., von großer Frömmigkeit, hat selbst dieses Agnus Dei geweiht und sendet es Dir, berühmtes Basel, zu großer Zier und aus der alten Freundschaft, mit der er darüber hinaus große Gnaden hinzufügt. Wer zu dieser Kirche eilt und nach Bekennen seines Vergehens von Herzen seine traurigen Sünden darlegt, wird gelöst werden und reich zu den Anfängen des Himmels zurückgehen. Dies schenkt Dir, Basel, Eneas, der Zweite Pius. 1450) vgl.: Agnus Dei Ostensorium, in: Meles, Brigitte (Hg.): Der Basler Münsterschatz, Ausst.-Kat. Historisches Museum Basel, Basel 2001, S. 54 – 59. Nach mehr als 20 Jahren versicherte der Papst damit der ehemaligen Konzilsstadt Basel seine Freundschaft
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Duplizität der Behörden Die Basler Konzilsbehörden teilten sich mit Amtsantritt Felix’ V. de facto in einen Konzils- und einen Papstbereich, wenn auch Kammer, Pönitentiarie und Rota offiziell dem Papst unterstanden. Diese in Basel bestehende Duplizität wurde mit dem Wegzug Felix’ V. und seines Hofes aus Basel im November 1442 regelrecht institutionalisiert. Papst und Konzil trennten sich im November 1442 nach der ergebnislosen Zusammenkunft Felix’ V. mit dem deutschen König Friedrich III 1077. Der vormalige Herzog von Savoyen, Papst Felix V., verlegte seine Residenz dauerhaft an den Genfer See und damit in seinen alten Herrschaftsbereich. Den Abschied aus Basel hatte Felix V. wohl schon länger geplant, ihn aber wegen des anstehenden Besuchs des deutschen Königs verschoben. Offiziell wurde sein Fortgang mit seiner angeschlagenen Gesundheit erklärt. Alle weiteren Quellen schweigen dazu. Seine Rückkehr in das savoyische Herzogtum verstärkte den Eindruck, die Kirchenversammlung habe an Bedeutung verloren. Zum einen wurde eine Obödienzerklärung von Seiten des Reichs nun noch unwahrscheinlicher, zum anderen verabschiedete sich damit auch das Haupt der Synode vom Tagungsort. Mit dem Abzug des Papstes verließen auch Teile der kirchlichen Verwaltung Basel. Die Behörden wurden geteilt, was sicherlich nicht zu einer Erhöhung ihrer Leistungskraft führte. Johannes von Segovia berichtet einige Einzelheiten über die Teilung der Kurie 1078. Mit Felix verließen Basel insgesamt vier Kardinäle: Louis de Varambone, Bischof von Maurienne, Alexander von Masovien, Patriarch von Aquileia, François de Metz, Bischof von Genf und Johannes von Ragusa, Bischof von Ardijsch. Während de Varambone die Kanzlei leitete, war Alexander von Masovien für die Pönitentiarie zuständig 1079. Mit diesen gingen drei Auditoren der Rota und der Datar sowie zehn Abbreviatoren und Schreiber, sechs Pönitentiare und Kursoren nach Savoyen 1080. Darüber hinaus nahm Felix V. vor allem sein eigenes Gefolge mit an den Genfer See, das sein Sohn Philipp, Graf von Genf, anführte und nach Angabe Johannes’ von Segovia aus vielen anderen Adeligen aus Savoyen und Deutschland bestand 1081.
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und verwies auf ihren Ruhm, den er etwa durch seine Beschreibungen der Stadt selbst gesteigert und verbreitet hatte. Siehe zur Begegnung zwischen König Friedrich III. und Felix V. in Basel dieses Buch, S. 293. MC III, S. 1243. MC III, S. 1243: Qui vero cum papa iverunt cardinales quatuor fuerunt: de Varambone, Aquilegiensis, Gebennensis et sancti Saxti; horum primo duorum cancellariam, alio penitenciariam in sua curia recturis. MC III, S. 1242: Item auditores tres, referendarii duo et datarius, decemque ex abbreviatoribus et scriptoribus literarum apostolicarum, penitenciarii vero sex totque cursores. MC III, S. 1243: […] aliisque multis nobilibus ex Sabaudia et Germania.
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Mit der Trennung von Konzil und Papst durch die Verlegung des Papsthofes im November 1442 endete in den päpstlichen Behörden auch das Rotationsprinzip und die Ämterbefristung, die das Konzil als egalitäre Kontrollinstrumente seit Beginn der Zusammenkunft eingeführt hatte. Auch dem Nationenproporz, der die Dominanz einer nationalen Gruppe verhindern sollte, folgte der Konzilspapst nicht mehr. Seine Kurie nahm einen savoyischen Charakter an 1082. So besetzten fortan Savoyer die Schlüsselposition in der päpstlichen Kanzlei, deren Leiter François de Metz und ab März 1444 Pietro de Saxo, Abt von Ambronay, waren. Die Registratur leitete Giovanni Martino Avogadro di Casanova, Abt der Abtei S. Andrea di Vercelli 1083, als sein Stellvertreter fungierte Bartolomeo Provana. Mit der räumlichen Entfernung fielen schließlich die konstitutionellen Züge, die nach Auffassung von Joachim Stieber das Papsttum Felix’ V. bestimmt hatten 1084 – das Reservationsverbot und die Behördenorganisation –, nicht mehr ins Gewicht. Das hatte auch Folgen für die Binnenstruktur des Basler Konzils, die sich mit dem Pontifikat Felix’ V. in signifikanter Weise änderte. Die eigenen Reformdekrete wurden sukzessive aufgehoben – dies ist primär auf den finanziellen Druck, der auf Konzil und Papst lastete, zurückzuführen. Die selbstgesetzten und zentralen Aufgaben des Basler Konzils, in Fragen des Glaubens, des Friedens und der Kirchenunion zu entscheiden und die Kirche zu reformieren, wurden mehr und mehr aufgegeben. Die innerkirchlichen Streitfragen, wie etwa Bischofsbesetzungen, wurden nun im Konsistorium Felix’ V. entschieden und waren vom Obödienzkampf geprägt. Die von den Kurialen des Konzils „geradezu penetrant“1085 „deklamatorisch“1086 vorgetragene Imitation der Römischen Kurie durch das Basler Konzil ist vorrangig weniger als zutreffende Beschreibung des behördlichen Alltags denn als Legitimationsstrategie zu bezeichnen. Denn in Details gab es erhebliche Unterschiede zum römischen Vorbild, die durch die Struktur des Konzils und seiner Arbeitsweise präjudiziert waren. Die Konkurrenz zu Rom, die aufgrund geringerer Taxgebühren zweifellos bestand, wurde während der Schisma-Zeit nicht geleugnet. Auch zog die Kurie in Basel qualifiziertes Personal an, so war Basel und später Lausanne ein
1082 Vgl. Mongiano: Cancelleria, S. 122 – 123. 1083 Er war seit 1428 Kanoniker der Abtei St. Anderas di Vercelli und seit 1437 der dortige Abt, inkorporiert am Basler Konzil seit dem 7. September 1436 (CB IV, S. 261). Vgl. dazu auch Pastè, Romualdo: Storia documentata dell’abbazia di S. Andrea di Vercelli nel periodo medievale 1219 – 1466, in: Miscellanea di storia italiana 3. Serie, 7 (1902), S. 347 – 458, S. 420 – 423 und Mongiano: Cancelleria, S. 121. 1084 Vgl. Stieber: Amédée, S. 339 – 362. 1085 Gilomen: Bürokratie, S. 229. 1086 Gilomen: Bürokratie, S. 226.
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„Tätigkeitsfeld und eine Karrierestation für Juristen“1087 und nach der Einschätzung von Robert Gramsch „nichts anderes als eine Ersatzkurie“1088. Dabei entstand die Bedrohung für das römische Papsttum nicht durch die angestrebte Kirchenreform – „systemsprengende Reformansätze wird man vergeblich suchen“1089 –, sondern durch die Parallelexistenz einer Konzilskurie, die sich neben der ureigenen Konzilsaufgabe, in Glaubensfragen zu entscheiden, denselben Zuständigkeiten wie der Papst widmete. Von dieser Linie wich Felix V. nicht ab, sondern versuchte hingegen, die wenigen konziliaren Abweichungen von einer „römischen“ Kurie aufzuheben und schließlich in Savoyen sein Patrimonium Petri zu etablieren. So besetzte er Stellen – ohne das Rotationsprinzip und die Ämterbefristung des Konzils aufzugreifen – vor allem mit savoyischen Landeskindern. Auch die an ihn gerichteten Suppliken stammten vorrangig aus dem Gebiet seines Herzogtums; im Verlauf seines Pontifikats erhöhte sich ihr Anteil noch.
3.6 Dynastie und Diplomatie Wegen der in einem Papstschisma bestehenden Fundamentalkonkurrenz zweier Prätendenten bestand in der Sicherung der jeweiligen Obödienz ihr Hauptinteresse. Sie konkurrierten dabei in der Gunstwerbung bei weltlichen Gewalten und offenbarten auf diese Weise die Abhängigkeit der geistlichen Sphäre vom ‚weltlichen Arm‘. Päpstliche Prärogativen, wie Nominationsrechte, die kirchliche Rechtsprechung und Strafgewalt, griffen erst nach der grundsätzlichen Anerkennung durch die Gläubigen bzw. die Fürsten. Indem aber der Papst während des Schismas seine Unabhängigkeit preisgab, unterminierte er zugleich die kirchliche Autorität. Für das Schisma von 1439 gilt dies umso mehr, da nicht nur ein Papstschisma, sondern zusätzlich ein Schisma der Allgemeinen Konzilien bestand. Die Frage der Obödienz wurde in dieser Schismasituation zentral und zugleich die Abhängigkeit der kirchlichen Amtsträger von der Anerkennung durch die weltlichen Herrscher evident. Die Obödienzleistung gegenüber einem der konkurrierenden Papstprätendenten entwickelte sich für den einzelnen Fürsten zu einer primär politischen Entscheidung 1090. 1087 Gilomen: Bürokratie, S. 252. 1088 Gramsch, Robert: Erfurter Juristen im Spätmittelalter. Die Karrieremuster und Tätigkeitsfelder einer gelehrten Elite des 14. und 15. Jahrhunderts, Leiden/Boston 2003, S. 376, dazu bes. S. 375 – 386. 1089 Miethke/Weinrich: Einleitung, S. 58. 1090 Der Begriff der Obödienz als Bezeichnung für den Geltungsbereich der päpstlichen Bindeund Lösegewalt, also des kirchlichen Machtapparats, wird von der historisch-theologischen Forschung nicht allzu umfassend behandelt; es finden sich etwa keine eigenständigen Artikel
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Die Bedeutung der Obödienzleistung, vor allem aber ihr Entzug, ergaben in der Folge, dass die Fürstenstaaten „überhaupt aus dem Vormundschaftsverhältnis gegenüber der Kurie herausgetreten und Partner der Kirche kraft eigenen Rechts geworden sind 1091“. Damit übernahmen sie nach Auffassung Heinz Angermeiers gemeinsam mit der Kirche die Verantwortung für die christliche Gesellschaftsordnung. Auf diese Weise erlangte das Königtum neben der kirchlichen Weihe auch die kirchliche Gewalt. Erkennbar ist der Zusammenhang zwischen einer nachweisbaren Kirchengewalt und der primär politisch motivierten Obödienzleistung der Fürsten an der ‚Nachfrage‘ von päpstlichen oder konziliaren Entscheidungen in ihrem konkreten Zuständigkeitsbereich, also etwa bei Dispensleistungen oder anderen Rechtsentscheidungen. Die Nachfrage nach Papsturkunden war im engeren Reichsgebiet seit 1438 dramatisch zurückgegangen. Die neutrale Haltung in dem sich abzeichnenden Schisma war also schon zu diesem Zeitpunkt deutlich erkennbar 1092. Auch wenn sich Eugen IV. wie auch Felix V. um Adhärenz aller Höfe von Portugal bis Schweden, Schottland bis Neapel bemühten, hing das Schicksal beider doch von der Unterstützung der großen Zentralmächte, des Reiches und Frankreichs, ab 1093.
in den einschlägigen Lexika. Dabei ist zu beachten, dass im Gegensatz zu dem engen Begriff der Obödienz als Gehorsam gegenüber der Kirche, wie ihn das Deutsche verwendet, die englischen, französischen und italienischen Äquivalente grundsätzlich ‚Gehorsam bzw. Obrigkeit‘ bedeuten. Ohne ein begriffliches Instrumentarium kann indes nur in beschränktem Maße die Wirksamkeit des kirchlichen Machtapparats reflektiert werden. Dies gibt darüber hinaus einen ersten Hinweis auf ein prinzipielles Problem, dem man bei der Beschäftigung mit der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der katholischen Kirche zwangsläufig begegnet. Es widerspricht offenbar dem vorherrschenden kirchlichen Selbstverständnis, „Herrschaft, und damit Verwaltung als die Alltagsform von Herrschaft als primären Zweck der kirchlichen Organisation, zur Kenntnis zu nehmen“, so: Reinhard, Wolfgang: Die Verwaltung der Kirche, in: Jeserich, Kurt G. A./Pohl, Hans/v. Unruh, Georg-Christoph (Hg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte Bd. 1, Stuttgart 1983, S. 143 – 176, S. 144. So hat die katholische Kirche bis zum heutigen Tag keine vollständige Trennung zwischen Öffentlichem und Privatrecht vorgenommen. Zugleich gilt die Kirche als Vorbild schlechthin für den modernen Staat, man denke etwa an die kirchliche Finanzverwaltung und Einnahmen der Kirche wie den Zehnt. Vgl. hierzu die grundlegende Arbeit von Berman, Harold: Recht und Revolution. Die Bildung der westlichen Rechtstradition, Frankfurt a. M. 21991, bes. S. 190 – 192. 1091 Angermeier, Heinz: Das Reich und der Konziliarismus, in: HZ 192 (1961), S. 529 – 583, S. 531f. 1092 Schwarz/Diener: Itinerar Eugens, S. 200. 1093 Müller: Pays Rhénans, S. 113: „[…] l’attitude du royaume de France et du Saint-Empire furent de toute première importance.“ Stieber: Eugenius IV., S. 137 – 140; Helmrath: Basler Konzil, S. 289 – 296. Hierzu jetzt umfassend: Müller: Basler Konzil, bes. S. 601 – 604 und S. 621 – 623.
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Nach der Krönung Felix’ V. hielten Aragon, Mailand und Schottland, Savoyen und die Eidgenossen an der Unterstützung des Konzils fest, daneben erkannten der Nachfolger des gestürzten Königs Erich, Christoph von Bayern, und mit ihm die Mehrheit des dänischen und schwedischen Episkopats am 27. Februar 1441 Felix V. als legitimen Papst an. Erst 1447 und 1448 leisteten Dänemark und Schweden dem neuen römischen Papst, Nikolaus V., Obödienz 1094. England hingegen hatte seine Unterstützung Eugens IV. nie aufgegeben 1095, ebenso wie auch Kastilien und Portugal auf seiner Seite standen und nicht zuletzt ihm mit prominenten Anhängern wie dem Kardinal Juan de Carvajal und dem Theologen und spanischen Legaten Juan de Torquemada beistanden. Felix V. vermochte es trotz seiner verwandtschaftlichen Verbindung nicht, den Herzog von Burgund aus seiner Obödienz gegenüber Eugen IV. zu lösen. Die italienischen Fürsten, außer Mailand im Norden und Aragon im Süden, konnte der Savoyer ebenfalls nicht für sich gewinnen. Polen blieb neutral, wenn es auch mitunter zu vorübergehenden Anerkennungen kam, wie bei der Synode in Leczyka im Frühjahr 14411096. Insgesamt bot Polen in der Obödienzfrage kein einheitliches Bild, denn die königliche Politik wandelte sich „von der Neutralität unter Wladislaus Jagiello über die eher Eugen IV. zuneigende Obödienz Wladislaus Warnenczyks (1434 – 1444) zu einer entschieden romfreundlichen Haltung unter Kasimir IV. seit 1447“1097. Dazwischen gab es 1439/40 eine kurze Phase der Obödienz unter Felix V. Neben der Konzilsfreundlichkeit Bischofs Olisnicki und seines Bistums Krakau standen auch das Posener Bistum und das Erzbistum Lemberg auf der Seite des Basler Konzils. Das Erzbistum Gnesen legte sich nicht eindeutig fest 1098. Felix V. warb auf seine Weise um prominente polnische Kleriker und erhob den Krakauer Bischof Zbigniew Olesnicki und den Gnesener Primas Vinzenz Kot zu Kardinälen 1099. Die über den 25. April 1449 hinausgehende Treue der konziliaristischen Krakauer Universität zum Basiliense ist unter den konzilsfreundlichen
1094 Mit nordeuropäischen Fürsten schloss Eugen IV. keine Konkordate, vgl. Losman, Beata: Norden och Reformkonsilierna 1408 – 1449, Göteburg 1970. 1095 Schofield, Alfred N. E. D.: England, the Pope, and the Council of Basel, 1435 – 1449, in: Church History 33 (1964), S. 248 – 278. Dort wird darauf hingewiesen, dass einzelne Mendikanten aus England, der Normandie und Schottland zu den Unterstützern Felix’ V. zählten und sich in den 1440er Jahren teilweise auf dem Konzil aufhielten, vgl. S. 271 und Anm. 124. Ders.: England and the Council of Basle, in: AHC 5 (1973), S. 1 – 177. 1096 Wünsch, Thomas: Konziliarismus und Polen, Paderborn u. a. 1998, S. 80. Vgl. zu Polen auch: Helmrath: Basler Konzil, S. 266f. 1097 Wünsch: Polen, S. 107. 1098 Wünsch: Polen, S. 112. 1099 Wünsch: Polen, S. 119.
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Universitäten – wie Paris, Köln, Erfurt, Wien und Leipzig, die 1444 neben der Krakauer ebenfalls für das Basiliense optiert hatten 1100 – eine singuläre Erscheinung 1101. Eine deutliche Obödienz knüpfte Wladislaus III. an seine Anerkennung als König von Ungarn. Diesem Wunsch kamen weder Eugen IV. noch Felix V. nach. König Kasimir leistete, wie viele andere europäische Fürsten, erst am 6. Juli 1447 N ikolaus V. Obödienz 1102. Der Deutsche Orden war seit 1436 dem eugenianischen Lager zuzuordnen 1103. Dagegen konnte Felix V. und das Basler Konzil eine zeitweilige Obödienz weiter Teile Böhmens erreichen. Am 6. November 1440 war Nikolaus von der Leiter zum Erzbischof der Diözese Prag ernannt worden. Dieser setzte sich beim Statthalter in Böhmen, Ulrich II. von Rosenberg (1403 – 1462)1104, dafür ein, Felix V. Obödienz zu leisten, und erreichte am 5. September 1441 auf einer Tagung in Wittingau die Unterzeichnung eines Obödienzbriefes durch Rosenberg sowie durch die Äbte von Hohenfurt, Goldenkron, Wittingau und anderer weltlicher und geistlicher Personen 1105. Der Gesandte Rosenbergs in Basel, Sigismund Pirchan, der Abt von Hohenfurth, und Hieronymus Wolnlassen, Propst in Olmütz, verlasen sodann zum Allerheiligen-Fest 1441 in Basel diesen Obödienzbrief Böhmens vor der Konzilsversammlung und dem anwesenden Papst Felix V. Darin war auch eine Bitte um materielle Unterstützung für Ulrich von Rosenberg „im Kampf gegen 1100 Wünsch: Polen, S. 100 und vgl. auch: RTA 17 (1939), Nr. 290, S. 621f. Vgl. zu der Haltung der Universitäten gegenüber dem Basler Konzil im Überblick mit weiterer Literatur: Müller, Heribert: Universitäten und Gelehrte auf den Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414 – 1418) und Basel (1431 – 1449), in: Schwinges, Rainer Christoph (Hg.): Universität, Religion und Kirchen, Basel 2001 (GUW, 11), S. 109 – 144, zu Basel S. 132 – 141. 1101 Vgl. Sudmann: Basler Konzil, S. 193. 1102 Wünsch, Thomas: Bischof Zbigniew Olesnicki von Krakau, Papst Nikolaus V. und die Kardinalswürde (mit Edition des Dankschreibens vom 8. Oktober 1449), in: Hrdina, Jan (Hg.): Pater familias, Prag 2002, S. 421 – 431, S. 422. 1103 Helmrath: Basler Konzil, S. 270. 1104 Zu Ulrich II. von Rosenberg: Polivka, Miloslav: Ulrich von Rosenberg und seine Umgebung, in: Heimann, Heinz-Dieter (Hg.): Adelige Welt und familiäre Beziehung. Aspekte der „privaten Welt“ des Adels in böhmischen, polnischen und deutschen Beispielen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, Potsdam 2000, S. 59 – 72; darin auch: Hlavácek, Ivan: Bemerkungen und Überlegungen zu den hochadeligen böhmischen Itineraren im Spätmittelalter, besonders zu dem des Ulrich von Rosenberg, S. 43 – 57. Vgl. zur Korrespondenz Rosenbergs: Wünsch, Thomas: Gemeinwohl dezentral. Zu Begriffsinhalt und -verwendung des obecné dobré in der politischen Korrespondenz des Ulrich II. von Rosenberg (1403 – 1462), in: Bahlke, Joachim/Lambrecht, Karen/Maner, Hans-Christian (Hg.): Konfessionelle Pluralität als Herausforderung. Koexistenz und Konflikt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Leipzig 2006, S. 167 – 181. 1105 Schmidt: Sigismund Pirchan, S. 647 zählt insgesamt 14 Siegel.
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die Gegner“ enthalten 1106. Als Zeichen der Dankbarkeit wurde Sigismund Pirchan von Felix zum Titularbischof von Salona erhoben mit der Erlaubnis, auch weiterhin Abt von Hohenfurt bleiben zu dürfen. Wolnlassen wurde die Doktorwürde der Rechte verliehen. Nachdem aber Ulrich von Rosenberg keinerlei Zahlungen vom Konzil erhalten hatte, brach er nicht nur den Kontakt zum Konzil ab, sondern ließ auch Sigismund und den Erzbischof Nikolaus fallen und folgte fortan der Linie König Friedrichs III.1107. Der französische König Karl VII. untersagte am 23. Januar 1438 dem Teil Frankreichs, der sich unter seiner Herrschaft befand, die Teilnahme am Unionskonzil von Ferrara 1108. Zugleich aber kühlte sich im Verlauf des Schismas sein Verhältnis zum B asler Konzil ebenfalls empfindlich ab. Heribert Müller konstatiert bei Karl VII. und seinen Beratern in der Kirchenfrage eine politische Haltung, die sich an zwei Grundsätzen orientierte, wobei das zweite Prinzip das erstere nicht grundsätzlich beschneiden durfte: Zum einen ging es um die Anerkennung des römischen Primats, zum anderen sollte ein „attachement aux doctrines conciliares comme le fondement des libertés gallicanes“1109 betrieben werden. Der französische König erklärte bereits kurz nach der Krönung Felix’ V. am 2. September 1440, er werde solange in der Obödienz Eugens IV. bleiben, bis ihm durch ein ökumenisches oder allgemeines Konzil bzw. durch eine Versammlung der gallikanischen Kirche oder auf einem Fürstenkongress die Suspension Eugens IV. und die Wahl Felix’ V. als rechtmäßig nachgewiesen würde. Unabhängig von der Planung eines Dritten Konzils lag der Interessensschwerpunkt Frankreichs dabei auf der Einhaltung der ‚Pragmatischen Sanktion‘. Klarer positionierte sich Burgund, das die B asler Kirchenversammlung und ihren Papst Felix V. ablehnte 1110. Die Unterstützung von Eugen IV. zahlte sich für Burgund schon bald aus: Der Gesandte des Herzogs Jean Le Jeune wurde am 18. Dezember 1106 Vgl. Schmidt: Sigismund Pirchan, S. 647. 1107 Vgl. Schmidt: Sigismund Pirchan, S. 648. Zum Verhältnis von Rosenberg zu Friedrich III.: Heinig, Paul-Joachim: Kaiser Friedrich III. (1440 – 1493). Hof, Regierung und Politik, Köln u. a. 1997 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii, 17), Bd. 2, S. 425 – 426. Zur Auseinandersetzung mit Georg Podiebrad: Boubin, Jaroslav: Ein König – zweierlei Volk. Zu den Reformbemühungen im Königreich Böhmen Georgs von Podiebrad, in: Hlavácek, Ivan/Patschofsky, Alexander (Hg.): Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (1414 – 1418) und Basel (1431 – 1449), Konstanz 1996, S. 79 – 90. 1108 Gazzaniga, Jean-Louis: Charles VII et Eugène IV. Note sur le gallicanisme monarchique, in: Ders. (Hg.): L’Église de France à la fin du Moyen Age, Goldbach 1995, S. 3 – 13, S. 7. 1109 Müller: Franzosen, S. 529, Anm. 13. 1110 Am 6. November 1441 schloss Eugen IV. mit Herzog Philipp dem Guten von Burgund ein Konkordat, das nur die herzoglichen Länder extra regimen Francie betraf; dort galt
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1439 zum Kardinal erhoben 1111. Damit besaß Philipp der Gute einen direkten Kontakt zu Eugen, der sich weiterhin bewährte und sich erst recht in dem am 6. November 1441 geschlossenen Konkordat zwischen Rom und Burgund zeigte. „The concordat considerably reduced papal influence over the Church in the Burgundian territories and thus extended the duke’s authority“1112. In Italien hatten sich, wie erwähnt, bis auf zwei entscheidende Mächte im Norden und im Süden, Mailand und Aragon, alle Herrschaften und Bischöfe in die Obö dienz Eugens IV. begeben. Die Unterstützung Mailands und Aragons für die B asler und ihren Papst hatte vor allem politische Gründe. Die gemeinsame Gegnerschaft gegenüber Eugen IV. verband das Basiliense mit Mailand wie auch mit Aragon im Süden. Der Herzog von Mailand, Filippo Maria Visconti, war mit einer Tochter von Amadeus VIII. verheiratet. Obwohl die versprochene Mitgift nie gezahlt worden war, verfolgte der Herzog zwischen 1440 und 1441 den Plan, für seinen Schwiegervater Felix V. und das Basler Konzil den Kirchenstaat zu erobern und dafür den Titel des ‚Gonfaloniere‘ und die damit verknüpfte Pension zu erhalten 1113. Das ambitionierte Projekt endete mit dem jähen Allianzwechsel Mailands, der sich erstmals am 6. Juni 1442 abzeichnete. Noch am 2. Januar 1442 berichtete Johannes von Segovia, die Nachricht erhalten zu haben, ein Gesandter sei aus Mailand unterwegs, um Obödienz zu leisten; dieser Gesandte traf jedoch nie ein 1114. Denn mittlerweile hatten Mailand und Eugen IV. einen gemeinsamen Feind, den aufstrebenden Condottiere Francesco Sforza. Dieser war Grund genug, den Schwiegervater und mit ihm das Basler Konzil fallen zu lassen. Alfons V. von Neapel-Aragon 1115 war der andere wichtige Fürst in Italien, der sich von Beginn des Schismas an für Felix V. und das Konzil von Basel ausgesprochen hatte. Dieser verfolgte dabei in erster Linie dynastische Interessen und den Ausbau seiner Herrschaft über das Königreich Neapel. In dem Allianzwechsel von 1442 verbündete er sich mit Filippo Maria Visconti und Eugen IV. gegen Sforza. Am 30. November 1442 wurde hierüber ein formales Abkommen geschlossen. Mit dem Vertragsschluss
die ‚Pragmatische Sanktion‘, die Philipp indirekt anerkannte. Dieses Konkordat wurde am 23. April 1442 auf Besançon und Cambrai ausgedehnt. Vgl. Schwarz: Abbreviatoren, S. 247. 1111 Vgl. zu Jean Le Jeune: Paravicini, Werner: Burgundische Kardinäle. Erfolg und Niederlagen an der Römischen Kurie im 15. Jahrhundert, in: Müller (Hg.): Ende des konziliaren Zeitalters, S. 253 – 294, S. 256 – 264. 1112 Decaluwe: Successful Defeat, S. 315, mit weiterer Literatur. 1113 Stieber: Eugenius IV, S. 195; Helmrath: Basler Konzil, S. 260 – 264. 1114 MC III, S. 965: Illiusmodi autem abassiata ex Mediolano infra ebdomadam, mensem vel annum, annos quoque, Basilee minime visa est. 1115 Vgl. Küchler, Winfried: Alfons von Aragon und das B asler Konzil, in: Ders. (Hg.): Gesammelte Aufsätze zu Kulturgeschichte Spaniens 23, Münster 1967, S. 131 – 146.
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von Terracina am 14. Juni 1443 wurde Alfons von Aragon vom römischen Papst Eugen IV. als König von Neapel bestätigt 1116. Dies hatte zur Folge, dass Alfons alle seine Bischöfe und Gesandten aus Basel abberief, so auch Nikolaus de Tudeschi, den Erzbischof von Palermo, dessen tränenreichen Abschied Johannes von Segovia eindrücklich schildert 1117. Der spanische Kardinal Georg von Ornos, Bischof von Vich, blieb in Basel, wurde dafür aber in seiner Heimat von allen Ämtern enthoben und verlor damit auch seine Einkünfte 1118. Einige Jahre später, ab 1448, führte Savoyen Krieg um die Nachfolge der Visconti und damit um das Herzogtum Mailand: Filippo Maria Visconti war am 12. August 1447 verstorben. Neben den vielen anderen Anwärtern, u. a. aus dem Reich, Frankreich und Neapel-Aragon, erhob schließlich auch Herzog Ludwig von Savoyen Ansprüche auf das Mailander Fürstentum, da seine Schwester, Maria Bianca di Savoia, die Witwe des letzten Visconti war. Dieser Konflikt wurde letztlich erst im Frieden von Lodi 1454 gelöst, der endgültig den Condottiere Sforza an der Spitze Mailands etablierte. Savoyen hatte sich mit diesem Krieg finanziell und militärisch erheblich überfordert. Für einen erfolgreichen Kriegszug mangelte es letztlich an den notwendigen Geldmitteln, etwa um Söldner aus Bern dauerhaft zu unterhalten. So gelang schließlich Francesco Sforza die Eroberung Mailands 1119. Während die Basler Obödienz um so wichtige Mächte wie Mailand und Aragon schrumpfte, gelang Eugen IV. der Wiederaufstieg, indem er seine Position in Italien stabilisierte. Fast zehn Jahre nach seiner Flucht aus Rom, die er am 29. Mai 1434 als Mönch verkleidet unternommen hatte, weil er den innerrömischen Konflikten nicht standzuhalten vermochte, konnte Eugen IV. im September 1443 endgültig nach Rom zurückkehren. Ihm war es zuvor gelungen, den Kirchenstaat weitgehend zu befrieden und das Basler Konzil diplomatisch zu isolieren, indem er die Fürsten von Mailand und Aragon auf seine Seite zog 1120. Die Reetablierung seiner Residenz in Rom 1116 Vgl. dazu: Helmrath: B asler Konzil, S. 245; vgl. zum Einzug Alfons V. 1443 in Neapel ausführlich: Helas, Philine: Der Triumph von Alfonso d’Aragona 1443 in Neapel. Zu den Darstellungen herrscherlicher Einzüge zwischen Mittelalter und Renaissance, in: Johanek/ Lampen (Hg.): Adventus, S. 133 – 228. 1117 MC III, S. 1326 – 1329. Vgl. Helmrath: Zweite Dekade, S. 315. 1118 Stieber: Eugenius IV, S. 195f. 1119 Stutz: Felix V., S. 189 – 193; siehe auch: Gaullieur, Eusèbe-Henri: Correspondance du pape Felix V (Amédée VIII) et de son fils Louis, duc de Savoye, au sujet de la Ligue de Milan et de l’acquisation du Milanais (1446 – 1449), in: Archiv für Schweizerische Geschichte 8 (1851), S. 269 – 364; Cognasso, Francesco: La Repubblica di S. Ambrogio, in: Storia di Milano, Bd. VI. Il Ducato Visconteo e la Repubblica Ambrosiana (1392 – 1450), Milano 1955, S. 414 – 448, bes. S. 433 – 436. 1120 Partner, Peter: Lands of St. Peter: The Papal State in the Middle Ages and the Early Renaissance, Berkeley/Los Angeles 1972, S. 409.
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bedeutete zugleich auch die Restabilisierung seiner Herrschaft. Dabei kam ihm der Prestigeerfolg der Griechenunion (1439) zugute, zugleich versuchte er den weltumspannenden Anspruch seines Römischen Papats noch zu verstärken, indem er „betont internationale“ Kardinalskreationen während der Zeit des Basler Konzils vornahm 1121. Eugen IV. war mit seinen Werbemaßnahmen in römischer Sache bei den europäischen Fürsten recht erfolgreich. Darauf geben die Konkordate und die konkordat-ähnlichen Abmachungen zwischen Eugen IV. und einigen europäischen Herrschern wichtige Hinweise 1122, die Brigide Schwarz mit Blick auf die Regelungen von Reservationen der Pfründe kurialer Bediensteter zusammengestellt hat 1123. Eugen IV. schloss am 6. November 1441 mit Herzog Philipp dem Guten von Burgund ein Konkordat, das nur die Länder des Herzogs extra regnum Francie betraf. In den Gebieten intra galt die Pragmatische Sanktion, deren Bestimmungen Philipp jedoch nicht befolgte 1124. Dieses Konkordat wurde am 23. Juni 1442 auf die Städte und Diözesen Besançon und Cambrai ausgedehnt. Mit Frankreich trat Eugen IV. ab 1442/43 in intensive Verhandlungen, die jedoch scheiterten 1125. Ein erstes Konkordat auf Reichsgebiet schloss Eugen am 17. Juni 1445 mit dem Bischof von Verden 1126. Auf Reichs ebene kam es erst nach dem Tod Eugens IV. unter Papst Nikolaus V. 1448 zu einer Einigung, die im sog. Wiener Konkordat festgeschrieben wurde 1127. Die weltliche Herrschaft des römischen Papstes blieb allerdings während seines gesamten restlichen Pontifikats wenig stabil und Eugen IV. abhängig von dem Kräfte verhältnis innerhalb der römischen Adelsfamilien. Die Festigung der Herrschaft in Rom und im Kirchenstaat sowie die Beendigung des Schismas gelang erst seinem Nachfolger Nikolaus V., der am 6. März 1447 in Rom gewählt wurde und damit begann, die Tiberstadt als dauerhafte Residenz der Päpste bewusst zu planen und
1121 Vgl. dieses Buch, S. 238. 1122 Vgl. Helmrath: Basler Konzil, S. 314 – 321. 1123 Schwarz: Abbreviatoren, S. 246 – 252, S. 246: So am 31. Oktober 1441 in Lüttich, das unter französischem Einfluss stand und romtreu geblieben war. S. 247: Denselben Text bot Eugen IV. am 16. Juni 1442 jedem deutschen Reichsstand an, der sich ihm zuwenden wollte. 1441 hatte Eugen IV. mit diesem Plan zunächst auch Erfolg, wie Segovia berichtet, vgl.: MC III, S. 1009. Diesen Plan brachte jedoch „Friedrich III. mit Hilfe der Reichsfürsten zu Fall“, so Schwarz: Abbreviatoren, S. 247. 1124 Schwarz: Abbreviatoren, S. 247. 1125 Vgl. Valois, Noël: Histoire de la Pragmatique Sanction de Bourges sous Charles VII, Paris 1906 (Arch. de l’histoire religieuse de la France, 4), S. CXLVIIIff. 1126 Schwarz: Abbreviatoren, S. 249. 1127 Vgl. dazu: Meyer, Andreas: Das Wiener Konkordat von 1448 – eine erfolgreiche Reform des Spätmittelalters, in: QFIAB 66 (1986), S. 108 – 152.
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auszubauen 1128. Durch den Frieden mit dem Machthaber im Süden Italiens, Alfons von Aragon, war es Eugen jedoch möglich, seit dem 28. September 1443 nach fast zehnjähriger Abwesenheit wieder in Rom zu residieren 1129. Mit diesem entscheidenden Schritt verringerte sich der machtpolitische Spielraum Felix’ V. nochmals erheblich. Dabei darf die symbolische Wirkung dieser Rückkehr des Papstes nach Rom, der zudem die Einheit der römischen West- mit der griechisch/oströmischen Kirche zumindest formal erreicht hatte, nicht unterschätzt werden. Auch Eugen war die Bedeutung seiner Präsenz in Rom, der Grabstätte Petri und seiner Nachfolger, nur allzu bewusst, wie seine Lobrede auf die Stadt in der Bulle Humani generis vom 14. Oktober 1443 deutlich macht. Er preist darin „Rom als Vaterland aller, als Mutter der Konzilien und heiligsten Ort der Christenheit“1130.
Der Obödienzstreit im Reich Das einzige noch offene Feld der kirchenpolitischen Auseinandersetzungen blieb für das Basler Konzil und seinen Papst von nun an das noch immer in einer neutralen Position verharrende Reich: Die Neutralitätserklärung der Kurfürsten vom 17. März 1438 bildete die Grundlage für den von päpstlich-römischer wie von konziliarisch- felizianischer Seite intensiv geführten Obödienzkampf im Reich. Ob die Neutralität in einer Kontinuität mit der Kirchenpolitik Kaiser Sigismunds gestanden hat oder nur eine Notlösung war, bzw. wie Heinz Angermeier erklärt, „den Gipfelpunkt kurfürstlicher Machtentfaltung“ darstellte, kann hier vernachlässigt werden 1131. In jedem 1128 Nikolaus V. ließ nicht nur die Leostadt befestigen und neugestalten, sondern auch die antiken Stadttore der Aurelianischen Mauer restaurieren. Zur Gesamtplanung Roms von Nikolaus V.: Borsi, Stefano: Nicolo V e Roma. Alberti, Angelico, Manetti e un grande piano urbano, Firenze 2009; für die ältere Literatur: Westfall, Carrol William: In this most perfect paradise. Alberti, Nicholas V, and the invention of conscious urban planning in Rome, 1447 – 1455, London 1974, bes. S. 63 – 84. Zur Leostadt: Magnuson, Torgil: The Project of Nicholas V for rebuilding the Borgo Leonino in Rome, in: Art Bulletin 36 (1954), S. 89 – 115. Zu den Stadttoren: Schweizer, Stefan: Zwischen Repräsentation und Funktion. Die Stadttore der Renaissance in Italien, Göttingen 2002, S. 330 – 332, 334 – 335. Zur Urbanistik zu Beginn der Renaissance in Rom im Überblick: Frommel, Luitpold C.: Papal Policy: The Planning of Rome during the Renaissance, in: Rotberg, Robert I./Brown, Jonathan (Hg.): Art and History. Images and their Meaning, Cambridge/New York 1988, S. 39 – 65. 1129 Stieber: Eugenius IV, S. 195 – 197. 1130 COD, S. 585; vgl. Helmrath: Locus concilii, S. 643. 1131 Angermeier: Reich, S. 570. Zur „kurfürstlichen Neutralität“ vgl. Helmrath: B asler Konzil, S. 290ff. Die langwierigen Verhandlungen und Ereignisse im Reich zur kirchenpolitischen
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Fall stellte die erklärte, neutrale Haltung des Reichs für den Machtkampf der streitenden Kirchengewalten eine weite Arena dar, innerhalb derer um die Legitimation des einen oder des anderen Papstes gerungen werden konnte, während die anderen Mächte sich bereits fast sämtlich in ihrer Obödienz entschieden hatten. „Vom Makel der Neutralität unbefleckt geblieben“ war einzig das Herzogtum Bayern-München, wie es Johannes Keck anlässlich seiner Promotion an der Konzilsuniversität im Frühjahr 1441 formulierte 1132. Die Obödienzerklärung Herzogs Albrecht III. hatte sein Legat Johannes Grünwalder, den Felix V. in seinem Konsistorium am 12. Oktober 1440 zum Kardinal von S. Martino in montibus erhoben hatte, bereits vor der Krönung in Basel verkündet 1133. Kardinal Johannes Grünwalder wurde fortan im Obödienzkampf des Konzils zu einem der Protagonisten, zumal er sich als Legatus de latere Felix’ V. gegen die neutrale Haltung der Kurfürsten und auf den Reichsversammlungen für das Konzil und seinen Papst einsetzte. Der kirchliche Verfassungskonflikt zwischen Eugen IV. und dem Basler Konzil wurde vom Konzils ort in das Reich verlagert und dort auf dessen Repräsentativversammlungen, den Reichstagen, ausgetragen 1134. Von 1438 bis 1447 dominierte die Kirchenfrage inhaltlich dieses Forum öffent licher Auseinandersetzungen, die besonders intensiv auf den Reichstagen von Mainz im März 1441 (hier wurden neun Reden gehalten, von denen zwei überliefert sind),
Frage in den Jahren 1440 – 1447 sind zusammengestellt in: Stieber: Eugenius IV, S. 202 – 303. Siehe auch Miller, Ignaz: Jacob von Sierck 1398/99 – 1456, Mainz 1983, S. 114 – 173. Vgl. dazu auch mit weiterer Literatur: Daniels, Tobias: Diplomatie, politische Rede und juristische Praxis im 15. Jahrhundert: der gelehrte Rat Johannes Hofmann von Lieser, Göttingen 2013 (Schriften zur politischen Kommunikation, 11), S. 117 – 143, S. 169 – 173. 1132 […] quam tota fere nacio Bavarica a neutralitate macula persisitimus […], in: Redlich: Universität, S. 99. 1133 Müller: Bayern, S. 178. 1134 Zu einer eingehenden Untersuchung über die Genese des Begriffs vgl. Annas, Gabriele: Hoftag – Gemeiner Tag – Reichstag. Studien zur strukturellen Entwicklung deutscher Reichsversammlungen des späten Mittelalters (1349 – 1471), 2 Bde., Göttingen 2004, Bd. 1, S. 123 – 136. Zu Reden auf den Reichstagen während der Zeit des B asler Konzils: Helmrath, Johannes: „Geistlich und werntlich“: Zur Beziehung von Konzilien und Reichsversammlungen im 15. Jahrhundert, in: Moraw, Peter (Hg.): Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter, Stuttgart 2002 (VUF, 48), S. 477 – 517, S. 506 – 507; Helmrath, Johannes: Reden auf Reichsversammlungen im 15. und 16. Jahrhundert, in: Kéry, Lotte u. a. (Hg.): Licet preter solitum. Ludwig Falkenstein zum 65. Geburtstag, Aachen 1998, S. 265 – 286, S. 271; vgl. auch Helmrath, Johannes: Rhetorik und ‚Akademisierung‘ auf den deutschen Reichstagen im 15. und 16. Jahrhundert, in: Duchardt, Heinz/Melville, Gert (Hg.): Im Spannungsfeld von Recht und Ritual. Soziale Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, Köln u. a. 1997 (Norm und Struktur, 7), S. 423 – 446, S. 430 – 433.
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in Frankfurt a. M. von Mai bis August 1442 (sechs gehaltene Reden, davon fünf erhalten) und im September 1444 in Nürnberg (neun gehaltene Reden, vier erhalten) behandelt wurde 1135. Es ist dabei beachtenswert, dass der Reichstag als Forum nicht dazu prädestiniert war, die Kirchenspaltung zu beheben. Zwar hat sich Kaiser S igismund als protector ecclesiae profilieren können, aber die Verhandlungen über die Kirchenfrage in den 1440er Jahren fanden eben nicht am Hofe seines Nachfolgers Friedrichs III. statt – und dies ist nicht ausschließlich mit der besseren Ereichbarkeit zu erklären. Vielmehr versammelte dieses Gremium neben dem König auch die Bischöfe und andere Prälaten, die Fürsten sowie Vertreter der Städte und der Universitäten 1136. Die „partielle Identität von Kirche und Reich“1137 wurde hier noch einmal spürbar, da die Kirchenfrage als eine Angelegenheit des Reichs und damit auch des Reichstages angesehen wurde. Von den Gesandten der beiden kirchlichen Parteien wurde „der Reichstag als eine Art Konzil aufgefasst“1138. Den Gewohnheiten des Konzils folgend wurde an der scholastischen Redepraxis und Disputation festgehalten und regelrechte „Redeschlachten“1139 ausgefochten. Dabei traten als Wortführer Eugens Kardinal und Rotaauditor Juan de Carvajal und Nikolaus von Kues 1140 hervor. Das Basler Konzil schickte Johannes
1135 Vgl. zu dem jeweils anlassbezogenen Arrangement der Reden aus Textbausteinen bei einzelnen Konzilsvätern Woelki: Pontano, S. 179 – 209. Vgl. für die gelehrten Räte: Daniels: Diplomatie, S. 17 – 21 und S. 317 – 321 zum Forschungsstand, zu Liesers Aktivitäten auf den Reichstagen zwischen 1438 – 1446, S. 117 – 186. Vgl. zum Themenfeld Rede und Oratorik mit weiteren Nachweisen: Helmrath, Johannes/Feuchter, Jörg: Einleitung – Vormoderne Parlamentsoratorik, in: Dies. (Hg.): Politische Redekultur in der Vormoderne. Die Oratorik europäischer Parlamente im Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Frankfurt a. M./ New York 2008 (Eigene und Fremde Welten, 9), S. 9 – 22. 1136 Vgl. Boockmann, Hartmut: Geschäfte und Geschäftigkeit auf dem Reichstag im späten Mittelalter, in: HZ 246 (1988), S. 297 – 327, S. 305. 1137 Meuthen, Erich: Einführung, in: Meuthen, Erich (Hg.): Reichstage und Kirche. Kolloquium der Historischen Kommussion bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München, 9. März 1990, Göttingen 1991 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akadmie der Wissenschaften, 42), S. 7 – 14, S. 8. 1138 Boockmann: Geschäfte, S. 318. 1139 Müller: Pays rhénan, S. 113. 1140 Zum Entscheidungsprozess Nikolaus’ von Kues zwischen Konzil und Papst vgl.: Stieber, Joachim W.: The „Hercules of Eugenians“ at the crossroads: Nicholas of Cusa’s decision for the Pope and against the Council in 1436/37 – theoretical, political, and social aspects, in: Christianson, Gerald M./Izbicki, Thomas (Hg.): Nicholas of Cusa in Search of God and Wisdom: Essays in Honor of Morimichi Watanbe by the American Cusanus Society, Leiden 1990, S. 221 – 255. Zur Rolle des Cusanus als Verteidiger der Sache Eugens IV. im Jahrzehnt 1438 – 1447 vgl.: Stieber: Kirchenbegriff, S. 96, S. 102, S. 123 – 126.
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von Segovia 1141, Kardinal Aleman, Thomas de Courcelles und Nicolaus de Tudeschi in die Arena der Reichstage 1142. Damit waren akademisch geschulte, im Rahmen des konziliaren Tagesgeschäfts in der scholastischen Disputation bestens geübte Redner die Hauptakteure in diesem Obödienzkampf, die mit voluminösen, auf Latein verfassten, juristisch-theologischen Traktatreden gegeneinander antraten 1143. Sie waren dabei nicht direkte Gegner (vor allem während des Frankfurter Reichstags 1442) und traten auch nicht vor großem oder öffentlichem Auditorium auf 1144. Zwar kamen die Gesandten an den König heran, einen öffentlichen Auftritt gestattete dieser indes nicht. Darüber waren besonders die Basler Gesandten wenig glücklich. So berichtet Johannes von Segovia über einen Ausbruch von Nikolaus de Tudeschi (Panormitanus), der sich äußerst indigniert darüber zeigte, dass keiner sie anhören wollte, sondern dass man vor ihnen regelrecht die Flucht ergriff 1145.
1141 Vgl. zu Segovias ekklesiologischen Schriften: Utz, Karin: Zur Chronologie der kirchenpolitischen Traktate des Johannes von Segovia, in: AHC 9 (1977), S. 302 – 314. Zu Segovias ekklesiologischer Hauptschrift, die Amplificacio disputacionis, die er innerhalb seiner Konzilsgeschichte einfügte (MC III, S. 695 – 941), vgl. Stieber, Kirchenbegriff, S. 126 – 134. Dazu auch Krämer: Konsens, S. 207 – 255 und Wolmuth, J.: Verständigung in der Kirche, untersucht an der Sprache des Konzils von Basel, Mainz 1983, S. 34 – 57, S. 222 – 256. 1142 Heribert Müller macht eine Gruppe von Basler „Kerngesandten“ auf den Reichstagen 1441, 1442 und 1443 aus: Unter der Führung Louis Aleman waren dies Johannes von Segovia, Thomas von Courcelles, Guillaume Hugues d’Étain, Thomas Livingston und Rudolf von Rüdesheim. Vgl. Müller: Guillaume Hugues d’Étain, S. 44 und S. 52. 1143 Helmrath: Reichsversammlungen, S. 271. 1144 RTA 16, Nr. 231, S. 597: Segovia berichtet in einem Brief über die Basler Gesandtschaft in Frankfurt und die Redesituation am 14. Juni: Accepit autem onus allegacionum faciendarum cardinalis Panormitanus, quoniam juriste essent omnes fere, qui erant deputati ad audiendum. Predictis igitur quatuor pro rege et pro singulis electorum duobus vel uno ad domum Panormitanus convenientibus, die 14. junii, uno interposito solum tribus continue diebus super causa ecclesie fecit Panormitanus ipse proposiciones, ut earum tenore constat, continencie plenioris. Cum vero in domo propria propter sui reverenciam deputati audierant allegantem Panormitanum, sed assignata fuisset audiencia nunciis olim Eugenii in domo consulatus, intellecto quod Nicolaus de Cusa aggregata per eum multitudine Mendicancium et aliorum gloriando diceret, qui ex Basilea venissent, non fuisse ausos publice dicere, sicut ipse volebat, pro parte legatorum et oratorum requisita simili audiencia deputati per regem responderunt habere mandatum non in multitudine, sed ad partem audire debere, ideoque illi non annueretur, si turmatim dicere vellet. […] qui, preter quatuor aut quinque remanentes cum eo turma ill egressa, auditus est per tres continuo dies. Vgl. zum Frankfurter Reichstag mit weiterer Literatur: Daniels: Diplomatie, S. 138 – 173. 1145 RTA 16, S. 601: Parati sumus; sed audire nolunt, immo fugiunt. Quod igitur audiant nos, petimus dari modum.
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Friedrich III. ordnete für den nächsten Reichstag 1443 an, die um Obödienz werbenden Redner dürften nur mehr vor einem Expertenkreis auftreten, da die langen, oft aus „Allegationsketten“ bestehenden Traktatreden für Fürsten kaum zumutbare Strapazen darstellten. Zugleich kann man in dieser Beschränkung aber auch eine „Furcht vor der ‚Wirkung‘ der Rede“ sehen 1146. Eugen IV. wie auch das Konzil verurteilten beide die Haltung der Neutralität 1147, ebenso wünschten sie sich weder Vermittlung noch Berufung einer neuen Kirchengewalt, sondern einzig eine eindeutige Obödienzerklärung. Auf diese mussten sie lange warten, jedoch war auch die fürstliche Hoffnung auf Schlichtung durch Dritte „unter diesen Umständen müßig und die dieser Hoffnung zugrunde liegende Neu tralität zur Erfolglosigkeit verurteilt“1148. Allerdings wurde von kurfürstlicher wie von königlicher Seite gerade in der Kirchengewalt eines Dritten Konzils ein Weg gesehen, das Schisma zu lösen 1149. Unter Teilnahme von Vertretern europäischer Mächte am Mainzer Reichstag, Februar bis April 1441, wurden die Bedingungen der deutschen Nation für die Anerkennung Eugens IV. bzw. Felix V. ausgearbeitet. In den sogenannten Avisamenta Moguntina 1150 (Februar 1441) wurden päpstliche Zusicherungen zu Gunsten der Deutschen Nation als Gegenleistung für die Anerkennung gefordert. Während dieser Verhandlung über die Avisamenta offenbarten sich innerhalb des Reiches zwei Ansichten über die Lösung des Problems: Die Kurfürsten und der englische König sprachen sich für die Anerkennung Eugens IV. aus, jedoch unter der Voraussetzung, er erkenne generell die Superiorität der Allgemeinen Konzilien an. Vertreter Friedrichs III. und Karls VII. hingegen traten für eine Beilegung des Streites zwischen Papst und Konzil auf einem Dritten Konzil ein. Im Kongressverlauf konnte man sich auf ein noch einzuberufendes Drittes Konzil in Metz einigen. Die weltlichen Fürsten verfolgten dabei eine bereits mehrfach erprobte Strategie zur Beilegung eines Schismas. Unter weltlicher Vermittlung sollte es auf einem Konzil zu einer Lösung der schismatischen Situation kommen. Als Verhandlungspartner waren dabei nur Eugen IV. und das B asler Konzil vorgesehen, Felix V. wurde hingegen nicht berücksichtigt und damit ausgeschaltet. Dies bedeutete freilich auch für das Basler Konzil eine Niederlage 1151.
1146 Vgl. Helmrath, Rhetorik und Akademisierung, S. 432 und Anm. 22. Zu der Anordnung Friedrichs III. Boockmann: Geschäfte, S. 322 – 324. 1147 MC III, S. 107. 1148 Angermeier: Reich, S. 579. 1149 Für den Plan eines Dritten Konzils vgl: Bäumer, Remigius: Eugen IV. und der Plan eines „Dritten Konzils“ zur Beilegung des Basler Schismas, in: Iserloh, Erwin/Repgen, Konrad (Hg.): Reformata Reformanda. Festgabe für Huber Jedin, Münster 1965, S. 87 – 128. 1150 RTA 15, S. 545. 1151 Vgl. Bäumer: Eugen IV., S. 99.
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Für Eugen IV. kam ein Drittes Konzil nicht in Frage; dies brachte er nochmals in der Bulle Etsi non dubitemus vom 20. April 1441 deutlich zum Ausdruck 1152. Auch die Basler waren nicht bereit, ihre libertas und ihren Anspruch auf gesamtkirchliche Repräsentation einem Dritten Konzil zu überlassen. Trotz der Weigerung beider Seiten, ihre Intransigenz aufzugeben, verfolgte Friedrich III. weiter eine Politik der Nichtfestlegung und den illusionären Plan, ein Drittes Konzil einzuberufen. Die strikte Beibehaltung der Neutralität muss allerdings auch als ein taktischer Versuch gewertet werden, sich als Vermittler in der Kirchenfrage zu profilieren 1153. Der Besuch des deutschen Königs in Basel im November 1442 führte folgerichtig nicht zu einer Parteinahme für das Basler Konzil und seinen Papst 1154.
Friedrich III. in Basel Nachdem der deutsche König Friedrich III. auf seinem Krönungszug im September 1442 einen Besuch in Basel noch umgangen hatte 1155, kam er knapp zwei Monate später auf dem Rückweg von Genf, Lausanne und Bern doch noch in die Konzilsstadt am Rhein 1156. Dafür waren im Vorfeld längere Verhandlungen notwendig gewesen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass Protokollfragen detailliert abgesprochen waren und möglichst kein Raum für Zufälle offenblieb 1157. Nachdem das Treffen zwischen König und Papst fast eine „vermiedene Begegnung“1158 geworden wäre, bereiteten der Basler Klerus wie auch die städtischen Honoratioren, ebenso wie die anwesenden savoyischen Adeligen, die Kardinäle und Bischöfe 1152 Vgl. Mann, Jesse D.: Refuting the Pope: Comments on Juan de Segovia’s Gloss on the Bull Etsi non dubitemus, in: AHC 37 (2005), S. 323 – 340. 1153 Miller: Jacob von Sierck, S. 123. 1154 Friedrich III. weilte vom 11. bis 15. November 1442 in Basel. Darüber berichtet: MC III, Kap. 19, Teile 4, 5, 8. RTA 17, S. 5, 7, 41 – 46. Vgl. Hack: Empfangsprotokoll, S. 575 – 580; Koller, Heinrich: Friedrich III., Darmstadt 2005, S. 84 – 88. 1155 Vgl. dieses Buch, S. 228; dazu auch Hack: Empfangsprotokoll, S. 579. 1156 Zur Präsenz von Friedrich III. am Oberrhein mit weiterer Literatur: Zotz, Thomas: gleicherweis als ob wir geginwortig weren und euch daz mit unserm munde selbir hiezzen. Rahmenbedingungen und Frequenz königlicher Gegenwart am Oberrhein im 15. Jahrhundert, in: Fuchs, Franz (Hg.): König, Fürsten und Reich im 15. Jahrhundert, Köln u. a. 2009, S. 289 – 317, S. 296f. Boockmann, Hartmut: König Friedrich III. unterwegs, in: Ders (Hg.): Fürsten, Bürger, Edelleute. Lebensbilder aus dem späten Mittelalter, München 1994, S. 33 – 55. Heinig: Friedrich III., S. 1348 – 1354. Vgl. auch Schilderung von Segovia, in: RTA 17, S. 41 – 45. 1157 Vgl. dazu das Material in: RTA 17, Nr. 1 – 14, S. 11 – 40 und Nr. 19 – 20, S. 45 – 46. 1158 Hack: Empfangsprotokoll, S. 578.
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sowie die übrigen Konzilsmitglieder ihrem König und rechtmäßigen Stadtherren einen gebührenden und prachtvollen Einzug 1159. Wie bei einem Herrscher-Adventus angemessen, kamen ihm die Basler Honoratioren und große Teile der Bevölkerung bis vor die Stadtmauern entgegen, der Bischof und die Kanoniker empfingen ihn außerhalb der Stadt beim Spalentor mit dem B asler „Heilthum“1160. Dabei betont Segovia, dass die eingenommenen Positionen der einzelnen Teilnehmer regelkonform gewesen und Trompetenspieler dem König vorangezogen seien 1161. Friedrich III. wurde unter anderem von Herzog Wilhelm von Braunschweig und von Graf Philipp von Genf, dem Sohn des Konzilspapstes, begleitet. Die Kardinäle Louis Aleman und Alexander von Masovien ritten neben dem König in die Stadt ein 1162. Ein anonymer Berichterstatter aus dem königlichen Gefolge berichtet auch von ain kostlichen himmell, mit dem die Stadt Basel ihren König begrüßte 1163. An den festlichen Zug durch die Stadt schloss sich ein Gebet im Münster an, zu dem sich Friedrich III. auf ein Faldistorium kniete, das vor dem Altarraum stand. Der Lettner war aufwendig mit Reliquien und Lichtern geschmückt 1164. Derweil hatten sich die Konzilsväter auf den Tribünen im Kirchenschiff wie zu einer 1159 MC III, S. 1237: Dominico igitur die Novembris XI. post conciliarem missam pronunciato a promotere concilii, hora tercia ingressurum Romanorum regem ideoque prelati et alii dysponerent se in equis obviam illi ituros cum cardinalibus, sic actum extitit, camerario preeunte prout moris cum familia pape, comite quoque Gebennarum, qui venerat redeuntem ad patriam associaturus patrem suum. 1160 MC III, S. 1237 – 1238: […] cardinales autem in campo extra vineas salutarunt eum prout alias datis manibus, prelati similiter et alii maiores concilii; magister autem civium et consulatus pede receperunt eum parumper extra portam Burgundie, abinde processio cleri cum reliquiis et luminaribus. Basiliensis vero episcopus cum canonicis suis in porta ipsa. Vgl. zur Rolle des Stadttors beim Herrscher-Adventus: Lampen: Stadttor. 1161 MC III, S. 1238: […] et precedentibus omnibus qui processionaliter hos qui erant in equis, ordine prout poterant, tubicinis hos subsequentibus cardinales regem precedebant. 1162 MC III, S. 1238: Quorum Arelatensis et Aquilegiensis a dextris et a sinistris eius, prope autem Brunswicensis dux et comes Gebennarum, prelati vero inmediate subsequebantur. Vgl. auch: Basler Chronick, Bd. 1, S. 398. 1163 Seemüller, Joseph: Friedrich III. Aachener Krönungsreise, in: MIÖG 17 (1896), S. 585 – 665, S. 653: Item am sonntag, daran was sannd Mertten tag, da ritten wier drey meill in ein reichstat haist Basel. Da rait der graf von Soffey gegen meins herrn gnad unnd newn cardinal unnd dreyundreissig bischoff unnd abt unnd toctores ain grosse schar, auch grosse priesterschaft mit manigen werden hailtum; der schueler war an zall, auch cham der rat aus der stat unnd prachten ain kostlichen himmell, unnd dye hanndwecher truegen all kreutz unnd wunschten, das meins herrn gnad jar und tag beleiben soll. 1164 MC III, S. 1238: Rex autem processionaliter comitatus per carrerias magis publicas in ecclesiam venit, et patribus concilii sedentibus prout in generali congregacione, cum ante altare concilii reliquiis et luminaribus ornatum paratum est faldistorium, […].
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Generalkongregation versammelt. Nach Verrichtung des Gebets betrat Friedrich den Chor, in dem der Basler Bischof mit den Kanonikern auf ihn wartete. Unter Orgelklängen brachten die Sänger des Konzils am Ambo ein Te Deum laudamus zu Gehör 1165. Der erhebliche Aufwand, den Basel – Stadt, Kurie und Konzil gemeinsam – für den Besuch des Königs betrieben, erklärt sich aus den hohen Erwartungen, die mit der Präsenz des Reichsoberhauptes in der Konzilsstadt verbunden wurden. Seine Obödienzleistung wäre für Felix und das Konzil die entscheidende Bestätigung gewesen. Der König wurde dazu auf verschiedene Weise aufgefordert. So versuchte die Konzilsseite ihn durch Predigt und historische Exempla zur Unterstützung des Konzils und Felix’ V. zu bewegen: Kardinal Georg von Ornos predigte gegenüber dem König über das Thema dic ergo illi ut me adjuvet (Lc. 10,40). Darin wurde der König offen dazu aufgefordert, sich wie bereits vor ihm Kaiser Konstantin, Justinian und Karl der Große für den Glauben und die Kirche einzusetzen 1166. Auch von päpstlicher Seite wurde versucht, in Friedrich einen künftigen Fürsprecher zu finden. So kam es während des Aufenthalts Friedrichs in Basel am 15. November 1442 zu einem Papst-König-Treffen, das einige Tage nach dem feierlichen Adventus in Basel 1167 zunächst in halböffentlicher Sphäre im Papageienzimmer der Basler Papstresidenz stattfand. Die Schilderungen der anwesenden Johannes’ von Segovia und Johannes’ Grünwalder vermitteln den Eindruck eines im höchsten Maße arrangierten Treffens zwischen Felix V. und Friedrich III. Es waren einige Modifikationen des Empfangszeremoniells notwendig, da der Fußkuss etwa eine verbindliche Anerkennung des Basler Papstes bedeutet hätte. Friedrich III. wollte es jedoch unbedingt vermeiden, seine neutrale Haltung aufzugeben 1168. So wird auch eigens erwähnt, der König sei ohne Kopfbedeckung erschienen 1169. Papst Felix trug hingegen seinen p äpstlichen Ornat und einen festlichen karmesinroten, mit Hermelin gefütterten Mantel, der nach dieser Schilderung kaum von seinem herzoglichen Vestiment unterscheidbar ist, das
1165 MC III, S. 1238: […] fuit cantatum ‚Te deum laudamus‘ in organis et per cantores concilii in ambone solito sistentes. 1166 MC III, S. 1238: […] proposuit Cardinalis Vicensis cum themate dic ‚ergo illi ut me adjuvet’, thema inducens quam multipliciter, quod ad eum spectaret juvare ecclesiam in ea quam paciebatur tribulacione. […] consequenter gesta referendo in favorem fidei et ecclesie per catholicos imperatores, Constantinum specialiter, Justinianum et Karolum magnum, postremo gracias agendo eidem de laboribus sumptis pro unione ecclesie et in favorem Basiliensis concilii, […]. 1167 Vgl. dieses Buch, S. 228. 1168 Johannes von Segovia versucht, das Verhalten Friedrich III. zu entschuldigen: MC III, S. 1239: regem ad clemencie sue presenciam […], haudque mirandum, si in ea visitacione modum non tenuisset, quem Romanorum reges tenere soliti sunt, cum primum accedunt Romanos pontifices. 1169 MC III, S. 1239: […] rex intravit cameram viridem sive papagay, nullam habens cooperturam in capite. Vgl. auch RTA XVII, 1, S. 45.
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auf dem Dedikationsblatt von Jean Bapteur (Abb. 1) dargestellt ist 1170. Zudem ließ sich Felix V. als Zeichen seiner päpstlichen Würde das Kreuz vorantragen. Sodann hielten Felix V. und Friedrich III. eine geheime Unterredung ab, an der einzig die beiden ‚Universalgewalten‘ sowie die allerengsten Berater teilnahmen; dabei handelte es auf der päpstlichen Seite ausschließlich um savoyische adelige Laien: Sein Sohn Philipp, der Graf von Genf, der Markgraf von Saluzzo, Vizekämmerer Jean de Grôlée, und schließlich der omnipräsente enge Ratgeber Felix’ V., Guillaume B olomier 1171. Friedrich III. wurde neben dem Bischof Silvester Pflieger von Chiemsee von zwei weiteren ungenannten älteren Rätern sowie von seinem Kämmerer begleitet. Diese geheime Unterhaltung, wie auch das anschließende gemeinsame Mahl im Festsaal des Bischofshofes, können als Mittel des vormaligen savoyischen Herrschers angesehen werden, den König zur Obödienz gegenüber dem vom Konzil gewählten Papst Felix V. zu bewegen. Denn hier bestimmte nicht die päpstliche Repräsentation den Charakter des Festes, vielmehr wurde der Eindruck eines savoyischen Banketts, das in dem savoyisch dekorierten Festsaal stattfand 1172, durch den zeremoniellen Tafeldienst, den der Sohn des Papstes, Graf Philipp von Genf, gemeinsam mit dem Markgrafen von Saluzzo verrrichtete, noch gesteigert 1173. 1170 Vgl. Abb. 1 und MC III, S. 1239: Ipso ibidem constituto papa Felix indutus cappa de cremesino rubeo foderata arminiis sed aperta. 1171 Guillaume Bolomier stammt aus Poncin im Bugey. Während der Regentschaft Herzogs Amadeus VIII. gelang ihm der soziale Aufstieg. Der in der Forschung als homo novus bezeichnete Sekretär des Herzogs wurde von ihm 1431 geadelt und in den 1430er Jahren auf zahlreiche diplomatische Missionen, vor allem nach Mailand, entsandt. Von 1439 bis 1444 war der Jurist als magister requestarum am Consilium cum domino residens Savoyens tätig und wurde dann Vizekanzler. Vgl. dazu: Marini, Lino: Savoiardi e Piemontesi nello Stato sabaudo (1418 – 1601), Bd. I, Roma 1962, S. 45. Zu Bolomier: Cibrario, Luigi: Di Guglielmo Bolomier, vice-cancellelliere di Savoia, giustiziato nel 1446 in: Ders. (Hg.): Operette e frammenti storici, Firenze 1856, S. 302ff.; Uginet, François-Charles: Bolomier, Guglielmo, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 11, S. 358 – 360. Zur savoyischen Verwaltung: Castelnuovo, Guido; Barbero, Allessandro: Governare un Ducato. L’amministrazione sabauda nel tardo Medioevo, in: Società e storia 57 (1992), S. 465 – 511, S. 492 – 498; Castelnuovo, Guido: Quels offices, quels officiers? L’administration en Savoie au milieu du XVe siècle, in: Études Savoisiennes 2 (1993), S. 5 – 41. Guillaume Bolomier hatte am Hof des savoyischen Herzogs Ludwig offenbar wenig Unterstützer und wurde 1446 Opfer in einer skandalträchtigen Affäre: Nach einem Schau-Prozess wurde er mit einem Stein um den Hals im Genfer See ertränkt. Vgl. zu den Adelsränken am savoyischen Hof unter Herzog Ludwig: Barberi, Alessandro: Il ducato di Savoia. Amministrazione e corte di uno stato franco-italiano (1416 – 1536), Bari 2002, S. 166 – 176. 1172 Vgl. dieses Buch, S. 152. 1173 MC III, S. 1241: Abinde apportata collacione, comite Gebennarum ministrante regi de confectionibus et pape marescallo Sabaudie, papa illi mandavit facere credenciam regi, fuitque
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Die Ehrenbezeugungen, die Friedrich III. Papst Felix V. entgegenbrachte, waren gegenüber einem Papst insgesamt nicht angemessen. So weigerte sich der König, Felix V. den Fuß zu küssen, da dies eine Anerkennung Felix’ als legitimer Papst bedeutet hätte, zu der sich Friedrich jedoch – schon aufgrund der Neutralitätspolitik des Reiches insgesamt – nicht bereitfinden konnte 1174. Die Ehrerbietung des Königs gegenüber Felix V. überstieg jedoch auch das Maß der Huldigungen eines Königs gegenüber einem Herzog. Insofern erfolgte bei diesem Zusammentreffen eine deutliche zeremonielle Erhöhung der Casa Savoia durch das Reichsoberhaupt, die auf der nicht anerkannten Papstwürde Felix’ V. basierte. Damit war ein mögliches Ziel Felix’ V./Amadeus’ VIII. erfüllt worden, das in der Verschmelzung petrinischer und savoyischer Herrschaftszeichen bereits präjudiziert worden war. Über den Inhalt des Gesprächs selbst sind keine Details bekannt, einzig, dass dieses Treffen nicht so ablief, wie ein erstes Treffen zwischen Papst und König eigentlich ablaufen sollte. Der zum königlichen Gefolge gehörende Bischof Silvester von Chiemsee entschuldigte sich im Namen des Königs bei Felix V. für den inkorrekten Verlauf ihrer Zusammenkunft 1175. Dies geschehe, so Pflieger nach Johannes von Segovia, um sich weiterhin für den Frieden und die Einheit innerhalb der K irche einsetzen zu können 1176. Felix V. soll dafür Verständnis gezeigt haben, ließ aber einen der Kardinäle für sich sprechen 1177. Im Verlauf des Gesprächs kam es dabei zu einem Affront des Kardinals Grünwalder gegenüber dem B asler Papst, denn dieser lehnte es ab, für seinen Papst ein paar Worte zu sprechen, zu denen er sich aufgrund mangelnder Lateinkenntnisse nicht in der Lage fühlte 1178.
ministratum de vino per alios duos, rege in omnibus hiis multum reverenter se habente. 1174 Dem Fußkuss ist nach der Einschätzung von Hack ein „konstitutiver Charakter in der kaiserlich-päpstlichen Beziehung“ zuzuweisen, Hack: Empfangsprotokoll, S. 578. 1175 MC III, S. 1239: Cui obviam rex venit factaque per ipsum ac suos honesta pro tempore reverencia proposuit Chimensis episcopus regem ad clemencie sue presenciam […], haudque mirandum, si in ea visitacione modum non tenuisset, quem Romanorum reges tenere soliti sunt, cum primum accedunt Romanos pontifices, quoniam hoc bonis fecisset respectibus, ipseque episcopus regie celsitudinis mandato, in quo potius interpres regie voluntatis quam propositor esset, porrigere habebat peticionem unam ad suam benignitatem et reverendissimos dominos cardinales eidem assistentes. 1176 MC III, S. 1239: Illa vero esset, regem supplicare, quatenus vellent se reddere dispositos ad pacem et unionem ecclesie. 1177 MC III, S. 1240: […] nec oportet excusari de visitacionis modo. 1178 MC III, S. 1241: […] retraccione vero iterum facta, cum requisisset cardinalem sancti Martini nepotem Alberti Bavarie ducis, quoniam latina lingua tam exercitatus non esset, quod explicaret suum bonum animum, illo excusante se tamen, rediit ad priorem locum. Dazu auch Müller: Bayern, S. 182.
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Auch wenn über den Ausgang dieser Zusammenkunft nur bekannt ist, dass F riedrich III. keine Obödienz gegenüber Felix erklärte und an der neutralen Haltung des Reiches festhielt, muss das Treffen aus Basler Perspektive als gescheitert gewertet werden. Dies wird auch dadurch offenbar, dass nach der missglückten Begegnung beide Protagonisten, Friedrich III. und Felix V., die Konzilsstadt Basel verließen. Damit war nicht nur das Ansinnen des Königs gescheitert, als Schlichter im Kirchenstreit hervorzutreten. Mit der Abreise des Papstes und der Verlegung seiner Kurie an den Genfer See, vor allem nach Lausanne, sank auch die Stellung des B asler Konzils insgesamt 1179.
Die Kurfürsten und Felix V. Die Obödienzfrage und damit der Kirchenstreit im Reich wurden ab 1443 erneut diskutiert. Diese neue Dynamik entstand, als sich zwei zentrale Figuren abseits der offiziellen, neutralen Linie positionierten. Der seit Januar 1443 amtierende Reichskanzler Kaspar Schlick steuerte Friedrich III. kirchenpolitisch in die eugenianische Richtung 1180. Dabei verfolgte der Kanzler auch ein persönliches Interesse: Den Freisinger Bischofsstuhl sollte sein Bruder Heinrich Schlick besteigen. Der Freisinger Bistumsstreit stellte nach Ansicht Sudmanns den „letzten Prinzipienstreit“ auf dem Basler Konzil dar 1181. Für Felix V. und das B asler Konzil bedeutete er ein Abwägen gegenüber der prinzipiellen Haltung, die Entscheidung des Domkapitels zu konfirmieren. Dieses hatte für den Kardinal Felix’ V., Johannes Grünwalder, gestimmt. Das Konzil erwägte jedoch auch aus obödienztaktischen Gründen, den Wünschen König Friedrichs III. zu folgen, der Heinrich Schlick unterstützte. Da weite Teile des Hochstiftbesitzes Freising auf dem Territorium des Habsburgers lagen, hatte dieser als österreichischer Landesherr ein vitales Interesse an der Besetzung dieses Bischofsstuhls mit seinem Favoriten 1182. Der Bruder des Kanzlers Schlick sollte nach dem Willen Eugens und Friedrichs III. den Freisinger Stuhl besteigen – gegen das Votum des Domkapitels 1183. Das Konzil
1179 Durch die Verlegung des Papsthofes nach Lausanne mussten die Kurien von Konzil und Papst noch deutlicher voneinander getrennt werden. Vgl. dazu dieses Buch, S. 278. 1180 Stieber: Eugenius IV, S. 261ff. 1181 Sudmann: Basler Konzil, S. 130 – 138 mit Aufarbeitung der umfangreichen Forschungs literatur. Vgl. dazu auch dieses Buch, S. 253, Anm. 950. 1182 Müller: Bayern, S. 183 – 187. 1183 Werner Müller weist darauf hin, mit welcher Energie Kanzler Schlick diese Berufung bei Eugen IV. betrieb, vgl. Müller: Bayern, S. 183: Dieser habe „mit kaum zu überbietender Dreistigkeit“ darauf hingewiesen, „daß er und seine Freunde ihm doch um so treuer dienen werden, je mehr er sie mit Vergünstigungen bedenke.“ In einem Schreiben an einen nicht
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entschied sich in der letzten Sitzung, von der Segovia berichtet, am 21. Februar 1444, für seinen Kardinal Grünwalder als Bischof von Freising 1184. Friedrich III. trat daraufhin als österreichischer Landesherr in die Obödienz Eugens über. Damit war dieser kirchenpolitische „Existenzkampf “ gegen das Konzil und damit auch gegen Felix V. entschieden worden 1185. Als Kaspar Schlicks Gegenspieler kann für diese Zeit Jacob von Sierck, der Erzbischof von Trier, gelten. Unter seiner Federführung vollzogen die Kurfürsten von Sachsen und Pfalz einen Allianzenwechsel und wurden Anhänger Felix’ V. – der Erzbischof von Köln, Dietrich von Moers, als „einziger echter Konzilsanhänger“1186 war dies bereits. Dieser Allianzwechsel basierte primär auf einer Gegnerschaft der rheinischen Kurfürsten – ohne den Mainzer Erzbischof Dietrich von Erbach – gegen Burgund, die folgerichtig zu einer Annäherung an Frankreich und auch an Felix V. führte. Das Haupt des savoyischen Hauses mit seinen engen Beziehungen zu Frankreich übte durch sein dynastisches Kapital eine Attraktivität aus, der sich diese vier Kurfürsten bei ihrem Leitgedanken, „ein gegen Burgund gerichtetes Allianzsystem zu entwerfen“, nicht entziehen konnten 1187. Diese Spielart eines „Rheinischen Konziliarismus“ entstand aus rein politischen Motiven 1188. Sierck positionierte sich gerade zu dem Zeitpunkt neu, als Eugen IV. durch die Einigung mit Aragon wesentlich an Macht und Einfluss gewinnen konnte. Ignaz Miller stellt überzeugend heraus, dass die Kirchenfrage hier nur „das Medium war, in dem um den kurfürstlich-königlichen Dualismus gerungen wurde“1189. Der Seitenwechsel des Trierer Erzbischofs Jacob von Sierck verhalf Felix V. in der Zeit zwischen 1443 und 1446 zu der Unterstützung von vier der sieben Kurfürsten – Köln, Trier, Sachsen und Pfalz –, wobei diese jedoch zu keinem Zeitpunkt die Neutralität offiziell ablegten. Dabei gaben – abgesehen von Erwägungen innerhalb des Dualismus König-Kurfürsten – vor allem die Machtressourcen Felix’ V. als ehemaliger Herzog von Savoyen den Ausschlag, sich gegen Eugen IV. zu positionieren.
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weiter genannten Kurienkardinal hob Schlick hervor, „es gehe nicht nur darum, dem König einen Gefallen zu tun, es gelte auch zu verhindern, einen großen Feind seiner Heiligkeit zu erheben.“ Währenddessen warben Herzog Albrecht III. von Bayern-München und Grünwalder bei den Kardinälen Felix’ V., so u. a. bei Louis Aleman, Bernard de La Planche und Johannes von Segovia, MC III, S. 1336. Herzog Albrecht führte dabei ins Feld, er habe schließlich zu den Ersten gehört, die Felix V. anerkannten, vgl. dazu MC III, S. 1338 – 1339. MC III, S. 1336 – 1338. Helmrath: Basler Konzil, S. 191. Helmrath: Basler Konzil, S. 310. Miller: Sierck, S. 124. Siehe zu den Details: Müller, Pays Rhénans, S. 119, S. 122. Zum Begriff ‚Rheinischer Konziliarismus‘ vgl. Müller: Thomas von Courcelles, S. 877, Anm. 60. Miller: Sierck, S. 137. Eine ähnliche Sichtweise vertritt auch Angermeier: Reich, S. 572f.
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Das Basler Konzil hingegen, dem inzwischen durch den Fortgang der aragonesischen Teilnehmer einer der bedeutenden Wortführer, Nikolaus de Tudeschi, fehlte, war hier nicht der Verhandlungspartner, anders als auf den Reichstagen. Führende Basler Konzilsväter hielten nicht viel von dem neuen Unterstützer Felix’ V., Jacob von Sierck. Eine deutliche Kluft zwischen dem Konzil und seinem Papst trat hier sichtbar hervor. Segovia verwies im Zusammenhang mit dem Trierer Erzbischof auf die Worte aus dem Matthäus-Evangelium, wonach keiner Diener zweier Herren sein könne 1190. In der Tat war von Sierck weniger am Basler Konzil interessiert als an einer konsequenten Politik gegen Philipp von Burgund, wofür er auch die Mittel Felix’ V. in Anspruch zu nehmen bereit war. Im Gegensatz zu den Verhandlungen um ein Drittes Konzil, in denen Felix V. keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt wurde, war er für die vier Kurfürsten nach ihrem Allianzwechsel der maßgebliche Ansprechpartner 1191. Zwar konnte zwischen 1443 und 1446 Felix V. auf die Unterstützung von vier Kurfürsten zählen, doch verliefen die beiden annoncierten Reichstage 1443 ergebnislos, vor allem weil sie schlecht besucht waren. Allein die Basler Gesandtschaft war mit dem Turiner Bischof und Vizekanzler Felix’ V., Ludovico Romagnano, hochrangig besetzt 1192. So fand die zwischen Felix V. und dem Trierer Kurfürsten geschmiedete Koalition letztlich kein Auditorium, denn die Entscheidungsträger selbst waren wegen der Abwesenheit Friedrichs dem Reichstag 1444 ferngeblieben. Die vier Kurfürsten schlossen 1445 in Trier und Nancy mit dem französischen König Karl VII. und dem Dauphin einen Freundschaftsvertrag 1193. Bei diesem Vertragsschluss waren auch die zwei engen savoyischen Vertrauten Felix’ V. anwesend: der savoyische Vizekanzler, Guillaume Bolomier, und der päpstliche Kämmerer, Jean de Grôlée 1194. Für die Kurfürsten erschien es offenkundig reizvoll, einen Konziliarismus à la française zu entwickeln, denn auf der Grundlage der ‚Pragmatischen Sanktion‘ konnte sich die Gallikanische Kirche von Rom weitgehend unbehelligt entfalten 1195. Freilich darf auch nicht das Bestreben der Kurfürsten unterschätzt werden, überhaupt
1190 Zitat aus Mt. 6,24 in: MC III, S. 1265: At vero in persona huius locum habuisse videtur doctrina evangelii, neminem duobus dominis servire posse. Über die konziliare Kritik am Einverständnis zwischen Felix V. und von Sierck, vgl. Miller: Sierck, S. 137f. 1191 Miller: Sierck, S. 136 – 140; Helmrath: B asler Konzil, S. 310f.; Müller: Pays Rhénans, S. 123. 1192 MC III, S. 1348/49. Segovia berichtet, ehe seine Konzilschronik abbricht, über die Gesandtschaft nach Nürnberg, die aufgrund der geringen Teilnehmerzahl ergebnislos verlief. 1193 Müller: Pays Rhénans, S. 124f. 1194 Vgl. dieses Buch, S. 268 und Müller: Pays Rhénans, S. 130. 1195 Müller: Pays Rhénans, S. 124.
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eine Rolle auf dem internationalen, diplomatischen Parkett zu spielen 1196. Zudem hofften die Kurfürsten zweifellos darauf, aus dem kirchenpolitischen Zwist handfesten Nutzen und Gewinn zu erzielen. Diese veränderte Situation kam auf dem Reichstag in Nürnberg 1444 zum Tragen, an dem auch König Friedrich III. teilnahm. Dort disputierten, anders als auf den Reichstagen zuvor, nicht mehr die Gesandten des B asler Konzils und Eugens IV.1197. Mittlerweile wurde die Konzilsgesandtschaft zu wesentlichen Teilen aus Felix’ Personalreservoir bestückt. Vor allem traten die Gesandten der Universitäten Köln und Leipzig hervor, die sich deutlich für Felix’ Anerkennung einsetzten. Die Kurfürsten von Köln und Sachsen vermochten durch den offensiven Einsatz „ihrer Universitäten“ das Ende der offiziell noch bestehenden Neutralität im Reich bestenfalls zu kaschieren 1198. Insgesamt trat auf dem Reichstag von Nürnberg 1444 die Spaltung innerhalb des Kurfürsten-Kollegs deutlich zu Tage. Friedrich III. gelang es, Mainz und Brandenburg auf seine Seite zu bringen, und er begann, intensiv mit Eugen IV. zu verhandeln, dem er im November 1444 als österreichischer Landesherr Obödienz leistete 1199. Der Plan eines Dritten Konzils wurde aber weiterhin nicht aufgegeben. Als Gesandter Friedrichs wurde Enea Silvio Piccolomini zu dem nach Rom zurückgekehrten Eugen IV. geschickt, der jedoch zunächst – als ehemaliger Anhänger des Basler Konzils und Sekretär Felix’ V. – von den Zensuren gegen ihn absolviert werden musste 1200. Papst Eugen IV. lehnte ein Drittes Konzil jedoch erneut ab, forderte indes die deutsche Nation zur Aufhebung ihrer Neutralität auf. Dies brachte auf dem Frankfurter Reichstag vom 24. Juni 1445 die eugenianische Opposition auf den Plan. Zwar wurde Felix V. nicht offiziell durch die Kurfürsten anerkannt, die Entscheidung konnte wieder einmal vorschoben werden 1201. Doch es wurde deutlich die Forderung nach einem Dritten Konzil gestellt 1202.
1196 Müller: Pays Rhénans, S. 107. 1197 Vgl. Stieber: Eugenius IV, S. 267. 1198 Stieber: Eugenius IV, S. 268. Die Universitäten gehörten zu den letzten Bastionen des Konziliarismus. Vgl. allgemein zum Verhältnis B asler Konzil und Universitäten Helmrath: Basler Konzil, S. 139 – 151. Miethke: Konzilien als Forum, S. 751 – 753. Miethke: Drehscheibe, S. 272 – 273. 1199 Sudmann: B asler Konzil, S. 138, Rankl, Helmut: Das vorreformatorische landesherrliche Kirchenregiment in Bayern (1378 – 1526), München 1971, S. 38f. 1200 Hierzu Diener: Weg von Basel nach Rom, S. 527 – 533. 1201 Die auf dem Fürstentag von Boppard vereinbarte Aufhebung der Neutralität und Anerkennung Felix’ wurde nicht ausgesprochen. Der federführende Trierer Kurfürst war durch innertrierische Konflikte so in Bedrängnis, dass er in der Neutralität Schutz suchte. Vgl. dazu Miller: Sierck, S. 150 – 165. 1202 RTA 17, S. 645, S. 779f.
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Papst Eugen IV. überschätzte freilich seine Machtposition, als er die Erzbischöfe von Köln und Trier am 24. Januar 1446 von ihren Ämtern enthob und exkommunizierte. Dadurch formierte sich unter den Kurfürsten eine einheitliche Haltung gegen Eugen IV., die sich in einem Forderungskatalog niederschlug. Darin forderten sie unter anderem die Anerkennung der Konstanzer Dekrete, die Berücksichtigung der Gravamina der Deutschen Nation, die Rücknahme der Absetzungen und die Konzilseinberufung für den 1. Mai – in Konstanz, Straßburg, Worms, Mainz oder Trier – und übten damit Druck auf Eugen IV. aus 1203. Falls er dieses abschlägig bescheide, werde man das Basler Konzil anerkennen. Auch Friedrich III. stimmte dem Protest gegen die Absetzung zu, auch wenn er der kurfürstlichen Einigung nicht beitrat. Die Absetzung der Erzbischöfe von Trier und Köln durch Eugen IV. im Januar 1446 verlängerte die Existenz der Kirchenversammlung in Basel nochmals erheblich. Auch lehnten die Kurfürsten im sogenannten Frankfurter Kurverein von 1446 das Vorgehen Eugens einhellig ab. Doch war diese Einmütigkeit innerhalb des Kurkollegs nicht von langer Dauer. In langwierigen Verhandlungen, in denen Kanzler Schlick, der Jurist Gregor Heimburg und Enea Silvio Piccolomini auf deutscher und Nikolaus von Kues und Juan de Carvajal auf päpstlicher Seite miteinander rangen, kam eine partielle Einigung zwischen Rom und dem Reich zustande, die jedoch „den Geruch intrigenhafter Halbheit nicht verloren hat“1204. Die Einheitsfront der Kurfürsten zerbrach erneut in die Fraktionen, die vor der Absetzung der Erzbischöfe bereits bestanden hatte. Damit gelang Friedrich III. auf dem Frankfurter Reichstag im September 1446 schließlich ein „vollständiger Sieg der königlichen Kirchenpolitik über die oppositionellen Bestrebungen der Kurfürsten“1205. Die Felix V. zuneigenden Kurfürsten gingen zuletzt in ihrem Kalkül fehl, den König dadurch zu isolieren, indem sie sich den B aslern anschlössen. Zugleich mussten sie sich dem französischen Herrscher annähern, um sich gegen den deutschen König behaupten zu können. Karl VII. seinerseits wiederum unterstützte Eugen IV. und war dem Konzil und seinem Papst Felix V. nicht zugetan. Friedrich III . war durch dieses Lavieren der Rheinischen Kurfürsten in der Lage, die Neutralität zu verlassen und dem sterbenden Eugen IV. im Februar 1447 für das Reich Obödienz zu leisten 1206. Am 7. September 1447 leistete der Trierer Kurfürst Jacob von Sierck und am 4. Dezember die anderen Kurfürsten dem neuen römischen Papst Nikolaus V. Obödienz. Nach dem Tod Eugens IV. wechselten auch langjährige, treue Anhänger Felix V. in das römische Lager; so erklärte im Mai 1448 schließlich auch der Rat von
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Vgl. dazu Daniels: Diplomatie, S. 176 – 181. Helmrath: Basler Konzil, S. 313. Angermeier: Reich, S. 575. Vgl. zur „Obödienzgesandtschaft“ nach Rom Daniels: Diplomatie, S. 186 – 194.
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Herzog Albrecht III., Thomas Pirckheimer, gegenüber Nikolaus V. die Obödienz des Herzogtums Bayern-München 1207.
Felix’ V. dynastische Diplomatie Innerhalb des Obödienzstreites wurde Papst Felix V. nur dann zu einem attraktiven Verhandlungspartner, wenn er seine Machtressourcen als Haupt des Hauses Savoyen und damit als Fürst einsetzen konnte. Dabei agierte er traditionell, aber selten erfolgreich in der Friedensvermittlung und mithilfe dynastischer Heiratspolitik. Während des „Alten Zürichkriegs“ (1442 – 49) bemühte er sich um eine Einigung zwischen den Eidgenossen und Österreich, wobei aber kein dauerhafter Friede erreicht werden konnte 1208. Der Versuch seines Sohnes Ludwig 1448, das Erbe der Visconti anzutreten und damit Mailand in das Herzogtum Savoyen zu integrieren, misslang vollständig. Statt territorialem Zugewinn trat Savoyen in einen langwierigen und teuren Konflikt in Oberitalien ein, der erst 1454 mit dem Frieden von Lodi unter ungünstigen Bedingungen für Savoyen endete. Etwas mehr Erfolg erzielte Felix V. bei der Verheiratung weiblicher Nachkommen. Zwar scheiterte sein Plan, König Friedrich III. mit seiner Tochter Margarete zu verheiraten, doch reiste für die Vermittlung von Heiratsvereinbarungen zwischen Savoyen und Sachsen der Trierer Erzbischof von Sierck nach Lausanne zu Felix V. Bislang war dieser während der kirchenpolitischen Auseinandersetzungen auf den Reichstagen, wo die Gesandten der einzelnen Parteien in akademisch-scholastischen Traktatreden und erbitterten Rededuellen miteinander stritten, kaum beachtet worden. Doch jetzt fand der Obödienzkampf im Reich auf der Ebene der Fürsten statt, in Form von Mitgiftsverhandlungen 1209. Den sächsischen Kurfürsten lockte Felix V. mit zahlreichen Nominationsrechten. Er versuchte also neben seinen Mitteln als Dynast auch mit den Trümpfen eines Papstes zu wuchern, um die Obödienz der Reichsfürsten zu erlangen. Dies bedeutete im Fall Felix’ V. jedoch einen schweren Verstoß gegen die Dekrete des B asler Konzils 1210. Dieser Verstoß gegen den Schwur,
1207 Zu Thomas Pirckheimer siehe: Strack, Thomas: Thomas Pirckheimer (1418 – 1473): Gelehrter Rat und Frühhumanist, Husum 2010. 1208 Siehe dazu: Niederstätter, Alois: Der Alte Zürichkrieg. Studien zum österreichisch-eidgenössischen Konflikt sowie zur Politik König Friedrichs III. in den Jahren 1440 bis 1446, Köln u. a. 1995. Berger, Hans: Der Alte Zürichkrieg im Rahmen der europäischen Politik. Ein Beitrag zur ‚Außenpolitik‘ Zürichs in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Zürich 1978. Einen Überblick bietet Koller: Friedrich III., S. 91 – 114. 1209 Über die Verhandlung in Lausanne wird unterrichtet, in: RTA 17, S. 127 – 128, S. 131. 1210 Vgl. Stieber: Eugenius IV, S. 255.
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den er selbst geleistet hat, wodurch seine Versprechungen an Sachsen „illegal“ wurden, müssen dabei im Zusammenhang mit der Bedrängnis gesehen werden, die durch Eugens Rückkehr nach Rom und den Obödienzentzug durch Alfons von Aragon und die Isolation Felix’ V. in Lausanne wuchs. Am 11. März 1443 wurde in Lausanne der Heiratsvertrag unterzeichnet: Der älteste Sohn des Kurfürsten von Sachsen sollte Charlotte, die Tochter Ludwigs von Savoyen, heiraten, sobald diese zwölf Jahre alt sein würde; ihre Mitgift umfasste 100.000 Rheinische Gulden. Dieser Vertrag entstand durch die Vermittlung des Kurfürsten Jacob von Sierck von Trier, der dafür ein Zehntel der Summe erhalten sollte 1211. Die im Vertrag vereinbarte Summe konnte Felix jedoch zum vereinbarten Termin im Mai 1446 nicht aufbringen, die Hochzeit fand nicht statt und Sachsen ging in das eugenia nische Lager über. Offen bleibt dabei auch, ob Felix V. die ausgesetzte ‚Kopfprämie‘ von 12.000 Rheinischen Gulden, die fällig geworden wäre, wenn von Sierck und der Sächsische Kurfürst Friedrich sich auf dem Nürnberger Reichstag 1443 für ihn ausgesprochen hätten, hätte zahlen können 1212. Eine andere Liason zwischen einer savoyischen Prinzessin und einem Kurfürsten hingegen gelang: Im Sommer 1445 fand die Hochzeit zwischen dem Kurfürsten Ludwig von der Pfalz und der Tochter Felix’ V., Margarethe 1213, in Heidelberg statt. Mit 1211 Müller: Pays Rhénans, S. 123f. 1212 RTA 17, S. 129: Harum serie ex certa sciencia spondemus oratores fideclaros et claritate ferventes ac rerum agendarum perspicuos nostri ex parte cum duodecim milibus florenis renensibus facta declaratione debita de obedientia nobis tanquam vero et indubitato summo pontifici prestanda […]. 1213 Cornaz, Ernest: Le Mariage Palatin de Marguerite de Savoie, Lausanne 1932, S. 264 – 271: Pièces justificatives 51. Bei dieser Ehe handelte es sich um die zweite, die Margarethe von Savoyen (1420 – 1479) einging. Zuvor war sie mit Ludwig III. von Anjou, Titularkönig von Sizilien und Jerusalem und Erbe des Königreiches Neapel verheiratet, der kurz nach der Hochzeit 1434 verstarb. Margarethe kehrte 1435 zurück an den savoyischen Hof. Dort versuchte man, neue Heiratsverbindungen zu arrangieren. Vgl. hierzu die Bemühungen, sie mit König Friedrich III. zu vermählen: RTA 15, Nr. 150, 157; RTA 17, Nr. 20. Die 1445 geschlossene Ehe mit Ludwig IV. von der Pfalz endete mit seinem Tod 1449. Zu den Verhandlungen über Zahlungen ihrer Witwenrente aus dem Pfälzer Wittum ausführlich: Birkmeyer, Regin: Aspekte fürstlicher Witwenschaft im 15. Jahrhundert. Die Versorgung der Witwe im Spannungsfeld der Territorialpolitik am Beispiel der Margarethe von Savoyen (1420 – 1479), in: Rogge, Jörg (Hg.): Fürstin und Fürst. Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter, Ostfildern 2004, S. 283 – 300, 285 – 287. Zum Zeitpunkt ihrer zweiten Witwenschaft waren 50.000 Gulden aus Savoyen an die Pfalz geflossen. Diese wurden zur Berechnung des Wittums herangezogen und mit 10% verzinst: Margarethe sollte demnach aus der pfälzischen Ehe über eine Rente von 5.000 Gulden jährlich verfügen, vgl. S. 287, Anm. 22. Sie heiratete1453 erneut; ihr dritter Ehemann war Graf Ulrich V. von Württemberg. Vgl. zu seiner Person: Fritz, Thomas: Ulrich der
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ihrer zweiten Ehe ging die savoyische Prinzessin Margarethe die im Obödienzringen ihres Vaters politisch ausgesprochen wichtige Verbindung mit dem Pfälzer Kurfürsten Ludwig IV. ein, der damit dauerhaft als Unterstützer für das Konzil und Felix V. gewonnen werden sollte. Auch an dieser Ehevermittlung hatte der Trierer Erzbischof, Jacob von Sierck, großen Anteil, wie auch Felix’ Kämmerer Jean de Grôlée 1214. Maßgeblich waren auch savoyische und Berner Diplomaten am Gelingen dieser hochrangigen Verbindung beteiligt, so der aus der Waad stammende Diplomat Guillaume de Villarzel und der Berner Diplomat Conrad von Scharnachtal 1215. Der Pfalzgraf, dessen Mutter auch eine savoyische Prinzessin gewesen war, ließ sich diese Eheschließung üppig vergüten: Im Ehevertrag, geschlossen im Oktober 1444 in Mainz, wurde die Summe von 125.000 Rheinischen Gulden als Mitgift vereinbart. Die erste Rate von 50.000 Rheingulden sollte mit der Braut zur Hochzeit in Heidelberg eintreffen. Diese hohe Summe konnte jedoch ihr Bruder Ludwig, der amtierende Herzog von Savoyen, zunächst nicht aufbringen. Stattdessen hinterlegte er beim Rat der Stadt Basel als Pfand Juwelen und kostbares Tafelgeschirr aus dem päpstlichen Schatz seines Vaters. So wurden am 24. Juni 1445 größere Mengen silbernen Tafelgeschirrs, u. a. ein recht sperriger silberner Tafelaufsatz in der beliebten Schiffsform, und weitere Juwelen in acht hölzerne Kisten aus der von Felix V. bevorzugten Residenz im Genfer Dominikanerkonvent Plainpalais nach Basel gebracht 1216.
Vielgeliebte (1441 – 1480). Ein Württemberger im Herbst des Mittelalters. Zur Geschichte der württembergischen Politik im Spannungsfeld zwischen Hausmacht, Region und Reich, Leinfelden-Echterdingen 1999. Zu dynastischer Politik und Eheschließungen vgl. mit weiterer Literatur: Spiess, Karl-Heinz: Internationale Heiraten und Brautschätze im Spätmittelalter, in: Rückert, Peter/Lorenz, Sönke (Hg.): Die Visconti und der deutsche Südwesten. Kulturtransfer im Spätmittelalter, Ostfildern 2008, S. 115 – 130; Spiess, Karl-Heinz: Europa heiratet. Kommunikaiton und Kulturtransfer im Kontext europäischer Königsheiraten des Spätmittelalters, in: Schwinges, Rainer C. u. a. (Hg.): Europa im Späten Mittelalter, Politik – Gesellschaft – Kultur, München 2006, S. 435 – 464. 1214 Miller: Sierck S. 114 – 173. Zur Persönlichkeit von Jean de Grôlée, vgl.: Müller: Pays Rhénans, S. 130. 1215 Vgl. zu den genannten Diplomaten: Pibiri, Eva: Le Personnel diplomatique des Ducs Amédée VIII et Louis de Savoie auprès des Bernois (XVe siècle), in: Pibiri, Eva/Poisson, Guillaume (Hg.): Le diplomatique en question (XVe-XVIIIe siècles), Lausanne 2010, S. 61 – 80, S. 64 – 69; Cornaz, Ernest: Un diplomate du XVe siècle: Guillaume de Villarzel, in: Revue historique vaudoise 5 (1921), S. 129 – 139, S. 161 – 175, S. 193 – 207, S. 225 – 233; Paravicini, Werner: Seigneur par l’itinérance? Le cas du patricien bernois Conrad de Scharnachtal, in: Paravicini Bagliani/Pibiri/Reynard (Hg.): L’itinérances des seigneurs, S. 37 – 39. 1216 Cornaz: Mariage, S. 39 und S. 135 – 143 für die Rechnung über den Transport von Genf nach Basel, der am 28. Juni 1445 in Genf aufbrach.
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Diese Stücke befanden sich auch noch zwei Jahre später in Basler Obhut, sie waren jedoch nicht mehr als Teil des päpstlichen Schatzes vermerkt, sondern inzwischen ein savoyisches Pfand geworden. In einem Verlängerungsvertrag dieser Leihe führt eine Liste die verpfändeten Stücke einzeln auf. Aus der Beschreibung geht die Identität mit den Pretiosen aus der hier bereits untersuchten päpstlichen Inventarliste von 1440 eindeutig hervor. Darüber hinaus war auch die Tiara Felix’ V. verpfändet worden 1217. Die Mitgiftzahlungen wurden ferner durch mehrfachen Ver- und Rückkauf von vorwiegend am Südufer des Genfer Sees gelegenen Ortschaften zwischen dem savoyischen Herzog und dem savoyischen Papst finanziert, also zwischen Vater und Sohn: Die so auf päpstlicher Seite zusammengezogene Summe belief sich auf etwa 78.000 Gulden. Doch nicht nur die Juwelen des Papstes gelangten mit Margarethe wieder nach Basel zurück. Auf ihrem Brautzug weilte sie selbst über zehn Tage in der Konzilsstadt und hat dort nochmals die savoyische Hofkultur aufleben lassen. Nach der Chronik von Wurstisen aus dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts hielten sie herrliche Festtage, und auf S. Peters Platz mancherley Hoftanze ab 1218. Die familiäre Verbindung zwischen der savoyischen Prinzessin und dem pfälzischen Kurfürsten entstand vor allem aus politischen Motiven, die aus dem Obödienzbedarf Felix’ V. resultierten. Deshalb mag es zunächst nicht erstaunen, dass für die Mitgift auch auf päpstliche Mittel zurückgegriffen wurde. Es ist jedoch aufschlussreich, einen Blick auf die dahinter stehenden ökonomischen Praktiken zu werfen. Ebenso wie Papst Felix V. seine materielle Ausstattung aus den Beständen seines Fürstentums entnommen hatte, wurde nun der päpstliche Schatz als Pfand für Verpflichtungen des savoyischen Hauses verwendet. Dieser mehrfach und wechselseitig vollzogene 1217 Cornaz: Mariage, Pièce justificative Nr. 51, 264 – 271, 269: Item tres auree corone cum multis pretiosis margaritis ad coronam papalem pertinentes incluse et sigillate. Papst Calixt III. verpfändete seine päpstliche Mitra für eine Summe von 19.000 Florin an Tommaso Spinelli, einen florentinischen Seidenhändler, um seine Kreuzzugspläne zu finanzieren, vgl. Caferro, William: The silk buisness of Tommaso Spinelli, fifteenth-century Florentine merchant and papal banker, in: Renaissance Studies 10 (1996), S. 417 – 439, S. 421. 1218 Basler Chroniken, Bd. V., S. 415. Vgl. dazu auch den Bericht von Henman von Offenburg, in dessen Haus Margarethe logierte: In der Chronik des Henman Offenburg, in: Basler Chroniken, Bd. V., S. 278: Von bapst Felix tochter, 17. Juni 1445: Uff donnstag nach Barnabe kam bapst Felix tochter des hertzogen von Saffoy swester, die do vormols den kung von Sicilien gehept hat, gon Basel, und hertzog Ludwig sin sun, damit vil erlicher frauwen, graefin und fryin, und sunst edler fauwen vil. Und empfiengent sy, und lag ze herberg in herr Henman Offenburgs hoff. Uff sonntag noch Joannis noch dem imbis, noch einem do gieng die vorgeschribne fraw ze schiff, und hertzog Steffan und sin sun, und die frawen mit yn, und hatten mut die nacht zu Brysach ze ligent, Uff zinstag noch sanct Ulrichs tag ritten erst die herren und frowen, die mit der kungin har komen woren, hinweg. Vgl. dazu auch Gilomen-Schenkel: Henman von Offenburg, S. 135.
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Austausch von Vermögenswerten und Symbolakkumulierungen vermittelt den Eindruck, dass die materielle Ausstattung von Papsttum und Herzogtum Savoyen als identische Verfügungsmassen angesehen wurden. Der päpstliche Schatz wurde zum Großteil direkt aus dem herzoglichen Besitz entnommen und nur für die genuin päpstliche Repräsentation, wie die Tiara, neu angefertigt. Die materiellen Herrschaftszeichen des Papstes waren nicht wie Schätze üblicher weise von der ökonomischen Warenzirkulation ausgeschlossen, sondern wurden wiederum in den Dienst des Herzogtums gestellt, zum Beispiel als Pfand innerhalb der Familienpolitik des savoyischen Herzoghauses. Nun liegt der Wert eines Schatzes eigentlich darin, dass er verwahrt wird und für reziproke Tauschbeziehungen nicht zur Verfügung steht; sein hoher symbolischer Wert resultiert gerade aus der Verweigerung, den materiellen Wert einzulösen, und ihn stattdessen zu bewahren und zu schützen 1219. Der Schatz als Materialisierung von Sozialprestige kann also als Skala für die Wertschätzung dessen gelten, was er bewahrt. Der Einsatz des päpstlichen Schatzes für familiäre Angelegenheiten, wie einer Mitgift, zeigt damit den Stellenwert an, den das savoyische Haus, insbesondere der vormalige Herzog, der Papst Felix V., dem Papstamt beimaßen: Indem er seine Tiara in den Dienst seiner Familie stellte, entledigte er sich seiner verweismächtigsten Insignie, die ihn vor allen anderen Zeichen als Papst auszeichnete. Doch selbst mit dem Einsatz seines päpstlichen Schatzes gelang es Felix nicht, die versprochene Mitgift für seine Tochter aufzubringen. Damit schwand auch in der Pfalz die Unterstützung für den päpstlichen Schwiegervater, denn der finanzielle Aspekt war, wie beim sächsischen Kurfürsten, einer der entscheidenden Gründe für die Eheschließung mit einer savoyischen Prinzessin gewesen 1220. Die Mittel des Fürsten Amadeus, mit denen Felix V. Diplomatie und Politik betrieben hatte, um als Papst anerkannt zu werden, waren nach etwa einem Jahrzehnt erschöpft oder konnten ihre gewünschte Wirkung nicht entfalten. So spielte die savoyische Verwandtschaft mit den Herrschern von Burgund, Frankreich und Mailand bei der Obödienzfrage keine Rolle. Die Versuche einer Diplomatie, die sich auf fürstliche Machtpotentiale stützte, scheiterten. Enea Silvio Piccolomini formulierte am 6. November 1439, direkt nach der Wahl des savoyischen Herzogs, in einem Brief nach Siena die Erwartungen des Konzils an den neuen Papst: Herzog Amadeus VIII. sei gewählt worden, „da die Väter bedachten, wie vorteilhaft es in dieser Zeit wäre, einen mächtigen Mann zu haben, der die
1219 Vgl. dazu den Abschnitt zu Schatzpraktiken und dem Verhältnis von Tauschökonomie und Schatzökonomie in: Burkart: Blut, S. 64 – 74. 1220 Müller: Pays Rhénans, S. 130.
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Anschläge der Feinde zu vereiteln wüsste“1221. Doch dazu war er auf Dauer nicht in der Lage, obwohl die Mittel des Papstes und des Landesherren während des gesamten Pontifikats immer stärker ineinanderflossen und kaum noch zu trennen waren. Insbesondere bei dem Versuch, die Mitgift für die Papsttocher Margarethe zusammenzuziehen, wurde sichtbar, dass Felix V. die Ressourcen seines vormaliges Herzogtums mehr und mehr für den Obödienzkampf im Reich einsetzte und Teile des päpstlichen Schatzes, der größtenteils vom savoyischen Hof stammte, wieder als savoyische Pfandmittel genutzt wurden. Im Folgenden wird gezeigt, dass Felix V. darüber hinaus Savoyen ganz direkt als Patrimonium Petri auffasste. Dies führte zu der eigentümlichen Konstruktion, dass Felix V. als Papst und zugleich auch als Landesherr über Savoyen herrschte, wie im folgenden vierten Teil detailliert dargelegt wird.
3.7 Savoyardisierung Roms in Basel Felix V. und das Konzil von Basel haben nicht nur eine Imitation des römischen Modells angestrebt, um als legitime Leitung der Universalkirche anerkannt zu werden, wie von der Forschung bislang vor allem betont. Das römische Modell wirkte prägend auf Verwaltungsprozesse, die Rechtsprechung ebenso wie zeremonielle Abläufe. Dabei ist freilich bislang in den Hintergrund getreten, dass die Umsetzung des römischen Modells von Felix V. und seiner Entourage savoyisch ausgestaltet wurde. Den Pontifikat Felix’ V. zeichneten vor allem die deutlichen Überblendungen herzoglich- savoyischer Herrschaftszeichen mit denjenigen der römisch-päpstlichen Tradition aus. Aus der Analyse von Inventaren, Rechnungen und Protokollen wie auch historiographischen Berichten konnte deutlich gemacht werden, dass der savoyische Papst Felix V. die Freiräume, die das päpstliche Zeremoniell ließ, visuell nutzte, um in den repräsentativen Akten seine Dynastie – und damit sich und sein Geschlecht, das savoyische Herzogshaus – mit der römischen Tradition und der Petrusnachfolge zu verknüpfen und damit zu erhöhen. Entsprechend oszillierte die päpstliche Aneignung Basels zwischen ‚savoyisch‘ und ‚römisch‘. Daraus wird erkennbar, dass savoyische Herrschaftspraktiken sich flexibel in das päpstliche Zeremoniell einfügen ließen und der bislang konziliar genutzte Machtraum in Basel savoyisch-päpstlich umkodiert werden konnte.
1221 Piccolomini, Epistule secualres, ed. van Heck, Epistula Nr. 32, S. 104: […] considerantibus Patribus, quantum oporteret in hoc tempore uirum habere potentem, qui aduersarii conatus infringeret.
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Die in der jüngeren Forschung stark betonte Imitation Roms in Basel war vorrangig savoyisch ausgestattet. Diese savoyische Interpretation des römischen Modells kennzeichnete sichtbar den spezifischen Charakter des letzten Gegenpapstes. Auch wird hier ein Unterschied zwischen konziliarer und päpstlicher Legitimationsstrategie erkennbar: Das Konzil formulierte die Einhaltung des römischen Zeremoniells und der päpstlichen Tradition schriftlich, d. h. vor allem in der ausufernden Selbstdokumentation des Konzils selbst und in den historiographischen Berichten, etwa von Enea Silvio Piccolomini, aber auch in der Konzilschronik des Johannes von Segovia. Währenddessen tritt aus Berichten über den Einzug von nicht-konziliarer Seite die savoyische Optik Felix’ V. hervor. Als Ergebnis dieses Abschnitts wird eine Präzisierung des imitatio-Romae-Modells vorgeschlagen: Die zentrale Legitimationsstrategie Felix’ V. bestand in einer Savoyardisierung des Römischen Modells. In seiner Person vereinigten sich in Basel damit zwei komplementäre Elemente: Römische Tradition und savoyische Macht.
4. Savoyen als Patrimonium Petri (1442 –1449/51) Nach der ergebnislosen Zusammenkunft Felix V. mit König Friedrich III. verließ der Papst das Konzil und Basel und residierte ab November 1442 wieder dauerhaft in Savoyen. Damit verlegte er auch seine päpstliche Kurie von Basel an den Genfer See und hielt sich abwechselnd in den herzoglichen Residenzen Ripaille und Evian oder in Lausanne auf. Ab März 1444 lebte er dauerhaft in Genf, vorzugsweise im Dominikanerkonvent Plainspalais vor den Mauern Genfs, auf savoyischem Gebiet. Sein vormaliges Herzogtum stellte inzwischen den Kern seines Obödienzgebiets dar, da sich der Großteil der europäischen Mächte vom B asler Konzil und seinem Papst abgewandt hatte. Die Machtpotentiale seiner Landesherrschaft hatten das B asler Konzil im November 1439 bewogen, den savoyischen Herzog Amadeus VIII . zum Papst Felix V. zu wählen. Enea Silvio Piccolomini hob in seinem Bericht über das Basler Konklave die Fähigkeiten des erfolgreichen Herzogs heraus, der einen Fuß in Italien und einen in Frankreich habe; zudem bedürfe es in stürmischen Zeiten eines starken Steuermannes (gubernator)1222. Wie vom Konzil erwartet, nahm Felix V. während seines Pontifikats sein vormaliges Herzogtum stark in Anspruch, denn er begriff Savoyen als Substitut für das eigentliche Patrimonium Petri, auf dessen Länder in Mittelitalien und Rom er wegen des Schismas keinen Zugriff hatte. Die Analogisierung von Savoyen und dem Patrimonium Petri fand wortwörtlich statt: Felix V. erwirkte im Laufe seines Pontifikats von den B asler Konzilsvätern für seine finanziellen Bedürfnisse, die er offenbar nicht allein aus der herzoglichen Kasse bestreiten wollte und konnte, die Erlaubnis, sich in Savoyen eine Reihe von Pfründen „anstelle des Kirchenstaates“ (loco patrimonii ecclesie), anzueignen 1223. Die Konzils-Dekrete Etsi Inscrutabili von 1442 und Rerum Dispensationem von 1446 sanktionierten in der Folge diese Übertragung des Konzepts Patrimonium Petri auf Savoyen. Unter diesen Pfründen befand sich seit März 1444 auch der Bischofsstuhl von Genf, den Felix V. als Administrator einnahm. Während im vorherigen Teil nachgewiesen werden konnte, dass für die legitima torische Argumentation des Basler Papsttums eine Rom-Notwendigkeit bestand, soll in diesem Teil dargelegt werden, dass dies auch für das Patrimonium Petri galt. Diese Länder der Kirche stellten die materielle Grundlage für das Papsttum dar, sowohl aus
1222 Vgl. dieses Buch, S. 112. 1223 CB VII, S. 336; vgl. dieses Buch, S. 315.
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finanzieller Hinsicht als auch aus Sicherheitsgründen. Ohne diese territoriale Basis war das Papsttum im 15. Jahrhundert nicht mehr funktionsfähig. Diese territoriale Abhängigkeit des Papsttums wurde auch in den Reformdekreten des Basler Konzils berücksichtigt, da es die Einkünfte des Papstes aus dem Patrimonium Petri von den Regelungen des Annatendekrets ausnahm. Es entspricht der Logik dieser päpstlichen Territorialität, dass Felix V. sein vormaliges Herzogtum Savoyen als Ersatz für das eigentliche Patrimonium Petri begriff. Zugleich wird damit die für Basel bereits beschriebene Legitimationsstrategie einer ‚Savoyardisierung Roms‘ auf ein Territorium übertragen: Die Analogsetzung des Herzogtums Savoyen mit dem Patrimonium Petri führte zu einer Erhöhung Savoyens als Land des Papstes und damit zu einer sakralen Überhöhung als Heiliges Land – das legt zumindest die im Genfer Altar dargestellte Repräsentation Savoyens nahe. Im Folgenden werden zunächst die normativen Voraussetzungen für den Benefizienerwerb Felix’ V. dargelegt. Dann wird die besondere Bedeutung der Bischofsstadt Genf für Felix V. und sein Papsttum wie auch für das Herzogtum Savoyen herausgestellt – unter anderem durch eine Analyse des ‚Wunderbaren Fischzugs‘ auf dem Genfer Altar von Konrad Witz. Die Rolle Savoyens und Genfs wird darüber hinaus in den Verhandlungen über den Rücktritt Felix V. deutlich, die hier dargestellt werden. Das Ende seines Pontifikats führte zu einer noch engeren Verbindung zwischen der geistlichen und säkularen Sphäre innerhalb des savoyischen Herzogshauses, da der abgedankte Gegenpapst Felix V. als Kardinallegat Amadeus weiterhin über sein vormaliges Obödienzgebiet bestimmte. Nach seinem Tod 1451 gelang es durch Konkordate zwischen den Römischen Päpsten und der Casa Savoia, dieses Verhältnis zu perpetuieren. Zuletzt wird das Begräbnis des Kardinals Amadeus mit den ursprünglichen Planungen verglichen, die der Verstorbene noch als Herzog für seine Bestattung und sein Grab testamentarisch verfügt hatte. Die Umsetzung wich in aufschlussreichen Punkten ab und spiegelt den erstaunlichen Weg des letzten Gegenpapstes zwischen 1439 und 1451 wieder.
4.1 Die Benefizien Felix’ V. Das Basler Konzil hatte sich als zentrale Aufgabe eine umfassende Kirchenreform gesetzt und zwischen 1433 und 1436 verschiedene ambitionierte Reform-Dekrete erarbeitet und beschlossen. Insbesondere die Dekrete De electionibus et confirmationibus episcoporum et prelatorum (12. Sessio, 13. Juli 1433), De annatis (21. Sessio, 9. Juni
Die Benefizien Felix’ V.
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1435) und De reservationibus (23. Sessio, 25. März 1436)1224 betrafen die päpstliche Ämterbesetzung und die damit in engem Zusammenhang stehenden Finanzen des Papstes. Darin wurden Annaten und Reservationen ersatzlos gestrichen, mit weitreichenden Folgen, denn diese Vorrechte und Zahlungen bei Vergabe von kirchlichen Ämtern an den Papst stellten eine Haupteinnahmequelle des Papsttums dar. Es ist daher nicht erstaunlich, dass Papst Eugen IV . deren kompensationslose Abschaffung ignorierte; diese Haltung führte neben anderen grundsätzlichen Konflikten zwischen Papst und Konzil schließlich zum Schisma von 1439 und der Wahl Felix’ V. durch das Konzil. Felix V. hatte von Beginn seines Pontifikats an versucht, dem Konzil Provisionen abzuringen, um sich finanziell nicht allein auf sein Fürstentum stützen zu müssen. Die Provisionsfrage verhandelten Konzilsvertreter und der Papstelekt von dem Zeitpunkt seiner Wahl an, doch bis zur Krönung Felix’ V. konnte keine Einigung erzielt werden. Im Februar 1440 wurde erstmals innerhalb der Deputatio pro communibus über die künftige Provision des Papstes debattiert. Das Gremium konnte sich jedoch bis April noch nicht einigen und die Frage wurde zunächst vertragt 1225. Erst nach Ankunft und Krönung Felix’ V. in Basel wurde am 4. August 1440 schließlich in einem Dekret seine Versorgung geregelt. Auf Vorschlag des Konzilspräsidenten Aleman sollte der Papst für die Dauer von fünf Jahren ein Fünftel und für die darauf folgenden fünf Jahre ein Zehntel der Jahreseinkünfte aus neuen Kollaturen erhalten und mit diesen Mitteln auch Kardinäle sowie seine Kurienmitarbeiter versorgen 1226. Damit war die Besteuerung der neubesetzten Pfründen, fructus primi anni, wieder eingeführt und das Konzil hatte eines seiner zentralen Reformanliegen, das es in dem Dekret De annatis formuliert hatte, partiell wieder aufgehoben 1227. Die materiellen Erträge aus diesem Dekret hingen dabei von der Öbodienz einzelner Fürsten und 1224 COD, S. 469f., S. 488, S. 505. Zur Debatte um das Annaten-Dekret vgl. Decaluwe: Successful Defeat, S. 166 – 173; Sudmann: Basler Konzil, S. 255; Helmrath: Basler Konzil, S. 331 – 341. 1225 Vgl. dazu die Darstellung der Provisionsverhandlungen bei Eckstein: Finanzlage, S. 39 – 49, der die Protokolle Hüglins der Deputation pro communibus zusammenfasst. Diskussionsgrundlage stellen die Advisamenta de provisione facienda domino nostro Felici V pape necnon dominis cardinalibus et officiariis sedis apostolice dar, die am 1. Februar 1440 erstmals verlesen wurden, vgl. CB VII, S. 57ff. Vgl. dazu auch Mongiano, Elisa: Privilegi concessi all’Antipapa Felice V (Amadeo VIII di Savoia) in materia di benefici, in: Rivista di storia del diritto italiano 52 (1979), S. 174 – 187, S. 176. 1226 Vgl. MC III, S. 498ff., CB VII, S. 225ff., Mansi 29, S. 207 – 211, Eckstein: Finanzlage, S. 52 – 56. 1227 Vgl. COD, S. 488: […] nichil penitus ante vel post exigatur racione litterarum, bulle, sigilli, annatarum, communium et minutorum serviciorum, primorum fructuum, deportuum aut sub quocumque alio titulo […].
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Savoyen als Patrimonium Petri (1442 – 1449/52)
Länder ab und blieben überschaubar. Über die Tätigkeit der Kollektoren und ihre erfolgreiche Einholung dieser Mittel ist keine Auskunft möglich. Die Provisionsfrage jedoch war damit für das Konzil zunächst erledigt. Unter diesen schwierigen Bedingungen, das Papstamt auszufüllen und auch Gesandtschaften auszustatten, kam es Felix V. zugute, dass er sich bereits vor Annahme seiner Wahl von den Generalständen Savoyens eine finanzielle Unterstützung hatte zusichern lassen: in subvencione ingencium onerum […] supportandorum occasione electionis summi pontificis eiusdem domini nostri genitoris ex parte sacri Basiliensis concilii 1228. Zudem gewährten ihm einige savoyische Adelige wie auch das Genfer Domkapitel Sonderzahlungen. Darüber hinaus flossen ihm jährlich 2.500 Florin aus den Einkünfte einzelner Burgvogteien am Genfer See zu, die sein Thesaurar als Recepta locorum, que tenet Sanctissimus dominus noster verbuchte 1229. Doch diese privaten savoyischen Einkünfte reichten bei Weitem nicht aus. Der vom Konzil gewählte Papst litt unter der prekären finanziellen Situation, die durch reformeifrige Konzilsbeschlüsse und die schrumpfende Obödienz entstand. Neben Felix V. hatten auch die in Basel kreierten Kardinäle ein Interesse daran, die päpstlichen Einnahmen zu erhöhen und auf eine breitere Basis zu stellen, da auch ihre Versorgung von der päpstlichen Finanzlage abhing. Auf ihre Initiative ist es zurückzuführen, dass nach langwierigen Verhandlungen schließlich am 19. Januar 1442 das Konzil mit dem Dekret Etsi inscrutabili Felix V. das Recht zusprach, über ein Priorat, eine Abtei und ein Bistum im Herzogtum Savoyen zu verfügen und die Einkünfte daraus zu beziehen. Damit war nach dem Annatendekret auch das Dekret De reservationibus über die Abschaffung von Reservationen (26. März 1436) vom Konzil selbst durchlöchert worden. Denn im Dekret Etsi inscrutabili wurden dem Papst eben diese Vorbehaltsrechte (reservationes) gewährt. Die Entstehungsgeschichte dieses Dekrets, wie sie von Johannes von Segovia im 18. Buch seiner Chronik des Basler Konzils berichtet wird, soll hier kurz nachgezeichnet werden. Die Folgen des Dekrets Etsi inscrutabili (1442) für das Papsttum Felix’ V. werden sodann knapp skizziert. Schließlich soll das Dekret Rerum dispensatione vorgestellt werden, mit dem das Basler Konzil 1446 die Zugriffsmöglichkeiten Felix’ V. auf Benefizien in Savoyen nochmals ausdehnte und sanktionierte. Das Konzil war am 19. Januar 1442 dem Wunsch des Papstes nach Aufstockung seiner finanziellen Ressourcen nachgekommen – und hatte dafür die eigenen Prinzipien partiell aufgegeben. Aufschlussreich ist dabei die Argumentation, mit der die 1228 AST, Arch. Corte, Protocollo ducale 83, fol. 130; AST Protocollo camerale 91, fol. 19 und fol. 62. Vgl. Bruchet: Ripaille, preuve LXXIV. 1229 Dazu gehören die Orte Evian und Féternes, d’Allinges-Thonon sowie de Ballaison und d’Hermance. Vgl. Gonthier, Jean-François: Les éveques de Genève au temps du Grand Schisme 1378 – 1449, in: Mémoires et documents publié par l’Académie salésienne 15 (1892), S. 254.
Die Benefizien Felix’ V.
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Konzilsväter, inklusive Johannes von Segovia, versuchten, die Aufhebung ihrer eigenen Dekrete zu rechtfertigen: In dem Reformdekret von 1436, das sämtliche Reservationen abschaffte, waren diejenigen in terris Romane ecclesie, also in den Ländern der Römischen Kirche, dem Kirchenstaat, explizit ausgenommen. Doch diese standen weder Felix V. noch den Konzilsvätern zur Verfügung. Anstelle der rechtlichen Ansprüche auf Reservationen im Kirchenstaat sollten nun kirchliche Einkünfte aus Savoyen die päpstliche Kurie in Basel versorgen. Dies jedoch nur solange, bis der Papst den Großteil des Patrimonium Petri in Besitz haben würde: […] ut summus Romanus pontifex haberet aut possessionem maioris partis terrarum ecclesie 1230. Kardinal de Varambone formulierte am 22. März 1441 in einem an die Deputation pro communibus gerichteten Antrag ganz explizit den Zusammenhang zwischen Kirchenstaat und Savoyen: So „möge beschlossen werden, dass die Länder des Herzogtums Savoyen diesseits und jenseits der Alpen die Reservationen anstelle des Patrimonium ecclesiae bereitstellen sollen, so lange bis Felix in den Besitz des Kirchenstaates gelangt ist“1231. Er empfahl also, das Herzogtum Savoyen als fingiertes Patrimonium ecclesiae solange anzusehen, bis Felix in den Besitz des ‚echten‘ Kirchenstaats gekommen sei. Diese Idee hatte jedoch zunächst keinen Erfolg, doch blieb der Grundgedanke – Savoyen anstelle des Kirchenstaates in die Pflicht zu nehmen – präsent. Es dauerte noch bis in den Sommer 1441, bis Felix V. sich selbst mit aller Deutlichkeit an die Deputation pro communibus wenden musste. Sein Vizekämmerer Jean de Grôlée sowie sein Sekretär Martin Le Franc stellten am 9. August 1441 den Antrag, die Deputation solle mit Rücksicht auf die finanziellen Opfer des Papstes das Dekret der 23. Sitzung de reservacionibus beneficiorum für das Gebiet des Herzogtums Savoyen und der Grafschaft Genf aufheben. Felix könne bei eintretender Vakanz je eine Kathedralkirche, eine Abtei und ein Priorat reservieren und dieselbe später gegen andere tauschen dürfen 1232. Die Deputatio fidei, in die dieser Antrag wenig später eingebracht wurde, stimmte zu und ordnete die Ausarbeitung eines Entwurfs an 1233. 1230 CB VII, S. 336. 1231 CB VII, S. 336: […] dominia ducatui Sabaudie […] dictas reservationes loco patrimonii ecclesie succedant. 1232 CB VII, S. 404: Secundo quatenus attentis oneribus gravibus, que habet idem dominus noster, et eciam ut provideatur litteratis viris existentibus in concilio, quorum aliqui beneficiis suis sunt privati per Gabrielem, quatenus domini vellent consentire et relaxare decretum de reservacionibus beneficiorum quo ad terras et dominia illustrissimorum dominorum ducis Sabaudie et comitis Gebennarum etc. Vgl. auch MC III, S. 966; Eckstein: Finanzlage, S. 65. 1233 CB VII, S. 405, Anm. 7: Mercurii IX. augusti in deputacione fidei. Venerunt reverendissimus dominus vicecamerarius et magister Martinus, secretarius domini nostri pape Felicis, ex parte eiusdem dicentes onera etc., que sustinuit et sustinet pro ecclesia etc. idem dominus noster, et non habet aliquid de patrimonio ecclesie etc. Ideo petebant exhortando et supplicando, quod in casu imminentis vacationis idem dominus noster possit pro persona sua retinere unam ecclesiam
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Savoyen als Patrimonium Petri (1442 – 1449/52)
Doch die Debatte um die Provisionsfrage verzögerte sich weiter, wobei vor allem politische Rücksichtnahmen auf den laufenden Reichstag in Frankfurt Ursache dieser Verschleppung waren. Erst nach dem weitgehend ergebnislosen Abschluss wurde am 19. Januar 1442 das Dekret Etsi Inscrutabili verabschiedet. Darin wurde Felix V. das Recht eingeräumt, über die Einkünfte aus einem Metropolitansitz, einer Abtei und einem Priorat im Herzogtum Savoyen verfügen zu können, sofern die Vakanz durch Tod eingetreten war 1234. Er erhielt auch das Zugeständnis, diese Benefizien einmal zu tauschen. Auch dürfe Felix, so das Dekret, deren Einkünfte nur solange genießen, bis ihm eine ausgedehnte Obödienz oder der Besitz des Kirchenstaates es erlaube, darauf zu verzichten 1235. Die Aufhebung des Reservationsverbotes durch das B asler Konzil war also an zwei Bedingungen geknüpft, die gleichzeitig gewissermaßen Zielvorgaben darstellten: Das Papsttum nach konziliarer Vorstellung bedurfte einer notablen Obödienz (notabilem obedienciam). Besser noch, weil damit auch die Zugeständnisse bei den Annatenzahlungen überflüssig würden, den Besitz der „größeren Teile der Länder der Kirche“ (possessionem maioris partis terrarum ecclesie Romana), des Patrimonium cathedralem et alteram abbacialem et unum prioratum, cuiuscumque valoris existant, in dicione dominorum ducis Sabaudie et comitis Gebennarum citra et ultra montes, non obstantibus decretis concilii etc. Votis singulorum scrutatis placuit, quod dictus dominus noster possit retinere predicta et admittatur ipsa peticio sive supplicatio, dum tamen per liberum cessum vel decessum vacent et non per privationem. Et ad faciendum formam super hoc ad honorem sacri concilii et sue sanctitatis fuerunt deputati domini episcopus Grossetanus, Thomas de Corcellis, Henricus de Judeis et Antonius de Castillo. 1234 Dekret Etsi inscrutabili, in: AST, Corte, Materie ecclesiastiche, Cat. 45, Mazzo 3, Nr. 8: Sacrosancta generalis synodus Basilienis […] Ad futuram rei memoriam: Etsi inscrutabili […] Conspicimus ipsum pro supportandis ipsius Romana Ecclesie regimine et iugi sarcina alicuius congruentis provisionis suffragio ulterius honorari eidem Sanctissimo Felici pape ut pro mensa et camera sua aliquam cathedralem seu metropolitanam ecclesiam necnon unam Abbacialem dignitatem ac unum prioratum cuiuscumque eciam ordinis seu loco ipsius prioratus quodcumque aliud beneficium ecclesiasticum seculare vel regulare quocumque nomine censeantur et quorum cuiusque annuorum valorum extiterint in dominiis et subditione dilectorum ecclesie filiorum Nobilium virorum ducis Sabaudie et Comitis Gebennarum consistencia cum illa simul vel successive per obitus ipsis impresenciarum presidencium seu ea obtinentium dumtaxat et non alias vacare contigerit que ipse Felix Papa infra vingintiquinque dierum spatium a tempore habite noticie vacacionis cuiuslibet eorum duxerit eligenda sibi reservare et pro se recipere […] 1235 Vgl. Etsi inscrutabili, in: AST, Corte, Materie ecclesiastiche, Cat. 45, Mazzo 3, Nr. 8: […] quo usque notabilem obedienciam in spiritualibus ut summus Romanus Pontifex habuerit aut possessionem maioris partis terrarum ecclesie Romane et ad illam nullomedio pertinentium pacifice adeptus fuerit libere et licite valeat quibusquidem ecclesie Abbaciali dignitati et prioratu aut beneficio per ipsum Felicem Papam post habitam obedienciam seu adeptam possessionem terrarum […]. Datum Basilee, XIIII kl. Februarum Anno a Nativitate domini Millesimo quadrincentesimoquadragesimosecundo.
Die Benefizien Felix’ V.
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Petri. Das Territorium des Papstes sollte die finanzielle Basis des Papsttums bilden, denn einzig durch den Zugriff auf diese materielle Grundlage war die Abschaffung von Annaten und Reservationen überhaupt denkbar. Damit geriet jedoch nicht nur das Patrimonium Petri und damit auch das inzwischen als Fälschung entlarvte Constitutum Constantini in den Blick, sondern Rom insgesamt 1236. Die territoriale Basis wie auch das symbolisch-kultische Zentrum des Papsttums mussten nach der langen Abwesenheit militärisch zurückerobert bzw. als Papstbesitz konsolidiert werden. Auch Eugen IV. verbrachte die meiste Zeit seines Pontifikats außerhalb Roms. Die stabile Herrschaft über das Patrimonium Petri gelang erst im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts 1237. Mit diesem Hinweis in Etsi Inscrutabili werden der Mangel und die Leerstelle der eigenen Situation deutlich: Nicht nur musste „Rom“ in Zeremoniell und Dekor aufwendig inszeniert, auch das Patrimonium Petri musste ersetzt werden – doch das war nur mit erheblichen Folgen zu erreichen. Mit dieser Referenz auf die momentan nicht mögliche Nutzung der Territorien des Papstes musste ihre Substitution unter Preisgabe eines erheblichen Teils des eigenen Reformwerks legitimiert werden. Dies stellte für das Konzil einen schwerwiegenden Schritt dar 1238. Zwar lag die Entscheidungsgewalt noch immer einzig beim Konzil, doch es hatte sich schließlich den Wünschen seines finanziell bedrängten Papstes beugen müssen 1239. 1236 Vgl. mit weiteren Nachweisen Henderson, Duane: Si non est vera donatio. Die Konstantinische Schenkung im ekklesiologischen Diskurs nach dem Fälschungsnachweis, in: Dendorfer/Märtl (Hg.): Nach dem Basler Konzil, S. 283 – 305. 1237 Vgl. dazu Partner: Popes Land. Zur Rolle Giovanni Vitelleschi: Law: Giovanni Vitelleschi, S. 40 – 66. Vgl. zur Diskussion darüber, wer der eigentliche „Gründer“ des Kirchenstaats war – von Innozenz III. (1198 – 1216) bis Julius II. (1503 – 1513) reichen die Positionen – Weiss, Stefan: Delegierte Herrschaft. Innozenz VI., Kardinal Albornoz und die Eroberung des Kirchenstaates, in: Zey, Claudia/Märtl, Claudia (Hg.): Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie. Zum geistlichen und weltlichen Gesandtschaftswesen vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, Zürich 2008, S. 67 – 84, S. 68. Zu den Wiederaufbauleistungen der päpstlichen Residenzstadt Rom unter Martin V. vgl. zusammenfassend Nesselrath, Arnold: Martin V. Restaurator Urbis. Konstanz und die Folgen für die Ewige Stadt, in: Braun, Karl-Heinz (Hg.): Das Konstanzer Konzil (1414 – 1418). Weltereignis des Mittelalters. Essays, Freiburg i. Br. u. a. 2013, S. 219 – 223. 1238 Zur Referenz als Indikator des Mangels vgl. Siegert, Bernhard: Ab-Ort Rom, in: Seitter, Walter/Vismann, Cornelia (Hg.): Römisch, Zürich/Berlin 2006, S. 11 – 18, S. 17. 1239 Stieber: Amédée, S. 361, hingegen betont nicht nur die Schwureinhaltung Felix’ V. und seine Gebundenheit an das Konzil, wodurch das B asler Konzil die absolute Monarchie des Papsttums in eine konstitutionelle umgewandelt hätte. Auch betont er, dass „dieses Reservationsrecht jedoch zeitlich und auf die Person Felix’ V. begrenzt und speziell als Ersatz für das fehlende Einkommen aus dem Kirchenstaat gerechtfertigt wurde.“ Stieber: Felix V., S. 305. Stiebers grundsätzliche Einschätzung, der Pontifikat Felix’ V. habe den Kirchenreformen des B asler Konzils entsprochen, wird aus dieser Argumentation jedoch nicht deutlich.
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Savoyen als Patrimonium Petri (1442 – 1449/52)
An die leere Stelle des Patrimonium Petri rückte nunmehr Savoyen, auch wenn zunächst die Verfügung auf drei Pfründen beschränkt blieb. Mit diesem „kasuistischen Kunstgriff “ wurde es für das Konzil möglich, das Reservationsverbot zu umgehen und die Aufhebung des eigenen Dekrets zu bemänteln 1240. Diese Lösung verdeutlicht – was bereits in dem Reservations-Dekret der 26. Sessio anklingt – die Auffassung des Konzils, dass an den Einkünften des Papstes aus dem Kirchenstaat nichts zu beanstanden war. Daraus sollten ihm Einkünfte ohne weitere Abzüge zukommen, um damit das Personal der Kurie, darunter die Kardinäle, auszustatten. Das Konzil akzeptierte den Papst somit als Territorialherrn über das Patrimonium Petri. Das ist insofern aufschlussreich, als zu diesem Zeitpunkt die „Konstantinische Schenkung“ bereits zweimal unabhängig voneinander – durch Nikolaus von Kues 1433 in Basel im 3. Buch der Concordantia Catholica und durch Lorenzo Valla 1440 in Rom – als Fälschung entlarvt worden war 1241. Die Unentbehrlichkeit einer territorial-materiellen Machtgrundlage für die Kirchenführung ging für die B asler aber noch weiter: Mit der Übertragung des Patrimonium Petri auf das Herkunftsland Felix’ V., Savoyen, wurde die territorialpolitische Machtbasis des Papstes unabhängig von einem konkreten Ort, wenn nicht sogar überörtlich, konzeptioniert. Das Papsttum war für das Basler Konzil ohne das Vorhandensein eines Territoriums, wo auch immer das letztlich liegen mochte, nicht vorstellbar. Ein Patrimonium Petri für das Haupt der Kirche war schlechthin konstitutiv. Es ist für die weitere Argumentation unerlässlich, die strukturelle Besonderheit des Patrimonium Petri und seine Rolle für das Papsttum wie auch die grundsätzliche Problematik der Rolle des Papstes als Landesherrn knapp zu skizzieren 1242. Der Theorie nach war der Papst in seinem eigenen Territorium nicht im Weltlichen, sondern auch im Geistlichen die oberste Autorität. Damit kam er dem biblischen, von Innozenz III. Denn gerade mit der Aussetzung des Reservationendekrets für Felix V. unterlief die Konzilsversammlung die eigenen Prinzipien, die 1446 mit dem Dekret Rerum Dispensationem nochmals erweitert wurden. Zudem offenbarte das Konzil seine Abhängigkeit von ‚seinem Papst‘ spätestens im Sommer 1448, als es in Lausanne bei Felix Zuflucht suchen musste. 1240 Eckstein: Finanzlage, S. 61. 1241 Der dritte Fälschungsnachweis von Reginald Pecock in seiner Schrift Repressor of over much blaming of the clergy ereignete sich 1449. Vgl. mit weiteren Nachweisen Henderson: Konstantinische Schenkung, S. 284. 1242 Vgl. hierzu: Partner:Lands of St. Peter; Esch, Arnold: Bonifaz IX. und der Kirchenstaat, Roma 1969; Schimmelpfennig, Bernhard: Utriusque potestatis monarchia. Zur Durchsetzung der päpstlichen Hoheit im Kirchenstaat mittels des Strafrechts während des 13. Jahrhunderts, in: Kreuzer, Georg/Weiss, Stefan (Hg.): Papsttum und Heilige – Kirchenrecht und Zeremoniell. Ausgewählte Aufsätze, Neuried 2005, S. 197 – 217. Walsh, Katherine: Papsttum, Kurie und Kirchenstaat im späteren Mittelalter: Neue Beiträge zu ihrer Geschichte, in: RHM 16 (1974), S. 205 – 230.
Die Benefizien Felix’ V.
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gern angeführten Priesterkönig Melchisedek (Gen. 14,17 – 19) recht nah. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Päpste während des gesamten Mittelalters nicht in der Lage waren, in ihrem „Staat eine stabile Staatsgewalt zu entwickeln“1243. Stefan Weiss führt dies auf die strukturelle Schwäche der päpstlichen Herrschaft durch ihre Verfassungsstruktur einer Wahlmonarchie zurück. Damit musste „jeder neugewählte Papst gleichsam von Null anfangen, um seine Herrschaft in seinem Reich abzusichern“1244. Ähnlich wie der Kaiser, begannen auch die Päpste im 12. und 13. Jahrhundert eine Art Reiseherrschaft; Rom verlor mehr und mehr seinen Charakter als Papstresidenz, während die Päpste von wechselnden Orten aus den Kirchenstaat regierten 1245. Dies gelang nur mäßig erfolgreich, so dass gegen Ende des 13. Jahrhunderts das Patrimonium Petri eher einem Verbund von Kommunen und kleinen Herrschaften glich, die den Papst zwar nominell als Landesherrn anerkannten, faktisch jedoch „nach Kräften sabotierten“1246. Zudem lag der Kirchenstaat mit offenen Grenzen inmitten der konkurrierenden Mächte Italiens. Dies änderte sich grundsätzlich mit dem Avignoneser Papsttum. Der Papst regierte den Hauptteil seines Landes – Clemens VI. hatte der Königin Johanna von Neapel, Gräfin der Provence, Avignon abgekauft – von einer Exklave aus 1247. Papsttum und Kurie lösten sich mehr und mehr vom Kirchenstaat. „Gerade weil die Verflechtungen schwächer wurden“, konnte der Papst als über den Parteien stehende Macht wahrgenommen werden. Darauf ist auch der explizite Wunsch, der Papst möge nach Rom zurückkehren, etwa von Cola di Rienzi, zurückzuführen 1248. Die Restauration des monarchischen Papats konnte nur durch die Befriedung und vollständige Kontrolle des Kirchenstaates gelingen, der die reale, vor allem auch finanzielle Machtbasis des Papsttums darstellte. Dies gelang nach Martin V. vollständig erst Nikolaus V. (1447 – 1455)1249. Zu diesem Zeitpunkt – nach der Entlarvung der ‚Konstantinischen Schenkung‘ – musste der Anspruch des Papstes auf das Patrimonium Petri freilich neu legitimiert werden 1250.
1243 Weiss: Delegierte Herrschaft, S. 67 – 84, S. 68. 1244 Weiss: Delegierte Herrschaft, S. 68. 1245 Vgl. Paravicini Bagliani: Papst auf Reisen, S. 501 – 515. 1246 Weiss: Delegierte Herrschaft, S. 69. 1247 Vgl. dazu eine neue Gesamtdarstellung des Avignoneser Papsttums mit umfangreicher Bibliographie: Favier, Jean: Les papes d’Avignon, Paris 2006. 1248 Weiss: Delegierte Herrschaft, S. 71. 1249 Siehe hierzu allgemein die entsprechenden Kapitel bei Partner: Lands of St. Peter; Schimmelpfennig: Papsttum, S. 266 – 290; Smolinsky, Heribert: Papstgewalt ohne Grenzen? Papalistische Theorie im Zeitalter der Renaissancepäpste und römisch-italienischer Humanismus, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 11 (1992), S. 71 – 84. 1250 Vgl. dazu Henderson: Konstantinische Schenkung, S. 295 – 296.
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Savoyen als Patrimonium Petri (1442 – 1449/52)
Papst Felix V. legitimierte seinen Anspruch auf verschiedene Benefizien in seinem vormaligen Territorium durch das Dekret des Konzils und agierte auf dieser Grundlage. Seit November 1442 residierte er wieder dauerhaft in Savoyen. Als erstes Ergebnis des Dekrets geschah die Reservation der Benediktiner-Abtei S. Benigno di Fruttuaria in der Diözese Ivrea, die durch den Tod des Abtes Aleramo di Carretto zwischen August und September 1443 vakant wurde 1251. Felix behielt sie bis Mai 1444. Sodann übernahm er bis August 1445 die Abtei S. Michele della Chiusa in der Diözese Turin, die er dann mit der Cluniazenser-Abtei in Payern, Diözese Lausanne, tauschte 1252. Gleichzeitig wurde er Kommendatorabt von St. Viktor vor den Mauern in Genf, das er gegen das Priorat Romainmotier, Diözese Lausanne tauschte. Zuletzt lagen seine Priorate in der Diözese Lausanne, während er die Pfründen im Piemont nicht behalten hatte. Felix’ Orientierung auf die nördliche Alpenseite, die ihn schon als Herzog auszeichnete, während sich sein Sohn Ludwig stärker Piemont zuwandte, wurde hier weiter fortgesetzt. Die Wahrnehmung von Benefizien in der Waad ist freilich auch mit der Stellung dieser Landschaft innerhalb des Herrschaftsverbandes Savoyen zu erklären, denn das Herzogtum hatte hier keine direkten Zugriffsrechte. Die Priorate blieben auch nach dem Tod Felix’/Amadeus’ in den Händen der herzoglichen Familie. Mit dem Dekret Etsi inscrutabili waren für Felix V. auch die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, ein Bistum zu besetzen, sobald eines vakant würde. Dies trat am 7. März 1444 ein, als der Bischof von Genf, Kardinal François de Metz, verstarb. Zwei Tage später berichtet der Notar des Genfer Rates, dass der Kämmerer Felix’ V., Jean de Grôlée, „vom Bistum Genf als Prokurator von Felix V. Besitz genommen hat“1253. Papst Felix V. hatte sich damit selbst zum Bischof (Administrator) von Genf gemacht. Am selben Tag noch forderte er seinen Sohn Ludwig, den amtierenden Herzog von Savoyen, auf, den savoyisch besetzten Genfer Bischofssitz in Thie nunmehr dem Kapitel zurückzugeben – und zwar ohne dabei die mobilen Güter daraus zu entfernen. Die Eingliederung des Bistums Genf in den savoyischen Herrschaftsbereich war nunmehr erfolgt und so war die partielle militärische Besatzung nicht mehr notwendig 1254. Die savoyischen Grafen und Herzöge hatten schon seit langer Zeit versucht, Herrscher über die Stadt Genf zu werden. So bemühten sie sich mehrfach beim Kaiser erfolglos um das Reichsvikariat und Herzog Amadeus VIII. suchte 1419 bei
1251 AST, Corte, Mat. eccl., Abb. di S. Benigno, m. 5, Nr. 10. 1252 AST, BF VI, fol. 27v. 1253 AEG: Pièces historique Nr. 554. Vgl. dazu Mallet, Édouard: Mémoire historique sur l’élection des évêques de Genève. Concile de Bâle – Amédée de Savoie et ses trois petits-fils, in: Mémoires et documents publiés par la société d’histoire et d’archéologie de Genève 5 (1847), S. 127 – 354, pièces justif, Nr. 9. 1254 Mallet: Memoire, S. 146 – 150.
Die Benefizien Felix’ V.
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Martin V. um das Pontifical-Vicariat nach 1255. In der Folge stärkte König Sigismund 1420 schließlich die Bindung zwischen Stadt und Reich sowie Bischof und Reich und schloss alle intermediären Akteure aus: „L’Eglise de Genève, en tant que membre insigne de l’Empire, est immédiatement sujette (immediate subjecta) à nous et au Saint Empire Romain, au point qu’entre nous et ladite Eglise ne se trouve aucun possesseut intermédiaire (nullus possessor medius)“1256. Die verfassungsrechtliche Situation Genfs war damit klar: Es unterstand der Reichsgewalt und wurde von seinem Bischof als Reichsfürst regiert 1257. Um auch institutionell die Macht über Genf zu gewinnen, blieb den savoyischen Herzögen die Option, selbst die Bischöfe zu stellen, oder den Genfer Stuhl mit Protegés oder Angehörigen der Casa Savoia zu besetzen. Dies sollte ihnen ab 1444 für die nächsten fast 100 Jahre auch gelingen 1258. Seit November 1442 residierte Felix V. bereits nicht mehr in Basel, sondern hatte sich vom Konzil an den Genfer See entfernt. Er war mit seiner Kanzlei an verschiedenen Orten der Region präsent, vor allem in Lausanne, in Ripaille bei Thonon, in Evian und ab März 1444 immer wieder auch in Genf 1259. Er residierte dort aber nicht, wie man vermuten könnte, im Bischofssitz innerhalb der Stadt. Er zog er es vor, im Dominikanerkonvent außerhalb der Stadtmauern zu logieren (Sanctum Dominicum extra muros Gebennensis). Die Savoyer waren mit diesem Predigerkonvent, das am heutigen Plainpalais lag, seit der Gründung 1262 eng verbunden und haben nicht nur das Grundstück zur Verfügung gestellt, sondern sich partiell auch dort bestatten lassen 1260. Bei dem stets eher angespannten Verhältnis zwischen den savoyischen Herrschern und Genf war es ausgesprochen günstig, den Konvent außerhalb der Stadtmauern aufsuchen zu können, da sie dafür keinerlei Einverständnis des Bischofs oder der Stadtväter bedurften. Felix V. übertrug die bischöflichen Amtsgeschäfte zunächst seinem Kämmerer Jean de Grôlée, dann Bartholomeo de Vitelleschi, der bereits unter seinem Vorgänger, François de Metz, als Auxiliarbischof in Genf tätig gewesen war 1261. Bartholomeo 1255 Vgl. Turchetti, Mario: Genève à la veille de la réforme, ou comment échapper aux convoitises de la Savoie et à la juridiction de l’Empire, in: Morerod, Jean-Daniel u. a. (Hg.): La Suisse occidentale et l’Empire, Lausanne 2004, S. 187 – 200, S. 191. 1256 Zit. nach Turchetti: Genève, S. 191. 1257 Zu der Frage nach der Stellung des Bischofs von Genf vgl. auch: Thévenaz Modestin, Clémence: „L’Évêque de Genève est-il soumis à l’Empire?“ L’argumentation du Juriste Jean Bagnyon (1487), in: Morerod u. a. (Hg.): La Suisse occidentale, S. 201 – 225. 1258 Vgl. dazu dieses Buch, ab S. 372. 1259 Auch einen Teil seiner Einkünfte bezog er aus Castellaneien am Genfer See, vgl. Gonthier: Évêques, S. 254. 1260 HS IV, Bd. 5, S. 352 – 390. 1261 Zu Bartolomeo Vitelleschi vgl. Märtl: Vitelleschi, S. 3 – 19. Binz, Louis: Un éveque italien réforme les bancs d’église du diocèse de Genève (1443 – 1446), in: Fol, Michel/Sorrel,
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Savoyen als Patrimonium Petri (1442 – 1449/52)
Vitelleschi aus Corneto/Tarquinia war der Neffe von Kardinal Giovanni Vitelleschi, der sich vor allem als hart durchgreifender Wiedereroberer des Kirchenstaates für Eugen IV. hervorgetan hatte: Er fiel jedoch bei Eugen IV. in Ungnade und kam in den Kerkern der Engelsburg unter ungeklärten Umständen ums Leben 1262. Um den Tod seines Onkels zu rächen, wechselte Vitelleschi, seit 1438 Bischof von Corneto, 1440 die Obödienz und wurde in der Kurie Felix’ V. dankbar aufgenommen. Mit Vitelleschi hatte Felix V. einen der fähigsten Kleriker des B asler Konzils für seine Kurie gewinnen können. Dieser war zuvor als Gesandter des Basler Konzils auf den Reichstagen von Mainz und Frankfurt aufgetreten 1263. Der vorherige Bischof von Genf François de Metz hatte ihn 1443 mit einer umfangreichen Visitation der Diözese beauftragt. Diesen Auftrag bestätigte Felix V. am 17. April 1444. Zwei Jahre später entsandte er Vitelleschi erneut, um auch Genf und sein Umland zu visitieren. Von dieser Visitation sind nur die Protokolle für eine Pfarrkirche, St. Gervais, erhalten geblieben 1264. Aus den zwei Aufträgen zur Visitation der Diözese und der Stadt Genf, die Felix seinem Stellvertreter in Genf erteilt hatte, spricht deutlich der Wille des Papstes zur Umsetzung der Basler Kirchenreform in partes1265. Die entsprechenden Reformdekrete des Konzils, vor allem die Regelungen im Bereich der Kirchenzucht und Ketzerbekämpfung, werden explizit benannt. Zudem wird der Visitator aufgefordert, bei Verstößen und Missbräuchen hart durchzugreifen und alle zu Verfügung stehenden Strafen anzuwenden. Mit dem Dekret Rerum Dispensationem billigte das Basler Konzil am 28. Januar 1446 Felix V. ein vollständiges Reservationsrecht auf alle Pfründen und Prälaturen in Savoyen zu, soweit diese durch Wahl zu vergeben waren 1266. Das Dekret sollte nur so
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Christian/Viallet, Hélène (Hg.): Chemins d’histoire alpine. Mélanges dédiés à la mémoire de Roger Devos, Annecy 1997, S. 49 – 57. Binz: Genève, S. 129 – 137. Vgl. auch Helmrath: Lateinische Teilnehmer, S. 173. Vgl. mit weiteren Nachweisen Law: Vitelleschi, S. 55f. Zum Tod Vitelleschis auch: Märtl: Vitelleschi, S. 9. Vgl. zum Briefwechsel zwischen Bartolomeo Vitelleschi und Enea Silvio Piccolomini zwischen 1443 und 1444 Radif, Ludovica: Bartolomeo Vitelleschi corrispondente di Pio II, in: Secchi Tarugi, Luisa (Hg.): Pio II umanista europeo. Atti del XVII Convengo Internazionale, Firenze 2007 (Quaderni della rassegna, 49), S. 301 – 316, S. 307 – 316. Vgl. grundlegend Binz: Genève, S. 198 – 207. Genequand, Jean-Etienne: La Visite de Saint-Gervais en 1446, in: Bulletin de la Société d’histoire et d’archéologie de Genève 14 (1968), S. 3 – 76. Die Visitationsakten: Visitation von 1446: AEG, Evéche, Visites, Nr. 5. Auftrag von Felix V. an Vitelleschi, die Visitationen (1443 – 45) in Genf fortzusetzen, in: AST, BF V, fol. 62 (17. April 1444). AST, BF V, fol. 62 (17. April 1444) und BF III, fol. 285 (11. August 1446). AST, Corte, Mat. eccl., cat. 45, Vol. 3, Nr. 13.: „Sacrosancta generalis synodus Basiliensis […] Rerum dispensationem […] consulamus, ut ea que presentium necessitas temporum propterea
Die Benefizien Felix’ V.
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lange gültig sei, bis das Patrimonium Petri in den Besitz Felix V. gelangt sei 1267. Diese Einschränkung besaß zu diesem Zeitpunkt (1466) nur noch einen fiktiven Charakter. Die Eroberung des Patrimonium Petri war spätestens seit der Parteinahme des aragonischen Königs für Eugen IV., die im Vertrag von Terracina am 14. Juni 1443 bestätigt worden war, unmöglich geworden. Stattdessen hatte das B asler Konzil mit diesen beiden Dekreten endgültig seine Reformpläne für einen Großteil seines Obödienzgebietes aufgegeben. Das ursprüng liche Ziel, die Entscheidungskompetenz der lokalen Kirchenleitungen zu stärken, wurde bereits durch das Dekret Etsi Inscrutabilis (1442) erheblich aus den Augen verloren. Damit war Felix’ V. Zugriff auf ein Priorat, eine Abtei und einen Kathedralsitz in Savoyen und damit in seinem Patrimonium Petri gewährt worden. Durch das Recht, sich durch das Dekret Rerum Dispensationem (1446) alle Pfründen und
rationabiliter statuendi concedendi seu etiam relaxandi deposat favorabili diligentia quantum fieri possit temperemus. Attendentes itaque, quod nos dudum tam super electionibus ad dignitates electivas de personis ydoneis rite faciendis, qua etiam super ablatione reservationum certa decreta successive condentes et edentes in illis dignitates et beneficia ecclesiastica in terris romana ecclesia ratione directi vel utilis dominii subiectis consistencia ad bonum apostolice sedis et ecclesie per expressum excepimus ita, quod summus pontifex de dignitatibus et beneficiis ibidem existentibus per huiusmodi reservationes posset libere disponere. […]. 1267 AST, Corte, Mat. eccl., cat. 45, Vol. 3, Nr. 13.: […] Nunc est quod premissorum consideratione cum matura deliberatione permoti ac etiam, ut eo ecclesiis monasteriis et beneficiis ecclesiasticis in dominus terris et dicione dilecti ecclesie filii Nobilis viri Ducis Sabaudie ac filiorum suorum consistentibus, que convenit ipsum dominum Felicem velut hereditatis sue funiculum inter alia tocius orbis terras et dominia non immerito singularis brachio caritatis amplecti et provisionis intuitu respicere pleniori. […] Et quemadmodum idem dominus papa ea si in terris Romana ecclesia, ut premittitur subiectis et in ipsis decretis exceptis, consisterent iuxta tenorem decretorum eorumdem, posset et deberet ita proformiter in dominiis terris et dicione ducis et filiorum suorum huiusmodi consistentia ubicunque illa consistant. […] Auctoritate universalis ecclesie tenore presentium statuimus ac eitam ordinamus volentes et harum serie litterarum decernentes quod occasione premissorum que propter notoriam et urgentem universalis ecclesie necessitutem ac utilitatem publicam, quas memoratus dominus papa Felix summis presequitur affectibus emanarunt et que propterea ad alias qua ad eius personam extendi districtius inhibemus nullis uniqua futuris temporibus quicunque Romanus pontifex vel alius quaius dignitate preditus in dominiis terris et ditione ducis et filiorum predictorum constitutis ecclesiis monasteriis abbaciis prioratibus dignitatibus et beneficiis huiusmodi sibi quicqua iuris vel dispositionis competere presumat aut habeat in eisdem. Nos etiam ex nunc irritum decerminus et mane siquid alias qua per ipsi dominum papam Felicem obtentu eorumdem premissorum a quoqua etiam summo pontifice auctoritate qualibet in eisdem dominiis terris et dicione ducis ac filiorum huiusmodi necnon super ecclesiis et monasteriis abbaciis prioratibus dignitatibus vel beneficiis huiusmodi scienter vel ignoranter contigerit attemptari. […] Datum Basliee, V. Kl. Februarii, Anno a nativitate Dominis 1446.
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Prälaturen in Savoyen, soweit sie durch Wahl vergeben wurden, zu reservieren, erreichte Felix V. nun die volle Verfügungsgewalt über den kirchlichen Hoheitsbereich seines ehemaligen Territoriums. Damit hatte das savoyische Herrscherhaus, Herzog und Papst, umfassenden Zugriff auf den weltlichen wie den geistlichen Rechtsbereich in seinem Territorium erlangt.
4.2 Päpstlich-herzogliche Hofkultur am Genfer See Johannes von Segovia berichtet, dass Kardinal Nikolaus de Tudeschi und eine Abordnung enger Vertrauter des Papstes – bei diesen intimis domesticis pape handelte sich um den Protonotar Rupecula, den Abt von St. Maurice d’Agaune, Antonio Pyocheti und den Arzt Antonio – der deputatio fidei am 18. Oktober 1442 die Notwendigkeit einer Luftveränderung für Felix V. mitteilten. Diese sei aufgrund seiner schwachen körperlichen Verfassung (propter necessitatem corpore infirmitatis) erforderlich 1268. Sie baten darum, dass neben seiner Kurie auch ein Vertreter aus jeder der vier Deputationen ihn begleiten sollte. Zudem bräuchte der Papst weiteres Personal, um z. B. in Lausanne eine päpstliche Messe feiern zu können, Kantoren etwa, aber auch Kardinäle, von denen vier notwendig wären, um eine päpstliche Messe „ehrlich“, d. h. regelgerecht zelebrieren zu können 1269. Zudem sollten ihn drei Rota-Auditoren, zwei Referendare sowie ein Datar begleiten. Ergänzend benötigte die päpstliche Kurie auch zehn Abbreviatoren und Schreiber sowie sechs Pönitentiare und cursores 1270. Nach der Chronik Segovias waren es gesundheitliche Gründe, weshalb sich Papst und Konzil im November 1442 zumindest räumlich trennten. Aufgrund der zeitlichen Koinzidenz des enttäuschenden Zusammentreffens mit dem deutschen König F riedrich III. in Basel am 15. November und dem Aufbruch des Papstes am 17. November ist ein Zusammenhang zwischen beiden nicht unwahrscheinlich. Felix V. verlagerte mit seiner Kurie auch seinen Herrschaftsmittelpunkt zurück an den Genfer See, wo er sich bereits als Herzog Amadeus VIII. vorzugsweise aufhielt. Fortan standen vor allem die Gebiete seines vormaligen Herzogtums im Fokus seiner Aufmerksamkeit. Dabei ist es für die Zusammensetzung des Basler Papsthofes aufschlussreich, dass nach Angabe Johannes’ von Segovia gemeinsam mit Felix’ V. auch der anwesende savoyische und deutsche Adel Basel verließen, darunter Graf Peter von Genf, der Sohn des 1268 MC III, S. 1242. 1269 MC III, S. 1242: […] de numero vero cardinalium, prout primo ipse avisaverat de hoc, cardinales, quia neque cum paucioribus poterat honeste papales missas celebrare, quod quatuor ituri essent cum eo. 1270 MC III, S. 1242: item auditores tres, referendarii duo et datarius, decemque ex abbreviatoribus et scriptoribus literarum apostolicarum, penitenciarii vero sex totque cursores.
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Papstes. Diese illustre Hofgesellschaft war offenbar seit dem festlichen Einzug des Papstes, an dem sie ebenfalls teilgenommen hatte, beim Papst in Basel geblieben und bildete seine weltliche Entourage 1271. Die am Nordufer des Genfer Sees vis-à-vis von Thonon und Ripaille gelegene Stadt Lausanne stand ähnlich wie Genf unter der Herrschaft eines Fürstbischofs, die Stadt hatte sich zugleich weitgehende Freiheiten vom Kaiser bestätigen lassen 1272. Zugleich war die Waad Teil des savoyischen Herzogtums, wenn auch große Gebiete unter bischöflicher Herrschaft standen. Felix V. arbeitete in Lausanne mit dem dort ansässigen, von Felix entscheidend protegierten Bischof Georg von Saluzzo 1273 eng zusammen. Johannes von Segovia gibt öfter an, der Lausanner Bischof habe für den Papst gesprochen oder an seiner Stelle agiert 1274. Bischof Georg von Saluzzo griff seinerseits in seinen Synodalstatuten von 1447 die Basler Reformdekrete der 21. Sessio vom 9. Juni 1435 auf und verbot unter anderem Schauspiel, Tänze und Gelage in der Kirche 1275. Seine Sorge um den rechten Glauben im Bistum Lausanne steigerte sich in der Folgezeit noch weiter und überstieg das übliche Maß erheblich. Seine Sorge um das Seelenheil und die Reinheit des Glaubens in seiner Diözese ging soweit, dass in Vevey, einer Stadt am nordöstlichen Ufer des Genfer Sees, 1448 eine der ersten Hexenverfolgungen in der Westschweiz stattfand 1276. Bischof Saluzzo war nach den Forschungen von Georg Modestin und Martine Ostorero die „treibende Kraft“ dahinter. Diese Aktivität zur Kreierung einer gottgefälligen Gesellschaft in Savoyen geht, wie bereits dargelegt, weit zurück in die Regierungszeit Herzog Amadeus VIII.
1271 MC III, S. 1243: […] papa vero recessit associatus comite Gebennarum aliisque multis nobilibus ex Sabaudia et Germania. Zu diesem Kreis gehörte neben seinem Sohn auch Nicod de Menthon, der savoyische Admiral, der etwa auch bei den Kardinalskreationen im Oktober 1440 in Basel anwesend war, vgl. dieses Buch, S. 245. Dieser stand weiterhin in der päpstlichen Gunst, obwohl Kardinal Johannes Grünwalder ihn wegen Piraterie zu einer Geldstrafe von 1000 fl. verurteilt hatte, vgl. MC III, S. 1281 – 1282. 1272 Vgl. Morerod, Jean-Daniel: Genèse d’une principauté épiscopale. La politique des évêques de Lausanne (IXe–XIVe siècle), Lausanne 2000; Poudret, Jean-François: La Maison de Savoie évincée de Lausanne par Messieurs de Berne, Lausane 1962; vgl. zum Status von Lausanne auch: Valazza Tricarico, Marie-Ange: Lausanne, ville impériale?, in: Morerod/ Tappy/Thévenaz Modestin/Vannotti (Hg.): La Suisse occidentale, S. 227 – 239, S. 232 – 235. 1273 Vgl. zum Lausanner Bistumsstreit dieses Buch, S. 58. 1274 Vgl. MC III, S. 1244: Ad hec papa post suum recessum, […], respondit per episcopum Lausanensem, […]. MC III, S. 1259: De hoc autem Felix papa non fuit contentus quoniam irrequisito eo, per instrucciones suas cum episcopo Lausanensi […]. 1275 COD, S. 488 – 492. 1276 Vgl. dazu dieses Buch, S. 51. Für die frühe Verfolgung der sog. „Hexen“ in Vevey vgl.: Ostorero: Folâtrer.
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von Savoyen 1277. Sein Selbstverständnis als gottgefälliger Richter schlug sich eindrucksvoll in Saluzzos Repräsentation nieder; so befand sich die heute in Bern aufbewahrte Trajan- und Herkinbaldtapisserie im Besitz des Bischofs von Lausanne. Er integrierte seine Person durch fünfmaliges Applizieren seines Wappen sichtbar in die aufwendige und magnifizierende Darstellung der gerechten Herrschaft, die die Tapisserie zeigt 1278.
Musik am Papsthof Aus päpstlichen Hofrechnungen für das Jahr 1444/45 geht hervor, dass am Papsthof in Lausanne sechs Musiker für ihre Dienste in der Kapelle Felix’ V. entlohnt wurden 1279. Aufgrund der geringen Mitgliederzahl war diese Kapelle in erster Linie wohl für den liturgischen Alltag zuständig. Mit ihr war eine prachtvolle, höfische Musikpraxis kaum erreichbar, da z. B. keine Musiker zur Kapelle gehörten, die Trompete oder ähnliche Alta-Instrumente spielten 1280. Jedoch wird polyphone Musik erklungen sein, da in der Rechnung auch ein Tenor verzeichnet ist 1281. In der päpstlichen Kapelle war auch der Komponist Nicolaus de Merques tätig, dessen Anwesenheit am Basler Konzil bereits seit 1433 nachweisbar ist 1282. Einen Großteil der bekannten Kompositionen Merques’ enthält das für die Musik des 15. Jahrhunderts zentrale Manuskript Trient 92 – 1, das mit einer Handschrift aus Aosta eng verknüpft ist 1283. In beiden befinden sich neben Stücken von Merques wichtige Werke
1277 Vgl. dieses Buch, ab S. 54. 1278 Vgl. dazu: Lehmann: Textiles, S. 33 – 44. 1279 AST, SR, cam. Savoia, inv. 39, fol. 18, vol. 70. Innerhalb der savoyischen Rechnungsbücher sind auch Rechnungen des Lausanner Papsthofs für zwölf Monate ab dem 1. Oktober 1444 enthalten. Weitere Rechnungen konnten bislang nicht gefunden werden. 1280 Bradley, Robert: Musique et musiciens à la cour de Félix V, in: Andenmatten/ Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V, S. 447 – 456, S. 447. Vgl. zu Trompeten und Alta-Instrumenten auch Bölling, Jörg: Zur Bedeutung der Musik im Adventus-Zeremoniell der Vormoderne, in: Johanek/Lampen (Hg.): Adventus, S. 229 – 266, bes. S. 239 – 241. 1281 AST, SR, cam. Savoia, inv. 39, fol. 18, vol. 70, fol. 406r. Vgl. dazu auch Bradley: Musique, S. 448. 1282 Bradley: Musique, S. 448, S. 452. 1283 Vgl. zu den beiden Codices Strohm: Guillaume Du Fay. Nach Strohm wurde das „Repertoire einer heute in Aosta aufbewahrten Musikhandschrift […] wohl nacheinander“ (S. 19) zwischen 1435 und 1445 in den Kapellen von Kaiser Sigismund und seinen Nachfolgern Albrecht II. und Friedrich III. gesungen. Der Codex Trient 92 – 1 könnte seiner Meinung nach von Nicolaus Merques zwischen 1435 – 1440 angefertigt worden sein. Diese Musikhandschriften
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von Guillaume Dufay (1400 – 1474) und Gilles Binchois (1400 – 1460)1284. Diese beiden prominenten Komponisten werden auch im Champion des Dames des Sekretärs Felix’ V. Martin Le Franc bewundernd erwähnt 1285.
sind „als verschriftliches Gedächtnis und musikalische Wertprägung durch denkende Musiker“ (S. 20) zu verstehen. 1284 Zum Trienter Codex 92 – 1: Ward, Tom R.: The structure of Trent 92 – 1, in: Musica Disciplina 29 (1975), S. 127 – 147. Im Trienter Manuskript und dem Aosta-Manuskript stimmen zwei der Wasserzeichen überein, so Ward, S. 144: „This would indicate that this manuscript as well may have been copied for the same purpose. The immediate sources of the repertory could have been the councilar chapel in which Merques had served. Another source may have been the chapel of the duchy of Savoy in which Dufay served in two periods in the 1430s.“ Dies ergibt sich auch aus der Zusammenstellung der einzelnen Werke. In diesem Codex sind 15 der 21 überhaupt bekannten Werke von Nikolaus Merques enthalten. Ward geht weiter davon aus (S. 147), dass das Trienter Manuskript 92 vermutlich in der Region Basel/Straßburg kopiert wurde, um in der Kapelle Felix’ V. benutzt zu werden. Zum Aosta Manuscript: Atlas, Allen W. (Hg.): Dufay Quincentenary Conference, New York 1976, darin auch Cobin, Marian: The Compilation of the Aosta Manuscript: A working Hypothesis, S. 76 – 101; Cobin, Marian W.: The Aosta Manuscript: A Central Source of Early-Fifteenth-Century Sacred Polyphony, Michigan 1978; Strohm, Reinhard: The Rise of European Music, 1380 – 1500, Cambridge 1993, darin zu Dufay: The Age of Dufay and Dunstable, S. 125 – 266. Strohm führt aus: „Das Aosta Manuskript enthält vorrangig Messen und Motetten, keinerlei säkulare Musikformen. Der Kodex ist offenbar durch verschiedene Hände gegangen und die Kopierdaten reichen von 1434 – 42. In der Sektion III, die auf B asler Wasserzeichenpapier kopiert wurde, ist eine Motette Argi vices Polyphemus enthalten, die Nicolas Zacharias zugeschrieben wird. Sie ist zu Ehren Papst Johannes XXIII. angefertigt worden“ (S. 254). Vgl. dazu auch Cobin: Compilation, S. 84. 1285 Vgl. dazu Martin Le Frank Le Champion des dames, Livre IV, 2031 – 2037, ed. Robert Deschaux, Paris 1999, Bd. IV, S. 67 – 69. Vgl. dazu Strohm: Guillaume Du Fay: S. 43 – 44 und S. 30 – 36; Bent, Margaret: The Musical Stanzas in Martin Le Franc’s Le Champion des Dames, in: Haines, John/Rosenfeld, Randall (Hg.): Music and Medieval Manuscripts. Paleography and Performance, Bodmin 2004, S. 91 – 127; Wegmann, Rob: New music for a World grown old, in: Acta musicologica 75 (2003), S. 200 – 241, S. 204; Fallows, Dave: The Contenance Angloise: English Influence on Continental Composers of the Fifteenth Century, in: Renaissance Studies 1 (1987), S. 189 – 208, bes. S. 205 – 208; Roth, Oskar: Marin Le Franc et le débuts de l’humanisme italien, in: Billanovich, Giuseppe/Frasso, Giuseppe (Hg.): Petrarca ad Arquà, Padua 1975, S. 241 – 255. Vgl. auch die Miniatur mit dem Doppelporträt von Dufay und Binchoit in dem Manuskript von Martin Le Franc „Complainte du livre du Champior des dames a maistre Martin Le Franc son auteur“, datiert Arras 1451, BNF, fonds français 12476, fol. 98r., Abb. 3, in: Strohm: Guillaume Du Fay, S. 36.
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Dufay war zwischen 1434 und 1435 Kapellmeister am herzoglichen Hof von Savoyen 1286 und auch in Florenz am Papsthof Eugens tätig. Dort schrieb er für die Weihe des Florentiner Doms Santa Maria del Fiore am 25. März 1436 – vollendet durch den Kuppelbau Brunelleschis – die Motette Nuper Rosarum flores 1287. Im Mai 1438 wurde die Motette Magnanimae gentis in Bern und Fribourg aufgeführt, in der Savoyen als hervorragende Friedensstrifterin (praeclara Sabaudia pacis auctrix) gerühmt wird 1288. Sie gehört zu den sogenannten „Staatsmotetten“1289. Den Winter 1438/39 verbrachte Dufay gemeinsam mit dem Herzogspaar Ludwig und Anne von Savoyen in Pinerolo. Du Fay war 1438 am Basler Konzil anwesend 1290 und von der sich zuspitzenden Konfrontation zwischen Konzil und Papst direkt betroffen. Er war „einerseits dem römischen Papst Eugen IV. als langjähriges Kapellmitglied und Komponist von mindestens fünf wenn nicht mehr Festmotetten und wohl auch persönlich verbunden“ andererseits mit „prominenten Konzilsangehörigen von der Gegenseite befreundet“1291. Der Obödienzstreit führte bei Du Fay zu persönlichen Loyalitätskonflikten, da sein Domkapitel in Cambrai, Du Fays Heimat, auf der Seite Eugens IV. stand, er selbst zugleich von 1431 bis Ende 1443 ein Kanonikat in Lausanne innehatte und weiterhin mit dem savoyischen Hof in engem Kontakt stand 1292. Anlässlich der Hochzeit des Thronfolgers Ludwig mit Anna von Lusignan 1434 hatte Dufay die Hochzeitsmesse komponiert und wurde Anfang der 1450er Jahre mit Hochzeitsmessen für deren Kinder betraut.
1286 Am 21. März 1434 ist Dufay in den savoyischen Hofrechnungen als maestro di capella aufgeführt. Vgl. Planchard, Alejandro E.: Music for the Papal Chapel in the Early Fifteenth Century, in: Sheer, Richard (Hg.): Papal Music and Musicians in Late Medieval and Renaissance Rome, Oxford/Washington 1998, S. 93 – 124, S. 116, Anm. 55 (AST, Sezione II, Inv. 16, Mazzo 35, Reg. 79, fol. 464v.). 1287 Vgl. Planchard: Music, S. 106, S. 117. 1288 Strohm: Guillaume Du Fay, S. 10 und S. 41. 1289 Strohm: Guillaume Du Fay, S. 12 – 14. 1290 Zum Basler Konzil als Zentrum der Musik vgl. künftig: Nanni, Mattheo (Hg.): Urbanität, Identitätskonstruktion und Humanismus: Musik, Kunst und Kultur zur Zeit des B asler Konzils, Basel 2014, im Druck. Strohm: Guillaume Du Fay, S. 18 – 30; Helmrath: Kommunikation, S. 169f. Dazu auch: Tegen, Martin: Baselkonciliet och kyrkomusiken omkr. 1440, in: Svensk Tidskrift för Musikforskning 39 (1957), S. 126 – 131. Bent, Margaret: Ciconia’s dedicatee, Bologna Q15, Brassart, and the Council of Basel, in: Gozzi, Marco (Hg.): Manoscritti di Polifonia nel Quattrocento Europeo: Atti del convento Internazionale di Studi, Trient 2004, S. 35 – 56, S. 44 – 46. 1291 Gülke, Peter: Gedenkvorlesung: „Das motettische Bewusstsein“, Du Fays Weg zur Cantus-firmus-Messe und darüber hinaus, in: Schrammek, Winfried (Hg.): Magister und Musicus, Hans Grüß zum Gedenken, Leipzig 2005, S. 11 – 23, S. 15. 1292 Dazu: Planchard: Music, S. 109, S. 114.
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Diese wenigen Angaben zeigen bereits, dass Du Fay dem savoyischen Hof und Felix V. mindestens so eng verbunden wie Eugen IV. war. Der flämische Komponist entzog sich freilich einer deutlichen Positionierung durch die Rückkehr nach Cambrai. „Für die folgenden zehn Jahre fehlt außer zwei Motetten (1442) jedes mit einem Werk bzw. Auftrag verbundene Datum“1293. Die Anwesenheit von Du Fay, aber auch dem aus Arras stammenden Nicolaus Merques, in Savoyen – dem Transitland zwischen Italien und dem Norden – stellte nach Martin Staehelin eine der Konstanten des 15. Jahrhunderts im Bereich der Musik dar. So wären „die Niederländer“ in einem „erst dünnen, dann immer kräftiger werdenden Strom“ in den Süden gezogen, wo ihnen offenbar an den vielen kulturfreudigen, italienischen Höfen bessere Gehälter gezahlt wurden. Nach Staehelin sind sie es, „die dort, oder in alten Tagen manchmal wieder in die nördliche Heimat zurückgekehrt, innerhalb Europas moderne Musik schaffen. Komponisten etwa wie: Binchois, Busnoys, Brassart, Dufay, Obrecht, Agricola, Josquin des Prez, Heinrich Isaac, de la Rue etc., als Ausnahme der Engländer Dunstable“1294. So habe es „einerseits die Wanderung jener begabten und bedeutenden Musiker aus dem Nordwesten Europas ins sonnige und kulturfreudige Italien und andererseits eine gewisse Rückständigkeit und Armut Deutschlands in der Hervorbringung eigener mehrstimmiger Musik“ gegeben 1295. Das insgesamt recht hohe musikalische Niveau am savoyischen Hof – insbesondere gegenüber anderen Fürstenhöfen im Reich – prägte auch die päpstliche Kapelle Felix V., da der päpstliche Hof einen beständigen Austausch und Kontakt mit der Kapelle des savoyischen Herzoghofs unterhielt 1296. Auch im Bereich der Musik ist damit eine päpstlich-savoyische Hybridbildung zu beobachten, die nicht zuletzt durch die verzahnte Überlieferung der Rechnungsbücher des savoyischen und des päpstlichen Hofs bestätigt wird. 1293 Gülke: Motettisches Bewusstsein, S. 15; Gülke, Peter: Guillaume Du Fay. Musik des 15. Jahrhunderts, Stuttgart u. a. 2003; Lütteken, Laurenz: Guillaume Dufay und die isorhythmische Motette. Gattungstradition und Werkcharakter an der Schwelle zur Neuzeit, Hamburg/Eisenach 1993 (Schriften zur Musikwissenschaft aus Münster, 4); Schuler, Manfred: Zur Geschichte der Kapelle Papst Eugens IV., in: Acta Musicologica 40/4 (1968), S. 220 – 227. Fallows, David: Specific Information on the Ensembles for Composed Polyphony, 1400 – 1474, in: Boorman, Stanley (Hg.): Studies in the Performance of Late Medieval Music, Cambridge 1983, S. 109 – 159. 1294 Staehelin, Martin: Musikgeschichtliche Beziehungen zwischen Deutschland und Italien im 15. und 16. Jahrhundert, in: Guthmüller, Bodo (Hg.): Deutschland und Italien in ihren wechselseitigen Beziehungen während der Renaissance, Wiesbaden 2000, S. 173 – 187, S. 174. 1295 Staehelin: Musikgeschichtliche Beziehungen, S. 178. 1296 Bradley: Music, S. 451.
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Die Bibliothek Felix’ V. Die Trennung vom Konzil sowie die Administration des Genfer Bistums führte zu einer partiellen Erneuerung der Ausstattung Felix’ V. So wandte er sich am 25. Dezember 1443 von Genf aus an den Vikar der Benediktinerabtei S. Pietro de Savigliano in Fruttuaria, Daniele Beggiami, um sich von dort einige Schriften der Kirchenväter auszuleihen, darunter die Enarrationes in psalmos des Augustinus, Flavius Josephus’ De antiquitatibus und De paradiso von Ambrosius und einige Schriften des Hieronymus 1297. Die Abtei Fruttuaria stellte eines der Benefizien Felix’ V. dar 1298. Im April 1445 wurde des Weiteren Giovanni Leporeti pro pena et labore per ipsum habitis in correcione breviarii sanctissimi domini nostri entlohnt 1299. Zur gleichen Zeit wurde auch Jean de Vitry für die Ausführung einer hölzernen Skulptur des Heiligen Felix bezahlt, die anschließend von Jean Bapteur farblich gefasst wurde 1300. Jean Bapteur fungierte am savoyischen Hof über 25 Jahre als Hofkünstler 1301 und war neben zahlreichen Buch- und Wandmalereien auch für das Dekor anlässlich von Festen, Einzügen und Bestattungen zuständig 1302. Auch führte er neben Peronet Lamy einen großen Anteil der aufwendigen Illuminationen der ‚Apokalypse des Escorial‘ aus 1303. Eine weitere Skulptur, die im Auftrag Felix’ V. ausgeführt wurde, kann einem Inventar von 1498 aus Turin entnommen werden. Dabei handelte es sich um den Heiligen Petrus, der in Pontifikalkleidung und Mitra auf einem Thron aus vergoldetem Silber saß und mit der rechten Hand ein leeres Reliquiar hielt, auf dessen Seiten das Wappen Felix’ V.
1297 AST, Corte, Materie Ecclesiastiche, Abbazie, S. Pietro di Savigliano, mazzo 1, Nr. 44: Felix papa quintus. Dilecti filii salutem et apostolicam benedictionem. Nuper vobis mandavimus ut nobis destinaretis libros, videlicet beati Augustini supra Psalterium, Iosephi in Antiquitatibus, Ambrosii de Paradiso, Iheronimi supra epistulam Pauli ad Romanos et flores operum eiusdem. Quod quia minime fecistis aut negligencia aut forte quia breve nostrum non pervenit ad vos, rursus mandamus vobis quatinus eosdem per securum, nulla dilacione interiecta transmictatis ad nos. Retinentes hoc nostrum breve ad memoriam et securitatem monasterii, quia non volumus ipsos libros aliquatenus ab eodem alienare sed tantum eis uti pro aliqua porcione temporis. Datum Gebennis sub anulo piscatoris XXV decembris MCCCCXLIII, pontificatus nostri anno quarto. Martinus. 1298 Von September 1443 bis Mai 1444. 1299 Mongiano: Missel, S. 107. 1300 AST, Corte, Genève, cat. 14, comptes de l’évêché, mazzo 1, Nr. 1, Jean Vieux (1444 – 45), fol. 16v. vgl. dazu Lacroix, Pierre/Renon, Andrée: A propos des stalles de Saint-Claude: quelques notes „savoisiennes“, in: Andenmatten/Paravicini Bagliani (Hg.): Amédée VIII – Félix V, S. 435 – 446, S. 437. 1301 Warnke, Martin: Hofkünstler: Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers, Köln 21985. 1302 Zu Jean Bapteur: Saroni: Biblioteca, S. 78 – 94, S. 78 – 79. 1303 Vgl. dazu dieses Buch, S. 189.
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und die gekreuzten Schlüssel des Heiligen Petrus zu sehen waren 1304. Zudem können der Bibliothek Felix’ V. nach den Angaben eines Inventars des Schlosses Chambéry von 1498 noch drei weitere konzilsspezifische Manuskripte zugeordnet werden 1305. Bedauerlicherweise ist ein Buch mit mehreren Inventaren Felix’ V., das in Lausanne 1449 angefertigt wurde und vermutlich seine gesamte Ausstattung am Ende des Pontifikats verzeichnete, nicht erhalten 1306. Aus einem Inventar der Sainte-Chapelle in Chambéry von 1483 wird zudem deutlich, dass Papst Felix V. zahlreiche Handschriften aus savoyischem Besitz nutzte, so ein großes und ein kleines Missale, ein Epistolarium, ein Evangeliar und einen Psalter 1307. Insgesamt hatte sich Felix V. mindestens neun musikalische Manuskripte von der savoyischen Hofkapelle in Chambéry geliehen, darunter zwei Antiphonare und un graduel destinés au service liturgique et évocateurs de la trame musicale des cérémonies religeuses propres à la Savoie 1308. Demnach folgte die Kapelle Felix’ V. dem Ritus von Besançon 1309. Zwei Missalien, die Felix V. während seines Pontifikats neu anfertigen ließ, sind erhalten geblieben und werden heute in Turin aufbewahrt 1310. Beide weisen sein päpstliches Wappen auf – weißes Kreuz auf rotem Grund überkrönt von der päpstlichen Tiara. Beide sind in dem Inventar der Sainte-Chapelle verzeichnet und detailliert beschrieben 1311: Item aliud missale munus non completum […] cum quatuor fermaliis, 1304 Vgl. Saroni: Biblioteca, S. 67. 1305 Vgl. dazu Saroni: Biblioteca, S. 67. 1306 Vayra, Pietro: Le lettere e le arti alla corte di Savoia nel secolo XV. Inventari dei castelli di Ciamberì, di Torino e di Ponte d’Ain, 1497 – 1498, in: Miscellanea di storia italiana 23 (1884), S. 9 – 248, S. 137. 1307 Vgl. dazu den Auszug ed. in: Edmunds, Sheila: The Medieval Library of Savoy, in: Scriptorium 25 (1971), S. 253 – 284, S. 272 – 273. […] item unum missale scriptum litera romanense cohopertum veluto rubro; item aliud parvum missale scriptum litera parisiense; item epistolarium unum pulchrum et bene scriptum; item evangelarium scriptum de simili litera et cohopertum corio basanico; item psalterium unum scriptum litera comune copertum corio albo; item antiphonarium unum festorum notatum cum psalmis festivis foderatum corio albo; item graduale unum incipiens dominica quarta de adventu sine fermalibus; item unum antiphonarium magnum de tempore sine fermalibus; item simile de sanctis cum fermalibus. 1308 Bouquet-Boyer, Marie-Thérèse: Profil européen et musical de la Savoie au XVe siècle, in: Guidobaldi (Hg.): Regards croisés, S. 18 – 30, S. 28. Vgl. Edmunds, Sheila: The Medieval Library of Savoy, in: Scriptorium 24 (1970), S. 318 – 327. 1309 Planchard: Music, S. 109, Anm. 46, Strohm, Guillaume Du Fay, Martin Le Franc, S. 29. 1310 Biblioteca Reale Turin, MS Var. 168; AST, MS j. b.II.6. Vgl. Edmunds, Sheila: The Missals of Felix V. and early savoyard Illumination in: Art Bulletin 46 (1964), S. 127 – 141, S. 128; Saroni, Biblioteca, S. 68 – 70. 1311 Trésor de la Chapelle des Ducs de Savoie aux XVe et XVI siècles, ed. Adolphe Fabre, Wien 1868, S. 125 – 131, Nr. 211 und 212.
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quorum duo maiores sunt ad arma domini Felicis, minores autem sunt simplices et omnes de argento deaurato. Dieses Missale wird heute in der Biblioteca Reale zu Turin aufbewahrt. Der Eintrag im Inventar für das im Turiner Staatsarchiv aufbewahrte Missale Felix’ V. lautet: Item aliud missale non completum sine kalendario […] cum duobus fermaliis argentei deauratis habentibus ystoriam Annunciationis. Beide Missalien stammen nach stilistischen Kriterien aus der Werkstatt von Peronet Lamy, wie Sheila Edmunds überzeugend dargelegt hat 1312. Lamy war am savoyischen Hof seit Mitte der 1420er Jahre aktiv und stattete unter anderem gemeinsam mit Jean Bapteur die ‚Apokalypse des Escorial‘ aus 1313. Er hielt sich während der Konzilszeit auch in Basel auf, wo er im Auftrag des Paduaner Bischofs Pietro Donato ein Lektionar illuminierte 1314. Beide Messbücher Felix V. stammten aber nicht nur aus einer Werkstatt, sie ergänzten sich auch liturgisch: Das Missale, das in der Biblioteca Reale in Turin aufbewahrt wird, enthält die ordines für die großen Festtage, das andere hingegen nicht 1315. Zudem ist es reich ornamentiert, aber mit farbigen Lettern insgesamt traditionell ausgestattet 1316. Die 112 Initialen des im Turiner Staatsarchiv aufbewahrten Missales zeugen hingegen von größerer ikonographischer Vielfalt. Das prachtvolle Missale der Biblioteca Reale enthält eine fast seitengroße Miniatur, die einen die Messe zelebrierenden Papst zeigt, sowie eine Initiale mit einem Papst, der vor den Passionsinstrumenten kniet, unter denen das felicianische Wappen abgebildet ist. Eine eindeutige Datierung der Handschriften ist bislang nicht möglich. Saroni gibt als Zeitraum die Jahre 1443 bis 1445 an, womit sie während des Aufenthalts in Genf angefertigt wurden. Aus den päpstlichen Rechnungsbüchern für das Jahr 1444 – 45 ist die Zahlung von 10 fl. an den Illuminator Giullaume Pinocti für seine
1312 Edmunds: Missals, S. 138 – 140. Zu Peronet Lamy umfassend: Saroni: Biblioteca, S. 95 – 127. 1313 Ein Großteil dieses Meisterwerks der Buchmalerei entstand zwischen 1428 und 1435 am savoyischen Hof, wurde jedoch erst am Ende des 15. Jahrhunderts vollendet. Die zwischen 1428 und 1435 angefertigten Illuminationen schuf Jean Bapteur, dem ab 1432 Peronet Lamy zur Seite stand. Vollendet wurde die Apokalypse, die heute im Escorial aufbewahrt wird, unter dem Herzog Karl I. von Savoyen zwischen 1486 – 1490 von Jean Colombe. Dazu mit zahlreichen Abbildungen und einem Überblick über die Werksgeschichte: Rivière Ciavaldini: Imaginaires de l’Apocalypse, S. 19 – 24. Vgl. dazu auch: Edmunds, Sheila: Jean Bapteur et l’Apokalypse de l’Escorial, in: Paravicini Bagliani, Agostino (Hg.): Les Manuscripts enluminés des Comtes et Ducs de Savoie, Torino 1990, S. 92 – 104. 1314 Zu den Illuminationen für Bischof Donato, vgl. Saroni: Biblioteca, S. 99 – 106. Lamy fertigte auch im Auftrag von Martin Le Franc für eine Handschrift mit Reden Ciceros Illuminationen an. Vgl. Saroni: Biblioteca, S. 107 – 109. 1315 Saroni: Biblioteca, S. 69. 1316 Vgl. Saroni: Biblioteca, S. 70; Edmunds: Missals, S. 129 – 130.
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Arbeit Illuminacio missalis sanctissimi domini nostri Pape zu entnehmen 1317. Die Summe selbst ist zu bescheiden, um ein ganzes Werk damit zu entlohnen. So ist davon auszugehen, dass Giullaume Pinocti nicht ein vollständiges Missale ausstattete, sondern vielmehr einen Anteil dazu beitrug. Es wird darüber hinaus deutlich, dass Felix V. nach seinem Fortgang aus Basel weiterhin Bedarf an liturgischen und anderen Büchern hatte. Auch bestätigt der Blick auf die Bibliothek Felix’ V. den Eindruck, dass sich die Bestände des savoyischen und päpstlichen Hofs miteinander vermischten und savoyische Hofkünstler Aufträge des Papstes ausführten.
4.3 Der Genfer Altar: Savoyen als Heiliges Land und Patrimonium Petri Die Außentafel des Genfer Altars von Konrad Witz (Abb. 2) entstand 1444 und ist unter dem Titel ‚Der wunderbare Fischzug‘ (‚La pêche miraculeuse‘) bekannt 1318. Sie zeigt eine See- und Berglandschaft, die durch die exakte Darstellung einiger charakteristischer, isomorpher Merkmale der Topographie identifizierbar ist: Durch den zweispitzigen Gipfel des Berges Môle, der sich im Bild mittig hinter dem in ein rotes Übergewand gekleideten und mit einem vegetabil ornamentierten Nimbus ausgezeichneten Christus erhebt, ist das Ufer des Sees als Südufer des Genfer Sees erkennbar. Am rechten Bildrand erscheint zudem der kahle Fels des Petit Salève, und am linken erheben sich die kultivierten Hügel der Voirons. Diese flankierenden Bergrücken definieren den Ausschnitt, den Konrad Witz vom Genfer See bieten wollte. Das eigentliche Geschehen auf dem See stellt Episoden aus dem Neuen Testament dar: Den wunderbaren Fischzug nach Johannes 21,1 – 4 sowie die Errettung des Petrus aus dem Wasser nach Matthäus 14,28 – 33. Beide Szenen sind hier miteinander verknüpft, wobei eine eindeutige Zuordnung kaum gelingt:
1317 Mongiano, Elisa: Le missel de Félix V (Amédée VIII de Savoie), in: Paravicini Bagliani (Hg.): Manuscripts enluminés, S. 105 – 108, S. 106. 1318 Vgl. dieses Buch Abb. 2: Konrad Witz, Der Wunderbare Fischzug, 1444, Außenseite des originalgerahmten linken Altarflügels, Genf, Musée d’Art et d’Histoire, Inv.-Nr. 1843 – 11, Mischtechnik auf Tannenholz, 132x154cm, in: Gantner, Joseph: Konrad Witz, Wien 1942, Tafel II. Der originale Rahmen trägt die Aufschrift hoc opus pinxit magister conradus.sapientis. de.basilea.mccccxliiii. Vgl. zu den Rahmen auch die Angaben in diesem Buch, S. 338. Vgl. zu Darstellung und Bedeutung Savoyens auf dem Genfer Altars auch: Lehmann, Ursula: Von Schätzen und Landschaften: Savoyische Verhältnisse unter Amadeus VIII. – Felix V., in: Müller (Hg.): Ende des konziliaren Zeitalters, S. 83 – 101.
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Abb. 2: Konrad Witz, Der Wunderbare Fischzug, 1444, Außenseite des originalgerahmten linken Altarflügels.
Während das mit Fischen gefüllte Netz auf der rechten Seite des Kahns sowie die Präsenz Christi am Ufer für den ‚Wunderbaren Fischzug‘ nach dem Evangelium des Johannes’ sprechen, ist die Errettung des unsicher und kleingläubig gewordenen Petrus aus dem Wasser, dem der Sohn Gottes die Hand entgegenstreckt, eher der Episode bei Matthäus zuzuordnen. Gegen eine eindeutige Interpretation als Fischzug spricht ebenfalls die Anwesenheit von nur sechs statt sieben Jüngern im Boot sowie die Bekleidung des sich im Kahn befindlichen Petrus. In der nachöster lichen Episode nach Johannes ist von sieben Jüngern die Rede, zudem hat sich Petrus, als er Christus erblickte, dort zunächst ein Obergewand anlegen müssen, weil er dem Fischfang unbekleidet nachging. Entscheidender als die eindeutige Zuordnung dieser Szenen ist jedoch die hier bei Konrad Witz vorgenommene, deutliche Fokussierung auf Petrus. Dies mag sich zunächst daraus erklären, dass die Genfer Kathedrale, für die der Altar bestimmt war, ein Petrus-Patrozinium innehatte. Entsprechend zeigt die zweite erhaltene Außentafel
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Abb. 3: Konrad Witz, Befreiung Petri, 1444, Außenseite des originalgerahmten rechten Altarflügels.
ebenfalls eine Petrusszene, die Befreiung Petri durch den Engel (Abb. 3)1319. Auf beiden Außentafeln ist Petrus mit einer für ihn typischen Barttracht und bekleidet mit einer schlichten, grauen Kutte dargestellt. Auf der Innenseite des rechten Flügels hält Petrus zudem seine Attribute, die beiden Schlüssel, in der einen Hand, während er die andere auf die Schulter des Stifters, François de Metz, gelegt hat und ihn der Gottesmutter empfiehlt, die das Jesuskind auf dem Schoß hält. Während nun die biblischen Szenen auf der Tafel mit dem sog. ‚Wunderbaren Fischzug‘ nicht eindeutig zuzuordnen sind, ist ihr Handlungsort jedoch präzise bestimmbar. Hier wird nicht der See Tiberias in Galiläa gezeigt, auch keine fantas tische, oder ideale Landschaft, sondern der Genfer See mit seinem südlichen Ufer, exakt
1319 Abb. 3: Konrad Witz, Befreiung Petri, 1444, Außenseite des originalgerahmten rechten Altarflügels, Genf, Musée d’Art et d’Histoire, Inv.-Nr. 1843 – 10, Mischtechnik auf Tannenholz, 132x154cm, in: Gantner: Konrad Witz, Abb. 51.
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Abb. 4: Konrad Witz, Der Wunderbare Fischzug, Detail, 1444.
erkennbar durch das Bergpanorama im Hintergrund. Dabei wird zugleich deutlich, was im Bild nicht gezeigt wird: Der Bestimmungsort des Bildes selbst, die Stadt Genf. Von Genf selbst ist nur die Außengrenze am rechten Bildrand angeschnitten: sie wird als eine teilweise recht baufällige gemauerte Einfahrt zum Hafen des Genfer Stadtviertels von St. Gervais dargestellt, an die sich einige brückenartige Pfahlbauten anschließen. Mit der Ausblendung Genfs richtet sich die Aufmerksamkeit auf die gezeigte Landschaft im Hintergrund, die durch die sichtbare Grenze zweifelsfrei als Savoyen zu identifizieren ist: Diese Zuordnung wird noch deutlicher erkennbar, weil zwischen dem Petrus im Boot und dem vordersten Jünger das savoyische Banner – ein weißes Kreuz auf rotem Grund – aufblitzt, das im Hintergrund von einer Reitertruppe mitgeführt wird (Abb. 4)1320. Es sei an dieser Stelle der Frage nachgegangen, warum die Landschaft so dargestellt wurde, dass sie als Savoyen identifizierbar ist, und welchen Bezug Savoyen zu dem Geschehen im Bildvordergrund hat, insbesondere zu dem zweifach dargestellten Petrus. Zudem sollen durch Überlegungen zum Bildaufbau und durch eine Rekonstruktion des Entstehungskontextes mögliche Implikationen vorgestellt werden, warum die auf dem Retabel gezeigte Errettung Petri am savoyischen Ufer des Genfer Sees stattfand. Die neutestamentarischen Episoden im Vordergrund, der Fischzug sowie die Errettung Petri, werden in diesem Bild nach Savoyen verlegt. Christus scheint über savoyischen Kieseln und Wassern zu schweben, während er dem unter einer dunklen
1320 Abb. 4: Konrad Witz, Der Wunderbare Fischzug, Detail, 1444, in: Gantner: Konrad Witz, Abb. 54.
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Wolke im grünen See fast ertrinkenden Petrus seine rettende Hand hinstreckt. Die Verlegung des abgebildeten Heilsgeschehens in seinen Rezeptionskontext und seine durch den Realismus der Witz’schen Darstellung erzielte Vergegenwärtigung könnten dazu führen, die gesamte Landschaftsdarstellung als realitätsgetreu und exakt zu verstehen und damit ihren Konstruktionscharakter wie auch die Darstellungsabsicht dieses Altarflügels zu verkennen. Die Genfer Tafel gilt gemeinhin als die erste „Landschaftsmalerei“ seit der Antike und nördlich der Alpen, doch muss diese Einschätzung präzisiert werden 1321. Der ‚Wunderbare Fischzug‘ von Konrad Witz 1322 ist von der kunsthistorischen Forschung des Öfteren mit dem Gegenpapst und vormaligen Herzog von Savoyen Felix V. in Verbindung gebracht worden. Dies ist keineswegs abwegig, schließlich residierte Felix V. seit November 1442 vorwiegend am Genfer See. Auch nahm Felix V. im März 1444 – unmittelbar vor oder kurz nach der Aufstellung des Retabels in der Genfer Kathedrale 1323 – den Bischofsstuhl von Genf ein. In der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts umschloss das Herzogtum Savoyen die Stadt Genf vollständig. Doch war es Herzog Amadeus VIII. nicht möglich, realen Zugriff auf die Stadt zu erlangen, die aufgrund ihrer Wirtschaftskraft als Messe- und
1321 Als solches sieht es Deuchler, Florens: Konrad Witz, la Savoie et l’Italie. Nouvelles hypothèses à propos du retable de Genève, in: Revue de l’art 71 (1986), S. 7 – 16, S. 10: „Le premier portrait topographique de la peinture médiévale.“ Vgl. dazu auch Deuchler, Florens: Warum malte Konrad Witz die „erste Landschaft“? Hic et nunc im Genfer Altar von 1444, in: Medium Aevum Quotidianum 3 (1984), S. 39 – 49. Teasdale-Smith, Molly: Conrad Witz’s Miraculous Draught of Fishes and the Council of Basel, in: Art Bulletin 52 (1970), S. 150 – 155. 1322 Vgl. zu Konrad Witz den Katalog der Ausstellung im Basler Kunstmuseum von 2011, Brinkmann, Bodo u. a. (Hg.): Konrad Witz, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel, Ostfildern 2011. Für die ältere Literatur: Brenk, Beat (Hg.): Konrad Witz. Hommage au Professeur Joseph Gantner pour ses 90 ans. Konrad Witz. Festschrift zum 90. Geburtstag von Herrn Prof. Dr. Joseph Gantner, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 44 (1987), S. 81 – 139. Sterling, Charles: L’Influence de Konrad Witz en Savoie, in: Revue de l’art, 71 (1986), S. 17 – 32. Rücklin, Françoise: Konrad Witz et ses commanditaires français, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 57 (2000), S. 105 – 130; Franke, Peter: Landschaft und menschliche Gestalt. Zum Auffassungswandel des Landschaftlichen, in: Besch, Ingeborg (Hg.): Von Altdorfer bis Serra. Schülerfestschrift für Lorenz Dittmann, St. Ingbert 1993, S. 34 – 43. Gantner: Konrad Witz, S. 21 – 30. Helmrath: Kommunikation, S. 168 – 169. 1323 Lapaire, Claude/Rinuy, Anne: Le retable de la cathedrale de Genève. Precisions materielles sur l’œuvre de Konrad Witz. Rapport du laboratoire, in: Brenk (Hg.): Konrad Witz, S. 128 – 139, S. 129.
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Bankenstandort sowie ihrer strategischen Lage an der Rhone große Attraktivität besaß 1324. Letztlich versuchten die Savoyer bereits seit 200 Jahren, sich der Stadt zu bemächtigen. Verfassungsrechtlich war der Bischof Herr der Stadt. Seine Zuständigkeit als Reichsfürst umfasste auch die weltlichen Belange von Stadt und Territorium. Was dem Herzog Amadeus VIII. politisch-militärisch oder diplomatisch nicht gelungen war – die Macht über Genf zu gewinnen –, sollte ihm als Papst Felix V. glücken, als er im Frühjahr 1444 das Bistum Genf im Amt eines Administrators übernahm. Nach seiner Abdankung als Papst Felix V. im April 1449 wurde er von Papst Nikolaus V. zum päpstlichen Legaten für Savoyen und benachbarte Diözesen ernannt, er erhielt den Kardinalstitel von St. Sabina und blieb Bischof von Genf. Als solcher starb „le pape qui se fait Evêque de Genève“1325 am 7. Januar 1451 in Genf. Als Bischof von Genf war der ehemalige Herzog von Savoyen damit seit März 1444 de jure Stadtherr und hatte damit ein zentrales Ziel seiner politischen Laufbahn schließlich über seinen Pontifikat erreicht: die Integration Genfs in das savoyische Herzogtum. So ist es wenig verwunderlich, dass in Felix V. mitunter auch der Stifter des Altars vermutet wurde, was jedoch spekulativ und abwegig erscheint, ist doch als Stifter auf der Innentafel des rechten Flügels und durch seine Wappen auf dessen Außenseite eindeutig François de Metz zu erkennen, der von 1426 bis 1444 Bischof von Genf war1326. Der Zusammenhang zwischen savoyischer Landschaftsdarstellung und dem Gegenpapst des B asler Konzils bestand nicht auf der Auftraggeber-Künstler-Ebene, sondern gestaltete sich verborgener, deshalb aber nicht weniger aufschlussreich. Die Genfer Tafel stellt keineswegs das erste exakte Landschaftsbild der Neuzeit dar: Neben ihren identifizierbaren Berggipfeln hat die Landschaft im Hintergrund vielmehr einen eindeutig konstruierten Charakter und zeigt eher eine komprimierte und idealisierende Ansicht des savoyischen Territoriums: So kann etwa der Turm, der sich über dem Kopf des ertrinkenden Petrus erhebt, keinesfalls mit demjenigen von Hermance identifiziert werden. Zwar befindet sich diese savoyische Burg unmittelbar vor den Toren Genfs am südlichen Seeufer, aber ihr Turm ist und war rund und
1324 Vgl. dazu Binz: Genève, S. 102 – 111 und S. 126 – 129. 1325 So Mallet: Mémoire, S. 146; Binz: Genève, S. 118. 1326 Das Wappen des Bischofs ist auf dem Rahmen des rechten Altarflügels mit Stifterbild (innen) und Befreiung Petri (außen) mehrfach aufgetragen. Die Rahmen sind mit der Tafel fest verbunden und zeitgenössisch, wie einschlägige Untersuchungen gezeigt haben: Lapaire/Rinuy (Hg.): Retable, S. 135 und Abb. 2. Zu dem Wappen von de Metz vor allem Ganz, Paul: Les armoiries de François de Mies, évêque de Genève (1428 – 1444), in: Schweizer Archiv für Heraldik 44 (1930), S. 169 – 171. Zu François de Metz vgl. dieses Buch, ab S. 247.
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der hier abgebildete eindeutig viereckig 1327. Auch bietet die Aussicht auf die schneebedeckte Gipfelkette keinesfalls den Blick auf den charakteristischen Grat des Mont Blanc, den Guy de Pourtalès in seinem Roman ‚La Pêche miraculeus‘ von 1929 als das „aus dem schweren, toten Napoleon-Profil bestehende Gebirge“1328 beschreibt, sondern auf eine Bergkettendarstellung voller Steilheit und zackiger Profile, die an steinerne Flammen erinnert. Konrad Witz ist hier im Vergleich zu seiner Bergansicht des Môle erstaunlich unpräzise und bedient sich bei seiner Darstellungsweise einer landschaftlichen Bildhintergrundskonvention, wie sie in der italienischen Malerei seit Mitte des 14. Jahrhunderts zu finden ist. Nach der kunsthistorischen Forschung entspringt diese Darstellung von Bergketten der Vorstellung eines Feuers im Inneren der Erde, das nach Philon von Alexandria, „die Erdmaterie zwingt, sich hoch aufzutürmen, sich zuoberst zusammenzuziehen und schließlich in einer scharfen Spitze“ zuzulaufen, die „die Gestalt des Feuers nachahmt“1329. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass Konrad Witz – seiner Zeit weit voraus – den eindrucksvollen Prospekt des Genfer Sees in unmittelbarer Nähe von Genf topografisch genau abbildete, um eine exakte Darstellung einer bestimmten Landschaft zu erschaffen 1330. Vielmehr ist anzunehmen, dass Teile der Heilsgeschichte in eine erkennbare Landschaft verlegt werden sollten − in eine Landschaft und damit 1327 Hermance war eine seit 1355 von Savoyen abhängige Kastellanei und wurde erst 1816 Teil des Kantons Genf. Der Turm stammt aus dem 14. Jahrhundert, teilweise wird er auch älter datiert. Das Kegeldach hingegen ist nach Ansicht der bauhistorischen Forschung Anfang des 15. Jahrhunderts entstanden, möglicherweise aber auch erst im 19. Jahrhundert als eine Art Belvedere. Vgl. dazu mit weiteren Literaturangaben Bujard, Jacques: Hermance, 1247 – 1997, une ville neuve médiévale, in: Bulletin de la Société d’Histoire et d’Archéologie de Genève 25 (1995), S. 1 – 81, S. 8. Vgl. zu Rundtürmen am Genfer See auch: De Raemy, Daniel: La tour ronde du chateau d’Orbe: une typologie des „donjons circulaires“ revisitée, in: Bissegger, Paul/ Fontannaz, Monique (Hg.): Des pierres et des hommes. Hommage à Marcel Grandjean, Lausanne 1995, S. 175 – 190. 1328 Guy de Pourtalès: La Pêche miraculeus, Genf 1929, S. 292. 1329 Vgl. Perrig, Alexander: Die theoriebedingte Landschaft in der Malerei des 14. und 15. Jahrhunderts, in: Prinz, Wolfram/Beyer, Andreas (Hg.): Die Kunst und das Studium der Natur, Weinheim 1987, S. 41 – 60; zu Philons Schrift Über die Ewigkeit der Welt vgl. S. 46, Anm. 27; vgl. S. 43 zu dem „Gebirgsmassenmodell“ Simone Martinis – Guido Riccio da Fogliano und das belagerte Montemassi, ca. 1330, Fresko, Siena, Palazzo Publico, Großer Ratssaal, westliche Schmalseite. Perrig verweist auf eine ähnliche Bergkettendarstellung bei: Giovanni di Paolo, Anbetung der Könige, Predella, ca. 1450; Tempera auf Holz, 26 x 45 cm; Washington, National Gallery; ähnlich auch bei Fra Angelico: Anbetung der Könige (ca. 1440), Fresko, Florenz, S. Marco. 1330 Vgl. Deuchler: Konrad Witz, S. 39 mit Verweis auf Maurer, Emil: Konrad Witz und die niederländische Malerei, in: Ders. (Hg.): 15 Aufsätze zur Geschichte der Malerei, Basel 1982, S. 45 – 63, S. 56.
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in ein „räumlich verdichtetes Kommunikationsgefüge“, aus dessen Materialisierungen und sozialen Beziehungen Machtstrukturen herauslesbar sind 1331. Mit den zwei Bergen, der Môle und der Petit Salève, sowie der Hafeneinfahrt als Grenze zu Genf werden landschaftliche Markierungen an den beiden seitlichen Bildrändern gesetzt, mit denen der Handlungsort der Petrus-Episoden eindeutig lokalisierbar wird 1332. Innerhalb dieses erkennbaren Rahmens hat das hier dargestellte Savoyen typisierte Züge angenommen. Landschaft und Handlung sind dabei von zwei Ordnungssystemen bestimmt: Zum einen von der Demonstration landesherrlicher Macht und zum anderen von der Präsenz petrinischer Symbole bzw. von Petrus höchstselbst. Die politisch-militärische Herrschaft über das Land wird von dem savoyischen Herzog ausgeübt, wie mehrfach im Bild demonstriert wird. Zunächst heraldisch, denn auf dem Banner, das der bereits erwähnten Reiterstaffel vorangetragen wird, befindet sich das savoyische weiße Kreuz auf rotem Grund. Den Reitern steht eine Gruppe von Bogenschützen gegenüber, die ihr militärisches Handwerk mit Hilfe einer Zielscheibe trainieren. Zwischen ihnen befindet sich die bereits genannte Festung mit einem zinnenbewehrten, weit über den See aufragenden, weißgetünchten Turm. Der Turm als Abbreviatur einer Burg oder eines Schlosses vertritt im gemalten Bild ebenso wie in der Realität den Landesherrn, seine Macht und sein Recht innerhalb des Territoriums 1333. Das hier gezeigte, vom Turm bewehrte Territorium strahlt Frieden, Ordnung und Wohlergehen aus. Die Felder werden bewirtschaftet, wohlgeordnete Baumreihen betonen den durchweg kultivierten Charakter Savoyens, das neben wehrtüchtigen 1331 Krieg, Heinz: Zur Geschichte des Begriffs „Historische Landschaft“ und der Landschaftsbezeichnung „Oberrhein“, in: Kurmann, Peter/Zotz, Thomas (Hg.): Historische Landschaft – Kunstlandschaft? Der Oberrhein im späten Mittelalter, Ostfildern 2008, S. 31 – 64, S. 61. 1332 Vgl. zur Hafenanlage im 15. Jahrhundert: Bonnet, Charles/Broillet, Philippe: Les ports de la place de Longemalle à Genève au Moyen Âge, in: Bolletino storico-bibliografico subalpino, 91,2 (1993), S. 596: Demnach bestand die Hafeneinfahrt aus einem Bogen aus Backsteinen. Vgl. auch mit Karten Broillet, Philippe u. a.: Quelques aspects du réalisme de la „pêche miraculeuse“ de Konrad Witz, in: Genava 44 (1996), S. 71 – 80, S. 72 – 75. Die Anlage eines großen Hafens wurde erst 1667 begonnen, vgl. Frommel, Bénédict: Les Ports, in: Broillet, Philippe (Hg.): Les Monuments d’Art et d’Histoire du Canton de Genève, Bd. I: La Genève sur l’eau, Basel 1997, S. 178 – 193, S. 179 – 181. 1333 Müller, Matthias: Das irdische Territorium als Abbild eines himmlischen. Überlegungen zu den Monatsbildern in den Très Riches Heures des Herzogs Jean de Berry, in: Beyer, Andreas (Hg.): Bildnis, Fürst und Territorium, Berlin 2000, S. 11 – 29, S. 23; Müller, Matthias: Das Schloß als Bild des Fürsten. Herrschaftliche Metaphorik in der Residenzarchitektur des Alten Reichs, Göttingen 2004, S. 151 – 210, S. 330.
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Männern sichtbar auch von tätigen Frauen bewohnt wird, die am Ufer weiße Wäsche waschen. Und während sich über dem See und dem Kahn, mit den in ihm befind lichen Jüngern, düstere Wolken zusammenziehen, wird das sichere Land von Sonnenlicht überstrahlt. So erscheint Savoyen dank seiner tüchtigen Landesherrschaft, die vorrangig militärisch und architektonisch demonstriert wird, als fruchtbares Land, in dem Frieden und Ordnung herrschen 1334. Die savoyische Friedenslandschaft ist nun auf vielfältige Weise mit den dargestellten neutestamentarischen Szenen und petrinischer Symbolik verknüpft: Zunächst wird der ‚Wunderbare Fischzug‘ in savoyischen Gewässern unternommen, deren Fruchtbarkeit und Reichtum in dem prallgefüllten Netz sichtbar vor Augen geführt wird. Zudem wird im Bild durch eine Schäferszene im Hintergrund auf den sich im Johannesevangelium an den ‚Wunderbaren Fischzug‘ anschließenden Auftrag Christi an Petrus Pasce oves meas und damit die Übertragung des obersten Hirtenamtes auf Petrus verwiesen 1335. Sie ist wohl nicht zufällig parallel zu dem Netz der M enschenfischer im Nachen arrangiert. Das mit heimischen Fischen gefüllte Netz wird von einer Gruppe von Jüngern in einen Kahn gezogen, bei dem es sich, wie Guy de Pourtalès berichtet, um eine „richtige alte Genfer ‚Liquette‘ handelte“1336. Aufschlussreich ist bei dieser Gruppe die Blickregie der einzelnen Jünger, von denen nur Petrus Christus erblickt. Ganz im Gegensatz zum Bericht von Johannes erkennt nur Petrus seinen Meister und begibt sich ins Wasser, um Christus entgegenzukommen. Doch wird von Johannes nicht berichtet, dass Petrus beinahe untergeht
1334 Zum appellativen Charakter der frühen Landschaftsbilder vgl. Müller: Territorium, S. 13: „Sowohl in den Wandbildern des Sieneser Palazzo Pubblico als auch in den Monatsbildern der Très Riches Heures des Duc du Berry erblicken wir ‚blühende Landschaften‘, deren Ursachen in einer wohlgeordneten städtischen bzw. landesherrlichen Regierung liegen“. Zu Lorenzettis Fresken vgl. auch Skinner, Quentin: Macht und Ruhm der Republik in den Fresken Lorenzettis, in: Ders., Politische Visionen, Frankfurt 2009, S. 93 – 134; Feldges, Uta: Landschaft als topographisches Porträt. Der Wiederbeginn der europäischen Landschaftsmalerei in Siena, Bern 1980; Casey, Edward: Ortsbeschreibungen – Landschaftsmalerei und Kartographie, München 2006, S. 135 – 148. Grundlegend: Warnke, Martin: Politische Landschaften. Zur Kunstgeschichte der Natur, München 1992, bes. S. 47 – 55. 1335 In dem vatikanischen Tapisserienzyklus nach Entwürfen Raffaels folgt ebenfalls das Motiv der Übertragung des Hirtenamtes auf den Wunderbaren Fischzug. Vgl.: Weddigen, Tristan: Tapisseriekunst unter Leo X. Raffaels Apostelgeschichte für die Sixtinische Kapelle, in: Hochrenaissance im Vatikan. Kunst und Kultur im Rom der Päpste 1503 – 1534, Ausst. Kat., Ostfildern–Ruit 1999, S. 268 – 285, S. 271. Zur politischen Ikonographie des ‚Wunderbaren Firschzuges‘ bes. S. 276 – 278. 1336 De Pourtalès: Pêche miraculeuse, S. 292. Offenbar handelte es sich um einen noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts am Genfer See gebräuchlichen Bootstyp. Vgl. dazu auch die Angaben bei Boillet: Aspects du réalisme, S. 75 – 77.
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und Christus ihn retten muss. Diese Rettung wird von Matthäus berichtet und in ihrer Dramatik von Konrad Witz detailliert in Szene gesetzt: Der bange Blick des Apostelfürsten und die sich im Wasser bauschenden Gewänder transportieren die Untergangsgefahr und die Rettung eindringlich und markieren die akute Krise, in der sich Petrus befindet. Wenn nicht der über dem seichten Ufergewässer schwebende Christus ihm seine Hand entgegenstreckte, um Petrus an Land zu helfen, würde er wohl ertrinken. Dieses rettende Land ist – wie dargelegt – als savoyisches Territorium identifizierbar. Darin liegt nun die entscheidende Aussage der bildnerischen Anlage von Konrad Witz: Ihr Ziel war es, auf der Außentafel des Altarretabels für die Genfer Kathedrale die Rettung des Petrus’ in Savoyen zu verorten. Da diese Darstellung petrinischer Präsenz in Savoyen Anfang der 1440er Jahre am Genfer See entstanden ist, erscheint es verlockend, das bildnerische Konzept als Analogie zur kirchenpolitischen Krise des zeitgleichen Basler Schismas zu lesen. Dazu bedarf es jedoch eines bildkritischen Zwischenschritts sowie einiger Überlegungen zur Rolle Savoyens für das Papsttum Felix’ V.1337. Auf der Außentafel des Genfer Altars sind zentrale Elemente wie Teile der unmittelbar realen Außenwelt arrangiert, die ihrerseits den konstruierten Bildinhalten Authentizität verleihen sollen: Es entstehen Realitätsevokationen durch die Darstellung der beiden Berge, des Bootes, der sich im Wasser bewegenden Kleider oder der
1337 Zu der Debatte um den Umgang der Geschichtswissenschaft mit Bildern vgl. Bickendorf, Gabriele: Bilder als historische Quellen? Ein Problemaufriss, in: Jäger, Jens/Knauer, Martin (Hg.): Bilder als historische Quellen? Dimension der Debatten um historische Bildforschung, München 2009, S. 7 – 26, mit einer umfangreichen Bibliographie S. 24 – 26. Instruktiv sind die Bedenken Gabriele Bickendorfs, Bilder als ‚Quelle‘ zu bezeichnen. Ihr zufolge werde mit diesem Begriff die visuelle Wahrnehmung von Bildern erkenntnistheoretisch sofort mit dem Lesen einer Schriftquelle gleichgesetzt. Diese Analogisierung von Text und Bild müsse aber fehlgehen. Vgl. dazu auch Bickendorf, Gabriele: Die Geschichte und ihre Bilder vom Mittelalter. Zur „longue durée“ visueller Überlieferung, in: Craque, Bernd u. a. (Hg.): Visualisierung und Imagination. Materielle Relikte des Mittelalters in bildlichen Darstellungen der Neuzeit und Moderne, Göttingen 2006, S. 105 – 152, S. 115 – 118; Vgl. auch den Forschungsüberblick von Emich, Birgit: Bildlichkeit und Intermedialität in der Frühen Neuzeit. Eine interdisziplinäre Spurensuche, in: ZHF 35 (2008), S. 31 – 56; Mit aufschlussreichen Einzelstudien: Büttner, Frank/Wimböck, Gabriele (Hg.):Das Bild als Autorität. Die normierende Kraft des Bildes, Münster 2004; Krüger, Klaus: Geschichtlichkeit und Autonomie. Die Ästhetik des Bildes als Gegenstand historischer Erfahrung, in: Oexle, Otto Gerhard (Hg.): Der Blick auf die Bilder. Kunstgeschichte und Geschichte im Gespräch, Göttingen 1997, S. 55 – 90; Roeck, Bernd: Das historische Auge. Kunstwerke als Zeugen ihrer Zeit. Von der Renaissance zur Revolution, Göttingen 2004; zu den theoretischen Grundlagen der Bildwissenschaft: Siegel, Steffen u. a. (Hg.): Verwandte Bilder. Die Fragen der Bildwissenschaft, Berlin 22008.
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Reiterstafette mit Banner im Hintergrund. So werden sie zu dem Bezeichneten und damit Wirklichkeit. Die eigene, für sich selbst sprechende Abbildlichkeit und damit die visuelle Logik insgesamt führen dazu 1338, das savoyische Land als den rettenden Grund für Petrus zu begreifen, legitimiert durch die Präsenz Christi an eben diesem Ort. Diese hier stattfindende Vergegenwärtigung der Heilsgeschichte am konkreten Ort ist dabei zum einen real und zum anderen im Bild selbst reflektiert. Als gestalterisches Mittel dienen dazu die vielfältigen Spiegelungen des Geschehens selbst; insbesondere der Kahn mit den Aposteln wie auch die teilweise verfallene Mauer der Hafeneinfahrt werden im Wasser verdoppelt. Die erlebbare Realität wie auch die Visualisierung von heilsgeschichtlicher Narration werden im Medium gespiegelt und damit Bild- und Abbildhaftigkeit reflektiert, wie auch der Anspruch auf Wirklichkeitsrepräsentation formuliert 1339. Die Betrachter, etwa die Angehörigen der Genfer Kathedrale, denen die Außentafel des Retabels vor Augen war, konnten darin ihre unmittelbare Umgebung erkennen. Zugleich stellt sich die kaum zu beantwortende Frage, wie die Ausblendung ihrer Stadt im Bild aufgenommen wurde: Immerhin überstanden beide Flügel die Zerstörungen im Zuge der Reformation, so vor allem den Ikonoklasmus in der Genfer Kathedrale am 8. August 15351340. Insofern ist auf eine Wertschätzung der Darstellung des Umlands von Genf zu schließen, die keineswegs auf das reale Territorium übertragbar ist. Die Hervorhebung Petrus’ durch den Zeigegestus der Hand Christi aus der Gruppe der Jünger verweist auf Petrus als Apostelfürsten und damit auf das auf ihn zurückgeführte Papsttum. Die Rettung Petri wird auf dieser Außentafel des Genfer Retabels als Rettung des Papsttums repräsentiert, die in Savoyen stattfindet. Damit thematisiert Konrad Witz über die spezifische Rolle des savoyischen Territoriums hinaus grundsätzlich das Territorium als reale Machtbasis für das Papsttum. Er verknüpft in vertikaler Richtung das Haupt des ertrinkenden Petrus mit dem Turm, Zeichen der Landesherrschaft, während der Kopf des Gottessohnes von dem Berg Môle überwölbt wird, dessen Gipfel bis in den Himmel ragt. Nun stellten die Machtressourcen der Landesherrschaft in der Tat das maßgebliche Motiv für die Wahl Felix’ V. zum Papst durch das B asler Konzil dar: Die territoriale Grundlage sowie das erfolgreiche Regiment des Fürsten wurden von Enea Silvio Piccolomini in seiner Konzilsgeschichte (1440) als entscheidende Gründe 1338 Vgl. zu der „eigentümlichen Fähigkeit der Bilder, die Potentiale distanzierter und kritischer Wahrnehmung zu unterlaufen“ und sie als „Spiegelung objektiver Wirklichkeit“ wahrzunehmen, Meyer, Thomas: Politik als Theater. Die neue Macht der Darstellungskunst, Berlin 1998, S. 43. 1339 Vgl. dazu Welzel, Barbara: Vor den Bildern und in den Bildern. Die Gemälde von Jacques Daret in Arras 1435, in: Büttner/Wimböck (Hg.): Bild als Autorität, S. 103 – 127. 1340 Vgl. dazu Lapaire/Rinuy: Retable, S. 129.
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genannt, um den savoyischen Herzog Amadeus VIII. zum Papst zu wählen: In stürmischen Zeiten bedürfe es eines starken Steuermannes (gubernator)1341. Zudem weise der Kandidat günstige ‚geostrategische Merkmale‘ auf, denn er habe „einen Fuß in Italien und einen in Frankreich“1342. Das populäre und gängige Bild des starken Steuermanns wie auch der Kirche als navicula Petri 1343 wird von Konrad Witz jedoch stark modifiziert: Der Steuermann verlässt das Boot, obgleich es heftigen Böen ausgesetzt ist, die das flatternde rote Gewand des am Bug stehenden Jüngers, einer Wetterfahne gleich, anzeigt. Paradoxerweise bleibt der See ganz ruhig und doch geht Petrus fast unter, kurz bevor Christus ihn an das rettende Land führt. Damit ist der Moment der Krise festgehalten. Bei der Rettung des Papsttums fällt Savoyen neben Christus die entscheidende Rolle zu. Der Konnex von Territorium und Papsttum entsteht im Bild, wie es in dieser Unverstelltheit nur in diesem Medium möglich erscheint. In der Not des Petrus’ wird die Krise des Papsttums greifbar und gegenüber Savoyen ein Appell formuliert: In diesem wohlgeordneten, fruchtbaren Land soll sich die Errettung des Papstes vollziehen. Es ist jedoch keine triumphierende Verherrlichung eines monarchischen Papstes zu sehen, sondern eher ein schmuckloses Sich-in-die-Hand-Gottes-Begeben mit starker Reminiszenz an die Apostelgemeinschaft und ihren Auftrag der Seelenrettung. Denn Petrus, nur bekleidet mit seiner grauen Kutte, geht in Gemeinschaft mit anderen Jüngern, wenn auch durch die zweifache Darstellung herausgehoben, in dem Kahn seinem ureigenen Auftrag nach, der Menschenfischerei: Das Netz, zu dessen Handhabung es mehrerer Fischer bedarf, das als Gleichnis bei Matthäus 13,47 für das Himmelreich steht, wird mit großer Lebendigkeit dargestellt und seine Funktionsweise durch den auf dem Netzrand zappelnden Fisch – eine Miniatur des Krisenmoments – eindringlich betont 1344. Zwischen Land und Papst bestand während der Entstehung des Retabels eine wechselseitige, enge Beziehung. Savoyen, das neue Galiläa, wurde durch das Papsttum seines vormaligen Landesherren stark in Anspruch genommen, wie auch umgekehrt
1341 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 250: Vobis eligendus est gubernator qui non solum consiliis sed etiam viribus navim regat. Validus ventus est. 1342 Piccolomini, De gestis, ed. Hay/Smith, S. 250: Amadeus, qui alterum in Italia, alterum vero in Gallia pedem habet. Vgl. zur Verwendung der Steuermannsmetapher dieses Buch, S. 112. 1343 So auch das Basler Konzil in einer Entgegnung auf das Konzil von Ferrara am 15. März 1438, Mansi 29, S. 305: Ut inter varias fluctuum procellas, quibus navicula Petri (sacrosancta videllicet Christi ecclesia) agitur. 1344 Vgl. zu den Fischarten und zur Fischereitechnik: Broillet: Aspects, S. 75 – 77. Vgl. zum Bedeutungshorizont des Netzbegriffs umfänglich: Giessmann, Sebastian: Die Verbundenheit der Dinge. Eine Kulturgeschichte der Netze und Netzwerke, Berlin 2014.
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Felix V. Savoyen ganz wörtlich als Substitut für das eigentliche Patrimonium Petri verstand. So kann die Außentafel des Genfer Altars mit seiner erkennbaren savoyischen Landschaft als Aufforderung verstanden werden, das Territorium in den Dienst Petri zu stellen und ihn ebenso wie seinen in Not geratenen Nachfolger effektiv zu retten.
4.4 Ende des Pontifikats Herzog Ludwig von Savoyen, Sohn des Papstes Felix’ V., stand bereits seit Ende 1445 mit dem französischen König Karl VII. in Kontakt, um über die Abdankung seines Vaters zu verhandeln. Diese Gespräche nahmen im Verlauf des Jahres 1447 an Intensität zu, als sich die Chancen für einen Kirchenfrieden und der Auflösung des Schismas erheblich erhöhten. Denn zum einen war am 23. Februar 1447 der in Basel verhasste römische Papst Eugen IV. verstorben. Als sein Nachfolger wurde am 19. März 1447 im Konklave in Rom Kardinal Thomas Parentucelli, Bischof von Bologna, zum neuen Papst Nikolaus V. gewählt. Er hatte in den 1430er Jahren selbst am Konzil in Basel teilgenommen und war erheblich versöhnlicher als sein Vorgänger gesinnt. Diese friedfertige Grundhaltung merkt man einem Schreiben Nikolaus’ V. an Karl VII. vom 12. Dezember 1447, das sich mit der Beilegung des Schismas befasst, freilich noch nicht an. Darin sanktionierte der Papst im Vorfeld jedes, auch gewaltsames Vorgehen des französischen Königs gegen das Konzil und Felix V., sofern damit nur der Frieden der Kirche wiederhergestellt würde 1345. Zum anderen gaben die Konzilsväter selbst ihren Anspruch auf Superiorität gegenüber dem Papst nach und nach auf und erteilten am 1. April 1447 Felix V. eine Vollmacht, im Namen des Konzils zu handeln 1346. 1345 Vgl. dazu die Instruktionen Nikolaus’ V. an seine Gesandten: Spicilegium sive collectio veterum aliquot scriptorum in Galliae bibliothecis delituerant, Bd. 3, ed. Luc d’Achery, Paris 1723 (Nachdruck Farnborough 1968), S. 774: Nos de omnipotentis Dei misericordia, ac Beatorum Petri et Pauli Apostolorum eius auctoritate confisi, omnibus qui cum Rege aut Delphino praefato contra Amedeum et sequaces eosdem in propriis personis, propriisque expensis processerint, plenam suorum peccatorum veniam indulgemus, et in retributionem iustorum vitae aeternae pollicemur augmentum. Dazu auch: Valois, Noël: La crise réligieuse du XVe siècle. Le Pape et le Concile (1418 – 1450), Bd. 2, Paris 1909, S. 339. 1346 AST, Arch. Corte, Mat. eccl., cat. 45, m. 3; publiziert in: Documents inédits relatifs au concile de Bale (1437 – 1449), ed. Gabriel Pérouse, in: Bulletin historique et philologique du comité des travaux historiques et scientifiques, Paris 1905, doc. XIV, S. 395 – 397: Sacrosancta generalis Synodus Basiliensis in Spiritu Sancto legitime congregata, universalem Ecclesiam representans, […] sicut intelleximus, ipse sanctissimus dominus papa, […] ut nomine, vice et auctoritate eiusdem Synodi, per se vel alium seu alios viros ydoneos quos ad hoc eligendos duxerit sive nominandos, tranctandi, conveniendi, paciscendi, offerendi ac eciam concordandi cum regibus, primatibus, etc., communitatibus Italie et aliarum quarumcumque nacionum, universitatibus,
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Die Verhandlungen zwischen den Kurien in Rom und Lausanne um die Beilegung des Schismas lenkte der französische König Karl VII. über die von ihm dafür betrauten Vertreter Jacques Juvénal des Ursins und den langjährigen Konzilstheologen Thomas de Courcelles 1347. Als weiterer Akteur ist Herzog Ludwig von Savoyen zu nennen, der aufgrund seiner kriegerischen Aktivitäten – insbesondere um das Erbe des letzten Visconti – auf die Rückendeckung Frankreichs angewiesen war und ein vitales Interesse am Rücktritt seines Vaters hatte. Auch musste Ludwig die Absage der bereits lang vereinbarten Hochzeit des savoyischen Thronfolgers Amadeus IX. mit der französischen Prinzessin Yolande befürchten. Karl VII. hatte die französischen Verhandlungsführer instruiert, die insgesamt, vor allem in finanzieller Hinsicht, schwache Position des Fürsten auszunutzen. Dazu sollten sie ausschließlich mit dem Herzog verhandeln und jede Begegnung mit Felix V. sowie dessen diplomatisch versierten Kardinal Aleman oder anderen Basler Konzilsvätern vermeiden 1348. Mit doppelter Strategie versicherte sich der französische König der Unterstützung von vier taktierenden und Basel bzw. Felix V. zuneigenden Kurfürsten, die im Vorfeld der Lyoner Gespräche in Bourges einen vom französischen Königsrat vorbereiteten Vertrag unterzeichnet hatten. Darin wurden Felix V. und den verbliebenen Konzilsvätern ein würdevoller Abgang garantiert 1349. Zudem wurden auch Forderungen formuliert, die von römischer Seite erbracht werden sollten: Von Nikolaus V. wurde erwartet, das Konstanzer Dekret Frequens anzuerkennen und entsprechend für 1451 ein neues Konzil einzuberufen 1350. Im August 1447 verhandelten französische und savoyische Delegationen in Lyon mit Louis Aleman und Johannes von Segovia, den Konzilsvertretern, und mit M artin Le Franc, Nicolas Lamy und Jean de Grôlée, die Felix V. entsandt hatte. Dieses Treffen aller beteiligten Gruppen wurde vom 8. November bis zum 3. Dezember 1447
etc., […] Datum Basilee, kal. aprilis anno a nativitate Domini millesimo quadragintesimo septimo. 1347 Zu Thomas von Courcelles vgl. Müller: Courcelles. Zur Familie Juvénal des Ursins vgl. Müller: Franzosen, S. 393 – 414; zu Jacques Jouvenal des Ursins Gigliotti, Valerio: La Renuntiatio Papae nella riflessione giurifica medioevale (secc. XII–XV), tra limite ed esercizio del potere, in: Rivista di storia del diritto italiano 79 (2006), S. 291 – 401, S. 390, Anm. 318. 1348 Spicilegium, ed. d’Achery, S. 771f., hier S. 771: Item, Et si’il besoin et ils voyent que ce soit le bien des matieres, pourront alles ou envoyer aucuns d’eux par devers mondit Sieur de Savoye, parler à luy, et y besongner ainsi qu’ils verront estre à faire. Item, Et au regard du pere de mondit Sieur de Savoye, semble qu’ils ne y doivent point aller si les choses se peuvent faire autrement: Mais toutesvoies s’ils voient que l’allée d’eux, ou d’aucuns d’eux y feust si prouffitable, que vray semblemment bonne conclusion en peust advenir, ils y iront ou envoyeront, ainsi qu’ils verront estre pour le meieux. Vgl. auch Valois: Crise, S. 331. 1349 Dazu ausführlich Müller: Pays rhénans, S. 127. 1350 Spicilegium, ed. d’Achery, S. 770f.
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in Genf, der Bischofsstadt Felix’ V., fortgesetzt 1351. Die Unterredungen verliefen also keineswegs in der Weise, die Karl VII. sich gewünscht hatte. Anstelle ausschließlicher Gespräche mit dem unter Druck stehenden savoyischen Herzog wurden die Verhandlungen von den Konzilsvätern Louis Aleman und Johannes von Segovia und schließlich von Felix V. selbst unternommen. Diese Verhandlungen betrafen zu einem hohen Anteil Regelungen über Huldigungsgesten und Anredeformen gegenüber Felix V. Es erstaunt wenig, dass der französische König dies hatte vermeiden wollen. Doch es mussten, um nicht gleich zu Beginn die Verhandlungen scheitern zu lassen, Kompromisse zwischen weit auseinandergehenden Positionen gefunden werden: Während Felix V. drei Kniefälle und einen abschließenden Fußkuss erwartete, wollten andere Verhandlungsteilnehmer auf alle Begrüßungsformen gegenüber dem als Häretiker angesehenen Felix V. verzichten. Man einigte sich schließlich auf zwei Kniebeugen vor Felix V., eine am Eingang und eine weitere vor seinem Thron. Ein huldigender Fußkuss und die damit verbundene Anerkennung als legitimer Papst wurden also vermieden. Ähnliches galt auch für die Sprachregelung: Felix’ Gesandte bestanden auf der Anrede clementissime pater 1352, die für die Unterhändler inakzeptabel war. Und so einigte man sich auf excellentissime ou insignissime, clarissime, celeberrime ou prestantissime domine 1353. Zuletzt wurde auch noch das auf den Papst verweisende clementissime dieser Reihe hinzugefügt 1354. Erst im Juli 1448 wurden die Gespräche in Rom substantiell weitergeführt. Zu diesem Zeitpunkt war das Konzil entscheidend geschwächt worden: Der außerhalb der Rücktrittsverhandlungen agierende deutsche König Friedrich III . hatte dem Konzil das freie Geleit entzogen und den Basler Rat aufgefordert, die Konzilsväter aus der Stadt zu vertreiben 1355. Der Rat weigerte sich zunächst, doch war er nach einem Urteil des Kammergerichts in Graz schließlich gezwungen, das Konzil aus Basel auszuweisen. Eine Notariatsurkunde vom 28. Juni 1448 belegt die Mitteilung der Stadt Basel an die verbliebenen Konzilsväter, dass „die Stadt auf den Befehl des Reichsoberhauptes nach Recht und Ehren ihr sicheres Geleit widerrufen könne und
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CB VIII, S. 265 – 428. CB VIII, S. 331. CB VIII, S. 338. CB VIII, S. 339. Diese detaillierten Aushandlungen der jeweiligen Anreden sollten vor Augen führen, dass ahistorische Urteile über ‚Höflichkeit‘ den Umgang zwischen den Verhandlungspartnern nur unzutreffend beschreiben können. In Genf wurde offenbar bis in den letzten Buchstaben und die jeweilige Geste das diplomatisch-politische Werkzeug gebraucht, um überhaupt kommunikationsfähig zu bleiben. Zur Einschätzung eines „höflichen Umgangs der Verhandelnden“ vgl. Stieber: Felix V., S. 307. 1355 Widmer: Geleitbriefe, S. 98.
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müsse“1356. Dazu berief der Rat die Mitglieder des Konzils in das Barfüßerkloster ein. Dort versammelten sich im Refektorium auf der einen Seite der Rat der Stadt, Bischof Friedrich und das B asler Domkapitel, auf der anderen Seite vier Kardinäle und die noch verbliebenen ca. 100 Konzilsväter, darunter Bischöfe, Äbte, Prälaten und Doktoren, die dort das Ende ihres Aufenthalts in Basel vernahmen. Am 4. Juli verließen diese eskortiert von ca. 500 Reitern und Bewaffneten Basel und setzten nach einer 20-tägigen Reise über Solothurn und Bern am 24. Juli ihre Sitzungstätigkeit in Lausanne in Anwesenheit Felix’ V. fort 1357. Zuvor feierten die Konzilsväter am 25. Juni 1448 die letzte, die 45. sessio generalis in der B asler Kathedrale. Darin dekretierten sie, dass in genau drei Jahren ein Allgemeines Konzil in Lyon einberufen werden solle. Zudem verlegten sie das fortdauernde B asler Konzil „in Form, Weis und Gestalt“1358 nach Lausanne. Nach dem Auszug der Konzilsväter ließ Bischof Friedrich von Basel das hölzerne Gestühl im Münster abreißen und die Form, mit der man die Bullen des Konzils gegossen hatte, zerstören 1359. Bereits am 10. Juli 1448 hatte eine hochrangige französische Delegation Rom erreicht, um dort Nikolaus V. als legitimem Papst zu huldigen. Diese späte Obödienzleistung hängt möglicherweise mit der savoyischen Bedingung zusammen, Frankreich solle erst dann in Rom seinen Gehorsam erklären, wenn die Verhandlungen mit Felix V. und dem Konzil abgeschlossen wären. Darauf wurde zwar nicht gewartet, jedoch war Nikolaus V. inzwischen bereit, seine kompromisslose Haltung gegenüber Konzil und Gegenpapst aufzugeben. Er akzeptierte die für Felix günstigen Bedingungen, die in Genf und Lyon ausgehandelt worden waren. Möglicherweise hatten ihn auch der prachtvolle Einzug der Franzosen in Rom und die damit implizierte Hochachtung milder gestimmt. Nach harten Verhandlungen wurden schließlich am 9. und 16. August 1448 verschiedene Bullen verfasst, die Felix V. den Kardinalshut, den Genfer Bischofsstuhl sowie monatliche Zahlungen zusicherten, sofern er dem Frieden der Kirche nicht weiter im Weg stünde. In einer weiteren Bulle wurden außerdem den Anhängern von Konzil und Gegenpapst ausgesprochen günstige Bedingungen gewährt. So wurde in Aussicht gestellt, die Exkommunikationen zurückzuziehen, während sämtliche von Felix gewährte Provisionen und Benefizien ihre Gültigkeit behalten sollten 1360. Die französischen Unterhändler setzten sodann im Herbst 1448 die Verhandlungen 1356 Widmer: Geleitbriefe, S. 98. Die Urkunde ist ediert in: Urkundenbuch der Stadt Basel, Bd. 7, Nr. 171, S. 309f. 1357 Schmidlin, Josef: Die letzte sessio des B asler Konzils, in: Strassburger Diözesanblatt 21 (1902), S. 24 – 30, hier S. 29. 1358 Wurstisen: Chronick, S. 436. 1359 Wurstisen: Chronick, S. 437. 1360 Der Wortlaut beider Bullen in Valois: Crise, S. 342 – 344.
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in Lausanne fort, doch bis Februar 1449 tat sich wenig. Erst die akute Finanznot der Savoyer im Ringen um das mailändische Erbe eröffnete der französischen Seite wieder neuen Spielraum. So wurden schließlich während der gut 18-monatigen Abdankungsverhandlungen Bedingungen erzielt, denen Felix zustimmen konnte. Sie wurden endgültig am 4. April 1449 festgelegt 1361. Am folgenden Tag nahm Felix V. alle Exkommunikationen,
1361 Das Konzil von Basel/Lausanne händigte dem zurückgetretenen Papst Felix am 18. April 1449 zwei Bullen aus, in denen er zum Kardinal von S. Sabina und päpstlichen Legaten erhoben wurde bzw. die ihm die Einkünfte aus seinen bisherigen Pfründen concediert wird: AST, Corte, mat. eccl., cat. 45, Mazzo 3, Nr. 3 und 4. Vgl. dazu auch die Zusammenfassung der Abwicklung der Auflösung des Konzils von einem unbekannten Autor aus dem Umfeld des Konzils, in: Documents inédits relatifs au concile de Bale (1437 – 1449), ed. Gabriel Pérouse, in: Bulletin historique et philologique du Comité des Travaux Historiques et Scientifiques 1905, S. 364 – 399, Nr. 15, S. 397 – 399: April 1449: Consilium Basiliense se transtuli in civitate Lausane, ducatus Sabaudie, et ibi facta est unio sancte matris Ecclesie inter Nicolaum, qui Eugenio successerat defuncto et Felicem. Articuli unionis: Die VII aprilis dominus Felix renunciavit per suam bullam lectam in synodo generali Losanensi papatui iusque dignitati, honori et oneri: synodus tamen nundum est dissoluta, quia ante dissolucionem debent adhuc multa tractari: Primo, debent cassari et annullari omnes censure processusque et fulminaciones contra personas alterius partis, quod iam factum est. Item, debet eligi Nicholaus et declarari quod sibi obediatur tanquam summo pontifici. Dominus Felix debet se habere in omnibus ut papa, salvis quatuor, videlicet quod non deferatur Corpus Christi ante eum, quod non portet crucem in pede, hoc est in sotulari qui alias debet osculari, quod non utatur annullo piscatoris et etiam umbraculo. Erit Felix primus inter cardinales; erit legatus in Sabaudia, in diocesi Lugdunensi citra Rodanum, in diocesi Gratianopolitanensi, Basiliensi, Argentinensi, Constanciensi, Curiensi, Astensi, et in Lombardia usque ad fluvium Ticini. Habebit inibi omnimodam disposicionem beneficiorum omnium, non appellatur ab eo, non tenetur obedire Nicholao; ymo si contingeret eos mutuo se videre, in recognicionem auctoritatis Ecclesie, Nicholaus teneretur assurgere Felici. Providetur Felici de IIm et Va ducatis singulis mensibus super camera apostolica obtinebitque in beneficiis, ultra summam pretactam, usque ad LXta milia in portatis quolibet anno. Remanent omnes cardinales sui in suis titulis et emolumentis, et aliis de parte Nicholai eodem modo intitulatis providetur per Papam super camera. Providebuntur eciam omnes qui fuerunt in Concilio si non sint sufficienter provisi et restituentur ad beneficia sua. Spoliati ergo occasione divisionum beneficiis debent restitui in integrum sed tales spoliati sunt in duplici differencia, quia aliqui sunt presentes et aliqui absentes; sunt facte minute septem bullarum, quarum due sunt huius condicionis, scilicet quod una est cassacionis censurarum et processum contra sequentem partem concilii fulminatarum, alia est restitucionis spoliatorum qui docebunt per testes aliquos, coram uni cardinlai, quod sunt spoliati; tales enim nominatim ponentur in bulla; alia vero bulla est bulla generalis pro aliis et erit similis in effectu et ominino date alterius bulle, et istas bullas debent ambassatores facere expediri sine aliquo custu et in eis erit clausa quod adhibeatur fides transsumptis, etc., (sic). Non admittentur appellaciones in contrarium; in eis continentur graves
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Zensuren und Interdikte zurück und am 7. April 1449 vollzog Felix V. im Franziskanerkonvent von Lausanne mit seiner renuntiatio den Rücktritt von der päpstlichen Würde und unterzeichnete insgesamt drei entsprechende Bullen 1362. Damit beendete er seinen Pontifikat und löste zugleich das B asler Schisma auf. Die Reaktionen auf den kurz vor Beginn des Heiligen Jahres 1450 erreichten Kirchenfrieden waren einhellig positiv 1363: Wurstisen etwa überliefert in seiner Chronik den anlässlich des Rücktritts Felix’ V. kursierenden Ausspruch Lux fulgit mundo, cessit Felix Nicolao 1364. Die Konzilsväter wählten ihrerseits am 19. April 1449 unter der Fiktion der Sedisvakanz Nikolaus V. zum Papst und verkündeten in der 4. Lausanner sessio am 25. April 1449 ein Dekret, in dem das noch währende Konzil für beendet erklärt wurde 1365. Darin wurde aber zugleich auch derjenige Ort für das nächste Konzil bestätigt, den man bereits in der letzten sessio in Basel festgelegt hatte: Lyon 1366. Am 18. Juni 1449 ratifizierte Papst Nikolaus V. offiziell die Entscheidung des Konzils und bestätigte darin nochmals den Legationsbereich von Kardinal Amadeus, zählte dabei jedoch nicht die Diözesen im Einzelnen auf, sondern bezog sich auf den vormaligen Obödienzbereich 1367. Bemerkenswert erscheint die monatliche Pension von 1.500 fl., die Nikolaus V. am 9. August 1449 seinem Kardinal Amadeus aus der apostolischen Kammer zusätzlich zu den Einkünften aus seinen Benefizien
pene contra illos ad quos spectat receptio, etc. (sic). In anno proximo sequenti, annum iubileum, celebrabitur concilium generale Lugduni et se obligat Papa tenere capitulum frequens, etc. (sic). 1362 Mansi 35, Sp. 77: In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti, papatui, eiusdem oneri, honori, dignitati, titulo et possession cedimus et renuntiamus per praesentes. Das Konzil von Basel/ Lausanne händigte dem zurückgetretenen Papst Felix am 18. April zwei Bullen aus. Mit der einen (Nr. 4) wird er zum Kardinal von St. Sabina und päpstlichen Legaten, mit der anderen (Nr. 3) werden ihm die Einkünfte aus seinen bisherigen Pfründen konzediert: AST, Corte, mat. eccl., cat. 45, Mazzo 3, Nr. 3 und 4. 1363 Vgl. die Bedeutung des Kirchenfriedens bei Stieber: Felix V., S. 307 – 310. 1364 Ein Freudenlicht die Welt anleucht, dann Felix Papst Niclausen weicht, vgl. Wurstisen: Chronick, S. 441. 1365 Vgl. Sieber-Lehmann: Basel, S. 14; Helmrath: Basler Konzil; S. 165f., Wackernagel: Geschichte, S. 536f. 1366 Wurstisen: Chronick, S. 442 und Schmidlin: Letze sessio, S. 450: Pro futuro et proximo celebrando concilio inclytam civitatem Lugdunensem in partibus Galliarum. 1367 AST, Corte, Mat. Eccl., cat. 45, Mazzo 3, Nr. 6: […] Dum percipimus Venerabilem et Carissimum fratrem nostrum Amedeum primum Cardinalem Episcopum Sabineni in nonullis provinciis apostolicem sedis Legatum et Vicariumque perpetuum Felicem papam V. tunc in sua obedientia nominatum Iuri quod in papatum asserebant se habere ad huiusmodi pacem ecclesie obtinendam cessisse.
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(6.000 fl.) zusicherte 1368. Am 29. August 1449 ernannte Nikolaus V. Kardinal Amadeus zu seinem Legaten a latere und vollgültigen Stellvertreter in seinem vormaligen Obödienzbereich, der die Diözesen Lausanne, Basel, Genf, Straßburg, Konstanz, Chur und Sitten 1369 umfasste 1370. Ihm wurde damit gestattet, alle Benefizien innerhalb seines Legationsbereichs in den ersten sechs Monaten der Vakanz zu besetzen. Zudem durfte er sämtliche kanonische Wahlen, Pfründenvergaben etc. bestätigen. Auch erhielt er das Vorschlagsrecht bei der Vergabe der Bistümer, der beneficia maiores. Die Reservation der Benefizien der Officialen seines Hofes, die sonst an der Kurie erledigt wurden, oblagen nun ihm selbst und zuletzt wurde ihm auch die Verfügung über die Einkünfte der päpstlichen Kammer aus seinem Legationsbereich gewährt. Freilich behielten nur drei der insgesamt 19 Kardinäle Felix’ V. nach dessen Rücktritt ihren Kardinalstitel: neben Louis de Lapalud wurden die Titel von Jean d’Arces, dem Erzbischof von Tarantaise, und Guillaume Hugues d’Étain von Papst Nikolaus V. bestätigt 1371. Kardinal Louis Aleman, der von Eugen IV. am 28. Mai 1440 seiner Kardinalswürde enthoben wurden, erlangte sie am 19. Dezember 1449 von Nikolaus V. zurück, doch er verstarb wenige Monate später am 16. September 1450 in Salon-deProvence. Nach vielfältigen Wunderberichten, die an seinem Grab geschehen sein sollen, erfolgte am 9. April 1527 schließlich die Seligsprechung dieser entscheidenden Persönlichkeit des Basler Konzils. Die vielen felicianischen Kardinäle, die Nikolaus V. nicht bestätigte und fortan auf den Kardinalshut verzichten mussten, litten deshalb aber nicht bittere Not. So genoss Johannes von Segovia etwa nach dem Ende des Konzils großzügigen Unterhalt und widmete sich in seinem Priorat Aiton, das sich in der Diözese Maurienne in 1368 Vgl. dazu Eckstein: Finanzlage, S. 95, Anm. 3, und Mollat, Guillaume: La Legation d’Amédée VIII de Saovie (1449 – 1451), in: Revue des Sciences Religieuses 22 (1948), S. 74 – 80, S. 74. 1369 Zur Diözese Sitten muss angemerkt werden, dass der dortige Bischof Wilhelm (III.) von Raron (1437 – 1451) schon aus Opposition zu Savoyen, das sich seit dem Vertrag von 1392 aus dem bischöflichen Wallis zurückgezogen hatte, Felix V. nicht als Papst anerkannt hatte. Dazu mit weiterer Literatur Coutaz, Gilbert: Bischöfe Diözese Sitten, in: Patrick Braun u. a. (Hg.): Das Bistum Sitten. Le diocèse de Sion. L’archidiocèse de Tarentaise (Helvetia Sacra, I,5), Basel 2001, S. 208 – 211. 1370 Der Registereintrag der Vatikanischen Überlieferung – das Original ist in Turin nicht erhalten – zeigt die territorialen Ausmaße seines Legationsbereichs an, Archivio Segreto Vaticano, Regristro Vaticano 433, fol. 38r.: Nicolaus episcopus servus servorum Dei venerabili fratri Amedeo, episcopo Sabiniensi, sancte Romane Ecclesie primo cardinali, in provincia, civitatibus et diocesibus atque dominiis tam mediate quam immediate duci Sabaudie subiectis necnon in terris Bernensium, que in diocesi Lausanensi site sunt, nostri et apostolice sedis legato ac in spiritualibus vicario perpetuo. 1371 Müller: Hugues d’Étain, S. 47 – 49, Müller: Courcelles, S. 895.
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Savoyen befand, seiner wissenschaftlichen Arbeit 1372. Auch dem von Felix V. am 6. Juli 1444 zum Kardinal von S. Marco erhobenen Bartolomeo Vitelleschi gelang unter Nikolaus V. eine Fortsetzung seiner Karriere, auch wenn er den B asler Kardinalstitel nicht weiterführen konnte. Dafür ernannte ihn Nikolaus V. 1449 zum Bischof von Corneto/Montefiascone, seiner Heimatstadt und seinem vorherigem Bischofssitz. Er war in der Folgezeit, insbesondere während des Pontifikats von Pius II., stets ein Anwärter auf den roten Hut, der ihm jedoch dauerhaft vorenthalten blieb, bis er 1463 verstarb 1373. Die päpstlichen Registerserien weisen nach der Abwicklung des Konzils einzelne ehemalige Amtsträger der Basler Obödienz nach, die an der römischen Kurie nach einer neuen Tätigkeit suchten 1374. Für Johannes von Segovia hatten die Verhandlungen zwischen dem Konzil, den zwei Papstprätendenten, Savoyen und Frankreich letztlich zu einem Frieden geführt, der von Gott gütig gefügt worden war, da in diesem Friedensschluss die Dekrete Basels unter anderem „unverletzt anerkannt“ wurden 1375. Dies vermerkte er im Vorwort zu Buch 19 seiner Konzilschronik, die er nicht abgeschlossen und damit auch den Friedensschluss nicht ausführlich dargestellt hat 1376. Nikolaus V. ermöglichte diesen Kirchenfrieden, indem er auf überkommene Regelungen nach der Beendigung eines Schismas verzichtete und die von Felix in höhere Würden promovierten Geistlichen nicht in ihren vorschismatischen Status zurückversetzte 1377. Diese Form, die Kirchenspaltung abzuwickeln, blieb hier aus. Stattdessen nahm Nikolaus mit einer Bulle vom 18. Juni 1449 alle gegen Felix V., das Konzil von Basel sowie seine Anhänger verhängten Dekrete und Zensuren zurück 1378. Damit gab es abgesehen von einigen Kardinalstiteln, die Felix verliehen hatte und die 1372 Fromherz: Segovia, S. 37 – 42. 1373 Dazu Märtl: Vitelleschi, S. 11 – 14. 1374 Vgl. Schuchardt, Christiane: Die Deutschen an der päpstlichen Kurie im späten Mittelalter, Tübingen 1987, S. 287 – 292. 1375 Vgl. MC III, S. 1249: Unde in futurorum relacione […] despicienda sunt minime enarranda, sed admiranda pocius laudandaque tota virtute divina clemencia est, que sua inperscrutabili providencia contra omnia illi adversancia tam conservavit diucius sanctam Basiliensem synodum, ut confortatis seris portarum suarum, decretis suis minime violatis, per illam dederit quietem et tranquillitatem omni christiane religioni que pacem ponit fides ecclesie. Vgl. dazu auch Fromherz: Segovia, S. 149 – 151. 1376 MC III, S. 1213f. 1377 Vgl. zu den hochmittelalterlichen Praktiken: Sprenger: Damnatio memoriae, S. 39 – 41. 1378 AST, mat. eccl. cat. 45, Mazzo 3, Nr. 5.: […] volumus motu proprio et ex certa nostra scientia ac de sedis apostolice potestatis plenitudine […] nullum effectum penitus sortiri sed perinde haberi debere ac si nullatenus emanassent eaque omnia et singula cum indefectis de Legestris ipsius Eugenii predecessoris et nostris ac locis aliis quibus cunque aboleri et deleri mandantes omnino tollimus, cassimus irritamus et annullamus ac pro infectis haberi volumus.
Ende des Pontifikats
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nicht weitergeführt wurden, innerhalb der alten Obödienz Felix’ V. kaum materielle Verlierer des Schismas. Weder die Abdankung Felix’ selbst noch die damit verbundene Kompensation des Amtsverlusts durch einen hohen Kardinalsrang und einen zugewiesenen Legatensprengel ist in der Papstgeschichte singulär. Seit dem Rücktritt Coelestins V. am 13. Dezember 1294 ist die Abdankung eines Papstes nach kanonischem Recht möglich. Mit der Aufnahme der Konstitution Quoniam aliqui in den Liber Sextus von 1298 setzte sich die Auffassung durch, aufgrund seiner plenitudo potestatis könne der Papst auch sein Amt niederlegen 1379. Eine solche renuntiatio in Verbindung mit einem Ausgleich für den Verzicht auf die Papstwürde lässt sich wenige Jahrzehnte vor Felix V. bereits im Fall Gregors XII. (1406 – 1415) beobachten. Dessen Prokurator Carlo Malatesta hatte vor dem Konstanzer Konzil am 4. Juli 1415 die päpstliche Cedula Ego Carolus in Stellvertretung des Venezianers verlesen und damit dessen Abdankung vollzogen 1380. Zuvor hatte Gregor ausgehandelt, dass er und seine bisherigen Kardinäle nach seiner Abdankung „in alle Rechte des Kardinalats eingesetzt wurden“1381. Er wurde Kardinalbischof von Porto und legatus a latere der Mark Ancona und verstarb am 18. Oktober 1417 in Recanati 1382. Um den für Felix V. vergleichsweise diskreten Rahmen seiner renuntiatio besser einordnen zu können, sei knapp an die Deposition Papst Johannes’ XXIII. in Kons tanz 1415 erinnert. In diesem Kontext wird von der konzilsöffentlichen Zerstörung des päpstlichen Bullenstempels und Wappens berichtet 1383. Das vollständige Ritual der depositio actualis, insbesondere der Kleiderwechsel und das Ablegen der päpstlichen
1379 Die nach Coelestins Amtsverzicht verfassten Traktate De renuntiatione papae wie auch die kuriale Praxis, den Begriff resignatio für den Pfründenverzicht zugunsten eines Dritten, resignatio in favorem tertii, zu verwenden, legen es nahe, für den päpstlichen Amtsverzicht den Begriff renuntiatio zu wählen. Vgl. dazu grundlegend Bertram, Martin: Die Abdankung Papst Cölestins V. (1294) und die Kanonisten, in: ZRGKanAbt 56 (1970), S. 1 – 101; zusammenfassend Wetzstein, Thomas: Renuntiatio – resignatio. Zum Amtsverzicht in der Kirche des hohen und späten Mittealters, in: Richter, Susan/Dirbach, Dirk (Hg.): Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, Köln, Weimar u. a. 2010, S. 30 – 61, bes. S. 37. Vgl. auch Caron, Pier Giovanni: La rinunzia all’ufficio ecclesiastico, Milano 1946, S. 168f. 1380 Mansi, 27, Sp. 744. Vgl. mit weiteren Angaben Gigliotti: Renuntiatio Papae, S. 377. 1381 Brandmüller: Konzil von Konstanz, S. 317. Zu den Zessionsbedingungen Mansi 27, Sp. 731. 1382 Zum Grabmal des Kardinals Angelo Corrers (Gregor XII.) in Recanati vgl. Girgensohn, Dieter: Kirche, Politik und adelige Regierung in der Republik Venedig zu Beginn des 15. Jahrhunderts, Göttingen 1996, S. 161f. Zur Abdankung Gregors XII. in Konstanz gibt Girgensohn keine weiteren Hinweise. 1383 Vgl. Mansi 27, Sp. 115: praedicta bulla fuit rupta et arma ipsius Johannis deleta.
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Insignien, unternahm Johannes hingegen in Anwesenheit von nur einigen Gesandten des Konzils in Radolfzell 1384. Diese vollständige Statusumkehrung wurde bei Felix V. nur partiell vollzogen, denn im Gegensatz zu Johannes XXIII. musste er künftig lediglich auf spezifische päpstliche Insignien verzichten, nicht aber auf den übrigen päpstlichen Ornat. Über ein entsprechend angepasstes Entkleidungsritual ist nichts bekannt 1385. Die weitreichenden Zugeständnisse gegenüber Felix V. hatten ihre Ursache nicht allein in der großen Milde Nikolaus’ V.1386. Schließlich war dieser noch zu Beginn seines Pontifikats bereit gewesen, mit aller Härte gegen seinen Konkurrenten vorzugehen. Doch besaßen Felix V. und mit ihm die restlichen Konzilsväter durch ihre relativ sichere Position in Savoyen eine günstige Verhandlungsbasis. Insofern konnte Felix V. auf Zeit spielen, während der römische Papst und der französische König den Frieden der Kirche unbedingt erreichen wollten. Gemeinsam mit dem Restkonzil hätte Felix V. noch sehr lange in Lausanne residieren können 1387. Dieser Beharrungswille zermürbte offenbar die ursprünglich rigide Einstellung Nikolaus’ V. und führte zu den günstigen Bedingungen für Felix V. und seine Obödienz. Es war zuletzt der schrumpfende Spielraum des savoyischen Herzogtums, der Felix V. zur renuntiatio bewegte. Das eigene Herzogtum verausgabte ab 1448 seine Kräfte im Krieg um Mailand. Zuvor konnte der recht aufwendige Krieg gegen Fribourg im Uechtland im Sommer 1447 erfolgreich beendet werden, doch hatte dieser die Kassen Savoyens aufgrund des Einsatzes von Berner Söldnern erschöpft 1388. Der immense finanzielle Bedarf im Krieg um das Erbe des letzten Visconti, des Schwiegersohns Felix’ V., wuchs stetig und damit die Abhängigkeit Savoyens von Kreditgebern. Letztlich waren es die Mittel und die Kreditbedingungen französischer Bankiers,
1384 Mit anderer Gewichtung des Kleiderwechsels Zimmermann, Harald: Die Absetzung der Päpste auf dem Konstanzer Konzil. Theorie und Praxis, in: Franzen, August/Müller, Wolfgang (Hg.): Das Konzil von Konstanz. Beiträge zu seiner Geschichte und Theologie, Freiburg u. a. 1964, S. 113 – 137, hier S. 128. Vgl. Mansi 27, Sp. 718: […] ac si vestes mutatorias habuisset, omnia et singula insignia papalia, sicut disposuerat dicta die Mercurii, qua dicta sententia fuit lata, tunc coram praelatis praedictis deposuisset. 1385 Vgl. zu den Insignien, die Kardinal Amadeus vorenthalten geblieben sind, dieses Buch, S. 355. Zur rituellen Ausgestaltung des Rücktritts bei Cölestin V. vgl. Herde, Peter: Cölestin V. (1294), Peter von Morrone. Der Engelpapst. Mit einem Urkundenanhang und Edition zweier Viten, Stuttgart 1981 (Päpste und Papsttum, 16), S. 141 – 142. 1386 Vgl. zu dieser Einschätzung Miller: Jacob von Sierck, S. 171. 1387 Pedro de Luna residierte nach seiner Absetzung am 26. Juni 1417 bis zu seinem Tod am 23. Mai 1423 weiterhin als Benedikt XIII. in Peñíscola. Dazu Girgensohn: Schisma, S. 197 – 247. 1388 Dazu umfassend Biolzi, Robert: „Avec le fer et la flamme“ La guerre entre Fribourg et la Savoie (1447/1448), Lausanne 2009 (Cahiers lausannois d’histoire médiévale, 49).
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insbesondere des Kaufmanns Jacques Cœur, die Felix V. einlenken ließen 1389. Denn Cœur war nur dazu bereit, die dringend benötigten 50.000 Dukaten zur Verfügung zu stellen, wenn Felix V. abdankte 1390. Für Felix V. respektive Kardinal Amadeus schloss sich mit seiner Renuntiation ein Kreis. Das Territorium und seine Machtressourcen hatten den Herzog auf die Cathedra Petri geführt, und zuletzt war es gewissermaßen die ‚Staatsraison‘, die ihn zu seinem Verzicht auf die päpstliche Würde veranlasste. Dabei fällt die Ähnlichkeit der Kompensationen auf, die nach der Abdankung Gregors XII. und Felix’ V. erfolgten – auch wenn die Pontifikate selbst wenig gemein haben. Die Beendigung des Schismas gelang bei Felix V., wie bei Gregor XII. und partiell auch bei Johannes XXIII., nur durch die entschädigende Kompensation ihrer renuntiatio in Form eines ‚roten Huts‘. Sie wurden zu Kardinalbischöfen erhoben und agierten in ihrem Sprengel als Legaten desjenigen Papstes, der sich durchsetzen konnte. Felix’ Vorleben als Herzog von Savoyen führte darüber hinaus jedoch zu der singulären Konstruktion eines papa in territorio suo.
4.5 Amadeus als Kardinal und Bischof von Genf Aus einer der beiden Bullen des Konzils von Basel/Lausanne, die am 18. April 1449 ausgestellt wurden, geht hervor, welche Ämter und Vorrechte Amadeus nach seinem Rücktritt als Papst gebührten. Darin bestätigte das Konzil dem „teuersten Sohn der Kirche“ Amadeus, die Würde eines Kardinals von S. Sabina. Zudem ernannte es Amadeus zum päpstlichen Legat, dem der erste Rang nach dem römischen Pontifex zukomme 1391. Sodann klärte diese Bulle auch die Frage nach den repräsentativen Zeichen, denn Kardinal Amadeus durfte den päpstlichen Habit wie auch alle weiteren Insignien des Papstes tragen, außer folgenden vier: Ihm dürfe nicht das Corpus Christi vorangetragen werden, auch dürften seine Schuhe keine Kreuz aufweisen. Zudem war es ihm nicht gestattet, Fischerring und päpstlichen Schirm zu gebrauchen 1392.
1389 Zur Rolle Jacques Cœur bei den Verhandlungen vgl. Mollat du Jourdin: Kaufmann, S. 231 – 234. 1390 Gaullieur: Correspondance, S. 297; Valois: Crise, S. 347. 1391 AST, mat. eccl., cat. 45, Mazzo 3, Nr. 14: […] Sabineri Episcopum sancte Romana Ecclesia Cardinalem sedis apostolice in terris […] et legatum vicariumque perpetuum facit creat et nominat tibique in sancta dei ecclesia primam post Romanus pontificem pro tempore locum constituit consignat et decernit. 1392 Ebd.: […] Quiquidem tibi ad suam presentiam accedenti assurget dumtaxat oris osculum exhibendo. […] In tua persona remaneant signa tibi ut habitum et insignia papalia demptis delatione
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Dieses Verbot von vier päpstlichen Zeichen ist insofern aufschlussreich, als diese offenbar im Verständnis von Nikolaus V. und seiner Kurie in besonderer Weise den römischen Pontifex auszeichneten und nur ihm exklusiv zukamen. Selbst der hybri den Gestalt, die der zurückgetretene savoyische Gegenpapst darstellte, wurden diese Zeichen daher verweigert. Das vorangetragene Corpus Christi, die mit Kreuzen geschmückten Schuhe, Fischerring und Schirm sind vor allem performativ einsetzbare Zeichen, die einen starken Christusbezug aufweisen bzw. das Petrusvikariat hervorheben. Der päpstliche Schirm kam als Devise insbesondere dann zum Einsatz, wenn eine symbolische Bezeichnung für die weltliche Macht des Papstes benötigt wurde, hingegen war der Schirm in liturgischen Kontexten nicht präsent 1393. Auch wenn Amadeus einzelne exklusive Papstzeichen vorenthielten blieben, erstaunt es dennoch, dass er als Kardinal in seinem Legatensprengel im Übrigen wie der Papst auftreten durfte. Die veränderte Situation im Gebrauch der spezifischen Zeichen und Insignien wird in einem Pontificale deutlich, das Kardinal Amadeus als letztes Werk in Auftrag gegeben hatte und das heute in der Biblioteca Reale in Turin aufbewahrt wird. Auf den Blättern 1 und 37v. ist sein neues Kardinalswappen zu sehen: das savoyische Kreuz, weiß auf rotem Grund überkrönt von einem Kardinalshut. Die Ausstattung dieser Handschrift spricht für eine Fertigung in Savoyen 1394. Mit diesem Auftrag folgte der Kardinal den neuen liturgischen Erfordernissen, die seiner Würde inhärent waren. Obwohl die Renuntiationsverhandlungen über zwei Jahre andauerten, war der Kardinal und Bischof von Genf auf sein neues Amt zunächst nicht oder nur schlecht vorbereitet. So fehlte seiner Kanzlei lange Zeit das große Siegel 1395. Erst knapp ein Jahr nach seiner Abdankung war seine Kanzlei in der Lage, eine Urkunde sub sigillo nostro maiori auszufertigen 1396. Insgesamt hatte Amadeus’ neue Kurie einen bescheidenen Umfang: Es gab eine Kanzlei, die Aymericus Segaud, Bischof von Mondovì, leitete, der schon zwischen 1440 und 1442 an der Spitze der päpstlichen Kanzlei Felix’ V. in Basel gestanden hatte 1397. Ergänzt wurde die Kanzlei von einer Kammer und einem
corporis Christi; annulo piscatoris; cruce in pedibus ac umbraculo deferre. […] 1393 Zum Schirm als päpstlicher Insignie vgl. dieses Buch, S. 174. 1394 Dazu Saroni: Biblioteca, S. 71 und Abb. 80, 81. 1395 AEG Ms. lat. 126/1, Registrum Epistolarum Amadei fol. 2r.: Datum Lausanne, nonis maii anno a nativitate Domini millesimo quadringentesimo quadragesimo nono sub signeto nostro parvo quo ad presens utimur cum aduc majus sigillum non habemus; fol. 6v.: Datum Lausanne sub signeto nostro parvo quo ad presens utimur cum maiori sigillo adhuc careamus; fol. 29r.: Datum Aquiani, Gebennensis diocesis, sub sigillo nostro secreto presentibus appenso, quo ad presens certis causis utimur, vero VII kalendas augusti. 1396 AEG Ms lat 126/1, fol. 220v., 236v., 250v., 272r. 1397 Vgl. dieses Buch, S. 265.
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Gericht 1398. In Genf erhaltene Suppliken-Register zeigen, dass aus seinem vormaligen Obödienzbereich weiterhin Bittschriften an den Legaten Amadeus gerichtet wurden, in denen er als Papst tituliert wurde. Insbesondere die in den Abdankungsverhandlungen diskutierte und letztlich von den Gegnern Felix’ V. nicht zugestandene Anrede clementissime pater findet sich in zahlreichen Schreiben 1399. Auch ein Eintrag im Anniversarienbuch der Genfer Kathedrale anlässlich des Todes von Amadeus am 7. Januar 1451 zeugt davon, dass der Kardinal und Legat in seinem Sprengel teilweise weiterhin als Heiliger Vater angesehen wurde 1400. Die Aufenthaltsorte des Genfer Bischofs und Kardinals Amadeus sind aufgrund des Registrum Epistolarum Amadei vom 15. April 1449 bis zu seinem Tod am 7. Januar 1451 nachvollziehbar 1401. So blieb er bis Ende Juni 1449 weiterhin in Lausanne und verbrachte den Juli in Evian und Ripaille, bevor er sich im August nach Genf begab, wo er, wie schon zuvor, Quartier im Dominikanerkonvent Plainpalais nahm. Dort blieb er nicht lange, sondern brach Ende August 1449 ins Piemont auf, wo er nach Überquerung des Passes Groß St. Bernhard und kurzen Aufenthalten in Aosta, Ivrea und Turin drei Monate in Moncalieri blieb; erst im Januar begab er sich über den Mont Cenis wieder auf die andere Seite der Alpen 1402. Ab Februar residierte A madeus in Chambéry, im März pendelte er dann zwischen Lausanne und Ripaille. Von April bis Ende August hielt er sich erneut in Evian auf und kehrte erst im September 1450 nach Genf zurück, wo er ohne weitere Unterbrechungen bis zu seinem Tod am 7. Januar 1451 blieb. Aus diesem Itinerar wird deutlich, dass Amadeus in seiner Bischofsstadt Genf zunächst kaum anwesend war, sondern sich vielmehr in seinem weiten Legatensprengel aufhielt. Die Alpen passierte Amadeus über die zwei wichtigsten Passrouten Savoyens: M aurienne – Mont Cenis – Valle di Susa und Wallis – Groß St. Bernhard – Val d’Aosta. Diese Pässe und die Stationen entlang des Weges stellten das Kerngebiet des Herzogtums
1398 Mollat: Légation, S. 76. 1399 Vgl. die Anrede clementissime pater in den Suppliken: AEG Ms. lat. 126/2, fol. 6v.; fol. 16v.; fol. 21v.; fol. 109r.; fol. 138r. 1400 Documents Genevois inédit pour la généalogie historique del la maison souveraine de Savoie depuis le douzième siècle jusqu’au quinzième, ed. Edouard Mallet, Torino 1856, S. 27: Anno Domini m. cccc. et li et die septima Januarii Papa Felix decessit Gebennis. 1401 Das Itinerar ist den Documents Genevois, ed. Mallet, S. 153 – 155 zu entnehmen. 1402 Esch, Arnold: Spätmittelalterlicher Passverkehr im Alpenraum. Typologie der Quellen, in: Ders. (Hg.): Alltag der Entscheidung. Beiträge zur Geschichte der Schweiz an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, Bern/Stuttgart u. a. 1998, S. 173 – 248, S. 198. Zum savoyischen Hospiz von Groß St. Bernhard vgl. Quaglia, Lucien/Theurillat, Jean-Marie: Les comptes de l’Hospice du Grand-Saint-Bernard (1397 – 1477), in: Vallesia 28 (1973), S. 1 – 162 und 30 (1975), S. 169 – 374.
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dar 1403. Zugleich sicherte die Herrschaft über die Pässe der Westalpen mit ihren Zolleinkünften finanziellen Reichtum und die geostrategische Macht des gesamten Territoriums, das von der Forschung mitunter auch als „Passstaat“ bezeichnet wird 1404. Dem fast sechsmonatigen Piemont-Aufenthalt Amadeus’ muss aufgrund des Krieges, den Savoyen um die Herrschaft über Mailand und die Nachfolge der Visconti führte, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Nicht nur verlangte Amadeus von seiner Bischofsstadt Genf eine finanzielle Unterstützung dieser Unternehmung, die ihm gewährt wurde, auch konnte im Oktober 1449 eine zeitweilige Waffenruhe zwischen Savoyen und Francesco Sforza erreicht werden 1405. Am 27. Dezember 1450 schließlich wurde ein Frieden geschlossen, der zwar nicht lange hielt, dessen Bedingungen aber gegenüber dem 1454 vereinbarten Frieden von Lodi für Savoyen erheblich günstiger gewesen waren 1406.
1403 Auch nutzte er auf dem Hinweg die durch die Savoyer neu eingerichtete Linienführung Lanslebourg – Seehospiz am Mont Cenis. Vgl. Carlen, Louis: Zur Rechtsgeschichte der Schweizer Alpenpässe, in: Ders. (Hg.): Recht, Geschichte und Symbol, Hildesheim 2002, S. 3 – 19; Hassinger, Herbert: Die Alpenübergänge vom Mont Cenis bis Simplon, in: Schneider, Jürgen (Hg.): Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege. Festschrift für Hermann Kellenbenz, Bd. 1, Stuttgart 1978, S. 313 – 372. 1404 Vgl. dazu die überblickshafte Darstellung von Tabacco, Giovanni: La formazione della potenza sabauda come dominazione alpina, in: Mayer, Theodor (Hg.): Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters, Konstanz/Stuttgart 1965, S. 233 – 244; Castelnuovo, Guido/Massabò Ricci, Isabella: Le Alpi occidentali sabaude alla fine del Medioevo: una civiltà principesca?, in: Pagella, Enrica/Rossetti Brezzi, Elena u. a. (Hg.): Corti e Città. Arte del Quattrocento nelle Alpi occidentali, Milano 2006, S. 5 – 13; Ammann, Hektor: Zur Geschichte der Westschweiz in savoyischer Zeit, in: ZSchG 21 (1941), S. 1 – 57, hier S. 51. Die Zolleinkünfte dieser zwei Routen sind für das 14. und 15. Jahrhundert gut erhalten und ausgewertet: Daviso di Charvensod, Maria Clotilde: I pedaggi delle alpi occidentali nel medio evo, Torino 1961; Dubois, Henri: Les foires de Chalon et le commerce dans la vallée de la Saône à la fin du moyen âge, vers 1280 – 1430, Paris 1976; vgl. Hassinger: Alpenübergänge, S. 319f.; Esch: Passverkehr, S. 209 – 212. Arnold Esch merkt auf S. 231 an, dass Amadeus VIII. anlässlich seiner Standeserhebung zum Herzog 1416 den alpinen Charakter seines „Passstaates“ mit einem riesigen Tortengebilde würdigte, das die Reliefform des Herzogtums nachbildete. Vgl. dazu auch Schöpfer–Pfaffen, Marie-Claude: Verkehrspolitik im schweizerischen Alpenraum. Bernische und Walliser Erscheinungsformen vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, in: Schwinges, Rainer Christoph (Hg.): Straßen- und Verkehrswesen im hohen und späten Mittelalter, Ostfildern 2007 (VuF, 66), S. 289 – 329, hier S. 316. 1405 Durch eine Erhöhung der Steuer, die der Conseil Général am 30. Juni 1449 beschloss, wurden an Amadeus 1000 fl. gezahlt. Vgl. dazu Martin, Paul E.: La Communauté de Genève et la maison de Savoie de 1449 – 1455, in: Société d’histoire et d’archéologie de Genève 12 (1963), S. 265 – 307, S. 276 – 278. 1406 Martin: Communauté, S. 275f.
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Genfer Statuten Doch Amadeus hielt sich nicht nur in Piemont auf, sondern agierte auch in seiner Diözese Genf und erließ als Bischof neue Statuten für das bischöfliche Gericht (den Offizialat), das durch die bischöfliche Stellung als Reichsfürst und Stadtherr auch Stadtgericht war 1407. Es handelte sich dabei um einen Gesetzgebungsakt, mit dem Bischof Amadeus einerseits an seine legislative Aktivität als Herzog von Savoyen anknüpfte 1408 und nach den Visitationen in seinem Bistum in den 1440er Jahren die Herrschaftsintensität nochmals erhöhte 1409. Andererseits gehören die Constituciones et Statuta auch in den weiten Rahmen der Stadt- und Landrechtsreformen des 15. und 16. Jahrhunderts im Reich und in der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1410. Die Ziele bestanden dabei in einer „Beseitigung von Mängeln in der Rechtsprechung, Verbesserung des Rechtsschutzes, Hebung von Zucht und Moral beim Gerichtspersonal“1411. Das bischöfliche Amt des Offizials trat in Genf erstmalig 1225 in Erscheinung und nahm dort eine besondere Stellung ein. Der Genfer Bischof war als Reichsfürst auch Stadtherr bzw. Herr über die zur Stadt gehörenden Territorien.1412 Der Genfer Offizial entschied daher als alter ego des Fürstbischofs nicht allein in spiritualibus des Bistums, inbegriffen die Geldschuldprozesse (Streitfälle um Geldzins, Grundzins, Zehnten, Naturalabgaben, um Darlehen, Kapitalforderungen usw.), sondern
1407 Abgedruckt in: Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, XXII. Abteilung: Les sources du droit du Canton de Genève, Tome premier: Des origines à 1460, ed. Emile Rivoire/Victor van Berchem, Aarau 1927, Nr. 193, S. 365 – 394. Vgl. Elsener, Ferdinand: Justizreform in den Constituciones et Statuta des Genfer Offizialats von 1450, in: Zeitschrift für Rechtsgeschichte 92, Kanonistische Abteilung 61 (1975), S. 63 – 83. Vgl. zur Statutengesetzgebung: Drossbach, Gisela (Hg.): Von der Ordnung zur Norm: Statuten in Mittelalter und Früher Neuzeit, Paderborn u. a. 2010. 1408 Zu Überschneidungen zwischen Statuta Sabaudiae von 1430 und den Genfer Constitutiones et Statuta von 1450 vgl. Elsener: Armer Mann, S. 233, Anm. 59. 1409 Vgl. zum Zusammenhang von Visitation und Synodalstatuten grundlegend: Helmrath, Johannes: Partikularsynoden und Synodalstatuten des späteren Mittelalters im europäischen Vergleich: Vorüberlegungen zu einem möglichen Projekt, in: Borgolte, Michael (Hg.): Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs. Zwanzig internationale Beiträge zu Praxis, Problemen und Perspektiven der historischen Komparatistik, Berlin 2001, S. 135 – 169. Wegweisend die Einzelstudie von: Wiegand, Peter: Diözesansynoden und bischöfliche Statutengesetzgebung im Bistum Kammin. Zur Entwicklung des partikularen Kirchenrechts im spätmittelalterlichen Deutschland, Köln u. a. 1998, S. 37. 1410 So Elsener: Justizreform, S. 67. 1411 Elsener: Justizreform, S. 68, Anm. 14. 1412 Vgl. Elsener: Justizreform, S. 71, Anm. 28.
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auch in temporalibus (causae civiles) ganz allgemein als Richter des Stadtherrn. In rein weltlichen Angelegenheiten war der Offizial Stadtrichter, wenn der Streitwert 30 Florin überstieg, während die zivile Bagatell- wie auch die Strafgerichtsbarkeit dem Viztum (vidomne) zugewiesen waren 1413. Während ein Prozess vor dem Offizial in lateinischer Sprache verhandelt und nach den Regeln des römisch-kanonischen Prozesses bzw. materiell nach den Bestimmungen des gelehrten römischen und kanonischen Rechts geführt wurde, hielt der Viztum Gericht nach einem einfachen, gewohnheitsrechtlichen Verfahren und in der Volkssprache. Vom Viztum gab es in Genf eine Appellation an den Offizial, von dort an das erzbischöfliche Gericht von Vienne und von dort nach Avignon oder Rom. Die Zuständigkeit von zwei Gerichten in zivilrechtlichen Fragen führte unvermeidbar zu Kompetenzkonflikten. Um die Zuständigkeit eindeutig zu ordnen, wurde 1387 das Verfahren des Vidomnats präzisiert, und 1450 zog der Offizialat mit den Konstitutionen und Statuten Bischofs Amadeus nach 1414. Wie sehr Savoyen bereits in das Genfer Gerichtswesen eingedrungen war, lässt sich daran erkennen, dass das Viztumsamt durch die Bischöfe an Savoyen verliehen worden war 1415. Da in den folgenden Jahrzehnten fast ausschließlich Angehörige der Savoyischen Herzogsfamilie Bischöfe von Genf waren, ist auch hier ein dynastisches Interesse von Amadeus nicht von der Hand zu weisen, der als seinen Nachfolger seinen Enkel Peter bereits von Papst Nikolaus V. bestätigen ließ 1416. Ein besonderes Anliegen dieser Reform bestand in der Anhebung des Bildungsniveaus insbesondere des juristischen Personals. So sollten künftige Prokuratoren in einer Prüfung ihre Fähigkeiten in lateinischer Grammatik darlegen und ihren Kurialstil unter Beweis stellen. Zudem wurde den Richtern verboten, irgendwelche Geschenke, Gaben oder anderes anzunehmen und keinerlei Versprechen gegenüber den Prozessparteien zu machen 1417. Die neuen Constitutiones und Statuta wurden von einer Kommission aus bewährten Mitstreitern Amadeus’/Felix’ V. erarbeitet: Es handelte sich dabei um Humbert
1413 Zum Vidomnat vgl. Turchetti: Genève, S. 189 – 190. 1414 Vgl. Turchetti: Genève, S. 190. 1415 Vgl. Binz: Genève, S. 87ff.; weitere Literatur zum Offizialat im Reich bei Elsener: Justizreform, Anm. 28. 1416 Vgl. dazu die Bulle von Nikolaus V. vom 19. Juli 1450, in: Bullen und Breven aus italienischen Archiven 1116 – 1623, ed. Caspar Wirz, Basel 1902, S. 8 – 10; dazu auch: HS I,3, S. 101 – 102. 1417 Vgl. Elsener: Justizreform, S. 213 – 214.
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de Chissé 1418, Nicolas Lamy 1419, Nicod Festi 1420 und Rodolphus Sapientis (Raoul Sage)1421. Bei allen ist ihre lange Tätigkeit im Dienste von Amadeus VIII . als Herzog, als Papst Felix V. und zuletzt als Kardinal Amadeus Bischof von Genf auffällig und signifikant, denn diese ungebrochene Kontinuität im Personal stützt die bereits mehrfach vertretene Auffassung, dass ungeachtet der unterschiedlichen Würden Ziele und Herrschaftsauffassung von Amadeus/Felix ähnlich, wenn nicht identisch blieben. Er trieb eine Erweiterung der fürstlichen Landesherrschaft voran, in dem er den geistlichen Machtbereich in sie integrierte. Zugleich wurde durch legislative Maßnahmen die von Amadeus ausgefüllte Macht geordnet, systematisiert und dadurch abermals erhöht. Der nach seiner renuntiatio wieder aufgegriffene Faden einer Reform bereits bestehender Rechtsordnungen wirft freilich ein besonderes Licht auf diese letzte gesetzgeberische Aktivität, die Felix V. während seines Pontifikats hatte ruhen lassen.
1418 Humbert von Chissé stammte aus einer adeligen Familie des Faucigny, die im 14. und 15. Jahrhundert vier Bischöfe in Grenoble stellte. Er war Doktor beider Rechte und seit 1434 als Prokurator und Gesandter von Herzog Amadeus VIII. auf dem Basler Konzil, ab 1440 päpstlicher Datar in Basel Datarius supplicacionum que ad papam porriguntur (BF III, fol. 43v.) und ab 1450 Generalvikar in Genf, wo er am 6. August 1458 verstarb. Vgl. HS I,3, S. 157 – 158. 1419 Nikolas Lamy stammte aus Amiens, verfolgte ein Theologiestudium in Paris und war von 1426 – 1429 als Rektor der Pariser Universität tätig. Er wurde ab April 1431 als Vertreter der Universität Paris zum Basler Konzil geschickt. Dort nahm er vielfältige Gesandtschaftstätigkeiten wahr: Nach Savoyen ( Juli/August 1431), Burgund, an die Universität Köln, nach Frankreich, England, Böhmen, Polen. Er war u. a. Teilnehmer am Prozess gegen Jeanne d’Arc und im Oktober 1439 in Bourges zugegen; er war Gesandter des Konzils auf dem Reichstag von Nürnberg (Nov. 1440–Feb. 1441) im Auftrag Felix’ V. und auch an den Abdankungsverhandlungen 1447 beteiligt. Er erhielt am 25. Juli 1449 ein Kanonikat am Genfer Kapitel und ab 1452 war er auch Kanoniker in Lausanne. Er verstarb am 16. Februar 1453 in Genf. Vgl. Mongiano: Cancelleria, S. 146, Anm. 507 und 619, HS I,3, S. 158 – 159, Elsener: Justizreform, S. 69, Anm. 19. Müller: Franzosen, S. 236, 263, 449, 596, 734. 1420 Nicod Festi war seit 1418 Sekretär, Notar und einer der engsten Räte von Amadeus VIII. Er war maßgeblich an der Redaktion der Statuta Sabaudie beteiligt und ab 1432 als Gesandter von Amadeus auf dem Basler Konzil tätig und als savoyischer Gesandter 1439 u. a. in Rom. Aufgrund seiner guten Verbindungen nach Genf wurde er mehr und mehr dort tätig, wo er seit 1431 das Bürgerrecht innehatte. Er war zwischen 1445 und 1448 als Mitglied im Genfer Rat vertreten. Er verstarb 1456 in Genf. Vgl. Binz: Genève, S. 137 – 139; Cognasso: Amadeus, S. 175; Mongiano: Cancelleria, S. 176; Müller: Franzosen, S. 173, S. 497, S. 600. 1421 Raoul Sage war von 1428 bis zu seinem Tod 1467 als bischöflicher Sekretär in Genf tätig und auch Teilnehmer am Basler Konzil, er hatte u. a. die Würde eine Erzpriesters der Kapelle Notre-Dame (Macchabäer-Kapelle Jean de Brognys) inne, vgl. Binz: Genève, S. 139, Elsener: Justizreform, S. 70, Anm. 22.
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Gab es möglicherweise eine bewusste Abgrenzung der Kompetenzen von Papst und Konzil? Das wäre ein deutlicher Hinweis darauf, dass tatsächlich zwischen dem Basler Konzil und Felix V. eine Art „Gewaltenteilung“ bestand, die ein konstitutionelles Arrangement zwischen den beiden Leitungsinstanzen der Kirche voraussetzen würde: Demnach hätte die Exekutive beim Papst gelegen, während die Legislative ebenso wie die Wahl der Exekutive dem Konzil als „Kirchenparlament“ zukam. Dies wäre bei allen zuvor gemachten Einwänden zumindest ein Indiz für ein „konstitutionelles Papsttum“ in der Ära Felix’ V.1422. Die Reform des bischöflichen Gerichts von Genf gehört vor allem aber in den Kontext der Reformimpulse des B asler Konzils, die insbesondere in der bischöflichen Synodaltätigkeit und der Statutengesetzgebung nachweisbar sind. Vor allem der Inhalt der statutarischen Gesetzgebung in den Bistümern und Kirchenprovinzen zeigt, „daß diese die Reformanliegen von Konstanz und Basel in regem Maß aufgegriffen hat“1423. Basler Konzilsbeschlüsse fanden nachweisbar Eingang in die Synoden und Statuten 1424 in Freising 1425, Eichstätt 1426, Passau 1427, Augsburg 1428, Lübeck 1429, Schwerin 1430,
1422 Vgl. zum Vorschlag, Felix V. sei ein konstitutioneller Papst gewesen, Stieber: Amédée, S. 360 – 362. 1423 Wiegand: Diözesansynoden, S. 37. Dazu auch: Kruppa, Nathalie/Zygner, Leszek (Hg.): Partikularsynoden im späten Mittelalter, Göttingen 2006, darin zur Statutengesetzgebung allgemein vgl. Kruppa: Einleitung, S. 22 – 27, und: Johanek, Peter: Synodaltätigkeit im spätmittelalterlichen Reich – ein Überblick, S. 29 – 53, S. 45 – 53. 1424 Vgl. Helmrath, Basler Konzil, S. 342 – 348; Tewes, Götz-Rüdiger: Kirchliche Ideale und nationale Realitäten. Zur Rezeption der Basler Konzilsdekrete in vergleichender europäischer Perspektive, in: Helmrath/Müller (Hg.): Konzilien, S. 337 – 370, S. 342 – 347. 1425 Schwaiger, Georg: Freisinger Diözesansynoden im ausgehenden Mittelalter, in: Bäumer (Hg.): Reformatio Ecclesiae, S. 259 – 270, S. 259f., S. 266, S. 268, Anm. 40, S. 270f.; Haering, Stephan: Mittelalterliche Partikularsynoden in Baiern. Ein Überblick zum Raum der Bistümer Chiemsee, Freising, Passau und Regensburg, in: Kruppa/Zygner (Hg.): Partikularsynoden, S. 77 – 97, S. 92 – 93. 1426 Kehrberger, Eduard Otto: Provinzial- und Synodalstatuten des Spätmittelalters. Eine quellenkritische Untersuchung der Mainzer Provinzialgesetze des 14. und 15. Jahrhunderts und der Synodalstatuten der Diözesen Bamberg, Eichstätt und Konstanz, Stuttgart 1938, S. 67 – 82; Flachenecker, Helmut: Das beständige Bemühen um Reform. Zu Synoden und Synodalstatuten in den fränkischen Bistümern des 14. und 15. Jahrhunderts, in: Kruppa/ Zygner (Hg.): Partikularsynoden, S. 55 – 75, S. 63, S. 67 – 73. 1427 Heller: Passauer Diözesansynode, S. 147, S. 367f.; Ders.: Statuten, S. 546f.; Ders.: Acten, S. 756, S. 761; Hübner: Passauer Diözesansynoden, S. 15. 1428 Rummel: Diözesansynoden, S. 21 – 24; Uhl: Peter von Schaumburg, S. 128 – 136. 1429 Vgl. Wiegand: Diözesansynoden, S. 181. 1430 Wiegand: Diözesansynoden, S. 181.
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Konstanz 1431, Breslau 1432, Kammin 1433, Hildesheim 1434 und Havelberg 1435. Eine Sonderstellung bei der Verbreitung konziliaren Reformguts nahmen die Provinzialsynoden unter der Leitung von Nikolaus von Kues 1451 und 1452 in Mainz und Köln ein.1436 Als Bischof und Kardinal standen für Amadeus die landesherrliche Durchdringung Genfs sowie die Interessen Savoyens im Vordergrund, dabei wurde er als Papstlegat, wie gezeigt, noch oft als Papst wahrgenommen. Die Inanspruchnahme seiner Herrschaft in spiritualibus als Genfer Bischof zum Wohl der Casa Savoia entfaltete sich ein letztes Mal während seines langen Aufenthalts im Piemont und seinem Engagement im Mailandkrieg. Mit der Reform des Genfer Offizialats knüpfte Amadeus an seine umfassende Herrschaftsausübung als Herzog an; mit Hilfe von Gesetzgebung und Devianzverfolgungen hatte er eine umfassende Landesbesserung Savoyens angestrebt.
4.6 Tod und Begräbnis Amadeus VIII . verstarb am 7. Januar 1451 in Genf als Kardinal von Santa Sabina und Bischof von Genf um zehn Uhr im Hause seines altgedienten Rats Guillaume B olomier unvorhergesehen, rasch und ohne Agonie, d. h., er erhielt nicht die letzten Sakramente und nahm keine Revision seines Testaments mehr vor 1437. Dieses Testament verfasste er am 6. Dezember 1439 in Ripaille, also bereits nach seiner Wahl zum Papst durch das B asler Konzil, aber noch vor der Annahme der Papstwürde als amtierender Herzog von Savoyen. In diesem Testament traf er ausführliche Anweisungen für sein Begräbnis, seine Bestattung sowie seine Messstiftungen und andere 1431 Kehrberger: Provinzial- und Synodalstatuten, S. 95 – 107. 1432 Seppelt, Franz Xaver: Die Breslauer Diözesansynode vom Jahre 1446, Breslau 1912, S. IXff., Wünsch, Thomas: Partikularsynoden als Normierungsinstanzen am Vorabend der Reformation, Beispiele aus Böhmen-Mähren, Schlesien und Polen, in: Kruppa/Zygner (Hg.): Partikularsynoden, S. 289 – 306, S. 298; Marschall: Domdekan, S. 51 – 63. 1433 Wiegand: Diözesansynoden S. 185 – 187. 1434 Maring: Diözesansynoden, S. 10. 1435 Went: Bistum Havelberg, S. 66f. 1436 Meuthen, Erich: Die deutsche Legationsreise des Nikolaus von Kues 1451/52, in: Boockmann u. a. (Hg.): Lebenslehren, S. 421 – 499, S. 488 – 497. 1437 Vgl. zum Begräbnis von Kardinal Amadeus allgemein: Andenmatten/Ripart: Ultimes Itinérances, S. 193 – 248. Pollini: Mort du Prince. Gonthier: Évêques, S. 213 – 230, S. 229: „La maison dans laquelle il mourut, avait appartenu à G. Bolomier, elle devait etre à l’angle supérieur formé par la rue Verdaine et celle du Vieux Collège: une tourelle octogone s’y voyait encore vers 1850.“
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Vorsorgen zu seinem Seelenheil. Dabei entfaltete Herzog Amadeus in den 120 Anweisungen, die in der modernen Edition 16 Druckseiten füllen, die herzogliche Würde in detailreicher Fülle, während er bemerkenswerterweise an keiner Stelle auf seine Wahl zum Papst durch das B asler Konzil verwies. Die Zeugenliste dieses Testaments dominierten seine Mitbrüder des Ordens von St. Mauritius, aber auch hochrangige savoyische Kleriker sind dort vertreten, so sein Beichtvater Louis Pariset 1438. Die Regelungen dieses Testaments fanden knapp elf Jahre später, als Amadeus von Savoyen als Kardinal und Bischof von Genf verstarb, keine Berücksichtigung, obwohl der Verstorbene wohl kein weiteres angefertigt hatte. Da er jedoch nicht als savoyischer Herzog, sondern als hoher Prälat verstarb, musste sich offenbar auch sein Begräbnis von denjenigen seiner Vorgänger als Fürsten von Savoyen unterscheiden 1439. Die traditionelle Grablege der savoyischen Herrscherfamilie befand sich in Haute combe am Ufer des Sees du Bourget und bestand seit Humbert III. (1148 – 1189) als Grablege aller savoyischen Grafen bis Amadeus VII.1440. Die Angehörigen der Fürstenfamilie wurden mitunter von weit her nach Hautecombe zur Bestattung gebracht, so die Grafen Amadeus V., Edouard oder Amadeus VI.1441. „L’abbaye d’Hautecombe fonctionne donc comme un point de référence significatif et stable dans les Etats savoyards, dont la cour du prince reste itinérante“1442. Als zweiter stabiler savoyischer Herrschaftsort freilich ohne sepulkrale Tradition etablierte sich mehr und mehr Chambéry, vor allem weil dort der Conseil du Comte und die Cours de Judicature aus allen Teilen Savoyens zusammenkamen, der Gerichtshof war bereits ab 1329 vor allem dort ansässig. Unter Amadeus VIII. kam, wie bereits oben ausgeführt, ein dritter dynastischer Ort hinzu: Ripaille. In seinem Testament verfügte Herzog Amadeus, dass sein Leib in Hautecombe bestattet werden sollte. Als Ruhestätte für sein Herz bestimmte er jedoch den Hochaltar der sich 1439 noch im Bau befindlichen Kirche Notre Dame in Ripaille 1443. Damit richtete er in Ripaille eine weitere memoriale Stätte für sich und 1438 Eine Edition des Testaments Herzog Amadeus VIII. vom 6. Dezember 1439 liegt vor: Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, in: Dies. (Hg.): Amédée VIII – Félix V, S. 465 – 505, die Zeugenliste, S. 504. 1439 Pollini: Mort, S. 30. 1440 Vgl. dieses Buch, ab S. 40. Die savoyische Herrscherfamilie wurde ursprüglich im Kreuzgang begraben. Anlässlich der Bestattung seiner Gattin am 24. Dezember 1342 stiftete Graf Aymon eine Kapelle. In diese wurden alle noch auffindbaren Gebeine aus dem Kreuzgang überführt und der dynastische Charakter der Nekropole in Hautecombe aufgewertet, vgl. Pollini: Mort, S. 7. 1441 Vgl. zum Kondukt von Amadeus VI. von S. Stefano in Molise (Italien) nach Hautecombe, Pollini: Mort, S. 57 – 64, Karte S. 246. 1442 Pollini: Mort, S. 8. 1443 Vgl. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 472, Absatz 4.
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sein Haus ein. Die Stiftungen für Ripaille wurden auch finanziell in seinem Testament verankert. Sie nahmen dort eine relative Spitzenstellung ein, wobei damit vor allem die Finanzierung des anspruchsvollen Bauvorhabens abgesichert werden sollte. Dieser deutlichen Favorisierung von Ripaille wurde nach seinem Tod Rechnung getragen, denn entgegen seinem Testament wurde dort nicht nur sein Herz, sondern sein gesamter Leichnam beigesetzt. Freilich geschah dies in der bereits bestehenden Kirche St. Maurice in Ripaille, in der Manfred von Saluzzo 1436 in einem von Mathäus Ensinger ausgeführten Grabmal bestattet worden war. Das Testament von 1439 hatte dies für den jetzt eingetretenen Fall vorgesehen, dass der Neubau Notre Dame noch nicht vollendet sein sollte. Mit dieser deutlichen Favorisierung Ripailles – in seinem Testament betonte Herzog Amadeus beständig seine Stiftertätigkeit und bezeichnet es explizit als monasterium suum Ripaille 1444 – hörte das Kloster Hautecombe zudem auf, bevorzugte und exklusive Grabstätte des savoyischen Herzoghauses zu sein. In der Folge ließen sich seine Nachfolger an unterschiedlichen Orten, wie Genf, Chambéry, Turin, beisetzen 1445. Im Gegensatz zu seinen Vorfahren hatte Herzog Amadeus VIII. in seinem Testament detaillierte Angaben zum gewünschten Verlauf seines Begräbnisses gemacht und dort auch einige Gegenstände verzeichnet, die an seine Erben übergehen sollten 1446.
Das geplante Doppelbegräbnis Neben den Angaben in seinem Testament zur Gestaltung des Begräbnisses regelte das 5. Buch der Statuten von 1430 die Trauerzeiten und Farben nach dem Tod des Herzogs hoheitlich und verbat übertriebenen Pomp 1447. Seine testamentarischen Vorgaben zeugen freilich von einem gebührenden Repräsentationswillen des Herzogs. Zunächst widmete er sich in seinem Testament seinem Leichnam: Dieser sollte, ohne das Herz, in das Kloster Hautecombe, die seit drei Jahrhunderten genutzte Grablege
1444 Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 476 – 478, Absatz 32 – 37; Absatz 34, S. 479: dictum monasterium suum Rippaillie. 1445 Andenmatten/Ripart: Itinerance, S. 194 – 205, S. 201 – 204, vgl. die Karte auf S. 203, auf der die einzelnen Begräbnisorte verzeichnet sind. 1446 Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 497: […] item 100: la grande croix de la chapelle, la couronne et le collier avec le grand fermoir et l’anneau en or de Saint Maurice et des gemmes avec ornements. Bei diesen Objekten handelte es sich offenbar um Herrschaftsinsignien, bei denen jedoch unklar bleibt, wann sein Nachfolger diese annahm; vermutlich am 6. Januar 1440, als Ludwig in Thonon savoyischer Herzog wurde. Vgl. dieses Buch, S. 134. 1447 Vgl. DSD, fol. 162r.: De modificatione oblationum et aliarum solemnitatum funeralium et sepulturarum in domo domini.
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der Casa Savoia, überführt werden und dort bei seinen Vorfahren, mit einer großen Anzahl an Messen und übrigen Almosen auf schicklich-angemessene Weise (decenter inhumari) bestattet werden 1448. Für die Bestattung seines Herzens hingegen hatte er sich, wie bereits erwähnt, Ripaille ausgesucht. Für die Begräbnisfeier (sepultura et exequia) seines Leichnams in Hautecombe ließen die testamentarischen Vorgaben den Zeitraum von einem Jahr nach der Beerdigung, der inhumatio zu 1449. Diese Bestattungsfeier wird dann im Folgenden ausführlich beschrieben: Über der Bahre und in der Mitte der Kirche sollten 80 Wachsfackeln aufgestellt werden, jede 3 Pfund schwer, die Hälfte davon entzündet, die andere Hälfte nicht. Die nicht entzündeten Fackeln sollten 200 Armen übergeben werden. Über den genannten Fackeln sollten vier große Kerzen stehen und zudem 50 kleine Kerzen. Sämtliche Kerzen sollte das Wappen von Amadeus zieren 1450. Über seiner Bahre oder seinem Sarg, hier bleiben die Angaben unspezifisch, sollten zwei schöne rote mit Goldstickereien verzierte Samttücher gebreitet werden. In der Mitte der Befestigungen sollte ein schwarzes Samttuch mit den Wappen des Verstorbenen angebracht werden. Diese Tücher sollten insgesamt 600 Floren wert sein 1451. Am Tage seines Begräbnisses sollten in der Grabkappelle über und vor dem Altar zwei Tücher aus schwarzen Samt zum Schmuck angebracht werden; auf dem einen solle sich ein goldenes Kreuz entweder gewebt oder gestickt befinden und auf dem anderen Tuch sollten in den vier Ecken die Wappen des Verstorbenen sichtbar dargestellt sein 1452. Für die Ausstattung der zelebrierenden Priester und anderen Geistlichen wird Folgendes festgelegt: Eine Infula, drei Chormäntel und eine Tunika und eine Dalmatik aus schwarzem, mit goldenen Wappen geschmückten Samttuch 1453. Hier wird auch bestimmt, dass sämtliche anwesenden Geistlichen gemäß ihres Ranges mit Geld beschenkt werden sollten: Jeder Bischof sollte zehn, jeder Abt fünf, jeder Prior oder andere Prelat zwei Floren erhalten 1454. Insgesamt bestimmte Amadeus VIII., dass an seinem Begräbnistag, wenn möglich, 3.000 Priester jeweils Messen feiern sollten. Dafür bekämen sie jeweils auch einen festgelegten Geldbetrag von zwölf Silbergroschen. Diejenigen, die für sein Seelenheil am Begräbnistag sieben Psalme mit Litanei und Gebeten sängen, erhielten dafür 4 Silbergroschen 1455. 1448 1449 1450 1451 1452 1453 1454 1455
Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 472, Absatz 3. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 472, Absatz 5. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 472, Absatz 6. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 472, Absatz 7. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 473, Absatz 8. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 473, Absatz 9. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 473, Absatz 10. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 473, Absatz 11 und 12.
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Des Weiteren sollten 100 Arme mit neuen weißen Gewändern im Wert von je acht Silbergroschen bekleidet werden 1456. Zudem sollten von geeigneten Männern sechs Platten mit silbernen Münzen als Opfergabe in die Kirche gebracht werden 1457. Dem Matrikular des Klosters seien zehn Floren für seine Arbeiten sowie das Glockengeläut übergeben 1458. Auch der Ablauf des Leichenschmaus wurde hier festgelegt: Dabei sollten „wie es üblich ist“ (prout fieri solitum est) am Begräbnisort weilende Prälaten, Priester, Barone, Ritter, Schildträger, Kleriker und andere Personen gemeinsam speisen 1459. Nach dieser sepultura magna sollten nicht mehr als zwei Monate verstreichen, um die Herzbestattung in Ripaille vorzunehmen. Auch hierfür wurden detailreiche Vorgaben gemacht: Um das Grab des Herzens sollten 200 Wachsfackeln stehen, jeweils drei Pfund schwer, sowie vier große Kerzen von je 25 Pfund 1460. Über das Grab sollte ein Tuch aus rotem, mit Gold bestickten Samt gebreitet werden, in dessen Mitte ein aus schwarzem Samt gefertigtes Wappen appliziert sein sollte. Dieses Tuch wurde mit einem Wert von 300 Floren angesetzt 1461. In Ripaille sollte auch eine Messe gefeiert werden und mindestens fünf Kleriker anwesend sein, darunter der Abt des Klosters St. Mauritius in Agaune. Ein anwesender Bischof würde mit fünf Floren, ein Abt mit drei Floren und andere Priester mit vier Silbergroschen beschenkt 1462. Dem Matrikular von Ripaille sollten für das Geläut der Glocken drei Floren ausgehändigt werden. Auch hiernach sah das Testament des Herzogs einen Leichenschmaus mit Almosenvergabe vor 1463.
Das Begräbnis von Kardinal Amadeus 1451 Diesem Testament wurde jedoch, wie bereits angedeutet, nicht gefolgt, wobei unklar bleiben muss, ob dies eine Reaktion auf einen letzten, mündlich geäußerten Willen war oder eine autonome Entscheidung seiner Nachfolger darstellte. Über den Verlauf des Begräbnisses im Januar 1451 unterrichten die Aufzeichnungen der herzoglich-savoyischen Kammer, die der Thesaurar Jacques Meynier festgehalten hat 1464.
1456 1457 1458 1459 1460 1461 1462 1463 1464
Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 473, Absatz 13. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 473, Absatz 14. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 474, Absatz 16. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 474, Absatz 18. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 474, Absatz 19. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S.474, Absatz 20. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 474, Absatz 21. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 474, Absatz 23 und 24. Die betreffenden Einträge in den Rechnungsbüchern der herzoglichen Kammer sind auszugsweise wiedergegeben, in: Pollini: Mort, S. 233 – 242.
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Den Aufstellungen des Thesaurars ist zu entnehmen, dass der Leichnam des Kardinals Amadeus am Tag nach seinem Tod, also am 8. Januar 1451, in der Genfer Kathedrale aufgebahrt wurde und dort in remedium anime felicis recordacionis Messen gesungen wurden. Insgesamt wurden in der Bischofskirche für 300 Messen 75 Floren gestiftet. Darüber hinaus sieht ein Eintrag in der fürstlichen Buchführung 20 Floren für Messen in unterschiedlichen Konventen und Kirchen Genfs und der Umgebung vor: 24 Messen von den Dominikanern Genfs, in deren Konvent sich Amadeus als Papst Felix V. in Genf bevorzugt aufgehalten hatte, 25 Messen durch die Priester von St. Peter in Genf und 32 weitere durch die Franziskaner von Nyon. Diese und weitere Messen und Almosen wurden mit einem Viertel der im Testament vorgesehenen Summe finanziert, so ist insgesamt im savoyischen Rechnungsbuch eine Summe von 272 Florenen vermerkt 1465. Die savoyische Kammer verzeichnet zudem, dass der Leichnam von Kardinal Amadeus am nächsten Tag, 9. Januar 1451, auf einer Sänfte von Genf nach Ripaille gebracht wurde. Die ihn begleitenden Priester und Religiosen erhielten dafür jeweils acht Floren 1466. Der 198 Pfund schwere Bleisarg wurde mit einem Wagen separat dorthin transportiert. Dafür erhielt Amadeo Peteris insgesamt 15 Floren, wobei die Herstellung mit einem Floren zu Buche schlug. Im Rechnungsbuch ist auch vermerkt, dass der Leichnam erst bei der Bestattung in Ripaille dort hineingelegt wurde 1467. Die Arbeiten für das Grab vor und nach der Bestattung beschäftigten sieben Arbeiter für 26 Tage und einen Maurer für 17 Tage, so die Angaben im Rechnungsbuch der savoyischen Kammer 1468. Zudem wurden Fackeln und Kerzen auf zwei Wagen von Genf nach Ripaille gebracht; ebenso sind pauperes vermerkt, die Fackeln nach Ripaille trugen. Ein Zimmermann wurde bezahlt, um ein edifficia ad tenendum faces et cereos pro dicta sepultura zu errichten, dabei dürfte man wohl an ein Gestell in der Art einer chapelle ardente denken 1469. Von den detailgenauen Angaben zu Stoffen und Textilien im und am Grab ist in diesem Rechnungsbuch nichts vermerkt. Doch auch in dieser Hinsicht wurde vermutlich der geplante, aufwendige vestimentäre Schmuck nicht umgesetzt, bzw. erheblich schlichter gehalten, denn die Begräbniskosten betrugen insgesamt nur fünf Prozent von den im Testament ursprünglich veranschlagten
1465 Pollini: Mort, S. 51 und Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 470. 1466 Pollini: Mort, S. 68, Bruchet: Ripaille, S. 131. 1467 Vgl. Pollini: Mort, S. 235: Libravit Amedeo Peteris pro una cassia seu chassa plumbea ponderante 198 libras, in qua corpus predictum extitit repositum ad illud intumulandum in loco Ripaillie, incluso uno ducato pro factura eiusdem chasse, videlicet 15 flor. 4 d. ob gr. p. p. 1468 Bruchet: Ripaille, Preuve Nr. 85. 1469 Pollini: Mort, S. 76; Quelle S. 236. Unter einer chapelle ardent wird ein Holzgerüst verstanden, das den aufgebahrten Toten umgibt, um darauf Kerzen und Embleme zu befestigen.
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3.000 Florin 1470. So passt es ins Bild, dass Vertreter der Abtei Aulps, die Karmeliter aus Gex und Augustiner aus Seyssel erst nach Ende der Begräbnisfeier in Ripaille eintrafen 1471. In der Genfer Kathedrale wurde nach Ende der Novene am 15. Januar eine feierliche Messe unter Anwesenheit des Herzogspaares sowie savoyischer Würdenträger wie dem Erzbischof von Tarantaise oder dem Markgrafen von Saluzzo gefeiert. Im Anniversarienbuch der Genfer Kathedrale ist überdies vermerkt, dass Herzog Ludwig für das Jahrgedächtnis seines Vaters dem Kapitel 300 Floren übergeben hatte. Dieses Jahrgedächtnis werde, so das Anniversarienbuch, der Sitte entsprechend begangen, was u. a. bedeutet, dass eine missa magna und sieben missa bassa gefeiert wurden. Bei der Vigil und der Messe wurden dreizehn Kerzen vor dem Hauptaltar angezündet und vom Beginn der Messe bis zum Evangelium die Glocken jeden Turmes geläutet 1472.
Plan und Umsetzung des Begräbnisses – eine Einordnung Bei der hier knapp skizzierten schlichten Zeremonie am Grab hat es sich nicht mehr um diejenige eines Herzogs gehandelt, wie sie 1439 geplant wurde. Begleitet von umfangreichen Messlesungen rund um den Genfer See fand am 8. Januar 1451 das Begräbnis eines hochrangigen Klerikers statt. So war am Grab in Ripaille nicht die Fülle an Priestern und Würdenträgern präsent, wie es Amadeus zuvor für sich als Herzog vorgesehen hatte. Ein Grund mag darin liegen, dass sein Sohn Ludwig schon seit Januar 1440 der amtierende Herzog war; insofern musste die dynastische Kontinuität in der Übergangssituation zwischen dem Tod des alten und dem Amtsantritt des neuen Fürsten nicht eigens betont werden. Die im Testament durch Wappen auf Textilien und Kerzen mehrfach aufgerufene dynastische Repräsentation der Casa Savoia fehlte bei dem Begräbnis im Januar 1451 vollständig. Auch die von Amadeus so detailreich festgelegte Separatbestattung von Körper und Herz wurde nicht umgesetzt. Die getrennte Bestattung von Herz und Leib fand zunächst in den Fürstenfamilien Frankreichs und Englands Verbreitung, während das Haus Savoyen die Gewohnheit der Herzbestattung erst mit Verspätung aufnahm. Sämtliche Nachfolger von Amadeus VIII. ließen hinfort ihr Herz vom Körper getrennt bestatten. Als mögliche Motive für den von Herzog Amadeus in seinem Testament festgehaltenen Wunsch, an zwei Orten begraben zu werden, könnten zum einen die bindende Verpflichtung an die traditionelle Grablege seiner Familie und zum anderen seine Zuneigung für sein eigenes spirituelles Zentrum Ripaille inklusive Kirchenbau
1470 Vgl. Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 470. 1471 Pollini: Mort, S. 84, vgl. auch Quelle IV, A, 15 – 17, S. 235f. 1472 Mallet: Documens Genevois inédit, S. 27.
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gelten. Zugleich erzielte er damit auch eine Verdoppelung der Memorialorte und damit eine Verdoppelung der Gebete und des Gedenkens. Doch sein Plan wurde nicht verwirklicht: Der vollständige Leichnam von Kardinal Amadeus wurde zwei Tage nach seinem Tod in Ripaille bestattet und damit auch auf die gängige, offizielle Begräbnisfeier verzichtet, die oftmals einige Wochen nach dem Tod stattfand 1473. Diese von der Beerdigung selbst getrennte Begräbnisfeier war üblich geworden, um die Teilnahme am Begräbnis und der nachfolgenden Herrschaftsübernahme durch den Erben auch Angehörigen des Hofes zu ermöglichen, die nicht am selbigen weilten, denn Klerus und Familie sollten „non seulement pour participer au deuil, mais encore pour avoir le loisir de constater la mort du souverain et prendre acte de la succession“1474. Seit Amadeus VI. wurde es üblich, für die savoyischen Grafen zwei Begräbnisse zu veranstalten: eine baldige Beerdigung wegen der schlechten Konservierungsmöglichkeiten und eine erheblich festlichere und aufwendigere Begräbnisfeier etwas zeitversetzt, um Auswärtigen die Möglichkeit zu geben, daran teilzunehmen. A madeus VIII. präzisierte in seinem Testament, dass seine sepultura et execequia, also das feierliche Begräbnis, bis zu einem Jahr nach seiner Bestattung, hier mit inhumatio bezeichnet, stattfinden könne 1475. Von erheblicher Aussagekraft ist die Wahl der Begräbnisstätte von Amadeus durch seine Angehörigen und Erben: Zum einen wurde als letzte Ruhestätte die von Amadeus/Felix massiv geförderte Residenz und Stiftung in Ripaille ausgewählt. Damit ging zum anderen auch eine Vernachlässigung der über Jahrhunderte genutzten dynastischen Grablege in Hautecombe einher. Die feine Austarierung alter und neuer Stätte durch Herz- und Körperbestattung an beiden Orten wurde dabei ignoriert. Dies hatte nicht zuletzt zur Folge, dass Hautecombe aufhörte, bevorzugte und exklusive Grabstätte der Casa Savoia zu sein. Die Nachfolger Amadeus’/Felix’ 1473 Pollini: Mort, S. 43 – 46: Das Mumifizierungsverfahren war bereits Ende des 13. Jahrhunderts soweit gediehen, dass der Leichnam einige Tage ausgestellt und dann zu seiner Grablege transferiert werden konnte, wobei die Eingeweide entfernt und extra bestattet wurden. Papst Bonifaz VIII. hat diese Vorgehensweise in der Bulle Detestandae feritatis vom 18. Februar 1300 verurteilt, die jedoch unterwandert wurde. So erhielt Philipp der Schöne von Benedikt XI. einen Dispens, das Fleisch vom Knochen lösen zu dürfen. Zu Herzbestattungen mit weiterer Literatur: Warntjes, Immo: Programmatic Double Burial (Body and Heart) of the European High Nobility, c. 1200 – 1400. Its Origin, Geography, and Functions, in: Spiess, Karl-Heinz/Warntjes, Immo (Hg.): Death at court, Wiesbaden 2012, S. 197 – 260. Dazu auch: Meyer, Rudolf J.: Königs- und Kaiserbegräbnisse im Spätmittelalter. Von Rudolf von Habsburg bis zu Friedrich III., Köln u. a. 2000, S. 210 – 213.. Zur Herzbestattung von Amadeus VIII. vgl. Pollini: Mort, S. 46 – 47. 1474 Pollini: Mort, S. 39. 1475 Testament, ed. Andenmatten/Paravici Bagliani, S. 472, Absatz 5.
Tod und Begräbnis
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ließen sich für die nächsten 100 Jahre an insgesamt 15 unterschiedlichen Orten beisetzen: unter anderem westlich der Alpen in Genf, Chambéry, Annecy und Nizza und im südlichen Teil Savoyens in Vercelli, Chieri, Pignerol und Moncalieri, bis sich schließlich ab der Mitte des 16. Jahrhunderts Turin als feste Residenz und Grablege etablierte 1476. Unabhängig von seiner Abdankung schien Kardinal Amadeus in Genf weiterhin als Papst wahrgenommen worden zu sein, denn das Register der Franchises genevoises hielt seinen Tod mit folgender Notiz fest: Anno Domini millesimo quatercentesimo quiquagesimo primo et die septima Januarii Papa Felix decessit Gebenensis 1477. Etwas stereotyp erscheinen die Mirakelberichte am Grab von Amadeus in Ripaille, die bereits ein Jahr nach seinem Begräbnis dort stattgefunden haben sollen und aufgezeichnet wurden 1478: So verschwanden nach einen Besuch und Gebet am Grab in Ripaille diverse Leiden an Armen, Kopf, Ohren und Augen sowie am ganzen Leib. Auch ein über drei Jahre vermisster Sohn tauchte nach einen Gebet der Mutter am Grab wieder auf. Auch im Hochmittelalter wurde bei einigen Gegenpäpsten, die lokal als heilig verehrt wurden, von Wundergeschehen am Grab berichtet 1479. In diesen Berichten verwendete man stets den Titel Beatus Papa Felix, so als habe seine Abdankung von der Cathedra Petri nicht stattgefunden. Das Grab in Ripaille wurde schließlich 1536 von Berner Truppen zerstört, der Leichnam nach Evian und dann in die Kathedrale St. Johannes Baptist in Turin überführt, wo Amadeus noch heute in unmittelbarer Nähe zum sogenannten „Turiner Grabtuch“ beigesetzt ist 1480.
Konkordate nach dem Tod Felix’ V. Für die Kirche Savoyens stellte der Pontifikat Felix’ V. den folgenreichen Anfang ihrer Entwicklung zur Staatskirche dar: Zur Erleichterung der Abdankung vom Papstamt
1476 Andenmatten/Ripart: Ultimes itinérances, S. 199 – 201. 1477 Mallet: Documents Genevois inédit, S. 27. 1478 Bruchet: Ripaille, S. 132: Diese Wunderangabe bezieht sich auf ihre Ersterwähnung bei dem anonymen savoyischen Kleriker in der Cronica latina Sabaudiae, die zwischen 1487 – 1488 entstanden ist, in: Cronica latina Sabaudiae, ed. Domenico Promis, in: Historiae Patriae Monumenta, serie III, Scriptores, I, Augustae Taurinorum 1840, coll. 599 – 670, bes. 614. 1479 Etwa Wibert von Ravenna (Papst Clemens III .) oder Oktavian de Montecelli (Papst Viktor IV.), vgl. dazu Sprenger: Damnatio memoriae, S. 45. 1480 Gonthier: Évêques, S. 229. Das sog. „Turiner Grabtuch“ transferierte Herzog Emmanuel-Philibert 1578 in die Turiner Kathedrale S. Giovanni. Vgl. dazu mit weiteren Nachweisen Andenmatten/Ripart: Ultimes itinérances, S. 200, Anm. 19.
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machte Papst Nikolaus V. Amadeus zum päpstlichen Legaten für Savoyen und die angrenzenden Diözesen, wodurch er in diesen Gebieten alle päpstlichen Vollmachten besaß. Zu dieser Zeit bereits klärte er auch mit Rom seine Nachfolge auf dem Genfer Bischofsstuhl. Papst Nikolaus V. gewährte seinem Enkel Peter eine Expektative auf das Bistum Genf. Nach Amadeus’ Tod wurde dieser als Zehnjähriger knapp ein halbes Jahr später sein Nachfolger 1481. Nach seinem frühen Tod 1458/59 folgte ihm mit Jean-Louis ein weiterer Enkel Amadeus’ als Bischof von Genf (†1482). Bis zur Reformation, die in Genf möglicherweise auch deswegen besonders radikal ausfiel 1482, sollten bis auf kurze Ausnahmen alle künftigen Bischöfe Angehörige der savoyischen Herzogsfamilie sein 1483. Die Übereinkunft zwischen Nikolaus V. und Ludwig von Savoyen perpetuierte die Besetzung des Genfer Bischofsstuhls durch Angehörige des savoyischen Herzoghauses. In dem Indult vom 10. Januar 1452, das Nikolaus V. dem savoyischen Herzog gewährte, wurde die starke Stellung des savoyischen Fürstenhauses in kirchlichen Angelegenheiten auf eine neue rechtliche Stufe gehoben. Das Indult regelte die Vergabe kirchlicher Pfründen und Ämter in einer das savoyische Herrscherhaus ausgesprochen begünstigenden Weise. Der Papst verpflichtete sich, in dem Herrschaftsgebiet des savoyischen Herzogs niemanden zum Erzbischof, Bischof oder Abt zu ernennen, bevor nicht der Herzog seine Ansicht über die Person des Kandidaten geäußert und seine Zustimmung zur Ernennung gegeben hatte 1484. Die übrigen dem Heiligen Stuhl reservierten Benefizien waren zudem an savoyische Landeskinder zu verleihen und Ausnahmen davon nur mit Einverständnis des Herzogs möglich. Die päpstlichen Vorrechte, vor allem Reservationsrechte bei der Benefizienvergabe, waren damit stark eingeschränkt, wobei das päpstliche Provisions- und Reservationsrecht wie auch die Einziehung der Annaten nicht grundsätzlich in Frage gestellt wurden 1485. Diese rechtliche Grundlage der landesherrlichen Kirchenpolitik der savoyischen Herzöge wurde in der Folgezeit – das Indult hatte „zunächst wohl 1481 Stellvertreter für den minderjährigen Bischof war der Zypriot Thomas de Sur, Erzbischof von Tarentaise und Administrator von Genf. Vgl. zu de Sur auch: Rudt de Collenberg: Lusignan, S. 125. 1482 Vgl. zu dieser Frage mit weiterer Literatur: Turchetti: Genève, S. 187 – 200. 1483 Vgl. HS I,3 S. 103 – 106 und S. 109 – 113, Ausnahme waren von 1482 – 1484 Jean de Compey, dazu HS I,3, S. 106 – 107, und Antoine Champion 1490 – 1495, HS I,3, S. 108 – 109, jeweils mit weiterer Literatur. Dazu auch Mallet: Mémoire, S. 185 – 269. 1484 Ediert in: Mercati, Angelo (Hg.): Raccolta di Concordati su materie ecclesiastische tra la Santa Sede e le autorità civili, I, Roma 1919 (NC Vatikan 1954), S. 195ff. […] nisi habitis prius per nos intentione et consensu ipsius Ducis de personis idoneis […]. Vgl. dazu: Bertrams, Wilhelm: Der neuzeitliche Staatsgedanke und die Konkordate des ausgehenden Mittelalters (2. verb. Auflage), Roma 1950, S. 140 – 142. 1485 Tewes: Kurie, S. 120.
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die Natur eines persönliches Privilegs“1486, das nur für die Lebenszeit von Herzog Ludwig galt – immer wieder neu gewährt: 1475 von Sixtus IV., Papst Alexander VI. ernannte 1495 Philipp von Savoyen im Alter von fünf Jahren zum Bischof von Genf, Julius II. erneuerte 1507 das Indult, wie auch 1515 Papst Leo X. Mit dieser letzten Erneuerung nahm es nunmehr die Form eines Dauerprivilegs an, da es nur noch mit Zustimmung des jeweils regierenden Herzogs widerrufen werden konnte. Zudem wurde sein Geltungsbereich in den folgenden Jahrhunderten auch um weitere, zum Hause Savoyen gekommene Gebiete erweitert 1487. In der Mitte des 15. Jahrhunderts schlossen die Päpste eine Vielzahl von Konkordaten mit weltlichen Herrschern. Dabei profitierten die weltlichen Fürsten generell von der Auseinandersetzung zwischen der episkopalistisch-konziliaren Bewegung und der päpstlichen Zentralgewalt. Doch gewann kein Landesherr einen so umfangreichen Einfluss auf die Kirche seines Territoriums wie die savoyischen Herzöge. Die Casa Savoia machte durch den Pontifikat Felix V. einen großen Schritt in die Richtung eines landesherrlichen Kirchenregiments avant la parole. Am Anfang dieser Entwicklung stand das Basler Dekret Etsi inscrutabili von 1442. Zwar führte der Versuch des Konzils, das Konzept des Kirchenstaates als Finanzreservoir des Papsttums auf die Verhältnisse in Savoyen zu übertragen, nicht zu einer dauerhaften Finanzierung des Konzils und zur Durchsetzung seines Papstes. Doch wurde auf seiner Grundlage der Genfer Bischofsstuhl fortan vom savoyischen Herzogshaus besetzt.
4.7 Der Papst und sein Land Felix V. erwirkte im Laufe seines Pontifikats von der B asler Konzilsversammlung zur Deckung seiner finanziellen Bedürfnisse die Erlaubnis, sich eine Reihe von Pfründen in Savoyen, loco patrimonii ecclesie 1488 anzueignen, d. h. anstelle der Länder der K irche, auf die er aufgrund des Schismas keinen Zugriff hatte. Mit den Dekreten Etsi Inscrutabili (1442) und Rerum Dispensationem (1446) hob das Konzil für diesen Einzelfall seine Reformdekrete auf und sanktionierte den Pfründenerwerb Felix’ V. in Savoyen 1489. Zudem residierte Felix V. seit November 1442 vorwiegend am Genfer See und nahm seit März 1444 auch den Bischofsstuhl von Genf ein. Der savoyische Papst kehrte mit seiner Kurie in das Kernland seines vormaligen Herzogtums zurück und bewegte sich nicht nur räumlich innerhalb savoyischer Verhältnisse. S avoyen 1486 Bertrams: Staatsgedanke, S. 179. 1487 Vgl. Turchetti: Genève, S. 192 – 200 zu dem Anliegen Genfs in den Jahren 1520 – 1530: „Comment échapper aux convoitises de la Savoie et à la juridiction de l’Empire“. 1488 CB VII, S. 336. 1489 Vgl. zu den Provisionen Felix’ V. dieses Buch, S. 313.
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bestimmte fortan nicht nur in Form von repräsentativen Zeichen – wie etwa die Preziosen des päpstlichen Schatzes – die äußere Gestalt des Pontifikats Felix’ sondern auch seine machtpolitischen Initiativen – so machte er effektive Obödienzwerbung durch Mitgiftzahlungen. Diese savoyischen Verhältnisse bildeten sich in den Gütern der materiellen Kultur nicht nur ab, vielmehr treten auch wechselseitige Ansprüche und Appelle aus ihnen hervor: So kann die Außentafel des Genfer Altars mit seiner erkennbaren savoyischen Landschaft als Aufforderung verstanden werden, das Territorium in den Dienst Petri zu stellen und ihn ebenso wie seinen in Not geratenen Nachfolger effektiv zu retten. Doch nicht nur das Papsttum bedurfte, wie das Bild argumentiert, einer rettenden materiellen Basis in Gestalt einer savoyischen Landschaft, auch das savoyische Herzogtum musste durch Felix V. gestützt werden, wie etwa die Verpfändung der Tiara verdeutlichte. Eine echte Trennung zwischen Amadeus VIII . und Felix V. – und damit zwischen Herzog und Papst – fand nicht statt, vielmehr griffen die fürstlichen und die päpstlichen Sphären wechselseitig ineinander und überlagerten sich. Hier entstanden Hybridformen päpstlicher und fürstlicher Repräsentation, die erst mit einer multiperspektivischen Analyse unterschiedlicher Quellen und Medien verständlich werden. Deshalb wurde hier eine Landschaftdarstellung als Teil eines Altarretabels herangezogen, um auf den Stellenwert des Territoriums als Machtreservoir für das Papsttum Felix’ V. hinzuweisen. Im Bild wurden päpstliche und herzogliche Ebenen so stark miteinander verbunden, bis beide kaum noch zu unterscheiden sind, ähnlich wie bei der realpolitischen Integration Genfs in den savoyischen Herrschaftsbereich. Erst die Zusammenschau der einzelnen Repräsentationsebenen und -praktiken ermöglicht eine Annäherung an den hybriden Charakter des vorerst letzten Gegenpapstes. Die Repräsentation Felix’ als savoyischer Papst gehorchte der hier hervortretenden Logik des Papstes als Territorialherr. Dabei ist beachtenswert, dass Felix V. im Sinne dieser Logik nicht einmal scheiterte, als er im April 1449 seine renuntiatio vornahm und sich damit folglich selbst auf die spätere Liste der Gegenpäpste eintrug. Denn die Verhandlungen, die schließlich zu seinem Rücktritt führten, garantierten ihm nach seiner Abdankung eine nur kaum merkliche Veränderung seiner Position wie auch seiner Einflusssphäre: Als Kardinalbischof von Santa Sabina wurde er nicht nur zum ranghöchsten Kardinal, vor allem ernannte ihn Nikolaus V. zum päpstlichen Legaten, dessen Sprengel mehr oder weniger seinen vormaligen Obödienzbereich umfasste: das Herzogtum Savoyen mit den angrenzenden Diözesen. So wurde der Kardinal Amadeus, vormaliger Herzog von Savoyen, unzeitgemäß und avant la lettre: papa in territorio suo.
5. Der letzte Gegenpapst Auf die Leitfrage, was ein Papst benötigte, um als Papst anerkannt zu werden, können nach diesen Untersuchungen zum B asler Papst Felix V. einige Ergebnisse festgehalten werden. Dabei wird durch das Scheitern Felix’ V. deutlich, was in der Mitte des 15. Jahrhunderts für die päpstliche Legitimation entscheidend war. Die offenkundig fehlenden Eigenschaften lassen sich dabei von den Strategien unterscheiden, die Papst und Konzil verfolgten, um Felix V. als rechtmäßigen Inhaber der Cathedra Petri zu etablieren. Die zentrale Strategie von Konzil und Felix’ V. bestand in der Einhaltung der Römischen Tradition, der Imitatio Romae, in Basel. Diesen Eindruck vermittelt insbesondere die historiographische Überlieferung des Konzils, vor allem die Schriften von Johannes von Segovia und Enea Silvio Piccolomini. Darin betonen sie beständig, dass die konstitutiven Abläufe der Papsterhebung wie Wahl und Krönung gemäß den kanonischen Vorschriften und kurialen Regeln erfolgt seien. Die römische Tradition sei stets eingehalten worden. Diesen Autoren zufolge kam der strengen Einhaltung der normativen Vorgaben höchste Priorität zu. Damit bestätigen sie die Annahme der Forschungsdiskussion zu „Performativität“ und „symbolischer Kommunikation“, nach der ‚Bedeutung‘ erst in der Handlung und ihrer (Wieder-)Aufführung entstand, wobei überkommene Regeln das Geschehen bestimmten. Die angestrebte Bedeutung stellte in diesem Fall die Legitimität des vom Konzil gewählten Papstes dar. Mit der Aktualisierung der römisch-kurialen Ordnung im Ritual, wie z. B. der Krönung, wurde die Legitimation des Papstes hergestellt, da durch die Einhaltung des ordo der Konsens mit der ordnungsstiftenden Instanz, in diesem Fall mit dem Heilige Geist, sichtbar gemacht wurde. Dabei ist es zunächst unerheblich, ob wirklich alle Regeln eingehalten wurden. Ein Ergebnis dieser Analyse zeigt, dass dies in Basel etwa bei der Wahl, der Krönung oder auch der Kardinalskreation nicht der Fall war. Entscheidender war offenbar, dass die Regeleinhaltung zunächst inszeniert und dann auch diskursiv wiederholt behauptet wurde. Neben den hier beobachteten Differenzen zwischen dem römischen Modell und der B asler Umsetzung werden auch Elemente fürstlicher Repräsentation des zum Papst erhobenen savoyischen Herzogs sichtbar. Im Unterschied zum Konzil und seiner Argumentation, in Basel habe sich alles gemäß der römischen Vorschriften zugetragen, inszenierte sich Felix V. nicht nur als Papst, sondern auch als savoyischer Fürst. Aus der hier vorgenommenen Analyse des Pontifikats Felix’ V. tritt als zentrale Legitimations-Strategie eine vielschichtige Verschmelzung der päpstlichen Repräsentation mit derjenigen der Casa Savoia hervor. Durch die Überblendung und schließliche Amalgamierung der petrinischen und savoyischen Zeichenarsenale entstand ein Hybrid, das den besonderen Charakter des B asler Gegenpapstes verkörperte.
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Aus dieser Untersuchung geht auch hervor, dass die Papst-Wahl im Konklave den legitimitätsstiftenden Akt für das Papsttum schlechthin darstellte. Insbesondere die Felix V. verwehrte Anerkennung weiter Teile der christlichen Kirche macht dabei deutlich, dass die Wahlentscheidung durch die Kardinäle im Konklave das maßgebliche Kriterium für die Legitimität eines Papstes war. Ihr Mangel in Basel konnte nicht durch die aufwendige Bildung eines neuen Wahlgremiums kompensiert werden. Daraus resultiert, dass die „Einbindung der Privilegienträger“ die Verbindlichkeit der Wahlentscheidung bestimmte 1490. Von dem Vorwurf, Felix V. sei von einer Versammlung der Priester und Doktoren gewählt worden, konnten sich die Basler Konzilsväter und Felix V. zuletzt nicht befreien. Auch das frühe Bemühen Felix’ V., sich mit einem Kardinalskollegium zu umgeben, unterstreicht die Stellung des Kardinalats im 15. Jahrhundert. Die Entscheidung des Basler Konzils im November 1439, Amadeus VIII . von Savoyen zum Papst zu wählen, war vor allem von seiner vermuteten realpolitischen Potenz motiviert. Es wurde angenommen, er sei in der Lage, das Konzil mit den notwendigen finanziellen Mitteln auszustatten. Die relative Nähe seines Herrschaftsgebiets, das daraus resultierende Machtreservoir und der potentiell zur Verfügung stehende Zufluchtsort steigerten noch Amadeus’ Attraktivität. Ebenso sprachen für ihn seine fürstliche Abstammung und die Verwandtschaft mit wichtigen Fürstenhäusern, vor allem mit dem französischen König Karl VII., und die damit verbundenen diplomatischen Möglichkeiten und Hoffnungen. Amadeus VIII . war ein erfolg reicher Fürst, der mit einer intensiven Gesetzgebung und innovativer Devianzverfolgung eine auf kollektives Heil zielende Landesherrschaft ausübte, die sich im hier detailliert untersuchten Ripaille-Projekt wie unter einem Brennglas verdichtete. Mit dieser Ausweitung seiner Herrschaft erreichte er unter den Fürsten seiner Zeit eine herausragende Stellung. So kommt Bernhard Schimmelpfennig zu dem Urteil, dass „theoretisch die weltliche Herrschaft des Papstes umfassender“ war „als die jedes anderen Fürsten seiner Zeit, wenn wir von Amadeus VIII. von Savoyen, dem Basler Papst Felix V., absehen“1491. Mit diesen Machtressourcen stützte Felix V. ab 1440 die in Basel weitertagende Kirchenversammlung. Zuletzt bot Savoyen für die Konzilsväter auch eine reale Zuflucht, als sie 1448 gezwungen waren, Basel zu verlassen. Ohne Savoyen, auf das die Obödienz Felix’ V. letztlich beschränkt blieb, und die Zugriffsmöglichkeiten auf die Ressourcen des herzoglichen Hofs, aus dessen Beständen auch die gesamte materielle Ausstattung sowie das Dekor des päpstlichen Hofes und die berühmte päpstliche
1490 Vgl. dieses Buch, S. 82. 1491 Schimmelpfennig: Territorialherr, S. 86.
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Kapelle stammten 1492, hätte der B asler Papst bereits früher zurücktreten müssen. Doch dem savoyischen Papst gelang es, mit der universalen Würde des Papsttums den zeremoniellen Rang des jungen Herzogtums Savoyen und seines Hauses nicht nur zu erhöhen. Er nutzte darüber hinaus seine Macht in spiritualibus zu einer weiteren herrschaftlichen Durchdringung des savoyischen Herzogtums. Auf diese Weise verschränkten sich fürstliche und päpstliche Sphäre in seiner Person. Der letzte Gegenpapst war ein Hybrid eigener Art, ein herzoglicher Papst und ein päpstlicher Herzog. Diese Betonung des Fürsten innerhalb der päpstlichen Repräsentation auf dem Konzil weist schließlich aber auch auf den entscheidenden Mangel Felix’ V. hin, der letztlich zum Scheitern des B asler Gegenpapstes führte. Ihm fehlten die reale Anwesenheit in Rom und der materielle Zugriff auf das angrenzende Patrimonium Petri, um als legitimer Papst und Stellvertreter Petri allgemeine Anerkennung zu finden. So sehr auch versucht wurde, in Basel eine tatsächliche oder behauptete Imitatio Romae im Zeremoniell zu verwirklichen und die entgangenen Mittel des Kirchenstaats durch Benefizien in Savoyen zu kompensieren, die Abwesenheit von Rom – und damit von den Apostelgräbern – war nicht zu ersetzen. Die europäischen Fürsten, auf deren Unterstützung und Obödienzleistung es letztlich ankam, erkannten schließlich denjenigen Papst an, dem es gelungen war, wieder nach Rom zurückzukehren, Eugen IV., bzw. das Papsttum dort dauerhaft zu etablieren, Nikolaus V. Seit seinem Pontifikat wurde die Stadt Rom nicht nur als überörtlicher Imaginationsort für das Papsttum begriffen, sondern es etablierte sich nun in Rom die materiell immer mehr ausgreifende und bis heute feste Residenz der Päpste. Diese stabile Präsenz in Rom gelang nur durch die militärische Konsolidierung des Kirchenstaates, die zu der zentralen Aufgabe für die Päpste des 15. Jahrhunderts wurde. Andere Vorhaben, wie etwa ein Kreuzzug gegen die Türken, wurden diesem Ziel letztlich untergeordnet 1493. Eine entscheidende Ursache für diese Prioritätensetzung ist darin zu sehen, dass die Päpste von ihrer landesherrlichen Machtbasis mehr und mehr auch finanziell abhängig waren 1494. Es entspricht also der Logik päpstlicher Territorialität, dass Felix V. sein vormaliges Herzogtum Savoyen als Ersatz für das eigentliche Patrimonium Petri begriff.
1492 Vgl. Lehmann: Schätzen, S. 83 – 101. 1493 Eine Ausnahme hiervon stellt Papst Pius II. (1458 – 1464) dar, der sich intensiv für einen Kreuzzug gegen die Türken einsetzte. Vgl. dazu mit weiterer Literatur Helmrath, Johannes: Pius II. und die Türken, in: Guthmüller, Bodo/Kühlmann, Wilhelm (Hg.): Europa und die Türken in der Renaissance, Tübingen 2000 (Frühe Neuzeit, 54), S. 79 – 137. Mitunter wird sogar erst Papst Julius II. (1503 – 1513) als Gründer des Kirchenstaates angesehen. Dazu mit weiteren Hinweisen Weiss: Delegierte Herrschaft, S. 68. 1494 Zu der finanziellen Ausstattung von Papst und Kurie in der Renaissance vgl. Tewes: Kurie.
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Das Schisma von 1439 muss darüber hinaus auch innerhalb der Krise, in der sich seit 1378 der unumschränkte Herrschaftsanspruch des päpstlichen Absolutismus befand, betrachtet werden: Der Vorstellung von der lateinischen Kirche als Korporation und Heilsgemeinschaft trat ein harter Obödienzbegriff entgegen. Im 15. Jahrhundert entstand Obödienz vielfach durch Konkordate mit weltlichen Fürsten, die auf diese Weise ihren Machtspielraum erheblich erweiterten. Wie das Scheitern des Pisanums zeigte, konnte das Kirchenschisma nicht ohne Eingreifen der weltlichen Kräfte beseitigt werden. Die erfolgreiche Beendigung des Großen Abendländischen Schismas auf dem Konstanzer Konzil gelang dagegen nicht zuletzt, weil die weltlichen Mächte Martin V. unterstützten, indem sie ihm Obödienz leisteten. Auch hier wurden Konkordate geschlossen und die Fürsten zu gleichgestellten Verhandlungspartnern erhoben. Die päpstliche Superiorität war allerdings durch das Konstanzer Dekret Haec Sancta auch innerkirchlich in einem wichtigen Punkt eingeschränkt worden. Papst Martin V. und seine Nachfolger sahen sich um ihres eigenen Legitimitätsanspruches willen gezwungen, das Konstanzer Konzil und seine Dekrete als gültig zu betrachten. In dieser Phase struktureller Schwächung des Papsttums und des anhaltenden innerkirchlichen Streits verstanden es die Fürsten, ihren Einfluss in die sakrale Sphäre hinein zu vergrößern und das landeskirchliche Regiment zumindest partiell für sich zu gewinnen. Die Obödienz der Fürsten musste schließlich von den konkurrierenden Papstprätendenten erkauft werden, wobei sich Eugen IV. langfristig als der Erfolgreichere erwies. Dies gelang ihm nicht zuletzt durch Wiedergewinnung des Patrimonium Petri und die Reetablierung des Papsttums in Rom. Dies führte dazu, dass Felix V. schließlich unter seinem Nachfolger Nikolaus V. von der Papstwürde zurücktrat. Wie schon bei Gregor XII. bewährte sich auch bei Felix V. eine territoriale Entschädigung für den ausgeschalteten Papst-Prätendenten als Mittel, die Schisma-Situation aufzulösen. Diese Kompensation durch einen Legatensprengel gibt ebenfalls Hinweise auf die Rolle des Territoriums als Machtbasis für das Papsttum in der Mitte des 15. Jahrhunderts insgesamt. Dieser Logik der Territorialität des Papsttums folgte auch der Ausbau Roms als dauerhafte Residenz der Päpste und der damit zusammenhängende Aufstieg zur Kapitale der Hochrenaissance sowie die Konsolidierung des Kirchenstaates. Diese Konzentration auf Rom stand dabei nicht nur „im Dienst der Restauration“1495, sondern war auch Konsequenz von Schismen, Konziliarismus und Konkordaten 1496.
1495 Borgolte, Michael: Petrusnachfolge und Kaiserimitation. Die Grablegen der Päpste, ihre Genese und Traditionsbildung, Göttingen 21995 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 95), S. 267. 1496 Vgl. zu dieser umfassenden Fragestellung mit Konzentration auf das Basler Konzil und „Mächte-Europa“ Müller: Basler Konzil.
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Diese Entwicklung steht in einem Zusammenhang mit dem Ende des sogenannten „konziliaren Zeitalters“1497. Denn auf die Renuntiation Felix’ V. und die Selbstauflösung des B asler Konzils im April 1449 in Lausanne folgte mit dem Kirchenfrieden auch eine Stabilisierung des römischen Papsttums, das fortan jedoch unter erheblich veränderten Gegebenheiten agierte. Die Beseitigung der Krisenerscheinung des letzten Gegenpapstes verursachte auch eine generelle Umstrukturierung des päpstlichen Systems. Aus den am Ende des Basler Schismas reihenweise verabschiedeten Konkordaten bzw. Indulten zwischen dem römischen Papsttum und einzelnen Fürsten wird deutlich, dass der Antagonismus zwischen der Universalmacht in Rom und den werdenden Nationalstaaten nur bilateral und partikular gelöst werden konnte. Die damit eingetretenen erheblichen Begrenzungen des universalen Papsttums führten zugleich zu der fortan herausgehobenen Stellung Roms und des Patrimonium Petri, da diese fortan die Basis der päpstlichen Herrschaft darstellten. In Rom richtete sich nun die Aufmerksamkeit der Päpste auf das Rom Petri, d. h. auf St. Peter mit dem Petrusgrab und auf den Vatikanpalast als neuer Residenz sowie ihre Sicherung durch eine Fortifizierung der Leostadt insgesamt 1498. Dieses petrinische Rom wurden nun als neuer Mittelpunkt der päpstlichen Herrschaft ausgebaut und aufwendig ausgestattet, während der etablierte, innerrömische Lateranspalast aus dem päpstlichen Fokus geriet. Dieses Rom Petri mit dem Petrusgrab als spiritueller Mittelpunkt und Ursprung der apostolischen Sukzession war zu einem Argument geworden, das nur durch personale Anwesenheit seines Nachfolgers und Stellvertreters wirksam werden konnte. Die ekklesiologische Basis des Papsttums lag seither in Rom und der universale päpstliche Anspruch war nunmehr an ein Territorium und eine evident materielle Basis gebunden. Nur dort verkörperte sich das Papsttum mit allen ihm zukommenden Zeichen. Für das neuzeitliche Papsttum bestand eine gewissermaßen physische Abhängigkeit von Rom und dem Patrimonium Petri. Felix V. – Amadeus VIII. von Savoyen – entfaltete während seines Pontifikats, das ihn von Ripaille aus über Basel nach Genf führte, diese Herrschaftsform eines papa in terris suis. Der beständige Legitimationsdruck nötigte den letzten Gegenpapst zu dieser innovativen Ausgestaltung des päpstlichen Spielraums. Auch wenn er letztlich scheiterte und die Liste der schismatischen und erfolglosen Päpste abschließt, nahm er damit die neuzeitliche Entwicklung eines Papstes vorweg, der vor allem auch Territorialherr war.
1497 So der Titel des Tagungsbandes von Heribert Müller (Hg.): Ende des konziliaren Zeitalters. 1498 Vgl. dazu weiterführend: Sohn: Vatikanresidenz, in: Paravicini (Hg.): Zeremoniell, S. 257 – 278, S. 262 – 264.
Karte des Herzogtums Savoyen in der Zeit Amadeus’ VIII .
Anhang Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Frontispiz von Jean Bapteur zu Albert von Brescia De doctrina dicendi et tacendi, ca. 1435, Brüssel, Bibliothèque Royale de Belgique, ms 10317 – 18, fol. 1r. Abb. 2: Konrad Witz, Der Wunderbare Fischzug, 1444, Außenseite des originalgerahmten linken Altarflügels, Genf, Musée d’Art et d’Histoire, Inv.-Nr. 1843 – 11, Mischtechnik auf Tannenholz, 132x154cm, in: Gantner, Joseph: Konrad Witz, Wien 1942, Tafel II. Abb. 3: Konrad Witz, Befreiung Petri, 1444, Außenseite des originalgerahmten rechtenAltarflügels, Genf, Musée d’Art et d’Histoire, Inv.-Nr. 1843 – 10, Mischtechnik auf Tannenholz, 132x154cm, in: Gantner, Joseph: Konrad Witz, Wien 1942, Abb. 51. Abb. 4: Konrad Witz, Der Wunderbare Fischzug, Detail, 1444, in: Gantner, Joseph: Konrad Witz, Wien 1942, Abb. 54. Karte des Herzogtums Savoyen in der Zeit Amadeus’ VIII., in: Pagella, Enrica u. a. (Hg.): Corti e Città. Arte del Quattrocento nelle Alpi occidentali, Torino 2006, unpaginiert.
Ungedruckte Quellen Staatsarchiv Genf (Archives d’État de Genève: AEG) Ms lat 126/1, Registrum Epistolarum Amadei Ms lat 126/2, Registrum Epistolarum Amadei Pièces historique Nr. 554 Staatsarchiv Turin (Archivio di Stato Torino: AST) Corte, Genève, cat. 14, comptes de l’évêché, mazzo 1, Nr. 1 Corte, Gioi e mobili, Mazzo 1, Nr. 2 Corte, Mat. eccl., Abbazie, S. Benigno, Mazzo 5, Nr. 10 Corte, Mat. eccl., Abbazie, S. Pietro di Savigliano, Mazzo 1, Nr. 44 Corte, Mat. eccl., Cat. 29, Mazzo 1, Nr. 2 Corte, Mat. eccl., Cat. 45, Mazzo 3, Nr. 6,8,13,14,16 Corte, Museo storico, Bollario di Felice V., I–VIII (zit. BF) SR, Camera Savoia, Inv. 16, Mazzo 85, 1439 – 1440 SR, Camera Savoia, Inv.16, Mazzo 86, 1440 – 1441
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Anhang
Gedruckte Quellen
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Personen- und Ortsregister Die Registereinträge beziehen sich nur auf den Fließtext. Personen- und Ortsnamen, die lediglich in den Anmerkungen verzeichnet sind, wurden nicht in das Register aufgenommen. Moderne Autoren wurden im Register nicht vermerkt. Die im Register verzeichneten Personen sind nach Vornamen sortiert. Verweise auf Personen, die Päpste geworden sind, sind unter dem Papstnamen eingeordnet, auch wenn die Zeit vor dem Pontifikat gemeint ist. Zwischen Päpsten und Gegenpäpsten wird nicht unterschieden. Bischofsund Fürstentitel werden auch dann angegeben, wenn der Anspruch umstritten blieb. Häufig auftretende Personen- und Ortsnamen wie z. B. Felix V. oder Rom wurden nicht einzeln im Register aufgeführt. Siglen Bf. = Bischof, Ebf. = Erzbischof, Gf. = Graf, Hz. = Herzog, Kg. = König, Ks. = Kaiser, Kard. = Kardinal, Kurf. = Kurfürst, Mgf. = Markgraf A Agostino Patrizi Piccolomini 251 Albert v. Brescia 52, 126 Albrecht –– II., dt.-röm. Kg. 48, 74 –– III., Hz. v. Bayern-München 230, 289, 303 Alexander –– VI., Papst 373 –– v. Masovien, Bf. v. Trient, Kard. 247, 255, 278, 294 Alfons –– Carillo, Apost. Protonotar, Kard. 237 –– V., Kg. v. Aragón-Neapel-Sizilien 253, 254, 285, 286, 288, 304 Amadeus (Amédée, Amadeo) –– de Talaru, Ebf. v. Lyon 60, 253 –– Peteris 368 –– VI., Gf. v. Savoyen 203, 364, 370 –– VII., Gf. v. Savoyen 203, 364 –– VIII., Hz. v. Savoyen. Siehe Felix V. Anna v. Lusignan, Hz.in v. Savoyen 328 Antonius (Antonio) –– Abt des Benediktinerklosters Arula 98 –– Loschi 270 –– Pyocheti, Abt v. St. Mauritus in Augone 324 Aosta 60, 97, 101, 119, 239, 326, 357 Aquileia 247, 278
Aragon 74, 253 – 255, 282, 285, 286, 288, 299, 304 Arnold –– v. Baerenfels 175 –– v. Rotberg 148, 149, 175 Arras 59, 329 Augsburg 132, 238, 362 Auyermicus Segaud, Bf. von Mondovì 265, 356 B Bartholomeo (Bartolomeo, Bartolomeus) –– Aragazzi da Montepulciano 270 –– de Vitelleschi, Bf. v. Corneto, Kard. 256, 265, 321, 322, 352 –– Provana, Prior des Antoniterhospitals Chivasso 97, 279 –– Visconti, Bf. v. Novara 88, 237 Basel, passim Bayern-München, Hzg. 230, 289, 303 Benedikt –– XIII., Papst 70, 77 –– XVI., Papst 9 Bernhard (Bernhart, Bernard, Bernardo) –– de La Planche, Bf. v. Dax 97, 247, 255 –– v. Rotperg 175 Bertrand Marva 269 Besançon 287, 331 Blanche v. Berry, Gf.in v. Savoyen 37 Böhmen 227, 283 Bonne de Bourbon, Gf.in v. Savoyen 12
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Anhang
Breslau 363 Brixen 268 Bugey 11, 111 Burgund, Hzg. 12, 35, 74, 160, 162, 271, 282, 284, 285, 287, 299, 300, 307 C Cambrai 287, 328, 329 Cencio de’ Rustici 270 Chambéry 43, 331, 357, 364, 365, 371 Charlotte v. Savoyen 257, 304 Chillon 36 Christian v. Königgrätz 93, 98 Christoph v. Bayern 282 Chur 18, 351 Cicero 60, 112, 273, 274 Clemens –– Alexandrinos 274 –– VI., Papst 319 Coelestin V., Papst 353 Conrad (Konrad) –– v. Scharnachtal 305 –– v. Weinsberg, Protektor des Basler Konzils 173, 212, 216 –– Witz 24, 28, 40, 257, 312, 333, 334, 337, 339, 342 – 344 Corneto 256, 265, 322, 352 D Denis Du Moulin, Ebf. v. Toulouse 253 Dietrich –– v. Erbach, Ebf. v. Mainz 299 –– v. Moers, Ebf. v. Köln 299 E Eichstätt 362 Enea Silvio Piccolomini. Siehe Papst Pius II. Erfurt 283 Eugen IV., Papst 9, 11, 12, 17, 18, 30, 33, 54, 58, 59, 60 – 64, 66 – 69, 71 – 79, 88, 89, 91, 96, 97, 103 – 105, 110, 117, 121, 140 – 144, 238, 253, 261, 263 – 268, 271, 275, 281 – 293, 298, 299, 301 – 304, 313, 317, 322, 323, 328, 329, 345, 351, 377, 378
Evian 36, 311, 321, 357, 371 F Felix V., Papst, passim Flavio Biondo 231 Florenz 9, 58, 60, 67, 73, 78, 117, 328 Frankfurt 88, 271, 290, 291, 301, 302, 316, 322 Franz (François, Francesco, Franciscus) –– de Conzié, Ebf. v. Narbonne 166, 178, 179, 180, 184, 251, 252 –– de Metz, Bf. v. Genf 97, 247, 255, 257, 265, 278, 279, 320, 321, 322, 335, 338 –– Ducrest OESA, Abt v. Abondance 60, 197 –– Pizolpasso 88 –– Sforza 285, 286, 358 –– Zabarella 16, 71 Freising 193, 248, 298, 299, 362 Friedrich (Federicus, Federigo) –– Gf. v. Toggenburg 258 –– II., Hz. v. Sachsen 257, 304 –– III., röm.-dt. Kg. und Ks. 88, 89, 138, 228, 229, 271, 278, 284, 290, 292 – 303, 311, 324, 347 –– zu Rhein, Bf. v. Basel 98, 119, 147, 239, 348 G Genf 7, 11, 18, 24, 28, 31, 55, 56, 97, 135, 138, 151, 166, 167, 173, 178, 184, 190, 201, 212, 220, 247, 255, 257, 258, 265, 268, 269, 278, 293, 294, 296, 305, 311 – 315, 320 – 325, 330, 332 – 348, 351, 355 – 365, 368, 369, 371 – 374, 379 Genfer See 30, 33, 34, 36, 229, 230, 255, 276, 278, 298, 306, 311, 314, 321, 324, 325, 333, 335, 336, 337, 339, 342, 369, 373 Georg (Georgius, George, Jorge) –– v. Ornos, Bf. v. Vich 98, 119, 197, 239, 247, 255, 257, 286, 295 –– v. Saluzzo, Bf. v. Aosta, Bf. v. Lausanne 60, 97, 101, 239, 325, 326 Gérard Machet, Bf. v. Castres, Kard. 253 Gilles Binchois 327, 329
Personen- und Ortsregister
Goetz Heinrich v. Eptingen 175 Gregor –– Heimburg 302 –– X., Papst 80, 84, 122, 129, 195 –– XII., Papst 141, 353, 355, 378 H Hartung von Kappel 90 Hautecombe 40, 41, 140, 364 – 366, 370 Havelberg 363 Heinrich (Henri) –– Isaac 329 –– Schlick 298 –– Toke 48, 49 –– v. Beinheim 229 –– v. Jude 98 –– v. Langestein 70 Heintzman Murer 175 Henman v. Offenburg 175 Hermance 338 Hieronymus Wolnlassen 227, 283, 284 Hildesheim 363 Hugo (Hugues) –– Barardi 103 –– de Lusignan, Kard. 257 Humbert de Chissé 361 I Ivrea 97, 320, 357 J Jacob (Jacques, Jacopo) –– Cœur 355 –– Friesheimer v. Salzburg, Kanoniker in Regensburg 98 –– Hüglin 153, 164, 165, 172, 194, 198, 201, 211 – 214, 217, 222 – 254 –– Juvénal des Ursins 346 –– Meynier, sav. Kämmerer 367 –– Stefaneschi 240, 241, 244, 250, 252 –– v. Sierck, Erzbf. v. Trier 299 – 305 Jean-Louis v. Savoyen, Bf. v. Genf 372 Job Vener 48 Johanna v. Neapel 319
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Johannes (Johann, Gian, Giovanni, Hans, Hanns, Jan, Jean, John, Juan) –– Bapteur 52, 126, 296, 330, 332 –– Bernardi 115 –– Bodin 112 –– Conradt Súrlin 175 –– d’Arces, Ebf. v. Tarantaise 97, 255, 256, 257, 351 –– de Berry 37 –– de Carvajal, Kard. 282, 290, 302 –– de Grôlée 245, 268, 275, 296, 300, 305, 315, 320, 321, 346 –– de Lestelley 151 –– de Malestroit, Bf. v. Nantes 253 –– de Palomar 73 –– de Parella, Bf. v. Ivrea 97 –– de Prangins, Bf. v. Lausanne (1433 – 1440), Bf. v. Aosta (1440 – 1443) 58, 119, 239 –– de Seysell 151 –– de Torquemada OP, Kard. 282 –– de Turicella 115 –– de Valle 97 –– de Vitry 330 –– Giquel 275 –– Grünwalder, Kard. 193, 194, 247, 255, 289, 295, 297, 298, 299 –– Keck OSB 275, 289 –– Le Jeune, Kard. 284 –– Leporeti 330 –– Martino Avogadro di Casanova, Abt S. Andrea di Vercelli 279 –– Piémont 61 –– Rott, Bürgermeister Basel 229 –– Rych 175 –– Sletzenrode 103 –– Tinctoris 89 –– v. Bachenstein 197 –– Veteris 136 –– Vitelleschi, Kard. 322 –– v. Louffen 175 –– v. Ragusa OP, Bf. v. Ardijisch 61, 216, 220, 247, 255, 262, 278 –– v. Segovia, Kard. 28, 30, 35, 36, 65, 79, 80, 85, 90, 92, 94, 95, 98, 100, 101, 103,
408
Anhang
104 – 108, 111, 115 – 117, 120, 122, 124 – 126, 130 – 132, 135, 140, 153, 164, 172, 194, 198, 211, 226, 228, 229, 245, 247, 248 – 250, 253 – 255, 258, 259, 262, 268, 274, 278, 285, 286, 291, 294, 295, 297, 299, 300, 309, 314, 315, 324, 325, 346, 347, 351, 352, 375 –– v. Tierstein 115 –– XXIII., Papst 77, 141, 170, 177, 353, 354, 355 Julius (Giuliano) –– Cesarini, Kard., Konzilspräsident 68, 73, 252, 275 –– II., Papst 373 K Kammin 363 Karl (Charles, Carlo, Carolus) –– Malatesta 353 –– VII., Kg. v. Frankreich 12, 31, 74, 284, 292, 300, 302, 345, 346, 347, 376 Kasimir IV., Kg. v. Polen 282, 283 Kaspar Schlick 298, 299, 302 Köln 8, 89, 98, 283, 299, 301, 302, 363 Konstanz 10, 12, 15, 18, 31, 64, 65, 68, 70, 77, 81, 84, 85, 95, 101 – 103, 106, 108, 111, 117, 119, 121, 125, 130, 131, 166, 170, 176, 177, 189, 191, 195, 205, 208, 209, 211, 212, 218, 219, 222, 225, 235, 261, 266, 302, 346, 351, 353, 362, 363, 378 Krakau 98, 282, 283 L Lancelot de Lusignan, Patriarch v. Jerusalem, Kard. 257, 265 Lausanne 7, 9, 18, 31, 49, 58, 61, 103, 165, 171, 230, 237, 238, 239, 255, 265, 268, 276, 279, 293, 298, 303, 304, 311, 320, 321, 324 – 328, 331, 346, 348 – 351, 354, 355, 357, 379 Leipzig 283, 301 Leo –– IX., Papst 69 –– X., Papst 224, 373 Lorenzo Valla 318 Lübeck 362 Ludwig (Lodovico, Louis, Luis)
–– Aleman, Erzbf. v. Arles, Kard., Konzilspräsident 30, 59, 61, 65, 73, 76, 85, 90, 92 – 94, 97, 99 – 101, 105, 110, 111, 115 – 119, 131, 132, 135, 141, 151, 166, 167, 175, 188, 197, 198, 212, 214, 216, 221, 222, 224, 235, 239, 240, 245, 246, 248, 249, 250, 254, 255, 257, 259, 262, 265, 291, 294, 313, 346, 347, 351 –– de Amaral, Bf. v. Viseu 98, 119, 256 –– de Lapalud (de Varambone), Bf. v. Lausanne, Kard., ab 1441 Bf. von Maurienne 58, 59, 61, 103, 115, 151, 175, 188, 198, 212, 213, 216, 226, 237, 238, 239, 245, 248, 249, 255, 257, 278, 315, 351 –– de Romagnago, Bf. v. Turin 97 –– IV., Pfalzgr. und Kurf. 305 –– Mgf. v. Saluzzo 151, 175, 218, 296, 369 –– Pariset 364 –– Pontano 61, 72 –– VII., Hz. v. Savoyen 12, 30, 34, 54 – 57, 60, 63, 126, 134, 135, 160, 170, 201 – 204, 212, 221, 257, 286, 303 – 305, 320, 328, 345, 346, 369, 372, 373 Lyon 31, 60, 84, 156, 195, 211, 218, 219, 222, 225, 253, 346, 348, 350 M Mailand 58, 74, 282, 285, 286, 303, 307, 354, 358 Mainz 289, 292, 299, 301, 302, 305, 322, 363 Marco Condulmer, Ebf. v. Tarantaise, Patriarch v. Grado 59, 62 Margarethe v. Savoyen 304 – 308 Maria –– Bianca von Savoia, Hz.in v. Mailand 286 –– v. Burgund, Hz.in v. Savoyen 12, 35 Martin Le Franc 151, 269 – 274, 315, 327, 346 Martin V., Papst 10, 64, 65, 101, 103, 108, 117, 123, 139, 141, 166, 177, 178, 183, 195, 205 – 212, 218, 261, 264, 270, 319, 321, 378 Mathäus Ensinger 39, 40, 41, 140, 365 Maurienne 59, 239, 265, 278, 351, 357 Michael Brumen 115 Môle 333, 339, 340, 343 Mont Blanc 339
Personen- und Ortsregister
Mont Cenis 357 Montjoux/Groß St. Bernhard 357 Morges 36 N Neapel 253, 254, 281, 285, 286, 319 Nicod –– de Menthon 61, 246 –– Festi 135, 361 Nikolaus (Niccolò, Nicolas, Nicolaus) –– Albergati OCart., Kard. 59, 88, 269 –– de Merques 326, 329 –– de Tudeschi (Panormitanus) OSB, Ebf. v. Palermo, Kard. 72, 224, 253, 254, 255, 286, 291, 300, 324 –– di San Gemigniano OP, Bf. v. Grosseto 103 –– IV., Papst 243 –– Lamy 346, 361 –– Tibout 97 –– v. der Leiter, Ebf. Prag 283 –– v. Kues, Kard. 16 – 18, 72, 73, 90, 91, 272, 273, 290, 302, 318, 363 –– V., Papst 9, 18, 21, 31, 141, 257, 282, 283, 287, 302, 303, 319, 338, 345 – 348, 350 – 352, 354, 356, 360, 372, 374, 377, 378 Nürnberg 290, 301, 304 Nyon 368 O Odo v. Moncada, Bf. v. Tortosa, Kard. 98, 119, 239, 247, 255, 257 Olivier de la Marche 11 P Paris 70, 224, 253, 276, 283 Paschasius Radbertus. Siehe Radbert Passau 362 Payern 320 Percevallus de la Baulme v. Belley 103, 151 Peronet Lamy 330, 332 Petrus (Pietro, Pierre, Peter) –– da Noceto 60, 90 –– de Grôlée 151
409
–– Donato, Bf. v. Padua 332 –– Marchand 129 –– v. Atri 103 –– v. Savoyen, Bf. v. Genf 360, 371 –– v. Schaumburg, Bf. v. Augsburg 238 Pfalz 299, 304, 307 Philipp (Filippo, Philippe, Philippus) –– de Coëtquis, Ebf. v. Tours 253 –– der Gute, Hz. v. Burgund 271, 282, 285, 287 –– Maria Visconti, Hz. v. Mailand 12, 285, 286 Piemont 50, 55 – 58, 60, 135, 160, 203, 265, 320, 357, 358, 359, 363 Pisa 81, 139, 261 Pius II., Papst (Enea Silvio Piccolomini) 28 – 30, 33 – 35, 38, 59, 65, 66, 79, 80, 85 – 118, 124, 125, 128, 129, 141, 142, 144, 154, 193, 194, 195, 196, 200, 201, 205, 206, 210 – 219, 221, 222, 252, 256, 269 – 274, 277, 301, 302, 307, 309, 311, 343, 352, 375 Poggio Bracciolini 143, 144, 270 Polen 282 Prag 283 R Ripaille 29, 30, 33 – 41, 52, 54 – 64, 87, 111, 119, 122, 123, 126, 132, 134, 139, 140, 142, 144, 156, 157, 175, 220, 225, 311, 321, 325, 357, 363 – 371, 376, 379 Robertus (Robert, Roberto) –– Magnagni 103 Rodolphus Sapientis 361 Rom, passim Romainmotier 320 Rupecula, Protonotar 324 S Sachsen 257, 299, 301, 303, 304 Salzburg 98 S. Benigno di Fruttuaria 320 Schottland 74, 87, 281, 282 Schwerin 362 Sigismund
410
Anhang
–– Pirchan OSB, Bf. v. Salona 283, 284 –– röm.-dt. Kg. und Ks. 12, 31, 74, 252, 288, 290, 321 Sitten/Sion 18, 351 Sixtus IV., Papst 373 Stefan (Stefano) –– Caccia 90, 272 –– Tedeschi 90 St. Mauritius in Agaune 36, 367 Straßburg 18, 302, 351 T Tegernsee, Abtei 276 Thomas (Tommaso) –– de Courcelles 92, 97, 100, 106, 256, 291, 346 –– Livingston OCist, Abt v. Dundrennan, Bf. v. Dunkeld 92, 98, 106 –– Parentucelli, Bf. v. Bologna, Kard. Siehe Nikolaus V., Papst –– Pirckheimer 303 –– v. Aquin 112 Thonon 33, 36, 40, 42, 125, 132 – 136, 139, 140, 155, 171, 237, 321, 325 Trient 247, 268, 326 Trier 299 – 305 Turin 29, 48, 97, 300, 320, 330, 331, 332, 356, 357, 365, 371 U Ulrich –– II., v. Rosenberg 283, 284 –– v. Richental 176, 191, 208, 209 Ungarn 283
V Val d’Aosta 357 Val di Susa 357 Vevey 36, 325 Vinzenz Kot, Ebf. v. Gnesen, Primas v. Gnesen, Kard. 282 W Waad 305, 320, 325 Walram v. Moers 237 Wien 276, 283, 287 Wilhelm (Guillaume, Guglielmus, Guillermus, William) –– Bf. v. Vercelli 97, 197, 239 –– Bolomier 151, 296, 300, 363 –– de Villarzel 305 –– Dufay 327, 328, 329 –– Fabri 135, 269 –– Hugues d’Étain, Archidiakon v. Metz, Kard. 97, 256, 257, 351 –– Hz. v. Braunschweig 294 –– III., Hz. v. Bayern-München 48 –– v. Ockham 15 Wladislaus –– II. Jagiello, Kg. v. Polen 282 –– III. Warnenczyks, Kg. v. Polen und Ungarn 282, 283 Worms 302 Würzburg 268 Z Zbigniew Olesnicki, Erzbf. v. Krakau 282
PAPSTTUM IM MITTEL ALTERLICHEN EUROPA HERAUSGEGEBEN VON HARALD MÜLLER UND JOCHEN JOHRENDT BD.1 | HARALD MÜLLER,
BD. 3 | URSULA GIESSMANN
BRIGITTE HOTZ (HG.)
DER LETZTE GEGENPAPST: FELIX V.
GEGENPÄPSTE
STUDIEN ZU HERRSCHAFTSPRAXIS
EIN UNERWÜNSCHTES
UND LEGITIMATIONSSTRATEGIEN
MITTELALTERLICHES PHÄNOMEN
(1434–1451)
2012. 468 S. 4 FARB. ABB. GB.
2014. 410 S. 5 S/W-ABB. GB.
ISBN 978-3-412-20953-7
ISBN 978-3-412-22359-5
BD. 2 | CLARA HARDER PSEUDOISIDOR UND DAS PAPSTTUM FUNKTION UND BEDEUTUNG DES APOSTOLISCHEN STUHLS IN DEN PSEUDOISIDORISCHEN FÄLSCHUNGEN 2014. 290 S. GB. ISBN 978-3-412-22338-0
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