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German Pages 456 [458] Year 2017
Sebastian Weinert Der Körper im Blick
Ordnungssysteme
| Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit Herausgegeben von Jörg Baberowski, Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael
Band 50
Sebastian Weinert
Der Körper im Blick | Gesundheitsausstellungen vom späten Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus
ISBN 978-3-11-046677-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-046901-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-046691-1 Set-ISBN 978-3-11-046902-8 ISSN 2190-1813 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: le-tex publishing services GmbH, Leipzig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Inhalt Danksagung | VII Abkürzungsverzeichnis | IX 1
Einleitung | 1
2
Die deutschen Gesundheitsausstellungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts | 19 Von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Ersten Weltkriegs: Der Beginn der Ausstellung als Mittel hygienischer Volksbelehrung | 29 Vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zur NS-Machtübernahme: Hygienische Volksbelehrung in der Weimarer Republik | 52 Von der NS-Machtübernahme bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs: Gesundheitsausstellungen unterm Hakenkreuz | 79
2.1
2.2 2.3
3 3.1 3.2 3.3 3.4
4 4.1 4.2 4.3
Netzwerken, repräsentieren, aushandeln, erfahren: Die Organisation der Gesundheitsausstellungen als sozialer Prozess | 99 Von Institutionen, Objekten, Personen: Die Ausstellungen und ihre Akteure | 101 Vergnügung und Belehrung: Die Besucher der Gesundheitsausstellungen | 116 Ausstellung und Konkurrenz: Konflikte zwischen den Akteuren | 129 Von Selbstdarstellungen: Gesundheitsschauen als öffentliche Foren | 146 Gesundheitsausstellungen als internationale Ereignisse | 157 Internationalität der Gesundheitsausstellungen: Bedeutung, Umfang und Organisation | 159 Kontinuierlich nachbarschaftliche Kontakte: Die Niederlande | 170 Vom Deutschen Hygiene-Museum Dresden zum Cleveland Health Museum: Bruno Gebhard und die USA | 195
VI | Inhalt
5 5.1 5.2 5.3 5.4 6 6.1 6.2
7
Strukturen des Körperdiskurses vom späten Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus | 221 „Vermessene Körper“ | 225 „Leistende Körper“ | 252 „Ästhetische Körper“ | 271 „Genormte Körper“ | 296 Der Körper als Differenz. Von Ein- und Ausschlüssen | 319 Die Ausbreitung eugenischen Denkens auf den Gesundheitsausstellungen | 322 Zwischen Individuum und „Volksgemeinschaft“: Ambivalenzen des Körperdiskurses | 346 Fazit und Ausblick | 371
Quellen- und Literaturverzeichnis | 379 Ungedruckte Quellen | 379 Häufig genutzte Periodika | 382 Gedruckte Quellen | 382 Sekundärliteratur | 409
Danksagung Die vorliegende Studie beruht auf meiner im September 2014 an der HumboldtUniversität zu Berlin eingereichten und im Juli 2015 verteidigten Dissertation. Für die Veröffentlichung wurde sie um die aktuelle Forschungsliteratur ergänzt, leicht überarbeitet und gekürzt. Erst am Ende einer Dissertationsphase erkennt man in aller Deutlichkeit, wie viele Personen und Institutionen zum Gelingen der eigenen Arbeit beigetragen haben. Das waren zuallererst Rüdiger vom Bruch (Berlin) und Uwe Puschner (Berlin). Rüdiger vom Bruch übernahm das Erstgutachten und hat die Entstehung der Arbeit von Anfang an mit großem Interesse gefördert. Uwe Puschner war für mich jederzeit ansprechbar und unterstützte mich über das von einem Zweitgutachter erwartbare Maß hinaus. Ich danke weiterhin Jörg Baberowski (Berlin), Anselm Doering-Manteuffel (Tübingen) und Lutz Raphael (Trier) für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Ordnungssysteme“. Die Gelegenheit zur Diskussion meiner Thesen und Argumente gaben mir zu unterschiedlichen Zeitpunkten Anke te Heesen (Berlin), Birgit Aschmann (Berlin), Richard Nate (Eichstätt-Ingolstadt) und Sybilla Nikolow (Bielefeld). Wichtige Unterstützung erhielt ich weiterhin von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in zahlreichen Archiven und Bibliotheken. Hier möchte ich mich – als pars pro toto – bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beiden Staatsbibliotheken in Berlin und München, dem Stadtarchiv Düsseldorf, Marion Schneider vom Deutschen Hygiene-Museum Dresden und Jennifer Nieves vom Dittrick Medical History Center in Cleveland (Ohio) bedanken. Darüber hinaus erhielt ich im Laufe der Jahre von mehreren Institutionen eine finanzielle Förderung: Meine Archivreisen in die Niederlande und die USA wurden mir durch ein DAAD-Kurzstipendium möglich gemacht. Die Abschlussphase der Doktorarbeit hatte ein Elsa-Neumann-Stipendium des Landes Berlin außerordentlich erleichtert. Die weitaus überwiegende Zeit meiner Promotionsphase war ich jedoch Angestellter der Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin. Diese unterstützte mich als Person und mein Promotionsprojekt in einer Art und Weise, wie ich sie mir nur wünschen konnte. Ich möchte mich deswegen in erster Linie bei Thomas Golka und dem Geschäftsführer Wolfgang Schrödter herzlich bedanken. Vor allem aber habe ich vielen Einzelpersonen zu danken: Die Diskussionen mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen aus den Kolloquien von Rüdiger vom Bruch und Uwe Puschner waren für mich immer wieder eine Bereicherung. Hans-Christoph Liess und Jens Thiel bestärkten mich zu einem sehr frühen Zeitpunkt in meiner Arbeit und gaben mir wichtige Anregungen für ihre Ausgestaltung. Mit Kirsten Otto verbinden mich die gemeinsamen Kaffeepausen in der StaatsbiDOI 9783110469011-202
VIII | Danksagung
bliothek zu Berlin und die späteren Mittag- und Abendessen. Kees Ribbens hat mich nicht nur bereits während meines Studiums unterstützt, sondern Teile der Arbeit gelesen und kommentiert. Dies gilt auch für die Mitglieder der Bielefelder Arbeitsgemeinschaft „Deutsches Hygiene-Museum Dresden“ – Anna-Gesa Leuthardt, Thomas Steller, Lioba Thaut und Christian Sammer. Christian Sammer und ich verbrachten darüber hinaus den ein oder anderen Abend mit Gesprächen über Gesundheitsausstellungen, die Leiden junger Doktoranden oder die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest. Für viele kleine Anregungen und Hilfestellungen bedanke ich mich bei (in alphabetischer Reihenfolge): Jörn Eiben, Henrik Eßler, Thomas Gertzen, Alrun Schmidtke, Christian Vogel und vielen anderen. Meine Familie – meine Mutter Monika, mein Vater Herbert und mein Bruder Oliver – hat meinen Weg vom Studenten bis zur fertigen Dissertation mit viel Anteilnahme begleitet. Besonders schulde ich aber einer Person mehr, als ich mit einem bloßen Dank auszudrücken vermag. Meine Frau Indra hat mit ihrer bedingungslosen Unterstützung, ihrem ausdauernden Verständnis für mich und mit vielen anderen Dingen dafür gesorgt, dass mir die vergangenen Jahre im Rückblick als großes Glück erscheinen. Ohne sie wäre diese Arbeit nie geschrieben worden. Ihr ist sie gewidmet.
Abkürzungsverzeichnis AfS AMPG APHA BArch Berlin BayHStA CEH CSSH DGBG DRK DVfK GeSoLei GG GStA PK GWU HA HSR HStA Dresden HStA Stuttgart IASL JbWG KAVH KWI-A LA Berlin NPL PA des Auswärtigen Amts RGW StdA Amsterdam StdA Dresden StdA Düsseldorf StdA Stuttgart TG VfZ WestF ZHF
Archiv für Sozialgeschichte Archiv der Max Planck-Gesellschaft American Public Health Association Bundesarchiv Berlin Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Central European History Comparative Studies in Society and History Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten Deutsches Rotes Kreuz Deutsche Vereinigung für Krüppelfürsorge Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen in Düsseldorf 1926 Geschichte und Gesellschaft Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Historische Anthropologie Historical Social Research Hauptstaatsarchiv Dresden Hauptstaatsarchiv Stuttgart Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte Kaiserin Auguste Victoria Haus Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik Landesarchiv Berlin Neue Politische Literatur Politisches Archiv des Auswärtigen Amts Reichsgesundheitswoche Stadtarchiv Amsterdam Stadtarchiv Dresden Stadtarchiv Düsseldorf Stadtarchiv Stuttgart Tijdschrift voor Geschiedenis Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Westfälische Forschungen Zeitschrift für historische Forschung
1 Einleitung Der Körper polarisiert. Meldungen über körperliche Leistungen, medizinische sowie naturwissenschaftliche Entdeckungen oder aktuelle Gefährdungen durch Zivilisations- oder klassische Ansteckungskrankheiten finden sich beinahe täglich in den Medien. Der Körper wird mit Hilfe chirurgischer Eingriffe und technischer Verfahren modifiziert, permanent „verschönert“ und immer wieder aufs Neue verändert. Dennoch sind seine Geheimnisse bis heute nicht vollständig entschlüsselt. Sein Organismus, das Zusammenspiel von erblicher Anlage und Umweltfaktoren oder das Verhältnis von Leib und Seele sind nur drei Beispiele unter vielen, die Medizinern und Naturwissenschaftlern sowie der allgemeinen Bevölkerung weiterhin Rätsel aufgeben. Selbst der Aufstieg der modernen Labormedizin und die immer weiter fortschreitende Verfeinerung medizinischer wie naturwissenschaftlicher Diagnose- und Beobachtungsverfahren konnten die Faszinationskraft des Körpers nicht brechen. Obwohl die digitalisierte Gegenwart aufgrund der Orts- und Zeitunabhängigkeit von Kommunikation, politischen wie ökonomischen Entscheidungen oder sozialer Interaktion nahezu „entkörperlicht“ erscheint, ist der Körper auf vielfältige Weise präsent. Gerade das Verhältnis von Körper, Gesundheit und Krankheit ist allgegenwärtig. Gesundheit gehört zu den bestimmenden Themen der Gegenwart. Sie ist Triebfeder und Motivation für das individuelle Tun vieler Menschen. Ob Freizeitgestaltung, Ernährung oder Lebensweise – kaum ein Bereich des täglichen Lebens wird inzwischen nicht im Hinblick auf seine gesundheitsfördernden oder schädigenden Effekte betrachtet. Berichte über die Entwicklung neuer Medikamente oder gesunde Körperpraktiken finden regelmäßig medialen Niederschlag. Die Ausbreitung neuer oder sich verändernder Krankheiten, das Auftreten von Epidemien oder gar Pandemien sowie die Zunahme chronischer Krankheiten wecken zuverlässig die Ängste der Bevölkerung. Nicht zuletzt prägen körperbezogene Themen wie die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland sowie auf ihr Gesundheits- und Sozialsystem die aktuellen politischen wie publizistischen Auseinandersetzungen in erheblichem Maße. Die Verfassung des Körpers, sein Zustand im Spannungsfeld von Gesundheit und Krankheit ist – kurz gesagt – aus den gegenwärtigen Debatten nicht wegzudenken. Die herausgehobene Stellung des Körpers ist allerdings nicht neu, sondern hat eine lange Geschichte. Der „Homo Hygienicus“ (Alfons Labisch) entstand schrittweise und in einer ständigen Interdependenz mit den gesellschaftlichen wie politischen Entwicklungen im Deutschen Reich wie anderswo auf der Welt. Körperbezogene Themen blieben das gesamte 20. Jahrhundert hindurch aktuell DOI 10.1515/9783110469011-001
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und gleichermaßen umstritten. Dies liegt zum einen am existentiellen Einfluss der eigenen körperlichen Verfassung auf das Wohlbefinden des Individuums; an der engen Verknüpfung von Gesundheit und Krankheit mit Fragen von Leben und Tod.¹ Körperliche Veränderungen wirken sich direkt auf den Alltag aus; Krankheiten können dramatische Einschnitte für die eigene Biografie bedeuten. Zum anderen hängt dies möglicherweise damit zusammen, dass die Beschäftigung mit dem Körper, mit Gesundheit und Krankheit ein Modus war und ist, in dem sich die Gesellschaft über sich selbst Rechnung ablegt. Die „Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit“, so Malte Thießen, bietet „eine Projektionsfläche, auf der grundsätzliche gesellschaftliche Themen verhandelt werden.“² Ein Grund dafür ist, dass der Körper schon immer in einem besonderen Wechselverhältnis zwischen Individuum und Kollektiv stand: So haben Krankheiten gleichermaßen Konsequenzen für den Betroffenen sowie – aufgrund ihrer potentiellen Übertragbarkeit – für die ihn umgebende Umwelt. Kranke und Gesunde standen und stehen deswegen nicht für sich selbst; sie wurden und werden als „normal“ oder „pathologisch“ klassifiziert³, in Beziehung zur Bevölkerung, der Nation oder dem „Volkskörper“ gesetzt. Interessiert man sich für die Stellung des Körpers in der Gesellschaft, beschäftigt man sich deswegen immer auch mit deren innerer Verfasstheit.
Untersuchungszeitraum und -gegenstand Die vorliegende Studie deckt einen Zeitraum von etwa 1900 bis kurz vor dem Zweiten Weltkrieg ab. Er erstreckt sich über eine Periode von ungefähr 40 Jahren; schließt das wilhelminische Kaiserreich ebenso mit ein wie die Weimarer Republik und den Nationalsozialismus. Er ist damit weitgehend deckungsgleich mit einem Zeitraum, der in der Geschichtswissenschaft mit Begriffen wie „klassische Moderne“ (Detlev J. K. Peukert) oder „lange Jahrhundertwende“ belegt und – zumindest im Hinblick auf gewisse Charakteristika – als einheitlich beschrieben wird.⁴ Eine Gemeinsamkeit dieser Periode war der Aufstieg von Wissen und Wissenschaft zu 1 Es ist insbesondere Zygmunt Baumann, der sich in seinem Werk mit dem Verhältnis zwischen Medizin und Tod beschäftigt und dieses als eine Signatur der „Moderne“ interpretiert hat. Vgl. Zygmunt Baumann: Tod, Unsterblichkeit und andere Lebensstrategien, Frankfurt am Main 1994, v. a. S. 198–237. 2 Malte Thießen: Medizingeschichte in Erweiterung. Perspektiven für eine Sozial- und Kulturgeschichte der Moderne, in: AfS 53 (2013), S. 535–599, hier S. 535. 3 Vgl. klassisch Georges Canguilhem: Das Normale und das Pathologische, München 1974. 4 Den Begriff der „klassischen Moderne“ entlieh Detlev Peukert der Kunstgeschichte zur „Kennzeichnung der ganzen soziokulturellen Epochenlage“ von etwa 1880 bis 1930. Detlev J. K. Peukert: Die Weimarer Republik. Krisenjahre der Klassischen Moderne, Frankfurt am Main 1987, S. 11. Zur
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Signaturen der Gegenwart, zu Motoren des gesellschaftlichen Wandels. Wissenschaftliches Denken durchdrang mit zunehmender Macht alle gesellschaftlichen Teilbereiche, prägte die zeitgenössische Welt- und Problemwahrnehmung in wachsendem Maße mit.⁵ In dieser Phase stieg auch weltweit die Aufmerksamkeit für den Körper an: Er wurde wissenschaftlich vermessen, durch die Industrialisierung als Produktionsfaktor aufgewertet sowie im Rahmen des entstehenden Sozial- und Wohlfahrtsstaates als Objekt der Fürsorge und ökonomischer Faktor entdeckt. Gleichzeitig wurde er in einer Parallel- und Gegenbewegung etwa von Anhängern des Wettkampfsports als Instrument der Freizeitgestaltung begriffen oder durch die Lebensreformer mythisch überhöht. Nicht zuletzt wurde er in diesem Zeitraum in bislang ungekannter Art und Weise politisiert, wurden soziale wie politische Teilhabechancen an körperliche und biologische Eigenschaften gekoppelt. Die Wehrfähigkeit der Bevölkerung, ihre demografische Entwicklung, die Kosten kranker Menschen für das Gesundheits- sowie Sozialsystem oder auch die Forderungen der sich seit 1900 stetig ausbreitenden eugenischen Bewegung waren nicht nur soziale, kulturelle oder wissenschaftliche, sondern vor allem politische Themen. Die Beschäftigung mit ihnen wurde von politischen Verantwortlichen vorangetrieben oder verzögert, inhaltlich modifiziert oder erst ins Leben gesetzt. Der wissenschaftlich erfasste, politisch interpretierte und kulturell verhandelte Körper wurde auf diese Weise nicht nur im Deutschen Reich „a central locus in conceptions of citizenship“.⁶ Vor allem aber wurde das Sprechen über den Körper in der „klassischen Moderne“ zu einem einflussreichen Modus der Selbstvergewisserung, der Grenzziehung und der Politisierung. Das ist der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit. Die Studie handelt damit in ihrem Kern von der Gesellschaft. Sie handelt davon, wie im Deutschen Reich über den Körper gesprochen, wie dadurch Heterogenität definiert und gleichzeitig Devianz sprachlich hergestellt wurde. Sie fragt, wie die Gesellschaft im Zeitraum vom späten Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus Andersartigkeit definierte und entlang welcher Differenzkategorien sich Prozesse der Integration oder Ausgrenzung entfalteten. Sie geht erstens von der These aus, dass im Sprechen über den Körper politische wie soziale Partizipationschancen ausgehandelt wurden, dem Blick auf den Körper eine Grenzziehung zwischen
„langen Jahrhundertwende“ vgl. August Nitschke/Gerhard A. Ritter/Detlev J. K. Peukert (Hrsg.): Jahrhundertwende. Der Aufbruch in die Moderne 1880–1930. 2 Bände, Reinbek bei Hamburg 1990. 5 Vgl. Margit Szöllösi-Janze: Wissensgesellschaft in Deutschland: Überlegungen zur Neubestimmung der deutschen Zeitgeschichte über Verwissenschaftlichungsprozesse, in: GG 30 (2004) 2, S. 277–313. 6 Ina Zweiniger-Bargielowska: Managing the Body. Beauty, Health, and Fitness in Britain, 1880– 1939, New York u. a. 2010, S. 13.
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innen und außen, zwischen Zugehörigkeit und Fremdheit sowie zwischen „Normalität“ und „Anormalität“ immanent war.⁷ Damit werden die problematischen Effekte des Blicks auf den Körper zwischen Individualisierung und Kollektivierung, zwischen Normalität und Devianz umrissen, die im Folgenden einen Schwerpunkt der Untersuchung ausmachen. Gleichzeitig weist Philipp Sarasin darauf hin, dass die Entwicklung des Körperdiskurses nicht in einer linearen Disziplinierungs- oder Repressionsgeschichte aufgeht, sondern ebenso Elemente der Emanzipation, der Widerständigkeit und der Uneindeutigkeit beinhaltet.⁸ Diese Aspekte werden aber in der bisherigen Geschichtsschreibung eher vernachlässigt. Viele Arbeiten über körpergeschichtliche Themen, insbesondere zu Eugenik und Rassenhygiene, neigen zu einem mehr oder weniger linearen Radikalisierungsnarrativ, das in die nationalsozialistischen Verbrechen mündet.⁹ So nachvollziehbar ein solcher Zuschnitt ist, hat er doch den Nachteil, die Ambivalenz und Vielschichtigkeit des Diskurses in der gesamten ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tendenziell zu vernachlässigen. Im Folgenden wird es demnach darum gehen, den Diskurs über den Körper in seiner Breite und mit seinen positiven wie negativen Effekten gleichermaßen darzustellen. Denn dieser war, das ist die zweite zentrale These der Arbeit, über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg nicht ein-, sondern vielfältig, widersprüchlich und verschränkte eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Positionen von sehr heterogenen Akteursgruppen miteinander. Es sollen diese verschiedenen Zugangsweisen, die zeitgenössischen Perspektiven auf den Körper herausgearbeitet und danach befragt werden, inwieweit diese in einem historiographischen Zugriff aufeinander beziehbar sind, inwieweit sich im Rahmen einer historischen Analyse aus der Vielschichtigkeit der Stimmen gemeinsame Ordnungsvorstellungen vom Körper destillieren lassen. Indem sich die vorliegende Studie damit auseinandersetzt, „welche diskursiven Systeme das Wissen [über den Körper] einer Epoche ordnen und damit ermöglichen“, beschäftigt sie sich gleichzeitig mit einem zentralen Untersuchungsfeld der neueren Wissens- und Wissenschaftsgeschichte.¹⁰
7 Vgl. Philipp Sarasin: Mapping the body. Körpergeschichte zwischen Konstruktivismus, Politik und „Erfahrung“, in: HA 7 (1999) 3, S. 437–451. 8 Vgl. Ders.: Reizbare Maschinen. Eine Geschichte des Körpers 1765–1914, Frankfurt am Main 2001, S. 23. 9 Dies betrifft selbst viele Arbeiten, deren Untersuchungszeitraum vor der NS-Machtübernahme endet. Auch hier fungiert der Nationalsozialismus oft als analytische Hintergrundfolie, vor der die negativen Seiten des Körperdiskurses gedeutet werden. 10 Philipp Sarasin: Was ist Wissensgeschichte?, in: IASL 36 (2011) 1, S. 159–175, hier S. 167. Einen Überblick über einschlägige Forschungen in der Wissenschaftsgeschichte gibt auch Rüdiger
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Theoretische Grundlagen Die kulturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Körper, die Theoretiker wie Michel Foucault oder Judith Butler maßgeblich beeinflussten, hat inzwischen eine eigene Vergangenheit. Spätestens seit Barbara Dudens „Geschichte unter der Haut“ ist auch in Deutschland das geschichtswissenschaftliche Interesse am Körper beständig gewachsen.¹¹ Die in diesem Zuge entstandenen Studien gehen von verschiedenen theoretischen Positionen aus, haben variierende Untersuchungszeiträume und unterschiedliche Untersuchungsgegenstände.¹² Ihre Gemeinsamkeit ist das Bemühen, die Vorstellung vom Körper als natürlicher Einheit aufzulösen und diesen stattdessen als Produkt von Zuschreibungen, als Resultat körperbezogener Diskurse sowie Praktiken zu verstehen.¹³ Körperliche Eigenschaften einer Person wie beispielsweise Sexualität, Behinderung oder Geschlecht sind aus diesem Blickwinkel keine naturgegebenen Entitäten, sondern werden durch kollektiv wirksame Sprachhandlungen sowie -praktiken hervorgebracht. Einzelne Forschende wiesen allerdings schon früh darauf hin, dass der Körper nicht in der Sprache aufgeht, sondern eine eigene Materialität besitzt.¹⁴ Körperliche Eigenschaften, so der Einwand, haben ein Eigengewicht, eine eigene, vorsprachliche Leiblichkeit. Die hiermit angerissene Debatte kreist im Wesentlichen um die Frage, ob der Körper ausschließlich als sprachliches Konstrukt zu verstehen oder nicht doch auch biologisch verfasst ist. In der kulturwissenschaftlichen Forschung hat sich
Hachtmann: Wissenschaftsgeschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: AfS 48 (2008), S. 539–606. 11 Vgl. Barbara Duden: Geschichte unter der Haut. Ein Eisenacher Arzt und seine Patientinnen um 1730, Stuttgart 1987. 12 Die Literatur zur Körpergeschichte ist inzwischen kaum mehr zu überblicken. Einen ersten Zugang bieten Kathleen Canning: The Body as Method? Reflections on the Place of the Body in Gender History, in: Gender & History 11 (1999) 3, S. 499–513; Heiko Stoff : Diskurse und Erfahrungen. Ein Rückblick auf die Körpergeschichte der neunziger Jahre, in: 1999. Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 14 (1999) 2, S. 142–160; Maren Lorenz: Leibhaftige Vergangenheit. Einführung in die Körpergeschichte, Tübingen 2000; Daniel Siemens: Von Marmorleibern und Maschinenmenschen. Neue Literatur zur Körpergeschichte in Deutschland zwischen 1900 und 1936, in: AfS 47 (2007), S. 639–682; Mark Hengerer: Kontroverse Kategorie. Eine Umschau in der geisteswissenschaftlichen Forschung zum Körper, in: ZHF 37 (2010) 2, S. 219–247. Zum Verhältnis zwischen Medizin- und Körpergeschichte vgl. Wolfgang U. Eckart/Robert Jütte: Medizingeschichte: Aspekte, Aufgaben, Arbeitsweisen, in: GWU 59 (2008) 2, S. 76–84. 13 Den anregendsten Einstieg in das Verhältnis von Körper und Diskurs bietet Philipp Sarasin: Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse, Frankfurt am Main 2003. 14 Klassisch hierfür ist immer noch Barbara Dudens Auseinandersetzung mit Judith Butler. Vgl. Barbara Duden: Die Frau ohne Unterleib: Zu Judith Butlers Entkörperung. Ein Zeitdokument, in: Feministische Studien 11 (1993) 2, S. 24–33.
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inzwischen ein „Aushalten der Ambivalenz“ gegenüber einer einseitigen Bevorzugung der einen oder anderen Seite durchgesetzt.¹⁵ Das Verständnis vom Körper als „Effekt von diskursiv verfassten Zeichenpraktiken“ wird daher zunehmend um eine verstärkte Aufmerksamkeit für die leiblichen Aspekte des Körpers, für Performativität und Körperpraktiken ergänzt.¹⁶ Materialität und Sprachlichkeit des Körpers bleiben aus dieser Perspektive aufeinander bezogen und untrennbar miteinander verwoben.¹⁷ Im Folgenden steht daher zwar die Geschichte des Körperdiskurses vom späten Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus im Mittelpunkt der Analyse. Dieser soll aber an seine wissenschaftlichen, politischen, kulturellen und institutionellen Kontexte zurückgebunden werden. So wird im Folgenden davon ausgegangen, dass der Diskurs in einem Abhängigkeitsverhältnis mit dem Körper stand; jedenfalls nicht losgelöst von ihm gedacht werden kann. Sprachliche Verschiebungen verändern den Status des Körpers in der Gesellschaft, umgekehrt können aber diese Verschiebungen auch als Antworten auf institutionell, kulturell, politisch oder wissenschaftlich ausgelöste Veränderungen verstanden werden.¹⁸ Der Diskursbegriff ist in der historischen Forschung nicht eindeutig definiert. Stattdessen gibt es eine Vielzahl von Begriffsbestimmungen, die miteinander konkurrieren oder nebeneinander stehen.¹⁹ Entsprechende Studien zeichnen sich deswegen eher „durch eine bestimmte Perspektive und charakteristische Fragestel-
15 Philipp Sarasin/Jakob Tanner: Einleitung, in: Dies. (Hrsg.): Physiologie und industrielle Gesellschaft. Studien zur Verwissenschaftlichung des Körpers im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1998, S.12–43, hier S. 43. 16 Anne Fleig: Körper-Inszenierungen: Begriff, Geschichte, kulturelle Praxis, in: Erika FischerLichte/Anne Fleig (Hrsg.): Körper-Inszenierungen. Präsenz und kultureller Wandel, Tübingen 2000, S. 7–17, hier S. 8. 17 Vgl. u. a. Hengerer: Kontroverse Kategorie, S. 219–247, v. a. S. 219–221; Karsten Uhl/Lars Bluma: Arbeiter – Körper – Rationalisierung. Neue Perspektiven auf den historischen Wandel industrieller Arbeitsplätze, in: Dies. (Hrsg.): Kontrollierte Arbeit – Disziplinierte Körper? Zur Sozial- und Kulturgeschichte der Industriearbeit im 19. und 20. Jahrhundert, Bielefeld 2012, S. 9–31. Auch Judith Butler registriert die gegenseitige Interdependenz von Körper und Diskurs. Sie hält aber daran fest, dass erst seine ständige performative und diskursive Wiederholung den Körper als solchen konstituiert. Vgl. Judith Butler: Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts, Frankfurt am Main 2007, S. 104–139. 18 Bruno Latour ist der Theoretiker, der mit seinen Versuchen, durch den Bezug auf hybride „Quasi-Objekte“ den Gegensatz zwischen Natur und Kultur aufzulösen, die Wissenschaftsgeschichte aktuell wohl am stärksten prägt. Für ihn wirken die Objekte wissenschaftlichen Handelns „bald als Ding, bald als Erzählung, bald als soziales Band, ohne sich je auf bloßes Seiendes zu reduzieren.“ Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Frankfurt am Main 2008, S. 119. 19 Vgl. Jürgen Martschukat: Geschichte schreiben mit Foucault – eine Einleitung, in: Ders. (Hrsg.): Geschichte schreiben mit Foucault, Frankfurt am Main u. a. S. 7–26, hier S. 8–11.
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lung“ als durch eine große methodologische Geschlossenheit aus.²⁰ Gemeinsam ist allen Ansätzen der Anspruch, sprachliche Äußerungen nicht nur als symbolische Kommunikation zu verstehen, sondern sie in ihrer überindividuellen, gesamtgesellschaftlichen Wirksamkeit zu analysieren. Die historische Diskursanalyse geht von dem „Konstruktionscharakter soziokultureller Wirklichkeiten aus und fragt vor diesem Hintergrund nach den Arten und Weisen, mit denen im historischen Prozess Formen des Wissens, der Wahrheit und der Wirklichkeit hervorgebracht werden.“²¹ Derartige Untersuchungen gehen zwar zunächst von der Oberfläche der Texte aus und interessieren sich für Aussagegruppen oder Sprechweisen. Diese verstehen sie aber als Manifestationen von Ordnungsstrukturen, Wissenssystemen oder -formatierungen, die die zeitgenössischen Problem- und Weltwahrnehmungen präfiguieren. In diesem Sinne haben Diskurse eine produktive, eine ordnende Funktion. Sie schaffen Eindeutigkeit und lenken den Blick der beteiligten Akteure auf ein bestimmtes Thema.²² Aus diesem Grund sind sie mit Macht verbunden; mit der Macht der Definition, der Grenzziehung, der Regulation und des Ausschlusses.²³ Ihre Macht beziehen sie aus ihrer Regelhaftigkeit, aus ihren Wiederholungen; denn nur ihre ständige Aktualisierung, die dauernde Erneuerung macht eine Aussage wirksam und damit zum Teil eines Diskurses.²⁴ So gewendet sind sie ein „Ensemble diskursiver Ereignisse“; können als „geregelte und diskrete Serien“ von Sprachhandlungen begriffen werden.²⁵ Im Folgenden werden Diskurse als Manifestationen von tiefer liegenden Ordnungsvorstellungen oder Klassifikationen des Körpers verstanden, die sprachlich als „Perspektiven“ auf den Körper gefasst werden. Ziel der Analyse ist die Untersuchung der Aussagesysteme, eben dieser tiefer liegenden Ordnungsvorstellungen, die die Perspektive der deutschen Gesellschaft der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf den individuellen wie kollektiv gedachten Körper strukturierten. Die Studie soll dementsprechend, die „gemeinsame Struktur, die gliedert und artikuliert, was [über den Körper] gesehen und gesagt wird“ offenlegen.²⁶ Ein derartiger Zugriff ermöglicht es, die Formatierungsregeln des Wissens vom
20 Achim Landwehr: Historische Diskursanalyse, Frankfurt am Main u. a. 2008, S. 100. 21 Ebd., S. 98. 22 Vgl. Michel Foucault: Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks, Frankfurt am Main 2011, S. 206–207. 23 Vgl. Michel Foucault: Sexualität und Wahrheit. Band 1. Der Wille zum Wissen, Frankfurt am Main 1977. 24 Vgl. Butler: Körper von Gewicht, S. 154–156. 25 Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses. Inauguralvorlesung am Collège de France, 2. Dezember 1970, Frankfurt am Main 1991, S. 37–38. 26 Foucault: Die Geburt der Klinik, S. 17. Hervorhebung im Original.
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oder die Perspektiven auf den Körper analytisch zu fassen. Er ist darauf gerichtet, überindividuell wirksame und von vielen, sehr unterschiedlichen Akteuren geteilte Ordnungsmuster des Körpers zu identifizieren, herauszuarbeiten und in ihrer Beziehung zueinander darzustellen. Der Diskurs über den Körper war allerdings nicht homogen; er war umkämpft, hatte Risse, Lücken, Brüche. Er war diskontinuierlich, fraktioniert und durch unterschiedliche Positionen charakterisiert.²⁷ Gerade jüngere Arbeiten betonen deswegen, die „social nature of discursive production“.²⁸ Sie betonen, dass unterschiedliche Akteure aus unterschiedlichen Motiven an der Entstehung sowie Distribution von Diskursen mitwirken und heben den Einfluss von Institutionen auf ihre Formatierung hervor.²⁹ Dies alles macht sie vielschichtig, in sich gebrochen, uneinheitlich. Auch beim Körperdiskurs handelt es sich dementsprechend „weniger um einen Diskurs als vielmehr um eine Vielheit von Diskursen“.³⁰ Wenn im Folgenden dennoch im Singular von dem Körperdiskurs gesprochen wird, dann um deutlich zu machen, dass im Reden über den Körper ein gemeinsamer Raum konstituiert wurde, innerhalb dessen der Körper definiert und verschiedene Perspektiven auf ihn hervorgebracht werden konnten.³¹ Ziel der vorliegenden Studie ist es, diesen Raum zu beschreiben, die unterschiedlichen Ordnungssysteme als Ensemble unterschiedlicher Perspektiven auf den Körper mit ihren Überlagerungen, gegenseitigen Abgrenzungen und in ihrer Verwobenheit darzustellen; kurz: das Denken sowie Sprechen über den Körper in ihrer kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Bedingtheit zu historisieren.³² Für diesen analytischen Zugriff eignet sich, dies ist die dritte und zugleich letzte zentrale These der Arbeit, insbesondere eine Auseinandersetzung mit den großen deutschen Gesundheitsausstellungen beginnend mit der Ersten Internatio-
27 Vgl. Landwehr: Historische Diskursanalyse, S. 76–94. 28 Edward R. Dickinson/Richard F. Wetzell: The Historiography of Sexuality in Modern Germany, in: German History 23 (2005) 4, S. 291–305, hier S. 300. 29 Vgl. Ebd., S. 302; Volker Hess/Benoît Majerus: Writing the history of psychiatry in the 20th century, in: History of Psychiatry 22 (2011) 2, S. 139–145, hier v. a. S. 140–141. 30 Foucault: Sexualität und Wahrheit. Band 1, S. 47. Hervorhebung im Original. 31 Vgl. Michel Foucault: Archäologie des Wissens, Frankfurt am Main 1981, S. 50–51. In diesem Sinne lässt sich die Auseinandersetzung mit dem Körper als Interdiskurs im Sinne Jürgen Links verstehen. Vgl. u. a. Jürgen Link: Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird, Opladen 1997. 32 Vgl. Martschukat: Geschichte schreiben mit Foucault – eine Einleitung, S. 7–26, hier S. 19–20; Philipp Sarasin: „Anthrax“. Bioterror als Phantasma, Frankfurt am Main 2004, S. 106; Ders.: Subjekte, Diskurse, Körper. Überlegungen zu einer diskursanalytischen Kulturgeschichte, in: Wolfgang Hardtwig/Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.): Kulturgeschichte heute, Göttingen 1996, S. 131– 164, v. a. S. 143–145.
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nalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 und endend mit der Schau „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ im Jahr 1938. Gesundheitsausstellungen sind eine spezifische Form der Popularisierung medizinisch-naturwissenschaftlichen Wissens und häuften sich im Untersuchungszeitraum auffällig. Sie waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das deutsche Pendant zu den Weltausstellungen und stellten Großveranstaltungen mit bis zu 7,5 Millionen Besuchern und Besucherinnen dar.³³ Als herausgehobene Medienereignisse zogen sie eine Vielzahl sehr heterogener Akteure an, die sich auf den Expositionen begegneten, miteinander interagierten und deren spezifische Körperdeutungen untereinander konkurrierten. Die Gesundheitsausstellungen können deswegen als Plattformen verstanden werden, die das öffentliche Interesse an körperbezogenen Fragen bündelten und dadurch wie „Knotenpunkte“ des Diskurses wirkten. Die Beschäftigung mit Ausstellungen als „Umschlagplätzen des Wissens“³⁴ lenkt die Aufmerksamkeit auf die Praktiken der Ordnung von Wissen und eröffnet einen Zugriff auf die zeitgenössische Weltwahrnehmung der Akteure – in diesem Sinne ist die Auseinandersetzung mit der Ordnung des Körpers auf den Gesundheitsausstellung auch eine Beschäftigung mit dessen Repräsentation. Der Begriff der Repräsentation meint in diesem Kontext das Einüben einer bestimmten Wahrnehmungsweise, die „Organisation des Blicks“, der die Welt ordnet, sie in einen interpretatorischen Kontext stellt und sich vorwiegend in sprachlichen Äußerungen konkretisiert.³⁵ Vergleichbar mit einzelnen Exponaten im Kleinen wirken Expositionen im Großen „blickbildend“, indem sie ein Problem, ein Thema oder eine Perspektive in das Zentrum öffentlicher wie individueller Aufmerksamkeit rücken.³⁶ Folgt man einer solchen Lesart,
33 Wenn in dieser Studie überwiegend die männliche Form gewählt wird, so geschieht dies einerseits aus Gründen der besseren Lesbarkeit. Andererseits reflektiert dies die Tatsache, dass die Gesundheitsausstellungen überwiegend männlich dominiert waren. Dies bedeutet gleichzeitig nicht, dass Frauen keine Rolle auf den Expositionen gespielt hätten. Vielmehr waren sie als Teil des Publikums oder – wenn auch nur vereinzelt – als Expertinnen an den Ausstellungen beteiligt. 34 Anke te Heesen: Verkehrsformen der Objekte, in: Dies./Petra Lutz (Hrsg.): Dingwelten. Das Museum als Erkenntnisort, Köln u. a. 2005, S. 53–64, hier S. 53. 35 Für Ausstellungen zeigt dies besonders Timothy Mitchell: The World as Exhibition, in: CSSH 31 (1989) 2, S. 217–236. Klassisch zum Begriff der Repräsentation sind die Arbeiten Roger Chartiers. Vgl. als Einführung u. a. Ders.: Kulturgeschichte zwischen Repräsentationen und Praktiken, in: Ders. (Hrsg.): Die unvollendete Vergangenheit. Geschichte und die Macht der Weltauslegung, Berlin 1989, S. 7–20. 36 Sybilla Nikolow: Die graphisch-statistische Darstellung der Bevölkerung. Bevölkerungskonzepte in der Gesundheitsaufklärung in Deutschland vor 1933, in: Rainer Mackensen (Hrsg.): Bevölkerungslehre und Bevölkerungspolitik vor 1933. Arbeitstagung der Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft und der Johann Peter Süßmilch-Gesellschaft für Demographie mit Unterstützung des Max Planck-Instituts für demographische Forschung, Opladen 2002, S. 297–314, hier S. 311.
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dann eröffnet eine Beschäftigung mit historischen Ausstellungen vor allem einen analytischen Zugriff auf die diskursiven, mentalen sowie sozialen Strukturen, die die Weltwahrnehmung der Zeitgenossen prägten.³⁷ Die Objekte in den Expositionen trugen einerseits selbst Bedeutung, waren als „Argumente im Raum“ Teil dieser Wahrnehmungen.³⁸ Die Exponate wurden ausstellend gedeutet, mit einem über sie selbst hinausweisenden Sinn aufgeladen und in einen neuen Kontext gesetzt.³⁹ Andererseits charakterisierte die Objekte – wie etwa die zahlreichen Körperpräparate, die oftmals im Mittelpunkt der Schauen standen – mit ihrer konkreten Materialität eine Beharrungskraft gegen allzu weitgehende Indienstnahmen.⁴⁰ Objekt wie Deutung standen so in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Ein so verstandenes Ausstellungsarrangement hebt die polare Gegenüberstellung von Exponat und Interpretation auf. Stattdessen rückt die Uneindeutigkeit, die Offenheit und Kontingenz des Objektes bei seinem Einsatz in einer Ausstellung in den Blick.⁴¹ Die Akteure nahmen auf verschiedene Exponate Bezug, andere Objekte wurden zwischen den Ausstellern getauscht und wieder andere erhielten in neuen Ausstellungskontexten auch neue Bedeutungen. Die Exponate waren damit aktiv und passiv zugleich; hatten ihre eigene Geschichte, so wie sie Teil der allgemeinen Geschichte von Schauen als Mittel hygienischer Volksbelehrung waren.⁴² Die Ausstellungen können deswegen nicht als bloße Wiedergabe oder neutrale Spiegel eines von ihnen unabhängigen Körperdiskurses verstanden werden. Vielmehr griffen sie in ihn ein, veränderten seine Richtung, katalysierten oder schwächten ihn ab. Sie verteilten die öffentliche Aufmerksam-
37 Vgl. dazu im Hinblick auf Industrie- und Gewerbeausstellungen Thomas Großbölting: „Im Reich der Arbeit“. Die Repräsentation gesellschaftlicher Ordnung in den deutschen Industrieund Gewerbeausstellungen 1790–1914, München 2008, S. 33–40. 38 Anke te Heesen: Wissen als Exponat, in: Gegenworte. Hefte für den Disput über Wissen 19 (2008), S. 41–43, hier S. 2. 39 Vgl. Thomas Thiemeyer: Die Sprache der Dinge. Museumsobjekte zwischen Zeichen und Erscheinung, in: Museen für Geschichte (Hrsg.): Online-Publikation der Beiträge des Symposiums „Geschichtsbilder im Museum“ im Deutschen Historischen Museum Berlin, 2011. Online unter: http://www.museenfuergeschichte.de/downloads/news/Thomas_Thiemeyer-Die_Sprache_ der_Dinge.pdf. [Letzter Zugriff am 20.09.2014] 40 Vgl. Hans-Jörg Rheinberger: Epistemologica: Präparate, in: te Heesen/Lutz (Hrsg.): Dingwelten, S. 65–75. 41 Aus diesem Grund gibt es gerade in der jüngeren Wissenschaftsgeschichte eine regelrechte „Dingkonjunktur“. Auf die besondere Bedeutung des Material Turn für die Ausstellungs- und Museumsgeschichte verweist Mario Schulze: Things are Changing: Museums and the Material Turn, in: Museological Review 18 (2014), S. 43–52. 42 Vgl. zu diesem Aspekt auch Bruno Latour: Haben auch Objekte eine Geschichte? Ein Zusammentreffen von Pasteur und Whitehead in einem Milchsäurebad, in: Michael Hagner (Hrsg.): Ansichten der Wissenschaftsgeschichte, Frankfurt am Main 2001, S. 271–296.
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keit neu oder legitimierten die Position einzelner Gruppen. Wie das Museum lässt sich die Ausstellung deshalb als „Ort der Repräsentation, an dem Bedeutung generiert, Macht ausgeübt und spezifische Erkenntnisweisen bereitgehalten werden“, begreifen.⁴³ Bei einer Analyse des Körperdiskurses im Rahmen der Expositionen muss deswegen immer auch die spezifische Medialität der Gesundheitsausstellung mitbedacht werden.⁴⁴ Dies ist nur durch eine übergreifende Analyse der Ausstellungsgruppen mit ihren Exponaten, der Ausstellungskonzepte, der offiziellen Publikationen sowie der Berichterstattung über die Schauen möglich. Diese vier Ausstellungsebenen waren miteinander verwoben, beeinflussten sich wechselseitig und wurden zum Teil von denselben Akteuren geprägt. Die Ressourcen der verschiedenen Teilnehmer konnten darüber mitentscheiden, welchen Aspekten größere Aufmerksamkeit zukam und welche Positionen in der Öffentlichkeit tendenziell marginalisiert wurden. Nicht zuletzt waren die Zugangschancen für die einzelnen Akteure auch von Veränderungen des politischen Kontextes abhängig. Dies zeigt der wachsende Einfluss eugenischer Denkweisen, der sich sowohl auf der Ebene einzelner Gruppengestaltungen als auch in der öffentlichen Berichterstattung nachvollziehen lässt. Es geht somit darum, den Körperdiskurs als überindividuell wirksamen, doch sich erst in sozialer Interaktion manifestierenden und kollektiv verfertigten Prozess zu verstehen und den politischen, kulturellen wie wissenschaftlichen Kontext zu berücksichtigen.
Ausstellungen als Forschungsgegenstand Mit der Konzentration auf Ausstellungen widmet sich die Arbeit einem Medium, das in der Wissenschaftsgeschichte in jüngster Zeit verstärkte Aufmerksamkeit erfahren hat; wurde und wird doch in Expositionen sowie Museen Wissen ganz unterschiedlicher Provenienz gesammelt, geordnet und zugänglich gemacht. Auch deswegen sind bereits mehrere Untersuchungen zu einzelnen Expositionen aus dem Kaiserreich und der Weimarer Republik⁴⁵ sowie zu bestimmten Teilaspekten
43 Anke te Heesen: Theorien des Museums. Zur Einführung, Hamburg 2012, S. 165. 44 Vgl. Sharon Macdonald: Exhibitions of power and powers of exhibition. An introduction to the politics of display, in: Dies. (Hrsg.): The politics of display. Museums science culture, London u. a. 1998, S. 1–24, hier S. 2. 45 Vgl. u. a. Stefan Poser: Museum der Gefahren. Die gesellschaftliche Bedeutung der Sicherheitstechnik. Das Beispiel der Hygiene-Ausstellungen und Museen für Arbeitsschutz in Wien, Berlin und Dresden um die Jahrhundertwende, Münster u. a. 1998; Gunter Schaible: Sozial- und Hygiene-Ausstellungen. Objektpräsentationen im Industrialisierungsprozeß Deutschlands, Univ.-
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wie dem Einsatz von Schaubildern oder einzelnen Ausstellungsteilnehmern entstanden.⁴⁶ Selbst den nationalsozialistischen Schauen wurden einige Arbeiten gewidmet.⁴⁷ Die Expositionen finden zudem in diversen Studien Erwähnung, die sich primär mit einem anderen Thema beschäftigen.⁴⁸ Darüber hinaus sind bereits über das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden, dem wichtigsten Veranstalter der Gesundheitsausstellungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, mehrere Studien erschienen.⁴⁹ Bislang existiert aber weder eine Untersuchung, die explizit die Körperdeutungen im Rahmen der Expositionen analysiert, noch gibt es eine der HabiliDiss. Tübingen 1999 [Mikrofiche-Ausg.]; Hans Körner/Angela Stercken (Hrsg.): Kunst, Sport und Körper. GeSoLei 1926–2002. Bd. 1, Düsseldorf 2002; Gabriele Genge/Angela Stercken (Hrsg.): Kunst, Sport und Körper. GeSoLei 1926–2004. Bd. 2. Methoden und Perspektiven, Weimar 2004; Angela Stercken: Kunst, Sport und Körper. Gesolei 1926–2004, Bd. 3. Bilder einer Ausstellung. Rundgänge, Weimar 2004. 46 Vgl. u. a. Lutz Sauerteig: Lust und Abschreckung. Moulagen in der Geschlechtskrankheitsaufklärung, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte 11 (1992), S. 87–104; Dietrich Reiner Quanz: Stadionlaboratorium – Meßstation einer aufkommenden Wissenschaft vom Sport im Kaiserreich, in: Brennpunkte der Sportwissenschaft 6 (1992) 1, S. 5–21; Falk Wiesemann: „Hygiene der Juden“ auf der Düsseldorfer Gesolei 1926. Jüdische Kulturleistungen in der Weimarer Republik, in: Geschichte im Westen. Halbjahres-Zeitschrift für Landes- und Zeitgeschichte 8 (1993) 1, S. 24–37; Sybilla Nikolow: Statistische Bilder der Bevölkerung in den großen Hygieneausstellungen als Wissensobjekte, in: Jürgen Reulecke/Rainer Mackensen (Hrsg.): Das Konstrukt „Bevölkerung“ vor, im und nach dem „Dritten Reich“, Wiesbaden 2005, S. 476–488; Dies.: Imaginäre Gemeinschaften. Statistische Bilder der Bevölkerung, in: Martina Hessler (Hrsg.): Konstruierte Sichtbarkeiten. Wissenschafts- und Technikbilder seit der Frühen Neuzeit, München 2006, S. 263–278; Noyan Dinçkal: Das gesunde Maß an Schädigung. Die Inszenierung von Sport als Wissenschaft während der Dresdener Hygiene-Ausstellung 1911, in: HA 17 (2009) 1, S. 17–37. 47 Vgl. v. a. Sabine Weißler: Bauhaus-Gestaltung in NS-Propaganda-Ausstellungen, in: Winfried Nerdinger (Hrsg.): Bauhaus-Moderne im Nationalsozialismus. Zwischen Anbiederung und Verfolgung, München 1993, S.48–63; Hans-Ulrich Thamer: Geschichte und Propaganda. Kulturhistorische Ausstellungen in der NS-Zeit, in: GG 24 (1998) 3, S. 349–381; Christoph Kivelitz: Die Propagandaausstellung in europäischen Diktaturen. Konfrontation und Vergleich: Nationalsozialismus in Deutschland, Faschismus in Italien und die UdSSR der Stalinzeit, Bochum 1999; Sven Schultze: Die visuelle Repräsentation der Diktatur. Berlin, sein Messeamt und die Propagandaschauen im Nationalsozialismus, in: Rüdiger Hachtmann/Thomas Schaarschmidt/Winfried Süß (Hrsg.): Berlin im Nationalsozialismus. Politik und Gesellschaft 1933–1945, Göttingen 2011, S. 113–131. 48 So u. a. bei Philipp Osten: Die Modellanstalt. Über den Aufbau einer „modernern Krüppelfürsorge“ 1905–1933, Frankfurt am Main 2004, S. 282–382; Todd Samuel Presner: Muscular Judaism. The Jewish Body and the Politics of Regeneration, New York u. a. 2007, S. 139–154. 49 Vgl. v. a. Ludwig Stephan: Das Dresdner Hygiene-Museum in der Zeit des deutschen Faschismus 1933–1945, Dresden 1986; Ulrich Schubert: Vorgeschichte und Geschichte des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden (1871–1931). 2 Bände, Univ.-Diss. Berlin 1986; Karin Kaufmann: Beitrag zur Wirkungsgeschichte des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden von 1926 bis 1932, Univ.-Diss. München 1987; Sabine Schulte: Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden
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tationsschrift von Thomas Großbölting über die Industrie- und Gewerbeausstellungen vergleichbare Gesamtdarstellung der Geschichte der Gesundheitsschauen in ihrer Hochphase.⁵⁰ Diese Forschungslücke soll im Folgenden geschlossen werden, indem die organisatorischen Vorarbeiten der Expositionen, die mit ihnen verbundenen politischen Entscheidungen, ihr Organisationsprozess und nicht zuletzt ihre internationale Ausstrahlung ausführlich beleuchtet werden. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich im Wesentlichen auf die Analyse von Großausstellungen, die allein aufgrund ihres Umfanges eine überregionale Bedeutung errangen und an denen sich zahlreiche unterschiedliche Akteure beteiligten.⁵¹ Die ebenfalls während des Untersuchungszeitraums zahlreich stattfindenden kleineren und kleinen Sonderoder Wanderausstellungen werden nur ergänzend in die Analyse miteinbezogen. Denn sie wurden meist nur von wenigen oder nur einem Veranstalter durchgeführt, erfüllten deswegen nicht das Kriterium der Multiperspektivität und hatten nicht die gleiche Plattformfunktion wie die hier behandelten Großprojekte. Eine Aufarbeitung dieser – sich eher auf einer lokalen oder regionalen Ebene abspielenden – Form der hygienischen Volksbelehrung bleibt weiterhin ein Desiderat. Der gewählte Zugriff ermöglicht es, den Körperdiskurs in seiner Breite, seiner Vielfalt und seinen Brüchen darzustellen. Selbstredend wird auch diese Arbeit nicht alle seine Facetten abdecken. Sie wird zudem aufgrund ihrer breiten Fragestellung an manchen Stellen notwendig abstrakter bleiben als dies bei Spezialstudien der Fall ist. Gleichzeitig bietet ihr Zugriff den Vorteil, unterschiedliche, bislang eher getrennt voneinander untersuchte Positionen aufeinander zu beziehen damit eher vernachlässigte Aspekte der Geschichte des Körpers in der „klassischen Moderne“ aufzuzeigen.
von Wilhelm Kreis. Biographie eines Museums der Weimarer Republik, Univ.-Diss. Bonn 2001, S. 148–151. Online unter: http://hss.ulb.uni-bonn.de/2001/0240/0240.htm. [Letzter Zugriff am 20.09.2014]; Sybilla Nikolow (Hrsg.): Erkenne Dich selbst! Strategien der Sichtbarmachung des Körpers im 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2015; Thomas Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern. Das Deutsche Hygiene-Museum 1912–1930. Univ-Diss. Bielefeld 2014. Online unter: https://pub.uni-bielefeld.de/publication/2724840. [Letzter Zugriff am 05.12.2015] 50 Vgl. Großbölting: „Im Reich der Arbeit“. 51 Bei diesen handelt es sich um die Erste und Zweite Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden 1911 sowie 1930/31, die Düsseldorfer Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1926, die zwischen 1934 und 1936 stattfindenden Berliner Expositionen „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“, „Wunder des Lebens“ sowie „Deutschland“ und die Ausstellung „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ in Berlin 1938.
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Quellengrundlage Dafür wird in der vorliegenden Studie auf eine breite Quellengrundlage zurückgegriffen. Diese besteht erstens aus dem überlieferten Schriftgut aus mehr als 20 Archiven. Mit Hilfe dieses Materials ist es möglich, die Entstehungsgeschichte der großen Gesundheitsexpositionen nachzuvollziehen, die politischen Debatten in ihrem Vorfeld, das Werben um öffentliche Unterstützung und den Grad der politischen Einflussnahme auf die Ausstellungsinhalte zu rekonstruieren. Die Bestände vor allem des Bundesarchivs Berlin, des Hauptstaatsarchivs Dresden, des Landesarchivs Berlin sowie des Stadtarchivs Düsseldorf eröffnen einen Einblick in das „Innenleben“ der Schauen. Sie zeigen die Art und Weise, wie die jeweiligen Ausstellungen organisiert wurden, welche Personen eine besondere Rolle spielten und wie die Kommunikation zwischen Veranstaltern, Teilnehmern und der interessierten Öffentlichkeit ablief. Zusätzlich konsultierte kleinere Archive geben unter anderem Auskunft über die Motive sowie Verhaltensweisen einzelner Aussteller. Dadurch kann ein komplexes Bild von der Geschichte der Expositionen gezeichnet werden, die sich nicht auf die Sichtweise der dominierenden Akteure wie dem Hygiene-Museum beschränkt. Allerdings ist die Überlieferung zu den NS-Ausstellungen sowie der Zweiten Internationalen Hygiene-Ausstellung 1930/31 aufgrund kriegsbedingter Zerstörungen nicht derartig vollständig wie bei ihren Vorgängerinnen. Bestimmte Fragen, die für das Kaiserreich und die 1920er Jahre beantwortet werden können, müssen deswegen für die 1930er Jahre im Dunkeln bleiben. Zuletzt wurden für die Beschreibung der internationalen Dimension der Gesundheitsausstellungen die Bestände des Dittrick Medical History Center in Cleveland, des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes, des Stadtarchivs Amsterdam sowie des Nationaal Archief Den Haag ausgewertet. Zweitens beruht die Arbeit in hohem Maße auf veröffentlichten Quellen. Hierunter fallen die offiziellen Publikationen der Schauen wie Kataloge, Ausstellungszeitungen oder diverse Broschüren sowie Werbematerialien, die in großer Menge hergestellt wurden. Daneben wird auf zahlreiche Zeitschriften zurückgegriffen, die von eher publikumsorientierten Titeln wie der „Gartenlaube“ über Fachzeitschriften wie der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ bis hin zu Blättern mit einer speziellen Zielgruppe wie dem „Athletik-Jahrbuch“ reichen. Ergänzend werden die Berichterstattung in ausgewählten Zeitungen speziell zu Beginn und zum Ende der Ausstellungen sowie internationale Zeitungs- und Zeitschriftenartikel hinzugezogen. Abgerundet wird das Sample durch die fotografische Überlieferung der Expositionen, die vor allem in der Sammlung des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden aufbewahrt wird.
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Aufbau der Studie Die Arbeit ist in fünf Kapitel unterteilt, die thematisch organisiert sind und jeweils eigenen Fragestellungen auf das zugrundeliegende Material folgen. In Kapitel 2 werden die organisatorischen, politischen und sozialen Voraussetzungen für die Entstehung sowie die Durchführung der großen Gesundheitsausstellungen beschrieben. Es werden Vorläufer benannt und Parallelentwicklungen aufgezeigt. Hier sollen einerseits die institutionengeschichtlichen Voraussetzungen für diese Großprojekte der gesundheitlichen Aufklärung um 1900 geklärt werden. Andererseits geht es darum, die Gesundheitsausstellungen als spezifische Form der hygienischen Volksbelehrung im Speziellen und der sich um 1900 stark ausbreitenden Wissenschaftspopularisierung im Allgemeinen zu historisieren. Während dieses Kapitel einen eher traditionellen sozialhistorischen Zugriff hat, nimmt das folgende Kapitel 3 die Anregungen der neueren Wissenschaftsgeschichte auf und fragt nach den Praktiken des Ausstellens. Es beschäftigt sich mit der Produktion von oder Suche nach ausstellungstauglichen Exponaten, beschreibt Konflikte unter den Ausstellern und arbeitet die Rolle des Publikums auf den Schauen heraus. Dadurch wird der materielle Konstruktionsprozess der Ausstellungen besonders deutlich. Das Kapitel 4 konzentriert sich auf die internationale Dimension der Expositionen. Es schildert die Bemühungen der deutschen Veranstalter um ausländische Teilnehmer und skizziert die internationale Rezeption der Schauen. Mit den Niederlanden sowie den USA wird das Engagement zweier Nationen beispielhaft aufgezeigt, die beide intensive Verbindungen mit den Veranstaltern der deutschen Expositionen unterhielten. Das anschließende Kapitel 5 stellt den diskursanalytischen Kern der Studie dar. Hier wird entlang von vier Perspektiven – „Vermessene Körper“, „Leistende Körper“, „Ästhetische Körper“ und „Genormte Körper“ – der Körperdiskurs vom späten Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus beschrieben. Kapitel 6 verfolgt zunächst in Form einer Fallstudie die Ausbreitung eugenischer Ideen auf den Ausstellungen, ehe es nach dem Verhältnis von Individuum und Kollektiv auf den Expositionen fragt. Durch diesen Aufbau entsteht ein multiperspektivisches Bild von dem Untersuchungsgegenstand der Studie, das sich einer rein chronologischen Logik entzieht. Die Arbeit ist damit auch der Versuch, eine angemessene Form der historiographischen Darstellung jenseits einer „großen Erzählung“ zu finden. Die auf diese Weise erzählten „Geschichten“ gehen nicht unbedingt in einer einzigen „Geschichte“ auf, sondern entwerfen ein vielschichtiges Bild von einem bisher eher vernachlässigten Aspekt der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ziel der Studie ist einerseits eine umfassende Historisierung der Geschichte der Gesundheitsausstellungen vom späten Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus. Andererseits soll eine kritische Auseinandersetzung mit
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den Ordnungen des Körpers während der „klassischen Moderne“ in ihrer ganzen Ambivalenz, ihrer Widersprüchlichkeit, aber auch ihren positiven Auswirkungen geleistet werden.
Abschließende Überlegungen Die vorliegende Arbeit handelt von Ausstellungen und Gesundheit; sie handelt vom Körper sowie den unterschiedlichen Arten, ihn zu sehen, zu mustern, zu rastern und einer Ordnung zu unterwerfen. Sie geht von der Beobachtung aus, dass die moderne Gesellschaft Verfahren entwickelt hat, den Körper analytisch in seine Einzelteile zu zerlegen und unter sehr spezifischen Perspektiven zu betrachten. In diesen Perspektiven liegt die Macht, zu definieren, was „normal“ und „unnormal“, was gesund und krank, was erwünscht oder unerwünscht ist. In der jüngeren Vergangenheit ist das Interesse der Geschichtswissenschaft an derartigen „Wahrnehmungsweisen und Deutungsmustern, an der symbolischen, der repräsentativen und der medial vermittelten Wirklichkeit“ spürbar gestiegen.⁵² Die Forschung interessiert sich in wachsendem Maße auch für den Körper in seiner Doppeldeutigkeit zwischen individuellem und kollektivem „Volkskörper“. Dieser wurde gerade in der Zwischenkriegszeit zunehmend symbolisch aufgeladen und sollte mit Hilfe von unterschiedlichen politischen, wissenschaftlichen sowie kulturellen Praktiken zugerichtet werden. Im Folgenden wird dementsprechend nach den Ordnungs-, Denk- und Deutungssystemen gefragt, die den Blick auf Körper in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägten; wird das derart verhandelte Verhältnis von Individuum und Kollektiv im Mittelpunkt der Darstellung stehen und ein Schwerpunkt auf die sozialen wie materiellen Bedingungen des Mediums Gesundheitsausstellung gelegt. Indem die Arbeit die Geschichte des Körperdiskurses zwischen dem wilhelminischen Kaiserreich und dem Zweiten Weltkrieg historisiert und damit „die Wissensordnungen der Wissenschaften [über den Körper S. W.] in den breiteren Kontext kultureller, politischer und gesellschaftlicher Ideen, Institutionen und Praktiken stellt“⁵³ ist sie nicht nur ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte, sondern auch zu einer neuen Ideen- und Geistesgeschichte.
52 Ute Daniel/Inge Marszolek/Wolfram Pyta u. a.: Einleitung, in: Dies. (Hrsg.): Politische Kultur und Medienwirklichkeiten in den 1920er Jahren, München 2010, S. 7–23, hier S. 9. 53 Lutz Raphael: „Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit“: Bemerkungen zur Bilanz eines DFG-Schwerpunktprogramms, in: Ders./Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.): Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit. Beiträge für eine erneuerte Geistesgeschichte, München 2006, S. 11–27, hier S. 15.
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Die Aufgabe des Historikers ist es, vergangene gesellschaftliche Entwicklungen auf der Basis von Quellenmaterial erzählend zu deuten. Dieser Überzeugung folgend soll hiermit keine ausschließliche oder gar letztgültige Interpretation sowohl des Körperdiskurses als auch der Geschichte der Gesundheitsausstellungen vom späten Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus vorgelegt werden. Die Aufgabe der Studie besteht stattdessen eher darin, die immer noch anhaltende Debatte über die Bedeutung des Körpers in der Gesellschaft um eine weitere Perspektive zu bereichern.
2 Die deutschen Gesundheitsausstellungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Die Geschichte der Zurschaustellung des Körpers beginnt im Anatomischen Theater und in seinen Kabinetten, deren Etablierung bis ins 15. Jahrhundert zurückgeht.¹ Anatomische Theater sowie Anatomische Sammlungen waren die ersten Orte, an denen der menschliche Körper ausgestellt, dem Publikum präsentiert und gleichzeitig in ein wissenschaftliches Ordnungsschema eingegliedert wurde. Hier wurde der sezierte und präparierte Körper in einem wissenschaftlichen Kontext öffentlich vorgeführt und seine Sichtbarkeit mit dem Anspruch auf Wissensvermittlung sowie Forschung verbunden. Die Anatomie dieser Zeit verband so wie keine andere medizinische Disziplin „Kunst und Wissenschaft oder Wissen und Präsentation.“² Im Unterschied zu Naturkundemuseen oder Wunderkammern präsentierten sie den Körper in einem medizinischen, auf Fragen nach Gesundheit, Krankheit oder der Funktionsweise des Körpers abzielenden Kontext. Dies macht die Entwicklung der späteren Pathologischen Museen³ zur Vor- wie Parallelgeschichte der Gesundheitsausstellungen des 20. Jahrhunderts. Anatomische Theater sowie Sammlungen hatten eine internationale Verbreitung. Viele europäische Groß- wie Universitätsstädte beherbergten solche Einrichtungen. Beispielsweise befand sich die Sammlung Frederik Ruyschs, eines der bekanntesten Anatomischen Museen des 18. Jahrhunderts, in Amsterdam. An Ruyschs Museum werden die Unterschiede zwischen den Anatomischen Museen der Frühen Neuzeit und der Entwicklung dieser Häuser seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert besonders sinnfällig. Seine Spezialität war es, die Präparate in allegorische sowie moralische Szenen zu setzen. Die Attraktion seiner Sammlung speiste sich somit weniger aus ihrer wissenschaftlichen Belehrungskraft als aus ihrem ästhetischen Schauwert.⁴ Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts setzten sich
1 Vgl. Urs Zürcher: Monster oder Laune der Natur. Medizin und die Lehre von den Missbildungen 1780–1914, Frankfurt am Main u. a. 2004, v. a. S. 66–82 sowie S. 135–152; Thomas Schnalke: Demokratisierte Körperwelten. Zur Geschichte der veröffentlichten Anatomie, in: Gottfried Bogusch/Renate Graf /Thomas Schnalke (Hrsg.): Auf Leben und Tod. Beiträge zur Diskussion um die Ausstellung „Körperwelten“, Darmstadt 2003, S. 3–28. 2 William Bynum: Geschichte der Medizin, Stuttgart 2010, S. 51. 3 Die Begriffe Anatomisches Museum und Pathologisches Museum werden im Folgenden synonym verwendet. 4 Zu Ruysch vgl. Julie V. Hansen: Resurrecting Death. Anatomical Art in the Cabinet of Dr. Frederik Ruysch, in: The Art Bulletin 78 (1996) 4, S. 663–679. Der Erfolg von Ruyschs Museum unterstreicht, dass die Ausstellung von Körpern auch schon im 18. Jahrhundert mit der Unterhaltung des Publikums verbunden war. DOI 10.1515/9783110469011-002
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allerdings eine neuartige Präsentationsweise und ein neuer Vermittlungsauftrag für die Sammlungen durch, die sich deutlich von dem „moralischen Tableau“ Frederik Ruyschs unterschieden. Der hiermit verbundene Umschwung zur wissenschaftlichen Reihendarstellung hatte einerseits wissenschaftsinterne Ursachen, stand aber andererseits im Kontext der zunehmenden Volksbildungsbewegung des 18. und 19. Jahrhunderts.⁵ Denn im Zuge dieser Bewegung wurde Museen mehr und mehr die Aufgabe zugesprochen, die Bevölkerung zu belehren.⁶ Für die Anatomischen Sammlungen im Deutschen Reich sind diese hier skizzierten Veränderungen besonders mit dem Namen Rudolf Virchows verbunden.⁷ Mit ihm und seinem Pathologischen Museum der Charité Berlin setzte sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert endgültig eine Organisationsform durch, die sich an einer naturwissenschaftlichen Darstellungsweise orientierte, wie das in den Naturkundemuseen seit längerer Zeit üblich war.⁸ Gleichzeitig adressierte Virchow zumindest konzeptionell neben dem Fachpublikum die allgemeine Öffentlichkeit und schuf wenigstens für Deutschland einen neuartigen Museumstyp.⁹ In Virchows wissenschaftlichem Wirken spielte das Sezieren und Präparieren eine herausragende Rolle. Deswegen bemühte er sich, eine möglichst vollständige Sammlung pathologischer Präparate zu Lehr- und Forschungszwecken in Berlin zusammenzutragen. Diese brachte er schließlich im Pathologischen Museum unter, das zwischen 1896 und 1899 auf dem Areal der Charité gebaut und nach dem Umzug der Sammlung im Oktober 1901 für den Publikumsverkehr geöffnet wurde.¹⁰ Virchows Konzept sah vor, das Museum in einen allgemein zugänglichen Bereich und eine wissenschaftliche Sammlung zu unterteilen. Die wissenschaftliche Sammlung sollte Medizinern jederzeit offenstehen. Für Virchow bildete sie die Grundlage für das Erlernen einer anatomisch korrekten Vorstellung vom menschlichen Körper. Mit
5 Vgl. te Heesen: Theorien des Museums, S. 48–60. 6 Vgl. Walter Hochreiter: Vom Musentempel zum Lernort. Zur Sozialgeschichte deutscher Museen 1800–1914, Darmstadt 1994. 7 Zu Virchow vgl. Erwin Ackerknecht: Rudolf Virchow. Arzt, Politiker, Anthropologe, Stuttgart 1957; Christian Andree: Rudolf Virchow. Leben und Ethos eines großen Arztes, München 2002; Constantin Goschler: Rudolf Virchow. Mediziner – Anthropologe – Politiker, Köln u. a. 2002. 8 Vgl. te Heesen: Theorien des Museums, S. 63. 9 Vgl. o. V.: Das neue Pathologische Museum der Universität zu Berlin, Berlin 1901, S. 14. Zur Geschichte des Pathologischen Museums vgl. Angela Matyssek: Rudolf Virchow. Das Pathologische Museum. Geschichte einer wissenschaftlichen Sammlung um 1900, Darmstadt 2002; Peter Krietsch/Manfred Dietel: Pathologisch-anatomisches Cabinet. Vom Virchow-Museum zum Berliner Medizinhistorischen Museum in der Charité, Berlin 1996. 10 Zur Eröffnungsfeier vgl. Rudolf Virchow: Die Eröffnung des Pathologischen Museums der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin am 27. Juni 1899, Berlin 1899.
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der Schausammlung wollte Virchow medizinisch-naturwissenschaftliches Wissen popularisieren und dem Aberglauben in der Bevölkerung entgegentreten. Damit vollzog er eine um die Jahrhundertwende in vielen Museen zu beobachtende Trennung zwischen Schausammlung und Depot sowie zwischen Laien und Experten.¹¹ Hieran wird deutlich, wie sehr Virchow bei der Planung seines Museums von dem Gedanken der Volksbildung beeinflusst war. Museen als Orte der Wissenschaftspopularisierung maß er grundsätzlich eine hohe Bedeutung bei, traute ihnen sogar die Überwindung der Klassengegensätze im wilhelminischen Kaiserreich zu. Gleichwohl führte die Teilung des Pathologischen Museums in einen öffentlichen Lernort und eine wissenschaftliche Lehr- und Forschungsstätte zu einer Spannung zwischen beiden Feldern. Beispielsweise war für den universitären Unterricht eine bestimmte Lernatmosphäre nötig, die während des Publikumsbetriebs nur schwer herzustellen war. In diesem Spannungsverhältnis entschied sich Virchow letztlich zugunsten der wissenschaftlichen Anforderungen an sein Museum. So beschränkte er die Besuchszeit für Laien während des Semesters auf sonntags zwischen 11.00 und 13.00 Uhr.¹² Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde der allgemeine Publikumszugang wieder aufgehoben. Virchows Pathologisches Museum zog sich damit wieder auf die Kernaufgaben einer universitären Sammlung – die Unterstützung von Forschung und Lehre – zurück.¹³ Es erreichte daher ungeachtet seines weltbekannten Gründers niemals die öffentliche Aufmerksamkeit der späteren Gesundheitsausstellungen. Auch wenn sich deswegen keine direkte Linie von den Anatomischen Theatern und Sammlungen der Frühen Neuzeit hin zu den populären Gesundheitsschauen des 20. Jahrhunderts ziehen lässt, sind jene Einrichtungen dennoch deren Vorreiter. Denn wie Gesundheitsexpositionen kombinierten sie die Zurschaustellung des Körpers, wissenschaftliche Forschung, Vermittlung gesellschaftlicher Normen und Belehrungsabsicht miteinander. Im Anatomischen Theater waren Form und Funktion der späteren Gesundheitsausstellungen nicht notwendigerweise angelegt. Allerdings keimten in der Verschränkung von Wissen und Zeigen bereits die Charakteristika der späteren Gesundheitsausstellungen als Mittel hygienischer
11 Diese Trennung hing wesentlich damit zusammen, dass die Museen aufgaben, ihre Inhalte enzyklopädisch darzustellen und stattdessen andere Präsentationsweisen wie die paradigmatische Reihe oder das Diorama entwickelten. Vgl. te Heesen: Theorien des Museums, S. 64. 12 Vgl. Matyssek: Rudolf Virchow. Das Pathologische Museum, S. 23–45. 13 Zu Universitätssammlungen vgl. Anke te Heesen: Objekte der Wissenschaft. Eine wissenschaftshistorische Perspektive auf das Museum, in: Joachim Baur (Hrsg.): Museumsanalyse. Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes, Bielefeld 2009, S. 213–230.
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Volksbelehrung.¹⁴ Pathologische Museen als Orte wissenschaftlicher Forschung sowie öffentlicher Schaustellung von Körpern hatten 1899 mit der Eröffnung von Virchows Einrichtung gleichwohl schon ihren Höhepunkt überschritten.¹⁵ Neue wissenschaftliche Praktiken wie vor allem die experimentelle Labormedizin hatten den epistemischen Status des Präparates verändert. Andere Formen und Orte der Darstellung wissenschaftlicher Forschungen mussten gesucht werden. Auch wenn das Pathologische Museum mit seinen Präparaten nie völlig in Vergessenheit geriet und bis heute noch in Forschung sowie Lehre eingesetzt wird¹⁶, trat – zumindest hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehmung von Medizin und Körpern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – die Gesundheitsausstellung an seine Stelle. Bis dies so weit war, durchlief allerdings das Ausstellungswesen ebenfalls eine bemerkenswerte Entwicklung.
Das Ausstellungswesen im „langen 19. Jahrhundert“ Die Ausstellung entstammt einem gewerblichen Kontext.¹⁷ Sie entwickelte sich aus den periodisch stattfindenden Messen oder Märkten und diente zunächst der Präsentation kommerzieller Produkte.¹⁸ Ausstellungen funktionierten daher nach einer anderen Logik als Museen. Sie waren zeitlich begrenzt, beruhten auf dem Prinzip der Konkurrenz unter den Ausstellern und wiesen aufgrund ihrer ökonomischen Ursprünge Merkmale des frühen Marketings auf.¹⁹ Dies führte zu einer konsequenteren Orientierung der Ausstellungsmacher an den Wünschen der
14 Wie Michael Hagner zeigt, hatte die Verschränkung von Wissen und Zeigen epistemologische Funktionen für die Wissenschaft selbst, indem sie wissenschaftlichen Forschungsergebnissen eine materielle Repräsentation verlieh. Vgl. Michael Hagner: Hirnbilder. Cerebrale Repräsentationen im 19. und 20. Jahrhundert, in: Michael Wetzel/Herta Wolf (Hrsg.): Der Entzug der Bilder. Visuelle Realitäten, München 1994, S. 145–160; Ders.: Anthropologische Objekte. Die Wissenschaft vom Menschen im Museum, in: te Heesen/Lutz (Hrsg.): Dingwelten, S. 171–186. 15 Vgl. Zürcher: Monster oder Laune der Natur, S. 28. 16 Vgl. Thomas Schnalke: Changing places. Das medizinhistorische Museum als Schausammlung, Lehrkabinett und Forschungsstätte, in: Cornelia Weber/Klaus Mauersberger (Hrsg.): Universitätsmuseen und -sammlungen im Hochschulalltag. Aufgaben – Konzepte – Perspektiven, Berlin 2010, S. 95–100. Online unter http://edoc.hu-berlin.de/docviews/abstract.php?id=37505 [Letzter Zugriff am 20.09.2014]. 17 Für die Geschichte des deutschen Ausstellungswesens vgl. v. a. Großbölting: „Im Reich der Arbeit“; Alexander C. T. Geppert: Welttheater: Die Geschichte des europäischen Ausstellungswesens im 19. und 20. Jahrhundert. Ein Forschungsbericht, in: NPL 47 (2002) 1, S. 10–61. 18 Vgl. te Heesen: Theorien des Museums, S. 73–89; Großbölting: „Im Reich der Arbeit“, S. 59–171. 19 Zur Entwicklung von Marketing und Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland im 20. Jahrhundert vgl. Michael Kunczik: Geschichte der Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland, Köln u. a. 1997.
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anvisierten Besuchergruppen. Insbesondere seit der Wende zum 20. Jahrhundert versuchten sie, mit spektakulären Ausstellungsbauten, unterhaltsamen Produktund Wareninszenierungen sowie ausgedehnten Werbemaßnahmen, das Interesse der Besucher an den jeweiligen Expositionen zu wecken. Die Ausstellungen etablierten sich dadurch im Gegensatz zu den Museen als zeitlich begrenzte Kommunikationsanlässe, als Medienereignisse, die als Ausgangspunkt, Plattform und Gegenstand gesellschaftlicher Debatten wirkten. Das Ausstellungswesen breitete sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts beinahe explosionsartig aus. Mehr und mehr Schauen von unterschiedlicher Größe fanden statt, so dass bald das Wort von der „Ausstellungsmüdigkeit“ die Runde machte.²⁰ Parallel dazu stiegen aber auch die Besucherzahlen in bislang ungekannte Höhen. Die entscheidenden Motoren dieser Entwicklung waren die Weltausstellungen, die das Medium zu Orten der Modernität werden ließen.²¹ Gleichzeitig waren sie Plattformen internationaler Begegnungen und des internationalen Austauschs – nicht zuletzt, weil sie eine Vielzahl von Kongressen und Versammlungen anzogen. Die Verwandtschaft von Exposition und Markt zeigte sich auf Gewerbewie Weltausstellungen beispielsweise in Praktiken wie der Prämierung der besten Ausstellungsbeiträge oder einer inhaltlichen Ausrichtung der Schauen an wirtschaftlichen Erwägungen. Dies bedeutete einerseits eine stärkere Orientierung an den Interessen eines Massenpublikums, für das spektakuläre Unterhaltungsangebote in die Expositionen integriert wurden. Andererseits verdrängten im Zuge der Industrialisierung die auf einen Massenmarkt zielenden Industrieproduktionen die früher auf den Expositionen häufig vertretenen Handwerker von der Bildfläche. Die Internationalisierung des Ausstellungswesens sowie die Etablierung der Ausstellung als Massenmedium führten schließlich dazu, dass sie sich schrittweise als Orte der nationalen, regionalen sowie lokalen Repräsentation etablierten.²² Neben die Gewerbe- und Weltausstellungen traten im Verlauf des 19. Jahrhunderts weitere Formen. Besondere Aufmerksamkeit hat in der Geschichtswissenschaft die Völkerkundeausstellung erhalten, die durch die Zurschaustellung „gezähmter Wilder“ zu kommerziellen Zwecken den Besuchern Exotik und Unterhaltung boten.²³ Völkerschauen existierten im Deutschen Reich noch bis in die 1930er Jahre. Sie bewegten sich in einer Grauzone zwischen kulturellen sowie
20 Vgl. Alexander C. T. Geppert: Ausstellungsmüde. Deutsche Großausstellungsprojekte und ihr Scheitern, 1880–1930, in: Wolkenkuckucksheim 5 (2000) 1. 21 Vgl. Alexander C. T. Geppert: Fleeting Cities. Imperial Expositions in Fin-de-Siècle, Basingstoke u. a. 2010. 22 Vgl. Großbölting: „Im Reich der Arbeit“, S. 126–139 sowie 210–247. 23 Anne Dreesbach: Gezähmte Wilde. Die Zurschaustellung ‚exotischer‘ Menschen in Deutschland 1870–1940, Frankfurt am Main u. a. 2005.
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rassistischen Stereotypen, der Inszenierung des Fremden, wissenschaftlichem Anspruch und Freakshow.²⁴ Die Darstellung exotischer Menschen fand darüber hinaus ebenfalls auf den Weltausstellungen statt.²⁵ Daneben existierten zuletzt auch zahlreiche Expositionen, die sich vornehmlich an Experten richteten und von technischen oder wissenschaftlichen Themen geprägt waren. Sie waren Spezialausstellungen für ein zahlenmäßig begrenztes Publikum, die einen Überblick über die neuesten technischen oder wissenschaftlichen Entwicklungen gaben und oftmals im Rahmen von Fachkonferenzen stattfanden.²⁶ Die Ausstellung hatte um 1900 ein vielfältiges Gesicht. Sie war Repräsentationsort, Vergnügungs- und Reklamestätte, Schauplatz von Kongressen, Medienereignis sowie gelehrter Raum zugleich. Und zunehmend wurde sie zu einem Ort, an dem Besucher über Gesundheit und Krankheit aufgeklärt wurden; an dem sich die verschiedenen Perspektiven auf den Körper manifestierten.
Die frühen Hygieneausstellungen Die ersten wissenschaftspopularisierenden Gruppen zum Thema Hygiene wurden bereits vor der Jahrhundertwende im Rahmen von Weltausstellungen gezeigt.²⁷ Sie stellten Objekte zum Arbeitsschutz, zur sozialen Hygiene, Wohlfahrtspflege oder Assanierung aus. Gleichzeitig führten die in die Millionen reichenden Besucherzahlen auf den Schauen selbst zu hygienischen Problemen. Die jeweiligen Organisatoren bemühten sich daher darum, die sanitäre Infrastruktur des Ausstellungsgeländes den Ansprüchen einer Massenveranstaltung anzupassen. Dadurch waren die Weltausstellungen seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Labo-
24 Vgl. Elisa Forgey: „Die große Negertrommel der kolonialen Werbung“. Die Deutsche AfrikaSchau 1935–1943, in: WerkstattGeschichte (1994) 9, S. 25–33; Sonja Wiegand: Ein „sehr werthvolles Material für exakte wissenschaftliche Unternehmungen“. Das Interesse der Münchner Anthropologischen Gesellschaft an „nie gesehenen Körperverhältnissen“, in: Anne Dreesbach/Helmut Zedelmaier (Hrsg.): „Gleich hinterm Hofbräuhaus waschechte Amazonen“. Exotik in München um 1900, München u. a. 2003, S. 116–134. 25 Vgl. Alexander Honold: Ausstellung des Fremden – Menschen- und Völkerschau um 1900. Zwischen Anpassung und Verfremdung. Der Exot und sein Publikum, in: Sebastian Conrad/Jürgen Osterhammel (Hrsg.): Das Kaiserreich transnational. Deutschland in der Welt 1871–1914, Göttingen 2004, S. 170–190; Alexander C. T. Geppert: Welttheater, S. 10–61, hier S. 25–29. 26 Ein Beispiel hierfür sind die frühen Formen der Arbeitsschutzausstellungen, die sich eher an ein Expertenpublikum wandten. Vgl. Poser: Museum der Gefahren. 27 Vgl. Großbölting: „Im Reich der Arbeit“, S. 323–333; Angela Schwarz: Vom Maschinenpark zum Futurama: Popularisierung von Wissenschaft und Technik auf Weltausstellungen (1851–1940), in: Petra Boden/Dorit Müller (Hrsg.): Populäres Wissen im medialen Wandel seit 1850, Berlin 2009, S. 83–99.
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ratorien, auf denen die Besucher über die Vorteile einer angewandten Hygiene aufgeklärt und deren Umsetzung direkt vor Ort erprobt wurde.²⁸ Die erste Schau im Deutschen Reich, die sich ausschließlich mit hygienischen Fragestellungen beschäftigte, war die „Berliner Allgemeine Deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene und des Rettungswesens“, die ursprünglich im Jahr 1882 stattfinden sollte. Aufgrund eines Brandes auf dem Ausstellungsgelände kurz vor der Eröffnung musste sie jedoch um ein Jahr verschoben werden. Sie fand daher von Mai bis Oktober 1883 auf dem ehemaligen Gelände der Gewerbeausstellung von 1879 zwischen Invalidenstraße, der Straße Alt-Moabit und dem Lehrter Bahnhof statt. Die Schau entstand aus einer Zusammenarbeit des Deutschen Vereins für Gesundheitstechnik und dem Deutschen Verein für öffentliche Wohlfahrtspflege. Das Protektorat übernahm Kaiserin Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach.²⁹ Im 1882 gedruckten offiziellen Katalog stellten die Organisatoren ihre Schau in einen Zusammenhang mit der 1876 in Brüssel veranstalteten Ausstellung für Hygiene und Rettungswesen. Auf dieser Exposition, die zum ersten Mal das große Interesse an einer speziellen Hygieneausstellung bewiesen hätte, habe sich das Deutsche Reich als eine der führenden Nationen auf dem Feld der Hygiene und Gesundheitspflege präsentiert. Allerdings sei es aufgrund der bei internationalen Schauen notwendig begrenzten Ausstellungsfläche nicht möglich gewesen, die gesamten Errungenschaften Deutschlands zu zeigen.³⁰ Dies sollte nun die Allgemeine Deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene und des Rettungswesens nachholen. Die beiden Vereine hatten sich schon 1881 darauf festgelegt, keine internationale Exposition zu veranstalten. Stattdessen wollte man mit dem Projekt die deutsche Wissenschaft und Wirtschaft fördern. Die Berliner Veranstaltung werde, so ihr Kalkül, all die Besucher anziehen, die „wissen wollen, was die deutsche Industrie auf dem Gebiete der Gesundheitstechnik geleistet, welche Fortschritte sie im letzten Jahrzehnt gemacht hat und welche Lücken andererseits noch vor-
28 Vgl. Julie K. Brown: Health and Medicine on Display. International Exhibitions in the United States, 1876–1904, Cambridge u. a. 2009. 29 Zur Ausstellung vgl. v. a. Paul Boerner: Bericht über die Allgemeine Deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene und des Rettungswesens unter dem Protectorate Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Berlin 1882–83. 3 Bände, Breslau 1885. Vgl. weiter Eike Reichardt: Health, ‚Race‘ and Empire: Popular-Scientific Spectacles and National Identity in Imperial Germany, 1871–1914, Morrisville 2008, S. 50–80. 30 Vgl. o. V.: Officieller Katalog für die Allgemeine Deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene, Gesundheitspflege und Gesundheitstechnik und des Rettungswesens, Berlin 1882, S. VII– VIII.
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handen sind.“³¹ Darüber hinaus sollte sie das Verständnis der Bevölkerung für die staatlichen Maßnahmen fördern. Die Berliner Schau zog ihre Besucher besonders durch Schaustücke wie den „Taucher“³² sowie die Präsentation der erst 1882 von Robert Koch entdeckten Tuberkelbazillen an. Allerdings war die Exposition in erster Linie noch auf die Darstellung technisch-wissenschaftlicher Fragen beschränkt. Sie richtete sich zwar auch an die breite Bevölkerung, war aber aufgrund der anspruchsvollen Gestaltung ihrer Gruppen sowie deren spezieller, oft unattraktiver Inhalte überwiegend für Experten interessant. Dem Laien führte die Ausstellung vor, welche Bedeutung der Technik zur Lösung sozialer wie hygienischer Probleme zukam.³³ Gleichzeitig präsentierte sie ihm, welche hygienischen Maßnahmen die deutsche Regierung bereits ergriffen hatte. Sie hatte demnach neben der Funktion, eine Expertenöffentlichkeit herzustellen, vor allem die Aufgabe, die gesundheitspolitischen Anstrengungen des Deutschen Reichs zu kommunizieren. Das für die späteren Projekte der hygienischen Volksbelehrung wichtige Element der persönlichen Ansprache des Laienbesuchers fehlte noch weitgehend. Die Exposition hatte eine Fläche von ungefähr 62 000 qm und zog über die fünf Monate ihrer Laufzeit um die 900 000 Besucher an. Trotz des Brandunglücks von 1882 schloss sie mit einem leichten finanziellen Überschuss ab.³⁴ Trotzdem war sie für längere Zeit die einzige große Hygieneausstellung im deutschen Sprachraum.³⁵ Nach 1883 fanden im Deutschen Reich gelegentlich kleinere hygienische Schauen statt, die in der Regel nur lokale oder regionale Bedeutung hatten und deren
31 Programm für die Allgemeine deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene (Gesundheitspflege und Gesundheitstechnik) und des Rettungswesens, Berlin 1882, S. 5. BArch Berlin R 86/882, Bl. 12. 32 Vgl. o. V.: Kleine Bilder aus der Gegenwart Nr. 3. Im Taucherpavillon der Hygiene-Ausstellung in Berlin, in: Die Gartenlaube 31 (1883) 51, S. 505. 33 Vgl. Poser: Museum der Gefahren, S. 95–97. 34 Vgl. Rechenschafts-Bericht des Ausschusses der unter dem Allerhöchsten Protectorate Ihrer Majestät der Kaiserin-Königin Augusta veranstalteten Allgemeinen Deutschen Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene und des Rettungswesens Berlin 1882/1883. BArch Berlin R 86/882, Bl. 53–55. 35 Allerdings wurden in der Folgezeit mehrere „Sozialmuseen“ (Stefan Poser) über Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik gegründet, die jedoch stark dem Expertenduktus verhaftet blieben. Vgl. dazu Stefan Poser: Sozialmuseen, Technik und Gesellschaft. Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik am Beispiel von Gegenwartsmuseen um 1900, in: Technikgeschichte 67 (2000) 3, S. 205–224. Außerdem Brigitte Jensen/Christian Schölzel: Das Hygienemuseum der A.E.G. in Berlin. Eine Einrichtung ihrer Zeit, in: Der Bär von Berlin. Jahrbuch des Vereins für die Geschichte Berlins 45 (1996), S. 67–80; Manfred Stürzbecher: Ein Hygiene-Museum in Berlin?, in: Peter Schneck (Hrsg.): Medizin in Berlin an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Theoretische Fachgebiete, Husum 1999, S. 114–125; Poser: Museum der Gefahren.
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Abgrenzung zur Gewerbeausstellungen oft unscharf war.³⁶ Allerdings hatte sich bereits zu diesem Zeitpunkt die Debatte über die Ziele dieser Veranstaltungen sowie ihre rhetorische Begründung verändert. Zwar blieben Aufgaben wie die Repräsentation des Staates sowie die Verbreitung von wissenschaftlichen wie technischen Neuheiten weiterhin bestehen. Doch nun sollten die Expositionen, wie es anlässlich der Allgemeinen hygienischen Ausstellung in Wien 1906 hieß, nicht nur für Experten aufschlussreich sein, sondern darüber hinaus „dem besuchenden Publikum eine Fund- und Lehrstätte sein“ und diesem Themen wie die häusliche oder öffentliche Gesundheitspflege, das Sanitäts- und Rettungswesen, aber auch die Vorteile der staatlichen Wohlfahrtspflege vor Augen führen.³⁷ Die nächste größere Hygieneausstellung im Deutschen Reich wurde erst 1907 von Max Rubner als Bestandteil des 14. Internationalen Kongresses für Hygiene und Demographie in Berlin organisiert. Die Vorbereitung dieses Kongresses übernahmen mit Richard Boeck, Friedrich Löffler, Max Rubner, Georg von Mayr sowie Moritz Pistor Experten mit internationalem Renommee.³⁸ Da es sich bei dem Kongress um die erste Veranstaltung dieser Art im Deutschen Reich handelte, sah man es als eine „‚Ehrenpflicht‘“ an, dass er „in Bezug auf seine Vorbereitung und Einrichtung seinen Vorgängern ebenbürtig sein wird.“³⁹ Die Exposition sollte „in kleinem Maßstabe angelegt“ werden und „nur das wissenschaftlich Bedeutsamste auf dem Gebiete der Hygiene“ zeigen.⁴⁰ Die Exponate wollten die Verantwortlichen überwiegend von Universitäten und wissenschaftlichen Instituten beziehen. Die Schau hatte nicht den Anspruch, belehrend auf die Bevölkerung einzuwirken.
36 Als Beispiele hierfür vgl. Offizieller Ausstellungskatalog der unter dem hohen Protektorate Ihrer Königl. Hoheit der Frau Prinzessin „Friedrich Leopold von Preussen“ stehenden Allgemeinen Ausstellung für Volkshygiene und Wohlfahrts-Einrichtungen verbunden mit der Ausstellung für Gartenbau, Landwirtschaft, Molkerei und Imkerei veranstaltet zum Besten des Vereins „Arbeitsstätte für arbeitslose Familienväter und Mütter“ vom 2. bis 15. September 1903 in den Festräumen der Unions-Brauerei, Hasenheide 22–31, Berlin 1903. BArch Berlin R 86/882, unpaginiert; Deutsche Erziehungs-Ausstellung Berlin 1907 in der Ausstellungshalle am Zoologischen Garten vom 9. bis 24. November 1907. HStA Stuttgart E 151/01 Bü 3030, Mappe Deutsche Erziehungsausstellung. 37 Unter dem höchsten Protektorate Seiner kaiserlichen und königlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Leopold Salvator. Allgemeine hygienische Ausstellung. (Gesundheitspflege und Volksernährung, Haus- und Wohnungshygiene, Fremdenverkehr und Sport etc.) Wien-Rotunde Mai–Juli 1906. BArch Berlin R 86/882, unpaginiert. 38 Vgl. Schreiben Karl Köhler an Franz Bumm vom 23.02.1905. BArch Berlin R 1501/111162, Bl. 34– 35. 39 Schreiben Bumm an den Staatssekretär des Innern vom 05.07.1906. BArch Berlin R 1501/111162, Bl. 141–143, hier Bl. 142. 40 Vgl. Abschrift Schreiben des preußischen Ministers der geistlichen, Unterrichts- und MedizinalAngelegenheiten an den preußischen Finanzminister vom 24.08.1906. BArch Berlin R 1501/111162, Bl. 165–166, hier Bl. 165.
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Für die Organisation des Kongresses beantragten die Verantwortlichen einen Gesamtzuschuss in Höhe von 80 000 Mark vom Deutschen Reich sowie 40 000 Mark von Preußen. Allerdings erschien der Reichsregierung dieser Betrag zu hoch und sie schlug vor, Gelder bei den Posten Übersetzungen, Druckkosten und Vergütungen einzusparen. Zudem fragte sie, ob „die mit einem Kostenaufwande von 30 000 M. geplante Ausstellung für Hygiene“ denn nicht überproportioniert sei.⁴¹ Die Verantwortlichen beharrten aber auf ihren Vorstellungen und der Veranstaltung einer Hygieneausstellung im geplanten Ausmaß. Denn dies entspreche den bisherigen Gepflogenheiten, so dass der Kongress durch ihren Wegfall „an Anziehungskraft verlieren und hinter seinen Vorgängern an Bedeutung zurückbleiben“ würde.⁴² Schließlich einigten sich die Parteien auf eine Beihilfe von 70 000 Mark vom Deutschen Reich während die veranschlagten 40 000 Mark von Preußen unverändert blieben.⁴³ Der Kongress selbst schloss trotz dieser Zuschüsse mit 800 Mark Verlust ab, der allerdings mit dem Überschuss in Höhe von 7000 Mark der in finanzieller Hinsicht recht erfolgreichen Hygieneausstellung ausgeglichen wurde.⁴⁴ Die Exposition fand im Reichstag statt und hatte acht Sektionen, die um die Themen Infektionskrankheiten und Sanitäranlagen kreisten. Sie setzte sich aus einer Kombination von Gruppen- und Sammelausstellungen zusammen. Letztere gestalteten einzelne Institutionen wie das Rote Kreuz oder die Medizinalabteilung des Preußischen Kriegsministeriums. Die interessierte Bevölkerung durfte die Ausstellung außerhalb der Kongresszeiten besuchen.⁴⁵ Die Organisatoren wollten also die Schau durchaus dem allgemeinen Publikum öffnen. Doch räumten sie dem Fachpublikum eindeutig die Priorität ein. Dadurch erwarb sich die Schau zwar ein hohes Prestige bei Experten des In- und Auslandes, war jedoch kaum dazu geeignet, eine breite Wirkung in der Bevölkerung zu entfalten.⁴⁶
41 Auszug aus dem Schreiben des Reichsschatzamtes vom 25.08.1906. BArch Berlin R 1501/111162, Bl. 151. 42 Schreiben Bumm an den Staatssekretär des Innern vom 15.09.1906. BArch Berlin R 1501/111162, Bl. 153–154. 43 Vgl. Rundschreiben des Reichskanzleramtes vom 25.12.1906. BArch Berlin R 1501/111162, Bl. 223. 44 Vgl. Aufzeichnung über die am Sonnabend, den 10. Oktober, Vorm. 11 Uhr, im Kaiserlichen Gesundheitsamt abgehaltene Sitzung des Organisations-Komitees. BArch Berlin R 1501/111165, Bl. 102–104. 45 Vgl. Rundschreiben des Geschäftsführenden Ausschuss der Hygiene-Ausstellung Berlin 1907 vom 14.05.1907. LA Berlin A Rep. 001–02/Nr. 34, Bl. 26–47. 46 Zur Ausstellung vgl. Christian: Die Hygieneausstellung Berlin 1907, in: Berliner Klinische Wochenschrift 44 (1907) 41, S. 1329–1330; Vagedes: Die Hygieneausstellung in Berlin 1907, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 33 (1907) 42, S. 1758–1761. Zum Kongress vgl. Kaiserliches Gesundheitsamt/Kaiserliches Statistisches Amt: Das Deutsche Reich in gesundheitlicher und demographischer Beziehung. Festschrift, den Teilnehmern am XIV. Internationalen Kongresse für
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Der Körper, seine Gesundheit sowie direkt oder indirekt auf ihn gerichtete hygienische Maßnahmen hatten sich, so lässt sich resümieren, im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts parallel zum generellen Aufschwung des Expositionswesens als Themen von Ausstellungen etabliert. Allerdings waren diese Ausstellungen noch Fachveranstaltungen, waren ein Medium der internationalen Expertenkommunikation und richteten sich überwiegend an Spezialisten. Sie waren noch kein Instrument hygienischer Volksbelehrung, hatten noch keine Sprache gefunden, mit der auch ein Laienpublikum erreicht werden konnte. Sie blieben Hygieneausstellungen und dem Wissenschaftsethos des 19. Jahrhunderts verhaftet.⁴⁷ Dadurch erreichten sie nicht die gleiche öffentliche Aufmerksamkeit wie dies die kommenden großen Gesundheitsausstellungen tun sollten. Die hier beschriebene Art der Fachausstellung verschwand auch in den folgenden Jahrzehnten nicht.⁴⁸ Sie wurde aber ergänzt um Expositionen, die sich erkennbar an das Format der Weltausstellungen anlehnten und im Deutschen Reich ein zuvor nicht gekanntes Besucherinteresse entfachten. Gleichzeitig etablierten sie neue Formen der gesundheitlichen Belehrung, die stärker politisiert waren als ihre Vorgängerinnen. Aus Hygiene- wurden Gesundheitsausstellungen.⁴⁹ Diese Entwicklung musste jedoch von einem Außenseiter angestoßen werden.
2.1 Von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Ersten Weltkriegs: Der Beginn der Ausstellung als Mittel hygienischer Volksbelehrung Um die Jahrhundertwende verdichteten sich mehrere Tendenzen, die älter waren, allerdings erst jetzt völlig zur Geltung kamen und die Verbreitung der Gesundheitsausstellung zwar nicht bedingten, wohl aber begünstigten. Technische Verbesserungen in der Drucktechnik ermöglichten es, Zeitschriften und Zeitungen zu immer niedrigeren Stückkosten zu produzieren und dadurch ein Massenpublikum
Hygiene und Demographie Berlin 1907 gewidmet vom Kaiserlichen Gesundheitsamte und vom Kaiserlichen Statistischen Amte, Berlin 1907. 47 Vgl. dazu Sarasin: Reizbare Maschinen, S. 17–20. 48 Vgl. etwa Christian Vogel, „Das ‚Gestamtgebiet der normalen und pathologischen Röntgenanatomie‘ ausstellen. Sammlungswissen und radiologische Arbeitspraxis im ‚Museum‘ des Hamburger Röntgenhauses 1914/1915“, in: Anke te Heesen/Margarete Vöhringer (Hrsg.): Wissenschaft im Museum. Ausstellung im Labor, Berlin 2014. S. 37–63. 49 Vgl. auch te Heesen: Theorien des Museums, v. a. S. 89–104.
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zu erreichen.⁵⁰ Damit entstand einerseits eine bislang ungekannte Medienöffentlichkeit, die sowohl eine Fundamentalpolitisierung als auch eine „Pressepolitik als Notwendigkeit“ zur Folge hatte.⁵¹ Andererseits war die massenhafte Verbreitung billiger Druckerzeugnisse die Voraussetzung für die Etablierung einer Populärkultur sowie die Herausbildung der zahlreichen sozialen Bewegungen, die sich um 1900 in durchaus unterschiedlicher Art und Weise auf den Körper bezogen.⁵² Kostengünstige Druckerzeugnisse waren auch die ökonomische Grundlage der sich um 1900 intensivierenden Wissenschaftspopularisierung. Im Laufe des 19. Jahrhunderts hatten sich in den Wissenschaften tiefgreifende Veränderungen vollzogen, die sich in erster Linie mit einer verstärkten Spezialisierung in den einzelnen Disziplinen erklären lässt. Dieser Prozess hing insbesondere mit der „Laboratory Revolution“ in den Naturwissenschaften zusammen.⁵³ Der über Jahrhunderte hinweg dominierende Typ des Universalgelehrten verschwand in dessen Verlauf langsam zugunsten des Spezialisten. Parallel dazu spaltete sich die Öffentlichkeit in ein wissenschaftliches Experten- und ein Laienpublikum, dem es immer schwerer fiel, dem aktuellen Forschungsstand zu folgen. Ebenso erging es Wissenschaftlern aus anderen Disziplinen. Dadurch entstand eine Lücke zwischen der wissenschaftlichen Forschung und interessierten Öffentlichkeit, aber auch zwischen den Disziplinen selbst. In diese Lücke stieß eine neuartige Form des Journalismus, die sich primär auf die Verbreitung naturwissenschaftlichen Wissens konzentrierte.⁵⁴ Die Wissenschaftspopularisierung wurde durch Journa-
50 Vgl. Gernot Wersig: Informations- und Kommunikationstechnologien. Eine Einführung in Geschichte, Grundlagen und Zusammenhänge, Konstanz 2000, S. 35–51; Jürgen Wilke: Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2000. 51 Vgl. Frank Bösch: Katalysator der Demokratie? Presse und Politik vor 1914, in: Ders./Norbert Frei (Hrsg.): Medialisierung und Demokratie im 20. Jahrhundert, Göttingen 2006, S. 25–47; Gunda Stöber: Pressepolitik als Notwendigkeit. Zum Verhältnis von Staat und Öffentlichkeit im Wilhelminischen Deutschland 1890–1914, Stuttgart 2000. 52 Vgl. Uwe Puschner: Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich. Sprache – Rasse – Religion, Darmstadt 2001, S. 283–287. 53 Andrew Cunningham/Perry Williams (Hrsg.): The laboratory revolution in medicine, Cambridge u. a. 1992. 54 Vgl. Angela Schwarz: Der Schlüssel zur modernen Welt. Wissenschaftspopularisierung in Großbritannien und Deutschland im Übergang zur Moderne (ca. 1870–1914), Stuttgart 1999; Andreas W. Daum: Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit, 1848–1914, München 2002; Peter Broks: Understanding popular science, Maidenhead 2006; Arne Schirrmacher: Nach der Popularisierung. Zur Relation von Wissenschaft und Öffentlichkeit im 20. Jahrhundert, in: GG 34 (2008) 1, S. 73–95. Den Forschungsstand resümiert Mitchell G. Ash: Wissenschaftspopularisierung und Bürgerliche Kultur im 19. Jahrhundert, in: GG 28 (2002) 2, S. 322–334.
2.1 Jahrhundertwende bis Ende des Ersten Weltkriegs
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listen, Schriftsteller und Publizisten als auch einzelne Wissenschaftler getragen und richtete sich explizit „nicht nur an die Fachgelehrten [. . . ], sondern ganz besonders auch an diejenigen, welche [. . . ] den Naturwissenschaften eingehendes Interesse entgegenbringen.“⁵⁵ Wissenschaftspopularisierung war gleichwohl kein einseitiger Vorgang, bei dem Wissenschaft in einer vereinfachten Form einem passiven Publikum vermittelt wurde. Vielmehr hatte der Akt der Vermittlung selbst Auswirkungen auf die Forschung, nahm das Publikum aktiv am Vermittlungsprozess teil und eignete sich die präsentierten Inhalte auf eigensinnige Weise an.⁵⁶ Beispielsweise erwartete es von populärem Wissen „nicht nur Bildung, sondern auch Genuß und Unterhaltung“.⁵⁷ Die Wissenschaftspopularisierer griffen daher auf unterschiedliche Vermittlungsformate zurück; sie veröffentlichten Texte, gestalteten Merkblätter und nutzten die Möglichkeiten, die ihnen die neuen Medien wie der Film oder – nach dem Ersten Weltkrieg – der Rundfunk boten. Aber vor allem die Gesundheitsausstellung, die in sich wissenschaftliche Belehrung, Spektakel und ästhetischen Genuss vereinte, schien um die Jahrhundertwende für die Popularisierung medizinisch-naturwissenschaftlichen Wissens wie geschaffen. Im Hinblick auf die öffentliche Aufmerksamkeit profitierten diese wissenschaftspopularisierenden Unternehmungen von einem generell gesteigerten Interesse an den Naturwissenschaften und der Medizin. Hintergrund des Aufmerksamkeitsschubs war in erster Linie die Industrialisierung, die im Wesentlichen auf technisch-naturwissenschaftlichen Erfindungen beruhte. Die bislang ungewohnten Anforderungen der Industrialisierung an Körper sowie Geist und die mit ihr verbundene Urbanisierung bewirkten aber andererseits eine Zunahme sozialer Spannungen sowie hygienischer Probleme, die sich negativ auf die körperliche Verfassung der Bevölkerung auswirkten.⁵⁸ Dies führte zu Nachteilen für die industrialisierte Gesellschaft, die trotz der gesteigerten Mechanisierung in erheblichem Maße auf leistungsfähige Arbeitskräfte angewiesen blieb. Gesundheit und Krankheit bekamen so im Laufe der Jahrhundertwende eine immer größere gesellschaftliche wie politische Bedeutung. Die Neuordnung des Militärwesens
55 o. V.: Editorial der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift“ 17 (1901) 1, S. 2. 56 Vgl. Carsten Kretschmann (Hrsg.): Wissenspopularisierung. Konzepte der Wissensverbreitung im Wandel, Berlin 2003; Arne Schirrmacher/Sybilla Nikolow (Hrsg.): Wissenschaft und Öffentlichkeit als Ressourcen füreinander. Studien zur Wissenschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2007. 57 Christine Brecht/Barbara Orland: Populäres Wissen, in: WerkstattGeschichte (1992) 23, S. 4–12, hier S. 7. 58 Zur Urbanisierung vgl. Jürgen Reulecke: Geschichte der Urbanisierung in Deutschland, Frankfurt am Main 1985; Jörg Vögele: Sozialgeschichte städtischer Gesundheitsverhältnisse während der Urbanisierung, Berlin 2001. Zum Verhältnis von Industrialisierung und Körper vgl. Bluma/Uhl (Hrsg.): Kontrollierte Arbeit – Disziplinierte Körper?
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mit seinen Massenheeren, der entstehende Sozial- bzw. Wohlfahrtsstaat, bei dem jeder Kranke eine potentielle finanzielle Belastung darstellte, die sozialen Reformbewegung im Umfeld der Lebensreform und nicht zuletzt die Veränderungen der Wirtschaft führten zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit für die Gesundheit möglichst aller Bürger des Deutschen Reichs. Dadurch entstand ein Spannungsfeld zwischen dem Interesse an gesunden Arbeitern, Soldaten oder Versicherten und den gesteigerten gesundheitlichen Bedrohungen durch Urbanisierung und körperliche Belastungen. Vor diesem Hintergrund wurde den aufstrebenden medizinischen Disziplinen – zunächst der Bakteriologie, später zudem der Sozialhygiene – das Potential zugeschrieben, diesen Widerspruch aufzulösen. Mit dieser Entwicklung einher ging der wachsende Anspruch der Naturwissenschaftler, die Deutungshoheit über gesellschaftliche Fragen zu übernehmen.⁵⁹
Der Weg zur Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 Die Gesundheitsausstellung entstand an der Schnittstelle zwischen Wissenschaftspopularisierung und dem Ansehensgewinn der Naturwissenschaften und der Medizin. Ihre Aufgabe beschrieb der Organisator der Ersten Internationalen HygieneAusstellung, Karl August Lingner, damit, „erstens, dem Hygieniker von Fach, den Ärzten, den Verwaltungsbeamten, den Staatsfunktionären, den Lehrern, Ingenieuren, Nationalökonomen die neusten hygienischen Forschungsergebnisse vorzuführen [. . . ], zweitens, die Bevölkerung hygienisch aufzuklären und damit den Sinn für Gesundheit und Hygiene in der großen Masse des Volkes zu verbreiten.“⁶⁰ Der Industrielle Lingner avancierte nach der Jahrhundertwende für einige Jahre zur prägenden Figur der hygienischen Volksbelehrung. Zuvor hatte er in Dresden als Fabrikant des Mundwassers Odol und weiterer antiseptischer Produkte ein großes Vermögen verdient.⁶¹ Im Rahmen seiner beruflichen Unternehmungen und seiner philanthropischen Tätigkeiten – unter anderem unterstützte er die Kinderpoliklinik in der Dresdner Johannstadt – kam er mit mehreren namhaften Hygienikern, Medizinern und anderen Naturwissenschaftlern in Kontakt. Diese motivierten ihn wohl dazu, sich sozialhygienischen Fragestellungen zuzu-
59 Vgl. Lutz Raphael: Die Verwissenschaftlichung des Sozialen als methodische und konzeptionelle Herausforderung für eine Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, in: GG 22 (1996) 2, S. 165–193. 60 Karl August Lingner: Programm für die geplante Internationale Hygiene-Ausstellung zu Dresden, o. O. o. J., S. 12. 61 Zum Produkt Odol vgl. Thomas Wegmann: Kosmetik und Hygiene: Zur Formatierung bakteriologischen Wissens in der Reklame des frühen 20. Jahrhunderts, in: Boden/Müller (Hrsg.): Populäres Wissen im medialen Wandel seit 1850, S.119–134.
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wenden.⁶² Lingner war medizinischer Laie, der sich schon bei seinen beruflichen Tätigkeiten auf die Vermarktung seiner, im weitesten Sinne der medizinischen Hygiene zugehörigen, Produkte beschränkte. Als solcher hatte er eine nicht so sehr von wissenschaftlichen Traditionen geprägte Perspektive auf die hygienische Volksbelehrung. Er interessierte sich vielmehr dafür, wie Hygiene und Medizin für eine breite Bevölkerungsschicht attraktiv aufbereitet werden konnten. Seine Antwort bestand aus der Verknüpfung der Wissenschaftspopularisierung mit den Entwicklungen im Ausstellungswesen.⁶³ Er schuf so eine neue Form der Vermittlung medizinisch-naturwissenschaftlichen Wissens: die Gesundheitsschau. Diese sollte die Bevölkerung aufklären und dazu bewegen, sich gesundheitsgemäß zu verhalten, um so Krankheiten gar nicht erst entstehen zu lassen. Erste Erfahrungen auf diesem Gebiet sammelte der Industrielle im Rahmen der Deutschen Städteausstellung, die von Mai bis September 1903 während des Deutschen Städtetags ebenfalls in Dresden stattfand. Lingner verantwortete dort in Zusammenarbeit mit dem „Deutschen Verein für Volkshygiene“ den Pavillon „Volkskrankheiten und ihre Bekämpfung“.⁶⁴ Er war rund 400 qm groß und zog mehr als 200 000 Besucher an. Lingner präsentierte hier einen medizinischen Dreischritt. Der Darstellung diverser Krankheitserreger folgte die Illustration der Krankheitssymptome, um schließlich mit einer Schilderung der vorhandenen Mittel gegen die Krankheiten zu schließen. Diesen kathartischen Aufbau begleiteten vergrößerte Bakterienmodelle sowie mehrere Mikroskope, mit deren Hilfe sich die Besucher medizinische Präparate ansehen konnten. Dadurch sowie durch die Präsentation diverser medizinischer Instrumente betonte die Schau die Autorität der Wissenschaft im Gegensatz zu den „Kurpfuschern“ der Zeit.⁶⁵ Die Expositi-
62 Zu Karl August Lingner vgl. Hans Georg Neubert: Karl August Lingner 1861–1916. Ein Wegbereiter hygienischer Volksaufklärung, Univ.-Diss. Köln 1970; Ulf-Norbert Funke: Der Dresdner Grossindustrielle Karl August Lingner (1861–1916) und sein gemeinnütziges Wirken, Univ.-Diss. Dresden 1993; Ders.: Karl August Lingner. Leben und Werk eines gemeinnützigen Großindustriellen, Dresden 1996. Kritisch ist Helmut Obst: Karl August Lingner. Ein Volkswohltäter? Kulturhistorische Studie anhand der Lingner-Bombastus-Prozesse 1906–1911, Göttingen 2005. 63 Paul Weindling meint in diesem Zusammenhang, Lingners Ziel sei es gewesen, kommerzielle Marketingtechniken im Rahmen einer großen Hygieneausstellung zu nutzen. Paul Weindling: Health, race and German politics between national unification and Nazism 1870–1945, Cambridge 1989, S. 229–230. 64 Vgl. Lange: Die Bekämpfung der Volkskrankheiten, in: Blätter für Volksgesundheitspflege 3 (1903) 17, S. 261–264. 65 Zum Pavillon Lingners vgl. Christine Brecht: Das Publikum belehren – Wissenschaft zelebrieren. Bakterien in der Ausstellung „Volkskrankheiten und ihre Bekämpfung“ von 1903, in: Christoph Gradmann/Thomas Schlich (Hrsg.): Strategien der Kausalität. Konzepte der Krankheitsverursachung im 19. und 20. Jahrhundert, Pfaffenweiler 1999, S. 53–76; Dies./Sybilla Nikolow: Displaying
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on war eine „Mahnung zur Vorsicht“ vor Krankheiten, sollte die „Achtung vor der Wissenschaft und ihren Ergebnissen“ vergrößern und das „Verständnis für behördliche Maßnahmen“ in der Bevölkerung verbessern.⁶⁶ Inhaltlich war der Pavillon noch stark dem bakteriologischen Paradigma verpflichtet, das zum Ziel hatte, Krankheiten nach dem Ausbrechen kurativ zu behandeln. Gleichwohl legitimierte der Industrielle seine Schau bereits mit einer sozialhygienischen Rhetorik. Für ihn war der Pavillon ein erster Schritt zur kontinuierlichen Belehrung der Bevölkerung. Hierdurch sollten auf lange Sicht vier Ziele erreicht werden: Die Bevölkerung sollte „ein klares Gefühl für den Wert der Gesundheit“ erhalten, jeder Einzelne „seinen eigenen Körper in seiner Organisation und seinen Verrichtungen kennen“, gleichzeitig eine Vorstellung von dem „Wert der Volksgesundheit“ für die Allgemeinheit erhalten und dadurch letztlich „unbedingtes Vertrauen zu der vom Staate anerkannten Wissenschaft“ fassen.⁶⁷ Damit dies gelingen konnte, brauchte es aus Lingners Sicht neben einer stärkeren Berücksichtigung hygienischer Fragen in der Schule entsprechende Bildungsstätten für Erwachsene wie Ausstellungen oder Museen.⁶⁸ Die Schau „Volkskrankheiten und ihre Bekämpfung“, bei der Lingner seine ersten Erfahrungen auf diesem Gebiet sammelte, stand so am Anfang der „Karriere von Ausstellungen und Museen als massenwirksame Medien“ der Gesundheitsaufklärung.⁶⁹ Die Schau des Dresdner Industriellen reihte sich in die sich zeitgleich ausbreitende und eng mit dem Ansehensgewinn der Sozialhygiene verbundene hygienische Volksbelehrungsbewegung ein. Um 1900 zeichnete sich in der Medizin allmählich eine inhaltliche Verschiebung ab. Im 19. Jahrhundert entstand die Bakteriologie als eigenständige medizinische Disziplin, bis sie schließlich während des wilhelminischen Kaiserreichs zur unbestrittenen medizinischen Leitwissenschaft avancierte. Das bakteriologische Denken etablierte mit der Mikrobe die Vorstellung von einem monokausalen Krankheitserreger, der sich durch Laborverfahren
the Invisible: Volkskrankheiten on Exhibition in Imperial Germany, in: Studies in History and Philosophy of Science 31 (2000) 4, S. 511–530; Matthias Dietze: Reinlich, sauber und gesund! Der menschliche Körper im Spannungsfeld von popularisierter Hygiene und öffentlicher Gesundheitspflege in Dresden 1850 bis 1911, in: Dresdener Beiträge zur Geschichte der Technikwissenschaft 29 (2004), S. 43–68. 66 Lange: Die Bekämpfung der Volkskrankheiten, in: Blätter für Volksgesundheitspflege 3 (1903) 18, S. 276–279. hier S. 277–278. 67 Karl August Lingner: Einige Leitgedanken zu der Sonderausstellung: Volkskrankheiten und ihre Bekämpfung, in: Robert Wuttke (Hrsg.): Die Deutschen Städte. Geschildert nach den Ergebnissen der ersten deutschen Städteausstellung zu Dresden 1903. I. Band, Leipzig 1904, S. 531–547, hier S. 536–537. 68 Vgl. Ebd., S. 539. 69 Brecht: Das Publikum belehren – Wissenschaft zelebrieren, S. 53–76, hier S. 63.
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identifizieren, isolieren und letztlich kontrollieren ließ.⁷⁰ Die Hygienewissenschaft reagierte auf diese Entwicklung zunächst positiv, bot ihnen die Bakteriologie doch konkrete Interventionsansätze und löste frühere, eher unpräzise Konzepte über die Ursachen von Krankheiten ab. Die Hygieniker konzentrierten sich nun dem bakteriologischen Paradigma folgend darauf, krankmachende Mikroben nach Ausbruch der Krankheit zu vernichten oder durch sanitäre Maßnahmen ihre Verbreitung einzudämmen. Doch noch vor dem Ersten Weltkrieg zeigten sich die Beschränkungen einer rein auf die Beseitigung von Krankheitserregern fixierten Medizin, so dass zunehmend wieder Umweltfaktoren wie Wohnverhältnisse oder das persönliche Verhalten der Bevölkerung in ihren Blick gerieten.⁷¹ Dies führte zu einer Aufwertung der Sozialhygiene, die sich unter anderem an dem Wachstum der Säuglingsfürsorge ablesen lässt. Die Sozialhygieniker versuchten, vor allem die Arbeiterschicht zu einem gesünderen Lebensstil zu beeinflussen. Man hielt sie beispielsweise dazu an, mehr Sport zu treiben und sowohl auf die eigene als auch auf die häusliche Sauberkeit oder eine möglichst ausgewogene Ernährung zu achten. Sozialhygienische Maßnahmen sollten präventiv die Verbreitung von Krankheiten und gleichzeitig Kosten von Arbeitsausfällen sowie vorzeitigem Tod für Arbeitgeber und Sozialfürsorge verhindern helfen.⁷² Der hygienischen Volksbelehrung kam in diesem Kontext eine besondere Rolle zu. Sie hatte die Aufgabe, das medizinische Wissen der Arbeiterschicht zu vergrößern. Dadurch könnten, so die Vorstellung der Vertreter der hygienischen Volksbelehrung, diese zu einer gesundheitlich angemessenen Lebensweise angeleitet werden. Der Ausstellung maßen sie hierbei eine herausgehobene Bedeutung zu.⁷³
70 Vgl. Philipp Sarasin/Silvia Berger/Marianne Hänseler/Myriam Spörri: Bakteriologie und Moderne. Eine Einleitung, in: Dies.: Bakteriologie und Moderne. Studien zur Biopolitik des Unsichtbaren 1870–1920, Frankfurt am Main 2007, S. 8–43, hier S. 15–28; Thomas Schlich: Einführung. Die Kontrolle notwendiger Krankheitsursachen als Strategie der Krankheitsbeherrschung im 19. und 20. Jahrhundert, in: Gradmann/Schlich (Hrsg.): Strategien der Kausalität, S. 3–28. 71 Vgl. Silvia Berger: Bakterien in Krieg und Frieden. Eine Geschichte der medizinischen Bakteriologie in Deutschland 1890–1933, Göttingen 2009. 72 Vgl. Nowack: Die öffentliche Gesundheitspflege, in: Wuttke (Hrsg.): Die Deutschen Städte, S. 446–460. Vgl. dazu auch Sabine Schleiermacher: Prävention und Prophylaxe. Eine gesundheitspolitische Leitidee im Kontext verschiedener politischer Systeme, in: Alfons Labisch/Norbert Paul (Hrsg.): Historizität. Erfahrung und Handeln – Geschichte und Medizin, Stuttgart 2004, S. 171–175; Jürgen Reulecke: Einleitung, in: Ders.; Adelheid Gräfin zu Castell Rüdenhausen (Hrsg.): Stadt und Gesundheit. Zum Wandel vom „Volksgesundheit“ und kommunaler Gesundheitspolitik im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Stuttgart 1991, S. 11–19. 73 Vgl. dazu auch Bruno Gebhard: The Health Museum as a Visual Aid, in: American Journal of Public Health 35 (1947) 4, S. 329–332.
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In diesem Kontext schuf Lingner seinen Pavillon „Volkskrankheiten und ihre Bekämpfung“ und machte sich darüber hinaus daran, eine „Weltausstellung für Gesundheitspflege“⁷⁴ ins Leben zu rufen: Die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911.⁷⁵ Auf ihr versammelten sich Vertreter der Leibesübungen, der Sozialfürsorge und der Naturwissenschaften neben Industrieunternehmen und Besuchern aus allen sozialen Schichten. Alle beschäftigten sich mit dem Körper, seiner Funktionsweise oder seinen sozialen Funktionen. In der Konzentration derart vielfältiger Gruppen an einem Ort lag die besondere Innovationskraft der Schau. Sie erreichte eine im Deutschen Reich bis dahin nicht gekannte Aufmerksamkeit, führte unterschiedlichste Akteure unter dem Leitthema Körper zusammen und wurde so zur ersten umfassenden Gesundheitsausstellung in Deutschland.
Organisatorische Vorarbeiten Der früheste Hinweis auf das Vorhaben des Industriellen stammt aus dem Jahr 1905. Zu diesem Zeitpunkt beschlossen Lingner und der Dresdner Oberbürgermeister Gustav Otto Beutler, für 1908 oder 1909 eine großangelegte Hygiene-Ausstellung in Dresden zu organisieren.⁷⁶ Kurz darauf wandte sich Beutler mit der Bitte um Unterstützung zunächst an die Königliche Kreishauptmannschaft Dresden. Er grenzte seinen Plan von der Berliner Schau von 1907 ab, von der aus aufgrund ihrer beschränkten Größe „keinerlei Konkurrenz für das Dresdner Unternehmen zu befürchten ist.“⁷⁷ Neben dem wissenschaftlichen Rang der geplanten Ausstellung betonte er vor allem, dass die Stadt Dresden bereits beschlossen habe, das Projekt durch die kostenfreie Überlassung des Ausstellungspalastes sowie durch finanzielle Beihilfen zu unterstützen. Wenig später richtete er sich mit dem gleichen Anliegen an den Staatssekretär im preußischen Reichsamt des Innern, Graf Arthur von Posadowsky, und fragte nach einer preußischen Förderung der Exposi-
74 Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Weltausstellung für Gesundheitspflege. Mai bis Oktober. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 83, unpaginiert. 75 Zum präventiven Aspekt der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung vgl. Ragnhild Münch/ Jan Lazardzig: Inszenierung von Einsicht und Überblick. Hygiene-Ausstellungen und Prävention, in: Sigrid Stöckel/Ulla Walter (Hrsg.): Prävention im 20. Jahrhundert. Historische Grundlagen und aktuelle Entwicklungen in Deutschland, Weinheim u. a. 2002, S. 78–95. 76 Vgl. Schreiben Lingner an Beutler vom 30.09.1905. StdA Dresden Ratsarchiv 2.1–A.XXIV.125/1, Bl. 1–2. 77 Schreiben Beutler an die Königliche Kreishauptmannschaft Dresden vom 21.10.1905. HStA Dresden 10747 Kreishauptmannschaft Dresden/Nr. 535, Bl. 1–3.
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tion.⁷⁸ Beinahe zeitgleich gründete sich das „Komitee für die in Dresden geplante Allgemeine Internationale Hygiene-Ausstellung“.⁷⁹ Zur Finanzierung der Schau sollte ein Garantiefond eingerichtet werden. Allerdings zeigte sich bald, dass sich Lingners Projekt trotz des starken Engagements Beutlers nicht so leicht realisieren ließ, wie sich das der Industrielle gedacht hatte. Noch im Dezember 1905 musste die Exposition wegen finanzieller Probleme auf das Jahr 1910 verschoben werden, denn die öffentlichen Hände zeigten sich im Hinblick auf die Förderung der Schau sehr zurückhaltend. Mit einer finanziellen Zuwendung durch Preußen rechnete das Sächsische Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.⁸⁰ Und auch das sächsische Ministerium des Innern lehnte die fest eingeplante finanzielle Unterstützung von 200 000 Mark zunächst ab, da „wohl bezweifelt werden kann, ob die geplante Ausstellung für das grosse Publikum [. . . ] die angenommene Zugkraft besitzen wird.“⁸¹ Die Durchführung einer für die Finanzierung eingeplanten Geldlotterie wurde ebenfalls untersagt. Zusätzlich weigerte sich das sächsische Finanzministerium, einer Bitte Beutlers zu folgen und einen Teil des Dresdner Gartens unentgeltlich als Ausstellungsgelände zur Verfügung zu stellen.⁸² Lingner reagierte auf diese Probleme mit einer umfangreichen Stellungnahme, in der er die eigentliche Zielsetzung seiner Schau erstmals prägnant herausarbeitete. Zunächst hob er die Neuartigkeit seines Ausstellungsplanes hervor. Bislang sei es keiner Schau in Deutschland gelungen, „das Interesse der gesamten Kulturwelt zu erregen.“⁸³ Dies werde sein Projekt aber sicher tun, da die Ausstellung ein aktuelles und gleichzeitig für ein breites Publikum attraktives Thema aufbereite. Denn der Ausgangspunkt seines Ausstellungsprojektes war die Prognose, dass „das neue Jahrhundert wahrscheinlich das Jahrhundert der Hygiene sein“
78 Vgl. Schreiben Beutler an Graf Arthur von Posadowsky vom 21.11.1905. GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil VI Nr. 20, Bd. 1, Bl. 2–4. 79 Vgl. Protokoll der konstituierenden Sitzung des Komitees für die in Dresden geplante Allgemeine Internationale Hygiene-Ausstellung vom 19.01.1906. StdA Dresden Ratsarchiv 2.1–A.XXIV.125/1, Bl. 175–177. Anwesend war u. a. Arthur Schloßmann, der 1926 die GeSoLei organisierte. 80 Vgl. Beschluss des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten vom 23.12.1905. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3572, Bl. 5. 81 Beschluss der Königlichen Kreishauptmannschaft Dresden vom 14.06.1906. StdA Dresden Ratsarchiv 2.1–A.XXIV.125/2, Bl. 183–185, hier Bl. 184. 82 Vgl. Schreiben Beutler an Dr. Rüger vom 31.08.1906. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3572, Bl. 71–72; Schreiben Sächsisches Finanzministerium an Beutler vom 05.10.1906. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3572, Bl. 73–74. 83 Schreiben Lingner an Beutler vom 01.08.1906. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/ Nr. 3572, Bl. 33–57, hier Bl. 35.
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werde.⁸⁴ Der durch die Anstrengungen der Moderne angegriffene Körper müsse, so Lingners Vorhersage, zunehmende Aufmerksamkeit wecken, da von der Gesundheit jedes Einzelnen sowohl sein individuelles Glück als auch die Zukunft der Nation abhänge. Während Kranke und Arbeitsunfähige nur Kosten verursachten, bedeuteten gesunde Menschen aufgrund ihrer gesteigerten Leistungsfähigkeit schon an sich eine „Vermehrung des Staatsvermögens“. Im Wettkampf mit den anderen Nationen sei der Gesundheitszustand der Bevölkerung zudem der Faktor, der darüber entschied, welchem Land „die Zukunft gehören wird.“⁸⁵ Daher sei es notwendig, die Allgemeinheit dazu anzuleiten, den eigenen Körper zu pflegen und zu stärken. Hierfür sollten der Bevölkerung durch die geplante Ausstellung Kenntnisse über die Funktionsweise des Körpers und grundlegende medizinische Zusammenhänge vermittelt werden.⁸⁶ Diese hygienische Belehrungsarbeit bildete für den Industriellen „die Grundlage aller Gesundheit.“⁸⁷ Dem sächsischen Staat gegenüber argumentierte er zudem mit dem Prestige, das Sachsen durch die Ausrichtung einer großen Exposition gewinnen könnte. Er zeigte sich davon überzeugt, dass in den kommenden fünf Jahren eine derartige Schau durchgeführt werden würde, beschäftigten sich doch neben Berlin und Wien auch Städte aus Frankreich oder Großbritannien mit den Vorbereitungen eines solchen Unternehmens.⁸⁸ Unterstützung erhielt Lingner durch Anselm Rumpelt, Kreishauptmann Dresdens, der den Ausstellungsplan von Beginn an sehr befürwortete.⁸⁹ Die Eingabe war erfolgreich. Im November 1906 erklärte sich das sächsische Finanzministerium nach dem Beschluss der Kreishauptmannschaft Dresden doch damit einverstanden, den Großen Garten für die Exposition zur Verfügung zu stellen. Außerdem war man bereit, das Projekt im Falle eines Fehlbetrags mit 200 000 Mark zu unterstützen. Allerdings war dies an die Bedingung geknüpft, dass die
84 Ebd., hier Bl. 37. 85 Ebd., hier Bl. 39. 86 Vgl. Drucksache Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Mai bis Oktober. GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil VI Nr. 20, Bd. 1, Bl. 281–314. 87 Schreiben Lingner an Beutler vom 01.08.1906. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/ Nr. 3572, Bl. 33–57, hier Bl. 48. Hervorhebung im Original. 88 Vgl. Ebd., hier Bl. 45. 89 Vgl. Schreiben Anselm Rumpelt an das Sächsische Ministerium des Innern vom 09.08.1906. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3572, Bl. 29–32. Die Motive Lingners waren in Regierungskreisen nicht unumstritten. Manche Vertreter Sachsens, Preußens und des Deutschen Reiches fürchteten, er wolle sich durch sein Engagement nur bereichern. Vgl. dazu Schreiben Schmidtmann an Heinrich Konrad von Studt vom 21.01.1906; Bericht über die am 19. Januar in Dresden abgehaltene konstituierende Sitzung des Komitees für die allgemeine internationale Hygiene-Ausstellung 1909. GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil VI Nr. 20, Bd. 1, Bl. 11–13.
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Stadt Dresden einen Garantiefond in gleicher Höhe zeichnete und dieser zuerst vollständig ausgeschöpft werde, bevor auf die Landesmittel zugegriffen werden durfte. Die Veranstaltung einer Geldlotterie blieb weiterhin untersagt, nur eine Sachlotterie käme unter Umständen in Betracht.⁹⁰ Zwar zeigte sich Lingner mit dem Entgegenkommen des sächsischen Staates nicht vollends zufrieden, da ihn das Verbot der Geldlotterie verärgerte.⁹¹ Doch erklärte er sich mit den gegebenen Rahmenbedingungen einverstanden, forderte jedoch eine stärkere finanzielle Beteiligung Dresdens sowie eine weitgehende Handlungsautonomie bei der Organisation der Schau.⁹² Nach einem längeren Verhandlungsprozess entschied sich die Stadt, zusätzlich zu den bereits bewilligten 200 000 Mark Sonderleistungen im Wert von 100 000 Mark für die Ausstellung zu übernehmen.⁹³ Gut einen Monat später bewilligte das sächsische Ministerium des Innern vorbehaltlich der Zustimmung der sächsischen Ständeversammlung den zugesagten Zuschuss.⁹⁴ Diese stimmte dem Plan schließlich zu und bestimmte gleichzeitig Anselm Rumpelt zum Kommissar der endgültig auf das Jahr 1911 verschobenen Ausstellung. Er sollte mithelfen, finanzielle Verluste zu vermeiden und hatte darüber hinaus die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass „keine Gegenstände ausgestellt werden, die ekelerregend wirken oder sonst Ärgernis zu geben geeignet sind.“⁹⁵ Nach allen Startschwierigkeiten nahm die Organisation der Exposition nun Fahrt auf. Im November schlossen die Stadt Dresden, der 1908 gegründete Verein zur Veranstaltung der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 und Lingner einen Vertrag. Dresden verpflichtete sich darin, das benötigte Areal zur Verfügung zu stellen, 200 000 Mark à fonds perdu zu leisten sowie kostenfrei mehrere Zusatzaufgaben wie Abbruch- und Wiederherstellungsmaßnahmen nach dem
90 Vgl. Schreiben Rüger an das Sächsische Ministerium des Innern vom 06.11.1906. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3572, Bl. 77–79; Schreiben des Sächsischen Ministeriums des Innern an die Kreishauptmannschaft Dresden vom 10.11.1906. HStA Dresden 10747 Kreishauptmannschaft Dresden/Nr. 535, Bl. 40. 91 Vgl. Schreiben Lingner an Beutler vom 19.11.1906. StdA Dresden Ratsarchiv 2.1–A.XXIV.125/3, Bl. 43–50; Schreiben Beutler an Lingner vom 22.11.1906. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3572, Bl. 106–110. 92 Vgl. Schreiben Lingner an Beutler vom 08.06.1907. StdA Dresden Ratsarchiv 2.1–A.XXIV.125/3, Bl. 148–156. Insgesamt forderte Lingner in dem Schreiben einen Gesamtzuschuss bestehend aus Geld- und Sachleistungen in Höhe von 550 000 Mark. 93 Vgl. Schreiben Beutler an das Königliche Finanzministerium vom 12.03.1908. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3572, Bl. 130–132. 94 Vgl. Beschluss der Königlichen Kreishauptmannschaft Dresden vom 22.04.1908. StdA Dresden Ratsarchiv 2.1–A.XXIV.125/3, Bl. 154–155. 95 Schreiben Königlich Sächsisches Ministerium des Innern an Rumpelt vom 15.07.1908. HStA Dresden 10747 Kreishauptmannschaft Dresden/Nr. 535, Bl. 159.
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Ende der Exposition zu erbringen.⁹⁶ Lingner verpflichtete sich im Gegenzug, eine „eigene größere Spezialsammlung von Ausstellungsobjekten, deren Herstellung an Barauslagen schätzungsweise etwa 300 000 M erfordern wird“, bereitzustellen.⁹⁷ Die Sammlung sollte den Kern der an das breite Publikum gerichteten „Populären Abteilung“ bilden. Von einem eventuellen Überschuss nach dem Ende der Ausstellung sollte der Industrielle seine Kosten bis zu einem Betrag von 150 000 Mark ersetzt bekommen. Wenn die Schau einen über diesen Betrag hinausgehenden Gewinn einfahre, würde dieser bis zu einem Betrag von 200 000 Mark zwischen Lingner und der Stadt geteilt werden. Sollte der Ertrag den Wert von 200 000 Mark übersteigen, sicherte der Vertrag Lingner das freie Verfügungsrecht über den Gesamterlös zu. Er musste ihn aber „zur Gründung hygienischer oder sonstiger Unternehmungen, die zur Volksgesundheitspflege und zur Volksbildung in Beziehung stehen, zum Besten der Dresdner beziehungsweise sächsischen Bevölkerung“ einsetzen.⁹⁸ Es galt nun, das Deutsche Reich sowie die übrigen deutschen Länder von einer Teilnahme an der Hygiene-Ausstellung zu überzeugen. Denn nur mit der Beteiligung möglichst vieler Universitätsinstitute sowie staatlicher Institutionen wie dem Reichsgesundheitsamt oder dem Hamburger Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten konnte der Anspruch der Schau umgesetzt werden, ein Ort hygienischer Volksbelehrung und wissenschaftlichen Austauschs gleichermaßen zu werden. Hierfür wandte sich der Ausstellungsvorstand direkt an das Reichsamt des Innern und bat um eine Beteiligung.⁹⁹ Zunächst jedoch reagierten Preußen und die Reichsregierung verhalten auf den Dresdner Vorstoß, so dass Beutler und Lingner sich ein weiteres Mal an das Reichsamt des Innern wandten¹⁰⁰, bevor sie schließlich Anfang 1910 unangemeldet nach Berlin fuhren, um zu dessen Ärger mit Reichskanzler Bethmann-Hollweg persönlich über die Beteiligung der Reichsinstitute an der Ausstellung zu verhandeln.¹⁰¹ Hinter diesem Verhalten stand eine wachsende
96 Vgl. Vertrag zwischen der Stadtgemeinde Dresden, vertreten durch Rat und Stadtverordnete, und dem Verein zu Veranstaltung der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, e. V., vertreten durch das Direktorium, dieses vertreten durch seinen Vorsitzenden, Herrn Geheimen Kommerzienrat Lingner, sowie Herrn Geheimen Kommerzienrat Lingner für seine eigene Person vom 20.11.1908, S. 3–4. StdA Dresden Ratsarchiv 2.1–AXXIV.125/5, Bl. 112–115. 97 Ebd., S. 5. 98 Ebd., S. 6. 99 Vgl. Schreiben Vorstand der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 an das Reichsamt des Innern vom 13.02.1909. BArch Berlin R 1001/6043, Bl. 173–175. 100 Vgl. Schreiben Beutler an das Reichsamt des Innern vom 18.12.1909. HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts/Nr. 14328, Bl. 5–8. 101 Vgl. Schreiben Hermann von Salza und Lichtenau an Christoph Vitzthum von Eckstädt vom 19.03.1910. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3574, Bl. 4–5.
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Ernüchterung des Vorstandes hinsichtlich des Engagements des Deutschen Reichs für ihr Projekt, hatte doch schon 1909 Kaiser Wilhelm II. das Protektorat der Schau abgelehnt.¹⁰² Um doch noch mit ihrem Anliegen Erfolg zu haben, rekurrierten Lingner und seine Mitstreiter wiederholt auf drei zentrale Argumente für ihr Projekt: Erstens habe die Ausstellung die Aufgabe, die „hygienische Wissenschaft der Welt“ an einem Ort zusammenzubringen.¹⁰³ Dadurch könne man von erfolgreichen hygienischen Maßnahmen anderer Nationen lernen, was mittelfristig zu Kostenersparnissen führe. Zweitens werde in Dresden jeder Besucher erfahren, wie er sich selbst gesund erhalten kann. Dies bringe unmittelbare Vorteile für den Staat, denn „jede hygienische Verbesserung im Leben des Einzelnen wie der Gesamtheit spricht sich in einer Abnahme der ansteckenden oder sonst vermeidbaren Krankheiten, in einer Hebung der Volkskraft zufolge gesundheitlicherer Lebensführung und Steigerung des Volkswohlstandes aus“.¹⁰⁴ Drittens betonten sie die Bedeutung der Schau als Prestigeprojekt gegenüber dem Ausland. Mit den Themen Volksgesundheit und Konkurrenz mit dem Ausland verwiesen die Verantwortlichen auf zwei Topoi, die im wilhelminischen Kaiserreich außerordentlich wirkmächtig waren. Auf sie stützte sich mit Erfolg beispielsweise auch Adolf von Harnack als er etwa ein Jahr früher die Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft forciert hatte.¹⁰⁵ Unterstützung erhielten die Dresdner von Franz Bumm, dem Präsidenten des Reichsgesundheitsamtes. Dieser hatte schon mehrfach seine Sympathie für das Ausstellungsprojekt bekundet und griff während einer Beratung im Reichsamt des Innern über die Beteiligung des Reichs sowie Preußens an der Exposition das Argument auf, dass es vor dem Hintergrund der bereits zugesagten ausländischen Beteiligungen „einen schlechten Eindruck machen [würde], wenn die deutschen wissenschaftlichen Institute sich fernhielten.“¹⁰⁶ Lingner hatte nämlich schon früh ein Ausstellungsprogramm veröffentlicht, in dem das Ausland zur Beteiligung an
102 Vgl. Schreiben Bethmann-Hollweg an das preußische Ministerium der geistlichen, Unterrichtsund Medizinalangelegenheiten vom 16.04.1909. GStA I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil VI Nr. 20, Bd. 1, Bl. 64; Schreiben Vitzthum von Eckstädt an Wilhelm von Hohenthal und Bergen vom 09.06.1909. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3573, Bl. 30–31. 103 Schreiben des Ausstellungsvorstandes an das Reichsamt des Innern vom 04.04.1910. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3574, Bl. 35–38, hier Bl. 35. 104 Ebd., Bl. 37. 105 Vgl. Adolf von Harnack: Denkschrift von Harnack an den Kaiser, in: Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. (Hrsg.): 50 Jahre Kaiser-WilhelmGesellschaft und Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911–1961. Beiträge und Dokumente, Göttingen 1961, S. 80–94. 106 Aufzeichnung über die im Reichsamte des Innern abgehaltene kommissarische Beratung, betreffend die Beteiligung des Reichs und der preußischen Ressorts an der Internationalen Hygiene-
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der Schau aufgefordert wurde, und dadurch die Regierung in den Augen Geheimrat Kirchners „in eine Zwangslage versetzt“.¹⁰⁷ Letztlich waren Lingner, Beutler und Rumpelt mit ihrer Strategie erfolgreich und sicherten im Frühjahr 1910 die Beteiligung der Reichsinstitute an der Exposition.¹⁰⁸ Die Exposition sollte auf diese Weise eine Vielzahl unterschiedlicher Organisationen vereinen und zu „Deutschlands erste[r] Weltausstellung“ für Hygiene werden.¹⁰⁹
Aufbau und Inhalte der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 Den grundlegenden Aufbau der Exposition skizzierte Lingner im „Programm für die geplante Internationale Hygiene-Ausstellung zu Dresden“. Er nutzte diese Gelegenheit, um die Vorzüge seines Projektes ein weiteres Mal deutlich zu machen. Hauptaufgabe der Schau war, so der Industrielle, die „hygienische Aufklärung der Gesellschaft.“¹¹⁰ Das war aus seiner Sicht nötig geworden, da die früheren, in der Regel religiös legitimierten, Hygieneregeln in der Neuzeit verloren gegangen waren. Nur eine Rückbesinnung auf den Körper, nur die Erkenntnis, dass „das kostbarste Gut, das ein Mensch haben kann, die Gesundheit ist“ könne auf Dauer den körperlichen Niedergang der deutschen Bevölkerung aufhalten.¹¹¹ Einerseits traditionalistisch auf das hygienische Vorbild des antiken Griechenlands verweisend, andererseits voller Fortschrittsoptimismus und durchsetzt von einer Skepsis vor der Arbeiterklasse rekurrierte Lingner in seinem Programm auf die enormen Erkenntnisgewinne in der Medizin sowie der Naturwissenschaften, die aus seiner Sicht den Ausweg aus den gesundheitlichen sowie mittelbar auch sozialen Problemen des Deutschen Reiches wiesen. Allerdings müsse der wissenschaftliche Fortschritt auf den Gebieten der Hygiene in der Bevölkerung popularisiert werden. Denn die „öffentliche Gesundheitspflege [. . . ] wird, so segensreich sie auch wirken mag, ein dachloser Bau bleiben, wenn sie nicht durch die Hygiene des Individuums gekrönt wird.“¹¹² Die Hygiene-Ausstellung sollte dazu beitragen,
Ausstellung in Dresden 1911 vom 12.03.1910. BArch Berlin Nachlass Theodor Lewald N 2176/139, Bl. 3–7, hier Bl. 4. 107 Ebd., Bl. 4. 108 Vgl. Rundschreiben von Bethmann-Hollweg vom 17.04.1910. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3574, Bl. 54. Bethmann-Hollweg trat schließlich auch als Vorsitzender dem Ehrenpräsidium der Ausstellung bei. 109 o. V.: Deutschlands erste Weltausstellung, in: Hygiene und Industrie 1 (1911) 1, S. 9–10. 110 Lingner: Programm für die geplante Internationale Hygiene-Ausstellung zu Dresden, S. 4. 111 Ebd., S. 15. 112 Ebd., S. 18.
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dieses Verständnis in der Bevölkerung zu erweitern. Dafür dürfe die Schau jedoch nur wissenschaftlich unumstrittene Tatsachen zeigen. Damit schrieb Lingner den Naturwissenschaftlern und Medizinern die Deutungshoheit über den Körper zu und hielt an der Vorstellung einer linearen Wissenschaftspopularisierung vom Experten zum Laien fest – eine Haltung, die gerade die aufkommenden medizinkritischen Bewegungen des späten Kaiserreichs durchaus hinterfragten.¹¹³ Die Schau war in einen Bereich für Fachleute sowie einen Bereich für die Allgemeinheit unterteilt und behielt damit das Gestaltungsprinzip bei, das schon Virchows Pathologisches Museum gekennzeichnet hatte. Zur hygienischen Aufklärung der Bevölkerung setzten die Verantwortlichen in der „Populären Halle“ eine medizinisch-naturwissenschaftliche Gesamtdarstellung des Menschen in den Mittelpunkt der Exposition, die dem Besucher den „Bau und die Funktionen des menschlichen Körpers“ vermitteln sollte.¹¹⁴
Abb. 2.1: Außenansicht der „Populären Halle“ auf der Ersten Internationalen HygieneAusstellung Dresden 1911. Quelle: Privatarchiv Sebastian Weinert.
113 Vgl. Martin Dinges (Hrsg.): Medizinkritische Bewegungen im Deutschen Reich (ca. 1870–ca. 1933), Stuttgart 1996. 114 So zeitlich gegen Ende der Ausstellung Bumm in einem Schreiben an den Staatsminister des Innern vom 28.11.1911. BArch Berlin R 901/756, unpaginiert.
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Auf dieser grundlegenden Darstellung aufbauend folgten weitere Bereiche zu spezielleren Themen der Gesundheitspflege. Charakteristisch für diese Anordnung war also, dass sie von dem medizinisch-naturwissenschaftlichen Kern ausging und daran weiter gespannte Inhalte wie Bevölkerungspolitik oder Sozialfürsorge, aber auch klassische medizinische Fragen wie die Übertragung von Infektionskrankheiten anschloss. Daneben war zudem die historisch-ethnographische Abteilung der Schau für das breite sowie Fachpublikum gedacht.¹¹⁵ Für den Leiter dieser Abteilung, den Leipziger Medizinhistoriker Karl Sudhoff, fungierte die Geschichte der Hygiene im Rahmen der Schau als „Lehrmeisterin“ für die gegenwärtigen Maßnahmen in der Gesundheitspflege.¹¹⁶ Anders als die meisten Historiker seiner Zeit interessierte er sich neben schriftlichen Überlieferungen auch für materielle Zeugnisse und war daher für die Leitung der historisch-ethnographischen Abteilung besonders geeignet.¹¹⁷ Auch mit diesem Teil der Hygiene-Ausstellung betraten die Dresdner Neuland. Eine derart materialreiche und inhaltlich weit gefasste Exposition, die deutlich über die bloße Darstellung der Geschichte der Medizin hinausging und eine starke kulturgeschichtliche Ausrichtung hatte, war im Deutschen Reich zuvor noch nicht realisiert worden. Dementsprechend aufwendig gestaltete sich im Vorfeld ihre organisatorische Umsetzung.¹¹⁸ Die Verbindung von Geschichte und Ethnologie in einer Abteilung hatte eine miteinander verschränkte Belegfunktion. Während aus Sicht der Organisatoren die historischen Erkenntnisse ihre Interpretationen des Hygieneverhaltens „primitiver“ Völker plausibilisierten, zogen sie andererseits aus der Beobachtung „der Hygiene bzw. Unhygiene der Naturvölker von heute“ Rückschlüsse auf die Vergangenheit, da den in der Regel aus Kolonialgebieten stammenden Menschen noch ein vormoderner Kulturzustand zugeschrieben wurde.¹¹⁹ Hiermit differenzier-
115 Zum Plan der Abteilung vgl. Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Historische Abteilung. StdA Dresden Ratsarchiv 2.1–A.XXIV.86 d. 116 Vgl. Karl Sudhoff : Einleitung, in: o. V.: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Historische Abteilung. Zweite Auflage, Leipzig 1911, S. 1–2. Zu Sudhoff vgl. Heike Fleddermann: Karl Sudhoff (1853–1938). Zwei Arbeiten zur Geschichte der Medizin und der Zahnheilkunde. Mit einem Essay „Paracelsus und der gläserne Mensch“ von M. Putscher, Feuchtwangen 1991. 117 Vgl. Claudia Stein: Divining and Knowing: Karl Sudhoff’s Historical Method, in: Bulletin of the History of Medicine 87 (2013) 2, S. 198–224. 118 Zu den organisatorischen Problemen vgl. Claudia Stein: Organising the History of Hygiene at the Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden in 1911, in: N.T.M. 21 (2013) 4, S. 355–387. Zur Abteilung selbst vgl. auch Johanna Schrön: Ein „grosses, lebendiges Lehrbuch der Hygiene“ – Die Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden 1911, in: Kretschmann (Hrsg.): Wissenspopularisierung, S. 309–321, hier S. 315. 119 Karl Sudhoff /Otto Neustätter: Vorwort, in: o. V.: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Historische Abteilung, S. III–IV, hier S. IV.
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ten Sudhoff und sein Mitarbeiter Otto Neustätter zwischen dem modernen Westen und dem „primitiven“ Rest.¹²⁰ Die beiden für die breite Öffentlichkeit gedachten Abteilungen stellten die zentrale Neuerung der Exposition dar und machten sie erst zu einem Mittel der hygienischen Volksbelehrung. Doch obwohl die populäre und die historisch-ethnologische Abteilung sowie die ebenfalls allgemein zugängliche Sportabteilung die größte Aufmerksamkeit erregten, bestand die Internationale Hygiene-Ausstellung zum überwiegenden Teil aus der wissenschaftlichen sowie industriellen Abteilung, die sich an Experten richteten. Dadurch behielt Lingner die schon aus früheren Expositionen bekannte Differenzierung der Besucher in ein Experten- und Laienpublikum bei, selbst wenn davon auszugehen ist, dass sich die Besucher nicht an diese Beschränkungen hielten und auch Gruppen der wissenschaftlichen Abteilung besuchten. Diese charakterisierte allerdings ebenfalls einige Neuerungen. So gab man den aus früheren Expositionen bekannten Aufbau der Gruppen nach Ausstellern zugunsten einer Ordnung nach Fachgebieten auf. Davon versprach sich Lingner eine systematische Gliederung des Materials, die es ermögliche, die Exposition einem „grossen hygienischen Lehrbuch“ gleich zu rezipieren¹²¹, das in eine Vielzahl von Gruppen, Untergruppen sowie Sondergruppen einzelner Aussteller zerfiel.¹²² Betreut wurden sie durch ausgewählte Gruppenvorsitzende, die Experten auf dem jeweiligen Gebiet waren; die Aufsicht über Untergruppen allerdings an andere Personen delegierten. Dadurch ergab sich ein, für die damalige Zeit typisches, gestaffeltes Zuständigkeitsprinzip, das sich zum Teil bis auf einzelne Kojen durchzog. Zusätzlich dazu entstanden separate Pavillons, in denen sich die ausländischen Teilnehmer präsentierten. Grundsätzlich versuchten die Organisatoren der Schau, in der wissenschaftlichen Abteilung wie schon in der „Populären Halle“, das „Interesse des Besuchers
120 Vgl. Stuart Hall: Der Westen und der Rest: Diskurs und Macht, in: Ders. (Hrsg.): Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2, Hamburg 1994, S. 137–179. Zu ähnlichen Anordnungen auf Weltausstellungen vgl. Nils Müller-Scheeßel: To See is to Know. Materielle Kultur als Garant von Authentizität auf Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts, in: Stefanie Samida (Hrsg.): Inszenierte Wissenschaft. Zur Popularisierung von Wissen im 19. Jahrhundert, Bielefeld 2011, S. 157–176; Honold: Ausstellung des Fremden, S. 170–190. Samuel Todd Presner argumentiert, dass auch die Juden in der Ausstellung als vormodern erschienen, da sie ausschließlich in der historisch-ethnologischen Abteilung auftauchten. Vgl. Presner: Muscular Judaism, S. 139–147. 121 o. V.: Offizieller Katalog der Internationalen Hygiene Ausstellung Dresden. Mai bis Oktober 1911. Mit einem Plan der Ausstellung, Berlin 1911, S. 16. 122 Für eine Übersicht über die Gruppen vgl. o. V.: Offizieller Katalog der Internationalen Hygiene Ausstellung Dresden. Mai bis Oktober 1911, S. 6–8.
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[. . . ] als oberstes Gesetz“ zu behandeln.¹²³ Dies galt einerseits für die Anordnung des Materials, andererseits für die verwendeten Medien. Beispielsweise sollten möglichst plastische, anschauliche Exponate gezeigt werden, um dem Publikum die größtmögliche Abwechslung zu bieten.¹²⁴ Die Beteiligung der Industrie wurde ebenfalls neu strukturiert. Denn die industriellen Produkte gliederten sich nach Lingners Konzept in die systematische Anordnung der Gruppen ein. Dadurch führte die Schau „Theorie und Praxis“ in „einem einzigen Raum“ zusammen.¹²⁵ Praktisch löste man den Anspruch an eine inhaltliche Verzahnung von gewerblicher und wissenschaftlicher Abteilung ein, indem sich den wissenschaftlichen Gruppen räumlich immer thematisch passende industrielle Bereiche anschlossen, die wieder den Charakter von Gewerbeexpositionen trugen und Standmiete kosteten. Allerdings beinhaltete die wissenschaftliche Abteilung ebenfalls industrielle Produkte, deren Herstellern jedoch auffällige Werbung untersagt war.¹²⁶
Nach der Eröffnung Am 6. Mai 1911 öffnete die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden; der feierliche Empfang fand einen Tag später im neuen Rathaus statt.¹²⁷ Obwohl die wissenschaftlichen Gruppen bei der Eröffnung noch nicht alle fertig gestellt waren¹²⁸, bot sich den Besuchern ein im Deutschen Reich zuvor wohl nur während der
123 Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Wissenschaftliche Abteilung. Für die Ausgestaltung der wissenschaftlichen Abteilung maßgebende Gesichtspunkte, S. 1. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA Nr. 241 IV, unpaginiert. 124 Vgl. Ebd., S. 2. Zur Diskussion über die Inhalte der Abteilung vgl. Bericht über die Tagung des Direktoriums und der Gruppen-Vorsitzenden der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 in Gegenwart der Vertreter der auswärtigen Staaten und von Mitgliedern des Ehrenkomitees in der Aula der Technischen Hochschule Dresden am 12. Februar 1910. HStA Dresden 10717 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten/Nr. 8923, Bl. 58. 125 Rundschreiben der Ständigen Ausstellungskommission für die Deutsche Industrie: Internationale Hygiene-Ausstellung, Dresden 1911 vom 04.05.1910. StdA Dresden Ratsarchiv 2.1–A.XXIV.125/6, Bl. 217. 126 Vgl. Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Wissenschaftliche Abteilung. Für die Ausgestaltung der wissenschaftlichen Abteilung maßgebende Gesichtspunkte, S. 2–3. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA Nr. 241 IV, unpaginiert. 127 Vgl. Ordnung für den Empfang im neuen Rathaus anlässlich der Eröffnung der Internationalen Hygiene-Ausstellung am 07. Mai. StdA Dresden Ratsarchiv 2.1–A.XXIV.140, Bl. 20–21. 128 Vgl. o. V.: Dresden Health Exhibition. The Opening Ceremonies, in: The Times of London vom 08.05.1911, S. 5. Lingners Populäre Halle war allerdings schon vollständig eingerichtet.
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Abb. 2.2: Ausstellungsplan der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Quelle: o. V.: Offizieller Katalog der Internationalen Hygiene Ausstellung Dresden. Mai bis Oktober 1911. Mit einem Plan der Ausstellung, Berlin 1911.
Berliner Gewerbeausstellung von 1896 dagewesener Anblick.¹²⁹ Auf einem Areal von 320 000 qm mit ungefähr 75 000 qm umbauten Raum präsentierte sich eine verwirrende Vielfalt an Ausstellern, Themen und Unterhaltungsangeboten. Ein eigener Vergnügungspark, eine spektakuläre und im Falle der ausländischen Pavillons exotische Ausstellungsarchitektur¹³⁰, der abendlich erleuchtete und mit Wasserspielen bestückte Große Garten oder mehrere Restaurants luden
129 Zur Berliner Gewerbeausstellung vgl. Geppert: Fleeting cities, S. 16–61; Ders.: Weltstadt für einen Sommer: Die Berliner Gewerbeausstellung 1896 im europäischen Kontext, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 103 (2007) 1, 434–448. 130 Einen Eindruck von der Architektur bietet das Leporello 20 Aufnahmen der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 1994/284.
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zum Verweilen ein. Die Sportanlagen verwandelten Dresden für einen Sommer zum „Mittelpunkt des deutschen Sportlebens“¹³¹; unter anderem fanden dort Spiele um die deutsche Fußballmeisterschaft, ein internationales Lawn Tennis Turnier sowie akademische Meisterschaften im Hockey statt.¹³² Ein eigens errichtetes „Undosa“Wellenbad, das neben dem allgemeinen Publikumsverkehr als Austragungsort für Wettkämpfe diente sowie eine transportable Turnhalle komplettierten die Sportanlagen. In der „Populären Halle“ avancierte die Gruppe „Der Mensch“ zu dem Anziehungspunkt der gesamten Ausstellung. Hier befanden sich die Präparate des in Leipzig wirkenden Werner Spalteholz. Dieser stellte mittels eines speziellen, technischen Verfahrens durchsichtig erscheinende Präparate her, die den Exponaten eine neuartige ästhetische Anmutung verliehen und zu den größten Innovationen der Exposition gehörten.¹³³ Mehrere Städte bewarben sich noch 1911 darum, die Gruppe bei sich zeigen zu dürfen.¹³⁴ Als die Schau sechs Monate später am 31. Oktober 1911 endete, war sie zu einem zuvor nicht erwarteten Erfolg geworden. Sie zählte fünfeinhalb Millionen Besucher, die deutschen wie ausländischen Presseberichte waren voll des Lobes¹³⁵ und darüber hinaus erzielte sie einen Gewinn von rund 1 000 000 Mark.¹³⁶
131 Drucksache: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 Mai–Oktober. Sportausstellung, Turnen. Spiel und Sport, S. 17. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3575, Bl. 158. Hervorhebung im Original. 132 Vgl. o. V.: Offizieller Führer durch die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 und durch Dresden und Umgebung. Mit einem Plan von Dresden, Berlin 1911, S. 17–18. 133 Zu Spalteholz und seiner Technik vgl. Susanne Hahn: Der Leipziger Anatom Werner Spalteholz (1861–1940) und seine Beziehungen zum Deutschen Hygiene-Museum, in: N.T.M. 7 (1999) 1, S. 105– 117. 134 Neben München hatten sich im November 1911 Karlsruhe, Stuttgart, Hamburg, Köln und Nürnberg um die Schau beworben. Vgl. Handschriftlicher Vermerk Beutlers auf der Rückseite des Telegramms Wilhelm von Borschts an Beutler vom 23.11.1911. StdA Dresden Ratsarchiv 2.1– A.XXIV.142, Bd. 1, Bl. 3. 135 Als Auswahl vgl. Tb: Die Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden, in: Germania vom 09.05.1911; Tb: Die Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden, in: Germania vom 10.05.1911; Emmerich: Die Dresdener Hygieneausstellung, in: Die Gartenlaube 58 (1911) 28, S. 619–623; W. Hirsch: Die Internationale Hygieneausstellung zu Dresden 1911, in: Naturwissenschaftliche Wochenschrift 26 (1911) 37, S. 577–582; Sanders: Van de Internationale Hygiëne-Tentoonstelling te Dresden, in: Het Leven 6 (1911) 31, S. 982–983; o. V.: International Hygiene Exhibition, Dresden, 1911, in: The Lancet 179 (1912) 4613, S. 249–250. 136 Vgl. Rechnungsabschluss der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. StdA Dresden Ratsarchiv 2.1–A.XXIV.142, Bd. 1, Bl. 111–118. Demnach standen den Kosten von 5 368 320,11 Mark Einnahmen in Höhe von 6 464 976,02 Mark gegenüber. Die größten Einnahmen generierten die Eintrittsgelder sowie die Standmieten der Industrieabteilung.
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Mit der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 etablierte sich das Medium der Gesundheitsschau endgültig als Mittel hygienischer Volksbelehrung. Lingner hatte die Ausstellung zwar nicht als Erster für die Popularisierung körperbezogenen Wissens genutzt¹³⁷, allerdings kombinierte er mit seinen Mitstreitern klassische Formen wissenschaftspopularisierender Expositionen mit den Merkmalen der eher auf Unterhaltung und Besucheransprache abzielenden Gewerbe- oder Weltausstellungen.¹³⁸ Mit der systematischen Anordnung der Inhalte, der Vereinigung von Themen aus den Bereichen Gesundheit, Sozialfürsorge und Leibesübungen unter dem Dach der Hygiene sowie der konsequenten Ansprache von Experten und Laien gleichermaßen etablierte er einen Prototyp der Gesundheitsschau, der bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs große Bedeutung hatte. Darüber hinaus hatte das Medium Gesundheitsausstellung selbst Rückwirkungen auf die hygienische Volksbelehrung und veränderte deren Angesicht in der Zukunft. Dies lag nicht zuletzt an der Institution, die aus dem sächsischen Projekt hervorgegangen war: dem Deutschen Hygiene-Museum Dresden. Entsprechend der vertraglichen Absprachen machte sich Lingner 1912 daran, die temporäre Exposition durch die Gründung eines Museums zu verstetigen.¹³⁹ Er versprach, das Museum werde „eine Stätte der Belehrung sein für die ganze Bevölkerung, in der jedermann sich durch Anschauung Kenntnisse erwerben kann, die ihn zu einer vernünftigen und gesundheitsfördernden Lebensführung befähigen.“¹⁴⁰ Das Museum sollte die Abteilung „Der Mensch“, eine historische sowie eine ethnologische
137 So veranstaltete das Kaiserin Auguste Victoria Haus schon seit mindestens 1906 Ausstellungen und richtete 1914 ein eigenes Museum ein. Vgl. Fritz Rott: Das Museum für Säuglingskunde, in: Kaiserin Auguste Victoria Haus (Hrsg.): Bericht des Kaiserin Auguste Victoria Hauses zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiche vom 1. April 1914 bis 31. März 1915 (6. Geschäftsjahr), Berlin 1915, S. 48–64. Auch die Idee eines expliziten Hygiene-Museums war keineswegs neu, sondern wurde bspw. um 1910 in einem anonymen Schreiben dem Kaiserlichen Gesundheitsamt vorgeschlagen. Das Museum sollte aber in erster Linie als Ort der Aufklärung über das „Kurpfuschertum“ dienen. Vgl. Vorschläge für die Einrichtung eines Museums für Volkshygiene. BArch Berlin R 86/890, unpaginiert. 138 Vgl. auch Philipp Osten: Hygieneausstellungen: Zwischen Volksbelehrung und Vergnügungspark, in: Deutsches Ärzteblatt 102 (2005) 45, S. 3085–3088; Schrön: Ein „grosses, lebendiges Lehrbuch der Hygiene“, S. 309–321, hier S. 309. 139 Auf die Gründungsgeschichte des Hygiene-Museums kann hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern; Sybilla Nikolow/Thomas Steller: Das lange Echo der I. Internationalen Hygiene-Ausstellung in der Dresdner Gesundheitsaufklärung, in: Dresdner Hefte 29 (2011) 108, S. 16–27; Schubert: Vorgeschichte und Geschichte des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden (1871–1931). Band 1. 140 Karl August Lingner: Denkschrift zur Errichtung eines National-Hygiene-Museums in Dresden, Dresden 1912, S. 5.
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Abteilung enthalten. Es übernahm die sich im Besitz der Hygiene-Ausstellung befindlichen Gegenstände, sollte in Zukunft jedoch in eigenen Werkstätten selbst Materialien herstellen. Darüber hinaus erhielt das Museum einige Spenden durch Teilnehmer an der Hygiene-Ausstellung.¹⁴¹ Durch den Ansatz, die Exponate für die eigene Ausstellung überwiegend selbst zu produzieren und nicht vorhandene Gegenstände zu sammeln, unterschied sich das Dresdner Haus von klassischen Museumskonzepten. Der Vertrieb oder Verleih der in den eigenen Werkstätten angefertigten Objekte sollte dem Museum alternative Erwerbsquellen erschließen und es ein Stück weit unabhängig von öffentlichen Geldern machen.¹⁴² Um entsprechend attraktive Exponate herstellen zu können, schloss Lingner noch während der Laufzeit der Hygiene-Ausstellung einen Vertrag mit Werner Spalteholz ab. Darin verpflichtete sich der Leipziger Anatom, in Dresden Präparate nach seiner speziellen Methodik herstellen zu lassen.¹⁴³ Neben anatomischen Exponaten sollte die Dresdner Werkstatt Materialien für den Schulunterricht, Schautafeln, Lichtbildreihen und Filme produzieren.¹⁴⁴ Doch die Pläne des Industriellen ließen sich vorerst nicht gänzlich realisieren. Dies lag zum einen an dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der die Weiterentwicklung des Hauses verlangsamte. Die Geldentwertung der Nachkriegszeit ließ zudem das Vermögen des Museums schnell schmelzen. Zum anderen verstarb am 5. Juni 1916 Karl August Lingner, der Motor
141 Vgl. Schreiben des Kriegsministeriums. Verwaltungsabteilung an den Divisionsarzt der Königlich Preußischen 14. Division in Düsseldorf, den Oberbürgermeister der Stadt und die Königliche Intendantur I.III. A.K. vom 15.06.1912. BayHStA MKr 288, unpaginiert. 142 Wie Georg Seiring, der spätere Präsident des Museums, angab, sicherte der Verkauf selbst hergestellter Objekte in der Zwischenkriegszeit das institutionelle Überleben des Hauses. Vgl. Georg Seiring: Die Entstehung des Deutschen Hygiene-Museums – Zentralinstitut für Volksgesundheitspflege Dresden, in: Blätter für Wohlfahrtspflege 10 (1930) 5, S. 124–125. Vgl. dazu auch Thomas Steller: „Kein Museum alten Stiles“. Das Deutsche Hygiene-Museum als Geschäftsmodell zwischen Ausstellungswesen, Volksbildungsinstitut und Lehrmittelbetrieb, 1912–1930, in: Nikolow: (Hrsg.): Erkenne Dich selbst!, S. 72–87. 143 Vgl. Vertrag zwischen Spalteholz und Lingner vom 15.08.1911. HStA Dresden 13690 Personennachlass Werner Spalteholz/Nr. 12/1, Bl. 44. Die Herstellung der Exponate wurde dadurch erschwert, dass Spalteholz die Patentrechte an seinem Präparationsverfahren bereits an die Firma Natura Docet verkauft hatte. Dies hatte schon den Einsatz der Präparate auf der HygieneAusstellung 1911 gefährdet, wurde nun jedoch zu einem ernsthaften Problem. Das Museum löste es schließlich, indem es Ende des Ersten Weltkriegs das Unternehmen übernahm. Vgl. dazu HStA Dresden 13690 Personennachlass Werner Spalteholz/Nr. 10 sowie Vertrag zwischen dem Verein für das National-Hygiene-Museum e. V. in Dresden und Medizinalrat Professor Dr. med. Werner Spalteholz in Leipzig vom 08.10.1918. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 25/17, Bl. 1–4. Eine Zusammenfassung des Konfliktes bietet Funke: Karl August Lingner, S. 103–104. 144 Vgl. Lingner: Denkschrift zur Errichtung eines National-Hygiene-Museums in Dresden, S. 31– 35.
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und Förderer des Projektes. Es sollte bis 1930 dauern, ehe das Museum ein eigenes Gebäude erhielt. Die Gesundheitsausstellung behauptete gleichwohl in der Folgezeit ihre besondere Stellung in der hygienischen Volksbelehrung sowie dem Ausstellungswesen generell. Beispielsweise beteiligten sich einige frühere Mitarbeiter der Exposition an der Internationalen Baufach-Abteilung Leipzig 1913, die ohnehin viele Anregungen aus Dresden übernahm.¹⁴⁵ Andere Mitwirkende an der Dresdner Schau organisierten eigene Wanderausstellungen und Institutionen wie das Kaiserin Auguste Victoria Haus, die bereits zuvor das Medium der Ausstellung genutzt hatten, verstärkten ihre Tätigkeit auf diesem Gebiet.¹⁴⁶ Ein besonders ambitioniertes Projekt fand auf Initiative des Stuttgarter Oberbürgermeisters, Karl Lautenschlager, von Mai bis Oktober 1914 in Stuttgart statt. Eine Ausstellung für Gesundheitspflege unter der Schirmherrschaft von König Wilhelm II. von Württemberg hatte die Aufgabe, „die Gesundheitslehre durch anregende volkstümliche und wissenschaftliche Darstellung weiten Kreisen zugänglich zu machen und so zur Hebung der Volksgesundheit beizutragen.“¹⁴⁷ Zu diesem Zweck warb die Stadt 1912 eigens Josef Ingelfinger, ehemaliger Mitarbeiter der „Populären Abteilung“, als Leiter des Stuttgarter Projektes aus Dresden ab.¹⁴⁸ Als die Schau mit ihrem 60 000 qm großen Areal, auf dem die Ausstellungsbauten 20 000 qm einnahmen¹⁴⁹, am 14. Mai 1914 nach einer etwa zweijährigen Vorbereitungsphase eröffnete, hatte die Stadt Stuttgart für sie ungefähr eine Million Mark aufgewendet.¹⁵⁰ Der Erste Weltkrieg unterbrach
145 Vgl. Enrico Hochmuth: Industrie- und Gewerbeausstellungen in Sachsen 1824–1914, Markkleeberg 2012, S. 78. 146 Vgl. o. V.: Hygienische Wanderausstellung, in: Vorwärts vom 07.06.1914. BArch Berlin R 86/4469, unpaginiert; o. V.: Wanderausstellungen und Anschauungsmaterial, in: Kaiserin Auguste Victoria Haus (Hrsg.): Bericht des Kaiserin Auguste Victoria Hauses zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiche vom 1. April 1916 bis 31. März 1917 (8. Geschäftsjahr), Berlin 1917, S. 43–44. 147 Schreiben von Karl Lautenschlager an Theodor Lewald vom 27.03.1914. BArch Berlin Nachlass Theodor Lewald N 2176/126, Bl. 31. 148 Vgl. Das National-Hygiene-Museum in Dresden in den Jahren 1912–1918, Dresden 1919, S. 5. BArch Berlin R 86/888, unpaginiert. 149 Vgl. Alex Lipschütz: Die Ausstellung für Gesundheitspflege in Stuttgart, in: Blätter für Volksgesundheitspflege 14 (1914) 8, S. 169–171. 150 Vgl. Kerstin Bosse: Stuttgart 1914: Die „Ausstellung für Gesundheitspflege“. Ein „Spaziergang“ durch die Hygiene, in: Christel Köhle-Herzinger/Gabriele Mentges (Hrsg.): Der neuen Welt ein neuer Rock. Studien zu Kleidung, Körper und Mode an Beispielen aus Württemberg, Stuttgart 1993, S. 118–128.
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aber die Fortführung der Schau.¹⁵¹ Bis dahin hatte sie fast eine Million Besucher verzeichnet.¹⁵² Grundsätzlich markierte der Erste Weltkrieg für die Gesundheitsausstellungen eine Zäsur. Während der Kriegshandlungen fanden kaum entsprechende Veranstaltungen statt – auch wenn der Gesundheitszustand der Bevölkerung außerordentlich unter den Kriegseinwirkungen litt.¹⁵³ Allerdings wurde das Medium eingesetzt, um die Maßnahmen der Regierung zur Versorgung der Kriegsversehrten unter der Bevölkerung bekannt zu machen.¹⁵⁴ Lingner hatte jedoch schon vor dem Beginn des Weltkriegs die Gesundheitsausstellung als Mittel hygienischer Volksbelehrung etabliert und damit eine Tradition begründet, an die Sozialhygieniker, lokale Honoratioren und Vertreter der öffentlichen Gesundheitsfürsorge in der Weimarer Republik nahtlos anschließen konnten. Die Erste Internationale Hygiene-Ausstellung 1911 war nicht nur für sich genommen ein Großereignis; sie war auch Initialzündung und Vorbild für eine ganze Reihe ähnlicher Projekte im In- und Ausland.
2.2 Vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zur NS-Machtübernahme: Hygienische Volksbelehrung in der Weimarer Republik Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nahmen die hygienischen Volksbelehrer nach und nach ihre Tätigkeit aus dem Kaiserreich wieder auf. Zunächst wurden
151 Vgl. zur Schau generell Städtisches Ausstellungsamt (Hrsg.): Ausstellung für Gesundheitspflege. Veranstaltung der Stadt Stuttgart Mai–Oktober 1914. Amtlicher Führer und Katalog, Stuttgart 1914; Bofinger: Die Ausstellung für Gesundheitspflege in Stuttgart 1914, in: Concordia. Zeitschrift der Zentralstelle für Volkswohlfahrt 21 (1914) 14, S. 249–252. 152 Vgl. Schreiben Lautenschlager an Lewald vom 20.01.1916. BArch Berlin Nachlass Theodor Lewald N 2176/126, Bl. 45. 153 Zu den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf die Medizin sowie die medizinische Versorgung der Bevölkerung generell vgl. Wolfgang U. Eckart: Medizin und Krieg. Deutschland 1914–1924, Paderborn u. a. 2014. 154 Vgl. o. V.: Ausstellung für Verwundeten- und Krankenfürsorge im Kriege, Dresden 1915; Ausstellung des National-Hygiene-Museums. „Die Kriegsbeschädigtenfürsorge in Deutschland“. November 1917. StdA Dresden Stadtverordnetenakten 3.1–H.114, Bd. 1, Bl. 140; o. V.: Die Ausstellung für Verwundeten- und Krankenfürsorge im Kriege, in: Zeitschrift für Krüppelfürsorge 8 (1915) 1, S. 106–114. Zur historiographischen Erforschung der Expositionen vgl. Christine Beil: Der ausgestellte Krieg. Präsentationen des Ersten Weltkriegs 1914–1939, Tübingen 2004, S. 130–143; Sabine Kienitz: Beschädigte Helden. Kriegsinvalidität und Körperbilder 1914–1923, Paderborn u. a. 2008, S. 194–197.
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jedoch in erster Linie die Aktivitäten der Kriegszeit weitergeführt. Verschiedene kleinere Expositionen zu unterschiedlichen Problemlagen tourten durch das Deutsche Reich. Neben Kriegsversehrungen rückten vor allem Geschlechtskrankheiten und Tuberkulose in das Blickfeld der Organisatoren. So schickte das Deutsche Hygiene-Museum zwischen 1919 und 1921 mehrere identische Ausstellungen zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in 65 Städte, wo sie zusammengenommen über 1 000 000 Besucher erreichten.¹⁵⁵ Auf diesen sei „vielen Tausenden, nicht zuletzt der weiblichen Bevölkerung, zum ersten Male ein Blick in dieses überaus traurige Gebiet eröffnet und mancher Fingerzeit für die eigene Lebensführung und für den Schutz der Familie vor den Geschlechtskrankheiten gegeben worden.“¹⁵⁶ Andere Institutionen wie das Deutsche Rote Kreuz setzten ihre Aktivitäten aus dem Kaiserreich ebenfalls fort und organisierten eine wissenschaftspopularisierende Wanderausstellung, die „dem Bedürfnis und Verständnis von Laien voll angepasst ist.“¹⁵⁷ Die Schau hatte acht Abteilungen, unter denen sich Gruppen zu Alkoholismus, Geschlechtskrankheiten, Mutter und Kind sowie „Krüppeltum“ befanden. Sie wurde aber aus Sicht des Generalsekretariats des DRK von den lokalen Rotkreuzvereinen nicht in angemessener Weise gewürdigt, da diese die Wechselausstellung „Der Mensch“ des Hygiene-Museums bevorzugten.¹⁵⁸ Gleichwohl waren diese Ausstellungsinitiativen eher klein und erzielten nicht die öffentliche Resonanz wie die Schau von 1911. Die erste größere Veranstaltung hygienischer Volksbelehrung war die Mitteldeutsche Ausstellung für Siedlung, Soziale Fürsorge und Arbeit, die von Juni bis September 1922 in Magdeburg stattfand. Der Kommunalpolitiker Carl Miller initiierte das Projekt, für dessen Durchführung extra eine eigene GmbH gegründet wurde. Ausgangspunkt und Legitimationsgrundlage der Ausstellung waren die Folgen des Ersten Weltkriegs, ihre „Zwecke und Ziele“ dementsprechend „die des Wiederaufbaues.“¹⁵⁹ Vom 14. März bis zum 5. April 1925 fand im Landesausstellungsgebäude Berlin-Moabit die „Volkskraft Ausstellung. Spiel, Sport, Turnen,
155 Vgl. Schreiben Seiring an Paul Mitzlaff vom 25.02.1921. LA Berlin B Rep. 142–01/Nr. 2509/1, unpaginiert. 156 Martin Vogel: Das Deutsche Hygiene-Museum im Dienste der hygienischen Volksaufklärung. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 66, Bl. 1–4, hier Bl. 2. Vgl. grundsätzlich zu diesen Ausstellungen Thomas Steller: Seuchenwissen als Exponat und Argument. Ausstellungen zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten des Deutschen Hygiene-Museums in den 1920er Jahren, in: Malte Thießen (Hrsg.): Infiziertes Europa. Seuchen im langen 20. Jahrhundert, München 2014, S. 94–114. 157 Werbt für die sozialhygienische Wanderausstellung des D.R.K.!, S. 1. Archiv Deutsches Rotes Kreuz – Generalsekretariat Berlin RK-Präsidium 1921 bis 1945 Nr. 209, unpaginiert. 158 Vgl. Ebd., S. 1–2. 159 Mitteldeutsche Ausstellung für Siedelung, Soziale Fürsorge und Arbeit. Magdeburg 1922. BArch Berlin R 86/2875, unpaginiert.
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Wandern“¹⁶⁰ statt und im gleichen Jahr organisierten das Berliner Messeamt sowie der Verein zur Förderung der Messen der medizinischen und hygienischen Industrie vom 1. bis zum 8. März die Allgemeine Deutsche Hygiene-Messe und Ausstellung. Diese setzte sich selbst das Ziel, gesundheitliche „Belehrung und Aufklärung in einer durchaus populären Form zu bieten“¹⁶¹, war letztlich aber eine auf Medizin und Hygiene spezialisierte Gewerbeausstellung. Als dauerhafte Einrichtung trat in Berlin ab Juli 1925 das Museum für Leibesübungen in den Kreis der wissenschaftspopularisierenden Institutionen.¹⁶² Die Idee für das Museum ging auf die Dresdner Hygiene-Ausstellung von 1911 zurück, aber erst in der Weimarer Republik – zeitgleich mit dem Durchbruch des Sports als Massenbewegung – erreichte es eine institutionelle Verfestigung.¹⁶³ Seine Exponate beruhten auf den Turn- und Sportausstellungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.¹⁶⁴ Es legitimierte sich vor allem mit dem Potential der Leibesübungen als Mittel der Jugenderziehung. In dieser sollte es den Wunsch wecken, „ein Baustein [zu] werden eines großen Neubaus: des deutschen Vaterlandes!“¹⁶⁵ Waren die bis hier geschilderten Entwicklungen schon sehr vielfältig und relativ erfolgreich, stellten zwei spätere Expositionen die bisherigen Aktivitäten deutlich in den Schatten: Die Düsseldorfer Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen (GeSoLei) sowie die zur Eröffnung des Ausstellungsgebäudes des Deutschen Hygiene-Museums veranstaltete Zweite Internationale Hygiene-Ausstellung 1930/1931. Die Zwischenkriegszeit avancierte mit diesen beiden Veranstaltungen zur Hochphase der Gesundheitsschau.
160 Vgl. o. V. (Hrsg.): Amtlicher Führer der „Volkskraft“ Ausstellung. Spiel, Sport, Turnen, Wandern im Landes-Ausstellungsgebäude Berlin, 14. März–5. April 1925, Berlin 1925. 161 Die Eröffnung der deutschen Hygiene-Messe. BArch Berlin R 86/881, unpaginiert. 162 Vgl. Sportmuseum Berlin (Hrsg.): Das „Museum für Leibesübungen“ zu Berlin 1924–1934. Dokumente und Materialien, Berlin 1994. 163 Zur Etablierung des Sports in der Zwischenkriegszeit vgl. Christiane Eisenberg: Massensport in der Weimarer Republik. Ein statistischer Überblick, in: AfS 33 (1993), S. 137–177. 164 Für ein Beispiel dieser frühen Expositionen vgl. etwa F. A. Schmidt: Spiel und Leibesübung auf der Weltausstellung in St. Louis 1904, in: Körper und Geist. Zeitschrift für Turnen, Bewegungsspiel und verwandte Leibesübungen 14 (1905) 4, S. 49–55; Ders.: Spiel und Leibesübung auf der Weltausstellung in St. Louis 1904, in: Körper und Geist. Zeitschrift für Turnen, Bewegungsspiel und verwandte Leibesübungen 14 (1905) 5–6, S. 82–86. 165 Erich Mindt: Denkschrift zur Gründung eines Museums für Leibesübungen. Ein Aufruf an alle Freunde und Gönner der Leibesübungen. Mit einem Geleitworte des Herrn Obermagistratsrats Dr. Häußler vom Berliner Jugendamt 1924, in: Sportmuseum Berlin (Hrsg.): Das „Museum für Leibesübungen“ zu Berlin 1924–1934, S. 11–22, hier S. 17. Hervorhebung im Original.
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Die zwei Seiten der hygienischen Volksbelehrung in der Weimarer Republik Das bereits während des Kaiserreichs große Interesse an hygienischer Volksbelehrung steigerte sich in der Zwischenkriegszeit nochmals. Waren zuvor die negativen Folgen von Industrialisierung sowie Urbanisierung ihre bestimmenden Themen, traten nun neue Probleme hinzu. Der Krieg hatte katastrophale Auswirkungen auf die gesundheitliche Situation sowie hygienische Versorgung der Bevölkerung gehabt. Neben die vielen Toten und Kriegsversehrten traten zahlreiche Menschen, deren Gesundheitszustand unter Krankheiten oder mangelhafter Versorgung gelitten hatte. Diesen wie auch jedem anderen Menschen versprach der Weimarer Sozialstaat eine finanzielle Absicherung sowie das Recht auf medizinische Behandlung. Der neue Staat musste seine sozialpolitischen Aufgaben aus einer bislang ungewohnten Situation erfüllen: als demokratischer Staat legitimierte sich die Weimarer Republik in erster Linie durch die Zustimmung und die positive Lebenslage der Bevölkerung. Aufgrund der Belastungen durch den Weltkrieg, der wirtschaftlichen Probleme sowie der wachsenden sozialen Spannungen im politisch zwischen rechts und links zerrissenen Deutschen Reich geriet dieser Anspruch zunehmend an seine Grenzen.¹⁶⁶ Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die für die Zwischenkriegszeit typische ambivalente Handlungsmaxime des Weimarer Staates, die zwischen Fürsorge und Vorsorge, zwischen Förderung der Selbstverantwortung und Sozialdisziplinierung, zwischen Ein- und Ausschluss changierte. Signaturen dieser Entwicklung waren der wachsende Einfluss von Social Engineering und präventivem Denken, die einerseits unbestrittene Verbesserungen der Lebenslage vieler Menschen mit sich brachten, andererseits mit verstärkten Möglichkeiten und der wachsenden Bereitschaft des Staates einhergingen, in das individuelle Leben seiner Bürger einzugreifen.¹⁶⁷ Dem demokratischen Recht auf politische Beteiligung stand eine Pflicht zum sozialen Wohlverhalten, dem persönlichen Recht auf Gesundheit stand eine immer stärker eingeforderte „Pflicht zur Gesundheit“ gegenüber, die im Artikel 163 Verfassungsrang bekam.¹⁶⁸ Die Effekte dieser ambivalenten Situation variierten von Fall zu Fall und hingen vom jeweiligen Kontext ab. Sie stellten ein 166 Vgl. dazu Christoph Sachße/Florian Tennstedt: Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Band 2. Fürsorge und Wohlfahrtspflege 1871–1929, Stuttgart u. a. 1988; Dies.: Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Band 3. Der Wohlfahrtsstaat im Nationalsozialismus, Stuttgart u. a. 1992; Wilfried Rudloff : Im Souterrain des Sozialstaates: Neuere Forschungen zur Geschichte von Fürsorge und Wohlfahrtspflege im 20. Jahrhundert, in: AfS 42 (2002), S. 474–520. 167 Vgl. Martin Lengwiler/Jeannette Madarász (Hrsg.): Das präventive Selbst. Eine Kulturgeschichte moderner Gesundheitspolitik, Bielefeld 2010; Stöckel/Walter (Hrsg.): Prävention im 20. Jahrhundert. 168 Peukert: Die Weimarer Republik. Krisenjahre der Klassischen Moderne, S. 135.
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Potential dar, das in unterschiedlichem Grad und in unterschiedliche Richtungen ausschlagen konnte. Zu dieser Situation trat die in der ganzen westlichen Welt verbreitete Tendenz hinzu, die Homogenität der eigenen Bevölkerung zu fördern und zu fordern. Die Bevölkerung als körperlich und kulturell homogenes Kollektiv avancierte so zum Leitstern, dem sich beinahe alle Regierungen verpflichtet fühlten.¹⁶⁹ Zunehmend errangen in diesem Prozess Akteure die Deutungshoheit, die Homogenität über eine Steuerung der Nachkommenschaft im Sinne der „Rasse“ oder zumindest der Erbgesundheit zu erreichen versuchten. Besonders markant zeigt dies der weltweite, auch im Deutschen Reich zu beobachtende Aufstieg der Eugeniker, deren Interpretation gesellschaftlicher Probleme den Nerv der Zeit zu treffen schien.¹⁷⁰ Hygienische Volksbelehrung hatte in dieser Situation zwei Funktionen. Einerseits machte sie wie schon im Kaiserreich die Bevölkerung mit den Möglichkeiten sowie öffentlichen Unterstützungsangeboten vertraut, den eigenen Körper gesund zu halten. Andererseits fungierte sie als ein Mittel der Disziplinierung, als Vermittlungsinstanz sozialer Normen, politischer Werte sowie gesellschaftlicher Ansprüche und Forderungen an das Individuum. Gerade die schwierige Gesundheitslage der Nachkriegsbevölkerung und die angespannte finanzielle Situation des Deutschen Reiches stärkte die Bedeutung der Popularisierung gesundheitsrelevanten Wissens in der Weimarer Republik; versprach doch die Beeinflussung des hygienischen Verhaltens der Bürger, die körperliche Verfassung der Menschen bei verhältnismäßig geringen Kosten positiv zu verändern. Wie 1911 dienten Ausstellungen als Aggregatoren und Medienereignisse, die öffentliche Aufmerksamkeit weckten und die Gesellschaft an die Aufgabe, ein gesundheitsbewusstes Leben zu führen, erinnerten. Der erste Höhepunkt der hygienischen Volksbelehrung in der Zwischenkriegszeit lag im Jahr 1926 und damit in einer auch wirtschaftlich relativ stabilen Phase der Weimarer Republik. Später folgten nur noch die, allerdings schon von der Weltwirtschaftskrise überschatteten, Jahre 1930/31.
169 Vgl. Mark Mazower: Der dunkle Kontinent. Europa im 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2002, S. 69–116; Barbara Henkes: „Uit liefde voor het volk“. Volkskundigen op zoek naar de Nederlandse identiteit 1918–1948, Amsterdam 2005; Thomas Mergel: Die Sehnsucht nach Ähnlichkeit und die Erfahrung der Verschiedenheit. Perspektiven einer Europäischen Gesellschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts, in: AfS 49 (2009), S. 417–434. 170 Vgl. Stefan Kühl: Die Internationale der Rassisten. Aufstieg und Niedergang der internationalen Bewegung für Eugenik und Rassenhygiene im 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main u. a. 1997.
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Die Vorgeschichte der GeSoLei Der Beginn des Jahres 1926 stand in der öffentlichen Wahrnehmung zunächst ganz im Zeichen der Reichsgesundheitswoche (RGW) – einer einwöchigen Gesundheitskampagne, die vom 18. April bis zum 25. April 1926 im gesamten Deutschen Reich stattfand.¹⁷¹ Die RGW war ein außerordentlich innovatives Projekt, das mit speziell angefertigten Aufklärungsmedien wie dem Gesundheitsheftchen oder dem Werbefilm „Fritzchens Werdegang“ dem zunehmenden Trend hin zu einer populäreren Aufbereitung medizinisch-naturwissenschaftlicher Zusammenhänge in den 1920er Jahren entsprach.¹⁷² Die RGW wurde von den meisten Zeitgenossen als großer Erfolg wahrgenommen, verursachte allerdings ein großes finanzielles Defizit.¹⁷³ Dies war wahrscheinlich die Ursache dafür, dass von einer Wiederholung abgesehen wurde, selbst wenn sich die Kampagne mit der RGW als Mittel der Gesundheitsaufklärung etabliert hatte.¹⁷⁴ Parallel zur Reichsgesundheitswoche trieb Arthur Schloßmann sein Projekt voran, das den Höhepunkt der hygienischen Volksbelehrung des Jahres darstellte.¹⁷⁵ Die GeSoLei stand im April 1926 kurz vor der Eröffnung. Begonnen hatten die Vorbereitungen für die Ausstellung jedoch schon zwei Jahre früher. Ausgangspunkt der GeSoLei war die im September 1924 in Innsbruck getroffene Entscheidung der 88. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte, bei der nächsten Versammlung 1926 in Düsseldorf zusammen zu kommen.¹⁷⁶ Die Rheinstadt war zu diesem 171 Zur Reichsgesundheitswoche vgl. Sebastian Weinert: Vorreiter des Public Campaigning im Deutschen Reich? Die Reichsgesundheitswoche von 1926, in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 18 (2016), S. 111–128; Curt Adam (Hrsg.): Die Reichsgesundheitswoche 1926. Spezieller Teil. Verlauf der Reichsgesundheitswoche in den einzelnen Ländern, Leipzig 1927; Ders. (Hrsg.): Die Reichsgesundheitswoche 1926. Allgemeiner Teil, Leipzig 1928. 172 Vgl. Sebastian Weinert: Funny Education? Cartoons and Illustrated Stories as Medium of Health Instruction in Weimar Germany, in: International Journal of Comic Art 15 (2013) 1, S. 354– 362 sowie International Journal of Comic Art 15 (2013) 2, S. 793. 173 Vgl. Schreiben Reichsausschuss für hygienische Volksbelehrung an das Reichsministerium des Innern vom 18.11.1926. BArch Berlin R 1501/109414, unpaginiert. 174 Vgl. Schreiben Reichsminister des Innern an den Kribe-Verlag, Verlagsbuchhandlung vom 22.09.1926. BArch Berlin R 1501/109414, unpaginiert. 175 Arthur Schloßmann war Ordinarius für Kinderheilkunde an der Düsseldorfer Akademie für praktische Medizin. Zuvor war er in Dresden tätig, wo er in Kontakt zu Lingner kam. Bereits in seiner 1891 abgeschlossenen Dissertation forderte er die hygienische Volksbelehrung von Müttern und Hebammen. Vgl. o. V.: Abhandlung über Apo für Prof. Neubert. Universitätsarchiv Düsseldorf 7/10 (Nachlass Dr. Albert Eckstein und Dr. Erna Eckstein-Schloßmann) Nr. 45, unpaginiert. Zu Schloßmanns Biografie vgl. Peter Wunderlich: Arthur Schloßmann und die Düsseldorfer Kinderklinik, Düsseldorf 1967. 176 Zu der politischen Ausrichtung der Versammlung vgl. auch Tobias Weidner: Die unpolitische Profession. Deutsche Mediziner im langen 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main u. a. 2012, v. a.
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Zeitpunkt noch unter französischer Besatzung, doch der Abzug der Truppen stand bereits fest. Die GeSoLei sollte auch der Ersatz einer für das Jahr 1915 in Düsseldorf geplanten Schau anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Vereinigung des Rheinlandes mit Preußen sein, die wegen des Ersten Weltkriegs nicht realisiert werden konnte. Gleich nach der Entscheidung der Deutschen Naturforscher und Ärzte begannen der Pädiater Arthur Schloßmann sowie der Oberbürgermeister Düsseldorfs, Robert Lehr¹⁷⁷, mit den Vorbereitungen für die Exposition. Bereits im Oktober traf sich Schloßmann mit Vertretern des Deutschen Hygiene-Museums, um über die Teilnahme des Dresdner Hauses an der GeSoLei zu verhandeln.¹⁷⁸ Dresden sollte den inhaltlichen Grundstock der Ausstellung stellen; insbesondere lag Schloßmann und Lehr viel daran, die schon von 1911 bekannte, jedoch stark überarbeitete Gruppe „Der Mensch“ nach Düsseldorf zu bringen, wo sie schließlich unter der Bezeichnung „Der durchsichtige Mensch“ (im Folgenden nur „Der Mensch“) zu einem Anziehungspunkt der Schau wurde. Das Hygiene-Museum würde im Gegenzug 20 Prozent des finanziellen Gewinns der Schau, mindestens aber 20 000 Reichsmark erhalten. Es musste sich dafür allerdings dazu verpflichten, die Gruppe 1926 außer in Düsseldorf nur in Dresden zu zeigen.¹⁷⁹ Diese Abmachung war entscheidend, weil gleichzeitig Fritz Rott, Schüler Alfred Grotjahns, in der Funktion als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft sozialhygienischer Reichsfachverbände¹⁸⁰ eine internationale sozialhygienische Ausstellung in Berlin veranstalten wollte.¹⁸¹ Die Organisation der rheinischen Schau übernahm schließlich – ähnlich wie 1911 in
S. 192–196. Zur Vorgeschichte und den Motivationen für die Ausstellung vgl. auch Sigrid Stöckel: Die große Ausstellung über GEsundheitspflege, SOzialfürsorge und LEIbesübungen – GESOLEI – 1926 in Düsseldorf, in: Deutsche Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik e. V. (Hrsg.): Ideologie der Objekte – Objekte der Ideologie. Naturwissenschaft, Medizin und Technik in Museen des 20. Jahrhunderts, Kassel 1991, S. 31–38. 177 Zur Person Lehrs vgl. Walter Foerst: Robert Lehr als Oberbürgermeister. Ein Kapitel deutscher Kommunalpolitik, Düsseldorf u. a. 1962; Eleonore Sent: Dr. Robert Lehr (20.8.1883–13.10.1956), in: Düsseldorfer Jahrbuch 78 (2008), S. 87–115. 178 Vgl. Schreiben Schloßmann an Lehr vom 16.10.1924. StdA Düsseldorf 0–1–3–683, Bl. 143–146. 179 Vgl. Schreiben des Deutschen Hygiene-Museums Dresden an Schloßmann vom 11.11.1924. StdA Düsseldorf 0–1–3–683, Bl. 34–35. 180 Zu Fritz Rotts Biografie vgl. v. a. Elmer Schabel: Soziale Hygiene zwischen sozialer Reform und sozialer Biologie. Fritz Rott (1878–1959) und die Säuglingsfürsorge in Deutschland, Husum 1995. Außerdem Manfred Stürzbecher: Beitrag zur Biographie von Fritz Rott (1878–1959). Begründer und Leiter des Organisationsamtes und zeitweiliger Mitdirektor des KAVH, in: Leonore Ballowitz (Hrsg.): Schriftenreihe zur Geschichte der Kinderheilkunde aus dem Archiv des Kaiserin Auguste Victoria Hauses (KAVH). Heft 7, Berlin 1990, S. 29–44. 181 Vgl. Schreiben Seiring an Schloßmann vom 11.11.1924. StdA Düsseldorf 0–1–3–683, Bl. 34–35.
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Dresden – ein noch 1924 gegründeter Verein „Ausstellung für Gesundheitspflege, sociale Fürsorge und Leibesübungen, Düsseldorf 1926“.¹⁸² Nachdem die Kooperation mit Dresden vereinbart worden war, wandten sich die Verantwortlichen für die GeSoLei an die Regierungen des Reichs und Preußens, um über finanzielle wie ideelle Unterstützung zu verhandeln. Anfang Dezember schrieben Schloßmann, Lehr sowie der Industrielle Ernst Poensgen als drittes Mitglied des Ausstellungsvorstandes an das Reichsministerium des Innern. Sie stellten die Exposition in die Tradition der Hygiene-Ausstellung von 1911 und baten um eine staatliche Unterstützung in Höhe von 100 000 Reichsmark. Im Gegenzug versprachen sie, mit der Schau an der „Wiedergesundung Deutschlands“ nach den Strapazen des Weltkriegs mitzuarbeiten.¹⁸³ Gleichzeitig luden sie das Projekt mit einer nationalistischen Rhetorik auf. Die GeSoLei sollte „ein im besten Sinne vaterländisches Unternehmen“¹⁸⁴ werden. In diesem Sinne seien die drei Ausstellungsthemen Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen die „Leitsterne, unter denen sich das deutsche Leben in der nächsten Zeit abspielen muß.“¹⁸⁵ Besonders deutlich zeigte der Zeichentrickfilm „Der Aufstieg“ diesen Bezug auf den Weltkrieg sowie die nationalistische Rahmung der Ausstellung. Der Film wurde Walter Ruttmann und Julius Pinschewer eigens als Werbung für die Schau hergestellt und in mehreren Kinos im Deutschen Reich vorgeführt.¹⁸⁶ Anders als „Fritzchens Werdegang“, der nur wenige Monate zuvor im Kino lief, rekurrierte „Der Aufstieg“ ausschließlich auf den Ersten Weltkrieg und den daraus resultierenden gesundheitlichen Problemen der deutschen Bevölkerung.¹⁸⁷ Allerdings reagierten das Deutsche Reich wie auch Preußen auf diese ersten Vorstöße noch zurückhaltend. Mitschuld daran waren Rotts Pläne für eine inter-
182 Vgl. Niederschrift über die Begründung des Vereins „Ausstellung für Gesundheitspflege, sociale Fürsorge und Leibesübungen, Düsseldorf 1926“ vom 11.12.1924. StdA Düsseldorf 0–1–3– 12750, Bl. 14–15. 183 Schreiben des Ausstellungsvorstandes an den Reichsminister des Innern vom 05.12.1924. BArch Berlin R 86/886, unpaginiert. 184 Richtlinien für die Ausstellung. BArch Berlin R 86/886, unpaginiert. 185 Arthur Schloßmann: Entwicklung, Wesen, Ziele und Erfolg der Gesolei, in: Ders. (Hrsg.): Ge-So-Lei. Große Ausstellung Düsseldorf 1926. Für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. 2 Bände, Düsseldorf 1927, S. 23–48, hier S. 44–46. Hervorhebung im Original. Zu dem angesprochenen nationalen Regenerationstopos vgl. Moritz Föllmer: Der „kranke Volkskörper“. Industrielle, hohe Beamte und der Diskurs der nationalen Regeneration in der Weimarer Republik, in: GG 27 (2001) 1, S. 41–67. 186 Vgl. die Schreiben der Werbefilm GmbH an den Vorstand der Gesolei vom 01.07.1926, 08.07.1926, 14.07.1926 und vom 04.09.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1616, unpaginiert; Der Aufstieg. Bundesarchiv-Filmarchiv 1878. 187 Für einen intensiveren Vergleich beider Filme vgl. Weinert: Funny Education?, S. 354–362.
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nationale Exposition im Jahr 1927 in Berlin. Denn die staatlichen Stellen wollten vermeiden, in kurzer Abfolge zwei Großausstellungen finanzielle Beihilfen geben zu müssen.¹⁸⁸ Die Verhandlungen über die Berliner Schau liefen parallel zu den Düsseldorfer Vorbereitungen. Sie gingen von der Annahme aus, dass für 1928 eine internationale Gesundheitsausstellung in Amsterdam geplant sei, der man schon aus ökonomischen Gründen zuvorkommen wollte.¹⁸⁹ Doch Anfang 1925 zeichnete sich eine andere Lösung ab. Da die niederländische Stadt von ihrem Plan Abstand genommen hatte, sollte Rotts Schau auf 1928 verschoben werden.¹⁹⁰ Die Stadt Berlin hatte für dieses Datum bereits angeboten, die Exposition vollständig selbst zu finanzieren.¹⁹¹ Dadurch schien es plötzlich möglich, beide Ausstellungen durchzuführen, so dass sich Schloßmann und Rott auf eine Zusammenarbeit einigten.¹⁹² Am 17. Juni 1925 erklärte sich Rott stellvertretend für die Arbeitsgemeinschaft sozialhygienischer Reichsfachverbände zu einer Teilnahme an der GeSoLei bereit.¹⁹³ Die Verhandlungen über eine finanzielle Beteiligung von Land und Reich kamen daraufhin schnell zu einem Ende. Anfang 1925 stimmte Preußen einem Zuschuss von 60 000 Reichsmark zu und kurz darauf entschied sich auch die Reichsregierung zu einem Zuschuss in gleicher Höhe.¹⁹⁴ Selbst wenn diese Beiträge nochmals in Diskussion gerieten, wurden sie letztlich noch vor Eröffnung der Schau ausge-
188 Vgl. Schreiben Eduard Dietrich an Schloßmann vom 24.12.1924. StdA Düsseldorf 0–1–18–1050, Bl. 48; Schreiben Otto Krohne an Schloßmann vom 10.02.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1014, Bl. 66–67. 189 Vgl. Niederschrift über das wesentliche Ergebnis der am 22. Dezember 1924 im Reichsministerium des Innern abgehaltenen Besprechung über die Veranstaltung einer Internationalen Sozialhygienischen Ausstellung in Berlin. GStA PK I. HA Rep. 76 VIII B Nr. 4390, unpaginiert. 190 Vgl. Schreiben Seiring an Carl Hamel vom 31.01.1925. BArch Berlin R 1501/111173, Bl. 49–50. 191 Vgl. Aufzeichnung für den Herrn Minister für die am Montag, den 16. März 1925, nachmittags 4 Uhr, im Reichskanzlerhause stattfindende Sitzung des Reichsministeriums. BArch Berlin R 1501/111174, Bl. 22–26. 192 Vgl. Protokoll Vorstandssitzung des Deutschen Hygiene-Museum Dresden vom 26.06.1925. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 47, Bl. 51–53. Rott beteiligte sich an der Hauptgruppe soziale Fürsorge. 193 Vgl. Schreiben Rott an Schloßmann vom 17.06.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1026, Bl. 375–381. 194 Vgl. Schreiben des Preußischen Ministers für Volkswohlfahrt an Schloßmann vom 19.02.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1026, Bl. 95; Abschrift Beschluss des Reichskabinetts vom 16.03.1925. BArch Berlin R 1501/111174, Bl. 18. Später stellte allerdings die GeSoLei wiederum dem Reichsarbeitsministerium sowie dem Reichsministerium des Innern 35 000 bzw. 20 000 Reichsmark zur Verfügung, ohne die die Ministerien an der Schau nicht hätten teilnehmen können. Vgl. Niederschrift der Besprechung am 13. November 1925 mit Herrn Geh. Med. Rat Professor Dr. Schloßmann – Düsseldorf über Ausstellungsfragen. BArch Berlin R 3901/4632, Bl. 77–78; Schreiben Schloßmann und Lehr an das Reichsministerium des Innern vom 5.11.1925. BArch Berlin R 1501/111176, Bl. 244.
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zahlt.¹⁹⁵ Düsseldorf verpflichtete sich dazu, dem Verein einen Kredit in Höhe von 500 000 Reichsmark zu gewähren, das Ausstellungsgelände sowie die noch zu errichtenden Ausstellungsgebäude zur Verfügung zu stellen und für die notwendige Infrastruktur zu sorgen. Zudem sollte die Stadt der Schau einen Zuschuss in Höhe der an das Deutsche Reich abgeführten Billet- und Vergnügungssteuer zahlen.¹⁹⁶ Verglichen mit den Gesamtkosten der Exposition waren die Zuschüsse aus Preußen und vom Reich nur marginal. Sie stellten aber eine Anschubfinanzierung dar, um die ersten Kosten des Projektes zu bestreiten.
Eine Gesundheitsausstellung entsteht Nachdem diese Fragen geklärt waren, begann eine Phase intensiver inhaltlicher Vorbereitungen. Gleichzeitig plante und errichtete der Architekt Wilhelm Kreis die GeSoLei-Dauerbauten, die bis heute die Düsseldorfer Rheinfront prägen.¹⁹⁷ Die Ausstellung bestand aus den drei großen Hauptgruppen Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen, die wiederum in einzelne Untergruppen zerfielen. Ergänzend kamen eine Industrieabteilung, ein Vergnügungspark sowie Sportanlagen hinzu. Die einzelnen Gruppen wurden wie schon bei der Hygiene-Ausstellung von ausgewiesenen Fachleuten betreut. Auch die Gliederung der Schau nach Themen anstatt nach Ausstellern übernahm man aus Dresden.¹⁹⁸ Wie dort ging die
195 Vgl. Schreiben Krohne an Schloßmann vom 15.02.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1025, Bl. 205– 206; Schreiben Reichswirtschaftsminister an den Reichsminister des Innern vom 19.02.1926. BArch Berlin R 1501/111175, Bl. 190. 196 Vgl. Poensgen/Schloßmann: An den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf vom 05.01.1925. StdA Düsseldorf 0–1–3–12750, Bl. 21. 197 Vgl. Jürgen Wiener (Hrsg.): Die Gesolei und die Düsseldorfer Architektur der 20er Jahre, Köln 2001. Für eine zeitgenössische Würdigung vgl. Richard Klapheck (Hrsg.) Dokument Deutscher Kunst Düsseldorf 1926, Düsseldorf 1927. Wilhelm Kreis gehört zu den wichtigsten Architekten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bekanntheit erlangte er in erster Linie durch mehrere Bismarcktürme, zeichnete allerdings schon zuvor für verschiedene Ausstellungsbauten verantwortlich. Später errichtete er das Gebäude des Deutschen Hygiene-Museums Dresden. Im Dritten Reich stagnierte seine Karriere zunächst, eher er schließlich ebenfalls an den Planungen für die „Reichshauptstadt Germania“ beteiligt wurde. Zur Kreis vgl. Winfried Nerdinger/Ekkehard Mai (Hrsg.): Wilhelm Kreis. Architekt zwischen Kaiserreich und Demokratie 1873–1955, München u. a. 1994. 198 Wie in Dresden gab es davon allerdings auch Abweichungen. Für eine Übersicht der Ausnahmen vgl. Aktennotiz von Marta Fraenkel: Folgende Organisationen haben unter besonderen Bedingungen Raum belegt. StdA Düsseldorf 0–1–18–1031, Bl. 4–6. Unter den Institutionen befand sich erneut das Deutsche Rote Kreuz, das die Stadt Düsseldorf auf Betreiben Lehrs finanziell unterstützte. Dadurch konnte es eine eigenständige Sondergruppe präsentieren. Vgl. Schreiben Lehr an
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Schau von einer medizinisch-naturwissenschaftlichen Darstellung des Körpers aus, um die herum sich die anderen Themengebiete gruppierten. Anders als noch 1911 gab aber die GeSoLei die Unterteilung in einen populärwissenschaftlichen und einen an Experten gerichteten wissenschaftlichen Teil auf. Stattdessen sollten alle Ausstellungsbereiche für Wissenschaftler und Laien gleichermaßen interessant sein. Zur Charakterisierung dieses Ausstellungskonzepts griffen die Organisatoren auf die Lehrbuchmetapher Lingners zurück. Der Laie sollte „gewissermaßen lehrbuchmäßig“¹⁹⁹ zu einer gesundheitsgemäßen Lebensführung angehalten werden, während die Schau dem Fachmann durch ihren Aufbau einen „Überblick geben und Zusammenhänge entschlüsseln“²⁰⁰ könne. Die Spaltung zwischen wissenschaftlichem und breitem Publikum blieb somit konzeptionell bestehen, hatte aber keine räumliche Entsprechung in der Ausstellung mehr. Die Gruppen sollten abwechslungsreich gestaltet werden; die Gruppenleiter sollten statt Kurven und Diagrammen lieber anschauliche Medien statt Reihenfotografien Diapositive, kleine Filme, Modelle und „besonders Apparate und Maschinen, die im Gang sind oder automatisch in Bewegung gesetzt werden können“ verwenden.²⁰¹ Da der Besucher inzwischen „filmmäßig sehen gelernt“ habe, werde er „die Ausstellung nur dann als gut empfinden, wenn sie sich vor ihm wie ein gut gestellter und gedrehter Film abrollt.“²⁰² Für die Finanzierung blieb die GeSoLei neben den Zuschüssen der öffentlichen Hand auf die schwer zu kalkulierenden Eintrittsgelder der Besucher und die Platzmieten kommerzieller Aussteller angewiesen. Letztere versuchte der Ausstellungsvorstand von einer Teilnahme zu überzeugen, indem er wie in Dresden „Wissenschaft und Industrie engstens“ miteinander verzahnte.²⁰³ Die Exposition
den Zentralvorstand des Deutschen Roten Kreuzes vom 29.06.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1027, Bl. 455. 199 Organisationsbestimmungen der Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen Düsseldorf 1926, S. 4. Salzgitter AG-Konzernarchiv P 2.25.08.7, unpaginiert. 200 o. V.: Düsseldorf und die Große Ausstellung, in: Messe und Ausstellung 8 (1926) 8, S. 5–7, hier S. 6. 201 Organisationsbestimmungen der Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen Düsseldorf 1926, S. 6. Salzgitter AG-Konzernarchiv, P 2.25.08.7, unpaginiert. 202 Richtlinien für die Ausstellung. BArch Berlin R 86/886, unpaginiert. Die starke didaktische Ausrichtung der Schau betont auch Angela Stercken: Die Gesolei als Schaubild des Körpers. Sektionen, Überblick, in: Körner/Stercken (Hrsg.): Kunst, Sport und Körper. GeSoLei 1926–2002. Bd. 1, S. 99–123. 203 Grosse Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen Düsseldorf 1926. Unter Mitwirkung des Deutschen Reiches und Preussens sowie der übrigen Bundesstaaten u. des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden veranstaltet durch die Stadt Düsseldorf, Düsseldorf [1925], S. 3. Salzgitter AG-Konzernarchiv P 2.25.08.7, unpaginiert.
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vereine dadurch die „Vorzüge einer Gewerbeschau mit denen einer wissenschaftlichen Fachausstellung“ und biete eine einmalige Werbegelegenheit.²⁰⁴ Die Firmen konnten sich entweder an der separaten Industrieabteilung beteiligen oder – für eine höhere Platzmiete – im direkten Anschluss an die wissenschaftlichen Abteilungen ausstellen. Dadurch, dass der Besucher in diesem Fall zuerst die wissenschaftlichen Darstellungen ansehen musste, ehe er in den angrenzenden industriellen Teil gelangte, werde er – so versprachen die Organisatoren – in die Lage versetzt, „das von der Industrie Ausgestellte zu verstehen, zu würdigen und gut und schlecht zu erkennen.“²⁰⁵ Einzelne Objekte wurden sogar, jedoch ohne große Werbung für den Hersteller, direkt in die Gruppen integriert.
Kritische Stimmen und eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit Gerade die starke Verzahnung der wirtschaftlichen mit den wissenschaftlichen Inhalten führte zu einer harschen öffentlichen Kritik an der GeSoLei, so dass kurzzeitig sogar eine Verschiebung der Schau ins Jahr 1927 im Raum stand.²⁰⁶ Vor allem Akteure der Lebensreformbewegung, aber auch Ärzte sowie Vertreter von Diakonie und Caritas wiesen außerdem nachdrücklich auf den Widerspruch hin, dass die Exposition einerseits vor den Gefahren von Drogen warnte, andererseits jedoch die Restaurants auf dem Gelände Alkohol ausschenkten und mehrere kommerzielle Aussteller für Genussmittel warben. Vertreter der Diakonie kritisierten darüber hinaus den geplanten Vergnügungspark, der nicht dem ernsten Anliegen der Düsseldorfer Exposition entspreche sowie generell die hohen Ausgaben für die GeSoLei, die in der sozial angespannten Nachkriegszeit besser für andere Zwecke eingesetzt werden könnten.²⁰⁷ Ganz unberechtigt waren diese Vorwürfe nicht. So hatte der Deutsche Brauerbund im Mai 1925 mehr als 50 Prozent der zu diesem Zeitpunkt vergebenen industriellen Ausstellungsfläche für einen eigenen Pavillon
204 Schreiben des Ausstellungsvorstandes an die Firma Herm. Netz, Inh. Albert Schmidt vom 06.08.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1125, unpaginiert. Hervorhebung im Original. 205 So Schloßmann als Replik auf eine Kritik an den hohen Platzmieten. Schreiben Schloßmann an die Firma G. Gerhardt vom 20.06.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1023, Bl. 79–80, hier Bl. 79. 206 Vgl. Schreiben von Gotthilf Vöhringer an Steinweg vom 08.02.1926. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA Nr. 1214 I, unpaginiert. 207 Vgl. bspw. H. Raut: Gesolei, in: Das Tagebuch 7 (1926) 32, S. 1144–1150; Haedenkamp: Der Arzt auf der Gesolei, in: Ärztliche Mitteilungen 27 (1926) 36, S. 529–531; o. V.: Volksnot und Ausstellungswesen. Eine bemerkenswerte Ablehnung der Gesolei von „Argus“ Nachrichten-Bureau vom 12.01.1926. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA Nr. 1214 I, unpaginiert; Rud Finke: Gesolei-Betrachtungen eines Naturarztes, in: Der Naturarzt 55 (1927) 1, S. 22–24.
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gemietet.²⁰⁸ Zudem vertrieben die Organisatoren eine eigene GeSoLei-Zigarre und konterkarierten damit ihren eigenen gesundheitspolitischen Anspruch.²⁰⁹ Zwar gab es schon bei der Dresdner Hygiene-Ausstellung Kritik an dem Alkoholausschank und dem der Schau angeschlossenen Vergnügungspark. Doch wurde diese Kritik erst nach oder während der Laufzeit der Exposition laut und nicht schon im Vorfeld.²¹⁰ Die Verantwortlichen reagierten darauf mit einer bemerkenswert intensiven Öffentlichkeitsarbeit. Diese hatte gleichzeitig das Ziel, die GeSoLei im Deutschen Reich sowie im Ausland bekannt zu machen und dadurch Besucher anzuziehen. Schloßmann forderte in diesem Kontext von der Pressestelle der Ausstellung, die „Zeitungen müssen überschwemmt werden mit Notizen, auch im redaktionellen Teil.“²¹¹ Schon 1925 verteilte man ca. 100 000 Werbehefte in verschiedenen Sprachen, im Januar 1926 folgte die Veröffentlichung eines ersten provisorischen Ausstellungsrundganges mit einer Auflage von 600 000 Exemplaren. Die Veranstalter schalteten Werbung in Printmedien, Kino oder Rundfunk und ließen 50 000 Werbezettel vom „Kampfflieger“ Ernst Udet abwerfen. 1,5 Millionen Flugblätter, 250 000 Briefeinlagen, 600 000 Bilderbücher für Schüler, 220 000 Kongressübersichten und 150 000 Plakate machten die GeSoLei schließlich zu einem der medial präsentesten Ereignisse des Jahres.²¹² Insgesamt sammelte die Werbeabteilung der Schau 896 Zeitungs- und Zeitschriftenartikel über das Düsseldorfer Projekt.²¹³
208 Vgl. Niederschrift über die Besprechung mit den Abteilungsleitern vom 27.05.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1043, Bl. 190–191. 209 Vgl. Clemens Tietmann: Die Organisation des Ausstellungsbetriebs, in: Schloßmann (Hrsg.): Ge-So-Lei. Große Ausstellung Düsseldorf 1926. Für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. 2 Bände, S. 97–143, hier S. 138. 210 Vgl. O. M.: Kongreß für Naturheilkunde und Volkswohlfahrt in Dresden, am 19. und 20. August, in: Der Naturarzt 39 (1911) 10, S. 253–269; Paul Zschorlich: Die Dresdener Hygiene-Ausstellung, in: Die Hilfe. Wochenschrift für Politik, Literatur und Kunst 17 (1911) 23, S. 361–363; F. Best: Die Ophtalmologie in der Dresdner Internationalen Hygieneausstellung, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 58 (1911) 29, S. 1569–1571. 211 Niederschrift über die Besprechung mit den Abteilungsleitern vom 09.06.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1047, Bl. 201–202, hier Bl. 201. 212 Zu den Zahlen vgl. Stercken (Hrsg.): Kunst, Sport und Körper. Gesolei 1926–2004, Band 3. Bilder einer Ausstellung. Rundgänge, S. 51–53. 213 Vgl. Hans Arthur Lux: Presse- und Werbedienst, in: Schloßmann (Hrsg.): Ge-So-Lei. Große Ausstellung Düsseldorf 1926. Für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. 2 Bände, S. 176–204, hier S. 199.
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Der Erfolg der Exposition Trotz der Kritik im Vorfeld, trotz eines Hochwassers, das zur Jahreswende von 1925 auf 1926 das Areal der Schau überflutete und obwohl die Exposition während ihrer Entstehungsphase mehr Geld benötigte als geplant²¹⁴, eröffnete die GeSoLei mit großem Aufwand pünktlich am 8. Mai 1926.²¹⁵ Das Ausstellungsgelände, das sich von den Kreisbauten rund um die Tonhalle am Hofgarten entlang des Rheins bis hin zum Beginn der Düsseldorfer Altstadt hinzog, umfasste 400 000 qm Fläche und war nochmals größer als die Hygiene-Ausstellung 1911.
Abb. 2.3: Luftbild des von Wilhelm Kreis entworfenen Ehrenhofs der GeSoLei 1926 am Rheinufer. Quelle: Stadtarchiv Düsseldorf, StdA Düsseldorf 005–152–043.
214 Deswegen musste die Begrenzung des von Düsseldorf gestellten Garantiefonds für die Schau aufgehoben werden, so dass die Verantwortlichen Darlehen in unbegrenzter Höhe aufnehmen konnten. Vgl. Schreiben Hilker an Schloßmann vom 24.04.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1447, unpaginiert. 215 Sogar eine Radioübertragung der Eröffnungsfeierlichkeiten wurde organisiert. Vgl. o. V.: Die Gesolei eröffnet, in: Vossische Zeitung vom 08.05.1926, S. 1.
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Auf 120 000 qm umbauten Raum präsentierten sich Aussteller aus sämtlichen denkbaren gesellschaftlichen Bereichen, die auch nur entfernt etwas mit den drei Themengebieten Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen zu tun hatten. 7,5 Millionen Menschen besuchten die zahllosen Sportveranstaltungen, ließen sich von den Angeboten des Vergnügungsparks, den spektakulären Dauerbauten oder zahlreichen Industriepavillons unterhalten und sich über die Funktionsweise des eigenen Körpers belehren. Als die GeSoLei schloss, hatte sie – allerdings nur aufgrund des hohen finanziellen Engagements Düsseldorfs – eine ausgeglichene Bilanz vorzuweisen.²¹⁶
Abb. 2.4: Ausstellungsplan der GeSoLei 1926 in Düsseldorf. Quelle: Stadtarchiv Düsseldorf, StdA Düsseldorf PG23.
Vor allem ihr großer Publikumserfolg, der die GeSoLei zur meist besuchten Schau der Zwischenkriegszeit machte, übertraf alle Erwartungen. Sie „wurde damit ein Zeichen deutschen Wagemuts und unerschütterlicher Zuversicht in des Vaterlandes
216 Vgl. Heinrich Hattrop: Die Finanzwirtschaft der Gesolei, in: Schloßmann (Hrsg.): Ge-So-Lei. Große Ausstellung Düsseldorf 1926. Für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. 2 Bände, S. 153–175. Für die größten Einnahmen sorgten wieder Platzmiete und Eintrittskartenverkauf. Es gab allerdings deutliche Kostenüberschreitungen bei der Errichtung der Dauerbauten, die von der Stadt Düsseldorf getragen wurden. Hierfür musste sich Lehr später vor der Stadtverordnetenversammlung rechtfertigen. Vgl. Sent: Dr. Robert Lehr, S. 87–115, hier S. 97–98. Insgesamt hatte Düsseldorf 6 Millionen Reichsmark in die Kreisbauten, eine Million in das RheinterrassenRestaurant und eine weitere Million in die Gestaltung von Straßen, Parkanlagen und ähnlichem investiert. Vgl. Vortrag des Oberbürgermeisters Dr. Dr. Lehr vor der Presse über die Ergebnisse der Ausstellung 1926 am 16. Oktober 1926, S. 12. StdA Düsseldorf 0–1–3–685, Bl. 378.
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Zukunft“²¹⁷ und rückte die Rheinstadt für ein Jahr in den Mittelpunkt der hygienischen Volksbelehrung. Als Robert Lehr kurz vor dem Ende der Exposition eine Pressekonferenz hielt, nahm er für den GeSoLei-Vorstand in Anspruch, „Düsseldorf wieder auf die Landkarte gebracht“ zu haben.²¹⁸ Um den Erfolg der Exposition auf Dauer zu stellen, machten sich Schloßmann und Lehr noch im Jahr 1926 daran, ein Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde zu gründen.²¹⁹ Das Museumskonzept ähnelte stark dem des Hygiene-Museums. Allerdings sollte es sich in erster Linie nationalökonomischen sowie soziologischen Fragen widmen. Das Haus erlangte allerdings nicht die unbedingt notwendige Unterstützung der öffentlichen Hände und erreichte nie eine größere öffentliche Aufmerksamkeit, selbst wenn es museumsdidaktisch durchaus innovativ war.²²⁰ 1930 musste das Museum aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten sein wissenschaftliches Personal entlassen, die Werkstätten schließen und wurde fortan nur noch mit einem Notpersonal betrieben.²²¹ Daneben rief Düsseldorf eine GeSoLei-Schloßmann-Stiftung ins Leben, die „begabten Menschen, welche nicht den üblichen Ausbildungsgang gehen, [. . . ] die Ablegung der Reifeprüfung“ ermöglichen sollte.²²² Selbst wenn der Plan für die internationale sozialhygienische Ausstellung in Berlin 1928 anscheinend aufgrund des großen Erfolges der GeSoLei fallen gelassen wurde²²³, entstanden auch in der Folgezeit Expositionen zur gesundheitlichen Aufklärung. Insbesondere die in der sozialen Fürsorge tätigen Organisationen schickten in den folgenden Jahren mehrere Wanderausstellungen durch das Deut-
217 Hans Fuchs: Die Gesolei. Ein Wiederaufbauwerk des deutschen Volkes, in: Robert Lehr (Hrsg.): Auf neuen Wegen zu neuen Zielen. Festschrift zum 60. Geburtstag von Arthur Schloßmann 16. Dezember 1927, Düsseldorf 1927, S. 193–200, hier S. 200. 218 Vortrag des Oberbürgermeisters Dr. Dr. Lehr vor der Presse über die Ergebnisse der Ausstellung 1926 am 16. Oktober 1926, S. 4. StdA Düsseldorf 0–1–3–685, Bl. 378. 219 Vgl. Arthur Schloßmann/Robert Lehr: „Denkschrift über die Einrichtung eines Deutschen Museums der Gesellschafts- und Wirtschaftskunde“. BArch Berlin R 86/4471, unpaginiert. 220 Zur Geschichte des Hauses bis in die 1930er Jahre vgl. Sebastian Weinert: Eine Museumsgründung in schwierigen Zeiten. Zu den Anfangsjahren des Reichsmuseums für Gesellschaftsund Wirtschaftskunde in Düsseldorf, in: Düsseldorfer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte des Niederrheins 83 (2013), S. 145–164. 221 Vgl. Protokoll Sitzung Geschäftsführenden Ausschusses des Deutschen Hygiene-Museums Dresden vom 17.07.1930. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 51, Bl. 143–146, hier Bl. 145. 222 Schreiben Schloßmann an Lehr vom 11.10.1926. StdA Düsseldorf 0–1–3–2995, unpaginiert. Vgl. auch StdA Düsseldorf 0–1–3–2995, unpaginiert. Da Schloßmann Jude war, wurde die Stiftung 1938 in Gesolei-Stiftung umbenannt. Vgl. Auszug aus der Niederschrift über die Ratsherrensitzung vom 01.02.1938, angefertigt am 04.02.1938. StdA Düsseldorf 0–1–3–2995, unpaginiert. 223 Vgl. Abschrift Schreiben Reichsminister des Innern an den Magistrat der Stadt Berlin vom 23.11.1926. BArch Berlin R 1501/111173, Bl. 104.
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sche Reich.²²⁴ Nicht selten griffen sie auf das Material zurück, das sie für die Düsseldorfer Veranstaltung hergestellt hatten. Hinzu kamen mehrere Museen mit mehr oder weniger eng gefassten hygienischen Inhalten.²²⁵ Das Dresdner HygieneMuseum blieb jedoch auch weiterhin die wichtigste Institution der hygienischen Volksbelehrung mit Hilfe von Expositionen. Allein im Jahr 1927 hatte es in 132 deutschen Städten Ausstellungen mit insgesamt über einer Million Besuchern organisiert.²²⁶ Und auch in der Folgezeit veranstaltete oder beteiligte es sich an zahlreichen Expositionen im In- wie Ausland.²²⁷ Den eigentlichen Höhepunkt des Hauses in der Zwischenkriegszeit bildete allerdings die Zweite Internationale Hygiene-Ausstellung 1930/31.
Die Zweite Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930/31 Sie fand anlässlich der Einweihung des von Wilhelm Kreis entworfenen Ausstellungsgebäudes für das Hygiene-Museum statt.²²⁸ 1927, ein Jahr nach der GeSoLei, legten die Dresdner den Grundstein für das Haus. Um die Eröffnung des Kreisbaus nur drei Jahre später attraktiver zu gestalten, organisierte das Hygiene-Museum in Zusammenarbeit mit dem Verein Jahresschau Deutscher Arbeit eine weitere internationale Gesundheitsausstellung. Die Jahresschau Deutscher Arbeit hatte sich in der Zwischenkriegszeit vor allem als Veranstalterin jährlicher Industrieexpositionen in Dresden etabliert.²²⁹ Der Verein übernahm die wirtschaftliche Organisation
224 Für ein Beispiel des DRK vgl. Inhalte Wanderausstellung Mutter und Kind 1927. Archiv Deutsches Rotes Kreuz – Generalsekretariat Berlin RK-Präsidium 1921 bis 1945 Nr. 212, unpaginiert. 225 Vgl. Fritz Rott: Ausstellungen und Museen. FU Berlin, Universitätsarchiv Sammlung Fritz Rott, Kasten 247, unpaginiert; Ders.: Bericht über die Arbeiten fremder Organisationen auf dem Gebiete der hygienischen Volksbelehrung. FU Berlin, Universitätsarchiv Sammlung Fritz Rott, Kasten 247, unpaginiert. 226 Vgl. Kurt Adam: Vorläufiger Bericht über die Tagung des Reichsausschusses für hygienische Volksbelehrung am 23. und 24. März 1928 in Weimar. FU Berlin, Universitätsarchiv Sammlung Fritz Rott, Kasten 247, unpaginiert. Zum Hygiene-Museum in der Zwischenkriegszeit vgl. auch Kaufmann: Beitrag zur Wirkungsgeschichte des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden von 1926 bis 1932. 227 Vgl. Carl Hamel: Die Bedeutung des Deutschen Hygiene-Museums für die hygienische Volksbildung im In- u. Auslande, in: Presse-Stelle des Deutschen Hygiene-Museums und der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 (Hrsg.): Das Deutsche Hygiene-Museum und die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, Dresden 1930, S. 26–29. 228 Auf die Baugeschichte des Hauses kann hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu Schulte: Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden von Wilhelm Kreis. 229 Vgl. Ferdinand Heinz: Die Jahresschauen Deutscher Arbeit – eine glanzvolle Epoche Dresdner Ausstellungstätigkeit, in: Dresdner Hefte 18 (2000) 63, S. 53–61.
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der Schau, während das Hygiene-Museum für die inhaltliche Ausgestaltung verantwortlich zeichnete. Den Entschluss zur Veranstaltung der Schau fassten die beiden Organisationen am 19. Oktober 1927.²³⁰ Nach außen traten sie als gleichberechtigt auf. Tatsächlich waren jedoch Vorteile und Risiken sehr ungleich verteilt. Die Jahresschau trug das alleinige finanzielle Risiko der Veranstaltung, während sich das Hygiene-Museum schon im Vorfeld 400 000 Reichsmark Aufwandsentschädigung „für seine Leistungen und seinen Verlust an eigenen Einnahmen“ garantieren ließ.²³¹ Von einem etwaigen Überschuss sollten nochmals 50 Prozent an das Museum fließen. Im Zentrum der Ausstellung sollte das Hygiene-Museum selbst stehen, dem sich die anderen wissenschaftlichen Abteilungen sowie diverse Sondergruppen und eine internationale Abteilung anschlossen.²³² Im Januar 1928 veröffentlichten die Veranstalter einen Programmentwurf, um für eine Teilnahme an der Schau zu werben. Anders als seine Vorgängerinnern versprach diese Exposition, sich ausschließlich „auf das Gebiet der persönlichen Gesundheitspflege und der Leibesübungen“ zu konzentrieren.²³³ Dadurch würde sie „in den Mittelpunkt die Darstellung eines gesunden Menschenlebens setzen und in einer bisher noch nicht gezeigten Art für die breitesten Massen die Notwendigkeit der Gesundheitspflege und der Leibesübungen und zugleich auch die richtige Art, die Gesundheit zu pflegen, zeigen.“²³⁴ Noch stärker als bei der GeSoLei betonten die Verantwortlichen in Zeiten zunehmender finanzieller Schwierigkeiten und der Überforderung des Sozialstaates die Eigenverantwortlichkeit jedes Einzelnen für seine Gesundheit. Die hygienische Volksbelehrung reflektierte also die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen seit den ausgehenden 1920er Jahren. Die Dresdner setzten
230 Vgl. Carlwalter Strasshausen: Zum Geleit, in: o. V. (Hrsg.): Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930. Amtlicher Führer, Dresden 1930, S. 7–8, hier S. 7. 231 Protokoll Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses des Deutschen Hygiene-Museums Dresden vom 13.02.1928. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 51, Bl. 103–112, hier Bl. 108. 232 Vgl. Marta Fraenkel: Aus der Werkstätte der „Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930“, in: Hygienischer Wegweiser 4 (1929) 9/10, S. 242–244. Eine Rekonstruktion der Räume des Museums bietet Schulte: Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden von Wilhelm Kreis, S. 217–274. 233 Georg Seiring: Eine neue Hygiene-Ausstellung in Dresden, in: Deutsches Hygiene-Museum Dresden (Hrsg.): Hygiene-Ausstellung Dresden 1930. Programm-Entwurf Januar 1928, Dresden 1928, S. 3. Hervorhebung im Original. Zeitgleich stellte Seiring in der Vorstandssitzung des Museums die Pläne für die Schau vor und erhielt den Auftrag, die Vorbereitungen voranzutreiben. Vgl. Protokoll Vorstandssitzung des Deutschen Hygiene-Museum Dresden vom 06.01.1928. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 47, Bl. 98–103. 234 Schreiben der Jahresschau Deutscher Arbeit Dresden an die Sächsische Staatsregierung vom 12.06.1928, S. 4. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 802, unpaginiert.
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sich damit gleichzeitig von der GeSoLei ab. Statt die soziale Fürsorge, die nach dem Ersten Weltkrieg und im sich ausbreitenden Weimarer Sozialstaat von besonderer Wichtigkeit war, betonte man nun die individuellen Möglichkeiten zur Gesunderhaltung des Körpers.²³⁵ Die schon 1926 angemahnte „Pflicht zur Gesundheit“ wurde nun in Zeiten der Weltwirtschaftskrise vehement eingefordert. Gleichwohl war die Düsseldorfer Schau im Jahr 1930 noch in vielerlei Hinsicht präsent. Nicht nur hatte Kreis die Dauerbauten für beide Städte entworfen. Daneben waren mehrere Dresdner Führungskräfte wie Martin Vogel, inzwischen wissenschaftlicher Direktor des Hygiene-Museums, oder Marta Fraenkel, nun wissenschaftliche Geschäftsführerin der Ausstellung, bereits in Düsseldorf federführend tätig gewesen.
Beteiligung von Stadt, Land und Deutschem Reich – die Finanzierung der Schau Finanzieren wollten die Verantwortlichen die Exposition durch den klassischen Mix aus dem Verkauf von Eintrittskarten sowie Platzmieten für kommerzielle Aussteller. Die nötige Anschubfinanzierung versuchte man über Zuschüsse Sachsens und Dresdens sicherzustellen.²³⁶ Die sächsische Regierung bewilligte jedoch nur 250 000 der beantragten 300 000 Reichsmark.²³⁷ Mit einer Unterstützung durch das Deutsche Reich plante in Dresden zwar schon Anfang 1929 niemand, doch anders als bei früheren Expositionen rechnete die Regierung mit einer „wohlgelungenen Veranstaltung“ und befürwortete die Teilnahme der Reichsinstitute.²³⁸ Deren Beteiligung musste aber aus eigenen Mitteln finanziert werden. Eine finanzielle
235 Vgl. Schreiben der Sächsischen Gesandtschaft an das Preußische Staatsministerium vom 19.09.1929. GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil VI Nr. 20, Bd. 4, Bl. 68–70. 236 Vgl. Entwurf eines Finanzplans für die Hygiene-Ausstellung Dresden, aufgestellt im Juni 1929. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 802, unpaginiert. 237 Vgl. Durchschlag Schreiben Finanzministerium, gez. Hedrich an die IHAD vom 25.07.1929. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 802, unpaginiert; Vorlage über die Gewährung von Staatsbeiträgen zur Deckung der etwaigen Fehlbeträge bei der Internationalen HygieneAusstellung Dresden 1930 und der Internationalen Pelzfach-Ausstellung Leipzig 1930, Dresden 31.03.1930. HStA Dresden 10693 Volkskammer/Landtag des Freistaates Sachsen 1919–1933/Nr. 2331, Bl. 1–3. 238 Schreiben des Reichsministers des Innern an den Preußischen Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 28.06.1929. GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil VI Nr. 20, Bd. 4, Bl. 59. Das Deutsche Reich beteiligte sich schließlich mit einer kulturhistorischen Schau, welche die Entwicklung des Gesundheitswesens in den vergangenen 100 Jahren präsentierte. An dieser Gruppe nahmen auch unabhängige Institutionen der sozialen Fürsorge wie die Liga der freien Wohlfahrtspflege teil. Vgl. Aktenvermerk über das Ergebnis der kommissarischen Besprechung vom 26.01.1929, betreffend Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930. BArch Berlin R 3901/7241, unpaginiert.
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Beihilfe jedweder Art schloss sie aus. Wenigstens erhielt die Hygiene-Ausstellung die Erlaubnis, eine Geldlotterie mit 1 000 000 Losen auszuspielen.²³⁹ Die größte Einnahmequelle neben dem Verkauf von Eintrittskarten blieb aber die Platzmiete in der Industrieabteilung. Hierbei griffen die Organisatoren auf ein – zumindest für Gesundheitsausstellungen – neuartiges Verfahren zurück, um entsprechende Aussteller zu akquirieren. Anders als 1926, wo die Verantwortlichen für die GeSoLei Firmen noch selbst anschrieben²⁴⁰, beauftragte die Hygiene-Ausstellung 1930 selbstständige Vertreter damit, den Kontakt mit diesen herzustellen. Die Bezahlung erfolgte über eine prozentuale Beteiligung an den Platzmieten.²⁴¹ Alles in allem bezeichnete Seiring kurz vor der Eröffnung der Schau die Beteiligung der Industrie als „unter Berücksichtigung der heutigen Wirtschaftslage außergewöhnlich stark.“²⁴² Auch mit der Anzahl ausländischer Teilnehmer, die anders als 1911 in einer gemeinsamen Halle und nicht in verschiedenen Pavillons untergebracht wurden, zeigte er sich zufrieden. Es fehlten nur noch genügend Besucher für eine gelungene Schau. Um diese zu erreichen, entfalteten die Organisatoren eine vielfältige Öffentlichkeitsarbeit: Plakate im In- und Ausland, tausende Prospekte und Inserate sowie andere Werbeformen wie Emailleschilder für Automobile oder Wimpel für Kraftdroschken fragten „Wissen Sie schon warum 1930 nach Dresden?“²⁴³ Wie schon vier Jahre zuvor wurden zudem Werbefilme hergestellt, die in allen UFA-Theatern zu sehen sein sollten.²⁴⁴
239 Vgl. Schreiben des Sächsischen Ministeriums des Innern an die Internationale HygieneAusstellung Dresden vom 12.12.1929. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 802, unpaginiert. Geldlotterien des Hygiene-Museums fanden auch 1931 und 1932 statt. 240 Vgl. u. a. Brief an die Firma Dr. A. Oetker, Bielefeld vom 06.07.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18– 1125, unpaginiert; Schreiben an die Firma Herm. Netz, Inh. Albert Schmidt vom 06.08.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1125, unpaginiert. 241 Vgl. Schreiben Seiring an Alfred Gröning vom 27.07.1929. StdA Dresden Ausstellungsamt 9.1.15 189, Akte Gröning, unpaginiert; Schreiben Seiring an Carl Jaedicke vom 27.07.1929. StdA Dresden Ausstellungsamt 9.1.15 189, Akte Carl Jaedicke, unpaginiert. 242 Protokoll Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses des Deutschen Hygiene-Museums Dresden vom 10.04.1930. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 51, Bl. 140–142, hier Bl. 140. 243 o. V.: Wissen Sie schon warum 1930 nach Dresden? HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 88, Bl. 131–136. 244 Für eine Übersicht über die PR-Maßnahmen vgl. Protokoll der Vorstandssitzung des Deutschen Hygiene-Museums vom 07.03.1930. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./ Nr. 48, Bl. 18–27.
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Die Tore öffnen sich: Die Zweite Internationale Hygiene-Ausstellung 1930 Vom 17. Mai bis zum 12. Oktober fand schließlich mit der Zweiten Internationalen Hygiene-Ausstellung „das wichtigste europäische Ereignis des Jahres 1930“ statt.²⁴⁵ Ein 400 000 qm großes Areal und 46 700 qm umbauter Raum standen für die Besucher bereit.
Abb. 2.5: Ausstellungsplan der Zweiten Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930. Quelle: o. V.: Internationale Hygiene Ausstellung Dresden. Mai–Oktober 1930. Uebersichtsplan, Dresden [1930].
Während der Eröffnungsfeier des Hygiene-Museums einen Tag zuvor erhielt Georg Seiring den Titel Präsident des Deutschen Hygiene-Museums und Martin Vogel wurde zum Professor ernannt. Der gerade erst zum sächsischen Ministerpräsidenten gewählte Walther Schieck feierte das neue Haus als „Tempel der Gesundheit und der Lehre über und für die Gesundheitspflege“, der weit über Sachsen hin-
245 So die Selbstbeschreibung in der Broschüre Internationale Hygiene Ausstellung Dresden. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2002/1103, o. S.
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aus wirken werde.²⁴⁶ Die nun eröffnete Exposition versprach, „einen Querschnitt durch das hygienische Wissen und Können der Zeit“.²⁴⁷ Der Besucher werde, so die Ankündigung der Veranstalter, „wie an einem roten Faden durch die Ausstellung geleitet“.²⁴⁸ Sie zielten allerdings nicht mehr wie bei den früheren Gesundheitsausstellungen darauf ab, die behandelten Themen wissenschaftlich vollständig darzustellen. Stattdessen legten sie Wert auf eine pädagogische Aufbereitung: „Die Menschen müssen zur Beachtung der Gesundheitsregeln erzogen werden, vor allen Dingen müssen sie ihren Körper verstehen lernen, denn nur, wer den menschlichen Körper begriffen hat, kann sich auch gesundheitsgemäß verhalten.“²⁴⁹ In diesem Kontext stand auch die Einschätzung Carlwalter Strasshausens, Direktor der Jahresschau Deutscher Arbeit, auf der Hygiene-Ausstellung 1930 sei jede Gruppe volkstümlich.²⁵⁰ Zugunsten einer möglichst großen Breitenwirkung gaben die Veranstalter der Gesundheitsausstellungen somit nach ihren ersten Projekten um 1900 Schritt für Schritt den wissenschaftlichen Anspruch auf – selbst wenn in Dresden 1930/31 Teile der Exposition noch stark dem wissenschaftlichen Duktus verhaftet blieben, es wieder eine wissenschaftliche Abteilung gab und sie aufgrund ihrer phasenweise extremen Textlastigkeit nicht durchweg für ein Laienpublikum geeignet erschien.²⁵¹ Die Metapher von der Hygiene-Ausstellung als „Lehrbuch der Volksgesundheitspflege“ bestand jedoch weiterhin fort.²⁵² Sie demonstrierte den Anspruch der Veranstalter, den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammenzutragen und trotz der wissenschaftspopularisierenden Ausrichtung für den Experten interessant zu bleiben.²⁵³
246 Protokoll der Eröffnungsfeier des Deutschen Hygiene-Museum Dresen 16. Mai 1930. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 39, Bl. 6–31, hier Bl. 18. Hervorhebung im Original. 247 Drucksache Internationale Hygiene Ausstellung Dresden 1930, Dresden o. J., S. 4. GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil VI Nr. 20, Bd. 4, Bl. 72–87. 248 Drucksache Hygiene Ausstellung Dresden 1930. Veranstaltet vom Deutschen HygieneMuseum und der Jahresschau Deutscher Arbeit, S. 4. LA Berlin B Rep. 142–01/Nr. 2509, Bd. I + II, unpaginiert. 249 Ebd., S. 7–8. 250 Vgl. Carlwalter Strasshausen: Die Internationale Hygiene-Ausstellung 1930 im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen, in: Messe und Ausstellung 12 (1930) 1, S. 3. 251 Zur Kritik an der Textlastigkeit vgl. Hans Spatz: Eröffnung der Hygieneausstellung, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 77 (1930) 21, S. 921. 252 Wilhelm Külz: Dresden als Ausstellungs- und Fremdenstadt, in: Zeitschrift für Desinfektionsund Gesundheitswesen 22 (1930) 5, S. 253–256, hier S. 254. 253 Vgl. dazu auch Karl Süpfle: Die Wissenschaft u. die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, in: Presse-Stelle des Deutschen Hygiene-Museums und der Internationalen Hygiene-
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Die Dresdner Schau hatte anders als ihre Vorgängerinnen keinen Vergnügungspark. Dennoch, so betonten die Veranstalter, gab es auf ihrem Gelände unterschiedliche Unterhaltungsangebote für die Besucher. Gast- und Erholungsstätten mit täglichen Musikvorführungen, ein Porzellanglockenspiel, die „Straße der hundert Brunnen“ mit ihren Wasserspielen oder auch die Pavillons der kommerziellen Aussteller wie die Kathreiner Malzkaffee-Fabriken trugen zur Entspannung und Zerstreuung der Gäste bei. Hinzu kamen kostenfreie Filmvorführungen, Freilichttheater oder die abermals zahlreichen Sportveranstaltungen.²⁵⁴ Auch im engeren Sinne wissenschaftliche Ausstellungsbereiche wie die Landwirtschaftliche Abteilung, die ein komplettes Schaugehöft mit Lebendtierhaltung und Mustermolkerei umfasste, konnten durchaus unterhaltsam wirken.²⁵⁵ Die eigentliche Attraktion der Hygiene-Ausstellung 1930 war allerdings wie schon 1911 ein Exponat der Dresdner Werkstätten: der „Gläserne Mensch“. Der Modellbauer Franz Tschackert hatte diese lebensgroße, aus dem durchsichtigen Kunststoff Cellon und einem Aluminiumskelett bestehende, Figur hergestellt. Aufrecht stehend, die Arme in der Pose des „Lichtgebets“ nach oben gereckt, ermöglichte der „Gläserne Mensch“ einen – lange imaginierten – Blick auf das Innere des Körpers, die Lage der Organe, das menschliche Skelett sowie die Wege der Nervenbahnen und Blutgefäße. Die einzelnen Organe leuchteten mit Hilfe dutzender Lampen, eine Grammophonstimme erklärte im Hintergrund ihre Funktion.²⁵⁶ Die Figur war eine spektakuläre Demonstration der Fähigkeiten des Dresdner Hauses, innovative Körperrepräsentationen für die hygienische Volksbelehrung zu erschaffen. Das Museum arbeitete über mehrere Jahre an dem Exponat und wollte es ursprünglich schon auf der GeSoLei zeigen, konnte zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht alle technischen Probleme
Ausstellung Dresden 1930 (Hrsg.): Das Deutsche Hygiene-Museum und die Internationale HygieneAusstellung Dresden 1930, S. 61–64. 254 Vgl. A. P.: Vergnügliches von der Internationalen Hygiene-Ausstellung, in: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden. Offizielle Ausstellungszeitung 1 (1930) 10, S. 2–3. Zu den Sportveranstaltungen vgl. Liste der Veranstaltungen, Stand 08.02.1930. StdA Dresden Ausstellungsamt 9.1.15 191, Akte Schriftwechsel im Hause, unpaginiert. 255 Zum Schaugehöft vgl. o. V.: Bilder vom Landwirtschaftlichen Gehöft auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, in: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden. Offizielle Ausstellungszeitung 1 (1930) 7, S. 5. Ein von dem auf dem Mustergehöft lebenden Personal geführtes Tagebuch verwahrt das HStA Dresden. Vgl. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./ Nr. 115, unpaginiert. 256 Zum „Gläsernen Menschen“ vgl. Rosmarie Beier/Martin Roth (Hrsg.): Der Gläserne Mensch – eine Sensation. Zur Kulturgeschichte eines Ausstellungsobjekts, Stuttgart 1990. Zur Geschichte dieses Exponats nach 1945 vgl. Christian Sammer: Durchsichtige Ganzkörpermodelle im Krieg der Systeme. Die Gläsernen Figuren aus Dresden und Köln, 1949–1989, in: Nikolow (Hrsg.): Erkenne Dich selbst!, S. 179–197.
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lösen.²⁵⁷ Nach seiner Präsentation auf der Hygiene-Ausstellung 1930 avancierte der „Gläserne Mensch“ schnell zu dem Aushängeschild des Museums, das bald an Museen auf der ganzen Welt verkauft wurde.²⁵⁸
Ein finanzielles Desaster – die Wiederholung der Ausstellung im Jahr 1931 Doch die für die Finanzierung der Exposition entscheidenden Besucher kamen nicht in ausreichender Zahl nach Dresden und auch die Einnahmen aus den Platzmieten blieben vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise unter den Erwartungen Seirings. Es war ein schlechter Sommer und so hatten bis zu ihrem Ende nur drei Millionen Menschen die Schau gesehen – verglichen mit den früheren Zahlen eine Enttäuschung. Hinzu kamen erhöhte Ausgaben für Werbung sowie die wissenschaftlichen Abteilungen. Noch vor Abschluss der Ausstellung war klar, dass sie mit einem Fehlbetrag abschließen würde. „Um den finanziellen Ausfall der Ausstellung 1930 einigermassen wieder wettzumachen“, bat Seiring daher schon im September die sächsische Regierung, die Schau im nächsten Jahr wiederholen zu dürfen. Man rechnete damit, dass eine Wiederholung mit „etwa einem Drittel der Gesamtausgaben für die Ausstellung 1930“ organisiert werden könne, so dass bei gleichen Einnahmen eine positive Bilanz zu erreichen wäre.²⁵⁹ Die Stadt und der Rat zu Dresden hatten zum Zeitpunkt der Anfrage dem Vorhaben bereits zugestimmt.²⁶⁰ Die sächsische Regierung erlaubte ebenfalls eine Verlängerung der Schau, stellte gleichzeitig aber mehrere Bedingungen: Das Land werde erstens keine weitere finanzielle Beihilfe leisten. Die Stadt Dresden musste zweitens die schon für 1930 bereitgestellte Unterstützung von 600 000 Reichsmark sowie weitere 750 000 Reichsmark für die errichteten Ausstellungsgebäude leisten. Drittens musste der von Privatleuten aufgestellte Garantiefond in Höhe von
257 Vgl. Schreiben Seiring an Vogel vom 09.04.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1520, unpaginiert. Zum Herstellungsprozess des „Gläsernen Menschen“ vgl. Klaus Vogel: The Transparent Man – some comments on the history of a symbol, in: Robert Bud/Bernhard Finn/Helmut Trischler (Hrsg.): Manifesting Medicine. Bodies and Machines, Amsterdam u. a. 1999, S. 31–61, v. a. S. 41–45; Ders.: Vom „durchsichtigen“ zum „Gläsernen Menschen“, in: Körner/Stercken (Hrsg.): Kunst, Sport und Körper. GeSoLei 1926–2002. Bd. 1, S. 177–185. 258 Vgl. Kendall Foss: Glass Man Teaches Hygiene, in: New York Times vom 13.07.1930, S. 116. Allein amerikanische Museen erstanden in der Folgezeit mehrere gläserne Figuren. 259 Schreiben Seiring an das Sächsische Finanzministerium vom 26.09.1930. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 805, Bl. 9–10, hier Bl. 9. 260 Vgl. Schreiben Rat zu Dresden an die Stadtverordneten Dresdens vom 19.09.1930. StdA Dresden Stadtverordnetenakten 3.1 A 50, Bd. 5, Bl. 143–145; Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung der Stadtverordneten vom 22.09.1930. StdA Dresden Stadtverordnetenakten 3.1 A 50, Bd. 5, Bl. 148.
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250 000 Reichsmark verlängert werden. Zuletzt forderte der sächsische Finanzund Wirtschaftsminister Hans R. Hedrich einen vorläufigen finanziellen Abschluss für die Exposition von 1930.²⁶¹ Dieser fiel verheerend aus. Ende 1930 türmte sich ein Fehlbetrag in Höhe von 933 000 Reichsmark auf, der sich im folgenden Jahr nochmals erhöhen würde, da Abschreibungen wegen der Verlängerung der Schau auf das nächste Jahr verschoben werden konnten. Der mit dem vorläufigen Abschluss beauftragte Gutachter rechnete mit einem Gesamtverlust von fast 1,7 Mio. Reichsmark für 1930 und 1931. Eine Verbesserung der finanziellen Situation hielt er für unwahrscheinlich.²⁶² Dennoch erhielt die Zweite Internationale Hygiene-Ausstellung im Jahr 1931 eine Fortsetzung. Das Hygiene-Museum forderte für seine Teilnahme 175 000 Reichsmark, die noch mal um den gleichen Betrag erhöht werden sollte, falls die Schau dieses Mal ein positives Ergebnis erzielte; allerdings ohne die Verluste von 1930 mit den Einnahmen aus 1931 zu verrechnen.²⁶³ Das Präsidium der Hygiene-Ausstellung 1930/31 plante, die Vergnügungsbereiche auf dem Gelände deutlich auszubauen, um mehr Besucher anzuziehen.²⁶⁴ Nach dem Vorbild der GeSoLei errichtete man ein Schaubergwerk, das von den Besuchern begangen werden konnte und auch ein Vergnügungseck fand man nun auf dem Ausstellungsareal vor.²⁶⁵ Dies verdeutlicht noch einmal, wie sehr die Gesundheitsausstellungen immer auch populärkulturelle Veranstaltungen waren, die sich an den Unterhaltungsbedürfnissen ihrer Besucher orientieren mussten, um finanziell erfolgreich zu sein. In dieser Hinsicht unterschieden sie sich kaum von anderen Großausstellungen ihrer Zeit. Vom 6. Mai bis zum 20. Oktober fand die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1931 statt. Nochmals versammelten sich auf dem Gelände Aussteller aus dem Deutschen Reich sowie dem Ausland. Nochmals avancierte Dresden zum Mittelpunkt der deutschen hygienischen Volksbelehrung sowie den deutschen Debatten über Gesundheit und Krankheit, wenn auch die Exposition weniger
261 Vgl. Schreiben Finanzministerium an das Präsidium der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden vom 08.10.1930. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 805, Bl. 11–13. 262 Vgl. Schreiben von Spangeberg an das Ministerium für Wirtschaft vom 15.12.1930. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 805, Bl. 14–15. 263 Vgl. Protokoll Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses des Deutschen Hygiene-Museums Dresden vom 13.01.1931. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 52, Bl. 1–3, hier Bl. 2. 264 Vgl. Seiring: Bericht III über den Stand der Vorarbeiten für die IHAD 1931, Mitte März 1931. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 805, Bl. 69–73. 265 Vgl. A. P.: Ein Abend im Ausstellungsgelände der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1931, in: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden. Offizielle Ausstellungszeitung 2 (1931) 5, S. 9–10; o. V.: Das Schaubergwerk auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1931, Dresden [1931].
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Aufmerksamkeit erhielt als ihre Vorgängerinnen. Einzelne Gruppen wurden neu aufgebaut, bereits bestehende überarbeitet, so dass sie für sich weiterhin wissenschaftliche Aktualität beanspruchen konnten.²⁶⁶ Von den finanziellen Problemen, die zur Verlängerung der Schau geführt hatten, merkte die Öffentlichkeit nichts. Offiziell wurde diese „Weltausstellung“²⁶⁷ wiederholt, um noch länger positiv auf die Bevölkerung zu wirken.²⁶⁸ Als Aufgabe stellten sich die Organisatoren erneut, die Besucher zur Besinnung auf ihre Körper und deren Gesunderhaltung zu erziehen: „Möge diese Ausstellung das Ziel erreichen, das wir ihr gesteckt haben, der Menschheit die Segnungen der Gesundheit und die Bedeutung des alten Wahrwortes einzuprägen: Nur im gesunden Körper kann ein gesunder Geist leben. Das gilt für das Leben der Völker wie des Einzelnen.“²⁶⁹ Doch der Publikumserfolg blieb erneut aus. Getroffen von der katastrophalen Wirtschaftslage im Deutschen Reich besuchten nur knapp 2 Millionen Menschen die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1931. Die Schau unterbot damit sogar ihr schwaches Ergebnis vom Vorjahr und erzielte nur ein Drittel der ursprünglich kalkulierten Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten. Am Ende schloss die Hygiene-Ausstellung 1930 mit einem Fehlbetrag von 1 013 702,85 Reichsmark ab. Die Schau von 1931 steuerte nochmals einen Verlust in Höhe von 1 590 785,26 Reichsmark dazu.²⁷⁰ Damit war die wirtschaftliche Krise der Weimarer Republik nicht nur inhaltlich, sondern auch organisatorisch in der hygienischen Volksbelehrung angekommen.²⁷¹ Die Eröffnung des Hygiene-Museums und die zweijährige Gesundheitsausstellung 1930/31 in Dresden hatten einen bitteren Beigeschmack. In der Weimarer Republik wurden der Körper und dessen Zustand in zunehmendem Maße politisiert. Die gesundheitlichen Folgen des Ersten Weltkriegs, der
266 Vgl. o. V.: Wiederkehr der Hygiene-Ausstellung, in: Blätter für Volksgesundheitspflege 31 (1931) 5, S. 77–78. 267 Herbert Hartmann: Die Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden 1931, in: Sportpolitische Rundschau 4 (1931) 5, S. 88–90, hier S. 88. 268 Vgl. Seiring: Rede zur Eröffnung der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1931 am 6. Mai 1931. StdA Dresden Stadtverordnetenakten 3.1 A 50, Bd. 5, Bl. 180. 269 Georg Seiring: Gesundheit – der Menschheit höchstes Gut, in: Messe und Ausstellung 13 (1931) 12, S. 3. 270 Vgl. Bericht von Johannes Krüger an den Rat zu Dresden am 28.10.1932 über die Abschlüsse des Ausstellungsamtes. StdA Dresden Stadtverordnetenakten 3.1 A 50, Bd. 5, Bl. 240–245. Öffentlich wurde das negative Ergebnis nicht angesprochen, sondern nur die Erfolge der Schau hervorgehoben. Vgl. bspw. o. V.: Großer Erfolg der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1931, in: Messe und Ausstellung 13 (1931) 19, S. 2. 271 Vgl. hierzu auch die Resolution des Reichsausschuss hygienischer Volksbelehrung aus dem Jahr 1932. Niederschrift über die Mitgliederversammlung des Reichsausschusses für Hygienische Volksbelehrung am Freitag, den 20. Mai 1932. BArch Berlin R 86/4518, unpaginiert.
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sich entfaltende Wohlfahrtsstaat, die wirtschaftlichen Probleme zu Beginn und am Ende der kurzen demokratischen Phase, aber auch die gesamtgesellschaftlichen Veränderungen wie beispielsweise die Frauenbewegung des Deutschen Reiches schufen Probleme, stellten Fragen, verlangten nach Lösungen, die sich auf den individuellen wie kollektiven Umgang mit dem Körper beziehen ließen. Die hygienische Volksbelehrung, die die Popularisierung medizinisch-naturwissenschaftlichen Wissens über den Körper sowie die Vermittlung moralischer Erwartungen an den Einzelnen übernahm, spiegelte diese Entwicklungen. In den Begründungen für die hygienische Volksbelehrung manifestierte sich so die Auseinandersetzung mit den jeweils aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen. Die Gesundheitsausstellungen – die GeSoLei 1926 und die Internationale Hygiene-Ausstellung 1930/31 – fungierten als Plattformen, auf denen Gesellschaftsdeutungen ausgehandelt und der breiten Öffentlichkeit präsentiert wurden. Auch ihr Gesicht beeinflussten die aktuellen Debatten. War die Hygiene-Ausstellung 1911 noch von der sozialen Frage und den Klassengegensätzen dominiert, beherrschten die GeSoLei die Folgen des Ersten Weltkriegs. In Dresden 1930/31 setzte man sich dagegen mit den Grenzen des Sozialstaats und der daraus folgenden individuellen Pflicht zur Gesundheit auseinander. Gleichzeitig gerieten die groß angelegten Gesundheitsausstellungen, die sich in ihrer Organisationsweise an den Weltausstellungen orientierten, an ihr finanzielles Limit. Hatte die Schau von 1911 noch einen überraschend hohen Überschuss erzielt, erreichte ihr Düsseldorfer Pendant nur mit Mühe ein ausgeglichenes Ergebnis. Die Zweite Internationale Hygiene-Ausstellung verzeichnete schließlich heftige finanzielle Verluste. Es bleibt offen, ob dies an neu entstandenen Formen der Volksbelehrung wie dem Film, einem größeren mit den Schauen konkurrierenden massenkulturellem Angebot in den Städten, wirtschaftlichen Widrigkeiten oder der Übersättigung des Publikums durch drei Großexpositionen binnen fünf Jahren lag.²⁷² Denn die folgenden Gesundheitsausstellungen trugen ein anderes Gesicht. Wie beim Gesundheitssystem insgesamt vollzogen die Nationalsozialisten nach der Machtübernahme 1933 auch bei der Organisation der Gesundheitsschau markante Änderungen.
272 Zum Hygienefilm in der Weimarer Republik vgl. Ulf Schmidt: Sozialhygienische Filme und Propaganda in der Weimarer Republik, in: Dietmar Jazbinsek (Hrsg.): Gesundheitskommunikation, Wiesbaden 2000, S. 53–81.
2.3 NS-Machtübernahme bis zum Zweiten Weltkrieg
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2.3 Von der NS-Machtübernahme bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs: Gesundheitsausstellungen unterm Hakenkreuz Auf die nationalsozialistische Machtübernahme folgten nicht nur Veränderungen der Gesundheitspolitik im Allgemeinen, sondern auch der hygienischen Volksbelehrung im Speziellen.²⁷³ Hatte die körperliche Verfasstheit der Bevölkerung schon in den vorangegangenen Jahren einen hohen Stellenwert, rückte sie nun ins Zentrum nationalsozialistischer Ideologie wie Politik.²⁷⁴ Der individuelle Körper, dessen angenommene biologische, moralische sowie „rassische“ Qualität avancierte zum entscheidenden Kriterium über den Ein- oder Ausschluss des Einzelnen in die neu zu schaffende „Volksgemeinschaft“.²⁷⁵ Im Zuge dieser Entwicklungen stieg die Eugenik bzw. Rassenhygiene zur Leitwissenschaft der NS-Gesundheitspolitik auf.²⁷⁶ Damit versahen die Nationalsozialisten die körperliche wie gesundheitliche Entwicklung der Bevölkerung mit einem positiven Veränderungskoeffizienten. Der nationalsozialistische „Neue Mensch“ sollte ständig verbessert werden, befand sich im Zustand der „permanenten Erweiterung“.²⁷⁷ Der Umgang der Nationalsozialisten mit dem Körper war nicht gänzlich neu, sondern schloss an ältere Entwicklungen an. Sie radikalisierten diese aber in einer zuvor nicht gekannten Weise und verbanden sie zudem mit dem politischen Willen sowie der entsprechenden
273 Vgl. Weindling: Health, race and German politics between national unification and Nazism 1870–1945; Winfried Süß: Der „Volkskörper“ im Krieg. Gesundheitspolitik, Gesundheitsverhältnisse und Krankenmord im nationalsozialistischen Deutschland 1939–1945, München 2003; Wolfgang U. Eckart: Medizin in der NS-Diktatur: Ideologie, Praxis, Folgen, Wien u. a. 2012. Einen Überblick über die Erforschung der NS-Gesundheitspolitik bieten Robert Jütte/Wolfgang U. Eckart/Hans-Walter Schmuhl/Winfried Süß: Medizin und Nationalsozialismus. Bilanz und Perspektiven der Forschung, Göttingen 2011. 274 Vgl. etwa Paula Diehl: Macht – Mythos – Utopie. Die Körperbilder der SS-Männer, Berlin 2005, v. a. S. 21–25. 275 Das Interpretament der „Volksgemeinschaft“ gehört zu den aktuell fruchtbarsten und am stärksten diskutierten Ansätzen der NS-Forschung. Für jüngere Forschungsüberblicke vgl. Janosch Steuwer: Was meint und nützt das Sprechen von der „Volksgemeinschaft“? Neuere Literatur zur Gesellschaftsgeschichte des Nationalsozialismus, in: AfS 53 (2013), S. 487–534; Daniel Mühlenfeld: Vom Nutzen und Nachteil der „Volksgemeinschaft“ für die Zeitgeschichte. Neuere Debatten und Forschungen zur gesellschaftlichen Verfasstheit des „Dritten Reiches“, in: Sozialwissenschaftliche Literaturrundschau 36 (2013) 66, S. 71–104. 276 Im Folgenden wird der Begriff Eugenik als Ober- und Sammelbegriff für die Zeit vor 1933, der Begriff Rassenhygiene für die Zeit danach verwendet. Ausnahmen werden nur dort gemacht, wo es sich um einen Quellenbegriff oder um eine Selbstzuschreibung handelt. 277 Paula Diehl: Körperbilder und Körperpraxen im Nationalsozialismus, in: Dies. (Hrsg.) Körper im Nationalsozialismus. Bilder und Praxen, München u. a. 2006, S. 9–30, hier S. 17.
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Macht für ihre gewaltsame Umsetzung.²⁷⁸ Das Besondere der nationalsozialistischen Gesundheits- wie auch Verfolgungspolitik war demnach „nicht die Analyse, sondern das Drängen auf Lösung.“²⁷⁹ Zwar ist in der Forschung die Frage nach einem kausalen Zusammenhang von beispielsweise rassenhygienischen Überzeugungen und Euthanasie umstritten, doch scheint es alles in allem Konsens zu sein, dass die nationalsozialistischen Verbrechen Folge einer Gemengelage aus exkludierendem Diskurs, ideologischer Feinddefinition, institutioneller Voraussetzungen und situativen Radikalisierungen in Kriegszeiten waren.²⁸⁰ Die Beschäftigung mit dem gesunden wie kranken Körper, die Strategien zum Umgang mit denjenigen, die dem nationalsozialistischen Körperbild nicht entsprachen, mit ihren Radikalisierungsschritten über das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses bis hin zur „Euthanasie“ waren gleichzeitig Vorgeschichte und Ausgangspunkt für die folgenden Taten: den Repressionen gegenüber der deutschen Bevölkerung, den Holocaust, den Völkermord an den Sinti und Roma sowie den weiteren Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs.²⁸¹ Für die Mitglieder der „Volksgemeinschaft“ eröffnete dieselbe Perspektive, die für andere die Ausgrenzung bis zum Tod bedeutete, gleichzeitig eine Ressource zur sozialen Aufwertung des individuellen Status’ oder der materiellen Bereicherung.²⁸² Gesundheitsfürsorge wurde in diesem Prozess zur „Gesundheitsführung“. Dies bedeutete eine zielgerichtete Beeinflussung des Einzelnen, die mit einer verstärkten Ausgrenzung derjenigen einher ging, die nicht dem körperlichen Idealbild der Nationalsozialisten entsprachen. Für die Protagonisten der sogenannten „Gesundheitsführung“ rückte nicht die „Fürsorge für Erbkranke, für Asoziale, sondern die Pflege und Förderung der Erbgesunden“ in den Vordergrund der Gesundheitsmaß-
278 Vgl. Hans-Georg Hofer/Lutz Sauerteig: Ideengeschichtliche Voraussetzungen nationalsozialistischer Gesundheitspolitik: Ein Überblick, in: Bernd Grün/Hans-Georg Hofer/Karl-Heinz Leven (Hrsg.): Medizin und Nationalsozialismus. Die Freiburger Medizinische Fakultät und das Klinikum in der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“, Frankfurt am Main u. a. 2002, S. 34–49. 279 Ulrich Herbert: Rassismus und rationales Kalkül. Zum Stellenwert utilitaristisch verbrämter Legitimationsstrategien in der nationalsozialistischen „Weltanschauung“, in: Wolfgang Schneider (Hrsg.): „Vernichtungspolitik“. Eine Debatte über den Zusammenhang und Genozid im nationalsozialistischen Deutschland, Hamburg 1991, S. 25–35, hier S. 29. 280 Beispielhaft für diese Deutung sind Ulrich Herbert: Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft. 1903–1989, Bonn 1996; Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 2002. 281 Vgl. Hans-Walter Schmuhl: Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie. Von der Verhütung zur Vernichtung ‚lebensunwerten Lebens‘ 1890–1945, Göttingen 1987; Henry Friedländer: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung, Berlin 1997. 282 Vgl. dazu Michael Wildt: Volksgemeinschaft als Selbstermächtigung. Gewalt gegen Juden in der deutschen Provinz 1919 bis 1939, Hamburg 2007.
2.3 NS-Machtübernahme bis zum Zweiten Weltkrieg
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nahmen.²⁸³ Damit einher gingen radikale Veränderungen für die hygienische Volksbelehrung, die noch stärker als zuvor zum Instrument staatlicher Gesundheits-, Sozial- und Bevölkerungspolitik wurde. Sie sollte der „Willensbildung und Gewissensschärfung“ dienen und die Bevölkerung zu einem staatlich gewollten Verhalten anleiten.²⁸⁴ Damit stand die nationalsozialistische Volksbelehrung durchaus in der Tradition der vorangegangenen Jahrzehnte. Denn immer noch zielte sie darauf ab, durch die Vermittlung medizinisch-naturwissenschaftlichen Wissens auf die Bevölkerung einzuwirken. Allerdings trat die nationalsozialistische Regierung mit einem neuartigen Anspruch auf die Durchsetzung der eigenen politischen Agenda auf, der sich auch in der hygienischen Volksbelehrung niederschlug. Der Prozess der institutionellen Gleichschaltung traf daher – wie dies von anderen Feldern der Propaganda bekannt ist – ebenfalls die wissenschaftspopularisierenden Organisationen.²⁸⁵ Arthur Gütt, Fritz Bartels sowie Fritz Rott erarbeiteten dafür ein Konzept, um die vielfältigen Organisationen der hygienischen Volksbelehrung im Reichsausschuss für Volksgesundheitsdienst, der aus dem Reichsausschuss für hygienische Volksbelehrung hervorgegangen war, zusammenzufassen und so für die politische Propaganda nutzbar zu machen.²⁸⁶ Vorsitzender des im September 1933 gegründeten Reichsausschusses für Volksgesundheitsdienst wurde Gütt als Leiter der Abteilung Volksgesundheit im RMI²⁸⁷; Falk Ruttke übernahm die Geschäftsführung.²⁸⁸ Insbesondere eugenische, rassenkundliche und bevölkerungspolitische Themen wurden nun in verstärktem Maße in alle belehrenden Medien integriert.
283 To: „Das Wunder des Lebens“. Ausstellung in Berlin vom 23. März bis 5. Mai 1935, in: Deutsches Ärzteblatt 65 (1935) 13, S. 322–326, hier S. 326. Hervorhebung im Original. 284 Bruno Gebhard: Ausstellungen als Mittel der Gesundheitserziehung, in: Der öffentliche Gesundheitsdienst 1 (1935) 3, S. 95–99, hier S. 96. Hervorhebung im Original 285 Zu Ausstellungen als Mittel nationalsozialistischer Propaganda vgl. Kivelitz: Die Propagandaausstellung in europäischen Diktaturen; Thamer: Geschichte und Propaganda, S. 349–381. 286 Vgl. Schabel: Soziale Hygiene zwischen sozialer Reform und sozialer Biologie, S. 146–158. Zum Aufbau des Reichsausschuss für Volksgesundheitsdienst vgl. K. Pohlen: Die Gesundheitsbehörden im Deutschen Reiche. Zusammengestellt im Reichsgesundheitsamt, Berlin 1936. 287 Arthur Gütt war eine einflussreiche Figur in der NS-Gesundheitspolitik. Er hatte mehrere wichtige politische Positionen inne, war unter anderem Mitherausgeber des Archivs für Rassenund Gesellschaftsbiologie und gehörte nicht zuletzt zu den Verfassern des offiziellen Kommentars zum Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Zu seiner Person vgl. Peter Weingart/Jürgen Kroll/Kurt Bayertz: Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland, Frankfurt am Main u. a. 1992, S. 482–483; Alfons Labisch/Florian Tennstedt: 50 Jahre Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens. Dr. med. Arthur Gütt und die Gründung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in: Das öffentliche Gesundheitswesen 46 (1984), S. 291–298. 288 Vgl. Schreiben des Reichsministers des Innern an die Reichsstatthalter sowie die Landesregierungen vom 21.09.1933. Bay HStA Reichsstatthalter Epp 389/6, unpaginiert.
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Besonders das Deutsche Hygiene-Museum, das sich während der Weimarer Republik zur wichtigsten Institution der Vermittlung gesundheitlichen Wissens entwickelt hatte, geriet kurz nach der NS-Machtübernahme in den Fokus der Nationalsozialisten. Gleichzeitig stellten sich die Dresdner Verantwortlichen auf die veränderte politische Situation ein und versuchten, die sich nun ergebenden Möglichkeiten für sich auszunutzen. So enthielt der Jahresbericht des Hygiene-Museums von 1933 ein deutliches Bekenntnis zum Nationalsozialismus und seinen gesundheitspolitischen Ideen. Weiterhin führte das Haus in dem Bericht erstmals explizit seine Aktivitäten im Bereich der Erb- und Rassenkunde aus.²⁸⁹ Zudem gab es mehrere personelle Auswirkungen. Ungefähr die Hälfte der Belegschaft des Hauses, darunter auch Marta Fraenkel, wurde noch 1933 aufgrund ihrer jüdischen Abstammung oder aus politischen Gründen entlassen.²⁹⁰ Gleichzeitig blieben allerdings Mitarbeiter wie Bruno Gebhard trotz seiner vormaligen Mitgliedschaft in der SPD und seiner Weigerung, in die NSDAP einzutreten, weiterhin in der hygienischen Volksbelehrung aktiv.²⁹¹ Das Haus hatte also einen gewissen Handlungsspielraum, so dass sich von einer kooperativen Zusammenarbeit, einer „symbiotischen Beziehung“ zwischen dem Hygiene-Museum und dem Dritten Reich sprechen ließe²⁹² – selbst wenn in den darauffolgenden Jahren der Zugriff staatlicher Stellen auf das Haus zunahm und das Museum als „Instrument für die hygienische Volksbelehrung und für deutsche Kulturpropaganda im Auslande“ um seine institutionelle Eigenständigkeit kämpfte.²⁹³ Das Ergebnis dieses langjährigen Streits über die Neuausrichtung des Hauses war eine stärkere Abstimmung von Museumsinhalten mit der staatlichen Gesundheitspolitik. Eine vergleichbare Entwicklung fand bei den Expositionen statt. Bereits ab Juni 1932 wurde Gebhard vom Hygiene-Museum für eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Berliner Ausstellungs- und Messe-GmbH (Berliner Messeamt)
289 Vgl. Das Deutsche Hygiene-Museum im Jahre 1933. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 6, Bl. 1. 290 Vgl. u. a. Rudolf Neubert: Mein Arztleben. Erinnerungen, Rudolstadt [1974], S. 77–78. 291 Vgl. Schreiben Wischek an Gebhard vom 16.08.1933. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–57, unpaginiert. 292 Peter E. Fässler: Eine symbiotische Beziehung? Zur Kooperation zwischen Deutschem Hygiene-Museum und NS-Regime, in: Axel C. Hüntelmann/Johannes Vossen/Herwig Czech (Hrsg.): Gesundheit und Staat. Studien zur Geschichte der Gesundheitsämter in Deutschland 1870–1950, Husum 2006, S. 63–75. 293 Protokoll der Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses vom 29.11.1934. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 53, Bl. 18–20, hier Bl. 19. Zu einer Einigung kam es schließlich Ende 1935. Vgl. Das Deutsche Hygiene-Museum im Jahre 1935, S. 3. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 6, Bl. 3. Zur Geschichte des Museums im Nationalsozialismus vgl. Stephan: Das Dresdner Hygiene-Museum in der Zeit des deutschen Faschismus (1933–1945).
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beurlaubt, das in den kommenden Jahren zum wichtigsten Veranstalter von Gesundheitsausstellungen wurde.²⁹⁴ Gebhard sollte in Berlin eine Mittlerposition zwischen dem Museum und der Reichsregierung einnehmen.²⁹⁵ Für das Messeamt übernahm er die Rolle eines Kurators, der die geplanten Schauen konzipierte und ihre Inhalte mit den verschiedenen Ausstellern abstimmte. Auf diese Weise verabschiedete man sich von der Obmannstruktur, die den Aufbau der vorherigen Gesundheitsausstellungen gekennzeichnet hatte; erreichte dadurch jedoch eine größere innere Konsistenz der einzelnen Schauen, deren Inhalte nun stärker aufeinander bezogen werden konnten. Diese schon vor 1933 etablierte Organisationsstruktur machte sich vor allem das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda zunutze. Indem es vor jeder Exposition deren Programmentwurf vorgelegt bekam und genehmigen musste, gewann es einen Einfluss auf die Ausstellungsinhalte, über den frühere Regierungen nicht verfügt hatten. Seit Mitte 1933 stand das Ausstellungswesen damit faktisch unter der Kontrolle des Ministeriums.²⁹⁶ Gleichzeitig griff das Reichsministerium des Innern insbesondere durch Gütt aktiv in die Konzeptionen der gesundheitspolitisch einschlägigen Gruppen ein. Dieser Prozess des verstärkten politischen Zugriffs auf die Veranstaltungen war keine Besonderheit der Gesundheitsausstellung, sondern lässt sich auch anhand anderer Schauen wie der Berliner Funkausstellung nachvollziehen.²⁹⁷ Mit dem wachsenden politischen Zugriff auf die Schauen ging gleichzeitig eine Neubestimmung ihrer Aufgaben einher. Die Ausstellungen sollten nun nicht mehr neutral sein, sondern politisch Stellung beziehen.²⁹⁸ Zwar beteiligten sich schon zuvor hochrangige Beamte wie die jeweiligen Präsidenten des Reichsgesundheitsamtes an den Vorbereitungen der Expositionen. Doch waren sie nicht derart dominant und gehörten auch nicht zum engeren Kreis der Veranstalter. Gleichwohl existierte die für das Dritte Reich typische polykratische Struktur der NS-Institutionen auch in der Gesundheitspolitik, wodurch die Expositionen weiterhin vieldeutig blieben. Zuletzt unterschieden sich die großen nationalsozialistischen Gesundheitsausstellungen auch in ihrer äußeren Form von den Vorangegangenen. Sie lehnten sich
294 Zur Bedeutung des Berliner Messeamts als Ausstellungsorganisator vgl. Schultze: Die visuelle Repräsentation der Diktatur, S. 113–131. 295 Vgl. Schreiben Seiring an Curt von Burgsdorff vom 25.10.1934. HStA Dresden 10717 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten/Nr. 8592, Bl. 392. 296 Vgl. Schultze: Die visuelle Repräsentation der Diktatur, S. 113–131, hier S. 116. 297 Vgl. Eva Susanne Breßler: Von der Experimentierbühne zum Propagandainstrument. Die Geschichte der Funkausstellung von 1924 bis 1939, Köln u. a. 2009. 298 Vgl. Albert Wischek: Deutschland im Spiegel der Ausstellungen und Messen, in: Messe und Ausstellung 18 (1936) 5, S. 1–2; Immanuel Schäffer: Wesenswandel der Ausstellung. Ein Überblick über das deutsche Ausstellungswesen und die Ausstellungsarbeit des Instituts für Deutsche Kulturund Wirtschaftspropaganda, Berlin 1938.
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nicht mehr an die Weltausstellungen an, hatten eine kürzere Laufzeit, behandelten weniger Themen und verzichteten auf ein weitläufiges Ausstellungsgelände. Dafür fanden sie in kürzeren Zeitabständen statt und erreichten weiterhin eine große mediale Aufmerksamkeit sowie hohe Besucherzahlen. Sie können daher als modifizierte Form der Gesundheitsschauen des Kaiserreichs und der Weimarer Republik verstanden werden.
„Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ Gleich 1933 begannen die Vorbereitungen für die erste dieser Expositionen „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“, die im Jahr 1934 stattfinden sollte. Diese „erste Jahresschau der nationalen Arbeit [sollte] vor allem unter dem gesamtpolitischen Gedanken des neuen Deutschlands“ stehen.²⁹⁹ Im Ausstellungsprogramm wurde der Schau die Aufgabe zugeschrieben, den „Wiederaufstieg Deutschlands zu unterstützen.“³⁰⁰ Sie richtete sich sowohl an die eigene Bevölkerung als auch an Auslandsdeutsche sowie ein internationales Publikum. Ihren Auftrag sollte die Exposition durch einen zweigeteilten Aufbau erfüllen. Während der Fokus der Hauptgruppe „Deutsche Arbeit“ auf ökonomischen Themen, auf den deutschen „Spitzenleistungen aller Wirtschaftsgebiete“ lag, versuchte die zweite Hauptgruppe „Deutsches Volk“ als Grundlage aller wirtschaftlichen Betätigungen eine „Rassenkunde und Rassenhygiene und ihre Bedeutung für die volkhafte Entwicklung“ vorzuführen.³⁰¹ Ergänzt wurde sie durch eine kulturhistorische Darstellung der „drei“ deutschen Reiche. Ihr Ziel war es, im Besucher das „Bewusstsein der gegenseitigen Bedingtheit von Volk und Rasse, von Staat und Volk, von Volk und Wirtschaft“ zu wecken.³⁰² Dadurch sollte „der einzelne Volksgenosse gepackt und in manchen Dingen zur Aenderung seiner Haltung gezwungen werden“.³⁰³
299 So Elsner von Gronow für das Reichspropagandaministerium. Niederschrift über die Sitzung des Arbeitsausschusses vom 09.10.1933 vormittags 10 Uhr. BArch Berlin R 3901/7247, Bl. 64–72, hier Bl. 65. 300 Unter der Schirmherrschaft des Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg. Ausstellung Deutsches Volk – Deutsche Arbeit. Berlin 1934. 17. März–1. Mai. Programm. LA Berlin A Rep. 015– 02/Nr. 32091, unpaginiert. 301 Ebd. 302 Niederschrift über die Sitzung des Arbeitsausschusses vom 09.10.1933 vormittags 10 Uhr. BArch Berlin R 3901/7247, Bl. 64–72, hier Bl. 66. 303 Zeitungsausschnitt o. V.: Hilfe für Mutter und Kind. Die Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“. FU Berlin, Universitätsarchiv, Sammlung Fritz Rott, Kasten 247, unpaginiert.
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Am 18. März 1933 stellte Albert Wischek den Expositionsentwurf Josef Goebbels vor.³⁰⁴ Im Juni 1933 akzeptierte ihn der Reichspropagandaminister und die organisatorischen Vorbereitungen begannen.³⁰⁵ Das Hygiene-Museum übernahm die Herstellung der Hauptgruppe „Deutsches Volk“, an der darüber hinaus Organisationen wie der Reichsausschuss für Volksgesundheitsdienst, das Aufklärungsamt für Bevölkerungspolitik und Rassenpflege sowie diverse Reichsministerien beteiligt waren.³⁰⁶ Bei der Hauptgruppe „Deutsche Arbeit“ verliefen die Vorbereitungen schwieriger, was wohl auch damit zusammenhing, dass es hierfür keinen zentralen Ansprechpartner wie das Hygiene-Museum gab. Vor allem deswegen trug sie stärker den Charakter einer traditionellen Industrieausstellung. Die unterschiedlich gut koordinierte Vorbereitung der beiden Hauptgruppen führte dazu, dass das Reichsarbeitsministerium den Eindruck gewann, der Bereich „Deutsches Volk“ drohe die Exposition zu dominieren, während der ökonomisch ausgerichtete Teil „Deutsche Arbeit“ hier „erheblich zurückzubleiben scheine“.³⁰⁷ Das Ministerium bat daher das Reichsfinanzministerium um finanzielle Beihilfe, um diese Inhalte selbst erarbeiten zu können.³⁰⁸ Nachdem diese bewilligt worden war, wurde für die Schau eine neue Gruppe über Arbeitslosenfürsorge, Arbeitsbeschaffung, Sozialversicherung sowie dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit gestaltet. Besondere Aufmerksamkeit schenkten die Verantwortlichen den sinkenden Arbeitslosenzahlen seit der NS-Machtübernahme.³⁰⁹ Der ursprünglich anvisierte Eröffnungstermin am 17. März 1934 konnte nicht gehalten werden, so dass die Exposition „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ schließlich vom 21. April bis zum 3. Juni 1934 in den Berliner Messehallen zu sehen war.³¹⁰ Der Besucher betrat zunächst die Ehrenhalle, die die Geschichte der drei deutschen Reiche ausbreitete. An ihrem Ende stand ein „Photobild, das noch einmal daran erinnert, daß vierzig Millionen Deutsche am 12.11.1933 ja gesagt haben zu der Politik
304 Vgl. Albert Wischek: Ziel und Aufbau der Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“, Berlin 1934, in: Messe und Ausstellung 16 (1934) 9, S. 3. 305 Vgl. Schreiben Berliner Messeamt an das Reichsarbeitsministerium vom 26.06.1933. BArch Berlin R 3901/7247, Bl. 18–19. 306 Vgl. Das Deutsche Hygiene-Museum im Jahre 1933, S. 19. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 6, Bl. 1. 307 Vermerk über die Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ vom 31.01.1934. BArch Berlin R 3901/21006, Bl. 134. 308 Vgl. Schreiben Herrmann Rettig für das Reichsarbeitsministerium an den Reichsminister der Finanzen vom 07.12.1933. BArch Berlin R 2/18585, Bl. 11/1. 309 Vgl. Vermerk über die Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ vom 31.01.1934. BArch Berlin R 3901/21006, Bl. 134; F. C.: Arbeitsrecht, Arbeitsschutz, Arbeitsbeschaffung, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung vom 22.04.1934, S. 16. 310 Vgl. Schreiben Gebhard an Georg Hartrodt vom 06.01.1934. BArch Berlin R 3901/7247, Bl. 85.
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des Führers Adolf Hitler“.³¹¹ Dieser Einstimmungen schlossen sich auf 65 000 qm Ausstellungsfläche die einzelnen Fachgruppen an.³¹² „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ war enger umgrenzt als frühere Gesundheitsschauen und zielte nicht mehr auf die Darstellung aktueller Forschung ab. Stattdessen wollte sie „wirtschaftspolitische Plattform“ und „Ausstellung über Rassenkunde und Rassenpflege“ sein.³¹³ Als solche beschäftigte sie sich auch ausgedehnt mit dem Ariermythos, pflegte intensiv den deutschen Germanenkult und propagierte die nationalsozialistische Blut-und-Boden-Ideologie.³¹⁴ 750 000 Menschen besuchten die Berliner Exposition. Bis zu 6000 Mitarbeiter waren zeitweise für sie beschäftigt.³¹⁵ Ungewöhnliche Präsentationstechniken sowie die teilweise von Bauhauskünstlern wie Martin Gropius gestalteten Gruppen mussten einen außergewöhnlich ästhetischen Eindruck auf die Besucher gemacht haben.³¹⁶ Gleiches gilt für den von Herbert Bayer gestalteten Katalog, der sich in seiner Ästhetik deutlich von früheren Katalogen der Gesundheitsschauen abhob.³¹⁷ Trotz des Aufwands erreichte das Berliner Messeamt ohne finanzielle Zuschüsse der öffentlichen Hände allein durch den Verkauf von Eintrittskarten sowie Platzmieten kommerzieller Aussteller ein ausgeglichenes Ergebnis.³¹⁸
311 Bruno Gebhard: Die Ehrenhalle der Ausstellung, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-Gesellschaft (Hrsg.): Deutsches Volk – Deutsche Arbeit. Amtlicher Führer durch die Ausstellung, Berlin 1934, S. 45–57, hier S. 57. 312 Vgl. Wischek: Ziel und Aufbau der Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“, S. 3. 313 o. V.: Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ in Berlin. Die erste Jahresschau nationaler Arbeit, in: Messe und Ausstellung 16 (1934) 5, S. 5–6. 314 Vgl. „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ 21. April bis 3. Juni – wird heute eröffnet. Nachrichtendienst der Gemeinnützigen Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH. BArch Berlin R 3901/7248, Bl. 130–142, v. a. Bl. 135. Zu der Exposition vgl. auch Kivelitz: Die Propagandaausstellung in europäischen Diktaturen, S. 89–91. 315 Vgl. o. V.: Das Fazit der Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit, Berlin 1934“, in: Messe und Ausstellung 16 (1934) 12, S. 2. 316 Einen visuellen Eindruck vermitteln die Fotografien von der Exposition im Bauhaus-Archiv Berlin. Vgl. Bauhaus-Archiv Berlin Lnv.–Nr. F2009/9. 317 Vgl. o. V.: Deutsches Volk – Deutsche Arbeit, Berlin 1934. Zu Bayers Engagement bei den NSExpositionen vgl. Patrick Rössler: Als Gebrauchsgrafiker im Nationalsozialismus: „mein reklamefegefeuer“, in: Ders. (Hrsg.): Herbert Bayer: Die Berliner Jahre – Werbegrafik 1928–1938, Berlin 2013, S. 44–62; Ders.: Mediatisierung von Alltag im NS-Deutschland: Herbert Bayers Bildsprache für die Propagandaausstellungen des Reiches, in: Maren Hartmann/Andreas Hepp (Hrsg.): Die Mediatisierung der Alltagswelt, Wiesbaden 2010, S. 211–230; Weißler: Bauhaus-Gestaltung in NS-Propaganda-Ausstellungen, S. 48–63. 318 Vgl. Wischek: Ziel und Aufbau der Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“, S. 3. Zu Wischeks Finanzkonzept vgl. Entwurf Albert Wischek: Deutsches Volk – Deutsche Arbeit, S. 10. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32091, unpaginiert.
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Die Ausstellung „Wunder des Lebens“ von 1935 „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ war als erste umfangreiche Gesundheitsschau im Dritten Reich ein großer Erfolg, wurde gar von Hitler als „‚die beste Ausstellung, die ich je gesehen habe‘“ bezeichnet.³¹⁹ Sie beruhte einerseits auf bereits etablierten Ausstellungsformen, führte andererseits aber neue Darstellungsmittel wie die Ehrenhalle als Raum zur atmosphärischen Einstimmung des Besuchers ein und stellte die Inhalte der Exposition konsequenter als bisher unter eine politische wie inhaltliche Kontrolle. Die im Jahr 1935 veranstaltete Schau „Das Wunder des Lebens“ trieb diese Entwicklung nochmals voran.³²⁰ Zur Vorbereitung dieser Exposition hatten die Verantwortlichen lediglich sechs Monate Zeit.³²¹ Die erste nachweisbare vorbereitende Sitzung, zu der neben Mitarbeitern der Reichsministerien unter anderen das Berliner Messeamt, der Reichsausschuss für Volksgesundheitsdienst und die Berliner Bezirksbürgermeister eingeladen waren, fand am 17. Januar 1935 statt.³²² Dort vereinbarten die Anwesenden in Grundzügen das Programm der Schau. Die „Wunder des Lebens“ war konzeptionell und hinsichtlich der Formensprache als Fortsetzung der „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ gedacht, sollte allerdings wie schon die GeSoLei den deutschen Menschen in den Mittelpunkt stellen. Anders als zuvor gliederte man die Inhalte der Exposition nach biologischen Gesichtspunkten. Letztlich bedeutete dies einen dem chronologischen Verlauf des Lebens von der Geburt bis zum Tod folgenden Aufbau, der jedoch immer wieder durch thematische Einschübe unterbrochen wurde.³²³ Insgesamt hatte die Ausstellung vier Abteilungen – „Lehre vom Leben“, „Träger des Lebens“, „Erhaltung des Lebens“ und „Stätten des Lebens“ –, die sich aus mehreren Untergruppen zusammensetzten. Das Reichsministerium des Innern leitete das Projekt, das Reichspropagandaministerium sowie das Reichsarbeitsministerium unterstützten es dabei.³²⁴ Das Messeamt wiederum sicherte den Teilnehmern zu,
319 Rundschreiben Wischek vom 06.06.1934. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–57, unpaginiert. 320 Vgl. zu dieser Exposition auch Michael Tymkiw: Den Körper spielerisch erkunden. Die Ausstellung Das Wunder des Lebens 1935 in Berlin und ihr Nachleben, in: Nikolow (Hrsg.): Erkenne Dich selbst!, S. 320–342. 321 Vgl. Bruno Gebhard: Im Strom und Gegenstrom, Wiesbaden 1976, S. 90. 322 Vgl. Schreiben von Dr. Klein an die Bezirksbürgermeister vom 12.01.1935. LA Berlin A Rep. 033– 08/Nr. 345, unpaginiert. 323 Vgl. Bruno Gebhard: Rundgang, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-Gesellschaft (Hrsg.): Das Wunder des Lebens. Amtlicher Führer durch die Ausstellung, Berlin 1935, S. 141–156. 324 Vgl. Bericht über die Sitzung am 17. Januar 1935 betr. die Ausstellung „Das Wunder des Lebens“ vom 25.01.1935. BArch Berlin R 3901/4633, Bl. 195–202.
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die Gestaltung der Hallen II und III sowie des Ehrenhofs aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Die in den übrigen Hallen vertretenen Organisationen mussten keine Miete bezahlen, aber für die Herstellung ihrer Exponate aufkommen. Die wissenschaftliche Leitung übernahm Bruno Gebhard, aber auch Fritz Rott wirkte an den Vorbereitungen mit. Inhaltlich bemühten sich die Verantwortlichen vor allem, das am 1. Januar 1934 in Kraft getretene Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses zu legitimieren.³²⁵ Gleichwohl blieb die Exposition durch die Einbeziehung weiterer Organisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz, dem Reichsarbeitsdienst oder der NS-Volkswohlfahrt zumindest in Ansätzen multiperspektivisch ausgerichtet.³²⁶ Da die Schau eine medizinisch-naturwissenschaftliche, auf den „Volkskörper“ abzielende Stoßrichtung beibehielt, übernahm das Hygiene-Museum große Teile der Ausstellungsvorbereitungen – und griff auch auf Material aus vorangegangenen Expositionen zurück. Es sollte eine Hauptgruppe stellen und das erste Mal überhaupt den „Gläsernen Menschen“ nach Berlin bringen.³²⁷ Die Schau entwickelte sich zu einer ökonomisch bedeutenden Unternehmung für das Museum, so dass Anfang des Jahres 1935 die Dresdner Werkstätten ausschließlich für die „Wunder des Lebens“ arbeiteten.³²⁸ Auf der Ebene der Ausstellungsorganisation machte sich nun verstärkt die antisemitische Politik der Nationalsozialisten bemerkbar. So fragte das Messeamt 1935 beim Reichswirtschaftsministerium an, ob es rechtlich möglich sei, jüdische Unternehmen von der Teilnahme an den Expositionen auszuschließen. Grundsätzlich habe man es bisher „stets als selbstverständliche Pflicht angesehen“, die Beteiligung „von jüdischen Firmen“ dadurch zu verhindern, dass man diese gar nicht erst zur Teilnahme aufforderte oder ihnen im Falle einer Anmeldung aus
325 Vgl. die Eröffnungsrede von Reichsinnenminister Wilhelm Frick, auszugsweise abgedruckt in: To: „Das Wunder des Lebens“, S. 322–326. Zum Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vgl. u. a. Eckart: Medizin in der NS-Diktatur, S. 116–133. 326 Zu den Ausstellern vgl. o. V.: „Das Wunder des Lebens“, in: Deutsches Ärzteblatt 65 (1935) 12, S. 287; Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-Gesellschaft (Hrsg.): Das Wunder des Lebens. Amtlicher Führer durch die Ausstellung. 327 Vgl. Protokoll Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses des Deutschen Hygiene-Museums Dresden vom 22.01.1935. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 53, Bl. 21–22. Zuvor mussten aber zunächst das Museum und das Reichsministerium des Innern ihre Differenzen hinsichtlich der neuen Satzung des Hauses beilegen. 328 Vgl. Akte HStA Dresden 13688 Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf/Nr. 4 sowie Das Deutsche Hygiene-Museum im Jahre 1935, S. 14. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 6, Bl. 3.
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unterschiedlichen Gründen absagte.³²⁹ In seiner Antwort hielt das Ministerium den Ausschluss jüdischer Unternehmen von Veranstaltungen, die „ein allgemeines Bild über die Entwicklung des neuen Deutschlands“ geben für statthaft.³³⁰ Bei reinen Gewerbeausstellungen musste das Messeamt allerdings alle Interessenten und demnach auch jüdische Firmen zu den Schauen zulassen. Für die Gesundheitsschauen bedeutete dies, dass jüdische Aussteller von ihnen ausgeschlossen wurden. Dies war ein deutlicher Bruch mit den früheren Expositionen, wo es immer Gruppen oder gar ganze Pavillons zur „Hygiene der Juden“ gab.³³¹ „Wunder des Lebens“ war vom 23. März bis zum 5. Mai 1935 in den Messehallen am Kaiserdamm zu sehen. In sieben Hallen, auf 40 000 qm Ausstellungsfläche vermittelte sie „dem Volksgenossen in leicht verständlicher und höchst einprägsamer Form Wissen um den höchsten Organismus, den die Natur schuf“³³² und führte ihn „zu der organischen Einheit der Familie und schließlich zu der des Volkes, bedingt durch Blut und Boden.“³³³ Besondere Aufmerksamkeit weckte ihre didaktische Gestaltung. Mehr noch als die „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ wirkte die „Wunder des Lebens“ wissenschaftspopularisierend, auf Laienansprache ausgerichtet und inhaltlich sowie hinsichtlich ihres Designs durchgestaltet.³³⁴ Zwar waren zahlreiche Exponate des Hygiene-Museums zur Veranschaulichung körperlicher Zusammenhänge schon bekannt, doch wurden sie nun konsequent in den Mittelpunkt gestellt und nicht durch weitere, sich eher an ein wissenschaft-
329 Schreiben Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH an den Staatskommissar der Hauptstadt Berlin vom 04.06.1936. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32091, unpaginiert. 330 Schreiben des Reichs- und Preußischen Wirtschaftsministeriums an die Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH vom 01.04.1936. LA Berlin A Rep. 015– 02/Nr. 32091, unpaginiert. 331 Vgl. Wiesemann: „Hygiene der Juden“ auf der Düsseldorfer Gesolei 1926, S. 24–37; Ders.: Die Präsentation der „Hygiene der Juden“ auf Hygiene-Ausstellungen in Deutschland, in: Nora Goldenbogen/Susanne Hahn/Caris-Petra Heidel/Albrecht Scholz (Hrsg.): Hygiene und Judentum, Dresden 1995, S. 16–22; Presner: Muscular Judaism. 332 o. V.: Das Wunder des Lebens. Ausstellung am Kaiserdamm. Berlin 23. März–5. Mai, o. O. 1935, o. S. 333 K. W. Thiele: Das Wunder des Lebens, in: Leipziger Populäre Zeitschrift für Homöopathie 66 (1935) 4, S. 77. 334 Vgl. Hatto Weiß: Etwas über die Ausstellungstechnik der Jahresschau „Das Wunder des Lebens“, in: Die Technische Assistentin 11 (1935) 4, S. 126–130. Die Ausstellungsdidaktik lobte auch der sonst kritische Max Frisch in seinem Bericht über die Schau. Vgl. Max Frisch: Kleines Tagebuch einer deutschen Reise, in: Ders. (Hrsg.): Gesammelte Werke in zeitlicher Folge. Erster Band. Kleine Prosaschriften. Blätter aus dem Brotsack. Jürg Reinhart, Frankfurt am Main 1976, S. 84–97. Einen Eindruck von der „Wunder des Lebens“ vermittelt die Fotodokumentation im Nachlass Bruno Gebhards. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection GF–6.
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liches Publikum richtende, Abteilungen überlagert. Dies zeigt nicht zuletzt der von Gebhard in Zusammenarbeit mit der Union Deutsche Verlagsgesellschaft herausgegebene Katalog „Das Wunder des Lebens“, der zwar keine offizielle Ausstellungspublikation war, aber im Kontext mit ihr stand und in enger Abstimmung mit dem Hygiene-Museum erstellt wurde.³³⁵ Dieser sollte „in wissenschaftlich einwandfreier Weise als Hausbuch für die breitesten Volkskreise“ fungieren, zielte aber nicht mehr auf ein medizinisches Fachpublikum ab.³³⁶ Die größte Attraktion der Ausstellung war der „Gläserne Mensch“ des HygieneMuseums.³³⁷ Von innen heraus illuminiert in einem abgedunkelten Raum auf einem Podest stehend und dadurch von den Besuchern abgesetzt erklärte ein Tonband im Hintergrund des Objekts die Funktionsweise des Körpers.³³⁸ Das Publikum begegnete so durch das Exponat zunächst einer ganzheitlichen Präsentation des menschlichen Organismus, bevor es in den folgenden Räumen seine in einzelne Funktionsweisen zergliederten Teile vorgeführt bekam. Derartig inszeniert fungierte der „Gläserne Mensch“ wie schon in Dresden 1930/31 als Sinnbild des Körpers, als funktionierendes, gesundes, medizinisch-naturwissenschaftlich entschlüsseltes „technisches und künstlerisches Meisterwerk“ zwischen Norm und Wunder.³³⁹ 600 000 Menschen sahen die Ausstellung.³⁴⁰ In der Folgezeit tourten die vom Hygiene-Museum gestalteten Teile der Schau als Wanderausstellung durch Europa. Das Hygiene-Museum selbst zeigte 1935 die Exposition unter dem Namen „Wissen
335 Beispielsweise stammte der größte Teil der über 300 Abbildungen im Buch aus der Sammlung des Dresdner Hauses. Vgl. Schreiben Seiring an Gebhard vom 04.02.1937. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 4, Folder III–8, unpaginiert. 336 Vertrag zwischen Bruno Gebhard und der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 4, Folder III–8, unpaginiert. Für die Publikation vgl. Bruno Gebhard (Hrsg.): Wunder des Lebens, Stuttgart u. a. 1936. 337 Vgl. u. a. Bln.: Das Wunder des Lebens, in: Die Mittelschule. Zeitschrift der Reichsfachschaft Mittelschule im Nationalsozialistischen Lehrerbund 49 (1935) 17, S. 200–202, hier S. 200; H. B.: „Das Wunder des Lebens“. Qualitätsarbeit des Deutschen Hygiene-Museums erobert die Welt. Sonderdruck aus dem Dresdner Anzeiger vom 28.03.1935, S. 4. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection, Box 3, Folder IV–45, unpaginiert. 338 Vgl. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection GF–6–15. 339 Martin Roth: Menschenökonomie oder der Mensch als technisches und künstlerisches Meisterwerk, in: Beier/Roth (Hrsg.): Der Gläserne Mensch – eine Sensation, S. 39–67. Vgl. weiter Ragnhild Münch: Von der Hygiene-Ausstellung zum Hygiene-Museum, in: Acta Medico-Historica Rigensia NF 1 (1992), S. 74–97, hier S. 94–95; Kivelitz: Die Propagandaausstellung in europäischen Diktaturen, S. 99; Klaus Vogel: Das Deutsche Hygiene-Museum als Diskussionsort eines modernen Menschenbildes, in: Dresdner Hefte 17 (1999) 1, S. 83–93, hier S. 86–87. 340 Vgl. o. V.: Abschluß der großen Ausstellung „Das Wunder des Lebens“ Berlin, in: Messe und Ausstellung 17 (1935) 10, S. 2.
2.3 NS-Machtübernahme bis zum Zweiten Weltkrieg
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und Wunder“, bevor sie als Wechselausstellung ins Ausland weiterreiste.³⁴¹ Die „Wunder des Lebens“ hatte die Entwicklung hin zu einer ausschließlich populären Gesundheitsausstellung nochmals weitergetrieben. Aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung, personeller, institutioneller sowie objektbezogener Kontinuitäten war sie die größte Gesundheitsschau im eigentlichen Sinn während des Dritten Reichs. Dennoch gibt es gute Gründe, diese Exposition nicht als singulär, sondern im Verbund mit der vorangegangenen „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ und der nachfolgenden „Deutschland“ als „Ausstellungstrilogie“ zu verstehen.³⁴² Die Trägerschaft des Berliner Messeamts, die Tätigkeit Bruno Gebhards als wissenschaftlicher Kurator sowie die einheitliche Gestaltung diverser Publikationen durch Herbert Bayer ließen sie eher als ein zusammengehöriges Expositionsprojekt denn als Einzelveranstaltungen erscheinen.³⁴³ Innerhalb dieses Triptychons betonte „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ das Verhältnis von Körper und Wirtschaft, während die „Wunder des Lebens“ stärker auf die medizinisch-naturwissenschaftliche Darstellung des Körpers abhob.
Die Ausstellung „Deutschland“ von 1936 Die 1936 während der Olympischen Spiele veranstaltete „Deutschland“ stellte sich nun ganz in den Dienst der NS-Selbstdarstellung vor dem Ausland.³⁴⁴ Erste Planungen für die Ausstellung begannen bereits 1933³⁴⁵; einen definitiven Programmentwurf legte das Messeamt im April 1935 Goebbels vor.³⁴⁶ Die offizielle Ankündigung der Schau durch die Reichsregierung erfolgte schließlich am 14. Oktober 1935.³⁴⁷ Ihr Ausgangspunkt war die Überlegung, dass die Olympischen Spiele „eine einzigartige Gelegenheit zur Kulturpropaganda für Deutschland“ seien, die man auch
341 Vgl. o. V.: „Wissen und Wunder“ das Meisterwerk des Deutschen Hygiene-Museums, Dresden. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden, DHM 1997/2769. 342 Vgl. Rössler: Mediatisierung von Alltag im NS-Deutschland, S. 211–230, hier S. 214–215. 343 Auch Albert Wischek wies explizit auf die innere Zusammengehörigkeit der drei Ausstellungen hin. Vgl. Albert Wischek: Berliner Großausstellungen im Dritten Reich. 6 Jahre nationalsozialistischen Ausstellungswesens, in: Jahrbuch der Reichshauptstadt, Berlin 1939, S. 143–145. 344 Zu den Olympischen Spielen vgl. Reinhard Rürup (Hrsg.): 1936 – die Olympischen Spiele und der Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Berlin 1999. 345 Vgl. Bruno Gebhard: Deutschland. Reichsausstellung im Olympiajahr 1936 vom 18.10.1933. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–59, unpaginiert 346 Vgl. Schreiben Wischek an den Staatskommissar der Hauptstadt Berlin, Dr. Lippert vom 10.04.1935. LA Berlin A Pr. Br. Rep. 057/Nr. 2186, Bl. 77. 347 Vgl. o. V.: Olympic visitors to see Nazi show, in: New York Times vom 14.10.1935, S. 13.
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im Ausstellungswesen nicht ungenutzt verstreichen lassen wollte.³⁴⁸ Die Schau werde, so der Plan ihrer Organisatoren, den ausländischen Gästen „einen lebendigen Eindruck von der Gesamtheit des Begriffes Deutschland geben.“³⁴⁹ Durch die ausstellungsgemäße Verknüpfung von deutscher Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft biete sich die Gelegenheit, in Berlin „den ausländischen und auslandsdeutschen Besuchern Deutschlands in den wirklichen Geist des Nationalsozialismus einzuführen und dessen Leistung zu demonstrieren.“³⁵⁰ Die Ausstellung werde dadurch zu einer „repräsentative[n] Schau des heutigen Deutschlands und vor allem der letzten drei Jahre“ sowie der „deutschen Kulturleistungen in der Vergangenheit“ werden.³⁵¹ Die „Deutschland“ war inhaltlich weiter gefächert als ihre Vorgängerinnen, präsentierte sich den Besuchern auf 38 000 qm Hallenfläche und einem 113 000 qm großen Freigelände mit den drei Hauptabteilungen „Das neue Deutschland“, „Deutsches Volk und deutsches Land“ sowie „Deutsche Wirtschaft“. Hinzu trat eine Sondergruppe über Berlin als „Schaufenster des Reiches“. Die erste Abteilung, in die die Ehrenhalle integriert war, behandelte die politische Situation nach der NS-Machtübernahme. Sie betonte die Bedeutung von Führerwille und Gefolgschaftstreue, zeigte aber in erster Linie ein sich im „im friedlichen Wiederaufbau“ befindendes „Volk ohne Raum“.³⁵² Goebbels selbst bezeichnete diese Halle in seiner Eröffnungsrede als „Rechenschaftsbericht für alle Gebiete des völkischen und staatlichen Lebens.“³⁵³ Es folgten ein historischer Abriss der deutschen Kulturgeschichte, eine deutsche Leistungsschau, die das Deutsche Reich als Land der Dichter und Denker präsentierte, ehe sich schließlich die Hauptabteilung „Deutsches Volk und deutsches Land“ mit zum Teil eher volkstümlichen Landschaftsdarstellungen anschloss.³⁵⁴ Die Abteilung „Deutsche Wirtschaft“ zeigte zuletzt den Besuchern die Ergebnisse „deutschen Qualitäts-
348 DEUTSCHLAND. Reichsausstellung im Olympiajahr 1936 vom 11. Juli bis 10. August, S. 1. LA Berlin A Pr. Br. Rep. 057/Nr. 2186, Bl. 78–84. 349 Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH (Hrsg.): Offizieller Rundgang. Deutschland. Ausstellung Berlin 1936. 18 Juli–16. August, Berlin 1936, S. 3. Hervorhebung im Original. 350 DEUTSCHLAND. Reichsausstellung im Olympiajahr 1936 vom 11. Juli bis 10. August, S. 1. LA Berlin A Pr. Br. Rep. 057/Nr. 2186, Bl. 78–84. 351 Schreiben Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda an das Reichsgesundheitsamt vom 30.06.1936. BArch Berlin R 86/2750, unpaginiert. 352 Ziegler: Ziel und Aufbau der Ausstellung ‚Deutschland‘ in Berlin, in: Messe und Ausstellung 18 (1936) 4, S. 3. 353 Die Rede ist in Teilen abgedruckt in o. V.: Das „ewige Deutschland“, in: Germania vom 19.07.1936, o. S. Hervorhebung im Original. 354 Vgl. die viersprachige Broschüre: o. V.: Deutschland Ausstellung 18. Juli bis 16. August 1936, Berlin 1936.
2.3 NS-Machtübernahme bis zum Zweiten Weltkrieg
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schaffens und deutscher Spitzenleistungen.“³⁵⁵ Auf dem Außengelände befanden sich ein Schaulager des Reichsarbeitsdienstes, ein Freilichtkino mit Filmberichten über die Olympischen Wettkämpfe sowie eine Bühne, auf der täglich gymnastische oder artistische Vorführungen stattfanden.³⁵⁶ Die Schau enthielt Gruppen zur Sozialfürsorge sowie Rassenhygiene, berichtete von körperlicher Ertüchtigung der Jugend und zeigte Menschen bei handwerklicher oder sportlicher Betätigung.³⁵⁷ Auf diese Weise führte sie den Besuchern vor Augen, dass Rassenreinheit und Gesundheit die Grundlagen des deutschen Wiederaufstiegs seien.³⁵⁸ Die Exposition fand vom 18. Juli bis zum 16. August 1936 statt. Ihr Aufbau begann etwa drei Wochen vor der Eröffnung. Zwischenzeitlich wurden ein 80 Meter hohes und 14 Meter langes Gerüst zur Dekoration der Ehrenhalle errichtet und 500 000 Blumen gepflanzt.³⁵⁹ Die Schau präsentierte sich als gigantischer Ausweis deutscher Arbeitsleistung vor dem internationalen Publikum. Goebbels selbst eröffnete sie mit einer Rede, in der er betonte, es sei „nicht nur unser gutes Recht, sondern geradezu gebieterische Pflicht“, mit der Ausstellung „Zeugnis für den neuerwachten Lebenswillen der deutschen Nation“ abzulegen.³⁶⁰ 1,3 Millionen Menschen besuchten die „Deutschland“.³⁶¹
„Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ – die letzte Gesundheitsschau vor dem Krieg Die „Deutschland“ bildete den Abschluss der NS-Ausstellungstrilogie von 1934 bis 1936. Gleichwohl fanden nach 1936 weitere Gesundheitsexpositionen statt. Das
355 o. V.: Die Ausstellung „Deutschland“ Berlin 1936–18. Juli bis 26. August, in: Die Städtereinigung 28 (1936) 14, S. 399–406, hier S. 405. 356 Vgl. Ebd., S. 406. 357 Für eine Übersicht über die Schau vgl. o. V.: Rundgang durch die Ausstellung „Deutschland“ Berlin 1936 18. Juli bis 16. August, Ausstellungshallen am Funkturm, in: Messe und Ausstellung 18 (1936) 14, S. 2–6; Gemeinnütziger Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH (Hrsg.): Amtlicher Führer durch die Ausstellung Deutschland. Berlin 1936, 18. Juli bis 16. August. Ausstellungshallen am Funkturm, Berlin 1936. 358 Vgl. E. H.: „Deutschland“. Die größte Ausstellung dieses Jahres, in: Die Räder. Illustrierte Zeitschrift der Technischen Nothilfe 17 (1936) 15, S. 467–469, hier S. 467. 359 Vgl. Die Ausstellung „Deutschland“ im Aufbau. Nachrichtendienst der Gemeinnützigen Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH vom 02.07.1936, S. 1–3. LA Berlin A Rep. 015– 02/Nr. 32091, unpaginiert. 360 o. V.: Deutschland-Schau eröffnet, in: Berliner Tageblatt vom 18.07.1936. Abend-Ausgabe, S. 3. Hervorhebung im Original. 361 Vgl. Aufstellung der vom Deutschen Propaganda-Atelier seit Bestehen bis zum Stichtage aufgebauten und gestalteten Ausstellungen. BArch Berlin R 55/747, Bl. 154–155.
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Hygiene-Museum veranstaltete weiterhin Wechselausstellungen und das Berliner Messeamt war ebenfalls noch tätig. Auch an der letzten größeren Gesundheitsschau vor Beginn des Zweiten Weltkriegs waren die beiden Institutionen beteiligt. Vom 24. September bis zum 6. November 1938 fand die Schau „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ statt. Als Veranstalter dieser Exposition traten der Reichsarbeitskreis für Gesundheitsführung in der NSDAP, die NS-Organisation Kraft durch Freude und das Berliner Messeamt auf. Die Schirmherrschaft übernahm Rudolf Heß.³⁶² Das Hygiene-Museum steuerte viel beachtete Ausstellungsinhalte wie den CellonGiganten oder den Giftmenschen bei, trat allerdings nicht mehr als eigenständiger Aussteller hervor.³⁶³ Nicht mehr beteiligt waren Bruno Gebhard und Herbert Bayer, die beide zuvor in die USA emigriert waren.³⁶⁴ Gebhards Position übernahm der wissenschaftliche Leiter des Hygiene-Museums, Theodor Pakheiser. Die Schau versprach, keine Hygieneausstellung zu werden, sondern sich „streng an den Titel“ zu halten, nur „die Gesundheitsführung des Schaffenden“ vorzuführen und Krankheit sowie Krankenbehandlung außen vor zu lassen.³⁶⁵ Neben den beinahe obligatorischen Selbstdarstellungen verschiedener Organisationen des Dritten Reichs wie dem Reichsnährstand oder dem Hauptamt für Volksgesundheit, aber auch Institutionen wie der Reichspost beinhaltete die Schau eine sich über mehrere Hallen ziehende Industrieabteilung. Ihre eigentliche Innovation stellte die Abteilung „Erkenne dich selbst“ dar. Dort ermöglichten es Mitarbeiter des Hygiene-Museums den Besuchern mit Hilfe verschiedener Geräte, den eigenen Körper zu überprüfen. Man maß den Blutdruck, ermittelte das Körpergewicht, untersuchte Sehvermögen, Körperkraft oder Reaktionsschnelligkeit. Für zwei Reichsmark Unkostenbeitrag konnten sich die Besucher den Brustkorb röntgen lassen und wurden gegebenenfalls zur näheren Untersuchung zum Arzt geschickt. Alle Daten ließen sich die Patienten auf einer Karte vermerken, so dass sie am Ende der Sondergruppe eine quantifizierte Topographie ihres Körpers in der Hand hielten. 100 000 Besucher zählte die Gruppe³⁶⁶; insgesamt 12 500 Per-
362 Vgl. o. V.: Reichsausstellung „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ in Berlin, in: Messe und Ausstellung 20 (1938) 13, S. 4; Ausstellungs- und Messeamt der Stadt Berlin (Hrsg.): Ausstellung Gesundes Leben – Frohes Schaffen. Berlin Funkturm 24. Sept.–6. Nov. 1938, Berlin [1938], o. S. 363 Vgl. Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden im Jahre 1938. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 6, Bl. 6. 364 Gleichwohl orientierte sich der Ausstellungskatalog erkennbar an Bayers früheren Designs. 365 Vierteljahresbericht der Gesellschaftsfachverwaltung der Berliner Ausstellungen, Eigenbetrieb der Reichshauptstadt (bisher Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH), an den Oberbürgermeister (Allg. H I 9a–b) für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1938 vom Februar 1939, S. 5. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32092, unpaginiert. 366 Vgl. Vierteljahresbericht der Gesellschaftsfachverwaltung der Berliner Ausstellungen, Eigenbetrieb der Reichshauptstadt (bisher Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und
2.3 NS-Machtübernahme bis zum Zweiten Weltkrieg
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sonen unter ihnen ließen sich röntgen.³⁶⁷ Schon die „Deutschland“ 1936 führte ein vollständig eingerichtetes Röntgenlabor in Betrieb vor, wo aber nur Werkstoffe durchleuchtet wurden.³⁶⁸ Erneut waren also viele der ausgestellten Geräte schon früher zum Einsatz gekommen, doch ihre Zusammenführung in einer – auch räumlich abgetrennten – Sondergruppe war neuartig und gab der Schau ein anderes Gepräge. Das übergeordnete Ziel der Ausstellung war es, durch die Darstellung des Volks als „große biologisch verflochtene Schicksalsgemeinschaft“³⁶⁹ der Bevölkerung zu erklären, wie jeder Einzelne „verantwortungsbewußt gegenüber Volk, Familie und sich selbst das Steuer seines Lebens zu führen“ hatte.³⁷⁰ Doch die Schau knüpfte nicht an die Ergebnisse ihrer Vorgängerinnen an. Mit 380 000 Besuchern blieb sie unter den Erwartungen; das Messeamt verzeichnete sogar ein finanzielles Defizit.³⁷¹ Auch die Presseberichterstattung war nicht so intensiv wie in den Jahren zuvor.³⁷²
Zwischenfazit „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ war die letzte große Gesundheitsausstellung vor dem Zweiten Weltkrieg. Beginnend mit der Berliner Allgemeinen Deutschen Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene und des Rettungswesens 1882/1883 hatte
Fremdenverkehrs-GmbH), an den Oberbürgermeister (Allg. H I 9a–b) für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1938 vom Februar 1939, S. 10. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32092, unpaginiert. 367 Vgl. F. Heisig: Röntgen-Reihenphotographie, in: Agfa Röntgenblätter 9 (1939) 2/3, S. 40–48, hier S. 40. 368 Vgl. To.: Ausstellung „Deutschland“ vom 18. Juli bis 16. August 1936 in Berlin, in: Deutsches Ärzteblatt 66 (1936) 31, S. 795–796. 369 Rundschreiben des Oberbürgermeisters der Stadt Berlin, Julius Lippert, vom 17.06.1938. LA Berlin A Rep. 003–04–03/Nr. 111, unpaginiert. 370 Ausstellungs- und Messeamt der Stadt Berlin (Hrsg.): Ausstellung Gesundes Leben – Frohes Schaffen, o. S. 371 Vgl. Vierteljahresbericht der Gesellschaftsfachverwaltung der Berliner Ausstellungen, Eigenbetrieb der Reichshauptstadt (bisher Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH), an den Oberbürgermeister (Allg. H I 9a–b) für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1938 vom Februar 1939 (ohne Tagesangabe), S. 10–13. LA Berlin A Rep. 015–02/ Nr. 32092, unpaginiert. 372 Wie allerdings Sybilla Nikolow in ihrem Aufsatz über die Schau zeigt, war zumindest die Berichterstattung zur „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ in der Berliner Tagespresse verhältnismäßig intensiv. Vgl. Sybilla Nikolow: „Erkenne und prüfe Dich selbst!“ in einer Ausstellung 1938 in Berlin. Körperleistungsmessungen als objektbezogene Vermittlungspraxis und biopolitische Kontrollmaßnahme, in: Dies. (Hrsg.): Erkenne Dich selbst!, S. 227–268, hier S. 258.
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das Format der Gesundheitsschau während der „klassischen Moderne“ eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen. Zunächst zwar als groß angelegte, aber wenig unterhaltsame Spezialexposition gestartet, popularisierte sie sich im Laufe der Jahre immer weiter und integrierte massenkulturelle Elemente wie Vergnügungsparks oder andere Bestandteile kommerzieller Welt- oder Gewerbeausstellungen. Als diese Form der Gesundheitsschau an die Grenzen ihrer Finanzierbarkeit geriet, verengte sich ihr thematischer Blick im Nationalsozialismus wieder, während der Trend zur populären Darstellung weiter zunahm. Die hygienische Volksbelehrung reflektierte aktuelle politische wie gesellschaftliche Themen immer mit, wurde von ihnen beeinflusst und war gleichzeitig selbst Teil der politischen Kultur ihrer jeweiligen Zeit. Selbst wenn nach der NS-Machtübernahme die Pluralität der Ausstellungsinhalte im Vergleich mit ihren Vorgängerinnen zurückging, lassen sich dennoch in vielerlei Hinsicht personelle, institutionelle sowie thematische Kontinuitäten zu den früheren Expositionen ziehen. Auch die Absicht, mit den Inhalten der Schau auf das Verhalten der Bevölkerung einzuwirken, bildet eine Konstante, wurde allerdings nach 1933 gesteigert und in den Dienst der nationalsozialistischen Propaganda gestellt. Parallel dazu hatte sich das Gesicht der Gesundheitsausstellungen vom Kaiserreich bis zum Vorabend des Zweiten Weltkriegs verändert. Sie waren inhaltlich fester umgrenzt, wesentlich durchgreifender kuratiert und entstanden in engerer Abstimmung mit der Reichsregierung. Kürzere Laufzeiten, zum Teil spektakuläre Inszenierungen und die weitgehende Aufgabe des Anspruchs, einen wissenschaftlichen Beitrag zu leisten, führten zu einer größeren Attraktivität für Laienbesucher, die nun zur zentralen Zielgruppe avancierten. Allerdings schien sich nach der Ausstellung „Deutschland“ die Situation erneut zu ändern. „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ enttäuschte und verstärkt rückten andere Fragen in den Fokus der Behörden, so dass die Gesundheitsschau an Bedeutung verlor. Seit 1936 versuchte Albert Wischek, der Leiter des Messeamtes, mit schlechter werdenden Aussichten, die Stadt Berlin von Lohnkürzungen bei den Mitarbeitern abzuhalten.³⁷³ 1939 wollte die Reichsstelle für Getreide, Futtermittel und sonstige landwirtschaftliche Erzeugnisse gar einzelne Ausstellungshallen für die Einlagerung von Getreide beschlagnahmen.³⁷⁴ Schließlich legte der Ber-
373 Vgl. Schreiben von Dr. Sommer an das Wirtschaftsamt der Stadt Berlin vom 19.08.1936 vom 19.08.1936. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32097, Bl. 26–34; Schreiben Wischek an das Wirtschaftsamt der Stadt Berlin, Gesellschaftsfachverwaltung für die Messegesellschaft vom 16.04.1937. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32097, Bl. 92–94; Schreiben des Julius Lippert an das Messeamt vom 03.05.1937. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32097, Bl. 104. 374 Vgl. Niederschrift über die Sitzung der Beiräte des Eigenbetriebes der Reichshauptstadt Berlin „Berliner Ausstellungen“ am Mittwoch, dem 29. Mai 1940, 10 Uhr. LA Berlin A Rep. 015–02/ Nr. 32094, Bl. 57–66. Dem folgte ein intensiver Schriftwechsel zwischen der Ausstellungsleitung,
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liner Oberbürgermeister Julius Lippert zum 21. September 1939 – kurz nach dem deutschen Angriff auf Polen – die Abteilung Ausstellung des Messeamts still. Bis zum Kriegsende organisierte sie nur noch Sommerveranstaltungen.³⁷⁵ Auch wenn das Hygiene-Museum selbst in Kriegszeiten Wanderausstellungen verschickte und es nach 1945 wieder großangelegte Expositionen über den Körper gab, erreichten diese nicht mehr dieselbe Popularität, öffentliche Aufmerksamkeit sowie Bedeutung wie in der Zwischenkriegszeit. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs kam die Geschichte der großen Gesundheitsausstellungen an ihr Ende.
dem Messeamt und den zuständigen Ministerien, in dem über die Zukunft der Messehallen verhandelt wurde. 375 Vgl. Niederschrift über die Sitzung der Beiräte des Eigenbetriebes der Reichshauptstadt Berlin „Berliner Ausstellungen“ am 21. Juli 1942. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32094, Bl. 229–223.
3 Netzwerken, repräsentieren, aushandeln, erfahren: Die Organisation der Gesundheitsausstellungen als sozialer Prozess Gesundheitsausstellungen durchliefen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine bemerkenswerte Entwicklung, die im Spannungsfeld zwischen Popularisierung, Wissenschaft und gesellschaftlichen Ansprüchen stand. In diesem Prozess erreichten sie als Teil der hygienischen Volksbelehrung sowie der an Bedeutung gewinnenden Populärkultur große öffentliche Aufmerksamkeit.¹ Sie bildeten Plattformen des Körperdiskurses, waren Medienereignis und Orte der Aushandlung von Deutungshoheit zwischen unterschiedlichen Akteuren. Die Akteure versuchten auf den Schauen, ihre Themen möglichst öffentlichkeitswirksam zu präsentieren, um sich im Konkurrenzkampf mit ihren Kontrahenten um Kunden, politische wie gesellschaftliche Unterstützung, wissenschaftliches Renommee oder öffentliche Gelder einen Vorteil zu sichern. Die Expositionen wurden dadurch ähnlich den Welt- und Gewerbeausstellungen zu Orten der lokalen, regionalen, nationalen oder gar internationalen Repräsentation von Ideen, Personen, Institutionen und Staaten. Denn alle an den Expositionen beteiligten Akteure wussten um deren herausgehobene Stellung, wussten um die Wahrnehmung der Schauen in der deutschen wie internationalen Presse und wollten diese Situation für sich ausnutzen. Gleichzeitig bildeten sich im chronologischen Ablauf der einzelnen Ausstellungsorganisationen personelle, institutionelle sowie auf einzelne Exponate beziehbare Kooperationen heraus.² Viele Aussteller beteiligten sich seit der HygieneAusstellung 1911 regelmäßig an den Expositionen und der Kreis der Hersteller des Ausstellungsmaterials kann zwar nicht auf das Hygiene-Museum reduziert werden, war aber dennoch so übersichtlich, dass sie untereinander schnell Koalitionen schlossen oder in Konkurrenz zueinander gerieten, in jedem Fall aber miteinander in Beziehung traten. Zuletzt verhielt sich der Besucher eigensinnig, verteilte seine Aufmerksamkeit ungleichmäßig und suchte nach Belehrung sowie Vergnügen gleichermaßen. Die Organisatoren reagierten auf diese Bedürfnisse und machten
1 Zur Entstehung der Massenkultur im Deutschen Reich vgl. vor allem Kaspar Maase: Grenzenloses Vergnügen. Der Aufstieg der Massenkultur 1850–1970, Frankfurt am Main 1997. 2 Einen schönen Eindruck von der Verwobenheit der aufeinander folgenden Expositionen vermittelt Arthur Schloßmann: Von der Gesolei (Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge u. Leibesübungen) Düsseldorf 1926 bis zur Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, in: Presse-Stelle des Deutschen Hygiene-Museums und der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 (Hrsg.): Das Deutsche Hygiene-Museum und die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, S. 39–42. DOI 10.1515/9783110469011-003
100 | 3 Die Organisation der Gesundheitsausstellungen
die Gesundheitsausstellung zu „Werbefläche, Lernort, Tanzpalast und Jahrmarkt“ in einem.³ Im Folgenden wird die Organisation von Gesundheitsausstellungen als sozialer Prozess des Netzwerkens, Aushandelns, Repräsentierens, Produzierens und Rezipierens begriffen.⁴ Exemplarisch soll aufgezeigt werden, unter welchen Kooperationsverhältnissen, sozialen, institutionellen wie epistemologischen Rahmenbedingungen Gesundheitsexpositionen entstanden und welche Rolle in dieser Konstellation dem Besucher zukam. Einerseits wird nachgezeichnet, wie sehr der Charakter der Schauen durch soziale Beziehungen, Kontingenzen und strukturelle Beschränkungen geprägt wurde. Dadurch wird deutlich, wie offen und vielfältig letztlich der Zugang zu ihnen war. Von einer einheitlich durchgestalteten, eindeutigen Botschaft der Expositionen an den Besucher kann zumindest bis 1933 nicht ausgegangen werden. Gerade diese Offenheit, diese Zersplitterung der Expositionen war der Grund dafür, dass sich so zahlreiche und unterschiedliche Akteure auf ihnen versammelten. Andererseits beschreibt das Kapitel die Strukturen der Gesundheitsausstellung, in deren Rahmen der Diskurs über den Körper verlief; die ihn ermöglichten und gleichermaßen begrenzten, indem sie die Aussteller auf bestimmte Themenfelder, bestimmte Modi des Sprechens sowie bestimmte Darstellungsformate verpflichteten. Aufgrund der unterschiedlichen Quellenlage zu den verschiedenen Expositionen speist sich dieses Kapitel überwiegend aus Beispielen aus dem Zeitraum von 1911 bis 1930. Die nationalsozialistischen Gesundheitsausstellungen wiesen darüber hinaus durch die Position Gebhards als Kurator einen höheren Organisationsgrad auf, der Aushandlungsprozesse unter den Ausstellern unwahrscheinlicher, teilweise überflüssig machte. Dennoch sollen dort, wo dies möglich ist, die Kooperationen, die Aushandlungen und die Funktion der Ausstellung als Repräsentationsort bis in den Nationalsozialismus hinein verfolgt werden.
3 Schaible: Sozial- und Hygiene-Ausstellungen, S. 145. 4 Zum Konzept des „Aushandelns“ vgl. Alf Lüdtke: Die Praxis von Herrschaft: Zur Analyse von Hinnehmen und Mitmachen im deutschen Faschismus, in: Brigitte Berlekamp/Werner Röhr (Hrsg.): Terror, Herrschaft und Alltag im Nationalsozialismus. Probleme einer Sozialgeschichte des deutschen Faschismus, Münster 1995, S. 226–245; Ders.: Einleitung. Herrschaft als soziale Praxis, in: Ders. (Hrsg.): Herrschaft als soziale Praxis. Historische und sozial-anthropologische Studien, Göttingen 1991, S. 9–63.
3.1 Von Institutionen, Objekten, Personen |
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3.1 Von Institutionen, Objekten, Personen: Die Ausstellungen und ihre Akteure Gesundheitsausstellungen sind sich aufeinander beziehende, auf sich selbst verweisende und ineinander verschränkte Netzwerke, die durch Institutionen, Objekte und Personen gebildet werden. Personen wie Fritz Rott oder Arthur Mallwitz beteiligten sich aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeiten teilweise über mehrere politische Systeme hinweg an der hygienischen Volksbelehrung. Sozialhygieniker und Gesundheitspolitiker kamen in ihrer Laufbahn immer wieder mit den Großexpositionen in Kontakt. Wieder andere erlebten als Experten für hygienische Volksbelehrung mit den Gesundheitsausstellungen ihre beruflichen Karrieren. Georg Seiring war seit dem Kaiserreich Mitarbeiter des Hygiene-Museums, avancierte zu dessen Präsident und gründete schließlich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland das Deutsche Gesundheits-Museum in Köln. Martin Vogel begann seine Karriere in Dresden 1919 als wissenschaftlicher Assistent, stieg dort zum Kustos und stellvertretenden wissenschaftlichen Direktor auf, ehe ihn das Museum 1925 für die Leitung des wissenschaftlich-ausstellungstechnischen Büros der GeSoLei beurlaubte. Anschließend übernahm er die Stelle des wissenschaftlichen Direktors des Hygiene-Museums.⁵ Spätestens ab 1932 geriet er jedoch in Konflikt mit Georg Seiring und schied schließlich aus dem Museum aus.⁶ Marta Fraenkel gelangte durch ihre Position als wissenschaftliche Generalsekretärin der GeSoLei in den Zirkel der hygienischen Volksbelehrer, wurde Kustodin und Generalsekretärin des Reichsmuseums für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde und wechselte aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten des Hauses 1929 für die Organisation der Zweiten Internationalen Hygiene-Ausstellung nach Dresden. Als Jüdin wurde sie wie Vogels Nachfolger als wissenschaftlicher Direktor des Museums, Walter Weisbach, auf Grundlage des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums 1933 entlassen und emigrierte nach Amerika, wo ihr jedoch die Fortsetzung ihrer Karriere nicht gelang.⁷ Bruno Gebhard wiederum, in Dresden 5 Vgl. Deutsches Hygiene-Museum. Bericht über das Geschäftsjahr und das Rechnungswerk 1925/1926 sowie Haushaltsplan 1926/1927. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./ Nr. 43, Bl. 92–96; Personalakte Dr. Martin Vogel. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 25.18, unpaginiert. 6 Zu diesem Konflikt, bei dem es vor allem um das Verhältnis zwischen dem Museum und der wirtschaftlich agierenden AG für hygienischen Lehrmittelbedarf unter Seirings Führung ging vgl. Martin Vogel: Denkschrift, dem Vorstand des Deutschen Hygiene-Museum z. H. v. Herrn Oberbürgermeister Dr. Blüher, Dresden vom 29.05.1932. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 69.4, Bl. 34–43. 7 Zur Fraenkel vgl. Susanne Aschenbrenner: Marta Fraenkel (1898–1976). Ärztin, Museumspädagogin und Public Health Officer, Aachen 2000. Zu Weisbach vgl. Florian Steger unter Mitarbeit
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einige Zeit Fraenkels Kollege, übernahm 1932 die Stelle des wissenschaftlichen Leiters am Berliner Messeamt, wo er neben den NS-Gesundheitsausstellungen auch die Exposition „Eugenics in New Germany“ in Pasadena (Kalifornien) mitorganisierte und schließlich 1937 ebenfalls in die USA auswanderte. Nach kurzer Zeit bekam er dort die Leitung des ersten amerikanischen Gesundheitsmuseums in Cleveland (Ohio) übertragen.
Die Verwobenheit der Expositionen Diese persönlichen Kontakte sowie institutionellen Verflechtungen führten dazu, dass die Expositionen immer miteinander verwoben blieben. Das so entlang der großen Gesundheitsschauen entstandene Netzwerk prägte die hygienische Volksbelehrung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Den ersten Kristallisationspunkt dieses Netzwerks bildete die Internationale Hygiene-Ausstellung 1911. Sie war Anlass, vorhandenes Aufklärungsmaterial zu überarbeiten und zu bündeln oder erstmals eigene Materialien zusammenzustellen. Das Kaiserin Auguste Victoria Haus (KAVH) präsentierte beispielsweise seine seit spätestens 1909 bestehende Materialsammlung in Dresden, um „die Entwicklung und den gegenwärtigen Stand der Säuglingsfürsorge“ deutlich zu machen.⁸ Gleichzeitig nutzte das KAVH die Gelegenheit, Vorbereitungen für ein eigenes Museum zu treffen. Dieses sollte der Belehrung der Bevölkerung, der Ausbildung von Schwestern und Schülerinnen sowie der Fortbildung von Ärzten dienen. Es beruhte im Wesentlichen auf den Exponaten der Gruppe „Säuglingsfürsorge“ auf der Hygiene-Ausstellung 1911 sowie einer Ausstellung für Säuglingspflege, die 1906 in Berlin stattfand.⁹ Das so entstandene Museum für Säuglingskunde wurde am 4. April 1914 von Rott feierlich eröffnet.¹⁰ Mit 2750 Exponaten wandte sich das Haus sowohl an Nationalökonomen,
von Dajana Napiralla: Walter Weisbach, in: Florian Steger (Hrsg.): Ausgeschlossen. Zum Gedenken an die 1933–1945 entlassenen Hochschullehrer der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle an der Saale 2013, S. 347–355. 8 Hans Bahrdt: Die Fürsorgeaufgaben der Anstalt, in: Kaiserin Auguste Victoria Haus (Hrsg.): Bericht über die Zeit von der Eröffnung bis zum 30. Juni 1910, Berlin 1910, S. 18–22, hier S. 20. Zur Geschichte des KAVH vgl. u. a. Schabel: Soziale Hygiene zwischen sozialer Reform und sozialer Biologie; Hedwig Wegmann: Das Experiment „Das gesunde Kind“ unter kaiserlicher Protektion 1909–1929, Hamburg 2012. 9 Vgl. o. V. Fürsorgeaufgaben und Lehrtätigkeit, in: Kaiserin Auguste Victoria Haus (Hrsg.): Bericht über die Zeit vom 1. Juli 1910 bis zum 31. März 1911 erstattet vom Anstalts-Ausschuss, Berlin 1911, S. 40–55, hier v. a. S. 50–51. Zur Geschichte des Museums vgl. weiter Wegmann: Das Experiment „Das gesunde Kind“, S. 104–119. 10 Vgl. Fritz Rott: Das Museum für Säuglingskunde, S. 48–64, hier S. 49.
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Sozialhygieniker und Ärzte als auch an Hebammen, Pflegerinnen und Mütter.¹¹ Auf dieser Grundlage entfaltete das KAVH in den folgenden Jahren eine eigenständige Ausstellungstätigkeit, organisierte Wanderexpositionen und vertrieb Lehrmittel zur hygienischen Volksbelehrung wie den erfolgreichen „Atlas der Hygiene des Säuglings und Kleinkindes“.¹² Organisationen ohne derartige Vorarbeiten mussten andere Wege gehen und bauten beispielsweise auf früheren Beteiligungen an anderen Schauen auf. Die Deutschen Turner waren 1910 auf der Brüsseler Weltausstellung vertreten und konnten auf die dort gezeigten Exponate zurückgreifen. Gleichwohl blieben sie auf die Einsendung von Bildern, Zeichnungen oder Modellen durch die lokalen Turnvereine angewiesen.¹³ Anders gestaltete sich die Situation bei der Deutschen Vereinigung für Krüppelfürsorge (DVfK).¹⁴ Diese hatte zwar schon intensive Erfahrungen mit anderen Formen öffentlicher Kommunikation gesammelt, bislang aber noch keine eigene Ausstellungsgruppe hergestellt. Die Dresdner Schau wurde hier zum – mit insgesamt 320 392 Besuchern sehr erfolgreichen – Startpunkt des Engagements der DVfK, die zu einer Teilnahme an allen folgenden Expositionen bis in den Nationalsozialismus hinein sowie zu der Gründung des „Museums für Krüppelfürsorge“ führte.¹⁵ Eine wieder andere Situation ergab sich für die Organisatoren des Sportlaboratoriums und der wissenschaftlichen Sportausstellung, die unabhängig von den Selbstdarstellungen der einzelnen Sportverbände auf der Schau zustande kam.¹⁶ Denn für diesen Bereich konnten die Verantwortli-
11 Vgl. Ebd., S. 52–54. 12 Vgl. o. V.: Wanderausstellungen und Anschauungsmaterial, S. 43–44. Zum Atlas vgl. Schabel: Soziale Hygiene zwischen sozialer Reform und sozialer Biologie, S. 212–213; Larry Frohman: Prevention, Welfare, and Citizenship: The War on Tuberculosis and Infant Mortality in Germany, 1900–1930, in: CEH 39 (2006) 3, S. 431–481, hier S. 459–460. 13 Vgl. Paul Züllcher: Unsere Ausstellung von Bildern, Zeichnungen, Modellen von Turnhallen und Turnplätzen auf der Hygiene-Ausstellung, in: Deutsche Turn-Zeitung 56 (1911) 37, S. 698–699. 14 Zur Geschichte der DVfK vgl. Yvonne Hendrich: Die Rolle der DVfR in der Entwicklung der Rehabilitation, in: Wolfgang Blumenthal/Ferdinand Schliehe (Hrsg.): Teilhabe als Ziel der Rehabilitation. 100 Jahre Zusammenwirken in der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation, Heidelberg 2009, S. 31–108. 15 Vgl. hierzu o. V.: Die Dresdener Ausstellung, in: Zeitschrift für Krüppelfürsorge 5 (1912) 1, S. 2– 10; Hellmut Eckhardt: Das Museum der Krüppelfürsorge, in: Hygienischer Wegweiser 2 (1927) 11, S. 299–304. Die Ausstellungstätigkeit behandelt intensiv Osten: Die Modellanstalt, S. 282– 324; Ders.: „Lärmender Frohsinn“. Fotografien körperbehinderter Kinder (1900–1920), in: Beate Ochsner/Anna Grebe (Hrsg.): Andere Bilder: Zur Produktion von Behinderung in der visuellen Kultur, Bielefeld 2013, S. 133–159. 16 Zu diesem Bereich der Dresdner Schau vgl. Dinçkal: Das gesunde Maß an Schädigung, S. 17–37; Ders.: Sportlandschaften. Sport, Raum und (Massen-)Kultur in Deutschland 1880–1930, Göttingen 2013, S. 224–281.
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chen kaum auf Vorarbeiten zurückgreifen und mussten ihn beinahe vollständig neu konzipieren.¹⁷ Ausgehend von den Dresdner Vorarbeiten und gestützt auf die Sammlung Erich Mindts, dem ersten Geschäftsführer des Hauses, gründete sich 1925 jedoch in Berlin das Museum für Leibesübungen.¹⁸ Das Museum beschränkte sich vor allem auf die Darstellung der Geschichte des Sports von der Antike bis zur Gegenwart, propagierte daneben allerdings die Deutungshoheit sportärztlicher Beratung und wirkte wie alle Gesundheitsschauen und -museen daran mit, die Autorität der Schulmediziner als Interpretatoren des Körpers aufrecht zu erhalten.¹⁹ Auf diese Weise entstanden vor dem Ersten Weltkrieg mehrere Organisationen der hygienischen Volksbelehrung, waren in Gründung begriffen oder versorgten sich – im Falle von Institutionen mit breiteren Aufgaben wie das Oskar-Helene-Heim – mit entsprechenden Materialien. Für die Vorbereitung der nachfolgenden Gesundheitsschauen griff man auf diese Grundlage zurück, aktualisierte sie jedoch und zeigte sie anschließend auf den entsprechenden Expositionen.²⁰ Das KAVH etwa musste während der GeSoLei sein Museum für Säuglingskunde schließen, da der größte Teil des Hauses in Düsseldorf zu sehen war. Und die Gruppe der DVfK in Düsseldorf beruhte vor allem auf einer von Biesalski zusammengetragenen und im Oskar-Helene-Heim aufbewahrten Sammlung von Gegenständen.²¹ Da die Exponate während des Auf- sowie Abbaus für die Ausstellungen regelmäßig zu Schaden
17 Vgl. Arthur Mallwitz: 1. Kongreß zur wissenschaftlichen Erforschung des Sportes und der Leibesübungen, in: Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele 22 (1913), S. 240–254. 18 Vgl. Erich Mindt: Vorgeschichte und Gründung des Museums für Leibesübungen, in: Museum für Leibesübungen e. V. (Hrsg.): Das Museum für Leibesübungen. Bearbeitet von A. Mallwitz und E. Mindt, Berlin 1930, S. 15–23; Ders.: Denkschrift zur Gründung eines Museums für Leibesübungen, S. 11–22. Zu Erich Mindt vgl. Gerhard Mindt: Erich Mindt – ein Leben für den Sport, in: Martina Behrendt/Gerd Steins (Hrsg.): Sport(geschichte) in Museen und Archiven. Berichte und Materialien, Berlin 2000, S. 41–62. 19 Zu den Inhalten des Museums vgl. Arthur Mallwitz/Erich Mindt (Hrsg.): Führer durch das Museum für Leibesübungen, Berlin 1928; Erich Mindt: Fünf Jahre Museum für Leibesübungen, in: Sportpolitische Rundschau 3 (1930) 8, S. 180–181. 20 Beispielsweise verwendete 1926 Johannes Herting für die Darstellung der Geschichte der Psychiatrie Exponate, die er schon für die Hygiene-Ausstellung 1911 zusammengetragen hatte. Vgl. Schreiben Johannes Herting an Fraenkel vom 12.07.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1472, unpaginiert. 21 Vgl. o. V.: Volksbelehrung, in: Leopold Langstein (Hrsg.): Bericht des Kaiserin Auguste Victoria Hauses, Reichsanstalt zur Bekämpfung der Säuglings- und Kleinkindersterblichkeit vom 1. April 1925 bis 31. März 1927 (17. und 18. Geschäftsjahr), Berlin 1927, S. 57–61; Niederschrift über die Sitzung der Gruppe „Krüppelfürsorge“ am Dienstag, den 15. September, 5 Uhr nachmittags (1925). StdA Düsseldorf 0–1–18–1463, unpaginiert.
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kamen²², durchliefen sie nach den Ausstellungen eine weitere Überarbeitung, bevor sie wieder gezeigt werden konnten. Nicht selten wurden einzelne Gruppen ohne festen Schauraum im Anschluss an die Großexpositionen als Wanderausstellung durch das Deutsche Reich geschickt.²³ Die Liga der freien Wohlfahrtspflege gestaltete beispielsweise ihren Beitrag zur GeSoLei schon von vorneherein im Bewusstsein, ihn später weiterverwenden zu wollen.²⁴ Nach dem Ende der Düsseldorfer Schau baute man die Gruppe ab und brachte sie nach Stuttgart, wo sie auf der Basis von Rückmeldungen der Ausstellungsbesucher ergänzt wurde.²⁵ 1927 veranstaltete die Liga dort eine eigenständige Schau. Die Exposition, die anschließend als Wanderausstellung fungieren sollte, hatte die Aufgabe, „die Kräfte der Liebe, der freudige Wille zum Helfen [zu] erhalten“.²⁶ Sie erreichte allerdings nur 60 000 Besucher und schloss aufgrund der schlechten Einnahmen aus den Ticketverkäufen mit einem negativen Finanzergebnis ab.²⁷ Immerhin wurde sie von einer Abordnung des Gemeinderates unter der
22 Für Berichte über Beschädigungen vgl. u. a. Froboese: Reisebericht vom 17.06.1926. BArch Berlin R 1501/109413, unpaginiert; Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen: Tätigkeits-Bericht 1926–1927, Berlin 1927, S. 19. 23 Vgl. Niederschrift über die kommissarische Beratung im Reichsministerium des Innern, am Mittwoch, den 23.11.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1048, Bl. 13–15; o. V. Wanderausstellung der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums, in: Medizinisches Korrespondenzblatt für Württemberg 96 (1926) 30, S. 314; Niederschrift über eine Sitzung des Ausschusses der Deutschen Gesellschaft für Gewerbehygiene und des Deutschen Hygiene-Museums für die arbeits- und gewerbehygienische Ausstellungsgruppe des Deutschen Hygiene-Museums und der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1930 und 1931 in Dresden vom 24.11.1930. StdA Dresden Ausstellungsamt 9.1.15 192, Akte Arbeits- und Gewerbehygiene, unpaginiert. 24 Vgl. Schreiben Wilhelm Engelmann an Pastor Niemöller vom 21.12.1925. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA Nr. 1214 I, unpaginiert. 25 Vgl. Schreiben des Central-Ausschuss für Innere Mission, Propaganda-Dienst an die Landes – und Provinzialvereine und Fachverbände der Innern Mission vom 21.10.1926. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA Nr. 1214 III, unpaginiert. 26 o. V.: Die Freie Wohlfahrtspflege. Führer durch die von der Deutschen Liga der freien Wohlfahrtspflege und der Zentralleitung für Wohltätigkeit in Württemberg veranstaltete Ausstellung, Stadthalle Stuttgart, 7. Mai bis 12. Juni 1927, Stuttgart 1927, S. 6. 27 Vgl. Abrechnung über die Ausstellung der freien Wohlfahrtspflege. HStA Stuttgart E 151/09 Bü 297, Mappe Ausstellung der freien Wohlfahrtspflege, Bl. 20; Schreiben der Zentralleitung für Wohltätigkeit in Württemberg an das Württembergische Ministerium des Innern vom 27.08.1927. HStA Stuttgart E 151/09 Bü 297 Mappe Stuttgart, Ausstellung der freien Wohlfahrtspflege im Monat Mai u. Juni 1927, Bl. 17.
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Führung des Oberbürgermeisters Lautenschlager besucht und machte auf diese „einen nachhaltigen Eindruck“.²⁸
Das Exponat als „boundary object“ Einmal hergestellte und etablierte Objekte oder gar ganze Objektgruppen blieben somit zum Teil längere Zeit in Gebrauch und wurden in überarbeiteter oder unveränderter Form immer wieder verwendet. Der Austausch von Objekten, ihre Herstellung sowie ihr wiederholter Einsatz als Ausstellungsexponate führten zu regelmäßigen Kontakten zwischen den einzelnen Akteuren der hygienischen Volksbelehrung und erhöhte den Wiedererkennungswert der Ausstellungen. Als „boundary objects“ stabilisierten sie das System der Gesundheitsschauen, indem sie ihnen einerseits eine – auch materielle – Konstanz verliehen und andererseits offen genug für divergierende Interpretationen blieben.²⁹ Dies trifft etwa auf die Gruppe „Der durchsichtige Mensch“ des Hygiene-Museums zu, die auf allen Gesundheitsschauen gezeigt, deren Objekte als hygienisches Lehrmaterial vertrieben und als Wanderexpositionen auf die Reise geschickt wurden. Exemplarisch beleuchten lässt sich der wiederholte Rückgriff auf einzelne Objekte anhand der Exponate zur Familie Kallikak. Diese gehen auf eine 1912 in den USA und 1914 in deutscher Übersetzung publizierte Studie Henry Goddards zurück. In dieser stellte er die unehelichen Nachfahren des, mit einem fiktiven Nachnamen belegten, Martin Kallikak mit einer namentlich nicht genannten „Schwachsinnigen“ denen aus Kallikaks späterer Ehe mit einer Frau aus einer angesehenen Familie gegenüber.³⁰ Im Rahmen dieser – methodisch in vielerlei Hinsicht problematischen³¹ – Gegenüberstellung arbeitete sich Goddard an einflussreichen eugenischen Themen wie der differentiellen Fortpflanzung, den Kosten „Minder-
28 Auszug aus der Niederschrift des Gemeinderats über die Besichtigung der Ausstellung der freien Wohlfahrtspflege in der Stadthalle am 20. Mai 1927. StdA Stuttgart 10 Depot A Nr. 4628, unpaginiert. Hervorhebung im Original. 29 Zum Konzept der „boundary objects“ vgl. Susan Leigh Star/James R. Griesemer: Institutional Ecology, ‚Translations‘ and Boundary Objects: Amateurs and Professionals in Berkeley’s Museum of Vertebrate Zoology, 1907–1939, in: Social Studies of Science 19 (1989) 3, S. 387–420. 30 Den Namen Kallikak setzte Goddard aus den griechischen Begriffen „kallos“ für die positiv beschriebenen Nachkommen und „kakos“ für die negativ beschriebenen Nachkommen Martin Kallikaks zusammen. Vgl. Henry Herbert Goddard: Die Familie Kallikak. Eine Studie über die Vererbung des Schwachsinns. Übersetzt von Karl Winkler, Langensalza 1914, v. a. S. 20–34. 31 Beispielsweise hatte Goddard die Bilder nachträglich manipuliert, die der amerikanischen Ausgabe beigefügt waren. Vgl. Martin A. Elks: Visual Indictment: A contextual analysis of The Kallikak Family Photographs, in: Mental Retardation 43 (2005) 4, S. 268–280.
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Abb. 3.1: Schaubild der Familie „Kallikak“ des Deutschen Hygiene-Museums Dresden um 1923. Quelle: Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2002/1368.
wertiger“ für die Allgemeinheit und der Vererbung „minderwertiger“ Anlagen innerhalb einer Familie ab. Am Ende gelangte er zur Forderung, diesen Teil der Bevölkerung von der Fortpflanzung auszuschließen. Anfang der 1920er Jahre erstellte das Hygiene-Museum eine Schautafel, die Goddards Text visualisierte. Diese Tafel war 1926 auf der GeSoLei zu sehen³² und das Dresdner Haus zeigte sie in seiner Schau „Der Mensch in gesunden und kranken Tagen“.³³ In der vom Hygiene-Museum herausgegebenen Monographie „Grundzüge der Eugenik“ verzichtete Rainer Fetscher ebenso wenig auf die Schautafel wie etwas später die Organisatoren der Hygiene-Ausstellung 1930/31.³⁴ Auch auf der Schau „Das Wunder des Lebens“ nachfolgenden Wanderausstellung „Das Leben“ und in Gebhards
32 Das belegt ein Brief Fraenkels an Willy Hellpach, in dem sie auf das Exponat Bezug nimmt. Vgl. Schreiben Fraenkel an Willy Hellpach vom 10.06.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1024, Bl. 200–203. 33 Vgl. Deutsches Hygiene-Museum Dresden, Zentral-Institut für Volksgesundheitspflege Dresden (Hrsg.): Führer durch die Ausstellung Der Mensch in gesunden und kranken Tagen, Dresden [1926], S. 53. 34 Vgl. Rainer Fetscher: Grundzüge der Eugenik. Zweite Auflage, Dresden 1929, S. 69–71.
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Buch fehlte das Exponat nicht.³⁵ Durch die regelmäßige Nutzung des Exponats löste sich das Schaubild von seiner literarischen Grundlage ab und erreichte eine eigenständige, auf sich selbst und seine dauerhafte Wiederholung beruhende Evidenz. In späteren Bezugnahmen auf das Exponat fehlte dementsprechend der Hinweis auf Goddards Untersuchung.³⁶ Mehr noch repräsentierte es in Verbund mit ähnlichen Darstellungen der Stammbäume „minderwertiger“ Familien³⁷ einen wichtigen Teil des eugenischen Diskurses der Zeit – nämlich die Furcht vor der differentiellen Fortpflanzung. Dadurch gerann die Familie Kallikak zu einer Chiffre, die stellvertretend für die komplexe Argumentationskette stand, die sich hinter der eugenischen Diskussion über die differentielle Fortpflanzung verbarg.
Exponatproduktion Doch woher stammten diese Exponate, aus denen sich die unterschiedlichen miteinander verschränkten, aufeinander bezogenen und einander abfolgenden Gesundheitsausstellungen speisten? Einerseits entstanden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts professionelle Werkstätten für hygienisches Ausstellungs- oder Lehrmaterial. Die Werkstätten des Dresdner Hygiene-Museums waren hier zweifellos am bedeutendsten. Sie vertrieben ihre Produkte kommerziell über die Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf.³⁸ Die Herstellung von Ausstellungsobjekten
35 Vgl. Fotodokumentation Das Leben. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden, DHM 2006/329.108; Hatto Weiß: Erb- und Rassenkunde des Menschen, in: Gebhard (Hrsg.): Wunder des Lebens, S. 183–252, hier S. 217–219. 36 So zum Beispiel bei A. Martin: Die Familie Kallikak, in: Leipziger Populäre Zeitschrift für Homöopathie 65 (1934) 1, S. 17–18. 37 Ein Beispiel dafür ist die „Verbrecherfamilie Braun“. Vgl. Schloßmann (Hrsg.): Ge-So-Lei. Große Ausstellung Düsseldorf 1926. Für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. 2 Bände, S. 428. Zu der Bedeutung der Stammbäume in der Eugenik vgl. Anne Cottebrune: Zwischen Theorie und Deutung der Vererbung psychischer Störungen. Zur Übertragung des Mendelismus auf die Psychiatrie in Deutschland und in den USA, 1911–1930, in: N.T.M. 17 (2009) 1, S. 35–54, hier S. 41–46; Petra Lutz: Die Wirksamkeit öffentlicher Bilder im Privaten. Angehörige von Opfern der NS-„Euthanasie“ und rassenhygienische Propaganda, in: Anja Tervooren/Jürgen Weber (Hrsg.): Wege zur Kultur. Barrieren und Barrierefreiheit in Kultur- und Bildungseinrichtungen, Köln u. a. 2012, S. 152–167, hier S. 157–159. 38 Beispielsweise wurden in den Dresdner Werkstätten für einen Großteil der Aussteller auf der GeSoLei unterschiedliche Gegenstände hergestellt. Vgl. Schreiben Seiring an Vogel vom 27.03.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1520, unpaginiert. Zur Produktion von Moulagen in Dresden vgl. Thomas Schnalke: Diseases in wax. The history of the medical moulage, Chicago u. a. 1995, S. 121–143; Michael Frenzel: Die Entwicklung und Nutzung der Moulagen in Sachsen, Univ.-Diss. Dresden 1997.
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für die hygienische Volksbelehrung war für das Hygiene-Museum deswegen nicht nur ein Mittel der Wissenschaftspopularisierung. Produktion und Vertrieb derartiger Objekte und Materialien waren für das Haus auch ein Geschäftsmodell, auf dessen Einnahmen es gerade in den 1920er Jahren angewiesen war.³⁹ Daneben existierten aber noch weitere Akteure. Das Reichsmuseum für Gesellschaftsund Wirtschaftskunde hatte – wenn auch nur für kurze Zeit – eine von dem Architekten Ernst Krantz und dem Kunstmaler Karl Koch geleitete Werkstatt, die mehrere Personen beschäftigte. Nach der ursprünglichen Konzeption des Hauses sollten dort Reproduktionen von Ausstellungs- oder Lehrmittel für eigene oder fremde Sonderschauen entstehen. Unter anderem gestaltete man dort den Stand der Firma Henkel für die Pressa in Köln.⁴⁰ Bis zum Jahr 1931 musste der Betrieb jedoch wieder weitgehend eingestellt werden.⁴¹ Das KAVH unterhielt eine eigene Werkstatt, verkaufte ebenfalls seine Erzeugnisse und fertige beispielsweise die Exponate für die kulturhistorische Sonderschau „Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens“ unter Beteiligung des Deutschen Reichs und verschiedener sozialer Verbände 1930/31 in Dresden an.⁴² Und das Oskar-Helene-Heim konnte seine Objekte für die gleiche Schau ebenfalls selbst herstellen.⁴³ Für die Vorbereitungen der GeSoLei hatten die Veranstalter außerdem eine eigene Modellbildnerei
39 Vgl. dazu Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern; Ders.: „Kein Museum alten Stiles, S. 72–87. 40 Vgl. Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde (Hrsg.): Jahresbericht. Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde 1927/1928, Düsseldorf 1928, S. 20–23. Zur Pressa vgl. Ekkehard Mai: GESOLEI und PRESSA: Zu Programm und Architektur rheinischen Ausstellungswesens in den zwanziger Jahren, in: Kurt Düwell/Wolfgang Köllmann (Hrsg.): Zur Geschichte von Wissenschaft, Kunst und Bildung an Rhein und Ruhr, Wuppertal 1985, S. 271–287; Susanne Marten-Finnis/Michael Nagel (Hrsg.): Die PRESSA, Internationale Presseausstellung Köln 1928, und der jüdische Beitrag zum modernen Journalismus. The PRESSA, International Press Exhibition Cologne 1928, and the Jewish Contribution to Modern Journalism. Band 1, Bremen 2012. 41 Vgl. Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde (Hrsg.): Tätigkeitsbericht. Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde 1928/1930, S. 10. 42 Vgl. o. V.: Bearbeitung der Ausstellung der Reichsregierung auf der Internationalen HygieneAusstellung Dresden 1930/31 (Die Entwicklung des Deutschen Gesundheitswesens. Kulturhistorische Schau über hundert Jahre.), in: Kaiserin Auguste Victoria Haus (Hrsg.): Bericht des Kaiserin Auguste Victoria Hauses, Reichsanstalt zur Bekämpfung der Säuglings- und Kleinkindersterblichkeit vom 1. April 1929 bis 31. März 1930 (21. und 22. Geschäftsjahr), Berlin 1930, S. 52–53. 43 Vgl. Vermerk über die Sitzung der Gruppenleiter für die Ausstellung „Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens“ vom 12.07.1929. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/G Nr. 421, unpaginiert.
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gegründet, die den Ausstellern gegen Entgelt zur Verfügung stand.⁴⁴ Nach der Düsseldorfer Schau machte sich diese als „Modellbildnerei Düsseldorf Hummel & Zepter“ selbstständig.⁴⁵ Zuletzt arbeiteten verschiedene Künstler für die Expositionen und deren Teilnehmer. Die tropenhygienische Abteilung der GeSoLei 1926 zeigte ein Triptychon des Malers Walter von Ruckteschell, das den Besuchern die „Friedenstätigkeit unserer Kolonialärzte“ vor Augen führte.⁴⁶ 1934 gestaltete der Architekt Paul Mebes die Gruppe des Reichsarbeitsministeriums für die „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“.⁴⁷ Und der Dresdner Maler Otto Griebel, der schon für die Hygiene-Ausstellung 1930/31 Exponate angefertigt hatte, war von 1935 bis 1938 als künstlerischer Mitarbeiter am Hygiene-Museum angestellt.⁴⁸ Alle diese Institutionen oder Einzelpersonen beschäftigten sich damit, eigens für die Gesundheitsausstellungen oder die hygienische Volksbelehrung konzipierte Exponate herzustellen. Die Produktion von Ausstellungsstücken beruhte einerseits auf schon bestehenden Wissensbeständen, andererseits führte die Teilnahme an den Expositionen bisweilen erst dazu, dass die Aussteller das für die Exponate nötige Wissen schufen. Ein eindrückliches Beispiel hierfür ist die Anfertigung von Kartenmaterial. Schon für die Hygieneausstellung 1907 wollte das Kaiserliche Gesundheitsamt, die „Anzahl und Lage der im Deutschen Reiche vorhandenen amtlichen bakteriologischen Untersuchungsanstalten, in denen eingesandtes infektionsverdächtiges Material unentgeltlich untersucht wird, auf einer Wandkarte“ veranschaulichen.⁴⁹ Da das Gesundheitsamt nicht über Informationen zu allen bestehenden Einrichtungen verfügte, versandte es einen Fragebogen an die Länder des Deutschen Reichs, um auf diese Weise Auskunft über den Ort, die Art der Anstalt, ihren Wirkungskreis,
44 Vgl. Marta Fraenkel: Organisatorisches und Methodisches auf der Gesolei, in: Arthur Schloßmann (Hrsg.): Große Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. Amtlicher Katalog, Düsseldorf 1926, S. 41–48. 45 Vgl. Werbeschreiben der Modellbildnerei Düsseldorf vom 19.11.1926. BArch Berlin R 86/4471, unpaginiert. Inwiefern dieser Versuch erfolgreich war, kann auf der Basis der vorliegenden Quellen nicht gesagt werden. 46 Schreiben Reichsministerium des Innern an das Auswärtige Amt, Abteilung für koloniale Angelegenheiten vom 01.06.1926. BArch Berlin R 1501/111176, Bl. 19–21. Hervorhebung im Original. 47 Vgl. Rundschreiben des Reichsarbeitsministeriums vom 31.01.1934. BArch Berlin R 3901/21006, Bl. 127. 48 Vgl. Otto Griebel: Ich war ein Mann der Straße: Lebenserinnerungen eines Dresdner Malers, Frankfurt am Main 1986, S. 288 sowie S. 371–395. Griebel war KPD-Mitglied und Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Sein Engagement in Dresden von 1935 bis 1938 ist deswegen in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. 49 Schreiben Bumm an den Staatsekretär des Innern vom 18.05.1907. BArch Berlin R 1501/111163, Bl. 109–111, hier Bl. 109.
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die Anzahl der behandelten Personen und die Untersuchungsergebnisse zu erhalten.⁵⁰ Anschließend wurden die so gewonnen Kenntnisse in eine geographische Darstellung übersetzt. Dieses Vorgehen bildete für das Amt die Blaupause für spätere Kartenproduktionen. Für die Hygiene-Ausstellung 1911 aktualisierte es die Karte auf die gleiche Weise und fügte ihr noch eine Übersicht der im Deutschen Reich vorhandenen Desinfektorenschulen hinzu. Die Darstellungen sollten dem Publikum „ein deutliches Bild davon geben, in welchem Umfange die besagten, für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten besonders wichtigen Einrichtungen in Deutschland bereits vorhanden sind und welche Arbeitsleistungen sie aufzuweisen haben.“⁵¹ Besonders häufig verwendeten die Veranstalter der „Deutschland“ von 1936 Kartenmaterial, um den Besuchern ein Bild des Deutschen Reichs zu vermitteln. Hier demonstrierte eine sieben mal sieben Meter große, in den Boden des Vorraums der „Ehrenhalle“ eingelassene, Karte in „eindringlicher Klarheit“, dass es sich bei den Deutschen um ein „Volk ohne Raum“ handelte⁵²; anhand vier weiterer Karten wurde erklärt, „wie das Reich der Deutschen an entscheidenden Wendepunkten der Vergangenheit immer wieder in den Grenz-Wirrwarr der Kleinstaaterei, in die Machtlosigkeit des Partikularismus verstrickt war“ ehe auf einer fünften Karte, die den in der Propaganda vermittelten politischen Zustand des Deutschen Reichs nach 1933 abbildete, „alle Grenzen innerstaatlicher Trennung und Befehdung ausgelöscht sind!“⁵³ Anschaulich nachzeichnen lässt sich der Produktionsprozess einer Karte des Deutschen Landkreistages für die GeSoLei. Nachdem sich die deutschen Landkreise 1925 grundsätzlich gegen eine Beteiligung an der Schau ausgesprochen hatten, nahm man sich schließlich doch vor, wenigstens mit einer Karte in Düsseldorf präsent zu sein.⁵⁴ Diese sollte eine Übersicht über alle von den Landkreisen getragenen Wohlfahrtsämter, Fürsorgestellen, Krankenhäuser und Schwesternstationen bieten.⁵⁵ Doch der Landkreistag hatte zunächst gar keine Kenntnis über Lage und Größe dieser Einrichtungen. Daher versandte er einen ausführlichen Fragebogen an die einzelnen Landkreise. Dadurch war er auf die Mitarbeit der
50 Vgl. Ebd. 51 Rundschreiben des Reichskanzlers Bethmann Hollweg vom 19.07.1910. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3575, Bl. 56. 52 Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH (Hrsg.): Offizieller Rundgang. Deutschland, S. 3. 53 Ebd., S. 5. 54 Vgl. Rundschreiben des Deutschen Landkreistags an alle deutschen Kreise vom 26.11.1925. LA Berlin B Rep. 142–04/Nr. 116, Bl. 29. 55 Vgl. Schreiben Otto-Maximilian Constantin an Landrat Schaible vom 28.01.1926. LA Berlin B Rep. 142–04/Nr. 412, Bl. 146.
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lokalen Behörden angewiesen, die ihm die geforderten Auskünfte geben mussten. Aufgrund des Umfangs des Fragebogens entspann sich eine längere Diskussion über die Notwendigkeit des Exponats.⁵⁶ Letztlich konnten die Verantwortlichen des Landkreistages sich aber durchsetzen und die notwendigen Informationen beschaffen. Sie beauftragten den Kartographen Willy Marsischky mit der Herstellung der Übersicht.⁵⁷ Die Gesundheitsschauen wurden so zum Anlass, neues Wissen zusammenzutragen und in einer Karte auszustellen. Die kartographischen Darstellungen gaben einem abstrakten, weil nur durch Fragebögen erfassten, Wissen einen konkreten, geografischen Ort. Das wegen ihrer räumlichen Ausbreitung nicht direkt greifbare Wissen über die sozialen Einrichtungen der Landkreise wurde auf diese Weise sichtbar gemacht. Gleichzeitig – so lässt sich im Hinblick auf die epistemologische Wirkung statistischer Darstellungen argumentieren – bildeten die Landkarten nicht einfach die Realität ab, sondern lenkten die Aufmerksamkeit des Betrachters auf einen bestimmten Zusammenhang, strukturierten seine Wahrnehmung, machten in der Zusammenschau der verschiedenen sozialen Einrichtungen diese erst als zusammengehörig sichtbar und wirkten in diesem Sinne „blickbildend“.⁵⁸ Die Herstellung von Karten schuf somit einerseits selbst neues Wissen insbesondere über die Standorte verschiedener Einrichtungen, hatte allerdings andererseits eine epistemologische Wirkung, indem sie geographische Zusammenhänge oder institutionelle Verflechtungen ins Bild rückten, die andernfalls „verborgen oder undeutlich“ blieben.⁵⁹ Darüber hinaus konnte die Karte als „Platzhalter“ nationaler Ansprüche dienen.⁶⁰ In einer solchen Absicht veranlasste das Reichspropagandaministerium für die „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“, auf kartographischen Darstellungen
56 Vgl. Schreiben des Deutschen Landkreistags an Schaible vom 11.02.1926. LA Berlin B Rep. 142– 04/Nr. 412, Bl. 147; Schreiben Schaible an den Vorsitzenden der badisch-ländlichen Bezirksfürsorgeverbände vom 08.03.1926. LA Berlin B Rep. 142–04/Nr. 412, Bl. 145; Schreiben Constantin an Ministerialrat Laforet vom 27.03.1926. LA Berlin B Rep. 142–04/Nr. 412, Bl. 177–178; Schreiben des bayerischen Staatsministerium des Innern an Kreisregierungen sowie Kammern des Inneren vom 03.04.1926, LA Berlin B Rep. 142–04/Nr. 412, Bl. 197–198. 57 Für Vorentwürfe der Karte vgl. LA Berlin B Rep. 142–04/Nr. 412, Bl. 146. 58 Nikolow: Die graphisch-statistische Darstellung der Bevölkerung. Bevölkerungskonzepte in der Gesundheitsaufklärung in Deutschland vor 1933, S. 297–314, hier S. 311. 59 Süpfle: Die Wissenschaft u. die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, S. 61–64, hier S. 63. Aus diesem Grund, so Süpfle, habe die Wissenschaft auf den Ausstellungen nicht nur eine gebende, sondern auch eine nehmende Funktion. 60 Vgl. für dieses Argument David Gugerli/Daniel Speich: Der Hirtenknabe, der General und die Karte. Nationale Repräsentationsräume in der Schweiz des 19. Jahrhunderts, in: WerkstattGeschichte (1992) 23, S. 61–81; Dies.: Topografien der Nation. Politik, kartografische Ordnung und Landschaft im 19. Jahrhundert, Zürich 2002.
3.1 Von Institutionen, Objekten, Personen |
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Österreich sowie das Deutsche Reich immer gemeinsam als „Deutschland“ zu kennzeichnen und durch die Wiedergabe der Reichsgrenzen von 1918 den Anspruch auf die ehemaligen deutschen Gebiete visuell zu bekräftigen.⁶¹
Der Weg in die Ausstellung Kontingent war auch der Weg eines Objektes in die Ausstellung. Schon die professionellen Werkstätten bekamen nicht immer alle Materialien, die sie für ihre Arbeit benötigten und auf andere Ausstellungsteilnehmer traf dies in noch stärkerem Maße zu. Deutlich zeigt dies die Geschichte der wohl berühmtesten Exponate der Hygiene-Ausstellung 1911: Der Spalteholz-Präparate.
Abb. 3.2: Ansicht aus der Sondergruppe: Der durchsichtige Mensch. Teilgruppe des durchsichtigen Menschen mit Spalteholz-Präparaten von 1925. Quelle: Sammlung Deutsches HygieneMuseum Dresden DHM 2009/218.30.
61 Vgl. Schreiben Gebhard an das Reichsarbeitsministerium vom 12.03.1934. BArch Berlin R 3901/7247, Bl. 297.
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Nachdem Lingner 1909 diese Präparate in Leipzig gesehen hatte, wollte er sie auch in Dresden zeigen.⁶² Unabhängig von rechtlichen Schwierigkeiten ergab sich noch ein weiteres Problem. Schlagartig musste Spalteholz binnen kurzer Zeit eine große Anzahl Präparate herstellen. Doch weder verfügte er hierfür über entsprechendes Material noch über genügend Mitarbeiter. Von 1909 bis 1911 entfaltete er daher eine intensive Präparationstätigkeit, korrespondierte wegen der Überlassung anatomischer Materialien mit Kollegen im gesamten Deutschen Reich⁶³, suchte nach geeigneten Mitarbeitern und schickte schließlich Carl Seyffert nach Berlin. Dort nahm dieser an Sektionen teil und versuchte auf diesem Weg, die benötigten Organe oder Körperteile zu besorgen.⁶⁴ Trotz des Aufwandes blieben die Ergebnisse der Suche unplanbar; Spalteholz musste mit dem Material arbeiten, das er bekam. Folglich konnten in der Hygiene-Ausstellung ebenso nur die Präparate gezeigt werden, die zuvor gefunden worden waren. Fand sich unter den sezierten Leichen ein bestimmtes Organ nicht in der gewünschten Form oder Qualität, konnte es in Dresden nicht als Spalteholz-Präparat erscheinen.⁶⁵ Nicht anders verhielt es sich bei den Alltagsgegenständen. Analog zu der grundsätzlichen, durch das Obmannsystem geprägten, Organisationsstruktur der Expositionen, ging die Nachfrage nach geeigneten Objekten in der Regel von den jeweiligen Verantwortlichen der einzelnen Gruppen aus. Diese forderten entweder durch interne Rundschreiben⁶⁶, einen öffentlichen Aufruf in Fachzeitschriften⁶⁷ oder direkte Ansprache dazu auf, geeignete Gegenstände einzureichen.⁶⁸ Die Ob-
62 Vgl. Schreiben Ingelfinger an Spalteholz vom 24.11.1909. HStA Dresden 13690 Personennachlass Werner Spalteholz/Nr. 10, Bl. 2; Schreiben Ingelfinger an Spalteholz vom 19.05.1910. HStA Dresden 13690 Personennachlass Werner Spalteholz/Nr. 10, Bl. 66. 63 Vgl. Schreiben Carl Rabl an das Direktorium der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden vom 25.01.1910. HStA Dresden 13690 Personennachlass Werner Spalteholz/Nr. 10, Bl. 32. 64 Aufschlussreich für diesen Prozess der Materialbeschaffung ist der Nachlass Werner Spalteholzes im HStA Dresden. Vgl. HStA Dresden 13690 Personennachlass Werner Spalteholz/Nr. 1 bis Nr. 12. 65 Die grundsätzlichen Schwierigkeiten bei der Beschaffung anatomischer Objekte beschreibt Erin Hunter McLeary sehr anschaulich am Beispiel der amerikanischen Medical Museums. Vgl. Erin Hunter McLeary: Science in a Bottle. The Medical Museum in North America, 1860–1940. PhD-Thesis University of Pennsilvania 2001, S. 73–155. 66 Vgl. Central-Ausschuss für Innere Mission Propagandadienst: Fragebogen vom 15.09.1925. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/PD Nr. 122, unpaginiert. 67 Vgl. o. V.: Aufruf zur Förderung der Ausstellungsgruppe „Aberglaube und Gesundheit“, in: Zeitschrift für Krüppelfürsorge 23 (1930) 1/2, S. 38–39; Konrad Biesalski: Aufruf an die deutschen Krüppelheime und die Obmänner für die Gesolei, in: Zeitschrift für Krüppelfürsorge 19 (1926) 1/2, S. 2–6. 68 Vgl. Schreiben Dr. Trachtes an das Krankenhaus Moabit vom 07.02.1935. LA Berlin A Rep. 003– 04–03/Nr. 111, unpaginiert; Schreiben Dr. Trachtes an das Bezirksbürgermeisteramt Wedding
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jekte mussten jedoch nicht nur den Gruppenverantwortlichen gefallen, sondern auch in das von den übergeordneten Ausschüssen vorgegebene Ordnungsschema passen.⁶⁹ An verschiedenen Stellen dieses Weges konnte ein eingereichter Gegenstand aussortiert werden. Die Ausstellungsleitung traf ihre Entscheidungen in der Regel auf der Basis von ausgefüllten Anmeldebögen, in denen die Teilnehmer die potentiellen Exponate möglichst genau beschrieben.⁷⁰ Erst nachdem sie ein Objekt für geeignet hielt, hatte es eine Chance darauf, in die Schau gelangen. Oftmals handelte es sich um Flachware wie Jahresberichte, Publikationen oder Fotografien. Soziale Einrichtungen, aber auch der Reichsarbeitsdienst auf der „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ stellten zudem in den eigenen Werkstätten angefertigte Gegenstände zur Verfügung⁷¹, Sportvereine zeigten unterschiedliche Wanderpreise oder Pokale.⁷² Verweigerten die angeschriebenen Einrichtungen ihre Mitarbeit, kam im schlechtesten Fall die gesamte Gruppe nicht zustande. Beispielsweise war 1911 ein eigenständiger jüdischer Pavillon geplant, der aber aufgrund mangelnder finanzieller Unterstützung und ausbleibenden Ausstellungsmaterials aufgegeben werden musste. Es kam daher nur zu einer Beteiligung an der Historischen Abteilung.⁷³ Überstanden die potentiellen Exponate diese erste Hürde, konnten sie immer noch von den übergeordneten Verantwortlichen für eine Haupt- oder Unterabtei-
vom 07.02.1935. LA Berlin A Rep. 033–08/Nr. 345, unpaginiert; Schreiben der Arbeitsgruppe „Die Entwicklung des Deutschen Gesundheitswesens. Kulturhistorische Schau über 100 Jahre“ an die Leitung der Städtischen Säuglingsheilstätte Potsdam vom 04.01.1930. FU Berlin, Universitätsarchiv, Sammlung Fritz Rott, Kasten 262, unpaginiert. 69 Beispiele dieser Ausstellungsbedingungen sind u. a. Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Wissenschaftliche Abteilung. Für die Ausgestaltung der wissenschaftlichen Abteilung maßgebende Gesichtspunkte. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA Nr. 241 IV, unpaginiert; Ausstellungsbedingungen für die Historische Abteilung. StdA Dresden Ratsarchiv 2.1–A.XXIV.86 d, Bl. 1–5; Grosse Ausstellung Düsseldorf. Aus hundert Jahren Kultur und Kunst. Unter Mitwirkung des Deutschen Museums München. Mai bis November. Allgemeine AusstellungsBestimmungen. BArch Berlin R 86/4469, unpaginiert. 70 Vgl. beispielsweise Ausstellungsbedingungen für die wissenschaftliche Abteilung der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911. BayHStA MKr 288, unpaginiert. 71 Vgl. u. a. Mitteilung des Hilfsvereins für Taubstumme in der Provinz Sachsen vom 04.01.1926. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/PD Nr. 135, unpaginiert; o. V.: Verzeichnis der Aussteller, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-Gesellschaft (Hrsg.): Deutsches Volk – Deutsche Arbeit. Amtlicher Führer durch die Ausstellung, S. 222–240, hier S. 232; E. H.: „Deutschland“. Die größte Ausstellung dieses Jahres, S. 467–469, hier S. 469. 72 Vgl. Deutscher Fußball-Bund: o. T., in: Deutsches Fußball-Jahrbuch 8 (1911), S. 252–253. 73 Vgl. Max Grunwald: Bericht über die Gruppe „Hygiene der Juden“ in der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, Wien 1911, S. 5–8.
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lung abgelehnt werden.⁷⁴ Vor allem traf dies industrielle Produkte. Während der Vorbereitungen auf die Zweite Internationale Hygiene-Ausstellung entstand beispielsweise ein von Alfred Heiduschka geleiteter Prüfungsausschuss, der darüber entschied, welche Produkte ausgestellt und für welche auf dem Ausstellungsgelände geworben werden durfte.⁷⁵ Selbst wenn die potentiellen Exponate oder komplette Konzeptionen von Kojen diese Schranke überwanden, wurden diese gelegentlich am Ende nicht umgesetzt. Dies geschah, wenn etwa die Aussteller nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügten, letztlich nicht genügend Raum auf dem Gelände vorhanden war oder – wie im Falle des „Gläsernen Menschen“ 1926 – die Herstellung des Exponats aus technischen Gründen scheiterte.⁷⁶ Die potentiellen Exponate durchliefen somit einen mehrfach gefilterten Selektionsprozess, der durch die unterschiedlichen Verantwortlichkeitsstrukturen des Obmannsystems geprägt war. Nur eingereichte, für tauglich erachtete und bezahlbare Objekte konnten in die Ausstellung gelangen. Der Weg eines Gegenstandes zum Exponat war lang und sein Ende nicht immer planbar. Gleichwohl dürfen diese Auswahlmechanismen nicht zu rigide verstanden werden. Zu viele Objekte, zu viele Teilnehmer, zu viel Raum prägten die großen Gesundheitsschauen als dass sie vollständig durchgeformt werden konnten. Und die Reaktionen der Besucher auf die einzelnen Exponate – Ignorieren, Interesse, Aufmerksamkeit oder Missverständnisse – waren kaum im Voraus zu planen.
3.2 Vergnügung und Belehrung: Die Besucher der Gesundheitsausstellungen Der Besucher, insbesondere der Laienbesucher, kam nicht nur nach Dresden, Düsseldorf oder Berlin, um dort zu lernen. Er kam wegen der Größe der Veranstaltung, die nicht nur Belehrung, sondern auch Unterhaltung versprach. Die Veranstalter
74 So geschah es 1926 den Einsendungen der Deutschen Vereinigung gegen den Alkoholismus bei der Gruppe „Alkoholismus“. Vgl. Schreiben Vorstand an die Deutsche Vereinigung gegen den Alkoholismus vom 13.04.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1076, Bl. 22. 75 Vgl. Bericht über die 2. Sitzung des Wissenschaftlichen Ausschusses am 16. April 1929 vorm. 9 Uhr. BArch Berlin R32/77, Bl. 85–92. 76 Ebenfalls 1926 musste Ruth von der Leyen, Geschäftsführerin des Deutschen Vereins zur Fürsorge für jugendliche Psychopathen, ihre Konzeption für die Gruppe des Vereins aus finanziellen Gründen komplett umstellen. Vgl. Schreiben von der Leyen an den Ausstellungsvorstand der GeSoLei vom 28.09.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1492, unpaginiert; Schreiben von der Leyen an den Ausstellungsvorstand vom 26.10.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1492, unpaginiert; Niederschrift über den Tagesbesuch des Herrn Klute und Frl. v. der Leyen vom 16.01.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1492, unpaginiert.
3.2 Vergnügung und Belehrung
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reagierten einerseits inhaltlich, andererseits organisatorisch auf diese Nachfrage. Das vielfältige Unterhaltungsangebot, die spektakulären Exponate, das faszinierend große und aufregende Architektur beherbergende Ausstellungsgelände mit mehreren Restaurants luden gerade Laien zu einem vergnüglichen Tag ein. Das Gelände war am Abend in der Regel nach der Schließung der Ausstellungsgruppen noch eine Zeit lang für einen geringeren Eintrittspreis zugänglich und diente dem Freizeitbedürfnis der lokalen Bevölkerung.⁷⁷ Die GeSoLei verkaufte allein mehr als 50 000 Dauerkarten an Personen, die mehrfach Ausstellung und Gelände besuchen wollten.⁷⁸ Im Falle der Dresdner Exposition von 1930/31 warben die Organisatoren gar explizit um diejenigen, die „lediglich Erholung von des Tages Last und Mühe“ suchten.⁷⁹ Der Vergnügungsbereich beherbergte 1911 in Dresden mehrere Fahrgeschäfte wie Rodelbahnen oder ein Taifunrad; ein Theater brachte „Vorstellungen echter Geishas“ und „nahezu 100“ Menschen bevölkerten ein ebenfalls zu sehendes äthiopisches Dorf.⁸⁰ In Stuttgart 1914 befand sich eine große Freilichtbühne, auf der regelmäßig Tänze und Konzerte vorgeführt wurden.⁸¹ Außerdem errichteten die Veranstalter einen Vortrags- und Filmvorführungssaal, in dem die Besucher unterhalten und gleichzeitig hygienisch aufgeklärt werden konnten.⁸² Auf der GeSoLei war der Vergnügungsbereich sogar derart erfolgreich, dass angeregt wurde, ihn nach dem Ende der Schau dauerhaft zu erhalten.⁸³ Gleichzeitig waren die Vergnügungsangebote für die Besucher jedoch mit zusätzlichen Ausgaben verbunden, die über den bloßen Erwerb einer Eintrittskarte hinausgingen. So machte ein Kommentator der Dresdner Schau von 1911 seine Leser darauf aufmerksam, Extrakosten für die Verpflegung einzuplanen. Denn „mit dem Durchschreiten der Drehkreuze bist du für den ganzen Tag an das Ausstellungsgelände gestellt und Magen und Kehle wollen doch auch zu ihrem Rechte kommen!“⁸⁴ Über die kommerziellen Angebote hinaus verbanden Einrich-
77 Vgl. bspw. Allgemeine Eintrittsbestimmungen. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/ Nr. 3576, Bl. 60; Eintrittsordnung der IHAD 1931. StdA Dresden Stadtverordnetenakten 3.1 A 50, Bd. 5, Bl. 171. 78 Vgl. Hattrop: Die Finanzwirtschaft der Gesolei, S. 153–175, hier S. 171. 79 A. P.: Vergnügliches von der Internationalen Hygiene-Ausstellung, S. 2–3, hier S. 2. 80 P. Trinks: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden, in: Der Deutsche Kolonnenführer 15 (1911) 15, S. 149–150, hier S. 150. 81 Vgl. Bosse: Stuttgart 1914: Die „Ausstellung für Gesundheitspflege“, S. 118–128, hier S. 127. 82 Vgl. Schreiben des Ausstellungsamts der Stadt Stuttgart an das Städtische Baupolizeiamt Stuttgart vom 06.09.1913. StdA Stuttgart 116/3 Baurechtsamt Nr. 3070, unpaginiert. 83 Vgl. Schreiben L. Janmäck an Schloßmann vom 14.10.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1024, Bl. 448. 84 G. Lorenz: Eine Turnfahrt durch die Hygiene-Ausstellung, in: Deutsche Turn-Zeitung 56 (1911) 37, S. 689–694, hier S. 689. Die hohen Kosten eines Ausstellungsbesuchs bemerkt auch Dunken:
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tungen wie das – 1911 von dem bayerischen Undosa-Wellenbad gesponserte, 1926 „Planschetarium“ genannte – Schwimmbad oder die 1926 sowie 1931 vorhandenen Schaubergwerke Werbung für Leibesübungen beziehungsweise gewerbehygienische Belehrung ebenfalls mit dem Unterhaltungsbedürfnis des Publikums.⁸⁵ Selbst der immer stärker werdende Einsatz moderner Medien wie Film- oder Radiovorführungen war einerseits eine Anpassung an veränderte Rezeptionsgewohnheiten der Bevölkerung, kann jedoch andererseits als Versuch gedeutet werden, die eigenen Inhalte unterhaltsam zu transportieren. Auf der GeSoLei betrieb die Liga der freien Wohlfahrtspflege ein eigenes Kino, in Dresden 1930/31 führten die Verantwortlichen der Gruppe „Leibesübungen“ im Wechsel 20 thematisch einschlägige Filme vor.⁸⁶ Im gleichen Jahr veranstaltete die Deutsche Bühne für Volkshygiene vom 23. bis 28. Juli ein Gastspiel in Dresden, um durch „Schauspielkunst und das dramatische Wort“ über Geschlechtskrankheiten, Krebs und Tuberkulose aufzuklären.⁸⁷ Eine dafür errichtete Bühne brachte auch sonst regelmäßig „Schauspiel-Einakter und Kurzoper, Tanz und Modenschau.“⁸⁸ 1931 ließ das Deutsche Hygiene-Museum anlässlich der Kinderwoche von Schauspielern drei kurze Hörspiele zu den Themen Baden, Wandertag und Schulspeisung aufführen.⁸⁹ Dies alles waren Maßnahmen, um hygienische Aufklärung mit dem Bedürfnis des Publikums nach Unterhaltung zu verbinden. Selbst die zahlreichen Sportveranstaltungen hatten neben Vorführungszwecken die Aufgabe, die Attraktivität der jeweiligen Ausstellungen zu fördern. 1926 bemühten sich die Organisatoren, möglichst täglich Aufführungen – notfalls von Schülerinnen und Schülern – stattfinden zu lassen, in Dresden plante Lingner
Bericht über die Dienstreise vom 7.–10. Juni zur Besichtigung der „Gesolei“ vom 17.06.1926. BArch Berlin R 1501/109413, unpaginiert. 85 Vgl. Fotodokumentation Gesolei Düsseldorf 1926 I. Sammlung Deutsches HygieneMuseum Dresden DHM 317 I Abbildung 14; Kühne: Ein Besuch Düsseldorfs und der „Gesolei“, in: Die Irrenpflege. Monatsschrift für Irren- und Krankenpflege 30 (1926) 10, S. 145–151, hier S. 147–148; Das Schaubergwerk auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1931. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 88, Bl. 123; o. V.: Das Schaubergwerk auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1931. 86 Vgl. Die Aufzählung: „Filme, die aufgeführt worden sind.“ Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/PD 143, unpaginiert; Gruppe Leibesübungen. 1. Sitzung vom 30.01.1931. StdA Dresden Ausstellungsamt 9.1.15 191, Akte Leibesübungen, unpaginiert. 87 Rundschreiben der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden vom 04.06.1930. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 803, Bl. 197. 88 Broschüre Internationale Hygiene Ausstellung Dresden. Sammlung Deutsches HygieneMuseum Dresden DHM 2002/1103, o. S. 89 Vgl. Bruno Gebhard: Elternhaus, Schule und Gesundheit. Ein Hörspiel, in: Gesundheit und Erziehung. Neue Folge der Zeitschrift für Schulgesundheitspflege 45 (1932) 2, S. 78–81.
3.2 Vergnügung und Belehrung
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119
diverse Publikumsveranstaltungen wie einen Walzerwettbewerb oder einen „humoristischen Sonntag“ auf dem Sportgelände und bei der Zweiten Internationalen Hygiene-Ausstellung hatte der Ausschuss für Leibesübungen schon Anfang März 1930 beinahe für jeden Sonntag eine größere Sportveranstaltung organisiert.⁹⁰ Als besondere Eigenart bestand eine Wand der Abteilung Leibesübung aus Glas, wodurch die Besucher von innen dem Sporttreiben auf dem Außengelände folgen konnten.⁹¹
Ein wählerisches Publikum Gerade die Sportveranstaltungen auf den ersten beiden Gesundheitsschauen unterstrichen, dass die Gunst des Publikums durchaus ungleich verteilt sein konnte. Während sich die Vorführungen der englischen Wettkampfsportarten immer großer Beliebtheit erfreuten, hatten die Turner regelmäßig mit fehlender Aufmerksamkeit zu kämpfen. Insbesondere internationale Fußballspiele wie das Länderspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden kurz vor Eröffnung der GeSoLei zählten mehrere zehntausend Menschen im Stadion.⁹² Die Turnveranstaltungen erzielten demgegenüber beispielsweise während des deutschen Wettturnens in Dresden 1911 nur „jämmerlich[e]“ 500 Besucher am Vormittag und 3000 Besucher am Nachmittag.⁹³ Das ebenfalls in Dresden ausgetragene Spiel um die deutsche Fußballmeisterschaft zwischen Victoria Berlin und dem VfB Leipzig verfolgten
90 Vgl. Protokoll der Sitzung des Festausschuss vom 09.08.1911. StdA Dresden 2.3.7 Finanzamt Handakten Dr. Koeppen Nr. 5, unpaginiert; Schreiben Mallwitz an Stadtrat Koeppen vom 25.08.1911. StdA Dresden 2.3.7 Finanzamt Handakten Dr. Koeppen Nr. 8, unpaginiert; Niederschrift über die Besprechung wegen der Beteiligung an den sportlichen Veranstaltungen auf der Gesolei am Donnerstag den 18. II. StdA Düsseldorf 0–1–18–1441, unpaginiert; Niederschrift Ausschuß für die Abteilung Leibesübungen. 5. Sitzung vom 05.03.1930. StdA Dresden Ausstellungsamt 9.1.15 191, Akte Leibesübungen, unpaginiert. 91 Vgl. o. V.: Der Sport auf der Hygiene-Ausstellung, in: Vorwärts vom 16.05.1930. Spätausgabe, o. S. 92 Diesem Länderspiel sahen beispielsweise 60 000 Personen zu. Vgl. Horst Jerrmann: Die sportlichen Veranstaltungen während der Gesolei, in: Schloßmann (Hrsg.): Ge-So-Lei. Große Ausstellung Düsseldorf 1926. Für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. 2 Bände, S. 321–355, hier S. 348–349. 93 R. Gasch: Das Turnen auf der internationalen Hygieneausstellung in Dresden, in: Deutsche Turn-Zeitung 56 (1911) 26, S. 484–485, hier S. 484. Für ähnliche Klagen in Düsseldorf vgl. Peter Schöbel: Nachklänge zu den Düsseldorfer Meisterschaften, in: Eilnachrichten der Deutschen Turn-Zeitung 71 (1926) 73, S. 292–293.
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dagegen 12 000 Menschen.⁹⁴ Selbst wenn das deutsche Wettturnen statt 3000 Beobachter 4000 bis 5000 Menschen angezogen hatte, wie ein anderer Berichterstatter angibt, bleibt die Differenz zwischen den beiden Sportarten erheblich.⁹⁵ Die Turner führten diesen Unterschied auf die mangelnde Attraktivität der eigenen Vorführungen zurück. Dem Turnen fehle „das Spannende und Aufregende, das den meisten sportlichen Veranstaltungen [. . . ] eigen ist.“⁹⁶ Unter den Turnern wurde die Präferenz des Publikums für unterhaltende Veranstaltungen zwar als bloße „Schausportbegeisterung“ anstatt echter „Sportbegeisterung“ kritisiert und entsprechend abgelehnt.⁹⁷ Doch die Organisatoren der Ausstellungen versuchten dem ungeachtet, bei der Gestaltung ihrer Expositionen auf Laien Rücksicht zu nehmen und deren Bedürfnis nach Unterhaltung zu entsprechen. Sie bemühten sich daher um anschauliche Exponate, um verständliche Statistiken und eine abwechslungsreiche Gestaltung des Geländes.⁹⁸
Ein überfordertes Publikum Allerdings spiegeln sich in den zeitgenössischen Berichterstattungen neben den Momenten des Vergnügens, des Staunens oder der Unterhaltung auch andere Eindrücke. Es sind Gefühle der Überforderung von der Größe der Schau, der Vielfalt und Komplexität des ausgestellten Materials sowie der Masse an anwesenden Menschen.⁹⁹ In Dresden 1911 eröffnete sich etwa für den Besucher ein „kaleidoskopartiges Bild. Indem man bei dem einen Objekte verweilt, lockt schon das nächste, und so geht es fort, bis sich die Sinne abstumpfen und das Auge achtlos
94 Vgl. o. V.: Die deutsche Fußballmeisterschaft auf der Hygiene-Ausstellung zu Dresden, in: Körperkultur. Künstlerische Monatsschrift für Hygiene und Sport 7 (1912), S. 119–122. 95 Vgl. o. V.: Wettturnen ausgewählter Turner Deutschlands, in: Körperkultur. Künstlerische Monatsschrift für Hygiene und Sport 7 (1912), S. 122–124. 96 Fr. Wähmann: Deutsches Turnen auf der Internationalen Hygieneausstellung 1911 zu Dresden, in: Deutsche Turn-Zeitung 56 (1911) 37, S. 700–701, hier S. 700. Für die GeSoLei vgl. Harte von Erich: Die Gesolei, in: Die Leibesübungen. Zeitschrift für Veröffentlichungen des Deutschen Turnlehrervereins, der Deutschen Hochschule für Leibesübungen und des Deutschen Ärztebundes zur Förderung der Leibesübungen 2 (1926) 12, S. 299–300. 97 Fritz Eckhardt: Die internationale Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden, in: Monatsschrift für das Turnwesen 30 (1911) 11, S. 406–410, hier S. 409. Hervorhebung im Original. 98 Die positiven Auswirkungen der Unterhaltungsangebote auf das Besucherinteresse unterstreicht bspw. Neumann: Von der internationalen Hygieneausstellung, in: Zeitschrift für Medizinalbeamte 24 (1911) 14, S. 527–529. 99 Dies betonen für Dresden 1911 Klaus Vogel/Christoph Wingender: „. . . , deren Besuch sich daher unter allen Umständen lohnt.“ Die I. Internationale Hygiene-Ausstellung 1911, in: Dresdner Hefte 18 (2000) 63, S. 44–52, hier S. 46–47.
3.2 Vergnügung und Belehrung
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an den schönsten Kurven und großartigsten Tabellen abgleitet.“¹⁰⁰ Dies galt etwa für die Gruppe „Schulhygiene“ mit ihren „eng behängten Wänden, gefüllten Wandschränken, voll bedeckten Tischen“.¹⁰¹ Sie wurde zwar als außerordentlich reichhaltig und vielfältig gelobt, sei aber derart mit Gegenständen überfüllt gewesen, dass eine Konzentration auf einzelne Exponate unmöglich wurde. Für den Laien, so beschrieb es die Direktion der Diakonissen-Anstalt in Kaiserwerth, sei auch der Beitrag der Liga der freien Wohlfahrtspflege auf der GeSoLei „zu wenig verständlich“ gewesen, so dass er „nichts begriff, wenn man nicht eingehende Erläuterungen gab.“¹⁰² Ein Mitarbeiter des Reichsgesundheitsamtes, der die Ausstellung 1926 besucht hatte, befürchtete, Unkundige stünden „der übergroßen Masse der Darstellungen hilflos gegenüber“ und müssten beinahe zwangsläufig den Überblick in den zahlreichen Gruppen verlieren.¹⁰³ Denn schon für Fachleute sei der Eindruck der Düsseldorfer Schau „ein geradezu verwirrender.“¹⁰⁴ Das große Besucheraufkommen sorgte in Düsseldorf zusätzlich für logistische Probleme. Geführte Gruppen kamen sich gegenseitig „immer wieder ins Gehege, stießen zusammen, wichen einander aus“ und machten die Besichtigung der Schau „zu einem rechten Zickzackkurs“.¹⁰⁵ Von abseits gelegenen und dadurch schlechter zugänglichen Ausstellungsbereichen blieben dagegen die Besucher meistens fern.¹⁰⁶ Zusätzlich erschwerten zum Teil erstaunliche Restriktionen die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Ausstellung. So war es 1911, 1914 und 1926 zumindest in einigen Gruppen verboten, Notizen zu machen oder Exponate und Tafeln abzuzeichnen.¹⁰⁷ In Stuttgart mussten zusätzlich sämtliche Fotoapparate vor dem
100 O. Menrich: Von der Internationalen Hygieneausstellung in Dresden, in: Neue Bahnen. Zeitschrift für Erziehung und Unterricht 22 (1910/1911) 11, S. 492–501, hier S. 500. 101 Bl.: Die Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden, in: Das Schulhaus 13 (1911) 9, S. 392– 401, hier S. 392. 102 Schreiben der Direktion der Diakonissen-Anstalt Kaiserwerth an den Rheinischen ProvinzialAusschuss vom 30.11.1926. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/PD Nr. 121, unpaginiert. 103 Seeger: Bericht über meine Dienstreise vom 21. bis 24. Juni 1926 zur Besichtigung der „Gesolei“ vom 16.07.1926. BArch Berlin R 86/4471, unpaginiert. 104 Kühne: Ein Besuch Düsseldorfs und der „Gesolei“, S. 145–151, hier S. 146. 105 H.H.B.: Die große Ausstellung Düsseldorf 1926, in: Germania vom 11.05.1926. Morgen-Ausgabe A, o. S. 106 So erging es den Teilen der Kollektivausstellung der Liga der freien Wohlfahrtspflege, die auf einer nur umständlich zu erreichenden Galerie untergebracht waren. Vgl. Schreiben Schloßmann an Vöhringer vom 17.06.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1481, unpaginiert. 107 Vgl. Dienstanweisung für das Aufsichts-, Kontroll- und Kassenpersonal der Grossen Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, Soziale Fürsorge und Leibesübungen. StdA Düsseldorf 0–1–18–1052, Bl. 129; Platz- und Verkehrsordnung für die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3576, Bl. 57–59.
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Betreten des Ausstellungsgeländes abgegeben werden.¹⁰⁸ Noch bei der „Wunder des Lebens“ erklärte Max Frisch, der über die Exposition für die Neue Zürcher Zeitung berichtet hatte, er habe sich in den Hallen selbst keine Notizen machen wollen – auch weil er dies aus politischen Gründen nicht für ratsam hielt.¹⁰⁹ Der Besucher, so ließen sich diese verstreuten Belege deuten, sollte durch unterhaltsame Angebote auf die Expositionen gelockt und dort durch eine adäquate Ansprache belehrt werden. Allerdings ergaben sich hierbei einige praktische Schwierigkeiten. Zu groß, zu heterogen waren die Besuchergruppen, zu vielschichtig das gezeigte Material, so dass die Gesundheitsausstellungen auf den Betrachter ohne spezifische Vorbildung letztlich einen verwirrenden, zersplitterten, überfordernden Eindruck machen mussten.¹¹⁰ Zu stark schien auch das Bedürfnis der Besucher nach Unterhaltung und Vergnügen gewesen zu sein. Dies führte etwa dazu, dass selbst die auf den Expositionen allgegenwärtige Warnung vor den Gefahren des Alkoholkonsums, dieses „kräftige memento mori“ den Einzelnen nicht davon abhielt, „im Hackerbräu meiner Facon selig zu werden.“¹¹¹ Am unvorhersehbaren Verhalten des Besuchers kam die zielgerichtete Ausstellungsgestaltung an ihre Grenzen.
Ein gelenktes Publikum Die Aussteller wiederum bemühten sich insbesondere durch zwei kuratorische Maßnahmen, das Rezeptionsverhalten der Besucher auf den Expositionen zu steuern. Erstens lassen sich seit der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung verstärkte Bemühungen seitens der Veranstalter und einzelner Teilnehmer feststellen, die Exposition für das breite Publikum besser zu erschließen. Dies geschah einerseits durch angebotene Führungen und andererseits durch gedruckte Wegbeschreibungen. Letztere traten neben die offiziellen Ausstellungsführer, beschränkten sich jedoch in der Regel auf ausgewählte Aspekte der Schau, die sie dafür detaillierter beschrieben. Sie wirkten als Hilfsmittel, mit denen sich der Einzelne besser auf dem Ausstellungsgelände orientieren konnte. Schon 1911 lassen sich entsprechen-
108 Vgl. Auszug aus der Platz- und Verkehrsordnung, in: Städtisches Ausstellungsamt (Hrsg.): Ausstellung für Gesundheitspflege, S. 24–26, hier S. 25. 109 Vgl. Schreiben Max Frisch an Gebhard vom 05.06.1935. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 1, Folder I–6, unpaginiert. 110 Eine eindrückliche Vorstellung von diesem Gefühl der Überforderung vermittelt Otto: In der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden II, in: Daheim 47 (1911) 40, S. 11–12. 111 Zschorlich: Die Dresdener Hygiene-Ausstellung, S. 361–363, hier S. 361. Hervorhebung im Original.
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de Bemühungen beobachten. Die Ausstellungsleitung plante beispielsweise zehn thematisch gegliederte Führungen sowie Sonderführungen durch die ausländischen Pavillons.¹¹² Hinzu traten die Angebote der Aussteller selbst. Das sächsische Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts beurlaubte etwa einen Bürgerund Fortbildungsschullehrer, der ständig für Rundgänge durch die Sondergruppe „Alkoholismus“ bereitstand.¹¹³ Doch in Düsseldorf machten die Initiativen auf diesem Gebiet einen quantitativen wie qualitativen Sprung. Hier entwickelten die Verantwortlichen um Schloßmann unterschiedliche Arten von Rundgängen, die von allgemeinen Überblicken über die gesamte Schau in ein bis zwei Stunden über spezielle Angebote zu einzelnen Gruppen bis hin zu Sonderführungen für Vereine oder Kongressteilnehmer reichten.¹¹⁴ Man erarbeitete einen „Leitfaden für den Rundgang höherer Lehranstalten“, der durch entsprechende Kennzeichnungen im Manuskript auch für andere „Schulgattungen (Mittelschulen, Volksschulen, untere Klassen höherer Schulen) verwendbar“ war.¹¹⁵ Zu diversen wissenschaftlichen Gruppen wie „Bekämpfung des Alkoholismus“, „Tuberkulose“ oder „Säuglings- und Kinderfürsorge“ entstanden zusätzlich knappe Beschreibungen, die als Grundlage für kurze Führungen dienten.¹¹⁶ Darüber hinaus veröffentlichten an der GeSoLei beteiligte Organisationen oder unabhängige Publizisten Empfehlungen für praktikable Rundgänge.¹¹⁷ 1930 in Dresden verfasste der Deutsche Metallarbeiterverband für seine Mitglieder eine Besichtigungsanleitung, die ihnen half, in „der zur Verfügung stehenden Zeit möglichst viel vom Wichtigsten sehen zu können.“¹¹⁸ Diese Orientierungshilfen dienten einer verbesserten Besucherführung, waren gleichzeitig aber eine Form
112 Vgl. Führungen durch die Hygiene-Ausstellung. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/ Nr. 3577, Bl. 86. 113 Vgl. Schreiben des Arbeitsausschusses der Wissenschaftlichen Sondergruppe Alkoholismus an das Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts vom 08.05.1911. HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts/Nr. 14329, Bl. 139. 114 Vgl. Umlauf bei sämtlichen Abteilungen vom 02.06.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1526, unpaginiert. 115 Offizielle Führungsanweisungen für den Besuch der „GESOLEI“ durch geschlossene Schülerverbände, Düsseldorf o. J., S. 3. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 1997/1704. 116 Vgl. Gruppe Säuglings- und Kleinkinderfürsorge. StdA Düsseldorf 0–1–18–1525, unpaginiert; Übersicht „Halle 30c Gruppe Säuglings- und Kleinkinderfürsorge“. StdA Düsseldorf 0–1–3–1525, unpaginiert; Führer durch Halle 30h (Tuberkulose). StdA Düsseldorf 0–1–18–1525, unpaginiert. 117 Vgl. o. V.: Ein Gang durch die Grosse Ausstellung Düsseldorf 1926, Düsseldorf [1926]. LA Berlin B Rep. 142–06/Nr. 591, Bl. 15; Erich Feld: Ein Tag in der Gesolei. Praktischer Ratgeber, Düsseldorf 1926. 118 Deutscher Metallarbeiterverband. Verwaltungsstelle Dresden. Anleitung zur Besichtigung der Hygiene-Ausstellung. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 95, Bl. 1–3, hier Bl. 1.
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des Konkurrenzkampfes zwischen den einzelnen Ausstellern. Denn sie lenkten die Aufmerksamkeit des Publikums auf bestimmte Ausstellungsbereiche und zogen sie damit von anderen ab. Das erklärt, warum sich beispielsweise der Hauptverband deutscher Krankenkassen bei der Leitung der GeSoLei darüber beschwerte, dass ihre Gruppe bei den Rundgängen kaum beachtet wurde.¹¹⁹ Die zweite Strategie zur Steuerung der Besucheraufmerksamkeit war der Einsatz auffälliger Exponate. Objekte wie die der Gruppe „Der Mensch“ des HygieneMuseums oder die Darstellungen der Familie Kallikak verfügten über einen hohen Wiedererkennungswert, zogen das Interesse der Besucher auf sich und dienten als Aufhänger in der Presseberichterstattung. Dies galt aber auch für Exponate anderer Aussteller. Die Liga der freien Wohlfahrtspflege schuf zur GeSoLei die spektakuläre Wohlfahrtsstadt; ein Rundmodell mit 15 Metern Durchmesser, das die Größe der freien Wohlfahrtspflege veranschaulichte, indem es virtuell die Häuser ihrer 7791 Anstalten in einer einzigen Stadt mit 500 000 Einwohnern zusammenzog.¹²⁰ Die Wohlfahrtsstadt sollte „dem vorübergehenden Beschauer die volkswirtschaftliche Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege, von der er zumeist nur vage Vorstellungen hat, aufklärend und einleuchtend“ aufzeigen.¹²¹ Sie wirkte – ähnlich den ausgestellten Statistiken oder dem Kartenmaterial – an der Visualisierung abstrakter Zusammenhänge mit, hatte jedoch innerhalb des Kampfes um die Aufmerksamkeit der Besucher noch eine weitere Funktion. Sie fungierte als Blickfang, weckte Interesse und konnte für das Publikum als „Erinnerungsbrücke“ dienen, indem es die zentrale Aussage der Gruppe bündelte. In ähnlicher Weise inszenierte später das Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde jeweils ein Objekt als Stellvertreter für die Grundaussage jedes Ausstellungsraumes.¹²² Die Wohlfahrtsstadt regte darüber hinaus die publizistische Auseinandersetzung mit der Gruppe an.¹²³
119 Vgl. Schreiben Hauptverband deutscher Krankenkassen an die Leitung der Gesolei vom 21.08.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1526, unpaginiert. 120 Vgl. Wilhelm Engelmann: Die freie Wohlfahrtspflege auf der Gesolei. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA Nr. 1214 III, unpaginiert. Der Begriff Wohlfahrtsstadt ist bekannt durch Wilfried Rudloff : Die Wohlfahrtsstadt. Kommunale Ernährungs-, Fürsorge- und Wohnungspolitik am Beispiel Münchens 1910–1933, Göttingen 1998. 121 Fritz Werner: Die Ausstellung der freien Wohlfahrtspflege in Düsseldorf. („Gesolei“ Mai– Oktober 1926), S. 2. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/PD 128, unpaginiert. 122 Vgl. Marta Fraenkel: Ein neuartiges Museum: „Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde in Düsseldorf (e. V.)“, in: Museumskunde NF 1 (1929) 1, 23–31, hier 28. 123 Für die publizistische Aufmerksamkeit für die Wohlfahrtsstadt vgl. Kühne: Ein Besuch Düsseldorfs und der „Gesolei“, S. 145–151, hier S. 148; Wilhelm Engelmann: Die Ausstellung der freien Wohlfahrtspflege, in: Die Innere Mission im evangelischen Deutschland 21 (1926) 8, S. 260–264, hier S. 260–261; W. Bachmann: Die grosse Düsseldorfer Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale
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Abb. 3.3: Die „Wohlfahrtsstadt“ in der Gruppe der Liga der freien Wohlfahrtspflege auf der GeSoLei 1926. Quelle: Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2013/830.43.
In Dresden 1930/31 befand sich in der kulturhistorischen Sonderschau „Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens“, die aus einer Zusammenarbeit der Reichsregierung mit den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft sozialhygienischer Reichsfachverbände hervorging, ein Exponat, das der Wohlfahrtsstadt sehr ähnelte und vergleichbare Funktionen erfüllte.¹²⁴ Die Schau eröffnete mit einem „Repräsentationsraum“, in dem ein in 16 Sektionen unterteiltes Rundmodell „eine Gesamtübersicht über die historische Entwicklung und den derzeitigen Stand des Gesundheitswesens“ gab.¹²⁵ Im Rahmen der „Wunder des Lebens“ nahm ebenfalls ein Großexponat einen zentralen Platz ein. Neben dem „Gläsernen Menschen“ ragte 1935 der Glockenhof heraus, in dessen Zentrum ein Glockenturm stand.
Fürsorge und Leibesübungen. Ein Rückblick, in: Seuchenbekämpfung. Ätiologie, Prophylaxe und experimentelle Therapie der Infektionskrankheiten 4 (1927) 1, S. 17–20, hier S. 20. 124 Die Sonderschau wurde von Fritz Rott geleitet, der in Dresden 1930/31 große Teile seines Konzepts für die geplante internationale sozialhygienische Ausstellung in Berlin umsetzen konnte. Vgl. Schabel: Soziale Hygiene zwischen sozialer Reform und sozialer Biologie, S. 217–220. 125 Ausstellungsplan „Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens“ vom 20.06.1929, S. 1– 2. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/G Nr. 421, unpaginiert. Für eine Abbildung des Modells vgl. Hugo Freund (Hrsg.): Markante Bilder der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930/31, Dresden 1931, S. 71.
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Durch neun Schläge innerhalb von fünf Minuten symbolisierte er die Anzahl der in dieser Zeit Neugeborenen, während ein sich drehendes Stundenglas darunter die Anzahl von sieben Todesfällen im gleichen Zeitraum anzeigte.¹²⁶ Das Objekt erregte das Interesse der Besucher, thematisierte aber gleichzeitig das zeitgenössisch hochaktuelle Thema der demographischen Entwicklung.¹²⁷ Die Glocke war zugleich die Übersetzung eines durch Statistiken und Kurven dargestellten Zusammenhanges in den dreidimensionalen Raum. Auf der GeSoLei war das Mustersäuglingsheim der Firma Vasenol eine weitere Form, durch eine ungewöhnliche Ausstellungsgestaltung das Publikum anzusprechen. In diesem Heim betreuten Pflegerinnen zwölf Säuglinge und konnten währenddessen von den – durch eine Glasscheibe abgetrennten – Besuchern beobachtet werden. Hier erteilten die Pflegerinnen „Unterricht durch Anschauung“.¹²⁸ In vergleichbarer Weise ließ das Berliner Messeamt anlässlich der „Deutschland“ Schau 1936 ein Reichsarbeitsdienstkommando aus Nauen auf dem Außengelände ein Arbeitslager errichten, das während der Schau von jeweils 15 Personen bewohnt wurde.¹²⁹ Solche Ausstellungsarrangements ermöglichten dem Besucher, einer fast schon theatralen Vorführung beizuwohnen. Die im Vasenol-Kinderheim eingegangene Verbindung von Praxisvorführung, Aufklärung und Unterhaltung mit der zeitgenössisch hochaktuellen Säuglings- und Kinderfürsorge erzielte einige Beachtung, so dass die Ausstellungsführer in der Regel einen Besuch der Gruppe empfahlen. Zudem wurde sie oft in der Presse gewürdigt.¹³⁰ Auf der Internatio-
126 Vgl. o. V.: „Das Wunder des Lebens“. Ausstellung, Berlin, am Kaiserdamm, 23. März bis 5. Mai 1935, in: Archiv für Bevölkerungswissenschaft (Volkskunde) und Bevölkerungspolitik 5 (1935) 2, S. 123–133, hier S. 123. 127 Zum Geburtenrückgang vgl. u. a. Matthias Weipert: „Mehrung der Volkskraft“: Die Debatte über Bevölkerung, Modernisierung und Nation 1890–1933, Paderborn u. a. 2006; Thomas Etzemüller: Ein ewigwährender Untergang. Der apokalpytische Bevölkerungsdiskurs im 20. Jahrhundert, Bielefeld 2007. 128 Martin Vogel/Richard Otto Reulecke: Ein Rundgang durch die Gesolei, in: Dies. (Hrsg.): Gesundheit durch Homöopathie und Biochemie, Düsseldorf 1927, S. 3–9, hier S. 4. 129 Vgl. Die Ausstellung „Deutschland“ im Aufbau. Nachrichtendienst der Gemeinnützigen Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH vom 02.07.1936, S. 5–6. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32091, unpaginiert. 130 Vgl. Max Gerisch: Die Gesolei, in: Die große Ausstellung. Gesolei. Beilage des „Mittag“, o. J. BArch Berlin R 1603/2472, unpaginiert; o. V.: Ein Gang durch die Grosse Ausstellung Düsseldorf 1926, Düsseldorf [1926], S. 3. LA Berlin B Rep. 142–06/Nr. 591, Bl. 15; Helene Heisterbergk: Bericht vom 03.09.1926. HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts/Nr. 14333, Bl. 229; Margret Witt: Die Bedeutung der Gesolei für die Frau. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 782, Bl. 34–35, hier Bl. 34. Zur Bedeutung der Kinderheilkunde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vgl. u. a. Eduard Seidler: „. . . die glückliche Spezialität der Kinderheilkunde“. 125 Jahre Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, in: Historische Kommission der
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nalen Hygiene-Ausstellung 1930/31 griffen die Veranstalter dieses Modell wieder auf. In der Gruppe „Das Kind“ gestalteten sie einen Bereich, in dem Pflegerinnen „ganz zwanglos ‚Schnellkurse in der Säuglingspflege‘“ abhielten und Demonstrationen vorführten.¹³¹ In Dresden erzielte allerdings vor allem die neu eingerichtete Gruppe „Aberlaube und Gesundheit“ mit ihren ungewöhnlichen Exponaten eine größere Aufmerksamkeit.¹³² Besonders das fünfaktige „Krebsdrama“ fiel auf. Es handelte sich um eine bewegliche, 1 × 1 × 1 Meter messende Drehbühne, die alle 15 Sekunden jeweils eine, mit kleinen Puppen dargestellte, Szene zeigte. Das Exponat erzählte auf diese Weise den Lebensweg einer Ehefrau, bei der ein Arzt einen beginnenden Tumor diagnostizierte, die aber aus Angst vor der Operation auf einen „Kurpfuscher“ vertraute und am Ende an der Krankheit starb.¹³³ Das „Krebsdrama“ legitimierte einerseits den medizinisch-naturwissenschaftlichen Deutungsanspruch über den Körper – besonders gegenüber Vertretern der alternativen Medizin. Andererseits handelte es sich um ein ungewöhnliches Exponat, das anschaulich eine Geschichte erzählte, dadurch kompatibel mit den modernen Sehgewohnheiten war und sich so von anderen Objekten absetzte.¹³⁴ Auffällige, anschauliche, unterhaltsame Exponate oder Gruppen sowie eine bessere Leitung des Publikums – sei es durch Führungen oder gedruckte Anleitungen – strukturierten den Ausstellungsraum. Sie waren Maßnahmen im Kampf der Aussteller um die Aufmerksamkeit des Besuchers. Sie stellten aber keine Sicherheit dar, konnten weder die Beachtung des Publikums garantieren noch dessen Rezeptionsverhalten voraussehen. So berichtete ein Vertreter der „Schwachsinnigenfürsorge“ 1911, seiner Erfahrung nach würden besonders gute Handarbeiten von den Betrachtern abgelehnt werden. Denn diese könnten sich nicht vorstellen,
DGKJ (Hrsg.): 125 Jahre Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V., Berlin 2008, S. 17–35. 131 Bruno Gebhard: In der Säuglingsecke der Gruppe „Kind“ auf der Internationalen HygieneAusstellung, in: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden. Mai–Okt. 1930. Offizielle Ausstellungszeitung 1 (1930) 10, S. 6. Bemerkenswert an diesem Artikel ist, dass Gebhard die Beteiligung der Väter an den Kursen explizit als wünschenswert bezeichnet. 132 Vgl. Marta Fraenkel: „Aberglaube und Gesundheit“ auf der Internationalen HygieneAusstellung, in: Gesundheitslehrer 33 (1930) 10, Ausgabe B, S. 94–95; Herbert Hartmann: Die Internationale Hygieneausstellung in Dresden 1931, in: Sportpolitische Rundschau 4 (1931) 8, S. 155–156; Spatz: Eröffnung der Hygieneausstellung, S. 921. 133 Vgl. o. V.: Das Krebsdrama, in: Gesundheitslehrer 33 (1930) 19, Ausgabe A, S. 218. 134 Das „Krebsdrama“ wurde außerdem komplett im Film „Die Internationale HygieneAusstellung Dresden 1930 spricht zu dir!“ gezeigt. Vgl. Die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 spricht zu dir! Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2007/680. Zur Bedeutung des Films für die Wahrnehmung des Körpers vgl. Ramón Reichert: Im Kino der Humanwissenschaften. Studien zur Medialisierung wissenschaftlichen Wissens, Bielefeld 2007.
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dass derartige Gegenstände von Menschen mit geistiger Behinderung hergestellt wurden.¹³⁵ Bei der Hygiene-Ausstellung 1930/31 schilderte ein Alkoholgegner das Verhalten eines Besuchers, der in Anbetracht mehrerer ausgestellter Flaschen mit Alkohol trotz des daneben stehenden Bierherzens und abschreckender Informationen über die gesundheitlichen Schäden des Alkohols „ganz vergnügt“ sagte: „‚Da könnte man bald Appetit kriegen!‘“¹³⁶ Und auch die nationalsozialistischen Gesundheitsausstellungen waren von gegenläufigen Interpretationen nicht gefeit. Auf der „Wunder des Lebens“ bemerkte ein Kommentator, die Darstellung der differentiellen Fortpflanzung führe zu einem interpretatorischen Umkehrschluss. Da die Schau betonte, dass eine „erbminderwertige Familie“ deutlich mehr Kinder bekomme als die „deutsche Familie“, entstehe beim Betrachter der Eindruck, eine kinderreiche Familie sei grundsätzlich „minderwertig.“¹³⁷ Wie schon der Weg der Objekte in die Ausstellung so prekär wie kontingent war, blieb auch die Rezeption der späteren Exponate unplanbar und von Zufällen abhängig.¹³⁸ Die Besucher verlangten nach Unterhaltung und Aufklärung, nach Anschauung und Vergnügung. Sie verteilten ihre Aufmerksamkeit ungleichmäßig und eigneten sich die Ausstellung auf eigensinnige Weise an. So heterogen wie die Teilnehmer an den Gesundheitsausstellungen war auch ihre Wahrnehmung. Gleichwohl blieb das politische, professionelle sowie allgemeine Publikum die zentrale Bezugsgrößte für die Aussteller. Dieses sollte erreicht, sollte beeinflusst und von der eigenen Position überzeugt werden. Erst das Vorhandensein eines Massenpublikums machte die Gesundheitsschau wirklich zu einer Plattform der öffentlichen Deutung des Körpers; und war gleichzeitig die Ursache für die zahlreichen Aushandlungsprozesse, die die Vorbereitung und Durchführung der Schauen ebenso sehr prägten wie ihre Architektur oder ihre heute noch bekannten Exponate.
135 Vgl. Kurt Lehm: Gedanken zur Abteilung „Hilfsschule“ der Internationalen HygieneAusstellung Dresden 1911, in: Zeitschrift für Kinderforschung 17 (1911) 3, S. 106–116, hier S. 115. 136 P. H.: Durch die Internationale Hygieneausstellung in Dresden 1930, in: Sonderdruck aus den Folgen 10/11 (Oktober–November) des „Aufwärts“, Blätter für alkoholfreie Kultur, S. 4. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 94, unpaginiert. 137 B.: Wunder des Lebens, in: Völkische Wacht. Kampfblatt für nationalsozialistische Bevölkerungspolitik 15 (1935) 5, S. 69–70, hier S. 70. 138 Mit einer ähnlichen Stoßrichtung weist Philipp Sarasin auf die Eigenlogik und Interpretationsoffenheit von Bildern hin. Vgl. Ders.: Bilder und Texte. Ein Kommentar, in: WerkstattGeschichte (2007) 47, S. 75–80.
3.3 Ausstellung und Konkurrenz
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3.3 Ausstellung und Konkurrenz: Konflikte zwischen den Akteuren Auf den großen Gesundheitsschauen des 20. Jahrhunderts auszustellen hieß, sich auf einer politischen Bühne, vor einflussreichen Vertretern der Scientific Community und vor einem Massenpublikum zu präsentieren. Die Expositionen boten ihren Teilnehmern die Chance, öffentlich für die eigenen Positionen zu werben und sich selbst positiv darzustellen. Die Gesundheitsausstellungen waren allerdings nicht nur Werbeorte – selbst wenn etwa die Vegetarische Obstbau-Kolonie Eden die Qualität ihrer Produkte dadurch kennzeichnete, dass sie in Dresden 1911 prämiert worden war¹³⁹ oder drei Firmen 1911 Preise für den Dresdner Armee-GepäckWettmarsch sponserten.¹⁴⁰ Sie waren Veranstaltungen, die durch ihre spezifische Prägung als wissenschaftliche Expositionen die an ihr beteiligten Akteure legitimierten. Die Hoffnung, in Dresden, Düsseldorf oder Berlin die eigenen Positionen aufzuwerten, trieb viele Organisationen erst zu einer Teilnahme an. Grundsätzlich waren die Ausstellungen über den ganzen Zeitraum hinweg vieldeutig und blieben beispielsweise für Vertreter der Antialkoholbewegung und des Deutschen Brauerbundes gleichermaßen offen. Trotzdem gelang es einzelnen Akteuren, den Zugang ihrer Konkurrenz zur Exposition zu beschneiden und sich dadurch einen Vorteil zu sichern. Doch selbst die Akteure, die aus unterschiedlichen Gründen nicht auf den Expositionen vertreten waren, nahmen durch Konkurrenzveranstaltungen oder die Berichterstattung in den Medien an den Gesundheitsausstellungen teil.
Der Streit über die Heimarbeit 1911 Dies veranschaulicht die Auseinandersetzung der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands mit Vertretern der sächsischen Industrie über die Darstellung von Heimarbeit, die sich während der Vorbereitungen für die HygieneAusstellung 1911 abspielte. Ursprünglich hatten die Gewerkschaften geplant, 15
139 Vgl. Ulrich G. Großmann (Hrsg.): Aufbruch der Jugend. Deutsche Jugendbewegung zwischen Selbstbestimmung und Verführung, Nürnberg 2013, S. 226. 140 Die Schuhfabrik Karl Bahmann stiftete drei Preise für die „Teilnehmer, deren Füße durch den Marsch am wenigsten gelitten haben“, die Dresdner Firma Hast steuerte drei Preise bei für „diejenigen, welche Hilén zur Pflege ihrer Füße benutzen und die besten Zeiten erzielen“ und die Firma Klepperbein sponserte einen Preis für „die beste Zeit, einen für die beste Verfassung nach dem Marsche für Klepperbeins Kola-Mentillen benutzende Teilnehmer.“ Dresdner Fußball-Club 1893. Ausschreibung: Internationaler Armee-Gepäck-Wettmarsch Dresden 1911. BayHStA MKr 288, unpaginiert. Hervorhebung im Original.
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bis 16 Heimarbeiter inklusive ihres Hausrats und ihrer Arbeitsgeräte nach Dresden zu bringen. Auf diese Weise wollten sie die Arbeits- und Lohnverhältnisse der Heimarbeit vorführen.¹⁴¹ Anfangs hatte Lingner im Namen der Ausstellungsleitung gegen diese Sondergruppe „nichts einzuwenden“. Er machte seine Zusage aber unter der Auflage, dass „jede tendenziöse Darstellung vermieden werde, und dass wir uns vorbehalten, solche Objekte, die dieser Erwartung widersprechen, nicht zuzulassen.“¹⁴² Gegen die geplante Gruppe regte sich allerdings bald Protest. Der Verband Sächsischer Industrieller, die Handelskammer Dresden und der Vorstand des Fabrikantenvereins der Sächsischen Stickerei- und Spitzenindustrie kritisierten das Projekt. Aus ihrer Sicht sei es das Ziel der Gewerkschaften, durch „eine bewußte Elends-Malerei Abscheu vor der Heimarbeit zu erwecken und die gesetzgeberischen Aktionen in dieser Beziehung zu beeinflussen.“¹⁴³ In dieser unklaren Situation wandte sich Lingner direkt an das Sächsische Ministerium des Innern und empfahl ihm, die Ausstellungsleitung offiziell anzuweisen, wie sie sich im Hinblick auf die Gruppe „Heimarbeit“ verhalten solle. Man werde sich dann nach dieser Weisung richten.¹⁴⁴ Das Ministerium sah sich in der Pflicht, darauf zu achten, dass „die durch bedeutende staatliche Mittel unterstützte Internationale Hygiene-Ausstellung nicht von der Sozialdemokratie zur Agitation benutzt werde, die sich gegen die von ihr in sehr einseitiger Weise beurteilte und bekämpfte Heimarbeit richtet, indem deren Schattenseiten übertrieben werden und deren sittlicher, sozialer und volkswirtschaftlicher Wert verschwiegen wird.“¹⁴⁵ Ein paritätisch mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetztes Komitee sollte für eine ausgeglichene Gestaltung der Heimarbeitsgruppe sorgen. Da die Gewerkschaften aber die Entlohnung der Heimarbeiter unbedingt in das Zentrum
141 Vgl. Schreiben Ministerium des Innern, Abteilung für Ackerbau, Gewerbe und Handel an die Handelskammern, die Gewerbekammer und den Verband Sächsischer Industrieller vom 15.11.1910. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3578, Bl. 3. 142 Schreiben Lingner an Beutler vom 29.11.1910. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/ Nr. 3578, Bl. 1–2, hier Bl. 1. Lingner selbst ging davon aus, dass eine Gruppe „Heimarbeit“ ohnehin nur wenig Aufmerksamkeit erregen würde. 143 Schreiben Verband sächsischer Industrieller an das Sächsische Ministerium des Innern vom 21.12.1910. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3578, Bl. 11–14, hier Bl. 12. Vgl. weiter Schreiben Handelskammer Dresden an das Sächsische Ministerium des Innern vom 16.01.1911. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3578, Bl. 26–27; Schreiben Otto Tröger an das Sächsische Ministerium des Innern vom 20.12.1910. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/ Nr. 3578, Bl. 20–21. 144 Vgl. Schreiben Lingner an das Sächsische Ministerium des Innern vom 31.12.1910. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3578, Bl. 16. 145 Schreiben Vitzthum an Rumpelt vom 04.01.1911. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/ Nr. 3578, Bl. 19.
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der Gruppe rücken wollten, entschieden die Ausstellungsleitung, Vertreter des Sächsischen Ministeriums des Innern und des Verbandes Sächsischer Industrieller bald darauf in einer vertraulichen Sitzung ohne Beisein der Gewerkschaften, dass von der Gruppe „besser abzusehen sei.“¹⁴⁶ Diesen Entschluss teilte Lingner der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands schriftlich mit.¹⁴⁷ Die Generalkommission berichtete nach kurzer Zeit in ihrem eigenen Korrespondenzblatt von den internen Auseinandersetzungen und griff vor allem das Sächsische Ministerium des Innern scharf an.¹⁴⁸ Darüber hinaus entschied sie, der Exposition nun gänzlich fern zu bleiben und sich auch an anderen Gruppen nicht zu engagieren. Einige andere Teilnehmer wie der Zentralverband deutscher Konsumvereine oder das Heimarbeitskomitee der Schweiz schlossen sich diesem Boykott des nun teilweise als „‚Ausstellung für Unhygiene‘“ bezeichneten Projekts an.¹⁴⁹ Auf diese Weise war das Thema öffentlich geworden. Der Dresdner Umgang mit der Gruppe „Heimarbeit“ beschäftigte schließlich sogar den Reichstag.¹⁵⁰ Später wurde er beispielsweise im „Korrespondenzblatt der Gewerkschaften“, dem „Vorwärts“ oder den „Annalen für Soziale Politik und Gesetzgebung“ aufgegriffen.¹⁵¹ So gelang es den Gewerkschaften trotz ihres Fehlens, das Thema auf die öffentliche Agenda zu setzen. Die Teilnahme an den Ausstellungen oder die Bezugnahme auf sie fungierte als Mittel, Aufmerksamkeit zu erregen und sich öffentlich sichtbar zu machen. Die Expositionen wurden dadurch zu Arenen, in denen sich
146 Protokoll der vertraulichen Besprechung im Ministerium des Innern vom 19.01.1911. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3578, Bl. 32–33, hier Bl. 32. 147 Vgl. Schreiben Lingner an die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands vom 25.01.1911. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3578, Bl. 34–37. 148 Vgl. o. V.: Die Internationale Hygiene-Ausstellung und die Gewerkschaften, in: Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands 21 (1911) 6, S. 89–92. 149 o. V.: Die ‚Ausstellung für Unhygiene‘, in: Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands 21 (1911) 10, S. 156–157. Vgl. außerdem o. V.: Die Konsumvereine und die Internationale Hygieneausstellung, in: Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands 21 (1911) 8, S. 127–128. 150 Vgl. Stenographischer Bericht der 151. Sitzung des Reichstages vom 18.03.1911, S. 5607–5609 und S. 5628–5629. Online unter: http://www.reichstagsprotokolle.de/Band_k12_bsb00003331. html. [Letzter Zugriff am 20.09.2014]. Für die Auseinandersetzung vgl. außerdem Poser: Museum der Gefahren, S. 191–193. 151 Vgl. U.: Von der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden, in: Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands 21 (1911) 29, S. 449–451; o. V.: Zur Eröffnung der Hygieneausstellung in Dresden, in: Vorwärts vom 10.05.1911, S. 1; U.: Von der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden, in: Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands 21 (1911) 30, S. 465–467; Alfons Fischer: Die sozialpolitische Bedeutung der Internationalen Hygieneausstellung in Dresden, in: Annalen für Soziale Politik und Gesetzgebung 1 (1912) 4/5, S. 568–588, hier S. 569–570.
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Gruppen mit unterschiedlichen, teilweise gegensätzlichen Zielen begegneten sowie ihre Stellung im Ausstellungsgefüge untereinander und mit den Veranstaltern aushandelten. Aus dieser Perspektive ließe sich die Geschichte der Gesundheitsausstellungen auch als eine Geschichte des Konkurrenzkampfes unter den Ausstellern schreiben. Ein Mittel in diesem Konkurrenzkampf bildete die auffällige Gestaltung einzelner Exponate oder Gruppen, die Investition in ansprechendes Ausstellungsmaterial und ein verstärktes Engagement im Bereich der Besucherführung. Hier hatten finanzkräftige, insbesondere kommerzielle Akteure einen Vorteil gegenüber ihren nichtkommerziellen Konkurrenten, die allzu ausgefallene Gestaltungen oder einen aufwendigen Einsatz neuer Medien nicht im gleichen Ausmaß finanzieren konnten. Diese Akteure mussten auf andere Ressourcen zurückgreifen, um ihre Position durchzusetzen: Wissenschaftliches Renommee, politische Kontakte, die Stellung im Organisationsgefüge der Schau oder moralisches Gewicht. Als Ergebnis war die „ganze Ausstellung [. . . ] ein Kompromiss“, der zwischen Ausstellern, Veranstaltern, Industriellen und Politikern für jede Gruppe und jede Exposition neu geschlossen werden musste.¹⁵²
Auseinandersetzungen um Ausstellungsfläche Besonders bemühten sich die Teilnehmer, genügend Raum für ihre Gruppen zugeteilt zu bekommen. Zwar war dieser für Aussteller der wissenschaftlichen Abteilung in der Regel kostenfrei. Doch regelmäßig beklagten sich Einzelne, zu wenig Platz zur Verfügung zu haben. 1911 beschwerten sich etwa die Turner darüber, insgesamt nur 16 qm Bodenfläche bespielen zu können.¹⁵³ Erst danach konnten sie in die größere Vorhalle der Musterturnhalle umziehen, die ebenfalls für die HygieneAusstellung errichtet worden war. Allerdings hatten sie vor dem 8. Mai 1911 keinen Zugang zu dem Raum, der zuvor noch als Abstellkammer diente. Sie konnten daher ihre Gruppe erst nach der Eröffnung der Schau fertig stellen.¹⁵⁴ In Düsseldorf
152 Handschriftliche Bemerkung auf der Niederschrift über die Sitzung der Gruppe „Jugendpflege und Jugendbewegung einschließlich Jugendherbergswerk“ vom 01.12.1925. StdA Düsseldorf 0–1– 18–1044, Bl. 66–69, hier Bl. 67. 153 Vgl. R. Gasch: Das Turnen auf der internationalen Hygieneausstellung in Dresden, in: Deutsche Turn-Zeitung 56 (1911) 3, S. 55–56. 154 Vgl. R. Gasch: Das Turnen auf der internationalen Hygieneausstellung in Dresden, in: Deutsche Turn-Zeitung 56 (1911) 15, S. 277; Ders.: Das Turnen auf der internationalen Hygieneausstellung in Dresden, in: Deutsche Turn-Zeitung 56 (1911) 23, S. 421–422. Zur eingerichteten Turnhalle in Dresden vgl. A. Glathe: Turnhalle, Turnplatz und Hygiene, in: Deutsche Turn-Zeitung 56 (1911) 52, S. 969–972.
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forderten mit Ruth von der Leyen für ihren Deutschen Verein zur Fürsorge für jugendliche Psychopathen, die sich gleich mehrfach an die Veranstalter wandte, und dem Selbsthilfebund der Körperbehinderten (Otto-Perl-Bund) mindestens zwei Teilnehmer einen anderen Raum auf dem Ausstellungsgelände.¹⁵⁵ Eine bemerkenswert intensive Auseinandersetzung über die belegbare Ausstellungsfläche fand jedoch 1926 zwischen der Liga der freien Wohlfahrtspflege und den kommunalen Spitzenverbänden statt. Ausgangspunkt war die Annahme der kommunalen Spitzenverbände, die Liga werde in ihrer Düsseldorfer Kollektivgruppe nur Statistiken und keine Objekte zeigen. Unter diesen Voraussetzungen war man bereit, ebenfalls nur Statistiken auszustellen und die eigenen Objekte an andere Fachgruppen abzugeben.¹⁵⁶ Die Vertreter der Liga hatten aber davon abweichende Pläne und gestalteten eine große Kollektivausstellung unter Beteiligung aller Mitgliedsorganisationen.¹⁵⁷ Diese sollte auf 3000 qm Fläche in derselben Halle untergebracht werden wie die Schau der Kommunalen Spitzenverbände, die nur 2000 qm zur Verfügung hatte.¹⁵⁸ Durch diese Anordnung entstand aus Sicht der Kommunen jedoch „ein ganz falsches Bild von dem Verhältnis zwischen behördlicher und freier Wohlfahrtspflege“, worunter der „Eindruck von der Bedeutung“ der kommunalen Leistungen leiden könnte.¹⁵⁹ Die Liga gab ihren Plan einer großen Kollektivschau jedoch nicht auf und so überlegten schließlich die Kommunen, eine ebenso große Gruppe zu organisieren.¹⁶⁰ Letztlich verhinderten Finanzierungsschwierigkeiten einen derartigen Beitrag der
155 Vgl. Schreiben von der Leyen an den Ausstellungsvorstand vom 26.10.1925. StdA Düsseldorf 0– 1–18–1492, unpaginiert; Schreiben von der Leyen an Vogel vom 31.03.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18– 1472, unpaginiert; Hauptvorstand des Selbsthilfebundes der Körperbehinderten (Otto-Perl-Bund): „Die GeSoLei-Ausstellung“, in: Nachrichtendienst des Selbsthilfebundes der Körperbehinderten (Otto-Perl-Bund) 7 (1926) 2, S. 1. 156 Vgl. Niederschrift über die Besprechung mit den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände vom 14.09.1925. LA Berlin B Rep. 142–04/Nr. 116, Bl. 128. 157 Es handelte sich dabei um den Zentralausschuss für die Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche, den Deutschen Caritasverband, die Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden, den Fünften Wohlfahrtsverband sowie den Zentralwohlfahrtsausschuss der christlichen Arbeitsgemeinschaft. Vgl. Mitteilung über die Gründung der Deutschen Liga der freien Wohlfahrtspflege. LA Berlin B Rep. 142–01/Nr. 869, unpaginiert. 158 Vgl. Schreiben Horion an die Geschäftsstelle der vereinigten Provinzen in Berlin vom 18.09.1925. LA Berlin B Rep 142–06/Nr. 660, Bl. 121–122. 159 Schreiben Horion an die Geschäftsstelle der vereinigten Provinzen in Berlin vom 18.09.1925. LA Berlin B Rep 142–06/Nr. 660, Bl. 123–124, hier Bl. 123. 160 Vgl. Schreiben Mitzlaff an Ministerialrat Moll vom 24.10.1925. LA Berlin B Rep 142–06/Nr. 660, Bl. 144.
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Kommunen¹⁶¹, die sich allerdings mit umfangreichen statistischen Darstellungen auf der GeSoLei präsentierten.¹⁶² In der Auseinandersetzung um den Ausstellungsraum setzte sich somit schließlich die Liga der freien Wohlfahrtspflege durch, die mit ungewöhnlichen Exponaten wie der Wohlfahrtsstadt zu den öffentlichkeitswirksameren Teilnehmern der Düsseldorfer Schau gehörte. Um die eigenen Vorstellungen umsetzen zu können, war es für den Aussteller von großem Vorteil, möglichst frühzeitig an den vorbereitenden Sitzungen der Ausstellungsgruppen teilzunehmen. Denn in den Sitzungen und Ausschüssen wurde regelmäßig über die Zulassung oder den Ausschluss potentieller Aussteller von der Exposition, über deren Raumbedarf oder bestimmte inhaltliche Vorgaben entschieden. Im Vorfeld der Hygiene-Ausstellung 1911 forderte etwa der Internist und Pädiater Otto Heubner im Fall der Gruppe „Säuglingspflege“, vor ihrer Aufstellung sämtliche Exponate hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Eignung kontrollieren zu können. Da dies Lingner sowie Friedrich August Weber, der vom Kaiserlichen Gesundheitsamt nach Dresden abgestellt worden war, aus organisatorischen Gründen für undurchführbar hielten, einigte man sich schließlich darauf, von der wissenschaftlichen Abteilung wenigstens „alle Nährpräparate“ auszuschließen.¹⁶³ Bei der Hygiene-Ausstellung 1930/31 in Dresden drängte der Central-Ausschuss der Inneren Mission den Volmarsteiner Pastor Hans Vietor dazu, sich im Ausschuss der Sonderschau „Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens“ zu engagieren. Er sollte als Leiter des evangelischen Johanna-Helene-Heims in Volmarstein im Ausschuss der Gruppe 12 „Krüppelfürsorge“ die Interessen der Diakonie vertreten. Denn diese hatte das Gefühl, dass „bei der ganzen Sache offenbar die Tendenz etwas besteht, die öffentliche und neutrale Wohlfahrtspflege sehr stark in den Vordergrund zu rücken.“¹⁶⁴ Die Position der Gruppen- oder Hauptgruppenleitung war zwar arbeitsintensiv, aber für Einzelne durchaus erstrebenswert. Denn die Beteiligung an Gruppenleitungen bedeutete die Macht, über die Zulassung der Aussteller, die Raumzuteilung und inhaltliche Auflagen zu entscheiden. Die Einflussmöglichkeiten der Gruppenleitungen motivierte auch Vertreter der Arbeitgeberverbände, sich an der Organisation der GeSoLei zu beteiligen. Sie interessierten sich für alle Ausstellungsgruppen, die in irgendeiner Weise mit Ge-
161 Vgl. Niederschrift einer Besprechung über die gemeinsame Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände an der Geolei vom 24.11.1925. LA Berlin B Rep 142–06/Nr. 660, Bl. 203–204. 162 Vgl. Deutscher Städtetag (Hrsg.): Die deutschen Städte auf der Gesolei, Gelsenkirchen o. J. GStA PK I. HA Rep. 76 VIII B Nr. 4390, unpaginiert. 163 Protokoll der Gruppe VIII, 1 „Säuglingspflege“ vom 23.06.1910, S. 9. StdA Amsterdam 496/2, unpaginiert. Hervorhebung im Original. 164 Schreiben des Central-Ausschuss für Innere Mission, Propaganda-Dienst an Hans Vietor vom 02.07.1929. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/PD 197, unpaginiert.
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werbehygiene sowie dem Verdienst von Arbeitern in Verbindung standen. Durch ihre Beteiligung an der Gruppenleitung wollten sie verhindern, dass „diese Abteilungen der Ausstellung einen durchaus einseitig gewerkschaftlichen Charakter erhalten.“¹⁶⁵ Anders als 1911 in Dresden, wo ein bereits bestehendes Gruppenkonzept der Gewerkschaften erst zu einem relativ späten Zeitpunkt verhindert und dadurch eine öffentliche Diskussion ausgelöst wurde, versuchte man nun also schon frühzeitig, Einfluss auf die Ausstellung zu gewinnen und so „eine Tendenzund Elendsausstellung durch die Gewerkschaften“ bereits im Vorfeld zu verhindern.¹⁶⁶ Deswegen setzte man durch, dass die Gruppenleitungen nicht nur mit Vertretern der Gewerkschaften sowie der Deutschen Gesellschaft für Gewerbehygiene, sondern darüber hinaus auch mit Vertretern der Arbeitgeberverbände besetzt wurden. Starke Kritik an dieser Zusammensetzung äußerte Ludwig Teleky, der als Sozialhygieniker mit einem Schwerpunkt auf Gewerbehygiene ein gefragter Experte für die Düsseldorfer Organisatoren war und 1925 gemeinsam mit Schloßmann sowie Adolf Gottstein das Handbuch der Sozialhygiene herausgegeben hatte.¹⁶⁷ Teleky beteiligte sich aufgrund dieser Kritik nicht an der Gruppe.¹⁶⁸ Arbeitgeber wie auch Gewerkschaften versuchten durch ihr Engagement in den Gruppenausschüssen, die Inhalte der GeSoLei zu beeinflussen. Ähnlich nutzte der Deutsche Gymnastikbund seine Mitgliedschaft in einem vorbereitenden Ausschuss für die eigene Verbandspolitik. Er drängte darauf, dass an der Gruppe „Tanz und Rhythmik“ nur die Gymnastikschulen teilnehmen durften, die dem Bund angehörten oder wenigstens von ihm geduldet waren.¹⁶⁹ So konnte konkurrierenden Schulen eine Werbeplattform vorenthalten werden. Die Beteiligung an den Gruppenausschüssen konnte demnach zu einem persönlichen oder institutionellen Reputationsgewinn führen. Dies war insbesondere dann der Fall, wenn konkurrierenden Akteuren der
165 E. Hoff : Rundschreiben vom 11.05.1925. Salzgitter AG-Konzernarchiv P 2.25.08.7, unpaginiert. 166 Niederschrift über die am 14. vormittags 10 1/2 Uhr im Kunstpalast stattgefundene Besprechung über die im Jahre 1926 stattfindende Ausstellung „Gesolei“. Salzgitter AG-Konzernarchiv P 2.25.08.7, unpaginiert. 167 Vgl. Schreiben Ludwig Teleky an Schloßmann vom 29.10.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1027, Bl. 32; Schreiben Schloßmann an Teleky vom 30.10.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1027, Bl. 30; Vertrauliches Schreiben Schloßmann an Koelsch vom 18.01.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1025, Bl. 103–108. 168 Vgl. den Hinweis bei L. Heijermans: De „Gesolei“ te Dusseldorf, in: Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde 70 (1926), S. 295–297, hier S. 296. 169 Mindestens eine Schulleiterin erklärte sich daraufhin dazu bereit, einen Antrag auf Aufnahme in den Gymnastikbund zu stellen. Vgl. Niederschrift über die Besprechung der Gruppe „Tanz und Rhytmik [sic]“ am 23.04.[1926]. StdA Düsseldorf 0–1–18–1447, unpaginiert. Zur Geschichte der Gymnastik vgl. u. a. Bernd Wedemeyer-Kolwe: „Der neue Mensch“ Körperkultur im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Würzburg 2004, S. 25–128.
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Zugang zu den Schauen erschwert oder konkurrierende Positionen als unwissenschaftlich diskreditiert werden konnten.
Alkohol auf den Gesundheitsausstellungen Doch nicht jedem Teilnehmer gelang es, sich einen monopolisierten Zugang zu den Expositionen zu sichern oder einen Kompromiss mit den konkurrierenden Akteuren auszuhandeln. In diesen Fällen standen sich einander widersprechende Positionen auf dem Ausstellungsgelände direkt gegenüber. Ein solcher Fall trat beispielsweise über alle Jahre hinweg beim Umgang mit dem Thema Alkohol auf. Gesundheitsschauen waren naturgemäß Orte, an denen sich die Gegner des Alkoholkonsums trafen und für ihren Standpunkt warben. In Dresden 1911 versammelten sie sich unter anderem auf einem Kongress des Deutschen Vereins für Gasthaus-Reform sowie während einer Alkoholgegnerwoche vom 30. Juli bis 6. August, die der Allgemeine Deutsche Zentralverband zur Bekämpfung des Alkoholismus durchführte.¹⁷⁰ Noch an der „Wunder des Lebens“ 1935 beteiligte sich der Deutsche Verein gegen den Alkoholismus.¹⁷¹ Die Alkoholgegner rekurrierten in erster Linie auf die gesundheitlichen Schäden des Alkoholkonsums und propagierten eine enthaltsame Lebensweise. Da es sich bei den Gesundheitsschauen jedoch gleichzeitig um massenkulturelle Veranstaltungen handelte, waren hier ebenfalls Alkohol vertreibende Unternehmen aktiv. Auf der GeSoLei 1926 belegte beispielsweise der Deutsche Brauerbund einen Großteil der industriellen Ausstellungsfläche.¹⁷² Der Badische Landesverband gegen den Alkoholismus vermutete deswegen, der Brauerbund habe dem Vorstand der Schau „eine grössere Summe (200 000 RM) als Geschenk überwiesen.“¹⁷³ Dies wies Schloßmann jedoch umgehend zurück und stellte klar, der Verband habe
170 Vgl. Einladung zum Kongress des Deutschen Vereins für Gasthaus-Reform am 28. und 29. Mai 1911 zu Dresden. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 22769, Bl. 108–109; Einladung zur Eröffnungsfeier der Alkoholgegnerwoche vom 30.7.–06.08. StdA Dresden 2.3.1 Hauptkanzlei U.12/1911, unpaginiert; Schreiben Franziskus Hähnel an Beutler vom 28.10.1910. StdA Dresden 2.3.1 Hauptkanzlei U.12/1911, Bl. 146. 171 Vgl. Schreiben von Gonser für den Deutschen Verein gegen den Alkoholismus an das BezirksGesundheitsamt Wedding vom 06.04.1935. LA Berlin A Rep. 033–08/Nr. 345, unpaginiert. 172 Vgl. Niederschrift über die Besprechung mit den Abteilungsleitern vom 27.05.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1043, Bl. 190–191. 173 Schreiben Badischer Landesverband gegen den Alkoholismus Karlsruhe an Schloßmann vom 05.02.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1021, Bl. 5.
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lediglich Platz für seine Selbstdarstellung gemietet.¹⁷⁴ Über die Zweite Internationale Hygiene-Ausstellung ließ der Brauerbund gar einen eigenen Film produzieren, der die „Bedeutung des deutschen Nationalgetränkes, des Bieres, als Nahrungsund Genussmittel für die gesamte Bevölkerung“ hervorhob.¹⁷⁵ 1930/31 präsentierte er darüber hinaus eine Musterbrauerei, in der er die hygienische Zubereitung von Bier vorführte. Damit wurde er gleichzeitig als wissenschaftlicher Aussteller aufgewertet und erhielt Zugang zu den offiziellen Ausstellungspublikationen.¹⁷⁶ Dies zeigt, welch unterschiedliche Mittel den beiden antagonistischen Gruppen zur Verfügung standen. Während die Alkoholunternehmen die finanziellen Ressourcen hatten, um sich genügend Platz auf den Expositionen einzukaufen und diesen ansprechend zu bespielen, mussten sich die Alkoholgegner auf öffentlich und intern geäußerte Kritik oder drastische Darstellungsweisen in ihren deutlich kleineren Gruppen beschränken. Gegen allzu dramatische Exponate wiederum wehrten sich die betroffenen Unternehmen jedoch, indem sie auf die Veranstalter der Schauen einwirkten und im Zweifel mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung drohten. Gerade bei den Expositionen in der Weimarer Republik, die sich in einem zerrissenen politischen System betont überparteilich präsentierten, stellte dies ein wirksames Mittel dar. 1930 musste so in der Gruppe „Gesundes Seelenleben“ ein Bierglas abgenommen werden, unter das die Verantwortlichen die Frage „Wieviel Leute sterben jährlich in Deutschland an Alkoholvergiftung“ geschrieben hatten. Der Deutsche Brauerbund erhob gegen dieses Exponat Einspruch, da die durch das Glas suggerierte Verbindung zwischen Bierkonsum und Todesfällen wissenschaftlich nicht nachgewiesen sei. Strasshausen veranlasste daraufhin, das „Bierglas sofort entfernen zu lassen“, um eine Auseinandersetzung mit dem Brauerbund und „eine Polemik in der Öffentlichkeit“ zu vermeiden.¹⁷⁷ Die Auseinandersetzung zwischen beiden Gruppen vollzog sich letztlich indirekt auch im Vergnügungsbereich selbst. Schon 1911 versuchten die Alkoholkritiker, ein Reformgasthaus als Konkurrenz zu den zahlreichen regulären Re-
174 Vgl. Schreiben Schloßmann an den Badischen Landesverband gegen den Alkoholismus Karlsruhe vom 08.02.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1021, Bl. 4. 175 Der Deutsche Brauerbund auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930. Bundesarchiv-Filmarchiv, Eingangsnummer: BSP 17324–1. 176 Vgl. F. Hayduck: Die Brauerei. Eine Musterstätte hygienischer Arbeit, in: Presse-Stelle des Deutschen Hygiene-Museums und der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 (Hrsg.): Das Deutsche Hygiene-Museum und die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, S. 154– 157. 177 Schreiben der Industrie-Abteilung an die Wissenschaftliche Abteilung vom 16.08.1930. StdA Dresden Ausstellungsamt 9.1.15 192, Akte Dr. Fraenkel, unpaginiert. Hervorhebung im Original.
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staurants und Vergnügungsstätten auf dem Ausstellungsgelände zu betreiben.¹⁷⁸ 19 Jahre später errichtete man mit der „Neuzeitlichen Gaststätte“ ein abstinentes Restaurant und erfüllte damit die Minimalforderungen der Alkoholkritiker.¹⁷⁹ Allerdings erwiesen sich die allgemeinen Vergnügungsangebote als attraktiver als die alkoholfreien Gaststätten, so dass selbst die drastischen Warnungen der Alkoholgegner die Besucher nicht vom Alkoholgenuss abhielten. Die Alkoholgegner hatten in dieser Situation nur die Möglichkeit, wiederholt in verschiedenen öffentlichen wie inoffiziellen Arenen die starke Beteiligung der Alkoholindustrie an den Gesundheitsschauen zu kritisieren.¹⁸⁰ Letztlich ließ sich die Situation nicht lösen, blieb offen und mehrdeutig. Die gleichzeitige Anwesenheit von einander diametral gegenüberstehenden Akteuren war immer „widerspruchsvoll“ und für den Besucher „verwirrend“, unterstreicht aber gleichzeitig die organisatorischen Begrenzungen des Formats Gesundheitsausstellung.¹⁸¹ Die Schauen blieben vielfältig, unabgeschlossen und inhomogen. Gerade das machte ihre Attraktivität als politische wie mediale Plattformen aus. Auf ihnen begegneten sich unterschiedlichste Teilnehmer und handelten miteinander die Deutungshoheit über politische, gesellschaftliche, standespolitische oder medizinische Themen aus. Diese Auseinandersetzungen wurden entlang der Frage nach der wissenschaftlichen Legitimität der jeweiligen Positionen geführt. Besonders anschaulich zeigt sich dies anhand zweier Fallbeispiele: Erstens der Bemühungen von Medizinern und Ausstellungsveranstaltern bei der Bekämpfung des „Kurpfuschertums“¹⁸² sowie zweitens eines Konflikts zwischen Zahnärzten und Zahntechnikern während der Vorbereitung der GeSoLei.
178 Es handelte sich um ein, letztlich gescheitertes, Projekt von Anhängern einer gemäßigten Gasthausreform, die den Alkoholkonsum nur einschränken und nicht vollständigen verbieten wollten. Vgl. Schreiben H. Eggers an Dr. Jani vom 05.07.1911. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 22769, Bl. 119–123. 179 Vgl. A. P.: Vergnügliches von der Internationalen Hygiene-Ausstellung, S. 2–3, hier S. 2; A. P.: Ein Abend im Ausstellungsgelände der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1931, S. 9–10, hier S. 9. 180 Vgl. als Auswahl Einsendung an Beutler vom 10.09.1910. StdA Dresden Ratsarchiv 2.1– A.XXIV.125/6, Bl. 253; Karl Bornstein: Hygienische Nachlese!, in: Blätter für Volksgesundheitspflege 26 (1926) 11, S. 192–194; o. V.: Schatten auf dem Bilde der Hygiene-Ausstellung, in: Korrespondenzblatt der ärztlichen Kreis- und Bezirksvereine in Sachsen 101 (1930) 18, S. 370–371. 181 Haedenkamp: Der Arzt auf der Gesolei, S. 529–531, hier S. 529. 182 Unter den Begriff fielen auf den Expositionen sehr vielfältige medizinische Praktiken, die durch Nichtapprobierte ausgeführt wurden und von Homöopathie über Naturheilkunde bis hin zu vermeintlichen Wunderheilungen reichten. Der Vorwurf des „Kurpfuschertums“ war darüber hinaus eine Praktik zur Diskreditierung von Konkurrenten.
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Der Kampf gegen das „Kurpfuschertum“ Der Kampf gegen „Kurpfuscher“ prägte jede große Gesundheitsausstellung im Deutschen Reich. Denn es war eines der Hauptanliegen der Verantwortlichen, die Besucher zu einer gesunden, an medizinisch-naturwissenschaftlichen Grundsätzen ausgerichteten Lebensführung zu motivieren.¹⁸³ Schon 1911 bemühten sich die Organisatoren, sogenannte Kurpfuscher durch entsprechende Restriktionen von der Schau fernzuhalten. Das gelang ihnen allerdings nur eingeschränkt. So fand am 19. und 20. August 1911 der Kongress für Naturheilkunde und Volkswohlfahrt in Dresden mit über 1200 Besuchern als Gegenveranstaltung zur Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung statt. Auf diesem protestierten die Veranstalter gegen den Ausschluss der Naturheilkunde von der Exposition.¹⁸⁴ Dadurch waren auch die eigentlich von der Exposition ausgeschlossenen Akteure im Umfeld der Schau präsent. Sie bildeten ein zwar zeitlich begrenztes, aber dennoch öffentlich wahrnehmbares Gegengewicht zur Hygiene-Ausstellung, auf der die Deutungshoheit der Schulmedizin offensiv propagiert wurde.¹⁸⁵ Noch einen Schritt weiter kam die Firma Dr. Willmar Schwabe, eines der erfolgreichsten homöopathischen Unternehmen der Zeit. Sie verschaffte sich genug Raum auf dem Ausstellungsgelände, um dort eine Musterapotheke aufzubauen. Dort erklärte die Firma, dass auch Apotheker, die homöopathische Erzeugnisse vertreiben, den „gleichen Bildungsgang [. . . ] wie jeder andere Apotheker“ durchlaufen mussten, approbiert waren und unter staatlicher Kontrolle stünden.¹⁸⁶ Zwar kritisierten umgehend sächsische Schulmediziner Schwabes Gruppe sowie einige weitere „kurpfuscherische“ Teilnehmer auf der Exposition. Aber Lingner erklärte, es sei nicht möglich gewesen, alle ausgestellten Objekte, insbesondere in der industriellen Abteilung, zu kontrollieren. Willmar Schwabe könne darüber hinaus die Teilnahme nicht verweigert werden, da er approbiert war und eine staatliche Konzession besaß. Die Firma „erfreue sich
183 Zu der Auseinandersetzung zwischen Schulmedizin und Naturheilkunde vgl. Dinges (Hrsg.): Medizinkritische Bewegungen im Deutschen Reich; Cornelia Regin: Selbsthilfe und Gesundheitspolitik. Die Naturheilbewegung im Kaiserreich (1889 bis 1914), Stuttgart 1995, v. a. S. 100–138. 184 Vgl. O. M.: Kongreß für Naturheilkunde und Volkswohlfahrt in Dresden, am 19. und 20. August, S. 253–269. 185 Vgl. zu dem Kongress, allerdings auf schmaler Quellenbasis auch Regin: Selbsthilfe und Gesundheitspolitik, S. 315–317. 186 FF.: Die internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden 1911, in: Leipziger Populäre Zeitschrift für Homöopathie 42 (1911) 9/10, S. 114–116, hier S. 115. Vgl. weiter o. V.: Die Internationale HygieneAusstellung in Dresden, in: Leipziger Populäre Zeitschrift für Homöopathie 42 (1911) 11/12, S. 140; K. r.: Besuch der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden, in: Leipziger Populäre Zeitschrift für Homöopathie 42 (1911) 19/20, S. 243.
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ausserdem der Unterstützung der Regierung.“¹⁸⁷ In diesem Fall ermöglichten gute Beziehungen zu politischen Entscheidungsträgern sowie eine durch die Approbation und staatliche Konzession erfolgte Anpassung an die Legitimationslogiken der Schulmedizin Willmar Schwabe, sich seinen Gegnern zum Trotz an den großen Gesundheitsschauen zu beteiligen. 1926 gelang es der Firma ebenfalls, einen eigenen Stand in Düsseldorf zu präsentieren, obwohl es im Vorfeld Versuche der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung des Kurpfuschertums gegeben hatte, naturheilkundige sowie homöopathische Teilnehmer von der Schau fernzuhalten.¹⁸⁸ Auch in Dresden 1930/1931 war Willmar Schwabe vertreten, publizierte sogar eine Selbstdarstellung in einem offiziellen Katalog des Hygiene-Museums.¹⁸⁹ Willmar Schwabe ist das beste Beispiel für die Offenheit der Gesundheitsausstellungen zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik.¹⁹⁰ Entsprechende Finanzmittel, eine gute Firmenpolitik oder politische wie persönliche Kontakte vorausgesetzt, war es selbst eigentlich unerwünschten Organisationen möglich, an den Expositionen teilzuhaben. Auf der anderen Seite behandelten die übrigen Ausstellungsteilnehmer Naturheilkunde sowie Homöopathie weiterhin als Form des „Kurpfuschertums“. Der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums wurde für ihre Ausstellungsgruppe gar die goldene Medaille der Stadt Düsseldorf verliehen.¹⁹¹ Die
187 Vertrauliche Besprechung über Beschwerden, die von örtlicher Seite betreffs kurpfuscherischen Ausstellern eingegangen sind vom 21.08.1911. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/ Nr. 3577, Bl. 135–147, hier Bl. 143. 188 Vgl. Hans Moser: Rund durch die Gesolei, in: Leipziger Populäre Zeitschrift für Homöopathie 57 (1926) 9, S. 253–254; Ders.: Die Firma Dr. Willmar Schwabe auf der Gesolei, in: Leipziger Populäre Zeitschrift für Homöopathie 57 (1926) 10, S. 285–286; Schreiben Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung des Kurpfuschertums an Löwenberg vom 09.02.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1022, Bl. 80. 189 Vgl. o. V.: Dr. Willmar Schwabe auf der Hygiene-Ausstellung 1930 in Dresden, in: Leipziger Populäre Zeitschrift für Homöopathie 61 (1930) 14, S. 261; o. V.: Was bedeutet „Schwabe“ für die Homöopathie?, in: Presse-Stelle des Deutschen Hygiene-Museums und der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 (Hrsg.): Das Deutsche Hygiene-Museum und die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, S. 104–105. 190 Zu der Werbestrategie Willmar Schwabes generell vgl. Cornelia Hofmann/Ortrun Riha: Werbung und Zeitgeist. Die Inserate der Firma Dr. Willmar Schwabe, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte 33 (2015), S. 247–282. 191 Vgl. Schreiben der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums an Schloßmann vom 28.04.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1022, Bl. 73; o. V.: Wanderausstellung der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums, S. 314; o. V.: Wander-Ausstellung der DGBK, in: Ärztliche Mitteilungen 27 (1926) 24, S. 330; o. V.: Vierzehn Staatspreise für Gesolei-Aussteller, in: Aerztliches Vereinsblatt für Deutschland. Organ des Deutschen Aerztevereinsbundes 55 (1926) 1397, S. 458.
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Naturheilkundigen und Homöopathen reagierten auf diese Angriffe in ihren Publikationsorganen. Dort schlossen sie sich einerseits der bereits im Vorfeld der Schau von 1926 geäußerten Kritik am Verkauf von Alkohol und Zigaretten sowie den Vergnügungsangeboten im Allgemeinen an. Andererseits wandten sie sich gegen einzelne Gruppen wie den Bereich zu Geschlechtskrankheiten, der „an Scheußlichkeiten kaum überboten werden kann“ oder der Propagierung des Wettkampfsports.¹⁹² Eine besondere Stellung in dieser Auseinandersetzung nahm die 1927 veröffentlichte Publikation „Gesundheit durch Homöopathie und Biochemie“ ein, die Richard Otto Reulecke und Martin Vogel, der wissenschaftlichen Leiter der GeSoLei, gemeinsam herausgaben.¹⁹³ Es handelt sich um ein homöopathisches Lehrbuch, das auf beinahe 500 Seiten Hinweise zur Behandlung von einer Vielzahl verschiedener Krankheiten gibt. Darüber hinaus enthält es eine von Heinrich Meng verfasste Verteidigung der Homöopathie gegenüber der Kritik seitens der Schulmediziner.¹⁹⁴ Durch mehrere Abbildungen von der GeSoLei und deren kurzer Beschreibung zu Beginn wird die Publikation direkt in den Kontext der Ausstellung gestellt.¹⁹⁵ Dass gerade mit Martin Vogel einer der Organisatoren der GeSoLei als Mitherausgeber des Bandes fungierte, konnte sich für die Wirkung der Monographie nur positiv auswirken. Sein Engagement ist auch ein anschauliches Beispiel für die sich in der Zwischenkriegs abzeichnende Tendenz unter den Schulmedizinern, vor dem Hintergrund der Legitimationskrise der Medizin einzelne Naturheilverfahren in ihre Praktiken zu übernehmen, so dass die Grenze zwischen beiden Bereichen auch auf der GeSoLei langsam zu verschwimmen begann.¹⁹⁶ Die Auseinandersetzungen zwischen Schulmedizinern und „Kurpfuschern“ fanden während der Zweiten Internationalen Hygiene-Ausstellung ihren Höhepunkt. Dort errichteten die Veranstalter eine eigene Gruppe über „Aberglaube und Gesundheit“, die Otto Neustätter zusammen mit Julius Ferdinand Wolf erarbeitet hatte.¹⁹⁷ Insgesamt räumten die Organisatoren der Gruppe 600 qm Ausstellungs-
192 Rud Finke: Die Gesolei im Urteil eines Naturarztes, in: Der Naturarzt 55 (1927) 3, S. 72–75, hier S. 74. Vgl. weiterhin Ders.: Die Gesolei im Urteil eines Naturarztes, in: Der Naturarzt 55 (1927) 2, S. 49–51; Ders.: Die Gesolei im Urteil eines Naturarztes, in: Der Naturarzt 55 (1927) 4, S. 101–104. 193 Vgl. Vogel/Reulecke (Hrsg.): Gesundheit durch Homöopathie und Biochemie. 194 Vgl. Heinrich Meng: Was der Gebildete über die Homöopathie wissen sollte, in: Vogel/Reulecke (Hrsg.): Gesundheit durch Homöopathie und Biochemie, S. 446–451. 195 Hierbei gehen die Autoren auch direkt auf den Stand Willmar Schwabes ein. Vgl. Vogel/ Reulecke: Ein Rundgang durch die Gesolei, S. 3–9. 196 So Michael Hau: The cult of health and beauty in Germany. A social history 1890–1930, Chicago 2003, v. a. S. 125–149 197 Vgl. Fraenkel: „Aberglaube und Gesundheit“ auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung, S. 94–95.
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fläche ein. Ihre Aufgabe war es, die „Masse der Besucher zu packen, durch die Art der Darstellung sie anzulocken“ und vor den Gefahren sogenannter Kurpfuscher zu warnen.¹⁹⁸ Dies sollte vor allem durch eine Betonung der Schäden, die „Kurpfuscher“ bei ihren Patienten anrichten, geschehen. Neben der eigenen Ausstellungsgruppe, die im Wesentlichen aus dem Material der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums und der Zeitschrift „Der Gesundheitslehrer“ bestand¹⁹⁹, organisierten die Verantwortlichen zusätzlich Veranstaltungen wie einen „Kurpfuscherschwank“, um auf dieses Thema aufmerksam zu machen.²⁰⁰ Außerdem kritisierten die Schulmediziner öffentlich die Beteiligung „kurpfuscherischer“ Unternehmen wie beispielsweise der Firma Madaus an der Hygiene-Ausstellung.²⁰¹ Die angegriffenen Naturheilkundigen, Homöopathen und Heilpraktiker reagierten in ungewöhnlich harter Weise: Sie gingen gerichtlich gegen die Veranstalter vor. Unter anderem beanstandete der Großverband Deutscher Heilpraktiker bestimmte Passagen aus dem Ausstellungskatalog sowie verschiedene Artikel der Ausstellungszeitung. Die inkriminierten Stellen betrafen beispielsweise eine Kritik an der von Heilpraktikern durchgeführten Augendiagnose. Da die betroffenen Publikationen schon lange gedruckt, zum größten Teil verkauft waren und deswegen nicht mehr geändert werden konnten, forderte der Verband eine Ehrenerklärung der Ausstellungsleitung in der Dresdener Presse. Wegen der Wiederholung der Schau im kommenden Jahr verlangten sie die Korrektur der Gruppe „Aberglaube und Gesundheit“.²⁰² Tatsächlich überarbeiteten die Verantwortlichen die Gruppe, die sie im folgenden Jahr „Erkennen und Heilen“ nannten. Allerdings veränderten sie ihre Stoßrichtung nicht, beschränkten sich nun jedoch „auf die Gegenüberstellung des Wesens und Wertes der wissenschaftlichen Heilkunde und der Kurpfuscher-
198 W. Kolski: Die Bedeutung der Gruppe „Aberglaube und Gesundheit“ auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, in: Gesundheitslehrer 33 (1930) 13, Ausgabe A, S. 147–149, hier S. 147. 199 Vgl. o. V.: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, in: Gesundheitslehrer 33 (1930) 10, Ausgabe A, S. 108–109. 200 Vgl. H. Heberer: Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden und Kurpfuschereibekämpfung, in: Gesundheitslehrer 33 (1930) 17, Ausgabe A, S. 199–200. 201 Vgl. H. Heberer: Widersprüche der Internationalen Hygiene-Ausstellung zu Dresden, in: Gesundheitslehrer (1930) 16, Ausgabe A, S. 184–185; o. V.: Madaus & Co., in: Gesundheitslehrer 33 (1930) 3, Ausgabe A, S. 35. 202 Vgl. Aktennotiz von Strasshausen für die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 vom 17.09.1930. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 803, Bl. 218; Abschrift Schreiben von Dr. Wilhelm für den Großverband Deutscher Heilpraktiker an die Internationale HygieneAusstellung Dresden 1930 vom 26.09.1930. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 803, Bl. 221; Abschrift Schreiben Wilhelm an Georg Döring vom 07.10.1930. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 803, Bl. 222.
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methoden.“ Dem Besucher, so die Annahme, würde der „Kontrast zwischen Arzt und Kurpfuscher“ von alleine deutlich werden.²⁰³ Als visuelle „Lesehilfe“ hängte man die Darstellungen der „kurpfuscherischen“ Heilmethoden niedriger als die Methoden der Schulmedizin.
Deutungsstreitigkeiten: Zahnmediziner und Dentisten auf der GeSoLei 1926 Um die Frage nach der wissenschaftlichen Legitimität ging es auch bei der Auseinandersetzung der deutschen Zahnärzte und der Dentisten während der Vorbereitungen auf die GeSoLei. Dentisten waren Zahntechniker ohne akademische Ausbildung, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch den Markt zahnmedizinischer Dienstleistungen dominierten. Teil der professionspolitischen Anstrengungen der Zahnärzte war es, die eigene akademische Ausbildung gegen die Ausbildung der Dentisten auszuspielen.²⁰⁴ In diesem Kontext äußerten sie schon 1925 in der Vorbereitungsgruppe „Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten“ „grösste Bedenken gegen die Zulassung nicht Approbierter zur Ausstellung.“²⁰⁵ Sie wandten sich gegen eine Beteiligung der Zahntechniker und forderten ihren vollständigen Ausschluss von der GeSoLei.²⁰⁶ Sie führten hierfür das „Standesansehen der Aerzte und der Wissenschaft“ ins Feld, dem das Auftreten der Dentisten in Düsseldorf schade.²⁰⁷ Interessanterweise reagierten die Veranstalter gelassen auf diese Diskreditierungsstrategie. Grundsätzlich erklärten sie sich sogar trotz des Engagements der Zahnärzte dazu bereit, die Zahntechniker zur Industrieabteilung zuzulassen. Diese Haltung war vermutlich auch ökonomisch motiviert. Die Organisatoren rechneten damit, dass ein Großteil der zahnmedizinischen Unternehmen selbst dann an der GeSoLei teilnehmen würde, wenn die universitären Zahnärzte dort nicht ausstellten. Der Reichsverband deutscher Dentisten hatte dagegen bereits angekündigt, eine große Tagung in Düsseldorf abhalten zu wollen. Diese – so befürchteten die Veranstalter – hätte bei einem Ausschluss
203 H. Heberer: Internationale Hygiene-Ausstellung. Erkennen und Heilen, in: Gesundheitslehrer 34 (1931) 7, Ausgabe B, S. 77–78, hier S. 77. 204 Vgl. Dominik Groß: Beiträge zur Geschichte und Ethik der Zahnheilkunde, Würzburg 2006, S. 97–125. 205 Niederschrift über die Sitzung der Gruppe „Zahn- Mund- und Kieferkrankheiten“ am Montag, den 6. Juli [1925]. StdA Düsseldorf 0–1–18–1064, Bl. 17–18, hier Bl. 18. 206 Vgl. Schreiben von Dr. Drexler an Vorstand der GeSoLei 15.07.1925 sowie Schreiben des Reichsverbandes der Zahnärzte Deutschlands an Bumm vom 29.07.1925. BArch Berlin R 86/886, unpaginiert. 207 Niederschrift über die Sitzung der Vertreter des Aerztevereins und des Zahnärztevereins vom 12.08.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1043, Bl. 13–14, hier Bl. 13.
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der Dentisten von der Schau nicht stattgefunden.²⁰⁸ Den Zahnärzten riet Schloßmann, eine unaufgeregte Gruppe zu gestalten und den Beitrag der Dentisten zu ignorieren.²⁰⁹ Die Ärzte gaben sich damit allerdings nicht zufrieden und versuchten, die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums sowie staatliche Vertreter wie Otto Krohne für ihre Ziele zu gewinnen. Krohne erklärte, dass die Zahntechniker zwar nicht approbiert seien, aber eine staatliche Prüfung absolvierten, von den Krankenkassen zugelassen werden und sich deswegen von nichtapprobierten medizinischen Laien unterschieden. Eine Teilnahme an der Düsseldorfer Exposition konnte ihnen deswegen aus seiner Sicht nicht verwehrt werden. Er distanzierte sich gleichzeitig von der Position der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums, die die Zahnmediziner unterstützte.²¹⁰ Die anhaltenden Beschwerden der Zahnärzte führten allerdings dazu, dass sich die Veranstalter zur Klarstellung gezwungen sahen, es sei „niemals“ beabsichtigt gewesen, „in der wissenschaftlichen Abteilung die Zahntechniker neben den Zahnärzten ausstellen zu lassen.“²¹¹ Die Dentisten durften lediglich in der Industrieabteilung ausstellen, während die Zahnheilkunde in der wissenschaftlichen Abteilung nur von approbierten Zahnärzten repräsentiert werde. Dadurch wurde aus Sicht der Organisatoren die Hierarchie zwischen akademischer Zahnmedizin und dem Ausbildungsberuf Zahntechnik aufrecht erhalten. Damit blieb der Versuch der Zahnärzte erfolglos, einem Konkurrenten die Werbemöglichkeit gänzlich zu entziehen. Der Rekurs auf die fehlende wissenschaftliche Legitimation der Dentisten reichte aber aus, um deren Zugang zur Düsseldorfer Schau zu beschneiden. Die GeSoLei blieb auf diese Weise zwar eine Werbemöglichkeit für die Dentisten, denen jedoch durch ihre Positionierung in der Industrieabteilung eine der akademischen Zahnmedizin sichtbar untergeordnete Funktion zugeschrieben wurde. Allerdings mussten die Zahnärzte für diesen Teilerfolg ebenfalls Nachteile in Kauf nehmen. Denn aufgrund der langen Verhandlungen zwischen Veranstaltern, Dentisten und Zahnmedizinern blieb ihnen
208 Vgl. Niederschrift über die Sitzung Vertretern der Dentisten vom 18.07.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1047, Bl. 160. 209 Vgl. Niederschrift über die Sitzung der Vertreter des Aerztevereins und des Zahnärztevereins vom 12.08.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1043, Bl. 13–14, hier Bl. 14. 210 Vgl. Niederschrift über die Besprechung mit den Zahnärzten 27.10.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1044, Bl. 166; Schreiben der Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums an den Minister für Volkswohlfahrt vom 29.08.1925. GStA PK I. HA Rep. 76 VIII B Nr. 4390, unpaginiert. 211 Schreiben Fraenkel an Bumm vom 17.08.1925. BArch Berlin R 86/886, unpaginiert. Hervorhebung im Original.
3.3 Ausstellung und Konkurrenz
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am Ende nur noch 250 qm Ausstellungsfläche für eine Selbstdarstellung übrig.²¹² Bemerkenswerterweise kam es neun Jahre später auf der „Wunder des Lebens“ zu einer Zusammenarbeit von Zahnmedizinern und Dentisten, wo der Reichsverband Deutscher Dentisten und die Deutsche Zahnärzteschaft gemeinsam ausstellten. Sie demonstrierten damit die Geschlossenheit der medizinischen Fachleute im Kampf um die Gesundheit des „Volkskörpers“.²¹³ Ob nun mit besonderen Exponaten, aufwendigen Ausstellungsensembles, symbolischen, institutionellen oder personellen Ressourcen; Gesundheitsausstellungen waren immer Plattformen, auf denen die Teilnehmer mit- und gegeneinander stritten, Deutungshoheiten aushandelten und um die Aufmerksamkeit des Publikums konkurrierten. Die Bandbreite der möglichen Handlungsoptionen der Aussteller reichte von einer indirekten Machtausübung durch die Teilnahme an Gruppenleitungen über die Organisation von Gegenveranstaltungen bis hin zu offenen juristischen Auseinandersetzungen. Meistens hatten diese Aushandlungsprozesse keinen eindeutigen Sieger; die Expositionen blieben wie etwa beim Umgang mit dem Thema Alkohol von widersprüchlichen, antagonistisch entgegenstehenden Positionen geprägt. Oft zeitigten Auseinandersetzungen zwischen zwei Akteuren nachteilige Folgen für beide. Im Ergebnis waren die Gesundheitsschauen ein Kompromiss, der von verschiedenen politischen, wirtschaftlichen, persönlichen sowie institutionellen Faktoren beeinflusst und den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen der Zeit geprägt war. Es darf allerdings nicht vergessen werden, dass diese Konflikte kein reiner Selbstzweck, sondern Ausdruck eines Kampfes um die Aufmerksamkeit der Besucher waren. Letztlich war es das Publikum, für das die Aussteller ihre Anstrengungen unternahmen. Das vor Ort oder über Medien erreichbare Publikum bildete eine Öffentlichkeit, vor der sich jeder Teilnehmer, die Ausstellung als Ganzes, die veranstaltende Stadt und das Deutsche Reich präsentierten. Es war das Motiv, das die Akteure dazu bewog, sich an den Expositionen zu beteiligen.
212 Vgl. L. Hoffmann: Der Zahnarzt auf der Gesolei, in: Ärztliche Mitteilungen 27 (1926) 36, S. 553– 554. 213 Vgl. o. V.: Rundgang durch die Ausstellung „Das Wunder des Lebens, Berlin 1935“ 23. März bis 5. Mai 1935, in: Messe und Ausstellung 17 (1935) 7, S. 2–4, hier S. 4.
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3.4 Von Selbstdarstellungen: Gesundheitsschauen als öffentliche Foren Gesundheitsausstellungen waren Medienereignisse, die Aufmerksamkeit im gesamten Deutschen Reich und dem Ausland weckten. Vergleichbar mit Welt- oder Gewerbeausstellungen dienten sie den Teilnehmern dazu, sich selbst in der Öffentlichkeit zu präsentieren.²¹⁴ Zahlreiche Konferenzen, Tagungen, Kongresse und Versammlungen während der Expositionen boten Einzelpersonen, Organisationen und im Falle internationaler Konferenzen auch dem Deutschen Reich die Gelegenheit der Selbstdarstellung. Die Verschränkung von Exposition und Kongressen ließ sich schon auf den Weltausstellungen beobachten, wo sie zudem die Internationalisierung der Wissenschaft vorantrieb.²¹⁵ Auf den Gesundheitsausstellungen bildeten sie ebenfalls ein inhaltlich wie wirtschaftlich wichtiges Element und verstärkten darüber hinaus die internationale Ausstrahlungskraft der Expositionen. Im Rahmen der Hygiene-Ausstellung 1911 tagten ungefähr 400 Kongresse, 1930 waren es allein im Zeitraum von Juni bis Oktober über 100 derartiger Veranstaltungen.²¹⁶ Bei den nationalsozialistischen Gesundheitsausstellungen kam es in dieser Hinsicht zum Bruch. Nach 1933 wurden die Schauen nur noch von sehr wenigen Kongressen begleitet. Eine der wenigen Ausnahmen bildete die Reichsarbeitsgemeinschaft für Mutter und Kind, die 1935 die „Wunder des Lebens“ zum Anlass nahm, in Berlin eine kleine Tagung durchzuführen und anschließend die Exposition zu besichtigen.²¹⁷ Die Tagungen boten den sie veranstaltenden Organisationen die Möglichkeit, sich an den Expositionen zu beteiligen ohne gleich eine eigene Gruppe organisieren zu müssen. Gleichzeitig zogen Konferenzen, Ausstellungs-
214 Für Gewerbeausstellungen vgl. Großbölting: „Im Reich der Arbeit“, S. 147–170. Für Weltausstellungen vgl. u. a. Christoph Cornelißen: Die politische und kulturelle Repräsentation des Deutschen Reiches auf den Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts, in: GWU 52 (2001) 3, S. 148–161; Madeleine Herren: Internationale Organisationen seit 1865. Eine Globalgeschichte der internationalen Ordnung, Darmstadt 2009, S. 12–17; Friedrich Lenger: Metropolenkonkurrenz. Die Weltausstellungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Journal of Modern European History 11 (2013) 3, S. 329–350. 215 Vgl. Eckhardt Fuchs: Wissenschaft, Kongreßbewegung und Weltausstellungen: Zu den Anfängen der Wissenschaftsinternationale vor dem Ersten Weltkrieg, in: Comparativ 6 (1996) 5/6, S. 157–178; Ders.: Räume und Mechanismen der internationalen Wissenschaftskommunikation und Ideenzirkulation vor dem Ersten Weltkrieg, in: IASL 27 (2002) 1, S. 125–143. 216 Vgl. Neumann: Von der internationalen Hygieneausstellung, S. 527–529, hier S. 529; Die Kongresse auf der Internationalen Hygiene Ausstellung Dresden mit Terminangabe. Stand am 12. Juni 1930. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2002/1082. 217 Vgl. Einladung zur Tagung der Reichsarbeitsgemeinschaft für Mutter und Kind am Freitag, den 26. April 1935. LA Berlin A Pr. Br. Rep. 057/Nr. 2186, Bl. 76.
3.4 Von Selbstdarstellungen |
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gruppen und die Expositionen selbst lokale, nationale wie internationale Beachtung auf sich. Gesundheitsausstellungen waren dadurch Orte der Selbstdarstellung. Selbst die älteren Hygiene-Ausstellungen und Konferenzen wie der Internationale Kongress für Hygiene und Demographie in Berlin 1907 hatten die Funktion, die deutschen Leistungen einem internationalen Publikum vorzuführen.²¹⁸ Auf den jüngeren Gesundheitsausstellungen großen Stils nahm die Bedeutung der Selbstdarstellung jedoch nochmals deutlich zu. Denn die zahlreichen Kongresse, die internationalen Besuchergruppen, die enormen Besucherzahlen und das große Presseecho sorgten dafür, dass die Schauen über die gesamte Öffnungszeit hinweg das Interesse der Zeitgenossen weckten. Aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung der Expositionen als deutsche „Weltausstellungen“²¹⁹ fühlten sich die Akteure geradezu verpflichtet, an ihnen teilzunehmen. Denn nur dann hatten sie die Chance, dass ihre Position unter den vielstimmigen Beiträgen auf den Schauen Gehör fand. Nur dann konnten sie verhindern, dass ihre Konkurrenz die volle Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und damit der politischen oder gesellschaftlichen Entscheidungsträger erhielt. Und nur dann waren sie in der Lage, die Teilnahme an einer Exposition in einen Reputationsgewinn umzuwandeln.
Repräsentation aus Sicht von Stadt, Staat und Reich Schon Lingner hatte bei seinen Versuchen, die sächsische sowie Reichsregierung vom Potential der Hygiene-Ausstellung zu überzeugen, darauf verwiesen, dass deren Unterstützung auch einen Reputationsgewinn zur Folge habe. Gerade die Möglichkeiten der Selbstdarstellung auf der Exposition dienten ihm als Argument, um die Bedeutung des eigenen Projektes zu unterstreichen. Die Strategie war durchaus erfolgreich. Den Stadtverordneten Dresdens gegenüber betonte etwa der Rat der Stadt, wie viele deutsche Städte auf der Hygiene-Ausstellung vertreten seien werden. Daher sei es selbstverständlich, dass „auch die Stadt Dresden, in deren Mauern die Ausstellung ihren Sitz hat, ihre Teilnahme an der Ausstellung selbst betätigt“.²²⁰ Die Stadtverordneten ließen sich überzeugen und bewilligten ein Budget in Höhe von 129 000 Mark für öffentliche Veranstaltungen. Davon verausgabte Dresden für Empfangsfeierlichkeiten sowie Beihilfen an Vereine und
218 Vgl. Kaiserliches Gesundheitsamt; Kaiserliches Statistisches Amt: Das Deutsche Reich in gesundheitlicher und demographischer Beziehung. 219 Rundschreiben IHAD 1911 Gruppe Athletik. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/ Nr. 3576, Bl. 12–13, hier Bl. 12. Hervorhebung im Original. 220 Schreiben Rat der Stadt an die Stadtverordneten vom 22.12.1910. StdA Dresden Stadtverordnetenakten 3.1 A 50–Bd. 3, Bl. 82–83, hier Bl. 83.
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Kongresse insgesamt 94 620,30 Mark.²²¹ Dem sächsischen Königlichen Ministerium des Innern wiederum versprach Rumpelt, Dresden und Sachsen würden besonderes „Ansehen aus einem so neuen bahnbrechenden Unternehmen gewinnen, das schon jetzt die Eifersucht anderer Großstädte, namentlich Berlin’s, hervorruft.“²²² Der Reichsregierung gegenüber betonte Beutler, bei dem Dresdner Projekt handle es sich „um einen Wettbewerb der verschiedenen Kulturstaaten auf dem Gebiete der Hygiene“.²²³ Die Regierung sah sich allerdings vor allem „in Anbetracht, daß sich das Ausland, insbesondere Frankreich, in großem Maße an ihr beteiligen wird“ dazu gezwungen, sich mit einer preußischen sowie gesamtstaatlichen Teilnahme an der Exposition zu beschäftigen.²²⁴ War die Gesundheitsschau von 1911 für Stadt, Staat und Reich noch ein klassischer Ort der Selbstdarstellung in der Tradition der Weltausstellungen, bildete sie nach dem Ersten Weltkrieg auch ein Forum, um wissenschaftliche wie wirtschaftliche Kontakte wiederaufzunehmen und sich selbst auf der internationalen Bühne mit einem positiv besetzten Thema zurückzumelden.²²⁵ Die GeSoLei sollte aus Sicht der Verantwortlichen und der Regierung gegenüber der eigenen Bevölkerung sowie den ausländischen Beobachtern eine wiedergewonnene Stärke demonstrieren. Sie sollte zeigen, dass sich das Deutsche Reich nach der Niederlage im Weltkrieg wieder auf dem Weg zu alter Leistungsfähigkeit befand und „wir auf dem Gebiete der Gesundheitspflege, der Sozialpolitik und der Leibesübungen [. . . ] in mannigfacher Hinsicht noch als Vorbild dienen können.“²²⁶ Als „deutsche Tat“ demonstrierte die Schau wie „ein Volk, durch den Krieg geschwächt, verheert durch Massen-Elend, dem täglich durch Reparationen Blut abgezapft wird, [. . . ] daran
221 Vgl. Schreiben Rat der Stadt Dresden an die Stadtverordneten vom 14.12.1911. StdA Dresden Stadtverordnetenakten 3.1 A 50–Bd. 3, Bl. 227. 222 Schreiben von Kreishauptmann Rumpelt an das Königliche Ministerium des Innern vom 22.5.1906. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3572, Bl. 21–23, hier Bl. 22. 223 Schreiben Beutler an das Reichsamt des Innern vom 18.12.1909. HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts/Nr. 14328, Bl. 5–8. 224 Schreiben der Reichskanzlei an den preußischen Kultusminister vom 07.03.1910. GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil VI Nr. 20, Bd. 1, Bl. 217. 225 Zur Lage der deutschen Wissenschaft nach dem Ersten Weltkrieg vgl. Gabriele Metzler: „Welch ein deutscher Sieg!“ Die Nobelpreise von 1919 im Spannungsfeld von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, in: VfZ 44 (1996) 2, S. 173–200. 226 Beumer: Was soll die Gesolei dem Ausland sagen?, in: Gesolei. Zeitschrift der Grossen Ausstellung Düsseldorf für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1 (1926) 7, S. 122–123, hier S. 123.
3.4 Von Selbstdarstellungen |
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geht, sich zu erheben, was es hygienisch, in sozialer Fürsorge und Leibespflege trotz dem Niederbruch zustande bringt.“²²⁷ Darüber hinaus nutzten die Organisatoren die Ausstellung als Plattform, um gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrags zu protestieren. Deutlich wird dies an einem Vergleich der Gruppen zur Tropenhygiene von 1911 und 1926. In Dresden richtete sich die Gruppe an internationale Wissenschaftler und behandelte im Wesentlichen Schiffs- und Tropenkrankheiten sowie Fragen nach der geeigneten Kleidung und Ernährung in den Kolonialgebieten. Sie legitimierte den deutschen Kolonialismus, indem sie vor allem am Beispiel Robert Kochs die Arbeit deutscher Wissenschaftler in den Kolonien positiv herausstellte.²²⁸ Mit dieser Form der Präsentation entsprach die Gruppe dem zeitgenössischen Standard. Die Niederlande etwa zeigten bis mindestens Anfang der 1930er Jahre vergleichbare Expositionen. In Düsseldorf dagegen war das Thema Kolonialhygiene wesentlich stärker politisiert. Obwohl das Deutsche Reich zu diesem Zeitpunkt keine eigenen Kolonien mehr besaß, war vorgesehen, gerade diese Gruppe besonders eindrucksvoll zu gestalten. Denn sie zeige der Welt, dass „das Land, dem die Kolonien entzogen worden sind, am meisten für die Hygiene in den Kolonien geleistet hat.“²²⁹ Zu diesem Zweck behandelte die Gruppe in erster Linie die „Friedenstätigkeit unserer Kolonialärzte“ bei der Bekämpfung von Schlafkrankheit, Pocken und Malaria.²³⁰ Vier Jahre später hatte die Tropenhygiene diese außenpolitische Funktion wieder weitgehend verloren. Dort behandelte das Hamburger Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten das Thema. In seinem Artikel über die Gruppe verwies Erich Martini zwar ebenfalls darauf, dass die deutsche Wissenschaft „mehr zur Sanierung der Tropen geleistet hat [. . . ] als die irgendeines anderen Landes, obgleich wir selbst von den tropischen Gebieten ausgeschlossen“ sind.²³¹ Doch insgesamt erreichte das Thema nicht mehr die Aufmerksamkeit wie noch in Düsseldorf, sondern näherte sich wieder der Darstellungsweise von 1911 an.
227 ck.: Ausstellung Düsseldorf 1926, in: Frankfurter Zeitung vom 09.05.1926, o. S. BArch Berlin R 1603/2472, unpaginiert. Hervorhebung im Original. 228 Vgl. Friedrich Fülleborn: Spezialkatalog der Gruppe Tropenhygiene der wissenschaftlichen Abteilung der Internationalen Hygieneausstellung Dresden 1911, Dresden 1911; E. Werner: Koloniales aus der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden, in: Deutsche Kolonialzeitung 28 (1911) 21, S. 355–356. 229 Niederschrift über die Hygienikertagung am 21.05.1925 zur Vorbereitung der Hauptabteilung ‚Ge‘, S. 11. BArch Berlin R 86/2872, unpaginiert. 230 Schreiben Reichsministerium des Innern an das Auswärtige Amt, Abteilung für koloniale Angelegenheiten vom 01.06.1926. BArch Berlin R 1501/111176, Bl. 19–21, hier Bl. 20. Hervorhebung im Original. 231 Erich Martini: Das Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg, in: Zeitschrift für Desinfektions- und Gesundheitswesen 22 (1930) 6, S. 457–462, hier S. 460–461.
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Die Stadt Düsseldorf verband mit der GeSoLei wiederum ganz eigene Ziele. Für sie war die Exposition die Gelegenheit, um nach dem Ende der französischen Besatzung in den „Wettbewerb der rheinischen Großstädte“ zurückzukehren und ihren Anspruch, „die Ausstellungsstadt des deutschen Westens zu sein“ zu unterstreichen.²³² Zu diesem Zweck betrieb die Rheinstadt intensive Werbung im Inwie Ausland, publizierte in Eigenregie mehrere Broschüren über touristische Sehenswürdigkeiten Düsseldorfs und bemühte sich um eine möglichst imponierende Bewirtung ihrer Gäste.²³³ Darüber hinaus richtete die Stadt einen eigenen Pavillon auf der GeSoLei ein, um sich auch auf dem Ausstellungsgelände den Besuchern zu präsentieren. Andere Städte nutzten die Schau ebenfalls zur Selbstdarstellung – wenn auch mit zum Teil sehr bescheidenen Mitteln. Ein gutes Beispiel dafür ist Mannheim, das lediglich elf Exponate zur Schau beisteuerte. Diese waren allerdings alle mit der Inschrift „Stadt Mannheim“ sowie der Wolfsangel, dem Wahrzeichen der Stadt, gekennzeichnet. Über die ganze Exposition verteilt sollten diese Gegenstände als „bescheidene Bausteine [. . . ] würdig für sich“ stehen und Mannheim in ein angemessenes Licht setzen.²³⁴ Um den Mannheimer Beitrag bekannter zu machen, wollte die Stadt einen Artikel über die Exponate in den Düsseldorfer Nachrichten veröffentlichen.²³⁵ Darüber hinaus erreichten ihre Gegenstände in der Gruppe „Schulhygiene“ sogar die Aufmerksamkeit eines niederländischen Kommentators.²³⁶ Die Ausstellungen waren somit für Städte, die Staaten und das Reich auch eine Gelegenheit, sich selbst zu legitimieren und die eigenen Leistungen vor der Bevölkerung hervorzuheben. Diese Interessenverquickung von Stadt, Staat und Reich unter dem gemeinsamen Ziel der Repräsentation erreichte bei der nationalsozialistischen Exposition „Deutschland“ im Jahr 1936 den Höhepunkt. Schon zuvor hatte diese Verbindung an Intensität zugenommen, wurden die NS-Gesundheitsschauen doch ausschließlich durch das Berliner Messeamt in Kooperation mit staatlichen sowie privaten Partnern wie dem Hygiene-Museum veranstaltet. „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ hatte bereits die Aufgabe, der eigenen Bevölkerung deutsche „Spitzen-
232 o. V.: Düsseldorf und die Große Ausstellung, S. 5–7, hier S. 5. Hervorhebung im Original. 233 Vgl. Broschüre Düsseldorf und die Große Ausstellung 1926. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 782, unpaginiert; Presseamt der Stadt Düsseldorf (Hrsg.): Düsseldorf am Rhein, Düsseldorf o. J. StdA Düsseldorf 0–1–18–1567, unpaginiert. 234 A. Müller: Die Stadt Mannheim auf der Gesolei. StdA Düsseldorf 0–1–18–1527, unpaginiert. Für die Exponate der Stadt vgl. Ders.: Die Beteiligung der Stadt Mannheim an der Düsseldorfer Ausstellung. StdA Düsseldorf 0–1–18–1527, unpaginiert. 235 Vgl. Schreiben A. Müller an Fischer vom 17.06.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1527, unpaginiert. 236 Vgl. Heijermans: De „Gesolei“ te Dusseldorf, S. 295–297, hier S. 296.
3.4 Von Selbstdarstellungen
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leistungen“ vorzuführen und die Erfolge des Dritten Reichs zu demonstrieren.²³⁷ Dadurch „erfüllte [sie] den deutschen Besucher mit Stolz, den ausländischen aber mit Achtung und Anerkennung.“²³⁸ Bei der „Deutschland“ Schau 1936 avancierte die Repräsentation von Stadt und Staat vor dem ausländischen wie inländischen Publikum der Olympischen Spiele zum Hauptanliegen der Veranstalter.²³⁹ Für diese Besucher gestaltete man eine Gruppe über Berlin als „Schaufenster des Reiches“²⁴⁰; diesen Besuchern sollte in der Exposition die deutschen Landschaften und Sehenswürdigkeiten vermittelt werden²⁴¹; und für diese Besucher erhielt die Schau einen „Weiheraum“, der die „deutschen Kulturleistungen der Vergangenheit“ würdigte.²⁴² Sie enthielt kostbare Exponate wie das Exemplar der Gutenbergbibel der damaligen Berliner Königlich Preußischen Staatsbibliothek und war damit völlig auf die Überwältigung und Beeindruckung der internationalen Besucher ausgerichtet.²⁴³ Wie die Olympischen Spiele insgesamt stand die begleitende Ausstellung im Kontext nationalsozialistischer Selbstdarstellung nach innen wie außen. Hier gipfelte die im gesamten Untersuchungszeitraum beobachtbare Tendenz von Städten, Staaten und Reich, mit der Veranstaltung groß angelegter Gesundheitsausstellungen immer auch eigene Pläne zu verfolgen, die inhaltlich über die hygienische Volksbelehrung, über die Vermittlung körperbezogenen Wissens oder die Absatzförderung gesundheitsrelevanter Konsumgüter hinaus ging.
Die Motive nichtstaatlicher Akteure Dies galt auch für die nichtstaatlichen Teilnehmer. Diese nutzten die Expositionen als Präsentationsorte für die eigenen Vorstellungen und Ideen. So übernahm der Rabbiner Max Grunwald die Organisation der Gruppe „Hygiene der Juden“ in Dresden 1911 nur, um die Kritik am rituellen Schächten „vor einem internationalen
237 Ilse Körner: „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“, in: Die Technische Assistentin 1 (1934) 6, S. 163–166, hier S. 163. 238 o. V.: Das Fazit der Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit, Berlin 1934“, S. 2. 239 Vgl. DEUTSCHLAND. Reichsausstellung im Olympiajahr 1936 vom 11. Juli bis 10. August. LA Berlin A Pr. Br. Rep. 057/Nr. 2186, Bl. 78–84. 240 Julius Lippert: Berlin, das Schaufenster des Reiches, in: Messe und Ausstellung 18 (1936) 5, S. 3. 241 Vgl. o. V.: Rundgang durch die Ausstellung „Deutschland“ Berlin 1936 18. Juli bis 16. August, Ausstellungshallen am Funkturm, S. 2–6, hier S. 4–5. 242 Schreiben Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Ziegler, an das Reichsgesundheitsamt vom 30.06.1936. BArch Berlin R 86/2750, unpaginiert. 243 Vgl. Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH (Hrsg.): Offizieller Rundgang. Deutschland. Ausstellung Berlin 1936. 18 Juli – 16. August, S. 9.
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wissenschaftlichen Forum“ zu widerlegen.²⁴⁴ 1926 ermunterte Konrad Biesalski die Vertreter der „Krüppelfürsorge“ dazu, auf der Schau in „ausgiebigem Maße [zu] zeigen, was sie [die „Krüppelfürsorge“ S. W.] ist und was sie vermag.“²⁴⁵ Und 1936 beabsichtigte der Reichsbund der Deutschen Beamten durch eine Beteiligung an der „Deutschland“ der Öffentlichkeit ein „Bild von dem Wesen und der Bedeutung der Deutschen Berufsbeamtenschaft, von ihrer Arbeit im Volk und für das Volk zu geben.“²⁴⁶ Bei ihren Bemühungen richteten die Aussteller den Blick in erster Linie auf die Gruppen der Konkurrenz, hinter deren Darstellungen sie nicht zurückfallen wollten.²⁴⁷ 1926 führte etwa die Konkurrenzsituation insbesondere mit der katholischen Caritas erst zur Teilnahme der evangelischen Diakonie an der Kollektivausstellung der Liga der freien Wohlfahrtspflege. Denn im Vorfeld der Schau gab es innerhalb der Diakonie starke Kritik am Düsseldorfer Projekt. Diese bezog sich auf den Vergnügungsbereich und den Alkoholausschank. Darüber hinaus fragten Mitglieder der Diakonie, ob die Ausgaben für die GeSoLei nicht besser für soziale Projekte aufgebracht werden sollten. Da jedoch die übrigen Mitglieder der Liga ihre Mitwirkung an der Schau zusagten, beteiligte sich auch der Central-Ausschuss der Inneren Mission an der Gruppe. Denn da alle sozialen Organisationen untereinander um staatliche Gelder konkurrierten, wollte man den übrigen Institutionen die Werbemöglichkeit Gesundheitsschau nicht einfach überlassen, selbst wenn man eigentlich Vorbehalte gegenüber dem Projekt hatte.²⁴⁸ Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) entschied sich aus den gleichen Gründen für eine Beteiligung.²⁴⁹ Ähnliche Überlegungen führten in Düsseldorf zu einem eigenen Pavillon des deutschen Ärz-
244 Grunwald: Bericht über die Gruppe „Hygiene der Juden“ in der Internationalen HygieneAusstellung Dresden 1911, S. 3. Zu diesem Zeitpunkt war das Schächten in Sachsen noch verboten. 245 Biesalski: Aufruf an die deutschen Krüppelheime und die Obmänner für die Gesolei, S. 2–6, hier S. 3. 246 Rundschreiben des Ausstellungsreferates des Reichsarbeitsministeriums an die Abteilungsdirigenten vom 25.05.1936. BArch Berlin R 3901/21008, Bl. 153–155, hier Bl. 153. 247 So etwa der Deutsche Fußball Bund auf der Hygiene-Ausstellung 1911. Vgl. Deutscher Fußball Bund: o. T., S. 252–253. Insgesamt beteiligten sich etwa 30 Sportverbände an der Ausstellung. Vgl. Arthur Mallwitz: Die Sportabteilung der Internationalen Hygiene-Ausstellung, in: Deutsches Fußball-Jahrbuch 8 (1911), S. 193–199. 248 Vgl. Schreiben des Central-Ausschuss der Inneren Mission an Herrn Pastor Erfurth vom 01.04.1926. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA Nr. 1214 II, unpaginiert; Engelmann: Zur Frage „Gesolei“. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA Nr. 1214 III, unpaginiert. 249 Vgl. o. V.: Große Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen und die freie Wohlfahrtspflege, in: Blätter des Deutschen Roten Kreuzes 5 (1926) 3, S. 38–40. Für eine Übersicht über die Gruppe des DRK vgl. u. a. Otfried Hammeran: Das Rote Kreuz auf der GeSoLei, in: Der Deutsche Kolonnenführer 30 (1926) 20, S. 187–188.
3.4 Von Selbstdarstellungen
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tebundes. Dieser hatte ebenfalls Vorbehalte gegenüber den Ausstellungsplänen. Doch nachdem er gehört hatte, dass der Hauptverband deutscher Ortskrankenkassen unter großen finanziellen Aufwendungen eine Gruppe zusammenstellte, um einen „Vorstoß gegen die Ärzte zu unternehmen, entschloß man sich pflichtgemäß zu einer Beteiligung und Abwehr.“²⁵⁰ Sie wollten den Besuchern in Düsseldorf verdeutlichen, welchen Beitrag „für die Volksgesundheit der gut ausgebildete Arzt“ leistete und ihn an dessen „Werden, Sein und Wirken“ teilhaben lassen.²⁵¹ Stichprobenartigen Zählungen zufolge erreichte der Pavillon 3000 bis 5000 Personen am Tag.²⁵² Der Kampf mit konkurrierenden Akteuren um Deutungshoheit war für zahlreiche Organisationen der ausschlaggebende Grund für einen eigenen Auftritt auf den Expositionen. Das hatte aber gleichzeitig zur Folge, dass ein Thema, mit dem sich mehrere Akteure beschäftigten, widersprüchlich und uneinheitlich erscheinen konnte. Um eine Konkurrenzsituation zwischen öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege zu verhindern sowie aus ökonomischen Gründen, organisierten deren Vertreter deswegen zusammen mit den einschlägigen Ministerien des Deutschen Reichs für die Hygiene-Ausstellung 1930/31 eine Kollektivgruppe.²⁵³ Das Resultat dieser Initiative war die kulturhistorische Schau „Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens“. Sie stellte die öffentliche sowie freie Gesundheitsfürsorge „als geschlossenes Wirkungsgebiet“ vor und unterband frühere Tendenzen der Aussteller, „sich gegenseitig in propagandistischer Eindringlichkeit zu übertreffen“.²⁵⁴ Die Gruppe wirkte als kollektiver Repräsentationsort für das Deutsche Reich und die freie Wohlfahrtspflege, in dem beide in Zeiten finanzieller Schwierigkeiten ihre sozialen Aktivitäten herausstreichen konnten. Mit der, von Max Taute, Carl Hamel sowie Fritz Rott herausgegebenen, Publikation „Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens“ wurde diese Selbstdarstellung zudem dauerhaft erhalten. Der Katalog enthält auffällig viele Hinweise auf gesetzgeberische Maßnahmen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens und unterstreicht die Handlungsfähig-
250 o. V.: Die Ärzteschaft und die Gesolei, in: Ärztliche Mitteilungen 27(1926) 11, S. 140. 251 o. V.: Gesolei, in: Ärztliche Mitteilungen 27 (1926) 1, S. 5. Hervorhebung im Original. 252 Vgl. Kurt Finkenrath: Das Haus „Der Arzt“ auf der Gesolei, in: Aerztliches Vereinsblatt für Deutschland. Organ des Deutschen Aerztevereinsbundes 55 (1926) 1381, S. 201–203, hier S. 203. 253 Vgl. Hartrodt: Vermerk Betr. Ausstellungs- und Messewesen vom 25.01.1929. BArch Berlin R 3901/7241, unpaginiert; Schreiben Seiring an Hartrodt vom 12.02.1929. BArch Berlin R 3901/7241, unpaginiert. 254 Ausstellungsplan „Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens“ vom 20.06.1929, S. 2–3. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/G Nr. 421, unpaginiert.
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keit des Staates als gesundheitspolitischer Akteur.²⁵⁵ Insgesamt brachte allein das Reichsministerium des Innern 79 000 Reichsmark für die Kollektivgruppe auf.²⁵⁶
Zwischenfazit Die Gesundheitsausstellungen waren als Teil der hygienischen Volksbelehrung in ein Netzwerk aus Akteuren, Institutionen und anderen Expositionen verwoben. Innerhalb dieses Netzwerks bewegten sich einzelne Personen wie Martin Vogel oder Bruno Gebhard, die parallel zu den Ausstellungen ihre berufliche Karriere verfolgten. Verschiedene Organisationen wie das KAVH, die Liga der freien Wohlfahrtspflege oder – mit Einschränkungen – das Museum für Leibesübungen nahmen an allen Gesundheitsschauen teil und unterwarfen ihr Material einem fortdauernden Überarbeitungsprozess, in dem alte Darstellungsformen und neue Themen ständig ineinandergriffen. Jede neue Exposition beruhte zu einem guten Teil auf ihrer Vorgängerin. Gleichzeitig war jede Schau von ihrem politischen wie gesellschaftlichen Entstehungskontext geprägt. Dies zeigt, dass gleiche oder ähnliche Exponate in unterschiedlichen politischen Zusammenhängen auch unterschiedlich gedeutet werden konnten. In dem Netzwerk zirkulierten außerdem Exponate, die einmal geschaffen, immer wieder verwendet wurden und schließlich zu eigenständigen Referenzobjekten avancierten. Der Weg der Objekte vom Gegenstand zum Exponat, ihr Herstellungsprozess und ihr endgültiger Platz in den jeweiligen Gruppen war kontingent. Er hing von persönlichen, institutionellen, finanziellen, technischen oder räumlichen Ressourcen ab; war nur zu einem gewissen Grad vorhersehbar und unterstreicht dadurch die Vieldeutigkeit der Gesundheitsschauen. Die Ausstellungen prägte zudem ihr Charakter als populär-, mithin massenkulturelle Veranstaltungen. Zahlreiche Besucher kamen nach Dresden, Düsseldorf und Berlin, um dort gleichzeitig belehrt und unterhalten zu werden. Sie fragten nach Zerstreuung, besuchten die Restaurants, sportlichen Vorführungen oder Vergnügungsbereiche. Ihre Aufmerksamkeit weckten spektakuläre Exponate wie der „Gläserne Mensch“ oder das Rundmodell der „Wohlfahrtsstadt“. Die Besucher eigneten sich jedoch die ausgestellten Objekte eigensinnig an, interpretierten sie vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen und entsprachen damit nicht
255 Vgl. Max Taute/Carl Hamel/Fritz Rott (Hrsg.): Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens. Kulturhistorische Schau über hundert Jahre, Berlin 1931. 256 Vgl. Schreiben Reichsministerium des Innern an die Geschäftsleitung der kulturhistorischen Sonderschau „Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens“ vom 25.11.1931. BArch Berlin R 1501/126345, Bl. 13. Die finanziellen Beiträge der freien Wohlfahrtspflege konnten nicht rekonstruiert werden.
3.4 Von Selbstdarstellungen
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immer den Vorstellungen der Veranstalter oder Aussteller. Diese reagierten darauf mit unterschiedlichen „Lesehilfen“. Schriftlich festgehaltene Rundgänge, die Organisation von Führungen innerhalb der Gruppen oder über das gesamte Ausstellungsgelände sowie herausgehobene Objekte als „Erinnerungsbrücken“ sollten den Besuchern das Verständnis der Expositionen erleichtern und ihre Rezeption steuern. Sie waren gleichzeitig Mittel der Auseinandersetzung zwischen den Ausstellern. Denn diese konkurrierten miteinander um die knappen Aufmerksamkeitsressourcen des Publikums. Mit Hilfe herausgehobener Exponate, durch die Teilnahme an Gruppenausschüssen oder durch die Diskreditierung von Konkurrenten versuchten die Akteure, ihre eigene Position gegenüber anderen Ausstellern zu verbessern. Die Präsenz auf den Ausstellungen war umkämpft, weil sie Orte der Selbstdarstellung waren. Hier konnten sich die Teilnehmer vor einem lokalen, nationalen wie internationalen Publikum präsentieren und ihre Positionen öffentlichkeitswirksam vertreten. Die Gesundheitsschau, so lässt sich resümieren, war immer das Produkt eines Aushandlungsprozesses zwischen Politik, Veranstalter, lokalen Honoratioren, Ausstellern und Publikum. Sie blieben vielfältig, offen für zum Teil gegensätzliche Positionen und unabgeschlossen. Auch auf Ebene der Ausstellungsorganisation blieben die Expositionen ein Spiegel der zerrissenen Zeit, in der sie stattfanden. Und die Beteiligung internationaler Aussteller verstärkte diese Komplexität nochmals.
4 Gesundheitsausstellungen als internationale Ereignisse Die Gesundheitsausstellungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten nicht nur ein deutsches Publikum, nicht nur deutsche Teilnehmer. Sie waren internationale Ereignisse, zogen internationale Besucher sowie Aussteller an und wurden in internationalen Medien besprochen. Die Gesundheitsschauen als Teil der hygienischen Volksbelehrung im Deutschen Reich waren durch einen internationalen Austausch geprägt; waren eingebettet in grenzübergreifende Prozesse und diplomatische Kontakte. Sie lassen sich daher als Teil einer transnationalen Geschichte begreifen.¹ Als „Deutschlands erste Weltausstellung“ erreichte schon die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 eine große Aufmerksamkeit² und das Hygiene-Museum in Dresden avancierte ab den 1920er Jahren zu einem Vorbild für Museumsgründungen auf der ganzen Welt.³ Die Veranstalter warben schon frühzeitig in ganz Europa für ihre Schauen; für die austragenden Städte waren sie hingegen ein idealer Anlass, um den Tourismus zu fördern. Die deutschen Industrieaussteller sahen im internationalen Publikum potentielle Abnehmer für ihre Produkte, während Wissenschaftler in erster Linie den Austausch mit ausländischen Kollegen und einen Reputationsgewinn suchten. Für die internationalen Teilnehmer hatte das Engagement an den deutschen Expositionen ähnlich wie bei den Weltausstellungen vor allem eine Repräsentationsfunktion. Insbesondere westliche Staaten, aber auch andere wie Länder Japan, Südafrika oder Russland nutzten die Gelegenheit, ihre Maßnahmen auf dem Gebiet öffentlicher Gesundheitspflege, ihre sanitären Fortschritte und ihre wissenschaftlichen Errungenschaften vorzuführen. Doch die ausländischen Staaten beteiligten sich nicht nur an deutschen Ausstellungen, sondern organisierten selbst welche, an denen wiederum deutsche Akteure – allen voran das Hygiene-Museum – teilnahmen. Allein zwischen 1922 und 1927 stellte das Dresdner Haus in 37 ausländischen Städten sein Material aus
1 Zu dem derzeit sehr populären Forschungsfeld der transnationalen Geschichte vgl. u. a. Hartmut Kaelble: Der historische Vergleich. Eine Einführung zum 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main u. a. 1999; Conrad/Osterhammel (Hrsg.): Das Kaiserreich transnational; Agnes Arndt/ Joachim C. Häberlen/Christiane Reinecke (Hrsg.): Vergleichen, verflechten, verwirren? Europäische Geschichtsschreibung zwischen Theorie und Praxis, Göttingen 2011. 2 o. V.: Deutschlands erste Weltausstellung, S. 9–10. 3 Vgl. George T. James: The Design of a Health Museum, unveröffentlichte Thesis 1951, S. 2. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–35, Card 1, unpaginiert. DOI 10.1515/9783110469011-004
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und erreichte dort über zwei Millionen Besucher.⁴ Es entstanden auf diese Weise langjährige Kontakte, die zum Teil über den Zweiten Weltkrieg hinaus aufrecht erhalten wurden. Anhand ausländischer Ausstellungen sowie der Beteiligung anderer Staaten an deutschen Expositionen wird im Folgenden die internationale Dimension der Gesundheitsausstellungen beschrieben. Im ersten Unterkapitel werden die hinter den internationalen Expositionen stehenden Organisationsprozesse sowie Kooperationsverhältnisse nachgezeichnet. Anschließend wird die Rezeption der deutschen Gesundheitsschauen im Ausland anhand zweier paradigmatischer Beispiele aufgezeigt. Die Niederlande beteiligten sich in unterschiedlichem Ausmaß seit der Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 an den deutschen Schauen. Darüber hinaus organisierten sie in der Zwischenkriegszeit eigene Expositionen, auf denen das Deutsche Reich vertreten war. Sie sind dadurch ein instruktives Beispiel dafür, wie die transnationalen Kontakte über mehrere politische Systeme und den Ersten Weltkrieg hinweg gehalten werden konnten. Als politisch auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts überaus stabiles Land, das selbst in der Zwischenkriegszeit keine diktatorialen oder autokratischen Tendenzen aufwies, eignen sich die Niederlande zudem für einen Vergleich mit dem Deutschen Reich. Dadurch kann gezeigt werden, ob sich die deutsche Beschäftigung mit dem Körper signifikant von der in seinem Nachbarland unterschied. Die USA auf der anderen Seite intensivierten ihr Interesse an den deutschen Schauen erst mit der Zweiten Internationalen Hygiene-Ausstellung von 1930. Daran schloss sich allerdings ein mehrjähriger, hauptsächlich durch das Hygiene-Museum und Bruno Gebhard getragener Kontakt an, der mit der Berufung Gebhards zum Gründungsdirektor des ersten amerikanischen „Health Museums“ in Cleveland (Ohio) einen Höhepunkt erreichte. Das Beispiel der USA ist deswegen dazu geeignet, die persönlichen Netzwerke, auf denen die Expositionen beruhten, sichtbar zu machen. Es zeigt außerdem, dass selbst die NS-Gesundheitsschauen mit ihrem rassenhygienischen Schwerpunkt international anschlussfähig waren.
4 Vgl. Schreiben Heinrich Sahm an die Bezirksbürgermeister Berlins vom 12.01.1935. LA Berlin A Rep. 033–08/Nr. 345, unpaginiert. Eine tabellarische Übersicht über die Auslandsschauen des Museums bietet Steller: Volksbildungsinstitut und Museumskonzern, S. 318.
4.1 Bedeutung, Umfang und Organisation |
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4.1 Internationalität der Gesundheitsausstellungen: Bedeutung, Umfang und Organisation Die konkrete Ausgestaltung der internationalen Dimension der Expositionen war von Fall zu Fall verschieden, hing von außenpolitischen Faktoren ebenso ab wie von internen Entscheidungen der Veranstalter. War in Dresden 1911 und 1930 die Teilnahme ausländischer Aussteller ein zentraler Aspekt der Ausstellungen, wollte man in Düsseldorf 1926 in erster Linie eine nationale Exposition organisieren. Hier wie auch in den nationalsozialistischen Schauen in Berlin fungierte das Ausland als Publikum, vor dem sich das Deutsche Reich präsentierte, und das – in Form internationaler Expertenbesuche – zur wissenschaftlichen Legitimation der Veranstaltungen beitrug. Die Austragung internationaler Wettkämpfe wie einem Fußballländerspiel zwischen Deutschland und Frankreich 1911 oder die Beteiligung ausländischer Spitzensportler gehörten zudem immer zu den großen Anziehungspunkten der Expositionen.⁵ Darüber hinaus waren Besucher aus anderen Nationen willkommen, da sie als Touristen höhere Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung versprachen als die lokale Bevölkerung.⁶
Die Internationalen Hygiene-Ausstellungen in Dresden 1911 und 1930/31 Bei den Vorbereitungen auf die Hygiene-Ausstellung 1911 diente den Organisatoren die internationale Beteiligung noch als Rechtfertigung für eine möglichst umfassende Unterstützung der Schau durch die Reichsregierung. Die Schau wurde ganz in der Tradition der Weltausstellungen als „Wettbewerb der verschiedenen Kulturstaaten auf dem Gebiete der Hygiene“ konzipiert, dem sich auch Deutschland zu stellen habe.⁷ Dieser Lesart entsprechend berichtete Friedrich Woithe in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift, die wissenschaftliche Abteilung der Schau sei „Beweis für die Leistungsfähigkeit Deutschlands“ auf dem Feld der Hygiene gewesen.⁸ Gleichzeitig war es das erklärte Ziel der Veranstaltung, von den Fort-
5 Vgl. u. a. Rundschreiben IHAD 1911 Gruppe Athletik. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3576, Bl. 12–13; o. V.: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, in: Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele 20 (1911), S. 332–347, hier S. 347; Ankündigungskarte Internationale Leichtathletische Abendwettkämpfe. StdA Düsseldorf 0–1–18–1024, Bl. 421–422. 6 Vgl. Hochmuth: Industrie- und Gewerbeausstellungen in Sachsen 1824–1914, S. 144–149. 7 Schreiben Beutler an das Reichsamt des Innern vom 13.12.1910. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3573, Bl. 122–123. 8 Friedrich Woithe: Die wissenschaftliche Abteilung der Internationalen Hygiene-Ausstellung, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 37 (1911) 26, S. 1227–1228, hier S. 1227.
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schritten anderer Länder zu lernen und eine „internationale Gesamtübersicht“ der hygienischen Wissenschaft zusammenzutragen.⁹ Die ausländischen Teilnehmer sollten sich in Dresden 1911 in einem eigenen Pavillon präsentieren, den zumindest die wohlhabenden Nationen auch selbst finanzierten. Eine Integration ausländischer Exponate in die allgemeine wissenschaftliche Abteilung lehnte Lingner ab.¹⁰ Bald nachdem der Zeitpunkt der Ausstellungseröffnung endgültig auf das Jahr 1911 festgelegt worden war, wandten sich die Organisatoren an andere Staaten. Das Programm wurde auf Englisch sowie Französisch übersetzt¹¹, Aufrufe in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht¹² und oftmals der direkte Kontakt zu den Nationen gesucht, die für eine Teilnahme an der Exposition gewonnen werden sollten.¹³ Dafür griffen die Veranstalter auf die Unterstützung der Reichsregierung zurück, denn die Dresdner trafen bei diesen Bemühungen auf unvorhergesehene Schwierigkeiten. Länder wie Österreich-Ungarn, die Niederlande oder England wollten sich zunächst nicht an der Schau beteiligen. Zwar ähnelte die britische Beschäftigung mit den Themen Gesundheit sowie Krankheit der deutschen¹⁴ und wurden die ersten Hygieneausstellungen des 19. Jahrhunderts noch als Gewerbeausstellungen in England organisiert.¹⁵ Doch im Falle Dresdens hatte die Regierung Großbritanniens schon frühzeitig eine offizielle Beteiligung am Projekt ausgeschlossen. Diese Entscheidung stieß selbst in der britischen Bevölkerung auf Unverständnis.¹⁶ Es formierte sich daraufhin eine von Thomas Barlow angeregte Initiative, die privat einen britischen Pavillon zu organisieren versuchte. Hierfür
9 Schreiben des Direktoriums der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 an das Reichsamt des Innern vom 20.12.1909. HStA Dresden 10717 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten/Nr. 8922, Bl. 83–85, hier Bl. 83. 10 Vgl. Schreiben von Lingner an das Ministerium des Innern vom 14.04.1910. HStA Dresden 10717 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten/Nr. 8922, unpaginiert. 11 Vgl. o. V.: International Hygiene Exhibition. Dresden 1911. BArch Berlin R 901/752, Bl. 46; o. V.: Exposition Internationale D’Hygiène. De Dresde 1911. BArch Berlin R 901/752, Bl. 48. 12 Vgl. Direktorium der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911: International Hygiene Exhibition Dresden 1911 May–October, in: Epidemology and Infection 10 (1910) 1, S. 131–134; o. V.: International Hygiene Exhibition, in: BMJ. British Medical Journal (1909) 2548, S. 1301. 13 Für den daraus entstandenen Schriftwechsel vgl. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/ Nr. 3574. 14 Zum britischen Diskurs über den Körper vgl. Richard Overy: The morbid age. Britain and the crisis of civilisation, 1919–1939, London u. a. 2010, S. 136–174. 15 Vgl. Weindling: Health, race and German politics between national unification and Nazism 1870–1945, S. 229. 16 Vgl. bspw. T. C. Horsfall: The International Hygiene Exhibition in Dresden. To the Editor of the Manchester Guardian, in: Manchester Guardian vom 31.01.1911, S. 4; John W. Graham: To the Editor of the Manchester Guardian, in: Manchester Guardian vom 31.01.1911, S. 4.
4.1 Bedeutung, Umfang und Organisation |
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riefen sie beispielsweise die Leser des British Medical Journal zu Spenden auf. Großbritannien, so ihr Argument, sei der einzige namhafte Staat ohne eigenen Beitrag in Dresden. Die Welt habe jedoch „a right to expect this country to take a prominent part in this friendly international endeavour.“¹⁷ Die Herausgeber des British Medical Journal ergänzten in einem Kommentar diese Ausführungen um den Gedanken, eine britische Vakanz auf der Exposition könnte vom Deutschen Reich als „manifestation of unfriendly feeling“ aufgefasst werden.¹⁸ Die Initiative hatte Erfolg, es dauerte aber bis April 1911 bis die Beteiligung Englands an der Dresdner Schau endgültig feststand.¹⁹ Dementsprechend spät, erst am 29. Juni 1911, eröffnete die britische Sektion auf der Dresdner Hygiene-Ausstellung unter dem Beisein von Friedrich-Georg Renk für die Dresdner Veranstalter.²⁰ Aus finanziellen und zeitlichen Gründen entschieden sich die Briten für einen inhaltlich stark begrenzten Beitrag, dessen Schwerpunkt auf der Darstellung der britischen Kleinkinderfürsorge lag.²¹ Obwohl er der kleinste internationale Pavillon war, wurde diese privat organisierte Gruppe in Deutschland positiv aufgenommen; hatte dort doch die Absage Großbritanniens zunächst für eine „gewisse Verstimmung“ gesorgt.²² Die Briten auf der anderen Seite bedauerten die Zurückhaltung der eigenen Regierung, waren sich jedoch gleichzeitig sicher, durch den doch noch realisierten Beitrag für eine gewisse Entspannung auf deutscher Seite gesorgt zu haben.²³ Gleichzeitig lobten sie die Ausstellung als einen weltweit einzigartigen, einen „unqualified success.“²⁴ Besonders hoben sie Lingners „Populäre Halle“,
17 Thomas Barlow/Ilkeston/H. W. Armit: International Hygiene Exhibition, Dresden, in: BMJ. British Medical Journal (1911) 2613, S. 225–226, hier S. 226. Vgl. dazu auch Dies.: International Hygiene Exhibition at Dresden: An Appeal, in: The Lancet 177 (1911) 4560, S. 189. 18 o. V.: The Hygiene Exhibition at Dresden, in: BMJ. British Medical Journal (1911) 2613, S. 216. 19 Vgl. Schreiben der Leitung der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden an das Sächsische Ministerium des Innern vom 11.04.1911. BArch Berlin R 901/755, Bl. 67. 20 Vgl. o. V.: International Hygiene Exhibition Dresden, in: BMJ. British Medical Journal (1911) 2640, S. 299–301. 21 Vgl. Thomas Barlow/H. W. Armit: International Hygiene Exhibition, Dresden, 1911, in: The Lancet 179 (1912) 4613, S. 249–250. Für eine Übersicht über den Pavillon vgl. o. V.: Katalog der Ausstellungsgegenstände im Britischen Pavillon der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden. Mai bis Oktober 1911, Dresden [1911]. 22 o. V.: Beteiligung Englands an der Internationalen Hygiene-Ausstellung, in: Frankfurter Zeitung vom 03.05.1911. BArch Berlin R 901/755, Bl. 110. 23 Vgl. o. V.: Some reflections on the International Hygiene Exhibition at Dresden, in: The Lancet 178 (1911) 4599, S. 1162–1164, hier v. a. S. 1162. 24 o. V. The International Hygiene Exhibition, Dresden, 1911. The Opening Ceremonies, in: BMJ. British Medical Journal (1911) 2628, S. 1132–1133, hier S. 1133.
162 | 4 Gesundheitsausstellungen als internationale Ereignisse
den „clou“ der Schau heraus.²⁵ Doch auch die wissenschaftliche Abteilung in ihrer thematischen Breite überzeugte die englischen Beobachter.²⁶ Die Vorgeschichte des britischen Pavillons veranschaulicht zwei Aspekte der internationalen Beteiligungen an den deutschen Gesundheitsschauen. Diese mussten erstens nicht auf staatlichen Aktivitäten beruhen, sondern konnten von zivilgesellschaftlichen Akteuren ausgehen. Zweitens wird deutlich, dass die Expositionen von Anfang an auch im Ausland als außenpolitische Plattformen wahrgenommen wurden. Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten nahmen schließlich mit Brasilien, China, Frankreich, Großbritannien, Japan, Italien, Österreich-Ungarn, Russland, der Schweiz, Spanien sowie der Stadt Amsterdam insgesamt elf internationale Aussteller an der Exposition von 1911 teil. In eigens errichteten, teils spektakulären, oft folkloristischen, visuellen Stereotypen entsprechenden Pavillons präsentierten sie sich dem Publikum.²⁷ Ihre Inhalte unterschieden sich im Detail, waren aber grundsätzlich Versuche, die eigenen nationalen Erfolge in Medizin und Hygiene hervorzuheben. Die Beiträge der westeuropäischen Staaten behandelten zudem immer ihre Leistungen in der Kolonial- und Tropenhygiene.²⁸ Die entlang der „Straße der Nationen“ aufgereihten ausländischen Pavillons hatten aus Sicht der zeitgenössischen Kommentatoren ihren Anteil daran, dass in Dresden „auf einem Raum“ so viel wissenschaftliches Material wie niemals zuvor zusammenkam.²⁹ Die dadurch angeregten Vergleiche mit den wissenschaftlichen Fortschritten anderer Staaten führten dazu, dass – so die Deutung eines Beobachters – ein Land „vom anderen lernen und eines mit dem anderen in diesem friedlichen Wettstreit seine Errungenschaften austauschen“ werde.³⁰ Die Exposition besuchten mehrere ausländische Gruppen wie eine 60-köpfige Studienkommission aus der Türkei, Vertreter der französischen Deputiertenkammer oder eine Gruppe ungarischer
25 W. E. Home: The International Exhibition of Hygiene at Dresden, in: The Lancet 178 (1911) 4590, S. 547–548, hier S. 547. Hervorhebung im Original. Vgl. weiter Ders.: The International Exhibition of Hygiene at Dresden, in: The Lancet 178 (1911) 4592, S. 712–713. 26 Vgl. A. M. Anderson: The Dresden Hygiene Exhibition, in: The Times of London vom 13.09.1911. BArch Berlin R 901/756, unpaginiert. 27 Beispielsweise hatte der schweizerische Pavillon die Form eines Alpenhäuschens. Vgl. 20 Aufnahmen der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Sammlung Deutsches HygieneMuseum Dresden DHM 1994/284. 28 Für eine Übersicht vgl. o. V.: Die fremden Staaten auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, Dresden 1911. 29 Julian Marcuse: Die Internationale Hygieneausstellung in Dresden, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 58 (1911) 27, S. 1459–1460, hier S. 1460. Hervorhebung im Original. 30 o. V.: Deutschlands erste Weltausstellung, S. 9–10, hier S. 9.
4.1 Bedeutung, Umfang und Organisation |
163
Bürgermeister mit beinahe 100 Begleitern.³¹ Selbst Mahatma Gandhi soll während einer Europareise die Hygiene-Ausstellung besucht haben.³² Die Exposition hatte darüber hinaus eine Vorbildfunktion. Sie führte etwa dazu, dass die Australian Natives Association eine „Australische Hygiene-Ausstellung“ nach Dresdner Vorbild organisierte. Diese fand 1913 unter dem Titel „Exhibition of Australian manufactures and hygiene“ statt.³³ Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten und einzelner organisatorischer Probleme bei der Umsetzung einer Exposition mit ausländischer Beteiligung gelang des den Veranstaltern um Lingner so, die Hygiene-Ausstellung 1911 zu einem international wahrgenommenen Projekt zu machen. Ähnlich verlief die Organisation der ausländischen Beiträge auf der Zweiten Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden. Wie bei der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung erklärte sich das Auswärtige Amt dazu bereit, die Gesundheitsschau diplomatisch zu unterstützen und im Ausland für eine Teilnahme an der Exposition zu werben. Eine Vermittlerrolle übernahm zudem Arthur Schloßmann, der sich durch die Veranstaltung der GeSoLei einen internationalen Namen gemacht hatte. Der Pädiater nahm Kontakt zu Frankreich und Großbritannien auf, um deren Interesse an dem Dresdner Projekt zu wecken.³⁴ Es erwies sich jedoch abermals als schwierig, diese und andere Nationen für eine Beteiligung zu gewinnen. Beispielsweise begründete der damalige britische Minister of Health, Neville Chamberlain, gegenüber Schloßmann die Zurückhaltung seiner Regierung damit, dass es bislang noch keine britischen Vorarbeiten gebe, auf die man zurückgreifen könne.³⁵ Zudem plante man mit der „Health & Happiness Exhibition“ für 1930 eine eigene, jedoch deutlich kleinere und nur zehn Tage andauernde internationale Gesundheitsausstellung mit einem Schwerpunkt auf Leibesübungen.³⁶ Da sich die Verhandlungen mit der britischen Regierung, Spanien und Frankreich lange
31 Vgl. Schreiben Beutler an die Stadtverordneten Dresdens vom 19.06.1911. StdA Dresden Stadtverordnetenakten 3.1 A 50, Bd. 3, Bl. 195; Aufzeichnung der Ausstellungsleitung. BArch Berlin R 901/756, unpaginiert; Schreiben Beutler an die Stadtverordneten Dresdens vom 07.08.1911. StdA Dresden Stadtverordnetenakten 3.1 A 50, Bd. 3, Bl. 202. 32 Vgl. Georg Seiring: Erinnerungen. Unveröffentlichtes Typoskript. (Sammlung DHMD), S. 52. 33 Vgl. Schreiben des Kaiserlich Deutschen Generalkonsulats für Australien. Handelsabteilung an Bethmann Hollweg vom 19.06.1912. BArch Berlin R 86/4469, unpaginiert. 34 Vgl. Schreiben Schloßmann an Ministerialrat Dr. Terdenge vom 29.05.1928. PA des Auswärtigen Amts R 66104, unpaginiert; Schreiben Schloßmann an Seiring vom 04.08.1928. PA des Auswärtigen Amts R 66104, unpaginiert. 35 Vgl. Schreiben Schloßmann an Seiring vom 04.08.1928. PA des Auswärtigen Amts R 66104, unpaginiert. 36 Vgl. Health & Happiness Exhibition. Olympia July 16th to 26th 1930. Organised by the Daily Chronicle in co-operation with the British Charities Association. BArch Berlin R 86/4470, unpaginiert.
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hinzogen, stellte das sächsische Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten den Veranstaltern der Hygiene-Ausstellung einen Mitarbeiter ab, dessen Gehalt die Dresdner während dieser Zeit jedoch selbst übernehmen mussten. Er sollte mit seinen Sprachkenntnissen die Kommunikation zwischen den Dresdner Veranstaltern und den ausländischen Staaten beschleunigen.³⁷ Die Bemühungen fruchteten zumindest im Falle Spaniens und Großbritanniens, die 1930 und 1931 teilnahmen.³⁸ Die „Health & Happiness Exhibition“ wurde 1930 auf unbestimmte Zeit verschoben.³⁹ Frankreich war dagegen 1930 nur durch das Pariser Institut Pasteur in der sächsischen Landeshauptstadt vertreten. Auf der Zweiten Internationalen Hygiene-Ausstellung errichteten die teilnehmenden Nationen keine eigenen Pavillons, sondern präsentierten sich in einem gemeinsam genutzten Gebäudekomplex am Platz der Nationen. Trotz der organisatorischen Schwierigkeiten im Vorfeld nahmen schließlich Argentinien, Chile, Dänemark, Danzig, Italien, Japan, Jugoslawien, Litauen, Mexiko, die Niederlande, Norwegen, Rumänien, Schweden, die Schweiz, die Sowjet-Union, Spanien, die Tschechoslowakei, die Türkei die USA sowie mehrere internationale Organisationen wie das Internationale Arbeitsamt, die Liga der Rotkreuzgesellschaften oder die Hygiene-Organisation des Völkerbundes an der Dresdner Schau teil. Viele dieser Staaten beteiligten sich auch im darauffolgenden Jahr an der Exposition. Hinzu traten Frankreich, Griechenland, Kanada, Südafrika sowie die katholischen wie evangelischen Missionen und eine Delegation amerikanischer Mormonen. Es fehlten dagegen die Türkei, die Sowjet-Union, Rumänien und die USA, die auf einen zweiten Auftritt verzichteten.⁴⁰ Die Anwesenheit Großbritanniens dagegen bedeutete, dass „hier zum ersten Male [nach dem Ersten Weltkrieg S. W.] wieder die englische Regierung in Deutschland bei einer internationalen Ausstellung vertreten sein wird.“⁴¹ Sie war somit durchaus ein au-
37 Vgl. Schreiben Krüger an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten vom 04.01.1930. HStA Dresden 10717 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten/Nr. 8926, Bl. 77; Schreiben Dr. Schettler an das Ministerium des Innern vom 30.12.1929. HStA Dresden 10717 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten/Nr. 8926, Bl. 74. 38 Für die britische Gruppe vgl. o. V.: Aus der Abteilung Großbritannien auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1931, in: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden. Mai – Okt. 1930. Offizielle Ausstellungszeitung 2 (1931) 7, S. 11. Für die britische Rezeption der Schau von 1930 vgl. Muriel Harris: Seen in Dresden, in: Manchester Guardian vom 09.10.1930, S. 8. 39 Vgl. Schreiben der Deutschen Botschaft in London an das Auswärtige Amt vom 01.05.1930. BArch Berlin R 86/4470, unpaginiert. 40 Für eine Übersicht über die ausländischen Teilnehmer vgl. o. V. (Hrsg.): Internationale HygieneAusstellung Dresden 1930. Amtlicher Führer; o. V.: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1931. Amtlicher Führer, Dresden 1931. 41 Schreiben Seiring an das Reichsministerium des Innern und das Auswärtige Amt vom 12.01.1931. PA des Auswärtigen Amts R 66108, unpaginiert.
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ßenpolitischer Erfolg der Dresdner Veranstalter. Die Hygiene-Ausstellung 1930/31 avancierte erneut zu einem internationalen Ereignis mit der – im Hinblick auf die Zahl der beteiligten Staaten – globalsten Ausstrahlung aller Gesundheitsschauen im Deutschen Reich der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.⁴² Trotz finanzieller Schwierigkeiten, trotz sinkender Besucherzahlen und einem enormen finanziellen Verlust hatte sich die Dresdner Ausstellung ein weiteres Mal als Plattform des internationalen Austausches über Fragen der Gesundheit erwiesen.
Die nationalen Ausstellungen: GeSoLei 1926 sowie die NS-Expositionen Anders hatte sich die Situation noch vier Jahre zuvor auf der GeSoLei dargestellt. Die Düsseldorfer planten ihre Exposition als nationales, nicht als internationales Ereignis. Sie konzentrierten sich auf nationale Probleme, auf die gesundheitliche Verfassung der deutschen Bevölkerung und die wirtschaftlichen Probleme der neuen Weimarer Demokratie. Dennoch sollten, so Arthur Schloßmann, wenigstens die „Staaten, welche die Leistungen der deutschen Wissenschaft schätzen und achten“, an der Exposition teilnehmen.⁴³ Die Düsseldorfer versandten dafür eine Reihe von Einladungen, hatten mit ihrem Engagement allerdings keinen Erfolg.⁴⁴ Sie nahmen daher zunächst Ende März und Anfang April, anschließend noch einmal im Mai 1925 Kontakt mit dem Auswärtigen Amt auf. Sie erhofften sich davon, dass sich das Amt im Namen der Regierung mit ausgewählten ausländischen Staaten in Verbindung setzte und diese zu einer Unterstützung der Ausstellung aufforderte.⁴⁵ Das Auswärtige Amt war im Jahr 1925 jedoch nicht zu dieser Art von Unterstützung bereit. Zwar erachtete es die GeSoLei grundsätzlich für absolut förderungswürdig. Die Beteiligung des Auslands könne allerdings aus politischen Gründen nicht befürwortet werden. Eine Einladung Frankreichs, Belgiens und Großbritanniens hielt das Amt ohnehin so lange für ausgeschlossen, bis die Kölner Zone von den
42 Die internationale Dimension äußerte sich auch darin, dass Reichspräsident Paul von Hindenburg nicht an der Eröffnung des Deutschen Hygiene-Museums Dresden teilnahm. Denn diese stehe im Zusammenhang mit einer internationalen Veranstaltung, die Hindenburg „grundsätzlich so lange nicht besucht, als noch deutsches Gebiet von fremden Mächten militärisch besetzt ist.“ Schreiben Staatssekretär Meissner an den Reichsminister des Innern vom 01.02.1930. HStA Dresden 10717 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten/Nr. 8926, Bl. 95. 43 Rundschreiben Schloßmann vom 09.01.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1561, unpaginiert. 44 Für die vielfältigen Auslandskontakte vgl. Akte StdA Düsseldorf 0–1–18–1554. 45 Vgl. Schreiben Schloßmann an das Auswärtige Amt vom 24.03.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18– 1562, unpaginiert; Schreiben Schloßmann an das Auswärtige Amt vom 01.04.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1562, unpaginiert; Schreiben Schloßmann an das Auswärtige Amt am 19.05.1925. BArch Berlin R 1501/111174, Bl. 201.
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Alliierten geräumt worden war. Ausschließlich neutrale und verbündete Staaten anzusprechen, war aus Sicht der Diplomaten ebenfalls nicht empfehlenswert, da „eine Differenzierung naturgemäß einen wenig günstigen Eindruck machen und die meisten Staaten wohl davon abhalten würde, die Ausstellung zu beschicken.“⁴⁶ Nachdem das Auswärtige Amt diese Position Anfang Januar 1926 noch einmal bekräftigte, war endgültig klar, dass die Düsseldorfer Gesundheitsschau in einem nationalen Rahmen stattfinden würde.⁴⁷ In ihren Ausstellungsrichtlinien vermerkten die Organisatoren dementsprechend, auf „ausländische Exponate und die Beteiligung ausländischer Aussteller soll, wenn möglich, verzichtet werden.“⁴⁸ Auf der GeSoLei fanden sich trotz allem einige wenige internationale Beiträger ein. Österreich entschied sich schon am 17. Juli 1925 zu einer Teilnahme.⁴⁹ Aus Japan erreichten die Rheinstadt fünf Kisten mit Ausstellungsmaterial und auch die Niederlande waren in Düsseldorf präsent.⁵⁰ Zuletzt beteiligten sich die Hygieneorganisationen des Völkerbundes und das Internationale Rote Kreuz an der GeSoLei. Erstere kooperierten darüber hinaus seit den 1920er Jahren im Rahmen unterschiedlicher Ausstellungsprojekte mit dem Hygiene-Museum Dresden.⁵¹ Dies waren zwar vereinzelte internationale Beiträge, doch im Vergleich zu den beiden Dresdner Schauen hatte die Düsseldorfer Exposition einen überwiegend nationalen, auf Deutschland und Österreich beschränkten Teilnehmerkreis. Das Ausland fungierte 1926 in erster Linie als Publikum, das man mit den Ausstellungsinhalten anzusprechen versuchte und deren potentielle Wirkung auf nichtdeutsche Beobachter bei der Gestaltung sehr genau mitbedacht wurde. Beispielsweise riet Carl Hamel den kommunalen Spitzenverbänden im Vorfeld der GeSoLei, die finanziellen Leistungen der Wohlfahrtspflege nicht zu sehr betonen. Denn die Reichsregierung befürchtete negative Auswirkungen auf die Reparationsverhandlungen, wenn „im Auslande die Auffassung Boden gewinne, dass die öffentlichen Mittel für Wohl-
46 Schreiben Auswärtiges Amt an Schloßmann vom 04.06.1925. BArch Berlin R 1501/111174, Bl. 318. 47 Vgl. Schreiben Auswärtiges Amt an Schloßmann am 09.01.1926. BArch Berlin R 1501/111175, Bl. 178. 48 Richtlinien für die Ausstellung. BArch Berlin R 86/886, unpaginiert. 49 Vgl. Schreiben des Österreichischen Generalkonsulats an Lehr vom 02.09.1925. StdA Düsseldorf 0–1–3–683, Bl. 233–234. 50 Vgl. Schreiben an J. de Lorenzis vom 21.08.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1562 unpaginiert. 51 Vgl. Seth Amiel Rotramel: International Health, European Reconciliation, and German Foreign Policy after the First World War, 1919–1927. PhD-Thesis Washington D.C. 2010, S. 220–222. Online unter https://repository.library.georgetown.edu/bitstream/handle/10822/553131/rotramelSeth. pdf?sequence=1. [Letzter Zugriff am 20.09.2014]
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fahrtspflege und soziale Fürsorge in einem Ausmasse verwendet würden, das nicht mit der finanziellen Lage des Landes vereinbar sei.“ Man einigte sich deswegen darauf, die „Anhäufungen von Kostenrechnungen“ zu vermeiden.⁵² Schloßmann auf der anderen Seite meinte, die Exposition müsse „in erster Linie die deutsche Not“ betonen, gleichzeitig jedoch zeigen, dass „wir uns auch durch die schlimmste Not nicht niederdrücken [. . . ] lassen wollen.“⁵³ Ausländer gerieten darüber hinaus als potentielle Besucher und als Teilnehmer der abermals zahlreichen Konferenzen oder Versammlungen in den Blick der. Um das Düsseldorfer Projekt über die Grenzen hinweg bekannt zu machen, griffen die Organisatoren auf eine im Vergleich zur Hygiene-Ausstellung 1911 deutlich professionalisierte Öffentlichkeitsarbeit zurück. Man plante, ein eigenes, reich bebildertes Heft auf Englisch, Spanisch sowie Französisch herzustellen und in den jeweiligen Ländern zu verteilen.⁵⁴ Bereits bestehende Werbebroschüren wurden übersetzt und auf internationale Leser zugeschnitten. Ein englischsprachiges, allerdings nicht von der Ausstellungsleitung publiziertes, Exemplar enthielt umfangreiche Reiseinformationen und betonte, die GeSoLei sei für alle Arten von Professionen von Interesse. Es sei daher für nahezu jeden sinnvoll, für diese Veranstaltung nach Düsseldorf zu kommen.⁵⁵ Die Organisatoren bezahlten ausländische Journalisten dafür, dass sie in ihrem Heimatland über die Exposition Artikel für Fachzeitschriften und Tageszeitungen schrieben. So erhielt Ilse Tromm für jeden neuen Text, den sie in Schweden und Dänemark veröffentlichte, 30 Reichsmark. Ein Wiederabdruck brachte ihr zwischen 10 und 20 Reichsmark ein.⁵⁶ Ähnliche Abmachungen bestanden mit spanischen, italienischen und niederländischen Autoren.⁵⁷
52 Niederschrift der Besprechung über die gemeinsame Beteiligung der Behörden und kommunalen Spitzenverbände an der „Gesolei“ vom 11.11.1925. LA Berlin B Rep 142–06/Nr. 660, Bl. 187–189, hier Bl. 189. Zu den generellen Befürchtungen der Regierung vgl. Aufzeichnung über die am 6. November 1926 im Reichsministerium des Innern stattgehabten Besprechung, betreffend Große Ausstellung in Düsseldorf 1926. BArch Berlin R 86/886, unpaginiert. 53 Schreiben Schloßmann an Hamel vom 20.02.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1026, Bl. 143–144, hier Bl. 143. 54 Vgl. Niederschrift über die Pressesitzung vom 05.10.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1047, Bl. 119. 55 Vgl. Otto Reichert: Come and see! The Great German Exhibition Dusseldorf 1926. Hygiene Social Welfare Sport. Dusseldorf on the Rhine May–Oct, Düsseldorf o. J. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 1997/1734. 56 Vgl. Schreiben Witt an Tietmann vom 10.06.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1566, unpaginiert. 57 Vgl. Schreiben Witt an Schlaus vom 24.09.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1566, unpaginiert; Schreiben Dr. Berg an G. V. Amoretti vom 28.09.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1566, unpaginiert; Schreiben des Vorstandes der GeSoLei an Dr. H. O. Behrens vom 12.02.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1562, unpaginiert.
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Auf diesem Weg erreichte die Schau trotz der verhältnismäßig geringen nichtdeutschen Beteiligung internationale Aufmerksamkeit. Sie fand Beachtung in internationalen Fachzeitschriften, die ihren Lesern einen Überblick über die Ausstellungsinhalte gaben, von einzelnen Konferenzen berichteten oder grundsätzlich über den Stand der hygienischen Volksbelehrung in Deutschland schrieben.⁵⁸ Zahlreiche ausländische Gäste besuchten darüber hinaus die GeSoLei persönlich. Darunter befanden sich der oberste Sanitätschef der ägyptischen Regierung, der Exponate des Hygiene-Museums erwerben wollte, die Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz oder W. Vogwell, ein Vertreter der Stadt Sydney, der zu dieser Zeit eine Fortbildungsreise durch Europa unternahm.⁵⁹ Der größte außenpolitische Erfolg war wohl der Besuch der Mitglieder der Internationalen Sanitätskonferenz, die zur gleichen Zeit in Paris tagte. 80 Mitglieder aus 34 Ländern, darunter neun französische Delegierte, reisten im Anschluss an ihre Konferenz nach Düsseldorf. Die Stadt empfing die Delegierten als Ehrengäste und gestaltete ihre Anwesenheit in Düsseldorf entsprechend aufwendig. Englisch- sowie französischsprachige Führer begleiteten die Gruppe über das Gelände. Insgesamt sei, so Bumm in einem Schreiben an das Reichsministerium des Innern und das Auswärtige Amt, der Besuch so gut verlaufen, dass die „Sympathie, die diese Veranstaltung Deutschland selbst und seinen Vertretern eingetragen hat, nicht hoch genug bewertet werden kann.“⁶⁰ Auch Schloßmann resümiert, der Besuch der Internationalen Sanitätskonferenz sei ein großer Erfolg gewesen. Einzelne Mitglieder hätten die Schau sogar noch ein zweites Mal privat besucht, um „Einzelheiten genauer studieren zu können“.⁶¹ Auf der Düsseldorfer Gesundheitsausstellung fungierte das Ausland dadurch als Publikum, das man mit einzelnen Gruppen adressierte und das als Gast willkommen war. Es wirkte aber mit nur wenigen Ausnahmen nicht aktiv an der konkreten Ausgestaltung der Exposition mit, sondern blieb auf seine Publikumsrolle beschränkt.
58 Vgl. o. V.: Düsseldorf at Health Exhibition, in: BMJ. British Medical Journal (1926) 3413, S. 955; o. V.: The Düsseldorf Conference, in: The Lancet 208 (1926) 5380, S. 765–766; o. V.: The trend of health education in Germany, in: The Lancet 209 (1927) 5396, S. 242–243. 59 Vgl. Schreiben Seiring an Schloßmann vom 28.04.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1520, unpaginiert; Schreiben Friedrich Aemmer an den Vorstand der GeSoLei vom 09.06.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1554, unpaginiert; Schreiben W. Vogwell an Schloßmann vom 19.09.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1027, Bl. 234. 60 Schreiben Bumm an den Reichsminister des Innern sowie das Auswärtige Amt vom 13.07.1926. BArch Berlin R 1501/111176, Bl. 162–167, hier Bl. 166–167. 61 Schreiben Schloßmann an den Reichsminister des Innern vom 07.09.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1026, Bl. 131–138, hier Bl. 132. Den Besuch aus Sicht der internationalen Teilnehmer der Konferenz beschreibt Rotramel: International Health, European Reconciliation, and German Foreign Policy after the First World War, S. 241–249.
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Die NS-Gesundheitsschauen wurden auf eine ähnliche Art und Weise organisiert. Hier lassen sich keine Versuche nachweisen, im Vorfeld der Expositionen internationale Akteure für eine Teilnahme zu gewinnen. Das Ausland blieb ein passiver Beobachter. Seine positiven Reaktionen konnten sich allerdings durchaus auf interne Auseinandersetzungen um Ressourcen oder politische Aufmerksamkeit auswirken. So betonte das Hygiene-Museum gerne, welch große internationale Wertschätzung die eigenen Exponate fanden.⁶² Auch das Berliner Messeamt unterstrich den quantitativen wie qualitativen Erfolg der eigenen Ausstellungen bei internationalen Besuchern. Beispielsweise hoben die Organisatoren hervor, 10 bis 15 Prozent der 600 000 Besucher der „Wunder des Lebens“ seien aus dem Ausland gekommen. Die Schau habe weiterhin zu Materialanfragen aus Norwegen, Schweden, Dänemark, den Niederlanden, England, Rumänien, Polen und der Tschechoslowakei geführt.⁶³ Unter den Gästen bei der Eröffnung der Schau befanden sich zudem die Botschafter Frankreichs und Russlands sowie mehrere Gesandte ausländischer Nationen.⁶⁴ Auch unter den 750 000 Besuchern der „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ befanden sich zwischen 100 000 und 150 000 Ausländer. Täglich standen 50 Angestellte bereit, die sie auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch oder Polnisch durch die Hallen leiteten. Diese sollten den internationalen wie nationalen Gästen die Erfolge der nationalsozialistischen Gesundheits- wie Wirtschaftspolitik nahebringen. Die Schau legte damit „Zeugnis ab von den Erfolgen des ersten Jahres im Dritten Reich und gab einen Querschnitt durch die Spitzenleistungen deutscher Arbeit.“⁶⁵ Die „Deutschland“ von 1936 stand zuletzt ganz im Zeichen nationalsozialistischer Selbstdarstellung vor einer internationalen Bühne. Die Olympischen Spiele boten die ideale „Gelegenheit [. . . ], um werbende Kulturpropaganda unter den ausländischen Teilnehmern und Gästen [. . . ] zu betreiben.“⁶⁶ Von ihren 1,3 Millionen Besuchern stammten 40 Prozent aus Berlin, 50 Prozent aus dem übrigen Deutschen Reich und 10 Prozent oder 150 000 Menschen aus dem Ausland. Dies entsprach in etwa der Anzahl der inter-
62 Vgl. bspw. H. B.: „Das Wunder des Lebens“. Qualitätsarbeit des Deutschen Hygiene-Museums erobert die Welt. Sonderdruck aus dem Dresdner Anzeiger vom 28.03.1935, S. 4. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder IV–45, unpaginiert. 63 Vgl. o. V.: Abschluß der großen Ausstellung „Das Wunder des Lebens“ Berlin, S. 2. 64 Vgl. All: Der Mensch – „Wunder des Lebens“, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung vom 24.03.1935, S. 13–14. 65 o. V.: Das Fazit der Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit, Berlin 1934“, S. 2. Hervorhebung im Original. 66 Bruno Gebhard: Deutschland. Reichsausstellung im Olympiajahr 1936 vom 18.10.1933. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–59, unpaginiert.
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nationalen Olympiabesucher insgesamt.⁶⁷ Die NS-Gesundheitsschauen wurden darüber hinaus im Anschluss an ihre Öffnungszeit in Berlin als Wanderausstellungen überwiegend in Europa auf die Reise geschickt. So tourte die „Wunder des Lebens“ nach 1935 in verkleinerter Form über den Kontinent; war gleichermaßen im Deutschen Reich wie im Ausland zu sehen.⁶⁸ Während die beiden Dresdner Gesundheitsausschauen internationale Ausstellungen im besten Sinne waren, an denen sich eine Vielzahl unterschiedlicher ausländischer Akteure beteiligte, waren die GeSoLei und die nationalsozialistischen Expositionen nationale Veranstaltungen. Auf ihnen war das Ausland nur als Beobachter aktiv. Sie waren aus unterschiedlichen politischen Gründen auch Repräsentationsschauen, auf denen sich das Deutsche Reich gegenüber seinen Gästen selbst darstellte. Gleichzeitig stimulierten auch diese Ausstellungen internationale Kontakte und führten zu späteren Einladungen einzelner Aussteller wie dem Hygiene-Museum zu anderen Veranstaltungen. Durch Wanderausstellungen, den Austausch oder Verkauf von Exponaten sowie internationale Berichterstattung waren sie wie ihre Dresdner Pendants in das transnationale Netz der Veranstalter von Gesundheitsschauen eingebunden. Das Beispiel der Niederlande demonstriert, dass einige dieser internationalen Kontakte über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg Bestand hatten.
4.2 Kontinuierlich nachbarschaftliche Kontakte: Die Niederlande Die Geschichte der deutsch-niederländischen Begegnungen auf Gesundheitsausstellungen begann früh, wurde von unterschiedlichen Akteuren getragen und bildete eine kaum bekannte Konstante in der Geschichte der deutschen Expositionen. Immer wieder reisten deutsche Wanderschauen in das Nachbarland, immer wieder beteiligten sich deutsche Aussteller an niederländischen Projekten und immer wieder waren niederländische Akteure auf den deutschen Ausstellungen präsent. Der Austausch war nicht frei von Reibungen, die Bemühungen der Organisatoren nicht immer so erfolgreich wie gewünscht. Dennoch blieb der Kontakt
67 Vgl. o. V.: Deutschland-Ausstellung hatte Rekordbesuch: 1,3 Millionen!, in: Messe und Ausstellung 18 (1936) 17, S. 5. 68 Vgl. beispielsweise die Berichte über die Ausstellungsorte in den Jahren 1936 und 1937. Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden im Jahre 1936. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 6, Bl. 4; Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden im Jahre 1937. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 6, Bl. 5. Auch in den darauf folgenden Jahren war die Exposition unterwegs.
4.2 Kontinuierlich nachbarschaftliche Kontakte: Die Niederlande |
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von der Beteiligung der Niederlande am 14. Internationalen Kongress für Hygiene und Demographie in Berlin 1907⁶⁹ bis weit in die 1930er Jahre hinein bestehen. Zuletzt veranstaltete das Hygiene-Museum im Jahr 1937 die auf der „Wunder des Lebens“ beruhende Wanderausstellung „De Mensch“ in Den Haag.⁷⁰ Die niederländische Rezeption der Ausstellungen und ihre Beteiligungen an ihnen sind gerade deswegen aufschlussreich, weil die gesellschaftliche Entwicklung der Niederlande in der Geschichtsschreibung gemeinhin als Gegenbeispiel für das Deutsche Reich begriffen wird. So sei die „Versäulung“ der niederländischen Gesellschaft in einen katholischen, einen protestantischen, einen liberalen sowie einen sozialdemokratischen Teil etwa der Ausbreitung und Umsetzung eugenischer wie rassenanthropologischer Ideen entgegengestanden.⁷¹ Diese Deutung ist gerade in jüngerer Zeit beispielsweise im Hinblick auf die Kastration von Sexualverbrechern oder die Bedeutung der Degenerationsidee in den Niederlanden zwar nicht widerlegt, aber doch differenziert und problematisiert worden.⁷² Der Blick auf die niederländischen Beteiligungen an den deutschen Gesundheitsschauen sowie auf ihre Rezeption der Expositionen kann einerseits die internationalen Verflechtungen dieser Ausstellungen beispielhaft aufzeigen. Andererseits leistet dies einen Beitrag zum Verständnis der Unterschiede und Gemeinsamkeiten des deutschen wie niederländischen Körperdiskurses im Untersuchungszeitraum.
Die Stadt Amsterdam auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 Während der Vorbereitungen auf die Internationale Hygiene-Ausstellung 1911 gehörten die Niederlande zum Kern der Nationen, die die Dresdner Organisatoren für ihr Projekt zu gewinnen versuchten. Neben dem Land als Kollektivaussteller bemühten sich die deutschen Gruppenverantwortlichen auch um die Beteiligung
69 Vgl. Niederschrift über die am 26. Juni 1905 stattgehabte Sitzung des Organisations-Komitees des 14. Internationalen Kongresses für Hygiene und Demographie Berlin 1907. BArch Berlin R 1501/111162, Bl. 44–51. 70 Vgl. o. V.: Tentoonstelling „De Mensch“, in: Het Vaderland vom 05.03.1937. Avondblad A, S. 2. 71 Vgl. immer noch Jan Noordman: Om de kwaliteit van het nageslacht. Eugenetica in Nederland, 1900–1950, Nijmegen 1989. Für die jüngere Forschung vgl. u. a. Harry Oosterhuis/Marijke Gijswijt-Hofstra: Verward van geest en ander ongrief. Psychiatrie en geestelijke gezondheidszorg in Nederland (1870–2005), Houten 2008, S. 438–441. 72 Vgl. Theo van der Meer: Eugenic und sexual folklores and the castration of sex offenders in the Netherlands (1938–1968), in: Studies in History and Philosophy of Biological und Biomedical Sciences 39 (2008) 2, S. 195–204; Patrick Dassen: Ennobling the human race in the Netherlands around 1900, in: Ders./Mary Kemperink (Hrsg.): The many faces of evolution in Europe, c. 1860– 1914, Leuven u. a. 2005, S. 71–86.
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niederländischer Wissenschaftler wie dem Mediziner und Ordinarius der Universiteit van Amsterdam Rudolf Hendrik Saltet.⁷³ Der Hauptbeitrag der Niederlande zur Dresdner Großveranstaltung sollte ein eigener Länderpavillon werden. Noch in den ersten Monaten des Jahres 1910 rechneten die Veranstalter um Lingner mit einer Beteiligung der Niederlande an der Exposition; es hatte sich bereits ein Landeskomitee unter dem Protektorat des Prinzen Heinrich, dem deutschen Ehemann von Königin Wilhelmina, gebildet und die Vorbereitungen vor Ort schienen gut voranzugehen.⁷⁴ Doch spätestens im Juli wussten die Organisatoren, dass diese Erwartungen enttäuscht werden sollte und es keinen offiziellen Länderpavillon des Nachbarlandes geben würde. Obwohl die Niederlande auf eine lange Tradition von Gewerbeschauen zurückblicken konnten und auch regelmäßig – vorwiegend mit Kolonialthemen – auf den Weltausstellungen vertreten waren⁷⁵, hatte die niederländische Regierung im Hinblick auf die geringe „Anzahl der [vorhandenen] in Frage kommenden Gegenstände“ entschieden, sich aus „finanziellen Erwägungen“ nicht an der Ausstellung zu beteiligen.⁷⁶ Wurde in Großbritannien das fehlende Interesse des Staates an der Dresdner Exposition durch ein zivilgesellschaftliches Engagement kompensiert, trat in den Niederlanden ein anderer Akteur auf den Plan. Anstelle des gesamten Landes nutzte die Stadt Amsterdam die Gelegenheit, sich und seine gesundheitsrelevanten Maßnahmen einer internationalen Öffentlichkeit zu präsentieren. Am 13. September 1910 entschieden sich der Bürgermeister und die Beigeordneten der Stadt Amsterdam zu einer Teilnahme.⁷⁷ Hierfür hatte sich ähnlich wie in England ein Städtisches Komitee gebildet, das Kontakt mit Dresden aufnahm. Die Organisatoren der Hygiene-Ausstellung begrüßten den Vorstoß und schlugen vor, ebenfalls „einen besonderen Pavillon für Ihre Vorführungen zu errichten.“⁷⁸ Sie erhofften sich, auf diese Weise noch andere niederländische Städte für eine Beteiligung gewinnen zu können. Das Komitee hielt jedoch einen eigenen Pavillon nicht für
73 Vgl. Schreiben Otto Heubner an Saltet vom 28.08.1909. StdA Amsterdam 496/2, unpaginiert. Saltet war in der Folgezeit einer der Personen, die den deutsch-niederländischen Kontakt aufrecht erhielten. 74 Vgl. Übersicht der Auslandsbeteiligung an der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 vom 01.07.1910. HStA Dresden 10717 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten/Nr. 8922, unpaginiert. 75 Vgl. Marieke Bloembergen: De koloniale vertoning. Nederland en Indië op de wereldtentoonstellingen (1880–1931), Amsterdam 2002. 76 Schreiben der Kaiserlich Deutschen Gesandtschaft in den Niederlanden an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten vom 15.07.1910. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3574, Bl. 131. 77 Vgl. o. V.: Die fremden Staaten auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, S. 3. 78 Schreiben Friedrich August Weber an das Städtische Komitee für die Internationale HygieneAusstellung Dresden 1911 vom 18.10.1910. StdA Amsterdam 496/2, unpaginiert.
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finanzierbar, da es nicht mit einer entsprechenden Unterstützung durch die Stadt Amsterdam rechnete. Stattdessen wollte es in der allgemeinen wissenschaftlichen Abteilung ausstellen und bat sich dafür 12 qm Boden- sowie 90 qm Wandfläche aus.⁷⁹ Die Dresdner Leitung hielt jedoch an dem Ziel fest, möglichst keine Kollektivausstellung in der wissenschaftlichen Abteilung zuzulassen. Die Bereitstellung von Freiflächen für eine Amsterdamer Gruppe schloss Friedrich August Weber dementsprechend aus. Die einzige Möglichkeit sah er darin, die niederländischen Exponate auf die einzelnen Gruppen der wissenschaftlichen Abteilung zu verteilen.⁸⁰ Obwohl dies die Gegenstände aus ihrem landesspezifischen Kontext gerissen und das Repräsentationspotential der Exposition für die Stadt verringert hätte, zog das Amsterdamer Komitee Ende des Jahres 1910 diese Variante ernsthaft in Betracht. Es reichte deswegen im Januar 1911 einen offiziellen Anmeldebogen für die wissenschaftliche Abteilung ein.⁸¹ Die Dresdner lobten zwar die vorgeschlagenen Exponate als „hochinteressante Objekte“, bedauerten allerdings, „dass die Vorführung der Sachen in der Wissenschaftlichen Abteilung [. . . ] ausgeschlossen ist.“⁸² In seinem Schreiben begründete Weber die Entscheidung mit fehlendem Ausstellungsraum und empfahl den Niederländern, sich um Platz in der Industrieabteilung zu bemühen. Einen Monat später, am 22. März 1911, entschied daraufhin der Amsterdamer Gemeindevorstand, das Geld für einen eigenen Pavillon auf der „Straße der Nationen“ bereitzustellen.⁸³ Und da bereits am 13. März 1911 in Amsterdam ein Telegramm mit der sächsischen Zusage für die kostenlose Überlassung der benötigten Fläche für einen Pavillon eingegangen war, begann man nun direkt mit der Entwurfsplanung für das Gebäude.⁸⁴ Darin fanden die Beiträge des städtischen Gesundheitsamtes, des Schlachthauses und des Viehmarktes, der Krankenhäuser „Binnengasthuis“ sowie „Wilhelmina Gasthuis“, des städtischen Reinigungswesens, Tiefbauamts und Medizinalamts so-
79 Vgl. Schreiben Städtisches Komitee an die Wissenschaftliche Abteilung vom 07.11.1910. StdA Amsterdam 496/2, unpaginiert. 80 Vgl. Schreiben Weber an das Städtische Komitee für die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 vom 18.11.1910. StdA Amsterdam 496/2, unpaginiert. 81 Vgl. Schreiben Städtisches Komitee an die Wissenschaftliche Abteilung vom 18.01.1911. StdA Amsterdam 496/2, unpaginiert. 82 Schreiben Weber an das Städtische Komitee vom 23.02.1911. StdA Amsterdam 496/2, unpaginiert. 83 Vgl. o. V.: Die fremden Staaten auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, S. 3. 84 Vgl. Telegramm der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden an das Städtische Komitee vom 13.03.1911. StdA Amsterdam 496/2, unpaginiert; Schreiben des Städtischen Komitees an die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden vom 17.03.1911. StdA Amsterdam 496/2, unpaginiert.
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wie zuletzt ein Bereich über die Amsterdamer Wasserleitungen Platz.⁸⁵ Zusätzlich beteiligten sich mehrere niederländische Firmen an der Industrieabteilung.⁸⁶ Darüber hinaus steuerte das Statistische Amt der Stadt Amsterdam eine Vielzahl von Statistiken zur allgemeinen Statistischen Abteilung der Hygiene-Ausstellung 1911 bei.⁸⁷ Der einzige Städtepavillon der Schau eröffnete schließlich nach dreiwöchiger Bauzeit am 15. Mai 1911, wenige Tage später als die gesamte Ausstellung.⁸⁸ Kurz nach der Eröffnung wandte sich Lingner persönlich an den Bürgermeister der Stadt, um dem „Dank namens des Ausstellungsdirektoriums“ für das Engagement Amsterdams Ausdruck zu verleihen.⁸⁹ Besonders lobte der Industrielle die Darstellung des Amsterdamer Wassersystems sowie des Hochwasserschutzes. Dies deutet auf einen markanten Unterschied des niederländischen Beitrags zur Konzeption der Gesamtausstellung hin. Während die Hygiene-Ausstellung vor allem durch die Popularisierung medizinisch-naturwissenschaftlichen Wissens große Aufmerksamkeit erregte, bewegte sich der Amsterdamer Pavillon noch ganz in der Tradition der Spezialausstellung des 19. Jahrhunderts. Zu sehr konzentrierten sich die niederländischen Verantwortlichen auf technische Probleme, zu sehr verbanden sie Hygiene mit infrastrukturellen Maßnahmen wie Wasserleitungen oder dem städtischen Reinigungswesen, um dieser neuartigen Form der Gesundheitsschau gerecht zu werden. Dementsprechend resümierte die niederländische Tageszeitung „Het Nieuws van den Dag“, der Amsterdamer Beitrag sei zwar für den Fachmann aufschlussreich, für den Laien jedoch kaum von Interesse.⁹⁰ Trotzdem erzielten der Pavillon im Speziellen und die Dresdner Exposition im Allgemeinen in den Niederlanden großes Interesse. Die Zeitung „Nieuwe Rotterdamsche Courant“ widmete
85 Vgl. o. V.: Die fremden Staaten auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, S. 3–4. 86 Vgl. o. V.: De internationale hygiëne-tentoonstelling Dresden 1911, in: Nieuwe Rotterdamsche Courant vom 05.07.1911. StdA Amsterdam, 496/8, unpaginiert. 87 Vgl. Statistisches Amt der Stadt Amsterdam (Hrsg.): Verzeichnis der in der Statistischen Abteilung der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 vom Statistischen Amt vorgeführten graphischen Darstellungen nebst erläuterndem Zahlenmaterial, Amsterdam 1911; Statistisches Amt der Stadt Amsterdam (Hrsg.): Reproduktion der wichtigsten graphischen Darstellungen von dem Statistischen Amt Amsterdams. Vorgeführt auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, Amsterdam 1912. 88 Vgl. o. V.: Het Paviljoen van Amsterdam te Dresden, in: Het Nieuws van den Dag vom 19.05.1911, S. 3. 89 Schreiben Lingner an Antonie Roëll, Bürgermeister der Stadt Amsterdam vom 19.05.1911. StdA Amsterdam 496/2, unpaginiert. 90 Vgl. o. V.: De Hygiëne-tentoonstelling te Dresden, in: Het Nieuws van den Dag vom 14.06.1911, S. 2.
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der Schau ebenso eine längere Artikelserie, wie die Zeitschrift „Het Leven“.⁹¹ Beide Printmedien versorgten ihre Leser mit ausführlichen Beschreibungen der einzelnen Abteilungen und Gruppen, hoben aber besonders die „Populäre Abteilung“ hervor. Wie in England wurde allerdings auch kritisiert, dass die niederländische Regierung auf einen offiziellen Beitrag des gesamten Staates verzichtet hatte.⁹² Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Dresdner Veranstaltung durch den Besuch des Prinzen Heinrich, der sich zusammen mit Lingner vor dem Pavillon der Stadt Amsterdam fotografieren ließ.⁹³ Im Anschluss an die Hygiene-Ausstellung wurde der niederländische Beitrag im Amsterdamer Beursgebouw gezeigt.⁹⁴
Die deutsch-niederländischen Beziehungen Anfang der 1920er Jahre Die durch das individuelle Engagement einer Stadt geknüpften Verbindungen wurden jedoch durch den Ausbruch des Weltkriegs zunächst unterbrochen. Obwohl die Niederlande während des Kriegs neutral blieben, kam es auch nach Ende der Kriegshandlungen zunächst zu keiner weiteren Kooperation im Rahmen internationaler Ausstellungen. Beispielsweise wollten sich 1919 verschiedene deutsche Firmen an der Ersten Luftfahrtausstellung Amsterdam engagieren. Da Großbritannien jedoch eine deutsche Beteiligung ablehnte, schlossen die niederländischen Organisatoren alle deutschen Firmen von der Exposition aus.⁹⁵ Dies unterstreicht, wie politisch die Teilnahme an internationalen Ausstellungen war; wie sehr gesellschaftliche Einflussfaktoren das Gesicht der Expositionen prägten. Doch schon zwei Jahre später hatte sich die Situation wieder geändert. Auch in den Niederlanden hatte sich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs der Trend zur Veranstaltung von Gesundheitsexpositionen ausgebreitet. 1921 fand beispielsweise die erste Internationale Hygiëne-Tentoonstelling Amsterdam statt. Sie ging auf die Initiative des Mediziners M. de Hartogh zurück. Dieser kannte das deutsche Hygiene-Museum schon seit einigen Jahren und unterstützte das Haus immer wieder in schwierigen Situationen, indem er ihm etwa die Möglichkeit verschaffte,
91 Für die Artikelserie vgl. StdA Amsterdam, 496/8, unpaginiert. Für „Het Leven“ vgl. u. a. o. V.: De internationale Hygiène-tentoonstelling te Dresden, in: Het Leven 6 (1911) 28, S. 894–895. 92 Vgl. o. V.: De Hygiëne-tentoonstelling te Dresden, in: Het Nieuws van den Dag vom 14.06.1911, S. 2. 93 Vgl. o. V.: Prins Hendrik te Dresden, in: Het Leven 6 (1911) 33, S. 1050. 94 Vgl. Schreiben Directeur der Gementee-Waterleidigingen an das Städtische Komitee vom 17.11.1911. StdA Amsterdam 496/2, unpaginiert; o. V.: Amsterdamsche inzending te Dresden hygiënetentoonstelling, in: Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde 56 (1912), S. 121. 95 Vgl. Schreiben der Deutschen Gesandtschaft, Handelsabteilung in Den Haag an das Auswärtige Amt vom 22.05.1919. BArch Berlin R 901/18293, unpaginiert.
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sich in den Niederlanden Devisen zu erwirtschaften.⁹⁶ Getragen durch die Stadt Amsterdam, die der Schau 5000 Gulden bereitstellte, bildete sich um ihn herum ein Organisationskomitee, das die Veranstaltung der Exposition verantwortete.⁹⁷ Die Schau fand unter Beteiligung Amsterdams sowie mehrerer nationaler Institutionen vom 8. Oktober 1921 bis zum 8. November 1921 im Paleis voor Volksvlijt, einem dem Londoner Crystal Palace nachempfundenen Glasbau, statt. Anders als in Dresden bestand die Schau sowohl aus Individualbeiträgen einzelner Institutionen wie der Niederländischen Vereinigung für Volks- und Schulbäder oder dem Amsterdamer Statistischen Bureau als auch aus thematisch gegliederten Gruppen, die sich beispielsweise mit der Tuberkulosebekämpfung oder der Säuglingsfürsorge beschäftigten.⁹⁸ Die Veranstalter unterschieden lediglich zwischen einer wissenschaftlichen und einer Industrieabteilung. Einen eigens für das Laienpublikum gestalteten Ausstellungsbereich, also eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Zielgruppen, gab es nicht. Stattdessen standen eher popularisierende Ausstellungsbereiche direkt neben wissenschaftlichen Gruppen, die sich an ein Fachpublikum richteten.⁹⁹ In dieser Hinsicht blieb die Ausstellung von 1921 hinter ihrer Vorgängerin von 1911 zurück. Gleichwohl orientierte sich die Grundausrichtung des niederländischen Projektes am deutschen Vorbild. Ausgangspunkt war die Überlegung, dass hygienische Aufklärung der Bevölkerung die Basis jedes ärztlichen Handelns ist.¹⁰⁰ Denn die Ursache für das ungesunde Verhalten der Bevölkerung sei nicht deren Unvermögen, sondern deren fehlende Kenntnis von der Funktionsweise des menschlichen Organismus. Die HygieneAusstellung 1921 sollte dieses Wissen verbreiten und gleichzeitig deutlich machen, dass Gesundheit „die einzige Quelle für menschliches Glück, körperliches und seelisches Wohlbefinden“ ist.¹⁰¹ Die niederländische Schau ähnelte somit in ihrer Zielsetzung und ihren grundlegenden Vorannahmen stark der Dresdner Hygiene-Ausstellung. Stärker als im Deutschen Reich betonten die Veranstalter jedoch, wie bedeutend die Erziehung der Bevölkerung zu einem gesundheitsbewussten Verhalten ist. Nicht Zwang, son96 Vgl. Seiring: Erinnerungen, S. 21–25. 97 Vgl. Schreiben Prinz von Hatzfeld an das Auswärtige Amt vom 02.11.1921. BArch Berlin R 86/4469, unpaginiert. 98 Für eine Übersicht über die Gruppen und Abteilungen vgl. o. V.: Internationale Hygiëne Tentoonstelling Amsterdam 1921. Catalogus, Amsterdam 1921. 99 Für einen Eindruck der verschiedenen Gruppen vgl. die Bilder im Artikel o. V.: De Internationale Hygiëne-Tentoonstelling in het „Paleis“ geopend, in: Het Leven 16 (1921) 42, S. 1336–1337. 100 Vgl. P. Muntendam: Internationale Hygiëne-Tentoonstelling Amsterdam, in: Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde 65 (1921), S. 1953–1956, hier S. 1953. 101 o. V.: Internationale Hygiëne Tentoonstelling Amsterdam 1921. Catalogus, S. 13. Übersetzung S. W.
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dern „Überredung und Erziehung“, so der Vorsitzende des Organisationskomitees E. J. Abrahams, sollten den Besucher dazu bringen, sich den ärztlichen „Maßregeln“ freiwillig zu unterwerfen.¹⁰² Aus diesem Grund richtete sich die Exposition in erster Linie nach innen. Sie wandte sich noch direkter als ihre deutsche Vorgängerin an die eigene Bevölkerung, die aufgeklärt, beeinflusst und erzogen werden sollte. Dementsprechend klein war der Raum, der ausländischen Teilnehmern eingeräumt wurde, so dass es sich eigentlich eher um eine rein niederländische, wenn nicht sogar überwiegend Amsterdamer Veranstaltung handelte.¹⁰³ Neben dem britischen Army Medical Service befanden sich ausschließlich deutsche Organisationen – das Deutsche Hygiene-Museum, ein Hamburger Krankenhaus sowie die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten – unter den wissenschaftlichen Ausstellern. Darüber hinaus waren einzelne Firmen in der Industrieabteilung vertreten.¹⁰⁴ Dies ist bemerkenswert, sorgte doch noch 1919 der britische Protest dafür, dass nicht einmal deutsche Produkte auf der Amsterdamer Luftfahrtausstellung zu sehen waren. Ursprünglich, so berichtet jedenfalls Georg Seiring im Rückblick, sollte das Hygiene-Museum auch nur einzelne Exponate bereitstellen und weder namentlich genannt werden noch als Institution in Amsterdam präsent sein. Erst nach einigen Verhandlungen waren die niederländischen Veranstalter dazu bereit, das Dresdner Haus auf der Ausstellung zuzulassen.¹⁰⁵ Die Teilnahme erwies sich dann als großer Erfolg für das Museum. Es wurde nicht nur in der Presseberichterstattung positiv hervorgehoben, sondern verkaufte auch Materialien im Wert von 5000 Gulden an die Niederländer.¹⁰⁶ De Hartogh blieb in der Folgezeit ein wichtiger Kontakt für die deutschen Akteure der hygienischen Volksbelehrung in den Niederlanden und wurde 1923 Mitglied im Vorstand des Hygiene-Museums. Auch die niederländischen Organisatoren betrachteten die Veranstaltung als Erfolg und überlegten, aufbauend auf den erworbenen Dresdner Objekten ein eigenes Hygiene-Museum zu errichten. Wegen interner Unstimmigkeiten ließen die Veranstalter diesen Plan jedoch wieder
102 Ebd., S. 7. Übersetzung S. W. 103 So der Kommentar bei o. V.: De I. H. T. A. (Internationale Hygiëne-Tentoonstelling Amsterdam), in: Tijdschrift voor Sociale Hygiene 23 (1921), S. 262–264, hier S. 263–264. 104 Vgl. Schreiben Prinz von Hatzfeld an das Auswärtige Amt vom 02.11.1921. BArch Berlin R 86/4469, unpaginiert. 105 Vgl. Seiring: Was bedeutet die Tätigkeit des Deutschen Hygiene-Museums im Ausland für die deutsche Kulturpropaganda, S. 2–3. HStA Dresden 10717 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Nr. 8592, Bl. 379. 106 Vgl. Voraussichtliche Gewinn- und Verlustrechnung der Ausstellung 1921. Nationaal Archief Den Haag 2.15.37/Nr. 1656, unpaginiert.
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fallen.¹⁰⁷ Um die bestehenden Exponate dennoch weiterhin zugänglich zu machen, organisierten de Hartogh und das niederländische Rote Kreuz die Wanderausstellung „De Mensch“, die 1922 zunächst ein weiteres Mal in Amsterdam zu sehen war und anschließend durch das Land reiste.¹⁰⁸ Für das Deutsche Reich und vor allem das Hygiene-Museum bot die Amsterdamer Schau von 1921 die Möglichkeit, sich noch vor Beginn der Verständigungsphase in der Ära Gustav Stresemanns in einem neutralen Staat wieder der internationalen Öffentlichkeit zu präsentieren.¹⁰⁹ Dass Fragen der Gesundheitspflege auch in den 1920er Jahren noch als unpolitisch galten, kann als Ursache für die relativ unproblematische Wiederaufnahme der deutsch-niederländischen Beziehungen auf diesem Gebiet verstanden werden.¹¹⁰ Die Erfahrungen in Amsterdam brachten das Dresdner Haus jedenfalls auf die Idee, sich stärker an internationalen Expositionen zu engagieren.¹¹¹
Die Niederlande auf der GeSoLei 1926 Mit dem Ende der Amsterdamer Internationalen Hygiëne-Tentoonstelling und der nachfolgenden Wanderschau brach die Beziehung zwischen den deutschen und niederländischen Akteuren der hygienischen Volksbelehrung nicht ab. Ganz im Gegenteil stabilisierte sich durch Maßnahmen wie die Berufung de Hartoghs in den Vorstand des Hygiene-Museums eine bilaterale Verbindung, die auf niederländischer Seite in erster Linie Mediziner aus Amsterdam trugen. Auf diese Kontakte griffen die Veranstalter der GeSoLei wieder zurück als sie noch für ihre Exposition mit einer internationalen Beteiligung planten. Denn die Niederlande befanden
107 Vgl. Notulen der vergadering van het Comité der I. H. T. A., op 31 October 21 ten stadhuize Amsterdam. Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis Archief Jan van Zuphten 51 g, unpaginiert. 108 Vgl. P. Muntendam: Een reizende Hygiëne-Tentoonstelling, in: Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde 66 (1922), S. 1154–1156; Ders.: De tentoonstelling „De Mensch“, in: Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde 66 (1922), S. 2040–2042. 109 Die Situation ähnelte damit der des deutschen Sports in der Nachkriegszeit, dessen internationale Isolation ebenfalls durch Kooperationen mit neutralen Staaten aufgebrochen wurde. Vgl. Harald Oelrich: „Sportgeltung – Weltgeltung“. Sport im Spannungsfeld der deutsch-italienischen Außenpolitik von 1918 bis 1945, Münster u. a. 2003, S. 42; Arnd Krüger: The role of sport in German international politics, 1918–1945, in: Pierre Arnaud/James Riordan (Hrsg.): Sports and international politics. The impact of fascism and communism on sport, London u. a. 1998, S. 79–96, hier v. a. S. 81–82. 110 Vgl. Weidner: Die unpolitische Profession, S. 364–381. 111 So Seiring: Was bedeutet die Tätigkeit des Deutschen Hygiene-Museums im Ausland für die deutsche Kulturpropaganda, S. 2. HStA Dresden 10717 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Nr. 8592, Bl. 379.
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sich unter den Staaten, die Schloßmann für seine Ausstellung zu gewinnen versuchte. Schon im Dezember 1924, nicht lange nachdem die Entscheidung für das Düsseldorfer Projekt gefallen war, bat er daher Ludwig Teleky, Kontakt zu dem Amsterdamer Medizinhistorischen Museum aufzunehmen. Dieser war ohnehin in den Niederlanden und sollte den Leiter des Museums dazu bringen, „einen Teil seiner Sammlung“ in der Rheinstadt zu zeigen.¹¹² De Hartogh erklärte Schloßmann allerdings im März 1925, dass es schwer werden könnte, sein Land von der Bedeutung der GeSoLei zu überzeugen. Der Grund dafür war die fehlende Unterstützung der Schau durch das Auswärtige Amt. Dieses hatte nämlich gegenüber dem niederländischen Ministerie van Buitenlandse Zaken erklärt, es handele sich bei der GeSoLei um ein ausschließlich nationales Projekt, das keine internationalen Ambitionen habe. De Hartogh empfahl seinem Kollegen, selbstständig Einladungen an verschiedene Staaten zu schicken und damit Druck auf die Niederlande auszuüben.¹¹³ Der Vorschlag scheint der Anstoß für ein Schreiben Schloßmanns an das Auswärtige Amt vom 24. März 1925 gewesen zu sein; ging diesem zumindest zeitlich voran.¹¹⁴ Darin verwies der Pädiater darauf, dass sich die Niederlande an der Wiener Hygiene-Ausstellung von 1925 beteiligten, obwohl diese unbedeutender als die GeSoLei sei. Daher hielt es Schloßmann für wichtig, das Nachbarland auch nach Düsseldorf zu holen und bat um Unterstützung.¹¹⁵ Noch im Mai 1925 waren die Düsseldorfer zuversichtlich, mit dieser Hilfe einen niederländischen Beitrag initiieren zu können.¹¹⁶ Doch das Auswärtige Amt sprach sich generell gegen eine Einladung ausländischer Staaten und damit auch der Niederlande aus.¹¹⁷ Die niederländische Regierung verzichtete folgerichtig aufgrund des fehlenden internationalen Charakters der Schau auf eine Teilnahme.¹¹⁸ Doch wie schon 1911, als die Stadt Amsterdam anstelle der niederländischen Reichsregierung nach Dresden gekommen war, bedeutete auch 1926 die Absa-
112 Schreiben Schloßmann an Teleky vom 16.12.1924. StdA Düsseldorf 0–1–18–1014, Bl. 100. 113 Vgl. Schreiben de Hartogh an Schloßmann vom 23.03.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1562, unpaginiert. 114 Vgl. dazu auch Schloßmanns Antwort, in der er explizit ausführt, die Ausstellungsleitung habe beim Auswärtigen Amt angeregt, an „sämtliche Staaten Einladungen zu verschicken.“ Schreiben Schloßmann an de Hartogh vom 24.03.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1562, unpaginiert. 115 Vgl. Schreiben Schloßmann an das Auswärtige Amt vom 24.03.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18– 1562, unpaginiert. 116 Vgl. Ausland. Bericht über die Lage in Wien vom 13.05.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1561, unpaginiert. 117 Vgl. Schreiben Auswärtiges Amt an Schloßmann vom 04.06.1925. BArch Berlin R 1501/111174, Bl. 318. 118 Vgl. Schreiben des Ministerie van Arbeid an Lehr vom 08.07.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1562, unpaginiert.
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ge durch das Ministerie van Arbeid nicht das Ende der deutschen Bemühungen um den westlichen Nachbarn. Abermals sah es kurzzeitig so aus, als würden die Städte die Lücke füllen, die durch die Absage des Königreichs entstanden war. So wurde darüber verhandelt, einen gemeinsamen Pavillon der vier großen Städte der „Randstad“, dem bevölkerungsreichsten Ballungsgebiet der Niederlande, zu schaffen. Den Haag, Rotterdam sowie Utrecht entschieden sich jedoch gegen die Beteiligung. Amsterdam war zwar daran interessiert, konnte aber einen seiner „Bedeutung entsprechenden“ Pavillon finanziell nicht alleine tragen.¹¹⁹ Damit scheiterten Schloßmanns Versuche, die Niederlande als eigenständigen Aussteller ins Rheinland zu holen. Trotz dieser organisatorischen Schwierigkeiten waren die Niederländer 1926 auf der GeSoLei präsent: Als Teil des Fach- sowie Laienpublikums, als politische Repräsentanten, als Kommentatoren und selbst – wenn auch nur in sehr eingeschränktem Maße – als wissenschaftliche Aussteller. Um die Ausstellung im Nachbarland bekannt zu machen, beschäftigten die Organisatoren lokale Journalisten, die vor Ort die Pressearbeit übernahmen. Für die Niederlande engagierte man J. C. L. Zuyderhoff, der auch als ständige Vertretung der Kölner Messe tätig war.¹²⁰ Neben Zuyderhoff arbeitete noch ein zweiter Journalist namens Stricker in Rotterdam für die GeSoLei. Sie machten dem Ausstellungsvorstand Vorschläge, in welchen Zeitungen er Werbung schalten könne, lancierten selbst Artikel in der Presse, standen als Ansprechpartner vor Ort zur Verfügung und versorgten Verbände, Vereine sowie Reisebüros mit Werbematerialien.¹²¹ Der Aufwand zeitigte durchaus Erfolg; insbesondere aus der Grenzregion reisten zahlreiche Niederländer an.¹²² Beispielsweise besuchten Gruppen Amsterdamer sowie Utrechter Medizinstudenten, eine Kongregation niederländischer Kinderärzte oder des Raads van Arbeid die Exposition.¹²³ Insgesamt waren die Niederländer die größte ausländische Be-
119 Schreiben Heijermanns an Schloßmann 12.11.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1562, unpaginiert. 120 Vgl. Schreiben des Vorstands der GeSoLei an H. O. Behrens vom 12.02.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1562, unpaginiert. 121 Vgl. Schreiben Lux an Zuyderhoff vom 11.06.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1565, unpaginiert. 122 Vgl. Schreiben Lehr an den Prinzen Heinrich der Niederlande vom 02.09.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1562, unpaginiert. 123 Vgl. Schreiben der Medischen Faculteit der Amsterdamer Studenten an den Vorstand der GeSoLei vom 24.06.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1035, Bl. 41; Schreiben von R. P. van de Kasteele an Schloßmann vom 15.08.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1562, unpaginiert; Schreiben Fraenkel an J. M. Baart de la Faille vom 30.08.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1035, Bl. 2; te Nuyl: Excursie – Dusseldorf „Gesolei“. StdA Düsseldorf 0–1–18–1562, unpaginiert.
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suchergruppe in Düsseldorf.¹²⁴ Von besonderer außenpolitischer Bedeutung war jedoch der abermalige Besuch des Prinzen Heinrich, der nachdem er schon die Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 besuchte hatte, vom 13. bis 16. August 1926 auch zur GeSoLei reiste. Das Besichtigungsprogramm bestand aus einer Verbindung zwischen politischen Repräsentationsveranstaltungen, kulturellen Unterhaltungsangeboten und Führungen über die Ausstellung.¹²⁵ Die GeSoLei erhielt dadurch, obwohl sich die niederländische Regierung nicht aktiv an ihr beteiligen wollte, eine offizielle Würdigung seitens des Nachbarstaates. Ohnehin erwies sich Prinz Heinrich als Sympathisant der deutschen Gesundheitsausstellungen. Auch 1930 besuchte er im Juni die Dresdner Hygiene-Ausstellung, wo ihn der Reichsminister Wilhelm Külz empfing.¹²⁶ Daneben lassen sich allerdings, wenn auch in bescheidenem Rahmen, inhaltliche Kooperationen nachvollziehen. So arbeitete das Amsterdamer Institut für Tropenhygiene in der Gruppe „Kolonialhygiene“ mit dem Hamburger Institut für Schiffs- und Tropenhygiene zusammen.¹²⁷ Dort präsentierte sich das Institut mit einer eigenen Koje. Große Aufmerksamkeit erreichte das Fußballländerspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden, das am 18. April 1926, etwa einen Monat vor Beginn der GeSoLei, in Düsseldorf stattfand. Das Spiel, das 60 000 Zuschauer anzog und Deutschland mit 4:2 für sich entschied, lag zwar zeitlich vor der Schau, war aber mit ihr verbunden und wurde als Werbeplattform für die Exposition genutzt.¹²⁸ Gerade in den Niederlanden traf die Sportveranstaltung auf eine gewisse Resonanz¹²⁹, so dass Zuyderhoff die Gelegenheit zum Anlass nahm, um vor Ort verstärkt auf die
124 Vgl. Vortrag des Oberbürgermeisters Dr. Dr. Lehr vor der Presse über die Ergebnisse der Ausstellung 1926 am 16. Oktober 1926, S. 8. StdA Düsseldorf 0–1–3–685, Bl. 378. Am zweithäufigsten besuchten Amerikaner die Schau. 125 Vgl. Programm während der Anwesenheit des holländischen Prinzen. StdA Düsseldorf 0–1– 18–1562, unpaginiert. 126 Vgl. Schreiben Krüger an Blüher vom 02.06.1930. StdA Dresden Ausstellungsamt 9.1.15 191, Akte Führungen, unpaginiert; Schreiben Krüger an Külz vom 20.06.1930. StdA Dresden Ausstellungsamt 9.1.15 191, Akte Führungen, unpaginiert. 127 Vgl. Hans Zache: Die Kolonialschuldlüge auf der Gesolei, in: Weser-Zeitung vom 22.05.1926. Morgen-Ausgabe, o. S. BArch Berlin R 1001/6376, unpaginiert. 128 Daher wurde es auch im Ausstellungskatalog von 1927 erwähnt. Vgl. dazu Jerrmann: Die sportlichen Veranstaltungen während der Gesolei, S. 321–355, hier S. 348–349. Für die deutsche Berichterstattung vgl. Kurt Benjamin: Rund um den Länderkampf in Düsseldorf, in: Der Rasensport 24 (1926) 17, S. 9; Ders.: Unser war der Sieg!, in: Der Rasensport 24 (1926) 16, S. 19. 129 Vgl. o. V.: Duitsland – Nederland (4–2), in: Nieuwe Rotterdamsche Courant vom 19.04.1926. Avondblad B, S. 1; o. V.: Duitschland – Nederland in Düsseldorf: 4–2, in: Het Leven 21 (1926) 17, S. 526.
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Abb. 4.1: Blick in die Koje des Instituts für Tropen-Hygiene der Stadt Amsterdam auf der GeSoLei 1926. Quelle: Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2001/245.35.
deutsche Gesundheitsschau hinzuweisen.¹³⁰ Fand die Exposition in der populären niederländischen Presse nur eine eher verhaltene Berücksichtigung¹³¹, wurde sie in der Fachpresse relativ intensiv und sehr positiv besprochen. Dies lässt sich ebenfalls auf die deutsch-niederländischen Kontakte der hygienischen Volksbelehrer zurückführen. So wurden etwa die drei Beiträge zur Schau in der „Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde“ von einem der Ansprechpartner Schloßmanns bei seinen Bemühungen um eine niederländische Beteiligung verfasst.¹³² Besonderes Interesse der ausländischen Beobachter zogen die Gruppen „Tropenhygiene“ sowie „Militärhygiene“ auf sich.¹³³ Auch die Exponate des Hygiene-Museums wurden ein-
130 Vgl. Schreiben Zuyderhoff an den Vorstand der GeSoLei vom 19.04.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1565, unpaginiert. 131 Beispielsweise veröffentlichte die Zeitschrift „Het Leven“ nur eine kurze Notiz zur Eröffnung der GeSoLei, begleitet allerdings von zwei Abbildungen. Vgl. o. V.: De „Gesolei“ te Dusseldorp geopend, in: Het Leven 21 (1926) 22, S. 692. 132 Vgl. L. Heijermans.: De „Gesolei“ te Dusseldorf, in: Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde 70 (1926), S. 83–85. 133 Vgl. Heijermans: De „Gesolei“ te Dusseldorf, S. 295–297, hier S. 295.
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mal mehr positiv hervorgehoben. Insgesamt zeige die GeSoLei, dass „Systematik den Deutschen im Blut liegt“ und sei für jeden Interessierten einen Besuch wert.¹³⁴ Bemerkenswert ist, dass die Themen Erblichkeitslehre und Eugenik von den niederländischen Fachwissenschaftlern ebenfalls erhöhte Aufmerksamkeit erhielten.¹³⁵ Ein Besucher aus dem Nachbarland lobte gar explizit die „lehrreichen Grafiken und Bilder der Erblichkeitslehre, Rassenhygiene und Familienforschung“, die er als besonders aufschlussreich erachtete.¹³⁶ Dies heißt nicht zwangsläufig, dass eugenisches Ideen in den Niederlanden weit verbreitet waren; es deutet aber darauf hin, dass diese Themen ähnlich wie kolonialhygienische Darstellungen das Interesse der Niederländer fanden, mithin Fragen berührten, die in der Zwischenkriegszeit auch dort virulent waren. Gerade in den 1920er Jahren beschäftigte sich die Kolonialmacht intensiv mit der eigenen Identität. In dieser Auseinandersetzung spielten auch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse der Erblichkeitslehre und Demographie eine Rolle.¹³⁷ Gespeist wurde diese Auseinandersetzung einerseits durch die eigenen Erfahrungen als Kolonialmacht und die eigene vielfältige Bevölkerung, insbesondere in Indonesien, andererseits auch durch den Wunsch, der „ursprünglichen“ ethnischen Herkunft des niederländischen Volks nachzuspüren. Damit einher ging etwa die intensive Beschäftigung mit den friesischen „Wurzeln“ der Niederlande.¹³⁸ Dadurch entstand nicht nur eine eigenständige eugenische sowie rassenkundliche Debatte in den Niederlanden, auch die Auseinandersetzung mit der kollektiven Volksgesundheit gewann an Bedeutung.¹³⁹
134 So das Fazit bei H. Peeters: De „Gesolei“ te Dusseldorf, in: Tijdschrift voor Sociale Hygiene 28 (1926), S. 345–348, hier S. 348. Übersetzung S. W. Auch im Nieuwe Rotterdamsche Courant wurde die systematische Ordnung des Ausstellungsstoffes als außergewöhnlich hervorgehoben. Vgl. o. V.: Een model tentoonstelling gewijd aan maatschappelijke gezondheidszorg, in: Nieuwe Rotterdamsche Courant vom 09.05.1926. Ochtendblad B, S. 2. 135 Vgl. L. Heijermans: De „Gesolei“ te Dusseldorf, in: Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde 70 (1926), S. 178–181, hier S. 180. 136 Schreiben J. Butter an Landrat Schellmann vom 02.08.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1562, unpaginiert. 137 Vgl. Henkes: „Uit liefde voor het volk“, S. 14–22. 138 Für ein radikales Beispiel vgl. Gjalt R. Zondergeld: Rassisme als Levensaanvaarding. De Levensleer voor de Friese nationalisten van J. M. van der Goot (1903–1940), in: Marnix Beyen/Geert Vanpaemel (Hrsg.): Rasechte wetenschap? Het rasbegrip tussen wetenschap en politiek voor de Tweede Wereldoorlog, Leuven u. a. 1998, S. 57–63. 139 Vgl. Patrick Dassen: De wetten van mens en maatschappij, in: TG 115 (2002) 3, S. 383–402; Fenneke Sysling: Een schandaal in drie bedrijven. D. J. H. Nyèssen en zijn onderzoek naar de rassen van Java, 1928–1930, in: TG 125 (2012) 1, S. 34–47; Ineke Mok: Een beladen erfenis. Het raciale vertoog in de sociale wetenschap in Nederland 1930–1950, in: Martijn Eickhoff /Barbara Henkes/Frank van Vree (Hrsg.): Volkseigen. Ras, cultuur en wetenschap 1900–1950. Jaarboek van het Nederlands Instituut voor Oorlogsdocumentatie 11, Zutphen 2000, S. 129–155.
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Die Eerste Hygiëne-Tentoonstelling in Bandoeng 1927 Im Kontext von Kolonialreich und Volksgesundheit stand auch die Eerste HygiëneTentoonstelling in Nederlandsch-Indië, die von Juni bis Juli 1927 in Bandoeng stattfand. Nur ein Jahr nach der GeSoLei war sie die nächste Exposition, auf der sich deutsche und niederländische Mediziner begegneten. Die Vorbereitungen auf die Schau begannen parallel zum Düsseldorfer Projekt im Jahr 1925.¹⁴⁰ 1926 veröffentlichten die Veranstalter einen Aufruf in der Tijdschrift voor Sociale Hygiene, in der sie die Leser dazu aufforderten, die Schau finanziell oder durch die Einsendung geeigneter Exponate zu unterstützen.¹⁴¹ Wie ihre europäischen Vorgängerinnen hatte die Hygiëne-Tentoonstelling in Bandoeng das Ziel, das gesundheitsrelevante Wissen der Bevölkerung zu vergrößern. Darüber hinaus sollte sie einen Überblick über den Stand von Wissenschaft und Industrie geben.¹⁴² Dies sei gerade in Niederländisch-Indien, dem heutigen Indonesien, von Bedeutung, da dort das Wissen über die medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten des Körpers noch nicht weit verbreitet sei und deswegen gesundes Verhalten geringgeschätzt werde. Dies führe, so die Organisatoren der Schau, zu einem schlechten Gesundheitszustand der Bevölkerung, zahlreichen Arbeitsausfällen und hohen Kosten für die soziale Fürsorge. Die Ausstellung sollte deswegen möglichst anschaulich die gefährlichsten Tropenkrankheiten vorstellen, die „Regeln der Gesundheitslehre“ popularisieren, Beispiele für deren praktische Umsetzung geben, in den Besuchern ein Bewusstsein für die Bedeutung der Gesundheit für ihr „körperliches und seelisches Wohlbefinden“ sowie ihr Arbeitsvermögen wecken, ihr Verantwortungsgefühl stärken und sie zuletzt an ihre gesundheitlichen Pflichten als Bürger erinnern.¹⁴³ Aus diesem Grund wandte sie sich an Experten und Laien gleichermaßen. Die Exposition versprach damit, eine Neuheit zu werden und die Veranstalter nahmen für sich in Anspruch, die erste internationale Gesundheitsausstellung in Asien zu organisieren.¹⁴⁴
140 Vgl. Schreiben Schloßmann an de Hartogh vom 24.03.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1562, unpaginiert. 141 Vgl. Gezondheidsraad: Eerste Hygiëtentoonstelling in Nederlandsch-Indië, in: Tijdschrift voor Sociale Hygiene 28 (1926), S. 131. 142 Zur Exposition vgl. o. V.: Eerste Hygiëne-Tentoonstelling in Nederlandsch-Indië Bandoeng. 25 Juni – 10 Juli 1927, Bandoeng 1927. 143 Eerste Hygiëne-Tentoonstelling in Nederlandsch-Indië te Bandoeng. Juni 1927 Juli. BArch Berlin R 86/4467, unpaginiert. Übersetzung S. W. 144 Vgl. o. V.: De E. H. T. I. N. I., in: Het Nieuws van den Dag vom 24.06.1927, S. 1.
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Früh nahmen sie auch Kontakt mit dem Deutschen Reich auf und luden die Regierung zu einer Teilnahme ein.¹⁴⁵ Deutschland sollte sich in Bandoeng nach den Wünschen der niederländischen Gastgeber in einem eigenen Pavillon von 280 qm Grundfläche präsentieren. Alternativ würde den deutschen Ausstellern eine Fläche von 200 qm in einer größeren Halle freigehalten werden.¹⁴⁶ Doch schon bei der ersten Sitzung im Reichsgesundheitsministerium über die Beteiligung des Deutschen Reichs wurden Probleme deutlich. Denn das Deutsche Hygiene-Museum, das den Kern des deutschen Beitrags stellen sollte, führte schon seit längerer Zeit Verhandlungen über den Verkauf mehrerer Exponate aus der Gruppe „Der durchsichtige Mensch“ nach Bandoeng, die dort im Anschluss an die Ausstellung den Grundstock für ein eigenes Gesundheitsmuseum bilden würden. 2000 Gulden hatte das Ausstellungskomitee in Niederländisch-Indien für diesen Ankauf vorgesehen.¹⁴⁷ Es war deswegen unsicher, ob sich das Hygiene-Museum noch mit eigenen Exponaten an der Schau beteiligen konnte. Und auch das Hamburger Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten nahm von einer Teilnahme Abstand, da es im Augenblick keine geeigneten Exponate besitze und die Niederlande gerade für die Tropenhygiene ohnehin „viel besseres Ausstellungsmaterial“ vorhielten als Deutschland präsentieren könne.¹⁴⁸ Die Frage der deutschen Beteiligung hing demnach wesentlich davon ab, ob man genügend geeignete Objekte fand, um sich angemessen präsentieren zu können. Dies wurde zunehmend unwahrscheinlicher, denn Seiring konnte Anfang 1927 vermelden, die Gespräche mit Bandoeng beinahe abgeschlossen zu haben und insgesamt Material für 100 bis 150 qm Ausstellungsfläche verkaufen zu wollen.¹⁴⁹ Die Verhandlungen verliefen erfolgreich und das Hygiene-Museum beteiligte sich nicht mit weiteren Objekten an einer potentiellen deutschen Gruppe auf der Hygiëne-Tentoonstelling. Seiring betonte aber, der „deutsche Charakter“ der Objekte bleibe „dadurch gewahrt, daß jedes Schaustück in erkennbarer Form das deutsche Ursprungszeichen (Deutsches Hygiene-Museum) trägt.“¹⁵⁰ Es han-
145 Vgl. Schreiben Prinz von Hatzfeld an das Reichsministerium des Innern vom 30.04.1926. BArch Berlin R 86/4469, unpaginiert. 146 Vgl. Schreiben Deutsche Gesandtschaft in Den Haag an das Auswärtige Amt vom 08.11.1926. BArch Berlin R 86/4467, unpaginiert. 147 Vgl. Schreiben Deutsche Gesandtschaft in Den Haag an das Auswärtige Amt vom 23.01.1927. BArch Berlin R 86/4467, unpaginiert. 148 Niederschrift über die am 10. November 1926 im Reichsgesundheitsministerium abgehaltene Besprechung über die Beteiligung Deutschlands an der Niederländisch-Indischen Hygiene Ausstellung in Bandoeng 1927. BArch Berlin R 86/4467, unpaginiert. Hervorhebung im Original. 149 Vgl. Niederschrift über die am 4. Januar 1927 im Reichsgesundheitsamt abgehaltene Besprechung über die Beteiligung Deutschlands an der Niederländisch-Indischen Hygiene-Ausstellung in Bandoeng 1927. PA des Auswärtigen Amts R 66087, unpaginiert. 150 Schreiben Seiring an das Auswärtige Amt vom 25.02.1927. BArch Berlin R 86/4467, unpaginiert.
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delte sich bei ihnen um Bildtafeln und Moulagen, die eine in sich geschlossene Gruppe bildeten.¹⁵¹ Da die Exponate des Museums auch nicht in einem deutschen Pavillon gezeigt werden durften und sich zudem die IG Farben gegen eine kollektive Ausstellung deutscher Industrieunternehmen in Bandoeng aussprach, kam man im Reichsministerium des Innern zur Überzeugung, dass im Hinblick auf die anvisierte gemeinsame Gruppe in Bandoeng von Deutschland aus „weiteres nicht mehr veranlasst werden kann.“¹⁵² Die Koordination der Beiträge einzelner in Indonesien aktiver Firmen an der Exposition wollte man den jeweiligen Firmen oder gegebenenfalls dem deutschen Generalkonsulat in Batavia überlassen. Schwierigkeiten, einen repräsentativen Beitrag zusammenzustellen, die Bedenken, sich nicht angemessen auf einer internationalen Plattform präsentieren zu können, wirtschaftliche Interessen des Hygiene-Museums und nicht zuletzt ein Spannungsverhältnis zwischen den deutschen Firmensitzen im Zentrum und ihren Dependancen in der Peripherie führten schließlich dazu, dass die Pläne für einen gemeinsamen Pavillon des Deutschen Reichs in Niederländisch-Indien nicht realisiert wurden. Die verkauften Exponate des Dresdner Museums blieben der einzige deutsche Beitrag auf der Exposition, der explizit für die hygienische Volksbelehrung gedacht war.¹⁵³ Die Eerste Hygiëne-Tentoonstelling in Nederlandsch-Indië fand vom 25. Juni bis zum 14. Juli 1927 in Bandoeng statt. Insgesamt hatte sie knapp 200 000 Besucher und blieb damit hinter den üblichen 300 000 Besuchern der jährlichen Gewerbeschau in Batavia zurück. Die Exposition sei, so das deutsche Generalkonsulat, im Ganzen sehr lehrreich gewesen. Doch da es nicht zu einer Kollektivausstellung des Deutschen Reichs kam, zerfielen die Beiträge deutscher Firmen zu „unendlich vielen Einzel-Mosaikteilchen“ und gingen in der Vielzahl der niederländischen Exponate unter. Dadurch ging die „Stosskraft des grossen deutschen Anteils auf diesem Gebiete leider völlig verloren“.¹⁵⁴
151 Vgl. Schreiben Seiring an das Reichsgesundheitsamt vom 04.03.1927. BArch Berlin R 86/4467, unpaginiert. 152 Schreiben Reichsministerium des Innern an das Auswärtige Amt vom 05.03.1927. BArch Berlin R 86/4467, unpaginiert. 153 Daneben sandte die London School of Hygiene and Tropical Medicine als zweite internationale Institution Literatur und Fotografien berühmter Mediziner sowie wichtiger medizinischer Gebäude ein. Vgl. o. V.: E. H. T. I. N. I. Eerste Hygiëne Tentoonstelling in Nederlandsch-Indie Bandoeng. 25 Juni – 10 Juli 1927. Tweede overzicht der inzendingen, Bandoeng 1927. In der Industrieabteilung waren gleichwohl noch weitere deutsche Firmen vertreten. 154 Schreiben Deutsches Generalkonsulat Batavia an das Auswärtige Amt vom 18.07.1927. PA des Auswärtigen Amts R 66087, unpaginiert.
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Die Zweite Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930/31 Während in Bandoeng gerade ein neuartiges Projekt stattfand, begannen im Deutschen Reich die Vorbereitungen auf die letzte große Gesundheitsschau im Stile einer Weltausstellung. 1927 wurde der Grundstein für das Gebäude des HygieneMuseums gelegt. Wenig später begannen die Vorbereitungen für die HygieneAusstellung 1930/31. Erneut war es de Hartogh, der 1928 den Kontakt zwischen den deutschen Veranstaltern und der niederländischen Regierung vermittelte. Er rang ihr zunächst die Zusage ab, sich mit einer kleinen Sonderschau an der Dresdner Veranstaltung zu beteiligen.¹⁵⁵ Anfang 1929 hatte sich die Situation aber wieder geändert und die niederländische Regierung lehnte eine Teilnahme plötzlich wieder ab.¹⁵⁶ Obwohl sich die Dresdner auch in der Folgezeit um die Niederlande bemühten und im März 1930 erneut Hoffnung auf eine Beteiligung des Nachbarstaates hatten¹⁵⁷, blieb diese Entscheidung endgültig. Es seien vor allem finanzielle Gründe gewesen, die den Ausschlag gegen eine eigene Sonderschau gegeben hätten. Darüber hinaus hatte die Regierung „Zweifel, ob die Ausstellung tatsächlich den angestrebten internationalen Charakter tragen werde.“¹⁵⁸ Auch bei der Wiederholung der Schau waren die Niederlande nicht offiziell vertreten.¹⁵⁹ Gleichwohl war in Dresden 1930 und 1931 ein niederländischer Aussteller anwesend. Denn das Kolonialinstitut belegte insgesamt 300 qm Fläche im Gebäudekomplex am „Platz der Nationen“.¹⁶⁰ Es publizierte sogar einen eigenen Ausstellungskatalog über die „Errungenschaften der Hygiene im niederländischen Kolonialgebiet“. Die Gruppe stellte das niederländische Kolonialgebiet vor, betonte die kolonialmedizinischen Erfolge der Niederlande, erläuterte das lokale Gesundheits-
155 Vgl. Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930. Bericht I über den Stand der Verhandlungen mit dem Auslande September 1928, erstattet vom Deutschen Hygiene-Museum, Dresden. PA des Auswärtigen Amts R 66104, unpaginiert. 156 Vgl. Schreiben Directie van Economische Zaken an den Grafen Julius von Zech-Burkersroda, Gesandter und Bevollmächtigter des Deutschen Reichs vom 04.03.1929. PA des Auswärtigen Amts R 66104, unpaginiert; Schreiben Regeering van Nederlandsch-Indie an das Deutsche Konsulat vom 06.06.1929. PA des Auswärtigen Amts R 66105, unpaginiert. 157 Vgl. Schreiben Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 an das Auswärtige Amt vom 20.03.1930. PA des Auswärtigen Amts R 66106, unpaginiert. 158 So Wilhelm Schüffner und de Hartogh gegenüber der Deutschen Gesandtschaft in Den Haag. Schreiben der Deutschen Gesandtschaft in Den Haag an das Auswärtige Amt vom 16.05.1930. PA des Auswärtigen Amts R 66106, unpaginiert. 159 Vgl. Schreiben Ministerie van Buitenlandsche Zaken. Directie van Economische Zaken an Graf Julius von Zech-Burkersroda, Gesandter des Deutschen Reichs vom 11.12.1930. PA des Auswärtigen Amts R 66108, unpaginiert. 160 Vgl. Die fremden Staaten auf der Hygiene-Ausstellung. PA des Auswärtigen Amts R 66106, unpaginiert.
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system und beschrieb die infrastrukturellen Maßnahmen der Regierung in den jeweiligen Kolonien. Darüber hinaus hob sie den niederländischen Beitrag zum wissenschaftlichen Fortschritt im Bereich der Tropenmedizin hervor.¹⁶¹ Mit diesen Themen blieben die niederländischen Aussteller dem klassischen Muster einer Expertenexposition verhaftet, richteten sich in erster Linie an die anwesende Fachöffentlichkeit und schafften es nicht, die breite Bevölkerung anzusprechen. Eine eigene Form der populären Darstellung medizinisch-naturwissenschaftlicher Zusammenhänge jenseits der in den Niederlanden schon durch Frederik Ruysch etablierten anatomischen Museen entwickelte sich so wohl nicht.
Die niederländischen Expositionen der 1930er Jahre Der dadurch weiterhin bestehende Bedarf an popularisierenden Gesundheitsexpositionen mag ein Grund dafür gewesen sein, dass der deutsch-niederländische Kontakt auch über die Hygiene-Ausstellung 1930/31 bestehen blieb. Beispielsweise fand 1932 in Amsterdam anlässlich des 300-jährigen Jubiläums der Universiteit van Amsterdam die Ausstellung „Moeder en Kind“ statt, welche die Entwicklung der Frau vom Mädchen zur Mutter behandelte.¹⁶² An dieser Schau, die 140 000 Besucher anzog, beteiligte sich das Hygiene-Museum mit eigenen Objekten.¹⁶³ Zu einer intensiven Zusammenarbeit zwischen dem Hygiene-Museum und niederländischen Ärzten kam es ein Jahr später anlässlich der Schau „Voeding en Hygiene“ von 1933, die ebenfalls in Amsterdam veranstaltet wurde.¹⁶⁴ Die Vorbereitungen für diese Ausstellung eröffnen einen bemerkenswerten Einblick in die Art und Weise, wie der deutsch-niederländische Kontakt im Rahmen von Gesundheitsschauen strukturiert war. Im Juli 1932 nahm Seiring für das Hygiene-Museum Kontakt mit Dr. A. van Raalte, dem Vorsitzenden der Ausstellungskommission auf und bot die Unterstützung des Museums für die geplante Exposition an. Er verwies auf die Erfahrung, die man bereits mit dem Thema Ernährung gesammelt habe und lud van Raalte ein, sich in Dresden selbst ein Bild von den Exponaten zu machen, die
161 Vgl. Niederländische Kommission für die „Internationale Hygiene-Ausstellung“, Dresden 1930 (Hrsg.): Errungenschaften der Hygiene im niederländischen Kolonialgebiet, Dresden 1930. 162 Vgl. L. Kaiser: Tentoonstelling moeder en kind 1932, in: Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde 75 (1931), S. 3843; o. V.: De tentoonstelling „Moeder en Kind“, in: Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde 76 (1932), S. 620. 163 Vgl. Das Deutsche Hygiene-Museum im Jahre 1932, S. 16. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 5, Bl. 6. 164 Vgl. E. Sluiter: Tentoonstelling Voeding en Hygiene, in: Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde 76 (1932), S. 3896–3897.
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das Hygiene-Museum liefern könnte.¹⁶⁵ Die Initiative zu einer Ausstellungsbeteiligung ging in diesem Fall also von Dresden aus. Nachdem van Raalte der Einladung Folge geleistet und sich die Dresdner Dauerausstellung angesehen hatte, wandte er sich seinerseits an das Hygiene-Museum und erbat Unterstützung aus Sachsen. Er übersandte ein Kurzkonzept der Exposition und wünschte sich „Ratschläge“ für deren Durchführung.¹⁶⁶ Das Museum verschickte daraufhin zwei in einzelne Kapitel unterteilte Listen mit Exponatvorschlägen, die entweder leihweise oder zum Kauf abgegeben wurden. Für die Leihe sollte eine Gebühr in Höhe von 750 Gulden zuzüglich 1500 Gulden für die Kosten der niederländischen Beschriftung anfallen. Die leihweise überlassenen Exponate wurden nicht neu hergestellt, sondern mit niederländischen Textschablonen versehen, die über die deutschen Beschriftungen gelegt werden konnten. Darüber hinaus mussten die Niederländer die Kosten für den Transport und die Versicherung übernehmen. Für den Kauf einzelner Objekte berechnete das Museum Komplettpreise.¹⁶⁷ Van Raalte bestellte daraufhin vor allem mehrere Moulagen im Wert von insgesamt 761 Reichsmark. Die Exponate sollten „ausstellungsfertig geliefert und mit holländischer Textbeschriftung versehen“ werden.¹⁶⁸ Darüber hinaus nahm er große Teile der Leihvorschläge an und entschied sich lediglich gegen die Übernahme weniger Einzelobjekte sowie der Kapitel über Geschlechtskrankheiten und Ernährung.¹⁶⁹ Dadurch verringerten sich die Leihgebühr auf 675 Gulden und die Kosten für Übersetzungen auf 1250 Gulden.¹⁷⁰ Das gesamte Material wurde wenige Tage vor der Ausstellungseröffnung in Amsterdam angeliefert und mit Unterstützung eines Dresdner Mitarbeiters aufgebaut.¹⁷¹ Am 21. April 1933 eröffnete schließlich die Exposition im R.A.I. Gebouw in Amsterdam. Sowohl im Hinblick auf ihre Laufzeit vom 21. bis zum 30. April 1933 als auch hinsichtlich ihres Umfanges war sie mit den deutschen Ausstellungen nicht
165 Vgl. Schreiben Seiring an Dr. A. van Raalte vom 11.07.1932. StdA Amsterdam 5289/311, unpaginiert. 166 Vgl. Schreiben van Raalte an Vogel vom 28.12.1932. StdA Amsterdam 5289/311, unpaginiert. 167 Vgl. Schreiben Alfred Günther an van Raalte vom 14.02.1933. StdA Amsterdam 5289/311, unpaginiert. Leihweise überlassen werden konnten Exponate aus den Bereichen Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Entfernung der Abfallstoffe, Ernährung, Geschlechtskrankheiten, Pocken, Hygiene und Sport. Vgl. Vorschlagsliste: Leih. StdA Amsterdam 5289/311, unpaginiert. 168 Auftragsbestätigung zum Briefe vom 14.2.33 an Herrn Dr. A. van Raalte, Tentoonstelling Voeding en Hygiene Amsterdam 1933. StdA Amsterdam 5289/311, unpaginiert. 169 Vgl. Schreiben van Raalte an das Deutsche Hygiene-Museum Dresden vom 18.02.1933. StdA Amsterdam 5289/311, unpaginiert. 170 Vgl. Schreiben Günther an van Raalte vom 23.02.1933. StdA Amsterdam 5289/311, unpaginiert. 171 Vgl. Schreiben van Raalte an das Deutsche Hygiene-Museum Dresden vom 03.04.1933. StdA Amsterdam 5289/311, unpaginiert.
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vergleichbar. Doch schien sie aus der Sicht der Organisatoren zufriedenstellend verlaufen zu sein. Schon ein Jahr später fand nämlich in Den Haag eine Schau mit demselben Titel statt.¹⁷² Die Themen „Voeding en Hygiene“ sowie „Moeder en Kind“ waren für die deutschen Volksbelehrer nicht unbekannt. Das Thema Frau und Mutter war in der hygienischen Volksbelehrung im Deutschen Reich schon länger virulent. 1932 zeigte das Hygiene-Museum die Wanderausstellung „Gesunde Frau – Gesundes Volk“, ein Jahr später organisierte das Berliner Messeamt eine Veranstaltung über den gleichen Gegenstand.¹⁷³ Der Ernährung widmete das Messeamt 1928 ebenfalls eine eigenständige Ausstellung.¹⁷⁴ Selbst über die nationalsozialistische Machtübernahme hinaus blieben die deutsch-niederländischen Kontakte bestehen.¹⁷⁵ Die „Wunder des Lebens“ 1935 bot dem Dresdner Haus eine weitere Gelegenheit, in den Niederlanden eine Veranstaltung durchzuführen. Die Berliner Ausstellung war auch im Nachbarland wahrgenommen und alles in allem positiv besprochen worden. Die niederländische Presse lobte die Anschaulichkeit der Schau und zeigte sich beeindruckt von den außergewöhnlichen Exponaten wie dem „Gläsernen Menschen“ oder einem neu entwickelten Geruchstisch.¹⁷⁶ Gerade diese herausragenden Exponate im Vergleich mit den viel „primitiveren“ Objekten aus den USA fungierten als Qualitätsnachweis für die deutsche hygienische Volksbelehrung und waren nach wie
172 Vgl. o. V.: Tentoonstelling Voeding en Hygiene te ’s-Gravenhage, in: Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde 78 (1934), S. 110. 173 Vgl. Marta Fraenkel: Gesunde Frau – Gesundes Volk, Dresden 1932; Ausstellungs- und Messeamt der Stadt Berlin (Hrsg.): Amtlicher Katalog und Führer der Ausstellung Berlin 1933 „Die Frau“. 18. März – 23. April, Berlin 1933. Eine Wanderausstellung mit dem Titel Mutter und Kind veranstaltete auch das Deutsche Rote Kreuz bereits in der Zwischenkriegszeit. Vgl. Inhalte Wanderausstellung Mutter und Kind 1927. Archiv Deutsches Rotes Kreuz – Generalsekretariat Berlin RK-Präsidium 1921 bis 1945 Nr. 212, unpaginiert. 174 Vgl. o. V.: Die Ernährung. Ausstellung für gesunde und zweckmässige Ernährung mit Sonderschau: Der Mensch und seine Ernährung Berlin 1928, Berlin 1928. Vgl. zur Ausstellung „Die Ernährung“ auch Florentine Fritzen: Gesünder leben. Die Lebensreformbewegung im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2006, S. 217–218. 175 Dies zeigt sich unter anderem daran, dass das Hygiene-Museum auch in den 1930er Jahren regelmäßig Objekte an das Nachbarland verkaufte. Vgl. etwa Bericht des Vorstandes der Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf in Dresden über das Geschäftsjahr 1935. HStA Dresden 13688 Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf/Nr. 3, Bl. 34–36, hier Bl. 35; Bericht des Vorstandes der Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf in Dresden über das Geschäftsjahr 1936. HStA Dresden 13688 Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf/Nr. 3, Bl. 60–62, hier Bl. 61. 176 Vgl. o. V.: „Wunder des Lebens“, in: Het Nieuws van den Dag vom 18.04.1935, o. S.
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vor Attraktionen in den Niederlanden.¹⁷⁷ Auf der anderen Seite nahm zur gleichen Zeit in den Niederlanden die Kritik am Verhalten der NS-Regierung zu. Diese richtete sich in erster Linie gegen die zunehmende Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung, aber auch gegen die deutsche Gesundheits- und Bevölkerungspolitik. So betonte van Raalte etwa den positiven Anteil des Hygiene-Museums an der Schau „Voeding en Hygiëne“, musste allerdings gleichzeitig „mit Bedauern feststellen, dass die guten Beziehungen, die wir Holländer mit deutschen Wissenschaftlern haben, ein jähes Ende gefunden haben durch das Benehmen der deutschen Regierung, ihren jüdischen Staatsbürgern gegenüber.“¹⁷⁸ Im Hinblick auf die NS-Gesundheitspolitik kritisierten die niederländischen Beobachter nicht die bevölkerungspolitischen Maßnahmen als solche, sondern lehnten vor allem die staatlichen Eingriffe in die individuellen Freiheitsrechte der Bevölkerung ab, wie dies etwa bei Zwangssterilisierungen nach dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses der Fall war. Dies war Ausdruck der tiefen, der niederländischen Versäulung der Gesellschaft zuzuschreibenden, Skepsis gegenüber allen Formen staatlicher Interventionen in die Privatsphäre der Bürger. So besprach ein Kommentator die „Wunder des Lebens“ sehr positiv, kritisierte aber gleichzeitig das Werben für einen verpflichtenden Austausch von Gesundheitszeugnissen vor der Hochzeit, da der Staat damit individuelle Rechte einschränke.¹⁷⁹ Auf dem Internationalen Krankenhaus-Kongress in Rom vom 19. bis 26. Mai 1935 protestierte ein niederländischer Arzt gegen den Vortrag Ernst Rüdins. Rüdin hatte gefordert, Krankenhäuser in die Sterilisierungsmaßnahmen von „Minderwertigen“ einzubeziehen. Dies kam aus Sicht des Niederländers in einem Krankenhaus, das christliche Aufgaben habe, nicht in Frage und müsse, wenn überhaupt, an einem anderen Ort durchgeführt werden. Einige Tage später reichte die niederländische Delegation einen Protest gegen den deutschen Beitrag ein.¹⁸⁰
177 Vgl. dazu die Gegenüberstellung des „Gläsernen Menschen“ auf der „Wunder des Lebens“ mit einem amerikanischen Körpermodell, in: Het Leven 30 (1935) 13, S. 404. 178 Schreiben van Raalte an das Deutsche Hygiene-Museum Dresden vom 02.05.1933. StdA Amsterdam 5289/311, unpaginiert. 179 Vgl. o. V.: Nazi-bemoeiing met huwelijkszaken, in: Nieuwe Tilburgsche Courant vom 02.04.1935, o. S. Zu dem Werben für Gesundheitszeugnisse vgl. All: Der Mensch – „Wunder des Lebens“, S. 13–14, hier S. 13. 180 Vgl. Bericht über den Internationalen Krankenhaus-Kongress in Rom vom 19. bis 26. Mai 1935. BArch Berlin R 43 II/743, Bl. 35–37. Zu Ernst Rüdin und seiner Position innerhalb der internationalen eugenischen Bewegung vgl. Cottebrune: Zwischen Theorie und Deutung der Vererbung psychischer Störungen, S. 35–54.
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Die „Wunder des Lebens“ in den Niederlanden Dem ungeachtet reiste 1935 kurz nach dem Ende der Berliner Schau und einem kurzen Zwischenstopp in Dresden der Beitrag des Hygiene-Museums zur „Wunder des Lebens“ nach Amsterdam und Rotterdam. Als Organisator trat dieses Mal allerdings kein staatlicher, wissenschaftlicher oder in die hygienische Volksbelehrung eingebundener Akteur, sondern die Zeitschrift „Het Leven“ auf. „Het Leven“ war ein populär gestaltetes Blatt mit wöchentlicher Erscheinungsweise, das über das niederländische Königshaus ebenso berichtete wie über aktuelle Sportereignisse oder die neuesten Moden. Zudem behandelte es in variierender Ausführlichkeit die Gesundheitsschauen im In- wie Ausland. Schon 1932 plante der Verlag der Zeitschrift, zusammen mit dem Hygiene-Museum eine „Ausstellung für die Volksgesundheitspflege“ zu organisieren.¹⁸¹ Zu diesem Zeitpunkt hatte die Deutsche Gesandtschaft in Den Haag Bedenken gegen die anvisierte Kooperation geäußert. „Het Leven“ sei zwar eine viel gelesene, aber schlecht beleumundete Zeitschrift. Die geplante Zusammenarbeit könne deswegen dem Ruf des Hygiene-Museums schaden, zumal das Blatt mit dem Projekt keine belehrenden, sondern kommerzielle Interessen verfolge.¹⁸² Das Museum brach daraufhin die Verhandlungen ab und entschied sich für die Beteiligung an der Schau „Moeder en Kind“.¹⁸³ Im April 1935 stellte „Het Leven“ eine erneute Anfrage. Dieses Mal wollte der Verlag die „Wunder des Lebens“ nach Amsterdam bringen. Und dieses Mal war das Hygiene-Museum dem Vorschlag gegenüber „nicht abgeneigt“. Denn „gerade in Holland, das ja zu einem großen Teil deutschfeindlich gesinnt ist, könnte nach unserem Dafürhalten eine derartige Ausstellung [. . . ] für Deutschland gute Dienste leisten.“¹⁸⁴ Da die „Wunder des Lebens“ in der niederländischen Presse im Allgemeinen positiv besprochen worden war und die Zeitschrift „in ihrer Einstellung gegenüber Deutschland korrekt“ sei, wiederholte die Deutsche Gesandtschaft in Den Haag ihre Bedenken von 1932 nicht mehr.¹⁸⁵ Stattdessen befürwortete man nun die Zusammenarbeit, so dass das Museum Mitte 1935 einen Vertrag mit „Het Leven“ abschloss, nach dem die Schau zunächst in der Amsterdamer Apollohalle,
181 Vgl. Schreiben Seiring an das Auswärtige Amt vom 31.08.1931. PA des Auswärtigen Amts R 66099, unpaginiert. 182 Vgl. Schreiben der Deutschen Gesandtschaft in Den Haag an das Auswärtige Amt vom 30.09.1931. PA des Auswärtigen Amts R 66099, unpaginiert. 183 Vgl. Schreiben Seiring an das Auswärtige Amt vom 08.01.1932. PA des Auswärtigen Amts R 66099, unpaginiert. 184 Schreiben Deutsches Hygiene-Museum an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda vom 16.04.1935. PA des Auswärtigen Amts R 66100, unpaginiert. 185 Schreiben Deutsche Gesandtschaft an das Auswärtige Amt vom 28.05.1935. PA des Auswärtigen Amts R 66100, unpaginiert.
4.2 Kontinuierlich nachbarschaftliche Kontakte: Die Niederlande |
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im Anschluss daran in Rotterdam zu sehen sein sollte.¹⁸⁶ Sie wurde unter dem Namen „De Mensch“ veranstaltet. Neben den wissenschaftlichen Gruppen sollte sie zusätzlich eine Industrieabteilung haben; die Nachfrage der niederländischen Firmen für einen Stand in dieser Abteilung überstieg schon früh den verfügbaren Platz.¹⁸⁷ Am 4. Oktober 1935 wurde die Exposition „De Mensch“ schließlich eröffnet. Die veranstaltende Zeitschrift selbst erklärte die Vermittlung medizinischnaturwissenschaftlichen Wissens zum Ziel der Ausstellung und bediente sich damit einer inzwischen etablierten Legitimationsrhetorik auf Gesundheitsschauen.¹⁸⁸ Sie lief bis zum 3. November 1935 und war täglich zu besichtigen¹⁸⁹ Im Anschluss reiste sie nach Rotterdam, wo sie im Januar 1936 für 14 Tage gezeigt wurde. 24 000 Reichsmark erhielt das Hygiene-Museum; 3000 qm Fläche benötigte seine Ausstellung und es dauerte 2100 Arbeitsstunden, um das Material ins Niederländische zu übersetzen. Über 61 000 zahlende Besucher zählte die Schau in Amsterdam. Aufgrund des großen Andrangs verlängerten sie die Veranstalter noch mal um acht Tage. In Rotterdam zählte die Veranstaltung ebenfalls über 61 000 Besucher.¹⁹⁰ Unter ihnen befanden sich einflussreiche Politiker wie die Bürgermeister der beiden gastgebenden Städte oder Marcus Slingenberg, amtierender Minister für Soziale Angelegenheiten.¹⁹¹ Aufgrund des großen Erfolgs schickte das Hygiene-Museum die Schau in den darauf folgenden Jahren weitere Male in die Niederlande und den flämischen Teil Belgiens. 1936 reiste die Ausstellung „De Mensch“ außer nach Rotterdam noch nach Antwerpen, 1937 kam sie nach Den Haag.¹⁹² Inwiefern die Dresdner jenseits von Übersetzungen die Inhalte der Ausstellung für die internationalen Auftritte veränderten, lässt sich im Falle der Niederlande und Flanderns anders als beim amerikanischen Beispiel nicht mehr nachvollzie-
186 Vgl. Schreiben Deutsches Hygiene-Museum an das Auswärtige Amt vom 01.07.1935. PA des Auswärtigen Amts R 66100, unpaginiert. 187 Vgl. o. V.: Belangrijke medeeling betreffende de Tentoonstelling „DE MENSCH“, in: Het Leven 30 (1935) 38, S. 1221. Für einen visuellen Eindruck der Abteilung vgl. o. V.: Tentoonstelling „De Mensch“, in: Het Leven 30 (1935) 42, S. 1344–1345 und S. 1348. 188 Vgl. o. V.: Tentoonstelling „De Mensch“, in: Het Leven 30 (1935) 30, S. 942–943. 189 Vgl. o. V.: Tentoonstelling De Mensch. Apollohal – Amsterdam, in: Het Leven 30 (1935) 40, S. 1267. 190 Für die Angaben vgl. Georg Seiring: Bericht über die Ausstellung „Der Mensch“ des Deutschen Hygiene-Museums in Amsterdam und Rotterdam. PA des Auswärtigen Amts R 66100, unpaginiert. 191 Vgl. o. V.: Tentoonstelling De Mensch, in: Het Vaderland vom 21.01.1936. Avondblad B, S. 2; o. V.: Officeel bezoek op de Tentoonstelling „de Mensch“, in: Het Leven 30 (1935) 43, S. 1375. 192 Vgl. Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden im Jahre 1936, S. 8. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 6, Bl. 4; Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden im Jahre 1937, S. 11. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 6, Bl. 5.
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hen. Die vorhandenen Fotodokumentationen, etwa vom Halt in Antwerpen 1936, zeigen eine hohe Ähnlichkeit mit der „Wunder des Lebens“.¹⁹³ Zentrale Exponate, das Ausstellungsdesign und die lesbaren Inhalte entsprachen weitgehend der deutschen Vorlage. Selbst die eugenischen Inhalte wie etwa die Darstellung der Familie Kallikak fanden sich in der niederländischen Version der „Wunder des Lebens“ wieder.¹⁹⁴ Die Ausstellung erhielt große öffentliche Aufmerksamkeit. Vor allem „Het Leven“ selbst berichtete häufig und bildgewaltig über die Veranstaltung. Daneben besprachen sie verschiedene Zeitungen; „Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde“ hielt es für einen großen Verdienst des Verlages, die „Wunder des Lebens“ nach Amsterdam gebracht zu haben.¹⁹⁵ Die Presse betonte ihre aufklärende Wirkung, ihren didaktischen Aufbau, der sie sogar für Schulkinder geeignet erscheinen lasse.¹⁹⁶ Besonders lobten die Niederländer jedoch den „Gläsernen Menschen“ als das „beste anatomische Lehrmittel“ der Gegenwart.¹⁹⁷ Diese positive Rezeption der Exposition in den Niederlanden kann zwar nicht als Zustimmung zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Körperpolitik verstanden werden. Sie zeigt jedoch, dass auch in dem liberalen, westlichen Nachbarland – mithin dem Gegenentwurf des deutschen „Sonderwegs“ – die deutschen Positionen keine grundsätzliche Ablehnung, sondern höchstens Kritik an einzelnen Details oder der deutschen Umsetzung provozierten.¹⁹⁸ Ein gewisses Interesse, eine Offenheit selbst für eugenische Themen lassen sich auch hier finden.¹⁹⁹ Eine Analyse des amerikanischen Umgangs mit den Gesundheitsschauen kann zeigen, ob es sich da-
193 Vgl. Provincie Antwerpen. De Mensch. „Het wonder, dat hij zelve is“. Tentoonstelling van 29 Februari tot 29 Maart 1936. Feestzaal Meir Antwerpen. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2006/390. 194 Zur Darstellung der Familie Kallikak vgl. o. V.: Arie Bombarie’s Bespiegelingen, in: Het Leven 30 (1935) 41, S. 1315–1316. 195 Vgl. P. A. de Wilde: Tentoonstelling „De Mensch“, in: Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde 79 (1935), S. 4803. 196 Vgl. o. V.: Tentoonstelling De Mensch, in: Het Vaderland vom 05.10.1935. Avondblad B, S. 3; o. V.: Tentoonstelling „De Mensch“, in: Het Leven 30 (1935) 41, S. 1304–1305. 197 o. V.: Tentoonstelling „De Mensch“, S. 1210–1211, hier S. 1211. Übersetzung S. W. 198 Vgl. dazu auch Liesbet Nys: Nationale Plagen. Hygienisten over het maatschappelijk lichaam, in: Dies./Henk de Smaele/Jo Tollebeek u. a. (Hrsg.): De zieke natie. Over de medicalisering van de samenleving 1860–1914, Groningen 2002, S. 220–241. 199 Stephen Snelders und Toine Pieters konstatieren, die bisherige historiographische Forschung habe bislang nur nachgewiesen, dass eugenisches Denken in den Niederlanden keinen politischen Einfluss gewinnen konnte. Auf anderen Gebieten – etwa in der Psychologie oder den Sozialwissenschaften – habe die Eugenik jedoch eine gewisse Bedeutung erlangt. Vgl. Dies. Van degeneratie tot individuele gezondheidsopties. Het maatschappelijk gebruik van erfelijkheidsconcepten in de twintigste eeuw, in: Gewina. Tijdschrift voor de Geschiedenis der Geneeskunde, Natuurwetenschappen, Wiskunde en Techniek 26 (2003), S. 203–215.
4.3 Bruno Gebhard und die USA
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bei nur um ein europäisches Phänomen handelte oder ob dies im ganzen „Westen“ verbreitet war.
4.3 Vom Deutschen Hygiene-Museum Dresden zum Cleveland Health Museum: Bruno Gebhard und die USA Anders als bei den Niederlanden setzte die US-amerikanische Beschäftigung mit den deutschen Gesundheitsausstellungen erst spät ein. Zwar waren die USA offiziell zur Hygiene-Ausstellung 1911 eingeladen worden, doch reagierte die amerikanische Regierung darauf nicht. Ähnlich wie in Großbritannien versuchten einzelne Mediziner daher, einen eigenen Beitrag ohne staatliche Beteiligung zu organisieren. Hier war es Henry G. Beyer, ein New Yorker Medical Inspector, der die American Public Health Association (APHA) von der Bedeutung der deutschen Veranstaltung überzeugen wollte. Er griff dabei auf ähnliche Argumente wie Karl August Lingner in Deutschland zurück, hob die Beteiligung anderer ausländischer Staaten hervor und betonte die Neuartigkeit der Dresdner Schau.²⁰⁰ Das Engagement blieb fruchtlos. Anfang 1911 entschied sich der US-Kongress gegen eine Beteiligung an der Exposition.²⁰¹ Die Erste Internationale Hygiene-Ausstellung musste ohne amerikanischen Beitrag auskommen. Ähnlich sah die Situation 1926 aus. Zwar wollten die Veranstalter der GeSoLei das International Health Board der Rockefeller Foundation als ausländischen Teilnehmer für die Schau gewinnen. Die Stiftung lehnte dies allerdings mit der Begründung ab, man arbeite grundsätzlich nur mit staatlichen Institutionen zusammen.²⁰² Wenigstens wurde im American Journal for Public Health die Düsseldorfer Exposition als Signal für die gesundheitliche Regeneration Europas nach dem Weltkrieg gewertet und positiv besprochen.²⁰³ Im Journal of Urban Health hob der Autor vor allem die Visualisierungstechniken statistischer oder sozialpolitischer Zusammenhänge als besonders gelungen hervor.²⁰⁴
200 Vgl. C. Woodward: The International Hygiene Exhibition, Dresden, 1911. An Appeal, in: American Journal of Public Health 20 (1910) 4, S. 853–858. 201 Vgl. Schreiben der Kaiserlich Deutschen Botschaft in Washington an von Bethmann Hollweg vom 28.03.1911. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3576, Bl. 103. 202 Vgl. Schreiben Florence M. Read an Neustätter vom 27.11.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1561, unpaginiert. 203 Vgl. George M. Price: Industrial hygiene abroad and the hygienic exposition at Dusseldorf, in: American Journal of Public Health 16 (1926) 12, S. 1202–1204. 204 Vgl. F. H. Garrison: The Gesolei at Düsseldorf, in: Journal of Urban Health. Bulletin of the New York Academy of Medicine 3 (1927) 1, S. 1–6, hier S. 2–5.
196 | 4 Gesundheitsausstellungen als internationale Ereignisse
Die Beteiligung der USA an der Zweiten Internationalen Hygiene-Ausstellung Erst gegen Ende der 1920er Jahre begann in den USA, das Interesse an den deutschen Gesundheitsausstellungen zu wachsen. Eng verbunden war dieser Prozess mit der American Public Health Association (APHA). Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts trieb diese Vereinigung in den USA die Bemühungen um eine verbesserte gesundheitliche Aufklärung der amerikanischen Bevölkerung voran.²⁰⁵ Hierbei spielten Museen und Ausstellungen ebenfalls eine gewisse Rolle, waren jedoch nicht derart professionell gestaltet wie im Deutschen Reich.²⁰⁶ Dies hing möglicherweise auch damit zusammen, dass in den USA noch um die Jahrhundertwende medizinische Museen, die sich als wissenschaftliche Forschungseinrichtungen verstanden und sich lediglich an andere Fachleute sowie Medizinstudenten richteten, ein verhältnismäßig hohes Ansehen hatten. Die amerikanischen hygienischen Volksbelehrer setzten dagegen von Beginn an auf kommerzielle Marketingmethoden; veranstalteten beispielsweise schon früher als in Deutschland Gesundheitswochen als zeitlich begrenzte Gesundheitskampagnen.²⁰⁷ Mit der besseren Verfügbarkeit von Leichen für Sektionen und der Verschiebung der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit im Zuge des Aufstiegs der Bakteriologie verloren die medizinischen Museen jedoch nach und nach ihre Bedeutung für Forschung und Lehre. Parallel dazu stieg in den USA das Interesse am wissenschaftspopularisierenden Potential medizinisch-naturwissenschaftlicher Ausstellungen.²⁰⁸ Dies förderte den Austausch mit den deutschen Vertretern der hygienischen Volksbelehrung, die auch zunehmend als Vergleichsmaßstab herangezogen wurden.²⁰⁹ So lud 1928 die APHA das Hygiene-Museum dazu ein, während eines ihrer Kongresse eine Musterschau vorzuführen. Seiring wollte diese Gelegenheit nutzen, um dort das Interesse „für die Veranstaltung einer Hygiene-Ausstellung des Deutschen Hygiene-Museums in den Vereinigten Staaten“ zu erhöhen.²¹⁰ 205 Für die Geschichte der US-amerikanischen Gesundheitsaufklärung vgl. Elizabeth Toon: Managing the conduct of the individual life: Public Health Education and American Public Health, 1910–1940. PhD-Thesis University of Pennsylvania 1998. 206 Vgl. Ebd., S. 50–70. 207 Hier waren das amerikanische und vor allem das britische Engagement sogar Vorbild für den deutschen Reichsausschuss für hygienische Volksbelehrung. Vgl. Sitzung des Reichsausschusses für hygienische Volksbelehrung am 21. Oktober 1925, 10 1/2 Uhr im Reichsministerium des Innern. BArch Berlin R 1501/109412, Bl. 114–128. Zu den amerikanischen Maßnahmen vgl. Toon: Managing the conduct of the individual life, S. 70–80. 208 Vgl. McLeary: Science in a Bottle. 209 Vgl. bspw. o. V.: The American Health Officer and his European brother, in: American Journal of Public Health 20 (1930) 11, S. 1222–1224. 210 Schreiben Seiring an das Auswärtige Amt vom 19.06.1928. PA des Auswärtigen Amts R 66111, unpaginiert.
4.3 Bruno Gebhard und die USA
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Ein Jahr später wandten sich wiederum die Dresdner an die Vereinigten Staaten, um diese zu einer Teilnahme bei der Hygiene-Ausstellung 1930 aufzufordern. Nachdem die amerikanische Antwort wie schon die beiden Male zuvor negativ ausfiel²¹¹, entschieden sich die Deutschen zu einem neuartigen Schritt. Sie schickten Schloßmann für Verhandlungen vor Ort in die USA.²¹² Parallel dazu begann man ab November 1929 in amerikanischen Zeitungen intensiv Werbung für die Dresdner Exposition zu schalten. So sollten einerseits die Amerikaner auf die Veranstaltung aufmerksam gemacht und dazu animiert werden, eine Urlaubsreise nach Dresden zu planen. Andererseits sollte die Ausstellung unter politischen sowie wirtschaftlichen Entscheidungsträgern popularisiert werden, um Schloßmanns Verhandlungsposition zu stärken.²¹³ Tatsächlich hatte diese Strategie Erfolg. Zurück aus den USA berichtete der Pädiater, er habe trotz einiger Schwierigkeiten zumindest die Unterstützung der APHA sicherstellen können.²¹⁴ Wenig später brachte der Senator Royal S. Copeland, ein ausgebildeter Mediziner, einen Gesetzesentwurf im Senat ein, nach dem sich die USA an der Hygiene-Ausstellung 1930 beteiligen und dafür ein Budget in Höhe von 25 000 $ bereitstellen sollte.²¹⁵ Der Entwurf wurde angenommen und so gelang es, die Vereinigten Staaten trotz der lange Zeit bestehenden Skepsis auf Seiten der amerikanischen Regierung zu einer eigenen Präsentation in Dresden zu motivieren. Drei offizielle Vertreter – Charles Wardell Stiles für den Public Health Sercive, Major Georg C. Dunham für das Medical Corps der Armee und Captain C. S. Butler für die Marine – schickten die USA nach Deutschland.²¹⁶ Sie zeigten sich von den Methoden der Wissensvermittlung beeindruckt; bezeichneten das Hygiene-Museum gar als „center, not only for the popular teaching of hygienic living, but also through its technical staff, for devising the best methods for the teaching of hygiene by medical men throughout the world.“²¹⁷ Auch Dunham resümierte im American Journal of Public Health,
211 Vgl. Schreiben State Department an Friedrich von Prittwitz und Gaffron, Botschafter des Deutschen Reichs vom 28.06.1929. PA des Auswärtigen Amts R 66105, unpaginiert. 212 Vgl. Schreiben Schloßmann an Terdenge vom 03.10.1929. PA des Auswärtigen Amts R 66105, unpaginiert. 213 Vgl. Schreiben der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 an das Reichsministerium des Innern vom 13.01.1930. BArch Berlin R 1501/126345, Bl. 16–18. 214 Vgl. Schreiben Schloßmann an den Vorstand der Internationalen Hygiene-Ausstellung vom 26.11.1929. PA des Auswärtigen Amts R 66105, unpaginiert. 215 Vgl. Schreiben der Deutschen Botschaft in Washington an das Auswärtige Amt vom 18.12.1929. BArch Berlin R 1501/126345, Bl. 21. 216 Vgl. Martin Vogel: Wie Amerika das Deutsche Hygiene-Museum beurteilt, in: Hygienischer Wegweiser 6 (1931) 1, S. 25–28, hier S. 25. 217 C. S. Butler: Report upon the International Hygiene Exposition, Dresden 1930. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 803, Bl. 231–241, hier Bl. 231.
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die Exposition habe zwar wissenschaftlich nichts Neues gezeigt, biete aber durch seinen innovativen didaktischen Aufbau „much food for thought in the field of health publicity.“²¹⁸ Nicht zuletzt erregten spektakuläre Exponate wie abermals der „Gläserne Mensch“ die Aufmerksamkeit der amerikanischen Medien.²¹⁹ Dennoch verzichtete die USA bei der Wiederholung der Schau im folgenden Jahr auf eine eigene Gruppe. Trotz langer Verhandlungen, die „zum Teil hart an die Grenze des nach internationaler Gepflogenheit Zugelassenen heranreichten, ist es leider [. . . ] nicht möglich gewesen, vom Kongreß die Bewilligung der Mittel zu erreichen, die für die Teilnahme der Vereinigten Staaten [. . . ] erforderlich gewesen wäre.“²²⁰ Repräsentantenhaus und Senat bewilligten allerdings 5000 $, um Beamte, Militärs sowie Mediziner als US-Vertreter nach Dresden zu schicken.²²¹ Durch die amerikanische Beteiligung an der Hygiene-Ausstellung 1930/31 vertieften sich die bestehenden Kontakte zwischen Vertretern der hygienischen Volksbelehrung aus Deutschland und den Vereinigten Staaten. Beispielsweise besuchte in dieser Zeit Homer N. Calver zusammen mit einer größeren Gruppe amerikanischer Mediziner die Schau.²²² Angeregt von dem Gesehenen verfasste er noch im selben Jahr ein Memorandum, in dem er die Errichtung eines amerikanischen Gesundheitsmuseums forderte. Neben dem Hygiene-Museum bezog er sich zusätzlich auf das Deutsche Museum in München, das Londoner Science Museum und das Museum of the Peaceful Arts in New York. Hinsichtlich des organisatorischen Aufbaus des Museums, seiner Inhalte sowie deren praktischer Umsetzung nahm sich Calver allerdings in erster Linie die sächsische Institution zum Vorbild.²²³ In der Folgezeit ließ die APHA den Kontakt mit Dresden nicht mehr abreißen. Ausgehend von den ersten Berührungspunkten ab Mitte der 1920er Jahre und intensiviert durch die
218 George C. Dunham: The International Hygiene Exhibition, in: American Journal of Public Health 21 (1931) 1, S. 1–10, hier S. 9. Dunham macht damit unbewusst auf den Trend der deutschen Gesundheitsausstellungen aufmerksam, den eigenen wissenschaftlichen Anspruch zugunsten von populären, auf Laien zugeschnittenen Darstellungsweisen zurückzunehmen. 219 Vgl. Foss: Glass Man Teaches Hygiene, S. 116. 220 Schreiben von Friedrich von Prittwitz an das Auswärtige Amt vom 12.03.1931. PA des Auswärtigen Amts R 66109, unpaginiert. 221 Vgl. Telegramme Prittwitz an das Auswärtige Amt vom 17.06.1930 und 24.06.1930. PA des Auswärtigen Amts R 66106, unpaginiert. 222 Vgl. Schreiben Seiring an Homer N. Calver vom 21.10.1930. PA des Auswärtigen Amts R 66107, unpaginiert. Homer Northup Calver studierte Sanitary Engineering am Massachusetts Institute of Technology und wurde später Executive Secretary der APHA. Als solcher hatte er eine wichtige Bedeutung für die Ausbreitung der Gesundheitsausstellungen in den USA. Vgl. Ira V. Hiscock: Homer Northup Calver. 1892–1970, in: American Journal of Public Health 60 (1970) 11, S. 2049–2050. 223 Vgl. Homer N. Calver: Memorandum on an American Museum of Hygiene vom 20.12.1930. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–36, unpaginiert.
4.3 Bruno Gebhard und die USA
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Kontakte während der Hygiene-Ausstellung 1930/31 entstand Anfang der 1930er Jahre eine stabile, transatlantische Beziehung, die weit über die nationalsozialistische Machtübernahme hinaus bestehen blieb.²²⁴ Zu ihrem Mittelpunkt entwickelte sich zunehmend ein Mann: Bruno Gebhard avancierte in den 1930er Jahren zum Verbindungsglied zwischen den deutschen und amerikanischen Vertretern der hygienischen Volksbelehrung. Seine Biografie ist bislang allerdings noch nicht kritisch aufgearbeitet worden. Zwar gibt es eine Autobiografie Gebhards sowie Würdigungen anlässlich seiner Geburtstage. Sein ambivalentes Verhalten im Dritten Reich wird darin allerdings nicht ausreichend thematisiert.²²⁵ Im Folgenden wird der deutsch-amerikanische Austausch anhand seiner Laufbahn im Mittelpunkt stehen.
Der hygienische Volksbelehrer Bruno Gebhard Gebhard wurde am 1. Februar 1901 in Rostock als Sohn eines Hauswarts des Rostocker Universitätsklinikums geboren.²²⁶ Sein Medizinstudium nahm er 1919 zunächst in Rostock auf. 1921 ging er für ein Semester an die Ludwig-MaximiliansUniversität München, hörte dort jedoch vergleichsweise wenig medizinische Vorlesungen.²²⁷ Das Wintersemester 1922/1923 sowie das Sommersemester 1923 war er an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin eingeschrieben, wo er bei Alfred Grotjahn, Franz Bumm und anderen Sozialhygienikern wie Adalbert Czerny studierte.²²⁸ In Rostock schloss er sein Studium mit einer medizinhistorischen Dissertation bei Walter von Brunn ab. Dort belegte er zudem sozialhygienische Vorlesungen bei Hans Reiter.²²⁹ Gerade die beiden Sozialhygieniker Grotjahn und Reiter werden in 224 Für eine Darstellung dieser Kontakte aus angloamerikanischer Perspektive vgl. Erin McLeary/ Elizabeth Toon: „Here man learns about himself“. Visual Education and the Rise and Fall of the American Museum of Health, in: American Journal of Public Health 102 (2012) 7, S. 27–36. 225 Die Publikationen folgten bislang im Wesentlichen Gebhards in einem entlastenden Duktus verfasster Autobiografie. Vgl. Manfred Stürzbecher: Bruno Gebhard 80 Jahre, in: Nachrichtenblatt der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik 31 (1981) 2, S. 63–64; Rolf Winau: Bruno Gebhard und das Konzept eines Gesundheitsmuseum, in: Acta Medico-Historica Rigensia NF 1 (1992) 1, S. 25–31. 226 Zu Gebhards Lebensdaten vgl. Curriculum Vitae. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection Box 1, Folder I–1, unpaginiert. 227 Vgl. Kollegienbuch Bruno Gebhards an der Universität München. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection Box 1, Folder I–4, unpaginiert. 228 Vgl. Anmeldebuch Bruno Gebhards an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection Box 1 Folder I–4, unpaginiert. 229 Vgl. Anmeldungs-Buch Bruno Gebhards an der Universität Rostock. Dittrick Medical History, Center Bruno Gebhard Collection Box 1, Folder I–4, unpaginiert.
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der Literatur als sehr prägend für den jungen Rostocker, der selbst Mitglied der SPD wurde, beschrieben.²³⁰ Nach seinem Studium engagierte sich Gebhard in der hygienischen Volksbelehrung; er leitete unter anderem Volkshochschulkurse in Dortmund und publizierte erste Beiträge zu dieser Thematik.²³¹ Am 15. Februar 1927 wurde er schließlich vom Dresdner Hygiene-Museum als wissenschaftlicher Assistent Martin Vogels eingestellt.²³² In dieser Funktion war er auch an der Organisation der Hygiene-Ausstellung 1930/31 beteiligt.²³³ Auf Initiative Seirings beurlaubte ihn 1932 das Museum und er übernahm die Position des wissenschaftlichen Direktors am Berliner Messeamt. Er sollte dort einerseits Albert Wischek, den Leiter des Messeamts, inhaltlich unterstützen, andererseits „die Interessen des Museums [. . . ] sowohl im Ausstellungs- und Messeamt als auch in anderen Berliner Stellen“ vertreten.²³⁴ Das Hygiene-Museum hatte seit den 1920er Jahren jährlich mit dem Berliner Messeamt zusammengearbeitet. Wischek und Seiring waren durch „freundschaftliche Beziehungen“ verbunden.²³⁵ Gebhards erste Aufgaben umfassten die wissenschaftliche Betreuung der Exposition „Die Frau“ sowie des medizinisch-naturwissenschaftlichen Teils der „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“.²³⁶ Ursprünglich nur für wenige Monate freigestellt, verblieb er bis zur Emigration in die USA 1937 in Berlin. Am Messeamt übernahm er die Organisation der nationalsozialistischen Gesundheitsschauen. Von hier aus startete er seine internationale Karriere.
230 Vgl. Winau: Bruno Gebhard und das Konzept eines Gesundheitsmuseum, S. 25–31, hier S. 25– 26. Zu Grotjahn vgl. u. a. Iris Borowy: In the Shadow of Grotjahn. German Social Hygienists in the International Health Scene, in: Dies./Anne Hardy (Hrsg.): Of Medicine and Men. Biographies and Ideas in European Social Medicine between the World Wars, Frankfurt am Main u. a. 2008, S. 145–172; Ursula Ferdinand: Health like liberty is indivisible – zur Rolle der Prävention im Konzept der Sozialhygiene Alfred Grotjahns (1869–1931), in: Lengwiler/Madarász (Hrsg.): Das präventive Selbst, S. 11–28. Zu Reiter vgl. Robin Maitra: „. . . wer imstande und gewillt ist, dem Staate mit Höchstleistungen zu dienen!“ Hans Reiter und der Wandel der Gesundheitskonzeption im Spiegel der Lehr- und Handbücher der Hygiene zwischen 1920 und 1960, Husum 2001, besonders S. 180– 397. 231 Vgl. Bruno Gebhard: Zur hygienischen Volksbildung, in: Zeitschrift für Schulgesundheitspflege und soziale Hygiene 39 (1926) 9, S. 412–413. 232 Vgl. Personalakte von Dr. Bruno Gebhard. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 28, Bl. 7. 233 Vgl. Curriculum Vitae. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection Box 1, Folder I–1, unpaginiert; Gebhard: Im Strom und Gegenstrom, S. 43. 234 Schreiben Seiring an Carl Ludwig Ehrenreich von Burgsdorff vom 25.10.1934. HStA Dresden 10717 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten/Nr. 8592, Bl. 392. 235 Seiring: Erinnerungen, S. 38. 236 Vgl. Bescheinigung von Albert Wischek vom 02.06.1933. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 1, Folder I–4, unpaginiert.
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„Eugenics in New Germany“ von 1934 Die Verbindung zwischen den amerikanischen und deutschen Akteuren auf dem Gebiet der Gesundheitsaufklärung hatte sich seit der Hygiene-Ausstellung 1930/31 verstetigt. Beispielsweise kaufte 1932 die Leitung der Century of Progress International Exposition, die 1933 in Chicago stattfand, umfangreiches Ausstellungsmaterial unter dem sich auch ein „Gläserner Mensch“ befand.²³⁷ Die Exposition kreiste um die Gesundheit von Individuum sowie Gemeinschaft, behandelte Fragen der Nahrungsmittelhygiene, der Vermeidung von Infektionen, Säuglingspflege und der hygienischen Volksbelehrung.²³⁸ Dresdner Gegenstände bildeten den Kern, der „Gläserne Mensch“ gar den aufwendig in Szene gesetzten Höhepunkt der Schau. Vom Publikum selbst bedienbare Exponate vermittelten darüber hinaus den Eindruck eines nach mechanischen Gesetzmäßigkeiten genormten Körpers.²³⁹ Hinsichtlich ihrer Gestaltung sowie ihrer Inhalte waren die US-Gesundheitsausstellungen am Anfang der 1930er Jahre somit durchaus mit ihren deutschen Pendants vergleichbar. Ungefähr im April 1934 nahm deswegen William W. Peter Kontakt mit Gebhard und anderen deutschen Medizinern auf und lud sie dazu ein, eine Exposition für die Jahrestagung der APHA in Pasadena vom 3. bis zum 6. September 1934 zu gestalten.²⁴⁰ Über dieses Angebot war auch Arthur Gütt informiert. Von ihm ging der Vorschlag aus, das Hygiene-Museum als Partner hinzuzuziehen.²⁴¹ Gemeinsam mit dem Aufklärungsamt für Bevölkerungspolitik und Rassenpflege sowie dem Reichsausschuss für Volksgesundheitsdienst gelangte man nach Rücksprache mit Gütt zu der Auffassung, dass das „bevölkerungspolitische und rassenhygienische
237 Vgl. Schreiben Deutsches Generalkonsulat an das Auswärtige Amt vom 15.06.1932. PA des Auswärtigen Amts R 66111, unpaginiert. 238 Vgl. o. V.: Health for the Individual and the Community. Reprinted from HYGEIA, The Health Magazine 1933–1934, S. 20–21. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–46. 239 Vgl. o. V.: A Century of Progress in Medicine. An Editorial. Reprinted from HYGEIA, The Health Magazine 1933–1934, S. 3–8. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–46. 240 Peter war – unterstützt durch die APHA und den Oberlaender Trust – im Herbst 1933 für sechs Monate nach Europa gereist, um die dortigen Gesundheitsmuseen zu besichtigen. Vgl. Robert Rydell/Christina Cogdell/Mark Largent: The Nazi Eugenics Exhibit in the United States, 1934–43, in: Susan Currell/Christina Cogdell (Hrsg.): Popular Eugenics. National Efficiency and American Mass Culture in the 1930s, Athens 2006, S. 359–384, hier S. 366. 241 Vgl. Schreiben W. W. Peter an Seiring vom 26.04.1934. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–54, unpaginiert.
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Material der Ausstellung ‚Deutsches Volk‘ für diese Zwecke geeignet“ sei.²⁴² Diese Hauptabteilung der NS-Gesundheitsschau vom Frühjahr 1934 war auch unter ausländischen Eugenikern auf positive Resonanz gestoßen.²⁴³ Zudem war sie ohnehin von Beginn an als Wanderausstellung konzipiert worden.²⁴⁴ Rund 15 000 Reichsmark wurden für die Herstellung übersetzter Schautafeln, den Transport in die USA und die Auslagen für eine Begleitperson veranschlagt. Zusätzlich zum Aufenthalt in Pasadena sollte die Exposition noch in weiteren Städten gezeigt werden. Der Transport in den Vereinigten Staaten wurde von der APHA getragen. Da die Einladung eine außergewöhnliche Möglichkeit bot, für „das neue Deutschland im Ausland auf wissenschaftlichem Wege zu werben“, bat das Hygiene-Museum um eine Finanzierung durch das Reichsministerium des Innern.²⁴⁵ Gütt berief daraufhin eine Besprechung am 11. Mai 1934 ein, an der neben Peter unter anderen auch Gebhard teilnahm. In dieser Sitzung wurde prinzipiell beschlossen, die amerikanische Offerte anzunehmen. Die Grundlage der deutschen Schau bildete der rassenhygienische Teil der „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“. Lediglich die Finanzierungsfrage war noch nicht abschließend geklärt.²⁴⁶ Nach wenigen Tagen erklärte sich jedoch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda dazu bereit, die anfallenden Kosten zu übernehmen.²⁴⁷ Für die Reisekosten Gebhards stellte das Auswärtige Amt zusätzlich 2000 Reichsmark bereit.²⁴⁸ Die Schau beruhte auf dem Material des Hygiene-Museums, das mit Exponaten des Reichsausschusses für Volksgesundheitsdienst, des Aufklärungsamts für Bevölkerungspolitik und Rassenpflege, der NS-Volkswohlfahrt und der Stadt Berlin ergänzt wurde. Ein Komitee bestehend aus Gebhard, Falk Ruttke, Friedrich Burgdörfer, Wilhelm Klein und Herbert Linden wählte die Objekte aus. Die Schau
242 Entwurf Schreiben Deutsches Hygiene-Museum an das Reichsministerium des Innern vom 04.05.1934. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–54, unpaginiert. 243 Vgl. Ursula Grant Duff : German Eugenics Exhibition. To the Editor, in: The Eugenics Review 26 (1934) 2, S. 164. 244 Vgl. Protokoll Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses des Deutschen Hygiene-Museums Dresden vom 11.10.1933. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 53, Bl. 7–9, hier Bl. 7–8. 245 Entwurf Schreiben Deutsches Hygiene-Museum an das Reichsministerium des Innern vom 04.05.1934. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–54, unpaginiert. 246 Vgl. Rundschreiben Gütt vom 16.05.1934. PA des Auswärtigen Amts R 66100, unpaginiert. 247 Vgl. Schreiben Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda an Gebhard vom 24.05.1934. PA des Auswärtigen Amts R 66100, unpaginiert. 248 Vgl. Schreiben Seiring an das Auswärtige Amt. PA des Auswärtigen Amts R 66100, unpaginiert.
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sollte politisch neutral wirken, die Beteiligung der NSDAP nach außen hin möglichst verborgen bleiben. Aus diesem Grund erfolgte der Schriftwechsel mit den Vertretern der APHA ausschließlich über die deutsche Botschaft.²⁴⁹ Im Gegenzug zu der finanziellen Unterstützung behielt sich die Regierung ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Ausstellung vor. Diese wurde vor dem Transport noch von Vertretern des Reichsministeriums des Innern, des Auswärtigen Amts und des Reichspropagandaministeriums begutachtet, ehe sie in die USA verschickt werden konnte. Die nationalsozialistische Regierung bestimmte dadurch die Aussagen der Exposition wesentlich mit. So wies ein Vertreter des Reichspropagandaministeriums darauf hin, dass das gezeigte Material auf die eugenische Gesetzgebung zu beschränken sei. Auf keinen Fall sollten die „Arierfrage“ im Allgemeinen oder das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums im Speziellen behandelt werden. Andernfalls könne die Schau „zu antideutschen Polemiken“ in den USA führen.²⁵⁰ Stattdessen rückte man den Geburtenrückgang, die NS-Erbgesetze sowie die NS-Siedlungspolitik in den Mittelpunkt.²⁵¹ Dieses Vorgehen entsprach ziemlich genau den Vorschlägen, die Peter bereits im Vorfeld der APHA unterbreitet hatte. Als möglichen deutschen Begleiter wies Peter explizit auf Bruno Gebhard hin, mit dem er seine inhaltlichen Überlegungen abgestimmt hatte.²⁵² Interessant daran ist einerseits, wie groß die Übereinstimmungen der tatsächlich durchgeführten Organisation der Ausstellung mit Peters Vorschlägen waren und wie früh Gebhard in die Gestaltung der Schau involviert war. Andererseits zeigt Peters Konzeptentwurf, welche Teile der NS-Politik in den USA als problematisch galten und welche nicht. Während der Antisemitismus des Dritten Reichs weitgehend ausgeblendet blieb, standen das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses sowie die deutschen bevölkerungspolitischen Maßnahmen im Mittelpunkt der Schau. Mit diesen Inhalten konnte man an eine Ausstellungstradition in den USA anschließen. Denn dort wurden zu diesem Zeitpunkt schon seit mehreren Jahren vor allem im Kontext der International Eugenic Congresses Ausstellungen mit einem ähnlichen thematischen Zuschnitt organisiert.²⁵³
249 Vgl. Vermerk über die kommissarische Beratung am 24. Mai 1934, betreffend Ausstellung der American Public Health Association. PA des Auswärtigen Amts R 66100, unpaginiert. 250 Aufzeichnung von Trützschler vom 25.05.1934. PA des Auswärtigen Amts R 66100, unpaginiert. 251 Vgl. Vermerk über die kommissarische Beratung am 24. Mai 1934, betreffend Ausstellung der American Public Health Association. PA des Auswärtigen Amts R 66100, unpaginiert. 252 Vgl. Durchschlag Schreiben W. W. Peter an Calver. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–54, unpaginiert. 253 Vgl. Robert W. Rydell: World of Fairs. The Century-of-Progress Expositions, Chicago u. a. 1993, S. 38–58.
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„Eugenics in New Germany“ wurde am 2. September 1934 in Pasadena aufgebaut und während des Kongresses wohl von allen 900 Teilnehmern besichtigt. Die Schau habe, so Gebhard, dazu beigetragen, die Ziele des Deutschen Reichs den Amerikanern näher zu bringen und bestehende Missverständnisse über die deutsche Politik auszuräumen.²⁵⁴ Im Anschluss an die Tagung der APHA wanderte die Ausstellung weiter; war in Los Angeles, Portland und Salem (Oregon) zu sehen bis sie schließlich dauerhaft vom Museum of Science in Buffalo übernommen wurde. Dem existierenden Quellenmaterial nach zu urteilen, bestand sie aus Schautafeln, die teilweise schon in Berlin zu sehen waren, teilweise eigens für Pasadena hergestellt wurden und teilweise bereits für die Chicagoer Weltausstellung angefertigt worden waren. Auch der „Gläserne Mensch“, der auf der „A century of Progress“ ausgestellt worden war, soll nach Pasadena gebracht worden sein.²⁵⁵ Ihr inhaltlicher Schwerpunkt lag auf der Vererbung „minderwertiger“ Eigenschaften wie geistiger Behinderung, Alkoholismus oder Kriminalität, dem deutschen Geburtenrückgang sowie der NS-Gesundheitsgesetzgebung. Daneben behandelte die Ausstellung mit der Zunahme jüdisch-deutscher „Mischehen“ jedoch auch ein antisemitisch gefärbtes Thema, das man eigentlich aussparen wollte.²⁵⁶ Die US-Behörden reglementierten die Schau kaum; lediglich 5000 Exemplare einer gedruckten Rede Fricks wurden aus politischen Gründen konfisziert. Noch in seiner Autobiografie sah Gebhard die Exposition als großen Erfolg an.²⁵⁷ Obwohl er dies in seiner Autobiografie bestritt, übernahm er in den USA die Funktion eines deutschen Repräsentanten. Als solcher bekam der Rostocker die Gelegenheit, vor der Health Officers Section der APHA eine Rede zu halten, in der er die Grundzüge der deutschen Gesundheitsaufklärung skizzierte.²⁵⁸ Die Schau und ihr Begleiter erhielten durchaus positive Rückmeldungen; sie sei von „unusual interest“ und Gebhard habe sich durch „his unfailing courtesy and clear demonstrations“ in
254 Vgl. Bruno Gebhard: Bericht über die Ausstellung des Deutsche Hygiene-Museum Dresden „Eugenik and Public Health“ anlässlich der Jahresversammlung der American Public Health Association in Pasadena (Californien). HStA Dresden 10717 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten/Nr. 8592, Bl. 395–398, hier v. a. Bl. 395. 255 Eine Beschreibung der Schau bieten Rydell/Cogdell/Largent: The Nazi Eugenics Exhibit in the United States, 1934–43, S. 359–384, hier S. 368–372. 256 Für Eindrücke von der Schau vgl. Fotosammlung „Eugenics in New Germany“. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection GF–5. 257 Vgl. Gebhard: Im Strom und Gegenstrom, S. 78. 258 Vgl. Bruno Gebhard: Health Education in Germany, in: American Journal of Public Health 24 (1934) 11, S. 1148–1151.
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den USA viele Freunde gemacht.²⁵⁹ Lediglich „The Lancet“ publizierte eine distanzierte Besprechung, in der die politische Ausrichtung der Exposition kritisiert wurde.²⁶⁰ Diese Rezension führte dazu, dass „Eugenics in New Germany“ nicht, wie eigentlich vorgesehen, in der New Yorker Academy of Medicine gezeigt werden konnte. Trotzdem waren die Verantwortlichen in Deutschland sehr zufrieden mit der amerikanischen Rezeption der Schau.²⁶¹ Insgesamt dauerte Gebhards Reise in die USA vom 16. August bis zum 12. Oktober 1934. Wenige Monate nach seiner Rückkehr stand mit der „Wunder des Lebens“ bereits das nächste Großprojekt an.
Die Rezeption der NS-Gesundheitsausstellungen in den USA Die Ausstellung von 1935 weckte erneut die Aufmerksamkeit des In- und Auslands. Allein für den „Gläsernen Menschen“ seien, so stellte der Dresdner Anzeiger fest, Bildberichterstatter aus der ganzen Welt angereist.²⁶² Anders als die Niederlande erreichte die USA in diesem Jahr jedoch keine Wanderausstellung aus dem Deutschen Reich. In Amerika öffnete dagegen im Buffalo Museum of Science die „Hall of Man“, die dem Besucher den Aufbau sowie die Funktionsweise des Körpers demonstrierte und in großem Umfang auf deutschem Material beruhte.²⁶³ Mit der Darstellung des menschlichen Körpers als eine „selfcontained, self-operating, self-adjusting, self-repairing“ Maschine ähnelte sie der Chicagoer „A Century of Progress“ von 1933.²⁶⁴ Wie die deutschen Expositionen sollte die „Hall of Man“ durch die Vermittlung medizinisch-naturwissenschaftlichen Wissens das gesundheitsrelevante Verhalten der Besucher verändern und ihre Kooperationsbereitschaft mit den staatlichen Health Officers erhöhen. Dafür war jedoch eine didaktisch durchdachte Gestaltung notwendig.
259 o. V.: The Pasadena Meeting, in: American Journal of Public Health 24 (1934) 10, S. 1074–1076, hier S. 1075. Vgl. weiter Homer N. Calver: Scientific Exhibits in Pasadena, in: American Journal of Public Health 24 (1934) 11, S. 1186–1188. 260 Vgl. o. V.: A gathering of public health authorities, in: The Lancet 224 (1934) 5796, S. 729. 261 Vgl. Schreiben Gebhard an Peter vom 10.02.1935. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–54, unpaginiert. 262 Vgl. H. B.: „Das Wunder des Lebens“. Qualitätsarbeit des Deutschen Hygiene-Museums erobert die Welt. Sonderdruck aus dem Dresdner Anzeiger vom 28.03.1935, S. 4. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder IV–45, unpaginiert. 263 Vgl. Bericht des Vorstandes der Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf in Dresden über das Geschäftsjahr 1933. HStA Dresden 13688 Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf/ Nr. 3, Bl. 20–23, hier Bl. 22. 264 Carlos E. Cummings: Man, the Human Machine. New Cabana Hall of Man Explains the Body, in: Hobbies. The Magazine of The Buffalo Museum of Science 15 (1935) 4, S. 69–81, hier S. 69.
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Abb. 4.2: Bruno Gebhard führt Reichsinnenminister Wilhelm Frick gemeinsam mit weiteren Ehrengästen durch die Ausstellung „Wunder des Lebens“. Quelle: Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. GF-06–015.
Gerade in dieser Hinsicht setzte die „Wunder des Lebens“ neue Maßstäbe und bekräftigte den Ruf der deutschen Ausstellungsmacher als „most skilful organizers of expositions in the world.“²⁶⁵ Der Autor, Waldemar Kaempffert, bemerkte allerdings gleichzeitig, wie sehr sich der Fokus der deutschen Gesundheitsausstellungen vom Individuum hin zur kollektiven „Volksgemeinschaft“ verschoben hatte und welche ausgrenzenden Folgen diese Entwicklungen zeitigten. Gesundheit wurde zu einer „civic duty“, eine vererbbare Krankheit zum Grund für Sterilisierungen. Gleichwohl fiel trotz dieser aufmerksamen Beobachtung Kaempfferts Fazit zur Exposition sehr positiv aus.²⁶⁶ In der britischen „Nature“ kritisierte der Rezensent die antisemitischen Anteile der „Wunder des Lebens“, bezeichnete sie resümierend jedoch
265 Waldemar Kaempffert: The week in science: A ‚Miracle of Life‘ in Berlin, in: The New York Times vom 14.04.1935. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder IV–45, unpaginiert. 266 Vgl. Ebd.
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als „otherwise excellent scientific exhibition“.²⁶⁷ Ähnlich äußerte sich Herbert E. Kleinschmidt, Leiter der Abteilung für Gesundheitserziehung der National Tuberculosis Association in New York, den Gebhard zuvor über die „Wunder des Lebens“ geführt hatte. Zwar nahm auch Kleinschmidt den ungewöhnlich intensiven Bezug der Schau auf die deutsche Nation wahr, lobte aber die vom Hygiene-Museum gestalteten Gruppen sowie den „Gläsernen Menschen“ als technisches Meisterwerk und empfahl seiner Leserschaft die Gesundheitsschau als geeignetes Mittel hygienischer Volksbelehrung. Diejenigen Ausstellungsgruppen jedoch, die von den teilnehmenden NS-Organisationen gestaltet wurden, beschrieb der amerikanische Arzt als weniger gelungen. Damit trennte er die Ausstellungsinhalte der medizinischen Experten um Gebhard sowie das Hygiene-Museum kategorisch von denen der nationalsozialistischen Regierung.²⁶⁸ Dass jedoch die gesamte Exposition unter reger Mitarbeit und in enger Abstimmung mit mehreren Ministerien entstanden war, dass die Ausstellungsinhalte in vielfältiger Weise aufeinander bezogen und miteinander verwoben waren, geriet durch diese klare Trennung der medizinisch-naturwissenschaftlichen von den übrigen Gruppen aus dem Blick. Am Ende stand wie schon bei der „Eugenics in New Germany“ Exhibition von 1934 eine positive Rezeption in den USA, die auch dadurch nicht getrübt wurde, dass gleichzeitig mit der Eröffnung der „Wunder des Lebens“ in den USA die Zahl der bislang auf Grundlage des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses sterilisierten Menschen bekannt wurde.²⁶⁹ Für das Dresdner Hygiene-Museum brachte die positive Aufnahme der Expositionen in den Vereinigten Staaten ökonomische Vorteile. In Amerika sei inzwischen, so resümiert Seiring 1935, ein „wenn auch vorläufig nur kleines, so aber doch ständiges Absatzgebiet entstanden“²⁷⁰, in das eine weitere „Gläserne Figur“ verkauft werden konnte.²⁷¹ Ein Jahr später reiste Calver nach Europa, um nach Ausstellungsmaterial für eine weitere Exposition zu suchen. Abgesehen von kurzen Abstechern
267 Cedric Dover: Biology and the Nation in Germany, in: Nature 135 (1935) 3416, S. 628–629, hier S. 629. 268 Vgl. Herbert E. Kleinschmidt: New Germany teaches her people, in: American Journal of Public Health 25 (1935) 10, S. 1108–1113. 269 Für einen vorsichtig distanzierenden Bericht vgl. o. V.: 189,677 Germans sterilized in Nazi race purity drive, in: The Washington Post vom 25.03.1935, S. 5 270 Bericht des Vorstandes der Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf in Dresden über das Geschäftsjahr 1935. HStA Dresden 13688 Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf/Nr. 3, Bl. 34–36, hier Bl. 35. 271 Vgl. Das Deutsche Hygiene-Museum im Jahre 1935, S. 13. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 6, Bl. 3; Bericht des Vorstandes der Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf in Dresden über das Geschäftsjahr 1936. HStA Dresden 13688 Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf/Nr. 3, Bl. 60–62, hier Bl. 61.
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nach Schweden und Großbritannien hielt er sich 1936 die gesamte Zeit über im Deutschen Reich auf. Er besuchte die „Deutschland“, die er als Beispiel für „the vigor, ingenuity and broad social planning of a new nation“ sowie als „masterpiece of showmanship – entertaining, instructive, and inspiring to the visitor“ empfand.²⁷² Vor allem erstellte Calver jedoch eine Liste von Exponaten des Hygiene-Museums, die der Oberlaender Trust als Grundstock eines eigenständigen US-amerikanischen Gesundheitsmuseums erwerben wollte.²⁷³ Insgesamt 50 000 $ wendeten die Amerikaner für Materialien des Dresdner Hauses auf.²⁷⁴ Für das Hygiene-Museum war das Interesse der USA an den deutschen Gesundheitsausstellungen also durchaus lukrativ.
Bruno Gebhards Karriere in den USA Gebhard wiederum konnte durch sein transatlantisches Engagement seine eigene Reputation steigern. Gestützt auf seine Erfahrungen in den USA trat er in der deutschen Öffentlichkeit als Ausstellungsfachmann und Experte der angloamerikanischen Gesundheitserziehung auf.²⁷⁵ Zur gleichen Zeit konnte er in Zusammenarbeit mit der Union Deutsche Verlagsgesellschaft den Katalog „Das Wunder des Lebens“ herausgeben, der auf der Schau von 1935 beruhte, aber von Gebhard als Privatmann erstellt wurde. Als Honorar erhielt er dafür 25 Reichsmark pro Bogen.²⁷⁶ Sowohl die Rückmeldungen zum Buch, die den Rostocker persönlich erreichten als auch die öffentlichen Rezensionen im In- wie Ausland und das Gutachten der Reichsstelle des deutschen Schrifttums waren positiv.²⁷⁷ Allerdings blieben die Verkaufszahlen
272 Homer N. Calver: Health Exhibits in Europe. A report to the Committee on American Museum of Hygiene of the American Public Health Association and to The Oberlaender Trust on a study of Practices and Materials in Visual Health Education in Europe adaptable for use in creating a Travelling Health Exhibit in the United States, September 1936, S. 21. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection, Box 3, Folder II–48, unpaginiert. 273 Vgl. Ebd., S. 7–11. Der Oberlaender-Trust war die Stiftung eines deutschen Emigranten, deren Aufgabe es war, den deutsch-amerikanischen Austausch zu fördern. Vgl. McLeary/Toon: „Here man learns about himself“, S. 27–36, hier S. 30. 274 Vgl. Bruno Gebhard: What good are Health Museums?, in: American Journal of Public Health 36 (1946) 9, S. 1012–1015, hier S. 1013. 275 Vgl. Gebhard: Ausstellungen als Mittel der Gesundheitserziehung, S. 95–99; Bruno Gebhard: Gesundheitserziehung in angelsächsischen Ländern, in: Gesundheit und Erziehung. Neue Folgen der Zeitschrift für Schulgesundheitspflege 48 (1935) 10, S. 309–312. 276 Vgl. Vertrag zwischen Bruno Gebhard und der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 4, Folder III–8, unpaginiert. 277 Vgl. Schreiben Hans Reiter an Gebhard vom 11.11.1936. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 4, Folder III–8, unpaginiert; H. E. Kleinschmidt: Review of Bruno Gebhard
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des Katalogs hinter den Erwartungen des Verlags zurück, der Mitte 1938 lediglich 1900 Exemplare abgesetzt hatte.²⁷⁸ Das war jedoch 1935 noch nicht abzusehen, so dass kurz nach der „Wunder des Lebens“ der Wechsel von Dresden an das Messeamt für Gebhard einen deutlichen Karrieresprung bedeutet hatte; zumal er am Anfang des Jahres eine Leistungszulage von 100 Reichsmark zugesprochen bekam, da er die Vorarbeiten der „Deutschland“ übernahm.²⁷⁹ Auf der anderen Seite war Gebhards Position in Berlin seit der nationalsozialistischen Machtübernahme immer ein wenig prekär. Im August 1933 musste er sich gegenüber Wischek für seine Mitgliedschaft in der SPD erklären, sollte sogar wie Rudolf Neubert aus politischen Gründen nach den Vorbereitungen für die „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ vom Hygiene-Museum entlassen werden.²⁸⁰ Neubert musste das Museum noch 1933 verlassen, beteiligte sich aber nach 1945 wieder am Wiederaufbau des Hauses.²⁸¹ Auch Gebhard erhielt am 30. Juni 1935 seine Kündigung, blieb allerdings weiterhin beim Berliner Messeamt beschäftigt.²⁸² Zu diesen politischen Unsicherheiten trat ab 1936 eine wirtschaftlich schlechtere Perspektive hinzu. In diesem Jahr begann das Wirtschaftsamt der Stadt Berlin, die finanzielle Situation des Messeamts sowie die Eingruppierung seiner Mitarbeiter zu hinterfragen.²⁸³ Es forderte eine Umgruppierung mehrerer Angestellter. Auch Gebhard fiel darunter, der statt bislang 882,74 Reichsmark nur noch 449,51
(Ed.): Wunder des Lebens, in: American Journal of Public Health 27 (1937) 3, S. 295–296; Gutachten für Verleger durch die Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums vom 09.08.1937. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 4, Folder III–8, unpaginiert. Für weitere Rezensionen vgl. die Sammlung in Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 4, Folder III–8, unpaginiert. 278 Vgl. Schreiben Union Deutsche Verlagsgesellschaft Stuttgart an Gebhard vom 30.09.1938. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 4, Folder III–8, unpaginiert. 279 Vgl. Schreiben Wischek an Gebhard vom 23.01.1935. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 1, Folder I–4, unpaginiert. 280 Vgl. Schreiben Wischek an Gebhard vom 16.08.1933. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–57, unpaginiert; Protokoll Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses des Deutschen Hygiene-Museums Dresden vom 11.10.1933. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 53, Bl. 7–9, hier Bl. 8. 281 Vgl. Schreiben Gebhard an Emerson vom 03.06.1946. Leo Baeck Institute. Center for Jewish History, Marta Fraenkel Papers. Series I, Box 1, Folder 3, unpaginiert; Schreiben Seiring an Fraenkel vom 30.07.1946. Leo Baeck Institute. Center for Jewish History, Marta Fraenkel Papers, Series I, Box 1, Folder 3, unpaginiert. 282 Vgl. Personalakte von Dr. Bruno Gebhard. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 28, Bl. 7. 283 Vgl. Schreiben von Dr. Sommer an das Wirtschaftsamt der Stadt Berlin vom 19.08.1936. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32097, Bl. 26–34.
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Reichsmark erhalten sollte.²⁸⁴ Zwar konnte Wischek in einem Gespräch mit dem zuständigen Stadtrat die Gehaltskürzungen vorerst abwenden, doch stand nun für Gebhard die Gefahr finanzieller Einbußen offen im Raum.²⁸⁵ In dieser Situation erhielt der Rostocker Arzt Ende 1937 von der APHA und dem Oberlaender Trust das Angebot, erneut für etwa ein halbes Jahr in die USA zu kommen, um im Rockefeller-Center in New York eine Gesundheitsausstellung einzurichten. Er sollte dort mit genau den Materialien arbeiten, die Homer N. Calver ein Jahr zuvor beim Hygiene-Museum Dresden erworben hatte.²⁸⁶ Wie bei seinem Wechsel von Dresden an das Berliner Messeamt 1932 nutzte Gebhard die Gelegenheit, die sich ihm bot. Im Oktober 1937 beteiligte er sich an einer Konferenz der APHA, in der sich die Mitglieder über ihre weiteren Pläne abstimmten. Gebhard selbst trat auf der Veranstaltung als Museums- und Ausstellungsexperte auf. Immer wieder auf seine Erfahrungen im Hygiene-Museum verweisend präsentierte er seinen Zuhörern fünf Aufgaben eines guten Health Museums: Es sollte gesichertes Wissen verbreiten, für legislative Maßnahmen auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheitspflege werben, das Publikum zum Besuch geeigneter medizinischer Einrichtungen anleiten, ihren „will to health“ stärken und ihr Bewusstsein für Fragen öffentlicher Gesundheitspflege fördern.²⁸⁷ Er konnte seine Erfahrungen aus Dresden auch deswegen mit besonderer Autorität einsetzen, weil Calver in seiner Einführung dieses Museum explizit als „inspiration“ für die amerikanischen Anstrengungen bezeichnet hatte.²⁸⁸ Gebhards Engagement beim Messeamt, das den eigentlich bedeutenderen Teil seiner Karriere ausmachte, wurde dagegen kaum thematisiert. Die Konferenz endete mit dem Entschluss, auf der New York World’s Fair 1939 einen Beitrag zum Thema Gesundheit zu organisieren. Dieser bestand aus einer Central Hall of Man, einer Hall of Medicine und einer Hall of Public Health.
284 Vgl. Schreiben Wischek an das Wirtschaftsamt der Stadt Berlin vom 16.04.1937. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32097, Bl. 92–94. 285 Vgl. Aktennotiz vom 08.04.1937. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32097, Bl. 90–91. 286 Vgl. Schreiben Gebhard an die Reichsärztekammer vom 03.09.1937. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–58, unpaginiert. 287 Bruno Gebhard: The German Hygiene Museum, in: The edited Proceedings of a conference held under auspices of the Comitee on American Museum of Hygiene of the American Public Health Association vom 04.10.1937, S. 9–12, hier S. 11. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–53, unpaginiert. 288 Homer N. Claver: Introductory remarks, in: The edited Proceedings of a conference held under auspices of the Comitee on American Museum of Hygiene of the American Public Health Association vom 04.10.1937, S. 1–3, hier S. 2. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–53, unpaginiert.
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Bestückt werden sollte die Schau nach dem Obmannprinzip. Gebhard war eine Koordinierungs- und Kontrollfunktion zugedacht.²⁸⁹ Als organisatorisches Rückgrat der Gruppe diente das 1938 gegründete American Museum of Health. Dessen Sammlung baute auf dem Material der Chicagoer „A Century of Progress“ auf. Eine eigene Dauerausstellung hatte das Museum zu diesem Zeitpunkt aber nicht und sollte sie auch nie bekommen.²⁹⁰ Die Hall of Man war eine zentrale Gruppe der Weltausstellung und umfasste ungefähr 1100 qm. Grundsätzlich ähnelte ihr Aufbau den deutschen Expositionen. In ihrem Mittelpunkt stand der „Gläserne Mensch“, der in einer spektakulären, Licht, Ton und Perspektive gleichermaßen ausnutzenden Weise inszeniert wurde: Der Besucher trat zu Beginn in einen abgedunkelten Raum; nicht mehr als ein rot blinkendes Licht sehend hörte er zunächst nur die auditive Simulation eines gleichmäßig 70 Mal die Minute schlagenden Herzens. Nach kurzer Zeit wurden zunächst der Umriss eines Mannes und schließlich die komplette Figur sichtbar. Die gesamte Prozedur sollte ungefähr eine Minute dauern und anschließend wiederholt werden. Zusätzlich erklärte ein in Dauerschleife ablaufendes Tonbandgerät am linken Rand der Installation dem Besucher den Aufbau des „Gläsernen Menschen“.²⁹¹ Im Hintergrund des Exponats befand sich eine große Leinwand, die vor einem bewölkten Himmel einen überlebensgroßen, dem Dresdner Exponat ähnlichen, aber mit gesenkten Armen schwebenden Mann zeigte.²⁹² Eine ähnliche Inszenierung des „Gläsernen Menschen“ ließ sich auch auf der „Wunder des Lebens“ 1935 wiederfinden. Dort leuchtete „wie im Theater“ nach kurzer Dunkelheit das Herz rot auf, ehe die weiteren Organe sichtbar wurden und „der unsichtbare Sprecher“ die Betrachter „klar und verständlich in das Geheimnis des menschlichen Körpers einführt.“²⁹³ Auch in anderen Bereichen legten die Verantwortlichen großen Wert auf anschauliche und unterhaltende Exponate. So gab es beispielsweise ein sprechendes Skelett, das den Betrachtern seine Struktur beschrieb und die Bewegung von Kopf, Brust und
289 Vgl. The edited Proceedings of a conference held under auspices of the Comitee on American Museum of Hygiene of the American Public Health Association vom 04.10.1937, S. 18–22. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–53, unpaginiert. 290 Vgl. Homer N. Calver: American Museum of Health 1938. The first year, New York 1939. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–36, unpaginiert. Zur weiteren Geschichte des Museums vgl. McLeary/Toon: „Here man learns about himself“, S. 27–36, hier S. 32–34. 291 Vgl. Bruno Gebhard: Hall of Man. New York World’s Fair. Hall of Medicine and Public Health vom 13.12.1938, S. 3. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–49, unpaginiert. 292 Vgl. die Abbildung in der Harold Terry Clark Library. Cleveland Museum of Natural History. HSC 6.7.12, Box 6, TRA–MAN. 293 All: Der Mensch – „Wunder des Lebens“, S. 13–14, hier S. 13.
212 | 4 Gesundheitsausstellungen als internationale Ereignisse
Armen demonstrierte.²⁹⁴ Auffällig ist, dass die menschlichen Vererbungsregeln zwar behandelt, aus ihnen aber keine eugenischen Forderungen abgeleitet wurden. Dies unterscheidet die Schau trotz inhaltlicher wie formaler Ähnlichkeiten von den deutschen Gesundheitsausstellungen in der Weimarer Republik oder dem im Nationalsozialismus. Da die Sondergruppe auf der Weltausstellung in den Augen der Veranstalter sehr erfolgreich gewesen war, sollte im Anschluss daran ein dauerhaftes Museum eingerichtet werden.²⁹⁵ Dies bot Gebhard die Gelegenheit, weiter in den USA tätig zu bleiben und bis Mitte 1940 für das American Health Museum zu arbeiten.²⁹⁶ Der Deutsche blieb in zentraler Stellung, wirkte am Museumskonzept mit und trat in den Folgejahren immer wieder als Experte für Expositionen als Mittel der hygienischen Volksbelehrung auf.²⁹⁷ Die Dauerausstellung des American Health Museums sollte aus den Bereichen „Man“, „Man and his Health“ sowie „Man and Disease“ bestehen. Vergleichbar mit dem Dresdner Hygiene-Museum begannen die Verantwortlichen also zuerst mit einer Erklärung des biologischen Körpers, um von dieser Grundlage ausgehend weiterführende Themen zu behandeln. Die Gruppe „Man and his Health“ sollte den Alltag der Bevölkerung sowie Gesundheitsrisiken in Zusammenhang mit den Lebensaltern aufbereiten, während „Man and Disease“ auf die Stärkung der eigenen Abwehrkräfte zielte.²⁹⁸ An der Umsetzung dieses Konzepts sollte sich der Rostocker allerdings nicht mehr beteiligen, denn es eröffnete sich ihm eine letzte berufliche Option, die er konsequent ergriff: Gebhard wurde der Gründungsdirektor des ersten amerikanischen Health Museums mit eigener Dauerausstellung in Cleveland. Die Eröffnung des Cleveland Health Museums bildete den Abschluss eines längeren Prozesses, der sich seit mindestens 1936 hinzog. Seit diesem Zeitpunkt
294 Vgl. Bruno Gebhard: Hall of Man. New York World’s Fair. Hall of Medicine and Public Health vom 13.12.1938, S. 5. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–49, unpaginiert. 295 Vgl. American Museum of Health: Your Health. A guide to the medicine and public health building. New York World’s Fair, New York 1940, S. 5. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–49, unpaginiert. 296 Seine Anstellung bei dem Museum geht aus einer Antwort von James A. Doull, Chairman of the Board of Directors des Hauses, hervor. Vgl. Schreiben Doull an Gebhard vom 18.04.1940. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 1, Folder I–1, unpaginiert. 297 Vgl. Bruno Gebhard: Health Exhibits, in: American Journal of Public Health 30 (1940) 6, S. 657–660. 298 Vgl. Homer N. Calver/Bruno Gebhard: Proposed Layout for the exhibits in the American Museum of Health vom 03.10.1939. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–36, unpaginiert. Allerdings beschäftigten sich auch die deutschen Volksbelehrer mit Mitteln zur Stärkung der Abwehrkräfte.
4.3 Bruno Gebhard und die USA
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213
gab es in mehreren Städten der USA mehr oder weniger intensive Bemühungen zur Etablierung eines Gesundheitsmuseums.²⁹⁹ In Cleveland begannen 1936 verschiedene lokale Akteure unter Führung der Academy of Medicine of Cleveland zusammen mit Calver, der zu diesem Zeitpunkt Secretary of the Museum Committee der APHA war, über den möglichen Aufbau eines Cleveland Health Museums nachzudenken. Calver empfahl, sich mit dem Museum an ein breites Publikum zu richten und sich an der Dresdner Mischfinanzierung – bestehend aus öffentlichen Zuschüssen, Mitgliedsbeiträgen, dem Verkauf von Ausstellungsmaterial und Besuchereintritten – zu orientieren.³⁰⁰ Am 7. Dezember 1936 wurde das Projekt offiziell ins Leben gerufen. Doch erst 1939 war man in Cleveland so weit, um nach einem Gründungsdirektor für das Haus zu suchen. Man wollte eine Persönlichkeit mit medizinischer Ausbildung, die nicht älter als 40 Jahre sein sollte, um eine kontinuierliche Aufbauarbeit zu Beginn des Museums zu garantieren.³⁰¹ Gebhard erfüllte die Anforderungen und überzeugte die Verantwortlichen. Er wurde zum ersten Direktor des Museums ernannt und konnte die Stelle am 15. Juni 1940 antreten.³⁰² Am 26. Mai 1940, kurz nach seiner Ernennung zum Direktor, legte Gebhard vor den Trustees und Mitgliedern des Advisory Council seine Vorstellungen von der Ausrichtung der neuen Institution dar. Diese orientierten sich erkennbar an seinen Erfahrungen in Deutschland. Ausgangspunkt des Museumskonzeptes war die Grundannahme, dass jeder Mensch möglichst gesund bleiben möchte, gerade der Durchschnittsbevölkerung für eine gesundheitsgemäße Lebensweise jedoch das nötige Wissen fehle. An dieser Stelle müsse das Health Museum ihr die entsprechenden Kenntnisse vermitteln. Dadurch biete es Hilfe zur Selbsthilfe, mache aber gleichzeitig deutlich, dass „health is not only a right but also a duty.“³⁰³ Die Hauptaufgabe eines Gesundheitsmuseums beschrieb Gebhard damit, die Bevölkerung durch die Verbreitung medizinisch-naturwissenschaftlichen Wissens zu einer gesundheitsgemäßen Lebensweise zu erziehen. Ausstellungen und Museen seien für dieses Ziel besonders geeignet, da sie einerseits leicht die Aufmerksamkeit der
299 Vgl. Schreiben Calver an H. van. Y. Caldwell vom 01.05.1936. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 5, Folder IV–2, unpaginiert. 300 Vgl. Report of the Conference with Mr. Homer Calver, Secretary of the Museum Committee of the American Public Health Association. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 5, Folder IV–2, unpaginiert. 301 Vgl. Schreiben J. A. Doull an Dr. R. M. Atwater vom 28.09.1939. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 5, Folder IV–3, unpaginiert. 302 Vgl. Schreiben Lester Taylor an Gebhard vom 18.04.1940. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 5, Folder IV–3, unpaginiert. 303 Speech of Director Bruno Gebhard, M. D. Cleveland Museum of Health & Hygiene given May 26, 1940 at a meeting of trustees and members of Advisory Council, S. 2. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 5, Folder IV–3, unpaginiert.
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Besucher auf sich zögen und andererseits durch ihre dreidimensionale sowie multimediale Präsentationsweise für das Laienpublikum besonders attraktiv wirkten.³⁰⁴ Finanziert wurde das Haus durch Mitgliederbeiträge, Stiftungen sowie die Durchführung von Ausstellungen und den Verkauf von Exponaten.³⁰⁵ Deswegen musste Gebhard zunächst noch Spendengelder einwerben, bevor er seine Vorstellungen umsetzen konnte. Dafür produzierte das Haus eine Broschüre, die den geplanten Aufbau und die voraussichtlichen Inhalte des Museums darlegte. Wie die GeSoLei wollte es den „MAN HIMSELF“ als Mysterium und Wunder in den Mittelpunkt der Ausstellung stellen, von dem sich alle weiteren Gruppen ableiteten.³⁰⁶ Eng an die Dresdner Institution anlehnend sollte das Museum im Erdgeschoss eine Werkstatt zur Produktion von Exponaten, im ersten Stock eine Dauerausstellung zur menschlichen Biologie, im zweiten Stock Sonderausstellungen über Themen der persönlichen und öffentlichen Gesundheitspflege sowie im dritten Stock eine Lecture Hall für bis zu 300 Personen beherbergen. Mit der Euclid Avenue wurde ein Standort inmitten des University Circles, noch heute Clevelands wissenschaftliches Zentrum, gewählt.³⁰⁷ Am 12. November 1940 eröffnete schließlich das Cleveland Health Museum als erste dauerhafte Einrichtung in den USA.³⁰⁸ Es war Gebhards letzte berufliche Station bis zu seinem Ruhestand 1965. Sein Werdegang verdeutlicht, wie sehr die deutsche und US-amerikanische hygienische Volksbelehrung von der Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs miteinander verwoben waren. Für die Mediziner aus den Vereinigten Staaten bedeutete der Kontakt mit ihren deutschen Kollegen den Erwerb von Expertise sowie geeigneter Ausstellungsmaterialien. Vor allem das Hygiene-Museum diente hier als Vorbild. Das war auch deswegen möglich, weil sich die amerikanische und die deutsche Perspektive auf den Körper zwar nicht glichen, jedoch ähnelten und in mehreren Feldern überschnitten.³⁰⁹ In beiden
304 Vgl. Gebhard: Outline „Health Education – Health Museums – Health Exhibits“. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 4, Folder III–6, unpaginiert; Ders.: What good are Health Museums?, S. 329–332. 305 Zur ökonomischen Bedeutung dieses Geschäftsmodells vgl. Museum income through exhibit sales by Bruno Gebhard, M. D., Director, Cleveland Health Museum, presented at the 51st Annual Meeting of the American Museum Association in Cincinnati, May 29, 1956. Dittrick Medical History Center, Robert M. Stecher Collection. Box 5, Folder 125, unpaginiert. 306 o. V.: Cleveland Health Museum, o. S. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 5, Folder IV–2, unpaginiert. 307 Vgl. Ebd. 308 Vgl. Facts about the first Health Museum opened in the United States vom 09.11.1940. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 5, Folder IV–3, unpaginiert. 309 Auch Kiran Klaus Patel weist auf die Ähnlichkeiten zwischen der NS-Körperpolitik und der des „New Deals“ in den USA hin. Vgl. Ders.: Erziehungsziel: Männlichkeit. Körperbilder und
4.3 Bruno Gebhard und die USA
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215
Ländern prägte der medizinisch-naturwissenschaftliche „Blick“ auf den Körper den Diskurs. Beide Länder versuchten mit den Expositionen, das Verhalten der Besucher in ihrem Sinn zu beeinflussen und beide zielten auf eine Verbesserung des gesamten Bevölkerungskollektivs ab. Die Stärkung der Nation in wirtschaftlicher wie militärischer Hinsicht stand dabei im Vordergrund der amerikanischen wie deutschen Anstrengungen. Um diese Ziele zu erreichen, war man auf beiden Seiten des Atlantiks – im Dritten Reich noch radikaler als in irgendeinem anderen Land – zum Ausschluss bestimmter Bevölkerungsgruppen aus der Gesellschaft bereit. Deutlich wird diese Überschneidung unter anderem an der positiven Rezeption der rassenhygienischen Inhalte der NS-Gesundheitsausstellungen sowie der „Eugenics in New Germany“ in Pasadena 1934. Auch im Cleveland Health Museum wurde 1944 eine Exposition gezeigt, die sich aus einer eugenischen Perspektive mit der Erblichkeit von geistiger Behinderung beschäftigte.³¹⁰ Die Deutschen zogen aus dem Austausch mit den USA ökonomische Vorteile sowie einen Reputationsgewinn. Dafür war man – wie ebenfalls das Beispiel der Pasadena Schau zeigt – zu Zugeständnissen hinsichtlich der gezeigten Inhalte bereit. Bruno Gebhard fungierte in dieser Konstellation als Grenzgänger, der in den USA mit seinen deutschen, in Deutschland mit seinen amerikanischen Erfahrungen reüssieren konnte. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg bereiste er das geteilte Deutschland sowie andere Staaten und trat anschließend in Amerika als Experte für die hygienischen Verhältnisse im Europa der Nachkriegszeit auf.³¹¹ Anders als Marta Fraenkel, die nach ihrer erzwungenen Auswanderung in die Vereinigten Staaten beruflich nicht mehr an ihre Stellung im Deutschen Reich anknüpfen konnte³¹², nutzte der Rostocker die Auswanderung in die USA zu einem Karrieresprung. Es ist dabei nicht ganz einfach, Gebhards Gründe für die Auswanderung zu rekonstruieren. Als ehemaliges Mitglied der SPD musste er nach der nationalsozialistischen Machtübernahme kurzzeitig berufliche Repressionen befürchten, behielt aber letztlich seine Stelle beim Messeamt und wirkte als zentraler wissenschaftlicher Koordinator an den drei großen NS-Gesundheitsschauen von 1934 bis 1936 an einflussreicher Stelle mit. Obwohl er nie in die NSDAP eintrat, legitimierte er in den Expositionen aktiv die nationalsozialistische Gesundheitspolitik mit ihren radikalen Maßnahmen wie dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses.
Körperpraktiken im Nationalsozialismus und im New Deal in den USA, in: Diehl (Hrsg.): Körper im Nationalsozialismus, S. 229–248. 310 Vgl. o. V.: Brush exhibition reveals facts on feeble-mindedness, in: Museum News . . . Cleveland Health Museum 5 (1944) 3, S. 2–3. 311 Vgl. Bruno Gebhard: Europe Revisted 1948. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 2, Folder II–1, unpaginiert. 312 Vgl. Aschenbrenner: Marta Fraenkel (1898–1976), S. 31–36.
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Erst 1937, als das Messeamt unter zunehmenden wirtschaftlichen Druck geriet, verließ er Deutschland. Dass die Entscheidung zur Auswanderung wohl nicht ausschließlich auf politischen Gründen beruhte und sich der Rostocker durchaus die Option für eine spätere Rückkehr offenhalten wollte, legt Gebhards Bitte aus dem Jahr 1937 nahe, für die Zeit seines Engagements in den USA vom Messeamt lediglich beurlaubt zu werden. Auch von der Reichsärztekammer meldete er sich ordnungsgemäß ab.³¹³ Der Bitte konnte Wischek zwar „mit Rücksicht auf die bestehenden Bestimmungen nicht“ nachkommen. Er ermöglichte ihm aber die Beendigung des „Dienstverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist“ und stellte ihm eine Wiedereinstellung nach seiner Rückkehr aus Amerika in Aussicht.³¹⁴ Auch im Arbeitszeugnis betonte Wischek, sein Mitarbeiter scheide aus eigenem Wunsch aus dem Messeamt aus.³¹⁵ Gebhards endgültige Entlassung aus dem Hygiene-Museum 1935 bedeutete auch nicht das Ende seiner guten Beziehung zu Seiring und dem Dresdner Haus, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder auflebte.³¹⁶ Gebhards Emigration lässt sich daher nicht ausschließlich auf politische Gründe oder gar politische Repressionen zurückführen, sondern war wohl auch die Reaktion auf eine sich bietende Chance, die er zu nutzen wusste.³¹⁷ Das erklärt auch, warum der Rostocker in den USA seine Kontakte nach Deutschland, vor allem zu dem Hygiene-Museum nicht abbrach, sondern im Gegenteil weiterhin pflegte und immer wieder aktualisierte. So versuchte er noch am 10. Oktober 1939, gut einen Monat nach dem deutschen Überfall auf Polen, eine Cellon-Figur aus den Dresdner Werkstätten zu erwerben.³¹⁸ Zwar scheiterte dieser Erwerbungsversuch zunächst, doch nach dem Ende des Weltkriegs gehörte das Cleveland Health Museum zu den ersten Kunden des Deutschen
313 Vgl. Schreiben Gebhard an die Reichsärztekammer vom 03.09.1937. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–58, unpaginiert. 314 Schreiben Wischek an Gebhard vom 25.08.1937. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 1, Folder I–4, unpaginiert. 315 Vgl. Zeugnis für Bruno Gebhard vom 23.08.1938. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 1, Folder I–4, unpaginiert. 316 Vgl. dazu Christian Sammer: „Das Ziel ist das gesunde Leben“. Die Verflechtungen zwischen dem Deutschen Gesundheits-Museum in Köln und dem Deutschen Hygiene-Museum in Dresden in den 1950er Jahren, in: Detlev Brunner/Udo Grashoff /Andreas Kötzing (Hrsg.): Asymmetrisch verflochten? Neue Forschungen zur gesamtdeutschen Nachkriegsgeschichte, Berlin 2013, S. 133– 147. 317 Auch Christoph Kivelitz führt Gebhards Auswanderung in erster Linie auf ökonomische Gründe zurück. Vgl. Ders.: Die Propagandaausstellung in europäischen Diktaturen. Konfrontation und Vergleich, S. 60. 318 Vgl. Schreiben Seiring an Gebhard vom 10.10.1939. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 1, Folder I–6, unpaginiert.
4.3 Bruno Gebhard und die USA
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Gesundheits-Museums, das Seiring in Köln aufbaute und das ebenfalls CellonFiguren herstellte.³¹⁹ In Gebhards Laufbahn spiegeln sich so paradigmatisch die Verflechtungen zwischen deutschen und amerikanischen Gesundheitsausstellungen sowie Gesundheitsmuseen. Sie zeigt, wie die internationalen Expositionen für persönliche oder institutionelle Reputationsgewinne genutzt wurden und welchen Einfluss darauf ökonomische Aspekte hatten. Gebhards Geschichte zeigt zuletzt auch die tiefe Ambivalenz, die den Umgang mit dem Körper in dieser Zeit charakterisierte; der zwischen der Förderung des gesundheitlichen Wissens der Bevölkerung sowie deren autoritärer Erziehung, der zwischen partizipativen Momenten und dem diskursiven Ausschluss Einzelner schwankte. Diese Ambivalenz prägte in der „klassischen Moderne“ den medizinisch-naturwissenschaftlichen „Blick“ der hygienischen Volksbelehrer im Deutschen Reich wie in Amerika. Auch deswegen war Gebhards Grenzgang auf beiden Seiten des Atlantiks möglich.
Zwischenfazit Hierin ähnelten sich die US-amerikanische sowie die niederländische Rezeption der deutschen Gesundheitsausstellungen. In allen drei Ländern hatten die Ausstellungen die gleichen Aufgaben, sollten sie medizinisch-naturwissenschaftliches Wissen verbreiten und die Bevölkerung zu einem gesundheitsgemäßen Leben anhalten. Die USA und die Niederlanden zogen daraus jedoch andere politische Konsequenzen als das Deutsche Reich, radikalisierten sich nicht in gleichem Maße wie der NS-Staat und erlebten dadurch eine andere Geschichte. Während zumindest in Teilen der USA ebenfalls eugenische Maßnahmen umgesetzt wurden³²⁰, stand dem in den Niederlanden die tief sitzende Skepsis der Bevölkerung gegenüber allzu weitgehende Staatsinterventionen in die Privatsphäre des Einzelnen entgegen, die das Land bis heute prägt. Doch der Erfolg der deutschen Gesundheitsausstellungen in den Niederlanden, den USA oder auch in Großbritannien offenbart, wie verbreitet die auf den Expositionen bestimmenden Ordnungsvorstellungen vom Körper waren.³²¹ Anders als in den Niederlanden wuchs das Interesse in den USA 319 Vgl. Bruno Gebhard: Zehn Jahre Cleveland Health Museum. Sonderdruck aus der Zeitschrift Städtehygiene 1951/Nr. 7. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 4, Folder III–3, unpaginiert. 320 Vgl. dazu u. a. Barbara Lüthi: Invading bodies. Medizin und Immigration in den USA 1880– 1920, Frankfurt am Main u. a. 2009, S. 79–85; Michael Schwartz: Eugenik und „Euthanasie“. Die internationale Debatte und Praxis bis 1933/1945, in: Klaus-Dietmar Henke (Hrsg.): Tödliche Medizin im Nationalsozialismus. Von der Rassenhygiene zum Massenmord, Köln 2008 u. a., S. 65–83. 321 Für Europa vgl. Dagmar Herzog: Sexuality in Europe. A twentieth-century history, Cambridge u. a. 2011; Mazower: Der dunkle Kontinent, S. 118–155.
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an dem Medium allerdings erst in den späten 1920er Jahren; in den 1930er Jahren erfuhr dort die Gesundheitsschau dafür eine deutlich größere räumliche Verbreitung und erlebte in Form des Cleveland Health Museum eine lang andauernde Institutionalisierung. Niederländische Akteure beteiligten sich dagegen schon seit der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 an den deutschen Projekten und organisierten in den 1920er Jahren eine Reihe eigener Expositionen. Mit der von der Zeitschrift „Het Leven“ ins Leben gerufenen Schau „De Mensch“ wurde im Nachbarland die Veranstaltung von Gesundheitsausstellungen privatisiert. Ausstellungen, die durch eine für deutsche Projekte so charakteristische Kooperation von Lokalpolitikern, Medizinern sowie der Wirtschaft erarbeitet wurden, gingen dagegen zurück. Die langjährige Beteiligung ausländischer Staaten an den deutschen Expositionen und die deutschen Bemühungen um internationale Teilnehmer unterstreichen die Bedeutung der Veranstaltungen als Foren staatlicher Selbstdarstellung vor der eigenen Bevölkerung sowie den ausländischen Beobachtern. Aus diesem Grund waren sie nie ausschließlich wissenschaftspopularisierende Projekte, sondern immer auch politisch und immer betroffen von innenwie außenpolitischen Einflüssen. Die Inhalte, die Einladung anderer Nationen oder der Ablauf der repräsentativen Eröffnungsfeierlichkeiten waren eingerahmt von außenpolitischen Fragen, waren geprägt von transnationalen Prozessen und lassen sich nur in deren Kontext verstehen. Das Netzwerk der hygienischen Volksbelehrer war immer eingebunden in die politische, wirtschaftliche und kulturelle Stimmung der Zeit. Ungeachtet aller politischen Friktionen in der Zeit des „europäischen Bürgerkriegs“³²² breitete sich das Konzept der Gesundheitsausstellung und des Gesundheitsmuseums auf der ganzen Welt aus.³²³ Dies sollte gleichwohl nicht als einfacher Export einer deutschen Idee ins Ausland begriffen werden. Vielmehr begegnete das Konzept einem weit verbreiteten Interesse an hygienischer Volksbelehrung und Wissenschaftspopularisierung; traf Lingners Idee auf ein ihr förderliches Klima im In- und Ausland. Die Gesundheitsausstellungen wurden außerhalb des Deutschen Reichs nicht einfach eins zu eins übertragen, sondern abgewandelt und an lokale Kontexte angepasst. So blieben sie in den USA weitgehend Teil von Weltausstellungen und in den Niederlanden in der Regel dem Duktus der Expertenexposition verhaftet. Darüber hinaus nahmen die ausländischen Teilnehmer Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der Expositionen, prägten ihr Gesicht und trugen zum Erfolg des Mediums Gesundheitsausstellung vom späten Kaiserreich bis zum Zweiten
322 Enzo Traverso: Im Bann der Gewalt. Der europäische Bürgerkrieg 1914–1945, München 2008. 323 Vgl. o. V.: Medical Museums around the World. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection Box 3, Folder II–35, Card 01, unpaginiert.
4.3 Bruno Gebhard und die USA
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Weltkrieg bei. Sie sind ein Anzeichen für die Bedeutung von Gesundheitsfragen in der Öffentlichkeit, für die Bedeutung des Diskurses über den Körper während der „klassischen Moderne“ nicht nur im Deutschen Reich, sondern weit darüber hinaus. Es gilt nun danach zu fragen, wie dieser im Deutschen Reich strukturiert war und welchen Sagbarkeitsregeln er folgte.
5 Strukturen des Körperdiskurses vom späten Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus Gesundheitsausstellungen waren mehr als nur Ausdruck der zunehmenden Wissenschaftspopularisierung seit der Jahrhundertwende, mehr als massen- oder populärkulturelle Veranstaltungen, Werbe- und Repräsentationsorte. Gesundheitsausstellungen waren nicht zuletzt Foren, auf denen der körperliche Zustand der Bevölkerung ausgelotet, über Gesundheit und Krankheit diskutiert und die Grenzen menschlicher „Normalität“ verhandelt wurde.¹ Die Gesundheitsausstellungen fungierten so als Plattformen des vielfältigen, miteinander verwobenen, einander widersprechenden und einander ergänzenden Diskurses, der um den Körper als sein inhaltliches Zentrum kreiste. Die Expositionen führten die Breite der gesellschaftlichen Akteure, die sich in irgendeiner Weise mit dem Körper beschäftigten, unter dem Oberthema Gesundheit und Krankheit zusammen. Der Körper stand im Zentrum aller Ausstellungen. Um ihn drehte sich das Gezeigte und auf ihn konnten sich alle Teilnehmer beziehen. Dass dies der Fall war, zeigt die herausgehobene Position der Gruppe „Der Mensch“ des Dresdner Hygiene-Museums. Diese Gruppe, die Aufbau sowie Funktionsweise des menschlichen Körpers behandelte und zu deren Höhepunkten die Spalteholz-Präparate sowie ab 1930 der „Gläserne Mensch“ gehörten, stand immer im Mittelpunkt der Schauen. Sie erzielte die größte Aufmerksamkeit von Fachleuten wie der breiten Öffentlichkeit. Der „Gläserne Mensch“ – so vielfältig und interpretationsoffen seine Bedeutung war – kann damit auch als Symbol dafür verstanden werden, wie sehr sich die Gesundheitsausstellungen um den Körper drehten.² Die Analyse ihrer Inhalte eröffnet daher die Möglichkeit, den weit verstreuten und schwer greifbaren Körperdiskurs in der „klassischen Moderne“ in seiner Vielfalt, seiner Verschiedenheit und seiner Verwobenheit in den Blick zu nehmen. Dies macht deutlich, dass der Diskurs nicht ein-, sondern vieldeutig, nicht nur aus-, sondern auch einschließend war. Der Körper fungierte als Bezugspunkt, auf den alle Akteure verweisen und dadurch Gemeinsamkeiten untereinander herstellen konnten. Die unterschiedlichen Stränge im Diskurs, die unterschiedlichen Per-
1 Zur Auseinandersetzung mit dem Begriff „Normalität“ vgl. u. a. Link: Versuch über den Normalismus. 2 Dies betont etwa Roth: Menschenökonomie oder der Mensch als technisches und künstlerisches Meisterwerk, S. 39–67, hier S. 56–57. DOI 10.1515/9783110469011-005
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spektiven auf den Körper bewegten sich dadurch innerhalb eines geteilten Feldes und blieben trotz aller Differenzen aufeinander beziehbar.³ Insgesamt vier Perspektiven lassen sich identifizieren, die schon die Auseinandersetzung mit dem Körper auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 prägten. Die Wende vom 19. auf das 20. Jahrhundert markierte erstens den endgültigen Durchbruch des Messens und Zählens in Medizin wie Sozialwissenschaften im Speziellen und der Gesellschaft im Allgemeinen. Mit Hilfe von Statistiken, Reihendarstellungen oder anderen Messverfahren wurde der menschliche Körper ab 1900 mehr und mehr quantifiziert, wurden körperliche Eigenschaften in Zahlenwerte und abstrakte Formen übersetzt.⁴ Diese Vermessung ermöglichte die Bildung von Durchschnittswerten; sie bildete die Grundlage für die Vorstellung „normaler“ Durchschnittskörper.⁵ Eng verbunden mit der Vermessung des Körpers war zweitens die Bewertung seiner Leistungsfähigkeit. Insbesondere die Betonung von Arbeitskraft und Arbeitsfähigkeit, aber auch die durch den englischen Wettkampfsport im Deutschen Reich etablierte Aufmerksamkeit für sportliche Erfolge bildeten hierbei zentrale Bezugspunkte.⁶ Leistungs- und Arbeitsfähigkeit waren darüber hinaus die entscheidenden Eigenschaften, die über Partizipationschancen an der Gesellschaft entschieden. Hier manifestierte sich das Ausgrenzungspotential des Körperdiskurses in aller Schärfe. Drittens bildete die Ästhetik, das Äußere des Körpers einen Eckpfeiler des Diskurses. Die Ausbreitung von Lebensreformbewegung und visueller Massenkultur, aber auch die beispielsweise in der Kriminologie verbreitete Ansicht, verbrecherische Anlagen am Körper eines Menschen erkennen zu können oder die Konstitutionstypenlehre prägten die zeitgenössischen Perspektiven auf den Körper.⁷ Dieser wurde in unterschiedlichen Situationen nach
3 Ein solches Feld untersucht beispielsweise auch Thomas Etzemüller. Vgl. Ders: Ein ewigwährender Untergang. Wie sich ein um ein bestimmtes Thema entfaltender Diskurs abhängig von den an ihm beteiligten Akteuren unterscheiden konnte, zeigt exemplarisch Michael Hagner: Der Hauslehrer. Die Geschichte eines Kriminalfalls. Erziehung, Sexualität und Medien um 1900, Berlin 2010. 4 Vgl. Ian Hacking: The taming of chance, Cambridge u. a. 1990. 5 Vgl. Jürgen Link: „Irgendwo stößt die flexibelste Integration schließlich an seine Grenze“ – Behinderung zwischen Normativität und Normalität, in: Sigrid Graumann/Katrin Grüber/Jeanne Nicklas-Faust u. a. (Hrsg.): Ethik und Behinderung. Ein Perspektivenwechsel, Frankfurt am Main u. a. 2004, S. 130–139, hier S. 133. 6 Vgl. u. a. Joan Campbell: Joy in work, German work. The national debate, 1800–1945, Princeton 1989; Anson Rabinbach: The Human Motor. Energy, Fatigue, and the Origins of Modernity, New York 1990; Michael Hau: Sports in the Human Economy, „Leibesübungen“, Medicine, Psychology, and Performance Enhancement during the Weimar Republic, in: CEH 41 (2008) 3, S. 381–412. 7 Vgl. u. a. Hans-Peter Kröner: Äußere Form und Innere Krankheit: Zur klinischen Fotografie im späten 19. Jahrhundert, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 28 (2005) 2, S. 123–134; Helen
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optischen, nach ästhetischen Kriterien bewertet und eingeordnet. Viertens war das öffentliche Reden über den Körper moralisch aufgeladen. Gesundheit wurde Pflicht; eine gesunde Lebensweise, ein angemessenes Sozial- sowie Sexualleben zur Norm und Abweichungen zunehmend mit Ausschluss aus der Gesellschaft sanktioniert.⁸ Einerseits wurde sozial stigmatisiertes Verhalten als ein im Körper liegendes Problem gefasst, andererseits wurde die Erfüllung sozialer Normen als Weg zur gesellschaftlichen Integration dargestellt. „Vermessene Körper“, „Leistende Körper“, „Ästhetische Körper“ und „Genormte Körper“ bildeten daher die vier Ordnungsschemata, die vier Perspektiven auf den Körper, die den Diskurs strukturierten und ihm trotz aller Vieldeutigkeiten seine Einheit stifteten, indem sie den Akteuren einen stabilen Bezugsrahmen lieferten. Selbst Kritiker bezogen sich auf sie, blieben auf sie verwiesen. Die Unterscheidung der Perspektiven ist idealtypisch; sie griffen ineinander, waren miteinander verschränkt und bauten aufeinander auf. Der Zuschnitt der Arbeit beruht jedoch auf der Annahme, dass eine Analyse dieser Ordnungsschemata Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Akteuren offenlegen kann, die ansonsten nicht offensichtlich sind. Die Perspektiven in ihrer Komplexität nachzuzeichnen, ist deswegen Hauptanliegen dieses Kapitels.⁹ Der Diskurs kreiste um das Gegensatzpaar Gesundheit und Krankheit als zentrales Kriterium zur Beurteilung körperlicher, mentaler oder moralischer Eigenschaften. Die Unterscheidung zwischen gesund und krank war nicht absolut, sondern graduell und von vielfältigen Schattierungen geprägt. Die Gesundheit der Bevölkerung zu erhalten und zu steigern war das Hauptanliegen der Ausstellungen. Gesundheit war jedoch immer prekär; war dauernd bedroht und konnte stets in Krankheit umschlagen, die das Individuum wie die Gesellschaft belastete. Diese Vorstellung von einem in seiner Integrität permanent von außen bedrohten individuellen Körper war maßgeblich von der Bakteriologie beeinflusst, die den Ausbruch von Krankheiten ursächlich auf einen äußeren Erreger zurückführte und der Medizin damit konkretere Interventionsmöglichkeit eröffnete als dies zuvor
Bömelburg: Der Arzt und sein Modell. Porträtfotografien aus der deutschen Psychiatrie 1880 bis 1993, Stuttgart 2007; Wedemeyer-Kolwe: „Der neue Mensch“. 8 Vgl. als Klassiker George L. Mosse: Nationalismus und Sexualität. Bürgerliche Moral und sexuelle Normen, München 1985. 9 Angela Stercken versucht am Beispiel der GeSoLei ebenfalls unterschiedliche Perspektiven auf den Körper zu beschreiben, orientiert sich mit der Unterteilung in „Der gesunde Mensch“, „Der soziale Mensch“ und „Der sportliche Mensch“ aber ganz am Aufbau der Düsseldorfer Schau und bleibt darüber hinaus im Wesentlichen auf die Ausstellung von 1926 beschränkt. Vgl. Stercken: Die Gesolei als Schaubild des Körpers. Sektionen, Überblick, S. 99–123.
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der Fall war.¹⁰ Gesundheit konnte deswegen nicht durch einen einmaligen Akt erworben, musste vielmehr ständig aufs Neue erarbeitet werden. Die Gesundheit des Einzelnen wie des „Volkskörpers“¹¹ standen demnach im Zentrum der Aufmerksamkeit der hygienischen Volksbelehrung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ohne Gesundheit, so führte schon Karl August Lingner in seiner Denkschrift für die Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 aus, sei „an eine Behaglichkeit und an ein Glück auf Erden [nicht] zu denken“.¹² Für den Staat sei die Gesundheit seiner Bevölkerung von Bedeutung, weil „die Zukunft schließlich dem Volke gehören wird, welches sich körperlich am widerstandsfähigsten und damit am wehrfähigsten erhält.“¹³ Lingner hatte damit einen Ton getroffen, der auch die kommenden Gesundheitsausstellungen prägte. Gesundheit bedeutete hier mal die Grundlage „unserer körperlichen und geistigen Kraft“¹⁴, mal „Lebensglück für den Einzelnen, Kraft und Macht für das Volk.“¹⁵ Noch 1935 betonte Gebhard, im Mittelpunkt der Exposition stehe „der Mensch, erbgesund und rassisch vollwertig, der heute Richtschnur unseres politischen und gesellschaftlichen Daseins ist.“¹⁶ Dies weist zugleich auf eine Verschiebung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hin. Die Kategorie Gesundheit wurde zunehmend verzeitlicht, erstreckte sich als Erbgesundheit sowohl auf die Gegenwart als auch auf Vergangenheit und Zukunft. Darüber hinaus erhielt sie eine rassistische Komponente. Gleichwohl blieb der gesunde Körper über den gesamten Untersuchungszeitraum zentraler Bezugspunkt der Verantwortlichen. Krankheit bildete demgegenüber die negative Kontrastfolie, vor der sich Gesundheit abhob. Krankheiten waren „die heimtückischen, hinterlistigen Feinde des Menschen, seine Quäl- und Plagegeister, die ihn mit ihren
10 Vgl. Philipp Sarasin: Die Visualisierung des Feindes. Über metaphorische Technologien der frühen Bakteriologie, in: Sarasin/Berger/Hänseler u. a. (Hrsg.): Bakteriologie und Moderne, S. 427– 461; Paul Weindling: Ansteckungsherde. Die deutsche Bakteriologie als wissenschaftlicher Rassismus 1890–1920, in: Sarasin/Berger/Hänseler u. a. (Hrsg.): Bakteriologie und Moderne, S. 354–374; Christoph Gradmann: Krankheit im Labor. Robert Koch und die medizinische Bakteriologie, Göttingen 2005, S. 124–134. 11 Zum Begriff des „Volkskörpers“ vgl. Ute Planert: Der dreifache Körper des Volkes: Sexualität, Biopolitik und die Wissenschaften vom Leben, in: GG 26 (2000) 4, S. 539–576. 12 Schreiben Lingner an Beutler vom 01.08.1906. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/ Nr. 3572, Bl. 33–57, hier Bl. 38. 13 Lingner: Einige Leitgedanken zu der Sonderausstellung, S. 531–547, hier S. 547. 14 Karl Bornstein: Von der RGW zur Gesolei!, in: Blätter für Volksgesundheitspflege 26 (1926) 5, S. 78. 15 o. V.: Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, in: Deutsches Hygiene-Museum Dresden (Hrsg.): Hygiene-Ausstellung Dresden 1930. Programm-Entwurf Januar 1928, S. 5–12, hier S. 6–7. 16 Bruno Gebhard: „Das Wunder des Lebens“ Ausstellung Berlin 1935, in: Messe und Ausstellung 17 (1935) 7, S. 1.
5.1 „Vermessene Körper“
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225
spitzen gefährlichen Waffen bedrohen und ihm das Dasein zur Hölle machen.“¹⁷ Die Unterscheidung zwischen Gesundheit und Krankheit durchzog alle auf den Gesundheitsausstellungen greifbaren Perspektiven auf den Körper und war implizit oder explizit auf den Expositionen andauernd präsent.
5.1 „Vermessene Körper“ Techniken des Messens und Zählens, der Typenbildung sowie deren Präsentation in Form von Statistiken oder Kurven gehören zu den Basisoperationen moderner Wissenschaften.¹⁸ „The numbering of the world“ setzte im 18. Jahrhundert ein und breitete sich anschließend in sämtliche Gesellschaftsbereiche aus.¹⁹ Der Körper wurde seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend gezählt, gemessen, zu einem Kollektiv aggregiert oder aber in seine funktionalen Bestandteile zerlegt.²⁰ Die exzessive Vermessung individueller Körper machte diese miteinander vergleichbar; ermöglichte erst die Bildung von statistisch legitimierten Normen. Gleichzeitig boten diese Normen insbesondere für die Medizin „Gewissheit, sowohl bei der Aufstellung klarer diagnostischer Kategorien als auch bei der Bewertung von Therapien.“²¹ Praktiken des Messens und Zählens abstrahieren vom Individuum und blicken auf überindividuelle Durchschnittswerte. Für die Medizin war die Ausbreitung dieser Art, den Körper zu betrachten, eine einschneidende Veränderung. Denn sie ermöglichte, Krankheiten in einer neuartigen Weise zu diagnostizieren, indem sie körperliche Zustände „in eine diskrete, in Zahlen ausdrückbare Abweichung von einem gesunden Normalzustand übersetzen.“²² Gerade in der Medizin und den Naturwissenschaften sind Norm, Normierung und Vermessung so stark aufeinander verwiesen, dass hier „biologische Normen gerne als bloße Vermes-
17 Friedrich August Weber: Die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 als Wegweiser und Wegbereiter späterer Arbeit, in: Georg Seiring/Marta Fraenkel (Hrsg.): 10 Jahre Dresdner Ausstellungsarbeit. Jahresschauen deutscher Arbeit 1922–1929 und Internationale HygieneAusstellung 1930/1931, Dresden 1931, S. 163–204, hier S. 174. 18 Dies betont etwa Carlo Ginzburg: Spurensicherung, in: Ders. (Hrsg.): Spurensicherung. Die Wissenschaft auf der Suche nach sich selbst, Berlin 2011, S. 7–57, hier S. 33. 19 Hacking: The taming of chance, S. 60. 20 Vgl. dazu mit Blick auf Musterung und Wehrfähigkeit Heinrich Hartmann: Der Volkskörper bei der Musterung. Militärstatistik und Demographie in Europa vor dem Ersten Weltkrieg, Göttingen 2011. 21 Bynum: Geschichte der Medizin, S. 89. 22 Volker Hess: Der wohltemperierte Mensch. Wissenschaft und Alltag des Fiebermessens (1850– 1900), Frankfurt am Main u. a. 2000, S. 14.
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sung und Objektivierung einer dem Menschen eigenen Natur betrachtet werden.“²³ Die Mathematisierung des Körpers stand für den – mit den Naturwissenschaften verbundenen – Anspruch der Medizin auf die Objektivität ihrer Diagnosen. Damit konnten Ärzte zunehmend die Deutungshoheit über den Körper beanspruchen und sich von den individuellen Empfindungen der Patienten emanzipieren.²⁴ Darüber hinaus diente ihnen der Rekurs auf ihre wissenschaftliche Objektivität auch als Argument, um ihre politischen wie gesellschaftlichen Gestaltungsansprüche zu legitimieren.²⁵ Während der Gesundheitsexpositionen stand der vermessene Körper im Mittelpunkt des Ausstellungsareals; die im Kern der Ausstellungen verortete medizinischnaturwissenschaftliche Gruppe „Der Mensch“ des Dresdner Hygiene-Museums sowie die „Populäre Halle“ Lingners demonstrierten den Besuchern Aufbau und Funktion des Körpers. Dort wurde er in seine Bestandteile zerlegt, typischen Erscheinungsformen zugeordnet und seine idealisierte Funktionsweise dargestellt. Die Spalteholz-Präparate, später der „Gläserne Mensch“ waren hierfür herausragende Objekte. Denn sie ermöglichten es, dass „der innere Aufbau und die Tätigkeit [der Organe S. W.] genau beobachtet werden können.“²⁶ Sie führten den Besuchern die „Bildung des menschlichen Knochengerüstes [. . . ], Entwickelung der Gesichtsknochen, Oberkiefer, Unterkiefer, Jochbein, des Keilbeins, des Hinterhauptbeins, der Oberschenkel“ und mit Hilfe von Ganzkörperpräparaten das Wachstum von Embryonen im Mutterleib vor Augen.²⁷ Damit schufen sie die Vorstellung eines sich nach objektiv mess- und feststellbaren Gesetzmäßigkeiten entwickelnden Körpers. Doch auch andere Exponate dienten seiner Typisierung, Kategorisierung oder Zerlegung. Zahlreiche Bilder oder Abbildungen auf sämtlichen Gesundheitsexpositionen und quer durch alle Ausstellungsbereiche hindurch ordneten die Individuen körperlichen oder geistig-seelischen Typen zu und zerlegten Körperbewegungen in ihre schematischen Einzelheiten. Sportler oder Sozialhygieniker griffen auf diese Darstellungsform ebenso zurück wie Psychiater, Mediziner oder
23 Volker Hess: Einführung. Messende Praktiken und Normalität, in: Ders. (Hrsg.): Normierung der Gesundheit. Messende Verfahren der Medizin als kulturelle Praktik um 1900, Husum 1997, S. 7–16, hier S. 9. 24 Vgl. dazu Ebd.; Martin Lengwiler: Konjunkturen und Krisen in der Verwissenschaftlichung der Sozialpolitik im 20. Jahrhundert, in: AfS 50 (2010), S. 47–68, hier S. 47. Zum früheren Verhältnis zwischen Arzt und Patient vgl. Duden: Geschichte unter der Haut. 25 Vgl. dazu Weidner: Die unpolitische Profession. 26 Max Grünewald: Die „Ge-So-Lei“ in Düsseldorf, in: Japanisch-Deutsche Zeitschrift für Wissenschaft und Technik (Nichi-Doku Gakugei) 4 (1926) 6, S. 159–161, hier S. 160. 27 Georg Meyer: Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden. (Ein Rückblick), in: Berliner Klinische Wochenschrift 48 (1911) 45, S. 2050–2051, hier S. 2050.
5.1 „Vermessene Körper“
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Arbeitsphysiologen.²⁸ Sie verwendeten Repräsentationsformen, die wie die Chronophotographie im 19. Jahrhundert entwickelt worden waren und eng mit der Vorstellung des „Human Motors“ zusammenhingen.²⁹ Dahinter stand die Auffassung, dass sich Menschen zwar nicht vollständig glichen, aber „überall gewisse Typen“ erkennbar waren, die „bestimmte dauerhafte Merkmale der körperlichen und seelischen Verfassung“ einte.³⁰
Die Vermessung körperlicher Eigenschaften Dieser Vorstellung ist ein permanenter Vergleich immanent; ein ständiger Abgleich des individuellen Körpers mit dem Typischen, dem Durchschnitt, dem Ideal. Erst durch den Vergleich werden Muster sichtbar. Erst dadurch wird die Einteilung des Einzelnen in feste, kollektivierende Ordnungen stabilisiert. Die Abweichung von diesen Ordnungen konnte als ein Anzeichen für Krankheiten interpretiert werden. In Dresden 1911 demonstrierte beispielsweise eine Reihe menschlicher und tierischer Schädel die „‚Grundlagen des Schwachsinns‘“.³¹ Ein Hydrocephalus, ein Mikrozephalus oder die unterdurchschnittliche Größe einer „Zwergin“ von 94,4 cm bildeten hier die Grundlage für die Diagnose einer geistigen Behinderung.³² Gleichzeitig wurden auf den Expositionen von Anfang an die körperliche Leistungsfähigkeit des Ausstellungsbesuchers sowie seine körperlichen Grenzwerte mit Hilfe von Zahlenwerten bestimmt. So ermöglichte in Dresden ein Spirometer dem Besucher, „seine Lunge zu prüfen und festzustellen, ob sie den normalen Anforderungen genügt.“³³ Vergleichbare Exponate inklusive vier Spirometern fanden
28 Für eine unsystematische Auswahl vgl. eine schematisierte Darstellung des idealen Bewegungsablaufs beim Hürdenlauf auf der GeSoLei. StdA Düsseldorf 0–1–18–1320, unpaginiert; die Darstellung von „Arten typischer Körperbewegungen“ in Dresden 1911. o. V.: Internationale HygieneAusstellung Dresden 1911, in: Pädagogische Studien 32 (1911) 2, S. 170–172, hier S. 170 oder die Einteilung der Bevölkerung in „seelische Typen“. Rainer Fetscher: Körper- und Lebensgestaltende Faktoren, in: Martin Vogel (Hrsg.): Der Mensch. Vom Werden, Wesen und Wirken des menschlichen Organismus, Leipzig 1930, S. 340–356, hier S. 345–350. 29 Vgl. Rabinbach: The Human Motor, S. 104–119. 30 Fotodokumentation Das Leben. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2006/329, Abbildung 77. 31 Kürbitz: Die Internationale Hygiene-Ausstellung zu Dresden, in: Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 13 (1911/1912) 10, S. 89–91, hier S. 90. 32 Ebd., S. 90. Zur Diagnose geistiger Eigenschaften aufgrund der Schädelform vgl. Hagner: Hirnbilder, S. 145–160. 33 o. V.: Offizieller Führer durch die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 und durch Dresden und Umgebung, S. 49.
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sich noch in der „Hall of Man“ auf der New Yorker Weltausstellung von 1939.³⁴ In der Dresdner „Populären Halle“ markierten außerdem drei Thermometer die normale Körpertemperatur eines Menschen sowie die höchste und niedrigste bislang gemessene Temperatur, die je überlebt worden war. Eine „einfache Zahlenreihe“ gab ihrem Betrachter darüber Auskunft, wie „lange er voraussichtlich noch leben wird“ und ein weiteres Modell führte einen klinisch unauffälligen Pulsschlag vor.³⁵ Viel Beachtung fand ein großes Glasgefäß, das mit 365 Liter rotem Wasser gefüllt war. Es repräsentierte „die Menge des menschlichen Blutes, das vom Herzen in einem Zeitraum von einer halben Stunde durch die Adern getrieben wird.“³⁶ Ein direkt daneben befindlicher Gummiball veranschaulichte den Druck, den das Herz für diese Tätigkeit aufbauen musste. Auf der „Wunder des Lebens“ und den nachfolgenden Wanderausstellungen demonstrierte eine Pumpvorrichtung die Blutmenge, die innerhalb von drei Minuten das Herz durchläuft.³⁷ Dessen Arbeitsleistung erhielt ohnehin auf allen Expositionen große Aufmerksamkeit. Auf der GeSoLei 1926 wurde sie mit einem Aufzug verglichen, der eine Person auf die Spitze des Kölner Doms transportierte.³⁸ 1935 befand sich ein mehrere Meter hohes Modell des Berliner Funkturms in einer Ausstellungshalle. Eine Beschriftung erläuterte, das Herz sei „imstande, 2 Personen auf den 130 m hohen Funkturm zu befördern.“³⁹ Auch andere Körperteile oder körperliche Eigenschaften wurden auf den Expositionen vermessen und gezählt. So demonstrierten beispielsweise Exponate die maximale Gewichtsbelastung menschlicher Schienbeine oder die Gesamtoberfläche der Lunge.⁴⁰ Die Exponate waren Übersetzungen körperlicher Eigenschaften in quantitative Angaben. Diese waren kollektiv
34 Vgl. Gebhard: Hall of Man. New York World’s Fair. Hall of Medicine and Public Health vom 13.12.1938, S. 5–6. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–49, unpaginiert. 35 Otto: In der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden, in: Daheim 47 (1911) 39, S. 10–13, hier S. 11. 36 Paul Zschorlich: Die Dresdener Hygiene-Ausstellung, in: Die Hilfe. Wochenschrift für Politik, Literatur und Kunst 17 (1911) 22, S. 345–347, hier S. 346. 37 Vgl. Fotodokumentation Das Leben. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2006/329, Abbildung 14. 38 Vgl. Fotodokumentation Gesolei Düsseldorf 1926 VIII. Sammlung Deutsches HygieneMuseum Dresden DHM 317 VIII, Abbildung 16. 39 Für die Abbildung vgl. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection GF–6–25. Zum Exponat vgl. außerdem Herbert Bayer: Aspects of Design of Exhibitions and Museums, in: Curator. A quarterly publication of the American Museum of Natural History 4 (1961) 3, S. 257–288, v. a. S. 267–268. Das Funkturmmodell erzielte auch in den Niederlanden größere Aufmerksamkeit. Vgl. o. V.: Tentoonstelling De Mensch, S. 3. 40 Vgl. Notizen von Wilhelm Grimme anlässlich einer Reise zur Hygiene-Ausstellung nach Dresden 1930. Hauptarchiv der von Bodelschwinghschen Stiftung Bethel, HAB N–01–435, unpaginiert;
5.1 „Vermessene Körper“
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erhoben, stellten einen Durchschnitts-, nicht Individualkörper dar und beruhten auf der Vorstellung von einem „‚Normalmensch‘“, der als Vergleichsfolie für die Ausstellungsbesucher fungierte.⁴¹
Selbstvermessungen Andererseits boten die deutschen Expositionen dem Publikum die Möglichkeit, sich selbst zu vermessen und den eigenen Körper mit den Durchschnitts-, Idealsowie Grenzwerten in Beziehung zu setzen. So konnten auf der Zweiten Internationalen Hygiene-Ausstellung die Anwesenden ihren täglichen Kalorienbedarf bestimmen. Dazu wurden ihre Größe sowie ihr Gewicht gemessen und nach der Angabe ihres Alters der Kalorienbedarf ermittelt.⁴² Auf der „Wunder des Lebens“ 1935 befanden sich ebenfalls Instrumente, mit denen der Besucher die Leistung einzelner Organe überprüfen konnte. Ein zeitgenössischer Berichterstatter verband die Beschreibung der Exponate mit der Aufforderung, den eigenen Körper zu trainieren, wenn die Ergebnisse der Messungen nicht wie gewünscht ausfielen.⁴³ Den Höhepunkt dieser Selbstvermessung bildete die „Halle der Selbsterkenntnis“ auf der Ausstellung „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ von 1938. In dieser „Prüfungshalle“⁴⁴ wurde der Körper wie „ein Motor auf den Prüfstand“ gestellt.⁴⁵ Ärztlichen Kontrollen kam in diesem Kontext die Aufgabe zu, wie „der Kundendienst das Auto untersucht“, den Körper der Bevölkerung zu durchmustern und „Frühschäden“ vorbeugend zu behandeln.⁴⁶ Die Ausstellung von 1938 de-
Fotodokumentation Das Leben. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2006/329 Abbildung 102; Garrison: The Gesolei at Düsseldorf, S. 1–6, hier S. 6; To: „Das Wunder des Lebens“, S. 322–326, hier S. 325. 41 o. V.: Volkstümliche Abteilung, in: Städtisches Ausstellungsamt (Hrsg.): Ausstellung für Gesundheitspflege, S. 35–63, hier S. 42. 42 Vgl. o. V.: „Wieviel darf ich essen?“ Darstellung auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden, in: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden. Mai – Okt. 1930. Offizielle Ausstellungszeitung 1 (1930) 11, S. 4. 43 Vgl. Otto Deschle: Das Wunder des Lebens, in: Die Ersatzkasse 19 (1935) 4, S. 68–70, hier S. 69. 44 o. V.: Ein Rückblick auf die Berliner Ausstellung „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“, in: Ziel und Weg. Zeitschrift des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes 8 (1938) 23, S. 659–661, hier S. 660. 45 Albert Wischek: Zur Reichsausstellung Berlin 1938 „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“, in: Messe und Ausstellung 20 (1938) 20, S. 1. 46 o. V.: Wir gehen durch die Ausstellung, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messeund Fremdenverkehrs-GmbH (Hrsg.): Amtlicher Katalog für die Ausstellung „Gesundes Leben Frohes Schaffen“. Berlin 1938, 24. Sept. bis 6. Nov. Ausstellungsgelände am Funkturm, Berlin 1938, S. 145–179, hier S. 147.
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monstrierte dem Publikum, wie diese Kontrolluntersuchungen aussehen konnten: Die vormals über die gesamten Gruppen einer Exposition verstreuten Apparate der Selbstvermessung wurden unter dem Motto „Erkenne dich selbst“ an einem Ort zusammengezogen, wo man sich und seinen Körper überprüfen konnte. Beinahe 100 000 Menschen ließen Daumenabdruck, Gewicht, Größe, Grundumsatz in Kalorien, Puls, Blutdruck, Atmung, Körperkraft, Ermüdungskurve, Reaktionsvermögen, Farbsinn und Sehvermögen untersuchen und die Ergebnisse auf einer Prüfkarte eintragen. Zusätzlich konnten sich die Besucher gegen eine Unkostenvergütung von zwei Reichsmark röntgen lassen.⁴⁷ Die Veranstalter versprachen sich davon neben hygienischer Aufklärung gleichzeitig „eine Bestandsaufnahme von Hunderttausenden von Volksgenossen zu machen.“⁴⁸ Individuelle Gesundheitsvorsorge wurde dadurch direkt mit der Generierung kollektiver Daten verbunden.⁴⁹ Das Vermessen und Zählen des Körpers richtete den Blick auf dessen quantitativ fassbaren Eigenschaften, die den Besucher in Staunen versetzen und die Wissenschaftlichkeit medizinischer Körperdeutungen unterstreichen sollte. Nicht zuletzt forderte es das Publikum dazu auf, sich permanent selbst zu beobachten, selbst zu vermessen und mit den medizinisch-naturwissenschaftlich definierten Normen zu vergleichen.⁵⁰ Allerdings provozierte der allzu intensive Rückgriff auf Statistiken auch Kritik. Beispielsweise verwies ein Autor der Frankfurter Zeitung auf den disziplinierenden Charakter von Statistiken. Diese führten dazu, dass der Besucher „sozusagen zwischen einem Beamten und einer Fürsorgeschwester einher [schreitet S. W.], die ihn ständig belehren, wie er sich zu verhalten habe.“⁵¹ Jedoch war die explizite Ablehnung statistischer Darstellungen eher selten. Häufiger waren dagegen differenzierende Stimmen wie die vorsichtige Mahnung Bruno Gebhards, der den „Aberglaube [. . . ] an die Zahl“ etwas abzuschwächen versuchte. Da auf Exposi-
47 Vgl. Vierteljahresbericht der Gesellschaftsfachverwaltung der Berliner Ausstellungen, Eigenbetrieb der Reichshauptstadt (bisher Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH), an den Oberbürgermeister (Allg. H I 9a–b) für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1938 vom Februar 1939, S. 9–10. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32092, unpaginiert. 48 o. V.: Große Reichsausstellung „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ in Berlin, in: Messe und Ausstellung 20 (1938) 14, S. 3. 49 Diese Ähnlichkeit zwischen der „Halle der Selbsterkenntnis“ und den im Nationalsozialismus zwar nicht erfundenen, aber doch forcierten Reihenuntersuchungen behandelt Nikolow: „Erkenne und prüfe Dich selbst!“ in einer Ausstellung 1938 in Berlin, S. 227–268. 50 Vgl. auch Philipp Sarasin: Die Geschichte der Gesundheitsvorsorge. Das Verhältnis von Selbstsorge und staatlicher Intervention im 19. und 20. Jahrhundert, in: Cardiovascular Medicine 14 (2011) 2, S. 41–45, hier S. 44. 51 ck.: Ausstellung Düsseldorf 1926, in: Frankfurter Zeitung vom 09.05.1926, o. S. BArch Berlin R 1603/2472, unpaginiert.
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tionen immer nur „allgemeine Richtlinien“ gegeben werden könnten und jeder Mensch „seine ihm eigentümliche Entwicklung hat“, müsse eine Abweichung vom Durchschnitt nicht zwangsläufig eine Krankheit bedeuten.⁵² Vielmehr müsste bei der Diagnose immer die individuelle Situation der Patienten berücksichtigt werden. Noch im Katalog zur „Wunder des Lebens“ betonte der Rostocker Arzt, dass „die Menschen in ihrer Erbmasse, in ihren Anlagen und den sich daraus entwickelnden Eigenschaften nicht gleich sind, sondern außerordentlich mannigfaltig und verschieden.“⁵³ Deswegen könne man zwar wissenschaftlich mit körperlichen Durchschnittswerten arbeiten, müsse bei medizinischen Bewertungen jedoch immer den Einzelfall betrachten. Gleichwohl orientiert sich Gebhard in den nachfolgenden Ausführungen über die Schulreife von Kindern an statistischen „Normalzahlen“, selbst wenn immer „von Fall zu Fall“ geprüft werden müsse, ob „das Kind über die normalen geistigen Fähigkeiten der entsprechenden Altersklasse verfügt.“⁵⁴ Ganz ähnlich wies Martin Vogel 1930 darauf hin, dass man zwar den Körper für ein besseres Verständnis seiner Funktionen „in seine Teile“ zerlegen könne, dadurch allerdings „Zusammenhänge“ auseinanderreiße, die „ebenso zum Wesen des Einzelteils wie zu dem des Ganzen gehören.“ Die Zerlegung ersetze deswegen nicht die Betrachtung der „lebendigen, organischen Zusammenhänge“.⁵⁵ Beide Mediziner sprachen sich allerdings nicht grundsätzlich gegen statistische Erhebungen aus, sondern betonten lediglich die ärztliche Deutungshoheit über den Körper. Denn nur diese waren aus ihrer Sicht in der Lage, Abweichungen des Individuums vom statistischen Durchschnitt zu interpretieren und den Körper als komplexen Organismus zu verstehen.
Vermessene Sportler Den Blick auf die Techniken des Messens und Zählens vertraten auf den Gesundheitsausstellungen nicht nur die Mediziner. In ähnlich intensiver Weise waren die Vertreter des englischen Wettkampfsports an der Vermessung des Körpers betei-
52 Bruno Gebhard: Wichtiges für die Mutter aus der Gruppe „Kind“ der Internationalen HygieneAusstellung Dresden. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 4, Folder III–6, unpaginiert. 53 Bruno Gebhard: Die Familie als Keimzelle des Volkslebens, in: Ders. (Hrsg.): Wunder des Lebens, S. 299–350, hier S. 316. 54 Ebd., S. 346. Die „Normalzahlen“ bezogen sich auf körperliche Eigenschaften und betrugen eine Körpergröße von 1,10 m, ein Gewicht von 18 bis 19 kg sowie einen Brustumfang von 52–54 cm. 55 Martin Vogel: Zusammensetzung und Gliederung des menschlichen Körpers, in: Ders. (Hrsg.): Der Mensch, S. 18–22, hier S. 18. Hervorhebung im Original.
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ligt.⁵⁶ Der Sport war als Bestandteil der Leibesübungen, zu denen außerdem das Turnen sowie die Körperkulturbewegung gezählt wurden, auf allen Expositionen vertreten. Die an den Ausstellungen beteiligten Verbände versuchten, durch eine gelungene Selbstdarstellung um politische Unterstützungen für sich zu werben und standen dadurch in direkter Konkurrenz mit den Vertretern von Turnen sowie der Körperkulturbewegung als alternative Angebote körperbetonter Freizeitgestaltung. Denn der Sport war zu diesem Zeitpunkt nicht unumstritten. Vielmehr kämpften während der Hochphase der Gesundheitsausstellungen im späten Kaiserreich und der Zwischenkriegszeit vor allem bürgerliche Sportfunktionäre um seine öffentliche Anerkennung. Zwar konnten sie in der Zwischenkriegszeit einen starken Mitgliederanstieg verzeichnen und etablierten sich in der Massenkultur der Weimarer Republik, doch blieb die Konkurrenzsituation mit anderen Formen der Leibesübungen weiterhin bestehen.⁵⁷ Sportvereine wie Sportfunktionäre versuchten vor diesem Hintergrund auf den Expositionen, die gesundheitsfördernde Wirkung des Sports herauszustreichen.⁵⁸ Der Sport wurde in erster Linie als Mittel gefasst, um die negativen Auswirkungen der Moderne auf die Gesundheit des Menschen zu kompensieren und so der „Erregung und Stärkung von Gesundheit und Kraft“ zu dienen.⁵⁹ Sportliche Betätigung, so das Argument seiner Verfechter, leiste einen wesentlichen Beitrag zu körperlicher „Abhärtung“, steigere die Leistung des Einzelnen und versetze ihn in die Lage, den Herausforderungen des modernen, technisierten und industrialisierten Lebens zu begegnen.⁶⁰ Mit dieser Konzentration auf Leistungssteigerung, Wettkampf und Training wirkte der Sport als ideale Antwort auf die Anforderungen des modernen Lebens, die in gewisser Weise auf die Paral-
56 Zur Geschichte des Sports vgl. Christiane Eisenberg: „English sports“ und deutsche Bürger. Eine Gesellschaftsgeschichte 1800–1939, Paderborn u. a. 1999. 57 Vgl. Dies.: Massensport in der Weimarer Republik, S. 137–177; Bernd Wedemeyer-Kolwe: Die Körperkulturbewegung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, in: Verein für Hochschulsport (Hrsg.): Streifzug durch die Sportgeschichte. Festschrift zur Verabschiedung von Prof. Dr. Harald Braun, Bremen 2004, S. 199–221. 58 Vgl. zur Betonung der gesundheitsfördernden Aspekte des Sports Thomas Alkemeyer: Körper, Kult und Politik. Von der „Muskelreligion“ Pierre de Coubertins zur Inszenierung von Macht in den Olympischen Spielen von 1936, Frankfurt am Main u. a. 1996. 59 Helmut Fischer: Regelmäßige Betätigung in Spiel und Sport, in: GeSoLei: Offizielle Tageszeitung der Großen Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1926 vom 05.10.1926, S. 1–2, hier S. 1. 60 Vgl. etwa Nathan Zuntz/Arthur Mallwitz: Sonderkatalog der Abteilung Sportausstellung der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, Dresden 1911, S. 5; o. V.: Deutscher Verein für Volkshygiene, in: Dresdner Anzeiger vom 28.05.1911. S. StdA Dresden 2.3.1 Hauptkanzlei U.11/1911.
5.1 „Vermessene Körper“
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lelisierung von Körper und Maschine hinauslief.⁶¹ Die Öffentlichkeit sollte vor allem durch zahlreiche Sportveranstaltungen von diesen positiven Auswirkungen überzeugt werden. Die Besucher sollten sehen, dass „mit der Vermehrung der Spiele und Sportplätze [. . . ] ein Rückgang der Ausgaben für Trinkerheilstätten, für Kranken- und Siechenhäuser, für Lungenanstalten Hand in Hand gehen.“⁶² Ergänzend versuchten die Funktionäre, mit „Zahlen nachzuweisen, wie die öffentlichen Krankenhäuser durch den Sport entlastet werden oder z. B. wie viele Fürsorgezöglinge dem Staat zur Last fallen, die keinen Sport getrieben haben und wie viele durch den Sport auf bessere Wege kommen.“⁶³ Dahinter stand die Überlegung, dass nicht die sportlichen Vorführungen an sich, sondern nur „Zahlen, messbare Erscheinungen beweisen“, welche positiven Wirkungen der Sport habe.⁶⁴ Dem Objektivitätsanspruch quantitativer Angaben wurde das Potential zugesprochen, die eigene Position wissenschaftlich zu untermauern. Techniken des Messens und Zählens berühren darüber hinaus den zentralen Aspekt sportlicher Tätigkeiten überhaupt. Denn im Mittelpunkt des Sports steht der körperliche Wettkampf zwischen Individuen oder Mannschaften. Hierfür werden körperliche Leistungen in miteinander vergleichbare Zahlenwerte übersetzt. Sport, die mit ihm einhergehende Spezialisierung auf bestimmte körperliche Handlungen und das darauf aufbauende Training beruhen im Kern auf der Quantifizierung und Zergliederung des Körpers in einzelne Funktionsbereiche; eine Typisierung, Verdatung und Standardisierung von Bewegungsabläufen. Offensichtlich ist dies in der Leichtathletik, deren Ergebnisse auf sportliche Spezialisierung, auf gemessene Wurf- oder Sprungweiten, Höhen oder Laufzeiten beruhen.
61 Vgl. u. a. Frank Becker: Sportsmen in the Machine World: Models for Modernization in Weimar Germany, in: International Journal of the History of Sport 12 (1995) 1, S. 153–168; Ders.: Der Sportler als „moderner Menschentyp“. Entwürfe für eine neue Körperlichkeit in der Weimarer Republik, in: Clemens Wischermann/Stefan Haas (Hrsg.): Körper mit Geschichte. Der menschliche Körper als Ort der Selbst- und Weltdeutung, Stuttgart 2000, S. 223–243; Anne-Katrin Ebert: Zwischen „Radreiten“ und „Kraftmaschine“. Der bürgerliche Radsport Ende des 19. Jahrhunderts, in: WerkstattGeschichte (2006) 44, S. 27–45. 62 Drucksache Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Mai – Oktober. Sportausstellung. Turnen, Spiel und Sport, S. 15. GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil VI Nr. 20, Bd. 1, Bl. 315–323. Das Zitat wurde wortgleich übernommen in o. V.: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, S. 170–172, hier S. 171. Für eine inhaltlich gleiche Argumentation auf der GeSoLei vgl. Richter: Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Leibesübungen, in: Gesolei. Zeitschrift der Grossen Ausstellung Düsseldorf für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1 (1926) 10, S. 181–183. 63 Niederschrift über die Sitzung der Gruppe „Leibesübungen“ am Sonnenabend, den 21. Nov. 1925, 10 Uhr, im Sitzungssaal der Industrie- und Handelskammer, Düsseldorf, S. 6. StdA Düsseldorf 0–1–18–1441, unpaginiert. 64 Biging: Ausstellung Sport und Kultur, S. 147–149, hier S. 148.
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Doch auch in Mannschaftssportarten wie dem Fußball oder dem Hockey werden spielerische Leistungen in quantitative Angaben wie die Tordifferenz übersetzt und dadurch vergleichbar gemacht. Die auf den Gesundheitsausstellungen durchgeführten Sportwettkämpfe können deswegen nicht nur als Werbe- und Unterhaltungsmaßnahmen, sondern auch als eine Praxis des Ordnens verstanden werden. Denn durch die Bildung von Rangordnungen, durch die Bestimmung eines Siegers werden sportliche Leistungen miteinander in Beziehung gesetzt, die Körper nach quantitativen Maßstäben untereinander hierarchisiert.
Das Sportlaboratorium 1911 An dieser Stelle überschnitten sich die Perspektiven von Medizinern und Sportlern auf den menschlichen Körper. Deutlich wird diese Parallelität an einer Einrichtung, die vor allem 1911 in Dresden mit großem Aufwand betrieben worden war: dem Sportlaboratorium.⁶⁵ Es wurde von Arthur Mallwitz, selbst Arzt und aktiver Sportler, nach dem Vorbild früherer Laboratorien auf den Olympischen Spielen angeregt. Er konnte dafür wissenschaftliche Koryphäen aus dem Bereich der Physiologie wie Nathan Zuntz gewinnen, der gemeinsam mit Mallwitz auch den Sonderkatalog der Sportabteilung herausgab.⁶⁶ Hintergrund des Sportlaboratoriums war die ärztliche Sorge über die negativen Auswirkungen sportlicher Betätigungen. Der auf Leistungssteigerung gerichtete Sport neigte aus Sicht der Mediziner und seiner Kritiker aus der Turn- sowie Körperkulturbewegung zu Übertreibungen. Diese Übertreibungen sowie die tendenzielle Einseitigkeit sportlicher Belastungen galten ihnen als schädlich.⁶⁷ Stattdessen sollte der Körper gleichmäßig und maßvoll gestärkt werden. Statt wie die Sportler auf eine permanente Steigerung spezifischer körperlicher Leistungen zu setzen, propagierten die Mediziner den Sport als „durchbildende Arbeit“, die „geschmeidig und beweglich macht, die dehnt und reckt, die Kraft, Schnelligkeit, Geschicklichkeit und Ausdauer zu Har-
65 Zum Sportlaboratorium vgl. Quanz: Stadionlaboratorium – Meßstation einer aufkommenden Wissenschaft vom Sport im Kaiserreich, S. 5–21; Dinçkal: Das gesunde Maß an Schädigung, S. 17–37; Noyan Dinçkal: Sportlandschaften, S. 224–243. 66 Zu Mallwitz vgl. Josef Hermann Schäfer: Ministerialrat Dr. med. Arthur Mallwitz (1880–1968). Ein Leben für Sport, Sportmedizin und Gesundheitsfürsorge. Eine Aufarbeitung seines Nachlasses, Univ-Diss. Bonn 2003. Zu Zuntz vgl. Hans-Christian Gunga: Leben und Werk des Berliner Physiologen Nathan Zuntz (1847–1920), Husum 1989. 67 Vgl. etwa Nathan Zuntz: Zur Physiologie der Spiele und Leibesübungen, in: Akademische Blätter für Turnen und Sport 1 (1911) 10, S. 137–140; Rudolf Neubert/Georg Thiele: Leibesübungen, in: o. V. (Hrsg.): Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930. Amtlicher Führer, Dresden 1930, S. 241–242.
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monie heranreifen lässt.“⁶⁸ Damit entsprach das medizinische Verständnis von Leibesübungen eher den Positionen von Turn- sowie Körperkulturbewegung als denen der Sportler; und das trotz ihrer Ähnlichkeiten im Hinblick auf die Praktiken des Messens und Zählens. In diesem Kontext sollte das Sportlaboratorium dazu beitragen, die „Schädlichkeit von Grenz- und Höchstleistungen“⁶⁹ nachzuweisen, die gesunde Grenze der körperlichen Abhärtung durch sportliche Belastung zu bestimmen sowie wissenschaftliche Maßstäbe für die „planmäßige Pflege und Ausbildung der Körperkräfte“ zu entwickeln.⁷⁰ Es befand sich direkt neben der 100-Meter-Strecke in dem auf dem Ausstellungsgelände gelegenen Sportstadion. Dadurch konnten die Sportler im Moment größter körperlicher Anstrengung direkt untersucht werden. Das Labor beinhaltete neben Geräten für anthropometrische, ergographische und elektrokardiographische Arbeiten einen Röntgenapparat und die notwendigen Einrichtungsgegenstände für Untersuchungen der Atmung, der Physiologie des Körpers sowie mikroskopischer Tests.⁷¹ Dort vermaßen Mediziner die Körper der Athleten, um den Zusammenhang von Sport und Gesundheit sowie die Auswirkung sportlicher Betätigung auf die Organe des Menschen zu erfassen. Zusätzlich wurden die Sportler dazu angehalten, einen ausführlichen Fragebogen auszufüllen, der Fragen nach den Lebensgewohnheiten, der Ernährung oder der Art und Intensität der ausgeübten Leibesübungen enthielt.⁷² Hiermit betrieben die Mediziner Pionierarbeit, denn ähnliche Arbeiten hatte es im Deutschen Reich bis dahin kaum gegeben. Damit legten sie den Grundstein für eine physiologisch begründete Sportwissenschaft.⁷³ Ihr Augenmerk lag auf den Auswirkungen sportlicher Anstrengungen auf das Herz. Zu diesem Thema ging aus den Dresdner Untersuchungen gar eine me-
68 Jerrmann: Die sportlichen Veranstaltungen während der Gesolei, S. 321–355, hier S. 328. 69 o. V.: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, S. 332–347, hier S. 345. Hervorhebung im Original. 70 Drucksache Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Mai – Oktober. Sportausstellung. Turnen, Spiel und Sport, S. 8. GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil VI Nr. 20, Bd. 1, Bl. 315–323. 71 Vgl. o. V.: Der Sport auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, in: Akademische Blätter für Turnen und Sport 1 (1911) 3, S. 31–32. 72 Vgl. Zuntz/Mallwitz: Sonderkatalog der Abteilung Sportausstellung der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, S. 41–43. 73 Vgl. im Rückblick Mallwitz: 1. Kongreß zur wissenschaftlichen Erforschung des Sportes und der Leibesübungen, S. 240–254. Jürgen Court sieht im Sportlaboratorium den Ausgangspunkt einer sportwissenschaftlichen Tradition, die sich bis zur Deutschen Sporthochschule in Köln verfolgen lässt. Vgl. Ders.: Deutsche Sportwissenschaft in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. Band 1: Die Vorgeschichte 1900–1918, Münster 2008, S. 72–85; Angelika Uhlmann: „Der Sport ist der praktische Arzt am Krankenlager des deutschen Volkes“. Wolfgang Kohlrausch
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dizinische Dissertation hervor. Bezeichnenderweise verzichtete der Autor, Leiser Lipschitz, darauf, die Ergebnisse der Untersuchungen schriftlich zusammenzufassen. Stattdessen entschied er sich dazu, „vorläufig die tatsächlichen Resultate der tabellarischen Uebersicht ohne jeden Kommentar“ aufzuführen.⁷⁴ Im Dresdner Sportlaboratorium überschnitten sich die Perspektiven der Sportler und der Mediziner auf den Körper, die beide Praktiken des Messens und Zählens ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit stellten. Das Laboratorium machte die „Verbindung von exakter Wissenschaft und Wettkampfsport“ nachvollziehbar, betonte aber gleichzeitig die Deutungshoheit der Medizin über den Körper.⁷⁵ Der ärztliche Anspruch auf die Definitionsmacht über Chancen und Grenzen des Sports manifestierte sich zudem in den sportärztlichen Beratungsstellen, die den Sportabteilungen auf den Ausstellungen zugeordnet waren und über die medizinisch korrekte Durchführung der Sportveranstaltungen wachten.⁷⁶ Gleichzeitig teilten trotz dieser Überschneidungen die Vertreter des englischen Wettkampfsports die ärztliche Ablehnung des „Rekordstrebens“ nicht. „Ein gesunder Sport“, so die Organisatoren des Armee-Gepäck-Wettmarsches in Dresden 1911, sei „ohne Wettbewerb undenkbar.“ Denn in „jedem Sportfreund steckt das Streben, sich hervorzutun, ein Meister in seiner Uebung zu sein.“⁷⁷ Mallwitz selbst verstand „Höchstleistungen“ als „Ausdruck der Leistungsfähigkeit der Gesamtheit“, die es bedingungslos zu fördern gelte.⁷⁸ Insbesondere die Berichterstattung über die zahlreichen Sportveranstaltungen während der Expositionen stellte allerdings nicht den vermessenen und gleichmäßig ausgebildeten Körper ins Zentrum, sondern konzentrierte sich auf die sportliche Höchstleistung der Athleten. Selbst Vertreter des Turnens rekurrierten auf die körperliche Leistungsfähigkeit ihrer Aktiven, um die Vorzüge des Turnens
(1888–1980) und die Geschichte der deutschen Sportmedizin, Univ.-Diss. Freiburg im Breisgau 2004, v. a. S. 29–47. Online unter: http://d-nb.info/973639938/34. [Letzter Zugriff am 20.09.2014] 74 Leiser Lipschitz: Das Verhalten des Herzens bei sportlichen Maximalleistungen. Ein Beitrag zur Frage der akuten Dilatation des Herzens nach starken körperlichen Anstrengungen, Berlin 1912, S. 31–33. 75 Dinçkal: Sportlandschaften, S. 239. 76 Vgl. Wilms-Posen: Leibesübungen, in: Schloßmann (Hrsg.): Ge-So-Lei. Große Ausstellung Düsseldorf 1926. Für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. 2 Bände, S. 931–987, hier S. 944–945. 77 Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Protektor Se. Majestät der König von Sachsen. Abteilung Sportausstellung. Internationaler Armee-Gepäck-Wettmarsch Dresden 1911 veranstaltet vom Dresdner Fußball-Club 1893. BayHStA MKr 288, unpaginiert. 78 Arthur Mallwitz: Rassenhygiene oder Volkshygiene. Eine Betrachtung für die Aussichten Deutschlands bei der Olympiade 1916, in: Athletik-Jahrbuch 9 (1913), S. 101–109, hier S. 102.
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zu verdeutlichen.⁷⁹ Hier blieb der Wettkampfsport, interessanterweise aber eben auch die Turner, der „Eigenwelt des Sports“ verpflichtet, deren Maßstab nicht Gesundheit, sondern sportliche Leistung ist.⁸⁰ Mit dieser Konzentration auf messbare Leistungsfähigkeit waren die medizinischen und sportlichen Perspektiven auf den Körper anschlussfähig an weitere, zeitgenössische Ordnungsvorstellungen. Vor allem die Gemeinsamkeiten der medizinischen und sportlichen Perspektive auf den Körper mit den Fragen aus der Arbeitslehre, der Psychotechnik und der Arbeitsphysiologie unterstreichen die Anschlussfähigkeit der Praktiken des Messens und Zählens an andere virulente Themen der Zeit.⁸¹ Diese erlebten gerade vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Deutschen Reichs in der Zwischenkreiszeit eine enorme Aufwertung; galt es doch nun mit begrenzten menschlichen und wirtschaftlichen Ressourcen, den „Wiederaufbau“ Deutschlands voranzutreiben. Das war nur durch eine Steigerung der Effizienz bei gleichzeitiger Erhaltung menschlicher Arbeitskraft zu erreichen. Gerade der Versuch, menschliche Bewegungsabläufe zu optimieren und das Interesse der Arbeitsphysiologie am Thema Ermüdung bildete einen inhaltlichen Nenner mit den Sportlern.⁸² Die neu entstandenen wissenschaftlichen Disziplinen sollten dazu beitragen, bislang unerkannte Leistungspotentiale von Arbeiterkörpern aufzudecken, die Bevölkerung auf eine zunehmend mechanisierte und rationalisierte Arbeitswelt vorzubereiten und insgesamt die wirtschaftliche Produktivität im Deutschen Reich zu erhöhen. Dies entsprach dem Selbstverständnis der GeSoLei, die gerade in der Hauptgruppe „So“ den geplanten Einsatz menschli-
79 Vgl. u. a. Benjamin: Rund um den Länderkampf in Düsseldorf, S. 9; F.: Rheinlands Turnerinnen auf der Gesolei, in: GeSoLei: Offizielle Tageszeitung der Großen Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1926 vom 07.06.1926, S. 5; Willy Meisl: Deutschland – Holland 4:2, in: Vossische Zeitung vom 19.04.1926, o. S. 80 Zum Interpretament der „Eigenwelt des Sports“ vgl. Christiane Eisenberg: Einführung, in: Dies, (Hrsg.): Fußball, soccer, calcio. Ein englischer Sport auf seinem Weg um die Welt, München 1997, S. 7–21, hier S. 8; Dies.: „English sports“ und deutsche Bürger, beispielsweise S. 415. 81 Vgl. Michael Mackenzie: The athlete as machine: A figure of modernity in Weimar Germany, in: Michael Cowan/Kai Marcel Sicks (Hrsg.): Leibhaftige Moderne. Körper in Kunst und Massenmedien 1918 bis 1933, Bielefeld 2005, S. 48–62, hier S. 53; Noyan Dinçkal: „Sport ist die körperliche und seelische Selbsthygiene des arbeitenden Volkes“: Arbeit, Leibesübungen und Rationalisierungskultur in der Weimarer Republik, in: Body Politics 1 (2013) 1, S. 71–97. 82 Vgl. Frank Becker: Rationalisierung – Körperkultur – Neuer Mensch. Arbeitsphysiologie und Sport in der Weimarer Republik, in: Theo Plesser/Hans-Ulrich Thamer (Hrsg.): Arbeit, Leistung und Ernährung. Vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie in Berlin zum Max-Planck-Institut für Molekulare Physiologie und Leibniz-Institut für Arbeitsforschung in Dortmund, Stuttgart 2012, S. 149–170, hier S. 159–157.
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cher Arbeitskraft, als „rationale Menschenwirtschaft“ präsentierte.⁸³ Der sozialen Fürsorge kam in dieser Denkweise die Aufgabe zu, als „Helferin der Rationalisierung“ die „Reinigung des [. . . ] Produktionsapparates“ voranzutreiben, indem die Betroffenen von Stellenstreichungen „von der öffentlichen Wohlfahrtspflege aufgenommen und [bis zum wirtschaftlichen Aufschwung S. W.] betreut werden“.⁸⁴ Auf diese Weise seien soziale Konflikte abzumildern. Die Düsseldorfer Exposition sollte gleichzeitig den Besuchern vorführen, wie sie sich auf die veränderten wirtschaftlichen Aufgaben der Nachkriegszeit einstimmen konnten.⁸⁵ Dafür wurden Ausstellungsgruppen geschaffen, in denen „die Erhaltung und Steigerung der Arbeitskraft – Arbeitsphysiologie, Ermüdungsforschung, Berufsberatung, psychologische Untersuchungsmethoden und dergleichen – dargestellt werden.“⁸⁶ Bestandteil dieser Gruppen war die Darstellung der Methoden, die für berufliche Eignungsprüfungen genutzt wurden. Ähnlich wie bei sportärztlichen Untersuchungen dienten sie dazu, die Untersuchten darüber zu beraten, welche Berufe für ihre körperlichen wie geistigen Fähigkeiten geeignet waren. Sportmediziner wie Physiologen griffen auf die gleichen wissenschaftlichen Geräte zurück und beide bedurften der Techniken des Messens, Klassifizierens und Typisierens.⁸⁷ Diese Gemeinsamkeiten und das Interesse der Sportler an wissenschaftlicher Anerkennung sowie der Bedarf der Arbeitsphysiologen an Versuchspersonen führten gar zu einer Zusammenarbeit der Deutschen Hochschule für Leibesübungen und dem kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs gegründeten Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie.⁸⁸
83 Ernst Poensgen: Die wirtschaftliche Bedeutung der Gesolei, in: Schloßmann (Hrsg.): Ge-So-Lei. Große Ausstellung Düsseldorf 1926. Für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. 2 Bände, S. 15–17, hier S. 16. 84 Gustav Reuter: Allgemeine sozialpädagogische und sozialhygienische Fragen und ihre Darstellung auf der Gesolei, in: Schloßmann (Hrsg.): Ge-So-Lei. Große Ausstellung Düsseldorf 1926. Für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. 2 Bände, S. 636–667, hier S. 667. 85 Zu diesem Aspekt der Exposition vgl. Becker: Rationalisierung – Körperkultur – Neuer Mensch. Arbeitsphysiologie und Sport in der Weimarer Republik, S. 149–170, hier S. 160–166. 86 Vermerk über eine Rücksprache des Geheimrats Professor Dr. Schloßmann von der Düsseldorfer Akademie für praktische Medizin mit dem Herrn Staatssekretär am 19. Dezember 1924. BArch Berlin R 3901/4632, Bl. 14–16. 87 Vgl. Niederschrift über die Sitzung der Hauptgruppe 11, Arbeits- und Gewerbehygiene am Freitag den 5. März [1926] nachmittags 4 Uhr in dem Sitzungszimmer der Gesolei. StdA Düsseldorf 0–1–18–1063, Bl. 2–5; o. V.: Die Industrie auf der Grossen Ausstellung 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. Universitätsarchiv Düsseldorf 9/2 (Depositium von Puttkammer (Nachlass Ernst Heinson)) Nr. 12 (84), unpaginiert. 88 Vgl. Becker: Rationalisierung – Körperkultur – Neuer Mensch. Arbeitsphysiologie und Sport in der Weimarer Republik, S. 149–170, hier S. 154–157; Dinçkal: Sportlandschaften, S. 273–279;
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Statistiken auf den Gesundheitsausstellungen Mediziner, Sportler, Arbeitsphysiologen und andere abstrahierten vom individuellen Körper, ordneten ihn einzelnen Typen und Mustern zu oder verglichen ihn mit zuvor erhobenen Durchschnittswerten. Ihre Techniken umfassten das Messen und Zählen, das Vergleichen und Typisieren. Ihre Darstellungsformen waren Zahlen, Tabellen, Statistiken, Apparate oder Bilder. Sie waren vielfältig, zielten jedoch immer auf die Interpretation quantitativer Daten im Hinblick auf ihre gesellschaftliche, gesundheitliche oder individuelle Relevanz ab. Die quantitative Darstellung, die mit dem naturwissenschaftlichen Anspruch auf Objektivität verbundene Messung verlieh der Position der auf sie zurückgreifenden Akteure Gewicht und Autorität. Zahlen sollten die Betrachter überzeugen, die Standpunkte der Aussteller legitimieren und trugen oftmals überhaupt erst dazu bei, einen Sachverhalt diskussionsfähig zu machen. Deshalb versuchten unterschiedliche Akteure auf den Expositionen, „den Wert und die Bedeutung der Hygiene im öffentlichen Leben an der Hand von zahlenmässigen Nachweisen der Allgemeinheit vor Augen zu führen.“⁸⁹ Vor allem im Bereich der sozialen Fürsorge tätige Akteure wie Kommunen oder auch Versicherungen nutzten quantitative Darstellungsformate, um der Bevölkerung ihre Leistungen zu verdeutlichen.⁹⁰ Die Liga der freien Wohlfahrtspflege stellte in diesem Sinne in ihrer Gruppe 1926 die Höhe der jährlichen Ausgaben im Deutschen Reich für Alkohol und Nikotin den Ausgaben der „Wohlfahrtsstadt“ gegenüber. Sie versuchte damit aufzuzeigen, mit welch geringen Mitteln die Liga ihre Aufgaben erfüllen musste und forderte die Bevölkerung sowie die Regierung zu einer stärkeren finanziellen Unterstützung auf.⁹¹ Die wohl häufigste Form quantitativer Darstellungen auf den Gesundheitsausstellungen waren die Statistik sowie auf ihr beruhende Diagramme und Exponate.⁹² Ders.: „Sport ist die körperliche und seelische Selbsthygiene des arbeitenden Volkes“, S. 71–97. Zur Hochschule für Leibesübungen vgl. Noyan Dinçkal: Der Körper als Argument: Die Deutsche Hochschule für Leibesübungen und die Produktion wissenschaftlicher Gewissheiten über den Nutzen des Sports, in: Michael Krüger (Hrsg.): Der deutsche Sport auf dem Weg in die Moderne. Carl Diem und seine Zeit, Berlin u. a. 2009, S. 173–197 Zum KWI für Arbeitsphysiologie vgl. Plesser/ Thamer (Hrsg.): Arbeit, Leistung und Ernährung. 89 Offizieller Katalog der Internationalen Hygiene Ausstellung Dresden Mai bis Oktober 1911, S. 98. 90 Vgl. bspw. Deutscher Städtetag (Hrsg.): Die deutschen Städte auf der Gesolei, Gelsenkirchen [1926]. GStA PK I. HA Rep. 76 VIII B Nr. 4390, unpaginiert; o. V.: Die deutsche Krankenversicherung 1926 auf der Gesolei Düsseldorf, Remscheid 1926. 91 Vgl. Was gibt das deutsche Volk aus. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/PD Nr. 147, unpaginiert. 92 Zur Statistik auf den Gesundheitsausstellungen vgl. vor allem die Arbeiten von Sybilla Nikolow: Statistische Bilder der Bevölkerung in den großen Hygieneausstellungen als Wissensobjekte,
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Statistiken wurden von nahezu allen Ausstellern genutzt und übernahmen eine zweifache Funktion. Einerseits dienten sie der Legitimierung der eignen Position, andererseits war die Herstellung von Statistiken oder statistisch fundierter Exponate regelmäßig mit der Schaffung neuen Wissens verbunden. So fertigten Vertreter des Turnens für die Erste Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden eine „Statistik unter den Dresdner Schülern über turnerische Körperleistungen“ an, in der sie nach Korrelationen zwischen körperlicher Leistungsfähigkeit und sozialer Lage oder dem Verhältnis von körperlicher und schulischer Leistungsfähigkeit fragten.⁹³ Die zentrale Stellung der Statistiken auf den Gesundheitsausstellungen ist unter anderem daran ersichtlich, dass 1911 ein eigenes statistisches Büro gegründet und eine Sondergruppe „Statistik“ eingerichtet wurden. Die Statistik galt dem Leiter der Sondergruppe, Emil Eugen Roesele, als die „Grundlage, auf der sich hygienische Gesetze und Maßnahmen aufbauen und mit der allein der Gesundheitszustand einer Bevölkerung sich beurteilen lässt.“⁹⁴ Statistisch gebildete Durchschnittswerte boten aus dieser Perspektive den Ausgangspunkt für medizinische Interventionen, gesundheitspolitische Maßnahmen oder ärztliche Diagnosen.⁹⁵ Auch das Statistische Amt Amsterdams beteiligte sich 1911 an der Sondergruppe und veröffentlichte im Anschluss an die Exposition zwei Monographien, um „einige wichtigere hygienisch-statistische Daten die Hauptstadt der Niederlande betreffend auch den nicht die Ausstellung besuchenden Fachmännern zugänglich zu machen.“⁹⁶ Inhalte und Aufmachung der Publikationen unterschieden sich nicht von den deutschen Exponaten. Behandelt wurden beispielsweise der
S. 476–488; Dies.: Anormale Kollektive. Die Darstellung des „Altersaufbaus der Bevölkerung des Deutschen Reiches“ auf der Gesolei von 1926, in: Körner/Stercken (Hrsg.): Kunst, Sport und Körper. GeSoLei 1926–2002. Bd. 1, S. 217–221 und 225–226; Dies.: Der statistische Blick auf Krankheit und Gesundheit. „Kurvenlandschaften“ in Gesundheitsausstellungen am Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland, in: Ute Gerhard/Jürgen Link/Ernst Schulte-Holtey (Hrsg.): Infografiken, Medien, Normalisierung: Zur Kartografie politisch-sozialer Landschaften, Heidelberg 2001, S. 223–241; Dies.: Imaginäre Gemeinschaften. Statistische Bilder der Bevölkerung, S. 263–278. 93 Fritz Eckhardt: Dresdner Statistik über turnerische Körperleistungen und Wandern der Schüler, in: Monatsschrift für das Turnwesen 30 (1911) 6, S. 214–220, hier S. 214–215. Hervorhebung im Original. 94 Emil Eugen Roesle: Sonder-Katalog für die Gruppe Statistik der wissenschaftlichen Abteilung der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Eine Einführung in die Ergebnisse der internationalen Bevölkerungs- und Medizinalstatistik, Dresden 1911, S. 15. 95 Vgl. dazu auch Axel C. Hüntelmann: Hygiene im Namen des Staates. Das Reichsgesundheitsamt 1876–1933, Göttingen 2008, S. 394–399. 96 Statistisches Amt der Stadt Amsterdam (Hrsg.): Verzeichnis der in der Statistischen Abteilung der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 vom Statistischen Amt vorgeführten graphischen Darstellungen nebst erläuterndem Zahlenmaterial, o. S.
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Altersaufbau der Bevölkerung, die Säuglingssterblichkeit sowie Todes- und Geburtenraten.⁹⁷ Zwar wandten sich in den folgenden Jahren die Veranstalter von Gesundheitsexpositionen aus didaktischen Gründen gegen die reine Wiedergabe unaufbereiteter Statistiken oder Kurvendarstellungen, die „dem Fachmann alles und dem Laien gar nichts“ sagen.⁹⁸ Stattdessen sollte eher auf anschauliche und unterhaltsamere Exponate wie Modelle, Figuren, Filme oder andere Darstellungsformen zurückgegriffen und Diagramme zumindest geglättet werden.⁹⁹ Dennoch blieben Statistiken auch später zentraler Bestandteil der Gesundheitsschauen, fanden sich doch auch dort „viele Tafeln und Tabellen, bei denen erst eine Reihe geistiger Akte zum Verständnis nötig sind.“¹⁰⁰ Den Auftakt der Wanderausstellung „Mutter und Kind“ des Deutschen Roten Kreuzes von 1927 bildete etwa eine Gruppe zum Thema Statistik¹⁰¹ und für die Wiederholung der Zweiten Internationalen Hygiene-Ausstellung 1931 richtete das Hygiene-Museum die Gruppe „Gesundheit in Zahlen“ ein, die „das manchmal so schwer verständliche Problem der Statistik anschaulich und volkstümlich“ aufbereitete.¹⁰² Statistiken blieben so auch nach dem Ersten Weltkrieg als „Prüfstein und Wegweiser“ des Gesundheitswesens sowie der Medizin Schlüsselobjekte der Ausstellungen.¹⁰³ Statistiken präsentierten einerseits die gesundheitlichen Erfolge körperbezogener Maßnahmen in Gegenwart und Vergangenheit, wiesen andererseits jedoch auch auf noch bestehende Defizite hin. Sie markierten darüber hinaus den Körper und dessen Gesundheitszu-
97 Vgl. Ebd.; Statistisches Amt der Stadt Amsterdam (Hrsg.): Reproduktion der wichtigsten graphischen Darstellungen von dem Statistischen Amt Amsterdams. 98 Werner: Die Ausstellung der freien Wohlfahrtspflege in Düsseldorf. („Gesolei“ Mai–Oktober 1926), S. 1. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/PD 128, unpaginiert. 99 Für die didaktische Auseinandersetzung mit Statistiken vgl. Martin Vogel: Hygienische Volksbelehrung, Berlin 1925, S. 45–50; Fraenkel: Ein neuartiges Museum: „Reichsmuseum für Gesellschaftsund Wirtschaftskunde in Düsseldorf, S. 23–31; Dies.: Allgemeine organisatorische Fragen der wissenschaftlichen Abteilungen, in: Schloßmann (Hrsg.): Ge-So-Lei. Große Ausstellung Düsseldorf 1926. Für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. 2 Bände, S. 397–421. 100 B.: Die Internationale Hygiene-Ausstellung, in: Deutsches Ärzteblatt 59 (1930) 19, S. 248–250, hier S. 249. 101 Vgl. Inhalte Wanderausstellung Mutter und Kind. Archiv Deutsches Rotes Kreuz – Generalsekretariat Berlin Bestand RK-Präsidium 1921 bis 1945 Nr. 212, unpaginiert. 102 Seiring: Rede zur Eröffnung der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1931 am 6. Mai 1931, S. 5. StdA Dresden Stadtverordnetenakten 3.1 A 50, Bd. 5, Bl. 180. 103 So die Ausführungen in einer Sonderausgabe der Zeitschrift für Desinfektionswesen anlässlich der Hygiene-Ausstellung 1930. Schoppen: Von der Bedeutung, die die Statistik für das Gesundheitswesen hat, in: Zeitschrift für Desinfektions- und Gesundheitswesen 22 (1930) 5, S. 297– 300, hier S. 297. Hervorhebung im Original.
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stand als Gegenstände des öffentlichen Interesses, die mehr waren als individuelle Probleme.¹⁰⁴ So fungierten Statistiken auch als wissenschaftliche Grundlage eugenischer Stammbäume. Diese fanden in jeder Ausstellungsbeteiligung der deutschen Eugeniker Platz und waren unverzichtbarer Bestandteil ihrer Argumentation.¹⁰⁵ Mit der Unterstützung „von Kurven, Zahlen und Photographien“ sollten die Ergebnisse eugenischer sowie vererbungswissenschaftlicher Forschung dargestellt werden. Nur „eindrucksvolle Zahlen“ konnten den Besuchern das eugenische Programm näherbringen.¹⁰⁶ Denn erst der statistische Nachweis der Vererbbarkeit körperlicher Eigenschaften eröffnete den Eugenikern die Möglichkeit, über positive wie negative Eingriffe in das Fortpflanzungsverhalten der Bevölkerung, deren biologische „Qualität“ zu beeinflussen. Eigentlich individuelle Beispielbiographien vorgeblich „Minderwertiger“ wurden durch die in den Gruppen gezeigten Statistiken nicht nur inhaltlich bekräftigt. Ihnen wurde darüber hinaus eine kollektive Bedeutung zugeschrieben. Die Stammbäume und die sie stützenden Statistiken standen stellvertretend für die aus Perspektive der Eugeniker generell drohende Gefahr der Vermehrung „Minderwertiger“ und machten diese als ein nationales Problem sichtbar. Der mit den Praktiken des Messens und Zählens einhergehende kollektive Zugriff auf den Körper fungierte als Bezugspunkt für die Eugeniker, um die eigenen Positionen zu plausibilisieren und gleichzeitig ihre Lösungskompetenzen herauszustellen. Ganz ähnlich gebrauchten Vertreter der „Krüppelfürsorge“ Statistiken für ihre Anliegen.¹⁰⁷ Grundsätzlich war die Institutionalisierung der „Krüppelfürsorge“ eng mit der von Konrad Biesalski 1906 initiierten reichsweiten „Krüppelzählung“ 104 Vgl. u. a. Nikolow: Die graphisch-statistische Darstellung der Bevölkerung. Bevölkerungskonzepte in der Gesundheitsaufklärung in Deutschland vor 1933, S. 297–314, hier S. 311. 105 Vgl. bspw. von Max von Gruber/Ernst Rüdin (Hrsg.): Fortpflanzung, Vererbung, Rassenhygiene. Illustrierter Führer durch die Gruppe Rassenhygiene der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden, München 1911; Franz Schütz: Die Rassenhygiene auf der Düsseldorfer Ausstellung, in: Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie 18 (1926) 4, S. 437–439, hier S. 439; Fotodokumentation Das Leben. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2006/329, Abbildung 108. Die Relevanz graphischer Kurvendarstellungen für die Plausibilisierung eugenischer Theorien betont auch Hartmann: Der Volkskörper bei der Musterung, S. 199–203. 106 o. V.: Das Museum für Säuglingskunde im Kaiserin Auguste Victoria Haus, in: Kaiserin Auguste Victoria Haus (Hrsg.): Bericht des Kaiserin Auguste Victoria Hauses, Reichsanstalt zur Bekämpfung der Säuglings- und Kleinkindersterblichkeit vom 1. April 1934 bis 31. März 1935, Berlin 1935, S. 28–29, hier S. 29. 107 Zu den diskursiven Ähnlichkeiten von Eugenik und Krüppelfürsorge vgl. Werner Brill: Pädagogik im Spannungsfeld von Eugenik und Euthanasie. Die „Euthanasie“-Diskussion in der Weimarer Republik und zu Beginn der neunziger Jahre. Ein Beitrag zur Faschismusforschung und zur Historiographie der Behindertenpädagogik, St. Ingbert 1994; Sebastian Weinert: Die ‚Krüppelfürsorge‘
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verbunden. Diese machte die zahlreichen Menschen mit Körperbehinderung im Deutschen Reich erst sichtbar, die ohne medizinisch-pädagogische Unterstützung nicht für ihren eigenen Unterhalt aufkommen konnten. Auf diese Weise definierte Biesalski die Arbeit der „Krüppelfürsorge“ als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die statistische Erfassung und medizinische Klassifizierung von Menschen mit Körperbehinderung blieb in den Folgejahren ein zentraler Aspekt der Sozialpolitik. Noch 1934 bezeichnete der, inzwischen in die NS-Volkswohlfahrt eingegliederte, Reichsbund der Körperbehinderten die „Erfassung“ aller körperbehinderter Menschen „ohne Unterschied des Standes und des Geschlechts“ als sein wichtigstes Arbeitsgebiet.¹⁰⁸ Auch auf den Gesundheitsausstellungen war die „Krüppelfürsorge“ mit ihrer statistischen Sichtbarmachung von Körperbehinderung präsent. Auf der Zweiten Internationalen Hygiene-Ausstellung befand sich beispielweise in der Kollektivausstellung der deutschen Städte ein Bildarrangement, das die Anzahl der Menschen mit schweren Körperbehinderungen aufführte, die in Sachsen stationär untergebracht waren. Begleitet wurde diese Aufzählung von Bildern arbeitender Körperbehinderter, mit denen die Produktivität von Menschen mit Körperbehinderungen betont wurde.¹⁰⁹ Im gleichen Jahr ließ die Sonderschau „Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens“ die Entstehung der „Krüppelfürsorge“ mit der „Krüppelzählung“ einsetzen, da erst mit dieser „die Wichtigkeit der Probleme für das ganze Volk erkannt wurde.“¹¹⁰ Die statistische Aufbereitung der Verbreitung von Körperbehinderung im Deutschen Reich setzte das Problem, dem sich die „Krüppelfürsorge“ widmete, erst als ein solches ins Bild. Diese Tendenz zur Vermessung körperbehinderter Menschen wurde noch dadurch gestärkt, dass die DVfK versprach, mit ihrem Engagement die finanziellen Aufwendungen des Sozialstaats für den Unterhalt von Menschen mit Körperbehinderung zu reduzieren. Dafür stellten sie die Kosten für die „Entkrüppelung“ einer Person den Kosten gegenüber, die diese bei einer lebenslangen
in der Weimarer Republik. Zwischen eigenem Standpunkt und diskursiver Anschlussfähigkeit an eugenische Argumentationsstrukturen, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 34 (2011) 1, S. 64–76. 108 Richtlinien für die Aufgaben und die Arbeit des Reichsbundes der Körperbehinderten (R.B.K.) e. V. Mitglied der N.S.-Volkswohlfahrt auf Grund des § 2 der Bundessatzungen vom 10.03.1934. BArch Berlin R 36/1745, unpaginiert. 109 Vgl. Fotoalbum II. Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2011/187, Abbildung 71. 110 Ausstellungsplan „Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens“ vom 20.06.1929, S. 23. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/G Nr. 421, unpaginiert.
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Unterbringung in einer Betreuungseinrichtung verursachen würde.¹¹¹ Dahinter stand die Überzeugung, dass die „Krüppelfürsorge“ nahezu jeden behinderten Menschen soweit arbeitsfähig machen konnte, dass „er sich seinen Lebensunterhalt verdient.“¹¹² Die quantitative Berechnung der Kosten, die Krankheiten oder Behinderungen durch Arbeitsausfall und Sozialleistungen verursachten, fand sich nicht nur in den Gruppen der DVfK. Schon im Katalog der deutschen Städteausstellung in Dresden berechnete ein Autor, Dresden verliere aufgrund von Krankheiten jährlich insgesamt 18 Millionen Mark zuzüglich vier Millionen Mark aufgrund vorzeitiger Todesfälle.¹¹³ Ein Kommentator der Stuttgarter Ausstellung für Gesundheitspflege rechnete vor, die Tuberkulose verursache jährlich mindestens 200 Millionen Mark Schaden, „bei Zugrundelegung des neuerdings festgestellten Wertes des einzelnen erwerbsfähigen Individuums [sogar] eine Milliarde und mehr“ Verluste für das „Volksvermögen“.¹¹⁴ 1930 erklärte Martin Vogel als wissenschaftlicher Direktor des Hygiene-Museums, jeder Mensch stelle einen Kapitalwert dar, der „durch seine Arbeit der Gesellschaft das wiedergibt, was an Ernährung, Kleidung, Erziehung und Ausbildung für ihn aufgewandt worden ist. Jedes Jahr, um das sich das Leben eines Menschen verkürzt, bedeutet demnach Kapitalverlust, jede Verlängerung Kapitalgewinn.“¹¹⁵ Praktiken des Zählens und Messens waren somit auch eng mit dem Versuch verbunden, den „Wert“ eines Individuums zu bestimmen.¹¹⁶
111 Den Kosten von circa 20 000 Mark für die „Entkrüppelung“ standen in dieser Rechnung 38 000 Mark für eine lebenslange Heimunterbringung gegenüber. Vgl. Hellmut Eckhardt: Ein Rundgang durch die Gesolei, in: Zeitschrift für Krüppelfürsorge 19 (1926) 7/8, S. 97–106, hier S. 105. 112 o. V.: Die Dresdener Ausstellung, S. 2–10, hier S. 7. 113 Vgl. Nowack: Die öffentliche Gesundheitspflege, in: Wuttke (Hrsg.): Die Deutschen Städte, S. 446–460, hier S. 451–453. 114 Bofinger: Die Ausstellung für Gesundheitspflege in Stuttgart 1914, S. 249–252, hier S. 250. Zur Bedeutung der Tuberkulose im Deutschen Reich vgl. Dirk Blasius: Tuberkulose: Signalkrankheit deutscher Geschichte, in: GWU 47 (1996) 5/6, S. 320–332; Sylvelyn Hähner-Rombach: Sozialgeschichte der Tuberkulose. Vom Kaiserreich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs unter besonderer Berücksichtigung Württembergs, Stuttgart 2000. 115 Martin Vogel: Das Deutsche Hygiene-Museum, in: Adolf Greß (Hrsg.): Kalender für den Sächsischen Staatsbeamten auf das Jahr 1930, Dresden 1930, S. 139–152, hier S. 146. 116 Vgl. auch Thorsten Halling/Julia Schäfer/Jürgen Vögele: Volk, Volkskörper, Volkswirtschaft – Bevölkerungsfragen in Forschung und Lehre von Nationalökonomie und Medizin, in: Mackensen/ Reulecke (Hrsg.): Das Konstrukt „Bevölkerung“ vor, im und nach dem „Dritten Reich“, S. 388–428.
5.1 „Vermessene Körper“
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245
Der deutsche Geburtenrückgang Diese Praktiken bezogen sich aber immer auch auf das Kollektiv der gesamten Bevölkerung. Dies spiegelte sich in der mit zunehmender Hysterie geführten Auseinandersetzung mit dem deutschen Geburtenrückgang markant wieder.¹¹⁷ Hintergrund der Diskussion war die Furcht vor einer Überalterung oder einem Rückgang der Bevölkerung, was aus zeitgenössischer Sicht zu einer militärischen und wirtschaftlichen Schwächung des Deutschen Reichs führen würde. Abhilfe sollten politische Maßnahmen schaffen, die den Anstieg der Geburtenraten förderten. Die Debatte hatte ihre Anfänge schon im Kaiserreich, gewann aber vor dem Hintergrund der großen Menschenverluste im Ersten Weltkrieg an Schärfe. Das Reichsmuseum für Wirtschafts- und Gesellschaftskunde enthielt beispielsweise eine eigene Abteilung Bevölkerungswesen, in der die Bevölkerungspolitik als Grundlage des Wirtschafts- und Gesellschaftswesens vorgestellt wurde.¹¹⁸ Hier wie auch an anderer Stelle wurden die Rufe nach einer verbesserten quantitativen Bevölkerungspolitik um eugenisch grundierte Forderungen nach einer qualitativen Bevölkerungspolitik ergänzt.¹¹⁹ Die Debatte bot damit Anknüpfungspunkte für andere Gruppen wie Mediziner oder Juristen, die ebenfalls eine gesteigerte Geburtenrate mit einer qualitativen Verbesserung der deutschen Bevölkerung zu verbinden suchten.¹²⁰ Die Verschränkung beider Aspekte manifestierte sich unter anderem in den Beiträgen des Reichsbundes der Kinderreichen auf den Ausstellungen. Diese 1922 gegründete Interessenvertretung beteiligte sich trotz anfänglicher Skepsis an der Düsseldorfer GeSoLei, wo sie die „biologische Bedeutung“ der kinderreichen Familie erläuterte und zugleich eine „wissenschaftliche Rechtfertigung“ der noch jungen Bewegung liefern wollte.¹²¹ Politisch forderten sie vor allem eine Verbesserung der sozialen Situation kinderreicher Familien und eine finanzielle
117 Vgl. hierzu u. a. Weipert: „Mehrung der Volkskraft“; Etzemüller: Ein ewigwährender Untergang. 118 Vgl. Emmi Lassen: Abteilung: Bevölkerungswesen, in: Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde (Hrsg.): Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde in Düsseldorf. Amtlicher Katalog. Erste Auflage, Düsseldorf 1928, S. 32–36. 119 Vgl. Cornelie Usborne: Frauenkörper – Volkskörper. Geburtenkontrolle und Bevölkerungspolitik in der Weimarer Republik, Münster 1994, S. 57–66. 120 Vgl. Katja Patzel-Mattern: „Volkskörper“ und „Leibesfrucht“. Eine diskursanalytische Untersuchung der Abtreibungsdiskussion in der Weimarer Republik, in: Wischermann/Haas (Hrsg.): Körper mit Geschichte, S. 191–222. 121 Rainer Fetscher: Die Ausstellung der Kinderreichen auf der Gesolei, in: Bundesblatt für den Reichsbund der Kinderreichen Deutschlands zum Schutze der Familie e. V. 6 (1926) 9, S. 97.
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Förderung kinderreicher Eltern durch den Staat.¹²² Die Gruppe des Reichsbunds wurde auf dessen Wunsch hin der Gruppe „Rassenhygiene“ angegliedert, in der zudem Informationsmaterial des Reichsbundes zur Mitnahme auslag.¹²³ Der Beitrag der Kinderreichen wurde von dem Eugeniker Rainer Fetscher in Zusammenarbeit mit dem Hygiene-Museum entwickelt. Er griff hierfür auf eine eindrucksvolle Menge an Statistiken, Stammbäumen und genealogischen Darstellungen zurück, um die wirtschaftliche Situation kinderreicher Familien sowie deren Beitrag zur Bekämpfung des Geburtenrückgangs zu demonstrieren. Gleichzeitig propagierte die Gruppe mit Maßnahmen wie dem Austausch von Gesundheitszeugnissen vor der Ehe auch eine qualitative Bevölkerungspolitik.¹²⁴ Vier Jahre später in Dresden war die Organisation mit einer eigenen Sonderschau vertreten. Dort wollte der Reichsbund zunächst, die Bedeutung des Kinderreichtums durch die Rechnung verdeutlichen, dass jedes Ehepaar durchschnittlich mehr als drei Kinder haben müsse, um „die Volkszahl nicht absinken zu lassen [. . . ].“ Anschließend hob er die schwierige wirtschaftliche Situation kinderreicher Familien hervor. Den Abschluss der Gruppe bildeten Exponate, die den „Aufstieg Tüchtiger“ sowie „gesunde Familien“ forderten.¹²⁵ Für den Katalog der Sonderschau konnte der Reichsbund mit Friedrich Burgdörfer einen der prominentesten Bevölkerungswissenschaftler seiner Zeit als Autor gewinnen.¹²⁶ Dieser legte einen dichten Text vor, in dem er auf der Basis umfangreichen Zahlenmaterials den Geburtenrückgang, die Überalterung der Gesellschaft und die Folgen der deutschen Bevölkerungspolitik skizzierte. Burgdörfers an mehreren Stellen erhobenen Forderungen nach einer „Rettung und Erhaltung des Volkes durch Rettung und Erhaltung der erbgesunden, kinderfrohen und kinderreichen Familien“ entsprachen einerseits den Positionen des Reichsbundes der Kinderreichen, belegen aber andererseits die Vermischung quantitativer
122 Vgl. Johannes Schröder: 2. Rheinischer Verbandstag am 28. und 29. August 1926, in: Bundesblatt für den Reichsbund der Kinderreichen Deutschlands zum Schutze der Familie e. V. 6 (1926) 10, S. 101–103. 123 Vgl. Schreiben von Vogel an Fetscher vom 02.04.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1471, unpaginiert; Schütz: Die Rassenhygiene auf der Düsseldorfer Ausstellung, S. 437–439, hier S. 439. 124 Vgl. Robert Engelsmann: Der Reichsbund der Kinderreichen auf der Gesolei, in: Bundesblatt für den Reichsbund der Kinderreichen Deutschlands zum Schutze der Familie e. V. 6 (1926) 8, S. 81–82. 125 Schreiben des Reichsbunds der Kinderreichen Deutschlands an Taute vom 05.09.1929. BArch Berlin R 1501/126235, Bl. 146–148. 126 Zu Burgdörfer vgl. Thomas Bryant: Friedrich Burgdörfer (1890–1967): Eine diskursbiographische Studie zur deutschen Demographie im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2010.
5.1 „Vermessene Körper“ |
247
und qualitativer Forderungen in der Debatte über die Bevölkerungspolitik.¹²⁷ Neben der Sonderschau des Reichsbundes wurde das Thema zusätzlich in der offiziellen Ausstellungszeitung, der Gruppe „Das Kind“ sowie in der Dauerausstellung des Hygiene-Museums behandelt.¹²⁸ Die Auseinandersetzung mit dem Geburtenrückgang erhielt damit in Dresden 1930/31 einen weiteren Aufmerksamkeitsschub. Auf den nationalsozialistischen Gesundheitsschauen sollte das Thema jedoch noch stärkere Beachtung finden. Das „Ziel der nationalsozialistischen Führung war eine grundlegende und durchgreifende Umgestaltung des deutschen Volkes [. . . ].“¹²⁹ Die Nationalsozialisten verstärkten daher nach 1933 ihre Aufmerksamkeit für die quantitative wie qualitative Rassen- und Bevölkerungspolitik.¹³⁰ 1934 widmete sich dementsprechend die Abteilung „Deutsches Blut und Kulturerbe“ der „nordischen Rasse“, wies auf die Gefahren des Geburtenrückganges hin und beklagte, dass zehn „erbgesunde Familien“ durchschnittlich 17 Kinder, zehn „erbkranke Familien“ dagegen jedoch 35 Kinder hätten.¹³¹ Sie aktualisierten damit das eugenische Argument der differentiellen Fortpflanzung, das eine Legitimationsgrundlage für das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses darstellte. Die Vorstellung der differentiellen Fortpflanzung beruhte auf der Idee, dass „minderwertige“ Familien durchschnittlich mehr Nachkommen als „hochwertige“ Familien hätten. Dadurch komme es auf lange Sicht zu einer „Zurückdrängung der Begabten und Erbgesunden [. . . ] zugunsten anderer Bevölkerungsteile, die erbbiologisch gesehen keinen Gewinn
127 Friedrich Burgdörfer: Familie und Volk. Sonderschau des Reichsbundes der Kinderreichen Deutschlands zum Schutze der Familie e. V. auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, Berlin 1930, S. 7. Hervorhebung im Original. 128 Vgl. Robert Engelsmann: Geburtenrückgang, in: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden. Mai – Okt. 1930. Offizielle Ausstellungszeitung 1 (1930) 12, S. 10; Manuskript von Bruno Gebhard: Was die Hebamme vornehmlich in der Gruppe „Kind“ auf der Hygieneausstellung interessieren wird. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 4, Folder III–6, unpaginiert; Drucksache: Dresden: Mai–September 1931. Internationale Hygiene-Ausstellung, S. 17. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 88, Bl. 189. 129 Rainer Mackensen: Zur Einführung: Konstruktion und Rekonstruktion von Bevölkerungswissenschaft im „Dritten Reich“, in: Ders. (Hrsg.): Bevölkerungslehre und Bevölkerungspolitik im „Dritten Reich“, Opladen 2004, S. 9–17, hier S. 9. 130 Vgl. Michael Wildt: Biopolitik, ethnische Säuberungen und Volkssouveränität, in: Mittelweg 36 15 (2006) 6, S. 87–106; Weindling: Health, race and German politics between national unification and Nazism 1870–1945, S. 489–564; Diehl: Körperbilder und Körperpraxen im Nationalsozialismus, S. 9–30, hier S. 9–17. 131 Bruno Gebhard/Ernst W. Maiwald: Ein Rundgang durch die Ausstellung, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-Gesellschaft (Hrsg.): Deutsches Volk – Deutsche Arbeit. Amtlicher Führer durch die Ausstellung, S. 183–221, hier S. 185–187.
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für die Gesamtheit darstellen.“¹³² Der Rekurs auf die differentielle Fortpflanzung war ein im Kern statistisches Argument, da es auf aggregierten Geburtenzahlen beruhte. Auch in den folgenden Schauen blieb die Bevölkerungsentwicklung ein virulentes Thema. So steuerte etwa Burgdörfer zum Amtlichen Führer durch die „Wunder des Lebens“ einen Beitrag zum Thema „Familie und Volk“ bei, in dem er vor dem drohenden „Aussterben“ des deutschen Volks warnte.¹³³ Gleichzeitig erhielten die Beiträge zur Bevölkerungspolitik mit den NSGesundheitsexpositionen eine rassistische, eine antisemitische Richtung. An mehreren Stellen warnten die Verantwortlichen, gestützt auf statistischen Angaben, vor der „Gefahr, die durch die Vermischung deutschen Blutes mit rassenfremden Elementen“ drohe und wandten sich gegen eine jüdische „Überfremdung“.¹³⁴ Auf der „Wunder des Lebens“ stellten die Veranstalter antisemitische Bilder sowie Karikaturen aus und behaupteten, die Vermischung von Deutschen mit Juden oder „Negern“ „zerstört die Harmonie des Körpers, des Geistes und der Seele, lähmt die schöpferische Kraft und verursacht den Niedergang unseres Volkes.“¹³⁵ Und Arthur Gütt erklärte anlässlich der Schau „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“, die nationalsozialistische Gesetzgebung sei eine Maßnahme „gegen die rassische Zersetzung, insbesondere die Zunahme des jüdischen Einflusses innerhalb unseres Volkskörpers.“¹³⁶ So verbanden die Ausstellungen hygienische Volksbelehrung „mit einer sozialdarwinistischen, rassenideologischen Botschaft.“¹³⁷ An dieser Stelle wiesen die Expositionen über sich hinaus auf den rassistischen Charakter des gesamten NS-Systems und unterschieden sich – trotz aller dennoch bestehender Kontinuitäten – von ihren Vorgängerinnen, die oftmals eine jüdische Beteiligung aufwiesen oder gar einen jüdischen Pavillon beherbergten. Nach 1933 wurden Juden und „Fremdrassige“ dagegen systematisch von den Expositionen
132 Arthur Gütt: Die Bevölkerungspolitische Gesetzgebung seit dem 30. Januar 1933, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-Gesellschaft (Hrsg.): Deutsches Volk – Deutsche Arbeit. Amtlicher Führer durch die Ausstellung, S. 61–65, hier S. 64. 133 Vgl. Friedrich Burgdörfer: Familie und Volk, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messeund Fremdenverkehrs-Gesellschaft (Hrsg.): Das Wunder des Lebens. Amtlicher Führer durch die Ausstellung, S. 78–82, hier S. 80. 134 F. Steiner: „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 60 (1934) 22, S. 838–839, hier S. 838. 135 Weiß: Erb- und Rassenkunde des Menschen, S. 183–252, hier S. 252; Gebhard/Maiwald: Ein Rundgang durch die Ausstellung, S. 183–221, hier S. 187. Starke Kritik an diesem Bereich übten lediglich Max Frisch in der Neuen Zürcher Zeitung sowie Cedric Dover in der Nature. Vgl. Frisch: Kleines Tagebuch einer deutschen Reise, S. 84–97, hier S. 91–92; Dover: Biology and the Nation in Germany, S. 628–629, hier S. 629. 136 Gütt: Die Bevölkerungspolitische Gesetzgebung seit dem 30. Januar 1933, S. 61–65, hier S. 63. 137 Thamer: Geschichte und Propaganda, S. 349–381, hier S. 366.
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ausgeschlossen, dort als „Anderes“ klassifiziert und als negatives Gegenbild diskriminiert.¹³⁸ Das Mittel der Darstellung der quantitativen Bevölkerungsentwicklung waren Diagramme, Kurven und Statistiken. Diese wurden möglichst anschaulich gestaltet; visualisierten beispielsweise den Rückgang der jährlichen Geburten pro 1000 Einwohner durch die stilisierte Darstellung von Babyköpfen und diese bringende Störche, um daran anschließend die „Bekämpfung des Geburtenrückganges“ als „dringliche Aufgabe“ zu definieren.¹³⁹ Zunehmend versuchten die Ausstellungsmacher, Statistiken in dreidimensionale Objekte zu transformieren. Ein illustratives Beispiel fand sich auf der GeSoLei 1926. Dort ließ eine Spieluhr alle 24 Sekunden figürliche Stellvertreter für eine Geburt, alle 42 Sekunden für einen Todesfall und alle 72 Sekunden für eine eingegangene Ehe auftauchen und visualisierte so die Geburten-, Ehe- und Sterberate in der Weimarer Republik.¹⁴⁰ Auf der „Wunder des Lebens“ wurde dasselbe Thema mit Hilfe der „Kinderglocke“ im Ehrenhof der Messehallen in Szene gesetzt.¹⁴¹ Die Glocke signalisierte durch neun Glockenschläge alle fünf Minuten die Anzahl der neun Neugeborenen im Deutschen Reich, während ein an dem Turm angebrachtes, großes Stundenglas den Tod von fünf Menschen im gleichen Zeitraum anzeigte.¹⁴² Unabhängig von der Korrektheit solcher Darstellungen ist der entscheidende Aspekt im Hinblick auf die Praktiken des Messens und Zählens, dass alle bevölkerungspolitischen Aussagen auf den Gebrauch von Statistiken, Zählungen, quantitativen Angaben verwiesen waren. Erst die Quantifizierung machte die abstrakte Größe „Bevölkerung“ fassbar und versetzte die unterschiedlichen Akteure in die Lage, politisch wirksam zu
138 Vgl. zu diesem Argument auch Sarasin: Reizbare Maschinen, S. 187–211. Dies kann als eine Methode verstanden werden, Juden aus dem „Universum allgemeiner Verbindlichkeiten“ auszuschließen, was von Harald Welzer als ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zum Holocaust beschrieben wurde. Harald Welzer: Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden, Frankfurt am Main 2007, S. 37. 139 Fotodokumentation Gesolei Düsseldorf 1926 V. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 317 V, Abbildung 7. 140 Vgl. Marta Fraenkel: Soziale Fürsorge, ein neues Ausstellungsgebiet, in: Die Umschau. Illustrierte Wochenschrift über die Fortschritte in Wissenschaft und Technik 30 (1926) 30, S. 592–595, hier S. 592–593. Für eine Abbildung vgl. Fotodokumentation Gesolei Düsseldorf 1926 V. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 317 V, Abbildung 5. Für eine genauere Analyse des Exponats vgl. Nikolow: Die graphisch-statistische Darstellung der Bevölkerung, S. 297–314, hier S. 306–307. 141 Die Kinderglocke gehörte zu den schon von Beginn der Ausstellungsvorbereitungen an geplanten Exponaten. Vgl. Bericht über die Sitzung vom 17.01.1935. BArch Berlin R 3901/21008, Bl. 104–110, hier Bl. 105. 142 Vgl. Bruno Gebhard: Das Wunder des Lebens, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 61 (1935) 18, S. 724–725.
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Abb. 5.1: Darstellung des Geburtenrückgangs auf der GeSoLei 1926. Quelle: Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2013/830.6.
argumentieren. Erst der kollektivierende Zugriff der Statistik auf die Bevölkerung brachte Phänomene wie demographische Entwicklungen oder Veränderungen der Geburtenraten ans Licht und machte diese sagbar. Die parallele Visualisierung von Geburten- und Todesraten mit Hilfe von Kurvendarstellungen oder Exponaten bildete dadurch nicht eine soziale Realität einfach nur ab, sondern schuf diese aktiv mit: Das statistische „Abbild ist die Wirklichkeit.“¹⁴³ Eine Vielzahl von Akteuren griff auf die Praktiken des Messens und Zählens zurück. Quantifizierungen machten sichtbar, definierten medizinische, wirtschaftliche oder soziale Probleme und halfen Interventions- oder Handlungsoptionen aufzuzeigen. Sie waren „Sichtbarmachungen“ und „bringen die Dinge auf den Punkt, machen Fakten anschaulich, begreifbar, transportierbar und in andere
143 Etzemüller: Ein ewigwährender Untergang, S. 92. Hervorhebung im Original.
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diskursive Zusammenhänge transponierbar.“¹⁴⁴ Sie bildeten deswegen ein verbindendes Element zwischen ganz unterschiedlichen Ausstellungsteilnehmern, die von Medizinern über Sportler bis hin zu Vertretern der Sozialfürsorge reichten. Zahlen konnten positiv gewendet dazu beitragen, Krankheiten zu diagnostizieren oder beispielsweise Behinderung als soziales Problem zu markieren. Negativ gewendet konnten sie aber auch als Ausschlusskriterien wirken, wenn etwa Personen nicht den körperlichen oder geistigen Durchschnittswerten entsprachen. Praktiken des Zählens und Messens stellten einen Ordnungsrahmen zur Verfügung, wirkten ein- wie ausschließend gleichermaßen.¹⁴⁵ Die Zahlen waren aber nicht naturgegeben, sondern wurden von Akteuren intentional genutzt, aus einem bestimmten politischen oder wissenschaftlichen Grund erhoben und in die Öffentlichkeit getragen. Sie waren „Ergebnisse gezielten wissenschaftlichen Handelns und komplexer soziotechnischer Interventionen.“¹⁴⁶ Quantifizierungen waren mit benennbaren Interessen verbunden und konnten zur Durchsetzung eigener Ansprüche dienen. Praktiken des Messens und Zählens machten sichtbar und wirkten durch ihre Herstellung als „Fakt, der Fakten schafft.“¹⁴⁷ Sie dienten als Legitimationsgrundlage für viele unterschiedliche Akteursgruppen, die keinesfalls auf die Medizin und die Naturwissenschaften beschränkt blieben. Die Gemeinsamkeit aller quantifizierenden Zugriffe auf kollektive wie individuelle Körper war die Abstraktion. Die Abstraktion von komplexen Eigenschaften zugunsten eines Durchschnitts, eines Klassifikationsmusters oder einer Typologie. Die Quantifizierung bildete erstens die Grundlage der Bestimmung einer statistisch gefassten „Normalität“.¹⁴⁸ Individuelle Krankheit bedeutete eine negative Abweichung vom Durchschnitt, wurde als Über- oder Unterschreiten körperli144 Ina Heumann/Axel C. Hüntelmann: Einleitung: Bildtatsachen. Visuelle Praktiken der Wissenschaften, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 36 (2013) 4, S. 283–293, hier S. 287. 145 David T. Mitchell und Sharon L. Snyder betonen in diesem Zusammenhang, der IQ-Test habe in den USA eine wichtige Rolle bei der eugenischen Beschäftigung mit geistiger Behinderung gespielt, denn man benötigte „eine festgelegte, messbare Grundlinie, die normale von ‚subnormalen Menschen‘ trennte.“ David T. Mitchell/Sharon L. Snyder: Die „subnormale“ Nation. Von der Erfindung einer behinderten Minderheit (1890 bis 1930), in Petra Lutz/Thomas Macho/Gisela Staupe u. a. (Hrsg.): Der (Im-)Perfekte Mensch. Metamorphosen von Normalität und Abweichung, Köln u. a. 2003, S. 63–77, hier S. 63. 146 Cornelius Borck: Bild der Wissenschaft. Neuere Sammelbände zum Thema Visualisierung und Öffentlichkeit, in: N.T.M. 17 (2009) 3, S. 317–327, hier S. 318–319. 147 Heumann/Hüntelmann: Einleitung: Bildtatsachen, S. 283–293, hier S. 289. 148 Volker Hess schlägt vor, „Normalität“ nicht als Nebenprodukt der naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung zu verstehen, sondern vielmehr wissenschaftliche Objektivität und wissenschaftliche Expertenkultur als Grundvoraussetzung für die Herstellung gesellschaftlicher Referenzmaßstäbe zu lesen. Die Entstehung des „Normalmenschen“ war somit Teil des „Normalisierungsprozesses, in dem sich unsere moderne Gesellschaft formte.“ Volker Hess: Messen
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cher Grenzwerte gefasst. Gesundheit bezog sich dagegen auf einen körperlichen Gleichgewichtszustand, der sich – anders als das Philipp Sarasin noch für das 19. Jahrhundert herausgearbeitet hat – nicht mehr auf bürgerliche Vorstellungen, sondern statistische Größen bezog.¹⁴⁹ Ohne einen quantifizierenden, zusammenfassenden, statistischen Zugriff auf die Bevölkerung war darüber hinaus die Idee eines „Volkskörpers“, eines nationalen Kollektivs nicht denkbar. Denn erst die Praktiken des Messens und Zählens verliehen den kollektivierenden Denkfiguren eine konkrete Gestalt. Hier wurden die Geburtenentwicklung oder der Gesundheitszustand der deutschen Bevölkerung mit Hilfe von Statistiken, Kurven oder Objekten dargestellt. Die Bewertungs- oder Diskussionsgrundlage waren jedoch nicht primär medizinische Normen, sondern politische Vorstellungen – im Nationalsozialismus nochmals stärker und mit dramatischeren Auswirkungen als im Kaiserreich oder in der Weimarer Republik. Praktiken des Messens und Zählens haben darüber hinaus eine weitere Wirkung: Oft werden sie in den Zusammenhang von Leistung und Leistungsfähigkeit gestellt. Denn Quantifizierungen werden dazu eingesetzt, körperliche Leistungsfähigkeit festzustellen und vergleichbar zu machen. Der „Vermessene Körper“ steht dadurch in einer stetigen Wechselbeziehung mit dem „Leistenden Körper“.
5.2 „Leistende Körper“ Die Leistungsfähigkeit des Körpers fand auf den Ausstellungen große Aufmerksamkeit und wurde von zahlreichen Akteuren aufgegriffen. Die Darstellungen waren eng mit der Perspektive auf den „Vermessenen Körper“ verzahnt, diente doch seine Vermessung oftmals der Demonstration seiner körperlichen Leistungen – und damit einer Gleichsetzung von Körper und Maschine.¹⁵⁰ Darauf weist schon der Anspruch hin, den „Menschen als technisches Meisterwerk“, als Wunder- und Kunstwerk zu inszenieren.¹⁵¹ Dieser Anspruch wurde selbst auf den nationalso-
und Zählen. Die Herstellung des normalen Menschen als Maß der Gesundheit, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 22 (1999) 1, S. 266–280, hier S. 276. Hervorhebung im Original. 149 Vgl. Sarasin: Reizbare Maschinen, S. 232–236. Zur Ausbreitung der Gleichgewichtsidee in der Bakteriologie der 1920er Jahre vgl. Berger: Bakterien in Krieg und Frieden; Schlich: Einführung: Die Kontrolle notwendiger Krankheitsursachen als Strategie der Krankheitsbeherrschung im 19. und 20. Jahrhundert, S. 3–28. 150 Zu dem damit verbundenen Ideal des effizienten Körpers vgl. Michael Cowan/Kai Marcel Sicks: Technik, Krieg und Medien. Zur Imagination von Idealkörpern in den zwanziger Jahren, in: Dies. (Hrsg.): Leibhaftige Moderne, S. 13–29, hier S. 15. 151 Heinrich Zerkaulen: Die Revue der Welthygiene in Dresden 1930, in: Weltwirtschaft 18 (1930) 5, S. 151–152, hier S. 152.
5.2 „Leistende Körper“
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zialistischen Expositionen aufrecht erhalten und fand seine sinnfälligste Entsprechung in der spektakulären Präsentation des „Gläsernen Menschen“ seit 1930/31. Er kann als Aufforderung verstanden werden, den eigenen Körper dauerhaft funktionsfähig und gesund zu erhalten.¹⁵² So betonte Adolf Thiele im Amtlichen Führer der Hygiene-Ausstellung 1930/31, „kein Motor arbeitet mit dem Nutzeffekt wie unsere Muskeln, keine elektrische Zentrale arbeitet mit solcher Präzision wie unser Nervensystem“.¹⁵³ 1935 sprachen die Organisatoren der Abteilung „Lehre vom Leben“ von der „Kraftwirtschaft des Körpers“ und dem „Herz als wunderbare[r] Energiequelle“.¹⁵⁴ Auch der Vergleich des menschlichen Herzens mit einem Aufzug auf der GeSoLei 1926 oder der „Wunder des Lebens“ 1935 war nicht nur eine Übersetzung von Messergebnissen in ein ausstellungskompatibles Format, sondern gleichzeitig eine Präsentation des Herzens als „Kraftmaschine“ – wie es schon 1926 in Düsseldorf hieß.¹⁵⁵ Die Ergebnisse statistischer Messungen lieferten aus diesem Blickwinkel die Maßstäbe, anhand der körperliche Leistungen klassifiziert werden konnten. Erst der Vergleich macht die Leistungsfähigkeit des Körpers sichtbar.
Sportliche Wettbewerbe auf den Expositionen Dies war auch bei vielen Sportwettkämpfen der Fall. Gerade bei leichtathletischen Wettbewerben war der Vergleich mit den erbrachten Leistungen der Konkurrenten sowie mit der durchschnittlichen Leistungsfähigkeit der Gesamtbevölkerung das wichtigste Kriterium, um den eigenen Auftritt einordnen zu können. Die zahlreichen sportlichen Wettkämpfe auf den Expositionen sollten „Theorie und Praxis“
152 Monika Hinterberger interpretiert den „Gläsernen Menschen“ in diesem Kontext als „Symbol eines funktionsfähigen Körpers“, während ihn Klaus Vogel als Sinnbild des naturwissenschaftlich erschlossenen Menschen versteht und Sabine Schulte mit ihm vor allem die Vorstellung von der „Beherrschbarkeit“ der Natur verbindet. Vgl. Monika Hinterberger: Schritte ins Museum – Eine frauengeschichtliche Spurensuche, in: Dies./Susanne Flecken-Büttner/Annette Kuhn (Hrsg.): „Da wir alle Bürgerinnen sind . . . “ Frauen- und Geschlechtergeschichte in historischen Museen, Opladen 2008, S. 27–104, hier S. 64; Vogel: Das Deutsche Hygiene-Museum als Diskussionsort eines modernen Menschenbildes, S. 83–93, hier S. 86; Schulte: Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden von Wilhelm Kreis. Biographie eines Museums der Weimarer Republik, S. 402. 153 Adolf Thiele: Mensch und Wirtschaft, in: o. V. (Hrsg.): Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930. Amtlicher Führer, Dresden 1930, S. 62–67, hier S. 66. 154 Zessler: „Das Wunder des Lebens“, in: Zeitschrift für ärztliche Fortbildung 32 (1935) 7, S. 209– 210, hier S. 209. 155 Dr. H. Murschhauser: Programm „Ernährung“. StdA Düsseldorf 0–1–18–1069, Bl. 61–66, hier Bl. 63.
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vereinend vor allem als praktische Vorbilder wirken.¹⁵⁶ Der Sport sollte denjenigen „zwangsweise vorgeführt werden“, die selbst noch nicht aktiv ihren Körper ertüchtigten.¹⁵⁷ Auf den Gesundheitsausstellungen konnten die Besucher beispielsweise einer Weltmeisterschaft im „Ringen und Heben“, internationalen Leichtathletikwettbewerben, Fußballspielen oder einem nationalen Hockeyturnier beiwohnen.¹⁵⁸ Die Organisatoren der „Deutschland“ Schau von 1936 führten diese Tradition auf ihre Weise fort, indem sie ein Freilichtkino errichteten, das täglich Filmberichte über die parallel ausgetragenen Olympischen Spiele ausstrahlte.¹⁵⁹ An den Wettbewerben nahmen berühmte Sportler und erfolgreiche Mannschaften teil. Sie demonstrierten, dass der Sport „Muskeln und Sehnen in Willenskraft und Ausdauer“¹⁶⁰ stärke und als Mittel zur „Steigerung der Leistungsfähigkeit des Körpers“ sowie „Abhärtung“ des Menschen dienen konnte.¹⁶¹ In einem an jüngere Leser gerichteten Bilderbuch, das auf der GeSoLei ausgegeben wurde, heißt es in diesem Sinne, das „Fußballspielen – wohlgemerkt – die Nerven stählt, die Muskeln stärkt“ oder den „Leicht- und Schwerathlet das gleiche Ziel verbindet, dass er die Kraft zum Widerstand im Lebenskampf findet.“¹⁶² Der Wettkampf – verstanden als „Prüfen, Messen und Schulen der Kräfte zum Zwecke ihrer Steigerung“ – verwandelte sich so zum Agens körperlicher Weiterentwicklung.¹⁶³ Doch nicht nur 156 Drucksache Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Mai – Oktober. Sportausstellung. Turnen, Spiel und Sport, S. 15. GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil VI Nr. 20, Bd. 1, Bl. 315–323. 157 o. V.: Zwei Sporttage auf der Gesolei, in: GeSoLei: Offizielle Tageszeitung der Großen Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1926 vom 15.06.1926, S. 5. 158 Vgl. u. a. Rundschreiben IHAD 1911 Gruppe Athletik. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3576, Bl. 12–13; Eckhardt: Die internationale Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden, S. 406–410, hier S. 409; o. V.: Nationale Hockey-Woche zu Dresden, in: Akademische Blätter für Turnen und Sport 1 (1911) 10, S. 143; Ankündigungskarte Internationale Leichtathletische Abendwettkämpfe. StdA Düsseldorf 0–1–18–1024, Bl. 421–422; o. V.: Spielvereinigung Fürth – Holstein Kiel in Düsseldorf, in: GeSoLei: Offizielle Tageszeitung der Großen Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1926 vom 06.06.1926, S. 6. 159 Vgl. o. V.: Die Ausstellung „Deutschland“ Berlin 1936–18. Juli bis 26. August, in: Die Städtereinigung 28 (1936) 14, S. 399–406, hier S. 406. 160 So das Werbeplakat für das 3. Akademische Olympia vom 08. bis 10.07.1911 in Dresden. GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil VI Nr. 20, Bd. 1, Bl. 384. 161 Zuntz/Mallwitz: Sonderkatalog der Abteilung Sportausstellung der Internationalen HygieneAusstellung Dresden 1911, S. 7. 162 Erstes Bilderbuch aus dem umfangreichen Gebiet der Grossen Ausstellung Düsseldorf 1926, für Gesundheitspflege (Ge) soziale Fürsorge (So) Leibesübungen (Lei), gezeichnet von Rudolf vom Endt, Düsseldorf o. J. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 1997/1727.2. 163 Fritz Wildung: Die Arbeitersportbewegung, in: Thiele/Neubert (Hrsg.): Führer durch die Gruppe Leibesübungen auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1931, S. 27–30, hier S. 27.
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die Sportler, auch die Turner, die bereits im 19. Jahrhundert die körperliche Verbesserung insbesondere im Hinblick auf die Wehrfähigkeit zu ihrer Maxime erhoben hatten¹⁶⁴, schlossen sich spätestens Ende des Ersten Weltkriegs mehr und mehr dem sportlichen Leistungsdenken an.¹⁶⁵ Diese „Versportlichung des Turnens“¹⁶⁶ wird auch auf den Gesundheitsschauen greifbar. 1911 organisierten sie eigene Wettkämpfe, hoben sportliche Erfolge von Turnern hervor und führten Statistiken über deren Leistungsentwicklung. In den folgenden Jahren nahm dieser Trend nochmals spürbar zu.¹⁶⁷ Einzelne Stimmen aus dem Umfeld der Turnbewegung sprachen sich im Rahmen der GeSoLei sogar dezidiert für die Durchführung von Wettkämpfen aus, da nur diese zu einem harten Training motivierten. Die „angestrebte harmonische Ausbildung des Körpers“ wurde hiermit nicht aufgegeben; ihre Vollendung nun aber an die Veranstaltung von Meisterschaften geknüpft.¹⁶⁸ Hatten die Turner auf der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung noch die Austragung „sportlicher Höchstleistungskämpfe“¹⁶⁹ wie Armee-Gepäck-Wettmärsche stark kritisiert und in Stuttgart darauf bestanden, der Sport entwickle „Einseitigkeit“ während sie selbst nach dem Vorbild des griechischen Sports „Vielseitigkeit“ förderten¹⁷⁰, konstatierten sie 1926, Sport und Turnen eine das gemeinsame Ziel der Steigerung von „Volksgesundheit“ durch „Volksertüchtigung.“¹⁷¹ Und selbst die eigentlich einer ästhetisierenden Perspektive auf den Körper anhängenden Mitglieder der Körperkulturbewegung betonten, ihr Ziel sei eine Steigerung der Durchschnitts-
164 Vgl. Sarasin: Reizbare Maschinen, S. 323–324. 165 Zur Verknüpfung von Sport und Turnen mit der deutschen Sorge um die eigene Wehrfähigkeit vgl. Peter Tauber: Vom Schützengraben auf den grünen Rasen. Der Erste Weltkrieg und die Entwicklung des Sports in Deutschland, Münster u. a. 2008. 166 Peter Tauber: „Die Leibesübungen sind eine besondere Art des Kampfes ums Dasein“. Popularisierter Darwinismus in der Auseinandersetzung um die Körperkultur in Deutschland um die Jahrhundertwende, in: Kretschmann (Hrsg.): Wissenspopularisierung, S. 294–307, hier S. 300. 167 Vgl. Eckhardt: Dresdner Statistik über turnerische Körperleistungen und Wandern der Schüler, S. 214–220; Robert Braun: Die Meisterschaften der D. T. im volkstümlichen Turnen und Schwimmen in Düsseldorf 1926, in: Eilnachrichten der Deutschen Turn-Zeitung 71 (1926) 61, S. 241–242; Ders.: Die Meisterschaften der D. T. im volkstümlichen Turnen und Schwimmen in Düsseldorf 1926, in: Eilnachrichten der Deutschen Turn-Zeitung 71 (1926) 65, S. 257–259; F.: Rheinlands Turnerinnen auf der Gesolei, S. 5. 168 Victor Meyer-Eckhardt: Ein Brief für die Meisterschaften der D. T. im Volksturnen und Schwimmen in Düsseldorf am 14. und 15. August 1926, in: Deutsche Turn-Zeitung 71 (1926) 60, S. 535. 169 Fritz Eckhardt: Die internationale Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden, in: Monatsschrift für das Turnwesen 30 (1911) 6, S. 220–223, hier S. 223. Hervorhebung im Original. 170 von Grützner: Leibesübungen, in: Städtisches Ausstellungsamt (Hrsg.): Ausstellung für Gesundheitspflege, S. 163–165, hier S. 164. 171 o. V.: Die Meisterschaften der D. T. im volkstümlichen Turnen und Schwimmen in Düsseldorf 1926, in: Eilnachrichten der Deutschen Turn-Zeitung 71 (1926) 59, S. 233–234, hier S. 234.
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leistungen in der Bevölkerung, ohne damit gleich ihre Kritik an „übertriebener Sportbarbarei“ aufzugeben.¹⁷² Aus Sicht der Mediziner sowie Vertreter der Leibesübungen sollte vor allem der körperliche Zustand der männlichen Jugend durch systematische Ertüchtigung verbessert werden.¹⁷³ Im Kaiserreich wurden sportliche Aktivitäten als Quelle „nationale[r] Kraft und Lebensenergie“ angesehen.¹⁷⁴ Gerade dem Sport wurde das Potential zugeschrieben „dem Vaterland eine kräftige Jugend zu erziehen“ und junge Männer in „großartiger Weise auf die Militärdienstzeit“ vorzubereiten.¹⁷⁵ In der Zwischenkriegszeit wurden die Leibesübungen als Wehrersatzdienst noch stärker aufgewertet.¹⁷⁶ Dies schlug sich nicht zuletzt 1925 in der Gründung des Museums für Leibesübungen in Berlin nieder. Mallwitz, der sich während des Ersten Weltkriegs aktiv für den Behindertensport als Instrument der Wiedereingliederung Kriegsversehrter eingesetzt hatte¹⁷⁷, forderte „aus sozialpolitischen und biologischen Gründen“ die Förderung des Sports und verstand ihn vor allem als Mittel des nationalen Aufbruchs nach den verheerenden Folgen der Kriegshandlungen.¹⁷⁸ 1930/31 übernahm schließlich das Hygiene-Museum die Gestaltung der wissenschaftlichen Gruppen über Sport, da frühere Expositionen des Reichsausschusses für hygienische Volksbelehrung oder des Museums für Leibesübungen aus seiner
172 Richard Nordhausen: Deutscher Sport und Hygiene, in: Hygiene. Offizielle Monatsschrift der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 1 (1911) 2/3, S. 35–36, hier S. 36. Bess Mensendieck, selbst eine einflussreiche Vertreterin der Körperkultur, sah die Aufgabe ihrer Übungen darin, den Körper „noch leistungsfähiger“ zu machen. Sie setzte sich gleichzeitig jedoch radikal vom Turnen und dem Sport ab. Bess M. Mensendieck: Körperkultur der Frau, München 1912, S. 2. Zu Mensendieck vgl. Robin Veder: Seeing Your Way to Health: The Visual Pedagogy of Bess Mensendieck’s Physical Culture System, in: The International Journal of the History of Sport 28 (2011) 8/9, S. 1136–1352. 173 Vgl. bspw. Körting: Militärärztliche Eindrücke von der internationalen Hygieneausstellung zu Dresden 1911, S. 3070–3075, hier v. a. 3073–3074. 174 So der Reformpädagoge, Offizier und Abgeordnete des Preußischen Abgeordnetenhauses Emil von Schenckendorff auf dem 12. deutschen Kongress für Volks- und Jugendspiele in Dresden 1911. o. V.: 12. deutscher Kongreß für Volks- und Jugendspiele, in: Akademische Blätter für Turnen und Sport 1 (1911) 4, S. 61–62, hier S. 62. Hervorhebung im Original. 175 Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Protektor Se. Majestät der König von Sachsen. Abteilung Sportausstellung. Internationaler Armee-Gepäck-Wettmarsch Dresden 1911 veranstaltet vom Dresdner Fußball-Club 1893. BayHStA MKr 288, unpaginiert. 176 Vgl. etwa Ernst Poensgens Geleitwort für Klapheck (Hrsg.): Dokument Deutscher Kunst Düsseldorf 1926, S. 16–19, hier S. 17. 177 Vgl. Bernd Wedemeyer-Kolwe: „Verhinderte Gesunde“? Die Geschichte des niedersächsischen Behindertensports, Hannover 2010, S. 62–65. 178 Arthur Mallwitz: Einführung, in: Museum für Leibesübungen e. V. (Hrsg.): Das Museum für Leibesübungen, S. 7–14, hier S. 7.
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Sicht nicht mehr zeitgemäß waren. Denn diese bestanden überwiegend aus einer Darstellung der historischen Entwicklung des Sports, während die Dresdner die anatomischen und physiologischen Grundlagen sportlicher Betätigungen in den Mittelpunkt stellen wollten. Dadurch sollten die Besucher zum richtigen Sporttreiben angeleitet werden.¹⁷⁹ Gleichwohl tasteten auch die Dresdner das Verständnis vom Sport als Ausgleich zu den einseitigen Belastungen der Industriearbeit sowie als Ersatz für den Wehrdienst nicht an. Die Gruppe kreiste weiterhin um den Beitrag des Sports zur Erhaltung und Steigerung körperlicher Leistungsfähigkeit auf der einen und die Gefahren sportlicher Überanstrengung auf der anderen Seite.¹⁸⁰ Allerdings nahm auf der Zweiten Internationalen Hygiene-Ausstellung die Tendenz zu, sportliche Leistungssteigerung mit eugenischen Themen zu verbinden. Zwar hatte Mallwitz schon 1911 vom Sport als Teil einer „positiven Volks- und Rassenhygiene“ gesprochen.¹⁸¹ Doch bezog er sich nicht auf die biologischen Erbanlagen des Einzelnen. Stattdessen verband er mit dem Sport die Hoffnung, die Leistungsfähigkeit der gesamten Bevölkerung zu steigern.¹⁸² In Dresden wurde dagegen betont, auch der Sport könne „Minderwertigkeiten nicht aus der Welt schaffen, sondern nur die Entwicklung überdecken und unwirksam machen“.¹⁸³
Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Die Aktivitäten von Medizinern oder Sportlern liefen auf die Steigerung oder zumindest Erhaltung der körperlichen wie geistigen Leistungsfähigkeit der Bevölkerung hinaus. Leistungsfähigkeit wurde im Rahmen der Gesundheitsexpositionen allerdings in erster Linie als wirtschaftliche Leistungsfähigkeit begriffen, der gesundheitliche Zustand des „Volkskörpers“ in Beziehung mit der Volkswirtschaft gesetzt.¹⁸⁴ Die industrialisierte Gesellschaft, so eine zeitgenössische Interpretation, forderte eine ständige Konzentration der Kräfte, ständige Anstrengungen
179 Vgl. Rudolf Neubert: Sportausstellung, in: Die Leibesübungen. Zeitschrift für Veröffentlichungen des Deutschen Turnlehrervereins, der Deutschen Hochschule für Leibesübungen und des Deutschen Ärztebundes zur Förderung der Leibesübungen 6 (1930) 3, S. 67–70. 180 Vgl. Georg Thiele/Rudolf Neubert (Hrsg.): Führer durch die Gruppe Leibesübungen auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1931, Dresden 1931. 181 Mallwitz: Die Sportabteilung der Internationalen Hygiene-Ausstellung, S. 193–199, hier S. 198. 182 Vgl. dazu auch Mallwitz: Rassenhygiene oder Volkshygiene, S. 101–109. 183 o. V.: Rundgang durch die Hallen Leibesübungen, in: Thiele/Neubert (Hrsg.): Führer durch die Gruppe Leibesübungen auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1931, S. 46–88, S. 53. 184 Vgl. u. a. Robert Friedrich: Gesunder Körper – Gesunder Geist, in: Gesundheit in Wort und Bild 8 (1911) 7, S. 121–123.
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und deswegen eine planmäßige „Rationalisierung des Feierabends“, um „Körper, Geist und Seele frisch“ zu halten.¹⁸⁵ Die Arbeitskraft sowie das Verhältnis von Körper und Wirtschaft waren dementsprechend ein wichtiges Thema der Gesundheitsausstellungen.¹⁸⁶ So bildete 1911 und 1930/31 in der Gruppe „Tuberkulose“ nicht die Wiederherstellung des früheren Gesundheitszustandes eines Erkrankten, sondern die Wiedererlangung seiner Erwerbsfähigkeit den Gradmesser zur Beurteilung des Therapieerfolges.¹⁸⁷ Die Umrechnung menschlicher Leistungen sowie seines Gesundheitszustandes in einen Kapitalwert durch die Gegenüberstellung seines Arbeitslohns mit den Kosten für seine Versorgung im Falle von Krankheiten unterstrich die Relevanz des körperlichen Zustandes der Bevölkerung für die Volkswirtschaft nochmals.¹⁸⁸ Karl August Lingner betonte in diesem Zusammenhang, kein „Staatskapital“ sei „so fruchtbringend angelegt“ als „das auf die Förderung der Gesundheitspflege des einzelnen Individuums verwandte.“ Denn jeder gesunde Bürger bedeute aufgrund seiner gesteigerten Leistungsfähigkeit an sich schon eine „Vermehrung des Staatsvermögens“, weise darüber hinaus jedoch auch eine messbare Produktivitätssteigerung auf.¹⁸⁹ In der Zwischenkriegszeit nahm diese Verkopplung von Praktiken des Messens und Zählens und einer Betonung der Leistungsfähigkeit des Körpers nochmals zu. So begriff Robert Lehr in seiner Eröffnungsrede die GeSoLei 1926 als „zielbewußtes Wirken zum Besten der Erhaltung und Stärkung der Arbeitskraft.“¹⁹⁰ Und 1930 hob Wilhelm Külz die „Pflicht“ jedes
185 Rudolf Teßmann: Rationalisierung und Körperkultur, in: Sportpolitische Rundschau 3 (1930) 5, S. 99–101, hier S. 101. Hervorhebung im Original. 186 Zur generell hohen Stellung der Erwerbsarbeit in der deutschen Gesellschaft vgl. Campbell: Joy in work, German work. 187 Als zweites Bewertungskriterium nannten die Autoren, dass die ansteckenden Kranken durch die Aufnahme in Heilstätten ihre unmittelbaren Angehörigen nicht mehr mit Tuberkulose infizieren konnten. Vgl. Friedrich Helm/Ernst Seiffert: Die Entwicklung der Tuberkulose-Bekämpfung in Deutschland im Rahmen einer kulturhistorischen Schau von 100 Jahren. Ein Führer durch die Gruppe „Tuberkulose“ der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930/1931, Berlin 1931, S. 23; Karl Wezel: Katalog der Sondergruppe Tuberkulose der Internationalen Hygieneausstellung Dresden 1911. Deutsches Tuberkulose-Museum, Dresden 1911, S. 39. 188 Vgl. Vogel: Das Deutsche Hygiene-Museum, S. 139–152, hier S. 146; Nowack: Die öffentliche Gesundheitspflege, S. 446–460, hier S. 451–453. 189 Schreiben Lingner an Beutler vom 01.08.1906. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/ Nr. 3572, Bl. 33–57, hier Bl. 38–39. Dasselbe Argument wiederholte er 1912 in seiner Denkschrift für das Hygiene-Museum. Vgl. Lingner: Denkschrift zur Errichtung eines National-Hygiene-Museums in Dresden, S. 18–19. 190 o. V.: Die Eröffnung der Gesolei, in: Deutsche Allgemeine Zeitung vom 08.05.1926, o. S. Hervorhebung im Original. Kritik an dieser Ausrichtung der GeSoLei äußerte Gerth Schreiner: Industrielle und gewerkschaftliche Menschenführung im Rahmen der Gesolei, in: Die Arbeit. Zeitschrift für Gewerkschaftspolitik und Wirtschaftskunde 3 (1926) 9, S. 582–588. Er kritisierte vor allem die
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Einzelnen sowie der Gesellschaft zur „Erhaltung der menschlichen Gesundheit als des bestimmenden Wertfaktors für die ideelle und wirtschaftliche Leistungskraft“ hervor.¹⁹¹ Selbst der Mediziner Karl Süpfle betonte die wechselseitige Beziehung von Wirtschaft und Gesundheit. Aus seiner Sicht galt es einerseits „das Entstehen von Krankheiten [zu] verhüten, um Verluste des Volksvermögens und der privaten Wirtschaft“ zu verhindern. Andererseits musste das Deutsche Reich „auf das qualitative und quantitative Optimum unserer Bevölkerung bedacht sein“, da nur so die Wirtschaftskraft sowie Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands dauerhaft gesichert werden könnte.¹⁹² Dem Einzelnen kam in diesem Kontext die Aufgabe zu, seinen Körper permanent zu stärken und sich jederzeit gesund zu verhalten.¹⁹³ Die Ausstellungen sollten den Besuchern demonstrieren, wie sie „für lange Zeit Höchstleistungen“ erbringen und „sich gesundheitlich für diese Aufgaben stark“ machen konnten.¹⁹⁴ Auf den nationalsozialistischen Gesundheitsausstellungen rückte schließlich die deutsche Arbeits- und Leistungsfähigkeit endgültig ins Zentrum. Hier avancierte die natürliche „Verbundenheit von Volk und Arbeit“ zu einem bedeutenden Bezugspunkt aller Akteure.¹⁹⁵ 1934 stellte Goebbels in seiner Eröffnungsrede „die Arbeit als Idee“ in den Mittelpunkt der Schau „Deutsches Volk – Deutsche
Beiträge von Firmen und Industrievertretern zur Ausstellung, die das Bild vermittelten, der Mensch müsse von seiner Geburt an bis zu seinem Tod in den Produktionsprozess eingebunden sein. 191 Wilhelm Külz: Die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 – ein Dienst an der Menschheit, in: Presse-Stelle des Deutschen Hygiene-Museums und der Internationalen HygieneAusstellung Dresden 1930 (Hrsg.): Das Deutsche Hygiene-Museum und die Internationale HygieneAusstellung Dresden 1930, S. 35–36, hier S. 35. 192 Karl Süpfle: Idee und Bedeutung einer neuen Weltschau der Hygiene, in: Seiring/Fraenkel (Hrsg.): 10 Jahre Dresdner Ausstellungsarbeit. Jahresschauen deutscher Arbeit 1922–1929 und Internationale Hygiene-Ausstellung 1930/1931, S. 213–220, hier S. 215. 193 Die Vorstellung, dass Gesundheit die Grundvoraussetzung für körperliche und geistige Leistungsfähigkeit war, fand ihren unmittelbaren Niederschlag in dem allgegenwärtigen Wort vom „Mens sane in corpora sano.“ Sie wurde durchaus auch in den Niederlanden geteilt. Vgl. o. V.: De internationale hygiëne-tentoonstelling Dresden 1911, in: Nieuwe Rotterdamsche Courant vom 05.07.1911. StdA Amsterdam 496/8, unpaginiert. 194 Vermerk über eine Rücksprache des Geheimrats Professor Dr. Schloßmann von der Düsseldorfer Akademie für praktische Medizin mit dem Herrn Staatssekretär am 19. Dezember 1924. BArch Berlin R 3901/4632, Bl. 14–16, hier Bl. 14. 195 Diese Verbundenheit sollte Hitlers Fotograf Heinrich Hoffmann 1934 durch vier Fotografien für das Reichsarbeitsministerium darstellen, in denen er das Verhältnis von Volk und Arbeit vor und nach der NS-Machtübernahme einander gegenüberstellte. Schreiben Reichsarbeitsministerium an Heinrich Hofmann vom 22.03.1934. BArch Berlin R 3901/7247, Bl. 203.
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Arbeit“.¹⁹⁶ Gleichzeitig versprach er, die nationalsozialistische Regierung werde durch die Konzentration auf die Leistungs- und Arbeitsfähigkeit der Deutschen und durch ihre politischen Maßnahmen die soziale Frage lösen.¹⁹⁷ Schon während der Planungsphase hatten die Organisatoren der „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ das Ziel verfolgt, mit der Exposition die „Anerkennung deutscher Arbeit, die sie in Spitzenleistungen geistigen und materiellen Schaffens zeigen will“, zu fördern und in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die „Bedingtheit von Volk und Rasse, von Staat und Volk, von Volk und Wirtschaft“ zu wecken.¹⁹⁸ Sie wurde dafür als „Leistungsschau“ konzipiert, die nicht einzelnen Firmen, sondern einem ganzen „Volk, das seine Leistungsfähigkeit unter Beweis stellt“, eine Plattform bot.¹⁹⁹ Hier griff man auf eine Idee zurück, die schon in Dresden 1930/31 leitend war. Diese behandelte neben hygienischer Volksbelehrung auch die „Höchstleistungen der deutschen Industrie “.²⁰⁰ Vier Jahre später bildete jedoch ein gesunder, rassenreiner „Volkskörper“ die Grundlage für den „wirtschaftliche[n] Wiederaufstieg“²⁰¹ : „Nur wenn das Volk als lebendiger Organismus zu seinen Wurzeln zurückgeführt wird – zu Blut und Boden –, ist eine Genesung, ein Wiederaufstieg als Nation möglich.“²⁰² Nur durch die „Pflege der biologischen Erbmasse des Volkes“²⁰³ könne „die Leistungsfähigkeit der Volksgemeinschaft gesteigert werden.“²⁰⁴ Aus diesem Grund bestand der zweite Schwerpunkt der Exposition neben der deutschen „Wertarbeit“ aus einer ausführlichen Darstellung von Rassenkunde und Rassenhygiene.²⁰⁵ Mit der Verschränkung wirtschaftlicher, rassekundlicher und rassenhygienischer Themen stand die „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ in einem unmittelbaren Be-
196 o. V.: Durch Leistung behaupten!, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung vom 22.04.1934, S. 1. Hervorhebung im Original. 197 Vgl. o. V.: Lob der Arbeit, in: Berliner Tageblatt vom 21.04.1934. Abend-Ausgabe, o. S. 198 Rundschreiben des Reichsarbeitsministers vom 17.10.1933. BArch Berlin R 3901/21006, Bl. 75– 76, hier Bl. 75. 199 o. V.: Deutsches Volk – Deutsche Arbeit, in: Völkische Wacht. Kampfblatt für nationalsozialistische Bevölkerungspolitik 14 (1934) 6, S. 87–88, hier S. 88. 200 Drucksache: Dresden Mai – Oktober 1930. Internationale Hygiene Ausstellung, Dresden 1929, S. 5–6. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 802, unpaginiert. Hervorhebung im Original. 201 o. V.: Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ in Berlin. Die erste Jahresschau nationaler Arbeit, S. 5–6, hier S. 5. 202 Gebhard/Maiwald: Ein Rundgang durch die Ausstellung, S. 183–221, hier S. 183. 203 Albert Wischek: Entwurf Deutsches Volk – Deutsche Arbeit, S. 2. LA Berlin A Rep. 015–02/ Nr. 32091, unpaginiert. 204 Unter der Schirmherrschaft des Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg. Ausstellung Deutsches Volk – Deutsche Arbeit. Berlin 1934. 17. März – 1. Mai. Programm. LA Berlin A Rep. 015– 02/Nr. 32091, unpaginiert. 205 Vgl. o. V.: Deutsches Volk – Deutsche Arbeit.
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zug mit der allgemeinen nationalsozialistischen Wirtschafts-, Gesundheits- sowie Rassenpolitik.²⁰⁶ Nicht nur 1934 legten die Veranstalter einen Schwerpunkt auf körperliche Leistungsfähigkeit. Auch auf den anderen Expositionen wurde das Thema von ganz unterschiedlichen Akteuren aufgegriffen: An der „Deutschland“ 1936 beteiligten sich beispielsweise der Nationalsozialistische Lehrerbund sowie der Nationalsozialistische Beamtenbund, um den Besuchern die „produktive Tätigkeit des Beamten und Lehrers für Volk und Staat“ vorzuführen und das Vorurteil zu entkräften, dass der Beamte „nur Nutznießer der Nation sei.“²⁰⁷ Und während der Eröffnung der Exposition „Das Leben“ von 1936, die auf der „Wunder des Lebens“ beruhte, hob der Reichsärzteführer Gerhard Wagner das Ziel der Reichsregierung hervor, den „deutschen Menschen wieder in denkbar vollkommener Weise körperlich und geistig leistungstüchtig und lebensfreudig“ zu machen.²⁰⁸ Die „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ präsentierte schließlich „Volk und Wirtschaft als Einheit“.²⁰⁹ Dieses Thema wurde auch durch neue Exponate umgesetzt. So gewährte eine „Gläserne Fabrik“, die das Hygiene-Museum im Stile des „Gläsernen Menschen“ hergestellt hatte, den Besuchern Einblicke in eine mustergültig angelegte Fabrikanlage, veranschaulichte Arbeitsschutzvorkehrungen und demonstrierte gleichzeitig die gesundheitlichen Anforderungen moderner Industriearbeit an den Einzelnen.²¹⁰ Albert Wischek betonte in diesem Zusammenhang die individuelle Pflicht zur Gesundheit und hob gleichzeitig hervor, dass aufgrund des Facharbeitermangels eine
206 Vgl. dazu Hans-Ulrich Thamer: Die Repräsentation der Diktatur. Geschichts- und Propagandaausstellungen im nationalsozialistischen Deutschland und im faschistischen Italien, in: Christof Dipper/Raine Hudemann/Jens Petersen (Hrsg.): Faschismus und Faschismen im Vergleich. Wolfgang Schieder zum 60. Geburtstag, Köln 1998, S. 229–246, v. a. S. 236. 207 Ergebnis der Verhandlung in Berlin betreffs Ausstellung ‚Deutschland‘ (17.7.–19.8) am 19. ds. Mts. BArch Berlin NS 12/5, Bl. 8–9, hier Bl. 8. Hervorhebung im Original. 208 o. V.: „Das Leben“, Ausstellung für Volksgesundheit vom 9. Mai bis 1. Juni 1936 in Essen, in: Deutsches Ärzteblatt 66 (1936) 21, S. 550–552, hier S. 551. Wagner wurde 1938 Vorsitzender des Hygiene-Museums. Vgl. Stephan: Das Dresdner Hygiene-Museum in der Zeit des deutschen Faschismus, S. 445–446. 209 Wischek: Zur Reichsausstellung Berlin 1938 „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“, S. 1. Hervorhebung im Original. 210 Vgl. o. V.: Reichsausstellung „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ in Berlin, S. 4; Vierteljahresbericht der Gesellschaftsfachverwaltung der Berliner Ausstellungen, Eigenbetrieb der Reichshauptstadt (bisher Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH), an den Oberbürgermeister (Allg. H I 9a–b) für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1938 vom Februar 1939, S. 8. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32092, unpaginiert. Klaus Vogel sieht in der „Gläsernen Fabrik“ eine Verkörperung der Idee Karl August Lingners vom Menschen als Organisationsvorbild. Vgl. Ders.: The Transparent Man – some comments on the history of a symbol, S. 31–61, hier S. 50–51.
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Produktionssteigerung nur durch eine Leistungssteigerung jedes Bürgers möglich sei.²¹¹ Die Perspektive auf die in erster Linie körperliche Leistungs- und Arbeitsfähigkeit bildete einen Fixpunkt auf jeder NS-Schau. Sie wurde jedoch immer mit rassenhygienischen und rassistischen Vorstellungen verschränkt. Dem Blick auf die Leistungsfähigkeit des Körpers wurde dessen rassische sowie rassenhygienische Überprüfung vorgeschaltet; die Erfüllung ideologischer Kriterien bildete aus dieser Perspektive die Voraussetzung für die Einhaltung der Arbeits- und Leistungsnormen. Umgekehrt war eine mangelnde Arbeits- oder Leistungsfähigkeit ein direkter Hinweis auf rassische oder körperliche „Minderwertigkeit“. Der Blick auf den „Leistenden Körper“ konnte so zum gesellschaftlichen Ausschluss führen.²¹² Die ausschließenden Effekte der Perspektive auf Arbeits- und Leistungsnormen waren allerdings kein Alleinstellungsmerkmal des Nationalsozialismus, sondern bereits Teil des Diskurses im Kaiserreich und der Weimarer Republik. Sie liegen in der Ambivalenz der Perspektive selbst, die zwischen denen, die sich als leistungsfähig erweisen und denen, die an den geforderten Leistungs- und Arbeitsnormen scheitern, differenziert. Die Besonderheit des Nationalsozialismus war seine radikale Verknüpfung von Leistungsfähigkeit, rassischem und rassenhygienischem „Wert“ des Menschen.²¹³
Leistungsfähigkeit und Arbeitsfähigkeit Doch der Bezug auf körperliche Leistungs- und Arbeitsfähigkeit konnte auf der anderen Seite auch bemerkenswerte Integrationsangebote zur Folge haben. So ließ sich aus der Verknüpfung von Arbeits- oder Leistungsfähigkeit und gesamtgesellschaftlichen, wirtschaftlichen Interessen auch die Aufgabe des Staates ableiten, die Gesundheit seiner Bevölkerung zu schützen. Dafür standen paradigmatisch die Beiträge der deutschen „Krüppelfürsorger“. Die Entstehung der professionellen „Krüppelfürsorge“ geht auf die Wende vom 19. aufs 20. Jahrhundert zurück
211 Vgl. Wischek: Berliner Großausstellungen im Dritten Reich, S. 143–145, hier S. 144. 212 Sharon L. Snyder und David T. Mitchell haben darauf hingewiesen, dass das Deutsche Reich in den 1930er Jahren das am weitesten entwickelte Rehabilitationswesen der Welt hatte und gleichzeitig Menschen mit Behinderung so stark ausgrenzte wie kaum ein anderes Land. Aus ihrer Sicht deutet dies darauf hin, dass selbst im nationalsozialistischen „Rassenstaat“ nur die Menschen mit Behinderung ausgeschlossen werden sollten, die den gesetzten Ansprüchen an Leistungs- und Arbeitsfähigkeit eindeutig nicht entsprachen. Vgl. Sharon L. Snyder/David T. Mitchell: Cultural Locations of Disability, Chicago u. a. 2006, S. 122–123. 213 Vgl. bspw. Michael Wildt: „Volksgemeinschaft“ als politischer Topos in der Weimarer Republik, in: Alfred Gottwald/Norbert Kampe/Peter Klein (Hrsg.): NS-Gewaltherrschaft. Beiträge zur historischen Forschung und juristischen Aufarbeitung, Berlin 2005, S. 23–39, hier v. a. S. 34.
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und wurde maßgeblich von Konrad Biesalski geprägt. Anders als die Orthopäden vor ihm, die sich im 19. Jahrhundert vor allem auf eine erwachsene, wohlhabende Kundenschicht spezialisiert hatten, widmete Biesalski seine Aufmerksamkeit Kindern und Jugendlichen mit Körperbehinderung und schuf damit einen neues professionelles Aufgabenfeld der Orthopädie.²¹⁴ Er verortete seine Tätigkeit in dem sich während des Kaiserreichs dynamisch entfaltenden Bereich der sozialen Fürsorge. Das zentrale Anliegen Biesalskis war es, Kinder und Jugendliche mit Behinderung durch möglichst frühzeitige medizinische Versorgung, Erziehung und Berufsausbildung zu befähigen, für ihren Lebensunterhalt selbst aufzukommen. Die „Krüppelfürsorge“ hatte dadurch im entstehenden Sozialstaat eine im Kern wirtschaftliche Legitimationsgrundlage. Den Menschen mit Körperbehinderung dagegen versprach sie die Chance auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt und damit größere Selbstständigkeit als zuvor. Dies war durchaus ein sozialer Fortschritt, gab es doch im Deutschen Reich bis zum am 1. Oktober 1920 erlassenen Preußischen Krüppelfürsorgegesetz keine rechtlich garantierte Förderung von Menschen mit angeborenen Behinderungen.²¹⁵ Allerdings hatte diese Chance eine Kehrseite: Diejenigen, die – wie etwa Menschen mit geistiger Behinderung oder schwerer Körperbehinderung – die an sie gerichteten Anforderungen nicht erfüllten, wurden von den Unterstützungsleistungen der „Krüppelfürsorge“ ausgeschlossen. Die „Krüppelfürsorge“ hielt demnach letztlich an einem negativen Behinderungsbild fest. Behinderungen blieben für sie weiterhin Defizite, die es durch medizinische und pädagogische Maßnahmen zu kompensieren galt. Dies führte nicht zuletzt zu ihrer zunehmenden Zustimmung zu eugenischen Maßnahmen, deren Ziel es war, Behinderung „nicht nur [zu] mildern oder [zu] beseitigen, sondern auch [zu] verhüten.“²¹⁶ Die „Krüppelfürsorge“ changierte somit zwischen einem zu diesem Zeitpunkt neuartigem Integrationsangebot für Menschen mit Körperbehinderung auf der einen, sozialer Disziplinierung und der Betonung von Arbeitsfähigkeit als Ausschlussnorm auf der anderen Seite. Gleichzeitig blieb ihre Situation bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs unsicher und von politischer Unterstützung sowie privaten Spendengeldern abhängig, so dass
214 Zur Orthopädie im 19. Jahrhundert. Vgl. Doris Schwarzmann-Schafhausen: Orthopädie im Wandel. Die Herausbildung von Disziplin und Berufsstand in Bund und Kaiserreich (1815–1914), Stuttgart 2004. 215 Zur Geschichte der „Krüppelfürsorge“ vgl. v. a. Osten: Die Modellanstalt; Klaus-Dieter Thomann: Das behinderte Kind: „Krüppelfürsorge“ und Orthopädie in Deutschland 1886–1920, Stuttgart u. a. 1995. 216 Fritz Rott: Die Gesundheitsfürsorge, in: Schloßmann (Hrsg.): Ge-So-Lei. Große Ausstellung Düsseldorf 1926. Für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. 2 Bände, S. 668–719, hier S. 704.
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sie jede Möglichkeit nutzte, sich selbst in der Öffentlichkeit zu präsentieren.²¹⁷ Selbst die Verwendung des Krüppelbegriffs entsprang zu einem gewissen Grad werbestrategischen Überlegungen, versprach man sich doch durch die negativen Assoziationen der Bezeichnung eine größere öffentliche Aufmerksamkeit.²¹⁸ Die „Krüppelfürsorger“, die sich seit dem 14. April 1909 in der DVfK organisiert hatten, nutzten die Gesundheitsausstellungen dementsprechend von Beginn an, um für sich zu werben. Auf der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung war ihre Beteiligung zunächst nicht vorgesehen, doch gelang es ihnen noch nach dem eigentlichen Anmeldeschluss, für die Exposition zugelassen zu werden. Ihre Darstellung war 1911 noch nicht ganz ausgereift und ihr Pavillon fand sich an einer etwas abgelegenen Ecke des Ausstellungsareals. Darüber hinaus konnte der Beitrag der DVfK wegen der späten Anmeldung im offiziellen Ausstellungskatalog nicht ausführlich beschrieben, sondern nur genannt werden.²¹⁹ Gleichwohl war schon zu diesem frühen Zeitpunkt ihre spätere Stoßrichtung zu erkennen: Der Pavillon vermittelte die medizinischen und pädagogischen Heilerfolge bei körperbehinderten Menschen, behandelte die institutionelle Entwicklung der „Krüppelfürsorge“, berechnete die „Schädigung des Volksvermögens durch unversorgte Krüppel“ und betonte die grundsätzliche Leistungsfähigkeit adäquat versorgter Betroffener.²²⁰ Im Mittelpunkt ihrer Darstellung stand der behinderte Mensch, der mit Unterstützung der „Krüppelfürsorge“ in den Arbeitsmarkt integriert werden konnte. Die Unterstützung der Betroffenen war aus Sicht der DVfK immer an die erreichbare Leistungssteigerung gebunden. So war beispielsweise die Ausstattung mit Arbeitsprothesen „nur dann zu gewähren, wenn dadurch die Erwerbsfähigkeit erhöht wird.“²²¹ Die„krüppelfürsorgerische“ Selbstdarstellung auf den Gesundheitsschauen bestand somit aus zwei Teilen: Der Betonung der Wirksamkeit ihrer
217 Vgl. Osten: „Lärmender Frohsinn“, S. 139–141; Eva Brinkschulte: Patientenbilder – Menschenbilder. Die publizistische Tätigkeit und das propagandistische Konzept des Oskar-Helene-Heims 1906–1930, in: Archiwum Historii Filozofii Medycyny 63 (2000) 2, S. 135–144. 218 Gleichwohl muss eingeschränkt werden, dass die Bezeichnung „Krüppel“ zwar negativ, aber nicht derart abwertend konnotiert war, wie dies heute der Fall ist. Für eine grundsätzliche Darstellung der Begriffsgeschichte des Wortes „Behinderung“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vgl. Hans-Walter Schmuhl: Exklusion und Inklusion durch Sprache – Zur Geschichte des Begriffs Behinderung, Berlin 2010. 219 Zu den organisatorischen Hintergründen vgl. Osten: Die Modellanstalt, S. 286–292. 220 Konrad Biesalski: Internationale Ausstellung für Krüppelfürsorge 1911, in: Zeitschrift für Krüppelfürsorge 3 (1910) 2, S. 82–87, hier S. 86. 221 o. V.: Die Ausstellung für Krüppelfürsorge in Dresden, in: Zeitschrift für Krüppelfürsorge 4 (1911) 2/3, S. 82–129, hier S. 125. Zur Entwicklung der Prothetik vgl. Simon Bihr: „Entkrüppelung der Krüppel“. Der Siemens-Schuckert-Arbeitsarm und die Kriegsinvalidenfürsorge in Deutschland während des Ersten Weltkriegs, in: N.T.M. 21 (2013) 2, S. 107–141.
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medizinisch-pädagogischen Maßnahmen sowie der Darstellung der Rehabilitationschancen für bestimmte Behinderungsarten. Der Beweis der Leistungs- und Arbeitskraft von Menschen mit Körperbehinderungen bildete hierbei den Dreh- und Angelpunkt.²²² Das Versprechen, Menschen mit Körperbehinderung arbeitsfähig und unabhängig von öffentlicher Unterstützung zu machen, fungierte als zentrales Argument, um die Daseinsberechtigung der „Krüppelfürsorge“ zu rechtfertigen. Gleichzeitig zeigt dies die Aufmerksamkeit, die der Perspektive auf den „Leistenden Körper“ auf den Gesundheitsexpositionen zukam. Denn die erste Dresdner Hygiene-Ausstellung erwies sich für die organisierte „Krüppelfürsorge“ trotz des eher provisorischen Charakters ihres Beitrags als großer Erfolg, denn ihr Pavillon zählte 320 392 Besucher.²²³ Nicht zuletzt gab die Teilnahme an der Dresdner Exposition der DVfK den Anstoß, ihre Öffentlichkeitsarbeit zu professionalisieren und machte aus Biesalski einen einflussreichen Akteur hygienischer Volksbelehrung im Deutschen Reich.²²⁴ In den kommenden Gesundheitsausstellungen gehörten die „Krüppelfürsorger“ immer selbstverständlich zum Teilnehmerkreis. Dazu trug der Ansehensgewinn bei, den die „Krüppelfürsorger“ durch die Betreuung Kriegsversehrter errangen.²²⁵ Auch dieses Engagement stand unter dem Fokus der körperlichen „Wiederherstellung“ und beruflichen Wiedereingliederung der Betroffenen.²²⁶ Auf den schon 1915 einsetzenden Ausstellungen über die Versorgung Kriegsversehrter und Verwundeter appellierten die „Krüppelfürsorger“ gemeinsam mit Medizinern und Militärärzten an die „Ehrenpflicht“ deutscher Unternehmer, die Kriegsversehrten nach einer erfolgreichen Rehabilitation wieder zu beschäftigen und so einen Beitrag dazu zu leisten, dass sie „wieder zu vollwertigen Mitgliedern unserer Volksgemeinschaft werden.“²²⁷ Von den Kriegsversehrten wiederum wurde erwartet, nach anfänglichem Unterstützungsbedarf die eigene Behinderung zu „überwinden“ und sich wieder unauffällig in die Ge-
222 Dies belegt auch Bernd Wedemeyer-Kolwe für den Behindertensport. Vgl. Ders.: „Verhinderte Gesunde“?, v. a. S. 38–42; Ders.: Vom „Versehrtenturnen“ zum Deutschen Behindertensportverband (DBS). Eine Geschichte des deutschen Behindertensports, Hildesheim 2011, v. a. 16–17 und 27–51. 223 Vgl. o. V.: Die Dresdener Ausstellung, S. 2–10. 224 Vgl. Osten: „Lärmender Frohsinn“, S. 133–159, v. a. S. 150–155. 225 Vgl. Osten: Die Modellanstalt, S. 308–324. 226 Vgl. Heather R. Perry: Brave Old World. Recycling der Kriegskrüppel während des Ersten Weltkriegs, in: Barbara Orland (Hrsg.): Artifizielle Körper – lebendige Technik. Technische Modellierungen des Körpers in historischer Perspektive, Zürich 2005, S. 147–158. 227 o. V.: Die Ausstellung für Verwundeten- und Krankenfürsorge im Kriege, S. 106–114, hier S. 114.
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sellschaft einzugliedern.²²⁸ Auch wenn diese pathetische Aufforderung vor allem bei den Unternehmern selbst wenig Wirkung zeitigte²²⁹, verbesserte der Einsatz der DVfK für die „Kriegskrüppelfürsorge“ ihre öffentliche Reputation spürbar. In den folgenden Expositionen strichen die „Krüppelfürsorger“ ihren Beitrag zur Rehabilitation Kriegsversehrter heraus und konnten gleichzeitig die Leistungs- und Arbeitsfähigkeit von Menschen mit angeborenen oder erworbenen Behinderungen hervorheben. Behinderung musste und konnte aus ihrer Perspektive „überwunden“ werden, wenn der Betroffene nur einen entsprechenden Willen aufbrachte. Das bedeutete die (Wieder-)Erlangung der Arbeitsfähigkeit; bedeutete, das „Defizit“ der eigenen Behinderung durch „besonders intensive Ausbildung anderer gesunder Teile“ auszugleichen.²³⁰ Selbst der Selbsthilfebund der Körperbehinderten (Otto-Perl-Bund), der 1926 ebenfalls auf der Düsseldorfer Schau anwesend war, schloss sich der Position der DVfK weitgehend an. Er lobte deren Gruppe jedenfalls sehr und leitete die eigene Gruppe mit einem Plakat ein, das eine Figur abbildete, welche „aus eigener Kraft die Fesseln [zerreißt], die uns durch unsere Leiden angelegt sind“.²³¹ Die Forderung nach der „Überwindung“ der eigenen Behinderung fassten die „Krüppelfürsorger“ in ein Exponatensemble, in dem das Bild eines Menschen mit Körperbehinderung, ein vom ihm hergestellter Gegenstand und Informationen über seine Beeinträchtigung gemeinsam gruppiert wurden. Diese Präsentationsform findet sich schon in Dresden 1911²³², wurde in Düsseldorf 1926 allerdings häufiger und erfolgreicher eingesetzt. So zeigte die Liga der freien Wohlfahrtspflege eine „Anzahl guter Krüppelarbeiten jedes Mal mit der Photographie des oder der Anfertigenden (nur Arbeiten schwer körperlich Behinderter mit guter 228 Vgl. u. a. Sabine Kienitz: „Fleischgewordenes Elend.“ Kriegsinvalidität und Körperbilder als Teil einer Erfahrungsgeschichte des Ersten Weltkriegs, in: Nikolaus Buschmann/Horst Carl (Hrsg.): Die Erfahrung des Krieges – Erfahrungsgeschichtliche Perspektiven von der Französischen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg, Paderborn u. a. 2001, S. 215–237; Dies.: „Als Helden gefeiert – als Krüppel vergessen.“ Kriegsinvaliden im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik, in: Dietrich Beyrau (Hrsg.): Der Krieg in religiösen und nationalen Deutungen der Neuzeit, Tübingen 2001, S. 217–237. 229 Vgl. Christian Kleinschmidt: „Unproduktive Lasten“: Kriegsinvaliden und Schwerbeschädigte in der Schwerindustrie nach dem Ersten Weltkrieg, in: JbWG 35 (1994) 2, S. 155–165. 230 Werner: Die Ausstellung der freien Wohlfahrtspflege in Düsseldorf, S. 6. („Gesolei“ Mai– Oktober 1926). Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/PD 128, unpaginiert. 231 Hilde Wulff : Ge-So-Lei. Die Große Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen, in: Nachrichtendienst des Selbsthilfebundes der Körperbehinderten (Otto-Perl-Bund) 7 (1926) 6, S. 4–5, hier S. 5. Zum Otto-Perl-Bund vgl. Petra Fuchs: Körperbehinderte zwischen Selbstaufgabe und Emanzipation. Selbsthilfe – Integration – Aussonderung, Neuwied 2001. 232 Vgl. etwa o. V.: Die Ausstellung für Krüppelfürsorge in Dresden, S. 82–129, hier S. 124.
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Photographie)“ und die Krüppelheil- und Pflegeanstalt Annastift in Hannover stellte unter anderem Bilder von „Einarmige[n] bei der Arbeit“ aus.²³³ Besondere Aufmerksamkeit erhielt 1926 jedoch vor allem eine Intarsienarbeit, die ein Bewohner des Josefheims in Bigge „ohne Hände“ hergestellt hatte.²³⁴ Und noch der Ausstellungskatalog zur „Wunder des Lebens“ 1935 bildete eine Plastik ab, die von einem Kriegsblinden „nur mit Hilfe des Tastsinnes, ohne sehende Hilfe und ohne Vorbild im freien Entwurf modelliert worden ist.“²³⁵ Die Präsentationsform erwies sich demnach als äußerst langlebig und das Interpretament der „Überwindung“ einer Behinderung blieb im gesamten Untersuchungszeitraum stabil. Die Verwendung dieses Exponatensembles blieb gleichwohl nicht auf die „Krüppelfürsorge“ beschränkt, sondern wurde mit ähnlicher Zielsetzung von anderen Akteuren eingesetzt. In Düsseldorf veranschaulichten beispielsweise Modelle, die von Fürsorgezöglingen selbst hergestellt worden waren, den Tagesablauf in Heimen der Inneren Mission. Mehrere psychiatrische Kliniken präsentierten auf der Ausstellung Arbeitsproben ihrer Patienten und auch der „Hilfsverein für Taubstumme in der Provinz Sachsen“ steuerte zur GeSoLei Handarbeiten der von ihm betreuten Menschen bei.²³⁶ 1930/31 enthielt die Gruppe „Blindenfürsorge“ ein Exponat, das unterschiedliche Berufsmöglichkeiten für Blinde aufzählte und zeigte Fotografien von ihnen bei der Arbeit sowie eine Schreibmaschine für Blindenstenographie.²³⁷ Von den Wittenauer Heilstätten fand sich das Bild einer Tischlerwerkstatt, in der „Kranke [arbeiteten], die körperlich und seelisch so weit sind, dass sie Fähigkeit und Lust zu einer Beschäftigung haben“.²³⁸ Weitere Fotografien in der
233 Die Kommissionssitzung für die Ausstellung der freien Wohlfahrtspflege in Düsseldorf am 28.–31. Oktober 1925. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA Nr. 1214 I, unpaginiert; Nachricht der Krüppelheil- und Pflegeanstalt Annastift e. V. Hannover-Kleefeld: Inhalt der Kiste. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/PD Nr. 135, unpaginiert. 234 Josef Inhoven: Erfolge rheinischer Krüppelfürsorge, in: GeSoLei: Offizielle Tageszeitung der Großen Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1926 vom 13.08.1926, S. 1–2. Für eine Beschreibung des Werkstücks vgl. Gzajkowski: Die Rheinische Krüppelfürsorge auf der Gesolei, in: Zeitschrift für Krüppelfürsorge 19 (1926) 7/8, S. 116–120, hier S. 119. 235 Gerhard A. Brecher: Das Leben des Menschen, in: Gebhard (Hrsg.): Wunder des Lebens, S. 35–182, hier S. 175. 236 Vgl. Engelmann: Die Ausstellung der freien Wohlfahrtspflege, S. 260–264, hier S. 263; Kühne: Ein Besuch Düsseldorfs und der „Gesolei“, S. 145–151, hier S. 148; Mitteilung des Hilfsvereins für Taubstumme in der Provinz Sachsen vom 04.01.1926. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/PD Nr. 135, unpaginiert. 237 Vgl. Fotoalbum II. Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2011/187, Abbildung 70. 238 Schreiben Direktor der Wittenauer Heilstätten an den Direktor der Heil- und Pflegeanstalt Buch vom 15.03.1930. LA Berlin A Rep. 003–04–01/Nr. 140, Bl. 30. Das Bild liegt der Akte bei.
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Gruppe des Freistaates Sachsen zeigten „amputierte Schwerbeschädigte bei der Arbeit“ oder eine „Schwererwerbsbeschränkte beim Sticken mit dem Munde“.²³⁹ Dort wurde außerdem als eigentliche Aufgabe der Blindenfürsorge beschrieben, „den Blinden so auszubilden und zu erziehen, daß er sich als vollwertiges Mitglied der menschlichen Gesellschaft ins Leben und in den Arbeitsprozeß hineinstellen kann.“²⁴⁰ Diese und ähnliche Exponate betonten den Anspruch an die Bevölkerung, für den eigenen Lebensunterhalt selbst aufzukommen und wirkten im Falle von Handwerksarbeiten gleichzeitig als Musterobjekte, die Maßstäbe für Arbeitskraft in eine ausstellungsgemäße Form brachten.²⁴¹
Lebende „Exponate“ Doch gab es auch erhebliche Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Inszenierungsform für die Visualisierung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit körperbehinderter Menschen angemessen und wo die Grenze des „Zeigbaren“ zu ziehen war. In Düsseldorf löste der Vorschlag Gotthilf Vöhringers, Generalsekretär der Liga der freien Wohlfahrtspflege, arbeitende Menschen mit Behinderung auf dem Gelände einzusetzen, starke Ablehnung hervor. Vöhringer hielt es für zweckmäßig, die „Krüppel selbst auszustellen, um zu zeigen, dass sie durch die Anstalten zu brauchbaren Menschen geworden sind“.²⁴² Eine Gruppe von Menschen mit Behinderung sollte jeweils vier Wochen lang auf dem Gelände leben und dort tagsüber arbeiten, um nach den vier Wochen durch eine neue Gruppe abgelöst zu werden. Das Publikum sollte die Arbeitenden entweder durch eine Glaswand oder mit Hilfe eines Spiegelsystems beobachten können. Finanzieren wollte der Generalsekretär diese Attraktion mit dem Verkauf der Gegenstände, die vor Ort hergestellt wurden.²⁴³ Vöhringer griff damit ein Gestaltungselement auf, das auf den Kriegsfürsorgeausstellungen durchaus Verwendung gefunden hatte. So war auf einer Exposition in Breslau 1915 ein kriegsversehrter Soldat zu sehen, der dem Publikum seine handwerklichen Fähigkeiten vorführte.²⁴⁴ Doch obwohl Schloßmann
239 o. V.: Ausstellung Freistaat Sachsen Dresden 1930, S. 20. 240 Ebd., S. 18. 241 Damit standen sie in einer Tradition mit den Industrie- und Gewerbeausstellungen, die ebenfalls häufig besondere Handwerks- und Industriearbeiten zeigten, um andere Handwerker oder Unternehmer zu inspirieren. 242 3. Kommissionssitzung der Gesolei am 29. Oktober 1925 im Wohlfahrtshause in Berlin. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA Nr. 1214 I, unpaginiert. 243 Vgl. Protokoll der Besprechung zwischen Gotthilf Vöhringer und Schloßmann vom 14.09.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1481, unpaginiert. 244 Vgl. Beil: Der ausgestellte Krieg, S. 137–139.
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gegen diese an frühere Freak-Shows²⁴⁵ oder Kolonialausstellungen erinnernde Inszenierung nichts einzuwenden hatte²⁴⁶, lehnten sie Vertreter der konfessionellen „Krüppelfürsorge“ ebenso deutlich ab wie Biesalski für die nichtkonfessionellen Anstalten. Biesalski drohte gar mit einem völligen Rückzug der DVfK, sollten lebende Menschen mit Körperbehinderung ausgestellt werden.²⁴⁷ Er konnte sich in dieser Frage auf das Votum aller an den Vorbereitungen der Schau beteiligten Vertreter der „Krüppelfürsorge“ gegen eine Vorführung „lebender Krüppel“ berufen.²⁴⁸ Vöhringers Vorschlag war durchgefallen. Er veranschaulicht aber nicht nur, in welche Richtung sich die Versuche entwickeln konnten, die Arbeitsfähigkeit körperbehinderter Menschen mit ausstellungskompatiblen Mitteln zu veranschaulichen. Er ist darüber hinaus Ausweis für den Rechtfertigungsdruck, unter den die „Krüppelfürsorge“ stand – eine Situation, die sich in den 1930er Jahren nochmals verschärfte.²⁴⁹ Die Idee, durch die Vorführung lebender „Exponate“ die Aufmerksamkeit der Besucher zu wecken und ihnen einen Einblick in ein ansonsten unzugängliches Feld zu gewähren, wurde auf der GeSoLei sowie auf späteren Expositionen allerdings von anderen Teilnehmern umgesetzt. 1926 war das Vasenol-Kinderheim in Betrieb, 1930 wurde das landwirtschaftliche Mustergehöft durch vor Ort lebendes Personal versorgt.²⁵⁰ Auf der „Deutschland“ demonstrierte ein bewohntes Musterarbeitslager auf dem Außengelände, wie der Arbeitsdienst als „Dienstpflicht mit dem Spaten“ die Jugend „zur Hingabe an Staat und Volk“ erzog.²⁵¹ Dort wie auch auf der „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ verwiesen ausgestellte Objek-
245 Zu den Freak-Shows vgl. Anja Tervooren: Freak-Shows und Körperinszenierungen. Kulturelle Konstruktionen von Behinderung, in: Behindertenpädagogik 41 (2002) 2, S. 173–184; Zürcher: Monster oder Laune der Natur. 246 Vgl. Protokoll der Besprechung zwischen Gotthilf Vöhringer und Schloßmann vom 14.09.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1481, unpaginiert. 247 Vgl. Schreiben Biesalski an Rott vom 31.10.1925. BArch Berlin R 1501/111175, Bl. 45–49, hier Bl. 47. 248 Besprechung vom 30. 10. 25, betreffend Ausstellung der Krüppelfürsorge auf der Gesolei, Protokoll vom 31.10.1925. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/PD Nr. 135, unpaginiert. 249 So Osten: Die Modellanstalt, S. 359. Dazu passt auch, dass die Wanderausstellung der Liga der freien Wohlfahrtspflege 1927 der Arbeitsfähigkeit von „körperlich und seelischer Behinderter“ große Aufmerksamkeit widmete. o. V.: Die Freie Wohlfahrtspflege. Führer durch die von der Deutschen Liga der freien Wohlfahrtspflege und der Zentralleitung für Wohltätigkeit in Württemberg veranstaltete Ausstellung, S. 34–36. 250 Vgl. zum Mustergehöft auch das Tagebuch der Mitarbeiter. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 115, unpaginiert. 251 o. V.: Reichsarbeitsdienst, in: Gemeinnütziger Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH (Hrsg.): Amtlicher Führer durch die Ausstellung Deutschland, S. 133. Hervorhebung im Original.
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te, die während des Arbeitsdienstes hergestellt wurden, zusätzlich auf dessen Produktivität.²⁵² Der „Leistende Körper“ war so auf den Gesundheitsausstellungen vielfach präsent. Die Leistungsfähigkeit wurde vermessen, in Beziehung zur Volkswirtschaft gesetzt und als Norm verstanden. Leistungsfähigkeit wurde auf den Expositionen an den Körper gebunden, als Resultat körperlicher wie geistiger Gesundheit begriffen. Mit zunehmender Ausbreitung eugenischer Gedanken und endgültig auf den nationalsozialistischen Schauen erschien Leistungsfähigkeit als Ausweis von Erbgesundheit und „rassischer Hochwertigkeit“. Der Rekurs auf Leistungsfähigkeit konnte aber auch als Ressource wirken, um sich mit den eigenen Positionen öffentlich zu legitimieren. In diesem Sinn bezogen sich sehr unterschiedliche Akteure mit unterschiedlichen Zielsetzungen darauf. Teilnehmer wie die „Krüppelfürsorger“ strichen die Leistungsfähigkeit ihrer Klientel heraus, während Mediziner sowie Sportler auf ihren Beitrag zur Erhaltung oder gar Steigerung der Leistungsfähigkeit des Einzelnen wie des „Volkskörpers“ rekurrierten und wieder andere vor allem die eigenen produktiven Leistungen in den Mittelpunkt zu stellen versuchten. Die Sportler boten den Besuchern mit ihren zahlreichen Wettkämpfen gleichzeitig eine praktische Demonstration dessen, was ein trainierter Körper zu leisten im Stande war. Leistungsfähigkeit wurde allerdings auf den Gesundheitsschauen in erster Linie als Fähigkeit begriffen, für den eigenen Lebensunterhalt selbst sorgen zu können. Die Arbeitsfähigkeit, das Verhältnis von Wirtschaft und körperlicher wie geistiger Leistungsfähigkeit der Bevölkerung stand somit noch vor anderen Aspekten wie der Förderung der Wehrfähigkeit im Mittelpunkt der Expositionen. Die Arbeitsfähigkeit des Einzelnen avancierte zum zentralen Maßstab nach dem der „Leistende Körper“ bewertet wurde. Die sich schon seit dem 18. Jahrhundert entwickelnde „an Arbeit, Effizienz und Mehrwert orientierte Leistungshierarchie“ bildete sich auch auf den Gesundheitsexpositionen ab und verwies auf eine „‚Menschenökonomie‘, die Individuen und ‚Bevölkerungen‘ in optimierte Umfelder und Beziehungen zu setzen versuchte.“²⁵³ Damit rückte das ein- sowie ausschließende Potential dieser Perspektive ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Konnte man seine Körperbehinderung „überwinden“ und seinen Lebensunterhalt selbstständig verdienen, galt man als gesunder und vollwertiger Teil der Gesellschaft. Konnte ein Betroffener dies nicht, drohte ihm nicht nur der Entzug der Leistungen der sozialen Fürsorge; vor allem wurde
252 Vgl. u. a. o. V.: Verzeichnis der Aussteller, S. 222–240, hier S. 232. 253 Gabriele Metzler/Dirk van Laak: Die Konkretion der Utopie. Historische Quellen der Planungsutopien der 1920er Jahre, in: Isabel Heinemann/Patrick Wagner (Hrsg.): Wissenschaft – Planung – Vertreibung. Neuordnungskonzepte und Umsiedlungspolitik im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2006, S. 23–43, hier S. 28.
5.3 „Ästhetische Körper“
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er spätestens im Nationalsozialismus als „minderwertig“ stigmatisiert und ausgegrenzt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt bildete die Arbeits- und Leistungsfähigkeit die Grundvoraussetzung für soziale Unterstützung.²⁵⁴ Die Betonung von Leistungsund Arbeitsfähigkeit wirkte ein- und ausschließend zugleich, indem sie einen normativen Maßstab etablierte, nach dem die Bevölkerung bewertet werden konnte. Eröffnete die Perspektive auf der einen Seite Partizipationsmöglichkeiten für Einzelne, wirkte sie auf der andere Seite als Ausschlusskriterium, das Arbeitsfähigkeit zum zentralen Kriterium zur Beurteilung eines Individuums machte.²⁵⁵ Gleichzeitig war die Perspektive auf den „Leistenden Körper“ zwar ständig präsent, jedoch nicht unumstritten, sondern wurde von mehreren Akteuren angegriffen. Diese bezogen sich nicht auf den Körper als „Leistungsmaschine“, sondern auf den harmonischen, ganzheitlich durchgebildeten Menschen nach griechisch-antikem Vorbild.²⁵⁶ Es ist die Perspektive des „Ästhetischen Körpers“, die hier zum Tragen kam.
5.3 „Ästhetische Körper“ Körper wurden auf den Gesundheitsschauen nicht nur vermessen und nach Leistungskriterien eingeteilt. Sie wurden auch nach äußerlichen Kriterien bewertet, als schön oder hässlich, als normal oder außergewöhnlich klassifiziert. Das Äußere des Menschen war auf den Ausstellungen ständig präsent, diente als Ausgangspunkt medizinischer Diagnostik und wurde als Hinweis auf moralische Qualitäten oder körperliche Gesundheit interpretiert. Körper wurden vermessen, um Kriterien für ein ästhetisches Aussehen mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden festzulegen. Sie wurden aufgrund optischer Merkmale in verschiedene Gruppen eingeteilt. Ihr Aussehen wurde aber vor allem nach ästhetischen Kriterien beurteilt. Die auf den Expositionen zur Schau gestellten Körper sollten nicht nur gesund und leistungsfähig, sondern auch attraktiv sein. Auf allen Expositionen fanden sich Verweise darauf, wie die Besucher ihr Aussehen beeinflussen konnten und welche Verhaltensweisen, Nahrungsmittel oder Tätigkeiten sich nachteilig auf ihr Äußeres
254 Vgl. dazu auch Young-sun Hong: Welfare, Modernity, and the Weimar State 1919–1933, Princeton 1998. 255 Darauf, dass die Betonung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Körpers ein internationales Phänomen war, verweist Herren: Internationale Organisationen seit 1865, S. 79–84. 256 Vgl. zur bereits im 18. Jahrhundert beginnenden Antikenrezeption u. a. Veit Rosenberger (Hrsg.): „Die Ideale der Alten“. Antikerezeption um 1800, Stuttgart 2008; Volker Riedel: „Der Beste der Griechen“ – „Achill das Vieh“. Antikenrezeption im 18. und 20. Jahrhundert, in: Jürgen Dummer/Volker Riedel (Hrsg.): Homer im 18. Jahrhundert. Ein Kolloquium der WinckelmannGesellschaft, Stendal 2012, S. 11–24.
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auswirkten. Und die Präsentation abstoßender, ekelerregender Krankheiten etwa in Form von Moulagen wurde eingesetzt, um die Gewohnheiten des Publikums im Hinblick auf den Alkoholgenuss oder das Sexualverhalten zu steuern.²⁵⁷ Ein schöner Körper wurde dadurch zu einer Leitfigur der Expositionen. Der Bezug auf ästhetische Kriterien war allerdings nicht mit jeder Perspektive auf den Körper kompatibel. Insbesondere die Vertreter der Körperkulturbewegung, die ein Zweig der Lebensreformbewegung war²⁵⁸, vertraten auf wie außerhalb der Expositionen Standpunkte, die sich radikal vom Wettbewerbsdenken vor allem der Sportler absetzten. Gegen die mit dem Wettkampfsport verbundene Spezialisierung auf bestimmte Fähigkeiten setzten sie das Ideal eines allseitig durchgebildeten Menschen, einer „harmonious and purposeful interaction of the body, spirit, and mind.“²⁵⁹
Leibesübungen als umkämpftes Feld Akteure aus dem Umfeld der Lebensreform beteiligten sich von Anfang an den großen Gesundheitsschauen und nahmen auf die dort ausgestellten Themen Bezug. Die Körperkulturbewegung sowie körperkulturelle Positionen bildeten immer einen anerkannten Teil der Expositionen. Die Leibesübungen – schon der Begriff deutete dies an – umfassten dort immer mehr als den englischen Wettkampfsport und schlossen Turnen sowie Körperkulturbewegung ausdrücklich mit ein.²⁶⁰ In Dresden fanden 1911 Wettkämpfe im Gewichtheben und leichtathletische Wettbewerbe einträchtig nebeneinander statt²⁶¹; standen Vorträge über die deutsche Gymnastik neben dem Sportlaboratorium.²⁶² 1926 wechselten sich gymnastische Vorführungen mit Wettkämpfen im Radfahren und Boxen oder Fußballspielen
257 Zur Erzeugung von Ekel als Mittel der hygienischen Volksbelehrung vgl. Anita Gertiser: Ekel. Beobachtungen zu einer Strategie im Aufklärungsfilm zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten der 1920er Jahre, in: Figurationen 9 (2008) 1, S. 61–76. 258 Zur Köperkulturbewegung vgl. Hau: The cult of health and beauty; Wedemeyer-Kolwe: Der neue Mensch; Maren Möhring: Marmorleiber. Körperbildung in der deutschen Nacktkultur (1890– 1930), Köln 2004; Chad Ross: Naked Germany. Health, race and the nation, Oxford u. a. 2005; John Alexander Williams: Turning to Nature in Germany. Hiking, Nudism, and Conservation 1900–1940, Stanford 2007. 259 Hau: The cult of health and beauty, S. 101. 260 Zur Körperkulturbewegung vgl. Wedemeyer-Kolwe: Die Körperkulturbewegung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, S. 199–221. 261 Vgl. Rundschreiben IHAD 1911 Gruppe Athletik. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/ Nr. 3576, Bl. 12–13. 262 Vgl. Schreiben Johannes Unbehaun und E. Sommer an Vitzthum von Eckstädt. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3577, Bl. 74–75.
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ab.²⁶³ Ein Grund dafür kann im konsensusalen Bezug von Sport und Körperkultur auf das Thema Gesundheit als kleinsten gemeinsamen Nenner gesehen werden. Denn die Körperkulturbewegung zielte ebenso wie der Sport auf einen gesunden Körper; versprach ebenso wie der Sport, den körperlichen Zustand der Bevölkerung zu verbessern. Auf den Ausstellungen versuchten seine Protagonisten zunächst, ihre Form der körperlichen Aktivitäten gleichberechtigt neben die der Sportler und Turner zu stellen: „Nicht nur in Turnhallen, auf Rennplätzen und den höchsten Bergen wird Sport getrieben, auch der Schwimmer, der einige Meter im Bassin seiner Badeanstalt zurücklegt, der Wanderer, der hinauszieht, die köstliche Waldluft einzuatmen oder mäßige Höhen am Rhein oder im Harz ersteigt, ist ein Jünger des Sports.“²⁶⁴ Gleichzeitig kritisierten sie die aus ihrer Sicht zu starke Wettbewerbsorientierung des Sports. Ihr Ideal waren nicht Rekordleistungen, sondern „schöne Körperformen“ und ein „klassischer Körperbau“.²⁶⁵ Dieser war nicht durch sportlichen Wettkampf, sondern durch körperliche Aktivitäten an Sonne, Licht und Luft zu erreichen. Ein solcher Lebenswandel brachte „alle im Körper ruhenden Kräfte zur Entfaltung“ und trug zu einer „Reform ungesunder Lebensgewohnheiten“ bei.²⁶⁶ Die „Rückkehr zur Natur durch Sport und Körperpflege“ sowie eine gesunde Ernährung galten den Körperkulturbewegten als die Bausteine, um ihr Ideal des harmonischen, allseitig ausgebildeten Körpers zu erreichen.²⁶⁷ Natürlich führten, aus Sicht der Körperkulturbewegten, auch ihre Übungen zu einer Leistungssteigerung. Doch ihr vorrangiges Ziel war die Rückkehr zu einer naturgemäßen Lebensweise. Körperkulturbewegung „will die verkümmerten, weil einseitig gebrauchten Glieder in edler und weicher Bewegung wieder strecken und dehnen, will die Lungen mit würziger Luft füllen, sich die blasse Städterhaut von der warmen Sonne draußen bräunen lassen.“²⁶⁸ Daraus folgten perspektivisch weit verbreitete, hohe Durchschnittsleistungen und nicht die, dem Sport zugeschriebenen, individuellen Spitzenleistungen. Hierzu musste man vor allem beim Sporttreiben
263 Vgl. o. V.: Zwei Sporttage auf der Gesolei, S. 5. 264 F. H.: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, in: Kraft und Schönheit 11 (1911) 7, S. 209–214, hier S. 214. 265 o. V.: Internationale Hygiene-Ausstellung. Ueber ein neues System der Gymnastik, in: Dresdner Nachrichten vom 21.07.1911, S. 9. 266 o. V.: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, S. 170–172, hier S. 170. 267 E. O. Raffer: Einige Reminiszenzen an den „12. Deutschen Kongreß für Volks- und Jugendspiele“ zu Dresden 1911, in: Körperkultur. Künstlerische Monatsschrift für Hygiene und Sport 6 (1911), S. 293–300, hier S. 294. 268 So Nordhausen: Deutscher Sport und Hygiene, S. 35–36, hier S. 36.
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Maß halten und sich am „griechische[n] Ideal“ orientieren.²⁶⁹ Dieses Ideal war auf den Expositionen durchaus auch physisch präsent. In Stuttgart 1914 verglichen Vertreter der Körperkulturbewegung zeitgenössische Körper mit antiken Plastiken. Dort waren Fotografien von den Anhängern der Körperkulturbewegung zu sehen, die „in ähnlichen Stellungen“ posierten wie antike Statuen. Der Besucher sollte dadurch erkennen, dass „der moderne Körper dem antiken Körper mindestens ebenbürtig ist.“²⁷⁰ Die Vertreter der Körperkulturbewegung wandten sich nicht grundsätzlich gegen die medizinisch-naturwissenschaftliche Vermessung des Körpers. Vielmehr nahmen sie, wie Bess Mensendieck, für sich in Anspruch, ihre Systeme auf Grundlage der menschlichen Anatomie und physikalischer Naturgesetze aufzubauen. Quantitative Angaben fungierten für Mensendieck aber nicht als Maßstab zur Beurteilung des Körpers. Stattdessen orientierte sie sich an den „ästhetischen Pflichten“ der Frau²⁷¹ und ihrem „Kampf um die Schönheit“.²⁷² Nicht wissenschaftliche Kriterien, sondern Anmut und „schöne Bewegung“ waren für sie der Beweis für die Erfüllung der „physischen und anatomischen Gesetze des Körpers.“²⁷³ Ihr Blick war auf die Ästhetik des Körpers gerichtet; der Unterschied zwischen Schönheit und Hässlichkeit war das Differenzkriterium, anhand dessen jeder bewertet werden konnte und musste. Selbst die Vertreter des Sports konnten sich von dieser ästhetisierenden Sichtweise auf den Körper nicht gänzlich befreien. Sie betonten etwa, Sport führe nicht zu einer Vermännlichung von Frauen, sondern mache sie – ganz im Gegenteil – weiblicher.²⁷⁴ Und in Dresden vergaben die Veranstalter des Armee-Gepäck-Marsches 1911 einen Sonderpreis für denjenigen, der beim Eintreffen im Ziel die beste Körperhaltung hatte. Auch sie betonten, der Sport dürfe „nicht unästhetisch wirken“, sollte stattdessen „Körperkraft und Körperschönheit fördern.“²⁷⁵ Die körperkulturelle Betonung von gesunder Ernährung, Körperpflege und regelmäßiger Leibesübungen stand nicht für sich, sondern war gesamtgesellschaft-
269 Ebd., S. 297. Vgl. hierzu auch Möhring: Marmorleiber, S. 55–166; Dies.: Wie erarbeitet man sich einen natürlichen Körper? Körpernormalisierung in der deutschen Nacktkulturbewegung um 1900, in: 1999. Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 14 (1999) 2, S. 86–109. 270 o. V.: Körperschönheit, in: Städtisches Ausstellungsamt (Hrsg.): Ausstellung für Gesundheitspflege, S. 218–219, hier S. 219. 271 Mensendieck: Körperkultur der Frau, S. 57. 272 Ebd., S. 8. 273 Ebd., S. 65. 274 Vgl. o. V.: Rundgang durch die Hallen Leibesübungen, S. 46–88, hier S. 52. 275 Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Protektor Se. Majestät der König von Sachsen. Abteilung Sportausstellung. Internationaler Armee-Gepäck-Wettmarsch Dresden 1911 veranstaltet vom Dresdner Fußball-Club 1893. BayHStA MKr 288, unpaginiert.
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lich anschlussfähig.²⁷⁶ Auch mit ihrer Kritik an den „Rekordjagden“ der Wettkampfsportler waren sie nicht allein; vielmehr trafen sie auf den Gesundheitsausstellungen auf breite Zustimmung von Seiten der Schulmediziner. Zwar teilten diese mit den Sportlern den vermessenden Blick auf den Körper und betonten ebenso die „Notwendigkeit eines ausgiebigen Turn-, Spiel- und Sportbetriebes in den breiten Massen unserer Bevölkerung“.²⁷⁷ Denn der Körper nutze sich „nicht wie Maschinenteile“ ab, sondern werde „durch den Gebrauch besser und kräftiger.“²⁷⁸ Doch warnten die Mediziner vor der „Schädlichkeit von Grenz- und Höchstleistungen“²⁷⁹ und wandten sich deswegen gegen „alle mit Gesundheitsschädigungen verbundenen Übertreibungen“. An deren Stelle sollte eine „planmäßige Pflege und Ausbildung der Körperkräfte“ treten, wie sie tendenziell eher die Körperkulturbewegung repräsentierte.²⁸⁰ Allerdings hielten die Mediziner auch auf dem Gebiet der Leibesübungen an ihrer Deutungshoheit fest. Denn nur sie sahen sich in der Lage, die Grenzen der Leistungsfähigkeit wissenschaftlich exakt zu bestimmen.²⁸¹ Aus einem solchen Selbstverständnis heraus trat Nathan Zuntz auf dem 12. Kongress für Volks- und Jugendspiele auf, hielt dort einen Vortrag über die Gefahren sportlicher Überlastung und referierte die wissenschaftlichen Methoden zur Diagnose von drohender körperlicher Überanstrengung. Gleichzeitig gab er vor allem Turn- und Sportlehrern Hinweise, wie sie einen drohenden Kreislaufzusammenbruch ihrer Schützlinge frühzeitig erkennen und verhindern konnten.²⁸² Auch 1930 vertraten Rudolf Neubert und Georg Thiele als Kuratoren der Hauptgruppe
276 Vgl. Fritzen: Gesünder leben, S. 11. 277 Drucksache Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Mai – Oktober. Sportausstellung. Turnen, Spiel und Sport, S. 8. GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil VI Nr. 20, Bd. 1, Bl. 315–323. 278 o. V.: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, S. 332–347, hier S. 342. Hervorhebung im Original. 279 Ebd., S. 345. Hervorhebung im Original. 280 Drucksache Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Mai – Oktober. Sportausstellung. Turnen, Spiel und Sport, S. 8. GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil VI Nr. 20, Bd. 1, Bl. 315–323. Für eine ähnliche Argumentation auf der GeSoLei und der HygieneAusstellung 1930/31 vgl. etwa Wilms-Posen: Leibesübungen, S. 931–987, hier S. 931; o. V.: Der Mensch und der Sport, in: Presse-Stelle des Deutschen Hygiene-Museums und der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 (Hrsg.): Das Deutsche Hygiene-Museum und die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, S. 121–125, v. a. S. 123–125; o. V.: Rundgang durch die Hallen Leibesübungen, S. 46–88, hier v. a. S. 51. 281 Vgl. auch Dinçkal: Das gesunde Maß an Schädigung, S. 17–37, hier S. 35; Ders: Sportlandschaften, S. 237. 282 Vgl. Nathan Zuntz: Zur Physiologie der Spiele und Leibesübungen, in: Akademische Blätter für Turnen und Sport 1 (1911) 9, S. 125–127; Ders.: Zur Physiologie der Spiele und Leibesübungen, S. 137–140.
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„Leibesübungen“ die Ansicht, die „nötigen Maßstäbe“ zur Beurteilung gesunder Sportarten könnten nur wissenschaftlich ausgebildete Mediziner unter Zuhilfenahme sportärztlicher Untersuchungen bestimmen. Grundsätzlich seien jedoch „die natürlichen Bewegungsformen“ wie Laufen, Springen oder Werfen für regelmäßige Leibesübungen am besten geeignet, da sie „den biologischen Gesetzen des Körpers am meisten entsprechen.“²⁸³ Hier stimmten die Mediziner in vielerlei Hinsicht mit den Positionen der Körperkulturbewegung überein. Entscheidend war für sie aber die wissenschaftliche Bestimmung der Grenze zwischen schädlichem und gesundem Sporttreiben. Dies setzte jedoch die gründliche Kenntnis der menschlichen Physiologie voraus und war deswegen ihrer Deutungshoheit unterworfen. Die Lebensreformer erkannten den medizinischen Anspruch an, indem sie ihre Systeme auf eine biologische Grundlage zu stellen versuchten, zielten in letzter Konsequenz aber nicht auf eine medizinisch-naturwissenschaftliche Vermessung, sondern eine ästhetische Bewertung des Körpers. Auch die Turner schlossen sich der Kritik an der Wettkampforientierung der Sportler an. So bemängelten sie, dass „sportliche Höchstleistungskämpfe“ wie Armee-Gepäck-Wettmärsche oder leichtathletische Wettbewerbe auf der Exposition von 1911 „hygienisch auf die gleiche Stufe gestellt werden mit dem planmäßigen Turnen und dem – sagen wir – vernünftigen Sport.“²⁸⁴ Das Turnen dagegen „verwirft jede Überanstrengung, jede ungesunde Höchstleistung und erstrebt die vernünftige gleichmäßige Durchbildung großer Massen durch natürliche und künstliche Formen der Bewegung, die Frohsinn und Freude erwecken.“²⁸⁵ Körperkultur sowie Turnen auf der einen und Wettkampfsport auf der anderen Seite standen dadurch in einem Konkurrenzverhältnis. Beide Parteien hatten jedoch unterschiedliche Ressourcen, um ihre Positionen öffentlich zu legitimieren.
Lebensreformerische Bildsprache auf den Expositionen Auf der einen Seite erhielt der Sport aufgrund seiner aufregenden Wettbewerbe größere Aufmerksamkeit durch die Ausstellungsbesucher als Turnen und Körperkulturbewegung. Außerdem wies die Tendenz zur Vermessung des Körpers Überschneidungen mit dem ärztlichen „Blick“ auf, die sich in einem stärkeren
283 Neubert/Thiele: Leibesübungen, S. 241–242, hier S. 242. 284 Eckhardt: Die internationale Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden, S. 220–223, hier S. 223. Hervorhebung im Original. 285 Deutsche Turnerschaft. Ausschuß für Turnen und Spielen (Hrsg.): Internationale HygieneAusstellung Dresden 1911. Führer durch die Sonderausstellung der Deutschen Turnerschaft, Dresden 1911, S. 2.
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Interesse der Mediziner an den Beiträgen der Sportler niederschlugen. Auf der anderen Seite prägte die Körperkulturbewegung die Visualität der Gesundheitsausstellungen in erheblichem Maße.²⁸⁶ Nichts unterstreicht dies besser als die Stellung des „Lichtgebets“ im Bildarsenal der Expositionen. Diese, durch den lebensreformerisch und völkisch geprägten Maler Fidus popularisierte, Pose eines mit ausgestreckten Armen die Sonne anbetenden jungen Menschen wurde um die Jahrhundertwende zu dem Sinnbild der Lebensreform und Körperkulturbewegung.²⁸⁷ Auf allen Gesundheitsausstellungen war sie allgegenwärtig. Das „Lichtgebet“ wurde am prominentesten im „Gläsernen Menschen“ verkörpert, fand sich daneben ebenso etwa auf dem Titelblatt des „Gesundheitsheftchens“ zur RGW oder als griechische Statue mit der Unterschrift „Kein Reichtum gleicht dir, oh Gesundheit“ in Dresden 1911.²⁸⁸ Die Statue war eine in „klassischer Schönheit ausgeführte Mannesgestalt, welche ‚aufjauchzend zur Allmutter Sonne, der Schöpferin jedweden Lebens, die Arme emporhebt zum Licht, ein Symbol der höchsten Lebensfreude und des Bewußtseins eigener, körperlicher Kraft.‘“²⁸⁹ Sie stand in einem ansonsten leeren Raum, der architektonisch einem griechischen Tempel nachempfunden war, und bildete den Auftakt der „Populären Halle“ Lingners. Noch 1935 war der „Gläserne Mensch“ die Hauptattraktion der Ausstellung und zahlreiche „Bildberichterstatter fuhren nach Dresden, um ihn schon dort in der Linse ihrer Kamera einzufangen, die rotierenden Riesenmaschinen der großen Zeitungen druckten ihn auf kilometerlange Papierstreifen und warfen sein
286 Zur Bedeutung der Lebensreform für die visuelle Kultur der Weimarer Republik vgl. auch Matthew Jefferies: Lebensreform. A Middle-Class Antidote to Wilhelminism?, in: Geoff Eley/James Retallack (Hrsg.): Wilhelminism and Its Legacies. German Modernities, Imperialism, and the Meanings of Reform, 1890–1930. Essays for Hartmut Pogge von Strandmann, New York u. a. 2003, S. 91–106. 287 Vgl. Marina Schuster: Lichtgebet. Die Ikone der Lebensreform- und Jugendbewegung, in: Gerhard Paul (Hrsg.): Das Jahrhundert der Bilder. 1900 bis 1949, Göttingen 2009, S. 140–147. Das „Lichtgebet“ orientiert sich an der antiken Skulptur des „Betenden Knaben“ von Boidas. Vgl. Gerhard Zimmer/Nele Hackländer (Hrsg.): Der Betende Knabe. Original und Experiment, Frankfurt am Main u. a. 1997. Zu Fidus vgl. Marina Schuster: Fidus – ein Gesinnungskünstler der völkischen Kulturbewegung, in: Uwe Puschner/Walter Schmitz/ Justus H. Ulbricht (Hrsg.): Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ 1871–1918, München u. a. 1996, S. 634–650. Grundsätzlich zur Rezeption der Antike in Sport und Lebensreform seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert vgl. Peter Gummert: Bezüge zur Antike in der Welt des Sports, in: Gymnasium 110 (2003) 5, S. 429–453. 288 Vgl. Reichsausschuss für hygienische Volksbelehrung: Gesundheit ist Lebensglück. Reichsgesundheitswoche 1926; Mackowski: Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, Dresden 1911, S. 20. 289 Schill: Die populäre Abteilung der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 37 (1911) 33, S. 1526–1527, hier S. 1526.
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Abb. 5.2: Statue vor der „Populären Halle“ auf der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Quelle: Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2001/195.32.
Bild millionenweise unter die Menschen“.²⁹⁰ Das Exponat war ein reiner, makelloser Körper, ein „unendlich feines Kunstwerk“.²⁹¹ Es machte den Körper nicht nur durchsichtig, repräsentierte ihn als wissenschaftlich vermessen, sondern stellte im Verbund mit dem ubiquitären „Lichtgebet“ darüber hinaus einen ästhetischen Bezugspunkt der Gesundheitsschauen dar. Auch andere körperkulturell beeinflusste Bilder hatten Raum auf den Expositionen. Die Veranstalter zeigten selbst dann Fotografien von „schlanke[n], elastische[n] Gestalten mit frohem Blick, mit gesunder Farbe“, wenn sie auf die Leibesübungen im Ganzen und nicht nur auf die Körperkultur rekurrierten.²⁹² Sie
290 H. B.: „Das Wunder des Lebens“. Qualitätsarbeit des Deutschen Hygiene-Museums erobert die Welt. Sonderdruck aus dem Dresdner Anzeiger vom 28.03.1935, S. 4. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder IV–45, unpaginiert. Zum Einfluss des „Lichtgebets“ auf das NS-Körperbild vgl. Diehl: Macht – Mythos – Utopie, S. 98–102. 291 Protokoll der Eröffnungsfeier des Deutschen Hygiene-Museum Dresen 16. Mai 1930. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 39, Bl. 6–31, hier Bl. 17. 292 Gustav Putzke: Stärkung der deutschen Volkskraft durch Spiel, Sport, Turnen, Wandern, in: o. V. (Hrsg.): Amtlicher Führer der „Volkskraft“ Ausstellung, S. 8–9, hier S. 8.
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Abb. 5.3: Exemplar des „Gläsernen Menschen“ von der Zweiten Internationalen HygieneAusstellung Dresden 1930. Quelle: Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2011/156.
insistierten darauf, die Leibesübungen seien „durchbildende Arbeit“, die „geschmeidig und beweglich macht, die dehnt und reckt, die Kraft, Schnelligkeit, Geschicklichkeit und Ausdauer zu Harmonie heranreifen lässt.“²⁹³ Organisierte Vorführungen von Gymnastikschulen veranschaulichten – vergleichbar mit den Wettkämpfen der Sportler – den Besuchern die Vorzüge der körperkulturellen Praktiken und waren gleichzeitig Teil eines Konkurrenzkampfes zwischen rivalisierenden Angeboten des sich ab den 1920er Jahren rasch kommerzialisierenden Marktes alternativer Gesundheitsangebote.²⁹⁴ Schon an der Schau „Die Frau in Haus und Beruf“ von 1912 nahmen mehrere Atem- und Gymnastikschulen teil, waren „Kinder im reizvollen griechischen Kostüm, mit nackten Füßen, entzückende Geschöpfchen von besonderer Grazie“ zu sehen.²⁹⁵ Anlässlich der
293 Jerrmann: Die sportlichen Veranstaltungen während der Gesolei, S. 321–355, hier S. 328. 294 Die Kommerzialisierung der Lebensreform zeigte sich auch darin, dass in den Industrieabteilungen der Gesundheitsschauen zunehmend lebensreformerisch inspirierte Produkte angeboten wurden. Für die grundlegende Entwicklung vgl. Fritzen: Gesünder leben. 295 Marie Kuhls-Goslich: Die Ausstellung „Die Frau in Haus und Beruf“ und die Körperkultur, in: Körperkultur. Künstlerische Monatsschrift für Hygiene und Sport 7 (1912), S. 183–186, hier S. 186.
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RGW schlug ein Aktiver aus der Körperkulturbewegung vor, regelmäßig „Körperwettbewerbe“ mit Prämierungen durchzuführen, um der Bevölkerung ein Vorbild zu geben und sie dazu anzuregen, „Wege und Mittel, die zur Volksgesundung, zu gesunden, kräftigen und schönen Körpern führt“ kennenzulernen.²⁹⁶ Auf der GeSoLei fand im Planetarium des Ausstellungsgeländes eine Präsentation mehrerer Gymnastikschulen statt. Dort traten „die biegsamen, in lichten fließenden Gewändern schwebenden, jugendkräftigen Gestalten der Musterschülerinnen“ öffentlichkeitswirksam auf. Die Vorführung demonstrierte, wie die jeweiligen Systeme der Gymnastikschulen abliefen, vermittelte „die natürlichen Funktionen des Körpers und zeigt[e], wie die Bewegung ablaufen muß, wenn wir Entstellungen und Häßlichkeiten vermeiden wollen.“²⁹⁷ Auch 1930 waren mit der Gymnastikschule Bess Mensendiecks und dem Strongfort Institute zwei bekannte Vertreter der Körperkulturbewegung anwesend.²⁹⁸ Noch auf der „Deutschland“ Schau 1936 befand sich im Außengelände eine Bühne, auf der Tänzerinnen und Akrobaten unter dem Motto „Anmut und Kraft“ auftraten.²⁹⁹ Die ästhetischen Körper der Tänzerinnen trafen dort auf die durchtrainierten Körper der zu „Höchstleistungen artistischen Könnens“ fähigen Artisten und führten zu einer „Synthese vom Rhythmus der Kraft und tänzerischer Grazie.“³⁰⁰ Sie wirkten als ästhetisches Sinnbild des nationalsozialistischen Idealkörpers. Indem sie auf die Vorstellungen des schönen, anmutigen und gesunden „Neuen Menschen“ rekurrierten und gerade gymnastische Vorführungen ins Zentrum rückten, knüpfte die Präsentation auf der Exposition 1936 aber gleichzeitig an eher lebensreformerisch geprägte Körperbilder an.
296 H. Thies: Die Reichsgesundheitswoche, in: Leben und Sonne. Monatsschrift der Freikörperkultur 2 (1926) 4, S. 3–7, hier S. 6. Zur Bedeutung derartiger Wettbewerbe für die Körperkultur vgl. Möhring: Marmorleiber, S. 91–94; Bernd Wedemeyer-Kolwe: „Ein Ereignis für den ganzen Westen“. Körperkultur in Weimar zwischen Öffentlichkeit, Kunst und Kultur, in: Cowan/Sicks (Hrsg.): Leibhaftige Moderne, S. 187–199, v. a. S. 188–189. 297 Degering: Der Deutsche Gymnastikbund in der Gesolei, in: Lüneburgsche Anzeigen vom 24.06.1926. BArch Berlin R 1603/2472, unpaginiert. 298 Vgl. Herbert Hartmann: Die internationale Hygiene-Ausstellung, in: Sportpolitische Rundschau 3 (1930) 6, S. 125–127. 299 Vgl. o. V.: Rundgang durch die Ausstellung „Deutschland“ Berlin 1936 18. Juli bis 16. August, Ausstellungshallen am Funkturm, S. 2–6, hier S. 6. 300 Die Ausstellung „Deutschland“ im Aufbau. Nachrichtendienst der Gemeinnützigen Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH vom 02.07.1936, S. 6. LA Berlin A Rep. 015–02/ Nr. 32091, unpaginiert.
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Natürlichkeit als Ideal Darüber hinaus überschnitten sich die Positionen der Mediziner und Lebensreformer auffällig in ihrer Natürlichkeitsrhetorik.³⁰¹ Gerade die Vorstellung der Lebensreformer von den positiven gesundheitlichen Auswirkungen von Licht, Luft und Wasser ähnelte medizinischen Positionen. Schon 1882/83 auf der Allgemeinen Deutschen Ausstellung für Gesundheitspflege und Rettungswesen in Berlin hatte das Thema körperliche Sauberkeit eine hohe Priorität. Dort gehörte das Modell eines Volksbrausebads zu den Attraktionen der Schau.³⁰² „Licht, Luft, Wasser, Reinheit des Körpers und der Seele, Leibesübungen, Mäßigkeit im Essen und Trinken, Zweckmäßigkeit der Kleidung und Wohnung“ betrachtete später auch Friedrich August Weber, zu diesem Zeitpunkt Präsident des sächsischen Landesgesundheitsamtes und langjähriger Förderer der hygienischen Volksbelehrung, als „die Mittel“ einer gesundheitsgemäßen Lebensführung.³⁰³ Hygiene galt 1911 als „Erziehung zur Reinlichkeit“³⁰⁴; in der Zeitschrift Gesundheit in Wort und Bild vertrat ein Autor die Ansicht, ein „Bad zu täglicher Benutzung in jedem Hause“ könne einen großen „Teil der sozialen Frage, der Nöte unseres Geschlechts“ lösen³⁰⁵ und Friedrich Renk wollte das Thema „Licht“ direkt in der ersten Gruppe der wissenschaftlichen Abteilung der Hygiene-Ausstellung behandeln lassen.³⁰⁶ Auch medizinische Einrichtungen wie Kurorte oder Heilquellen waren grundsätzlich für die Vorstellungen der Lebensreformer offen. Denn auch sie betonten ja gerade die Heilkräfte der Natur, die ein wichtiges Argument für die Wirksamkeit von Kurorten waren. Auf den Expositionen waren schon aufgrund ökonomischer Interessen unterschiedliche Kurorte mit eigenen Selbstdarstellungen anwesend, berichteten unter anderem
301 Zur Bedeutung von Natürlichkeit für die Lebensreform vgl. Fritzen: Gesünder leben, S. 296–315; Möhring: Wie erarbeitet man sich einen natürlichen Körper?, S. 86–109; Heiko Stoff : Ewige Jugend. Konzepte der Verjüngung vom späten 19. Jahrhundert bis ins Dritte Reich, Köln u. a. 2004, S. 276– 339. Zu den Überschneidungen zwischen Schuldmedizin und Lebensreform vgl. Hau: The cult of health and beauty, S. 125–149. Hau interpretiert hier die GeSoLei sowie die Hygiene-Ausstellung Dresden 1930/31 als Antwort auf die „Krise“ der Schulmedizin in der Zwischenkriegszeit. 302 Jennifer Reed Dillon beschäftigt sich am Beispiel öffentlicher Bäder auf den Gesundheitsausstellungen von 1883 bis 1930 ebenfalls mit den Überschneidungen von lebensreformerischen und schulmedizinischen Zugängen zum Körper. Vgl. Jennifer Reed Dillon: Modernity, Sanitation and the Public Bath. Berlin, 1896–1930, as Archetype. PhD-Thesis Durham 2007, S. 48–85. Online unter http://dukespace.lib.duke.edu/dspace/handle/10161/430. [Letzter Zugriff am 20.09.2014] 303 Friedrich August Weber: Wie soll die Reichsgesundheitswoche dauernd weiterwirken?, in: Blätter für Wohlfahrtspflege 6 (1926) 4, S. 144–147, hier S. 145. 304 Zschorlich: Die Dresdener Hygiene-Ausstellung, S. 345–347, hier S. 346. 305 Friedrich: Gesunder Körper – Gesunder Geist, S. 121–123, hier S. 123. 306 Vgl. Protokoll der Sitzung des Direktoriums für die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. StdA Dresden Ratsarchiv 2.1–AXXIV.125/5, Bl. 179.
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von Gymnastikstunden, Diäten oder Kuren, die Patienten während ihres Aufenthaltes in Anspruch nehmen konnten.³⁰⁷ Während der GeSoLei organisierte der Düsseldorfer Verein Walderholung e. V. gar Tageskuren für erholungsbedürftige Schulkinder in ihrer Walderholungsstätte im Aaper Wald und einem Musterluftund Sonnenbad auf dem Ausstellungsgelände. Beide Angebote konnten täglich zu festen Uhrzeiten von Fachbesuchern besichtigt werden.³⁰⁸ Sein Engagement auf der GeSoLei ging wohl auf den Wunsch des Ausstellungsvorstands zurück, ein „Licht- und Luftbad in Betrieb“ vorzuführen.³⁰⁹ Der Pädiater Schloßmann agierte hier als treibende Figur. Dies weist auf die partiellen Übereinstimmungen der Interessen von Medizinern und Lebensreformern hin. Es gab noch weitere Überschneidungen. Sie betrafen etwa die Wertschätzung körperlicher Aktivitäten im Freien. 1925 veröffentlichte beispielsweise Carl Lange in der GeSoLei Zeitschrift einen Artikel über Sport, in dem er von den Vorzügen der Leibesübungen an Licht und Luft berichtete. Darin hob er die Vorteile des Nacktbadens heraus, das es ermögliche, sich zeitweise „von der Last der Kleider [zu] befreien“.³¹⁰ Auch Georg Thiele meinte, Sport werde am besten nackt betrieben, um den Körper möglichst intensiv Licht und Luft auszusetzen. Da dies jedoch aufgrund von „Klima und Sitte“ im Deutschen Reich nicht möglich sei, sollten die Sportler Wert auf zweckmäßige, „einfach[e] und schön[e]“ Bekleidung während dem Training legen.³¹¹ Kleidung galt den Körperkulturbewegten als einschränkend. Sie verhindere eine gleichmäßige Versorgung der Haut mit Luft sowie Sonne und erschwere darüber hinaus die visuelle Bewertung des Körpers, indem sie sein tatsächliches Aussehen verbarg.³¹² Nur die Nacktkultur ermögliche daher die „freie Durchbildung des Körpers und genaue Beobachtung des gesamten Körper307 Vgl. etwa Fotoalbum II. Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2011/187, Abbildung 90. 308 Vgl. o. V.: Jahresbericht 1926 des Vereins Walderholung e. V., Düsseldorf. FU Berlin, Universitätsarchiv Sammlung Fritz Rott, Kasten 260, unpaginiert. 309 Niederschrift über die Besprechung der Einrichtung eines Licht- und Luftbades auf der Gesolei am Mittwoch, den 28. Oktober 1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1063, Bl. 26. 310 Carl Lange: Der Sport – eine Quelle von Kraft und Freude, in: Gesolei. Zeitschrift der Grossen Ausstellung Düsseldorf für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1 (1925) 4, S. 71–72, hier S. 71. Vgl. ebenfalls o. V.: Die Sonne als Arzt, in: Gesolei. Zeitschrift der Grossen Ausstellung Düsseldorf für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1 (1925) 4, S. 75. Zur Bedeutung der Nacktheit in der Körperkulturbewegung vgl. Wedemeyer-Kolwe: „Der neue Mensch“, S. 196–268; Möhring: Marmorleiber. 311 Georg Thiele: Wie? Wo? Leibesübungen, in: Neubert/Thiele (Hrsg.): Führer durch die Gruppe Leibesübungen auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1931, S. 20–22, hier S. 20. Hervorhebung im Original. 312 Vgl. G. A. Küppers: Aufgaben der Gymnastik, in: Der Landarzt. Zeitschrift für die Interessen der Landärzte 7 (1925/1926) 36, S. 417–418. Klassisch für die körperkulturelle Orientierung an der Sonne
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spieles.“³¹³ Der Aufenthalt im Freien hob sich in den Augen von Medizinern und Lebensreformern positiv von den unhygienischen Verhältnissen in den deutschen Großstädten ab, die ihnen als besonders ungesund erschienen. Gerade die mit der Urbanisierung verbundene „Enge der Wohnungen, der Lärm und das Tempo der Stadt, die Unrast des Wettbewerbs“ überanstrengten – so Karl Süpfle, Direktor des Hygienischen Instituts der Technischen Hochschule Dresden und Präsidiumsmitglied der Hygiene-Ausstellung 1930 – den menschlichen Organismus, entkräfteten ihn und machten ihn anfällig für Krankheit und Schwäche.³¹⁴ Der Körper müsse deswegen durch Aktivitäten im Freien gegen die schädlichen Einflüsse der Moderne gestärkt werden. Es ist bemerkenswert, wie sehr die Mediziner hier auf Argumente zurückgriffen, die auch die Nervositätsdebatte des Kaiserreichs geprägt hatten. Denn die Ausbreitung von Nervosität und Neurasthenie wurde im Wesentlichen als eine Reaktion auf die Beschleunigung der Gesellschaft interpretiert.³¹⁵ Das lebensreformerisch geprägte Naturerleben wurde in diesem Zusammenhang – ähnlich wie auch der Sport – als Kompensation der gesundheitlichen Schäden des modernen Lebens angesehen. Natur und Körperkultur sollten die Auswirkungen der Urbanisierung sowie Industrialisierung ausgleichen, den menschlichen Körper widerstandsfähig machen und vor äußeren Einflüssen schützen.³¹⁶ Um dieses Verhältnis von Natur und Stadt zu verdeutlichen, richtete Neubert auf der Zweiten Internationale
ist Hans Surén: Der Mensch und die Sonne, Stuttgart 1925. Zur historiographischen Forschung vgl. Maren Möhring: Nacktheit und Leibeszucht. Die FKK-Praxis im Nationalsozialismus, in: Diehl (Hrsg.): Körper im Nationalsozialismus, S. 211–228, hier v. a. S. 227; Ross: Naked Germany, v. a. S. 87–98. 313 So ein Redner auf dem gesundheitspolitischen Kongress des Verbandes für Volksgesundheit auf der Hygiene-Ausstellung Dresden 1930. Robert Engelsmann: Vorläufiger Bericht über den gesundheitspolitischen Kongress, den der Verband Volksgesundheit anlässlich der Internationalen Hygiene-Ausstellung in der Zeit vom 21.–24. Juni 1930 in Dresden abgehalten hat. BArch Berlin R 1501/126235, Bl. 225–234, hier Bl. 233. Engelsmann selbst kritisierte die Nacktkultur als radikale Reduzierung auf Äußerlichkeiten. 314 Karl Süpfle: Aufgaben und Ziele der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, in: Blätter für Volksgesundheitspflege 30 (1930) 4, S. 55–56, hier S. 55. Süpfle publizierte gleich mehrere Artikel, die diese Position zum Teil wortgleich wiederholten. Vgl. bspw. Ders.: Gedanken und Wünsche zur Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, in: Zeitschrift für Desinfektionsund Gesundheitswesen 22 (1930) 5, S. 257–260. 315 Vgl. Joachim Radkau: Das Zeitalter der Nervosität. Deutschland zwischen Bismarck und Hitler, München u. a. 1998. 316 Vgl. Stoff : Ewige Jugend, S. 276–281; Bernd Wedemeyer-Kolwe: Der „neue Mensch“ in seinem „neuen Körper“: Jugendbewegung und Körperkultur, in: Ulrich Herrmann (Hrsg.): „Mit uns zieht die neue Zeit . . . “ Der Wandervogel in der deutschen Jugendbewegung, Weinheim u. a. 2006, S. 138–154.
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Hygiene-Ausstellung einen Raum von ungefähr 500 qm ein. Dort demonstrierte er dem Besucher all die negativen „Eindrücke [. . . ], die auf ihn einstürmen und ihn im täglichen Leben ermüden, z. B. Geräusche der Straße, optische Reize, Rauchschwaden usw., um ihm zu zeigen, wie vielseitig er gefährdet ist.“ Durch einen schallisolierten Gang gelangte er anschließend „in einen schönen, ruhigen Gartenhof“, wo er von den Beanspruchungen der urbanen Zivilisation entspannen konnte.³¹⁷ Naturerlebnis und vernünftig betriebene Leibesübungen wirkten als „Jungbrunnen“, ermöglichten den „Ausgleich der Schäden“ des Berufsalttags und konnten – so die Darstellung auf den Gesundheitsexpositionen – unter ärztlicher Überwachung selbst körperlich „Verbildete“ oder generell Leistungsschwache „zu vollwertigen Menschen“ machen.³¹⁸ Zuletzt ähnelten sich Mediziner und Akteure der Lebensreform durch ihren Fokus auf körperliche Sauberkeit. Regelmäßiges Waschen, die Pflege der Haut und das Luft- wie Sonnenbad gehörten zu den wichtigsten Körperpraktiken der Lebensreformbewegung, nahmen aber gleichzeitig einen zentralen Stellenwert in der Medizin ein. Dies lag nicht nur daran, dass die Bakteriologie etwa das Händewaschen als Möglichkeit zur Verhinderung der Krankheitsübertragung erkannt hatte, sondern kann auch als Nachwirkung des Prozesses interpretiert werden, in dessen Verlauf die Entdeckung des gereinigten Menschen eng mit der Durchsetzung eines modernen, medizinisch-naturwissenschaftlich geprägten Körperbildes verknüpft war.³¹⁹ Entsprechend präsent war die Ermahnung des Publikums, den eigenen Körper ebenso sauber zu halten wie die Wohnung oder die Kleidung. Auf der RGW wurde das Waschen nach dem Aufstehen als „Morgendienst an der Gesundheit“ bezeichnet und der Bevölkerung empfohlen, morgens „bei weit geöffnetem Fenster“ gymnastische Übungen zu treiben.³²⁰ Und die GeSoLei enthielt eine Schautafel, auf der die ungewaschene und mit zahlreichen Bakterien bevölkerte, der sauberen, von allen Mikroben befreiten Haut gegenübergestellt wurde.³²¹ 1930 brachten die
317 Bericht über die 2. Sitzung des Wissenschaftlichen Ausschusses am 16. April 1929 vorm. 9 Uhr. BArch Berlin R32/77, Bl. 85–92, hier Bl. 86. 318 Flyer: Internationale Hygiene Ausstellung Dresden 1930 Mai – Oktober. Gymnastikhalle für den Berufsmenschen. HStA Dresden 10717 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten/Nr. 8926, unpaginiert. Die gleichen Zitate finden sich in Erwin Laeszig: Gymnastikhalle für den Berufsmenschen, in: o. V. (Hrsg.): Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930. Amtlicher Führer, S. 240–241. 319 Vgl. dazu Sarasin: Reizbare Maschinen, S. 264–313. 320 Ansprache eines Arztes im Anschluß an den Werbefilm der Reichs-Gesundheits-Woche. BArch Berlin R 32/549, unpaginiert. 321 Vgl. Fotodokumentation GeSoLei III. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 317 III, Abbildung 42.1.
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Veranstalter schließlich den Besuchern näher, wie sie sich sauber halten mussten, um jung und schön, „aber auch arbeits- und leistungsfähig“ zu bleiben.³²² Die Körperkulturbewegten prägten somit die Bildsprache sowie die Natürlichkeitsrhetorik auf den Ausstellungen maßgeblich mit. Sie waren daran beteiligt, eine Perspektive auf den Körper zu etablieren, die Gesundheit direkt an ein ästhetisches Äußeres, an körperliche Schönheit und „Natürlichkeit“ band. Hässlichkeit, körperliche Makel und „Unnatürlichkeit“ hatten dagegen die Funktion negativer Gegenbeispiele, von denen sich die Vertreter einer ästhetischen Perspektive absetzten. Anmut, Arbeitsfähigkeit, Schönheit und Gesundheit bildeten für sie ein Bezugssystem, das sich wechselseitig bedingte: „Sind alle Muskeln arbeitsfähig und harmonisch ausgebildet [. . . ], so ist der Körper schön. [. . . ] Bewegen sich die Glieder so, wie es dem normalen, anatomischen Bau und den physikalischen Gesetzen entspricht, dann sind die Bewegungen anmutig.“³²³ Missgebildete Körper und Künstlichkeit waren demgegenüber Anzeichen für Krankheit oder mangelnde Arbeitsfähigkeit. Die ästhetisierende Perspektive auf den Körper war nicht nur Medizinern oder Körperkulturbewegten vorbehalten; andere Akteure wie die deutsche Turnerschaft schlossen sich dieser Bildsprache teilweise an. Diese stellten etwa in Düsseldorf 1926 in die Mitte ihrer Gruppe eine überlebensgroße Statue, die „Kraft, Gewandtheit, Straffheit, sowie eisernen Willen zum Ausdruck“ bringen sollte und einen „durch turnerische Übung durchgebildeten, schön gestalteten Menschen“ verkörperte.³²⁴ Im selben Jahr behandelte die Gruppe „Mutterund Säuglingsfürsorge“ das Turnen an der frischen Luft. Auf farbigen Fotografien wurden dort gesunde Kinder, die sich regelmäßig in der Sonne und an der Luft bewegten, blassen „Zimmerkindern“ gegenübergestellt und dadurch die positive Wirkung der Leibesübungen im Freien illustriert.³²⁵
Natürlichkeit in der Säuglingsfürsorge Ohnehin beschäftigten die Säuglingsfürsorger seit der Jahrhundertwende vor allem zwei Themen, die sich auch auf die Gesundheitsschauen niederschlugen und Über-
322 o. V.: Die Körperpflege und die Leibesübungen auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, in: Messe und Ausstellung 12 (1930) 8, S. 2. 323 Martha Storz-Eberle: Mensendieck, in: Gesolei. Zeitschrift der Grossen Ausstellung Düsseldorf für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1 (1925) 10, S. 190–191, hier S. 190. 324 Oskar Berger: Die Deutsche Turnerschaft auf der Gesolei, in: Deutsche Turn-Zeitung 71 (1926) 42, S. 360. 325 Dr. Aschenheim: Mutter- und Säuglingsfürsorge und Pflegekinderwesen auf der Ausstellung Gesolei, S. 6. StdA Düsseldorf 0–1–18–1190, unpaginiert.
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schneidungen mit den eben beschriebenen, ästhetisierenden Positionen hatten. Einerseits war dies die Furcht vor einer Verbreitung von Keimen und Bakterien, der durch Sauberkeit und Bewegung im Freien entgegengewirkt werden sollte. Andererseits war das Bruststillen für die deutsche Säuglingsfürsorge „the axis around which all infant welfare programs pivoted.“³²⁶ Über alle Expositionen hinweg sollten in erster Linie Arbeiterinnen dazu angehalten werden, nach der Niederkunft nicht wieder arbeiten zu gehen, sondern zu Hause zu bleiben und ihre Kinder mit der Brust zu stillen. Dies wurde als der entscheidende Schritt zur Reduzierung der im Kaiserreich immer noch verhältnismäßig hohen Säuglingssterblichkeit angesehen.³²⁷ Schon Lingner hatte in seinem Programm für die Hygiene-Ausstellung 1911 davon gesprochen, Flaschenernährung sei „hygienischer Unfug“, der die betroffenen Kinder dauerhaft körperlich angreife und in letzter Konsequenz dazu führe, dass sie für immer „auf Unterstützung angewiesen“ blieben.³²⁸ In Stuttgart konstatierten die Veranstalter gar eine „Pflicht jeder gesunden Mutter, ihr Kind, zumal in den ersten Lebensmonaten, zu stillen“.³²⁹ Und Fritz Rott identifizierte ein Jahr später den „Mangel an Ernährung des Säuglings an der Mutterbrust“ als Ursache für die hohe Kindersterblichkeit im Deutschen Reich.³³⁰ Die Brusternährung blieb über die NS-Machtübernahme hinweg Thema der Pädiatrie. So propagierten 1935 im Museum für Säuglingsfürsorge des KAVH „zahlreiche Bilder [. . . ] das Stillen der Mutter und geben einfache, klare Auskunft über Stilltechnik.“³³¹ Der Verweis auf die Bedeutung der Brusternährung hatte einerseits einen normierenden Charakter und war vor allem an Arbeiterfrauen gerichtet, die zu einem den bürgerlichen Vorstellungen entsprechenden Verhalten angehalten werden sollten. Die symbolische Aufladung des Stillens als entscheidendes Mittel zur Gesunderhaltung des Säuglings sowie ihr Fokus auf Sauberkeit wiesen aber andererseits große Schnittmengen mit der Natürlichkeitsrhetorik auf, die auf den Expositionen so virulent war. Die Betonung von Licht, Luft und Wasser als gesundheitsfördernde Elemente in verschiedenen Gruppen der Ausstellungen, die Stellung der Lebensreform mit
326 Frohman: Prevention, Welfare, and Citizenship, S. 431–481, hier S. 447. 327 Zum allmählichen Rückgang der Säuglingssterblichkeit seit dem Kaiserreich vgl. Jörg Vögele: Wenn das Leben mit dem Tod beginnt: Säuglingssterblichkeit und Gesellschaft in historischer Perspektive, in: HSR 34 (2009) 4, S. 66–82. 328 Lingner: Programm für die geplante Internationale Hygiene-Ausstellung zu Dresden, S. 14–15. 329 o. V.: Volkstümliche Abteilung, S. 35–63, hier S. 60. 330 Rott: Das Museum für Säuglingskunde, S. 48–64, hier S. 48. Ähnlich argumentierte Georg Meyer: Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden (Ein Rückblick), in: Berliner Klinische Wochenschrift 48 (1911) 47, S. 2141–2143, hier S. 2142. 331 o. V.: Das Museum für Säuglingskunde im Kaiserin Auguste Victoria Haus, S. 28–29, hier S. 29.
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ihrer diskursiven Anschlussfähigkeit etwa an die Positionen der Mediziner und die starke Präsenz körperkulturell inspirierter Bilder unterstreichen, wie weit der ästhetisierende Blick auf den Körper verbreitet war. Schon auf der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung greifbar, nahm diese Perspektive in der Zwischenkriegszeit nochmals an Stärke zu. So wurde schon während der Vorbereitung der GeSoLei darüber nachgedacht, eine Gruppe über wissenschaftliche Schönheitspflege einzurichten.³³² Damit ging mit dem Prozess der „Versportlichung“ der Gesellschaft ihre Ästhetisierung einher, die sich in entgegengesetzter Richtung in der Übernahme lebensreformerischer Positionen durch Vertreter des Turnens oder des Sports niederschlug ³³³ Der harmonische, ganzheitlich ausgebildete, schöne Körper wurde so schrittweise zu einem ästhetischen Maßstab, der das Gesicht der Gesundheitsausstellungen prägte. Hässlichkeit, Schmutz oder ein deformierter Körper waren Anzeichen von Krankheit und führten – zumindest auf diskursiver Ebene – zum Ausschluss. Schönheit und ein durchtrainierter Körper konnten dagegen einschließende Wirkungen zeitigen und zur Aufwertung Einzelner führen.³³⁴ Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme blieb der ästhetisierende Blick auf den Körper weiterhin wirkmächtig. Die zentrale Stellung des „Gläsernen Menschen“ auf den NS-Gesundheitsschauen ist dafür nur ein Beispiel. Der durchtrainierte, junge, ästhetische Körper war als nationalsozialistisches Idealbild des deutschen „Neuen Menschen“ in der NS-Propaganda, aber eben auch auf den Gesundheitsschauen, vielfach präsent.³³⁵ So betonte Bruno Gebhard 1936, körperliche „Gesundheit ist
332 Vgl. Vertraulicher Bericht über Dresden von Vollbrandt vom 18.03.1925. StdA Düsseldorf 0–1– 18–1070, Bl. 445. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten wurde sie letztlich jedoch nicht realisiert. Zur Bedeutung von Schönheit in der Weimarer Republik vgl. Annelie Ramsbrock: Korrigierte Körper. Eine Geschichte künstlicher Schönheit in der Moderne, Göttingen 2011, S. 102–262. 333 Die Grenzen zwischen Turnen, Sport und Körperkultur verliefen fließend. Körperkulturelle Ideen fanden Einzug in die Vorstellungen von Turnern sowie Sportlern und der sportliche Leistungs- und Wettkampfgedanke schlug sich auch in den Praktiken der beiden anderen Formen der Leibesübungen nieder, ohne dadurch die unterschiedlichen Perspektiven auf den Körper vollends aufzuheben. Nicht ohne Grund unterstrich Ivo van Hilvoorde aus niederländischer Perspektive jüngst die Überschneidungen zwischen Turnen, Sport und Körperkultur, die insbesondere durch die Kommerzialisierung der Leibesübung Anfang des 20. Jahrhunderts nochmals katalysiert wurden. Vgl. Ivo van Hilvoorde: Fitness: The Early (Dutch) Roots of a Modern Industry, in: The International Journal of the History of Sport 25 (2008) 10, S. 1306–1325. 334 Michael Hau betont etwa, dass körperkulturelle Praktiken für Personen aus der unteren Mittelklasse ein soziales Distinktionsmittel waren, um sich von der Arbeiterklasse abzusetzen. Vgl. Hau: The cult of health and beauty, S. 9–31. 335 Vgl. etwa die Bilder in den von Herbert Bayer gestalteten Katalogen o. V.: Deutsches Volk – Deutsche Arbeit; Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-Gesellschaft (Hrsg.): Das Wunder des Lebens. Ausstellung Berlin 1935 23. März bis 5. Mai. Ausstellungshallen am Kaiserdamm, Berlin 1935. Zur Kontinuität lebensreformerischer Körperbilder vom Kaiserreich
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Voraussetzung auch für äußere Schönheit.“³³⁶ Albert Wischek erklärte im Vorfeld der Exposition „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“, schon Adolf Hitler habe gefordert, der neue deutsche Mensch müsse „gesund und schön“ sein.³³⁷ Allerdings radikalisierte sich die schon im Kaiserreich und der Weimarer Republik angelegte Tendenz zum Ausschluss derer, die den ästhetischen Normen nicht entsprachen und denen eine „Einordnung aller Einzelheiten in ein harmonisches Ganzes“³³⁸ nicht gelang. Das Bezugssystem der Nationalsozialisten bildete die gesundheitlich, rassisch, aber eben auch ästhetisch definierte „Volksgemeinschaft“.³³⁹ Das Äußere eines Menschen konnte so zum Ausgangspunkt für seine Stigmatisierung und Ausgrenzung werden.
Ästhetik als Zeichen körperlicher Eigenschaften Das wohl prominenteste Beispiel hierfür ist die Verknüpfung ästhetischer und biologischer Zuschreibungen beim Antisemitismus und Rassismus. Diese beruhten zu wesentlichen Teilen auf visuellen Stereotypen.³⁴⁰ Antisemitische Vorstellungen verbanden ästhetische Normen mit biologistischen Urteilen; das Äußere verwies auf die innere, gesundheitliche wie rassische „Qualität“ eines Menschen und war gleichzeitig durch diese präfiguriert. Das Aussehen des Körpers und dessen Wert standen in einem permanenten gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Auch auf den Gesundheitsexpositionen ließ sich diese Verknüpfung ästhetischer und biologischer Urteile nachvollziehen.³⁴¹ So kritisierte Max Frisch an der „Wunder des Lebens“ Abbildungen und Modelle „rassentypischer“ Schädelformen, die „min-
bis zum Nationalsozialismus vgl. etwa Diehl (Hrsg.): Körper im Nationalsozialismus; Dies.: Macht – Mythos – Utopie. Jüngst resümierend Eckart: Medizin in der NS-Diktatur, S. 149–158. 336 Bruno Gebhard: Die Familie als Träger des Lebens, in: Ders. (Hrsg.) Wunder des Lebens, S. 253–298, hier S. 260. 337 Wischek: Zur Reichsausstellung Berlin 1938 „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“, S. 1. Hervorhebung im Original. 338 Weiß: Etwas über die Ausstellungstechnik der Jahresschau „Das Wunder des Lebens“, S. 126– 130, hier S. 126. 339 Vgl. auch Lutz: Die Wirksamkeit öffentlicher Bilder im Privaten, 152–167. 340 Vgl. Mosse: Nationalismus und Sexualität, S. 171–178; Etzemüller: Ein ewigwährender Untergang, S. 105–108; Michael Hau: Körperbildung und sozialer Habitus. Soziale Bedeutungen von Körperlichkeit während des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, in: Rüdiger vom Bruch/ Brigitte Kaderas (Hrsg.): Wissenschaften und Wissenschaftspolitik. Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2002, S. 125–141. 341 Vgl. Susanne König: Bilder von Menschen – Geschichte und Gegenwart. Die Dauerausstellung des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in
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derwertigen Rassen“ zugeordnet waren. Dem standen die positiv konnotierten Abbildungen „arischer“ Gesichtszüge gegenüber.³⁴² Auf der Exposition „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ visualisierten Fotografien von „Rheinlandbastarden“ „the saddest betrayal of the white race“.³⁴³ Von der Form des Schädels wurden Rückschlüsse auf den Wert des Einzelnen wie eines – jeweils unterschiedlich definierten – Kollektivs abgeleitet. Dies betraf nicht nur dessen rassische, sondern umfasste auch seine soziale „Qualität“. Die Nationalsozialisten griffen auf eine lange Tradition zurück, hatte doch schon Cesare Lombroso im 19. Jahrhundert die Diagnose verbrecherischer Anlagen an die Schädelform eines Menschen gekoppelt.³⁴⁴ Die Konstitutionslehre Ernst Kretschmers, die dieser bis 1921 vollständig entwickelt hatte und die den Menschen aufgrund äußerlicher Eigenschaften unterschiedlichen Konstitutionstypen zuordnete, wurde ebenfalls noch 1935 auf der „Wunder des Lebens“ vorgestellt.³⁴⁵ Auch Anthropologen sowie Rassenhygieniker bauten ihre Untersuchungen auf physiognomischen Eigenschaften auf.³⁴⁶ Auf den Gesundheitsausstellungen präsentierten sie die aus ihrer Sicht „minderwertigen“ Personen, die von einer Fortpflanzung ausgeschlossen werden sollten, ebenso visuell abstoßend. Der „schlechte“ Zweig der Familie Kallikak wurde von den zeitgenössischen Beobachtern wie ein Zug „des Grauens“ wahrgenommen, dessen Gegenstück die gut aussehenden Nachkommen von Martin Kallikak Sr. mit seiner bürgerlichen Ehefrau darstellten.³⁴⁷ Die Allgegenwart der Bilder von gesunden, gut aussehenden Deutschen ohne körperliche Makel und ihren negativ belegten Gegenbeispielen in Form anderer „Rassen“ oder kranker Menschen legitimierten einerseits die gesundheits- wie rassenpolitischen Ambitionen der NS-Regierung.
Contemporary History, Online Ausgabe 4 (2007) 1/2. Online unter: http://www.zeithistorischeforschungen.de/16126041-Koenig-2-2007. [Letzter Zugriff am 20.09.2014] 342 Frisch: Kleines Tagebuch einer deutschen Reise, S. 84–97, hier S. 89–92. Für Abbildungen beispielsweise typischer Vertreter verschiedener „Rassen“ oder gesunder Deutschen vgl. Weiß: Erb- und Rassenkunde des Menschen, S. 183–252, hier S. 218, 237–240 und S. 245–246. 343 Duff : German Eugenics Exhibition. To the Editor, S. 164. Die Rezensentin der Schau, Ursula Grant Duff, empfand die abgebildeten Kinder allerdings als sehr attraktiv. 344 Zu Lombroso und der Entwicklung der Kriminologie vgl. Richard F. Wetzell: Inventing the criminal. A history of German criminology 1880–1945, Chapel Hill u. a. 2000; Silviana Galassi: Kriminologie im Deutschen Kaiserreich. Geschichte einer gebrochenen Verwissenschaftlichung, Stuttgart 2004. 345 Vgl. Bruno Gebhard: Das Leben in gesunden und kranken Tagen, in: Ders. (Hrsg.): Wunder des Lebens, S. 351–420, hier S. 354–356. Zu Kretschmer vgl. Hau: The cult of health and beauty, S. 164–175. Hau hebt hervor, dass die Konstitutionslehre – hier etwa die Theorien Claude Sigauds – auch auf der Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 eine wichtige Rolle gespielt hatte. 346 Vgl. hierzu Hagner: Anthropologische Objekte, S. 171–186; Wiegand: Ein „sehr werthvolles Material für exakte wissenschaftliche Unternehmungen“, S. 116–134. 347 Martin: Die Familie Kallikak, S. 17–18, hier S. 17.
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Andererseits erhoben sie die Ästhetik zu einer zentralen Differenzkategorie, anhand derer Körper beurteilt und kategorisiert wurden. Allerdings gab es durchaus Vorläufer auf den älteren Expositionen, so dass man bei den NS-Ausstellungen auf frühere Exponate wie die Schautafel zur Familie Kallikak zurückgreifen konnte. Die Konstitutionslehre war etwa schon länger Teil der Ausstellungen, die Suche nach den exakten Proportionen zur Bestimmung von Schönheit oder die Vermessung von Schädeln immer wieder Thema.³⁴⁸ Auf allen Ausstellungen machten zahlreiche Fotografien und visuelle Darstellungen Kranker, oftmals konfrontiert mit gesunden Gegenbeispielen, Krankheit sichtbar und verklammerten ästhetische mit gesundheitlichen Diagnosen. Das Bild fungierte in diesem Zusammenhang als Klassifikationsmittel, die Ästhetik als Beweis; insbesondere bei Krankheiten, die – wie etwa im Falle psychischer Erkrankungen – für die zeitgenössischen Diagnoseinstrumente unzugänglich blieben.³⁴⁹ Zwar verloren die Fotografie sowie die Physiognomik durch die Entdeckung der Röntgenstrahlen in der Medizin zu Beginn des 20. Jahrhunderts an Relevanz.³⁵⁰ Doch auf den Gesundheitsausstellungen hatte das Medium auch in den folgenden Jahren noch viel Raum. Abbildungen wurden genutzt, um über geistige Behinderung oder psychische Auffälligkeiten „ein visuell belegbares Urteil zu fällen“, um einer körperlosen Krankheit ein wahrnehmbares Gesicht zu geben.³⁵¹ Die Fotografien orientierten sich an ästhetischen und künstlerischen Konventionen.³⁵² Sie hatten Überschneidungen mit der Konstitutionslehre, bauten auf deren Theorien auf und verknüpften körperliche Eigenschaften mit geistigen Fähigkeiten. In der Gruppe „Säuglingsfürsorge“ der Ersten Internationalen HygieneAusstellung demonstrierten über 100 Abbildungen allein in der Abteilung „Pflege und Ernährung des gesunden und kranken Säuglings“ nicht nur die Bedeutung der Pädiatrie. Sie wiesen darüber hinaus Mütter darin ein, Krankheiten anhand optischer Kriterien zu erkennen und daraufhin möglichst schnell ärztlich untersuchen zu lassen.³⁵³ Im Katalog zur Sondergruppe „Tuberkulose“ im gleichen Jahr führte der Autor Karl Wezel aus, vor allem bereits angeschlagene Personen „mit
348 Vgl. u. a. Roderich von Engelhardt: Der Körper als Ganzes, in: Vogel (Hrsg.): Der Mensch, S. 253–265. 349 Vgl. Walter Leimgruber: Bilder vom Körper – Bilder vom Menschen. Kultur und Ausgrenzung um 1900 und heute, in: Zeitschrift für Volkskunde 101 (2005) 1, S. 69–91; Susanne Regener: Visuelle Gewalt. Menschenbilder aus der Psychiatrie des 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2010. 350 Vgl. Kröner: Äußere Form und Innere Krankheit, S. 123–134. 351 Bömelburg: Der Arzt und sein Modell, S. 22. 352 Vgl. Ebd., S. 124–203. 353 Vgl. Hans Rietschel: Sonder-Katalog für die Gruppe Säuglingsfürsorge der wissenschaftlichen Abteilung der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, Dresden 1911.
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schmalem und dabei flachen Brustkorb“ seien empfänglich für eine Ansteckung mit Tuberkulose.³⁵⁴ Als mögliche Heilmittel nach einer Ansteckung empfahl er Höhenklima, „körperliche und geistige Ruhe, gute Ernährung, Abhärtung, Enthaltsamkeit vom Alkohol, Zuführung von möglichst viel Licht, Sonne und vor allem frischer, reiner Luft“.³⁵⁵ Selbst die „Krüppelfürsorge“, die sich auf die körperlichen Eigenschaften ihrer Klientel konzentrierte und sich explizit von der Betreuung von Menschen mit geistiger Behinderung distanzierte, verknüpfte immer wieder körperliche, geistige und moralische Eigenschaften. Ihre Position war maßgeblich durch Konrad Würtz und seiner „Krüppelpsychologie“ geprägt. Dieser ging davon aus, dass die Einschränkungen von Menschen mit Körperbehinderung auch zu seelischen und geistigen Behinderungen führten.³⁵⁶ Im Vorfeld der GeSoLei betonte Konrad Biesalski in diesem Sinne, der „Krüppel“ sei nicht nur äußerlich deformiert, sondern auch sittlich nicht gefestigt und müsse deswegen in den „Krüppelanstalten“ erzogen werden.³⁵⁷ Die Verknüpfung biologischer und ästhetischer Urteile blieb jedoch nicht ohne Widerspruch. So beanstandete 1911 ein Autor in der Zeitschrift für Kinderforschung an der Abteilung „Hilfsschule“ die Ausstellung von Typenbildern von Kindern mit geistiger Behinderung. Diese ordneten bestimmte äußerliche Merkmale unterschiedlichen Formen von geistiger Behinderung zu und förderten, so die Kritik, dadurch in der Öffentlichkeit die Meinung, „Schwachsinn müsse stets mit von der Norm abweichenden Erscheinungen verbunden“ sein.³⁵⁸ Gleichzeitig schreckten sie Eltern davon ab, ihre Kinder an Hilfsschulen zu überweisen. Doch diese Stimmen blieben eher in der Minderheit; auch Gruppen, die sich sonderpädagogischen und psychiatrischen Themen widmeten, setzten in den folgenden
354 Wezel: Katalog der Sondergruppe Tuberkulose der Internationalen Hygieneausstellung Dresden 1911, S. 31. 355 Ebd., S. 35. 356 Zu Würtz vgl. Carol Poore: Der Krüppel in der Orthopädie der Weimarer Zeit. Medizinische Konzepte als Wegbereiter der Euthanasie, in: Walter Baumann (Hrsg.): Wie teuer ist uns Gesundheit, Berlin 1984, S. 67–78; Dies.: Disability in Twentieth-Century German Culture, Ann Arbor 2007, S. 49–52; Oliver Musenberg: Der Körperbehindertenpädagoge Hans Würtz (1875–1958). Eine kritische Würdigung des psychologischen und pädagogischen Konzepts vor dem Hintergrund seiner Biographie, Hamburg 2002. 357 Vgl. Biesalski: Aufruf an die deutschen Krüppelheime und die Obmänner für die Gesolei, S. 2– 6, hier S. 3. Noch in der Nachkriegszeit wurden psychische Erkrankungen von der Psychiatrie in der Regel körperbezogen interpretiert. Dies unterstreicht die Langlebigkeit dieses Deutungsmusters. Vgl. Svenja Goltermann: Die Gesellschaft der Überlebenden. Deutsche Kriegsheimkehrer und ihre Gewalterfahrungen im Zweiten Weltkrieg, München 2009, S. 165–272. 358 Lehm: Gedanken zur Abteilung „Hilfsschule“ der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, S. 54–62, hier S. 55.
292 | 5 Strukturen des Körperdiskurses
Gesundheitsschauen zahlreiche Bilder ein. Auf der Hygiene-Ausstellung 1930/31 enthielt die Gruppe „Der nervöse Mensch“ ein großformatiges Gemälde, welches die Gesellschaft „Im Zeitalter der Nervosität“ abbildete. Zu sehen waren realistische Darstellungen zahlreicher Köpfe „mit allen Spielarten des Pathologischen“. Das Bild eröffnete den Blick auf ein „furchtbares Museum menschlicher Degeneration“ sowie „das Furchtbare der Geisteskrankheit, des Schwachsinns und der Nervosität“.³⁵⁹ Die medizinisch-psychologische Diagnose und die ästhetische Norm fielen hier im Darstellungsmodus der Abschreckung zusammen. Körperliche oder geistige Anormalität und Hässlichkeit bedingten sich, waren miteinander verwoben.
Eine Ästhetik der Abschreckung Gerade der Darstellungsmodus der Abschreckung kam auf den Gesundheitsausstellungen, die auf eine Verhaltensänderung der Bevölkerung abzielten, regelmäßig zum Einsatz. Besonders weit verbreitet war der Einsatz abschreckender Visualisierung im „Kampf gegen Geschlechtskrankheiten“. Diese gehörten spätestens seit der Jahrhundertwende zu den am intensivsten von den Sozialhygienikern bekämpften Krankheiten, da ihre Ausbreitung und Behandlung mit demografischen, wirtschaftlichen und militärischen Fragen verflochten war. Die zentrale Strategie der daran beteiligten Akteure, unter denen die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten (DGBG) am bekanntesten war, bestand darin, die Bevölkerung durch eine möglichst abschreckende Darstellung der Folgen von Geschlechtskrankheiten zum gewünschten Sexualverhalten – Monogamie und Enthaltsamkeit bis zur Ehe – anzuhalten. Damit einher ging eine Ausweitung der medizinischen Deutungsmacht auf das Sexualleben der Bevölkerung.³⁶⁰ Sie nutzten dafür neben anderen Medien der hygienischen Volksaufklärung wie Filmen³⁶¹ vor allem die Gesundheitsexpositionen. Erste Ausstellungsversuche begannen um 1906, ab 1908 sammelte die Gesellschaft systematisch Material und schickte Wanderschauen durch das Deutsche Reich. 1911 nahm sie an der Hygiene-Ausstellung teil und organisierte anschließend in Kooperation mit dem Hygiene-Museum zahl359 Sommer: Die internationale Hygieneausstellung in Dresden 1930, besonders vom Standpunkte der psychischen Hygiene, in: Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 32 (1930) 33, S. 387–392, hier S. 391. Hervorhebung im Original. 360 Vgl. v. a. Lutz Sauerteig: Krankheit, Sexualität, Gesellschaft. Geschlechtskrankheiten und Gesundheitspolitik in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1999. 361 Vgl. Anita Gertiser: Der Schrecken wohnt im Schönen: Darstellung devianter Sexualität in den Aufklärungsfilmen zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten der 1920er-Jahre, in: zeitenblicke 7 (2008) 3. Online unter: http://www.zeitenblicke.de/2008/3/gertiser/index_html. [Letzter Zugriff am 20.09.2014]
5.3 „Ästhetische Körper“
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reiche Wander- und Sonderausstellungen.³⁶² Ihre Präsentation sollte abschrecken; „hyper-realistisch“ gestaltete Moulagen (Lutz Sauerteig) demonstrierten in krasser Weise die Folgen sexuell übertragbarer Krankheiten. Unmoralisches Verhalten, ein abstoßendes Äußeres und Krankheit wurden in diesen Exponaten miteinander verknüpft; die ästhetische Verunstaltung war ein Gradmesser für die Schwere der Erkrankung und gleichzeitig für medizinisch-naturwissenschaftlich geschulte Augen ein Diagnoseinstrument. Aufgrund des starken Einsatzes abschreckender Exponate erschien die von Eugen Galewsky geleitete Sondergruppe „Geschlechtskrankheiten“ von 1911 den Beobachtern als „wenig erfreuliche, ja direkt grauenerregende Ausstellung“, geradezu als „Schreckenskammer“ der gesamten Exposition.³⁶³ Kritisch merkten andere Kommentatoren an, dass „an manchen Stellen für eine Ausstellung des Guten zu viel“ gezeigt wurde.³⁶⁴ Denn statt heilsamen Schrecken erzeuge die Gruppe eher Angst, die sich wiederum negativ auf das Bevölkerungsverhalten und ihr Vertrauen in die Medizin auswirke. Tatsächlich schwächte die DGBG in der Weimarer Republik ihre Abschreckungspolitik ab und setzte stattdessen stärker auf Gesundheitsberatung und Aufklärung. Auch die Veranstalter der GeSoLei wollten „alles Unschöne und Anstössige“ auf ihrer Ausstellung vermeiden und nur in wenigen Ausnahmefällen auf das Mittel der Abschreckung setzen.³⁶⁵ „Schreckenskammern“ wie in Dresden wollte man „tunlichst vermeiden.“³⁶⁶ Gleichwohl blieben die Geschlechtskrankheiten 1926 weiterhin ein vielbeachtetes Thema.³⁶⁷ Auch in der Rheinstadt verdichteten sich Moulagen von erkrankten Geschlechtsteilen zusammen mit anderen Exponaten zu einer „Spezialschau menschlicher
362 Vgl. Petra Ellenbrand: Die Volksbewegung und Volksaufklärung gegen Geschlechtskrankheiten in Kaiserreich und Weimarer Republik, Marburg 1999, S. 136–146. 363 o. V.: Offizieller Führer durch die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 und durch Dresden und Umgebung, S. 38–39. Zu Eugen Galewsky vgl. Albrecht Scholz: Eugen Galewsky (1864 bis 1935), in: Dermatologische Monatsschrift 158 (1972) 1, S. 53–68. 364 Erich Francke: Die Internationale Hygieneausstellung, Dresden 1911, in: Soziale Praxis und Archiv für Volkswohlfahrt 20 (1911) 42, S. 1323–1325, hier S. 1324. Hervorhebung im Original. 365 Niederschrift des Vorstandes der „Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen Düsseldorf e. V.“ vom 18.02.1925. StdA Düsseldorf 0–1–3–683, Bl. 73–77, hier Bl. 76. 366 Theodor Bürgers: Die Volkskrankheiten und ihre Bekämpfung auf der Gesolei, in: Ärztliche Mitteilungen 27 (1926) 36, S. 537–538, hier S. 537. 367 Vgl. Hermann Röschmann: Der Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten auf der Gesolei, in: Ärztliche Mitteilungen 27 (1926) 36, S. 538–539 sowie mit Blick auf eine Bildtafel als Ausstellungsexponat Christine Brecht: Enthaltsamkeit in Weimar. Oder: Karriere einer Bildtafel, in: Barbara Duden/Karen Hagemann/Regina Schulte u. a. (Hrsg.): Geschichte in Geschichten. Ein historisches Lesebuch, Frankfurt am Main; New York 2003, S. 311–318.
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Leiden, welche an Scheußlichkeiten kaum überboten werden kann“.³⁶⁸ In Dresden 1930/31 wurden schließlich die am stärksten abschreckenden Exponate in kleine Guckkästen gelegt, so dass jeder Besucher selbst entscheiden konnte, ob er sie betrachten wollte.³⁶⁹ Die Moulage war ein Exponat, das durch seine unmittelbare Materialität und seine eigene Ästhetik wirkte, mit deren Hilfe Fragen nach dem Verhältnis von Schönheit, Krankheit und Moral verhandelt werden konnten. Gleichwohl waren die Reaktionen des Publikums auf sie nicht immer gleich und konnten von eindeutiger Ablehnung bis hin zu sexueller Faszination reichen.³⁷⁰ Die Exponate kreisten aber um das Verhältnis vom Körper zu seinem Äußeren, um den Gegensatz von Schönheit und Hässlichkeit, von Gesundheit und Krankheit. Der ästhetische Blick auf den Körper war auf den Gesundheitsausstellungen allgegenwärtig. Auf den Expositionen wurde der Mensch als „Wunder“ präsentiert, sein Äußeres als schön oder hässlich bewertet. Der schöne, durchtrainierte Mensch fungierte von der Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 bis zur „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ als Idealbild, auf das sich eine Vielzahl der teilnehmenden Akteure beziehen konnte. Die anhaltende Popularität des „Gläsernen Menschen“ kann auch als Anzeichen dafür interpretiert werden, dass die mit ihm verbundenen ästhetischen Maßstäbe eine unveränderte Attraktivität ausstrahlten. Durch die Lebensreform popularisierte Vorstellungen von der Heilkraft der Natur in Form von Licht, Luft und Wasser, die Ablehnung der sportlichen Bevorzugung von „Rekordjagden“ oder die Tendenz, den Körper als „Sinnbild der vollendeten Harmonie“³⁷¹ zu verstehen, waren weit verbreitet und selbst an medizinisch-naturwissenschaftlich geprägte Positionen anschlussfähig. Diese Präsenz lebensreformerischer Ideen gibt einen Eindruck davon, wie offen, wie vielfältig und uneinheitlich die Gesundheitsausstellungen im Speziellen und der zeitgenössische Diskurs über den Körper im Allgemeinen war. Gerade die medizinische Ambivalenz einerseits durch die Praktiken des Messens und Zählens mit den Sportlern und andererseits durch die Präferenz für eine harmonische, gleichmäßige Durchbildung des Körpers mit
368 Finke: Die Gesolei im Urteil eines Naturarztes, S. 72–75, hier S. 74. 369 Vgl. Hermann Röschmann: Die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten auf den internationalen Hygiene-Ausstellungen in Dresden 1911 und 1930, in: Blätter des Deutschen Roten Kreuzes 9 (1930) 6, S. 364–365. 370 Vgl. dazu Sauerteig: Lust und Abschreckung, S. 87–104. Grundsätzlich zur Moulage als Exponat vgl. v. a. Schnalke: Diseases in Wax. Für eine zeitgenössische Reflektion vgl. Sacki: Vor der Moulage, in: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden. Mai – Okt. 1930. Offizielle Ausstellungszeitung 1 (1930) 5, S. 6. 371 Walter Gehlen/Herbert Michael: Der Mensch, in: o. V. (Hrsg.): Internationale HygieneAusstellung Dresden 1930. Amtlicher Führer, S. 178–179, hier S. 179.
5.3 „Ästhetische Körper“
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der Körperkulturbewegung verbunden zu sein, unterstreicht die These, dass es kein eindeutig dominierendes Ordnungsmuster des Körpers gab, sondern dieser – je nach Situation – nach unterschiedlichen Kriterien beurteilt wurde. Der Körper wurde auf den Schauen nicht nur vermessen und gezählt, nicht nur als „Leistungsmaschine“ gedacht, sondern auch nach ästhetischen Kriterien beurteilt und geordnet. Die Ästhetik des Körpers war Ausgangspunkt für diskursive Einoder Ausschlüsse; ein den ästhetischen Normen widersprechender Körper konnte als Anzeichen für geistige Behinderung, moralische oder körperliche „Minderwertigkeit“ angesehen werden. Umgekehrt konnte ein gutes Aussehen für den Einzelnen auch eine Aufwertung zur Folge haben; wurde den Betroffenen auch soziale, finanzielle und medizinische Hilfe zur Erfüllung dieser Norm zuteil.³⁷² Gleichwohl etablierte die Perspektive auf den „Ästhetischen Körper“ eine weitere Differenzkategorie. Die Trennlinie verlief hier zwischen dem Gegensatzpaar Schönheit und Hässlichkeit. Äußerliche Auffälligkeiten wurden als Diagnoseinstrumente genutzt; moralische, gesundheitliche oder geistige Abweichungen mit ästhetischen korreliert. Auch auf den nationalsozialistischen Gesundheitsausstellungen blieb die ästhetisierende Perspektive auf den Körper weiterhin präsent. Das Äußere des Menschen wurde aber verstärkt auf dessen rassische „Qualität“ bezogen. Die Nationalsozialisten griffen auf Vorläufer aus dem Kaiserreich und der Weimarer Republik zurück, radikalisierten sie aber und versahen sie mit einem rassenhygienischen Vorzeichen. Der „Ästhetische Körper“ war gleichzeitig immer mit anderen Perspektiven verknüpft, widersprach ihnen oder ergänzte sie. Das Beispiel des Kampfes gegen die Geschlechtskrankheiten weist daraufhin, wie sich ästhetische sowie moralische Beurteilungen vermischten und aufeinander beziehen ließen. Äußerliche Auffälligkeiten konnten als Ausgangspunkt für moralische Zuschreibungen wirken; regelmäßig wurden soziale Abweichungen von den bürgerlichen Verhaltensnormen als Krankheiten begriffen und medikalisiert. Nicht zuletzt hatten die Expositionen die Aufgabe, steuernd auf das Verhalten der Bevölkerung einzuwirken, es an den gesundheitlichen oder sozialen Vorstellungen ihrer Zeit auszurichten. Forderungen nach einem gesunden Lebensstil, einer sozial angemessenen Lebensweise oder einem bestimmten Sexualverhalten durchzogen die Schauen auf allen Ebenen; auch der „Genormte Körper“ war dadurch ständig präsent.
372 Annelie Ramsbrock weist in diesem Zusammenhang auch auf die Entstehung der „sozialen Kosmetik“ in der Weimarer Republik hin. Vgl. Dies.: Korrigierte Körper, S. 230–262.
296 | 5 Strukturen des Körperdiskurses
5.4 „Genormte Körper“ Normative Zuschreibungen und bürgerliche Moralvorstellungen prägten den Diskurs über den Körper, sie beeinflussten die Darstellungsmodi bestimmter Themen auf den Gesundheitsausstellungen und verbanden sich mit anderen Perspektiven. Ein ästhetischer Körper war für Vertreter der Lebensreformbewegung wie Mensendieck auch eine moralische Verpflichtung, mangelnde Arbeits- oder Leistungsfähigkeit für andere ein Anzeichen moralischer Devianz. Die Eugeniker verbanden normative Wertungen mit Techniken des Ordnens und Systematisierens – etwa bei Stammbäumen oder kriminalbiologischen Forschungen über die Vererbbarkeit „sozialer Krankheiten“. Nicht zuletzt war auch der gesunde Körper als eigentliches Ziel der Gesundheitsschauen moralisch belegt; Krankheit wurde als Folge einer falschen Lebensweise stigmatisiert, für die der Einzelne zumindest teilweise selbst verantwortlich war.
Gesundheitsausstellungen als erzieherische Projekte Die Expositionen waren – wie das Projekt der hygienischen Volksbelehrung insgesamt – pädagogische Veranstaltungen. Sie hatten die Aufgabe, die Bevölkerung zu einem – aus Sicht der Organisatoren – medizinisch richtigem Verhalten anzuleiten. Die Ausstellungen sollten nicht die gesundheitliche Situation im Deutschen Reich widerspiegeln, sondern sichtbar machen, „wie es sein sollte.“³⁷³ Dem Publikum sollte nicht nur beigebracht werden, wie es im Krankheitsfall zu reagieren habe. Vielmehr sollten dem Besucher „die Wege gewiesen werden, die Krankheit zu vermeiden.“³⁷⁴ Schon der Dresdner Schau von 1911 wurde in diesem Zusammenhang das Potential zugeschrieben, die „Sitten und Gewohnheiten der Menschheit in neue Bahnen zu lenken.“³⁷⁵ Die Bevölkerung sollte zur ständigen Wachsamkeit, permanenter Selbstbeobachtung angehalten werden und dauerhaft Verantwortung für die eigene wie kollektive Gesundheit des „Volkskörpers“ übernehmen. Das von Franz von Stuck entworfene Logo der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung und des späteren Hygiene-Museums symbolisierte diese moralische Aufforderung
373 Georg Seiring: Gesundheit – der Menschheit höchstes Gut, in: Messe und Ausstellung 13 (1931) 12, S. 3. Hervorhebung im Original. 374 Kurt Adam: Vorläufiger Bericht über die Tagung des Reichsausschusses für hygienische Volksbelehrung am 23. und 24. März 1928 in Weimar, S. 5. FU Berlin, Universitätsarchiv, Sammlung Fritz Rott, Kasten 247, unpaginiert. 375 o. V.: Die Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden 1911, in: Gesundheit in Wort und Bild 8 (1911) 2, S. 25–29, hier S. 25.
5.4 „Genormte Körper“
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besonders treffend. Es bestand aus einem Auge vor einem blauen Grund, „das aus der Unendlichkeit heraus leuchtet, zum ernsten Nachdenken mahnend, in warnender Wachsamkeit“ den Betrachter an die dauernde Gefährdung seiner Gesundheit erinnerte.³⁷⁶
Abb. 5.4: Das „Hygieneauge“: Plakat Franz von Stucks für die Erste Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Quelle: Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 1995/20 (Foto Volker Kreidler).
Krankheit erschien auf den Expositionen als „‚intellektueller Sündenfall‘“, der durch Vorbeugung und Gesundheitspflege hätte verhindert werden können. Die hygienischen Volksbelehrer kämpften „wider persönliche Lauheit und Schwäche in geistiger und körperlicher Gesundheitspflege, wider Aberglauben und verkehrt eingetretene Gewohnheit, wider Verantwortungslosigkeit und Unwissen“, um die körperliche Qualität des Einzelnen wie der gesamten Bevölkerung zu verbessern.³⁷⁷ Den Expositionen kam die Aufgabe zu, der Bevölkerung den „gründlichsten Anschauungsunterricht und die auf den höchsten Stand gebrachte Erziehung zum vernunftgemäßen Leben“ zu geben.³⁷⁸ 376 Rundschreiben des Direktoriums der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden im Dezember 1910. BArch Berlin R 86/2871, unpaginiert. Zur Bedeutung der Selbstüberwachung in der Gesundheitsvorsorge vgl. Sarasin: Die Geschichte der Gesundheitsvorsorge, S. 41–45. 377 Schadendorf : Allgemeines und Persönliches zur Reichsgesundheitswoche, S. 107–109, hier S. 107. 378 So ein Autor der Frankfurter Zeitung anlässlich der GeSoLei. ck.: Ausstellung Düsseldorf 1926, in: Frankfurter Zeitung vom 09.05.1926. BArch Berlin R 1603/2472, unpaginiert.
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Der Fokus der Ausstellungen auf die Erziehung ihrer Besucher muss allerdings nicht nur negativ im Sinne einer Disziplinierung, sondern kann auch positiv gedeutet werden. Denn mangelnde medizinische Kenntnisse in der Bevölkerung waren – neben den auf den Expositionen teilweise ebenfalls kritisierten sozialen wie wirtschaftlichen Bedingungen – in der Tat für die Ausbreitung mancher Krankheiten mitverantwortlich. Einfache Hygieneregeln oder Informationen über mögliche Beratungs- und Unterstützungsangebote durch Mediziner und die soziale Fürsorge konnten einen Beitrag dazu leisten, den gesundheitlichen Zustand der Bevölkerung zu verbessern.³⁷⁹ Darüber hinaus trugen die Gesundheitsschauen dazu bei, soziale Themen auf die öffentliche Agenda zu setzen. Wie die hygienische Volksbelehrung insgesamt hatten die Ausstellungen damit ein doppeltes Gesicht: Sie ermöglichten einerseits eine Verbesserung der körperlichen Situation des Individuums, fungierten aber gleichzeitig auch als disziplinierendes Erziehungsinstrument.³⁸⁰ Der didaktische Anspruch der Expositionen war bereits in der Dresdner Hygiene-Ausstellung von 1911 angelegt, verstärkte sich aber in den 1920er Jahren als Reaktion auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die angewachsenen Aufgaben des Sozialstaates. Gleichzeitig begann in den 1920er Jahren unter den Akteuren der hygienischen Volksbelehrung eine intensive Reflektion darüber, auf welche Weise gesundheitsrelevantes Wissen am besten zu vermitteln, wie das Verhalten der Bevölkerung am ehesten zu beeinflussen sei. Dafür griffen sie auf Überlegungen aus dem Bereich der Werbung oder des Marketings zurück, setzten sich kritisch mit den ihnen zur Verfügung stehenden Medien wie Ausstellungen, Vorträgen oder wissenschaftspopularisierenden Publikationen auseinander und wogen deren Vor- und Nachteile gegeneinander ab.³⁸¹ Damit holten die deutschen Volksbelehrer eine Entwicklung nach, die in den USA schon um die Jahrhundertwende eingesetzt hatte.³⁸² Den Methoden hygienischer Volksbelehrung widmeten sie ganze Artikelserien; einschlägig bekannte Persönlichkeiten wie Martin Vogel verfassten Monografien oder steuerten voluminöse Kapitel zu sozialhygienischen Handbüchern bei, in denen er Ziele, Mittel und Möglichkeiten der gesundheitlichen Volksbelehrung beschrieb. Aufgabe der hygienischen Volksbelehrung war
379 Dies betont etwa Frohmann: Prevention, Welfare, and Citizenship, S. 431–481. 380 Vgl. auch Alfons Labisch: Homo Hygienicus. Gesundheit und Medizin in der Neuzeit, Frankfurt am Main u. a. 1992, S. 111. 381 Vgl. etwa Hans Kollwitz: Hygienische Volksbelehrung durch das Bild, in: Zeitschrift für Schulgesundheitspflege und soziale Hygiene 38 (1925) 9, S. 393–396; G. Frey: Gedanken über hygienische Volksbelehrung ihre Wege und Hilfsmittel, in: Arbeiten aus dem Reichsgesundheitsamte 57 (1926), S. 232–264. 382 Vgl. Toon: Managing the conduct of the individual life.
5.4 „Genormte Körper“
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für Vogel die „Erziehung zu eigener Verantwortlichkeit“³⁸³, die er als „Willensschulung“ verstand.³⁸⁴ 1932 sah das Hygiene-Museum seine vornehmliche Aufgabe darin, „der Menschheit das Wunder unseres Körpers und Lebens immer wieder ins Bewußtsein zu rufen“ und in ihnen „die Ehrfurcht vor dem Leben neu zu wecken.“³⁸⁵ Gesundheit wurde so von den hygienischen Volksbelehrern über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg als Zustand gefasst, den es schon aus moralischen Gründen zu erhalten galt. Zielte die Gesundheitsausstellung schon im Kaiserreich und der Weimarer Republik auf eine moralisierende Belehrung der Bevölkerung ab, wurde sie im Nationalsozialismus endgültig zur „nationalpolitische[n] Erziehungsschau“.³⁸⁶ Als Instrument nationalsozialistischer „Gesundheitsführung“ half sie mit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit als sittliche Pflicht, nicht verhütete Krankheit und körperliche Schwäche als „asozial“ zu definieren. Damit weiteten die Nationalsozialisten den Begriff der Asozialität „von der sozialen Devianz, die bis dahin inhaltlich wesentlich durch Trunksucht, Kleinkriminalität, mentale Auffälligkeit, Geschlechts- und Tuberkulosekrankheit bestimmt war, auf abweichendes Verhalten im Arbeitsprozess und mangelnde Leistungsfähigkeit“ allgemein aus.³⁸⁷ Gleichzeitig pathologisierten sie abweichendes Verhalten und machten es zu einem Thema, das durch den Gegensatz von gesund und krank, „normal“ und „anormal“ zu fassen war. Die „Gesundheitsführung“ richtete sich noch stärker als in den Jahren zuvor auf den gesunden und leistungsfähigen Menschen aus; sollte die Höherentwicklung der rassischen wie biologischen „Qualität“ der Deutschen gleichermaßen fördern.³⁸⁸ „Gesundheitsführung“ sollte helfen, so hieß es 1937 auf der Schau „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“, den „deutschen Menschen trotz aller gesteigerten Lebensbeanspruchung eines schnelllebigen und Kräfte verschleißenden Jahrhunderts zu einem leistungsstarken und damit frohen Menschen zu entwickeln und seinen
383 Martin Vogel: Hygienische Volksbildung, in: Adolf Gottstein/Arthur Schloßmann/Ludwig Teleky (Hrsg.): Handbuch der Sozialen Hygiene und Gesundheitsfürsorge. Grundlagen und Methoden, Berlin 1925, S. 303–390, hier S. 310. Hervorhebung im Original. 384 Vogel: Hygienische Volksbelehrung, S. 10. 385 Das Deutsche Hygiene-Museum im Jahre 1932, S. 1. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 5, Bl. 6. 386 Bruno Gebhard: Grundsätzliches zur Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ vom 03.05.1934. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 3, Folder II–57, unpaginiert. 387 Eckart: Medizin in der NS-Diktatur, S. 171. 388 Zur Entwicklung der „Gesundheitsführung“ vgl. Karl-Peter Reeg: Friedrich Georg Christian Bartels (1892–1968). Ein Beitrag zur Entwicklung der Leistungsmedizin im Nationalsozialismus, Husum 1988. Vgl. außerdem Friedrich Bartels: Die Gesundheitsführung des deutschen Volkes, in: Deutsches Ärzteblatt 66 (1936) 13, S. 334–337.
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Leistungsstand bis ins Alter zu bewahren.“ Dies wurde als „eine Erziehungsaufgabe und damit ein Teil der Menschenführung, die als Aufgabe vom Führer der Partei für alle Zeiten zugewiesen wurde“ begriffen.³⁸⁹ Das Ziel der hygienischen Volksbelehrung – eine Verbesserung des körperlichen Zustandes der Bevölkerung mit Hilfe von Wissenschaftspopularisierung – prägte auch die NS-Expositionen. So sollte die Ausstellung „Das Leben“ in Essen 1936, indem sie „jeden einzelnen wie auch die Gemeinschaft des Volkes auf die Pflicht zur Erhaltung und Mehrung der Gesundheit hinweist, [. . . ] gleichzeitig die Wege zur Erreichung dieses Zieles zeigen.“³⁹⁰ Was sich im Vergleich zu den früheren Schauen geändert hatte, waren die zugleich immer expliziteren Ausschlussdrohungen, die mit der Konzentration auf den „erbgesunden“ und rassisch „wertvollen“ Menschen einhergingen. Anders als in der Weimarer Republik, so fasste es Wilhelm Frick in seiner Eröffnungsrede anlässlich der „Wunder des Lebens“ 1935 prägnant zusammen, stünde im nationalsozialistischen Staat „nicht die Fürsorge für Erbkranke, für Asoziale, sondern die Pflege und Förderung der Erbgesunden“ im Vordergrund.³⁹¹ Ein „Anspruch auf Hilfe“ konnte nun „weniger aus sozialer Schwäche, sondern vielmehr aus der Leistung des einzelnen für die Gesamtheit hergeleitet werden.“³⁹² Personen, die beispielsweise nicht arbeitsfähig waren, sollten als „Hemmschuh in der Arbeitsmaschine des gesamten Volkskörpers“ auch von der öffentlichen Unterstützung ausgeschlossen werden.³⁹³ Wer den rassischen, gesundheitlichen und sozialen Normen der Nationalsozialisten nicht entsprach, konnte somit mit keiner sozialstaatlichen Hilfe mehr rechnen, sondern musste im Gegenteil seine politische wie gesellschaftliche Diskriminierung befürchten.
Hygienische Volksbelehrung als Disziplinierungsinstrument Die Bevölkerung sollte aber nicht nur zu einem gesundheitsbewussten Verhalten angehalten werden. Auf den Ausstellungen manifestierte sich auch der Anspruch verschiedener Akteure insbesondere aus dem Bereich der Sozialfürsorge, den Einzelnen in seiner gesamten Persönlichkeit moralisch zu erziehen. Hier vermischten
389 Programm für die Ausstellung „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ vom 25.10.1937, S. 3. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32091, unpaginiert. Hervorhebung im Original. 390 Ausstellung Das Leben. Essen 9. Mai bis 1. Juni 1936. Ausstellungshallen. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2003/144, Bl. 3–12, hier Bl. 6. 391 To: „Das Wunder des Lebens“, S. 322–326, hier S. 326. Hervorhebung im Original. 392 Programm für die Ausstellung „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ vom 25.10.1937, S. 2. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32091, unpaginiert. 393 Ebd., S. 3.
5.4 „Genormte Körper“ |
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sich die leistungszentrierte und normative Perspektive auf den Körper. So widmete sich 1911 die Gruppe „Jugendfürsorge“ den Einrichtungen, die jene „Jugendlichen, die entweder armenrechtlich hilfsbedürftig oder sittlich gefährdet, verwahrlost und straffällig oder schließlich abnorm veranlagt sind, für Staat und Gesellschaft zu retten und sie insbesondere in gesundheitlicher Beziehung so zu fördern, daß sie imstande sind, den Lebenskampf aufzunehmen und zu führen.“³⁹⁴ Während der Ausstellung für Gesundheitspflege 1914 präsentierten sowohl mehrere süddeutsche „Irrenanstalten“ als auch Anstalten für Patienten mit Epilepsie und geistiger Behinderung die Arbeitsmöglichkeiten für ihre Klientel.³⁹⁵ In Düsseldorf stellten die „Irrenanstalten“ aus Wiesloch, Grafenberg und Gütersloh wie die Vertreter der „Krüppelfürsorge“ Arbeitserzeugnisse ihrer Patienten aus und unterstrichen ihren Ausbildungs- und Erziehungsanspruch auch für diesen Teil der Bevölkerung.³⁹⁶ Ebenfalls auf der GeSoLei widmete die Diakonie eine Koje dem Kampf gegen „Schundliteratur“. Diese beherbergte das Bild eines Jungen beim Lesen derartiger Werke. Über ihm schwebte die angedeutete „Darstellung eines Verbrechens“. Ein zweites Bild zeigte denselben Jungen bei einer „Verbrechensszene im Mannesalter; Gefängnis [und] Familie in Not.“³⁹⁷ Damit setzte sie – der generellen Ausrichtung des zeitgenössischen Schund- und Schmutzkampf folgend – den jugendlichen Konsum scheinbar moralisch verwerflicher Literatur mit späteren Straftaten gleich.³⁹⁸ Durch erzieherische Intervention seitens der Diakonie sollte die drohende soziale Abweichung der Jugendlichen jedoch frühzeitig verhindert werden. Auf der Hygiene-Ausstellung 1930/31 rief Hans Harmsen in ähnlicher Weise als Ziel der Blinden- und Gehörlosenfürsorge die „Erziehung zur bürgerlichen Brauchbarkeit und wirtschaftlichen Selbstständigkeit“ aus.³⁹⁹ Weiterhin argumentierte ein Berichterstatter der Gruppe „Seelische Hygiene“, schon Kleinkinder und Säuglinge benötigten eine planmäßige Erziehung auf der Grundlage des „natürli-
394 Friedrich Woithe: Die wissenschaftliche Abteilung der Internationalen Hygiene-Ausstellung, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 37 (1911) 29, S. 1357–1358, hier S. 1357. Hierunter fielen unter anderem Blinde und Gehörlose oder Menschen mit geistigen Behinderungen. 395 Vgl. Camerer: Fürsorge für Kranke und Gebrechliche, in: Städtisches Ausstellungsamt (Hrsg.): Ausstellung für Gesundheitspflege, S. 191–198. 396 Vgl. Kühne: Ein Besuch Düsseldorfs und der „Gesolei“, S. 145–151. 397 Entwurf für die vorbeugende Aufklärung. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/PD Nr. 147, unpaginiert. 398 Zum Schmutz- und Schutzkampf vgl. Kaspar Maase: Die soziale Bewegung gegen Schundliteratur im deutschen Kaiserreich. Ein Kapitel aus der Geschichte der Volkserziehung, in: IASL 27 (2002) 2, S. 45–123. 399 Fürsorge für Blinde und Taubstumme. Entwurf einer Legende, 1. Entwurf vom 18.12.1929. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/G Nr. 424, unpaginiert, S. 4 und 9. Hervorhebung im Original.
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chen Lebenslauf[s] des Körpers.“ Dazu bedürfe es vor allem strikter Essenszeiten. Würden diese nicht eingehalten, könnten Kinder „frühzeitig eigenwillig, schwierig und später möglicherweise unleidliche Psychopathen“ werden.⁴⁰⁰ Auch während der NS-Schauen blieb die moralische Erziehung auf der Tagesordnung. 1934 präsentierte sich der Arbeitsdienst als „eines der großen Erziehungsinstrumente des nationalsozialistischen Staates“, der Jugendlichen „Kameradschaft, Einordnungsvermögen, Manneszucht, Ordnungssinn, Erkenntnis des Eigenwertes des deutschen Menschen, körperliche Ertüchtigung, Hingabe an den Dienst für Volk und Reich“ vermittelte.⁴⁰¹ Die Gruppe „Das kommende Volk“ auf der „Deutschland“ enthielt einen Bereich über die Erziehung in Schule, Hitlerjugend, BDM und Jungvolk. Sie berichtete vom „geistigen Werden, von der körperlichen Ertüchtigung, von der weltanschaulichen Schulung eines neuen, lebensstarken und lebensfrohen Geschlechts.“⁴⁰² Vor allem junge Männer sollten zu „nationalsozialistischem Mannes- und Kämpfertum, zur rückhaltlosen Einsatzbereitschaft für die Idee, die ein Volk wieder emporführte“ erzogen werden.⁴⁰³
Der „Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten“ Die Verknüpfung normativer, ästhetischer und medizinischer Vorstellungen prägte auch den „Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten“ nachdrücklich. Die Debatte über die Ausbreitung der Geschlechtskrankheiten war mit der zeitgleich wachsenden Sorge über den Geburtenrückgang und der Furcht vor einer Degeneration der deutschen Bevölkerung verwoben; Geschlechtskrankheiten galten manchem gar als Auslöser für den demografischen Wandel innerhalb der Bevölkerung.⁴⁰⁴ Gesundheitsaufklärung sollte dazu beitragen, das Sexual- und Fortpflanzungsverhalten der Deutschen zu verändern. Medizinische Aufklärung über die Symptome
400 L. Gaupp: Einiges aus dem Gebiete der Seelischen Hygiene. Unter Zugrundelegung der Abteilung „Seelische Hygiene“ auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, in: Gesundheitslehrer 34 (1931) 1, Ausgabe B, S. 9–12, hier S. 9–10. 401 o. V.: Arbeitsdienst, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und FremdenverkehrsGesellschaft (Hrsg.): Deutsches Volk – Deutsche Arbeit. Amtlicher Führer durch die Ausstellung, S. 181. 402 o. V.: Die Ausstellung „Deutschland“ Berlin 1936–18. Juli bis 26. August, S. 399–406, hier S. 401. 403 o. V.: Rundgang durch die Ausstellung „Deutschland“ Berlin 1936 18. Juli bis 16. August, Ausstellungshallen am Funkturm, S. 2–6, hier S. 3. 404 Vgl. Kirsten Reinert: „Daß der richtige Mann auch die richtige Frau findet“ Ehehygiene in den zwanziger Jahren, in: Regina Löneke/Ira Spieker (Hrsg.): Reinliche Leiber – Schmutzige Geschäfte, Göttingen 1996, S. 258–278.
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und Behandlung sexuell übertragbarer Krankheiten traten hier neben moralische Belehrungen, Warnungen vor Prostitution oder bevölkerungspolitisch motivierter Eheberatung. Gerade die Prostitution sahen viele hygienische Volksbelehrer als „Ausgangs- und Kontenpunkt der venerischen Verseuchung“ im Deutschen Reich an.⁴⁰⁵ Die Bevölkerung sollte zu einem – aus moralischer wie medizinischer Sicht – angemessenen Sexualverhalten angehalten und zu einer frühen Eheschließung mit zahlreichen Nachkommen gebracht werden. Auf der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung wurden Geschlechtskrankheiten noch tendenziell im Modus christlicher Sittlichkeit verhandelt; jedenfalls war dieser Aspekt der Diskussion noch nicht völlig von einer medizinischnaturwissenschaftlichen Deutung sexuell übertragbarer Krankheiten verdrängt. Deswegen hatte dort die Diakonie, die den Besucher darüber aufklärte, wie man sich „nicht nur gesund, sondern auch frei von der Sünde der Unkeuschheit machen kann“, auch im Bereich Sexualaufklärung noch Platz.⁴⁰⁶ Nach dem Ersten Weltkrieg nahm das Engagement der hygienischen Volksbelehrer im Vergleich zur Vorkriegszeit zu, stand nun aber in einem stärker medizinisch konnotierten Kontext. In diesem Zusammenhang widmete das Hygiene-Museum Dresden, das in den Geschlechtskrankheiten eine „Gefahr für alle Volksschichten“ sah, in Kooperation mit der DGBG dem Thema eine eigene Wanderausstellung.⁴⁰⁷ Zugleich rückte in der Zwischenkriegszeit die bevölkerungspolitische Dimension des Themas endgültig in den Mittelpunkt. Dementsprechend beklagte sich Hans Harmsen anlässlich der RGW, dass der „ethischen Seite des Problems“ im Vergleich zur medizinischen Dimension der Geschlechtskrankheiten viel zu wenig Platz eingeräumt werde.⁴⁰⁸ Gleichzeitig verschwammen die Grenzen zwischen Bevölkerungspolitik, Eugenik und medizinischen Maßnahmen zunehmend. So empfahl der Film „Hygiene der Ehe“ von 1923 heiratswilligen Paaren, sich vor der Hochzeit ärztlich auf Lungenund Geschlechtskrankheiten untersuchen zu lassen, da diese eine glückliche Ehe verhinderten. Allerdings schloss er eine spätere Eheschließung nach einer erfolg-
405 Hammer: Abteilung für Sexualhygiene, in: Städtisches Ausstellungsamt (Hrsg.): Ausstellung für Gesundheitspflege, S. 93–94, hier S. 94. 406 Wendelin: Die Innere Mission auf der Internationalen Hygieneausstellung in Dresden 1911, in: Bausteine. Monatsblatt für Innere Mission 43 (1911) 7/8, S. 120–124, hier S. 122. 407 Das Deutsche Hygiene-Museum und seine Bedeutung für die Volksgesundheit. LA Berlin B Rep. 142–01/Nr. 2509/1, unpaginiert. Die Exposition sollte einerseits die Übertragungswege und andererseits die Heilbarkeit der Geschlechtskrankheiten aufzeigen. Vgl. Schreiben Blüher an den Rat zu Dresden vom 15.11.1920. StdA Dresden Stadtverordnetenakten 3.1–H.114, Bd. 1, Bl. 41–42. 408 Dr. Harmsen für die Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung: Rundschreiben Betr. Gesolei vom 18.03.1926. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/PD Nr. 133, unpaginiert.
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reichen Behandlung der Krankheit nicht aus.⁴⁰⁹ 1926 verwies der Reichsbund der Kinderreichen auf die 200 000 Kinder, die jährlich im Deutschen Reich nicht geboren würden, da deren Eltern wegen einer „Trippererkrankung steril sind.“ Neben der Aufklärung über die „Gefahren der Geschlechtserkrankung“ forderte der Bund deswegen „die Stärkung des sittlichen Verantwortungsgefühls“ im Deutschen Reich.⁴¹⁰ Durch diese und ähnliche Stimmen waren Geschlechtskrankheiten in der Zwischenkriegszeit endgültig vom sittlichen zum bevölkerungspolitischen Problem umdefiniert worden. Das Sexualleben jedes Einzelnen war nicht mehr länger lediglich eine Frage individueller Moral, sondern des Pflichtgefühls gegenüber dem eigenen Volk; abweichendes Verhalten war nicht nur aus medizinischer, sondern auch aus moralischer Sicht zu verurteilen und als Zeichen mangelnder charakterlicher Eignung zu verstehen.⁴¹¹ Auf der anderen Seite war auch die konkrete Darstellungsform des Themas Geschlechtskrankheiten immer durch zeitgenössische Moralvorstellungen beeinflusst. Die hygienischen Volksbelehrer waren bei der Wahl ihrer Mittel nicht frei, sondern mussten sich ästhetischen wie moralischen Vorstellungen unterordnen. Insbesondere die Präsentation von Nacktheit und primären Geschlechtsorganen war aus Sicht von Beobachtern wie Organisatoren der Gesundheitsschauen grundsätzlich problematisch. Völlige Ablehnung rief jedoch die allgemeine Zugänglichkeit früherer Gruppen mit derartigen Exponaten hervor. Vertreter der Caritas nahmen beispielsweise Anstoß daran, dass 1911 in Dresden Frauen und Männer im selben Raum primäre Geschlechtsorgane ansehen konnten. Schon auf der „Ausstellung für Gesundheitspflege“ in Stuttgart soll deswegen Frauen der Besuch der Abteilung „Geschlechtskrankheiten“ generell untersagt worden sein.⁴¹² Im Vorfeld der GeSoLei wurde die bisherige Ausstellungspraxis erneut überdacht. Die Gruppe „Geschlechtskrankheiten“ sollte nicht mehr primär auf Abschreckung ausgerichtet sein, weniger die Pathologie sexuell übertragbarer Krankheiten als ihre Prävention und die sozialhygienischen Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung thematisieren.⁴¹³
409 Vgl. o. V.: Film-Kritik, in: Film-Kurier 23.11.1923. BArch Berlin R 86/2594, unpaginiert. Den Begleittext für den Film hatte Karl Bornstein vom Preußischen Landesausschuss für gesundheitliche Volksbelehrung verfasst. Er wurde unter anderem regelmäßig in der Urania vorgeführt. Vgl. Karl Bornstein: Einige Worte zu dem Film „Hygiene der Ehe“, in: Volkswohlfahrt. Amtsblatt des Preußischen Ministeriums für Volkswohlfahrt 7 (1926) 3, S. 1054–1055. 410 Engelsmann: Der Reichsbund der Kinderreichen auf der Gesolei, S. 81–82, hier S. 82. 411 Vgl. dazu Lutz Sauerteig: Medizin und Moral in der Syphilisbekämpfung, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte 19 (2000), S. 55–70. 412 Vgl. Bosse: Stuttgart 1914: Die „Ausstellung für Gesundheitspflege“, S. 118–128, hier S. 121. 413 Vgl. Niederschrift über die Hygienikertagung am 21.05.1925 zur Vorbereitung der Hauptabteilung ‚Ge‘. BArch Berlin R 86/2872, unpaginiert.
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Die Ausstellungsleitung entschloss sich deswegen dazu, die Gruppe „Geschlechtskrankheiten“ für Männer und Frauen getrennt zugänglich zu machen, so dass „den Frauen die Möglichkeit gegeben ist, Ausstellungsgegenstände auch allein zu besichtigen.“ Für Jugendliche sollte eine Vorgruppe eingerichtet werden.⁴¹⁴ So wurde auch für Lehrer die Gelegenheit aufrecht erhalten, mit ihren Klassen die Gruppe zu besuchen, ohne dass die Schüler allzu anzügliche Exponate sahen. In Dresden 1930 wurden anstößige Exponate schließlich überhaupt nicht mehr offen ausgestellt, sondern in eigens angefertigten Guckkästen untergebracht.⁴¹⁵ Grundsätzlich beeinflussten bürgerliche Moralvorstellungen die Gestaltung der Expositionen auch unabhängig vom Thema Geschlechtskrankheiten in erheblichem Maße. 1911 in Dresden wurde etwa der Vergnügungsbereich der HygieneAusstellung aus normativen Gründen reglementiert. Die „Taifunräder“ – ein Fahrgeschäft aus rotierenden Scheiben – durften nicht von beiden Geschlechtern gleichzeitig genutzt werden, da es „leicht zu sittlich nicht immer einwandfreien Umfassungen etc.“ kommen könnte.⁴¹⁶ Andererseits hatte das zum Ausstellungsgelände gehörende „Undosa-Bad“ bei den Besuchern zu Verwunderung geführt, da hier Männer fremden Frauen beim Baden zuschauen konnten.⁴¹⁷ Auch die Veranstalter der GeSoLei wollten „nach keiner Richtung“ Anstoß erregen. Ästhetisch oder politisch heikle Exponate durften deswegen „nur ganz vereinzelt und an einer ganz bestimmten und beschränkten Stelle“ platziert werden.⁴¹⁸ Gerade Nacktheit war auf den Schauen nur in eindeutig medizinisch-naturwissenschaftlichen Kontexten zulässig, Freizügigkeit oder gar Erotik in anderen Ausstellungsbereichen völlig ausgeschlossen. Deswegen legte der GeSoLei Vorstand vorsorglich fest, dass während der öffentlichen Vorführungen der Gymnastikschulen die daran teilnehmenden Schülerinnen nicht „zu leicht bekleidet sein dürfen.“⁴¹⁹ Allerdings gab es durchaus auch Stimmen, die gerade im Hinblick auf den „Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten“ dafür eintraten, selbst Kindern und Jugendlichen die Gruppen vollständig zugänglich zu machen. Ansonsten werde aus falsch verstan-
414 Niederschrift über die Sitzung der Arbeitsgemeinschaft der sozialhygienischen Reichsfachverbände am Dienstag, den 23. Oktober 1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1048, Bl. 16–19, hier Bl. 17. 415 Vgl. Röschmann: Die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten auf den internationalen Hygiene-Ausstellungen in Dresden 1911 und 1930, S. 364–365, hier S. 365. 416 Schreiben des Polizeipräsidenten Paul Koettig von Dresden an das Sächsische Ministerium des Innern vom 28.10.1911. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3577, Bl. 268–271, hier Bl. 270–271. 417 Vgl. Ebd., hier Bl. 271. 418 Schreiben Schloßmann an Frau Amtsgerichtsrat Neuhaus vom 20.05.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1014, Bl. 7–8, hier Bl. 7. 419 Niederschrift über die Besprechung der Gruppe „Tanz und Rhytmik (sic)“ am 23.04.[1926]. StdA Düsseldorf 0–1–18–1447, unpaginiert.
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dener Rücksicht auf „Scham- und Sittlichkeitsgefühle“, die „bei einem gesunden Menschen gar nicht existieren dürften“ eine Chance zur Aufklärung der jugendlichen Besucher vertan, obwohl sie diese am nötigsten hätten.⁴²⁰ Derartige Stimmen blieben aber die Ausnahme; moralische Vorstellungen bestimmten die Grenzen des „Zeigbaren“ vom Körper auf den Gesundheitsausstellungen immer mit.
Alkoholkonsum Als Grund für die Ausbreitung der Geschlechtskrankheiten galt den hygienischen Volksbelehrern neben den Versuchungen der Prostitution vor allem der Alkoholkonsum, der Männer moralisch korrumpiere und zu einem devianten Sexualverhalten verführe. Beide Aspekte wurden deswegen auf den Expositionen immer wieder miteinander verknüpft.⁴²¹ Einige Beobachter sahen in der Eingrenzung des Alkoholkonsums gar die entscheidende Voraussetzung, um Geschlechtskrankheiten wirksam bekämpfen zu können.⁴²² Alkohol erschien den Zeitgenossen jedoch nicht nur als Ursache für die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten, sondern schwächte aus ihrer Sicht die Abwehrkräfte des Körpers generell, indem er dessen Anfälligkeit für Arbeitsunfälle erhöhte und organische Schäden verursachte. Als „Keimgift“ konnte der Alkohol im schlimmsten Fall dazu führen, dass diese Schäden an die Nachkommen des Trinkers weitergegeben werden.⁴²³ Nicht zuletzt galten ihnen Alkoholiker auch als moralisch deviant und für die Ausübung von Verbrechen prädisponiert. Insbesondere die Anhänger der Lebensreform kritisierten den Alkoholkonsum, stand er doch konträr zu der von ihnen favorisierten natürlichen Ernährungsweise. Die „Alkoholfrage“ erhielt deswegen im Kaiserreich und der Weimarer Republik große Beachtung.⁴²⁴
420 Ferdinand Rodenstein: Von der Dresdener Hygieneausstellung. Offener Brief!, in: Kraft und Schönheit 11 (1911) 8, S. 232–234, hier S. 233. 421 So lautete eine Schautafel auf der GeSoLei etwa „Arm in Arm gehen Alkohol und Prostitution“. Fotodokumentation Gesolei Düsseldorf 1926 IX. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 317 IX, Abbildung 5. 422 Vgl. Finke: Die Gesolei im Urteil eines Naturarztes, S. 101–104, hier S. 102. 423 Vgl. etwa o. V.: De internationale hygiëne-tentoonstelling Dresden 1911, in: Nieuwe Rotterdamsche Courant vom 10.07.1911. StdA Amsterdam 496/8, unpaginiert. Der Autor des Artikels konstatierte darüber hinaus, dass in den Niederlanden der Alkoholkonsum im Vergleich mit den europäischen Nachbarstaaten niedrig sei. 424 Vgl. etwa Elke Hauschildt: Ein neuer Zweig der Gesundheitsfürsorge in den 1920er Jahren: die Trinkerfürsorge, in: Wolfgang Woelk/Jörg Vögele (Hrsg.): Geschichte der Gesundheitspolitik in Deutschland. Von der Weimarer Republik bis in die Frühgeschichte der „doppelten Staatsgründung“, Berlin 2002, S. 125–141.
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So fand in Hamburg vom 5. bis 14. Juni 1911 anlässlich des Internationalen Guttemplertags eine Internationale Ausstellung gegen den Alkoholismus statt, an dem sich deutsche, schwedische, britische und norwegische Aussteller beteiligten. Die Schau präsentierte die schädlichen Wirkungen des Alkohols; in ihrem Mittelpunkt standen die Nahrungs- oder Genussmittel, die dem Einzelnen offenstanden, „um den Alkohol zu ersetzen.“⁴²⁵ Der Deutsche Verein gegen den Alkoholismus gestaltete eine eigene Wanderausstellung und arbeitete in den 1920er Jahren unter anderem mit dem Museum für Leibesübungen zusammen.⁴²⁶ In Dresden 1911 wurde dem Thema eine Sondergruppe gewidmet, die anschließend in eine Wanderausstellung überführt werden sollte.⁴²⁷ Dort waren als „abschreckende Beispiele [. . . ] Bilder aus den Familienleben solcher Trinker und Trinkerfamilien ausgestellt.“⁴²⁸ Vom 30. Juli bis 6. August fand auf der Hygiene-Ausstellung gar eine Alkoholgegnerwoche statt, während der auf mehreren Veranstaltungen gegen die Alkoholindustrie agitiert wurde.⁴²⁹ Aus diesem Anlass hielt Karl Wilker einen Vortrag, in dem er über die gesundheitlichen Schäden elterlichen Alkoholkonsums für Kinder referierte. In diesem hob er vor allem darauf ab, dass Alkoholkonsum während der Schwangerschaft oder dem Stillen zu geistigen oder psychischen Behinderungen führen konnte. Eine Vielzahl der Patienten von Anstalten für Schwererziehbare oder Menschen mit Behinderungen stammten ihm zufolge „aus Trinkerfamilien, in denen oft genug mit dem Alkoholismus noch der Schwachsinn gepaart ist.“⁴³⁰ Mit Verweis auf Stammbäume mehrerer Familien, die unter anderem aus der Vineland Training School Henry Goddards stammten, versuchte er, die degenerierende Wirkung des Alkohols wissenschaftlich nachzuweisen.⁴³¹ Er verwies auf den „Kinderreichtum allerschlechtester Qualität“ in Trinkerfamilien und trat für deren Unfruchtbarmachung durch Sterilisation oder Kastration ein.⁴³² Hier manifestiert sich die
425 H. G. Schm.: Die Internationale Ausstellung gegen den Alkoholismus, in: Soziale Praxis und Archiv für Volkswohlfahrt 20 (1911) 40, S. 1261. 426 Vgl. Schreiben Gonser für den Deutschen Verein gegen den Alkoholismus an das Reichsministerium des Innern vom 23.05.1929. BArch Berlin R 1501/126372, Bl. 133–138. 427 Vgl. R. Burckhardt: Alkoholismus und Volksgesundheit. Ein Wegweiser durch die wissenschaftliche Sondergruppe Alkoholismus auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung zu Dresden 1911, Berlin 1911, S. VI. 428 Bericht des K. Oberinspektors A. Henne über die internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 vom 16.10.1911. BayHStA MH 9429, unpaginiert. 429 Vgl. Einladung zur Eröffnungsfeier der Alkoholgegnerwoche vom 30.7.–6.8. sowie Einladung für die Alkoholgegnerwoche vom 30.7.–6.8. StdA Dresden 2.3.1 Hauptkanzlei U.12/1911, unpaginiert. 430 Karl Wilker: Alkoholismus, Schwachsinn und Vererbung in ihrer Bedeutung für die Schule, Langensalza 1912, S. 14. Hervorhebung im Original. 431 Vgl. Ebd., S. 23–28. 432 Ebd., S. 27–28.
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Anschlussfähigkeit des „Kampfes gegen den Alkoholismus“ an zahlreiche zeitgenössisch virulente Themen wie Geschlechtskrankheiten, Bevölkerungspolitik oder die Ausbreitung eugenischen Denkens. Gleiche Assoziationen riefen die Kathreiners Malzkaffee-Fabriken hervor, die ihr Produkt in Dresden als Ersatz für Alkohol präsentierten. Letzterer schädige nicht nur die Volkswirtschaft und die Gesundheit des Einzelnen wie des gesamten Volks. Vielmehr „bringen unsere Trinksitten jährlich 180 000 Menschen vor den Strafrichter, etwa 30 000 in die Irrenhäuser, ein volles Drittel aller Selbstmorde wird durch Alkoholmissbrauch herbeigeführt.“⁴³³ Die Firma berief sich auf Max von Gruber und Emil Kraepelin als wissenschaftliche Autoritäten. Diese hatten auch der Sondergruppe „Tuberkulose“ Schautafeln zur Verfügung gestellt, die „den verderblichen Einfluß des Alkohol-Mißbrauches auf die Nachkommenschaft; und zwar einmal die große Kindersterblichkeit in Trinkerfamilien, sodann die Häufigkeit von Nerven- und Geisteskrankheiten wie von Mißbildungen, endlich auch die geringe Widerstandsfähigkeit von Trinkerkindern gegen die Tuberkulose“ belegten.⁴³⁴ In Düsseldorf lässt sich ebenfalls die Verknüpfung eugenischer Ideen mit Themen der Bekämpfung des Alkoholkonsums sowie der Behandlung geistiger oder psychischer Behinderung feststellen. Dort rückte die Interpretation des Alkohols als „Keimgift“, das sich auf den Nachwuchs von Trinkern auswirken konnte, in den Mittelpunkt. 1926 steuerte Ernst Rüdin für die Gruppe „Fürsorge für Nervenkranke“ eine Schautafel bei, die dem „Alkoholmissbrauch bei den Eltern Geisteskranker“ gewidmet war.⁴³⁵ In der Gruppe zur Bekämpfung des Alkoholismus befand sich ebenso eine Schautafel zum Thema Alkohol und Nachkommenschaft, die mit „Elterliche Keimvergiftung vernichtet Gesundheit und Familienglück“ unterschrieben war.⁴³⁶ Zuletzt verwiesen die Alkoholgegner immer wieder auf die leistungssteigernden Auswirkungen einer abstinenten Lebensweise. Eine eigene Gruppe organisierte der Deutsche Verein gegen den Alkoholismus schließlich auch auf der „Wunder des Lebens“ in der Abteilung des Reichsausschusses für Volksgesundheitsdienst. Dort demonstrierte er die gärungslose Früchteverwertung oder die Herstellung von Süßmost und organisierte mehrere Vorträge, die sich mit dem Einfluss des
433 Kathreiners Malzkaffee-Fabriken (Hrsg.): Kaffeeschänken, ihr Bau, ihre soziale Bedeutung. Ein Ratgeber für Stadtverwaltung, Vereinsvorstände und Volksfreunde. Anlässlich des Baues der Kaffeeschänke auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung zu Dresden 1911, München 1911, S. 9. 434 Wezel: Katalog der Sondergruppe Tuberkulose der Internationalen Hygieneausstellung Dresden 1911, S. 28. 435 Verzeichnis der vom Prof. Rüdin, Basel (Schweiz), Psychiatri. Klinik Friedmatt zur Verfügung gestellten Tafeln. StdA Düsseldorf 0–1–18–1472, unpaginiert. 436 Fotodokumentation Gesolei Düsseldorf 1926 IX. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 317 IX, Abbildung 45.1.
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Alkohols auf das Erbgut oder dem Verhältnis von Alkoholismus und Verbrechen beschäftigten.⁴³⁷ Die Allgegenwart dieses Themas hatte jedoch eine Kehrseite. Gesundheitsexpositionen waren auch massenkulturelle Veranstaltungen, die das Interesse der Bevölkerung an Belehrung und Vergnügen gleichermaßen befriedigen mussten, um erfolgreich zu sein. Dafür war auch ein laufender Gastronomiebetrieb mit Alkoholausschank notwendig. An diesem Punkt entzündete sich eine kontinuierliche Kritik. Die Alkoholgegner bemängelten, die eigentlich begrüßenswerten Ziele der Expositionen würden „geradezu in den Hintergrund gedrängt durch die aufdringlichste Anpreisung und Darbietung eben jener unser Volksleben so verhängnisvoll beherrschenden Genussmittel und Vergnügungen.“⁴³⁸ 1926 kritisierten andere die Widersprüchlichkeit der Schau, auf der die Halle des Deutschen Brauerbundes „freundschaftlich“ an eine andere Gruppe angrenzte, die „mit erschütternden Darstellungen der Schäden des Alkoholismus“ gefüllt war.⁴³⁹ Diese gegensätzlichen, sich konterkarierenden Positionen waren „nicht etwa geteilt in eine Ausstellung und einen Vergnügungspark, sondern lustig durcheinander und noch diesseits der Grenze zu jenen reinen Amüsierregionen“.⁴⁴⁰ Die Alkoholindustrie dagegen präsentierte sich auf den Schauen selbstbewusst und versuchte, mit juristischen wie publizistischen Mitteln, den Angriffen der Alkoholgegner entgegenzutreten. Die Einrichtung alkoholfreier Gaststätten auf dem Gelände konnte diesen Gegensatz, der den Gesundheitsausstellungen als wissenschaftspopularisierenden und populärkulturellen Veranstaltungen inhärent war, nicht auflösen. Der Alkoholkonsum blieb ein Thema, das große Widersprüche auslöste, aber vor allem aus einer normativen oder leistungsorientierten Perspektive betrachtet wurde. Alkoholismus war eine normative Verfehlung, die negative Folgen für die eigene Leistungsfähigkeit wie auch (Erb-)Gesundheit hatte. Auffällig ist allerdings, dass sich der „Kampf gegen den Alkoholismus“, wie übrigens auch die Tuberkuloseaufklärung, im Wesentlichen an Männer richtete, während man die Geschlechtskrankheiten als spezifisch weibliches Problem darstellte. Beide Themen waren aber über die Denk-
437 Vgl. Schreiben Gonser an das Bezirks-Gesundheitsamt Wedding vom 06.04.1935. LA Berlin A Rep. 033–08/Nr. 345, unpaginiert. 438 So der Allgemeine Deutsche Zentralverband zur Bekämpfung des Alkoholismus in einem Schreiben an das Reichsministerium des Innern vom 09.07.1926. BArch Berlin R 1501/111176, Bl. 72. 439 Hugo Boesen: Die Statistik als Samariterin, in: Vossische Zeitung vom 24.07.1926. MorgenAusgabe, o. S. 440 Raut: Gesolei, S. 1144–1150, hier S. 1145. Der Autor vermutet, dass es gerade dieser Eklektizismus war, der den Besuchern attraktiv erschien und sie anzog. Für den Beitrag des Brauerbundes 1926 vgl. Deutscher Brauer-Bund: Der Deutsche Brauer-Bund auf der Gesolei-Düsseldorf 1926, Berlin [1926].
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figur der moralischen Verfehlung miteinander verknüpft; in beiden Fällen sollte die Bevölkerung aus einem präventiven Impuls heraus zu einem gewünschten Verhalten – Abstinenz oder Mäßigkeit auf der einen, Enthaltsamkeit und Monogamie auf der anderen Seite – erzogen werden. Gesundheit war moralische Aufgabe; Abweichungen von der Moral hatten Krankheit zur Folge.
Die Erziehung der Frau Gerade die Frauen sahen sich darüber hinaus noch auf einem anderen Feld den Erziehungsbemühungen der hygienischen Volksbelehrer ausgesetzt: Dem Feld von Mutterschaft und Ehe. Das Kaiserin Auguste Victoria Haus hatte hier durch seine institutionelle Autorität fraglos eine Ausnahmestellung inne, war aber keinesfalls die einzige Institution, die sich der Belehrung von Frauen widmete. Selbst Lingner beschäftigte sich in seinem Programm für die Hygiene-Ausstellung Dresden mit dem Bruststillen von Arbeiterinnen. Auch andere Stimmen beklagten das fehlende Wissen und mangelndes Interesse der arbeitenden Frauen an der Hygiene. Dies führe zu einer fehlerhaften Kinderpflege und einer schlechten Ernährung der Männer, die als Kompensationshandlung ihren Alkoholkonsum erhöhten. „Mangelhafte Speisenbereitung“ hänge deswegen „ebenso wie die schlechten Wohnungen, bösen Sitten und überhaupt mangelhafte Hygiene eng zusammen mit dem Alkoholismus“.⁴⁴¹ Die Expositionen versammelten daher in erster Linie Empfehlungen für Mädchen zur adäquaten Erfüllung ihrer Aufgaben als Hausfrauen und Mütter. Die Hygiene-Ausstellung 1911 beherbergte Anleitungen über die richtige Ernährung von Kleinkindern und Säuglingen.⁴⁴² Im Museum für Säuglingskunde sollten die Mütter lernen, „für ihr Kind in der richtigen Weise zu sorgen.“⁴⁴³ Dort wurden sie „über die Veränderungen, die der weibliche Körper in der Schwangerschaft erleidet“ aufgeklärt, zu einer „rationellen Schwangerschafts- und Wochenhygiene“ angeleitet und erhielten eine Einführung in die „Gesetze [. . . ], nach denen ein gesundes Kind regelrecht gedeiht.“⁴⁴⁴ In den 1920er Jahren zogen mehrere Wanderausstellungen durch das Deutsche Reich, die sich beispielsweise zum Ziel gesetzt hatten, „Mütter auf ihre Pflicht hinzuweisen und durch dauernde Aufklärung den Glauben an ihre Fähigkeit zu stillen und den Stillwillen zu wecken, und
441 Johannes Corvey: Die Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden, in: Der Arbeiterfreund 48 (1910) 1, S. 74–86, S. 78. 442 Vgl. etwa o. V.: De internationale hygiëne-tentoonstelling Dresden 1911, in: Nieuwe Rotterdamsche Courant vom 13.07.1911. StdA Amsterdam 496/8, unpaginiert. 443 Rott: Das Museum für Säuglingskunde, S. 48–64, hier S. 54. 444 Ebd., S. 56.
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sie davon zu überzeugen, daß das Stillen die gesündeste, sicherste, aber auch gleichzeitig die einfachste und billigste Art der Säuglingsernährung ist.“⁴⁴⁵ Auf der GeSoLei schufen die Veranstalter eine Sondergruppe, die ausschließlich der Frau gewidmet war, sich mit weiblicher Berufstätigkeit befasste, ihre Aufgaben „als Hausfrau und Mutter“ behandelte und die „Arbeitsleistung der Frau in einem möglichst rationell bewirtschafteten Betriebe“ darlegte.⁴⁴⁶ Die Gruppe „Säuglings- und Kleinkinderfürsorge“, die maßgeblich vom KAVH geprägt war, bot Informationen über das Wachstum und die Körperpflege von Kindern, die richtige Ernährung stillender Mütter und klärte über die Vorbeugung weit verbreiteter Kinderkrankheiten auf.⁴⁴⁷ Außerdem fehlte auch der Hinweis auf die Brusternährung von Säuglingen nicht.⁴⁴⁸ Das Vasenol-Kinderheim bot Müttern schließlich die Gelegenheit, erfahrenen Pflegerinnen bei der Arbeit zuzusehen. Die Veranstalter der Düsseldorfer Schau legten Wert darauf, dass gerade Schülerinnen diesen Teil der Ausstellung sowie die Musterkindererholungsstätte zu Gesicht bekamen.⁴⁴⁹ Die GeSoLei bot damit Einblicke in Tätigkeiten, die „in das eigenste Gebiet der Gattin, Mutter und Berufsfrau fallen.“⁴⁵⁰ Auf der Hygiene-Ausstellung 1930/31 waren ihre Aufgaben als Hausfrauen und Mütter ebenfalls allgegenwärtig. Gebhard versuchte, ihnen grundlegende Erkenntnisse der Kinderheilkunde zu vermitteln und sie zu möglichst großer Reinlichkeit und einer altersgerechten Ernährung anzuhalten.⁴⁵¹ Immer wieder hoben die Organisatoren die Bedeutung des Stillens hervor, empfahlen Hausfrauen daneben aber auch Maßnahmen wie regelmäßiges Lüften oder kindliche Bewegung im Freien.⁴⁵²
445 o. V.: Süddeutsche Ausstellung Mutter und Kind. Stuttgart 5. bis 26. Oktober 1924. Veranstaltet von der Stuttgarter Ortsgruppe „Reichssturmfahne“ des Deutschen Guttemplerordens J. O. G. T. StdA Stuttgart 201/1 Sozialamt Nr. 1476, unpaginiert. Hervorhebung im Original. 446 Schreiben Crull an Rubner vom 27.03.1925. AMPG III. Abt., Rep. 8 Nachlass Max Rubner Nr. 80/21, Bl. 1–2, hier Bl. 1. 447 Vgl. Fotodokumentation Gesolei Düsseldorf 1926 III. Sammlung Deutsches HygieneMuseum Dresden DHM 317 III. 448 Vgl. Dr. Aschenheim: Mutter- und Säuglingsfürsorge und Pflegekinderwesen auf der Ausstellung Gesolei, S. 2. StdA Düsseldorf 0–1–18–1190, unpaginiert. 449 Vgl. Offizielle Führungsanweisungen für den Besuch der „GESOLEI“ durch geschlossene Schülerverbände, Düsseldorf, S. 5. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 1997/1704. 450 Margret Witt: Die Bedeutung der Gesolei für die Frau. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 782, Bl. 34–35, hier Bl. 34. 451 Vgl. Gebhard: Wichtiges für die Mutter aus der Gruppe „Kind“ der Internationalen HygieneAusstellung Dresden, S. 2–3. Dittrick Medical History Center, Bruno Gebhard Collection. Box 4, Folder III–6, unpaginiert. 452 Vgl. Die Gesundheitspflege, in: Presse-Stelle des Deutschen Hygiene-Museums und der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 (Hrsg.): Das Deutsche Hygiene-Museum und die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, S. 113–117.
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Die Frauen blieben jedoch – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auf ihre Rolle im Haushalt beschränkt; als Berufstätige oder gar Haupternährerinnen der Familie waren sie nicht vorgesehen. Lediglich die Arbeit in der Krankenpflege oder anderen sozialfürsorgerisch geprägten Berufen wurde als angemessene weibliche Tätigkeit akzeptiert. Nur in solchen Berufen wurde ihnen das Potential eingeräumt, für „das Wohl der Gesamtheit wirklich Großes zu leisten.“⁴⁵³ Im Vergleich zu dieser partiellen Betonung der Leistungsfähigkeit von Frauen in sozialen Berufen überwog jedoch die klassische Begrenzung ihrer Handlungsspielräume auf typisch „weibliche“ Aktivitäten. Weibliche Berufstätigkeit außerhalb der sozialen Bereichs wurde etwa auf der Wander-Ausstellung Mutter und Säugling des Deutschen Guttemplerordens von 1930 als unnatürlich angesehen und der „natürlichen“ Mutterschaft gegenübergestellt. Als Mütter, so hieß es in der Broschüre zur Schau, könnten sogar „zarte“ Frauen herausragende Leistungen erbringen. Wenn von ihnen allerdings „noch andere – unnatürliche – Leistungen nebenher verlangt werden, wie z. B. erschöpfende Berufsarbeit im Wettbewerb mit dem auf diesem Gebiete überlegen veranlagten Manne“, wirke sich dies negativ auf die Gesundheit von Mutter und Kind aus.⁴⁵⁴ Gleichzeitig mussten Frauen körperlich auf die Mutterschaft vorbereitet werden. Dazu gehöre es „Schwächlichkeit, Zartheit, Blutarmut nicht mehr als Ausdruck der Weiblichkeit“ anzusehen, sondern „als ernsthafte Krankheit, als Hässlichkeit.“⁴⁵⁵ Auch die Schau „Mutter und Säugling“ der Volksborngesellschaft für medizinisch-hygienische Aufklärung von 1914 wies darauf hin, dass „der Mutter nicht ungestraft für sie selbst und ihre Kinder neben der Mutterschaft auch noch die Berufsarbeit oder Konkurrenz mit dem Manne aufgebürdet“ werden könne.⁴⁵⁶ Noch auf der „Wunder des Lebens“ 1935 warnte das Deutsche Frauenwerk die Besucherinnen mit markigen Worten vor schädlicher, unweiblicher Erwerbsarbeit: „Hände weg von einer Arbeit, die nicht der Bestimmung und dem Wesen der Frau entspricht!“⁴⁵⁷ Mit zunehmender Emphase wurde aber auch die Bedeutung der Frau als „Mutter der künftigen Generationen und Hüterin der Gesundheit in den Familien“ the-
453 Kuhls-Goslich: Die Ausstellung „Die Frau in Haus und Beruf“ und die Körperkultur, S. 183–186, hier S. 184. 454 o. V.: Die Wander-Ausstellung Mutter und Säugling des Deutschen Guttemplerordens (J. O.G.T.), Hamburg 1930, S. 25. 455 Ebd., S. 26. Hervorhebung im Original. 456 o. V.: Eine Wanderausstellung für hygienische Volksaufklärung. Mutter und Säugling, in: Die Umschau 18 (1914) 23, S. 469–474, hier S. 471. 457 o. V.: Rundgang durch die Ausstellung „Das Wunder des Lebens, Berlin 1935“ 23. März bis 5. Mai 1935, S. 2–4, hier S. 3.
5.4 „Genormte Körper“
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313
matisiert.⁴⁵⁸ Die Gruppe „Säuglings- und Kleinkinderfürsorge“ in Düsseldorf enthielt ein Angebot zur Eheberatung, klärte über „die wichtigsten Krankheiten und Missbildungen“ auf, die „die Ehe stören oder zerstören können“ und forderte zum Austausch von Gesundheitszeugnissen vor der Ehe auf.⁴⁵⁹ Als „Hauptträgerin der menschlichen Fortpflanzung“ erhielt die gesunde Ehe für die Veranstalter seit der Exposition von 1930/31 jedoch eine noch stärker herausgehobene, gesamtgesellschaftliche Relevanz.⁴⁶⁰ An diese bevölkerungspolitische Thematisierung von Mutterschaft und Ehe schlossen die nationalsozialistischen Gesundheitsexpositionen an. Familien, Mütter sowie ihre Kinder wurden nun aus konsequent rassenhygienischer Perspektive betrachtet.⁴⁶¹ Der „‚Geburtenrückgang, die Benachteiligung der erbgesunden Familien, wie auch die mehr und mehr in Erscheinung tretende Rassenmischung und Entartung der deutschen Familie‘“ erschienen als die dringlichsten Probleme, denen die nationalsozialistische Regierung entgegenzutreten habe, um „‚sowohl quantitativ wie qualitativ den Bestand unseres Volkes zu sichern.‘“⁴⁶² Zwar blieben weiterhin klassische Themen wie Säuglingspflege, das Primat des Bruststillens oder Hinweise für die richtige Hygiene des Haushalts auf den Expositionen präsent. Allerdings wurden die entsprechenden Stellen nun systematisch auf die Frau als Produzentin gesunden Nachwuchses ausgerichtet und rassenhygienisch legitimiert.
Moral und Verbrechen Grundsätzlich nahm die Anfälligkeit bestimmter Bevölkerungsteile für die Ausübungen von Verbrechen auf den Gesundheitsausstellungen einen nicht geringen Raum ein. Bestimmten Gruppen wurde hier pauschal eine verbrecherische Dispo-
458 Ulich-Beil: Hygiene der Frau, S. 92–93, hier S. 92. 459 Gruppe Säuglings- und Kleinkinderfürsorge. StdA Düsseldorf 0–1–18–1525, unpaginiert. Auffällig ist hier die Verknüpfung mit dem Thema Geschlechtskrankheiten, die in vielen Fällen Ursache für Unfruchtbarkeit seien. Mit den Überschneidungen der Säuglings- und Kleinkinderfürsorge mit eugenischen, bevölkerungspolitischen Themen beschäftigt sich Sigrid Stöckel: Säuglingsfürsorge zwischen sozialer Hygiene und Eugenik. Das Beispiel Berlins im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Berlin u. a. 1996. 460 Drucksache: Dresden Mai – Oktober 1930. Internationale Hygiene Ausstellung, Dresden 1929, S. 9. HStA Dresden 11168 Ministerium für Wirtschaft/Nr. 802, unpaginiert. 461 Vgl. Zeitungsausschnitt: o. V.: Hilfe für Mutter und Kind. Die Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“. FU Berlin, Universitätsarchiv, Sammlung Fritz Rott, Kasten 247, unpaginiert. 462 Unter der Schirmherrschaft des Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg. Ausstellung Deutsches Volk – Deutsche Arbeit. Berlin 1934. 17. März – 1. Mai. Programm. LA Berlin A Rep. 015–02/ Nr. 32091, unpaginiert. Hervorhebung im Original.
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sition zugeschrieben. Vererbungswissenschaftliche, statistische, normative und medizinische Vorstellungen griffen an dieser Stelle ineinander. Abweichungen vom bürgerlichen Lebensstil wurden als erbliche Krankheit pathologisiert und als Vorzeichen drohender Straffälligkeit inszeniert. In einer Koje zur offenen Jugendfürsorge auf der GeSoLei führte die Liga der freien Wohlfahrtspflege Eigenschaften wie Alkoholismus, Kriminalität oder „leichtsinniger Lebenswandel“ auf eine erbliche Belastung zurück, von der 75 Prozent ihrer Fürsorgezöglinge betroffen seien. Kennzeichen weiterer Fälle „von abnormer, psychischer und moralischer Konstitution“ seien geistige Behinderungen, körperliche sowie Nervenkrankheiten oder ein erhöhtes Selbstmordrisiko.⁴⁶³ Im gleichen Jahr präsentierte die Unterabteilung „Soziale Gerichtshilfe, Gefängnis- und Entlassenenfürsorge“ in der Gruppe „Bildungs- und Erziehungsfürsorge“ Kranke, Alkoholiker, „Psychopathen“ oder „Leichtsinnige“ als potentielle Verbrecher.⁴⁶⁴ In Dresden 1930/31 forderte Arthur Ostermann, Gruppenleiter für den Bereich Eugenik der kulturhistorischen Schau des Deutschen Reiches, erblich Kranke, „Schwachsinnige“ und „Psychopathen“ sowie „Asoziale“ durch Eheberatung, Asylierung und freiwillige Sterilisation von der Fortpflanzung auszuschließen, da diese nicht in der Lage seien, sich „in die Gesellschaft einzuordnen“ oder sich „feindlich gegen die Gesellschaft“ verhielten.⁴⁶⁵ Auf der Schautafel zur Familie „Kallikak“ galten früh Verstorbene, geistig Behinderte und Epileptiker ebenso pauschal als „minderwertig“ wie Prostituierte, Alkoholiker, Verbrecher und Bordellwirte.⁴⁶⁶ „Vagabundenfamilien“ wie die „Familie Braun“, in der „Straßenräuber, Diebe, Gauner, Mörder überwiegen“⁴⁶⁷ wurden auf den Ausstellungen ebenso als Ausweis der Vererbung biologischer Eigenschaften angeführt wie das musikalische Talent in der Familie Bach als positives Gegenbeispiel.⁴⁶⁸
463 Koje C 6 Offene Jugend-Fürsorge. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/PD Nr. 148, unpaginiert. 464 Vgl. Sitzung der Unterabteilung „Soziale Gerichtshilfe, Gefängnis- und Entlassenenfürsorge“ der Gruppe „Bildungs- und Erziehungsfürsorge“ der Hauptabteilung „So“ vom 18.03.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1045, Bl. 48–54, hier Bl. 49. 465 Taute/Hamel/Rott (Hrsg.): Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens, S. 127. 466 Vgl. Martin: Die Familie Kallikak, S. 17–18. 467 Ebd., S. 18. 468 Zur „Verbrecherfamilie Braun“ vgl. Schloßmann (Hrsg.): Ge-So-Lei. Große Ausstellung Düsseldorf 1926. Für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. 2 Bände, S. 468. Zur Familie Bach vgl. von Gruber/Rüdin (Hrsg.): Fortpflanzung, Vererbung, Rassenhygiene, S. 76; o. V.: Arie Bombarie’s Bespiegelingen, S. 1315–1316, hier S. 1315.
5.4 „Genormte Körper“
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Auf den NS-Expositionen forderten die Rassenhygieniker schließlich die Sterilisierung von Alkoholikern sowie die Kastration von „Sittlichkeitsverbrechern“.⁴⁶⁹ Denn nicht nur körperliche oder geistige Behinderung, Blindheit und Gehörlosigkeit seien erblich bedingt, auch „soziale Minderwertigkeiten und der Hang zum Verbrechen“ beruhten vorgeblich „in den meisten Fällen auf erblicher Veranlagung“.⁴⁷⁰ Im Katalog zur „Wunder des Lebens“ von 1936 zählte der Autor des Kapitels „Erb- und Rassenkunde des Menschen“, Hatto Weiß, „Veitstanz, Schwachsinn, Epilepsie (Fallsucht), manisch-depressives Irresein (krankhafter Wechsel zwischen tiefer Niedergeschlagenheit und Schwermut mit gehobener Stimmung in kurzen oder längeren Abständen), Spaltungsirresein (Schizophrenie) und Psychopathie“ zu den Krankheiten, die eine Sterilisation nach sich ziehen mussten, um „das gesunde Erbgut des Volkes zu schützen“. Selbst im Hinblick auf Tuberkulose könne man aus seiner Sicht von „einer spezifischen erblichen Neigung“ sprechen.⁴⁷¹ Darüber hinaus „spielen Anlagen zu moralischer und geistiger Minderwertigkeit für das soziale Leben eines Volkes eine ausschlaggebende Rolle“ und sollten deswegen durch rassenhygienische Maßnahmen bekämpft werden.⁴⁷² In diesen Fällen bildeten nicht medizinische Diagnosen die Grundlage für die Forderungen der Rassenhygieniker, sondern moralische Zuschreibungen. Normative Bewertungen des Körpers waren auf den Gesundheitsausstellungen überall zu finden. Die Expositionen waren selbst pädagogische Veranstaltungen, deren Ziel die Veränderung des gesundheitsrelevanten Verhaltens der Bevölkerung war. Die Teilnehmer versuchten, ihre Klientel zu erziehen, sie zu einer angemessenen Lebensweise anzuhalten. Unabhängig von dieser unbestreitbar disziplinierenden Stoßrichtung hatten die Gesundheitsausstellungen auch positive Effekte,
469 Arthur Gütt: Die Bevölkerungspolitische Gesetzgebung seit dem 30. Januar 1933, S. 61–65, hier S. 64. Zur Ausweitung rassenhygienisch motivierter Verfolgung sozialer Devianzen vgl. u. a. Patrick Wagner: Volksgemeinschaft ohne Verbrecher. Konzeptionen und Praxis der Kriminalpolizei in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, Hamburg 1996; Jürgen Simon: Kriminalbiologie und Zwangssterilisation. Eugenischer Rassismus 1920–1945, Münster u. a. 2001. 470 Hermann Vellguth: Deutsches Volk, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-Gesellschaft (Hrsg.): Deutsches Volk – Deutsche Arbeit. Amtlicher Führer durch die Ausstellung, S. 75–85, hier S. 79. 471 Weiß: Erb- und Rassenkunde des Menschen, S. 183–252, hier S. 216. 472 Ebd., S. 216–217. Die radikale Ausweitung von – aus eugenischer Sicht – erblichen Krankheiten zeigt sich nicht zuletzt an den diversen Erweiterungen des zweibändigen Standardwerks „Menschliche Erblichkeitslehre und Rassenhygiene“ von Erwin Baur, Eugen Fischer und Fritz Lenz und hier in erster Linie an dem von Fritz Lenz verantworteten zweiten Abschnitt des ersten Bandes. Vgl. Heiner Fangerau: Der „Baur-Fischer-Lenz“ in der Buchkritik 1921–1940: Eine quantifizierende Untersuchung zur zeitgenössischen Rezeption rassenhygienischer Theorien, in: Medizinhistorisches Journal 38 (2001) 1, S. 57–81, hier S. 64.
316 | 5 Strukturen des Körperdiskurses
indem sie das Wissen der Bevölkerung über sich, ihren Körper sowie sinnvolle hygienische Maßnahmen vergrößerten und einen Beitrag zur Verbesserung des Gesundheitszustandes jedes Einzelnen leisteten. Im Nationalsozialismus steigerte sich allerdings der normierende Aspekt der Gesundheitsschauen zur „Gesundheitsführung“, die Gesundheit sowie Leistungsfähigkeit einforderte und abweichendes Sozialverhalten mit dem Ausschluss aus der Gesellschaft sanktionierte. Darüber hinaus unterschied sich der „Genormte Körper“ in seinem Geschlecht, wurden an Männer andere Anforderungen gestellt als an Frauen. Während Männer vor allem arbeits- und leistungsfähig sein sollten, blieben Frauen auf ihre Aufgabe als Hausfrau und Mutter beschränkt. Zuletzt fungierten moralische Kriterien zur Beurteilung des Körpers oder der Verhaltensweisen einzelner Individuen. Geschlechtskrankheiten und Alkoholismus galten nicht nur als Krankheiten. Sie waren darüber hinaus Nachweis moralischer Unzulänglichkeiten. Zunehmend wurden diese angenommenen Unzulänglichkeiten biologisch gedeutet, deviantes Verhalten als eine Folge erblicher „Minderwertigkeit“ begriffen. Zwar lässt sich diese Lesart des „Genormten Körpers“ schon im Kaiserreich nachweisen, doch gewann sie in der Zwischenkriegszeit an Bedeutung und wurde auf den nationalsozialistischen Expositionen schließlich zu einem dominanten Interpretament. Die Gesundheitsausstellungen blieben auf diese Weise immer Orte, an denen das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft bestimmt, die Grenze zwischen Einund Ausschluss gezogen wurde.
Zwischenfazit Diese Grenze verlief entlang der beschriebenen Perspektiven – „Vermessene Körper“, „Leistende Körper“, „Ästhetische Körper“ und „Genormte Körper“. Diese stellten Maßstäbe bereit, mit denen ein individueller Körper bewertet werden konnte. Sie bestimmten die Ordnungsvorstellungen der unterschiedlichen Akteure von dem Körper eines Menschen. Sie definierten die körperlichen, sozialen oder biologischen Eigenschaften, die bei der Bewertung des Einzelnen relevant waren; anhand der über den gesellschaftlichen Ein- oder Ausschluss verhandelt wurde. Entsprach ein Individuum den gestellten Normen nicht, drohte ihm die gesellschaftliche Marginalisierung. Umgekehrt konnte die Erfüllung der Anforderungen mit sozialen, wirtschaftlichen wie medizinischen Unterstützungsangeboten oder zumindest einer diskursiven Aufwertung verbunden sein. Allerdings waren die an das Individuum gestellten Anforderungen nicht einheitlich, sondern von der jeweiligen Perspektive abhängig. Sie unterschieden sich, achteten auf unterschiedliche Aspekte und hielten dadurch unterschiedliche körperliche Eigenschaften für relevant.
5.4 „Genormte Körper“
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Die vier Perspektiven ergänzten sich, griffen ineinander oder widersprachen einander. Dies führte dazu, dass – abhängig von der jeweiligen Perspektive – unterschiedliche Körper als „normal“ oder „anormal“ erschienen. Ein behinderter Körper konnte dem Anspruch der Arbeitsfähigkeit entsprechen und trotzdem als unästhetisch abgewertet werden. Ein statistisch unauffälliger Körper konnte dennoch den sozialen oder normativen Vorstellungen seiner Zeit nicht entsprechen und deswegen als krank markiert werden. Die Grenze zwischen „Normalität“ und „Anormalität“, zwischen Gesundheit und Krankheit oder zwischen Aufwertung und Marginalisierung war somit bisweilen fließend und davon abhängig, unter welchem Blickwinkel ein Individuum betrachtet wurde. Die unterschiedlichen Akteure waren darüber hinaus nicht nur einer einzigen Perspektive verhaftet, sondern bezogen sich je nach Thema auf unterschiedliche Perspektiven. Sie konnten – wie etwa die Mediziner – den Körper sowohl vermessen als auch unter ästhetischen und normativen Gesichtspunkten betrachten. Die vier Perspektiven strukturierten damit den Diskurs über den Körper, sie waren verbunden mit Prozessen des gesellschaftlichen Ein- wie Ausschlusses und bestimmten die Position des Individuums in der Gesellschaft in erheblichem Maße mit. Der Körper konnte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Differenzkriterium dienen. Er wurde eine Scheidelinie zwischen Zugehörigkeit und Ausgrenzung; zu einem Thema von gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Denn im Reden über den Körper wurde dieser nicht nur nach unterschiedlichen Maßstäben bewertet, sondern auch die Stellung des Einzelnen in der Gesellschaft, das Verhältnis von Individuum und Kollektiv näher bestimmt. Im folgenden Kapitel wird es darum gehen, dieses Verhältnis abschließend näher in den Blick zu nehmen.
6 Der Körper als Differenz. Von Ein- und Ausschlüssen Der Diskurs über den Körper im Rahmen der Gesundheitsausstellungen drehte sich im Kern um die Frage danach, welche Körper als gesund und welche als krank zu klassifizieren sind. Der Gegensatz von Gesundheit und Krankheit prägte alle Perspektiven auf den Körper und bildete die Grenze zwischen dem gesellschaftlichen Ein- und Ausschluss. Alfons Labisch hat darauf hingewiesen, dass die Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit einen „Schlüssel“ darstellen, um „die wechselseitigen Beziehungen und Wirkungen von Medizin und Gesellschaft“ analytisch zu fassen und sich an ihnen der „Januskopf“ moderner Medizin besonders gut herausarbeiten lässt.¹ Gesundheit wurde auf den Ausstellungen nie als ausschließlich individuelles Phänomen begriffen, sondern immer auch im Hinblick auf ihre gesamtgesellschaftliche Relevanz behandelt, mit Größen wie Nation, Volk oder „Rasse“ in Beziehung gesetzt. Gesundheitspflege im Allgemeinen, hygienische Volksaufklärung im Speziellen hatte dadurch neben einer individualisierenden Komponente eine kollektive Dimension.
Gesundheitsausstellungen als Mittel der Prävention Mit Hilfe der Ausstellungen sollte „den Menschen zum Bewußtsein gebracht werden, daß die Gesundheitspflege die Grundlage der persönlichen Wohlfahrt wie des Gedeihens der Völker ist und daß es in der Macht eines jeden liegt, zur Erhaltung und Kräftigung seines körperlichen und geistigen Wohlbefindens beizutragen.“² In dieser Zielsetzung manifestierte sich die Denkfigur der Prävention.³ Die Expositionen sollten das Verhalten der Bevölkerung im Vorfeld positiv beeinflussen, ihren körperlichen Zustand verbessern und damit helfen, vorbeugend die Verbreitung von Krankheiten einzudämmen. Die Bedeutung des Präventionsgedankens nahm im 19. und 20. Jahrhundert – parallel zur Ausbreitung des „Social Engineering“ – kontinuierlich zu, bis er schließlich um die Jahrhundertwende „von einem Projekt einzelner Schichten zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe“ geworden war.⁴
1 Labisch: Homo Hygienicus, S. 12. 2 Hirsch: Die Internationale Hygieneausstellung zu Dresden 1911, S. 577–582, hier S. 577. 3 Zur historiografischen Auseinandersetzung mit Prävention vgl. u. a. Lengwiler/Madarász (Hrsg.): Das präventive Selbst; Stöckel/Walter (Hrsg.): Prävention im 20. Jahrhundert. 4 Malte Thießen: Gesundheit erhalten, Gesellschaft gestalten. Konzepte und Praktiken der Vorsorge im 20. Jahrhundert. Eine Einführung, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in ConDOI 10.1515/9783110469011-006
320 | 6 Der Körper als Differenz. Von Ein- und Ausschlüssen
Prävention und „Social Engineering“ wurden von wissenschaftlichen Expertinnen und Experten getragen. Diese setzten zwar beim Verhalten des Individuums an, bezogen sich damit aber auf die Verbesserung des „Volkskörpers“ als dem eigentlichen Ziel ihres Handelns.⁵ Spätestens in der Zwischenkriegszeit war Prävention auf diese Weise „zu einem gesundheitspolitischen Schlüsselbegriff“ mit großer Wirkmacht geworden.⁶ Die Präventionsidee war international verbreitet und hatte wie der Körperdiskurs in der „klassischen Moderne“ einen Doppelcharakter.⁷ Sie wirkte positiv, indem sie etwa dazu beitrug, die Verbreitung von Krankheiten oder den Ausbruch von Epidemien zu verhindern. Sie zeitigte allerdings auch negative Folgen, da der Präventionsgedanke weitreichende Interventionen in individuelle Lebensstile und Lebensentwürfe legitimierte.⁸ Die Eingriffe fanden nicht nur in diktatorischen oder autokratischen Regimen statt, sondern lassen sich ebenso in demokratischen Staaten beobachten.⁹ Prävention zielt auf die Verhinderung zukünftiger Bedrohungen, „Prävention will zuvorkommen“ und ist deswegen immer unabgeschlossen, immer von einer permanenten inneren Dynamik getrieben.¹⁰ Präventives Denken setzt an tatsächlichen oder potentiellen Abweichungen von der Norm an und war im Untersuchungszeitraum deswegen mit den unterschiedlichen Perspektiven auf den Körper kompatibel. Denn diese boten potentielle Interventionspunkte für präventives Handeln, indem sie Auffälligkeiten, Abweichungen und Devianzen markierten. Dies beförderte politisch motivierte Zugriffe von Medizinern, Sozialwissenschaftlern oder anderen Akteuren auf den gleichermaßen individuellen
temporary History, Online-Ausgabe 10 (2013) 3, 1. Online unter http://www.zeithistorischeforschungen.de/16126041-Editorial-3-2013. [Letzter Zugriff am 20.09.2014] Vgl. dazu auch Rüdiger vom Bruch: Von der Sozialethik zur Sozialtechnologie? Neuorientierungen in der deutschen Sozialwissenschaft um 1900, in: Ders.: Bürgerlichkeit, Staat und Kultur im Kaiserreich. Herausgegeben von Hans-Christoph Liess, Stuttgart 2005, S. 273–289. 5 Vgl. Thomas Etzemüller: Social engineering als Verhaltenslehre des kühlen Kopfes. Eine einleitende Skizze, in: Ders. (Hrsg.): Die Ordnung der Moderne. Social Engineering im 20. Jahrhundert, Bielefeld 2009, S. 11–39. 6 Martin Lengwiler/Jeannette Madarász: Präventionsgeschichte als Kulturgeschichte der Gesundheitspolitik, in: Dies. (Hrsg.): Das präventive Selbst, S. 11–28, hier S. 19. 7 Zur internationalen Dimension des Präventionsgedankens vgl. Martin Lengwiler/Stefan Beck: Historizität, Materialität und Hybridität von Wissenspraxen. Die Entwicklung europäischer Präventionsregime im 20. Jahrhundert, in: GG 34 (2008) 4, S. 489–523. 8 Vgl. Sarasin: Die Geschichte der Gesundheitsvorsorge, S. 41–45. 9 Vgl. etwa Thomas Etzemüller: Die Romantik der Rationalität. Alva & Gunnar Myrdal – Social Engineering in Schweden, Bielefeld 2010. 10 Ulrich Bröckling: Vorbeugen ist besser . . . Zur Soziologie der Prävention, in: Behemoth. A Journal on Civilisation 1 (2008) 1, S. 38–48, hier S. 39.
6 Der Körper als Differenz. Von Ein- und Ausschlüssen |
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wie kollektiven Körper von Bürgern und Bevölkerung.¹¹ Der Präventionsgedanke konnte so auf der einen Seite zur Rechtfertigung immer weiter gehender, immer intimerer Eingriffe genutzt werden. Auf der anderen Seite hatte präventives Handeln wie das Impfen auch unbestreitbar positive Auswirkungen.¹² Diese Widersprüchlichkeit des Diskurses war schon auf der Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 sichtbar, steigerte sich nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs und der zunehmenden wirtschaftlichen Probleme in der Zwischenkriegszeit nochmals, um schließlich auf den nationalsozialistischen Gesundheitsschauen in einer völligen Radikalisierung Bahn zu brechen, aber dennoch in einem eingeschränkten Rahmen ambivalent zu bleiben.¹³ Die „Gesundheitsführung“ der Nationalsozialisten forderte von der Bevölkerung ein an rassischen wie rassenhygienischen Grundsätzen ausgerichtetes Verhalten und drohte ihr gleichzeitig mit Sanktionen im Falle abweichender Haltungen. Gesunde, leistungsfähige und ästhetische Körper waren die Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur „Volksgemeinschaft“ und mit einer sozialen Aufwertung verbunden. Deviante, „minderwertige“ Körper wirkten als Ausgangspunkt vielfältiger Diskriminierungen bis hin zur physischen Vernichtung.¹⁴ Nichts veranschaulicht diese widersprüchliche Entwicklung besser als der kontinuierliche Bedeutungszuwachs eugenischen Denkens, der sich auch auf den Gesundheitsschauen niederschlug.¹⁵ Im Folgenden werden abschließend die ein- wie ausschließenden Wirkungen des Körperdiskurses im Mittelpunkt stehen. Dafür werden zunächst die Ausbreitung der Eugenik sowie Rassenhygiene und ihr Bedeutungsgewinn auf den Schauen beschrieben. Anschließend wird das dort verhandelte Verhältnis von Individuum und Gesellschaft in den Blick genommen.
11 In diesem Sinne wies Peter Becker auf die Bedeutung der Präventionsidee für die Kriminologie hin. Vgl. Peter Becker: Strategien der Ausgrenzung, Disziplinierung und Wissensproduktion: Überlegungen zur Geschichte der Kriminologie, in: GG 30 (2004) 3, S. 404–433. 12 Zur Geschichte des Impfens vgl. Malte Thießen: Vom immunisierten Volkskörper zum „präventiven Selbst“, in: VfZ 61 (2013) 1, S. 35–64. 13 So hat Malte Thießen darauf hingewiesen, dass der Impfzwang während der Weimarer Republik wesentlich rigider durchgesetzt wurde als im Nationalsozialismus. Vgl. Thießen: Vom immunisierten Volkskörper zum „präventiven Selbst“, S. 35–64, hier S. 48–55. 14 Insbesondere Winfried Süß hat deutlich gemacht, dass der reale Gesundheitszustand der Bevölkerung von dieser Idealvorstellung vor allem während des Zweiten Weltkriegs deutlich abwich. Vgl. Süß: Der „Volkskörper“ im Krieg. 15 Vgl. dazu auch Peter Weingart: The Thin Line Between Eugenics and Preventive Medicine, in: Norbert Finzsch (Hrsg.): Identity and Intolerance. Nationalism, Racism, and Xenophobia in Germany and the United States, Cambridge u. a. 1998, S. 397–412.
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6.1 Die Ausbreitung eugenischen Denkens auf den Gesundheitsausstellungen Die Eugenik entstand im ausgehenden 19. Jahrhundert in der gesellschaftlichen Mittel- und Oberschicht Großbritanniens und war von Degenerationsfurcht, sozialen wie rassistischen Vorurteilen, Wissenschaftsoptimismus und einem Glauben an die Planbarkeit der menschlichen Entwicklung geprägt.¹⁶ Sie geht auf Francis Galton (1822–1911) zurück, der den Begriff zuerst verwendete und popularisierte.¹⁷ Gestützt auf die Erkenntnisse Charles Darwins und die wiederentdeckten Vererbungsregeln Gregor Mendels machten die Eugeniker die Vererbbarkeit körperlicher, geistiger und moralischer Eigenschaften zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen.¹⁸ Die Eugenik hatte zwei entscheidende Charakteristika: Erstens den Bezug auf ein – mehr oder weniger scharf umrissenes – Kollektiv, das von einem kleineren Personenverband bis hin zur gesamten Bevölkerung reichen konnte. Während die Eugeniker vor allem durch ein Klassenbewusstsein geprägt waren, bezog sich die Rassenhygiene, die sich im Deutschen Reich unabhängig von Galtons Ideengebäude entwickelt hatte, besonders deutlich auf die deutsche „Rasse“.¹⁹ Trotz aller Unterschiede zwischen Rassenhygienikern und Eugenikern im Detail verlief die Grenze zwischen ihnen fließend. Denn beide Gruppen teilten denselben „Blick“ auf den Körper; maßen der Vererbbarkeit physischer sowie intellektueller Eigenschaften die entscheidende Bedeutung bei. Sie eint somit ein geteiltes Problembewusstsein und verbindet eine ähnliche Lösungsstrategie. Außerdem billigten sie dem Kollektiv grundsätzlich den Vorrang vor den Rechten des Individuums zu.²⁰ Ihre Perspektive auf den Körper hatte dadurch mehr Gemeinsamkeiten
16 Vgl. Metzler/van Laak: Die Konkretion der Utopie, S. 23–43, hier S. 28. Zur wachsenden Degenerationsfurcht in Europa vgl. Daniel Pick: Faces of degeneration. A European Disorder, ca. 1848 – c. 1918, Cambridge u. a. 1989. 17 Vgl. Francis Galton: Eugenics: Its Definition, Scope and Aims, in: The American Journal of Sociology 10 (1904) 1, S. 1–6. 18 Grundlegend zur Geschichte der Eugenik in Deutschland ist immer noch Weingart/Kroll/ Bayertz: Rasse, Blut und Gene; Weindling: Health, race and German politics between national unification and Nazism 1870–1945. Einen lesenswerten Forschungsüberblick bietet Jakob Tanner: Eugenik und Rassenhygiene in Wissenschaft und Politik seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert: Ein historischer Überblick, in: Michael Zimmermann (Hrsg.): Zwischen Erziehung und Vernichtung. Zigeunerpolitik und Zigeunerforschung im Europa des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2007, S. 109–121. 19 Vgl. Uwe Puschner: Sozialdarwinismus als wissenschaftliches Konzept und politisches Programm, in: Gangolf Hübinger (Hrsg.): Europäische Wissenschaftskulturen und politische Ordnungen in der Moderne (1890–1970), München 2014, S. 99–121. 20 Vgl. Jürgen Cromm: Gesellschaft versus Individuum, in: Mackensen (Hrsg.): Bevölkerungslehre und Bevölkerungspolitik vor 1933, S. 77–102.
6.1 Die Ausbreitung eugenischen Denkens auf den Gesundheitsausstellungen |
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als Unterschiede, so dass sie im Folgenden als eine Gruppe begriffen werden, obwohl es innerhalb dieser zahlreiche Schattierungen gab. Zweitens teilten die Eugeniker die Individuen, ja ganze Bevölkerungsteile in „Hochwertige“ oder „Minderwertige“ ein. Darauf aufbauend verglichen sie die „Qualität“ verschiedener Kollektive miteinander und sahen sie – den Prämissen des Sozialdarwinismus folgend – im ständigen „Kampf ums Dasein“. Sie konstatierten eine schleichende Degeneration westlicher Gesellschaften, deren Ursachen die ausbleibende körperliche „Abhärtung“ aufgrund des modernen Lebensstils sowie die zunehmende Fortpflanzung „minderwertiger“ Bevölkerungsteile seien, deren „natürliche Selektion“ der Sozialstaat verhindere. Gleichzeitig beobachteten die Eugeniker, dass insbesondere diejenigen, die sie als „hochwertig“ erachteten, immer seltener Nachwuchs bekamen. Demnach verschob sich das Verhältnis von „minderwertigen“ und „hochwertigen“ Individuen innerhalb des Bezugskollektivs langsam zuungunsten der Letzteren. Diese, unter dem Begriff der „differentiellen Fortpflanzung“ gefasste, Entwicklung schwächte aus ihrer Sicht langfristig die eigene Nation im Wettbewerb mit anderen. Ihr Ziel war es nun, durch Eingriffe in das Reproduktionsverhalten der Bevölkerung, deren erbliche Qualität kontinuierlich zu verbessern. Hierzu griffen sie auf „positive“ – die Förderung der Fortpflanzung von Menschen mit vermeintlich „hochwertigen“ Erbanlagen – sowie „negative“ Maßnahmen – den Ausschluss „Minderwertiger“ aus der Fortpflanzung – zurück.²¹ Die Eugenik verstand sich als angewandte Wissenschaft, lieferte neben der Problemdefinition auch gleich dessen Lösung. Sie brachte allerdings keine eigenen Methoden hervor. Stattdessen speiste sich das eugenische Ideengebäude aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen. Gleichwohl hatte das „rassenhygienische Paradigma“ (Hans-Walter Schmuhl) tiefgreifende Auswirkungen auf andere Wissenschaften und kann als „Relais [. . . ] zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und biopolitischem Interesse“²² verstanden werden. Die Bedeutung der Eugenik bestand weniger in ihrem wissenschaftlichen Ertrag, sondern in der schleichenden Verbreitung eines eugenischen „Blicks“, einer Praxis der Unterscheidung auch in
21 Zu den „positiven“ Maßnahmen gehörten etwa die finanzielle Unterstützung gesunder Familien oder die Pflege des gesunden Körpers. „Negative“ Maßnahmen umfassten beispielsweise Asylierung, Sterilisierung und Kastration. Es ist in der Forschung umstritten, ob die „Euthanasie“ ebenfalls dem Spektrum der „negativen“ Eugenik zuzurechnen ist oder nicht. Vgl. dazu Michael Schwartz: ‚Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie‘? Kritische Anfragen an eine These Hans-Walter Schmuhls, in: WestF 46 (1996), S. 604–623; Hans-Walter Schmuhl: Eugenik und „Euthanasie“ – Zwei Paar Schuhe? Eine Antwort auf Michael Schwartz, in: WestF 47 (1997), S. 757– 762 sowie Michael Schwartz: „Euthanasie“-Debatten in Deutschland. 1895–1945, in: VfZ 46 (1998) 4, S. 617–665. 22 Hans-Walter Schmuhl: Grenzüberschreitungen. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik 1927–1945, Göttingen 2005, S. 19.
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anderen wissenschaftlichen Disziplinen sowie in der Politik.²³ Die Offenheit des eugenischen Begriffssystems, seine Kompatibilität mit wichtigen nationalen Themen und nicht zuletzt das Versprechen der Eugeniker, drängende Probleme wie die „soziale Frage“ zu lösen, trugen zu ihrer wachsenden Popularität maßgeblich bei. Jüngst wiesen vor allem Forschende mit einem Schwerpunkt auf transnationaler Geschichte auf die katalysierende Wirkung der deutschen Kolonialerfahrung für die Herausbildung und Ausbreitung eugenischen Denkens im Deutschen Reich – insbesondere in seiner rassenhygienischen Ausprägung – hin.²⁴ Die Eugenik erwies sich als eine hochanschlussfähige Denkweise, die zunehmend gesamtgesellschaftlich konsensfähig wurde. Als „Wissenschaft der Unterscheidung“²⁵ zog die Eugenik eine klare Grenze zwischen „Minderwertigen“ und „Hochwertigen“, berief sich auf ihre medizinisch-naturwissenschaftliche Expertise und hatte einen wesentlichen Anteil daran, dass der Körper in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf der ganzen Welt zum Ausgangspunkt gesellschaftlicher Ausgrenzung wurde. Denn schon nach kurzer Zeit organisierten sich in zahlreichen Ländern eugenische Bewegungen. Es entstand ein transnationales Netzwerk eugenisch orientierter Wissenschaftler und Praktiker. Zahlreiche Vereinigungen sowie nationale Forschungseinrichtungen wurden gegründet und Kongresse zu eugenischen Themen veranstaltet.²⁶ Die Eugenik erlangte in Skandinavien oder den USA schon früh einen größeren politischen Einfluss, war jedoch auch in osteuropäischen Ländern wirkmächtig. In einzelnen Bundesstaaten der USA sowie in Skandinavien wurden eugenische Gesetze gar früher erlassen und umgesetzt als im Deutschen Reich – wenn auch nie mit derart drastischen Folgen.²⁷ Im Deutschen Reich wuchs die Bedeutung der Eugenik seit der Jahrhundertwende stetig 23 Vgl. etwa Atina Grossmann: Berliner Ärztinnen und Volksgesundheit in der Weimarer Republik. Zwischen Sexualreform und Eugenik, in: Ärztekammer Berlin (Hrsg.): Der Wert des Menschen 1918–1945, Berlin 1989, S. 100–120; Jürgen Peter: Der Einbruch der Rassenhygiene in die Medizin. Auswirkung rassenhygienischen Denkens auf Denkkollektive und medizinisch Fachgebiete von 1918 bis 1934, Frankfurt am Main 2004; Käte Meyer-Drawe: Töten aus Barmherzigkeit? Biopolitische Tendenzen der Lebensreformbewegung, in: Dies./Kristin Platt (Hrsg.): Wissenschaft im Einsatz, München 2007, S. 205–217; Anne Cottebrune: Der planbare Mensch. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die menschliche Vererbungswissenschaft, 1920–1970, Stuttgart 2008. 24 Vgl. Pascal Grosse: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland 1850– 1918, Frankfurt am Main u. a. 2000; Sebastian Conrad: Deutsche Kolonialgeschichte, München 2008, S. 62–77. 25 Schwartz: Eugenik und „Euthanasie“. Die internationale Debatte und Praxis bis 1933/1945, S. 65–83, hier S. 66. 26 Vgl. Kühl: Die Internationale der Rassisten. 27 Vgl. bspw. David Redvaldsen: Eugenics as a Science and as a Social Movement. The Cases of Denmark and Norway 1900–1950, in: Moving the Social (2012) 48, S. 133–156; Lüthi: Invading
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an bis sie 1926 mit der Gründung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik (KWI-A) eine institutionelle Verstetigung erlangte.²⁸ Und auch auf den Gesundheitsausstellungen war sie von Anfang an präsent, um im Rahmen der nationalsozialistischen Gesundheitsschauen schließlich zum dominanten Deutungsrahmen zu avancieren. Die Darstellung der Eugenik hatte auf den Ausstellungen immer eine bevölkerungspolitische Komponente, war immer mit Fragen nach der Bevölkerungsgröße, des Geburtenrückgangs oder der Säuglingssterblichkeit verknüpft.
Eugenik auf der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 Der passende Rahmen für den „erste[n] Versuch, die Tatsachen der Fortpflanzung, Vererbung und Rassenhygiene in allgemein verständlicher Zusammenfassung [. . . ] vorzuführen“, bot sich 1911 in Dresden.²⁹ Verantwortlich für die Gruppe „Rassenhygiene“ zeichneten mit Max von Gruber, dem Nachfolger Max von Pettenkofers am Institut für Hygiene in München, und Ernst Rüdin, zu diesem Zeitpunkt Assistent Emil Kraeppelins und später Leiter des Münchner Kaiser-Wilhelm-Instituts für Psychologie, zwei etablierte und anerkannte Wissenschaftler. Aber auch andere bedeutende Fachvertreter wie Alfred Plötz oder Agnes Bluhm waren an ihr beteiligt.³⁰ Ausgangspunkt des Beitrags war die Darstellung der Grundlagen menschlicher Fortpflanzung sowie der mendelschen Erblichkeitsregeln bei Tieren und Pflanzen. Im nächsten Schritt übertrugen die Organisatoren das Beschriebene auf den Menschen, stellten die Vererbung „normaler“ körperlicher Eigenschaften wie der Augen- oder Haarfarbe dar, um danach mit der Erblichkeit „minderwertiger“ oder „hochwertiger“ Eigenschaften fortzufahren.³¹ Das anschließende Kapitel handelte von der drohenden „Degeneration“ der deutschen Bevölkerung, bevor zum Abschluss die Eugenik als angewandte Wissenschaft vorgestellt und mögliche Lösungen für die geschilderten Probleme skizziert wurden. Die Gruppe war von Statistiken, Stammbäumen und schematisierten Darstellungen von Erbfolgen durchzogen. Politische Forderungen etwa nach der Sterilisierung bestimmter
Bodies, S. 62–79; Marius Turda/Paul Weindling (Hrsg.): „Blood and homeland.“ Eugenics and racial nationalism in Central and Southeast Europe 1900–1940, Budapest u. a. 2007. 28 Zur Geschichte des KWI-A vgl. Schmuhl: Grenzüberschreitungen. 29 Max von Gruber/Ernst Rüdin: Vorwort, in: Dies. (Hrsg.): Fortpflanzung, Vererbung, Rassenhygiene, S. 1–3, hier S. 1. 30 Vgl. R. L.: Eröffnung der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden, in: Vossische Zeitung vom 06.06.1911. Abend-Ausgabe, o. S. 31 von Gruber/Rüdin (Hrsg.): Fortpflanzung, Vererbung, Rassenhygiene, S. 68.
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Bevölkerungsteile waren über die gesamten Ausführungen hinweg verteilt. Mit ihrem Aufbau reproduzierten von Gruber und Rüdin in gewisser Weise den generellen Aufbau der Gesundheitsausstellungen. Sie gingen von einer medizinischnaturwissenschaftlichen Darstellung biologischer Vererbungsvorgänge – quasi als dem Fundament des Folgenden – aus und gruppierten darum weitergehende Themen, die sich aus dem Vorhergegangenen ableiten lassen sollten und weitreichende politische Forderungen beinhalteten. Die beiden Organisatoren prägten mit diesem Aufbau einen Darstellungsmodus, der sich auf den folgenden Gesundheitsausstellungen wiederholen sollte. Darüber hinaus publizierten sie einen umfangreichen Führer für die Gruppe, der Interessierten als wissenschaftliches Referenzwerk dienen konnte.³² Die Eugeniker erregten bereits in Dresden eine gewisse Aufmerksamkeit.³³ Sie profitierten hierbei von ihrer hohen inhaltlichen Offenheit für prominente gesundheitspolitische Themen. Eugenische Positionen lassen sich daher auch an anderer Stelle in Dresden wiederfinden. Dies betraf beispielsweise den Umgang mit Sexualität und Mutterschaft. So handelte der Begrüßungsvortrag des sozialdemokratischen Reichtagsabgeordneten, Eduard David, anlässlich des I. Internationalen Kongresses für Mutterschutz und Sexualreform von „Mutterschutz und Rassenhygiene“.³⁴ Auch Helene Stöcker, Mitveranstalterin des Kongresses, verkündete, der Mutterschutz werde künftig „eine ungeahnte Verbesserung der Rasse herbeiführen und Deutschlands Weltmacht durch einen starken und gesunden Nachwuchs sicher stellen“.³⁵ Überschneidungen wiesen eugenische Positionen darüber hin-
32 Der, die eugenische Forschung kanonisierende, „Baur-Fischer-Lenz“ erschien erst zehn Jahre später im Jahr 1921. Vgl. Heiner Fangerau: Wissenschaft im Einsatz – Erwin Baur, Eugen Fischer, Fritz Lenz und ihr „Standardwerk“ zur Menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene 1921– 1940, in: Meyer-Drawe/Platt (Hrsg.): Wissenschaft im Einsatz, S. 218–242. Für eine recht positive Besprechung des Ausstellungsführers von Grubers und Rüdins vgl. Rudolf Allers: Fortpflanzung, Vererbung, Rassenhygiene. Zur Einführung in die Abteilung „Rassenhygiene“ der Internationalen Hygiene-Ausstellung, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 37 (1911) 27, S. 1276–1278. 33 Vgl. beispielsweise Emmerich: Die Dresdener Hygieneausstellung, S. 619–623, hier S. 623; Friedrich Woithe: Die wissenschaftliche Abteilung der Internationalen Hygiene-Ausstellung, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 37 (1911) 30, S. 1400–1401, hier S. 1401; Kürbitz: Die Internationale Hygiene-Ausstellung zu Dresden, S. 89–91, hier S. 91. 34 Vgl. Einladung zum I. Internationalen Kongreß für Mutterschutz und Sexualreform in Dresden am 28., 29. und 30. September 1911. HStA Dresden 10736 Ministerium des Innern/Nr. 3577, Bl. 189– 190, hier Bl. 190. 35 Helene Stöcker: I. Internationaler Kongress für Mutterschutz und Sexualmoral, in: Wissenschaftliche Rundschau 2 (1911/1912) 4, S. 90–91, hier S. 90. Stöcker selbst vertrat aus einer feministischen Perspektive eugenische Positionen. Vgl. Amy Hackett: Helene Stöcker: Left-Wing Intellectual and Sex Reformer, in: Renate Bridenthal/Atina Grossmann/Marion Kaplan (Hrsg.): When Biology Became Destiny. Women in Weimar and Nazi Germany, New York 1984, S. 109–130.
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aus mit den im Rahmen der Expositionen weit verbreiteten Warnungen vor den schädlichen Auswirkungen des Alkoholkonsums auf. Beispielsweise zitierten die Kathreiners Malzkaffee-Fabriken von Gruber sowie Kraepelin und betonten, Alkoholgenuss „vermindert die Leistungsfähigkeit, begünstigt Rohheitsverbrechen, macht die Frauen unfähig zum Stillen und läßt die nachfolgenden Geschlechter entarten.“³⁶ In ähnlicher Weise hob Karl Wilker, Vorsitzender der Gruppe „Alkoholismus“, die „erbliche Belastung“ durch den Alkoholkonsum hervor.³⁷ Am Beispiel der Familie Zéro, deren Stammbaum bis ins Jahr 1639 zurückverfolgt wurde, sowie anderer Stammbäume aus der Vineland Training School Henry Goddards versuchte er, die degenerative Wirkung regelmäßigen Alkoholgenusses zu plausibilisieren.³⁸ Damit ähnelten die Forderungen in der Gruppe „Alkoholismus“ in mancher Hinsicht denen der Gruppe „Rassenhygiene“. Dort wurde ebenfalls auf den Stammbaum der Familie Zéro verwiesen, die „den Steuerträgern, d. h. den Gesunden und Arbeitstüchtigen im Laufe der Zeit eine Last von Millionen auferlegt hat.“³⁹ Eugenische Vorstellungen standen, so lassen sich diese Beobachtungen zusammenfassen, bereits 1911 nicht allein. Gleichwohl wurden in Dresden auch die Grenzen des eugenischen Einflusses sichtbar. Die Gruppe „Rassenhygiene“ wurde zwar an mehreren Stellen besprochen, sollte auf den kommenden Expositionen jedoch noch wesentlich größere Beachtung finden. Der Eugenik war außerdem noch kein herausgehobener Standort auf dem Ausstellungsgelände zugewiesen worden. Sie befand sich in der Halle 55, die abseits vom Hauptgebäude gelegen war und darüber hinaus mit den übrigen Gruppen „Kleidung und Körperpflege, Kinder und jugendliche Personen (Industrie), Spiel und Sport“ einen völlig anderen inhaltlichen Zuschnitt hatte.⁴⁰ Auch in dem geplanten, jedoch nicht verwirklichten, fünfbändigen Ausstellungswerk sollte die Eugenik erst im letzten
36 Kathreiners Malzkaffee-Fabriken (Hrsg.): Kaffeeschänken, ihr Bau, ihre soziale Bedeutung, S. 8. 37 Wilker: Alkoholismus, Schwachsinn und Vererbung in ihrer Bedeutung für die Schule, S. 12. 38 Vgl. Ebd., S. 24–28. 39 von Gruber/Rüdin (Hrsg.): Fortpflanzung, Vererbung, Rassenhygiene, S. 101. Peter Becker hat herausgearbeitet, dass auch in der Kriminologie des „langen“ 19. Jahrhunderts Alkoholismus und Prostitution negativ besetzt waren und mit biologischer Degeneration verbunden wurden. Vgl. Peter Becker: Verderbnis und Entartung. Eine Geschichte der Kriminologie des 19. Jahrhunderts als Diskurs und Praxis, Göttingen 2002, S. 351–365. 40 In derselben Halle war allerdings auch die inhaltlich anschlussfähige Gruppe „Alkoholismus“ untergebracht.
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Band erscheinen.⁴¹ Ein Grund dafür könnte darin gelegen haben, dass die Organisatoren der Gruppe zuvor wenig Erfahrung bei der Gestaltung von Ausstellungen gesammelt hatten und es ihnen noch schwer gefallen war, das Material öffentlichkeitswirksam aufzubereiten. So hielten sie selbst ihre Exponate für derart komplex, dass es „dem auf dem Gebiete der Rassenhygiene Fremderen unmöglich ist, den Inhalt der Tabellen und Tafeln ohne ausführliche Erläuterung rasch und klar zu verstehen“.⁴² Trotzdem zeigte sich Rüdin im Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie mit dem Ergebnis der Hygiene-Ausstellung 1911 zufrieden, sah er doch allein in der Existenz der Gruppe eine Aufwertung seiner noch jungen Wissenschaft.⁴³
Eugenik und die GeSoLei 1926 Eugenische Ideen blieben auf den folgenden Schauen weiterhin präsent und erlebten schon kurz darauf einen merklichen Aufmerksamkeitsschub. Der erste Abschnitt der Wanderausstellung „Muter und Säugling“ der Volksborngesellschaft für medizinisch-hygienische Aufklärung von 1914 handelte beispielsweise von der erblichen Eignung zur Elternschaft und „schildert dann das Elend der gewissenlos Gezeugten, der durch Erbsyphilis, Augentripper, Alkoholismus, Bleivergiftung usw. zum Krüppel gemachten.“⁴⁴ Im gleichen Jahr gab es in Stuttgart ebenfalls eine eigene Gruppe „Rassenhygiene“, die bei „unheilbaren Geisteskranken, Idioten, geisteskranken Verbrechern und Gewohnheitsverbrechern“ sowie Alkoholikern forderte, deren Fortpflanzung zu verhindern, „damit ihre schlechten Anlagen nicht weiter vererbt werden.“⁴⁵ Ein Rezensent für die Blätter für Volksgesundheitspflege konstatierte, die „Sünden der Väter und Mütter, die zu einer Keimverderbnis führen, können sich auch noch an den später kommenden Enkeln und Urenkeln
41 Vgl. Karl August Lingner: Die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911. Organisation – Verlauf – Ergebnisse, Dresden 1913, S. 7–9. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./ Nr. 81, unpaginiert. 42 von Gruber/Rüdin (Hrsg.): Fortpflanzung, Vererbung, Rassenhygiene, S. 3. 43 Vgl. Ernst Rüdin: Die Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden 1911, in: Archiv für Rassenund Gesellschaftsbiologie 8 (1911) 3, S. 409–410. 44 o. V.: Eine Wanderausstellung für hygienische Volksaufklärung. Mutter und Säugling, S. 469– 474, hier S. 470. 45 H. E. Ziegler: Rassenhygiene, in: Städtisches Ausstellungsamt (Hrsg.): Ausstellung für Gesundheitspflege, S. 165–170, hier S. 169.
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rächen.“ Das unterstreiche den großen Wert der Gruppe für die „Gesunderhaltung“ sowie die „Gesundung unserer Rasse“.⁴⁶ Nach dem Ersten Weltkrieg gewannen diese Positionen an Gewicht. Beispielsweise nutzte das Deutsche Hygiene-Museum seine Einnahmen aus der Teilnahme an der Wiener Hygiene-Ausstellung von 1925, um eine eigene Gruppe „Fortpflanzung, Vererbung und Rassenhygiene“ herzustellen.⁴⁷ Auch die Wanderausstellung des Dresdner Hauses „Der Mensch in gesunden und kranken Tagen“ enthielt in der dritten Abteilung einen Abschnitt über die Pflege des Erbgutes und warnte ihre Besucher „Geh’ nicht blind in die Ehe! Laß Dich vorher beraten!“⁴⁸ Auf der GeSoLei in Düsseldorf war die Eugenik ebenfalls prominent vertreten. Dort rückte die Eugenik als zweite Hauptgruppe direkt neben den publikumswirksamen Beitrag „Der Mensch“ des Hygiene-Museums in einer der Dauerbauten von Wilhelm Kreis. Nun befand sich die „Rassenhygiene“ auch räumlich im Mittelpunkt der Schau. Insgesamt standen den Eugenikern dort 700 qm Ausstellungsfläche zur Verfügung, die mit zahlreichen Schautafeln, Exponaten sowie Informationsmaterialien mehrerer Vereinigungen wie des Deutschen Bundes für Volksaufartung und Erbkunde oder der Gesellschaft für Rassenhygiene belegt wurde.⁴⁹ Die Gruppe war ähnlich aufgebaut wie 1911. Sie vermittelte zunächst die Grundlagen der Vererbungslehre, schloss daran die Darstellung der Vererbungsvorgänge an und behandelte schließlich politische Forderungen etwa nach einer verpflichtenden eugenischen Eheberatung vor der Hochzeit. Anders als 1911 bemühten sich die Eugeniker dieses Mal darum, Fachausdrücke möglichst zu vermeiden, da „das Verständnis des Dargestellten für das Laienpublikum durch die Beschriftung nicht erschwert, sondern erleichtert werden soll.“⁵⁰ Selbst wenn dies, wie Franz Schütz kritisch anmerkte, nicht in jedem Fall gelang, richtete sich die Gruppe nun merk-
46 Alex Lipschütz: Die Ausstellung für Gesundheitspflege in Stuttgart, in: Blätter für Volksgesundheitspflege 14 (1914) 8, S. 169–171, hier S. 170. 47 Vgl. Deutsches Hygiene-Museum. Bericht über das Geschäftsjahr und das Rechnungswerk 1925/1926 sowie Haushaltsplan 1926/1927. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./ Nr. 43, Bl. 92–96, hier Bl. 92. 48 Deutsches Hygiene-Museum Dresden, Zentral-Institut für Volksgesundheitspflege Dresden (Hrsg.): Führer durch die Ausstellung Der Mensch in gesunden und kranken Tagen, S. 51. 49 Die Gesellschaft für Rassenhygiene ließ die Verlagsbuchhandlung Alfred Metzner Mitte 1926 allein 18 500 rassenhygienische Leitsätze sowie 20 000 weitere Drucksachen nach Düsseldorf schicken. Vgl. Schreiben Verlagsbuchhandlung Alfred Metzner an den GeSoLei-Vorstand vom 23.07.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1071, Bl. 8; Schreiben des Deutschen Bundes für Volksaufartung und Erbkunde an die „Gesolei“ Abteilung für Rassenhygiene vom 11.08.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1071, Bl. 6. 50 Schütz: Die Rassenhygiene auf der Düsseldorfer Ausstellung, S. 437–439, hier S. 439.
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lich an eine breite Öffentlichkeit. Sie erzielte mit dieser Neuausrichtung auch eine größere Aufmerksamkeit, wurde in mehreren Zeitungs- wie Zeitschriftenartikeln beachtet und sogar als besonders gelungener Beitrag mit einer goldenen Reichsmedaille ausgezeichnet.⁵¹ Auch in den offiziellen Publikationen der GeSoLei nahm die Eugenik nun mehr Raum ein. Stärker als in Dresden wurde sie in Beziehung zu den Folgen des Weltkriegs, zur „Qualität“ der Bevölkerung und zum Teil schon der „Rasse“ gesetzt. Otto Krohne, Vorsitzender der Gruppe, stellte beispielsweise in einem Artikel für die GeSoLei Zeitschrift den Beitrag der Eugeniker in den direkten Kontext mit den vergangenen Kriegszeiten. Deren Folge sei ein „erheblich geschwächtes Menschenmaterial“, das er „für die Erziehung eines widerstandsfähigen Nachwuchses nur in bedingtem Maße“ geeignet hielt.⁵² Durch den Krieg habe, so Krohne weiter, die Konstitution vieler Deutscher derartigen Schaden genommen, dass auch deren Nachkommen mit großer Wahrscheinlichkeit Mängel aufweisen werden. Dies barg für ihn die Gefahr einer langfristigen Degeneration des deutschen „Volkskörpers“. Um das zu verhindern, empfahl er die Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes der gesamten Bevölkerung, die Einführung eugenischer Eheberatungen sowie die Begrenzung der Fortpflanzung auf den gesunden Bevölkerungsteil.⁵³ Theodor Bürgers trat ebenfalls für die Eugenik ein, wenn er erklärte, ihre Aufgabe sei der „Schutz der wertvollen Erbstämme eines Volkes, im Interesse des einzelnen wie der Gesamtheit, im Interesse der noch Ungeborenen. [. . . ] Raubbau mit dem vorhandenen Erbgut ist nicht mehr am Platze“.⁵⁴ Stattdessen sollte die Bevölkerung den Vorgaben von Individual- wie Sozialhygiene folgen und ihren Körper gesund erhalten. Auch in anderen Bereichen der Exposition machte sich die Ausbreitung eugenischer Ideen bemerkbar. Personen wie Hermann Muckermann, prominentester
51 Vgl. Martin Vogel: Das Deutsche Hygiene-Museum auf der Gesolei. „Der Mensch“, in: Otto Teich-Balgheim (Hrsg.): Die Gesolei in Wort und Bild, Düsseldorf 1926, S. 18–28, hier S. 28. 52 Otto Krohne: Über die Bedeutung der Rassenhygiene für die Volksgesundheit, in: Gesolei. Zeitschrift der Grossen Ausstellung Düsseldorf für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1 (1926) 8, S. 141–143, hier S. 141. 53 Vgl. Ebd. 54 Theodor Bürgers: Die Bedeutung der Hauptabteilung Gesundheitspflege, in: Schloßmann (Hrsg.): Große Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. Amtlicher Katalog, S. 79–154, hier S. 87. Damit ähnelten Bürgers’ Ausführungen denen Eugen Fischers anlässlich der Gründung des KWI-A. Dessen „eigentliche und letzte Aufgabe“ sah er darin, „an der Erhaltung von Erblinien zu arbeiten, sie zu studieren und günstig zu beeinflussen, sie von den Schädigungen unserer Kulturmaßnahmen freizuhalten oder wieder zu befreien“. Eugen Fischer: Aufgaben der Anthropologie, menschlichen Erblichkeitslehre und Eugenik, in: Die Naturwissenschaften 14 (1926) 32, S. 749–755, hier S. 755.
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Protagonist einer katholischen Eugenik im Deutschen Reich, wurden in die Ausschüsse weiterer Gruppen – in diesem Beispiel zum Thema Volkskrankheiten, Volksgebrechen und Volksunsitten – eingeladen.⁵⁵ Andere Akteure wie Vertreter der Familien- und Ahnenforschung oder der Reichsbund der Kinderreichen bemühten sich aktiv darum, in räumlicher Nähe zur Gruppe „Rassenhygiene“ ausstellen zu dürfen.⁵⁶ Die Kinderreichen legten allerdings Wert darauf, zwar „an die Abteilung Rassenhygiene angegliedert, aber [. . . ] unabhängig von dieser“ zu sein.⁵⁷ In Düsseldorf forderten sie Gesundheitszeugnisse vor der Ehe, finanzielle Entlastungen von Familien, um den Geburtenrückgang aufzuhalten und wandten sich gegen Alkoholkonsum sowie Geschlechtskrankheiten. Auch die „Krüppelfürsorge“ war auf der GeSoLei und in den kommenden Jahren offen für eugenische Argumente, insbesondere im Zusammenhang mit der präventiven Verhinderung erblicher Behinderungen.⁵⁸ Zuletzt enthielt die vom KAVH mitverantwortete Gruppe „Säuglings- und Kleinkinderfürsorge“ ebenfalls eugenische Inhalte. Mit Blick auf erbliche Krankheiten oder Behinderungen organisierte das KAVH etwa ein eigenes Angebot zur Eheberatung.⁵⁹ Für dieses Angebot wurden Exponate der Gruppe „Rassenhygiene“ reproduziert und ein zweites Mal auf der Schau ausgestellt.⁶⁰ Und dies war nicht der einzige Ausstellungsbereich, in dem sich mit eugenischen Vorstellungen aufgeladene Objekte fanden.⁶¹ Beispielsweise wurden Stammbäu-
55 Vgl. Niederschrift über die 1. Sitzung der Gruppe Volkskrankheiten, Volksgebrechen und Volksunsitten vom 08.06.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1463, unpaginiert; Schreiben Schloßmann an Dr. Kruse vom 02.03.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1014, Bl. 50. Er war aber schließlich wohl doch nicht an der GeSoLei beteiligt. 56 Vgl. A. Beckel: Die Familienforschung auf der Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen in Düsseldorf 1926, Bonn o. J., S. 2; Schreiben von Vogel an Fetscher vom 02.04.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1471, unpaginiert. 57 Engelsmann: Der Reichsbund der Kinderreichen auf der Gesolei, S. 81–82, hier S. 81. 58 Hellmut Eckhardt forderte beispielsweise in einem Aufsatz, die „aus der Erforschung der Vererbungsgesetze gewonnenen Tatsachen“ müssten „soweit als irgend möglich in der Praxis Anwendungen finden“, um das Auftreten „angeborenen Krüppeltums“ möglichst zu verhindern. Hellmut Eckhardt: Vorbeugung des Krüppeltums, in: Zeitschrift für Krüppelfürsorge 22 (1929) 9/10, S. 181–194, hier S. 192–193. Vgl. außerdem Weinert: Die ‚Krüppelfürsorge‘ in der Weimarer Republik, S. 64–76. 59 Vgl. Übersicht „Halle 30c Gruppe Säuglings- und Kleinkinderfürsorge“. StdA Düsseldorf 0–1– 3–1525, unpaginiert. 60 Dies betraf beispielsweise die Mustervorlage eines Gesundheitszeugnisses, eine Tafel über „Beruf und Heiratsalter“ sowie eine Übersicht über die wichtigsten Erbkrankheiten. Außerdem sollte der Stammbaum eines besonders Begabten gezeigt werden. Vgl. Schreiben von Vogel an das Deutsche Hygiene Museum Dresden vom 12.02.1926. StdA Düsseldorf 0–1–18–1471, unpaginiert. 61 Für die Hauptgruppe „So“ erbaten sich die Veranstalter von Rüdin drei Bilder zu den Themen „Familiensitte sollte es sein, bei der Verlobung Gesundheitszeugnisse auszutauschen“, „Sinn
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me oder tabellarische Darstellungen „minderwertiger“ Familien wie der Familie Kallikak, der „Verbrecherfamilie Braun“ oder der Familie Zéro auf der GeSoLei an zahlreichen Stellen gezeigt. Damit rückte – analog zur Ende des 19. Jahrhunderts einsetzenden Verschiebung des kriminalbiologischen Interesses von der Biographie zur Genealogie des Verbrechers – die Vererbbarkeit körperlicher oder geistiger Eigenschaften sowie sozialer Merkmale in den Vordergrund.⁶² Das Thema Erblichkeit war damit auf der GeSoLei derart präsent, dass sich die Verantwortlichen der Gruppe „Tuberkulose“ sogar zu der Klarstellung genötigt fühlten, Tuberkulose sei lediglich ansteckend und nicht vererbbar.⁶³ Selbst im Pavillon „Hygiene der Juden“ fanden sich eugenische Abschnitte. Dort legten die Organisatoren durch Tabellen die „Ergebnisse der im Entstehen begriffenen Familien- und Erblichkeitsforschung der Juden, über die merkwürdigen Wege, auf denen sich charakteristische Eigentümlichkeiten, Taubheit oder musikalische Begabung, Rothaarigkeit oder Schielen, in verschiedenen Generationen der gleichen Familie vererben“ dar und beklagten die Gefahr des Geburtenrückgangs unter deutschen Juden für deren Fortbestand.⁶⁴
Die 1930er Jahre Eugenik und Erblichkeit blieben in den folgenden Jahren ein Thema der hygienischen Volksbelehrung. So wurden etwa von Rainer Fetscher eugenische Forschungen und Forderungen in einer populärwissenschaftlichen Veröffentlichung für die Reihe „Leben und Gesundheit“ des Dresdner Hygiene-Museums einem breiten Publikum näher gebracht. Das Buch enthielt zahlreiche Abbildungen von Lehrmitteln der Dresdner und erfuhr mehrere Auflagen.⁶⁵ In dem 1930 von Martin Vogel herausgegebenen Band „Der Mensch“ setzte sich Roderich von Engelhardt der Ehe sind Kinder“ sowie „Trinker eignen sich nicht zur Ehe“. Zudem stellte er der Gruppe Fürsorge für Nervenkranke gleich sechs Schautafeln zur Verfügung. Vgl. Aufstellung des für die Mädchenberufsschule gewünschten wissenschaftlichen Materials aus der Gesolei. StdA Düsseldorf 0–1–3–687. Bl. 335; Verzeichnis der vom Prof. Rüdin, Basel (Schweiz), Psychiatri. Klinik Friedmatt zur Verfügung gestellten Tafeln. StdA Düsseldorf 0–1–18–1472, unpaginiert. 62 Zur kriminologischen Entwicklung vgl. Becker: Verderbnis und Entartung, besonders S. 340– 351. 63 Vgl. Führer durch Halle 30h (Tuberkulose). StdA Düsseldorf 0–1–18–1525, unpaginiert. 64 o. V.: Große Ausstellung Düsseldorf 1926. Führer durch die Sondergruppe „Hygiene der Juden“, S. 8. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD, ADW, CA 1214 Vol. III. 65 Bemerkenswerterweise gebrauchte Fetscher für die erste Auflage der Schrift noch den Begriff „Rassenhygiene“ statt Eugenik. Von diesem wandte er sich in der zweiten Auflage ab, da er „sich davon überzeugt hat, daß ‚Rassenhygiene‘ zahlreichen Mißdeutungen ausgesetzt ist und zudem oft genug für Bestrebungen mißbraucht wird, die mit Wissenschaft nichts zu tun haben.“ Fetscher: Grundzüge der Eugenik, S. 5.
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mit der durch Erbanlage mitbestimmten Konstitution des Individuums auseinander und Fetscher widmete ein Kapitel der Vererbung körperlicher oder geistiger Eigenschaften sowie von Krankheiten.⁶⁶ Auf der Zweiten Internationalen HygieneAusstellung Dresden 1930/31 befanden sich mit den Gruppen „Menschenkunde“, die „Frau als Gattin und Mutter“ sowie „Vererbung und Eugenik“ gleich drei einschlägige Gruppen an einer exponierten Stelle im ersten Stock des Hauptgebäudes des Hygiene-Museums.⁶⁷ Darüber hinaus präsentierte sich der Bund der Kinderreichen ein weiteres Mal.⁶⁸ Neben die bereits 1930 vorhandenen Gruppen trat 1931 die außerhalb des Museumsgebäudes gelegene Gruppe „Bevölkerungspolitik“ hinzu, die „eine gedrängte Übersicht über die Probleme der Bevölkerungsstatistik“ bot.⁶⁹ Für 1930 hob Seiring im Vorfeld der Exposition hervor, dass „die Frage der Vererbung und Eugenik, die im Jahre 1911 nur andeutungsweise gezeigt werden konnte“, nun größeren Raum einnehmen würde.⁷⁰ Ein Jahr zuvor hatte während der zweiten Sitzung des Wissenschaftlichen Ausschusses schon Karl Süpfle gefordert, in den Gruppen „Rassenhygiene“ sowie die „Frau als Gattin und Mutter“ den Geburtenrückgang zu thematisieren sowie vom Publikum „Rücksicht auf den Bestand des Volkes“ einzufordern.⁷¹ 1931 betonte Friedrich August Weber, der Gegensatz zwischen Allgemeinverständlichkeit und Wissenschaftlichkeit, der auf der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung eine breite Rezeption der Gruppe „Rassenhygiene“ verhindert habe, sei nun in der Gruppe „Vererbung und Eugenik“ aufgehoben worden.⁷² Tatsächlich fanden die Objekte des Hygiene-Museums wie die Schautafel zur Familie Kallikak die Beachtung selbst von Akteuren mit anders gelagerten Schwer-
66 Vgl. Roderich von Engelhardt: Vom Menschen zum Menschen, in: Vogel (Hrsg.): Der Mensch, S. 1–9; Fetscher: Körper- und Lebensgestaltende Faktoren, S. 340–356. 67 Vgl. Drucksache Internationale Hygiene Ausstellung Dresden 1930, S. 10. GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vc Sekt. 1 Tit. XI Teil VI Nr. 20, Bd. 4, Bl. 72–87. 68 Vgl. Schreiben des Reichsbunds der Kinderreichen Deutschlands an Taute vom 05.09.1929. BArch Berlin R 1501/126235, Bl. 146–148. 69 Drucksache: Dresden: Mai – September 1931. Internationale Hygiene-Ausstellung, S. 17. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 88, Bl. 189. 70 Georg Seiring: Die Internationale Hygiene-Ausstellungen in Dresden 1911 und 1930, in: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden. Mai – Okt. 1930. Offizielle Ausstellungszeitung 1 (1930) 2, S. 2. 71 Bericht über die 2. Sitzung des Wissenschaftlichen Ausschusses am 16. April 1929 vorm. 9 Uhr. BArch Berlin R32/77, Bl. 85–92, hier Bl. 86. 72 Vgl. Weber: Die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 als Wegweiser und Wegbereiter späterer Arbeit, S. 163–204, hier S. 192.
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punkten wie dem Deutschen Metallarbeiterverband.⁷³ Damit erhielten die eugenischen Gruppen, deren Aufbau im Wesentlichen denselben Mustern folgte wie ihre Vorgängerinnen, einen spürbaren Aufmerksamkeitsschub. Doch wie schon in den Jahren zuvor reichte ihr Einfluss weiter und erstreckte sich auf zahlreiche andere Themen. Dies traf beispielsweise auf die Gruppe „Gesundes Seelenleben“ zu, die sich mit der psychischen Hygiene beschäftigte.⁷⁴ Dort wurden im Zusammenhang mit der Vererbbarkeit psychischer Krankheit unter anderem „jene krankhaften Vorgänge“ vorgestellt, die „der Veredelung [der Nachkommenschaft S. W.] entgegenwirken.“⁷⁵ Ziel der psychischen Hygiene sei, so ein zeitgenössischer Beobachter, nicht die Pflege von „Durchschnittsmenschen“ oder gar seelisch „Minderwertiger“, sondern im Gegenteil die „seelische Steigerung und Ertüchtigung des einzelnen und der Gesamtheit“ zu fördern sowie „Entfaltungsmöglichkeiten für alle wertvollen Anlagen, Ausschaltung, Bekämpfung und Umbiegung der minderwertigen Anlagen“ zu garantieren.⁷⁶ Da allerdings das Maß der potentiellen Verbesserung durch die Erbanlagen bestimmt sei und sich im Falle körperlicher „Abnormitäten und Geisteskranken“ die schlechte „Anlage mit einer gewissen Zwangsläufigkeit“ durchsetze, trat der Kommentator der Gruppe für positive wie negative eugenische Maßnahmen ein und forderte das Fortpflanzungsverbot für Menschen mit geistigen Behinderungen.⁷⁷ Denn gerade bei diesen Bevölkerungsteilen sei davon auszugehen, dass sich ihre „Anlage in sozialer Verwahrlosung oder aber Kriminalität äußert.“⁷⁸ Die Gruppe beinhaltete „Leitsätze über Ehetauglichkeit und Eheuntauglichkeit“, die neben der Sterilisation von Menschen mit „erblichen Geisteskrankheiten“ die verpflichtende ärztliche Beratung von Kindern oder Ge-
73 Vgl. Deutscher Metallarbeiterverband. Verwaltungsstelle Dresden. Anleitung zur Besichtigung der Hygiene-Ausstellung. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 95, Bl. 1–3, hier Bl. 2. 74 Zur psychischen Hygiene vgl. aus einer niederländischen Perspektive Leoni de Goei: De psychohygiënisten. Psychiatrie, cultuurkritiek en de beweging voor geestelijke volksgezondheid in Nederland 1924–1970, Nijmegen 2001. 75 A. A. Friedländer: Von der Internationalen Hygieneausstellung in Dresden, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 77 (1930) 40, S. 1716–1717, hier S. 1717. Mit der Erforschung der Vererbbarkeit psychischer Erkrankungen beschäftigt sich Andrea Adams: Psychopathologie und „Rasse“. Verhandlungen rassischer Differenz in der Erforschung psychischer Leiden (1890–1930), Bielefeld 2013. Eines ihrer Ergebnisse ist, dass gerade quantifizierende Verfahren dazu beitrugen, das unsichere Wissen der Psychopathologie zu stabilisieren. 76 L. Gaupp: Einiges aus dem Gebiete der Seelischen Hygiene, in: Gesundheitslehrer 33 (1930) 11, Ausgabe B, S. 105–106, hier S. 106. 77 Ebd., S. 106. 78 L. Gaupp: Einiges aus dem Gebiete der Seelischen Hygiene. Unter Zugrundelegung der Abteilung „Seelische Hygiene“ auf der Internationalen Hygiene–Ausstellung Dresden 1930, in: Gesundheitslehrer 33 (1930) 12, Ausgabe B, S. 118–119, hier S. 119.
6.1 Die Ausbreitung eugenischen Denkens auf den Gesundheitsausstellungen |
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schwistern „Geisteskranker“ empfahlen. Außerdem erklärten sie Personen, die „an nicht erblichen, heilbaren Krankheiten leiden“ bis zur Genesung als eheuntauglich und forderten von Gesunden, aus „Rücksicht auf die künftige Nachkommenschaft Ehen mit erbkranken Personen“ zu vermeiden. Abschließend beschwor die Gruppe den „Wille[n] der Gesamtheit zur Verhinderung der Degeneration, der Wille zur Regeneration, zur Hebung und Steigerung der seelischen Gesundheit und Tüchtigkeit“.⁷⁹ Daneben ließen sich eugenische und kollektivistische Vorstellungen auch in den staatlichen, eher sozialfürsorgerisch ausgerichteten Gruppen verfolgen. Vor allem wurde die Eugenik in der kulturhistorischen Schau des Deutschen Reiches zum Thema gemacht, selbst wenn sich die Eugeniker nicht angemessen in der Schau berücksichtigt fühlten.⁸⁰ Diese umfasste eine eigene Untergruppe XVII „Eugenik“, die vom preußischen Ministerialrat Arthur Ostermann geleitet wurde. Unter Verweis auf entsprechende Maßnahmen in Schweden, Norwegen, Dänemark und den USA wurden an dieser Stelle Eheberatungen, Gesundheitszeugnisse und bei „schweren Erbkrankheiten (Geisteskrankheiten, Schwachsinn, Epilepsie)“ Eheverbote verlangt.⁸¹ Die Untergruppe führte die hohe finanzielle Belastung der öffentlichen Hände durch die „erblich Kranken und Belasteten“ an und trat für eine Verstärkung eugenisch ausgerichteter Volksbelehrung sowie der wissenschaftlichen Forschung auf diesem Gebiet ein.⁸² Darüber hinaus behandelten eine Reihe weiterer Teilnehmer eugenisch konnotierte Themen. Dies traf nicht nur auf die Untergruppe IX „Geschlechtskrankheiten“ zu, die sich unter anderem mit den Gefahren der Geschlechtskrankheiten für die Nachkommen beschäftigte.⁸³ Auch die Untergruppe XIII „Fürsorge für Blinde und Taubstumme“ beinhaltete eugenische Ideen. In der ursprünglichen Planung war sie einer Gruppe über „Fürsorge für geistig und seelisch Anormale, Eugenik, Konstitutionenlehre sowie Fürsorge für Taubstumme und Blinde“ zugeordnet. Erst nach der Intervention der Diakonie werteten sie die Verantwortlichen zu einer eigenen Untergruppe auf.⁸⁴ Dort wandte sich Harmsen unter dem Stichwort „Lebensunwertes Leben“ entschieden 79 Ebd., S. 119. 80 Darauf deutet zumindest das Schreiben von Arthur Ostermann an Rott vom 11.04.1930 hin, in dem er sich über Raumeinschränkungen zugunsten anderer Themen beklagte. Vgl. BArch Berlin R 1501/126345, Bl. 160. 81 Taute/Hamel/Rott (Hrsg.): Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens, S. 126. 82 Ebd., S. 127. 83 Vgl. Ebd., S. 79. 84 Vgl. Ausstellungsplan „Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens“ vom 20.06.1929, S. 24–25. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/G Nr. 421; Schreiben des Diakonischen Werks an Vöhringer vom 16.06.1929. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/G Nr. 422, unpaginiert.
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gegen die „Euthanasie“ kranker Menschen und betonte stattdessen die Aufgabe der Gesellschaft, sich mit „deren Dasein und den in diesen zutage tretenden Verkettungen von Kollektiv- und Einzelschuld auseinanderzusetzen.“ Auf der anderen Seite betonte er aber im Falle von vererbbaren Krankheiten die „Pflicht, ihre Entstehung durch ethische- religiöse-, soziale- oder hygienische Arbeit zu verhindern.“⁸⁵ Hiermit nahm Harmsen die Ergebnisse der Fachkonferenz für Eugenik vorweg, die der Central-Ausschuss der Inneren Mission ein Jahr später eingesetzt hatte. In dieser Konferenz einigten sich die Teilnehmer darauf, weiterhin am Gebot der unbedingten Unversehrtheit des Leibes festzuhalten. Führten aber die „von Gott gegebenen Funktionen [des Körpers S. W.] zum Bösen oder zur Zerstörung seines Reiches in diesem oder jenem Glied der Gemeinschaft, so besteht nicht nur ein Recht, sondern eine sittliche Pflicht zur Sterilisierung aus Nächstenliebe und Verantwortung, die uns nicht nur für die gewordene, sondern auch die kommende Generation auferlegt ist.“⁸⁶ Eugenische Vorstellungen – das zeigen die im Rahmen der Gesundheitsexpositionen fassbaren Beispiele – hatten sich in den 1920er Jahren zu einem bedeutenden Bezugspunkt im Körperdiskurs entwickelt. Die Eugenik war zu einer einflussreichen Stimme geworden, die mit ihren Positionen Anknüpfungspunkte zu zahlreichen weiteren Themen hatte und von vielen Akteuren auch als wissenschaftliche Referenzgröße verstanden wurde. Eugenische Ideen waren auf den Schauen an vielen Stellen vertreten und lassen sich weder in politischer und weltanschaulicher Hinsicht noch im Hinblick auf einzelne Professionen oder religiöse Überzeugungen zuordnen. Selbst Sozialisten und Juden befanden sich unter ihren Befürwortern.⁸⁷ Sozialhygiene und Eugenik verschwammen auf den Ausstellungen in immer stärkerem Maße, die Unterscheidung zwischen „Minderwertigen“ und
85 Harmsen: Fürsorge für Blinde und Taubstumme. Entwurf einer Legende, 1. Entwurf vom 18.12.1929, S. 13. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/G Nr. 424, unpaginiert. 86 Hans Harmsen: Gegenwartsfragen der Eugenik, in: Die Innere Mission im evangelischen Deutschland 26 (1931) 11, S. 336–339, hier S. 339. Die eugenischen Positionen innerhalb der Inneren Mission behandelt Sabine Schleiermacher: Sozialethik im Spannungsfeld von Sozial- und Rassenhygiene. Der Mediziner Hans Harmsen im Centralausschuß für die Innere Mission, Husum 1998. 87 Die politische Offenheit der Eugenik betont unter anderem Michael Schwartz: Sozialistische Eugenik. Eugenische Sozialtechnologien in Debatten und Politik der deutschen Sozialdemokratie 1890–1933, Bonn 1995. Für die Bedeutung der jüdischen Eugenik vgl. v. a. Veronika Lipphardt: Biologie der Juden. Jüdische Wissenschaftler über „Rasse“ und Vererbung 1900–1935, Göttingen 2008; Dies.: „Jüdische Eugenik“. Deutsche Biowissenschaftler mit jüdischem Hintergrund und ihre Vorstellung von Eugenik (1900–1935), in: Regina Wecker/Sabine Braunschweig/Gabriela Imboden u. a. (Hrsg.): Wie nationalsozialistisch ist die Eugenik? Internationale Debatten zur Geschichte der Eugenik im 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2009, S. 151–163.
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„Hochwertigen“ wurde zu einer Basisoperation der Teilnehmer. Damit ging zunehmend die Bereitschaft einher, den Einzelnen aus normativen, ökonomischen, politischen oder medizinischen Gründen zu diskriminieren oder seinem Körper irreversible Schäden zuzufügen.
Rassenhygiene auf den NS-Expositionen Die NS-Ausstellungen konnten an diese Positionen anschließen. Sie verwendeten auch zu einem nicht geringen Teil frühere Exponate weiter. Nun waren allerdings die deutsche „Rasse“ und die Rassenhygiene unangefochten das dominierende Interpretament der Gesundheitsexpositionen. Auch die hygienische Volksbelehrung richtete sich inhaltlich an dem rassenhygienischen Paradigma aus. Das HygieneMuseum hatte schon Anfang 1933 damit begonnen, die Produktion von Materialien zu den Themengebieten Vererbungslehre, Rassenhygiene und Rassenkunde auszuweiten.⁸⁸ 1935 sollte es sich nach dem Willen des amtierenden Vorstandsvorsitzenden Ernst Wegner noch „mehr vom Individuum zum Volk“ entwickeln.⁸⁹ Auch das KAVH veränderte nach Umbaumaßnahmen in den Jahren 1934 und 1935 seine Ausrichtung und bezog nun Rassenkunde und Eugenik in ihr Programm mit ein. Als Auftakt ihrer Dauerausstellung stellte es die Ergebnisse der Zwillingsforschung vor, wies „auf die Ausmerzung der Erbkranken und die Förderung der Erbgesunden“ hin und beschäftigte sich abschließend mit der „Vermehrungskraft der Minderwertigen gegenüber den Gesunden“ sowie den daraus für die „Volksgemeinschaft“ entstehenden finanziellen Belastungen.⁹⁰ Erst im Anschluss daran folgten Kojen zu Themen wie Schwangerschaft und Neugeborenenzeit, Anatomie und Physiologie von Säuglingen oder die Pflege von Säuglingen sowie Kleinkindern.⁹¹ Schon 1933 begannen die Vorbereitungen für die Schau „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“. Gerade der vom Hygiene-Museum verantwortete rassenhygienische Teil der Exposition bereitete den Organisatoren jedoch zu Beginn Schwierigkeiten. Denn während der Vorbereitungszeit musste dieser Bereich aufgrund von Änderungswünschen seitens der Sachverständigenkommission der Schau, unterschiedlicher Parteiorgane und der Ausstellungsleitung des Messeamts mehrfach
88 Vgl. Bericht des Vorstandes der Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf in Dresden über das Geschäftsjahr 1933. HStA Dresden 13688 Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf/ Nr. 3, Bl. 20–23, hier Bl. 22. 89 Protokoll der Vorstandssitzung des Deutschen Hygiene-Museums vom 14.06.1935. HStA Dresden Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 49, Bl. 25–27, hier Bl. 25. 90 o. V.: Das Museum für Säuglingskunde im Kaiserin Auguste Victoria Haus, S. 28–29, hier S. 29. 91 Vgl. Ebd., S. 29.
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überarbeitet werden, so dass das Dresdner Haus für die Herstellung der Abteilung mehr Mittel aufwendete als die ursprünglich veranschlagten 30 000 Reichsmark.⁹² „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ galt den Organisatoren zwar „als erste Jahresschau der nationalen Arbeit“, sollte in der Bevölkerung darüber hinaus jedoch das „Bewusstsein der gegenseitigen Bedingtheit von Volk und Rasse, von Staat und Volk, von Volk und Wirtschaft“ fördern.⁹³ Bruno Gebhard konstatierte, Ziel der Abteilung „Deutsches Volk“ sei es, den Besucher „über die Grundfragen der Volksgesundheit, nämlich der Rassenhygiene“ aufzuklären.⁹⁴ Der gesunde, „rassenreine Volkskörper“ bildete für die Veranstalter die Voraussetzung für den ökonomischen Aufstieg, die Reduzierung der Arbeitslosenzahlen und das Erreichen der wirtschaftlichen Autarkie in Deutschland. Die Abteilung „Deutsches Volk“ bot deswegen zunächst eine „Rassenkunde des deutschen Volkes“.⁹⁵ Sie erklärte dem Publikum die Herkunft der „Germanen“ sowie der „Arier“, widmete sich „deutschem Blutund Kulturerbe“ und versuchte insbesondere, die großstädtischen Besucher für die „Bedeutung von Blut und Boden“ zu sensibilisieren.⁹⁶ Die „nordische Rasse“ wurde hier zum „Blutband“, das die deutsche „Volksgemeinschaft“ zusammenhielt.⁹⁷ Die Exposition setzte sich mit dem „Geburtenrückgang“, der „Benachteiligung der erbgesunden Familien“ sowie der „Rassenmischung und Entartung der deutschen Familie“ auseinander. Sie legte die „Vererbung körperlicher und geistiger Eigenschaften, die drohende Gefahr durch ungleiche Fortpflanzung von erbgesunden und erbkranken Volksteilen“ dar, präsentierte die möglichen „öffentlichen und persönlichen Maßnahmen der Rassenhygiene“ und thematisierte gesundheitspolitische Schritte der NS-Regierung wie das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses.⁹⁸ Rassenhygienische Positionen, der Nationalsozialismus als „an-
92 Vgl. Deutsches Hygiene-Museum e. V. Dresden. Bericht über das Geschäftsjahr 1933/34 sowie Haushaltsplan 1934/1935. HStA Dresden 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V./Nr. 12, Bl. 11–19, hier Bl. 13–14. 93 Niederschrift über die Sitzung des Arbeitsausschusses am 09.10.1933 vormittags 10 Uhr. BArch Berlin R 3901/7247, Bl. 64–72, hier Bl. 65–66. 94 Ebd., Bl. 67. Hervorhebung im Original. 95 Unter der Schirmherrschaft des Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg. Ausstellung Deutsches Volk – Deutsche Arbeit. Berlin 1934. 17. März – 1. Mai. Programm. LA Berlin A Rep. 015–02/ Nr. 32091, unpaginiert. 96 Gebhard/Maiwald: Ein Rundgang durch die Ausstellung, S. 183–221, hier S. 184–186. 97 o. V.: Deutsches Volk – Deutsche Arbeit, S. 87–88, hier S. 87. 98 Unter der Schirmherrschaft des Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg. Ausstellung Deutsches Volk – Deutsche Arbeit. Berlin 1934. 17. März – 1. Mai. Programm. LA Berlin A Rep. 015–02/ Nr. 32091, unpaginiert. Hervorhebung im Original.
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gewandte Rassenkunde“⁹⁹ und rassische Vorstellungen dominierten die früheren medizinisch-naturwissenschaftlichen Inhalte der Expositionen aus Kaiserreich und Weimarer Republik; sie definierten nun den Deutungsrahmen, innerhalb dessen auf den individuellen wie kollektiven „Volkskörper“ geblickt wurde. Entsprechend präsent waren auch auf der Ausstellung und in den Veröffentlichungen über sie Themen, die auf die Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsteile zielten. Beispielsweise ließen die, so eine Rezensentin für die Zeitschrift „Die Technische Assistentin“, auf der Schau gezeigten „furchtbaren Bilder der erblich Belasteten, die mit einem ungeheuren Kostenaufwand unterhalten werden müssen“ und die Darstellung der Vererbungsregeln ausgesuchter Krankheiten die Sterilisierung der Betroffenen notwendig, gar wünschenswert erscheinen.¹⁰⁰ Im Katalog zur Exposition stellte Arthur Gütt die bevölkerungspolitische Gesetzgebung der Nationalsozialisten dar. Er verwies auf die Familienförderung durch die Regierung, beschrieb jedoch vor allem ihre aggressive Bevölkerungspolitik. Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums galt ihm als Maßnahme „gegen die rassische Zersetzung, insbesondere die Zunahme des jüdischen Einflusses innerhalb unseres Volkskörpers“ und das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses als Mittel, die künftige Belastung der Gesellschaft durch „Erbkranke“ niedrig zu halten. Durch das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsund Sittlichkeitsverbrecher werde schließlich das „deutsche Volk nicht nur vor Verbrechern geschützt, sondern durch Maßnahmen der Sicherungsverwahrung vor Gewohnheitsverbrechern und durch Entmannung von Sittlichkeitsverbrechern auch vor ihrem Nachwuchs bewahrt werden.“¹⁰¹ Im Gegensatz zu den früheren Gesundheitsausstellungen stand auf der „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ somit nicht der Körper, sondern die „Rasse“ im Zentrum, von der ausgehend die politischen Forderungen der Schau entwickelt wurden. Die „Wunder des Lebens“ 1935 machte dagegen wieder den Körper – auch in Form des „Gläsernen Menschen“ als Attraktion und wichtigstes Exponat – zu ihrem Ausgangspunkt. Die Schau war zwar als eine Fortsetzung der Veranstaltung von 1934 gedacht und auch hier sahen die Veranstalter in „Rasse und Blutswert“ die eigentlichen „Garanten der deutschen Zukunft.“¹⁰² Gleichwohl wurde 1935 wieder
99 o. V.: Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ in Berlin. Die erste Jahresschau nationaler Arbeit, S. 5–6, hier S. 6. 100 Körner: „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“, S. 163–166, hier S. 164. 101 Gütt: Die Bevölkerungspolitische Gesetzgebung seit dem 30. Januar 1933, S. 61–65, hier S. 63– 64. 102 o. V.: Rundgang durch die Ausstellung „Das Wunder des Lebens, Berlin 1935“ 23. März bis 5. Mai 1935, S. 2–4, hier S. 3.
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„der Mensch in den Mittelpunkt der gesamten Ausstellung“ gestellt.¹⁰³ Die klassischen, schon aus älteren Gesundheitsausstellungen bekannten, Ausführungen über Aufbau und Funktionsweise des Körpers, Formen und Übertragungsweisen von Krankheiten bis hin zu den gesundheitlichen Vorteilen einer systematischen Körperpflege nahmen wieder einen größeren Raum ein; der medizinischnaturwissenschaftlich erschlossene Körper bildete wieder den Auftakt, von dem aus weitergehende Zusammenhänge behandelt wurden. Dies bedeutete allerdings nicht die Rückkehr zu den Gestaltungsprinzipien des Kaiserreichs oder der Weimarer Republik. Im Gegensatz zu früheren Expositionen gliederten die Veranstalter der „Wunder des Lebens“ das Material nicht mehr nach Themengebieten, sondern ordneten es eher einem chronologischen Lebenszyklus folgend an.¹⁰⁴ Beginnend mit dem Körper als „Werk“, das „in seiner Vielseitigkeit alle Leistungen der Technik weit hinter sich lässt“, führte die Schau ihre Besucher anschließend vom Individuum zur „Blut- und Rassengemeinschaft, zur Vererbung, zur Familie.“¹⁰⁵ Die Abhängigkeit jedes Einzelnen von seinem Erbgut blieb dadurch das alle Gruppen überspannende Hauptthema der Schau; Rassenhygiene und Bevölkerungspolitik ihre dominierenden Inhalte. Die Bedeutung der quantitativen Bevölkerungsentwicklung wurde beispielsweise mit der „Kinderglocke“ im „Ehrenhof“ des Ausstellungsgebäudes als einem markanten Exponat aufgewertet. Dem Zusammenhang von Familie und Volk widmete Friedrich Burgdörfer einen Beitrag im amtlichen Ausstellungsführer und Gebhard verfasste für seinen Sammelband einen Aufsatz über „Die Familie als Keimzelle des Volkslebens“.¹⁰⁶ Rassenhygienische Fragen und Probleme durchzogen die Schau; „Erbgesundheit“ wurde als „die erste Voraussetzung für den Bestand eines Volkes“ verstanden.¹⁰⁷ In allen medizinisch-naturwissenschaftlichen Gruppen, so resümierte Gebhard, traf das Publikum auf „Beispiele aus der Erbbiologie“.¹⁰⁸ Dazu gehörte etwa eine umfangreiche Darstellung des Verhältnisses von „Vererbung und Umwelt“, die auf Material aus der Zwillingsforschung beruhte. Die Exposition zeigte darüber hinaus beispielsweise ein weiteres Mal die Schautafel zur Familie Kallikak oder den Stammbaum einer „Verbrecherfamilie mit
103 Abschrift eines Berichtes über die Sitzung am 17. Januar 1935 betr. Die Ausstellung „Das Wunder des Lebens“ vom 25.01.1935. BArch Berlin R 3901/4633, Bl. 195–202, hier Bl. 196. 104 Vgl. Gebhard: Rundgang, S. 141–156, hier S. 147–149. 105 B.: Wunder des Lebens, S. 69–70, hier S. 69. 106 Vgl. Burgdörfer: Familie und Volk, S. 78–82; Gebhard: Die Familie als Keimzelle des Volkslebens, S. 299–350. 107 Weiß: Erb- und Rassenkunde des Menschen, S. 183–252, hier S. 214. 108 Gebhard: Das Wunder des Lebens, S. 724–725, hier S. 725.
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Schwachsinn“.¹⁰⁹ Sie beschrieb die Aufgabe der „Krüppelfürsorge“ als Verhütung von Behinderungen, erklärte bei „schweren erblichen körperlichen Mißbildungen“ die Sterilisation zu einer sinnvollen Maßnahme.¹¹⁰ Zwar, so schränkte Gebhard ein, würde die Natur angeborene Behinderungen gelegentlich „durch stärkere geistige oder künstlerische Begabungen“ ausgleichen. Doch seien dies „Ausnahmeerscheinungen, und in der Regel gilt die alte Weisheit, daß nur in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist leben kann.“¹¹¹ Ein konkreter „Anlaß zur Unfruchtbarmachung“ lag aus Sicht der Veranstalter für „Schwachsinnige, für Epileptiker, für bestimmte Arten von Geisteskrankheiten, [. . . ] erbliche Blindheit und Taubheit, schwere körperliche Krüppelleiden und einige andere seltene Nervenleiden“ vor. Zudem sollte „unfruchtbar gemacht werden, wer an schwerer Trunksucht leidet.“¹¹² Heiratswilligen empfahlen sie den Austausch von Gesundheitszeugnissen. Verbunden wurde diese rassenhygienische Orientierung mit der Neuausrichtung der hygienischen Volksbelehrung im Sinne einer nationalsozialistischen „Gesundheitsführung“, mit der sich die Verantwortlichen explizit vom Weimarer Sozialstaat absetzten. Schon bei der Gründungsversammlung des Reichsausschusses für Volksgesundheitsdienst im November 1933 erklärte Wilhelm Frick, im vergangenen „liberalistischen Zeitalter“ sei man zu sehr auf das Individuum fixiert gewesen und habe darüber „Familie und Rasse“ vernachlässigt.¹¹³ Demgegenüber stellten die Nationalsozialisten nun den kollektiven „Volkskörper“ ins Zentrum ihrer Politik. Rassenhygiene statt „Personenhygiene“, so resümierte Gütt, sollte in Zukunft die sozialen Maßnahmen im Deutschen Reich bestimmen.¹¹⁴ Im Amtlichen Ausstellungsführer der „Wunder des Lebens“ erklärte Erich Hilgenfeldt übereinstimmend mit Frick und Gütt, die nationalsozialistische Wohlfahrtspflege lehne aus erbbiologischen Gründen die Fürsorge für „Minderwertige“ ab und setze stattdessen auf Selbsthilfe sowie Selbstverantwortung.¹¹⁵ „Leitender Grundsatz“ der Abteilung „Erhaltung des Lebens“, die sich den nationalsozialistischen Angeboten der sozialen Fürsorge widmete, war deswegen „nicht die Sorge für Erbkranke und
109 Fotodokumentation Das Leben. Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden DHM 2006/329, Abbildungen 109 und 115. 110 Gebhard: Rundgang, S. 141–156, hier S. 149. 111 Gebhard: Das Leben in gesunden und kranken Tagen, S. 351–420, hier S. 407. 112 Gebhard: Die Familie als Träger des Lebens, S. 253–298, hier S. 253. 113 o. V.: Aufbau und Aufgaben des Reichsausschusses für Volksgesundheitsdienst beim Reichsund Preußischen Ministerium des Innern, S. 3. Hervorhebung im Original. 114 Ebd., S. 7. Hervorhebung im Original. 115 Vgl. Erich Hilgenfeldt: Nationalsozialistische Wohlfahrtspflege als Dienerin am Wunder des Lebens, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-Gesellschaft (Hrsg.): Das Wunder des Lebens, S. 21–24, hier S. 21.
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Asoziale, sondern die Pflege und Förderung der Erbgesunden“.¹¹⁶ Hier offenbarte sich die diskriminierende Stoßrichtung der Schau in besonderem Maße. Denjenigen, die den körperlichen oder normativen Anforderungen der Nationalsozialisten nicht entsprachen, drohte nicht nur der Ausschluss aus den sozialen Unterstützungssystemen, sondern es war – so ein Kommentator der „Wunder des Lebens“ – „eine Pflicht der Selbsterhaltung für das deutsche Volk [. . . ], diese Verblödeten und Vertierten von der Zeugung von Nachkommenschaft auszuschließen.“¹¹⁷ Diese Ausschlussdrohung war nicht auf eine fest umrissene Gruppe beschränkt, sondern richtete sich potentiell gegen jedes Mitglied der „Volksgemeinschaft“; wollte die NS-Gesundheitspolitik doch nicht „im Alltäglichen und Durchschnittlichen“ stehenbleiben, sondern „das gesunde Leben ins Klare, ins Typische, ins Heroische“ steigern.¹¹⁸ Das der Rassenhygiene inhärente Denken im Futur II, die Idee von der kontinuierlichen Verbesserung und Steigerung des Menschen, das sich auch immer nach innen gegen einzelne Mitglieder der „Volksgemeinschaft“ richten konnte, beeinflusste somit auf der „Wunder des Lebens“ die Perspektive auf den Körper ebenfalls merklich. Darüber hinaus hatte die Ausstellung von 1935 trotz ihres Schwerpunktes auf der Darstellung des Körpers eine rassistische und antisemitische Seite. Die Beschäftigung mit Rassenkunde oder das Augenmerk auf die Verbindung von individuellem Körper und „Volksgemeinschaft“ schloss andere, „unarische“ Körper aus.¹¹⁹ So erklärte das „Schwarze Korps“ seinen Lesern in einer Rezension der Schau, dass aus Ehen „zwischen Juden, Negern usw., einerseits und Angehörigen europäischer Rassen andererseits“ zwangsläufig „Bastarde hervorgehen mußten und hervorgegangen sind.“¹²⁰ Auch Hatto Weiß konstatierte, die „Rassenmischung“ mit Juden und „Negern“ zerstöre „die Harmonie des Körpers, des Geistes und der Seele, lähmt die schöpferische Kraft und verursacht den Niedergang unseres Volkes.“¹²¹ In den Messehallen erschienen Juden dem Besucher als Gruppe „ohne Beziehung zum Volksgeschehen, habgierig und feige, pazifistisch und internationalistisch und
116 Bln.: Das Wunder des Lebens, S. 200–202, hier S. 201. 117 Ebd., S. 201. Dies betraf Menschen mit Behinderung, aber auch „Verbrecher“ oder „Asoziale“. 118 o. V.: „Das Wunder des Lebens“. Ausstellung, Berlin, am Kaiserdamm, 23. März bis 5. Mai 1935, S. 123–133, hier S. 123. 119 Ein Beispiel für das große Augenmerk auf „rassische Reinheit“ auf der Ausstellung ist Falk Ruttke/Denker: Gesundheit als Grundlage der Erhaltung des Lebens, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-Gesellschaft (Hrsg.): Das Wunder des Lebens. Amtlicher Führer durch die Ausstellung, S. 101–108, v. a. S. 101–103. 120 o. V.: Offene Antwort auf eine katholische Kritik, in: Das Schwarze Korps 1 (1935) 7, S. 1–2, hier S. 2. 121 Weiß: Erb- und Rassenkunde des Menschen, S. 183–252, hier S. 252.
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materialistisch.“¹²² Ihre 1935 weit vorangeschrittene Diskriminierung wie auch die rassenhygienisch motivierte Sterilisierung „Erbkranker“ wurden als zwangsläufige Folge einer moralischen oder rassischen „Minderwertigkeit“ dargestellt. Es war diese radikale Färbung der „Wunder des Lebens“, die den jungen Max Frisch, der die Schau als Reporter der Neuen Zürcher Zeitung besucht hatte, abschreckte. Sie war es auch, die den Charakter des Dritten Reichs als „Rassenstaat“, der sich gegen alle Menschen richtete, die seinen gesundheitlichen, sozialen oder rassischen Kriterien nicht entsprachen, nachdrücklich unterstrich.¹²³ Selbst die Schau „Deutschland“ von 1936 beinhaltete ein Bekenntnis zu Rassenkunde und Rassenhygiene. Da ihre eigentliche Aufgabe die Repräsentation des Deutschen Reichs vor den ausländischen Besuchern der Olympischen Spiele war, beanspruchten diese allerdings einen geringeren Anteil der gesamten Exposition. Auch Forderungen nach dem Ausschluss „Minderwertiger“ oder antisemitische Äußerungen fanden sich hier nicht in der Schärfe wie noch ein Jahr zuvor. Dennoch sollte auf dieser Schau ebenfalls auf das „Stammeskundliche“ eingegangen, die Bedeutung von „Blut und Boden“ für das deutsche Volk herausgestellt werden.¹²⁴ Eine eigene Gruppe war dem „Kommenden Volk“ gewidmet. Sie behandelte die unterschiedlichen Erziehungsinstitutionen des Dritten Reiches wie die Hitlerjugend, den Bund Deutscher Mädel, das Jungvolk oder den Reichsarbeitsdienst und betonte gleichzeitig, dass körperliche Gesundheit und rassische „Reinheit“ die Grundvoraussetzung für eine gelingende Erziehung sowie die positive Entwicklung Deutschlands in der Zukunft seien.¹²⁵ Den Abschluss der Gruppe bildete der – durch eine Glaswand vom Publikum separierte – „‚grüne Lebensbaum des deutschen Volkes‘“. Er stand sinnbildlich für den Anspruch der NSDAP, den deutschen „Volkskörper“ von „der Wurzel bis in den Wipfel“ gesund zu erhalten.¹²⁶ „Erhaltung und Stärkung der Familie als Urzelle des Staates, Erbgesundheitslehre und hygienische Fürsorge“¹²⁷ wurden als die Fundamente nationalsozialistischer Bevölkerungspolitik und ihrer „Gesundheitsführung“ präsentiert, die in Zukunft das
122 Frisch: Kleines Tagebuch einer deutschen Reise, S. 84–97, hier S. 92. 123 Zum Konzept des nationalsozialistischen „Rassenstaates“ vgl. Michael Burleigh/Wolfgang Wippermann: The Racial State: Germany 1933–1945, Cambridge u. a. 1991. 124 Vgl. DEUTSCHLAND. Reichsausstellung im Olympiajahr 1936 vom 11. Juli bis 10. August, S. 4. LA Berlin A Pr. Br. Rep. 057/Nr. 2186, Bl. 78–84. 125 Vgl. etwa E. H.: „Deutschland“. Die größte Ausstellung dieses Jahres, S. 467–469, hier S. 467. 126 o. V.: Die Ausstellung „Deutschland“ Berlin 1936–18. Juli bis 26. August, S. 399–406, hier S. 401. 127 o. V.: Rundgang durch die Ausstellung „Deutschland“ Berlin 1936 18. Juli bis 16. August, Ausstellungshallen am Funkturm, S. 2–6, hier S. 3.
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„Wachstum des Baumes“ gewährleisteten.¹²⁸ Die „Deutschland“ war gemäßigter als ihre beiden Vorgängerinnen von 1934 und 1935. Die Vermutung, dass hierfür jedoch vor allem außenpolitische Gründe ausschlaggebend waren, legt die Schau „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ von 1938 nahe. Denn diese stellte das Volk erneut „als große biologische Schicksalsgemeinschaft“ dar.¹²⁹ Hier knüpften die Veranstalter abermals soziale wie medizinische Hilfe an rassische Kriterien sowie Arbeits- und Leistungsfähigkeit. Beispielsweise forderten sie, „völkisch Unbrauchbare“ von der öffentlichen Unterstützung auszuschließen.¹³⁰ Ihre Sorge galt gerade nicht „dem schwachen, hilfsbedürftigen Volksgenossen“ oder „den Kranken und Leidenden“. Vielmehr sollte ihre Aufmerksamkeit der „Gesund- und Leistungserhaltung des gesunden Schaffenden aller Stände und Berufe als dem tätigen Träger völkischen Lebens“ vorbehalten bleiben.¹³¹ Eugenisches wie rassenhygienisches Denken war von Beginn an auf den Gesundheitsausstellungen verbreitet, erlebte jedoch zwischen der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 und der „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ 1938 einen stetigen Bedeutungsanstieg. Eugeniker und Rassenhygieniker profitierten von der hohen Anschlussfähigkeit ihrer Vorstellungen; eugenische Positionen wurden auf den Schauen unter anderem im Zusammenhang mit Alkoholismus und Geschlechtskrankheiten, Infektionskrankheiten und Behinderung oder im Kontext von Säuglingsfürsorge und Bevölkerungspolitik artikuliert. Hier verbanden sich unterschiedliche Perspektiven auf den Körper, waren die politischen Umbrüche nach 1933 ebenso bedeutend wie die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs oder die wirtschaftlichen Probleme in der Endphase der Weimarer Republik. Zahlreiche Rezensenten und Berichterstatter in unterschiedlichsten Fach- wie Populärmedien gingen über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg auf die rassenhygienischen Gruppen ein, kommentierten sie zustimmend und machten ihr Publikum auf entsprechende Themen aufmerksam. Gleichwohl variierten über den Untersuchungszeitraum hinweg der politische Einfluss sowie das inhaltliche Spektrum der Eugenik sehr stark. Eugeniker bildeten eine heterogene Gruppe, die sich aus allen politischen Lagern rekrutierte und – das zeigt die Akzeptanz der NS-Expositionen im Ausland – mit ihren Forderung selbst international konsensfähig war.
128 Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH (Hrsg.): Offizieller Rundgang. Deutschland, S. 7. 129 Rundschreiben des Oberbürgermeisters der Stadt Berlin, Julius Lippert, vom 17.06.1938. LA Berlin A Rep. 003–04–03/Nr. 111, unpaginiert. 130 Programm für die Ausstellung „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ vom 25.10.1937, S. 2. LA Berlin A Rep. 015–02/Nr. 32091, unpaginiert. 131 Ausstellungs- und Messeamt der Stadt Berlin (Hrsg.): Ausstellung Gesundes Leben – Frohes Schaffen, o. S.
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Auch wenn die Unterschiede zwischen den verschiedenen Strömungen innerhalb der Eugenik und Rassenhygiene teilweise beträchtlich waren, einte ihre Protagonisten eine Reihe grundlegender Überzeugungen. Sie alle neigten dazu, die Bevölkerung in verschiedene Qualitätsstufen einzuteilen, versuchten die Nachkommenschaft von Personen mit „hochwertigen“ Anlagen zu fördern und gleichzeitig vorgeblich „minderwertige“ Menschen von der Fortpflanzung oder sozialen wie medizinischen Unterstützungssystemen auszuschließen. „Hochwertigkeit“ oder „Minderwertigkeit“ hatte aus eugenischer Sicht keine sozialen oder wirtschaftlichen Gründe, sondern waren als biologische Eigenschaften dem Körper jedes Einzelnen eingeschrieben. Sie wurden aufgrund ihrer Erblichkeit zu Charakteristika einzelner Familien wie der „Familie Kallikak“, größerer Gruppen wie der Menschen mit geistigen Behinderungen oder gar ganzer Bevölkerungsteile wie Juden oder „Negern“. Eugenisches und rassenhygienisches Denken enthielt allerdings immer auch integrierende Elemente; forderte – wie etwa das Beispiel des Bundes für Kinderreichen zeigt – die Förderung von Familien oder die Verbesserung der hygienischen Situation der gesamten Bevölkerung. Es bedeutete ebenfalls die zumindest symbolische Aufwertung derjenigen, die aus rassenhygienischer oder eugenischer Sicht als „hochwertig“ galten. Ihre Unterstützung war aber den Bevölkerungsteilen vorbehalten, die den körperlichen und im Nationalsozialismus auch rassischen Kriterien der Eugeniker wie Rassenhygieniker entsprachen. Damit stellten sie die auf allen Gesundheitsausstellungen virulente Frage nach dem Verhältnis von Individuum und Kollektiv, nach dem gesellschaftlichen Ein- und Ausschluss bestimmter Menschen zum Wohle der Gesamtheit in besonderer Konsequenz. Ihr Aufstieg in den 1920er und 1930er Jahren unterstreicht, dass die deutsche Gesellschaft zunehmend dazu bereit war, individuelle Rechte im Interesse des Kollektivs zu beschneiden und weitreichende Eingriffe in das Leben Einzelner zu dulden. Die Nationalsozialisten knüpften an diese Traditionen an, radikalisierten sie und verbanden sie mit ihrem eliminatorischen Gestaltungswillen, aber eben auch mit einer ganz spezifischen Form der Sorge um die Mitglieder der rassisch wie biologisch bestimmten „Volksgemeinschaft“. „Neubau und Vernichtung“ auf einer wissenschaftlichen Legitimationsbasis und mit Unterstützung wissenschaftlicher wie weltanschaulicher Eliten sind, so Lutz Raphael, „die zwei Seiten der NS-Bevölkerungspolitik.“¹³² Allerdings verweist die Ausbreitung des rassenhygienischen Denkens auf eine allgemeine Pathologie des Körperdiskurses in der „klassischen Moderne“. Denn seine Bedeu-
132 Lutz Raphael: Radikales Ordnungsdenken und die Organisation totalitärer Herrschaft: Weltanschauungseliten und Humanwissenschaftler im NS-Regime, in: GG 27 (2001) 1, S. 5–40, hier S. 27.
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tungszunahme im Kaiserreich und der Weimarer Republik lässt sich nicht allein mit politischen Umbrüchen und dem größeren Einfluss der NSDAP oder anderer rechter Parteien erklären, sondern legt die Deutung nahe, dass in einer Zeit politischer, wirtschaftlicher, kultureller oder sozialer Krisen Minderheiten, die körperliche oder soziale Normen nicht erfüllen, von gesellschaftlicher Ausgrenzung gefährdet sind. Der als deviant gekennzeichnete Körper wurde in diesen Fällen zu einem Differenzkriterium, das über die Zugehörigkeit zur Gesellschaft mitentscheiden konnte. Im Folgenden wird nach dem auf den Gesundheitsausstellungen verhandelten Verhältnis von Individuum und Kollektiv gefragt. Dadurch soll deutlich werden, dass der auf den Expositionen greifbare Diskurs neben der ausschließenden, immer auch eine einschließende Seite hatte; dass Ein- und Ausschluss oder die Unterscheidung von „Normalität“ und „Anormalität“ zwei interdependente Prozesse waren. Dies eröffnet einen abschließenden Blick auf die Ambivalenzen der hygienischen Volksbelehrung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, deren integraler Bestandteil die Gesundheitsausstellungen in Dresden, Düsseldorf und Berlin waren.
6.2 Zwischen Individuum und „Volksgemeinschaft“: Ambivalenzen des Körperdiskurses Gesundheitsausstellungen hatten eine doppelte Funktion. Sie zielten darauf ab, die individuelle Gesundheit jedes Besuchers und gleichzeitig die kollektive Gesundheit des „Volkskörpers“ zu verbessern. Der körperliche Zustand des Individuums wurde auf den Expositionen mit den ökonomischen, militärischen oder sozialen Interessen der Gesellschaft verknüpft; die Ergebnisse medizinischer, sozialfürsorgerischer oder wirtschaftlicher Maßnahmen auch im Hinblick auf ihren kollektiven Nutzen bewertet. Dieser Zugriff auf den Körper der Bevölkerung sowie die damit einhergehende Politisierung von Krankheit und Gesundheit war nicht neu. Sie lässt sich mindestens bis in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt begann, ausgelöst von der Konstituierung des Nationalstaates sowie der Industrialisierung, die staatliche Aufmerksamkeit für die körperliche Verfassung seiner Bürger sowie deren Reproduktionsfähigkeit zu wachsen. Daraus folgten eine Verbesserung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung sowie eine sukzessive Einführung sozialer Versicherungen, aber auch ihre zunehmende Kontrolle. Schon zu diesem Zeitpunkt zeitigte die öffentliche Beschäftigung mit Gesundheit und Krankheit ambivalente Resultate, wirkte disziplinierend und liberalisierend zugleich.¹³³ Parallel zu diesem Prozess verliefen die Professionalisie133 Vgl. mit einer Betonung auf die disziplinierenden Wirkungen Ute Frevert: Krankheit als politisches Problem 1770–1880. Soziale Unterschichten in Preußen zwischen medizinischer Polizei und staatlicher Sozialversicherung, Göttingen 1984.
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rung der medizinischen Berufe, die Ausbreitung des Präventionsgedankens sowie die Renaissance privater Diätetik als eine der Wurzeln der Lebensreformbewegung um die Jahrhundertwende.¹³⁴ Alle diese Entwicklungen kennzeichnete, dass sie auf die eine oder andere Weise die Stellung des Einzelnen in der Gesellschaft, das Verhältnis von Eigenverantwortung und staatlichen Aufgaben gegeneinander abwogen: Der kollektivierende Zugriff auf die Bevölkerung und ihre Körper hatte um 1900 bereits eine eigene Geschichte. Alfons Labisch beschreibt dies als eine langsame Entstehung des „Homo Hygienicus“, in deren Verlauf der Bevölkerung einerseits der Weg zu einem besseren Gesundheitszustand sowie einer selbstbestimmteren Lebensgestaltung geebnet wurde. Durch die abweichende Individuen auf der anderen Seite aber immer stärkeren Repressalien ausgesetzt wurden und zudem die Deutungshoheit medizinisch-naturwissenschaftlicher Experten über den menschlichen Körper festgeschrieben wurde.¹³⁵ Doch dieser Prozess erlebte während der „klassischen Moderne“ eine neuerliche, sich im Anschluss an den Ersten Weltkrieg dynamisierende Zuspitzung.¹³⁶ Aufgrund der Verwissenschaftlichung des Körpers wurde der Ausbruch von Krankheiten nicht mehr sittlichem, sondern unvernünftigem oder ungesundem Fehlverhalten zugeschrieben. Dies bedeutete für den Gesunden, dass er nun größere Freiräume bei der Gestaltung seines individuellen Lebens erhielt, solange er durch sein Tun nicht erkrankte. Für Kranke stand demgegenüber „eine deutliche Einengung der Bewegungsfreiheit“. Diese wurden um die Jahrhundertwende „zu Objekten einer bevormundenden Verwaltung und der experimentellen Forschung.“¹³⁷ Christian Geulen beschreibt die Zeit um 1900 daher als Abschluss einer Phase, in der „der Einzelne nicht mehr nur das Objekt, sondern auch das eigenverantwortliche Subjekt der hygienischen Disziplinierung“ geworden war.¹³⁸
Die „Volksgemeinschaft“ als Forschungsgegenstand Damit werden mehrere Punkte benannt, die Detlev Peukert bereits in den 1980er Jahren unter dem Schlagwort der „Janusköpfigkeit der Moderne“ hervorgehoben 134 Vgl. Anne I. Hardy: Ärzte, Ingenieure und städtische Gesundheit. Medizinische Theorien in der Hygienebewegung des 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main u. a. 2005, S. 37–61. 135 Vgl. Labisch: Homo Hygienicus, S. 167–170. 136 Zur Geschichte dieser „Ordnung der Gesellschaft“ im 20. Jahrhundert vgl. Paul Nolte: Die Ordnung der deutschen Gesellschaft. Selbstentwurf und Selbstbeschreibung im 20. Jahrhundert, München 2000. 137 Becker: Verderbnis und Entartung, S. 371. 138 Christian Geulen: Wahlverwandte. Rassendiskurs und Nationalismus im späten 19. Jahrhundert, Hamburg 2004, S. 263.
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hatte.¹³⁹ Peukert fragte nach den Handlungsoptionen der deutschen Bevölkerung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen Anpassung und Mitarbeit, zwischen Zwang und Freiwilligkeit. Er beschäftigte sich mit den negativen Seiten der Moderne und arbeitete sich an der auffälligen Gleichzeitigkeit von Emanzipation und Disziplinierung im entstehenden Wohlfahrtsstaat ab. Den historiografischen Trends der 1980er Jahre folgend galt seine Aufmerksamkeit denjenigen, die den Normen der industrialisierten und arbeitsteilig organisierten Gesellschaft nicht entsprachen oder entsprechen wollten – den Außenseitern, Unerziehbaren oder Unangepassten.¹⁴⁰ Im Hinblick auf die Gesellschaft des Dritten Reichs interessierte Peukert das „vielfach uneindeutige Alltagsleben der ‚kleinen Leute‘, das sich zwischen aktivem Konsens, Anpassung und abweichendem Verhalten eher grau in grau durchlavierte.“¹⁴¹ Die „Volksgemeinschaft“ als sozialhomogene Einheit des deutschen Volkes blieb, so seine These, über das gesamte Dritte Reich hinweg instabil und musste zunächst „durch Massenrituale, soziale Zugeständnisse und schließlich die negative Grenzziehung nach außen durch die Bestimmung von inneren wie äußeren Feinden“ immer wieder aufs Neue hergestellt werden.¹⁴² Peukert interessierte sich für das ein- und ausschließende Potential der Idee der „Volksgemeinschaft“. Er beschäftigte sich mit der „Pathogenese der Moderne“, die er als Gegennarrativ der zu diesem Zeitpunkt noch dominanten Modernisierungsthese begriff.¹⁴³ Damit betonte er – womöglich stärker als ursprünglich intendiert – die negativen Seiten der Moderne, bot aber gleichzeitig eine alternative Lesart der gesellschaftlichen Entwicklungen im Deutschen Reich der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts jenseits der Debatte um den deutschen „Sonderweg“ an. Seine anregenden Überlegungen sind von einer Vielzahl von Historikern kritisch aufgegriffen und vor allem seine Deutung des Sozialstaates sowie der Rationalisierungstendenzen um 1900 modifiziert worden. Sie relativieren Peukerts Interpretation der Disziplinierungsmacht sozialer Fürsorge und heben demgegenüber die Offenheit, Widersprüchlichkeit und Mehrdeutigkeit der Situation in der Weimarer Republik hervor. Im Hinblick auf die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ verweisen sie weniger auf deren Traditionslinien in das Kaiserreich oder die 1920er Jahre zurück und betonen eher den Zäsurcharakter des Jahres 1933, wohingegen
139 Ähnliche Überlegungen wie die Folgenden formuliert auch Steuwer: Was meint und nützt das Sprechen von der „Volksgemeinschaft“?, S. 487–534, hier S. 488–494. 140 Vgl. Detlev J. K. Peukert: Grenzen der Sozialdisziplinierung. Aufstieg und Krise der deutschen Jugendfürsorge von 1878 bis 1932, Köln 1986. 141 Detlev J. K. Peukert: Volksgenossen und Gemeinschaftsfremde. Anpassung, Ausmerze und Aufbegehren unter dem Nationalsozialismus, Köln 1982, S. 289. 142 Ebd., hier S. 292–293. 143 Peukert: Grenzen der Sozialdisziplinierung, S. 309.
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Peukerts Rede vom „Januskopf der Moderne“ den Akzent eher auf die Kontinuitäten zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus legt.¹⁴⁴ Gleichwohl bleiben der von Peukert problematisierte Dualismus von „Volksgenossen und Gemeinschaftsfremden“ und die von ihm aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis von Individuum und Kollektiv, von Einschluss und Ausgrenzung bis heute zentrale Themen geschichtswissenschaftlicher Forschung zum Dritten Reich sowie dem Kaiserreich und der Weimarer Republik.¹⁴⁵ Diese Fragen erfahren jüngst im Zusammenhang mit dem wachsenden Interesse an der „Volksgemeinschaft“ eine neuerliche Renaissance. Insbesondere mit dem nationalsozialistischen Versprechen einer zu schaffenden „Volksgemeinschaft“ beschäftigt sich die Geschichtswissenschaft schon seit mehreren Jahrzehnten. Lange Zeit war sie aber vor allem an sozialgeschichtlich fassbaren Daten, an dem Verhältnis der unterschiedlichen Klassen im Dritten Reich untereinander interessiert. Ein Ergebnis dieser älteren Studien war, dass der Nationalsozialismus die Klassengegensätze des Kaiserreichs und der Weimarer Republik keinesfalls aufhob und von einer aus sozialer Sicht homogenen Bevölkerung trotz gegenteiliger Behauptungen auch zwischen 1933 und 1945 nicht gesprochen werden kann. Etwa seit dem Ende der 1990er Jahre setzte jedoch in der Forschung eine kulturgeschichtlich orientierte Auseinandersetzung mit der „Volksgemeinschaft“ ein, die den Blick auf den politischen, symbolischen, sozialen sowie kulturellen Interaktionsprozess der Einund Ausgrenzung Einzelner oder ganzer Bevölkerungsteile aus der Gesellschaft lenkte. Der Volksgemeinschaftsbegriff hat aus dieser Perspektive ein heuristisches Potential. Er dient als begriffliches Interpretament, um die soziale Verfasstheit des Dritten Reichs und die vielfältig schattierten Verhaltensweisen der Bevölkerung von Widerstand über Mitläufertum bis hin zu aktiver Täterschaft analytisch zu fassen.¹⁴⁶ Vor allem Michael Wildt hat deutlich gemacht, wie ein derart verstandener Volksgemeinschaftsbegriff die historiographische Perspektive auf den Alltag der Diskriminierung und Verfolgung von Juden während des Nationalsozialismus pro-
144 Vgl. David Crew: The Ambiguities of Modernity: Welfare and the German State from Wilhelm to Hitler, in: Geoff Eley (Hrsg.): Society, Culture, and the State in Germany, 1870–1930, Ann Arbor 1996, S. 319–344; Ders.: Germans on welfare. From Weimar to Hitler, New York u. a. 1998; Hong: Welfare, Modernity, and the Weimar State 1919–1933; Dies.: Neither singular nor alternative: narratives of modernity and welfare in Germany, 1870–1945, in: Social History 30 (2005) 2, S. 133–153. 145 Darauf verweisen auch Michael Wildt/Frank Bajohr: Einleitung, in: Dies. (Hrsg.): Volksgemeinschaft. Neue Forschungen zur Gesellschaft des Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 2009, S. 7–23, hier S. 7–8. 146 Vgl. Mühlenfeld: Vom Nutzen und Nachteil der „Volksgemeinschaft“ für die Zeitgeschichte, S. 71–104, hier S. 82.
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duktiv weiten kann.¹⁴⁷ Die „Volksgemeinschaft“ wird so als soziale Praxis gedeutet, als aktive Grenzziehung zwischen gesellschaftlicher Zugehörigkeit und Außenseiterstatus.¹⁴⁸ Damit einher geht das verstärkte Interesse an der Verbreitung der Volksgemeinschaftsidee in verschiedenen Gesellschaftsbereichen sowie an ihrer Entstehung vor der nationalsozialistischen Machtübernahme. Jüngere Arbeiten belegen, dass die Idee der „Volksgemeinschaft“ vor allem während des Ersten Weltkriegs eine enorme Breitenwirkung entfaltete, denn das „Augusterlebnis“ von 1914 evozierte in der Bevölkerung wie auf Seiten der politischen Verantwortlichen die Hoffnung auf eine Überwindung der Klassengegensätze und eine sozial befriedete, korporativ gelenkte Gesellschaft in der Nachkriegszeit.¹⁴⁹ Selbst wenn sich diese Hoffnung nicht erfüllte, fand die Idee der „Volksgemeinschaft“ als utopisches Ziel in allen politischen Lagern Zustimmung, wurde allerdings je nach politischer Couleur mit unterschiedlichen Vorstellungen verbunden. Während – vereinfacht gesagt – die politische Linke wie die SPD sowie die demokratischen Parteien unter „Volksgemeinschaft“ eine klassenlose Gesellschaft verstanden und sich der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet fühlten, begriff sie die politische Rechte rassenbiologisch und definierte sie über den Ausschluss „Fremdrassiger“ und „Minderwertiger“.¹⁵⁰ Inzwischen haben mehrere Historiker darauf hingewiesen, dass ähnliche Gleichheitsvorstellungen in zahlreichen westlichen Ländern verbreitet waren und dort ebenfalls die Legitimationsgrundlage für Eingriffe in das Leben der Bevölke-
147 Er ist deswegen auch und gerade für die Täterforschung von Relevanz. Vgl. Wildt: Volksgemeinschaft als Selbstermächtigung. 148 Für eine aufschlussreiche Debatte über das analytische Potential des Volksgemeinschaftsbegriffs. Vgl. Ian Kershaw: „Volksgemeinschaft“. Potential und Grenzen eines neuen Forschungskonzeptes, in: VfZ 59 (2011) 1, S. 1–17; Michael Wildt: „Volksgemeinschaft“. Eine Antwort auf Ian Kershaw, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe 8 (2011) 1. Online unter: http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Wildt-1-2011. [Letzter Zugriff am 20.09.2014] Vgl. außerdem Martina Steber/ Bernhard Gotto (Hrsg.): Visions of Community in Nazi Germany. Social Engineering and Private Lives, Oxford u. a. 2014. In diesem Sammelband werden die unterschiedlichen historiographischen Positionen zum Wert des Volksgemeinschaftsbegriffs für die Forschung nochmals prägnant zusammengefasst und Überlegungen zu weiterführenden Forschungsvorhaben angestellt. 149 Vgl. Jeffrey Verhey: Der „Geist von 1914“ und die Erfindung der Volksgemeinschaft, Hamburg 2000; Steffen Bruendel: Volksgemeinschaft oder Volksstaat. Die „Ideen von 1914“ und die Neuordnung Deutschlands im Ersten Weltkrieg, Berlin 2003. 150 Vgl. Michael Wildt: Volksgemeinschaft und Führererwartung in der Weimarer Republik, in: Ute Daniel/Inge Marszolek/Wolfram Pyta u. a. (Hrsg.): Politische Kultur und Medienwirklichkeit in den 1920er Jahren, München 2010, S. 181–204; Ders.: Die Ungleichheit des Volkes. „Volksgemeinschaft“ in der politischen Kommunikation in der Weimarer Republik, in: Wildt/Bajohr (Hrsg.): Volksgemeinschaft, S. 24–40.
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rung bildeten.¹⁵¹ Vor allem die internationale Verbreitung der Eugenik ist hierfür ein eindrückliches Zeichen. Allen Unterschieden zum Trotz war den verschiedenen Volksgemeinschafts- sowie Homogenitätskonzepten eine gewisse Ambivalenz inhärent. Denn die Betonung innerer Gleichheit legte gleichzeitig den Ausschluss Abweichender nahe.¹⁵² Gemeinsam ist dementsprechend allen jüngeren Studien, die mit dem Interpretament der „Volksgemeinschaft“ arbeiten, die Einsicht, dass die Beziehung zwischen Individuum und Kollektiv ein zentraler Schlüssel zum Verständnis einer Gesellschaftsordnung wie der des Nationalsozialismus ist. Sie alle konstatieren, dass ein kollektivierender Zugriff auf die Bevölkerung, selbst wenn er für gewisse Bevölkerungsteile mit einer sozialen Aufwertung einherging, „notwendig mit dem Verlangen nach Exklusion verbunden war, das eine nicht von dem anderen zu trennen ist.“¹⁵³ Ein- und Ausschluss sind aus dieser Perspektive miteinander verwoben, soziale „Ungleichheit“ eine Signatur des 20. Jahrhunderts.¹⁵⁴ Die Beschäftigung mit dem Körperdiskurs der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kann einen Teil dazu beitragen, diesen Aspekt der Gesellschaftsgeschichte der „klassischen Moderne“ und des Dritten Reichs besser zu verstehen. Denn körperliche Abweichungen und biologisierte Besonderheiten bildeten Ursache und Objekt von Diskriminierung bis hin zur Verfolgung im nationalsozialistischen „Rassenstaat“, in dessen Zentrum „nicht so sehr“ die Frage stand, „wer zur Volksgemeinschaft zugehören sollte“, sondern vielmehr „wer auf jeden Fall aus ihr ausgeschlossen werden müsse.“¹⁵⁵
Das Kollektiv auf der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung Auch auf den Gesundheitsausstellungen wurde – in jedem politischen System auf unterschiedliche Weise – das Verhältnis von Individuum zu Kollektiv bestimmt und in spezifischer Weise mit dem Körper des Menschen verknüpft. Schon die Teilnehmer des 1907 veranstalteten XIV. Internationalen Kongresses für Hygiene
151 Vgl. etwa Etzemüller: Die Romantik der Rationalität; Mazower: Der dunkle Kontinent, S. 118– 155; Wildt: Biopolitik, ethnische Säuberungen und Volkssouveränität, S. 87–106. 152 Vgl. Steffen Bruendel: Von der inklusiven zur exklusiven Volksgemeinschaft. Die Konstruktion kollektiver Identität durch nationalpolitische Professoren im Ersten Weltkrieg, in: Ders./Nicole Grochowina (Hrsg.): Kulturelle Identität, Berlin 2000, S. 120–135. 153 Wildt: „Volksgemeinschaft“ als politischer Topos in der Weimarer Republik, S. 23–39, hier S. 23. 154 Zur Bedeutung von „Ungleichheit“ im „Dritten Reich“ vgl. Nicole Kramer/Armin Nolzen: Einleitung, in: Dies. (Hrsg.): Ungleichheiten im „Dritten Reich“. Semantiken, Praktiken, Erfahrungen, Göttingen 2012, S. 9–26. 155 Wildt/Bajohr: Einleitung, S. 7–23, hier S. 17.
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und Demographie in Berlin betonten die Verantwortung der Medizin „sowohl gegen die Gesamtheit wie gegen den Einzelnen.“¹⁵⁶ Im Katalog der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 klang diese doppelte Zielsetzung ebenfalls an. Zwar sollte die Exposition jeden Besucher hygienisch aufklären und damit einen Teil zur Aufwertung der Selbstverantwortung sowie Selbstbestimmung des Individuums beitragen. Da aber „der Staat nichts weiter ist, als eine Menschengemeinschaft, deren Wohlfahrt, deren Glück und deren Dauer von der Beschaffenheit der einzelnen Individuen abhängig ist“, dürften diese nicht „wie das Unkraut auf dem Felde aufwachsen“, sondern müssten „planmässig“ kultiviert werden.¹⁵⁷ Deswegen sollte die Hygiene-Ausstellung den Menschen gleichzeitig als Individuum und in seiner kollektiven Verfasstheit darstellen.¹⁵⁸ Ähnlich argumentierten andere Beobachter der Hygiene-Ausstellung 1911. Aus ihrer Sicht war der Grundgedanke der Schau zwar, dass „die Menschen von heute ein Recht darauf haben, über ihren Körper, seine Funktionen, die ihm drohenden Gefahren und die zur Abwehr dieser Gefahren erwünschten Maßnahmen orientiert zu sein.“¹⁵⁹ Doch geschah dies nicht zum Selbstzweck, nicht ohne ein übergreifendes Ziel. Die öffentliche Gesundheitspflege, der Kampf gegen die Ausbreitung von Krankheiten wurde vielmehr als „nationale Aufgabe“ verstanden, da „die Zukunft nur solchen Nationen gehört, die gesund sind an Leib und Seele.“¹⁶⁰ Der Staat schütze mit seinen Wohlfahrtseinrichtungen deswegen nicht nur die Schwachen, sondern baue gleichzeitig „Schutzmauern auf für die Erhaltung eines guten körperlichen und geistigen Zustandes der Gesunden.“¹⁶¹ Individuell betriebene Leibesübungen, hygienische Körperpflege und die „Rückkehr zur Natur“ bildeten aus dieser Sicht nicht nur die Grundlage der eigenen Gesundheit, sondern wurden gleichzeitig als „die beste Gewähr für Deutschlands Zukunft“ angesehen.¹⁶² Präventive Maßnahmen, sozialstaatliche Unterstützungsleistungen und hygienische Volksbelehrung dienten direkt dem Bedürftigen, mussten aber mittelbar darauf abzielen, den körperlichen Zustand der gesamten Bevölkerung anzuheben. Denn im „großen geschäftlichen Wettringen der Völker“ werde, so die Überzeugung der Teilnehmer der Hygiene-Ausstellung 156 Manuskript Ansprache in der Eröffnungssitzung des XIV. Internationalen Kongresses für Hygiene und Demographie. BArch Berlin R 1501/111164, Bl. 182–183, hier Bl. 183. 157 o. V.: Offizieller Führer durch die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 und durch Dresden und Umgebung. Mit einem Plan von Dresden, S. 7. 158 Vgl. Lingner: Programm für die geplante Internationale Hygiene-Ausstellung zu Dresden, S. 24. 159 Trinks: Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden, S. 149–150, hier S. 149. 160 Corvey: Die Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden, S. 74–86, hier S. 74. Hervorhebung im Original. 161 Ebeling: Hygiene und Industrie, in: Hygiene und Industrie 1 (1911) 1, S. 2–4, hier S. 2. 162 o. V.: 12. deutscher Kongreß für Volks- und Jugendspiele, S. 61–62, hier S. 61.
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1911, am Ende nur jene Nation erfolgreich sein, welche die „größte Summe an körperlicher, geistiger und sittlicher Kraft, Gesundheit und Widerstandsfähigkeit besitzt.“¹⁶³ Die Exposition musste dementsprechend den Besuchern ihre Verantwortung gegenüber sich selbst, aber auch gegenüber der gesamten Bevölkerung deutlich machen; sie musste zeigen, dass „die Gesundheitspflege die Grundlage der persönlichen Wohlfahrt wie des Gedeihens der Völker ist und daß es in der Macht eines jeden liegt, zur Erhaltung und Kräftigung seines körperlichen und geistigen Wohlbefindens beizutragen.“¹⁶⁴ Die in diesen Äußerungen sichtbar werdende Verknüpfung individueller mit kollektiver Gesundheit spiegelte sich auch in Lingners Konzept für das HygieneMuseum wider. Dieses hatte die Aufgabe, durch Aufklärung den gesundheitlichen Zustand des Einzelnen und indirekt der gesamten Bevölkerung zu verbessern.¹⁶⁵ Hierfür wollte Lingner den Menschen zunächst als „Kunstwerk“ präsentieren, so dass der Besucher zum Nachdenken und daran anschließend zu einer Verhaltensänderung gebracht wird. Dadurch könne das neue Museum „zu einem unversiegbaren Born des Heils für unsere Dresdner Bevölkerung werden“ und gleichzeitig die Volksgesundheit stärken.¹⁶⁶ Lingners Aufmerksamkeit galt in erster Linie dem kollektiven Nutzen der hygienischen Volksbelehrung. Allerdings vertrat er noch kein Konzept, das die Bevölkerung ontologisierte und mit einem homogenen „Volkskörper“ in eins setzte. Stattdessen bestand diese für ihn noch aus einer Vielzahl von Einzelindividuen, die erst in ihrer Kumulierung die Nation ergaben.¹⁶⁷ Deswegen musste jedes Individuum für sich gefördert werden, um die Volksgesundheit insgesamt zu verbessern. In seinem Vortrag „Der Mensch als Organisationsvorbild“, den er anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde an der Universität Bern hielt, führte Lingner diesen Gedanken weiter aus. Hier beschrieb er die aus seiner Sicht ideale Staatsform durch eine Analogie zur Organisation des menschlichen Körpers. Wie der Körper, so der Industrielle, aus einzelnen Zellen bestehe, sei der Staat aus Einzelindividuen zusammengesetzt, die „unter Wahrung einer gewissen Unabhängigkeit und Selbstständigkeit“ alle anfallenden Aufgaben durch eine „rationale Arbeitsteilung“
163 Corvey: Die Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden, S. 74–86, hier S. 74. 164 Hirsch: Die Internationale Hygieneausstellung zu Dresden 1911, S. 577–582, hier S. 577. 165 Vgl. Lingner: Denkschrift zur Errichtung eines National-Hygiene-Museums in Dresden, S. 12. 166 Ebd., S. 17. 167 Damit hing Lingner im Grunde noch einer Vorstellung an, die Thomas Hobbes schon im 17. Jahrhundert in seinem „Leviathan“ vertreten hatte und nach der sich eine Nation aus ihren Einzelindividuen zusammensetzen ließ.
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bewältigen.¹⁶⁸ Den Staat verstand Lingner als „soziale Gemeinschaft“ mit gleichen Rechten und Pflichten, die von einem monarchischen „Oberhaupt“ geleitet wird.¹⁶⁹ Er imaginierte eine befriedete Sozialordnung, in der jeder wie die Bestandteile des Körpers mit der ihm zugewiesenen Position in der Gesellschaft zufrieden war und pflichtgemäß seine Funktion erfüllte. Hiermit nahm Lingner in gewissem Sinne die mit dem Augusterlebnis 1914 verbundenen Utopien von einer alle Klassengegensätze harmonisierenden „Volksgemeinschaft“ vorweg. Seine Vorstellung war allerdings noch offen, definierte sich nicht durch den Ausschluss Nichtzugehöriger und konnte körperlich Abweichende leichter tolerieren, solange diese ihre staatsbürgerlichen Aufgaben erfüllten. Allerdings hatten auch Lingners Ideen eine ausschließende Seite, die diejenigen traf, die seine Arbeits- und Leistungsvorgaben nicht erfüllten. Im „Zellenstaat“, so erklärte er weiter, würde „Verbänden, die keine oder geringe Arbeit leisten, [. . . ] die Nahrungszufuhr zeitweise gesperrt oder aufs äusserste beschränkt; wenn ihre Funktion überhaupt entbehrlich wird, lässt man sie ganz verkümmern, um dem Ganzen die Lasten, die mit ihrer Unterhaltung verknüpft sind, zu ersparen.“¹⁷⁰ Damit hatte Lingner zwar eine unbestimmte Vorstellung von der Bevölkerung, die Raum für Abweichende bot. Er rekurrierte aber dennoch auf das – über das Kriterium der Leistungsfähigkeit definierte – Kollektiv, dem er das Primat vor dem Individuum zumaß. Schon auf der Hygiene-Ausstellung in Dresden 1911 wurde damit die individuelle Gesundheit der Besucher direkt mit kollektiven, gesamtstaatlichen Interessen in Beziehung gesetzt. Dadurch stieg der Druck auf den Einzelnen, sich selbst gesund zu verhalten. Die Ausstellung, so fasste Arthur Mallwitz dies prägnant zusammen, vermittele nicht nur die medizinisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen einer hygienischen Lebensweise, sondern „hat uns gelehrt, daß wir in erster Linie alles zu tun haben, unsere Gesundheit zu erhalten“.¹⁷¹ Dem Mehr an gesundheitlicher Aufklärung und der im Kaiserreich aufgewerteten medizinischen Versorgung stand ein verstärkter Zugriff auf die alltäglichen Lebensgewohnheiten und eine Politisierung der individuellen körperlichen Verfassung im Interesse der Nation gegenüber. Die „Erhaltung und Verbesserung der Gesundheit“ wurde, so wenig später der Stuttgarter Bürgermeister Karl Lautenschlager anlässlich der Ausstel-
168 Karl August Lingner: Der Mensch als Organisationsvorbild. Gastvortrag gehalten am 12. Dezember 1912 vor dem Professorenkollegium der Universität Bern, Bern 1914, S. 14. 169 Ebd., S. 15–17. Lingner selbst bezeichnete in dem Vortrag den aufgeklärten Absolutismus oder eine beschränkte Monarchie als das ideale Herrschaftssystem. 170 Ebd., S. 17. 171 Arthur Mallwitz: Zur Einführung, in: Körperkultur. Künstlerische Monatsschrift für Hygiene und Sport 7 (1912), S. 97–99, hier S. 98. Hervorhebung im Original.
6.2 Individuum und „Volksgemeinschaft“ |
355
lung für Gesundheitspflege 1914, langsam eine „ethische und soziale Pflicht jedes Einzelnen“.¹⁷² Am Vorabend des Ersten Weltkriegs wurde in wachsendem Maße die individuelle Gesundheit mit der Gesellschaft verwoben; der Staat als „Etappe der Entwicklung von der Familie zur Volksgemeinschaft“ aufgefasst.¹⁷³ Spätestens im wilhelminischen Kaiserreich begann sich damit das Verhältnis von Individuum und Kollektiv tendenziell zugunsten des Letzteren zu verschieben.
Die „Volksgemeinschaft“ in der Weimarer Republik Im Zuge des Ersten Weltkriegs verschärfte sich diese Tendenz. Der gesundheitliche Zustand der Bevölkerung erhielt vor dem Hintergrund der hohen körperlichen Belastung durch die Kriegsereignisse besondere Aufmerksamkeit. Gleichzeitig wurde trotz oder gerade wegen der politischen Zerrissenheit der Weimarer Republik das Bedürfnis nach innerer Geschlossenheit immer größer.¹⁷⁴ Auf den Gesundheitsausstellungen schlug sich diese Tendenz in einem zunehmend nationalistischen Duktus nieder; die „Volksgemeinschaft“ wurde zu einem regelmäßig adressierten Ideal. Die Veranstalter wollten bei ihren Besuchern das Bewusstsein wecken, dass „alle Schichten unseres Volkes aufs engste miteinander verbunden sind und sein müssen“, um die Herausforderungen der Gegenwart zu bestehen.¹⁷⁵ Auf den Expositionen standen – wie auf der Mitteldeutschen Ausstellung für Siedlung, Soziale Fürsorge und Arbeit in Magdeburg 1922 – der soziale wie wirtschaftliche „Wiederaufbau“ Deutschlands sowie die „physische und psychische Gesundung des schwer erschütterten Volkskörpers“ im Zentrum.¹⁷⁶ Generell sahen es die Akteure der hygienischen Volksbelehrung als ihre Aufgabe an, „die Gesundheit [der Bevölkerung S. W.] zu fördern und Gesundheitsschäden zu hindern; denn nur ein körperlich und geistig gesundes Volk vermag die Kraft zum Wiederaufstieg zu finden.“¹⁷⁷
172 Lautenschlager: Vorwort, S. 9–10, hier S. 9. 173 o. V.: In Dresden 1911, in: Blätter für Volksgesundheitspflege 11 (1911) 4, S. 80–82, hier S. 82. 174 Vgl. Mergel: Die Sehnsucht nach Ähnlichkeit und die Erfahrung der Verschiedenheit, S. 417– 434. 175 Süpfle: Gedanken und Wünsche zur Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, S. 257– 260, hier S. 260. Hervorhebung im Original. 176 Mitteldeutsche Ausstellung für Siedelung, Soziale Fürsorge und Arbeit. Magdeburg 1922. BArch Berlin R 86/2875, unpaginiert. 177 Kurt Adam: Aufruf an die Ärzte zur Beteiligung an der Reichs-Gesundheits-Woche, in: Ärztliche Mitteilungen 27 (1926) 14, S. 184–185, hier S. 184.
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Die GeSoLei widmete sich dementsprechend völlig dem „deutschen Menschen“¹⁷⁸, dessen „Volkskraft“ die Schau zu erhalten helfen und die auf diese Weise zum „Gesundbrunnen“ der Bevölkerung werden sollte.¹⁷⁹ Das gesamte Projekt stand damit – so umschrieb es der Publizist Otto Teich-Balgheim – unter dem Motto „Alles für Volk und Vaterland!“¹⁸⁰ Ihre Organisatoren bezogen sich emphatisch auf die Idee eines nationalen Aufbruchs; verstanden die Exposition als nationales Projekt, das sie „als ein Werk der Volksgemeinschaft“ vorantrieben.¹⁸¹ Um das Ziel des „körperliche[n] Wiederaufbau[s] unseres Volkes“¹⁸² zu erreichen, mussten die Bürger „durch Schutz bei der Arbeit, Minderung der dabei in Betracht kommenden Gefahren, und durch Volkswohlfahrtspflege“ unterstützt werden.¹⁸³ Gerade weit verbreitete Krankheiten wie Tuberkulose oder Syphilis galt es zu bekämpfen, richteten sie doch Schäden „am Einzelnen wie am Marke des gesamten Volkes“ an.¹⁸⁴ Kein Mensch sollte krank, niemand arbeitsunfähig werden, um die schwierige soziale Situation des Deutschen Reiches nicht noch zusätzlich zu belasten.¹⁸⁵ Die Veranstalter der GeSoLei – allen voran Arthur Schloßmann – beschäftigte also durchaus der Zustand des Einzelnen. Ihre eigentliche Sorge galt aber ebenfalls der Bevölkerung, deren Verfassung durch die individuelle Gesundheitspflege des „Einzelmenschen“ verbessert werden sollte.¹⁸⁶
178 Schloßmann/Lehr: „Denkschrift über die Einrichtung eines Deutschen Museums der Gesellschafts- und Wirtschaftskunde“, S. 5. BArch Berlin R 86/4471, unpaginiert. Hervorhebung im Original. 179 Eduard Dietrich: Gesundheitliche Volksbelehrung und die Ausstellung „Gesolei“, in: Gesolei. Zeitschrift der Grossen Ausstellung Düsseldorf für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1 (1925) 3, S. 41–42, hier S. 42. 180 Otto Teich-Balgheim: Grundgedanken, allgemeine Bedeutung und äußere Gestaltung der Gesolei, in: Ders. (Hrsg.): Die Gesolei in Wort und Bild, Düsseldorf 1926, S. 3–6, hier S. 3. 181 Schreiben Schloßmann an Teleky vom 30.10.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1027, Bl. 30. 182 Arthur Schloßmann: Grundgedanke und Entstehung der Großen Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen, in: Ders. (Hrsg.): Große Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. Amtlicher Katalog, S. 21–26, hier S. 24. 183 Schloßmann/Lehr: „Denkschrift über die Einrichtung eines Deutschen Museums der Gesellschafts- und Wirtschaftskunde“, S. 7. BArch Berlin R 86/4471, unpaginiert. 184 Wilhelm Tietmann: Die soziale Fürsorge auf der Ausstellung, in: Otto Teich-Balgheim (Hrsg.): Die Gesolei in Wort und Bild, Düsseldorf 1926, S. 44–46, hier S. 46. 185 Vgl. Arthur Schloßmann: Entstehung und Ziele der Großen Ausstellung Düsseldorf für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen Düsseldorf 1926, in: Gesolei. Zeitschrift der Grossen Ausstellung Düsseldorf für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1 (1925) 1, S. 2–4. 186 Der Begriff des „Einzelmenschen“ taucht in den Quellen immer wieder auf, sein Gebrauch nimmt aber ab den 1920er Jahren quantitativ zu.
6.2 Individuum und „Volksgemeinschaft“ |
357
Die Internationale Hygiene-Ausstellung 1930/31 war ebenfalls der Gesundheit als dem „höchste[n] Besitz des Menschen und das größte Gut der Völker“¹⁸⁷ sowie der „‚Grundlage, auf welcher das Glück und die Macht des Staates beruht‘“¹⁸⁸ gewidmet. Sie sollte die Bedeutung einer gesunden Bevölkerung als dem „wichtigste[n] Teil des Volksvermögens“ sichtbar machen.¹⁸⁹ Wie in Düsseldorf galt in Dresden die Sorge der Veranstalter dem „Menschen selbst als wertvollstes Gut der Volksgemeinschaft“, der „vor Krankheit und Siechtum zu bewahren“ sei, um die „ungehemmte Entfaltung seiner Kräfte“ zu ermöglichen.¹⁹⁰ „Auch heute noch“, so führte Carl Hamel als Präsident des Reichsgesundheitsamtes in seiner Begrüßungsansprache anlässlich des Sozialhygienischen Tages in Dresden 1930 aus, „zeigt der Volkskörper gesundheitliche Wunden und Narben in großer Zahl“, die es durch die Pflege Hilfsbedürftiger sowie die präventive Verhinderung weiterer Krankheiten zu verringern gelte.¹⁹¹ Fürsorge und Vorsorge waren aus Sicht der Beobachter der Hygiene-Ausstellung 1930/31 miteinander verschränkt, nahmen „im öffentlichen Leben der Gegenwart eine geradezu beherrschende Stellung“ ein und verwiesen auf ein gesellschaftsübergreifendes Ziel: „Unser Volk in höchster Kraft.“¹⁹² Die Bevölkerung bildete in der Zwischenkriegszeit den wichtigsten Bezugspunkt für die Organisatoren der Gesundheitsausstellungen; diese sollte durch eine Verbesserung des körperlichen Zustandes jedes Einzelnen kollektiv gestärkt werden. Individuelle und kollektive Gesundheit wurden auf diese Weise miteinander verschränkt. Die hygienischen Volksbelehrer bezogen sich deswegen auf das Individuum und appellierten wie schon 1911, an das „Verantwortungsgefühl des einzelnen und der Allgemeinheit“.¹⁹³ Denn nur wenn sich jeder an ihre Empfehlungen hielt, konnte die Gesundheitsaufklärung überhaupt eine Wirkung erzielen. Nur wenn die hygienische Volksbelehrung zu persönlichen Verhaltensänderungen führte, konnte der „Volkskörper“ perspektivisch gesünder gemacht werden. Anders als vor dem
187 o. V.: Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, S. 5–12, hier S. 6–7. 188 H. Heberer: Zur Eröffnung des Deutschen Hygiene-Museums und der Internationalen HygieneAusstellung in Dresden, in: Gesundheitslehrer 33 (1930) 6, Ausgabe B, S. 45–46, hier S. 46. 189 K. W. Thiele: Hygiene, in: Leipziger Populäre Zeitschrift für Homöopathie 61 (1930) 14, S. 262– 265, hier S. 265. 190 Überblick über die Gesundheitslage in Deutschland. Begrüßungsansprache des Präsidenten des Reichsgesundheitsamts, Dr. Hamel – Berlin, S. 1. BArch Berlin R 86/4517, unpaginiert. Hervorhebung im Original. 191 Ebd., S. 8. 192 Arthur Graefe: Zeitalter der Technik oder Zeitalter der Hygiene?, in: Internationale HygieneAusstellung Dresden. Mai – Okt. 1930. Offizielle Ausstellungszeitung 1 (1930) 11, S. 2–3, hier S. 2. 193 Schloßmann: Entstehung und Ziele der Großen Ausstellung Düsseldorf für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen Düsseldorf 1926, S. 2–4, hier S. 4.
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Ersten Weltkrieg erhöhte sich nun jedoch der Druck auf den Einzelnen. Während Lingner noch davon ausging, dass sich die Besucher durch eine rationale Gesundheitsaufklärung von selbst ändern würden, setzte sich in der Zwischenkriegszeit die Ansicht durch, die Bevölkerung müsse dazu angehalten werden. Deswegen sahen die hygienischen Volksbelehrer ihre Aufgabe darin, das „ganze Volk aufzurufen und aufzurütteln“ sowie den Einzelnen zu einer vernünftigen hygienischen Lebensweise zu erziehen.¹⁹⁴ Das Ziel ihrer Aktivitäten war es, den Besuchern „einzuhämmern, dass nur in einer Gemeinschaftsarbeit aller Stände die Blüte und Zukunft Deutschlands verankert ist.“¹⁹⁵ Sie verwiesen auf die „Gesundheitspflicht“ jedes Staatsbürgers¹⁹⁶; versuchten, in „jedem einzelnen Deutschen“ den Willen zu wecken, sich selbst, seine Nachkommen „und damit unsere ganze Volksgemeinschaft in gesundheitlicher Beziehung zu kräftigen“.¹⁹⁷ Indem die Ausstellung den Besucher in einen Zusammenhang „vom eigenen Körper zum Nächsten und über den Nächsten zum Ganzen“ stellte¹⁹⁸, wurde die Erhaltung der eigenen Gesundheit nicht mehr lediglich ein Ergebnis individueller Interessensabwägungen, sondern zur „sittliche[n] Pflicht des Einzelnen gegen das Volksganze.“¹⁹⁹ Da sich persönliches Fehlverhalten und ungesunde Angewohnheiten entweder durch die Übertragung von Krankheiten oder durch die anfallenden Kosten für den Wohlfahrtsstaat negativ auf die gesamte Bevölkerung auswirkte, griffen aus Sicht der hygienischen Volksbelehrer „Individual- u. Sozialschädigung“ direkt ineinander.²⁰⁰ Neben medizinischen und immer wieder auch eugenischen Argumenten verwiesen sie in diesem Zusammenhang vor allem auf die wirtschaftlichen Interessen des Staates. Die Gesundheitsfürsorge habe, so drückte es Gustav Reuter als Leiter der Hauptabteilung „So“ aus, in erster Linie die „Vermeidung wirtschaftlicher Belastung der
194 Koenig: Die Bedeutung der Reichsgesundheitswoche, in: Volkswohlfahrt. Amtsblatt des Preußischen Ministeriums für Volkswohlfahrt 7 (1926) 9, S. 429–432, hier S. 431. 195 Schreiben des Reichsmuseums für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde an den Minister für die besetzten Gebiete, z. Hd. von Staatssekretär Schmid vom 14.01.1928. BArch Berlin R 3901/7246, unpaginiert. 196 G. Frey: Persönliche und öffentliche Fürsorge, in: Gesolei. Zeitschrift der Grossen Ausstellung Düsseldorf für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1 (1926) 8, S. 148–150, hier S. 150. 197 Weisbach: Der Wille zur Tat!, S. 111. 198 o. V.: Düsseldorf und die Große Ausstellung, S. 5–7, hier S. 6. 199 Frey: Gedanken über hygienische Volksbelehrung ihre Wege und Hilfsmittel, S. 232–264, hier S. 232. 200 Protokoll zur Sitzung der Gruppe Alkoholismus bei der Gesolei 1926 vom 23.11.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1473, unpaginiert.
6.2 Individuum und „Volksgemeinschaft“ |
359
Allgemeinheit durch die sozial Geschädigten“ zur Aufgabe.²⁰¹ Sie sei daher „nicht nur im Interesse des einzelnen, sondern [. . . ] auch im Interesse der Gesamtheit, welche durch den Erkrankten gesundheitlich bedroht oder wirtschaftlich belastet wird.“²⁰² Auch Fritz Rott konstatierte, die Gesundheitsfürsorge diene nicht nur der „Bewahrung der Volksgesundheit vor Volkskrankheiten“, sondern verringere gleichzeitig den ökonomischen Druck auf das Sozialsystem.²⁰³ 1930 erklärte Süpfle, der Zweck staatlicher Gesundheitspflege sei es, eine „gesundheitsgemäße Lebensführung auf rationeller Basis mit der geringsten wirtschaftlichen Belastung“ zu gewährleisten.²⁰⁴ Der Bezug auf das kollektive Interesse an einer verbesserten Gesundheitspflege kann allerdings auch positiv gedeutet werden, da er mittelbar zu einer verstärkten Aufmerksamkeit für den körperlichen Zustand des Individuums führte. Denn die medizinischen Experten sowie verantwortlichen Beamten in den 1920er Jahren gingen noch davon aus, dass ein starker „Volkskörper“ nur durch die Stärkung der gesamten Bevölkerung zu erreichen war. Dafür bedurfte man der Mitarbeit jedes Einzelnen; nur wenn gesundheitliche Maßregeln und im Falle von Erkrankungen die ärztlichen Anweisungen eingehalten wurden, nur wenn alle ihren Körper pflegten und sich gesundheitsbewusst verhielten, war mittel- bis langfristig eine Verbesserung des körperlichen Zustandes der „Volksgemeinschaft“ denkbar. Die Expositionen richteten sich deswegen direkt an ihr Publikum; die Veranstalter bemühten sich, den Besuchern die Notwendigkeit einer hygienischen Lebensweise zu verdeutlichen. Die große Bedeutung der hygienischen Volksbelehrung im Allgemeinen und der Gesundheitsausstellungen im Speziellen zeigen, dass die hygienischen Volksbelehrer zwar dem Kollektiv die Priorität gegenüber den Individuen zuschrieben, der Einzelne aber immer noch eine autonome, selbstbestimmte Position hatte. Insofern lassen sich die Anstrengungen der hygienischen Volksbelehrer in den 1920er Jahren auch als Demokratisierung und Popularisierung des medizinisch-naturwissenschaftlichen Wissens über den Körper lesen. Das Individuum behielt eine starke Stellung, waren doch die Versuche, Krankheiten präventiv zu verhindern, auf die Kooperationsbereitschaft der gesamten Bevölkerung angewiesen. Diese sollten in erster Linie mit rationalen Argumenten sowie emotionaler Ansprache überzeugt werden. Vor allem Marta Fraenkel betonte, wie
201 Gustav Reuter: Hauptabteilung „So“, in: Schloßmann (Hrsg.): Große Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. Amtlicher Katalog, S. 155–208, hier S. 167. Hervorhebung im Original. 202 Ebd., S. 168. 203 Rott: Die Gesundheitsfürsorge, S. 668–719, hier S. 688. 204 Süpfle: Die Wissenschaft u. die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, S. 61–64, hier S. 64.
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wichtig es war, das Publikum direkt anzusprechen, es aufzuklären und dadurch anzuregen, zu unterhalten sowie zum Nachdenken zu bringen.²⁰⁵ Außerdem konnten die Akteure den gesteigerten Bezug auf das Kollektiv für eine positive Ressourcenmobilisierung nutzen. So wurden 1926 in der Gruppe „Fürsorge für erwerbstätige Kinder und Jugendliche“ die „körperlichen und geistigen Schäden sowie die sittliche Gefährdung durch die Kinderarbeit“ behandelt und mit Hilfe bevölkerungspolitischer sowie volkswirtschaftlicher Argumente die „regelmässige, nicht zu Erziehungszwecken dienende Kinderarbeit“ in Frage gestellt.²⁰⁶ In Dresden 1930/31 war es in der kulturhistorischen Sonderschau des Deutschen Reiches etwa der Beitrag über die Sozialversicherung, der aus der Verknüpfung der individuellen mit der kollektiven Gesundheit die Daseinsberechtigung staatlicher Wohlfahrtspflege ableitete.²⁰⁷ Dort erschien die Sozialversicherung als Hüterin „unseres kostbarsten Volksgutes, der Volksgesundheit“, deren vordringlichste Aufgabe die Erhaltung der menschlichen Arbeitskraft, des „wichtigsten Betriebskapitals unserer Wirtschaft“ sei.²⁰⁸ Allerdings trug der kollektivierende Bezug auf den Körper immer auch ein ausgrenzendes Moment in sich. Denn der Geburtenrückgang, die vermeintliche Degeneration der Bevölkerung sowie die hohen Kosten des Sozialstaates wurden auf den Expositionen als drängende Probleme wahrgenommen, die durch zunehmend radikalere Eingriffe in Alltag und Körper der Bürger gelöst werden sollten. Damit korrespondierte die verstärkte Betonung präventiver sowie eugenischer Praktiken als Schlüssel zur Gesunderhaltung der Bevölkerung. Unter dem leitmotivischen Sinnspruch „‚Vorbeugen ist besser als heilen‘“ versammelten sich in Düsseldorf sowie Dresden ganz unterschiedliche Akteure, um die Bedeutung der präventiven Verhinderung von Krankheit und Devianz hervorzuheben.²⁰⁹ Gesundheitspflege und Krankheitsprävention wurden für viele Zeitgenossen zu zwei
205 Vgl. Marta Fraenkel: Neue Ziele und neue Wege hygienischer Volksbelehrung unter Berücksichtigung der Internationalen Hygiene-Ausstellung, in: Gesundheitslehrer 33 (1930) 15, Ausgabe A, S. 170–171. 206 Niederschrift über die Sitzung der Gruppe „Fürsorge für erwerbstätige Kinder und Jugendliche“ vom 26.10.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1047, Bl. 111–112. 207 Vgl. Ausstellungsplan „Die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens“ vom 20.06.1929, S. 17. Archiv des Diakonischen Werkes der EKD ADW, CA/G Nr. 421, unpaginiert. 208 Tempel: Hygiene und Sozialversicherung, in: Presse-Stelle des Deutschen Hygiene-Museums und der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 (Hrsg.): Das Deutsche HygieneMuseum und die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930, S. 65–67, hier S. 65. 209 Für die GeSoLei vgl. bspw. Ein Gang durch die Grosse Ausstellung Düsseldorf 1926, Düsseldorf [1926], S. 4. LA Berlin B Rep. 142–06/Nr. 591, Bl. 15. Für Dresden vgl. u. a. Hartmann, Herbert: Die Internationale Hygieneausstellung in Dresden 1931, in: Sportpolitische Rundschau 4 (1931) 7, S. 137–138, hier S. 138.
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Seiten derselben Medaille. „Fürsorge und Vorsorge“ griffen „auf fast allen Gebieten ineinander.“²¹⁰ Die DVfK leitete aus dieser allmählichen Schwerpunktverlagerung von der kurativen „Fürsorge“ zur präventiven „Vorsorge“²¹¹ für sich den Auftrag ab, Behinderungen nicht lediglich zu „heilen oder [zu] bessern“, sondern sah „ihr höchstes Ziel in der Verhütung des Krüppeltums durch vorbeugende Maßnahmen.“²¹² Dies bedeutete für sie auch den Hinweis auf das Gebot für Heiratswillige, nur „körperlich und geistig gesunden Kindern das Leben zu geben.“²¹³ Hier wurde die Überschneidung der Präventionsidee mit eugenischen Positionen besonders deutlich. Es zeigt sich, dass die Bevorzugung der Interessen des Kollektivs vor denen der Individuen zu Lasten Letzterer gehen konnte. Ende der 1920er Jahre waren selbst Forderungen nach Maßnahmen wie der vorgeburtlichen Verhinderung von „minderwertigem Nachwuchs“ sagbar geworden. Der Körperdiskurs in der Zwischenkriegszeit erwies sich damit als ambivalent. Einer Verbesserung der sozialstaatlichen Absicherung und medizinischen Versorgung stand die verstärkte Indienstnahme des Einzelnen im Sinne des „Volkskörpers“ gegenüber. Einerseits hatte in der Weimarer Republik jeder Bürger als „Glied verschiedener Gemeinschaftsorganismen, die auch ihrerseits an der Erhaltung der Gesundheit der einzelnen Menschen und damit der des Volkes ein lebenswichtiges Interesse haben“ ein Anrecht auf die Unterstützung der Gesellschaft. Andererseits wurde die „Erhaltung der menschlichen Gesundheit“ nun immer stärker als „Pflicht eines jeden Menschen gegen sich selbst, seine Familie, sein Volk und die Menschheit“ verstanden.²¹⁴ Dadurch liefen Gruppen, die den gesellschaftlichen Normen nicht entsprachen oder entsprechen wollten, Gefahr, aus der „Volksgemeinschaft“ zumindest diskursiv ausgeschlossen und mit Repressionen bedroht zu werden. Die Gesundheitsausstellungen lassen sich dementsprechend sowohl als Orte der Popularisierung des medizinisch-naturwissenschaftlichen Wissens über den Körper als auch als Medien der Disziplinierung des Individuums und seines Körpers, der Unterordnung des Einzelnen unter die Gesamtheit interpretieren. Nicht nur äußere „Feinde“, so die Botschaft der GeSoLei 1926 und
210 Gerlach: Vorschläge für die Ausstellung So. Gruppe III (Fürsorge für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene, Fürsorge für Schwerbeschädigte und Erwerbsbeschränkte durch Arbeitsbeschaffung) vom 10.07.1925. StdA Düsseldorf 0–1–18–1464, unpaginiert. 211 Eckhardt: Vorbeugung des Krüppeltums, S. 181–194, hier S. 181. 212 Hellmut Eckhardt: Die Aufklärungsarbeit der Deutschen Vereinigung für Krüppelfürsorge, in: Zeitschrift für Krüppelfürsorge 18 (1925) 3/4, S. 56–58, hier S. 56. 213 Ders.: Aufklärungsarbeit und Vorbeugung, in: Zeitschrift für Krüppelfürsorge 19 (1926) 7/8, S. 109–110, hier S. 109. 214 Külz: Die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 – ein Dienst an der Menschheit, S. 35–36, hier S. 35.
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der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1930/31, bedrohten den „Volkskörper“, auch das individuelle Fehlverhalten seiner Mitglieder. Von Stucks „Hygieneauge“ richtete sich nach innen und außen gleichermaßen und forderte vom Betrachter: „Erkenne den Feind! Erkenne ihn um dich herum und in dir selbst!“²¹⁵ Die Gesundheitsschauen und die hygienische Volksbelehrung lösten das ambivalente Spannungsverhältnis von Individuum und Kollektiv nicht auf. Vielmehr war dieses auch für die Ausstellungen konstitutiv; versuchten die Verantwortlichen doch, die Gestalt des „Volksganzen“ durch die Beeinflussung des Einzelnen zu steuern. Allerdings begriffen die Veranstalter der Expositionen auch in den 1920er Jahren das „Volk“ noch nicht als eine eigenständige, ins Überpersonale gesteigerte Entität; hatte für sie der „Volkskörper“ noch keinen von der Bevölkerung abgelösten Charakter. Wie schon für Lingner im Kaiserreich bildete beispielsweise auch für Theodor Bürgers auf der GeSoLei die „Summe der einzelnen Familien [. . . ] das Volk, die Rasse, deren Gedeihen Aufgabe und Pflicht des einzelnen wie des Staates ist.“²¹⁶ Kollektiv und Individuum erschienen aus dieser Perspektive noch in einem stetigen Wechselverhältnis; die Qualität der einzelnen Mitglieder determinierte noch die des „Volksganzen“, das nicht unabhängig von seiner Bevölkerung gedacht werden konnte. Das Individuum blieb für die hygienischen Volksbelehrer das Referenzobjekt, selbst wenn ihr Interesse der Verbesserung des „Volkskörpers“ galt.
Der „Volkskörper“ im Nationalsozialismus Das änderte sich jedoch mit den nationalsozialistischen Expositionen nach 1933. Diese waren völlig auf das Kollektiv ausgerichtet, erhoben die „Gemeinschaft zwischen Volk und Führer, [. . . ] das Prinzip von Führerwille und Gefolgschaftstreue“ zu ihrem zentralen Leitmotiv.²¹⁷ Die Veranstalter der „Wunder des Lebens“ verklärten die „Volksgemeinschaft“ als Vollendung der natürlichen Ordnungsprinzipien oder imaginierten auf der „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ eine durch die nationalsozialistische Machtübernahme erreichte harmonische, klassenübergreifende, nationale Einheit.²¹⁸ Sie präsentierten die „grosse staatspolitische These von der
215 o. V.: Dresdener Hygiene-Ausstellung 1930, in: Vossische Zeitung vom 15.05.1930. AbendAusgabe, S. 1. 216 Bürgers: Die Bedeutung der Hauptabteilung Gesundheitspflege, S. 79–154, hier S. 87. 217 So Joseph Goebbels bei der Eröffnung der „Deutschland“ 1936. o. V.: Deutschland-Schau eröffnet, in: Berliner Tageblatt vom 18.07.1936, S. 3. 218 Vgl. Zessler: „Das Wunder des Lebens“, S. 209–210, hier S. 209; „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ 21. April bis 3. Juni – wird heute eröffnet. Nachrichtendienst der Gemeinnützigen Berliner
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Gemeinschaft eines ganzes Volkes“²¹⁹, stellten die Steigerung der „Leistungsfähigkeit der Volksgemeinschaft durch Pflege der biologischen Erbmasse des Volkes“ in ihren Mittelpunkt²²⁰ und erklärten den „Zellenstaat“, der durch „harmonische Zusammenarbeit Höchstes leistet“, zum Vorbild für eine ideale politische Regierungsform.²²¹ Die Ausstellungen zielten darauf, den „große[n] Wille[n], das geistige Band, das unser Volk umschlingt“ darzustellen; den Menschen als Teil einer „Blutund Rassengemeinschaft“ zu zeichnen.²²² Hiermit verschob sich die Gewichtung endgültig zugunsten des Kollektivs, wurden Volk und „Rasse“ als eigenständige, von den Individuen abgehobene Größen begriffen und der „Einzelmensch“ in ein ihm übergeordnetes Kollektiv eingeordnet. Das Volk des Deutschen Reichs bestand aus Sicht der Nationalsozialisten eben nicht mehr „aus der Summe all der Menschen, die dort geboren werden“, sondern wurde „aus einer geheimen Quelle gespeist“; dem „unverdorbene[n] Erbgut der Vorfahren, das in uns weiterlebt als Erbgesundheit und rassische Reinheit.“²²³ Daraus leiteten sie ab, dass der Mensch als „Glied eines Volkes“ nicht durch individuelle Besonderheiten, sondern durch die Charakteristika seines Lebensraums sowie seiner „Rasse“ definiert wird.²²⁴ Statt persönlicher Eigenschaften waren es „Blut und Boden“, die – so eine Botschaft der Schau „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ – Leben und Entwicklung des Einzelnen prägten.²²⁵ „Kein Mensch“, so führte auch Bruno Gebhard aus, sei „aus sich heraus auf dieser Welt.“²²⁶ Er stehe vielmehr in einem Abhängigkeitsverhältnis mit seiner Familie, seinen Vorfahren und seinem Volk, aus dem er sich nicht „ungestraft“ lösen könne.²²⁷ Umgekehrt wurde nach dieser Logik jedoch auch das Schicksal des Volkes vor allem durch seine rassische Zusammensetzung
Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-GmbH. BArch Berlin R 3901/7248, Bl.130–142, hier Bl. 133. 219 Albert Brodbeck: „Wahrheit und Klarheit!“ Die Aufgaben der „Deutschland“-Ausstellung, in: Berliner Tageblatt vom 18.07.1936. Morgen-Ausgabe, o. S. 220 Entwurf Albert Wischeks: Deutsches Volk – Deutsche Arbeit, S. 2. LA Berlin A Rep. 015–02/ Nr. 32091, unpaginiert. 221 Herbert Michael: Die Entstehung des Lebens, in: Gebhard (Hrsg.): Wunder des Lebens, S. 3–34, hier S. 34. 222 B.: Wunder des Lebens, S. 69–70, hier S. 69. 223 Ruttke/Denker: Gesundheit als Grundlage der Erhaltung des Lebens, S. 101–108, hier S. 101. 224 Ernst Goebel: Volk und Wirtschaft, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-Gesellschaft (Hrsg.): Deutsches Volk – Deutsche Arbeit. Amtlicher Führer durch die Ausstellung, S. 173–175, hier S. 173. 225 o. V.: Deutsches Volk – Deutsche Arbeit, o. S. 226 Gebhard: Die Familie als Keimzelle des Volkslebens, S. 299–350, hier S. 301. 227 Ebd., S. 308.
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bestimmt.²²⁸ Gefährdeten Einzelne ihre körperliche Verfassung durch individuelles Fehlverhalten, schadeten sie damit auch der Gesundheit des „Volksganzen“. Da die Nationalsozialisten gerade diese Situation durch den Geburtenrückgang, die differentielle Fortpflanzung sowie die vor allem durch Mischehen bedingte „rassische Entartung“ eingetreten sahen und den „Volkskörper“ perspektivisch bedroht wähnten, sollten auch die NS-Gesundheitsschauen Einfluss auf die Lebensführung ihrer Besucher nehmen. Wie ihre Vorgängerinnen hatten sie eine „volkserzieherische“ Aufgabe. Sie erinnerten einmal mehr an die „Verantwortung“ des Einzelnen, nicht allein für sich oder die Bevölkerung, sondern „für das Leben von Volk und Rasse“ generell.²²⁹ Jeder „einzelne Volksgenosse“ sollte auf den Ausstellungen „gepackt“, sollte durch rationale Ansprache und Emotionalisierung zur Vermeidung potentiell schädlicher Verhaltensweisen „gezwungen werden.“²³⁰ Die Expositionen hatten die Aufgabe, die Besucher „zum tätigen und zum willigen Glied der Nation“ zu machen; sie dazu zu animieren, sich in den Dienst von „Volksgemeinschaft“ und „Volkskörper“ zu stellen.²³¹ Damit nahm auf den nationalsozialistischen Gesundheitsausstellungen das Individuum weiterhin eine wichtige Stellung ein, waren doch die hygienischen Volksbelehrer selbst noch im Dritten Reich auf dessen Kooperationsbereitschaft angewiesen. Öffentliche Maßnahmen konnten aus ihrer Sicht nur dann die volle Wirkung entfalten, wenn „der einheitliche Wille des gesamten Volkes hinter ihnen steht.“²³² Deswegen durften die Schauen nicht „den Beigeschmack von Lehrhaftigkeit“ erwecken.²³³ Vielmehr war es das Ziel der Veranstalter, die Expositionen derart zu gestalten, dass bei den Besuchern gar nicht erst das Gefühl aufkam, beeinflusst zu werden. Allerdings beließen es die NS-Gesundheitsschauen nicht bei diesem aufklärerischen Gestus, sondern wurden von einer ausschließenden Rhetorik, von einem zunehmenden Druck auf das Individuum begleitet. Appellierten die hygienischen Volksbelehrer zuvor noch vor allem an eine moralische Selbstverpflichtung zu einer gesunden Lebensweise, drohten sie nun allen körperlich,
228 Vgl. Vellguth: Deutsches Volk, S. 75–85, hier S. 75. 229 Hans Stephan: Die Ausstellung „Das Wunder des Lebens“ in Berlin, in: Zentralblatt der Bauverwaltung vereinigt mit Zeitschrift für Bauwesen 55 (1935) 17, S. 330–335, hier S. 330. 230 Zeitungsausschnitt: o. V.: Hilfe für Mutter und Kind. Die Ausstellung „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“. FU Berlin, Universitätsarchiv Sammlung Fritz Rott, Kasten 247, unpaginiert. 231 o. V.: Ist das schon „das Wunder des Lebens“?, in: Katholisches Kirchenblatt für das Bistum Berlin 31 (1935) 13, S. 10. 232 Vellguth: Deutsches Volk, S. 75–85, hier S. 82. 233 Weiß: Etwas über die Ausstellungstechnik der Jahresschau „Das Wunder des Lebens“, S. 126– 130, hier S. 126.
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gesundheitlich oder sozial Abweichenden mit dem Entzug sozialer Unterstützung sowie gewalttätigen Eingriffen in ihr persönliches Leben. Denn die nationalsozialistische Wohlfahrtspflege verstand sich als „bewußte Abkehr vom Individualismus.“²³⁴ Statt des einzelnen Menschen bestimmten nun „Volk und Rasse“ das „Zentrum unseres ärztlichen hygienischen Denkens.“²³⁵ Sie orientierte sich allein an den Interessen der „Volksgemeinschaft“, forderte die „Unterordnung aller Einzelbestrebungen“ unter das große Ziel der „Aufwärtsentwicklung unserer Rasse, unseres deutschen Volkes.“²³⁶ In diesem Sinne betonten die Veranstalter der „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ 1938, Gesundheit sei keine „Privatsache, sondern Gesundsein ist Pflicht“. Jeder Schaden „an Leben und Gesundheit“ beträfe nicht nur den Einzelnen, sondern sei gleichzeitig ein „Schaden für Deutschland.“²³⁷ „Schutz und Pflege der Erbgesunden“, nicht die Behandlung „aussichtslos Kranker und erblich Minderwertiger aus humanitärindividualistischen Motivationen“ präsentierten die Ausstellungen als die neuen Leitlinien der Gesundheitspolitik.²³⁸ Dies bedeutete gleichzeitig eine intensivierte Thematisierung präventiver und rassenhygienischer Ideen. Negative Maßnahmen wie die „Eindämmung der Erbbelasteten und der Fremdrassigen“²³⁹ oder die Bekämpfung der „Gefahren der erblichen Belastung“²⁴⁰ durch Eheverbote und Sterilisierungen wurden dadurch aufgewertet. Die Ausstellungen propagierten präventive Eingriffe in das Leben derjenigen, die als „minderwertig“ oder „fremdrassig“ stigmatisiert waren; sie legitimierten ein repressives Vorgehen gegen Menschen, die nicht ihrer „Verpflichtung [. . . ], sich selbst gesund zu erhalten“, nachkamen.²⁴¹ Ungesundes Verhalten, körperliche Schwäche und Krankheit oder soziale Devianz
234 Hilgenfeldt: Nationalsozialistische Wohlfahrtspflege als Dienerin am Wunder des Lebens, S. 21–24, hier S. 21. 235 So Reichsärzteführer Gerhard Wagner bei der Eröffnung der Wanderausstellung „Das Leben“ in Essen 1936. o. V.: „Das Leben“, Ausstellung für Volksgesundheit vom 9. Mai bis 1. Juni 1936 in Essen, S. 550–552, hier S. 551–552. 236 Weiß: Etwas über die Ausstellungstechnik der Jahresschau „Das Wunder des Lebens“, S. 126– 130, hier S. 126. 237 o. V.: Rundgang durch die Reichsausstellung „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“, Berlin 1938, Ausstellungshallen am Funkturm, in: Messe und Ausstellung 20 (1938) 20, S. 2–4, hier S. 2. 238 Hilgenfeldt: Nationalsozialistische Wohlfahrtspflege als Dienerin am Wunder des Lebens, S. 21–24, hier S. 21. 239 Vellguth: Deutsches Volk, S. 75–85, hier S. 81. 240 Arthur Gütt: Neuordnung des Gesundheitswesens, in: Gemeinnützige Berliner Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrs-Gesellschaft (Hrsg.): Das Wunder des Lebens. Amtlicher Führer durch die Ausstellung, S. 12–16, hier S. 16. 241 o. V.: Reichsausstellung „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ in Berlin, in: Messe und Ausstellung 20 (1938) 17, S. 5–6, hier S. 5.
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wurden als „asozial“ abgewertet und als „erbliche Minderwertigkeit“ biologisiert. Die Betroffenen wurden als potentielle Gefahren für den „Volkskörper“ diskreditiert, denen soziale wie medizinische Hilfe versagt werden konnte oder die es zum Schutz des „Volkskörpers“ vorbeugend von der Fortpflanzung auszuschließen galt. Auf den NS-Gesundheitsausstellungen wurde das Verhältnis von Individuum und Gesundheit auf eine neue Stufe gehoben. Die nationalsozialistische „Gesundheitsführung“ bemühte sich jedoch, beide Pole im Sinne der „Volksgemeinschaft“ miteinander zu verbinden. Sie richtete sich an den rassisch „hochwertigen“ „Volksgenossen“, den sie zu stärken und unterstützen versuchte. Dem „schaffenden Deutschen als Zelle eines gesunden, leistungsfähigen Organismus“ kam im Dritten Reich Fürsorge und Förderung zu.²⁴² Seiner Gefährdung wollte man durch einen verbesserten Unfallschutz, durch Gewerbehygiene und unterschiedliche sozialpolitische Maßnahmen zuvorkommen.²⁴³ Er war aus Sicht der hygienischen Volksbelehrer vor Krankheit oder körperliche Gebrechen zu schützen und möglichst dauerhaft gesund zu erhalten.²⁴⁴ Im Gegenzug dafür verlangten die Protagonisten der „Gesundheitsführung“ die Unterordnung der persönlichen Lebensgestaltung unter die Ansprüche des Kollektivs. „Der Mensch“, führte Wilhelm Frick aus, müsse „wieder lernen, daß er ja auch nur ein Teil der Natur selbst ist.“ Künftig habe er „seine Überheblichkeit“ abzulegen, habe sich als „Glied der großen Volksgemeinschaft“ zu fühlen, die ihn darauf verpflichtete, „verantwortlich an der Erfüllung seiner eigenen Lebensaufgabe mitzuwirken, nämlich das gesunde Erbgut der Vorfahren zu erhalten“.²⁴⁵ Diese Erfüllung der „Pflicht zur Erhaltung und Mehrung der Gesundheit“ wurde auf den Expositionen mit Nachdruck eingefordert.²⁴⁶ Das Individuum hatte jedoch auch weiterhin eine starke Stellung inne: mit der nationalsozialistischen Machtübernahme verschwanden individuelle Bedürfnisse und der Wunsch nach individueller Selbstverwirklichtung nicht einfach. Stattdessen wurden sie in das Versprechen der harmonisierenden und homogenisierenden „Volksgemeinschaft“ integriert. Die Einordnung in ein „Volksganzes“ wurde als
242 Programm für die Ausstellung „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ vom 25.10.1937, S. 2. LA Berlin A Rep. 015–02 Nr. 32091, unpaginiert. 243 Zur Bedeutung der Gewerbehygiene auf den NS-Schauen vgl. auch Schreiben Hartrodt an Prof. Mebes vom 26.03.1934. BArch Berlin R 3901/7247, Bl. 295. 244 Vgl. Theodor Pakheiser: Volksgesundheit – das Ziel der Reichsausstellung „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“, in: Messe und Ausstellung 20 (1938) 20, S. 4. 245 To: „Das Wunder des Lebens“. Ausstellung in Berlin vom 23. März bis 5. Mai 1935, S. 322–326, hier S. 323. 246 o. V.: Das Leben. Ausstellung für Volksgesundheit. Essen 1936 9. Mai bis 1. Juni. Ausstellungshallen Grugapark. Amtlicher Führer, Essen 1936, S. 9.
6.2 Individuum und „Volksgemeinschaft“ |
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Grundvoraussetzung für eine individuelle Selbstverwirklichung dargestellt.²⁴⁷ In der hygienischen Volksbelehrung behielt der Einzelne ebenfalls seine exponierte Stellung bei. Er sollte emotional angesprochen und rational überzeugt werden; sein Verhalten, seine Einstellung zur NS-Gesundheitspolitik und letztlich seine körperliche Verfassung sollten dadurch zumindest indirekt beeinflusst werden. Der individuelle Besucher blieb der Adressat der Gesundheitsausstellungen. Dementsprechend bestand die Hauptaufgabe der „Gesundheitsführung“ zwar darin, die „Erbgesundheits- und Rassenpflege zu fördern, ohne [jedoch] dabei die gesundheitliche Belehrung und die gesunde Lebensführung des einzelnen zu vergessen.“²⁴⁸ Seine Grenze fand das Individuum aber dort, wo es mit den tatsächlichen oder vermeintlichen Interessen der „Volksgemeinschaft“ konfligierte. An dieser Stelle erhöhte sich der Druck; hier wurde deviantem Verhalten verstärkt mit Repressionen begegnet. Besonders traf dies diejenigen, die den körperlichen, sozialen und rassischen Normen der Nationalsozialisten nicht entsprachen, die als „erbkrank“, „asozial“, „minderwertig“ oder „rassenfremd“ stigmatisiert wurden.²⁴⁹ Sie erfuhren eine sich radikalisierende Ausgrenzung, die von sozialer Isolation über Benachteiligungen im Alltag und irreversiblen Eingriffen in den Körper wie Kastration oder Sterilisation bis hin zur physischen Vernichtung reichen konnte. In der „Gesundheitsführung“ kulminierte auf diese Weise die Dualität von Individuum und Kollektiv, von der Hilfe für den Einzelnen und der Sorge um die Gemeinschaft in besonders existentieller Weise. Gerade die an Deutungshoheit gewinnende Rassenhygiene demonstrierte, wie sehr in der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ Prozesse gesellschaftlicher Integration und Homogenisierung mit solchen des rassischen oder gesundheitspräventiven Ausschlusses einhergingen. Beide waren aufeinander verwiesen und blieben miteinander verschränkt. Indem die Ausstellungen nach innen ein Gefühl von Homogenität und Gemeinschaft schufen, vermittelten sie gleichzeitig ein abwertendes, stigmatisierendes Bild von denjenigen, die sich am Rand befanden.
247 Vgl. jüngst Moritz Föllmer: Individuality and Modernity in Berlin. Self and Society from Weimar to the Wall, Cambridge u. a. 2013, v. a. S. 105–131. 248 o. V.: Aufbau und Aufgaben des Reichsausschusses für Volksgesundheitsdienst beim Reichsund Preußischen Ministerium des Innern, S. 6. Hervorhebung im Original. 249 Vgl. bspw. Bartels: Die Gesundheitsführung des deutschen Volkes, S. 334–337, hier v. a. S. 335– 336.
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Zwischenfazit Damit trieben die NS-Gesundheitsexpositionen eine Entwicklung auf die Spitze, die schon in der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 angelegt war. Alle Ausstellungsveranstalter in der „klassischen Moderne“ wollten primär die Gesundheit der gesamten Bevölkerung, nicht die einzelner Kranker steigern. Sie verstanden ihre Großveranstaltungen nicht als humanitäre, sondern nationale Projekte. Ihre Bemühungen waren auf die Vorteile des Kollektivs ausgerichtet, dem im Zweifel die Rechte einzelner Menschen untergeordnet wurden. Der Blick auf den Körper bedingte die Differenzierung zwischen gesund und krank, hässlich und schön, leistungsfähig und unproduktiv oder „normal“ und „anormal“. Der Diskurs über den Körper fungierte als Ausgangspunkt und Katalysator gesellschaftlicher Ungleichheit – gerade im Hinblick auf das Verhältnis von Individuum und Kollektiv. In letzter Konsequenz konnte diese Differenzierung als Legitimationsgrundlage für die Einschränkung persönlicher Freiheiten oder schwerwiegender Eingriffe in den Körper dienen. Auf der anderen Seite richteten sich die Gesundheitsausstellungen direkt an den Besucher. Sie machten bisweilen auf soziale oder hygienische Probleme aufmerksam, erweiterten das Wissen der Bevölkerung über sich selbst und wirkten an sozial- wie gesundheitspolitischen Veränderungen mit. Und selbst unter dem NS-Regime waren die hygienischen Volksbelehrer von der Kooperationsbereitschaft der Bevölkerung abhängig; die Verfügbarkeit von Zwang und die potentielle Gefahr politischer Repressionen änderte nichts daran, dass dem Individuum ein großer Verhaltensspielraum zur Verfügung stand und seine freiwillige Mitarbeit im Sinne der Gesundheitsaufklärung elementar für deren Gelingen blieb. Insofern ließen sich die Gesundheitsausstellungen von 1911 bis 1938 auch als eine Individualisierung und Popularisierung medizinischnaturwissenschaftlichen Wissens verstehen. Wie die unbestreitbare Verbesserung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung generell lassen sich so auch die Gesundheitsausstellungen positiv lesen. Dennoch war mit dem Sprechen über den Körper immer auch dessen Disziplinierung verbunden. Der Bezug auf das Kollektiv blieb über den gesamten Untersuchungszeitraum konstant; gleichbleibend war allerdings auch die zentrale Stellung des Besuchers. Beide Seiten waren auf den Ausstellungen präsent und lassen sich nicht voneinander trennen. Im Nationalsozialismus trafen jedoch in einem spezifischen sozialen wie politischen Kontext ein ausgrenzender Diskurs, eine menschenverachtende Ideologie und der unbedingte „Wille zur Tat“ zusammen und führten zu einer historisch singulären Radikalisierung. Die NS-Gesundheitsschauen sind deswegen auf der einen Seite die Nachfolgerinnen der großen Ausstellungen aus dem Kaiserreich und der Weimarer Republik. Auf der anderen Seite unterscheiden sie sich aufgrund ihres historischen Ortes im Dritten Reich, wegen der extremen Deutungsmacht von
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Rassenhygiene wie Rassenideologie und der stärkeren Zurichtung ihrer Inhalte auf ideologisch vorgegebene Themen deutlich von den früheren Expositionen. Dass sich dennoch zahlreiche Kontinuitätslinien vom Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus sowie teilweise noch darüber hinaus ziehen lassen und auch die NS-Expositionen in Europa sowie den USA positiv rezipiert wurden, verweist auf die Langlebigkeit und Anschlussfähigkeit des Körperdiskurses sowie das ausgrenzende Potential, das der Blick auf den Körper grundsätzlich inne hat. Selbst wenn der nationalsozialistische „Rassenstaat“ eine historische Einmaligkeit darstellte, zeigte er, wie schnell der Körper zur Grundlage existentieller gesellschaftlicher Ausgrenzungsprozesse werden konnte. Der Körperdiskurs war während des gesamten Untersuchungszeitraums ambivalent und von dem Spannungsfeld zwischen Individuum und Kollektiv geprägt. Dass dieses Spannungsverhältnis niemals ganz aufgelöst werden konnte und es den Ausgangspunkt sowohl für individuelle Integrationsangebote wie für Repressionen bildete, zeigt, wie vieldeutig die Ordnungsvorstellungen vom Körper waren. Es zeigt allerdings auch wie fragil die Position des Einzelnen zwischen Ein- und Ausgrenzung bisweilen sein konnte. Und wie sehr die Verfasstheit der Gesellschaft, die Stellung des Bürgers in den unterschiedlichen politischen Systemen des 20. Jahrhunderts das Produkt von Aushandlungsprozessen war. Dass in allen drei politischen Systemen – freilich in unterschiedlich starker Ausprägung – den tatsächlichen oder vermeintlichen Bedürfnissen des Kollektivs im Zweifel der Vorrang vor den Rechten des Einzelnen eingeräumt wurde, ist jedoch ein Ergebnis, das nachdenklich stimmt. Denn es führt die Kehrseite des modernen Blicks auf den Körpers nachdrücklich vor Augen.
7 Fazit und Ausblick Das im Rahmen der Gesundheitsausstellungen vom späten Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus fassbare Ordnungssystem des Körpers war nicht ein-, sondern vieldeutig. Die versammelten Stimmen standen im Widerspruch, verhielten sich komplementär zueinander oder sprachen nebeneinander her. Dennoch wurde der Diskurs durch einen übergreifenden Rahmen zusammengehalten; hatte im gesunden oder kranken Körper einen Bezugspunkt, einen gemeinsamen Ort. Er wurde durch ein diskursives Feld zusammengehalten, das ihn begrenzte, ihm seine Einheit stiftete und seine Konsistenz gewährleistete. Dadurch blieben die unterschiedlichen Positionen aufeinander beziehbar und die verschiedenen Stimmen des Diskurses miteinander im Gespräch. Dies schlug sich beispielsweise an der gemeinsamen Beteiligung völlig unterschiedlicher Akteure mit völlig unterschiedlichen Zielen an den großen Gesundheitsausstellungen nieder, angefangen mit der Ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden 1911 und endend mit der Schau „Gesundes Leben – Frohes Schaffen“ 1938. Das Feld des Körperdiskurses lässt sich durch die vier Perspektiven „Vermessene Körper“, „Leistende Körper“, „Ästhetische Körper“ und „Genormte Körper“ beschreiben. Die Perspektive „Vermessene Körper“ basierte auf den Praktiken des Messens und Zählens, die gerade an der Wende vom 19. auf das 20. Jahrhundert einen sprunghaften Bedeutungszuwachs durchlebten. Sie typologisierte den Körper, gliederte ihn in seine Einzelteile auf und versuchte, diesen quantifizierbar, vergleichbar oder kategorisierbar zu machen. Der Aufstieg quantitativer Verfahren war eng mit den epistemologischen Veränderungen der Naturwissenschaften verknüpft. Er war aber auch in anderen Bereichen wie den entstehenden Sozialwissenschaften, dem Sport oder der ebenfalls aufstrebenden Demographie zu beobachten. Visualisierungen quantitativer Erhebungen vor allem durch Schaubilder, Statistiken oder Tabellen wirkten „blickbildend“ und hatten eine legitimatorische Funktion. Demgegenüber zielte die Perspektive „Leistende Körper“ auf die – oft quantitativ gefasste – Leistungs- und Arbeitsfähigkeit des Menschen. Diese Perspektive avancierte gerade während des Nationalsozialismus zum zentralen Ein- oder Ausschlusskriterium. Dort wurde die Arbeits- und Leistungsfähigkeit zunehmend mit einem rassenhygienischen Vorzeichen versehen; mangelnde Arbeitsfähigkeit als Beweis körperlicher wie moralischer „Minderwertigkeit“ gefasst. Die Betonung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit mit ihren integrierenden wie ausgrenzenden Folgen war allerdings älter; sie kann etwa am Beispiel der „Krüppelfürsorge“ oder der Wettkampfsportler bis ins Kaiserreich zurückverfolgt werden. Unter der Perspektive „Ästhetische Körper“ rückte das Äußere des Menschen in den Vordergrund. Schönheit war einerseits Vehikel für gesellschaftliche Aufwertung, DOI 10.1515/9783110469011-007
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konnte aber gleichzeitig als ausschließendes Unterscheidungsmerkmal wirken. Insbesondere die Körperkulturbewegung rekurrierte auf die Ästhetik des Menschen und stellte diese in den Mittelpunkt. Schönheit wurde mit körperlicher Gesundheit gleichgesetzt; Hässlichkeit als Krankheitszeichen gewertet. Äußere Merkmale wurden auch in anderen Zusammenhängen als Indizien für biologische oder moralische Qualität verstanden. Dies galt beispielsweise für die Eugeniker, die Merkmale wie die Kopfform mit der Zuschreibung biologischer Eigenschaften verknüpften. Auf den Ausstellungen äußerte sich dies vor allem in einer möglichst abstoßenden Darstellung vorgeblich erblich belasteter Menschen und einer möglichst attraktiven Darstellung der „hochwertigen“ Bevölkerungsteile. Außerdem wurden ästhetisch abstoßende Exponate wie Moulagen von Geschlechtskrankheiten dazu eingesetzt, um das gesundheitsrelevante Verhalten der Besucher zu beeinflussen. Zuletzt hob die Perspektive „Genormte Körper“ auf eine moralische Bewertung individueller Körper sowie Verhaltensweisen ab. Die Schauen waren immer auch normative Projekte; die hygienischen Volksbelehrer versuchten mit wachsendem Nachdruck, die Besucher zu einem, aus gesundheitlicher, sozialer oder auch wirtschaftlicher Sicht, angemessenem Verhalten zu erziehen. Gesundheit erschien in einer solchen Lesart als Resultat einer vernünftigen Lebensweise; Krankheit konnte umgekehrt als Folge individuellen Fehlverhaltens gedeutet werden. Diese Deutung radikalisierte sich im Laufe der Zeit, so dass Krankheit als Beweis für eine erbliche „Minderwertigkeit“ angesehen werden konnte. Damit wurde deviantes Sozialverhalten biologisiert und auf körperliche Eigenschaften zurückgeführt. Die normativen Vorgaben auf den Schauen waren von den bürgerlichen Vorstellungen der Zeit geprägt. Deutlich wird dies unter anderem am „Kampf gegen Geschlechtskrankheiten“ oder den Beiträgen der Säuglingsfürsorger, in denen die Frau auf eine Rolle als Hausfrau und Mutter beschränkt und massiv Stellung gegen weibliche Erwerbstätigkeit bezogen wurde. Die hier skizzierten vier Perspektiven kamen jedoch kaum in Reinform vor, sondern wurden in der Praxis miteinander verknüpft und überlappten sich; die Positionen der Akteure waren durch mehrere Perspektiven gleichzeitig geprägt, die sich deswegen eher als vier Pole eines Ordnungssystems verstehen lassen. Die unterschiedlichen Akteure positionierten sich innerhalb dieses Systems; waren mehr oder weniger von der einen oder anderen Perspektive beeinflusst. Mischverhältnisse waren üblich, Überschneidungen die Regel und Verwebungen der Positionen unterschiedlicher Akteursgruppen untereinander weit verbreitet. „Vermessene Körper“, „Leistende Körper“, „Ästhetische Körper“ und „Genormte Körper“ sind als heuristische Begriffe zu lesen, die einen analytischen Zugriff auf den Körperdiskurs eröffnen. Dieser Zugang erlaubt es, die Bruchlinien des Diskurses und die Bedingungen, unter denen man über den Körper sprach, nachzuzeichnen. Dadurch konnte die Vielfalt und Verwobenheit des Diskurses aufgezeigt werden. Er war
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widersprüchlich, vielschichtig sowie komplementär und verband unterschiedliche Positionen, die auf den ersten Blick getrennt erscheinen. Eine Gemeinsamkeit zwischen fast allen Akteuren, die an den Expositionen teilnahmen oder sie kommentierten, war der Bezug auf das Verhältnis von Individuum und Kollektiv. Alle fragten – in variierender Intensität – danach, welche „Pflichten“ dem Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft zukam und welche Unterstützung diese im Austausch dagegen ihm schuldete. Sie beschäftigten sich damit, wie weit sich der Bürger den Interessen des „Volksganzen“ unterzuordnen hatte; inwiefern die Bedürfnisse der gesamten Bevölkerung Vorrang hatten vor denen des Individuums. Sie fragten allerdings auch danach, welche Aufgaben die Allgemeinheit für ihre Mitglieder übernehmen musste. Deswegen lässt sich die kollektivierende Deutung auf den Körper einerseits positiv interpretieren: wurde doch auf den Gesundheitsschauen der Staat in die Verantwortung für seine Bürger genommen, wurde die Gesellschaft darauf verpflichtet, sich für die Belange ihrer Mitmenschen einzusetzen. Aus dieser Perspektive konnte der emphatischer werdende Bezug auf das Kollektiv für den Einzelnen den Zugang zu sozialen Unterstützungssystemen sowie neue Integrationsangebote eröffnen. Vor allem im Nationalsozialismus bedeutete die Zugehörigkeit zur „Volksgemeinschaft“ eine zumindest symbolische Aufwertung des rassisch und gesundheitlich „hochwertigen“ Menschen. Auf der anderen Seite ging dies insbesondere im Dritten Reich mit der Abwertung und Ausgrenzung bis hin zur physischen Vernichtung derjenigen einher, die als körperlich unbrauchbar, als „minderwertig“ oder „fremdrassig“ aus der „Volksgemeinschaft“ ausgeschlossen wurden. Der kollektivierende Bezug auf den Körper war aber nicht auf die 1930er Jahre beschränkt, sondern – in unterschiedlicher Schärfe – in der gesamten ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts präsent. Über alle Expositionen hinweg wurde der Körper in Beziehung zum „Volkskörper“ gesetzt, wurden die Rechte des Bürgers im Hinblick auf die Ansprüche des Kollektivs verhandelt. Insbesondere die Ausbreitung eugenischen wie rassenhygienischen Denkens auf den Ausstellungen zeigt, dass damit immer eine Grenzziehung zwischen Zugehörigkeit und Ausschluss einher ging. Damit soll allerdings nicht die Deutung nahe gelegt werden, die nationalsozialistischen Verbrechen seien bereits im Kaiserreich angelegt gewesen oder es führe eine lineare Entwicklung von dem Auftreten der Eugeniker um die Jahrhundertwende zu den rassenhygienischen Zwangssterilisationen der 1930er Jahre. Die Genese der NS-Verbrechen ist kontingent; sie lässt sich nur durch eine Kombination aus mentalitätsgeschichtlichen sowie ideologischen Entwicklungen, politischen Voraussetzungen, dem Einfluss des Kriegs sowie situativen Faktoren erklären. Bemerkenswert bleibt allerdings, dass in allen politischen Systemen dem „Volksganzen“, den Bedürfnissen des „Volkskörpers“ das Primat gegenüber den Rechten des Individuums eingeräumt wurde. Dieser Bezug auf das Kollektiv implizierte
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die Unterscheidung zwischen denjenigen, die als ordentliche Mitglieder der Gesellschaft Anerkennung und Unterstützung verdienten sowie denen, die nicht zur Gemeinschaft gehörten; die als „verbrecherisch“, „krank“, „rassisch“ oder „erblich minderwertig“ ausgeschlossen wurden. Diese Unterscheidung verlief auch entlang der vier hier vorgestellten Perspektiven. Diese fungierten als Maßstäbe, nach denen Individuen bewertet und klassifiziert werden konnten. Dem Blick auf den Körper war ein Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Kollektiv inhärent. Er konnte einschließend wirken und positive Folgen für den Einzelnen zeitigen. Auf der anderen Seite hatte er immer auch ausschließende Effekte und konnte mit der Diskriminierung oder dem gewalttätigen Eingriff in die Privatsphäre der Bevölkerung einhergehen. Integration und Ausgrenzung waren interdependent. Das eine war ohne das andere nicht zu haben. Die Gesundheitsausstellungen waren die Orte, an denen die unterschiedlichen Ordnungsvorstellungen aufeinandertrafen. Sie hielten alle Widersprüchlichkeiten und Ambivalenzen aus; avancierten zu einer Plattform für den weitverzweigten Körperdiskurs in der „klassischen Moderne“. Die Gesundheitsausstellungen bildeten hinsichtlich ihrer Größe und öffentlichen Aufmerksamkeit einen Höhepunkt der hygienischen Volksbelehrung als spezifische Form der Wissenschaftspopularisierung im Kaiserreich und der Weimarer Republik. Im Nationalsozialismus änderte sich ihre Gestalt; sie wurden noch populärer, gaben ihren Anspruch, selbst fachwissenschaftliche Impulse zu setzen, gänzlich auf und beschränkten sich auf die möglichst breitenwirksame Vermittlung medizinisch-naturwissenschaftlichen Wissens sowie der nationalsozialistischen Ungleichheitsideologie. Gesundheitsexpositionen waren immer Großprojekte, erforderten umfangreiche Vorarbeiten und bezogen eine Vielzahl von Akteuren mit sehr heterogenen Interessen ein. Sie richteten sich ebenso an die lokale sowie regionale Bevölkerung als auch an die nationale Öffentlichkeit, Wirtschaftsunternehmen und Politik. Die Expositionen waren darüber hinaus internationale Ereignisse, wurden unter der Beteiligung ausländischer Aussteller veranstaltet und international breit rezipiert. Dies schloss den Auftritt deutscher Organisationen auf beispielsweise niederländischen oder US-amerikanischen Projekten mit ein. Das Engagement ausländischer Staaten auf den deutschen Ausstellungen oder die Einladung deutscher Organisationen zu internationalen Schauen wurden als diplomatische Erfolge angesehen. Vertreter anderer Staaten wie etwa Prinz Heinrich der Niederlande besuchten die deutschen Veranstaltungen und werteten diese damit als internationale Repräsentationsorte auf. Die Organisatoren sowie politischen Verantwortlichen hatten bei der Gestaltung der Expositionen ihr internationales Publikum immer im Hinterkopf. Sie versuchten – etwa mit der tropenhygienischen Abteilung auf der GeSoLei –, die eigenen außenpolitischen Ziele zu unterstützen oder richteten die Inhalte der „Deutschland“ Schau von 1936 bewusst auf die ausländischen Besu-
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cher der Olympischen Spiele aus. Für die großen Gesundheitsausstellungen wurde dementsprechend vor allem in Europa und den USA mit hohem Aufwand geworben, mehrsprachiges Reklamematerial hergestellt und für manche Expositionen eigens ausländische Mitarbeiter gewonnen. Für das Deutsche Hygiene-Museum bedeutete seine internationale Rezeption in erster Linie eine Ausweitung des eigenen Absatzmarktes und damit das institutionelle Überleben in der wirtschaftlich angespannten Zeit nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Das Museum entwickelte sich seit den 1920er Jahren zu einem transnational agierenden Haus, das seine Exponate sowie Wanderausstellungen auf der ganzen Welt vertrieb. Gleichzeitig konnte es damit seine nationale wie internationale Reputation als führende Institution der gesundheitlichen Aufklärung aufbauen und festigen. Nicht zuletzt waren die Ausstellungen immer Orte der Aushandlung von Deutungshoheit; geprägt durch politische, wissenschaftliche wie wirtschaftliche Konkurrenz. Über den gesamten Untersuchungszeitraum betrachtet, bildeten sie ein miteinander verschränktes personelles, institutionelles und objektbasiertes Netzwerk. Exponate, die ursprünglich anlässlich einer bestimmten Exposition hergestellt wurden, stellte man oftmals bei den nachfolgenden Veranstaltungen erneut aus; Einrichtungen wie das Museum für Leibesübungen in Berlin oder das Düsseldorfer Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde, deren Gründung von einer Schau ausging, traten später als eigenständige Aussteller oder Hersteller von Objekten auf. Die Expositionen dürfen deswegen nicht als solitäre Großveranstaltungen verstanden werden. Vielmehr waren sie in die hygienische Volksbelehrung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingebunden; waren Schnittpunkte der heterogenen und von zahlreichen Akteuren getragenen Bemühungen um die gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung. Gerade die Vielfalt der auf den Ausstellungen vertretenen Gruppen führte gleichzeitig zu einem nicht zu unterschätzenden Konkurrenzkampf zwischen den Ausstellern. Denn dort trafen auch Akteure aufeinander, die – wie im Falle des deutschen Braugewerbes und der Antialkoholbewegung – miteinander unvereinbare Positionen vertraten. Diese stritten über die ihnen zur Verfügung stehende Ausstellungsfläche, über einen möglichst repräsentativen Standort auf dem Gelände oder versuchten, das Auftreten konträrer Meinungen auf den Expositionen grundsätzlich zu unterdrücken. Beispielsweise bemühten sich die Schulmediziner darum, alternativmedizinische Angebote als „Kurpfuscherei“ zu diskreditieren und entsprechende Aussteller von den Expositionen auszuschließen. Diese wiederum fanden dennoch immer wieder Wege in die Ausstellungen, bezogen sich auf sie, organisierten Konkurrenzoder Parallelveranstaltungen und profitierten auf diese Weise von der öffentlichen Aufmerksamkeit, die diese Großprojekte generierten. Die Beteiligung an einer der großen Gesundheitsausstellungen wurde von allen Teilnehmern als Aufwertung angesehen, denn zu ihnen sollten ausschließlich wissenschaftlich fundierte Beiträ-
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ge zugelassen werden. In der Tradition der Industrie- und Gewerbeausstellungen stehend bildeten sie gleichzeitig politische, wissenschaftliche sowie kulturelle und ökonomische Werbe- oder Repräsentationsorte. Alle Teilnehmer mussten sich dabei jedoch vor allem nach den Interessen und Wünschen der Besucher richten. Diese kamen nicht nur auf das Ausstellungsgelände, um dort belehrt zu werden. Vielmehr suchten sie nach Kurzweil und Unterhaltung. Sie verteilten ihre Aufmerksamkeit eigensinnig oder verstanden die Aussagen mancher Gruppen nicht im intendierten Sinne. Die Expositionen gewannen dadurch ihre konkrete Gestalt in einem komplexen Interaktionsprozess zwischen Veranstaltern, beteiligten Akteuren, öffentlichen Interessengruppen und Publikum. Dabei spielte die Verfügbarkeit von Objekten wie etwa anatomischer Körperpräparate eine ebenso große Rolle wie die wirtschaftlichen Spielräume der einzelnen Aussteller mit ihren sozialen und kulturellen Ressourcen oder politischen Verbindungen sowie die Interessen der Besucher, deren Reaktionen für die Aussteller oftmals nur schwer vorauszusehen waren. Die Gesundheitsausstellungen vom späten Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus waren gleichermaßen geprägt von zeitgenössischen Ordnungsvorstellungen vom Körper, sozioökonomischen wie politischen Kontexten, transnationalen Einflüssen und lokalen wie regionalen Aushandlungsprozessen. Ihre Blütezeit erstreckte sich über drei politische Systeme, die wiederum einen wichtigen Einfluss auf ihre Durchführung hatten. Zwischen der Jahrhundertwende und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs bildeten sie „Knotenpunkte“ des Körperdiskurses, waren massenkulturelle wie wissenschaftspopularisierende Veranstaltungen und lokale, nationale wie internationale Repräsentationsorte. An ihnen lässt sich die Bandbreite des öffentlichen Sprechens über den Körper in seiner Vieldeutigkeit, Verwoben- wie Zerrissenheit sowie das über den Körper verhandelte Verhältnis von Individuum und Gesellschaft beispielhaft nachvollziehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verloren die Gesundheitsausstellungen allerdings nach und nach an Bedeutung. Zwar wurden immer noch Expositionen veranstaltet und dem Deutschen Hygiene-Museum Dresden auf bundesrepublikanischer Seite das Deutsche Gesundheits-Museum in Köln gegenübergestellt.¹ In anderen Ländern wie beispielweise den USA intensivierte sich die Nutzung von Museen sowie Ausstellungen für die Gesundheitsaufklärung sogar ab den 1930er Jahren nochmals. Noch heute gibt es zahlreiche Einrichtungen, die den Körper mit einem aufklärerischen Gestus und aus medizinisch-naturwissenschaftlicher Perspektive ausstellend deuten. Doch erreichten und erreichen diese nicht mehr die Dimensionen ihrer Vorgängerinnen aus dem Kaiserreich, der Weimarer Republik oder
1 Vgl. Sammer: „Das Ziel ist das gesunde Leben“, S. 133–147.
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dem Nationalsozialismus. Lediglich Gunther von Hagens’ „Körperwelten“ können gegenwärtig ähnliche Besucherzahlen vorweisen wie die großen Expositionen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie wecken allerdings nicht ansatzweise eine derartige öffentliche Aufmerksamkeit und sind zudem ausschließlich kommerzielle Veranstaltungen, die sich zwar bewusst oder unbewusst der aufklärerischen Rhetorik früherer Expositionen bedienen, letztlich aber im Stile von „Freakshows“ auf die Faszinationskraft des Authentischen und das Unterhaltungsbedürfnis des Publikums vertrauen.² Gesundheitsaufklärung durch Großausstellungen, so ließe sich diese Beobachtung interpretieren, entspricht nicht mehr dem Zeitgeist. Die Gesundheitsaufklärung als solche hat sich von ihrer musealen Tradition emanzipiert und setzt seit den 1970er Jahren auf einem neuartigen, in erster Linie sozialwissenschaftlich grundierten Verständnis von Wissensvermittlung auf. Gesundheitserziehung zielt zwar weiter auf die präventive Beeinflussung des gesundheitsrelevanten Verhaltens der Bevölkerung. Durch die Einbeziehung des medizinischen Risikofaktorenmodells und beeinflusst durch angloamerikanische Entwicklungen wandelte sie sich jedoch grundlegend und inkorporierte in zunehmendem Maße Methoden der sozialwissenschaftlichen Verhaltensforschung, der Demoskopie und der empirischen Sozialwissenschaften. Die „Vermittlung anatomischen, physiologischen und hygienischen Wissens und damit die museale und lebensphilosophisch grundierte Tradition“, für die das Deutsche Hygiene-Museum Dresden in besonderem Maße steht, verlor dadurch an Bedeutung.³ Das Dresdner Museum ist heute ein Haus mit kulturwissenschaftlicher Orientierung; das Gesundheits-Museum in Köln ging in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf, die heute nur noch zeitlich und räumlich beschränkte Expositionen veranstaltet, ohne den Anspruch einer Internationalen HygieneAusstellung, einer GeSoLei oder einer „Wunder des Lebens“ zu haben.⁴ Der Beginn des Zweiten Weltkriegs bedeutete damit gleichzeitig auch das Ende der großen Gesundheitsausstellungen – einem bemerkenswerten Phänomen der Wissenschaftsund Kulturgeschichte im Deutschland der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
2 Die Literatur zu diesen Häusern sowie „Körperwelten“ ist vielfältig. Einen Einstieg bietet Elena Canadelli: „Scientific Peep Show“. The Human Body in Contemporary Science Museums, in: Nuncius 26 (2011) 1/2, S. 159–184. 3 Christian Sammer: Die „Modernisierung“ der Gesundheitsaufklärung in beiden deutschen Staaten zwischen 1949 und 1975. Das Beispiel Rauchen, in: Medizinhistorisches Journal 50 (2015), S. 249–294, hier S. 279. Vgl. außerdem Pierre Pfütsch: Männerspezifische Gesundheitsaufklärung durch die BZgA: Ein Beitrag zur Verfestigung des Gesundheitsdefizitdiskurses? (1970–1990), in: Medizinhistorisches Journal 50 (2015), S. 175–199. 4 Vgl. Helmut Gold: Der ausgestellte Mensch. Ausstellungen als Medium der Gesundheitsaufklärung, in: Susanne Roeßiger/Heidrun Merk (Hrsg.): Hauptsache gesund! Gesundheitsaufklärung zwischen Disziplinierung und Emanzipation, Marburg 1998, S. 142–153.
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Mit dem Verschwinden der Expositionen ging allerdings nicht das Verschwinden des Körpers als öffentlich verhandeltem Gegenstand einher; vielmehr überdauerte er den Zweiten Weltkrieg ebenso wie er schon den ersten überdauert hatte. Möglicherweise sind gerade gegenwärtig – erneut angestoßen durch die Entdeckungen in Medizin und Technik, aber auch befördert durch eine kulturwissenschaftlich geschärfte Aufmerksamkeit für die Aporien der aktuellen Entwicklungen – körperbezogene Fragen so aktuell wie schon lange nicht mehr. Der Körper wird auch heute noch vermessen und gezählt, nach Leistungskriterien beurteilt, ästhetisiert oder mit normativen Ansprüchen konfrontiert. Dies zeigt, wie offen und anschlussfähig der Diskurs über den Körper war und ist. Er fügt sich in unterschiedlichste politische Systeme ein; kann weder einseitig im Sinne einer linearen biopolitischen Entwicklung als reines Disziplinierungs- und Machtinstrument noch lediglich als Erfolgsgeschichte der Individualisierung und Demokratisierung des Körpers gelesen werden. Als das Medium, mit dem der Mensch in Kontakt mit seiner Umwelt tritt, wird der Körper weiterhin Objekt und Ausgangspunkt zahlreicher gesellschaftlicher Debatten bleiben. Er wird weiterhin eine zentrale Rolle im Prozess der gesamtgesellschaftlichen Selbstverständigung spielen; wird weiterhin Projektionsfläche kollektiver Wünsche und Ängste sein. Der Blick auf den Körper wird vielschichtig bleiben, ein- wie ausschließende Wirkungen haben und dadurch gleichzeitig integrierend und ausgrenzend sein. Diese Ambivalenz, die Widersprüchlichkeit körperbezogenen Denkens aufzuzeigen, war ein Ziel der vorliegenden Arbeit. Die Geschichte des Körperdiskurses vom späten Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus macht nachdenklich. Sie zeigt die prekäre Situation des Individuums gegenüber dem Kollektiv über drei politische Systeme hinweg. Die Frage, welche Rechte der Einzelne hat und wie viel „Anormalität“ ihm von der Gesellschaft zugestanden wird, ist nicht nur eine historisch zu beantwortende. Vor allem am Umgang mit den Menschen, die den sozialen, ästhetischen, moralischen oder eben körperlichen Normen der Zeit nicht entsprechen, entscheidet sich der Charakter einer Epoche. Dass Ein- und Ausgrenzung dabei immer Hand in Hand gingen, muss nicht entmutigen. Es fordert eher zu einem kritischen und differenzierten Blick auf die Vergangenheit und die Gegenwart auf.
Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Archiv der Max Planck-Gesellschaft Bestand AMPG III. Abt., Rep. 8 Nachlass Max Rubner Archiv des Diakonischen Werkes der EKD Bestand ADW, CA Zentralregistratur Bestand ADW, CA/G Central-Ausschuss, Abteilung Gesundheitsfürsorge Bestand ADW, CA/PD Central-Ausschuss, Referat Propagandadienst Archiv des Deutschen Roten Kreuz – Generalsekretariat Berlin Bestand RK-Präsidium 1921 bis 1945 Bauhaus-Archiv Berlin Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Bestand MA Ministerium des Königlichen Hauses und des Äußern Bestand MH Ministerium des Handels und der öffentlichen Arbeiten Bestand MHIG Ministerium für Handel, Industrie und Gewerbe Bestand MKr Kriegsministerium Bestand Reichsstatthalter Epp Bundesarchiv Berlin Bestand N 2176 Nachlass Theodor Lewald Bestand NS 12 Hauptamt für Erzieher/Reichswaltung des Nationalsozialistischen Lehrerbundes Bestand R 2 Reichsfinanzministerium Bestand R 32 Reichskunstwart Bestand R 36 Deutscher Gemeindetag Bestand R 43 Reichskanzlei Bestand R 55 Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Bestand R 86 Reichsgesundheitsamt Bestand R 901 Auswärtiges Amt Bestand R 1001 Reichskolonialamt Bestand R 1501 Reichsministerium des Innern Bestand R 1603 Rheinische Volkspflege Bestand R 3901 Reichsarbeitsministerium Bestand R 4606 Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt Bundesarchiv-Filmarchiv Dittrick Medical History Center Bruno Gebhard Collection Robert M. Stecher Collection
380 | Quellen- und Literaturverzeichnis
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Bestand I. HA Rep. 76 Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Bestand I. HA Rep. 77 Preußisches Ministerium des Innern Harold Terry Clark Library. Cleveland Museum of Natural History Bestand HSC 6. 7. 12 Hauptarchiv der von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel Bestand HAB Hauptstaatsarchiv Dresden Bestand 10693 Volkskammer/Landtag des Freistaates Sachsen 1919–1933 Bestand 10702 Staatskanzlei, Nachrichtenstelle Bestand 10717 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Bestand 10736 Ministerium des Innern Bestand 10747 Kreishauptmannschaft Dresden Bestand 11125 Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts Bestand 11168 Ministerium für Wirtschaft Bestand 13686 Deutsches Hygienemuseum e. V. Bestand 13688 Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf Bestand 13690 Personennachlass Werner Spalteholz Hauptstaatsarchiv Stuttgart Bestand E 130 b Staatsministerium Bestand E 151/01 Innenministerium, Abteilung I: Kanzleidirektion Bestand E 151/09 Innenministerium, Geschäftsteil IX: Wohlfahrtspflege, Jugendfürsorge, Armenwesen (Fürsorge) Bestand M 1/8 Kriegsministerium: Medizinalabteilung Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis Archief Jan van Zuphten Landesarchiv Berlin Bestand A Pr. Br. Rep. 057 Stadtpräsident der Reichshauptstadt Berlin Bestand A Rep. 001–02 Magistrat der Stadt Berlin, Generalbüro Bestand A Rep. 003–04–01 Städtische Heil- und Pflegeanstalt Buch Bestand A Rep. 003–04–03 Städtisches Krankenhaus Moabit Bestand A Rep. 015–02 Magistrat von Berlin, Stadtbetriebsamt Bestand A Rep. 033–08 Bezirksamt Wedding Bestand A Rep. 250–04–21 E. Sökeland & Söhne GmbH Bestand B Rep. 142–01 Deutscher und Preußischer Städtetag Bestand B Rep. 142–04 Deutscher und Preußischer Landkreistag Bestand B Rep. 142–06 Verband der preußischen Provinzen Leo Baeck Institute. Center for Jewish History Marta Fraenkel Papers
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Nationaal Archief Den Haag Bestand 2.04.13 BiZa/Kunsten en Wetenschappen Bestand 2.15.37 SZ/Volksgezondheid Politisches Archiv des Auswärtigen Amts Bestand R Auswärtiges Amt des Deutschen Reiches Sammlung Deutsches Hygiene-Museum Dresden Salzgitter AG-Konzernarchiv Bestand P Nachlass Ernst Poensgen Stadtarchiv Amsterdam Bestand 496 Archief van de Commissie voor de Internationale Hygiëne-Tentoonstelling Dresden Bestand 5289 Archief van de Keuringsdienst van Waren voor het Gebied Amsterdam Stadtarchiv Dresden Bestand Ratsarchiv 2.1 Bestand Hauptkanzlei 2.3.1 Bestand Finanzamt 2.3.7 Bestand Ausstellungsamt 9.1.15 Bestand Stadtverordnetenakten Stadtarchiv Düsseldorf Bestand 0–1–3 Allgemeine Verwaltungsakten, 1876–1933 Bestand 0–1–18 Ausstellungen 1852–1985 Bestand 4–27 Nachlass Robert Lehr Stadtarchiv Stuttgart Bestand 10 Depot A Bestand 116 Baurechtsamt Bestand 201/1 Sozialamt Universitätsarchiv Düsseldorf Bestand 7/10 Nachlass Dr. Albert Eckstein (Kinderheilkunde) u. Dr. Erna Eckstein-Schloßmann Bestand 7/33 Nachlass Arthur Schloßmann Bestand 9/2 Depositium von Puttkammer (Nachlass Ernst Heinson) Universitätsarchiv der Freien Universität Berlin Sammlung Fritz Rott Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin Bestand Medizinische Fakultät Bestand Archiv für Kinder- und Jugendmedizin
382 | Quellen- und Literaturverzeichnis
Häufig genutzte Periodika Im Folgenden werden alle Periodika aufgeführt, von denen mehr als fünf Titel zitiert wurden. Die genauen bibliographischen Angaben finden sich in den Fußnoten. Alle Periodika, aus denen weniger Titel zitiert wurden, finden sich im Abschnitt Gedruckte Quellen. American Journal of Public Health 1910; 1926; 1930; 1931; 1934; 1935; 1937; 1938; 1940; 1946; 1947; 1966 Ärztliche Mitteilungen 1926 Blätter für Volksgesundheitspflege 1903; 1911; 1914; 1925; 1926; 1930; 1931 Blätter für Wohlfahrtspflege 1926; 1929; 1930 BMJ. British Medical Journal 1909; 1910; 1911; 1926 Deutsche Medizinische Wochenschrift 1907; 1911; 1914; 1926; 1934; 1935 Deutsche Turn-Zeitung 1911; 1926 Deutsches Ärzteblatt 1930; 1934; 1935; 1936 Eilnachrichten der Deutschen Turn-Zeitung 1926 Germania 1911; 1926; 1933; 1935; 1936 Gesolei. Zeitschrift der Grossen Ausstellung Düsseldorf für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1925; 1926 GeSoLei: Offizielle Tageszeitung der Großen Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen 1926 Gesundheitslehrer 1930; 1931 Het Leven 1911; 1921; 1926; 1935; 1936 Hygienischer Wegweiser 1926; 1927; 1928; 1929; 1930; 1931 Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden. Mai – Okt. 1930. Offizielle Ausstellungszeitung 1930; 1931 Körperkultur. Künstlerische Monatsschrift für Hygiene und Sport 1911; 1912 Leipziger Populäre Zeitschrift für Homöopathie 1911; 1926; 1930; 1934; 1935; 1936 Messe und Ausstellung 1926; 1930; 1931; 1934; 1935; 1936; 1938 Münchener Medizinische Wochenschrift 1911; 1926; 1927; 1930 Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde 1912; 1920; 1921; 1922; 1926; 1930; 1931; 1932; 1934; 1935 Neue Preußische Kreuz-Zeitung 1926; 1930; 1934; 1935; 1936 Sportpolitische Rundschau 1930; 1931 The Lancet 1911; 1912; 1926; 1927; 1934 Vossische Zeitung 1911; 1926; 1930; 1933; 1934 Zeitschrift für Desinfektions- und Gesundheitswesen 1930 Zeitschrift für Krüppelfürsorge 1910; 1911; 1912; 1915; 1925; 1926; 1929; 1930; 1931
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Ordnungssysteme Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit Herausgegeben von Jörg Baberowski, Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael Die Reihe Ordnungssysteme nimmt Impulse auf, die sich seit zwei Jahrzehnten aus der Revision politik- und sozialgeschichtlicher Forschungsansätze entwickelt haben. Als Forum einer methodisch erneuerten Ideengeschichte trägt sie der Wirksamkeit politisch-kultureller Traditionen Europas seit dem Zeitalter der Aufklärung Rechnung. Die besondere Aufmerksamkeit gilt dem konkreten Wechselspiel ideeller, politischer und sozialer Prozesse. Die Reihe Ordnungssysteme hat insbesondere das Ziel: – vergleichende Studien zu den nationalen Eigenarten und unterschiedlichen Traditionen in der europäischen Ideengeschichte zu fördern, – gemeineuropäische Dimensionen seit der Aufklärung zu untersuchen, – den Weg von neuen Ideen zu ihrer breitenwirksamen Durchsetzung zu erforschen. Die Reihe Ordnungssysteme verfolgt einige Themen mit besonderem Interesse: – den Ideenverkehr zwischen Europa und Nordamerika, – die Beziehungen zwischen politischen und religiösen Weltbildern, – die Umformung der politischen Leitideen von Liberalismus, Nationalismus und Sozialismus im 20. Jahrhundert, – die Herausbildung traditionsstiftender, regionenbezogener Gegensatzpaare in der europäischen Ideenwelt, wie zum Beispiel den Ost-West-Gegensatz. Die Reihe Ordnungssysteme bemüht sich um eine methodische Erneuerung der Ideengeschichte: – Sie verknüpft die Analyse von Werken und Ideen mit ihren sozialen, kulturellen und politischen Kontexten. – Sie untersucht die Bedeutung von Wissenssystemen in der Entwicklung der europäischen Gesellschaften. – Sie ersetzt die traditionelle Ideengeschichte der großen Werke und großen Autoren durch eine Ideengeschichte, die Soziabilität und Kommunikation als tragende Gestaltungskräfte kultureller Produktion besonders beachtet. – Sie bezieht Institutionen und Medien der Kulturproduktion systematisch in die Untersuchung ein.
Band 1: Michael Hochgeschwender Freiheit in der Offensive? Der Kongreß für kulturelle Freiheit und die Deutschen 1998. 677 S. ISBN 978-3-486-56341-2
Band 2: Thomas Sauer Westorientierung im deutschen Protestantismus? Vorstellungen und Tätigkeit des Kronberger Kreises 1999. VII, 326 S. ISBN 978-3-486-56342-9
Band 3: Gudrun Kruip Das „Welt“-„Bild“ des Axel Springer Verlags Journalismus zwischen westlichen Werten und deutschen Denktraditionen 1999. 311 S. ISBN 978-3-486-56343-6 Band 4: Axel Schildt Zwischen Abendland und Amerika Studien zur westdeutschen Ideenlandschaft der 50er Jahre 1999. VIII, 242 S. ISBN 978-3-486-56344-3
Band 5: Rainer Lindner Historiker und Herrschaft Nationsbildung und Geschichtspolitik in Weißrußland im 19. und 20. Jahrhundert 1999. 536 S. ISBN 978-3-486-56455-6 Band 6: Jin-Sung Chun Das Bild der Moderne in der Nachkriegszeit Die westdeutsche „Strukturgeschichte“ im Spannungsfeld von Modernitätskritik und wissenschaftlicher Innovation 1948–1962 2000. 277 S. ISBN 978-3-486-56484-6 Band 7: Frank Becker Bilder von Krieg und Nation Die Einigungskriege in der bürgerlichen Öffentlichkeit Deutschlands 1864–1913 2001. 601 S. und 32 S. Bildteil ISBN 978-3-486-56545-4 Band 8: Martin Sabrow Das Diktat des Konsenses Geschichtswissenschaft in der DDR 1949–1969 2001. 488 S. ISBN 978-3-486-56559-1
Band 9: Thomas Etzemüller Sozialgeschichte als politische Geschichte Werner Conze und die Neuorientierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft nach 1945 2001. VIII, 445 S. ISBN 978-3-486-56581-2 Band 10: Martina Winkler Karel Kramář (1860–1937) Selbstbild, Fremdwahrnehmungen und Modernisierungsverständnis eines tschechischen Politikers 2002. 414 S. ISBN 978-3-486-56620-8 Band 11: Susanne Schattenberg Stalins Ingenieure Lebenswelten zwischen Technik und Terror in den 1930er Jahren 2002. 457 S. ISBN 978-3-486-56678-9 Band 12: Torsten Rüting Pavlov und der Neue Mensch Diskurse über Disziplinierung in Sowjetrussland 2002. 337 S. ISBN 978-3-486-56679-6 Band 13: Julia Angster Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie Die Westernisierung von SPD und DGB 2003. 538 S. ISBN 978-3-486-56676-5 Band 14: Christoph Weischer Das Unternehmen ‚Empirische Sozialforschung‘ Strukturen, Praktiken und Leitbilder der Sozialforschung in der Bundesrepublik Deutschland 2004. X, 508 S. ISBN 978-3-486-56814-1
Band 15: Frieder Günther Denken vom Staat her Die bundesdeutsche Staatsrechtslehre zwischen Dezision und Integration 1949–1970 2004. 364 S. ISBN 978-3-486-56818-9
Band 16: Ewald Grothe Zwischen Geschichte und Recht Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung 1900–1970 2005. 486 S. ISBN 978-3-486-57784-6
Band 17: Anuschka Albertz Exemplarisches Heldentum Die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen von der Antike bis zur Gegenwart 2006. 424 S., zahlreiche Abb. ISBN 978-3-486-57985-7
Band 18: Volker Depkat Lebenswenden und Zeitenwenden Deutsche Politiker und die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts 2007. 573 S. ISBN 978-3-486-57970-3
Band 19: Lorenz Erren „Selbstkritik“ und Schuldbekenntnis Kommunikation und Herrschaft unter Stalin (1917–1953) 2008. 405 S. ISBN 978-3-486-57971-1
Band 20: Lutz Raphael, Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.) Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit Beiträge für eine erneuerte Geistesgeschichte 2006. 536 S. ISBN 978-3-486-57786-0
Band 21: Thomas Großbölting „Im Reich der Arbeit“ Die Repräsentation gesellschaftlicher Ordnung in den deutschen Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790–1914 2007. 518 S., zahlreiche Abb. ISBN 978-3-486-58128-7 Band 22: Wolfgang Hardtwig (Hrsg.) Ordnungen in der Krise Zur politischen Kulturgeschichte Deutschlands 1900–1933 2007. 566 S. ISBN 978-3-486-58177-5 Band 23: Marcus M. Payk Der Geist der Demokratie Intellektuelle Orientierungsversuche im Feuilleton der frühen Bundesrepublik: Karl Korn und Peter de Mendelssohn 2008. 415 S. ISBN 978-3-486-58580-3 Band 24: Rüdiger Graf Die Zukunft der Weimarer Republik Krisen und Zukunftsaneignungen in Deutschland 1918–1933 2008. 460 S. ISBN 978-3-486-58583-4 Band 25: Jörn Leonhard Bellizismus und Nation Kriegsdeutung und Nationsbestimmung in Europa und den Vereinigten Staaten 1750– 1914 2008. XIX, 1019 S. ISBN 978-3-486-58516-2 Band 26: Ruth Rosenberger Experten für Humankapital Die Entdeckung des Personalmanagements in der Bundesrepublik Deutschland 2008. 482 S. ISBN 978-3-486-58620-6
Band 27: Désirée Schauz Strafen als moralische Besserung Eine Geschichte der Straffälligenfürsorge 1777–1933 2008. 432 S. ISBN 978-3-486-58704-3 Band 28: Morten Reitmayer Elite Sozialgeschichte einer politischgesellschaftlichen Idee in der frühen Bundesrepublik 2009. 628 S. ISBN 978-3-486-58828-6 Band 29: Sandra Dahlke Individiuum und Herrschaft im Stalinismus Emel’jan Jaroslavskij (1878–1943) 2010. 484 S., 9 Abb. ISBN 978-3-486-58955-9 Band 30: Klaus Gestwa Die Stalinschen Großbauten des Kommunismus Sowjetische Technik- und Umweltgeschichte, 1948–1967 2010. 660 S., 18 Abb. ISBN 978-3-486-58963-4 Band 31: Susanne Stein Von der Konsumenten- zur Produktionsstadt Aufbauvisionen und Städtebau im Neuen China, 1949–1957 2010. VIII, 425 Seiten, 107 Abb. ISBN 978-3-486-59809-4 Band 32: Fernando Esposito Mythische Moderne Aviatik, Faschismus und die Sehnsucht nach Ordnung in Deutschland und Italien 2011. 476 Seiten, 17 Abb. ISBN 978-3-486-59810-0
Band 33: Silke Mende „Nicht rechts, nicht links, sondern vorn“ Eine Geschichte der Gründungsgrünen 2011. XII, 541 Seiten, 6 Abb. ISBN 978-3-486-59811-7 Band 34: Wiebke Wiede Rasse im Buch Antisemitische und rassistische Publikationen in Verlagsprogrammen der Weimarer Republik 2011. VIII, 328 S., 7 Abb. ISBN 978-3-486-59828-5 Band 35: Rüdiger Bergien Die bellizistische Republik Wehrkonsens und „Wehrhaftmachung“ in Deutschland 1918–1933 2011. 448 S. ISBN 978-3-486-59181-1 Band 36: Claudia Kemper Das „Gewissen“ 1919–1925 Kommunikation und Vernetzung der Jungkonservativen 2011. 517 S. ISBN 978-3-486-70496-9 Band 37: Daniela Saxer Die Schärfung des Quellenblicks Forschungspraktiken in der Geschichtswissenschaft 1840–1914 2014. 459 S., 1 Abb. ISBN 978-3-486-70485-3 Band 38: Johannes Grützmacher Die Baikal-Amur-Magistrale Vom stalinistischen Lager zum Mobilisierungsprojekt unter Brežnev 2012. IX, 503 S., 9 Abb. ISBN 978-3-486-70494-5
Band 39: Stephanie Kleiner Staatsaktion im Wunderland Oper und Festspiel als Medien politischer Repräsentation (1890–1930) 2013. 588 S., 38 Abb. ISBN 978-3-486-70648-2
Band 45: Stefan Guth Geschichte als Politik Der deutsch-polnische Historikerdialog im 20. Jahrhundert 2015. VII, 520 S. ISBN 978-3-11-034611-4
Band 40: Patricia Hertel Der erinnerte Halbmond Islam und Nationalismus auf der Iberischen Halbinsel im 19. und 20. Jahrhundert 2012. 256 S., 22 Abb. ISBN 978-3-486-71661-0
Band 47: Gregor Feindt Auf der Suche nach politischer Gemeinschaft Oppositionelles Denken zur Nation im ostmitteleuropäischen Samizdat 1976–1992 2015. XII, 403 S. ISBN 978-3-11-034611-4
Band 41: Till Kössler Kinder der Demokratie Religiöse Erziehung und urbane Moderne in Spanien, 1890–1936 2013. 544 S., 19 Abb. ISBN 978-3-486-71891-1
Band 48: Juri Auderset Transatlantischer Föderalismus Zur politischen Sprache des Föderalismus im Zeitalter der Revolution, 1787–1848 2016. XI, 525 S., 3 Abb. ISBN 978-3-11-045266-2
Band 42: Daniel Menning Standesgemäße Ordnung in der Moderne Adlige Familienstrategien und Gesellschaftsentwürfe in Deutschland 1840–1945 2014. 470 S., 8 Abb. ISBN 978-3-486-78143-4
Band 49: Silke Martini Postimperiales Asien Die Zukunft Indiens und Chinas in der anglophonen Weltöffentlichkeit 1919–1939 2017. XI, 492 S. ISBN 978-3-11-046217-3
Band 43: Malte Rolf Imperiale Herrschaft im Weichselland Das Königreich Polen im Russischen Imperium (1864–1915) 2015. 537 S., 31 Abb. ISBN 978-3-486-78142-7
Band 50: Sebastian Weinert Der Körper im Blick Gesundheitsausstellungen vom späten Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus 2017. X, 448 S., 14 Abb. ISBN 978-3-11-046677-5
Band 44: Sabine Witt Nationalistische Intellektuelle in der Slowakei 1918–1945 Kulturelle Praxis zwischen Sakralisierung und Säkularisierung 2015. 412 S. ISBN 978-3-11-035930-5