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German Pages 267 [272] Year 1969
HAMBURGER R O M A N I S T I S C H E STUDIEN Herausgegeben vom Romanischen Seminar der Universität Hamburg
B. IBERO-AMERIKANISCHE REIHE (Fortsetzung der „Ibero-amerikanischen Studien") Herausgegeben von Hans Flasche und Rudolf Grossmann Band 32 = CALDERONIANA — Herausgegeben von Hans Flasche Band 3
Pictura
poesis:
Carducho,
Vicente,
Diálogos
Vgl. S. 153 !.
de la pintura:
Madrid,
1633, p. 64.
HELGA BAUER
Der Index Pictorius Calderóns Untersuchungen zu seiner Malermetaphorik
e KOMMISSIONSVERLAG: CRAM, DE GRUYTER & CO. HAMBURG 1969
Gedruckt mit
Unterstützung
der
Joachim
Jungius-Gesellschaft
Hergestellt bei Ludwig Appel & Soha, Hamburg Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort I. EL PINTOR DE SU DESHONRA, auto sacramental 1. Die vi si o Luzifers a) in „EI pintor de su deshonra" b) in anderen zum Vergleich herangezogenen Dramen aa) „EI divino Orleo (prim. red.)" bb) „EI divino Orleo (seg. red.)" cc) „EI veneno y la triaca" dd) „La cura y la enfermedad" ee) „Amar y ser amado y divina Pilotea" ff) „El pleito matrimonial del cuerpo y del alma" gg) „El pastor ¡ido" hh) „La primer flor del Carmelo" ii) „El gran duque de Gandía" 2. Die i mag o de i in Naturaleza Humana 3. Die Deus — pictor — Allegorie
7 11 13 24 28 29 31 34 35 36 37 38 39 46
II. (A) LA AURORA EN COP ACABAN A, drama religioso 55 1. Der Künstler und die i d e a 55 2. Kenntnis der Wissenschaften als Voraussetzung für die Malerei 68 3. Wiedergabe der Schönheit Marias 73 4. Die Forderung der decencia bei der Darstellung religiöser Bildinhalte 77 5. Das religiöse Bild und die devoción 83 6. Das Verhältnis von Malerei und Plastik 86 (B) LA AURORA EN COPACABAN A (Ergänzung durch EL SANTO REY DON FERNANDO, seg. parte) 89 1. Das Bildnis de Ja Antigua 89 2. Die Bühnendarstellung der Marienvision 90 3. Das Bildnis de los Reyes 92 (C) LA AURORA EN COP ACABAN A (Ergänzung durch ORIGEN, PÉRDIDA Y RESTAURACION DE LA VIRGEN DEL SAGRARIO) 96 (D) LA AURORA EN COPACABAN A (Ergänzung durch A MARIA EL CORAZÓN) 102 1. Lukas als Maler der Madonna 103 2. Archiropoilten 105
5
III. DARLO TODO Y NO DAR NADA, drama
109
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
109 116 123 126 136 139 145 151 162
Das Motiv des Sich-verliebens in ein Porträt Die Malerei als erste Kunst unter den a r t e s i i b e r a 1 e s Die Geringschätzung der Malerei in Spanien Die discreción und der decoro Die Ähnlichkeit von Porträt und Original Die Darstellung der Affekte Die Darstellung der Schönheit Die Verwandtschaft der Malerei mit den anderen Künsten Die Bilderwelt der memoria IV.
EL PINTOR DE SU DESHONRA, drama
167
1. 2. 3. 4. 5. 6.
168 171 173 176 179 183
Die Wirkung der Malerei auf das Gemüt Der noble als Dilettant der Malerei Die Nachahmung der Natur Das Bildnis in der Sprache der Liebenden Das Emblem der Eifersucht Perspektivische Bildgestaltung
EXKURSE zur Bedeutung der Malerei bei Calderón Exkurs I: EMBLEMATIK im Drama Calderóns 1. Embleme 2. Emblematische Darstellungsweise
189 190 190 211
•
Exkurs II: Die religiöse Kunst in der Bühnengestaltung
215
LITERATURVERZEICHNIS 1. Primärliteratur a) Calderón b) Andere Quellen 2. Sekundärliteratur REGISTER 1. Register der für Calderóns 2. Sachregister 3. Autorenregister Bildtafeln 6
221 221 221 222 225 229 die Untersuchung
herangezogenen
Bühnenwerke
229 233 259 261
VORWORT Günstige Umstände versetzten mich in den Jahren 1961 bis 1963 in die Lage, an den von Herrn Prof. Dr. Hans Flasdie in Marburg geleiteten Seminaren und Kolloquien über ausgewählte Bühnenwerke Calderöns teilzunehmen, in denen Fragen zur Textedition, Syntax, Metaphorik sowie übersetzungsprobleme behandelt wurden. In diesem Zusammenhang erregten metaphorische Wendungen aus dem Bereich der Malerei und Kunsttheorie mein Interesse, da die Diskussion gerade hier immer wieder auf ungelöste Probleme stieß. Durch diese schwierigen Fragen angeregt und den freundlichen, von hervorragender Sachkenntnis getragenen, ermutigenden Zuspruch meines verehrten Lehrers Prof. Dr. Hans Flasche veranlaßt, dem ich an dieser Stelle und zuerst danken möchte, entstand die vorliegende Untersuchung zur Metaphorik Calderöns. Wir befaßten uns in den erwähnten Seminaren mit einer Sprache, die nicht logisch aufgebaut ist, deren Aufbau einer gedanklich-assoziativen Struktur entspricht, die einen ständigen Versuch darstellt, die mannigfaltige Welt des Konkreten, aber auch die abstrakte Schau der Ideen zu umspannen und überraschende Vielfalt in eigenartigen, oft befremdenden Bildern dauernd neu vor Augen zu führen. Diese Sprache lebt von der Suche nach dem Besonderen und Einmaligen, hat freilich bei dem Genie Calderöns ihre Grenze überall dort erreicht, wo sich die eigenartigen Gebilde wiederholen, wo sie bei all ihrer Fülle, im ganzen gesehen, zu formelhaften Redewendungen werden, und, sobald man sie im einzelnen analysiert, vielfach schematische Struktur erkennen lassen. So stellte ich mir die Aufgabe, die mich besonders fesselnden Sprachformen Calderöns zu analysieren und sie zum Thema einer systematischen Untersuchung zu machen. Ich habe nicht die Absicht, linguistisch-grammatikalische Einheiten zu erfassen — dies wäre die Aufgabe einer streng sprachwissenschaftlichen Untersuchung. Es sollte mein Ziel sein, einzelne dieser faszinierenden Sprachgebilde im Hinblick auf ihren gedanklichen und geistesgeschichtlichen Hintergrund zu beleuchten. Ich ging von der in ihnen dargebotenen Terminologie aus und konfrontierte sie mit dem Kontext. So gelang es, den einzelnen Terminus in einer über seine Wortbedeutung hinausgehenden gedanklichen Dimension zu erschließen und in den Bereich der Metaphorik vorzudringen. Sobald eine solche Dimension erschlossen schien, suchte ich sie durch inhaltlich ähnliche, aus der zeitgenössischen und auch älteren Literatur herangezogene Quellen zu erweitern. Auf diese Weise 7
konnte jedes Phänomen, ungeachtet dessen, wie weit es sich dem Leser durch charakteristische Qualitäten aufdrängt oder sich ihm durch scheinbare Nichtigkeit zu verbergen sucht, in der ihm gebührenden Gültigkeit erfaßt werden. Was den Aufbau der Arbeit betrifft, boten sich verschiedene Möglichkeiten dar. Sollte ich verschiedene, zu einem bestimmten Themenkreis gehörige Termini auswählen und sie unter begriffliche Gesichtspunkte stellen? Das hätte bedeutet, daß beispielsweise zunächst Termini umfassenderen Inhaltes, dann solche, deren Bedeutung verhältnismäßig begrenzt und speziell ist, behandelt worden wären. Ich wäre also stufenweise vom Allgemeinen zum Besonderen geschritten und hätte dabei außerdem, grammatikalischen Kategorien entsprechend, zwischen substantivischen, adjektivischen und verbalen Formen unterscheiden müssen. Eine solche Methode erwies sich deshalb als ungeeignet, weil ich nicht die Gesamtheit der (inhaltlich ja jeweils reichen) Termini, die ich unter thematischen und nicht in erster Linie begrifflichen Gesichtspunkten auswählen wollte, hätte berücksichtigen können. Ich hätte mich auf einige Termini beschränken und sie einer Felduntersuchung unterziehen müssen. Die Arbeit wäre also zu einer Felduntersuchung geworden. Dabei hätte zwangsläufig der anvisierte thematische Aspekt in den Hintergrund treten müssen, weil der Fülle der Bedeutungsüberschneidungen der einzelnen Begriffe und Sprachformen hätte Rechnung getragen werden müssen und damit oft völlig andere Themenkreise berührt worden wären. Außerdem erscheint eine Begriffsbestimmung — einer solchen Untersuchung hätte die Studie geglichen — nur dann sinnvoll, wenn syn- u n d diachronische Gesichtspunkte erfaßt werden. Ein derartiges Unternehmen hätte also nicht nur von Calderón weggeführt, es wäre im Hinblick auf den Dichter selbst wenig ertragreich geworden, da in vorliegendem Falle nicht der einzelne, isoliert betrachtete Terminus als solcher interessant erscheint, sondern dessen gedanklich-metaphorische Verwendung. Auch der zahlenmäßige Anteil dieser nun einmal ausgewählten Termini im Bereich des Gesamtwerkes Calderóns erschien nicht ausreichend, um die soeben skizzierte Methode zu rechtfertigen. Eine zweite Möglichkeit bestand darin, nicht einen begrifflichen, sondern einen thematischen Aufbau durchzuführen. Das aber bedeutete, das gesammelte Material in verschiedene Themenkreise zu untergliedern. Der Vorteil einer solchen Methode im Vergleich zur vorher beschriebenen ist darin zu erblicken, daß sie eine umfassende Einsicht in die Gedankenwelt Calderóns vermittelt. Nun ergab die Unterteilung nach thematischen Gesichtspunkten eine sehr unterschiedliche Materialfülle: mancher zwar interessante, jedoch einzelne Fall verlangte an sich nach starker, ja sehr starker Akzentuierung. Eine Darstellung, die den Anspruch erhebt, auf Gedanken aufzubauen, die für Calderóns Denken und Schaffen charakteristisch erscheinen, muß sich aber auf mehr als nur dieses oder jenes Bühnenwerk, dieses oder jenes einzelne Thema stützen. Aus den genannten Gründen und auch um das erarbeitete Material in seinem recht unterschiedlichen thematischen Bestand nicht zu verfälschen, habe ich insofern eine Modifikation vorgenommen, als ich zwar einzelne Themenkreise behandelt, sie jedoch zuvor in bestimmte Bühnenwerke integriert und 8
aus dieser Integration heraus betrachtet habe. Ein solches Vorgehen machte kritische Durchsicht des Materials erforderlich. Es ist gelungen, das aus 88 Bühnenwerken Calderóns zusammengetragene Material nach Themenkreisen zu ordnen und das gesamte Material bei einer gezielten Auswahl von vier Bühnenwerken Calderóns zu berücksichtigen. Auch die angefügten Exkurse sind unmittelbar aus Beobachtungen im Anschluß an die vier Schauspiele entstanden. Es handelt sich um Stücke, die für die Erörterung der verschiedenen Themen besonders charakteristisch erscheinen. So stehen im 1. und 2. Teil, die auf dem Auto „El pintor de su deshonra" und auf dem Drama „La aurora en Copacabana" aufbauen, vorwiegend Probleme aus Theologie und Religion zur Diskussion; der 2. und 3. Teil, die von den Dramen „Dario todo y no dar nada" und „El pintor de su deshonra" ausgehen, befassen sich mit Fragen der Kunsttheorie. Für die Untersuchung wurden, wie bereits gesagt, 88 Schauspiele Calderóns berücksichtigt. Obgleich die Arbeit aus der Diskussion über das auto sacramental heraus entstanden ist, habe ich außer 51 geistlichen auch 37 Bühnenwerke profanen Inhaltes herangezogen. Die Berücksichtigung von Schauspielen der verschiedensten Problematik schien einen besseren Einblick in die Eigenart calderonianischer Metaphorik zu gewährleisten, als es eine Beschränkung auf diese oder jene Gruppe vermocht hätte. Freilich ist, wie das auto sacramental überhaupt, so auch dessen Metaphorik sinnbeladener als diejenige der weltlichen Bühnenwerke. Ein grundlegender Unterschied konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Denn in der Regel sind es die gleichen Wortkörper, die Calderón im auto sacramental wie in der comedia verwendet. Was allerdings deren Sinn und deren Funktion innerhalb des Stückes anbelangt, so kann man sehr wohl von Tendenzen sprechen: Im auto sacramental zeigt die Metapher vielfach die Tendenz, einer Art Denkform gleichzukommen, in den Stücken profanen Inhaltes hingegen tritt sie häufiger als dichterische Schmuckform in Erscheinung. Dennoch — so betone ich ausdrücklich —- kann man nicht von einer Metaphorik des auto sacramental und einer Metaphorik der comedia sprechen. Es handelt sich in beiden Fällen um eine einzige Metaphorik, die je nach Inhalt und Bedeutung des Stückes verschiedene Nuancen zeigt, kleine Veränderungen erfahren kann, im ganzen gesehen aber die gleiche bleibt. Es soll keine Analyse der einzelnen Dramen gegeben werden. Ich berücksichtige ihren Aufbau nur insofern, als es für das Verständnis der ausgewählten Textstellen notwendig erscheint. Das dem Verständnis so manches Hindernis in den Weg legende auto sacramental „El pintor de su deshonra" machte beispielsweise eine solche Betrachtung erforderlich. Im einzelnen beschreite ich, wie ich zu Anfang betont habe, den Weg vom Begrifflichen zum Gedanklichen; ich suche dann die einzelnen Gedanken durch Heranziehung anderer Texte zu einer über Calderón hinausreichenden Gültigkeit zu erheben. Der zu behandelnde Stoff erwies sich als so mannigfaltig, so heterogen, daß sich die Frage stellte, wie die teilweise sehr voneinander verschiedenartigen Gedankengänge überzeugender miteinander zu verknüpfen seien. Es boten sich zwei Möglichkeiten dar: Entweder mußten die unumgänglichen „Nahtstellen" verwischt oder aber so deutlich gemacht werden, daß sie der 9
Leser nachzuvollziehen imstande ist. Aus Gründen der Klarheit und Wisschaftlichkeit kam nur letzteres in Frage. Die Materialfülle, der Umfang der Arbeit und die Verschiedenartigkeit der einzelnen Betrachtungen haben mich veranlaßt, der Untersuchung ausführliche Register anzufügen. In einem dieser detaillierten Register habe ich alle für die Untersuchung herangezogenen Bühnenwerke Calderöns zusammengestellt. Besondere Sorgfalt galt der Ausarbeitung des Sachregisters. Ich habe mich nicht damit begnügt, nur auf einzelne Termini, Themen, Gedanken, Motive u. ä. zu verweisen; es sollte im Register — stichwortartig — der wesentliche Aspekt, unter dem eine Sache betrachtet wird, festgehalten werden. Dadurch eröffnen sich vielfach Dimensionen, die innerhalb der Untersuchung noch nicht zur Geltung kommen können. So ermöglicht beispielsweise das Sachwort „Metapher" einen raschen Überblick über die in der Arbeit erfaßten Metaphern. Ein solcher konnte in der Untersuchung selbst nicht berücksichtigt werden. Weder die Erstellung der Bibliographie noch die Benutzung der internationalen wissenschaftlichen Institute wären ohne das stete und bereitwillige Entgegenkommen der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg zu bewerkstelligen gewesen. Daher sage ich an dieser Stelle den Mitabeitern der Staats- und Universitätsbibliothek, insbesondere denjenigen der Fernleihe, meinen besonderen Dank. Desgleichen danke ich Herrn Dr. Schneider (Ibero-amerikanisches Forschungsinstitut Hamburg), der mir vor allem bei der Beschaffung von Quellenmaterial aus der Biblioteca Nacional Madrid behilflich war, sowie für interessante Anregungen in wissenschaftlichen Gesprächen den Herren Dr. Rühl und Dr. Körner. Den Mitarbeitern der Universitätsbibliotheken Marburg und Gießen und denjenigen der Westdeutschen Staatsbibliothek Marburg sei mein besonderer Dank gesagt für die Mühe, die sie bei der Beschaffung zahlreicher seltener V/erke immer bereitwillig auf sich genommen haben. Die Arbeit in vorliegender Form wäre ohne die kunstgeschichtliche Schulung im Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Marburg nicht durchführbar gewesen. Ich möchte daher Herrn Prof. Dr. Usener an dieser Stelle besonders herzlich danken. Wertvolle Anregungen bei schwierigen Problemen der Barockforschung, die in der Untersuchung berührt werden, verdanke ich Herrn Dr. Kreuzer vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München, der bei der Erstellung des im Rahmen dieses Instituts eingerichteten Index zur Süddeutschen Barock-Ikonographie leitend beteiligt war — das Unternehmen ist inzwischen aus Mangel an geeigneten Kräften eingestellt worden. Die Beschaffung von Mikrofilmen und schwer zugänglichen Büchern aus der Nationalbibliothek Madrid ist nur mit Hilfe von Dr. Bordonau, Direktor der Nationalbibliothek, möglich gewesen.
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I. EL PINTOR DE SU DESHONRA, auto
sacramental
Von den frühen christlichen Jahrhunderten an befaßten sich die Kirchenväter eingehend mit der Deutung des Schöpfungsgeschehens. Sie erhofften durch eine möglichst tiefe und umfassende Einsicht in die Vorgänge der Erschaffung Erkenntnisse für das Selbstverständnis des Menschen und seines Verhältnisses zu Gott, seinem Schöpfer, zu gewinnen. Die Genesis bot wegen ihres bildhaften sprachlichen Ausdrucks, der leicht zu Mehrdeutigkeiten führen kann, Anlaß zu schwerwiegenden Auseinandersetzungen. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand die Frage nach dem Menschen. Ihn betreffend waren es vor allem die Verse 26 bis 27 des ersten Kapitels 1 ) und die Verse 7 bis 8 des zweiten Kapitels 2 ), die den Interpreten vor ernsthafte Probleme stellten. In dem Vers Faciamus hominem ad imaginera et similitudinem nostiam erforderten die pluralische Aussage sowie die Worte ad imaginem et similitudinem eine umfassende Deutung. Die Theologen mußten sich z. B. die Fragen stellen, welche göttliche oder auch nicht göttliche Personen an der Erschaffung des Menschen beteiligt waren, — ob die Gestalt des Schöpfers, die bis zu der gemeinten Textstelle als eine einzige Person geschildert wird, eine mehrgestaltige Person 3 ) war, — ob Gott beim Schöpfungsakt von irgendwelchen Gehilfen 4 ) umgeben war. Man dachte dabei an Geisteswesen, die der Handlung beigewohnt haben könnten. Diese und ähnliche Fragen wurden aufgeworfen und einer umfassenden Prüfung unterzogen. Im folgenden beschränken wir nus darauf, nur auf die Themen hinzuweisen, die wir später am Beispiel Calderóns aufgreifen werden. Eine der meistumstrittenen Aussagen waren die bereits genannten Worte ad imagi1) Gen. 1, 26—27; Et ait: faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostrani; et praesit piscibus maris et volatilibus caeli, et bestiis universaeque terrae, omnique reptili quod movetur In terra. Et creavit Deus hominem ad imaginum suam ad imaginem Dei creavit ilium masculum et feminam creavit eos. 2) Gen. 2, 7—8: Formavit igitur Dominus Deus hominem de limo terrae, et inspiravi t in faciem eius spiraculum vitae, et factus est homo in animam viventem. Plantaverat autem Dominus Deus paradisum voluptatis a principio, in quo posuit hominem quem formaverat. Vgl. Gen. 5, 1: In dia qua creavit Deus hominem, ad similitudinem Dei fecit ilium. 3) Die Frage wurde auf die Trinitàt bezogen. 4) Vgl. S. 53. 11
nem et similitudinem nostram. Es wurde beispielsweise die Frage gestellt, wie der Mensch, wenn er ein Abbild (imago) Gottes genannt wird, was im engeren Sinne soviel wie eine im Vergleich mit Gott mindere Kopie und im weiteren soviel wie ein minderes Wesen bedeutet, dennoch ein Gleichnis (similitudo) Gottes sein, d. h. Gott gleich sein könne. Ein weiterer umstrittener Punkt war die Frage, ob die Ähnlichkeit zwischen Gott und dem Menschen auf die äußere Gestalt, auf die geistig-seelische Beschaffenheit oder auf beides bezogen werden müsse. Man gelangte weitgehend zu der Überzeugung, daß es sich hier vor allem um eine geistigseelische Ähnlichkeit handle. Diese bestehe darin, daß Gott dem Menschen verschiedene göttliche Gaben wie scientia, giatia und innocentia u. ä. verleihe. Durch die Sünde aber habe der Mensch die Ähnlichkeit mit Gott, d. h. die göttlichen Gaben, verloren und deshalb sei er, so spekuliert man weiter, der imago dei, die er in sich trage, verlustig gegangen. Wie konnte die Vorstellung, der Mensch sei imago dei mit den Worten iormavit igitur Dominus Deus hominem de iimo terrae5) in Einklang gebracht werden, da imago dei einen geistigen Wert meint, während der Staub bloße Materie ist? Auch über den Ort, an dem der Mensch erschaffen wurde, gibt die Genesis keine genaue Auskunft. Im Vers 8 des zweiten Kapitels wird gesagt plantaverat autem Dominus Deus paradisum voluptatis a principio, in quo posuit hominem quem formaverat6). Daraus schlössen die Theologen, daß der Mensch außerhalb des Paradieses gebildet wurde. Der unbekannte Ort wurde, wie wir später sehen werden, mehrfach als campus damascenus7) bezeichnet. Diese und ähnliche Gedanken standen im Mittelpunkt der Diskussionen über das Schöpfungsgeschehen. Darüber hinaus wurden auch Themen erörtert, die nicht durch das Alte Testament gegeben sind, sondern aus dem uns heute meist unbekannten apokryphen Schrifttum stammen. Ihre Problematik wirkt daher auf den heutigen Leser befremdend. Der sogenannte Fall der Engel, der sich nach der Meinung vieler Theologen vor der Erschaffung des Menschen ereignet haben soll, war ein Thema, das Anlaß zu sehr kühnen Spekulationen gab, für deren Verständnis heute weitgehend die Voraussetzungen fehlen. Das Hauptinteresse galt der Frage nach der Ursache des Falls. Worin bestand das Vergehen an Gott, dessen sich Luzifer, der ehemalige Lichtengel und Führer der Engelchöre, schuldig gemacht hatte? Die Frage wurde verschieden beantwortet. Einige Theologen sahen den Grund für die Verstoßung Luzifers und seines Gefolges aus der Nähe Gottes in der Sünde der luxuria, andere in der invidia und wieder andere in der superbia. Welches aber war das Motiv, das zu den genannten Sünden geführt hatte? Die Kirchenväter vertraten die Auffassung, Luzifer sei vor der Erstehung der Welt ein Einblick in den Schöpfungsplan Gottes gewährt worden; er habe die Erschaffung des Menschen geschaut; auch habe er erkannt, daß er diesem 5) Gen. 2, 7. 6) Gen. 2 , 8 . 7) Vgl. S. 22.
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werde dienen müssen; es sei ihm vor allem die Schau der Menschwerdung des Gottessohnes zuteil geworden. Wegen all dieser Pläne, so argumentierten sie, habe sich Luzifer gegen Gott aufgelehnt. Nach der Meinung der einen beispielsweise habe sich Luzifer aus Gründen der Eifersucht auf die unio hypostatica, der Vereinigung menschlicher mit göttlicher Natur in Christus, von Gott losgesagt; nach der Meinung anderer sei er, da er sich zum Dienste am Menschen erniedrigt sah, seinem Gebieter aus Gründen des Stolzes abtrünnig geworden. Im ganzen gesehen, wurde die Verneinung des göttlichen Heilsplans als d i e Ursache angesehen, die zum Sturz Luzifers und seiner Begleiter geführt habe. Die Vorstellung von der geheimnisvollen visio Luzifers und seiner Auflehnung gegen den Schöpfungs- und Heilsplan Gottes durchzieht das patristische und scholastische Schrifttum vieler Jahrhunderte. Noch im beginnenden 17. Jahrhundert widmet der bedeutende spanische Theologe F r a n c i s c o S u á r e z diesem Thema eine umfangreiche Betrachtung in seinem Werk „De angelorum natura"8); im weiteren Verlauf dieses Jahrhunderts wird der Gedanke erneut von C a l d e r ó n aufgegriffen und in eine einfallsreiche dichterische Form gekleidet.
1. Die v i s i o
Luzifers
a) in „El pintor de su deshonra" Es soll die Aufgabe der folgenden Abschnitte sein, die visio Luzifers hinsichtlich ihrer Sprache, ihrer Gestalt und ihrer Bedeutung im Werke Calderóns zu charakterisieren. Ein Vergleich der Gedanken Calderóns mit den Ausführungen von Suárez ergibt einen auffallenden Unterschied in der Art der Darstellung. Während sich S u á r e z — wir nennen ihn stellvertretend für die Theologen — der streng syllogistischen Argumentation bedient, wählt C a l d e r ó n an ihrer Stelle das auf Analogie beruhende dichterische Bild als Mittel des Ausdrucks. Das Einmalige seiner Darstellung liegt darin, daß es ihm gelungen ist, den höchst schwierigen Stoff der Schöpfungsgeschichte aus dem Rahmen der nüchternen theologischen Abhandlung herauszulösen und mit prunkvoller barocker Bildhaftigkeit in das Theater einzugliedern. Calderón bedient sich dabei der metaphorischen, rätselhaften Sprache seines Zeitalters. M e t a p h e r n aus dem Bereich der M a l e r e i sind das e n t s c h e i d e n d e M i t t e l s e i n e r D a r s t e l l u n g . Ihnen wird die besondere Aufmerksamkeit unserer Betrachtungen gelten. Was die Form betrifft, in der die Gedanken der visio in das Schauspiel eingeflochten sind, stellen wir fest, daß Calderón die Worte ausnahmslos 9 ) der dämonischen Hauptfigur Luzifer, die auch unter anderen Namen wie bei8) S u á r e z , F r a n c i s c o , (1548—1615), De angelorum natura, Opera omnia, hrsg. v. A. Michel, Bd. 1—26; Paris, 1856—1868. 9) Vgl. S. 38.
1620, in: Suárez, Fr.,
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spielsweise Luzbel oder Culpa auftreten kann, in den Mund legt. Nicht nur die sprechende Person, sondern auch die Situation, in der diese davon spricht, ist immer wieder die gleiche: das Gespräch zwischen dem Dämon und seiner Begleiterin, in dem jener von der Ursache seines Daseins als Dämon und seiner Feindseligkeiten gegenüber der Menschheit berichtet. Dieser Dialog steht durchweg am Anfang des Schauspiels. Daraus geht hervor, daß die visio Luzifers eine wichtige Funktion in der Einleitung der dramatischen Handlung übernimmt. Sie stellt einen wesentlichen Bestandteil der vielen autos vorangehenden Genealogie des Antagonisten dar. Wir erfahren, daß die Einsicht in den göttlichen Schöpfungsplan und dessen Ablehnung letztlich d e r Grund für alle seine Unternehmungen ist, die nur ein Ziel verfolgen: die Zerstörung des Menschen. Die visio ist jene causa primera, von der Calderón so oft spricht. In ihr liegt der Widerstreit zwischen göttlichem Heils- und dämonischem Vernichtungsplan begründet. Auf diesem Hintergrund entwickelt sich jedes geistliche Schauspiel, möge jene causa primera genannt sein oder nicht. Die Bedeutung der Schau Luzifers für das Schauspiel Calderóns ist in der Begründung des dramatischen Konfliktes zu sehen. Nach dieser allgemeinen Charakterisierung wenden wir uns dem auto sacramental „Ei pintor de su deshonra" zu. Bevor wir zu der Betrachtung der visio Luzifers kommen, soll ein kurzer Überblick in die Thematik des Stückes einführen. Das Schauspiel ist eine Allegorie, in der Calderón die zentralen Themen „das Verhältnis Kreatur—Schöpfung", „der Fall des Menschen" und „die Möglichkeiten seiner Erlösung" zu einer umfassenden Spekulation verdichtet. In poetisch-theologischen Monologen und Dialogen entfaltet er die allegorische Deutung der Schöpfung, des Falls und der Erlösung. B e t r a c h t u n gen über die M a l e r e i f l i e ß e n mit t h e o l o g i s c h e n G e d a n k e n u n d E r ö r t e r u n g e n zu e i n e m g r o ß a r t i g e n B i l d v o m U r s p r u n g und W e s e n d e s M e n s c h e n z u s a m m e n . Die Gedanken werden in einer ungewöhnlichen Allegorie dargeboten. Gott, der Schöpfer der Welt und des Menschen, erscheint als Maler auf der Bühne. Mit Malstock, Farben und Palette ist er damit beschäftigt, Wasser, Himmel, Erde, Flora und Fauna auf eine große Leinwand zu malen. Als Vollendung seines Werkes setzt er eine menschliche Gestalt inmitten des Bildes und berührt sie mit einem leichten Hauch. Das Wunder geschieht: die Gestalt nimmt lebendige Formen an, tritt aus der Leinwand hervor und gesellt sich zu den Akteuren auf der Bühne10). Im weiteren Verlauf bringt Calderón den Sündenfall zur Darstellung. Das Vergehen Naturalezas, der menschlichen Natur, wird zunächst durch den Griff nach dem verbotenen Apfel verdeutlicht, anschließend jedoch mit großem Effekt allegorisch interpretiert. Nachdem Naturaleza die Frucht zum Munde geführt hat, hebt der göttliche Meister eine Klage über sie an. Er empfindet heftige Reue11) darüber, daß er sie so außerordentlich schön gemalt hat. Eifersucht auf ihre Seele, von der nun als Folge der Sünde Luzifer 10) III, 834-a. 11) Vgl. Gen. 6, 6—7.
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Besitz ergriffen hat, erfaßt ihn12). Er läßt die Sintflut hereinbrechen; zum Zeichen der Vernichtung löscht er die Welt, die er auf der Leinwand hat erstehen lassen, mit der rauhen Malerbürste aus. Schließlich erbarmt sich der göttliche Maler der Welt (Mundo) und der menschlichen Natur (Naturaleza). Er wirft als Sinnbild der Vergebung ein Brett in die Fluten, mit dessen Hilfe sich beide retten können. Luzifer ist enttäuscht, daß Naturaleza nicht zugrundegegangen ist. Er sinnt auf Rache an ihr. Seiner Begleiterin Culpa befiehlt er, ihr einen Nagel in die Stirn zu treiben. Nachdem dies geschehen ist, entflieht die unheilvoll gezeichnete Naturaleza. Culpa kommentiert ihr Handeln als das Auslöschen der imago dei im Menschen 13 ). Die Welt ist ihrer Krone beraubt. Mundo bittet daher den Maler, er möge ihm ein Bildnis zur Erinnerung an Naturaleza anfertigen. Die göttliche Liebe (Amor) reicht darauf dem Maler anstelle des Farbkastens einen Behälter mit Blut. Als Pinsel empfängt dieser drei Nägel, anstelle der Leinwand eine herzförmige Bronzeplatte und als Malstock eine Lanze14). Während er sich zu malen anschickt, schreitet Naturaleza zum Zeichen ihrer Erlösung aus der Sünde auf die Bühne. Die allegorische Handlung versinnbildlicht die Passion Christi und die Erlösung des Menschen. Zum Abschluß des Schauspiels schiebt Calderón ein Motiv ein, das er in den wesentlichen Zügen dem gleichnamigen Drama entlehnt hat. Dieses Stück endet damit, daß der Maler Juan Roca, dessen Gattin von Don Alvaro entführt worden ist, den Entführer sowie die eigene Gattin erschießt 15 ). Die Szene ist aus der damaligen Sicht des Ehrbegriffs zu verstehen. Es bestand ein gewisses Gewohnheitsrecht, wonach einem betrogenen Ehemann, um seine verletzte Ehre wieder herzustellen, das Recht zuerkannt wurde, die beiden Schuldigen zu töten 16 ). Dieses Motiv übernimmt der Dichter in das auto „EI pintor de su deshonra" jedoch mit einem Unterschied. Der Maler tötet die Ehebrecherin, denn als solche gilt Naturaleza, nicht, sondern verzeiht ihr. Dagegen richtet er tödliche Schüsse auf Luzifer und Culpa, in denen er die Verführer Naturalezas erblickt. Berücksichtigt man den Verlauf des Schauspiels, so erscheint die Schlußszene eine wenig gelungene dichterische Lösung. Sie läßt weder inhaltlich noch vom Motiv her gesehen die notwendige Verankerung im dramatischen Geschehen erkennen. Im übrigen wird die Handlung des auto schon in der unmittelbar vorangehenden Passionsallegorie zu Ende geführt. Der Bericht über die Schau Luzifers steht, wie wir bereits vorweggenommen haben, ganz am Anfang des Schauspiels. Nachdem der Dämon, hier Luzifer genannt, seine Begleiterin Culpa auf die Bühne herbeigerufen hat, beginnt er in einer Art Dialog mit ihr ein Bild seiner Genealogie zu entwer12) III, 839-a. 13) III, 842-b. 14) III, 845-a. 15) I, 1001-a. 16) Vgl. V a l b u e n a P r a t , A n g e l (Hrsg.) . C a l d e r ó n de honor /, Clásicos Castellanos 141, XXXV/XXXVI.
de la
B a r c a , Dramas
15
fen. Er stammt aus einer alta patria, mit deren väterlichem Oberhaupt er sehr vertrauten Umgang pflegte. Aus ihr wurde er aber verstoßen. Der Grund dafür war das Porträt einer seltsamen Schönheit, das er eines Tages zu Gesicht bekam. Er habe, so sagt er, das Porträt schon gesehen, ehe die Schönheit überhaupt existiert habe. Das Bildnis habe nämlich ihr Modell, das der Padre de Familias in seinem Geiste entworfen habe, gezeigt. Die Trägerin dieser Schönheit nennt er la gran Naturaleza Humana. Kaum habe er sie erblickt, sei er schon in sie verliebt gewesen. Lucero: Culpa: Lucero: Culpa: Lucero:
La causa de mi ruina. Fué ver una hermosura peregrina. Cuyo r e t r a t o , aún antes que ella sea. El E x e m p l o te dixo de su i d e a . Vila, y enamorado . . .")
Die Worte aún antes que ella [hermosura] sea ergeben nur einen Sinn, wenn man sie auf dem theologischen Hintergrund der Schau Luzifers vor Beginn der Schöpfung sieht. Sie besagen, im Kontext betrachtet, daß Luzifer die menschliche Natur schon vor ihrer kreatürlichen Existenz geschaut hat. Was die Termini exemplo und idea betrifft, müssen wir sie in erster Linie als Begriffe der Theologie und Philosophie auffassen. Darüber hinaus aber verweisen wir, da von einem Porträt die Rede ist, auf die Gepflogenheit der manieristischen Kunsttheoretiker, mit diesen Begriffen präzise Vorstellungen aus der Tätigkeit des Künstlers zu verbinden 18 ). Idea und ähnliche Begriffe meinen das Bild im Geiste des Künstlers, das dieser von dem Gegenstand, den er gerade darstellen will, entwirft. Wir können sie deshalb in dem gegebenen Zusammenhang bedingt als Termini der Malerei geltend machen. Luzifer fährt fort, die Geschichte seiner Verstoßung aus der alta patria zu schildern. Seine Anspielungen auf das theologische Schrifttum ziehen dabei die besondere Aufmerksamkeit auf sich. Dem einen Text zufolge habe sein Vergehen in der lascivia1"), dem andern zufolge in der envidia20) bestanden, und wieder ein anderer Text berichtet, es sei die soberbia21) gewesen, die ihn ins Unglück gestürzt habe, weil er Naturaleza Humana, die im Vergleich mit ihm eine niedere Herkunft aufweise, nicht als seine Herrscherin anerkannt habe. Im Augenblick, so erfahren wir, ist es tiefe Eifersucht, die ihn bewegt. 17) III, 829-b, 830-a. Fortsetzung des Zitates vgl. S. 17. 18) Vgl. S. 58 f. 19) Vgl. T e r t u l l i a n , De culta ieminarum, ebd. lib. I, 2—4, Patrología Latina I, 1305—1308.
lib. II, 10. Patrología Latina I, 1328; vgl.
20) Vgl. M a x i m u s (Confessor), Capita, cent. IV, n. 48, Patrología Latina XC, 1325. Vgl. A n a s t a s i u s S i n a i t a , Vj'ae dux, IV, Patrología Graeca L X X X I X , 90. 21) Vgl. R u p e r t u s , De victoria Verbi, lib. I, c. VI—XXVI, Patrología Latina CLXIX, 1221—1240. Vgl. B e r n a r d u s , Sermones, I, de tempore, n. 3, Patrología Latina CLXXXIII, 36. Vgl. T h o m a s A q u i l a s , Summa theologica, quaestio LXIII. De angelorum malitia quod culpam, quaestio LXIV De poena daemonum; in: Die Deutsche Thomasausgabe Bd. 4 (1936), S. 343—396. Vgl. T h o m a s A q u i n a s , Commenlum in quatuor libros Sententiarum Magistri Petri Lombardi, lib. II, dist. III—VII, in: Th. Aq. Opera omnia, Parmae: Fiaccadori, 1852—1873, Bd. 7.
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[Lucero: Culpa: Lucero: Culpa: Lucero: Culpa: Lucero: Culpa: Lucero: Culpa: Lucero: Culpa: Lucero: Culpa:
Vila y enamorado.] Texto hay que fué l a s c i v i a tu pecado. Por apagar el Fuego que en mi lidia. Texto hay que fué tu presunción e n v i d i a . Y ver si así la majestad la quito. Texto hay que fué s o b e r b i a tu delito. No casándose el Principe [Sohn Gottes] con ella. Tratas de deslucirla y deshacerla. Dixe, pues, que no había. De ser tu Reina si inferior nacía. Y restado al despecho que hasta hoy lloro. Lo vengativo de tu a m o r no ignoro. Lleno de penas, ansias y recelos. Ya te lo reconozco de tus c e l o s 2 2 ) .
Luzifer, der einst eine große Liebe zu Naturaleza hegte, ist jetzt, da er diese nicht erfüllt sieht, in höchstem Grade eifersüchtig. Gedanken der Liebe und Eifersucht stehen also im Vordergrund der Erzählung. Dieser Sachverhalt ist für Calderóns dichterische Behandlung der visio Luzifers typisch, wie wir an weiteren Beispielen sehen werden. Der Dichter zeigt hierin eine auffallende Ähnlichkeit mit Francisco Suárez, der in seiner Schrift „De angelorum natura"*3) den Fall der Engel als Versündigung an der unio hypostatica interpretiert. Er vertritt die Auffassung, Luzifer habe in einem amor desordonatus vergeblich die unio hypostatica des Gottessohnes erstrebt"). Dies sei der Grund für seinen Neid und seine Eifersucht gewesen. C a l d e r ó n wie S u á r e z scheinen in der genannten Auffassung der älteren jüdischen Tradition verbunden25). Von der apokryphen Schrift Enoch und von den Versen 1 bis 6 des sechsten Kapitels der Genesis29) ausgehend, beruhte diese auf der Vorstellung, daß sich die Engel, die auch Söhne Gottes genannt wurden, in die Töchter der Menschen verliebt und deren Schönheit mißbraucht hätten. Die dargelegte Auffassung, das Vorgehen als Sünde der luxuria anzusehen, wurde von verschiedenen Kirchenvätern wie beispielsweise T e r tullían 2 7 ) übernommen und hat bis auf Duns S c o t u s " ) , 22) III, 830-a. 23) Vgl. Anm. 9. 24) Vgl. Démon d'après les scolastiques et Théologiens postérieurs in: Dictionnaire de Théologie Catholique, Paris, 1924, Bd. 4, Sp. 398. 25) Zur jüdischen Tradition und Calderón, vgl. P a r k e r , A l e x a n d e r A., The Theology oi the Devil in the Drama of Calderón, London: Aquinas Press, 1958: in: The Aquinas Society of London, Aquinas Paper Nr. 32, S. 5. Vgl. Démon dans la Bible et dans la théologie juive, in: Dictionnaire de Théologie Catholique, Bd. 4, Sp. 322—339. 26) Gen. 6, 1—6: Cumque coepissent homines multiplicari super terrain, et filias procréassent, videntes filii Dei filias hominum quod essent pulchrae, acceperunt sibi uxores ex omnibus quas elegerant. Dixitque Deus: Non permanebit spiritus meus in homine in aeternum, quia caro est; eruntque dies illius centum viginti annorum. Gigantes autem erant super terrain in diebus illis. Postquam enim ingressi sunt filii Dei ad filias hominum, illaeque genuerunt, isti sunt potentes a saeculo viri famosi. Videns autem Deus quod multa malitia hominum esset in terra, et cuncta cogitatio cordis intenta esset ad malum omni tempore, paenituit eum quod hominem fecisset in terra. 27) Vgl. Anm. 19. 28) Vgl. Anm. 24.
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S u á r e z und C a l d e r ó n nachgewirkt. In der Interpretation des sogenannten Falls der Engel folgt Calderón mehr den Ausführungen von Suárez als denjenigen des T h o m a s v o n A q u i n , der seine Spekulation über Luzifer weitgehend auf die supeibia gründet 29 ). Nachdem Luzifer die geheimnisvolle Schau kundgetan hat, beginnt er einen langen Monolog über Grund, Art und Weise seines Gegensatzes zum Gottessohn zu entwickeln. Der Vortrag gipfelt in dem haßerfüllten Plan, sich an Gott dadurch zu rächen, daß er Naturaleza Humana, sobald sie in die Welt eingetreten ist, zu Fall bringen will. Bei der Entfaltung seines Planes fällt auf, daß Luzifer Gedanken vorträgt, von denen er vom chronologischen Gesichtspunkt aus betrachtet, noch keine Kenntnis haben kann, weil sich die Erschaffung Naturaleza Humanas erst nach Beendigung des Monologs ereignet. Wie ist es möglich, daß Luzifer Klagen über den Sohn Gottes ausspricht, ihm gegenüber Gefühle tiefen Neides und Hasses hegt 30 ), da noch nicht einmal der Mensch erschaffen ist, geschweige denn Christus in die Welt eingetreten ist? — Wie kommt Calderón, der Theologe und gute Kenner der Genesis, dazu, den Gottessohn als pintoi, d. h. als cieatoi, des Menschen vorzustellen, wo doch der Gott der Genesis die Gestalt des Gott Vaters verkörpert? — Desgleichen fragen wir: was veranlaßt Luzifer, auf die Gottähnlichkeit der Naturaleza Humana schon vor deren Erschaffung anzuspielen?31) — Welche Erklärung gibt es dafür, daß Luzifer mitteilt, er werde die Imagen des göttlichen Malers auslöschen 32 ), noch ehe dieser die imagen überhaupt hat erstehen lassen? Unsere Antwort auf all diese Fragen lautet: Der Angelpunkt für die sehr eigenwillig erscheinenden Phänomene liegt in der visio Luzifers. Freilich kann man dagegen den Einwand erheben, es stehe der dichterischen Freiheit zu, chronologische Gesichtspunkte zu übergehen. Wir wissen auch, daß sich Calderón der Chronologie der Geschichte wenig verpflichtet fühlte. Dennoch halten wir an der genannten Meinung fest, zumal es sich hier um mehr als einen nur historischen Ablauf handelt, es handelt sich darum, daß der Dichter die durch den Schöpfungsakt gegebene Grenze des kreatürlichen Seins über29) Vgl. Anm. 21, ebd., Sp. 395¡ vgl. Anm. 24. 30) Lucero: Del Príncipe pues, del H i j o , tan sentido y tan quexoso estoy, que aún mis iras no pueden templar mi ahogo. Porque entre otras excelencias que en mis e n v i d i a s padezco (porque ya en mí todo es o d i o ) , la que me atormenta más es coronarse ingenioso, . . . [III, 830-b] 31)
Lucero:
32)
Lucero:
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. . . a mi me basta sólo saber que es Pintor quien sabe copiar un Cuerpo y un Rostro a s u h e c h u r a y S e m e j a n z a ! . . . [III, 831-a]. . . . esta I m a g e n le [al Pintor] b o r r e m o s de ese Artífice, de modo que Pintor de su deshonra venga a s e r ; . . . [III, 831-b, 832-a]
schreitet. Selbst wenn man daran festhalten will, Calderón habe die Chronologie der Ereignisse ohne Bedenken verändern können, so ist es kaum vorstellbar, daß sich der Dichter in einer theologisch so schwerwiegenden Angelegenheit wie diejenige, in dem Schöpfer der Welt den Sohn Gottes zu sehen, die Freiheit einer eigenmächtigen Interpretation erlaubt hätte, ohne sich dabei auf eine theologische Deutung von kirchlicher Seite berufen zu können. Die mystische Schau Luzifers bot die theologische Grundlage, von der ausgehend die so eigenmächtig erscheinenden Veränderungen der Chronologie oder gar solche des biblischen Textes vorgenommen werden konnten. Zeigt C a l d e r ó n in der Darstellung der visio gleichsam epische Züge — Luzifer und Culpa berichten von der Schau wie von einem eindrucksvollen, aber doch längst vergangenen Erlebnis —, so ist dies in der Theologie keineswegs der Fall. Die Ausführungen S u á r e z' lassen Züge einer umfassenden systematisierten Spekulation sichtbar werden. Die Ursache hierfür liegt in der besonderen Bedeutung, die der Schau Luzifers in der Theologie beigemessen wurde. Die visio war das entscheidende Argument für die Behauptung, Luzifer und nicht Gott habe die Sünde und damit das Böse geschaffen. Um aber sündigen zu können — die Sünde setzt volle Einsicht in den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt voraus — muß er sich des Ausmaßes seines Entschlusses bewußt gewesen sein; er muß also Einblick in den Schöpfungs- und Heilsplan Gottes gehabt haben. Dies war der Grund, warum die Frage, was Luzifer im einzelnen erkannt habe, so systematisch durchdacht und beantwortet wurde, wie folgende Ausführungen Suárez verdeutlichen. Auf die Frage, was die Engel in Gott und dem veibum Gottes erkennen konnten, gibt S u á r e z eine wohlüberlegte Antwort. Er vertritt die These, daß sie in einer beata visio (im Anschluß an A u g u s t i n u s ) Christus als das Verbum Gottes geschaut haben. In ihm haben sie alle Kreatur, die Geheimnisse der Gnade und die miiaculosa dei opera — gemeint sind das Schöpfungs- und Heilsgeschehen — erkannt. Im Anschluß daran nennt er in einer systematischen Aufzählung alle jene Ereignisse und Tatsachen, die er zu den miraculosa dei opera rechnet: 1. die Inkarnation, die Passion und den Fall des Menschen, 2. das Mysterium der Eucharistie, 3. die Jungfrau Maria als künftige Herrscherin, die sie betreffenden Geheimnisse und 4. alle Mysterien des Glaubens. Zu den letztgenannten gehören die Sakramente mit Ausnahme der Eucharistie, die eine Sonderstellung einnimmt und unter Punkt 3 eigens genannt wird. Dico Angeles á principio suae Beatitudinis viderunt in V e r b o omnes res creatas, non tantum naturales species, sed etiam mysteria gratiae, & m i r a c u l o s a D e i o p e r a saltem quoad species, seu formales eorum rationis. Ita supponit Augustinus per cognitionem mutatinam, quae est v i s i o b e a t a , sanctos Angelos in verbo Dei, & ipsa visione qua ipsum vident videre omnes mundi res creatas. Quoad autem gratiae mysteria, ea saltem viderunt, qua in via crediderunt. Unde viderunt 1. m y s t e r i u m non tantum I n c a r n a t i o n i s , sed etiam probaliter r e d e m p t i o n i s , quod in via non fuerat revelatum; seu C h r i s t u m in carne passibili fore redemptorem, per quem lap-
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so rum Angelorum sedes reparandae erat, & cujus futuri erant ministri; ejus p a s s i o n e m , r e s u r r e c t i o n e m , A s c e n s i o n e m , & c. adeoque & in verbo viderunt etiam h u m a n a e n a turae lapsum. 2. Viderunt m y s t e r i u m E u c h a r i s t i a e , quod in via explicité aut implicitè crediderant ver parati credere. Hoc enim pertinet ad beatitudinis perfectionem, ad laudes canendas, gratias agendas & c. 3. Viderunt etiam B. V i r g i n e m , & mysteria ad earn pertinentia.
utpote futuram suam Reginam,
4. Denique viderunt à principio omnia f i d e i m y s t e r i a aliquando futura quoad specificas seu essentiales eorum rationes;.. .M)
Der Gedanke, Gott habe den Engeln vor der Schöpfung des Menschen die Menschwerdung Christi geoffenbart, wird von B a l t a s a r d e V i t o r i a mit einigem Erstaunen aufgegriffen. A n a s t a s i o S i n a y t a (lib. 4. n. Exame), dize una c o s a b i e n p a r t i c u l a r , que el quarto dia de la Creación del mundo, en la producción del Sol conocieron los Angeles el misterio de la Encarnación, y que en él se Ies representó, y dieron en él grandes alabanzas, 33) S u á r e z , F r a n c i s c o , De angelis, lib. VII, cap. XIII; in: S. Fr., Theologiae summa, Colonias, 1732, Bd. 2, S. 158-b. In der gegebenen Frage ziehen wir den Text dieser Ausgabe (von 1732) demjenigen der späteren Gesamtausgabe von 1856—1868 vor, weil er in seiner knappen und übersichtlichen Fassung besser geeignet erscheint, den Eindruck einer wohldurchdachten Abhandlung zu vermitteln, als der Text von 1856, bei dem gleiches nur mangelhaft durch Obergehen sehr umfassender Textteile sichtbar gemacht werden kann. Zur Frage, welcher Text Calderón und seinen Zeitgenossen vorgelegen hat, kann hier nicht ausgesagt werden. Es wäre denkbar, daß sich zu Calderóns Zeit gerade die Texte resümierenden Charakters, wie es bei der Ausgabe von 1732 der Fall ist, besonderer Beliebtheit erfreuten, da sie durch die kurzgefaßte und klare Darstellung dem Leser einen leichten Uberblick über das Wesentliche eines Sachverhaltes ermöglichen. — Zum Vergleich geben wir den gemeinten Text nach der Ausgabe von 1856 wieder: De angelorum natura, lib. VI, cap. V; in: Suárez, Franzisco, Opera omnia, editio nova, Paris, 1856, Bd. 2, S. 651 ff.: . . . dico primo Angeli a principio beatitudinis viderunt in V e r b o res omnes creatas non tantum naturales species, sed etiam mysteria gratiae, et o p e r a D e i m i r a c u l o s a , saltem quoad species, seu formales rationes suas . . . cap. V, 5: Viderunt m y s t e r i u m I n c a r n a t i o n i s . cap.V, 6: Item Mysterium r e d e m p t i o n i s cum circunstantis . . . mihi etiam probalissimum est, videre sanctos Angelos in Verbo modum redemptionis per p a s s i o n e m , sanguinem, et m o r t e m C h r i s t i , . . . cap.V, 7 Item h u m a n a e n a t u r a e l a p s u m . cap.V, 9 Angeli quoque id m y s t e r i u m [ E u c h a r i s t i a e ] vident. . . cap.V, 10 Item vident B. V i r g i n e m ejusque exceleniciam . . . cap.V, 11 . . . Denique hinc concludimus generalem regulam in assertione positam, scilicet Angelos sanctos a principio vidisse in Verbo o m n i a f i d e i m y s t e r i a , quoad specificas eorum rationes . . . Tum etiam, quia omnia talia mysteria satis ad Angelos pertinent, vel quia unum c o r p u s , u n a m q u e E c c l e s i a m cum hominibus componunt, vel quia de salute hominum, non minus quam de sua solliciti sunt, vel quia per sua ministeria fere omnia haec mysteria aliqualiter peragunt, vel in illis aliquo modo inserviunt, vel assistunt.
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y cantaron muy nuevos, y particulares hymnos: Statin exclamaverunt dicentes. Gloria in excelsis DeoM). Aus der Sicht dieser Darlegungen können die aufgeworfenen Fragen dahingehend beantwortet werden, daß Luzifer als einer jener ehemaligen sancti angeles, von denen S u á r e z spricht, alle Ereignisse, welche die Schöpfung, im weitesten Sinne verstanden, betreffen, vorausgeschaut hat. Er zeigt Gefühle des Hasses gegenüber Christus; er erkennt in dem Gott der Genesis die Trinitas und folglich auch den Sohn Gottes, und er sieht die Gottähnlichkeit des Menschen voraus. Calderóns Bearbeitung der visio war nicht nur ein dichterisches Spiel mit einem literarischen Stoff, sondern sie zeigt deutlich die Spuren theologischer Reflexion. An den Monolog Luzifers schließt eine kurze, zunächst wenig gewichtig erscheinende Episode zwischen Luzifer und Culpa an, die aber bei näherer Betrachtung erkennen läßt, daß der kaum 80 Zeilen umfassende Dialog und das in der Zwischenzeit Geschehene bis hin zu bühnentechnischen Einzelheiten einen wohlüberlegten Aufbau haben. Culpa, die sich mit Luzifers Unternehmen, Naturaleza Humana zu Fall zu bringen, einverstanden erklärt hat, läßt sich von ihm die bereits erstandenen Werke der Schöpfung zeigen. Diese erhalten durch die Frage Luzifers qué ves einen ganz besonderen Nachdruck (Calderón verwendet solche und ähnliche Fragen formelhaft, wenn er Bühnenbilder aus dem bloß dekorativen Rahmen herauslösen und mit dem inneren Zusammenhang des dramatischen Geschehens verknüpfen will)35). Luzifer zählt der Reihe nach drei bühnentechnisch dargestellte Ereignisse auf. Es erscheint ein Berg mit aufgetürmten, farbig schimmernden Wolkenmassen und dem Regenbogen; anschließend öffnet sich eine große Wolke, in der ei centro de la tierra erscheint. Als letztes bietet sich den Augen ein Palast dar, an dessen Tor ein Bild hängt. Die drei Ereignisse haben zweifellos eine tiefere Bedeutung. Mit aller Wahrscheinlichkeit sollen sie den bis dahin erreichten Stand der Schöpfung verdeutlichen. Ob es sich bei den Wolkenmassen um die Verdeutlichung der Sphäre des Himmels, bei ei centro de la tierra um diejenige der irdischen Welt und bei dem Palast um eine mystische Interpretation des Paradieses handelt 36 ), kann hier nicht entschieden werden. Auffallend ist, daß das Er34) V i t o r i a , P a d r e F r a y B a l t a s a r d e , Teatro de ¡os Dioses de ¡a Gentilidad, lib. V, De Apolo, cap. 2; Barcelona, 1702 (1. Aufl. 1620), S. 507. 35) Vgl. S. 214 f. 36) Culpa: Ya miro un A l c á z a r suntuoso a cuyas puertas el lienzo aún no acabado está . . . [III, 832-a], Vgl. .La primer Ilor del Carmelo', Simplicio: Digo, pues, que la caída de aqueste obstinado y ciego dragón puso a Dios por „blanco" . . . al hombre haciendo que, para ocupar su silla, criado fuese en el ameno alcázar del p a r a i s o [III, 646-b].
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scheinen des Palastes in der Vorstellung Suärez', dem Menschen sei in Zusammenhang mit seiner Erschaffung ein pa.la.tium bereitet worden, eine Parallele findet"). 37} S u á r e z , F r a n c i s c o , De opere 2; Opera omnia, Bd. 3, S. 188-b, 189-a:
sex dierum,
lib. III De hominis
creatione,
cap. IV,
Tertiam [rationem] etiam indicat [ D a m a s c e n u s , lib. 2 de Fide, cap. 12], dum ait creasse Deum hominem eorum, quae in terra sunt Regem. „Oportebat autem", ut idem Nazianzensus, orat. 43, dicit: „U t R e g i s p a l a t i u m prius construeretur, in quo postea Rex introduceretur. Quippe (ait N i s s e n u s , lib. de Homine, cap. 2,) consentaneum non erat Imperatorem existere prius, quam eos, quibus erat cum potestate praefecturus. Praeparato nimirum ante omnia imperio, tum deinde proximum erat regem designari". S u á r e z vertritt darüber hinaus die Auffassung, Adam sei außerhalb des Paradieses aus dem limus terrae gebildet und dann erst ins Paradies gebracht worden. Er leitet die Vorstellung aus dem 15. Vers des zweiten Kapitels der Genesis ab, wo es heißt: Igitur paulo post creationem aliorum animalium, formavit Deus hominem de limo terrae, et post breve tempus illum t r a n s t u l i t in Paradisum, ut capite sequenti videbimus [ebd., cap. IV, S. 192-a]. Utrum homines in paradiso terrestri, vel extra illum creati fuerint [ebd., cap. V, S. 193-b]. Dicendum autem est Adamum extra Paradisum, Evam vero intra Paradisum fuisse conditam. Haex est communis sententia, quae breviter per partes probanda est [ebd., cap. V, S. 194-a], Auch dieser Gedanke wird wiederholt von C a l d e r ó n aufgegriffen: Poder: . . . hoy del d a m a s c e n o campo, a un hermoso a l c á z a r rico, que a oposición de azul cielo, será v e r d e Paraíso le [al hombre] t r a s l a d a r é : . . . [.La vida es sueño', III, 1391-b]. Principe de las tinieblas: Ya a la vista del empeño, Envidia, estamos, si notas que del d a m a s c e n o campo, donde la [Naturaleza Humana] busca y la informa, a su ameno P a r a í s o la l l e v a [,EJ divino Orfeo", seg. red., III, 1846-a], C a l d e r ó n bezeichnet den außerhalb des Paradieses gelegenen Ort in Übereinstimmung mit S u á r e z und auch T a s s o als campo damasceno. S u á r e z , F r a n c i s c o , De opere sex dierum, lib. III, cap. V, 4; Opera omnia Bd. 3, S. 194: Interrogan autem solet, quis fuerit ille locus extra Paradisum, in quo Adam fuit creatus. Et communiter fertur fuisse creatum in c a m p o Damasceno, ex citatur J o s e p h u s . lib. 1, Antiquit., cap. 1 et 2, ubi nihil de hac historia reperio. T a s s o , T o r q u a t o , II mondo creato, kritische Ausgabe mit Einl. u. Anm. von Giorgio Petrocchi, Florenz: Felice le Monnier, 1951: E lui [l'uom primo] formò là sovra il suolo aprico De l'antica D a m a s c o , e vecchia fama (Se degna è pur di fede) ancor l'afferma. Poi t r a s p o r t o l l o entro l'ameno e lieto Suo Paradiso, che d'ambroso piante E di feconde a Maraviglia adorno Fe'l'arte e l'opra del cultore eterno. [Settimo Giorno, S. 295, V. 640—644],
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Wenngleich es schwierig ist, den Sinn der Bühnenbilder im einzelnen zu erschließen, läßt sich nicht verkennen, daß sie eine sinnbezogene Aufgabe in der gegebenen Situation des Dramas erfüllen. Gleiches gilt auch vom unmittelbar folgenden Wortwechsel. Luzifer gibt Culpa den Rat, sich zurückzuziehen, da in der Ferne ertönende Musik das Nahen des göttlichen Malers ankündigt. Beim Versuch, sich zu verstecken, stößt Culpa auf verschiedene Hindernisse, in deren Nähe sie sich aus schwerwiegenden Gründen nicht verbergen kann. Das Wasser erinnert sie an die Taufe, die Blumen an Maria, die Ähren und die Weintrauben an die Eucharistie und die Oliven an das Sakrament der Ölung. Sie findet schließlich hinter einem fruchttragenden Baum ein Versteck38). Das Geschehen spielt sich noch immer vor der Szene der Erschaffung des Menschen ab, so daß sich auch hier die Frage stellt, wie Luzifer von all dem Genannten Kenntnis haben konnte. Diese Episode muß ebenfalls auf dem Hintergrund der geheimnisvollen Schau Luzifers betrachtet werden. Wir erinnern an die Ausführungen von S u á r e z . Er nennt in vier Abschnitten die wesentlichen Geschehnisse der Schöpfungs- und Heilsgeschichte, die Luzifer vorausgeschaut hat: 1. die Menschwerdung Christi und den Fall des Menschen, 2. die Eucharistie, 3. Maria und 4. die Geheimnisse des Glaubens. Vergleichen wir die vier genannten Punkte mit den bis dahin gemachten Aussagen Luzifers, so stellen wir fest, daß die unter dem ersten Punkt aufgeführten Ereignisse, die Vorausschau des Gottessohnes und des Menschen, eingehend im Monolog erörtert werden. Im Hinblick auf die unter den restlichen Punkten aufgezählten Erkenntnisse Luzifers ist die soeben geschilderte Episode von besonderer Bedeutung. Der Dichter spielt hier auf die Eucharistie, auf Maria, die Taufe und die Ölung an. Einen unmittelbaren Hinweis auf die visio gibt der Terminus reconocer3") — ein Wiedererkennen setzt ein Erkennen voraus — und die Ausdrucksweise aun visto en sombra. Culpa:
Porque en el oro de ambos granos [de las mieses y de las vides] me parece que están Sagrados Tesoros de algún Sacramento, a quien a u n v i s t o e n s o m b r a me postro40)
Weder zwischen den Ähren noch zwischen den Weintrauben kann sich Culpa verstecken, da sie in ihnen das Sakrament der Eucharistie erblickt, vor dem sie sich, obgleich sie es nur als sombra geschaut hat, niederwirft. Die Worte aun visto en sombra enthalten darüber hinaus einen Aspekt, auf den wir bisher nicht hingewiesen haben. Sie besagen, daß Luzifer das Geschaute nicht in seiner Wesensfülle erkannt hat. Calderón greift den G e d a n k e n e i n e r m a n g e l h a f t e n E r k e n n t n i s L u z i f e r s wiederholt mit ähnlichen 38) III, 832-b. 39) Culpa: . . . reconozco que el agua (ay de mil) ha de ser el antídoto piadoso de la Culpa [III, 832-b]. 40) III, 832-b.
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Termini aus dem Bereich der Malerei auf. Damit kommen wir zur Besprechung anderer Schauspiele, in denen Calderón diesen Gedanken weitgehend in den Vordergrund rückt. b) Die v i si o Luzifers in anderen
zum Vergleich
herangezogenen
Dramen
aa) „El divino Oríeo" (prim. red.) Das auto wird ähnlich wie „El pintor de su deshonra" mit einer Anspielung auf die Vision des Dämons eingeleitet. Aristaios, die Verkörperung Luzifers, erkennt in Eurydike die Gestalt der Humana Naturaleza, der Gattin des Orpheus, der die Rolle des Gottessohnes übernimmt. Er erinnert sich, sie einst in rasgos y bosquejos de matices y lineas gesehen zu haben. Auch hat er ihre Entstehung aus Lehm und Erde geschaut. Aristeo: Qué es esto, ay de mi, que veo? Esta es la muger altiva que vi en r a s g o s y b o s q u e j o s de m a t i c e s y l i n e a s , quando e n b i d i o s o de ver estupendas maravillas, en el barro executadas en el l o d o conseguidas, la N a t u r a l e z a H u m a n a con amagos de divina no quise adorar, turbando superiores Gerarquias. O que muger tan bizarra! Siendo yo la e m b i d i a misma, que mucho que tenga c e l o s si los celos son embidia? huyendo de verla voy en la dulce compañía de la gracia, y del amor, que son los que la apadrinan. Mas disfrazada . . . turbaré su paz, haziendo que la esposa, que aora estima este músico Divino venga a ser empresa mia41). Obgleich in diesem Abschnitt nicht v o n einem Porträt die Rede ist, setzt der Gebrauch der W o r t e rasgos42), bosquejos*3), matices, lineas und ver die Vorstellung eines gleichsam als Skizze entworfenen Bildes voraus. Diese Vorstellung eines skizzenhaften Entwurfes greift Aristaios noch einmal auf, als er von seiner Herkunft, seiner patria primera und dem Empyreum spricht. 41) III, 1821-a. 42) rasgo — linea formado con garbo y aire para el adorno de las letras en lo que se escribe. Usase frequentemente en las letras mayúsculas, y flores & c.; lat. linealis ductus calami, vel liberior [Diccionario de Autoridades]. 43) bosquéjo — la pintura que está con los primeros colores, que a u n n o s e d i s t i n g u e b i e n . Su etymologia paréce de bosque por la analogía en l o c o n f u s o , y o b s c u r o de los colores en el bosquéjo, con la confusión y sombra de las ramas en el bosque [Akzentsetzung nach dem Diccionario de Autoridades].
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Sein König habe ihm eines Tages altos misterios kundgetan, er habe ihm seine Gattin entre rasgos y vislumbres de un bosquejo, de un retrato vorgestellt. Das Bildnis sei von so außerordentlicher Licht- und Schattenwirkung gewesen, daß es ihm mehr Staunen entlockt, als es dem Maler Können abverlangt habe. Aristeo: Tan zerca de la persona del Rey me crihé, que tube grande parte, en sus secretos; . . . de suerte me introduje con él [el Rey], que me r e v e l ó una vez que verle pude afable, tales secretos que a l t o s m i s t e r i o s yncluyen. Quiso enseñarme a su esposa entre rasgos, y vislumbres de un b o s q u e j o , de un r e t r a t o en cuyas s o m b r a s , y l u z e s puso menos fuerza, el Arte, que yo admiraciones puse. Pues al instante sentí mil zelosas inquietudes; ... 4 4 )
Hier ist es die hyperbolische Ausdrudesweise entre rasgos, y vislumbres45) de un bosquejo, de un retrato, in der die Unklarheit des Geschauten zum Ausdruck gelangt. Die Worte bergen eine erkenntnistheoretische Aussage in sich. Es handelt sich um die Schau eines ejemplar: Luzifer sieht in einer geheimnisvollen Vision das Urbild der menschlichen Natur. Zur Erkenntnismöglichkeit eines exemplar äußert sich S u á r e z in der „Disputatio de causa exemplaris". Er vertritt die Auffassung, daß ein exemplar nur in confuso1') erkannt werden könne. Calderón greift diesen Gedanken wiederholt in Zusammenhang mit der Vision Luzifers auf; er bedient sich dabei verschiedener metaphorischer Wendungen aus dem Bereich der Malerei 47 ). Die theologische Bedeutung der genannten Metaphern liegt darin, daß Luzifer eine nur man44) III, 1826-a, -b. 45) vislumbres — el reflexo de la luz, ö tenue resplandor á d i s t a n c i a de ella; lat. dubia lux. Metaphoricamente se toma por conjetura, sospecha, ú indicio; lat. d u b i o , v e 1 o s c u r a c o g n i t i o ; levis suspicio [Diccionario de Autoridades]. 46) S u á r e z , F r a n c i s c o , Disputatio de causa exemplaris, Sectio I, cap. 18; in: Disputaciones metaiísicas, ed. Gredos, Madrid, 1960, Bd. 4, Disputatio XXV, S. 47: Responden potest artificem creatum non concipere illud ipsum artificiatum in particulari et in individuo quod facturus est, sed solum i n c o n f u s o artificiatum talis rationis vel figurae; et ideo semper habere idolum obiective conceptum distinctum ab artificiato, quod facit postea ad imitationem illius idoli. — Im Anschluß daran bezeichnet Suárez dieses Bild als ein conceptus con iusus. 47) Vgl. III, 1842-b: . . . en sombras y figuras de un retrato . . . III, 184-a; -b : . . . entre uno y otro perfil. . . . . . entre rayos y vislumbres III, 754-b: de un retrato . . . . . . entre sombras de imágenes y in, 76-a: figuras.. . III, 1586-a: . . . en el ideado bosquejo . . . III, 99-a: . . . en confusas ideas del suefio . . .
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gelhafte Einsicht in den göttlichen Schöpfungs- und Heilsplan hatte; er konnte ihn nicht in seiner Wesensfülle erkennen. Aristaios spricht von den wirkungsvollen s o m b r a s y J u z e s 4 8 ) des Bildnisses. Das antithetische Begriffspaar muß a u f dem H i n t e r g r u n d d e r b a r o c k e n K u n s t gesehen werden. H i e r w a r d i e E r z i e l u n g v o n k o n t r a s t i e r e n d e n L i c h t - und S c h a t t e n e f f e k t e n e i n z e n t r a l e s A n l i e g e n k ü n s t l e r i s c h e n S c h a f f e n s . Dieses Bemühen wurde nicht nur in Kunstwerken sichtbar, sondern fand auch einen Niederschlag im kunsttheoretischen Schrifttum. L o m a z z o 4 9 ) beispielsweise widmet der Lichttheorie eigens eine Abhandlung mit 25 Kapiteln50), in denen er naturwissenschaftliche, philosophische und theologische Überlegungen zur Geltung bringt51). Audi die Dichtung konnte sich, wie Calderón beweist, diesem Einfluß nicht entziehen. Er versteht es, die Licht- und Schattenwirkung, die in Termini wie sombras y luces zum Ausdrude kommt, seinen Schauspielen in vielfältiger Weise nutzbar zu machen. Sie erlangt optische Gestaltung vor allem in der I l l u m i n a t i o n d e s B ü h n e n h i n t e r g r u n d e s 5 2 ) , sie gewinnt verbalen Ausdruck in kontrastierenden, dichterischen Schmuckformen, und sie erscheint vielfach als Träger theologischer Bedeutungen53). 48) umbra, ae — por la sombra o por el anima; por la sombra o matiz en la pintura [Dictionarium A e l i i N e b r i s s e n s i s ; Hispali: Joannes Varela (1516)]. — sombra — en la perspectiva, y pintura & c. se dice de la imitacion de la sombra verdadera [ T e r r e r o s y P a n d o , E s t e b a n d e , Diccionario castellano con las voces de ciencias y artes-, 3 Bände; Madrid, 1786—1793, Bd. 3J. 49) L o m a z z o , G i o v a n n i P a o l o (1538—1600), Maler und Kunsttheoretiker. 50) L o m a z z o , G i o v a n n i P a o l o , Trattato dell'arte de la pittura; Milano, 1584; lib. IV Della Virtù del lume, S. 211—244. 51) L o m a z z o , G i o v a n n i P a o l o , ebd., lib. IV, cap. III: Che cosa sia lume. — Questa parola di lume si piglia in diuersi modi, & significationi. Prima, & principalmente significa l'imagine della diuina mente die è il figliuolo d'Iddio, & vnico splendore suo, ilquale diiamauano i Platonici, imagine della diuina mente. Significa ancora l'ardore dello Spirito santo. Pigliase per una virtù diuina diffusa nelle creature die nella rationale è la sua diuina gratia, & in tutte le creature insieme è la virtù conseruatrice, & difenditrice, come e quella, secondo Dionisio, dei Serafini. Negli Angeli poi si fà specialmente intelligenza . . . [S. 212], Et questo lume è corno vogliono i Peripatetici, la causa o ragion formale per laquale si veggono le cose colorite: le spetie, ouero imagini della quale passano alla fantasia e specialmente illuminano gl'occhi, ne' quali si forma una imagine die prima passa al senso comune, poi alla fantasia & finalmente al intelletto [S. 214], 52) Auf die Illumination des Bühnenhintergrundes spielt Calderón beispielsweise mit den Termini sombras, luces, lejoä, perspectivas und rasgos an; vgl. S. 188. Vgl. .La nave del mercader" : Lascivia:
Los espejos te retraten, porque tu vista te adule, y en paises y en vergeles arte y natura dibujen . . . (canta:) „ya en Verdes esferas, ya en campos azules, l u c e s que sean s o m b r a s , s o m b r a s que sean l u c e s [III, 1459-b].' 53) Vgl. .La nave del mercader' : Culpa: . . . [un navio] se deja antever en mistico estilo, con s o m b r a s de imperio, a l u c e s de impireo [III, 1448-b].
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A r i s t a i o s macht n o c h e i n drittes M a l e i n e A n s p i e l u n g auf d i e göttliche O f f e n b a r u n g d e s P o r t r ä t s . Er w e n d e t s i c h a n E u r y d i k e , d e r V e r k ö r p e r u n g d e r N a t u r a l e z a H u m a n a , u n d gibt ihr z u v e r s t e h e n , daß er s i e b e r e i t s k e n n t , d e n n er h a t sie als G e s t a l t e i n e s Porträts g e s e h e n . Aristeo: A u s e n t e e n fin de mi patria corrí c o n s o l i c i t u d e s el horbe; hasta que l l e g u é a e s t o s campos, . . . Aqui te vi; . . . P u e s te v i D i v i n a I m a g e n d e u n r e t r a t o , a quien estube rendido, s i e n d o tu sola o r i g i n a l , no lo dudes d e esta c o p i a 5 4 ) ; p u e s de ti quiso amor, que s e dibuje"). .La serpiente de metal": Moisés y Idolatría: Pues dinos ya de una vez, qué s o m b r a y figura es ésa? Angel 2: En cuanto a s o m b r a s , a mí me toca dar la respuesta, pues soy el que di las sombras al día, ocultando en ellas embozado al sol; que fué decir que entre nubes densas anda boy en lejanas luces. Moisés y Idolatría: Qué l u c e s pueden ser ésas? Angel 1: Eso de l u c e s , a mí me toca, pues la negra noche di participadas del sol las luces, que en ellas alumbraron; y así, ahora, porque mejor resplandezcan, os he de enseñar al sol esa anticipada i d e a de sus s o m b r a s y mis l u c e s , pendiente, en correspondencia del áspid, en otra vara más prodigiosa que aquella [III, 1551-a], Angel 1: Angel 2:
Toca, que el maná llovieron . . . Que es s o m b r a y f i g u r a expresa de aquel alto Sacramento, que en pura Cándida oblea también en s o m b r a s y l u c e s en él se nos representa [III, 1551-b]. Belfegor: A tanto golfo de so m b r a s . . . Idolatría: D e l u c e s a tanta esfera . . . Belfegor: Sienta, sufra, gima, y llore [III, 1551-b]. 54) Vgl. S. 136 ff. 55) III, 1827-b. 27
Calderón greift zu der komplizierten Form Divina Imagen de un retrato, bei der retrato und imagen strenggenommen das gleiche meinen: die dargestellte Erscheinung, so daß man die Form entweder zu divino retrato oder zu divina imagen vereinfachen könnte. Vom Bildnerischen her betrachtet, besteht also keine Veranlassung, eine so ausgefallene Ausdrucksweise zu schaffen. Die Ursache liegt vielmehr im theologischen Wert der Aussage. Die Verflechtung des Begriffes imagen mit dem Terminus retrato beruht an dieser Stelle auf der biblischen Vorstellung der imago dei56). Aristaios hat in dem Porträt Eurydike als imago dei erkannt. Im Unterschied zu anderen parallelen Situationen fällt hier auf, daß keinerlei Anspielungen auf die göttliche Idee, die das Bild hervorgebracht hat, sichtbar werden. Löst man die Zeilen von ihrem theologischen Hintergrund, so zeigen sie eine Analogie zu ähnlichen Begebenheiten in den weltlichen Schauspielen. Es handelt sich um Situationen, in denen ein junger Mann eine ihm fremde schöne Frau auf Grund eines Porträts wiedererkennt, das er irgendwann einmal gesehen hat und bei dessen Anblick er von tiefer Liebe ergriffen wurde57). Aristaios erkennt Eurydike und gesteht ihr seine Liebe inmitten von herrlichen, mit Blumen übersäten Wiesen. Die Atmosphäre entspricht ganz dem von den weltlich-mythologischen Schauspielen her bekannten ameno sitio. Berücksichtigt man, daß Calderón das Motiv des Porträts als Anlaß zu Liebe, Eifersucht, Haß und Intrige wiederholt aufgreift, so liegt es nahe, die Herkunft der Porträtsmetapher (aus dem Munde Luzifers) in den gesellschaftlichen Intrigen wegen eines Bildnisses zu vermuten. Dies ist um so wahrscheinlicher, als für den Terminus retrato schwerlich eine lateinische Entsprechung im theologischen Schrifttum geltend gemacht werden kann. Es konnte bisher nur der Inhalt dessen, was mit dem Begriff retrato vorgestellt werden kann, nicht aber das Wort selbst im theologischen Schrifttum nachgewiesen werden. Calderón scheint das Motiv der gesellschaftlichen Vorstellungswelt gänzlich entkleidet und der Darstellung des theologisch komplizierten Sachverhaltes von Luzifers Vision nutzbar gemacht zu haben. Nur zuweilen wie an dieser Textstelle des auto „El divino Oríeo" (prim. red.) läßt sich die wahrscheinliche Herkunft der Metapher erahnen. Hat Calderón selbst die Metapher in ihrer spezifischen Bedeutung für die Vision Luzifers geschaffen, oder war sie bereits in entsprechender Weise vorgeprägt? bb) „El divino Orfeo" (seg. red.) In der Fassung von 1663 erscheint die visio Luzifers wie im auto „El pintor de su deshonra" in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Sechstagewerk. Luzifer in der Gestalt des Principe de las tinieblas fährt mit Envidia in einem Boote daher. Er nutzt die Gelegenheit, ihr von seiner unglücklichen, enttäuschten Liebe zu Naturaleza Humana zu berichten, denn der Tag ihrer Erschaffung steht unmittelbar bevor.
56) Gen. 1, 26. 57) Vgl. S. 109 ff.
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Príncipe de las tinieblas: . . . el día llega, que ya entrevio la Cienca mía en el R e t r a t o de la Soberana siempre feliz N a t u r a l e z a H u m a n a ; por quien Cosario intento dar fuerza a un Alegórico Argumento, viendo que es ella (el día que ella sea alto e j e m p l a r de l a D i v i n a I d e a ) el infestado Triunfo, que interesa mi aborrecido Amor, siendo la Presa con quien mi grande espíritu atrevido vuelva a surcar las ondas del Olvido58). Príncipe de las tinieblas und Envidia bestaunen die Entstehung des Kosmos. Orpheus tritt, von Musik, begleitet, auf die Bühne und läßt nacheinander die sechs Tage erwachen. Als letzte Handlung erweckt er Naturaleza zum Leben. Er übergibt ihr die Herrschaft über die Geschöpfe. Sie verschwindet. Sofort erhebt der Fürst der Finsternis an, seiner Begleiterin von seinem Wissen um die Geschicke der Naturaleza Humana zu berichten. In den W o r ten en sombras y figuras59) de un retrato kommt erneut der Aspekt der unklaren Schau zur Geltung. Principe de las tinieblas [zu Envidia]: Aquella hermosa beldad que también en la veloz fuga va tras la voz es Envidia la que en s o m b r a s y f i g u r a s de un r e t r a t o me enseñó en mi primer patria augusta, para jurarla mi Reina, y su Esposa Dios, a cuya vista a un tiempo padecí las dos mortales angustias de o d i o y a m o r , . . . . . . dije que siendo, como era, inferior creatura yo no había de adorarla. Ya es tiempo de que borremos a Dios esta hermosa hechura, . . . ,0 ) cc) „El veneno
y la triaca"
Eine überaus schöne Infantin schreitet in Begleitung von Inocencia in einem paradiesähnlichen Garten einher. Sie begegnet Luzifer, von dessen Anblick sie zutiefst erschrocken ist. Auf ihre Frage, wer er wohl sei, antwortet er mit der Geschichte seiner Herkunft. Ich bin, so sagt er, der schöne Neid 58) III, 1840-a. 59) Mit Bguras
sind die einzelnen Bildteile als Gestaltungselemente des Bildes gemeint.
60) III, 1842-b.
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des Mais, die Beleidigung des Aprils; ich bin ein erhabener und berühmter Fürst eines fernen Landes; ich bin Luzifer. Er erzählt weiter, das Empyreum sei seine Heimat gewesen, er habe dort soviel Vorteile in der Nähe des Königs genossen, daß ihm dieser eines Tages seine Liebesgeheimnisse kundgetan habe. Hier aber habe er der Vertraulichkeit mit dem König ein Ende gesetzt. In höchster Erregung gesteht er mi tragedia empezó allí. Der König hat ihm das Porträt seiner Gattin enthüllt. Bei dem Gedanken daran erfaßt ihn soviel Liebe, Neid, Eifersucht und Traurigkeit, daß er völlig von Sinnen das Liebesgeständnis, das er damals im Anblick des Bildnisses ablegte, wiederholt. Lucero:
Pues enseñándome un día, entre uno y otro perfil, un r e t r a t o de su esposa, desde el punto que la vi empecé, celoso y triste, a padecer y sentir, porque en la pintura estaba con vida y alma el matiz, y arrebatado en su amor, sin obrar ni discurrir, con mudas voces me acuerdo que dije al retrato así: «Bellísima deidad, que repetida de uno y otro matiz, vives pintada; bellísima deidad, que ¡Iluminada de un rayo y otro, animas colorida, cómo estando en la lámina sin vida dejas la vida a tu beldad postrada? Si nació con estrella tan segura tu dueño, y él no más es señor de ella, el influjo que debe a luz tan pura vuelve a su original (oh copia bella!), que es mucha vanidad de una hermosura querer estar pintada con su estrella.»* 1 )
Neu im Vergleich mit den vorangegangenen Beispielen ist die Beschreibung des Liebesgeständnisses, das Luzifer einst vor dem Bildnis abgelegt hat. Calderón bedient sich der metaphorischen Sprache des Betrachters eines Bildnisses. Er läßt Gedanken anklingen, die für die Porträtkunst der damaligen Zeit typisch sind: die Ähnlichkeit von Porträt und Original82), die mit dem Begriffspaar original-copia gestreift wird, und die Darstellung des Seelischen63), die in der Bemerkung en ¡a pintura estaba con vida y alma el matiz klar zum Ausdruck gelangt. Auch die Worte vives pintada setzen eine große Lebendigkeit und Beseelung des Bildnisses voraus. Die Gestalt scheint zu leben; so wie ein lebendiger Mensch eine affektive Wirkung auf sein Gegenüber ausübt, vermag das Porträt, die Affekte Luzifers zu Gefühlen der 61) III, 184-a, -b. 62) Vgl. S. 136 ff. 63) Vgl. S. 139 ff.
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Liebe anzuregen. Luzifer stellt dem Bildnis die erstaunte Frage, wie es komme, daß, obgleich weder Leben noch Seele in ihm sei, es seine Sinne und seine Seele so sehr in Verwirrung bringen könne. Lucero:
«Bellísima deidad, . . . cómo estando en la lámina sin vida dejas la vida a tu beldad postrada? cómo estando en el bronce inanimada dejas el alma a tu beldad rendida?» 84 )
Nachdem Luzifer der Infantin von all dem Geschehenen, v o n der Offenbarung des Porträts, seiner Liebe und seiner Eifersucht auf die geschaute Schönheit erzählt hat, gesteht er ihr, sie selbst sei das Original des Bildnisses. Lucero: . . . el r e t r a t o que vi, lineado en los colores del clavel y del jazmín, de quien el original eres tú, porque de ti el ejemplar de la idea de Dios le sacó, y así en tu busca, Infanta hermosa, .. . he venido, .. ,65) dd) „La cura y la enfermedad" Luzifer hat seine Begleiterin Sombra a u s dem Abgrund herbeigerufen. Er teilt ihr seinen a u s Haß und Liebe entstandenen Kummer mit. Die Geliebte und zugleich Gehaßte ist j e n e s Abbild, das Gott aus dem ejemplar seiner Idee hervorgebracht hat. Lucero:
. . . de Dios l a i m a g e n que sacó de su e j e m p l a r , . . . es la que llego a aborrecer y amar, . . . Sol la llamé66).
Sombra versucht zu erraten, um welche Person es sich bei Luzifers Ärgernis handelt. Da sie sich vergeblich müht, läßt er das Sechstagewerk andeutungsweise vor ihren A u g e n erstehen, um ihr so den Gedanken an Naturaleza Humana nahezulegen. Auf vier W a g e n werden nacheinander die vier Elemente Feuer, Luft, W a s s e r und Erde sichtbar. Sie versinnbildlichen den Ablauf der Erschaffung des Kosmos. Hier sei die sehr bühnenwirksame Art des Zeigens und Deutens hervorgehoben. Mit einer demonstrativen G e s t e führt Luzifer seiner Begleiterin die vier Elemente vor, wobei er j e d e s m a l an sie die F r a g e stellt, w a s sie auf dem entsprechenden W a g e n erkenne. Von Musik begleitete Stimmen geben jeweils die Deutung des Geschehens. Diese Darstellungs- und Deutungsweise wird dreimal wiederholt. Sodann verschwinden die sehr eindrucksvoll und rätselhaft dargestellten Erscheinungen, und Luzifer wendet sich an Sombra mit der b e d e u t s a m e n F r a g e : hast du es 64) III, 184-b. 65) III, 185-b. 66) III, 751-a, -b. 31
immer nodi nidit verstanden?, worauf Sombra mit einem klaren Nein antwortet. Nun hat Luzifer wiederum einen Anlaß, die Geschidite seiner Herkunft, der Enthüllung des Porträts, seiner Liebe und Eifersucht vorzutragen. Lucero:
. . . me r e v e l ó [el Rey] (una vez, que verle pude afable) arcanos m i s t e r i o s , que altos secretos incluyen. Quiso enseñarme a su Esposa e n t r e rayos67) y v i s l u m b r e s d e u n r e t r a t o , en cuya rara hermosura puso útil el arte menos primores que y o admiraciones puse; pues al instante sentí mil celosas inquietudes, . . ,68)
Der Monolog endet mit der Bitte Luzifers, Sombra möge ihm ein Gift bereiten, mit dessen Hilfe er Naturaleza in einen wahnhaften Schlaf versetzen will. Luzifer nennt Sombra eine Zauberin, die auf dem Monte de Ja luna giftige und todbringende Pflanzen zieht69). Hier scheinen antike Vorstellungen zugrunde zu liegen, denenzufolge die Seelen der Verstorbenen als daemones auf dem Planeten Luna wohnen 70 ). Da der Terminus monte de la luna wiederholt von Calderón in Zusammenhang mit einer dämonischen Gestalt 71 ), meist einer Zauberin aufgegriffen 67) rayos — en la Pintura y Escultura, llaman unos triángulos angostos de lineas rectas, y algunas veces los interpolen con otros de lineas serpeadas, para representar los rayos del Sol ö las Estrellas colocadas al rededor de un circulo: y también representan assi los r a y o s d e l u z ó r e s p l a n d o r e n l a s i m á g e n e s [Diccionario de Autoridades]. 68) III, 754-b. 69) Lucero: . . . eres (oh Sombral) la que las plantas produces, que en el M o n t e d e l a L u n a frenético sueño infunden,... [III, 755-a]. 70) Vgl. C a p e l l e , P a u l u s , De ¡una stellis ladeo orbe animarum sedíbus. Diss. Halle, 1917: Luna facta est defunctorum animarum sedes [S. 6]. [Pytagorei docuerunt] . . . defunctorum animas ut daemones in luna versari [S. 8]. Vgl. .El verdadero Dios Pan": . . . la Luna es viva imagen de un alma,.. . [III, 1242-b], 71) .La vida es sueño' (seg. red.): Sombra: No me atajes, que yo te la [Causa] diré: En la Magia que aprendi en el M o n t e d e l a L u n a , templo de la noche, una proposición antevi, en la que Autoridades sumas, que ahora no importa alegar; . . . símbolo a la Luz harán de Gracia, de Culpa a mi [III, 1393-a]. .El pleito matrimonial del cuerpo y del alma': Pecado [zu Muerte]: Pues si el ser me debiste, y ser atroz, desciende a los conjuros de mi voz. Desciende de ese n e g r o m o n t e , que es funesta patria de la noche vil; . . . [III, 75-b].
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wird, liegt die Vermutung nahe, daß die genannte Vorstellung in christlicher Umprägung, derzufolge Luna als Sitz der Dämonen nach dem Fall der Engel interpretiert wurde, in irgendeiner Weise in die theologischen Erörterungen über die Engel und deren Fall eingegangen war und in dieser Form auf Calderón gekommen ist. Freilich ist es denkbar, daß Calderón unmittelbar antike Quellen zugrunde gelegen haben72). Die Tatsache aber, daß der monte de la luna stereo,E1 jardín de Falerina', [Luzifer ruft Culpa herbei]: Lucero: Oh, tú, parda columna, del venenoso M o n t e d e l a L u n a , cuya pálida tez, lóbrega y fría, sobre los verdes tósigos que cria, de la cicuta, el opio y el beleño, catres le mulle a la deidad del sueño! [III, 1506-a]. .El valle de la zarzuela": Demonio: Oh, tú, parda columna del tenebroso m o n t e d e l a l u n a , cuya pálida luz, trémula y fria, sobra las yerbas y áspides que cria, de la cicuta, el opio y el beleño, catres le mulle a la deidad del sueño; . . . [III, 700-a]. .El pastor Bdo', [Luzbel ruft nach Culpa]: Luzbel: Ah de la excelsa cumbre, que dórica columna del cóncavo p a l a c i o d e l a l u n a , al sol empaña la celeste lumbrel [III, 1585-a]. .El tesoro escondido", [Idolatría beschwört Sinagoga und Hebraísmo, aus dem monte de la luna hervorzutreten]: Idolatría: Ah del lóbrego seno del m o n t e d e l a l u n a , de cuyo vientre abortos son el beleño, el opio y la cicuta! [III, 1671-a], .El verdadero Dios Pan", [hier stehen im Unterschied zu den vorhergehenden Beispielen, in denen theologische Gesichtspunkte eine Rolle spielten, das mythologische und im danach folgenden Fall das biblische Geschehen im Vordergrund]: Pan: Este m o n t e que a la L u n a , consagró un templo Tesalia, más de miedo que de amor, . . . es veneno de las plantas [III, 1243-a]. . . . el Mundo no es más que inferior monarca que debajo de la L u n a contiene, alberga y ampara un todo, significado en yerbas buenas y malas en quien la N a t u r a l e z a vive, reina, triunfa y manda [III, 1243-b]. .La torre de Babilonia": Heber:: Alto Monte de Armenia, cuya cumbre al cielo sube sin fatiga alguna a sostener la hermosa pesadumbre del cóncavo p a l a c i o d e l a l u n a [III, 879-b], 72) Zur Bedeutung des Planeten Luna und der gleichnamigen Göttin in der Antike vgl. O c h s e , H o r s t , Studien zur Metaphorlk Calderóns, München, 1967, S. 69 f.
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typ eine große Rolle in dem bei der Darstellung des Schöpfungsgeschehen so wichtigen Gespräch zwischen Luzifer und seiner Begleiterin spielt, in dem dieser von seiner Herkunft und vor allem von seiner primera batalla") (primer lid1*)) berichtet, spricht dafür, daß die Vorstellung vom monte de la luna zu Calderóns Zeit einen Bestandteil der theologischen Spekulationen über das Schöpfungsgeschehen bildete. Berücksichtigt man außerdem die Häufigkeit der Anwendung, so liegt der Gedanke nahe, als Ausgangspunkt für Calderón nicht antike, sondern zeitgenössische Quellen zu vermuten, in denen der antike Stoff bereits in christlicher Umdeutung vorlag. Als Beispiel einer ähnlichen Umdeutung, bei der allerdings nicht von dem für Calderón zentralen Terminus monte de la luna die Rede ist, verweisen wir auf die von H o r s t O c h s e zitierten Worte des P r u d e n t i u s 7 5 ) , in denen der Autor Diana, die Göttin des Planeten Luna, als Symbol des biblischen Satans interpretiert. ee) „Amar y ser amado y divina Filotea" Auch dieses auto beginnt damit, daß Luzifer, der hier in der Gestalt des Demonio erscheint, seine Gefährtin Lascivia und Mundo auf die Bühne ruft. Beide eilen herbei, und nun beginnt nicht, wie zu erwarten ist, Demonio, sondern Principe de la Luz, die Geschichte des Dämons zu erzählen. Er berichtet sie so, als sei es seine eigene. Es handelt sich hier zweifellos um einen Irrtum hinsichtlich der sprechenden Person. Der Monolog mit den uns bekannten Themen der Herkunft Luzifers, der Offenbarung des Porträts u. ä. ergibt nur dann einen Sinn, wenn der Sprecher den dämonischen Hauptdarsteller verkörpert und nicht wie hier den Antagonisten. Der Fehler in der personellen Zuordnung des Monologs rührt aller Wahrscheinlichkeit nach von den leicht irreführenden Worten zu Beginn des Monologs her: Principe de Luz me vió mi patria; bien de Luzbel lo dice el nombre, que hoy, Bel sin luz, me abate a ser príncipe de las tinieblas 78 ).
Aus diesen Worten schlössen offenbar der Schreiber des Manuskriptes oder der Herausgeber dieser oder derjenige einer früheren Textausgabe, es handle sich bei der sprechenden Person um Príncipe de la Luz anstatt um Principe de las tinieblas, einer Bezeichnung für den Dämon, mit der die sprechende Person identifiziert werden muß. Príncipe de la Luz tritt zwar ebenfalls in diesem Drama auf, aber in der völlig entgegengesetzten Rolle des göttlichen Gatten der Filotea, die Demonio als Porträt geschaut hat. Bei den zitierten Worten kam es dem Dämon gerade darauf an zu betonen, daß er einst ein Fürst des Lichtes (de luz) g e w e s e n sei, während er sich jetzt Fürst der Finsternis sin luz nenne. Aus den genannten Gründen ordnen wir 73) beispielsweise III, 1507-a. 74) beispielsweise III, 701-a. 75) 348—405 n.Chr.; vgl. O c h s e , H o r s t , a.a.O., S. 70 ( P r u d e n t i u s ) , Symmachum, I, 355—378, ed. Lavarenne, Paris, 1948). 76) III, 1775-a.
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Contra
den Monolog Demonio zu. Dieser hebt nun an, seine Geschichte in der bekannten Weise vorzutragen. Sein König hat ihm einst Geheimnisse seiner Liebe anvertraut und ihm dabei das Porträt seiner künftigen Gattin Filotea, das er in seiner idea entworfen hatte, gezeigt. Demonio hat erfahren, daß er ihr eines Tages werde dienen müssen. Eifersüchtig auf seinen Herrn, hat er Filotea die Anerkennung als seine Herrscherin verweigert. Demonio: De tanta ruina [eso] la causa fué, que como me crié tan cerca de su persona en la gracia de mi rey, bien que en ella confirmado no llegué a estar . . . en fin, en aquel instante a merecerle llegué tan gran favor, que fiando de mí su amorosa fe, del e j e m p l a r d e s u i d e a me enseño un r e t r a t o , en quien de la beldad que tenía elegida para ser su esposa, vi la hermosura; en cuyo rico joyel, siendo sus s o m b r a s y l u c e s matices de rosicler, puso mi amor más deseos que primores su pincel. . . . yo no había de obedecer majestades de inferior naturaleza; ...")
Während Filotea später zum Zeichen ihres Eintritts in die Welt aus ihrem Kerker schreitet, gesteht er ihr, daß er sie schon auf Grund eines Porträts kenne. Demonio:
Te vi un día en un r e t r a t o . . . Te vi, dije, y dije bien, que en sus retratos el alma78) es donde se deja ver.79)
ff) „El pleito matrimonial del cuerpo y del alma" Im Mittelpunkt des Schauspiels steht das Thema des Disputes zwischen Körper und Seele. Unter den zu Beginn des Dramas eingeflochtenen Vorstellungen von der Erschaffung des Kosmos und des Menschen finden wir erneut Anspielungen auf die visio Luzifers. Was die Rollenverteilung betrifft, übernimmt Pecado die Rolle Luzifers und Muerte diejenige seiner Gehilfin. Der 77) III, 1775-a, -b. 78) Vgl. S. 139 ff. 79) III, 1778-a.
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Aufgabenbereich der menschlichen Natur, die bisher in einer einzigen Person, in Naturaleza Humana, vertreten war, ist auf zwei Personen verteilt: auf Alma und auf Cuerpo. Alma versinnbildlicht den Teil im Menschen, der am Geistigen Anteil hat, Cuerpo denjenigen, der aus der Materie stammt. Pecado und Muerte hecken den aus anderen Stücken bekannten Racheplan aus. Er richtet sich diesmal gegen Alma. Pecado kommt auf die Ursache seines Unternehmens zu sprechen. Der Grund dafür ist jene visio vor der Erschaffung des Menschen; hier ist die Erschaffung von Alma und Cuerpo gemeint. Eine Modifikation in der Darstellung der Vision Luzifers ist in der Tatsache zu sehen, daß die dämonische Gestalt nicht von einem Porträt der menschlichen Natur, die als eine Ganzheit aus Seele und Körper zu begreifen ist, sondern nur von einem Gemälde der Seele des Menschen spricht. Dennoch soll sich all das über Alma Ausgesagte auf die ganze menschliche Natur beziehen. Pecado erinnert an die Vereinigung von Alma und Cuerpo in der humana naturaleza, die er schon als uneingeschränkte Herrscherin der Welt vor sich sieht. Ansonsten kehren die oft genannten Gedanken wieder: der Bildentwurf in der göttlichen Idee, die Enthüllung des Bildnisses, die Liebe, der Neid und die Eifersucht und vor allem das Moment der undeutlichen Erkenntnis des Geschauten, das mit den Worten entre sombras de imágenes y figuras ... confusas in den Vordergrund der Aussage rückt. Pecado:
. . . De esta ira, de esta rabia, de esta furia fué la causa que e n t r e s o m b r a s de i m á g e n e s y f i g u r a s bien a mi ciencia distintas, bien a mi dolor c o n f u s a s , en la soberana idea de Dios miré la p i n t u r a d e l a l m a h e r m o s a del hombre, cuya gran belleza, cuya perfección había de ser, al cuerpo mortal conjunta humana naturaleza reina del mundo absoluta. 80 )
gg) „El pastor íido" In diesem Schauspiel ist es Luzbel, der Culpa aus ihrem finsteren, verborgenen Versteck auf die Bühne lockt, um sie von seinem Vorhaben gegen Naturaleza zu unterrichten. Er erinnert an die Feindschaft zwischen ihm und Naturaleza, deretwegen es zu der bewaffneten Auseinandersetzung im Empyreum kam. Anlaß des Streites, so sagt er, sei seine Eifersucht gewesen. Naturaleza sei ihm in einem ideado bosquejo in einer solchen Einzigartigkeit geoffenbart worden, daß ihr Anblick Gedanken des Stolzes und der Unzucht in ihm geweckt habe, — des Stolzes, weil er sie nicht als seine Gebieterin verehren wollte, — Gedanken der Unzucht, weil sie von so außerordentlicher Schönheit gewesen sei. 80) III, 76-a, -b.
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Luzbel [zu Culpa]: Ya sabes la enemistad, que (desde aquel primer duelo, que en la Corte del Empíreo, en arma puso a su Imperio) la N a t u r a l e z a h u m a n a , y yo tuvimos, supuesto, que el no quererla adorar, siendo yo el astro más bello de toda su curia, fué de mi desvanecimiento causa (bien que habrá quien diga que no fueron sino celos), porque al verla tan hermosa en el i d e a d o b o s q u e j o en que me fué r e v e l a d a , lascivamente soperbio sentí la rabiosa envidia, de que para mejor dueño (no siendo mejor ninguno) se criaba;.. . el ). Anstelle der sonst üblichen Metapher retrato wählt Calderón die Worte ideado bosquejo. In ihnen gelangt die Vorstellung, daß der Dämon die menschliche Natur nicht in ihrer Wesensfülle erkannt hat, sondern nur flüchtig als Entwurf wahrnehmen konnte, besonders gut zum Ausdrude. hh) „La primer flor del Carmelo" Im Unterschied zu den bisher genannten Beispielen tritt hier bei der Darstellung der Vision Luzifers der Gedanke eines geschauten Bildes in den Hintergrund. Desgleichen ist weder v o n Liebe noch v o n Haß oder Eifersucht die Rede. Luzbel berichtet lediglich, er habe die menschliche Natur, die ihm Gott in seiner idea enthüllt habe, nicht angebetet, w e i l sie v o n gemeiner Herkunft sei. Luzbel
[zu Lascivia und Avaricia]: Que me estéis atentas: ya sabéis que de los cielos, mi hermosa patria primera, desterrado s a l í , . . . Ya sabéis que fué la causa, qeu, siendo yo, como era, noble espíritu, criado en gracia, hermosura y ciencia, no quise adorar la vil humana naturaleza, que r e v e l a d a me fué allá en la divina i d e a de Dios;.. ,82)
81) III, 1586-a. 82) III, 639-a. 37
ii) „Ei gran duque de Gandía" Das Schauspiel weicht in der Rollenverteilung und in der Darstellung der visio Luzifers und dessen Geschichte erheblich von den bisher besprochenen Dramen ab. Die bei der Erörterung der Vision übliche klare Abgrenzung der Rollen des Dämons und dessen Helferin (hier Vanidad) wird nicht eingehalten. Vanidad ist Demonio eher gleich- als untergeordnet. Auch Naturaleza Humana verliert an Bedeutung als Herrscherin dadurch, daß ihr die merkwürdige Gestalt des Paraíso als emperador8S) der Welt und außerdem Hombre, der Adam zu verkörpern scheint, zur Seite treten. In ihr sind zwar Spuren der ihr in diesem Zusammenhang zugedachten Rolle zu finden: sie ist Herrscherin, sie ist diejenige, gegen welche sich die Rache des Dämons richtet84); aber es ist auch Naturaleza Humana und nicht Demonio, die vom sogenannten Sturz der Engel berichtet. Sie erzählt darüber hinaus, Paraíso sei als emperador, sie selbst als soberana reina'5) und Hombre als mayordomo mayor der Welt auserlesen. In ihren Worten über Hombre klingt der Gedanke der visio an. N a t u r a l e z a Hum.: Por m a y o r d o m o m a y o r , . . . nos dió [Dios] al Hombre, q u e en la sacó de su misma i d e a , a su hechura y semejanza 8 6 ).
estampa
Während in den besprochenen Beispielen Luzifer das Bildnis der Naturaleza Humana schaut, ist es hier Naturlaleza Humana, die das Porträt des Hombre erkennt. Die Aussagen geben Bruchstücke von Vorstellungen wieder, die sich auf die Schau Luzifers vor der Schöpfung beziehen. Was die mangelnde Einheitlichkeit des Dramas betrifft, muß berücksichtig werden, daß es sich nach A. V a l b u e n a P r a t um ein Jugendstück aus dem Jahre 1639 handeln soll, während H i 1 b o r n das Schauspiel gar nicht in die Reihe der Werke Calderóns aufnimmt 87 ). Das Ergebnis Hilborns, das auf genauen stilistischen Untersuchungen beruht, kann durch die hier gemachten Beobachtungen sofern gestützt werden, als die Darstellung der visio des Dämons im auto „El gran duque de Gandía" gänzlich von der bei Calderón sonst üblichen Rollenverteilung und inhaltlichen Bezugnahme abweicht. 83)
84)
Naturaleza [zu Hombre]: Para llenar Dios entonces las sillas desocupadas hizo al Mundo, y de él te hizo emperador;soberana r e i n a , a la N a t u r a l e z a , . . . [III. 100-b],
Demonio: Pues en esta misma noche esa emperatriz o reina, esa mujer poderosa, esa gran Naturaleza empiece a prevaricar [III, 99-a]. 85) Vgl. Anm. 83. 86) III, 100-b. 87) H i 1 b o r n , H. W., A Chronology oí the Plays oí D. Pedro Calderón de la Barca. Toronto, 1938, Table of Calderóns Autos Sacramentales.
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Sollte dennoch Calderón der Verfasser des auto sein, so scheint er, wenn man den letzten Worten 88 ) des Stückes Glauben schenken kann, das Schauspiel kurzfristig und unter Zeitdruck verfertigt zu haben. Dieses mögen Gründe für die mangelnde Einheitlichkeit und Klarheit des Stückes sein. Für die Darstellung der visio Luzifers bedient sich Calderón mit Vorliebe der Porträtmetapher und ähnlicher metaphorischer Wendungen mit den Termini rasgos, bosquejos, sombras, imágenes, figuras, idea und ejemplar aus dem mittelbaren und unmittelbaren Bereich der Malerei, wie wir bei den verschiedenen Beispielen gezeigt haben. Ein Vergleich der Bedeutung des Porträts in dem dargelegten theologischen Zusammenhang mit derjenigen in den weltlichen Schauspielen ergibt, daß in beiden Fällen der Verwendung des Porträts ein auffallend ähnlicher Sachverhalt zugrunde liegt: das M o t i v d e s S i c h - v e r l i e b e n s in e i n B i l d n i s 8 9 ) , dessen Original der Verliebte erst nachträglich kennenlernt. Die Funktion des Porträts ist in beiden Fällen recht verschieden. Während sie in den profanen Schauspielen meist darauf beschränkt bleibt, im Sinne eines intrigierenden dramatischen Momentes zu wirken, gewinnt das Porträt in den autos sacramentales darüber hinaus eine sehr spezifische metaphorische Bedeutung in Verbindung mit der visio Luzifers. Berücksichtigt man außerdem die das Porträt der Naturaleza begleitenden Umstände wie das Betroffen- und Erstauntsein angesichts des Bildnisses, die Schönheit und seelische Lebendigkeit der Darstellung, so liegt die Vermutung nahe, daß Calderón die Metapher dem weltlichen Bereich entlehnt hat8*3).
2. Die i mag
o de i in Naturaleza
Humana
Das Schöpfungsgeschehen als Abbild eines in der Uridee von Gott geplanten Vorhabens zu begreifen, ist Calderóns zentrale Vorstellung bei der Betrachtung der creatio mundi. Es hat daher keinen zufälligen Charakter, wenn wir dem Gedanken der Uridee bei der Vollendung des Sechstagewerkes in einer Genesisparaphrase begegnen. Nachdem Luzifer von der Schau des Porträts, seiner Verstoßung und anderen Dingen berichtet hat, geht er zur Beschreibung des Sechstagewerkes über. Er schildert die Erschaffung des Lichtes, die des Himmels und der Erde, des Wassers und des Firmamentes, der Sonne, des Mondes, der Vögel, der Fische und der Schöpfung der Tiere. Luzifer vergleicht das Weltall mit einer 88)
Hombre:
Y de aquesta alegoría ha sido su viva hechura un señor grande de España. Perdonad si fueren muchas sus faltas, porque el poeta, aunque de serviros gusta, no pudo en solos dos dias sutilizar más la pluma [III, 110-b].
89) Vgl. S. 28; S. 109 ff.: Das Motiv des Sidi-verliebens in ein Porträt. 89a) Vgl. S. 28.
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rauhen Leinwand, auf welcher der göttliche Maler nach und nach Umrisse, Firmament, Wasser und die verschiedenen anderen Dinge einzeichnet und gemalt hat. Am sechsten Tage sah der Maler, daß das Werk gut war, und freute sich, weil Lebendiges und Gemaltes sich nicht voneinander unterschieden. Lucero:
. . . él mismo vió que era bueno: complaciéndose gustoso, al ver que v i v o y p i n t a d o no se distingue uno de o t r o ¡ . .
Die Worte vió que era bueno stellen eine Reminiszenz an die Bibelworte et vid.it Deus quod esset bonum dar"). Sie entsprechen der biblischen Situation von Gen. 1, 25, in der die Schöpfung der Tiere mit den genannten Worten abgeschlossen wird. Dagegen handelt es sich bei dem Gedanken der Übereinstimmung zwischen vivo und pintado um einen recht eigenwilligen Zusatz Calderóns. Die Worte sind zunächst irreführend. Man ist geneigt, den Terminus pintado, der seiner Wortbedeutung nach etwas Gemaltes meint, auf all die Gegenstände, die der Maler gerade auf der Leinwand hat erstehen lassen, zu beziehen. Was aber würde dann vivo besagen? Es gibt außer den auf dem Bild dargestellten Dingen nichts anderes, auf das man den Terminus vivo (als Antithese zu pintado verstanden) beziehen könnte. Diese Frage führt daher nicht weiter. Man muß vielmehr davon ausgehen, daß -vivo und nicht pintado auf die Darstellungen der Leinwand Bezug nimmt. Vivo meint das Geschaffene als etwas, das Leben angenommen hat, im Unterschied zu seinem vor der Schöpfung liegenden Zustand, in dem es kein Leben im Sinne des kreatürlichen Seins besaß. Worauf läßt sich nun pintado beziehen? Mit pintado spielt der Sprecher auf den geistigen Entwurf des Bildes an, den der göttliche Maler als Urbild der Schöpfung in seiner idea gemalt hat. Der Gedanke des Malens im Geiste stellt eine den damaligen Künstlern geläufige Vorstellung dar. Der Kunsttheoretiker V i c e n t e C a r d u c h o zerlegt den Akt des Malens in zwei Phasen. In der ersten entwirft der Künstler ein geistiges Bild dessen, was er darzustellen beabsichtigt; diese Tätigkeit nennt er pintar en la memoria oder pintar en la imaginativa'2). In der zweiten Phase beschäftigt sich der Maler damit, die im Geiste entworfene Skizze auf die Bildfläche zu übertragen. Das Malen wurde demnach als einen Akt des Entwerfens und Abbildens verstanden. Von dieser Vorstellung ausgehend, war es Calderón möglich, für das Urbild der Schöpfung (als einen geistigen Entwurf verstanden) metaphorisch den Terminus (lo) pintado zu wählen. Luzifer erzählt, der göttliche Maler sei von großer Freude erfüllt gewesen, als er sah, daß die Darstellungen auf der Leinwand seinem geistigen Urbild glichen. Das antithetische Begriffspaar vivo—pintado dient hier Calderón zur Verdeutlichung der Vorstellung, den Kosmos als Ab-bild eines Ur-bildes zu begreifen. 90) 91) Deus 92)
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III, 831-b. Gen. 1,25. Die Worte kehren in Gen. 1/10, 12, 18, 21 wieder. Vgl. Gen. 1, 31: Viditque cuncta quae fecerat et erant valde bone. Vgl. S. 60, 162 ff.
Die Vorstellung von dem bereits im göttlichen Geiste geschaffenen Urbild der Kreatur steht auch in den unmittelbar daran anschließenden Ausführungen Luzifers im Vordergrund. Nichts von all dem, was der göttliche Maler geschaffen hat, bringt ihn so sehr in Verwirrung wie die Erkenntnis, daß der göttliche Maler aus dem exemplar de su idea jenes geheimnisvolle Bildnis, um dessentwillen Luzifer zu Fall gekommen ist, ans Licht bringen will und eine imagen die Krönung seines glanzvollen Werkes sein wird. Lucero:
. . . nada de esto me da tanto sobresalto como ver que de aquel e x e m p l a r d e s u i d e a , en quien yo absorto miré mi primera ruina, quiera sacar misterioso a luz el r e t r a t o , siendo de sus primores el logro una i m a g e n 9 3 ) .
Hier begegnet erneut die Verflechtung von retrato und imagen"4). Luzifer, der bisher von einem retrato der Naturaleza Humana gesprochen hat, nennt das Bild nun zusätzlich eine imagen. Der verblüffende Wechsel rührt nicht von einem Bedeutungsunterschied der beiden Begriffe her, sondern von einer Beeinflussung des biblisdien Textes. Imagen nimmt den Gedanken der Gottesebenbildlichkeit auf, dessen Grundlage die Worte in dia qua creavit Deus hominem,ad similitudinemDei fecit illum95) und faciamus hominemad imaginem et similitudinem nostram96) bilden. Der Gedanke könnte von dem Terminus retrato nicht in gleicher Weise erfaßt werden. Während Luzifer mit der Metapher retrato auf die in der Idee geschaute Naturaleza Humana anspielt, spricht er von ihrem kreatürlichen Sein als einer imagen in Anlehnung an Gen. 1, 26 und Gen. 5, 1. In dem zitierten Text ist es die zusätzliche Einflechtung von imagen, die erneut zeigt, wie sehr es Calderón auf den Aspekt der Abbild-Urbild-Idee ankam. Das Thema wird im weiteren Verlauf des auto wiederholt gestreift 97 ). Eine fast wörtliche Übertragung der Worte aus Gen. 1, 26 finden wir im auto sacramental „Amar y ser amado y divina Filotea". Zur Rechtfertigung der Trinitas beruft sich Hebraísmo mit folgenden Worten auf die gemeinte Stelle: Hebraísmo: . . . dijo [Dios] „Hagamos al Hombre a l a s e m e j a n z a nuestra, de ser más que uno en personas, quedándose uno en esencia . . ."B8) 93) 94) 95) 96) 97) 98)
III, 831-b. Vgl. S. 28. Gen. 5, 1. Gen. 1,26. Vgl. III, 834-a, 836-a, 839-a. III, 1785-b. Vgl. III, 639-a: . . . la vil humana naturaleza . . . como imagen de Dios . .. III, 100-b: . . . al Hombre . . . sacó pios] . . . a su hechura y semejanza. III, 1519-b: . . . en él [hombre] su Imagen [de Dios] . . . III, 1866-a: . . . Hombre, ¡imagen de tu auctor . . .
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In der theologischen Diskussion war die biblische Ausdrucksweise feciste hominem ad imaginem et simüitudinem nostram Anlaß zu einer Vielzahl von Interpretationen. S u à r e z widmet den Genesisworten eine umfangreiche Abhandlung in dem Werk „De hominis creatione". In einer Betrachtung, die den Titel „An primus homo iuerit secundum animam creatus ad imaginem et similitudinem dei"99) trägt, geht es Suärez darum, die Gottesebenbildlichkeit als eine Ähnlichkeit der Seele mit Gott hervorzuheben. Vera ergo, et catolica sententia, est, hominem s e c u n d u m a n i m a m factum esse a d i m a g i n e m D e i , id est, rationem imaginis animae esse impressam, ac subinde in illa fuisse fundamentum relationis imaginis ad Deum. Ita docent Basilius, Chrysostomus, Augustinus et alii Patres in locis citatis et praeterea 100 ). . . . p r o b a t u r . . . , nam homo habet in se i m a g i n e m D e i , et illa non est propria in corpore: ergo est in a n i m a . Secundo, quia in anima concurrent omnia, quae sunt de ratione imaginis, nimirum origo, et similitudo, ac repraesentatio ex vi originis, ( A u g u s t i n u s , lib. 83, Quaest., q. 51) .. ,101). Die Vorstellung v o n der Seele als Abbild Gottes ist für Calderóns Verständnis der genannten Genesisworte bezeichnend. Im auto „El diabio mudo" beschwört Naturaleza Humana die göttliche Natur, mit dem Menschen, dem sie eine so edle Seele nach ihrem Gleichnis verliehen habe, Erbarmen zu haben. Naturaleza Humana: Y tü [Naturaleza Divina], en fin, que por postrera obra de Dios, en que echaron el resto sus excelencias, viste, que inspirado el barro de su anhélito, a materia tan tosca, dio A l m a tan n o b l e , que en la duración eterna es de Fe, que la crió a s u s e m e j a n z a mesma. Atiende a mi voz, atende a mi lamento, a mi p e n a , . . .102) Vgl. T a s s o , T o r q u a t o , Il mondo creato, krit. Ausgabe von G. Petrocchi, Florenz, 1951: . . . .A nostra imago L'uomo facciam". Forse una imagin sola Ha con gli Angeli Dio, corno una forma Istessa è necessaria al Padre, al Figlio? Ma ne l'uomo ed in Dio l'alta sembianza Non è figura o qualità del corpo. Ma solo è proprio a la divina Mente l'imago, onde l'umana ancor s'informa, E'n tre potenze interne Iddio figura [Sesto Giorno, S. 265, V. 1687—1695]. 99) S u i r e z , F r a n c i s c o , De hominis creatione, cap. VII; in: Opera omnia, Bd. 3, S. 215 ff. 100) ebd., S. 220. 101) ebd., S. 220. 102) III, 943-b. 42
In unmittelbarem Zusammenhang mit der Schöpfung begegnet die Auffassung im auto „El divino Or/eo*. Nachdem Orpheus nacheinander die sechs Tage ins Leben gerufen hat, erweckt er Naturaleza Humana. Diese ist erstaunt, sich in den Zustand des Seins versetzt zu sehen. Sie fragt daher nach der hohen Macht, die eine derartige Veränderung hervorzurufen vermag. Welche Kraft hat mir, so sagt sie, Leben gegeben, damit ich atme, und Seele, damit ich denke? Darauf antwortet Orpheus: die hohe Macht, die dir das Universum als Besitz übergeben will; aus diesem Grund schafft sie dir eine Seele nach ihrem eigenen Vorbild. Naturaleza Humana: Qué Soberano Poder, del no ser al ser me muda con vida para que anime y alma para que discurra? . . . Orfeo:
El que quiere que poseas todo el Universo, a cuya causa en la p o r c i ó n d e l A l m a te hace a s e m e j a n z a suya 108 ).
W e n n Calderón Pecado, eine Gestalt aus dem auto „El pleito matrimonial del cuerpo y del alma", die W o r t e en la soberana idea / de Dios miré la pintura / del alma hermosa del hombre104) sprechen läßt, so kommt es ihm erneut darauf an, die gottähnliche Beschaffenheit der menschlichen Seele hervorzuheben. Den Vergleich der Seele mit einem Gemälde kennt schon Auch er begreift die Seele als eine imago dei.
Origenes.
Si considerem Dominum Salvatorem imaginem esse invisibilis Dei, et videam an im am meam factam ad i m a g i n e m C o n d i t o r i s , ut imago esset imaginis; ñeque enim anima mea specialiter imago est Dei, sed ad similitudinem imaginis prioris effecta est¡ tune videbo quoniam in exemplum eorum, qui soient imagines pingere, et uno (verbi causa) vultu régis accepto ad principalem similitudinem exprimendam artis industriam commendare, unusquisque nostrum ad imaginem Christi formans animam suam, aut majorem ei, aut minorem ponit imaginem, vel obsoletam, vel sordidam, aut claram, atque lucentem, et splendentem ad effigiem imaginis principalis 105 ). Bei T a s s o erscheint der göttliche Künstler als Maler der menschlichen Seele. Come il pittore a la sua bella imago Col suo leggiadro stil colori e lumi Vari e diversi ognora aggiunge e sparge, Ed ombreggiando anco la va d'intorno, Sin ch'è perfetta la figura e l'arte; 103) III, 1842-a. 104) III, 76-a, -b. 105) O r í g e n e s , In Lucam, homilie 8, Patrología Graeca XIII, 1820.
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Così il Pittor di nostra umana mente C o l o r ò 1' a l m a , e de' suoi raggi illustre Tutta la fece, e del color distinto Sempre accrescende a lei splendori e lumi106).
Nach diesen Ausführungen kommen wir auf das auto „El pintor de su deshonra" zurück. Hier wird der Gedanke, die Seele des Menschen als imago dei zu verstehen, auch in anderer Form sichtbar. Luzifer und Culpa beobachten das langsame Erstehen der kosmischen Erscheinungen und der verschiedenen Tiere auf der Leinwand. Während der Maler gerade dabei ist, mit dem Bildnis der Naturaleza Humana zu beginnen, erfaßt Luzifer erneut Zorn und Eifersucht; denn er fürchtet den Augenblick, in welchem dem Porträt die Seele eingehaucht wird. Erzürnt über die Geschehnisse, fordert er Culpa auf, das Bildnis mit ihm gemeinsam bei der nächsten Gelegenheit auszulöschen. Lucero:
. . . esta I m a g e n l e b o r r e m o s de ese Artífice, de modo que pintor de su deshonra venga a s e r , . . .107)
Die Worte borrar la imagen bedeuten zunächst das Auslöschen auf der Leinwand. Darüber hinaus aber meinen sie das Auslöschen der Imago dei in Naturaleza Humana. Dem metaphorischen Gebrauch von borrar la imagen liegen in der Theologie verbreitete Vorstellungen zugrunde, wonach die Sünde den Verlust der imago dei bewirkt. A u g u s t i n u s 1 0 8 ) , O r í g e n e s 1 M ) 106) T a s s o , T o r q u a t o , Il mondo creato. Sesto giorno, S. 266, V. 1722—1730. 107) III, 831-b, 832-a. 108) Vgl. A u g u s t i n u s , A u r e l i u s , Enarratio in Psalmum LXX, Sermo II, 6; Corpus Christianorum, Series Latina 39, S. 964, V. 20—30: Faciamus, inquit, hominem ad imaginem et similitudinem nostrani (Gen. 1,26). Non ergo aliquid alienum est, si i m a g i n e m D e i tenemus in nobis¡ utinam eam per superbiam non a m i t t a m u s I Enarratlo in Psalmum LXXII, 26; Corpus Christianorum, Series Latina 39, S. 1000, V. 40—15: . . . exhorrescant [omnes fratres] quod modo dictum est: 'Domine, in ciuitate tua i m a g i n e m illorum a d n i h i l u m r e d i g e s . Nonne digni sunt haec pati, ut Deus in ciuitate sua imaginem illorum ad nihilum redigat, quia et ipsi in ciuitate sua terrena imaginem Dei ad nihilum redegerunt? In ciuitate tua imaginem eorum ad nihilum rediges. De Genesi ad iitteram, lib. VI, cap. 24; Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 28, S. 196, V. 23—25: „renovabimur ergo spiritu mentis nostrae secundum i m a g i n e m eius, qui creauit nos, quam p e c c a n d o Adam p e r d i d i t*. ebd., cap. 27, S. 199, V. 1—3: Hanc i m a g i n e m in spiritu mentis impressam p e r d i d i t Adam p e r p e c c a t u m quam recipimus per gratiam justitae; . . . 109) O r i g e n e s , Comentarium in Genesim, Homilie I; Patrologia Graeca XII, 103: Et genuit secundum ideam suam et secundum imaginem suam (Gen. V, 1. 3). Ab eis qui putant aliud quidem esse imaginem Dei, aliud vero eum qui secundum imaginem factus est, quaerendum est num aliud sit Adam et aliud imago ejus, et an tertius quidam sit ab ilio cujus ad imaginem factus est Adam. Utuntur autem hic verbis: »Domine, in civitate tua i m a g i n e m ipsorum a d n i h i l u m
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und S u á r e z 1 1 0 ) gebrauchen dafür Termini wie amittere imaginem dei, imaginem ad nihilum redigere oder imaginem perdere. Wir können daher die von Calderón mehrfach verwandte Metapher borrar la imagen de Dios o. ä. als eine Entsprechung zu den genannten lateinischen Wendungen aus dem theologischen Schrifttum geltend machen. Im folgenden zitieren wir drei typische Beispiele aus Calderóns Dramen. Gracia, eine Gestalt aus dem auto „El año santo en Madrid", spielt mit dieser Metapher auf die Schuld des ersten Menschen an. Gracia [zu Pecado]: . . . y así transcediendo a más altivo empeño, has de ver que hoy a lo general aspiro, no sólo contra esa culpa, que a D i o s s u I m a g e n deshizo, b o r r á n d o l e aquel primero candor, y yugo sencillo de la original Justicia; pero contra cuantas m i r o , . . . n l )
Luzbel („El pastor fido") entwickelt einen langen Monolog über die geplante Vernichtung des Menschen. Sein Ziel ist, das Bild Gottes in ihm auszulöschen. Er beschäftigt sich daher mit der Frage nach den wirkungsvollsten Mitteln zur Erreichung seines Zieles. Luzbel:
. . . discurramos con qué astucias, con qué insidias, con qué medios podremos b o r r a r a D i o s l a i m a g e n , en cuyo espejo se miró y se remiró, fiel retrato de sí mesmo 112 ).
Auch im auto „El jardín de Falerina" steht der Gedanke des borrar la imagen de Dios in engem Zusammenhang mit dem Plan der Ausrottung des r e d i g e s" (Ps LXXII, 20); et Ulis: Verumtamen in imagine pertransit homo (Ps XXXVIII, 7). Quaerundum autem est in quo differat idea Adam ab ejus imagine. — Vgl. Comentarium in Genesim, Homilia I; Patrologia Graeca XXII, 155—157. 110) S u ä r e z , F r a n c i s c o , De opere sex dierum lib. III De hominis creatione, ac statu innocentiae, cap. III; in: Opera omnia, Bd. 3, S. 226-b: Corollarium ex dictis, hominem peccando non amisisse naturalem imaginem. — De V a l e n t i a in libro de peccato originali, cap. 5. Ex quibus colligere licet, quid sentiendum Sit de sententia dicentium, hominem amisisse imaginem Dei, peccando, quae fuit sententia O r i g e n i s , ut refert H i e r o n y m u s , in Epist. 60, ad Joan. Episc. Hierosol., ubi illam ut hereticam damnat. Idemque habet E p i p h a n i u s , in Epist. ad eumdem, et hares. 70. . . Imo M a t t h i a s Y l l y r i c u s , ut refert V a l e n t i u s , dixit, hominem peccando transformatum fuisse in vivam et substantialem i m a g i n e m d i a b o l i , e t a m i s i s s e i m a g i n e m Dei. 111) III, 540-a. 112) III, 1587-b.
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Menschen. Culpa berichtet, sie beherberge in ihrem Garten den Menschen; er sei ohne Sinne und entbehre der ¡mago dei¡ seine Sinne habe sie in Tiere verwandelt, die imago unkenntlich gemacht und zerstört. Culpa:
3. Die Deus-pictor
. . . tengo al Hombre en mis Jardines, tan b o r r a d a y tan deshecha en él [en el Hombre] su i m a g e n a D i o s , que ni respira ni alienta, convertidos sus Sentidos en varias formas de fieras;.. . u s )
-
Allegorie
Luzifers Monolog im auto „El pintor de su deshonra" zeichnet sich durch mancherlei Besonderheiten aus, von denen wir die visio in einem der vorangegangenen Abschnitte eingehend erörtert haben. Als eine weitere Eigenart nennen wir beispielsweise die stolze Selbstinterpretation Luzifers, die dadurch ins Auge fällt, daß sich dieser als ehemaliger Lucero Divino unter Anspielung auf Jeremias und die Apokalypsem) als dulce Lira und Dragón bezeichnet und sich darüber hinaus als soberbia interpretiert 115 ). Ein anderes auffallendes Phänomen ist die Nennung verschiedener Orte ihrer Herkunft und Tätigkeit wie pavoroso oscuro centro, negro Monte de la Luna11"), Reinos del Espanto und Panteón del siglo1"). Unsere Aufmerksamkeit soll hier der im Monolog dargelegten Allegorie gelten. Nachdem Luzifer seine Verstoßung aus der Nähe Gottes und sein derzeitiges Dasein als Dämon in Anlehnung an die Bibel und andere Schriften t h e o l o g i s c h — den theologischen Aspekt benennt Calderón mit lo Real — begründet hat, geht er zur a l l e g o r i s c h e n Darstellung seines concepto über. Lucero [zu Culpa]: Pues oye desde aquí lo que no sabes, que desde aquí lo R e a l pierde el objeto y empieza lo A l e g ó r i c o al concepto 118 ).
Nicht die Tatsache, den vertrauten Umgang mit dem Gottessohn verloren zu haben, macht Luzifer zu schaffen, sondern der Gedanke an dessen wissenschaftliche Begabung quält ihn zutiefst. Sein Groll richtet sich im besonderen gegen dessen Ingenium. Dieses stellt die Krone aller geistigen Eigenschaften dar. 113) III, 1519-b. 114) Apocalypsis 115) III, 829-a. 116) Vgl. S. 32 f. 117) III, 829-b. 118) III, 830-a.
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12, 3; 12, 9¡ vgl. Gen. 3, 1.
Lucero:
Del Principe, pues, del Hijo, tan sentido y tan quexoso estoy, que aún todas mis iras no pueden templar mi ahogo. Porque entre otras excelencias que en su gran Ser reconozco, y en mis envidias padezco (porque ya en mí todo es odio), la que me atormenta más es coronarse i n g e n i o s o , en todas c i e n c i a s i n s i g n e y en todos estudios d o c t o 1 1 ' ) .
W i r heben als bemerkenswert hervor, daß es gerade ingenio und ciencia und nicht andere Gaben sind, gegen die sich. Luzifer auflehnt. Dies ist deshalb erstaunlich, weil er selbst die Fähigkeit der ciencia besitzt, wie Calderón wiederholt betont 1 2 0 ). Offenbar liegt ein qualitativer Unterschied zwischen den geistigen Gaben des Dämons und denjenigen Gottes vor. Mit rhetorischer Beredsamkeit zählt Luzifer die artes liberales111) auf, deren der Gottessohn kundig ist. Er nennt Theologie, Rechtswissenschaften, 119) III, 830-b. 120) Vgl. .El valle de la zarzuela", III, 701-a: . . . aunque perdí la belleza / y la gracia, no perdí / con ellas, Culpa, la c i e n c i a. .Primero y segundo Isaac", III, 801-a: . . . yo pude / . . . perder la gracia y hermosura; / la C i e n c i a no, que la tuve como dote natural. .El gran mercado del mundo", III, 231-a: . . . ya sé que perdí / la hermosura que tenía / desde aquel infeliz día / que una grande caída di. .La primer flor del Carmelo", c i e n c i a , ...
III, 639-a: . . . yo, que aunque la gracia / perdí, no perdí la
.El jardín de Falerina", III, 1509-a: . . . que aunque perdí la belleza / y la gracia de ángel, no / perdí de querub la c i e n c i a . . . .La segunda esposa y triuntar muriendo", III, 432-b: . . . Alta I n t e l i g e n c i a fui, / y aunque en la gran competencia / de mi lid, sangrienta y dura / perdí la Gracia y Hermosura, no perdí I n g e n i o ni C i e n c i a . .El divino Orieo' (seg. red.) III, 1840-a: . . . el día / llega, que y a entrevio la C i e n c i a mía / en el Retrato de la Soberana / siempre feliz Naturaleza Humana; . . . .El divino Orieo" (prim. red.), III, 1826-a: De estos [Tronos, Serafines] soy yo, bien mis c i e n c i a s / t e lo dirán, si es que arguyes / querub, plenitud de ciencias, . . . .El gran duque de Gandía", guardaste la c i e n c i a.
III, 98-a: . . . Gracia y belleza perdiste [Demonio], / si bien
.El pastor ftdo", III, 1586-b: A mi alto genio acudí, / que aunque en mi fatal despeño / perdí Gracia y hermosura, / no perdí de mi alto g e n i o / la plenitud de las C i e n c i a s , / que como querub conservo. .El gran príncipe ingenio.
de Fez",
I, 1453-a: . . . aunque gracia y hermosura / perdí, no perdí el
.Las espigas de Ruth", III, 1093-a: Pues si allí hermosura y Gracia / perdí, saqué por lo menos / la C i e n c i a . . . 121) Vgl. S. 120 f., Anm. 393—396. Die Einbeziehung der freien Künste und Wissenschaften in die Menschheitsgeschichte, bzw. Schöpfungsgeschichte, wie sie Calderón in dem auto .El pintor de su deshonra' zum Ausdruck bringt, läßt sich bereits in mittelalterlichen Enzyklopädien beobachten. Vgl. G o 1 d S c h m i d t , A d o l p h , Frühmittelalterliche illustrierte Enzyklopädien, S. 215—226.
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Philosophie, Dialektik, Astrologie, Arithmetik, Architektur, Geometrie, Rhetorik, Musik und Poesie 1 2 2 ). Die Beherrschung all dieser Wissenschaften und Künste setzt ihn nicht so sehr in Verdruß wie dessen Kenntnis der Malerei. Hierin, so sagt er, sei dieser am erfindungs- und geistreichsten. Lucero:
Y siendo así (como dixe) que todo eso me da enojo, aun nada hoy de todo esto es mi ojeriza o mi asombro, tanto como la P i n t u r a en cuya Arte m á s c u r i o s o parece que su desvelo está mirando mi oprobio. Si es P i n t o r o no es Pintor, aquí argüir no me pongo, Santos habrá que lo digan, pues a mí me basta sólo saber que es Pintor quien sabe copiar un Cuerpo y un Rostro a su H e c h u r a y S e m e j a n z a ; y así, dexando notorio y asentado el atributo, a mis discursos me torno123).
Es handelt sich hier um die A l l e g o r i e d e s deus-pictorlu). Calderón gründet sie auf die W o r t e faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram aus Gen. 1, 26. Derjenige, so argumentiert Luzifer, der es versteht, einen Körper und ein Antlitz 125 ) a su hechura y semejanza zu kopieren, ist Maler. Die Genesisworte dürfen als Angelpunkt für Calderóns Auffassung der Deus-pictor-Allegorie angesehen werden. Diese steht in engstem Zusammenhang mit dem Gedanken der imago dei und der Abbild-Urbild-Idee. Zum Beweis hierfür erinnern wir an das „Malen" (Erschaffen) des Sechstagewerkes durch den göttlichen Maler, bei dem beide Gedanken eine zentrale Stellung einnehmen 128 ). Das Sechstagewerk haben wir bis hin zur Erschaffung I s i d o r v o n S e v i l l a z. B. beginnt sein etymologisches Werk mit den Wissenschaften und freien Künsten, dann läßt er die Zeiteinteilung folgen und geht schließlich zur christlichen Lehre mit Abhandlungen über die himmlischen Hierarchien, die Menschengattungen, Sprachen, Tiere, Pflanzen und Steine etc. über (Goldschmidt, S. 218). R a b a n u s M a u r u s , der in seinem Werk „De rerum naturis" zum großen Teil Isidors Etymologien kopiert, stellt dessen Reihenfolge um und beginnt mit Gott und den himmlischen Heerscharen, schließt dann die Darstellung der Menschheitsgeschichte, Künste und Wissenschaften an (Goldschmidt, S. 218). Auch im .Hortua deliciarum' der H e r r a r d v o n L a n d s b e r g wird der Anfang mit Gottheit und Schöpfung gemacht, bei der astronomische und geographische Fragen erörtert werden. An den Sündenfall schließen sich Abgötterei, Wissenschaften und freie Künste an (Goldschmidt, S. 222). 122) III, 830-b. 123) III, 830-b, 831-a. 124) Vgl. C u r t i u s , E. R., Malerei, 125) Rostro
ist eine Metapher für
126) Vgl. S. 39 ff.
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S. 92.
alma.
der Tiere berücksichtigt. Um einen Gesamteindruck vom göttlichen Malakt gewinnen zu können, wird im folgenden die Szene der Erschaffung des Menschen in Rede stehen. Zunächst folgt ihre Vorbereitung im Monolog Luzifers. Nachdem dieser die Entstehung des Lichtes, des Himmels, der Erde, des Wassers, des Firmamentes, der Sonne, des Mondes, der Vögel, der Fische und der Landtiere beschrieben hat, teilt er voller Besorgnis mit, der göttliche Maler habe bereits die Farben für den Menschen ausgewählt; er habe dem Lehm und Schlamm der Erde die verborgenen Minerale entnommen und jetzt, da der göttliche Künstler dabei sei, die Masse mit den Händen zu kneten und so das gewonnene mineralische Pulver in eine Form zu bringen, fürchte er, der göttliche Meister sei imstande, diesem Material Leben einzuhauchen. Lucero:
Y diré yo de que noto que hoy con desvelo mayor o con mayor alborozo ha escogido los m a t i c e s y con sus manos él propio los ha amasado, tomando de entre el l i m o , de entre el l o d o de la tierra los ocultos minerales, que nosotros no conocemos por tales, y haciendo tratable el p o l v o , temo que a un soplo pretenda animarle127).
Der Text stellt eine Paraphrase von foimavit igitui Dominus Deus hominem de limo terrae, et inspiravit in faciem eius spiraculum vitae aus Gen. 2,7 dar. Calderón übernimmt von hier das Bild des Töpfers, ordnet dieses aber der Allegorie des Malens unter, indem er den Lehm zur Herstellung von Farben bestimmt. Der Metapher liegen theologische Spekulationen über die Gestaltungsmaterie des ersten Menschen zugrunde. Limo und lodo erweisen sich als die spanischen Entsprechungen zu dem biblischen ümusm) und lutum12"). Ein Vergleich mit S u á r e z zeigt, welche Bedeutung die Betrachtungen über die Formungssubstanz Adams noch im beginnenden 17. Jahrhundert hatten. Suárez legt den Schwerpunkt seiner Interpretation von iimus terrae nach Gen. 2, 7 auf den Gedanken, der Mensch sei aus der Materie hervorgegangen. Limus terrae liefert das entscheidende Argument gegen die These von der Entstehung des Menschen aus dem Nichts. Hunc ergo dicimus primo. Adam quoad corpus non fuisse ex nihilo productum, sed ex l i m o t e r r a e formatum lso ). 127) III, 831-b. 128) Gen. 2, 7. 129) Isaías 64, 8; Jeremias 18, 6. 130) S u á r e z , Fr., De opere sex dierum üb. III De hominis creatione, omnia, Bd. 3, S. 170-b.
cap. I, 2¡ in: Opera
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J o b s Klage Memento, quaeso, quod sicut iutum ¡eceris me1®1) bezieht 132 S u á r e z auf Adam ). Limus terrae interpretiert der Theologe als pulvis terrae aquae admixtus in Anlehnung an A u g u s t i n u s 1 3 3 ) . Suárez greift weiter auf die Vorstellungen vom göttlichen Töpfer zurück, wie sie J e r e mias 1 3 4 ) und I s a i a s 1 3 5 ) berichten. Er schließt seine Betrachtungen mit einem Hinweis auf die moralische Bedeutung der irdenen Materie. Zum Verständnis dieser moralischen Bedeutung empfiehlt er die Lektüre verschiedener Kirchenväter wie B a s i l i u s , C h r y s o s t o m u s , A m b r o s i u s und Bonaventura. S u á r e z ' Spekulationen über Art und Bedeutung der Gestaltungsmaterie des ersten Menschen sind für die Calderónstelle zugrunde gelegt. Die von ihm diskutierten Termini limus, lutum und pulvis erscheinen bei C a l d e r ó n in dem poetischen Bild eines Malers, der aus Lehm und Schlamm Minerale für seine Farbenpulver gewinnt. Außerdem haben allem Anschein nach Vorstellungen über die Etymologie des hebräischen Namens Adam als Farbbezeichnung des Lehms, wie sie Beda 1 3 6 ) und J o s e p h u s 1 3 7 ) darlegen, mitgewirkt. Mag die Allegorie heute verhältnismäßig befremdend wirken, in jener Zeit konnte sie vermutlich ohne weiteres erfaßt werden, wenn man berücksichtigt, daß das Farbenmischen aus Pulvern, ö l e n und Klebstoffen eine wichtige Handlung des Malers darstellte. Es gehörte zu den unerläßlichen Voraussetzungen für das gute Gelingen eines jeden Werkes. Calderón streift das Thema der Farbenzubereitung auch im Drama „Dario todo y no dar nada"1'8). Theologische Spekulationen über die Gestaltungsmaterie des ersten Menschen, etymologische Betrachtungen und Interpretationen seines Namens als Farbbezeichnung und zeitgenössische Vorstellungen aus der Tätigkeit des Farbenmischens fließen bei Calderón zu einem plastischen, dichterischen Bild zusammen 139 ). 131) Job 10, 9. 132) Unde Job 8 [es muß hier Job 10, 9 gemeint sein] dicitur: Tu feceris Adam de limo terrae, . . . [ebd., S. 171-a] 133) A u g u s t i n u s , De civitale dei, üb. 13, cap. 24. 134) Jeremias 18, 6: Numquid sicut figulus iste non potero vobis facere, domus Israel?ait Dominus. Ecce, sicut l u t u m i n m a n u f i g u 1 i , sic vos in manu mea, domus Israel. 135) Isaias 64, 8: Et nunc, Domine, pater noster es tu, nos vero l u t u m ; et f i c t o r noster tu, et opera manuum tuarum omnes nos. 136) B e d a , Quaestiones super Genesim, Patrología Latina XCIII, 264: Si ergo, ut dixi hominem hoc loco [paradiso] ex corpore et anima factum intelligamus non absurde ipsa commistio 1 i m i n o m e n accepit. Sicut enim aqua terram colligit, et conglutinant, et continet quando ejus commistione limus efficitur, sic anima corporis materiam vivificando in unitatem concordem conformât, et non permittit labi et resolví. 137) J o s e p h u s F l a v i u s , Antiquitates, lib. I, cap. I, 2; (The Latin Josephus, Bd. 1, S. 128, V. 4—7): Post septimam vero diem coepit de hominis natura Moyses reddere rationem ita dicens: finxit deus hominem, pulverem de terra summens, et in eum spiritum inspiravit et animam. hic autem homo Adam vocatus est, quod n o m e n H e b r a i c a l i n g u a s i g n i f i c a t r u b e u s , quoniam consparsa rubea terra factus est. talis enim virgo tellus et vera. 138) Vgl. I, 1232-a, 1250-b. 139) Vgl. III, 833-a.
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Nach dieser Schilderung der vorbereitenden Handlungen des göttlichen Malers aus dem Munde Luzifers gelangt der Schöpfungsakt selbst zu szenischer Darstellung. Der Meister schreitet in Begleitung von musizierenden Gestalten auf die Bühne. Ihm voraus gehen Inocencia, die Farbenpalette tragend, Ciencia mit dem Malstock und Gracia die Pinsel haltend. Die drei allegorischen Gestalten erfüllen eine doppelte Aufgabe: zum einen übernehmen sie die ihnen zugedachte Rolle im Malakt, und zum anderen versinnbildlichen sie die göttlichen Gaben, die dem Menschen bei der Erschaffung zuteil werden und die ihn von Fauna und Flora unterscheiden sollen. Ciencia ist für die Inspiration und deren getreue Verwirklichung140) durch den göttlichen Maler verantwortlich; der Maler spricht: y así, tú Ciencia! has de ser / la que me dicte la ¡dea1*1). Inocencia soll für die pureza seines ... darásliS). Gracia fällt die Werkes Sorge tragen: tú, Inocencia, ¡a Pureza Aufgabe zu, mit ihren Pinselstrichen die entscheidenden Akzente zur Vollendung der Schönheit des Werkes zu setzen: Pintor:
. . . y tú, Gracia, añadirás p e r f i l e s a la B e l l e z a , con que a la Naturaleza saldrán las colores fieles de rosas y de claveles, pues me da el t i e n t o la Ciencia, los m a t i c e s la Inocencia y la Gracia los p i n c e l e s 1 4 5 ) .
Alle drei Gestalten tragen in der ihnen bestimmten Weise zur Erschaffung des Menschen bei. Sowohl ihre Namen als auch ihre Instrumente sind von besonderer Bedeutung. In ihren Namen versinnbildlichen sie die wesentlichen Merkmale menschlichen Seins: Ciencia die Fähigkeit der Erkenntnis, Inocencia den Zustand der Reinheit und Gracia das Geschenk der Gnade. Diese Eigenschaften zeigen eine auffallende Übereinstimmung mit den von S u á r e z im 20. Kapitel seiner Schrift „De hominis creatione" erörterten dona naturae et gratiae, die dem ersten Menschen im statu innocentiae seines ursprünglichen Seins verliehen wurden144). Als die am meisten hervorscientia stechende Gabe unter den dona naturae diskutiert er die perfecta 140) Ciencia:
Si está en el Entendimiento el Saber del Bien y del Mal, a la C i e n c i a N a t u r a l es no pequeño argumento que haya de tocar el tiento de su acierto o de su error; y así, el primero favor la Ciencia en su mano [del pintor] gana, y pues la haces para Humana, hazla con tiento, SeSor [III, 833-a].
141) III, 833-a. 142) III, 833-a. 143) III, 833-a. 144) Vgl. S u á r e z , F r a n c i s c o , De hominis creatione, cap. XX (Opera omnia, Bd. 3, S. 299 ff.): An praeter omnia d o n a n a t u r a e , e t g r a t i a e habuerit homo in s t a t u i n n o c o n t i a e originalem justitiam, quae fuerit donum ob ómnibus supradictis distinctum.
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ieiam naturalium"'), durch die sich dieser im besonderen auszeichne. Auch bei T h o m a s v o n A q u i n , auf den Suárez Bezug nimmt, spielt die scientia (als eine Fähigkeit der Erkenntnis natürlicher und übernatürlicher Dinge verstanden) eine fundamentale Rolle bei der Wesensbestimmung des ersten Menschen146). C a l d e r ó n spielt auf diesen theologischen Sachverhalt mit dem Terminus ciencia natural1") an. Was die einzelnen Instrumente betrifft, müssen sie in diesen sinnbildlichen Rahmen einbezogen werden. Der Malstock (tiento) dient dazu, die Pinsel in der Hand des Malers sicher und ruhig zu führen. Erst wenn die eine Hand ihn richtig und sicher anlegt, läuft die andere keine Gefahr, daß ihr der Pinsel auf der Leinwand entgleitet und so von der vorgesehenen Linienführung abirrt. Gelingen oder Scheitern hängt also weitgehend von dem wohlüberlegten Gebrauch des Malstocks ab. Calderón überträgt dieses Bild, in dem der tiento die besondere Funktion des Abwägens und richtigen Beurteilens erfüllt, auf das ethische Verhalten des Menschen, wobei ciencia, die in der Gestalt der Ciencia versinnbildlicht ist, die Funktion des tiento übernimmt. Analog dem Malstock soll der richtige oder irrtümliche Gebrauch der ciencia (der Fähigkeit der Erkenntnis von Gut und Böse, auf die Calderón mit den Worten el Saber del Bien y de Mai148) anspielt) den im ethischen Sinne verstandenen Erfolg oder Mißerfolg des Menschen verbürgen. Ein Gemälde verdankt seine volle Schönheit der geschickten Verteilung der Farben. So wie der farbige Pinselstrich Gracias dem Bilde vollkommene Schönheit verleihen wird, soll Gracia dem Menschen die ursprüngliche Gnade vermitteln, durch die der Mensch Anteil an Gottes Herrlichkeit haben wird149). Calderón spielt hier mit der Doppelbedeutung des Wortes gracia im Sinne von Gnade und Schönheit. 145) ebd., cap. IX (Opera omnia Bd. 3, S. 228-a ff.): An primi homines cum p e r f e c t a s c i e n t i a r e r u m n a t u r a l i u m creati fuerint. Nihilominus certum est, habuisse Adam statim ac fuit a Deo creatus n a t u r a l e m s c i e n t i a m a Deo sibi inditam. Haec est doctrina S. Thomae, 1. part., quaest. 94, art. 3, et est communis sdiolasticorum cum Magistro [cap. IX, 2; S. 228-b]. 146) T h o m a s A q u i n a s , Summa theoiogica, quaestio XCIV, art. III (Deutsche Thomasausgabe, Bd. 7 (1941), S. 96): Et ideo, sicut primus homo institutus est in statu perfecto quantum ad corpus, ut statim posset generare, ita etiam institutus est in statim perfecto quantum ad animam, ut statim posset alios instruere et gubernare. Non potest autem aliquis instruere, nisi habeat s c i e n t i a m . Et ideo primus homo sic institutus est a Deo, ut haberet omnium scientiam in quibus homo natus est instrui. Et haec sunt omnia ilia quae virtualiter existunt in primis principiis per se notis, quaecumque scilicet naturaliter homines cognoscere possunt. Ad gubernationem autem vitae propriae et aliorum, non solum requiritur cognitio eorum quae naturaliter sciri possunt, sed etiam cognitio eorum quae n a t u r a l e m c o g n i t i o n e m excedunt; eo quod vita hominis ordinatur ad quendam finem s u p e r n a t u r a l e m ; sicut nobis, ad gubernationem vitae nostrae, necessarium est c o g n o s c e r e quae f i d e l s u n t . 147) Vgl. Zitat Anm. 140. 148) Vgl. Zitat Anm. 140. 149) gracia — se dice figuradamente en la moral, y retorica, y significa dulzura, atractivo, agrado, h e r m o s u r a , ornamento & c., — en las personas, p i n t u r a s , estatuas & c.
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Inocencia ist die Palette zugedacht. Diese kann deshalb zum Sinnbild der inocencia gewählt werden, weil Ordnung und Sauberkeit auf der Palette unerläßliche Voraussetzungen für das Mischen von reinen, leuchtenden Farben sind. Abschließend heben wir die Tatsache hervor, daß der göttliche Maler bei der Vollziehung des allegorischen Schöpfungsaktes nicht allein ist, sondern ihm Ciencia, Inocencia und Gracia assistieren. Den Schöpfungsakt als eine gemeinschaftliche Handlung zu betrachten, beruht auf den in der Theologie vielfach diskutierten Genesisworten faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram15°), bei denen die pluralische Aussage die Theologen vor schwierig zu beantwortende Fragen stellte 151 ). Calderón versteht es, sich die Mehrdeutigkeit, die sich bei ihren Interpretationsversuchen beobachten läßt, verschiedenartig zunutze zu machen. Einmal bezieht er die pluralische Form auf die Trinität 152 ), ein anderes Mal wählt er die vier Elemente Luft, Feuer, Wasser und Erde als Helfer aus 153 ). In dem hier erörterten Fall sind es allegorische Gestalten: Ciencia, Gracia und Inocencia, die er der Handlung beiwohnen läßt. aquella proporcion agradable, que dicen entre sí las partes de cualquiera cosa, o objeto [ T e r r e r o s y P a n d o , E s t e b a n , Diccionario castellano con ¡as voces de ciencias y artes]. Vgl. O t t o n e l l i e P i e t r o B e r r e t t i n i , Trattato della Pittura, e Scultura, uso, et abuso loro, composto da un theologo, e da un pittore, Fiorenze, 1652, Dedicatio: . . . l'Anima, virtuosamente c o l o r i t a c o n l a g r a t i a . . . Die Worte verdeutlichen die gegenseitige Zuordnung von Farbe, Gnade und Schönheit. 150) Gen. 1, 26. 151) Vgl. S. 11 f. 152) „Amar y ser amado y divina Filotea': Fe: Quién va allá? Hebraísmo: Amigos Fe: Qué amigos? Hebraísmo: De paz, que pasar intentan a incorporarse en el gremio de la Fe de Filotea. Con qué nombre? Fe: Hebraísmo: De un Dios uno, en metáfora de guerra Sabaoth, dios de batallas. No mal en el nombre empiezas, Fe: mas con qué señas? Hebraísmo: No sé que haya menester más seña, porque yo no tengo otra, si ya no es que se me acuerda que dijo [Dios]: « H a g a m o s a l H o m b r e a la s e m e j a n z a nuestra, de ser más que uno en personas, quedándose uno en esencia.» [III, 1785-b]. 153) ,La vida es sueño: Poder [zu den vier Elementen]: Venid, pues, y a l H o m b r e hagamos. Agua: Hagamos, en el p l u r a l , dijo? [III, 1392-a],
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II. (A) LA AURORA EN COPACABANA, diama religioso Den Kern des Dramas „La auioia en Copacabana" bildet die Bekehrung der peruanischen Indianer zum Christentum. Das Schauspiel gliedert sich in drei Teile, für deren Verlauf drei Episoden aus dem Leben des Indianers Yupangui bestimmend sind. In der ersten jomada erregt Yupangui die Aufmerksamkeit des Lesers durch den heftigen Einspruch, den er gegen den Befehl des Königs Inga, aus Anlaß des Sonnenfestes ein Menschenopfer darzubringen, erhebt. Die Ankunft eines spanischen Heeres macht die stattfindenden Feierlichkeiten zunichte. Die zweite jornada bringt die Schlacht der Indianer mit den Spaniern zur Darstellung, wobei abwechslungsweise bald die einen, bald die anderen durch übernatürlichen Beistand begünstigt werden. Der Kampf endet mit dem Sieg der Spanier, der von einer Erscheinung Marias begleitet wird. Im letzten Teil des Dramas behandelt der Dichter am Beispiel Yupanguis den Glaubensübertritt der Indianer zum Christentum. Yupangui zeigt sich zusehends zu einer Verehrung Marias bereit. Als er von der Suche des spanischen Heerführers nach einem geeigneten Schutzheiligen für die Stadt Copacabana erfährt, schlägt er Maria vor. Er selbst will ihr zur Ehre eine Statue anfertigen, obgleich er weder den Beruf eines Bildhauers noch den eines Schnitzers ausübt. Seiner mangelnden Kenntnis entsprechend bringt er es nur zu einer grobgeschnitzten Statue, die jeglichen künstlerischen Anspruchs entbehrt. In der Verzweiflung über das mißlungene Werk fleht er inständig um göttliche Hilfe. Sie wird ihm gewährt, während zwei Engel mit Pinseln, Palette und Farben herbeieilen und die wenig geratene Statue in ein vollendetes Kunstwerk vor reicher Farbenpracht verwandeln. Die folgenden Abschnitte werden sich ausführlich mit der dritten jornada befassen. Der Dichter macht hier die P r o b l e m a t i k d e r r e l i g i ö s e n K u n s t zu einem wichtigen Bestandteil des Geschehens.
1. Der Künstler
und die
idea
Yupangui hat sich entschlossen, künstlerisch tätig zu werden. Das bringt eine zweifache Schwierigkeit mit sich. Zum einen besitzt er weder theoretische Kenntnisse der Skulptur noch irgendwelche Erfahrungen in der Aus55
Übung dieser Kunst, zum anderen fehlt ihm das Vorbild. Auf dem heidnischen Kontinent, auf dem die spanische Kunst noch keine Verbreitung gefunden hatte, konnte er kein Marienbild vor Augen gehabt haben. Nach der zeitgenössischen Auffassung muß er auf Grund dieser Tatsachen scheitern. Die Kunst wurde nicht als eine Schöpfung der Phantasie, sondern als eine Wissenschaft verstanden, die auf der Kenntnis bestimmter Theorien aufbaute. Die schöpferische Tätigkeit in der Plastik setzte z. B. das Studium der Perspektive und Physiognomie voraus. Handelt es sich dabei um ein religiöses Bildnis wie bei Calderón, so kam neben den naturwissenschaftlichen Disziplinen auch ein wissenschaftlich fundierter Einblick in die theologischen Zusammenhänge des darzustellenden Gegenstandes hinzu. Bei der Gestaltung eines Marienbildes, die hier zur Erörterung steht, mußten die theologischen Diskussionen über Wesen und Stellung Marias innerhalb der Kirche berücksichtigt werden. Das von der Kirche am meisten verfochtene Thema war die Unbeflecktheit Marias. Durch das Festhalten an dieser These nahm Maria eine einmalige Position zwischen Gott und der Menschheit ein. Die Aufgabe der Theologen war es, das Wesen Marias in diesem Spannungsfeld zwischen Göttlichkeit und Menschentum zu erfassen und ständig neu zu überprüfen. Für den Künstler ergab sich daraus die wichtige Frage: wie lassen sich künstlerisch diese beiden Elemente, das göttliche und das menschliche, in einem Bilde miteinander vereinen? Daß menschliches Wesen und Schönheit in der Kunst erfaßbar sei, darüber bestand kein Zweifel, — es gehörte zu den Charakteristika der Kunst —; ob aber Göttliches darstellbar sei, darüber war man sich zu keiner Zeit widerspruchslos einig geworden. Es bedeutet soviel, wie göttliche Eigenschaften mit menschlichen Mitteln wiederzugeben. Dies stellte einen fundamentalen Widerspruch dar, mit dem sich die Kunsttheoretiker und Theologen auseinandersetzen mußten. Der Widerspruch blieb unwiderlegbar. Ein Festhalten an der Unvereinbarkeit dieser Gegensätze würde die Auflösung der religiösen Kunst bedeutet haben. Die Kirche hatte sich seit dem Konzil von Nicäa im Jahre 787 n. Chr. für die Bilderverehrung entschieden und war erneut auf dem Konzil von Trient dafür eingetreten. Ob Göttlichkeit darstellbar sei, diese Frage konnte auch die Kirche nicht beantworten. Sie entschied sich für einen Kompromiß. Die Göttlichkeit schien gleichermaßen dann garantiert, wenn eine gewisse Würde im Bilde erkennbar war. Diese Würde wurde durch Regeln und Richtlinien, wie sie z. B. J o h a n n e s M o l a n u s in seiner Schrift „De historia sacium imaginum et picturarum"154) aufstellte, genormt. Hielt sich der Maler an diese Vorschriften, so hatte er die Gewißheit, ein der Würde des Gegenstandes entsprechendes Werk zu schaffen. Es gab zu Calderóns Zeit keine andere Kunstrichtung, die so sehr vorgeschriebenen Richtlinien unterworfen war, wie die religiöse. Bei der Verwirklichung eines religiösen Bildgegenstandes boten sich zwei Möglichkeiten des künstlerischen Verfahrens an: der Künstler konnte sich zum einen in den Traktaten der Kunsttheoretiker und Theologen zu den einzelnen Fragen informieren, zum anderen konnte er unmittelbar auf Bilder 154) (1594), Patrologia Latina XXVII.
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des gleichen Gegenstandes, die von den kirchlichen Autoritäten als dem christlichen Glauben würdige Bilder anerkannt worden waren, zurückgreifen und sie im Sinne einer möglichst getreuen Kopie nachahmen. Ein kurzer Einblick in diese Zusammenhänge schien mir notwendig, um ermessen zu können, was es bedeutet, daß Yupangui weder unmittelbar noch aus der Erinnerung über ein künstlerisches Vorbild für seine Marienstatue verfügt; denn die christliche Kunst war bis dahin auf dem amerikanischen Kontinent unbekannt geblieben. Das Bemerkenswerte aber ist, daß Yupangui dennoch ein Vorbild vor Augen hat. Welcher Art es ist, das erfahren wir aus den folgenden Zitaten, die wir den Gesprächen, die Yupangui mit dem Gouverneur und mit dem Vizekönig führt, entnehmen. Gobernador:
. . . como a estas provincias aun no han pasado los nobles artes de España, es precisa cosa que supla la fe lo que no alcanza la vista 155 ).
Der Glaube möge das ersetzen, was das Auge nicht sehen kann. In dem gegebenen Satzzusammenhang kann io que no alcanza ¡a vista nur auf das mangelnde Vorbild bezogen werden. Sein Vorbild ist also ein im Geiste geschautes Bild Marias, das ihm kraft seines Glaubens vermittelt worden ist. Yupangi bietet sich an, das Bild so zu gestalten, wie es sich ihm in seinem Geiste kundgetan hat. Gobernador: . . . el cristiano cacique [Yupangui] . . . viendo la gente afligida y ansiosa por una imagen, se ofreció que él la [imagen] daría como la tenía en su m e n t e , hedía por sus manos mismas156).
Calderón gibt im weiteren Text keinerlei Beschreibung des geistig geschauten Bildes. Es wäre möglich, dieses durch Rückschlüsse aus dem Titel des Dramas zu erschließen. Da es aber Calderón während des gesamten Dramas unterlassen hat, eine Beschreibung der Statue zu geben, begnügen wir uns damit, darauf hinzuweisen, daß der Dichter das berühmte Gnadenbild von Copacabana vor Augen gehabt hat. Der Titel „La aurora en Copacabana" ist eine metaphorische Umschreibung für die übliche, volkstümliche Bezeichnng Virgen de Copacabana oder Imagen de Copacabana. Es kommt ihm bei der Wahl des Wortes aurora auf den Symbolgehalt der Morgenröte an. Das Bild der aufziehenden Morgenröte als Vorläufer und Bote der Sonne, bzw. des Lichtes, wurde in der christlichen Symbolik mit dem Kommen Marias, die Christus in die Dunkelheit der Welt bringt, verglichen. Rückschließend auf das Bild, das Yupangui geschaut hat, könnte man soweit gehen und sagen, es wurde ihm der Entwurf zu dem Gnadenbild von 155) I, 1393-a. 156) 1,1393-a.
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Copacabana eingegeben. Wie bereits festgestellt, kam es Calderón nicht darauf an, eine konkrete Beschreibung des Bildentwurfes zu vermitteln. Welche Vorstellungen aber haben ihn dazu bewogen, Termini wie idea, pensamiento, interior carácter und primer diseño mit ihm in Verbindung zu bringen? Im Angesicht seines mißlungenen Werkes gesteht Yupangui Maria, seine idea habe nicht mehr als dies hervorbringen können. Yupangui: Maria, divina y bella yo no supo más, ni pudo extenderse a más mi i d e a
157
).
Auf die Frage des spanischen Vizekönigs, was ihn veranlaßt habe, eine Marienstatue zu schaffen, antwortete er un pensamiento. Conde:
Pues, qué os movió, no teniendo ciencia, ni experiencia, a ser escultor?
Yupangui: Un p e n s a m i e n t o en que fué más imposible que el serlo el dejar de serlo158).
Yupangui wendet sich in seiner inneren Verzweiflung hilfesuchend an Maria. Diesmal bezeichnet er das geschaute Bild als primer diseño und interior carácter, den er seiner Seele eingeprägt habe. Yupangui [zu Maria]: Bien sé que nunca aprendí este arte; pero no sé qué i n t e r i o r c a r á c t e r fué el que en el alma imprimí desde el punto que te v i , . . . Si cuando al barro fié el p r i m e r d i s e ñ o mío te hallaste de mi albedrío no bien servida porque masa quebradiza fué del primer Adán, .. . . ¡ ya en mejor materia fundo este segundo diseño, pues te fabrico de un leño a honor del Adán segundo 15 ').
Die von Calderón gewählten Begriffe idea, pensamiento, interior carácter und primer diseño weisen auf die neuplatonischen italienischen Kunst157) I, 1402-a. 158) I, 1402-b. 159) I, 1394-a.
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theoretiker des Manierismus 1 6 0 ) hin, die diese und ähnliche Termini heftig diskutierten. Einen Einblick in die Deutung solcher Begriffe mögen folgende Zitate aus Z u c c a r o s Traktat „L'idea de' scultori, pittori e architetti", der 1607 in Turin veröffentlicht wurde, vermitteln. Zuccaro gebraucht die Begriffe idea, forma, concetto, disegno interno und essemplare. Es muß betont werden, daß bei ihm die einzelnen Termini sehr bedeutungsähnliche Vorstellungen zum Ausdruck bringen. Sie beinhalten eine geistige, bildhafte Konzeption der wesentlichen Merkmale einer Erscheinungsform, die sich der Maler im allgemeinen durch intensives Studium der einzelnen Wissenschaften, durch Naturbeobachtung und praktische Erfahrung erwirbt. Diese Konzeption ist gleichsam als ein Urbild, nach dem der Künstler sein Bild entwirft und ausführt, zu verstehen. Yupangui, der sich als Küntsler versucht, hat ein solches Urbild Marias empfangen. Es ist im Unterschied zu der geistigen Konzeption eines wirklichen Künstlers nicht das Ergebnis wissenschaftlicher Durchdringung des Gegenstandes, sondern eine übernatürliche Eingebung. Als terminus technicus für das geistige Ur- und Vorbild gibt Z u c c a r o dem Begriff disegno interno aus der Malerei gegen den philosophisch-theologischen Begriffen essemplare, idea und forma den Vorzug, obgleich er betont, es handle sich um synonyme Termini. Però cominciando da questo capo dichiararò, que cosa io intenda per questo nome Dissegno interno, & seguèdo la commune intelligenza così appresso di Dotti, come del vulgo, dirò, che per D i s s e g n o i n t e r n o intendo il concetto formato nella mente nostra per potere conoscer qual si voglia cosa, & operare di fuori, conforme alla cosa intesa, in quella maniera die noi altri Pittori volendo dissegnare, ò dipingere qualche degna istoria,... Ben'è vero, die per questo nome di Dissegno interno, io non intendo solamente il concetto interno formato nella mente del Pittore; ma anco quel concetto, che forma qual si voglia intelletto; se bene per maggior chiarezza, & capacità de' miei Cöprofessori hò così nel principio dichiarato questo nome del Dissegno interno in noi soli; ma se vogliamo più compitamète, & communmente, dichiarare il nome di questo Dissegno interno, diremo, ch'è il concetto, SÌ l'Idea, die per conoscere & operare forma chi si sia. Et s'io in questo trattato ragiono di questo concetto interno formato da dii si sia sotto nome particolare di Dissegno, e non uso il nome d'intentione; corno adoprano i Logici, e Filosofi; ò di e s s e m p l a r e , ò I d e a , com' usano i Theologi; questo è, perche io tratto di ciò come Pittore, & ragiono principalmente à Pittori, Scultori, & Architetti, à quali è necessaria la cognitione e scorta di questo Dissegno per potere ben' operare 161 ). Et principalméte dico die Dissegno nò è materia,non è corpo, non è accidente di sostanza alcuna; ma è f o r m a , i d e a , o r d i n e , r e g o l a , t e r m i n e , & oggetto dell' intelletto, in cui sono espresse le 160) z. B. L o m a z z o
und
Zuccaro.
Ober die Kunsttheoretiker des Manierismus vgl. P a n o f s k y , E r w i n , Idea. zur Begrifisgesdiichte der älteren Kunsttheorie, S. 7. 161) Z u c c a r o , F e d e r i g o , L'idea de' scultori, pittori e architetti; libro I, cap. II Che cosa s'intende per questo nome di Disegno interno. S. 4/5.
Ein
Beitrag
Torino, 1607,
59
cose intese; & questo si troua in tutte le cose esterne tanto diuine, quanto humane, come appresso dichiararemo. Hora seguendo la dottrina de' Filosofi dico, che il Dissegno interno in generale é una I d e a , & f o r m a nell' intelletto rappresentante espressamente, & distintamente la cosa intesa da quello, die pure é termine, & oggetto di lui162). Der T e x t stellt einen Teil einer Bespechung der in jener Zeit so viel diskutierten Idealehre dar, mit deren Erforschung E r w i n P a n o f s k y sich eingehend in seinem W e r k e „Idea. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie"163) befaßt hat. Nach Panofsky hat der spanische Kunsttheoretiker P a c h e c o 1 6 4 ) , den er „in mancher Hinsicht mit Zuccaro verwandt" 1 5 6 ) findet, den Gedanken der künstlerischen Idee übernommen. Pacheco bezeichnet sie mit exemplar und idea interior und nennt sie eine wichtige Voraussetzung für die Ausführung einer künstlerischen Aufgabe. Que no es la Pintura cosa hecha acaso, sino por elección y arte del maestro,... Que para mover la mano a la execución se necesita de e x e m p l a r o i d e a i n t e r i o r , la cual reside en su imaginación y entendimiento, del exemplar exterior y objetivo que se ofrece a los ojos; pues ninguna cosa pasa al entendimiento que primero no se registre en los sentidos, ella o algo semejante que dé motivo a que la imaginación imagine y el entendimiento entendía; tal es la correspondencia destas potencias 166 ). V i c e n t e C a r d u c h o 167) geht einen Schritt weiter. Er faßt nicht nur das Malen eines Bildes, sondern das Entwerfen v o n dessen geistigem Vorbild selbst als eine Tätigkeit des Malens auf. Damit kommt er zu einem doppelten Selbstverständnis des Malers. Für ihn gibt es in jedem Maler einen pintor exterior und einen pintor interior. Pintor exterior meint den Maler in der üblichen Bedeutung des Wortes, dagegen bezeichnet pintor interior jene Kräfte im Menschen, die für die geistige Konzeption eines Bildes verantwortlich sind, die memoria und die imaginatio. Yo considero en el hombre dos Pintores, uno interior, que es el entendimiento intelectiuo y discursiuo practico; y el otro exterior, operatiuo y practico, que son las manos: ambos han de concurrir en la Pintura labrada y efectuada. El i n t e r i o r P i n t o r p i n t a e n l a m e m o r i a , o e n l a i m a g i n a t i u a los objetos que le dan los sentidos exteriores por medio del sentido común: a estos objetos perficiona este Pintor interior (si fuera docto) y con su sabiduría los elige y corrige, h a c i e n d o e n l a i m a 162) ebd., libro I, cap. III Diíñnitione
del Dissegno interno in genero,
163) P a n o f s k y , E r w i n , Idea. Ein Beitrag zur Begritísgesdiichte theorie (Studien der Bibliothek Warburg Bd. 5), 1924. 164) P a c h e c o
S. 5. der älteren
Kunst-
d e l R i o , F r a n c i s c o , (1564-?); Maler, Kunsttheoretiker und Dichter.
165) P a n o f s k y , a.a.O., S. 105. 166) P a c h e c o , F r a n c i s c o , libro II, cap. I, Bd. 2, S. 259.
Arte
de la pintura,
(verfaßt 1638, veröffentlicht 1648),
167) C a r d u c h o , Carducci oder Cardudii, V i c e n t e , tinisdier Herkunft; seit ca. 1578 in Spanien tätig.
60
(1568?—1638); Maler floren-
g i n a t i u a u n a p e r f e c t a P i n t u r a , la qual contempla y medita este docto entendimiento graduado por los actos de la razón y de la ciencia. Las manos no hacen mas que c o p i a r l a p i n t u r a , q u e l e s da l a m e m o r i a , o i m a g i n a t i u a , y como primeros instrumentos obran, y procuran reducir a materia visibles a q u e l l a s i d e a s , que están en el discursiuo del entendimiento concebidas: y si las manos fueren doctas en ser bien habituadas, co facilidad copiarán bien legalmente, el objeto que está en la imaginatiua; pero no assi las poco diestras, y mal habituadas. De que se sigue, que aunque el entendimiento se aya dotrinado por los medios que en su lugar he dicho si la mano no estuviere cursada y diestra, la pintura que ambos produxeren, padecerá en esta parte, y se conocerá la poca experiencia de las manos en lo seco y atado, y en lo mal colorido; .. ,168).
Während Z u c c a r o das im Geiste des Künstlers erfaßte Bild disegno interno nennt, P a c h e c o es als idea interior bezeichnet, C a r d u c h o dafür den Terminus dibujo interior und M a r t í n e z dibujo de idea1") gebrauchen, wählt C a 1 d e ró n die Ausdrucksweisen interior carácter und primer diseño170). Beide Wortverbindungen zeigen deutlich die geistige Verwandtschaft mit den genannten kunsttheoretischen Begriffen. Bei dem Ausdruck interior carácter ist es das Adjektiv interior, bei primer diseño das Substantiv diseño, das unmittelbar an die Begriffe der Kunsttheorie anschließt. Der Terminus carácter hingegen ist der Buch- und Schriftsprache 171 ) entlehnt, darf als typisch calderonianische Ausdrucksweise angesehen werden. Er dient Calderón vor allem zur Bezeichnung der Sinnbildhaftigkeit kosmischer Erscheinungen. Pflanzen und Sterne z. B. werden gern als caracteres, d. h. als Schriftzeichen und im weiteren Sinne als symbolische Zeichen, verstanden. Wenn Calderón die dem behandelten Stoff entsprechenden, geläufigeren Wortverbindungen wie idea interior oder dibujo interior durch interior carácter ersetzt, verrät er sich hier zweifellos als Dichter und Schriftsteller, dem der Ausdruck carácter durch den Umgang mit den Büchern in besonderer Weise vertraut war. Was die Ausdrucksweise primer diseño betrifft, war die Wahl des Wortes durch den Textzusammenhang, in dem das in der Theologie beliebte Thema des ersten und zweiten Adams angeschnitten wird, bestimmt. Durch Analogiebeschluß übertrug Calderón den Terminus primero in Verbindung mit diseño auf den geistig konzipierten Bildentwurf Yupanguis. Die Übertragung war deshalb möglich, weil primero nicht nur der „erste", in zeitlicher Reihenfolge gesehen, bedeutet, sondern auch den Sinn von „ursprünglich" haben kann. In dieser Bedeutung ist das Adjektiv geeignet, jenen urbildhaft ge168) C a r d u c h o , V i c e n t e , Dialogos de la pintura; Madrid, 1633, Dialogo IV, S. 51-b, 52-a. 169) M a r t í n e z , J u s e p e , Discursos practicables del nobilísimo arte de la pintura¡ Madrid 1866 (1. Aufl. 1675), S. 36. 170) Vgl. S. 58. 171) Vgl. S c h u l t e , I r m h i l d , Buch- und Sduiítwesen in Caldero ns weltlichem Theater. Diss. phil., Bonn 1928.
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schauten Entwurf, den die Kunsttheoretiker disegno interno, dibufo inteiioi oder idea interior nannten, zu determinieren. Calderón wußte diese Möglichkeit zu nutzen und wandelte den Begriff disegno interno oder dibujo interior in primer diseño um. Der Gedanke der künstlerischen Idee hat in jener Zeit nicht nur in der kunsttheoretischen Auseinandersetzung, sondern ebenfalls in der theologischen Diskussion eine außerordentliche Rolle gespielt. Der Theologe F r a n c i s c o S u á r e z kommt in der „Disputatio de causa exemplaris" wiederholt auf das Bild des Künstlers, der sein Werk nach der Vorlage eines geistigen Entwurfes, einer idea, gestaltet, zurück. Die Legitimität dieses Verfahrens begründet er u. a. mit einem Hinweis auf S e n e c a und, wie wir weiter unten sehen, auf T h o m a s v o n A q u i n . . . . Seneca dicit, „ e x e m p l a r esse ad quod respiciens artifex, id quod destinabat efficit"; .. . m ) .
Es muß betont werden, daß Suárez in ähnlicher Weise wie der Kunsttheoretiker Z u c c a r o die Synonymie der Begriffe exemplar, idea, forma und auch species hervorhebt. Quod vero ad nomen attinet, suppono e x e m p l a r idem hoc loco significare quod apud theologos i d e a , quod nomen, licet graecum sit, a latinis etiam usurpatur, primumque illius auctorem Platonem fuisse testes sunt Cicero, lib. I Tuscul. quaest.; Seneca, epist. 66; et August., lib. LXXXIII Quaestionum, in 46, ubi ait ideas posse latine dici f o r m a s vel s p e c i e s ; . . . Nos autem generalius hanc vocem sumimus, et indifferenter vocibus exemplaris et ideae utemur 173 ).
Zwei weitere Textauszüge aus der genannten Schrift von S u á r e z sollen die allgemeine Gültigkeit der Vorstellung von der künstlerischen Idee zu jener Zeit beweisen. Eademque videtur esse sententia D. Thomae, I, q. 15, nam a. 1, ait ideam esse formam, id est, similitudinem rei faciendae, quam in se habet artifex secundum esse intelligible 174 ). .. . exemplar dicitur quod imitatur artifex, vel ad cuius imitationem producit effectum; dicitur etiam forma, non a q u a , . . . sed ad quam intuendo artifex Operateur; . . ,175)
Es kam darauf an, den Z u s a m m e n h a n g b e s t i m m t e r T e r m i n i b e i C a l d e r ó n mit der n e u p l a t o n i s c h e n s o g e n a n n t e n I d e a l e h r e hervorzuheben. Wir haben festgestellt, daß die idea als ein Gegenstand der imitatio angesehen worden ist. Nun ergibt sich die Frage, auf welche Weise die Lehre der idea mit dem fundamentalen Anliegen der imitatio in Einklang gebracht wurde. Für die Klärung dieses Problems erweisen sich P a c h e c o s Gedanken zur Definition der Malerei als besonders aufschlußreich. Sie enthalten eine 172) sofía), 173) 174) 175)
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S u á r e z , F r a n c i s c o , Disputaciones metafísicas (Biblioteca Hispánica de FiloDisputación XXV, Sección I, Bd. 4, S. 50. ebd., S. 33. ebd., S. 40. ebd., S. 39.
Aufzählung der verschiedenen nachahmenswerten Gegenstände. Pacheco nennt drei Bereiche, aus denen ein Bildgegenstand zur Nachahmung entlehnt werden kann: die Natur, die Kunst und die Imagination. Pintura es arte . . . que enseña a imitar con líneas y colores todas las cosas imitables del a r t e y de la i m a g i n a c i ó n , y principalmente las obras de la n a t u r a l e z a ; . . . 1 7 6 ) .
Die Imagination stellt im Unterschied zu den beiden anderen einen rein geistigen Bereich dar. Ihm konnte deshalb das geistige Urbild, die idea, das exemplai oder der disegno interno o. ä., angegliedert werden. Das Lehrschema der imitatio erhielt dadurch eine sehr komplexe Gestalt. Die in der Imagination entstandenen Bilder sind also in gleicher Weise gültige Vorbilder wie solche aus den Bereichen der Kunst und Natur. Pacheco schließt sich hierin F r a n c i s c o de Medina 1 7 ') an, den er in folgender Weise zitiert: Los cuerpos cuyas imágenes representa la pintura son de tres géneros; naturales, artificiales o formados con el p e n s a m i e n t o y c o n s i d e r a c i ó n de la alma 178 ).
Während P a c h e c o im erstgenannten Zitat hinsichtlich der geistigen Vorbilder auf die Einbildungskraft abhebt, betont er hier mit den Begriffen pensamiento und consideración das Denken. Einbildungskraft und Denkvermögen sind die wesentlichen Kräfte, die für das Entstehen geistiger Bilder verantwortlich sind. Beide Geisteskräfte hat auch die Idealehre ihrerseits berücksichtigt. Das geistige Urbild, die idea oder disegno interno (o. ä.), war nicht das Resultat freier Imagination, sondern wurde als das Ergebnis eines intellektuellen Erkenntnisaktes verstanden. Es bedeutete das Erfassen der wesentlichen Merkmale eines Gegenstandes. Daß auch Calderón das Denken in diesen Bereich der Bilder einbezogen hat, beweist der Terminus pensamiento"9), der mit idea, interior carácter und primer diseño eine Analogreihe bildet. Im Unterschied zu Pacheco nennt C a r d u c h o zusätzlich das Erinnerungsvermögen180) als bildschaffende Kraft. Sind die Einbildungskraft und das Denken bei dem Entwurf des Bildes von maßgebender Bedeutung, so kommt der Erinnerungskraft, der memoria, die Aufgabe der Erhaltung und Aufbewahrung des Bildes zu. Auf die Rolle der memoria hat C a l d e r ó n seine besondere Aufmerksamkeit gerichtet, wie wir an anderer Stelle181) sehen werden. In dem folgenden Zitat, das P a c h e c o Francisco de Medina in den Mund legt, fällt eine bis ins einzelne gehende Differenzierung der geistigen Vorbilder auf. 176) P a c h e c o , F r a n c i s c o , Arte de la pintura, Bd. 1, S. 13. 177) geb. um die Mitte des 16. Jh., gest. 1615 in Sevilla. Humanist. Priesterl. Sekretär des Kardinals und Erzbischofs Rodrigo de Castro. Übersetzer, Kommentator und Dichter in lat. Sprache. 178) P a c h e c o , F r a n c i s c o , Arte de Ja pintura, Bd. 1, S. 13. 179) Vgl. S. 58. 180) Vgl. S. 60 f. 181) Vgl. S. 162 ff.
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Los cuerpos del p e n s a m i e n t o son los que la i m a g i n a c i ó n forma: sueños, devaneos, de grotescos y de fantasías de pintores. Y son asimismo los que figura el e n t e n d i m i e n t o c o n s a b i a c o n s i d e r a c i ó n . Angeles, virtudes, potencias, empresas, hieroglíficos, emblemas; a este último género se reducen las visiones imaginarias ö intelectuales que percibieron y revelaron los Profetas y suelen los pintores representar con su arte182).
F r a n c i s c o d e M e d i n a legt den nachahmenswerten Gegenständen aus dem geistigen Bereich den Oberbegriff cuerpos del pensamiento bei, was soviel wie Gedankenbilder bedeutet. Diese werden entweder von der Imagination oder dem klug abwägenden Verstand, dem entendimiento con sabia consideración, hervorgebracht. Welche Art Bilder entspringen der Imaginatio und welche der Ratio? Auch hierauf gibt Francisco de Medina eine genaue Antwort. Sueños, devaneos, de grotescos y fantasías de pintores o r d n e t e r d e r E i n b i l d u n g s k r a f t zu, w ä h r e n d e r ángeles, virtudes, potencias, empresas, hieroglíficos, emblemas u n d
die visiones imaginarias ö intelectuales, wie sie den Propheten zuteil geworden sein sollen, der Ratio untergliedert. Die erste Gruppe umfaßt somit Gebilde einer freien, nicht auf ein Ziel gerichteten Phantasie wie z. B. den Traum; zu der zweiten Gruppe rechnet er demgegenüber Bildtypen, die den Verstand mit seiner Fähigkeit des Erkennens und Unterscheidens voraussetzen: geistige Wesen, prophetische Visionen und — was außerordentlich erstaunen mag — Hieroglyphen, Impresen und Embleme, mit anderen Worten, die Sinnbildkunst. Sinnbilder werden damit nachdrücklich als das Ergebnis der Ratio verstanden. Die Definition Medinas ist ein Beweis dafür, daß die Sinnbildkunst jener Zeit nicht nur als bildhafte Darstellungsweise, sondern geradezu als eine Art Denkform betrachtet werden muß. Wie sich auch Calderón dieser Denkform bedient, soll in einem später folgenden Abschnitt behandelt werden 183 ). Medinas und Pachecos Dreiteilung der nachahmenswerten Vorbilder in natürliche, künstlerische und in der Imagination und Ratio entstandene Gegenstände kann mit vollem Recht für das Verständnis Calderóns vorausgesetzt werden. Während Calderón die Bedeutung der Naturstudie in seinem Traktat theoretisch mit Nachdruck erörtert 184 ), hat er die beiden anderen Aspekte nicht eigens zum Gegenstand theoretischer Betrachtungen gemacht. Dennoch läßt sich die Gültigkeit dieser Normen aus seinem dichterischen Werke ableiten. Was die Nachahmung von Kunstwerken betrifft, können eine Reihe von Bühnenanweisungen, in denen Calderón für die Art und Weise der Darstellung einer Person oder Situation185) durch Redewendungen 182) P a c h e c o , F r a n c i s c o , Arte de la pintura, Bd. 1, S. 12/13. 183) Vgl. S. 192. 184) Vgl. Anm. 468. 185) Die Gestaltung eines Bühnenbildes beruht im wesentlichen auf den gleichen theoretischen Grundlagen wie die Gestaltung eines Gemäldes. Den Hintergrund hierzu bildet die ganz enge Beziehung, welche die verschiedenen Künste zueinander hatten. Es war üblich, daß der Bühnenbildner die Aufgaben eines Malers, Architekten und Bildhauers zu bewältigen hatte. Der Zusammenhang von Bühnengestaltung und bildenden Künsten wird von T i n t e 1 n o t eingehend in seinem Werke .Barocke Kunst und barockes Theater', 1939, behandelt.
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wie z. B. como pintan1*") auf Werke aus dem Bereich der bildenden Kunst hinweist, angeführt werden. Für Vorbilder aus dem Bereich der Imagination und Ratio weisen wir neben den im Drama „La auioia en Copacabana" genannten auf analoge Beispiele in Verbindung mit Marienbildern187) und vor allem auf den göttlichen Maler188), der den Kosmos und den Menschen nach 186) Vgl. S. 215 ff. 187) Vgl. S. 92 f. 188) Vgl. Zitat (III, 831-b), S. 41. Zitat (III, 1840-a), S. 29. Zitat (III, 751-a),S. 31. Zitat (III, 185-b), S. 31. Zitat (III, 1775-a, -b), S. 35. Zitat (III, 76-a), S. 36. Zitat (III, 639-a), S. 37. Zitat (III, 1586-a), S. 37. Zitat (III, 100-b), S. 38. .La vida es sueño", seg. redacción: Amor [zu Poder]: . . . y si los cinco Talentos que le has de dar [al hombre] han de ser cinco Sentidos, si tres Potencias los tres; y si uno Razón y Juicio, deja que el Entendimiento, con el racional instinto le advierta del bien y del mal, dándole un libre Albedrío con que use del mal o el bien, que ya una vez concebido [el hombre] en tu S o b e r a n a I d e a , no ser el que en ella ha sido, dejando de ser sin ser, es darle por merecido el castigo antes del yerro; . . . [III, 1391-b]. Poder: . . . por ostentarme Criador, saqué, con solo decirlo, del e j e m p l a r d e m i I d e a las obras, que ya habéis visto [III, 1390-a, -b], .La vida es sueño' Verbo:
(primera redacción): . . . y por obstentarme criador y por mostrarme diuino, del e x e m p l a r d e m i i d e a saqué con solo dezirlo, esta fábrica gallarda que ia conseguida miro,- . . . Estando pues de esta suerte cercado de los ministros, que más hermosos, más puros, crié para mi seruizio, propuse cómo en mi m e n t e una esposa hauia elegido cuio hijo hauia de ser suzedor del reyno mió, . . . [III, 1864-a]. Este, pues, que yo engendré acá en mi m e n t e , es mi hijo y rey vuestro; . . . [III, 1865-a].
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dem ejemplar de su idea zeichnet, hin. Bilder in der Memoria, in der Imagination, in der Ratio und in der Phantasie, auf die Calderón mit Termini wie z. B. imagen de la fantasía, imagen de Ja ilusión, cuerpo de ¡a fantasía, borrar Verbo [zu Sabiduría]: . . . tu le [al hombre] has formado en mi m e n t e , pues tu has sido sola la luz que a tenido dentro de mi imaginado de este sepulcro en que ha estado, . . . [III, 1865-b]. .El indulto general": Principe: Bella imagen, que copié del e j e m p l a r d e m i i d e a para que tu Gracia sea el Símbolo de mi Fe, . . . [III, 1728-b], .El nuevo palada del Retiro": Judaismo: . . . este campo, . . . nada pulido era entonces, antes de labrarse en él, una confusión, un caos tan informe al parecer, que no le hiciera tratable sino el supremo pincel que corrió desde la i d e a del primer ser sin ser, rasgos de su omnipotenciia y líneas de su poder¡ . . . [III, 137-b, 138-a . Traktat über die Malerei; [abgedruckt in: Curtius, Ernst Robert, Malerei; Romanische Forschungen Bd. 50/2, S. 96]: Dios, quando Dios [insoweit er Gott ist] se retrató en el hombre, pues le sacó del e j e m p l a r d e s u i d e a , imagen, y semejanza suya; . . . .El indulto general": Mundo: . . . y así, vemos pasando desde Abrahán a Tercera Edad el Tiempo, Hasta David suntuosos edificios, y entre ellos la gran Torre de David, donde siguiendo el c o n c e p t o d e t u i d e a también yace entre sus gentes, diciendo . . . [III, 1725-b]. .La segunda esposa y triuníar muriendo": Matrimonio [zu Rey]: Viendo, que tu suma Ciencia esta Familia eminente del e j e m p l a r d e t u M e n t e pasa a práctica experiencia, usando de tu licencia, dicen, que . . . . . . será justo que elijas Segunda Esposa; . . . [III, 429-b]. .No hay cosa como callar": Juan: . . . vi una mujer . . . Dije mal, vi una deidad lisonjera, tan hermosa, que no hizo
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de ¡a memoria una imagen und anderen Ausdrücken anspielt, erregen immer wieder die Aufmerksamkeit des Lesers 18 '). cosa la Naturaleza en tantos estudios docta, sabia en tantas experiencias, con más perfección: parece que quiso esmerarse en ella su inmenso poder, sacando del e j e m p l a r d e s u i d e a logrado todo el c o n c e t o , como en desengaño o muestra de que ella mesma tal vez sabe excederse a sí misma [II, 1000-b). 189) Vgl. .El gran mercado
del
mundo":
Mal Genio: Vos, qué vendéis? Gula:
Las i d e a s que d i b u j a e l P e n s a m i e n t o , despertando al Apetito para gustos y contentos [III, 238-a], Mundo: Que es tu caudal? Gula: P i n t u r a s , que p i n t a d a s todas mis glorias son i m a g i n a d a s , porque tanto apetece el hombre, el Apetito se lo ofrece, trayendo a su m e m o r i a los empleos de gustos, de manjares y deseos [III, 234-b], Lascivia: Flores doy bellas y hermosas, Desengaño: Yo desengaños ofrezco. Gula: En i m á g e n e s pintadas los deleites represento [III, 236-a]. .La hija del aire' Menón:
.La hija del aire" Friso:
.Los hijos
de la
(primera parte): Aquella hermosa que hoy has visto es ésta que miras puesta conmigo a Semiramis es, . . .
pintura, imaginada, viva tus plantas. [I, 1031-b],
(segunda parte): Mi nombre otra vez escuché. Si de mi i d e a fué i l u s i ó n ? Nadie se mira [I, 1064-a]. iortuna":
Persina [beim Anblick eines Portráts]:
Idaspes:
. . . nunca te perdí de vista en ese divino retrato tuyo, pues aun las horas que ausente te falté, en mi m e n t e estaban tan g r a b a d a s tus e s p e c i e s , que más viva que tu lienzo te me p i n t a b a m i m e n t e [I, 1163-b]. . . . la imagen bella de Andrómeda, que es quien siempre r e t r a t a d a está en tu i d e a [I, 1172-b).
67
2.
Kenntnis
der Wissenschaften
als Voraussetzung
für die
Malerei
Y u p a n g u i erfüllt, w i e w i r g e s e h e n h a b e n , d i e F o r d e r u n g nach e i n e m V o r bild, w e n n g l e i c h er e i n e a u ß e r g e w ö h n l i c h e , a b e r doch l e g i t i m e V o r l a g e , e i n e idea, v o r A u g e n hat. W i e ist e s d e n n o c h m ö g l i c h , daß s e i n W e r k z u m Scheit e r n v e r u r t e i l t ist? Ein K ü n s t l e r m u ß t e n e b e n der N o t w e n d i g k e i t e i n e s V o r bildes noch anderen Forderungen entsprechen. K u n s t f e r t i g k e i t u n d Geschicklichkeit, Erfahrung i n d e r A u s ü b u n g d e r Kunst und wissenschaftliches Studium w a r e n unerläßliche V o r a u s s e t z u n g e n für d a s k ü n s t l e r i s c h e Schaffen. C a l d e r ö n g e b r a u c h t d a f ü r T e r m i n i w i e arte1'0), ciencia1'1), estudio, experiencia und ingenio. .El monstruo de ¡os Jardines": Aquiles: Hoy de su mina arrancada llega tosca piedra inculta una alma, a que los crisoles del ingenio y la cordura con e j e m p l a r e s la labren, y sin castigo la pulan [I, 1798-a]. .Darlo todo y no dar nada': Campaspe: . . . qué i d e a , qué a p r e n s i ó n , qué f a n t a s í a , qué i l u s i ó n , qué s o m b r a es ésta, que a cualquiera parte que los ojos vuelva, vaga me persigue, vana me atormenta? De aquel infelice joven que vi muerto en mi defensa, tan v i v a s las s e ñ a s traigo, que a todas partes las señas que están me parece con la faz sangrienta, diciéndome . . . [I, 1243-b]. Campaspe: . . . y demos, discurso, segunda vez vuelta a aquella m e m o r i a que tanto me cuesta Qué a p r e n s i ó n , qué f a n t a s í a , qué i l u s i ó n , s o m b r a o i d e a (aquí quedé) es ésta que a cada paso me cerca, . . . ? Permite, infelice joven, que horroroso representas siempre tu s o m b r a a mi vista, siquiera un instante treguas a tantos temores; . . . [I, 1245-b, 1246-a], Apeles: . . . mas cuando es tan excelente [la hermosura] que no hay término en sus partes que desordenado, deje e s p e c i e s a la m e m o r i a , no se imita fácilmente . . . [I, 1250-a]. 190) Vgl. Zitat (1,1396-b), S. 70. 191) Vgl. Zitat (I, 1396-b), S. 70¡ Zitat (I, 1402-b), S. 70. 68
Während der Dichter mit estudio192) das reflektierende Bemühen um Wissen und Erkenntnis eines Sachverhaltes meint, mit expeiiencia183) die Erfahrung in der Ausübung der Kunst, mit ingenio194) eine außerordentlich hohe Erkenntnis- und Erfindungsgabe, gestaltet sich eine differenzierende Betrachtung von arte und ciencia als schwierig. Dies beruht darauf, daß einerseits jeder der beiden Termini für sich betrachtet sehr verschiedenartige Bedeutungen annehmen kann, und andererseits beide Begriffe in bestimmten Bedeutungsbereichen synonyme Funktionen übernehmen können. So kann arte z. B. sowohl die Gesamtheit der künstlerischen Verfahren bedeuten als auch Kunstfertigkeit und ebenso Kunst im Sinne von anschaulichen Kunstwerken. Das Gemeinsame der drei Bedeutungsmöglichkeiten besteht darin, daß sie in irgendeiner Weise die praktische Tätigkeit voraussetzen, ungeachtet dessen, ob es sich um Kunstfertigkeit, die sich nur an einer praktischen Verwirklichung zeigen kann, oder um arte im Sinne von Gesamtheit der künstlerischen Verfahrensweisen handelt. Im Unterschied hierzu ist das Wort ciencia in seinen verschiedenen Bedeutungen wie z. B. Wissen, Wissenschaft (Kenntnis von Zusammenhängen) und sogar Geschicklichkeit (habiiidad) und Kunst (aite) auf die Theorie bezogen. Meint ciencia z. B. Geschicklichkeit in irgendeiner Sache, besagt das Wort soviel wie das Erfassen des Prinzips, das für die Geschicklichkeit notwendig ist. Bedeutet ciencia soviel wie arte im Sinne von Kunst, dann ist der systematisierte Wissensstoff der Kunst gemeint. Ciencia knüpft in dieser Bedeutung an die Vorstellung der ars liberalis als eines systematisierten Wissenszweiges an. So kann z. B. poesia, als Disziplin betrachtet, sowohl arte als auch ciencia genannt werden. Ciencia schließt also jede praktische Bezugnahme aus. Arte hingegen muß auf die Praxis bezogen werden und kann aber darüber hinaus auch auf die Theorie Bezug nehmen. Hierin liegt ein fundamentaler Unterschied zu ciencia. Diese doppelte Möglichkeit einer praktischen und theoretischen Bezugnahme kann vor allem für arte im Sinne von Gesamtheit der künstlerischen Verfahren zutreffen. Für das Verständnis von arte muß die Unterscheidung in einen praktischen und theoretischen Bereich zugrunde gelegt werden. Eine ähnliche Unterteilung war bereits im mittelalterlichen Wissenschaftssystem getroffen worden. Hier wurden die verschiedenen Wissenszweige unter dem Begriff artes zusammengefaßt. Jeder einzelne Wissensbereich, d. h. jede ars, wurde in einen praktischen und einen theoretischen Teil untergliedert. Diese Unterteilung war selbst noch im 17. Jahrhundert für die Kunsttheoretiker verpflichtend, wenn sie die Malerei als ars abhandelten. 192)
Gobernador [zu Yupangui]: Quien os persuado a que pudo haber s i n e s t u d i o c i e n c i a ? [I, 1398-b]. 193) Conde [zu Yupangui]: Pues, que os movió, no teniendo c i e n c i a ni e x p e r i e n c i a , a ser escultor? [I, 1402-b]. 194) Vgl. Zitat (I, 1402-b), S. 70.
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Unter Berücksichtigung dieser Tatsache ist eine Differenzierung der beiden Begriffe arte und ciencia in Verbindung mit Yupanguis künstlerischer Tätigkeit möglich. Was seine Situation angeht, meint Calderón arte im Sinne der Praxis, d. h. der Kunstfertigkeit, da er auf die Theorie eigens mit dem Terminus ciencia anspielt. Bei Calderón finden wir aber auch Beispiele, bei denen der Kontext einen Hinweis darauf gibt, den Begriff arte nicht nur auf die praktischen Bereiche, sondern auch auf das theoretische Wissen zu beziehen. Zuweilen liegt sogar die Betonung auf dem letztgenannten Bereich. Für beide Verwendungsmöglichkeiten wählen wir nacheinanderfolgend einige Beispiele aus. Idolatría bedauert zutiefst das Verhalten des Indianers, welcher der Uberzeugung ist, ein flüchtig als rasgo, viso und bosquejo in seiner idea entstandener Entwurf genüge, das dort Geschaute in einem Kunstwerk gegenwärtig zu machen, ohne die dazu notwendige arte und ciencia zu berücksichtigen. Idolatría: Pues, si a aqueste dolor se añade . . . el ver que un indio bozal s i n más a r t e ni más c i e n c i a , que un rasgo, un viso, un bosquejo, que el se dibujó en su idea, se persuade a que ha de hacer escultura tan perfecta, que, retrato de María, ser colocado merezca? 1 8 5 )
Arte und ciencia müssen als ein Begriffspaar aufeinander bezogen werden. Arte meint den praktischen Teil der Kunst — diese besteht aus Kunstfertigkeit, Übung und Erfahrung —; ciencia hingegen spielt auf die theoretischen Voraussetzungen an. Hierfür kommen z. B. die Lehre von der Physiognomie, der Anatomie, der Perspektive und die Theologie in Betracht. Die auf diese Weise getroffene Unterscheidung von arte und ciencia gilt auch für die Worte des Indianers Andres, die er bei der Beurteilung der Statue spricht. Die Plastik wird als das Werk eines Menschen sin arte, ciencia ni ingenio gekennzeichnet. Andres:
Yo me he puesto en que no es decente imagen la que hasta ahora tenemos, por que es labrada de un hombre s i n a r t e , c i e n c i a ni i n g e n i o ;
. . . 1,e )
Im folgenden Zitat befindet sich der Terminus arte, jedoch ohne die Zuordnung von ciencia. Auch hier handelt es sich um arte im Sinne von Kunstfertigkeit und Geschicklichkeit, da arte auf die äußere Erscheinung der Statue bezogen ist, und diese ihr Aussehen vor allem der künstlerischen Geschicklichkeit verdankt. 195) I, 1396-b. 196) I, 1402-b.
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Dorador: . . . [la imagen] imperfecta siempre ha de quedar, supuesto que está tan s i n a r t e hedía tosca y mal pulida 1 ' 7 ).
Anders verhält es sich mit der Interpretation von arte, sobald das Wort der Natur als schöpferische Kraft beigeordnet wird. In solchen Fällen meint Calderón nicht nur Kunstfertigkeit, sondern auch Wissen und Einsicht in die theoretischen Voraussetzungen der Kunst, eben jenen Teil der Kunst, dem er bei den vorhergehenden Beispielen mit dem Begriff ciencia besonderen Nachdruck verleiht. Die Natur ist eine Künstlerin, die nicht ohne Geschicklichkeit (habilidad), wohl aber ohne wissenschaftliches Bemühen Wunder an Schönheit und Farbe entstehen läßt. Sie braucht sich nicht den Lasten einer theoretischen Vertiefung in der Kunst zu unterziehen. Da das Drama „La aurora en Capacabana" keine Beispiele für die Zuordnung von arte und Natur bietet, fügen wir einige Belege aus anderen Schauspielen bei. Calderón spricht der Künstlerin Natur ein besonderes Lob aus, weil ihr Schaffen mehr ist als Kunst, nämlich ein Wunder. In den beiden nachstehenden Zitaten unterstreichen die Worte sabia, estudio und cuidado deutlich das wissenschaftliche Moment von arte. Febo befindet sich auf der Suche nach Eco. Angesichts der wilden Schönheit des undurchdringlichen Gestrüpps spricht er: Por dicha entre aquestas intrincadas espesuras que tejió rústicamente la varia naturaleza que a veces es s i n a r t e más s a b i a , viste a la divina Eco?188)
Die Natur ist manchmal sin arte más sabia, als sie es wäre, wenn sie die ars, d. h. das ganze Wissen der Kunst, besitzen würde. Dieser Bezug setzt voraus, daß arte sabiduría vermittelt, womit indirekt die Einbeziehung des theoretischen Bereiches in die Bedeutung von arte bewiesen ist. Antistes erscheint das Dickicht der Berge wie ein außerordentlich schönes Kunstwerk, das die Abfolge der Zeiten, gemeint ist das Wirken der Natur im Ablauf der Zeiten, sin estudio y sin cuidado hervorgebracht hat. Antistes: Por diversos laberintos que labró (artífice diestro, sin estudio y sin cuidado) el desaliño del tiempo, discurrimos ese monte; .. .199)
Es handelt sich um eine dem Vorhergehenden analoge Situation. Anstelle des bedeutungsschweren und deshalb pathetisch wirkenden arte wählt Cal197) I, 1400-b. 198) .Eco y Narciso', I. 1986-b. 199) .El mayor encanto, amor', I, 1600-a, -b.
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derón die sehr nüchternen Begriffe estudio und cuidado, die das Moment des wissenschaftlichen Bemühens unmittelbar zum Ausdruck zu bringen vermögen. Das Schauspiel der auf silbernen Wellen tanzenden Schiffe am Horizont ist glanzvoller, als ein Kunstwerk es je abzubilden vermag. Flerida:
Luego, al cercarse al p u e r t o la g r u e s a armada que traen, a los sulcos de las p r o a s rizarse vi y e n c r e s p a r s e b l a n c a espuma, q u e al azul camelote de a g u a s h a c e bella guarnición de plata, que sin q u e al d i b u j o g u a r d e el orden, es más hermoso p o r ser d i b u j o s i n a r t e 2 0 0 ) .
Wie die Natur so wirkt auch Gott bei der Entstehung des Kosmos als ein Künstler, der weder durch praktische noch theoretische Auseinandersetzungen mit der Kunst belastet ist. Natur und Gott übertreffen auch den erkenntnisreichsten Menschen weit an künstlerischer Fähigkeit. Der unbekannte Autor einer „Silva panegírica a la pintura" bringt die Voraussetzungslosigkeit des göttlichen Wirkens mit dem gleichen Terminus sin arte, den Calderón auf die Natur bezieht, zum Ausdrude. Der Dichter spricht ein Lob auf die Malerei aus, da sie von göttlichem Ursprung ist. Gott hat alle Dinge mit Licht und Schatten wunderbar sin arte gemalt. Feliz logre atenciones la pintura, si a c a s o la ignorancia i m p u g n a r se a t r e v i e r e su h e r m o s u r a [de la pintura], m i r a n d o de su origen [de la pintura] la distancia; siendo el pintor primero el a u t o r de la m a q u i n a admirable, que al criar esa m a g n a luminaria esa antorcha mayor, ese lucero q u e con luz y sombra e x t r a o r d i n a r i a pintó todas las cosas d o c t a m e n t e s i n a r t e portentosas, . . . í01 )
Nach diesem Einschub knüpfen wir an die Ausgangssituation im Drama „La aurora en Copacabana" an. Wir haben erfahren, daß zur Darstellung eines 200) „El mayor encanto, amor", I, 1626-b. ,Fineza contra fineza". Anfión: Entró [Andreón de Chipre] a lo más escondido, de un marañado retrete, que el natural s i n e l a r t e fabricó, haciendo canceles de melancólicas hiedras y encubertados cipreses [I, 2118-a], 201) Veröffentlicht in: M a r t í n e z , J u s e p e , Discursos practicables arte de la pintura, S. 56 f.
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del
nobilísimo
Marienbildes eine bildhafte Vorstellung in der idea des Künstlers notwendig ist, und darüber hinaus Kunstfertigkeit und wissenschaftliche Einsicht in die Vorgänge der Kunst erforderlich sind. Nun ergibt sich die Frage, welche Maßstäbe und Kriterien für das Bild selbst herangezogen werden. Calderön hebt drei Punkte hervor. Das Bild soll die vollkommene Schönheit Marias wiedergeben; es muß eine decente imagen sein und soll den Betrachter zu frommer Verehrung anregen.
3. Die Wiedergabe
der Schönheit
Marias
Die Kunsttheoretiker befaßten sich unter anderem mit der Frage nach den Darstellungsmöglichkeiten der Schönheit. Dieses Thema stellte einen wichtigen Teil der Abhandlung über das Porträt dar. Es gehörte zu den selbstverständlichen Forderungen an den Porträtisten, die Schönheit des menschlichen Antlitzes zu begreifen und künstlerisch wiederzugeben. Auch Calderón, für den der Begriff der Schönheit von fundamentaler Bedeutung ist, hat sich mit diesem Problem beschäftigt. Er hat sich vor allem in den Dramen „Dario todo y no dar nada" und „El pintor de su deshonra" damit auseinandergesetzt 202 ). Wie eng für ihn die Vorstellung von Schönheit und Porträt miteinander verbunden ist, wird auch darin sichtbar, daß er immer wieder die strahlende, faszinierende Schönheit eines Frauenporträts hervorhebt"»). Gleiches gilt von den Marienbildern. Calderón faßt sie in gewissem Sinne als Bildnisse auf, wie der Gebrauch des Terminus retrato in diesem Zusammenhang deutlich zeigt. Die Kritiker von Yupanguis Bild machen ihm gerade die Tatsache zum Vorwurf, daß sein Werk der nötigen Schönheit entbehre. Was sagt nun Yupangui, der die Unvollkommenheit seines Bildnisses erkennt, zu dieser Kritik? Er verteidigt sich nicht etwa mit seiner Unerfahrenheit in der Bildhauerei und Schnitzerei, sondern er beruft sich auf die Vollkommenheit Marias. Sie sei so außerordentlich, daß selbst das gelungenste Porträt von ihrer Schönheit ebenso weit entfernt bleibe wie ein weniger schönes. Diesen Einwand kann der Kritiker nicht entkräften; im Gegenteil, er gibt zu, keinem Künstler sei es möglich, ein wirklich vollkommenes Marienbildnis zu schaffen. Yupangui: . . . claro está, pues de Maria es la perfección inmensa, que el mejor retrato suyo no se acerque a su belleza más que se acerque el que menos hermosa la manifiesta . . . 202) Vgl. S. 145 ff. 203) Vgl. S. 109 ff.
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Andres:
Yo lo concedo en cuanto a que nadie pueda hacer perfecto retrato; . . ,204)
Da Calderón mehrfach die Ansicht vertritt, es könne kein vollkommenes Marienbildnis geben, widmen wir diesem Thema eine kurze Betrachtung. Die Schwierigkeiten einer angemessenen Darstellung ergeben sich nicht vom naturalistischen Gesichtspunkt her, sondern sie liegen im theologischen Bereich. Marianische Schönheit bedeutet mehr als Schönheit der Erscheinung. Sie steht sinnbildhaft für die Unbeflecktheit Marias durch die Erbsünde. Reinheit und Unbefledctheit sind die charakteristischen Merkmale ihres Wesens. Sie beinhalten nicht nur Freiheit von Sünde und Schuld, sondern bedeuten zugleich Anteilnahme am Göttlichen. Wie aber soll es gelingen, die Teilhabe Marias am Göttlichen im Porträt darzustellen? Da göttliche Wesenszüge nicht darstellbar sind205), mußte man sich mit einem Sinnbild behelfen. Man hielt die menschliche Schönheit für d i e Eigenschaft, die am besten geeignet sei, göttliches Wesen zu versinnbildlichen. Wie unzulänglich dennoch dieser sinnbildliche Ersatz empfunden wurde, hat das Gespräch zwischen Yupangui und seinem Kritiker gezeigt. Aus ihm ist hervorgegangen, daß kein Mensch Marias Schönheit, die einen Abglanz göttlicher Schönheit in sich birgt, in würdiger Weise abzubilden vermag. Vertritt man auf der einen Seite diese Auffassung und will auf der anderen aber ein ehrfurchtgebietendes Marienbild erstehen lassen, so bleibt für das Gelingen des Werkes nur der Weg des Wunders übrig. Calderón beschreitet ihn, indem er zwei als Maler verkleidete Engel zur Vollendung des mißlungenen Bildnisses auf die Bühne herabsteigen läßt. Die Engel, Boten Gottes, sind in der Lage, die Schönheit Marias als ein Abbild göttlicher Schönheit darzustellen. Die Vorstellung, daß die Wiedergabe marianischer Schönheit nicht allein ein künstlerisches, sondern vor allem ein theologisches Problem darstellt, zeigt sich auch in der Wahl des Terminus insuficiencia, mit dem der Dichter die Unzulänglichkeit Yupanguis bezeichnet. Yupangui: Dichosa mi i n s u f i c i e n c i a fué, pues si docto maestro la hubiera labrado, a él se atribuyera el acierto, y no pasara de allí la admiración a portento 206 ).
Der Begriff nimmt zum einen auf die mangelnde künstlerische Ausbildung Yupanguis Bezug, zum anderen weist er deutlich auf die theologische Problematik des Vorhabens hin. Insuficiencia ist der Terminologie der Gnadenlehre entlehnt und besagt in diesem Zusammenhang, kein Mensch könne 204) I, 1401-b. 205) Vgl. S. 55 f.
206) I, 1405-a.
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von sich aus ohne übernatürliche Hilfe göttliche Schönheit erfassen und wiedergeben. W i e ist es Calderón möglich, insuficiencia in dieser doppelten Sinngebung zu gebrauchen? Der Dichter knüpft hier an bestimmte christliche Vorstellungen an, denen zufolge Schönheit und Gnade gleichermaßen als göttliche Gaben angesehen wurden. Das besondere Verhältnis der beiden Gaben zueinander besteht darin, daß Schönheit durch Gnade verliehen wird. Damit ist der sinnbildliche Gebrauch von hermosura anstelle von gracia möglich, und umgekehrt vermag gracia die Bedeutung von hermosura anzunehmen. Von diesem Sachverhalt ausgehend, war es möglich, von insuticiencia eine Beziehung sowohl zu gracia als auch zu hermosura herzustellen. Der Terminus insuticiencia besagt in der Gnadenlehre das Unvermögen des Menschen, das Heil von sich aus ohne die Hilfe der göttlichen Gnade zu erlangen. Diese Vorstellung der menschlichen Unzulänglichkeit überträgt Calderón auf die Situation des Künstlers. Für ihn bedeutet insuticiencia das künstlerische Unvermögen, den Abglanz göttlicher Schönheit in Maria von sich aus ohne übernatürliche Hilfe bildhaft zu vergegenwärtigen. Für die theologische Zuordnung von Schönheit und Gnade, die wir in dem hier erörterten Drama in Verbindung mit insuticiencia diskutiert haben, folgen einige Belege aus anderen Schauspielen Calderóns. W i r erinnern in diesem Zusammenhang an die allegorische Gestalt der Gracia im auto „El pintor de su deshonra"2"7). Bei der Erschaffung des Menschen war ihr die besondere Rolle zugefallen, die Schönheit des menschlichen Bildnisses durch zusätzliche Akzente zu erhöhen. Pintor [zu Gracia]: . . . y tú, Gracia, añadirás perfiles a la Belleza [del soberano retrato] 2 0 8 ).
Im auto „Lo que va del hombre a dios" nennt Calderón hermosura und gracia unter den besonderen Gaben, die Naturaleza, d. h. dem Menschen, bei der Taufe verliehen werden. Naturaleza spricht: Naturaleza: . . . pues me dió por d o t e el cielo, a la entrada de la vida por puertas del Sacramento, c o n el primer ser, la g r a c i a , la h e r m o s u r a y el ingenio, la ciencia y el albedrío, j o y a s de no p o c o precio; y m á s si añado memoria, voluntad y entendimiento, segundas prendas del alma 2 0 9 ).
Por puertas del Sacramento muß auf die Pforten der Taufe als desjenigen Sakramentes, das der Mensch a la entrada de la vida empfängt, bezogen werden. 207) Vgl. S. 51 ff. 208) III, 833-a. 209) III, 276-b, 277-a.
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In den folgenden Worten, die dem Monolog von Theos über die menschliche Natur („El laberinto del mundo") entnommen sind, unterscheidet Calderón ausdrücklich zwischen einer Schönheit der äußeren Erscheinung und einer Schönheit im Sinne von Tugend. Die Beziehung von hermosura und gracia, auf die es hier ankommt, wird in dem Begriff virtud sichtbar. Tugend setzt die Mithilfe der Gnade voraus. Der Dichter läßt Theos etwa folgendermaßen sprechen: Obwohl man der Auffassung ist, das Schöne sei nur auf den Gegenstand, den das Auge sieht, zu beziehen und habe darüber hinaus keine Gültigkeit, befindet sich derjenige, der dies glaubt, im Irrtum; denn die vollkommene Schönheit ist die Tugend. Theos:
. . . aunque que dicen que lo hermoso en el objeto se emplea de la vista, y que allí para, engáñase quien lo piensa, que la perfecta hermosura es la Virtud ¡ . . .21°)
Als welch außerordentlich hohe Gaben hermosura und gracia damals angesehen wurden, beweisen auch die häufigen Anspielungen Calderóns auf Luzifers Verlust dieser beiden Gaben211). Bei seinem Fall hat dieser hermosura212) und gracia, nicht aber ciencia verloren. Calderón will damit hervorheben, daß Luzifer der Teilhabe an den göttlichen Gnadengaben verlustig ging, ihm aber die Fähigkeit der Erkenntnis erhalten geblieben ist. Abschließend kommen wir auf die Situation Yupanguis zurück. Wir haben bei seiner Darstellung Marias vor allem zwei Schwierigkeiten hervorgehoben: den Mangel an Geschicklichkeit, Erfahrung und wissenschaftlicher Ausbildung in der Kunst und die außerordentliche Schönheit Marias. Beides bringt sein Vorhaben zum Scheitern. Sein Mißgeschick wird jedoch behoben durch das Eingreifen zweier Engel, welche der Plastik die gewünschte Vollkommenheit verleihen.
210) III, 1565-b, 1566-a. 211) Vgl. Anm. 120. 212) Der Dichter verwendet in Zusammenhang mit Luzifers Fall neben hermosura auch den Begriff belleza. Beide Termini sind als Synonyma im Sinne einer höchsten, vollendeten Schönheit gebraucht. Im Gegensatz hierzu legt Calderón an anderer Stelle nahe, beide Termini graduell gegeneinander abzugrenzen, wie folgende Worte beweisen. . . . entre h e r m o s u r a y b e l l e z a hay distinción, si se advierte, que la hermosura dice entera perfección, belleza no [,Z.os tres mayores prodigios", I, 1655-b]. Calderón definiert hier hermosura im Sinne von perfekterSchönheit, während er im Unterschied hierzu die Bedeutung von belleza erheblich einschränkt. Auf der einen Seite beobachten wir somit eine synonyme Verwendung von beiden Termini, auf der andern haben wir Calderóns nachdrückliche Betonung, hermosura sei von belleza zu unterscheiden, vor uns. Dieser Gegensatz erschwert eine differenzierende Betrachtung von hermosura und belleza außerordentlich.
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4. Die Forderung der decencia
bei der Darstellung religiöser
Bildinhalte
Für die Beurteilung der Statue wurde auf drei Kriterien hingewiesen: die Schönheit, die decencia des Bildes und die devoción213), die das Bild zu vermitteln in der Lage ist. Nachdem wir uns mit der Schönheit befaßt haben, wenden wir uns der Frage nach der decencia zu. Der Anspruch auf decencia stellte bei der Bewertung religiöser Bildinhalte einen entscheidenden Gesichtspunkt dar, da es von der decencia abhing, ob ein Bild die Frömmigkeit des Betrachters anzusprechen vermochte oder nicht. Decencia war vor allem im Hinblick auf die Zensur von wesentlicher Bedeutung. Folgende Worte des Kunsttheoretikers J u s e p e M a r t i n e z machen dies deutlich sichtbar. . . . l e a d v e r t i r é d e h a b e r v i s t o quitar m u c h o s c u a d r o s d e m u y s u n t u o sos puntos por i n d e c e n t e s . Repare en especial en las historias s a g r a d a s ; . . , 214 )
Martinez ergänzt diesen Gedanken mit folgendem Beispiel. Ein frommer Fürst, so sagt er, habe einem Maler in Rom ein Bild der Kreuzesabnahme in Auftrag gegeben. Da der Besteller aber nicht mit der Ausführung zufrieden gewesen sei, habe ihn der Künstler nach dem Grund seines Unbehagens befragt, worauf dieser geantwortet habe. N o m u e s t r o e l d i s g u s t o p o r l o i m i t a d o al n a t u r a l q u e e s r e a l m e n t e soberano, sino por lo esencial en que habéis faltado, que e s en la p r u d e n c i a l d e c e n c i a a que se d e b e usar en este genero de historias 2 1 5 ).
Der Fürst habe sich nunmehr an einen anderen Maler gewandt. Als das Bild zur Zufriedenheit des Auftraggebers ausgeführt worden war, habe dieser ihm sein besonderes Lob ausgesprochen: Q u e a n o s a b e r q u e l e p i n t ó él, c r e e r i a q u e a l g ú n á n g e l d e s u p e r i o r jerarquía le habría hedió216).
Das Beispiel zeigt eine gewisse Analogie zu Calderón. Der Sachverhalt bei Calderón, Engel das wegen indecencia abgelehnte Bild zur Vollendung bringen zu lassen, kehrt bei Martinez in den Worten creeria que algún ángel de superior jerarquía le habría hecho in Form einer Hypothese wieder. Die Norm der decencia muß in engem Zusammenhang mit dem Festhalten an bestimmten Regeln und Richtlinien gesehen werden, an denen sich der Künstler bei der Gestaltung religiöser Inhalte orientieren sollte. So ist z. B. die bis heute nicht auffindbare Schrift „Tratado de los errores que se cometen en las pinturas sagradas" von G r e g o r i o d e T a p i a y S a l c e d o 2 " ) ein 213) Vgl. S. 83 ff. 214) M a r t í n e z , J u s e p e , Discursos practicables del nobilísimo arte de la pintura S. 28. 215) ebd., S. 28 f. 216) ebd., S. 28 f. 217) Das Werk wird erwähnt von S á n c h e z C a n t ó n in: Fuentes Literarias, Bd. 5, S. 5. Dem Traktat soll eine Abhandlung mit folgendem Titel vorangegangen sein: Discurso del origen de la pintura y sus excelencias.
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solches Werk, in dem sich der Künstler über Richtigkeit und Irrtümer der Darstellungsweise Klarheit verschaffen konnte. An Yupanguis Marienbildnis finden die Betrachter kein Gefallen. Es sei ihrer Meinung nach keine decente imagen, und daher könne man es nicht zur Verehrung aufstellen. Stellvertretend für die kritischen Beschauer spricht Andres: . . . nunca se crea que es relajación en mí haber hecho resistencia a que mientras que no haya d e c e n t e i m a g e n que pueda colocarse estén la obra y la Esclaritud supensas218). . . . Yo me he puesto en que no es d e c e n t e i m a g e n la que hasta ahora tenemos,.. .21")
Auf unsere Frage, worin nun eigentlich die indecencia bestehe, gibt Yupangui in einem Zwiegespräch mit Maria Auskunft. Die Kritik an der indecencia bezieht er auf das Material: er gesteht, sich in der Wahl des Stoffes geirrt zu haben. Seinen ersten Versuch habe er aus Ton gearbeitet. Die Arbeit habe gleichsam scheitern müssen — Idolatría hatte die Tonstatue zerschlagen —, da Ton die zerbrechliche Masse des ersten Adams sei; nun wolle er ein besseres Material für einen zweiten Versuch verwenden. Zu Ehren des zweiten Adams, d. h. Christus, habe er Holz ausgewählt. Yupangui [zu Maria]: Si cuando al barro fié el primer diseño mío te hallaste de mi albedrío no bien servida porque masa quebradiza fué del primer Adán, en cuyo daño original arguyo, no comprendida, cuán mal pudiera en su original copiarse retrato suyo; ya en mejor materia fundo este segundo diseño, pues te fabrico de un leño a honor del Adán segundo. Permite, pues, que vea el mundo que en esta fábrica mía, pues a un madero se fía, se aúnen a mejor luz la materia de la Cruz y el retrato de María;.. 218) I, 1397-b. 219) I, 1402-b. 220) I, 1394-a.
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Yupanguí bedient sich einer sinnbildlichen Sprache, für deren Verständnis an die Rolle des Tones und Holzes in der christlichen Symbolsprache erinnert werden muß. Ton — das Spanische kennt dafür die Bezeichnungen barro, limo und lodo, das Lateinische verwendet die Termini limus und lutum — ist die von den Theologen vielfach diskutierte Gestaltungsmaterie Adams221). Er stellt eine leicht zerbrechliche Masse dar und schien deshalb besonders gut geeignet, die moralische Gebrechlichkeit Adams zum Ausdruck zu bringen. Er wurde zum Symbol Adams schlechthin. Demgegenüber bedachte man das Holz mit einer ausgesprochen positiven Symbolik. Als Materie des Kreuzes Christi wurde es zum Symbol Christi und erinnerte darüber an den Baum der Erkenntnis aus dem Paradiesesgeschehen. Bei seinem zweiten Versuch ist Yupanguí besonders behutsam zu Werke gegangen. Er hat ein sehr wertvolles Holz verwendet, das Kernstück des Holzes vom maguey, einer Art Algarve. Dieses zeichnet sich durch große Dauerhaftigkeit aus. Nachdem die Rinde entfernt war, hat er den inneren Teil für seine Arbeit verwendet. Es schien ihm, er würde mit diesem Material, dem besten Teil des mague y, der erstrebten decencia gerecht werden. Yupanguí: Concedo que erré en la escultura primera la materia de la imagen que ofrecí, y en consecuencia de que no hay humano yerro que no le dore la enmienda, de las varas del maguey, por ser preciosa materia e incorruptible, otra imagen, desbastadas las cortezas, del corazón he labrado, por parecerme que sea corazón e incorruptible, de ambos d e c e n t e materia 2 2 2 ).
In den zuletzt angeführten Zeilen nennt Yupanguí die beiden Gesichtspunkte, die für die Wahl des besonderen Holzes ausschlaggebend waren und die ihm gleichermaßen die decencia des Bildes zu gewährleisten scheinen. Er hat den besten Teil, ei corazón, ausgewählt. Auch besitzt das Holz die Eigenschaft, incorruptible zu sein. Beides, die Auswahl des besten Stückes und die große Haltbarkeit des Holzes, bezieht Yupanguí sinnbildlich auf Maria. Mit corazón spielt er auf Maria als Krone der Menschheit an, mit dem Begriff incorruptible meint er ihre Unbeflecktheit. In Ergänzung zu den Gedanken über den Zusammenhang von decencia und religiöser Kunst223), bei denen wir die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der decencia für die kirchliche Zensur gelenkt haben, befassen wir uns im folgenden mit Fragen nach ihren Voraussetzungen. 221) Vgl. S. 49 ff. 222) I, 1398-b. 223) Vgl. S. 77. 79
J u s e p e M a r t í n e z spricht von einer prudencial decencia1"), die der Anblick eines Bildes erkennen lassen müsse. Er fordert damit zwei Eigenschaften: decencia und prudencia. In welchem Verhältnis sind beide zueinander zu sehen? Die Antwort ergibt sich, sobald man berücksichtigt, daß decencia eine Qualität des Bildes meint, demgegenüber prudencial, das syntaktisch zwar dem Begriff decencia zugeordnet ist, dem Sinne nach aber auf eine Eigenschaft des Künstlers anspielt. Martinez wendet sich also bei der Erörterung der decencia an die prudencia des Künstlers. Diese muß als eine Voraussetzung für die decencia eines Werkes verstanden werden. Zur Klärung dessen, was Martinez mit der prudencia des Künstlers zum Ausdruck, bringen will, wird der nachstehende Text, in dem der Autor den Unterschied zwischen der sabiduría und prudencia des Künstlers diskutiert, herangezogen. Entre el sábio y el prudente [pintor] hay una distancia muy grande: la s a b i d u r í a entre con preceptos y reglas sabiéndolas poner en ejecución para unir qualquier cuerpo a la forma que hiciere, ajustándola de manera que no tenga error en sus partes.
La prudencia
es
[1.] c i e n c i a que no se puede enseñar, [2.] que esta es g r a c i a dada por Dios. . . . Tiene esta v i r t u d tanta excelencia que [3.] da el último realce a las cosas; porque todo lo p r o p o r c i o n a y da á cada cosa su lugar, hermosura y complemento . . . al fin es m a d r e universal de todo acierto 225 ).
M a r t i n e z determiniert sabiduría als erlernbares Wissen im Unterschied zu prudencia, die nicht auf dem Wege des Erlernens angeeignet werden könne, sondern seinen Ausführungen zufolge als ein komplexes Gebilde von rational nicht faßbaren Momenten angesehen werden muß. Dem Zitat entnehmen wir drei wesentliche Aussagen über prudencia-, sie sei, so führt Martinez aus, 1. eine ciencia22'), die man nicht erlernen könne, 2. eine gracia und virtud und 3. eine Fähigkeit, allen Dingen den höchsten Glanz zu verleihen, weil sie alles aufeinander abstimme, jedem Gegenstand seinen Platz, seine Schönheit und seine Vollendung zukommen lasse; sie sei deshalb die Mutter allen Gelingens. Die Fähigkeit, die Martinez unter dem dritten Punkt (als einen Teil der prudencia) beschreibt, ist, wie nachstehend ausgeführt werden soll, mit discreción gleichzusetzen. Vergleichen wir den an dritter Stelle hervorgehobenen Absatz der Definition von prudencia mit der Definition der discreción von A l b e r t u s 224) Vgl. Zitat S. 77. 225) M a r t i n e z , J u s e p e , Discursos practicables del nobilísimo arte de la pintura, S. 76. 226) Martinez geht davon aus, daß ciencia im allgemeinen durch Erlernen angeeignet werden könne.
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M a g n u s 227), s o ergibt sich trotz inhaltlicher U n t e r s c h i e d e e i n e a u f f a l l e n d e A n a l o g i e . Bei e i n e m V e r g l e i c h m u ß v o r a l l e m v o n f o l g e n d e n K e r n s ä t z e n ausgegangen werden: J u z g a r p r u d e n t e m e n t e de todas estas cosas toca a la verdadera discreción. Esta virtud es m a e s t r a de todas las virtudes y la que les pone la tasa y les da la orden con que lo deben ser228). D i e A n a l o g i e ist i m w e s e n t l i c h e n in z w e i F a k t e n z u s e h e n : z u m e i n e n s t e h t b e i b e i d e n A u t o r e n der G e d a n k e d e s A b w ä g e n s v o n b e s t i m m t e n G e g e b e n h e i t e n i m V o r d e r g r u n d — b e i M a r t i n e z k l i n g t er i m T e r m i n u s proporcionar an, b e i A l b e r t u s w i r d er v o r a l l e m in juzgar prudentemente sichtbar — u n d zum andern ist die v o n A l b e r t u s g e w ä h l t e A u s d r u d e s w e i s e esta virtud [la discreción} es maestra de todas las virtudes v e r g l e i c h b a r mit Martínez' F o r m u l i e r u n g la prudencia es madre universa] de todo acierto. In b e i d e n F ä l l e n w i r d die b e s p r o c h e n e Eigenschaft als M e i s t e r i n o d e r Mutter, die in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g als S y n o n y m a z u w e r t e n sind, bezeichnet; i m e i n e n n e n n t s i e der A u t o r M e i s t e r i n aller T u g e n d e n , i m andern Mutter a l l e n G e l i n g e n s . V e r g l e i c h t m a n d i e s e b e i d e n F o r m u l i e r u n g e n darüber h i n a u s mit der R e g e l d e s hl. B e n e d i k t : discretio est mater virtutum229), so kann an 227) Die Auswahl gerade dieses nadistehenden Textes erfolgt im Anschluß an P a r k e r , der ihn als eine der klarsten und repräsentativsten Abhandlungen über das Thema der discreción im Mittelalter bezeichnet. Vgl. P a r k e r , A l e x a n d e r , A u g u s t i n e , The Meaning oi ,discreción' in ,No ha y más Fortuna que Dios': The Medieval Backgiound and Sixteenth — and Seventeenth — Century Usage. In: C a l d e r ó n d e l a B a r c a , No hay más Fortuna que Dios, hrsg. v. A. A. Parker, Anhang, S. 83. Discreción verdadera es saber juzgar prudentemente entre el Criador y la criatura: qué quiere decir Criador, y qué criatura. Y saber hacer diferencia de lo que es bueno, y mejor, y muy mejor; y de lo que es malo, y peor, y muy peor¡ y conocer cuánta se debe apetecer lo bueno y aborrecer lo malo. Item, cuánta reverencia debe el hombre a su superior; cuánta clemencia y compasión a su inferior; con cuánta igualdad debe tratar con sus compañeros. Cómo se debe haber con los muertos, cómo con los vivos; cómo con sus predecedores, y cómo con sus sucedores; cómo debe amar a sus amigos en Dios, y cómo a sus enemigos por amor de Dios; cómo se debe haber en su secreto retraimiento delante de Dios, y cómo en público delante de los hombres. Qué sustento se ha de dar a la carne, y qué sustento al espíritu; de qué ropa se ha de vestir; cuándo ha de comer, cuándo beber, y cuándo usar de abstinencia, y cuánta ella, y de qué manjares, debe usar. Cuándo ha de velar, y cuándo y cuánto tiempo ha de dormir. Cuándo ha de orar, y cuando llorar, y cuando trabajar. Cómo se debe haber cuándo le alaban, y cómo cuándo le reprehenden. Cuándo ha de callar; y cuándo, y cuánto, y de qué, y con quién, y en qué lugar y tiempo ha de hablar. Cuándo ha de tomar, y cuándo tener; y cuándo, y cuánto y a quien debe dar. J u z g a r p r u d e n t e m e n t e de t o d a s e s t a s c o s a s t o c a a la verdadera discreción. E s t a v i r t u d e s m a e s t r a d e t o d a s l a s v i r t u d e s y la que les pone la tasa y Ies da la orden con que lo deben ser . . . (Paradisus Animae sive Libellus de Virtutibus; — übersetzt ins Spanische von: P. P e d r o d e R i b a d e n e y r a , Tratado de las Virtudes, intitulado Parayso del Alma, compuesto por Alberto Magno; Madrid: Miguel Serrano, 1611; fols. 176—180; — zitiert nach A. A. Parker, ebd., S. 84). 228) Vgl. Zitat Anm. 227. 229) B u s c h , F r a n z , Discretio est mater virtutum. Diss. Bonn, 1950, S. 3, 83. 81
der Bedeutungsverwandtschaft von prudencia und discreción nicht gezweifelt werden. Diese Interpretation stützt sich auf die eingehenden Untersuchungen Parkers zu discreción, ihrem mittelalterlichen Hintergrund und ihrer Bedeutung im 16. und 17. Jahrhundert 230 ). Der englische Forscher beschäftigt sich vor allem mit der Frage nach den wechselseitigen Beziehungen von discreción und prudencia. Für uns erweist sich die Tatsache von Bedeutung, daß im Mittelalter beide Eigenschaften als Tugenden betrachtet wurden, wobei sie in ihrer Bedeutung nicht völlig identisch waren, aber doch in vieler Hinsicht Übereinstimmungen zeigten 231 ). Während die Tugend der prudencia vom Menschen vorwiegend ein moralisches Verhalten gegenüber Gott und den Mitmenschen forderte, richtete die discreción ihre Forderungen weniger an das Verhalten, als vielmehr an den Intellekt des Menschen, an sein Erkenntnis- und Unterscheidungsvermögen. Die discreción wurde vor allem als ein intellektueller Habitus aufgefaßt. Die beiden Begriffe lassen keine einheitlichen Entwicklungen im Laufe der Jahrhunderte erkennen. Eine dieser verschiedenen Entwicklungen zeigt, daß discreción im Vergleich mit prudencia eine Einschränkung auf die Bedeutung ,Fähigkeit des Erkennens, Unterscheidens, Abwägens' u. ä., im Sinne von intellektuellem Habitus verstanden, erfuhr. In dieser Bedeutung wurde discreción vielfach prudencia (Tugend) untergeordnet. Die Unterordnung war deshalb möglich, weil nach damaliger Auffassung die Erkenntnis des Guten und Bösen, des Rechten und Unrechten, was als Aufgabe der discreción angesehen wurde, für die Erlangung von prudencia unerläßlich war. Diesen Sachverhalt, bei dem discreción einen Teil der prudencia darstellt, machen wir für M a r t i n e z geltend. Der dritte Punkt seiner Definition von prudencia entspricht der genannten Deutung von discreción. Der Autor muß die Vorstellung von discreción vor Augen gehabt haben, obgleich er den Terminus selbst nicht gebraucht. Für diese Interpretation spricht auch ein anderer Text, in dem Martinez ebenfalls decencia abhandelt, dabei aber anstelle der von uns hervorgehobenen Ausdrucksweise prudencial decencia232) den Terminus elección wählt, dessen Wortbedeutung Auswahl die Nähe zu discreción deutlich werden läßt. Si pintase y e l i g i e s e el pintor, por d o c t o y científico q u e fuera, una figura de una reina, y c o s a tan soberana la h i c i e s e c o n a c c i ó n d e s c o m p u e s t a , quitándole el señorio debido a la majestad, por mucho que hubiera cumplido c o n el arte, seria m u y mal recibida s u obra por no haberla hecha con b u e n a e l e c c i ó n , d e c e n c i a y m a j e s t a d debida. Esto e s m u y considerable: que de v e r d a d h e v i s t o a h o m b r e s d e mucho saber haber c a i d o en esto, por lo que sus obras h a n sido censurado de p o c a e l e c c i ó n y p o c a atendencia, y e n particular en i m á g e n e s d e l a V i r g e n Santisima y Cristo Señor Nuestro 2 3 3 ). 230) 231) 232) 233) S. 58 f. 82
Vgl. Anm. 227. Vgl. P a r k e r , a.a.O., S. 83. Vgl. S. 77, 80. M a r t í n e z , J u s e p e , Discursos
practicables
del nobilísimo
arte de la
pintura,
Mit elección meint der Autor jene Qualität der prudencia, die wir als discreción interpretiert haben: die Fähigkeit des Erkennens, Unterscheidens, Abwägens, Auswählen u. ä. Für uns ergibt sich aus den verschiedenen Betrachtungen, daß decencia, prudencia und discreción bestimmte Normen in der Kunst und Kunsttheorie darstellten, wobei discreción und prudencia als die notwendigen Voraussetzungen für die erstrebte decencia eines Bildes galten. Der Hinweis auf diese Zusammenhänge ist für einen späteren Teil unserer Arbeit über das Thema discreción wichtig234).
5. Das religiöse Bild und die
devoción
Das Marienbild des Yupangui für Copocabana entsprach weder in der Schönheit noch in der decencia der Würde Marias. Die Kritiker nahmen vor allem an der indecencia heftigen Anstoß, und zwar deshalb, weil ein unehrerbietiges Bild ihrer Meinung nach den Betrachter an frommer Verehrung und Anbetung hindert. Das Bildnis dürfe, so meint Andres, den Betrachter nicht infolge seiner irreverencia — dieser Terminus ist mit indecencia gleichzusetzen —• in seiner Frömmigkeit beirren. Andres: . . . [el retrato] no ha de ser de manera que al verle, la d e v o c i ó n peligre en la i r r e v e r e n c i a 2 3 5 ) .
Er ist nicht der einzige, der diese Auffassung vertritt. Viele andere haben sich, wie er selbst sagt, der Meinung angeschlossen, daß man auf keinen Fall die Verehrung Marias durch ein Bild que hace indevoto el alecto entweihen lassen dürfe. Andres: . . . y por no ver deslucido su culto en el desaseo, han seguido mi opinión muchos, que no quieren, cuerdos, colocar una escultura que hace i n d e v o t o e l a f e c t o
236
).
Auch der Gouverneur stößt sich an der irreverencia, weil sie mehr zum Spott als zur Anbetung und mehr zum Lachen als zur Frömmigkeit anrege. Gobernador: . . . la imagen [es] . . . tan tosca y tan mal labrada, sin proporción en sus líneas ni primor en sús facciones, 234) Vgl. S. 126 ff. 235) I, 1401-b. 236) I, 1402-b.
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que, i r r e v e r e n t e , m o v í a , m á s que a a d o r a c i ó n , a escarnio, m á s que a d e v o c i ó n , a r i s a : . . . 2 3 7 ) .
Der von Calderón mehrfach wiederholte Begriff devoción stellt ein Schlüsselwort dar. In ihm gelangt das zum Ausdruck, was wir nach damaliger Auffassung als Ziel der religiösen Kunst ansehen müssen: nämlich die fromme Gesamthaltung des Betrachters. Diese schließt im besonderen den affektiven Bereich ein, der bei Calderón außer in devoción auch in den Worten mover, escarnio und risa zur Geltung kommt. Die sakrale Kunst sollte dem Betrachter in gleicher Weise wie das religiöse Buch dem Leser zur geistigen Erbauung dienen und ihm so für die Festigung seines Glaubens nützlich sein. Sie hatte vor allem für die des Lesens Unkundigen und die heidnischen Bewohner der Missionsgebiete eine zentrale Bedeutung erlangt. L o p e d e V e g a bringt diesen Gedanken im „Memorial iniormatorio por los pintores" zum Ausdruck. Er beruft sich auf die Kirchenväter Gregor, Johannes Damascenus, Beda und Bonaventura. Y por e s s o San G r e g o r i o , S a n D a m a s c e n o , y e l v e n e r a b l e B e d a dixeron, que las Pinturas de las i m á g e n e s eran c o m o historia, escritura para los q ignoran; c u y a o p i n i o n fue de San B u e n a v e n t u r a por e x p r e s s a s palabras e n el lib. 4 de su Pharetra „ U t h i , q u i l i t e r a s n e s c i u n t , s a l t e m i n p a t i e n t i b u s v i d e n d o l e g a n t , qua l e g e r e in codicibus n o n valent 2 3 8 ).
Was die Vorstellung betrifft, die christliche Malerei solle belehrend auf den Betrachter wirken, folgen die Kunsttheoretiker wie auch Calderón einer jahrhundertealten Tradition. Die Synode von Nicäa 787 n. Chr. hatte die Kunst als rechtmäßige Vermittlerin christlicher Glaubenswahrheiten anerkannt. Seit dieser Zeit galten religiöse Bilder als Zeugnisse der Glaubenslehre. Für die kirchliche Unterweisung, die sich vor allem auf schriftliche Quellen stützte, stellten sie eine große Bereicherung dar. Auch der Malerei wurde die Rolle der Belehrung zugedacht. G r e g o r s (gest. 604) Worte Nam quod legentibus scriptura hoc idiotis praestat pictura cernentibus, quia in ipsa etiam ignorantes vident quid sequi debeant, in ipsa legunt qui litteras nesciunt239) behalten durch das ganze Mittelalter hindurch ihre volle Gültigkeit und werden noch zu Calderóns Zeiten aufgegriffen und proklamiert 240 ), wie wir z. T. gesehen haben. H o n o r i u s von Autun kennt die Malerei als Schrift der Laien, Schmuck des Gotteshauses und Erinnerung an früher lebende Menschen 241 ). D u 237) I, 1393-a. 238) L o p e d e V e g a , Memorial iniormatorio por ¡os pintores, 1629. In: C a l d u c h o , V i c e n t e , Dialogos de la pintura, 1633, S. 165-b. 239) G r e g o r i i i s , Epistolae, lib. XI, Indict. IV, epist. XIII; Patrologia Latina LXXVII, 1128. 240) Vgl. S e z n e c , J e a n , La survivance des Dieux antigües; in: Studies of the Warburg Institute Bd. 11, London, 1940, S. 239. Vgl. S c h e l t e m a , F r e d e r i k A d a m v o n , Die Kunst des Mittelalters (Scheltema, Die Kunst des Abendlandes Bd. 2), Stuttgart, 1953, S. 30 f. 241) H o n o r i u s , Augustodunensis (Solitarius), Gemma anime, lib. I, cap. CXXXII, Patrologia Latina CLXXII, 586.
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r a n d u s v o n Mende vertritt eine ähnliche Auffassung: Pictura et ornamenta in Ecclesia sunt laicoium lectiones et scriptum2*2). Selbst noch im 16. Jahrhundert nimmt J o a n n e s M o l a n u s bei der Erörterung der Darstellung Johannes des Täufers auf die Synode v o n Nicäa Bezug. Angelus subjugendus est Joannes, praecursor Domini, qui agnum Dei tollentem peccata nostra digito monstravit. Quod et vetustas in suis picturis expressit. Epiphanius, in s é p t i m a s y n o d e (In fine actionis VI) refert delicatis et molibus vestimentis induto, ostendi solere imaginem Joannis, pilis camelorum induti, edentis sylvestre mel, et digito monstrantis Christum, qui suffert peccata mundi243). Die Rolle der Malerei als Unterweisung des Betrachters wurde nidit nur für die religiöse, sondern auch für die profane Kunst geltend gemacht, w i e die nachstehenden Worte des portugiesischen Malers und Kunsttheoretikers F r a n c i s c o d e H o l a n d a 244) beweisen. E näo sömente o discreto é satisfeito, mas o simples, o viläo, a velha; nao ainda estes, mas o estrangeiro sarmata e o indio, e o persiano, (que nunca entendem os versos de Virgilio, nem de Homero, que lhe sao mudos) se deleita e entenderá aquella obra [pintura de urna tormenta do mar] com grande gosto e pronteza; e até aquele bárbaro deixa entäo de ser bárbaro, e entende, por virtud da eloquente pintura, o que nenhuma outra poesia nem números de pés podia ensinar. E diz o Decreto da Pintura245): in ipsa legunt qui literas nesciunt, e adiante diz: pro lectione pictura est2*9). Auf diesem Hintergrund des engen Zusammenhanges v o n religiöser Kunst und christlicher Lehre muß das Marienbild v o n Copacabana g e s e h e n werden. Seine Bedeutung liegt darin, die marianischen Glaubenswahrheiten bei der Christianisierung der peruanischen Indianer anschaulich vor A u g e n zu führen. Deshalb soll es in würdiger W e i s e den kirchlichen Normen entsprechen, damit es den Indianern, denen die Lektüre der biblischen Wahrheiten verwehrt ist — sie sind des Lesens unkundig —, wahre Frömmigkeit einzuflößen vermag. 242) D u r a n d u s (Bisdiof, gest. 1296), Rationale divinorum olticiorum, lib. I, cap. III, Lyon, 1592, S. 23. Es wird zitiert nach: H a u p t , G o t t f r i e d , Die Farbensymbolik in der sakralen Kunst des abendländischen Mittelalters, 1941, S. 130, Anhang Nr. 7. 243) J o a n n e s M o l a n u s , De historia sacrum imaginum ei picturarum, lib. II, cap. 11, Patrología Latina XXVII, 51. (Erstausgabe: De pictura et imaginibus sacris liber, tratans de vitandis circa abusibus, et de earundem significationibus, authore J. Molano, Lovanii, 1594). 244) geb. 1517 oder 1518 in Lissabon als Sohn des Malers A n t o n i o d e H o l a n d a , eines gebürtigen Niederländers! gest. 1584. Maler und Theoretiker der Kunst. Sein 1548 veröffentlichtes Werk .Quatro diálogos da pintura antigua' stellt den ersten Versuch einer kunsttheoretischen Darlegung auf der Iberoromania dar. Die Dialoge wurden 1563 von M a n u e l D i n i s ins Spanische übersetzt. — Neuauflage des Werkes 1896 durch J o a q u i m V a s c o n c e l l o s , in: Renascencpa portugueza, Bd. 7, Porto. Diese Ausgabe war uns leider nidit zugänglich, so daß wir z. T. nach Curtius (Malerei) und z. T. nach M a n u e l M e n d e s zitieren, der den 2. Dialog unter dem Titel „Diálogos de Roma' in der ,Colec