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German Pages 171 Year 2010
Beiträge zur Politischen Wissenschaft Band 162
Der Förderstaat Grundlagen eines marktkonformen Subventionsrechts
Von Walter Leisner
Duncker & Humblot · Berlin
WALTER LEISNER
Der Förderstaat
Beiträge zur Politischen Wissenschaft Band 162
Der Förderstaat Grundlagen eines marktkonformen Subventionsrechts
Von Walter Leisner
Duncker & Humblot · Berlin
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Vorwort Staatliche Förderung ist seit vielen Generationen, zu zahllosen Zwecken und in zahlreichen Formen, laufende Praxis. Umfangreiches Schrifttum und eine vielfältige Rechtsprechung beschäftigen sich vor allem mit den jeweiligen Kompetenzen oder mit Formen und Grenzen dieser Subventionen. Deren Ziele – die entscheidend sind – werden, eher marginal, im Haushaltsrecht, vielleicht noch im Zusammenhang mit den Staatsaufgaben allgemein behandelt. Es fehlen Vertiefungen zu einer Dogmatik der Subventionen. Ansätze dazu sollen im Folgenden entfaltet werden, ausgehend von der Entwicklung des Subventionsrechts, vor allem nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Das nationale Recht dieser Förderung muss sich im Rahmen des zunehmend bedeutsamen Gemeinschaftsrechts halten. Dessen Einflüsse, vor allem übrigens in einem marktwirtschaftlichen Sinn, können hier nicht näher behandelt werden; dies muss vertiefender europarechtlicher Betrachtung vorbehalten bleiben. Gerade wenn aber das Gemeinschaftsrecht – wofür nun vieles spricht – in mitgliedschaftlicher Gemeinsamkeit zu entwickeln ist, gilt es, in erster Linie gewachsene nationalstaatliche Grundlagen zu klären. „Förderung“ wird herkömmlich in einem weiteren und einem engeren Sinn verstanden: einerseits in dem jeder staatlichen Lenkungseinwirkung auf außerstaatliches Verhalten, insbesondere auf private Wirtschaftstätigkeit, andererseits aber auch lediglich als staatliche Gewährung von Mitteln an Private, durch direkte Hingabe von Geld und Sachmitteln, oder im Wege der Abgabenverschonung. Die folgende Untersuchung geht zunächst, in der entwicklungsgeschichtlichen Betrachtung wie auch bei der staatlichen (Wirtschafts-)Lenkung, von jenem weiteren Begriff aus. Es ergeben sich dann aber vor allem Orientierungen im subventionsrechtlichen engeren Sinn. Zentrales Anliegen ist ein marktkonformes Förderungsrecht. Vorrangiges Ziel der Subventionen muss stets „Hilfe zur Selbsthilfe“ sein; dies ist heute auch für Sozialrecht und Arbeitsmarkt anerkannt. Existenzieller Schwächerenschutz ist Staatsaufgabe, aber nicht Gegenstand des Subventionsrechts. Dieses muss sich am Funktionieren von Märkten orientieren – oder es wird nicht akzeptiert werden. In der Wirtschaftskrise des Jahrtausendbeginns ist dem bisher weitgehend entsprochen worden. Es ertönt aber auch der „Ruf nach mehr Staat“, Markt und Staat werden geradezu grundsätzlich als Gegensatz gesehen. Dies ist zu wenig differenziert. Rahmenmäßig ist eine „Marktordnung“ vom Staat zu schaffen, gerade jetzt zu verbessern; dabei müssen die wesentlichen Aufgaben des staatlichen Gemeinschaftsordnens jedenfalls, auch marktunabhängig, erfüllt werden. Der Förderstaat bemüht
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Vorwort
sich darüber hinaus, nach seinen Möglichkeiten, um Optimierung der Märkte, in einem Zusammenwirken von Staat und Markt – mit Primat des Letzteren. Nach diesen Leitlinien sollen hier dogmatische Grundlagen eines Rechts der Subventionen entwickelt werden. Nicht dem hoheitlichen Befehl des Staates gehört die Zukunft, sondern der Zusammenarbeit mit ihm. Förderung ist hier eine Rechtsform von staatslegitimierender Bedeutung. München, den 1. Mai 2010
Walter Leisner
Inhaltsverzeichnis A. Der Förderstaat und die Wirtschaftskrise – Herausforderungen und Lehren . . . . 13 I. Die freiheitliche Staatskonzeption in der Wirtschaftskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1. Marktwirtschaft als politische Grundlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2. Marktwirtschaft ohne Marktordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Die Schwächen politisch-staatsrechtlicher Kritik am Neoliberalismus . . . . . . . . . . . . 17 1. Sozialdemokratismus und Konservativismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. „Freiheit“ und „Markt“: Dynamische Staatsgrundsätzlichkeit der Demokratie . . 21 III. Einbruch der Wirtschaftskrise in die „ideologisierte“ Freiheitsstaatlichkeit . . . . . . . . 23 1. Realität: Stärker als Ideologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Und nun: „Ideologischer Systemwandel“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 IV. Ruf nach dem Staat: nicht Eingriffsstaat – staatliche Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Der Ruf nach der Staatskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Weiterwirken der Freiheit in der wirklichen „Sozialen Marktwirtschaft“ . . . . . . . 26 3. Staatsbonität, nicht Staatseingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 V. Förderung der Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Förderstaat – der „Dritte Weg“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Förderstaatlichkeit: ein demokratisches Staatsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3. Förderungsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4. Förderung: Herausforderung an ein „Recht als Geduld“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
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Inhaltsverzeichnis
B. Die Entwicklung der Staatsförderung: Ansätze, Widersprüche, Fragestellungen
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I. Entwicklungsstadien: Wohlfahrtsstaat – Liberalismus – Machtstaat . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Wohlfahrtsförderung als öffentliche Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Liberalismus: Förderungsmisstrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Die Förderung im nationalen Machtstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. Der neue Ansatz: Die „größere“ Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Wirtschaftswunder und geregelter Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. „Soziale Marktwirtschaft“: schwächerenschützende Schwächung des Marktdenkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Grenzüberschreitende Markterweiterungen: Europa, Globalisierung . . . . . . . . . . 41 III. Fazit der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Förderung: eine unbewältigte Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Die Aufgabe: Förderstaatlichkeit gerade in der Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . 45
C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Die Probleme der Förderungsbegrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Defizite einer Förderungsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Staatliche Förderungen als Erfüllung von „Staatsaufgaben“: ein problematischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Förderstaatlichkeit: Nähere Bestimmung aus bisherigen Subventionsformen? . . . 54 4. Staatliche Förderung privater Förderungstätigkeit – Gemeinnützigkeit . . . . . . . . 56 II. Verfassungsvorgaben für den Förderstaat: die grundrechtlichen Freiheiten . . . . . . . . . 58 1. Aufbau-Stufen einer staatlichen Förderungsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Förderstaatlichkeit und allgemeine Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Gleichheit: aber auf funktionierenden Märkten – Wettbewerbsgleichheit . . . . . . . 63 4. Freiheit als Rahmen – Eigentums- und Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
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5. Förderstaatlichkeit als Freiheitsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 6. Staatliche Förderungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. Freiheitsförderung als Förderungsziel: Hilfe zur Selbsthilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Selbsthilfe als Förderungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Staatsförderung: begrifflicher Gegensatz zu Abhängigkeits- und Dauerförderung 78 3. Verpflichtung zur Nutzung staatlicher Förderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4. Förderungsfähigkeit des Adressaten als Voraussetzung von Staatshilfen . . . . . . . 81 5. Förderung konkreter Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
D. Förderung und Marktordnung – staatliche Lenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 I. Notwendigkeit einer Marktordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Entwicklung und Wesen der Marktordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Von der Marktordnung zum „synkretisierenden“ Begriff der Wirtschaftslenkung . 87 II. Förderungswirkungen der Marktordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Wirtschaftslenkende Gesetzgebung: Förderung durch Datensetzung . . . . . . . . . . 88 2. Das Abgabenrecht zwischen Marktordnung und Marktförderung . . . . . . . . . . . . . 89 3. Wahrnehmung allgemeiner öffentlicher Belange als Marktförderung? . . . . . . . . . 92 4. Gemeinnützigkeit: Synkretismus allgemeiner öffentlicher und marktfördernder Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 III. Wirkungen von der Förderstaatlichkeit auf die hoheitliche Staatsordnung . . . . . . . . . 95 1. „Kombinierte Lenkung“: Marktordnung und Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Rechtsstaatliche Problematik einer Förderstaatlichkeit als hoheitliche Ordnungsstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3. Exkurs: Unfühlbarkeit und Unkontrollierbarkeit der staatlichen Lenkung . . . . . . 98 IV. Förderungskontrolle: „Förderung mit Hoheitsgewalt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Kontrollnotwendigkeit als Eingriffszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
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Inhaltsverzeichnis 2. Förderungsauflagen – marktkonforme Lenkungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Wirkungsstufen staatlicher Förderungskontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
V. Fazit: Abschichtung von Förderstaat und ordnendem Hoheitsstaat . . . . . . . . . . . . . . . 108 E. Privatrechtskonforme Ausgestaltung staatlicher Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Hoheitsrechtliche oder privatrechtliche Ausgestaltung der staatlichen Förderung? . . . 110 1. Die Problematik der hoheitsrechtlichen Erfassungsversuche der Förderung . . . . . 110 2. Notwendigkeit einer Neuorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. Von der Marktförmigkeit zur Privatrechtsförmigkeit der Förderungstätigkeit . . . 113 II. Der Staat als Bank: Staatsbürgschaft, Staatskredit, Staatsversicherung . . . . . . . . . . . . 115 1. Öffentliche Banktätigkeit als privatrechtliche Daseinsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Die Staatsbürgschaft – der Garantiestaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Sozialversicherung als Förderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 4. Der Staatskredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 5. Exkurs: Förderung als verlorener Zuschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III. Staatliche Wirtschaftstätigkeit als „Förderung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Öffentliche Wirtschaftstätigkeit: Einfluss auf den Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Staatsbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 3. Staatliche Vollunternehmerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 4. Privatisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 5. Öffentliche Wirtschaftstätigkeit – Beispiel spektraler Flexibilität der Förderstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 F. Förderstaatlichkeit: eine Staatslegitimation und ihre Verfassungsgrundlinien . . . 135 I. Allgemeine Staatsorientierungen durch Förderstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Kein „unnützer Staat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Förderstaatlichkeit: Ein Weg zu internationaler Gemeinschaftlichkeit . . . . . . . . . 137
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3. „Konkretförderung“ – Gefahr der „großen Richtlinien“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4. Förderstaatlichkeit und politisches Personal – „die Experten“ . . . . . . . . . . . . . . . 139 5. Staatliches Förderungspersonal und Beamtenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 6. Förderstaat gegen Machtstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 II. Förderstaatlichkeit: Eine neue Staatslegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Die Schwächung der herkömmlichen Staatslegitimationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Die Legitimationskraft der Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3. Marktwirtschaftliche Förderstaatlichkeit: Legitimierender Staats-Nutzen für alle Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Marktförderung und demokratische Mehrheitsherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Märkte als „Mehrheits-Räume“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Förderstaat auf Märkten: Die entideologisierte politische Gemeinschaft . . . . . . . 151 3. Bedeutung der politischen Mehrheit im Förderstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 IV. Förderung: Legitimation des starken Finanzstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Der Steuerstaat als Förderstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Förderstaat gegen Staatsaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Der Förderstaat: Ein starker Finanz-Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 V. Förderstaatlichkeit: Alternativlose Form der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Ergebnisse, Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Grundkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Einzelergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
A. Der Förderstaat und die Wirtschaftskrise – Herausforderungen und Lehren I. Die freiheitliche Staatskonzeption in der Wirtschaftskrise 1. Marktwirtschaft als politische Grundlinie Die Wirtschaftskrise von 2008 ist über ein siegreiches Recht der Demokratie hereingebrochen – im wahren Sinne des Wortes. Nach dem von ihr so genannten Zusammenbruch des planwirtschaftgestützten Kommunismus1 glaubte sie, eine endgültige Grundlage und Rechtfertigung in freien Märkten gefunden zu haben, national, europäisch wie international. Der marxistischen Einheit von Befehlsgewalt, Recht und Wirtschaft setzte sie eine andere entgegen: in Freiheit. Der Staat sollte nicht mehr in Befehl ordnen; er sollte sich, „so weit wie möglich“, ja „grundsätzlich“ in jedem Sinne dieses Wortes, aus einer Wirtschaft zurückziehen, die ihn aber ebenso tragen, in ihn übergreifen, ja mit ihm eine Einheit bilden sollte wie dies kommunistischem Glauben entsprochen hatte. Eine geistig undurchbrechbare, praktisch-politisch nur, wie es schien, punktuell „eingedrückte“ Gegenfront wurde aufgebaut wider staatliche Wirtschaftsaktivitäten. Grundsätzlich blieben sie gebilligt, wie dies dem geistigen Erbe zweier Nachkriegszeiten entsprochen hatte. Doch in der Realität sahen sie sich immer noch weiter zurückgedrängt.2 Eine große Welle von Privatisierungen3 überspülte ja bereits die bisherige Staatswirtschaft, die praktisch noch immer in Daseinsvorsorge, nationalen Verkehrs- und 1 Zum Zusammenbruch des Kommunismus auf deutschem Boden vgl. f. viele, Würtenberger, Th., Die Verfassung der DDR zwischen Revolution und Beitritt, HStR § 187, insb. Rn. 50 ff. 2 Grds. zur Billigung staatlicher Wirtschaftsaktivitäten Badura, P., Wirtschaftsverfassungsund Wirtschaftsverwaltungsrecht, 3. A. 2008, Rn. 235 ff.; Frotscher, W./Kramer, K., Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, 5. A. 2008, S. 278 ff; Schmidt, R./Vollmöller, Th., Kompendium des Öffentlichen Wirtschaftsrechts, 3. A. 2007, S. 157 ff.; Stober, R., Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, 15. A. 2006, S. 170 ff.; Ziekow, J. , Öffentliches Wirtschaftsrecht 2007, S. 108 ff. 3 Zu den Privatisierungen vgl. den Überblick v. Rügemer, W., Privatisierung in Deutschland, 4. A. 2008 sowie etwa noch Tiemann, K., Privatisierung öffentlicher Unternehmen in Deutschland und Frankreich, 2009, S. 63 ff.; Scharnagl, B., in: Institut der Deutschen Wirtschaft (Hg.), Reformpolitik und Privatisierungspolitik im europäischen Vergleich, 2008, S. 5 ff.
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A. Der Förderstaat und die Wirtschaftskrise
Kommunikationsunternehmen und sogar erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit weit bedeutender war, als es der Grundidee eines wirtschaftlich freien Gemeinwesens entsprochen hätte. Immerhin war aber doch die politische Gemeinschaft eingebettet, in Deutschland jedenfalls bis zu Beginn der achtziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts, in eine wirtschaftliche Gesamtstruktur, in der sie sich Formen und Grundideen eines freien Unternehmertums bereits annähern musste. Lautstarke Beschwörungen wirtschaftlicher Freiheit schufen eine Grundstimmung gegen wirtschaftliche Staatsgewalt. Staatsdirigismus schien in einer Grundeinstellung gegen Subventionen und einer Deregulierungseuphorie4 seine wichtigsten rechtlichen Instrumente zu verlieren. Mit den verbreiteten Organisationsprivatisierungen5 unterwarf sich die Staatsgewalt unternehmerischem Denken. Darin lag bereits eine, wenn auch noch weithin unbewusste, Wendung zu einer Neuorientierung der Staatsaufgaben überhaupt6, die nun ihrerseits bis in das Zentrum bisheriger Staatsvorstellungen und öffentlich-rechtlicher Dogmatik vordrang: Bereits in dieser Umstellung auf privatrechtlich geprägtes Unternehmertum lag der erste entscheidende Schritt in Richtung auf einen grundlegenden Abbau der Staatsaufgaben, der „Wirksamkeit des Staates“7. Als notwendige Folge ergab sich der alsbald gleitende Übergang in die Aufgabenprivatisierung8, über zahllose Formen von Joint Ventures; das private Gesellschaftsrecht9 stellte die privatrechtlichen Formen solcher spektraler Übergänge zur Verfügung, die dann in Börsengängen enden konnten, damit in nicht weniger als einem Ausscheiden des Staates aus der Wirtschaft schlechthin. Die viel berufene Ökonomisierung und Ökonometrierung des Verwaltungsrechts über ein neues öffentliches Effizienzdenken10 drang vor bis in die herkömmlichen Be4 „Deregulierung“ ist zwar vor allem ein Topos des Energie-, Verkehrs- und Telekommunikationsbereichs, vgl. dazu f. viele Neuhaus, P. A., Regulierung in Deutschland und den USA, 2009, S. 49 ff.; Hoppner, Th., Die Deregulierung der Netzstruktur: Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Eisenbahn, 2009, S. 29 ff. 5 Zu den Organisationsprivatisierungen u. a. Tiemann, FN 3, S. 65 ff. 6 Zu den Staatsaufgaben grdl. Isensee, J., HStR 1. u. 2. A. , § 57 insb. Rn. 150 ff., 3. A. § 73, Zur Typologie der Staatsaufgaben Rn. 25 ff. Zur Problematik des Begriffs der Staatsaufgaben vgl. überdies mit Nachw. Leisner, W., „Privatisierung“ des Öffentlichen Rechts, Von der Hoheitsgewalt zum gleichordnenden Privatrecht, 2007, S. 98 ff. m. Nachw. 7 Diese verschärfte Grenzziehung durchaus verstanden im Sinne von Wilhelm v. Humboldt, Idee zu einem Versuch, die Gränzen (sic!) der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, 1792, voll abgedruckt Breslau 1851, vgl. Ges. Werke, 1. Ausgabe Bd. 7 1852, S. 1 ff. 8 Spektrale Übergänge finden sich bei den Privatisierungen von „Organisation“ zu „Aufgaben“, dazu noch näher unten E. III, 4, 5. 9 Zur Bedeutung des Privaten Gesellschaftsrechts für die Staatstätigkeit insb. Leisner, W. G., Weisungsrechte der Öffentlichen Hand gegenüber ihren Vertretern in gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen, GewArch 2009, 337, (339 ff.). 10 Zu neueren Versuchen der Steigerung der Verwaltungseffizienz vgl. u. a. Musil, A., Verwaltungssteuerung durch Zielvereinbarungen, VR 2006, 397 ff.; Pünder, H., Das neue öffentliche Finanz- und Verwaltungsmanagement, VerwArch 2008, 162 (104 f., 108 f., 115 f.);
I. Die freiheitliche Staatskonzeption in der Wirtschaftskrise
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reiche der „notwendigen“ Gesamtaufgaben, das führte zum Rückzug ihrer hoheitlichen11 Formen. Diese Verbetriebswirtschaftlichung der Administration war nur ein – entscheidender – Schritt zu einer, wie viele es nannten oder doch fühlten, neoliberalen Besetzung demokratischer Staatsgewalt. Ordoliberale Nationalökonomie lieferte die System- und Gestaltungsinstrumentarien im Einzelnen. Ja es schien sogar etwas zu gelingen wie eine große ideologische12 Renaissance längst vergangener Staatsgrundvorstellungen – in einer Zeit, die doch aller Ideologie abschwören wollte, gerade in solchem Denken sozialistischen Glauben überwunden zu haben schien. Doch in Wahrheit lag darin eine Krypto-Rückkehr, wenn nicht einer Ideologie, so doch eines wahrhaft grundsätzlich geprägten Denkens, vielleicht noch weit mehr: An politischen Horizonten zeigten sich Erscheinungen eines „Endzeitmythos vom Paradies“, ebenso mächtig, aber weit weniger verdämmernd als frühere Vorstellungen, in einer Zukunftshoffnung, welche von demokratischem Fortschrittsglauben getragen schien. Und trafen sich nicht dort, und vielleicht nicht einmal in einer Unendlichkeit, die parallelen geistigen Visionen marxistischer und liberaler Staatsauflösung13, in einer letzten übergreifend-liberalen Überzeugung, in welcher einst die eine aus der anderen hervorgegangen war?
2. Marktwirtschaft ohne Marktordnung? Diese letzten beiden Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts, geistig geprägt von der „Endsiegstimmung“ gegenüber kommunistischer Ordnung, zeigten aber auch bereits eine bedenkliche Entwicklung zu einem Verlust der Ordnung überhaupt, auch der einer Marktwirtschaft. Dem Staat gegenüber entstand eben etwas wie eine negative, eine Antiideologie in einer Euphorie der Ablehnung nicht nur von Verstaatlichungen14 und Staatswirtschaft, sondern von Staatshilfen überhaupt. Schien diese Pitschas, R./Schoppa, K., Rechtsformen kommunaler Unternehmenswirtschaft, DÖV 2009, 469 (470 ff.). 11 Zum „Rückzug hoheitlicher Formen im staatlichen Handeln“ vgl. Leisner, W., FN 6, S. 72 ff.; ders. Vertragsstaatlichkeit. Die Vereinbarung – eine Grundform des Öffentlichen Rechts, 2008, insb. S. 105 ff. 12 Zu diesem „liberalen Staatsmodell“ vgl. Zippelius, R., Allgemeine Staatslehre, 15. A. 2007, § 29 m. Nachw. Man könnte hier von einer Form der „Staatsrenaissance“ sprechen, vgl. Leisner, W., Die Staatsrenaissance. Die Wiederkehr der guten Staatsformen, 1987 = ders., Das Demokratische Reich, 2004, S. 287 ff. Einzuordnen wäre dies in die „Formen der Staatsrenaissance“, s. dort S. 426 ff. 13 Das neuere Schrifttum sieht allerdings die Lehre vom „Absterben des Staates“ vor allem als Weiterführung der Gedanken von Marx durch Engels und Lenin, vgl. Stern, K., Das Staatsrecht der BRD, Bd. 1 2. A. 1984, S. 767; Müller, Friedrich, Staatslehre und Anthropologie bei Karl Marx, AöR 95 (1970), 513 (517 ff., 523 ff.); Rupp, H.-H., HStR Bd. 1, 3. A. 2003, § 28 Rn. 10 m. Nachw.; Kuss, K. J., Marxistisch-Leninistische Staatstheorie und Verwaltungsgerichtsbarkeit, Die Verwaltung 1985, 437 (438 f.). 14 Zur noch verbleibenden rechtspraktischen Bedeutung des Art. 15 GG vgl. Depenheuer, O., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 14 Rn. 7 ff.
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A. Der Förderstaat und die Wirtschaftskrise
neoliberale Marktwirtschaft nicht zu funktionieren, ohne alles jedenfalls, was an „Marktpolizey“ auch nur erinnern konnte? Genügte nicht zu einer liberalen Marktordnung ein Wettbewerbsrecht, welches seit dem Ende der fünfziger Jahre Märkte vor privater Marktmacht wirksam schützte, in privatrechtlich-ökonomischer Flexibilität? Wurde es nicht überwölbt und immer noch effizienter in einem Wettbewerbsrecht der europäischen Gemeinschaften, welche in diesen selben Jahrzehnten durchbrachen in Erweiterung und Intensivierung? Der deutsche Staat jedenfalls verteilte, im Zuge der Wiedervereinigung15, zwar zunächst großzügig Finanzgeschenke, in allerallgemeinster Form. Für die Unternehmen vor Ort rief er aber vor allem europäisches und internationales Kapital zu Hilfe, stärkte damit die internationale Globalisierung, die so eben in dieser Zeit voll sich entfaltete. Zwar mochte die Wette auf den internationalen Finanzliberalismus statt auf einen nationalen Förder-Liberalismus nur unvollkommen aufgehen, mochte einem deutschen, allzu allgemein-großzügigen Förderstaat im Osten damit erst recht neue Kritik erwachsen – ein Globalisierungsdenken, das eben auch ins interne deutsche Recht in seiner Dimension durchschlug, wirkte aber geradezu wie ein europarechtliches Alibi: die Märkte würden es schon richten – immer größer, daher immer besser. Die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs16 transportierte förderungsfeindlichen Liberalismus, Marktüberzeugungen ins interne Wirtschaftsrecht. Entscheidend war dabei, mehr als einzelne gerichtliche Erkenntnisse, die große Zukunftsvision, ja bereits eine erkennbare Fern-Kulisse eines erweiterten europäischen Groß-Marktes, in welchem alle interne Marktordnung sich in externen Marktimpuls auflösen würde. So schienen die Ängste vor den Rechten eines „geschlossenen Handelsstaates“ sich endgültig aufzulösen, die Wirtschaft einer staatlichen Marktordnung nicht zu bedürfen. Damit wurde weicheren, flexibleren Formen einer Marktordnung17 grundsätzlich der Boden entzogen, aber auch all jenen Staatsveranstaltungen, welche über Förderung wirken wollten. Sie sahen sich grundsätzlich in Notzeiten zurückgedrängt, auf Katastrophenfälle beschränkt, auf immer seltenere Konstellationen „nicht funktionierender Märkte“, an welche ein neoliberaler Optimismus letztlich nicht wirklich glauben konnte. Zwar wurde dies so allgemein nicht definiert oder gar dogmatisiert; doch aus eben dieser Entwicklung kommt die Überzeugung, dass 15 s. dazu etwa Schneider, D. DB 1991, 1081; Schütterle, P. EuZW 1991, 662; SchulzeAlthoff, K., LKV 1991, 226; Merz, F., in: FS f. Helmrich, 1994, 355; Uerpmann, R., DÖV 1998, 226. 16 Wie sie vor allem in den Versuchen der Beschränkung des Beihilfenrechts (Art. 87 ff. EG) zum Ausdruck kommt, vgl. dazu neuerdings Bauer, St., Die mitgliedschaftliche Finanzierung von Aufgaben der Daseinsvorsorge und das Beihilfeverbot des EG-Vertrages, 2008; Lübbig, Th./ Martin Ehlers, A., Beihilfenrecht der EU, 2009, insb. S. 57 ff.; Rodi, M., Die Subventionsrechtsordnung, 2000, S. 141 ff., 175 ff. 17 Für das Gemeinschaftsrecht s. etwa zu Energie- und Landwirtschaft Classen, C. D., in: Oppermann, Th. / Classen, C. D. / Nettesheim, M., Europarecht, 4. A. 2009, S. 434 bzw. 446; Herdegen, M., Europarecht, 4. A. 2009, §§ 14 ff.; Hobe, St., Europarecht, 4. A. 2009, §§ 24 ff.; Biber / Epiney, A. / Haag, M., Die Europäische Union, 8. A. 2009, §§ 23 ff.; Streinz, R., Europarecht, 8. A. 2008, Rn. 1064 ff., 1110 ff.
II. Die Schwächen der Kritik am Neoliberalismus
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nur mehr ein Minimum von Marktordnung wie Marktförderung Not tue, dass es diese Not ohne sie nur selten, kaum werde geben können und dass damit der Staat „ausgedient habe“ der Wirtschaft gegenüber, im wahren Sinne des Wortes, letztlich auch im Sinne dessen, was ihn bisher als Förderstaat mehr gerade noch gehalten als wirklich legitimiert hatte. Und in dieser geistigen Krise des Förderstaates kamen Finanzkrisen herauf, brach eine Wirtschaftkrise herein.
II. Die Schwächen politisch-staatsrechtlicher Kritik am Neoliberalismus 1. Sozialdemokratismus und Konservativismus a) Ein grundsätzlicher, wenn nicht ideologischer Widerstand in der Erkenntnis der Notwendigkeit staatlicher Marktbeeinflussung, hätte eigentlich von sozialdemokratischen politischen Kräften18 erwartet werden sollen in diesen letzten Jahrzehnten. Sie standen doch traditionell zumindest gegen die Übersteigerungen einer Marktfreiheit, hatten sich zu Zeiten als überzeugende „Links-Liberale“ auszuweisen vermocht, in der erfolgreichen sozial-liberalen Koalition. Doch diese Kraft schwächte sich in der Zeit des Aufstiegs des Neoliberalismus entscheidend ab, erst recht im Niedergang, in der vermeintlichen vollständigen Niederlage der überzeugend-roten Bruderideologie, des Kommunismus. Wie sollte eine Sozialdemokratie hier der Marktstärke, bis hin zu einer Globalisierung, Paroli bieten können, in der der Liberalismus die größte werbende Kraft im Sozialismus aufgenommen hatte, in seinem Anspruch „Unternehmer aller Länder, vereinigt euch!“? Doch sozialistische Kritikschwäche gegenüber liberalen Ausuferungen hatte noch andere und vor allem auch intern-deutsche politisch-rechtliche Gründe: Sozialistische Politik hat einer in Ordnungsökonomie immer weiter ausgebauten Marktwirtschaft nichts Vergleichbar-Grundsätzliches entgegenzusetzen. Gewiss kann diese politisch nicht tragen, wo „nicht-funktionierende Märkte“ festzustellen sind. Doch darin werden nur Einzelfälle einem Grundsatzdenken in Markwirtschaft gegenübergestellt, sie sind stets beweispflichtig und nur zu oft unglaubwürdig, schon weil sich die wirtschaftliche Lage auf ihnen ständig verschiebt19 : Lokale Mietsituationen wechseln laufend vom Angebots- zum Nachfragemarkt, nicht anders präsentieren sich die immer stärker spezialisierten sektoralen Arbeitsmärkte. Großflächige ökonomische 18
Zur geschichtlichen Entwicklung der Sozialdemokratie ab 1949 vgl. Meyer, Thomas, Die Transformation der Sozialdemokratie: eine Partei auf dem Weg ins 21. Jahrhundert, 1998; Dowe, D. (Hg.), Die deutsche Sozialdemokratie nach 1945, 2004. 19 Es sei denn, es gelinge die Durchsetzung genereller Aussagen wie etwa der der „strukturellen Unterlegenheit der Arbeitnehmer“ (so BVerfGE 51, 53 (55 f.); 77, 288 (329 ff.); 85, 226 (233), insb. auch noch 94, 268 (283)) oder wenigstens des Dogmas von einer „Ausgleichspflicht des Gesetzgebers“ wie im Mietrecht (vgl. Nachw. bei Depenheuer, O., in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 14, 5. A. 2005, Rn. 371 ff.).
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A. Der Förderstaat und die Wirtschaftskrise
Grundsatzurteile, wie sie aber die Politik braucht, vor Wahlen zumal, lassen sich hier kaum begründen. Sozialstaatlichkeit mag ein politisch wirksames Wort sein – doch als Begriff lässt es sich von nahezu allen politischen Richtungen besetzen. Mehr gelingt hier auch bestem sozialistischem Willen nicht als Korrekturen der Marktwirtschaft, nur zu oft Marginalien. Eine Systematik der Sozialstaatlichkeit ist bis heute weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung des Verfassungsrechts gelungen20. Eine größere, weiter ausgreifende Ordnungslehre, wie sie immerhin die Marktökonomie zu bieten vermag, wird hier noch auf längere Zeit nicht zu erreichen sein. Das „Soziale“ als Staatsgrundlinie entfaltet aber seine Kraft nur dort, wo es nicht in situatives Floaten gedrängt wird – eben dies jedoch gelingt einer Marktwirtschaft immer häufiger. Floatendes lässt sich eben, schon begrifflich, nicht entscheidend zurückdrängen. Schwächerenschutz21 schließlich, die punktuell überzeugende Reaktion auf ein enger-sektorales Marktversagen, erscheint immer häufiger nur als ein Gegenmittel wider pathologische, „nicht normale“ Wirtschaftszustände; die Marktwirtschaft setzt dem dann meist überzeugend die Kraft der politischen Normalität entgegen, der sich aus dieser ganz natürlich entfaltenden Kraft des Rechts und seiner Normen. Und dass Schwächere auf Dauer ein Gemeinwesen beherrschen – das hat kein Sozialismus erreichen können, der größte ist eben darin, in der ideologisch-generalisierten Verbannung seiner wirtschaftlichen Oberschichten, gescheitert. Die Schwäche des Sozialismus gegen die Marktwirtschaft erwächst aber, noch weit tiefer, aus seiner grundsätzlichen Kritikunfähigkeit gegenüber dieser eben im Prinzipiellen überzeugenden Ordnungslehre: Im Sozialdemokratismus hat von jeher die Kraft einer Staatsideologie gefehlt, von der des marxistischen Kommunismus hat er sich eben22, nach den einen rechtzeitig, nach den anderen doch allzu früh – getrennt. Grundsätzlich den „Eingriffsstaat“ gegen Freiheit zu setzen, das erweist sich als zu schwach in einer Demokratie, die zwar von den Mehrheiten der Schwachen regiert wird, aber von solchen, die stärker werden wollen und, vor allem, sich gegen alle strenge Stärke wendet, alle Gewalt, – damit letztlich doch gegen jeden Eingriff. „Mit Eingriff gegen Freiheit – zur Freiheit“ – das überzeugt schon deshalb nicht, gegen den grundsätzlichen menschlichen Gewinntrieb der Märkte, weil in solchem 20 Größere Systematisierungen sind in der Dogmatik der Sozialstaatlichkeit bisher nicht festzustellen, vgl. Leisner, W. G., Existenzsicherung im Öffentlichen Recht, 2007, S. 150 ff. m. Nachw. zu neueren Versuchen. 21 „Schwächerenschutz“ wird immer mehr zu einer Art von „ungeschriebenem Staatsprinzip“ – in der Demokratie übrigens eine historische Selbstverständlichkeit –, ohne dass es aber gelänge, dies dogmatisch zu strukturieren; vgl. dazu Leisner, W., Demokratie 1998, insb. S. 212 f (Gleichheit), 284 f (Schwächerenschutz durch die Judikative). 22 Sozialdemokratische Parteiprogramme waren ja traditionell Wirtschaftsprogramme, vgl. für die Weimarer Zeit Nobel, A., Sozialdemokratie, Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, 5. Auflage 1931; Bracher, K. D., Sozialdemokratie I. in: Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, 6. Auflage 1962.
II. Die Schwächen der Kritik am Neoliberalismus
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„Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!“ ein tiefer letzter Widerspruch liegt: Der große, der menschlich sympathische, der moralisch überzeugende Sozialismus ist ja eben angetreten als eine Ideologie der Freiheit; und nun soll es diese selbe Bewegung unternehmen, gegen einen anderen, wirtschaftlich und damit heute menschlich noch weit mehr überzeugenden Ausdruck dieser selben Freiheit anzutreten – gegen den freien Markt? Die historische Wende des Godesberger Programms war politisch erfolgreich, weil sie im Grunde nicht nur sozial war, sondern freiheitlich-sozialistisch. Diese freiheitliche Größe aber kann und darf Sozialdemokratismus nicht in der kleinen Münze der Marktkorrekturen verkaufen wollen. Grundsätzlich, aber eben auch tatsächlich, bleibt ihm nichts anderes als der Rückgriff auf die große Gleichheit mit ihren mächtig-dynamischen historischen Dimensionen. Doch dieser Begriff müsste dann so weit gefasst werden, dass er von der Gleichheit vor dem Gesetz über die Chancengleichheit23 bis zur materiellen Gleichheit, zu einer wahren Gleichmachungs-Gleichheit alles erfasst und trägt. In einem „jedem das Gleiche“ droht dies aber nicht nur, wie so oft, in Utopie zu enden, sondern eben bereits in einer völligen Negation aller Märkte, damit aber eben auch in einer solchen der sozialen Marktwirtschaft, in welcher der Dritte, der Königsweg, doch hatte gefunden werden sollen. Ein derartig radikaler Egalitarismus lässt sich denn auch in der Gesetzesanwendung nicht durchhalten; hier flieht die praktische Politik in ihre Realität, in welcher das tatsächlich-Verschiedene nur zu oft den Ton angibt, seine Markttische aufstellt, um an ihnen Ungleiches zu verkaufen. Die staatsrechtliche Flucht aus der Gleichheit in das „wesentlich von Natur Ungleiche“ stärkt Gleichheit nicht, verschleift sie vielmehr bis ins Ungriffige. Aus all diesen Gründen konnte also der Aufbau einer kritischen sozialen Alternative zur Marktwirtschaft nicht gelingen. b) Doch auch konservatives Denken hatte und hat noch immer24 der neoliberalen Staatsgrundsätzlichkeit der Märkte wenig entgegenzusetzen. Traditionalistisches Eintreten für einen „Starken Staat“, welcher seine notwendigen Aufgaben wirksam erfüllt – das mag wirksame Marktordnung erzwingen; grundsätzlich läuft es aber an den Märkten vorbei, wenn es sie nicht in Protektionismus abschließt. Doch dazu ist heute deutsches Machtdenken nicht mehr politisch in der Lage, weder international noch aus einem nationalen Selbstverständnis heraus. Zwar mag sich ein solcher Ordnungs-Staat auf ein grundsätzlich marktexternes Beamtentum stützen, welches institutionell hoheitlich gedacht ist und in Hoheitsgewalt handelt. Die Frage wird sich dann stellen, ob solche Beamte aus ihrer Rechtsstaatlichkeit heraus überhaupt „wirtschaftlich denken können“ (Koettgen)25. Doch in der Wirklichkeit sind die Züge der 23 Zur Chancengleichheit, jenem „Übergangsbegriff“ innerhalb der Gleichheitsstufen, s. Leisner, W., Chancengleichheit als Form der Nivellierung, in FS f. Klecatsky, 1980, S. 535 ff. 24 Vgl. zum „Konservativen Denken“ im gegenwärtigen Staatsrecht Depenheuer, O., in: HbGr I, 2004, § 11 S. 441 ff. 25 Der „wirtschaftlich denkende Beamte“ war stets ein Problem für die Dogmatik des Beamtenrechts, schon wegen der primär recht(sstaat)lichen Ausbildung der öffentlichen Bediensteten. Die Bedeutung der Ausbildung betont das BVerfG in ständiger Rechtsprechung, vgl. etwa E 7, 155, 162 f; 11, 203 (207 f), vgl. auch E 44, 249 (265) u. öfters. Vgl. auch F. I. 4. f).
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A. Der Förderstaat und die Wirtschaftskrise
Bürokratiekritik längst abgefahren, uneinholbar. Ein demokratischer Beamtenstaat findet nicht den notwendigen großen Konsens, nicht weil er hierarchisch aufgebaut wäre, sondern weil er als „verkrustet“ erschiene in diesem seinem gesetzlich-normativen Beharrungsvermögen, in einer Welt der floatenden Märkte. Der Bürger lebt nicht aus einer Grundhaltung der Achtung vor Hoheit und Polizei heraus, sondern aus der Freude, bis hin zur Gier, des Verdienens. Konservatives Denken ist gegründet auf Werteordnungen26. In antik-humanistischer Tradition, in christlicher Nächstenliebe richtet sich der Blick dann jedoch nicht auf wirtschaftliches Verhalten, welches auf die Sekundärebene von Mitteln zur Wertverwirklichung herabsinkt. Das wertgeprägte Naturrecht wird zurückgedrängt von einem Positivismus, dessen Rechtstechnik seit römischen Zeiten sich auf Märkten entfaltet hat; und auch dies ist ein großes deutsches Erbe, diesmal aber ein wirtschaftlicher Kontrapunkt zu platonischer Idealität und in römisch-zivilrechtlicher Rechtstechnik ein wesentliches Instrument, eine geradezu geistige Stütze der Marktwirtschaft. Diese begegnet ihrem menschlichen Ideal auf dem Forum, nicht im Samariter der Bibel27; ist diese Wohltätigkeit noch mehr als Duldung eines schlechten marktwirtschaftlichen Gewissens, überdies mit den so erfreulichen und werblich wirksamen Folgen der steuerlichen Abzugsfähigkeit? Eigentum ist gewiss konservativem Denken heilig; doch aus ihm lässt sich keine Kritik des Liberalismus aufbauen, auch nicht von dessen radikalen Formen. Gewiss wäre das traditionell-konservative Ideal hier ein dauernd sichernder Besitz, eine historische Mauer gegen Neureichtum und das Lotteriespiel der Märkte mit seinen ständigen, geradezu wesentlichen Eigentumsentwertungen, seinem grundsätzlich entwertenden Denken überhaupt. Ein solches Eigentum ist jedoch im Grunde statisch-agrarisch gedacht28, es soll bleiben, nicht kommen und gehen auf Märkten, deren Wirkungen kurzfristig bilanziert werden müssen. Wenn es etwas wie eine Eigentumsideologie gegeben hat oder gar noch gibt – sie kann den Märkten weder Grund legen noch ihnen Grenzen setzen, denn ihr Eigentum ist nicht der vorübergehende Besitz der Händler, es baut nicht auf „des Meeres und der (Nächsten-)Liebe Wellen“, sondern auf dem Ackergrund der harten Arbeit.
26 Zu den „Wertegrundlagen“ und Diskussionen im neueren Staatsrecht vgl. den Überblick bei Wernsmann, Th., Wert, Ordnung und Verfassung, 2007; Leisner, W., Vertragsstaatlichkeit. Die Vereinbarung; eine Grundform des Öffentlichen Rechts, 2009, S. 51 ff; ders. JZ 2001, 313 m. Nachw.; ders. Gott und Volk. Religion und Kirche in der Demokratie, Vox Populi Vox Dei – 2008, S. 93 ff. 27 Hier liegt die Problematik eines „gütigen Staates“, der gerade dies übernehmen, darin seine Grundlegung finden könnte, Leisner, W., Der gütige Staat. Die Macht der Geschenke, 2000, S. 88 ff, S. 205 ff und öfters. 28 Dieses frühere Eigentum war noch nicht „marktwirtschaftlich gedacht“, in „floatenden Werten“; vgl. demgegenüber zu seiner Bedeutung in einer marktwirtschaftlich ausgerichteten Förderstaatlichkeit C. II. 4. b); hier zeigt sich marktwirtschaftliches Denken schon in der Bedeutung des Marktwertes bei der Enteignungsentschädigung, vgl. dazu neuerdings Schnöckel, St., Die gerechte Entschädigung für Enteignungen, DÖV 2009, 703.
II. Die Schwächen der Kritik am Neoliberalismus
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Nicht dass alles Konservative überholt wäre – überholt wird es gerade, wenn es kritische Frontstellungen gegen die Marktwirtschaft aufbauen will. Deren größte geistige Kraft liegt vielleicht darin, dass ihr nirgends etwas entgegensteht, was Grundsatzkritik heißen dürfte.
2. „Freiheit“ und „Markt“: Dynamische Staatsgrundsätzlichkeit der Demokratie Demokratie ist die dynamisch-floatende Staatsform; das haben sogar Verfassungsrichter ähnlich formuliert29. Politiktheorie auf dieser Grundlage kann es nur bestätigen. Daher liegt nun nicht mehr Deutschlands, wohl aber der deutschen Demokratie Zukunft insoweit auf dem Wasser. Und auf solcher eigentümlich floatender Konsensgrundlage30 bestätigt politische Theorie die Marktwirtschaft bis in die Grundlagen des Staatsrechts hinein: a) Von Eigentum und Besitz führt der Weg zum Verdienen – Tauschen, noch mehr Verdienen, oder vom Verdienen zum Konsumieren, in einem dauernden Wiederholen dieses kürzeren Kreislaufs. So lässt sich der American Dream verwirklichen, nicht im geduldeten Eigentum oder in unvordenklich kontinuierlichen agrarisch-feudalen Besitzverhältnissen. Die dynamische Freiheit schreitet fort31 vom staatlichen Eigentum Privater zur Berufsfreiheit, wenn nicht gar zu einer verallgemeinerten Entfaltungsfreiheit der Persönlichkeit, welche alle Einzelgrundrechte überhöht und überholt. Dank dieser Dynamik partizipiert die Steuergewalt des Staates leichter im Zugriff auf zufließendes Vermögen als im Zugriff auf den konsolidierten Besitz, wo das Verbot der Substanzbesteuerung Schranken zieht32. b) In der Marktwirtschaft dynamisiert sich die Freiheit als liberale Staatsgrundsätzlichkeit immer noch weiter, auch innerhalb der von einzelnen Grundrechten geschützten Räume. So wächst vor allem die Statusfreiheit der Intimsphäre33, mit ihren Computer-Sicherungen, hinauf in die aktive Handlungsfreiheit der Schaffung neuer
29 Wenn das BVerfG etwa schon früh (E, 1, 16) und immer wieder ein unabhängig-neutrales Beamtentum als Gegengewicht zur Dogmatik der Volkssouveränität fordert. 30 „Konsens“ wird immerhin neuerdings als Verfassungsbegriff deutlich im Zusammenhang mit den Wertvorstellungen (vgl. FN 26). Früher s. Jakobs, G. (Hrsg.), Rechtsgeltung und Konsens, 1976, dort u. a. Scheuner, U., Konsens und Pluralismus als verfassungsrechtliches Problem, S. 33; Randelzhofer, A., (Hrsg.), Konsens und Konflikt, 35 Jahre GG, 1986. 31 Zu dieser Erweiterungs- und Klimaxvorstellung s. bereits Leisner, W., FN 26, S. 150 ff, sowie nun im folgenden E III, 5. 32 Grdl. dazu BVerfGE 93, 121, 165 (VermSt. u. ErbSt). 33 Das BVerfGE hat gerade hier neuerdings diese Freiheit der „engeren persönlichen Lebenssphäre“ (vgl. Murswiek, D., in: Sachs, M., GG 2007, Art. 2 Rn. 69 ff.) – im Grunde zugleich eine „Freiheit zum Markt(-Kontakt)“ – immer wieder und wirksamer zu schützen versucht, vgl. Leisner, W., Das neue Kommunikationsgrundrecht, NJW 2008, 2902.
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A. Der Förderstaat und die Wirtschaftskrise
Berufsbilder34 und, insbesondere, in der mächtigen Dynamisierung ökonomischen Handelns bereits im Vorfeld der vorbereitenden Werbung35. Hier werden Märkte geschaffen, Handlungsformen angekündigt, Erfolge versprochen, die Gewerbetreibenden werden gestärkt in ihrer Freiheit durch solche Autosuggestion Kundenwilliger, in der Hoffnung auf günstigen Einkauf. Das alte Gewerberecht, einst radiziert im Normalfall des stehenden Gewerbes, transzendiert die frühere Statik, indem es hinausund hinüberwächst in weltweite Kommunikation; das Marktschreiertum der Märkte wandelt sich in diesen Formen einer allerdings nicht immer zurückhaltenden Reklame. In all dem zeigt sich nicht nur neue, dynamische Ökonomie, sondern zugleich eine große Dynamisierung des Wirtschaftsrechts, seiner Formen, mit ihnen der verfassungsgeschützten Markt-Freiheit. c) Darin wirkt überdies, übergreifend und alles durchdringend, der große Historismus der demokratischen Staatsform. Ist sie nicht fortgeschritten in ihrer Historie von Sieg zu Sieg, in ständiger Erweiterung ihres Freiheitsbegriffs und der diesen wechselnden und verwirklichenden Strukturen? Diese Fortschrittsideologie, die sich einst mit den französischen Revolutionären36 sogar verstehen konnte als ein gleichzeitiger Retour la Nature37 des glücklichen Urzustandes der Menschheit, trägt nur widerwillig den Zügel der hoheitlichen Einzelfall-Gewalt, und auch nur den von „weichen Normen“, „offenen Verfassungen“, die sich in ihrer Zukunft immer noch weiterer Freiheit öffnen werden. In zahllosen Formen drängt Emanzipationsdenken ins Recht, im Namen der unvorhersehbaren Zukunft gewiss, vor allem aber in dem einer immer bindungsfreieren Libertät. In diesem Machtabbau in Freiheit erreicht solche neoliberale Ideologie, die sich hinter erfolgreicher ökonomischer Praxis verbergen darf, damit dem Odium des Ideologischen entgeht, sogar ihre alte Gegen-Ideologie: den Marxismus. Beide geistigen Richtungen marschieren, wenn auch auf verschiedenen Straßen, zu einem Endziel: dem Endsieg über den Hoheitsstaat. Er wird absterben nach den einen, nach den anderen eben doch nur als Nachtwächter Märkte bewachen und wahren, während sich Händler und Käufer vergnügen.38 34 Zu neuen Entwicklungen in der Berufsbildlehre vgl. Manssen, G. in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG 5. A. 2005 Art. 12 Rn. 44 m. Nachw. 35 Werbung zeigt gerade als Ausdruck der Berufsfreiheit (dazu BVerfGE st. Rspr., vgl. etwa E 40, 371 (382 f.); 85, 248 (256)) eine deutliche „Wendung zu den Märkten“, die auch ihre Beschränkungen legitimiert; solche ergeben sich nicht nur aus beruflichem Standesrecht, (Nachw. b. Manssen, (FN 34) Rn. 161), welches übrigens hier ebenfalls, und immer stärker, marktorientiert ist. Dies alles spricht mehr für eine Zuordnung zu Art. 12 GG als etwa für eine Grundlegung des Schutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG oder Art. 5 Abs. 1 GG. 36 Dass die Volksherrschaft getragen ist von einem Fortschrittsglauben zu einer – allerdings teilweise auch kollektiv verstandenen – Freiheit, zeigt sich deutlich bereits in der französischen „Tradition rpublicaine et rvolutionnaire“, dazu grdl. Carr de Malberg, R., Contribution la Thorie gnrale de lEtat, 1920, Bd. II, S. 167 ff. 37 Dies entspricht auch bereits dem Denken Rousseaus im Contrat social, Livre I, Chap. I, V, 1. A. Amsterdam 1962, S. 2, 14. 38 In der berühmtesten Nachtwächter-Darstellung – aus hochliberaler Zeit – in Richard Wagners Meistersingern (Ges. Schriften und Dichtungen, 1. A. Bd. 7 1873, S. 307 f.) mahnt denn auch der Ordnungshüter nur, er befiehlt nicht.
III. Wirtschaftskrise und ideologisierte Freiheitsstaatlichkeit
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d) Nichts scheint sich diesem allseitig positiven Denken entgegenstellen zu können. Die negative Freiheit, zur positiven Freiheitsdynamik gewandelt, wirkt allenthalben stärker als staatliche Bindungen und Verbote, die sich nur bündeln zu jenem „Nicht-Sein“, welches schon nach alter thomistischer Überzeugung39 schwächer ist als das positive Sein, wie es Märkte verkünden – und schaffen. In dieser dynamischen Freiheitsideologie ist gewiss etwas unablässig Getriebenes, nur zu oft in unsichere Richtungen. Doch da ist stets eben dieser menschliche Trieb, der einer jagenden Nahrungs- und Gewinnsuche, welcher ja auch den Fortpflanzungstrieb in sich trägt. Welcher entwickelte Staat wollte noch diesem in ihn zurückgekehrten Urtrieb den Widerstand seiner Hoheitsgewalt entgegensetzen, nachdem er nun antritt mit der großen ökonomischen Schubkraft eines echten Drive?
III. Einbruch der Wirtschaftskrise in die „ideologisierte“ Freiheitsstaatlichkeit 1. Realität: Stärker als Ideologie Die neoliberale Ideologisierung der Freiheit mochte, vor allem in den letzten Jahrzehnten des Jahrtausends, zahllose, mehr oder minder bedeutsame rechtliche Veränderungen hervorgebracht haben, gesetzgebungspolitische Grundtendenzen geradezu, im Sinne einer Zurückdrängung eingreifender, ja sogar kontrollierender Staatlichkeit. Etwas wie eine schleichende Systematisierung hatte in diesem Sinne das Staatsrecht erfasst und induktiv, wenn nicht gar prinzipiell umgeprägt. Doch nun setzte mit der Wirtschaftskrise eine ebenso mächtige, weil gewissermaßen kompakt-konzentrierte Gegenbewegung ein: Sie kam nicht aus ökonomischen Lehren, wurde aber verifiziert durch praktische Erfolge, sie erwuchs aus einem großen Realitäts-Schlag. Welche Folgen immer sich aus diesem ergeben mochten: als solcher war er ein reaktiver Schlag der Wirklichkeit gegen neoliberale Teleologie und ein ihr seit langem folgendes Recht: In großem Stile spielte sich eine Wirklichkeits-Reaktion gegen politischrechtliches Ordnungsdenken ab, in manchem nicht unähnlich dem, was beim Zusammenbruch der kommunistischen Staatlichkeit in den Monaten vor der Wiedervereinigung erlebt worden war. Rechtsgrundsätzlich kann dies nur eingeordnet werden als ein großes Phänomen des ex facto oritur ius. So wenig in jenen dramatischen Augenblicken die rechtlichen Folgerungen voll absehbar sein mochten, es noch heute sein mögen – sicher ist, dass zugleich auch ein politisch-rechtlicher Systemeinbruch stattgefunden hat, dass die Wirklichkeit eine neoliberale Rechts-Ideologie zu falsifizieren schien, eine objektiv überprüfbare Entwicklung, die sich auch aus späterer 39 Die Vorrangigkeit des Esse vor dem Non Esse ist bereits für scholastisches Denken selbstverständlich (vgl. Thomas v. Aquin, Summa Theologica, I., 8, 1; 6, S. 3) daraus, dass Esse est proprius effectus Dei. Das Sein der Bürger-Freiheit ist eben nicht nur grundsätzlich stärker, es ist auch besser als das Nicht-Sein der staatlichen Eingriffs-Freiheit im grundrechtlich vorrangigen Status negativus.
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A. Der Förderstaat und die Wirtschaftskrise
Sicht kaum bestreiten lassen wird. Der Einbruch war so tief, dass er sich mit Missbräuchen kaum erklären, mit Korrekturnotwendigkeiten kaum wird geistig bewältigen lassen. Zurückgekehrt ist, so scheint es fast, das Gespenst des drohenden Staats-Konkurses40, in Form einer Insolvenz wirtschaftsgestützter Staatlichkeit – die Apokalypse von 1945 in den Formen von 1929.
2. Und nun: „Ideologischer Systemwandel“? Den objektiven Wirtschaftsdaten überlagerte sich nun verstärkend die subjektivpolitische Reaktion. Die von privatisierendem Neoliberalismus geschwächten Kräfte gewannen den Konsens all derer, welche stets und noch immer „an den Staat gedacht haben“, „links“ und „rechts“, an seine Kontrollaufgabe – an seine Mächtigkeit überhaupt. Zunächst kam es bei diesem Einbruch, auch unter scheinbarer Ruhe, zu Reaktionen, welche rechtspsychologisch als eine Hysterie von Cassandra-Rufen erscheinen mochten. Politisch und auch rechtlich waren diese aber nichts anderes als Erscheinungen einer erschütterten Ideologie, welche sich nun in gleicher flächendeckender Systematik gegen ihre marktwirtschaftliche Ordnung richteten, wie sie diese vorher aufgebaut hatte: Es kam zu zahllosen Reaktionen, die aber insgesamt den bekannten Entwicklungslinien folgten, welche politologische Analysen in solchen Fällen eines versuchten größeren Ordnungswechsels stets herausstellen konnten: Hinterfragte Prinzipien – ratloses Abwarten – Schuldigensuche41 – übermutige Experimente. Zu allererst verschoben sich alle diese Reaktionen in den ökonomischen Bereich, von welchem die Krise ausgegangen war. Die rechtlichen, ja die Verfassungsfragen traten in den Hintergrund; ohne Geld hatte der Kaiser/der Staat wahrlich sein Recht verloren, über Realitäten hinwegzugehen. Es kehrte zwar zurück, mehr als Hoffnung denn als Ordnungsinstrument: Feuerwehren löschen, wo es brennt… Nun also, so schien es doch, musste allenthalben das Recht der Wirtschaft und ihrer Not folgen, wie es neoliberal geschehen war, und dies selbst über Verfassungsgrundsätze und -artikel hinweg, wo die Not es befahl. Einzelschritte wurden gewagt in Projekten und Programmen, in rechtlichen Formen, welche keine Reformpolitik kurz vorher auch nur in den Blick genommen hätte42. Für manche mochte sich dies darstellen wie „die Krise als Befreiungsschlag“ gegen ver-
40 Zu diesem Staats-Konkurs vgl. Leisner, A., Die Leistungsfähigkeit des Staates, verfassungsrechtliche Grenzen der Staatsleistung, 1998, S. 47 ff. 41 Wobei sich nun eben die Verantwortungsfrage stellt, bis hin zu zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen, siehe dazu zusammenfassend Stein, K., Die Verantwortlichkeit politischer Akteure, 2009. 42 Erinnert sei nur an eine „Bankenverstaatlichung“, die jedenfalls von der h. L. zu Art. 15 GG bislang abgelehnt worden war, vgl. Depenheuer, O., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 14 Rn. 33 m. Nachw.
IV. Ruf nach dem Staat
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fassungsrechtlich-rechtsstaatliche, gegen finanzrechtliche Verkrustungen43. Damit entstand eine neue rechtliche Grundstimmung, und sie wird auch das deutsche wie das europäische, ja das internationale Öffentliche Recht wohl noch lange wenn nicht prägen, so doch begleiten. In dieser Grundstimmung und aus ihr heraus mögen auch manche der folgenden rechtlichen Bemühungen gesehen und vielleicht verstanden werden – um eine Entfaltung, vielleicht auch nur eine Neuentdeckung dessen, was hier Förderstaat genannt werden soll.
IV. Ruf nach dem Staat: nicht Eingriffsstaat – staatliche Förderung 1. Der Ruf nach der Staatskontrolle Der Ruf nach der Staatskontrolle, nach weit mehr Kontrollstaatlichkeit, ist ebenso politisch selbstverständlich wie rechtlich legitim. In Jahrzehnten nur zu oft gedankenloser neoliberaler Markteuphorie war es weithin zum Versagen unabdingbarer Marktkontrollen gekommen, längst nicht nur im Bereich der Kreditaufsicht44. Fehlentwicklungen beim Verbraucherschutz45 und bei der Datensicherung46 hätten schon weit früher die Aufmerksamkeit darauf lenken müssen, dass hier ein übergreifendes Phänomen drohte: Entfesselung der Märkte, bis hinein in Werbungslügen und Konditionenbetrug. Nur weil dies allenthalben geschah, in unübersehbaren Einzelformen, in proteushafter Vielgestaltung unendlich fantasievoller zivilrechtlicher Gestaltung, hat das Öffentliche Recht, mit seinen einheitlich-schwerfälligen Kontrollmechanismen, seinen uniformen rechtsstaatlichen Überwachungen auf breiter Front versagt. Zugleich wurde ihm verbreitete Detailverliebtheit eines Wissenschafts- und Judikaturbetriebs zum Verhängnis, der in postglossatorischer Emsigkeit allenthalben Einzellösungen anbot und in Einzelbedenken sie verwässerte. Die Wirtschaftskrise hat ein großes Defizit des staats- und verwaltungsgrundsätzlichen Denkens im Öffentlichen Recht auf-
43 Und auch in Effizienzen, vgl. die Kritik schon an bisherigen Staatsverschuldungsgrenzen, etwa bei Schemmel, L., Defizitbegrenzung im Bundestaat, 1997, S. 4 ff. 44 Zur Kreditaufsicht vgl. aus letzter Zeit die Überblicke bei Möschel, W., Finanzkrise und Marktwirtschaft, WuW, S. 1283; Faber, H., in: FS für Ekkehart Stein, 2002, 181; Caspari, C. B., Allfinanzaufsicht in Europa, 2003. 45 Zur Kritik an Normierungen des Verbraucherschutzes vgl. Reiter, J. / Geerlings, J., Bankenaufsichtsreform wider den Verbraucherschutz VuR 2202, 234. Zu neueren Entwicklungen: Köhler, H. (Telefonwerbung, Fernabsatzverträge), NJW 2009, 2567; Albers, M. / Ortler, B. (Verbraucherinformation), GewArch 2009, 225; Stillner, W. (Wettbewerbsrecht), VuR 2009, 123. 46 Zur Kritik der Datensicherung im Geschäftsleben vgl. u. a. Iraschko-Luscher, St., Der gläserne Schuldner, DuD 2005, S. 467; Weichert, Th., Datenschutz im Wettbewerbs- und Verbraucherrecht, VuR 2006, 377; Simitis, Sp., Hat der Datenschutz noch eine Zukunft? RDV 2007, 143; Buchner, B., Wissen ist Macht? DuD 2008, 274.
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A. Der Förderstaat und die Wirtschaftskrise
gedeckt47. Allenthalben hat es größere Lücken entstehen lassen in einer kontrollierenden Marktpolizei, ohne welche kein Liberalismus je hat bestehen können. Der Ruf nach mehr Staatskontrolle sollte daher, und gerade deshalb, noch längst nicht gleich sich „verschrillen“ in einem Schrei nach dem Kontrollstaat und in ihn sollten sich nicht Untertöne eines dirigistischen Revanchismus mischen, der nun das Heil sucht in Staatsgewalt, in Hoheitsakten. Dass gerade Demokraten in Gefahrenlagen für ihre Staatsform zu hysterischchaotischen Formen gewaltsamen Ordnens greifen können, aus der Unruhe ihrer Entscheidungsfindungen heraus, das hat die Französische Revolution in ihren fürchterlichen Phasen klassisch und leidvoll zugleich bewiesen. Doch mehr als zwei Jahrhunderte eines – im Grunde doch liberalen – Denkens haben andere geistige Grundlagen gelegt vor allem in Deutschland. So ist diese Versuchung rasch vorübergegangen; sie wird versanden in der üblichen Schuldigensuche. Mit einem Neodirigismus braucht sich das Staatsrecht wohl nicht auseinanderzusetzen, jedenfalls nicht im Grundsätzlichen – dafür sprechen alle Indizien:
2. Weiterwirken der Freiheit in der wirklichen „Sozialen Marktwirtschaft“ Die Reaktionen auf die Krise waren, international wie vor allem auch in Deutschland, vom marktwirtschaftlichen Denken geprägt. Nach der Krise brach nicht auch noch die Staatsgewalt ein in die Märkte. Mancher Unternehmer, vor allem Juristen mögen es bedauert haben, dass demokratische Staatlichkeit nicht den Mut gefunden hat, ein verbreitetes rechtspolitisches Versagen der Kontrolle der Märkte einzugestehen; und nicht schuldlos daran war eine Verfassungsgerichtsbarkeit mit ihrer Vorgabe, der Gesetzgeber habe Finanzwissenschaft und Nationalökonomie zu beachten48. Bereits Napoleon hatte auf St. Helena bittere Worte für jene Ökonomen gefunden, welche auch stärkste Staatsgewalt ruinieren könnten. Viele Ratgeber verstummten in der Krise, doch beamtete Juristen erinnerten sich eines größeren, staatsgrundsätzlichen Wortes: ihrer sozialen Marktwirtschaft und vielleicht sogar der entscheidenden Erkenntnis in diesem Worte, dass „sozial“ hier nicht einfach nur Umverteilung bedeutet, sondern Gemeinschaftsbewusstsein, Gemeinschaftsbindung. Und so hoben sie im Namen dieser wohlverstandenen Sozialen Marktwirtschaft49, das zweite, das große Wort nicht auf: Der Staat griff ein als Schützer, als Wiederhersteller der 47 Mit Defiziten im dogmatischen Denken des Öffentlichen Rechts beschäftigte sich neuerdings die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Die Leistungsfähigkeit der Wissenschaft des Öffentlichen Rechts VVDStRL 67 2009 mit Vorträgen von Hillgruber, Chr., S. 7 ff., Volkmann, U., S. 58 ff. zum Verfassungsrecht, zum Verwaltungsrecht Appel, I., 226 ff., Eifert, M., 286 ff. 48 Vgl. etwa neuerdings das Pendlerurteil des BVerfG, NJW 2009, 48. 49 Zu „Sozialbindung“ als „Gemeinschaftsbindung“ vgl. Leisner, W., Eigentum, HStR 3. A. § 173, Rn. 143 f.
IV. Ruf nach dem Staat
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Marktwirtschaft. Vielleicht ist darin etwas geschehen, das der Germania Restituta des Jahres 1989 durchaus staatsgrundsätzlich ebenbürtig ist.
3. Staatsbonität, nicht Staatseingriff a) Die Reaktion der Staatsgewalten auf die Krise, auf nationaler wie internationaler Ebene, war denn auch insgesamt unerwartet, ja erstaunlich: So sehr sie von dirigistischen Kräften zum Einschreiten gedrängt wurden, in Formen des hoheitlichen Eingriffs, und obwohl sich in diesem Chor deutlich Stimmen vernehmen ließen, welche hier nun die ganz große Chance der Umverteilung sahen, mit der Begründung weltweiter Dysfunktion der wichtigsten Märkte – die staatliche Antwort auf die Krise blieb insgesamt marktgeprägt. Mehr noch: die Staatsgewalt nahm, vor allem in Deutschland, ihre Verantwortung in Formen wahr, welche sie als etwas zeigte, wie den „ganz großen Marktteilnehmer“. Unterstützung der Märkte war das Programm, nicht ihr Ersatz durch hoheitlichen Dirigismus. Sie wurde nicht nur, und im größten Stil, behandelt nach dem rechtstaatlichen Grundprinzip der Erforderlichkeit – soviel Staat wie nötig: „der Staat, welcher nötig war“, erschien überdies noch, und dies sollte entscheidend werden, als ein Akteur auf einer Szene privatrechtlichtraditioneller Märkte: Mit Staatsbürgschaften und Staatskrediten50 griff er nicht ein – er knüpfte die gerissenen Finanzketten neu. Helfen wollte er nur zur Selbsthilfe, anregen, nicht befehlen. Gewahrt wurde das Grundprinzip der nationalökonomischen Ordnungspolitik in großflächigen Staatsangeboten, nicht in ansprüchlichem Nachfragedenken. Die Staatsgewalt stabilisierte die Märkte in Erweiterung, aber nicht in Grenzziehungen; zu ihnen kam es vor allem in Formen genuiner Marktpolizei, letztlich in fortentwickeltem Markt-Strafrecht. Damit wurden nur letzte Ordnungsmittel eingesetzt – was längst hätte geschehen müssen. b) Nach alldem war nicht Staatsgewalt gefragt, nicht sie wurde eingesetzt, sondern Staatsbonität wurde zum Anker der Wirtschaft und der Staatlichkeit selbst. Längst hatte der demokratische Staat die private Wirtschaft51 entdeckt, als eine Macht, auf welcher die seine aufruhte; nun setzte er ihre Kräfte ein, in seiner wirtschaftlichen Stärke. Und, das war nun entscheidend, es geschah dies nicht gleich mit den großen Steuerschlägen der Mittelbeschaffung, welche nur die der Finanzämter hätte sein können. Der Staat agierte nicht fonds perdu mehr, sondern letztlich sans fonds – mit Mitteln, die er sich zu beschaffen mehr erhoffte als wusste, in einem Geschäftsdenken, das Erfolge erwartet von wieder anspringenden Märkten; sie würden unabsehbar Mittel bringen, auf die sich ihr virtueller Kreditnehmer, die Gemeinschaft, unabsehbar verschuldet hatte. 50 51
Dazu näher unten E. II. Dazu näher unten E. II.
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A. Der Förderstaat und die Wirtschaftskrise
Mit dieser Reaktion haben die Staaten allerdings ihr letztes marktwirtschaftliches Mittel ein- und aufs Spiel der Märkte gesetzt: ihre eigene Bonität. Zum Schutz ihrer eigenen Kredite „werfen sie sich auf den internationalen Markt“. Hat dies Erfolg, für die Mitglieder der Euro-Zone vor allem, so haben sie der Marktwirtschaft eine neue legitimierende Dimension eröffnet: Der Staat ist kreditwürdig, er ist in einem neuen Sinne der „gute Staat“, weil die Bürger ihm vertrauen müssen und damit sich selbst. Hier kehrt sich das alte Wort um, nun muss es heißen: Kontrolle wäre gut, Vertrauen ist besser, es kommt vor aller Kontrolle: Vertrauen in Förderung.
V. Förderung der Märkte 1. Förderstaat – der „Dritte Weg“ So ist nun die Zeit gekommen, Wirtschaftsgeschichte hat sie gebracht, in welcher vertiefend nachgedacht werden muss nicht nur über ökonomische Instrumente, sondern vor allem auch über rechtliche Ordnungsformen, welche Staatsbonität stabilisieren, den Bürgern einen Wohlstand schenken, ohne den entwickelte Gemeinschaften im Chaos der Staatsnegation versinken. Der Blick muss sich richten auf rechtliche Erscheinungen, welche bisher ein dogmatisches Schattendasein geführt haben, zwischen der Gewinnfreiheit der Märkte und der sozialen Umverteilung. Vertieft, aufgewertet und systematisiert muss werden der Begriff einer Förderung, einer Hilfe zur Selbsthilfe auf Märkten, nicht in Staatsgeschenk, sondern in Staat-Bürger-Vertrag. Eine Vertrauensdogmatik52 ist gefragt, auf beiden Seiten dieses Verhältnisses in wesentlicher Gleichordnung. Dies allein kann dann den Namen der Sozialen Marktwirtschaft tragen, den eines Dritten Weges, nicht einer ausgefahrenen Doppelspur, in welcher der Gewinn und seine Teilung sich in ständigem Spurwechsel verbinden, was zu dauernden Unfällen führt. Der Begriff der Förderung muss vertieft werden, aufgewertet und systematisiert, in diesen drei Schritten aller öffentlich-rechtlichen Dogmatik. Gefragt sind nicht unklare Zwischenlösungen, nicht eine in Geschenken vorweg genommene demokratische Zukunftshoffnung, sondern eben doch etwas wie eine staatliche Grundkonzeption.
2. Förderstaatlichkeit: ein demokratisches Staatsprogramm Im Begriff einer so verstandenen Förderung finden sich, in integrierter Form, Grundwerte und -ordnungsformen der entwickelten Demokratie: die große Antithese von Freiheit und Gleichheit, in ihrer Synthese der beides integrierenden Ordnung. 52
Eine verfassungsrechtliche „Vertrauensdogmatik“ sollte es nicht nur im einseitigen Vertrauen des Bürgers auf den Staat geben, wie es der bisherigen Lehre entspricht (vgl. Überblick bei Sommermann, K.-P. in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 20, Rn. 292 m. Nachw.), sondern auch als Vertrauen des Staates auf den „Bürger als Partner“.
V. Förderung der Märkte
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Förderung ist rechtlich ein wesentlich zielgerichteter Begriff; hier hat sich die unterscheidend-ordnende Begriffsjurisprudenz auf Ziele gerichtet, sie hat zur Interessenjurisprudenz gefunden53 ; und das große, eine Ziel kann nur das der individuellen Freiheit sein, erweitert in Maßen in Gemeinschaften hinein, welche diese Freiheit bewahren. Förderungsdenken zielt rechtlich auf Befreiung von Schwäche, von möglichst allen Zwängen, auch denen zu harter Marktgesetze. So wie die Märkte, von Renan bis Hayek54 stets verstanden worden sind als Fortsetzung der Demokratie in die Wirtschaft hinein, so muss nun diese politische Demokratie mit ihrem Recht demokratische Befreiung vollenden in Staatsförderung. Es ist ja die Bürgergemeinschaft, die fördert: Macht in ihrer demokratisch organisierten Form.
3. Förderungsgleichheit Doch mit gleichem Gewicht wirkt die staatsrechtliche Gleichheit der Bürger. Alle sind sie gefordert zu ihrem fördernden Beitrag – und alle sind sie zugleich Empfänger dieser Hilfen. Egalität bewährt sich in der virtuellen gleichen Förderungsfähigkeit55, ja -notwendigkeit aller Bürgerbelange; wie die Menschen diese in ihrer demokratischen Freiheit geschaffen haben, so bieten sie sie ihrem Staat als Gegenstände und Ziele seiner Förderung. Demokratische Gemeinschaft verlangt potenziell die Förderung aller. Der Begriff schließt jeden Bürger ein, er gründet sich auf diesem seinem Namen, auf seinem Status. Damit findet er seine Grundlage auch in einer Identität des souveränen Volkes, das nicht fördernd Wohltaten verteilt auf der ganzen Welt, sondern mit ihnen seine Gemeinschaft legitimiert und befestigt. So ist Förderung in ihrer Bürgergleichheit zugleich ein demokratisches Gemeinschaftsprogramm der bürgergetragenen Identität des Volkssouveräns56. Menschen- und Bürgerrechte – diese unzertrennliche Begriffseinheit gewinnt in der Förderung aller gleichen Bürger ihren tieferen Sinn: es wird ihnen geholfen vom Staat in ihrer menschlichen Gleichheit – aber einen Rechtsanspruch haben sie darauf allenfalls in ihrer Stellung als gleiche Bürger dieser Gemeinschaft. Die Förderung aller Menschen, Hilfe für Jedermann ist Utopie. Förderung der Bürger und durch 53
Zum Begriff der Interessenjurisprudenz vgl. Zippelius, R., Rechtsphilosophie, 4. A. 2003, § 38. 54 In der Verbindung des „täglichen Plebizits“ mit der ökonomischen Markttheorie liegt die überzeugende Begründung auch der Sozialen Marktwirtschaft. Zu deren Bedeutung vgl. Rupp, H., Die soziale Marktwirtschaft in der Verfassungsbedeutung, HStR IX, § 203, insb. Rn. 24 m. Nachw. 55 Gleichheit ist mehr als Verfassungsdirektive: Verfassungsgrundlage der Förderung; sie prägt auch die verfassungsrechtliche Förderungsfreiheit des Staates, setzt ihr nicht nur Grenzen, vgl. BVerfGE 17, 210 (216); 93, 319 (350); 110, 274 (293). 56 Förderungsgleichheit aller Bürgerinteressen ist zugleich eine konstituierende Integrationskraft des Volkssouveräns, Die Egalität ist auch hier nicht etwa zu verstehen als ein reiner rechtlicher Rezeptionsbegriff gesellschaftlicher Entwicklungen, so zutr. Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG 5. A. 2005, Art. 3 Rn. 14 f.
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A. Der Förderstaat und die Wirtschaftskrise
sie, in ihrer Gemeinschaft ist dagegen notwendige Staatsrealität. Die Weltgenesung an Demokratie ist rechtliche Ideologie, allenfalls deutsche Nationalromantik; Staatsgenesung in Demokratie, aus ihrer Förderungskraft bleibt eine große humane Vision. Hier gewinnt schließlich die französisch-revolutionäre Trias Libert – Egalit – Fraternit57 in ihrem letzten Wort ihre Vollendung, es erfolgt nicht die Aufhebung der Werte der ersten beiden Begriffe in ihrem unauflöslichen Gegensatz. Brüder fördern sich, sie bleiben frei und gleich. Demokratie kann so vieles sein, allzu vieles vielleicht; eines muss sie stets bleiben: Förderstaat.
4. Förderung: Herausforderung an ein „Recht als Geduld“ Förderung ist in einem ein schwacher, ein geradezu machtarmer Rechtsbegriff: Sie muss „geleitet“ werden, in Kanälen laufen und Rohren, bis sie ihre Ziele erreicht, sich auf sie verteilt; und hier bleibt ihr stets etwas eigen von der vielgescholtenen Gießkanne – wird Förderung nicht immer kleckern, nicht klotzen? Allein schon in ihrem Gleichheitsdruck wirkt dies, die Düsen an den Enden stärken und schwächen ihn zugleich. Demokratische Politik findet hier rasch Grenzen, weil allzu vielen geholfen werden muss, das große demokratische Ziel des Spektakulären wird immer wieder verfehlt werden in einem „Klein-Klein“, wie es die begrenzten Mittel fordern. Effizienzdenken sollte nicht immer, will aber stets „denken“, ist darin schwach, passiv, vor allem, wenn es in Staatlichkeit eingesetzt wird – bleibt hier der Förderung nicht stets etwas Punktuelles wesentlich? b) Noch weit mehr schwächt ein anderer Wesenszug staatlicher Förderung deren Wirksamkeit, in „rechtlich verzögerter Effizienz“: Förderung vollzieht sich fast immer in wesentlicher Um-Leitung, sie erreicht den Adressaten nur zu oft auf langen, wenn nicht gar auf krummen Bahnen. Auf zwei Wegen vor allem vollzieht sich diese abschwächende Retardierung: - „Förderung muss, so scheint es doch, laufen über viele Instanzen, zahlreiche Kanäle, nur zu oft, wenn nicht ihrem Wesen nach in Bürokratie. Über deren Kritik aber ist ökonomisch, politologisch und auch rechtlich alles Wichtige längst gesagt58 – und noch viel mehr. Darin ist Bürokratie für viele geradezu schon zum 57
„Alle Menschen sind nun Brüder“ – das kann – jedenfalls rechtlich, nicht verstanden werden als eine bereits gelungene Weltverbrüderung. Es trägt, hic et nunc, nur so weit, wie die „Bürgerrechte“ reichen, eben aus der Förderungskraft des Staates heraus. So löst sich auch das Dilemma „Asylrecht als Ausprägung der Menschenwürde“ in der zurückhaltenden Rechtsprechung des BVerfGE 94, 49 (103), das eine Abschaffung des Asylrechts trotz Art. 1, 79 Abs. 3 GG für zulässig hält. 58 Zur Bürokratiekritik vgl. aus früherer Zeit Timmermann, M., Effizienz der öffentlichen Verwaltung, VerwArch 68 (1977), 311; Seibel, W., Entbürokratisierung in der Bürokratisie-
V. Förderung der Märkte
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„schlechten“ Wort geworden, zu einem Begriff, der sogar das Recht diskreditieren konnte, in dessen Formen Förderung eben doch notwendig den Bürger erreicht. Wenn es nicht gelingt – und dies mag eine Herausforderung sein für die folgende rechtliche Betrachtung – den Förderungsbegriff grundsätzlich-dogmatisch zu „entbürokratisieren“, zu zeigen, dass er mehr und Anderes zu leisten vermag als ein Versickern in seinen Kanälen, so kann eine Neuorientierung des öffentlichen Rechts in diesem Sinne nie gelingen. Sie muss dann schon scheitern an ihrem Empfängerhorizont: Geholfen werden soll ja gerade Jenen, die zu aktiver Selbsthilfe fähig sind, dafür bereitstehen, und es sind nicht Bettler an Kirchentoren, sondern aktive, geschäftige Marktteilnehmer, mit wenig oder keinem Verständnis für staatliches Ordnen. Entbürokratisierung der Förderung: Der Nachweis, dass sie in unbürokratischen Formen nicht nur erfolgen kann, sondern laufend bereits verwirklicht wird – das ist eine wirkliche Herausforderung an demokratisches Staats- und Verwaltungsrecht. - Auch eine weitere Schwächung in der Zeit, in einer Umleitung, die verzögern muss, lässt sich nicht völlig aufheben: Staatliche Förderung kann nicht perfekt zielgerichtet sein, gerade wo sie es versucht, endet sie in der bereits erwähnten Bürokratie, in ihrem schwer ausweichlichen Perfektionsdenken. Wird aber die Zielrichtung verfehlt, oder verliert sie sich in einer Allgemeinheit, in welcher sie vielleicht gerade dem Geförderten seine Freiheit in besonderem Maße erhalten will, so leitet sie ihre ganzen Mächtigkeiten um in privates Belieben, in Flexibilitäten des Privatrechts, in Umsetzungen auf Märkten, die mit den ihnen eigenen Verzögerungen eben nur zu agieren und reagieren vermögen. Hier liegt die große Gefahr eines Wirksamkeitsverlustes der Förderung in der Zeit59 ; und sie verbindet sich auch noch mit einer gleichartigen Abschwächung in der bereits erwähnten bürokratisierenden Förderungsgewährung. Der Staat ist eben auch, seinem Wesen nach, ein kleiner Markt, er wirkt in sich selbst mit der eigenartigen Marktwirtschaft der Bürokratie; mit ihr tritt er dann ein in die noch weiter abschwächende Langsamkeit der kleinen und großen Märkte, mit ihren kleinen und größeren Entscheidungsfreiheiten, ihren unkalkulierbaren temporibus reflexionis. Der Eingriff wirkt meist sogleich, dann vor allem, wenn er auf Grund einer hoheitlichen Anordnung erfolgt. Auch von ihm gehen oft Förderungswirkungen aus, in Anreizen und anderen Lenkungseffekten; dies wird sich bei der Behandlung von marktordnung und Wirtschaftslenkung (unten D.) noch näher zeigen. Doch Förderung in dem Sinne, in welchem das Recht sie als eigenständige Staatsaktivität bisher versteht, ist etwas anderes, sie ist ihrem ganzen Wesen nach auf zeitliche Verzögerung eingerung, Verw 19 (1986), 137; Laux, E., Bürokratiekritik und Verwaltungsvereinfachung, DöV 1988, 657; neuerdings Bull, K. P., Umweltverwaltungen und Reformdruck, DöV 2007, 695; Wolff, H. A., Die Reformpolitik der kleinen Schritte, ZBR 2009, 73. 59 „Zeit“ ist vor allem eine Wirksamkeitskategorie; in der „Kontinuität“ ist dies bereits deutlich geworden, vgl. Leisner, A. FN 52, S. 249 ff. In der allgemeinen Diskussion „Recht und Zeit“ (vgl. Winkler, G., Recht und Zeit, 1995), muss es noch vertieft werden.
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A. Der Förderstaat und die Wirtschaftskrise
stellt für den auszahlenden Staat wie den sie einsetzenden Bürger. Alle Akteure „können und dürfen es sich überlegen“ und sodann müssen sie kontrollieren – dies Letztere bringt, ja verlangt erneute Verzögerung, einen Zeitablauf, nach dem überhaupt erst gehandelt werden kann, berichtet und überwacht. So läuft Förderung von einer Verzögerung in die andere und von einer Ungeduld in die nächste: Vom ungeduldigen Bürger zu seiner ungeduldigen demokratischen Staatsform60, von dieser in ihr ungeduldiges öffentliches Recht: c) Der Bürger der Demokratie kann nicht warten. Er lebt in einer Zeit, die von der Schnelllebigkeit technischer Entwicklungen geprägt ist, denen also doch wohl geistige Entfaltungen im gleichen Rhythmus folgen sollten. Sein Leben wird bewertet, im wahren Wortsinn, auf Märkten in raschem Fluten. Die statische agrarische Wirtschaft mit ihren sicheren Renditen, ihren Adelsfamilien und Großbürgern, die davon in Ruhe leben konnten, ist Vergangenheit. Das Beamtentum, einst ein allgemein-gesellschaftliches Ideal lebenslanger Sicherungen, ist zu einer Enklave geworden in einer Arbeitswelt des hire and fire61. Die große, übergreifende Jenseits-Dimension einer ewigkeitsorientierten Religiosität verdämmert im Ideal der raschen Hilfe auf Erden.62 Dieser Mensch lebt in einer demokratischen Staatsform, deren Ideal es ist, gerade aus jener Gesellschaft heraus zu wachsen, welche von solchen Bürgern in Ungeduld getragen wird. Sie trägt in staatliche Strukturen eine gleiche Kurzatmigkeit, wenn nicht Atemlosigkeit. Da müssen ohnehin kurze Wahlperioden noch durch Zwischenwahlen dynamisiert werden; kurzfristige zeitliche Wahllegitimation, als Leistungsprinzip legitimiert, dringt vor bis in die ruhigen Bereiche universitärer Bildung. Ein Jugenddrang in der Politik zwingt zu ungeduldigem Karrieredrängen. Die Demokratie ist eine Staatsform des Heute, so wie ihre Normen auch heute nur sicher gelten, sich in immer rascheren Gesetzesfluten verlieren63. Wäre von all so Getriebenen Geduld zu erwarten? Sollen sie auf Förderung setzen, auf staatliche Hilfen, die „langsam und (auch noch) unsicher“ wirken wie eine Bildung, welche für sich den Förderungsgedanken immer häufiger monopolisieren will64 ? 60
„Ungeduld“ – auch als Gegenbegriff zur Kontinuität – kommt etwa in den kurzen Wahlperioden und deren Wirkungen auf Gesetzesvorhaben (Diskontinuität) zum Ausdruck, vgl. dazu Leisner, A., FN 52, S. 397 ff., und übrigens auch in einer „direkten Demokratie“, die nicht einmal bis zum Ende der Wahlperiode warten will, s. dazu den Überblick über ihre Formen bei Rux, J., Die direkte Demokratie in Deutschland, 2008. 61 Was aber nicht ausschließt, dass über vertragliche „Beschäftigungsgarantien“ das Arbeitsrecht sich zunehmend bewegt in Richtung auf ein – wenn auch fernes – „Recht des beamteten Arbeitnehmers“, wie es in der DDR bereits Wirklichkeit zu sein schien. Vgl. dazu Dörner, K. / Kiel, H., in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. A. 2007, § 626 BGB, R 318r; Adam, R. F., Unkündbare Arbeitsverhältnisse, MDR 2008, 605 ff. 62 Zu dieser Problematik, im Lichte der staatskirchenrechtlichen „Zwei-Reiche-Lehre“ vgl. Leisner, W., FN 26, insbs. 52 ff. 63 s. dazu grds. Leisner, W., Die Krise des Gesetzes, 2001, insbs. S. 123 ff. 64 Zur „Bildungsförderung“ vgl. Hemel, U., Bildung: Aufgabe des Staates oder der Bürgergesellschaft? 2009; Bundespräsidialamt (Hg.), Familie, Bildung, Vielfalt, 2009, S. 117, 134; zum Sozialrecht u. a. Hänlein in: Gagel, SGB II / SGB III Grundsicherung und Arbeitsförde-
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Diese unruhigen Menschen in ihrer ungeduldigen Staatsform sollen nun Ruhe finden in einem Recht, das doch von diesen Mächten gesetzt, von ihnen befolgt wird. Ruhe hatte es zwar bringen sollen von jeher in seiner zeitlosen Normgeltung, in einer unveränderlichen, kontinuierlichen Staatsexistenz. Doch die lex posterior hat stets die lex prior vertrieben. In der Demokratie ist dies zum Staatsprinzip der möglichst rasch wechselnden Mehrheiten empor gewachsen. Auf dieses Recht ist kein Verlass, nur ein kurzes zeitliches Vertrauen, das überdies noch durch eigene Aktivität, durch Bürgeraktivität als Vertrauensvorschuss65 verdient werden muss. Und da soll Förderung den sicheren harten Befehl des Augenblicks ersetzen, oder den sicheren Obolus im eigenen Beutel? Ein Förderstaat – das ist gewiss keine selbstverständliche Entwicklung, sondern eine gefährliche dogmatische Wette; und doch ist sie unausweichlich.
rung, Bd. I, Stand Juni 2009, SGB III, § 3; zum Gemeinschaftsrecht: Blanke, H. J., in: Grabitz / Hilf, Das Recht der EU, Bd. III, Stand Juli 2008, Vorb. zu Art. 149. 65 Zur „Ins-Werk-Setzung des Vertrauens“ s. Ehlers, D., VVDStRL 51 (1992), S. 229 ff.
B. Die Entwicklung der Staatsförderung: Ansätze, Widersprüche, Fragestellungen Heutiger Dogmatik ist die Suche nach einer „Förderung als Hilfe zur Selbsthilfe“ aufgegeben. Seit langem ist sie unternommen, in immer neuen Formen – und immer wieder behindert durch ein Denken in Freiheit oder Schwächerenschutz, nur zu oft wird sie in einen Hintergrund marginaler Marktordnung gedrängt.
I. Entwicklungsstadien: Wohlfahrtsstaat – Liberalismus – Machtstaat 1. Wohlfahrtsförderung als öffentliche Aufgabe Förderung ist ein Rechtsbegriff entwickelter, bereits systematisierter Staatlichkeit. In einer Ordnung aus reiner Gewaltsamkeit, aus einer diese fortsetzenden Herrschaftsgewalt, darf es Derartiges allenfalls geben als Nutzung der eigenen Machtgrundlage, der Familienstruktur, damit aber letztlich nur als Begünstigung bestehender, eindeutig personal zurechenbarer Befehlsrechte. Was hier in alten Zeiten geschah, („Bauern ernähren Krieger“), mochte oft auch allgemeine Wohlstandsförderung bedeuten, es fehlten dem aber die wesentlichen freiheits- und gleicheitsfördernden gesamtgesellschaftlichen Zielsetzungen. Dies änderte sich auch noch nicht in Erkenntnissen der Bedeutung systematischer Bildung von Herrschern und herrschenden Schichten, wie sie zuerst in voller Klarheit in der griechischen Demokratie und ihren Sophisten, später ihren Philosophenschulen in Erscheinung traten66, im weiteren Verlauf die Herrscher eines römischen Weltreichs formen konnten. Geistige Förderung war da, Herrschaftsdidaktik, vielleicht Zufriedenheitsförderung der Beherrschten67, doch der große Rest war militärische Kraft aus Produktion und Handel in meist doch freier, wenn auch immer wieder eingeengter Bewegung. b) Mit dem Christentum kam zuerst die große öffentliche Wohlfahrtsidee herauf: das Armenproblem als Hilfepflicht. Mit ihrem Namen musste schon die römische Staatsgewalt auch ihre Mittel der helfenden Kirche leihen, doch weit mehr als ein 66
I. S. jener „Paideia“, der Werner Jaeger sein grundlegendes Werk gewidmet hat (1934, Bd. I, 1944, Bd. II, 1947, Bd. III). Vgl. dazu neuerdings Seubert, H., Polis und Nomos. Untersuchungen zu Platons Rechtslehre, 2009, S. 269 ff. 67 Wie auch bei den Herrschenden, wie es der stoischen „Herrschermoral“ entsprach, von Seneca bis zu Marc Aurels Selbstgesprächen.
I. Entwicklungsstadien
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Jahrtausend solcher Armenhilfe hat deren Wesen nicht wirklich verändert. Christenpflicht war stets zu allererst Samariterdienst, nicht Hilfe zur Selbsthilfe, nicht Kampf gegen Armut, denn „Arme werdet ihr immer unter euch haben“68. Renaissance und Reformation haben daran grundsätzlich wenig, aber praktisch vieles schon geändert: Der beginnende moderne Staat finanzierte und unterhielt Einrichtungen im Namen der Nächstenliebe und eines humanen Humanismus. Doch erst mit dessen Verstärkung im Denken der Aufklärung wurde der große Schritt von der Armenhilfe zum Wohlfahrtsstaat69 getan, einer der ersten, flächendeckenden Systematisierungen der Staatlichkeit, übernahm der Staat bislang kirchliche Aufgaben nicht als solche, sondern als seine eigene, nunmehr bereits religionsunabhängige Legitimation und Befestigung. Das 18. Jahrhundert ist die Geburtszeit eines solchen staatlichen Förderungsdenkens; Staatshilfe wurde als Staatsaufgabe, in ihren systematischen Wirkungen der Gesamtordnung des Gemeinwesens erkannt. Ein Weiteres kam in dieser Zeit hinzu: Erkenntnisse einer systematisch erweiterten „Wirtschaftstheorie als Staatstheorie“. Dies war eine zweite und entscheidende Wende der Förderung: Nun wurde klar, dass sich aus Staatshilfe der Staat stabilisieren ließ, nicht im duldenden Leben auf ein Jenseits hin, sondern in wirtschaftlichen Aktivitäten des Diesseits. Dieser Wohlfahrtsstaat erkannte auch schon die dynamische Dimension der Förderung in seiner Formel „le plus grand bien du plus grand nombre“70 , in einer erstaunlich demokratienahen Formulierung. Nun sollte „die große Zahl“ gefördert werden, die Mehrheit von morgen; und Förderung bedeutete nicht mehr nur gesichertes Überleben in einer minimal-Statik des Existierens, sondern Fortschritt, immer mehr Wohlstand – auch ohne noch mehr Staat, eben durch immer mehr Freiheit der Geförderten. Diese frühen Grundgedanken staatlicher Förderungsdogmatik sind verloren gegangen, es gilt sie heute aufzunehmen, ohne den fürsorglich-betreuenden Unterton einer staatlichen Vormundschaft; denn in diesem Sinne wurden sie damals nicht verstanden, waren sie auch noch gar nicht notwendig, in einer noch immer auf aller Freiheit lastenden Herrschaftsordnung.
2. Liberalismus: Förderungsmisstrauen Die Französische Revolution der Freiheit war die Erbin des Absolutismus geworden; in strenger Hoheitlichkeit hat sie ein Öffentliches Recht hervorgebracht, welches die Freiheit eingrenzen sollte und schützen. Doch derart allseitige Schranken konnte die systematisierte Freiheitlichkeit des Liberalismus nicht anerkennen. Eine aufstre68 Zur christlichen Liebestätigkeit im historischen Zusammenhang der Armenfürsorge vgl. Leisner, W. G., Existenzsicherung im Öffentlichen Recht, 2007, S. 34 ff. 69 Zur Entwicklung von der Armenhilfe zur Wohlfahrtsstaatlichkeit s. Leisner, W. G., FN 68, S. 37 ff. 70 s. Habermann, G., Der Wohlfahrtsstaat, 1994, S. 15 ff.
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B. Die Entwicklung der Staatsförderung
bende Wirtschaft mochte staatliche Lenkung nur als Eingriff kennen, empfinden und ablehnen. Staatliche Förderung begegnete einer verbreiteten Skepsis, welche hier nur Förderung der Arbeitsscheu sah, oder einer Passivität, die Opium für das Volk gerade in jener christlichen Nächstenliebe verteilte, aber doch nur der Rechts-Herrschaft der Restauration ein Alibi bieten sollte. Die radikal linke Ausprägung dieses Liberalismus im marxistischen Sozialismus blieb darin liberal, freiheitlich, dass sie Förderung als Staatsgeschenk der Herrschenden ablehnte, aus der eigenen Kraft der revolutionären Massen Selbsthilfe ohne solche Hilfe reklamierte71. Die beherrschende Agrarwirtschaft sah sich lange Zeit noch als allenfalls privilegierungsbedürftig, ihre Förderungsbedürfnisse befriedigte sie aus sich selbst heraus in Genossenschaftlichkeit – in einer Selbsthilfe, welcher aber die aufstrebenden Nationalstaaten systematische Hilfe versagten. Vor allem in Deutschland blieben sie im Konstitutionalismus, ja noch im Wilhelminismus stehen bei einer Armenpolizei72, welche Sicherheit und Ordnung wahren, nicht aber eine Wirtschaft als Staatsgrundlage fördern wollte, die sich gegen die Statik der Konservativen zu wenden begann. So blieb einem liberalen Jahrhundert im Letzten staatliches Förderungsdenken fremd, mochte Derartiges auch, gerade in Deutschland, ein Kathedersozialismus bereits predigen, Bismarcksche Sozialpolitik es versuchen73. Aber auch da war letztlich nicht Hilfe zur Selbsthilfe, sondern Selbsthilfe als Hilfe.
3. Die Förderung im nationalen Machtstaat Dieser Staat des 19. Jahrhunderts wollte in Deutschland vor allem die Befestigung seiner sozialen Strukturen als Staatsaufgabe sehen; doch in seiner nationalstaatlichen Wendung verfolgte er solche Zielen gewissermaßen „von oben“, im Glanz der Staatsromantik, in militärischer und kolonialer Stärke mit einem Angebot staatlicher Macht, welche Märkte öffnen, Industrien für sich einsetzen wollte – doch letztlich sollte all dies nicht primär die Wirtschaft fördern und ihre arbeitsamen, nicht hilfebedürftigen Bürger, sondern die Staatsmacht in ferner, ja geradezu historisch grundgelegter Hoffnung auf das große nationale Glück der großen Zahl. a) England ging voran mit seinem Kolonialismus, seine Kanonenboote fanden Märkte und hielten sie offen, erstmals schufen transmarine Märkte eine wirkliche Weltmacht, neue imperiale Staatsformen. Eine in Handel und Produktion sich verbreiternde Oberschicht ordnete sich in Club-, Kasten- und Bildungsdenken, die Staatsgewalt im Inneren konnte sie in Freiheit zurückdrängen, da sich die wirtschaftlich herrschenden Kräfte selbst zu fördern verstanden. Englische Konsuln halfen dieser Expansion über die Grenzen hinaus, jedoch sie blieben meist gerade Vertreter der 71
Zum Grundsatz der „Förderung aus eigener Kraft“ s. Leisner, W. G., FN 68, S. 48 ff. Zur Armenpflege, Leisner, W. G., FN 68, S. 42 ff. 73 Wie ja auch Sozialversicherung ihrem Wesen nach noch heute als Sozialhilfe gedacht wird und daher in „Hartz IV“ mit dieser verbunden werden sollte. 72
I. Entwicklungsstadien
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Geschäftsmacht, auch wenn sie Admiräle zur Hilfe riefen. Die englische Nationalökonomie entfaltete keine staatlichen Förderungsformen, allenfalls blieb die Staatsmacht eine fleet in being, „ausgesprochen mächtig“ nur in Kriegszeiten. In England war so wenig Demokratie wie Förderstaat – aber es war ein freies, mächtiges Land. b) Deutsche Machtstaatlichkeit eiferte all dem im Wilhelminismus nach. Klar erkannte die Effizienz der militärischen Formen nationaler Wirtschaftsförderung auch das stärker agrarisch fundierte, preußisch geprägte Deutschtum. Also galt es für diese Staatsgrundlagen, wie für die neue rheinische Schwer- und Militärindustrie, Förderung bereit zu stellen, aber nur in Steigerung einer nationalen Macht. Schutzzölle74 gelten gewiss als (Außen-)Handelsförderung auch nach heutigem Verständnis; doch ihr Endziel war „National“-Ökonomie, nicht Bürgerwirtschaft. Da war noch Industrielle Herrschaft, nicht Sozialer Staat. In ihrem Namen konnten liberale und konservative Kräfte sich treffen, aber nicht in einem Subventionsdenken, in dem all zu viel an sozialer Umschichtung mitschwang. Machterweiterung sollte laufen über Marktausdehnung; doch dahinter stand die kompakte Machtvorstellung eines Viribus unitis, nur in zweiter Linie die Hoffnung auf Erfolge in einer fleißigen und intelligenten, einer darin „typisch deutschen“ Arbeitsamkeit. Wo sie wirkte, da war dies ein Gottesgeschenk, nicht eine Gabe des Staates. c) Weimarer Notzeiten führten die Deutschen und ihren Staat durch die Schwäche ihres Macht-Staats zurück in Denkkategorien der Wohlfahrtsstaatlichkeit. In der neuen übergreifenden staatsrechtlichen Systematik der Weimarer Verfassung fand dies, wenn auch weithin unbewusst, doch einen neuen, systematisierenden Ausdruck. Da war nun die Rede von wirtschaftlichen Zielen in Formulierungen, die Förderung anklingen ließen, einen Dynamismus trugen, in dessen Namen die Deutschen einig sein sollten im Blick und im Weg auf neue Werte. Die Integrationslehre Smends75 erfasste die Verfassungsdogmatik, in ihr musste Förderungsgehalt liegen in dieser Not von Volk und Reich. Doch diese neue Gemeinschaftlichkeit zerbrach an Versailles und in den Spaltungen der Sozialismen. Nach Versailles haben sich die Deutschen nicht gefördert, nicht geholfen – sie haben weiter gekämpft, in einer hoffnungslosen Zeit der Wirtschaft, welche letztlich gar nicht förderungsfähig war. d) Der Nationalsozialismus, der sein Staatsdenken systematisierte in einem ins Extrem gesteigerten Dezisionismus, konnte nur wirken als totale Absage an Vorstellungen einer staatlichen Förderung, denen fast zwei Jahrhunderte vorher schon so wenig an geistigem Raum eröffnet hatten. Hier wurde nun befohlen und geschaffen, aber nicht „liberalistisch“ aufgenommen und gefördert. Der stolze Volksgenosse des Machtstaates nahm von diesem Hilfe nicht an, er unterwarf sich alles, was ihm helfen 74 In wilhelminischer Zeit verfestigte sich die dogmatische Kategorisierung in Finanz- und Schutzzöllen, vgl. Mayr / Lusensky, Zollwesen, § 1 III in: v. Stengel, K. / Fleischmann, M., Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, 2. A. 1914. 75 Zur Integrationslehre Rudolf Smends, vgl. Bartlsperger, R., Die Integrationslehre Rudolf Smends als Grundlegung einer Staats- und Rechtstheorie, 1964; ders., Integration oder Dissens und Konflikt als Sinnprinzip von Staat und Verfassung, FS f. Steiner, 2009, S. 31 ff m. umfangr. Nachw.
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B. Die Entwicklung der Staatsförderung
konnte. Da mochten rechtstechnische Ansätze entwickelt werden zu sozialer Verteilung, forcierte Anstrengungen einer Effizienzsteigerung durch Marktordnung in Staatspolizei76 – im Grunde kannte ein solches Denken nur Märkte als Räume der Macht, nicht der Freiheit. Geblieben sind davon so manche nostalgische Gedanken von einem helfenden Staat, von einer früheren staatlichen Durchsetzungskraft, doch im Letzten sind dies Machterinnerungen, nicht Förderungsgedanken. Wie zu so vielem aus dieser Zeit muss auch hier „wirklich ganz neu gedacht“ werden.
II. Der neue Ansatz: Die „größere“ Marktwirtschaft 1. Wirtschaftswunder und geregelter Wettbewerb a) Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht geboren aus einem staatsrechtlichen Subventionsdenken. Ihr Grundgesetz mochte als Provisorium entstanden sein – es proklamierte77 immerhin die wichtigsten Werte damaliger, weithin noch heutiger Zeit: Viel Freiheit findet sich darin, wie sie der Markt braucht. Von staatlichen Hilfen aber ist kaum die Rede, wenn überhaupt, dann im Sinne allgemein-investiver Wirtschaftsanstrengungen78, aber ohne Grundsatzgehalt. Und die rasch obsolet werdenden Nationalisierungsprogramme waren Zugeständnisse an sozialistisches Staatswirtschaftsdenken, nicht an eine Förderung von Märkten79. An Förderung konnte da schon deshalb nicht gedacht werden, weil dafür die Mittel fehlten. Ihr „Wirtschaftswunder“ – und es war ein solches – haben sich die Deutschen selbst geschenkt und ihre teureren ausländischen Konkurrenten. Es ist über sie gekommen mit einer geradezu märchenhaften Kraft, die sich zum Staatstriumph steigern konnte80. Mit dieser Kraft konnte die Marktwirtschaft ideologische Höhen erreichen in einem Land, das immer zum Ideologischen offen war. Doch wahre und innere 76
Was allerdings als Form einer „Selbstverwaltung der Stände“ geboten wurde, vgl. Huber, E. R., Verfassungsrecht des Deutschen Reiches, 2. A. 1939, S. 469 ff. Vgl. bereits MüllerArmack, A., Staatsidee und Wirtschaftsordnung im neuen Reich, 1933. 77 Erstaunlicherweise finden sich in der Präambel des GG keine Hinweise auf irgendwelche Staatshilfe-Bedürfnisse in einer doch so schweren Zeit, vgl. Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG 5. A. 2005 Präambel. Dies mag sich allerdings nicht nur aus dem provisorischen Charakter dieser Verfassung erklären, sondern auch aus dem Zurücktreten der Staatszwecklehre im neuen deutschen Verfassungsrecht, vgl. Starck, aaO Rn. 33. 78 Vgl. Art. 115 Abs. 1 S. 2 a. E. – und dies eher i. S. einer Begrenzung (Schwarz, K., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 115, Rn. 36 ff.). 79 Art. 15 GG hatte allenfalls den Sinn, marktalternative Wirtschaftsformen offenzuhalten, Depenheuer, O., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005 Art. 15 Rn. 2 f. 80 Näher dazu Leisner, W., Der Triumph. Erfolgsdenken als Staatsgrundlage, 1985, 2. A., = ders., Das demokratische Reich 2004, S. 25 ff. (137 ff).
II. Der neue Ansatz: Die größere Marktwirtschaft
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Größe erreichte dieses marktwirtschaftliche Denken in seiner Verbindung von politischer Freiheit und ökonomischem Ordnungsdenken, beides in einer großen Absage an Staatswirtschaft und Staatseingriff. Da konnte nun geglaubt werden an die Selbstheilungskräfte des Marktes, in einer wichtigen Verdeutlichung: wenn die vielen kleinen Marginalkorrekturen nicht halfen, mit welchen der Staat denn doch helfen durfte. Entfalten konnte sich diese Bundesrepublik als ein Grundrechtsstaat in einer langen Zeit rein abwehrender Freiheits-Dogmatik. Spät erst, und nach ersten Markt-Enttäuschungen, wurde Staatshilfe als Aufgabe der Grundrechtsverwirklichung staatsrechtlich entdeckt81; doch sie blieb auch hier freiheitlicher Grundrechtsschutz, nicht grundsätzliche Umverteilung in sozialer Grundrechtlichkeit. Die Bundesrepublik hat sich als freiheitlicher Grundrechtsstaat entfaltet, darin ist sie ein Staat der Märkte geblieben und, das wird sich nun zeigen, ein Staat der Förderung geworden, wenn auch lange Zeit unbewusst. Hier wurde, mitten in einer von Staatseingriffen noch immer geprägten, westlichen Tradition, ein juristisches Grundprinzip der Freiheitssystematik entwickelt, welches geradezu den Orientierungspol, den Anknüpfungspunkt dessen hervorbringen sollte, was nun später als Förderstaatlichkeit erkannt werden kann. b) Dieser Staat der Freiheit, voraussehend erkannter und rechtlich geordneter marktwirtschaftlicher Freiheit, er hat eine Marktpolizey wieder entdeckt, die Staatsaufgabe der Marktordnung begonnen ernst zu nehmen, damit grundsätzlich den Raum einer Förderstaatlichkeit abgesteckt: durch Einführung einer Kartellkontrolle82. Diese neue Ordnung der grundsätzlichen und durchgehenden grundrechtlichen Freiheit, wenige Jahre nach ihrer Verfassunggebung, löste damals zwar prinzipielle Kontroversen aus, erreichte aber bald den juristischen Konsens der Selbstverständlichkeit. Wilde, in Freiheit selbstzerstörerische Märkte hatte es nicht gegeben. Auch dies war also nur eine wirtschaftliche Form der wehrhaften Demokratie: Keine Freiheit den Feinden der Freiheit. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sah keine Staatshilfen vor, es griff auf traditionelle Eingriffsinstrumentarien zurück; und doch war es, in seiner negativen Verbotsordnung, eine große staatliche Förderungsgesetzgebung für die Marktwirtschaft als solche, für alle ihre Märkte: der Staat wollte sie erhalten, wenigstens ihre selbsterhaltenden Kräfte förderte er entscheidend mit. Dies war eine Grundsatzgesetzgebung für die Marktwirtschaft, Voraussetzung für deren staatliche Förderungsfähigkeit, weit mehr also als übliche Randkorrekturen.
81
Vom Grundrechtsgewährleistungsanspruch, ausgehend vom Studienplatzurteil des BVerfGE 33, 303 (332 ff.), bis hin zur Diskussion um soziale (vor allem umverteilende) Grundrechtlichkeit. S. dazu Starck, Chr., Staatliche Organisation und staatliche Finanzierung als Hilfen zur Grundrechtsverwirklichung? FS für das BVerfG Bd. 2 1976 S. 480 (521); Breuer, R., Grundrechte als Anspruchsnormen, FS für das BVerwG 1978, S. 89 ff (95 ff). 82 Zur wirtschaftspolitischen Diskussion bei der Entstehung des GWB s. Robert, R., Konzentrationspolitik in der Bundesrepublik: das Beispiel der Entstehung des GWB, 1976; v. Götz, F., 50 Jahre GWB, WRP 2007, 741 (vor allem zum amerikanischen Einfluss).
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B. Die Entwicklung der Staatsförderung
2. „Soziale Marktwirtschaft“: schwächerenschützende Schwächung des Marktdenkens a) In der erfolgreich sich entfaltenden Marktwirtschaft der Nachkriegszeit schien verbreiteter Schwächerenschutz akzeptabel, als Fortsetzung früherer arbeits- und mieterschützender Eingriffe; zu systematischem Charakter einer Wirtschaftsordnung83 reichte dies nicht, es blieb bei Mahnkorrekturen von Marktentartungen. Weit größere und tiefergreifende soziale Umverteilung erfolgte über die Märkte selbst in Hebung des Massenwohlstands. In seiner sozialrechtlichen Sicherung, in grundsätzlichem Selbsthilfedenken durch verfassungsrechtlich geschützte gewerkschaftliche Rechte84, fand sich für längere Zeit reichliche Verteilungsmasse; dies wurde nicht als eine staatliche Förderung empfunden, wirkte jedoch wie eine solche, und in großem Stil. Da war nur wenig gezielte Subvention, wohl aber ständige, geradezu systemimmanent laufende, wirtschaftliche Sozialpolitik in normativen und tarifvertraglichen Formen. Fast schien es, als sei staatliche Förderung gar nicht mehr nötig, da sich die Arbeitnehmer in staatsnormierter, gesellschaftlicher Selbsthilfe einen Platz an der Sonne weniger erkämpfen, denn erarbeiten konnten. In all dem mochte denn auch rechtlich etwas wie eine „Soziale Marktwirtschaft“ gesehen werden, ein Wirken von Märkten, die sich aus sich selbst heraus zu sozialer Gemeinschaftlichkeit wandelten. An einer Grundhaltung des Antisubventionismus änderte dies wenig: Staatshilfen verfielen einer immer allgemeineren Ablehnung, von Seiten der Arbeitgeber in der Sorge vor dirigierender Staatswirtschaft, bei Arbeitnehmern im Stolz auf gelungene Eigen-Errungenschaften. „In Staatshilfe denken“ – war dafür überhaupt noch Raum? b) Diese sozialen, deutlich egalisierenden Effekte wirkten insgesamt nicht wesentlich als staatliche Eingriffe in die wirtschaftliche Freiheit, wurden auch nicht so empfunden. Vielmehr schien sogar etwas stattzufinden wie eine Erweiterung des Marktdenkens auf die nunmehr rechtlich globalisierten Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Tarifverträgen85; diese Formen wurden aber ihrerseits als solche des grundrechtlichen Freiheitsschutzes verstanden. Damit konnte dies sogar gesehen werden als eine Erweiterung des Marktdenkens in Arbeitsmarktlichkeit hinein, wurde hier doch vertraglich gehandelt; und wo die Staatsgewalt den ein83 Dies kam bereits in der verfassungsgerichtlichen Absage an die Vorstellung von einer grundgesetzlichen Wirtschaftsverfassung zum Ausdruck, BVerfG in st. Rspr. seit E 4, 7 (17 f), insb. zu Art. 12 Abs. 1, GG, der keine Grundentscheidung für ein bestimmtes Wirtschaftssystem darstellen sollte (BVerfGE 50, 290, 336 ff. – Mitbestimmung). 84 Dieser Schutz für „zweckverfolgende Betätigung“ (s. dazu den Überblick bei Kemper, N., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 9 Rn. 117 ff.) bedeutet, was nicht hinreichend deutlich geworden ist, zugleich eine gewisse Distanzierung von einer staatlichen Arbeitsmarktförderung, welche eben gewerkschaftliche Aktivitäten wenigstens teilweise überflüssig machen könnte – daher auch die harsche Reaktion auf „Hartz IV“. 85 Zu Tarifverträgen als Ausdruck grundrechtlicher, aber vertraglicher Freiheitssicherung, vgl. Leisner, W., FN. 26, S. 99 f.
II. Der neue Ansatz: Die größere Marktwirtschaft
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zelnen Arbeitsplatz in Kündigungsschutz sicherte, mochte auch dies noch erscheinen als Maßnahme einer Marktpolizei, welche nur geordnetem Leistungsaustausch diente. Damit konnte diese Soziale Marktwirtschaft auch und gerade in ihren sozialen Ausprägungen als Ausdruck eines geordnet-marktwirtschaftlichen Denkens gelten; deshalb wurde sie denn auch nicht als systematischer Gegensatz zur Marktwirtschaft, nicht einmal als eine Form derselben verbunden mit Staatseingriffen gesehen, sondern eben als eine Marktordnung im weiteren Sinne des Wortes, sogar mit markterweiternder Wirkung. c) Nur einen Zug konnte man kaum in ihr entdecken: Vorstellungen von einer staatlichen Förderung der Freiheit, es sei denn, man wollte eine solche allein schon im Schwächerenschutz der grundrechtlichen Freiheiten erkennen. Arbeitsplatzsicherungen, ihre Kompensation durch Leistungen an Arbeitslose, jedenfalls bis zur Einführung von Hartz IV, wurden aber nicht verstanden als systematische „Hilfe zur Selbsthilfe“, noch weniger als eine Förderung der Unternehmen, im Rahmen von deren Beschäftigungs- oder Entlassungspolitik. Auf solchen rechtlich-dogmatischen Grundlagen konnten sich also nicht Vorstellungen eines Förderstaates entwickeln; die fast schon traditionelle Unterbelichtung dieses Aspektes der Staatstätigkeit setzte sich fort.
3. Grenzüberschreitende Markterweiterungen: Europa, Globalisierung a) In den vergangenen zwei Jahrzehnten verstärkten sich grenzüberschreitende Markterweiterungen, bis an den zeitlichen Rand der beginnenden Krisenerscheinungen. Aus der Sicht eines Denkens in staatlicher Förderung zeigten sie etwas wie eine Doppelgesichtigkeit: Einerseits verlangten sie, wie jedes Ausgreifen wirtschaftlicher Potenz über Grenzen hinaus, nach einer Bewusstwerdung auch als Hilfen eines Staates, mit dem allein eine derartige Grenzüberschreitung bewerkstelligt werden konnte. So verband sich Staatsförderung immer allgemeiner, in Handelspolitik, mit gezielten Staatsbeihilfen. Andererseits aber stärkten diese Entwicklungen grundsätzlich mit geradezu ideologischer Kraft die Marktwirtschaft, die Überzeugung von ihren selbstheilenden Kräften, die alle Schwierigkeiten bewältigen könnten, wären nur die Märkte groß genug. So wandelte sich das Verständnis von staatlichen Hilfen hin zu größeren Märkten, die sie überflüssig sollten werden lassen, zusammen vielleicht gar mit dem fördernden Staat als solchem. Nun galt das unwidersprochene Dogma von der Weite des amerikanischen Marktes als Grundlage einer Weltmacht, Staatsförderung erschien als „Machterweiterung“, ja als dafür unumgänglich. Schon die Wiedervereinigung lag, wenn auch weithin noch unbewusst, im Trend dieser Ideologie der Markterweiterung. Zwar überwog noch nationalstaatliche Expansionseuphorie dieses Gefühl des Sieges über einen wirtschaftspolitischen Gegner. Doch Wirkung auf das politische Bewusstsein, bei Staat und Bürgern, war auch, bald schon, die Überzeugung, es habe hier etwas stattgefunden wie eine nationale machtstärkende Globalisierung.
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B. Die Entwicklung der Staatsförderung
Sie konnte denn auch gar nicht beschränkt bleiben auf die Grenzen des größeren Deutschland; bewältigt sollte sie werden, in einem Appell an die internationale, vor allem die Europäische Marktwirtschaft. Deutsche Markterweiterung wurde in der europäischen Marktöffnung nach Deutschland zu einem wichtigen Bewährungsfeld internationaler Globalisierung. Europäischer Partner ist die Bundesrepublik wohl erst mit ihrer Wiedervereinigung geworden; und dies hat in sie die Probleme größerer Marktwirtschaften, größere Probleme der Marktwirtschaft als solcher importiert. Staatliche Förderung im großen Stil und in vielen Formen wurde zwar erstmals in Deutschland ebenfalls praktiziert, „Staat durch Staatsförderung“ konnte man es nennen. Doch gerade diese Konstellation des politischen Bewusstseins verdeckte die Erkenntnis des Wesens einer laufenden, nicht auf Ausnahmezustände beschränkten Förderstaatlichkeit; dies führte zu etwas wie einer „Kryptisierung“ der Staatsförderung unter dem Mantel der politischen Restauration des Staates. b) In der europäischen Gemeinschaft hatte diese Doppelbewegung der Bewusstwerdung86 zugleich und der Zurückdrängung nationalstaatlicher Förderung früh schon begonnen, nun intensivierte sie sich. Die europäische Gemeinschaft war aus einer deutlich ideologischen Haltung entstanden: Aus Marktmacht zu Staatlichkeit. Grundüberzeugung war aber nicht, dass dies über staatliche Förderung sich entwickeln, sich in einem dauernd aktiven Förderstaat fortsetzen sollte. Getragen wurde es vielmehr von dem politischen Glauben an Eigenkräfte eines Marktes, der ganz natürlich aus sich Staatlichkeit hervorbringen würde – aber eben die einer öffentlichen Marktordnung. So wurden denn Marktordnungen87 stets gesehen als ein notwendiges Instrument, zugleich aber doch auch als ein Sündenfall, von dem es sich, langsam aber sicher, zu entfernen galt. Die Europäische Union sollte keine Subventionsgemeinschaft ergeben, keinen Transferraum des Schwächerenschutzes; sie war als eine große, übergreifende Form der Marktordnung, als Marktpolizei, konzipiert; diese wurde hier ernster genommen als es staatlichen Marktüberzeugungen in Deutschland entsprach. Je weiter die Märkte sich ausdehnten, spezialisierend intensivierten, desto schwieriger wurde die Aufgabe ihrer Bewahrung vor marktfremden Einflüssen aus den Mitgliedsstaaten durch hoheitliche Eingriffe und – nun auch durch staatliche Förderung. So kam es denn zur kritischen Bewusstwerdung nationaler Förderstaatlichkeit im Gemeinschaftsrecht der Beihilfen88 gegenüber der marktwirtschaftlichen Wettbewerbs86 Zugleich als Staatsförderung und Marktförderung. Nur so lässt sich das große Programm eines „Aufbau Ost“ staatsrechtlich einordnen, vgl. dazu Rupp, FN 54; Depenheuer, O., Zur Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West, HStR § 204. 87 Zu den EU-Marktordnungen vgl. Überblicke bei Thiele, in: Calliess/Ruffert, Das Verfassungsrecht der EU, 3. A. 2007, Art. 34 Rn. 7 ff; Priebe in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Stand Juli 2008, Art. 34 Rn. 8 ff; Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Bd. 1 2002 I A Rn. 47 ff; s. auch Harings, L., Subventionen im Marktordnungsrecht, in: Ehlers, E. (Hrsg.) Subventionen im WTO- und EG-Recht, 2006, S. 113. 88 Zum EU-Beihilfen-Recht vgl. die Überblicke in Koenig, Chr., EG-Beihilfenrecht, 2. A. 2005; Harings, FN 87; Lübbig, Th. / Martin-Ehlers, A., Beihilfenrecht der EU, 2009.
II. Der neue Ansatz: Die größere Marktwirtschaft
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ordnung der Europäischen Union. Hier musste staatliche Förderung sich erstmals grenzüberschreitend und in ganzer Breite offenbaren, mit ganz anderen rechtlichen Folgen als denen rein nationaler Subventionsberichte. Jeder größere Einzelakt wurde vor die rechtlichen Schranken von Kommission und Europäischem Gerichtshof getragen, löste grundsätzlichen Rechtsstreit aus. Vor allem aber: Förderung wurde nun als solche erkannt und publik, sie wurde auch als Behinderung der wirtschaftlichen Freiheit gesehen, als Sünde gegen die Marktwirtschaft. Gleich mit ihrer ersten, großen rechtlichen Bewusstwerdung schien die Förderstaatlichkeit in unauflöslichen, aber überflüssigen, Gegensatz zu treten zur staatsstiftenden Macht der Märkte. Ein auf die europäische Ebene hochgehobenes, im Grunde doch staatsähnliches Machtdenken verstärkte, nun in europäischem Neoliberalismus, eine alte innerstaatliche Abneigung gegen Subventionierung. Sollte nicht gerade die Europäische Union den Beweis erbringen, dass ein größerer Markt „es allein vermag“, allenfalls noch zu Zeiten korrigiert durch den Transfer in einen schwächeren Osten? Zugleich intensivierte sich aber die bereits erwähnte wirtschaftliche und auch rechtliche Gegenbewegung wider solche Liberalisierung aus nationalem, staatlichem Beharrungsvermögen heraus. Der europäische Markteinbruch in das wiedervereinigte Deutschland hatte nicht nur positive Effekte gezeitigt. Eine föderal übersteigerte europäische Integrationspolitik rief den Widerstand der Mitgliedstaaten hervor gegen hoheitsstaatliche rechtliche Rahmensetzungsversuche des europäischen Überstaates. In diesem Kontext eines Denken in nationaler Förderstaatlichkeit entstand ein bedeutsamer Schub gegen übergreifende Marktwirtschaftlichkeit, und damit letztlich gegen diese in ihrem bisherigen, ideologiegetragenen Kern der Unwiderstehlichkeit erweiterter Märkte: Die Mitgliedstaaten pochten auf ihren Selbststand, sie stritten für ihre Beihilfenfreiheit in Berufung auf vitale nationale Interessen, aus wirtschaftlichen Alleingängen wurden schutzzollhafte Ballungen. Wo aber Nationalstaatlichkeit noch bleiben soll mit wirtschaftlichem Einfluss, da ist zugleich und zu allererst die Frage einer Förderstaatlichkeit gestellt. Sie lässt sich nicht einfach nur mit dem großen Wurf eines europäischen Marktes beiseite schieben und auch nicht nur mit immer wieder schwächlichen Versuchen für ein „sozialeres Europa“ beantworten89. Mitgliedsstaaten wollen weiter etwas ausüben wie Macht, wenn nicht die der Hoheit, so die einer Förderung. So hat das Vereinte Europa zwar nicht die Dogmatik einer Förderstaatlichkeit entstehen lassen, die Frage nach ihr aber hat es erstmals gestellt – im Großen. c) Die seit vielen Jahren laufende internationale Globalisierung der Märkte hat zwar, selbst nach Meinung ihrer Kritiker, nicht allein zu den Krisen geführt, aber diese doch begünstigt. Der gewaltige grenzüberschreitende Kapitaltransfer, die daraus folgenden wirtschaftlichen Verflechtungen sind als höchste Stufe einer Markter89
Zu „sozialen Aspekten“ im EU-Recht s.u.a. Langer, R., in: v.d.Groeben/Schwarze, Kommentar zum EU-EG-Vertrag, 6. A. 2003, Art. 136 EG; Losch, B. / Radau, W., Die soziale Verfassungsaufgabe der Europäischen Union, NVwZ 2003, 1440. Neuerdings Krebber, S., Soziale Rechte in der Gemeinschaftsrechtsordnung, Rd A 2009, 224.
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B. Die Entwicklung der Staatsförderung
weiterung verstanden worden, welche die Marktwirtschaft eigentlich in ihren Selbstheilungskräften nun in ganz großem internationalen Austausch geradezu ins Unendliche, jedenfalls ins Unabsehbare hätte steigern sollen. Dass gerade diese Entwicklung durch nationale Subventionspolitiken geschwächt, „die Marktwirtschaft“ also durch „staatliche Förderung“ in ihren positiven Auswirkungen verhindert worden sei, entspricht zwar weiter der Auffassung der Globalisierungsgegner und auch allgemein in Entwicklungsländern. Dass dies zu wirtschaftlichen Krisenerscheinungen geführt habe, jedenfalls in deren akuten Phasen, ist jedoch nicht überzeugend dargetan, ja nur selten behauptet worden. Insoweit ist also Globalisierung als solche eher eine Entwicklung gegen eine nationale Förderstaatlichkeit, obwohl sie doch, ganz im Gegenteil, gerade dieser bedarf: zur Abfederung ihrer negativen Auswirkungen in weniger entwickelten, ärmeren Ländern, wie auch zur flexiblen Koordinierung des Verbundes entwickelter Volkswirtschaften. Keinesfalls darf von der Globalisierung als solcher aber etwas erwartet werden wie ein notwendiger Zug zur Entfaltung von Förderstaatlichkeit. Letztlich ist Globalisierung ja doch immer eine Entwicklung der Erweiterung von Märkten, getragen vom Vertrauen in die Selbstheilungskraft des ganz großen marktwirtschaftlichen Austauschs.
III. Fazit der Entwicklung 1. Förderung: eine unbewältigte Problematik Die staatsrechtliche wie die ökonomische Entwicklung der vergangenen drei Jahrhunderte hat die Entwicklung eines eigenständigen rechtlichen Förderungsbegriffs nicht begünstigt, ja letztlich nicht erlaubt. Wird sie verstanden als eine „Hilfe zur Selbsthilfe“, so setzt sie ja eine Freiheit voraus, die es zunächst jahrhundertelang nicht gegeben hatte. Als sie dann durchbrach, im 19. Jahrhundert, wollte sie sich sogleich selbst absolut-autonom setzen, sperrte sich also gegen jede staatliche Beeinflussung ihrer liberalen Entfaltung, auch gegen alle Subventionen, hinter denen sie – und nicht zu Unrecht – eben doch wieder staatlichen Eingriff sah. Eine Förderungsdogmatik konnte es da nicht geben, da doch Staatshilfen als Geschenke gesehen wurden, als „reine“ humanitäre Hilfe – und dann das marktwirtschaftliche Förderungsziel verfehlen mussten – oder sie wirkten als Gebote und riefen damit sogleich antihoheitliches Misstrauen hervor. Der Befehlscharakter stand dann ja im Vordergrund; dass Verbot des einen die Förderung des anderen bedeuten könnte, trat demgegenüber rechtlich zurück. Nationale Machtstaatlichkeit verstärkte dieses Misstrauen und zerbrach schließlich an ihrem gewaltorientierten Förderungsstreben.
III. Fazit der Entwicklung
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Der Gleichheitsgehalt der Förderung90 hatte dem wenig entgegenzusetzen, schon aus ideologischer Grundsätzlichkeit heraus. Er brach dem Freiheitsnutzen ja die Spitze darin, dass einer sich nicht mehr über Förderung sollte entfalten können als ein anderer. Ein Markt nur als Verteilung unter Gleichen kann kein sinnvolles Ziel sein, solange sich auf einem Forum des Austausches wirtschaftlich Stärkere und Schwächere begegnen. Rechtsgrundsätzlich konnte also eine lange Geschichte staatlicher Hilfen nicht mehr bringen an Ansätzen für die staatliche Förderung als einerseits einen Schwächerenschutz, in dessen Einebnungen eine Marktwirtschaft zu ersticken drohte – oder eine Marktordnung, die doch nur die äußersten Grenzen eines Wettbewerbs abzustecken imstande war. So hat letztlich seit Jahrhunderten die herrschende Trias Freiheit – Gleichheit – Schwächerenschutz91 nur eine punktuelle Marktordnung, marginale Marktkorrekturen erlaubt. Eine Dogmatik staatlicher Förderung in marktwirtschaftskonformen Ausprägungen ließ sich so nicht entwickeln, welche den Staat als Wirtschaftspartner, als Kreditgeber, als „ Marktteilnehmer“ hätten erkennen lassen. Dies letztere hätte dann ja zur Potenzierung privatrechtlicher Handlungsformen der Staatlichkeit führen müssen, nicht nur aus einem marktwirtschaftlichen Gewinnstreben derselben heraus, sondern gerade auch mit einem öffentlichen Zielstreben zu verstärkender Bürgerfreiheit. Doch zu einer solchen Dogmatik der Gleichordnung konnte der traditionelle Hoheitsstaat lange nicht vordringen. Mehr bietet also die Entwicklung nicht als eine unkoordinierte Verschlingung oder ein beziehungsloses Nebeneinander von zwei wirtschaftspolitischen Groß-Tendenzen: einerseits der Marktwirtschaft mit ihrer liberalen Freiheit – zum anderen der „sozialen“, nächstenschützenden Schwächerenhilfe als deren Korrektur. „Arbeitsplatzschutz im Interesse der Wirtschaft“, als öffentliches Interesse92, ist ein gängiger gegenwärtiger Ausdruck solcher wenig klarer Förderungsvorstellungen.
2. Die Aufgabe: Förderstaatlichkeit gerade in der Marktwirtschaft Staatliche Förderung muss einen anderen Stellenwert erreichen in der staatsrechtlichen Dogmatik. Ihr ist eine neue und grundsätzliche Dimension zu eröffnen in 90
Zur Gleichheit vgl. oben A. V. 3. Denn nur so wurde die Brüderlichkeit, die Fraternit im Staatsrecht begriffen: nicht als Marktförderung, sondern als solidarisierender Schwächerenschutz. Brüder teilen, sie bilden keinen „Markt“ – diese Fraternit ist im übrigen kein aufklärerischer Zentraltopos. In der Encyclopdie von Diderot und dAlembert wird darunter lediglich das Familienband und die „Waffenbrüderschaft“ erwähnt (fraternit darmes). 92 Zur Vorgabe des „Schutzes der Arbeitsplätze“ im öffentlichen Recht Schleinert, T., Quotennormen im Arbeitsrecht, 2009; Ziekow, J., Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2007, S. 120 ff; Limbach, J., Das soziale Staatsziel, Jb. der Sozialen Arbeit 1997, S. 12 ff; Stober, R., Rechtliche Rahmenbedingungen in der Wirtschaftsförderung, BB 1996, 1845 ff. 91
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B. Die Entwicklung der Staatsförderung
einem Staatsverständnis, das aus dem Bürger kommt und seiner Freiheit, dies einbettet in eine Marktwirtschaft, die überzeugende Form gegenwärtigen Handlungsverhaltens. Fördern und fordern – Förderung als Hilfe zur Selbsthilfe – das war eine wirkliche geistige Wende, zu verlieren droht sie sich in der Kurzatmigkeit eines sozialpolitischen Ersparnisdenkens. Einer Neuorientierung stellen sich damit drängende Aufgaben: Staatliche Förderungsgewalt muss in ihrer ganzen Dimension erkannt werden als eine große Lenkung der Gemeinschaft. Der Förderungsbegriff darf nicht verengt werden auf einzelne Subventionszahlungen, verstanden muss er werden im Sinne einer flächendeckenden Staatsaufgabe. Die systematische Einbindung solcher Förderung muss gelingen in die oft widerstrebenden Wirklichkeiten nationaler und internationaler Marktwirtschaft. Dies kann nicht allein geschehen in hoheitlichen Formen, Zulassungen und Gewährungen; bemüht werden müssen privatrechtliche Formen, nicht nur zur Abwicklung von Staatshilfen, sondern bereits in deren vertraglich-marktkonformer Begründung. Überwunden werden muss daher das herkömmliche staatsrechtliche Denken allein oder doch vornehmlich in Kategorien von „Freiheit und deren Schranken“. Förderung muss in diese Ordnung eine zielgerichtete Dynamik einführen. Und nicht zuletzt: Zu überwinden gilt es ein Denken, welches Hilfen nur immer sieht und wünscht für „Schwache“ – „noch Schwächere“. Der Förderungsbegriff muss sich lösen von der alleinigen Ausrichtung auf Bedürfnisse; hier müssen Chancen verfolgt werden. All dies muss zu Umwertungen führen; und sie sind schon im Lauf.
C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien I. Die Probleme der Förderungsbegrifflichkeit 1. Defizite einer Förderungsdogmatik a) In den bisherigen Darstellungen staatlicher Förderungstätigkeit finden sich zwar mehr oder minder eingehende Beschreibungen von Kompetenzen, Formen und Zielen staatlicher Hilfen, von Beihilfen nach Gemeinschaftsrecht bis zu abgabenrechtlichen Anreizen der Wirtschaftstätigkeit.93 Etwas wie eine flächendeckende oder gar grundsätzliche Dogmatik des Förderungsbegriffs hat sich jedoch nicht entwickeln können; dem stand schon die vorstehend geschilderte vielschichtige und meist zurückhaltende, wenn nicht negativierende Entwicklung staatsrechtlicher Grundstimmungen im Wege. Förderung erschien eben einerseits nur als Korrektur der Marktwirtschaft, zum anderen als gezielter Schwächerenschutz, und für die herkömmliche Dogmatik der Staatseingriffe war sie als solche ohnehin schwer fassbar. In den Blick wurde sie insoweit erst genommen, nachdem der Eingriffsbegriff erweitert worden war auf alle tatsächlichen Einwirkungen von Gewicht, die von Staatsveranstaltungen ausgehen können.94 Allein das übliche dogmatische Vorgehen einer Bestimmung institutionell-einheitlichen Staatsverhaltens in einer Entfaltung von Formen aus Zielen konnte in dieser Grund-Situation nicht gelingen. Entgegen stand dem überdies eine herkömmliche begriffliche Verengung bei dem Begriff der „Subventionen“95, der im Wesentlichen an einen quantitativ sogleich bestimmbaren Mitteltransfer aus öffentlichen in private Haushalte gebunden schien. Hier klang dann auch bereits verbal stets etwas mit wie eine Bedürftigenhilfe, eine 93 Vgl. zum geltenden Subventionsrecht allgemein Badura, P., FN 2, Rn. 260 ff; Frotscher/ Kramer Fn. 2 S. 300 ff.; Schmidt / Vollmöller, FN 2, S. 215 ff; Stober, FN 2 § 31; Ziekow, FN 2 §§ 5, 6; Stober, R. / Vogel, H.-P., (Hrsg.) Subventionsrecht und Subventionspolitik auf dem Prüfstand, 1999, mit Beitr. von Stober, Pitschas, Schneider, H.P., Meng, Berg, W. Ehlers. Grundlegend und eingehend Rodi, M., Die Subventionsordnung als Instrument öffentlicher Zweckverwirklichung nach Völkerrecht, EU-Recht und deutschem innerstaatlichen Recht, 2000. 94 In Erweiterung des „Eingriffs“ auf alle gezielten Effekte von Gewicht, auch „tatsächliche“ Einwirkungen, entspr. d. Rechtsprechung des BVerfG, etwa E 13, 181 (185 f.); 61, 291 (308); 81, 108 (121 f.); 89, 281 (283). 95 Zum Begriff der Subventionen für viele Rodi, FN 93, S. 29 ff.; Schmidt / Vollmöller, FN 2, S. 216 ff.
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
Unterstützung in Not-, jedenfalls in Ausnahmesituationen. Diese Darstellungen erfolgten aber stets auf dem Hintergrund eines vor allem im Schrifttum herrschenden staatsrechtlichen Liberalismus, der das deutsche Verfassungsrecht im Grunde doch seit vielen Generationen prägt. Verfassungsrechtliche Bindungen oder gar Grundlegungen verwaltungsrechtlichen Subventionierens kamen daher kaum in den Blick. b) Von besonderer praktisch-juristischer Bedeutung war dabei die herkömmliche öffentlich-rechtliche Normenstruktur und die Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit. Förderung als solche war für letztere von Anfang an nicht ein klar fassbarer Entscheidungsgegenstand. Die Förderungsziele ergaben sich ja im Wesentlichen aus Haushaltsansätzen, welche nur selten gerichtlicher Kontrolle unterbreitet wurden, selbst dann in der Weite ihrer Formulierungen in der Regel nähere kategoriale Festlegungen nicht gestatteten96. Zu den schwer kontrollablen Zielen kam grundsätzlich etwas hinzu, das man eine Grundentscheidung des öffentlichen Rechts, der Staatlichkeit überhaupt nennen kann: eine sehr weitgehende Wahlfreiheit97 der Handlungsformen. Sie entzog die Verwaltungstätigkeit in privat(wirtschaftlich)en Formen weithin verwaltungsgerichtlicher Kontrolle; dies führte dann, erst recht, zu einer geringen Kontrolldichte der Umsetzungsformen des subventionierenden Haushaltsrechts am Maßstab des Verfassungsrechts. So entstand im Förderungsrecht – gewiss nicht einem Vertiefungsgegenstand öffentlich-wirtschaftsrechtlicher Bemühungen – fast schon etwas wie ein weithin rechtsfreier Raum, der allenfalls durch formale Rahmendaten begrenzt wurde. Auch dort aber fehlten die wichtigsten Kontrollansätze: Ein durchgehendes Recht der Adressaten auf Staatshilfen98, gesetzlicher Formenzwang bei der Ausreichung von Subventionen. c) So wurde der Förderungsbegriff im öffentlichen Recht bisher nur in Annäherungen erfasst, in einer an sich schon wenig klaren Kombination von mehreren weiteren Begriffen: Als Problem der Kompetenzverteilung99 im Rahmen der Staatlichkeit; dies hat praktisch im Ergebnis meist eher förderungshemmend gewirkt, in sich ständig föderal
Eine Verfassungskontrolle über das Haushaltsrecht beschränkt sich im Wesentlichen auf die Garantie des Haushaltsvollzugs durch BT und BR (BVerfGE 45, 1 (50), vgl. auch 79, 311 (328)), unter Einschaltung des Bundesrechnungshofs (Art. 114 Abs. 2 GG). Haushaltsgesetz und Haushaltsplan sind dabei grds. nicht Gegenstand, sondern Maßstab der Rechnungsprüfung, BVerfGE 20, 56, 90. 97 Diese Wahlfreit besteht vor allem in der Daseinsvorsorge, verfassungsrechtlich wird sie insb. problematisiert hinsichtlich des Grundrechtsschutzes; zu der Frage, wieweit dieser im Verwaltungsprivatrecht gelten soll, vgl. allgemein Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005 Art. 1 Rn. 222. 98 Soweit ein Recht auf Subventionen besteht – nur dort, wo es ausdrücklich eingeräumt wird oder sich aus dem Grundrechtsschutz (insb. der Gleichheit) ergibt. Behandelt wird dies im Subventionsrecht vor allem in den Kapiteln über den Rechtsschutz, FN 2. 99 Der Schwerpunkt der bisherigen Darstellungen des Subventionsrechts liegt deutlich bei der Behandlung der Kompetenzen, s. vor allem Rodi, FN 93 S.191 ff., 315 ff., 212 ff., 260 ff.,298 ff.; Stober, FN 2 S. 39 ff.; Ziekow, FN 2 § 4. 96
I. Die Probleme der Förderungsbegrifflichkeit
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und kommunal, neuerdings gemeinschaftsrechtlich, nur immer weiter verkomplizierenden Zuständigkeitsstreitigkeiten. Vor allem aber orientierte sich ein solches Kriterium am Begriff von Staatsaufgaben, auf den noch zurückzukommen sein wird; er sagt jedoch meist nichts Näheres über Zielvorstellungen aus, wirkt allenfalls insoweit als allerallgemeinste Grenze, belastet mit der verfassungsrechtlichen Schrankenproblematik der Grundrechte. Darin mochten Grenzen näher bestimmbar erscheinen und auch gegenständlich fassbar, in den Schutzbereichen der jeweiligen Grundrechte, insbesondere der Berufsfreiheit. Doch gerade hier hatte das Verfassungsrecht begrifflich-gegenständliche Präzisierung nicht erreichen können100, oder eine solche, insbesondere im begrifflichen Ausschleifen der Berufsfreiheit, rasch wieder verloren. Die Tiefenwirkung der staatlichen Förderung wurde eben doch mit Eingriffskriterien vermessen; problematisch blieb dann nur zu oft eine „Eingriffsschwelle der Förderung“, welche hier aber hätte bestimmt werden müssen. Schließlich waren es wiederum im Wesentlichen doch nur Schrankenziehungen, die sich so für Staatsförderung aus dem Staatsrecht der Grundrechte gewinnen ließen; über eine Zielkonformität von deren Formen konnte hier das Verfassungsrecht nur wenige Aussagen machen, verharrte es doch in einer grundsätzlichen Freiheitskonzeption, in der sich diese als etwas Negatives definierte, als eine „Freiheit von…“, „nicht als jene Freiheit zu…“101, auf welche sich aber Förderung ihrem Wesen nach richtet. In ihren Formen wurde Förderung zwar rechtlich erfasst, und auch staatsrechtlich verortet102, in der Diskussion um Gesetzesvorbehalte für Staatshilfen. Doch gerade dies geschah in einer Verengung, in welcher die an sich schon so weiten rechtsstaatlichen Kriterien kaum mehr Wirkung entfalten konnten. So war denn mit den möglichen öffentlich rechtlichen Ansätzen einer Dogmatik – Kompetenz, Aufgabe, grundrechtliche Schranken, gesetzliche Formen – bereits etwas vorgegeben wie ein größeres dogmatisches Defizit einer Verfassungsgrundlegung der Förderstaatlichkeit. d) Insbesondere hatte all dies zur Folge, dass gerade jene begriffskonstitutiven Elemente nicht voll rechtlich erfasst, geordnet werden konnten, auf welche es in einer Förderungsdogmatik ankommen muss: Förderung kann nicht hinreichend gezielt eingesetzt werden, weil zwar Kompetenzen, Formen und Grenzen, nicht aber Ziele, nähere und fernere, hinreichend festgelegt sind; Wirkungen solcher Förderungen lassen sich eben erst mit hinreichender 100 Zutreffend werden denn auch „Aufweichungen der Stufenlehre“ festgestellt, s. m. Nachw. Tettinger, P./Mann, Th., in: Sachs, M., GG 4. A. 2007, Rn. 109 ff. 101 Dies mündet in die größere Problematik der „Funktionalisierung der Freiheit“, die hier nicht vertieft werden kann; vgl. zu ihr für das Eigentum Leisner, W., Handbuch des Staatsrechts, 3. A. §173 Rn. 59 f. 102 Und zwar vor allem im Zusammenhang mit den Formen der innerstaatlichen Kompetenzverteilung, s. Rodi, FN 93, insb. S. 315 ff., 328 ff., s. auch S. 48 ff.; Stober, FN 2, S. 223 ff.
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
Präzision bestimmen, nachdem gerade solche Zielgenauigkeit erreicht ist; damit aber gelingt auch keine überzeugende Festlegung der Förderungsgrenzen. Es mag durchaus unterstellt werden, dass eine rechtlich fassbare Wirkungsbeurteilung sich lediglich aus der jeweiligen Zielannäherung der Förderung ergeben kann. Hier müssen auch Kategorien wie die einer „möglichen“ Zielerreichung, einer Optimierung derselben eingesetzt werden; und es kann auch zulässig sein, die Dogmatik der Rechtsprinzipien103 zu bemühen, nach welcher dann eben die jeweilige Annäherung solcher Zielerreichung in dynamischer Betrachtung erfolgt. Jedenfalls muss aber Zielerreichung in einer Weise im Mittelpunkt stehen, rechtlich nicht nur angestrebt, sondern auch gesichert werden, welche etwas verlangt wie eine „materiale Förderungswertlehre“; sie leidet bisher unter ähnlichen Schwierigkeiten wie die materiale Wertlehre im Rahmen der Staatsaufgaben104, wobei es im vorliegenden Zusammenhang der Förderung keineswegs lediglich auf „die höchsten“ Werte ankommen, Förderung vielmehr auch durchaus auf Zielsetzungen der praktischen Politik hin erfolgen kann. e) Als Hindernis für die Feststellung einer klaren Förderungsbegrifflichkeit erweist sich bisher auch die fehlende Berücksichtigung der Ermessensdogmatik des Verwaltungs-105 wie des Verfassungsrechts, in ihrer „Zielausrichtung“: Manchmal ist es hier gelungen, sog. „äußere“ Ermessensschranken grundsätzlich von „inneren“ abzugrenzen, also Kompetenzen, Formen, Schranken den direktiven Zielvorstellungen des Verwaltungshandelns gegenüber zu stellen. Doch dies erfolgte in einem dogmengeschichtlichen Übergang von der Begriffs- in die Interessenjurisprudenz106 und ist daher seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts nicht mehr grundsätzlich vertieft worden. Vielmehr hat sich sodann die Aufmerksamkeit eben doch auf die „äußeren Grenzen“ des Verwaltungsermessens konzentriert, als dessen – und als eine sehr weite – Form, als die ja auch das Förderungsrecht stets gesehen worden ist. Notwendige Folge dieser Entwicklung war erst recht eine Fixierung rechtlicher Aufmerksamkeit auf eben nur noch die äußeren Formen der staatlichen Förderung; Zielvorstellungen blieben ebenso im Dunklen, jedenfalls im Vagen, wie sich dies auch in der Ermessenslehre vollzogen hatte. Allenfalls ergab sich daraus dann eine Ausweitung staatlicher Beliebigkeiten, welche wiederum mit den Präzisionsanforderungen rechtsstaatlicher juristischer Erfassbarkeit in Konflikt gerieten. 103 Dies gilt insb. für die Förderungsbestimmung aus den Zielen der Subventionen (Rodi, FN 93, S. 360 ff.). Es wirkt in einer Flexibilisierung, welche an die „Annäherung“ und „ Optimierung“ erinnert, wie sie durch Wirkung der Rechtsprinzipien bekannt ist, vgl. dazu Leisner, A., FN 52, S. 167. Vgl. dazu neuerdings Unger, S., Das Verfassungsprinzip der Demokratie, 2009, S. 91 ff. 104 Siehe oben A. I. 1. (FN 6) sowie A. II. 1. (FN 24). 105 Zu den verwaltungsrechtlichen Schranken vgl. Stelkens, U. / Sachs, M., in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG 7. A. 2008, Rn. 53 ff., zum verfassungsrechtlichen Rahmen insb. BVerfGE 8, 274 (324 f.); 113, 348 (376). 106 Zum Übergang von der Begriffs- in die Interessenjurizprudenz s. Zippelius, FN 53, §§ 9, 38.
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Immerhin bleibt festzuhalten: Je weitergehend es gelingt, innere Ermessensschranken in der Ermessenslehre des Verwaltungsrechts zur Wirkung zu bringen, eine solche Dogmatik vielleicht gar noch in die Höhe des Verfassungsrechts mit seiner allzu häufig berufenen „Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers“107 zu heben, desto mehr eröffnen sich Chancen, auch einen staatlichen Förderungsbegriff näher zu bestimmen. Insgesamt ist damit eben eine Konkretisierung der Interessenjurisprudenz angesagt, die sich darin dann doch wieder der Klarheit der älteren Begriffsjurisprudenz annähern würde. f) Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang allerdings auch noch jene „ZweiStufen-Theorie“108, der einzige, einigermaßen greifbare Versuch, staatliche Förderungsmechanismen in größeren Kategorien zu ordnen. Dass hier die „Zulassung zur Förderung“ grundsätzlich als Hoheitsentscheidung gewertet wird, die „Abwicklung der Subventionen“ dagegen der Formen-Wahlfreiheit den Staatsinstanzen überlassen bleibt, damit auch in privatrechtlichen Kategorien umgesetzt werden kann – diese praktisch durchaus sinnvolle Konstruktion hat es erlaubt, einerseits die Grundrechtsschranken, insbesondere der Freiheit, auf der ersten Stufe zu berücksichtigen, zum anderen aber doch die Wahlfreiheit der Administration zu sichern. Inhaltlich hat dies jedoch für eine zielmäßige Erfassung des Förderungsbegriffs nur wenig gebracht: Geschaffen wurden nur formale Beurteilungskategorien, die aber über Ziel und Wirkung, damit für das Wesen der Förderungstätigkeit des Staates, nichts aussagen konnten. Denn letztlich war eben all dies doch gedacht aus der hoheitlichen Dogmatik des öffentlichen Rechts heraus; ihre Entscheidungen sollten gewissermaßen in (mögliche) privatrechtliche Formen lediglich „auslaufen können“. Gerade darin können dann auch noch grundrechtliche Schranken zurücktreten, auf ein „Gleichheitsminimum“ beschränkt werden, womit die so wichtig erscheinende staatliche Gestaltungsfreiheit in der Förderung Berücksichtigung findet. Alle wesentlichen rechtlichen Beurteilungskriterien bleiben damit aber jedenfalls im Bereich der formalen Kategorien, Zielausrichtungen sind weder notwendig noch in den meisten Fällen überhaupt erkennbar. Dieser Bewältigungsversuch des Förderungsbegriffs ist nichts als eine wenig überzeugende Fortsetzung staatshoheitsrechtlicher Dogmatik. Verkannt wird darin sogar noch etwas Wesentliches: die Umsetzungsauflagen109, welche doch „nur“ auf der „ zweiten Stufe“ der Abwicklung eine Rolle spielen sollen, sind in aller Regel geradezu entscheidend schon in ihren Wirkungen auf der ersten Stufe: Umsetzungsauflagen wirken als Zugangssperren.
107 Bei diesem ständig in der Verfassungsgerichtsbarkeit verwendeten Begriff der „Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers“ bleibt letztlich doch meist offen, worin diese über (eine bereits weit verstandene) Ermessensfreiheit hinausgehen soll. 108 Das Subventionsrechtsverhältnis ist ja der zentrale Anwendungsbereich der 2-StufenLehre, vgl. Badura, FN 93, Rn. 263 ff.; Rodi, FN 93 s. 92 ff. 109 Die Umsetzungsauflagen betreffen zwar dogmatisch die 2. Stufe der Abwicklung, wesentlich wirken sie aber als Zugangssperre schon auf der ersten Stufe, S. dazu Leisner, W., Die Lenkungsauflage 1982, S. 26 ff.
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
2. Staatliche Förderungen als Erfüllung von „Staatsaufgaben“: ein problematischer Ansatz a) Nahe liegt nun, aus der öffentlich-rechtlichen und sogar der verfassungsrechtlichen Dogmatik heraus, der Versuch, Staatsförderung in einen Zusammenhang mit jenen Staatsaufgaben „zu stellen“, welche stets von neuem zu Systematisierungsversuchen der Staatstätigkeit geführt haben.110 Immerhin konnten ja Subventionsanstrengungen unschwer diesem weiten Aufgabenbegriff zugeordnet werden, und hier lag dann sogar eine materielle Erfüllungs-Betrachtung nahe, welche Formen und Kompetenzen zurücktreten ließ. Allerdings gerieten solche Ansätze von vornherein in ein bedenkliches Zwielicht: Die Dogmatik der Staatsaufgaben war und ist eben wesentlich geprägt im öffentlichen Recht durch einstige Traditionen eines Liberalismus, welcher den Begriff möglichst eng begrenzt sehen will. Staatsaufgaben einfach nur als Gegenstände, mit denen sich Staatsinstanzen jeweils „tatsächlich“ beschäftigen – das würde das Ende rechtlicher Erfassbarkeit überhaupt bedeuten; und doch entspricht gerade dies, wie allgemein bekannt, weithin der realen Praxis. Da aber die Staatsaufgabendogmatik stets versuchen muss, ganz wesentlich „Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen“, kann mit derartigen Versuchen nur eine möglichst weitgehende Zurückdrängung staatlicher Förderungstätigkeit einhergehen. b) Eine weitere Problematik solcher Bestimmungsversuche deutet sich damit bereits an: Bei auch nur einiger Genauigkeit führen sie nahezu notwendig immer wieder zu Ansätzen, solche „Staatsaufgaben“ eben doch im Wesentlichen aus dem heraus zu bestimmen, was die organisierte Gemeinschaft mit ihrer Hoheitsmacht bewältigen kann oder, bei so genannten „notwendigen“ Staatsaufgaben111, auf solchen formalen Wegen sogar bewältigen muss. Damit aber ist der Staataufgabenbegriff letztlich eben doch festgelegt auf formale Handlungskategorien der Staatsgewalt, nicht auf deren Wirkungsziele, was aber dem tieferen Sinn des Aufgabenbegriffs allein entsprechen könnte. Eine solche Dogmatik aus der staatlichen Hoheitskonzeption heraus lässt denn auch die materielle Seite im Dunkeln, beschränkt sich hier lediglich auf „Materien-Abgrenzungen“, aber nicht auf Zielvorstellungen und deren (mögliche) Wirkungen: Wenn da etwa gefordert wird, das letzte Richterwort müsse dem Staat zustehen, oder diesem sei sein Gewaltmonopol112 jedenfalls zu garantieren, so wird weder 110
s. FN 6; aus früherer Zeit vgl. bereits Bull, H. P., Staatsaufgaben nach dem GG, 1973. „Notwendige“ Staatsaufgaben werden in der Regel in Verbindung gebracht mit dem zu ihrer Erfüllung erforderlichen Einsatz der Hoheitsgewalt, jedenfalls mit dem Verbot der Auslagerung der Staatsaufgaben auf private Träger. Hier ist es aber, gerade im Bereich der Daseinsvorsorge, zu weitgehender „Aufweichung“ im Verwaltungsprivatrecht gekommen, vgl. neuerdings Pitschas, R./Schoppa, K., DÖV 2009, 469 ff. 112 Das „Gewaltmonopol des Staates“ ist an sich ein nicht unproblematischer Begriff, s. Leisner, W., Demokratie – eine „friedliche Staatsform“? Zu Friedenspflicht und Gewaltmonopol im Innern, JZ 2005, 809 (813 f.). 111
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deutlich, wie weit dies denn begrifflich reichen soll, noch finden sich darin auch nur ansatzweise Legitimationen dafür, dass gerade und nur durch solche Veranstaltungen Staatlichkeit in ihren wesentlichen Zentren gesichert werden kann; jedenfalls brechen Legitimationsbemühungen hier regelmäßig rasch ab. c) Eine nähere Bestimmung eines Förderungsbegriffes aus dem der Staatsaufgaben heraus begegnet aber bereits inhaltlich erheblichen und herkömmlichen Schwierigkeiten: Der Begriff der Staatsaufgaben, als solcher betrachtet, ist und bleibt unklar, jedenfalls kontrovers. Dies hat sich sogar dort in fast schon spektakulärer Weise gezeigt, wo diese Aufgaben im Zusammenhang mit „hoheitlichen Befugnissen“ bestimmt und gewahrt werden sollten: bei den so genannten „notwendigen Beamtenaufgaben“ nach Art. 33 Absatz 4 GG113: Hier sind große und traditionelle Bereiche von lange Zeit unbestrittenen Staatsaufgaben, mochten sie nun in hoheitlicher Form wie bei der Post oder in solchen des Privatrechts wie bei der Bahn erfüllt werden, Privatisierungsschüben der letzten Jahrzehnte zum Opfer gefallen; ob hier überhaupt noch von Staatsaufgaben die Rede sein kann, wie weit dieser Begriff noch Organisationsstrukturen, Kontrollen, Aufgabenerfüllungen prägen kann, ist in völliges dogmatisches Dunkel verschwunden. Aus dem Begriff von „Gemeinschaftswichtigen Diensten“, der früher einmal dies alles, die „Daseinsvorsorge“ überhaupt, dem Staat, und seinen Untergliederungen vorbehalten wollte, lässt sich keine fassbare dogmatische Präzision mehr gewinnen. Mit den Privatisierungen ist grundsätzlich der Staatsaufgaben-Begriff als solcher dogmatisch nutzlos geworden, fassbar nunmehr allenfalls noch in seinen vor allem grundrechtlichen, gleichheitsmäßigen, Beschränkungen. d) Deutlich wird dies vor allem dort, wo öffentliche Veranstaltungen, und hier wieder vor allem staatliche Förderung, unter den Gesichtspunkten einer allgemeinen Wettbewerbsfreiheit zu beurteilen sind. Vor allem der Kommunalwirtschaft gegenüber haben mehr oder weniger ausgeprägte Subsidiaritätsklauseln114 letztlich doch eher zu einer unklaren als zu einer deutlichen Schrankenziehung für öffentliche Veranstaltungen geführt, von denen vor allem auch wettbewerbliche Förderungswirkungen ausgehen. Was sind denn schon Tätigkeiten, welche die öffentliche Hand „besser und wirksamer“ vornehmen kann als Private, liegt darin nicht nur ein Rückgriff auf ökonomische Realität, damit eine Abdankung rechtlich ordnender Kategorik? Deutliche Zielbestimmungen lassen sich daraus ebenso wenig ableiten, wie eine Einbettung des Förderungsverhaltens in die Marktwirtschaft, als deren Effizienzsteigerung oder auch nur funktionierende Bewahrung.
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Aus einem Begriff der „notwendigen Beamtenaufgaben“ lassen sich dann nicht „notwendige Staatsaufgaben“ ableiten, wenn Ersteres gerade aus Letzterem bestimmt werden soll, vgl. Jachmann in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 3 Rn. 31 ff., insb. 34 m. Nachw. 114 Zum Zurücktreten der kommunalen Wirtschaftstätigkeit in Subsidiarität vgl. u. a. Hill, H., In welchen Grenzen ist kommunal-wirtschaftliche Betätigung Daseinsvorsorge? BB 1997, 425 ff.; Ruthig, J./Storr, St., Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2005, S. 241 ff.; Ziekow, J., Öffentliches Wirtschaftsrecht 2007, S. 120 ff.
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
e) Der Hinweis auf die Erfüllung von „Staatsaufgaben“ kann also dogmatische Grundlagen einer Förderstaatlichkeit nicht aufzeigen. Allenfalls ergibt sich daraus eine deutliche Tendenz zu deren allgemeinem Abbau. Dies ist ja auch die notwendige Folge einer Konzeption, welche eben, wie erwähnt, Staatsaufgaben letztlich aus dem Staatshoheitsbegriff heraus definieren will; doch gerade diese Staatgewalt fällt zunehmend demokratischer Gewalterosion zum Opfer, jenem „Gewaltabbau“115, der die Bürger in eine, wenn auch noch längst nicht näher definierte, allgemeine Gewaltfreiheit entlassen will. Mit allgemeinen Begriffen wie dem einer Subsidiarität marktwirtschaftlichen Verhaltens öffentlicher Träger, der aber praktisch meist nur auf eine rechtlich kaum mehr fassbare „staatlich/kommunale Zurückhaltung“ hinausläuft116, ließe sich eine Förderstaatlichkeit nicht auf- oder gar ausbauen. Sie bliebe dann nichts als eine molluskenhaft-unbestimmte staatliche Reservegewalt, die aus solcher „Zurückhaltung/Reserve“ heraus tätig würde. Staatsaufgaben: Das weist allenfalls eine ganz allgemeine Richtung, nicht dogmatische Orientierungen.
3. Förderstaatlichkeit: Nähere Bestimmung aus bisherigen Subventionsformen? a) Bleibt der Versuch der Bestimmung des Wesens staatlicher Förderungstätigkeit aus (bisherigen) Formen der Gewährung derartiger Staatshilfen. Unterschieden wird hier herkömmlich nach Direkthilfen, indirekter Förderung über Abgabenverschonung und einer privaten Förderung, die ihrerseits wieder in diesen ersteren beiden Formen von öffentlichen Trägern unterstützt werden kann. Alle diese formalen Modalitäten werden in dem erstaunlich wenig hier beachteten § 12 des Stabilitätsgesetzes seit langem zusammengefasst unter dem Begriff einer dort offensichtlich weit verstandenen Staatsförderung117. Sie wird in diesem Zusammenhang allerdings eben doch nur haushaltsrechtlich, nach Mittelherkunft, angesprochen, nicht in ihren daraus sich etwa ergebenden näheren Ausprägungen, insbesondere ihren Zielen. In sich sagen diese Unterteilungen über das Wesen des staatlichen Förderungsverhaltens, seine Zielsetzungen insbesondere, kaum etwas aus. Für das Verhalten des rechtschaffenen Bürgers ist es meistens gleichgültig, in welcher dieser Formen der Staat einen privaten Haushalt aufbessert, ob durch „direkte“ Geldzuwendungen oder über steuerliche Verschonungen/ Privilegierungen. Betriebswirtschaftlich fällt 115 Zum Abbau der Hoheitsgewalt als Zurücktreten lediglich der autoritären Machtstaatlichkeit s. Leisner, W., „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“ 2007, S. 154 ff., ders. Vertragsstaatlichkeit 2009, S. 17 ff. 116 In einer Subsidiarität, die sich am Ende in Garantiestaatlichkeit verläuft, vgl. Knauff, M., Der Gewährleistungsstaat, 2004, S. 59 ff. 117 § 12 StabG (Formen der Staatshilfen), s. Gusy, Chr., Subventionsrecht (I), JA 1991, 286; Kirchhof, P., Steuersubventionen, in: FS f. Selmer, 2004, S. 745 ff.; Leisner, W. G., Das europarechtliche Beihilfeverbot in Art. 87 I EG, EuZW 2006, 648.
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dies allenfalls hinsichtlich des Wirksamkeitszeitpunkts ins Gewicht, von Aufwendungen vielleicht noch, welche der Private dafür einzukalkulieren hat, vor allem entsprechend der Nachhaltigkeit/Regelmäßigkeit, in der die Zuwendung erfolgt. Das hat Auswirkungen auf ein Förderungsvertrauen, das seinerseits wieder die Förderungswirkungen nicht unwesentlich bestimmen mag. Doch all dies erreicht den Bürger in einer derart vielfältigen Brechung, dass sich daraus, in der Betrachtung der Herkunft aus staatlichen Quellen, dogmatische Kategorien kaum ableiten lassen. Allenfalls mag noch eine größere Allgemeinheit bei Steuerverschonungen gegenüber Direktsubventionen feststellbar sein, längst aber schon nicht mehr ein grundsätzlich größeres Vertrauen des Adressaten auf derartige, eben auch schon häufig nur sehr kurzfristige Förderungsgewährung. b) Die betriebswirtschaftliche Wirkungseinheit der verschiedenen Förderungsformen – und auf sie kommt es für den Adressaten ja letztlich allein an – zeigt sich bereits in der eben doch schon häufiger feststellbaren Austauschbarkeit der erwähnten Förderungsformen. Familienförderung kann in Direktzahlungen wie in Steuerverschonung gewährt werden, Denkmalschutz wird sowohl staatliche Subventionen in seinen Entscheidungen einkalkulieren als auch Abgabeerleichterungen118. All dies findet dann einheitlichen Niederschlag in den Entscheidungen des Geförderten, verbindet sich zu einer einheitlichen Förderungswirkung. Wirkungsangleichung ist auch festzustellen in Kontrollverhalten und Überwachungswirkungen seitens der förderungsgewährenden Instanzen. Bei direkten Hilfen erfolgen sie über Subventionsauflagen und Kontrollen von deren Einhaltung; doch letztlich geht es immer um die Voraussetzungen der Gewährung, ihre Wirkungen stehen dabei nur selten im Vordergrund, lassen sich jedenfalls in die weitere Zukunft hinein kaum abschätzen. Voraussetzungskontrolle findet übrigens auch, und dies immer enger, im Bereich der Steuervergünstigungen statt, und auch hier nimmt die Verwaltung ja allein bisherige Ergebnisse zunehmend in den Blick, man denke nur an die (Wieder-)Erzielung von Einkünften nach längeren Phasen der Verlustabschreibung, welche den Betrieb als Einkunftsgrundlage erhalten sollte.119 Im Verhalten von kontrollierten Adressaten wie Förderunggebern vollzieht sich also eine Angleichung der Beurteilung hinsichtlich der Formen der Kontrollen der Verwendungen, manchmal gerade noch der Nahziele von Förderungswirkungen. Dies alles lässt es jedoch als höchst problematisch erscheinen, auf derartigen Erscheinungen der Hilfegewährung Bestimmungsversuche des Wesens der staatlichen Förderung aufzubauen – abgesehen davon, dass eben hier doch stets Formen, allenfalls noch Voraussetzungen, nicht aber daraus näher abzuleitende Zielvorstellungen er118 Dies gilt sowohl auf der Seite des fördernden Staates als auch seiner Normadressaten im weiteren Sinn; es vollzieht sich in jener typischen Form der „Haushaltskalkulation“, die auf Wirkungssicherheiten nicht setzen kann. 119 Zur Frage der steuerrechtlichen Verrechnung auch in Jahren, wo aus einem Betrieb kein Gewinn gezogen werden kann – wenn ein solcher nur später möglich ist – vgl. Birk, D., Steuerrecht, 11. A. 2008, § 5 Rn. 617; Jakob, W., ESt-Recht, 34. A. 2008, Rn. 137 ff.; Lang, J., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. A. 2008, § 9 Rn. 62 ff.; Rodewald, J., BB 2009, 356.
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kennbar im Vordergrund stehen. Was hier stattfindet, ist Formenbeschreibung der Staatsförderung, nicht deren dogmatische Durchdringung.
4. Staatliche Förderung privater Förderungstätigkeit – Gemeinnützigkeit a) Diese Form staatlicher Förderung weist Besonderheiten auf, die für eine spezielle Kategorie innerhalb der Begrifflichkeit der Förderstaatlichkeit sprechen. Dies bedeutet aber noch nicht, dass sich hier eine besondere Dogmatik der Gemeinnützigkeit entwickelt hätte, oder dass diese gar eine solche der Förderstaatlichkeit als solche Grund legen könnte. Vielmehr darf bereits – im Vorgriff – erwähnt werden, dass von einer systematischen Dogmatik der Gemeinnützigkeit bis heute ebenso wenig die Rede sein kann120, wie von einer systematischen Erfassung staatlicher Hilfen. Vielmehr hat sich hier gewissermaßen etwas entwickelt wie eine öffentliche Hilfstätigkeit am Rande des üblichen staatlichen Eingreifens in die Wirtschaftstätigkeit Privater; hier hat gewissermaßen der Staat seinen Frieden gemacht mit der ihn grundsätzlich ausschließenden Wirtschaftsfreiheit seiner Bürger. Entstanden ist etwas wie eine Förderung in Zweistufigkeit: Der Staat fördert Bürger, diese geben solche Unterstützungen, zusammen mit eigenen Leistungen, fördernd weiter an andere Private – und zwar im öffentlichen Interesse. Betriebswirtschaftlich betrachtet erweist sich eine solche Gemeinnützigkeit geradezu als etwas wie eine stufenförmige Joint Venture der Staatsinstanz und ihrer „privaten Mitgesellschafter“, welche aber in der besonderen Form der „non profit activities“ tätig werden – wobei allerdings Profitstreben dennoch in ganz verschiedenen Formen meist eine Rolle spielt: in (bescheiden) bezahlter Tätigkeit121, in persönlich befriedigender Aufgabenerfüllung, oder gar in werblicher Wirkung für durchaus „normales“ Gewinnstreben.122 Besonderheit dieser Förderungsform ist es insbesondere, dass hier Direkthilfen und abgabenrechtliche Entlastungen ganz deutlich zusammenwirken, so wie dies ihre betriebswirtschaftliche Betrachtungseinheit ja bereits nahe gelegt hatte, und zwar bis hin zu einer Austauschbarkeit der Wirkungen der einen oder anderen Unterstützungsform privater Gemeinnütziger. Unterschiedliche Abwicklungsformen der 120 Ansätze immerhin bei Hüttemann, R., Gemeinnützigkeit und Spendenrecht, 2008; vgl. auch Isensee, J., Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des GG, FS f. Dürig, 1990, S. 39; Leisner-Egensperger, A., Verfassungsrecht bei der steuerlichen Gemeinnützigkeit, FS f. Isensee 2007, S. 845; dies. Zweckkollision im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht, FS f. Merten 2007, S. 277. 121 Zu den Bezahlungen der Organwalter/Mitarbeiter vgl. Leisner-Egensperger, A., in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 55 AO Rn. 200 ff. m. Nachw. 122 Zum grundsätzlichen Verbot der Mitgliedernützigkeit s. Leisner-Egensperger, FN 121 Rn. 179 – es gibt aber eben doch weithin Mitgliedernützigkeit, trotz Selbstlosigkeit bei gemeinnütziger Tätigkeit, vgl. ebenda Rn. 182 ff.
I. Die Probleme der Förderungsbegrifflichkeit
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staatlichen Hilfen bleiben auf dem Niveau der Steuertechnik der Gemeinnützigkeit, ohne entscheidende Auswirkung auf Bestimmung oder Wirksamkeit des geförderten Verhaltens. b) Hier ergibt sich denn auch, als weitere Besonderheit dieser staatlichen Förderung, eine im Einzelnen gar nicht näher geregelte Verbindung von hoheitlicher Zielüberwachung der staatlichen Hilfen und jener privaten Förderungsfreiheit. Diese letzere lässt den Privaten, über welche der Staat seine Leistungen leitet, weitestgehende Freiheit in der Zielbestimmung, im Rahmen von lediglich sehr allgemeinen und noch genereller überwachten, gemeinnützigen Zielfestlegungen.123 Hier verliert sich eine nur mehr allgemein orientierte Staatsförderung in privaten Zielvorstellungen, welche in der Regel über den Charakter der gesamten Förderung entscheiden. In diesem schon traditionell weiten, in letzter Zeit immer noch stärker erweiterten Bereich zieht sich also der Staat im Grunde aus spezifischen Zielsetzungen weithin zurück, überlässt sie einer privaten, großflächig marktorientierten Bestimmung. Wenig bemerkt, aber durchaus konsequent, schiebt sich damit voll marktwirtschaftlich orientierter Liberalismus in die staatliche Mittelverteilung; die ständigen Appelle zu mehr „Volontariat“124, mehr ehrenamtlichem Einsatz für Gemeinschaftsbelange, verdeckt kaum noch die darin doch entscheidende Gegenbewegung: Es ist gar nicht mehr die Gemeinschaft, die hier, durch welche Instanzen immer, ihre Belange näher definiert. Gerade darin liegt aber ein, wie sich zeigen wird, wesentlicher Ansatz für eine zu entwickelnde, näher marktwirtschaftlich orientierte staatliche Förderungstätigkeit. c) In einer solchen staatlich geförderten, überdies noch durch Belobigungen und Ehren anerkannten Sponsorentätigkeit findet sich, darüber hinaus, eine ebenso bemerkenswerte weitere Wendung: Übergang von hoheitlich gewollten, jedenfalls näher überwachten und orientierten in gemeinnützige Tätigkeiten und Umsetzungsmodalitäten, die in aller Regel in Formen des Privatrechts, also eben der wesentlich privaten Marktwirtschaft ablaufen. Hier kommt es also gewissermaßen zu einer „Erneuerung der (bereits erwähnten) „Zwei-Stufen-Lehre“125 : Der Staat schafft durch seine Steuerhilfen weithin die materiellen Voraussetzungen, damit virtuell überhaupt erst die „Zulassung“ der geförderten Ziele zur Förderung, die Umsetzung aber erfolgt im Wesentlichen privatrechtlich; und hier gewinnt dies Letztere eindeutig praktisch die Oberhand über hoheitliche Rahmen-Festlegungen, die gesamte Förderung ist, nach Formen wie Zielen, immer mehr „privat geprägt“, allenfalls noch „öffentlich“ überwacht. Das öffentliche Recht zieht sich zurück auf eine Hilfestellung für privatrechtliches Verhalten. 123 Die Zielvorstellungen der Gemeinnützigkeit werden doch nur sehr allgemein inhaltlich in § 52 AO bestimmt und auch dementsprechend überwacht; das zeigt sich in dem dort verwendeten Begriff „Förderung“ als solchem, vgl. Leisner-Egensperger, FN 121 Rn. 40 ff., wie in dem der „Allgemeinheit“, welcher diese Förderung zugute kommen, s. ebenda Rn. 55 ff. 124 Durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerlichen Engagements v. 10.10. 2007, BGBl. I, 2007, S. 2332, wurden weitgehend die bisher nach Einkommensteuerrecht „besonders förderungswürdigen Tatbestände“ als „gemeinnützige“ in die AO aufgenommen. 125 Vgl. FN 108.
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
Aus der Sicht einer Rechtsstaatlichkeit mit ihren strengen, normativen Festlegungsformen mag dies als schwer erträglich erscheinen, und aus ihr „flieht“ ja eindeutig der Förderstaat, in dieser Weise, wieder einmal ins Privatrecht. Gerade darin aber eignet sich diese Förderungsform als private, marktwirtschaftliche Erhaltung und Verbesserung eines „privaten Funktionierens“ betriebswirtschaftlicher Hilfen. Der Staat transzendiert eben hier eindeutig in den Bereich der privaten Abwicklung, die von ihm gewünschten und geförderten gemeinnützigen Sponsoren werden tätig als seine „privaten Helfer“, in der Eigenphantasie eigentlich privater Zielsetzungen. d) Hier entfaltet sich also etwas höchst Bemerkenswertes als ein möglicher Ansatz für eine hier zu entwickelnde marktkonforme Förderstaatlichkeit, bereits als ein geradezu organisationsrechtlicher Ansatz derselben: Die Gemeinnützigkeit gilt es zu entwickeln – und Schritte in diesem Sinne wurden bereits unternommen, weitere werden folgen – sie muss und wird sich entfalten im Sinne einer Neuauflage der gesamten Beleihungs- und Verwaltungshelfer-Dogmatik126, über staatlich geförderte Sponsoren als Verwaltungshelfer fördernder, in diesem Sinne durchaus „privater Staatlichkeit“. Förderung erweist sich darin als ein wesentlich privatrechtliches, jedenfalls privatförmliches Tun, ausgehend von Staatsinstanzen, gestärkt und differenziert durch Private. Die bisherigen Betrachtungen waren, gerade in dem hier schließenden Kapitel, bestrebt, Ausgangspunkte einer Förderungsdogmatik aus bisherigen Entwicklungen zu gewinnen. Die Staatsförderung zeigt sich hier als privater Förderung nahestehend, ja geradezu als eine Form derselben, und dies kann dann über marktwirtschaftskonformes Denken zu Staatsgrundsätzlichkeit emporwachsen. Die Untersuchung dazu muss nun in einem weiteren Abschnitt fortgesetzt werden, welcher sich mit Bemühungen befasst, welche im Mittelpunkt des geltenden Subventionsrechts stehen.
II. Verfassungsvorgaben für den Förderstaat: die grundrechtlichen Freiheiten 1. Aufbau-Stufen einer staatlichen Förderungsdogmatik a) In der direktiven Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist Förderstaatlichkeit als ein Teilsystem des staatlichen Ordnens nur vorstellbar auf der Grundlage von Verfassungsvorgaben und deren konsequenter Entfaltung in einfacher Gesetzgebung und Administration. Jeder Versuch, staatliche Förderungstätigkeit in einer rechtlich nicht eindeutig fassbaren Rand-Grau-Zone der Staatstätigkeit zu sehen, sie nicht Zielsetzungen der Verfassung zuzuordnen – und seien diese noch so allgemein – muss an 126
Wolff, H. J./Bachof, O./Stober, R., Verwaltungsrecht Bd. 3, 5. A. 2004, § 90a Rn. 1.
II. Verfassungsvorgaben für den Förderstaat
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der Staatsgrundsätzlichkeit, an der Rechtsstaatlichkeit scheitern127. Verfassungsvorgaben müssen also deutlich werden, nicht nur Verfassungsschranken, denn staatliche Förderung richtet sich, wie bereits dargelegt, wesentlich auf Ziele, nur über ihre, wenn auch umrisshafte, Bestimmung kann sie determiniert werden. Da sich Förderung wesentlich auf staatsexternes Verhalten richtet, können sich ihre Ziele nur an denen des Grundrechtsschutzes Privater orientieren. Die staatsinterne Förderung der Eigenorganisation mag sich an deren jeweiligen Verfassungswertigkeiten ausrichten; dies aber bleibt im Folgenden außer Betracht.128 b) Diese grundrechtlichen Verfassungsvorgaben für eine Förderungstätigkeit des Staates können nicht als beliebig nebeneinander stehend verstanden und dann einer näher zu bestimmenden praktischen Konkordanz (Konrad Hesse) überlassen werden. Versucht werden muss eine, wenn auch nur grundsätzliche, Systematisierung dogmatischer Stufen, in welchen diese Förderungstätigkeit erfasst, rechtlich geordnet werden kann. Im folgenden Kapitel soll dies in drei Schritten geschehen: In einem ersten Blick auf die allgemeine verfassungsrechtliche Gleichheit und ihre Probleme, ihre Konkretisierungsbedürfnisse (i. Folg. 2.); sodann in spezieller Zuordnung der Förderstaatlichkeit zur Marktwirtschaft, welche ihr Ziel und Rahmen bietet, damit in einer Konkretisierung zu einer „Gleichheit auf Märkten“ in Wettbewerbsgleichheit (i. Folg. 3. Und 4.); schließlich in der Erfassung des Freiheitsgehalts der staatlichen Förderung in ihrer Zielrichtung auf Eigentums- und Berufsfreiheit als Voraussetzungen des Marktgeschehens (i. Folg. 5.), als der eigentlichen Zielbestimmungsgrößen, damit dogmatische Grundlagen staatlicher Förderungstätigkeit.
2. Förderstaatlichkeit und allgemeine Gleichheit Auf dieser ersten Stufe der Prüfung von Verfassungsvorgaben der Förderstaatlichkeit finden sich bisher, im Schrifttum wie vor allem in der Rechtsprechung, die bei weitem meisten, nahezu alle wesentlichen Aussagen. In der weit überwiegenden Zahl der Fälle befassen sie sich mit dem Problembereich einer generellen Förderungsgleichheit129, mit der Frage also, ob bestimmte Förderungsvoraussetzungen nicht auch bei anderen, möglicherweise ebenfalls Anspruchsberechtigten, vorliegen. 127 Rechtstaatlichkeit ist eben nicht nur ein formaler, sondern zu allererst ein materieller Begriff, als solcher aber nicht allein auf konkrete Freiheitssicherungen beschränkt, mögen diese auch herkömmlich im Vordergrund stehen, vgl. Sommermann, H.-P., in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG 5. A. 2005, Art. 20 Rn. 231 ff. 128 Einschließlich, als deren Relativierung, der staatlichen Förderungsfreiheit, vgl. i. Folg. 6. 129 Die Gleichheit wurde stets als zentrale Verfassungsvorgabe des Subventionsrechts angesehen, siehe bereits Götz, V.; Das Recht der Wirtschaftssubventionen, 1966, S, 263 ff; Kreussler, H., Der allgemeine Gleichheitssatz als Schranke für den Subventionsgesetzgeber, 1972. Dennoch nimmt der allgemeine Gleichheitssatz im Subventionsrecht (vgl. Nachweise FN 93) nicht den ihm zukommenden zentralen Platz ein, da diese Probleme vor allem im Rahmen der Wettbewerbsgleichheit behandelt werden.
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
Diese Problematik wiederum kann sich in ganz allgemeiner Form dahin stellen, ob Gleichheitsverstoß nicht schon darin liegt, dass Hilfe nicht möglicherweise Berechtigten unter gleichen Voraussetzungen ebenfalls gewährt wird. Hier wird also geprüft nach Kriterien reiner Normanwendungsgleichheit, eine Freiheitsfrage, insbesondere in Wettbewerbsbeziehungen, der Beeinträchtigung des einen durch Förderung des anderen, wird nicht gestellt. Damit werden im Wesentlichen die staatlich gesetzten Förderungsziele als solche hingenommen, in reiner Rechtsanwendungsgleichheit überwacht. Eine solche Betrachtung kann zu einer Dogmatik der Förderstaatlichkeit als solcher nichts Wesentliches beitragen, weil sich aus ihr keine Aussagen über verfassungsrechtliche Zielsetzungen ergeben; sie erschöpft sich in Erweiterung straff gesetzter Vorgaben, über diese selbst und ihre Zulässigkeit trifft sie keine Festlegung. a) Aus der bisher weitgehenden Konzentration rechtlicher Bemühungen auf diese reine Gleichheitsprüfung, welche nähere Beziehungen zwischen den Förderungsadressaten gar nicht voraussetzt, sondern nur deren gleichartige Interessenlage, ergibt sich aber eine im Ergebnis bedenkliche Ausuferungs-Konsequenz: Da Förderungsziele in der Regel nur sehr allgemein bestimmt werden, fällt es oft nicht schwer, für ihre Ausdehnung Gleichheitsgesichtspunkte zu bemühen130. Gerichtliche Prüfung der Anwendungsgleichheit muss deshalb versuchen, hier im Zweifel restriktiv zu entscheiden. Denn andernfalls verlöre sich eine – wenigstens tendenzielle – „Förderung aller“ im Selbstwiderspruch der Förderung, zielt diese doch immer auf auswählende Unterstützung, nicht auf „Massen-Förderung“.131 Gerade hier müssen die staatlichen Förderungsgewalten in einer Demokratie die politischen, um nicht zu sagen: die demagogischen Gefahren der Förderstaatlichkeit gerade in dieser Staatsform in Grenzen halten : Fragestellungen wie „Was nützt dies der breiten Masse der Bürger?“ beherrschen praktisch demokratische Politik nicht nur in Vor-Wahl-Zeiten in einer Weise, dass dies geradezu schon als ein zwingendes demokratisches Schicksal scheint, für Herrschende, welche eben in solcher Ausuferung zu Unverantwortlichen werden. Berufen kann sich eine solche Entwicklung sogar auf noch höhere, eben von allgemeiner Gleichheit getragene Förderungsgrundsätze, bis hinauf zu jenem übergeordneten Prinzip einer Wohlfahrtsstaatlichkeit132, die auf das plus grand bien du plus grand nombre zielt. Ins Staatsorganisatorische übersetzt lässt sich dies dann sogar noch mit einer Stärkung des Allgemeinen Willens
130 Sowohl beim Adressatenkreis wie auch zur Leistungshöhe, vgl. dazu Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 3 Rn. 205 ff. Die Gleichheitsbindungen reichen übrigens weiter, etwa auch bis zu den Leistungskonditionen und zum Leistungsverfahren. 131 Dass Ausuferung zur Massenförderung mehr ist als eine theoretische Möglichkeit, zeigt sich staatsrechtlich etwa darin, dass Sozialhilfe und Subventionen nicht zufällig in einer der führenden Kommentierungen des GG sich in deutlicher redaktioneller Nähe finden, s. Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005 Art. 3 Rn. 189 ff / 203 ff. 132 Vgl. oben B. I.
II. Verfassungsvorgaben für den Förderstaat
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im Sinne Rousseaus rechtfertigen: Mehrheitsdemokratie als Herrschaft durch ausufernde Förderung.133 b) Allgemeine Gleichheit als Verfassungsvorgabe beinhaltet nicht nur einen Zug zu genereller Ausuferung staatlicher Förderung, sondern auch zu einer qualitativen Wandlung derselben zu einem Schwächerenschutz134. Wenn die Anwendung von Förderungsbestimmungen mit ihren weiten Zielsetzungen allein mit Blick auf aktuelle Leistungsfähigkeit der Adressaten erfolgt, so führt ein solcher Prüfungsansatz notwendig zu grundsätzlichem Schwächerenschutz als allgemeinem Ziel staatlicher Förderung. Denn jener bedeutet ja, geradezu begrifflich, eine allerallgemeinste Zielsetzung sämtlicher Hilfegewährungen: ihre Ausrichtung auf „Bedürftigkeiten“. Hier nun kann leicht eine grundlegende, für eine Förderungsdogmatik aber fatale, Wendung sich einschleichen und dann vollzogen werden: „Bedürfnisse“ müssen eben noch irgendwie näher rechtlich bestimmt werden, aus Bezugspunkten heraus, welche sie dann überhaupt erst legitimieren können. Und hier teilen sich nun die Betrachtungswege: Förderung kann sich auf bestimmte Ziele richten, auf ein Verhalten des Begünstigten in gewissen, rechtlich bestimmten Zusammenhängen, auf die daraus sich ergebenden, insbesondere wirtschaftlichen Folgen für eine (die) größere Gemeinschaft – also in marktorientierter Unterstützung. Ebenso lässt sich aber ein ganz anderer Weg verfolgen: „Bedürfnisse“ werden nur gesehen mit Blick auf eine durch die wirtschaftliche Lage des Förderungsadressaten bestimmte allgemeine „Bedürftigkeit“ – dann wandelt sich jede Förderung, worauf immer sie sich richten mag, sogleich zum „sozialen Schwächerenschutz“. Gleichheit als Verfassungsvorgabe in der Anwendung von Förderungsnormen bestimmt dann deren Zielsetzung im Sinne einer (vielleicht gar vorrangig zu verfolgenden) Richtung der Herstellung allgemeiner sozialer, insbesondere wirtschaftlicher, Gleichheit. Die Besonderheit der Problematik, damit ihre außergewöhnliche Wirkungsstärke, liegt darin, dass sich beide möglichen Wegerichtungen, beide vorstellbaren Zielrichtungen, die einer Verhaltenslenkung auf bestimmten Märkten und die ganz andere einer Förderung des Wohlstands, der generellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vieler Schwächeren, oft nahezu unentwirrbar, jedenfalls kaum überprüfbar135, verbinden und gegenseitig hochschaukeln: Je mehr sich die wirtschaftliche Kraft, vor allem die Kaufkraft bestimmter Gruppen von Bürgern, oder gar der „breiten Masse“ durch staatliche Förderung steigern lässt, desto sicherer ist bei all diesen Adressaten ein bestimmtes, vor allem wirtschaftliches, Verhalten zu erwarten. Eine Konsumsteigerung 133 Wobei allerdings völlig unterschiedliche Mehrheitsvorstellungen eingesetzt werden, vgl. i. Folg. F. III. 1., 2. 134 Zum Schwächerenschutz s. bereits oben A. II. 1. 135 Diese allgemeine sozialpolitische „Hochzonung“ zu „mehr Gleichheit auf allen Gebieten“, damit aber vor allem zu mehr allgemeinem Wohlstand, war von Anfang an Ziel zugleich und dynamische Kraft des schon früher eingehend beschriebenen „Gleichheitsstaates“, vgl. Leisner, W., Der Gleichheitsstaat. Macht durch Nivellierung, 1980 = Derselbe, Demokratie, 1998, 191 (341 ff).
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
kann dann als positives Förderungsergebnis vom allgemeinen Wohlstand „verengend rückgerechnet“ werden auf die Erreichung bestimmter Förderungsziele auf Märkten, welche in anderem, weniger generalisierten Förderungsverständnis, mit anderen selektionierenden Maßnahmen in dieser Weise gar nicht erreichbar erscheinen. So wird dann in einen Begriff der allgemeinen Wohlstandsförderung gezielte Staatsförderung ebenfalls als solche einbezogen, sie verdämmert jedoch in nahezu totaler rechtlicher Unfassbarkeit oder in vagen politischen Hoffnungen. c) Diese Folge einer allgemeinen Gleichheit als Vorgabe und Prüfungskriterium staatlicher Förderung – Gemengelage von individueller Bedürftigkeit und marktorientiert bestimmten Förderungszielen, damit eine allgemeine Wandlung der Förderung zum Schwächerenschutz – gerade dies wird zum Grundsatzproblem für eine Dogmatik des Förderstaates. Hier wandelt sich dann der Gleichheitsgehalt einer irgendwie doch punktuell-zielgerichteten Förderung in allgemeine Bürgergleichheit, allenfalls noch in eine Steigerung des generellen Wohlfahrtsniveaus; jede Spezifik staatlicher Förderungsanstrengungen droht sich darin zu verlieren. Zugleich schwächt sich entsprechend eine die Förderung im Sozialstaat grundsätzlich legitimierende Freiheitskomponente ab136 ; auch sie wandelt sich in eine Förderung nach Bedürfnis-Bedürftigkeit in einer Wirkungsweise, die jedenfalls mit liberalen Förderungsvorstellungen wenig mehr gemein hat: Es geht dann vor allem um eine Verbreiterung allgemeiner wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Bürger durch Staatsleistungen, die in einer möglichst gleichen Form gewährt werden sollen. Allgemeingrundsätzlicher Zielhorizont kann hier nur die Erreichung einer Gleichheit sein, die möglichst Jedermann die Grundlagen für eine ebenfalls gleiche Freiheitsbetätigung eröffnet – derartige Staatsförderung richtet sich auf das übergreifende Ziel der Schaffung „realer Grundlagen der Freiheit“; und damit wird dann bereits der Anschluss an Diskussionen und Bestrebungen der Schaffung realer Freiheitsgrundlagen als Voraussetzung jeglicher Freiheitsausübung erreicht.137 Die Beschränkung einer Prüfung von Verfassungsvorgaben für staatliche Förderung auf allgemeine Gleichheitskriterien bleibt also entweder stehen bei reiner Anwendungs- und damit Förderungsabwicklungsgleichheit – oder sie leistet einer Erweiterung von Förderungszielen über verfassungsrechtlich gestützten Gleichheitsvergleich Vorschub, droht damit in Wohlfahrtsförderung großer Bürgergruppen, Wählermassen oder der Bürgergesamtheit schlechthin zu enden. Jedenfalls geht ihr damit eine Spezifik verloren, welche aber doch grundsätzlich-begrifflich im Förderungsbegriff angelegt ist.
136 Hier wird dann ganz allgemein gefördert im Namen einer „Sozialstaatlichkeit“, in der aber doch auch Freiheitsschutz wesentliches Ziel sein sollte, Sommermann, FN 127, Rn. 108 ff; d. h. aber Förderung nicht mehr im Sinne einer individuellen, sondern einer bereits im allgemeinen Wohlstand kollektivierten Freiheit. 137 Um diese „realen Grundlagen der Freiheiten“ ging es bereits in der Diskussion um die „sozialen Grundrechte“, vgl. dazu Leisner, W.G., FN 68, S. 161 ff.
II. Verfassungsvorgaben für den Förderstaat
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3. Gleichheit: aber auf funktionierenden Märkten – Wettbewerbsgleichheit a) Auf einer – in Anwendungsgleichheit notwendigen – ersten Stufe darf also eine Prüfung der Verfassungsvorgaben für staatliche Förderung nicht stehen bleiben. Aus dem Förderungsbegriff ergibt sich jedenfalls die Notwendigkeit einer Zielverengung öffentlicher Förderungsanstrengungen, die sich nicht in allgemeiner Wohlfahrtssuche verlieren dürfen, darin völlig überfordert würden. Es droht sonst etwas ganz anderes: Beschränkung aller staatlichen Förderungen auf Schwächerenschutz, mit dem allgemeinen Ziel einer Einebnung der Bedürfnislagen sämtlicher Bürger. Dies kann nur von der Hoffnung getragen sein, dass sich aus einem solchen, wenigstens annäherungsweise erreichten Zustand eine staatliche und vor allem wirtschaftliche Ordnung ergeben wird, welche diesen Zustand halten und perfektionieren wird – in reiner egalitärer Gerechtigkeit, von nicht Wenigen heute „soziale Gerechtigkeit“ genannt.138 Dies mag eine Ordnungsvorstellung sein, doch sie gibt keine Antwort auf die entscheidende Frage nach den „Produktionskräften“ eines solchen Zustandes im weiteren Sinn, vor allem nicht nach den wirtschaftlichen Mechanismen, in denen sich ein solcher Zustand optimierend-statischer Gleichheit aus sich selbst heraus soll halten können. Antwort auf die Frage wurde mit dem Zusammenbruch der reinen Gleichheitsordnung des marxistisch-kommunistischen Staates gegeben139 : In dieser Lage bewegt sich nichts mehr, da alles in Ordnung erstarrt ist. Es muss daher, aus Erfahrungen der neuesten Geschichte heraus, ein Schritt zur anderen großen Alternative heute geradezu als eine faktische Selbstverständlichkeit erscheinen: Märkte muss es geben, nur aus ihrer bewegten Dynamik heraus kann sich überhaupt etwas aufbauen und halten, was den Namen einer Staatlichkeit verdient. Dann aber ist eines angesagt: Herstellung eines grundsätzlichen Bezuges der Förderung zu Entstehen, Bestehen und Funktionssteigerung dieser Märkte, auf sie müssen sich alle Förderungsanstrengungen des Staates richten, in ihre Dynamik sind sie einzubinden. Gleichheit kann also nicht nur geprüft werden als allgemeine Verfassungsvorgabe in dem Sinne, dass die Unterstützung des einen auch jedem Gleichbedürftigen anderen zuteil werden müsste. Zwischen allen Förderungsberechtigten müssen bestimmte, rechtlich definierte Beziehungen bestehen, in welchen eine gewisse Gleichheit 138 „Soziale Gerechtigkeit“ wird immer mehr nicht zum verfassungsrechtlichen, sondern eher zum verfassungspolitischen Topos, vgl. etwa Sanders, K., in : Armut und Teilhabe, 2008, S. 11; Nollert, M., Gleichheit und Gerechtigkeit in der Marktwirtschaft, in: Budowski, M. / Nollert, M. (Hrsg.), Soziale Gerechtigkeit, 2008, S. 89; Ullrich, C. G., Gerechter Wohlfahrtsstaat? ebenda S. 64. Das BVerwG verwendet ihn allerdings in sehr allgemeiner Weise, s. etwa E 35, 202 (234 f); 59, 231 (263); einen – seltenen – Differenzierungsversuch (Bedarfsgerechtigkeit, Leistungsgerechtigkeit, Besitzstandgerechtigkeit) unternahm einst Zacher, H., Verfassung und Sozialrecht, FS f. Dürig, 1990, S. 67 (69). 139 Soweit dort noch „etwas von Markt“ sich halten konnte, war es nur mehr eine Art von Abwicklungsgehorsam gegenüber staatlicher Marktordnung, welche jede „Förderung“ zementiert hatte. Zur Notwendigkeit ihrer Unterscheidung vgl. unten D. V.
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
herzustellen und zu bewahren ist; dies aber sind die Märkte, nur sie können derartige Beziehungen knüpfen. Und hinzu tritt nun eine zweite, notwendige Erkenntnis, aus dem Wesen dieser Märkte ebenso heraus wie aus dem der staatlichen Förderung: Deren Sinn kann es nicht sein, in diesen Markträumen lediglich maximale Gleichheit herzustellen, bis zur Nivellierung der Leistungsfähigkeit zwischen den Marktteilnehmern.140 Im Begriff des Marktes liegt hier geradezu, dass es hier Abstufungen von Leistungsfähigkeiten geben muss, sogar als Bedingung der Marktteilnahme als solcher. Daraus entsteht ja gerade jene Dynamik, welche der reinen „Gleichheit der Bedürfnisse“ notwendig fehlt. Es kann also nicht genügen, den Begriff der allgemeinen Gleichheit für staatliche Förderung zu modifzieren, zu verengen in Richtung auf eine aber ebenfalls völlige Wettbewerbsgleichheit unter Marktteilnehmern. Nicht umsonst ist auch diese, gewiss wichtige, Konkretisierung der Gleichheit bisher nicht radikal-durchgehend, sondern nur in vorsichtiger Annäherung praktiziert worden.141 Darin liegt die bereits in der bisherigen Entwicklung angelegte zweite Stufe einer Förderungsdogmatik: Sie lässt nicht mehr nur auf Anwendungsgleichheit sehen, nimmt vielmehr in den Blick auch die Wirkungen der Marktteilnahme auf die unterschiedlichen Akteure in diesem Raum, die aber gerade deshalb wesentlich auch verschieden bleiben müssen. Was zwischen ihnen an Gleichheit dennoch zu wahren ist, auch im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Freiheit, ist nicht ihre konkrete Lage, ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Folge der Marktteilnahme, sondern ein, der Gleichheit gegenüber, „völlig anderer Begriff“: der des Funktionierens dieser Märkte. D.h.: Gleichheit wird in erster Linie als eine solche möglicher Marktteilnahme in der Verfassung vorgegeben, von Staatsinstanzen gefördert und überprüft. Das „Funktionieren der Märkte“ hat gewiss einen wichtigen Gleichheitsgehalt, der auch ihre jeweiligen und virtuellen Teilnehmer schützt. Sie müssen in einer Weise konstituiert, abgegrenzt und organisiert sein, dass ein Minimum an Zugangsfreiheit für möglichst viele Teilnehmer besteht, diese Voraussetzung ist heute sowohl eine ökonomisch-technische wie eine demokratisch-politische Notwendigkeit. „Geschlossene“ oder auch nur oligopolistische Märkte werfen unter dem Gesichtspunkt des Funktionierens Probleme auf, welche sich durch zugangserschwerende Staatsförderung nur noch verstärken müssten. Entscheidend bleibt aber ein Grundsatz staatlichen Förderungsrechts: Die Förderung muss Gleichheit des Zugangs zum Wettbewerb stärken, die Gleichheit der Wettbewerber nur, soweit jenes erstere Ziel es erfordert.142 Der Blick der Förderung richtet 140
Markt“ verlangt nicht, er verbietet sogar völlige Gleichheit, grundsätzlich ist auf ihm auch Vernichtungswettbewerb zulässig, vgl. Leisner, W. G., FN 68, S. 215 ff. 141 Wettbewerbsgleichheit bedeutet eben Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen, nicht der Wettbewerbsergebnisse. Sie dient stets primär der Wettbewerbsfreiheit. Dies gilt selbst für einen Bereich, in dem die Wettbewerbsgleichheit besonders ausgeprägt ist, dem der Medien, wegen der dort notwendigen, technisch begründeten Enge der Märkte, vgl. dazu bereits, Leisner, W., Die Pressegleichheit 1976, S. 156 ff. 142 Gleichheit „im“ Wettbewerb, nicht „der“ Wettbewerber ist denn auch die überzeugende, herkömmliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe-
II. Verfassungsvorgaben für den Förderstaat
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sich also nicht auf Einzelkräfte, auf Einzelbedürfnisse der Akteure, sondern auf sektorale Gesamtlagen vielfältiger Bedürfnisbefriedigung. Marktförderung ist sekundär vielleicht, aber eben gerade nicht primär Schwächerenschutz. Hier hat die Sicherung der Wettbewerbsgleichheit durch staatliche Förderung ihren Platz. Erfolgt letztere, insbesondere im Abgabenrecht, in einer Weise, dass sie nicht mehr auch nur einigermaßen gleichmäßig wirkt für alle Markteilnehmer, so dass diese derart gleichmäßige Wirkungen selbst durch große Anstrengungen für sich nicht erreichen können, so sind nicht nur sie in ihrem konkreten Gleichheitsrecht, ihrer Wettbewerbsgleichheit beeinträchtigt; ein Verstoß gegen Verfassungsvorgaben liegt dann bereits darin, dass der Förderstaat nicht auf das Funktionieren der Märkte den Blick gerichtet hat, welches den Marktteilnahmeanspruch der Akteure grundlegt und begrenzt. Hier zeigt sich denn auch, dass die Verengung der Gleichheitsbeziehungen auf Marktteilnahme, wie sie staatliche Förderung voraussetzt, darauf gerichtet sein muss, die Offenheit des Marktzutritts zu erreichen und zu erhalten. Dies ist nach qualitativen wie insbesondere auch nach quantitativen Kriterien zu bewirken und zu beurteilen. Gerade hier kann ja leicht Quantität in Qualität umschlagen; zu enge quantitative Eingrenzung der Förderungsanstrengungen führt notwendig zu einer qualitativen Verengung der Märkte. Damit aber ist nun der Punkt erreicht, an dem die Förderungsgewalt der staatlichen „Setzung“, der „Schaffung von Marktbedingungen“ ihre liberal zu verstehenden Grenzen finden muss. Dem Staat kann es nicht freistehen, beliebig Aktionsräume abzustecken, marktpolizeilich zu kontrollieren und ihr Funktionieren inhaltlich zu fördern; er muss hören – und dies ist die Besonderheit dieser Markteinbettung staatlicher Förderung – auf die wirtschaftliche Wirklichkeit. b) Märkte die und wie sie funktionieren sollen – das ist keine Entscheidungsmaterie der Staatlichkeit, ihre Bestimmung ist keine Staatsaufgabe. Und hier geht eine Förderung von der Gleichheit, in welcher sie den Zugang offen halten muss, über in ein wesentlich anderes Marktelement, die marktwirtschaftliche Freiheit. „Markt“ – das ist kein staatlich gesetzter, sondern ein staatlich rezipierter Begriff der Ökonomie im weiteren Sinne des Wortes.143 Der Staat kontrolliert marktordnend seine Außengrenzen, mit den Förderungen seine inneren Abläufe, aber nur soweit sein Funktionieren als solches, damit der Markt überhaupt, als gefährdet erscheint.
schränkungen, vgl. Rittner, F./Kukla, M., Wettbewerbs- und Kartellrecht, 7. A. 2008, S. 161 ff; Künzler, A., Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit? Zur Frage nach den Aufgaben des Rechts gegen private Wettbewerbsbeschränkungen, 2008. 143 „Markt“ ist als solcher überhaupt kein Topos des öffentlichen Rechts, weil eben sein Geschehen als solches wesentlich außerstaatlich abläuft. In den Lehrbüchern und Kommentierungen kommt der Begriff nur selten vor, seit das BVerfG die „Marktwirtschaft“ als Grundmodell einer Wirtschaftsverfassung nicht anerkannt hat – mit der folgenschweren Konsequenz, dass nun das Marktgeschehen weithin nicht einmal mehr als eine Realitätsgrundlage verstanden wird. Vgl. demgegenüber allerdings Rupp, H.-H., HStR § 203, Rn. 16 ff. Zur Bedeutung der sozialen Marktwirtschaft als Wirtschaftsverfassung des GG, vgl. ebenda Rn. 24 ff.
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
Gewiss ist es damit Aufgabe und Verantwortung des Staates, einen äußersten Rahmen für den Marktbegriff rechtlich zu schaffen; er muss jedoch immer wieder an der Marktrealität korrigiert und fortentwickelt werden. Hier muss sich das Öffentliche Recht einer gewissen Ökonomisierung der Staatsgewalt beugen: Märkte sind wesentlich Räume, in denen sich wirtschaftliche Wirklichkeit entfaltet, in Ordnung hat die Staatsgewalt sie abzubilden144, in Förderung aufrecht zu erhalten. Dies bedeutet, dass letztlich alle staatliche Förderung im Wege von Folgeentscheidungen sich zu entwickeln hat, und seien es auch solche, die bereits in Vorausschau getroffen werden. Immer bleibt Realitätsabbildung, auch eine solche vermuteter, vorhergesehener Wirklichkeiten, Grundlage aller Förderung. Damit ist aber auch eine Hinnahmeverpflichtung dieser Realitäten verbunden; „schwächere“ Marktteilnehmer müssen sich ihnen ebenso beugen wie der Starke, ja der „unendlich reiche“ Förderstaat. Insoweit muss auch das Öffentliche Recht der staatlichen Förderung geradezu von einer wirklichen wenn nicht Omnipotenz, so doch Omnipräsenz der Märkte ausgehen. Der Staat muss es sich daher auch versagen, durch Marktordnung wie in Marktförderung Märkte und ihre Wirkungen als Machtgrundlagen für seine Ordnung145 zu manipulieren. Hier ist die Bürgerfreiheit wirklich, vor allem gegenüber seinem ordnenden Eingreifen, zur Legitimation eben dieser Ordnung bereits geworden, er darf sie daher nur korrigierend begleiten. Daraus ergibt sich dann die staatliche Verpflichtung, im Namen dieser Realitätsabbildung der Märkte eine Förderung in diese Wirklichkeit einzubinden. Dies wiederum aber verlangt vom Staat die noch näher zu betrachtende wesentlich privatrechtliche Orientierung seiner Fördertätigkeit.146 Die Realität der Märkte ist eben wesentlich privatrechtlich gewachsen, in ihr wirken hoheitliche Befehle von vorneherein als rechtliche Fremdkörper. Die privatrechtlich orientierte staatliche Förderung, als eine Grundsatz-Vorgabe der Verfassung für den Förderstaat, ist bereits hier deutlich erkennbar. c) Dies führt noch zu einer weiteren Erkenntnis: Staatliche Förderungsgewalt als realitätsorientierte Folgegewalt darf auch darin die Märkte nicht manipulieren, dass
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Nicht nur das Steuerrecht hat „Realitäten abzubilden“, sich ihrer Entwicklung zu beugen (vgl. etwa BVerfG 93, 121; 165). Schon nach Erkenntnissen der Rechtssoziologie gilt dies vor allem für die Förderungstätigkeit. Andernfalls bliebe sie – wie die Märkte – ein marktexternes Phänomen, eine „Rechtsentfremdung“ im Sinne von Rehbinder, Rechtssoziologie, 6. A. 2007; S. 106 ff. 145 Eine solche Machtgrundlage, damit „geradezu eine Staatsvoraussetzung“ (. i. S. v. Isensee, J., Handbuch des Staatsrechts, 3. A., § 15, Rn. 46 ff.), stellen allerdings die Märkte, die Marktwirtschaft als ihre Zusammenfassung, doch dar. Insoweit entfalten sie auch eine „normative Kraft des Faktischen“. 146 Da insoweit die „Marktordnung“ in der Privatrechtsordnung rechtliche Gestalt annimmt, in ihr entscheidend „näher ausgeformt“ wird, ist eine wesentliche Konkretisierung dieser Marktwirtschaft als Gegenstand und Grundlage zugleich der Förderstaatlichkeit gerade in der – grundsätzlich notwendigen – privatrechtskonformen Ausgestaltung der staatlichen Förderung zu leisten (vgl. i. Folg. E.).
II. Verfassungsvorgaben für den Förderstaat
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sie diese zu rasch grundsätzlich zusammen sehen will in einer „Gesamtwirtschaft“147, um daraus dann akzentsetzende Folgerungen für ihr Förderverhalten auf einzelnen Sektoren zu ziehen. Gewiss geht es hier auch um wesentliche wirtschaftliche Staatsinteressen, müssen sich doch die staatlichen Haushalte aus all diesen marktwirtschaftlichen Bemühungen alimentieren. Dennoch darf nicht allzu rasch eine finanzpolitische Zusammenschau im Förderungswesen Platz greifen, in ihrer Sicht ein Markt dem anderen geopfert werden in seinem Funktionieren. Realitätsabbildung bedeutet eben stets auch Realitätsnachfolge. Daher: Das Erste Wort stets den Märkten in ihrer Freiheit, das Folgewort der staatlichen Förderungsgewalt, die ihre Förderungsmittel weitgehend Markteffekten verdankt! Dass sich die Verfassungsordnung hier also der Flexibilität der wirtschaftlichen Wirklichkeit öffnet, ist denn auch keineswegs verfassungsdogmatisch ein Sündenfall. Stets bleibt ihr ja nur die Möglichkeit, aus dieser außerrechtlichen Realität ihre Begrifflichkeiten aufzubauen oder diese in einer „Verfassung nach Gesetz“148 aus der einfachgesetzlichen Praxis zu beziehen. Dass hier Begriffe wie Wettbewerbsgleichheit und Wettbewerbsfreiheit die Rezeptionsräume der Wirklichkeit darstellen, sollte materiell als Bereicherung und formell als Stärkung der Kontrollkraft des Staates verstanden werden, der so nicht an wechselnde politische Mehrheiten gebunden wird, sondern an das Verhalten seiner wirtschaftenden Bürger. Diese Realitätsöffnung ist umso eher hinnehmbar, als die Verfassungsordnung immerhin systematische Orientierungen bereit hält, welche nun die so realitätskonstituierte Marktwirtschaft durch Verfassungsvorgaben noch weiter zu orientieren vermögen.
4. Freiheit als Rahmen – Eigentums- und Berufsfreiheit Die Märkte entwickeln sich in außerrechtlicher Realität, jedoch in (verfassungs-) rechtlichem Rahmen und in der Wirksamkeit rechtlich bestimmter Instrumentarien. Diese Wettbewerbs-Realität, welche alle staatliche Förderung orientieren muss, weil sie darin „einzubetten“ ist, muss unbedingt, als Verfassungsvorgabe, beachten: Freiheit und Eigentum der Marktteilnehmer. Dies ist die dritte grundrechtliche Prüfungsstufe der Förderstaatlichkeit.
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Das „gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht“ ist in seinem „magischen Viereck“ des Stabilitätsgesetzes (§ 1 S. 2) weitestgehend von Marktentwicklungen primär, teilweise ausschließlich abhängig, vgl. dazu BVerfGE 79, 311 (335, 339). Mehr als marktbegleitende Korrekturen kommen daher selbst in gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht in Betracht. 148 In „Verfassung nach Gesetz“ (vgl. dazu grds. Leisner, W., Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, 1964), müsste es zu einem nahezu vollständigen Leerlauf eigenständiger Verfassungsbegrifflichkeit kommen, wollte man die Märkte über flächendeckende staatliche Förderungstätigkeit dirigieren; denn damit würden gerade die in Bürgerfreiheit bestimmten begrifflichen Verfassungsinhalte ihrerseits wieder vom Staat beeinflusst – bei schwachem Grundrechtsschutz.
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
a) Die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) im weiten Sinne ihres Schutzbereiches, ist der wichtigste Rahmen und damit die entscheidende Orientierung der Förderstaatlichkeit. Diesem ihrem Freiheitsraum ist der deutlichste Bezug wesentlich zu marktkonformen Bürgeraktivitäten, damit zur Marktwirtschaft als solcher. Nicht umsonst hat sich schon lange hier die präzisierende Wendung der Wettbewerbsfreiheit ergeben, von ihrer verfassungsrechtlichen Zuordnung zur allgemeinen Handlungsfreiheit149 nun hin zu der freien Wahl und Ausübung von Beruf und Gewerbe150. Märkten ist gerade dieser Wettbewerb wesentlich, sie definieren sich ja verfassungsrechtlich geradezu als Räume, in denen er stattfindet. Könnte der Staat den Berufsbegriff alleine bestimmen, wäre er es, der entscheidenden Einfluss auf Zuschnitt wie inneres Funktionieren der Märkte nähme. Freie Bestimmbarkeit der Berufsinhalte durch Bürgerinitiative ist also nicht nur eine Restgröße gegenüber staatlich-gesetzlicher Berufsbildfestlegung151; gelten kann nur die Umkehrung dieses Verhältnisses, und der Staat muss sich bei derartigen Fixierungen stets eng an der beruflich-gewerblichen Realitätsentwicklung halten, sie gerade hier eben „ratifizieren“. Diese Verfassungsvorgaben orientieren nun vor allem auch alle staatliche Förderungstätigkeit, wie sie sich eben in diesem weiten Freiheitsrahmen bewegt: Sie hat ihn nicht etwa in direktiver Weise näher auszugestalten, sondern sich gerade hier als eine realitätsbegleitende Folgeerscheinung zu verstehen, welche maximale Zutrittsfreiheit gewährleistet, funktionierende Märkte dann aber sich selbst überlässt. Berufsfreiheit darf nicht wirken als ein individual-rechtlich schwächerenschützender Bedürfnisraster152 und auch nicht als finanzpolitische Vorgabe im Sinne einer Minimalaufbringung von Haushaltsmitteln. All dies hat einem Freiheitsvertrauen zu weichen, das sich gerade in den weicheren, den eben marktkonformen Förderungsformen staatlicher Hilfen bewährt. Hier zeigt sich auch ein deutlich abgrenzender Gegensatz zu (äußersten) Grenzen hoheitlicher Marktordnung. Da dieser der Grundgedanke einer Missbrauchsverhinderung wesentlich ist, da sie schweren Marktstörungen entgegenzuwirken hat, ist dort eine ganz andere Unbedingtheit gültig und auch gerechtfertigt als im Einsatz der weicheren Förderungsformen. Sie haben nicht etwa die Berufsfreiheit des Bürgers nur an einem weit längeren Zügel zu führen, sie haben ihr letztlich zu folgen, eben bis an die äußersten Grenzen eines funktionszerstörenden Missbrauchs. Dies aber bedeutet, dass die Berufswahlfreiheit des Bürgers zwar real und substantiell bleiben muss, dass sie aber vor allem als wahre Freiheit zu erhalten ist, als markt149
Krit. Manssen, G., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 12, Rn. 70. Huber, P.M., Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 319 ff. 151 Zu dem in Bürgerfreiheit fixierten Berufsbild vgl. bereits BVerfG E 7, 377, (397); 48, 376 (389) – st.Rspr. 152 Daher ist Mittelstandsschutz nicht zu verstehen als individualisierender Schwächerenschutz (zutr. krit. Manssen, G., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5.A. 2005, Art. 12 Rn. 247), sondern als typische Funktionshilfe für Märkte, die es sonst auf Dauer gar nicht (mehr) geben könnte – letztlich also als Zugangsermöglichung. 150
II. Verfassungsvorgaben für den Förderstaat
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orientierte Wahl. Bildungsförderung153 steht hier an einem schwierigen Scheideweg: Bestimmt sie bereits die Zugangsattraktivität einer späteren Tätigkeit vorweg, so wirkt sich dies unausweichlich als Manipulation aus. Das große Marktvertrauen in eine dort sich realisierende Freiheit verlangt dem gegenüber, dass eine Wahl, mit all ihren Schwierigkeiten und Risiken, dass damit die eigentliche Zukunftsprognose beim Bürger liege und dort auch bleibe. Der Förderstaat kann nicht die Zukunfts-Allwissenheit für sich in Anspruch nehmen, mit der er zu sehen glaubt, was in Generationen auf vielleicht völlig anderen Märkten einmal gebraucht wird. Dieser Förderstaat einer Berufsbildung endet in marktwirtschaftlicher Besserwisserei. Nicht nur die Märkte wissen es besser als der Staat, sondern auch die Bürger, welche sie in ihren Bildungsentscheidungen bestimmen, nur zu oft schon vorweg nehmen. Marktkonforme Berufsbildung, mit Blick auf Gegenwart, nicht staatsbestimmte Zukunft, ist daher ein dogmatisches Grundprinzip freiheitlicher Förderstaatlichkeit. Diese muss sich nun aber nicht nur bei der Berufswahl bewähren, sondern auch später in allen Phasen der Berufsausübung.154 Sie ist ja nichts anderes als der Inbegriff vieler kleiner nachfolgender Berufswahlfreiheiten in der Ausübungswahl. Hier muss Freiheit ebenso bleiben wie bei jener; einer generell stärkeren Einflussmöglichkeit des Staates auf die Berufsausübungsfreiheit ist, jedenfalls im Bereich der Förderung, eine klare Absage zu erteilen. Vielmehr muss die Berufsausübung mit ihren bereits in der Dogmatik erkannten Wirkungen auf die „große“ Berufswahlfreiheit noch weit stärker in den Blick genommen werden. Noch ein Weiteres ergibt sich aus dieser Bedeutung einer Berufsfreiheit, die ihrerseits staatliche Förderung orientiert und durch diese, umgekehrt, in einer Art von Wechselwirkung155, konkretisiert wird: Die berufsfreiheitlichen Aspekte und Wirkungen zahlreicher weiterer Freiheiten, von der des Glaubens und der Weltanschauung (Art. 4 GG) sowie der Meinung156 (Art. 5 GG) bis hin zu Vereins- und Koalitionsfreiheit (Art. 9 GG), Freizügigkeit (Art. 11 GG) und Wohnungsfreiheit (Art. 13 GG) müssen weit deutlicher als bisher gesehen, in ihrer Marktkonformität erkannt und ent153 Zur Bildungsförderung vgl. FN 64; hier stellt sich auch – wenn auch indirekt – das Problem der Chancengleichheit (vgl. FN 23): Förderung von „Traumberufen“ darf eben nicht absehbaren Marktbedürfnissen entgegenwirken. 154 Die Überwirkungen der Berufsausübungsfreiheit auf die Berufswahlfreiheit sind bereits erkannt, müssen aber bei der ja notwendig ausübungsbezogenen Staatsförderung noch deutlicher gesehen werden. Eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. etwa BVerfG E 86, 28, 40 ff; 111, 10 (32)) mag hierzu Übergangsräume schaffen, darf sich aber nicht in einem wenig klaren Zumutbarkeitskriterium verlieren (vgl. etwa BVerfG E 95, 173 (183)). 155 Die (klassische) Wechselwirkungslehre (vgl. dazu BVerfG E 7, 198 (208), sowie etwa noch E 59, 231 (265)) geht von der (Primär-)Wirkung der Einschränkung aus, die dann ihrerseits freiheitlich zu prägen ist. Bei der Förderungstätigkeit erfolgt eine vergleichbare Beeinflussung der Marktfreiheit durch den Staat (sie muss dann ihrerseits wieder im Lichte derselben gesehen, u. U. eingeschränkt werden). 156 Von besonderer Bedeutung ist dies bei jener Freiheit der Werbung, welche nun ja im Schutzbereich des Art. 12 verortet wird, vgl. bereits BVerfG E 32, 311 (317) sowie etwa noch E 82, 18 (27); 94, 372 (390 f).
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
sprechend als Förderungsgegenstände erfasst werden. Nicht zuletzt gilt dies dann auch für das „Mutterrecht“ der Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung (Art. 2 Abs. 1 GG), ja der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 GG), etwa in den Problemen berufskonformer Beschäftigung im Strafvollzug. Das gesamte beschäftigungsrelevante Verfassungsrecht der Grundrechte muss gerade in der Förderung marktkonform betrachtet, marktorientiert eingesetzt werden, stets als ein Freiheitsrecht auf Märkten. b) Freies Eigentum Privater ist in seiner Bedeutung für die Marktwirtschaft und damit der staatlichen Förderung von Anfang an nicht hinreichend erkannt und gewürdigt worden.157 Dass es ohne freies Eigentum einen Markt nicht geben kann, erscheint als eine ebenso banale wie notwendige Erkenntnis: Was sollte getauscht, verkauft und gekauft werden, wäre es nicht Eigentum der Marktakteure? Jeder Eigentumseingriff ist Markteingriff, darin, dass er die Verkäuflichkeit von Gütern und Diensten einschränkt.158 Auf Wirkungen staatlicher Bestimmung der „Eigentumsfähigkeit“ von Gütern kann dies gewiss nicht beschränkt werden. Ebenso notwendig ist die herkömmlich mehr grundsätzlich als in all ihren Ausprägungen anerkannte Weite des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs und seines Schutzes.159 Die volle Eigentumssicherung obligatorischer Rechte160 ist nicht etwa nur eine zielerweiternde Marginalie des öffentlichen Eigentumsrechts, sondern die notwendige Folge von dessen Ausrichtung auf Marktkonformität; Märkte können heute nur in Verpflichtungen, nicht mehr allein in dinglichen Kategorien einer früheren Tauschgesellschaft gedacht werden und funktionieren. Eigentumsförderung, in all ihren Formen, ist daher als Marktförderung stets ein entscheidendes Kriterium für systemkonforme Staatshilfen. Dazu gehört insbesondere auch die Anerkennung und Förderung des Privateigentums an jeder ertragsbegründenden Rechtsposition des Privatrechts, des Arbeitsrechts vor allem. Hier muss sich die Steuergewalt gegenüber vertragsrealisierendem Arbeitseinkommen weiter als bisher zurückhalten, damit dieses Eigentum als Zukunftsgrundlage fördern.161 Märkte sind ihrem Wesen nach Räume der Bewegung, damit auch der Unsicherheiten. Gerade deshalb bedürfen sie gesicherter und damit sie selbst sichernder Rah157 Diese wird hier eher marginal nur erwähnt (vgl. Depenheuer, O., in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG 5. A. 2005, Art. 14, Rn. 24, 90). 158 Der Verf. hat auf die begriffsnotwendige Verbindung von Eigentum und Markt immer wieder hingewiesen, vgl. etwa Privateigentum ohne privaten Markt? BB 1975, 1 = Leisner, W., Eigentum, 1996, S. 724; Markoffenes Verfassungsrecht, FS f. Kriele, 1996, = Eigentum, S. 697. 159 Zur Weite des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff vgl. eingehend Leisner, W., Eigentum HStR 3.A. § 173 Rn. 24 ff. 160 BVerfG st. Rspr., s. etwa E 83, 201 (208); 112, 93 (107). 161 Die Unterscheidung zwischen „konsolidiertem“ und „zufließendem“ Eigentum, welches zu der Diskussion um den „Halbteilungsgrundsatz“ geführt hat, vgl. BVerfG E 93, 161 (174), darf nicht übersteigert werden; denn der Arbeitnehmer „realisiert“ ja, über die Lohnzahlungen an ihn, nur seine verfassungsgeschützte Vertragsposition.
II. Verfassungsvorgaben für den Förderstaat
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mendaten. Wenn Gegenstandswerte schon auf Märkten in Unsicherheit bestimmt werden, darf zu dem nicht eine weitere Unsicherheit hinzutreten: politisch motivierte, staatlich manipulierte Bestimmung der Eigentumswerte. Der Grundsatz „Je mehr Marktwirtschaft, desto weniger Eigentumsverrechtlichung“ muss auch alle Förderungsanstrengungen des Staates orientieren. Wird eine „Eigentumsordnung“ bestimmt aus Wertfestsetzungen, ja schon aus Mechanismen, die zu dieser führen, so erhöht sich das Risiko eines Umschlags fördernder Marktorientierung in Marktordnung; aus ihr aber sollte sich der marktfolgende Förderstaat zurückziehen, soweit ihn nicht Vermeidung offenen Missbrauchs dort festhält. Damit orientiert die Verfassungsvorgabe der Eigentumsfreiheit staatliche Förderung auch in einem traditionell kontroversen Bereich: bei der Problematik des Eigentumscharakters subventionierender Staatsgeschenke. Hier hat sich in der Eigentumsdogmatik eine bedenkliche und folgenschwere Abschwächung der rechtlichen Bedeutung staatlicher Förderung von Anfang an vollzogen und allzu lange gehalten: Das „Staatsgeschenk“, dem keine Eigenleistung des Adressaten gegenüber steht, soll noch immer Eigentumsschutz nicht genießen.162 In solcher Allgemeinheit ist dies schon grundsätzlich verfehlt: Das Geschenkte wird ja nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zum Eigentum, seine Rückforderung ist nur in engen Grenzen möglich.163 Der demokratische Staat darf sich hier nicht auf die hoheitlichen Throne von Fürsten setzen, welche nach „bon plaisir“ verteilten – und übrigens in ihrer Lehensordnung sich weitgehend an die Ergebnisse der Förderung ihrer Untertanen hielten. Förderung darf nicht nur als eine vage Chance begriffen, gewährt und frei entzogen werden; sie ist auf Eigentum gerichtet und daher muss, was in ihrem Namen gewährt wird, grundsätzlich Eigentum sein und bleiben. Aus diesem Grunde muss Förderungsdogmatik nach verfassungsrechtlichen Eigentumsvorgaben zu verstärkten Wirkungen eines Vertrauensbegriffs führen. Nach Verfassungsrecht verfehlt ist allerdings prinzipiell, dass Vertrauen unter der Voraussetzung vollzogener Inswerksetzung stehen soll.164 Vertrauen wird nicht verdient, sondern geschenkt. Fortsetzungen von Förderung, weitere Subventionierungen, nachhaltige Hilfen mögen – und dies aus einer Förderungsdogmatik heraus – vom Anschub zu „unterscheiden“ sein, der dem Adressaten aber als Eigentumsposition stets bleiben muss.
Zum Eigentum an öffentlich-rechtlichen Leistungen vgl. Leisner, W., FN 159, Rn. 23. Rückforderung von Geschenken (vgl. die Regelung zum „groben Undank“, § 530 Abs. 1 BGB) kann eben nur in Fällen „groben Missbrauchs“ in Betracht kommen. 164 „Vertrauensschutz nur bei Inswerksetzung“, wie es teilweise angenommen wird, ist eine – insoweit verfehlte – Folge der Verortung des Vertrauens vor allem in Art. 14 GG (s. dazu Leisner, A., FN 52 S. 462 ff.). Dem Eigentumsschutz entspricht jedoch die Vorstellung von einem „Sicherungseigentum“ (vgl. Leisner, W., FN 159, Rn. 119 ff.), die aber nicht einen so weitgehenden tatsächlichen Einsatz der Förderungsmittel voraussetzt. 162 163
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
Das bedeutet nun nicht, dass die Marktwirtschaft mit ihrem do ut des nicht doch bereits in die Förderung hineinwirkt, Voraussetzungen für diese bestimmt. Die Wahrscheinlichkeit des Förderungserfolges, damit die Förderungsentscheidung selbst, richtet sich immerhin weitgehend nach dem, was Adressaten auf diesem Markt bereits geleistet haben. Die vorgängigen Leistungen der Empfänger dürfen aber nicht als Vorleistungen für „damit zu verdienende Förderung“ verstanden, sondern sie müssen nach Kriterien der Marktwahrscheinlichkeit beurteilt werden. Doch dies kann nun nicht unbesehen auf den Vertrauensbegriff übertragen werden mit der Folge, dass nur er den Eigentumscharakter des vom Staat Hingegebenen oder des Staatsverzichts begründen könnte. Rechtsstaatlichkeit schon verlangt hier Aufrechterhaltung der Förderung nach Kriterien von deren innerer Folgerichtigkeit; Kontinuität als Verfassungsprinzip muss auch im Sinne einer notwendig nachhaltigen165, und daher u. U. auch weiter zu gewährenden Förderung grundsätzlich verstanden werden. Förderungsentzug darf nicht zur Entwertung von Eigentumspositionen führen, die mit Hilfe staatlicher Unterstützung aufgebaut wurden. Förderungsentzug als Strafe kommt allenfalls dort in Betracht, wo Adressaten in deutlich erkennbarer, vorhersehbarer Weise Marktentwicklungen, Marktmechanismen verkannt haben. Der Förderstaat darf in Extremfällen marktwirtschaftliches Bürgerversagen, nicht aber darf er Märkte als solche bestrafen. In alldem wird Eigentum zur Schranke der Förderungsfreiheit des Staates, denn der Besitz ist ja seinerseits nichts anderes als rechtliche Fortsetzung einer marktwirtschaftlichen Realität, welcher die Förderung zu folgen hat, mit deren wirtschaftlichen Mitteln sie überhaupt erst möglich ist.
5. Förderstaatlichkeit als Freiheitsförderung Als Fazit dieser Betrachtungen von grundrechtlichen Freiheiten als Vorgaben der Staatsförderung ergibt sich: Sie werden durch staatliche Förderung in ihrem marktwirtschaftlichen Wesen erkennbar und präzisiert. Ihr Gegenstand allein ist auch der der Förderstaatlichkeit. Hier tritt der Staat in jenem neueren dogmatischen Sinn als Klärungsinstanz der Grundrechte auf, der sich eben nicht auf statische Gefahrenabwehr beschränken darf.166 Schutzbereiche, vor allem von Berufsfreiheit und Eigentum Privater, bedeuten, dass eine gewisse Zielerreichungsfreiheit gewährleistet 165
Das Nachhaltigkeitsprinzip hat (vgl. allgemein Glaser, A., Nachhaltige Entwicklung und Demokratie, 2006), auch über die förderungszentralen Bereiche des Umweltschutzes (s. Epiney, A., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 20 a Rn. 198 ff) und des Stiftungsrechts (vgl. oben C I. 4) hinaus, eine Bedeutung für das Förderungsrecht, die noch nicht hinreichend erkannt ist. Dabei muss allerdings hier von seiner Ambivalenz ausgegangen werden: Einerseits sollen die Wirkungen der Förderung nicht verloren gehen – andererseits gefährdet deren „Fortsetzung aus Vertrauensschutz“ (vgl. C. III. 2.) gerade wieder eine notwendige Marktdynamik. 166 Und auch nicht auf Grundrechtsgewährleistungen durch hoheitliche Eingriffe, vgl. dazu Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 3, Rn. 20.
II. Verfassungsvorgaben für den Förderstaat
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sein muss, damit Förderung sinnvoll sei. Hier wird Freiheit in vollem Sinne des Wortes zur Voraussetzung des Förderstaates, grundsätzlich und bis in die Einzelheiten der Schutzbereiche hinein. Ihrer Förderung kommt überdies verfassungsdogmatisch eine wichtige Funktion zu: Diese Freiheitsgrundrechte stehen unter Gesetzesvorbehalten, die sich, gerade in der neueren Entwicklung, immer mehr ausgeschliffen, erweitert haben.167 Die hoheitlichen Eingriffsmöglichkeiten des Staates in die Marktwirtschaft haben sich damit wesentlich, letztlich aber doch freiheitsgefährdend, verstärkt. Dem nun kann und muss eine Staatsförderung wiederum freiheitsschützend entgegenwirken, welche aber über die Märkte geleitet wird. Ihr Funktionieren muss einfach und bürgernäher Chancen für Eigentum und berufliche Gewinnmöglichkeiten eröffnen, über mehr Freiheit, sich auf Märkten zu bereichern. Förderstaatlichkeit darf zwar nicht nur als Abschwächung notwendig marktordnender Eingriffsstaatlichkeit verstanden werden; im Ergebnis aber, in der Gewährung von mehr Marktfreiheit, bewährt sie sich doch als Erweiterung der Freiheitsräume und damit verfassungsdogmatisch als echte Schranken-Schranke.
6. Staatliche Förderungsfreiheit a) Ganz herrschender Lehre wie auch durchgehender Staatspraxis entspricht der Grundsatz, dass es einen Anspruch auf staatliche Förderung seitens der Bürger nicht geben kann; dies ist die Grundlage für die Vorstellung von einer Förderungsfreiheit des Staates.168 Sie lässt ihm nicht nur ein Ermessen, sondern volle Entscheidungsfreiheit hinsichtlich des „Ob“ der Gewährung von Staatshilfen wie auch im Hinblick auf deren Höhe. Dass dagegen die Staatsinstanzen nicht frei darin sind, Voraussetzungen einer etwaigen Förderung festzulegen, wenn sie sich für eine solche entscheiden, entspricht ebenso bisheriger allgemeiner Rechtsüberzeugung wie auch den Ergebnissen der vorstehenden Betrachtungen. Der Satz „Kein Anspruch auf Staatsförderung“ gilt grundsätzlich auch dort, wo solche Hilfen allzu schwere Belastungen durch Staatseingriffe abmildern, Förderung also als eine Freiheitskompensation gegenüber dem Eingriffstaat eintritt, wie etwa im Bereich des Denkmalschutzes169. Gerade dort gilt die staatliche Förderungsfreiheit
167 Vor allem im Eigentumsverfassungsrecht, im Verständnis des Art 14. Abs. 2 GG als Recht der Inhaltsbestimmung, vgl. dazu m. Nachw. Leisner, W., FN 159 Rn. 127 ff., aber auch in einer „Verhältnismäßigkeit“, in der sich die „Stufentheorie“ des BVerfG (E 7, 377) aufzulösen droht – vgl. dazu Leisner, W., Der Abwägungsstaat. Verhältnismäßigkeit als Gerechtigkeit, 1997, S. 84 ff. 168 Der Grundsatz „Anspruch auf Subventionen nur auf besonderer Rechtsgrundlage“ prägt schon bisher das gesamte Förderungsrecht, vgl. FN 93, 95. 169 Zur Förderung im Denkmalschutz insb. in steuerrechtlicher Hinsicht vgl. Eichhorn, G. / Otto, K., BBauBl. 1993, 856 ff.; Martin, D./Krautzberger, M., Denkmalschutz und Denkmalpflege, 2. A. 2006, Teil G Rn. 92; Busse, J./Simon, A. Bayerische Bauordnung, Bd. II 2009, S. 421.
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
sehr weitgehend, weil sich der Einsatz solcher Instrumentarien im Grunde ja nur als Alternative zu einer sonst möglichen Eingriffstiefe darstellt. Mittelvergabefreiheit gilt zwar nur rechtlich beschränkt im Gesamtbereich der Finanzverfassung, der Mittelverteilung zwischen Land, Ländern, Gemeinden und anderen öffentlichen Trägern. In all diesen Räumen findet jedoch nicht das statt, was hier als Förderung betrachtet wird, mögen auch Mittel nach ähnlichen, marktwirtschaftlich ausgerichteten Kriterien einem Träger vom anderen gewährt werden. Dies alles sind aber internorganisationsrechtliche Entscheidungen im Bereich der Staatlichkeit in einem weiteren Sinne; sie sind von Bedeutung als gewissermaßen antizipierte Lenkungsmodalitäten170 über Staatsmittel in die Märkte hinein. Deshalb gibt es hier rechtliche Ansprüche, aber auch einen Vorbehalt der notwendigen gesetzlichen Ausgestaltung, wie er in gleicher Intensität dem Staats-Bürger-Verhältnis fremd ist. b) Die Verfassung hält zwar – für Ausnahmefälle – Anspruchsgrundlagen für einen Status positivus bereit; an der grundsätzlichen Förderungsfreiheit des Staates ändert dies jedoch nichts. Die Existenzsicherungspflicht171, welcher die Staatsgewalt nach den Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG für die menschliche Persönlichkeit unterliegt, der Anspruch also auf staatliche Fürsorge in schweren Notlagen, führt zwar zu Leistungsansprüchen, nicht aber zu Rechten auf eine marktkonforme Förderung. Marktlagen mögen die existenziellen Bedürfnisse der Bürger (mit-)bestimmen; Märkte werden aber nicht deshalb subventioniert. Sicherung bedrohter Existenz im Staatsgebiet ansässiger Bürger ist begrifflich nicht deren Förderung als eine Hilfe zur marktorientierten Selbsthilfe, mag sie auch praktisch oft zugleich in diesem Sinne wirken. Rechtsgrund und Ziel ist hier vielmehr die Gewährleistung jenes Minimumstandards, der als solcher ganz einfach zu halten, nicht etwa zu fördern oder zu steigern ist. Jeder Einsatz von Förderungsüberlegungen in diesem Bereich fälscht deren Zielsetzung und liegt außerhalb ihrer eigentlichen, humanitären Legitimation. Nichts anderes gilt auch im viel diskutierten Ausnahmefall des Anspruchs auf einen Studienplatz.172 Er ergibt sich aus dem – faktischen oder rechtlichen – Angebotsmonopol des Staates, vergleichbar etwa dem Beförderungsanspruch gegenüber Verkehrsmonopolen. Auch hier mögen Förderungswirkungen die Folge sein; die Ausnutzung dieser Rechtsposition seitens des mehr oder weniger bildungsbereiten Bürgers ist aber dessen freier Entscheidung überlassen.
170 Insoweit eine Mittelbereitstellung in den Empfängerbereichen stattfindet für entsprechende Markt-Förderung, was gerade für einen Großteil der Finanzausgleichsmittel zutrifft, nachdem die Eigeneinnahmen der Empfänger vor allem, jedenfalls primär, für die Aufrechterhaltung der eigenen hoheitlichen Verwaltungsorganisation einzusetzen sind. 171 Zum Verfassungsgebot der Existenzsicherung durch den Staat vgl. allgemein und grundsätzlich Leisner, W.-G., FN 68 S. 98 ff. 172 Recht auf den Studienplatz, BVerfG E 33, 303 (332 ff.).
II. Verfassungsvorgaben für den Förderstaat
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Im Namen der Ansprüchlichkeiten aus einem Status positivus kann also grundsätzlich der Bürger ein Recht auf Förderung nicht ableiten; die gesamte Thematik dieser Leistungen liegt außerhalb des Bereiches einer zu entwickelnden Förderungsdogmatik. Hier ist denn auch die Gleichheit die eigentliche, ja die einzige verfassungsrechtliche Vorgabe, eine etwa zu fördernde und zu steigernde Entscheidungsfreiheit des Empfängers spielt als solche nicht die entscheidende Rolle. c) Die Förderungsfreiheit des Staates bedarf nun allerdings einer (verfassungs-) rechtlichen Begründung. Sie kann nicht einfach, wie es aber bisher meist geschieht, als unbegründetes Souveränitätsaxiom hingenommen werden. Denn wenn Förderstaatlichkeit einen wesentlichen Aspekt, eine grundlegende Legitimation der Staatsgewalt darstellen soll, was hier ja nachzuweisen ist, so muss sich Förderungsfreiheit gerade vor diesem geradezu staatskonstitutiven Charakter des Verhaltens öffentlicher Träger rechtfertigen lassen. Dies kann nun nicht allein unter Hinweis darauf gelingen, dass der Förderstaat ja den Märkten und ihrer Realität zu folgen habe, dass ihm daher volle Freiheit in der Beurteilung solcher Förderungslagen zustehen müsse; hiermit könnte allenfalls ein allerdings weites Ermessen, nicht aber die volle Förderungsfreiheit begründet werden. Und es erscheint als schwer vorstellbar, dass eine bestimmte Marktsituation sich derart zuspitzt, dass ein förderndes Eingreifen des Staates über Rechtsansprüche ihm gegenüber durchzusetzen wäre. Ebenso wenig kann ein allgemeiner Hinweis auf haushaltsrechtliche Zwänge ausreichen. Hier muss vielmehr auf einen anderen, einen wahrhaft staatsfundamentalen Grundsatz zurückgegriffen werden: auf die Steuererhebungsfreiheit des Staates. Sie wird im Verfassungsrecht kaum behandelt, in ihrer Bedeutung jedenfalls auch nicht annähernd gesehen.173 Stets geht es dort nur um einzelne Begrenzungen der Abgabenerhebung, nicht um die Freiheit des „Ob“ oder der generellen Höhe; sie aber bestimmt wesentlich das Aufkommen der Förderungsmittel, soll dem Staat nicht ein erwerbswirtschaftliches Eingreifen großen Stils in eine Marktwirtschaft gestattet werden, das heute bereits staatspraktisch ausgeschlossen erscheint und staatsgrundsätzlich erst recht entscheidenden Bedenken unterläge. Aus einer Förderungsverpflichtung rechtlicher Art müsste sich aber ein verfassungsrechtlicher Steuererhebungszwang des Gemeinwesens ergeben, davon aber kann, auch im Namen der Marktwirtschaft, nicht die Rede sein. Der Staat darf stets davon ausgehen, dass ihn die Märkte, die wirtschaftenden Bürger „nicht brauchen“. Wenn sie dies anders sehen, gibt es nur einen Weg zur Durchsetzung ihrer Interessen: über Wahlen bestim173 Die Steuererhebungsfreiheit des Staates wird, soweit sie nicht durch Steuergleichheit gebunden ist, in der Regel nur unter dem Gesichtspunkt des Steuererfindungsrechts behandelt, vgl. dazu Nachw. bei Schwarz, K.-A., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5.A. 2005, Art. 106, Rn. 17. Dabei wird sie von der h.L. auf die im GG angesprochenen Steuertypen beschränkt (Nachw. bei Schwarz Rn. 18), was allerdings die Erhebungsfreiheit im vorliegend bedeutsamen Sinn nicht wesentlich beschränkt, denn jene Begriffe sind sehr weit und können, dogmatisch immer noch mehr ausgedehnt werden. Sie gestatten daher insbesondere eine weitgehende Flexibilisierung der Höhe der Mitteleinnahmen.
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
men sie jene, welche die staatliche Besteuerungsgewalt – nur zu oft bereitwillig – in ihrem Sinne ausüben. Nicht direkt über Ansprüche aus einem Status positivus, sondern nur in Umleitung über den Status activus der Wahl kann Staatsförderung öffentlich erreicht, sie kann nicht erzwungen werden. d) Daraus ergibt sich für die Förderstaatlichkeit ein allgemeiner Rechtsgrundsatz: Ein Übergang aus der Realität der förderungsbedürftigen, förderungsfähigen oder jedenfalls förderungsoffenen Märkte in Rechtsverpflichtungen zu deren Stützung kann nicht erfolgen über Formen rechtlicher Verbindlichkeit dieser Realität, die zu einem Verfassungszwang der Förderung führen könnten. Diese marktwirtschaftliche Wirklichkeit gibt zwar Voraussetzungen für eine mögliche Staatsförderung vor, welche, einmal als solche beschlossen, Realität optimal abbilden und unterstützen muss. Die demokratische Grundentscheidung einer Abgabenhoheit des Staates gegenüber allen Bürgern gewährleistet dieser organisierten Gemeinschaft aber die volle Freiheit der Beurteilung des „Ob“ einer Förderung, welche jeden Abgabenzwang aus Verfassungsrecht ausschließt. Zwischen der Existenzsicherungspflicht der Gemeinschaft und einer Förderungsverpflichtung des Staates für die Märkte in seiner Ordnung verläuft eine grundsätzliche und unüberschreitbare Trennungslinie. Demokratie versteht sich, gerade mit Blick auf ihre Marktwirtschaft, als eine realitätsnahe Ordnung, welche wie keine andere Staatsform Entwicklungen auf den Märkten erkennt, ja in ihre Handlungswelt rezipiert. Sie bewahrt sich jedoch, all dieser Erkenntnis gegenüber, voluntativ orientierte politische Beurteilungsfreiheit, ob sie gerade diese Mittel einsetzt oder andere und in welcher Höhe dies geschehen soll. Daraus kann ein Grundsatz höchster staatlicher Mittelwahlfreiheit abgeleitet werden, der als solcher durchaus mit rechtsstaatlicher Klarheit vereinbar ist, entbindet er doch die Staatsinstanzen nicht von der Verpflichtung, an einmal gewählten Mitteln, sei es nun Eingriff oder Einsatz von Förderung, in voller rechtlicher Präzision und Konsequenz festzuhalten. Diese Dualität, Realitätsnähe und Freiheit der Förderstaatlichkeit in der Volksherrschaft, gilt nicht nur für diesen Bereich, sie lässt sich vielmehr in der allgemeinen Staatslehre der Demokratie und in ihrer Staatsrechtfertigung verfolgen und konkretisieren. Letztlich wirken in all dem unterschiedliche Formen von Bürgerfreiheit174, in ganz verschiedenen kollektiven Ausprägungen: in Marktgeschehen einerseits, in der demokratischen Konstituierung öffentlicher Entscheidungsträger zum anderen, die ihrerseits wieder über Abgabenerhebung auf die Freiheit der Bürger wirkt, sie in Förderung umleiten kann. Hier zeigt sich der Förderstaat als ein allgemein staatsgrundsätzlich bedeutsamer Aspekt der Staatlichkeit überhaupt; er ist dies umso mehr, als seine Wirkungsweisen und seine Bedeutung, wie nun zu zeigen sein wird, weit über das bisher rechtlich Bewusste hinausreichen.
174 Was in der h.L. von den verschiedenen Status zum Ausdruck kommt, die ja immer „Freiheitszustände“ sind: negativus, positivus, und eben auch activus, s. dazu Zippelius, allgemeine Staatslehre 15. A. 2007 § 34.
III. Freiheitsförderung als Förderungsziel
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III. Freiheitsförderung als Förderungsziel: Hilfe zur Selbsthilfe 1. Selbsthilfe als Förderungsziel Die Zielvorstellung ist von zentraler Bedeutung für den Förderungsbegriff, für jeden Versuch einer Systematisierung der Förderungsdogmatik. Staatshilfen richten sich immer auf ein Ziel, auf einen Zustand. Diese Staatstätigkeit unterscheidet sich jedoch nicht dadurch von fehlendem hoheitlichem Ordnen, dass der Eintritt des angestrebten Zustandes in der Zukunft liegt; der Normbefehl, der durch Normgehorsam realisiert wird, wirkt ja häufig zeitlich ebenso unsicher wie die Erreichung des Förderungsziels in der Zeit. Und auch Normbefehle können den Eintritt ihrer Befolgungswirkungen hinausschieben.175 Umgekehrt wird der Förderstaat immer versuchen, sich mit seinen Förderungsleistungen auf den Zeitpunkt erwarteter Zielrealisierung wenigstens umrisshaft einzustellen. Die Besonderheit der Leitungskraft eines Zieles für die Förderung liegt also nicht in einer zeitlichen Komponente, sondern darin, dass diese Zielerreichung zugleich als Funktion eines Erfolges staatlicher Anstrengungen und freier privater Bemühungen erscheint. Insoweit ist also Förderung wesentlich Zielbestimmung und Zielerreichung (zugleich) durch private Freiheit, darin Förderung von Wirkungen derselben. Daraus lässt sich im Ergebnis ableiten: Staatliche Förderung ist im Wesentlichen auf Förderung privater Entscheidungsfreiheit gerichtet, sie wirkt nicht nur als ein Schutz derselben im Sinne der stets zu wahrenden grundrechtlichen Freiheit.176 Das bedeutet: Förderung ist Hilfe zur Selbsthilfe. Diese private Freiheit ist jedoch notwendig für eine solche Selbsthilfe unter Einsatz der Mittel des Förderungsadressaten, zur Erreichung der Förderungsziele, also doch auch nach vom Staat zu treffenden Festlegungen. Insoweit führen diese allerdings wieder auf Zielbestimmungen durch Private zurück, als sich die staatliche Zielfestlegung ja einzubetten hat in eine Marktförderung, die ihrerseits auf die Vielfalt privater Zielsetzungen und Zielerreichungsformen zurücklenkt.177 Dieser komplizierte, verschlungene Vorgang weist staatliche Förderungszielsetzungen zwar aus als eindeutigen Ausdruck staatlicher Willensäußerung, sie ist jedoch, in doppelter Brechung, eingeordnet in private Freiheit und damit eine Förderung derselben: einerseits bereits in der notwendigen Marktkonformität der staatliDas Hinausschieben der Normgeltung erfolgt in größtem Umfang über die Anwendbarkeit / Durchführbarkeit von Gesetzen, die erst nach dem, nicht selten verzögerten, Erlass untergesetzlicher Bestimmungen (Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften) Wirkungen entfalten können; im Gemeinschaftsrecht wird dies geradezu zum Regelfall der „Umsetzung“. 176 In deren bereits oben I. dargestelltem Verständnis. 177 Hier liegen auch die vielfachen Bezüge zwischen „Existenzhilfe als Selbsthilfe“, nicht nur als „reiner“ Schwächerenschutz. Sie sind auch aus einer Dogmatik der Existenzsicherung heraus zu entfalten, vgl. dazu die Ansätze bei Leisner, W.-G., FN 68, insb. S. 241 ff, 317 ff, 406 ff. 175
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
chen Förderungsanstrengungen – zum anderen in jenem konkreten privaten Mitwirkungsraum, den der Staat stets bei Förderung zu belassen hat, soll diese noch eine solche zur Selbsthilfe sein. Diese Letztere setzt bereits mit ihren Anstrengungen und Wirkungen ein im Zusammenhang mit staatlichen fördernden Bemühungen und sie kann nicht verstanden werden als eine lediglich spätere Etappe einer Zielrealisierung, die erst beginnt, wenn und soweit staatliche Mittel verbraucht sind. Etwas wie eine Konkomitanz bereits im Begriff der staatlichen Förderung muss also auch in ihrer zielgerichteten Umsetzung stets beachtet werden. Darin ist alle Staatshilfe etwas wie eine Emanzipationsunterstützung, welche der Förderstaat den Bürgern zuteil werden lässt. Sie ist darauf gerichtet, dass sie sich von ihm und seiner Macht frei machen, in Unabhängigkeit gerade von staatlicher Unterstützung. „Förderung ist Staatshilfe zur Nichtannahme von weiteren Staatshilfen.“
2. Staatsförderung: begrifflicher Gegensatz zu Abhängigkeits- und Dauerförderung a) Der Begriff der Förderung als einer ausschließlichen Hilfe zur Selbsthilfe, wie er sich aus marktwirtschaftlichen, überhaupt aus den Freiheitsoptionen der Verfassung ergibt (oben I.), muss weit ernster genommen werden als in bisherigen Versuchen seiner dogmatischen Erfassung. Wenn, wie dargelegt, davon auszugehen ist, dass der Staat hier alle Anstrengungen nur im Sinne der Erweiterung des Freiheitsraums seiner Bürger unternehmen darf, ist, grundsätzlich, jede Förderung verfassungswidrig, welche nur darauf gerichtet sein kann, Abhängigkeit Privater von Staatsentscheidungen auf Dauer zu verstärken. Die traditionelle liberale Sorge, Subventionen könnten Abhängigkeiten der Bürger von der Staatsgewalt intensivieren, sich damit als Schritte zur Staatswirtschaft erweisen, begründet eine verfassungsrechtliche Vorgabe: Sobald Derartiges in einer – auch weiten – Prognose zu erwarten ist, muss das Subventionsverhalten der Staatsgewalt eingestellt werden oder sich entsprechend ändern, etwa in kürzerer Fristigkeit oder engerem Mitteleinsatzes. Auch schwerer wiegende ökonomische Folgen sind dabei in Kauf zu nehmen. Aufgabe einer wahrhaft freiheitssichernden Verfassungsgerichtsbarkeit ist es, gerade hier rechtlich in wirtschaftlicher Gesamtschau einzugreifen; eine solche Prognosejudikatur178 und die zeitlichen Gestaltungsgrenzen der Staatsgewalt bieten den Verfassungsgerichten die Handhabe, einer Abhängigkeitsverstärkung durch Staatsförderung entgegenzutreten, und sei es durch die ja be-
178
Diese Rechtsprechungsaufgabe in wirtschaftlicher Gesamtschau hat durch die Neufassung des Art. 72 ff. eine neue Entfaltungsdimension gewonnen, vgl. BVerfGE 106, 62, 149 ff. Vor allem in den „förderungsträchtigen“ Schutzbereichen (etwa zur Berufsfreiheit) sind laufend Prognoseentscheidungen zu treffen, vgl. etwa BVerfGE 13, 97 (107).
III. Freiheitsförderung als Förderungsziel
79
reits praktizierte Prüfungsverpflichtung der Wirkungen derartiger staatlicher Gewährungen.179 b) Hier erhebt sich nun allerdings die Frage der Zulässigkeit von Dauerförderungen, von Staatshilfen, bei denen in keiner Weise absehbar ist, ob das Ziel einer vollständigen, marktkonformen Selbsthilfe ohne staatliche Unterstützung jemals erreichbar sein wird. Vieles spricht dafür, dass in solchen Fällen die begrifflichen Grenzen einer staatlichen Förderung als „Hilfe zur Selbsthilfe“ bereits überschritten sind: Der Staat hält hier im Grunde eine bestimmte Marktsituation künstlich aufrecht, wie dies etwa bei der Förderung des Steinkohlebergbaus zu Zeiten anzunehmen war, in welchen staatliche Förderung nicht nur einer sozialverträglichen längerfristigen Abwicklung der Tätigkeit diente. Hier können dann staatliche Subventionen allenfalls noch dadurch gerechtfertigt werden, dass die unterstützten Privaten zugleich eine staatliche Aufgabe erfüllen – beim Steinkohlebergbau die Sicherung der nationalen Autonomie im Energiebereich – dass hier also eine definierbare Staatsaufgabe erfüllt wird. Wie schwierig ein solcher Nachweis ist, wurde bereits klar.180 Nachdem die Förderungsziele grundsätzlich marktkonform zu bestimmen sind, kann eine Dauerförderung jedenfalls nur in den seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen, in denen unabdingbare Gemeinschaftsinteressen sich keinesfalls über Märkte befriedigen lassen. Solche Konstellationen werden mit zunehmender Globalisierung immer nur noch seltener anzunehmen sein. Im Übrigen ist aber vorhersehbare Dauerförderung grundsätzlich ein Indiz für die Unzulässigkeit derartiger Staatshilfen.
3. Verpflichtung zur Nutzung staatlicher Förderung? a) Eine Einsatzverpflichtung staatlicher Hilfen darf der Förderstaat nicht statuieren, weder direkt im Sinne einer Nutzungspflicht konkreter Subventionen, noch auch in der indirekten Form des Verbotes einer Tätigkeit, die nicht unter Einsatz der staatlichen Hilfen erfolgt, damit auch der Bedingungen und Auflagen, unter denen diese gewährt wird; dies alles wäre nichts anderes als eine indirekte hoheitliche Beschränkung der betreffenden grundrechtlichen Freiheiten, insbesondere der Berufsfreiheit. Es ließe sich nur rechtfertigen, soweit derartige Freiheitsbegrenzungen durch Hoheitsgewalt verfassungsrechtlich als solche legitimiert sind. Auf den Förderungsbegriff als solchen jedenfalls könnte sich die Staatsgewalt nicht berufen; das würde ja darauf hinauslaufen, dass die Eingriffsvoraussetzungen in das entsprechende Grundrecht über die Förderungsbedingungen erweitert würden. Dies aber hat begrifflich mit Förderung als „Hilfe zur Selbsthilfe“ nichts zu tun.
179 Die Prognosejudikatur muss in konkreter Kontrolle von der bisherigen (vorwiegenden) Eingriffsüberwachung (vgl. BVerfGE 25, 1 (13), 110, 177 (194); 113, 167 (134)) auf die Förderungszielkontrolle erweitert werden. 180 Vgl. zu den Staatsaufgaben oben C.I., 2. FNen 6, 110 ff.
80
C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
In dieser Sicht ist es daher dogmatisch auch bedenklich, wenn schwerwiegende hoheitliche Staatseingriffe, etwa im Bereich des Denkmalschutzes181, damit gerechtfertigt werden sollen, der Staat stelle ja entsprechende Subventionsmittel zur Verfügung, damit werde wirtschaftlich die Belastung gewissermaßen „abgefedert“. Abgesehen davon, dass dies dann in aller Regel dazu führt, dass derartige „eingriffsrechtfertigende Staatshilfen“ ihrerseits wieder unter unabsehbare Haushaltsvorbehalte gestellt werden, womit es zu einer unzulässigen „Eingriffstiefe nach vorhandenen Haushaltsmitteln“ kommt – hier findet auch ein Missbrauch des Förderungsbegriffes statt: Da die Staatshilfe dann den Eingriff in solcher Tiefe rechtfertigen soll, wird sie zu einer Voraussetzung der Zulässigkeit freiheitsbeschränkender Hoheitsakte. Darin verliert sich ein rechtlicher Grundgedanke der Förderung als „Hilfe zur Selbsthilfe“, welche marktkonform zu gewähren ist. Dann sollte jedenfalls nicht mehr von Förderung die Rede sein, sondern von hoheitlichen Staatsgeboten und -verboten, für welche bestimmte Staatsleistungen Voraussetzungen sind. Ein wesentlicher Unterschied liegt hier übrigens darin: Auf solche Leistung muss ein Anspruch der Adressaten bestehen, der ebenso unbedingt ist wie der Geltungsanspruch der normativ begründeten staatlichen Anforderungen an den Bürger. Hier kann dann nicht mehr eine Förderungsfreiheit aufrecht erhalten werden (vgl. oben I. am Ende), in welcher der Staat in der Freiheit der Beurteilung der Marktkonformität und in seiner Abgabenerhebungsfreiheit helfen kann oder nicht. Dies ist eine wichtige Erkenntnis: Der Förderungsbegriff darf nicht, mit all seiner Beliebigkeit, auch dort verwendet werden, wo es im Grunde nur um eines geht: um eine Abschwächung, eben eine „Abfederung“ der belastenden Wirkungen hoheitlicher Eingriffe. Denn dies ist dann auf das Ziel „weniger Freiheitsbeschränkung“ gerichtet, bei welchem es auf die Freiheitsausübung seitens der so „Geförderten“ gar nicht ankommt; Förderung im dogmatischen Sinne muss demgegenüber darauf beschränkt werden, Freiheitsanstrengungen des Bürgers hervorzurufen, mehr Ausnutzung seiner Freiheit als solcher. Förderung ist auf aktive Freiheit gerichtet, nicht auf Erweiterung des negativen Freiheitsraumes gegenüber der Staatsgewalt. Nachdem aber, andererseits, die Förderung aktiver Freiheit ein Wesenselement aller Förderungsanstrengungen ist, dürfen diese auch nicht zur Inanspruchnahme des vom Staat Angebotenen zwingen; denn in der Nicht-Annahme dieser Hilfen kann sich ebenso eine Selbsthilfeanstrengung des Bürgers zeigen wie in deren Einsatz; er muss dann eben seine Bemühungen verstärken, um auf den von Staatsförderung beeinflussten Märkten mit anderen wirksam konkurrieren zu können, welche vom Förderungsangebot Gebrauch machen.
181
Vgl. FN 169.
III. Freiheitsförderung als Förderungsziel
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4. Förderungsfähigkeit des Adressaten als Voraussetzung von Staatshilfen a) Der Förderungsbegriff wurde in diesem Kapitel im Sinne staatlicher Einflussnahme auf die Marktwirtschaft verstanden, welche nicht deren hoheitliche Ordnung zum Gegenstand hat, sondern das „Funktionieren der Märkte als solcher“, also in voller Anerkennung ihrer grundsätzlichen Selbstgesetzlichkeit. Geht man davon aus, so ist eine Stärkung marktgerechter Abläufe das eigentliche, wenn man will das ausschließliche, nicht nur das primäre Ziel der Förderstaatlichkeit. Insoweit beschränkt sich diese auf Hilfen zur Selbsthilfe, auf eine Aktivierung der Freiheit der Adressaten, jedenfalls ihres Freiheitsbewusstseins, welches sich auch in einer Nichtannahme der Förderung äußern kann. Ein so verstandener Förderungsbegriff schließt dann aber eine „Förderung ex nihilo“ aus, eine Unterstützung dort, wo zu fördernde außerstaatliche Aktivitäten auf Märkten noch nicht vorhanden, jedenfalls nicht mit einiger Sicherheit zumindest als möglich erkennbar sind. Denn rein begrifflich schon ist eine „Förderung“ dort schwer vollziehbar, wo es nichts zu fördern, nichts zu steigern, nichts zu potenzieren gibt, wo keine Förderungsbasis in außerstaatlichem Verhalten vorhanden ist.182 Eine rein „markthervorrufende Förderung“ kann es nach diesen Vorstellungen nicht geben. Als subsidiär muss also eine solche Förderung vorgestellt werden, nicht nur in ihrem Zurücktreten gegenüber privaten Anstrengungen, welche sie nie behindern darf, auch nicht durch marktlenkende Effekte – eine Problematik, auf welche im Rahmen der Lenkung (i. Folg. E.) noch zurückzukommen sein wird –, sondern auch in zeitlicher Hinsicht. Gelten muss ein „Private first“ in jeder, auch in temporärer Hinsicht. Dies drückt sich dann in allgemeineren ökonomisch-soziologischen Überzeugungen aus, nach welchen „Phantasie, Kreativität, Spontaneität“ ohnehin nur oder doch im Wesentlichen im privaten Sektor zu erwarten sind. Die Staatsgewalt wird hier also, wie bereits mehrfach erwähnt, ganz grundsätzlich als eine „Nachfolgegewalt“ verstanden. Andernfalls könnte sie durch eine „Förderung aus dem Nichts“ geradezu Märkte als solche hervorrufen, was aber doch nur in den engsten Grenzen der Erfüllung so genannter unabdingbarer Staatsaufgaben erlaubt sein kann, und dort auch lediglich außerhalb der Ordnungen und Kriterien der Marktwirtschaft als solcher – oder bei einer Zurücknahme staatlicher Aufgabenerfüllung im Rahmen von Privatisierungen.183
182 Ein „Einwirkungsgegenstand“ staatlichen Verhaltens muss bei Grundrechtsberührung immer vorliegen und erkennbar sein; andernfalls ist Staatstätigkeit als solche nicht erforderlich und damit von vorneherein rechtswidrig. Das gilt allgemein: Ein Eingriff in die Berufsfreiheit setzt das Vorhandensein eines wie immer entwickelten oder sich entfaltenden Berufsbildes voraus, also zumindest etwas wie es „der private Berufsbildbereich schafft“ (vgl. BVerfGE 7, 377 (377); 48, 376 (389) – st. Rspr. ). Dem entspricht bei der staatlichen Förderung eine allgemeine „private Marktbereitschaft“ der Adressaten. 183 Wo dann eben „private Marktbereitschaft“ bestehen muss (vgl. FN 182). Zu Privatisierungen vgl. auch oben FN 3.
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
Der Förderstaat baut also, das muss festgehalten werden, auf der Privatinitiative auf. Ermöglichen mag diese innerhalb von Ordnungsrahmen184 auch den Einsatz von Haushaltsmitteln, wie etwa im Bildungsbereich; doch all dies sind primär staatliche Veranstaltungen, ebenso wie etwa die Landesverteidigung, mit staatlicher Förderung im hier verstandenen Sinn hat es nichts zu tun. b) Entscheidend stellt sich dann sogleich die Frage, „wie viel vorhanden sein muss“ an „zu Förderndem“ auf den Märkten wie bei den einzelnen (Kategorien von) Förderungsadressaten, damit schon begrifflich-rechtlich überhaupt von zulässiger Förderung die Rede sein dürfe. Insoweit kann nicht die allgemeine staatliche Förderungsfreiheit (oben I. am Ende) bemüht werden. Den Staatsinstanzen steht lediglich Beurteilungsfreiheit der jeweiligen Marktsituation zur Verfügung, was hier allerdings durchaus die erforderliche Flexibilität gewährleisten wird. Allgemeine Grundsätze oder auch nur Kategorien lassen sich aus einer Dogmatik der Förderstaatlichkeit heraus nicht entwickeln. Eines allerdings muss stets beachtet werden: Ziel der Förderstaatlichkeit im Sinne der Marktförderungen ist es, kann es nur sein, private, außerstaatlich agierende Freiheit zu verstärken, nicht zu hemmen. Daher sind auch Staatshilfen bereits bedenklich, wenn sie die Initiative an einer „langen Leine führen“ wollen, was im Ergebnis dann den Freiheitsraum des Geförderten eher einschränkt, als dass es ihm neue Expansionsmöglichkeiten eröffnet. Alles Wesentliche muss sich hier im Einzelfall und unter Einsatz ökonomischer Kriterien ergeben. Wichtig ist jedoch, dass bei Förderung die generelle, die übergreifende Zielvorstellung stets gegenwärtig und dirigierend bleibt in allen solchen staatlichen Anstrengungen: Nicht primär Erfüllung von einzelnen Staatsaufgaben, Erfüllung stets einer – hier nun wirklich – einzigen großen Staatsaufgabe: Optimierung funktionierender Märkte.
5. Förderung konkreter Ziele Zielgenauigkeit staatlicher Förderung wird stets Gegenstand intensiver politischer Diskussionen sein, weil es nie gelingen kann, dafür einheitlich-überzeugende materielle Kriterien oder formale Orientierungskategorien zu entwickeln. Materiell verlangt die Rechtsstaatlichkeit klare Bestimmbarkeit der Zielvorstellungen jeder staatlichen Förderungsaktivität.185 Hier können schon deshalb nicht andere Grundkatego-
184
s. dazu näher unten D., zu den Bezügen zur Lenkung insbes. unter II. Bestimmbarkeit ist denn auch eine Voraussetzung rechtsstaatlichen Handelns, welche für alle Staatstätigkeit gilt. In der Staats- und vor allem der verfassungsgerichtlichen Praxis wird dies aber vor allem auf hoheitlich ordnende Eingriffe bezogen; wenn die Staatsgewalt von verfassungsrechtlichen Bindungen freigestellt werden soll, gelten spezielle Anforderungen an gesetzliche Bestimmungen, s. etwa BVerfGE 21, 23 (79); 79, 174 (195). 185
III. Freiheitsförderung als Förderungsziel
83
rien186 der Klarheit187 eingesetzt werden als im Hoheitsbereich, weil ja die Verfassung anschließend eine entsprechend überzeugende Rechnungskontrolle des staatlichen Mitteleinsatzes verlangt.188 Aus der Sicht der Bürger als Adressaten muss der Staat grundsätzlich jedenfalls zu einer Bestimmbarkeit seiner Förderungsziele verpflichtet sein, unabhängig vom Bestehen etwaiger Ansprüche. Geht man allerdings von der allgemeinen marktwirtschaftlichen Zielvorstellung aus, wie sie vorstehend entwickelt wurde, so ergeben sich hier Zielbestimmungsfreiheiten189, welche in ihren Konkretisierungsstufen die Präzision hoheitlicher Gebote und Verbote in den meisten Fällen nicht erreichen müssen. Dies ist bereits die Folge der generellen Zielvorstellungen der Förderung: Als „Hilfe zur Selbsthilfe“ muss sie Rücksicht nehmen auf Entwicklungsfreiheiten der Privaten; da sie diese jedoch schon von Verfassung wegen nicht wesentlich beschränken, vorherbestimmen darf, muss entsprechend auch die Bestimmbarkeit der staatlichen Förderung unter diesem Vorbehalt stehen, was eine geringere Zielgenauigkeit der Förderung rechtfertigen kann. Dies gilt dem Grund wie der Höhe nach. Eine allzu strenge Zielgerichtetheit führt, über Bedingungen und Auflagen, notwendig nicht nur zu einer Vernachlässigung des Freiheitszieles der Förderung, sondern geradezu zu einem Umschlag der Förderstaatlichkeit als solcher in eine Marktordungsstaatlichkeit, von welcher im Folgenden (D.) nun die Rede sein wird. Dass hier Grenzziehungen oft, ja selbst grundsätzlich, problematisch sein werden, dass es spektrale Übergänge geben wird, geben muss, wird sich ebenso erweisen, wie eben auch, andererseits, die Notwendigkeit, dennoch wenigstens an einem dogmatischen Selbststand einer Förderstaatlichkeit als „Hilfe zur Selbsthilfe“ festzuhalten.190 Zielgenauigkeit einer Förderung in diesem marktwirtschaftlichen Sinn wird sich daher nicht selten auf allgemeinere Erfolgsvorstellungen beschränken, allenfalls 186 Die Problematik der Unbestimmten Rechtsbegriffe etwa, ist auch, ja gerade im Förderungsrecht der Zielbestimmungen zu bewältigen, vgl. dazu BVerfGE 90, 1 (16 ff.); 101, 254 (337). 187 Rechtstaatliche Klarheit lässt sich nicht leicht von der „Bestimmtheit“ abgrenzen. Sie bezieht sich auf das, was die Staatsinstanz hat bestimmen wollen, auf die Bestimmtheit von dessen Auswirkungen auf den Regelungsgegenstand. Herkömmlich steht bei jener dagegen der „Rechtsbestand“ im Vordergrund, vor allem die Problematik der Verweisungen (vgl. dazu etwa BVerfGE 113, 348 (375 m. Nachw.)), was auch für normrelevante/prägende Realitäten gelten muss, die im Förderungsrecht eine wesentliche Rolle spielen. 188 Das gilt unabhängig von der Problematik, ob die Gewährung von Subventionen ohne gesetzliche Grundlage nur bei entsprechender Mittelbereitsstellung im Hauhaltsplan erfolgen darf (vgl. dazu Siekman, H. in: Sachs, GG, 4. A. 2007, Art. 110, Rn. 40 m. Nachw.), jedenfalls im organisationsrechtlichen Innenverhältnis. 189 Ihre Ausnutzung zeigt sich in der Subventionspraxis bereits in der Weite, ja Großflächigkeit der einzelnen Subventionsbereiche, vgl. dazu eingehend Rodi (FN 93), unter dem dogmatischen Topos einer Zweckprogrammierung, welche Zweckkoordinierung einschließt (S. 482 ff. (EU), Föderalbezüge (S. 500 ff.), Gesetzessubventionierung (S. 535 ff.)). 190 Sie unterscheidet sich in ihrem Kerngehalt der Eigeninitiative und des eigenen Erfolgsstrebens von einer reinen „Gesetzesbefolgung“, wie es die rechtstaatliche Marktordnung verlangt, vgl. i. Folg. vor allem D. III., 1., 2.
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C. Die staatliche Förderung – Begriff und Kriterien
noch auf die Erreichung konkreter betriebswirtschaftlicher Ziele bei den jeweils Geförderten und durch sie. Diese beiden Ziele, des volkswirtschaftlich relevanten Funktionierens der Märkte einerseits, der betriebswirtschaftlichen Stärkung der dafür bedeutsamen Akteure andererseits, müssen stets koordiniert werden, allerdings unter grundsätzlichem Primat volkswirtschaftlicher Zielsetzungen. In der Praxis wird dies, auf beiden Ebenen, weithin auf eine einigermaßen nachvollziehbare wirtschaftliche Bestimmung des Förderungszieles hinauslaufen, verbunden mit Widerspruchsfreiheit.191 Eine gewisse Weite der Zielsetzungen muss sich, rein materiell, schon daraus ergeben, dass eine zu enge Förderungsbestimmung den Staat in die Rolle eines konkreten Mit-Unternehmers drängen würde, selbst wenn er den geförderten Privaten noch erhebliche Räume einer, aber eben doch nur ergänzenden, Selbsthilfe belassen wollte. Hier verhindert also nicht nur die Gleichheit, mit ihrer vernetzenden Wirkung von einer Wirtschaftsaktivität zur anderen, von einem Markt zu dem nächstgelegenen, allzu eng konkretisierende Zielbestimmungen; dies ergibt sich bereits aus dem Oberziel der Marktförderung, denn in ihm liegt stets auch die Gewährleistung einer Marktentwicklung, welche nicht durch übergenaue Förderungsziele behindert werden darf. So lässt sich also marktwirtschaftliche Förderstaatlichkeit zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in gewissen Grundlinien näher rechtlich bestimmen. Daraus kann sich durchaus etwas wie eine Dogmatik des Förderstaats als solchen ergeben. Bevor jedoch Folgerungen aus diesen grundsätzlichen Erkenntnissen zu behandeln sind, nicht zuletzt auch für den grundsätzlichen Typus einer Staatlichkeit, welche auch und immer mehr in dieser Förderstaatlichkeit sich entwickeln sollte (i. Folg. F.), muss nun versucht werden, diese marktwirtschaftliche Förderstaatlichkeit in ihren Beziehungen zu dem zu erfassen, was der Staat ja in einer Marktwirtschaft auch, und ganz wesentlich, zu leisten hat: Marktordnung, ebenso in Freiheit, wie diese eine Verfassungsvorgabe der Förderstaatlichkeit darstellt.
191 Die ja ihrerseits ein zentrales Gebot rechtstaatlicher Sicherheit ist, so die st. Rspr. des BVerfG, etwa E 1, 14 (45); 98, 106 (119); 108, 169 (181 m. Nachw.).
D. Förderung und Marktordnung – staatliche Lenkung I. Notwendigkeit einer Marktordnung 1. Entwicklung und Wesen der Marktordnung a) Eine Marktordnung gehört zum Wesen jedes Marktes, erst recht einer systematisch-flächendeckenden Marktwirtschaft. Rahmendaten müssen unbedingt eingehalten werden bei der Abwicklung der Geschäfte. Die Marktteilnehmer selbst können dies in ihrem privat-gleichgeordneten Verhalten gewährleisten und auch sanktionieren, indem sie eben nur mit jenen verhandeln und abschließen192, welche diese Regeln befolgen. Dennoch muss „der Markt“ überdies „nach außen“ abgegrenzt und abgesichert werden gegen Dritte, im Sinne einer Marktzugangsordnung; diese wiederum kann nur mit i.w.S. polizeilichen Mitteln gewährleistet, also durchgesetzt werden. Derartige Sicherheitsdienste mögen die Marktteilnehmer selbst und auf eigene Kosten organisieren – moderne Security ist ein Beispiel dafür. Das zeigt, wie weit die Selbstordnungskräfte der Märkte heute bereits vordringen. Das gesamte private Sicherheitsgewerbe193, in seiner unaufhaltsamen Entwicklung, ist nicht so sehr eine Folge staatsfinanzieller Haushaltsschwierigkeiten, als vielmehr ein Beweis für die Selbstemanzipation der Märkte in ihrer marktordnenden Gewalt. Dies strahlt aus bis in den Schutz von Lagerräumen und Büroräumen, in die hinein sich, insbesondere angesichts der modernen Kommunikationstechniken, die Marktwirtschaft bereits verlagert hat. Im privaten Sicherheitsgewerbe ist so eine neue Form der „Marktpolizey“ entstanden.194 b) Bei aller Eigenständigkeit dieser „Marktordnungen durch Märkte“ muss jedoch diese Macht-Sicherheit unbedingt gehalten werden, in ihrer letzten Durchsetzungsmöglichkeit wie in ihrer Einbettung in eine größere, allgemeine Sicherheitslage 192 Insoweit ist die Vereinbarung auch, ja gerade im öffentlichen Recht typische Ordnungsform, vgl. dazu Leisner, W., Vertragsstaatlichkeit 2009, insb. S. 56 ff., sowie noch unten E. I. 193 Zur Entwicklung des privaten Sicherheitsgewerbes, vgl. allgemein Lange, M., Privates Sicherheitsgewerbe in Europa, 2003; Stober, R., Handbuch des Sicherheitsgewerberechts, 2004; Schoch, F., Privatisierung polizeilicher Aufgaben? FS f. Stober S. 559; Roggan, F., Rechtsprobleme privatisierter Sicherheit, KJ 2008, 324. 194 Allerdings in einem engen Sinn der (früheren) Sicherheitspolizei, welcher im 19. Jahrhundert bezeichnenderweise die „pflegende“ Hilfspolizei als „Gewerbepflege und Gewerbepolizei“ gegenüber gestellt wurde, vgl. dazu Rosin in: Stengel/Fleichschmann, Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, 2. A. 1914, „Polizei“ I m. Nachw.
86
D. Förderung und Marktordnung – staatliche Lenkung
der Gemeinschaft, durch eine i.w.S. staatliche Marktordnung. Diese hat sich stets und allenthalben in typischen Stuf(ung)en einer hoheitlichen Eingriffsordnung entwickelt: - Entfaltung eines wirtschaftsstrafrechtlichen Verhaltenscodex in Weiterentwicklung eines individual- und familienrechtlichen Strafrechts; - Repressive Marktpolizei, Durchsetzung dieses Kriminalrechts und seine Sanktionierung durch gerichtliche Verfahren; - Präventive Marktpolizei; - Verfeinerung der gleichgeordneten Tauschpraxis in der Entfaltung eines Zivil- und Zivilprozessrechts; - Konkretisierende Verfeinerung all dieser Abläufe der Gleichordnung in einem mehr oder weniger ausgebauten Wettbewerbsrecht, bis hin zur Verhinderung marktbeherrschenden Einflusses. c) Diese Stufen der Entwicklung von Marktordnungen markieren zugleich die Etappen staatlicher Entwicklung: Aus einem „öffentlichen“ Straf- und Polizeirecht heraus entfaltet sich immer mehr eine privatrechtlich-gleichordnende Sanktionssystematik. Dies ist der Entwicklungsgang aller „alten“ Rechtsordnungen, insbesondere der des Römischen Rechts, von seinen Zwölf Tafeln bis zum ausgebauten Verkehrsrecht195, vor allem im griechisch-östlichen Reich, der Zeit des Justinian196 ; dabei verbinden und verschlingen sich freilich immer wieder, schwer abschichtbar, öffentlichrechtliche Datensetzungen mit auf den Märkten eigengesetzlich entwickelten praktischen Verhaltensregeln, welche dann ein staatlich durchgesetztes Zivilrecht kanonisiert. Im Folgenden wird sich ergeben (E.), dass sich dies nun auch in konsequenter Entfaltung und Dogmatisierung einer Förderstaatlichkeit fortsetzen muss. So wächst staatliches Recht aus allgemeinen, sicherheitsrechtlichen Notwendigkeiten heraus in die Märkte hinein und zugleich in Verfeinerung aus ihnen heraus in die Staatlichkeit und deren Ordnungen zurück.
195 Klassisch dargestellt findet sich dies bei Rudolph Sohm, Institutionen des Römischen Rechts, 1. A. 1894, zu den 12 Tafeln S. 19 ff., sodann zur interpretatio, wo es heißt (S. 23): „Es galt, das neue Recht, welches der Verkehr forderte, als schon in den zwölf Tafeln enthalten und durch die Gesetzeskraft derselben gedeckt darzustellen“. 196 Noch in dieser Spätzeit spiegelt sich dies wider in dem Nebeneinander von Digesten und Codex.
I. Notwendigkeit einer Marktordnung
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2. Von der Marktordnung zum „synkretisierenden“ Begriff der Wirtschaftslenkung All diese vielfach verschlungenen und komplexen Entwicklungen, die seit so vielen Jahrhunderten ablaufen, in ihrer Perfektion immer wieder zurückgeworfen durch Phasen allgemeiner rechtlicher Primitivierung, erscheinen nun heute in einer eigentümlichen rechtlichen Begriffseinheit: Zusammengefasst wird all dies letztlich im Begriff einer staatlichen Marktlenkung, die sich sodann zur Wirtschaftslenkung schlechthin verbreitert. In ihr verbinden sich, nunmehr im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit197, notwendig gesetzesgestützte Formen publizistischer und privatrechtlicher Datensetzungen für den marktwirtschaftlichen Austausch mit administrativen und justiziellen, welche lediglich diese durchzusetzen berufen sind. Innerhalb einer solchen Lenkung mag dann zwar differenziert werden zwischen deren öffentlich-rechtlichen und privat-rechtlichen Formen, in einer Zuordnung zu den entsprechenden Gesetzgebungsmaterien. Damit erfolgt aber lediglich eine Unterscheidung nach „hoheitlichen“ oder „privat-rechtlich wirksamen“ Handlungsformen der Staatsgewalt. Wie bereits andernorts dargestellt198, ist diese Unterscheidung weder in sich, in ihren heutigen Formen, voll überzeugend, noch vermag sie zahlreiche gleitende Übergänge zu verhindern oder aufzulösen. Eine dogmatische Erfassung des Lenkungsbegriffs allein nach dessen hoheitlichen Formen ist also in sich bereits höchst problematisch. Sie trägt auch den Besonderheiten der wesentlich gleichgeordneten und damit auch gleichordnenden Märkte nicht grundsätzlich-wesentlich Rechnung. Dies zeigt sich etwa im Verfassungsrecht der gewiss marktlenkenden Vereinsfreiheit, welches den Staat verpflichten soll, „alle erforderlichen“ gesellschaftsrechtlichen Formen den Märkten zur Verfügung zu stellen – zugleich aber wird ihm dabei ein sehr weites199, ein keineswegs wesentlich marktorientiertes Gestaltungsermessen zugestanden. Es gilt daher, den Lenkungsbegriff als solchen, durchgehend und in all seinen rechtlichen Erscheinungsformen, auf Marktkonformität hin auszurichten. Das trifft letztlich auch zu für seine straf- und polizeirechtlichen Ordnungs- und Eingriffsformen. Gegenstand dieser Betrachtungen ist das jedoch nicht.200 Sie müssen sich vielmehr auf eine andere Problematik konzentrieren: auf die Beziehungen dieser letztlich hoheitlichen Marktordnung zur staatlichen Marktförderung; die Wirkungen der Ord197
Die Bedeutung der Rechtstaatlichkeit gerade für die Wirtschaftslenkung ist allerdings noch nicht hinreichend grundsätzlich vertieft worden; dies ist die Folge einer Verlagerung der Problematik in den Schutz der wirtschaftlichen Grundrechte. 198 Leisner, W., Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Recht – Kritik der Abgrenzungskriterien, JZ 2006, 869 ff. 199 Vgl. dazu Kemper, M., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 9 Rn. 8 ff. 200 Bemerkenswert ist übrigens, dass der Begriff der „Wirtschaftslenkung“ i. d. R. auf einzelne Regelungs- und Eingriffsbereiche bezogen wird, vgl. etwa Depenheuer, FN 14, Art. 15, Rn. 9, 28, zur Ablehnung des Versuchs, eine allgemeine staatlichen Wirtschaftslenkung etwa auf Art. 15 zu stützen.
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D. Förderung und Marktordnung – staatliche Lenkung
nung der Märkte auf die Förderung und deren Funktionieren muss ebenso in den Blick genommen werden wie umgekehrt die Effekte eines staatlichen Förderungsverhaltens, im Sinne vor allem einer „Hilfe zur Selbsthilfe“, als eine Stärkung hoheitlich-marktordnenden Förderns. Dass in beiden Richtungen mehr als bisher Marktkonformität allen staatlichen Verhaltens die größere Leitlinie vorgibt, mag einen höheren dogmatischen Überbau charakterisieren, der letztlich seine Verortung in der freiheitlichen Verfassung findet. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch vor allem um eine möglichst deutliche Erfassung und, soweit möglich, Abschichtung des unter C. in seinem Wesen beschriebenen Förderungsverhaltens von der ordnenden Eingriffstätigkeit der Staatsgewalt.
II. Förderungswirkungen der Marktordnung 1. Wirtschaftslenkende Gesetzgebung: Förderung durch Datensetzung Ein synkretisierender Lenkungsbegriff, der Versuch, diesen dann lediglich über seine hoheitsrechtlichen Eingriffs-Rechtsformen zu erfassen, hat notwendig dazu geführt, dass ein praktisch oft entscheidender Effekt marktordnenden Staatseingriffs in seiner Bedeutung nicht hinreichend erkannt worden ist: „Fördernd wirken“, auf Marktteilnehmer wie Märkte insgesamt, nicht nur staatliche Mittelhingaben und Steuerentlastungen, sondern – irgendwie – jede rechtlich-normative oder administrative Datensetzung durch den Staat. Dies sollte eigentlich schon nach bisheriger Dogmatik klar sein: Wenn jede Subventionierung Eingriff ist201, weil in der Zulassung zu ihr hoheitliche Eingriffskriterien zu beachten sein sollen, wenn sie überdies stets, jedenfalls virtuell, als Eingriff darin wirkt, dass sie die Wettbewerbslage verschiebt, dann ist umgekehrt auch jede eingreifend-ordnende Normierung zugleich grundsätzlich Förderung, kann jedenfalls als eine solche wirken. Durch jede Verhaltensregelung wird ja der eine Marktteilnehmer begünstigt, dem etwa erleichterte Aktionsformen geboten werden, der andere benachteiligt, dessen Tätigkeiten damit erschwert werden, bis hin zum Verbot. Die verbreitete Kritik an einer Bürokratie202, welche derartige Erlaubnis- und Zulassungsformen durchzusetzen hat, bestätigt dies: Der eine Marktteilnehmer „entkommt“ solchen Belastungen leichter, auf den anderen lasten sie schwerer. Derartige Förderung durch gesetzgeberische Verhaltensregelungen auf Märkten wirkt denn auch als „negative Förderung“ in einem doppelten Sinn: Sie bietet Anreiz zur Unterlassung des erschwerten oder verbotenen Verhaltens durch Belastungen oder gar durch Verbotssanktionen. Und dies alles begünstigt zugleich, gewissermaßen spiegelbildlich, alle diejenigen, welche auf den Märkten gleicher Güter oder 201 202
Vgl. bereits oben C. I. 1. f). Zur Bürokratiekritik siehe oben A. IV. 4. FN 58.
II. Förderungswirkungen der Marktordnung
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Dienstleistungen tätig werden, derartigen Begrenzungen jedoch nicht unterliegen, sie jedenfalls umgehen, vermeiden können. Hinzu kommt noch, und nicht zuletzt, die kaum übersehbare Kombinationswirkung all dieser als solcher hoheitlichen Datensetzungen. Sie betreffen ja das Gesamtspektrum möglicher Berufsausübungsregelungen, von den Einzelheiten einer Lagerhaltung bis hin zum Verbot betrügerischer Werbung oder sonstiger Vertriebsgestaltungen. Unterschiedliche und keineswegs immer in ihren Verhaltensweisen koordinierte Staatsinstanzen im weitesten Sinne wirken hier, in kleinen und kleinsten Dosierungen positiv wie negativ, in einer Unzahl von Förderungswirkungen zusammen. Gewiss lassen sie allenthalben den Marktteilnehmern Freiheitsträume, da sie ja deren Grundrechte respektieren müssen; doch soweit sie in diese eingreifen dürfen, verstärken sich ihre Effekte durch die Unbedingtheit der Verpflichtungen zur Gesetzesbefolgung. So wird denn auch Gesetzgebung aller Art häufig als Erlass von „Förderungsnormen“ verstanden, sie bezeichnet sich selbst so („…förderungsgesetz“), legitimiert sich über diese Wirkung. Dann aber muss Förderstaatlichkeit diese Effekte nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern in ihre, insbesondere ihre direktfördernden Aktivitäten einbeziehen, sie mit diesen koordinieren. Sie darf sie jedoch andererseits nicht ohne weiteres mit diesen Letzteren gleichsetzen; denn die Folge wäre ja, dass die staatliche Förderungsfreiheit203 sich dann auch zu einer allgemeinen Eingriffsfreiheit verbreitern würde, womit am Ende aller Grundrechtsschutz leerliefe. Dies bedeutet: Förderung durch derartige marktordnende Gesetzgebung muss in dieser ihrer Wirksamkeit auf Marktteilnehmer und auf die Marktwirtschaft als solche erkannt werden. Als Eingriffsverhalten des Staates unterliegt sie dann einerseits den grundrechtlichen Schranken, zum anderen muss dies auch nach ihrer jeweiligen marktkonformen Förderungswirksamkeit überprüft werden. Das Wettbewerbsrecht hat diese beiden, nach staatlicher Gestaltungsfreiheit durchaus unterschiedlichen, Wirkungen normativ-marktordnenden Verhaltens in seinen Schrankenziehungen zu beachten.
2. Das Abgabenrecht zwischen Marktordnung und Marktförderung Die staatliche Steuererhebung zeigt, in nahezu all ihren Bereichen, diese bisher wenig beachtete Doppelgesichtigkeit, nach Zielsetzungen wie Wirkungen: Sie ist einerseits ein Instrument der Marktordnung, zum anderen und vor allem bringt sie staatliches Förderungsbemühen zum Tragen. a) Marktordnung wird auf diese Weise verwirklicht, durch gleiche öffentliche Lasten für den Marktzugang wie für das austauschende Marktverhalten. Die Staatsgewalt
203
Zu ihr vgl. oben C. II. 4.
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D. Förderung und Marktordnung – staatliche Lenkung
beschafft sich auf diesem Wege die erforderlichen Mittel für die Aufrechterhaltung der Ordnung der Märkte im weitesten Sinn. Bedeutsam ist überdies, und geradezu ein Zentrum marktordnenden Bemühens, die Verhinderung von Missbräuchen, im Wege von steuerlichen Generalklauseln wie von Einzelregelungen. Ihr Ziel ist zwar meist primär die Verhinderung von Verkürzung staatlicher Mitteleinnahmen; darin liegt jedoch zugleich ein hoheitlicher Ordnungseffekt, der mit strafrechtlichen, also mit allgemeinen Ordnungsinstrumentarien erreicht wird. Zugleich dient dieses Ordnen der Aufrechterhaltung einer ausgewogenen, durch Missbräuche204 nicht verfälschten Wettbewerbsordnung auf den Märkten. Nachdem ja allen Marktteilnehmern an sich die Missbrauchsmöglichkeiten – insbesondere der Steuerverkürzung – offen stünden, wäre zwar an sich ein Markt in vollem Funktionieren auch dann vorstellbar, wenn er ohne Besteuerung oder auf breiter Front über Steuerhinterziehungen funktionierte. Allein mit dem Ziel der Herstellung von Steuergleichheit kann also Missbrauchsbekämpfung nicht legitimiert werden. Mit ihr wird aber, und vor allem, eine allgemeine Marktordnung, im Sinne einer Marktmoral durchgesetzt. Allein schon die Erzwingung des Steuergehorsams als einer der wichtigsten Formen des allgemeinen Gesetzesgehorsams, zugleich damit aber zur Ermöglichung der Mittelaufbringung unter Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit und Ordnung – aus all dem begründet und legitimiert sich die Missbrauchsabwehr durch Steuerrechtsgestaltungen als ein wichtiges Instrument der Marktordnung. b) Ein, wenn nicht der Schwerpunkt der Steuererhebung liegt aber bereits seit langem bei den Lenkungssteuern. Die Steuerrechtsordnung wirkt weithin, und durchaus auch gezielt, verhaltenslenkend über Förderung auf Gruppen von Marktteilnehmern und damit im Sinne eines gewünschten Funktionierens der Märkte.205 Steuererleichterungen reizen geradezu zum Zugang auf Märkte, etwa dem der Gastronomie206 durch Abzugsfähigkeit privater Aufwendungen, oder sie erschweren diesen Zugang durch irgendwie eben doch prohibitiv wirkende „Luxussteuern“. Ob der Staat hier Produzenten und Vertrieb von Gütern und Leistungen direkt subventioniert oder steuerlich entlastet, bleibt sich im Ergebnis gleich und wird denn auch subventionsrechtlich grundsätzlich gleich behandelt; Unterschiede liegen allenfalls – und dies ist allerdings bedeutsam – in der Allgemeinheit, in welcher die Steuergleichheit im Abgabenrecht immerhin ein solches Förderverhalten orientiert, seine Wirkungen aber auch begrenzt. Insoweit ist sogar schwächerenschützende Steuergesetzgebung ein204
Zur Entwicklung der immer weiter ausufernden Missbrauchsbekämpfung nach § 42 AO, vgl. Leisner, A., Das Verbot der Steuerumgehung nach der Reform des § 42 AO, DStZ 2008, 292. 205 Dazu neuerdings grdl. Wernsmann, R., Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005. Die Besteuerungsfunktion des Staates wurde früh schon vom BVerfG als ein legitimes Mittel zur Wirtschaftssteuerung angesehen, E, 13, 331 (346), und dies i. st. Rspr. wiederholt, vgl. etwa E 84, 239 (294); 93, 121 (147); 93, 121 (147). 206 s. f. viele Leisner, A., Bewirtung: Repräsentation oder Werbung? Abzugsfähigkeit in Deutschland und Österreich, FR 2006, 705.
II. Förderungswirkungen der Marktordnung
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deutig ein Instrument des Förderstaates, welches privates Verhalten, insbesondere im Konsum, lenkt. c) Diese Förderungswirkung tritt nicht nur darin in Erscheinung, dass steuerlich ermöglichte günstigere Preis- und Konditionengestaltungen zu entsprechendem Marktverhalten, insbesondere zu Konsum, anreizen. Es findet darüber hinaus ein allgemeiner Umlenkungseffekt statt, welcher Marktverhalten weitflächig beeinflusst und damit zu auch größeren Marktverschiebungen führt: Das steuerlich begünstigte Wirtschaftsgut zieht Nachfrage an, lenkt damit die verfügbaren privaten Mittel in einen bestimmten Bereich, entzieht sie gleichzeitig anderem Einsatz, auf anderen Märkten. Steuererleichterungen führen so zu Bedürfnismanipulationen durch subventionierte Preise, nicht nur innerhalb gleicher Güterkategorien (Steuererleichterungen für schadstoffarme Bio-Produkte); begünstigt wird damit gleichzeitig eine Nachfrage, welche Mittel von völlig anderen Märkten ablenkt, wo dann eben etwa Konsumverzicht geleistet wird. Alle diese Umlenkungseffekte über Abgabenvergünstigungen werden als solche bisher im Steuerrecht, grundsätzlich dogmatisch, kaum erfasst, vor allem aber nicht in ihren marktfördernden Effekten und damit unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsfreiheit und -gleichheit. All dies findet aber doch statt unter Einsatz der Hoheitsgewalt der Steuererhebung bzw. des Verzichts auf eine solche; es verschwindet jedoch hinter dem bereits erwähnten großen Verdeckungsbegriff der Wirtschaftslenkung, als deren Instrument derartige Steuergestaltung eben erscheint. Derartige Umlenkungswirkungen lassen sich noch weit allgemeiner feststellen, nimmt man den Begriff ernst: Allgemeine Tariferhöhungen, als solche scheinbar marktneutral, bewirken aber ein bestimmtes Marktverhalten bei breiten Schichten der Bevölkerung, welches sich etwa vom Konsum teurer Güter zu dem von Billiggütern verlagert, von einer dann eben als eher „entbehrlich“ angesehenen Güterkategorie hin zu einer anderen, welche als „existenznotwendig“ erscheint. Alle diese Umlenkungswirkungen werden bisher, jedenfalls in der Verfassungsdogmatik der Wettbewerbsfreiheit207, als solche gar nicht erfasst; für sie ist eine gewisse Eindeutigkeit von Zielorientierung und Zielerreichungswirksamkeit Voraussetzung rechtlicher Beurteilung und Grenzziehung. Es muss aber eine ökonomisch abgestützte Betrachtungsweise zu einer rechtlich verfeinerten Beurteilung, wenn nicht zu einem Umdenken führen: Hier ist überall der Förderstaat am Werk: Was als ein allgemeiner Marktordnungseffekt erscheint, wirkt im Grunde, unter dem allgemeinen Deckmantel der Wirtschaftslenkung, als Ausdruck einer mehr oder weniger gezielten Förderstaatlichkeit und sollte daher nach deren Kriterien ausgestaltet und begrenzt werden. 207 Diese orientiert sich im Wesentlichen an der Lage der Marktanbieter, nicht der Konsumenten, schon weil dabei nicht von deren Marktverhalten, sondern – entsprechend der ökonomischen Angebotstheorie – von dem der Gewerbetreibenden und deren Grundrechten (Art. 2 Abs. 1, BVerfGE 32, 311 (316); 50, 290 (366); 65 (156 (210 GG)), oder ihrer Berufs-/ Gewerbefreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ausgegangen wird.
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D. Förderung und Marktordnung – staatliche Lenkung
3. Wahrnehmung allgemeiner öffentlicher Belange als Marktförderung? Der Begriff der Förderung leidet, im Verfassungs- wie im Subventionsrecht allgemein, nicht nur unter den verunklarenden Wirkungen der „Wirtschaftslenkung“, in welcher Marktordnung und marktwirtschaftliche Förderung zusammenfallen, bis zur Unentwirrbarkeit vermischt werden. Eine weitere begriffliche Konfusion ergibt sich daraus, dass der Förderungsbegriff allgemein eingesetzt wird im Sinne staatlicher Anstrengung zur Bewahrung und, wenn möglich, Verstärkung der Sicherungslage bestimmter allgemeiner öffentlicher Belange. Gerade im Steuerrecht, aber nicht nur dort, wird dies sichtbar: Da ist von „Familienförderung“ als Gesetzgebungsziel die Rede, von einer „Bildungsförderung“208. Dies erfährt noch weitere Konkretisierungen, wenn besonders wichtige Formen der „Förderung“ derartiger Interessen als Gegenstände staatlicher Subventionierung in allen möglichen Formen erscheinen, etwa von der Sportförderung209 bis zu einer Wissenschaftsförderung210, in der sich marktwirtschaftliche und allgemein-gesellschaftliche Belange geradezu unabschichtbar verbinden. Hier wird dann etwas erreicht wie die Vorstellung von einem „Großen gesellschaftlichen Markt öffentlicher Interessen“, den der Staat mit seiner Hoheitsgewalt wie unter Einsatz seiner Mittel beeinflusst, lenkt – fördert. Förderstaatlichkeit, im Sinne der Ausgangsvorstellung einer Subventionsstaatlichkeit, droht sich so vollends zu verlieren in einer großen staatlichen Gesellschaftslenkung. Auf diese Weise wird insbesondere der Markt-Begriff aus dem Ökonomischen heraus in einer Weise erweitert, dass sich aus ihm irgendwelche orientierende oder gar begrenzende Elemente nicht mehr ableiten lassen. Alles verliert sich in einer allgemeinen Verfolgung öffentlicher Interessen; die Dogmatik fällt wieder zurück auf Unterscheidungen, die sich allein an den Formen dieser Interessenverfolgung (Hoheitsakte, Mittelhingaben) orientieren. Nähere Zielorientierungen sind damit nahezu ausgeschlossen, der Begriff der Marktorientierung einer Förderung verliert seinen Sinn. Alldem kann nur darin begegnet werden, dass bewusst bleibt: Wo immer öffentliche Interessen verfolgt werden, welche als solche nicht in einer bestimmten marktwirtschaftlichen Einbindung auftreten und wirksam erfüllt werden, sondern durch eine (noch) nicht näher bestimmbare Multi-Effektivität gekennzeichnet sind, kann eine „Förderung“ dieser Belange durch den Staat, in welcher Form auch immer, allenfalls einer „Marktordnung“ in einem ganz allgemeinen Sinn zugeordnet werden: der Erhaltung einer Gemeinschaftsordnung als solcher, ohne welche funktionierende Märkte nicht vorstellbar sind.211 Für diesen Bereich gelten dann die näheren dogma208
s. oben A. V. 4. FN. 64. Die ja insbesondere über die Gemeinnützigkeit erfolgt (§ 52 Abs. 2 AO), wo sie gerade als „Staatsaufgabe“ nicht unumstritten ist, vgl. Leisner, A., FN 120, § 52 Rn. 21. 210 Typisch etwa die „Förderung des akademischen Nachwuchses“, dazu BVerfGE 94, 268 (286). 211 Es handelt sich um Wirkungen, welche allenfalls den „Verfassungsvoraussetzungen“ für die Existenz der staatlichen Gemeinschaft als solcher zuzuordnen sind, s. dazu Isensee, FN 145. 209
II. Förderungswirkungen der Marktordnung
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tischen Kategorien der Förderstaatlichkeit als solche nicht; wohl aber wirken auch hier die allgemeinen verfassungsrechtlichen, insbesondere grundrechtlichen Grenzziehungen. Insgesamt ist die Staatsgewalt hier also erheblich freier von spezifisch marktorientierten Bindungen, selbst wenn es auf solchen Wegen der „Förderung allgemeiner öffentlicher Belange“ dann auch, und vielleicht sogar notwendig, zu feststellbaren Markteffekten kommt. Sobald aber diese allgemeine öffentliche Interessenverfolgung gewissermaßen eintaucht in das Marktgeschehen, dieses erkennbar konkret beeinflusst, muss sie als Förderstaatlichkeiten erkannt und entsprechend, insbesondere marktkonform, ausgestaltet und begrenzt werden. Erkannt worden ist dies immerhin grundsätzlich im Verfassungsrecht darin, dass die Wettbewerbsfreiheit und -gleichheit als ein besonderer Schutzbereich festgestellt worden ist212. Dort sieht sich die Staatsmacht mit den besonderen Bindungen der Zielorientierungen und Wirkungsbegrenzungen der Förderstaatlichkeit konfrontiert. Förderstaatlichkeit ist eben mehr als nur ein Wort für „Wahrnehmung öffentlicher Belange“; wird es als ein besonderer Aspekt derselben, und damit der Staatlichkeit überhaupt, verstanden, so muss dies auch in speziellen Formen rechtlich fassbar werden, das heißt eben in der Marktkonformität einer darauf gerichteten Wettbewerbsordnung. Andernfalls wird „Förderung“ zu einer rechtlichen Molluske, die alles schrankenlos erfasst und legitimiert, was der Staat unternimmt. Dies spricht dafür, den Begriff einer „Marktordnung“ stets in vorsichtiger Einschränkung anzuwenden.
4. Gemeinnützigkeit: Synkretismus allgemeiner öffentlicher und marktfördernder Belange Ein großer und immer größerer Teil der Anstrengungen, welche gemeinhin unter dem Begriff der „öffentlichen Förderung“ zusammengefasst werden, erfolgt nurmehr teilweise durch den Förderstaat „direkt“, sondern großen-, ja überwiegendenteils durch private Veranstaltungen, welche ihrerseits vom Staat, insbesondere durch Steuern, aber auch durch direkte Hilfen unterstützt werden. Dieser Bereich der „Gemeinnützigkeit“213 oder gar des „Non Profit“-Verhaltens wirkt in einer Kombination staatlicher und privater Förderungstätigkeit, welche jedoch in aller Regel ein entsprechendes staatliches Verhalten, vor allem der Steuergewalt, zur Voraussetzung hat. Dieses 212 Die Wettbewerbsfreiheit ist aber, nach wie vor, erheblich dadurch „unterbelichtet“, dass sie im Wesentlichen nur als Zusammenfassung subjektiv-grundrechtlicher Freiheitspositionen der Marktteilnehmer gesehen wird – eben aus Art. 12 Abs. 1 GG. Sie wird nicht aus einer Marktwirtschaft heraus definiert, aus dem Zugangsrecht zu deren Märkten. Vgl. dazu f. viele Manssen, G., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 12, Rn. 70, wo die Wettbewerbsfreiheit in die Nähe des Zusammenfassungs-Begriffs der Unternehmerfreiheit gerückt wird. 213 Vgl. dazu bereits bei den Untersuchungen der Formen der Förderstaatlichkeit, oben C. I. 4., Nachw. in FNen 120 ff.
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Letzere ist dann nicht leicht mehr als Form eines staatlichen Eingriffes erkennbar, es verbirgt sich gewissermaßen hinter einer privaten Förderungsfreiheit. Diese wird dann marktorientiert erfolgen, das Funktionieren von Märkten beeinflussen, ja zum Gegenstand haben; sie bringt auch als solche nicht selten entsprechende Märkte hervor, auf welchen dann der Staat gewissermaßen als solcher als Marktteilnehmer erscheint. Die zweistufige Struktur dieses Förderungsmechanismus erscheint denn auch geradezu als ein Prototyp zulässigen, ja wünschbaren, staatlichen Förderungsverhaltens, welches sich hier private Freiheit und auch durchaus private Wirtschaftsinteressen zunutze macht, etwa in werblichen Effekten, wie in der Verfolgung von Unternehmensbelangen durch Förderung der eigenen Belegschaft214. Insoweit treten dann naturgemäß Wettbewerbsprobleme auf, im Verhältnis zu anderen Marktteilnehmern, welchen diese staatlichen Vergünstigungen nicht zuteil werden. Das Gemeinnützigkeitsrecht versucht, dem durch die Forderung nach jedenfalls schwerpunktmäßiger Verfolgung allgemeiner öffentlicher Interessen215 und zugleich marktförmig gerecht zu werden. Hier zeigt sich auch die im vorliegenden Zusammenhang angesprochene Problematik: „Die Förderung allgemeiner öffentlicher Interessen“ und des „Funktionierens von Märkten“ treten nicht selten in einem schwer aufzulösenden Gemenge auf. Dem muss eine Dogmatik der Förderstaatlichkeit in einer Weise Rechnung tragen, welche denn auch insbesondere im Gemeinnützigkeitsrecht bereits angelegt ist216: Unterschieden werden muss eben zwischen einer allgemeinen Datensetzung zu gewissen öffentlichen Interessen, welche allenfalls im Sinne der hier dargelegten generellen Marktordnung für die Märkte und ihren Wettbewerb von Bedeutung wird – und einem fördernden Einfluss auf das Funktionieren dieser Märkte selbst und die Stellung der Marktteilnehmer in ihnen. Es sollte jedenfalls nicht zu einer Vermischung dieser beiden Förderungsformen kommen; sachgerecht wäre es, die allgemeinmarktordnende nicht als Förderung zu bezeichnen, sondern als Verfolgung allgemeinerer öffentlicher Belange. Das Gemeinnützigkeitsrecht bietet also einen klaren Ansatz für eine dogmatische Präzisierung der Förderstaatlichkeit im hier entwickelten Sinn: Sie ist auch im Gemeinnützigkeitsbereich, in all seinen Sub-Materien, als Förderstaatlichkeit nur zulässig, soweit das Funktionieren von Märkten dies erfordert. Hier sind dann alle Kriterien marktkonformer Subventionierung erforderlich und einsetzbar, welche oben unter C. entwickelt wurden. Im Übrigen aber fördert der Staat nicht im eigentlichen Sinn, er
214 Hier ergibt sich dann vor allem die intensiv behandelte Problematik der Mitgliedernützigkeit in Spannung zur Gemeinnützigkeitsvoraussetzung der Selbstlosigkeit, s. LeisnerEgensperger, FN 120 § 55 AO, Rn. 170 sowie § 52 AO, Rn. 227 ff. 215 Die „Förderung der Allgemeinheit“ verlangt vor allem Marktkonformität als Gemeinnützigkeitsvoraussetzung, vgl. dazu Leisner-Egensperger (FN 120) § 52 a.O. RN 55 ff. 216 Insoweit dort die allgemeine Förderungsgleichheit in Wettbewerbsneutralität, als Marktordnungsdatum, in besonderer Weise zu achten ist, vgl. dazu Leisner-Egensperger FN 120, Vor §§ 51 – 58 a.O. Rn. 40 ff.
III. Wirkungen der Förderung auf die hoheitliche Staatsordnung
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verfolgt Gemeinschaftsbelange217, im Rahmen der allgemeinen verfassungsrechtlichen, insbesondere grundrechtlichen Vorgaben. Und, was hier noch besonders betont werden muss: Private haben mit solcher marktordnender Staatlichkeit grundsätzlich nichts zu tun; ihre Anstrengungen sind nicht Teil, Verstärkung oder Fortsetzung einer solchen allgemeinen Wahrung öffentlicher Belange218. Derartiges kann auch nicht über eine allgemeine Solidaritätsverpflichtung Privater219 oder, konkreter, eine Verantwortung privater Unternehmen für das allgemeine Funktionieren des Arbeitsmarkts konstruiert oder gar legitimiert werden. Hier ist vielmehr der Förderstaat gefordert: Er muss, darf jedoch auch nur eingreifen in den marktentsprechenden Formen seiner Förderung im engeren Sinn, nicht zu einer allgemein-schwächerenschützenden Herstellung wirtschaftlicher Umverteilungszustände.220 Sie mögen zur Erhaltung der allgemeinen staatlichen Ordnung beitragen, sind insoweit aber Marktordnung, damit allgemeine Staatlichkeit, nicht spezielle Förderstaatlichkeit.
III. Wirkungen von der Förderstaatlichkeit auf die hoheitliche Staatsordnung 1. „Kombinierte Lenkung“: Marktordnung und Förderung Dass gesetzliche Datensetzungen, dass die gesamte Ordnungspolitik des Staates fördernde Wirkungen erzeugen kann, hat sich ebenso allgemein erwiesen221, wie dies insbesondere bei der Abgabenerhebung zum Ausdruck kam.222 Auf diesen Wegen wirkt die allgemein marktordnende Hoheitsstaatlichkeit in vielfacher Weise als Förderstaatlichkeit.223 Umgekehrt wirkt aber auch die hier im Mittelpunkt 217 Die nähere Aufzählung der Gemeinnützigkeitsmaterien in § 52 Abs. 2 AO bezeichnet diese Gemeinschaftsbelange. Dem gegenüber sind die Bestimmungen der Einzelsteuergesetze, welche die entsprechenden Vergünstigungen konkretisieren (vgl. Leisner-Egensperger FN 120 § 51 Rn. 15 ff.), vor allem auch an der Marktkonformität und damit an der Förderstaatlichkeit im eigentlichen Sinne auszurichten. 218 Deshalb lässt sich auch die Privilegierung privaten gemeinnützigen Handelns allenfalls allgemein, dem Grunde nach, über die Vorstellung rechtfertigen, hier werde „der Staat entlastet“ von der Erfüllung von Aufgaben, die er sonst „erfüllen müsse“ (Nachw. b. Leisner-Egensperger FN 120, Vor §§ 51 – 58 a. O. Rn. 36). Im Einzelnen und insbesondere der Höhe nach nimmt der Staat dabei lediglich seine allgemeinen Förderungsfunktionen war, worin er sich zwar legitimiert – aber auch frei ist (vgl. oben C. II. 4.). 219 Bedenkliche Vorstellungen über eine allgemeine private Solidaritätsverpflichtung finden sich in den Ausführungen zur Verpflichtung der Versicherungswirtschaft neuerdings in BVerfG NJW 2009, 2033. 220 Zum Schwächerenschutz vgl. oben A. V. 5., C. II. 2. 221 Vgl. oben II. 1. 222 s. oben II. 2. 223 Dem Begriff dieser Förderung als solcher war das Kapitel II. gewidmet.
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stehende marktkonforme „eigentliche“ Förderstaatlichkeit in vielfacher Weise verstärkend auf die allgemeine hoheitliche Ordnung des Staates. In der „kompensatorischen Förderung“, von der bereits die Rede war, zeigt sich dies besonders deutlich: Staatliche Ge- und Verbote, welche besondere Belastungen für den Bürger bringen, können darin „abgefedert“, abgeschwächt werden in ihren Eingriffswirkungen, die in ihren wirtschaftlichen Effekten wenigstens teilweise durch die staatliche, direkte oder abgabenmäßige Förderung abgemildert werden; geradezu klassisch zeigt sich dies am Beispiel des Denkmalschutzes.224 Der Staat übernimmt einen Teil der Belastungen. Einerseits ermöglicht er damit die Befolgung seiner unbedingten Gebote, zum anderen fördert er aber nun, im engeren Sinne und marktkonform, ein privates Verhalten, das den staatlich denkmalschützenden Zielsetzungen entspricht. Beide Wirkungsweisen sollten allerdings, soweit wie möglich, streng getrennt bleiben: Im ersteren Fall, bei dem es vor allem um denkmalerhaltende Gesetzesbefolgung geht, findet eine marktkonforme Förderung im eigentlichen Sinne gar nicht statt. Im Letzteren dagegen wird ein marktentsprechender Anreiz geboten zu positivem Verhalten, durch die staatlich geförderten privaten Anstrengungen. Zum einen wird also Gesetzesgehorsam wirtschaftlich ermöglicht, im anderen marktkonformes Nutzungsverhalten suggeriert; Letzteres allein ist Ausdruck eigentlicher Förderstaatlichkeit. Die verfassungsgebotene Freiheit, durch Auferlegung nur zumutbarer Belastungen, darf nicht durch eine marktkonforme Förderung im eigentlichen Sinne erkauft werden, welche dem Staat ja weitestgehend freisteht. Aus diesem Grund sollte auch vermieden werden, staatliche Wirtschaftslenkung in gewollter und gezielter Kumulationswirkung gesetzlicher Ordnung und staatlicher Förderungsleistungen zu betreiben. Allerdings gehen in der staatlichen Wirtschaftspolitik hoheitliche Ordnungs- und gewährende Förderungsformen weitgehend ineinander über, werden in der Einheit eben dieser Wirtschaftslenkung ganz offen verbunden. Richtlinien der Gesamtpolitik beinhalten nur zu oft Kumulationen und Kombinationen dieser Effekte. Darin erscheint dann die Förderung geradezu in systematischer Überwirkung auf hoheitliche Ordnung, die damit unterstützt, vielleicht erst ermöglicht wird. Liberalen Grundüberzeugungen entspricht dies nicht, sollte doch die Förderung im eigentlichen Sinne in besonderer Weise marktkonform ausgerichtet sein, während die allgemeinstaatliche Ordnung, auch in ihrer Form der Ordnung der Märkte, anderen und weit allgemeineren Zielen, Maßstäben und Grenzziehungen verpflichtet bleibt.225 Zwar gelingt es durch solche Kumulationen, die sich zu Kombinationen steigern, die Lenkung bürgerfreundlicher, die Belastungen zumutbarer zu gestalten; verloren geht aber das klare Bewusstsein für das, was der Staat zur Verfolgung allgemeiner öffentlicher Interessen an sich bewirken darf, im Rahmen der allgemeinen Freiheit, und für die Wirkungen andererseits, die er, als Wahrer und FörZur öffentlichen Förderung des Denkmalschutzes vgl. FN 169; allgemein zur „Abfederung“ bereits oben C. III. 3. 225 Hier liegt die Grundsatzproblematik des eingängigen „Förderns und Forderns“ als tragender Grundsatz der Sozialgesetzgebung (Hartz IV), will man dies nicht schwächerenschützend verstehen und es vor allem auch auf die Unternehmerseite übertragen. 224
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derer der gemeinschaftsbedeutsamen Märkte, aber wesentlich über Förderstaatlichkeit im eigentlichen Sinne, erzielen sollte. Dieser Synkretismus ist umso bedenklicher, als damit die Abschichtung marktordnender und marktfördender Staatsaktivitäten erschwert wird, im allgemeinen Bewusstsein geradezu als unmöglich erscheint. Dann aber können die wirtschaftslenkenden Effekte ordnender Staatstätigkeit nicht mehr von denen einer Förderstaatlichkeit unterschieden, diese Letzteren also nicht klar marktkonform ausgerichtet werden, weil beide ja in der erwähnten Kumulationswirkung zusammenfallen. Die Förderstaatlichkeit erscheint dann grundsätzlich, als „Markt des Hoheitsstaates“, lediglich als Helferin seiner hoheitlichen Lenkung. Es gelingt nicht einmal mehr das, was immerhin die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch festgehalten hat: dass bei kumulierten Steuerbelastungswirkungen226 jede Belastungskausalität in ihren Effekten besonders behandelt wird. Die verschiedenen hoheitlichen Belastungen des Grundeigentums etwa werden allerdings auch nicht als solche systematisch zusammen gesehen, soweit erforderlich entsprechend anteilsmäßig verringert.227 Ebenso wenig findet hier, innerhalb der Kumulation, eine doch aus Kompensationsgesichtspunkten jedenfalls naheliegende Feinabstimmung der Wirksamkeit fördernder und befehlender Staatlichkeit statt. Die Folge kann nur sein: Beiden Formen werden nicht begrenzte, jedenfalls nicht gegenseitig abgrenzbare Räume zuerkannt; darin verstärkt sich dann erst recht eine staatliche Wirtschaftslenkung als globale Direktionsmacht.
2. Rechtsstaatliche Problematik einer Förderstaatlichkeit als hoheitliche Ordnungsstaatlichkeit Dass die Förderstaatlichkeit nicht einfach nur als eine „Förderung durch hoheitliche Ordnungsstaatlichkeit“ aufgefasst, in dieser letzteren, als eine Form derselben, aufgehen darf, ergibt sich schon aus rechtsstaatlichen Notwendigkeiten. Auf diese Weise würde die bereits mehrfach erwähnte Notwendigkeit der Unterscheidung von Kriterien und Grenzen der Hoheitsstaatlichkeit und denen der Förderstaatlichkeit verwischt, in einer Undefinierbarkeit der staatlichen Globallenkung und ihrer rechtlichen Ordnung. Förderstaatlichkeit muss ja einerseits strenger marktkonform ausgerichtet sein – andererseits erfolgt sie in staatlicher Entscheidungsfreiheit228, in den durch sie bestimmten Räumen.
226 Zu Kummulationswirkungen vgl. bei den Eigentumsbindungen Leisner, W., FN 159, Rn. 168 ff.; zu den Dienstpflichten Manssen, G., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. 2005, Art. 12a, 22, 46 f. 227 Dies wirkt sich insb. aus bei den Belastungen durch den Umweltschutz, vgl. dazu Leisner, W., Umweltschutz durch Eigentümer, 1987, insb. S. 116 ff. 228 s. II. 2., 6.
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So aber entsteht eine Gefahr: Die Förderstaatlichkeit wird über ihre Erleichterungswirkungen für den Bürger zu einer einzigen großen Rechtfertigung verstärkter hoheitlicher Anordnungsstaatlichkeit: Der Gewaltunterworfene kann die belastenden Befehle befolgen, weil ihm, irgendwie und irgendwo, vom Staat schon geholfen werden wird. Und im Übrigen steht dem Bürger ja etwas offen wie eine „Flucht in die Marktwirtschaft“, welche der Staat ja mit seiner Förderungsgewalt „irgendwie“ hält. In so vielen Fällen, in welchen hoheitliche Ordnungsbefehle insbesondere wirtschaftliche Grundrechte zu verletzen drohen, öffnet sich ihm der Weg in die große Freiheit der Märkte; im Hinweis auf diese legitimiert sich der Staat sogar noch aus seiner Förderungspraxis im engeren Sinne. Was als Stärkung der Freiheit angelegt ist – die Förderstaatlichkeit als solche – wird damit geradezu zur Rechtfertigung der hoheitlichen Bindung der Freiheit. Der in seiner Freiheit eingeschränkte Bürger wird auf eine über die Marktwirtschaft angeblich wirksame Marktfreiheit verwiesen, welche der Staat ja durch seine Förderungstätigkeit stütze. Wann und wie dies allerdings geschieht und wirksam werden soll, bleibt im Einzelfall meist für den Betroffenen völlig im Dunkeln.229 Überwirkungen der Förderstaatlichkeit auf die hoheitliche Ordnung werden also grundsätzlich gesehen und gerechtfertigt, aber in einem Ausmaß und in Formen, welche rechtsstaatlich auch nicht annähernd mehr fassbar erscheinen. Deshalb ist es ein dringendes Gebot gerade der im hoheitlichen Bereich ja zentral wirksamen Rechtsstaatlichkeit, derartigen Erweiterungen und Legitimationen der Hoheitsgewalt durch eine möglichst klare Abschichtung von gesetzgeberischer Ordnungsschaffung und Förderstaatlichkeit entgegenzuwirken (vgl. unten V.)
3. Exkurs: Unfühlbarkeit und Unkontrollierbarkeit der staatlichen Lenkung Die Problematik von Entwicklungen einer Förderstaatlichkeit im engeren, marktkonformen Sinn liegen nicht nur darin, dass sie sich, wie eben dargestellt, auf vielfache Weise mit Formen der Marktordnung, damit der hoheitlichen Ordnungsstaatlichkeit verbindet, was durch den synkretisierenden Begriff der staatlichen Lenkung begünstigt wird. Eine dogmatische Erfassung der Förderstaatlichkeit begegnet überdies der Schwierigkeit, dass diese Lenkung insgesamt, damit sogar alle staatliche Förderung, in ihren Auswirkungen oft und weithin „unfühlbar“ bleibt, durch rechtliche Kontrollmechanismen schwer erfassbar ist.230 229 Neuerdings droht diese Unterscheidung von Marktordnung und Förderungsrecht gerade in dem so wichtigen Recht der Vergaben weiter verwischt zu werden. Hier wird der Staat zwar als Marktteilnehmer, jedoch eben auch wirtschaftsordnend, nicht nur wirtschaftsfördernd tätig. Amerikanischen Tendenzen entspräche es aber wohl, dies letztere hier stärker zum Tragen zu bringen (vgl. Burgi, M./Gölnitz, H., DÖV 2009, 829). 230 „Fühlbarkeit“ einer Belastung ist zwar als solche kein dogmatisch vertiefter Begriff des öffentlichen Rechts; sie spielt aber bei der Beurteilung der Gesetzgebungspraxis, vor allem im
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a) Bereits die Kausalität staatlicher Förderung für das Marktgeschehen ist, selbst bei enger Fassung des Begriffes, erst recht bei Einbeziehung der ordnungsrechtlichen Datensetzung, nur schwer bestimmbar. Sie läuft ja über das unübersehbare Verhalten des privaten Geförderten, der von solchen Hilfen Gebrauch macht, erfolgreich oder nicht, ihnen damit aber oft überhaupt erst Wirksamkeit verleiht; der Erfolg bleibt überdies dafür ein zweifelhaftes Kriterium. Diese Problematik verstärkt sich noch durch die zeitliche Komponente: Häufig wird erst sehr spät, nach Eintreten anderer, marktbestimmter Effekte sichtbar, was denn nun überhaupt geförderte Tätigkeit bewirken konnte. Erst recht bleibt meist fraglich, was davon auf staatliche Förderung und hier wieder auf deren marktkonforme Anstrengungen im engeren Sinne zurückzuführen ist. Damit ergibt sich eine überaus schwierige Kontrolllage für die staatlichen Instanzen231, angesichts einer oft mehr als problematischen materiell-rechtlichen Erfassungsmöglichkeit der Förderungskausalität als solcher. b) Diese verschiedenen, gewissermaßen stufenmäßig übereinander geschalteten Problemlagen lassen überdies rechtliche Erfassung insbesondere infolge des Reagierens der Geförderten auf solche Hilfen, bereits auf deren Angebote, als problembehaftet erscheinen: Gerade für das Verhalten der Marktteilnehmer des Wirtschaftslebens ist es ja charakteristisch, dass sie im Drang ihrer Geschäfte nicht ständig nur Gründe von (Miss-)Erfolgen analysieren, sondern den Blick nach vorne richten. Der hier unabdingbare Aktivismus und Optimismus lässt oft auch über längere Zeit hinweg bestimmte Wirkungen hinnehmen, sie auf andere als die eigentlichen, selbst naheliegenden Gründe zurückführen. Überdies muss mit einer schwer zu vermeidenden Tendenz gerechnet werden, Ergebnisse erfolgsorientiert eigenem Verhalten, bei Rückschlägen fremder Hilfe zuzuordnen. Da es aber in erster Linie unternehmerische Beurteilungen sind, welche hier entscheiden, müssen die fördernden Staatsinstanzen sie weitgehend hinnehmen, das Förderungsrecht sie insgesamt im gleichen Umfang ratifizieren; so kommt es im Ergebnis zu einem Zug zur Privatisierung der Erfolge, der Verstaatlichung der Misserfolge. Selbst wenn damit aber nicht die Beurteilung und daher die Erfassung der Förderungswirkungen endet, so trägt doch dieses gesamte unternehmerische Verhalten, welches ja gerade als solches unterstützt werden soll, in sich bereits zu einer Unfühlbarkeit staatlicher Förderung bei, welche sich rasch zur Unbestimmbarkeit, damit aber dann zu einer Negation ihrer Wirkungen überhaupt steigern kann. Dabei ist noch gar nicht einem allgemeineren Bagatellgrundsatz Rechnung getragen, welcher für Förderstaatlichkeit im engeren Sinne ebenso gelten muss wie für alle hoheitliche Ordnung232: Nur wenn die Ausschläge der Förderungswirkung eine geSteuerrecht, durchaus eine wichtige Rolle, vgl. Tipke, K., Die Steuerrechtsordnung, 2. A. 1993, Bd. I, S. 450. 231 s. dazu unten IV. 232 Eine „Bagatellgrenze“ wird zwar vor allem bei Rechtfertigungsversuchen grundrechtlicher Eingriffe gezogen, sie gilt aber auch für staatliche Leistungen, wie sich etwa im BundLänder-Verhältnis bei der Hochschulförderung zeigt, vgl. Siekmann, H., in: Sachs FN 188, Art. 91b, Rn. 13, 20.
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wisse Wirkungstiefe und -breite erreichen, werden sie überhaupt gefühlt und können dann rechtlich gewichtet werden. c) Selbst wenn aber alle diese Erschwerungen einer rechtlich fassbaren Fühlbarkeit der Förderung deren rechtlicher Erfassung nicht im Wege stehen, so fehlt doch in aller Regel der eigentlich wirksame rechtliche Kontrollmechanismus: Die gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit der Förderungsmaßnahmen. Steht dem Adressaten hier kein Rechtsanspruch zur Verfügung, bei dessen gerichtlicher Anerkennung sogleich über etwaige Wirkungstiefe und -breite staatlicher Hilfen zu entscheiden ist, so sieht er sich in nachträgliche Haftungsprozesse gedrängt; hier aber wird er in aller Regel nur schwer den Nachweis eines schuldhaften staatlichen Verhaltens unter Hinweis auf negative Effekte staatlicher Förderung führen können. Dann aber steigert sich das verfahrensrechtliche „Wo kein Kläger, da kein Richter“ zum materiellrechtlichen „Wo kein Richter, da kein Recht“. Überhaupt muss wohl von der Vermutung ausgegangen werden, dass, vor allem eben aus Gründen erschwerter Fühlbarkeit und Feststellbarkeit von staatlichen Förderungswirkungen, eine a posteriori-Judikatur233 in aller Regel – zu spät kommt; bei den meisten, länger gestreckten Förderungsvorgängen kann in sie ja ohnehin nur schwer zu irgend einem Zeitpunkt überzeugend eingegriffen werden, durch gerichtliche Feststellungen, welche eine wesentlich dynamische Entwicklung versteinern würden. Dies alles führt aber zu einem paradox anmutenden Ergebnis: Infolge weithin unfühlbarer, überdies rechtlich schwer eindeutig feststellbarer Wirkungen der staatlicher Förderung – selbst wenn es gelingt, diese in ihrer engeren, marktkonformen Weise zu bestimmen –, vermindert sich deren rechtliche Fassbarkeit praktisch noch über die bereits erwähnte (oben C. am Ende) Förderungsfreiheit des Staates hinaus234: Gerade weil ihre Effekte, selbst verstärkt durch die Datensetzungen der Ordnungsstaatlichkeit, im Einzelnen klein, ja kaum mehr feststellbar sein mögen, summieren sie sich leicht, aber unübersehbar, zu einer Lenkungseffizienz, welche an die Fesselung des Gulliver erinnert; eben deshalb werden sie dann von potenziellen Adressaten mit Misstrauen betrachtet, ja abgelehnt. Hier liegt andererseits auch ein Grund dafür, dass die freiheitsbeschränkenden Wirkungen der Förderstaatlichkeit bisher nur in so engen Grenzen über den Grundrechtsschutz der Wettbewerbsfreiheit und -gleichheit erfasst werden konnten.
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Die hier u. a. in Betracht kommenden Erstattungsprozesse bei Aufhebung von Subventionsbescheiden (vgl. dazu Ossenbühl, F., Staatshaftungsrecht, 5. A. 1998, S. 419 ff.), erfassen nur Extremfälle unwirksamer Förderung, und dies auch wieder meist in auf das Verhalten der Begünstigten beschränkten Fällen. 234 Oben C. am Ende.
IV. Förderungskontrolle: „Förderung mit Hoheitsgewalt“
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IV. Förderungskontrolle: „Förderung mit Hoheitsgewalt“ 1. Kontrollnotwendigkeit als Eingriffszwang a) Die dogmatische Erfassung einer Förderstaatlichkeit hat sich bereits darin als schwierig erwiesen, dass fördernde Effekte auch von allgemeinen staatlichen Ordnungsentscheidungen, insbesondere in gesetzlicher Form, ausgehen. Marktordnung und Marktförderung im engeren, wirtschaftskonformen Sinn lassen sich daher oft nur schwer abschichten. Diese Problematik verschärft sich nun noch dadurch, dass jede staatliche Förderung, gerade wenn sie in dem hier behandelten engeren, marktfunktionalen Sinn erfolgt, notwendig einer staatlichen Kontrolle bedarf.235 Diese aber kann gar nicht anders ausgestaltet werden als in der Formalisierung staatlicher Hoheitsakte, in Form kontrollierender Verwaltungsaktlichkeit. Damit aber spätestens wird Förderstaatlichkeit zu einem rechtlichen Phänomen der Eingriffsstaatlichkeit, selbst wenn die Zulassung zur Subvention keinen gleichheitsgebundenen Hoheitsakt darstellen sollte. Mehr noch: Hier erscheint der Hoheitsstaat zunächst in einer wiederum unfühlbaren Weise als Geschenkgeber, sodann aber, diese Hilfen eben doch mit seiner hoheitlichen Staatsgewalt kontrollierend, als Eingriffsstaat in die Märkte. Darin liegt die wohl tiefste Problematik der Förderstaatlichkeit; sie zeigt sich nicht nur in ihrer dogmatischen Erfassung, erschwert deren Eigenständigkeit, sie betrifft auch die Akzeptanz dieses Staatshandelns: Vor allem Bürger als Unternehmer fürchten um ihre Freiheit. Hier erweist sich auch, dass diese nicht nur durch bindende Bedingungen und Auflagen gefährdet ist, welche sogleich, a priori wirken, sondern dass a posterioriWirkungen drohen, welche jedenfalls zeitlich schwer vorhersehbar sind und daher rechtsstaatliche Transparenz nicht selten, wenn nicht gar grundsätzlich, verfehlen. b) Andererseits ist es aber gerade dieser Rechtsstaat, in Verbindung mit der demokratischen Staatsgrundsätzlichkeit, der Notwendigkeit von Haushaltskontrollen über die Verwendung von Bürgermitteln, welcher solche Kontrollen erzwingt236, mit allen möglichen, also eben auch hoheitlichen, insoweit ex definitione wenig marktkonformen Mitteln. Es gilt hier sogar ein intensivierendes „Je-Desto“: Je mehr an Staatshilfen gewährt wird, desto schärfere Kontrollen sind erforderlich, geradezu auf der Grundlage rechtsstaatlicher Verfassungsvorgaben. Der Rechtsstaat führt zum Ein-
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Zur Beihilfenkontrolle im Gemeinschaftsrecht vgl. Rydelski, H. B., Handbuch des EUBeihilferechts, 2003, S. 19 ff. Im nationalen Recht werden die Vorgabekriterien von Subventionen mangels gesetzlicher Grundlage häufig in Verwaltungsvorschriften festgelegt; zur verfassungs-rechtlichen Problematik vgl. Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG, 5. A. 2005, Art. 3 Rn. 271 ff. Zur verwaltungsrechtlichen Kontrolle siehe f. viele Stober, R., Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, 14. A. 2007, § 57 III., VII. 236 Dazu grdl. Tiemann, S., Die Staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, 1974, S. 231 ff.
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griffszwang über Kontrollen237 – obwohl dieser seinerseits durch den allgemeinen Freiheitsschutz gegen staatliche Eingriffe doch wiederum eng begrenzt bleiben sollte – ein schwerwiegendes, rechtsstaats-immanentes Spannungsproblem. c) Diese Spannung verschärft sich noch dadurch, dass es, wie oben (III.4.) dargelegt, an vorgängigem gerichtlichem Rechtsschutz weithin fehlt, nachträglicher den Adressaten kaum wirksam schützen kann. Die staatlichen Förderungsinstanzen müssen also, nach dem Verfassungsgebot der strengen Mittelprüfung, gewissermaßen in einer Doppelfunktion intensiver hoheitlicher Förderungskontrolle238 tätig werden, welche an die einer zugleich beschuldigten- und gemeinschaftssichernden Staatsanwaltschaft erinnert: Die Hingabe der Förderungsmittel ist zu überwachen sowohl im Interesse von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit staatlicher Haushaltsführung – als auch, andererseits, mit Blick auf eine Effizienz, welche zugleich den Freiheitsschutz des geförderten Adressaten in den Blick nimmt. Dass dies praktisch in vielen Fällen zu einer schwer auflöslichen Spannung im behördlichen Kontrollverhalten führen muss, welche der Kontrolldichte in ihrer Transparenz nur schaden kann, liegt auf der Hand; und hier geht es wirklich um Probleme einer Kontroll-Psychologie. Nur zu oft wird dies in einer Priorität staatlicher Haushaltsinteressen enden, welche aber gerade wohlverstandener, marktkonformer Förderstaatlichkeit nicht entspricht – bei negativen wie positiven Förderungsentscheidungen. Staatsgrundsätzlich kommt es übrigens dadurch zu der eigenartigen Verfassungslage, dass die Rechtsstaatlichkeit geradezu zum Haushalts-Blanco für scharfe hoheitliche Kontrollen wird, diese erzwingt und damit erst recht den Hoheitsstaat in den Förderstaat hinein erweitert. Der Staat muss ja, da eine judikative Kontrolle kaum wirksam werden kann, dieses Überwachungsdefizit in der Form einer Exekutive als Selbstkontrolleur ausfüllen. Hier wird er dann überdies in eine auch hoheitliche Gestaltungsfreiheit entlassen, welche nur dem einigermaßen vagen Begriff einer Effizienzkontrolle der Förderung verpflichtet ist. d) Erforderlich ist hier also ein geschärftes dogmatisches Problembewusstsein: Förderstaatlichkeit weist nicht nur eine bereits schwer beherrschbare Erweiterungsdynamik auf durch Förderungswirkungen hoheitlicher Ordnungsstaatlichkeit, diese verstärkt sich überdies noch durch ihre notwendige systematische Folge: eine Kontrollstaatlichkeit mit den Mitteln und in den Formen einer sehr weit in private Freiheitssphären eindringenden Überwachung der Hilfeverwendung. Aufgabe einer Dogmatik des Förderstaates ist es daher, vorrangig, diese – als solche durchaus notwendige – Selbstkontrolle der Staatlichkeit in möglichst klaren, marktkonformen Grenzen zu halten. Sie ist in sich zu rationalisieren, darüber hinaus aber stets dann zurück237 Mag auf Rechnungskontrollen auch grundsätzlich kein subjektiver Rechtsanspruch von öffentlichen Organisationsträgern oder Bürgern bestehen, vgl. dazu Schwarz, K.-H., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 114 Rn. 120 ff. m. Nachw.; über die Gleichheitskontrolle, vor allem bei Subventionen auf gesetzlicher Grundlage, kann aber doch eine Überwachung durch die Vergabeorgane erzwungen werden. 238 Die vor allem über „Rückabwicklungskontrolle“ abläuft, vgl. Stober, FN 235, § 57, VIII., 1. bis 4.
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zunehmen, wenn sie das Marktverhalten der Geförderten stärker bindet, als es gerade die freiheitsfördernde Wirkung der Staatshilfen voraussetzt. Hier ist eine schwierige Gratwanderung angesagt. Dabei kann es nicht genügen, sich auf übliche, inhaltsleere Formeln zurückzuziehen – die dann aber gerade in dieser ihrer Unbestimmtheit der staatlichen Kontrollgewalt allzu weit die Tore öffnen.
2. Förderungsauflagen – marktkonforme Lenkungsbedingungen Hier erreicht die Untersuchung das weite Feld der Einzelbedingungen und -auflagen staatlicher Förderung.239 Es ist praktisch nur über die meist wenig aussagekräftigen Haushaltsansätze erfassbar – die dann in umso detailliertere administrative Förderungsbestimmungen münden. Die Bestimmtheitsschere zwischen diesen beiden Festlegungsformen droht sich im Einzelfall nur immer noch weiter zu öffnen – oder geschlossen zu werden in einer „Einzelfalladministration“; diese muss freiheitsrechtlich noch weit bedenklicher erscheinen als die ohnehin viel kritisierte Einzelfallrechtsprechung der Dritten Gewalt, welche gegen sie ohnehin nur in engen Grenzen angerufen werden kann.240 Von den meist recht allgemeinen Groß-Formeln, in denen die Förderungsziele mehr beschrieben als festgelegt werden, geht die Verwaltung dann, oft unvermittelt, über in die eingehende Festlegung von Einzelbedingungen und -auflagen241; hier wird etwas praktiziert wie ein verwaltungsrechtlicher „Vorhalt“, damit „für alle Fälle“ Kontrolle greife, später wirksam nachgeschoben werden könne. Hier entfaltet sich der Förderstaat geradezu zum Vorsorgestaat für alle möglichen Eventualitäten, welche seine Mittelverwendung gefährden könnten. Freiräume für die Geförderten werden nur selten sichtbar, sie bleiben ein Freiheitsrecht nach Abzug belastender Auflagen. Vor allem aber besteht für die Verwaltungen eine – an sich durchaus verständliche – Versuchung, die zeitliche Wirksamkeit der Kontrollmechanismen zu übersteigern: Im Namen einer „Nachhaltigkeit“242 staatlicher Förderungswirkungen – ein schon allgemein bedenklich weiter und wenig präziser Begriff – werden die Förderungsbindungen nicht nur gestreckt, sondern auch noch gesteigert, was dann in den größeren
239 Überblick bei Stelkens, U., in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. A. 2008,§ 36 Rn. 75 ff. bzw. 82 ff., Überblick über die herkömmliche Dogmatik bei Leisner, W., Die Lenkungsauflage, 1982, S. 26 ff. 240 Vgl. zu dieser viel erörterten Problematik Stelkens, U., FN 239, § 36, Rn. 54 ff. 241 Für Nebenbestimmungen in Subventionsbewilligungen ist nach h. L. keine spezielle gesetzliche Ermächtigung erforderlich, da sich letztlich aus dem Lenkungszweck der Subvention zwingend das Erfordernis von Nebenbestimmungen ergibt, Stelkens FN 239, § 36, Rn. 138. 242 Zur Nachhaltigkeit vgl. die Nachw. FN 165.
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Zusammenhang der Risikovermeidung gestellt werden kann.243 Projektanpassungen zeigen in diesem Zusammenhang eine nicht immer unbedenkliche Doppelwirkung: auf der einen Seite entsprechen sie einer marktwirtschaftlichen Notwendigkeit erhöhter Flexibilität, zum anderen aber öffnen sie Kontrollinstanzen eben darin eine kaum vorhersehbare Eingriffsfreiheit in laufende Vorgänge – bis hin zum DamoklesSchwert eines plötzlichen, völligen Entzuges244 der Staatsförderung. b) Auf all diesen Ebenen, im Einsatz aller Ausgestaltungsformen der Förderungskontrolle stellt sich vor allem ein Problem, und wiederum insbesondere mit Blick auf die Rechtstaatlichkeit: Wie steht es hier überall mit dem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Spannungsverhältnis von Beurteilungsfreiheit und Ermessen?245 Der fast durchgehend notwendige Einsatz von unbestimmten Rechtsbegriffen im Förderungsrecht und vor allem bei dessen Kontrollen sollte eigentlich praktisch zur rechtlichen Begrenzung der Überwachungen führen.246 Praktisch lässt sich dies jedoch gerichtlich kaum sanktionieren; denn die Folge wäre ja meist eine Suspension der staatlichen Förderung bis zur Klärung dieser schwierigen, oft bis ins Grundsätzliche problematischen Rechtsfragen. Kein Adressat wird dies leichthin riskieren, keine Verwaltung es gerne akzeptieren. Notwendig ist dann aber eine Entwicklung, welche sich ja bereits im allgemeinen Verwaltungsrecht feststellen lässt: Gerichtlich eingegrenzte Beurteilungsfreiheit der Verwaltung entwickelt sich eben doch immer wieder und insgesamt zunehmend zur Einräumung eines Ermessens. Dies liegt im Förderungsbereich umso näher, als ja auch dem Unterstützten eine ähnliche Entscheidungsfreiheit vom Markt in aller Regel zuerkannt wird; systemkonform erscheint es dann, dass eine auf das Funktionieren dieses Marktes gerichtete Staatshilfe vergleichbare Gestaltungsfreiheiten, das heißt aber eben doch Ermessen, auch in ihrem hoheitlichen Verhalten zum Tragen bringen kann. c) Dieser letzteren Gefahr, wenn nicht bereits Tendenz muss jedoch entschieden entgegen getreten werden: Es darf nicht zu einer Erweiterung hoheitlicher Kontrollmöglichkeiten über staatliche Förderung kommen, welche den Förderstaat geradezu zum obrigkeitlichen Mitunternehmer der Subventionierten werden lässt, indem seine Kontrollmöglichkeiten im Sinne allgemeiner Ermessensfreiheit ausgeweitet werden. Dies darf auch nicht im Namen einer Risikovermeidung247 geschehen: Der Förderstaat muss bereit sein, auch alle Risiken des Marktes mitzutragen. Das Hoheitsrecht für den Staat mag generell einen „Risikobegriff“ nicht kennen, Risiken jedenfalls, soweit möglich, dem Privaten überbürden wollen. Hier aber muss sich eben doch etwas 243
Dies ist ein Phänomen vordringender staatlicher Vorsorge, welches der Verf. bereits im Umweltschutz beschrieben hat, Leisner FN 227. 244 Vgl. Stober, FN 238, § 57 III., 5, VII., 1 ff. 245 Zur Ermessensdogmatik vgl. oben FN 105. 246 Wenigstens im Sinne der „normativen Ermächtigungslehre“, in dem sich aus der Förderungsbestimmung ergibt, dass der Verwaltung bei der Kontrolle ein Beurteilungsspielraum zusteht, vgl. BVerfGE 61, 82 (111). 247 Insbesondere im Rahmen sog. Risikoentscheidungen, vgl. Di Fabio, U., Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 115 ff.
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entfalten wie eine Risikostaatlichkeit, nicht immer nur eine „Risikovermeidungsstaatlichkeit“, wie sie im Technikrecht herkömmlich diskutiert wird; andernfalls ist marktkonformes Staatsverhalten grundsätzlich nicht vorstellbar. Subventionsbedingungen und -auflagen können also nicht sicherheitsorientiert sein nach Grundsätzen des Versicherungsrechts. Wenn der Staat das Funktionieren der Märkte erhalten oder verbessern will, so bedeutet dies nicht automatisch, dass dies in Formen einer risiko- oder gar verlustfreien Marktteilnahme geschehen kann; und dies gilt auch für den Förderungseinsatz des Staates. Seine Bedingungen und Auflagen müssen sich also an dem orientieren, was der Markt an Risikofreudigkeit seinen Teilnehmern jeweils zumutet – oder der Staat muss, im Namen seiner Förderungsfreiheit, die Teilnahme an solchen Austauschvorgängen unterlassen. Gefordert ist jedenfalls eine Neuorientierung der Förderungsbedingungen und -auflagen; sie können und dürfen nicht einfach den Sicherungsauflagen entsprechen, wie sie der Staat seinen allgemeinen Ordnungsgestaltungen zugrunde legt. Der Förderstaat ist eben marktwirtschaftlicher Risikostaat.
3. Wirkungsstufen staatlicher Förderungskontrollen a) Die Kontrolle des Einsatzes staatlich gewährter Förderungen begegnet nun aber noch einer weiteren, schwierigen Problematik: Die staatlichen Hilfen werden ja in aller Regel Marktteilnehmern, einzelnen oder Gruppen von solchen, gewährt. Zugleich aber sollen sie das Funktionieren des betreffenden Marktes als solchen gewährleisten. Damit aber ergeben sich notwendig mehrere Wirksamkeitsstufen der Förderungsmittel, welche aber alle „irgendwie“ Gegenstand einer hoheitlichen Förderungskontrolle sein müssen: – Zunächst ist es in aller Regel ein „gefördertes Projekt“248, an welchem die Effizienzkontrolle auszurichten ist. Dieser Begriff ist aber als solcher rechtlich ebenso wenig definierbar wie er ständig, nur zu oft gedankenlos, gebraucht wird. Eine Beschränkung auf „produktiven Output“ ist keineswegs in allen Fällen sachgerecht; dieser ist ja nicht notwendig das eigentliche Förderungsziel249, sondern oft nur ein Indiz für die Erreichung desselben. – Die Stärkung der Marktstellung des Geförderten ist häufig eigentliches Ziel der Förderung, damit sie sich dann günstig in der Zukunft auf eine bestimmte Marktstabilität auswirke. Dies verlangt dann aber die betriebswirtschaftliche Beurteilung der Marktposition des Adressaten, ihren Vergleich vor und nach der Förderung. Dirigiert 248 Was jedenfalls Grundrechtsträger als Adressaten angeht, so sind Projekte also nicht notwendig einzelgegenstands- sondern oft auch allgemeiner verhaltensbezogen; das wirtschaftliche Ergebnis ist insoweit nur Anlass, Indiz oder gar Beweis bei freiheitsrechtlicher Verhaltensbeurteilung. 249 Es darf auch nicht, im Wege betriebswirtschaftlicher Ergebnisfeststellung, sogleich mit den nationalökonomisch zu beurteilenden Markteffekten der Förderung gleichgesetzt werden.
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wird damit auch nicht nur in Richtung auf einen bestimmten Unternehmenserfolg, sondern auf eine betriebswirtschaftliche Struktur des Unternehmens250, welche insgesamt, und nicht nur in einzelnen Richtungen, sodann einen Beitrag zum marktwirtschaftlichen Funktionieren des Gesamtbereichs verspricht. Derartige Kontrollen sind also auf den gesamten Unternehmensbereich des Adressaten auszudehnen. – Häufig erfolgt von Anfang an etwas wie eine (engere oder weitere) Branchenförderung, in der zahlreiche und damit auch marktstarke Betriebe noch unterstützt werden. Die Wirkungen eines solchen Einsatzes staatlicher Fördermittel müssen dann aber mit Blick auf die gesamte Branche, vielleicht auf ganze Sektoren251 kontrolliert werden – eine wiederum völlig andere Betrachtungsweise, in welcher der Kontrolleur von betriebswirtschaftlichen in volkwirtschaftliche Überlegungen übergeht, derartige jedenfalls sektoral schon anstellt. – Schließlich ist es gerade größerflächiger staatlicher Wirtschaftsförderung durchaus eigen, dass über Hilfen für einzelne Sektoren oder Marktteilnehmer Förderungseffekte für große Bereiche oder gar die gesamte Volkswirtschaft252 angestrebt werden; in Wirtschaftskrisen wird diese übergreifende Zielsetzung jedenfalls politisch im Vordergrund stehen und als solche überhaupt erst den oft erheblichen staatlichen Mitteleinsatz legitimieren. Hier muss dann aber in diesen sämtlichen dargestellten Stufen geprüft und eine Effizienzkontrolle in hoheitlicher Überwachung geleistet werden – ein überaus problematisches, wenn nicht schlechthin unmögliches Unterfangen, in welchem am Ende nur mehr „nach Hoffnung kontrolliert wird“. Wie diese sich mit den rechtsstaatlichen Anforderungen an transparentes hoheitliches Kontrollverhalten vereinbaren lassen soll, ist ein rechtsstaatliches und insbesondere organisationsrechtliches Problem von größter Schwierigkeitsdimension. Bisher ist nicht erkennbar, dass diese Problematik auch nur ansatzweise im öffentlichen Subventionsrecht erkannt, geschweige denn in organisationsrechtliche Strukturen253, in entsprechende rechtliche Kontrollstufen der Förderung umgesetzt worden wäre. Gerade dies aber ist unabdingbar, soll die Förderstaatlichkeit mehr sein als ein Sammelbegriff für irgendwelche „schwächer gesetzesgebundene“, dafür aber strenger kontrollgebundene Staatsaktivitäten. So jedoch wird es laufend praktiziert, in einer geradezu konträren Praxis zu den Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit: Die Flucht aus ihrer Gesetzmäßigkeit soll kompensiert werden durch Kontrollfreiheit der Exe250 Das ist der Sinn eines „Mittelstandsschutzes“, der ja sogar in § 3 GWB durch die Zulassung von Mittelstandskartellen eine gesetzliche Grundlage gefunden hat. 251 Zu den wichtigsten Sektoren vgl. Rodi, M., Die Subventionsordnung, 2000, S. 228 ff. 252 Ein eindrucksvolles Beispiel ist die Bankenförderung in der Wirtschaftskrise seit dem Jahr 2008, in welcher, ohne nähere überzeugende Begründung, unterstellt wurde, bei NichtFörderung einzelner Sektoren, ja Unternehmen drohe der Zusammenbruch ganzer Märkte, wenn nicht der Volkswirtschaft als solcher. 253 Selbst im Bereich der Marktordnung ist eine differenzierte Kontrollorganisation nach Kontrollgegenständen, d. h., Subventionszwecken – wie sie doch dem Subventionsrecht eigentlich zugrunde liegt – noch keineswegs systematisch auch nur angedacht, wie das Beispiel der Kontrollorganisation Bafin/Bundesbank zeigt.
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kutive. Ein schärferer Widerspruch zu dem ursprünglichen Anliegen der Rechtsstaatlichkeit des Konstitutionalismus lässt sich kaum vorstellen. b) Der einzige Versuch, dieser Spannung in größerem Stil entgegen zu wirken oder sie gar aufzulösen, ist bisher organisationsrechtlich unternommen worden in dem Aufbau einer Expertokratie254. In der Tat verlangen die unter a) dargestellten unterschiedlichen Förderungswirkungen, jede für sich, den Einsatz eines jeweils entsprechenden, vor allem wirtschaftlichen Expertenwissens: Hier müssen Märkte beurteilt werden nach der Gewichtung, welche Einzelleistungen auf sie ausüben. Betriebswirtschaftlich müssen Unternehmen beurteilt werden, in ihrer Marktstärke, ihrer Entwicklungsfähigkeit, ihrer Bonität und Kreditwürdigkeit. Branchenbeurteilungen, sektorale Kontrollen verlangen eine Kombination betriebs- und volkswirtschaftlicher Problemstellungen. Die volkswirtschaftliche Gesamtsicht ist gefordert, wo es um großflächige krisenbedingte Förderungen geht. So aber entsteht geradezu notwendig der stufenmäßige Aufbau einer Art von Expertokratie, in welcher diese Gewährungs- und Kontrollentscheidungen systematisiert, hierarchisiert und, soweit wie möglich, uniformiert werden. Dies alles ist bereits bei der Entscheidung über die Gewährung marktkonformer Förderung organisationsrechtlich zu leisten, als eine Art von vorweggenommener Kontrolle (vgl. unten F. I. 4.), es verschärft sich dann jedoch in der Ergebnisüberwachung und wandelt sich dort in Formen eindeutiger Hoheitsstaatlichkeit, mit allen Sanktionsmöglichkeiten des (sofortigen) Förderungsentzugs. So wirkt letztlich die Förderung als eine bereits in ihrem Ausgangspunkt virtuelle hoheitliche Staatskontrolle über wirtschaftliches Verhalten. Wenn aber diese Förderung wirklich marktkonform erfolgen soll, so darf sie nicht nur kontrollorientiert sein in einer Weise, welche der einer risikofern oder risikovermeidend tätigen Ordnungsstaatlichkeit entspricht.255 Von Anfang an muss sie vielmehr auch organisatorisch angelegt sein im Sinne einer Marktwirtschaftlichkeit, welche so beurteilt und kontrolliert, wie dies privatem, wirtschaftlichem Verhalten entspricht. Dies hat zu geschehen, obwohl die eben erwähnte Versuchung des Aufbaus einer Expertokratie fast notwendig in die damit verbundenen bürokratischen Formen zu münden droht; sie aber weisen eine traditionelle, organisationsrechtlich vielleicht geradezu notwendige Nähe zu Formen hoheitsstaatlicher Bürokratie auf.256 Hier muss also, erneut in einer schwierigen Gratwanderung, die rechtsstaatlich notwendige Kontrolle über vielfache, marktorientierte Expertenbeurteilung verbun254 Zur Regierungsberatung vgl. den Überblick bei Voßkuhle, A., Sachverständige Beratung des Staates, HStR 3. A. § 43, wo die vielfachen Verschränkungen staatlicher Expertokratie mit privater Beratung eingehend behandelt werden; letztere kommt vor allem aus Expertenerfahrung über die Lage der jeweiligen Märkte. 255 s. dazu oben II. c) FN 247. 256 Diese notwendige Tendenz bei Beratungen zu bürokratischen Formen kann sich vor allem auf die Gefährdungspotentiale bei sachverständiger Beratung durch Private berufen, die es zu „domestizieren“ gelte, vgl. dazu Voßkuhle, A., FN 254 Rn. 50 ff.
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D. Förderung und Marktordnung – staatliche Lenkung
den werden mit der geordneten Transparenz, wie die Rechtsstaatlichkeit sie ebenfalls verlangt. Eines jedenfalls muss vermieden werden: Förderstaatlichkeit darf nicht, begriffen als eine Flucht aus der gesetzesgebundenen Legalität, zu einer Flucht in die Legalität einer Hoheitsgewalt werden, welche dann am Ende mit ihren Kategorien überwacht und sanktioniert, ja von Anfang an nur nach ihnen bereits Förderung gewährt. Förderung sollte doch eine Form der Staatlichkeit darstellen, die nicht über Formen (mühsam zurückgehaltener) Gewalt, sondern in weicher „Marktkonformität“ wirkt. Dies jedenfalls muss stets im Blick behalten werden, auch und vor allem wenn es um die hoheitliche Kontrolle des Mitteleinsatzes geht: sie muss im Zweifel flexibilisiert werden, in ihren hoheitlichen Formen zurücktreten gegenüber wirtschaftlichen, marktwirtschaftlichen Betrachtungsweisen, in denen der Förderstaat den Mut zu einer Risikostaatlichkeit aufbringt.
V. Fazit: Abschichtung von Förderstaat und ordnendem Hoheitsstaat Unter C. hatten die Betrachtungen begonnen mit einer Darstellung der wesentlichen, marktkonformen Zielsetzungen der Förderstaatlichkeit. Diese war gesehen worden in der Förderung als einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ auf Märkten, deren Funktionieren damit gewährleistet, ja gesteigert werden soll. In dem hier zu Ende gehenden Hauptteil D. hat sich allerdings gezeigt, dass der Begriff der Förderung als solcher vielfache Abgrenzungsprobleme aufweist, welche jedenfalls klar gesehen, soweit wie möglich durch Auflösung von Spannungslagen in gratwandernder Abschichtung gelöst werden müssen. Hier gilt es, die fördernden Wirkungen der allgemeinen Ordnungsstaatlichkeit, eines ausgebauten Gesetzesstaates, zu berücksichtigen, sie jedoch nicht in einem allgemeinen Lenkungsbegriff mit der Förderstaatlichkeit synkretisierend zu vermengen. Insbesondere müssen hier marktordnende Effekte, soweit möglich, von marktkonformer Förderung abgeschichtet werden, da letztere anderen Kriterien unterliegt, aber auch in weiterer staatlicher Gestaltungsfreiheit ausgeübt werden kann. Dies verlangt eine gewisse Weite, jedenfalls eine nicht allzu enge, gezielte Fassung allgemein ordnender staatlicher Ge- und Verbote, mögen sie auch Daten für eine Marktentwicklung setzen. Die allgemeine Ordnungsgewalt des Staates, welche grundrechtsgebunden ist, darf nicht in gezielte „Förderungs-Lenkung“ umschlagen. Hier muss vor allem in einer gesetzgeberischen Allgemeinheit geordnet werden, welche die verfassungsrechtliche Gleichheit gewährleistet, was übersteigerte Zielgenauigkeit ausschließt.257 In diesem Sinne ist das marktordnende Staatsverhalten im Sinne der Darlegungen von oben II. zu orientieren. 257 Übrigens auch eine weithin differenzierende Dogmatik der Förderung nach deren Zielen, wie sie etwa bei Rodi, FN 93, begegnet.
V. Fazit
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Andererseits hat sich gezeigt (s. oben III.), dass auch die marktkonforme Förderstaatlichkeit im eigentlichen Sinn Züge aufweist, welche sie geradezu als Form, ja als Erweiterung einer ordnenden Hoheitsstaatlichkeit erweisen könnten: wenn sie in Kombination mit dieser eingesetzt wird, wenn sie deren Belastungen kompensieren soll, vor allem aber wenn sie in ihren Überwachungsformen sich geradezu, vielleicht von Anfang an, als Hoheitsstaatlichkeit präsentiert. Dem allem ist mit Entschiedenheit dadurch zu begegnen, dass die Förderstaatlichkeit spezifische marktkonforme Kriterien einsetzt, welche der Hoheitsstaatlichkeit nicht eigen sind258. Insbesondere muss hier, bei aller Notwendigkeit effektiver Überwachung, der Staat den Mut zu einer gewissen Risikostaatlichkeit aufbringen, wie sie eben allem Verhalten auf Märkten stets eigen sein muss. Staatliche Förderungsfreiheit in den Bindungen der Marktkonformität – dies ist die dogmatische Grundlage für die nun folgenden Betrachtungen. In ihnen geht es nicht darum, die Ordnungsstaatlichkeit des auf Gesetze gegründeten demokratischen Gemeinwesens aufzuheben oder abzuschwächen; vielmehr gilt es, diese so geprägte Staatlichkeit durch die Zuordnung der besonderen Formen des Förderstaates gegenüber einer marktwirtschaftlichen Wirklichkeit zu öffnen. Gelingt dies nicht, wird entweder der Förderstaat sich zu einer freiheitsgefährdenden Hoheitsmacht entwickeln – oder er wird, was vielleicht noch näher liegt, im Zusammenstoß mit dieser unausweichlichen Realität der Märkte und ihrer unwiderstehlichen Macht scheitern. Markt ist nicht alles und er ist nicht überall. Jenseits von ihm gibt es Staat mit vielen Aufgaben; dieser aber kann sie im letzten nur erfüllen, wenn er auch und zugleich Förderstaat der Märkte ist und bleibt. Darin ist denn auch etwas wie ein Neuverständnis der Staatlichkeit als solcher angesagt (i. Folg. F.). Vorher jedoch gilt es noch, die Privatrechtskonformität der Förderstaatlichkeit herauszustellen (E.).
258 Insbesondere gilt dies für eine Kategorie der „Zielgenauigkeit der Eingriffe“, wie sie vor allem zu Art. 12 GG entwickelt worden ist. Auch bei der Förderung kommt es auf die objektive Wirkung, nicht auf die subjektive Absicht der Subventionsgewalt an, vgl. Manssen, G.; in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 12, Rn. 73. Der „Empfängerhorizont“ und der „Konkurrentenhorizont“ (vgl. Manssen Rn. 94 bzw. 99) sind aber insoweit verbunden, als es auf den „Markthorizont“ ankommt.
E. Privatrechtskonforme Ausgestaltung staatlicher Förderung I. Hoheitsrechtliche oder privatrechtliche Ausgestaltung der staatlichen Förderung? 1. Die Problematik der hoheitsrechtlichen Erfassungsversuche der Förderung a) Die bisherigen Betrachtungen haben ergeben, dass Förderung als solche noch immer ein unbewältigtes Phänomen der Staatstätigkeit ist. Der bisherigen Dogmatik des öffentlichen Rechts erscheint sie weithin als ein Annex hoheitsrechtlicher Gestaltung, in dem allerdings der Staat sich in einer weitgehenden Offenheit von Zielsetzungen und Formen darstellen will. Auf diesen beiden Wegen, einer näheren Bestimmung der Förderung durch deren Zielsetzungen wie ihrer begrifflichen Eingrenzung, kann allerdings eine dogmatische Verortung dieses Staatshandelns nur gelingen, wenn eine Erfassung in einer übergreifenden Zielsetzung erreicht wird und wenn, zum anderen, hinsichtlich der Formen der Förderung mehr geboten wird als eine Beschreibung der Vielfalt direkter und indirekter Staatshilfen259 ; auch dies ist bereits deutlich geworden. So musste denn versucht werden, den Förderungsbegriff auf das übergreifende Ziel funktionierender Märkte auszurichten und ihn damit in das System einer größeren Marktwirtschaft einzufügen; dies ist im Teil C. geschehen. Insbesondere hat sich herausgestellt, dass schwächerenschützende Staatsförderung nur in dieser marktwirtschaftlichen Perspektive, nicht aber als isolierter Selbstzweck vorgestellt werden darf. Nun aber gilt es, die Problematik der Formen staatlicher Förderung erneut aufzugreifen. Es stellt sich die Grundsatzfrage, ob ihre Erfassung mit hoheitsrechtlichen Kategorien gelingen kann. Immerhin hat sich ja im Teil D. herausgestellt, dass die unabdingbare Marktordnung einen Raum für öffentliche Förderungsaktivitäten bereitstellen und sichern muss.260 Darüber hinaus war sogar deutlich geworden, dass im Begriff der (Wirtschafts-)Lenkung sich traditionell Marktordnungs- wie Markt259 Darauf aber beschränken sich bisher im wesentlichen die Darstellungen des Subventionsrechts, vgl. die Nachw. FN 93, siehe insbesondere die beispielhafte Differenzierung bei Rodi. 260 Siehe zur Notwendigkeit einer Marktordnung oben D. I. 1.
I. Privatrechtskonforme Ausgestaltung der staatlichen Förderung?
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förderungsformen vielfach berühren, wenn nicht gar verschlingen. Damit dieser weithin unklare Lenkungs-Synkretismus261 sich nicht unkritisch fortsetzt, muss nun auch hier, bei den rechtlichen Ausgestaltungsformen staatlicher Förderung, der Versuch einer, wenn nicht Abschichtung, so doch einer Schwerpunktbildung unternommen werden: Ist staatliche Förderung einzubauen in die herkömmliche Hoheitsstaatlichkeit – oder liegt hier ein Gleichordnungsverhalten des fördernden Staates näher? b) Die Versuchung hoheitsrechtlicher Erfassung der Förderung, welche alle anderen Gestaltungen in den Bereich nachgeordneter, grundsätzlich wenig bedeutsamer Abwicklungsformen verbannen möchte, liegt, das klang bereits an, aus mehreren Gründen nahe: - Der Lenkungsbegriff weist wesentliche Züge hoheitlicher Befehlsstaatlichkeit auf; im Privatrecht hat er, soweit ersichtlich, keine dogmatische Tradition.262 - Subventionen sind bisher, jedenfalls grundsätzlich, stets in dem typisch hoheitsrechtlichen Zwei-Stufen-Modell263 erfasst worden; in ihm ist die – entscheidende – Zulassungsproblematik eine solche der hoheitlich zuteilenden Gleichheit, alles andere bleibt eben „Abwicklungsrest“. - Selbst diese Abwicklung staatlicher Förderung ruft wieder eine Verwaltung auf den Plan, die in hoheitlichen Formen deren Ordnungsmäßigkeit sicherstellt.264 - Wo immer staatliche Förderung als Schwächerenschutz schwerpunktmäßig begriffen wird, muss notwendig zu Verteilungsformen gegriffen werden, welche sich, schon aus Gleichheitsgründen265, dann als hoheitliche Befehlsentscheidungen anbieten. - Generell hat sich die gesamte bisherige Entwicklung stets vor allem an der Problematik der Zulassungsgrenzen266 orientiert; hier wurde die Diskussion aber nicht nur oder auch nur wesentlich geführt mit Blick auf eine Einbettung der staatlichen Förderung in die Marktwirtschaft, sondern auf einen Freiheitsschutz der Rechts261
Insbesondere D. II. 2. Das gilt auch für die grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates im Bereich des Privatrechts, vgl. Di Fabio, U., in Maunz, Th. / Dürig, G., GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 189; Kunig, Ph., in: von Münch/Kunig, GG 5. A. 2000, Art. 2 Rn. 40, jedenfalls soweit die normativen Wirkungen der Grundrechte in der Privatrechtsordnung hoheitlich durchgesetzt werden, siehe dazu allgemein Buchner, B., Informationelle Selbstbestimmung im Privatrecht, 2006; Trute, H.H., Der Schutz personenbezogener Informationen in der Informationsgesellschaft, JZ 1998, 822 (826). 263 Vgl. oben C. I. 1. f), FN 108. 264 s. oben D. IV. 265 Das gilt für das nicht wesentlich gleichheitsorientierte Sozialversicherungsrecht und die Sozialhilfe ebenso wie dort, wo Subventionen primär als individualrechtlicher Schwächerenschutz erfasst werden, vgl. dazu Starck, Chr., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 3 Rn. 149 ff. bzw. 203 ff. 266 Vgl. aus dem Schrifttum (FN 93) die Ausführungen zu den Verfassungsgrenzen der Subventionsgewährung. 262
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E. Privatrechtskonforme Ausgestaltung staatlicher Förderung
subjekte, der wiederum, schon aus Gründen der Grundrechtsdogmatik, über hoheitlich-befehlsmäßige Kategorien zu gewährleisten war. Hoheitsrechtliches Denken ist es also, welches nach wie vor das Förderungsrecht bestimmt.
2. Notwendigkeit einer Neuorientierung a) Diese bisher deutlich hoheitsgeprägte Betrachtungsweise muss geändert, jedenfalls modifiziert werden: Es gilt, die Angemessenheit, und damit Notwendigkeit privatrechtlicher Förderungsformen zu betonen. Das „Privatverwaltungsrecht“ jener Groß-Begriff, in welchem möglichst alle nicht hoheitlichen Formen staatlicher Tätigkeit aufgefangen und daneben doch, über den Begriff der Verwaltung, wieder dem staatlichen Hoheitsrecht zugeordnet werden sollten267, ist bisher als solcher dogmatisch unbewältigt geblieben; er kann insbesondere nicht dazu dienen, eine Dogmatik staatlicher Förderung Grund zu legen. Das viel berufene „Wahlrecht“ der Verwaltung hinsichtlich ihrer Tätigkeitsformen268 ist hier letztlich nichts als eine Leerformel; sie verdrängt die Bedeutung der Unterschiede zwischen Öffentlichem und Privatem Recht in eine rechtstechnische Bedeutungslosigkeit, die der praktischen Wirklichkeit diametral entgegen gesetzt ist. Vor allem aber wird hier immer wieder nur in grundrechtlichen Grenzziehungen gedacht, die sich möglichst auf die gesamte Staatstätigkeit erstrecken sollen.269 Es gilt aber, wie bereits mehrfach betont, Förderung materiell in ihren Zielen zu erfassen und dementsprechend ihre Formen zu wählen; dies darf dann nicht in rechtstechnischer Beliebigkeit erfolgen, sondern nur „zielorientiert“, gerichtet auf ein Funktionieren der marktwirtschaftlichen Ordnung. b) Entscheidend ist es also, die grundlegende Zielvorstellung der Förderstaatlichkeit deutlich herauszustellen und zum Tragen zu bringen: Ihre Marktförmigkeit, ihr marktunterstützendes Wesen (i. Folg. 3). Dieser dogmatische Grundansatz muss zu einer näheren Betrachtung der Gestaltungsformen führen, in denen staatliche Förderung bereits bisher typisch privatrechtsförmig abläuft (i. Folg. II.), bis hin zur Wirtschaftstätigkeit des Staates als solcher (i. Folg. III., IV.). Dies öffnet dann Wege zur Erfassung der staatlichen Förderungstätigkeit als eines Wesenszugs demokratischer Staatlichkeit in deren gegenwärtiger Ausprägung (i. Folg. F.).
267 Zum „Verwaltungsprivatrecht“ s. Schmitz, H., in: Stelkens/Bonk/Sachs FN 240, § 1 Rn. 116 ff. m. zahlr. Nachw. 268 Vgl. dazu den Überblick bei Kempen, M., Formen Wahlfreiheit der Verwaltung, 1989, S. 112 ff; die Rspr geht laufend davon aus, ohne nähere grundsätzliche Begründung, etwa BVerfG E 94, 229 (231 f); BGHZ 115, 311 (313). 269 Grdl. Möstl, M., Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, 1999, S. 148 ff. Dies betrifft insbesondere die sogenannten gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaften, vgl. dazu grds. und allg. Storr, St., Der Staat als Unternehmer, 2001, S. 11 ff, 91 ff; Mann, Th., Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, 2003, passim; Ehlers, D., Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand in der Bundesrepublik Deutschland, JZ 1990, 1089 ff.
I. Privatrechtskonforme Ausgestaltung der staatlichen Förderung?
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Festzuhalten bleibt allerdings: Eine so bestimmte Förderstaatlichkeit bedeutet nicht an sich schon die Wandlung des gesamten Staatsbegriffs in Richtung auf einen „Privaten Staat“. Diese marktwirtschaftlich orientierte Förderstaatlichkeit bedarf einer Marktordnung, nach wie vor, und sie wird wohl noch längere Zeit, vielleicht auf Dauer, in Formen dessen erfolgen (müssen), was bisher als Hoheitsstaat gesehen wurde. Allerdings können sich auch dessen Ausprägungen in einer gewissen „Privatisierung“ wandeln270 ; dann wird sich der privatrechtliche Gleichordnungs- und Hilfscharakter der Förderstaatlichkeit damit noch weiter verstärken. Private Staatlichkeit kann, das sei gerade hier zu Beginn privatrechtsorientierter Betrachtungen angemerkt, nur in einer vielschichtigen Entwicklung wachsen; dabei ist jedoch die Erkenntnis des Gewichts privatrechtlicher Gestaltungsformen gerade bei der staatlichen Förderung eine wichtige dogmatische wie praktische Phase.
3. Von der Marktförmigkeit zur Privatrechtsförmigkeit der Förderungstätigkeit a) Marktwirtschaftliche Zielsetzung ist von allen Grundlagen der Förderstaatlichkeit bei weitem die stärkste, am meisten der Tradition entsprechende. Einbau in dieses ordnungspolitische System ist also für ihre Erfassung schlechthin entscheidend. Diese Märkte aber funktionieren weit überwiegend, ihrem Wesen nach, in den Formen des Privatrechts, insbesondere des vertraglichen Austausches271; dies hatte sich bereits bei früheren Untersuchungen ergeben. Staatliche Förderung ist auf eines gerichtet: Mehr Wirkungskraft und Wirkungsgerechtigkeit in dieser Gleichordnung272, die aber als solche dadurch nicht verändert werden soll. Wendungen zu einer Privatisierung von Staatsaufgaben273, jedenfalls zu einer organisationsrechtlichen Veränderung von deren Formen in solche des Privatrechts, wollen gerade jene Marktförmigkeit der Staatstätigkeit erreichen, welche, wie dargestellt, oberstes Gebot aller Förderstaatlichkeit stets sein muss. Wer so komplexe Bereiche beeinflussen, ihnen Hilfestellungen bieten will, muss sich notwendig der Formen bedienen, welche sich dort als tragende entwickelt haben, welche vielleicht das Einzige sind, was sich in einer austauschorientierten „Gleichheitsordnung der Märkte“ überhaupt zu einem System zusammenschließen lässt. Dies aber ist eben die Privatförmigkeit des Handelns in allen diesen Bereichen; sie ist daher vom Förderstaat gefordert, mit Notwendigkeit. b) Förderung im Rahmen einer Marktwirtschaft wird nicht nur vom Staat betrieben, sie läuft weithin auch über private Initiative – welche der Staat seinerseits wie270
Dazu grds. Leisner, W., FN 11, insbesondere im Ergebnis S. 146 ff. Zur Bedeutung der vertraglichen Vereinbarung im Öffentlichen Recht grds. Leisner, W., Vertragsstaatlichkeit, 2009. 272 FN 271, S. 109 ff. 273 Nachw. FN 3; siehe auch bereits Leisner, FN 11, S. 127 ff. 271
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E. Privatrechtskonforme Ausgestaltung staatlicher Förderung
derum unterstützt, insbesondere durch Steuererleichterungen. Diese soz. zweistufige Förderung, in welcher Private als verlängerter Arm des Förderstaates tätig werden – ohne dessen Mittelverzicht fiele der größte Teil dieser Förderung aus – folgt nun aber durchgehend und ausschließlich den Formen des Privatrechts, durch Körperschaften, welche nach privatem Gesellschaftsrecht organisiert und tätig sind oder durch Personen, welche hier als Subjekte des Privatrechts handeln274. Schon deshalb muss sich der förderungsbereite Staat der privaten Förderungsbereitschaft dieser Privaten nicht nur anschließen, er muss ihr in seinen Formen auch, soweit wie irgend möglich, zu entsprechen versuchen. Nachdem aber das Abgabenrecht als solches Hoheitsrecht ist, muss ein Förderstaat gerade hier versuchen, in privatrechtsnahen Gestaltungen, möglicherweise in echten Austauschbeziehungen, die Privaten zu ihrer Förderungstätigkeit zu motivieren. Dies bedeutet, dass er sie keiner zu weit gehenden hoheitlichen Kontrolle ihres gemeinnützigen Verhaltens unterwerfen darf275. Andererseits muss er allenthalben bestrebt sein, geradezu in Formen der bereits weithin praktizierten „Deals“276 private Gemeinnützigkeit durch vertragliches oder vertragsähnliches Entgegenkommen hervorzurufen. Da die förderungsbereiten Privaten in aller Regel aber auf ihren jeweiligen Märkten agieren, dort ihre Förderungsmittel überhaupt erst erwirtschaften, muss der Förderstaat auf diese von privaten Interessen beherrschten Konstellationen in seiner eigenen Förderungspolitik Privater Rücksicht nehmen; dies verlangt wiederum eine Einbettung dieser Staatsaktivitäten in privatrechtliches Denken und Handeln der Marktwirtschaft. Wo dies nicht geschieht, der Staat also hoheitlich zu diktieren versucht, was Private in Förderung „dürfen sollen“, da ist dann eine unglückliche Gegenläufigkeit privater und staatlicher Interessen geradezu vorprogrammiert. Wenn der Staat sich Privater bedienen will, muss er denken wie sie – in den Formen des Privatrechts277. Andernfalls entsteht eine eigentümliche Art von „Mischförderung“ aus möglicherweise gegenläufigen, privaten und öffentlichen, Interessen heraus, die nicht weniger Gefahren birgt, als die heute ja zu Recht zurückgedrängte Bund-Länder-Mischverwaltung. c) In der Praxis wird dem übrigens längst Rechnung getragen in zahllosen Formen eines gemeinsamen öffentlich-privaten Sponsorings marktfördernder Aktivitäten; oft erscheint der Staat hier geradezu als Bittsteller. Dies sichert dann nicht nur das Funktionieren rein erwerbswirtschaftlich orientierter Marktaktivitäten, sondern darüber hinaus ihre bildungsmäßige Vorbereitung, wie ganz allgemein etwa den „Markt 274
s. dazu schon oben C. I. 4. Zu den entsprechenden Gestaltungen des Gemeinnützigkeitsrechts vgl. oben FN 121 ff. 276 Die sich rasch ausbreitenden „Deals“ (gerade im klassischen Hoheitsrecht, vgl. Leisner FN 31, S. 94 f.) entgehen verfassungsrechtlichen Bedenken (dazu Schoch, F., HStR 3. A., § 37, Rn. 166) gerade dann am ehesten, wenn sie in Formen der Förderstaatlichkeit erfolgen, nicht (nur) „hoheitliche Eingriffe näher ausgestalten“ sollen. 277 Dies ist auch hinsichtlich der Beliehenen/Verwaltungshelfer zu bedenken und sollte bei deren dogmatischer Erfassung mehr als bisher beachtet werden. Für verwaltungsrechtlich organisierte Verwaltungsträger finden sich Ansätze, die dies berücksichtigen, schon etwa in ihrem Ausschluss aus der Amtshilfeverpflichtung (vgl. Erbguth, W., in: Sachs, GG, Rn. 188, Art. 35, Rn. 8). 275
II. Der Staat als Bank
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der Wissenschaft, Kunst – Kultur“278. Staatsgewalt wirkt hier nicht vom Thron ihrer Hoheitlichkeit, sie wird zum Partner, manchmal sogar und wahrhaft unwürdig, zum Bettler. d) Marktkonformität der Förderstaatlichkeit in privatrechtsförmigen Gestaltungen macht sich schließlich vor allem die Erfindungskraft der Marktwirtschaft zu nutze, fängt sie auf und – fördert sie eben in den weicheren „Formen der Privatrechtsordnung“. „Befehls-normativ“ kann hier oft von vorneherein nicht geregelt werden, der Experimentalcharakter von allem Geschäftlichen steht immer wieder im Vordergrund. Schließlich – auch dies sei betont, angesichts der verbreiteten kritischen Grundeinstellung gegenüber erwerbswirtschaftlichen Zielsetzungen, entsprechenden Verträgen der Staatlichkeit – ist der monetär abbildbare Handlungserfolg auch für den Staat und seine Bediensteten ein keineswegs zu unterschätzendes Motiv. Wenn sie fördern, dürfen sie auch an sich denken, jedenfalls an „ihren Staat“, seine Mittelbedürfnisse und Mittelgrenzen; dann aber denken sie, wenn auch in einem weiteren Sinn, eben doch in privatrechtlichen Bahnen.279
II. Der Staat als Bank280 : Staatsbürgschaft, Staatskredit, Staatsversicherung 1. Öffentliche Banktätigkeit als privatrechtliche Daseinsvorsorge a) Soll nicht im praxisfernen Raum Förderstaatlichkeit dogmatisiert werden, so muss sie sich an ihre Vergangenheit erinnern, die eine reiche Förderungstätigkeit in Formen des Privatrechts aufweist. Immerhin galt ja etwa „Kreditversorgung“ als eine der wesentlichen Säulen der „Daseinsvorsorge“281. Diese wurde zwar als solche, in autoritärer Zeit, insgesamt als eine hoheitliche Form des Staatshandelns gesehen, 278 Gerade im Bereich von Forschung und Wissenschaft, der in seinen beruflichen Vorbereitungswirkungen besonders marktorientiert sein muss, ist ja öffentliche Förderung als Verfassungsgebot anerkannt (vgl. etwa BVerfGE 37, 79 (114 f.); 111, 333 (353)). 279 Eine – allerdings meist zurücktretende – Legitimation der Privatisierungen liegt ja gerade darin, dass die öffentlichen Träger auf diese Weise dem Odium des „Einsatzes der Hoheitsgewalt in Gewinnstreben“ entgehen – sie werden zum „Jedermann“; im Rahmen der „für alle geltenden Normen“ ist ihnen auch privater Erwerbs-Egoismus erlaubt. 280 Arnold, W., Strukturwandel in der deutschen Kreditwirtschaft, Stiftung Gesellschaft f. Rechtspolitik (Hg.) (Bitburger Gespräche), Kreditinstitute und Finanzdienstleistungen der öffentlichen Hand, 2001, S. 29 ff.; Huber, P. M., ebda, S. 199 ff. Zum „Staat als Banker“, s. bereits Leisner, W., „Privatisierung des Öffentlichen Rechts“ 2007, S. 125 ff. 281 Zur „Kreditversorgung als Teil der Daseinsvorsorge“ s. Oebbecke, J., Bankgeschäfte als Daseinsvorsorge, DVBl. 1981, 230; Schmidt, D., Zur erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit der Sparkassen, Kreditwesen 1989, 48; Reifner, U., Das Recht auf ein Girokonto, ZBB 1995, 243; Kese, V./Linse, D., Ordnungs- und wirtschaftspolitische Probleme der Wirtschaftsförderung, JA 2004, 689.
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E. Privatrechtskonforme Ausgestaltung staatlicher Förderung
jedenfalls als deren untergeordnete Ergänzung. Sie erfolgte jedoch von Anfang an weitestgehend in Formen des Privatrechts, insbesondere des Bankrechts. Die Organisation der öffentlichen Kreditinstitute mochte eine öffentlich-rechtliche sein, ihre Handlungs-, damit Förderungsformen waren solche des privaten Rechts. In einer langen Entwicklung der „Staatsbanken“ ist es gelungen, privatrechtlichen Gestaltungen zum Durchbruch zu verhelfen, nicht zuletzt unter dem Druck gemeinschaftsrechtlicher Entwicklungen282. Gerade auf dem Gebiet der Kredit-Daseinsvorsorge sind also Privatisierungsschübe vorweg genommen worden, welche damit das Privatrecht als das „gemeine Recht der staatlichen Förderung“ früh schon hätten ins juristische Bewusstsein heben können. In der Tätigkeit der staatlichen „Förderungsbanken“, vor allem der Kreditanstalt für Wiederaufbau und vergleichbarer Kreditinstitute, hat sich dann etwas entfaltet, was man geradezu als einen Durchbruch des privatrechtlichen, eben bankrechtlichen Denkens in der Förderstaatlichkeit bezeichnen könnte. b) Es ist also selbstverständlich, dass eine nähere Betrachtung der Förderungstätigkeit des Staates derartige praktische Entwicklungen nicht nur zu berücksichtigen hat, sondern versuchen muss, aus ihnen in vorsichtiger Analogie Wesenszüge wie auch weitere Anwendungsmöglichkeiten privatrechtlicher Gestaltungen im Förderungsbereich zu entwickeln. Dabei ist aber eines zu beachten: Gerade die marktwirtschaftliche Ordnung, welche auf solche Weise vom Staat unterstützt werden soll, entwickelt eine kritische Distanz zu dessen Einflussformen und -möglichkeiten. Diese verständliche Zurückhaltung wendet sich im Grunde aber vor allem gegen ein hoheitliches Eingreifen, gegen „bürokratische Handlungsformen“283. Entsprechende Förderungsresistenz, von der bereits die Rede war, wird gerade dann entscheidend abgebaut, wenn es gelingt, den Förderstaat als einen Helfer in Formen des Privatrechts einzuführen. Das Thema ist also: Der Förderstaat nicht als der bessere Bankier, aber eben auch als ein Banker – privatrechtlich denkend und handelnd.
2. Die Staatsbürgschaft – der Garantiestaat a) Bürgschaft284 ist die schwächste Form der Einschaltung eines Rechtssubjekts in die (vor allem wirtschaftlichen) Aktivitäten eines anderen. Hier wird zwar letztlich die Bonität des Handelnden vom Bürgen garantiert, doch nur in einer sehr beschränk282
s. v. Danwitz, Th., Bitburger Gespräche (FN 280), S. 73 ff.; Skowronek, P. Chr., Die europäischen Sparkassensysteme und das Wettbewerbsrecht der EU, 2001; Sommerfeld, O., Wettbewerb kontra Daseinsvorsorge: Die Strukturmerkmale der kommunalen Sparkassen in Deutschland im Lichte des EG-Wettbewerbsrechts, 2005; s. auch Wohltmann, M., ZG 2007, 259. 283 Zu Bürokratiekritik vgl. FN 58. 284 Zum Wesen des Bürgschaftsvertrags vgl. die Überblicke bei Reinicke, D./Tiedtke, K., Bürgschaftsrecht, 3. A. 2008; Oetker, H. / Maultz, F., Vertragliche Schuldverhältnisse, 3. A. 2007 § 13; Vahle, J., Grundlagen des Bürgschaftsrechts, DVP 2009, 10.
II. Der Staat als Bank
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ten und überschaubaren Art und Weise, bezogen eben auf das einzelne „Geschäft“. Dessen Einleitung wie Abwicklung steht nach wie vor dem durch Bürgschaft Gesicherten zu. Die Bürgschaft schützt auch nicht nur, oft nicht einmal so sehr den Bürgschaftnehmer, als vielmehr auch seine(n) Geschäftspartner; insoweit ist ihr ein unmittelbar wirkender Marktbezug bereits wesentlich. Derartige Sicherheiten verändern zwar die Wettbewerbslage, aber eben doch in jener zurückhaltenden Form, welche weit weniger auf den Bürgschaftnehmer als solchen blickt, als vielmehr auf das abgesicherte Geschäft als Marktvorgang. Diese mehr Sicherung als Hilfestellung zeitigt, wird sie vom Staat gewährt, zwar deutlich fördernde Wirkungen; sie ist aber, wie eben dieses ganze Rechtsinstitut, eindeutig dem Privatrecht zuzuordnen. Dort liegen ihre römisch-rechtlichen Wurzeln285, nicht in einem Öffentlichen Recht, welches damit irgendwelche staatliche MachtEinflüsse zum Tragen bringen wollte. Ihrem vollen Wesen nach ist die Bürgschaft eine Form der privatrechtlichen Förderung. Als eine solche bietet sie geradezu eine Minimal-Form, eine Basis, einen Ausgangspunkt jeglicher fördernder Staatstätigkeit. Ihre Formen verbreitern sich – und verwässern sich leider nicht selten – in solche Dimensionen, dass sie bereits etwas Grund legen wie eine „Gewährleistungsstaatlichkeit“ als dogmatische Kategorie einer Förderstaatlichkeit als solcher286. Hier kann zwar nicht immer volle dogmatische Klarheit erreicht werden, im Sinne einer Abschichtung von aktiver Staatsteilnahme am Wirtschaftsgeschehen; immerhin aber bleibt, wenn auch in Distanz, ein deutlich erkennbarer Bezug auf ein sektorales Marktgeschehen insgesamt erhalten, solange sich die Konturen der Bürgschaft nicht mit hoheitlichen Formen einer Überwachung seitens des Bürgen vermischen. b) Das Wesen dieser Förderungsform liegt darin, dass nur ein Minimum staatsgestaltender Marktordnung zum Einsatz kommt, „der Markt“ in seinen konkreten Abläufen vielmehr vom Bürgen hingenommen wird, der für ihn allenfalls stabilisierende Rahmendaten setzt. Der Bürgschaft ist ja eine grundsätzliche Subsidiarität287 eigen, welche auf Eingriffe in die Sphäre des (potentiellen) Schuldners in der Regel verzichtet, sich auf Bonitätsprüfung beschränkt. Damit soll im Wesentlichen nur eine Kooperationsbasis festgestellt werden, wie dies aller staatlichen Förderungstätigkeit inhärent ist. Die Staatsbürgschaft288 ist allenfalls sekundär ein Lenkungsinstrument, primär aber ein Vertrauensverhältnis zwischen dem so Geförderten und seinem Staat; dieser Zur fidejussio als Übernahme einer Verbindlichkeit, „als ob es eine eigene wäre“ im Wege einer Intercession, als eines deutlichen „Markteintritts“, vgl. Sohm, R., Institutionen des Römischen Rechts, 1. A. 1848 S. 219 ff. 286 Vgl. dazu grdl. Knauff, M., Der Gewährleistungsstaat (FN 116). 287 Die Rechte des Bürgen gegenüber dem Schuldner entsprechen denen des Gläubigers nach §§ 765 ff. BGB (Wendt, R., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 115 Rn. 26). Praktisch beschränken sich letzere im Vorfeld auf eine Bonitätsprüfung, die im Fall des Staates meist unproblematisch ist. 288 Zu den Staatsbürgschaften vgl. Ossenbühl, F., Die Bürgschaft im Öffentlichen Recht, Festschrift für Maurer, 2001, S. 679. Zum Gemeinschaftsrecht: Palombini, C. Frhr. v., Wirt285
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E. Privatrechtskonforme Ausgestaltung staatlicher Förderung
will damit im Grunde nicht Wirtschaftsteilnehmer werden, hofft er doch, nicht einspringen zu müssen, sondern bürgernahe Vertrauensperson zu bleiben. Übrigens erweist sich hier „Vertrauen“ in seinen rechtlichen Wirkungen, auch in seinen Schutzeffekten, als ein Begriff, der nicht nur dem Bürger Absicherung bringt; auch der fördernde Staat nimmt damit sicherungswürdige Interessen wahr und kann insoweit Vertrauensschutz für sich geltend machen.289 In einer gewissen Umkehr der herkömmlichen Vertrauensdogmatik ist es hier also der geförderte Bürgschaftnehmer, der durch geschäftliches Versagen in Vertrauenspositionen des staatlichen Bürgen eingreift. c) Darin erweist sich eine grundsätzliche und geradezu optimale Marktkonformität der Staatsbürgschaft: Da sie nicht auf den Bürgen zielt, sondern auf das Geschäft, in seiner Einbettung in ein größeres Marktgeschehen, geht es bei ihr lediglich um das isolierte Geschäftsergebnis. Insoweit ist sie „marktkonform“, allgemein „ziel-orientiert“. Nicht Machtgewinn aber ist das Ziel, in einer nicht zu unterbrechenden Verbindung zur Hoheitsgewalt, sondern ein wirtschaftliches Ergebnis, das eben primär im gesamtgesellschaftlichen Bereich seine Wirkungen entfaltet, nicht in wirtschaftlichen Gewinnen des öffentlichen Sektors, welche dann wesentlich der Staatsmacht zugutekämen. Hier findet keine fiskalische Erfolgssuche statt, und dies hat dann naturgemäß sogleich zur Folge, dass Kontrollen auf allgemeine Bonitätsdaten290 der Adressaten beschränkt, nicht aber auf die Geschäftsabwicklung erweitert werden. d) Flexibilität ist daher der wohl größte Vorteil von Staatsbürgschaften, eine Stärke, die sich auf Marktwirksamkeit bezieht, nicht auf Staatsmacht. Sie kommt schon daraus, dass es um die Art des Geschäfts geht, nicht primär nach der Person des Geförderten. Hier soll also die Wettbewerbslage nicht wesentlich verändert, sondern allenfalls punktuell stabilisiert werden. Sie kann dadurch markt- und wettbewerbskonform ausgestaltet werden, dass Staatshilfe mit einer gewissen Allgemeinheit, subjektübergreifend, eingesetzt wird, wie es eben der Förderstaatlichkeit entspricht. Andererseits kann sie mit einer Zielgenauigkeit ausgestaltet werden, welche sich geradezu als Schwächerenschutz für einzelne Marktteilnehmer auswirkt. Ihrem Wesen bleibt die Staatsbürgschaft dennoch so lange treu, als sie auch dies nur als eine Form der Marktstabilisierung, nicht als eine umverteilende soziale Wohltat begreift, damit die Marktförderung aus den Augen verliert. Dies letztere droht allerdings stets dort, wo sich Bürgschaftsverhalten des Staates zu genereller Gewährleistungsträgerschaft steigert und dann als solche gar noch als Ausdruck einer größeren Garantiestaatlichkeit erscheint. Das Beispiel der Landesbanken sollte hier mehr als nur eine Warnung sein.
schaftsförderung durch Garantien der öffentlichen Hand, Thür. VBl. 2001, 97; Leiner, M., Staatsbürgschaften und EG-vertragliches Beihilfeverbot, 2007; Kampe, S.-A., Die Staatsbürgschaft im Europäischen Beihilfenrecht, 2008. 289 s. dazu bereits oben A. V. 1., FN 52. 290 Dementsprechend dann auch die Kontrollen über die öffentliche Kreditvergabe nach Art. 115 GG.
II. Der Staat als Bank
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3. Sozialversicherung als Förderung? a) Die Sozialversicherung ist insgesamt eine so mächtige und staatstragende Realität, dass nach ihrer Legitimation, ja nach ihrem Wesen, kaum mehr gefragt wird. Da sie nun aber auch neuerdings immer mehr unter Einsatz von Steuermitteln erfolgt, insgesamt die größte Staatsveranstaltung überhaupt darstellt, muss sich eine Behandlung der Förderstaatlichkeit der Frage stellen – die als solche gerade nicht gestellt wird –, ob dies als staatliche Förderung zu sehen ist. Schrifttum und Staatspraxis gehen weithin an dieser Problemstellung vorbei. Infolge der Entwicklung des Sozialversicherungsrechts als einer großflächigen eigenständigen Rechtsmaterie erscheinen derartige Überlegungen auch weithin als dogmatisch überflüssig, sie werden unter Berufung auf ein großes „sui generis“ beiseite geschoben. Die vielschichtige Entstehungsgeschichte der Sozialversicherung hat dies begünstigt: erwachsen aus Versicherungsdenken entfaltet sie sich, letztlich durch Haushaltsrecht, zu wahrhaft gewaltigen Förderungsanstrengungen, die als solche aber als Förderung eben nicht mehr wahrgenommen werden, vor allem nicht in ihren marktkonformen Auswirkungen. Das gesamte Sozialrecht hat sich letztlich ja am liberal-marktorientierten Privatrecht „vorbeientwickelt“291, immer mehr hin zu staatlicher Förderung in öffentlich-rechtlichen Formen, und nun auch, selbst bei der Krankenversicherung, mit Steuermitteln. In dem komplexen Verhältnis zwischen Sozialkassen und staatlicher Finanzgewalt prägt sich zwar immer noch der Bürgschaftsgedanke aus; dies erfolgt jedoch in einer derartigen Globalität von Garantiestaatlichkeit für die Leistungen der Sozialversicherung, dass im Wesentlichen die vorstehend dargestellten Grundlinien des Bürgschaftsrechts seit langem verlassen worden sind. Geboten werden nicht Ausfallgarantien, sondern laufende, immer fester institutionalisierte Zuflüsse; der Übergang von einer Form in die andere, „je nach Bedarf“, ist geradezu bereits systemimmanent.292 Will man dies noch als Förderung sehen, ist es längst zur Dauerförderung geworden; sie schafft allgemeinste Voraussetzungen für ein Funktionieren des „Arbeitsmarktes“ als solchen und mit ihm zahlloser anderer, wenn nicht sämtlicher wirtschaftlicher Märkte. Von einer Garantie gegen Dysfunktionen des Arbeitsmarktes, oder gar anderer Märkte, kann jedoch nicht ernstlich mehr die Rede sein, jedenfalls nicht allgemein-grundsätzlich. Das Sozialrecht geht gerade nicht davon aus, dass „der Markt“ grundsätzlich „sich selbst helfen kann“; allenfalls schafft sie dafür nicht etwa nur Rahmendaten, sondern entscheidende Voraussetzungen. Damit ist die Sozialversicherung insgesamt, will man sie schon in die Marktwirtschaft einordnen, als eine Form hoheitlicher Marktordnung zu verstehen, nicht als eine Veranstaltung des För-
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Die Privaten (Versicherungen) werden nun geradezu „in Dienst genommen“ für die große Zielsetzung der sozialen Sicherung der Bevölkerung, wie dies die GKV-Entscheidung des BVerfG deutlich anspricht (FN 219). 292 Gerade hier soll nun allerdings durch das 3-Säulen-Modell nach dem Koalitionsvertrag vom Oktober 2009 gegengesteuert werden.
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E. Privatrechtskonforme Ausgestaltung staatlicher Förderung
derstaates.293 Als Schwächerenschutz wird sie schließlich ebenso grundsätzlich legitimiert wie im Einzelnen ausgestaltet, nicht in Formen einer Garantie für das Funktionieren von Märkten, als eine Bereitstellung von Bürgschaften im weitesten Sinne. Für eine Dogmatik des Förderstaates ist dies von einer grundlegenden Bedeutung, die der Vertiefung bedarf: Was der Staat tatsächlich-haushaltsrechtlich hier, auch mit einer nicht unbedeutenden Marktwirkung, veranstaltet, läuft schlechthin an der gesamten bisherigen Förderungsproblematik vorbei, und dies wesentlich aus entwicklungsgeschichtlichen Gründen. Ob es noch einmal gelingen wird, dies in einer größeren Dogmatik der Förderstaatlichkeit wieder zusammen zu führen, ist fraglich. b) Versuche in dieser Richtung sind allerdings in neuester Zeit gerade mit den Hartz-Gesetzen294 unternommen worden. Die dabei leitende Devise „Fördern und Fordern“ zeigt in ihrer Verbindung den deutlichen Versuch einer, wenn auch sehr allgemeinen, Marktorientierung. Typische Förderungshilfen für Betriebe verbinden sich darin mit einem Anruf an die Arbeitnehmer, sich als Marktteilnehmer in ihrem eigenen Sektor wie auch hinsichtlich eines globaleren Arbeitsmarktes zu verstehen. Rein bedürfnisbefriedigender Schwächerenschutz tritt insoweit hinter dem Bestreben der Marktstabilisierung zurück. Es geht zwar um Versicherung im Sinne der Übernahme einer Ausfallbürgschaft in Notfällen von Betrieb und Arbeitnehmern, womit eine gewisse Verbindung zum „Bürgschaftsdenken“ gewahrt bleiben mag; immer noch schwingen jedoch wesentliche individual-schwächerenschützende Zielsetzungen mit. Immerhin war dies aber ein groß angelegter Versuch in Richtung auf mehr Marktkonformität, im Sinne der Förderung der Marktfunktionalität; und nicht zuletzt daraus mögen sich manche heftige politische Reaktionen erklären. Weit näher bei marktwirtschaftlichem Denken steht die staatliche Förderung im Bereich der Kurzarbeit, welche in überbrückender Hilfestellung etwas wie eine arbeitsmarktpolitische Ausfallbürgschaft in überaus flexibler Form zum Tragen bringt. In solcher Überbrückungshilfe lässt sich auch die Gefahr eines dauernden Schwächerenschutzes, wie er im Begriff der Staatsförderung nun einmal liegt, vermeiden. Insgesamt muss aber klar und grundsätzlich Förderstaatlichkeit im Sinne einer staatlichen Garantieverpflichtung abgeschichtet werden von jener Sozialversicherung, welche nach ihrem Wesen zuallererst schwächerenschützende Marktordnung unter Einsatz hoheitlichen Zwanges bedeutet, nicht Förderung durch staatliche Markthilfe. Bei der in der Verfassung verankerten Sozialhilfe295 schließt schon die flächendeckende Grundsätzlichkeit ihren Einbau in einen Begriff der Förderstaatlichkeit aus. Deshalb muss es hier auch nicht zu jenen privatrechtlichen, jedenfalls privatrechtskonformen bankähnlichen Staatshilfen kommen, welche eben doch die Förderstaat293 Dies gilt selbst insoweit, als Sozialversicherung nicht als Existenzsicherung anzusehen ist, siehe dazu Leisner, W.-G., FN 68 S. 270 ff., da diese letztere ja gleichfalls kein Ausdruck der Förderstaatlichkeit ist. 294 BGBl 2003 I, S. 2954, 3033. Zu „Hartz IV“ vgl. Bauer, H., DÖV 2004, 1017; Zuck, R., NJW 2005, 649; Mayer, U.R., NZS 2005, 568; Henneke, H.-G., DÖV 2006, 726. 295 Siehe dazu Leisner, W.-G. (FN 68) S. 218 ff.
II. Der Staat als Bank
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lichkeit charakterisieren. „Soziale Netze“ sind nicht nur mehr, sie sind etwas anderes als bedürfnisorientierte staatliche Ausfallbürgschaften.
4. Der Staatskredit a) Mittelhingabe in Form von Krediten im weitesten Sinne ist und bleibt eine zentrale Erscheinung staatlicher Förderung. Sie erfolgt in typisch privatrechtlichen Formen, in denen von Bankgeschäften, welche eben dem privaten Bankrecht unterliegen und dessen typisch zivilrechtliche Flexibilität aufweisen. Daher ist es grundsätzlich sinnvoll, dass der fördernde Staat hier auch als privater Bankier in Erscheinung tritt, sich den Handlungsformen wie den organisatorischen Strukturregelungen des privaten Bankrechts weitestgehend unterwirft. Sonderregelungen für Staats-(Landes)Banken stehen mit Recht EU-Instanzen seit langem kritisch296 gegenüber. Sie widersprechen in der Tat einer Förderstaatlichkeit, welche ihrem Wesen nach marktorientiert sein und bleiben muss. Schon nachdem sie hier in Konkurrenz zu anderen Trägern auftritt, besonders deutlich im Bereich der Kreditgewährung, sollte dies als eine grundsätzlich-dogmatische Selbstverständlichkeit anerkannt werden. b) Allerdings eröffnet das allgemeine Kreditvergaberecht dem Staat stärkere Kontrollmöglichkeiten, als wenn er nur Bürge wäre, hinsichtlich der Ziele der Förderung wie auch ihren Formen. Bedeutende, für die Tätigkeit des Kreditnehmers gar entscheidende Kredite rücken den Staat in die Nähe des stillen Teilhabers. Wie jeder andere Gläubiger hat er seine eigenen haushaltsrechtlichen Sicherungsbedürfnisse zu befriedigen, wird sich also Eingriffsmöglichkeiten in die Wirtschaftstätigkeit des Geförderten als solchen vorbehalten. Der normale Rückzahlungsdruck macht den Staat hier bereits praktisch weithin zu etwas wie einem Mitunternehmer. Dies ist dann häufig ein erster Schritt zu etwas wie einem „Staatlichen InvestmentBanking“, insgesamt durchaus im großen Stil297. Chancen, vor allem aber auch Risiken eines solchen Engagements sind in der Wirtschaftskrise des Jahrtausendbeginns allgemein deutlich geworden, als bankähnliche Staatsrisiken treten sie ebenfalls neuerdings ins Bewusstsein. Unabhängig davon aber wächst der Förderstaat damit deutlich über eine elementare Garantiestaatlichkeit hinaus: Er beginnt, wirtschaftliche Risiken mitzutragen, aber er ist nicht mehr nur Ausfall-Versicherer, sondern doch schon, wenn auch in einem weiteren Sinne, eine Art von Mitunternehmer. Dies wird deshalb verständlicherweise kaum thematisiert, weil es, in den schillernden Übergangsformen der Kreditsicherung, eben ganz allgemein den Hingabemodalitäten solcher Hilfen entspricht. 296
Vgl. FN 282. Dass die öffentliche Subventionsgewalt ihre Einsätze nicht ebenso rasch wechseln, etwa konkursabhängig gestalten kann wie privates Investment-Banking, mag einen nicht unwesentlichen Unterschied darstellen. Dieser lässt sich aber durch flexibel der jeweiligen Unternehmens-Branchenlage angepasste öffentliche Kreditvergabe abschwächen. 297
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E. Privatrechtskonforme Ausgestaltung staatlicher Förderung
Über Staatskredite lassen sich Staatskontrollen intensivieren und schrittweise, oft kaum bemerkt, verdeckt unter dem Vorbehalt mehr oder weniger wahrscheinlicher Entwicklungen, zu einem Staatsunternehmertum steigern. Dies führt dann, im Insolvenzfall, oft zu Vollbestimmungsrechten, mit denen der Förderstaat „alles in die Hand nimmt“ in einem Betrieb. Gerade weil der mögliche Klimax solcher Steigerungsformen der Kontrollen seitens des Kreditgebers ein weicher und oft in seinen Wirkungen unvorhersehbarer ist, bleibt die traditionelle Abneigung der Wirtschaft gegen derartige Staatsförderung verständlich, sie setzt dem Staatskredit wirtschaftspsychologische Schranken. c) Eine wirklich marktorientierte Förderstaatlichkeit sollte daraus ihre Lehren ziehen, in der Gestaltung der Kreditbedingungen. Sie kann nicht generell zu großzügigem Entgegenkommen verpflichtet werden, da sie eben grundsätzlich ihre Handlungsnähe zu privater Kredithingabe halten muss. Hier greift in vollem Umfang die Maxime ein, dass der „Staat nichts zu verschenken“ hat. Andererseits ist dieser Förderstaat schon als solcher derart potent298, dass er es sich versagen sollte, diese Überlegenheit durch besonders belastende Kreditbedingungen noch weiter zu steigern. Ein Staat, der marktkonform handeln will – und muss – hat sich auch risikobereit zu zeigen, wenn er in solcher Weise eben, und sei es auch indirekt, doch in das Marktgeschehen eingreift. Schlechthin unzulässig, und bereits aus dem Förderungsbegriff heraus rechtswidrig ist es überdies, wenn gerade hier staatliche Förderungsinstanzen typisch öffentlich-rechtliche, hoheitliche Kontrollformen und organisatorische Strukturen zum Tragen bringen; eine oft harsche, aber berechtigte Bürokratiekritik sollte dem stets von Neuem entgegenwirken. Vollends unbehilflich ist der beliebte pseudo-demokratische Legitimationsversuch verschärfter Kreditbedingungen, der auf die besondere Sorgfalt hinweist, in der mit Steuermitteln umzugehen sei299 : Dem Förderstaat können und dürfen seine Mittel nicht „teurer“ sein, als privaten Kreditgebern ihre Hilfen. Er hat ja ohnehin nur einzugreifen, wenn Marktstabilisierung oder -entwicklung erforderlich ist; dann aber muss er auch die entsprechenden geschäftlichen Risiken tragen, das eben verlangt der Markt, auf dem er agiert. Deshalb muss er sich in seinen Sicherungswünschen an den Marktpraktiken des Banksektors insgesamt orientieren. Es widerspricht marktorientierter Förderstaatlichkeit, wenn der Staat nur bei seinen Kredithingaben unter dem Vorwand der Seriosität spezielle Sicherungen fordert, im Übrigen aber nicht dafür sorgt, dass Entsprechendes auch im privaten Bankengeschäft erfolgt. Staatliche Förderungsseriosität ersetzt nicht Kreditaufsicht.
298 Schon unter dem Gesichtspunkt der mit dem allgemeinen Insolvenzrecht unvergleichbaren, eben doch fernen, Wahrscheinlichkeit eines „Staatskonkurses“, vgl. dazu oben A. III. 1. FN 40. 299 Die verfassungsrechtlich geforderte Haushaltssorgfalt (Art. 114 Abs. 1 GG) ist eine rein „innerorganschaftliche“ Verpflichtung. Dies zeigt sich schon darin, dass ein subjektives Recht auf Finanzkontrolle grundsätzlich nicht anerkannt wird, Schwarz, K.-A., in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG 5. A. 2005, Art. 114, Rn. 120 ff.
II. Der Staat als Bank
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5. Exkurs: Förderung als verlorener Zuschuss a) In größtem Umfang werden Förderungsmittel weder als Kredite noch im Wege der Ausfallbürgschaften vergeben, sondern von vorneherein als verlorene Zuschüsse aus öffentlichen Haushalten, sie erscheinen weithin geradezu durch diese Gewährungsform als „Besitzstand der Geförderten“. So wirkt übrigens wirtschaftlich auch weithin steuerliche Förderung; für Abgaben, auf deren Erhebung der Staat hier verzichtet, erwächst ihm ja nur zu oft kein entsprechender haushaltsrechtlicher Gewinn. Mit verlorenen Zuschüssen wirkt der Staat zwar auf das Marktgeschehen wesentlich ein, dies geschieht jedoch nicht in einer Form wie es Private in einer Marktwirtschaft sich leisten könnten. Dass es in teilweise privatrechtlichen Formen seitens des Staates erfolgt, jedenfalls hinsichtlich der Abwicklung, ändert nichts an der zugleich Marktkonformität, aber auch Marktferne eines Verhaltens, das sich eben „nur der Staat leisten kann“, als Förderer fonds perdu. Hier zeigt sich zwar ein Unterschied in den Formen staatlicher Förderung: Mit den einen wird der Staat, mehr oder weniger deutlich, selbst zum Marktteilnehmer, er fördert gewissermaßen „von innen“, kann dabei gewinnen oder verlieren. Über verlorene Zuschüsse dagegen bleibt er gewissermaßen „außerhalb des Markt-Raums stehen“, beeinflusst diesen aber immerhin durch Stärkung einzelner oder aller seiner Akteure. Nach Ziel wie Wirkung unterscheidet sich dies aber nicht von Staatsaktivitäten, in welchen der Staat durch Kreditvergabe oder Bürgschaftsübernahme, oder durch unmittelbar marktrelevante Wirtschaftstätigkeit selbst zum Marktakteur wird. Aus der Sicht einer Dogmatik des Förderstaates liegt also der Unterschied lediglich darin, dass dabei aus einem Motiv heraus gehandelt wird, wie es sich eben Private nicht leisten könnten; dies allerdings ändert nichts an den grundsätzlich privatrechtlichen Formen der Gewährung, und es ist auch in aller Regel legitim, weil es eben marktstützend wirkt – im Sinne der Gesamtlegitimation des Förderstaates. b) Dass es nicht zu einer Rückführung der Mittel in die öffentlichen Haushalte kommt, dass dies von vorneherein als ausgeschlossen einkalkuliert ist, nimmt diesen verlorenen Zuschüssen auch keineswegs ihre grundsätzliche Förderungslegitimation: Sie erreichen ja in aller Regel ihr Ziel, und zwar auch in einer durchaus marktkonform-stützenden Form. Wenig zielführend ist es daher, für derartige Förderungsformen nach speziellen Rechtfertigungen zu suchen. Derartige mag es vielleicht noch im Bereich der gemeinnützigen Steuervergünstigungen geben, welche die herrschende Lehre ja damit legitimiert, dass dadurch der Staat von der Erfüllung eigener Verpflichtungen entlastet werde300. Abgesehen davon aber, dass es gar nicht sicher wäre, ob der Staat denn derartige Pflichten überhaupt übernehmen müsste/würde, und dass es auch keineswegs stets klar ist, dass privat-gemeinnütziges Handeln gerade so weit trägt – selbst wenn man hier also insoweit noch eine Art von Finanzierung von Staatsaufgaben annehmen wollte, so würde dies doch keineswegs zahllose andere Steuervergünstigungen recht300
Zur Gemeinnützigkeitsrechtfertigung aus einer Staatsentlastung vgl. FN 218.
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E. Privatrechtskonforme Ausgestaltung staatlicher Förderung
fertigen, mit denen der Staat ersichtlich eben doch Märkte beeinflusst, damit im eigentlichen Sinne des Wortes Staatsförderung betreiben will. In diesem letzteren Fall liegt dann nichts anderes vor, als ein Verzicht auf Steuermittel in Form eines verlorenen Zuschusses. c) Die Eigenart moderner staatlicher Förderung liegt nun allerdings – gerade die kürzliche Wirtschaftskrise hat es gezeigt – in einer eigenartigen Verbindung bürgschaftsähnlicher Garantieübernahme, Kredithingabe und einem (zumindest) Denken in verlorenen Zuschüssen. Kredite werden hingegeben, Bürgschaften übernommen in Fällen und zu Bedingungen, wie dies einem anderen Rechtssubjekt als dem Staat schlechthin nicht möglich wäre, weil es eben das Groß-Risiko des Verlustes seiner Investitionen betriebswirtschaftlich nicht tragen könnte. Gerade in dieser eigentümlichen Verbindung von privatem Investitionsverhalten im weiteren Sinne und einer Hingabe verlorener Zuschüsse, in einer Spekulation, dass es zu letzerem nicht kommen werde, liegt eine typische und durchaus marktkonforme Ausprägung staatlichen Förderungsverhaltens in Krisenzeiten: Staatliche Förderung übernimmt das „große Risiko“, wirklich im öffentlichen Interesse an jenen Märkten, die andernfalls zusammenbrächen. Dies ist Staatsförderung im eigentlichen Sinne des Wortes, nicht Staatswirtschaft. Zwei Voraussetzungen sind allerdings unbedingt zu beachten: Ziel muss immer die – grundsätzlich zeitlich begrenzte – Marktstabilisierung sein und bleiben, nur im Rahmen solcher Risikoübernahme darf in „verlorenen Zuschüssen“ gedacht werden, nicht in dauernder Hilfe für chronisch notleidende Schwächere. Priorität muss stets einer Abwicklung in den üblichen Formen wirtschaftlichen, und das heißt hier: privatwirtschaftlichen Verhaltens zukommen. Verlorene Zuschüsse erscheinen dann als das letzte Mittel, vor dem geschäftliche Garantien und Kredithingaben zum Einsatz kommen müssen. In diesem Sinn waren die bisherigen Versuche der Krisenbewältigung in letzter Zeit voll systemkonforme Ausprägungen der Förderstaatlichkeit: Der Staat handelte lediglich als ein Bankier, der erhöhte Ausfallrisiken für seine Leistungen zu tragen bereit war, einzig und allein zur Hilfe für die gefährdeten Märkte. Da diese, um nun doch so etwas wie eine Legitimation noch hinzuzufügen, aber im Grunde nichts anderes sind als seine Steuer- und Wirtschaftskunden, mochte dies unter privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten geradezu als eine Form gesteigerter Kundenpflege erscheinen. Als Fazit lässt sich feststellen: Förderung über „(eventuell) verlorene Zuschüsse“ reiht sich in die Systematik der Förderstaatlichkeit bruchlos ein, jedenfalls soweit die Abwicklung in privatrechtlichen Formen erfolgt und diese Zuschüsse als subsidiäre Förderungsformen gegenüber einer Marktteilnahme des Staates durch Garantien, Kredite eingesetzt werden. Denn unter dem Gesichtspunkt der Marktkonformität ist eine „Förderung von innen“, gewissermaßen aus dem Markt selbst heraus, einer solchen „von außen“ ebenfalls vorzuziehen, in welcher letzteren eben verlorene Zu-
III. Staatliche Wirtschaftstätigkeit als „Förderung“
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schüsse bereits in nicht unbedenklicher Nähe zu hoheitlicher Lenkung funktionieren, was sich dann auch in besonders restriktiven Vergabebedingungen auszudrücken pflegt.
III. Staatliche Wirtschaftstätigkeit als „Förderung“ 1. Öffentliche Wirtschaftstätigkeit: Einfluss auf den Markt Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand wird zwar unter vielen Gesichtspunkten betrachtet, etwa unter dem eines etwaigen Vorbehalts des Gesetzes301, der Grundrechtsfähigkeit oder der Grundrechtsbindung und damit auch eines etwaigen Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit Privater. Als (gleichzeitige) Form nichtöffentlicher Förderung hat es aber, soweit ersichtlich, noch nicht die gebührende Beachtung gefunden. Vor allem kommunale wirtschaftliche Aktivitäten werden herkömmlich zwar als subsidiär302 angesehen, was eine Anerkennung des Primates des staatsunabhängigen Marktes und seiner Selbstentfaltungs- und -stabilisierungskräfte bedeutet. Dabei wird aber fast immer auf die Leistungen abgehoben, welche hier dem Bürger erbracht werden sollen. Staatstätigkeit erscheint dann als eine (notwendige) Ergänzung oder gar als Erfüllung einer primären Leistungsverpflichtung der staatlichen Gemeinschaft, vor allem in der Daseinsvorsorge. Dass damit ein (bestehender) Markt gestärkt, ein solcher entwickelt oder gar aufgebaut werden soll, ist dafür jedoch nicht das entscheidende Kriterium. Vielmehr soll es dann meist auf die Unbedingtheit der Leistungsnotwendigkeit ankommen, unter Hinweis auf die Sozialstaatlichkeit.303 Eine ganz andere Sichtweise ist es, um die es mit Blick auf den Förderstaat geht: Hier wird bereits das Bestehen einer Marktsituation vorausgesetzt, jedenfalls aber das Ziel, solche in einer möglichst gut funktionierenden Form zu schaffen, staatliche Veranstaltungen sodann hinter diese zurücktreten zu lassen. Wirtschaftliche Staatstätigkeit wird damit zu einer Form der Marktstärkung, wenn nicht gar der Marktschaffung. b) In dieser Sicht lässt sich staatliche Wirtschaftstätigkeit als Ausdruck der Förderstaatlichkeit begreifen, wo immer eine Chance oder auch nur Möglichkeit besteht, auf diese Weise bestehende Marktwirtschaft zu stärken oder eine solche in dem be-
301 Zum Vorbehalt des Gesetzes für Subventionen Rodi, FN 93, S. 503 ff, 516 ff (Bedeutung des Haushaltsplanes), S. 535 ff (Zweckprogrammierung im Bereich der Gesetzessubventionierung). 302 s. dazu oben C. I. 2. d), FN 114. 303 BVerfG E 103, 197 (221 ff.). So wird auch die Anwendbarkeit des Art. 33 Abs. 4 GG selbst bei der Erfüllung von Staatsaufgaben in privatrechtlicher Form gerechtfertigt, Jachmann, M., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, § 33 Rn. 31.
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E. Privatrechtskonforme Ausgestaltung staatlicher Förderung
treffenden Sektor hervorzubringen. Damit werden die Privatisierungen304 in die Systematik der Förderstaatlichkeit einbezogen. Die jüngste Wirtschaftskrise hat nun aber einen Aspekt solcher „Staatsförderung durch staatliche Wirtschaftstätigkeit“ ins juristische Bewusstsein gehoben, der früher bei der Aufgabenprivatisierung als Entstaatlichung eine Rolle im umgekehrten Sinn gespielt hatte: Mit jeder Art der Übernahme von Aufgaben, welche bislang staatsfern von Privaten erfüllt wurden, mit jeder „Verstaatlichung“ im herkömmlichen Sinne also, stellt sich sogleich die Förderungsfrage: Ist dies als ein – endgültiger – Staatsersatz zu verstehen, so wie es in früheren sozialistischen Nationalisierungsprogrammen seinen Ausdruck fand, oder handelt es sich nur um zeitweise wirkende Maßnahmen, welche eine gewissermaßen katalysatorische Wirkung im Hinblick auf (Wieder-) Herstellung marktwirtschaftlicher Strukturen erfüllen sollen? Nur letzteres wurde, und in großem Stil, bewusst, ja ausdrücklich zur Krisenbewältigung eingesetzt; Möglichkeiten transitorischer Enteignung, nicht aber, darüber hinaus staatlicher Wirtschaftstätigkeit. Was also durch den Niedergang sozialistisch/kommunistischer Nationalisierungsvorstellungen verschüttet wurde, erlebt hier nicht etwa eine befristete Renaissance. c) Diese Erkenntnis der Einsatzmöglichkeit einer wirtschaftlichen Staatstätigkeit als Marktstabilisierung, ja geradezu als (internationale) „Marktrettung“, muss nun aber für die Beurteilung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit überhaupt in ihrer Bedeutung erkannt werden: Ein konsequent marktwirtschaftlich ausgerichteter Förderungsbegriff, wie er hier vertreten wird, verlangt zwingend, dass sämtliche öffentliche wirtschaftliche Aktivitäten auch, wenn nicht sogar in erster Linie, daraufhin untersucht werden, ob sie einen (Rück-)Weg in „mehr Marktwirtschaft“ eröffnen. Hier muss es sich dann entscheiden, ob sie der Erfüllung unverzichtbarer Staatsaufgaben dienen305 – ein angesichts der erwähnten Unsicherheiten der Staatsaufgabenlehre nicht einfaches Unterfangen – oder ob sie zu begreifen sind als Marktstützung/erstellung. Angesichts der grundsätzlichen Unterschiedlichkeit dieser beiden Zielsetzungen306 müsste eigentlich eine eindeutige Abschichtung erfolgen, nicht etwas wie eine „staats-marktwirtschaftliche Mischtätigkeit“, welche an die Unzulässigkeit entsprechender organisationsrechtlicher Mischverwaltungen erinnerte.307 Wenn und soweit jedoch die marktwirtschaftlichen Effekte als deutlich erkennbar, nicht nur als ein zu 304
Vgl. i. Folg. 4. Die h L. gestattet dies dagegen ganz allgemein bei Verfolgung (irgendwelcher) öffentlicher Interessen, bei der Wahrnehmung (irgendeiner) öffentlichen Aufgabe, Nachw. bei Gusy, Chr., JA 1995, 166 (168 ff.). 306 Diese gerät dort ins Zwielicht, wo auf den „Eingriff in die Berufsfreiheit“ abgehoben wird, vgl. dazu den Überblick bei Huber, P.-M., Der Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 313 ff; Schricker, H., Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand und unlauterer Wettbewerb, 2. A. 1987, S. 31. 307 Im Verhältnis vor allem zwischen Bund und Ländern. Vgl. die kritischen Positionen des BVerfG, etwa E 11, 105 (124); 41, 291 (311). Grds. Ronellenfitsch, M., Die Mischverwaltung im Bundesstaat, 1975. Diese in den Förderalreformen aufgenommenen Bedenken müssen, mutatis mutandis, zu einer Tendenz zu weniger Synkretismus in den Rechtsformen der Wirtschaftslenkung, wie auch in der Zusammenarbeit der Förderungsträger, führen. 305
III. Staatliche Wirtschaftstätigkeit als „Förderung“
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vernachlässigender Nebeneffekt erscheinen, müssen alle Grundlinien der Förderstaatlichkeit, wie sie vorstehend entwickelt worden sind, verfolgt werden, nicht nur unter Achtung des Primats marktwirtschaftlicher Eigengesetzlichkeit, sondern geradezu mit dem Primärziel, auch in den betreffenden Bereich Marktwirtschaft zum Funktionieren zu bringen. d) Dies führt dann auch zu einer systematischen und konsequenten Folgerung: Erwerbswirtschaftlich darf die öffentliche Hand ohne weiteres, ohne dass es spezieller Legitimationen bedürfte308, dort handeln, wo sie mit ihrer Wirtschafttätigkeit in den Markt eintritt309, diesen entwickeln und stabilisieren will; denn insoweit ist und bleibt sie dessen primär auf Gewinn orientierten Zielsetzungen verpflichtet, und eben auch steuerpflichtig. Gemeinnützig wird hier nur insoweit gehandelt, als dies auch Privaten gestattet ist; auf diese Weise wird auch wiederum Wettbewerbsgleichheit in allen Richtungen hergestellt. Ein „Erwerbsstreben der öffentlichen Hände“ darf also nicht als solches, grundsätzlich mit Misstrauen betrachtet werden; es ist zu messen an der Zielgerichtetheit dieser Veranstaltungen als marktbeeinflussende, das heißt marktstärkende Teilnahme an einem Marktgeschehen.310 So tritt dann staatliche Wirtschaftstätigkeit nicht etwa in einen grundsätzlichen Gegensatz zur Marktwirtschaft, sie wird vielmehr zu einem Instrument von deren Stabilisierung, ja Schaffung. Damit wird auch die traditionelle und noch immer verbreitete Auffassung in einem neuen Sinne aufgenommen, welche Aufgabenerfüllung durch öffentliche Hände auf den Fall nicht „funktionierender Märkte“ beschränken will. Sie ist im Grunde berechtigt, darf aber nicht dazu führen, dass es zu einer Marktsperre für Private kommt, durch welche dann entweder überhaupt kein marktwirtschaftlicher Zustand mehr erreicht oder dieser auf eine meist wenig klare „Konkurrenz zwischen öffentlichen Wirtschaftsträgern“ definitiv, zeitlich unbegrenzt beschränkt wird. Das Kriterium der Endgültigkeit unterscheidet also hier die Erfüllung von Staatsaufgaben von der förderstaatlichen Zielsetzung der (späteren, baldigen) Herstellung marktwirtschaftlicher Strukturen: öffentliche Wirtschaftstätigkeit eben nicht als Eingriff in, sondern als Bewährung von Marktwirtschaft. Unter diesem Gesichtspunkt sind nun die Wirtschaftsaktivitäten der öffentlichen Hände in gebotener Kürze zu beurteilen. 308 Es bedarf dann insoweit keiner speziellen Eingriffsermächtigung, etwa durch die (problematische) Feststellung eines „Überwiegens“ von Gemeinschaftsinteressen, so aber Knemeyer, F.-L., WiVerw 2001, 22 f. 309 Dann liegt keine grundrechtlich relevante Wettbewerbsverschiebung vor, vgl. Huber, P.M., FN 306, S. 317. 310 Dies ergibt ein nicht immer leicht, letztlich aber doch nach ökonomischen Gesichtspunkten abgrenzbares Zulässigkeitskriterium. Ein Versuch, hier nach „Eingriffskriterien“ zu differenzieren (vgl. etwa Franz, Th., Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 107 f.) führt im Ergebnis doch auch wieder nur zu einem Zugriff auf das Marktgeschehen, vgl. Huber, P.-M., FN 308.
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E. Privatrechtskonforme Ausgestaltung staatlicher Förderung
2. Staatsbeteiligungen a) Unter dem Gesichtspunkt der Förderstaatlichkeit bleibt es sich gleich, wie es zu solchen Staatsbeteiligungen gekommen ist. Mögen sie sich als Restbestand früherer ausschließlich öffentlicher Aufgabenerfüllung verstehen, oder von Anfang an als privat-öffentliche Kooperationsformen funktioniert haben, oder mögen sie nun ganz neu als Joint Ventures, als gemischtwirtschaftliche Unternehmen311, geschaffen werden – in ihren Wirkungen auf die Marktwirtschaft müssen sie nach gleichen Kriterien betrachtet werden: Es handelt sich um Formen einer Marktteilnahme des Staates, die stets marktwirtschaftlich ausgerichtet sein und bleiben muss. Das „öffentliche Interesse“, welches hier einheitlich erfüllt wird, ist stets letztlich das an funktionierenden, stabilisierten Märkten. Dass dabei öffentliche Interessen in gewissen Bereichen von den Mischunternehmen speziell verfolgt werden (müssen), ergibt sich aus der jeweiligen Natur der zu erbringenden Leistungen, damit aus den (verfassungs-)rechtlichen Bindungen, welchen die betreffende Tätigkeit, wie grundsätzlich jede andere Marktaktivität312, eben unterliegt. Hier gibt es kein grundsätzliches „Entweder – Oder“, „staatliche gebundene Wirtschaftstätigkeit – freie ökonomische Aktivität“ ist genauso ein überzeichneter Gegensatz wie die Vorstellung von einem „staatlich gebundenen“313 und einem „freien“ Beruf. Alle Berufs-, wie alle Wirtschaftstätigkeit unterliegt eben nach ihrem Wesen und ihrer Bedeutung für die Gemeinschaft mehr oder weniger einschneidenden staatlichen Bindungen; dies gilt auch für Mischunternehmen und kann durch entsprechend verschärfte rechtliche Verpflichtungen sichergestellt werden. Stets gilt jedoch: Entweder die staatliche Wirtschaftstätigkeit erfolgt als Marktförderung – dann darf dies nur zu „vollen Marktkonditionen“ geschehen; das Beteiligungsunternehmen muss also auch grundrechtlich denselben Status einnehmen wie all seine Wettbewerber; oder es handelt das Unternehmen als „verlängerter Arm eines Staates“, der diese Aufgaben hoheitlich erfüllen könnte, und daher müsste.314 Dann, aber auch nur in diesem Fall einer prinzipiell-definitiven staatlichen Aufgabenerfüllung, die als solche deutlich hervortreten muss, auf das Funktionieren eines etwaigen Marktes nicht primär gerichtet sein darf, spielen Grundlinien der Förderstaatlichkeit rechtlich keine Rolle.
311
s. Nachw. FN 269. Zur Public-Private-Partnership, s. Nickel, Th,. / Kopf, H., ZfBR 2004, 9 ff; Pitschas, R. / Schoppa, K., DÖV 2009, 469 ff (Kommunale Unternehmen). Zu der Verfolgung öffentlicher Interessen bei Staatsbeteiligungen s. Leisner, W.G., GewArch 2009, Weisungsrechte der öffentlichen Hand gegenüber ihren Vertretern in gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen, insbesondere 340 ff. 312 Und dies ist denn auch nach dem für alle geltenden privaten Gesellschaftsrecht zu beurteilen, vgl. Leisner, W.-G., FN 311, 339 f. 313 Entsprechend der Kategorisierung im Apothekenurteil BVerfG E 7, 377, vgl. auch BVerfG E 54, 237; 73; 280 (295); 73 301 (315). 314 Dies führt zu der grundsätzlichen Problematik des traditionell angenommenen Wahlrechts der Staatsgewalt zwischen privat- und öffentlich-rechtlichen Beeinflussungsformen (vgl. FN 268), soweit dies sich nicht daran orientiert, ob Marktbeeinflussung im Vordergrund steht oder nicht.
III. Staatliche Wirtschaftstätigkeit als „Förderung“
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b) Hier zeigt sich die Problematik von Versuchen, Grundrechtsbindung von gemischtwirtschaftlichen Unternehmen nach Beherrschungsstufen315 seitens der öffentlichen Hand zu beurteilen. Wenn die öffentliche Hand ihre Wirtschaftstätigkeit unter dem Gesichtspunkt der Marktförderung erbringt, dabei sich aber in vollem Umfang den jeweiligen Marktkonditionen unterwirft, welche nicht von ihr diktiert, sondern stabilisiert werden sollen, so kann es nicht darauf ankommen, wie stark der jeweilige gesellschaftsrechtliche Einfluss der öffentlichen Träger auf das Unternehmen ist. Entscheidend ist lediglich, ob das Ziel der Marktförderung erkennbar verfolgt wird. Eine Grundrechtsbindung des Beteiligungsstaates folgt daraus allerdings nicht; solange er als Förderstaat marktkonform tätig wird, setzt er öffentliche Mittel ein, nicht aber öffentliche Gewalt. Marktkonformität ersetzt insoweit den Grundrechtsschutz. c) Was umgekehrt die Grundrechtsberechtigung anlangt, so kann sie der fördernde Staat als solcher grundsätzlich nicht in Anspruch nehmen, da er ja nicht typisch private Zwecke verfolgt, sondern, über seine Marktteilnahme, das allgemeinere öffentliche Interesse der Marktstabilisierung. Dies ist aber zu unterscheiden von der Grundrechtsberechtigung der Beteiligungsgesellschaft als solcher. Bei ihr kommt es jeweils darauf an, wie die Interessenverfolgung in ihrer Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung definiert ist; denn es entscheidet über die Grundrechtsberechtigung, nicht die der (hauptsächlichen) Anteilseigner, sondern die der Gesellschaft, des Unternehmens als solchen.316 Im Übrigen sind aber die gesellschaftsrechtlichen Beherrschungsstufen durch die öffentliche Hand zu beachten: Sind diese so hoch, dass die Tätigkeit geradezu nur als eine solche des fördernden Staates erscheint, so kann dieser nicht „gegen sich selbst“ Grundrechte geltend machen. Vielmehr tritt an die Stelle von deren Schranken die der Zweckgebundenheit der marktkonformen Stützungstätigkeit, wie sie vorstehend für den Förderstaat entwickelt worden ist. Im Ergebnis ändert sich also nichts an den Kategorien einer herrschenden Lehre zur Grundrechtsfähigkeit und Grundrechtsbindung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen: Entscheidend ist aber jeweils die staatliche Förderungszielsetzung; aus ihr ergeben sich unter Umständen rechtliche Beschränkungen, zugunsten der Grundrechte anderer Marktteilnehmer, welche erheblich weiter reichen (können) als solche aus deren Wettbewerbsgleichheit. Hier wirkt eben die Marktförderung als solche als eine teleologische, zielmäßig beschränkende Einschränkung des staatlichen Beliebens.
315 Zu den „Beherrschungsverträgen“ vgl. in diesem Zusammenhang Spannowsky, W., Der Einfluss öffentlich-rechtlicher Zielsetzungen auf das Statut privatrechtlicher Eigengesellschaften in öffentlicher Hand, ZGR 1996, 401 (429 f); Brenner, M., Gesellschaftsrechtliche Ingerenzmöglichkeiten von Kommunen auf privatrechtlich ausgestaltete kommunale Unternehmen AöR 127 (202), S. 222 (244 f). 316 Leisner, W.-G., FN 311, 342.
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E. Privatrechtskonforme Ausgestaltung staatlicher Förderung
3. Staatliche Vollunternehmerschaft a) In den vorstehenden Ausführungen ist damit auch bereits die Problematik einer staatlichen Vollunternehmerschaft angesprochen. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Staatstätigkeit erfolgt aber, wie dies bereits vorstehend zugrunde gelegt wurde, nach dem privaten Gesellschaftsrechts. So erweist sich übrigens die gesamte staatliche Wirtschaftstätigkeit heute im Wesentlichen als eine staatliche Aktivität von der Art, wie sie für die Förderung bereits als wesentlich zugrunde gelegt wurde.317 Nach diesem allgemeinen Gesellschaftsrecht kann es aber keinen entscheidenden Unterschied machen, ob staatliche Förderung durch Marktteilnahme in wirtschaftlicher Tätigkeit erfolgt in der Form einer wirtschaftlich beherrschten oder einer in staatlicher Vollunternehmerschaft getragenen Unternehmenseinheit. In beiden Fällen wird die öffentliche Hand, unter Gesichtspunkten der Marktförderung, mit gleichem Ziel und in der grundsätzlich gleichen Form der Marktteilnahme tätig. b) Es geht also aus der Sicht der Förderstaatlichkeit nicht an, zwischen Eigenbetrieben und Eigengesellschaften der öffentlichen Hand318 zu differenzieren. Entscheidend ist immer die Zielrichtung der Marktstabilisierung und die Zielerreichungswirkungen auf diesem Weg. Die Unterscheidung zwischen Eigenbetrieb und Eigengesellschaften ist eine historisch/traditionelle, die sich auf organisationsrechtliche Gestaltungen bezieht, staatsgrundsätzlich aber nicht von Belang sein kann. Insbesondere geht es nicht an, bereits aus derartigen Organisationsformen Schlüsse auf das (Nicht-) Vorliegen von Förderungsabsichten zu ziehen, daraus auf entsprechende Bindung(slosigkeit) zu schließen oder gar Eigengesellschaften als Ausdruck ausschließlicher Erfüllung von Staatsaufgaben zu sehen. In all diesen Formen wirtschaftlicher Aktivitäten finden ja Marktberührungen statt, daher müssen sie alle auch gleichmäßig unter den Gesichtspunkten beurteilt werden, welche die Zulässigkeit einer Marktförderung begründen können. Dies kann sich praktisch nur in der Form entwickeln, dass der öffentlich-rechtliche Eigenbetrieb als eine überholte Rechtsform aufgegeben und grundsätzlich zu Eigengesellschaften übergegangen wird. Dies geschieht ja bereits laufend, in der – meist unausgesprochenen – Erkenntnis, dass jene typisch marktkonforme Flexibilität, welche dann eben Marktförderung durch Marktteilnahme ermöglicht, letztlich nur in Formen eines ebenfalls marktkonformen Privatrechts zu erreichen ist.
317 s. oben E.; dies gilt sowohl allgemein für den Einsatz von Formen des Privatrechts (vgl. oben E. 1. als auch insbesondere für die „Bankrechtskonformität“ der Förderung (oben E. I. 1.). 318 Zu dieser Problematik und zur Entwicklung in Richtung auf Eigengesellschaften der öffentlichen Hand vgl. Leisner, W. G., Der Vorrang des Gesellschaftsinteresses bei der Eigengesellschaft der öffentl. Hand, Wirtschaft und Verwaltung 1983, 212 ff; Ehlers, D., Verwaltung in Privatrechtsform, 1984 S. 350 ff.
III. Staatliche Wirtschaftstätigkeit als „Förderung“
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4. Privatisierungen In diese Beurteilung der öffentlichen Wirtschaftstätigkeit unter dem Gesichtspunkt der „Marktförderung durch Marktteilnahme“ fügen sich nun bruchlos systematisch die ganz unterschiedlichen Formen teilweiser und voller Privatisierung ein.319 Sie sind im Grunde lediglich Formen einer Rechtspraxis, in der die Marktwirtschaft als solche in ihrer staatsrechtlichen Bedeutung bewusst wird. Gewiss vollzieht sich hier etwas wie ein Ausverkauf traditioneller Staatlichkeit, in der Überlassung von deren vor allem wirtschaftlichen Aktionsformen an jene Bürger und ihre Initiativen, auf denen aber doch auch der Hoheitsstaat in der Demokratie beruht. Verunklart wurde dies, von Anfang an, in jener verbetriebswirtschaftlichenden Euphorie, die den Sinn und Nutzen der Privatisierungen lediglich in einer Steigerung unternehmerischer Effizienz sah. Dahinter steht und stand stets entscheidend eine andere Größe, welche ja allein diese Effizienz hervorbringen und bewahren kann: die Marktwirtschaft. Nicht ein primitivierendes „der Staat hat in der Wirtschaft nichts zu suchen“ oder „Beamte können nicht ökonomisch denken“320 legitimiert das große Privatisierungsgeschehen, sondern allein das verfassungsrechtlich begründbare Bekenntnis zu einer Marktwirtschaft als optimale Form wirtschaftlicher Freiheit. Ergänzt wird es durch jene Förderstaatlichkeit, welche flexibel genug ist, gerade in ihren privat-rechtlichen Formen der Marktteilnahme, die Marktwirtschaft von innen wie von außen zu unterstützen, sie zu ihrem Ziel werden zu lassen. Der Unterscheidung zwischen den Formen einer Organ- und einer Aufgabenprivilegierung kommt in diesem Zusammenhang große Bedeutung zu. Im ersteren Falle321 werden instrumentale, organisationsrechtliche Voraussetzungen für eine etwaige spätere Marktteilnahme geschaffen; zugleich begünstigen diese aber schon einen Eintritt staatlicher Wirtschaftstätigkeit in einen bestehenden oder zu schaffenden, zu optimierenden Marktprozess. Zwar bleibt derart organisierte Staatstätigkeit, rechtlich zunächst (noch) im Raum einer Staatstätigkeit, welche nicht notwendig auf Förderung von Märkten gerichtet sein muss; diese Organisationsprivatisierung ist noch nicht eine (veränderte) Zielbestimmung der entsprechenden Tätigkeit. In sehr vielen Fällen, ja in aller Regel, ist sie aber bereits ein erster Schritt, ja eine bewusste Vorbereitung jenes Markteintritts322, der sich auf Marktförderung in Aufgabenprivatisierung richten soll. Ist diese letzere Realität geworden, so kann sie sich zunächst, 319 Dazu bereits Nachw. oben FN 3, sowie Ausführungen von Leisner, W. in: „Privatisierung des öffentlichen Rechts“ (FN 11) S. 127 ff. 320 Zu diesem Vorwurf, der sich aber in Wahrheit mehr gegen die (insbesondere hoheitsrechtlichen) Organisationsstrukturen als gegen das Personal richtet, vgl. Leisner, W., Legitimation des Berufsbeamtentums aus der Aufgabenstellung, 1988, S. 59 ff. mit zahlreichen Nachweisen, vor allem aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht. 321 Die Organisationsprivatisierung ist einzuordnen als Grundlegung sekundärer Zweckprogrammierung im Bereich der Verwaltung (s. dazu Rodi, FN 93, S. 539 ff, 543 ff), die zu Auswirkungen in der Durchführungsphase führt (ebenda S. 553 f). 322 Und zwar eben dadurch, dass hier in den marktförmigen privaten Rechtsformen gehandelt wird, vgl. E. 1.
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E. Privatrechtskonforme Ausgestaltung staatlicher Förderung
vor allem über gemischt-wirtschaftliche Unternehmen, zu immer weiterem Markteinfluss steigern, muss dann allerdings die der Förderungsgewalt gezogenen Grenzen einer Marktunterstützung beachten und bereit sein, sich gegebenenfalls auch aus diesem Engagement wieder zurückzuziehen.323 In all dem wirkt nichts anderes als Förderungswille der öffentlichen Träger gegenüber einem Marktgeschehen, das sie beeinflussen, weithin bestimmen, dann aber auch wieder verlassen. Dies ist eben der Sinn aller Förderstaatlichkeit. Damit ist staatliche Wirtschaftstätigkeit aber nicht etwa als solche – dies gilt es nochmals zu betonen – allein auf Marktoptimierung angelegt, darin etwas wie „ein laufend auslaufendes Modell“. Sie kann durchaus auch als eine Form staatlicher Aktivitäten verstanden werden, welche längerfristig, aber marktordnend, nicht marktfördernd wirken, im Sinn der vorstehenden Untersuchungen.324 In einem komplizierten wirtschaftlichen Prozess wird sich ja diese fundamentale Unterscheidung immer weiter herausbilden, und es ist zu hoffen, dass sie sich auch in entsprechenden Differenzierungen der öffentlichen Wirtschaftstätigkeit fortsetzt, zwischen unabdingbarer Staatsaufgabenerfüllung und Marktoptimierung.
5. Öffentliche Wirtschaftstätigkeit – Beispiel spektraler Flexibilität der Förderstaatlichkeit a) Die Bedeutung der Förderstaatlichkeit liegt in der Flexibilität ihrer Formen, welche aber in der marktwirtschaftlichen Orientierung zu einer zweckbestimmten Einheit zusammengeschlossen werden. Ihr Wesen wurde daher als das eines Anstoßes erkannt, welcher in einen Selbstlauf der Marktwirtschaft325 übergehen sollte – aber eben auch wieder in förderungsbedürftige Schwächen zurückfallen kann. Darin liegt eine größere Dimension staatlicher Wirtschaftspolitik, die Unersetzlichkeit des wahrhaft nützlichen Staates, wie ihn gerade die Krise gezeigt hat. Dies alles muss in laufender Bewegung gesehen werden, wie sie eben einer Marktwirtschaft wesentlich ist. Sie hat sich ja längst aus der physiokratischen Statik früherer Jahrhunderte gelöst, einer Zeit, in der aber gerade starre Verfassungsnormativität entstanden ist. Gegen diese führt liberale Bewegungsdynamik, die aus den Märkten kommt, seit über zwei Jahrhunderten einen ständigen Emanzipationskampf: Verhindert werden soll, dass über das öffentliche Recht Staatsaufgaben, Staatszwecke und die Formen von deren Erreichung derart betoniert werden, dass flexiblem Marktgeschehen nicht mehr Rechnung getragen werden kann. Die Verfassungsnormativität ist hier sicher eine grundsätzliche Gefahr. In diesen Betrachtungen sollte versucht werden, dem in der Erkenntnis der Flexibilität einer Förderstaatlichkeit Rechnung zu tragen, welche die Beweglichkeit des Marktes in ihren vielfältigen Formen aufnimmt. Eine der 323
Insbesondere im Wege der Börsengänge oder des Anteilsverkaufs. Im Sinne der Abschichtung von marktordnenden und marktfördernden Aktivitäten, vgl. oben D. I. 325 In dieser Annahme – meist auch nur „rechtlich naheliegenden Hoffnung“ – liegt das Wesen einer Förderung als Hilfe zur Selbsthilfe, vgl. oben C. III. 1. 324
III. Staatliche Wirtschaftstätigkeit als „Förderung“
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wichtigen und als solche nicht hinreichend gewürdigten ist auch in der vorstehend beschriebenen Marktförderung durch Marktteilnahme zu sehen.326 Deshalb ist auch hier ein flexibles, ständiges Kommen und Gehen der Staatlichkeit angesagt, wie es eben den Formen der Förderung entspricht. Bedeutsam ist dabei, dass sich dies in „weichen Übergängen“ vollziehen kann, ja in einem verbindenden Hinübergleiten von einer Förderungsform in die andere. Diese Stärke des Förderstaates war bisher ja auch, immer wieder erkennbar, die Schwäche seiner Dogmatik: In einer Staatsaufgabenlehre327, welche definitive Abschichtungen versuchte, aber nicht erreichen konnte328, wurde die eine Zielrichtung der Marktförderung verunklart, ja als solche problematisch. b) Zur Stärke der Förderstaatlichkeit wie zu ihrem Problem werden dabei die erwähnten weichen, oft kaum mehr nachvollziehbaren Übergänge, in der Höhe der Förderungsmittel wie bei der Bestimmung der Förderungsziele und in deren Konvergenz zum größeren Ziel der Marktförderung. Zu diesen „instrumentalen“ und „finalen“ Problemen tritt noch, als Drittes, die für die Förderstaatlichkeit so wichtige, jedenfalls grundsätzliche, Unterscheidung zwischen Marktförderung und Marktordnung hinzu. All diesen Flexibilitäten ist eines gemeinsam: Eine Spektralität, in welcher sie sich, in nahezu unzähligen Formen (Verbindungen) präsentieren. Oft ist von einer „Förderung“ nur die privatrechtliche, eben marktübliche Organisation im Staatsbereich klar erkennbar, dann wieder konvergieren öffentliche und private, marktwirtschaftliche Interessen, vor allem bei Herstellung und Erhaltung von Wettbewerb kommt es zu solchen generellen Zielkonvergenzen von privaten und öffentlichen Interessen. Immer wieder wird dies aber in einem Begriff der Lenkung zusammengefasst und vermischt, verunklart, in dem sich dann die Einheit der Staatsgewalt bewähren soll. Öffentliches und privates Recht lassen sich heute in der Staatstätigkeit schon kaum mehr überzeugend unterscheiden; sie weisen in dieselbe Richtung, in der dann geradezu etwas wie ein „Privater Staat“ begegnet. Die Spektralität zeigt sich insbesondere in den Beteiligungsformen: Eine quantitativ unbedeutende kann qualitativ entscheidend wirken, die eigentlichen Beherrschungsstrukturen bei Joint Ventures werden immer unübersichtlicher. Es ist, als entzögen sich eben die Strömungen des Marktes den festen Kanalisierungen rechtlicher Förderungsdogmatik. c) Die Förderstaatlichkeit darf jedoch vor diesen, schon als solchen kaum definierbaren, Schwierigkeiten spektraler Übergänge, die jede Dogmatik zu zerstören dro326 Hier vollzieht sich die flexible Förderung vor allem über Verstärkung und Abschwächung der Beteiligungen in gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, s. oben 2., und in der Handhabung des Weisungsrechts seitens der Staatsbeteiligungsinstanzen, vgl. FN 311 f. 327 s. oben C. I. 2. Einerseits ist ja ein solcher Ansatz starr, jedenfalls hinsichtlich der „notwendigen Staatsaufgaben“, deren Abschichtung von den anderen, möglichen, nicht gelingen will, zum anderen aber liegt Flexibilität gerade in dem verbreitet angenommenen Bestimmungsrecht des Staates, welche darüber hinausgehende Aufgaben er erfüllen will. 328 Vgl. oben D. I. ff.
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E. Privatrechtskonforme Ausgestaltung staatlicher Förderung
hen, nicht kapitulieren. Förderstaatlichkeit muss begriffen werden zugleich als ein Fortschritts- und Rückzugsbereich möglicher Marktförderung. Die Krise hat dies bereits deutlich gezeigt: Nicht als notwendig erwies sich hier die Rückkehr einer massiven, hoheitlich ordnenden Staatsgewalt, auch nicht die einer Staatswirtschaft, welche marktstaatsordnend betoniert. Die Förderstaatlichkeit konnte und musste mit den Märkten floaten, je nach der augenblicklichen Strömungslage. Das „Zurück zum Staat“ wurde zu einem „Zurück zur Förderstaatlichkeit“, zur Bewusstwerdung all ihrer spektralen Formen. Was es hier nicht gibt, ist die Einbahnstraßen-Ideologie, Überzeugungen von endgültigen staatsorganisatorisch zu betonierenden Errungenschaften. Eine Großtat der Demokratie war es, dass in dieser Krise die Grundidee des Machtabbaus nicht aufgegeben wurde als Endziel, in dem sich, so paradox es klingen mag, das marxistische Absterben des Staates und die freiheitlich-demokratische Machtabbau-Zielsetzung einig sind. Es ist all dies übergeleitet worden in eine größere Bewegung des Auf und Ab, eines immer neuen, kombinierenden Einsatzes von Marktförderungsinstrumenten. Zum Scheitern verurteilt zeigt sich, wiederum in dieser Krise, nur Eines: Kurzatmigkeit staatlicher Förderung.329 Eine Atemlosigkeit, welche im starren Blick auf ein Ziel oder in einer Ängstlichkeit übermäßig Gewalt einsetzt – oder zu rasch Förderung beendet. Der Markt muss endlich als eine Unendliche Geschichte verstanden und begleitet werden, Staatsförderung ist Daueraufgabe – aber eben nicht in immer den gleichen, sondern in spektral gleitenden, wenn nötig floatenden, Formen. Transitorische Bescheidenheit330 muss all dies begleiten, wie sie gerade auch der öffentlichen Wirtschaftstätigkeit stets eigen sein sollte. In all ihrer Privatheit muss die Demokratie auch den Mut aufbringen, ihre Marktwirtschaft nicht zu einer Marktideologie zu steigern, in welcher der Staat als ökonomisch impotent dasteht. Ein „Yes, we can!“ darf auch sie im Wirtschaftlichen sprechen: „Wir können immer wieder anstoßen“, und unsere Kraft zeigt sich in der unendlichen Vielfalt der Mittel, aus denen unser Förderstaat geradezu besteht und sich nun auch – endlich – in seiner ganzen Staatlichkeit legitimieren sollte.
329 Vgl. bereits oben A. V. 4., „den Appell an demokratische Geduld“. Dies gilt insbesondere für eine Zurückhaltung gegenüber einem staatlichen Aktionismus, der sich nicht auf das GG berufen kann, vgl. dazu Nachw. b. Leisner, W., Staatsaktionismus: Verfassungsverpflichtungen und Zuständigkeiten von Verfassungsorganen, DÖV 2009, S. 873. 330 Die „transitorische Enteignung“ im Baurecht (§ 85 ff., BauGB) ist eine wichtige, seit langem gesetzliche Ausprägung dieser Zurückhaltung; ihre Regelungen sollten als exemplarisch für manchen anderen öffentlichen Tätigkeitsbereich angesehen werden.
F. Förderstaatlichkeit: eine Staatslegitimation und ihre Verfassungsgrundlinien Diese Betrachtungen zur Förderstaatlichkeit wären nichts als eine Fortsetzung der Darstellungen geltenden oder anzustrebenden Subventionsrechts, könnten sie nicht Elemente einer gegenwartsnahen Staatskonzeption entfalten. Gegenwärtige Demokratie ist geprägt von einer Wirtschaftsdominanz im öffentlichen Sektor, in der sich übrigens frühere sozial-demokratische Staatsprogrammatik nun eben auch grenzkorrigierend verwirklicht. Dies aber erfolgt nicht über jene planwirtschaftlichen Vorstellungen, die an der rechtlichen Unvorhersehbarkeit der Märkte gescheitert sind, sondern aus einer Freiheit heraus, die Förderung verträgt und braucht, nur in Grenzen, an „Ordnungs-Rändern“, in hoheitlichem Befehl. Dieses neue marktdemokratische Staatsmodell, wie es die Gegenwart und eine (gerade noch) vorhersehbare Zukunft beherrscht, muss nun aber die Formen und Ziele der Förderstaatlichkeit fruchtbar werden lassen als Grundlinien dieses Regimes, als dessen – und man wird wohl so weit gehen dürfen – wenn nicht neue, so doch neuartige Legitimation.
I. Allgemeine Staatsorientierungen durch Förderstaatlichkeit 1. Kein „unnützer Staat“ a) Eine Lehre vom Förderstaat, wie sie hier versucht worden ist, stellt sich nicht gegen „den Staat“ als solchen, sondern nur gegen gewisse marktfremde oder gar marktfeindliche staatliche Handlungsformen. „Der Staat“ wird nicht unnütz, er läuft auch nicht auf einem „Abstellgleise“; er wird sogar zunehmend gebraucht und muss in der Flexibilität seiner Förderungsformen etwas aufnehmen wie eine „ganz neue Fahrt“. Als solche muss sie bewusst werden, in ihrer einheitlichen Marktzielsetzung, sie darf sich nicht in einer „Reste-Schau“ früherer, ja traditioneller Befehlsstaatlichkeit erschöpfen, oder in fiskalischem Gewinnstreben. Notwendig ist dieser Staat auch und gerade dann, wenn er nun vor allem in privaten Formen tätig wird, wie es eben flexible Förderungstätigkeit verlangt, ja selbst dann, wenn er als ein „Privater Staat“ apostrophiert wird331 – als ob alles, was nicht einen im letzten absolut(istisch)en Befehlscharakter trüge „unnützes Recht“ wäre. Wenn mit 331
Vgl. bereits Leisner, W., FN 11, S. 54 ff.
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F. Förderstaatlichkeit: Grundlinien einer Staatslegitimation
Kelsen von der Deckungsgleichheit von Staat und Recht auszugehen ist, so ist dieser Förderstaat ebenso wenig „unnütz“ wie das doch höchst nützliche und gerade in besondere Weise auf Nutzen hin orientierte Privatrecht. Förderstaatlichkeit bedeutet auch nicht grundsätzliche Ablehnung der wesentlichen Groß-Aufgabe moderner Staatlichkeit, Lenkung zu betreiben, ja zu gewährleisten; dies wurde bereits deutlich.332 Wesentlich ist nur, dass nun Marktordnung und Marktförderung sachgerecht unterschieden werden; in beiden ist der Staat mehr als nur nützlich, er ist unentbehrlich, auf Dauer. b) Förderstaatlichkeit charakterisiert in der Orientierung ihrer Hilfen alles, was sich wirkungsmäßig steigern und zurücknehmen lässt, in verbundenen, spektral-weichen Gestaltungen. Ziel aller dieser Bewegungen bleibt aber stets im letzten nicht die Steigerung, sondern die Abschwächung des Staatseinflusses; in diesem Sinn ist der Förderstaat eine geradezu längst-fristige Grundidee. Denn die Marktwirtschaft, die hier optimiert werden soll, wird in ihm, und sei es in einer Art von Automatik, gleichgesetzt mit einem deutlichen „immer mehr Freiheit“. Förderstaatlichkeit bedeutet also eine klare Absage an Versuche, Wahlfreiheiten und Austauschbarkeiten beliebig in die Staatsform einzuführen; der Staat, der im Wesentlichen ja Entscheidung ist, wie alles Recht, muss auch hier nicht immer nur Wahlfreiheiten der Einwirkungsformen beliebig nutzen können, er muss sich, wenn auch flexibel, eben doch entscheiden: im Zweifel für Förderung, für Marktwirtschaft. c) Zielvorstellung des Förderstaates ist nicht der frühere Hoheitsstaat als Machtstaat333 ; in ihm müsste sich die Französische Revolution in permanenter geistiger Umwälzung fortsetzen: Jene privaten Formen, in denen sich (wie oben E. gezeigt)334, der Förderstaat vor allem ausdrückt, bilden aber einen historisch bleibenden Gegenpol zu aller sich aufzwingenden Hoheitlichkeit. Damit ist der „private Staat“ nicht ein Schreckgespenst des öffentlichen Rechts, sondern eine Form, in welcher dieses seine Wiedervereinigung mit dem privaten Recht, mit der Großtat der gewiss staatsbewussten Römer feiern kann. Dass dies in einer weitgehenden Privatisierung des öffentlichen Rechts seine instrumentalen Ausdrucksmöglichkeiten finden kann, wurde bereits eingehend dargetan.335 Dass hier vor allem Vertraglichkeit einen Königsweg beschreiten lässt, war ebenso bereits Gegenstand früherer Überlegungen.336 Die Lehre vom Förderstaat hat sich nun noch mit den, letztlich entscheidenden, größeren Zielvorstellungen dieser neuen Entwicklungen zu beschäftigen.
332 333 334 335 336
Oben D. s. oben B. I. 3. Oben E. I. ff. s. FN 11. Vgl. FN 31.
I. Allgemeine Staatsorientierungen durch Förderstaatlichkeit
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2. Förderstaatlichkeit: Ein Weg zu internationaler Gemeinschaftlichkeit In alldem fügt sich vor allem die vorstehend beschriebene Förderstaatlichkeit ein in eine internationale Wirtschaftsordnung, als ein eben doch globales Marktsystem. In ihm kann ja erst recht nicht mehr national befohlen werden, schon nicht mehr in der europäischen Gemeinschaft. Staatlichkeit bedeutet hier weitestgehend nichts anderes als konzertierte Förderung innerhalb der Gemeinschaftsglieder. Hier muss nicht etwa alle Förderungsanstrengung auf einer höheren Ebene stattfinden, befehlsmäßig übergeordneten Instanzen überlassen werden – im Gegenteil: Gerade ein wohlverstandener Förderungsbegriff verlangt die nationale Marktunterstützung als die sachnächste, damit wirksamste. Je höher überdies öffentlich-rechtliche Aktivitäten angesiedelt werden in solchem Verbund, desto weniger kann und sollte darin einfach nur angeordnet, desto mehr sollte, nach oben wirklich „ansteigend“, Förderung in den Mittelpunkt treten; und eben dies erfolgt ja bereits seit Jahrzehnten in der Europäischen Union. Hier wird dann auch klar, dass Marktordnung und Marktförderung unterschieden werden und bleiben müssen. Nationale Beihilfegestaltung aber wird in ihrer Bedeutung eher noch zunehmen. All dies setzt jedoch, ganz selbstverständlich, voraus, dass in den einzelnen Unions- und internationalen Gemeinschaftsgliedern Förderstaatlichkeit als solche genutzt und dogmatisch gesichert betrieben wird, rechtlich legitimiert nur in ihren eigentlichen, marktbezogenen Räumen. So sind denn diese Betrachtungen eine weitere Begründung dafür, wie unumgänglich eine Förderstaatlichkeit sich auch grenzüberschreitend präsentiert. Eine internationale Gemeinschaft von Gleichberechtigten, kann ferner auch als solche letztlich nur gedacht werden als eine nach oben immer deutlicher sich zeigende Förderungsgemeinschaft, welche aus den Fördermitteln ihrer Glieder lebt und ihrem gemeinsamen Markt als Gegenstand des höchsten öffentlichen Interesses verpflichtet ist. Vertreter interner Befehlsstaatlichkeit mögen noch so viel auf Anordnungen setzen – international und damit „nach oben“ wird all dies rasch flexibilisiert werden in einer Völkerrechtsordnung, die eben letztlich doch eine privatrechtsnahe ist, eine solche zwischen wirklich Gleichgeordneten; dies erfolgt in einem Marktgeschehen, das Hilfen aufnimmt und umsetzt, sich aber im Letzten doch nichts befehlen lässt. Wer also Förderstaatlichkeit im Inneren zurückdrängen will, auf den wird sie „von oben herabkommen“ in einem wahren Paradox: Von oben kommt die Einung, nicht mehr der Befehl.
3. „Konkretförderung“ – Gefahr der „großen Richtlinien“ Förderungspolitik in der Demokratie baut sich aus vielen Entscheidungen auf, die sehr konkret fallen. Doch über alldem entwickelt sich sodann ein auch verfassungsrechtlich verfestigtes Streben nach allgemeineren Gesamtdirektiven, nach politi-
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F. Förderstaatlichkeit: Grundlinien einer Staatslegitimation
schen Generallinien, wie dies etwa in den vom Regierungschef bestimmten „Richtlinien der Politik“ zum Ausdruck kommt;337sie betreffen einzelne Förderungsentscheidungen wie „flächendeckende“ Förderungsanstrengungen. Förderstaatlichkeit setzt denn auch, schon in ihrer marktstützenden Orientierung, mehr voraus, als reine Einzelfallhilfe; sie sollte sich stets an größeren, eben marktkonstituierenden Zusammenhängen orientieren. Insoweit ist die typisch demokratische Dynamik einer Verbindung von Einzelentscheidungen und übergeordneten Grundsätzen eine systemgerechte Grundlage auch für Aktivitäten des Förderstaates. Dennoch besteht hier die Gefahr einer „Global-Politisierung“, in welcher die Allgemeinheit solcher Direktiven und Richtlinien nicht mehr aus der vielfältigen Realität heraus wächst, diese zusammenfasst, sondern sich ihr „von oben“ überlagert, in einer Zusammenfassung von Förderungsanstrengungen, die sich dann als solche von marktwirtschaftlichen Zielsetzungen wieder entfernt. Diese gestatten es eben selten, allzu weite Zusammenhänge fördernd in den Blick zu nehmen; hier wird dann nur zu oft den Märkten eine Wirtschaftspolitik oktroyiert, die nicht mehr aus deren konkreten Förderungsnotwendigkeiten erwächst.338 b) Ein aktuelles Beispiel für derartige Generalisierungen, welche dann Marktförderung aus den Augen zu verlieren droht, sind die gegenwärtig besonders beschworenen Bildungsanstrengungen des Staates. Sie werden letztlich von einem übergreifenden Gleichheitsstreben getragen, welches auch die letzten, bisher als natürlich erscheinenden unterschiedlichen Vorgaben für eine Lebensentwicklung aus- und angleichen will, wie etwa das Elternhaus.339 Doch dies führt dann, nahezu notwendig, zu Entwicklungen einer „Allgemein-Förderung“, welche Bildung bereits von der Kindertagesstätte an zu vermitteln sucht. Eine solche Förderung340 lässt sich aber, jedenfalls für viele Entwicklungsjahre, auf Marktbedürfnisse gar nicht oder doch nur sehr unvollkommen ausrichten. Hier droht vielmehr allgemeine Gesellschaftspolitik marktorientierte Förderung zu überlagern – im Letzten wieder in einer Form von Schwächerenschutz äußerst allgemeiner und keineswegs unproblematischer Art.341
337 Ungeklärt ist der Begriff seit langem, vgl. das „Meinungsbild“ mit zahlr. Nachw. b. Schröder, Meinhard, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 65, Rn. 12 f. Überwiegend wird von „konkretisierungsbedürftigen Leitlinien“ ausgegangen, S. dort Rn. 15. 338 Dies mag bei Förderung für einen wesentlich konkreten, wenn nicht einen Einzelfallbezug der Richtlinienkompetenz sprechen. Ein solcher liegt – auch allgemeiner – immerhin darin, dass auch „sonstige (staats-)politische Tätigkeiten“ bis hin zu (einzelnen) Äußerungen in der Öffentlichkeit (§ 12 GeschOBReg) Gegenstände der Richtlinien sollen sein können. S. Schröder (FN 337, Rn. 22). 339 Wovon ja Art. 6 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 GG eindeutig ausgeht. 340 Sie lässt sich nur durch die „Koedukationsaufgabe“ des Staates rechtfertigen (BVerfGE 47, 46, (74)) darf sich nicht ganz allgemein auf „bestmögliche Entwicklung des Kindes“ richten (BVerfGE 60, 79 (91); 107 104 (118)). Zur freien Schulwahl der Eltern vgl. BVerfGE 34, 165 (184 f.); 45, 400 (415). 341 Staatliche Bildungspolitik, vor allem Förderung, muss sich also auf marktgerechte Angebote beschränken. Das elterliche Erziehungsrecht, das, jedenfalls bis zur Volljährigkeit,
I. Allgemeine Staatsorientierungen durch Förderstaatlichkeit
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Chancengleichheit ist im Wettbewerb ein Förderungsziel; zu weit „vorverlegt“ verliert sie jene Zielorientierung, ohne welche sie Märkte als solche nicht mehr erreicht. c) Der „Ruf nach Werten“342 als Orientierungen der Politik ertönt immer lauter und allgemeiner. „Wertorientierte Förderung“ könnte, und sollte daher wohl zunehmend das Förderungsverhalten des Staates bestimmen. Doch hier treffen dann zwei weite Allgemeinheiten aufeinander, sollen begrifflich kombiniert werden, und dies geschieht, ganz selbstverständlich, in „politischen Entscheidungen“. Immer weiter heben sich diese damit notwendig von jenen vielfältigen Marktrealitäten ab, denen die Aktivitäten des Förderstaates aber doch dienen sollten; von der Hilfe geht dies zu Direktivwirkungen über. Der Förderstaat muss solcher „Politik“ gegenüber wachsam bleiben. Er darf sich in seinen Anstrengungen nicht vereinnahmen lassen durch Zielsetzungen, welche sich fatalen Grenzen zur Ideologie nicht unbedenklich nähern könnten. In seiner wesentlichen, eben marktbedingten Bodenhaftung muss dieser Staat realitätsverbunden und damit auch, bis zu einem gewissen Grad, wertskeptisch bleiben. Zwischen beiden ist er wirklich eine „Ordnung der Mitte“. Eine Skepsis gegenüber einer ohnehin mit parteipolitischem Misstrauen betrachteten „General-Politik“, mit ihren „Versprechungen als Förderungen“ – und umgekehrt! – weist schon heute deutlich in diese richtige Richtung.
4. Förderstaatlichkeit und politisches Personal – „die Experten“ a) Der Förderstaat stellt sich Aufgaben, welche mit dem politischen Wahl-Personal der Demokratie nicht leicht zu erfüllen sind. Gefordert ist hier eine genaue Marktbeobachtung, wie sie eben, auch für das Personal, für jeden einzelnen Mitarbeiter, letztlich wohl am besten über „Learning by Doing“ durchführbar ist. Der Wechsel von Wirtschaft zur Politik und zurück, Quereinsteigertum ist daher stets ein in der größten Demokratie erfolgreich praktiziertes Modell gewesen; es wurde allerdings dann, in Politik wie Wirtschaft, stets sogleich über Lobbyismus zum Instrument, ja zum Motor einer Förderstaatlichkeit. So hat sich, gerade in Amerika, Förderungspolitik, wenn nicht gar Förderstaatlichkeit, über solche personalpolitischen Verbindungen, ja Verpflichtungen, überaus wirksam, sehr konkret, und weithin doch auch marktangemessen entfalten können. Dieses Verbindungspersonal zwischen Politik und Wirtschaft mochte sich als „Experten“ präsentieren oder solche jedenfalls ständig in Anspruch nehmen – der Begriff brauchte hier nicht definiert oder gar hinterfragt zu werden, seine Inhalte erwuchsen aus konkreter Arbeit in beiden Bereichen, nach den gleichen Kriterien. So entfaltete sich eine Förderstaatlichkeit, in welcher sich gewissermaßen die Märkte selbst förderten, indem sie ihr Personal über den Staat lenkten auch ganz allgemein die „Bildung“ umfasst, darf nicht im Namen irgendwelcher öffentlicher Interessen zurückgedrängt werden, vgl. BVerfGE 7, 320 (323); 56, 363 (382). 342 Vgl. FN 26.
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F. Förderstaatlichkeit: Grundlinien einer Staatslegitimation
und sich so selbstständige „politische Kapitalerhöhungen“ bescherten, in einer eng und konkret wirtschaftsverflochtenen Förderstaatlichkeit. Auf dem europäischen Kontinent, in Deutschland zumal, blieb es dagegen bei einer öffentlichen Förderung, die als solche stets nah an der herkömmlichen Staatsgewalt und ihren hoheitlichen Formen sich orientierte, geradezu als auswechselbar mit ihnen erschien, und dies auch und gerade in ihren „persönlichen Mitteln“, im Förderungspersonal. Deutsche Marktunterstützung ist noch immer, weithin, amtliche Förderung, sie wird in einem wohlorganisierten und -ausgebildeten öffentlichen Dienst eben doch letztlich aus der bewährten deutschen Beamtenmentalität heraus betrieben.343 In den höheren Rängen der Staatlichkeit setzt sich dies nur zu oft in einem Verhalten von Politikern fort, die zwar als mehr oder weniger liberale Volksvertreter Beamtenskepsis zu zeigen haben, gerade in ihrem vorsichtigen Förderungsverhalten aber beamtliche Tugenden, vor allem kontrollierende Genauigkeit, zum Tragen bringen. Darin entfernen sie sich übrigens, in durchaus begrüßenswerter Weise, von den eben erwähnten Gefahren einer ideologiegeneigten Politik wie eines ausufernden Lobbyismus. Als „Experten“ werden sie oft wahrgenommen, wenn sie sich in einer quasi-beamtlichen Weise politisch profilieren konnten, etwa in gesetzesvorbereitender parlamentarischer Ausschussarbeit. Dies sichert jedoch nicht immer jene Praxisnähe, welcher aber der Förderstaat bei seinen konkret marktorientierten Anstrengungen unabdingbar bedarf. b) Hier kommt es immer deutlicher zu einer Gegenbewegung, welche Expertenqualifikation vor allem in praktischer Erfahrung aus Tätigkeiten in der Wirtschaft selbst sieht, ja durch eine Ausgliederung von Förderungsvorbereitungen bei Gesetzesentwürfen geradezu zu gewinnen versucht.344 Doch dies sollte nicht nur kritisch gesehen, sondern als Bewährung einer Förderstaatlichkeit verstanden werden, welche ihr Personal eben dort schult, ja findet, wo ihre Aktivitäten ihre unterstützenden Wirkungen entfalten: auf den Märkten selbst. Damit wird sich der herkömmliche Expertenbegriff345 allerdings, teilweise wenigstens, wandeln, von der Professoralität zu einer Professionalität, um es pointiert auszudrücken. Abschwächen wird sich dabei unvermeidlich eine Neutralität der Beratung, welche einem praxisorientierten Engagement weichen muss. Doch wenn Staatsförderung eben auch durch wirtschaftliche Staatstätigkeit erfolgt, wie dies vorstehend beschrieben wurde, so ist eine derartige Vermarktwirtschaftlichung der Politik ohnehin unausweichlich. Dass sich damit das Lobby-Problem im Förderstaat in ganz neuen Formen stellt, die Politik für sich zu instrumentalisieren immer mehr versuchen wird, ist ebenfalls nahezu unvermeidlich. Dem Förderstaat ist es eindeutig 343
In der auch Beamte durchaus „wirtschaftlich denken“ (können), vgl. FN 25. Ein solches „Outsourcing“ der (auch „technischen“) Gesetzesvorbereitung durch Anwaltskanzleien ist denn auch im Wahlkampf 2009 kritisch thematisiert worden. Faktisch findet es jedoch im großen Stil, in der unumgänglichen Kooperation von Bürokratie und Verbänden, laufend statt. 345 Vgl. FN 254. 344
I. Allgemeine Staatsorientierungen durch Förderstaatlichkeit
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aufgegeben, neue Formen des Lobbyismus zu entwickeln, was in diesem Zusammenhang nur angedeutet werden kann. Hier geht es aber auch um eine wahre Mutation einer Wirtschaftspolitik, der Politik überhaupt, welche über eine immer mehr förderungsadäquate Personalauslese Förderstaatlichkeit überhaupt erst realisieren kann. Damit werden, wie erwähnt, neuere praxisbestimmte Expertenvorstellungen herkömmliche „Beamtlichkeit“ im weitesten Sinne wohl nicht nur ergänzen, sondern weithin ablösen; und dies ist dann ein wahrhaft staatsrechtliches Problem der Politik überhaupt. Gescholtene oder vergessene Vergangenheit – hier wird sie in derartiger, persönlich gelebter praktischer Experten-Politik beeindruckend praktiziert: „Politisches Geschäft“ war früher, teilweise noch bis ins vergangene Jahrhundert, bestimmt durch ein „Personal“, welches Erfahrungen aufwies, wie sie eben damaliger Staatspolitik nun wirklich förderlich waren: militärisch und diplomatisch. Solange Spitzenpolitiker „gelernte Militärs“ (Napoleon) und „Karrierediplomaten“ von Anfang an waren, verkörperten sie auch eine staatliche Förderung in den damals wichtigsten Bereichen, in vertiefter politischer Erfahrung. In eine solche Verbindung von Spitzenpolitik und wahrer Expertokratie könnte der Förderstaat zurückführen – im Idealfall, durch „Marktwirtschaftspolitik“.
5. Staatliches Förderungspersonal und Beamtenrecht a) Der Förderstaat braucht eine seinen Hilfsanstrengungen gemäße „höhere Politik“ und ein entsprechendes Expertenpersonal, noch mehr jedoch eine Beamtenschaft, welche das Gros des letztlich entscheidenden Förderungspersonals zur Verfügung stellt. Eine derart orientierte Staatsform muss ihr öffentliches Dienstrecht entsprechend aus- und umgestalten, um sich auch hierbei wieder, wie es ja das Grundgesetz in Art. 33 Absatz 5 vorschreibt, an geltendem Beamtenverfassungsrecht zu orientieren. Ausgangspunkt ist hier die Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts, dass die Demokratie des Berufsbeamtentums bedarf als eines Gegengewichts gegen ihre „politische Unruhe“.346 Damit ist jene Stabilisierung als Beamtenaufgabe angesprochen, welche auch die Staatsförderung der Märkte trägt. Gerade in solcher Funktionsstärkung der Marktwirtschaft wird ja die Beamtenschaft bereits ständig, und vor allem auch in Krisenzeiten, tätig: Beamte agieren als Bauherren, als Kreditgeber – aber eben auch als Auftragsvergeber und Kreditkontrolleure. Verstärkte ökonomische Ausbildung, bildungsmäßige Verbetriebswirtschaftlichung des öffentlichen Dienstes sind unausweichlich. Doch gerade dies verlangt auch nach etwas 346
Die stabilisierende Bedeutung des Berufsbeamtentums betont das BVerfG in st. Rspr., seit BVerfGE 8, 1 (16). Aus ihr legitimiert sich die bereits früher im „traditionsbildenden Zeitraum“ unumstrittenen Neutralität(spflicht) dieser Bediensteten, vgl. bereits Gerber, W., VVDStRL 7 (1931), 1 (24).
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F. Förderstaatlichkeit: Grundlinien einer Staatslegitimation
wie einer „Wirtschaftsförderungs-Ausbildung“ des öffentlichen Personals, dessen Aufgaben sich ja gerade nicht in „reiner Aus- und Durchführung hierarchischer Befehle“ erschöpfen. Zu ihr steht hier der fördernde Staatsbedienstete in einer gewissen Distanz; er handelt nicht selten, und zunehmend, geradezu als eine Art von Mit-Unternehmer, aber nicht als Arbeitnehmer des geförderten Bereichs – obwohl er zugleich „Arbeitnehmer“ der Förderungsgewalt ist. Daher ist unternehmerisches Denken in der Beamtenschaft gefordert, nicht (nur) befehlsausführendes Handeln. b) Daraus sollte allerdings nicht ein grundsätzlicher Gegensatz konstruiert werden zu der früheren Grundkonzeption des deutschen Beamten als eines „zunächst eingeschalteten Richters“, der in einer quasi- judikativen Unabhängigkeit die Staatlichkeit bereits in der Administration zu repräsentieren hatte.347 Dieses vielkritisierte distanzierte Richter-Verhalten von Beamten muss erhalten bleiben, ja sich geradezu verstärken, und mit ihm die Unabhängigkeit des öffentlichen Bediensteten348: denn er muss eben im Rahmen der Förderstaatlichkeit auch, oft vor allem als ein „kleiner Unternehmer“ denken und handeln. Hier ist er dann dem Markt verpflichtet, nicht als ein Befehlsempfänger von dessen potenten Akteuren, sondern als ein Helfer der Funktionalität des Gesamtzusammenhangs. Dies aber verlangt zwingend eine gewisse „Hilfe in Distanz“, wie sie nur in beamtlicher Unabhängigkeit traditioneller Prägung gefunden werden kann. Eine volle „Verarbeitsrechtlichung“ des öffentlichen Dienstes, welche dessen Personal allein in seiner Arbeitnehmerfunktion gegenüber der Politik sieht, kann wohlverstandener Förderstaatlichkeit nie gerecht werden. Der Beamte ist und bleibt zu allererst der Rechtskontrolleur der Förderung, er hat auf deren Grenzen zu sehen; sodann aber ist er der zielorientierte Mittelkontrolleur, der in gebotener Distanz die Wahrscheinlichkeit des Förderungserfolgs beurteilt. Dies alles zu kombinieren mit wendigem Engagement, aus einer vertieften Kenntnis der Wirtschaft heraus, welche nur zu oft menschliche Identifikation mit deren Problemen bringen wird – all dies sind Probleme von höchstem Schwierigkeitsgrad; nur in ihrer Lösung aber wird der Förderstaat zur bürgernahen nicht nur Ordnungs-, sondern Hilfsinstanz.
6. Förderstaat gegen Machtstaat349 a) Förderstaatlichkeit bringt den bescheidenen Staat zu seinen Bürgern. Er tritt ihnen in dienender Funktion nicht herrschaftlich gegenüber, sondern helfend zur Seite. Er verfolgt nicht primär eigene Interessen, welche nur die einer politischen 347 Aus dieser „verrichterlichten Beamtentätigkeit“ hat sich dann ja die rechtstaatliche Ordnung des Verwaltungsverfahrensrechts entwickelt; sie überdauert in Rechtstaatlichkeit auch die (weitgehende) Abschaffung des Vorverfahrens. 348 Verfassungsrechtlich gesteigert für Beamte zur Neutralitätspflicht, aus der das Zurückhaltungsgebot folgt (BVerfGE 84, 292 (294)). 349 Hier gilt es nun, marktwirtschaftlich orientierte Förderstaatlichkeit als Antithese zu einer Machtstaatlichkeit darzustellen, die in der geschichtlichen Entwicklung die Entfaltung jener weithin verhindert hat. Siehe oben B. 3.
I. Allgemeine Staatsorientierungen durch Förderstaatlichkeit
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Machtmehrung sein könnten, verstanden als Selbstzweck; er stellt sich hinter eine private Interessenverfolgung, verhindert (gerade noch) eine Staatsbesetzung durch sie in seiner Marktordnung. Derartige Politik verfolgt daher nicht primär Machtübernahme- oder Machtstärkungsinteressen ihres politischen Personals; sie ist immer weniger ein Raum für „Politik als Beruf“, verstanden eben doch als Machtpolitik, sondern – allenfalls – für „wirtschaftliche Interessenförderung als staatlich gebundener Beruf“. b) Marktorientierte Förderungspolitik gerät daher in der Demokratie weit weniger in die Gefahr einer Machterhaltungspolitik schon dadurch, dass sie sich an übergreifenden Zusammenhängen und Entwicklungen von Marktgeschehen orientiert, nicht an jenen Wählern und Wählerverbindungen, aus denen unmittelbar politische Macht entsteht. Gewiss unterliegt sie dem Einfluss marktbestimmender Machtkonzentrationen, in ihrer Marktordnung muss sie versuchen, diese immer wieder zurückzudrängen, ja aufzulösen. Einer anderen Gefahr der Machtstaatlichkeit entgeht sie aber: einem Schwächerenschutz, der sich Wählerstimmen durch mehr oder weniger unmittelbaren Mitteltransfer kauft. Der Förderstaat und sein Personal blicken nicht so direkt auf den einzelnen Hilfeempfänger, dass er ihnen dies in Wahlentscheidung zurückzahlen könnte; sie orientieren sich an einem Gesamtgeschehen, das zwar auch dem Geförderten zugutekommt, ihm aber jene Entscheidungsfreiheit belässt, in welcher er den Markt aus seiner Sicht beurteilt, seine Chancen im staatlich geförderten Marktgeschehen sieht, nicht allein in der staatlichen Hilfe. Darin liegt realitätsnahe Entpolitisierung, eine Redimensionierung auch der Einflussmöglichkeiten durch fördernde Wahlgeschenke. c) Der Machtstaat hat sich immer primär über seine fiskalischen Zielsetzungen definiert und verstärkt. Der Förderstaat benötigt diese für seine Veranstaltungen, aber er setzt sie nicht ein ad maiorem rei publicae gloriam, als Selbstzweck verstanden, sondern in verteilender Umschichtung auf das marktferne Marktgeschehen in der Gemeinschaft. Das so geförderte allgemeine Wohl definiert sich nun nicht aus Staatsmacht, wie es die öffentlichen Mittel bringen, sondern mit Blick auf die Wirkungen von deren Einsatz in wesentlich machtfremden Bereichen privater, marktkonformer Bürgertätigkeit. d) Dieser bescheidene Förderstaat muss auf die Märkte sehen, welche sich aber in Distanz zu ihm entwickeln, er kann diese nicht durch goldene Brücken überwinden, über welche er sie in sich selbst einführt. Diese Förderstaatlichkeit will nicht eigene Eitelkeiten befriedigen; im Förderungsverhalten werden keine roten Teppiche ausgerollt, kein Staatstheater wird gespielt, nüchterne Geschäfte werden getätigt, allenfalls noch gemeinsame Erfolge mit Bürgern gefeiert. Hier ist nicht der Befehlston der Macht zu hören, der als solcher schon den Machtstaat hervortreten lässt. Die Wirtschaft wird mit ihren Märkten nicht „gerufen“. Förderstaatlichkeit ist Machtbegleitung im Gefolge anderer, und selbst ein „privater Staat“ bleibt der Gefolgsmann seiner privaten Bürger.
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F. Förderstaatlichkeit: Grundlinien einer Staatslegitimation
Dies ist der tiefere Sinn eines wahrhaft „national-ökonomischen“ Denkens, das sich von staatswirtschaftlichen Vorstellungen eben doch entscheidend abhebt, nationale Ökonomie nur als eine Zusammenfassung von Betriebswirtschaften sieht. In dieser Förderstaatlichkeit lassen sich dann auch, weit über das Recht und seine Strukturen hinaus, Differenzen, ja Gegensätzlichkeiten zwischen volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Sichtweisen wenn nicht überwinden, so doch abschwächen; der Staat muss eben in seiner helfenden Tätigkeit beide einsetzen, allenfalls von der einen zur anderen auf- oder absteigend fortschreiten. e) Politik definiert sich hier nicht mehr in primären Freund-Feindbeziehungen, sondern in geschäftlicher, gemeinsam nützlicher Partnerschaft. Hier wird der Staat, dieser alte Vertreter, ja die Inkarnation des Siegeswillens, aus früheren Machtzwängen gerissen, indem er sich in Marktzwänge begibt. f) Das moderne Staatsgeschehen wird sich über Förderstaatlichkeit immer mehr in einer Bildhaftigkeit entwickeln, welche man der Seefahrt entnehmen mag: Da ist nicht mehr der autoritäre Kapitän, der sein Schiff in unbekannte Weiten lenkt, dorthin die Macht seiner Flagge in Kolonialisierung trägt. Der Kapitän wird immer mehr zum Steuermann eines Staatsschiffs, das sich auf Markt-Routen bewegt, dabei die marktkonstituierenden Verbindungen herstellt und optimiert. Gewiss lenkt eine Staatsinstanz das Staatsschiff, welches Interessen seiner Bürger geladen hat, doch vor allem überbringt es sie zwischen ihnen; Staatsmacht wird zur Staatsfracht. Doch auch der staatsfördernde Steuermann ist nur einer von denen, die bereits auf dem Schiff präsent und tätig sind, er sorgt nur dafür, dass dieses kürzeste, gefahrloseste Wege nimmt. Die Ziele gibt kein Kapitän mehr vor, nicht eine Politik, die eigenes Machtstreben als Kompass benützte. Diese Förderstaatlichkeit ist ein Frachtschiff, ferngesteuert von „ihren“ Märkten und deren Fluten.
II. Förderstaatlichkeit: Eine neue Staatslegitimation 1. Die Schwächung der herkömmlichen Staatslegitimationen a) Staatsrechtfertigung wird zwar herkömmlich350 auch versucht mit Blick auf gewisse Zustände, welche es herzustellen gelte (Befriedung); im Vordergrund stehen aber, bei näherem Zusehen, stets doch die Mittel, welche eben nur diese organisierte Gemeinschaft zu ihrer Erreichung einsetzen kann. Eine Gleichsetzung von Ordnungsgegenständen und Ordnungsmitteln im Begriff der Staatlichkeit müsste aber rasch in staatlicher Allmacht enden. 350 Klassische Darstellung bei Jellinek, G., Allgemeine Staatslehre, 3. A. 1914, S. 184 ff. Überblick über die Legitimationstheorien bei Zippelius, R., Allgemeine Staatslehre FN 74, §§ 16, 17.
II. Förderstaatlichkeit: Eine neue Staatslegitimation
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Die herkömmlichen staatlichen Ordnungsinstrumente zeigen allerdings bereits in ihrer Wirkkraft eine immer rascher sich abschwächende Tendenz: Das viel berufene Gewaltmonopol des Staates351, im Sinne einer letzten Durchsetzungsmacht, liegt längst nicht mehr bei diesem allein, er teilt es sich außen mit zahllosen anderen Staatlichkeiten, im Inneren mit sozialen Gewalten, welche er nicht mehr wirklich zu beherrschen vermag – darunter eben auch mit den „Marktgewaltigen“. Selbst sein „letztes Wort“ wird dort immer mehr problematisch, wo es herkömmlich die freiheitliche Demokratie achten muss: in der Gerichtsbarkeit.352 Längst lässt sich mit „Staatsgewalt“ nicht mehr alles durchsetzen, jeder gewünschte Zustand verwirklichen. Die Verlustlisten der Wirksamkeit des Staates werden immer länger, verlegt man sich auf seine „Gewalt“. Anarchische353 Entwicklungen in der Demokratie, vom Streik bis zu zahllosen anderen Formen aktiver Undurchsetzbarkeit und einem „Bürger(auf)begehren“ zeigen einen Staat, dessen polizeilich/militärische Gewalt auch spätestens dann völlig zusammenzubrechen droht, in allgemeinem Bürgerprotest, wo irgendwo „ scappato il morto“ – wo ein Toter liegen bleibt, wo ein Menschenleben in seiner unendlichen Wertigkeit beendet wird. Und die Verfassung selbst hat ja in ihrem Widerstandsrecht (Art. 20 Abs. 4 GG), wenn auch weithin „theoretisch“, versucht, dem staatlichen Gewaltmonopol eine Grenze zu setzen. b) Blickt man auf die Ordnungsgegenstände, welche als Aufgabenbereiche eine Staatslegitimation tragen sollen, so zeigen sich ähnliche Abschwächungstendenzen: Eine globale Staatsmacht jedenfalls lässt sich seit langem schon nicht mehr durch globale Ordnungsgegenstände und daraus folgende -notwendigkeiten rechtfertigen; in seiner Unübersehbarkeit schon entzieht sich modernes Gemeinschaftsgeschehen weitestgehend dem staatlichen Zugriff. Datenschutz und Internetkontrollen zeigen unwiderleglich, wie die Staatsgewalt der Entwicklung der Ordnungsgegenstände hinterherhinkt; sie kann ihnen schon deshalb nie mehr nachkommen, weil zwischen ihr und ihnen sich die Freiheit hält, das Freiheitsstreben sich verstärkt. Gleiche Freie lassen sich weniger und weniger befehlen, am Ende vielleicht gar nichts mehr; diese Wette auf eine Zukunft, in der all ihre herkömmliche Gewalt endet, muss gerade die Demokratie schlechthin eingehen. Will sie sich noch irgendwie aus ihrem Mitteleinsatz rechtfertigen, Staatslegitimation aus ihm gewinnen, so muss sie gerade in der Rechtfertigungslehre neue Wege gehen, alte erweitern; und hier ist keiner so nah wie der der Förderstaatlichkeit.
351 Merten, D., Rechtsstaat und Gewaltmonopol, 1975, insb. S. 29 ff.; Isensee, J., FS für Eichenberger 1982, S. 23 ff.; Schmitt Glaeser, W., Private Gewalt im politischen Meinungskampf, 1990, S. 194 ff. 352 s. Leisner, W., Das Letzte Wort. Der Richter späte Gewalt, 2003, S. 48 ff. 353 Leisner, W., Die Demokratische Anarchie, 1982 = ders., Demokratie, Betrachtungen zur Entwicklung einer gefährdeten Staatsform, 1998, S. 451 f.
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2. Die Legitimationskraft der Förderung a) Schon bisher waren es keineswegs mehr oder weniger paradiesische Zustände, aus denen die Legitimation der staatlichen Allmacht gewonnen wurde, wie sich die des biblischen Schöpfergottes darin zeigte. Nicht Staatsaufgaben waren es, sondern die zu ihrer Erfüllung eingesetzten Mittel354, auf welche sich letztlich alle Staatsrechtfertigung stets zurückführen ließ. Dieses Denken lag letztlich bereits der theokratischen „Staatsrechtfertigung durch Allmacht“ zugrunde, setzte sich fort in deren Säkularisierung im Absolutismus und es erhielt sich in der „unwiderstehlichen Gewalt“, die später ihrem Erben, dem Volkssouveränität zugeschrieben wurde, in welcher nun alle regieren sollten, in einer modernen demokratischen Omnipräsenz als Omnipotenz. Kompetenzordnung und Mitteleinsatz in ihr bildeten und bilden letztlich noch immer eine Einheit im dogmatischen Begriff des Verfahrens. Typisches Staatsverfahren ist es denn auch, auf dem das öffentliche Recht mit der durch Einsatz ihrer Mittel legitimierten Staatsgewalt beruht. Nicht allzu weit führt es aber, allein auf Kompetenzen zu sehen, auf Machtzuordnungen, etwa zu einem „Volk“355, zu einer „Bürgerschaft“ oder gar zu einzelnen Gliedern derselben. Staatsrechtfertigung allein aus Machtträgerschaft kann nicht genügen – auf die Ziele der auszuübenden Staatsmacht, dementsprechend dann ihre Formen kommt es an. Dies aber lenkt den Blick zwar auf staatliche Marktordnungsbemühungen, vor allem aber auch auf die Förderstaatlichkeit als immer wichtigere, bald entscheidende Grundlage einer Staatslegitimation. b) Um eine Banalität zu wiederholen: Entscheidend ist für die Demokratie nicht nur, dass all ihre Macht vom Volk ausgeht (Art. 20 Abs. 3 GG)356, sondern dass und wie sie beim Volk, bei den Bürgern, wieder ankommt; dieses „Ankommen“ stellt aber, im wahren Sinne, letztlich das Förderungsproblem der Marktwirtschaft, in der sich die Bürger in Freiheit bewegen. Es „legitimiert“ daher die Demokratie, zugleich in einem traditionellen und einem höchst aktuell-gegenwärtigen Sinn, dass nach dem praktischen Nutzen gefragt wird, der aber vor allem über den Förderstaat und die Märkte den Bürger erreicht. Diese erweiterte Nützlichkeit legitimiert dann nicht nur Staatsaktionismus irgendwelcher Art, damit bereits im herkömmlichen Sinn den „nicht unnützen Staat“; es zeigt ihn als deutlichen Nutzenbringer. Dass dessen Auswirkungen durch ein Marktgeschehen mediatisiert sind, ändert nichts an dieser unmittelbaren Nützlichkeit und damit Legi354 Zippelius (FN 350). Der Staat als Schutz- und Friedensordnung (§ 17, II.) stellt dabei keine Ausnahme dar, denn auch hier kommt es gerade auf den Einsatz bestimmter Instrumente an. 355 Wie dies der Entwicklung der demokratischen Staatsrechtfertigung entspricht, vgl. Zippelius (FN 350) § 17, III. 356 Zur Willensbildung dieses Volkssouveräns, in der sich dieses „ausgehen“ vollziehen soll, vgl. Leisner, W., Das Volk. Realer oder fiktiver Souverän, 2005, insb. S. 106 ff.
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timationswirkung. Jedenfalls „bringt dies dem Bürger mehr“ – und er sieht dies auch bereits „kommen“ – als wenn nur eine Ordnungsschaffung erfolgt, deren Nutzen er meist als solchen, konkret für seinen kleinen Fall, weder sehen, noch einsehen und absehen kann. Fördernde Hilfe hat eben weit mehr Legitimationskraft für die Staatlichkeit als reine inhaltsneutral-konservierende Ordnungsmacht.
3. Marktwirtschaftliche Förderstaatlichkeit: Legitimierender Staats-Nutzen für alle Bürger a) Der Förderstaat zeigt sich über die Märkte in seiner Wirkkraft. Mit ihr erreicht er die Bürger in ihrer Gesamtheit als solcher, in ihren vielen marktkonstituierenden Gemeinschaften. Längst ist erkannt, dass die Märkte das kleine und große tägliche Plebiszit in der Demokratie darstellen.357 Sie sind jener Mechanismus des Bürgerwillens, auf dem allein real dieser in Erscheinung tritt, in vielfacher Brechung, stets aber zurückführbar auf ein bestimmtes Marktgeschehen – und zugleich über dieses dann wirksam. Dies allein ist nicht nur wirksame, sondern wirkliche Demokratie, die Ordnung des Lebens aller Bürger durch alle. Nicht durch Entscheidungen externer Gewalt wird hier Ordnung von außen an die Bürgergemeinschaft herangetragen, der Markt ist ihre Selbstordnung. Darin zeigt sich nun aber auch Staatlichkeit, vor allem und letztlich vielleicht gar allein in einem nur Mit-Wirken: in Förderstaatlichkeit. In dem viel gebrauchten Werbewort für die Polizei – „Dein Freund und Helfer“ – liegt seit langem eine tiefe Staats-Weisheit, Staatslegitimation durch Förderstaatlichkeit. Hier wurde gerade jene Tätigkeit, welche traditionell als Aktion einer meist doch bürgerfernen, ja nur zu oft bürgerfeindlichen Staatgewalt in Erscheinung trat, präsentiert in ihrer unterstützenden Hilfsfunktion. Die Bürgerschaft und jeder einzelne in ihr sind gewiss nach wie vor zahllosen faktischen und auch notwendigen rechtlich ordnenden Zwängen unterworfen. Dass dies aber erleichtert werde in einem „Zwangsabbau durch den Staat selbst“, in seinen marktfördernden Veranstaltungen, – dies ist doch eine neue und immer stärker bewusste Wendung aller Staatslegitimation. Und hier kann die wenig geliebte, weil eben vor allem darin so oft verkannte Demokratie ihrerseits zur Freundin und Helferin des Bürgers werden. Diese Staatslegitimation, wie sie hier bereits an rechtlichen Horizonten sich zeigt, bedeutet dann aber auch wirklich etwas wie einen „anderen Staat“; man wird ihm wohl noch weitere, vielleicht treffendere Namen geben.
357 Grdl. dafür sind vor allem die Erkenntnisse v. Hayek, F.-A., etwa in Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, dt. 1952.
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F. Förderstaatlichkeit: Grundlinien einer Staatslegitimation
III. Marktförderung und demokratische Mehrheitsherrschaft 1. Märkte als „Mehrheits-Räume“ a) Dass sich auf Märkten demokratische Prozesse in einem weiteren Sinne abspielen, ist seit langem erkannt und grundsätzlich unbestritten. Hier ist der Kunde nicht König, sondern konsumierender Volkssouverän. Dennoch sind aus dieser Erkenntnis bisher nur sehr zögerlich staatsgrundsätzliche Konsequenzen gezogen worden: Im Wesentlichen bleibt demokratisch begründete Staatsgewalt gewissermaßen neben den Märkten stehen, tritt ihnen geradezu gegenüber, wird vor allem in ihren Eingriffswirkungen in diese betrachtet. Hier verspricht eine Erfassung der Förderstaatlichkeit eine prinzipielle Wendung im Verständnis der Demokratie: Diese wird ja als Herrschaft der Mehrheit definiert358, also in pro-Kopf-Quantitäten. Auf Märkten wird ebenfalls durch „große Zahlen“ Beherrschung erreicht und ausgeübt; doch hier geht es um deren „marktbeherrschende Qualität“, die sich nicht vollständig in Zahlen der wirkenden Akteure ausdrücken lässt. Hier wie dort sind es aber doch Mehrheitsvorstellungen, in denen entscheidende Wirkungen erfasst werden sollen. Diese Majoritäten sind es auch, von denen jeweils jene Gewalt oder Macht ausgeht – wie immer man dies nennen mag –, in deren Kategorien spätestens seit dem Absolutismus im Staatsrecht gedacht wird. Und doch trägt den marktorientierten Förderstaat eine andere Gewalt-Konzeption als die einer Machtstaatlichkeit, die sich auch noch in der demokratischen „Herrschaft der Mehrheit“ politisch bis heute fortsetzt: b) Zwei Unterschiede vor allem zeigen sich zwischen den Märkten, dem Einflussgegenstand des Förderstaates, und dem herkömmlichen, demokratischen MehrheitsMinderheits-System – doch sie sprechen eher für eine Konvergenz: – Eine feste Herrschaft auf festbestimmte Zeit wird auf Märkten nie errichtet, sie sind „zeitoffen“ im vollen Sinne des Wortes. Die Zeit und ihre Abläufe spielen hier nicht die im Recht allgemein359, insbesondere im öffentlichen Recht bisher erkannte und untersuchte Rolle von Einschnitten, die mit mehr oder weniger ausgeprägtem Zufallscharakter kalendermäßig Machtstrukturen definieren und vor allem begrenzen sollen. Der Markt ist ein Continuum, seine fortlaufende Verflochtenheit kann auch ein noch so stark entwickeltes staatsrechtliches Kontinuitätsstreben nie erreichen. Hier findet eben jenes tägliche Plebiszit statt, das zu Renans Zeiten des politischen Liberalismus im 19. Jahrhundert durchaus noch als ein Wesenselement, ja als ein Ideal auch der politischen Demokratie verstanden wurde. Und wenn sie nun schon als ein demokratisches Ideal begriffen wird, diese floatende Herrschaft, für eine Demokratie, die mit der Verfassungsgerichtbarkeit als eine Staatsform in „unruhiger Be358
Geradezu als „änderungsfester Kernbestand des Demokratieprinzips“, s. Nachw. bei Sommermann, FN 20, Rn. 86. 359 Grds. Winkler, G., Die Zeit im Recht, 1994.
III. Marktförderung und demokratische Mehrheitsherrschaft
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wegung“ zu verstehen ist, so könnte es doch eigentlich nur eine Folgerung geben: Alle Anstrengungen, im rechtlichen Sinn einer Optimierung der Volksherrschaft, müssen sich darauf richten, diesem Dauer-Zustand einer Entwicklung möglichst nahe zu kommen. Wie aber könnte dies überzeugender gelingen als in einer Förderstaatlichkeit, welche sich von Märkten nicht in der Sorge vor Eingriffsgefahren fernhalten muss, sondern diese mit ebenso kontinuierlichen Staatsaktionen zu durchdringen sucht? So wirkt dann die Demokratie im Sinne einer Herstellung von etwas, was man zeitlich offene, bewegliche Mehrheitszustände und -herrschaft nennen könnte. – Ein Weiteres unterscheidet wesentlich Markt- und politische Demokratie, zeigt allerdings deutlich die Vorteile der Marktdemokratie: die Teilnahmeformen der jeweiligen „Aktivbürger“. Auf Märkten sind dies potenziell alle, denen irgendein Zugang dorthin offen steht, in einer liberalen Ordnung virtuell alle, auf dies letztere muss ein solches System gerichtet sein. Damit wirkt also Mehrheit auf Märkten gewissermaßen in einem doppelten Sinn, legt man Denkkategorien der Scholastik zu Grunde: In potentia sind alle Rechtssubjekte aufgerufen, in actu jedoch wirken jene Träger des Marktgeschehens, welche hier wirklich eine Aktivbürgerschaft darstellen, ein Begriff, den die politische Demokratie sich wünschen mag, stets anstreben wird, wobei sie aber über allzu oft verhallende Appelle nicht hinauswirken kann. Indem der Förderstaat über diesen Marktmechanismus wirkt, verwirklicht er damit nicht nur das Ideal der jederzeitigen realen Herrschaft einer Mehrheit, sondern vor allem löst er das Problem einer aktivbürgerlichen Teilhabe an ihr, welche dem Marktverhalten jedes Bürgers grundsätzlich überlassen ist. Die ständigen und nur all zu oft gequälten Versuche einer Verstärkung, ja Forcierung der Teilnahme aller Bürger in basisdemokratischen Anstrengungen kann auf Märkten durchgreifende Erfolge aufweisen – ganz natürlich. Dies alles nun zusammen gesehen: Wäre darin nicht der Förderstaat der Märkte eine wahrhaft genuine Förderung von Demokratie, in all ihren ständig unternommenen, aber immer wieder auch gescheiterten Versuchen? Ist es nicht gerade ein so verstandener Markt-Mehrheitsbegriff, in dem die oft kritisierte Herrschaft, ja Tyrannei der politischen Mehrheit ihre Auflösung finden könnte? Der Förderstaat als Neuauflage demokratischer Mehrheitsstaatlichkeit – wäre dies nicht nachdenkenswert im Sinne einer erneuerten Grundkonzeption einer bürgernäheren Herrschaft? c) Seit langem schon ist immer wieder die Rede von einer „demokratischen Krankheit“: der Müdigkeit der interesselosen Bürger. Kaum hatte sich politisch die Volksherrschaft durchzusetzen begonnen, so konnte ihr Friedrich Nietzsche bereits ihr grundsätzliches, ja ihr rechtliches Ende voraussagen, aus ihrer eigenen Selbstgesetzlichkeit heraus: Wenn ihre Bürger sich in Wahlenthaltung üben, schafft ihre Mehrheit die Staatsform ab, sie entlegitimiert, ja entlegalisiert sie durch negative Mehrheitsentscheidungen. Eben dies ist in vollem Lauf. Nach 1945 war vor allem in Deutschland gehofft und versucht worden, Demokratie aufzubauen „von unten nach oben“. Mag dies gelungen sein, so dreht sich heute die Entwicklung: Demokratieinteresse nimmt hier, umgekehrt, ab.
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Gerade dies aber lässt nun der Markt nicht zu. Hier gibt es zwar ebenfalls auch Enthaltungen und auch sie erwachsen aus der staatstragenden Freiheit der Bürger. Doch so voll und absolut wie die Wahlenthaltung kann das nicht wirken; allenfalls orientiert es den Entscheidungsfluss um, etwa von Luxusgütern zu Waren eines elementaren Massenverbrauchs; auch das ist dann eben eine „entaristokratisierende“, jedenfalls „entoligarchisierende“ Grundentscheidung. Auf Märken unterliegen aber alle Bürger einem unausweichlichen tatsächlichen Teilnahmezwang an der Herstellung von marktkonformen Mehrheiten. Wenn der Förderstaat diesem Mechanismus unterstützend folgt, so zwingt er seine Bürger zwar nicht an Urnen, wohl aber an Kassen. Warum sollte dies keine Demokratie sein, eine solche von „neuen Mehrheiten“?“ Wird die Volksherrschaft darin nicht, ganz selbstverständlich, weil selbsttätig, zu einer „notwendigen Staatsform“, als welche sie ihre Theorie ständig, wenn auch nicht immer überzeugend erweisen will? Sollte sie dann nicht geradezu, über Förderstaatlichkeit, „lebensnotwendig“ werden, im realen wie im rechtlichen Sinn? d) In dieser Förderstaatlichkeit rückt doch ein altes demokratisches Ideal näher: Minderheit kann jederzeit zur Mehrheit werden, ohne dass dies aber einem Zwang entsprechen müsste, in der viel berufenen Innovationskraft der Märkte. Demokratisches Staatsrecht versucht mit großem theoretischem und politologischem Aufwand den Machtwechsel zu rechtfertigen und dann zu institutionalisieren.360 Dabei kommt es zu politischen Zufallslösungen, wenn nicht zum organisierten staatlichen Lotteriespiel der Macht um Macht. Machtkämpfe werden erzwungen, organisiert, auch zu Zeiten und in Formen, die kein Bürger ernstlich wünscht, etwa in existenzbedrohenden Krisen. Sollte hier nicht auf die Markt-Mehrheiten gesetzt, ihr Mechanismus staatlich gefördert werden, damit jene Demokratie, die gerade im jeweiligen Augenblick gebraucht wird? In den Machtwechseln auf Märkten, ja in Formen echter Marktwechsel, kommt es zu jenem Machtwechsel, den die Demokratie sucht. Sie mag dies dann durchaus in ihren traditionellen politischen Formen fortsetzen. Sollte, muss sie es aber nicht unterbauen, in der Schaffung einer kontinuierlich wirkenden Basis, in der Förderstaatlichkeit für Märkte? Nachgedacht werden könnte dann sogar über eine „duale Demokratie“, in der sich Förderung mit den Zäsurwirkungen politischer Wahlentscheidungen, etwa zur Marktordnung verbindet; denn die eine ohne die andere staatliche Handlungsform könnte sich selbst zur Unwirksamkeit verdammen. In einem Zusammenspiel institutioneller Entscheidungen und deren fördernder Wirkung auf Märkte würde so das Ideal eines „Machtwechsels zwischen festen Mehrheiten“ flexibilisierend überhöht. e) Noch einem weiteren Ideal Rousseauscher Demokratietheorie nähert sich der Förderstaat: Mehrheitswille soll dort ja (irgendwie) als Volont gnrale auch den 360 Insb. in den festen Wahlperioden. Die vorzeitigen Parlamentsauflösungen werden unter diesem Gesichtspunkt kritisch gesehen und sollen in engen Grenzen gehalten werden (vgl. BVerfG E 62, 1; 114, 121). Ob dies auf Dauer gelingen kann, wird problematisch bleiben. Immerhin bricht damit bereits der „politische Markt“ ein in die Machtwechsel-Dogmatik. Dies mag für eine stärkere Bewusstwerdung der Machtwechsel vorbereitenden Wirkungen der Märkte sprechen.
III. Marktförderung und demokratische Mehrheitsherrschaft
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Minderheitswillen zum Ausdruck bringen. Über staatlich geförderte Märkte erfolgt dies in demokratischer Weise: Die meist knappe politische Mehrheit wandelt sich auf den Märkten in deren herrschende, strömungsgewaltige Mehrheit der Marktteilnehmer und der daran Interessierten, das heißt der Quasi-Totalität der Bürgerschaft. Eine geheimnisvolle Erweiterung des Mehrheitswillens auch auf den der opponierenden Minderheit wird vermieden, denn auf Märkten wird nicht in diesem politischen Sinn Opposition betrieben; und soweit sie sich in „anderer Orientierung“ zeigt, verändert sie darin bereits den „allgemeinen Willen“, den des Marktes selbst. Sie unterwirft sich ihm nicht, sie gestaltet ihn mitwirkend. Nach außen tritt dieser allgemeine Wille auch ständig hervor in jenem Streben nach Marktnutzen, der ja allen wenn nicht zusteht, so doch sich von ihnen erwarten lässt. Der Förderstaat ist dann sogar Ausdruck einer Demokratie, die solchen generellen Nutzen, als Gegenstand des allgemeinen Willens, nun wirklich allen zu bieten bestrebt ist. So gelingt die Verwandlung der demokratischen Mehrheit in die ganz große Majorität der Bürgergesamtheit, also eine solche von Aktivbürgern.361 Wieder nähert sich der Förderstaat damit einem uralten Ideal der Volksherrschaft: Marktförderung ist darin eine Tat für den nun wirklich Ewigen Frieden, der das institutionelle Kriegsspiel der Siege und Niederlagen im Kampf um die Macht in Befriedung zu überhöhen vermag.
2. Förderstaat auf Märkten: Die entideologisierte politische Gemeinschaft Ideologie ist eine dauernde Versuchung der Volksherrschaft, aber eine schicksalhafte Gefahr für sie: Wie immer Ideologie definiert werden mag – schon in dieser Unbestimmbarkeit ist der Begriff fatal – er bezeichnet eine grundsätzliche Anti-These zur regime-tragenden, vielfaltsichernden Freiheit dieser Staatsform. Ideologie ist ein harter Macht-, ein wahrer Gewaltbegriff; hier schlägt brutale physische Kraft um in (vermeintliche) geistige Stärke, wenn nicht letzte Unbezwinglichkeit. Die Demokratie steht in der Gefahr, dass sie diesen geistigen Wirkungen gerade in ihrem flutenden Vielfältigkeitsstreben die Tore öffnet, welches ihre entscheidende Kraft darstellt. Sie muss es hinnehmen, dass sich diese geistigen Kräfte zusammenballen, immer tiefere Wurzeln suchen, gerade daraus eben ihre Wirkungen einer Beherrschung zu ziehen suchen, auf welche sie angelegt sind. Im Letzten muss also diese Ideologie unflexibel sein, bis hin zu einer Ewigkeitsorientierung im politischen Diesseits; gerade darin ist sie als solche völlig und unheilbar undemokratisch. b) Dem stehen, in unüberbrückbarer Gegensätzlichkeit, die Märkte gegenüber. Bereits als Räume lassen sie jede teleologische Festigkeit vermissen. Ebenso wenig be361
Nunmehr im doppelten Sinn: Wahl- und Marktteilnahme. Damit wird die Problematik der Staatsformgefährdung durch Wahlmüdigkeit entschärft: Auf Märkten bedarf es keiner Wahlpflicht (zum Meinungsstand zu deren Zulässigkeit, Magiera, S., in: Sachs, M., GG 4. A. 2009, Art. 38 Rn. 85).
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F. Förderstaatlichkeit: Grundlinien einer Staatslegitimation
stimmbar sind die entscheidenden Kräfte, die jeweils in ihnen wirken. Hier ist nichts „fundamentalistisch“, fest in eine unabänderliche Grundlage eingelassen. Doktrinäres wird allenfalls zu Konsequenzdenken flexibilisiert; diesem Markt-Schicksal hat sich auch neo-liberale Wirtschaftstheorie beugen müssen – und darin nicht wenig an Durchschlagskraft verloren. Auf Märkten mögen sich Wertvorstellungen herausbilden, an denen sich dann ihre Entwicklung wiederum orientiert; sie bleiben aber Marktkräfte, wie so viele andere auch, sie erreichen keine Absolutheit und gerade darin sind und bleiben sie stets – förderungsfähig. Gewiss mag man diese Förderung nun ihrerseits geradezu als eine Ideologie ansehen und sie dem Liberalismus zuordnen; dies wurde auch am Eingang dieser Betrachtungen dargestellt.362 Jedem überzeugt praktizierten Verhalten lässt sich also auch in der Förderstaatlichkeit eine gewisse letzte Ideologieneigung nicht absprechen, sie mag sogar zu ihrer Gefahr werden. Doch von einer Staats-Ideologisierung ist dies weit entfernt. Der Zusammenbruch der ideologiegetragenen Staatswirtschaft des marxistischen Kommunismus, seine Überleitung vom Befehl in Förderstaatlichkeit, wie sie etwa in China in größtem Stile zu beobachten ist, all dies zeigt doch eine weitere Stärke der Förderstaatlichkeit: Sie ist eben zugleich die einzige Alternative und zugleich Überleitungsform gegenüber staatswirtschaftlichen, im Letzten doch auch stets politischen Ideologismen; damit wird sie zu einer unausweichlichen Alternative gegenüber ständigen Machtversuchungen gewaltsamen Ordnens. c) Eine Entideologisierung der Staatlichkeit vollzieht sich in deren Förderungstätigkeit schon darin, dass durch deren Marktstützung gewissermaßen ein floatender Machtwechsel von Mehrheit zu Minderheit stattfindet, wie bereits dargelegt.363 Versuchung und Gefahr der Ideologie liegt ja nicht zuletzt darin, dass sie versucht ist, in ihren grundsätzlichen Verfestigungen Mehrheits- und Minderheitspositionen derart zu betonieren, dass diese dadurch gerade im ständigen Kampf um die Macht höhere Gewinnchancen erreichen. Diese Verfestigungen führen dann auch notwendig zu Systematisierungen, in denen sich am Ende zwei oder mehrere Blöcke schwer versöhnlich gegenüber stehen. In all dem werden an sich „ideologiefreie Realitäten“ in systematische Zwangsjacken gepresst. Förderstaatlichkeit bewirkt also ihre Entideologisierung zugleich in einer gewissen Entsystematisierung der Staatlichkeit, was bereits in ihrer Zurückhaltung gegenüber allzu weit zusammenfassenden Generallinien364 deutlich wurde. Märkte stellen in aller Regel nicht einen einheitlichen Förderungsgegenstand dar, Vielfalt herrscht zwischen ihnen und innerhalb von ihnen, dem muss differenzierendes Staatshandeln Rechnung tragen. Einer Ideologie im Staat ist es jedoch eigen, dass sie möglichst wenig differenzieren will, wenn sie nicht geradezu in ihrem Wesen differenzierungsunfähig ist. d) Anstatt Machtideologie will Förderstaatlichkeit Marktnutzen bringen, verbreiten, über alle Interessenlagen sämtlicher Bürger. Dies mag sich dann zu einem „ge362 363 364
s. oben A. I. Vgl. oben 1. d). s. oben F. I. 3.
III. Marktförderung und demokratische Mehrheitsherrschaft
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meinen Nutzen“ zusammen sehen lassen, der sich wiederum auf eine damit zum Volk zusammengefasste Mehrheit von Bürgern verbreitert. Darin liegt aber nicht etwa ein ideologischer Sündenfall in einen platten Utilitarismus, denn dieser Nützlichkeit ist Differenziertheit vielfältiger Marktwirkungen eigen. Es gibt ja auch Märkte der „Entfaltung eines geistigen Eigentums“, wie sich bereits eindrucksvoll gezeigt hat. Gerade über dieses aber muss keineswegs, darf vielleicht gar nicht ein Weg führen in ideologisches Herrschen. Hier ist alles Schaffen und Geschaffenes Fördern.
3. Bedeutung der politischen Mehrheit im Förderstaat Wenn365 von einer „dualen Demokratie“ die Rede war, welche in Mehrheitsherrschaft einerseits ihre Majorität(en) zu staatsordnenden politischen Entscheidungen einsetzt, daneben aber laufende Förderstaatlichkeit betreibt, so sollte darin auch die Erkenntnis liegen, dass das politische System der demokratischen Mehrheitsentscheidungen keineswegs durch Förderstaatlichkeit einfach überholt oder gar ersetzt werden kann. a) Ein reiner Marktstaat ohne politischen Machtwillen ist, nach allen historischen Erfahrungen, nicht vorstellbar. Mag früherem wahlorientiertem Machtdenken noch so viel an Kraft verloren gehen, in etwas wie einer „Säkularisierung der Märkte“ – es wirkt weiter, auf die Märkte, aber auch und zugleich aus ihnen heraus. In ihm werden sie gewissermaßen fortgedacht in politischen Wünschbarkeiten, welche sich dann in Staatsorganisation und entsprechenden Wahlen niederschlagen. Dass damit, in zeitlichen Zäsuren, Aufstauungen von Einflussnahmen und deren politische Wieder-Entspannungen auf die Märkte wirken, ist ein Mechanismus der Wirtschaftspolitik, der auch den modernen Staat der Demokratie trägt und legitimiert. Hier zeigt sich dann allerdings eine immer stärkere Überwirkung des allgemeinen Denkens in Marktkategorien in die politische Demokratie hinein: gewählt wird eben immer weniger nach ideologienaher Programmatik oder Hoffnung auf ideologieträchtige Persönlichkeiten – Interessen stehen im Vordergrund366, sie definieren sich aber auf Märkten, konvergieren sodann in Wahlentscheidungen der Marktbürger, der Souveräne der Volksherrschaft. Diese Wandlung des Wesens demokratischer Wahlen, von „Grundsatzentscheidungen“ zu „Interessenoptionen“, mag man bedauern, in ihnen aber entfernt sich die Demokratie, letztlich wohl doch zu ihrem Besten, von früherer Ideologieneigung. b) Dies muss sich auf die Organisation der Wahlentscheidungen auswirken wie auf die Staatstätigkeit zwischen diesen. Gewinnen lassen sich politische Wahlen heute vor allem durch wenn nicht erfolgreiche, so doch geschickt vermittelte Förderungs365
Oben 1. d). Dazu Leisner, W., 2009: Wählen nach „Interessen“, nicht nach Parteien. Demokratie nach realem Bürgerbedürfnis, NJW 2009, 1464. 366
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F. Förderstaatlichkeit: Grundlinien einer Staatslegitimation
tätigkeit. Diese stärkt nicht nur deren Mehrheits-Akteure, sie unterstützt auch eine politische Minderheit, welche versprechen darf, solche Möglichkeiten noch weit besser zu nutzen. Dennoch ist dem Bürger bei diesen Entscheidungen durchaus bewusst, was und wie weit solche Staatstätigkeit, bis hin zu fördernden Staatsgeschenken, von den Märkten und ihrer Entwicklung abhängig ist, ihnen doch stets folgen muss. Bewusst ist auch, dass in diesen Konstellationen politische Entscheidungen nicht über das Marktgeschehen hinweg gehen oder gar an diesem vorbeilaufen dürfen.367 Gerade um seinen flutenden Bewegungen wenn nicht zu folgen, so doch stets Rechnung zu tragen, ist ja auch das freie Mandat der Abgeordneten (Art. 38 GG) nicht etwa eine absolutistische Reminiszenz von Aristokratisierungen, aus denen es einst in England entstanden sein mag; heute bedeutet dies eine grundsätzliche Notwendigkeit, gerade mit Blick auf die Förderstaatlichkeit: Diese Volksvertreter müssen eben laufend den Entwicklungen der von ihnen zu stützenden Märkte folgen können, in einer Freiheit, welche die zeitlichen Zäsuren der Wahlentscheidungen nicht etwa in imperativen Mandaten368 fortsetzt. Je mehr Förderstaatlichkeit bewusst wird, desto freier muss das Mandat derjenigen sein, die hier auf Märkte zu blicken haben, nicht auf ihre Wähler. c) Dieser Mechanismus der Förderstaatlichkeit muss sich denn auch innerhalb der Wahlperioden bewähren. Am größten ist die Förderungsfähigkeit der demokratischen Staatsinstanzen, und geradezu optimal marktkonform, sogleich nach der Wahlentscheidung. Gerade weil dann Markthilfen nicht mehr als Wahlgeschenke verstanden werden (müssen), ist nicht nur die Chance einer sachlichen, sondern vor allem eben einer marktkonformen Politik am größten. Mit zunehmender Wahlnähe oder gar im Wahlkampf gewinnt nicht beobachtungsgestützte Marktförderung, sondern politische Marktinterpretation das Übergewicht: Die Märkte und ihre (gewünschten) Entwicklungen werden geradezu fingiert, Förderstaatlichkeit degeneriert in unhaltbare Versprechungen. Dieses Auf und Ab der Markteinflüsse auf die Politik muss als solches hingenommen werden; es bleibt nur die Hoffnung, dass es sich, in immer weiter verstärktem politischem Marktbewusstsein abschwächt. d) Ob und wie weit immer Staatsförderung die Märkte sachgerecht begleitet – jedenfalls werden auch ihre Entscheidungen von politischen, demokratisch legitimierten Instanzen getroffen und sie stellen als solche ihrerseits wichtige, oft entscheidende Orientierungen für Marktentwicklungen dar. Förderstaatlichkeit sollte, wie hier immer wieder betont, durchaus marktbegleitend erfolgen – selbst wenn dies aber in optimaler Zurückhaltung erfolgt, so werden auch darin ständig Orientierungen ge367 Einen Beweis dafür liefert gerade die „Schuldenbremse“ in der Neufassung der Art. 109 und 115 GG: Hier wird geradezu die (jeweilige) Marktsituation „in die Verfassung hineingenommen“, über „konjunkturkorrigierte“ Finanzpolitik, vgl. dazu Tappe, H., DÖV 2009, 881. 368 Vor allem die für sachgerechte Förderung unabdingbare Rücksichtnahme auf das (jeweilige) Marktgeschehen schließt ein imperatives Mandat aus, und dies sollte bei der Diskussion um dasselbe (vgl. Achterberg, N./Schulte, M., in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG 5. A. 2005, Art. 38 Rn. 33, m. Nachw.) stärker beachtet werden.
III. Marktförderung und demokratische Mehrheitsherrschaft
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setzt für eben ihren Gegenstand; von Hoffnungen auf Förderung über deren Vorfeldwirkungen bis in die Einzelheiten ihrer Abwicklung hinein blickt der Markt auf die politische Entscheidung, welche ihn in einer gewissen Weise zu sehen wähnt und ihn dementsprechend tatsächlich wesentlich beeinflusst. Auch diese Orientierungswirkungen politischer Mehrheitsentscheidungen auf die Förderstaatlichkeit, welche mit dem Marktgeschehen in Wechselbezug stehen, werden notwendig wachsen und sich abschwächen im Laufe von Legislaturperioden – eben mit der Entfernung von der das Mandat legitimierenden Wahlentscheidung; auch hier wirkt also „Marktlegitimation“ in dieselbe Richtung wie die der politischen Wahlentscheidung. Je deutlicher Staatshandeln in Förderungsformen hervortritt, desto höher ist die Chance, dass die politischen Gewalten „in konzertierter Aktion mit den Märkten“ ihre Wirksamkeit entfalten können. e) Die Frage, ob politische Mehrheiten „gegen Märkte regieren können“, ist in zahllosen Erfahrungen bereits beantwortet: Entscheidend ist dafür einerseits die Größe der Märkte und die Geschlossenheit dort wirkender Kräfte, zum anderen die der politischen Potenzen, die sich ihnen entgegenstemmen wollten. Klar abnehmend ist die Wahrscheinlichkeit insgesamt, dass derartiger „Staatswiderstand gegen Märkte“ in größeren Zusammenhängen noch möglich ist. Darin liegt gewiss eine Relativierung der Bedeutung aller politischen Mehrheitsentscheidungen der Demokratie, angesichts einer international verflochtenen Wirtschaft. Von einem Letzten Wort, einer wie immer gearteten Souveränität kann nicht nur deshalb längst nicht mehr die Rede sein, weil andere, gleich starke politische Kräfte sich aufbauen, in Völkergemeinschaften zusammenschließen; die entsprechenden Parallelbewegungen grenzüberschreitend vernetzter Märkte verhindern Derartiges noch weit wirksamer. Dies aber ist nicht eine Demokratiegefährdung im Sinne der Relativierung ihrer politischen Durchschlagskraft; hier findet eine Demokratie-Mutation statt. Der Demokratie bleibt letztlich nur eine Wahl: Entweder sie begleitet diese Marktkräfte in ihrer Förderstaatlichkeit, lässt diese in derselben Intensität wachsen wie die Einflussgewalt der Märkte auf das gesellschaftliche Gesamtgeschehen – oder sie stemmt sich gegen eine solche Entwicklung in festungsartigen Marktordnungsformen des internen oder eines Staatengruppen-Rechts; dann wird sie auf einem musealen Gleis der Verfassungsgeschichte zum Stillstand kommen. Die Demokratie muss lernen: Ihr großes Mehrheitspathos, ja -ethos ist in Förderstaatlichkeit nicht verloren, es ergänzt sich in politischer Orientierung der Förderstaatlichkeit.
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IV. Förderung: Legitimation des starken Finanzstaates 1. Der Steuerstaat als Förderstaat a) Förderstaatlichkeit verlangt ein dauernd und reichlich fließendes Steueraufkommen. Mittelhingabe ist nicht nur eine klassische, bewährte Form der Staatshilfe, in der hier gebotenen Sicht der Förderstaatlichkeit hebt sich mit ihr sogleich das Handeln öffentlicher Träger deutlich ab von ordnender, insbesondere hoheitlicher Tätigkeit; man mag darin kritisch das Zuckerbrot sehen, das die herrscherliche Peitsche ersetzen soll. Doch gerade hier zeigt sich auch eine notwendige Verbindung von Ordnungsmacht und helfenden Aktivitäten: Nur in zwangsweiser Beitreibung von Abgaben beim Bürger kann sich der Steuerstaat als ein nicht-herrscherlicher Bürgerstaat legitimieren. Über Mittelherkunft im Einzelnen und die Modalitäten ihrer Erhebung sagt die Förderstaatlichkeit wenig aus. Allgemein aber fordert sie: Versucht sollte werden, Abgabengestaltung so eng wie möglich mit Förderung zu verbinden, vielleicht gar sie als eine Form derselben einzusetzen. Diesem, wohl nie voll zu erreichenden, Ziel kann sich der Steuerstaat in vielen Schritten nähern, vor allem aber in drei Gestaltungsformen: - in deutlicher und, wenn möglich, nicht nur haushaltsrechtlicher Zweckbindung weiter Teile des Steueraufkommens,369 - in Steuerverschonungen, welche zugleich primär marktfördernden Charakter aufweisen, schließlich - in einem möglichst deutlich auf Marktstützung gerichteten Mitteleinsatz.370 Förderstaatlichkeit entfaltet sich also, ganz selbstverständlich, in einer engen Verbindung von Steuer- und Haushaltsrecht; die herkömmliche Zwischenschaltung der allgemeinen „Haushalte“371, welche als zweckneutrale Sammelstellen eingesetzt werden, sollte, immer mehr, einer Konzeption weichen, in welcher das Förderziel bereits als Steuererhebungsziel in Erscheinung tritt. Nur so kann hoheitlich-herrscherliches Verwendungsbelieben in dieser Phase der Entscheidungen über Mittelverwendung, wenn nicht ausgeschaltet, so doch zurückgedrängt werden. 369 Schon das haushaltsrechtliche Konnexitätsprinzip (Art. 104, Abs. 1, vgl. dazu Hellermann in: von Mangoldt/Klein/Starck GG, 5. A. 2005, Art. 104a Rn. 37 fff) von Aufgabenerfüllung und Aufgabenkosten spricht dafür, auch die Finanzierungswellen der letzteren deutlich(er) der ersteren zuzuordnen, insb. im Ausbau der Gestaltungsform der Zwecksteuer (vgl. dazu Tipke, K./Lang, J., Steuerrecht, 20. A. 2009, § 3, Rn. 16; § 8, Rn. 122; allgemein Waldhoff, Chr., Die Zwecksteuer, StuW 2002, 285 ff.). 370 Das mag dann allerdings auch zu (Steuer-) „Gesetzen mit Verfallsdatum“ und zu „Experimentiergesetzen“ führen, vgl. dazu Leisner, W., Krise des Gesetzes. Die Auflösung des Normenstaates, 2001, S. 143 ff., 148 ff. 371 Zur „Einheit des Haushaltes“ vgl. Heun, W., in: Dreier, H., GG, 2. A. 2008, Art. 110, Rn. 14 ff.; Gröpl, Chr., in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 110, Rn. 102 ff. (Stand 2009).
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Zugleich kann in dieser engeren Verbindung von Einnahmen und Ausgaben, wie sie in einem privaten Unternehmen eine betriebswirtschaftliche Selbstverständlichkeit ist, eine Überwirkung des einen Entscheidungsbereichs in den anderen eingedämmt werden: ein staatliches Einsparungsstreben, welches Steuererleichterungen nur zu dem Zweck beschließt, damit auf der anderen Seite nicht nur Ordnungsanstrengungen des Staates organisatorisch minimiert werden, sondern damit eben auch Förderungstätigkeit eingeschränkt wird, wenn möglich nach „Gießkannensystem“. Eine solche Steuerstaatlichkeit, welche Förderung im Namen von Steuerverschonungen nicht ausgestaltet, sondern beschränkt, könnte im Ergebnis die Steuerstaatlichkeit als solche in ihrer Legitimationswirkung für die Staatlichkeit schwächen, insoweit sie deren marktbezogener Förderungskomponente entgegenwirkt. b) Mit der Förderstaatlichkeit ist der organisierten Gemeinschaft aber eine Schranke gezogen, welche für jede Form liberalen Denkens, in welchen politischen Gruppierungen immer, die entscheidende ist: Staatshilfen richten sich eben primär auf Märkte, nicht auf Bedürfnisse einzelner Schwächerer (Kleingruppen); sie ist kein Instrument der gezielten Umverteilung von Bürger zu Bürger, sondern eine Umleitung: aus den markt-alimentierten Taschen der Steuerpflichtigen in die Märkte – und zurück. Gewiss können solche Kreisläufe auch aus nationalökonomischen Nachfragetheorien heraus angedacht werden, wenn an Schwächere Staatsgeschenke verteilt und daran Konsumhoffnungen geknüpft werden. Dies aber ist gerade nicht das Grundmodell des Förderstaates; er will diesen, in seinen Wirkungsphasen doch stets prekären, Kreislauf-Umweg abkürzen, in direkterer Staatswirksamkeit des Mitteleinsatzes: In Überzeugung durch Angebot will er dem Bürger die Freiheit der Wahl und damit der Ausgestaltung seiner Märkte lassen, er will sie ihm nicht in Nachfrageökonomie vorgeben. Darin liegt Hoffnung auf die Märkte, auf „richtige Freiheitsentscheidung“ ihrer Akteure und der Bürger als Kunden, nicht eine Orientierung an bereits aufgetretenen Bedürfnissen, deren Befriedigung nur prozyklisch verfestigen, nicht aus dem Mangel heraus führen kann. Dieser „kürzere Weg“ der Förderung, vom Staat zu den Märkten und zurück zum Bürger, dem jener seine Mittel entzogen hat, bedeutet letztlich eine Rückgabe von Steuermitteln über die Gesamtbürgerschaft an alle einzelnen Pflichtigen, damit eine „Zwischenschaltung des Volkes“ zwischen Individuum und Staat, in einer eminent demokratischen Weise. Damit wird der Staat auch nicht in seinem, in Herrscherlichkeit kaum zu befriedigenden, Teilhabestreben an privatem Gewinn durch Steuern unterstützt; die leicht zu missdeutende Formulierung des Artikel 14 Abs. 2 Grundgesetz („Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“), wird endlich ernst genommen. Der Allgemeinheit soll diese Förderung dienen, nicht „Anderen“, Bürgern oder Konkurrenten. Steuererhebung bedeutet also nicht die Beschaffung von Mitteln, die der Teilhabe einer als „Herrscherin fremden Macht“ an privaten Erfolgen dient; sie schafft vielmehr echtes, reines Treuhandvermögen für alle, zur Förderung über Märkte. Die Staatstreuhänderschaft des Steuerstaates hat in langen Entwicklungen immer
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F. Förderstaatlichkeit: Grundlinien einer Staatslegitimation
wieder dem herrscherlichen Machtbestreben des Staates weichen müssen; nun muss sie in Förderstaatlichkeit endlich unmittelbarer den Grundrechtsträgern zugutekommen. c) Aufgerufen ist damit vor allem die Verfassungsgerichtsbarkeit zu verstärkter Kontrolle der Steuergewalt, und eine solche ist auch bereits im Lauf: – Die Instanzen der Mittelerhebung, Parlament wie Exekutive, müssen Formen der Steuerlenkung immer mehr, soweit wie möglich rechtsstaatlich, offen legen;372 dazu gehört dann auch eine sachgerechte Abschichtung marktordnenden und marktfördernden Mitteleinsatzes innerhalb der Staatsveranstaltungen. – Ein Fiskalismus, der sich in einem Auffüllungsstreben öffentlicher Haushalte erschöpfte, ist eindeutig verfassungswidrig. Denn in ihm würden Zielsetzungen der Förderstaatlichkeit vollends unfassbar. Sie müssen wenigstens umrisshaft erkennbar bleiben, dies aber lässt sich gerade in einer auf Märkte gezielten Ausrichtung am besten erreichen. – Verfassungsgerichtsbarkeit darf sich nicht in einer Einzelkontrolle über Modalitäten der Mittelerhebung und ihres konkreten Einsatzes erschöpfen. Sie muss fortschreiten zu einer Überwachung der Zielfestsetzungen der Staatlichkeit. Hier kann sie nicht das Ermessen der öffentlichen Träger in jeder Einzelheit überprüfen; wohl aber vermag sie klar zu unterscheiden, ob doch (noch) etwas wie eine Marktorientierung deutlich wird. – Der Förderstaat verlangt, dass Steuern, mehr als bisher, Zweckabgaben sein sollten. Dieser sehr weite Begriff findet über die grundsätzlichen Vorgaben der Förderstaatlichkeit mit ihrer Marktrichtung eine auch konkret fassbare Ausrichtung. d) Steuerstaatlichkeit führt damit zu einer Gestaltung von hoher Aktualität: zu Formen einer Fonds-Staatlichkeit. Steuermittel werden hier gesammelt in großen Haushalts-Reserven, welche unter allgemeineren, aber eben durchaus rechtlich noch fassbaren und kontrollierbaren Zielvorgaben stehen: der Unterstützung von Märkten. Solche Fonds waren, in staatswirtschaftlichen Ordnungen, großflächig wirkende Umverteilungsmechanismen nivellierender Bedürfnisbefriedigung, ohne Marktorientierung. Etwas von dieser autoritären, antiliberalen, marktblinden Zielsetzung mag ihnen auch, im Denken so mancher ihrer Vertreter, bis heute noch anhaften. Dennoch vollzieht sich gerade hier eine Mutation, vorausgesetzt, Förderstaatlichkeit wird in ihrer ganzen, grundsätzlichen Bedeutung erkannt: Mit den über die Steuergewalt entzogenen privaten Mitteln wird geholfen, aber nicht in statischer Umverteilung, von „Reichen zu Bedürftigen“, sondern in der Dynamik einer Förderung, welche Schwächere über die Märkte befriedigt in der Flexibilität jeweiliger Möglichkeiten der Marktteilnahme; diese wird damit nicht betoniert in einer letztlichen Institutionalisierung von Mitnahmeeffekten. In dieser Wandlung einer Fonds-Staatlichkeit, in welcher eben auch zutreffende Erkenntnisse der Förderstaatlichkeit liegen, findet 372 Wie es denn auch das BVerfG gerade neuerdings im „Pendlerurteil“, NJW 2008, 48 nachdrücklich fordert: Offenlegung des Lenkungszweckes.
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diese letztere ihren systematischen Anschluss an verbreitete Bestrebungen einer Staatspraxis.373 e) Mit der Förderstaatlichkeit findet schließlich der Steuerstaat sogar zu einer Stärkung seiner herkömmlichen Grund-Legitimation: einer Steuergleichheit, welche aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip heraus konkretisiert werden soll und in ihrer Legitimationswirkung selbst Steuerprogression noch trägt. Dieser ganze Mechanismus wird hier nun über Märkte geleitet, findet dadurch von einer rein quantitativen Pro-Kopf-Legitimation zu einer qualitativ orientierten Marktwirksamkeit. Auf diesen Märkten entfaltet sich, nach einer letztlich unwiderlegbaren marxistischen Erkenntnis, ein ökonomischer Mehrwert des jeweiligen Besitzes, hier wird ein beati possidentes gespielt. Wenn es nun aber marktkonform und damit staatsrechtlich legitim ist, nach Marktgesetzen aus höheren Einsätzen noch höhere Gewinne zu erzielen, so mag es auch als ebenso gerechtfertigt erscheinen, einem staatlichen Steuermittel-Einsatz, der gerade dies auf Märkten begünstigt, etwas wie eine progressive Abschöpfung der Gewinne entsprechen zu lassen. Daraus kann sich, was hier nur anzudeuten ist, geradezu eine Rechtfertigung der Steuerprogression ergeben. Diese blickt dann nicht mehr, mit rechtlich schwer definierbarem Bedauern, auf die Lage „Ärmerer“, sie nimmt Markt-Profiteuren nur jenen Mehrwert wieder ab, den ihnen eine Staatsförderung mit-verschafft hat. Dass dies eine sehr allgemeine Rechtfertigung sein mag, lässt sich nicht leugnen; und doch kann sie dann durchaus auch, wenn nur wiederum märkte-konform, bis in einzelne Progressionsformen hinein konkretisiert werden. In allem und jedem findet also der Steuerstaat eine moderne, marktwirtschaftliche Grundlegung in Förderstaatlichkeit. Von einer problematischen, moralisierenden Staatsgüte entfernt sich eine Almosen spendende Staatsgewalt in Richtung auf ein marktkonstruktives, nun wirklich ein: „Wohl der Allgemeinheit“.
2. Förderstaat gegen Staatsaufwand a) Die Demokratie treibt einen wahrhaft gewaltigen Aufwand, um ihre Staatsmaschine am Laufen zu halten. Sie finanziert einen Staatsapparat mit vielen Tausenden von Volksvertretern, die sich in ihrem Einkommen und ihrer Sicherung vor allem in der (Über-)Komplikation bezahlbar machen sollen, welche sie in ihrem kaum mehr übersehbaren organisatorischen Zusammenspiel hervorrufen. Da schlagen nicht allein Wahlen, sondern vor allem jene zahllosen, immer weiter ausgedehnten Kollegialentscheidungen zu Buche, in welchen das demokratische Freiheitsstreben aller Bürger in ständigem Abstimmungsstreben im weitesten Sinne seinen Niederschlag findet. Darin läuft zwar der demokratische Mechanismus ab, aber immer langsamer, immer teurer – bis hinein in die hochproblematische Parteienfinanzierung. 373 Darum sollte es auch in der aktuellen Diskussion um den „Gesundheitsfonds“ gehen: Markthilfen für die Träger der Gesetzlichen Krankenversicherung.
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Dieser Aufwand, der mit früherem monarchischem Prunk kaum mehr vergleichbar ist, bedarf seinerseits der Rechtfertigung; er findet sie aber kaum mehr zurechenbar in einzelnen Staatsaufgaben, sondern allenfalls in einer globalen Systemschaffung und -erhaltung, welche eben „die Freiheit sichern“ soll. Dass dies jedoch in rechtlicher Unfassbarkeit verdämmert, kann kaum zweifelhaft sein. Eine Staatsrechtfertigung lässt sich auch nicht aus dem in seinem intellektuellen Gehalt höchst zweifelhaften Begriff der „Reibungsverluste der Demokratie“ finden, die es dann „eben“ im Namen der Freiheit hinzunehmen gelte. Dahinter könnte allenfalls ein erst recht problematischer Versuch eines allerallgemeinsten Wertevergleichs stehen, der aber von kaum definierbaren „notwendigen“ Mitteln auf einen ebenso wenig näher bestimmten Aufgabenwert schließen will. Der gängigen Formel, Rechtstaatlichkeit als höchster Rechtswert fordere eben diesen und vielleicht noch ganz anderen Aufwand, liegt gerade, in einem erstaunlichen Zirkel, jene Unbestimmtheit zugrunde, welche die als Legitimationsgrundlage eingesetzte Rechtsstaatlichkeit aber eben verbietet. Hier erfolgt nichts anderes als ein Schluss von einer allerallgemeinsten Aufgabe auf die Legitimation unbestimmter Mittel; und dies wird dann auch noch zur Notwendigkeit gesteigert. Hier muss sich ein Umdenken vollziehen; ihm weist Förderstaatlichkeit mit ihren Verfassungsvorgaben einen zwar nicht in allem bestimmten, aber doch in der Richtung bestimmbaren Weg: auf Marktwirksamkeit hin. b) Vor seinem Beschreiten liegt aber eine notwendige, seit langem überfällige Erkenntnis: Dieser Staatsaufwand kommt aus einer Vergangenheit des „Denkens in Herrschaftlichkeit“; in ihm halten sich geradezu Reste einer theokratischen Staatsrechtsfertigung374, die sich aber in dem Funktionalismus dominierender Märkte verlieren sollten. Schimmernde monarchische Militärstaatlichkeit aus früherer Zeit setzt sich, in oft eigenartig anmutenden Formen fort, in zahlreichen diplomatischen Spitzenbegegnungen, in einem Staatstheater, in welchem Reste früherer Majestät für die Demokratie gerettet werden sollen, für eine Staatsform einfacher Bürgernähe. Medienwirksamkeit wird darin nur zu oft gepflegt, bis zu Formen staatskabarettistischer Präsentation. All dies muss allerdings bereits immer mehr funktional-nüchternen Formen des Staatshandels weichen. Staatsprestige wird als Ziel nicht mehr anerkannt, eben weil der Staat sich weithin „nurmehr wirtschaftskonform bewegen darf“. Dies gerade findet seine grundsätzliche Berechtigung in einer Förderstaatlichkeit, aus der ebenfalls alles verschwinden muss, was hoheitliches Verhalten ankündigt oder gar seiner Durchsetzung dienen soll. Dies mag, wie der Verlust so mancher Vergangenheit, kritisches Bedauern hervorrufen. Unbeirrt ist aber eine Richtung dennoch zu halten, welche gerade Förderstaatlichkeit vorgibt: in ihr bewegt sich der Staat bereits auf Märkten, daher muss er sich auch in ihren Formen bewegen. Bescheidenheit der Demokratie mag hier zur begeisterungslosen Nüchternheit nur zu oft herabsinken; der im 374
s. Jellinek, G., Allgemeine Staatslehre, 3. A. 1914, S. 184 ff.
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Selbstbewusstsein der Freiheit in dieser Staatsform hochentwickelte Bürger kann und wird nichts anderes mehr ertragen. So ist die Zeit des prestigeorientierten Aufwandsstaates ebenso abgelaufen wie die seiner Legitimation, der selbstgewichtigen Herrschaftlichkeit. Der Förderstaat treibt, seinem Wesen nach, gewiss einen „ganz großen Aufwand“ – aber er ist gerade nicht auf eine Selbstdarstellung gerichtet, welche beeindrucken und darin die Durchsetzung von Macht erleichtern will. Sein staatspsychologischer Mechanismus läuft über Märkte, über deren Überzeugungskraft gegenüber dem Bürger, dass ihm daraus „letzter Nutzen“ kommen wird, als einem Glied der staatlichen Allgemeinheit.
3. Der Förderstaat: Ein starker Finanz-Staat Den bereits angesprochenen verbreiteten Befürchtungen, dass diese Förderstaatlichkeit letztlich nur im Schlepptau der sie dominierenden Märkte segeln werde, wurde bereits die These von der erhöhten Nützlichkeit gerade dieser Staatscharakterisierung entgegengesetzt.375 Sie findet nun ihre Bestätigung in den vorstehenden Erkenntnissen: Legitimationswirkung und damit Verstärkung der Finanzstaatlichkeit durch Förderung. Ein Staat ist stets, in den Läufen der Verfassungsgeschichte, so stark gewesen, wie er Mittel verteilen und daher solche einsetzen konnte. Der Förderstaat ist daher in besonderem Maße nicht nur ein nützlicher, sondern ein „starker“ Staat, der mit seiner Existenz und seinen Kräfte täglich dem Bürger gegenwärtig ist, in der Einnahmeseite seiner Steuern, weil eben in der Ausgabeseite seiner Förderung. Sorgen um ein rasches Absterben organisatorischer Ordnungskräfte sind in einer solchen Gemeinschaft unbegründet. Befürworter von Ordnungskräften in früherer Form, bis in Nostalgien hinein, lassen sich beruhigen, fällt der Blick auf die Groß-Aufgaben systematischer Marktförderung, mit ihren wahrhaft gemeinschafts-gestaltenden Wirkungen. Sogar die Kategorie der Anordnungen, ja der konkreten Befehle, findet breiten Einsatz gerade in jener Finanzstaatlichkeit, in welcher die Voraussetzungen des Förderstaates erst geschaffen werden. Nicht umsonst erscheint heute gegenwärtig vielen der Steuerstaat als eine besorgniserregende Neuauflage früherer machtbewusster Ordnung. Seiner in der Tat, schon weil technikgestützten, „Über-Macht“ kann nur eine Beruhigung entgegengesetzt werden: dass er immer mehr, in all seiner Stärke, nicht gegen den Bürger wirke, sondern auf Märkten – fördernd. Ein solcher Einsatz von „Rechtsmacht zur Weitergabe“ ist eine nun in jedem Sinne demokratische Staatslegitimation.
375
Vgl. oben II. 2.
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V. Förderstaatlichkeit: Alternativlose Form der Demokratie Förderstaatlichkeit ist weit mehr als eine Zusammenfassung staatlicher Subventionsveranstaltungen, welche „irgendwo“ neben hoheitlicher staatlicher Lenkung angesiedelt wäre, diese „irgendwie“ verbessern, verstärken oder gar ersetzen könnte. Und hier muss, aus vielfachen Ansätzen und bereits laufenden Entwicklungen, etwas zusammen gesehen und dogmatisch geordnet werden, was schlechthin die Zukunft moderner Staatlichkeit, in diesem Sinne ihre Postmoderne darstellt. Ihr Ausgangspunkt ist ein Bekenntnis zu den Märkten, für sie, als Räume der Bürgerfreiheit, muss ein entschlossenes Malo periculosam Libertatem gesprochen werden; ein verfassungsrechtliches Bekenntnis muss nicht nur der Freiheit gelten, sondern auch den Räumen ihrer Entfaltung, den Märkten. Der Staat ist nicht nur ein ständiger Korrektor von Freiheitsbetätigungen, er ist selbst ein Akteur auf der Bühne der großen Freiheit. Wenn ihm dies nicht gelingt, so wird sich seine Demokratie in Anarchismen auflösen, denn die Märkte funktionieren entweder mit ihm oder gegen ihn – mit zerstörerischen Kräften. Das Staatsrecht darf nicht, richtet es seine Ordnungskraft auf Märkte, dort immer nur und primär Ausbeutung sehen, sondern stets und zuallererst Freiheitsbetätigung und Chance zu ihr. Trifft es diese Entscheidung nicht, in einem wahren Dezisionismus, so kann es sich nur auf ein mehr oder weniger gewaltsames Ordnen zurückziehen, welchem demokratisches Bewusstsein alsbald die Legitimation versagen wird. Dass der demokratische Förderstaat gar noch Monopole oder Oligopole fördern werde, ist schon deshalb, jedenfalls aus staatsgrundsätzlicher Sicht, nicht zu befürchten, weil er damit, gerade mit zunehmender Funktionslosigkeit der Staatsförderung, seine eigene Rechtfertigung, ja letztlich seine Existenz in Frage stellen würde: mit dem zu fördernden Gegenstand müsste er untergehen. Dieser Förderstaat bedeutet, wie es die Betrachtungen immer wieder zu zeigen versuchten, im zusammenfassenden Bewusstsein seiner Strukturen, wahrhaft eine neue Konzeption gerade demokratischer Staatlichkeit, die sich vor allem in privaten Formen immer weiter, nützlicher und darin auch mächtiger entfaltet. So vor allem, vielleicht auf diesem Wege allein, lassen sich Autoritarismen abschwächen, in weicher Landung überführen in Strukturen, die immer mehr an privater Bürgerfreiheit erlauben und am Ende auch sichern. Eine internationale Menschenrechtsbewegung, die gerade dies anstrebt, muss daher zu allererst auf die Entwicklung von Märkten sehen, Staats-Seuchen nicht erst in Hospitälern zwangsweise bekämpfen. Die große Staatsaufgabe wird darin liegen, den Marktzugang überall möglichst weit zu öffnen, dann aber Förderung auch zurückzuziehen, wenn Marktgesetze ihrerseits wirken. Staatlichkeit – vielleicht ist dies nicht ein Palast, sondern ein Tor. Religiöses Denken sieht über allem irdischen Geschehen eine göttliche Kraft, welche die Menschen in Freiheit entlassen hat, ihnen dann aber auch immer wieder Hilfe
V. Förderstaatlichkeit: Alternativlose Form der Demokratie
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schenkt, in Gnade. Als eine solche Gottheit auf Erden versteht sich vor allem die Volksherrschaft, so sollte sie denn auch handeln – in Förderstaatlichkeit. Auf den Märkten, im irdischen Geschehen eben, verbindet sich dann die Hilfe von oben mit den Werken von unten. Ein Paradies wird so nicht entstehen, wohl aber ein Zustand, in dem es verloren werden kann oder aber gewonnen: Freiheit.
Ergebnisse, Thesen Grundkonzeption Wirtschaftliche Krisenerscheinungen zeigen die Notwendigkeit präzis marktordnender Datensetzung durch gesetzliche Regelungen und, auf deren Grundlage, hoheitlicher Eingriffsmöglichkeiten. Daneben – und soweit möglich davon abgeschichtet – ist jedoch staatliche Förderungstätigkeit rechtlich zu systematisieren. Die Verfassung bietet auch hier Orientierungen, Legitimationen, und sie setzt Grenzen. Diese Förderstaatlichkeit definiert sich aus einer deutlichen Marktorientierung aller Veranstaltungen öffentlicher Wirtschaftshilfe. Individualschützende Unterstützung muss sich stets, rechtlich kontrollierbar, auf Marktschaffung, Marktzugang, Marktstabilisierung richten. Darin ist sie wesentlich Hilfe zur Selbsthilfe auf Märkten. Der Förderstaat wird zum „Marktteilnehmer“: Er hat aber die Selbstgesetzlichkeit der Märkte zu achten, seine Rechtsformen nach ihnen auszurichten. Das staatliche Recht muss sich nationalökonomischen wie „hochgerechneten“ betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen stärker öffnen. Eine demgegenüber politisch unabhängige, insbesondere den Märkten gegenüber eigenständige verfassungsrechtliche Wirtschaftsordnung ist heute nicht mehr vorstellbar. Förderstaatlichkeit darf nicht innerstaatlich „Staatsmacht“ anstreben. Internationalen Märkten gegenüber ist sie weithin machtlos. Dieser Förderstaat hat in Deutschland liberale Wurzeln; er entspricht der Konzeption einer „sozialen Marktwirtschaft“. Für Ideologisierungen ist hier jedoch kein Platz. Staatliche Marktförderung ist auf eine breite Mittelschicht gerichtet, welche auf Dauer funktionierende Märkte tragen kann. Deren Dynamik benötigt jedoch stärkere und schwächere Marktteilnehmer und ihrer aller rechtlich geschütztes Gewinnstreben, im Rahmen der Grundrechte, vor allem der Berufs- und der Eigentumsfreiheit. Förderstaatlichkeit darf sich nicht in ständiger nivellierender Umverteilung verlieren, welche Aktionsfreiheit und Gewinnstreben der Bürger einschränkt. Der helfende Staat realisiert Schwächerenschutz über Märkte, nicht gegen sie. Unbedingte Existenzsicherung Bedürftiger ist zwar eine notwendige Staatsaufgabe in der Demokratie; Marktförderung bringt dem Staat dafür die Mittel und ist zugleich ein Weg zu ihr.
Einzelergebnisse
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„Soziale Marktwirtschaft“ sollte jedoch nicht missverstanden werden als unablässige und tiefgreifende Korrektur der Märkte, sondern gesehen werden als deren gemeinschaftsintegrierende Öffnung für alle. Diese Förderstaatlichkeit bringt eine neue, bedeutsame Staatslegitimation. Sie realisiert eine freiheitliche Demokratie: in ihr „geht Macht aus“ von der Bürgerschaft im Marktgeschehen, das gestützt wird durch die gewählten politischen Instanzen im Einsatz von Mitteln der Gemeinschaft.
Einzelergebnisse A. Die Ausgangslage vor der Wirtschaftskrise von 2008 ist staatsrechtlich gekennzeichnet durch eine gewisse „neoliberale“ Grundstimmung: In Privatisierungsdenken und unter dem Eindruck des Zusammenbruchs der marxistischen Zentralverwaltungswirtschaft wurde Marktwirtschaft zur politischen Grundlinie in Deutschland. Sozialistische Kritik wie konservative Betonung der Staatsgewalt hatten dem wenig entgegenzusetzen. Manche sahen hier sogar neoliberale „Ideologie“. Die Wirtschaftskrise führte verbreitet zu Forderungen nach „Mehr Staat(skontrolle)“. Vor allem kam es aber zu staatlicher Stützung der Märkte. Die Diskussion verlagert sich damit, und immer mehr, vom Staatseingriff zur Förderungskapazität der Gemeinschaft, ja zur finanziellen Staatsbonität. Drängende Aufgabe ist: Bürgerförderung über Märkte, Förderstaatlichkeit als „demokratisches Staatsprogramm“, vor allem in Förderungsgleichheit. Doch dies bedarf „rechtlicher Geduld“, in einer „unruhigen Staatsform“. . B. Die historische Entwicklung des Rechts der Staatshilfen bietet nur wenige tragfähige Ansätze: Wohlfahrtstaatlichkeit blieb Schwächerenschutz, der Liberalismus verwarf weithin Subventionen, der Machtstaat setzte sie allenfalls märkteabschottend ein. Seit Beginn der grundgesetzlichen Zeit hat sich mächtig die Marktwirtschaft entwickelt. Mit dem „Wirtschaftswunder“ fand sie den Weg ins politische Bewusstsein der Deutschen, in der Kartellkontrolle zu einer rechtlichen Ordnung, in der Sozialen Marktwirtschaft zur Staatsprogramm-Wirkung. In der Europäischen Union verfestigte sie sich rechtlich, in der Globalisierung jedenfalls ökonomisch. . C. „Förderstaatlichkeit“ ist begrifflich unterentwickelt, dogmatisch ein Problembereich. Die Lehre des Subventionsrechts erschöpft sich weithin in der Aufzählung von Kompetenzen und Rechtsformen. Die – für die Förderung zentralen – Zielbestimmungen lassen sich aus einer „Staatsaufgabenlehre“ nicht hinreichend gewinnen. Der große Bereich der steuerlichen „Staatsförderung von Privatförderung“ (Gemeinnüt-
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Ergebnisse, Thesen
zigkeit) ist in seiner dogmatischen Bedeutung noch nicht hinreichend erfasst; er bietet aber wichtige Ansätze für eine Grundlagenlehre der Staatsförderung. Beim Aufbau einer Dogmatik der Förderstaatlichkeit sind Verfassungsvorgaben in einer Stufenprüfung zu beachten: Allgemeine Bürgergleichheit, Wettbewerbsgleichheit auf funktionierenden Märkten, die Marktrahmen der Berufs- und Eigentumsfreiheit. In diesem Verfassungsraum kann sich staatliche Förderungsfreiheit entfalten; sie darf aber nicht zu Besteuerungszwang führen. Das übergreifende Ziel, welches die Förderstaatlichkeit konstituiert, ist Hilfe zur Selbsthilfe auf Märkten. Sie darf aber nicht lähmende Abhängigkeit vom helfenden Staat begründen. Dauerförderung ist daher grundsätzlich unzulässig. Eine Annahme von Förderungsmitteln darf nicht aufgezwungen werden. Der Adressat muss nach marktwirtschaftlicher Einschätzung förderungsfähig sein. Die Förderung hat möglichst konkrete Ziele zu setzen. . D. Staatsförderung steht neben staatlicher Marktordnung, verbindet sich mit ihr im Begriff der Wirtschaftslenkung. Von marktordnender Datensetzung gehen (auch) fördernde Wirkungen aus. Die Wahrnehmung allgemeiner öffentlicher Belange ist aber als solche nicht Förderung im marktwirtschaftlichen Sinn. Förderung sollte grundsätzlich nicht zur Unterstützung oder gar zur Rechtfertigung hoheitsrechtlicher Lenkung eingesetzt werden; sie darf jedenfalls nicht zu einer – vielleicht gar „unfühlbaren“ – Erweiterung der Eingriffsbefugnisse (ver)führen. Förderung muss (auch) hoheitlich kontrolliert werden. Förderungsauflagen und -bedingungen sind jedoch marktkonform auszugestalten. Kontrollinstrumentarien sind an Marktmechanismen zu orientieren. Förderstaatlichkeit ist insgesamt, soweit und so deutlich wie möglich, von ordnender Hoheitsstaatlichkeit abzuschichten. . E. Staatliche Förderung ist möglichst in privatrechtlichen Formen auszugestalten. Marktförmigkeit verlangt Privatrechtsförmigkeit. Öffentliche Förderungsaktivitäten sind weitgehend Banktätigkeiten, in den Formen privatrechtlicher Daseinsvorsorge. Im Vordergrund steht die Staatsbürgschaft als Ausprägung der Garantiestaatlichkeit sowie der Staatskredit. Öffentlich-rechtliche(r) Versicherung(zwang) wirkt in der Regel nicht als Förderstaatlichkeit. Staatliche Wirtschaftstätigkeit kann als Förderung wirken, soweit sie entsprechende Ziele in Marktteilnahme verfolgt. Vor allem geschieht dies über Marktbeteiligungen, in der Regel nach privatem Gesellschaftsrecht. Privatisierungen wirken ebenfalls in diesem Sinn und sollten (auch) Förderungsziele verfolgen. Öffentliche Wirtschaftstätigkeit kann hier flexibel eingesetzt werden. .
Einzelergebnisse
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F. In Förderstaatlichkeit zeigt sich der „nützliche Staat“, auf dem Weg zu internationaler Gemeinschaftsstaatlichkeit, vor allem in markt-zielhaft ausgerichteten Konkretförderungen; allzu weit gefasste gesamtpolitische Richtlinien sind hier problematisch. Der Förderstaat benötigt sensibles politisches Führungspersonal, Expertenberatung und eine marktwirtschaftlich geschulte Beamtenschaft. Nur dann können machtstaatliche Politiktendenzen in Grenzen gehalten werden. Die herkömmlichen „Staatsrechtfertigungen“ (etwa Friedenssicherung, Gewaltmonopol) verlieren an Wirkungskraft; Förderstaatlichkeit bietet eine neue „Staatslegitimation über die Märkte“. Das demokratische Mehrheitsprinzip bewährt sich in marktwirtschaftlicher Förderung; auf den Märkten werden Mehrheiten gebildet. Hier wird die Gemeinschaft „entideologisiert“, ohne dass die demokratischen politischen Mehrheiten ihre – vor allem marktordnende – Bedeutung verlieren; sie verstärkt sich sogar in Förderstaatlichkeit. Der Förderstaat verlangt und legitimiert vor allem den leistungsfähigen Finanzstaat, dieser findet in ihm neuartige Begründungen. Doch sollten Steuergesetze verstärkt ihr Lenkungs- und vor allem ihre marktpolitischen Förderungsziele erkennen lassen. Förderstaatlichkeit muss erkannt werden als eine alternativlose Form demokratischer Staatlichkeit.
Sachwortverzeichnis Abgeordnete – Freies Mandat 154 Aktivbürger 149 Arbeitsplatzsicherung 45 Armenpolizei 36 Bagatellgrundsatz 99 f. Beamte – Beamtenaufgaben 53 – in der Förderung 140 – Förderung und Dienstrecht 141 f. – und Marktwirtschaft 19 – ökonomisches Denken 131 Beleihung 58, 114 Berufsbilder 22 Berufsfreiheit 49, 68 ff. Bildung 69, 92, 138 Bürokratie 20, 116, 122 – Entbürokratisierung der Förderung 31 – Kritik 88 Christentum – und Armut 34 f. Daseinsvorsorge 13, 53, 125 Demokratie – Aufwand 159 ff. – als Förderstaat 30, 76 f., 139, 162 f. – und Machtstaat 43 – und Mehrheit 148 ff. – öffentliche Banktätigkeit 115 ff. – Realitätsnähe 76 – Staatsform 22 – Staatsrechtfertigung 146 – „Unruhige“ Staatsform 26, 30 f., 141 Denkmalschutz 80, 96 Deregulierung 14 Effizienz 14 Eigenbetriebe der öffentlichen Hand 130 f.
Eigengesellschaften der öffentlichen Hand 130 Eigentum 20 f., 70 ff. – und Allgemeinheit 157 f. – Eigentumsfähigkeit 70 f. – und Markt 70 ff. – an Subventionen 71 f. – und Vertrauen 72 Eingriff – und Förderung 30 f., 36, 79 f., 88 – hoheitlicher und Förderung 101 ff. Ermessen – und Beurteilungsfreiheit 104 f. – und Förderungsziele 50 f. Erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand 127 Europäische Marktwirtschaft 42 f. Europäischer Gerichtshof 16 Existenzsicherung 74 f. Experten 107 f., 139 ff. Förderung – Adressaten-, Förderungsfähigkeit 81 ff. – Annahmepflicht 79 ff. – Anspruch auf 74 f. – Auflagen 103 ff. – Bankmäßige 115 ff. – Branchenförderung 106 – Dauerförderung 79 – Dogmatik, Defizite 44 f. – Effizienz 30 ff. – und Eingriff 30 f. – und EU 42, 137 ff. – Flexibilität 133 f. – der Freiheit 73 ff., 89 – und Grundrechte 58 ff. – und Marktordnung 99 ff., 108 f. – in der Marktwirtschaft 46 und passim – Massenförderung 60 – privatrechtliche Formen 110 ff. – Rechtsformen 54 ff.
Sachwortverzeichnis – als Staatsrechtfertigung 135 ff., 146 f. – Zielbestimmung 82 ff. – Siehe auch Eingriff, Gleichheit, Marktordnung, Schwächerenschutz, Subventionen Fonds-Staatlichkeit 158 f. Freiheit 21 ff. – Entfaltung im Grundgesetz 38 f. – Förderung der 73, 77 ff. – und Liberalismus 21 – reale Grundlagen 62 f. – Siehe auch Selbsthilfe Garantiestaatlichkeit 118 f. Gemeinnützigkeit 56 ff., 93 ff., 123 f. Gesamtwirtschaft 67 Gesellschaftsrecht, privates 14, 129 f. Gewaltmonopol des Staates 53, 145 Gewerkschaften 40 Gleichheit – Anwendungs- 60 – Chancen- 19, 139 – und Freiheit 29 f. – und Förderung 45, 51, 60 ff. – und Schwächerenschutz 40 f., 61 f. Globalisierung 16, 44 Grundrechte – und Marktordnung 39 – Vorgaben für Förderung 59 ff. Hoheitsgewalt 52, 111 f. – „Deals“ mit dem Staat 119 – Kontrolle der Förderung 101 ff. – Privates und Hoheitliches Staatshandeln 87 ff., 112 – Siehe auch Marktordnung Ideologie 18 ff., 152 – Entideologisierung der Politik 151 ff. Integrationslehre 37 Intimsphäre 21 Investment Banking, staatliches 121 Kommunalwirtschaft 125 – Subsidiarität 53 Kommunismus – Siehe Marxismus Konsens 21 Konservativismus 19 ff., 36
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Kündigungsschutz 41 Kumulationswirkung(en) – von Marktordnung und Förderung 96 f. Kurzarbeit 120 Lenkung 85 ff. – Kontrollierbarkeit 99 f. – Unfühlbarkeit 98 ff. Liberalismus 15 ff., 57 – Förderungsmisstrauen 35 f. – als Ideologie 18 ff., 152 – und Wirtschaftskrise 25 ff. Machtstaat – England 36 f. – und Förderung 36 ff., 142 ff. – Wilhelminismus 37 Markt passim 63 ff. Marktordnung 15 ff., 39, 41, 66 f., 85 ff. – und Berufsfreiheit 69 – in der EU 42 – und Förderung 108 f., 126 – Staatsaufgabenerfüllung 92 f. – durch Steuern 89 ff. Marxismus 13 ff., 22, 36 Mehrheit 61 – und Förderung 148 ff., 153 ff. Minderheit und Markt 150 f. Nachhaltigkeit 103 Nationalsozialismus – machtstaatliche Förderung 37 f. Naturrecht 20 Politikbegriff 144 „Privater Staat“ 113, 133, 135 f. Privatisierung(en) 13, 53, 113, 126, 131 ff. – Aufgaben- 131 f. – Organisations- 14, 131 f. Privatverwaltungsrecht 112 Realitätsabbildung der Märkte 67 f. Rechtsprinzipien 50 Rechtsstaatlichkeit 58, 59 – Bestimmtheit 82 – und Ermessen 104 f. – und Förderungskontrolle 101 ff., 106 f. – Klarheit 83
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Sachwortverzeichnis
Richtlinien der Politik 137 f. Risikoübernahme durch den Staat 104 f. Schwächerenschutz 18, 45, 61 f., 68,120, 138 Selbsthilfe 36, 44 – Hartz IV 41, 120 – Hilfe zur 28, 77 ff., 83, 88 Sicherheitsgewerbe, privates 85 Sozial, Begriff 26 Sozialdemokratie 17 ff. Soziale Gerechtigkeit 63 Soziale Marktwirtschaft 19, 40 ff. – und Freiheit 26 ff., 38 ff. – und Schwächerenschutz 40 f. Sozialstaat 18, 62, 125 – Siehe auch Gleichheit, Schwächerenschutz Sozialversicherung – als Förderung? 119 ff. Sponsoring 114 – Siehe auch Gemeinnützigkeit Staatliche Wirtschaftstätigkeit 125 ff. Staatsaufgaben 49 f. – Armenhilfe 35 – Begriff, Probleme 52 ff. – und Marktordnung 92 f. Staatsaufwand 159 ff. Staatsbeteiligungen 128 ff. Staatsbonität 27 f. Staatsbürgschaften 116 ff. Staatskontrolle 25 ff., 55 f., 98 ff., 105 ff. – und Experten 107 f. Staatskredit 121 ff. Staatsrechtfertigung 135 ff.,144 ff. Staatswirtschaft 15 Steuern – Erhebungsfreiheit 75 f. – Förderung durch Besteuerung 55
– und Gleichheit 159 – Lenkung durch 90 f. – Marktordnung durch 89 ff. – Missbrauchsbekämpfung 90 Steuerstaat – Förderstaat als 156 ff., 160 ff. – Verfassungsgerichtliche Kontrolle 158 Subventionen – Auflagen 51 f. – Kompetenzen 48 f. – Recht, herkömmliches 47 ff. – Ziele 50 – Zweistufenlehre 51 f., 57 f. Verfassung nach Gesetz 67 Verstaatlichung 15, 38 Vertrauen 28, 118 Weimarer Verfassung 37 Werbung 22 Werte 20 – und Konservativismus 20 Wettbewerbsbeschränkungen – Gesetz gegen 39 Wettbewerbsfreiheit 53, 93 Wettbewerbsgleichheit 63 ff. Wettbewerbsordnung – in der EU 43 Wiedervereinigung 16 Wirtschaftskrise 13 ff., 23 ff., 124, 126 Wirtschaftslenkung – Siehe Lenkung „Wirtschaftswunder“ 38 f. Wohlfahrtsstaatlichkeit 34 ff., 60 Zuschüsse – verlorene Staatszuschüsse 123 ff.