Der Künstler in der Fremde: Migration – Reise – Exil 9783050090214, 9783050050911


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German Pages 323 [328] Year 2015

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Der Künstler in der Fremde: Migration – Reise – Exil
 9783050090214, 9783050050911

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DER KÜNSTLER IN DER FREMDE Migration – Reise – Exil

M N E M O S Y N E . S C H R I F T E N D E S I N T E R N AT I O N A L E N WA R B U R G - KO L L E G S

DER KÜNSTLER IN DER FREMDE Migration – Reise – Exil

HERAUSGEGEBEN VON UWE FLECKNER MAIKE STEINKAMP UND HENDRIK ZIEGLER

INHALT

VII

Vorwort

1

In die Welt geschickt Künstlerische Mobilität vom Mittelalter bis in die Gegenwart Uwe Fleckner / Maike Steinkamp / Hendrik Ziegler

IN FREMDEN DIENSTEN

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Die Schmiede des Vulkan als Spiegel des Selbst Amalgamierung eines antiken Bildthemas durch Adriaen de Vries in Prag Evelyn Reitz

47

»Wem es gut geht, der soll sich nicht bewegen« Der Spanier José de Ribera in Neapel Diane Kracht

65

A Foreigner’s View Anthony Van Dyck and the Artifice of Kingship Christiane Hille

REISE ALS KÜNSTLERISCHE ERFAHRUNG

85

Mit eigenen und mit fremden Augen Versailles in Christoph Pitzlers Reiseskizzenbuch von 1686 Florian Dölle

107 Ein »Europäer« in Dänemark Anton Melbye und die Kopenhagener Kunstszene Regine Gerhardt

131 Carpets of Memory Paul Klee’s Tunisian Watercolors Sarah McGavran

153 »Ganz einfache Sachen, sehr simpel, puritanisch« George Grosz entdeckt das Stilleben in Südfrankreich Gitta Ho

171 A Nomadic Existence Fred Sandback’s Pedestrian Space Edward A. Vazquez

ZWISCHEN DEN FRONTEN

191 »Märtyrer des Zeichenstifts« Britische Künstler unter Spionageverdacht im habsburgischen Lombardo-Venetien des 19. Jahrhunderts Ulrike Boskamp

219 The Artist as a Cultural Emissary across the Borders of Interwar Europe The Case of El Lissitzky Maria Mileeva

241 »Nur im Westen gibt es Neues« Max Ernst zwischen Deutschland, Frankreich und Amerika Julia Drost

265 Scheitern und Bestehen in der Fremde Deutschsprachige Künstler im britischen Exil nach 1933 Burcu Dogramaci

283 The Transatlantic Crossing by Ship into Exile during World War II From Heterotopic Experience to Aesthetic Reflection Martin Schieder

307 Register 313 Abbildungsnachweis

VORWORT

Das Exil als prekärer Ort künstlerischer Erfahrung, die Wanderschaft und das Reisen von Malern, Bildhauern und Architekten als Möglichkeit ambulanter Welterschließung sind bereits seit vielen Jahren so wichtige wie aufschlussreiche Gegenstände kunst- und kulturhistorischer Forschung, und auch die Migrationsbewegungen der Kunstwerke selbst, der »Bilderfahrzeuge« (Aby Warburg), geraten zunehmend in den Fokus wissenschaftlicher Erkenntnisinteressen. Mit dem hier vorliegenden Band soll der Blickwinkel auf diese bislang getrennt untersuchten Einzelphänomene erweitert, Migration, Reise und Exil sollen gemeinsam als spezifische Ausprägungen eines übergeordneten Sachverhalts betrachtet werden, nämlich der Mobilität des Künstlers, des Künstlers in der Fremde. Die Publikation, die aus dem Internationalen Warburg-Kolleg gleichen Titels hervorgegangen ist, das bereits 2008–2009 am Hamburger Warburg-Haus durchgeführt wurde, versammelt Textbeiträge über Auslandserfahrungen von Künstlern des 16. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, sie stellt Ausbildungs- und Studienreisen neben Flucht und Exil. Und wie schon im ersten Band der zugehörigen Schriftenreihe, im Band Der Sturm der Bilder. Zerstörte und zerstörende Kunst von der Antike bis in die Gegenwart (2011), zielten – und zielen – die Herausgeber mit dem Arbeitsprofil des Internationalen Kollegs ebenso wie mit der Veröffentlichung seiner Ergebnisse auf eine gegenseitige Erhellung der untersuchten Fallbeispiele. Wurde dort der gegen die Kunst gerichtete Ikonoklasmus aus Geschichte und Gegenwart mit zerstöre-

VII

rischen Werkstrategien der Künstler selbst in Beziehung gesetzt, so sind es nun die erzwungenen Reisen ins Exil und die freiwillig gewählten Künstlerreisen, deren gemeinsamer Schnittmenge unsere Aufmerksamkeit gilt: Diskutiert werden der Einfluss und die Bedeutung, den der gewollte wie der unfreiwillige Aufenthalt eines Künstlers in der Fremde auf den Schaffensprozess haben kann, ebenso wie auf die Rezeption von Werken der Bildenden Kunst. Im Fall des Internationalen Warburg-Kollegs »Der Künstler in der Fremde« hat die Beschäftigung mit ausgewählten Beispielen künstlerischer Mobilität darüber hinaus eine tatsächlich autoreflexive Rolle gespielt, denn das, was der vorliegende Band thematisch untersucht, lässt sich nicht nur für die Künstler und ihre Werke, sondern in gleichem Maße für das Berufsbild von Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern konstatieren, deren Arbeit ebenfalls zunehmend von weltweiten Verflechtungen, von Studien-, Stipendien- und Forschungsaufenthalten sowie beruflichem Engagement im Ausland bestimmt wird. Seit Gründung des Internationalen Warburg-Kollegs, das sich ausdrücklich der Nachwuchsförderung widmet, erreichten Bewerbungen aus aller Welt, von Deutschland und vielen europäischen Ländern bis in die USA, von Australien bis Südafrika, von Hawaii bis Kamerun, das Hamburger Warburg-Haus. Den jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die zur Teilnahme an den Kollegwochen und zur gemeinsamen Arbeit an wechselnden Themen eingeladen werden, wird dabei nicht nur die Möglichkeit gegeben, Aspekte ihrer weitgefächerten Forschungsvorhaben zu präsentieren, zur Diskussion zu stellen, die vorläufigen Ergebnisse schrittweise zu präzisieren und in intensiver gemeinsamer Redaktionsarbeit schließlich bis zur Publikation vorzubereiten; immer wieder standen – und stehen – auch die unterschiedlichen Forschungstraditionen der einzelnen Herkunftsländer im Zentrum des wissenschaftlichen Gesprächs. Der fruchtbare Austausch über die verschiedenen Formen künstlerischer Mobilität brachten auf diese Weise gerade bei einem Thema wie »Der Künstler in der Fremde« neue Erkenntnisse hervor, die der Auseinandersetzung über kulturellen und künstlerischen Transfer, über Migration, Reise und Exil wichtige Impulse geben konnten. Die in diesem Buch veröffentlichten Texte sind daher, wie schon in den vorangegangenen Bänden, nicht nur die Früchte individueller Forschungstätigkeit, sie sind in ihrer kollektiv erarbeiteten Form, in ihrer allmählichen inhaltlichen wie methodischen Evolution – von der ersten Präsentation bis zur Druckreife – auch Zeugnisse der tatsächlichen wie geistigen Mobilität der in Hamburg zusammengekommenen Kollegiaten. Neben den Autorinnen und Autoren, denen unser Dank für anregende Vorträge und unermüdliche Diskussionen gilt, haben erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entscheidend zum Gelingen des Kollegs und seiner Publikation beigetragen. Mit Burcu Dogramaci und Julia Drost konnten zwei Vortragsrednerinnen zu keynote lectures gewonnen werden, die sich in den letzten Jahren nachhaltig mit den Bedingungen künstlerischer Arbeit in der Fremde und im politischen Exil beschäftigt haben; Ulrike Boskamp, Florian Dölle und Martin Schieder haben darüber hinaus exemplarisch vertiefende Studien aus aktuellen Forschungsvorhaben in die Publikation eingebracht, mit denen der Themen-

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VORWORT

kreis des Kollegs um wichtige Aspekte ergänzt werden konnte. Der beflügelnde und stets konstruktive Austausch zwischen den Veranstaltern, den Kollegiaten und eingeladenen Experten äußert sich nicht zuletzt in der Tiefenschärfe, die sämtliche in den vorliegenden Band aufgenommene Fallstudien für sich geltend machen können. Ihr Anspruch ist zudem, der so polyphonen wie thematisch durchaus heterogenen Vielstimmigkeit der behandelten Themen künstlerischer Mobilität gerecht zu werden, die Komplexität der Phänomene dabei keineswegs einzuebnen, sondern vielmehr für eine nuancenreiche und fallspezifische Vorgehensweise zu werben, um auf diese Weise zu zeigen, dass die Erforschung sämtlicher Erscheinungsformen nomadischen Daseins – von der Wanderschaft des Künstlers bis zu dessen erzwungener Exilierung – durchaus vor vergleichbaren methodischen Herausforderungen steht. Dass das Internationale Warburg-Kolleg »Der Künstler in der Fremde« durchgeführt, dass seine Ergebnisse in der Schriftenreihe Mnemosyne veröffentlicht werden konnten, verdanken die Herausgeber der Hamburger Aby Warburg-Stiftung, die sämtliche Kollegveranstaltungen und ihre Schriftenreihe finanziell wie ideell fördert; unser Dank gilt ihrem Vorstand und namentlich ihrer Vorsitzenden, der Hamburger Senatorin für Wissenschaft und Forschung Dorothee Stapelfeldt. Und schließlich sei mir ein persönliches Wort erlaubt: Insbesondere meinen Mitherausgebern Maike Steinkamp und Hendrik Ziegler möchte ich für die gemeinsame Arbeit nicht nur an dieser Publikation von Herzen danken. Nach Abschluss ihrer Tätigkeit für das Kunstgeschichtliche Seminar der Universität Hamburg, die weit mehr umfasste als nur die Mitarbeit am Internationalen Warburg-Kolleg, haben Maike Steinkamp und Hendrik Ziegler nun die nächsten Stationen auf ihrer Reise durch die wissenschaftliche Welt der Kunstgeschichte angesteuert und setzen ihre so erfolgreich begonnenen Forschungstätigkeiten an neuen Wirkungsstätten in Berlin und Reims fort. Mein Dank für ihre kollegiale, ja, freundschaftliche Hilfe und Unterstützung könnte nicht größer sein, und groß ist auch die Hoffnung, dass die Reisegefährten der vergangenen Jahre auch in Zukunft anregende Partner im wissenschaftlichen Austausch sein werden. Hamburg, 18. März 2014

V O R W O RT

Uwe Fleckner

IX

IN DIE WELT GESCHICKT Künstlerische Mobilität vom Mittelalter bis in die Gegenwart UWE FLECKNER / MAIKE STEINKAMP / HENDRIK ZIEGLER

Für Serge Spitzer (1951–2012), dessen Lebensreise von Bukarest über Jerusalem und Berlin nach New York nun an unbekanntem Ort fortgesetzt wird.

Nomadisches Dasein Am 1. September 1968 schickte der japanische Künstler On Kawara eine Nachricht aus Mexico City an Kasper König, der damals als Ausstellungskurator in New York lebte. Auf der handelsüblichen Ansichtskarte mit der Abbildung des Monumento a La Raza, dem zwischen 1930 und 1940 errichteten Denkmal für die indigenen Völker und Kulturen des Landes, sind neben den mit Stempeln aufgedruckten Absender- und Empfängeradressen lediglich der Schriftzug »I GOT UP AT 9.28 A.M.« sowie das genaue Datum zu lesen |Abb. 1|. Über zehn Jahre lang richtete On Kawara aus der ganzen Welt solche Mitteilungen als work in progress mit entsprechend wechselnden Bildmotiven an Freunde und Bekannte aus dem Kunstbetrieb. Trotz ihres zunächst äußerst reduziert anmutenden Informationsgehalts sagen diese Sendungen, die letztlich noch immer in der Nachfolge traditioneller Reisekorrespondenz stehen, einiges über On Kawara aus, den Künstler in Bewegung, und charakterisieren die Umstände, unter denen seine Arbeit in dieser Zeit vollzogen und wahrgenommen wurde, denn die Ansichtskarte an Kasper König, um beim konkreten Beispiel zu bleiben, dokumentiert ja keineswegs nur den trivialen Sachverhalt, der ihr als Text aufgestempelt wurde, sondern thematisiert darüber hinaus die mondialen Verflechtungen, aus denen heraus der Künstler ortsunabhängig – aber durchaus ortsbewusst – operiert: Ein japanischer Künstler schreibt aus Mexico City an einen deutschen Kurator in den USA und verwendet dazu das

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1 On Kawara: Ansichtskarte aus Mexico City an Kaspar König (aus der Serie I GOT UP), 1. September 1968, Privatbesitz

Motiv einer von ihm vor Ort offenbar besuchten touristischen Sehenswürdigkeit, die ihrerseits auf die komplexe ethnische Situation seines Reiselandes hinweist. Die postalischen Lebenszeichen, die der Künstler bis 1979 verschickt hat, kennzeichnen On Kawara als einen reflektierten Reisenden, als international agierenden und ausgreifend vernetzten Künstler, dessen nomadisches Dasein ihn durch viele Länder und Kontinente führt und der gerade in dieser transitorischen Arbeits- und Existenzweise zu seinen konzeptuellen künstlerischen Botschaften gefunden hat.1 Dies zeigt sich nicht nur in seinen Ansichtskarten, sondern auf vergleichbare Weise auch in den sogenannten Date Paintings des Künstlers, bei denen seit 1966 eine unbegrenzte Serie kleinformatiger Leinwände mit der in jeweils landesüblicher Typografie aufgebrachten Angabe des Entstehungstages in einzelnen Schachteln aufbewahrt werden, in denen zumeist auch das Titelblatt einer am Ort des Malens erschienenen Tageszeitung gleichen Datums enthalten ist |Abb. 2|. Die deutsche Fotokünstlerin Candida Höfer hat dieses virtuelle Reisetagebuch darüber hinaus in jüngster Zeit zum Anlass einer eigenen Künstlerreise durch viele europäische und außereuropäische

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2 On Kawara: Oct. 26, 1971 (Today series, no. 97), 1971, Acrylfarbe auf Leinwand, 25,9 × 33,2 cm, Kartonschachtel und Zeitungspapier, Washington, Hirshhorn Museum and Sculpture Garden

Länder genommen, von Deutschland bis nach Japan, um die Zeitkonzentrate On Kawaras in einigen auf der ganzen Welt verstreuten Privatsammlungen als Fotoserie zu dokumentieren.2 Thematisiert On Kawara mit seinen Werken die Produktions- und Rezeptionsbedingungen global handelnder Künstlerinnen und Künstler bereits seit den sechziger Jahren, so ist grundsätzlich festzustellen, dass deren weltumspannende Aktivitäten insbesondere in den letzten Jahrzehnten den Ausstellungs- und Museumsbetrieb, den Kunstmarkt und schließlich das künstlerische Selbstverständnis maßgeblich verändert haben. Nationen und Kontinente übergreifende Kunst- und Ausstellungsprojekte sowie die überall auf der Welt angesiedelten Biennalen und Kunstmessen, Stipendien und Artists-in-Residence-Programme tragen zum networking von Künstlern, Kuratoren, Kritikern und Kunsthistorikern bei, fördern den internationalen Erfahrungsaustausch und nicht zuletzt die Hoffnungen der Maler, Bildhauer, Fotografen oder Konzeptkünstler, im Ausland neue Impulse für die eigene Arbeit zu finden; und selbst die Herausforderungen einer immer stärkeren – und möglicher-

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weise konturlos werdenden – Internationalität der Künste werden von den Nomaden des Kunstbetriebs immer deutlicher wahrgenommen und in einzelnen Werken sowie in Ausstellungen wie beispielsweise Magiciens de la terre (1989) oder documenta 11 (2002) kritisch thematisiert.3 Gleichermaßen bestimmen politische, soziale und wirtschaftliche Faktoren, aber auch der Wunsch nach freieren oder produktiv herausfordernden Arbeitsbedingungen die Entscheidungen vieler Künstler, sich für Monate, Jahre oder auf Dauer in anderen, oft genug zuvor unbekannten Städten und Ländern niederzulassen.

Formen und Funktionen künstlerischer Mobilität: Migration – Reise – Exil Auch wenn das Phänomen migrierender Künstler insbesondere in einer globalisierten Gegenwart mehr und mehr zu beobachten ist, können weder die aus eigenem Antrieb unternommene Reise noch das erzwungene Exil als vollkommen neue Erfahrungsrealität künstlerischer Existenz angesehen werden. Schon seit dem Mittelalter zog es Bildende Künstler und Architekten in die Fremde, wobei oft genug vergleichbare ökonomisch-politische Beweggründe den Anstoß dazu gaben, wie es bei nicht wenigen Künstlern noch heute der Fall ist. Darüber hinaus schrieben viele Zunftordnungen der bis zum Beginn der Frühen Neuzeit handwerklich organisierten Künstler eine zwei- oder dreijährige Wanderschaft während der Gesellenzeit vor. Diese sollte dazu beitragen, Kontakte zu Meistern in anderen Ländern zu knüpfen, ausländische Werke und Bauten ebenso wie neue künstlerische Erkenntnisse und Verfahrensweisen zu studieren und die in der Ferne gesammelten Erfahrungen für das heimatliche Handwerk nutzbar zu machen.4 Unterstützt wurden solche Wanderschaften bereits seit dem 15. Jahrhundert durch Reisestipendien, die von fürstlichen Mäzenen oder später von Kunstakademien vergeben wurden, damit die in die Welt geschickten Maler, Bildhauer und Architekten die mustergültigen künstlerischen Formen, Kompositionsweisen und Techniken an den maßgeblichen Orten und in den führenden Werkstätten kennenlernen konnten.5 Vor allem die Kunst Italiens galt jahrhundertelang als kanonisches Vorbild. Auf eigene Faust oder als Reisebegleiter junger Adeliger auf deren grand tour pilgerten die Künstler aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden oder England nach Rom, Florenz und Venedig, um dort sowohl die antiken Bauten und Skulpturen als auch die Werke Michelangelos, Raffaels oder Tizians zu studieren und sich von der italienischen Landschaft inspirieren zu lassen. So waren es insbesondere die Werke der französischen Maler Claude Lorrain und Nicolas Poussin, die sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Rom niedergelassen hatten, von denen das nordeuropäische Bild Italiens lange Zeit geprägt wurde |Abb. 3|.6 Transalpine Studienreisen gehörten bis ins 19. Jahrhundert zum selbstverständlichen akademischen Ausbildungsprogramm Bildender Künstler, und die französische Académie royale de peinture et de sculpture hatte bereits 1666 sogar eine Zweigstelle in Rom gegründet, die bis 1968 – und

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3 Claude Lorrain: Italienische Küstenlandschaft im Morgenlicht, 1642, Öl auf Leinwand, 97 × 131 cm, Berlin, Staatliche Museen, Gemäldegalerie

unter veränderten Bedingungen bis heute – junge Maler, Bildhauer und Architekten, aber auch Musiker, die den Wettbewerb um den begehrten prix de Rome erfolgreich bestanden hatten, für einige Jahre in der Ewigen Stadt beherbergte.7 Doch mit dem Ende des 17. Jahrhunderts wurde Rom der Rang als international führende Kunstmetropole allmählich streitig gemacht. Zwar galt die Stadt am Tiber weiterhin als genuiner Ort klassischer künstlerischer Bildung, doch nun wurde Paris immer stärker als Zentrum des gegenwärtigen Kunstgeschehens angesehen. In der französischen Kapitale wurden die maßgeblichen ästhetischen Debatten der Epoche geführt, neue Formen der Präsentation von Kunstwerken mit den 1667 erstmals ausgerichteten und dann im 18. Jahrhundert zu voller Blüte entfalteten Salonaustellungen entwickelt, aus denen auch die moderne Institution kunstkritischen Räsonnements hervorging; und all dies vor den Augen eines Publikums, das aus aller Herren Länder anreiste, um die avanciertesten Werke der Bildenden Kunst zu betrachten und in den intellektuellen Zirkeln und Kaffeehäusern zu dis-

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kutieren. Frankreich prägte die kulturellen Vorlieben des absolutistischen – später des aufgeklärten, dann des modernen und avantgardistischen – Europa, was sich nicht zuletzt auch in den Schlossbauten widerspiegelte, die in vielen anderen Ländern nach dortigem Vorbild entstanden.8 Zahlreiche Architekten fuhren im 17. und 18. Jahrhundert aus Lissabon, Moskau, Neapel oder Stockholm im Auftrag ihrer fürstlichen Dienstherren nach Frankreich und insbesondere nach Versailles, um im Anschluss an ihre Studienreisen die dort gesammelten Eindrücke und Erfahrungen in den architektonischen Entwürfen für Residenzbauten in ihrer Heimat umzusetzen.9 Wie das Vorgehen europäischer Höfe zeigt, ging die Initiative zu solchen Reisen in der Frühen Neuzeit zumeist nicht von den Künstlern selbst aus. Vielmehr waren es der Adel und die Kirchenfürsten, die sich einerseits in ihren Residenzstädten mit Künstlern umgaben, die internationale Anerkennung erlangt hatten, und diese andererseits auch auf diplomatischen Reisen oder auf ihren Feldzügen nicht missen wollten. Bis 4 Gentile Bellini: Porträt des Sultans Mehmed II., zum 19. Jahrhundert zählten Maler und Architek1480, Öl auf Leinwand, 70 × 52 cm, London, National Gallery ten daher ganz selbstverständlich zu den Gesandtschaften weltlicher oder geistlicher Herrscher, und sie hielten ihre Reiseeindrücke in Briefen und Tagebüchern, in Skizzen und Gemälden fest.10 Darüber hinaus wurden Künstler bereits zu Zeiten Jan van Eycks, der sich 1428–1429 im Auftrag des burgundischen Herzogs in Portugal aufhielt, oder Gentile Bellinis, Abgesandter Venedigs am osmanischen Hof Mehmeds II. um 1480, gelegentlich ins Ausland geschickt, wo ihrer Arbeit durchaus auch politische Bedeutung zukam |Abb. 4|.11 Genuin diplomatische Aufgaben sind ausgewählten Künstlern dann vermehrt seit dem 17. Jahrhundert übertragen worden, um in einer durch Kriege und konfessionelle Spannungen zerrütteten Epoche zwischen den einzelnen Herrscherhäusern zu vermitteln.12 Als Emissäre auswärtiger Fürsten überbrachten sie Kunstwerke an ihre Reiseziele, sie übernahmen dort Bildnis- und Ausstattungsaufgaben, engagierten sich für Sammlungsinteressen im Gast- und Herkunftsland und schrieben Briefe und Berichte in die Heimat, in denen sie kulturelle und politische Vorkommnisse aus erster Hand schilderten. Manchmal arbeiteten sie an den ausländischen Höfen sogar für einige Zeit in gezielter politischer Mission etwa bei der Vorbereitung von Ehebündnissen oder Friedensschlüssen.

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5 Peter Paul Rubens: Krieg und Frieden (Minerva schützt Pax vor Mars), 1629–1630, Öl auf Leinwand, 203,5 × 298 cm, London, National Gallery

Als bedeutendster dieser Künstler-Diplomaten kann zweifellos Peter Paul Rubens bezeichnet werden, der nicht nur als flämischer Botschafter seines eigenen malerischen Könnens auftrat, sondern vor allem als diplomatischer Gesandter der spanisch-habsburgischen Monarchie die Beziehungen zwischen Spanien, England und Frankreich stabilisierte. Seine Gemälde, die am spanischen Hof Philipps IV. oder während seines Aufenthaltes in England 1629–1930 entstanden, wirkten dabei nicht nur stilbildend auf die Kunst des jeweiligen Gastlandes, sondern hatten in gleichem Maße erheblichen Einfluss auf die politischen Entwicklungen seiner Zeit. Mit seinem Historienbild Krieg und Frieden (Minerva schützt Pax vor Mars), das Rubens als eine Art von Diplomatengeschenk für den englischen König malte, beschwor er beispielsweise in einer kriegsbedrohten Situation die Segnungen des Friedens, warnte anspielungsreich vor einem bewaffneten Konflikt zwischen den europäischen Großmächten und lieferte damit auch ein visuelles Argument für seine politischen Bemühungen am Hof Karls I. |Abb. 5|.13 Selbst bei der Erschließung und Kolonialisierung neuer Gebiete in Afrika, Ozeanien oder Südamerika waren neben Kartografen und Gelehrten nicht selten auch Künstler auf wissenschaftlichen, wirtschaftlichen oder militärischen Expeditionen anzutreffen. Mit ihrer Hilfe wurden Ansichten fremder Länder, deren Flora und Fauna ebenso für die heimatlichen

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Auftraggeber dokumentiert wie die topografischen Gegebenheiten der auf diese Weise »entdeckten« Gegenden oder das Aussehen indigener Bevölkerungen. So fanden zahlreiche Motive des südamerikanischen Subkontinents – die tropische Natur, autochthone wie koloniale Besiedlungen, die Menschen, die in ihnen lebten, Tiere, Pflanzen und Früchte – erstmals durch die Landschaften, Bildnisse und Stilleben Albert Eckhouts und Frans Posts, die 1636–1644 im Gefolge des Fürsten Johann Moritz von Nassau-Siegen nach Brasilien gereist waren, Eingang in die europäischen Palasträume und bürgerlichen Bildersammlungen |Abb. 6–7|.14 Es ist dabei höchst aufschlussreich, wie sich das porträt- und vedutenhafte Protokoll der vor Ort angefertigten Reiseskizzen beider Künstler nach deren Rückkehr in die Niederlande durch eine zielgerichtete Transformation im Hinblick auf bildmäßige Kompositionen grundlegend veränderte: Hatte der vornehmlich dokumentarische Charakter unmittelbarer Aufnahmen in Brasilien mehr oder weniger zur Wiedergabe gesehener Tatbestände geführt, so überwog im heimischen Atelier der Kunstcharakter der nun entstehenden Werke, und die fremden Motive wurden mit konventionellen Darstellungsweisen 6 Albert Eckhout: Tapuya-Indianer, 1646–1653, Öl auf Leinwand, 272 × der europäischen Landschafts- und Porträttradition zu 162 cm, Kopenhagen, Nationalhybriden Bildformen amalgamiert.15 museum In Reisebildern dieser Art, die bis tief ins 19. Jahrhundert hinein entstanden, ging es vor allem darum, das wissenschaftliche Interesse an exotischen Ländern und Kulturen zu befriedigen, die curiositas des europäischen Blicks zu stillen, neue Wirtschaftsräume im Bild festzuhalten, ihre koloniale Ausbeutung vorzubereiten und Herrschaftsansprüche visuell abzusichern. Doch mit dem romantisierenden Orientalismus, betrieben von Malern wie Eugène Delacroix, der 1832 nach Algerien und Marokko reiste, oder Jean-Léon Gérôme, der gut zwanzig Jahre später die Türkei und Ägypten besuchte, kündigte sich trotz noch immer und unbezweifelbar eurozentrischem Blickwinkel bereits ein entscheidender Wandel hin zu einer ausgemacht ästhetischen Auseinandersetzung mit den fremden Ländern an. Spätestens die Künstler der Avantgarden, Paul Gauguin oder Henri Matisse, Paul Klee oder Emil Nolde, die an der Wende zum 20. Jahrhundert zu Reisezielen in vielen außereuropäischen Ländern aufbrachen, begaben sich dabei auf die Suche nach einer im industrialisierten Europa verloren gegangenen imaginären Ursprünglichkeit und vermeintlichen Unverfälschtheit |Abb. 8|.16 Die Künstler waren fasziniert von den unbekannten Kulturen, von den Menschen und

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7 Frans Post: Brasilianische Landschaft mit Ameisenbär, 1649, Öl auf Leinwand, 53 × 69.4 cm, München, Alte Pinakothek

außergewöhnlichen Landschaften sowie den für ihre Augen spektakulären Lichtverhältnissen. Emil Nolde beispielsweise nahm 1913–1914 an einer Deutsch-NeuguineaExpedition des Reichskolonialamtes teil, die sich mit medizinischen und demografischen Forschungsfragen befasste. Die Werke, zumeist Aquarelle, die auf dieser Fahrt über Russland, China und Japan zu den Inseln Melanesiens entstanden, zeigen den zwar nach wie vor hybriden Zugriff solcher bildnerischen Bestandsaufnahmen, die zwischen wissenschaftlicher Dokumentation und künstlerischer Interpretation oszillieren. Betrachtet man jedoch ein Blatt wie den Kopf eines Mannes aus Neumecklenburg dann ist festzustellen, dass Nolde, obwohl er von den Objektivierungsstrategien einer naturwissenschaftlich-positivistischen Weltsicht durchaus beeindruckt war, sich vor allem anderen den ausdrucksstarken Farb- und Formkontrasten seiner Werke widmete und weniger der vom Kolonialamt gewiss erwarteten rein ethnografischen Erfassung seiner Modelle |Abb. 9|.17 Nicht nur politisch wurde mit

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8 Henri Matisse: Marokkanisches Triptychon, 1912, Öl auf Leinwand, 116 × 100 cm / 116 × 80 cm / 115,5, × 80 cm, Moskau, Puschkin Museum für Bildende Künste

der Expedition nach Deutsch-Neuguinea, der letzten Unternehmung des Deutschen Reiches dieser Art, das Zeitalter solcher von Künstlern begleiteten Forschungsreisen verabschiedet, auch künstlerisch markierte Nolde trotz seiner ganz bewussten Auseinandersetzung mit der anthropologischen Bildproduktion seiner Zeit das Ende einer Kunst, die sich in den unmittelbaren Dienst kolonialer Interessen stellte: Sein Augenmerk galt vielmehr der persönlichen stilistischen Entwicklung, und die in der Südsee entstandenen Aquarelle, aber auch deren künstlerische Auswertung nach seiner Rückkehr, machen offenkundig, dass der Blick in die fremden Welten zuletzt auf die eigene Lebens- und Arbeitswelt zurückgelenkt wird. Generell war das Reisen spätestens gegen Ende des 19. Jahrhunderts und nicht zuletzt durch die modernen Verkehrsmittel zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Viele Künstler führten ihr Leben zwischen den europäischen Metropolen, fuhren zwischen Berlin, München, Paris, Rom, London oder Moskau hin und her, und trugen damit zum künstlerischen wie kulturellen Austausch der Nationen bei. Schlug zunächst vor allem Paris die modernen Künstler aus aller Welt in den Bann, so löste New York die französische Hauptstadt seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in dieser Vorrangstellung ab. Doch schon zuvor waren einige Künstler wie Francis Picabia oder Marcel Duchamp in die Vereinigten Staaten gereist, nicht zuletzt deshalb, um dem in Europa ausgebrochenen Ersten Weltkrieg zu entkommen. Nach Friedensschluss pendelte Duchamp zwischen Paris und New York, bis er schließlich 1942 mit einem Handkoffer, dem Signum nomadischen Daseins, in dem sich Miniaturrepliken seiner bisherigen Arbeiten befanden, endgültig in die USA emigrierte |Abb. 10|.18 Es sollten vor allem die Exilbewegungen im Zuge des Zweiten Weltkriegs sein, die dazu beitrugen, dass die Vereinigten Staaten in dieser Zeit zum Zentrum der modernen

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Kunstentwicklung wurden.19 Ungezählte europäische Künstler – nicht nur Duchamp, auch Marc Chagall, André Masson und Piet Mondrian, Max Ernst und George Grosz, Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und viele andere – verließen aufgrund von politischer oder rassischer Verfolgung in den dreißiger und vierziger Jahren ihre Heimatländer und suchten, oft über Umwege, in der Neuen Welt nach neuen Aufgaben und einem neuen Anfang. Und auch andere Länder nahmen die Künstler auf, die Deutschland in dieser Zeit verlassen mussten: Kurt Schwitters entkam über Norwegen nach England, Rudolf Belling und Bruno Taut übersiedelten in die Türkei; einige Künstler emigrierten zunächst in die Nachbarländer des Deutschen Reiches, in die Niederlande etwa oder nach Frankreich, um später auf eine Ausreise nach Übersee zu hoffen. Im Fluchtgepäck hatten all diese Maler, Bildhauer, Grafiker, Fotografen und Architekten die ästhetischen Auffassungen eines avantgardistischen Europa, die der Kunstentwicklung der Aufnahmeländer nicht selten wichtige Impulse gaben. Und auch 9 Emil Nolde: Kopf eines Mannes aus Neudas eigene Werk erfuhr durch Verfemung, Aus- mecklenburg mit gekalktem Haar, 1913–1914, Aquarell und Tusche auf Papier, 50,4 × 38,6 cm, bürgerung und Exil oft genug starke Veränderun- Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett gen: Die Künstler mussten auf die eine oder andere Weise auf die Exilsituation reagieren, ökonomische Zwänge beeinträchtigten ihre Arbeit, professionelle Netzwerke wurden zerrissen, neue geknüpft; die Flüchtlinge sahen sich darüber hinaus durch sowohl bildnerisch als auch sprachlich fremde Idiome herausgefordert, nahmen Themen, Motive und Materialien der neuen Wirkungsstätten in ihre Werke auf und bezogen nicht zuletzt auch politisch Stellung |Abb. 11–12|.20 Bis heute wirkt der Exodus europäischer Künstler während des »Dritten Reiches« nach. Wenn auch unter schmerzlichen Umständen kam es durch die erzwungene Migration, von der natürlich auch Schriftsteller, Musiker und Wissenschaftler betroffen waren, letztlich doch zu einem durchaus fruchtbaren kulturellen Transfer zwischen den Nationen, wie bereits Vilém Flusser, der 1939 selbst vor den Nationalsozialisten aus Prag fliehen musste, konstatierte: »Das Exil, wie auch immer es geartet sein möge, ist die Brutstätte für schöpferische Taten, für das Neue.«21 Als Vermittler und Wegbereiter nicht allein künstlerischer Ideen begründeten die Exilanten durch ihre wechselseitige Assimilationsleistung nachhaltige Dialoge, die weit über das Kriegsende hinaus eine Vielzahl bilateraler Reise- und Stipendien-

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10 Marcel Duchamp: Boîte-en-Valise (de ou par Marcel Duchamp ou Rrose Sélavy), 1935–1941, Lederkoffer mit Miniaturrepliken, Fotografien und Farbreproduktionen, 40,7 × 38,1 × 10,2 cm, Basel, Kunstmuseum

programme nach sich zog und die Begegnung mit Menschen fremder Länder als einen Weg der Aussöhnung und Völkerverständigung beschritt; einen Weg, der in letzter Konsequenz übrigens auch dazu führte, dass Künstler wie On Kawara heute ganz selbstverständlich ihre Wirkungsstätte in der ganzen Welt finden. Und schließlich haben die unterschiedlichen Formen und Funktionen der freiwilligen wie der erzwungenen Künstlerreise ein vitales Forschungsinteresse hervorgebracht, bei dem Migration und Transfer, Fremderfahrung und Akkulturation zum Anlass genommen werden, grundsätzlichen Fragen kunst- und kulturgeschichtlicher Austauschphänomene nachzugehen.

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11 George Grosz: Negerpaar in Harlem, 1933, Aquarell auf Papier, 48,6 × 63,1 cm, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett

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12 Piet Mondrian: Victory Boogie Woogie, 1942–1944, Öl, Papier, Karton, Klebeband, Bleistift und Kohle auf Leinwand, 127 × 127 cm, Den Haag, Gemeentemuseum

Auf der Reise durch ein Forschungsgebiet Die Forschungslage zum Thema reisender, migrierender und exilierter Künstlerinnen und Künstler vom Mittelalter bis zur Moderne lässt sich kaum im Ganzen überschauen: In den letzten Jahren hat sich das Interesse an transnationalen Beziehungen zu einem wissenschaftspolitisch attraktiven und hochgradig geförderten Arbeitsgebiet entwickelt, und neben

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den Künstlern und ihren Produktionen stehen dabei zunehmend auch die Kunstvermittler, die Sammler, Galeristen und Auftraggeber, im Fokus der Aufmerksamkeit. Darüber hinaus richtet sich vor allem in jüngster Zeit ein starkes Augenmerk auf die Wanderung gehandelter, gesammelter oder sonst wie in Umlauf gekommener Kunstobjekte aller Art, auf die »Bilderfahrzeuge« (Aby Warburg) und deren nicht immer konfliktfreie Integration in Präsentationsformen und Wertschätzungsmaßstäbe anderer Kulturkreise.22 Neben eher kulturgeschichtlich ausgerichteten Vorhaben zu diesem Themenkomplex ist in jüngster Zeit auch die Erforschung von Provenienzen vorangetrieben worden, die insbesondere durch den unfreiwilligen internationalen Transfer von Raub- und Beutekunst sowie »entarteter« Kunst während der Zeit des Nationalsozialismus von hochbrisanter Aktualität ist.23 Die Vielfalt von Forschungsprojekten, systematischen Gesamtdarstellungen und Fallstudien auf all diesen Gebieten ist beeindruckend, doch an dieser Stelle kann und soll vielmehr eine – zudem sehr kursorische – tour d’horizon durch die verschiedenen methodischen Herangehensweisen der letzten Jahrzehnte geboten werden.2 4 Wichtige Untersuchungen haben es sich zur Aufgabe gemacht, der kunst- und kulturhistorischen Forschung das epistemologische wie begriffliche Rüstzeug an die Hand zu geben, um die vielschichtigen Phänomene der Auseinandersetzung mit der Fremde – und mit dem Fremden – wissenschaftlich erfassbar zu machen. Die 1978 von Edward W. Said vorgelegte bahnbrechende Studie Orientalism. Western Conceptions of the Orient hat dabei maßgeblich zur Entwicklung der »post-colonial studies« beigetragen, selbst wenn das Buch seit seinem Erscheinen mehrfach in Frage gestellt und kontrovers diskutiert worden ist.25 Said versucht darin aufzuzeigen, inwieweit der Orientalismus als okzidentale Denkfigur und die Orientalistik als entsprechende Fachdisziplin am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert zur Festigung des Herrschaftsanspruchs über den muslimisch geprägten und damals größtenteils kolonial unterworfenen Orient beigetragen haben, gegründet auf der Festschreibung einer vorgeblich objektiven und damit wissenschaftlich nachweisbaren Opposition von zivilisiertem Westen und archaischem Osten. Unter den möglichen Einwänden gegen Saids klarsichtige Analyse eines Wissenschaftsdiskurses, der sich wertneutral gab, aber gleichwohl machtstabilisierend wirkte, wiegt aus kunsthistorischer Sicht am schwersten, dass Bilder von ihm nicht als Untersuchungsgegenstände in Betracht gezogen wurden. Texten wird dagegen in seiner Studie, fußend auf den diskursanalytischen Überlegungen Michel Foucaults, eine hohe Wirkmacht zugestanden, deren suggestive, autoritative Kraft sich sogar vor die Realitätserfahrung, etwa eines Reisenden, schieben kann und dessen Verständnis des Wahrgenommenen von vornherein bestimmt. Said spricht von »textual attitude«, von einer durch den Text dem Leser auferlegten Haltung, die gerade in krisenartigen Situationen beim ersten Kontakt mit dem Unbekannten die Einschätzung des Erlebten kanalisiert.26 Ergänzend zu Said wären aber auch Bildern »pictorial attitudes« zuzuschreiben, die letztlich dazu führen, dass Künstler der Fremde – und dem Fremden – gegenüber größtenteils nur dasjenige reproduzieren, was sie bereits in Form zuvor gesehener Bilder (oder aus anderen Quellen) erfahren haben. Ähnliches würde dann auch von den

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13 Paul Gauguin: Le Cheval blanc, 1898, Öl auf Leinwand, 140 × 91,5 cm, Paris, Musée d’Orsay

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14 Gustave Arosa (Werkstatt): Metope des ParthenonFrieses, 1868, Fototypie, Tahiti, Ministère de la Culture (aus dem Besitz Paul Gauguins)

Rezipienten dieser Werke gesagt werden können: Sie nehmen im Bild exotischer Motive vor allem solche Züge wahr, die eine Resonanz zu solchen Phänomen auslösen, die ihnen bereits vertraut vorkommen, und sehen damit ihre Vorurteile und Klischees bestätigt. Modifikationen, Korrekturen oder gar Auflösungen solcher visuellen Stereotypen werden dann aber nur sehr partiell oder in meist langwierigen Akkulturationsprozessen vollzogen. Die auf den ersten Blick so selbstverständliche, allerdings auch grundlegende Erkenntnis, dass ein Diskurs über die Erfahrung des Fremden, in welchem Medium auch immer, oft genug mehr über denjenigen auszusagen vermag, der ihn führt, als über den Gegenstand seiner Wahrnehmungen selbst, ist in der Nachfolge Saids von der sich in den achtziger Jahren in Frankreich herausbildenden sogenannten Transfer-Forschung zum Paradigma erhoben worden. Der französische Germanist Michel Espagne und der in Frankreich arbeitende deutsche Historiker und Germanist Michael Werner haben das Konzept des Kulturtransfers aus einem zunächst bilateralen Interesse heraus gemeinsam entwickelt.27 Ihr Ziel war es, vom herkömmlichen Denkweg einer Einflussgeschichte abzuweichen, auf dem komplexe kulturelle

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Austauschprozesse keineswegs angemessen nachvollzogen werden können. Werner hat schließlich, gemeinsam mit Bénédicte Zimmermann, diesen Ansatz zu einer »histoire croisée« weiterentwickelt, bei der die wechselseitige Wirkung nationaler Perspektiven bewusst berücksichtigt wird.28 Innerhalb dieser Forschungen spielt die Metapher des Spiegels eine zentrale Rolle: Das Fremde, die Erfahrungen in und mit dem andersartigen Kulturkreis, bilden – gewollt oder ungewollt – den Reflexionshintergrund, vor dem sich das Eigene, die graduelle Alterität gegenüber jeglicher Fremderfahrung, um so deutlicher abzeichnet und damit auch wissenschaftlich sinnstiftend untersuchen lässt. Ein Beispiel mag diesen Ansatz anschaulich machen: An den Bildern, die Paul Gauguin Ende des 19. Jahrhunderts in Tahiti gemalt hat, konnte unlängst systematisch nachgewiesen werden, in welchem Maße sich der Künstler bei der reliefartigen Anlage seiner Gemälde von Fotografien des Athener Parthenon-Frieses hatte leiten lassen, die er auf seine Reise mitnahm |Abb. 13–14|. Der eminente Grad visueller Prägung durch das okzidentale klassische Erbe wird auf diese Weise gerade im plakativen Exotismus Gauguins überdeutlich.29 Werden Erkenntnisprozesse zu solchen und anderen Austauschphänomenen der Bildenden Kunst durch die epistemologischen Reflexionen der Transfer-Forschung erleichtert, so wurden dennoch immer wieder auch Alternativen zum Terminus »Kulturtransfer« vorgeschlagen und in die Methodendiskussion eingebracht. Der britische Historiker Peter Burke hat auf die Vielfalt möglicher Begriffe hingewiesen, mit denen sich Akkulturationsund Adaptationsprozesse beschreiben lassen: etwa auf den Begriff der »Übersetzung« (mit dem der Arbeitsaufwand bei der Aneignung des Fremden betont wäre), auf »Hybridismus« (einen Anpassungsprozess als natürlichen, weitgehend unbewussten Vorgang hinstellend) oder »Kreolisierung« (auf das Zusammenwachsen zweier Idiome zu einem dritten abhebend, wobei aus dem einen vornehmlich die Struktur, aus dem anderen vor allem die Inhalte übernommen werden).30 Burke plädiert jedoch dafür, keine Begrifflichkeit entwickeln zu wollen, die alle nur denkbaren Phänomene abzudecken trachtet, sondern vielmehr auf einer dem jeweiligen Einzelfall angemessenen Terminologie zu bestehen. Der französische Kunsthistoriker Dominique Jarrassé tritt demgegenüber für eine konsequente Historisierung der Kunstgeschichtsschreibung seit ihren Anfängen im 19. Jahrhundert ein, um deren explizite und implizite Ethnizität herauszuarbeiten, die bis heute unsere Bewertungsmaßstäbe und Forschungsinteressen gerade gegenüber ausländischer oder im Ausland entstandener Kunst prägt.31 Die Notwendigkeit, sich aus lediglich binationalen Perspektiven zu lösen, wie sie die deutsch-französische Transfer-Forschung lange Zeit prägte, jüngst aber von der »histoire croisée« überwunden wurde, hat nochmals Eva-Bettina Krems in einer Fallstudie herausgestellt, die grundlegenden Zuschnitt für sich beanspruchen kann.32 Exemplarisch weist Krems die polyzentrischen Konkurrenzbeziehungen nach, die innerhalb der Fürstenhöfe des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation bestanden haben: Selbst wenn man sich während des Absolutismus in Architektur, Kunst und Mode stark am Modell Frankreichs und des Versailler Hofes orientierte, so mussten die deutschen Fürsten doch auch ihre

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15 Gustav Oberthur (Fotograf): Blick auf das Gewerbehaus in Metz mit dem Bahnhof im Hintergrund, Ansichtskarte, um 1910, Metz, Privatsammlung

Zugehörigkeit und Loyalität zu Kaiser und Reich unter Beweis stellen, etwa indem sie bei der Anlage der Raumfolgen und deren Nutzung dem Wiener Hofzeremoniell der Habsburger folgten. Ein deutsch-französisches Forschungsprojekt hat kürzlich zudem versucht, durch die Einführung des aus der Biologie stammenden Begriffs des »Tropismus«, der hin- oder abwendenden Reaktion auf einen gegebenen Reiz, exemplarisch herauszuarbeiten, dass die Orientierung an Frankreich im Europa der Aufklärung zwar einem allgemeinen Bedarf entgegenkam, bei den Rezipienten aber gerade auch das Zurückweisen bestimmter Teilaspekte des Referenzmodells einschloss.33 Und noch auf einen letzten Begriff sei hingewiesen, der erst 2013 in die Methodendiskussion eingebracht worden ist, nämlich auf den Begriff der »Interferenz«, der aus der Elektrotechnik stammt und die Überlagerung zweier elektromagnetischer Wellen bezeichnet, die sich gegenseitig aufschaukeln aber auch auslöschen können.3 4 Dieser Begriff hat den methodischen Vorteil, auf die Aggressivität hinzuweisen, mit der das Eindringen einer fremden kulturellen Praxis in ein gegebenes Umfeld einhergehen kann. Um auch hier ein Beispiel zu geben: Nach der Annexion von Elsass-Lothringen 1871 durch das neu gegründete Deutsche Reich wurde in der lothringischen Stadt Metz von eingereisten deutschen Bau-

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meistern ein neues Bahnhofsviertel errichtet, mit Gebäuden im Stil der rheinischen Romanik, aber auch der elsässischen Renaissance, und dies zudem in Baumaterialien, die bezeichnenderweise zuvor in Metz nicht verwendet wurden, etwa Granit oder rosafarbener Sandstein |Abb. 15|. Die damit angestrebte »Germanisierung« der seit jeher französischsprachigen Stadt wurde auf diese invasive Weise visuell deutlich gemacht und damit zwangsläufig in verletzender Form auch für die Einheimischen spürbar.35 Das seinerzeit politisierte Stadtbild von Metz ist mithin als Ergebnis einer imperialistischen kulturellen Einflussnahme zu werten, die kaum als »Transfer«, »Akkulturation« oder »Adaption« beschreibbar wäre, so dass hier der Begriff einer dissonanten »Interferenz« die wohl geeignetste Metapher zum Verständnis der Überlagerung zweier Stadtbautraditionen bereithält. Abschließend lässt sich jedenfalls festhalten, dass die Phänomene künstlerischen Austausches, seien sie durch Wanderschaft, Migration oder Studienreisen in die Fremde veranlasst, seien sie das Ergebnis erzwungenen Exils oder eines aggressiven Kulturimperialismus, kaum mit Hilfe eines einzigen begrifflichen passe-partout aufzuschließen sein dürften. Die Vielschichtigkeit der unterschiedlichen Formen und Möglichkeiten, der Fremde – und dem Fremden – zu begegnen, ist daher durch diverse methodische Ansätze beantwortet worden, doch zuletzt zeigt sich, dass auch hier – wie so oft – den historischen Sachverhalten nur durch tiefgreifende Einzelfallanalysen beizukommen ist. Die Mobilität der Künstler und Künstlerinnen, aber auch die Mobilität der Werke und Ideen, von denen die Weltkulturgeschichte seit ihren Anfängen geprägt wird, erweist sich mithin als ein Themenkomplex von so umfassender wie weitreichender Bedeutung. Der Mensch erfährt sich und die Fremde durch und in Bewegung (»I GOT UP AT 9.28 A.M.«), und nicht ohne Grund hat bereits der Begriff der Fremderfahrung, wie derjenige der Erfahrung überhaupt, den Wortkern des »Fahrens« zum wesentlichen Bestandteil.

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1 Vgl. On Kawara. Horizontality / Verticality (hrsg. v. Ulrich Wilmes), Ausstellungskatalog, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München 2000–2001. 2 Vgl. Candida Höfer: On Kawara. Date Paintings in Private Collections, Köln 2009. 3 Zum Themenkomplex solcher Ausstellungen vgl. Uwe Fleckner: El artefacto como obra de arte. Estrategias para las exposiciones de arte extraeuropeo en el siglo XX, in: Javier Arnaldo u. Eva Fernández del Campo (Hrsg.): El arte en su destierro global. Cultura contemporánea y desarraigo, Madrid 2012, S. 15–60. 4 Zur Künstlerausbildung vgl. Andreas Tacke: Italiensehnsucht und Akademiegedanke. Das Baseler Familienporträt des Matthäus Merian des Jüngeren, in: Der unbestechliche Blick. Festschrift zu Ehren von Wolfgang Wolters (hrsg. v. Martin Gaier et al.), Trier 2005, S. 73–83, S. 76 f. 5 Vgl. Martin Warnke: Stellvertretende Künstlerreisen, in: Orte der Sehnsucht. Mit Künstlern auf Reisen (hrsg. v. Hermann Arnhold), Ausstellungskatalog, Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte, Münster 2008, S. 31–35, S. 34. 6 Zur Italien-Sehnsucht vgl. Angelika Lorenz: Sehnsuchtshorizonte nordeuropäischer Künstler vom 16. bis 19. Jahrhunderts, in: Orte der Sehnsucht 2008, S. 95–100. 7 Vgl. Jean-Paul Alaux: Académie de France à Rome. Ses directeurs, ses pensionnaires, Paris 1933, 2 Bde.; Marc Bayard (Hrsg.): Rom – Paris, 1640. Tranferts culturels et renaissance d’un centre artistique, Paris et al. 2010 (Collection d’histoire de l’art de l’Académie de France à Rome, Bd. 11); Maestà di Roma. Da Napoleone all’unità d’Italia, Ausstellungskatalog, Académie de France à Rome – Villa Medici, Rom 2003, 2 Bde. 8 Vgl. Thomas Grosser: Tour de France – Frankreich als Ziel deutscher Reisender, in: Hermann Bausinger et al. (Hrsg.): Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus, München 1991, S. 229–236, S. 230. 9 Zu diesem Thema sind immer noch grundlegend, wenn auch methodologisch überholt, einige Titel der älteren Literatur; vgl. Louis Réau: Histoire de l’expansion de l’art français moderne, Bd. II, Paris 1928; id.: L’Europe française au Siècle des Lumières, Paris 1938, Neuaufl. Paris, 1971; Pierre Lavedan: Renaissance et Temps modernes, Paris 1941 (Histoire de l’urbanisme, Bd. 2), S. 193–331; Pierre du Colombier: L’Architecture française en Allemagne au XVIIIe siècle, Paris 1956, 2 Bde.; vgl. neuerdings De l’esprit des villes (1720–1770). Nancy et l’Europe urbaine au Siècle des Lumières (hrsg. v. Alexandre Gady u. Jean-Marie Pérouse de Montclos), Ausstellungskatalog, Musée des beaux-arts, Nancy 2005; Martin Pozsgai: Germain Boffrand und Joseph Effner. Studien zur Architektenausbildung um 1700 am Beispiel der Innendekoration, Berlin 2012. 10 Vgl. Marin Warnke: Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers [1985], Köln 1996, S. 292 ff. 11 Vgl. Barbara von Barghahn: Jan van Eyck and Portugal’s »Illustrious Generation«, London 2013, 2 Bde.; Bellini and The East (hrsg. v. Caroline Campbell u. Alan Chong), Ausstellungskatalog, Isabella Stewart Gardner Museum, Boston / National Gallery, London 2005–2006. 12 Vgl. Joachim Rees: Künstler auf Reisen. Von Albrecht Dürer bis Emil Nolde, Darmstadt 2010, S. 11. 13 Vgl. Rubens (hrsg. v. Arnauld Brejon de Lavergnée), Ausstellungskatalog, Musée des Beaux-Arts, Lille 2004, Kat.-Nr. 107, S. 194–195 (Hans Vlieghe u. Alexis Merle du Bourg); zu Rubens’ diplomatischer Tätigkeit vgl. Martin Warnke: Rubens. Leben und Werk, Köln 2006; Gregory Martin: Rubens in London. Art and Diplomacy, London 2011.

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14 Vgl. Denise Daum: Albert Eckhouts »gemalte Kolonie«. Bild- und Wissensproduktion über Niederländisch-Brasilien um 1640, Marburg 2012. 15 Vgl. Uwe Fleckner: Die Erfahrung der Fremde. Albert Eckhouts und Frans Posts Brasilienreise (1636– 1644) und ihre Gestaltung in Porträt und Landschaftsbild, in: Reisen des Barock. Selbst- und Fremderfahrungen und ihre Darstellung. Beiträge zum Kolloquium der Arbeitsgruppe zur Kulturgeschichte des Barockzeitalters an der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel vom 10. bis 12. Juli 1989, Bonn 1991 (Abhandlungen zur Sprache und Literatur, Bd. 45), S. 25–39. 16 Zu deutschen Künstlerreisen am Beginn des 20. Jahrhunderts vgl. Christoph Otterbeck: Europa verlassen. Künstlerreisen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Köln, Weimar u. Wien 2007. 17 Vgl. Emil Nolde. Die Südseereise 1913–1914 (hrsg. v. Manfred Reuther), Ausstellungskatalog, Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde / Dependance Berlin 2008; Judith Maria Waldmann: Emil Noldes »Südseeaquarelle«. Menschenbilder zwischen Kunst und Wissenschaft, Magisterarbeit, Typoskript, Universität Hamburg 2008. 18 Vgl. Ecke Bonk: Marcel Duchamp. The Box in a Valise de ou par Marcel Duchamp ou Rrose Selavy, New York 1989. 19 Vgl. Exil. Flucht und Emigration europäischer Künstler 1933–1945 (hrsg. v. Stephanie Barron u. Sabine Eckmann), Ausstellungskatalog, Los Angeles County Museum of Art / Neue Nationalgalerie, Berlin 1998. 20 Zur politischen Ausdeutung von Piet Mondrians Victory Boogie Woogie vgl. Uwe Fleckner: Die Ideologie des Augenblicks. Ereignisbilder als Zeugen und Protagonisten der Geschichte, in: id. (Hrsg.): Bilder machen Geschichte. Historische Ereignisse im Gedächtnis der Kunst, Berlin 2014 (Studien aus dem Warburg-Haus, Bd. 13), S. 11–28, S. 25 f. 21 Vilém Flusser: Exil und Kreativität [1984], in: id.: Von der Freiheit des Migranten. Einsprüche gegen den Nationalismus, Hamburg 2007, S. 103–109, S. 109. 22 An der Freien Universität Berlin beschäftigte sich 2011–2013 im Rahmen der Forschergruppe »Transkulturelle Verhandlungsräume von Kunst« ein Teilprojekt mit dem Thema »In Bewegung. Künstlerische Mobilität und kultureller Austausch in der Frühen Neuzeit«; vgl. www.geschkult.fu-berlin.de/e/ transkulturell/teilprojekte/b1; letzter Zugriff: 8. Februar 2014. Die Jahrestagung 2013 der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts stand unter dem Titel »Präsenz und Evidenz fremder Dinge im Europa des 18. Jahrhunderts« (Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek); vgl. http://dgej.hab.de/sites/default/files/Programm_Fremde%20Dinge_2013_9.pdf; letzter Zugriff: 8. Februar 2014. Ein Forschungsverbund »Bilderfahrzeuge – Warburg’s Legacy and the Future of Iconology« des Warburg Institute, London, des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte der HumboldtUniversität, Berlin, des Kunsthistorischen Instituts, Florenz, des Deutschen Forums für Kunstgeschichte, Paris, und des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Hamburg hat 2014 seine Arbeit am Thema durch Zeit und Raum »wandernder« Bilder aufgenommen. 23 Zur Provenienzgeschichte als »alternativer Kunstgeschichte« vgl. Gail Feigenbaum u. Inge Reist (Hrsg.): Provenance. An Alternative History of Art, Los Angeles 2012. 24 Nur auf einige systematisch angelegte Studien sei hingewiesen: Friedrich Polleross: »… dem Antiquario zu Rom für sein trinckgeldt undt gemachte Spesa«. Kunst-Reisen und Kunst-Handel im 17. und 18. Jahrhundert, in: id. (Hrsg.): Reiselust & Kunstgenuß. Barockes Böhmen, Mähren und Österreich, Petersberg 2004, S. 9–36; Otterbeck 2007; Orte der Sehnsucht 2008; Burcu Dogramaci (Hrsg.): Kritische Berichte 39-4/2011 (Themenheft »Migration«); Burcu Dogramaci u. Karin Wimmer (Hrsg.): Netzwerke des Exils. Künstlerische Verflechtungen, Austausch und Patronage nach 1933, Berlin 2011.

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25 Vgl. Edward W. Said: Orientalism. Western Conceptions of the Orient [1978], New York 1995; zu einer Zusammenfassung der Einwände gegen Saids Einsichten aus kunsthistorischer Sicht vgl. Metzlers Lexikon Kunstwissenschaft (hrsg. v. Ulrich Pfisterer), Stuttgart u. Weimar, 2 Aufl. 2011, S. 348–352, S. 349, s. v. »Postkolonialismus« (Viktoria Schmidt-Linsenhoff). 26 Said 1995, S. 92 ff. 27 Vgl. Michel Espagne u. Michael Werner: La construction d’une référence culturelle allemande en France. Genèse et histoire (1750–1914), in: Annales 43/1987, S. 969–992; id. u. id.: Deutsch-französischer Kulturtransfer als Forschungsgegenstand. Eine Problemskizze, in: Transferts. Les relations interculturelles dans l’espace franco-allemand (XVIIIe et XIXe siècle), Paris 1988, S. 11–34; Johannes Paulmann: Internationaler Vergleich und interkultureller Transfer. Zwei Forschungsansätze zur europäischen Geschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts, in: Historische Zeitschrift 267/1998, S. 649–685; Matthias Middell: Von der Wechselseitigkeit der Kulturen im Austausch. Das Konzept des Kulturtransfers in verschiedenen Forschungskontexten, in: Andrea Langer u. Georg Michels (Hrsg.): Metropolen und Kulturtransfer im 15./16. Jahrhundert. Prag – Krakau – Danzig – Wien, Stuttgart 2001, S. 15–52. 28 Vgl. Michael Werner u. Bénédicte Zimmermann: Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der Histoire croisée und die Herausforderung des Transnationalen, in: Geschichte und Gesellschaft 28/2002, S. 607–636; Sebastian Conrad: Doppelte Marginalisierung. Plädoyer für eine transnationale Perspektive auf die deutsche Geschichte, in: ibid., S. 145–169; Michel Espagne: Der theoretische Stand der Kulturtransferforschung, in: Wolfgang Schmale (Hrsg.): Kulturtransfer. Kulturelle Praxis im 16. Jahrhundert, Innsbruck 2003; Hartmut Kaelbe u. Jürgen Schriewer (Hrsg.): Vergleich und Transfer. Komparatistik in den Sozial-, Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main 2003; Michael Werner u. Bénédicte Zimmermann (Hrsg.): De la comparaison à l’histoire croisée, Paris 2004; Alexandre Kostka: Transfer, in: Kritische Berichte 35-3/2007, S. 15–18. 29 Vgl. Gauguin – Tahiti. L’atelier des tropiques (hrsg. v. Claire Frèches-Thory u. T. M. George Shackelford), Ausstellungskatalog, Galeries Nationales d’Exposition du Grand Palais, Paris 2003. 30 Peter Burke: Kultureller Austausch, Frankfurt am Main 2000, S. 14; id.: Was ist Kulturgeschichte?, Frankfurt am Main 2005, S. 176 f. 31 Vgl. Dominique Jarrassé: Les arts méconnus: historicité et ethnicité dans l’histoire de l’art au XIXe siècle, in: Nabila Oulebsir u. Mercedes Volait (Hrsg.): L’orientalisme architectural entre imaginaires et savoirs, Paris 2009, S. 109–127 u. S. 294; id.: Ethnicisation de l’histoire de l’art en France 1840–1870: le modèle philologique, in: Roland Recht et al. (Hrsg.): Histoire de l’histoire de l’art en France au XIXe siècle, Paris 2008, 337-359; id.: Les historiens de l’art au pays des anthropologues: emprunts de catégories et impasses disciplinaires, in: Histoire de l’art 60/2007, S. 57–68. 32 Vgl. Eva-Bettina Krems: Modellrezeption und Kulturtransfer. Methodische Überlegungen zu den künstlerischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Alten Reich (1660–1740), in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden 31/2004 [erschienen 2007], S. 7–21. 33 »Gallotropismus und Zivilisationsmodelle im deutschprachigen Raum (1660–1789)«, 2011–2013 Forschungsprojekt der Universität Osnabrück und der Université Michel de Montaigne Bordeaux 3; vgl. www.ikfn.uni-osnabrueck.de/383.htm; letzter Zugriff: 7. Februar 2014). 34 Vgl. Jean-Louis Cohen u. Hartmut Frank: Interférences: l’architecture en partage, in: Interférences / Interferenzen – Architecture Allemagne-France 1800-2000, Ausstellungskatalog, Musée d’Art moderne et contemporain, Straßburg / Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main 2013–2014, S. 19–21. 35 Vgl. Christiane Pignon-Feller: L’extension de Metz, ibid., S. 182–188.

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IN FREMDEN DIENSTEN

DIE SCHMIEDE DES VULKAN ALS SPIEGEL DES SELBST Amalgamierung eines antiken Bildthemas durch Adriaen de Vries in Prag EVELYN REITZ

Wege ins rudolfinische Prag Prag um 1600 wird in der Kunstgeschichte gewöhnlich mit dem Habsburgerkaiser Rudolf II., der Existenz einer eigenen, vom Hof ausgehenden Künstlerschule sowie dem europäischen Manierismus in Verbindung gebracht, nicht jedoch auf die Migration und das Exil der zugewanderten Künstler bezogen, die jene Epoche maßgeblich bestimmten.1 Dass es sinnvoll erscheint, sich aus diesem Blickwinkel der sogenannten rudolfinischen Kunst zu nähern, möchte der folgende Aufsatz zeigen.2 Anhand einiger Beispiele zum Bildsujet Die Schmiede des Vulkan wird zu klären sein, inwiefern sich die an der Schwelle zum 17. Jahrhundert in Prag arbeitenden, zum überwiegenden Teil niederländischen Maler und Bildhauer mit der Fremde, in die sie die größte Zeit ihres Lebens gedrängt waren, künstlerisch auseinandersetzten. Wer sich mit der Kunst in Prag um 1600 beschäftigt, wird seinen Blick unweigerlich auf die außergewöhnliche Herrscherpersönlichkeit Rudolfs II. richten. Das künstlerische, kulturelle und politische Umfeld der Hauptstadt Böhmens war zu dieser Zeit maßgeblich von dem Habsburgerkaiser bestimmt. Rudolf II. hatte seinen Hof 1583 von Wien nach Prag verlegt und damit eine kulturelle Neubestimmung in der Residenzstadt eingeleitet. Für Prag brachte dies eine neue kulturelle Blüte. Am Hof und in seinem Umfeld erhielt die künstlerische Produktion eine besondere Prägung durch das Wirken des Kaisers als wichtigstem

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Auftraggeber. Seine Persönlichkeit wurde von der Forschung daher in zunehmendem Maße zur Erklärung formaler und ikonologischer Eigenheiten der Kunst in Prag um 1600 herangezogen.3 Es waren insbesondere zwei Entscheidungen Rudolfs II., die zur Prägung eines eigenen Stils am Hof und in dessen Umfeld beitrugen: Zum einen erhob der Kaiser die Kunstkammer zum hauptsächlichen Ort der Kunstproduktion und -ausstellung und schuf damit völlig neue Bedingungen der Herrschaftsrepräsentation.4 Zum anderen rekrutierte er vorwiegend Maler und Bildhauer »westlicher«, nordalpiner Herkunft, die bereits auf eine längere Zeit der Wanderschaft, insbesondere durch Italien, zurückblicken konnten. Die Forschung hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Kerngruppe späterer rudolfinischer Maler und Bildhauer aus den Niederlanden stammte. Weniger Beachtung fanden die historischen Umstände, die zur Wanderschaft dieser Künstler vor ihrer Anbindung an den Prager Hof führten und ihren Werdegang prägten. Gerade dies macht sie jedoch für das Thema der Migration und des Exils interessant: Denn die Art und Weise der Wanderschaft niederländischer oder von niederländischen Meistern geschulter Künstler veränderte sich mit dem Beginn der Unabhängigkeits- und Religionskriege, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den damaligen lage landen (»niederen Landen«) ausgebrochen waren. Die Kriegsereignisse drängten viele Maler und Bildhauer in ein dauerhaftes Exil, da sich neben den Lebensbedingungen vor allem auch deren Auftragslage verschlechterte. Motivation und Inhalt der Wanderschaft unterschieden sich somit von derjenigen der Vorgängergeneration, die wegen ihrer Vorliebe für Vorbilder der klassischen Antike und der Hochrenaissance in Rom als »Romanisten« bezeichnet wurden.5 Anders als diese klassischen Bildungsreisenden richteten die späteren Migranten ihr Interesse nicht mehr allein oder primär auf die Rezeption einer vorbildhaften Kunsttradition. Sie waren vielmehr um die Etablierung neuer Auftragsverhältnisse und den Aufbau einer eigenen Künstlerkarriere in der Fremde bemüht. Die Besonderheiten, die sich aus dieser historischen Lage für die Form und Ikonographie der Prager Kunst um 1600 ergaben, möchte ich im Folgenden untersuchen. Einzelne Bildbeispiele zu Die Schmiede des Vulkan sollen die formalen und qualitativen Unterschiede zwischen der früheren Generation der Bildungsreisenden und den späteren Migranten verdeutlichen. Zudem wird ein Vergleich zur zeitgenössischen italienischen Kunst zeigen, inwiefern sich die Prager Künstler in ihrer Laufbahn von ihren Vorbildern emanzipierten und einen eigenen Stil entwickelten.

Auseinandersetzung der Niederländer mit Italien Von dem Romanisten Maarten van Heemskerck schrieb der niederländische Künstlerbiograf Carel van Mander in seinem Schilder-Boeck, das 1604 erstmals erschien: »Er reiste damals nach Rom, wohin es ihn schon lange gezogen hatte, um die Antiken und die Werke der großen Meister Italiens zu sehen.«6 Dort habe er »eine große Menge von Dingen, sowohl antike Bildwerke als [auch] Schöpfungen Michelangelos abgezeichnet. Auch zeichnete er viel

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REITZ

1 Maarten van Heemskerck: Die Schmiede des Vulkan, 1536, Öl auf Leinwand, 166,5 × 200,7 cm, Prag, Národní Galerie

Ruinen und sonstige zu Beiwerk verwendbare Dinge, sowie allerlei hübsche antike Einzelheiten, die in dieser Stadt, welche einer Mal-Akademie gleicht, im Überfluss zu sehen sind.«7 Der Prozess, in dem sich Maarten van Heemskerck italienische Vorbilder aneignete, lässt sich in seinem Bild der Schmiede des Vulkan nachvollziehen |Abb. 1|. Das Gemälde entstand 1536, also noch während oder unmittelbar nach einem mehrjährigen Aufenthalt des Künstlers in Italien.8 Als Modell für die gesamte Anlage der Szene hat die Forschung antike Quellen vermutet. Schließlich konnten Einzelheiten der Komposition und der Figurengestaltung auf Fresken der römischen Villa Farnesina zurückgeführt werden.9 Venus und Amor etwa, die Heemskerck an den linken Bildrand setzt, weisen Ähnlichkeiten mit einer entsprechenden Gruppe in der Götterversammlung von Raffaels Deckengemälde in der der Loggia di Psiche auf |Abb. 2|. Bei Venus sind es insbesondere Frisur und

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Gesichtszüge, die einander gleichen, bei Amor die halb schreitende Haltung und die ausgestreckten Arme, mit denen er die Mutter zu umklammern sucht. Zu Vulkan und den Zyklopen, die rund um den Amboss gruppiert sind, fertigte Heemskerck zuvor eine Zeichnung an |Abb. 3|.10 Die Forschung geht davon aus, dass es sich dabei um die Variation eines Freskos von Baldassare Peruzzi handelt |Abb. 4|. Dessen Prototyp schmückt in der Sala delle Prospettive der römischen Farnesina den Schaft eines Kamins: Vier nackte Männergestalten gruppieren sich bei Peruzzi rund um einen Amboss, den sie mit Hämmern bearbeiten. Allein die linke, hintere Figur veränderte Heemskerck in ihrer Haltung und zog sie weiter zur Seite. Mehr ins Auge fällt noch die gesteigerte Größe, eine kraftvollere Modellierung der Muskeln und der stärkere innere Zusammenhalt der Körper. Im Gemälde arbeitet Heemskerck schließlich Komposition und Haltung der Figuren so um, dass Parallelen zum Mythos erkennbar werden: Venus als Gemahlin des Vulkan verdrängt mit Amor den linken Zyklopen, der nun rechts im Hintergrund wiederzufinden ist. Die Männergestalt rechts vom Amboss bekommt einen Säulenstumpf als Hocker, wird nach vorn gedreht, vom Licht angestrahlt und der Kopf zu dem eines antiken Gottes stilisiert. Als kompositorisches Gegenüber zu Venus hebt sich hier Vulkan gegenü2 Raffael: Venus und Amor, ber den übrigen Zyklopen ab. Im Prozess der Aneignung dient 1509–1511, Deckenfresko (Detail), Rom, Villa Farnesina, Loggia di die Zeichnung als Gedächtnisstütze, auf die Heemskerck auch Psiche noch nach seiner Rückkehr aus Italien zurückgreifen konnte. Gleichzeitig ist die Zeichnung das Medium, in dem der Künstler eine neue Figurenauffassung erprobt. Wie zahlreiche Untersuchungen zum Romanismus hervorgehoben haben, stellte die Verbesserung des Figurenstils eine zentrale Motivation für die Bildungsreisen der niederländischen Künstler dar. So überrascht es nicht, dass sich Maarten van Heemskerck in seiner Schmiede des Vulkan überwiegend an visuellen und nicht an literarischen Quellen orientierte.11 Der Vulkanmythos diente offenbar als Folie, um verschiedene bildliche Vorlagen zu reflektieren und an ihnen die Möglichkeiten anatomischer Modellierung zu erproben. Dagegen trat die funktionale Ausdeutbarkeit des Sujets zurück, in deren Kontext es in der italienischen Tradition lange Zeit als Kaminbild oder als allgemeiner allegorischer Verweis auf das Element des Feuers gestanden hatte.12 Es wird außerdem ein antiquarisches Interesse sichtbar. Eine Inschrift in Majuskeln an einem hellen steinernen Behältnis vor dem Kamin rechts im Vordergrund des Gemäldes verweist explizit auf eine Textpassage in Vergils Aeneis als literarischer Quelle des Bildgegenstands.13 Die gleichen haptischen Qualitäten eines

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3 Baldassare Peruzzi: Die Schmiede des Vulkan, 1515–1517, Fresko, Rom, Villa Farnesina, Sala delle Prospettive, Kaminwand

steinernen Relikts verleiht Heemskerck seiner Inschrift am äußersten rechten Rand des Gemäldes. Der Werkprozess, der sich an Heemskercks Gemälde nachvollziehen lässt, ist für Romanisten paradigmatisch: Sie schulten sich in der Figuration an traditionellen Werken der Antike und Hochrenaissance. Den inhaltlichen Rahmen bildeten Themen der klassischen Antike, die zwar nicht immer detailgetreu ins Bild gesetzt, häufig jedoch als Referenz herangezogen wurden. Wesentlich ausgeprägter als in der vorangegangenen Kunst der Niederländer bemühte sich seine Generation der Italienreisenden um eine plastische Ausformung der Körper. Sie neigten hierin zur Überzeichnung und – nach dem Urteil späterer Kritiker – zu einer gekünstelten Manier.14 Heemskercks Schmiede des Vulkan erfuhr vor allem in den Niederlanden eine reiche Rezeption.15 Bekannt machte das Werk insbesondere ein Kupferstich von Cornelis Bos, der weit stärker als sein Vorbild die männlichen Körper zu Muskelpaketen stilisiert |Abb. 5|.16 Konsequent zu Ende gedacht wurde die künstlerische Überformung schließlich im rudolfinischen Umfeld und zwar nunmehr im Medium der Skulptur.17 Der rudolfinische Bildhauer Adriaen de Vries schuf 1611 in Prag ein Relief, das aus den verschiedenen Vorbildern schöpfte und das Sujet der Schmiede des Vulkan beinahe vollplastisch durchformte |Abb. 6|. Neben dem Kupferstich von Cornelis Bos scheint auch das Kaminbild Peruzzis einen Einfluss auf

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4 Maarten van Heemskerck: Schmiede bei der Arbeit am Amboss, um 1532–1537, Zeichnung in Feder und brauner Tinte, 25,7 × 36,4 cm, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, Kongelige Kobberstiksamling

ihn ausgeübt zu haben: Der Bildhauer hatte es wohl Mitte der 1590er Jahre in Rom gesehen.18 Von Bos übernahm er – seitengleich – Grundzüge der Komposition. Literarische Verweise und überhaupt die erzählerische Struktur nahm er jedoch zurück. Der Kamin wird am rechten und Venus am linken Bildrand angeordnet. Dem Bild von Bos entsprechen des Weiteren die starke Durchmodellierung der Körper zu Muskelpaketen, demjenigen von Peruzzi wiederum die heftig ausholende Bewegung des Zyklopen hinter dem Amboss und die kraftvollere Erscheinung seines nunmehr wieder stehenden Vulkan, der hier keine narrative Sonderrolle mehr beansprucht. In seiner Komposition verstärkt de Vries insbesondere die Evokation von Kraft und Stärke. Die um eine Person ergänzte Gruppe der Zyklopen hält nunmehr durchgängig Hämmer in den Händen. Durch ihre Staffelung im Relief verdoppelt und verdreifacht sich die Bewegung des Zuschlagens. Nachdruck wird auch der Aktion einzelner Figuren verliehen. So erhält die Ausholbewegung des mittleren Zyklopen hinter dem Amboss durch die parallele Anordnung seiner Arme und den viel zu großen Hammer eine besondere Wucht,

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5 Cornelis Bos: Die Schmiede des Vulkan, 1546, Kupferstich, 28,6 × 37,8 cm, Rotterdam, Museum Boymans-Van Beuningen, Prentenkabinet

ohne räumlich und anatomisch vollständig nachvollziehbar zu sein. Ähnlich verfährt de Vries in der Modellierung der Körper. Wohl kaum sind bei der rechten Figur im Vordergrund Rückgrat und Schulter in motorischer Logik aufeinander bezogen. Die hochgezogene, mit der Krümmung des Rückens verschmelzende rechte Schulter und die überstarke Biegung der Wirbelsäule vermitteln anschaulich Kraft und Anstrengung, nicht jedoch durch eine naturalistische Erfassung der Anatomie. Muskeln und Sehnen der angespannten Körper sind insgesamt weit über die Naturnachahmung hinaus modelliert.19 Neben der künstlerischen Stilisierung hebt die Komposition den handwerklichen Aspekt des Geschehens besonders hervor. Sämtliche Schläge der fünf Männergestalten sind auf den Amboss gerichtet, der im Mittelpunkt des Bildes steht. An dieser Stelle, an der das handwerkliche Geschehen kulminiert, bringt sich nun – abweichend von allen Vorgängerbildern – der Künstler selbst ins Spiel. In großen Lettern hat er auf dem Amboss seine Signatur

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6 Adriaen de Vries: Die Schmiede des Vulkan, 1611, Relief, Bronze, 47 × 56 cm, München, Bayerisches Nationalmuseum

mit Datum und Herkunftsangabe eingeritzt: »adrianvs fries hagiensis batavvs. f.1611« |Abb. 7|. Kompositorisch ergibt sich ein Bezug zu einer allegorischen Ergänzung am oberen Rand des Reliefs: Auf dem Gesims des Raumes, den eine Linie im Hintergrund zaghaft abzeichnet, thront die Figur einer Fama mit Flügeln und Posaunen. Sie ist auf der Mittelachse direkt über dem Amboss angeordnet, auf dem Adriaen de Vries seinen Namen anbringt. Ihre Positionierung legt nahe, sie als Symbol des Ruhmes auf den Künstler und sein Handwerk aufzufassen.20 Die Kunstgeschichte kennt etliche Beispiele – teils auch aus rudolfinischem Kontext –, in denen Künstlersignaturen in ihrer kompositorischen Einbindung und haptischen Beschaffenheit auf die Art und Weise der Werkentstehung anspielen.21

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Adriaen de Vries war aus den Niederlanden emigriert und erst nach längerer Zeit der Wanderschaft an den rudolfinischen Hof nach Prag gelangt.22 Vermutlich stammte er aus Den Haag, wo er um 1556 geboren wurde. Seine Familie floh 1574 vor der spanischen Besatzung und ließ sich vorübergehend in Delft nieder.23 Wann und wie de Vries nach Italien gelangte, ist nicht gesichert, ein Zusammenhang mit den Kriegsereignissen in den Niederlanden wird jedoch vermutet. Im Jahr 1581 wird er erstmals als Gehilfe Giambolognas in Florenz erwähnt; einem Lehrer, der sein Migrantenschicksal teilte.2 4 Beide Künstler haben sich im Ausland eine dauerhafte Existenz aufbauen können. De Vries war von Florenz erst nach Mailand, dann nach Turin gelangt und ließ sich nach seiner Ernennung zum Kammerbildhauer 1601 endgültig in Prag nieder. Von dort aus führte er bis zu seinem Tod 1626 sämtliche, auch auswärtige Aufträge aus. Er wurde in der Prager Thomaskirche beigesetzt.25 Die künstlerische Entwicklung von de Vries ist eng 7 Adriaen de Vries: Die Schmiede des mit jener seines ersten fassbaren Lehrers verbunden. Vulkan (Detail), 1611, Relief, Bronze, 47 × 56 cm, München, Bayerisches NatioGiambologna hatte sich als Flame in Italien durch- nalmuseum gesetzt, indem er eine neue Form des Werkprozesses etablierte, die es ihm ermöglichte, sich von der italienischen Tradition zu emanzipieren. Der künstlerische Durchbruch gelang ersterem mit einem Beitrag zum Figurenparagone auf der Piazza della Signoria in Florenz. Mit dem Raub einer Sabinerin von 1579–1582 nahm er – anders als die italienischen Wettbewerbsbeiträge – nicht mehr ein literarisches Programm, sondern allein den menschlichen Körper, die Darstellung des Affektes und die Aussagekraft der künstlerischen Form zum Anlass der Werkschöpfung |Abb. 8|.26 Unverstellt von jeder literarischen Bezugnahme präsentierte die Statuengruppe anfangs allein ihre mimetischen und formalästhetischen Ausdrucksdimensionen. Erst in der Rezeption wurde ein Bezug zu klassischen Sujets gesucht und der heutige Titel gefestigt. Für de Vries war die Lehrzeit bei Giambologna prägend.27 Er setzte, wie beschrieben, seine künstlerischen Mittel offenbar gezielt ein, um das Handwerkliche im Werkprozess hervorzuheben. Der Begriff der aemulatio, den die Forschung für die Prager Hofkunst häufig hervorgehoben hat, ist hier nicht nur als bloßer Überbietungstopos zu verstehen, sondern auch als der Einsatz künstlerischer Ausdrucksdimensionen, die bewusst vom Naturbild und der klassischen Tradition abweichen.28 Diese bewusste Distanzierung von kulturellen Prägungen wurde durch die Wanderschaft des Künstlers, in der sich geistesgeschichtliche Festlegungen relativierten, und durch die Notwendigkeit, sich in der Fremde zu etablieren, besonders befördert.

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8 Giambologna: Raub einer Sabinerin, 1579–1582, Marmor, Höhe ca. 3 m (ohne Sockel), ca. 4,10 m (mit Sockel), Florenz, Loggia dei Lanzi

9 Giorgio Vasari: Die Schmiede des Vulkan, um 1564, Öl auf Kupfer, 38 × 28 cm, Florenz, Uffizien

Künstlerische Selbstreflexion in der Fremde Die bisherige Forschung hat Änderungen im Stil der reisenden Niederländer ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf die veränderte Kunstlandschaft in Italien bezogen. Bei näherer Betrachtung jedoch scheint die dortige Entwicklung einen anderen Weg zu gehen als bei Prager Künstlern wie Adriaen de Vries. Es sollen daher in einem nächsten Schritt die Unterschiede zwischen den künstlerischen Entwicklungen in Italien und Prag beschrieben werden. Als Vergleichsbeispiel sei ein Bild Giorgio Vasaris gewählt |Abb. 9|.29 Der Maler und Biograf zeigt darauf ebenfalls Vulkan in seiner Schmiede, thematisiert jedoch auf einer zusätzlichen allegorischen Ebene den theoretischen Diskurs der Emanzipation und Nobilitierung des Künstlermetiers. Aus dem Gemälde spricht eine Geisteshaltung, die für das Selbstverständnis der gehobenen Künstlerschicht in Florenz und Rom im ausgehenden 16. Jahrhundert charakterstisch war. Inwiefern sich der Diskurs auch auf Prag übertragen

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lässt, ist jedoch umstritten. Die Forschung sah insbesondere im sozialen Aufstieg der rudolfinischen Künstler eine Parallelentwicklung zu Italien.30 Ob sich auch die kunsttheoretischen Implikationen übertragen lassen, bedarf jedoch einer eingehenden Überprüfung.31 In Italien hing die Emanzipation der Künstler unmittelbar mit der Institution der Akademie und der Entwicklung des theoretischen Konzepts des disegno zusammen. Der Begriff umfasste ursprünglich allein die Handzeichnung, erlangte jedoch im 16. Jahrhundert zunehmend die Bedeutung eines geistigen Prinzips. Um das künstlerische Schaffen im Bestreben um soziale Distinktion ästhetisch aufzuwerten, nutzten die Kunsttheoretiker die doppelte Bedeutung, die dem italienischen Wort eigen ist: Der Begriff des disegno kann nicht nur den handwerklichen Vorgang des Zeichnens beschreiben, sondern auch die geistige Tätigkeit des Konzipierens, des Entwerfens und der Ideenfindung.32 Giorgio Vasari spricht in seinem Vorwort zur zweiten Auflage seiner Viten von einem »giudizio universale«, einem allgemeingültigen Urteil, das »im Geiste die später mit der Hand gestaltete und dann disegno genannte Sache formt.« Und er fährt fort: »So darf man schließen, dass dieses disegno nichts anderes sei, als eine anschauliche Gestaltung und Klarlegung jenes Gedanken, den man im Sinne hat und den man im Geiste sich vorstellt und in der Idee hervorbringt.«33 Ein mythologisches Sujet wie Die Schmiede des Vulkan konnte in diesem Sinne umgedeutet werden. Etwa zur selben Zeit, als Vasari die zweite Ausgabe der Viten konzipierte, malte er in Öl auf Kupfer jenes kleinformatige Kabinettstück, dessen Ausgangspunkt ebenfalls der Vulkanmythos bildete. Der Humanist Vincenzo Borghini, der auch andere Bildthemen für Vasari entwarf, formulierte in Anlehnung an Homers Ilias das Sujet des Bildes: »Von Thetis gebeten, stellt Vulkan Achills Waffen her.« Weiter schrieb er an den Künstler, wie er sich die allegorische Umformung des Mythos vorstelle: »Ich würde dieses Thema entsprechend unserer Planung malen, so wie wir es uns zusammen überlegt haben, indem ich von der Beschreibung Homers [mit der des Vergil zusammen] das nähme, was unserer Überlegung entspricht, und den Rest abänderte. Zuerst nähme ich anstelle der Thetis Pallas und machte die Anordnung des Bildes in entsprechender Weise.«3 4 Die Vorgabe resultierte in einer Zweiteilung der Bildfläche: Zwei Arkaden markieren zwei etwa gleich große Raumhälften, in denen der handwerkliche dem geistigen Aspekt künstlerischen Schaffens gegenübergestellt wird. Vulkan und seine Schmiede wurden traditionell auf das Handwerk, Minerva und das Bild einer Künstlerakademie auf den Intellekt bezogen. Erst in der Gegenüberstellung und Verknüpfung beider Seiten erschließt sich der tiefere Sinn der Allegorie. Vasari und sein Freund Borghini veränderten ganz bewusst ihre Textvorlage, um diesen kunsttheoretischen Gedanken zu verdeutlichen.35 Unter den beiden Arkaden sind kleinere Figuren zu sehen, die entsprechend ihrer Zuordnung zu den beiden Göttern geistige oder handwerkliche Tätigkeiten ausführen. So sitzen an der linken Seitenwand sehr weit oben auf Hockern drei kleine Zeichner. Kompositorisch stehen sie damit direkt über dem Kopf Minervas, womöglich als bewusste Anspielung auf die doppelte Bedeutung des disegno als Zeichnung und geistiges Konzept.36 Im Programmentwurf gibt Borghini Vasari zu bedenken: »[…] und dies sei Euch besonders vor Augen, dass Ihr nicht so

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10 Cesare Targone (nach Giambologna): Francesco I. de’ Medici verfolgt die Festungsarbeiten in Portoferraio (Detail), um 1587, Relief, Gold, 6,5 × 15,7 cm, Florenz, Museo degli Argenti

sehr eine Schmiedewerkstatt, sondern eher eine Akademie mit einigen Künstlern darstellt, dort, wo Minerva ihre Lanze hält«.37 Das Akademische sollte gegenüber dem Handwerk mithin hervorstechen. Tatsächlich dominiert Minervas linke Seite des Bildes über die rechte Seite des Vulkan. Die Göttin selbst präsentiert sich dem Betrachter aufrecht und frontal, der Schmiedegott dagegen kauert auf seinem Hocker am Boden. Die Zeichner im Hintergrund links sind weit höher angeordnet als die Gehilfen von Vulkan rechts. Sie sitzen auf einem zweiten Podest, der dem unteren aufliegt. Der tonnengewölbte Raum mit den akademischen Aktivitäten wirkt geräumiger als der kleine Arkadenraum der Schmiedewerkstatt, dem eine entsprechende Tiefenstaffelung fehlt. Und schließlich zeigt Vulkan in Vasaris Gemälde keineswegs Minerva seinen Schild, wie von Borghini vorgeschlagen, sondern die Göttin der Weisheit weist dem Gott des Handwerks ein leeres Blatt.38 Es wirkt, als halte Minerva dem Schmied einen Bauplan hin. Vordergründig erinnert diese Konstellation an das Schema von Bauherr und Architekt, wie es Vasari etwa in seinen Fresken der Cancelleria oder im Palazzo Vecchio dargestellt hat.39 Ein Vergleich mit einem um 1587 entstandenen Relief Giambolognas, das dieses traditionelle Modell einsetzt, gibt jedoch eine inhaltliche Verschiebung zu erkennen |Abb. 10|. Zu sehen ist Francesco I. de’ Medici bei der Besichtigung der Bauarbeiten an den Befestigungs-

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anlagen in Portoferraio auf der Insel Elba. Ein Architekt hält ihm, vor Demut leicht in die Knie sinkend, ein gezeichnetes Projekt vor Augen. Es obliegt dem Herrscher, es zu begutachten und gegebenenfalls Veränderungen einzufordern. Das Blatt dagegen, das Minerva im Kabinettstück Vasaris Vulkan entgegenhält, ist leer. Es trägt keinen Bauplan und dient daher auch nicht der Approbation. Anstelle einer Herrschaftsmetapher inszeniert Vasari den Prozess künstlerischer Ideenfindung. Der Künstler schöpft aus einem inneren Bild, dem disegno interno. Dieser ist allein vom Geist diktiert und kann deswegen auch nicht dargestellt werden. Erst die Entäußerung im disegno esterno, der hier dem Gott des Schmiedehandwerks zugeordnet ist, macht die Idee sichtbar. Wie andere zeitgenössische Werke Italiens verdeutlicht Vasaris Akademiebild, dass im künstlerischen Schaffensprozess das geistige Prinzip seiner handwerklichen Umsetzung vorausgeht und dieser überlegen ist.40 Die Idee, die sich im Kopf formt, beansprucht Vorrang vor dem Handwerk.

Die Sprache der Hand Das Relief von Adriaen de Vries, um zum Ausgangspunkt des Artikels zurückzukehren, steht zu diesem Konzept in Widerspruch: Anstatt die künstlerische Arbeit in eine vornehmlich geistige Aktivität zu erheben, unterstreicht es vehement das handwerkliche Moment künstlerischen Tuns. Jegliche Allusion auf eine geistige Tätigkeit, um die Vasari so bemüht war, fehlt: »Der Italiener hat den Verstand im Kopf, der Niederländer in seiner eifrigen Hand.« 41 Bereits im 16. Jahrhundert war dies ein Allgemeinplatz, der die Frage nach dem Vorrang der einen oder anderen künstlerischen Vorgehensweise stellte.42 Die niederländischen Theoriker, allen voran Carel van Mander, waren in diesem Zusammenhang darum bemüht, die eigene Landeskunst aufzuwerten. Dominicus Lampsonius etwa argumentierte in seinem Begleittext zu einem Künstlerporträt von 1572, dass der Kopf (caput) von Hirn und Verstand (cerebrum) zu trennen sei. Ob sich ein künstlerischer Gedanke über den Kopf oder die Hand formiere, machte daher für ihn und seine niederländischen Zeitgenossen allein einen formalen, jedoch keinen qualitativen Unterschied.43 So gesehen, muss der soziale Aufstieg der rudolfinischen Künstler nicht gegen deren Wertschätzung des Handwerks sprechen; zumindest dann nicht, wenn ihre niederländische Herkunft und der Transformationsprozess während der Wanderschaft in Betracht gezogen werden. Das Relief Die Schmiede des Vulkan von Adriaen de Vries zeugt in diesem Sinne von einer Sprache der Hand. Es geht in der formalen Steigerung der technischen Mittel über Werke der Romanisten wie etwa Maarten van Heemskerck hinaus. Italienische Einflüsse nahmen die Rudolfiner nicht als klassischen Kanon auf, sondern entwickelten die dort vorgefundenen Themen und Techniken vornehmlich formal weiter. Migration und Exil trugen zu dieser Entwicklung bei, indem die Künstler wiederholt mit verschiedenen, sich teils widersprechenden Kulturen konfrontiert wurden und die Notwendigkeit entstand, sich dauerhaft in der Fremde zu etablieren. Kulturelle Konventionen verloren im Laufe der Wanderschaft

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zunehmend an Verbindlichkeit. In der Weiterentwicklung der Form erwiesen sich die zugezogenen Niederländer dagegen als besonders durchsetzungsfähig. Der Stil, der dabei entstand, muss auf Rudolf II. eine große Anziehungskraft ausgeübt haben, denn er bemühte sich gezielt um die Anwerbung eben dieser Gruppe niederländischer Migranten. In Prag schaffte er den äußeren Rahmen für eine Kunst ohne schriftlichen Programmentwurf, ohne die repräsentativen Zwänge des tradierten Historienbildes und ohne eine Festlegung auf die klassische Tradition. Seine Vorliebe für die Kunstkammer als Ort der ständigen Neukontextualisierung, der Kleinteiligkeit und des Experiments, vor allem aber auch als Ort der Kennerschaft ließ ihn zu einem Liebhaber der Kunst eben jener Exilantengeneration werden, die aus den Wirren des Achtzigjährigen Krieges hervorgegangen war und deren Bildsprache durch eine lebenslange Wanderschaft geprägt wurde.

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1 Vgl. De triomf van het Maniërisme. De Europese stijl van Michelangelo tot El Greco, Ausstellungskatalog, Rijksmuseum, Amsterdam 1955; Gustav René Hocke: Die Welt als Labyrinth, Reinbek bei Hamburg 1957, S. 144 ff.; Thomas DaCosta Kaufmann: L’école de Prague. La peinture à la cour de Rodolphe II, Paris 1985; id.: The School of Prague. Painting at the Court of Rudolf II, Chicago 1988; Robert John Weston Evans: Rudolf II and His World. A Study in Intellectual History 1576–1612, Oxford 1973. 2 Das Manuskript für diesen Aufsatz wurde im Frühjahr 2009 fertig gestellt. Den methodischen Ansatz und einzelne Aspekte des Werks von Adriaen de Vries hat die Verfasserin in ihrer Dissertation vertieft; vgl. Evelyn Reitz: Discordia concors. Kulturelle Differenzerfahrung und ästhetische Einheitsbildung in der Prager Kunst um 1600, Phil. Diss., Freie Universität Berlin 2011. 3 Die Annahme, dass sich die Neigungen Rudolfs II. weitgehend in seiner Kunst spiegelten, wurde zunächst von der historischen Forschung vertreten, insbesondere durch Evans 1973. Die Kunstgeschichte entwickelte daraus das Konzept einer auf die Besonderheit des Herrschers zugeschnittenen politischen Ikonographie, vgl. Thomas DaCosta Kaufmann: Variations on the Imperial Theme in the Age of Maximilian II and Rudolf II, New York 1978. Zur Anwendung des Konzepts auf den Bildhauer Adriaen de Vries vgl. Sergiusz Michalski: Adriaen de Vries, 1556–1626. Augsburgs Glanz – Europas Ruhm [Rezension], in: Journal für Kunstgeschichte 5/2001, S. 223–227, S. 225 f. 4 Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang, inwiefern die klassische Historia in Prag um 1600 noch existent war und welche Funktion die Kunstkammer in der Herrschaftsrepräsentation spielte. Zur Historia vgl. Thomas DaCosta Kaufmann: The Eloquent Artist. Towards an Understanding of the Stylistics of Painting at the Court of Rudolf II, in: Leids Kunsthistorisch Jaarboek 1/1982, S. 119–148; id. 1988, S. 94; Elisˇka Fucˇíková: Thomas DaCosta Kaufmann: The School of Prague. Painting at the Court of Rudolf II [Rezension], in: The Burlington Magazine 132/1990, S. 40–41. Zur Kunstkammer vgl. Thomas DaCosta Kaufmann: Remarks on the Collections of Rudolf II. The Kunstkammer as a Form of Representatio, in: The Art Journal 38/1978–1979, S. 22–28; Elisˇka Fucˇíková: The Collection of Rudolf II at Prague: Cabinet of Curiosities or Scientific Museum?, in: Oliver Impey u. Arthur MacGregor (Hrsg.): The Origins of Museums. The Cabinet of Curiosities in the Sixteenth and Seventeenth Century Europe, Oxford 1985, S. 47–53; Nicholas Penny: The Curiosities of Art and Nature, in: The Times Literary Supplement, 24.–30. März 1989, S. 313–314 [Rezension von DaCosta Kaufmann 1988]. 5 Vgl. The Dictionary of Art (hrsg. von Jane Turner), Bd. 26, New York 1996, S. 728 f.; s. v. »Romanism« (Ilja M. Veldman); Godfridus Johannes Hoogewerff: Nederlandsche schilders in Italië in de XVIe eeuw (de geschiedenis van het romanisme), Utrecht 1912 (Utrechtsche bijdragen voor letterkunde en geschiedenis, Bd. 5); Friedrich Antal: Zum Problem des niederländischen Manierismus, in: Kritische Berichte zur kunstgeschichtlichen Literatur 2/1928–1929, S. 207–256. 6 Carel van Mander: Het Schilder-Boeck waerin Voor eerst de Leerlustige-Jeught den gront der Edele Vrye Schilderkonst in verscheyden Deelen wort voor-gedragen, Amsterdam 1618, fol. 164r–164v: »En is doe getrocken nae Room / waer naer hy lange grooten lust hadde gehadt / om d’Antijcken / en die groote Meesters van Italien dingen te sien.« Übersetzung nach Hanns Floerke: Das Leben der niederländischen und deutschen Maler des Carel van Mander, Bd. I. München u. Leipzig 1906, S. 343 u. S. 345. 7 Van Mander 1618, fol. 164v: »Heeft oock […] heel veel dinghen gheconterfeyt / soo nae d’Antijcken / als nae Michel Agnolo wercken: Oock veel Ruwijnen / by-wercken / alderley aerdicheden der Antijcken / die in dese Schilder-Academische Stadt overvloedich te sie[n] zijn.« Übersetzung nach Floerke 1906, S. 345. 8 Die Frage, ob das Gemälde noch während oder erst nach Heemskercks Aufenthalt in Italien entstand, ist in der Forschung umstritten. Neuere restauratorische Untersuchungen sprechen jedoch für letzteres; vgl. Olga Kotková: A New Investigation of the Venus and Cupid in Vulcan’s Forge by Maerten van Heemskerck (National Gallery, Prague), in: Hélène Verougstraete u. Jacqueline Couvert (Hrsg.): La peinture ancienne et ses procédés. Copies, répliques, pastiches. Colloque XV, Bruges, 11–13 septembre 2003,

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Löwen et al. 2006 (Le dessin sous-jacent et la technologie dans la peinture, Bd. 15), S. 189–195, S. 191; Olga Kotková: Venusˇ e a Amor ve Vulkánoveˇ dílneˇ. Vzpomínka Maertena van Heemskerck na Rˇím, in: Anja K. Sevcˇík (Hrsg.): Haneˇ Seifertové k 75. narozeninám, Prag 2009, S. 32–39. 9 Zur Identifikation der Vorbilder vgl. Ilja M. Veldman: Het Vulcanus-triptiek van Maerten van Heemskerck, in: Oud-Holland 87/1973, S. 93–123, S. 106 ff.; id.: Maarten van Heemskerck and Dutch Humanism in the Sixteenth Century, Maarsen 1977, S. 28–32; Rainald Grosshans: Maerten van Heemskerck. Die Gemälde, Berlin 1980, S. 119–124, S. 120 f., Kat.-Nr. 21; Jefferson Cabell Harrison: The Paintings of Maerten van Heemskerck. A Catalogue Raisonné, Bd. I, Ann Arbor 1988, S. 48 f. u. S. 316 ff. 10 Als Vorbild identifiziert von Veldman 1973, S. 106, und seitdem vom größten Teil der Autoren als solches anerkannt. 11 Für die Identifikation weiterer Vorbilder vgl. Grosshans 1980, S. 120 f.; Harrison 1988, S. 48 f. u. 316 ff.; Olga Kotková: The National Gallery in Prague. Netherlandish Painting 1480–1600. Illustrated Summary Catalogue I/1, Prag 1999, S. 77, Kat.-Nr. 41. 12 Eine Verwendung als Kaminbild ist nicht ausgeschlossen, geht jedoch aus der Anlage und Beschaffenheit des Bildes nicht klar hervor; vgl. Veldman 1973, S. 116; id. 1977, S. 37 ff.; Grosshans 1980, S. 121 ff.; Harrison 1988, S. 318. Zur traditionellen Deutung und funktionellen Einbindung des Sujets vgl. Giovanni Paolo Lomazzo: Trattato dell’arte della pittura, scoltura et architettura, Mailand 1585, S. 342 f.; Veldman 1973, S. 116, Anm. 79; id. 1977, S. 37, Anm. 80. 13 »fvlminis.hic / massam. / vvlcano. / preside.dvdvnt. / cyclopes. / validi.spectat. / opvsque. / venvs«; vgl. Vergil: Aeneis, VIII, 416–453. 14 Vgl. David Freedberg: Aertsen, Heemskerck en de crisis van de kunst in de Nederlanden, in: Bulletin van het Rijksmuseum 35/1987, S. 224–241. 15 Vgl. Veldman 1977, S. 42; Grosshans 1988, S. 123, Anm. 22. 16 Vgl. Maarten van Heemskerck, Bd. II (hrsg. v. Ger Luijten), Roosendaal 1994 (The New Hollstein Dutch & Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts. 1450–1700), S. 248, Kat.-Nr. 587. 17 Zuvor waren bereits einige Bronzeplaketten entstanden, die das Gemälde Heemskercks und den Stich von Cornelis Bos adaptierten, sowie eine Statuette für das Florentiner studiolo von Francesco I. de’ Medici; vgl. Grosshans 1980, S. 123, Anm. 22; Erich Kris u. Otto von Falke: Beiträge zu den Werken Christoph und Hans Jamnitzers, in: Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen 47/1926, S. 185–207, S. 205 f., Kat.-Nr. 21 u. S. 203, Abb. 19; Michael W. Cole: Under the Sign of Vulcan, in: Bronze. The Power of Life and Death (hrsg. v. Martina Droth u. Penelope Curtis), Ausstellungskatalog, Henry Moore Institute, Leeds 2005–2006, S. 36–52. 18 Vgl. Adriaen de Vries. Imperial Sculptor (hrsg. v. Frits Scholten), Ausstellungskatalog, Rijksmuseum, Amsterdam 1998–1999, S. 187–189, Kat.-Nr. 27. Die Forschung vermutet, dass sich de Vries in den 1590er Jahren in Rom aufhielt, da ein Brief vom 27. Oktober 1595 ihn dort als möglichen Kunstagenten erwähnt; vgl. Hans von Voltelini: Urkunden und Regesten aus dem K. u. K. Haus-, Hof- und Staats-Archiv in Wien, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 15/1894, S. XLIX–CLXXIX, S. CXLI f., Dok.-Nr. 12266. Das Datum der Quelle korrigierte Larsson auf den 14. Oktober 1595; vgl. Lars Olof Larsson: Adrian de Vries. Adrianus Fries Hagiensis Batavus 1545–1626, Frankfurt am Main et al. 1967, S. 8 u. S. 9, Anm. 11. 19 Ohne von einer Übersteigerung zu sprechen, hat die bisherige Forschung die Komposition und Modellierung des Werkes besonders gewürdigt; gl. Von allen Seiten schön. Bronzen der Renaissance und des Barock. Wilhelm von Bode zum 150. Geburtstag (hrsg. v. Volker Krahn), Ausstellungskatalog, Altes

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Museum, Berlin 1995–1996, S. 448; Rudolf II and Prague. The Court and the City (hrsg. v. Elisˇ ka Fucˇíková et al.), Ausstellungskatalog, Prager Burg / Wallenstein-Palais, Prag 1997, S. 416, Kat.-Nr. I.130 (Lars Olof Larsson); Adriaen de Vries 1998–1999, S. 187. 20 Vgl. Adriaen de Vries 1998–1999, S. 189; Frits Scholten: Bronze. The Mythology of a Metal, in: Bronze. The Power of Life and Death 2005–2006, S. 20–35, S. 28. Ulrich Becker, der diese Deutungsoption zuerst vorbrachte, gibt der Interpretation als Herrschaftsallegorie den Vorrang, so dass Fama dann auf Rudolf II. bezogen wäre; vgl. Von allen Seiten schön 1995–1996, S. 448 f., Kat.-Nr. 156 (Ulrich Becker). 21 Vgl. Karin Gludovatz: Malerische Worte. Die Künstlersignatur als Schrift-Bild, in: Gernot Grube, Werner Kogge u. Sybille Krämer (Hrsg.): Schrift. Kulturtechnik zwischen Auge, Hand und Maschine, München 2005, S. 313–328. Für das rudolfinische Prag vgl. Reitz 2011, Kapitel VI. 22 Den neusten Stand der Forschungen zur Vita von de Vries fasst Frits Scholten zusammen in Adriaen de Vries 1998–1999, S. 13 ff. 23 Vgl. Hendrik Enno van Gelder: Enkele nieuwe gegevens omtrent Adriaen de Vries, in: Mededeelingen van den dienst voor kunsten en wetenschappen der gemeente’s-Gravenshage 4/1937, S. 23–31, S. 25 u. S. 28. 24 Vgl. Larsson 1967, S. 8 u. S. 19, Anm. 1 u. Anm. 3 (mit Quellenangaben). 25 Vgl. Cyril Merhout: Kdy a kde zemrˇel Adrian de Vries?, in: Památky Archaeologické 39/1933, S. 65–66. 26 Zur Bedeutung des Paragone für das Werk von de Vries vgl. Thomas DaCosta Kaufmann: A Modern Sculptor in Prague. Adriaen de Vries and the »Paragone« of the Arts, in: Achim Gnann u. Heinz Widauer (Hrsg.): Festschrift für Konrad Oberhuber, Mailand 2000, S. 283–293. Für die Schmiede des Vulkan vgl. Von allen Seiten schön 1995–1996, S. 448. 27 Anhand der Rezeption des Raubs einer Sabinerin nachvollzogen in Reitz 2011, Kapitel VII. 28 Vgl. Lars Olof Larsson: Imitatio and aemulatio. Adriaen de Vries and Classical Sculpture, in: Adriaen de Vries 1998–1999, S. 52–58; Thomas DaCosta Kaufmann: Reading van Mander on the Reception of Rome. A Crux in the Biography of Spranger in the Schilder-Boeck, in: Fiamminghi a Roma 1508–1608. Atti del convegno internazionale, Bruxelles 24–25 febbraio 1995 (hrsg. von Nicole Dacos), Rom 1999 (Bollettino d’arte, Bd. 100), S. 295–304. 29 Das Bild wird auf 1567 datiert, ist jedoch erst 1589 in der Tribuna der Uffizien nachweisbar. Zur Datierung vgl. Julian Kliemann: Zeichnungsfragmente aus der Werkstatt Vasaris und ein unbekanntes Programm Vincenzo Borghinis für das Casino Mediceo in Florenz – Borghinis »inventioni per pitture fatte«, in: Jahrbuch der Berliner Museen 20/1978, S. 157–208, S. 165 f.; id.: Quadretti per Francesco de’ Medici, in: Giorgio Vasari. Principi, letterati e artisti nelle carte di Giorgio Vasari. Pittura vasariana dal 1532 al 1554 (hrsg. v. Laura Corti u. Margaret Daly Davis), Ausstellungskatalog, Museo di Casa Vasari / Sottochiesa di San Francesco, Arezzo 1981, S. 153–155, Kat.-Nr. 50d. Zur Deutung vgl. Sabine Feser: Geschmiedete Kunst – Vasaris selbsternanntes Erstlingswerk »Venus mit den drei Grazien« im Kontext seiner Autobiographie, in: Le Vite del Vasari. Genesi, topoi, ricezione – Die Vite Vasaris. Entstehung, Topoi, Rezeption (hrsg. v. Katja Burzer et al.), Venedig 2010, S. 53–66. 30 Vgl. Martin Warnke: Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers, 2. Auflage, Köln 1996, S. 217 ff. 31 Die Annahme einer vergleichbaren Kunsttheorie machte insbesondere DaCosta Kaufmann stark; vgl. DaCosta Kaufmann 1982 u. 1988, passim. In Frage gestellt wurde an diesem Konzept zuletzt die ˇ roneˇk: Tragweite eines Majestätsbriefs Rudolfs II., der die Malerei zur freien Kunst erklärte; vgl. Michal S

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Privileg Rudolfs II. von 1595 – nochmals und anders, in: Studia Rudolphina 2/2002, S. 16–28; id.: Malerei im rudolfinischen Prag: Kunst oder Gewerbe, in: Berichte und Beiträge des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas 2/2001 [2003], S. 156–179; Blanka Ernest-Martinec u. Hessel Miedema: De gildebrief van Rudolf II voor de schilders van Praag van 27 april 1595 en zijn implicaties rondom het begrip kunst, in: Oud-Holland 117/2004, S. 154–161; deutsche Übersetzung in: Studia Rudolphina 5/2005, S. 32–39. 32 Für die Begriffsgeschichte nach wie vor grundlegend Wolfgang Kemp: Disegno. Beiträge zur Geschichte des Begriffs zwischen 1547 und 1607, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 19/1974, S. 219–240; Erwin Panofsky: »Idea«. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie, Leipzig u. Berlin 1924 (Studien der Bibliothek Warburg, Bd. 5), S. 23 ff. 33 Giorgio Vasari: Le vite de’ più eccellenti pittori, scultori e architettori, Bd. 1 (hrsg. v. Gaetano Milanesi), Florenz 1878, S. 169: »[…] un certo concetto e giudizio, che si forma nella mente quella tal cosa che poi espressa con le mani si chiama disegno; si può conchiudere che esso disegno altro non sia che una apparente espressione e dichiarazione del concetto che si ha nell’animo, e di quello che altri si è nella mente immaginato e fabbricato nell’idea«; zur Übersetzung vgl. Panofsky 1924, S. 33. Im Florentiner Staatsarchiv ist das Fragment eines Entwurfs zu dieser Passage erhalten; vgl. Giorgio Vasari: Vite (hrsg. v. Karl Frey), München 1911, Bd. I, S. 103–105, Anm. 1. 34 Zitiert nach Ugo Scoti-Bertinelli: Giorgio Vasari scrittore, Pisa 1905 (Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa, Bd. 19), S. 95 f., Anm. 1: »Vulcano fabbricò l’arme ad Achille, pegatone da Thetide. Io vorrei dipignere il medesimo concetto, ma accommodato al proposito nostro, come habbiamo ragionato insieme, pigliando dalla descrittione d’Homero [et di Virgilio insieme] quel che fa a proposito nostro, non variando il resto, et prima in luogo di Thetide vorrei Pallade et l’ordine della pittura in questo modo«; zur Übersetzung vgl. Bernd Roggenkamp: Die Töchter des »Disegno«. Zur Kanonisierung der drei Bildenden Künste durch Giorgio Vasari, Münster 1996 (Uni Press Hochschulschriften, Bd. 81), S. 119. 35 Vgl. Veronika Mertens: Die drei Grazien. Studien zu einem Bildmotiv in der Kunst der Neuzeit, Wiesbaden 1994 (Gratia, Bd. 24), S. 175. 36 Ähnlich ist in der Forschung die kompositorische Anordnung eines Zeichners in der wenig später entstandenen Lukasmadonna bewertet worden; vgl. Gisela Kraut: Lukas malt die Madonna. Zeugnisse zum künstlerischen Selbstverständnis in der Malerei, Worms 1986, S. 69. 37 Zitiert nach Scoti-Bertinelli 1905, S. 96: »[…] e questo vi sia sopratutto a mente che non si facci tanto una bottega di fabro, quanto una Academia di certi virtuosi ove sue verga Minerva«; zur Übersetzung vgl. Roggenkamp 1996, S. 120. 38 Vgl. Scoti-Bertinelli 1905, S. 96: »[…] fingerei ch’egli mostrasse lo scudo a Pallade, con accennarle qualch’ arme o qualche impresa che v’ avessi fatte nel mezzo […]«; zur Übersetzung vgl. Roggenkamp 1996, S. 120. 39 Zum Bildschema von Bauherr und Architekt vgl. Matthias Winner: Die Quellen der PicturaAllegorien in gemalten Bildergalerien des 17. Jahrhunderts zu Antwerpen, Phil. Diss., Köln 1957, S. 102 f.; mit Verweis auf die Cancelleria-Fresken vgl. Roggenkamp 1996, S. 35 u. S. 122 sowie Abb. 3 u. Abb. 7. Ähnlich auch das Wandfresko zur Errichtung des Terzo Cerchio im Salone de’ Cinquecento des Palazzo Vecchio in Florenz; vgl. Rick Scorza: Vasari’s Painting of the Terzo Cerchio in the Palazzo Vecchio: A Reconstruction of Medieval Florence, in: Philip Jacks (Hrsg.): Vasari’s Florence. Artists and Literati at the Medicean Court, Cambridge 1998, S. 182–205, S. 184, Abb. 71, u. S. 197, Abb. 79. Man beachte auch Santi di Titos Fresko zu Salomos Tempelbau in der Cappella della SS. Trinità der Florentiner SS. Annunziata; vgl. Zygmunt Waz ´ bin ´ ski: L’accademia medicea del disegno a Firenze nel Cinquecento. Idea e istitutione, Florenz 1987 (Accademia Toscana di scienze e lettere. Studi, Bd. 84), S. 141–153, Abb. 42–44.

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40 Eine ähnliche Gegenüberstellung von Handwerk und Geist findet sich später bei Federico Zuccari und auch hier dient das Bild von Vulkan in der Schmiede als allegorische Verkörperung der künstlerischen Praxis im Gegensatz zur höher bewerteten Tätigkeit der Ideenfindung: Cornelis Cort (nach Federico Zuccari) Lamento de la Pittura, 1578; vgl. Netherlandish Artists (hrsg. v. Walter L. Strauss u. Tomoko Shimura), New York 1986 (The Illustrated Bartsch, Bd. 52), S. 253, Kat.-Nr. 221-I (204); Inemie Gerards-Nelissen: Federigo Zuccaro and the Lament of Painting, in: Simiolus 13/1983, S. 45–53. 41 Mit diesen Worten fasst Becker ein weit verbreitetes Diktum zusammen. Unter den Zeitgenossen beschreibt es beispielsweise Antonfrancesco Doni: »[…] in queste cose di leggier disegno gl’oltramontani ci aplicano piu l’ingegno, & la pratica, che gl’Italiani non fanno; onde si dice in prouerbio, che gl’hanno il ceruello nelle mani« (Antonfrancesco Doni: Disegno, Venedig 1549, fol. 17r); vgl. Jochen Becker: »Hic ille est Bruegel«. Beobachtungen zum Bilde Bruegels und zu Raffaels Ruhm anhand des Blattes KDZ 11 949 im Berliner Kupferstichkabinett, in: Marc van Vaeck, Hugo Brems u. Geert H. M. Claassens (Hrsg.): De steen van Alciato. Literatuur en visuele cultuur in de Nederlanden, Löwen 2003, S. 161–190, S. 162; Robert G. La France: Bachiacca. Artist of the Medici Court, Florenz 2008 (Fondazione Carlo Marchi, Studi Bd. 24), S. 119 u. Paula Nuttall: From Flanders to Florence. The Impact of Netherlandish Painting, 1400–1500, London u. New Haven 2004, S. 36 u. 269, Nr. 41. 42 Da die niederländischen Fertigkeiten traditionell »in der Hand« gesehen wurden, wertete sie die italienische Theorie des 16. Jahrhunderts meist ab, so etwa die Landschaftsmalerei; vgl. Werner Busch: Landschaftsmalerei, Berlin 1997 (Geschichte der klassischen Bildgattungen in Quellentexten und Kommentaren, Bd. 3), S. 81 ff. u. S. 111 ff.; La France 2008, S. 116 ff. Für den praktischen Aspekt der Zeichnung, wie ihn das niederländische Wort »tekening« beschreibt, blieb die Forschung lange eine eigene Bewertung schuldig; vgl. Svetlana Alpers: The Art of Describing. Dutch Art in the Seventeenth Century, London 1983, S. 24. Die Diskussion um die Unterscheidung der italienischen und niederländischen Tradition in der Kunstgeschichte dauert bis heute an; vgl. Wolfgang Kemp: Vorwort, in: Svetlana Alpers: Kunst als Beschreibung. Holländische Malerei des 17. Jahrhunderts, Köln 1985, S. 7–20. 43 Vgl. Becker 2003, S. 162.

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»WEM ES GUT GEHT, DER SOLL SICH NICHT BEWEGEN« Der Spanier José de Ribera in Neapel DIANE KRACHT

Ein großes Naturwunder Im Jahr 1631 führte der spanische Vizekönig von Neapel Fernando Afán de Ribera y Enríquez, III. Herzog von Alcalá, einen venezianischen Gesandten durch die Räume seines Palastes. Im Anschluss an den Besuch schrieb dieser euphorisch an den Senat seiner Heimatstadt über eine »cosa meravigliosa«, die ihm der Vizekönig freundlicherweise gezeigt und an der zum Zeitpunkt, als er sie sah, ein hervorragender Künstler gearbeitet habe.1 Bei der »cosa meravigliosa« handelte es sich um das in der Tat sonderbare Bildnis der zweiundfünfzigjährigen Magdalena Ventura, einer Frau aus den Abruzzen, verheiratet und Mutter vieler Kinder, die ein vollkommen männliches Gesicht mit einem dichten schwarzen Bart und eine gänzlich behaarte Brust hatte.2 Vier Wochen nachdem der Gesandte in den Räumen des Vizekönigs den Künstler bei der Porträtierung der einzigartigen Gestalt Magdalena Venturas beobachten durfte, war das Bildnis fertig gestellt. Noch im selben Jahr endete die Regierungszeit Alcalás und das Gemälde wurde wie viele andere von ihm gesammelte Werke nach Spanien gesandt.3 Es fand seinen Platz im Esszimmer seiner Residenz in Sevilla, der Casa de Pilatos. Heute zählt das Bild der Magdalena Ventura zu den bekanntesten und skurrilsten Gemälden des gebürtigen Valencianers José de Ribera |Abb. 1|. Das Porträt zeigt die bärtige und kahlstirnige Frau ganzfigurig in Begleitung ihres Mannes und eines ihrer Kinder. Sie steht, ein Brautkleid tragend, frontal in der Mitte des Bildes vor

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1 José de Ribera: La mujer barbuda, 1631, Öl auf Leinwand, 196 × 127 cm, Toledo, Hospital de Tavera

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einem dunklen Hintergrund. In ihren Armen hält sie ihr Kleinkind im Wiegegriff an ihre widernatürlich mittige und behaarte Brust, als wolle sie es säugen. Magdalenas Ehemann ist ihr an die rechte Seite gestellt, er rückt fast gänzlich in den Hintergrund. Nur sein bärtiges Gesicht, der helle niedergeschlagene Kragen sowie seine gefalteten Hände und seine in höfischer Manier gestellten Beine sind beleuchtet. Sowohl Magdalena Ventura als auch ihr Mann schauen starr und konzentriert aus dem Bild, fixieren den Betrachter regelrecht. Links neben der Familie befinden sich zwei aufeinandergesetzte Steinblöcke, die durch ihre eingemeißelte lateinische Inschrift an eine antike Stele erinnern. Der formal und inhaltlich zweigeteilte Text beginnt mit den Worten »En Magnu Natura Miraculum« (»Ein großes Naturwunder«). Anschließend erzählt er von der plötzlichen Androgenisierung Magdalena Venturas im Alter von 37 Jahren und verweist auf ihre Herkunft. Magdalena Venturas Ehemann Felici de Amici wird ausdrücklich als ebenfalls abgebildet erwähnt. Im zweiten Abschnitt berichtet die 2 José de Ribera: La mujer barbuda (Detail), 1631, Inschrift über den Künstler José de Ribera, der mit Öl auf Leinwand, 196 × 127 cm, Toledo, Hospital de Tavera dem Kreuze Christi, der höchsten Form päpstlicher Auszeichnung seit dem 14. Jahrhundert bei gleichzeitiger Aufnahme in den Christusorden, ausgezeichnet worden und ein neuer Apelles seiner Zeit sei. Auf wunderbare Weise habe Ribera das Bildnis auf Wunsch seines Auftraggebers, den Herzog von Alcalá, gemalt.4 Auf den schmutzig angeschlagenen Steinblöcken liegen eine Spindel und ein um eine Muschel gewickeltes rotes Garnknäuel |Abb. 2|. Kaum sichtbar wurde am oberen Gemälderand eine weitere Inschrift eingeschrieben. Wiederum in lateinischen Lettern fordert Ribera den Betrachter auf, das Bild des wundersamen Monstrums zu beäugen: »Hominis barbamque gerens […] anda figura / et puerum lactans oculis mirabili monstrum« (»Betrachte dieses Bild, es bietet den Augen ein wunderbar Zeichen eines Menschen, der einen Bart trägt und einen Knaben stillt«).5 Mit den beiden Inschriften ist der Abbildung der Magdalena Ventura und ihrer Familie ein Motto (inscriptio) sowie ein erklärender Vers (subscriptio) beigegeben, so dass das Bildnis insgesamt eine emblematische Struktur erhält. Wie einst der venezianische Gesandte das abgebildete »Naturwunder« fasziniert als eine wunderbare und wahrhaftige Sache pries, wird das Gemälde auch heute noch vorwiegend

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unter der Kategorie des Absonderlichen und Kuriosen untersucht. Es liegen zahlreiche Forschungen vor, die das Werk unter medizinischen Gesichtspunkten betrachten, wobei die künstlerischen und kunsttheoretischen Aspekte des Bildnisses vollkommen außer Acht gelassen werden. Die Vermännlichung der Frau wird analysiert, das scheinbare Säugen einer Mutter in hohem Alter in Frage gestellt, deren viriler Anblick sogar als pervers bezeichnet und selbst vor der Deklaration des anatomischen Makels der median gelegenen Brust als »Malfehler« des Künstlers nicht zurückgeschreckt.6 Dem gegenüber stehen wenige kunsthistorische Arbeiten, von denen nur diejenige von John Clifton bemerkenswert ist, die über eine bloße Charakterisierung des absonderlichen Geschmacks an Naturwundern im 17. Jahrhundert am spanischen Hof hinaus geht.7 Clifton erkannte als erster das Bildnis der Magdalena Ventura als Schlüsselwerk zum Verständnis einer Kunsttheorie Riberas, dessen Werk sich in der vorangegangenen Forschung gerade durch das Fehlen einer solchen Theorie auszeichnete. Er baut seine Argumentation auf den an die Krankheitsgeschichte Magdalena Venturas anschließenden selbstbezüglichen Bildtext auf, der sinngemäß lautet: »Jusepe de Ribera, Spanier, ausgezeichnet mit dem Kreuz Christi, ein neuer Apelles seiner Zeit, malte sie auf Wunsch von Fernando II. dem dritten Herzog von Alcalá, dem Vizekönig von Neapel, in wunderbarer Weise nach dem Leben, am 14. März des Jahres 1631.«8 Das Bildnis ist tatsächlich ein Schlüsselwerk. Jedoch setzt Clifton den lateinischen Text nicht in Beziehung zur abgebildeten Familie. Er skizziert in erster Linie eine Kunsttheorie der Naturnachahmung aufgrund der offenkundig provozierenden Textstelle Riberas, er habe die mirakulöse Erscheinung Magdalena Venturas in wunderbarer Weise nach der Natur gemalt (»ad vivum mire depinxit«).9 Die Selbsternennung Riberas zum Apelles seiner Zeit und die anschließende Erwähnung des Auftraggebers Alcalá dient Clifton zur Diskussion des engen Verhältnisses zwischen den beiden, das er mit dem zwischen dem antiken Kunstmäzen Alexander dem Großen und Apelles in Verbindung setzt; ein Vergleich, der auf der Hand liegt. Spätestens mit der Bezeichnung von Tizian als neuen Apelles durch Karl V. zu Beginn des 16. Jahrhunderts ist die Stilisierung zum »Apelles seiner Zeit« unter den Malern ein gängiger Topos zur Nobilitierung ihres Handwerks.10 Umso eigenartiger erscheint mir über Cliftons Beobachtungen hinaus, dass Ribera den selbstbewusst aufgerufenen Topos so augenfällig, fast schon plump auf einen hässlichen Stein im Vordergrund des Bildnisses in Szene gesetzt hat. Und mit dieser Selbststilisierung die Tradition brach, sich von einem großen Gönner als Apelles bezeichnen zu lassen.11 Letztlich lässt die Interpretation Cliftons zwei wichtige Gesichtspunkte außer Acht: erstens die emblematische Struktur des Bildes, die für ein Porträt der Zeit ungewöhnlich ist, zweitens Riberas besondere Stellung zwischen zwei Kulturen und seine Protektion durch die spanischen Vizekönige in Neapel.12

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»Lo Spagnoletto« in Italien Ribera wurde nahe Valencia geboren, emigrierte aber bereits in jungen Jahren nach Italien, um dort bis zu seinem Tod zu bleiben. Über Riberas künstlerische Grundausbildung und sein Frühwerk ist so gut wie nichts bekannt.13 Greifbar wird der Maler erst nach 1610 in Rom, wo er als Mitglied der Accademia di San Luca geführt wurde. Bereits wenige Jahre später siedelte er in das spanische Vizekönigtum Neapel über. Dort arbeitete er in einer Werkstatt mit seinem aus Sizilien stammenden Schwiegervater Giovan Bernardino Azzolino (1578–1648), der als Künstler und Mittelsmann eine besondere Stellung in Neapel innehatte und auch Kontakte zu elitären Kreisen und Kunstförderern außerhalb der Stadt unterhielt.14 Ribera bewegte sich damit sowohl in Rom an der Accademia als auch in Neapel in der Gesellschaft literarisch und kunsttheoretisch gebildeter Personen. Zudem stand Ribera bereits kurz nach seiner Ankunft in Neapel in den Diensten der spanischen Vizekönige, zu denen er schon während seines Aufenthaltes in Rom Beziehungen pflegte, insbesondere zum Herzog von Alcalá. Die Vizekönige exportierten Riberas Werke nach Spanien, teilweise für ihre eigenen, oft für die königlichen Sammlungen. Seit dem Beginn seiner Karriere agierte Ribera zwischen zwei Kulturen, seiner spanischen Heimat und der Kultur der italienischen Fremde. Der Zeitpunkt seines Karrierebeginns ist schwer zu bestimmen. Der Bericht des neapolitanischen Kunstschriftstellers Bernardo De Dominici aus dem Jahre 1742, nach dem der Maler bei der Zurschaustellung eines seiner Gemälde zum Thema der Bartholomäusschindungen auf dem Marktplatz in Neapel so viel Aufsehen erregt und der Vizekönig ihn daraufhin in Dienst genommen habe, erklärt Riberas Übersiedlung nach Neapel zu seinem künstlerischen Durchbruch.15 Der Bericht von De Dominici entpuppt sich jedoch als reißerische Anekdote. Ribera und Alcalá verkehrten bereits in Rom miteinander, und in Rom knüpfte der Künstler Kontakte zur italienischen Elite. Verwunderlich ist, dass bis zur Übersiedlung nach Neapel nur eine Handvoll gesicherter Werke bekannt sind, von denen keines namentlich gekennzeichnet ist. Ribera signierte seine Werke erst in Neapel. Dass Ribera trotz seiner guten Beziehungen zeitlebens als Fremder in Italien wahrgenommen wurde, beweist sein Beiname »Lo Spagnoletto«, mit dem er sich auf dem Kunstmarkt geschickt von seinen italienischen Malerkollegen absetzen konnte. Die Forschung zu Ribera hat die Frage nach dessen Auseinandersetzung mit der eigenen spanischen wie mit der fremden italienischen Kultur bisher nicht beantwortet. Es gilt zu klären, welchen Einfluss die beiden Kulturen auf seine Kunst ausübten. Ob er einer der Kulturen den Vorrang gab oder Nutzen aus seiner Sonderstellung zwischen den Kulturen zog? Und was bewog ihn dazu, sein Heimatland Spanien zu verlassen, um letztlich im italienischen Ausland unter spanischer Herrschaft vorrangig für spanische Auftraggeber zu produzieren? Tatsächlich liefert das Gesamtwerk von Ribera zahlreiche Beispiele, an denen deutlich wird, dass er auf originelle Weise intellektuell mit den gegebenen italienischen Konventionen und Bildthemen spielte. Er entwickelte eine Methode zur Aneignung der Formensprache bedeuten-

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der italienischer Vorbilder und Vorgänger. Dabei verwickelte er den Betrachter in ein Denkspiel zwischen Offensichtlichem und Verborgenem.

Konvention und Innovation Der emblematische Aufbau des Gemäldes fordert den Betrachter regelrecht auf, einen zweiten Blick auf Magdalena Ventura zu wagen. Die Aufforderung an den Betrachter, das Bildnis als Rätsel zu verstehen, wird unterstützt durch die Abbildung von Spindel und Garn, die in der spanischen wie italienischen Barockliteratur als Symbol für »engaño« und »desengaño«, für das Täuschen und Enttäuschen des Lesers oder Helden gelten.16 Kehren wir zum Topos vom neuen Apelles zurück: In den antiken Berichten und Anekdoten gibt es zwei Aspekte, die Apelles besonderen Ruhm bescherten. Auf formaler Ebene galt die Ehrung seiner Beschränkung auf nur vier Farben: Gelb, Rot, Weiß und Schwarz.17 Eben diese Farben waren es, die Ribera in seinem Bildnis der Magdalena Ventura verwendete: ein auffallend dunkler Hintergrund, der Ehemann in schwarz und weiß gekleidet, Magdalena selbst mit dem Kind im Arm in einer Variation aus gelb, weiß und rot. Die literarisch überlieferte Vierfarbenmalerei wurde künstlerisch bereits in der Renaissance wiederbelebt und stellte demnach kein Novum da, ganz im Gegenteil.18 Auffallend ist, dass dieses Gemälde das einzige im Werk Riberas ist, in dem er sich auf die genannten vier Farben beschränkt hat. Ribera war folglich kein Vierfarbenmaler per se, sondern reduzierte seine Farbpalette in diesem Bild offenbar bewusst.19 Der zweite Aspekt, dem Apelles seinen Ruhm verdankte, war sein Talent, schöne Frauen zu malen.20 Gefeiert wurde er für seine sinnlich-weibliche Darstellung der aus dem Meer auftauchenden Aphrodite im Asklepiostempel zu Kos. Ein Bildthema, das in der Renaissance wie die Vierfarbenmalerei zum Standardprogramm eines jeden Künstlers avancierte und dem sich auch Tizian annahm |Abb. 3|. Wohlbekannt ist die Anekdote um Campaspe, die Nebenfrau Alexander des Großen, die wegen ihrer bewundernswürdigen Gestalt von Apelles nackt gemalt und dem Künstler schließlich als »Geschenk« dargebracht wurde. Beim Betrachten des Porträts der Magdalena Ventura sticht ins Auge, dass auch Ribera eine bewundernswürdige Gestalt abbildete, jedoch keine weibliche Schönheit. Ganz im Gegenteil stellte er eine Frau dar, die jeglicher Weiblichkeit entbehrt, deren einziges sichtbares weibliches Geschlechtsmerkmal, die Brust, sogar einen anatomischen Makel aufweist, der nur ein vermeintlicher Malfehler ist und vorsätzlich inszeniert wurde. Durch die Verwendung der Vierfarbenmalerei und die schriftliche Selbststilisierung rief Ribera den Apelles-Topos auf, negierte ihn aber gleichzeitig, indem er die Hauptakteurin des Bildes virilisierte und zum Kuriosum machte. Zusätzlich fügte er seiner Darstellung das Attribut Aphrodites hinzu, die Muschel, versteckt unter roter Wolle. Damit eröffnete Ribera nicht nur einen indirekten Vergleich mit der schönen apellischen Frauenfigur, sondern schuf mit dem Symbol der Muschel eine direkte Verbindung zwischen der wunderschönen

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3 Tiziano Vecellio: Aphrodite Anadyomene, 1525, Öl auf Leinwand, 75,8 × 57,6 cm, Edinburgh, National Gallery of Scotland

4 Unbekannter Maler: Madonna de Ambro, erste Hälfte des 13. Jahrhunderts, Tempera auf Leinwand auf Holz, 173 × 66 cm, L’Aquila, Museo Nazionale d’Abruzzo

Aphrodite und der monströsen Magdalena. Apelles spielte eine entscheidende Rolle in der akademisch geprägten italienischen Malerei und Kunsttheorie des 16. und 17. Jahrhunderts. Er stand sinnbildlich für eine an der Antike orientierte Kunst, für eine Kunst von bemerkenswerter Qualität und idealisiertem Verismus: Es Apelles gleich zu tun, entwickelte sich zur Konvention künstlerischen Bestrebens. Wenn nun Ribera diese Konvention in einem Antonym von Wort und Bild, Figur und Symbol konzipierte, und das nicht ohne einen gewissen Witz, stellte er dann nicht den bestehenden Topos in Frage oder versuchte ihn gar zu überbieten? Neben dem Topos vom neuen Apelles rief Ribera eine weitere ikonografische Konvention auf. Die Konstellation der Familie im Bild, die Mutter mit dem Kleinkind in den Armen und ein in den Hintergrund gerückter Mann, lassen an Darstellungen der Heiligen Familie denken. Mit der Andeutung des Stillens und dessen Erwähnung in der inscriptio

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5 Unbekannter Künstler: Verkündigung, 12. Jahrhundert, Mosaik, Palermo, Santa Maria dell’Ammiraglio, Triumphbogen an der Westseite der Kuppel

setzte Ribera das Bild gezielt in die Tradition der Virgo lactans, der stillenden Jungfrau.21 Die Frontalität Magdalenas und ihr ausdruckslos konzentrierter Blick erinnern an mittelalterliche Darstellungen dieses Madonnentyps in der Nachfolge byzantinischer Ikonen, wie beispielsweise der Madonna del Ambro aus der Chiesa di S. Maria a Grajano in L’Aquila, der Hauptstadt der Region Abruzzen, unweit der Heimatstadt Magdalena Venturas |Abb. 4|. Ein Rückgriff auf diesen starren Typus ist für Riberas Zeit ungewöhnlich, in der die Beziehung zwischen Kind und Mutter als liebevoll inniges Spiel aufgefasst wurde. Was haben dieser Rückgriff auf byzantinische Vorbilder und der vehemente Versuch, die Beziehung zwischen den drei Dargestellten so steril wie möglich zu halten, zu bedeuten? Eine weitere Wiederaufnahme vergangener Tradition ist die Abbildung von Spindel und rotem Garn, die auf der Stele liegen: Sie sind gemeinhin Symbole Mariens in Verkündigungsszenen. Im Protevangelium des Jakobus wird erzählt, wie Maria während des Erscheinens des Verkündigungsengels an einem purpurfarbenen Vorhang spann.22 Während Spindel und Garn in spätantiker Zeit gängiger Bestandteil von Verkündigungsszenen waren, verliert sich ihr Gebrauch in frühmittelalterlichen Darstellungen |Abb. 5|. Maria wird nun lesend abgebildet. Eine bekannte Ausnahme, in deren Nachfolge sich Ribera vielleicht bewusst einordnet, bildet die heute verschollene Maria mit der Spindel von Leonardo da Vinci |Abb. 6|.

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Magdalena Ventura ist Maria. Ihre Attribute und ihre entblößte Brust sowie die Positionierung der Familie im Raum zeigen sie als solche. Darüber hinaus ruft das Wickeltuch im Zentrum des Bildes das seit frühester Zeit konventionell rote Christusgewand ins Gedächtnis. Die Interpretation ließe sich noch weiter führen, entscheidend ist jedoch, dass Ribera in seinem Gemälde bewusst auf die christliche Ikonografie anspielt, eines der am häufigsten dargestellten Themen der Kunstgeschichte wählt und gezielt die Vorschriften des decorums missachtet. Die Ikonografie des 17. Jahrhunderts wie die der Jahrhunderte zuvor gestand allein dem Bildthema Mariens die Abbildung des Stillens zu.23 Ribera verstieß eindeutig gegen bildliche Angemessenheit, wenn er im Porträt einer bärtigen Zeitgenossin und deren Kind einen Hinweis auf Maria mit dem Jesuskind versteckte. Wie schon beim ApellesTopos führte Ribera dem Betrachter sein Wissen über Traditionen und Bildkonventionen vor Augen. Ribera veränderte diese Traditionen und Konventionen motivisch aber derart, dass sie nur noch schwer zu entschlüsseln sind.

6 Unbekannter Maler der Leonardo-Werkstatt (nach Leonardo da Vinci): Madonna mit der Spindel, 1501–1507, Öl auf Holz, 48,3 × 36,5 cm, Schottland, Drumlanrig Castle

Der spanische Apelles und sein Mäzen Ribera wies in zwei Drittel seiner Signaturen darauf hin, dass er gebürtiger Spanier sei. So auch im Gemälde der Bärtigen, in dem es auf der Stele eingemeißelt lautet: »Josephus de Ribera his/panus Christi Cruce insignitus sui«. Ribera war bereits früh in eine italienische Werkstatt und Familie eingebunden, er arbeitete im Bund mit Azzolino und heiratete dessen Tochter. Auf den ersten Blick erscheint die spanische Signatur angesichts des italienischen Lebens Riberas paradox. Wie viele andere spanische Künstler hatte Ribera seine Heimat verlassen, weil einheimische Künstler in Spanien aufgrund ihrer mangelnden Bildung keinen guten Ruf genossen und nur selten Aufträge erhielten. Der spanische Königshof bevorzugte ausländische Maler und Bildhauer, die zwar teuer waren, jedoch im Gegensatz zu den spanischen Kollegen ihre Kunst verstanden.2 4 Unverhältnismäßig viele ausländische Künstler wurden von der spanischen Krone mit Titeln ausgezeichnet.25 Ribera

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selbst soll in einem Gespräch mit Jusepe Martínez geurteilt haben, dass Spanien eine barmherzige Mutter für Ausländer, aber Spaniern eine grausame Stiefmutter sei.26 Selbst im Ausland hatten spanische Künstler auf Grund der Isolationspolitik Spaniens mit Vorurteilen zu kämpfen.27 Warum also verwies Ribera auf seine Herkunft, wenn ihm diese zuungunsten ausgelegt werden und seine Karriere behindern konnte? An dieser Stelle sei noch einmal auf das Fehlen von Riberas Frühwerk hingewiesen; ein Frühwerk, das Ribera großen Ruhm bescherte und ihn vor allem in Rom in aller Munde brachte.28 Dass das Frühwerk in seiner Gesamtheit verschollen sein soll, erscheint zweifelhaft. Wahrscheinlicher ist, dass Ribera in den ersten Jahren seines Erfolges die Kunst des fremden Landes auf eine solch gekonnte Weise imitierte, dass nicht zwischen seiner Hand und der eines anderen Künstlers unterschieden werden kann. Ribera besaß ein besonderes Talent zu kopieren und nachzuahmen.29 Erst in Neapel wurde sein Werk spezifisch »riberisch« und er begann seine Gemälde zu signieren und zu datieren. Das Setzen der Signatur geschah zu einem bestimmten Zeitpunkt. In Neapel beschloss Ribera, sich selbstbewusst als Spanier auszuweisen, obendrein seine Herkunft mehrmals mit dem Status des »Academicus romanus« zu verknüpfen. So zum Beispiel auf dem Gemälde des Sileno ebbro im Museo de Capodimonte aus dem Jahr 1626.30 Ribera war nicht nur Spanier, er war darüber hinaus ein an der römischen Akademie ausgebildeter Spanier. Seine frühe Zeit als Kopist und Nachahmer der italienischen Kunst diente ihm als Reifeprüfung. Zu der Zeit, als Ribera im Anschluss an seine ersten italienischen Jahre nach 1616 begann, seine Signatur mit der Herkunftsangabe zu bereichern und sich explizit italienische Konventionen und Vorbilder zu Eigen zu machen, wurde in Spanien unter den Künstlern und Literaten der Ruf nach einer Verbesserung der Situation einheimischer Künstler laut.31 Vermehrt wurden nun Reflexionen über die spanische Kunst geäußert – wohlgemerkt fast ein Jahrhundert nach den Viten Giorgio Vasaris in Italien. Die wichtigsten Verfasser dieser Reflexionen sind Vicente Carducho, Francisco Pacheco und Jusepe Martínez.32 Sie beabsichtigten, dem negativen Spanienbild entgegen zu wirken, und stellten die spanische Kunst erstmals in einen größeren historischen Kontext. Sie sahen die spanische Kunst als eine Fortführung der künstlerischen Entwicklung seit der Antike und setzten sie in ein Verhältnis zu jener der Nachbarländer, vor allem der Kunst Italiens. Die Dominanz italienischer Werke in Spanien problematisierend glaubten sie an eine Lösung der Konkurrenzsituation durch die Verbesserung der eigenen Künstlerausbildung. In einer Akademie nach italienischem Vorbild sollten die spanischen Maler, die zwar im colorito hervorragend seien, aber in der inventione und dem dibujo versagten, unterrichtet werden.33 Das Projekt zur Gründung einer Akademie scheiterte vorerst. Bezeichnenderweise entstanden zu dieser Zeit spanische und italienische Texte, in denen dem »hispanus et academicus romanus« Ribera diese, der spanischen Kunst fehlenden Eigenschaften, inventione und dibujo, zugeschrieben wurden.3 4 Der Signaturzusatz »Academicus romanus« wie auch die vielen Zitate von italienischen und antiken Vorbildern entpuppen sich vor diesem Hintergrund als spitzfindige Strategie, in der Ribera seine Bildung zur Schau trug und sich von seinen »ungebildeten« Landsleuten provo-

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kativ abhob. Er hob seine malerische Ausbildung an der römischen Akademie hervor, um den Status seiner hochgelobten italienischen Kollegen zu erreichen und den Hauptkritikpunkt der spanischen Schriften, es fehle den spanischen Künstlern an der nötigen Ausbildung, zu entkräften. Jusepe Martínez benannte die Inkompetenz und den geringen Bildungsstand von Auftraggebern und Sammlern als eine der Hauptursachen für den Verfall der spanischen Malerei. Es fehle, so sagte er, an großen Gönnern wie Alexander der Große.35 Um 1600 avancierte Apelles in der spanischen Literatur zum uneingeschränkten Helden der Malerei. Die bei Plinius aufgeführte Lebensbeschreibung des Apelles wurde zum Gemeingut, zeitgenössische spanische Maler wurden ihm als »Apelles español« gegenübergestellt.36 Durch die Klage von Martínez wird das durch den Apelles-Topos aufgerufene vertrauensvolle Miteinander zwischen Ribera und seinem Auftraggeber, dem Herzog von Alcalá, neu beleuchtet. Denn die Inschrift auf dem Gemälde der Magdalena Ventura nimmt explizit Bezug auf die spanischen Schriften. Ribera stilisierte Alcalá gegen die Vorwürfe der Literaten zum Kenner und großen spanischen Kunstmäzen; zu einem Mäzen, der die Lage der spanischen Kunst zu verbessern vermochte und mit den in seinem Palast arbeitenden herausragenden Künstlern im Atelier in Kontakt trat, so wie es einst Alexander tat.37 Der Augenzeugenbericht des venezianischen Gesandten aus dem Palast des Vizekönigs erscheint diesbezüglich wie eine Inszenierung, die Alcalá als neuen Alexander auswies. Alcalá war es auch, der die Auszeichnung von Ribera zum Ritter des Christusorden veranlasste, ohne dass der Maler, wie eigentlich üblich, dafür einen großen öffentlichen Auftrag ausführen musste, und förderte damit eine der seltenen Auszeichnungen spanischer Künstler.38 Diese Auszeichnung bezeugt nicht nur Alcalás Gunst gegenüber Ribera, sondern darüber hinaus seinen Einfluss als Mäzen und seine bedeutende Rolle in einem System von clientelismo; und zwar einem clientelismo, der sich außerhalb der spanischen Heimat in der Kunsthochburg Rom und am päpstlichen Stuhl durchsetzte. Entgegen seiner jahrzehntelang anhaltenden Selbstdarstellung als ein an der Akademie gebildeter Spanier erklärte sich Ribera erstaunlicherweise einzig in dem Porträt der Magdalena Ventura zum Mitglied des Christusordens. Bezüglich seines Titels übte sich Ribera zeitlebens in Bescheidenheit und rühmte damit Alcalá regelrecht als Initiator seiner Auszeichnung.

Der Fürst als Hermaphrodit Alcalá war es auch, der Ribera über die Ausbildung in der römischen Akademie mit Wissen und Bildung speiste. Es darf daher gewagt werden, Magdalena Ventura in ihrer androgynen Gestalt als Herzog von Alcalá zu interpretieren, der seinen Protegé Ribera versorgt. Entgegen heutiger Vorstellungen als eine monströse Ausnahme befand sich Magdalena im 17. Jahrhundert in guter Gesellschaft. Neben wenigen bildlichen Zeugnissen, wie zum Beispiel die Bildnisse der Familie Gonsalvus von Lavinia Fontana, lassen sich unzählige Mann-

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weiber in der Literatur finden, vor allem in spanischen Publikationen |Abb. 7|.39 So thematisierte Luis Vélez de Guevara in nicht weniger als zwanzig Stücken die mujer varonil, deren Charakter durch maskuline Stärke gekennzeichnet ist. Auch die Hauptvertreter des Siglo de Oro, wie Cervantes und Lope de Vega, kamen um den Auftritt einer bärtigen Frau nicht umhin. Selbst Shakespeare ließ in seiner Tragödie Macbeth seinen Hexen Bärte wachsen, die deutlich zur Verwirrung ihrer Gesprächspartner beitrugen.40 Über den Reiz der Verwirrung, die in der Rolle – übrigens von männlichen Schauspielern dargeboten – wie beim Publikum ausgelöst wurde, und der wissenschaftlichen Neugier hinaus, erfreuten sich die mujeres varonil, androgyne Gestalten wie Amazonen, aber auch Hermaphroditen, an europäischen Höfen ungemeiner Beliebtheit, um Fürsten zur Stilisierung ihrer uneingeschränkten Macht zu dienen. Das dritte Geschlecht verkörperte den uomo universale, den 7 Lavinia Fontana de Zappis: Antonietta Gonsalvus, perfekten Menschen, die Einheit weiblicher 1594–1595, 75 × 61,5 cm, Blois, Musée du Château Tugenden und männlicher Stärke.41 Das Symbol der Muschel und die Analogie zur Aphrodite des Apelles weisen die bärtige Magdalena als Hermaphroditen aus. Hinter der Maske des Mannweibes Magdalena Ventura steht der Vizekönig Alcalá als tugendhafter Herrscher wie hundert Jahre zuvor der französische König François Ier im mythologischen Kompositporträt, kostümiert als Diana und Athene |Abb. 8|. Beiden Herrschern dienten die Porträts als Fürstenspiegel. Ein weiteres Indiz gestattet eine derartige Interpretation Magdalena Venturas durchaus. Es handelt sich dabei um die bereits bei John Clifton in den Mittelpunkt seines Aufsatzes gerückte Formulierung »ad vivum mire depinxit« (»in wunderbarer Weise nach dem Leben gemalt«), die das malerische Schaffen Riberas dem Naturwunder als Kunstwunder gegenüberstellt und sich auf eine Textstelle bei Erasmus von Rotterdam bezieht. In seiner Fürstenerziehung, der Institutio Principis Christiani, verwendete Erasmus an bezeichnender Stelle die Worte »mire depinxit«, um seine Ausführungen über Schmeicheleien in Gemälden zu beginnen.42 Erasmus warnte die Fürsten vor übertriebener Schmeichelei und Selbstüberschätzung und unterstrich dagegen die Bedeutung von Porträts, die den Fürsten weise und in ernsthafter Würde abbildeten, um dessen Tugenden herauszustellen. Als Beispiele führte er

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ein Gemälde Alexander des Großen von Apelles an, in dem der König einen Blitz geschwungen habe, sowie ein Porträt des Octavius als Apollon. Erasmus lieferte damit zwei Beispiele, in denen Herrscher in ein mythologisches Gewand schlüpften, und verwies auf eine durchaus legitime Tradition, göttliche Tugenden für sich in Anspruch zu nehmen. Der um 1600 verbreitete Hermaphroditismus erscheint in diesem Kontext wie eine einfallsreiche Steigerung des mythologischen Kostüms. Durch die Wahl an Beispielen schafft Erasmus eine direkte Verbindung zwischen dem größten Maler der Antike und seiner Bedeutung für die öffentliche Darstellung des wohlerzogenen Fürsten. Mit der Verwendung der Worte »mire depinxit« am Ende einer langen Bildunterschrift verweist Ribera gezielt auf die Textstelle des Erasmus über die freundschaftliche Beziehung von Künstler und Herrscher. Denn Erasmus verwendete die Worte einleitend, um auf das Buch des Plutarch Quomodo dignosci possit amicus ab adulatore (Wie man einen Freund von einem Schmeichler unterscheiden kann) hinzuweisen. Magdalena Ventura ist nicht nur Naturwunder und Monstrum, sondern gleichzeitig bildhafter Ausdruck der Freundschaft zwischen Alcalá und Ribera, die der Inschrift nach eben nicht von falscher Schmeichelei geprägt ist, sie ist Ausdruck der Künstlerinspiration und des erfolgreichen spanischen Mäzenatentums. Wie in einer Komödie verwendete Ribera die Namen der Dargestellten, um sie und ihre Rolle zu charakterisieren: Magdalena Ventura und Felici de Amici bezeugen »Glück« und »Freundschaft«.

8 Nicoletto da Modena (zugeschrieben): Franz I. von Frankreich in der Rolle antiker Götter, um 1545, Öl auf Holz, Paris, Bibliothèque Nationale

Zwischen zwei Kulturen Das Gemälde wurde bereits kurz nach seiner Fertigstellung in die sevillanische Residenz des Herzog von Alcalá gebracht, der Casa de Pilatos, und dort im Esszimmer ausgestellt. Die Residenz war zu Alcalás Zeiten ein Begegnungsort von Künstlern, Philosophen und Literaten; jenen Literaten, die vehement für die Nobilitierung der spanischen Malerei fochten, sich in der sevillanischen Akademie Francesco Pachecos zum humanistischen Austausch zusammenschlossen und dort in der Nachfolge des Akademiegründers Juan de Mal Lara auch die Texte des Erasmus von Rotterdam studierten und diskutierten. Mit dem Bildnis der Magdalena Ventura inszenierte der Mäzen Alcalá eine raffinierte Antwort auf die Kritik seiner gebildeten Freunde.43

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Das Bildnis der bärtigen Magdalena Ventura und ihrer Familie wurde in der italienischen Fremde als sinnreiches Kabinettstück für eine spanische Elite konzipiert, die – beeindruckt von den Leistungen der italienischen Künstler – Misstände im eigenen Land offen legte. Hinter der emblematischen Struktur des Gemäldes versteckt, reagierten Ribera und sein Auftraggeber auf die einheimische Kritik an spanischen Künstlern und Mäzenen. Dabei wussten beide geschickt ihre Stellung zwischen den Kulturen auszunutzen. Während der Vizekönig von Neapel als Auftraggeber des Gemäldes sein großes mäzenisches Verdienst und seine Bedeutung im System des römisch-italienischen clientelismo vorführen ließ, inszenierte sich Ribera darin als gebildeter und vor allem genialer spanischer Maler. Nachdem seine Karriere als Kopist und Nachahmer der fremden, italienischen Kunst begonnen hatte, entwickelte Ribera in Neapel unter den spanischen Vizekönigen und im Kreis der italienischen Elite einen auf italienischer Kunsttradition fußenden eigenen Stil. Hinter einem grausam konfrontierenden Realismus spielte Ribera mit den Bildkonventionen und Topoi der fremden Kultur, um sie mal wortgetreu und offenkundig, ein anderes Mal verfälscht und verdeckt zu übernehmen. Bewusst überschritt Ribera die an der römischen Akademie erlernten Konventionen und Dekorumsvorschriften. Die Darstellung Magdalena Venturas als bärtige Maria, die Verkehrung von Apelles zum Maler grotesker Schönheit, aber auch der in höfischer Manier posierende Felici de Amici, der seine Hände in weibischer Porträtart vor seinem Körper faltet, dienten dem Ziel, Grenzen der italienischen Kunstschule aufzuzeigen und diese zu sprengen. José de Ribera war nicht nur ein eklektizistischer Nachahmer der Fremde, sondern viel mehr ein genialer Geist seiner Heimat; ein genialer Geist, der sich aber nur in der Stellung Riberas zwischen zwei Kulturen hat entwickeln können. Ribera war sich dessen bewusst und so verwundert es nicht, dass er dem spanischen Kunstschriftsteller Martínez auf die Frage, warum er nicht nach Spanien zurückkehren wolle, wo er dort doch so gefeiert sei, antwortet: »Quien está bien no se mueva« (»Wem es gut geht, der soll sich nicht bewegen«).4 4

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1 Zitiert nach Giuseppe De Vito: Ribera e la svolta degli anni trenta. Ricerche sul ’600 napoletano, Milano 1983, S. 43: »Nelle stanze del V.Re stava un pittore famosissimo facendo un ritratto di una donna Abruzzese maritata e madre di molti figli, la quale ha la faccia totalmente virile, con più di un palmo di barba nera bellissima, ed il petto tutto peloso, si prese gusto sua Eccellenza di farmela vedere, come cosa meravigliosa, et veramente è tale.« 2 In der Forschung kursiert das Gerücht, dass Magdalena der Bart in der Hochzeitsnacht gewachsen sei. Zum Ärger ihres Gatten habe der Bart auf andere Männer einen unwiderstehlichen Reiz ausgeübt. Das Gerücht stellt Magdalena in die Nachfolge der Heiligen Wilgefortis, in Spanien »Liberata« genannt, deren Legende seit 1350 besteht. Wilgefortis wuchs nach einem Gebet an Christus ein Bart, um der Hochzeit mit einem Heiden zu entgehen; vgl. Alberto Manguel: Bilder lesen, Berlin u. München 2001, S. 112 f. 3 Zum Herzog von Alcalá vgl. Jonathan Brown u. Richard L. Kagan: The Duke of Alcalá: His Collection and Its Evolution, in: The Art Bulletin 69/1987, S. 231–255. 4 »En magnu natura / miraculum / Magdalena Ventura ex / oppido acumuli apud / samnites vulgo el a / bruzzo regni neapoli / tani annorum 52 et / quod insolens est cù / annun 37 ageret coe / pit pubscere eoque / barba demissa ac pro / lixa ext ut potius / alicuius magistri babati / esse videatur quam mu / lieris quae tres filios / ante amiserit quos ex / viro suo Felici de Amici / quem adesse vides ha / buerat / Josephus de Ribera his / panus christi cruce / insignitus sui / temporis alter apelles / jussu Ferdinandi II / ducis III de Alcala / neapoli proregis ad / vivum mire depinxit / XIIII kalnd mart / anno CIDD CXXXI« (»Ein großes Naturwunder / Magdalena Ventura aus einer Stadt bei Accumoli, gemeinhin Samnites genannt, in den Abruzzen des Königreichs Neapel, 52 Jahre alt. Erstaunlich ist, dass sie im Alter von 37 Jahren sehr haarig wurde und ihr ein so langer und voller Bart zu wachsen begann, dass er mehr der eines bärtigen Mannes als der einer Frau zu sein scheint, die drei Söhne von ihrem Ehemann Felici De Amici empfangen hat, den du hier dargestellt findest. Jusepe de Ribera, Spanier, ausgezeichnet mit dem Kreuz Christi, ein neuer Apelles seiner Zeit, malte sie auf Wunsch von Fernando II., dem dritten Herzog von Alcalá, dem Vizekönig von Neapel, in wunderbarer Weise nach dem Leben, am 14. März des Jahres 1631«); Übersetzung nach Michael Scholz-Hänsel: Jusepe de Ribera, Köln 2000, S. 58. 5 Die inscriptio des Bildes wurde bisher nicht publiziert. Einzig die Fundación Casa Ducale de Medicaneli veröffentlichte sie auf ihrer Homepage; vgl. http://es.fundacionmedinaceli.org/coleccion. Die Formulierung »oculis mirabile monstrum« bezieht sich auf die Textstelle Vergil, Aneis VIII, 80, in der sich der Traum Aeneas, auf eine weiße säugende Wildsau zu treffen, bewahrheitet. 6 Vgl. Ottmar Tönz: Curiosa zum Thema Brusternährung. Von stillenden Vätern, bärtigen Frauen und saugenden Greisen, in: Schweizerische Ärztezeitung 81/2000, S. 1058–1063. 7 Vgl. James Clifton: Ad vivum mire depinxit. Toward a Reconstruction of Ribera’s Art Theory, in: Storia dell’Arte 83/1993, S. 111–131. 8 »Josephus de Ribera his / panus christi cruce / insignitus sui / temporis alter apelles / jussu Ferdinandi II / ducis III de Alcala / neapoli proregis ad / vivum mire depinxit / XIIII kalnd mart / anno CIDD CXXXI«; Übersetzung nach Scholz-Hänsel 2000, S. 58. 9 Clifton erläutert in diesem Zusammenhang ausführlich die bestehende Rivalität zwischen Ribera als Naturalist und Domenichino als Klassizist, der als Auswärtiger in Neapel begehrte öffentliche Aufträge erhielt und so die Feindschaft einheimischer Künstler auf sich zog. Dieser in der Forschung immer wieder hervorgehobene Aspekt wird in meinem Aufsatz bewusst vernachlässigt. 10 Vgl. Sebastian Schütze: Arte Liberalissima e Nobilissima. Die Künstlernobilitierung im päpstlichen Rom – Ein Beitrag zur Sozialgeschichte des Künstlers in der frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für Kunst-

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geschichte 3/1992, S. 319–352, S. 346. Die Bezeichnung alter Apelles wurde wohl erstmals in der Grabinschrift für Fra Angelico verwendet, der 1455 starb. In der Renaissance wurden die Künstler regelrecht dazu aufgerufen, mit Apelles in Wettstreit zu treten, um die Malerei zu nobilitieren beziehungsweise in den Stand der ars liberalis zu heben; vgl. Martin Warnke: Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers, Köln 1985, S. 58; Oskar Bätschmann u. Pascal Griener: Holbein-Apelles. Wettbewerb und Definition des Künstlers, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 57/1994, S. 626–651; Karin Hellwig: Die spanische Kunstliteratur im 17. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1996, S. 115 ff. 11 Vgl. Clifton 1993, S. 120. 12 Ein zeitgenössisches Beispiel von einem Porträt mit emblematischer Struktur ist Velázquez’ La venerable madre Jerónima de la Fuente von 1620 (Madrid, Museo del Prado), deren Lebensbeschreibung (inscriptio) jedoch nachträglich eingefügt worden sein soll; vgl. Zahira Véliz: Retratos de sor Jerónima de la Fuente. Iconografía y función, in: Velázquez (hrsg. v. Svetlana Alpers et al.), Barcelona 1999, S. 397–411. 13 Vgl. Justus Lange: »Opere veramente di rara naturalezza«. Studien zum Frühwerk Jusepe de Riberas, Würzburg 2003; Nicola Spinosa: Ribera. L’opera completa, Neapel, 2. Auflage 2006. 14 Über Azzolino gibt es bisher keine monografische Arbeit, doch wurde seine bedeutende Stellung als Mittelsmann und Künstler in Neapel erkannt. Er unterhielt freundschaftliche Kontakte zu Marcantonio Doria in Genua und zu anderen elitären Kreisen, in die er Ribera einführte; vgl. Flavia Ferrante: Giovan Bernardino Azzolino tra tardomanierismo e protocaravagismo: nuovi contributi e inediti, in: Pierluigi Leone De Castris (Hrsg.): Scritti di storia dell’arte in onore di Raffaello Causa, Neapel 1988, S. 133–141; Viviana Farina: Giovan Bernardino Azzolino: il mancato soggiorno genovese e l’interesse per Ribera, in: Prospettiva 93–94/1999, S. 158–164. 15 Vgl. Bernardo De Dominici: Vite de’ pittori, scultori ed architetti napoletani, Bd. III, Neapel 1742, S. 4. 16 Dombrowski verweist bezüglich Spindel und Spinnrocken auf den Wettstreit zwischen Minerva und Arachne und folgert, Ribera habe in La mujer barbuda die Fehler der göttlichen Natur darstellen und Partei für die Kunst der Arachne ergreifen wollen; vgl. Damian Dombrowski: Die Häutung des Malers. Stil und Identität in Jusepe de Riberas Schindung des Marsyas, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 2/2009, S. 215–246, S. 230 ff. 17 Vgl. Gaius Plinius Secundus: Naturkunde: lateinisch-deutsch, Buch XXXV (hrsg. v. Roderich König u. Gerhard Winkler), Zürich, 2. Auflage 1997, § 50. 18 Zur künstlerischen Wiederbelebung der Vierfarbenmalerei vgl. John Gage: A »locus classicus« of Colour Theory: The Fortunes of Apelles, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 44/1981, S. 1–26; Michael P. Fritz: Im Wettstreit mit der »Malenden Natur« und den Meistern der Vorzeit. Gedanken zu einem Frühwerk Giulio Romanos in Paris, in: Revue de la Faculté des lettres de l’université de Lausanne 3–4/1999, S. 77–84. 19 Zwar zeigen gerade die Philosophen- und Heiligenbilder Riberas eine Beschränkung auf nur wenige Farben, das Nebeneinanderstellen der vier Farben Gelb, Rot, Weiß und Schwarz findet sich offensichtlich aber in keinem anderen seiner Werke. 20 Vgl. Plinius d. Ä. 1997, § 86. 21 Schon Scholz-Hänsel bemerkte die Ähnlichkeit der Konstellation mit der der Heiligen Familie; vgl. Scholz-Hänsel 2000, S. 58. Ihm folgt mit dem Hinweis auf den Typus der Virgo lactans Susanne Thiemann: Sex trouble: Die bärtige Frau bei José de Ribera, Luis Vélez de Guevara und Huarte de San Juan, in: id. u. Judith Klinger (Hrsg.): Geschlechtervariationen. Gender-Konzepte im Übergang zur Neuzeit, Potsdam 2006, S. 47–78, S. 56.

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22 Vgl. Protevangelium des Jakobus: Die Ankündigung der Geburt Jesu, Kap. 11,1, in: Klaus Berger u. Christiane Nord (Hrsg.): Das Neue Testament und die frühchristlichen Schriften, Frankfurt am Main u. Leipzig, 2. Auflage 2005, S. 1326. 23 In der Sinnbildkunst findet sich das Motiv ebenfalls bei der Darstellung der Natura, die Welt säugend, in der Tradition der Diana Ephesus. Bereits Clifton verweist auf diese Motivanlehnung in Zusammenhang mit Riberas Naturalismus; vgl. Clifton 1993, S. 126. 24 In der spanischen Kunstliteratur entbrennt bereits im 16. Jahrhundert eine Diskussion um die Mißstände einheimischer Kunst; vgl. Hellwig 1996, S. 55–74. 25 Man denke nur an die langwierigen Bestrebungen von Diego Velázquez, in den Ritterorden der Santiagos aufgenommen zu werden; vgl. Warnke 1985, S. 206–209; id.: Velázquez. Form und Reform, Köln 2005, S. 142 f. 26 Vgl. Jusepe Martínez: Discursos practicables del nobilísimo arte de la pintura [um 1625], Reprint, Madrid 1988, S. 99: »[...] así juzgo que España es madre piadosa de forasteros y cruelísima madastra de los propios naturales.« 27 Zu jener Zeit scheint sich Spanien immer mehr vor den anderen Nationen zu verschließen und sich noch entschiedener als im vorhergehenden Zeitalter zu »hispanisieren«. Paradoxerweise zu einem Zeitpunkt, an dem die spanische Kultur sein Siglo de Oro feiert und sich großen intellektuellen Einfluss in Europa sichert; vgl. Ricardo García Cárcel: La leyenda negra. Historia y opinion, Madrid 1992, S. 42–97. 28 So spricht Ludovico Carracci bereits 1618 in einem Brief lobend von einem Heiligen Martin in Parma, den Ribera gemalt habe, und erklärt seine eigenen Fähigkeiten für geringer als die des spanischen Kollegen; vgl. Lange 2003, S. 260 (Dok.-Nr. 8). 29 So galt beispielsweise sein Gemälde Der Heilige Lukas beim Malen der Madonna von etwa 1614 (in mehreren Kopien erhalten, unter anderem in Neapel, Galleria dell’Accademia di Belle Arti), das Ribera für die Römische Accademia di San Luca malte, früher als eigenhändiges Werk Raffaels; vgl. Alfonso E. Pérez Sánchez: El San Lucas pintado a la Virgen de Ribera, in: Ars Auro Prior. Studia Joanni Bialostocki Sexagenario dicata, Warschau 1981, S. 403–406; Dombrowski 2009, S. 223. /

30 Dort lautet die Signatur: »Josephus de Ribera, Hispanus, Valentin / et academicus Romanus faciebat / Partenope 1626«. 31 Vgl. Francisco Calvo Serraller: Teoría de la Pintura del Siglo de Oro, Madrid 1981; Mateo Revilla Uceda: Ribera en la tratadistica española, in: Napoli nobilissima 20/1981, S. 85–101; Hellwig 1996, S. 55 ff. 32 Vicente Carduchos Diálogos de la pintura, su defensa, origen, esencia, modos y diferencias erschien 1633 in Madrid, Francisco Pachecos El Arte de la Pintura, su antigüedad y grandezas […] erschien 1649 in Sevilla, und Jusepe Martínez’ Discursos practicables del nobilísimo Arte de la Pintura entstand in Zaragoza um 1673, wurde aber erst zweihundert Jahre später publiziert. 33 Vgl. Hellwig 1996, S. 62 ff. 34 Bereits 1618 wird Ribera in einem Brief des Kunstagenten Cosimo del Sera an seinen Sekretär Andrea Cioli für seine buone invenzioni gelobt; vgl. Lange 2003, S. 277 (Dok.-Nr. 37); entsprechend bei Joachim von Sandrart: Academie der Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste von 1675 (hrsg. v. Rudolf Arthur Peltzer), München 1925, S. 278, § 85; Antonio Palomino: El museo pictorico, y escala optica. El parnaso español pintoresco laureado, Madrid 1724, S. 310–313, Buch 3, § 88. Zudem betonte Pacheco, dass Ribera in Neapel

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mit berühmten Werken die spanische Nation vertrete; vgl. Francisco Pacheco: El Arte de la Pintura, Reprint, Madrid, 2. Auflage 2001, S. 191 / S. 404, Buch 1, Kap. VII / X. 35 Vgl. Hellwig 1996, S. 65. 36 Eines der bekanntesten Beispiele aus den kunsttheoretischen Schriften ist Francisco Pachecos Biografie von Diego Velázquez; vgl. Hellwig 1996, S. 108 ff. 37 Zur Bedeutung der Besuche von Fürsten im Atelier ihres Hofmalers nach dem Vorbild des Besuchs Alexanders bei Apelles sowie zu den zahlreichen anekdotischen Berichten in der Kunstliteratur des 16. Jahrhunderts vgl. Warnke 1985, S. 294 ff. 38 Vgl. Schütze 1992, S. 339. 39 Vgl. Thiemann 2006, S. 57 ff. 40 So reagiert in Macbeth der Anführer des königlichen Heeres Banquo verwundert auf die bärtigen Hexen; vgl. William Shakespeare: Tragedies, Reprint, London 1971, S. 558 I/3, Z. 45–47: »… you should be women, / And yet your beards forbid me to interpret / That you are so«. 41 Vgl. Renate Kroll: Die Amazone zwischen Wunsch- und Schreckbild. Amazonomanie in der frühen Neuzeit, in: Klaus Garber (Hrsg.): Der Frieden. Rekonstruktion einer europäischen Vision, München 2001, S. 521–537. 42 Erasmus von Rotterdam: Fürstenerziehung. Institutio Principis Christiani – Die Erziehung eines christlichen Fürsten (hrsg. v. Kurt Kluxen), Paderborn 1968, S. 130, Kap. II (De adulatione vitanda principi): »Hos mire depinxit Plutarchus in libello cui titulum fecit, Quomodo dignosci possit amicus ab adulatore« (»Die hat Plutarch in seinem Buch Wie man einen Freund von einem Schmeichler unterscheiden kann glänzend dargestellt«). 43 Zu Alcalás besonderer Stellung als Mitglied der Akademie Pachecos in Sevilla vgl. Jonathan Brown: Imágenes e ideas en la pintura española del siglo XVII, Princeton 1978, S. 31 ff.; id.: Velázquez – Maler und Höfling, München 1988, S. 1 ff.; Brown u. Kagan 1987, S. 231 ff. 44 Martínez 1988, S. 99.

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A FOREIGNER’S VIEW Anthony Van Dyck and the Artifice of Kingship CHRISTIANE HILLE

A Vision of Sovereign Power Celebrated by art history as the most finely rendered portrait of a seventeenth-century European monarch, Anthony van Dyck’s Charles I in the Hunting-Field from 1635 has repeatedly been remarked upon for the air of informality that lingers upon the live-size de-piction of the first English king to govern his country in Personal Rule |fig. 1|.1 Confronting the image, in fact, evokes the feeling of intruding into a leisurely moment of royal privacy, a disruption which causes Charles to turn his head in an inquisitive glance. Standing on a subtly orchestrated hillside that opens the view over the countryside, the king is shown as he takes a short rest from the hunt. Van Dyck has transformed the iconographic models of the royal rider and hunter into a more sublime depiction of royal power, displaying the king dismounted from his horse rather than commanding it, illustrating the superior position of his sitter by the carefully arranged composition of the scene itself. The horse, itself correctly proportioned but slightly reduced in its relation so as not to dominate the figure of the king, subserviently paws the ground, while in the trees above Charles’ head, nature seem to form a canopy of state that matches the stone-pedestal raising his position above that of the spectator. Like a stage set just entered by its protagonist, Van Dyck’s composition displays the king without the stately apparel of majesty, but in a fashionable, gentlemanly manner. What is projected is a vision of sovereign power as a force of nature.

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1 Anthony van Dyck: Charles I in the Hunting-Field, 1635, oil on canvas, 266 × 207 cm, Paris, Musée du Louvre

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2 Titian: Man with Quilted Sleeve, 1510, oil on canvas, 81,2 × 66,3 cm, London, National Gallery

The illusion of majestic grandeur evoked by Van Dyck’s composition appears perfected to the extent that art historical study of the painting has bypassed the canvas’ most particular detail: the king’s elbow, prominently protruding out of the picture and ultimately pointing towards a particular concept of mimesis that places Van Dyck’s painting into a wider discourse of representation hitherto unconsidered in its context.2 Previously noted as a mere emphasis of the natural distance between sovereign and subject, the tradition in which the king’s pose has wittingly or unwittingly been related is the gesture of the self-possessed male elbow, which in the northern Netherlands of the seventeenth century, as has been first shown by Joaneath Spicer, achieved the status of a national attribute in the portraits of the alert, proud regent class.3 Perceived as a provocative sign of the sitter’s control over the space separating him from the beholder, the so-called »Renaissance elbow« has been discussed in regard to the body language of artistic self-imagining and the general question of self-assertion in the Renaissance world. Apart from raising questions of iconographic descent, however, the paintings brought forth in this discussion – i.e. Titian’s Man with Quilted Sleeve

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from 1510, Evert van der Maes’ Standard-bearer from 1617, and finally, Rembrandt’s Standard-bearer as a Landsknecht also from 1636 – all place the topos of the elbow in the field of artistic debate of the verisimilitude of painting and its role in the dynamics of representation. As a model for Van Dyck’s radical depiction of the king’s elbow, Titian’s Man with Quilted Sleeve that was arguably acquired by Van Dyck for his own collection shortly before his death in 1641 and is today in the National Gallery, London, places both compositions in a painterly tradition concerned with the negotiation of painting’s material fact (Eigenwirklichkeit), against its pictorial illusion |fig. 2|. The sketchy and impasto paint handling and attention to texture with which the sleeve of Titian’s nobleman billows out of the image and invades the space of the beholder already exhibits the particular approach towards the materiality of painting by which Titian and the painters of sixteenth-century Venice would reform the late-Renaissance concept of mimesis; a discourse taking the rather opposite path in English painting of the same time.4

The Beginning of a New Tradition Choosing to depict Charles’ silhouette in profile, Van Dyck achieved a sense of communication between the image of the king and its beholder that broke with the traditional en-face depiction of the monarch, whose full frontal likeness sought to acknowledge the legal claim of sovereign rule in the loyal gaze of its onlooker. Charles’ head, however, is turned to the side, while his body indicates the inner direction of the scene. His gaze transgresses the space of the painting, meeting his beholder’s eyes in front of the canvas. The king’s gaze is mirrored in the alignment of his elbow that, seemingly piercing the edge of the painting’s illusionistic space, emphasises the material fact of the image and its nature as a painted representation. Rather than concealing it, Van Dyck’s portrait of Charles I signifies the presence of the canvas as the material surface that enables to re-present the power of the monarch in form of a painted mimesis. Put forward to the beholder’s consideration is not merely the material disposition of the mimetic image, but – the painting being a life-size portrait of England’s first king deciding to rule without recourse to Parliament – the material disposition of sovereign kingship itself. Painted by a Flemish artist who had travelled to Venice straight from his first, brief visit to the English court in 1621, the canvas testifies to the conjunction of two previously separate and very differently evolving discourses on the nature of representation; one conducted by a group of sixteenth-century Italian painters in search for a more sensualist experience of mimetic illusion, the other carried out in Renaissance portraits of the English monarch that began to look increasingly remote from artistic developments on the continent. While Venetian artists like Giorgione and Titian had explored the still emerging technique of oil painting to create a more potent sense of reality in their compositions, English

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painting of the sixteenth century increasingly focused on obliterating the medial substance of the painted image. Breaking with a tradition that celebrated optical illusion as a testimony to artistic bravura, those Venetian artists introduced a way of painting that offered a sensual contemplation of its material fact, enhancing their compositions by a quality of particular vividness. In England, on the contrary, it was just this capacity of illusionistic painting to magnify the presence of the human figure that was at odds with the political role of the image in a country where painters became increasingly attacked as purveyors of deceit. The dispute against the painting, which saw its first climax under Edward VI and another under Elizabeth I, developed into a nationalistic mentality that promoted the Protestant Reformation that fostered the English rule without papal consent. As the only maor power in sixteenthcentury Europe, England encouraged iconoclasm not only in government policy, but by its monarch’s personal decree.5 Illusionistic painting in the manner of Flemish realism continued to be practiced at the English court during the 1570s and 1580s, but it was clearly out of fashion. The strict control of the Tudor Queen over the images approved for her portrait was demonstrated not only by the replacement of images of Christ with her coat of arms, but by the fact that Nicholas Hilliard, Elizabeth’s favourite painter, was called upon to devise the famous Mask of Youth, which rendered her likeness eternally young by way of denying her physical reality. Understanding painting as a moral concept, the artist of Elizabeth’s Pelican Portrait, painted around 1574 |fig. 3|, a committed Protestant, based his justification of figurative art on »the truth of the line, […] which is not shamed with the light, nor needs to be obscured«. He assigned shadow to the realm of betrayal, namely the betrayal of Christ by Judas, »the traitorous act done by the night«.6 Drawn from this doctrinaire understanding of line and shadow, the portraits of Elizabeth decreased in illusionism, seeking to present not a painted image but an emblem of majesty. Substituting substance for pattern, the portrait of the Queen promoted an ethically and politically defined visualization rather than an image of her human figure, rendering Elizabeth into an ageless icon of perpetual sovereign power. Her body diminished into an ornament of textile emblems, Elizabeth’s face became the mask of majesty, standing out against the darkness of her dress or background, like the sun against the dark of the universe.7 The Hilliardian doctrine of the truth of the line established an aesthetic paradigm not unlike the concept of disegno, that most fundamental aesthetic principle of the Italian Renaissance asserting the theoretical and practical primacy of drawing as the essential foundation of the arts. Modeling form and proportion of the painted image on a well-defined contour that attested the line, artists working in the Florentine-Roman tradition had developed their compositions in detailed drawings before transferring them to the surfaces prepared for painting. Linked not only to the notion of intelletto and giudizio, the notion of disegno was also tied to that of idea, which, in its implied delimitation of the flesh and its phenomenological substance from the concetto of the figure shared an essential paradigm with the Hilliardian practice of limning. Notwithstanding men like Sir Henry Wotton,

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3 Nicholas Hilliard: Elizabeth I (Pelican Portrait), 1575, oil on panel, 78,7 × 61 cm, Liverpool, Walker Art Gallery

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whom the Puritan rejection of the image led to raise his voice in defence of the arts, this neo-Platonic anti-illusionism of the high-Elizabethan icon was carried well into the practice of early-Stuart portraiture of William Larkin and Robert Peake, whose portraits of the Stuart aristocracy account for the fact that commenting on Van Dyck’s arrival at the court of Charles I in 1632, scholars still emphasise the state of painting in England at the time as outdated and obsolete. Puritan attacks on the »idolatrous« relation between the material image and its divine prototype not only produced a mutual consciousness of the distinction between the visual cultures of Italy and the North that was heightened by artistic and commercial rivalry, but also a recognition of the manufactured nature of the image and its perception as self-consciously artful. Considering Van Dyck’s role as a painter of the Flemish school working at the post-iconoclastic court of early seventeenth-century England, references to the Venetian tradition thus clearly exceed the question of style, urging for a more general discussion of Van Dyck’s establishment of a career abroad. During his first, brief sojourn in London from November 1620 to February 1621, Van Dyck had studied the portraits originating from the patronage of Henry VIII, then in the collection of the Earl of Arundel.8 Those and the pictures in the collection of the royal household would serve as models for the memorial portraits of the late Prince Henry, Charles’ elder brother, who had died in 1612 at the age of eighteen. This and the portrait of Charles’s father, King James I, were painted by Van Dyck on commission of Queen Henrietta-Maria in 1636–1637 for the collection of full length family portraits in the Cross Gallery at Somerset House.9 Patronage of painting at the Stuart court had shifted from an essentially doctrinaire understanding of the art work to the acquisition of objects desired à la mode. With his marriage to Henrietta-Maria, sister of the catholic king Louis XIII of France in 1625, England’s new monarch had heralded the beginning of not only a novel era in the country’s foreign politics, but of a new understanding of monarchic rule altogether; a rule for which Charles sought a painter able to render his vision into an image.

A Flemish Transfer of Italian Achievement Travelling to Italy, Van Dyck, too, had further developed the manner and style of his painting. Returning to London on invitation of King Charles after more than a decade abroad, the artist brought with him a knowledge of the visceral quality of Titian’s brushwork. The paramount importance of Titian for the Flemish master is amply documented in the profusion of drawings after the former’s paintings that Van Dyck compiled from zealous and unremitting study in his Italian sketchbook.10 The artist who, earlier in 1620–1621 had designed two allegoric portraits for the Duke of Buckingham and is still often misjudged as the mere follower of Rubens, broke with the mythological compositions of his master and predecessor in the shaping of Stuart court art. Rather than continuing with the fabrication of painted mythologies and iconographic designs that Inigo Jones had promoted by introducing

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the perspective illusionism of Italian Renaissance painting to his court masque productions for James I, and which Rubens subsequently had transferred to his design for the ceiling of Whitehall Banqueting House, Van Dyck reinvented the English royal portrait as referring to no supposed metaphorical, anecdotal, or historical idea but rather simply provided a painted image of the king. Clad in a plain but handsome costume, the figure of Charles I in the Hunting-Field speaks for itself. No red robe, no fur-coat underlines his royal identity. The King, in fact, stands, with one of his gloves pulled off, in ostentatious leisure, as he turns his head towards the beholder, declining him his full frontal view. His upright pose with an elegant sidestep, the short crimson breeches over the heeled boots, the radiant silver-grey of his silken jacket, the hat worn at a fetching slant; all work to give the impression of a figure so superior that it naturally exhibits the effortless elegance that has repeatedly been 4 Raphael: Portrait of Count Baldassare Castiglione, 1514–1515, oil on canvas on panel, 82 × 67 cm, Paris, understood by art historical scholarship as eviMusée du Louvre dence for the supposedly non-intellectual, mannered style of Van Dyck’s English period, presenting a decline from the artist’s previous work.11 The opposite, in my contention, is the case. Reconsidering the king’s pose, its nonchalant, cultivated negligence, the painting bears a relation to the sprezzatura of Baldassare Castiglione’s Il libro del cortegiano from 1528, whose translation into English appeared in print in 1561 and, though first perceived mainly as a courtesy book for the improvement of manners, quickly became associated with new modes of aristocratic courtliness as collecting and connoisseurship.12 Though the Dutch translation of the Cortegiano was published only as late as 1662, Raphael’s portrait of Castiglione was copied by Rubens and Joachim von Sandrart still in Van Dyck’s lifetime |fig. 4|. Like the Courtier-Poet, Rubens worked on diplomatic missions, and like him, Rubens was employed by the Gonzaga family, which makes it more probable that the interest of Van Dyck’s master was directed at the sitter rather than the painter. Interestingly enough, Rubens, who himself paid much attention and effort to obtain a courtly style in his conduct and writing, in his own version of Raphael’s painting, failed to achieve the very impression of effortless grace and natural comportment characterising the original |fig. 5|. Where Raphael’s compositional technique succeeds in enhancing the dignity and

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self-control of the ideal courtier by an impression of vivacity that radiates from his silhouette, Rubens’ copy presents a more elongated, frail body, lacking the weightiness and figural grace afforded by its model. The intellectual alertness conveyed by Raphael’s sitter, translates in Rubens to an anxious gaze and an expression of silent concern that is underlined by a now full depiction of Castiglione’s hands that here are clasped more in awkward despair than in careful composure. Contrary to Rubens’s prominent association with Castiglione, no such evidence sheds light on Van Dyck’s reception of the Italian manual on the artifice of grace and courtliness. In fact, the longstanding critique that no learned content was implied in his compositions has led scholars to neglect the question of the book’s influence on Van Dyck, even if the casual elegance imparted especially by his paintings from the English period of 1634–1642, and Charles I in the HuntingField in particular have been noted for their 5 Peter Paul Rubens (after Raphael): Baldassare Castiglionian air of sprezzatura.13 Like Charles’ Castiglione, 1620, oil on panel, 89,5 × 67,5 cm, London, Courtauld Gallery absolute power, this sprezzatura, Ann Bermingham concludes, »appears to come from nowhere but God«.14 This argument of the English monarch’s claim to absolute power being conveyed through the naturally graceful pose of his »private body«, however, confuses cause for effect. Alluding to Charles’ rule without Parliament in the decade of its commission, Van Dyck’s Charles in the Hunting-Field has been understood as a device in the king’s promotion of himself as a private man of virtue, whose affinity to the Castiglionian ideal of courtliness inspired the composition of his portrait.15 Bermingham, in this context, relates Charles’ pose to the contemporaneous title page of an English courtesy book by Richard Braithwait, published in 1630 and entitled The English Gentleman |fig. 6|.16 Though the graphic depiction of Braithwait’s Gentleman indeed bears resemblance to Van Dyck’s composition, its model, in my contention, is rather to be found in Holbein’s canonical portrayal of Henry VIII as the icon of chivalric monarchy, whose brawny pose of arms akimbo and legs apart has been adjusted to a more refined impression |fig. 7|. Van Dyck’s composition for the 1635 hunting portrait of his king and patron, in fact, is more probably a result of the artist’s pictorial inventiveness than an outline requested by Charles himself; a practice at the time employed only by the Duke of Buckingham. On the

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6 Robert Vaughan: Frontispiece from Richard Brathwait »The English Gentleman«, 1630, New Haven, Yale University, Beinecke Rare Book Library

7 Remigius van Leemput (after Hans Holbein’s destroyed »Whitehall Mural« from 1537): Portrait of Henry VIII, oil on canvas (detail), London, Hampton Court Palace

canvas’ completion, the king, in fact, refused to pay its full price, offering only half of what had been agreed on. Van Dyck’s decision for the king’s particular pose arguably has to be seen in the context of the artist’s larger attempt to fashion his own image and position at the English court as England’s Apelles, whose artistic ingenium was perfected by a Castiglionian courtliness affecting both his social identity and his artistic practice. Thus the iconography of the »Renaissance elbow«, as a full figured, hand-on-hip pose in strict profile bears reference not only to the portrait of the rising self-consciousness of the mercantile class in the northern countries, but to the iconographic tradition for the depiction of the courtier. An early example can be found in the second panel of the Miracles of San Bernadino from the school of Pietro

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Perugino that depicts the figure of a courtier in flamboyant costume with the very same, albeit not quite as accomplished foreshortening of the elbow as Van Dyck’s portrait of the English king (Perugia, Galleria Nazionale dell’Umbria).17 Produced in early Renaissance Perugia, the panel was conceived contemporaneously to Castiglione’s literary depiction of the figure of the courtier. Here it evidently crafted an iconographic model that was passed down and ultimately linked to that of Goltzius’ Standard-bearers, which itself formed a model for the posthumous depiction of England’s most prominently self-fashioned courtier of Van Dyck’s time, the Duke of Buckingham. An engraving by Renold Elstrack, clearly alluding to Buckingham’s artful courtliness and today in the collection of the British Museum, shows a posthumous depiction of the Duke |fig. 8|, whose likeness can only be identified by the imprint in two lines: »The Most Noble George Villiers Duke of Buckingham, Stabb’d by Felton 1629 [recte: 1628] aged 36 years. He was a great Favourite of K. James and K. Charles I«.18 8 Renold Elstrack: The Most Noble George Villiers Duke of Buckingham, c. 1630, engraving, 27, 9 × 18 cm, London, British Museum

Van Dyck and Franciscus Junius: A Discourse in »spr ezzatura« Working for the inner circle of the aristocratic collectors attached to the court of Charles I, Van Dyck partook in the social discourse around and negotiation of this new ideal in English courtliness, which embraced the Castiglionian model of the self-fashioned, eloquent and cultivated courtier as integral for the role and identities these men sought to exemplify. Courtiers like George Villiers, first Duke of Buckingham and Thomas Howard, fourteenth Earl of Arundel, had come to embody the new breed of the English virtuoso, as he was described in the 1634 Complete Gentleman by Henry Peacham, who is credited with introducing the term to the English language.19 Peacham was employed as the tutor of Arundel’s son, together with the Dutch scholar Franciscus Junius who had gained employment in the

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Earl’s household as librarian in 1621, and described his patron as the »epitome of Castiglione’s Courtier«.20 With his patron’s encouragement, Junius, whose mother, like Van Dyck’s, was from Antwerp, wrote the first art-historical treatise of this scale to appear in England, published first as De picture veterum in 1637.21 Dedicated to Charles I and divided into three books, the work presented an erudite anthology of aesthetic judgement gathered from antique and contemporary treatises on art and fashioned into Junius’ own, comprehensive theory on art’s moral purposes and origins. To demonstrate his argument on the worth and dignity of art’s imitation of nature, the text draws on the authority of Castiglione, Vasari, Lomazzo, Armenini, Dürer, but also Philip Sidney’s Defence of Poesie from 1595 and Henry Wotton’s Elements of Architecture from 1624, whose writings on the history and theory of the visual arts were available to him in Arundel’s library. According to a letter from Gerardus Vossius to Junius written on the 23rd of April 1636, publication of the first edition of De pictura veterum began almost a year after plan, as the press of William Beau in Amsterdam was running hot with commissions at that time. Enclosed with the letter, however, were two proofs of the first fourteen quires of Junius’ book, »in order for you to share one copy with a friend«, who has been thought to be Van Dyck.22 It is less this, than the fact that in the whole corpus of the letters to and from Junius that have been preserved, not a single one was addressed by Junius to Van Dyck, while Van Dyck’s one letter, likewise, is the only one that the artist ever seems to have written to his friend, which indicates that the intellectual exchange between the two compatriots was predominately an oral one. As van Romburgh has emphasised in her introduction to the complete edition of those letters, their relatively small number of 226 and the scarcity of those sent over a short distance suggests that Junius seems to have preferred face-to-face conversations over correspondence with those he saw on a regular basis. Aiming at a more general accessibility of his work in Britain, Junius translated a revised edition of the De pictura into English and published it in 1638 as The Painting of the Ancients. It was followed in 1641 by a Dutch edition entitled De schilder-konst der oude begrepen in drie boecken dedicated to Prince Frederick Henry of Orange and accompanied by a poem by Junius, a letter of dedication by his nephew Jan de Brune. It is this edition which carries as its frontispiece Junius’ portrait that Wenceslaus Hollar had engraved after Van Dyck’s original, and which has repeatedly been raised as evidence that Van Dyck, rather than being involved in the formation of the book and its arguments, was presented only with its published result. A letter to Vossius from 22 May 1635, however, documents Junius’ work on a vernacular edition of the text even before the Latin text was published.23 This, and the fact that this vernacular edition was greatly extended by additional quotations, which, as has been pointed out by Maria-Isabel Pousão-Smith, involved a more direct consideration of artistic technique puts the treatise in context of a more general assessment of art criticism according to its different, regional schools and the translation of technical expressions.2 4 Referring to the contest between Apelles and Protogenes in one of those additional passages of De schilder-konst, Junius addresses the Dutch notion of loosigheid, a pictorial term denoting the

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adroit and supple handling of the paintbrush, which, as Pousão-Smith has compellingly argued, is equated with that of sprezzatura.25 The difference between this Dutch application of sprezzatura and that in Italian art theory derived from a differing emphasis in the term’s double implication: The first being the dissimulation of effort and artistry – as it was emphasised in the Italian reading – and the other, as elaborated by Junius, the manual skill of the painter’s hand in working the image’s surface, his dexterity and agility in movement that created the desired effect. Perceived by Vasari as the epitome pictorial sprezzatura in his second edition of the Vite, it was the sketchy palpability of its brushwork and the Venetian colorito that elevated the painting of Titian, especially his later manner of pittura di macchia to become the model for the artistic practice necessary to emulate the Castiglionian ideal. While Italian art theory thus valued the Venetian master for the impression of ease and weightlessness evoked by his bold brush, it was this very boldness in the brush’s handling, which the Northern painters, with their heightened attention for questions of painterly technique held in utmost esteem. Having travelled in Italy, Van Dyck would certainly have been familiar with the ideal of effortless artfulness in both noble behaviour and painting that the reading and translation of Il libro del cortegiano promoted not only at the Italian courts, but at that of the English king. Stemming from a school of painting that concentrated on the physically worked character and material property of the image, the artist was arguably highly aware that there was a technical side to the accomplishment of the artistic courtliness that invoked Apelles’ much cited criticism of Protogenes, who did not know when to remove his hand from his work.

England’s Apelles and the »sprezzatura« of Kingship Van Dyck’s choice to model his hunting portrait of the English king after a compositional effect famously explored by Titian, whose painterly assessment of the quilted sleeve clearly addresses the tactility of painting, must hence strike us as the artist’s impetus to contributing to the tradition of the ideal portrait which would demonstrate the sprezzatura of his art and person and elevate him to the long succession of master painters worthy of calling themselves the Apelles of their time. Before Van Dyck, another painter coming to England from abroad had felt challenged to demonstrate his skill by rendering his sitter in the iconic pose: Hans Holbein, on returning to London from Basel in the summer of 1532, had painted Derich Born, a 23-year-old merchant of the Hanseatic League in the very pose |fig. 9|, adding the detail of a Latin inscription on his depiction of a stone balustrade: »Derichvs si vocem addas ipsissimvs hic sit / hvnc dvbites pictor fecerit an genitor / der[ichvs] born etatis svae 23. Anno 1533« (»Here is Derich himself: Add voice and you might doubt if the painter or his father created him. Der[ich] Born aged 23, in the year 1533«). Erasmus had used the same figure of speech in reference to Dürer’s 1498 Self-Portrait in the Prado, for which he praised the painter as the new Apelles, and which probably was the model for both,

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Holbein and Titian. Cited by the most ambitious painters of their time, the jetting elbow became a topos for a claim to an artistic superiority known from only the greatest painter of antiquity. England’s court painter of the next generation, Sir Peter Lely, Van Dyck’s compatriot, follower in style and royal painter of Charles II, would choose the pose for his self-portrait from around 1660. On his return to England in 1632, Van Dyck had been appointed »principalle Paynter in ordinary of their Majesties«, a title bestowing on him a golden chain, a knighthood and a yearly pension of £ 200 sterling, a fact that releases Charles I in the Hunting-Field from consideration as a painted application for a career at court. The invention, rather, of the unusual composition and the coining of a novel iconography for his dominant painterly task at the time – the royal portrait – stirred from the painter’s wish for immortal fame, for a place in the annals of the history of great painting as it was just being compiled by his friend Junius for the artists of antiquity. The canvas is traditionally discussed for its depiction of a new quality in kingship 9 Hans Holbein: Portrait of Derich Born, 1532, oil on oak, 60,3 × 45,1 cm, Windsor Castle, Royal – the leisurely grandeur of a gentleman monarch, Collection whose right to rule derives not from the power of his office but the perfect comportment of his personal self, and which, in this quality still has not been fully grasped, especially not in its significance for the portraits and representation of Louis XIV. Considering the artistic discourse involved in such crafting of royal sprezzatura, the canvas, however, reveals an even more nuanced portrait of its painter than of his sitter, exemplifying his role in joining the artistic schools of the Continent in the invention of a novel tradition of English painting. Taking to the theme of the hunting-portrait, Van Dyck decided on a subject just rising to fame and importance in the Velázquez’s depiction of Philipp IV, but long established in the English tradition of royal portraiture. Painted by Robert Peake the Elder in 1603 and for the Flemish artists to see in the royal collection, the image of Charles’ elder, but deceased while young brother, Henry, Prince of Wales was prominently remembered in a hunting scene – since Xenophon a symbol of noble training in warfare and self-command. Showing the Prince, almost life-size, at the age of nine, the composition entitled Henry, Prince of Wales, and Sir John Harington is one of the first paintings in England to place the sitter in a landscape setting |fig. 10|. The portrait, as has been pointed out by Roy Strong, introduced the theme

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10 Robert Peake the Elder: Henry, Prince of Wales and Sir John Harington, 1603, oil on canvas, 201 × 147 cm, New York, Metropolitan Museum of Art

11 Robert Peake the Elder: Henry, Prince of Wales, c. 1605–1608, oil on canvas, 133 × 90 cm, Turin, Palazzo Reale

of Le Roi à la chasse, a title often referring also to Van Dyck’s canvas, inspired probably by George Turbervile’s Book of Hunting from 1575.26 Looking out of the canvas in a firm demand for the courtesy of his beholder, the young Henry is depicted in the moment that he pushes back his sword into its sheath, with which he has just killed an imperial stag. The Prince’s pose, with his legs set wide apart, resembles that of Henry VIII in Holbein’s iconic depiction of the Tudor king, while the composition of the scene, the far stretched view down into the landscape, and especially the horse and the waiting servant, clearly formed the model for Van Dyck’s later hunting-portrait. In 1605–1608 Peake painted a relating scene of the Prince, showing Henry modeled after Hendrick Goltzius’ print of Titus Manlius Torquatus, from his 1586 series of Roman Heroes |Abb. 11|.27 Peake shows the Prince drawing his sword while standing on a tiltyard shield bearing his impresa. His elbow pierces the screen of the composition in a similar manner as Van Dyck’s later portrait of Henry’s younger brother as king. The canvas, which is today in the Palazzo Reale in Turin, left England as possession of the Duke

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of Savoy in 1611. It seems probable, however, that it might have been described to Van Dyck, when he took up the commission for Charles’ portrait. The Flemish painter – as we can only speculate – might have been sensitive to the fact that the late Prince, depicted in this position, was about to slice the canvas with his sword, and hence destroy his own representation. Produced more than three decades after Peake’s depictions of his elder brother, Van Dyck’s composition rather shows Charles in a pose echoing the bodily dynamic of the late Prince of Wales, but translates what in the former alludes to a chivalric ideal of princely virtue into a Castiglionian perfection of royal sprezzatura. Placing his monarch on a small hill in the plain countryside, the Flemish master conveys Charles’s sovereign status without the traditional insignia of kingship, crown, sceptre, and the imperial orb, or allegories of his royal virtues at his side. The portrait instead focuses to evoke an image of Charles’ sovereign nature, his natural embodiment of royal power that evolves from no lawful descent or dynastic heritage, to which the picture denies every reference, but from the natural dignity of his body and person. Crafting an image of kingship unknown to any portrayal of a monarch before, obtainable only by a new Apelles, Van Dyck fashioned himself occupied with the creation of the royal image, as the maker of his king. By piercing the sphere of illusion, Charles’ jutting elbow exposed what the Hilliardian doctrine of the Tudor royal portrait had sought to deny – the material fact of the image. Van Dyck’s composition succeeded to display both the king and the act of his representation, demonstrating princely power as intertwined with the skill of the artist. Offering the iconic sign for artistic nobility and technical perfection, Charles’ elbow, other than those of Dürer’s, Holbein’s, Titian’s dark-clad sitters, is shown in bright and shimmering white, a colour denying any possibility to hide uncertainties of the brush in indistinction but compelling its most accurate and skilful handling. When Bellori in 1672 referred to Van Dyck as having deservedly acquired the greatest name that any portraitist had merited since Titian, as »besides capturing a likeness, he gave the heads a certain nobility and conferred grace on their actions«, this praise clearly exceeded questions of style. Much in the same way as Castiglione had symbolically put a picture-frame around his portrait of Urbino, figuratively labeling his book a ritratto di pittura, and thereby identifying it as a work of art, Van Dyck employs the jutting elbow as an act of seeming reluctance to supply a completely convincing illusion of reality. Alluding to the reflection of Castiglionian sprezzatura in, both, the Italian sense of a behavioural, and the Northern sense of a technical ideal, Van Dyck effectively claimed for his own painting the aesthetic presuppositions and modes of analysis that English connoisseurs had trained in contemplation of the Renaissance masters.

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I wish to thank Uwe Fleckner, Hendrik Ziegler, Maike Steinkamp and Ulrich Pfisterer for reading earlier versions of this text, and offering valuable critical suggestions. For further reading please see Nicola Suthor: Bravura. Virtuosität und Mutwilligkeit in der Malerei der Frühen Neuzeit, München 2010; Catherine MacLeod: The Lost Prince. The Life and Death of Henry Stuart, exhibition catalogue, National Portrait Gallery, London 2012; both of which were published after the manuscript of this text was finished. 1 Studies devoted to the painting include Julius S. Held: »Le Roi à la Chasse«, in: Art Bulletin 40/1958, pp. 139–149, reprinted in Anne W. Lowenthal, David Rosand and John Walsh Jr. (ed.): Rubens and His Circle: Studies by Julius Held, Princeton 1982, pp. 65–79; John F. Moffitt: »Le Roi a la chasse«? Kings, Christian Knights, and Van Dyck’s Singular »Dismounted Equestrian-Portrait« of Charles I, in: Artibus et Historiae 4/1983, pp. 79–99; R. Malcolm Smuts: Court Culture and the Origins of a Royalist Tradition in Early Stuart England, Philadelphia 1987, pp. 172–177; Christopher M. S. Johns: Politics, Nationalism and Friendship in Van Dyck’s »Le Roi à la Chasse«, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 51/1988, pp. 243–261; Stephen Deuchar: Sporting Art in Eighteenth-Century England, New Haven and London 1988, pp. 30 ff.; John Peacock: The Politics of Portraiture, in: Kevin Sharpe and Peter Lake (ed.): Culture and Politics in Early Stuart England, London 1994, pp. 199–256, p. 224 f.; Insa Christiane Hennen: »Karl zu Pferde«. Ikonologische Studien zu Anton van Dycks Reiterporträts Karls I. von England, Frankfurt am Main 1995, pp. 103 ff. (Europäische Hochschulschriften, vol. 28); David Howarth: Images of Rule. Art and Politics in the English Renaissance. 1485–1659, London 1997, pp. 132 ff.; Claudia Blümle: Souveränität im Bild. Anthonis van Dycks Reiterporträt Karls I., in: Horst Bredekamp (ed.): Visuelle Argumentationen. Die Mysterien der Repräsentation und die Berechenbarkeit der Welt, Munich 2006, pp. 79–101. 2 Traditionally perceived as a model for the scene is the hunting picture of the Flemish painter Paul van Somer of Charles’ mother, Queen Anne of Denmark, from 1617, now in the Royal Collection, and the imperial figure of Peter Paul Rubens’ sketch for Triumphant Rome in the Constantine Cycle which has been said to display »practically the same posture«; see Julius S. Held: The Oil Sketches of Peter Paul Rubens, vol. II, Princeton 1980, cat. n° 52; Susan J. Barnes et al. (ed.): Van Dyck. A Complete Catalogue of the Paintings, New Haven and London 2004, cat. n° IV.50. All of which, however, depict the elbow from the side but never in the full-frontal manner that seemingly pierces the canvas. 3 Joaneath Spicer: »The Renaissance Elbow«, in: Jan Bremmer and Herman Roodenburg (ed.): A Cultural History of Gesture. From Antiquity to the Present Day, Cambridge 1993, pp. 84–128. 4 See Valeska von Rosen: Mimesis und Selbstbezüglichkeit in Werken Tizians. Studien zum venezianischen Malereidiskurs, Emsdetten 2001; Nicola Suthor: Augenlust bei Tizian. Zur Konzeption sensueller Malerei in der Frühen Neuzeit, Munich 2004. 5 See Margaret Aston: England’s Iconoclasts. Laws of Images, Oxford 1988; John Phillips: The Reformation of Images. Destruction of Art in England, 1535–1600, Berkeley 1973. 6 Nicholas Hilliard: Treatise concerning the Arte of Limning [1598] (ed. by R. K. R. Thornton and T. G. S. Cain), Ashington 1981, pp. 85 ff.; Susan Foister: Sixteenth-Century English Portraiture and the Idea of the Classical, in: Lucy Gent (ed.): Albion’s Classicism. The Visual Arts in Britain, 1550–1660, New Haven 1995, pp. 163–180. 7 On Elizabeth’s Mask of Youth see Mary E. Hazard: The Case for »Case« in Reading Elizabethan Portraits, in: Mosaic 23/1990, pp. 61–88. 8 See Kristin Lohse Belkin: Van Dyck and Holbein. Sixteenth-century Northern Sources, in: Hans Vliehge (ed.): Van Dyck 1599–1999. Conjectures and Refutations, Turnhout 2001, pp. 113–126. 9 Barnes et al. 2004, cat. n° IV.141.

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10 The sketch-book is today in the collection of the British Museum and covers the six years between 1621 and 1627. The most detailed account on Van Dyck’s travel in Italy remains Lionel Cust: Van Dyck, London 1906; see as well Maria Grazia Bernardini: Il viaggio in Italia. 1621–1627, in: id. (ed.): Anton van Dyck. Riflessi italiani, Milano 2004, pp. 56–61; Luciano Arcangeli: Van Dyck a Roma, ibid., pp. 82–85; Christopher Brown: Van Dyck and Titian, in: Görel Cavalli-Björkman (ed.): Bacchanals by Titian and Rubens, Stockholm 1987, pp. 153–160; Oliver Millar: Van Dyck in England, London 1983; Erica TietzeConrat: Das Skizzenbuch des Van Dyck als Quelle für die Tizianforschung, in: Critica d’arte 3/1949, pp. 425–442; Anton van Dyck: Italienisches Skizzenbuch (ed. by Gert Adriani), Wien 1940. Generally on the importance of Titian for the work of Van Dyck see Christopher Brown: Van Dyck, Oxford 1982; id.: Van Dyck and Titian, in: Cavalli-Björkman 1987, pp. 153–164. 11 See Erik Larsen: L’opera completa di Van Dyck 1626–1641, Milan 1980. Millar ascribes this supposed decline to Van Dyck’s beginning illness and an overload of commissions, see Oliver Millar: Van Dyck in England, exhibition catalogue, National Portrait Gallery, London 1983. 12 See Peter Burke: The Fortunes of the Courtier. The European Reception of Castiglione’s Cortegiano, Cambridge 1995; for the concept of sprezzatura in portraiture see Uwe Fleckner: »Pourquoi une belle esquisse nous plaît-elle plus qu’un beau tableau?« Fragonard, Diderot et l’éloquence du pinceau dans quelques portraits du XVIIIe siècle, in: Thomas W. Gaehtgens et al. (ed.): L’art et normes sociales en France au XVIIIe siècle, Paris 2001 (Passages / Passagen, vol. 2), pp. 509–533. 13 See Emilie Gordener, who alludes to sprezzatura in regard to the looseness and nonchalance of attire in Van Dyck’s portraits. Emilie Gordenker: Anthony van Dyck (1599–1641) and the Representation of Dress in Seventeenth-Century Portraiture, Turnhout 2001, pp. 61–62. And, although in a brief remark only, Christopher Brown: Velázquez, Rubens y Van Dyck. Pintores Corteanos del Siglo XVII, Madrid 1999. In regard to the hunting portrait of Charles I, Ann Bermingham states: »The only word we have to describe it is sprezzatura, for in this portrait Charles is the complete embodiment of Castiglione’s ideal.« See Ann Bermingham: Learning to Draw. Studies in the Cultural History of a Polite and Useful Art, New Haven 2000, p. 59. 14 Ibid., p. 60. 15 See ibid., p. 61. 16 See ibid., p. 62. 17 Cf. Perugino. Il divin pittore, exhibition catalogue, Galleria Nazionale dell’Umbria, Perugia 2004, p. 184–189. 18 See Arthur M. Hind: Engraving in England in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, Cambridge 1955, 3 vols., vol. II (The Reign of James I), p. 166. 19 The term is introduced with a new section on the collecting of antique statues, coins and inscriptions, as it was added to the third edition, see Henry Peacham: Peacham’s Complete Gentleman [1634] (ed. by G. S. Gordon), Oxford 1909, p. 52: »The possession of such rarities, by reason of their dread costliness, doth properly belong to Princes, or rather to princely minds. […] Such as are skilled in them, are by the Italians termed Virtuosi.« 20 See Burke 1995, p. 97. 21 On Junius’ life and occupation in England, see Philipp Fehl, Keith Aldrich and Maria Raina Fehl: Franciscus Junius and the Defense of Art, in: Artibus et Historiae 2/1981, pp. 9–55; Philipp Fehl: Access to the Ancients. Junius, Rubens and Van Dyck, in: Rolf H. Bremmer Jr. (ed.): Franciscus Junius F.F. and his Circle, Amsterdam 1998, pp. 35–70.

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22 See Letter of Gerardus Johannes Vossius, Amsterdam, to Franciscus Junius, London, 23rd April 1636, in: Sophie van Romburgh (ed.): »For my Worthy Friend Mr Franciscus Junius«. An Edition of Correspondence of Francis Junius F. F. (1591–1677), Leiden 1981, pp. 552–555, doc. n° 106. Van Romburgh based her identification of the »friend« mentioned by Vossius on a letter from Van Dyck to Junius, doc. n° 110a–b, wherein the painter expresses his gratitude for receiving a copy of the book. 23 See ibid., doc. n° 102. 24 For Junius’ particular emphasis on artistic practices in the Dutch edition of De picturam, see MariaIsabel Pousaão-Smith: Sprezzatura, Nettigheid and the Fallacy of »Invisible Brushwork« in SeventeenthCentury Dutch Painting, in: Jan de Jong et al. (ed.): Virtus. Virtuositeit en kunstliefhebbers in de Nederlanden. 1500–1700 (Nederlands kunsthistorisch Jaarboek, vol. 54), Zwolle 2004, pp. 258–279. 25 Pousão-Smith demonstrated that the identification of sprezzatura with loosigheid entailed the pictorial idiom of nettigheid, which has previously been read as in opposition to the term, i.e. as a particularly precise handling of the brush as its material trace, see ibid., p. 271. 26 See Roy Strong: Henry Prince of Wales and England’s Lost Renaissance, London 1986, p. 114 ff. 27 See Huigen Lee Flang and Ger Luijten: Hendrick Goltzius (1558–1617). Drawings, Prints and Paintings, Amsterdam 2003, pp. 89–92.

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REISE ALS KÜNSTLERISCHE ERFAHRUNG

MIT EIGENEN UND MIT FREMDEN AUGEN Versailles in Christoph Pitzlers Reiseskizzenbuch von 1686 FLORIAN DÖLLE

Ein Rundgang in Wort und Bild Der aus dem Herzogtum Weißenfels bei Leipzig stammende Architekt Christoph Pitzler (1657–1707) begab sich zwischen 1685 und 1687 auf eine Europareise, die ihn unter anderem auch nach Frankreich führte. Während seines zwanzigmonatigen Aufenthalts in Paris besuchte er, vermutlich im Sommer 1686, das Schloss und die Gartenanlagen von Versailles sowie die Ménagerie und die umliegenden Lustschlösser Trianon de Porcelaine und Marly. Während seiner Reise führte Pitzler ein Tagebuch, in dem er Beschreibungen und erläuternde Skizzen der von ihm besichtigten Anlagen festhielt, wovon 31 Seiten auf die Schlossund Gartenanlagen von Versailles entfallen.1 Als reisender Architekt und als Verfasser eines Reisetagebuchs über seinen Besuch der Residenz Ludwigs XIV. ist Pitzler kein Einzelfall geblieben. Jedoch stellen seine Notizen die früheste heute noch bekannte Beschreibung des Schlosses von Versailles in deutscher Sprache dar und liefern durch ihre Informationsdichte in der Verbindung von Text und Bild ein herausragendes Beispiel der Versaillesrezeption am Ende des 17. Jahrhunderts. Umso mehr verwundert es, dass diese Quelle in ihrer Gesamtheit bisher keiner umfassenden Bearbeitung unterzogen wurde.2 Der Verfasser des Tagebuchs war als Adjunktus der Silberkammer in den Diensten des Weißenfelser Herzogs Johann Adolf I., als er 1685 in dessen Auftrag eine dreijährige Europareise durch Deutschland, die Niederlande, Frankreich und Italien unternahm. Eigentlich war

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diese Reise dem Sohn des herzoglichen Landbaumeisters, Johann Moritz Richter d. J., bewilligt worden, jedoch verließen Vater und Sohn vorher aus unbekannten Gründen das Herzogtum Weißenfels. Johann Adolf muss von Pitzlers Interesse für Architektur und Fortifikation überzeugt gewesen sein, da er ihn stattdessen auf die Europareise schickte und nach seiner Rückkehr zum Landbaumeister in Weißenfels ernannte.3 Christoph Pitzler ist heute aufgrund fehlender überkommener Bauten kaum als Architekt bekannt; seine wichtigste Hinterlassenschaft ist sein Skizzenbuch, das ursprünglich als 1052 Seiten starker Quartband mit Ledereinband im Format 16,5 mal 20,5 Zentimeter in der Bibliothek der Königlich Technischen Hochschule zu Berlin-Charlottenburg vorlag. Seit 1945 gilt es als Kriegsverlust, jedoch haben sich große Teile, darunter die 31 Seiten zu Versailles, als Fotografien in der Grafischen Sammlung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg erhalten. Das Skizzenbuch besteht aus drei Abschnitten: Beschreibungen der Europareise und weiterer Reisen in Deutschland sowie Abschriften verschiedener Traktate, vor allem zur Fortifikation. Der erste Abschnitt trägt den Titel: »Mein, Christoph Pitzlers Reysebeschreibung durch Teutschland, Holland, Spanische Niederlande, Franckreich und Italien, Was in demselben meiner Profession zuständig Merckwürdiges gesehen, bloß zur nachricht endworffen und beschrieben« und bezieht sich auf die Tagebucheinträge Pitzlers von 1685 bis 1688, worunter auch der Aufenthalt in Versailles fällt.4 Pitzlers Skizzenbuch ist doppelseitig beschrieben und umfasst, neben Seiten mit reinem Fließtext und solchen, die ausschließlich Skizzen zeigen, mehrheitlich Seiten, die Wort und Bild in einer für Pitzler charakteristischen Weise miteinander verbinden. Der Text wurde in einer barocken Kurrentschrift geschrieben und lediglich französische und lateinische Eigennamen in lateinischen Buchstaben hervorgehoben. Das handschriftliche Manuskript war vermutlich nicht zur späteren Veröffentlichung, sondern als persönliches Anschauungsmaterial und Inspirationsquelle bestimmt. Denn Pitzler konnte davon ausgehen, nach seiner Rückkehr die Stellung eines Hofarchitekten und damit verbundene Bauaufgaben übertragen zu bekommen. Dafür spricht auch, dass Pitzler vor allem die zeitgenössische Architektur der von ihm besuchten Länder im Skizzenbuch aufnahm. Denkbar ist auch die zusätzliche Funktion als Rechenschaftsbericht für den Herzog, mit dem der Einsatz der hohen Kosten einer dreijährigen Europareise begründet werden sollten. Die Reihenfolge der 31 Seiten über Versailles lassen darauf schließen, dass Pitzler während seines Besuches einen Rundgang in den Schloss- und Gartenanlagen Ludwigs XIV. unternommen hat. Der Abschnitt beginnt nach einer kurzen bauhistorischen Einleitung zu Versailles mit den Außenanlagen vor dem Schloss wie den Stallungen, den Vorhöfen sowie den Schlossfassaden zur Stadt hin.5 Anschließend beschreibt er das Schlossinnere mit dem Grand Escalier, dem Grand Appartement du Roi, der Grande Galerie und dem Escalier de la Reine.6 Darauf folgen die Schlossfassade zum Garten mit ihrem Statuenprogramm sowie eine Darstellung der Gesamtanlage des Gartens mit Orangerie, Kanal und den Lustschlössern Ménagerie, Trianon de Porcelaine und Marly.7 Von der Machine de Marly und den Reservoirs kommt Pitzler zum Schloss zurück, wo er mit der Kirche Notre-Dame in der Stadt

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Versailles endet.8 Hinzu kommen Seiten mit Abbildungen des Gartens.9 Eine solche Erfassung lässt keine systematische Herangehensweise Pitzlers erkennen. Deshalb erscheint es weniger sinnvoll, bei der folgenden Untersuchung nach der Reihenfolge seiner Einträge vorzugehen. Vielmehr soll an das Material mit zwei übergeordneten Fragestellungen herangetreten werden: zum einen mit der Frage nach der Informationsbeschaffung oder der Herkunft von Beschreibungen und Wertungen, die in schriftlicher oder bildlicher Form in den Versaillesteil eingeflossen sind, zum anderen mit der Frage nach den thematischen Schwerpunktsetzungen bei Pitzlers Erfassung und Interpretation der Schloss- und Gartenanlagen. Abschließend sollen daraus allgemeine Rückschlüsse auf die Zugänglichkeit und die Besuchsmodalitäten des Schlosses von Versailles im späten 17. Jahrhundert gezogen werden.

Beschreibung und Lektüre Bei allen geschriebenen und gezeichneten Inhalten, die Pitzler zu Versailles handschriftlich hinterlassen hat, lässt sich die Frage nach den Quellen seiner Informationen stellen, also nach der Herkunft des Wissens, das dem Text oder den Zeichnungen des Skizzenbuchs zugrunde liegt. Für den Textteil lassen sich zwei Arten von Informationen unterscheiden. Einerseits stellen Pitzlers Notizen Beschreibungen dar, die er aus eigenständigen Beobachtungen vor Ort gemacht und mit eigenen Worten formuliert hat; dazu hat er offenbar keine fremden Quellen herangezogen. Die meisten seiner Berichte über die eingesetzten Materialien oder seine Beschreibungen der Fassaden- und Raumgliederungen gehören zu dieser Kategorie. Andererseits liefert Pitzler Informationen, die über reine Beschreibungen hinausgehen und für die ein erweitertes Wissen aus zweiter Hand anzunehmen ist, etwa bei französischen Eigennamen oder Funktionsbezeichnungen bestimmter Gebäudeteile. Bei diesen Textstellen im Skizzenbuch fällt die häufige Verwendung französischer Begriffe auf, die durch die Schreibweise in lateinischen Buchstaben besonders hervorgehoben werden. Das Vorkommen französischer Begriffe lässt auf eine Quelle der gleichen Sprache schließen, die Pitzler offenkundig zur Verfügung gestanden haben muss. Denkbar wäre ein ortskundiger französischsprachiger Reisebegleiter oder Schlossführer, von dem Pitzler das erweiterte Wissen erhalten haben könnte, was jedoch bisher nicht nachweisbar ist. Dagegen zeigt sich deutlich, dass Pitzler bei der Verfassung seines Abschnitts über Versailles einen gedruckten Reiseführer in französischer Sprache verwendet hat.10 Bei einem Vergleich seiner Darstellung der Versailler Gartenfassade mit Beschreibungen zeitgenössischer französischer Versaillestraktate fallen tatsächlich erhebliche Übereinstimmungen zu einer anonymen Description du Chasteau de Versailles von 1685 auf.11 Diese Beschreibung ist ein etwas erweiterter, anonymer Nachdruck der offiziellen Schlossbeschreibung André Félibiens, des historiographe du Roy Ludwigs XIV., mit dem Titel Description sommaire du Chasteau de Versailles en 1674.12 Die deutlichen Übereinstimmungen des Tagebuchs mit dem anonymen, auf Félibien zurückgehenden Text zeigen sich darin, dass Pitzler einige Formulierungen

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wörtlich und teils in lateinischer Schrift übernommen hat, andere Begriffe aus dem Französischen ins Deutsche übersetzte |Abb. 1|. Folgende Gegenüberstellung jeweils eines Ausschnitts aus beiden Texten zeigt dies beispielhaft: »Diese façade hat 3. avantcorps ou Balcons uf welche man die 12. Monath gesezt, und zwar Monath Mars, d’Avril, May et de Juin zur rechten, mitten Juillet, Aoust, Septembre et Octobre, zur linken Novembre Decembre, Janvier et Febrier, darhinder in bas relief Kinder so den Monath zuständige actiones machen, in untersten Stock in Schloßsteinen sind Menschen Köpfe, Manns und Weibes, von der Kindheit 10. Jahr biß 100. Zur Seiten des Blumen Gartens hat es auch 3. avantcorps, uf ersten steh[en] 4. Figur[en], Flore, Zephire, Hyacinte et Clytie […].«13 »La Façade principale qui regarde le Parterre d’eau, est ornée de trois Avant-corps ou Balcons, ayant quatre colomnes, ce qui a donné lieu d’y mettre douze Figures; Et ce nombre de douze a déterminé à y représenter les douze Mois de l’année […]. Les Mois de Mars, d’Avril, de May & de Juin sont sur le Balcon du Pavillon à droit. Les Mois de Juillet, Aoust, Septembre & Octobre sont sur les Balcons du milieu de la Terrasse, & les Mois de Novembre, Decembre, Janvier & Février sont sur le Balcon du Pavillon à gauche. Dans les Basreliefs qui ornent les dessus des croisées de cette Façade, sont representez de petits Enfans qui s’occupent à des exercices convenables à chaque Mois & à chaque Saison. Dans les Clefs de l’Appartement bas l’on y doit representer des testes ou masques d’hommes & de femmes depuis l’enfance jusques à la derniere vieillesse; c’est-à-dire depuis douze ans jusques à cent ans […]. Du costé du Jardin à fleurs […] Cela a donné la pensée de mettre sur le premier Avantcorps ou Balcon quatre Figures qui president aux fleurs, sçavoir Flore qui en est la Deesse; Le Zephire qui est son amant […]; Hyacinte favory du Soleil, & Clytie amante du Soleil […].«14 Der Textvergleich der beiden Ausschnitte zeigt in anschaulicher Weise, wie Pitzler für die Darstellung des Statuenprogramms der Gartenfassade in seinem Skizzenbuch den entsprechenden Abschnitt aus der anonymen Description übernommen hat, wobei er Monatsnamen und Eigennamen von Göttern wortwörtlich abschreibt, andere Textteile Wort für Wort oder sinngemäß ins Deutsche übersetzt, wieder andere Teile auslässt und so eine eigene Beschreibung erstellt. Durch die Übersetzung der französischsprachigen Vorlage und durch die geschickte Vermischung mit seinem eigenen Wortlaut generiert er einen neuen Text, dem die Herkunft nicht mehr auf den ersten Blick anzusehen ist. Lediglich die häufige Verwendung französischer Eigennamen gibt einen Hinweis auf die fremde Urheberschaft. An mehreren Stellen im Abschnitt über Versailles seines Skizzenbuchs geht Pitzler nach diesem Schema vor. In einem einzigen Fall entnimmt er die Beschreibung der verwendeten Materialien der Description, nämlich bei den Marmorarten im Grand Appartement du Roi.

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1 Christoph Pitzler: Gartenfassade des Schlosses von Versailles, 1686, Reproduktion aus dem verlorenen Skizzenbuch von 1685–1688, fol. 132, Berlin, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Grafische Sammlung

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Weiterhin nutzt er die Vorlage bei der Darstellung der Statuen der Aisles des Communs im Schlosshof und bei seiner historischen Einleitung zu Versailles. In den Beschreibungen der Grande Galerie, des Grand Escalier und der Lustschlösser Ménagerie, Trianon und Marly hingegen hat Pitzler, nach bisherigem Kenntnisstand, keine Vorlage genutzt. Pitzler verwendete – wie gesagt – eine 1685 anonym herausgegebene Description der Schloss- und Gartenanlagen, die allerdings den Nachdruck einer bereits 1674 erschienenen ersten Fassung darstellt. Der Nachdruck, den Pitzler bei seinem Besuch 1686 in den Händen hielt, bildete demnach einen veralteten Zustand der Anlage ab, die beständigen Veränderungen unterworfen war. So wird im Führer von 1685 noch die an der Gartenfassade bestehende Terrasse erwähnt, an deren Stelle allerdings schon ab 1678 die Grande Galerie errichtet worden war.15 Pitzler scheint sich der Veränderungen nur teilweise bewusst gewesen zu sein, denn er beschreibt die Terrasse zwar nicht (obwohl sie in der Description selbstverständlich vorkommt), erwähnt jedoch die bas reliefs, die mit Errichtung der Grande Galerie und der Vergrößerung der Fenster des Obergeschosses ebenfalls wegfallen sind und damit 1686, wie die Terrasse, nicht mehr existierten. Die zugehörige Skizze des fünfachsigen Mittelrisalits des Corps de Logis zeigt hingegen den tatsächlichen Zustand zum Zeitpunkt seines Besuchs mit Grande Galerie und ohne die Reliefs. Der Tagebuchschreiber ist beispielhaft für einen Reisenden, der für die Darstellungen in seinem Skizzenbuch nicht nur eigene Beschreibungen sondern auch eine bereits bestehende, in diesem Fall französische Schlossbeschreibung verwendet. Diese Vorgehensweise bot, neben dem Vorteil der Zeitersparnis, auch den Vorzug, den angewandten Wortschatz zu erweitern und damit die Informationsdichte zu erhöhen. Den Kenntnisstand Félibiens beziehungsweise der anonymen Description hätte Pitzler schwerlich erreichen können. Fraglich bleibt, ob der Weißenfelser Architekt die Description bereits im Reisegepäck mit nach Versailles brachte oder ob diese vor Ort für Besucher zugänglich war.16

Bauaufnahme vor Ort und kopierte Vorlagen Die Frage nach den Quellen Pitzlers lässt sich nicht nur für seine Beschreibungen, sondern ebenso für die Zeichnungen im Skizzenbuch stellen. Hierbei lassen sich drei Gruppen von Informationsquellen ausmachen. Zunächst sind das Skizzen, die auf der Grundlage eigener Beobachtung angefertigt wurden und für die keine fremden Quellen benutzt wurden. Es ist anzunehmen, dass Pitzler in Schloss und Garten von Versailles direkt vor Ort in sein Skizzenbuch in Graphit gezeichnet und die so entstandenen Linien erst später mit Tinte oder Tusche nachgezogen hat. Dieses Vorgehen lässt sich beispielsweise bei den zahlreichen Fassadenansichten oder Innenraumskizzen vermuten, die sich durch die schnelle Skizzierweise aus freier Hand ohne Einsatz eines Lineals in ihrer Zeichenart ähneln. Auch weisen sie dickere Strichstärken und einen geringeren Detailreichtum auf. Beispielhaft sind dafür die Skizzen der Grande Galerie |Abb. 2|. Pitzler zeigt eine der Schmalseiten und den

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2 Christoph Pitzler: Grande Galerie, 1686, Reproduktion aus dem verlorenen Skizzenbuch von 1685–1688, fol. 129, Berlin, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Grafische Sammlung

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3 Christoph Pitzler: Orangerie, 1686, Reproduktion aus dem verlorenen Skizzenbuch von 1685–1688, fol. 136, Berlin, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Grafische Sammlung

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Ausschnitt einer Längsseite. Von einigen Ungenauigkeiten abgesehen, wie dem oberen Abschluss der Schmalseite, gibt Pitzler einen korrekten Aufriss der Wand wieder. Oben auf der Seite zeigt Pitzler Skizzen der Ausstattung des Grand Appartement du Roi. Für Zeichnungen dieser Art im Skizzenbuch werden die Räumlichkeiten im Schloss als unmittelbare Vorlagen gedient haben. Daneben liefert Pitzler solche Skizzen, die vor allem Grundrisse, Schnitte und Lagepläne abbilden und sicherlich nicht vor dem Original sondern durch Abzeichnen bestehender Abbildungen, etwa Pläne oder Grafiken, entstanden. Beispielhaft sei dafür die Skizze der Orangerie vorgestellt |Abb. 3|. Pitzler zeigt die Orangerie auf der linken Seite in Aufsicht mit der Balustrade und den Treppenstufen, auf der rechten Seite hingegen als Grundriss mit Mauerstärken und einer innen liegenden Treppenanlage. Zudem vermaßt er die gesamte Zeichnung. Es ist unwahrscheinlich, dass Pitzler diese Skizze allein aus der Beobachtung vor Ort heraus angefertigt hat. Auch grafische Ansichten der Orangerie dürften eine solche Informationsdichte nicht aufweisen können. Daher ist zu vermuten, dass Pitzler Einblick in Baupläne erhalten hat, die ihm die entsprechenden Angaben lieferten. Auch bei den Skizzen zum Hauptpavillon von Marly oder der Kirche Notre-Dame de Versailles verfügte Pitzler über entsprechende Schnitte und Grundrisse, die wahrscheinlich Bauakten entnommen wurden. Wie der reisende Architekt die Einsicht in diese Dokumente und vor allem die Erlaubnis zum Kopieren derselben bekommen konnte, muss zurzeit jedoch unbeantwortet bleiben. Auch über Kontakte zu Architekten am französischen Hof ist nichts bekannt, selbst wenn nicht ganz ausgeschlossen ist, dass er solche geknüpft haben könnte.17 Schließlich gibt es Skizzen von Pitzler, die sich am Ende des Abschnitts über Versailles befinden und durch feinere Strichstärken, eine größere Detailfülle und die Verwendung eines Lineals charakterisiert sind. Zudem bilden die meisten von ihnen Vogelperspektiven oder Ansichten aus größerer Entfernung ab, was gegen eine Entstehung vor dem Original spricht und damit ebenfalls die Frage nach bestehenden Abbildungsvorlagen aufwirft. In seinem Skizzenbuch zeigt Pitzler beispielsweise eine Doppelseite mit Ansichten der Ménagerie und des Trianon de Porcelaine |Abb. 4|. Nicht nur der Blick aus der erhöht liegenden Position macht es wahrscheinlich, dass Pitzler diese Skizzen von einer bestehenden Darstellung übernommen hat. Für das Trianon lässt sich beispielsweise nachweisen, dass der Architekt einen undatierten Stich aus der Sammlung Veües des plus beaux endroits de Versailles abgezeichnet hat und dabei selbst geringfügige Einzelheiten wie die Wandverzierungen übernahm |Abb. 5|. Jedoch hat er die grafische Reproduktion nicht vollständig kopiert, sondern nur deren linke Seite detailliert dargestellt und Staffagefiguren weggelassen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Pitzler sich sowohl beim Beschreiben als auch beim Zeichnen vergleichbarer Herangehensweisen der Informationsbeschaffung bediente. Neben den vor Ort selbstständig beschriebenen und skizzierten Teilen finden sich solche, die von fremden Schrift- und Bildquellen übernommen wurden. Pitzler nutzte also verschiedene Möglichkeiten, um an Sachkenntnisse für sein Reisetagebuch zu gelangen, das damit nicht nur den Charakter privater und eher zufälliger Reiseimpressionen aufweist, son-

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4 Christoph Pitzler: Ménagerie und Trianon de Porcelaine, 1686, Reproduktion aus dem verlorenen Skizzenbuch von 1685–1688, fol. 208–209, Berlin, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Grafische Sammlung

dern zu einer Art umfassendem Rechenschaftsbericht wird. Offenbar war es ihm ein Anliegen, ein möglichst vollständiges Bild von Versailles mit nach Weißenfels bringen zu können.

Disposition – Dekoration – Funktion In den Versailles gewidmeten Teilen von Christoph Pitzlers Skizzenbuch lassen sich drei Schwerpunkte feststellen: erstens beschriftete Lagepläne mit erläuterndem Fließtext zur Darstellung von Gebäudeanordnungen, zweitens Beschreibungen von Wanddekorationen, Ausstattungsstücken und eingesetzten Materialien sowie drittens die Erfassung von Ingenieursbauten und Maschinen.18 Das erste Themengebiet, die Erfassung von Gebäudeund Gartenanlagen, meistert der Architekt mithilfe eines einfachen, aber anschaulichen Systems: Innerhalb eines skizzierten Grundrisses kennzeichnet er für ihn wichtige Gebäude-

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5 Israël Silvestre (nach Adam Pérelle): Trianon de Porcelaine, um 1680, Kupferstich, aus: Veües des plus beaux endroits de Versailles, Paris o. J., Paris, Bibliothèque Historique de la Ville

teile mit Buchstaben. Dazu verfasst er einen Fließtext, in dem er diese Gebäudeteile anhand der zugeordneten Buchstaben erläutert. Als sehr detailliertes Beispiel sei der Lageplan der stadtseitigen Schlossfassade und Stallungen gezeigt, den Pitzler auf eine aufklappbare Doppelseite skizziert hat |Abb. 6|. Hierbei verwendet er sowohl Groß- als auch Kleinbuchstaben, was ihm erlaubt, zwei verschiedene Zuweisungsebenen einzuführen. Mit Großbuchstaben versieht er Gebäude, Gebäudeteile sowie deren Nutzung, mit Kleinbuchstaben hingegen eher Dekor und Baudetails. Er folgt dabei wiederum einem Rundgang vom Vorplatz des Schlosses mit den Stallungen über die Vorhöfe zur stadtseitigen Fassade des Schlosses. Der zugehörige Fließtext erstreckt sich über drei Seiten und enthält zudem Angaben zur Farbigkeit und zu den verwendeten Materialien sowie Skizzen von Fassadenansichten am Rand des Textes |Abb. 7|. Dabei unterlaufen Pitzler jedoch gravierende Fehler, wie beispielsweise an den stark vergrößerten und fälschlicherweise mit Innenhöfen gezeichneten Aisles des Ministres oder dem nicht in seiner eigentlich quadratischen Form dargestellten Grand Commun im Lageplan zu sehen ist. Zudem ist die Architektur der Stallungen fehlerhaft und ihr Grundriss zu schmal abgebildet. Unklar ist, von welcher Vorlage er diesen unkorrekten Grundriss übernommen hat. Das Verweissystem mittels Buchstaben setzt

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6 Christoph Pitzler: Lageplan des Schlosses von Versailles, 1686, Reproduktion aus dem verlorenen Skizzenbuch von 1685–1688, fol. 125, Berlin, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Grafische Sammlung

7 Christoph Pitzler: Stadtfassade des Schlosses von Versailles, 1686, Reproduktion aus dem verlorenen Skizzenbuch von 1685–1688, fol. 121, Berlin, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten BerlinBrandenburg, Grafische Sammlung

Pitzler noch an anderen Stellen ein, so auch in weitaus knapperer Form bei einem Grundriss des Grand Escalier sowie bei Lageplänen des Petit Parc, des Trianon de Porcelaine und der Machine de Marly.19 Die Kombination aus beschriftetem Lageplan, Fließtext und Skizzen erlaubt ihm eine detaillierte Wiedergabe und womöglich eine gedankliche Rekonstruktion der jeweiligen Anlage anhand des Skizzenbuchs. Den zweiten Schwerpunkt Pitzlers in seiner Versaillesbeschreibung stellt die Gestaltung von Innenräumen dar. Nicht nur bei der Abschrift der anonymen Description mit Ausführungen zu Marmorfarben und -sorten im Grand Appartement du Roi legt er großes Gewicht auf die Materialität der Wandgliederungen, sondern auch die von ihm selbst verfassten Beschreibungen konzentrieren sich stark auf Wanddekor, die verwendeten Materialien sowie die vorhandene Ausstattung. Dabei fällt auf, wie sehr er innerhalb der Ausstattungsstücke selektiert. Pitzler konzentriert sich auf Statuen, Tische und Leuchter, wohingegen Gemälde oder Sitzmöbel so gut wie keine Erwähnung finden. Vergleichbar dazu verhält es sich mit dem besonderen Augenmerk auf Fußböden in Holz und Marmor, während Decken und

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Deckengemälde bei seinen Innenraumbeschreibungen vernachlässigt werden; Beschreibungen von Bildprogrammen fehlen völlig. Auch die Namen der ausführenden Künstler erwähnt Pitzler nicht, ebenso wenig die Funktionen der Räume. Die Skizzenbuchseite der Grande Galerie zeigt dennoch beispielhaft, wie umfassend Pitzler bei der Erfassung von Innenräumen des Schlosses vorgeht (vgl. Abb. 2). Neben Länge und Breite des Raums sowie dessen Lage zum Garten hin vermerkt er den Holzboden mit einem Verweis auf eine Skizze auf der nächsten Tagebuchseite. Während ihn das Deckengemälde mit den Taten der Regierung Ludwigs XIV. wenig interessiert, zeigt Pitzler einen Ausschnitt der Längsseite der Galeriewand vom Fußboden bis zur Decke und darunter eine dazugehörige Auflistung aller Einzelteile des Wandaufbaus. Zu jedem einzelnen Bestandteil des in der Skizze gezeigten Aufrisses listet Pitzler in der Reihenfolge des Vertikalschnitts die Farbe oder das verwendete Material von oben nach unten auf. Das sollte ihm auch später noch eine materialgetreue Rekonstruktion der Galeriewand 8 Christoph Pitzler: Machine de Marly, 1686, ermöglichen. In der Kombination von Skizzen und Reproduktion aus dem verlorenen SkizzenBeschreibung gelingt Pitzler eine ausführliche buch von 1685–1688, fol. 141, Berlin, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten BerlinDarstellung der Grande Galerie mit Schwerpunkten Brandenburg, Grafische Sammlung auf Wanddekor und Material. In ähnlicher Form geht Pitzler bei den Innenraumbeschreibungen des Grand Escalier sowie dem Escalier de la Reine vor. Die Beschreibung des Grand Appartement du Roi ergänzt er oben auf dem Blatt durch Skizzen einer Doppelflügeltür mit geschnitzter Supraporte, einer Balustrade, eines Baldachinbetts und anderer Ausstattungsstücke sowie durch Angaben zur Einrichtung wie kristallene Leuchter oder golddurchwirkte Wandbespannungen auf dem nächsten Blatt. Auch hier legt Pitzler seinen Schwerpunkt auf Farben, Materialien und Dekor. Den dritten Akzent von Pitzlers Versailler Interessen bilden Ingenieursbauten, selbst wenn diese im Skizzenbuch nur vereinzelt behandelt werden. Durch ihre technischen Details grenzen sie sich in ihrer Art von den bisher gezeigten Beschreibungen von Innenraumdekor oder Mobiliar deutlich ab. Im Zusammenhang mit der Wasserversorgung der Schloss- und Gartenanlagen stellt Pitzler die Machine de Marly auf zweieinhalb Seiten nach der Beschreibung des Schlosses von Marly vor |Abb. 8|.20 Die dortige Pumpanlage gehörte trotz ihres geringen Wirkungsgrads und ohrenbetäubenden Lärms zu den wichtigsten Stationen des Besichtigungsprogramms eines jeden Versaillesreisenden, vor allem der zu

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Besuch weilenden Architekten.21 Pitzler versucht sich in einer möglichst genauen Beschreibung des Pumpvorgangs mittels technischer Fachbegriffe: »An das Rad A ist eine Kurbe gelegt und an solche ein Schwengel g. so die mouvement treibet, h sind die Stangen da wenn ein ende hin das andere her gehet, B. ist ein Haus da sich das Waßer ausgießet, und durch die Druckwercke weiter getrieben wird, durch diese Wercke können mancherleÿ Pomben angelegt werden.«22 Auch hier wendet er das System von Buchstabenverweisen an, um die Einzelteile der Anlage genau zu beschreiben. Seine Darstellung der Machine de Marly präsentiert eine im Versaillesteil einzigartige technische Detaillierung von Materialien, Funktionsweisen und Größenangaben, durch deren genaue Beschreibung der Vorgänge sich ein sehr anschauliches Bild der Anlage ergibt. Pitzler zeigt hier ein besonderes Interesse an Wasseranlagen, die er sicherlich mit eigenen Augen gesehen hat. Seinem Interesse gemäß wird er sogar, einem Bericht von 1704 zufolge, dem preußischen König Friedrich I. als Wasserbauleiter empfohlen.23 An einer weiteren Stelle kommt Pitzler auf Ingenieursbauten im weiteren Sinne zu sprechen. Im Anschluss an die schon vorgestellte Grande Galerie erwähnt er noch ein Detail der Ausstattung: »Not[a bene] die beÿden Model Cambery und Condé so in eckgemach stund[en] / Die Wälle grün von kleinen Walle die Waßer Graben Frauen Glas«2 4 Trotz der Knappheit der Notiz lohnt diese Bemerkung eine genauere Betrachtung. Der kurze Text erwähnt offenbar zwei Festungsmodelle, und zwar von den beiden Festungsstädten Cambrai und Condé-surl’Escaut, die sich im französischen Grenzgebiet zu den Spanischen Niederlanden befanden. Bei dem »eckgemach« genannten Aufstellungsort der Modelle handelt es sich um den Salon de la Guerre, der in der nordwestlichen Ecke des Schlosses an die Grande Galerie stößt. Als Kriegssaal erscheint er vom Namen her als Aufstellungsort von Festungsmodellen passend. Die zweite Zeile bezieht sich auf Materialzuschreibungen der Modelle: Die Wälle, die die Festung umgeben, werden im Modell durch kleine begrünte Wallanlagen wiedergegeben, die Wasseroberfläche der Gräben hingegen mit »Frauen Glas« nachgeahmt.25 Die Erwähnung der Stadtmodelle ist deshalb bemerkenswert, da Pitzler viele Details der Ausstattung der Galerie ungenannt lässt, die Festungsmodelle jedoch aufführt. Zudem dürfte es sich dabei um den einzigen bisher bekannten Nachweis handeln, dass die Modelle nicht nur im Tuilerienschloss und im Hôtel des Invalides aufbewahrt, sondern auch im Salon de la Guerre des Schlosses von Versailles präsentiert wurden.26 Die Darstellung der spezifischen Schwerpunktsetzungen zeigt, was Pitzler während seines Besuchs in Versailles als besonders wichtig und erwähnenswert erachtete und welche Details ihm womöglich für seine spätere Tätigkeit als Architekt in Weißenfels brauchbar erschienen: die Disposition von Gebäudeteilen und Wandgliederungen, die Verwendung der einzelnen Materialien sowie die technischen Errungenschaften am französischen Hof. Immer wieder gelingt es Pitzler auf diese Weise, ein durchaus umfassendes Bild der vorgefundenen Anlagen in seinem Skizzenbuch wiederzugeben.

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Rückschlüsse auf Besuchsmodalitäten in Versailles Aus den vorhergehenden Untersuchungen lassen sich aber auch Rückschlüsse auf Besuchsmodalitäten am Versailler Hof ziehen.27 Pitzler hat nur jene Räume beschrieben, die ihm offenstanden oder über die er anderweitig Informationen erhalten konnte. Das sind der Grand Escalier, das Grand Appartement du Roi, die Grande Galerie sowie der Escalier de la Reine. Räume, die er nicht beschreibt, hat er daher vermutlich auch nicht besichtigen können. Bei der Aufnahme des Grand Escalier gibt es Fehler in Pitzlers Innenraumskizzen, die darauf schließen lassen, dass er das Treppenhaus nicht betreten, sondern lediglich von außen, durch die Gitter der Cour Royale, besehen konnte, da die Prunktreppe nur Gesandten und hohen Gästen des Hofs zugänglich war.28 Durch die Wiedergabe einer Fülle von Detailinformationen zur Treppe vermittelt der Besucher allerdings den Eindruck, den Raum von innen gesehen zu haben. Dennoch zeigt sein Skizzenbuch, dass Pitzler auch als einfacher bürgerlicher Architekt weitgehenden Zutritt zu den Prunkgemächern des Schlosses hatte. Diese Zugänglichkeit der Residenz des französischen Königs stellte eine Besonderheit im Vergleich zu anderen europäischen Residenzen dar.29 Zudem lässt sich aus dem Skizzenbuch Pitzlers schließen, dass es ihm erlaubt war, Aufzeichnungen vor Ort zu machen. Gerade seine detaillierten Skizzen lassen nicht vermuten, dass dies heimlich oder aus dem Gedächtnis heraus geschehen musste. Der Architekt Leonhard Christoph Sturm dagegen behauptet, ihm sei es verboten worden, bei seinem Besuch 1699 Skizzen im Schloss zu machen.30 Wie bereits belegt wurde, hat Pitzler eine gedruckte Description zu Rat gezogen, eventuell hat er auch auf das Wissen eines örtlichen Reisebegleiters zurückgreifen können. Ebenso wurde bereits auf die grafischen Blätter hingewiesen, die ihm immer wieder als Zeichenvorlage dienten. Wünschenswert wären weitere Hinweise, ob Pitzler oder auch andere reisende Architekten über Kontakte zu Hofarchitekten verfügten und dadurch Einblicke in Baupläne bekamen, mit deren Hilfe Skizzen wie diejenigen der Orangerie angefertigt werden konnten; solche Skizzen also, die weder vor dem Original gezeichnet noch von Stichen kopiert werden konnten, da sie spezifisches Wissen von Baudetails liefern. Diese Erkenntnisse sowie insbesondere die noch offenen Fragen geben einen ersten Überblick über die Rezeptionsinteressen und -bedingungen reisender Architekten im 17. Jahrhundert, wie sie uns durch diese früheste heute bekannte Beschreibung des Schlosses von Versailles in deutscher Sprache vermittelt werden. Darüber hinaus wären die ausführlichen Beschreibungen Pitzlers zu Paris und die Schlösser der Ile-de-France näher in Betracht zu ziehen, da sie die Möglichkeit bieten, den tatsächlichen Stellenwert von Versailles innerhalb der Reisetätigkeit Pitzlers genauer zu bestimmen. Und auch der Vergleich zu anderen reisenden Architekten wäre außerordentlich wünschenswert, um die Bedeutung und die Einzigartigkeit seines Skizzenbuchs und vor allem seiner charakteristischen Skizzen hervorzuheben: Zu denken wäre etwa an Leonhard Christoph Sturm, Nicodemus Tessin d. J. oder die Brüder Corfey.

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Ziel der Reise Christoph Pitzlers war das Kennenlernen der zeitgenössischen Architektur in Deutschland, den Niederlanden, Italien und Frankreich sowie das Festhalten eindrücklicher Beispiele in einem Skizzenbuch, um die anstehenden Bauaufgaben in Weißenfels vermutlich nach modernsten Vorbildern gestalten zu können. Dabei war Frankreich nur ein Reiseziel unter vielen, denn längere Zeit hielt sich Pitzler auch in Rom und Venedig auf. Durch die Zerstörung des Tagebuchs im Zweiten Weltkrieg liegen diese Dokumente jedoch heute nicht mehr vor. Auch Pitzler war damit ein Künstler in der Fremde, und fremd sollte die von ihm gesehene Architektur bleiben: Durch den unglücklichen Umstand mangelnder finanzieller Möglichkeiten haben sich seine Reiseerfahrungen in der Heimat nicht in baulichen Tätigkeiten auswirken können, seine Skizzenbuchfragmente bleiben seine bedeutendste Hinterlassenschaft.

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1 Der 31 Seiten umfassende Abschnitt des Skizzenbuchs über Versailles wurde vom Verfasser im Rahmen einer Magisterarbeit erstmalig vollständig transkribiert und im Hinblick auf Pitzlers Sicht auf die Schloss- und Gartenanlagen analysiert. Vor allem konnten dabei die von dem deutschen Architekten verwendeten Bild- und Schriftquellen nachgewiesen und deren Veränderungen bei der Übertragung in das Reisetagebuch erfasst werden. Die folgende Untersuchung stellt die Zusammenfassung der bisher gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse dar. 2 Gurlitt ist die Wiederentdeckung des Skizzenbuchs zu verdanken; vgl. Cornelius Gurlitt: Ein altes Skizzenbuch, in: Der Bär 15/1889, S. 478–481. Die Berlinreise Pitzlers wurde hervorragend ediert: Hellmut Lorenz (Hrsg.): Berliner Baukunst der Barockzeit. Die Zeichnungen und Notizen aus dem Reisetagebuch des Architekten Christoph Pitzler (1657–1707), Berlin 1998. Darin findet sich eine Auflistung aller noch erhaltenen Seiten des Skizzenbuchs und eine Abbildung aus dem Versailles betreffenden Teil; vgl. ibid., S. 22 u. S. 223 ff. Ziegler hat drei Seiten zur Versailler Spiegelgalerie erstmalig transkribiert und untersucht; vgl. Hendrik Ziegler: Der Sonnenkönig und seine Feinde. Die Bildpropaganda Ludwigs XIV. in der Kritik, Petersberg 2010 (Studien zur internationalen Architekturund Kunstgeschichte, Bd. 79), S. 275–278. 3 Vgl. Lorenz 1998, S. 10 ff.; Joachim Säckl: Zum Leben und Wirken des Fürstlich Sächsischen Landbaumeisters Christoph Pitzler, in: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt 8/1999, S. 185–204. 4 Christoph Pitzler: Skizzenbuch, 1685–1688, Titelblatt, Kriegsverlust, fotografische Reproduktion einzelner Seiten, Berlin, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Grafische Sammlung. 5 Vgl. Pitzler 1685–1688, fol. 119–127. Die Folierung stammt nicht von Pitzlers Hand und wurde nachträglich vorgenommen. 6 Vgl. ibid., fol. 127–131. Das Schloss von Versailles, seit 1682 offizielle Residenz des französischen Königs, war öffentlich zugänglich und stand auch ausländischen nichtadeligen Reisenden für Besichtigungen offen. Die von Pitzler nicht erwähnten Räume der Kapelle, das Petit Appartement du Roi oder das von der Dauphine bewohnte Appartement de la Reine konnte er jedoch offenbar nicht besichtigen. 7 Vgl. ibid., fol. 132–140. 8 Vgl. ibid., fol. 141–144. 9 Vgl. ibid., fol. 199–201 u. fol. 207–209. 10 Zu Reiseführern über Versailles vgl. Robert W. Berger: Tourists during the Reign of the Sun King: Access to the Louvre and Versailles. An anatomy of guidebooks and other printed aids, in: George Mauner (Hrsg.): Paris. Center of artistic Enlightenment, Abington 1988 (Papers in art history from the Pennsylvania State University, Bd. 4), S. 127–158, S. 131 ff. 11 Vgl. anonym: La Description du Chasteau de Versailles, Paris 1685. 12 Vgl. André Félibien: Description sommaire du Chasteau de Versailles en 1674, Paris 1674. Zu den Schriften Félibiens vgl. Stefan Germer: Kunst – Macht – Diskurs. Die intellektuelle Karriere des André Félibien im Frankreich von Louis XIV., München 1997, S. 518 f. Ob Félibien an der Herausgabe des anonymen Nachdrucks beteiligt war, ist unbekannt; die Ausgabe von 1685 ist bei Germer jedenfalls nicht aufgelistet; vgl. ibid., S. 514–521. Der Nachdruck von 1685 enthält den wortgleichen Schriftteil der Description Félibiens, zudem ein Vorwort mit einer historischen Einleitung zu Versailles sowie mehrere beigefügte Stiche des Schlosses und einiger Boskette.

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13 Pitzler 1685–1688, fol. 132. 14 Anonym 1685, S. 36 ff. 15 Vgl. Alfred Marie u. Jeanne Marie: Mansart à Versailles, Paris 1972, 2 Bde., Bd. 1, S. 115–172. 16 In der Grande Galerie wurde nach Fertigstellung des Deckengemäldes auf Weisung des Königs die 1684 in Paris erschienene Schrift von François Charpentier Explication des tableaux de la galerie de Versailles zur Erläuterung der einzelnen Gemälde ausgelegt; vgl. Berger 1988, S. 131. 17 Von dem schwedischen Hofarchitekten Nicodemus Tessin d. J. ist bekannt, dass er über gute Verbindungen zu dem französischen Hofarchitekten Jules Hardouin-Mansart verfügte; vgl. Björn K. Kommer: Nicodemus Tessin der Jüngere und das Stockholmer Schloß. Untersuchungen zum Hauptwerk des schwedischen Architekten, Heidelberg 1974, S. 82 f. 18 Die mehrfache Angabe von Statuenprogrammen wird hierbei nicht nochmals als Schwerpunkt aufgeführt, da sie allesamt von der anonymen Description übernommen wurden. 19 Vgl. Pitzler 1685–1688, fol. 127 (Grand Escalier), fol. 126 u. fol. 134 f. (Petit Parc), fol. 138 f. (Trianon de Porcelaine) u. fol. 141 (Machine de Marly). 20 Vgl. ibid., fol. 141–143. 21 Auch die beiden Architekten Nicodemus Tessin d. J. und Leonhard Christoph Sturm besichtigten die Machine de Marly bei ihren Besuchen in Versailles; vgl. Merit Laine u. Börje Magnusson (Hrsg.): Nicodemus Tessin the Younger. Travel Notes 1673–77 and 1687–88, Stockholm 2002 (Nicodemus Tessin the Younger. Sources – Works – Collections, Bd. 3), S. 183–208; Leonhard Christoph Sturm: Durch Einen grossen Theil von Teutschland und den Niederlanden biß nach Pariß gemachete Architectonische ReiseAnmerckungen, Augsburg 1719, S. 108 ff. 22 Pitzler 1685–1688, fol. 141. 23 Vgl. Lorenz 1998, S. 14. 24 Pitzler 1685–1688, fol. 130. 25 Bei Frauen- oder Erdglas handelt es sich um einen weißen, glänzenden Stein, der durchsichtig wie Glas sein kann und in dünne Tafeln zerlegt als Ersatz für Fensterglas Verwendung fand; vgl. Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschaften und Künste, Halle u. Leipzig 1732–1754, 68 Bde., Bd. 8, S. 1563, s. v. »Erd-Glaß, Frauen-Eiß, Unser Frauen-Eiß«. 26 Allenfalls Corfey gibt einen Hinweis in diese Richtung; vgl. Helmut Lahrkamp (Hrsg.): Lambert Friedrich Corfey. Reisetagebuch. 1698–1700, Münster 1977 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, Bd. 9), S. 38: »Man verwart in diesen Palais [Tuilerienschloss] auch unterschiedliche Plans und Modelen von Festungen von erhobener Arbeit. Wir haben die Statt Cortrai von der gleichen Arbeit zu Versailles au bout de la grande gallerie gesehen.« Damit könnte ebenfalls ein Festungsmodell gemeint sein, das am Ende der Grande Galerie beziehungsweise im Salon de la Guerre aufgestellt war. 27 Zu Schlossbesichtigungen allgemein vgl. Michaela Völkel: Schlossbesichtigungen in der Frühen Neuzeit. Ein Beitrag zur Frage nach der Öffentlichkeit höfischer Repräsentation, München u. Berlin 2007. 28 Vgl. Berger 1988, S. 130.

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29 Vgl. Ziegler 2010, S. 149 f. Dort auch zur Zugänglichkeit des französischen Herrschersitzes in Abhängigkeit von der An- und Abwesenheit des Königs. 30 Vgl. Sturm 1719, S. 110: »[…] und ist scharf verbotten gewesen, nicht nur nichts abzumessen, sondern auch nicht in der Naehe abzuzeichnen, wie mir es denn auch untersaget wurde, wenn ich nur etwas in eine Schreib=Tafel notiren wollte.« Krause vermutet ein allgemeines Aufzeichnungsverbot in Versailles; vgl. Katharina Krause: Wie beschreibt man Architektur? Das Fräulein von Scudéry spaziert durch Versailles. Freiburg i. Br. 2002, S. 93; vgl. hingegen Ziegler 2010, S. 251, Anm. 896. Auch Pitzlers Notizen sprechen gegen ein Aufzeichnungsverbot. Sturm könnte das Verbot behauptet haben, um seine geringe Anzahl von Innenraumskizzen zu entschuldigen.

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EIN »EUROPÄER« IN DÄNEMARK Anton Melbye und die Kopenhagener Kunstszene REGINE GERHARDT

»The most fashionable marine painter in Europe« Langjährige Auslandsaufenthalte kennzeichnen die Biografie des dänischen Malers und Zeichners Daniel Herman Anton Melbye. Neben seiner Heimatstadt Kopenhagen, in der er 1818 geboren wurde, sind Hamburg, Paris und Konstantinopel die Stationen, an denen Melbye wesentliche Impulse für seine Künstlerkarriere erhielt und sich mit dem Sujet des Seestücks eine außerordentliche Reputation erwarb. Als Melbye 1875 in Paris verstarb, schrieb ein New Yorker Magazin: »He was the most successful artist that Scandinavia has produced since Thorvaldsen, and rose to be the most fashionable marine painter in Europe«.1 Der Schüler von Christoffer Wilhelm Eckersberg verließ Kopenhagen 1847, als nationalistische Tendenzen die gesellschaftspolitische Atmosphäre in Dänemark dominierten. Eine nationalromantische Bewegung, angetrieben durch den Kunsthistoriker Niels Lauritz Høyen, führte die dänische Kunst in eine Abschottung von den aktuellen europäischen Kunstströmungen. In der dänischen Kunstgeschichte entstand eine Unterscheidung einheimischer Künstler in sogenannte »Europäer« und »Nationale«, wobei letztere als Protagonisten und Erben des ausgehenden »Goldenen Zeitalters« der dänischen Malerei bis heute im Fokus der Forschung stehen. Melbye hingegen zählt zu den »Europäern«, jenen Künstlern also, die lange im Ausland lebten, sich den europäischen Kunstströmungen gegenüber aufgeschlossen zeigten und in Dänemark nicht als »nationale« Künstler wahr-

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genommen wurden. Im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen nicht Melbyes unmittelbare Erfahrungen in der Fremde, sondern seine Rolle als dänischer »Europäer« und seine Beziehung zur Kopenhagener Kunstszene. Diese Rolle gestaltete sich weitaus komplexer und widersprüchlicher als man zunächst vermuten würde. Die Untersuchung der Entwicklung und Rezeption der Kunst Anton Melbyes und die Erklärung seiner Motivation, ins Ausland zu gehen, bieten die Chance, ein in seiner Ausprägung spezifisch dänisches Phänomen der Wahrnehmung international orientierter dänischer Künstler im 19. Jahrhundert genauer zu erfassen. Am Beispiel Melbyes lässt sich zudem die für die Kunstgeschichte dieses Jahrhunderts entscheidende Loslösung der Kunst von nationalen und akademischen Strukturen beleuchten.

»Es wurde Mode, nur ›dänisch‹ zu sein« »Es wurde Mode, nur ›dänisch‹ zu sein […] die Vorstellung wurde genährt: wir sind uns selbst genug; unsere Geschichte, unser Volksleben, unsere Landschaft bieten Stoff genug für Generationen von Malern«.2 So berichtete der deutsche Schriftsteller und Journalist Theodor Fontane 1864 über die Entwicklung in der zeitgenössischen dänischen Malerei. Arbeiten von Thomas Lundbye, wie etwa Eine dänische Küste von 1842, zählen zu den Hauptwerken der sogenannten dänischen »Nationalromantik« |Abb. 1|.3 Lundbyes Gemälde bestätigt Fontanes Einschätzung: Unnatürlich hoch erhebt sich die Steilküste am Roskilde Fjord, in ihrer Funktion als typisch dänisches Landschaftselement idealisiert und monumental überhöht. Fontane, aus Preußen angereist, recherchierte für eine Publikation über den deutsch-dänischen Krieg 1864. In kürzester Zeit hatte Dänemark diesen Krieg verloren und in dessen Folge die bevölkerungsreichen Herzogtümer Schleswig und Holstein an Preußen abgetreten. Damit war der dänische Staat, nach den Niederlagen in den Napoleonischen Kriegen und der Auflösung der Union mit Norwegen 1814, um weitere, wirtschaftlich bedeutende Gebiete kleiner geworden und in seiner politischen Selbstwahrnehmung erschüttert. In den Ereignissen von 1864 kulminierte eine Entwicklung, die mit den Unabhängigkeitsbestrebungen der beiden deutschsprachigen Herzogtümer in den dreißiger Jahren begonnen und bereits 1848 zu einem deutsch-dänischen Bürgerkrieg geführt hatte, der drei Jahre dauern sollte. Diese politische und gesellschaftliche Instabilität Dänemarks in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wirkte sich entscheidend auf die dänische Kulturlandschaft aus. Dichtung, Wissenschaft und Bildende Kunst dieser Epoche spiegeln die Suche nach einer gemeinschaftsstiftenden, bürgerlich-nationalen, spezifisch dänischen Identität.4 Bereits Ende der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts begann eine nationale Bewegung, Einfluss auf die dänische Kunstszene zu gewinnen. Waren bisher langjährige Reisen vor allem nach Rom ein fester Bestandteil der künstlerischen Ausbildung an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen gewesen und großzügig mit Stipendien gefördert worden, wurden diese Reisen ab den vierziger Jahren zusehends kürzer oder unterblieben

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1 Thomas Lundbye: Eine dänische Küste. Kitnæs am Roskilde Fjord, 1842, Öl auf Leinwand, 188,5 × 255,5 cm, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst

schließlich ganz. Mit Vorliebe bereisten die Maler nun das eigene Land, studierten die dänische Landschaft und das lokale Volksleben.5 Die Studenten der Akademie, die in Kopenhagen lebenden Künstler und Professoren, die teilweise aus Schleswig oder Holstein stammten, mussten sich vor Ausbruch des deutsch-dänischen Krieges 1848 für eine der Konfliktparteien entscheiden. Ihr Aufenthalt in Dänemark, Mitgliedschaften in der Akademie oder Ausstellungsbeteiligungen hingen von dieser Entscheidung ab.6 Dominierenden Einfluss auf die Entwicklung dieser nationalen Bewegung in der Kunstszene hatte Niels Lauritz Høyen, der ab 1829 nach und nach in allen entscheidenden Positionen der dänischen Kunstinstitutionen tätig war: Er war Professor an der Kopenhagener Kunstakademie und der Universität, Gründer des Kopenhagener Kunstvereins und Vorstand der Gesellschaft für Nordische Kunst. Als Kustos der öffentlichen Königlichen Gemäldegalerie stellte er insbesondere zeitgenössische Künstler seiner Wahl aus. Høyen forderte die dänischen Künstler auf, sich in den Dienst einer nationalen Politik zu stellen und eine spezifisch

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2 Christoffer Wilhelm Eckersberg: Ausfahrt nach Charlottenlund, 1824, Öl auf Leinwand, Ø 41,5 cm, Privatsammlung

dänische Identität in ihren Werken auszudrücken. Gesucht wurde diese Identität vor allem in der heimatlichen Landschaft, der Architektur und den Volksbräuchen, mit denen nationale Traditionslinien aus der dänischen Geschichte bis zur Gegenwart gezogen wurden. Ausländische Einflüsse, sei es im Motivischen oder in der künstlerischen Ausdrucksweise, sollten ausdrücklich vermieden werden.7 Dieser nationale Selbstbezug in der Kunst, diese »dänische Innenschau«, die in den vierziger Jahren als »Nationalromantik« ihre entscheidende Ausprägung fand und bis in die späten siebziger Jahre anhalten sollte, hatte ihre Wurzeln in der Epoche der dänischen Malerei, die als Blütezeit der dänischen Kunst und als ihr »Goldenes Zeitalter« bezeichnet wird.8 Mit neuen Lehrtechniken hatte Christoffer Wilhelm Eckersberg ab 1818 als Professor das Profil der Kopenhagener Kunstakademie in Europa geschärft und mehrere Generationen von Künstlern durch die Einführung der Freilichtmalerei, durch eine intensive Perspektivlehre und durch die Bevorzugung von klarem Sonnenlicht als Beleuchtungssituation geprägt. Er forderte ein exaktes Naturstudium sowie die Konzentration auf die unmittelbare, erfahrbare Umgebung und auf alltägliche Ereignisse.9 Insbesondere die eher kleinformatigen, perspektivisch exakt konstruierten, linienbetonten, mit feinem Pinsel gemalten und von kristalli-

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nem Licht durchfluteten Bilder aus der Kopenhagener Umgebung, wie Eckersbergs Gemälde Ausfahrt nach Charlottenlund von 1824, vermitteln die Idee eines soliden bürgerlichen Wertesystems, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Stabilität sowie eines starken Vertrauens in die Zukunft |Abb. 2|. Damit trugen diese Gemälde zu einer nationalen Identitätsfindung der bürgerlichen Gesellschaft bei und wurden in Dänemark von den Zeitgenossen auch explizit als solche wahrgenommen und begrüßt.10 Die von Høyen beeinflusste Generation von Künstlern löste sich bereits Ende der dreißiger Jahre in Ansätzen von Eckersbergs Kunstauffassung. Sie suchte nach imposanteren, als typisch dänisch erkennbaren Motiven, die sie zu idealen Landschaften kompilierte, und malte in größeren Formaten. Das Ende des »Goldenen Zeitalters« wird etwa um 1848 angesetzt, als mehrere wichtige Vertreter verstarben oder die Malerei aufgaben, als der erste deutsch-dänische Krieg begann und viele internationale Künstlerkontakte endgültig abbrachen. Das dänische Bedürfnis nach nationaler Konsolidierung wurde jedoch nach Kriegsende 1850 umso größer und Høyens Programm einer »nationalen Kunst« fand noch mehr Resonanz. Die dänische Kunstszene isolierte sich international bis Ende der siebziger Jahre; auf der Weltausstellung 1878 in Paris wurde sie von der Kunstkritik schließlich als völlig rückständig empfunden.11

»Europäer« und »Nationale« – der Fall Anton Melbye Vor diesem historischen Hintergrund entwickelte sich die Künstlerkarriere von Anton Melbye. Auffallend ist die große internationale Anerkennung, die Melbye bereits zu Lebzeiten erlangte und die der beschriebenen dänischen Selbstabschottung entgegensteht. Seine Werke fanden insbesondere im Ausland ihre Käufer, vor allem in Deutschland und Frankreich, wo sich Melbye seit 1847 überwiegend aufhielt.12 Zu seinen Förderern zählten unter anderem der französische Kaiser Napoleon III. und der osmanische Sultan Abdülmecid I. Zwischen 1848 und 1857 stellte Melbye regelmäßig im Pariser Salon aus. Im Jahr 1854 wurde er zum Ritter der Légion d’Honneur ernannt. Die deutsche Kunstkritik lobte ihn überschwänglich, so etwa Adolf Strodtmann 1873: »Der auch in Deutschland hoch gefeierte Anton Melbye repräsentiert das Glänzende, den hinreißenden Effekt […] und vor allem das poetische Element in der Kunst. Es ist ein großer titanischer Zug in seinen Sturmbildern, manche derselben wirken in ihrer düsteren, leidenschaftlichen Stimmung wie ein Byron’sches Gedicht«.13 Hamburger Sammler richteten 1872 und 1900 große Einzelausstellungen für Melbye aus.14 Und mehrfach konstatierte die dänische Presse seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts, seine Werke befänden sich leider überwiegend im Ausland.15 Die Einordnung Melbyes als »Europäer«, wie der Kunsthistoriker Emil Hannover Ende des 19. Jahrhunderts all diejenigen dänischen Künstler der Jahrhundertmitte bezeichnete, die sich international orientiert und ihren Platz nicht in der »nationalen« Kopenhagener

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Kunstszene gefunden hatten, scheint mit Melbyes Engagement im Ausland zunächst erklärlich.16 Doch auch in Kopenhagen hatte Melbye Erfolg und dies sowohl am Anfang seiner Karriere als auch in der Folgezeit. Bereits 1840, knapp zwei Jahre nach Beginn seiner künstlerischen Ausbildung als Privatschüler von Eckersberg, wurden Melbyes Gemälde erstmals in der Akademieausstellung auf Charlottenborg gezeigt. Renommierte dänische Sammler wie der Bildhauer Bertel Thorvaldsen oder der dänische König Christian VIII. kauften bereits 1840/1842 erste Bilder von ihm. Weitere Verkäufe und Aufträge folgten. Der Kunstverein berücksichtigte ihn bei Ankäufen für die jährliche Ausstellung und Lotterie. Im Jahr 1843 gewann Melbye die angesehene Neuhausen-Prämie, 1846 die Ausstellungsmedaille der Akademie. Zehn Jahre nach seinem Weggang aus Dänemark wurde Melbye 1858 Mitglied der Kopenhagener Kunstakademie und war wieder an ihren Ausstellungen auf Charlottenborg beteiligt; er erhielt den Dannebrog-Orden und 1862 eine Titularprofessur. Sind dies Auszeichnungen und Ehrungen für einen Künstler, der sich als »Europäer« der dominierenden nationalen Bewegung verweigerte? War die »nationale« Kunstszene Dänemarks doch durchlässiger oder war Melbyes Kunst doch »national«? Welcher Art war also die Beziehung von Melbye zu Kopenhagen und welche Weichen wurden bereits vor seinem Auslandsaufenthalt gestellt? Aufschluss über die Motivation und Auswirkung seines Weggangs aus Dänemark geben sowohl Melbyes künstlerische Ausdrucksweise als auch der Umgang mit seinen Arbeiten in der dänischen Kunstkritik und der Kopenhagener Ausstellungspolitik. Am Beispiel Melbyes, der als der prominenteste »Europäer« unter den Künstlern seines Landes gilt, werden die politische Dimension und der Beitrag des Kunstbetriebs deutlich, die sich hinter der dänischen Kategorisierung »nationaler« oder »internationaler« Kunst der Jahrhundertmitte verbergen.

Farbe statt Linie – Sturm statt Stille Anton Melbye, der ursprünglich zur See fahren wollte, dann aber eine Lehre an der Schiffskonstruktionsschule in Kopenhagen begonnen hatte und sich zunächst als Zeichner hervortat, gehörte zu Eckersbergs jüngster Generation von Schülern, die sich vor allem mit dem Seestück beschäftigten. Seit Mitte der zwanziger Jahre konzentrierte sich Eckersberg auf die maritime Malerei, die bis dahin in der dänischen Kunst kaum beachtet wurde. In dieser Gattung fand Eckersberg, der sich zunehmend mit der Perspektivlehre auseinandersetzte und zugleich die flüchtigen Naturerscheinungen von Wetter und Meer studierte, eine geeignete Herausforderung.17 In Eckersbergs Marinen stehen allerdings die Schiffe im Mittelpunkt und nicht die Meereslandschaft. So überwiegen in seinen Bildern klares Wetter und eine ruhige See, die die exakt wiedergegebene Konstruktion der Schiffe ideal zur Geltung bringen. Melbye hingegen legte bereits in seinen ersten Seestücken einen anderen Schwerpunkt, wie 1840 in dem Gemälde Ein stiller Morgen auf dem Meer |Abb. 3|. Bark, Brigg und Brigantine, eher als Silhouetten angedeutet, scheinen auf dem klaren Wasserspiegel zu schweben. Der

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3 Anton Melbye: Ein stiller Morgen auf dem Meer, 1840, Öl auf Leinwand, 47,1 × 57,5 cm, Kopenhagen, Thorvaldsens Museum

tiefe Horizont geht in Licht auf und die fast durchgehende Tonigkeit evoziert eine intensive atmosphärische Dichte. Nicht die Konstruktion der Schiffe oder ihr Segelmanöver sind von Bedeutung; Ort und Zeit scheinen aufgehoben. Ähnlich der romantischen Seestücke von Caspar David Friedrich, die in Kopenhagen durch den engen Kontakt der Kunstakademie nach Dresden und die Ankäufe Christians VIII. bekannt waren, verstellt Melbye dem Betrachter durch den steinigen Strand im Vordergrund den Zugang ins Bild. Die Schiffe, die unter Segeln auf einen Windhauch warten, um ausfahren zu können, werden zu Metaphern der Sehnsucht. Allerdings war es nicht die romantisch-metaphorische Auffassung des Seestücks, die die Kunstkritiker in Kopenhagen thematisierten, sondern Melbyes spezifische Palette und der Einsatz der Farbe zum Erzielen einer emotionalen Wirkung. So bemängelte Peder Ludvig Møller 1842 im Nye Intelligensblade eine fehlende »Linienschönheit« in den

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Seestücken Melbyes, hob aber die Wirkung der Farben hervor. Eckersberg sei zwar korrekter in der Darstellung von Schiff und See, aber seine Marinen würden von der malerischen Wirkung und der Lebendigkeit der Seestücke Melbyes übertroffen.18 Das Gemälde Sommerabend am Vordingborger Hafen von 1841 kündigt Melbyes farbintensive, emotive Malerei an, die sich wesentlich von Eckersbergs sachlich-nüchterner Kunst- und Naturauffassung unterscheidet |Abb. 4|. Eine zunehmende Betonung der Atmosphäre lässt sich auch in den Werken anderer junger dänischer Künstler beobachten, wie zum Beispiel in den Seestücken von Emanuel Larsen oder in den nationalromantischen Landschaften von Vilhelm Kyhn. Einfluss darauf hatte Johann Ludvig Gebhard Lund, der neben Eckersberg als Professor an der Kunstakademie lehrte und den Nazarenern sowie Caspar David Friedrich nahe stand.19 Vorbilder waren aber auch die romantische Malerei des Norwegers Johan Christian Dahl, der regelmäßig in Charlottenborg ausstellte, sowie die tonalen Werke des niederländischen Barock, die umfangreich in Kopenhagener Sammlungen vertreten waren.20 Wie in anderen Teilen Europas verbanden sich auch in Dänemark nationale Ideen mit einer romantischen Bildsprache. Auch der Streit um den Vorrang von Farbe oder Form, der in Frankreich zwischen Klassizismus und Romantik ausgetragen wurde, klingt in der dänischen Kunstkritik an. Nicht nur in der Farbigkeit, sondern auch im Sujet wich Melbye bereits in Kopenhagen von der Eckersberg-Schule ab: 1839 suchte sich Melbye als Aufgabe für ein Ölbild, das er von Eckersberg kopieren sollte, ein seltenes Sturmbild aus, die Korvette Galathea in einem Sturm in der Nordsee (Kopenhagen, Statens Museum for Kunst), das dieser im selben Jahr nach einer Schiffsreise in der Nordsee gemalt hatte.21 Anstelle der typisch stillen, friedlichen, sonnigen Landschaften der Kopenhagener Schule wählte Melbye also die unruhige See bei dunkler Witterung, was sein frühes Interesse für die malerische Umsetzung energetischer Bewegung in der Natur belegt, die in seinem Œuvre bestimmend werden sollte. Schon früh brachte ihm diese Bildform bei Kritik und Sammlern in Kopenhagen den erhofften Erfolg. Bereits 1841 hob der Kunstkritiker Karsten Friis Wiborg die Dramatik in Melbyes Sturmdarstellung positiv hervor und stellte ihn unter den jüngeren Malern besonders heraus.22 Und zu den ersten Bildern Melbyes, die Christian VIII. erwarb, gehörte 1842 ein Sturmbild, das Gemälde Ein shetländisches Fischerboot im Sturm nördlich der Orkney Inseln aus dem gleichen Jahr (Kopenhagen, Statens Museum for Kunst).23 Während Møller 1842 Melbyes Wellen als »Petersilie« tadelte, aber seine künstlerische Freiheit dennoch unbedingt zur Nachahmung empfahl, lobte Wiborg ein Jahr später gerade Melbyes Wellendarstellung.2 4 Er bezog sich dabei auf ein Seestück mit einem stetig gegen den Wind und hohe Wogen anfahrenden Dampfer, während ein Linienschiff den Wetterverhältnissen nachgibt und beidreht.25 Ein verwandtes Bild aus demselben Jahr bezeugt Melbyes Strategie, der Natur besonders viel Raum beizumessen, um so die Leistungsfähigkeit und Zielstrebigkeit eines modernen Dampfschiffes zu inszenieren, während am Horizont ein traditioneller Segler der Betrachteraufmerksamkeit fast entgeht.26 Die Gegenüberstellung der Schiffstypen dokumentiert nicht nur eine aktuelle technische Veränderung in der Seefahrt, sondern spiegelt eine von Melbye positiv aufgefasste Zeitenwende: Trotz schwieriger Umstände, die

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4 Anton Melbye: Sommerabend am Vordingborger Hafen, 1841, Öl auf Leinwand, 70 × 96 cm, Kopenhagen, Den Hirschsprungske Samling

Melbye durch dramatische Natur symbolisiert, bahnen sich die Veränderungen der Gegenwart erfolgreich ihren Weg. Zugleich belegt die naturnah gemalte, das Bild dominierende Meereslandschaft den hohen Stellenwert der Natur in Melbyes Seestücken. Wiborg betonte denn auch 1843, Melbye könne durchaus mit den niederländischen Malern des 17. Jahrhunderts mithalten, deren Seestücke aufgrund des ihnen zugeschriebenen Realismus in Kopenhagen als oberster Maßstab galten.27 Obwohl sich Melbye in seiner künstlerischen Darstellungsweise, seiner Motivwahl und Naturauffassung von Eckersberg emanzipierte, versuchte Wiborg mit Nachdruck, Melbye in die Kopenhagener Schule einzuordnen. 1844 lobte er erneut Melbyes Naturtreue als wichtigsten Maßstab der Eckersbergschen Lehre, mahnte aber noch die Detailgenauigkeit des Lehrers an. Wiborg, der 1838 erstmals das Potenzial eines Kunstwerks, nationale Identifikationsmerkmale zu transportieren, als wichtige Kategorie in die Kunstkritik eingeführt hatte, attestierte Melbye nun »nationale« Bedeutung für Dänemark.28 Wiborgs Auffassung

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5 Anton Melbye: Leuchtturm von Eddystone, 1844, Öl auf Leinwand, 56 × 79 cm, Privatsammlung

einer für die Nation wertvollen Kunst unterschied sich jedoch von Høyens Standpunkt, was auch in der dänischen Presse früh bemerkt wurde.29 Nicht die Gebundenheit an dänische Themen oder die Idealisierung landestypischer Motive waren für Wiborgs Kritik entscheidend, sondern eine zwar auf der Kopenhagener Schule basierende, aber sich gleichwohl weiterentwickelnde künstlerische Ausdrucksform, wie sie sich, nach Wiborgs Urteil, in Melbyes Bildern in ihrer Lebendigkeit und einem besonderen Grad von Wirklichkeit darbot.

»Nicht auf der richtigen Seite« In Wiborg und Møller hatte Melbye wichtige Fürsprecher gewonnen, aber es waren Eckersbergs Seestücke, die sowohl von Wiborg als auch von anderen Kritikern als spezifisch dänisch wahrgenommen wurden.30 Høyen hingegen, der 1844 seine wegweisende Vorlesung Über die Bedingungen für die Entwicklung einer Skandinavischen Nationalkunst gehalten hatte und inzwischen die Kunstszene beherrschte, ignorierte Melbye. In seiner Auswahl

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6 Anton Melbye: Leuchtturm von Eddystone, 1846, Öl auf Leinwand, 114 × 157 cm, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst

der in der Königlichen Gemäldegalerie ausgestellten zeitgenössischen Werke, die einen nationalen Kanon dänischer Kunst repräsentieren sollte, schloss er Melbyes Werke absichtlich aus.31 Melbye hatte bereits bei seiner ersten Ausstellungsbeteiligung 1840 die Aufmerksamkeit von König Christian VIII. geweckt und genoss seitdem dessen Förderung. Damit stand Melbye »nicht auf der richtigen Seite«, wie der Kunstkritiker Sigurd Müller 1892 formulierte, denn Høyen versuchte bewusst, Ankäufe des Königs für die Bildergalerie zu ignorieren.32 Christian VIII., der bereits als Kronprinz viel Interesse für die zeitgenössische Kunst entwickelte und bis zu seiner Thronbesteigung den Vorsitz der Kopenhagener Kunstakademie inne hatte, sammelte Werke dänischer wie internationaler Künstler. Als oberster Vertreter einer bis 1849 absoluten Monarchie und als Connaisseur mit internationalem Kunstgeschmack wurde er jedoch von Høyen als gesellschafts- und kulturpolitische Opposition aufgefasst.33 Melbye profitierte allerdings auch von der Wertschätzung des Königs. Nach seinem Vorbild erwarben Mitglieder der königlichen Familie und viele Angehörige von Hof und

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Adel Melbyes Bilder. Christian VIII. richtete dem jungen Künstler ein Atelier auf Schloss Christiansborg ein und ermöglichte ihm mehrere Reisen zu Studienzwecken mit der dänischen Flotte in die Nord- und Ostsee, 1844 bis ins Mittelmeer und nach Marokko. Melbye verarbeitete seine neuen Erkenntnisse über Witterung und Wellenbewegung und seine topografischen Reiseeindrücke in seinen Gemälden, beispielsweise das Motiv des Leuchtturms von Eddystone vor der englischen Küste im Ärmelkanal, der als technische Meisterleistung galt. Der Turm war in England bereits häufig künstlerisch thematisiert worden, unter anderem um 1822 von William Turner, dessen Werke Melbye bei seinem Besuch der Royal Academy in London 1844 gesehen haben könnte.3 4 Zwei Gemäldeversionen des Leuchtturms spiegeln Melbyes Auseinandersetzung mit seiner Reise: Während sich in einem kleineren, 1844 datierten Bild in der Palette, dem feinen Pinselduktus, der hellen Beleuchtung und grafischen Behandlung des Leuchtturms klare Bezüge zur EckersbergSchule finden, dominiert in der monumentalen Version von 1846 die dramatische Wirkung der Witterung |Abb. 5–6|. Mit lockerem Pinsel entwickelte Melbye Bewegung und Gischt der Wellen und wählte eine dunkelgrau-blau-grüne Palette für die Naturgewalten, denen der angestrahlte Leuchtturm trotzt. Durch die Drehung der Komposition erscheint der Leuchtturm umso solider in der unwirtlichen Natur. Der Vergleich der Bilder belegt eine bewusste, mit der Reise in Verbindung stehende Loslösung von der akademischen Tradition. Mit der monumentalen Fassung seines Themas gewann Melbye 1846 die Ausstellungsmedaille der Kunstakademie sowie ein Reisestipendium, das ihm die Institution drei Jahre zuvor noch verweigert hatte. Der König hatte sich persönlich für das Stipendium eingesetzt und kaufte das Bild für die Königliche Bildergalerie.35 Høyen jedoch stellte es dort zunächst nicht aus.36 1892 schrieb Sigurd Müller: »Høyen, der hier das entscheidende Wort zu sagen hatte, konnte nicht mit ihm«.37 Høyens massiver Einfluss gegenüber den jungen Künstlern, die er als ungeeignet für seine nationale Kunstpolitik ansah, wurde schon früh bemerkt, so stellte ein Kopenhagener Satiremagazin 1845 folgende rhetorische Fragen: »Wer legte Adam Müller in sein Grab? Wer zwang Simonsen aus dem Land zu fliehen? Wer ist es, der Gertner und Melbye verjagen will, weil sie nicht nach dem Lineal zeichnen? Wer kümmert sich um die Ankäufe des Königs in den jährlichen Ausstellungen, die die jungen Künstler ermutigen soll, aber zieht stattdessen nicht das blühende, frische Leben, sondern tote, geistlose Regeln vor?«38 Vor dem Hintergrund dieser Konflikte schlugen Wiborgs Versuche fehl, Melbye in die Kopenhagener Kunstwelt zu integrieren. Deutlich wird, dass Melbye bereits vor seinem Weggang ins Ausland als »nicht-national« eingeordnet worden war und dass diese Kategorisierung nur zum Teil durch die künstlerische Auseinandersetzung mit internationalen Vorbildern, wie etwa Friedrich, Dahl oder den niederländischen Künstlern des Barock, zu begründen ist, und auch nicht mit seinem Versuch, sich von der Kopenhagener Schule zu lösen. Wesentlichen Einfluss auf die Wahrnehmung als »nationaler« oder »internationaler«

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Künstler hatten die Gunstbezeugungen entweder durch Høyen oder durch Christian VIII., was die politische Dimension des Phänomens zeigt. Dass Melbye und andere »nicht nach dem Lineal zeichnen«, bezieht sich weniger auf ihre künstlerische Ausdrucksweise als auf ihr Bemühen, unabhängig von Vorgaben zu arbeiten, was von Teilen der Kunstakademie, die die Auszeichnungen verteilte, und dem einflussreichen König, aber nicht von Høyen goutiert wurde. Ein Nachruf 1875 in der Søndags-Posten berichtete, Melbye selber habe das »Cliquenwesen« beklagt, das seine künstlerische Freiheit einschränkte, weshalb er nur halb freiwillig das Land verlassen habe.39

Perspektivwechsel: Abkehr und Annäherung Melbye reiste 1847 über Hamburg nach Paris. Aufzeichnungen vor und zu Beginn der Reise belegen sein Interesse für zeitgenössische französische Kunst, wie etwa für die Porträts des Historienmalers Paul Delaroche oder Seestücke von Eugène Isabey und Theódore Gudin.40 Unterricht nahm der Neunundzwanzigjährige in Paris jedoch offenbar nicht. In Kopenhagen wurde den aktuellen französischen Künstlern, mit Ausnahme von Horace Vernet und Paul Delaroche, im fortgeschrittenen »Goldenen Zeitalter« so gut wie keine Aufmerksamkeit geschenkt. Nur wenige Dänen wählten in dieser Zeit Paris als Reiseziel.41 Melbye jedoch richtete sich dauerhaft in der französischen Metropole ein. Seine im Ausland entstandenen Werke belegen die Fortsetzung einer Auseinandersetzung mit Meer und Schiff zur Reflexion existentieller, politischer und wirtschaftlicher Themen. Er entwickelte seine stimmungsvollen Atmosphären weiter und differenzierte seinen Umgang mit der Farbpalette. Wie in Dänemark nutzte Melbye auch in Frankreich Kontakte zum Hof. Im Jahr 1853 begleitete er eine französische Gesandtschaft nach Konstantinopel, wo er sich mehrere Monate im Haus des französischen Botschafters und an Bord französischer Kriegsschiffe am Bosporus aufhielt. Schon 1844 hatte die Exotik Marokkos Melbye beeindruckt und gleich nach seiner Ankunft in Paris plante er, mit der französischen Flotte ins Mittelmeer zu reisen, was durch die Revolution 1848 jedoch verhindert wurde.42 Nicht allein die Ausgrenzung Melbyes aus der »nationalen« Kopenhagener Kunstszene und sein Bemühen, als Künstler frei von Vorgaben zu einer eigenen Ausdrucksform zu finden, hatten Melbyes Weggang aus Dänemark motiviert, sondern ebenso sein Interesse an der Pariser Kunstwelt und der Wunsch zu reisen. Melbyes Arbeiten vom Bosporus zeigen die orientalische Küstenlandschaft und das internationale Flottenaufgebot, das sich hier zu Beginn des Krimkrieges versammelte. In dem Gemälde Reede von Konstantinopel, das kurz nach Kriegsende 1857 entstand, wirken die farbintensiven Naturerscheinungen und der mächtige Körper des Kriegsschiffes im Mittelgrund zusammen und scheinen auf die Kriegsereignisse zu weisen, deren dramatische Ausmaße Europa erschüttert hatten |Abb. 7|. Gleich einer Feuersbrunst lässt der Sonnenuntergang die Silhouette der Hauptstadt des osmanischen Reiches, das im Mittelpunkt des Konfliktes stand, in einem rot-orangen Farbenmeer

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7 Anton Melbye: Reede von Konstantinopel, 1857, Öl auf Leinwand, 73 × 109 cm, Privatsammlung

erglühen, das bis in den Bildvordergrund abstrahlt und die hochgerüsteten Kriegsschiffe aus einer bedrohlich dunklen Meereslandschaft in seinen Bann zieht. In Paris hatte Melbye zunächst mit monochromen Ausdrucksmitteln experimentiert: Er setzte sich mit der Daguerreotypie auseinander, die in Kopenhagen durch die Förderung Christians VIII. früh bekannt gemacht worden war, entdeckte Kohle und Kreide für sich, die für ihn zu wichtigen Ausdrucksmitteln für eigenständige, großformatige Werke wurden und schuf mit Bleistift und Weißhöhung zarte Nachtstücke. Der Orientaufenthalt erweiterte nicht nur Melbyes Motiv- und Themenbreite, sondern differenzierte seine Palette und seinen Umgang mit Licht und Schatten. Die Formate wurden größer, sein Pinselduktus breiter, der Farbauftrag pastoser. Melbye etablierte sich in Paris. Sein Atelier wurde Anlaufpunkt dänischer Künstler bei kurzen Besuchen in Paris, wie etwa für Carl Dahl, Emanuel Larsen oder Frederik Vermehren.43 Melbyes jüngerer Bruder Vilhelm, der als Maler ebenfalls von Christian VIII. gefördert worden war, reiste nach dem Tod des Königs über Düsseldorf nach Paris, um 1852 im dortigen Salon auszustellen, bevor er sich langfristig in London niederließ. Vermittelt

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8 Anton Melbye: Eine Episode aus der Seeschlacht in der Køge Bucht 1677, 1855, Öl auf Leinwand, 181,5 × 253,5 cm, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst

durch Melbyes jüngsten Bruder Fritz, der in den frühen fünfziger Jahren in der Karibik und in Venezuela als Maler aktiv war, studierte Camille Pissarro nach seiner Ankunft 1855 in Paris im Atelier Anton Melbyes.4 4 Pissarro bezeichnete sich in den Katalogen des Salons noch bis 1866 als dessen Schüler, was für Melbyes Reputation in Paris spricht. Freundschaftliche Kontakte zu Camille Corot weisen zudem auf Melbyes Einbindung in französische Künstlerkreise.45 Dass es einen ernsthaften Bruch mit der Kopenhagener Kunstszene gab, belegt der Umstand, dass Melbye nach 1847 nur noch mit sehr wenigen Bildern und von 1853 bis 1857 gar nicht in der jährlichen Akademieausstellung vertreten war. Auch der Kunstverein kaufte von 1847 bis 1858 keine Werke an. Dennoch nahm die dänische Kunstkritik Melbyes Wirken zur Kenntnis: So beschrieb Meîr Aaron Goldschmidt 1851 in Nord og Syd eine besondere Bildfindung Melbyes, die Inszenierung einer einzelnen Meereswoge, deren Momenthaftigkeit und Lebendigkeit er für jene Leser pries, die möglicherweise die Malerei nicht gesehen hätten oder sich nicht mehr erinnerten.46 Auch berichtete die Flyveposten 1853 über Melbyes Kontakt zu Napoleon III., seinen Orientaufenthalt, die Verleihung des osmanischen

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Medjidie-Ordens und die Aufträge des Sultans und seines Hofes.47 Und in einem versöhnlichen Artikel der Illustreret Tidende betonte Erik Bøgh 1860 vor allem Melbyes internationale Karriere und seine höfischen Kontakte und erwähnte nur am Ende, dass »die nordische Kritik einen fremden Einfluss in seinen letzten Arbeiten spüren will«.48 Nicht Melbyes Kunstschaffen, sondern seine erfolgreiche Karriere scheint der Faktor gewesen zu sein, der die Kopenhagener dazu bewegte, Melbye 1858 wieder nach Dänemark zu bitten, wo ihm die Mitgliedschaft in der Akademie und der Dannebrog-Orden verliehen wurden. Für seine Rentrée wählte Melbye 1858 anlässlich der Akademieausstellung auf Charlottenborg ein monumentales historisches Seestück: Das Gemälde Eine Episode aus der Seeschlacht in der Køge Bucht 1677, in der die dänische Flotte trotz ihrer Unterzahl an Schiffen über die Schweden gesiegt hatte |Abb. 8|. Das Bild, das seiner Thematik entsprechend im Stil der Seestücke des 17. Jahrhunderts gehalten ist, hatte Melbye bereits 1855 auf der Weltausstellung in Paris gezeigt. Es war ursprünglich eine Auftragsarbeit für den bereits 1848 verstorbenen König Christian VIII. gewesen, doch Høyen nahm das Werk nur mit Vorbehalt in die Königliche Bildergalerie auf.49 Als ein die monarchische Leistung lobendes, höfisch-repräsentatives Historienbild widersprach es dem bürgerlich-nationalen Kanon, passte jedoch andererseits durchaus in die aufgeheizte politische Stimmung in Dänemark, die 1864 zum zweiten deutsch-dänischen Krieg führte, in dem die dänische Flotte eine wichtige Rolle spielen sollte. Das Gemälde ist ein Beleg dafür, dass Melbye in Paris Kontakt zum dänischen Hof gehalten hatte und sich weiterhin dem Königshaus verbunden fühlte. Wie auch Erik Bøgh in seinem oben zitierten Artikel andeutete, war der Konflikt mit den nationalen Kräften nicht ausgestanden.

Fremd in der Heimat Melbye hielt es nicht lange in Kopenhagen. Bereits ein Jahr später malte er erneut in Paris. Seine Aufenthalte wechseln fortan zwischen Paris, Hamburg und Kopenhagen, wo er 1862 zum Titularprofessor ernannt wurde. An die dänische »Nationalromantik« und den nationalen Kanon passte Melbye sich nicht an, Genrebilder der dänischen Land- oder Küstenbevölkerung malte er nicht. Nur wenige Gemälde der sechziger Jahre nehmen Bezug auf dänische Motive, seien es Schiffe, Häfen oder die Küste. Dabei reiste Melbye 1867–1868 durchaus an die nordjütländische Küste, die inzwischen in dänischen Künstlerkreisen populär geworden war. Er verarbeitete seine Reiseeindrücke in Kohle- und Kreidezeichnungen, doch eine lokale Bindung oder eine Vorliebe für nationale dänische Sujets lässt sich daraus nicht ableiten. So zeigte zum Beispiel eine Hamburger Einzelausstellung des Künstlers von 1872 nicht weniger als 325 Zeichnungen, davon 49 mit dänischen, 36 mit schwedischen, 72 mit französischen und 81 mit türkischen Motiven, wie der Katalog angibt.50 Das Gemälde Französischer Dampfer von 1867 steht als Beispiel für eine Reihe von Seestücken, in denen Melbye in den sechziger Jahren neueste technische Entwicklungen in der

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9 Anton Melbye: Französischer Dampfer, 1867, Öl auf Leinwand, 45 × 68,5 cm, Hamburg, Kunsthalle

Schifffahrt inszenierte und damit zukunftsbejahende Vorstellungen zum Ausdruck brachte |Abb. 9|. Melbye visualisierte durch das metallverkleidete, mit niedergelegten Rahen den Windwiderstand verringernde und durch Schraubenantrieb in stürmischer See gegen den Wind zu unbekannten Zielen ausfahrende Transportschiff sowohl dessen wirtschaftliche Vorteile als auch seinen scheinbar unbegrenzten Aktionsradius. Im Gegensatz zu den dramatischen Sturmbildern des Salons, in denen noch Mitte des 19. Jahrhunderts die schicksalhafte Abhängigkeit des Menschen von den Naturgewalten thematisiert wurde, spiegelt Melbyes Gemälde damit eine Auffassung der Naturkräfte als aktiv anzunehmende Herausforderung. In die dänische Kunstlandschaft und vor allem in die gesellschaftliche Befindlichkeit nach der verheerenden dänischen Kriegsniederlage 1864 passten solche Bilder nicht. Statt sich mit einem raumgreifenden Fortschritt auseinanderzusetzen, versuchte man dort zu bewahren, die Zeit anzuhalten und überschaubare, sichere, kleine Refugien zu schaffen.51 Die dänische Kunstkritik der sechziger und siebziger Jahre reagierte jedoch überwiegend positiv auf Melbyes Arbeit. Sie sah in Melbyes Auslandsaufenthalten die »Andersartigkeit« seiner Kunst im Vergleich zur dänischen begründet, spannte ihn aber, wegen seiner internationalen Bekanntheit, für die Auslobung einer »dänischen Schule maritimer Malerei« ein.

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Philip Weilbach interpretierte 1867 das Seestück grundsätzlich als bedeutende »nationale« Gattung und erklärte dies mit Dänemarks Lage am Meer. Damit folgte er Høyens Auffassung, der bereits 1851 Eckersbergs Marinen als ein passendes dänisches Thema bezeichnet hatte. Während Eckersberg eine dänische Schule der Seemalerei gegründet habe, so Weilbach, habe Melbye dem dänischen Publikum »neue und unbekannte Eindrücke« geboten: »Erhabenheit und Wildheit in Himmel und See«, »aufgewühlte Wogen«, »sturmgejagte Wolken« und einen »Ausdruck von Gedanken und Empfindungen« sah er in dessen Malerei.52 Die Zeitung Søndags-Posten nahm Melbye 1871 in ihre Artikelreihe dänischer Künstler auf und urteilte, der Maler sei zwar nicht »national«, weil er lange im Ausland gelebt habe, aber er habe nationale Verdienste errungen, denn durch ihn würde das Ausland auf die maritime Malerei Dänemarks aufmerksam, die sich mit derjenigen aller anderen Länder messen könne.53 Holger Drachmann, der 1871 eine dreiteilige Abhandlung zur dänischen Seemalerei veröffentlichte, widmete Melbye einen ausführlichen Beitrag, in dem er seine besonderen künstlerischen Leistungen, aber auch den französischen Einfluss in seiner Kunst feststellte.5 4 Das Blatt Fædrelandet hingegen bemerkte zynisch in einem Beitrag zu Melbyes Tod 1875, es sei fraglich, ob sein Talent tatsächlich vergleichbar zu seinem Ansehen im Ausland gewachsen sei.55 Das Gemälde Meereseinsamkeit von 1852 steht beispielhaft für das Neue, Unbekannte in Melbyes Werken, das Weilbach 1867 hervorhob |Abb. 10|. Es gehört zu einer Reihe von Bildern, in denen Melbye den leeren, aufgewühlten Ozean malte und die bereits 1851 Meîr Aaron Goldschmidt aufgefallen waren. Dieser beschrieb den überwältigenden Eindruck, den die Physiognomie einer einzelnen Woge auslöste, die »entweder das Menschliche überwältigt hat oder dies in einem Augenblick tun wird«.56 In der Romantik, insbesondere in Caspar David Friedrichs Werken, verweist das weite, stille Meer als Naturallegorie auf die menschliche Existenz im Diesseits und Jenseits. Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts hingegen wurden das Meer und die sich unendlich wiederholenden Wellen als schicksalhaftes Gleichnis erfahren, wie etwa 1857 in Victor Hugos prominenter Tuschezeichnung Ma Destinée (Paris, Musée Victor Hugo).57 In Melbyes Meereseinsamkeit ist es nicht die einzelne, sich bedrohlich gegen den Betrachter erhebende Welle, sondern es sind die Gleichförmigkeit, Undurchdringlichkeit und räumliche Unendlichkeit der bewegten Meeresoberfläche, die von stetigen Winden angetrieben wird – sichtbar durch die gleitenden Seevögel – und weit mehr auf die Verunsicherung des Betrachters zielt als die hoch aufragenden dunklen Wolken. Das Gemälde bringt Melbyes künstlerische Auffassung zum Ausdruck, die von der dänischen Kunstkritik als fremd und »europäisch« empfunden wurde: Nicht die kulturell-gebundene, visuell erfahrbare Landschaft, wie sie in der Malerei des »Goldenen Zeitalters« und der »Nationalromantik« künstlerisch gespiegelt wurde, sondern die leere Meeresfläche, ohne Zeichen von Mensch oder Schiff, ohne Bindung an einen physischen, gar identifizierbaren Küstenort wird für den Betrachter zur Projektionsfläche existentieller Reflexion.58 Romantik und Naturalismus koppelnd und eine intensive Farbigkeit nutzend, gelang es Melbye in seiner Malerei, in der Auseinandersetzung mit Meer und Schiff, neue motivische,

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10 Anton Melbye: Meereinsamkeit, 1852, Öl auf Leinwand, 68,7 × 107,5 cm, Hamburg, Kunsthalle

kompositorische und künstlerische Ausdrucksformen zu finden, die die modernen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts spiegeln. Diese Entwicklung war nur möglich durch eine aktive Loslösung von nationalen und akademischen Vorgaben und dies wiederum konnte letztlich nur in der Fremde vollständig gelingen. Im Ausland fand Melbye Stimulation und die Möglichkeit, sein Kunstschaffen frei zu entfalten, dessen Wurzeln in der Kopenhagener Schule angelegt und durch die Bedingungen der national bestimmten Kopenhagener Kunstszene geprägt waren. In der komplexen Beziehung Melbyes zu Kopenhagen, in der Wahrnehmung des Künstlers als »Europäer« manifestiert sich das Bild eines Malers, der im eigenen Land fremd geworden war. Das grenzenlose, uferlose Sujet der Meereseinsamkeit ist als Reflex dieser Fremdheitserfahrung zu werten, die Anton Melbye in ein äußerst produktives, eigenständiges Kunstschaffen umsetzen konnte.

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1 Anonym: [ohne Titel], in: The Manhattan and de la Salle Monthly 1–2/1875, S. 166 f., S. 166. 2 Theodor Fontane: Kopenhagen [1865], in: id.: Im Paris des Nordens. Impressionen aus Dänemark (hrsg. v. Gotthard Erler), Berlin 22003, S. 89–146, S. 121. 3 Zur Entwicklung der dänischen »Nationalromantik« vgl. Hans Edvard Nørregård-Nielsen: Danish Painting of the Golden Age. Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen 1995, S. 7–67. 4 Vgl. Hans Vammen: National Internationalism – the Danish Golden Age Concepts of Nationality, in: Thorvaldsens Museum Bulletin 1997, S. 9–17. 5 Vgl. Die Kopenhagener Schule. Meisterwerke deutscher und dänischer Malerei von 1770 bis 1850, Ausstellungskatalog, Kunsthalle zu Kiel 2005; Patricia G. Berman: In another Light. Danish Painting in the Nineteenth Century, London 2007, S. 102, S. 114 u. S. 117. 6 Zu den Auswirkungen zum Beispiel auf Detlev Conrad Blunck oder Louis Gurlitt vgl. Peter Thurmann: Identität, Austausch und Abgrenzung. Dänen und Deutsche im Goldenen Zeitalter, in: Die Kopenhagener Schule 2005, S. 148–160, S. 159; Maren Welsch: Louis Gurlitt, ibid., S. 238–239, S. 239. 7 Vgl. Niels Lauritz Høyen: Skrifter (hrsg. v. Johan Louis Ussing), Kopenhagen 1871–1876, 3 Bde.; Kirsten Agerbæk: Høyen mellem Klassicisme og Romantik, Esbjerg 1984; Steffen Werner: Aspekte deutscher und dänischer Landschaftsmalerei der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Kiel 1996, S. 175–182. Zu Høyens Ausstellungspolitik vgl. Britta Tøndborg: Hanging the Danes. Danish Golden Age art in a nineteenth century museum context, in: SMK Art Journal 2005, S. 119–126. Zu Høyens Einfluss vgl. auch Lotte Thrane: Tusmørke Mesteren, 10 kapitler om Lorenz Frøhlich og hans tid, Kopenhagen 2008, 2 Bde., Bd. II, S. 101–136. Zum nationalen Diskurs trugen neben Høyen eine Reihe dänischer Intellektueller bei, wie Hans Christian Ørsted, Joakim Frederik Schouw, Adam Oehlenschläger, Bernhard Severin Ingemann, Steen Steensen Blicher und Nikolai Frederik Severin Grundtvig. 8 Der Literaturkritiker Valdemar Vedel prägte 1890 den Begriff des »Goldenen Zeitalters« für die Periode 1814 bis 1848, vgl. Berman 2007, S. 18. 9 Vgl. Peter Michael Hornung u. Kasper Monrad: C. W. Eckersberg. Dansk malerkunsts fader, Kopenhagen 2005; Erik Fischer: C. W. Eckersberg, Kopenhagen 1993. 10 So betonte Wiborg, dass die Seestücke von Eckersberg das charakteristische der nordischen See und damit sein Vaterland Dänemark zeigen würden, vgl. Karsten Friis Wiborg: Kritik over de ved det kongelige Akademie for de skønne Konster offentlig udstillede Malerier, Kopenhagen 1838, S. 54. Grundsätzlich war Eckersberg jedoch in seiner Kunstauffassung nicht an die nationale Politik gebunden. 11 Vgl. Peter Nørregaard Larsen: Fear of Loss and Longings for Arcadia. The Afterlife of the Danish Golden Age c. 1850–70, in: SMK Art Journal 2000, S. 95–121, S. 99. 12 Zu den Hamburger Sammlerkreisen vgl. Henrik Lunganini: Anton Melbye, ein dänischer Marinemaler in Hamburg, in: Jahrbuch des Altonaer Museums 10/1972, S. 99–110. 13 Adolf Strodtmann: Das geistige Leben in Dänemark, Berlin 1873, S. 54 f. 14 Vgl. Heinrich Zeise: Ausstellungskatalog von Professor Melbye’s Kohlezeichnungen, Hamburg 1872; Anton Melbye Ausstellung, veranstaltet zu Ehren Prof. Anton Melbyes anlässlich seines 25-jährigen Todestages am. 10. Januar 1875, Ausstellungskatalog, Kunstsalon Louis Bock & Sohn, Hamburg 1900. 15 Vgl. anonym: Anton Melbye, in: Søndags-Posten, 17. September 1871, S. 1; Holger Drachmann: Det danske Sømaleri, in: Nyt dansk Maanedsskrift 1/1871, Teil III, S. 431–450, S. 434 f. Müller nannte Melbye

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1884 einen der wenigen dänischen Künstler der Jahrhundertmitte, die in Europa Anerkennung gefunden hätten; vgl. Sigurd Müller: Nyere Dansk Malerkunst, Kopenhagen 1884, S. 250 ff. 16 Vgl. Emil Hannover: Europæerne, in: Alfred Jacobsen (Hrsg.): Kunstens Historie i Danmark, Kopenhagen 1901–1907, S. 309–356; id.: Dänische Kunst des 19. Jahrhunderts, Leipzig 1907, S. 41–74; Sigurd Schultz: Danske Kunstnere i Paris i Tiden mellem Restaurationen og den tredje Republik, in: Danske i Paris Gennem Tiderne (hrsg. v. d. Association Franco-Danoise i Paris), Kopenhagen 1938, 2 Bde., Bd. II.1, S. 215–336, S. 279. 17 Vgl. Henrik Bramsen: Danish Marine Painters, Kopenhagen 1962, S. 92. 18 Vgl. Peder Ludvig Møller: Kunstudstillingen paa Charlottenborg, in: Nye Intelligensblade, 15. Mai 1842, o. S. Zu den Kopenhagener Kritikern vgl. Erik Mortensen: Kunstkritikkens og Kunstopfattelsens Historie i Danmark, Kopenhagen 1990, 2 Bde., Bd. I. 19 Obwohl Lund weniger Einfluss als Eckersberg an der Akademie hatte, fühlten sich gerade die Studenten von ihm angezogen, deren Kunst einen nationalromantischen Einschlag annahm, wie zum Beispiel Thomas Lundbye, Peter Christian Skovgaard, Dankvart Dreyer oder Vilhelm Kyhn; vgl. Kasper Monrad: Hverdagsbilleder. Dansk Guldalder kunsnere og deres vilkår, Kopenhagen 1989, S. 81. Auch Melbye stand Lund nahe, der 1841 ein Porträt von ihm zeichnete (Hillerød, Det Nationalhistoriske Museum Frederiksborg Slot). 20 Die melancholischen Nachtstücke, die stillen Ansichten Dänemarks, die dramatischen Landschaften sowie die Seestücke Norwegens des in Dresden in engem Kontakt mit Friedrich stehenden Dahl waren in Kopenhagen gut bekannt, ebenso die Landschaften und Seestücke der barocken niederländischen Malerei, die in der Moltke-Sammlung und der Königlichen Bildergalerie ausgestellt waren; vgl. Flemming Friborg: Nature Piece by Piece. J. C. Dahl and the Danish Golden Age, Kopenhagen 1999; Two Golden Ages. Masterpieces of Dutch and Danish Painting, Ausstellungskatalog, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen 2001. 21 Vgl. Regina Schubert: Anton Melbye, in: Die Kopenhagener Schule 2005, S. 258–259, S. 258. 22 Vgl. Karsten Friis Wiborg: Kunstudstillingen, Kopenhagen 1841, S. 32. 23 Zu den Ankäufen des Königs vgl. Monrad 1989, S. 95. 24 Møller 1842. 25 Vgl. Karsten Friis Wiborg: To Malerier, in: Ny Portefeuille, 19. November 1843, S. 233–235. 26 Vgl. Anton Melbye: Raddampfer auf hoher See, 1843, Öl auf Leinwand, 63,5 × 92 cm, Auktionshaus Schopmann, 27. November 2007, Nr. 122; vgl. Mortensen 1990, S. 117. 27 Vgl. Wiborg 1843, S. 235. 28 Vgl. Wiborg 1838, S. S. 54; id.: Konstudstillingen i 1844, Kopenhagen 1844, S. 45–48. 29 Vgl. Peder Ludvig Møller: Kunstudstillingen paa Charlottenborg, in: Nye Intelligensblade, 8. Mai 1842, o. S.; Mortensen 1990, S. 116 u. S. 118. 30 Vgl. Wiborg 1838, S. 54; Mortensen 1990, S. 118 f. 31 Vgl. Tøndborg 2005, S. 122; Villads Villadsen: Statens Museum for Kunst 1827–1952, Kopenhagen 1998, S. 57.

EIN »EUROPÄER« IN DÄNEMARK

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32 Sigurd Müller: Anton Melbye, in: Højskolebladet, 26. Februar 1892, S. 257–263, S. 262: »han stod ikke ›paa den rigtige Side‹«; vgl. auch Tøndborg 2005, S. 121. 33 Zum Spannungsverhältnis zwischen Christian VIII. und Høyen vgl. Tøndborg 2005, S. 121 ff. 34 William Turner: Eddystone Lighthouse, um 1822, Aquarell, 430 × 650 mm, vgl. Andrew Wilton: J. M. W. Turner, Leben und Werk, München 1979, S. 368 (Kat.-Nr. 506); vgl. Anton Melbye: Skizzenbuch, 1842–1844, S. 117, Kopenhagen, Det Kongelige Bibliotek, Acc2002-134. 35 Vgl. Nyt Dansk Kunstnerlexikon, Bd. II, Kopenhagen 1897, S. 109–111, s. v. Anton Melbye (Philip Weilbach). 36 Zeitgenössische Sammlungskataloge listen das Gemälde zunächst nicht auf; vgl. zum Beispiel Christian Ludvig le Maire: Verzeichnis der Gemälde der Königlichen Bildergallerie in Kopenhagen, Kopenhagen 1853. 37 Müller 1892, S. 262: »Høyen som den Gang havde det store Ord at sige, kunde ikke med ham.« 38 Anonym: Nogle Betragtninger, in: Corsaren Nr. 275, 25. Dezember 1845, S. 1–5, S. 4: »Men hvo lagde Adam Müller i Graven? Hvo jog Simonsen i Landflygtighed? Hvem er det, der nu vil jage Gertner og Melbye bort, fordi de ikke tegne efter Lineal? Hvem besørger efter Udstillingen de kongelige Indkjøb, der skulle opmuntre de unge Kunstnere, og foretrækker da, ikke det frodige, friske Liv, men de døde, aandløse Regler?« 39 Vgl. anonym: Dødsfald, in: Søndags-Posten, 17. Januar 1875, o. S. 40 Vgl. Melbye 1842–1844, S. 62; Brief von Anton Melbye an Just Mathias Thiele, 12. Januar 1848, Kopenhagen, Det Kongelige Bibliotek, NKS 1540,2°. 41 Zur Wahrnehmung der französischen Kunst vgl. Drachmann 1871, S. 17 ff.; Monrad 1989, S. 109. Zu Paris als Reiseziel vgl. Schultz 1938, S. 270 ff.; Mortensen 1990, S. 153. 42 Erste Ölbilder orientalischer Sujets sowie Tagebucheinträge zeugen davon; vgl. Melbye 1842–1844, S. 124. Zu Melbyes Kontakten zum französischen Hof vgl. Erik Bøgh: Anton Melbye, in: Aaret Rund, Aargang 1889, Kopenhagen 1889, S. 173–176. 43 Vgl. Schultz 1938, S. 276 u. S. 291 f. 44 Vgl. Alfredo Boulton: Camille Pissarro en Venezuela, Caracas 1966, S. 87 ff. 45 Vgl. Weilbachs Kunstnerleksikon (hrsg. v. Sys Hartmann), Bd. III, Kopenhagen 1995, S. 359–360, S. 360, s. v. Anton Melbye (Annette Stabell). 46 Vgl. Meîr Aaron Goldschmidt: Noget om Kunstudstillingen, in: Nord og Syd, 3. Mai 1851, S. 362–424, S. 400. 47 Vgl. anonym: Maleren Anton Melbye og Keiser Napoleon III., in: Flyveposten, 12. August 1853, o. S.; anonym: Marinemaleren Anthon Melby, in: Flyveposten, 22. Dezember 1853, o. S. 48 Erik Bøgh: Anton Melbye, in: Illustreret Tidende, Nr. 19, 5. Februar 1860, S. 155–156, S. 156: »mens nordiske kritici har villet spore en fremmed Paavirkining i hans senre Arbeider«. 49 Vgl. C. W. Eckersberg og hans elever, Ausstellungskatalog, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen 1983, S. 124.

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50 Vgl. Zeise 1872. 51 Siehe zum Beispiel Bilder von Peter Christian Skovgaard oder Frederik Vermehren ab Mitte der fünfziger Jahre, vgl. Nørregaard Larsen 2000, S. 95–109. 52 Philip Weilbach: Konstudstillingen, in: Fæderelandet, 8. Mai 1867, o. S.: »Storhed og Vildhed i Luft og Sø […] oprøde Bølgers […] stormjagne Skyers […]. Udtryk for Tanker og Følelser […] nye og ukjendte Tilsyneladelser oprulledes for Beskuerens Øie«; vgl. Høyen 1871–1876, Bd. III, S. 134. 53 Vgl. anonym: Anton Melbye, in: Søndags-Posten, 17. September 1871, S. 1. 54 Vgl. Drachmann 1871, S. 431 ff. 55 Vgl. anonym: Dødsfald, in: Fædrelandet, 13. Januar 1875, o. S. 56 Goldschmidt 1851, S. 316: »om man kunde se, at den enten havde overvældet noget Menneskeligt eller om et Øjeblick vilde gøre det«. 57 Vgl. Oskar Bätschmann: Entfernung der Natur. Landschaftsmalerei 1750–1920, Köln 1989, S. 124 ff. 58 Zur kulturgebundenen Landschaft vgl. Tine Blicher-Moritz: When Roses blossomed fair in Dana’s garden. The Landscapes of the Golden Age, in: Landskab / Landscape, Kopenhagen 2005 (Meddelelser fra Ny Carlsberg Glyptotek, Bd. 7), S. 177–185.

EIN »EUROPÄER« IN DÄNEMARK

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CARPETS OF MEMORY Paul Klee’s Tunisian Watercolors S A R A H MC G AV R A N

Oriental Carpets: the Stuff of Dreams During psychoanalysis, Sigmund Freud’s patients would recline comfortably on his now legendary couch, which was covered in nineteenth-century Persian and Anatolian carpets |fig. 1|. The Orientalist trappings of Freud’s consulting room convey a strong association between distant cultures, the innermost workings of the human psyche and direct, unmediated thought and expression. That carpets took center stage in Freud’s practice was no accident. This choice relates to a broader discourse in European art criticism, theory and popular culture around 1900. Artists, critics and scholars understood the Oriental carpet to be an intuitive form of artistic expression with deep spiritual meaning. It is unlikely that the Swiss-German modernist Paul Klee was aware of Freud’s exotic couch before embarking on his two-week journey to Tunisia in 1914. Yet, in his Tunisian watercolors and related works, the artist harnesses the potential of these associations in order to position his work within the discourse of modernism, to distinguish his aesthetic from that of his avant-garde colleagues in France and Germany and most importantly, to bestow spiritual significance upon his art. Along with fellow artists August Macke and Louis Moilliet, Klee traveled to Tunisia via Marseilles on April 6, 1914. The artists spent the first few days in the capital city of Tunis and in nearby Saint-Germain, which was primarily a European settlement. From there they

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1 Edmund Engleman: Freud’s Consulting Room in Vienna, Austria, 1938, photograph, London, Freud Museum

traveled to the artists’ colony at Sidi-Bou-Said and to the ancient site of Carthage. They then went further south to Hammamet and to Kairuan, a holy city for Islam and a center of Tunisian textile manufacture. On April 19, Klee returned to Europe from Tunis via Palermo, Italy, while Macke and Moilliet departed on April 22. Klee referred to carpets in both the compositions and the titles of paintings from or related to the trip. He also drew a direct parallel between carpets and mysterious mental processes in the very title of Teppich der Erinnerung (Carpet of Memory) |fig. 2|. In 1921 or 1922, the artist actually removed the canvas from its stretcher and repainted it so that it more closely resembled its namesake both materially and visually.1 The style of the Tunisian watercolors varies, but the relationship between these works and carpets was significant enough that the artist and his critics would emphasize it again and again. In 1917 the critic Theodor Däubler attributed what he perceived as the emotional sincerity of Paul Klee’s art and »the carpet-like quality in his representations« to the artist’s trip to Tunisia.2 Däubler developed these ideas in an essay of 1918, where he presented both Klee’s artistic output and Islamic architecture as outgrowths of the natural world. In language

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2 Paul Klee: Teppich der Erinnerung (Carpet of Memory), 1914–1922, oil, chalk and watercolor on canvas, mounted on board, 37, 8 × 49, 3 cm, Bern, Zentrum Paul Klee

laced with Freudian terms, he also suggested that the colorful and seemingly spontaneous aesthetic of Klee’s watercolors was the result of a non-deliberative process: »His compositions are crystallized, enchanted dreams. Some of the vestiges of childhood stir in every adult: when we sleep or begin to compose poetry, they bud once again. Red buds, softly dewed, appear in the realm of our dreams. But they will not bloom forth: they climb up and turn into onion domes, the copper coverings on the minarets of an eastern city. All the dew has evaporated into the vastness and in its place a star-shaped bauble of mother of pearl shimmers though this experience of the Oriental soul. […] Rows of carpet-bright patches accumulate on top of one another: as if joyfully dispersed by the hand of a child.«3

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3 Paul Klee: Kairuan, vor dem Thor (Kairuan, before the Gate), 1914, watercolor, 13,5 × 22 cm, Stockholm, Moderna Museet

By associating Oriental carpets with Klee’s small-scale watercolors of the North African landscape, Däubler promoted an understanding of Klee’s artistic goals as similar to those of the psychoanalyst. Both attempt to evoke or represent that which cannot be seen. That is, while Freud sought to elicit from his patients an expression of what he thought was suppressed in everyday life, the unconscious, Klee tried to represent the immaterial, or the spiritual, through material means. In Kairuan, vor dem Thor (Kairuan, before the Gate) from 1914, Klee lightly sketches in the composition in pencil, but then lets the watercolor overlap or pool at the edges of the color planes to create a carpet-like grid or pattern |fig. 3|. Brushstrokes suggest threads at the bottom and at points of transition from one color to the next. It is as if the patches of color are woven together. The irregular shape of the composition, with its imprecise grid and blurry edges, is reminiscent of traditional flat-woven carpets called kilims |fig. 4|.4 Furthermore, Klee’s work and the kilim reproduced here are both comprised of fields of color and representational elements, such as small figures or animals. But while the animals in the kilim are elements of patterns, as in the horizontal band of camels at the center, the way Klee employs them demonstrates his familiarity with Cubism. As points of reference or signifiers within an

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otherwise abstract composition, the figurative elements establish a sense of pictorial depth and make legible the subject of the desert landscape. Klee’s simplified naturalistic forms, such as the camel in Kairuan, vor dem Thor, also resemble those depicted in North African ceramics, but the artist and his critics never related his works to these other objects. Instead, they drew parallels between Klee’s work and Oriental carpets because the latter occupied a much stronger place in the European imagination. Indeed, they were at the center of heated debates about industrialized mass production, quality and authenticity. Fin-desiècle European scholarship posited that Persian art, including the elaborate pile carpets that had been prized in Europe for centuries, was the highest form of Islamic art.5 But factories in England had begun manufacturing Oriental carpets in the midnineteenth century, and Persian carpets were tainted by association.6 Cheap European reproductions were understood as unoriginal and their decoration as merely superficial. By ontrast, Klee may have understood kilims as more akin to European folk art, which he and fellow artists in the Munich-based group Der Blaue Reiter believed to be a sincere and spiritually resonant art form. Klee understood that the decorative, when invoked with respect to non-western cultures which were unencumbered by academic tradition and therefore capable of more direct and authentic expression, had the capacity to instill profound meaning in works of art.

4 Unknown artist of the Redeyef tribe, Tunisia: Kilim, 20th century, 289 × 154 cm, private collection

Paul Klee and »Orientalism« In the late teens and early twenties, the years of Klee’s rising success in the German art world, some critics suggested that the artist’s works were more closely aligned with decoration in a negative sense. For example, one critic wrote: »Klee is traveling a dangerous road. […] His works have passion and fantasy. But in spite of it all, they hover between a literary appeal and one that is purely decorative-ornamental.« 7 It was therefore around this time that the artist and his critics suggested that Klee’s use of the decorative derived from the so-called Orient, as in Däubler’s review. In his 1921 biography of Klee, Kairuan: oder Eine Geschichte vom Maler Klee und von der Kunst dieses Zeitalters, the critic Wilhelm Hausenstein presented the Tunisian sojourn in terms of modernist Orientalist mythology.8 Exotic travel was the ostensible catalyst for Klee’s breakthrough into abstraction and his liberation of color from

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descriptive function. According to this narrative, based in part on Klee’s autobiographical writings, it was in North Africa that Klee began employing patches of arbitrary and pure color to organize the picture plane. In 1921, Klee reinserted Tunisian sketches he had previously considered insignificant into his meticulous oeuvre catalogue. He also revised his Tunisian journals; the rewritten text is the only one that survives today.9 In the following oft-quoted statement, Klee presents himself as a modernist artist-genius who, dazzled by the light, landscape and architecture of North Africa, discovered his individual form of expression and developed a highly personal use of color: »Color possesses me. I don’t have to pursue it. It will possess me always, I know it. That is the meaning of this happy hour: Color and I are one. I am a painter.«10 The Mediterranean light undoubtedly played a key role in Klee’s development as a colorist, but the artist’s familiarity with European ideas about non-western art was critical to his broader project as well. In Paul Klee and the Decorative in Modern Art, Jenny Anger demonstrates that the artist created abstract work inspired by textiles, for example, Teppich (Carpet) from 1914, in the months preceding the journey to Tunisia |fig. 5|. Anger thereby debunks the myth of Klee as a modernist who found his personal visual language in the so-called Orient. She rightly interprets Klee’s modernist self-fashioning as a strategy to save his reputation in the late 1910s, when the decorative had taken on negative associations with »feminine« and therefore ostensibly superficial artistic production. But Klee did more than just disassociate himself from the »feminine« by creating a highly masculine modernist persona. Additionally, the artist and his proponents aligned his work with Oriental carpets as a meaningful form of decoration.11 Edward Said’s foundational 1978 study Orientalism, which argues that Orientalism is a Western mechanism for securing power over the so-called Orient through the creation of discursive systems of knowledge that shape and control Europe’s image of it, remains critical to any study of East/West encounter.12 Although Said excluded German-speaking Europe from his study, this framework can still help position Klee’s exotic travels and Tunisian watercolors within the long tradition of Orientalism in European literature and art. Especially relevant here are Said’s contentions that every Western traveler sees the Orient through the eyes of his or her predecessors and that the Oriental journey is primarily one of self-discovery. Scholars like John Mackenzie have faulted Said for his failure to examine diverse Orientalist production in specific historical contexts, and with good reason.13 More recent studies, like the essays in the 2002 anthology Orientalism’s Interlocutors, examine individual case studies within their historical contexts in order to better understand the complexity of European artistic encounters with the so-called Orient and to identify fissures within Orientalist discourse.14 Likewise, examining Klee’s Tunisian works in light of the historical debate about the significance of Oriental carpets in Europe circa 1900 helps ground his Orientalism in a particular time and place. Klee’s exotic journey and subject matter allowed him to assert his place within the history of modern art as conceived by the influential German art critic Julius Meier-Graefe. In his

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1904 Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst, which Klee owned, Meier-Graefe constructs the development of modern art as a progression towards a more painterly style and towards a notion of art for art’s sake. The critic took pains to demonstrate that modern art was a pan-European phenomenon, so that German artists might develop French art into an international modernist idiom.15 Encounters with exotic locales spurred the formal and colorist innovations of major modernist precursors such as Eugène Delacroix and later, modern artists such as Paul Gauguin. Klee was familiar with the impact of exotic travel on the life and work of the latter, as his wife Lily had given him a German translation of Gauguin’s fictionalized account of the first Tahitian sojourn, Noa Noa in 1912.16 By modeling his career after these artists, Klee claimed his place on the international stage of modern art. As of early 1914, Klee was competing more directly with his close colleagues, Wassily Kandinsky and Robert Delaunay. These artists had already found avenues towards meaningful, as opposed to what they perceived as superficial decorative, abstraction. They bolstered their work by publishing art theory that underscored the spiritual significance of color and light respectively. For example, in the 1911 treatise Über das Geistige in der Kunst, Kandinsky argued that colors were psychologically 5 Paul Klee: Teppich (Carpet), resonant in and of themselves, but that it was the artist who 1914, watercolor, 16,8 × 9 cm, imbued the work with spiritual significance by arranging them Zurich, J&P Fine Art Gallery harmoniously on the canvas. Similarly, Delaunay saw light as the primary pictorial means of conveying the spiritual and believed that harmonious juxtapositions of color carried more meaning than the mimetic representation of the visible world. Klee knew these writings well. In his art reviews for the Swiss periodical Die Alpen of 1912, Klee elaborated on Kandinsky’s theories and the artistic aims of Der Blaue Reiter.17 He also translated Delaunay’s essay La Lumière for Herwarth Walden’s Der Sturm in 1913.18 Klee’s compositions relate to the broader modernist project of flattening pictorial space and emphasizing materiality.19 Furthermore, by alluding to carpets, Klee integrated Delaunay’s Orphic Cubism into his own personal visual language. As is well understood, Klee encountered Delaunay’s lyrical color and Picasso’s cubist abstraction when he traveled to Paris and visited Delaunay’s studio in 1912. There he saw the French artist’s oil paintings entitled Les Fenêtres (Windows), a series which celebrates modern life and technology in Paris. In Les Fenêtres simultanées, for example, the green Eiffel Tower at the center radiates color, light and energy |fig. 6|. The curve of its silhouette is echoed throughout the composition, and intersects with rectangular shapes that suggest modern buildings. Tightly inter-

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6 Robert Delaunay: Les Fenêtres simultanées (1ère partie, 2e motif, 1ère réplique), 1912, oil on canvas, 46 × 40 cm, Hamburg, Kunsthalle

locking fields of color convey the density of the modern city, but at the same time light shines through the colored fields as if they are panes of glass, creating a sense of airiness. Delaunay carries the aesthetic of the stained-glass window into the smoothly painted and glossy surface of the painting as well. By extension, the painted frame becomes the wooden frame of this window onto Paris. Klee develops Delaunay’s aesthetic so that it might take on a new cast in the North African context. For example, in Motiv aus Hammamet, Klee employs Delaunay’s palette of primary and secondary colors, but they are less saturated, suggesting a slightly worn object instead of one that is shiny and new |fig. 7|. The simplified structure rising out of the desert landscape is a far cry from that symbol of French progress, and the balanced composition has a sense of stillness as opposed to energy. In contrast to Delaunay, Klee rejects the Renaissance paradigm of a painting as a window onto the world. By emulating the handmade, yet structured patterns of North African kilims, he flattens the deep space represented in

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7 Paul Klee: Motiv aus Hammamet (Motif from Hammamet), 1914, watercolor, 20,3 × 15,7 cm, Basel, Öffentliche Kunstsammlung, Kupferstichkabinett

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Les Fenêtres simultanées. The arbitrary blue, brown and green dots at the center right of the composition signal his engagement with the decorative. Klee’s departures from Delaunay thus align his work with the Orientalist practice of seeking inspiration not in the modern metropolis, but rather in the exotic landscape and in the visual culture of the faraway »Orient«.

In Search of Authenticity Said argued that Europeans formed a perception of the »Orient« before ever leaving home, and that during their travels they often sought out sites or experiences represented in previous art, literature and travel writing.20 Klee was no different. Even though it remains unclear exactly what the artist read and learned about the »Orient« and Islamic art before April 1914, it is possible to piece some of this together by examining the artist’s cultural context as well as his own library and writings. There were ethnographic museums in Klee’s hometown of Bern and in Munich, the artist’s primary residence from 1898 to 1901 and 1906 to 1921. Before his travels, Klee acquired books on non-western art, such as Julius Kurth’s 1911 Der japanische Holzschnitt, although many more entered his library upon his return from Tunisia.21 The Ausstellung von Meisterwerken muhammedanischer Kunst, discussed below in greater detail, was a massive exhibition of Islamic art held at the Munich exhibition grounds in 1910. It provided artistic fodder for artists ranging from August Macke to Henri Matisse. Although Klee made no reference to this major event in his writings, it is likely that he at least knew about it. Enthusiastic friends like Kandinsky and Macke may have referred him to the extensive catalogue, which was published between October 1911 and February 1912.22 Der Blaue Reiter, an almanac which served as group manifesto in 1912 included one of Klee’s drawings and presented children’s art, folk art and non-western art as positive examples of direct expression unimpeded by academic structures. In his reviews for Die Alpen, Klee also echoed the sentiments of fellow Blauer Reiter members by asserting that the impetus for new art would not be found in museums: »Innovation in what is felt and created today will be discovered in conjunction with earlier times and phases: folk art, children’s art for sure, the Gothic here and in the Orient, Africa.«23 Here Klee falls into the Orientalist stereotype of non-western cultures as undeveloped and even set back in time, although he values their art as a source of renewal for a stagnant European artistic tradition. Despite the resources available in Munich and in Switzerland, where Klee traveled frequently, it was necessary for him to travel to North Africa. There were several practical reasons for going to Tunisia. First, it was easily accessible by steamer from major European ports such as Marseilles and Palermo. At the crossroads between Europe and the »Orient«, Tunisia was sufficiently »exotic«. Having been a French protectorate since 1881 and an official colony since 1883, by 1914 it had a strong European presence. In comparison to nearby Morocco, which became a French protectorate in 1912, it may have seemed a safer

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choice. Klee’s friends had also been there previously. Kandinsky and his companion Gabriele Münter had spent the winter of 1904–1905 in Tunis, while fellow traveler Moilliet had visited Tunisia in 1908 and 1909–1910. The latter had a friend in Tunis named Dr. Jäggi, who had agreed to sponsor the Klee and Moilliet’s trip and to house them during their stay in the capital. Correspondence from Klee to Moilliet in 1913 and 1914 conveys clearly that the trip would not be financially viable without a patron’s pledged support. In the years before his success, Klee felt he would be putting his small family at risk without this guarantee.2 4 Despite this, Klee’s artistic production was not driven by his patron’s demands. In a 1913 postcard to Moilliet, Klee expressed his wish that the artists would inspire one another on their study trip.25 Klee’s Tunisian journey can be understood in part as a follow up to the artist’s extended trip to Italy at the conclusion of his academic training. There, he and his comrades studied antique and Renaissance art. Klee did not believe, however, that a truly modern art could derive from these earlier traditions.26 Over a decade later, Klee, Macke and Moilliet would make an artistic pilgrimage to a place with rich Islamic and Berber artistic traditions in addition to the legacy of classical antiquity. What Klee left out of his watercolors and writings is just as important as what he included. He and his traveling companions did not represent the ubiquitous Roman artistic heritage in Tunisia, such as the aqueduct at Carthage or the mosaics at the Musée du Bardo in Tunis. In true Orientalist fashion, the artists tried to preserve or even to create a »pure« culture untouched by classical antique and contemporary European influences. It was therefore on a practical level that Klee chose Tunisia as opposed to another »Oriental« location, but the choice is not without meaning. In terms of modernist self-promotion, he had to travel outside of Europe to validate his practice and achieve an international reputation. His friends Wassily Kandinsky, Franz Marc and Gabriele Münter had already developed their own work in rural German settings, and Klee simply could have sought out a bucolic location to call his own. But the artist understood the significance that both North African subject matter and a style derived from Oriental carpets could bestow upon his work, and he knew that he had to travel to legitimate this strategy. Thus, by the time he traveled to Tunisia, Klee was looking for carpets, and he had specific expectations about what his encounter with the »Orient« would be like. At just under two weeks, the journey was indeed brief. Its surrounding context and later recasting by Klee and his critics, however, are just as important as the trip itself. Although Klee’s journey is a well-known episode in the history of modernism, many details remain obscure. Macke’s tourist photographs and Moilliet’s later recollections are useful supplements to Klee’s rewritten journals, but none of these is explicit about what kind of textiles Klee may have seen. Therefore the works themselves must serve as evidence of Klee’s engagement with Tunisian visual culture. A comparison between Klee’s Motiv aus Hammamet (Motif from Hammamet) and Macke’s Kairuan III, helps elucidate the ways in which Klee draws upon the format of the

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flat-woven carpet and also to position his work with respect to more conservative Orientalist painting |fig. 8|. Both artists reduce the desert landscape to a series of geometric forms, but portions of Macke’s landscape with a tower are recognizable as figurative or architectural elements in and of themselves, while Klee’s composition is dependent on the interplay between the pictorial elements in order to register as a desert landscape. Like Delaunay’s Les Fenêtres simultanées, Macke’s painting is shot through with light and color, and represents different views of a scene simultaneously. Conversely, Klee’s landscape vacillates between a sense of flatness and one of depth. By and large, his Tunisian watercolors eschew the human figure or lend it only marginal status. Macke, on the other hand, remains fascinated by the Tunisian types and customs often depicted in Orientalist tourist photography.27 In Macke’s watercolor, the ground lines converge at the bottom center, where a repoussoir figure in local garb directs the viewer’s gaze into the landscape. At the top right, three more figures go about their daily lives, while a camel provides their compositional counterpoint in the left half of the watercolor. Although both Klee and Macke were interested in local cultural production, Klee emulated the material qualities of Tunisian kilims in Motiv aus Hammamet. The woven texture of the off-white paper mellows the saturated watercolor pigment and makes the work seem old and tattered. Sketched pencil lines remain visible in both Klee and Macke’s watercolors, but Klee uses short strokes resembling thread to bring together separate fields of color, as in the patches of tan and maroon at the bottom left. On the contrary, Macke paints on smooth white paper and tends to stay within the lines. He also plays more with the properties of watercolor as a medium. A watermark disrupts the field of blue in the top center, and he experiments with the differences between applying the pigment onto wet versus dry paper. Macke’s playfulness with his medium is in line with the modernist tendency to emphasize artistic materials over illusionism. This he shares with the modernist Orientalism of artists like Pierre-Auguste Renoir. On the other hand, Klee’s emulation of kilims connects his work more closely to primitivists like Gauguin, who adapted indigenous modes of representation in order to critique European ways of viewing and representing the world. When Gauguin first traveled to Tahiti in 1891 in the hopes of finding an unspoiled culture, he was sorely disappointed by the predominant French colonial influence. But by the time Klee and his artist friends traveled to Tunisia, there was a growing sense that, in the wake of colonization and with the onset of tourism, locally produced works were becoming scarce or tainted by European influence. For example, the popular Baedeker’s Guide to the Mediterranean of 1911 warns tourists to be wary of Tunisian marketplaces: »The Oriental articles in the Souks and even the fezes are mostly of European make and may be bought cheaper at home.«28 Klee’s allusion to kilims, objects which may have seemed uncorrupted by Western influence and by the tourist industry, therefore exemplifies Orientalist nostalgia for what Westerners believed to be disappearing indigenous cultures.

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8 August Macke: Kairuan III, 1914, watercolor, 22,5 × 29 cm, Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte

The Great Carpet Debate As Klee likely perceived kilims as a genre or subset of Oriental carpets and perhaps as related to Islamic textiles, he also could draw upon ideas associated with these objects. Major European exhibitions of Islamic art in the late nineteenth and early twentieth centuries publicized the discourse on authenticity and tradition with respect to Oriental carpets. In addition to the Paris World’s Fairs in 1889 and 1900, the 1891 exhibition of Oriental carpets in Vienna, the 1893 Exposition d’art musulman at the Palais de l’industrie in Paris and the 1903 Exposition des arts musulmans at the Pavillon de Marsan (soon to be the Musée des Arts Décoratifs) at the Louvre in Paris, the 1907 show of Islamic miniatures and textiles at the Musée des Arts Décoratifs in Paris, and not least the 1910 Ausstellung von Meisterwerken

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9 Unknown photographer: Oriental carpets displayed at »Die Ausstellung von Meisterwerken muhammedanischer Kunst«, Munich 1910, photograph, reproduced in: Die Ausstellung von Meisterwerken muhammedanischer Kunst, exhibtion catalogue, vol. I, München 1912, p. II

muhammedanischer Kunst in Munich exposed a broader public to these objects. Major scholarly works produced in conjunction with these, such as the extensive catalogues accompanying the Vienna exhibition published between 1892 and 1896, outline the ideological aims of these endeavors. For example, in the preface to the 1892 volume, Arthur von Scala explained that the exhibition and publications aimed to revive the decorative arts traditions in Europe, improve the quality of artisanal products in the industrial age, and preserve examples of fine Eastern craftsmanship in an age of decline due to Western influence.29 Paris was the center of the art market and boasted several major collectors of Islamic art and Oriental carpets. In the late nineteenth century, however, it was German-speaking curators and scholars such as Wilhelm von Bode and Alois Riegl who developed the scientific methodology for studying Oriental carpets.30 Scholars attempted to outline the history of production of Oriental carpets from antiquity to the present, and to date and classify them

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by region according to specific patterns and motifs. Detailed descriptions of carpets formed the underpinnings of these early studies. The scholars, often collectors themselves, hoped to elevate the status of Islamic textiles from decorative to fine art by emphasizing composition and design over color. Bode’s 1914 manual Vorderasiatische Knüpfteppiche aus Älterer Zeit takes this a step further by underscoring the parallels between carpets and European and Islamic painting traditions. He established a method for dating carpets using both Persian miniatures and Western painting. At the same time, he argued that the bold color harmonies of Oriental carpets influenced Venetian and Northern Baroque painting. For modern artists in Germany, this would have been important, as Meier-Graefe discussed these schools as major precursors to modern art in the first volume of his Entwicklungsgeschichte. Bode himself noted that in his own day, modern German artists were turning to »Oriental« art to revive a coloristic tradition that had faded with the rise of Naturalism in Germany in the late nineteenth century.31 The public reaction to the Ausstellung von Meisterwerken muhammedanischer Kunst in Munich demonstrated that there was a split between the serious scholarship on Islamic art and public imagination about the so-called Orient. According to the curator Friedrich Sarre’s introduction to the 1911/1912 catalogue, the aim of the exhibition was to disassociate Islamic art from pejorative associations with folk art. Moreover, the uncluttered installation, with works displayed on white walls at some distance from one another, was intended to avoid the impression of a bazaar |fig. 9|. In an acknowledgment of the diversity of Islamic production over time and space, curators arranged works by geographic origin and then subdivided them by medium.32 In a 1910 exhibition review, Ernst Kühnel, a prominent scholar of Islamic art and a specialist in carpets, speculated that the sober installation did not speak to the public’s notion of the »Orient« as a fantasy world: »Because what the European – whether educated or illiterate – […] thinks about the arts of the Islamic world is as a rule nothing more than a fantasy extracted from that legend and fantasy realm of the Orient, that in Europe since the time of the Crusades has suppressed any concrete views and later especially through the collection One Thousand and One Nights has become standard.«33 Moriz Dreger’s essay on Islamic textiles in the Munich exhibition catalogue, however, exemplifies some of the Orientalist stereotypes the curators had hoped to dispel. For Dreger, it was the formal properties of textiles that conjured up the strongest associations with the so-called Orient as a space of fantasy and reverie. He remarked that the pattern repeat of textiles, also a characteristic of Oriental carpets, speaks to a limitless engagement with fantasy that for him characterized Islamic art. He also stated that an »Oriental delight in color« was most evident in these objects. To Dreger’s mind, the emphasis on symmetry over naturalistic representation, as seen in motifs such as the two-headed eagle, links »Oriental«

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art to that of children, in that it conveys only general recollections as opposed to detailed representations of the visible world.3 4 This explanation would not have seemed entirely negative to the Blaue Reiter artists. In a 1912 essay for Die Alpen, in which he drew upon French Symbolist theory and Kandinsky’s Über das Geistige in der Kunst, Klee claimed that prioritizing composition over naturalistic representation would help the artist achieve a more personal form of expression.35 Thus, the contemporary dialogue about Oriental carpets, with its dual emphasis on composition and harmonious color and its linkage of fantasy and imagination, dovetailed with the artist’s concerns at that time. Even if Klee was not immersed in the scholarly discourse about Oriental carpets, he certainly could have absorbed the associations between the so-called Orient as a dream world and Islamic textiles in popular culture. A tourist photograph of snake charmers by a French studio in Tunisia utilizes carpets as a backdrop against which to project European fantasies of the so-called Orient |fig. 10|. Klee could have seen such images during the trip; Moilliet later recalled that Macke bought photographs of Arab women from an Italian photographer and shared them with his fellow travelers.36 Within Islamic tradition itself, however, carpets are irrevocably tied to the concept of paradise. The 88th Surah of the Koran, entitled al-Gashiyah or »The Overshadowing Event«, describes paradise as a splendid garden where: »Countless springs will flow therein / [and] there will be thrones [of happiness] raised high / and goblets placed ready / and cushions ranged / and carpets spread out (verses 12–16).« Correspondingly, the floral and vegetal motifs of Oriental carpets allude to these heavenly gardens. Prayer rugs are used to demarcate a sacred space for prayer apart from everyday surroundings. To reinforce the spiritual and religious function of these objects, sacred inscriptions are often interwoven in the border decoration. What is more, the seemingly endless repeat of the pattern enclosed within this border alludes to the infinite.37 In the introduction to the 1926 volume Old Oriental Carpets, an addendum to the catalogues published after the Vienna carpet exhibition in 1892, Hermann Trenkwald elaborated upon this relationship: »The inner field is ornamented with an all-over pattern without regard to its limits. This is the case with most carpets, and it corresponds to the genius of Islamic ornament, which aspires to lead the imagination to infinity.«38 Sir George Birdwood’s essay in the Vienna catalogue of 1892 traced the history of Oriental carpets from antiquity to the nineteenth century and claimed that there was a concrete relationship between the material and the spiritual in Islamic culture and tradition. Influenced by John Ruskin, he argued that the authenticity and quality of ancient Oriental carpets stemmed from the fact that they were made in celebration of the divine. In late antiquity, which Birdwood believed to be an age of moral decay, these objects declined in artistic worth. But with the rise of Islam, and its »religious sense of the indivisible unity of the spiritual with the material world« they acquired renewed spiritual purpose.39 He wrote:

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10 J. André Garrigues: Snake Charmers, circa 1900, photograph, reproduced in Douglas Sladen: Carthage and Tunis. The Old and New Gates of the Orient, London 1906, p. 486

»The Saracean Arabs at once changed all this. They were deeply imbued with the almost universal Asiatic sense of the unity and absolute inseparability of the spiritual and material lives of men; and with the corresponding, although not necessarily deducible feeling, that durable, precious, and beautiful things can only be used in the service of man insofar as they also are made to minister to the praise of God. To the devout Saracean Arab nature, whether in its universality or its particularity, is the City, the Garden, the Mountain, in a word, the Temple of God, and like every other Asiatic race that has helped to civilise the world, he insisted that this fact should be unequivocally recognized in all the arts which sustained and adorned his newfound life in God; so that whether a mosque was built for him, or a carpet woven, or a gem set in silver, or, as later, in gold, he required that it should be a symbol of the consecration of the whole creation of things seen and unseen to the Glory of God in the Highest.« 40 Sir George Birdwood’s ideas have much in common with German Orientalist thought. Klee owned an 1840 edition of Goethe’s West-östlicher Divan and marked a poem in the section entitled »Buch Hafis«, named for the fourteenth-century Persian poet and Goethe’s alter-ego in the Divan. It begins with the lines: »Let the word be called the bride, / Bridegroom

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the spirit’s name; / You know this wedding sanctified / If Hafiz you acclaim.« 41 Goethe draws a parallel between marriage and the mystical union of word and spirit in Hafiz’s poetry. Klee must have grasped Goethe’s idea that Hafiz’s great achievement and that of Islamic cultural production in general was the reconciliation of the metaphysical and earthly realms. By 1914 it was practically commonplace for avant-garde artists to conceive of the arts of non-Western cultures as more spiritually profound than those of the West. However, Oriental carpets, and also the kilims that Klee saw in Tunisia, take on special significance in this context. While his understanding of these objects was rooted in European discourse, it was the dislocation from Europe that made it possible for Klee to see them afresh. One aspect of Klee’s Tunisian project involved distinguishing his work from that of Robert Delaunay. But by traveling to the so-called Orient, Klee was also able to move far beyond his colleague’s concerns and to tap into a wider European conception of the nature of Islamic art. Oriental carpets therefore provided Klee with an avenue towards reconciling concepts of the intellectual and the imaginative, the intuitive and the deliberative, the decorative and the fine arts, color and design and the material and the spiritual.

Exotic Memories In the late teens and early twenties, Klee, Däubler and others asserted the profundity of the artist’s work by drawing the association between the Tunisian watercolors and Oriental rugs, and more specifically Tunisian kilims, which they saw as deeply spiritual forms of decoration. Klee’s trip to North Africa and his later self-fashioning were, however, separated by the four years that Europe was embattled in the Great War. Klee lost friends in the war, including his travel companion Macke, who was killed just a few months after their adventure. By this time, it must have seemed as though the Tunisian journey had taken place during another lifetime. Klee’s Teppich der Erinnerung (Carpet of Memory) allegorizes the fading of memory and the evolving perception of personal and collective experiences over time. According to a former patient, Freud compared the process of discovering repressed memories to the work of the archaeologist: »The psychoanalyst, like the archaeologist in his excavations, must uncover layer after layer of the patient’s psyche, before coming to the deepest, most valuable treasures.« 42 Conversely, Klee »weaves« his carpet from layer upon layer of oil paint, obscuring instead of revealing what lies beneath the surface. Verdant flora and shadowy violet lunar forms rise to the surface of this desert landscape, while others sink back. Layers of pentimenti prevent these from ever being seen clearly again. The work is a study in contrasts between faded and bright colors, deliberate and spontaneous expression, the old and the new, and the past and the present. Today, Klee’s longing for a simpler time and place is not entirely inconceivable. The artist’s acknowledgment of the ever-changing nature of exotic memory, however, reminds us that the object of his desire was only a mirage.

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A pre-dissertation research grant from the Department of International and Area Studies and generous travel supplements from the Department of Art History and Archaeology at Washington University in St. Louis supported primary research for this paper. I am especially grateful to Professors Elizabeth Childs, John Klein and Angela Miller for supporting my dissertation from its earliest stages. At the Zentrum Paul Klee in Bern, Switzerland, Eva Wiederkehr Sladeczek and Christine Hopfengart provided much assistance, while Michael Baumgartner generously shared resources on Paul Klee and Orientalism. Thank you to Clare Vasquez at the Saint Louis Art Museum Library for her help with my research on Oriental carpets. Theresa Rose Huntsman and Noelle Paulson patiently read several drafts of this paper, and David Young Kim provided crucial feedback on the final version. I thank them for their thoughtful comments. 1 See Osamu Okuda: Paul Klee: Buchhaltung, Werkbezeichnung und Werkprozess in: Wolfgang Kersten (ed.): Radical Art History. Internationale Anthologie. Subject: O. K. Werckmeister, Zurich 1992, p. 374– 397, p. 381. 2 Theodor Däubler: Die Privatsammlung Herwarth Walden (IV), in: Berliner Börsen-Courier, 25 February 1917, p. 6, quoted after Jenny Anger: Paul Klee and the Decorative in Modern Art, Cambridge 2004, p. 92: »das Teppichartige in seiner Darstellung«. 3 Theodor Däubler: Paul Klee, in: Das Kunstblatt 2/1918, pp. 24–27, p. 27: »Auch seine Bauwerke sind in Kristalle verzauberte Träume. Einige Reste von Kindlichkeit bleiben in allen Erwachsenen rege: wenn wir schlafen oder zu dichten anfangen, knospen sie auf. Aus grünem Moos, das so weich wie Schlaf ist. Rote Knospen, schwach betaut, sind auf einmal da. In unserem Traumbereich. Doch sie werden nicht aufblühen: sie steigen bloß empor und sind schon Zwiebeltürmchen, Kupferkapseln auf Minaretten einer östlichen Stadt geworden. Aller Tau hat in die Weite geschliert, dafür zittert aber leiser Perlmutterglanz, mit einer Sternperle in der Mitte, durch das morgenländische Seelenereignis. […] Reihen von teppichbunten Flächen stapeln sich selber übereinander: Wie von Kindeshand lustig ausgebreitet.« All translations are my own unless otherwise noted. 4 Kilims are still produced throughout North Africa, Turkey and the Middle East; for more information, see: Alastair Hull and José Luczyc-Wyhowska: Kilim. The Complete Guide: History, Pattern, Technique, Identification, San Francisco 1993, p. 24. 5 See Friedrich Sarre: Introduction, in: id. (ed.): Old Oriental Carpets, vol. II, Vienna and London 1928, p. 11–27. 6 See Pennina Barnett: Rugs R Us (And Them). The Oriental Carpet as Sign and Text, in: Third Text 30/1995, pp. 13–28, pp. 15–16. 7 Anonymous: Goering und Klee, in: Berliner Börsen-Courier, 21 September 1920: »Es ist ein gefährlicher Weg, den Klee geht. […] Es ist Geschmack und Phantasie in seinen Blättern. Aber sie schwanken zwischen einer – trotz allem – literarischen Reizung und dem rein dekorativ-ornamentalen Reiz.« 8 See Wilhelm Hausenstein: Kairuan: oder Eine Geschichte vom Maler Klee und von der Kunst dieses Zeitalters, München 1921. 9 See Michael Baumgartner: Paul Klee und der Mythos vom Orient, in: Auf der Suche nach dem Orient (ed. by id. and Carole Haensler), exhibiton catalogue, Zentrum Paul Klee, Bern 2009, pp. 130–169, p. 133. 10 Tagebücher von Paul Klee 1898–1918 (ed. by Felix Klee), Köln 1957, p. 307–308 (entry of 16 April 1914): »Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer, ich weiss das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.« English translation in: The Diaries of Paul Klee 1898–1918 (ed. by Felix Klee), Berkeley u. Los Angeles 1964, p. 297.

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11 See Anger 2004, pp. 63 f. 12 See Edward Said: Orientalism, New York 1978, pp. 2 f. 13 See John Mackenzie: The »Orientalism« Debate, in: Orientalism. History, Theory and the Arts, Manchester and New York 1995, pp. 1–19. 14 See Jill Beaulieu and Mary Roberts (ed.): Orientalism’s Interlocutors. Painting, Architecture, Photography, Durham 2002. 15 See Robert Jensen: Marketing Modernism in Fin-de-Siècle Europe, Princeton 1994, p. 5. 16 See Paul Gauguin: Noa Noa, Berlin 1912. The books from Paul Klee’s personal library are held at the Zentrum Paul Klee, Bern, and were a gift from the artist’s family. 17 See Paul Klee: [untitled review], in: Die Alpen 5/1912, p. 307, in: id.: Schriften, Rezensionen und Aufsätze (ed. by Christian Geelhaar), Cologne 1976, p. 98; Paul Klee: [untitled review], in: Die Alpen 7/1912, p. 433–434, ibid., p. 99–100. 18 See Robert Delaunay: Über das Licht (trans. by Paul Klee), in: Der Sturm 144–145/1913, pp. 255–256, p. 255 f., in: Klee 1976, pp. 116–117. 19 See Joseph Masheck: The Carpet Paradigm. Critical Prolegomena to a Theory of Flatness, in: Arts Magazine 1/1976, pp. 82–109. 20 See Said 1978, p. 177. 21 Julius Kurth: Der japanische Holzschnitt. Ein Abriss seiner Geschichte, München 1911. 22 See Baumgartner 2009, p. 137. 23 Paul Klee: [untitled review], in: Die Alpen 7/1912, pp. 433–434, in: Klee 1976, pp. 99–100, p. 100: »Die Neuheit des heute Gefühlten und Geschaffenen soll in ihrem Zusammenhang mit früheren Zeiten und Stadien aufgedeckt werden, Volkskunst, Kinderkunst wird versprochen, Gotik bei uns und im Orient, Afrika.« 24 Postcard from Paul Klee to Louis Moilliet, 19 May 1913, Bern, Paul-Klee-Stiftung; letter from Paul Klee to Louis Moilliet, 21 March 1914; copies consulted at Zentrum Paul Klee, Bern in May 2008. 25 Postcard from Paul Klee to Louis Moilliet, 19 May 1913. 26 Klee 1957, p. 81 (undated entry, 1901). 27 For an introduction to Orientalist photography, see Mounira Khemir: The Orient in the Photographer’s Mirror, in: Orientalism. Delacroix to Klee (ed. by Roger Benjamin), exhibition catalogue, Art Gallery of New South Wales, Sydney 1997, pp. 198–233. 28 Karl Baedeker: The Mediterranean. Sea Ports and Sea Routes Including Madeira, The Canary Islands, The Coast of Morocco, Algeria and Tunisia, Leipzig 1911, p. 331. 29 See Arthur von Scala: Preface, in: Oriental Carpets (ed. by Sir Caspar Purdon Clarke), exhibition catalogue, Österreichisches Handelsmuseum, Vienna 1892, p. I–II.

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30 See Joëlle Lemaistre: Oriental Carpets in a Western Mirror, in: Heaven in a Carpet (ed. by Brahim Alaoui), exhibition catalogue, Institut du Monde Arabe, Paris 2005, pp. 40–49, p. 37. 31 Wilhelm Bode: Vorderasiatische Knüpfteppiche aus Älterer Zeit, Leipzig 1914, pp. 4 f. 32 See Friedrich Sarre: Vorwort, in: Die Ausstellung von Meisterwerken muhammedanischer Kunst (ed. by id. and Fredrik Robert Martin), vol. I, Munich 1912, pp. I–V, p. III. 33 Ernst Kühnel: Die Ausstellung mohammedanischer Kunst München 1910, in: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst 5/1910, pp. 209–251, p. 209: »Denn was der gebildete oder ungebildete Mitteleuropäer […] sich unter den Kunsttechniken der islamischen Welt denkt, ist in der Regel nichts als ein Phantasieextrakt aus jenem Sagen- und Fabelreich des Morgenlandes, das bei uns seit den Zeiten der Kreuzzüge alle konkreten Anschauungen verdrängt und sich später besonders durch die Sammlung von tausendundein Nächten allzuheimisch eingebürgert hat.« Furthermore, Kühnel speculated that such expectations had been reinforced by recreations of exotic locales at World’s Fairs. 34 See Moritz Dreger: Die Stoffe, in: Die Ausstellung von Meisterwerken muhammedanischer Kunst 1912, pp. I–V, p. II f. 35 Paul Klee: Die Ausstellung des Modernen Bundes in Kunsthaus Zürich, in: Die Alpen 12/1912, pp. 696–704, in: Klee 1976, pp. 105–111, p. 105. 36 See Walter Holzhausen: The Visit to Tunisia. Recollections and History, in: id. (ed.): August Macke. Tunisian Watercolors and Drawings, New York 1959, pp. 18–24, p. 18. 37 See Roland Gilles: Heaven in a Carpet, in: Heaven in a Carpet 2005, pp. 8–31, p. 11. 38 Hermann Trenkwald: Introduction, in: id. (ed.): Old Oriental Carpets, vol. I, Vienna and London 1926, pp. 9–20, p. 13. 39 Sir George Birdwood: The Termless Antiquity, Historical Continuity and Integral Identity of the Oriental Manufacture of Sumptuary Carpets, in: Oriental Carpets 1892, pp. 1–16, p. 16. 40 Ibid., p.15. 41 Johann Wolfgang von Goethe: Poems of the West and East / West-östlicher Divan: Bilingual Edition of the Complete Poems (trans. by John Whaley), New York 1998, pp. 50 f.: »Sei das Wort die Braut genannt, / Bräutigam der Geist; / Diese Hochzeit hat gekannt / Wer Hafisen preis’t. « 42 The Wolf Man: My Recollections of Sigmund Freud, in: Muriel Gardiner (ed.): The Wolf-Man by the Wolf-Man, London 1971, pp. 135–152, p. 139.

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»GANZ EINFACHE SACHEN, SEHR SIMPEL, PURITANISCH« George Grosz entdeckt das Stilleben in Südfrankreich GITTA HO

Gen Süden Im April 1927 brach der Maler und Zeichner George Grosz aus Berlin nach Südfrankreich auf. Der siebenmonatige Aufenthalt, zunächst im Haus seines Mäzens Sally Falk in Pointe Rouge bei Marseille, ab Mitte Juli in einer Ferienwohnung im Fischerdorf Cassis-sur-Mer, war der vierte und längste Frankreichaufenthalt des Künstlers. Grosz verwies dabei auf einen Vorsatz, den er zusammen mit seinem Kunsthändler Alfred Flechtheim gefasst hatte: »Mein Plan (mit Flechtheims Spekulation natürlich) ist der: hier eine Serie ›verkäuflicher‹ Landschaften zu malen […].« Und er ließ keinerlei Zweifel daran, dass es das »anstößige Sujet« sei, das radikale politische Thema also, das vermieden werden müsse, um einen Verkauf seiner Werke zu fördern |Abb. 1|. Sollte dieses Vorhaben erfolgreich sein, fährt er fort, »werde ich im Winter dann an große Lieblingsbilder herangehen à la Sonnenfinsternis oder Stützen der Gesellschaft und derlei. Courbet tat dies auch einmal, er malte den Genfer See für Zahlungsfähige diverse Male. Abgesehen davon bleibt ein ›positives‹ Lernen dabei.«1 Auf der Suche nach gefälligen Motiven und aus dem Wunsch heraus, maltechnisch voranzukommen, aber auch im Bewusstsein, das eigene künstlerische Schaffen in persönlich wichtige, sozialkritische Werke und solche, die dem Geschmack von Flechtheims Kunden entsprachen, unterteilen zu müssen, entstanden in Südfrankreich zunächst vor allem Landschaftsbilder. Später begann Grosz, sein Repertoire zu erweitern und wandte sich der

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Stillebenmalerei zu. Die »südfranzösischen« Stilleben unterscheiden sich dabei wesentlich von allen bis zu diesem Zeitpunkt von Grosz geschaffenen Werken und überraschen insbesondere im Vergleich zu jenen Gemälden und Zeichnungen, in denen der Künstler mit aller Schärfe die politischen Verhältnisse in der Weimarer Republik angriff. Vor seinem Aufenthalt in Südfrankreich hatte sich Grosz noch nie näher mit der Gattung des Stillebens auseinandergesetzt. Es ist jedoch interessant zu sehen, dass die erste Begegnung des Künstlers mit der Ölmalerei im Kindesalter ein Stilleben war, genauer gesagt eine Darstellung verschiedener Obstsorten.2 Das Gemälde entstand im Garten von Grosz’ Elternhaus und wurde von einem »adligen Fräulein« angefertigt, dessen Fähigkeiten, das Gesehene realitätsgetreu abzubilden, der kleine Junge sehr bewunderte. Zeit seines Lebens, so gibt Grosz später an, sollte es für ihn die seinerzeit empfundene Freude an der Stimmigkeit der künstlerischen Imitation sein, die der Stillebenmalerei einen ganz besonderen Reiz verliehen habe. Eine realitätsgetreue Abbildung, streckenweise bis zur Übersteigerung getrieben, zeichnet auch viele Werke von Grosz aus, die kurz vor seiner Abreise nach Südfrankreich in der Galerie von Alfred Flechtheim gezeigt wurden. Wahrscheinlich seit 1925 stand der Maler bei dem Kunsthändler unter Vertrag.3 Er gehörte damit neben 1 George Grosz: Die Stützen der Gesellschaft, 1926, Öl auf Künstlern wie Max Beckmann, Paul Klee und Renée Sintenis zu Leinwand, 200 × 108 cm, Berder – überschaubaren – Gruppe von Deutschen, deren Werke von lin, Neue Nationalgalerie dem damals bedeutendsten deutschen Händler für französische Kunst gezeigt wurden.4 Noch im Februar 1927 präsentierte Flechtheim in seiner Berliner Galerie einen Überblick über das malerische Schaffen von Grosz. Eine Gruppe neusachlicher Porträts, die in den vorangegangenen zwei Jahren entstanden waren, fiel dem Publikum besonders ins Auge: »Solche Bilder werden nur in zäher Arbeit langsam aufgebaut«, schrieb beispielsweise der Kunstkritiker Alfred Kuhn in der Zeitschrift Der Cicerone.5 Insbesondere die erwähnte Langsamkeit des Malvorgangs, die zu eindrucksvoll detailgetreuen Bildpartien führte, war es, die Grosz besondere Mühen bereitete: »[…] hatte eine Kol[l]ektivausstellung bei Flechtheim, und mußte eine Anzahl Bilder dafür endigen, d. h. Tag & Nacht arbeiten – trotzdem wurde nicht jedes Bild bis ins letzte Detail fertig, so wie ich es wollte – aber die Existenz stand drohend (welch schönes Clischéebild!) mit ernst geschwungener Nagaika hinter mir. […] Bin recht froh nach Pointe Rouge bei Marseille zum landschaftern abzudampfen.«6 Die Unzufriedenheit mit manchen der kurz vor Abreise nach Frankreich gezeigten Bilder wurde von Grosz in direktem Zusammenhang mit einer Malweise gesehen, die er als zeit-

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aufwendig empfand. Nicht zuletzt diese Arbeitsweise wollte der Künstler in Südfrankreich ändern. Bessere Schaffensmöglichkeiten versuchte Grosz vor allem dadurch zu erreichen, dass er sich aus seinem gewohnten und oftmals als einengend empfundenen Umfeld in Berlin löste: »[…] es ist wahr – ich fühle mich hier freier als in Deutschland«, schrieb er aus Frankreich, denn dort fand er offenbar mehr Ruhe und Zeit zum Malen als in der Heimat.7 Vor allem in Cassis, wo Grosz sich in einem etwas außerhalb der Ortschaft gelegenen Haus am Berghang ohne Strom einmietete, wollte er das »Bilderbuchleben« eines Künstlers führen und sich unter kargen Bedingungen um nichts als die Schaffung neuer Werke bemühen. Seinen Schwager in Berlin, den Maler Otto Schmalhausen, bat er um die Zusendung von Paul Gauguins Schrift Noa Noa (1901), in welcher der Künstler seinen Tahiti-Aufenthalt beschrieben hatte.8 Es ist anzunehmen, dass Grosz wusste, dass er seine etwas bescheidenere Variante des Südsee-Einsiedlertums im Fischerdorf Cassis an einem Ort verbrachte, in dem sich vor ihm schon andere Künstler wie Henri Matisse, Georges Braque und Othon Friesz aufgehalten hatten. Auch diese waren der Ruhe und Landschaft wegen gekommen. Jules Pascin verbrachte ebenfalls regelmäßig Zeit in Cassis und war, wie Grosz zu berichten wusste, 1927 nur deshalb nicht vor Ort, weil er aus Visagründen in die USA gereist war.9 Lange Jahre später sollte Grosz über seine Zeit in Cassis sagen: »Was für friedliche Malerzeiten. Gerne denkt man zurück […]«.10

Auf der Suche nach der einfachen Form Trotz aller Behaglichkeit war Grosz in Südfrankreich ungemein produktiv. In seinen Aufzeichnungen vermerkte der Künstler stattliche 23 Ölgemälde, die zwischen April und September 1927 entstanden.11 Rein rechnerisch stellte Grosz somit ein kleinformatiges Ölgemälde pro Woche fertig und schuf daneben noch zahlreiche Zeichnungen, Aquarelle und Arbeiten in Tempera. Über ein zu geringes Arbeitstempo konnte sich der Künstler also nicht mehr beschweren. Er schuf etwa zu gleichen Teilen Landschaften, Straßenansichten, Porträts und Stilleben. Von den insgesamt wohl sechs in Cassis entstandenen Stilleben sind nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges nur noch zwei im Original erhalten, von zwei weiteren liegen Abbildungen vor. Der Künstler berichtete seinem Schwager in Berlin, mit dem er sich über sein malerisches Vorankommen austauschte, über eines der Bilder sowie über seine Hinwendung zu der für ihn neuen Gattung im Allgemeinen: »Über meine Arbeit: habe hier ein paar Stilleben gemalt: ganz einfache Sachen, sehr simpel, puritanisch – nichts Wildes, Geheimnisvolles. […] ruhig und einfach realistisch gemalt, ohne Mätzchen, ziemlich hart konturiert […] im Sinne der angestrebten architektonischen Bildwirkung (mein Steckenpferd). […] Küchenlampe, ein Wasserkrug (alter Tonkrug in Hennenform), Pfeife, Palette und Uhr (hängend [im] Hintergrund) comme ça, alles ziemlich graue Töne, breit gemalt, rein Öl.«12

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2 George Grosz: Stilleben (mit Lampe), 1927, Öl auf Leinwand, 60,7 × 45,8 cm, Privatsammlung

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3 George Grosz: Stilleben mit Spielzeugaffen, 1927, Öl auf Leinwand, 74 × 54 cm, Verbleib unbekannt

4 George Grosz: Stilleben mit Brot, Topf und Früchten, 1927, Öl auf Leinwand, 65 × 50,5 cm, Verbleib unbekannt

Die realistische Darstellungsweise, von der Grosz hier spricht, deckt sich mit der bereits angesprochenen Lust des Künstlers an der Nachbildung des Gesehenen, die er mit der Stillebenmalerei verband. Und so hat man beim Betrachten des beschriebenen Stillebens (mit Lampe) auch zu keiner Zeit den Eindruck, dass sich das darauf Gezeigte dem Künstler nicht derart präsentiert haben könnte |Abb. 2|. Auf einem kleinen Tisch werden Krug, Lampe und Pfeife auf übersichtliche Weise präsentiert. Im Hintergrund ist eine in leichtem Lila gestaltete Wand zu erkennen, an der eine Taschenuhr hängt, die an Paletten angebracht ist. Wirft man einen genaueren Blick auf die wenigen dargestellten Gegenstände und deren Gestaltung, fallen der stellenweise betonte Kontur, aber auch die vereinfacht ausgeführten Binnenstrukturen ins Auge: Der im Ölgemälde linkerhand gezeigte Tonkrug in Hennenform wird in einem anderen Bild Stilleben mit Spielzeugaffen erneut als Vorlage verwendet; er weist dort eine ornamentale, flügelartige Verzierung an den Seiten auf, auf die Grosz im Stilleben (mit Lampe) verzichtete |Abb. 3|. Auf allzeit präzise Abbildhaftigkeit war der Maler also ganz offensichtlich nicht aus. Dies bestätigt auch ein Blick auf die Küchenlampe im Bildvordergrund. Fuß und Lampenkörper sind in ihrer Darstellung des auf sie einwirkenden Licht- und Schatteneinfalls ebenfalls durchaus großzügig gestaltet, und diese Tendenz,

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Formen aufzulösen und ineinander verschwimmen zu lassen, wird in anderen Werken noch gesteigert. So wird beispielsweise in dem Stilleben mit Brot, Topf und Früchten am linken oberen Bildrand ein bereits in abstrakte Formen aufgelöster Blick in die Landschaft gezeigt |Abb. 4|. Obwohl Grosz den hier zu beobachtenden Wandel seiner Malweise hin zu einer teilweise überraschend konsequenten Vereinfachung selbst forcierte, stand er ihm dennoch mit einer gewissen Skepsis gegenüber: »[…] auf jeden Fall gar nicht so leicht, wenn man nicht einen Allerwelts-Schmierstil malen will«, kommentierte er sein Bemühen um eine persönliche Ausdrucksweise.13 Betrachtet man das Stilleben (mit Lampe) genauer, fällt noch etwas anderes ins Auge: die ausgewogene Komposition der sorgsam arrangierten Gegenstände. So achtete Grosz beispielsweise darauf, dass zwischen einfach gestalteten, voluminö5 George Grosz: Skizze aus einem Brief an Otto Schmalhausen, vermutlich August 1927, Cambridge/MA, Harvard sen Formen, wie sie bei der Darstellung University, Houghton Library des Kruges zu sehen sind, und detailreich präsentierten Partien, wie man sie bei der Ansicht der Lampe erkennt, ein Ausgleich herrscht. Diagonal gesetzte Bildlinien, die dem Verlauf der Tischkanten und den Paletten folgen, verhindern eine zu starre innerbildliche Tektonik. Das Interesse an einem ausgewogenen Bildaufbau, das dadurch bezeugt wird, bringt Grosz immer wieder auch in den Briefen an seinen Schwager zur Sprache, in die er zusätzlich kleine, das Verhältnis der abgebildeten Gegenstände näher bestimmende Kompositionsskizzen einfügte |Abb. 5|. Im Gegensatz zu den komplizierten vielteiligen und inhaltlich aufgeladenen Gemälden wie Die Stützen der Gesellschaft arbeitete Grosz in Cassis mit dem Zusammenstellen von wenigen, simplen Bestandteilen an formal ausbalancierten Werken: Seine Stilleben sind Übungsbilder auf der Suche nach einfachen und ausgeglichenen kompositorischen Arrangements.

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Begegnungen mit einer magisch-surrealen Welt Ohne die finanzielle Unterstützung seines Kunsthändlers Alfred Flechtheim wäre es George Grosz 1927 nicht möglich gewesen, sich mit seiner Familie in Südfrankreich aufzuhalten.14 Inwiefern der Galerist über seine Zahlungen hinaus Grosz dazu ermutigte, Berlin für längere Zeit den Rücken zu kehren, weiß man heute nicht mehr. Es ist allerdings bekannt, dass Flechtheim einige Jahre zuvor Künstler aus seinem Kreis, Rudolf Levy und Paul Strecker, dazu anhielt, einige Zeit in Südfrankreich zu verbringen, um dort künstlerisch voranzukommen.15 Und auch was Grosz betraf, versprach sich der Kunsthändler offenbar eine künstlerische Weiterentwicklung. Dabei hatte er recht genaue Vorstellungen in Bezug auf die gewünschten – weil verkäuflichen – Werkmotive, die er den Themen vorangegangener Arbeiten des Malers gegenüberstellte: »Male Sonne, Strand, Meer, Fischer, Matrosen. Schoene Dinge u. vergiss die Motzstraße, die Sujet[s], der Malik, der Dada[.] Packe die Schoenheit an u. knock out mit all den falschen Miseren, die Dich u. Deine Kunst bedrücken; vergiß dass die Bürgerin pipe ist u. der Prolet. Dass ›Drinnen u. Draussen‹ dem Einen nicht hilft u. den anderen ekelt; dass ›Trübe Straßen‹ gegenständlich keinem imponieren, nur die Malerei. […] Male schoene Dinge.«16 Grosz wäre nicht Grosz gewesen, wenn er auf derartige Überlegungen seines Kunsthändlers, die dieser ihm gleich zu Beginn seines Frankreichaufenthalts zusandte, mit der Produktion gefälliger Strandszenen reagiert hätte. Derartige Sujets sucht man auch in seinem Schaffen aus Pointe Rouge und Cassis vergeblich. Dennoch ist zu beobachten, dass Grosz in Frankreich die Motive seiner Ölmalerei grundlegend überdachte und ihnen dabei zunächst keine höhere Bedeutung beimaß. So schrieb Grosz aus Frankreich an seinen Schwager in Berlin, er sei »kein so besonderer ›Motiven‹-Freund – ein Haus, paar Bäume, Stück Himmel – Meer und so – genügt schon – es hat seine Schwierigkeiten, diese paar Dinge notwendig zu komponieren«.17 Auch in Bezug auf seine Stillebenmalerei ließ der Künstler eine indifferente Einstellung gegenüber dem Dargestellten erkennen: Grosz malte, was ihm sein Haushalt bot. Selbst klassisches Stillebeninventar, wie auf einem Tisch präsentiertes Obst, erhält etwas Beiläufiges, indem es nicht in einer repräsentativen Schale, sondern neben einem leeren Blumentopf und unter einem Salatseiher gezeigt wird. Grosz’ Hinwendung zum Gebrauchsgegenstand machte selbst vor wenig pittoresken Objekten wie einer grauen Flanellpyjamajacke, einer »Flytoxspritze« und einer »Flitflasche« (beides zur damaligen Zeit gebräuchliche Mittel zur Insektenbekämpfung) nicht halt.18 Doch gerade die Motive und ihr Bedeutungsgehalt sollten es sein, die Grosz in seiner in Cassis begonnenen, später fortgeführten Stillebenmalerei auf Dauer am meisten beschäftigten. Zurück in Deutschland entwickelte der Künstler seine nur wenig inhaltsorientierten provenzalischen Kompositionsübungen weiter: Auf die Schaffung

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sozialkritischer Werke hatte Grosz in Südfrankreich weitgehend verzichtet.19 Die Integration von – auf den zweiten Blick – recht obskur wirkenden Gegenständen wie dem Spielzeugaffen und dem griesgrämigen Hampelmann seines einjährigen Sohnes Peter, die Grosz schon in Frankreich in seine Stilleben einbrachte, deutet bereits die Neigung an, ungewöhnliche Objekte zum Bildgegenstand zu machen |Abb. 6|. Diese Tendenz führte in der Folgezeit, in den Jahren nach seinem Aufenthalt in Cassis bis etwa 1931, zur Entstehung von Stilleben, in denen seltsam deplatziert wirkende Brillen, Fische im Schnee und sonderbare Tiere ein ebenso unklassisches wie irritierendes Repertoire an Dargestelltem bilden. Betrachten wir hierzu das 1929 entstandene Gemälde Welt an sich I genauer |Abb. 7|. Auf der rechten Seite der Komposition fällt eine schleifengeschmückte Katze ins Auge, deren starrer, aus dem Bild weisender Blick in seiner Wirkung genauso unnatürlich anmutet wie ihre aufrechte Haltung. Ihr Körper läuft in einem glatten Halbrund aus. 6 George Grosz: Stilleben mit Hampelmann, 1927, Öl auf Leinwand, 63,5 × 50 cm, Privatsammlung Vielleicht handelt es sich bei dem Tier um ein Kinderspielzeug, vielleicht um einen außergewöhnlichen Kannenwärmer oder ein Dekorationsobjekt aus Porzellan. Der genaue Verwendungszweck dieses Gegenstandes bleibt im Unklaren. Auch die nebenstehende Darstellung einer bügellosen Brille vermag den Kontext des Arrangements nicht zu erhellen. Mit undurchsichtigen Gläsern ausgestattet, die durch das Abbild schielender Augen auf rotem Grund ersetzt sind, handelt es sich bei diesem Zwicker wohl um ein Utensil aus dem Faschingsbedarf. Zumindest motivisch klarer einzuordnen sind Hufeisen, dekorative Blumen sowie Schläger für ein Ballspiel, die den Hintergrund des bizarren Gemäldes bilden. Ungewöhnliche oder ungewöhnlich arrangierte Gegenstände: Interessant ist in diesem Zusammenhang der Verweis auf einen Essay, der in der von Flechtheim herausgegebenen Zeitschrift Der Querschnitt erschien. Der Querschnitt war nicht ausschließlich, jedoch unübersehbar ein Organ zur Propagierung jener vor allem französischen Avantgardekunst, die Flechtheim in seiner Galerie vertrat. Der Kunsthändler ließ es sich nicht nehmen, Grosz die Zeitschrift auch nach Frankreich nachzusenden. Ende 1927 erschien darin unter dem Titel Statuen, Möbel und Generäle ein Text von Giorgio de Chirico.20 Grosz beschäftigte sich nachweislich mit diesem Aufsatz, obwohl er Flechtheims Zeitschrift insgesamt durchaus kritisch

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7 George Grosz: Welt für sich I (Stilleben mit Katze und Brille), 1929, Öl auf Leinwand, 49 × 69 cm, Nachlass George Grosz

gegenüber stand: »[…] dieser Querschnittragout hat einen Einheitsgeschmack, der alles charakteristische Merkmal überpanscht.«21 De Chirico, der heute vor allem als Mitbegründer der Pittura Metafisica bekannt ist, lebte damals in Paris und verkehrte in den Kreisen der Surrealisten. Flechtheim schätzte den Künstler und sollte ihm später in Berlin eine umfangreiche Ausstellung widmen, zu der sogar Grosz ein Bild des italienischen Kollegen, das aus seinem eigenen Besitz stammte, als Leihgabe beisteuerte.22 De Chirico war für Grosz zusammen mit Carlo Carrà schon Anfang der zwanziger Jahre für einige Zeit Inspirationsquelle für seine Werke gewesen: Nach dem überbordenden Individualismus der Internationalen Dada-Messe verarbeitete Grosz in sachlicher Manier Motive von Ankleide- oder Schneiderpuppen, wie sie die Pittura Metafisica zahlreich eingesetzt hatte.23 De Chiricos Artikel im Querschnitt befasste sich mit der überraschenden Wirkung außerhalb ihres gewohnten Umfeldes positionierter Gegenstände. Indem man zum Beispiel Statuen oder Gebrauchsgegenstände wie Möbel außerhalb räumlicher Situationen präsentiere, in denen man sie gemeinhin erwarten würde, erwecke man beim Be-

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trachter, wie de Chirico schrieb, ein Gefühl »überraschender Fremdartigkeit«, das auch kennzeichnend für Grosz’ Stilleben Welt an sich I ist.2 4 Ferner meinte de Chirico in seinem Text, dass insbesondere die Darstellung ungewöhnlich platzierter Objekte für den Maler dazu geeignet sei, das Handwerkliche des Malprozesses zu schulen. Aufgrund ihrer fehlenden funktionsgemäßen Eingebundenheit könne man sich bei derartigen Objekten besonders gut auf die Maltechnik konzentrieren; ein Gesichtspunkt, der für Grosz relevant war, versprach er sich doch von seinen in Südfrankreich entstehenden Gemälden ein zügiges Weiterkommen in maltechnischen Belangen.25 Über lediglich in ungewohntem Zusammenhang präsentierte Gegenstände hinaus wählte Grosz für seine Stilleben aber auch solche Objekte aus, die bereits an sich ungewöhnlich waren. Aus dem Bereich des Absurden und Komischen stammt zum Beispiel die schon beschriebene Brille zu Verkleidungszwecken. Genau wie beim Bildmotiv selbst wird auch auf der Ebene des Bildtitels mit der Irritation des Betrachters gespielt. Der Titel gibt einen direkten Hinweis auf eine realitätsferne Sphäre, wie sie damals in Deutschland Werken des sogenannten Magischen Realismus eigen war. In unterkühlter Manier und mit oftmals höchster malerischer Präzision wurde dabei ein distanzierter Blick auf die Welt geworfen.26 Von großer Bedeutung für die Entwicklung des Magischen Realismus waren erneut die metaphysischen Arbeiten von de Chirico, wobei Grosz den Künstler jedoch in einem anderen Zusammenhang rezipierte, und zwar als »Father of Surréalisme«.27 Grosz betonte damit die Rolle des Italieners bei der Entstehung der Pariser Avantgardebewegung um André Breton, in der ebenfalls unwirkliche Welten ausgelotet wurden. Mit aller Konsequenz entwickelten ungewöhnlich kombinierte Gegenstände beispielsweise in den Gemälden des belgischen Surrealisten René Magritte, der zeitweise in Paris wohnte und mit Breton befreundet war, ein übernatürliches Eigenleben: Befremdliche Stimmungen sind darin zu spüren, wie sie auch in Werken des Magischen Realismus zu erleben sind und gleichfalls in vielen Stilleben anklingen, die Grosz nach 1927 gemalt hat. Der Künstler hat zeit seines Lebens weder sonderliches Wohlwollen für den Magischen Realismus oder Surrealismus geäußert, noch kam er enger mit dessen Vertretern in Berührung. Was den Surrealismus betrifft, kannte er noch aus Dada-Zeiten Francis Picabia und Tristan Tzara; in Paris lernte er 1924 Man Ray kennen. In Amerika traf er kurz vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges auf de Chirico, mit dem er sich über technische Aspekte der Malerei austauschte.28 Dass Salvador Dalí einst in New York in den Aktzeichenunterricht von Grosz kam, um dort einen Fuß zu skizzieren, wie dies Grosz in seiner Autobiografie beschreibt, ist dagegen vermutlich nur gut erfunden.29 Ein bisher noch nicht von der Forschung berücksichtigter Berührungspunkt mit der surrealistischen Avantgarde ergab sich hingegen 1927 in Cassis, wo sich, wie Eva Grosz, die Frau des Malers, beschrieb, »so’n frz. Bohemeleben ab[spielt] wie in Hiddensee«.30 Grosz berichtete Jahre später von seinen Treffen »mit all den richtigen und wouldbe painters und einem Engländer, der am Tage postkartenhafte Bilderchen pinselte aber nach dem Abendessen und vielem Cassis Bodin blanc or rouge in eine Art trance zu fallen schien und dann Jenseitstelegramme erhielt und sie

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gleich illustriert wiedergab mit Buntstiften, das Lieblingszeichenmaterial der spiritistischen Schule.«31 Bei dem hier erwähnten »Engländer« handelt es sich wahrscheinlich um den surrealistischen Künstler und Kunsthistoriker Roland Penrose, der mit seiner ersten Frau Valentine, einer Französin, nahe Cassis lebte. Sein Haus lag nur zwei Minuten von der Ferienwohnung der Familie Grosz entfernt, und deren Briefwechsel belegt, dass der Maler und seine Frau mit Penrose verkehrten.32 Bei ihm lernten sie auch dessen Freunde kennen, zu denen unter anderem die von Grosz kurz und knapp als »surréaliste« bezeichnete Künstlerin Fernande Barrey gehörte, die Noch-Ehefrau des französisch-japanischen Malers Tsuguharu Foujita, der zur Ecole de Paris gehörte.33 Barrey war mit ihrem neuen Liebhaber Sei Koyanagui, einem Cousin von Foujita, in Cassis. Koyanagui war ebenfalls Maler und schuf zahlreiche Stilleben und Tierbilder, wobei er ein für Grosz beeindruckendes Arbeitstempo an den Tag legte: »K. malt Bildchen in Stocks so zirka 40 Stück hintereinander, die dann in Deutschland durch unseren guten Alf [Alfred Flechtheim] vertrieben werden.«3 4 Wenn auch abschätzig, wird hier von Grosz die Kunst, die er in den surrealistisch inspirierten Kreisen kennenlernte, mit einer Verkäuflichkeit in Zusammenhang gebracht, für die auch sein Kunsthändler einstand. Diese Verbindung wird von Grosz Jahre später noch einmal aufgegriffen werden.

Ein polemischer Rückblick »Neues Raumbild, neues Material nebst Magie, maschinelle Schlagworte. […] Konjunktur in Absonderlichkeiten. Psychoanalyse und andere Patentmedizinen müssen herhalten. […] Meist entpuppt sich auch diese große Liebe hinterher als platte Spekulation verkappter Kunsthändler. […] Warum denn nach wie vor ins spießbürgerliche französische Mekka pilgern. Warum nicht an unsere Vorfahren anknüpfend eine ›deutsche‹ Tradition fortsetzen? Unter uns gesagt, lieber doch als zweitklassig einrangiert werden, aber wenigstens ein wenig von unserer Volksgemeinschaft ausgesagt zu haben.«35 Grosz publizierte seinen hier zitierten polemischen Text Unter anderem ein Wort für die deutsche Tradition 1931, das heißt vier Jahre nach seinem Aufenthalt in der Provence. Gern wäre er damals noch einige Jahre länger mit seiner Familie in Frankreich geblieben und nach der Zeit in Cassis am liebsten in die Gegend um Paris gezogen. Doch erwies sich dieser Plan als undurchführbar, nachdem die über Flechtheim laufenden Zahlungen eingestellt wurden und der Galerist den Künstler auch wieder in Berlin zu sehen hoffte.36 Zurück in der Heimat erwarteten Grosz im Vergleich zum Aufenthalt am Mittelmeer weitaus schwierigere Zeiten. Schon bald bahnte sich ein über Jahre hinziehender Gerichtsprozess an, dem eine Anklage wegen gotteslästerlicher Motive in der 1928 erschienenen Grafikmappe Hintergrund vorangegangen war. Die Weltwirtschaftskrise brachte den Kunstmarkt ins Wanken, so dass sich der finanziell stark angeschlagene Flechtheim 1931 gezwungen sah, seinen Vertrag mit Grosz

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zu lösen. Den malerischen Fortschritten, die Grosz seit seinem Frankreichaufenthalt gemacht hatte, scheint der Kunsthändler zu dieser Zeit eher kritisch gegenüber gestanden zu haben. Zumindest erinnerte sich der Künstler noch Jahre später, dass Flechtheims »Kunsthändler Herzchen […] nur für France, for la belle France et la peinture de la France« glühte und weniger für deutsche Kunst, denn »ich vergesse nicht wie er mir einmal sagte wir deutschen Maler wären allesammt gerührte Scheisse, könnten nichts und nichte nichts … vielleicht ich een bischen zeechnen … aber auch nicht allzuviel!«37 Seine Einschätzung der Situation der Kunst in Deutschland, wie Grosz sie in seiner Polemik von 1931 darlegte, ist sicher auch vor dem Hintergrund derartiger Bewertungen durch Flechtheim zu sehen. Die französische Kunst, an der dem Galeristen so viel lag und die Grosz zeit seines Lebens als verkäufliche Kunst schlechthin galt, wurde in seinem Aufsatz Unter anderem ein Wort für die deutsche Tradition jedoch nicht nur generell verhöhnt. Die Erwähnung des Schlagworts »Psychoanalyse« spezifiziert die Zielrichtung seiner Polemik, indem es eindeutig auf den Surrealismus verweist. Werke dieser Kunstbewegung wurden von Grosz als reine Spekulationsobjekte aufgefasst, die vor allem den Vorstellungen der Kunsthändler entsprächen, die mit ihnen den Geschmack der Käufer zu treffen hofften. Dass Grosz vorhatte, in Absprache mit seinem Kunsthändler bei seinen eigenen Arbeiten, die er in Frankreich schuf, genauso zu verfahren und zumindest rechtfertigend meinte, vor allem auf Verkäuflichkeit abzuzielen, wird allerdings verschwiegen. Letztlich wirft Grosz den surrealistischen Werken also genau jene Orientierung am Kunstmarkt vor, die er mit seinen eigenen Arbeiten während seines Aufenthalts in Südfrankreich ebenfalls hatte erreichen wollen. Doch nicht nur in Worten wird in Unter anderem ein Wort für die deutsche Tradition die kritisierte Kunst aus Frankreich zum Thema. Dem Text sind zwei illustrierende Zeichnungen von Grosz beigefügt, in denen der Maler das französische Kunstschaffen ebenfalls satirisch auf- und angreift. Eine davon zeigt einen Künstler vor einer Staffelei, auf der ein Stilleben mit Musikinstrumenten steht, das an Werke von Pablo Picasso oder Georges Braque erinnert |Abb. 8|. Insbesondere das Malen von Gitarren war für Grosz eine typische Angelegenheit der Pariser Avantgarde und interessant wäre an dieser Stelle der Vergleich mit einem heute verschollenen Stillleben von Grosz, Trompete und Mandoline, das der Künstler 1930 auf einer Ausstellung in der Düsseldorfer Galerie von Flechtheim zeigte.38 Grosz stellte in seiner Zeichnung den Künstler mit Scheuklappen dar, die den Blick auf all das verhindern, was sich außerhalb jenes Elfenbeinturms formalistischer Problemstellungen befindet, auf den der Titel seiner Illustration anspielt. Über dem Malerkopf schwebt eine geometrische Grundform wie ein Heiligenschein. Die innere Haltung des Künstlers charakterisiert ein in einem Käfig eingesperrter Vogel, und zwar ausgerechnet ein für sein Nachplappern bekannter Papagei. Die zweite Zeichnung, mit der Grosz seinen Text illustrierte, zeigt ein Paar auf dem Sofa |Abb. 9|. Die bürgerlich anmutende Szenerie wird durch ähnliche Stilleben ausstaffiert, wie sie auf der ersten Zeichnung zu sehen sind, sowie durch eine verkleinerte und daher wohnzimmertaugliche Version eines Gemäldes, das leicht als Paraphrase der von Henri Matisse 1909–1910 gemalten Serie La Danse identifiziert werden kann. Angriffslustig gegenüber

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8 George Grosz: Ganz aus Elfenbein, Zeichnung, Illustration zu George Grosz: Unter anderem ein Wort für die deutsche Tradition, in: Das Kunstblatt 3/1931, S. 80

9 George Grosz: Unterhaltung, Zeichnung, Illustration zu George Grosz: Unter anderem ein Wort für die deutsche Tradition, in: Das Kunstblatt 3/1931, S. 83

dem, was der zeitgenössische Kunstgeschmack scheinbar bevorzugte, schrieb Grosz in seiner Polemik: »Natürlich gedeiht in Hinterpommern oder Berlin kein Matisse. Aber was macht das! Die Luft und alles ist hart, ein wenig ungemütlich und zeichnerisch. Man kriegt leicht Schnupfen und kalte Füße … hier ist nicht der ausgeglühte beruhigte Boden des Südens.«39 Dass die geografische Umgebung eines Menschen Einfluss auf seine Charaktereigenschaften habe, war in den zwanziger Jahren eine weit verbreitete Annahme. Bereits seit der Antike, später dann insbesondere im 18. Jahrhundert wurde darüber nachgedacht, wie Klima und Landschaft das Individuum prägen und sich auf sein Verhalten auswirken können.40 Das angeführte Zitat zeigt, dass auch Grosz zumindest oberflächlich mit derartigen Vorstellungen vertraut war. Er wendete sie auf die Möglichkeiten des künstlerischen Schaffens an, die dadurch für jeden Künstler begrenzt würden, dass sie durch die prägenden Einflüsse des jeweiligen Heimatlandes vorgegeben schienen. Von einem temporären Aufenthalt in Frankreich hatte sich Grosz sicherlich nicht gewünscht, ein neuer Picasso, ein neuer Matisse zu werden. Stattdessen wollte er dort sein eigenes Werk weiterentwickeln, sich in Bildkomposition genau wie im Gebrauch der malerischen Mittel schulen und dabei mit sei-

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ner Familie ein angenehmes Leben fern der Hektik Berlins führen. Den auch von Flechtheim positiv konnotierten Mythos vom Leben in der französischen Kunstwelt nutzte Grosz gern zu eigenen Zwecken. Zugeständnisse an den Kunstmarkt machte der Künstler vor allem dort, wo es seinen eigenen Interessen entgegenkam. Nachdem er in Südfrankreich auf seinen Stilleben mit dem weniger »anstößigen Sujet« von Alltagsgegenständen experimentiert hatte, gewannen die zunächst simplen, in der Folgezeit mehr und mehr ins Ungewöhnliche abschweifenden Motive an Bedeutung. Ein Berührungspunkt mit Surrealismus und Magischem Realismus, die Grosz grundsätzlich zwar ablehnte, deren gegenständliche Darstellungsweise er aber zu schätzen gelernt hatte, ergab sich dabei durchaus: Auch Grosz präsentierte auf seinen Stilleben die Gegenstände außerhalb ihres gewohnten Umfeldes und betrieb mit ihnen – freilich auf humoristische oder ironische Weise – seine Suche nach dem Magischem. Die Art der inhaltlich verfremdeten Darstellung erinnerte den Künstler dabei gewiss auch an dadaistische Strategien früherer Arbeitsphasen. Persönliche Kontakte mit Anhängern der surrealistischen Bewegung, wie Grosz sie in Cassis machen konnte, trugen weiterhin dazu bei, seine Kenntnisse dieser Kunstrichtung zu erweitern. Die von Flechtheim sicher nicht ohne Hintergedanken nach Südfrankreich verschickten Exemplare der Zeitschrift Der Querschnitt brachten darüber hinaus Informationen über die Kunst des Gastlandes ins südfranzösische Atelier des Künstlers, die Grosz in seinen Werken selektiv für sich verarbeitete. Die Vehemenz, mit der sich Grosz in seinen Schriften, wie zum Beispiel im Essay Unter anderem ein Wort für die deutsche Tradition, gegen die französische Kunst aussprach, macht deutlich, dass sie ihm alles andere als gleichgültig war. Die distanzierende Ironie auf Motivebene, mit der Grosz dem Surrealismus in seinen bis 1931 entstandenen Stilleben begegnete, scheint den Künstler auf Dauer jedoch selbst nicht überzeugt zu haben. Auch dies trug vielleicht seinen Teil dazu bei, dass Grosz es später anders machen wollte: In seinem politisch erzwungenen Exil, in das er im Jahr der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 in die USA aufbrach, trieb er seine Assimilierung mit aller Kraft voran und zog sich nicht, wie meist in Cassis, in ein einsiedlerisches Leben zurück. Die Ironie war hier diejenige des Schicksals, die dazu führte, dass seine Werke in den Vereinigten Staaten zwar breite Anerkennung fanden, aber nur schwer verkäuflich waren. Was den amerikanischen Kunstmarkt betraf, sah Grosz in New York wieder einmal nur Altbekanntes: »Picasso ist hier der höchstbezahlte Meister von den Modernen, dann kommt gleich Matisse … dann Derain und die Surréalisten usw., … dann kommt ne ganze Weile gar nichts … dann ein langer Bretterzaun … und schließlich kommt gelegentlich auch mal ein deutscher Meister.« 41

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1 Brief von George Grosz an Otto Schmalhausen, 27. Mai 1927, Cambridge/MA, Harvard University, Houghton Library, bMS Ger 206 (807). 2 Vgl. George Grosz: Ein kleines Ja und ein großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt, Hamburg 1955, S. 10. 3 Für diesen Hinweis danke ich Ralph Jentsch. 4 Vgl. Ralph Jentsch: Alfred Flechtheim und George Grosz. Zwei deutsche Schicksale, Bonn 2008, S. 5. 5 Alfred Kuhn: [ohne Titel], in: Der Cicerone 4/1927, S. 123. 6 Brief von George Grosz an Mark Neven DuMont, 20. März 1927, Berlin, Akademie der Künste, George-Grosz-Archiv, Nr. 699. 7 Brief von George Grosz an Mark Neven DuMont, undatiert, in: George Grosz: Teurer Makkaroni! Briefe an Mark Neven DuMont 1922–1959 (hrsg. v. Karl Riha), Berlin 1992, S. 105. 8 Vgl. Brief von George Grosz an Otto Schmalhausen, 6. August 1927, Berlin, Akademie der Künste, Otto-Schmalhausen-Archiv, Nr. 22. 9 Brief von George Grosz an Mark Neven DuMont, undatiert, in: Grosz 1992, S. 108. 10 Brief von George Grosz an Arnold Rönnebeck, 12. Februar 1944, Cambridge/MA, Harvard University, Houghton Library, bMS Ger 206 (792). 11 Grosz vermerkte Verkäufe und Weitergaben von Werken an Kunsthändler, Museen etc. in der Zeit von 1920–1937 in seinem »Kontobuch 2«, das ich mit freundlicher Genehmigung von Ralph Jentsch einsehen konnte; vgl. Kontobuch 2, Berlin, Akademie der Künste, George-Grosz-Archiv, Nr. 967. 12 Brief von George Grosz an Otto Schmalhausen, [vermutlich August] 1927, Cambridge/MA, Harvard University, Houghton Library, bMS Ger 206 (807). 13 Brief von George Grosz an Otto Schmalhausen, August 1927, Cambridge/MA, Harvard University, Houghton Library, bMS Ger 206 (807). 14 Zur direkten Abhängigkeit von den Zahlungen Flechtheims vgl. Brief von George Grosz u. Eva Grosz an Anneliese Grotewohl u. Anna Peters, 15. Juli 1927, Berlin, Akademie der Künste, Otto-Schmalhausen-Archiv, Nr. 364. 15 Vgl. Udo Braun: Paul Strecker (1898–1950). Leben und Werk, unveröffentlichte Dissertation, JustusLiebig-Universität Gießen 1989, 2 Bde., Bd. 1, S. 13 f. 16 Brief von Alfred Flechtheim an George Grosz, Pfingsten 1927, Berlin, Akademie der Künste, GeorgeGrosz-Archiv, Nr. 453. 17 Brief von George Grosz an Otto Schmalhausen, 12. Februar 1944, Cambridge/MA, Harvard University, Houghton Library, bMS Ger 206 (792). 18 Brief von George Grosz an Otto Schmalhausen, [vermutlich August] 1927, Cambridge/MA, Harvard University, Houghton Library, bMS Ger 206 (807). 19 Eine Ausnahme im Schaffen von Grosz in Südfrankreich stellt eine große Zeichnung anlässlich der weltweit verurteilten Vollstreckung des Todesurteils an den zwei in die USA emigrierten Italienern

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Sacco und Vanzetti dar. Sie zeigt, dass der Künstler auch während seines Auslandsaufenthalts keinesfalls darauf verzichtete, das Zeitgeschehen kritisch zu beäugen; vgl. Ralph Jentsch: George Grosz. Berlin – New York, Ausstellungskatalog, Villa Medici, Rom 2007, S. 149 f. 20 Vgl. Giorgio de Chirico: Statuen, Möbel und Generäle, in: Der Querschnitt 12/1928, S. 901–903. Der Aufsatz war von Grosz in seinem persönlichen Exemplar der Zeitschrift, das sich heute in der Akademie der Künste in Berlin befindet, angestrichen. 21 Brief von George Grosz an Eduard Plietsch, 22. April 1927, Hamburg, Altonaer Museum. 22 Vgl. Giorgio de Chirico, Ausstellungsbroschüre, Galerie Flechtheim, Berlin 1930, S. 2. 23 Zu Grosz und der Pittura Metafisica sowie der Kunst der Avantgarden allgemein vgl. Roland März: Republikanische Automaten. George Grosz und die Pittura metafisica, in: George Grosz. Berlin – New York (hrsg. v. Peter-Klaus Schuster), Ausstellungskatalog, Neue Nationalgalerie, Berlin 1994, S. 147–156; Andres Lepik: Verlust der Mitte? George Grosz und die Moderne, ibid., S. 203–210. 24 De Chirico 1928, S. 902. 25 Zu Surrealismus und Magischem Realismus äußerte sich Grosz noch Jahre später; vgl. Brief von George Grosz an Otto Schmalhausen, 4. Dezember 1947, Cambridge/MA, Harvard University, Houghton Library, bMS Ger 206 (807): »[…] gut, dass durch (wenigstens ein Verdienst dieser school) Surrealismus wieder genaueres Zeichnen und Handwerkerei im Bilde eingefuehrt wurde, na neue Sachlichk. oder der (idiotisch benamte) magische stocksteife, luftleere, hoelzerne magische Realismus hats ja auch schon versucht.« 26 Vgl. Uwe Fleckner: Die gefrorenen Wirklichkeiten der Neuen Sachlichkeit. Geschichte, Theorie und Bildsprache einer Kunst zwischen sozialer Kritik und ästhetischem Ideal, in: Das wahre Gesicht unserer Zeit. Bilder vom Menschen in der Zeichnung der Neuen Sachlichkeit (hrsg. v. Uwe Fleckner u. Dirk Luckow), Ausstellungskatalog, Kunsthalle zu Kiel 2004, S. 12–25, S. 20. 27 Brief von George Grosz an Herbert Fiedler, 17. November 1937, Cambridge/MA, Harvard University, Houghton Library, bMS Ger 206 (582). 28 Vgl. ibid. 29 Vgl. Grosz 1955, S. 260 f. 30 Brief von George Grosz u. Eva Grosz an Anna Peter u. Lotte Schmalhausen, 24. Juli 1927, Berlin, Akademie der Künste, Otto-Schmalhausen-Archiv, Nr. 365. 31 Brief von George Grosz an Arnold Rönnebeck, 12. Februar 1944, Cambridge/MA, Harvard University, Houghton Library, bMS Ger 206 (792). 32 Brief von George Grosz an Mark Neven DuMont, undatiert, in: Grosz 1992, S. 108. 33 Vgl. Ibid. 34 Ibid. 35 George Grosz: Unter anderem ein Wort für die deutsche Tradition, in: Das Kunstblatt 3/1931, S. 79–84, S. 82 ff.

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36 Vgl. Brief von Alfred Flechtheim an George Grosz, 13. Oktober 1927, Berlin, Akademie der Künste, George-Grosz-Archiv, Nr. 440. 37 Brief von George Grosz an Herbert Fiedler, 18. Februar 1937, Cambridge/MA, Harvard University, Houghton Library, bMS Ger 206 (582). 38 Vgl. George Grosz. Ölgemälde, Ausstellungsbroschüre, Galerie Flechtheim, Düsseldorf 1930, o. S. 39 Grosz 1931, S. 84. 40 Für einen Überblick über die Klimatheorie in der Zeit der Aufklärung vgl. Gonthier-Louis Fink: Von Winckelmann bis Herder. Die deutsche Klimatheorie in europäischer Perspektive, in: Gerhard Sauder (Hrsg.): Johann Gottfried Herder (1744–1803), Hamburg 1987, S. 156–176. 41 Brief von George Grosz an Max Pechstein, 15. März 1933, Cambridge/MA, Harvard University, Houghton Library, bMS Ger 206 (756).

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A NOMADIC EXISTENCE Fred Sandback’s Pedestrian Space EDWARD VAZQUEZ

Gravity To begin, a place: 74 Front Street. This address, in the center of Winchendon, Massachusetts, a small town in the northern part of the state bordering New Hampshire in the New England region of the USA, has been the site of a bank, thrift shop, and furniture store, among other things. From the years 1981 to 1996, however, this 10.000 square foot building built in 1867 became a space altogether distinct from its prior iterations.1 After a series of renovations begun in 1979, 74 Front Street opened its doors in June of 1981 as a museum, but not of a traditional sort |fig. 1|. This was the site of the Fred Sandback Museum, a space dedicated to presenting the works of a single, living, artist, funded with the patronage of the Dia Art Foundation. As an institution it stood slightly out of phase with its surroundings. In the words of one reviewer: »[…] from its bright new exterior, both the initiated and the uninitiated sense that something uniquely different, from mainstream small town life, is going on inside.«2 The vast interior space, a mix of white walls, tin ceilings, and expansive hardwood flooring, initially presented thirteen of Sandback’s sculptures made between 1968 and 1981, the majority of which were variations on the artist’s elegant works in acrylic yarn, each object little more than a few strands pulled taut into linear arrangements in the gallery space |fig. 2|.3 Advertised as »a permanent presentation of the sculpture, drawings, and graphic work of Fred Sandback« the museum showcased a rotating series of exhibitions displaying work from

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1 The Fred Sandback Museum, 74 Front Street, Winchendon, Mass., photography

the full range of Sandback’s career, in addition to offering interested visitors a tour of Sandback’s studio in nearby Rindge, New Hampshire.4 More than a public forum, the idea for a museum initially developed because Sandback »needed a place to work« and such a large building would allow the sculptor to explore interrelationships between individual works.5 The space in Winchendon roughly approximates the size of the Museum of Modern Art’s P.S. 1 space in Long Island City, New York, which Sandback’s work occupied for nearly two months in 1978. Using the P.S. 1 space revealed a new mode of sculptural interaction for Sandback. As he would explain: »Having these seven huge rooms to work in was a small revelation, in that I was able for the first time to see how these pictures acted together and to work with them simultaneously. It was a chance to crystallize some of the things that I had been pecking at one at a time, but more than anything, a chance just to do a lot of work in the same place. A usual consequence of my work is that not too much of it can exist in any one place for too long.«6 Rather than individual sculptures isolated by both time and space, Sandback installed a series of works, and the intertwining of objects at P.S. 1 led to Sandback’s proposing Dia purchase and renovate the Winchendon space. Upon completion, 74 Front Street became »a center of gravity«, »a place where I can exist with my thoughts in a different way«.7 This center stood in counterpoint to the »›three week stands‹ that were the approximate limit in galleries« that otherwise conditioned his practice, allowing for multi-year installations of

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2 Fred Sandback: Untitled, 1977, ochre and gray acrylic yarn, installation view (1981), Winchendon, Mass., The Fred Sandback Museum

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work.8 Although the space gave Sandback a place to live with his works over long periods of time, and did allow for a more sustained resonance between discrete sculptures, it became a brittle reality that was increasingly difficult to deal with. Part of his discomfort came from the oddity of having his own museum and archiving his career at a relatively early age. But more generally, as he explained in 1986: »It was a surprise to see how quickly it [the space] became something on its own, not necessarily connected to me.«9 Unlike Sandback’s friend Donald Judd, who spent a significant portion of his life creating permanent installations in Marfa, Texas, the artist felt alienated by the work’s autonomy in Winchendon. Upon realizing this, Sandback and his patrons at Dia agreed to shutter and sell the building in 1996; he decided against even creating a final, unchanging installation: »Once the work was done, it was done, whereas I had a continuing need to disrupt that permanence that I had wanted. Perhaps indeed, I have nomadicized my existence.«10 Sandback’s desire for a singular place to make and show his work, and ultimately, his dissatisfaction with the constraints imposed by that stability, resonate beyond the life of the Fred Sandback Museum itself. The fact of the site, or more to the point, the urge among artists of Sandback’s generation to engage with space and place, frames the artist’s interest (and eventual disinterest) in 74 Front Street. Indeed, much of the most important art since the 1960s has concerned itself with place. Minimalism, Conceptual Art, and Land Art, for example, all engage with varied thematics of location. Such concerns remain; artists are still very much coming to terms with the different ways we exist in certain locales. Though these tendencies have most commonly revolved around a particular place, the practice of »sitespecific« work – work made explicitly for a certain location – is more elastic than it may at first appear. In reference to contemporary site-based practices, the art historian James Meyer has offered a useful distinction: on the one hand a literal site, and on the other a functional or mobile site. The literal site denotes a singular place that determines the material outcome of the work. Much of Richard Serra’s sculpture exemplifies this approach: each object keys itself to a specific location, ideally permanently. The functional, or mobile site, is altogether different; to begin, place may or may not be incorporated: »It is a temporary thing; a movement; a chain of meanings and imbricated histories; a place marked and swiftly abandoned. The mobile site thus courts its own destruction; it is willfully temporary; its nature is not to endure but to come down.«11 Informed by a certain measure of transience and external reference, the mobile site often exceeds a particular place, complicating its presence |fig. 3|. Work of this sort finds precedent in Robert Smithson’s non-sites and mirror displacements of the 1960s and Meyer argues that the most compelling site-related work being made today, by artists like Renée Green, Mark Dion, and Christian Phillip Müller, takes up this entropic legacy. Smithson’s work, from his tours of Passaic, New Jersey, to his mirror travels in the Yucatan, largely thematize travel and its paradoxes and expectations.12 Another often mentioned figure is the conceptual artist On Kawara, whose postcards sent from around the world to a network of friends, dealers, and curators, foreground the artist’s movements. Yet the fact of travel – itself a corollary to most notions of site – seems secondary to much

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3 Robert Smithson: Yucatan Mirror Displacement #2, 1969, Chromogenic-development slide, New York, Solomon R. Guggenheim Museum

conceptually inflected work made in the late 1960s and 1970s.13 Artists traveled, yes, but only in certain instances did that travel become the focus of their work. Such movement, if not as explicitly thematized as in Smithson or Kawara, importantly informs the materiality and methods of in situ practice that developed in the late 1960s and 1970s. Sandback, among a host of others including Daniel Buren, Michael Asher, Carl Andre and André Cadere, exemplifies such traveled nuance. Sandback’s work, like that shown in the Fred Sandback Museum, develops the phenomenological presence of minimalist objects, yet engages conceptualism’s ephemerality in an attempt to explore the particularities of space and location. Throughout his career Sandback worked on the road and abroad, and his practice, both in conception and materials, began to accommodate the needs of a frequent flyer.14

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Travelling Though the idea of travel rarely came up in either interviews or the artist’s writings, when directly asked about it Sandback shrugged it of once replying: »I think that’s funny. I’m very much a stick in the mud. But by a strange confluence of things I have become this traveling guy.«15 For an artist exhibiting widely in Europe and America, as well as a mountaineer and trekker who, among other things, traveled to the North Pole with Sir Edmund Hillary, Sandback’s characterization of himself as sedentary seems a bit self-effacing. During his life Sandback had 132 single-person gallery and museum shows, personally installing virtually all of them throughout America and, even more frequently, across Europe.16 Of these, fortysix were in America, while eighty-six were in Europe, with forty-three in Germany alone.17 The sheer number and consistency of his exhibitions in Germany led one reviewer to describe Sandback as an artist who »has roamed the Federal Republic like a Johnny Appleseed, stretching his yarn in Münster, Hannover, Mannheim and Munich.«18 Sandback’s practice internalized the »strange confluence of things« he dismissed, and as a sculptor who would argue that »being in a place« was a defining characteristic of his practice, that being developed relative to an exceptional plurality of sites.19 Sandback wrote: »My work isn’t environmental. It’s present in pedestrian space, but is not so strong or elaborate that it obscures its context. It doesn’t take over a space, but rather coexists with it.«20 He made objects engaged, and often coextensive with, ambient space, yet they were neither expansive nor overpowering.21 Sandback located his work in a relative middle ground, one not only bounded by architecture, but also one that explored it. Referring to the term he coined while still a student in the Master of Fine Arts (MFA) program at Yale University in 1968, he explained that »pedestrian space was literal, flatfooted and everyday.« And he continues: »The idea was to have the work right there along with everything else in the world, not up on a spatial pedestal.«22 By bringing objects into explicit dialog with their surroundings, Sandback hoped to engage both the viewer and the space, each on their own terms. Such an orientation often strips away everydayness, yet this was precisely what the artist hoped to avoid. His notion of sculptural co-existence aimed to maintain the everyday, yet shift it ever so slightly, acknowledging particularities often glossed over. This perceptual acuity developed from a careful study of Minimalism, particularly via Judd, whom Sandback met while the elder artist visited Yale. Where Judd strove for material specificity in his objects often achieved via seamless blendings of different materials and colors, Sandback moved beyond the object. Rather than focusing on the intricate nature of the thing-in-itself, Sandback used sculptural means to engage the problem of interiority as a whole: that of the object, its surround, and even the self, by extension. Coexistence meant a great deal. With his yarn Sandback carefully parsed each architectural space with simple interventions developed from the study of individual spaces: »More and more, working seems to be like performance; not in the sense of presenting a process, but in the conditions required

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to complete a piece. Some things are done and complete in my studio, but others are ambiguous until done in a particular place. A studio is necessarily vague and hypothetical for pieces like that. I like the connectedness of that kind of piece – you can’t stick it under your arm and carry it home. It has its own place and lifespan.«23 The connectedness was temporary, for each work exists only as long as it remains in a particular place. That the studio, the traditional haven of the modern artist, offered nothing more than vague approximations, underlines the changing modes of artistic practice in the late 1960s. At this moment sculpture began to engage its site more and more. Rather than simply bringing an object into a room, location became a reason to make work. Facilitating this location based shift was a peculiar fact: in the late 1960s, as artists worked in increasingly larger scale – or, just as likely, in no scale at all – flying an 4 Carl Andre: 5 × 20 Altstadt Rectangle, 1967, hot rolled artist to the gallery was often cheaper and steel, 100 units, installation view, Düsseldorf, Konrad Fischer Galerie more efficient than shipping the work itself. Bringing Richard Serra to an exhibition space and sourcing materials locally rather than the lead plates he was using in his studio at the time, was a much more cost effective option, and that is precisely what Rolf Ricke, his gallerist based in Kassel and later Düsseldorf, did. German galleries pioneered this approach to presentation, often teaching artists across the Atlantic the value of space in the process. As the American sculptor Carl Andre would describe the inaugural exhibition of the influential Düsseldorf gallery Ausstellungen bei Konrad Fischer in November of 1967 |fig. 4|: »Konrad didn’t have enough money to pay for the shipping & insurance of any artwork so he sent me the cheapest New York-Düsseldorf Lufthansa ticket. That was the luckiest trip I ever made […]. The plan for my show which I had mailed in advance was ripped up soon after I arrived. Never again would I pretend to make up sculpture in my head.« 2 4 The artist arrived, saw the space, and developed a piece on the spot – in situ.25 A plane ticket – in Andre’s case one bought by Fischer’s friend Kasper König – got both the artist and

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5 Fred Sandback: Untitled, 1968, grey acrylic on 1/8-inch diameter steel rods, six units, installation view, Düsseldorf, Konrad Fischer Galerie

the work to the gallery.26 In the process artworks became more fully integrated into there presentation space, sensitive to the address, spatiality, and light of a certain gallery. Sculpture as place, as Andre would later explain.27 Work produced in this manner, according to Sandback, was not meant to overpower and control a space, but »to cooperate with it, to coproduce with it.«28 Sandback’s own first show occurred only seven months after Andre’s sculpture had occupied Fischer’s »former archway« between two buildings in May of 1968 |fig. 5|.29 Dealing with the confines of a very small space – the entire gallery was only eleven meters long by three meters wide – Sandback showed seven works: sculptures in either fine gauge metal elastic cord, or a combination of the two. Still a student at Yale, Sandback had yet to discover what would become his preferred medium of acrylic yarn. Nevertheless, the works exhibited carefully engage dynamics of objecthood, placement, and interiority. Rather than confronting the viewer, these linear objects nearly escape perception, often bleeding into air.30 Sandback understood these perceptual effects all too well, once remarking of this early work

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that »it was unavoidable to perceive that the sculptures didn’t stop where the lines did, and that the situation had gotten more complex«.31 This intertwining, the way linearity inflects its spatial surroundings, yet remains carefully and nearly absent, is a central component to the artist’s work. Sandback referred to a certain neutrality in his practice and materials, explaining: »[…] sculpture has a tendency to get bogged down in its own materiality. I’m not particularly fascinated by materials as such, and colored lines seem fairly neutral as a material to work with, something that won’t sidetrack from more complex situations.«32 Rather than announcing objecthood, Sandback works at a threshold between thing and nothing, and the neutrality of line centers his sculpture on the interrelationship between object and environment, between interiority and exteriority.33 That Sandback showed at Konrad Fischer’s, and also at Galerie Heiner Friedrich, in 1968 was not an anomaly. West German dealers and critics had become increasingly interested in American artworks during the middle 1960s. Fischer and Friedrich (along with Ricke) were the main venues for American work, and showed many of the most cutting edge American artists.3 4 Fischer’s early presentations included Andre and Sandback, as well as Smithson, Mel Bochner, Dan Flavin, Sol LeWitt and others, alternating these shows with German artists like Blinky Palermo, Hanne Darboven, and Reiner Ruthenbeck.35 In addition to showing Sandback and Andre as well, Galerie Heiner Friedrich’s exhibitions in the late 1960s included Walter De Maria’s first Earth Room, LaMonte Young and Marianne Zazela’s Dream House, and a version of Bochner’s Measurement Room, among numerous others including Palermo and Gerhard Richter. That such an extraordinary amount of top tier American work was being shown in Germany led the critic Phyllis Tuchman, writing in Artforum in 1970, to describe the situation thus: »The acceptance – and appreciation – of contemporary art has become increasingly more sophisticated in Germany. Fifteen years ago when the first Documenta was held in Kassel, the scale and sponsorship now known would have been unimaginable. Today, it is almost unsurpassable. During the past three years, certain galleries have assumed leadership; prominent collectors have bought art on a grandiose scale; Cologne has emerged as a powerful art center. What is especially remarkable is that many museums are proudly displaying recent art (and they are nobly being assisted with the cooperation of collectors); many artists are not only traveling to Germany to work, but they are leaving their best efforts there; and much of the most interesting recent New York painting and sculpture is now there and prominently available.«36 Tuchman details the emergence of internationally minded galleries run by Alfred Schmela and Rudolf Zwirner in the 1950s; the development of documenta in Kassel from a survey of twentieth-century masterworks in 1955, which included only Alexander Calder and the German born Josef Albers as its American representatives, to its emphasis on Abstract Expressionism in 1959, to a survey of contemporary art in 1968, where a dispro-

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portionately large number of American artists – forty-five of the total one-hundred and seventeen – were shown.37 Worth noting is Tuchman’s language: the appreciation of contemporary art is unequivocally a taste for American work. Numerous factors created a situation that allowed for such an interest in developments happening across the Atlantic. Germans had begun taking an interest in contemporary art as an investment, an effect, perhaps, of the »German Miracle« of post-war reconstruction.38 In fact, many of the serious post-war collectors of contemporary art were European. The increased circulation of art magazines like Artforum also provided access to reproductions and critical discourse. In 1962, the magazine Das Kunstwerk changed its name to Das Kunstwerk – The Work of Art and began printing fully bilingual issues, increasing coverage of American art in Europe, as well as the New York scene.39 These reproductions were crucial for many, not least of all Fischer, who first traveled to New York nearly a full year after opening his gallery.40 The simple fact of American presence in post-war Germany, however, facilitated a great deal of interchange. The development of Fluxus, for example, owes much to George Maciunas’ stationing at the US Air Force base in Wiesbaden beginning in 1962, as well as the international music courses run by Karlheinz Stockhausen in Darmstadt.41 Parallel to this exchange was a more clandestine operation that imported exhibitions to Europe, touting the »freedom« of American innovation as an ideological weapon during the Cold War.42 American policy makers in Germany sought to introduce an international mix of art to »help correct the German bias for German art cultivated by National Socialism«.43 Numerous shows of American artists were financed by the USA and they appeared throughout West Germany in the immediate post-war period. The official line read that »simply seeing the products of talented, free minds was a valuable experience«.4 4 Moreover, curators encouraged the showing of contemporary German work as a means to stimulate rivalry.45 No one thought that such cultural overhaul would be achieved over night: »Dr. William G. Constable, a special consultant to the U.S. Military Government in 1949, predicted that the desired changes would take at least fifteen to twenty years. Authorities acknowledged real change would come about only by influencing the young people and waiting for them to move into positions of responsibility.«46

Density Though such strategies were but one element at play, Konrad Fischer was precisely the sort of person Constable had hoped for, and Fischer’s devotion to American minimal and conceptual art had a lasting effect on all those around him, both German and American. For Sandback’s own practice, travel to a site would soon become his main mode of working. The objects shown at Fischer and Friedrich in 1968 quickly gave way to a much less stable, more location centered sculptural practice. In 1970 he installed a series of single diagonal lines in

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black yarn at the Virginia Dwan gallery in New York, which rotated over time through the space, exploring its various contours and particularities. By the middle 1970s, Sandback’s working method involved little more than travel to a particular place, and the creation of work on site. As Yve-Alain Bois has put it, Sandback realized that »speculate, one can and must; project in detail in advance as an architect does, one must not«.47 Avoiding the calculation Bois describes required being in each space in order to understand the timbre of each specific situation. Sandback’s working methods both define his practice and were conditioned by his constant travel. An artist who valued parsimony, Sandback would travel with a beat up green suitcase of materials, and his installations would develop out of nothing more than his yarn and time spent in the space |fig. 6|. Tobias Ostrander, a curator at the Museo Tamayo in Mexico City who worked with Sandback in 2002, described his working methods thus:

6 Fred Sandback installing at the Kestner-Gesellschaft, photography by Jörg Waschkowski, Hannover, 1987

»[…] during a visit to see the space of the museum and plan the exhibition, when asked what he needed to understand the space, its architecture and floor plan, he responded with a smile: ›A chair, please.‹ We left him in the galleries and soon forgot he was there. When checking in on him we saw that he was pleasantly sitting at different times in various parts of the galleries, drawing the space with multiple line configurations running through it. Fred traveled light and clearly took pride in the simplicity and independence with which he worked.«48 A chair; a place to sit. This observation, with a little bit of sketching, brings about the work. That these interventions – described as neutral earlier – present so little has led critic Thomas McEvilly to argue that »the idea of neutrality is linked to the ideas of immateriality and emptiness«.49 Understanding Sandback’s work in this way is extremely limiting. Indeed emptiness plays a part, but as a means to activate and compound the available material. In this way, thinking of neutrality as more operative than descriptive, may avoid such a trap. Let’s say enacting the neutral rather than simply being so. This neutral is not Sandback’s alone. Roland Barthes, in fact, devoted an entire series of lectures to the topic in 1977, only a few years after Sandback’s initial usage of the term,

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7 Fred Sandback: Untitled, 1975, rust-brown acrylic yarn, installation view, Munich, Kunstraum April

exploring the idea of the neutral as »that which outplays the paradigm, or rather […] everything that baffles the paradigm«.50 More than descriptive, the neutral Barthes’ sought to conjure »is an ardent, burning activity« with a strong ethical dimension, a sort of ethics built on fleeting moments and disrupted binaries.51 Relevant here is Barthes’ mention of American Minimalism, which, on the whole, he found too austere and unengaged with the world, aimed, principally at »neutralizing« form and color, reducing them to simple aesthetic facts. He wrote that »the right minimalist ethic would help bring harmony between the maximal internal intensity (cf. hyperconsciousness) and the minimal external«.52 A folding together of maximum presence based on minimal cues both exemplifies a neutral ethics in Barthes’ terms, and complements Sandback’s pedestrian space of »making the situation as dense as possible without faking anything«.53 Describing his motivation for a 1975 show in Munich, Sandback justified a rather complex interaction between changing sculptures and a folio of abstract renderings of the sculptures in a catalog, writing to the curator while conceptualizing the show that »part of the interest is in making a piece whose boundaries are larger than can be seen all at once«.5 4 Lasting only six weeks, the show at the Kunstraum explored partiality at every turn |fig. 7|. Each of three rooms in the Kunstraum held a single line, which

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changed six times throughout the exhibition, referencing a series of sixty-four drawings developed out of engagement with the space. In exploring this place, Sandback never presupposed it to be completely available, but constantly changing, always out of reach, emphatically elsewhere.55 In his use of repeated forms and, at least in the Kunstraum show, permutations and progressions, Sandback questions the total availability of his work to the viewer. And further, by redeploying a limited and nuanced sculptural vocabulary across numerous galleries and museums throughout his career, Sandback’s work suggests that one cannot but compare and imagine these different spaces, each of them a refraction and mirroring of similar, yet distinct, environments. If the most sophisticated arguments around place and location define a split between literal and functional sites as Meyer explains, or, map a shift, as Miwon Kwon suggests, »from a physical location – grounded, fixed, actual – to a discursive vector – ungrounded, fluid, virtual«, then Sandback seems somewhere in between.56 The uniqueness of place and architecture are essential to the experience of Sandback’s work, yet echoes of other locations, yarns unwound and stretched elsewhere, also course through his sculptures. Just as Sandback would shuttle from place to place with his green bag, so too does the mind of the viewer scatter: visualizing, projecting, and remembering.

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1 See anonymous: Introduction, in: 74 Front Street. The Fred Sandback Museum, New York 1982, p. 3. 2 Donald and Edward Waisnis: Fred Sandback Sculpture (in the context of the Fred Sandback Museum), in: ARTextreme 2/1982, pp. 16–21, p. 18. 3 See anonymous 1982, p. 3. 4 Press Release, quoted in: Ron Muse: Museum offers a Trip through Line and Space, in: North County Advocate 7/1982, p. 1–2. 5 Fred Sandback quoted in: Joan Simon: Lines of Inquiry [1997], in: Fred Sandback. Being in a Place (ed. by Cristianne Meyer-Stoll), Ostfildern-Ruit 2005, pp. 135–142, p. 139. 6 Fred Sandback: Remarks on My Sculpture 1966–1986 [1986], ibid., pp. 119–121, p. 120 f. 7 Fred Sandback: Where is the Sculpture [1992], ibid., pp. 129–130, p. 129. 8 Sandback 2005 [1986], p. 121. 9 Ibid. 10 Ibid. 11 James Meyer: The Mobile Site [1991], in: We Represent Ourselves to the World. Stephen Prina (ed. by Jenelle Porter), exhibition catalogue, Hammer Museum, Los Angeles 2004, pp. 200–215, p. 202. 12 The literature on Smithson is vast, but one could look to two recent studies, particularly for the varied thematics of Smithson’s interest in place, entropy, and travel; see Ann Reynolds: Robert Smithson. Learning from New Jersey and Elsewhere, Cambridge 2002; Jennifer Roberts: Mirror Travels. Robert Smithson and History, New Haven 2004. 13 For a detailed discussion of the role of travel in contemporary art see James Meyer: Nomads. Figures of Travel in Contemporary Art, in: Alex Coles (ed.): Site-Specificity. The Ethnographic Turn, London 2000, pp. 10–26. 14 As Meyer 2004, p. 209, notes: »The shabby traveling salesman of yesteryear has devolved into a Frequent Flyer, an international flaneur who moves in a kind of perpetual motion.« 15 Sandback quoted in: Simon 1997, p. 141. 16 Asked in 2001 whether or not he used assistants, Sandback replied: »I don’t. Since I can still climb a ladder, I don’t. I would waste too much time, and feel too embarrassed by saying ›No, not there, there, go back a sixty-fourth of an inch, now, hold it there for about a half an hour.‹ I don’t think I would like that« (Sandback quoted in Michael Govan, Marianne Stockebrand and Gianfranco Verna: Conversation with Fred Sandback [2001], in: Sandback 2005, pp. 153–161, p. 159). 17 See the detailed chronology, bibliography and exhibition history compiled by David Gray and Gila Strobel, in: ibid., pp. 239–315. I believe, were Sandback’s entire exhibition history counted in this manner, that group shows would follow a similar trend. Sandback’s one foreign, non-European exhibition was in Mexico City in 2003. 18 David Galloway: Report from Germany, in: Art in America 75/1987, pp. 31–39, p. 37. 19 Sandback 2005 [1986], p. 120.

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20 Fred Sandback: Notes [1975], in: Sandback 2005, pp. 90–91, p. 90. 21 Significantly, Sandback chose to distinguish himself from environmental work in a text published in Germany. Much minimal work, and its phenomenological grounding, had been mis-read in the German context as related to »environmental« experiments more akin to Allan Kaprow’s happenings; see Christine Mehring: Blinky Palermo. Abstraction of an Era, New Haven 2009, pp. 103–111. 22 Sandback 2005 [1986], p. 120. 23 Sandback 2005 [1975], p. 91. 24 Carl Andre: Footnote to a 25 Year Old Gallery, in: Austellungen bei Konrad Fischer. Düsseldorf Oktober 1967 – Oktober 1992, Bielefeld 1993, p. 4. 25 Certainly many artists had been working in situ at this time – artists in the land in the U.S.– Smithson, Walter de Maria and Michael Heizer, but also Europeans like Daniel Buren were involved in creating artworks for specific places. What interests me here, however, is the way that gallery space became a place for such in situ intervention. 26 König recalled: »I paid for Carl Andre’s plane ticket and got the wall and floor paint through my oldest brother. Konrad had to invest a lot of money to have the doors installed in the archway on Neubrückstraße« (quoted in: Brigitte Kölle (ed.): Okey Dokey. Konrad Fischer, Köln 2008, pp. 81–91, p. 83). 27 Phyllis Tuchman: An Interview with Carl Andre [1970], in: Carl Andre: Cuts. Texts 1959–2004 (ed. by James Meyer), Cambridge 2005, pp. 181–185. 28 Sandback quoted in: An Interview. Fred Sandback and Stephen Prokopoff [1985], in: Sandback 2005, pp. 108–112, p. 111. 29 Kölle 2008, p. 36. 30 Michael Fried argued in 1967 that »the things that are literalist works of art must somehow confront the beholder – they must, one might almost say, be placed not just in his space, but in his way« (Michael Fried: Art and Objecthood. Essays and Reviews, Chicago 1998, pp. 148–172, p. 154). 31 Sandback quoted in: Sandback and Prokopoff 2005 [1985], p. 109. 32 Sandback 2005 [1973], p. 88; see also Thomas McEvilly: Fred Sandback. Nothing Outside Actuality, in: Sandback 2005, pp. 55–63. 33 For a careful discussion of Sandback’s early objects, and their representational logic, see Yve-Alain Bois: A drawing that is Habitable, ibid., pp. 27–38, p. 28 f. Sandback would admit as much in 1975; see Sandback 2005 [1975], p. 90 f. 34 Mehring 2009, pp. 141–143. 35 See Austellungen bei Konrad Fischer 1993 for a complete chronology and installation photos. 36 Phyllis Tuchman: American Art in Germany. The History of a Phenomenon, in: Artforum IX/1970, pp. 58–69, p. 58. 37 The exhibition also provoked »critics to nickname the show ›Americana,‹ and to refer to New York City as ›a suburb of Kassel‹«; see Christine Mehring: Continental Shrift. The Story of Interfunktionen, in:

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Artforum XLII/2004, pp. 178–183 and p. 233, p. 179. Documenta 4 provoked such a response that it actually led to the founding of Interfunktionen. 38 See Christine Mehring: Emerging Market, in: Artforum XLVI/2008, pp. 322–328, p. 390. 39 See Mehring 2009, p. 141. 40 Kölle 2008, p. 42. 41 On the history of Fluxus, see Owen F. Smith: Fluxus. History of an Attitude, San Diego 1998; Andreas Huyssen: Back to the Future. Fluxus in Context, in: Elizabeth Armstrong (ed.): In the Spirit of Fluxus, Minneapolis 1993, pp. 142–151. For a discussion of Young’s time in Darmstadt, see Keith Potter: Four Musical Minimalists, Cambridge 2000, pp. 43–46. Young recalled »I had to go to Europe to really discover Cage« (quoted in: Potter 2000, p. 44). 42 For a discussion of the Franco-American context, see Serge Gilbaut: How New York Stole the Idea of Modern Art, Chicago 1983. 43 Dewey A. Browder: Americans in Post-World War II Germany, Lewiston 1998, p. 122. 44 Ibid., p. 123. 45 Fischer liked this element of rivalry as well. According to Mel Bochner, Fischer enjoyed the tension between American and German artists in his gallery, »because it made him far-out and gave him an identity« (quoted in: Mehring 2009, p. 138, footnote 4). 46 Browder 1998, p. 122. 47 Yve-Alain Bois: A Drawing that is Habitable, in: Sandback 2005, pp. 27–38, p. 32. Bois dates this realization to 1974/1975. While I agree that the temporal works at John Weber Gallery and the Kunstraum Munich were watershed exhibitions for Sandback, I would argue that this realization occurred a bit earlier, likely in 1972/1973, with the production of two artist’s books that explicitly thematize the relationship of site to object. Furthermore, while the 1972/1973 shows were the most explicit in their relationship to site, such an engagement began as early as 1969, in Sandback’s Dwan Gallery presentation. There he exhibited not only eight discrete objects, but also a series of five changing situations, each of which engaged different parts of the gallery’s architecture. In Sandback’s 1970 Dwan Gallery show there were only three stable pieces, each of them keyed to the site, and a single diagonal line in Dwan’s back gallery, which Sandback installed across each different set of corners throughout the duration of the show. These early shows point to Sandback’s use of change as a way to engage site, something that comes to its apex in 1975, and would, by 1978, no longer be of interest to Sandback. Thanks to David Gray for his suggestions on this point. 48 Tobias Ostrander: Untitled, in: Sandback 2005, p. 186. 49 Thomas McEvilly: Fred Sandback. Nothing outside Actuality, ibid., pp. 55–63, p. 62. 50 Roland Barthes: The Neutral, New York 2005, p. 6. 51 Ibid., p. 7. 52 Ibid. 53 Sandback 2005 [1977], p. 106.

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54 Fred Sandback to Hermann Kern, unpublished letter, 9 December, 1974, Berlin, Staatliche Museen, Kunstbibliothek, Sammlung Marzona. 55 Sandback’s show at the Kunstraum shares much with a show held a year earlier – in 1974 – entitled Sixteen Two-Part Constructions at the John Weber Gallery in New York. It is beyond the scope of my discussion to contrast these two presentations, yet in mentioning such a similar show in New York, though at a gallery rather than a museum, I want to underscore that Sandback had opportunities on both sides of the Atlantic. Early on in his career in particular, however, the majority of shows and all museum presentations occurred in Europe. One could argue from this that Sandback felt more at home in the European art scene because it appeared more open to his work. This is certainly true of artists like Andre and Nauman. As Andre would explain: »My career in Europe flourished and I have prospered there. No museum or Kunsthalle in New York has shown a new work of mine in over 25 years. Nothing! Europeans expect and want challenging art« (quoted in: Kölle 2008, p. 97). See Nauman’s remarks about the European scene (ibid., pp. 184–190). Sandback never spoke directly about this issue in any printed context. Though a difficult case to make from the content of his historical criticism, mainly because much of it is little more than brief gallery reviews in periodicals, some of it thoughtfully engaged, some not, and all of it very short, it seems fair to suggest that the European critical and institutional climate was much more welcoming to Sandback, particularly during the first ten years of his career. 56 Miwon Kwon: One Place After Another. Site-Specific Art and Locational Identity, Cambridge 2002, p. 27 f.

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ZWISCHEN DEN FRONTEN

»MÄRTYRER DES ZEICHENSTIFTS« Britische Künstler unter Spionageverdacht im habsburgischen Lombardo-Venetien des 19. Jahrhunderts ULRIKE BOSKAMP

Zeichnen verboten! Das Zeichnen von Landschaften auf Reisen war, wie reisende Künstler im 19. Jahrhundert meistens wussten, nicht ungefährlich und häufig verboten, vor allem dann, wenn militärische Anlagen oder gar eine Festung ihren pittoresken Reiz erhöhten, beziehungsweise ins Erhabene steigerten. William Turner soll auf seiner Reise von 1839 die Bundesfestung Luxemburg in einem bewussten Akt touristischen Ungehorsams heimlich vor Ort gezeichnet haben. Überliefert ist dies in einem Brief John Ruskins, der 1867 einem Freund riet, sowohl Turners Reiseroute als auch die Motive seiner Zeichnungen zu übernehmen, Luxemburg aber zu meiden: »Luxemburg I believe you can do nothing at, the sentinels would stop you instantly. Turner could draw with his hands in his coat-tails, or while the sentinel walked the other way; but you cannot, and need not go out of your way to see it […]«.1 Erst in Turners Atelier in London entstanden aus den kleinen und mit äußerst knappen motivischen Angaben aufgenommenen Skizzen aus Luxemburg die großformatigen Aquarelle, welche die durchaus schroffe Schönheit des Zusammenspiels von Natur und Militärarchitektur thematisieren und feiern |Abb. 1–2|.2 Kurz nach Turners Besuch wurde 1841 in Luxemburg das bereits bestehende Verbot zu zeichnen, zu vermessen, zu kartografieren, oder Pläne und Ansichten der Festung zu veröffentlichen, durch ein neues Gesetz genauer und schärfer geregelt. Darin hieß es: »Niemand, er gehöre zum Militair oder nicht, er möge Ausländer oder

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1 William Turner: The Rham and the Bock, Luxembourg, from the Fetschenhof, 1839, Bleistift auf Papier, 16,8 × 10,1 cm, aus: Givet, Mézières, Verdun, Metz, Luxemburg and Trèves Sketchbook, fol. 57r, London, Tate

2 William Turner: View of Luxembourg from Fetschenhof, um 1839, Gouache und braune Tinte auf blauem Papier, 14 × 19 cm, Luxembourg, Musée national d’histoire et d’art

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Inländer sein, darf innerhalb einer Entfernung von 500 Toisen eine Aufnahme des zur Festung oder zu den dabei befindlichen Forts und Werken gehörigen Grund und Bodens unternehmen, wenn er nicht zuvor dazu ausdrücklich die Erlaubniß der Landesbehörde erhalten hat.«3 Solche Zeichenverbote, die es Touristen nicht immer leicht gemacht haben, stehen in einer langen Tradition: Behinderungen der freien Kunstausübung an militärisch relevanten Orten, insbesondere in der Nähe von Festungen oder Häfen, sowie in Grenz- oder Uferlandschaften, waren in Europa seit dem 16. Jahrhundert üblich. Bereits in Martin Zeillers Itinerarium Italiae von 1640 wurden Reisende davor gewarnt, in der Nähe der italienischen Festungen zu zeichnen.4 Der Grund für diese Verbote war im 3 »Spia«, aus Cesare Ripa: Iconologia overo Descrittione Dell’imagini Universali cavate dall’Antichità et da altri Zeitalter der Festungskriege die Furcht vor luoghi, Siena 1613, Bd. 2, S. 253 Spionen, die Bauweise, Zustand und Besetzung von Verteidigungsanlagen auskundschaften könnten. In Europa ist der Spion seit spätestens 1600 eine phantasmatische Gestalt, auf die die Furcht vor Krieg und Feind projiziert wurde, wie Text und Bild zum »Spia« in Cesare Ripas Iconologia eindrucksvoll belegen |Abb. 3|.5 Im Folgenden wird der Verwechslung von friedlich reisenden Zeichnern mit Militärspionen nachgegangen, die in der Kunstliteratur zwischen etwa 1600 und bis ins 20. Jahrhundert hinein vielfach belegt ist.6 Am Beispiel von britischen Reisenden, denen durch das Militär im österreichisch regierten Lombardo-Venetien um 1850 der Vorwurf gemacht wurde, dass sie in militärischer Absicht Festungen zeichneten, oder die dies tatsächlich taten, können in einem überschaubaren Zeitraum verschiedene Varianten der Konfrontation von Kunst und Militär vorgeführt werden. Diese zunächst marginal erscheinenden »Fälle« geben nicht nur Aufschluss über eine besondere Form der Rezeption von Landschaftskunst, über die Überzeugung nämlich, das gezeichnete Bild einer Landschaft verleihe Macht über diese, was im 19. Jahrhundert zunächst durchaus erstaunen lässt. Sie verweisen darüber hinaus auf die selten beachtete militärische Dimension mimetischer Landschaftsdarstellung.

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The Foreign Tour of Messrs. Brown, Jones & Robinson (1854) In Richard Doyles 1854 veröffentlichtem komischen Bildroman über die Europareise dreier Engländer, The Foreign Tour of Messrs. Brown, Jones & Robinson. Being the History of What They Saw and Did in Belgium, Germany, Switzerland and Italy, sind der sportliche Dandy Mr. Jones, mit sehr viel Gepäck und einem kleinen Hund, der respektable und phlegmatische Mr. Robinson, sowie der ständig verwirrte, vergessliche, ununterbrochen zeichnende Künstler Brown als Reisegenossen unterwegs |Abb. 4|.7 Sie sind prototypische, etwas exzentrische englische Touristen, deren Reise in humoristischen Episoden erzählt wird, zu denen die Konfrontation mit strengen Zollbehörden ebenso gehört wie die mit engen Alpenpässen und langweiligen Reisegenossen. Nach der Durchquerung von Belgien, den deutschen Kleinstaaten, der Schweiz und Norditalien gelangen die Titelhelden nach Verona. Der Künstler Brown, der während der gesamten Reise Landschaften und Menschen skizziert hat, bringt sich und seine Reisegenossen hier durch das Zeichnen in 4 Richard Doyle: The Foreign Tour of Messrs. Brown, Jones & Robinson, London 1854, Titelblatt Kalamitäten. Die drei Touristen haben sich in Verona zunächst, wie es der mitgeführte Reiseführer, der unverzichtbare »Murray«, empfiehlt, zum antiken Amphitheater begeben, der wichtigsten und zentralen Sehenswürdigkeit der Stadt.8 Gleich darauf wird Browns Zeichenhocker von einem österreichischen Polizisten konfisziert, der das Gerät als Waffe für politische Zwecke oder gar als infernalische Maschine einstuft.9 Aber es kommt noch schlimmer |Abb. 5|. Während Brown, mangels Hocker am Boden sitzend, von einer Anhöhe aus den Anblick der malerisch in der Tiefe gelegenen, von Hügeln umgebenen Stadt Verona »en plein air«, in Öl auf einer großen Leinwand verewigt, marschiert in seinem Rücken eine Patrouille alarmierter Soldaten auf: »Enter the Austrian Army.« Brown, umgeben von verstreuten Skizzen und ausgerüstet mit den Insignien seiner Profession, mit Malerstab, Palette und Staffelei und einem viel zu großen Hut, ist vertieft in die Silhouette des gegenüberliegenden Hügels. Deswegen bemerkt er nichts. Nur das Hündchen stellt sich den Angreifern mit wütendem Gebell entgegen. Die Österreicher vermuten in dem Künstler einen Kundschafter, der ihren Feinden unter dem Deckmantel der Kunst

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5 Richard Doyle: Brown gerät unter Spionageverdacht, aus: The Foreign Tour of Messrs. Brown, Jones & Robinson, London 1854, S. 59

Informationen über die Befestigungsanlagen der Stadt verschaffe: »They think he is taking the fortifications.«10 Browns Landschaftsmalerei sei somit nicht Kunst, sondern in Wirklichkeit Spionage. In der Tat sind im Tal Rundtürme und Wälle zu erkennen, fraglos Militärarchitektur. Im nächsten Bild, einem kleinen Meisterwerk Richard Doyles, sieht man Brown mit Unschuldsgeste, bedrohlich von Österreichern umstellt, die eine erste Untersuchung der Tatbestände unternehmen |Abb. 6|. Der Künstler selbst, seine Zeichnungen, und auch das unvorsichtige Hündchen werden genauestens inspiziert, insbesondere aber Browns ungewöhnliche Kopfbedeckung, deren Form den Verdacht gegen seinen Träger zu bestätigen scheint und zur Festnahme führt: »They see treason in his hat, which is of an illegal shape, and they arrest him.«11 Als die beiden Reisegefährten Robinson und Jones, die auf der Rückseite des Hangs im Gras gelegen haben, endlich herbeieilen, kommt es zum Handgemenge. Alle drei werden schließlich unter den Blicken der herbeiströmenden Einheimischen abgeführt. Browns Zeichnungen werden nochmals untersucht und bei dieser

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6 Richard Doyle: Brown wird von österreichischem Militär umringt, aus: The Foreign Tour of Messrs. Brown, Jones & Robinson, London 1854, S. 60

7 Richard Doyle: Die bei Brown gefundenen Skizzen, aus: The Foreign Tour of Messrs. Brown, Jones & Robinson, London 1854, S. 61

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Gelegenheit auch der geschätzten Leserschaft vorgeführt |Abb. 7|. Sie zeigen weder die Landschaft noch die Grundrisse der Festungen von Verona, sondern vielmehr Karikaturen von schnurrbärtigen österreichischen Soldatentypen, die sich in nichts von den lebendigen Exemplaren unterscheiden. Im nächsten Bild werden die drei Angeklagten vor den Gouverneur geführt, der seltsamerweise den Namen »Brown« trägt.12 Die gefährliche Lage der Reisenden verliert überraschend ihren Schrecken, als der Gouverneur nicht die Zeichnungen, sondern den jungen Künstler begutachtet und in ihm einen verlorenen Neffen erkennt. Warum nun wurde der fiktive Künstler Brown festgenommen, worin bestand die Bedeutung und Brisanz der Ansicht von Verona, die zum Verdacht gegen den harmlosen Zeichner führte? Norditalien stand seit dem Sturz Napoleons von 1814 bis 1866, ab 1815 als »Königreich Lombardisch-Venetien«, unter österreichischer Herrschaft. Zur militärischen Absicherung verstärkten die Österreicher das Quadrilatero, ein Festungsviereck aus den befestigten Städten Verona, Mantua, Peschiera und Legnano. Diese vier Orte, von denen Verona bei weitem der Wichtigste war, wurden seit 1831 nach den Prinzipien des »neudeutschen« Festungsbaus erweitert.13 Damit war die gesamte Region militärisches Hochsicherheitsgebiet, das sich bis 1854 im Ausnahmezustand befand, durch fortwährende Baumaßnahmen immer komplexer wurde und ständig misstrauisch gegenüber dem Todfeind, den Kämpfern und Sympathisanten des italienischen »Risorgimento«, gesichert wurde.14 In drei Kriegen 1848/1849, 1859 und 1866, kämpfte das revolutionäre Italien um nationale Einheit und Unabhängigkeit von Österreich-Ungarn. Die norditalienischen Festungen waren neben Venedig und Turin die wichtigsten Zentren der Aufstände und Verschwörungen gegen die österreichische Herrschaft. Das zivile Leben in Lombardo-Venetien war von diesen Konflikten geprägt, und Reisende konnten durchaus zwischen die Fronten geraten, insbesondere, wenn sie mit dem Risorgimento offen sympathisierten, zum Beispiel dadurch, dass sie sich dessen bekanntestes Symbol, den capello alla Calabrese, auf den Kopf setzten.15 Nach den Wirren der napoleonischen Kriege begannen britische Touristen wieder, den Kontinent zu bereisen, am liebsten auf den Routen der alten Grand Tour. Es war nun ein bürgerlicher Massentourismus, der die »Orte der Sehnsucht« in Italien besuchte und große Sympathie für die italienische Einheitsbewegung mitbrachte.16 Ausgerechnet die Lieblingsstadt der Briten in Norditalien, die Heimat von Romeo und Julia, Shakespeares »fair Verona«, wurde zwischen 1831 und 1866 zum größten, wichtigsten und am schwersten befestigten Militärstandort der Österreicher ausgebaut. Da die habsburgische Regierung und Bürokratie höchst misstrauisch waren und nichts mehr fürchteten als das Eindringen subversiver Ideen und Elemente durch Agenten des Risorgimento, war der Umgang mit den Touristen häufig rüde. Die Reisenden erreichten Lombardo-Venetien ab 1847 zumeist mit der neu eröffneten Bahnlinie über den Brenner und wurden sowohl in der Grenzstadt Peschiera als auch in Verona ausführlichen und unangenehmen Pass- und Gepäckkontrollen unterzogen.17 Die Reaktion der Briten auf diese Schikanen war offenbar geprägt von dem Bewusstsein, einer besseren, weniger restriktiv organisierten Gesellschaft anzugehören, die die »liberties« ihrer

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Angehörigen, der »free-born Britons« achtete und schützte, während demgegenüber das Lebensgefühl in der österreichischen Monarchie als unfrei und militarisiert, als »all Bureau and Baracks« wahrgenommen wurde.18 Tatsächlich setzte sich die britische Regierung für reisende Staatsangehörige in außergewöhnlicher Weise ein, was ihnen ein selbstbewusstes Auftreten gegenüber den kontinentalen Autoritäten ermöglichte.19 Richard Doyle (1824–1883), der Zeichner und Texter der Foreign Tour, war zur Vorbereitung des Buches in der ersten Hälfte des Jahres 1850 gemeinsam mit zwei Kollegen der Zeitschrift Punch, Tom Taylor und Watts Philipps, drei Monate lang auf der beschriebenen Route durch Europa gereist.20 Im gleichen Jahr hatte Doyle im Punch eine erste, eher grob gezeichnete Bildgeschichte mit den drei Protagonisten Brown, Jones und Robinson veröffentlicht.21 Es war jedoch die Foreign Tour, die Richard Doyle nationalen Erfolg brachte. Das Buch wurde in Kritiken gefeiert, Neuauflagen und Raubkopien wurden gedruckt.22 Über die zugrundeliegende Reise von Doyle, Taylor und Philips weiß man Einiges, denn Doyles Briefe an seine Schwester mit ausführlichen Berichten über die einzelnen Stationen der Fahrt sind erhalten.23 Doyle hat auf der Grundlage dieser Briefe seine Reiseerlebnisse in die Foreign Tour eingearbeitet. Den Künstler Brown soll er dabei selbstironisch mit autobiografischen Zügen ausgestattet haben.2 4 Eine Festnahme wegen Spionageverdachts ist aber in diesen Briefen offenbar nicht überliefert. So muss das Vorbild für diesen Zwischenfall anderswo gesucht werden. Tatsächlich geriet eben in der Zeit, in der Doyle an seiner Foreign Tour arbeitete, ein junger Brite in Verona unter Spionageverdacht. Der Vorfall erreichte eine breite Öffentlichkeit, wurde in der Presse als infame Ungerechtigkeit verurteilt und beschäftigte höchste Regierungskreise, scheint aber heute vollständig vergessen zu sein und wurde bisher nie mit Doyles Bildgeschichte in Zusammenhang gebracht. Im Folgenden wird dieser Fall aus verschiedensten zeitgenössischen Überlieferungen rekonstruiert.

Harry Robert Newton in Verona (1852) Der erste Bericht über den Fall, aus deutscher Sicht, fand sich im August 1852 in der Augsburger Allgemeinen Zeitung: »Ein englischer ›Lord‹, der Verona besuchte und auf den dortigen Festungswerken zeichnend angetroffen wurde, mußte seine barsche Weigerung sich dem Verbot zu fügen mit ein paar Tagen Haft büßen, und wurde, als er, nach erwiesener Identität freigelassen, auf persönlicher Entschuldigung des Festungskommandanten bestand, ohne weitere Umstände fortgeschafft.«25 Der junge Mann, so stellte sich bald heraus, war kein Lord, sondern Architekt. Die britische Presse berichtete empört, ihm sei das Zeichnen des Amphitheaters zum Verhängnis geworden: »The Austrian authorities in Lombardy have given a fresh instance of their brutality. An English gentleman was quietly sketching the picturesque Amphitheatre of the old city

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of the Montagues and Capulets, when he was accosted by an Austrian sentry, who commanded him to desist. Upon declining to comply with this military prohibition he was arrested and thrown into prison, where he was detained for several days. After his liberation, this martyr of the pencil was thrust unceremoniously out of the city, and conducted by Austrian gendarmes out of the territory, subjected to the mild sway of Marshal Radetzky. The Augsburg Gazette says that the Englishman called upon the commandant of the fortress to apologise to him, but that this demand was refused. He then applied to the Earl of Westmoreland, at that moment at Venice, for redress.«26 Aus weiteren Presseberichten ging hervor, dass der »Märtyrer des Zeichenstifts«, zwar nicht im Amphitheater, sondern in der Festung verhaftet worden sei, dass er aber überhaupt nicht gezeichnet habe. Es handelte sich um den Architekten Harry Robert Newton (1828–1889), Sohn des prominenten Porträtmalers und Fotografen Sir William John Newton (1785–1869). Im Juni 1852 war er mit dem geöffneten Reiseführer – dem »Murray«, selbstverständlich – und einer Karte von Verona auf den Befestigungsanlagen angetroffen und unter Arrest genommen worden. Es war Sir William Newton selbst, geadeltes Mitglied der Royal Academy, der in die Debatte eingriff und die Version seines Sohnes über den Vorfall in der Presse veröffentlichte. Er berichtete, die österreichischen Soldaten hätten seinem Sohn zwar vorgeworfen, er habe die Befestigungen gezeichnet, in Wirklichkeit habe er diese aber nur begutachtet. Impliziert ist, dass die Begutachtung von Neubauten im Ausland zu den rechtmäßigen Interessen eines reisenden Architekten gehöre, eine Auffassung, der das österreichische Militär im Hinblick auf seine Verteidigungsbauten wohl nicht gefolgt wäre: »My son (an architect) was returning homewards through Verona from his travels, and while examining a part of the fortifications was arrested by the sentinel on duty and taken to the guard-house; and although he proved he was not sketching (for that was the charge against him), as he had only ›Murray’s Guide Book‹ and a plan of Verona in his hands, he was nevertheless kept [...].«27 Die britische Presse kommentierte ebenso deutlich wie kritisch: »British travellers in the Austrian states of Upper Italy will do well to keep this occurrence in mind, and consider the danger of peeping into ›Murray‹ in fortified cities, and in the vicinity of ignorant soldiers, who seem greatly to relish the idea of arresting British tourists.«28 Die Affäre des höchst indignierten jungen Mannes, der sich mehrfach erfolglos beschwerte, zog weite Kreise. Sie wurde im englischen Parlament verhandelt, dann über den britischen Botschafter in Österreich Lord Westmoreland der Regierung in Wien vorgelegt, wo nach einer längeren Untersuchung im November desselben Jahres tatsächlich eine offi-

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zielle Entschuldigung vorgebracht wurde. Im britischen Parlament wurde der Fall am 19. November von Lord Stanley abschließend vorgetragen.29 Nachdem dieser die Lage, in der Newton von den österreichischen Wachen aufgefunden worden sei, beschrieben hatte – die offizielle Version entsprach nun der des Vaters: mit aufgeklapptem Buch und aufgefalteter Landkarte, nicht aber zeichnend –, berichtete er genauestens über die darauffolgenden diplomatischen Schritte und die Untersuchungen des Vorfalls in Wien: »An inquiry was instituted, and there being some discrepancy between the different accounts, a correspondence of some length took place; but the end of that correspondence has been that a full and ample expression of regret has been obtained from the Austrian Government, accompanied by a promise that, in future, care shall be taken to prevent British travellers from being ill-treated in a similar manner, and to see that the regulations in force in Austria are carried out with no unnecessary hardship on individuals.«30 Dieser Fall war nicht der einzige Übergriff der Österreicher auf Reisende in der Zeit ihrer Herrschaft in Norditalien. Vielmehr scheint es, dass viele britische Touristen unter dem höchst verunsicherten und ständig in Alarmbereitschaft versetzten österreichischen Militär gelitten und sich auch immer wieder über schlechte Behandlung beschwert haben.31 Die Festnahme Newtons aber bildete einen Höhepunkt, und es ging hier mit dem Vorwurf »sketching the fortifications« um Militärspionage durch Zeichnungen.32 Newton war familiär in Künstlerkreisen sehr gut vernetzt, vor allem aber war er tatsächlich ein ausgezeichneter Zeichner, dessen im Hotelzimmer zurückgelassene Zeichnungen im Laufe der Untersuchungen ebenfalls inspiziert worden waren.33 Seine Festnahme kann mit einiger Sicherheit als Vorbild für die entsprechende Episode bei Richard Doyle gelten, zumal die Öffentlichkeit durch empörte Presseberichte involviert war – im Punch wurde ihr sogar ein längeres satirisches Gedicht gewidmet –, und der Fall zur Zeit des Erscheinens der Foreign Tour 1854 noch im Gedächtnis gewesen sein muss.3 4

Edmund F. DuCane spioniert in Peschiera und Verona (1862) Kurz nach dem zweiten italienischen Unabhängigkeitskrieg, bei dem die Österreicher Verona nur knapp gehalten hatten, erschien 1862 im Londoner Cornhill Magazine ein Beitrag mit dem Titel The Quadrilatero. In Form eines Reiseberichts, in anspielungsreichem Plauderton amüsant vorgetragen, fand sich hier ein Abriss der politischen und militärischen Lage und Bedeutung des Festungsvierecks sowie eine präzise Analyse der Verteidigungsanlagen Veronas. Illustriert ist der Artikel mit Landschaftsdarstellungen, welche Ansichten der habsburgischen Festungsbauten auf den Hügeln nördlich der Stadt zeigen. Der anonyme Berichterstatter beginnt mit der Erzählung seiner Festnahme unter Spionageverdacht bei der Einreise am Bahnhof von Peschiera am Gardasee. Während die österreichischen Grenzbeam-

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ten mit einer gründlichen Kontrolle der Pässe beschäftigt gewesen seien, sei er zu den nahe am Bahnhof gelegenen Befestigungsanlagen spaziert.35 Der Autor beschreibt sehr genau, was er dort beobachtet hatte, und fügt seinem Text den Grundriss eines der neuen österreichischen Forts in Peschiera bei. Als die Wachsoldaten seine Inspektion bemerkt und ihn festgenommen hatten, erklärte er ihnen, »that I was not an Italian patriot, but merely a harmless British tourist seeking recreation«.36 Nach strenger Befragung ließ man ihn wieder laufen: »[…] probably they came to the conclusion that my aberrations were merely an instance of the national insanity, and I was finally allowed to take my seat in the carriage, the officer coming to me at last with a word of warning that ›I must be very careful about looking at the forts‹.«37 Diese Warnung war sehr viel zutreffender als der Offizier ahnen konnte, denn dieses Mal waren die Österreicher zwar keinem italienischen Patrioten, wohl aber einem britischen Militäringenieur auf den Leim gegangen, der sich darüber königlich amüsierte. Edmund F. DuCane (1830–1903), Autor des Berichts, war Royal Engineer der britischen Armee, hatte die Royal Military Academy in Woolwich besucht und war zwischen 1856 und 1863 als Militärarchitekt mit der Planung und dem Bau von Verteidigungsanlagen betraut.38 Nicht ganz unähnlich der österreichischen Furcht vor dem Verlust des norditalienischen Territoriums waren in England nach dem Regierungsantritt Napoleons III. in Frankreich große Ängste vor einer französischen Invasion entstanden. Daher wurden an der Südküste neue Forts errichtet und alte Anlagen verstärkt. An dieser Bautätigkeit war DuCane als Festungsarchitekt maßgeblich beteiligt.39 Er war somit, als er im Königreich LombardoVenetien eintraf, einer der führenden britischen Spezialisten für zeitgenössische Festungsarchitektur. Der größte Teil von DuCanes Artikel befasst sich entsprechend mit den militärisch relevanten landschaftlichen Gegebenheiten, und insbesondere mit den Befestigungsanlagen Veronas, die gerade zwischen 1861 und 1866 durch eine zweite Linie von kleinen »detachierten« Forts erweitert wurden.40 Der Autor berichtete damit von den neuesten, sicherlich möglichst geheim gehaltenen Entwicklungen im österreichischen Festungsbau. Was DuCane aber besonders interessierte, war nicht diese noch im Bau befindliche, neue Verteidigungslinie, sondern es waren die etwas älteren Forts auf dem nordwestlichen Gebirgsausläufer über der Stadt. Dieser war 1837 mit vier runden Turmfestungen und 1838–1843 mit vier weiteren Forts bebaut worden.41 Genau hier, an jenem Ort wahrscheinlich, wo Doyles fiktiver Künstler Brown durch das österreichische Militär beim Malen überrascht worden war, machte DuCane die entscheidende Schwachstelle der Verteidigung Veronas aus: »An attack on Verona from this side no doubt presents some difficulties; but the effects would be much more decisive than any other attack that could be made.«42 Die vier Abbildungen zum Text, grafische Umsetzungen der vom Autor auf seiner Reise vor Ort angefertigten Zeichnungen, zeigen eben diese Verteidigungsanlagen |Abb. 8|. Eines der vier runden Turmforts ist nahsichtig wiedergegeben, und das Fort St. Leonardo wird in zwei Ansichten von Osten und Westen gezeigt. Entscheidend ist aber die vierte Abbildung, auf der die Befestigungen über Verona aus einem eigentümlichen Blickwinkel, untersichtig

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8 Edmund DuCane: Tower on Hill, North of Verona / Fort St. Leonardo, from the East, aus: Cornhill Magazine, London 1862, S. 102–103

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9 Edmund DuCane: Towers of Verona, from Hill West of Avesa, aus: Cornhill Magazine, London 1862, S. 103

und aus der Ferne, dargestellt werden |Abb. 9|. Auf diese Illustration verweist DuCane explizit, als er bespricht, wie ein Angriff auf die Forts von den gegenüberliegenden Hügeln aus erfolgen müsste: »The summit of the range of hills opposite to these forts where a besieging enemy would take his position is about 1,000 yards distant, and as high, or higher; they are therefore within easy battering range of rifled guns; and the quantity of exposed masonry they present, and consequent little resistance they are calculated to make to artillery fire, will be best appreciated from the sketches taken from the hills west of Avesa, in the direction in which a besieger’s battery might probably be placed – they show, therefore, exactly what he would have to fire at.«43 Diese vierte Darstellung mit dem unschuldigen Titel Towers of Verona, from Hill West of Avesa zeigt somit den Blick auf die habsburgischen Verteidigungstürme von dem einzigen Ort aus, von dem Belagerung und Angriff Erfolg versprechen würden. Blick und Standpunkt des Zeichners sind dieselben, die potentielle Angreifer einnehmen müssten, und die Leser

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des Cornhill Magazine werden gleichermaßen in die Position des Schützen gesetzt. Fragt man sich nach dem Status solcher Darstellungen und sucht nach der Genealogie dieser Art von publik gemachter Spionage, dann stößt man auf zwei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts veröffentlichte Schriften, die sich mit der »neudeutschen« Festungsbauweise befassen, zu der auch die norditalienischen Verteidigungsanlagen der Österreicher gerechnet werden. Die erste dieser Veröffentlichungen enthält das Ergebnis einer mehrjährigen heimlichen Rekognoszierung der Bundesfestung Koblenz durch den Briten John H. Humfrey.4 4 Dieses zeitgenössisch als »Spionagewerk« bekannte Buch von 1838 wurde schnell ins Deutsche (1842) und Französische (1845) übersetzt und löste Debatten über die Effektivität solcher Publikationen aus. Auch der französische Festungstheoretiker Auguste Mangin hatte 1851 in Paris einen Mémoire sur la fortification polygonale ediert, der sehr schnell ins Deutsche übersetzt und kommentiert worden war.45 In dieser Schrift waren die Festungstürme 10 Max Biffart: Grund- und Aufriß der vier über Verona erstmals in Grund- und Aufrissen, Rundforts nördlich von Verona, aus: Venetien mit dem Festungsvierecke, Darmstadt u. Leipzig 1863, mit Lageplänen und weiterem militärischen S. 62 Kartenmaterial veröffentlicht worden, und andere militärtheoretische Schriften hatten die Pläne schnell übernommen und weiterverbreitet |Abb. 10|.46 DuCanes Artikel gehört in gewisser Weise zu diesem Genre, denn auch hier werden spezielle militärische Informationen und Analysen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aber im Gegensatz zu den genannten, trockenen und technischen militärtheoretischen Abhandlungen finden sich seine Informationen im Cornhill Magazine, einer literarischen Zeitschrift, die keineswegs auf Militaria spezialisiert war, sondern sich mit einer Mischung aus politischen Hintergrundberichten aus aller Welt, mit popularisierter Naturwissenschaft und gesellschaftlicher Satire an eine gebildete viktorianische Leserschaft richtete. DuCane bedient zwar auch diese Klientel mit einem informativen und anspielungsreichen Text, der alle Charakteristika eines illustrierten Reiseberichts aufweist. So stellt er etwa einen gelehrt-humoristischen Vergleich an zwischen seiner eigenen Festnahme und der von Vasari überlieferten Festnahme Michele Sanmichelis, des ersten Erbauers der Festung von Verona.47 Aber als Adressaten der entscheidenden militärischen Informationen können

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diese Leser nicht gelten. Die enthaltenen Informationen müssen an die Kämpfer des italienischen Risorgimento, die potentiellen Eroberer Veronas, gerichtet sein. DuCane gibt sich am Ende seines Textes tatsächlich als Sympathisant der italienischen Unabhängigkeitsbewegung zu erkennen, der ein Ende der österreichischen Präsenz in Lombardo-Venetien wünscht: »I cannot say that I wish the Austrians success. It is impossible to visit Lombardy Venice without seeing that they are quite out of their place there. The sight of the swarms of soldiers, sullen, overbearing, and hated, the suppressed ill-feeling of the inhabitants – cannot but cause one to see that the condition of things is radically wrong; and the contrast between the free and the captive parts of Italy adds force to the feeling. […] So, whether the Italians shall endeavour to persuade the Austrians to go by moral or by physical moral force, I cannot but wish them God speed.«48 DuCane hat demnach seine militärischen Fähigkeiten und Kenntnisse – mit oder ohne Wissen seiner Regierung – in den Dienst der italienischen Unabhängigkeitsbewegung gestellt und über die Veröffentlichung in einem Medium mit weiter Verbreitung die Ergebnisse seiner Kundschafterreise den Kämpfern des Risorgimento verfügbar gemacht. Das heimliche Auskundschaften, das DuCane bei der Ausbildung zum Royal Engineer sicherlich erlernen konnte, hat er hier nicht nur betrieben, sondern er scheint auch in den Abbildungen darauf verweisen zu wollen: Die Landschaften werden in ungewöhnlicher Perspektive mit extrem hohen Horizonten gezeigt und sind vor allem durch auffällig betonte Vordergründe aus Buschwerk und rankenden Pflanzen charakterisiert. Diese seltsamen Blickwinkel und Details können als innerbildliche Hinweise auf das heimliche Skizzieren des Zeichners gelesen werden, der durch das Laub vor den Blicken österreichischer Wachen geschützt ist. Während zunächst unentschieden bleiben muss, wie DuCanes Artikel zustande gekommen ist, kann jedoch festgehalten werden, dass er als Tourist getarnt Zeichnungen der Veroneser Festungsanlagen als militärische Ziele anfertigte, die er – in gewisser Weise als Reisebericht mit touristischen Zeichnungen getarnt – im Cornhill Magazine veröffentlichte. Im Gegensatz zu den bereits vorher bekannt gewordenen schematischen Karten und Plänen von Festungstürmen und umliegender Landschaft war die von ihm eingesetzte »künstlerische« Technik mimetischer Zeichnung in der Lage, das Blickfeld eines Schützen beim Angriff zu simulieren. Dadurch wurde in seinen Bildern, besonders in der besprochenen vierten Darstellung, die Kriegslandschaft den Kämpfern des Risorgimento virtuell sichtbar und somit vorab vertraut gemacht. Nicht nur ist das Kriegsszenario damit den auf den ersten Blick friedlich erscheinenden Landschaftsdarstellungen im Cornhill Magazine auf durchaus überraschende Weise eingeschrieben, sondern diesen Bildern muss eine eindeutig militärische Funktion zugeschrieben werden, die sich nur über die Verweise im Text, nicht aber aus ihrer besonderen Gestaltung erschließt.

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George Augustus Sala in Peschiera (1866) Am 14. Juni 1866, dem Tag des Ausbruchs des dritten und entscheidenden italienischen Unabhängigkeitskrieges, war ein weiterer Brite, George Augustus Sala, auf der Strecke von Verona nach Peschiera unterwegs. Der Bericht des bekannten Journalisten und Reiseschriftstellers, der auch eine künstlerische Ausbildung absolviert hatte, erschien 1869 in London.49 Sala reiste nicht mit der Eisenbahn, die nun für Militärtransporte reserviert war, sondern auf der Straße mit dem Omnibus, einer Kutsche für größere Reisegesellschaften. Er berichtet über seine Ankunft am Gardasee, beschreibt die Schönheit der Landschaft und seine Lust, diese zu aquarellieren: »The drive along the shores of the Lago di Garda is exquisitely beautiful. On this, a lovely day in leafy June, the water looked so blue, the distant mountains were so glowing in purple and orange tints, the sails of the fisher-boats glanced so snowy white, the tall pines spread their velvet-green canopy of foliage so witchingly, that the temptation to leap from the omnibus, produce a sketch-book and a box of moist water-colours, and fall to limning on the spot, was well-nigh irresistible.«50 Die Ernüchterung jedoch folgt auf dem Fuße, die Gedanken des Autors wechseln vom ästhetischen ins militärische Register, und er entscheidet sich, besser nicht zu malen, um nicht unter Spionageverdacht zu geraten: »On reflection, however, it appeared that a better time might be selected for taking sketches on the Lago di Garda. In numerous convenient eyries on its banks, Austrian soldiers are posted, and more than one sketching civilian has been fired at lately, on the assumption that he was ›taking plans‹ of fortifications of Peschiera. The anathemas of the Old and New Societies of Painters in Water Colours rest on the fortifications of Peschiera!«51 Unter den verschärften Bedingungen von Vorkriegszeit und Kriegsausbruch hatten österreichische Militärs unterdessen auf zeichnende Zivilisten – und das heißt sicherlich: zeichnende Touristen – in Peschiera scharf geschossen. Anathema war es, wie Sala wusste, in Kriegszeiten in der Nähe von Festungen zu zeichnen. Die Verteidigungsanlagen von Peschiera befanden sich noch immer im Bau und wurden daher besonders aufmerksam bewacht.52 Was Salas Darstellung der Schönheiten des Gardasees folgt, ist eine Beschreibung der hässlichen militärischen Kehrseite, die gewöhnlich unsichtbar bleibt und die auch der Reisende lieber ausgeblendet hätte: »The Austrian engineers are doing their best to ruin the Lago di Garda. The foreground they have spoilt already. As we journeyed onward we could feed our eyes on one side with all the luxuriant beauty of the lake; so calm, so blue, so sunny, so happy. On the

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11 Anonym: Evacuation of the Quadrilateral. Austrian Redoubts on The Road From Desenzano to Peschiera, aus: Illustrated London News, 6. Oktober 1866, S. 238

other, the bowels of the earth were being ruthlessly dug up, and hordes of soldier-slaves in white coats were heaping the sods into breastworks and strengthening them with fascines. Most hideous did their picks and mattocks and wheelbarrows look on the border of this Paradise. It was as though you saw Death digging his first grave in a snug corner of Eden, and waiting with a leer for our dear brother departed. On one side, then, you saw horrid, ugly, devilish War; on the other, the inestimable beauty and repose of the Peace of Nature, which is as the Peace of God, and passeth all understanding.«53 Eindrucksvoller konnte der Konflikt zwischen Ästhetik und Militär, zwischen dem künstlerischen Interesse an der schönen norditalienischen Landschaft und dem Abscheu gegen ihre rücksichtslose militärische Nutzung kaum beschrieben werden. Nur eine Woche nach Salas Aufenthalt in Peschiera, am 23. Juni 1866, fanden hier auf dem Gardasee Gefechte zwischen den Truppen Garibaldis und der österreichischen Marine und Artillerie statt, und noch im selben Jahre verlor Österreich Norditalien und das Quadrilatero mit den eben fertiggestellten Befestigungen an die Italiener. Die von Sala beschriebene Trostlosigkeit der Militäranlagen zeigte The Illustrated London News nach der Niederlage der Österreicher am 6. Oktober 1866 in einer großformatigen Illustration und kommentierte sie in ganz ähnlicher Weise |Abb. 11|.5 4 Dargestellt ist die apokalyptische Landschaft, die das österreichische Militär nach seinem Abzug auf der Strecke zwischen Peschiera und Desenzano am Gardasee hinterlassen hat: Auf dem sanften

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Abhang im Vordergrund sind alle Bäume gefällt worden, um der Artillerie freie Sicht zu verschaffen. Im Hintergrund ragen drei kahle Steinpfeiler in die Luft, Reste der Architektur des für diese Region typischen Weinanbaus, bei dem die Reben von waagerecht gelegten Trieben herunterhängen, wie der Artikel erklärt, und wie es auch Doyle bei der Ankunft seiner Helden in Norditalien als Inbegriff der Üppigkeit italienischer Kulturlandschaft gezeigt hatte.55 Zwei Reihen von Staketenzäunen, die in die Ferne laufen, strukturieren die Ödnis, dahinter sind Militäranlagen auf drei flachen Hügeln zu sehen. Die zerstörte Natur und die trostlose und nun auch sinnlose Funktionalität der österreichischen Verteidigungslinie werden nach dem Abzug des Militärs von einem als Rückenfigur gezeigten einheimischen Bauern betrauert, mit dem sich die Leserschaft in England sicherlich leicht identifizieren konnte. Angefertigt hatte diese Ansicht ein reisender Zeichner vor Ort, der »Special Artist« der Wochenzeitschrift. Die Darstellung zeigt genau das, was zuvor unter strengstes Zeichenverbot gefallen war. Eine solche präzise Nahaufnahme von neuen Befestigungsanlagen und der umgebenden Landschaft war wohl nur zu diesem Zeitpunkt möglich, im Machtvakuum nach dem Abzug des österreichischen Militärs und vor der Besetzung der verlassenen Forts durch die Italiener.

Die militärische Macht des Zeichenstiftes In der Episode über Spionageverdacht, Festnahme und Freilassung des Künstlers Brown in Richard Doyles Foreign Tour wird nicht nur ein aktueller Fall verarbeitet. Es wird zugleich ein Topos aufgenommen, reflektiert und humoristisch gewendet, der spätestens seit dem 17. Jahrhundert vielfach in der Kunstliteratur, in Künstlerviten, -briefen, Autobiografien und so weiter in ganz Europa auftaucht.56 Wahrscheinlich ist der früheste Bericht, in dem alle Bestandteile dieser topischen Erzählung enthalten sind, derjenige von Filippo Baldinucci über den florentinischen Künstler Andrea Boscoli und dessen Festnahme während einer Reise durch die Marken um 1600: »Dieser Maler hatte unter anderen die außergewöhliche Angewohnheit, daß er nämlich, wenn er eine Reise antrat, sei sie auch sehr lang, so reich gekleidet wie er das gewöhnlich war, seine Feder in die Hand nahm, sowie ein gegürtetes Buch, und wenn er auf irgendeine schöne Landschaftsansicht oder eine andere Kuriosität stieß, dann unternahm er es sogleich, diese in das Buch zu zeichnen. Einmal wollte er so ausgestattet nach Santa Casa di Loreto reisen, wo ihm der seltsame Vorfall zustieß, den wir nun berichten werden. Er nahm eine Straße unterhalb von Macerata, und wie er ihr folgte an diese schöne Stelle und dort die schönste Ansicht sah, lagerte er sich vorsichtig an einen gut geeigneten Ort und begann, diese auf seinem Buch zu zeichnen, zusammen mit dem besonders pittoresken Anblick, den die Festung bot; mit der größten Ruhe der Welt, und ohne sich im mindesten darum zu kümmern, wer sein Treiben von Weitem sah, trieb er mit Freude seine

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Arbeit voran. Als er sie noch nicht beendet hatte, erschien eine große Anzahl von Polizisten, sie nahmen ihn gefangen und führten ihn in die Stadt in einen geheimen Kerker. Sofort begann ein strenger Prozeß, als sei er eine Person, die in feindlicher Absicht den Plan dieser Festung aufnehmen wolle. Er wurde einer Befragung unterzogen, und ihm wurde die Möglichkeit gegeben, sich zu verteidigen. Der arme festgenommene Junge nahm sich einen Verteidiger und mühte sich nicht wenig, die Richter davon zu überzeugen, daß er ein florentinischer Maler sei, der zum eigenen Vergnügen und um sich die Langeweile der Reise zu erleichtern, beim Reisen das Schönste, was sich seinem Auge jeweils bot, zeichnete, ohne ein andere Absicht als die, sich durch das Werk seiner Kunst zu erfrischen; und er gab als Zeugnis von großer Wahrheit die Auswahl und die Ansicht all der anderen Zeichnungen, die sein Skizzenbuch enthielt, in dem man andernfalls nur Zeichnungen von allen möglichen Befestigungen vorgefunden hätte. Diese Verteidigung half dem armen Andrea wenig, denn er wurde am Ende des Prozesses zum Tode verurteilt. Sein Glück wollte es aber, daß derjenige, der zu dieser Zeit jene Stadt regierte, der florentinische Adlige monsig. Bandini war, und als Boscoli dies vernommen hatte, empfahl er sich diesem so sehr, daß er für ihn Partei ergriff und nach Florenz schrieb, von wo er Auskünfte über die Herkunft des Künstlers erhielt, über seine Fähigkeit in der Kunst und über alles andere, was man von einem solchen Mann sagen konnte, es wurde bekannt, daß ihm der ganze Vorfall tatsächlich durch Zufall widerfahren war, und so wurde er aus dem Gefängnis befreit und blieb von jeglicher Strafe verschont.«57 Die besprochene Sequenz aus Doyles Foreign Tour kann geradezu als Illustration dieses Berichts – mit verändertem Kostüm – angesehen werden. Die Elemente dieser Erzählung wiederholen sich in sehr vielen Künstleranekdoten: Die Kontemplation der Naturschönheit durch den reisenden, zeichnenden Künstler, die Überraschung und Unterbrechung durch hinzukommende Ankläger, der Spionageverdacht und die Bedrohung durch die Todesstrafe, die zumeist ergebnislose Verhandlung über die Bedeutung der Zeichnungen mit einer zivilen oder militärischen Obrigkeit, die letztliche Entlastung durch ein Leumundszeugnis. Eine besondere Häufung so beschriebener »Fälle« ist im späten 18. Jahrhundert zu beobachten. Für Großbritannien bildet die Festnahme William Hogarths 1748 beim Zeichnen des alten englischen Tors am militärisch bedeutsamen Hafen von Calais durch die Franzosen das prominenteste Beispiel und eine wichtige Referenz. Den Vorfall hat Hogarth in einem bitterbösen Gemälde dargestellt, das er auch als Grafik reproduzierte |Abb. 12|.58 Hogarths visuelle Darstellung des Ereignisses sollte jedoch im 18. Jahrhundert eine Ausnahme bleiben. Die vielfachen Erzählungen von Spionagevorwürfen gegen Künstler wurden zumeist in der Kunstliteratur überliefert. Erst mit Richard Doyles Bild der Entdeckung des in Natur und Arbeit vertieften Künstlers entstand offenbar eine gültige Ikonografie für diese Künstleranekdote, die vielfach verwendet wurde. Sie erscheint zum Beispiel als freundliche Genreszene in zwei Aquarellen des Österreichers Alois Greil (1841–1902) aus den siebziger Jahren

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12 William Hogarth: O the Roast Beef of Old England (The Gate of Calais), 1749, Radierung, 34,7 × 44,1 cm

des 19. Jahrhunderts |Abb. 13|.59 In Zeiten der Spionagehysterie, so in Mitteleuropa während des deutsch-französischen Kriegs 1870/1871, vervielfachten sich die Vorfälle, Erzählungen und Illustrationen.60 Das Motiv wurde in England zur Zeit des Ersten Weltkriegs vielfach in Karikaturen verwendet, die sich auf das Vorbild Doyles zurückführen lassen.61 Was aber wird nun in dieser anekdotischen Form verhandelt? Es geht offenbar um das Verhältnis von Abbildung und Besitz, um die Frage also, was es bedeutet, eine Landschaft mimetisch darzustellen. Die militärische Interpretation definiert die jeweils dargestellte Landschaft als zu eroberndes Territorium, während die Interpretation der Kunst sie ästhetisch als schön, pittoresk oder erhaben einordnet. Auf der einen Seite thematisieren diese Anekdoten den Spion und den Status seiner Zeichnung, den des Bildes überhaupt. Sie stellen die Frage, ob eine Zeichnung, die dem erobernden Militär dienen soll, überhaupt von einer künstlerischen Zeichnung unterschieden werden kann. Es scheint, dass das nicht möglich ist, wie in der Foreign Tour, wo die Zeichnungen Browns als Indizien unklar bleiben und den Künstler auch nicht entlasten können, im Gegensatz zu seinem eindeutig interpretierbaren »illegalen« Hut. Die Unschuld der Künstler wird grundsätzlich nicht durch die richtige

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13 Alois Greil: Der vermeintliche Spion, nach 1873, Bleistift und Aquarell auf Papier, 22,2 × 33,1 cm, Wien, Albertina

Interpretation der Bilder, sondern durch Leumundszeugnisse erwiesen. Die Künstleranekdoten problematisieren damit die Bedeutungsoffenheit mimetischer Landschaftsdarstellung und die Notwendigkeit einer textlichen Referenz zu ihrer Vereindeutigung, wie oben am Beispiel DuCanes gezeigt werden konnte, wo erst der Text die Landschaftsdarstellung als Artillerieziel markiert. Andererseits erweitern diese Anekdoten das Bild des Künstlers in der westeuropäischen Kultur der Neuzeit um eine bisher kaum beachtete Facette. Hier wird der Künstler zum Soldaten, sein Zeichenstift zur Waffe, seine Bildmacht zu militärischer Potenz. Selbst der ungerechtfertigte Spionageverdacht nämlich wertet seine Tätigkeit in dieser Richtung auf. Im Vorangegangenen sind Tätigkeit, Texte und Bilder von reisenden Zeichnern aus Großbritannien im österreichischen Lombardo-Venetien in der Zeit zwischen 1850 und 1866 vorgeführt worden, die auf völlig verschiedene Weisen den unterschiedlichen Blick von Militär und Künstlern auf die norditalienische Landschaft thematisieren. Richard Doyle, der erste dieser Italienreisenden, ist offenbar nicht mit einem Spion verwechselt worden, aber er hat sich mit dem Thema dieser Verwechslung eingehend beschäftigt, denn er hat den Spionagevorwurf gegen den fiktiven Künstler Brown erfunden. Dem zweiten Reisenden,

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dem Architekten Harry Robert Newton, ist vorgeworfen worden, er habe Spionagezeichnungen angefertigt, obgleich er im Moment seiner Festnahme in der Veronesischen Festung offenbar gar nicht gezeichnet hatte. Der dritte, fiktive Künstler Mr. Brown sieht und malt die Schönheit der Landschaft und wird dabei vom österreichischen Militär der Spionage verdächtigt, die gesamte Anekdote wird in einem Bildroman erzählt, der gleichsam den Typus solcher Künstleranekdoten im Bild erfasst. Der vierte Zeichner, Edmund DuCane, hat tatsächlich die österreichischen Militärstandorte ausspioniert und sie in »künstlerischer« Manier gezeichnet, darüber hinaus seinen Spionagebericht als Reisebericht getarnt veröffentlicht. Dies tat er allerdings als parteiischer Außenstehender, nicht als Kriegspartei. Der fünfte Reisende, George Augustus Sala, hat sich durch den angedrohten Schusswaffengebrauch in der Zeit des Kriegsausbruchs vom Zeichnen abhalten lassen, dafür aber in seinem Reisebericht literarisch Ersatz geschaffen und die durch das Militär zerstörte Landschaft ausführlich und eindrücklich beschrieben. Der sechste, der reisende Pressezeichner der London Illustrated News hat dieselbe Landschaft nach dem Abzug des Militärs dargestellt und damit einen Blick auf einen Landschaftstypus ermöglicht, der gewöhnlich nicht dargestellt wurde, weil dies schlicht verboten war. Zusammengenommen ergeben diese Bilder und Berichte reisender Zeichner ein eindrückliches Panorama, das die Wirksamkeit sowie die inner- und außerbildlichen Effekte des militärischen Zeichenverbots in einem kurzen Zeitraum sichtbar macht. Diese Fälle verdeutlichen auch das phantasmatische Moment, das der Figur des Spions zukommt. Denn wer in allen diesen Überlieferungen ständig thematisiert wird, aber dennoch fehlt, das ist der überall vermutete, gefürchtete, festungszeichnende »Spia«, der Militärspion im Dienst des Risorgimento unter der Maske eines reisenden Künstlers. Einen solchen haben offenbar die Österreicher zwanzig Jahre später selber nach Verona entsandt: Der österreichische Offizier Karl von Pidoll soll in den frühen 1870er Jahren als Lanschaftsmaler getarnt von hier aus die norditalienischen Befestigungsanlagen ausgekundschaftet und gezeichnet haben.62

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1 Brief von John Ruskin an William Ward, 15. August 1867, in: Alfred Mansfield Brooks (Hrsg.): John Ruskin’s Letters to William Ward, Boston 1922, S. 88. Ich danke Jean-Claude Muller für den Hinweis auf Ruskin. Und ich danke Martin Lang für seine unschätzbare Unterstützung. 2 Vgl. Cecilia Powell: Turner in Germany, London 1995; J. M. W. Turner. The Luxembourg watercolours. Collections de la Tate Gallery, Londres, et du Musée national d’histoire et d’art, Luxembourg, Ausstellungskatalog, Musée national d’histoire et d’art, Luxemburg 1995. Zum hier behandelten Thema und einer beschrifteten Festungszeichnung Turners vgl. Cecilia Powell: A Visionary but no Spy!, in: The Turner Society News 88/2001, S. 10–11. 3 Königlich-Großherzoglicher Beschluß, vom 26. Februar 1841, Nr. 11, in Betreff der Aufnahme und Veröffentlichung von Plänen der Festung Luxemburg, in: Verordnungs- und Verwaltungsblatt des Großherzogthums Luxemburg 16/1841, S. 97–100, S. 97; vgl. Danièle Wagener: Voyages pittoresques et forteresse fédérale: la représentation de la ville de Luxembourg au 19e siècle, in: Das Leben in der Bundesfestung Luxemburg (1815–1867), Ausstellungskatalog, Musée d’histoire de la ville de Luxembourg, Luxemburg 1995, S. 40–55, S. 44 f. 4 Vgl. Martin Zeiller: Itinerarium Italiae, nov-antiquae, oder, Raiss-Beschreibung durch Italien […], Frankfurt am Main 1640. 5 Vgl. Cesare Ripa: Iconologia overo Descrittione dell’imagini universali cavate dall’antichità et da altri luoghi, Siena 1613, 2 Bde., Bd. 2, S. 253. Text und Bild zum »Spia« erscheinen in dieser vierten Ausgabe der Iconologia zum ersten Mal; vgl. auch Alain Dewerpe: Espion. Une anthropologie historique du secret d’État contemporain, Paris 1994, S. 229 ff. 6 Die Autorin befaßt sich seit 2011 mit der Sammlung und Auswertung solcher Fälle im Rahmen des Forschungsprojekts »An der Grenze. Künstlerreise und Bildspionage« innerhalb der DFGForschergruppe 1703 (»Transkulturelle Verhandlungsräume von Kunst«) an der Freien Universität Berlin. Der vorliegende Aufsatz ist aus einem Vortrag zu dem von ihr im Rahmen der Forschergruppe organisierten Workshop Treading the Border. Topographical Drawing, Military Sketching and Visual Espionage in Europe from the 16th to the 20th Century hervorgegangen, der am 3. Februar 2012 an der Freien Universität Berlin stattfand; vgl. den Tagungsbericht von Joachim Rees, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 71-2/2012, S. 371–375. 7 Vgl. Richard Doyle: The Foreign Tour of Messrs. Brown, Jones & Robinson. Being the History of What They Saw and Did in Belgium, Germany, Switzerland and Italy, London 1854. 8 Vgl. das im Verlag John Murray erschienene Handbook for Travellers in Northern Italy. Embracing the Continental States of Sardinia, Lombardy and Venice, Parma and Pacenza, Modena, Lucca, and Tuscany as far as the Val d’Arno, London 1843. Der »Murray«, der regelmäßig korrigiert und verbessert wurde (16 Auflagen bis 1903), wurde sehr schnell unverzichtbarer Standard für britische Reisende. Richard Doyle zeigt ihn in der Foreign Tour auf S. 4, herausgefallen aus einer Reisetasche bei der Gepäckkontrolle in Köln. 9 Vgl. Doyle 1854, S. 58. 10 Ibid., 1854, S. 59. 11 Ibid., 1854, S. 60. 12 Im 18. Jahrhundert hatte es tatsächlich im österreichischen Militär einen Feldmarschall irischer Abstammung namens Maximilian Ulysses Reichsgraf Browne, Baron de Camus und Mountany (1705–1757) gegeben; vgl. Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 3, Leipzig 1876, S. 369–373, s. v. »Browne, Maximilian Ulysses, Graf v.« (Alfred Ritter von Arneth).

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13 Vgl. Christoph Hackelsberger: Das k.k. österreichische Festungsviereck in Lombardo-Venetien. Ein Beitrag zur Wiederentdeckung der Zweckarchitektur des 19. Jahrhunderts, München 1980, S. 30 f. u. S. 37 ff.; Lino Vittorio Bozzetto: L’architettura militare asburgica a Verona, in: Il Veneto e l’Austria. Vita e cultura artistica nelle città venete 1814–1866, Ausstellungskatalog, Palazzo della Gran Guardia, Verona 1989, S. 396–407, S. 396. 14 Vgl. Andrea Geselle: Bewegung und ihre Kontrolle in Lombardo-Venetien, in: Waltraut Heindl u. Edith Saurer (Hrsg.): Grenze und Staat. Paßwesen, Staatsbürgerschaft, Heimatrecht und Fremdengesetzgebung in der österreichischen Monarchie 1750–1867, Wien, Köln u. Weimar 2000, S. 347–414, S. 384. 15 Vgl. Rosita Levy Pisetzky: Storia del Costume in Italia, Mailand 1964–1969, 5 Bde., Bd. 5, S. 43; Isabella Belting: Mode und Revolution. Deutschland 1848/49, Hildesheim et al. 1997, S. 91 ff. u. S. 165 f., Abb. 24–28, Abb. 62 u. Abb. 65. 16 Vgl. Maura O’Connor: The Romance of Italy and the English Imagination, Houndmills u. London 1998; James Buzard: The Uses of Romanticism. Byron and the Victorian Continental Tour, in: Victorian Studies 35–1/1991, S. 29–49, S. 30 ff. 17 Vgl. Geselle 2000, S. 396 u. S. 418 ff. 18 Vgl. Bernard Porter: »Bureau and Barrack«. Early Victorian Attitudes Towards the Continent, in: Victorian Studies 27–4/1984, S. 407–433, S. 424 ff. 19 Vgl. Porter 1984, S. 429 ff. Aus dieser Haltung erklärt sich das Verhalten von Jones in Doyles Foreign Tour, vor den Gouverneur geführt, Cicero zitiert: »Civis Romanus sum« (ibid., S. 62); vgl. auch David Brown: Palmerston and Austria, in: Lothar Höbelt u. Thomas G. Otte (Hrsg.): A Living Anachronism? European Diplomacy and the Habsburg Monarchy. Festschrift für Francis Roy Bridge zum 70. Geburtstag, Wien, Köln u. Weimar 2012, S. 119–156. 20 Vgl. Rodney Engen: Richard Doyle, Stroud 1983, S. 77. 21 Vgl. Engen 1983, S. 75; id.: Richard Doyle. The wizard and the swell, in: Richard Doyle and his family, Ausstellungskatalog, Victoria and Albert Museum, London 1983–1984, S. 12–18, S. 14 f. Doyle war seit 1844 als Zeichner für den Punch beschäftigt. 22 Vgl. Engen 1983, S. 77 u. S. 83 ff. 23 Vgl. Engen 1983, S. 77. Die Briefe befinden sich heute im Conan Doyle-Archiv in Lausanne. 24 Vgl. Engen 1983, S. 78. Doyles Biograf meint, die Verwirrtheit und leichte Erregbarkeit Browns seien Charakterzüge Doyles gewesen, die dieser seiner Kunstfigur übertragen habe. 25 Anonym: Oesterreichische Monarchie, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, Nr. 227, 14. August 1852, S. 3618. Die Ankündigung des Artikels auf dem Titelblatt der Ausgabe lautete: »Oesterreichische Monarchie. Vom Po (ein vornehmer Engländer über die Gränze geschafft)«. 26 Charles Dickens: The Household Narrative of Current Events (for the year 1852), being a monthly supplement to Household Words, London 1852, S. 189. 27 Ibid., S. 212. 28 Anonym: Italy (From the Morning Herald’s Correspondence), in: The Glasgow Herald, 27. August 1852, S. 4.

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29 Vgl. Sitzungsprotokoll des House of Commons, 16. November 1852 (Case of Mr. Newton at Verona), vol. 123, fol. 198–200; http://hansard.millbanksystems.com/commons/1852/nov/16/case-of-mrnewton-at-verona (letzter Besuch: 20. Oktober 2011) 30 Ibid. 31 Porter 1984, S. 421 f.; von der ganz ähnlichen Festnahme des jungen Mr. Mather berichtet Percy Melville Thornton: Foreign Secretaries of the 19th Century, London 1881–1882, 3 Bde., Bd. 3, S. 162. 32 Der Vorwurf »sketching the fortifications« war offenbar so eingängig, dass er noch lange nach Newtons Rehablitierung wiederholt wurde, zum Beispiel bei Thornton 1881–1882, Bd. 3, S. 162: »Mr. Newton was taken red-handed in the act of sketching the fortifications round Verona, and that at the time when the prevalence of conspiracy against Austrian rule was notorious.« Auch in den Erinnerungen des Außenministers Lord Malmesbury wird diese Version überliefert; vgl. James Howard Harris, Earl of Malmesbury: Memoirs of an Ex-Minister. An Autobiography, London 1884, 2 Bde., Bd. 1, S. 360 f. 33 Vgl. den Bericht des Vaters in: Dickens 1852, S. 212: »A person was then ordered to accompany my son to his hotel and examine all his drawings and papers (which he did in the most searching manner) […]«. 34 Vgl. Anonym: News from Verona, in: Punch, or the London Charivari 23/1852, S. 121. Die Festnahme des Zeichners ist hier an die antike Porta de Borsari verlegt worden. 35 Vgl. Anonym (Edmund DuCane): The Quadrilateral, in: The Cornhill Magazine 5/1862, S. 93–104. 36 Ibid., S. 95. 37 Ibid., S. 96. 38 Edmund DuCane wird als Autor identifiziert in: Walter Edwards Houghton u. Jean Harris Slingerland (Hrsg.): The Wellesley Index to Victorian Periodicals, 1824–1900, Toronto u. Buffalo 1966–1989, 5 Bde., Bd. 5, S. 234; vgl. Seán McConville: English Local Prisons, 1860–1900. Next only to Death, London 1994, S. 152; Oxford Dictionary of National Biography, Oxford 2004, s. v. »Du Cane, Sir Edmund Frederick (1830–1903)« (Bill Forsythe); Alexandra Hasluck: Royal Engineer. A Life of Sir Edmund DuCane, London et al. 1973, S. 106 f. 39 Lord Palmerston, der 1859 zum zweiten Mal Premierminister wurde, war die treibende Kraft hinter dieser Bautätigkeit. Bis 1870 wurden zweiundzwanzig Forts an der Südküste errichtet, deren hohe Baukosten und zweifelhafter Nutzen sie als »Palmerston’s Follies« bekannt werden ließen; vgl. Freddy Woodward: Forts or Follies? A History of Plymouth’s Palmerston Forts, Tiverton 1997; Jonathan P. Ribner: Our English Coasts, 1852. William Holman Hunt and Invasion Fear at Midcentury, in: Art Journal 2/1996 (Themenheft »Recent Approaches to 19th Century Visual Culture«), S. 45–54. 40 Vgl. Lino Vittorio Bozzetto: L’architettura militare asburgica a Verona, in: Sergio Marinelli, Guiseppe Mazzariol u. Fernando Mazzocca (Hrsg.): Il Veneto e l’Austria. Vita e cultura artistica nelle città venete 1814–1866, Ausstellungskatalog, Palazzo della Gran Guardia, Verona 1989, S. 396–407, S. 400. 41 Vgl. Lino Vittorio Bozzetto: Verona da fortezza veneta a piazzaforte principale del quadrilatero, in: id. u. Gianni Perbellini: Verona. La piazzaforte ottocentesca nella cultura europea, Verona 1990, S. 11–126, S. 43 f. 42 Anonym (DuCane) 1862, S. 100. 43 Ibid.

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44 John H. Humfrey: An essay on the modern system of fortification adopted for the defence of the Rhine frontier [...], London 1838; die deutsche Übersetzung (Nürnberg 1842) wiederabgedruckt und kommentiert in: Udo Liessen u. Hartwig Neumann: Die klassizistische Grossfestung Koblenz, Koblenz 1989. 45 Vgl. Auguste Mangin: Mémoire sur la fortification polygonale, construite en Allemagne depuis 1815, Paris 1851 (deutsche Ausgabe München 1855). 46 Vgl. Max Biffart: Venetien mit dem Festungsvierecke. Eine militär-geographische Skizze, Darmstadt u. Leipzig 1863, S. 62. Hier sind die Abbildungen unter Angabe der Quelle übernommen worden; der Grundriss der Veroneser Turmforts dient als Titelvignette. 47 Vgl. Giorgio Vasari: Das Leben des Sansovino und des Sanmicheli mit Ammannati, Palladio und Veronese (hrsg. v. Katja Lemelsen u. Jessica Witan), Berlin 2007, S. 84. 48 Anonym (DuCane) 1862, S. 104; vgl. O’Connor 1998, S. 117 ff. 49 George Augustus Sala: Rome and Venice, with other wanderings in Italy, in 1866–7, London 1869, S. 80 f. 50 Ibid., S. 81. 51 Ibid. Die besondere Nervosität und Aggressivität der österreichischen Militärs war sicherlich durch den Kriegsausbruch motiviert. Henry Yule, ein anderer britischer Tourist, der 1864 wegen Zeichnens unter Spionageverdacht geraten war, berichtete hingegen auch von der sehr freundlichen Behandlung durch das österreichische Militär in Verona; vgl. Amy Frances Yule: Memoir, in: id. u. Henry Yule (Hrsg.): The Book of Ser Marco Polo the Venetian, concerning the kingdoms and marvels of the East, London, 3. Auflage 1903, 2 Bde., Bd. 1, S. XVII. 52 Vgl. Lino Vittorio Bozzetto: Peschiera. Storia della città fortificata, Verona 1997, S. 257 f. 53 Sala 1869, S. 81. »Breastworks« sind temporäre Befestigungen, hier aus Grassoden, die schnell und gewöhnlich in Brusthöhe aufgebaut wurden; »fascines« sind walzenförmige Reisigbündel. 54 Vgl. Anonym: The Italian Quadrilateral, in: The Illustrated London News, 6. Oktober 1866, S. 238. 55 Vgl. Doyle 1954, S. 45: »Breakfast at Bellinzona. It was their first day in Italy, and how they did enjoy it!« Die Darstellung zeigt Brown, auf Zehenspitzen auf einem Stuhl stehend. Er ißt die Trauben, die von einem Gestell herabhängen, ohne Zuhilfenahme der Hände. 56 Vgl. Ulrike Boskamp: Kunst oder Spionage? Kippbilder zwischen Ästhetik und Militär, in: Aleida Assmann u. Jan Assmann (Hrsg.): Aufmerksamkeiten, Paderborn 2001 (Archäologie der literarischen Kommunikation, Bd. VII), S. 151–169; Alexander Roob: A pre-modern history of the culture of the unfinished and discarded drawing in two parts, 2008, http://www.meltonpriorinstitut.org/pages/text_ archive/discarded_engl.html (letzter Besuch: 27.09.2012); James Fox: »Traitor painters«. Artists and espionage in the First World War, 1914–18, in: British Art Journal 3/2009, S. 62–68; Denis Ribouillant: Artiste ou espion? Dessiner le paysage dans l’Italie du XVle siècle, in: Carnets du payage 24/2013, S. 168–185. 57 Filippo Baldinucci: Notizie dei professori del disegno da Cimabue in qua […], Florenz 1845–1847, 7 Bde., Bd. 3, S. 74 f. (Übersetzung der Autorin). 58 Vgl. Peter Wagner: The Artistic Framing of English Nationalism in Hogarth’s The Gate of Calais, or the Roast Beef of Old England, in: Frédéric Ogée (Hrsg.): Better in France? The Circulation of Ideas across the Channel in the Eighteenth Century, Lewisburg 2005, S. 81–87.

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59 Greils Zeichnung Die Flurwächter (Aquarell, 23,7 × 31 cm) befindet sich in Linz, Oberösterreichisches Landesmuseum (Inv.Nr. Ha11.157), abgebildet in: Vom Ruf zum Nachruf. Anton Bruckner / Künstlerschicksale, Ausstellungskatalog, Stift St. Florian / Schloß Mondsee, Linz 1996, S. 200. 60 Vgl. Roob 2008. 61 Vgl. die Karikaturen aus der Zeitschrift Punch aus den Jahren 1914–1916 bei Fox 2009, S. 65 u. S. 67. 62 Vgl. Roman Zieglgänsberger: Karl von Pidoll. Das Leben und das Werk, Frankfurt am Main et al. 2005, S. 33 f.

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THE ARTIST AS A CULTURAL EMISSARY ACROSS THE BORDERS OF INTERWAR EUROPE The Case of El Lissitzky MARIA MILEEVA

Exile, Emigration and Official Travel in Interwar Europe On the condition of exile, Edward Said writes that »our age – with its modern warfare, imperialism and the quasi-theological ambitions of totalitarian rulers – is indeed the age of the refugee, the displaced person, mass immigration«.1 Within the critical debate that explores the relationship between exile and creativity, the condition of exile predicates a certain duality of loss and yet outsiders privilege. The history of modern art in the twentieth century is informed by positive and negative visions of travel: travel enforced by exile, emigration and displacement; and travel positively envisaged as a route to opportunity and encounter, new discovery, and influence. The various types of travel, exile and emigration, both forced and voluntary, reflect different degrees of estrangement and distance from home and its specific institutional conventions. Yet, it is precisely this distance that brings into relief a narrative of nationalism, as exile is made up of a sentiment of difference from both the homeland and the new cultural surroundings, and thus places the national identity under question. The relationship between nationalism and exile is polar. These two opposites inform and reconstitute each other. Functioning in a similar way, the display of national identity abroad is a powerful vehicle of official cultural diplomacy with foreign countries, where the idea of the nation is magnified and validated in the eyes of the hosting country. This paper addresses two primary questions. First, in what ways do the personal experience of estrangement and a

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sense of national identity coexist in a foreign culture? Second, what are the tropes and limitations of travelling cultures, as opposed to individual travel?2 Instances of travel and official export from the Soviet Union in the 1920s will be examined, specifically focussing on El Lissitzky’s role as a cultural emissary and his exhibition designs as a medium of cultural transfer and encounter. The first part of this paper will discuss the role of the Soviet artist acting as a cultural emissary – as an official representative of the state in the West – a concept which has not been clearly defined in art historical scholarship of the interwar years. Since the term »cultural emissary« requires a definition in relation to the current scholarship on international exchange, political exiles, émigré culture and cultural tourism, this paper will attempt to establish a political framework for viewing international avant-garde projects of interwar Europe. It will outline and analyse the mechanisms and diplomatic policies that formed the framework for the international display and reception of art and will analyse the role of state cultural organisations that were responsible for the process, focussing on the All-Union Society for Cultural Relations with Foreign Countries (VOKS) in the Soviet Union. El Lissitzky and, specifically, his work on exhibition design as an instrument to create, foster and manipulate relations with Western intelligentsia, will act as a case study. His work on Soviet exhibition displays in Germany in the late 1920s will be deconstructed and problematised beyond the limitations of disparate concepts such as »avant-garde design« and »totalitarian propaganda«. Using the Raum für konstruktive Kunst at the Internationale Kunstausstellung in Dresden (1926) and the Soviet pavilion at the Pressa in Cologne (1928) as case studies, this paper will argue that working as an official representative of the Soviet state abroad, El Lissitzky and his avant-garde experiments and installations of Soviet propaganda reveal a continuity both in their formal and political intention. The concept of a »cultural emissary« in interwar Europe stands separate from the study of artistic emigration, exile, and cultural tourism. It is a concept that presupposes external and political determining factors and cannot be viewed separately from the historical narrative that supports it. Like political diplomats and state officials, the artist was in many cases not merely working in the interest of his artistic career but carried responsibility for representing particular directives of the state institutions in charge. Furthermore, when artistic production was intended for export in an international display, the cultural emissary was entrusted with the task of displaying certain characteristics of national identity. By necessity, the production and reception of art became interlinked through their final destination and intended audience. Critical examination of exhibition projects abroad therefore must take into account the commissioning organ, the cultural and political contexts of the host country, the language spoken as well as the nature and type of display. The case of the Russian avant-garde, and El Lissitzky in particular, deserves a place in the field of exile studies. The study of the Russian avant-garde itself remained »in exile« from Soviet scholarship since the 1930s, when it was placed under official public attack and accused of »formalism«.3 It remained a taboo subject until the 1970s. The archives were

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largely closed for access to both Russian and foreign researchers and works of the avantgarde in state museum collections stayed locked away in depositories, hidden from the public.4 In the Soviet Union, public and open discussion on the subject of the Russian avant-garde was rare and had to be reframed in order to be deemed acceptable for official publication and debate.5 For example, the Russian avant-garde was rehabilitated in the guise of decorative arts and »technical aesthetics« in a pseudo-scientific journal published in the 1970s under the aegis of the Higher Scientific and Research Institute of Technical Aesthetics (VNIITE). The articles on the artistic avant-garde were published and permitted only due to their heavy accent on its relationship to the field of design and not art.6 The first exhibition of El Lissitzky’s work in 1960 at the Mayakovsky Museum was possible as part of a series of exhibitions entitled Illustrators of the Works of Vladimir Mayakovsky.7 Nikolai 1 El Lissitzky: Self-portrait, drawing from a letter Khardzhiev, collector, writer and curator of to Sophie Lissitzky-Küppers, 1926, ink on paper, 26,9 × 21,3 cm, Eindhoven, Van Abbemuseum the Russian avant-garde, who stood behind the exhibitions, was able to present the Russian avant-garde as acceptable to the official censors by linking Lissitzky and others to Mayakovsky, who was a recognised Soviet poet. The next exhibition dedicated to El Lissitzky in the Soviet Union followed only three decades later at the State Tretiakov Gallery in Moscow.8 In Russia, the study of Russian avant-garde was finally advanced by the collapse of the Soviet Union in 1991, when intellectual restrictions were lifted. The rehabilitation of the Russian avant-garde therefore began in the West, with the inclusion of the works by Kazimir Malevich in the display of Cubism and Abstract Art exhibition in the Museum of Modern Art in New York in 1936 and, later, in the pioneering study by Camilla Gray The Great Experiment, published in London in 1962.9 The histories of modern Russian art of the twentieth century pay scant attention to the issues of emigration and exile before and after the October Revolution.10 The period of cultural exchange prior to the First World War, when Russian artists occupied a prominent position in artistic capitals of Paris, Munich and Berlin took place under different sociopolitical circumstances than during the interwar period. Vladimir Tatlin, Natalia Goncha-

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rova, and Mikhail Larionov were amongst many Russian artists who were drawn to Paris in search of new experience, opportunity, and influence.11 The »first wave« of forced and voluntary Russian emigration that followed the 1917 October Revolution took place under different historical and political circumstances. The routes taken by the émigrés and exiles were numerous: the journey to the West lay via Constantinople, Belgrade, and Prague, Berlin, Paris and Nice, others chose to travel East to America and Australia via Japan and China.12 However, the reasons behind the departure of artists to the West has not been adequately determined or analysed. Lissitzky can be seen as a symbol for the cultural traveller of the period, crossing both ideological and territorial borders in interwar Europe and engaging with the growing network of the international avant-garde. Lissitzky’s self perception as a traveller, as opposed to an exile or an émigré, is best portrayed in an animated self caricature made in 1926 of an Affe von Palermo. This sketch depicts him simultaneously teaching at the Vkhutemas (Higher State Art Technical Studios, Moscow) and editing the Asnova (Association of New Architects, Moscow) magazine whilst travelling at high speed with his future wife Sophie Lissitzky-Küppers holding tight around his waist |fig. 1|. His multiple professional positions within the state institutional system in the Soviet Union – as a teacher at Vkhutemas and one of the editors, designers and writers of Asnova magazine – are all crucial to the understanding of his role as a cultural emissary when considering his exhibition projects in the West during the interwar period.

A Member of the International Avant-Garde Born into an educated middle-class Jewish family in the Smolensk province in Western Russia, Lissitzky was distinguished by his cosmopolitan background and his particular ties with Germany.13 Prior to the First World War, in 1909, he left Russia to study architecture at the Technische Hochschule in Darmstadt. During this period, he travelled to Italy and France but, at the outbreak of War, was forced to return to Russia in 1914. There he attended the Riga Technological University, which was evacuated to Moscow for the duration of the War. Trained at a polytechnic institute, rather than a fine art school, he was not limited to one specialisation. In 1918, he demonstrated his support for the Revolution by becoming a member of the Visual Arts Section of the Narkompros (People’s Commissariat of Education and Enlightenment). In the same year, he travelled to Vitebsk to teach at the Artistic-Technical Institute, alongside Kazimir Malevich and Marc Chagall. His contribution to the Revolutionary cause of the Civil War can be seen in a poster design Beat the Whites with the Red Wedge, dating 1919 |fig. 2|.14 Using a selection of geometric forms and only three colours – white, black and red – Lissitzky produced a stark self-referential image that achieved potency through a visual metaphor of the text it describes. It is evident that from the onset of the Revolution and the consequent Civil War, Lissitzky was politically active and that he

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2 El Lissitzky: Beat the Whites with the Red Wedge, 1919, poster lithograph (reprinted 1966), 48,8 × 69,2 cm, Eindhoven, Van Abbemuseum

intended his commissions and actions to serve the Soviet state. In the early 1920s, following Soviet Union’s decision to promote diplomatic relations with Germany, it was logical, considering his professional background and political leanings, for the state to choose Lissitzky as the main cultural mediator between the two countries. In late 1921, on behalf of the Soviet government, Lissitzky travelled to Berlin to accompany the Erste russische Kunstausstellung that opened at the van Diemen Gallery on 15 October 1922.15 During his extended stay in Western Europe, he collaborated with Kurt Schwitters, Hans Arp, Theo van Doesburg, Hans Richter, Mart Stam, and many other members of the international avant-garde. Lissitzky was a founding member of the Internationale Fraktion der Konstruktivisten when it was formed in May 1922 at the Erster

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3 Anonymous: Raoul Hausmann, Theo van Doesburg, Hans Richter, El Lissitzky, Hannah Höch and other artists at the »Erster Internationaler Kongress fortschrittlicher Künstler«, Düsseldorf 1922, photography, The Hague, Theo van Doesburg Archive, Rijksdienst Beeldende Kunst (Van Moorsel Donation)

Internationaler Kongress fortschrittlicher Künstler in Düsseldorf |fig. 3|. After spending three years in Switzerland recovering from tuberculosis and at the same time working on many projects, Lissitzky returned to Russia in 1925. During his stay in Western Europe he also worked on key publications such as Veshch’ / Objet / Gegenstand (1922), a trilingual journal he edited with Ilya Ehrenburg that reported on artistic developments in Russia and abroad.16 With Hans Arp, Lissitzky published Die Kunstismen / Les ismes de l’art / The Isms of Art (1925), which serves as a testament to his many international contacts.17 As a Russian Jew, a member of the International Constructivists and a Soviet propagandist, El Lissitzky escaped the confines of a single national identity. His linguistic prowess also gave him a measure of flexibility: German was the language that he spoke with his wife, Sophie Lissitzky-Küppers, whom he met in Hanover in October 1922.18 Lissitzky’s key role in the network of the international avant-garde of the 1920s highlights his diplomatic skills. By means of this international artistic activity he forged links to and garnered support for the Soviet state from the Western intelligentsia and artistic community. Simultaneously, as a leading Soviet artist, Lissitzky occupied the role of a cultural

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emissary to the West, acting as an official envoy of the state.19 Unlike many other artists including Wassily Kandinsky, Ivan Puni, Naum Gabo or Marc Chagall, who fled Soviet Russia and settled as émigrés first in Berlin and then in Paris, Lissitzky travelled to the West with authority from the Soviet state. Lissitzky’s position in the role of cultural emissary should be distinguished from the established perception of him in Western art history as a pioneer of »International Constructivism« alongside László Moholy-Nagy and Piet Mondrian. Specifically, Lissitzky’s reputation as a member of the international avant-garde was established in his construction of the Prounenraum at the Lehrter Bahnhof for the Grosse Berliner Kunstausstellung (1923) and later in his exhibition designs in Dresden, Raum für konstruktive Kunst (1926), and Hanover, Kabinett der Abstrakten (1927–1928).20 In his designs for these exhibition environments, Lissitzky showed his early concern for an interactive installation, an »agitational« display that would activate the viewing process. However, the designs for Dresden and Hanover should not be treated as isolated instances of constructivist design, distinct from his propaganda displays for the Soviet state, but must be interpreted using the same methods of visual analysis and enquiry. Peter Nisbet has postulated a shift in Lissitzky’s work from avant-garde constructivism to Soviet propaganda, but this stark and chronological division between Chagallian, Suprematist and Stalinist Lissitzky is misleading.21 Yve-Alain Bois reiterated this formal discontinuity between Lissitzky’s Suprematist and propagandist exhibition projects in response to an exhibition curated by Peter Nisbet in the Busch-Reisinger Museum at Harvard University in 1987.22 On a bigger scale, the history of Russian art following the 1917 Revolution has been dominated by the binary juxtaposition of »culture one« and »culture two« – avant-garde versus official propaganda – as proposed by Vladimir Paperny in his key study of Stalinist architecture.23 These historiographical restrictions have drawn an invisible line between Lissitzky’s exhibition spaces in Dresden and Hanover and his ostensible subservience to the demands of state propaganda, which are revealed in his later designs for international exhibitions abroad and his work on USSR in Construction for the State Publishing House in the 1930s.2 4 It is significant to stress, that the socio-political contexts of Lissitzky’s commission for the Internationale Kunstausstellung in Dresden (1926), where he designed the Raum für konstruktive Kunst, and for the Internationale Presse-Ausstellung (Pressa) in Cologne (1928) did not differ. This paper will use the examples of the 1926 Dresden exhibition and the 1928 Cologne exhibition to demonstrate the continuity between Lissitzky’s design strategies, despite their differing form and content. Both exhibitions were sanctioned by the state, as is shown by the evidence of the certificates issued for Lissitzky by Narkompros and VOKS.25 Although the exhibitions varied in venue and content, Lissitzky’s conditions of production and reception were linked by similar interests and intentions. The two projects, organised only two years apart, were motivated by the desire to present the latest developments in art and technology in the charged competitive context of an international exhibition.

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My intention here is to illustrate what the avant-garde experiments – specifically in the Raum für konstruktive Kunst – share with Lissitzky’s propaganda displays of the late 1920s. It is important that artistic exchange between Lissitzky and the European avant-garde ran parallel to state political negotiations and foreign diplomacy. The Soviet Union wanted to promote a new socialist state, with a new revolutionary aesthetic in terms of both the exhibition content and form. Lissitzky displayed highly qualified skills and, as a respected member of the artistic avant-garde in the West, was viewed by the Soviet state as an asset to the Soviet foreign policy of rapprochement.

Germany as the First Recipient of Soviet Cultural Policy In order to build a socially and politically stable socialist society, it was in the state’s interest to implement artistic exchange between Soviet Russia and the West as a means to help develop favourable diplomatic relations and enhance the Soviet economy through trade and investment in new technology and expertise.26 Both the import and export of culture came to a halt as a result of the events of the First World War, the October Revolution, the following Civil War and the period of »War Communism«.27 The art of the first socialist state was novel in its production, purpose, audience and cultural context, as its conditions were now determined by communist ideology. Russian artistic production remained isolated from the West for a long period of eight years from 1914. It was not until 1922, when Germany officially recognised the USSR in the Treaty of Rapallo, that artistic exchange revived and Germany became the first recipient of Soviet culture.28 This diplomatic decision, made even while the Allied blockade was still largely in force, established Berlin as a leading artistic centre for the Russian and avant-garde.29 In addition, as a country which had itself undergone a revolution following the war and which was in those years considered the best hope for the internationalist aspirations of the Comintern (Communist International), both diplomatically as well as politically, Germany was the natural destination for the display of Soviet art in the eyes of the Communist Party.30 The collapse of the Wilhelmine Empire and the declaration of the Republic in November 1918 left Germany in a political vacuum open to a proletarian revolution. The failure of the bloody Spartacist uprising and the murder of the communists Karl Liebknecht and Rosa Luxemburg in January 1919 polarised the artistic community. This period of political unrest and uncertainty also gave rise to politicised artists’ organisations such as the Novembergruppe, Dada, the Rote Gruppe and the Association of the Revolutionary Artists of Germany (ARBKD). The Erste russische Kunstausstellung in Berlin opened in October 1922 and was the first display of official Soviet culture in the West. Lissitzky, who accompanied the exhibition to Berlin, designed the exhibition catalogue cover |fig. 4|.31 During his stay in the West, Lissitzky gave lectures on the new Soviet art in Berlin, Hanover, Rotterdam, Utrecht, and

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The Hague.32 In the preface to the catalogue, David Shterenberg, the Russian artist and head of the Visual Arts Section of Narkompros, reflected the state’s intentions behind the exhibit and showed the new artistic attitude of the Soviet Union: »Our intention in bringing these works to Western Europe is to show everything which is characteristic, thereby revealing the creative achievements of Russian art in the years of the war and the Revolution. Russian art is still in its infancy […]. The Revolution opened up new perspectives for the creative forces in Russia, in that it gave artists the opportunity of bringing their creative talents out into the streets and the squares.«33 This extract from the catalogue, legitimising and popularising the avant-garde, is the first official affirmation of Soviet artistic culture to appear in the West. The Erste russische Kunstausstellung included works of art from both before and after the Revolution. Significantly, it was the work by avant-garde artists, such as Naum 4 El Lissitzky: Design for the catalogue Gabo’s Torso (1917) seen in the installation photograph, cover of »Erste russische Kunstausstellung«, Berlin, 1922, book cover with which were extolled by Shterenberg as examples of offiletterpress lettering, 22,2 × 14,2 cm, cial Soviet culture |fig. 5|. This exposes a brief period of Los Angeles, Getty Research Institute compatibility of the revolutionary intent of the Russian avant-garde – both formally and in the socio-political context – with official state propaganda in the formative stages of the Soviet Union. The importance of revolutionary forces in changing both the production and the reception of art in the Soviet Union was given a paramount role. Attending the exhibition in the conservative setting of the van Diemen Gallery on Unter der Linden, the German public was made to believe that the avant-garde objects on display, such as Gabo’s Torso, had been produced after and as a result of the Revolution, when the artist had left the confines of the studio and the gallery for the streets and the squares. The numerous exhibitions curated by El Lissitzky in the West were to be interpreted along the same lines. They can be seen as laboratories of Soviet culture abroad, a place of controlled observation and experiment. Lissitzky’s work on the international exhibitions in the West was commissioned and monitored by the All-Union Society for Cultural Relations with Foreign Countries (VOKS), which was formally established in 1925 and stood behind the cultural exhibitions both at home and abroad.3 4 Due to restrictions on travel and the existence of a diplomatic blockade

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5 Anonymous: One of the three avant-garde rooms of the »Erste russische Kunstausstellung«, Berlin 1922 (with Naum Gabo’s Torso of 1917), photography, London, Naum Gabo Papers, Tate Archive

imposed in the aftermath of War and Revolution, Soviet contacts with the West could not rely on independent and personal contacts between cultural figures. Relations could only be initiated by cultural organisations and only when sanctioned by the Party apparatus. As it was in the interest of the new socialist state to establish political, economic and cultural exchange with foreign countries, the Bolshevik government was quick to set up a framework that would ensure the development of cultural relations with the West.35 Administrative agencies, such as VOKS, were established to coordinate cultural diplomacy within overall foreign policy directed by the Party. The separate Exhibition Department of VOKS was officially created in 1926 in response to demands by foreign countries and Friends of the Soviet Union Associations to organise exhibitions that would display the cultural achievements of the USSR. The report written on the accomplishment of the Exhibition Department for the period between 1925 and 1929 acknowledges the success of different exhibitions in strengthening the mutual interests of the Soviet Union and other countries:

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»We see that the exhibitions are not only the method for display of specific achievements, but also give a push to the development of the activities of public organisations and groups. The cultural exhibitions that are organised abroad also do not carry purely cultural-enlightening value, but in many cases provide specific political results […]. In many cases, in the countries where we do not have any official relations, [we] are limited in making vast progress. We see that here the ›neutral‹ Soviet exhibition serves as a great instrument to illustrate the achievement of the Soviet Union in many areas.«36 The report clearly illustrates the underlying political purpose of cultural exhibitions that the visual arts sector of VOKS organised abroad: propaganda. The Soviet pavilions at the Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes in Paris (1925), the Pressa exhibition in Cologne (1928) and Film und Foto in Stuttgart (1929) are only a few examples of the international exhibitions that VOKS staged abroad. Within this politicised context of cultural exhibitions abroad, the final section of this paper will consider the form and context of El Lissitzky’s exhibition designs in Germany in the 1920s in order to illustrate their interrelating formal concerns and political contexts.

Lissitzky’s Exhibition Spaces The Raum für konstruktive Kunst at the Internationale Kunstausstellung in Dresden (1926) and the Soviet pavilion at the Pressa in Cologne (1928) were designed by El Lissitzky within two years of each other after he returned to the Soviet Union from his stay in Switzerland. Seen and analysed as a sequence, the Raum für konstruktive Kunst and the Soviet pavilion at Pressa – traditionally defined as examples of avant-garde design vis-à-vis Soviet propaganda – enable us to regard the spaces as prototype structures determined by their socio-political contexts. His Raum für konstruktive Kunst was one of fifty-six galleries constructed in the Städtischer Ausstellungs-Palast in Dresden that housed the Internationale Kunstausstellung in summer 1926. The exhibition was curated by Hans Posse and Heinrich Tessenow and included works by contemporary artists from sixteen European nations, United States, Japan and the Soviet Union.37 Lissitzky’s exhibition space was given a separate location away from the Russian Saal that displayed works by Soviet and Russian émigré artists, who had established their reputations in Europe before the First World War, such as Marc Chagall and Natalia Goncharova. The Raum für konstruktive Kunst included photography, sculpture, paintings and graphic works by such renowned figures associated with International Constructivism as Willi Baumeister, Naum Gabo, László Moholy-Nagy, Piet Mondrian, and Oskar Schlemmer and Lissitzky himself. The Pressa exhibition was held from May to October 1928 on the east bank of the Rhine facing the historic centre of Cologne. It was celebrated as the greatest international exhibition since the War.38 The site of the exhibition was conceived as a fairground and a theme park,

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6 Anonymous: Soviet pavilion at the »Pressa«, Cologne 1928, photography, Moscow, Russian State Archive of Literature and Art

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with a miniature railway constructed to transport the visitors between the forty-two buildings and national pavilions on the site. The Pressa exhibition celebrated technical progress in the printing press and the publishing industry. Although the project escaped the boundaries of an art exhibition, it incorporated typography, photography and film as its design strategies. The Soviet pavilion at Pressa used all available means of mass reproduction to convey the early successes of the First Five Year Plan, launched in 1928 by Joseph Stalin. Whereas the content of the show was directed from above, it was Lissitzky’s design conception that activated the space into a revolutionary exhibition environment that broke away from traditional strategies of display. As the »curator« of the exhibition, Lissitzky introduced new materials such as film, photography, neon-lighting, interactive displays, and moveable and collapsible installations. The design of the pavilion’s interior was executed by a collective of artists under the leadership and guidance of El Lissitzky.39 The glaring five-pointed red star that was constructed and electrified in the central space of the Soviet pavilion was a clear and bold message of communist ideology, reinforced by a slogan that hung above it »Workers of the World Unite« |fig. 6|. The 1926 Raum für konstruktive Kunst and the Soviet display at the 1928 Pressa represent a consistency in Lissitzky’s concept of »event culture« during this period of supposed transition or »break« from avant-garde exhibition design to Soviet propaganda. For example, the maquette for the 1926 Raum für konstruktive Kunst shows Lissitzky’s conception of the gallery space beyond the confines of museum walls. The cubic space measuring six by six meters is rendered in an axonometric design whereby the viewer is able to visualise and make sense of the space by extending the interior walls by opened flaps |fig. 7|. When looking at the maquette the viewer is prompted to touch, fold, and turn the cube; actions very similar to participation that was required of the public when they entered the Soviet pavilion at Pressa. The three-dimensional conception of the space serves to activate the gaze of the viewer not only in relation to the work that was on display but also to envelop him or her in an overall impression. Tactility and movement were key strategies deployed by Lissitzky in Raum für konstruktive Kunst, where the gallery walls were engaged by means of a grid-like system of wooden laths that concealed the walls of the room from floor to ceiling. The ribbed effect was achieved by an even arrangement of vertical laths measuring seven centimetres in depth, with seven centimetre intervals between each one, creating an optical illusion of movement and recession |fig. 8|. The use of the walls, tactile surfaces and didactic gestures in Dresden are visual leitmotifs that were recycled and utilised by Lissitzky in his subsequent work as an exhibition designer and curator. In the Soviet pavilion at Pressa in Cologne the combination of different media within a single exhibition space, his engagement of both the floor and ceiling surfaces, the introduction of mobility and interaction to the viewing process enabled Lissitzky to create a particular environment that departed from the traditional museum concept. The central and most striking exhibit combined photography, the written word and the motion inherent in film. In Newspaper Transmissions the floor-to-ceiling conveyor belts

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enveloped with textual and visual material activated the space, alluding to a factory line production of Soviet ideology |fig. 9|. The new mode of display developed by El Lissitzky both in Raum für konstruktive Kunst and the Pressa revolutionised the contemporary concept of the artwork traditionally displayed within the stable and fixed gallery or museum space. In Lissitzky’s installation designs the acts of viewing and contemplation were replaced with the concepts of activity and interaction. Above all, the Pressa was the first international exhibition project that made photography and photomontage the most prominent features of the design.40 The introduction of writing and captions to the Soviet installation directed the viewer through the mass of material on display. During the 1920s, Soviet artwork moved into the new arena of science and technology, not only to show evidence of artistic progress but also to enlist the power of raw statistics and data to give weight to the veracity of the information on display.41 This new type of an interactive, »agitational« exhibition was distinguished from its earlier artistic precedents by its 7 Anonymous: El Lissitzky’s maquette for novel focus on the audience. All decisions of design »Raum für konstruktive Kunst«, at the »Internationale Kunstausstellung«, Dresden 1926, and form were determined by their capacity to photography, Los Angeles, Getty Research successfully engage the public. These new modes of Institute display had to be considered in the context of an art/trade fair, demountable and flexible. Here, the artwork lost its unique status of »art for art’s sake« and instead gained the novel function of narrating a set of preconfigured ideals. Herbert Bayer, who had a profound influence on Bauhaus typography and designed a small section for the German pavilion at the Pressa, called attention to the significance of Lissitzky’s exhibit: »A revolutionary turning point came when El Lissitzky applied new-constructivist ideas to a concrete project of communication at the ›Pressa‹ Exhibition in Cologne in 1928. The innovation is in the use of a dynamic space design instead of unyielding symmetry, in the unconventional use of various materials (introduction of new materials such as cellophane for curved transparency), and the application of a new scale, as in the use of giant photographs.«42

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8 Anonymous: »Raum für konstruktive Kunst« at the »Internationale Kunstausstellung«, Dresden 1926, photography, Los Angeles, Getty Research Institute

In this abstract, Bayer acknowledges Lissitzky’s formal strategies as »new-constructivist ideas«, thus linking the Soviet pavilion at Pressa to Lissitzky’s earlier career. Both the Raum für konstruktive Kunst in Dresden and the Soviet pavilion at Pressa must be regarded as public pronouncements of Soviet national identity set within the democratic sphere of an international exhibition. The audience reception was a central consideration in the exhibition design and construction. The Soviet pavilion at Pressa enjoyed a good response in the foreign press, as is indicated in the Berliner Tageblatt on 26 May 1928: »Russia, it must be said, magnificent in her exposition of her social situation, this being actually cubist zigzags, and exciting emotion through the fierceness of her forward thrust, which is illustrated boldly and boastfully, and always in a glaring red. […] Classconscious, to the fray! Well, we shall see. Certainly the display of the Soviets is among the most interesting things which Pressa, since its inauguration yesterday, has to offer its visitors.«43

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Lissitzky used formal gestures in the design of the pavilion that would be easily read and interpreted by the viewer. Significantly, it was Lissitzky’s Raum für konstruktive Kunst at the Internationale Kunstausstellung and not the Russian Saal that was regarded by some critics as the only »Bolshevik« work in the entire exhibition.4 4 The boldness of Lissitzky’s design in Dresden was an experimental and foreign gesture in relation to the other national displays that were presented in the format of a rational arrangement of paintings hung in a single row at eye-level against a neutral grey background. Taken together, these contemporary discussions of Lissitzky’s exhibition projects expand our critical approach to his work and inform our understanding of the notion of the cultural emissary in the early years of the Soviet Union. This approach overcomes any neat distinction between Lissitzky’s early, international avant-garde exhibitions and his later overtly propagandistic exhibitions, view9 Anonymous: The Soviet pavilion at the »Pressa«, Cologne 1928, photography, Moscow, Russian State ing these through the same analytical frameArchive of Literature and Art work and showing how both interacted with Soviet foreign policy at different stages in its elaboration. Uniting Lissitzky’s displays of the avant-garde and state propaganda was their shared concern with the audience and their belief in the power of art to transform society. The recognition of the viewer as the driving force of art and politics signalled a new stage of populism of the gallery and the museum. For Lissitzky and the Soviet state, the exhibition space became a neutral platform for experiment; a site for ideological and artistic exchange.

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1 Edward Said: Reflections on Exile, in: id: Reflections on Exile and Other Literary and Cultural Essays, London 2000, pp. 173–186, p. 173; originally published in Granta 13/1984, pp. 159–172. 2 My analysis of the exhibitions in the role of the cultural informant abroad alludes to the domain of comparative cultural studies, of the interconnected histories of travel and displacement, and to the work of James Clifford: Travelling Cultures, in: Laurence Grossberg (ed.): Cultural Studies, Oxford 1992, pp. 96–112. 3 In this context »formalism« is used as a derogatory term and a form of attack that was applied in artistic and literary criticism to works of art that deviated from »socialist realism«, which was declared as the official critical and artistic method at the Soviet Writer’s Congress held in Moscow in 1934. Formalism in art was associated with Western influence and bourgeois tendencies that gave preference to form as opposed to content; see H. G. Scott (ed.): Soviet Writer’s Congress, 1934. The Debate on Socialist Realism and Modernism in the Soviet Union, London 1977. 4 Discussion and the study of Russian avant-garde among artists and academics continued »unofficially« in private apartments and corridors whilst being removed from university syllabi and heavily restricted in the context of museum display, press coverage and publications. The process of rehabilitation was slow and selective. 5 The study and rehabilitation of Russian émigré artists who fled the Soviet Union after the October Revolution is another topic that necessitates further research. In the Soviet Union, the first exhibitions and publications on artists who emigrated after the October Revolution belonged to the World of Art Group with retrospective exhibitions opening on Leon Bakst in 1961, Konstantin Somov in 1969, and Aleksandr Benois in 1970 in the USSR. Natalia Goncharova and Mikhail Larionov had several retrospective exhibitions between 1965 and 1980. Those Russian émigrés who did not conform to the figurative aesthetic of »socialist realism« were considered unsuitable for rehabilitation. For example, in Soviet historiography, Wassily Kandinsky was described as a German painter, Alexandre Archipenko as an American and Marc Chagall as French. 6 The first articles on El Lissitzky to appear in the Soviet Union primarily discussed his work as a book designer; see Nikolai Khardzhiev: El Lisitskii – kostruktor knigi, in: Iskusstvo knigi 1958–1960, vol. 3, Moscow 1962, pp. 145–146; El Lissitzky: Kniga s tochki zreniia zritel’nogo vospriiatiia – vizual’naia kniga, in: Iskusstvo knigi 1962, pp. 163–168. 7 The first solo exhibition, El Lissitzky – Polygraphy, Drawings, Photographs, Architecture, was organised with the help of Nikolai Khardzhiev at the Mayakovsky Museum on 18/19 November, 1960. Amongst other artists whose exhibitions were held at the Mayakovsky Museum were Kazimir Malevich, Vladimir Tatlin, Mikhail Matiushin, Pavel Filonov, Elena Guro, Boris Ender and Vasilii Chekrygin, Velimir Khlebnikov, Mikhail Larionov and Natalia Goncharova; see Genadii Aigi: Nikolai Khardzhiev and the Maiakovsky Museum, Moscow, in: Petrova 2002, pp. 43–49. 8 The exhibition opened at the State Tretiakov Gallery, Moscow in 1991; see El Lisitsky, 1890–1941 (ed. by M. Nemirovskaia), exhibition catalogue, State Tretiakov Gallery, Moscow 1990. 9 Camilla Gray: The Great Experiment. Russian Art, 1863–1922, London 1962. Christina Lodder expanded the field of Russian avant-garde studies in the West with a publication of a volume on Russian Constructivism in 1983. Both Gray and Lodder worked and conducted research in the Soviet Union; see Christina Lodder: Russian Constructivism, New Haven, London 1983; id.: Constructive Strands in Russian Art, London 2005. 10 For discussions of exile and emigration of Russian artists after the October Revolution in 1917 see, John E. Bowlt: Art in Exile. The Russian Avant-Garde and the Emigration, in: Art Journal 41–3/1981 (special issue »The Russian Avant-Garde«), pp. 215–221; Robert Williams: Culture in Exile. Russian

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Émigrés in Germany 1881–1941, Ithaca 1972; Marc Raeff: Russia Abroad: A Cultural History of the Russian Emigration, 1919–1939, London 1990; Paris – Moscou, 1900–1930, exhibition catalogue, Centre Pompidou, Paris 1979; Irina Antonova and Jörn Merkert (eds.): Berlin – Moskau, 1900–1950, exhibition catalogue, Martin-Gropius-Bau, Berlin / Pushkin Museum, Moscow 1995–1996; Russkii Parizh, 1910–1969, exhibition catalogue, State Russian Museum, St. Petersburg 2003; Andrei Tolstoy: Khudozhniki Russkoi Emigratsii, Moscow 2005; Evgeniia Petrova (ed.): Amerikanskie khudozhniki iz Rossiiskoi imperii, St. Petersburg 2008. 11 A special case must be made for the Jewish artists in Russia before 1917 when the Tsarist government placed restrictions on mobility, higher education and employment of Jews. Artists such as Marc Chagall, El Lissitzky, Naum Gabo and Leon Bakst are just a few examples of Jewish artists who travelled to Western Europe for reasons of study and work opportunities. 12 David Burliuk, the proclaimed father of Russian Futurism, travelled via Siberia and Tokyo en route to New York. He established a Futurist group called Tvorchestvo with Nikolai Aseev and Sergei Tretiakov in Vladivostok in 1918–1919. During his time in Japan, Burliuk created another Futurist collective with Ukrainian artist Viktor Plamov. 13 The best individual study of Lissitzky’s artistic career is the biographical account and an extensive collection of primary material provided by his wife Sophie Lissitzky-Küppers: El Lissitzky. Life, Letters, Texts, London 1968. For a most up-to-date analysis of El Lissitzky’s work and career, see Nancy Perloff and Brian Reed (eds.): Situating El Lissitzky, Vitebsk, Berlin, Moscow, Los Angeles 2003. For information on El Lissitzky and exhibition design, see Margarita Tupitsyn (ed.): El Lissitzky. Beyond the Abstract Cabinet: Photography, Design, Collaboration, New Haven and London 1999. 14 In her memoirs Sophie Lissitzky-Küppers narrated: »since the outbreak of the Revolution, Lissitzky had been in the front rank of painters. When the bullets were still whistling through the streets of Moscow, he hurried to see the Committee for Art set up by the Soldiers’ Deputies, to obtain the orders necessary for the undertaking effective propaganda work […]. He designed the first flag for the Central Committee of the Communist Party of the Soviet Union (VTsIK), which was ceremonially carried across Red Square by members of the Government on 1 May 1918« (Lissitzky-Küppers 1968, p. 20). 15 The exhibition was organised by the directors of the commercial Galerie van Diemen in conjunction with the Soviet authorities. The display was a commercial venture presented to the Berlin public under a charitable façade. The profits made from the sale of works at the exhibition would be donated to the Russian people afflicted by famine, organised by the Internationale Arbeiterhilfe (IAH), an organisation set up in 1921 and headed by Willi Münzenberg, a committed communist, who was closely associated with the Comintern (Communist International). The selection of works of art on display was controlled by the demands of the foreign policy that excluded works of agitational propaganda and instead wished to present a sober, respectable front. The works were available for sale. For further information on the structure and work of IAH, see Helmut Gruber: Willi Münzenberg’s German Communist Propaganda Empire 1921–1933, in: The Journal of Modern History 38-3/1966, pp. 278–297; Vance Jr. Kepley: The Workers’ International Relief and the Cinema of the Left 1921–1935, in: Cinema Journal 23–1/1983, pp. 7–23. 16 El Lissitzky and Ilya Ehrenburg: Veshch’ / Objet / Gegenstand, Berlin 1922; reprinted as Veshch’. Mezhdunarodnoe obozrenie sovremennogo iskusstva / Objet. Revue internationale de l’art moderne / Gegenstand. Internationale Rundschau der Kunst der Gegenwart, Baden-Baden 1994. 17 El Lissitzky and Hans Arp: Die Kunstismen / Les ismes de l’art / The Isms of Art, Erlenbach-Zurich 1925; reprinted in Baden-Baden 1990. 18 Sophie Lissitzky-Küppers was a German art dealer working at the Kestner Gesellschaft in Hanover and acting in many instances as Lissitzky’s agent and collaborator.

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19 Other artists acting in the role of cultural ambassadors to the West were Vladimir Mayakovsky, Alexander Rodchenko and Konstantin Melnikov who travelled to Paris to work on the Soviet pavilion at the Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes in 1925. Nathan Altman and David Shterenberg travelled to Germany in the early 1920s. Malevich’s students Nikolai Suetin and Konstantin Rozhdestvenskii worked on the exhibition designs for the Soviet pavilions at the World’s Fairs in Paris (1937) and in New York (1939). 20 For a discussion of the Prounenraum, see Eva Forgács: Definitive Space. The Many Utopias of El Lissitzky’s Proun Room, in: Perloff/Reed 2003, pp. 47–75. For a discussion of Raum für konstruktive Kunst at Dresden and the Kabinett der Abstrakten in Hanover, see Maria Gough: Constructivism Disorientated. El Lissitzky’s Dresden and Hanover »Demonstrationsräume«, in: ibid., pp. 77–129. 21 See Peter Nisbet: An Introduction to El Lissitzky, in: El Lissitzky, 1890–1941, exhibition catalogue, Harvard University Art Museums, Cambridge 1987, pp. 13–52. 22 See Yve-Alain Bois: El Lissitzky. Radical Reversibility, in: Art in America 76-4/1988, pp. 161–181. 23 See Vladimir Paperny: Architecture in the Age of Stalin. Culture Two, Cambridge 2002. 24 For a discussion of Lissitzky’s work on USSR in Construction, see Victor Margolin: The Struggle for Utopia. Rodchenko, Lissitzky and Moholy-Nagy, 1917–1946, Chicago and London 1997. Specifically, Margolin’s chapter entitled Representing the Regime: Lissitzky and Rodchenko 1930–1941, pp. 163–215. 25 The Russian State Art and Literature Archive (RGALI), fond 2361, op. 1, 55. This archive contains various certificates issued to Lissitzky by Narkompros to travel to Germany, Holland and Czechoslovakia to execute an architectural design for the Internationale Kunstausstellung in Dresden and certificates issued by VOKS to travel abroad to design the Pressa exhibition in Cologne and the International Hygiene Exhibition in Dresden (1930). 26 For further information on Soviet foreign policy and propaganda abroad, see Frederick C. Barghoorn: The Soviet Cultural Offensive. The Role of Cultural Diplomacy in Soviet Foreign Policy, Princeton 1960; Alastair Kochno-Williams: Russian and Soviet Diplomacy, 1900–1939, Basingstoke 2011. A detailed compilation of documentary material on Russian international relations in the sphere of art in the interwar period can be found in L. Aleshina and N. Iavorskaia (eds.): Iz istorii khudozhestvennoi zhizni SSSR. Internatsional’nye sviazi v oblasti izobrazitel’nogo iskusstva 1917–1940. Materialy i dokumenty, Moscow 1987. 27 War Communism was an economic policy adopted by the Bolsheviks during the period of Civil War. The policy of War Communism lasted from June 1918 to March 1921. The policy’s chief features were the expropriation of private business and the nationalisation of industry throughout Soviet Russia. 28 The Union of Soviet Socialist Republics (USSR), also referred to as Soviet Union, was officially founded in 1922 and existed until 1991. 29 For further information, see Eckhard Neumann: Russia’s »Leftist Art« in Berlin, 1922, in: Art Journal 27-1/1967, pp. 20–23. 30 Although not within the scope of this paper, the cultural policies of the Comintern, which have been largely omitted from scholarly research, may have held great implications on the form of Soviet exhibitions abroad. Further research is necessary in order to bring to light the role of the Comintern in instigating artistic exchange and propagating certain modes of display. The question as to the extent to which the Soviet exhibitions abroad were the means for political propaganda needs to be addressed further. The

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head office in Moscow had three functional departments; Information, Agit-Prop (Agitational Propaganda), and Publishing Department. The examination of the functions of the Agit-Prop Department would throw valuable information on cultural and political policies that commissioned Soviet exhibitions abroad; see Peter Huber: Structure of the Moscow Apparatus of the Comintern, in: Kevin McDermott (ed.): The History of International Communism from Lenin to Stalin, Macmillan 1996, pp. 41–123. 31 For a detailed discussion of the exhibition and its planning, see Peter Nisbet: Some Facts on the Organisational History of the van Diemen Exhibition, in: The 1st Russian Show. A Commemoration of the van Diemen Exhibition Berlin 1922, exhibition catalogue, Annely Juda Fine Art, London 1983, pp. 67–72. 32 A written transcription of the lectures can be glimpsed from Lissitzky’s survey on Soviet exhibitions published under the pseudonym »Ulen«: Die Ausstellungen in Russland, in: Veshch’ / Objet / Gegenstand, no. 1, Berlin 1922, pp. 18–19. 33 David Shterenberg, in: Erste russische Kunstausstellung, exhibition catalogue, Galerie van Diemen & Co., Berlin 1922, p. 3: »Mit dieser Ausstellung verfolgen wir den Zweck, Westeuropa alles das zu zeigen, was geeignet ist, über die schöpferischen Errungenschaften der russischen Kunst in den Kriegsund Revolutionsjahren Aufschluß zu geben. Die russische Kunst ist noch sehr jung […]. Gleichzeitig hat die Revolution den schöpferischen Kräften Rußlands neue Perspektiven eröffnet, indem sie dem Künstler die Möglichkeit gab, seine Schöpfungen auf Plätze und Straßen hinauszutragen und ihn dadurch mit neuen Ideen bereicherte« (translation taken from Lissitzky-Küppers 1968, p. 11). 34 The evidence substantiating my argument has been drawn extensively from the VOKS archive held at the State Archive of the Russian Federation (GARF), Moscow; see, GARF, fond 5283. For information specifically on the Exhibitions Department of VOKS, see fond 5283, op. 11, 534 ed. khr., 1924–1936. 35 For information on VOKS and other organisations that facilitated political, economic and cultural exchanges with foreign countries, see Michael David-Fox: Showcasing the Great Experiment: Cultural Diplomacy & Western Visitors to the Soviet Union, 1921–1941, Oxford 2012; Ludmila Stern: The All-Union Society for Cultural Relations with Foreign Countries and French Intellectuals, in: Australian Journal of Politics and History 45-1/1999, pp. 99–109; id.: Western Intellectuals and the Soviet Union, 1920–1940. From Red Square to the Left Bank, London 2007; Jean-François Fayet: La Société pour les échanges culturels entre l’URSS et l’étranger (VOKS), in: Relations internationales 115/2003, pp. 411–423. 36 Report of the Exhibition Department of VOKS during 1925 and the first half of 1929, GARF, fond 5283, op. 11, ed. khr. 73, l. 11–19: »My vidim, çto vystavki åvläütsä ne tol´ko sposobom demonstracii opredelennyx dostiΩenij, no daüt opredelennyj tolhok dlä razvitiä deätelænosti otdelænyx obwestvennyx organizacij i grupp. Organizuemye kulæturnye vystavki za granicej takøe ne tolæko imeüt kulæturno-prosvetitelænoe znahenie, no vo mnogix sluhaäx daüt opredelennye politiheskie rezulætaty […]. Vo mnogix sluhaäx v tex stranax, s kotorymi my ne imeem kakix-lubo oficalænyx snoπenij, [my] liπeny vozmoønosti razvivatæ kakuü-libo rabotu. My vidim, hto zdesæ ‡nejtralænaä¥ sovetskaä vystavka sluøit prekrasnym orudiem dostiΩeniäm Soüza v raznyx oblostäx.« GARF contains VOKS’ internal/external correspondence, foreign press reviews and files on individual intellectuals. The 1930s files include interpreters’ reports on their visitors. The translation from Russian is my own. 37 For a detailed discussion of the circumstances surrounding the commission and design of the exhibition space, see Gough 2003, pp. 77–129. 38 For further information on the exhibition, see Jeremy Aynsley: Pressa Cologne, 1928. Exhibitions and Publication Design in the Weimar Period, in: Design Issues 10-3/1994, pp. 52–76; id.: Graphic Design in Germany 1890–1945, Berkley 2000, pp. 138–162.

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39 Lissitzky was appointed as the chief designer of the exhibition and the minutes from the Exhibitions Committee at the VOKS headquarters in Moscow are held at GARF, Moscow, fond 5283, op. 11, ed. khr., 35, list 26–267. 40 The Film und Foto (Fifo) exhibition in Stuttgart followed in 1929; see Film und Foto. Internationale Ausstellung des Deutsches Werkbundes (ed. by Karl Steinorth), exhibition catalogue, Ausstellungshallen, Stuttgart 1929, reprint Munich 1979. 41 For a discussion of artwork in the arena of a technological exhibition, see Sharon Macdonald: Exhibitions of Power and Powers of Exhibition. An Introduction to the Politics of Display, in: id. (ed.): The Politics of Display. Museums, Science, Culture, London and New York 1998, pp. 1–25. 42 Herbert Bayer: Aspects of Design of Exhibitions and Museums, in: Curator 4-3/1961, p. 267; quoted in Mary Anne Staniszewski: The Power of Display. A History of Exhibition Installations at the Museum of Modern Art, Cambridge 1998, pp. 47 f. 43 Anonymus, in: Berliner Tageblatt, 26 May 1926; quoted in Lissitzky-Küppers 1968, p. 86. 44 See Walter Preusser: Internationale Kunstausstellung Dresden, in: Meissner Tageblatt, 24 July 1926; quoted in Kai-Uwe Hemken: Pan-Europe and German Art. El Lissitzky at the 1926 Internationale Kunstausstellung in Dresden, in: Jan Debbaut (ed.): El Lissitzky, 1890–1941. Architect, Painter, Photographer, Typographer, exhibition catalogue, Van Abbesmuseum, Eindhoven 1990, pp. 46–56, p. 55.

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»NUR IM WESTEN GIBT ES NEUES« Max Ernst zwischen Deutschland, Frankreich und Amerika JULIA DROST

Dialektik des Exils Als die amerikanische Zeitschrift View im Jahre 1942 dem Exilkünstler Max Ernst ein Sonderheft widmet, berichtet Henry Miller darin über seine erste Begegnung mit dem Künstler: »[…] ich spürte, daß Max Ernst ein geborener dépaysé war, ein flüchtiger Vogel in Menschengestalt, der unablässig seine ganze Kraft aufbot, um sich über die äußere Welt […] zu erheben.«1 Was der Dichter poetisch umschreibt, trifft auf das Leben des Surrealisten zu, dessen Biografie von beständiger Veränderung und permanenten Ortswechseln zwischen Ländern und Kontinenten – Deutschland, Frankreich und Amerika – geprägt ist, welche die Konturen einer möglichen geografischen und nationalen Verortung des Künstlers nach und nach verschwimmen lassen. So fragt der Kunsthistoriker Eduard Trier 1953 anlässlich der Ausstellung Max Ernsts in der Kölner Galerie Der Spiegel: »Wer ist Max Ernst heute? Ein Amerikaner in Paris? Ein Brühler in Köln? Ein Heimkehrer zum Vater Rhein?«. Trier spielt damit auf das gleichnamige Gemälde aus diesem Jahr an, das als eines der Hauptwerke der Schau präsentiert wurde |Abb. 1|.2 Der Künstler selbst hat das Vagabundieren und eine fortwährende Unruhe stets als das wesentliche Merkmal seiner Natur beschrieben, von der auch sein Schaffen nicht unberührt geblieben ist: »Wie mein Leben«, schreibt Max Ernst, »so ist auch mein Werk nicht harmonisch im Sinne der klassischen Komponisten, nicht einmal im Sinne der klassischen Revolutionäre.«3

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1 Max Ernst: Vater Rhein, 1953, Öl auf Leinwand, 114 × 146 cm, Basel, Kunstmuseum

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Jacqueline Chénieux-Gendron hat die Reiselust vieler Surrealisten grundsätzlich als vitalen Bestandteil ihrer künstlerischen Kreativität herausgestellt: Paul Eluard und Jacques Viot begeben sich auf Weltreisen, Marcel Duchamp pendelt seit 1913 zwischen Paris und New York, Michel Leiris erkundet 1933 den afrikanischen Kontinent, Leonora Carrington führt gar ein kosmopolites Wanderleben. Ob der Rumäne Tristan Tzara in Zürich oder sein Kompatriot Jacques Hérold in Paris, Marko Ristics Übersiedelung aus Jugoslawien 1927 oder jene von Max Ernst aus dem Rheinland nach Paris 1922, alle diese Bewegungen zeugen von der Kraft und der Dynamik, der »magnetic attraction«, die für die Künstler auf diesen »voyages of initiation« aus der Begegnung mit dem Fremden ausging.4 Doch werden die Künstler des 20. Jahrhunderts nicht immer nur von ihrem inneren Antrieb geleitet. Es sind zwei verheerende Weltkriege, eine krisenerschütterte Weimarer Republik und nicht zuletzt jenes verhängnisvolle Heraufziehen eines europaweiten Faschismus, deren unmittelbarer Zeuge Max Ernst in seinem Leben wird. Die Erfahrung von Emigration und Exil, Verlust und Neuanfang, modernem Nomadentum und steter Bewegung teilt er mit vielen anderen Künstlern seiner Generation. Als der Zweite Weltkrieg seine düsteren Schatten vorauswirft, sieht sich Max Ernst dazu gezwungen, Europa zu verlassen und nach Amerika zu gehen. Verschiedene Ansätze der Exilforschung, insbesondere der deutschen, haben das Exil in einem engeren Deutungsansatz vornehmlich als Erfahrung von Leid, Verlust und Heimatlosigkeit interpretiert.5 Hier soll indessen ein weiter gefasster Exilbegriff zugrunde gelegt werden, um über die schöpferischen Möglichkeiten eines solchen, wenn auch erzwungenen künstlerischen Arbeitens und Wirkens in der Fremde nachzudenken. Dabei scheint mir der sehr viel breiter angelegte Emigrationsbegriff hilfreich, den Vilém Flusser entwickelt hat.6 Denn mit ihm lässt sich erfassen, dass das Wanderleben des Surrealisten nicht immer unfreiwillig war. Am eigenen Leib Heimatlosigkeit, Emigration und Exil erfahrend, berichtet Flusser nicht nur ausführlich über sein persönliches Leben, sondern versucht zudem, den Zustand der Emigration dialektisch zu erfassen, nämlich als einen Zustand der »Transzendenz«, in dem Altes und Neues aufeinander treffen; in dem Vergangenheit und Gegenwart sich gegenseitig durchdringen und bedingen: »Der Immigrant steht der neuen Bedingung teilweise offen, nämlich an den Stellen, an denen die verlassene Bedingung ironisch verworfen wurde. An diesen Stellen kann er die neue Bedingung sich assimilieren und sich der neuen Bedingung assimilieren. Und er kann an den Stellen, an denen er seine alte Bedingung bewusst beibehält, auf die neue Bedingung verändernd einwirken.«7 Die Emigration wird hier als eine Art Spannungsverhältnis ausgelegt, hervorgerufen durch die gleichzeitige Erfahrung von Befreiung und Verlust. Am Ende ist es genau diese Spannung, die auch schöpferische Kreativität freizusetzen in der Lage ist. Sie ist es auch, die uns im Werk von Max Ernst immer wieder begegnet: »Das Exil, wie immer es auch

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geartet sein möge«, gerät, so Flusser, zur »Brutstätte für schöpferische Taten, für das Neue.«8 Und in der Tat, so wie Max Ernst stets aufs Neue gesellschaftlichen wie politischen Umwälzungen ausgeliefert ist, die persönliche Neuanfänge erfordern, so ist auch sein Werk stets gekennzeichnet von Sprüngen und Brüchen sowie einer immer wieder überraschenden Experimentierfreude, künstlerisch wie inhaltlich. Max Ernst macht damit jedoch nicht nur aus der Not eine Tugend, im Gegenteil: Die schier endlose Rastlosigkeit wird sein Lebensund Kunstelixier. Um ihn selbst sprechen zu lassen: »Ein Maler ist verloren, wenn er sich findet. Dass es mir gelungen ist, mich nicht zu finden, ist mein einziges Verdienst.«9

Von der rheinischen Kleinstadt … Der in Brühl 1891 als drittes von neun Kindern geborene Max Ernst wächst in einem streng katholischen Elternhaus auf. Die harten väterlichen Erziehungsmethoden und die starre wilhelminische Gesellschaftsordnung erzeugen bei dem jungen Mann schon früh eine aufmüpfige Haltung gegenüber Disziplin und bürgerlichen Konventionen. Dieses Aufbegehren äußert sich bei Max Ernst erstmals in seiner Teilnahme an Dada Köln, zu dessen Mitbegründern er als junger Mann zählt, und zwar kurz bevor er sich nach der Geburt seines unehelichen Sohnes Jimmy endgültig entschließt, Deutschland zu verlassen. Und doch lässt der Künstler später immer wieder durchblicken, wie wichtig ihm die Erfahrungen seiner Jugend waren. Die Begegnungen, seine Erlebnisse und Erinnerungen, die Max Ernst in den Jahren seiner Brühler Kindheit macht, sollen zu seinen wichtigsten Erfahrungen überhaupt werden. Fast alle entscheidenden künstlerischen Entdeckungen, die er machen sollte, hat der Künstler später auf seine Jugendzeit zurückgeführt. Das gilt nicht nur für die Frottage und die Grattage, jene beiden intuitiven Gestaltungstechniken, für deren Entwicklung der Künstler sich auf ein Fieberdelirium als Siebenjähriger beruft und nicht etwa auf den entsprechenden ästhetischen Topos, wie er seit der Renaissance tradiert wurde: Plötzlich habe er in den Maserungen einer Schrankwand Formen und Figuren zu erkennen geglaubt.10 Es gilt auch für sein Verständnis bestimmter, wiederkehrender Sujets, so etwa des Waldes, das zu einem Leitmotiv jeder Schaffensphase werden sollte. Die Beschäftigung mit diesem Thema führte er auf den in seiner Freizeit malenden Vater zurück: Philipp Ernst ist der erste Lehrer des jungen Kindes, dessen naturalistische Malweise bei der Wiedergabe der heimischen Wälder den Künstler stets ebenso beeindruckt wie verunsichert hat.11 Genauso prägend sind für Max Ernsts persönliche wie künstlerische Biografie das Studium in Bonn sowie die Begegnung und Freundschaft mit August Macke, Hans Arp und den rheinischen Expressionisten. In den Jahren 1910–1914 beschäftigt er sich auch mit Themen, die damals noch eine marginale Rolle spielen. Neben Germanistik und Kunstgeschichte hört er Vorlesungen und Seminare, die sich mit Psychologie und Psychiatrie beschäftigen. Die Entdeckung psychologisch motivierter Kunst und das frühe Studium

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Sigmund Freuds fesseln ihn immens. Später, unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, bringen sie den Künstler dazu, eingefahrene Sehgewohnheiten und als gesichert erachtete ästhetische Wertmaßstäbe in Frage zu stellen; Grundlage und wesentliche Voraussetzung für ein Werk, das die Kunst des 20. Jahrhunderts schließlich so entscheidend revolutionieren sollte. Flussers Überlegungen zum Themenkreis von Exil und Kreativität fußen auf der Annahme einer besonderen Spannung, die aus der Dualität zwischen Erinnerung und neu Erlebtem resultiert. Dass darüber hinaus gerade die Kindheitserfahrungen, verbunden mit Gewohnheiten und Erinnerungen – als die tiefen Wurzeln des eigenen Daseins – dazu führen, sich in der Fremde niemals ganz zu integrieren, wird von Exilforschern wie André Aciman vertreten.12 Diese These lässt sich vor allem an einem Künstler wie Max Ernst verdeutlichen, der später alle zentralen Aspekte seines Schaffens auf frühe Erlebnisse seiner Kindheit zurückgeführt wissen wollte, wie seine autobiografischen Notizen belegen. Die zentrale Bedeutung, die Max Ernst seiner Kindheit beimisst, muss man grundsätzlich auch im Zusammenhang mit der surrealistischen Bewegung und ihrer Programmatik sehen: »Von der Kindheits- und einigen anderen Erinnerungen« gehe, so hält es André Breton im Ersten Manifest des Surrealismus fest, »ein Gefühl der völligen Ungebundenheit aus und in der Folge das Gefühl, abgeirrt zu sein.«13 Die Kindheit, auch die Kindheit der Kunst, müsse, so Breton, wieder zurückgewonnen werden. Doch Max Ernst geht weit darüber hinaus: Bei ihm kennzeichnet die Auseinandersetzung mit den in der Kindheit wurzelnden Themen und Erfahrungen das gesamte Schaffen. So ist den Werken des Künstlers stets eine doppelte Sicht und Dimension eigen, die mit André Aciman folgendermaßen beschrieben werden kann: »With their memories perpetually on overload, exiles see double, feel double, are double. When exiles see one place, they’re also seeing – or looking for – another behind it.«14 In diesem Sinne formt der dynamische Prozess zwischen Erinnerung an die Vergangenheit einerseits und Erneuerung in der Gegenwart andererseits fortwährend Biografie und Werk.

… in die französische Metropole Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges muss Max Ernst vier Jahre in der Feldartillerie dienen. Er schreibt über diese Zeit in seiner Autobiografie: »Max Ernst starb am 1. August 1914, er kehrte zum Leben zurück am 11. November 1918 als junger Mann, der ein Magier werden wollte, um den Mythos seiner Zeit zu finden.«15 Wie für die meisten Künstler seiner Generation stellt Krieg auch für Max Ernst ein entscheidendes, wegweisendes Erlebnis dar. Zusammen mit Hans Arp und Johannes Theodor Baargeld gründet er daraufhin Dada Köln: »Dada war ein Ausbruch einer Revolte von Lebensfreude und Wut, war das Resultat der Absurdität, der großen Schweinerei dieses blödsinnigen Krieges«, kommentiert Ernst rückblickend, der die Atmosphäre im Nachkriegsdeutschland als so bedrückend empfand, dass er sich 1922 dazu entscheidet, nach Paris zu gehen.16 Ausgestattet mit einem falschen Pass, den er sich von seinem Freund, dem Dichter Paul Eluard leiht, erreicht er die Metropole und fin-

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det sofort Anschluss an die Gruppe der Pariser Dadaisten um André Breton. Dieser hatte ihn bereits ein Jahr zuvor eingeladen, in der Librairie au Sans Pareil seine erste Ausstellung in Frankreich auszurichten: Noch Jahre später empfindet Max Ernst diese Geste als sehr »mutig«, wie er vermerkt, »denn es gehörte etwas dazu, damals in Frankreich einen deutschen Maler vorzustellen.«17 Immerhin sind erst drei Jahre seit Ende des hasserfüllten Krieges zwischen beiden Ländern vergangen. Und doch sind die Pariser Literaten um Breton durch Eluard auf den Kölner Dadaisten aufmerksam geworden und nehmen dessen frühe Collagen, Durchreibezeichnungen, Übermalungen und Klischeedrucke wie eine »Offenbarung« auf: »Weil er, abzielend auf die Ausrottung des pfuschenden Mystizismus der Stilleben, vor unsere Augen den fesselndsten Film der Welt projiziert«, notiert Breton in seinem Beitrag zum Ausstellungskatalog, »sehen wir ohne Zögern in Max Ernst einen Menschen dieser unbegrenzten Möglichkeiten.«18 Max Ernst erhält seinerseits nach der Ankunft in Paris von den Surrealisten wichtige Impulse. Die politischen Veränderungen und das Aufziehen des Faschismus in Europa beobachtet der Künstler mit großer Sorge. Als die Nationalsozialisten 1933 in Deutschland die Macht übernehmen, erkennt Max Ernst sofort, dass ihm die Rückkehr aus seiner Wahlheimat Frankreich nunmehr verbaut ist. Es findet sich jedoch nirgends ein Hinweis darauf, dass ihn die Tatsache bedrückt hätte, nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren zu können, wo man ihn schon kurz darauf als »entarteten« Künstler diffamiert. Gleichwohl setzt sich Ernst intensiv mit dem politischen Zeitgeschehen in Deutschland auseinander. Dies belegt nicht nur sein Werk der dreißiger Jahre, sondern auch sein antifaschistisches Engagement in dieser Zeit. Wie in den Arbeiten anderer surrealistischer Künstler stellen der Destruktionstrieb des Menschen, seine Aggressionen wie auch seine undurchdringlichen inneren Tiefen zentrale Themen auch im Werk von Max Ernst dar. Monströse Gestalten in Horden, rasende Pferde als Windsbräute, organisch deformierte Wesen, gleichsam aus der Tier-, Pflanzen- und Menschenwelt zusammengesetzt, beherrschen sein pikturales Universum bereits seit den späten zwanziger Jahren. In den dreißiger Jahren gewinnen sie jedoch an bedrohlicher Präsenz. In sich verschlungene Vögel gleichen Dämonen, die Horden verwandeln sich in furchteinflößend-unaufhaltsame Ungeheuer. In den Flugzeugfallen übernehmen klebrige Pflanzen die Herrschaft, Wälder und Städte gleichen nunmehr todbringenden Versteinerungen. Mit der Häufung der Ungeheuer geht eine inhaltliche Verlagerung einher. Sind die Hordenbilder Max Ernsts Ende der zwanziger Jahre noch durchaus positiv konnotiert in dem Sinne, dass sie Zivilisationsbruch und modernes Barbarentum für den Kampf um die (surrealistische) Freiheit verkörpern, so erfahren sie in den folgenden Jahren eine zeitbezogene Wendung, die sie zu düsteren Stellungnahmen zum Zeitgeschehen machen.19 Im Unterschied zu anderen surrealistischen Künstlern, wie etwa André Masson mit seinen Massakerbildern oder Yves Tanguy mit seinen merkwürdigen biomorphen Landschaften, hat Max Ernst seinen Bildern verschiedentlich – wenigstens im Nachhinein – ausdrücklich eine politische Dimension verliehen. 1934 erscheint sein dritter Collage-Roman Une Semaine de bonté, dessen Titel in Ernsts eigener Übersetzung Ein Bilderbuch von Güte,

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2 Max Ernst: Europa nach dem Regen I, 1933, Öl und Gips auf Sperrholz, 101 × 149 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Liebe und Menschlichkeit lautet.20 Die ironische Betitelung steht in krassem Gegensatz zu der Welt skurriler und grausamer surrealistischer Bilderfolgen, die in den fünf Heften des Romans nach Themen und Beispielen geordnet präsentiert werden. Uwe M. Schneede bezeichnet das Werk als eine »Abrechnung mit der Welt und dem Geist und der Moral der Väter«.21 Der Künstler selbst erklärte, Une Semaine de bonté sei seine »Antwort auf die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten« gewesen.22 Eine politische, zukunftsvisionäre Deutung verleiht der Künstler – wiederum im Nachhinein – auch seinem Werk Europa nach dem Regen I aus dem Jahr 1933 |Abb. 2|. Auf einer Holzplatte gestaltet Max Ernst in Form eines bemalten Gipsreliefs eine Landkarte, die den alten Kontinent in völlig veränderter Form zeigt. Ganze Teile, so suggeriert der auf eine Katastrophe verweisende Titel, wurden einfach weggeschwemmt. Viele Interpreten sind dem Künstler gefolgt und haben das Werk als Warnung und Mahnung bezeichnet.23 Dennoch lässt sich das Werk ebenso als surrealistische Vision deuten: Es zeigt das zukünftige Europa der surrealistischen, durchaus politischen Revolution, der die Zerstörung der alten Zivilisation notwendig vorausgehen muss.2 4 Beide Lesarten stützen sich auf die Tatsache,

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dass Max Ernst in den dreißiger Jahren wiederholt deutlich zum politischen Weltgeschehen Stellung bezieht.25 Zwar gehört er keiner Partei an und nimmt im Unterschied zu vielen seiner surrealistischen Künstlerkollegen nicht zu tagespolitischen Fragen Stellung. Doch hält Max Ernst Kontakt zu den anderen Emigranten in Paris. So unterstützt er unter anderem den Protestaufruf der Association des écrivains et des artistes révolutionnaires im März 1933 anlässlich des Berliner Reichstagsbrands und der daraufhin einsetzenden Verfolgung deutscher Künstler und Intellektueller.26 Auch dem im November 1935 gegründeten Kollektiv deutscher Künstler tritt er bei.27 Gegenüber seinen Freunden bezieht er durchaus bildhaft Stellung, so im Februar 1935 in einem Brief an seine Freundin Lotte Lenya: »Die Katze kam zum Mittagessen u. kotzte eine ganze Maus aus. Das war sehr appetitanregend u. ich musste an Deutschland denken.«28 Ebenso deutlich ist sein karikierendes Porträt Adolf Hitlers mit dem Kommentar »Oh, que tu m’as fait peur«, das er auf die Rückseite eines Briefes an Carola GiedionWelcker vom 30. April 1935 zeichnete |Abb. 3|. Die 3 Max Ernst: Hitler-Karikatur, 1935, Bleistift auf Briefpapier, Zürich, Privatsammlung Zeiten der freiwilligen Emigration sollten sich langsam dem Ende zuneigen; bereits 1935 spielte Max Ernst mit dem Gedanken, in die USA zu emigrieren.29 Seine Versuche, dem auch Taten folgen zu lassen, scheiterten jedoch an finanziellen und praktischen Hindernissen. Nach dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs im Sommer 1936, so erzählt Max Ernst 1967 in einem Fernsehinterview, habe er sich zudem als Ausbilder im Artillerie-Schießen angeboten, allerdings ohne Erfolg. Dafür aber entstanden 1937 zwei Fassungen des Gemäldes L’Ange du foyer |Abb. 4|.30 Beide Arbeiten zeigen ein großes, unheimliches, im Sprung begriffenes Fabelwesen. Die leuchtend bunten, flatternden Gewänder, die verzerrte Fratze des Ungeheuers und seine raumgreifenden Gesten, die wie zu magischem Fluch erhobene linke Hand und das wütende Aufstampfen machen die Bedrohung geradezu physisch nachempfindbar. Werner Spies interpretiert die Klauen des Ungeheuers als verfremdete Hakenkreuze.31 Wie so häufig im Werk des Künstlers ironisiert der harmlos anmutende Titel den Kern der Bildaussage: Dieser Hausengel will nicht beschützen, sondern verkörpert eine unbeherrschbare, kaum noch aufzuhaltende Bedrohung. Max Ernst selbst deutete 1967 die Arbeit vor dem Hintergrund des Spanischen Bürgerkrieges:

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4 Max Ernst: L’Ange du foyer ou le triomphe du surréalisme, 1937, Öl auf Leinwand, 114 × 146 cm, Privatsammlung

»Ein Bild, das ich nach der Niederlage der Republikaner in Spanien gemalt habe, ist der ›Hausengel‹. Das ist natürlich ein ironischer Titel für eine Art Trampeltier, das alles, was ihm in den Weg kommt, zerstört und vernichtet. Das war mein damaliger Eindruck von dem, was in der Welt wohl vor sich gehen würde, und ich habe damit recht gehabt.«32 Wenig später bekommt der Künstler die gewandelten politischen Machtverhältnisse selbst zu spüren. Auf der 1937 in München veranstalteten Ausstellung Entartete Kunst ist auch Max Ernst vertreten. Die Präsentation von zwei seiner Arbeiten – Muschelblumen von etwa 1928 (Verbleib unbekannt) und Erschaffung der Eva, la belle jardinière von 1923 (Verbleib unbekannt) – trifft ihn derart, dass er 1967 in hohem Alter sein Jugendwerk in dem Werk Retour de la belle jardinière (Houston, Menil Foundation) noch einmal aufgreift und die schöne Gärtnerin in einer modifizierten Fassung zurückkehren lässt. Ab 1937 beginnt

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sich Ernst verstärkt im Kreis der deutschen Exilkünstler zu engagieren und tritt dem Freien Künstlerbund bei, in dessen Vorstand er seit April 1938 als Beisitzer tätig ist.33 Noch im Winter 1938–1939, als sich der Künstler mit seiner dritten Frau Leonora Carrington nach Saint-Martin-d’Ardèche zurückzieht, arbeitet er bei einem der letzten großen Projekte der deutschen Exilkünstler mit: Für die New Yorker Weltausstellung von 1939 erstellen über dreißig Künstler, Journalisten und Historiker eine Dokumentation zur deutschen Geschichte, die in 33 Schautafeln mit dem Titel Deutschland von gestern – Deutschland von morgen gegliedert ist. Proteste der deutschen Regierung verhindern jedoch die Präsentation der Ausstellung in New York, und die immer repressiver gegenüber den Exilanten auftretende französische Regierung verbietet zudem zunehmend öffentliche Auftritte der Exilorganisationen. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges müssen die meisten Emigranten schließlich um ihr Überleben kämpfen. Max Ernst wird mehrfach in Gefängnissen und Lagern interniert, zuletzt im Lager Les Milles bei Aix-en Provence, aus dem ihn Paul Eluard durch einen Brief an den Präsidenten der französischen Republik retten kann. Im letzten Moment sorgen das Emergency Rescue Committee und Varian Fry in Marseille für seine Rettung: Max Ernst reist in die USA aus.

»Freiheit, geliebte Freiheit« Seine Wahlheimat Frankreich zu verlassen, fällt Max Ernst trotz der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zunächst nicht leicht: »Je partirai avec des ›Gemischten Gefühle‹«, schreibt er an seinen Freund Hans Richter, »car j’ai de ce pays une image pas trop séduisante.«34 Anders als Max Beckmann oder George Grosz teilt Ernst die von vielen Künstlern empfundene grundsätzliche Faszination für das Land der Freiheit nicht.35 Auch wenn er seine Ankunft in New York am 14. Juni 1941 mit den Worten »Freiheit, geliebte Freiheit« überschreibt, finden wir doch unschwer darin eine Zeile der Marseillaise wieder: »Liberté, liberté chérie«. In New York beginnt sein politisches Exil, da er in Frankreich mit seinem deutschen Pass als »feindlicher Ausländer« geführt wurde. Als solcher wird er auch in New York auf dem Flughafen La Guardia empfangen, denn die amerikanischen Einwanderungsbehörden sperren ihn als deutschen Passinhaber erst einmal wieder ein. Die rettende Rolle, die Peggy Guggenheim bei seiner Flucht und bei der Ankunft in den USA spielt, ist hinlänglich bekannt.36 Doch wie bekommt ihm, dem Nomadenkünstler, der erneute Ortswechsel? Dass ihn bereits sein Status als Lagerinsasse überaus beschäftigt hat, davon zeugt seine in Les Milles 1939 entstandene Frottage Les Apatrides: Im vaterlandslosen Gesellen erkennt der Betrachter unschwer Loplop wieder, das alter ego des Künstlers |Abb. 5|. Mit Hilfe von durchgeriebenen Feilen, dem klassischen Ausbrecherwerkzeug, stellt Ernst den Staatenlosen dar. Und doch scheint es so, als habe Max Ernst seinen Status als politischer Flüchtling oder als Exilant nicht öffentlich problematisiert: »Es fiel mir nach all den Katastrophen und Schwierigkeiten in

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5 Max Ernst: Les Apatrides, 1939, Frottage, 46,7 × 36,6 cm, Stuttgart, Staatsgalerie, Grafische Sammlung

Frankreich nicht allzu schwer, mich an das neue Leben zu gewöhnen. Ich arbeite sogar!«, schreibt der Künstler im November 1941 an Roland Penrose.37 Und als 1946 James Johnson Sweeney für das Bulletin of The Museum of Modern Art ein Interview mit elf Künstlern im Exil führt, unter denen sich auch Max Ernst befindet, stellt dieser die Diskussion um das Exilantendasein sogar als geradezu irrelevant dar: »Mir ist es gleich, ob ich in den Vereinigten Staaten arbeite oder in Europa.«38 Statt dessen unterstreicht er, wie wichtig für ihn der Kontakt mit seiner Umgebung sei; eine Haltung, die sich in der Tat immer wieder, auch nach seiner Rückkehr ins befreite Europa, als er sich mit Dorothea Tanning in der Touraine niederließ, bestätigen sollte: »Ich verliere nie Tuchfühlung mit der Welt um mich herum. Nach meiner Ankunft in diesem Land blieb ich zwei, drei Wochen in New York und fing dann an, das Land zu bereisen.«39 Im Vergleich zu anderen surrealistischen Künstlern genießt Max Ernst nach seiner Ankunft in den USA große künstlerische Aufmerksamkeit. Das amerikanische Publikum begrüßt und feiert ihn als großen Künstler, als Mitbegründer von Dadaismus und Surrea-

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6 Max Ernst: Napoleon in der Wildnis, 1941, Öl auf Leinwand, 46,3 × 38 cm, New York, The Museum of Modern Art

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lismus und schließlich auch als charismatischen Gatten von Peggy Guggenheim. Sofort ist er bei allen wichtigen surrealistischen Ausstellungen vertreten. Die Zeitschrift View widmet ihm 1942 eine Sondernummer. Gemeinsam mit David Hare und André Breton gibt Ernst im Juni 1942 schließlich die erste Ausgabe der Zeitschrift VVV heraus, mit der die Relevanz des Surrealismus auch in der Neuen Welt verbreitet werden sollte.40 Trotz dieser offenbar gut gelungenen Integration beschäftigt den Künstler die Situation in Europa nach wie vor sehr. Und wieder ist sein künstlerisches Werk Sprachrohr seiner Gedankenwelt: Das großformatige Bild Europa nach dem Regen II von 1940–1942 (Hartford, Wadsworth Athenaeum) hatte der Künstler bereits in Saint Martin d’Ardèche begonnen. Gewissermaßen als Bestätigung der ermahnenden Lehre, die Europa nach dem Regen I aus dem Jahr 1933 gezogen hatte, nimmt sich Max Ernst des Themas nun nochmals an. Das Gemälde führt einen androgynen Vogelmenschen vor, offenkundig Max Ernst selbst, ebenso wie eine Frau, die sich vom Betrachter abgewendet hat. Zudem kehrt sie als neue Europa einer Art zusammengestürzten Baldachin auf der rechten Seite des Bildes, der den Stier unter sich begräbt, den Rücken. Flussers Überlegungen zur »Unbewohnbarkeit« des Exils scheinen in dieser apokalyptischen Landschaft bildlich umgesetzt. Die Entwurzelung des Künstlers findet ihre direkte Entsprechung in der kargen, unbewohnbaren Wildnis. Ein weiteres Werk aus dem Jahr 1941 thematisiert schließlich deutlich die Stellung des Künstlers als Fremder, als Exilant: Napoleon in der Wildnis |Abb. 6|. Die Wildnis gerät Max Ernst auch hier als Synonym für das Exil, für das fremde Land. Der Künstler, der sich später sogar in der Wüste Arizonas niederlassen wird, hatte bereits 1937, im Jahr der Ausstellung Entartete Kunst, ein Selbstbildnis mit dem Titel Max Ernst in the Wilderness gemalt |Abb. 7|. Im Abklatschverfahren sind bei Napoleon in der Wildnis nur die drei vertikalen Elemente des Bildes gestaltet, die sich silhouettenhaft vom klaren Himmel abheben: Napoleon, ein Totempfahl und ein weiblicher Akt mit einem phantastischen Musikinstrument. Ernst selbst hat das Bild in seiner Erinnerung als Zusammenfassung seines Exils gedeutet: Napoleon stünde für den Diktator, die Wildnis spielt auf Sankt Helena an – und damit auf die Verbannung – und das Saxophon stünde für die Jazzkultur des amerikanischen Exils.41 Weitere Werke des Jahres 1942 müssen schließlich hinsichtlich der Frage, inwieweit Max Ernst seinen Zustand als Exilant in seinem künstlerischen Schaffen thematisiert hat, berücksichtigt werden. Zu diesen gehört das 1942 entstandene Gemälde Le Surréalisme et la peinture |Abb. 8|. Der Künstler stellt das Werk auf der Ausstellung First Papers of Surrealism aus, die im Oktober des gleichen Jahres in der Whitelaw Reid Mansion eröffnet. Es ist eine Wohltätigkeitsveranstaltung der Surrealisten für den Dachverband der französischen Flüchtlingsorganisationen und ihr Titel bezieht sich ironisch auf die ersten provisorischen Ausweispapiere der Immigranten. Max Ernsts Gemälde erhält in diesem Zusammenhang einen programmatischen Charakter. Es zeigt ein mehrköpfiges, in inneren Dialog versunkenes Vogelwesen, das kurvige Linien auf die Staffelei zeichnet. Der Bildtitel erinnert an die 1925 von André Breton verfasste programmatische Schrift Der Surrealismus und die Malerei, in dem Breton die Grundzüge einer Malerei des objektiven Zufalls entwirft, in Entsprechung

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7 Max Ernst: Max Ernst in the Wilderness, 1937, Öl auf Karton, 24 × 33 cm, Privatsammlung

zu der écriture automatique.42 Auf dem Bild führt das Vogeltier die von Max Ernst erprobte und später insbesondere von Pollock und den Vertretern der New York School verwendete, intuitive Gestaltungstechnik der Oszillation vor. Es sei ein Programmbild, wie Patrick Waldberg schreibt, und darüber hinaus eine Selbstbefragung des Künstlers.43 Letzteres ist in dem hier behandelten Zusammenhang vor allem wichtig. In dem Moment, in dem die surrealistischen Pariser Exilanten vereint in New York als Bewegung in der Ausstellung First Papers of Surrealism gewissermaßen ein letztes Mal auftreten, bevor sie sich neuen, divergierenden Interessen zuwenden, bezieht sich Max Ernst nochmals auf die Programmschrift Bretons, die dieser in den ersten wichtigen Jahren der Bewegung entwickelt hat. So ist das Bild als Reflexion und Bilanzierung des Künstlers über sein eigenes Schaffen zu verstehen. Das Gemälde ist Teil einer Serie von Arbeiten, in denen Max Ernst seinen eigenen Status als Künstler wie seine eigene Biografie überdenkt. So entstehen etwa zur gleichen Zeit Day and Night von 1941–1942 (Houston, Menil Collection) sowie die beiden Versionen von Painting for young people von 1943 (Sao Paulo, Museu de

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8 Max Ernst: Le Surréalisme et la peinture, 1942, Öl auf Leinwand, 196,2 × 233 cm, Houston, Menil Collection

Arte Contemporânea da Universidade de Sao Paulo / Berlin, Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch), die ebenso künstlerische Techniken, Verfahren und Motive des Künstlers aufnehmen, verarbeiten und bilanzieren. Innerhalb eines strengen Rasters hat der Künstler in diesen Bildern Motive aus seiner eigenen Bildwelt angeordnet und damit so etwas wie die Wand des Sammlers oder das Atelier des Künstlers geschaffen. Zu einem Höhepunkt seines Schaffens gelangt der Künstler schließlich 1943 mit dem großformatigen Bild Vox Angelica (Privatsammlung), das er während seines ersten, längeren Aufenthaltes mit Dorothea Tanning, seiner späteren Frau, in Sedona, Arizona, gemalt hat |Abb. 9|. Das Bild besteht aus 51 trennbaren Kompartimenten. Der Titel des Bildes stellt eine Verbindung zu Grünewalds Engelkonzert des Isenheimer Altars von etwa 1506–1515 her (Colmar, Musée d’Unterlinden), ebenso aber zu der kurz zuvor ins Leben gerufenen

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9 Max Ernst: Vox Angelica, 1943, Öl auf Leinwand, 152,4 × 203 cm, Privatsammlung New York

New Yorker Radiostation Voice of America, in der André Breton als Sprecher auftrat. In den einzelnen Bildteilen finden sich Werke und Werktechniken aller Schaffensperioden des Künstlers: Frottage, Grattage, Decalcomanie, Oszillation. Themen der zwanziger Jahre tauchen im Zitat der Serie Wälder sowie in der Übernahme von Teilen seiner Histoire naturelle von 1925 auf; der zu Beginn der dreißiger Jahre in Erscheinung tretende Loplop ist ebenso gegenwärtig. Direkte Verweise auf seine geografischen Lebensstationen liefern uns der Eiffelturm und das Empire State Building. Damit ist Vox Angelica deutlicher als jedes andere Bild als Reflexion über das eigene Schaffen und nicht nur als künstlerische Standortbestimmung, sondern auch als persönliche Bilanzierung zu deuten. Stärker als in allen anderen Bildern gerät hier das Werk zu einem Ort der Verbindung von Vergangenem und Gegenwärtigem.

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Das Exil als Paradies Wie sehr ihn nach wie vor das Schicksal Europas beunruhigt und mit Sorge erfüllt, wie sehr sich der Künstler zugleich der Heimat, dem Rheinland, verpflichtet fühlt, zeigt das Gemälde Die Rheinische Nacht aus dem Jahr 1945 |Abb. 10|. Mit dem Gemälde nimmt Max Ernst die alte, in den zwanziger Jahren entwickelte Technik der Durchreibung wieder auf. Wälder, bedrohliche Vögel und der Mond kehren in sein Œuvre zurück. Zugleich ist links eine Ruine zu erkennen, möglicherweise ein Hinweis auf die Bombardierungen Kölns in diesem Jahr. Rechts scheint ein Hausgiebel auf. Der Titel des Bildes suggeriert, dass es sich um das Elternhaus handeln könnte. Finanziell geht es Max Ernst in Amerika inzwischen nicht mehr gut. Verkäufe und gute Presse bleiben aus. Das ändert auch das Preisgeld, das er 1945 für die Versuchung des Hl. Antonius erhält (Duisburg, Wilhelm-Lehmbruck-Museum), nicht grundlegend. Als er 1947 nach Sedona übersiedelt und der Galerist Julien Levy ihm mangels Verkäufen die Zusammenarbeit aufkündigt, kennzeichnet ein Eintrag seiner Biografischen Notizen die Situation besser als jede Beschreibung: »Matta leiht ihm 150 Dollar. Das gestattet ihm, Anhänger seines alten Ford mit seinen unverkäuflichen Meisterwerken zu beladen und mit Dorothea die Viertausend-Kilometer-Reise nach Arizona anzutreten.«4 4 Die Wüste Arizonas wird für Max Ernst zum Paradies im Exil, zu seinem Refugium, zu seiner Zuflucht: In einem wahrscheinlich auf 1947 zu datierenden Brief schreibt er an Joë Bousquet: »ich konnte nicht mehr und konnte nicht mehr nach Hause zurück, wo ich hinwollte – da habe ich die barbarische Entscheidung getroffen, nach Westen zu wandern: die wunderbaren Wüsten von Arizona, Fauna, Flora und die herben Steine gefallen mir gut genug, um hier eine Weile arbeiten zu können.«45 Jahre nach dem Exil kommentiert er: »Ich habe die moralische Einsamkeit der Städte durch die echte Einsamkeit von Arizona ersetzt.«46 Einem ersten, mit eigenen Händen erbauten Holzhaus folgte wenige Zeit später ein solideres Domizil aus Stein. Im amerikanischen Westen entsteht in wenigen Jahren ein Werk, das dem Interesse Max Ernsts für die Kunst der amerikanischen Ureinwohner Rechnung trägt. Die Begegnung mit den Indianerstämmen, deren Reservate unweit von seiner neuen Behausung liegen, schlägt sich in Bildern und Masken nieder. Gleichzeitig wendet sich Max Ernst von der diffusen Abklatschtechnik ab, um klaren stereometrischen Formen und Bildaufteilungen den Vorzug zu geben. Die düstere Farbigkeit der späten dreißiger und frühen vierziger Jahre weicht einem helleren, als lebensbejahend zu deutenden Kolorit. Es entstand die monumentale Plastik Capricorne, die Werner Spies als seine »enzyklopädische Skulptur« bezeichnet hat, weil sich in ihr fast alle plastischen Motive des bisherigen Œuvres konzentrieren.47 So gesehen ist sie das bildhauerische Pendant zu Vox Angelica, seiner gemalten Retrospektive. Mit der Übersiedelung nach Arizona beginnt, abgesehen von allen finanziellen Sorgen und künstlerischen Pleiten – eine Retrospektive in Beverly Hills 1949 erweist sich als völliger Flopp –, für Max Ernst eine fruchtbare Zeit. Vom Surrealismus wendet er sich nach seinem programmatischen Werk Der Surrealismus und die Malerei von 1942 ab (Houston, Menil

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10 Max Ernst: Die Rheinische Nacht, 1944, Öl auf Leinwand, 110 × 150 cm, Privatsammlung

Collection); ein letztes Reflektieren und Sich-Bekennen zu dieser Bewegung, bevor er sich dem eigenen Schaffen als künstlerischer Einzelgänger widmet und erste Kennzeichen seines Spätwerks sichtbar werden. Dass Sedona ihm letztlich mehr geworden ist als politisches Exil und Zwangsheimat, lässt sich einem Brief an Alfred Barr entnehmen, an den er sich hilfesuchend wendet, da er befürchtet, seinem Einbürgerungsantrag könnte nicht stattgegeben werden: »Muss ich Dir erklären, wie furchtbar es für Dorothea und mich wäre, wenn wir gezwungen würden, alles was wir uns hier aufgebaut haben, zurückzulassen?«48 Was Flusser als eine der vielen Herausforderungen an den Emigranten beschreibt, wird hier von Max Ernst durchlebt: »wie mühsam es ist, keine neuen Wurzeln zu schlagen.«49 Doch trotz gelungener Einbürgerung sollte das wieder einmal nicht das Ende einer langen Reise bedeuten: 1950 entscheiden sich Max Ernst und Dorothea Tanning, nach Paris zurückzukehren. Ausstellungsangebote Pariser Galerien und die existenzielle Finanznot in Arizona dürften hierfür den Ausschlag gegeben haben. Aus Frankreich schreibt Max Ernst an

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seinen Freund Joë Bousquet: »[…] wir sind zurück in Paris. Die Reise war long, long, long. Dafür habe ich aber nicht lange gebraucht, um mich wieder einzugewöhnen. Ich bin zu Hause, ich werde wieder ich selbst.«50 Dennoch ist der Künstler zutiefst geprägt von der erlebten Erfahrung. In zahlreichen Briefen, etwa an seine amerikanische Frau oder seinen amerikanischen Galeristen Julien Levy, artikuliert sich in der Vermischung der englischen und der französischen Sprache das Ineinanderfließen von damals und heute. Das Bekenntnis zur Wahlheimat Frankreich zeigt sich im Werk des Künstlers in Printemps à Paris von 1950 (Köln, Museum Ludwig) sowie in der Skulptur Parisienne aus dem gleichen Jahr (Brühl, Max Ernst Museum). Nach Deutschland zurückzukehren, fällt dem Künstler indessen bedeutend schwerer: Anfang 1949 schreibt er an seine Schwester Loni: »Es wäre schön, wenn wir uns wieder einmal in Paris treffen könnten, da ich wahrscheinlich nicht nach Deutschland gehen kann (wozu ich auch keine große Sehnsucht habe!).«51 Im Jahr 1953, zwei Jahre nach der ersten Ausstellung, die ihm die Heimatstadt Brühl widmet, entsteht schließlich sein wichtiges Werk Vater Rhein, das als eine »Allegorie« dieses Flusses konzipiert ist.52 Vor dem Hintergrund einer naturalistisch gestalteten Landschaft zeichnen sich die sanften Kurven des Stromes ab, dessen Ufer von der Sonne vergilbt scheinen. Mit der Ruhe des Horizonts kontrastieren die beiden seitlichen braunen Formationen, die den Bildraum einschließen. Ihre felsartige Beschaffenheit mutet an, als seien sie geradewegs dem Wasser entstiegen. In ihrer Mitte sehen wir einen monumentalen schematisierten Kopf mit halbgeöffnetem Mund. Er ähnelt einem Fötus in einer Fruchtwasserblase, in der sich Elemente des irdischen Lebens, Fische und Vögel, vereinen. Das Werk weist stilistische Parallelen zu einer Farbradierung auf, mit der Ernst ein Gedicht aus dem selben Jahr illustriert, in dem er über die Zerstörung seiner Heimat räsoniert: »Wo einst ein Haus stand steht jetzt ein Berg«.53 Auch aus dem Gemälde spricht Zerstörung und der fatale Blick auf den Lauf der Geschichte. Die Tatsache, dass sich der dargestellte Fluss und die Vogelfigur Loplop überlagern, verleiht dem Bild eine deutlich autobiografische Dimension. Genauso lässt der Titel Vater Rhein auch an den Vater des Künstlers denken, der in den frühen Dada-Jahren seinen Sohn verstoßen hatte, weil dieser den unehelichen Sohn Jimmy gezeugt hatte. Und schließlich ist es einzig und allein der Fluss, den der Künstler ungehindert fließen und sich seine Bahnen suchen lässt. Es ist sein Vater Rhein, sein Schlüsselwerk zum Thema Heimat: Symbol für ein Leben zwischen zwei Ufern, die trennen und doch verbinden, auf der einen Seite Deutschland auf der anderen Seite Frankreich. Brüche und die darauf folgenden persönlichen Neuanfänge machen den Lebensweg des Künstlers zu einem nicht enden wollenden Mosaik von Stationen, die ihm in immer neuer und kreativer Weise zum Ausgangspunkt seines Schaffens werden. Entmutigen oder gar niederschlagen ließ er sich nicht: »Nur im Westen gibt es Neues«, kommentiert er 1941 mit unverhohlener Ironie – und in Anspielung auf Erich Maria Remarques berühmten Kriegsroman von 1929 – seine erzwungene Ausreise in die USA.5 4 Der fortwährende Dialog von Gegenwart und Vergangenheit, Erlebnis und Erinnerung formt sein Leben und sein künstlerisches Werk. Geschichte und Aktualität überlagern einander beständig, und dabei

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entspricht die Dualität von Äußerem und Innerem, von Vorgefundenem und Mitgebrachtem ganz offenkundig dem Naturell des Künstlers, den es immer weiter treibt, auch wenn die historischen Umstände es nicht erzwingen. Max Ernst nimmt den Zustand der Fremde an, er akzeptiert das Dasein eines Vertriebenen, Entwurzelten. Köln, Paris, Saint Martin d’Ardèche, New York, Sedona – die hier beschriebenen Lebensstationen des Künstlers führen vor, was Flusser mit seinem weit gefassten Exilbegriff herauszustellen versucht, nämlich »die Exilsituation als Herausforderung für die schöpferische Handlung« zu begreifen.55 Dieser souveräne, schöpferische Umgang mit dem Exil macht Max Ernst zu einem besonders signifikanten Exilkünstler in den USA.

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Der Text wurde 2011 in einer erweiterten Fassung publiziert; vgl. Julia Drost: Europas »neue Nomaden« – Max Ernst zwischen Welterkundung und Vertreibung, in: Jahrbuch für europäische Geschichte 11/2010 [erschienen 2011], S. 139–159. 1 Henry Miller: Another Bright Messenger, in: View II/1942, zitiert nach Werner Spies (Hrsg.): Max Ernst. Leben und Werk, Köln 2005, S. 174. 2 Eduard Trier: Die Ausstellung »Max Ernst – Bilder in der Kölner Galerie Der Spiegel«, in: id.: Schriften zu Max Ernst (hrsg. v. Jürgen Pech), Köln 1993, S. 139–145, S. 140. 3 Max Ernst, in: Peter Schamoni: Max Ernst. Mein Vagabundieren – meine Unruhe, Textbuch zum gleichnamigen Film, o. O. 1991, o. S. 4 Vgl. Jacqueline Chénieux-Gendron: Exile. Another Kind of Resistance, in: Poetics Today 17/1996 (Themenheft »Creativity and Exile: European / American Perspectives I«), S. 437–451, S. 438. 5 Die Frage nach dem Exil ist im Fall von Max Ernst von der Forschung noch nicht umfassend gestellt worden; vgl. Sabine Eckmann: Max Ernst in New York, 1941–45, in: Exil. Flucht und Emigration europäischer Künstler, 1933–1945 (hrsg. v. Stephanie Barron), Ausstellungskatalog, Neue Nationalgalerie, Berlin 1997, S. 156–163, S. 156. Die Autorin dankt Françoise Forster-Hahn für den Hinweis auf die Texte Vilém Flussers. Anregend war auch die Lektüre von Françoise Forster-Hahn: Max Beckmann in Kalifornien. Exil, Erinnerung und Erneuerung, München u. Berlin 2007. 6 Vgl. Vilém Flusser: Für eine Philosophie der Emigration, in: id.: Von der Freiheit des Migranten. Einsprüche gegen den Nationalismus, Hamburg 2007, S. 31–34. 7 Ibid., S. 33. 8 Vilém Flusser: Exil und Kreativität [1984], in: id. 2007, S. 103–109, S. 109. 9 Zitiert nach Schamoni 1991, o. S. 10 Vgl. Max Ernst: Biografische Notizen. Wahrheitgewebe – Lügengewebe, in: Spies 2005, S. 34–341, S. 38. 11 In dem kurzen, im Rahmen seiner autobiografischen Notizen verfassten Text Was ist ein Wald? formuliert Ernst die Frage nach dem Verhältnis von Wirklichkeit und Abbild, die sich ihm in der Rückschau erstmals als kleiner Junge gestellt habe, nämlich als er dem malenden Vater bei der Arbeit zugesehen habe; vgl. ibid., S. 37. 12 Vgl. André Aciman: Permanent Transients, in: id. (Hrsg.): Letters of Transit. Reflections on Exile, Identity, Language and Loss, New York 1999, S. 9–14, S. 11. 13 André Breton: Erstes Manifest des Surrealismus, Paris 1924, wieder abgedruckt in: Die Manifeste des Surrealismus, Reinbek bei Hamburg 1968, S. 11–43, S. 37. 14 Aciman 1999, S. 13. 15 Max Ernst: Einiges aus Max Ernsts Jugend von ihm selbst erzählt, in: Max Ernst. Gemälde und Graphik, 1920–1950, Ausstellungskatalog, Schloss Augustusburg, Brühl 1951, S. 90–93, S. 93. 16 Zitiert nach Schamoni 1991, o. S. 17 Max Ernst: Ecritures, Paris 1970, S. 42.

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18 André Breton: Max Ernst, in: La mise sous Whisky marin, Ausstellungskatalog, Galerie Au sans Pareil, Paris 1921, o. S.; zum Begriff der »Offenbarung« vgl. André Breton in einem Radiointerview mit André Parinaud [1952], in: Entretiens – Gespräche. Dada, Surrealismus, Politik, Dresden 1966, zitiert nach Spies 2005, S. 83. 19 Vgl. Monika Steinhauser: Konvulsivische Schönheit und subversive Gewalt. Zum Surrealismus der 1930er Jahre, in: Henry Keazor (Hrsg.): Psychische Energien bildender Kunst. Festschrift für Klaus Herding, Köln 2002, S. 138–184, S. 172; Jutta Held: Horden und Barbaren, in: id.: Avantgarde und Politik in Frankreich. Revolution, Krieg und Faschismus im Blickfeld der Künste, Berlin 2005, S. 146– 169. 20 Vgl. Max Ernst: Une Semaine de bonté. Die weiße Woche. Ein Bilderbuch von Güte, Liebe und Menschlichkeit, Berlin 1963. 21 Uwe M. Schneede: Die Kunst des Surrealismus, Malerei, Skulptur, Dichtung, Fotografie, Film, München 2006, S. 105. 22 Werner Spies: Nur das Intervall einer hellen Nacht. Rede zur Eröffnung des Max Ernst-Museums in Brühl, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. September 2005, S. 37. 23 Vgl. Carola Giedion-Welcker: Max Ernst, in: Max Ernst, Ausstellungskatalog, Wallraf-RichartzMuseum, Köln 1963, S. 11–17, S. 15; Werner Haftmann: Verfemte Kunst der inneren und äußeren Emigration in der Zeit des Nationalsozialismus, Köln 1986, S. 313 f.; Werner Spies: Die Desaster des Jahrhunderts, in: Max Ernst. »Une Semaine de bonté«, Ausstellungskatalog, Museum Albertina, Wien 2008, S. 10–71, S. 11. 24 Vgl. Ralph Ubl: Die Zukunft des Surrealismus. »Europa nach dem Regen I« neu interpretiert, in: Patrimonia 327/2008, S. 6–18, S. 14. 25 Zum politischen Engagement des Künstlers vgl. Ludger Derenthal: Max Ernst and Politics, in: Max Ernst. A Retrospektive (hrsg. v. Werner Spies u. Sabine Rewald), Ausstellungskatalog, New York 2005, S. 21–35; id.: Politisches Engagement und künstlerischer Protest, in: Max Ernst. Traum und Revolution, Ausstellungskatalog, Moderna Museet, Stockholm 2008, S. 232–235. 26 Vgl. Derenthal 2005, S. 23. 27 Vgl. Derenthal 2008, S. 233. 28 Brief von Max Ernst an Lotte Lenya, 16. Februar 1935 (Poststempel), New York, Kurt Weill Foundation for Music, Series 43. 29 Vgl. Brief von Max Ernst an Carola Giedion-Welcker, 20. Juni 1935, Zürich, Nachlass Giedion: »Ich fahre vielleicht schon nächste Woche (wenn alles [vieles, leider!] klappt!) Dann sehe ich Sie wohl in Kalifornien (Hollywood).« Andererseits heißt es im Brief von Max Ernst an Carola Giedion-Welcker, 19. Juli 1935, Zürich, Nachlass Giedion: »Amerika ist auch bei mir nur noch ›Hoffnung‹, alles ging daneben.« 30 Die kleinere Version des Gemäldes wurde erstmals im Rahmen der Weltausstellung 1937 auf der Exposition 1937 et les artistes à Paris gezeigt; die große Fassung des Gemäldes war ab Januar 1938 in der Exposition internationale du Surréalisme in der Galerie des Beaux-Arts in Paris zu sehen. 31 Werner Spies: Max Ernst: L’ange du foyer, in: Melancholie. Genie und Wahnsinn in der Kunst, Ausstellungskatalog, Neue Nationalgalerie, Berlin 2006, S. 60–63, S. 61.

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32 Max Ernst im Gespräch mit Werner Spies, zitiert nach Hannes Reinhardt: Das Selbstporträt. Große Künstler und Denker unserer Zeit erzählen von ihrem Leben und Werk, Hamburg 1967, S. 6. 33 Vgl. Derenthal 2005, S. 32 f. 34 Brief von Max Ernst an Hans Richter, 22. Januar 1941, Saint-Martin d’Ardèche, Privatsammlung. 35 Max Beckmann hat seine Emigration gar als »schicksalhafte Vorbestimmung« interpretiert; vgl. Forster-Hahn 2007, S. 7. 36 Vgl. Ernst 2005, S. 38; Jimmy Ernst: Nicht gerade ein Stilleben. Erinnerungen an meinen Vater Max Ernst, Köln 1991, S. 335 ff.; Peggy Guggenheim: Von Kunst besessen, München 1962, S. 95 ff. 37 Brief von Max Ernst an Roland Penrose, 6. November 1941, Edinburgh, Archiv der National Galleries of Scotland; vgl. Spies 2005, S. 170. 38 James Johnson Sweeney (Hrsg.): Eleven Europeans in America, in: Bulletin of The Museum of Modern Art 13/1946, Nr. 4–5, S. 16, zitiert nach Eckmann 1997, S. 156. 39 Zitiert nach Romy Golan: Über einiger Personen Durchreise durch einen relativ kurzen Zeitraum, in: Exil. Flucht und Emigration europäischer Künstler, Berlin 1997, S. 128–146, S. 130. 40 Vgl. Fabrice Flahutez: Nouveau Monde et nouveau mythe. Mutations du surréalisme de l’exil á l’écart absolu, 1941–1965, Dijon 2007, S. 93. 41 Vgl. Günter Metken: Napoleon in the Wilderness, in: Max Ernst. Retrospektive, Ausstellungskatalog, Haus der Kunst, München 1979, S. 314. 42 Vgl. André Breton: Le surréalisme et la peinture [1928], in: id.: Le surréalisme et la peinture [1965], Paris 2002, S. 11–72. 43 Vgl. Patrick Waldberg: Max Ernst, Paris 1958, S. 387. 44 Ernst 2005, S. 205. 45 Brief von Max Ernst an Joë Bousquet, 9. März 1946, zitiert nach Spies 2005, S. 200. 46 Simone Arbois: Visite à Max Ernst, in: Paru 59/1950, S. 17–21, S. 18 (Übersetzung durch die Autorin). 47 Werner Spies: Die enzyklopädische Skulptur – »C’est mon mystère«, in: id. (Hrsg.): Max Ernst. Skulpturen, Häuser, Landschaften, Ausstellungskatalog, Musée national d’art moderne, Centre Georges Pompidou, Paris / Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1998, S. 162–166, S. 162. 48 Brief von Max Ernst an Alfred Barr, vermutl. November 1947, Los Angeles, Getty Research Institute, vollständig wiedergegeben in Spies 2005, S. 206. 49 Flusser 2007, S. 108. 50 Brief von Max Ernst an Joë Bousquet, 6. September 1949, München, Bayerische Staatsbibliothek, in Auszügen in Spies 2005, S. 224. 51 Brief von Max Ernst an seine Schwester Loni Pretzell, 15. April 1945, zitiert nach Lothar Fischer: Max Ernst in Selbstzeugnissen und Dokumenten, Reinbek bei Hamburg 1969, S. 114.

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52 Vgl. Sophie Collombat: Après la pluie, l’Europe. Le retour de Max Ernst en France et en Allemagne, in: Martin Schieder u. Isabelle Ewig (Hrsg.): In die Freiheit geworfen. Positionen zur deutsch-französischen Kunstgeschichte nach 1945, Berlin 2006, S. 325–343, S. 335. 53 Vgl. Spies 2005, S. 242 f. 54 Zitiert nach Schamoni 1991, o. S. 55 Flusser 2007, S. 103.

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SCHEITERN UND BESTEHEN IN DER FREMDE Deutschsprachige Künstler im britischen Exil nach 1933 BURCU DOGRAMACI

Fluchtpunkt Großbritannien Die nationalsozialistische Diktatur in Deutschland hatte weitreichende Folgen für die deutsche Kunst, sie hatte jedoch darüber hinaus auch Folgen für die Kunstgeschichte vieler anderer Länder. Die Auswanderung führte bei zahlreichen Künstlern zu einer Neuorientierung in ihrer schöpferischen Arbeit, nicht selten zu deren Abbruch, denn die Anpassung an neue künstlerische Systeme in der Fremde, an eine andere Ästhetik oder einen veränderten Publikumsgeschmack erforderte ein hohes Maß an Flexibilität und Leidensbereitschaft. Die Emigrationsbewegungen von Künstlern aus Deutschland erfolgten in Schüben und in Abhängigkeit von der innen- und außenpolitischen Situation: Die Machtübernahme im Januar 1933, die Gründung der Reichskulturkammer und die Bemühungen um die Gleichschaltung der Künste, die Nürnberger Gesetze von 1935, die Ausstellungen Entartete Kunst im Jahr 1937 und Entartete Musik 1938 waren ein Auslöser ebenso wie der sogenannte Anschluss Österreichs im Jahr 1938, die Pogrome der »Reichskristallnacht« im November 1938 und – als wohl letztes großes Signal für die in Deutschland verbliebenen Juden – der Einmarsch in Polen am 1. September 1939. Die Emigranten hatten grundsätzlich die Möglichkeit, ihre Erfahrung und ihre Kompetenz in die Zielländer zu importieren und in der Kulturlandschaft ihrer neuen Heimat Impulse zu setzen. Allerdings bestanden länderspezifische Eigenheiten, die den Erfolg oder das Scheitern der eingewanderten Künstler beeinflussen konnten.

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In England waren die Einwanderungsverfahren in den ersten Jahren nach 1933 aufgrund älterer Einwanderergesetze restriktiv, so dass zunächst nur wenige Exilanten kamen, darunter vor allem namhafte Künstler und Wissenschaftler. Nach 1938 führte die britische Regierung ein neues Visumsystem ein und lockerte die Aufnahmebestimmungen. Vor allem nach den Novemberprogromen 1938 bis zum September 1939 konnten etwa 40.000 Emigranten, darunter viele jüdische Flüchtlinge, nach England einreisen.1 Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden viele Emigranten zu »enemy aliens« erklärt, darunter auch die Künstler Ludwig Meidner, Kurt Schwitters und John Heartfield, die interniert wurden. Diese Internierungen sorgten zusätzlich dafür, dass Laufbahnen unterbrochen wurden.2 Ebenso spielten subjektive Voraussetzungen, der Zeitpunkt der Einwanderung, soziale Netzwerke, vor allem aber die künstlerische Disziplin eine entscheidende Rolle. Deutsche Künstler hatten es in vielen Bereichen schwer in England. Das britische Kunstund Kulturleben war traditionell ausgerichtet, Publikum und Kritik zeigten sich modernen Kunstrichtungen gegenüber äußerst reserviert. Die deutsche zeitgenössische Kunst war fast unbekannt und vielen als »teutonisch« suspekt.3 Bereits Ende der zwanziger Jahre waren Versuche gescheitert, die deutschsprachige zeitgenössische Kunst in England publik zu machen. Die von Paul Cassirer 1928 initiierte Ausstellung Oskar Kokoschkas in den Leicester Galleries in London erhielt nahezu keine Resonanz.4 Rosa Schapire, die nach England emigrierte Kunsthistorikerin und passionierte Förderin des Malers Karl Schmidt-Rottluff, setzte sich intensiv für die Popularisierung des deutschen Expressionismus ein, doch konnte sie erst 1953 in Leicester die erste Ausstellung Schmidt-Rottluffs auf englischem Boden eröffnen. Das Angebot Schapires, ihre gesamte Sammlung englischen Museen zu vermachen, wurde von den Trustees abgelehnt.5 Nur wenige Ausstellungshäuser stellten emigrierte Künstler aus, darunter die Ben Uri Art Gallery für jüdische Künstler, die Beaux Art Gallery und die Marlborough Fine Art Gallery. Für die Belange der Emigranten setzte sich vor allem der Freie Deutsche Kulturbund (FDKB) ein, der seit 1941 Ausstellungen veranstaltete, um die Bandbreite deutscher und österreichischer Exilkunst zu präsentieren. Diese Ausstellungen wurden aber vermutlich nur von einer kleinen Klientel wahrgenommen. Vor allem die Exhibtion of Twentieth Century German Art, 1938 in den New Burlington Galleries in London eröffnet, konnte durch eine Begleitpublikation – die signifikanterweise durch Oto Bihalji-Merin, einen in die Schweiz emigrierten Kunsthistoriker verfasst worden war – erste Aufmerksamkeit auf die avantgardistische deutsche Malerei lenken. Diese Ausstellung wurde unter der Leitung des englischen Kunsthistorikers Herbert Read aus Protest gegen die nationalsozialistische Ausstellung Entartete Kunst organisiert. Sie versammelte Werke verfemter und in England exilierter Künstler, wobei politisch linke oder provokante Kunst von George Grosz oder John Heartfield fehlte – vermutlich eine Konzession an das skeptische englische Publikum. Und dennoch: Obwohl die englische Kritik schon aus politischen Gründen Mitgefühl für die ausgestellten Künstler hatte, gab es auch viele ablehnende und polemisierende Stimmen. So heißt es 1938 in der Zeitung The New Statesman and Nation:

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»I must now state that in so far as the German Exhibition at the New Burlington Gallery is propaganda, it is, my opinion, extremely bad propaganda. People who got to see the Exhibition are only too likely to say: ›If Hitler doesn’t like these pictures, it’s the best thing I’ve heard about Hitler.‹ For the general impression made by the Show upon the ordinary public must be one of extraordinary ugliness. […] These German painters in their passionate pursuit of expressiveness at any cost, ue the utmost violence of colour and design. Emphasis is all. And the result is a combination of coarseness and hysteria, two of the chief qualities that make the Nazi régime so detestable.«6

(Un)Möglichkeiten der künstlerischen Akkulturation Die Ablehnung deutscher Kunst und speziell des Expressionismus traf auch den Maler Ludwig Meidner. Während seines dreizehn Jahre andauernden Aufenthalts in London und als Internierter auf der Isle of Man hatte Meidner nur eine einzige Ausstellung, und zwar 1949 in der Ben Uri Art Gallery, die für den ehemals erfolgsverwöhnten Künstler ein »Begräbnis zweiter Klasse« war.7 Das Künstlerpaar Ludwig und Else Meidner lebte in bitterer Armut und Resignation. Von ihrer Kunst konnten sie kaum leben, sondern mussten in andere Tätigkeiten ausweichen: Else Meidner arbeitete als Dienstmädchen, Ludwig Meidner verdingte sich als Nachtwächter und gab sporadisch Zeichenunterricht. Meidners Kunst konnte auf diese Weise keine Wirkung in Großbritannien entfalten und wurde kaum wahrgenommen – ein Schicksal, das andere Maler mit ihm teilten. Künstlerisch wandte sich Meidner vermehrt auch religiösen Themen zu, Sinnbild seiner persönlichen Hinwendung zum jüdischen Glauben und seiner Kontakte zur jüdischen orthodoxen Gemeinde in London |Abb. 1|. Impulse erhielt er von der englischen Kunst des 18. Jahrhunderts, darunter von Künstlern wie William Blake, William Hogarth und James Gillray. Noch schwieriger als für die Maler sah es vermutlich für viele emigrierte Bildhauer in England aus. Der Bildhauer Jussuf Abbo, der 1935 nach England auswanderte, musste seine Werke zunächst in der deutschen Heimat zurücklassen und hatte somit keine Möglichkeit zu einer Ausstellung. Erst zwei Jahre nach seiner Ankunft in England konnte Abbo einen Teil seiner Skulpturen nachholen; geplante Ausstellungen mussten zwischenzeitlich aufgegeben werden. Das für seine Tätigkeit notwendige Atelier konnte Abbo aus finanziellen Gründen nur mit Mühe aufbauen, Aufträge blieben aus, so dass sich der Bildhauer als Gelegenheitsarbeiter verdingen musste. Abbo zerstörte 1945 enttäuscht einen Großteil seiner in England entstandenen Produktion.8 Abbos Schicksal war eng mit seiner Profession verbunden: Die meist voluminösen Plastiken konnten zumeist kaum ins Exil mitgenommen werden, waren aber zur Popularisierung des künstlerischen Schaffens im Ausland durch Ausstellungen unerlässlich. Atelier und Werkzeuge sowie hohe Materialkosten erschwerten zusätzlich die Weiterführung der Arbeit. Nur wenn gewisse Voraussetzungen vorhanden waren, konnten Bildhauer auch nach der Exilierung recht schnell weiterarbeiten: Neben finanziellen

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Möglichkeiten waren dies die Fähigkeit zur kulturellen und sprachlichen Anpassung sowie ein bereits vorhandenes soziales Netzwerk.9 Diese Voraussetzungen waren auch für emigrierte Architekten in England grundlegend, um weiterhin bauen zu können: Die Ankunft in Großbritannien war für viele von ihnen äußerst ernüchternd. Die englische Baukunst war in den dreißiger Jahren noch weitgehend traditionell und orientierte sich an Bauformen, die bereits um die Jahrhundertwende entwickelt worden waren. Bis 1933 war die architektonische Moderne des europäischen Kontinents in England kaum rezipiert worden.10 Es ist kennzeichnend, dass Großbritannien weder 1927 bei den Gründungstreffen der CIAM (Congrès International d’Architecture Moderne) noch bei anderen bedeutenden Ereignissen wie der Stuttgarter Weißenhof-Ausstellung im gleichen Jahr vertreten war.11 Im Jahr 1932 postulierten Henry-Russel Hitchcock und Philip Johnson in ihrer New Yorker Überblicksschau Modern Architecture: »In […] England really modern architecture has only begun to appear.«12 Und 1937 musste der Immigrant Berthold Lubetkin, der mit 1 Ludwig Meidner: In der Synagoge, 1943– 1944, Kohle auf Papier, 73,5 × 55,7 cm, seinem Büro Tecton zum wichtigen Protagonisten Frankfurt, Jüdisches Museum der britischen Architekturavantgarde werden sollte, feststellen: »The whole architectural scene is fundamentally different from that of other countries […], there is little or no interest in progress.«13 Diese Einschätzungen der englischen Architekturlandschaft veranschaulichen, warum viele der eingereisten Architekten mit antimodernistischen Ansichten konfrontiert waren. So wurden der International Style oder das Neue Bauen mitunter als Bedrohung der einheimischen traditionellen Architektur betrachtet. Die eingewanderten Architekten wurden zudem von Einheimischen als starke Konkurrenz empfunden. Die Auflagen zur Ausübung des Berufes durch den englischen Architektenverband Royal Institute of British Architects (RIBA) waren immens; so sollten nur diejenigen zugewanderten Architekten eine Arbeitserlaubnis erlangen, die besondere Qualifikationen aufwiesen und ökonomisch unabhängig waren. Dies bedeutete, dass die Emigranten entweder äußerst solvent sein mussten oder aber eine Partnerschaft mit einem britischen Büro einzugehen hatten.14 Dennoch gelang es einigen, wie Walter Gropius oder Erich Mendelsohn, zumindest einige Aufträge in ihrer neuen englischen Heimat auszuführen. Gropius eilte als Begründer des Bauhaus ein internationaler Ruf voraus, und mit einem begeistert aufgenommenen Vortrag vor der Design and Industries Association (DIA) konnte er 1934 eine Phalanx an Förderern, darunter auch den Architekten Maxwell Fry und den

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2 Walter Gropius: Haus Levy, 1935–1936, London, anonyme Fotografie, 1936

Bauunternehmer Jack Pritchard, für sich gewinnen. Nur sechs Monate später emigrierte Gropius nach London und wurde als Partner in das Architekturbüro von Maxwell Fry aufgenommen.15 Gemeinsam konnten sie in nur zweieinhalb Jahren zwölf Projekte entwerfen, von denen immerhin vier realisiert wurden: darunter das Wohnhaus Levy in LondonChelsea von 1936 und das Impington College im Cambridge, das zwischen 1935 und 1939 entstand |Abb. 2|. Hier konnte Gropius zentrale Ideen einbringen, wie die Anklänge an die »Weiße Moderne« im Haus Levy in Form von Flachdach, verputzter Fassade und geschwungener Balkonterrasse, oder aber die Betonung der Horizontalen, die lichtdurchfluteten Arbeitsräume und Klassenzimmer oder die große Eingangshalle als Kommunikationsmittelpunkt, wie sie im Impington College ausgeführt wurden. Doch trotz dieser realisierten Bauten stand Gropius seiner englischen Exilheimat kritisch gegenüber und schrieb 1936: »dies ist kein land, nur ein aufenthaltsplatz.«16 Bereits 1937 verließ Gropius, den es vor allem danach verlangte, seine pädagogischen Konzepte umfangreicher durchzusetzen, Großbritannien und zog weiter in die USA. So schwierig die Lage von Malern, Bildhauern und Architekten in England war, so anders stellte sich die Situation auf Gebieten dar, die den Bereichen der Neuen Medien zugeordnet werden können. Grafiker und Fotografen knüpften, anders als viele ihrer bildhauernden oder

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3 Felix H. Man: Fotoreportage (London by Night), aus: Picture Post, 8. Oktober 1938

malenden Kollegen, bereits frühzeitig Kontakte ins Ausland, arbeiteten für internationale Auftraggeber, Verlagshäuser und Agenturen, so dass sie diese Verbindungen nach ihrer Ausreise nutzen konnten. Viele emigrierte Fotografen konnten sich in ihr neues berufliches Umfeld assimilieren, denn sie brachten mit den kleinen handlichen Fotoapparaten, die seit den zwanziger Jahren produziert wurden, die technischen und künstlerischen Voraussetzungen für ihre Arbeit mit. Fotografen hatten wesentlich weniger Sprachbarrieren zu überwinden als zum Beispiel Journalisten und Schriftsteller. Der Arbeitsraum war nicht auf ein Atelier beschränkt, sondern spielte sich im öffentlichen, jedem zugänglichen Raum ab. Fotografen wie Erich Auerbach, Grete Stern und Lucia Moholy gingen nach England, wo sie sich als Porträtfotografen, Fotojournalisten oder in der Reklamefotografie verdingten. Vor allem die Printmedien boten den Eingereisten ein lukratives Arbeitsumfeld. Doch auch die Fotografen brauchten Förderer und ein Umfeld, in dem sie wirken konnten. Sehr wichtig für sie war Stefan Lorant, der früher bei der Münchner Illustrierten Presse gearbeitet hatte. Die britische Zeitschrift Picture Post, die 1938 von ihm in England gegründet wurde und bis 1950 bestand, brachte regelmäßig Arbeiten von Exilfotografen wie Felix H. Man und Tim Gidal.17

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Beide hatten Anteil an der Einführung einer neuen Bildsprache in die britische Pressefotografie. Lorants außergewöhnliche Begabung lag darin, dass er die Bedeutung von Fotografie als zentrales Kommunikationsmittel erkannte. Bei der Picture Post wurden Geschichten als Fotoessay oder Fotoreportage erzählt, wobei das Bild der primäre Mittler der Inhalte war |Abb. 3|. Gidal und Man, die als festangestellte Fotografen zum Redaktionsstamm der Picture Post gehörten, definierten das Metier des Fotojournalisten neu. Ihre Fotografien suggerierten Spontanität und Authentizität, sie vermittelten den Eindruck einer ungestellten Augenblicksfotografie. Die emotionale Bindung einer breiten Leserschaft konnte nur durch die Unmittelbarkeit der Aufnahmen gelingen.

Deutsches Grafikdesign in England: László Moholy-Nagy und Hans Schleger Neben den Fotografen waren es vor allem Grafikdesigner, darunter Typografen, Plakatkünstler und Ausstellungsgestalter, die ihren Beruf auch nach der Ankunft in England weiterführen konnten. Die Einführung einer neuen Bildsprache und künstlerischen Ästhetik war im englischen Grafikdesign der dreißiger Jahre eng mit dem Wirken emigrierter deutschsprachiger Künstler verbunden. László Moholy-Nagy war ein »transnationaler Künstler«, dessen Leben und Werdegang auf geografisch ausgedehntem Gebiet stattfand.18 Der Künstler, der in Ungarn zur Welt gekommen war, lebte in sechs Ländern, ging über Österreich nach Deutschland und verließ das Land nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zunächst in Richtung Holland. Nach zweijährigem Aufenthalt in England ließ er sich 1937 in den USA nieder, wo er 1946 starb. Während Moholy-Nagys Wirken in Nordamerika und als Gründungsdirektor des »new bauhaus« in Chicago umfassend erforscht ist, gehört sein gebrauchsgrafisches Wirken in England zu den vernachlässigten Forschungsgebieten. Dabei war der Künstler während seiner zwei Jahre in London ein viel gefragter Grafikdesigner, der für Großkunden wie Imperial Airways und London Transport eine Vielzahl an Entwürfen vorlegte. Diese Arbeiten bildeten die Weiterführung seiner in den zwanziger Jahren entwickelten Ästhetik einer Montage aus Fotografie, Texten und Zeichnung zum sogenannten Typofoto. In Aufsätzen und vor allem seinem 1925 erschienenen Buch Malerei Photographie Film hatte Moholy-Nagy die »Einbeziehung der Photographie in das heutige Druckverfahren« gefordert, denn »das Typofoto regelt das neue Tempo der neuen visuellen Literatur«.19 Visuelle Literatur meinte hier Buchumschläge und Seitenlayouts sowie Plakatkunst. Als ideale Werbesprache erkannte der Künstler bereits in seiner Zeit am Dessauer Bauhaus die Kombination von Satztechnik und fotografischen Klischees. Auch nach seiner Emigration versuchte Moholy-Nagy die wesentlichen Charakteristika seiner Kunst beizubehalten, wenngleich er bei jedem neuen Auftraggeber auch Konzessionen machen musste. Doch sein internationales Renommee verschaffte ihm Freiräume, um

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4 László Moholy-Nagy: Werbebroschüre für Imperial Airways, 1935, Offsetdruck, 14 × 21 cm, Ann Arbor, Michigan, Sammlung Hattula Moholy-Nagy

seine Vorstellungen einer progressiven, modernen Gestaltung umzusetzen. Ein wichtiger Auftraggeber von Moholy-Nagy war Imperial Airways, die 1924 gegründete britische Luftfahrgesellschaft mit Schwerpunkt im internationalen Linienverkehr. In seiner 1935 entstandenen Broschüre für Imperial Airways, der großen Fluglinie des Empires, montierte Moholy-Nagy die Fotografie eines Flugzeugs vor ein gemaltes, überdimensioniert großes, weit geöffnetes Auge |Abb. 4|. Der Künstler benutzte eine Aufnahme des von Imperial zwischen 1932 und 1941 eingesetzten viermotorigen Flugzeugtyps Armstrong Whitworth A.W.15; die Registrierungsnummer auf den Flügeln G-ABTH lässt sich auf das damals tatsächlich genutzte Imperial-Flugzeug »Andromeda« zurückführen. Das Flugzeug bildet den Abschluss des unteren Augenrands, Technik und Mensch werden hier in ein symbiotisches Verhältnis gebracht. Gleichzeitig erscheinen in der roten Pupille Flugzeughallen sowie ein stilisierter Kranich, der zum Flug abhebt. Es ist auffällig, dass Moholy-Nagy das Signet der Imperial Airways seitenverkehrt montierte, vermutlich um kompositorisch eine größere Spannung zwischen Flugzeug und Zeichen aufzubauen. Das Blau der Iris erinnert an die Farbe des Himmels und verweist dabei gleichzeitig auf kunsthistorische Vorbilder. Die Tradition, vor der Moholy-Nagy seinen Entwurf entwickelte, reicht von der Imprese Leon

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Battista Albertis mit dem geflügelten Auge (um 1438) über Claude-Nicolas Ledoux’ Theater in Besançon (1778–1784) und René Magrittes Gemälde Der falsche Spiegel von 1928 bis zur Fotografie des Neuen Sehens der zwanziger Jahre, in denen das Auge zur wichtigen Metapher für den bildästhetischen Aufbruch wurde.20 An diesem Aufbruch hatte Moholy-Nagy einst mit seinen Bildschöpfungen mitgewirkt. Im Inserat für Imperial Airways brachte Moholy nicht nur verschiedene künstlerische Ausdrucksmittel zusammen, sondern verknüpfte auch die Ikonografie des (weiblichen) Auges, den klaren Blick, die Erkenntnis durch den Augenschein mit den Eigenschaften der technischen Errungenschaften: Mobilität und Geschwindigkeit. Moholy-Nagy bewegte bereits zu Zeiten des Bauhaus der Glaube an die Technik als Motor der Künste; ein Ansatz, den er spielerisch in ein neues kulturelles wie künstlerisches Umfeld übertrug. Gleichzeitig implantierte er durch seine englischen Entwürfe auch seine künstlerische Technik der Fotomontage in die englische Gebrauchsgrafik. 5 László Moholy-Nagy: Werbebroschüre für Für eine andere Werbebroschüre der Imperial Imperial Airways, 1935, Offsetdruck, Ann Arbor, Michigan, Sammlung Hattula MoholyAirways montierte Moholy die Teilansicht zweier Nagy Globen, die sich sowohl gegenseitig überschneiden als auch vom Bildrand beschnitten sind |Abb. 5|. Das Bild zeigt die Flugrouten der Linie auf dem afrikanischen Kontinent und bis nach Australien. Imperial Airways bediente neben Zielen auf dem europäischen Festland besonders die Verbindungen innerhalb des damals weitläufigen britischen Empires. Im Jahr 1934 hatte Imperial Airways gemeinsam mit Qantas die Qantas Empire Airways Limited gegründet und in der Folge den Ausbau der Flugrouten im asiatischen Raum bis nach Australien vorangetrieben.21 Auf diese weltweite Vernetzung spielte Moholy-Nagy mit seinem Entwurf an. Die versetzte Anordnung und dynamische Schräge suggeriert das Rotieren der Globen, womit Geschwindigkeit und die Möglichkeiten eines global umfassenden Transportsystems angedeutet sind. Der Verzicht auf Schrift als Informationsträger unterstreicht das innovative Potential des Entwurfs. Für seinen zweiten großen Auftraggeber, London Transport, die zusammengeschlossenen Verkehrsbetriebe der Hauptstadt, entwarf László Moholy-Nagy ein Werbeplakat, das eine neue Bildästhetik in die Kommunikationsgeschichte des Unternehmens einführte |Abb. 6|. Zwar setzte sich London Transport bereits seit 1908 für ein progressives Plakat-

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6 László Moholy-Nagy: Plakat für London Transport, 1936, Offsetdruck, 101,6 × 63,5 cm, London Transport Museum

7 Hans Schleger: Plakat für London Transport (Thanks to the Underground), 1935, Offsetdruck, 101,6 × 63,5 cm, London Transport Museum.

design ein, das unter dem Leitbegriff »Art for All« mit großem Engagement von der Werbeabteilung gefördert wurde.22 Dennoch veröffentlichte man bis zum Debüt von Moholy-Nagy im Jahr 1936 vornehmlich illustrative, plakative Werbebilder für den öffentlichen Nahverkehr, in denen Themen der Freizeitgestaltung, des Amüsements das Publikum unterhalten sollten. Diese bunten Plakatmotive waren vor allem narrativ angelegt, äußerst farbenprächtig und trennten deutlich zwischen Wort und Bild. Offenbar wurde eine leicht verständliche Bildsprache favorisiert, die eine möglichst große Bandbreite an Kunden ansprechen und binden sollte. Moholy-Nagy jedoch entschied sich für eine gänzlich andere Bildlösung, die durch die Kombination einer bildlichen Abstraktion mit Buchstaben und Zahlen sowie die Integration einer Fotografie auffallen. Zwei Schienen ziehen den Blick des Betrachters und potentiellen Kunden von London Transport in das Bild hinein, wobei die rechte parallel zum Bildrand verläuft, die linke jedoch schräg in den Hintergrund fluchtet und somit das Bildganze dynamisiert. Vorbilder für diese Komposition lassen sich in der Gebrauchsgrafik der Weimarer Republik finden, so etwa in Jan Tschicholds Plakat zum Film

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Die Frau ohne Namen aus dem Jahr 1927, bei dem die Schienen zwar stark abstrahiert sind, der Zug jedoch real im Bild erscheint. Statt des Zugmotivs stellt Moholy-Nagy die Zahl »2« in den Bildmittelpunkt, die wiederum von einer montierten Fahrkarte überschnitten wird. Die Verwendung von verschiedenen Schriftgrößen und -farben, von farbig gestalteten Bildbereichen und der Fotografie gehörte zum spezifischen grafischen Verständnis des ehemaligen Bauhäuslers László Moholy-Nagy. Der Schienenverkehr der London Transport scheint nicht nur eine Station mit der nächsten zu verbinden, sondern geradezu in die Moderne zu führen. Mit Moholy-Nagy und einigen anderen nach England emigrierten deutschen Künstlern – zu nennen sei hier vor allem auch John Heartfield – wurde die Fotomontage in die englische Gebrauchsgrafik eingeführt. MoholyNagys progressive Bildlösung wurde von anderen Künstlern der London Transport adaptiert. Paul Nash kombinierte 1936 in seinem Plakat Come out to live, come in to play Elemente, die fotografiert und gemalt waren, und integrierte wie 8 Hans Schleger: Bushaltestelle für London TransMoholy-Nagy eine Fahrkarte der Underground in port (Hyde Park Corner), 1935–1937, anonyme seine Bildschöpfung.23 Und Graham Sutherlands Fotografie, 1938, London Transport Museum Go out into the country arbeitet 1938 mit einer Zusammenführung von gemalten Elementen und einem Zeitungsausschnitt, der in das Bild montiert ist.2 4 Für London Transport arbeitete auch der Gebrauchsgrafiker Hans Schleger, der bei Emil Orlik an der Kunstgewerbeschule in Berlin ausgebildet wurde und nach Arbeitsjahren in New York und Berlin im Jahr 1933 nach England emigrierte. Schleger, der mit dem Namen »Zéró« signierte, genoss zu dieser Zeit bereits seit einigen Jahren internationales Ansehen, so dass er recht mühelos eine eigene Agentur in London aufbauen konnte. In seinen Plakaten Thanks to the Underground für London Transport gelang es Schleger 1935, das Signet des Unternehmens als Teil der Bilddramaturgie zu integrieren |Abb. 7|. Der vergewissernde Blick auf die Armbanduhr, die gleichzeitig das kreisförmige Zeichen des öffentlichen Nahverkehrs bildet, simuliert Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. Das Markenzeichen der London Transport sollte Hans Schleger auch in einem weiteren großen Auftragswerk beschäftigen. Als transnationaler Künstler, der in Deutschland, den Vereinigten Staaten und in Großbritannien gleichermaßen erfolgreich gearbeitet hatte,

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interessierte sich Schleger für Zeichen als Ländergrenzen und Sprachen überschreitende Mittel der Kommunikation. Für die Neueinrichtung der Bushaltestellen von London Transport befreite Schleger die bis dahin benutzten Tafeln von überflüssigem Dekor |Abb. 8|. Dies lässt sich beispielsweise am Einsatz der Schrift erkennen: Im alten Design waren der erste und letzte Buchstabe des Wortes »General« gleich groß, die übrigen Buchstaben durch unterbrochene Linien oben und unten auf gleiche Höhe gebracht. Das Wort selbst war noch einmal umrahmt. Schleger befreite die Schrift und setzte alle Buchstaben in gleicher Größe und innerhalb des roten Kreises, so dass der Blick der Kunden gefesselt wurde. Schleger schrieb 1962: »As trade and communication are becoming world-wide, the image grows into a truly international language. […] The best trade marks are seen and recognised – and not translated.«25 Schlegers Entwurf entsprach den Modernisierungsbestrebungen, innerhalb 9 Hans Schleger: Plakat für London Transport (In the Blackout), 1943, Offsetdruck, 62,3 × 50,2 cm, London derer London Transport seit 1933 in ein effiziTransport Museum entes Serviceunternehmen, auch für Touristen, umgeformt werden sollte. Spätestens mit dem Design der Bushaltestellen, die mehr als fünfzig Jahre lang auf Londons Straßen präsent sein sollten, war aus dem Deutschen Schleger ein britischer Künstler geworden, der einen wichtigen Beitrag zur englischen Designgeschichte lieferte. Damit ist auch ein interessanter Transfer- und Adaptionsprozess angesprochen. In ganz ähnlicher Weise wurden die Architekten Ludwig Mies van der Rohe und Walter Gropius bereits wenige Jahre nach ihrer Einreise in die USA zu Protagonisten der amerikanischen Architekturgeschichte. Wie deutlich Hans Schleger als nationaler Künstler in Erscheinung trat, zeigt sich an seinen Arbeiten der Kriegsjahre nach 1941. In dieser Zeit erhielt der Grafikdesigner Aufträge von staatlichen Institutionen wie dem Ministry of Agriculture oder dem Ministry of Food, für die er Kampagnen zum Anbau und Verzehr von Gemüse im eigenen Garten gestaltete. Für seinen langjährigen Auftraggeber London Transport verantwortete Schleger 1943 die Serie Posters for the Blackout, die der Vermittlung von Verhaltensregeln im Krieg diente. Der »Blackout« sollte Angriffe deutscher Bomber bei Nacht erschweren. Jeder Bürger musste seine Fenster abdunkeln, das Straßenlicht wurde abgeschaltet,

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Autos hatten ohne eingeschaltete Scheinwerfer zu fahren.26 Aufgrund zahlloser Unfälle auf Londons Fußwegen und Straßen trugen Passanten Taschenlampen bei sich. Die Kunden von London Transport erhielten Ratschläge wie »Tragen oder führen Sie etwas Weißes mit sich«, »Leuchten Sie mit einer Taschenlampe Ihre Hand an, um den Bus oder die Straßenbahn anzuhalten«, »Seien Sie sicher, dass Bus oder Bahn wirklich angehalten haben«. Schleger entschied sich für eine Übersetzung der ernsten Botschaft in eine naive Bildsprache, denn es galt, Panik und Chaos zu vermeiden und zur Gelassenheit aufzurufen |Abb. 9|. Die kurzen Instruktionen wurden in eine einfache, infantil anmutende Malerei übersetzt, die das Publikum einnehmen und höflich zur Kooperation motivieren sollte. Charakteristisch für diese besondere Rhetorik ist das letzte Plakat der Serie mit der Aufforderung »Halten Sie kurz inne, wenn sie aus der beleuchteten Haltestelle in die Dunkelheit treten«: Zwei Männer, deren Antlitz halb verschattet, halb beleuchtet ist, tragen die charakteristische Kopfbedeckung Londoner Bürger: Hut und Bowler. Schleger greift dieses bereits in der Vorkriegszeit beliebte Werbemotiv auf, um die Kontinuität des Alltäglichen in Krisenzeiten zu demonstrieren. Die Zurückhaltung und Simplizität seiner Entwürfe, jenes »less is more«, das Schleger auch in zahlreichen Artikeln zur Gebrauchsgrafik betonte, ließen ihn zu einer prägenden Gestalt des englischen Grafikdesigns werden.

Systematisierung von Exilgeschichte Die Beispiele von László Moholy-Nagy und Hans Schleger werfen grundsätzliche Fragen für die divergierenden Erfahrungen deutschsprachiger Künstler im englischen Exil auf. Ausgehend von diesen »Erfolgsgeschichten« lassen sich übergreifende Thesen und Fragen zu den Arbeitsbedingungen exilierter Künstler in Großbritannien formulieren. Das zum Kontinent abgegrenzte, insulare Kulturleben der Engländer, ihr Traditionalismus lässt besonders gute Einblicke in die Entstehungsgeschichte neuer künstlerischer Tendenzen zu. Andere Exilländer, zu nennen ist beispielsweise Frankreich, verfügten über eine weitaus durchlässigere Kunstszene, in der traditionell viele Ausländer agierten, so dass hier Einflüsse und Spuren emigrierter Künstler der 1930er Jahre sehr viel schwerer nachzuweisen sind. Grundlegend bei der Auseinandersetzung mit Exilgeschichte ist eine Beachtung der Zeiträume: So muss zwischen zwei Phasen unterschieden werden: 1933 bis 1949 umfasst die Dauer der NS-Diktatur und die Rückkehr zur staatlichen Souveränität in Deutschland. Die Arbeitsbedingungen in der Zeit des Vorkriegsexils unterschieden sich erheblich von denen der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit. Internierung, Militärdienst und die instabile wirtschaftliche Situation während Kriegs- und Nachkriegszeit beeinflussten die künstlerische Produktion von Emigranten. Der tatsächliche Integrationsprozess vollzog sich erst in der zweiten Phase, das heißt nach 1949 und mit dem Entschluss, nicht in die deutsche Heimat zurückzukehren.27 So wurden viele emigrierte Architekten wie Hans Werner

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Rosenthal, Friedrich H. Herrmann und Hans Jaretzki erst nach längerem Aufenthalt, zumeist nach 1945 als Mitglieder oder Fellow in das Royal Institute of British Architects aufgenommen. Erst nach dem Krieg konnten viele Künstler in Großbritannien Fuß fassen: Der Fotograf Hans Casparius drehte ab 1949 als Regisseur und Produzent erfolgreich Dokumentarfilme, der Grafiker Hellmuth Weissenborn übernahm 1946 die Handpressendruckerei Acorn Press und veröffentlichte viele Mappenwerke und Bücher. Im Kontext des Exils in England sollte unbedingt auch nach Generationen differenziert werden: Neben den Emigranten im mittleren und reiferen Alter interessiert auch die Nachwuchsgeneration, die meist als Jugendliche nach England emigrierten. Vielen von ihnen fiel die Anpassung an ihre neue Heimat wesentlich leichter; sie bewältigten Sprach- und Kulturprobleme sehr viel schneller. Beispielhaft für künstlerische Karrieren der Nachwuchsgeneration sind der Maler Lucian Freud, Enkel des Psychoanalytikers Sigmund Freud, sowie die Autorin und Illustratorin Judith Kerr. Während ihr Vater, der Berliner Theaterkritiker Alfred Kerr, kaum an seine früheren Erfolge anknüpfen konnte, begann Judith Kerr im britischen Exil eine Karriere als Autorin und Künstlerin. Grundsätzlich lässt sich für die erste Generation der nach Großbritannien eingereisten Künstler feststellen, dass die eigene internationale Popularität und Vernetzung in den Jahren vor der Auswanderung die Chancen für eine gute Ankunft im Exil steigerten. Man benötigte Fürsprecher, um zügig eine Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitsbewilligung zu erhalten, von den großen Verbänden akzeptiert zu werden und Aufträge zu erhalten. Die Beherrschung der englischen Sprache und Kenntnis der hiesigen Modalitäten in Bezug auf Kundenbindung und Ausstellungspraxis waren ebenso notwendig, um sich möglichst rasch in den neuen Kontext einfinden zu können. Erleichtert wurde die Arbeit in der Fremde zudem, wenn kein großes Equipment mitgebracht werden musste und Arbeitsproben aus der Vergangenheit vorlagen. Dies erklärt, warum zumindest die meisten Bildhauer sehr stark von den negativen Seiten der Exilierung betroffen waren. Für sie bedeutete die Emigration nicht selten eine Revidierung bisheriger Lebensentwürfe. Grundsätzlich schwierig war es, wenn die Fronten aus kunstästhetischer Sicht verhärtet waren, das heißt, wenn künstlerische Stile wie der deutsche Expressionismus als typisch »teutonisch« abgelehnt wurden. Der Konservativismus der britischen Insel drückte sich auch in anderen künstlerischen Bereichen aus, so beispielsweise in der Beschränkung der Glasmalerei auf Kirchen. Im Gegensatz zum Deutschland der zwanziger Jahre waren Kooperationen zwischen Architekten und Künstlern im England der dreißiger Jahre unüblich. Folgenreich waren diese verkrusteten Strukturen – als ein Beispiel unter vielen – für den Glasmaler Ervin Bossanyi, der in Deutschland künstlerische Arbeiten von privaten und städtischen Auftraggebern ausgeführt hatte.28 Vor allem in den neu etablierten Medien, der grafischen Gestaltung, der Fotografie, der Werbeindustrie bot England den eingereisten Künstlern eine ihnen adäquate berufliche Entwicklungsmöglichkeit. Trotz der heterogenen Situation im englischen Exil bedeutete die Zuflucht doch für viele der Emigranten eine Möglichkeit des Überlebens und eine willkommene Alternative zu den Verfolgungen im nationalsozialistischen Deutschland und den annektier-

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ten Ländern. So schreibt die Bildhauerin Anna Mahler: »Ich habe diese armen Menschen, denen es so ungeheuer schwer gefallen ist, zu emigrieren, ungeheuer bedauert. Ich war dem Hitler dankbar, dass er mich aus Wien rausgeschmissen hat. Gott sei Dank, und England kennengelernt, was ich geliebt habe. Sofort.«29

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1 Vgl. Geflohen aus Deutschland. Hamburger Künstler im Exil 1933–1945 (hrsg. v. Maike Bruhns), Ausstellungskatalog, Museum für Hamburgische Geschichte, Hamburg 2007, S. 89. 2 Zur sogenannten »Lagerkunst« in England vgl. Jessica Feather: Art Behind Barbed Wire, Ausstellungskatalog, Walker Art Gallery, Liverpool 2004. 3 Vgl. Werner Haftmann: Verfemte Kunst. Bildende Künstler der inneren und äußeren Emigration in der Zeit des Nationalsozialismus, Köln 1986, S. 90. 4 Vgl. Cordula Frowein: Alfred Flechtheim im Exil in England, in: Alfred Flechtheim. Sammler. Kunsthändler, Verleger, Ausstellungskatalog, Kunstmuseum Düsseldorf 1987, S. 59–64, S. 59. 5 Vgl. Shulamith Behr: Dr. Rosa Schapire – Art Historian and Critic in Exile, in: Charmian Brinson et al. (Hrsg.): Keine Klage über England? Deutsche und österreichische Exilerfahrungen in Großbritannien 1933–1945, München 1998, S. 215–223, S. 222; Leonie Beiersdorf: »Wieder Boden unter den Füßen« – Rosa Schapire in England (1939–1954), in: Rosa. Eigenartig Grün. Rosa Schapire und die Expressionisten (hrsg. v. Sabine Schulze), Ausstellungskatalog Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg 2009, S. 250–281, S. 270. 6 Raymond Mortimer: German Artists, in: The New Statesman and Nation, 16. Juli 1938, Bd. 16, London 1938, S. 112–113, S. 112. 7 Zitiert nach Josef Paul Hodin: Ludwig Meidner. Seine Kunst, seine Persönlichkeit, seine Zeit, Darmstadt 1973, S. 67. 8 Vgl. Gespräch der Verfasserin mit Jerome Abbo, Brighton, 11. September 2010; vgl. auch Abbo, Ausstellungskatalog, Galerie S / Ben Wargin, Berlin 1965. 9 Die gut vernetzte, auch im Exil weiterarbeitende Bildhauerin Anna Mahler kann hier als Beispiel dienen; vgl. Barbara Weidle u. Ursula Seeber (Hrsg.): Anna Mahler. Ich bin in mir selbst zu Hause, Bonn 2004. 10 Vgl. Charlotte Benton: Continuity and Change. The Work of Exiled Architects in Britain, 1933–1939, in: Bernd Nicolai (Hrsg.): Architektur und Exil. Kulturtransfer und architektonische Emigration von 1930 bis 1950, Trier 2003, S. 75–86. 11 Dennis Sharp: Gropius und Korn. Zwei erfolgreiche Architekten im Exil, in: Kunst im Exil in Großbritannien 1986, S. 203–208, S. 203. 12 Philip Johnson u. Henry-Russel Hitchcock: Extent of modern architecture, in: Modern Architecture. International Exhibition, Aussstellungskatalog, Museum of Modern Art, New York 1932 (Reprint 1969), S. 21–24, S. 24. 13 Berthold Lubetkin: Modern Architecture in England, in: American Architect and Architecture 2/1937, S. 29–42, S. 29. 14 Vgl. Christian Wolsdorff: Deutsche Architekten im Exil. Erwartungen – Hoffnungen – Reaktionen, in: Kunst im Exil in Großbritannien 1986, S. 105–110, S. 107. 15 Vgl. Andrea Hammel: Jack Pritchard, refugees from Nazism and Isokon Design, in: Andrew Chandler, Katarzyna Stokl osa u. Jutta Vinzent (Hrsg.): Exile and Patronage. Cross-cultural negotiations beyond the Third Reich, Berlin 2006, S. 23–32, S. 25 f. /

16 Brief von Walter Gropius an Max Burchard, 21. Juni 1936, Berlin, Bauhaus-Archiv, Nachlass Walter Gropius, GN 8/81.

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17 Vgl. Burcu Dogramaci: Der Kreis um Stefan Lorant. Von der Münchner Illustrierten Presse zur Picture Post, in: id. u. Karin Wimmer (Hrsg.): Netzwerke des Exils. Künstlerische Verflechtungen, Austausch und Patronage nach 1933, Berlin 2011, S. 163–183. 18 Vgl. Hattula Moholy-Nagy: László Moholy-Nagy: Transnational, in: Achim Borchardt-Hume (Hrsg.): Albers and Moholy-Nagy. From the Bauhaus to the New World, Ausstellungskatalog, Tate Modern, London 2006, S. 111–116, S. 111. 19 László Moholy-Nagy: Die neue Typographie, in: Karl Nierendorf (Hrsg.): Staatliches Bauhaus Weimar 1919–1923, Weimar u. München 1923, S. 141; id.: Malerei Photographie Film, München 1925, S. 38. 20 Das Auge als bestimmendes Motiv begegnet in Fotografien der zwanziger Jahre wie in Max Burchartz’ Lotte (Auge) von 1928 und in Publikationen wie Franz Rohs foto-auge, Stuttgart 1929. Für Hinweise auf ältere kunsthistorische Präfigurationen danke ich Rainer Donandt und Uwe Fleckner. 21 Vgl. Archie S. Jackson: Imperial Airways and the first British airlines 1919–1940, Lavenham 1995, S. 85. 22 Vgl. James Laver, Harold F. Hutchison u. Thomas E. Griffith: Art for All. London Transport Posters 1908–1949, London 1949. 23 Vgl. David Bownes u. Oliver Green (Hrsg.): London Transport Posters. A Century of Art and Design, London 2008, S. 101. 24 Vgl. Oliver Green: Underground Art, London 1990, S. 84. 25 Hans Schleger: The Function and Limitation of the Trade Mark [1962], in: Pat Schleger: Hans Schleger – a life of design, New York 2001, S. 77. 26 Vgl. Philip Ziegler: London at War 1939–1945, London 1995, S. 64–69. Dort findet sich ein Gedicht von Alexander Pope aus The Dunciad: »Nor public flame, nor private, dares to shine; / Nor human spark is left, nor glimpse divine! / Lo! Thy dread empire, Chaos! Is restored; / Light dies before thy uncreating word: / Thy hand, great Anarch! Lets the curtain fall; / And universal darkness buries all« (ibid., S. 67). 27 Für diese und weitere Anregungen danke ich Frithjof Trapp, Universität Hamburg. 28 Vgl. Geflohen aus Deutschland 2007, S. 99. 29 Zitiert nach Weidle u. Seeber 2004, S. 115.

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THE TRANSATLANTIC CROSSING BY SHIP INTO EXILE DURING WORLD WAR II From Heterotopic Experience to Aesthetic Reflection MARTIN SCHIEDER

Passage Visitors to the 2013–2014 opening exhibition Connecting Seas in the new gallery of the Getty Research Center in Los Angeles came upon a remarkable object: a board game with the title Course de l’Empire français, issued in 1941 by the Centre d’Information et de Reseignements in Vichy, and which claims: »The Marshal [Pétain] offers a voyage around the world, passing through the colonies of the empire and using French maritime and aviation lines.« Both the recto and verso sides of the board depict a map of the world with the French colonies highlighted in color |fig. 1|. Both maps are criss-crossed with shipping lanes on which the players traverse the world’s oceans, from Marseilles to Tunis, from Lisbon to Tangiers, from Valparasio to Santiago de Chile. The first player to complete the Grand Tour through the colonial empire is the winner. On each space, the player is given instructions that speed up or slow down his journey’s progress. A player who lands on space 72 enjoys the highest level of support: »Maréchal Pétain will guide you to a safe haven, to Le Havre.«1 What at first glance seems a bit like Jules Verne’s Around the World in Eighty Days or Monopoly is in fact a propaganda game produced by the Vichy regime, which at that time had itself become a plaything of the German occupiers. In 1941, it was most unlikely that any French citizen would have felt inspired to take a trip through France’s colonial empire when the mother country lay defeated. Least of all was Marseilles an appropriate point from which

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1 »Jeu de l’Empire français«, board game, verso, Editions Centre d’information et de renseignements, Vichy 1941, Collezione Luigi Ciompi

to embark on a cruise, since at that time the city served as the waiting-room for emigrants |fig. 2|, into which »the maelstrom of a continental evacuation was pouring«.2 All of the thousands of Jews, victims of political persecution, and intellectual and artist dissidents who were stuck in the last remaining free harbor in France wished to escape from France on those very same shipping lanes marked on the game board. They had to leave la Grande Nation because said Maréchal no longer wished to guarantee their safety and ultimately allowed the Jewish refugees to be deported. For most of them, a traumatic flight to freedom only ended when they succeeded in boarding a ship in Marseilles, Lisbon or Casablanca that would take them to the other side of the Atlantic: to the United States, the Antilles or to South America. But for this they needed an invitation from the host country, a valid passport, a French exit visa, a visa for the host country, foreign currency, and above all, a ticket for their ship. And one did not get the one without the other. Many artists, literary figures and scientists were compelled to abandon Europe while under the scourge of dictatorship and war. Indeed, the history of modernity is in particular a history of migration and exile. In her article Max Beckmann in California, Françoise ForsterHahn defines exile »the psychological and emotional state of otherness and alienation, as well

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2 Unknown author: List of refugees from the »Centre americain de secours«, Marseille, 1942, typescript, Harvard University Library

as the historical, political process of displacement, rupture, and loss.«3 But how did the exiles themselves experience the process of dislocation from their accustomed social and geographical surroundings, and from their cultural and national identities? And what part did the transatlantic crossing by ship play? Although a wide range of documents – travel accounts, correspondence, memoirs, photos and, not least, works of art – are available that can provide largely unknown glimpses into the exiles’ journey by ship from their homelands what we are dealing with here is in fact a largely unwritten chapter of modernity itself. Thus, art history has until now given only passing recognition to the transatlantic crossing as a historic phenomenon and methodological problem. Attention has been focused on the period prior to departure (for instance on the activities of the Surrealists in Château Air-Bel, or on the Emergency Rescue Committee run by Varian Fry in Marseilles) and on the lives, activities and networks of exile in their new homelands (such as the impact of European artists on the American avant-garde at Black Mountain College). But the question remains as

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to what actually happened in the temporal and spatial shift between the past and that which had yet to begin, between a totalitarian Old World and the free World. The passage was marked by its in-betweenness, temporally located between a traumatic past and an unknown future, and proceeding through an endless space between all that was familiar receding into the distance and an alien horizon coming ever closer. A sheer, unbounded immensity replaced the helplessness of not being permitted to cross a border without the necessary papers, the agonizing standstill finally passed over into purposeful mobility. The ocean stretched out before the passengers like a projection surface of their own existence. Four facets will illustrate what traumatic, heterotopian, marine-specific and transcendental experiences the artist gathered along their transatlantic passage into exile, and in what forms these experiences were reflected aesthetically through their works. An Argentine psychologist, a French discourse analyst, a Czech author and a Czech media philosopher will accompany us on this journey.

Trauma What are the effects of forced social, geographical and cultural dislocation on the psyche of an exile? Psychology had taken up this question already in the 1930’s and 1940’s – at a time in which the discipline was itself deeply affected by the fate of emigration, but only in the 1980’s did León and Rebeca Grinberg reestablished exile as a field of analysis and diagnosis. In 1976, the psychologist couple had themselves been forced to emigrate from Buenos Aires to Madrid due to the dictatorship of Jorge Rafael Videla. Their personal fate motivated them to approach the experience of exile from a scientific perspective. In 1984 they published their work Psicoanálisis de la migración y el exilio, which was then translated into numerous languages. In their psychopathology of migration, they take as their point of departure an »incidence of certain psychological problems particular to emigrants and those of their immediate entourage, in both the old and the new surroundings.« To them, migration represented a »traumatic experience« that can elicit a profound disturbance of one’s sense of identity and lasting fear of persecution. In the chapter Arrival in the New Land, the Grinbergs also analyze the emigrants’ crossing on board a ship, describing it as an experience comparable to the transitional phase of puberty.4 Surprisingly, art historical research on exile has until now ignored mostly psychoanalytical approaches, although they offer interesting approaches to interpretation, not least with respect to the transatlantic crossing. The extent to which artists, both those departing and those staying behind, could be affected by the experience of crisis can be illustrated by a photograph |fig. 3|. What at first glance looks like a snapshot is in reality an unsettling document of four befriended artists whose fates depended on whether they succeeded or failed in escaping the Vichy government’s repressive measures and persecution by National Socialist regime thugs through flight across the Atlantic. Taken on May 15, 1942 by André Gomès in

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Marseilles, this photograph shows Victor Brauner, Jacques Hérold and Gomès’ wife Henriette at the closed gate of the port. In the background is the Maréchal-Lyautey – which that very day would cast off for Casablanca – at anchor by the dock. A closer examination reveals a man waving on the bow of the ship: none other than Marcel Duchamp, who after months of waiting had succeeded acquiring a valid passport and a passenger ticket thanks to the Emergency Rescue Committee and his Hollywood patron Walter Arensberg, who was able to obtain a US visa for him.5 Brauner and Hérold accompanied their friend to his departure while they themselves had to stay behind. Thus these two artists appear – separated only from salvation in the form of a ship by an iron fence – as a portent of the impossibility of their own departure. In order to somehow obtain a valid passport, Brauner contacted Peggy Guggenheim, sought the assistance of the Emergency Rescue Committee, wrote to Alfred Barr, director of MoMA, and travelled several times to Marseilles, despite the danger of being arrested and deported 3 André Gomès: Victor Brauner, Jacques Hérold, on account of his Jewish faith. Despite there efforts and Henriette Gomès (with Marcel Duchamp in he was repeatedly forced to stand by and watch the background) in the Harbor of Marseilles, May 15, 1942 how one Surrealist friend after the other succeeded in escaping to freedom. In March 1941, André Breton – and with him André Masson, Victor Serge and Wifredo Lam – were able to leave Europe: »[…] il ne reste que les crèmes des emmerdeurs qui en dehors qu’ils ne sont même pas drôles, sont démoralisants.«6 Finally, his last hope of going to Cuba was crushed, whereupon Brauner wrote in desperation to his friend Breton, who had immigrated to New York: »It is crucially important that I leave Europe before this winter and have the opportunity to get a visa.« 7 The situation would indeed worsen, since the first persecutions of Jews (rafles) were being carried out in occupied France: »This also means going into hiding. You don’t know what I’m talking about? Since my residency permit runs out on January 13, I went to Perpignan as usual; at the prefecture they told me that I’d be sent to a ›C de C‹ [camp de concentration].«8 Meanwhile Duchamp reached New York on June 25, 1942. At his departure, he had assured Brauner his assistance: »Now it’s your turn, and I’ll do everything possible so that [Alfred] Barr und Peggy [Guggenheim] remove all difficulties.«9 In the end, it remained a promise he could not keep.10 While Brauner hid until the end of the

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Occupation in the region of Serre-Ponçon, Hérold remained in Marseilles until December 1942 and then went to Annecy. How greatly those who had made it over the ocean suffered under the pain of separation and guilty conscience because they had been forced to leave their colleagues, friends and relatives behind can be seen in a letter that Man Ray wrote to his lover Adrienne: »Mon amour […]. Je ne pense qu’à toi et me reproche chaque jour de t’avoir quitté. Je suis encore convaincu que c’était pour le mieux, car je pourrais encore faire quelque chose.«11

Heterotopia In his essay Des espaces autres, Michel Foucault explains that heterotopias always have »a system of opening and closing that both isolates them and makes them penetrable.« Apart from prisons, cemeteries and bordellos, Foucault also defines ships as espaces autres – indeed, »the heterotopia par excellence« – because they are completely autonomous, self-contained and at the same time at the mercy of the endless ocean. If we transfer this idea to the exiles, the ship represented for them the greatest subject of the imagination, before becoming at sea »a place of compensation«.12 The very act of boarding the gangway itself can be understood in Foucault’s sense as a ritual of entry and purification: Claude Lévi-Strauss describes the humiliating moment in Marseilles when he had to go on board through the »helmeted gardes-mobiles, with automatic pistols at the ready, severed all contact between passengers and the relatives or friends who had come«.13 One must imagine social life on board as a microcosm, in equal parts chaotic and ritualized, in which the passengers, like George Grosz, studied their own crossing and above all that of the others the way »a naturalist studies insects«.14 Be that as it may, we can deduce just how precarious conditions were on the mostly totally overcrowded ships from various reports passed down to us from the spring 1941 crossing of the Capitaine Paul Lemerle to Martinique. While Lévi-Strauss suffered under the catastrophic sanitary conditions, and Breton railed off about how life on board had everything to offer in the way of difficulties and precariousness, to Victor Serge the ship was nothing other than »a cargo boat converted into an ersatz concentration camp of the sea.«15 Crossings often occurred under difficult, sometimes inhuman, and indeed dramatic conditions: for instance when ships were refused a docking permit and, like the Saint Louis were forced to return to Europe; when passengers were interned during stopovers; or when not only German but also Allied U-boats or battleships crossed their routes. Sometimes the crossing also offered the possibility of unexpected encounters, as when in Rotterdam on August 29, 1947, Thomas Mann and Max Beckmann both booked quarters on the S. S. Westerdam that would take them to New York. During the crossing they amused themselves with board games, went to the ship’s cinema, and »went for strolls, comically wobbling and staggering with more cognac in our bellies than was good for us, through the vast jungle of black clouds«.16 Lévi-Strauss and Breton, in a document scarcely noted

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4 Lyonel Feininger: Passengers on ship deck with the New York skyline in the distance, May 14, 1936, photograph, negative, gelatin silver (35 mm film), 2.5 × 3.5 cm, Harvard Art Museums, Busch-Reisinger Museum

until now, described their chance crossing together on the Capitaine Paul Lemerle, whose »boredom and discomfort were shortened by discussing the essence of a work of art as a product of total freedom«.17 The passengers were preoccupied by stereotypes of a land that was largely alien to them: one that promised them freedom and a new homeland, but two decidedly contrary projections also existed. On the one hand was the role-model status of the American political and social system, which contrasted with deep-seated traditional reservations about the much-cited American »lack of culture« on the other.18 But relief at having reached freedom gained the upper hand as their ships approached Ellis Island. Repeatedly, we read of how, in Fernand Léger’s words, »the icon of the New World« |fig. 4| appeared to the passengers before the skyline of Manhattan: »We are standing on deck looking for the Statue of Liberty, France’s gift to the United States. But we can see only a modest little figure, which stands in the harbor looking lost against the background of the new continent soaring up boldly in front of us.«19 Even Max Beckmann waxed euphoric at the sight of the skyscrapers: »But those buildings!! They all look like they have the mammoth disease, they just don’t stop rising

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up and up, and it’s like going for a walk in the deepest valley of the Alps.« 20 For Beckmann, arrival in New York was a particularly significant moment. Since Hitler’s accession to power, at the latest since the outbreak of war, he had felt increasingly isolated and left Germany for Amsterdam as early as 1937. Two years later, when Alfred Barr displayed Beckmann’s epochal painting Departure (1932– 1935) in 1939 in the Museum of Modern Art exhibition Art in Our Time, the artist asked Neumann, his gallerist, to inform him about this exhibition, adding: »I’m very much interested in l’Amérique and will in all likelihood end up there one day.«21 But all plans to emigrate to the USA during the war were checked by his failure to obtain a visa, and he was initially forced to content himself with »journeying in spirit«.22 Only after the end of the war, when he had already made a name for himself in the USA and Washington University’s School of Fine Arts in Saint Louis offered him a professorship, did his decision to emigrate take concrete form: ten years later, his forced exile to the Netherlands was followed by voluntary emi5 Unknown photographer: Max Beckmann in gration to the United States. When Beckmann first front of his triptych »Departure« (1932–1935) at the Museum of Modern Art in New York, set foot on American soil on September 8, 1947, September 10, 1947 and had been in New York just three days, he had himself photographed at the Museum of Modern Art in front of his triptych, »which moved me deeply« |fig. 5|.23 The carefully staged photograph is a pictorial act that places modern art in immediate relationship with the fate of exile across the Atlantic. This is particularly noteworthy in that, as early as the 1930’s, contemporaries already interpreted this painting as a metaphorical representation of Beckmann’s personal drama, but the artist himself had categorically denied any connection between his own biography and historic context. In addition, three new works now emerged that aesthetically reflected the crucial change emigration had wrought in Beckmann’s life. While still in New York, he began work on Rescue of 1948 (private collection), that depicts a rescue scene in a rowboat. At the same time, he was working on his enigmatic triptych The Beginning, finished in 1949 (New York, Metropolitan Museum of Art), which he had begun in Amsterdam. And finally he painted Cabins, a heterotopian vision of a transatlantic steamer that arose from his direct personal experience of the transatlantic crossing |fig. 6|. On three levels, as on the multiple stages of the 1920’s, the viewer is presented with a heterosexual voyeuristic cross-section of the interior of an ocean

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6 Max Beckmann: Cabins, 1948, oil on canvas, 140,5 × 190,5 cm, Düsseldorf, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen

liner, whose dark cabins simultaneously present disparate scenes and illustrate the complex facets of the crossing on a ship as an espace autre. The first compartment on the upper left shows a death scene in which two pale figures are huddled in mourning before a corpse. Directly next to it are an athlete and an angelic woman dressed in white, and through the next port-hole is a woman combing her blond hair. The first compartment in the middle section reveals a barely dressed, dark-haired woman as she sleeps. And a port-hole in the lower level offers us a glimpse of a bar in which several men encircle a woman in an evening dress. What identifies these scenes as occurring with the cabins of a ship is the young woman on the lower right painting a cruise ship with two smoking smokestacks. She is looking at her model – a steam-liner sailing across the ocean under a pitch-black sky – through an elliptically distorted port-hole turned 90 degrees on its side. The painting as a whole is dominated by a sailor in a gangway who is tenderly embracing an oversized white fish. The fish – a central motif in Beckmann’s hermetic private iconography – is strapped to a board as if for burial at sea. But who or what is being buried? Moreover, the diagonal created by this scene divides the paint-

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ing in two halves. Are we seeing the old world in the one half and the new world in the other? It seems plausible to read a coded visualization of Beckmann’s own life journey in Cabins and to recognize the artist in the sailor. Just how difficult the decision to emigrate was for him can be seen from his letters: in May 1947, he was still writing to his Minna that it was not certain that he would go to America at all.2 4 But in August of that same year, just a few days before departure, he had made his decision: »I’m feeling a bit strange about my new transformation, but nonetheless. It has to be, and is a part of my life’s program, I wonder where my Odyssey will end someday.«25 And thus he left the Port of Rotterdam on August 29 for New York, and then on to Saint Louis. Since he only had a temporary visitor’s visa, he returned to The Netherlands on June 13, 1948, but only to make the necessary arrangements for his final emigration to the USA in September. Beckmann painted Cabins in the last few weeks that he spent in his old Amsterdam studio. During this existential transitional phase, in which he crossed the Atlantic twice, before his third and final crossing Beckmann created a pictorial metaphor of the great drama of exile. Like an autobiographical collage, past, present and future are blended over each other. The ship becomes a symbol of his own life journey. Love and grief, passion and death: the glimpse into the cabins lets the ruptures, longings, and emotions of human existence pass before the viewer like a film. And it is painting that translates the personal life journey of the artist Beckmann, who traversed the oceans of the world in a long odyssey and had to master many a challenge from the fates, into a universal image.

Suitcase Franz Kafka’s novel fragment Amerika |fig. 7| begins with the entry of the sixteen-year old Karl Roßmann to New York: »[He] stood on the liner slowly entering the harbour of New York, a sudden burst of sunshine seemed to illumine the Statue of Liberty, so that he saw it in a new light, although he had sighted it long before.« On the gangway, Karl realizes that he has forgotten his umbrella. He entrusts an acquaintance with his suitcase for a moment to retrieve the umbrella. But he loses his way on the big ship and when he finally returns to the gangway his acquaintance has disappeared, and with him his suitcase. He thereupon torments himself with the question »why he had guarded the suitcase so carefully during the journey that keeping guard over it had practically cost him his sleep, if he had allowed this same suitcase to be taken from him so easily.«26 Apart from the passport, the suitcase is the quintessential symbol of the emigrant. On the one hand it symbolizes the loss of one’s native land and involuntary mobility; on the other, it transports the emigrant’s few belongings, memories, and identity. Its contents are reduced to the basic objects of life – a world of things of mainly immaterial, and therefore irreplaceable, value. They are all that he could take with him from his homeland to ensure his survival in the New World. The suitcase is therefore a repository of memory in the truest sense of the term, and must

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7 Franz Kafka: Amerika, Kurt Wolff Verlag, Munich 1927

consequently never be lost. In the loss of the suitcase – as it is so vividly narrated by Kafka – Grinberg sees not only a symbol of the many material and immaterial losses an emigrant must suffer, but also of »the loss of his ego-related abilities and his own identity« that is triggered by the »shock of arrival«.27 The suitcase thus plays an existential role in the biographies of artists who were compelled to go into exile. How many refugees had their literary first drafts, their musical compositions, aesthetic ideas and scientific theories in their minimal luggage? It was, after all, the last place where they could conceal their works, for which there was no longer any safe place in totalitarian Europe. This is epitomized by the tragic story of Walter Benjamin, who had packed the manuscript of his book A Berlin Childhood in his suitcase and who committed suicide during his flight from the Nazis in Port Bou in 1941.28 It was in fact practically impossible for visual artists to take their previous works with them into transatlantic exile, so instead they tried to store them with gallerists, friends and relatives in the hope that they would not be lost forever. The photographer Robert Capa, e.g., left all the negatives he had

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8 Marcel Duchamp: Boîte-en-Valise (de ou par Marcel Duchamp ou Rrose Sélavy), 1935–1941, leather suitcase containing miniature replicas, photographs, and color reproductions, 40,7 × 38,1 × 10,2 cm, New York, Museum of Modern Art

taken during the Spanish Civil War in Paris and then believed them to be lost, before the so-called Mexican Suitcase turned up again in Mexico City in 2007.29 Before departing for New York, Duchamp likewise deposited »une grosse valise« with André Gomès, the very same photographer at the port gate of Marseilles.30 At the same time, he found an artistic answer to the pressing question of how to transport his own art works: La Boîte-en-valise, which contains 69 of his works in the form of miniature replicas, photographs and hand-colored reproductions |fig. 8–9|. The delicate and sophisticated construction enables its owner to independently discover the various elements and objects, pull them out, open them up or conceal them once again. Sliding panels, folding charts and hidden compartments allow ever-new images to appear or disappear. When all the works are replaced and repacked, the bôite, in a limited luxury edition of 20 copies each in a leather valise, is packed in permanent readiness for departure. The outer appearance of the Boîte-envalise, its installation, the opening and closing of the various elements, the displaying, or not-

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displaying of the various images, and just as important, the performative behavior of the viewer correspond not only to Duchamp’s idea of a musée portable, but are also strikingly reminiscent of a retable; in the case of Duchamp, perhaps it is more suiting to speak of a travel altar |fig. 10|. In the mid-1950’s, Duchamp retrospectively interpreted the development of his Boîteen-valise as conceptual art: »Instead of painting something new, my aim was to reproduce the paintings and objects I liked and collect them in a space as small as possible. Then it occurred to me that it could be a box in which all my works would be collected and mounted like in a small museum, a portable museum, so to speak«.31 Since that time, art historical discourse has followed the artist’s lead and interpreted the work either as a logical development of the readymade, or as Duchamp’s reaction to the established art system he hated so much.32 Without disregarding this approach, the question remains as to why the biographical context has been ignored as part of the genesis of Duchamp’s work. Would it not have been an existential experience for Surrealist artists if, instead of the voluntary psychological displacement to which they aspired, they were compelled to undergo the undesired experience of geographical dislocation? It is precisely the Boîte-en-valise that generates an enormous selfreferentiality on the part of the artist, if one bears in mind the historical and autobiographical circumstances of its development. Duchamp was in fact working on the idea of creating a facsimile of his works as early as 1935, but only in 1940–1941 – in the midst of his own refugee crisis and that of those around him – did it occur to him to pack and transport the boîte in a suitcase. For this reason, he entitled the work Boîte-en-valise de ou par Marcel Duchamp ou Rrose Sélavy – Sélavy was Duchamp’s feminine pseudonym and is an anagram of valise, French for »suitcase«, not to mention its phonetic equivalence to »C’est la vie!«. On January 17, 1941 Duchamp sent Breton a so-called carte interzone, with which the Vichy government regulated private communication among family members. In it, he informed his friend in New York that he had completed his Boîte-en-Valise and asked him to obtain a »mission artistique« for him after all; Breton published this message in the magazine View.33 But more than one and a half years passed before Duchamp was assigned a place on board a ship to Casablanca, and he finally arrived in New York on June 7, 1942. Just a few weeks later, the Times did an interview with the artist, in which he reported sarcastically about his crossing: »All the lights were on and we had dancing on deck every night.«3 4 Duchamp proudly presents his Boîte-en-valise (probably piece N°1/XX that he had sold to Peggy Guggenheim) in a photo illustrating the conversation |fig. 11|.35 In 1942, the collector presented it in her legendary gallery Art of this Century.36 If Duchamp had imbued his original concept of the readymade, with a decidedly personal expression, after its creator had brought it across the Atlantic to New York, the musée portable ultimately was transformed into a museum piece and the refugee’s luggage into an icon of modernity – as well as of exile.

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9 Marcel Duchamp: Boîte-en-Valise (de ou par Marcel Duchamp ou Rrose Sélavy), 1935–1941, leather suitcase containing miniature replicas, photographs, and color reproductions, 40,7 × 38,1 × 10,2 cm, Basel, Kunstmuseum

Transcendence In his philosophy of migration The Freedom of the Migrant, Vilém Flusser, who was himself forced to flee from his homeland Czechoslovakia, describes exile as »an ocean of chaotic information.« At the same time, he views it as an extraordinary »challenge to creative activity«, since one becomes a »revolutionary« where the customary is absent and only change is to be found: »Exile, no matter what form it takes«, Flusser explains in his dialectical definition of exile as a state of transcendence, »is a breeding ground for creative activity, for the new«.37 There are in fact fundamental similarities between the exile and the avant-garde artist – for instance mobility, a fragmented world view as well as reflection in a time of crisis. Piet Mondrian underwent exactly this transcendent experience on his lengthy flight from the Nazis and the war. In September 1938, just before the outbreak of the war, he left his adopted home of Paris for London, with only an easel, a canvas, a few unfinished and finished paintings, and a suitcase.38 In a letter, he informed his friend Ben Nicholson that he was

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10 Thomas Rucker (attributed): Travel altar of Cardinal Otto Truchsess von Waldburg, Augsburg or Nuremberg, ca. 1568–1573, wood, gilded copper, velvet, silk, iron reliefs and marble plate, 71,3 × 27 cm, Augsburg, Diözesanmuseum St. Afra

toying with the idea of immigrating to the United States: »Je voudrais tâcher d’aller en Amérique.«39 During the entire flight, Mondrian was gravely concerned about his paintings, without which he did not want to go into exile: »I shall have to do it. But I can’t imagine that I should have to leave my pictures.«40 Mondrian’s concern deepened when he learned of the invasion of his native land by the German Wehrmacht, but when Paris was occupied a month later, he felt that he would not be safe in London either.41 So he, too, boarded the SS Samaria in Liverpool on September 21, 1940, departing to New York. Why the seventeen paintings that Mondrian had painted in Paris and London between 1935 and 1940 were so important to him becomes comprehensible only when one realizes what happened to them in New York. Collectively they would become the so-called Transatlantic paintings, because Mondrian had begun them in Europe and taken them with him to

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11 Unknown photographer: Marcel Duchamp with his »Boîte-en-Valise«, press photograph, taken from: Artist Descending to America, in: Time, September 7, 1942

New York to thoroughly rework them in the short time between his arrival there and their presentation in the Valentine Gallery in January 1942. Thanks to historic photos made before his crossing and examinations using x-radiography, we can reconstruct how Mondrian in his New York studio broke up his previously strictly dualistic organizational principle with double lines and color accents.42 In Composition with Yellow, Blue, and Red, for example, a new valorization between the first and final versions can be noted: namely, free-floating bars and color fields at the edge of the reworked painting that are not framed by black contours |fig. 12|. In addition, Mondrian has added black verticals – one to the left and two to the right – as well as the yellow rectangle in the upper left corner. These bars of color, which function alternately as spacers and as links, help the viewer to interpret the spatial intervals and complex structure. Mondrian dated this painting twice – as he did all of his transatlantic paintings: 1939 for its completion in Europe, 1942 for its reworking in America, reflecting its two-part production.

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In the course of this transformation, Mondrian’s neo-plastic dialectic shifted between horizontality and verticality, line and surface, ground and non-colors in favor of a pattern filling up the entire painted surface with individual color accents. One point of departure for Mondrian’s aesthetic concept was surely a transcendental longing for the purity and clarity of nature. But how did it come about that Mondrian gave up his orthodox dualistic organizational principle in order to assign a greater emphasis to the vertical within the harmonious interplay of horizontal and vertical axes? Why did his paintings now tip from the horizontal to the vertical? Research on Mondrian is hampered by a strictly formalistic and discursive approach which largely neglects the artist’s biography and the historical context. After his traumatic flight from Paris and London, he experienced his first spatial turn when confronted with both the immensity of the Atlantic and transcending the horizon. At the end of the transatlantic crossing Mondrian underwent a second transcendent, albeit a diametrically spatial experience: the vertical skyline of New York rose up before him from the horizon. All at once, for everyone arriving in New York after days, weeks, or even months of endless horizontality, sheer verticality shot up in the skies before them. Mondrian’s colleague George Grosz remarked: »Who wouldn’t have been overwhelmed, arriving for the first time, and the skyline rises up in the haze, Broadway opens up like a crevasse, and the towers of the buildings penetrate the overwhelmed eye. An incredible new world.«43 This incursion of the outer world is reflected in Mondrian’s transatlantic paintings. The artist himself mentioned this process, referencing the two paintings New York and New York City, both of which had been created in New York, in an interview in his studio: »This [New York] is what New York meant to me when I first saw it from the boat, and the one of the easel [New York City], the city as it appeared to me after living it.« 4 4 Here, in Flusser’s sense, one might also speak of an »exchange between the information he has brought with him, and an entire ocean with waves of information that toss around him in exile«.45 What is still lacking is to a certain extent the missing link of this transformation, which might possibly be just a simple pack of cigarettes. Between 1938 and 1940 – precisely during the phase in which he was in flight – the artist had drawn on several cigarette packs |fig. 13|. On the whole, Mondrian scholarship treats them as curiosities, and they have not yet been analyzed in detail. It therefore cannot be ruled out that they were made during the crossing to New York, when Mondrian had no other drawing materials available. That this may be the case is indicated by the fact that all of the cigarette packs were in the possession of Mondrian’s sponsor Harry Holtzman, who was waiting for the artist at the pier in New York. With the aid of the packs, which can be folded and unfolded – let us recall Duchamp’s Boîte-en-valise – Mondrian was evidently experimenting with the relationship between deepening horizons and verticals running through them. The transatlantic crossing into exile, which at first glance appears to be a negligible blank space in the biographies of many artists, in reality turns out to be an existential experience described in equal measure by psychologists, philosophers and writers. The task remains

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12 Piet Mondrian: Composition with Yellow, Blue and Red, 1939–1942, oil on canvas, 72,5 × 69 cm, London, Tate Gallery

13 Piet Mondrian: Sketches on cigarette packet, ca. 1938–1940, pencil on paper, 9,8 × 10 cm, New York, Mondrian Estate / Holtzman Trust

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14 Casablanca, directed by Michael Curtiz, 1942, film still (title strip)

for researchers of the avant-garde and exile to turn our attention to this concrete, physical dislocation and explore its psychological effects on the aesthetic process. The examples selected here, reveal new insights into the genesis and interpretation of works of art. But not only do works of art tell us the story of their creation. Sometimes it is a small, long-since forgotten tangential object – a card, a photo, a suitcase or a pack of cigarettes – that enables us to understand a great work of art to begin with. But now we need a Happy Ending. We began with a map and a French propaganda game. Let us therefore conclude with a map and an American propaganda film. A star-studded cast, a thrilling love story, a setting as exotic as it is glamorous, melodramatic scenes and the triumph of idealism over cynicism. But the film, made in 1942, is above all a magnificent answer to Fascism by Hollywood |fig. 14|. It conveyed the drama of the refugees to the American public, and explained to this public why it should go to war for freedom and equality, and to stand by the side of de Gaulle – and not Pétain’s. The film is called Casablanca.

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This essay, an initial excerpt from a book project, arose during a fellowship at the Getty Research Institute in Los Angeles as part of the Scholars Program 2013–2014 »Connecting Seas: Cultural and Artistic Exchange«. I wish to express my heartfelt thanks to Thomas W. Gaehtgens, Alexa Sekyra and Raquel Zamora. English translation by Edith C. Watts. 1 Jeu de l’Empire français (verso); Course de l’Empire français (recto), Vichy, Editions Centre d’information et de renseignements, 1941, Los Angeles, The Getty Research Institute: »Le Maréchal offre à deux jeunes français un voyage du monde, en passant par les colonies de l’Empire, et en utilisant les lignes maritimes et aériennes françaises. […] Maréchal Pétain: mène sûrement à bon port, c’est a dire au Havre.« See Alice L. Conklin and Julia Clancy-Smith: Writing Colonial Histories, in: French Historical Studies 27-3/2004, pp. 497–505. 2 Hans Natonek: Letzter Tag in Europa, in: Aufbau, April 4, 1941: »Malstrom einer kontinentalen Evakuierung«. 3 Françoise Forster-Hahn: Max Beckmann in California: Exile, Memory, and Renewal, in: Caught by politics. Hitler exiles and American visual culture (ed. by Sabine Eckmann and Lutz Koepnick), New York 2007, pp. 17–31, p. 19. 4 See León Grinberg and Rebeca Grinberg: Psychoanalytic Perspectives on Migration and Exile, New Haven and London 1989; R. Horacio Etchegoyen: Una Semblanza de Léon Grinberg (1921–2007), in: Revista Latinoamericana de Psicoanálisis 8/2008, pp. 213–219 (http://fepal.org/images/2008REVISTA/ obituario2008.pdf; February 20, 2014). 5 Letter from Marcel Duchamp to Walter Arensberg, September 30, 1940: »Pouvez vous faire démarches à Washington pour qu’on m’accorde un visa (temporary visitor) de 6 mois? transmis au Consulat américain de Marseille. Raisons: commande ferme d’une décoration – garantie de ma subsistance pour six mois – signature légalisée (notary public)«, in: Affectionately Marcel. The selected correspondence of Marcel Duchamp (ed. by Francis M. Naumann and Hector Obalk), Ghent 2000, p. 223. 6 Letter from Victor Brauner to René Char, April 7, 1941, in: Victor Brauner: Ecrits et correspondances, 1938–1948. Les archives de Victor Brauner au Musée national d’art moderne (ed. by Camille Morando and Sylvie Patry), Paris 2005, p. 374. 7 Letter from Victor Brauner to André Breton, October 14, 1941, ibid., p. 376: »[…] pourtant il était de toute importance que je quitte Europe avant cet hiver et j’avais la possibilité d’obtenir un visa.« 8 Letter from Victor Brauner to Robert Rius, summer or fall 1943, and August 22, 1944, ibid., p. 247: »Il fallait aussi se cacher. Ceci ne vous dit rien? Alors le 13 janvier exactement expirait mon séjour, j’étais allé à Perpignan comme d’habitude; à la préfecture on m’a dit qu’il fallait aller au ›C de C‹ [camp de concentration].« 9 Letter from Marcel Duchamp to Victor Brauner, May 9, 1942, ibid., p. 187: »C’est votre tour et je ferai mon possible pour que Barr et Peggy tournent toutes les difficultés.« 10 Letter from Marcel Duchamp to André and Henriette Gomès, May 29, 1942, ibid., p. 185: »Dites toutes mes amitiés à Brauner et Hérold. Je garde un souvenir ému de nos jours à Marseille et espère vous voir un jour de l’autre côté.« 11 Letter from Man Ray to Adrienne Fidelin, August 19, 1940, Los Angeles, The Getty Research Institute.

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12 See Foucault’s conference at the Cercle d’études architecturales, March 14, 1967, published as Michel Foucault: Des espaces autres, in: id.: Dits et écrits [1984], vol. 4, no 360, pp. 752–762, Paris 1994. 13 Claude Lévi-Strauss: Tristes Tropiques, Paris 1955, p. 19: »gardes mobiles, casqués et mitraillette au poing qui encadrait le quai et coupaient les passagers de tout contact avec les parents ou amis venus«; English translation by John Russell, New York 1961, p. 25. 14 Letter from George Grosz to Eva Grosz, May 27, 1932, in: George Grosz: Briefe 1913–1959 (ed. by Herbert Knust), Reinbek bei Hamburg 1979, pp. 133–134, p. 133. 15 See André Breton: Eaux Troubles, in: id.: Œuvres complètes, vol. 3, Paris 1999, p. 386: »Dans ce long sillage d’un mois depuis le départ de Marseille se dissipe enfin tout ce que la vie à bord du Capitaine-PaulLemerle a pu offrir de malaisé, de précaire, quand ce n’est pas d’inutilement odieux«; Victor Serge: Memoirs of a Revolutionary, New York 2012, p. 429. 16 Letter from Max Beckmann to Minna Beckmann-Tube, September 3, 1947 (on board of the Westerdam): »[Ich ging] bedenklich lustig schief wackelnd mit viel Cognac im Bauch durch den Riesendschungel der schwarzen Wolken […] spazieren«, in: Max Beckmann seiner Liebsten. Ein Doppelportrait. Briefwechsel zwischen Minna Beckmann-Tube und Max Beckmann, Ostfildern 2005, p. 106. 17 Lévi-Strauss 1955, p. 20: »au cours de cet interminable voyage, […] où nous discutions des rapports entre beauté esthétique et originalité absolue«. 18 See Valerie Popp: »Aber hier war alles anders …« Amerikabilder der deutschsprachigen Exilliteratur nach 1939 in den USA, Würzburg 2008. 19 New-York vu par F. Léger, in: Cahiers d’art 6/1931, pp. 437–439, p. 437. 20 Letter from Max Beckmann to Minna Beckmann-Tube, Saint Louis, October 13, 1947: »Aber die Häuser – !! sehen alle aus als ob sie die Mammut-Krankheit hätten es hört einfach nicht wieder auf nach oben und man geht wie im tiefsten Tal der Alpen spazieren«, in: Max Beckmann seiner Liebsten 2005, pp. 106–108, p. 107. 21 Letter from Max Beckmann to J. B. Neumann, Paris, May 1, 1939, in: Max Beckmann und J. B. Neumann. Der Künstler und sein Händler in Briefen und Dokumenten 1917–1950 (ed. by Ursula Harter and Stephan von Wiese), Cologne 2011, p. 245. On Max Beckmann and America see Françoise Forster-Hahn: Max Beckmann in Kalifornien. Exil, Erinnerung und Erneuerung, Munich 2007; Anabelle Kienle: Max Beckmann in Amerika, Petersberg 2008; Beckmann & America (ed. by Jutta Schütt) exhibition catalog, Städel Museum, Frankfurt am Main 2011. 22 Letter from Max Beckmann to Curt Valentin, December 14, 1946: »Geist […] auf Reisen«; Max Beckmann: Briefe, vol. 3 (ed. by Klaus Gallwitz, Uwe M. Schneede and Stephan von Wiese), Munich 1996, p. 140. 23 Max Beckmann: Tagebuch, September 10, 1947, in: Max Beckmann: Tagebücher 1940–1950 (ed. by Erhard Göpel), Munich and Zürich 21987, p. 220: »Besichtigung von Tryptic im Modern Art Museum wo Tryptic mich selbst tief bewegte.« 24 See letter from Max Beckmann to Minna Beckmann-Tube, May 16, 1947: »Ob ich auf einige Monate nach Amerika gehe ist auch noch unsicher, kann aber natürlich auch mal schlagartig kommen», in: Max Beckmann seiner Liebsten 2005, pp. 104–105, p. 104. 25 Letter from Max Beckmann to Stephan Lackner, 1st half of August 1947: »Mir ist ein bischen komisch über meine neue Verwandlung, aber trotzdem. Es muß seien und gehört zu meinem Lebensprogram [sic], bin gespannt wo meine Odyssee mal enden wird«, in: Beckmann 1996, p. 177.

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26 See Franz Kafka: Amerika [1911–1914], Munich 1927; English translation [1949], London 2005, p. 12 ff. 27 León Grinberg and Rebeca Grinberg: Psychoanalyse der Migration und des Exils, Stuttgart 1990, p. 85; this paragraph is not included in the English translation. 28 Benjamin had previously left Klee’s celebrated water color Angelus Novus, which had accompanied him in 1933 on his flight from Berlin to Paris, in a suitcase with a friend, after he had cut the painting out of its frame at the last minute. 29 See The Mexican suitcase. The rediscovered Spanish civil war negatives of Capa, Chim and Taro (ed. by Cynthia Young), exhibition catalog, International Center of Photography, New York 2010, 2 vols. 30 Letter from Marcel Duchamp to André Gomès, May 29, 1942, in: Marcel Duchamp, Hans Bellmer, Man Ray; André Breton, Nelly Kaplan, Philippe Soupault, auction catalog, Hôtel Drouot, Paris 1999, n° 143, p. 66. 31 James Johnson Sweeney: »A Conversation with Marcel Duchamp«, filmed interview in the Arensberg rooms at the Philadelphia Museum of Art, 1955, in: The complete works of Marcel Duchamp (ed. by Arturo Schwarz), New York, 3rd ed. 1993, 2 vols., vol. 2, n° 484, p. 762. 32 See Benjamin Buchloh: The Museum Fictions of Marcel Broodthaers, in: Museums by Artists (ed. by A. A. Bronson and Peggy Gale), Toronto 1983, p. 45: »[With it, Duchamp] also changes the role of the artist as creator to that of the collector and conserver, who is concerned with the placement and transport, the evaluation and institutionalization, the display and maintenance of a work of art.« 33 View 7–8/1941, p. 5. 34 Artist Descending to America, in: Times, September 7, 1942, pp. 100–102, p. 102. 35 Henri-Pierre Roché reports on the sale: »Pour Peggy Guggenheim ce No 1 de vingt boîtes-en-valise contenant chacune 69 items et un original et par Marcel Duchamp Paris Jan 1941«, in: Ecke Bonk: Marcel Duchamp, the Box in a Valise de ou par Marcel Duchamp ou Rrose Selavy, New York 1989, p. 164. 36 Art of this century. Objects, drawings, photographs, paintings, sculpture, collages, 1910 to 1942 (ed. by Peggy Guggenheim), New York 1942, p. 59. 37 Vilém Flusser: Exil und Kreativität, in: Spuren 9/1984–1985; see The Freedom of the Migrant. Objections to Nationalism (ed. by Anke Finger), Champain 2003. 38 See Piet Mondrian, 1872–1944 (ed. by Yves-Alain Bois), exhibition catalog, Haags Gemeentemuseum, Den Haag / National Gallery of Art, Washington / Museum of Modern Art, New York 1994, p. 73. 39 Letter from Piet Mondrian to Ben Nicholson, October 1, 1939, in: Sophie Bowness: Mondrian in London: Letters to Ben Nicholson and Barbara Hepworth, in: Burlington Magazine 132–1052/1990, pp. 782–788, p. 784. 40 Ibid. 41 See letter from Piet Mondrian to Winfred Nicholson, July 4, 1940, in: Unknown colour. Paintings, letter, writings by Winifred Nicholson, London 1987, p. 113. 42 See Mondrian. The Transatlantic Paintings (ed. by Harry Cooper and Ron Spronk), exhibition catalog, Harvard University Art Museums, Cambridge, Mass. 2001, p. 120.

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43 Letter from George Grosz to Otto Schmalhausen, July 14, 1932: »Wer wäre nicht überwältigt, wenn man zum ersten Mal einfährt und hinten im Dunst taucht die skyline auf, das bestätigt sogar mancher europäischer Esel – und dann näher und näher – da öffnet sich der Broadway wie eine Spalte, und die Türme der Häuser dringen ins überwältigte Auge. Eine neue, unerhörte Welt«, in: Grosz 1979, pp. 147–148, p. 148. 44 Sidney Janis: School of Paris comes to U.S., in: Decision 5–6/1941, pp. 85–95, p. 90; see Winifred Nicholson: Reminiscences of Mondrian: »›Look‹, he continued, ›how they pass, they pass, they pass, cutting the horizon here, and here, and here.‹ My hand moved as if to touch them, as they passed by out of the window of the flying train, and I realized that what delighted him were the telegraph poles – the verticals that cut the horizontal of the horizon«, quoted after http://www.snap-dragon.com/ PMStudioInt.html; February 20, 2014. 45 Flusser 2003, p. 108.

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REGISTER

Abbo, Jussuf 267 Abdülmecid I. 111 Achill 37 Aciman, André 245 Albers, Josef 179 Alberti, Leon Battista 273 Alcalá, Herzog von, siehe Ribera y Enríquez, Fernando Afán de Alexander der Große 50, 52, 57, 59 Amici, Felici de 49, 59, 60 Ammiraglio, Maria dell’ 54 Amor 29, 30 Andre, Carl 175, 177–179 Anger, Jenny 136 Antonius, Heiliger 257 Apelles 49, 50, 52, 53, 55, 57–60, 74, 76, 77, 80 Aphrodite 52, 58 Aphrodite Anadyomene 53 Apollon 59 Arensberg, Walter 287 Armenini, Giovanni Battista 76 Arosa, Gustave 17 Arp, Hans 223, 244, 245 Arp, Jean 224

Arundel, Herzog von, siehe Howard, Thomas Asher, Michael 175 Athene 37, 58 Auerbach, Erich 270 Augustus, Kaiser 59 Azzolino, Giovan Bernardino 51, 55 Baargeld, Johannes Theodor 245 Baldinucci, Filippo 208 Barr, Alfred 258, 287, 290 Barrey, Fernande 163 Barthes, Roland 181, 182 Baumeister, Willi 229 Bayer, Herbert 232, 233 Beau, William 76 Beckmann, Max 154, 250, 284, 288–292 Beckmann-Tube, Minna 292 Bellini, Gentile 6 Bellori, Giovanni Pietro 80 Benjamin, Walter 293 Bermingham, Ann 73 Biffart, Max 204 Bihalji-Merin, Oto 266 Birdwood, George 146, 147

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Blake, William 267 Bochner, Mel 179 Bode, Wilhelm von 144, 145 Bøgh, Erik 122 Bois, Yve-Alain 181, 225 Borghini, Vincenzo 37, 38 Born, Derich 77, 78 Bos, Cornelis 31, 32, 33 Boscoli, Andrea 208, 209 Bossanyi, Ervin 278 Bousquet, Joë 257, 259 Braithwait, Richard 73, 74 Braque, Georges 155, 164 Brauner, Victor 287 Breton, André 162, 245, 246, 253, 254, 256, 287, 288, 295 Brune, Jan de 76 Buckingham, Herzog von, siehe Villiers, George Buren, Daniel 175 Burke, Peter 18 Cadere, André 175 Calder, Alexander 179 Campaspe 52 Capa, Robert 293 Carducho, Vicente 56 Carrà, Carlo 161 Carrington, Leonora 243, 250 Casparius, Hans 278 Cassirer, Paul 266 Castiglione, Baldassare 72–77, 80 Cervantes, Miguel de 58 Chagall, Marc 11, 222, 225, 229 Charles I, siehe Karl I., König von England Charles II, siehe Karl II., König von England Chénieux-Gendron, Jacqueline 243 Chirico, Giorgio de 160–162 Christus 49, 50, 55, 69 Christian VIII., König von Dänemark 112–114, 117–120, 122 Ciompi, Luigi 284 Clifton, John 50, 58 Constable, William G. 180 Corfey, Lambert Friedrich 101 Corot, Camille 121 Courbet, Gustave 153 Curtiz, Michael 301 Dahl, Carl 118, 120 Dahl, Johan Christian 114 Dalí, Salvador 162 Darboven, Hanne 179 Däubler, Theodor 132, 134, 135, 148 De Dominici, Bernardo 51

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De Maria, Walter 179 Delacroix, Eugène 8, 137 Delaroche, Paul 119 Delaunay, Robert 137, 138, 140, 142, 148 Derain, André 166 Diana 58 Dion, Mark 174 Doesburg, Theo van 223, 224 Doyle, Richard 194–196, 198, 200, 201, 208–211 Drachmann, Holger 124 Dreger, Moriz 145 DuCane, Edmund F. 200–205, 211, 212 Duchamp, Marcel 10–12, 243, 287, 294–296, 298 Dürer, Albrecht 76, 77, 80 Dwan, Virginia 181 Dyck, Anthonis van 65–68, 71–80

Eckersberg, Christoffer Wilhelm 107, 110–112, 114–116, 124 Eckhout, Albert 8 Eduard VI., König von England 69 Edward VI, siehe Eduard VI., König von England Ehrenburg, Ilya 224 Elisabeth I., Königin von England 69, 70 Elizabeth I, siehe Elisabeth I., Königin von England Elstrack, Renold 75 Eluard, Paul 243, 245, 246, 250 Englman, Edmund 132 Ernst, Jimmy 244, 259 Ernst, Loni 259 Ernst, Max 11, 241–260 Ernst, Philipp 244 Espagne, Michel 17 Eva 249 Eyck, Jan van 6 Falk, Sally 153 Fane, Francis Henry William 199 Feininger, Lyonel 289 Félibien, André 89, 92 Felton, John 75 Fidelin, Adrienne 288 Fischer, Konrad 177–180 Flavin, Dan 179 Flechtheim, Alfred 153, 154, 159–161, 163, 164, 166 Flusser, Vilém 11, 243, 245, 296, 299 Fontana de Zappis, Lavinia 57, 58 Fontane, Theodor 108 Forster-Hahn, Françoise 284 Foucault, Michel 15, 288

Foujita, Tsuguharu 163 François I, siehe Franz I., König von Frankreich Franz I., König von Frankreich 58, 59 Freud, Lucian 278 Freud, Sigmund 131–134, 148, 245, 278 Friedrich I., König von Preußen 100 Friedrich, Caspar David 113, 114, 118, 124 Friedrich, Heiner 179, 180 Friesz, Othon 155 Fry, Maxwell 268, 269 Fry, Varian 250, 285 Gabo, Naum 225, 227–229 Garrigues, André 147 Gauguin, Paul 8, 16–18, 137, 142, 155 Gaulle, Charles de 301 Gérôme, Jean-Léon 8 Gertner, Johan Vilhelm 118 Giambologna, Giovanni da Bologna, genannt 35, 36, 38 Gidal, Tim 270, 271 Giedion-Welcker, Carola 248 Gillray, James 267 Giorgione, Giorgio da Castelfranco, genannt 68 Goethe, Johann Wolfgang von 147, 148 Goldschmidt, Meîr Aaron 121, 124 Goltzius, Hendrick 75, 79 Gomès, André 286, 287, 294 Gomès, Henriette 287 Goncharova, Natalia 221, 229 Gonsalvus, Antonietta 58 Gray, Camilla 221 Green, Renée 174 Greil, Alois 209, 211 Grinberg, León 286 Grinberg, Rebeca 286 Gropius, Walter 11, 268, 269, 276 Grosz, Eva 162 Grosz, George 11, 13, 153–166, 250, 266, 288, 299 Grosz, Peter 160 Grünewald, Matthias 255 Gudin, Theódore 119 Guevara, Luis Vélez de 58 Guggenheim, Peggy 250, 253, 287 Guggenheim, Solomon R. 175 Hafis 148 Hannover, Emil 111 Hare, David 253 Harington, John 78, 79 Hausenstein, Wilhelm 135 Hausmann, Raoul 224 Heartfield, John 266, 275

REGISTER

Heemskerck, Maarten van 28–32, 39 Heinrich VIII., König von England 71, 73, 74 Henrietta-Maria, Königin von England 71 Henry VIII, siehe Heinrich VIII., König von England Henry Frederick Stuart, Prince of Wales 71, 78, 80 Hérold, Jacques 243, 287, 288 Herrmann, Friedrich H. 278 Hillary, Edmund 176 Hilliard, Nicholas 69, 70 Hitchcock, Henry-Russel 268 Hitler, Adolf 248, 267, 279, 290 Höch, Hannah 224 Höfer, Candida 2 Hogarth, William 209, 210, 267 Holbein, Hans 73, 74, 77–80 Hollar, Wenceslaus 76 Holtzman, Harry 299, 300 Homer 37 Howard, Thomas 71, 75, 76 Høyen, Niels Lauritz 107, 109, 111, 116–119, 122, 124 Hugo, Victor 124 Humfrey, John H. 204 Isabey, Eugène

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Jäggi, Ernst 141 Jakob I., König von England 71, 72, 75 Jakobus, Protevangelist 54 James I, siehe Jakob I., König von England Jaretzki, Hans 278 Jarrassé, Dominique 18 Johann Adolf I., Herzog von Sachsen-Weißenfels 87, 88 Johnson, Philip 268 Jones, Inigo 71, 194–196, 198 Judas 69 Judd, Donald 174, 176 Junius, Franciscus 75–78 Kafka, Franz 292, 293 Kandinsky, Wassily 137, 140, 141, 146, 225 Karl I., König von England 7, 65, 66, 68, 71–73, 75, 76, 78, 80 Karl II., König von England 78 Karl V., Kaiser 50 Kawara, On 1, 2, 3, 12, 174, 175 Kerr, Alfred 278 Kerr, Judith 278 Khardzhiev, Nikolai 221 Klee, Lily 137 Klee, Paul 8, 131–143, 146–148, 154

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Kokoschka, Oskar 266 König, Kasper 1, 2, 177 Koyanagui, Sei 163 Krems, Eva-Bettina 18 Kuhn, Alfred 154 Kühnel, Ernst 145 Kurth, Julius 140 Kwon, Miwon 183 Kyhn, Vilhelm 114 Lam, Wifredo 287 Lampsonius, Dominicus 39 Larionov, Mikhail 222 Larkin, William 71 Larsen, Emanuel 114, 120 Ledoux, Claude-Nicolas 273 Leemput, Remigius van 74 Léger, Fernand 289 Lehmbruck, Wilhelm 257 Leiris, Michel 243 Lely, Peter 78 Lemerle, Paul 288, 289 Lenya, Lotte 248 Leonardo da Vinci 54, 55 Lévi-Strauss, Claude 288 Levy, Julien 257, 259 Levy, Rudolf 159 LeWitt, Sol 179 Liebknecht, Karl 226 Lissitzky, El 219–227, 229, 231–234 Lissitzky-Küppers, Sophie 221, 222, 224 Lomazzo, Giovanni Paolo 76 Lope de Vega, Félix 58 Lorant, Stefan 270, 271 Lorrain, Claude 4, 5 Louis XIII, siehe Ludwig XIII., König von Frankreich Louis XIV, siehe Ludwig XIV., König von Frankreich Lubetkin, Berthold 268 Ludwig XIII., König von Frankreich 71 Ludwig XIV., König von Frankreich 78, 87–89, 99 Lund, Johann Ludvig Gebhard 114 Lundbye, Thomas 108, 109 Luxemburg, Rosa 226 Maciunas, George 180 Macke, August 131, 140–143, 146, 148, 244 Mackenzie, John 136 Maria 55 Maes, Evert van der 68 Magritte, René 162, 273 Mahler, Anna 279

310 REGISTER

Mal Lara, Juan de 59 Malewitsch, Kasimir 221, 222 Man, Felix H. 270, 271 Mander, Carel van 28, 39 Mangin, Auguste 204 Mann, Thomas 288 Marc, Franz 141 Maria 54, 55, 60 Mars 7 Martínez, Jusepe 56, 57, 60 Masson, André 11, 246, 287 Matisse, Henri 8, 10, 140, 155, 164–166 Matta, Roberto 257 Majakowski, Wladimir 221 McEvilly, Thomas 181 Medici, Francesco I. de’ 38 Mehmed II., Sultan 6 Meidner, Else 267 Meidner, Ludwig 266–268 Meier-Graefe, Julius 136, 137, 145 Melbye, Daniel Herman Anton 107, 108, 111–125 Melbye, Fritz 121 Melbye, Vilhelm 120 Mendelsohn, Erich 268 Meyer, James 174, 183 Michelangelo 4, 28 Mies van der Rohe, Ludwig 11, 276 Miller, Henry 241 Minerva 7, 37–39 Modena, Nicoletto da 59 Moholy, Lucia 270 Moholy-Nagy, László 225, 229, 271–275, 277 Moilliet, Louis 131, 132, 141, 146 Møller, Peder Ludvig 113, 114, 116 Mondrian, Piet 11, 14, 225, 229, 296–300 Müller, Adam 118 Müller, Christian Phillip 174 Müller, Sigurd 117, 118 Münter, Gabriele 141 Napoleon I. 197, 252, 253 Napoleon III. 111, 121, 201 Nash, Paul 275 Nassau-Siegen, Johann Moritz von 8 Neumann, Israel Ber 290 Newton, Harry Robert 198–200, 212 Newton, William John 199 Nicholson, Ben 296 Nisbet, Peter 225 Nolde, Emil 8, 9, 11 Oberthur, Gustav 19 Octavius, siehe Augustus, Kaiser Oranien, Frederik Hendrik, Prinz von

76

Orange, Frederick Henry, siehe Oranien, Frederik Hendrik, Prinz von Orlik, Emil 275 Ostrander, Tobias 181 Pacheco, Francisco 56, 59 Palermo, Blinky 179 Paperny, Vladimir 225 Pascin, Jules 155 Peacham, Henry 75 Peake, Robert 71, 78–80 Penrose, Roland 163, 251 Penrose, Valentine 163 Pérelle, Adam 97 Perugino, Pietro 74, 75 Peruzzi, Baldassare 30, 31, 32 Pétain, Philippe 283, 284, 301 Philipp IV. 7, 78 Philipps, Watts 198 Picabia, Francis 10, 162 Picasso, Pablo 137, 164–166 Pietzsch, Heiner 255 Pietzsch, Ulla 255 Pissarro, Camille 121 Pitzler, Christoph 87–102 Plinius 57 Plutarch 59 Pollock, Jackson 254 Posse, Hans 229 Post, Frans 8, 9 Pousão-Smith, Maria-Isabel 76, 77 Poussin, Nicolas 4 Pritchard, Jack 269 Protogenes 76, 77 Puni, Ivan 225 Radetzky von Radetz, Josef Wenzel 199 Raffael 4, 29, 30, 72, 73 Ray, Man 162, 288 Read, Herbert 266 Remarque, Erich Maria 259 Rembrandt 68 Renoir, Pierre-Auguste 142 Ribera y Enríquez, Fernando Afán de 47, 49–51, 57–59 Ribera, José de 47–60 Richter, Gerhard 179 Richter, Hans 223, 224, 250 Richter, Johann Moritz d. J. 88 Ricke, Rolf 177, 179 Riegl, Alois 144 Ripa, Cesare 193 Ristic, Marko 243 Romburgh, Sophie van 76

REGISTER

Rosenthal, Hans Werner 278 Roßmann, Karl 292 Rotterdam, Erasmus von 58, 59, 77 Rubens, Peter Paul 7, 71–73 Rucker, Thomas 297 Rudolf II., Kaiser 27, 28, 40 Ruskin, John 146, 191 Ruthenbeck, Reiner 179 Sandrart, Joachim von 72 Said, Edward W. 15, 17, 136, 140, 219 Sala, George Augustus 206, 207, 212 Sandback, Fred 171–176, 178, 179, 181–183 Sanmicheli, Michele 204 Sarre, Friedrich 145 Scala, Arthur von 144 Schapire, Rosa 266 Schleger, Hans 271, 274–277 Schlemmer, Oskar 229 Schmalhausen, Otto 155, 158 Schmela, Alfred 179 Schmidt-Rottluff, Karl 266 Schneede, Uwe M. 247 Schwitters, Kurt 11, 223, 266 Sélavy, Rrose, siehe Duchamp, Marcel Serge, Victor 287, 288 Serra, Richard 174, 177 Shakespeare, William 58, 197 Shterenberg, David 227 Sidney, Philip 76 Silvestre, Israël 97 Simonsen, Niels 118 Sintenis, Renée 154 Sladen, Douglas 147 Smithson, Robert 174, 175, 179 Spicer, Joaneath 67 Spies, Werner 248, 257 Spitzer, Serge 1 Stalin, Joseph 231 Stam, Mart 223 Stanley, Edward Geoffrey Smith 200 Stern, Grete 270 Stockhausen, Karlheinz 180 Strecker, Paul 159 Strodtmann, Adolf 111 Strong, Roy 78 Sturm, Leonhard Christoph 101 Sutherland, Graham 275 Sweeney, James Johnson 251 Tanguy, Yves 246 Tanning, Dorothea 251, 255, 257, 258 Targone, Cesare 38 Tatlin, Wladimir 221

311

Taylor, Tom 198 Tessenow, Heinrich 229 Tessin, Nicodemus d. J. 101 Thetis 37 Thorvaldsen, Bertel 107, 112, 113 Tizian 4, 50, 52, 53, 67, 68, 71, 77, 78, 80 Torquatus, Titus Manlius 79 Trenkwald, Hermann 146 Trier, Eduard 241 Tubervile, George 79 Tuchman, Phyllis 179, 180 Turner, William 118, 191, 192 Tzara, Tristan 162, 243 Vasari, Giorgio 36–39, 56, 76, 77, 204 Vaughan, Robert 74 Vecellio, Tiziano, siehe Tizian Velázquez, Diego 78 Ventura, Magdalena 47, 49, 50, 52–55, 57–60 Venus 29, 30, 32 Vergil 30, 37 Vermehren, Frederik 120 Verne, Jules 283 Vernet, Horace 119 Videla, Jorge Rafael 286 Villiers, George 71, 73, 75

312 REGISTER

Vinci, Leonardo da, siehe Leonardo da Vinci Viot, Jacques 243 Vossius, Gerardus 76 Vries, Adriaen de 27, 31–36, 39 Vulkan 28–31, 33–39 Waldberg, Patrick 254 Waldburg, Otto Truchsess von 297 Walden, Herwarth 137 Warburg, Aby 15 Waschkowski, Jörg 181 Weilbach, Philip 124 Weissenborn, Hellmuth 278 Werner, Michael 17, 18 Westmoreland, Herzog von, siehe Fane, Francis Henry William Wiborg, Karsten Friis 114–116, 118 Wolff, Kurt 293 Wotton, Henry 69, 76 Young, LaMonte

179

Zazela, Marianne 179 Zeiller, Martin 193 Zimmermann, Bénédicte 18 Zwirner, Rudolf 179

ABBILDUNGSNACHWEIS

Archiv der Autor/in: 135, 144, 147, 195–198, 202, 205, 208, 211, 270, 284, 287, 293, 301; Augsburg, Diözesanmuseum St. Afra: 297; Basel, Öffentliche Kunstsammlung, Kupferstichkabinett: 139; Berlin, Staatliche Museen, Gemäldegalerie: 5; Berlin, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten BerlinBrandenburg: 91, 93, 94, 96, 98, 99; Bern, Zentrum Paul Klee: 133; Blois, Musée des Beaux-Arts: 58; Cambridge, Harvard University Library: 285; Den Haag, Gemeentemuseum: 14; Edinburgh, National Gallery of Scotland: 53; Eindhoven, Van Abbemuseum: 221, 223; Estate of Fred Sandback, Archive (2015): 172, 173, 178, 182; Estate of George Grosz, Princeton N.J. / VG Bild-Kunst, Bonn 2015: 13, 154, 157, 158, 160, 161, 165; Florenz, Museo degli Argenti: 38; Florenz, Uffizien: 36; Frankfurt, Jüdisches Museum: 268; Hamburg, Kunstgeschichtliches Seminar der Universität: 2, 17, 30, 31, 36, 54, 74, 110, 194, 269; Hamburger Kunsthalle: 123, 125, 138; Hannover, Jörg Waschkowski: 181; Kopenhagen, Den Hirschsprungske Samling: 115; Kopenhagen, Nationalmuseum: 8; Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, Kongelige Kobberstiksamling: 32; Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, SMK Foto: 109, 117, 121; Kopenhagen, Thorvaldsens Museum: 113; L’Aquila, Museo Nazionale d’Abruzzo: 53; Liverpool, Walker Art Gallery: 70; London, British Museum: 75; London, Courtauld Gallery: 73; London, Freud Museum: 132; London, National Gallery: 6, 7, 67; London, Tate Gallery: 192, 228, 300; London, Transport Museum: 274, 275, 276; Los Angeles, Getty Research Institute: 227, 232, 233; Luxembourg, Musée national d’histoire et d’art: 193; Moskau, Russian State Archive of Literature and Art: 230, 234; München, Alte Pinakothek: 9; München, Bayerisches Nationalmuseum: 34, 35; Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte: 143; New Haven, Yale University, Beinecke Rare Book Library: 74; New York, Metropolitan Museum of Art: 79; New York, Mondrian Estate / Holtzman Trust: 300; Paris, Bibliothèque Historique de la Ville: 97; Paris, Bibliothèque Nationale: 59; Paris, Musée d’Orsay: 16; Paris, Musée du Louvre: 66, 72; Prag, Národní Galerie: 29; Privatbesitz: 18, 116 (Foto: Dirk Dunkelberg), 120 (Foto: Dirk Dunkelberg); Rotterdam, Museum Boymans-Van Beuningen, Prentenkabinet: 33; Schottland, Drumlanrig Castle: 55; Seebüll, Nolde Stiftung: 11; Stockholm, Moderna Museet: 134; Sucession H. Matisse / VG Bild-Kunst,

313

Bonn 2015: 10; Sucession Marcel Duchamp / VG Bild-Kunst, Bonn 2015: 12, 294, 296, 298; The Estate of Robert Smithson, VG Bild-Kunst, Bonn 2015: 175. The Hague, Theo van Doesburg Archive, Rijksdienst Beeldende Kunst: 224; Toledo, Hospital de Tavera : 48, 49; VG Bild-Kunst, Bonn 2015: 177, 242, 247–250, 252, 253, 255, 256, 258, 272–274, 290, 291, 289; Washington, Hirshhorn Museum and Sculpture Garden: 3; Wien, Albertina: 212; Windsor Castle, Royal Collection: 78; Zürich, J&P Fine Art Gallery: 137.

314 ABBILDUNGSNACHWEIS

ISBN 978-3-05-005091-1 e-ISBN (PDF) 978-3-05-009021-4 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-037988-4

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