Der Einsatz fossiler organischer Kohlenstoffträger in Gegenwart und Zukunft [Reprint 2021 ed.] 9783112502969, 9783112502952


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Der Einsatz fossiler organischer Kohlenstoffträger in Gegenwart und Zukunft [Reprint 2021 ed.]
 9783112502969, 9783112502952

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Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften der DDR Mathematik - Naturwissenschaften - Technik

26 N IQQfl

Gerhard Keil

Der Einsatz fossiler organischer Kohlenstoffträger in Gegenwart und Zukunft

AKADEMIE-VERLAG • B E R L I N

u u

Silzungsberichte diT Akademie der Wissenschuften der DDR Mathematik — Naturwissenschaften — Technik

Jahrgang 1980 • Nr. 26/N

Gerhard Keil

Der Einsatz fossiler organischer Kohlenstoffträger in Gegenwart und Zukunft

AKADEMIE-VERLAG • B E R L I N 1981

Vortrag und Diskussionsbeiträge der wissenschaftlichen Sitzung des Plenums der Akademie der Wissenschaften der DDR am 24. Januar 1980

Herausgegeben im Auftrage des Präsidenten der Akademie der Wissenschaften der DDR von Vizepräsident Prof. Dr. Heinrich Scheel

Erschienen im Akademie-Verlag, DDR-1080 Berlin, Leipziger Straße 3—4 © Akademie-Verlag, Berlin 1981 Lizenznummer: '202 • 100/45/81 Gesaintlierstcllung: VEB Druckhaus Kothen Bestellnummer: 762 923 6 (2010/80/26/N) • LSV 1275 Printed in GDR DDR 6 , - M

Inhalt Grrharrl Kell, Ordentliches Mitglied der AdW der DDR Der Einsatz fossiler organischer Kohlcnstoffträgcr in Gegenwart und Zukunft

5

Siegfried Nowak, Ordentliches Mitglied der AdW der DDR Diskussionsbeilrag

27

Helmut Kozioleh, Ordentliches Mitglied der AdW der DDR Diskussionsbeitrag

30

Klaus Strzodha, Korrespondierendes Mitglied der AdW der DDR Diskussionsbeitrag

3fi

Wolf gang Schirmer, Ordentliches Mitglied der AdW der DDR Diskussionsbeitrag

39

Wolfgang Heinrichs, Diskussionsbeitrag

Korrespondierendes Mitglied der AdW der DDR 42

Werner Lange, Ordentliches Mitglied der AdW der DDR Diskussionsbeitrag Christian Weißmantel, Diskussionsbeitrag

40

Ordentliches Mitglied der AdW der DDR 50

Heinz Stiller, Ordentliches Mitglied der AdW der DDR Diskussionsbeitrag

51

Manfred Ringpfeil, Korrespondierendes Mitglied der AdW der DDR Diskussionsbeitrag

53

Manfred Schubert, Korrespondierendes Mitglied der AdW der DDR Diskussionsbeitrag

54

Gerhard Keil Schlußbemerkungen

55

26 N / 1 9 8 0

Sitzungsberichte clor AtlW der DD1\

Gerhard Keil

Der Einsatz fossiler organischer Kohlenstoffträger in Gegenwart und Zukunft Der wissenschaftlich-technische Fortschritt und die mit ihm verbundene stürmische Entwicklung der Industrieproduktion hat zu einem großen Rohstoff- und Energieverbrauch geführt. In den letzten J a h r e n wurde iiu Plenum und in den Klassen wiederholt zu den unterschiedlichen Aspekten der Rohstolf- und Energiebereilslellung und -anwendung Stellung genommen. Auch die K l a s s e Chemie hat sich seil ihrer Bildung mit diesen elementaren Fragen auseinandergesetzt. Iis zeigte sich, daß die Problematik in Hinblick auf die fossilen Kohlenstoffträger besonders kompliziert und sclnver überschaubar ist. Wegen der vieleil spezilischen Bedingungen und Restriktionen, denen diese Rohstoffe und ihre Verarbeitung uulerworfen sind, scheint es, als ob m a u die unterschiedlichsten Auffassungen nicht nur vertreten, sondern auch beweisen könne. Deshalb hat die K l a s s e Chemie den Vorschlag unterbreitet, dieses T h e m a im Plenum zu behandeln. Wir hoffen, aus der Diskussion mit Ihnen Anregungen für die weitere Arbeit zu erhalten, und rechnen damit, daß die durch die Sitzungen des Plenums geförderte Zusammenarbeit der Wissenschaftszweige günstige Möglichkeiten für die Klärung der Problematik eröffnen wird. 1 'Aur volhssvirlschajllichen

Beiladung

der fossilen

organischen

Kuhlenslufjlräger

Die fossilen organischen Kohlenstoff träger besitzen in der Volkswirtschaft gegenwärtig eine größere Bedulung als andere Gruppen von Rohstoffen. Wir sind der Meinung, daß in der besonderen Stellung der Kohlenstofflräger im gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß der Angelpunkt für unsere Überlegungen liegen muß, und wollen versuchen, diese Besonderheit der fossilen organischen Kohlenstoffträger (das sind vor allem Kohlen, Erdöl und Erdgas) zu charakterisieren: Fossile Kohlenstofflräger sind sowohl Quelle von Gebraudisenergie als auch von Chemiegrundstoffen. Sie besitzen in diesem Sinne eine Doppelfunktion. Wir können aus Kohle und Erdöl wahlweise Gebrauchsenergic, wie Elektroenergie, Wärme und Ferngas, herstellen, aber auch Azetylen, Olefine oder Aromalen und andere Chemiegrundstoffe. Daher treffen in dieser Rohsloifgruppe zahlreiche Probleme der Energie- und Stoffwirlschaft zusammen.

5

Die Bedeutung der Energieversorgung muß nicht besonders betont werden. Es genügt, darauf hinzuweisen, daß der Ersatz der physischen Arbeitskraft durch Gebrauchsenergie eine Voraussetzung für die Steigerung der Arbeitsproduktivität ist. Das kennzeichnet bereits die besondere Rolle der Energie im volkswirtschaftlichen Reproduktionsprozeß. Die stoffwirlschuftliclie Bedeutung der fossilen KohlcnstolFträger liegt darin, daß die organischen Chemiegrundstolfe Ausgangspunkt einer breiten Produktpalette sind, zu denen Pharmazeutika, Plaste und Elaste, Chemiefasern, Textilhilfsmittel, Färb- und Riechstoffe, Waschmittel u. v. a. in. gehören. Darunter sind also hochwertige Endprodukte ebenso wie unentbehrliche Zwischenprodukte. Die organisch-chemischen Prozesse, für die die Bereitstellung fossiler Kohlenstolfträger unerläßlich ist, gehören deshalb seit Jahrzehnten zu den wichtigsten und dynamischsten Grundlagen der Industrie. Dabei verdanken sie ihre Bedeutung der Tatsache, daß die Verwendung von Cheniieproduklen alle anderen Be reiche der Volkswirtschaft durchdringt. Die organische Chemie ist in vieler Hinsicht Schrittmacher der Intensivierung in anderen Bereichen und ermöglicht dort neue wissenschaftlich-technische Lösungen. Daraus resultiert die volkswirtschaftliche Bedeutung der organischen Grundstoffe und die Notwendigkeit, sie auch im eigenen Lande herzustellen. Die Gesamtheit dieser Umstände macht deutlich, daß die fossilen Kohlensloflträger aus energicwirlschafllichen und stoffwirtschaftlichen Gründen eine Schlüsselstellung in der Volkswirtschaft einnehmen und daß die mit ihnen zusammenhängenden Probleme Fragen von höchstem gesellschaftlichem Rang aufwerfen. Deshalb erscheint es unangemessen, sie etwa ausschließlich unter technologischen oder verfahrenstechnischen Aspekten behandeln zu wollen. Es ist noch eine weitere, die Gesamtproblemalik kennzeichnende Vorbemerkung erforderlich. Alternativen der Energie- und Rohstoflwirtschaft werden noch weniger als bei anderen Verfahren und Erzeugnissen innerhalb weuiger Jahre wirksam. Mit unserer Fragestellung müssen wir einen Zeitraum von ca. 30—50 Jahren überblicken und die in diesem Zeitraum notwendigen Einzelschritte betrachten. Natürlich fällt es schwer, für eine solche Dauer Gültiges zu formulieren, das aber ist in diesem Fall unumgänglich. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß Entscheidungen über die Entwicklung der Energie- und Rohstoflwirtschaft, die bis in diese recht ferne Zukunft reichen, bereits unmittelbar vor uns stehen und daß wir in unsere Aussagen sowohl Vorstellungen über die vermutliche Entwicklung spezieller Fachgebiete als auch über die grundsätzliche Entwicklung der Gesellschaft einbeziehen müssen. Das 11. Plenum des Zentralkomitees der S E D hat erneut bekräftigt, daß unsere gesellschaftliche Entwicklung weiterhin von der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik bestimmt sein wird. Weiter stellte Erich Honecker in seinem Bericht an das I I . Plenum fest, daß die internationale Situation auf dem Gebiet der Energie-

6

und Rohstoffversorgung langfristig angespannt bleiben wird. Beide Feststellungen verbindend, müssen wir uns die Frage stellen: Wie kann die weitere Entwicklung der Volkswirtschaft energie- und sloffwirtschaftlich gesichert werden, und wclche Bedeutung wird dabei die Verarbeitung fossiler KohlenstolTlrüger haben? Für die Volkswirtschaft kann ein Zusammenhang zwischen der Steigerung des Nationaleinkommens bzw. der Bruttoproduktion und dem Verbrauch an Primärenergie aufgezeigt werden (Abb. I). Das Wachstum des Primärenergieverbrauchs blieb deutlich hinter dem Wachstum der Produktion zurück. Trotzdem hat die Energieproduktion absolut zugenommen.

Abb. 1 Energieproduktion und gesellschaftliches Gesamtprodukt der DDR Statistisches Jahrbuch der DDR 1978. Unsere Heserven an einheimischer Braunkohle sind recht groß, aber letztlich doch begrenzt. Der Förderungsaufwand steigt schnell ati. Wir werden aus verschiedenen Gründen die gegenwärtige Fördermenge nicht entscheidend erhöhen können. Ebenso kann nicht mit einer wesentlichen Steigerung der ölimporle gerechnet werden. Wir sehen unter diesen Bedingungen drei Wege, die Lücke zwischen Aufkommen und Bedarf an Gebrauchsenergie und organischen Chcmiegrundsloffen zu schließen: 1. Erhöhung des Aufkommens aus den gegenwärtig zur Verfügung siehenden fossilen Kohlenstoffträgern durch intensivere Ausnutzung bei der Gebrauchsenergie- und Grundstofferzeugung, 2. Bereitstellung neuer Energie- und Kohlenstoff träger. 7

3 . E i n s c h r ä n k u n g des Energie- und M a t e r i a l v e r b r a u c h e s in allen S p h ä r e n der Konsumtion. W i r m ö c h t e n darlegen, welche Möglichkeiten sieh durch diese 3

Lösungswege

eröffnen k ö n n e n .

Möglichkeiten der Erhöhung des Aufkommens aus den zur Verfügung stehenden fossilen Koldenstoffträgern

gegenwärtig

Gegenwärtig stehen 3 fossile K o h l e n s t o f f t r ä g e r in größerer M e n g e zur Verfüg u n g : B r a u n k o h l e , E r d ö l und E r d g a s . Ihren Anteil a m

Eriergieaufkoinmen

der

D D R m a c h t (Abb. 2) deutlich. B r a u n k o h l e wird zu über !)()% energetisch genutzt. Aus ihr wurden I.Ü76 8 2 % der Elektroenergie und rund 4 2 % des F e r n g a s e s hergeslelll.

Erdans

Stpihrwiue

Kprnpnprnip

uuu

Steinkohlenkoks

7,7%

Abb. 2 Anteil der fossilen Kohlenstoffträger am Priinärenergieverbraucli der DDR Statistisches Jahrbuch der DDR 1978. Ein T e i l wird auch sloliwirlschafllich verwendet.

1 9 7 6 v e r a r b c i l c l c n z. 13. die

Schwelereien 1 2 , 6 M i o t K o h l e . Das w a r e n 5 , 1 % der ( ¡ e s a n i l f ö r d e r u n g . Auch E r d ö l w i l d z u m größten T e i l für energetische Zwecke verwendet, 1 9 7 6 waren das noch 8 9 % (einschließlich der Kraftstoffe). M a n k a n n also sagen, d a ß nicht n u r die B r a u n k o h l e , sondern auch Erdöl und Erdgas v o r allein energetisch genutzt, d. Ii. in irgendeiner W e i s e v e r b r a n n t werden. D a r a u s

8

läßt sich als allgemeine

Feststellung bereits ableiten,

daß

die

r a l i o n c 11 c

Energien m Wandlung

im M i t t e l p u n k t liche

und

E n e r g i e an w e n d u n g

stehen

müssen,

wenn

A u s n ii I z ii n g d e r

fossilen

K o h 1e n s I o f f I r ä g e r

es u m d i e

bestmöggehl.

W i r sind der Meinung, daß dies möglieh ist durch a) optimale Verteilung der fossilen KohlensloiTträgcr auf die spezifischen Verarheitungsverfahren, h) Erhöhung der slolTlichen und energelischen Wirkungsgrade der Verfallren. c) bessere Nutzung der entslehenden Produkte. Diese Möglichkeiten seien im folgenden kurz besprochen: Die optimale Verteilung der fossilen Kohlensloillriiger bedeutet,

Braunkohle.

Erdöl und Erdgas den verschiedenen Verfahren (Eleklroenergieerzeiigung, oder Synthesegaserzeugung,

Herstellung von Kraftstoffen usw.) so

Fern-

zuzuordnen,

daß insgesamt der größte Nutzen entsteht. Dabei ist zunächst die Frage zu beantworten, sollen diese Rohstoffe vornehmlich stoffwirlschaftlich oder vornehmlich energetisch verwendet werden. W a s man an ChemierohstoiTen mehr erzeugt, gehl an linergie verloren und umgekehrt. Benötigt wird beides

dringend.

Als ich feststellte, daß die 3 Kohlenstoff träger gleichermaßen stoffwirlschaftlich oder energetisch einsetzbar sind, ging ich von den prinzipiellen lichlieiten

technischen

Mög-

aus. Die Möglichkeiten werden jedoch in der Praxis durch die chemi-

schen, physikalischen und Verarbeitungseigenschaflen der Rohstoffe modifiziert. So unterscheiden sich Braunkohle, Erdöl und Erdgas wesentlich durch das Verhältnis von Wasserstoff- und KohlenstofTanleil in ihnen. Das Wasserstoff-KohlenSteinkohle

Braunkohle

Öl

Gas

Wasserstoff: Kohlenstoff

Kohlenstoff

Wasserstoff

Naphthalin

Benzen

Ethen

Wasserstoff' Kohlenstoff

Kohlenstoff

Wasserstoff

Abb. 3 Das Wasserstoff-Kohlenstoff-Verhältnis der fossilen Kohlenstoffträger Eigene Angaben.

9

sloffverhältnis hat großen Einfluß auf die technischen Bedingungen und damit auf die Effektivität der stoffwirtschaftlichen Verarbeitung. In (Abb. 3) sind die II : C-Verhältnisse der Rohstoffe dargestellt. Die organischen Verbindungen der Rohbraunkohle verfügen im allgemeinen über einen wesentlich geringeren Wassersloffanteil als die notwendigen Chemiegrundstoffe. Deshalb muß bei der stoffwirtschaftlichen Verwendung der Kohle in den meisten Fällen Wasserstoff zugeführt werden. Dafür gibt es /.war bewährte, verfahrenstechnische Lösungen, aber sie sind alle sehr energie- und investaufwendig. Dieser Umstand weist uns nachdrücklich darauf hin, daß Erdöl und Erdgas grundsätzlich für die stoffwirtschaftliche Verwendung prädestiniert sind. Auch hinsichtlich des Energieinhaltes, des Aggregalzustandes, des Anteils an anorganischen Substanzen und Heteroatomen, insbesondere Sauerstoff, bestehen gravierende Unterschiede, wie übrigens auch zwischen den verschiedenen Kohlen. Das führt schließlich dazu, daß die Erdöl- und Erdgasverarbeitung der Braunkohleverarbeitung hinsichtlich — der Arbeitsproduktivität — der Grundfondsintensität — der Wirkungen auf die Umwelt — der Arbeitsbedingungen und — der energetischen und stoffwirtschaftlichen Wirkungsgrade überlegen ist. Dabei ist das Effektivitätsgefälle zwischen Braunkohle- und Erdöl- und Erdgasverarbeitung stark von der Anzahl der Prozeßstufen abhängig, die jeweils benötigt. werden. Und hier ist es eben ein großer Unterschied, ob Kraftstoffe in einem Prozeß durch atmosphärische Destillation aus Erdöl gewonnen werden können oder über — Rrikettierung — Schwelung der Briketts — Vergasung des Schwelkokses — Konvertierung des Rohgases — Fischer-Tropsch-Synthese. und anschließende — Reformierung des Rohbenzins entstehen. Zum Beispiel ist älteren Angaben nach die Arbeitsproduktivität der Erdöl- und Erdgasverarbeitung bis 20mal größer und der Bedarf an Investitionen bis 10mal geringer als bei Kohleverarbeitungsverfahren zur Herstellung von Kraftstoff. Aus diesen und weiteren Überlegungen ergeben sich folgende Tendenzen für den optimalen Einsatz von Erdöl, Erdgas und Kohle: 1. Erdöl und Erdgas gestatten gegenwärtig eine wesentlich effektivere Stoffwirtschaft als die Kohle. Solange sie unter Wahrung der volkswirtschaftlichen Effektivität zugänglich sind, sollten sie verwendet werden.

10

2. Bei der unmittelbaren Verbrennung im Dampferzeuger kann die Braunkohle eine vergleichsweise hohe Effektivität vor allem bei Grundlastkraftwerken erreichen, weil die Kohle direkt aus dem Tagebau in die Kraftwerke gefahren und dort verbrannt werden kann. Iis findet keine aufwendige Vorbehandlung statt, und mit Elektroenergie und Fernwärme fallen unmittelbar Endprodukte aa. Deshalb sollte eine Resubstitution von Erdöl durch Kohle zuerst bei der Erzeugung von Elektroenergie und Fernwärme erfolgen. Es muß allerdings bemerkt werden, daß eine Substitution durch Kernenergie günstiger wäre, wenn die Möglichkeiten dazu im notwendigen Zeitraum bestünden. .'¡. Als nächste Möglichkeit der Substitution von Erdöl durch Braunkohle folgt die BHT-Verkokung und die Vergasung. Diese Verfahren sind bereits mehrstufig. Sie erscheinen effektiv, wenn die entstehenden Produkte weilerveredelt und die Mehraufwendungen der Vorstufen durch möglichst hohe Gebrauchswerlsteigerung der Folgeprodukte kompensiert werden. Auf der Grundlage der Synthesegase lassen sich Ammoniak, Harnstoff, Methanol und langkettige Kohlenwasserstoffe herstellen. Die Methanolsynthese z. B. gewinnt dabei an Bedeutung und kann neue Möglichkeiten der industriellen Stoffwandlung eröffnen und zur Kraflstoffversorgung beitragen. 4. Erst nach diesen Schritten folgt die Substitution von Erdöl durch Kohle durch Entgasungsverfahren (Schwelung) und die Extraktion wasserstoffreicher Inhaltsstoffe aus Kohle und deren Weiterverarbeitung sowie die 1 lydrierung von Kohle bzw. Kohleinhaltsstoffen zum Beispiel zu Kraftstoffen. Das Energieflußbild der DDR zeigt, daß wir jedoch f ü r die Entgasungsverfahren relativ viel Braunkohle bereitstellen. Gegenwärtig wird die Schwelerei in Espenhain mit großer Anstrengung rekonstruiert, was unterstreicht, daß wir an diesen Verfahren festhalten wollen. Hier handelt es sich um eine der Fragen, die nur durch eine komplexe volkswirtschaftliche Betrachtung verständlich werden. Tatsächlich sollen für die Gewinnung von ungefähr 500 kt Teer/a rund 8 Mio t Braunkohle verarbeitet werden, wobei auch Braunkohlenschwelkoks anfällt. Das ist ein sehr großer Braunkohleeinsatz für diese Menge an Flüssigprodukten. Durch die Verarbeitung dieses Teers zu hochwertigem Elektrodenkoks sichern wir jedoch die Versorgung der Metallurgie mit einem hochwertigen Produkt der Grundchemie, das überdies aus Erdöl in dieser Qualität nur schwer herstellbar ist. Bei dieser Verarbeitung entstehen noch andere Produkte (Abb. 4), was uns auf einen weiteren wichtigen Umstand hinweist: Die Energiewirtschaft der DDR hat sich historisch anders entwickelt als die anderer Industriestaaten und ist durch einige Besonderheiten gekennzeichnet. Der Übergang zur Erdöl- und Erdgasverarbeitung fand auch bei uns statt, und es wäre wegen der damit verbundenen ökonomischen und verfahrenstechnischen Vorteile auch gar nicht zu verantworten gewesen, diesen Schritt nicht mitzugehen. Aber wir haben uns doch eine umfangreiche karbochemische Produktion auf der Basis der

11

einheimischen R o h s t o f f e erhalten u n d erzeugen einen großen Teil der G e b r a u c h s energie aus unserer B r a u n k o h l e (Abb. 5). Das erleichtert uns gegenwärtig die notwendige Orientierung auf

ausgewählte

K o h l e v e r a r b e i l u n g s v e r f a h r e n , weil wir v o n völlig anderen V o r a u s s e t z u n g e n

aus-

gehen als andere entwickelte I n d u s l r i e n a l i o n e n , u n d diesen Vorteil gilt es zu nutzen. Allerdings — und das zeigt das Beispiel der R e k o n s l r u k l i o n s m a ß n a h m e n Kspenhain — k a n n es k e i n e einfache F o r t s e t z u n g der traditionellen

in

Kohleverar-

b e i l u n g geben. Die T e e r e aus der Schwelerei werden z. B . nicht m e h r vorrangig zu Kraftstoffen hydriert, sondern — wie schon e r w ä h n t — zu e i n e m wertvollen

Koks

verarbeitet, der hochveredelt die Palette der E r d ö l p r o d u k t e sinnvoll und effektiv ergänzt.

Schwelwasser

Schwelgas

Schwefel Abb. 4 Produktschema lung) Eigene Angaben.

Kohle

der Tieftemperaturentgasung

Öl . Erdgas

von Braunkohlebriketts

übrige

73

71,6 53

47

28 19,7 5,7 DDR Abb. 5

m

5,0

BRD

19

27 17 7,0 m USA

3,0

7,0

Japan

Energieverbrauchsstrukturen ausgewählter Industriestaaten (1976)

Nach World Energy Supplies 1 9 7 2 - 1 9 7 6 . New York 1978.

12

Phenole (Schwe-

Die Substitution von Erdöl durch Kohle führt bei unterschiedlichen Verfahren zu unterschiedlichen stoif wirtschaftlichen Elleklen (Abb. G).

LI

0

Elektroenergie-

l_l Spülgas-schweiung

LI 8HTVerkokung

LI WinklerVergasung

L_1 Kohlehydrierung

LI

LI

CarbidProduktion

FestbetlDruckverqasung

LI

LI—

KoppenJotiekVergasung

FischerJropschSynthese

Abb. 6 Zur Substitution voi» 1 t Erdöl erforderliche Braunkohlcmenge Eigene Berechnungen. Ein Rechenbeispiel soll die Größenordnungen der Reserven zeigen, die durch, optimale Verteilung von fossilen organischen Kohlenstoilträgern freigesetzt werden könnten. Gegenwärtig werden ca. 4,5 Mio l Erdölprodukte (Deslillalionsrückstände u. a.) in Dampferzeugern verbrannt. Zu ihrer Substitution sind 2 3 Mio t Rohbraunkohle erforderlich. Andererseits könnten diese 4,5 Mio t Erdölprodukte, wenn sie dazu benutzt würden, Braunkohle stoflwirtschaftlich zu substituieren, 3 4 — 4 5 Mio t Rohbraunkohle freisetzten. Das ist natürlich eine Überschlagsrechnung. Die gegenseitige Substitution von Kohle und Erdöl dürfte folgenden Tendenzen entsprechen: — Braunkohle ersetzt das Erdöl in den energetischen

Funktionen, in erster Linie

bei der Elektroenergieerzeugung und der Bereitstellung von Fernwärme. 2 — Erdöl bleibt so lange wie möglich Rohstoff für stoffwirtschaltliche

Veredlung,

besonders für solche Produkte, zu deren Herstellung die Braunkohleverarbeitung viele Prozeßstufen benötigt und deren Wasserstoffbedarf groß ist. — Ein Mittelweg, der der Kohle sowohl eine energetische als auch eine sloffwirtschaflliche Perspektive eröffnet, ist die Vergasung. Die Entwicklung eines neuen Vergasungsverfahrens, bei dem im Gegensatz zu dem gegenwärtig gebräuchlichen zwei aufwendige Prozeßschritte

eingespart

werden, ist ein wichtiger Beitrag in diese Richtung. Diese M a ß n a h m e wurde von Erich Iloneckcr im Bericht an das 11. Plenum des Z K der S E D aus gutem Grund hervorgehoben. Bei diesen Betrachtungen müssen wir uns aber darüber im klaren sein, eine der

ausschließlich Verfahren

nügt.

bzw.

stofflich- energetische der

daß

Beurteilung

Roh Stoffverwendung

nicht

ge-

Ich wies bereits darauf hin, daß sich Erdöl-/Erdgas-Verarbeitung

Braunkohleverarbeitung

auch hinsichtlich der Fondsaufwendungen

sehr

und

unter-

scheiden.

13

Deshalb ist es nicht ausreichend, nur die stofflichen und energetischen Wirkungsgrude sowie die laufenden Aufwendungen für die Verfahren zu berücksichtigen, sondern es müssen vor allem die Investitionsaufwendungen beachtet werden. W i r sind jedoch hinsichtlich einer solchen komplexen volkswirtschaftlichen Bewertung der Verarbeitungsverfahren methodisch nicht sicher und vertreten die Meinung, daß Chemiker,

Verfahrenstechniker,

Energetiker und

Wirtschaftswissenschaftler

gemeinsam an der Ermittlung der komplexen volkswirtschaftlichen

Effektivität

solcher Varianten arbeiten sollten und sehen hier einen Schwerpunkt gemeinsamer Forschung.

Möglichkeiten der intensiveren Nutzung der fossilen Kohlenstoff durch Verbesserung der Verarbeitungsverfahren

träger

Dabei geht es um die Verbesserung der energetischen und stofflichen Wirkungsgrade (Abb. 7). Sie sind sehr unterschiedlich und scheinen bei den

Braunkohle-

verarbeitungsverfahren auf große Reserven hinzuweisen. Aber die Wirkungsgrade dieser Verfahren können nur mit großem Aufwand verbessert werden. So gellen Wirkungsgrade von 3 6 % für Kondensationskraftwerke international als sehr gute Werte. Sie werden nur in den modernsten Anlagen erreicht. Ein

Wirkungsgrad

von beispielsweise 5 0 % ist für diesen Kraftwerkstyp großtechnisch

gegenwärtig

nicht erreichbar. Das bedeutet, daß der Wirkungsgradverbesserung

bestehender

0,82 0,76

0,62

0,6 0,5

Q47

0,32

0,3 0,26

Elektroenergieproduklion

SpülgasSchwelung

BHlWinklerVerkokung Vergasung

Kohlehydrierung

CarbidProduktion

Abb. 7 Energetischer Wirkungsgrad rj ausgewählter Eigene Berechnungen.

14

FestbellDruckvergasung

KoppersTotiekVergasung

FischerIropschSynthese

Braunkohleverarbeitungsverfahren

Anlagen bzw. bekannter Verfahren technisch und vor allem ökonomisch Grenzen gesetzt sind, liier wird besonders deutlich, daß die wissenschaftlich-technische Lösung eines Problems und seine großtechnische Realisierung zwei verschiedene Dinge sind. Für die meisten Verfahren zur Verarbeitung fossiler Kohlenstoffu-ager liegen wissenschaftlich-technische Weiterentwicklungen vor. So auch für das FischerTropsch-Verfahren, durch das bereits vor 40—4ö Jahren in Deutschland ein großer Teil der Kraftsloire hergestellt wurde. Wir können diesen Weg — wie auch einige andere — aber gegenwärtig nicht beschreiten, weil — der Bedarf auf völlig neue Dimensionen angewachsen ist, — wir eine bestimmte vorhandene Struktur der Grundfonds berücksichtigen müssen, — wir die Mengen an Einsalzkohlen im notwendigen Zeitraum nicht freistellen können, — die Arbeitsbedingungen und Umweltbelastung früherer Jahrzehnte heule nicht mehr zulässig sind und gerade bei Braunkohleverarbeilungsverfahren hohe Aufwendungen zu ihrer Verbesserung erforderlich sind, — das Verfahren sehr viele Arbeitskräfte erforderte, die gegenwärtig mit hohem Aufwand durch Mechanisierung und Automatisierung freigesetzt werden müßten. Dieser Freisetzungsaufwaiid bestimmt maßgeblich die Investitionskosten, die um Größenordnungen höher sind als vor 40—50 Jahren. Zusammenfassend kann man sagen, daß die Lösung der Rohstoff- und Energieproblematik nicht allein dadurch erreicht werden kann, die Wirkungsgrade herkömmlicher Anlagen auf den maximalen Wirkungsgrad zu verbessern, auch wenn man das dort, wo es ohne zu großem Autwand möglich ist. tun muß. Die Intensivierung der RohstoiTvcrarbeitung kann jedoch auch auf anderen Wegen erfolgen. Ein Blick auf die Geschichte der Braunkohleverarbeitung zeigt ein enges Wechsclverhällnis zwischen den spezifischen Eigenschaften des Rohstoffes, den verfahrenstechnischen Möglichkeiten und den gesellschaftlichen Bedürfnissen der entsprechendeil historischen Periode. Die Intensivierung der Kohlenslofflrägervcrarbeitung ging mit einer sich ständig verbessernden Übereinstimmung der Verfahrensergebnisse mit den gesellschaftlichen Bedürfnissen einher. Dabei sind 2 Tendenzen feststellbar: 1. Fortschreitende Anpassung der Verfahren an die Anweuderforderuiigen — also anwendergerechle Verfahren. Ein typisches Beispiel ist die Synlhesegaslierslelluiig, die genau auf einen spezifischen Anwendungszweck gerichtet war. 2. Aufdeckung neuer Möglichkeiten, die Produktpalelle bedarfsgerecht zu erweitern, insbesondere dadurch, daß unerwünschte Abprodukte als Nutzprodukte eingesetzt werdeil können oder durch Erschließung neuer Anwendungsgebiete sogar zu Zielprodukten werden. 15

Beispiele dafür sind die Verwendung von Schwelteer zur Herstellung von Elektrodenkoks, die gegenüber der früher üblichen Hydrierung zu einer beträchtlichen Gebrauchswertsteigerung führt und die Gewinnung von Phenol aus dem Schwelwasser, die ein bereits historisches Beispiel für die Aufarbeitung eines Schadstolles zu einem Zielprodukt darstellt. Große Reserven liegen in der tieferen Spaltung des Erdöls. Die Nutzung dieses Rohstoffes kann man zur Gewinnung von organischen Grundstoffen und Kraftstoffen in 4 Verarbeitungskonzeptionen einteilen: — nur die atmosphärische Destillation von Erdöl. — zusätzlich die Vakuumdestillation des atmosphärischen Rückstandes, — zusätzlich die hydrierende Verarbeitung von Destillatfraktionen, — zusätzlich die spaltende Verarbeitung von höher siedenden Erdölfraktionen. Nach der 1. Konzeption erfolgt eine technisch einfache und wenig aufwendige Abtrennung von ca. 30—50% des Erdöls, die zu Kraftstoffen usw. v erarbeitet werden können. Mit jedem der genannten zusätzlichen Prozesse gelingt eine bessere Ausnutzung des Erdöls f ü r sloffwirlsehaflliche Zwecke und Kraftstoffe, bis schließlich die spaltende Verarbeitung auch die letzten flüssigen Bestandteile für die stoffwirlschafllielie Nutzung aufschließt und als fester Rückstand Koks zurückbleibt. Jede dieser Prozeßslufen ist aber auch mit Wirkungsgradverluslen und steigenden Investitionsaufwendungen verbunden. In der größtmöglichen Ubereinstimmung von technischen Möglichkeiten mit den gesellschaftlichen Bedingungen und Forderungen sehen wir entscheidende Reserven zur Intensivierung der Kohlenstoffträgerverarbeitung. Diese Überlegung trifft übrigens auch auf alle anderen Rohstoffe zu. Die Ausführungen über die bessere Nutzung der gegenwärtig vorhandenen fossilen Kohlenstoff träger möchte ich mit der Feststellung abschließen, daß wir durch optimalen Einsatz dieser Rohstoffe und Intensivierung ihrer Verarbeitung bedeutende Reserven erschließen können. Es m u ß uns aber ebenso klar sein, daß wir allein damit die langfristige Versorgung einer sich dynamisch entwickelnden Volkswirtschaft nicht sichern werden.

Einsatz neuer Energie- und

Kohlenstoffträger

Die Möglichkeiten der Erzeugung von Gebrauchsenergie und Chemierohstoffen können am besten im Verhältnis zum gesellschaftlichen Bedarf beurteilt werden. Die jährliche Fördermenge von Braunkohle wird durch einige Faktoren begrenzt: — Erstens erlauben unsere technischen und ökonomischen Mittel nur eine bestimmte Jahresförderung. Dazu machte KM Stzrodka in seinem Vortrag „Zur Rohstoffversorgung der DDR" sehr deutlich, daß die Braunkohlegewinnung immer größere volkswirtschaftliche Anstrengungen verlangt. iÜ

— Zweitens dürfen wir auch nichl außer acht lassen, daß nach dem Ende der „Erdölepoche", die, unserem heutigen Erkenntnisstand nach, nur ein historisch relativ kurzer Abschnitt der technischen Entwicklung der Menschheit sein wird, noch Kohle vorhanden sein muß. — Drittens muß die Erweiterung und auch die Einschränkung bzw. Einstellung der Braunkohleförderung technologischen und ökonomischen Grundsätzen folgen. Es ist weder eine schlagartige Steigerung der Förderung möglich noch ein plötzlicher Abbruch ökonomisch vertretbar. Vielmehr müssen wir von einer langjährigen Auslaufkurve ausgehen, die u. a. die Nutzungsdauer der Fördergeräte und der Verarbeitungsanlagen berücksichtigt. Die Importmenge von Erdgas und Erdöl ist aus bekannten Gründen ebenfalls begrenzt. Daraus geht hervor, daß bereits ab 1980 verstärkt weitere Energieträger eingesetzt werden müssen. Dafür bieten sich regenerierbar — und deshalb vorteilhaft scheinend — — die Sonnenenergie, — die Windenergie und — die energetische Verwertung der landwirtschaftlichen Biomasse an. Unter den nicht regenerierbaren sind die Steinkohle und die Kernenergie zu nennen. Die Nutzung der Sonnen- und Windenergie ist in den letzten Jahren sehr oft diskutiert worden. Unter den geographischen Bedingungen der DDR wird die Energiegewinnung aus diesen Quellen jedoch keinen entscheidenden Beitrag zur Gesamtenergiebilanz leisten können. Das gilt auch für die energetische Verwendung von Biomassen. Im Vortrag vor dem Plenum über die Bedeutung und den Einfluß der Chemie auf die Entwicklung der industriemäßigen Produktion der Landwirtschaft sind wir auf die Frage der Nutzung landwirtschaftlicher Produkte als Rohstoffe für die Energie- und StofTwirlschafl eingegangen, so daß ich hier nur wenige Bemerkungen zu machen brauche. In (Abb. 8) sind die bisher bekannten Möglichkeiten des Einsatzes von Biomassen zur Erzeugung von Energie und chemischen Grundstoffen dargestellt. Wir hatten in unserem Vortrag aber auch feststellen müssen, daß durch das Fehlen energiesparender Aufschlußverfahren f ü r die verbreitetste landwirtschaftliche Kohlenstollquelle. die Cellulose, und wegen der geringen Fläohendichte und Geschwindigkeit der Produktion von Pflanzenmaterial ein industrieller Einsatz z. Z. nur unter besonderen Bedingungen zweckmäßig ist. Die Landwirtschaft der DDR erzeugt jährlich rund 30 Mio t Trockenbiomasse. Selbst wenn wir davon die Hälfte energetisch verwenden würden, entspräche das nur ungefähr 8—10% unseres Primärenergieaufkommens. Die Vorteile durch die Entlastung der Energiebilanz würden aber wohl kaum ausreichen, um die Nachteile auszugleichen, die f ü r die Le17

r

Verbrennung

C(H?0)n

Gärung

polymer

\

Pyrolyse

Wärme

+ co2

Methan

+ CO2 + feste

Synlhesegas

+ CO2 +

flüssige Produkte

Wasserstoff

C02

+

Eiwei/1

Äthanol

+ C02

+

Eiweifi

Wärme

+ C02 +H20 + Eiweiß

Reforming

+ H2O

Rückstände

Cellulose Gärung

n.

Gärung

ClH20!n

einfach

oxid. Fermentation

Gärung

Aceton Bulanol 2,3 - Butandiol Milchsäure Propionsäure Buttersäure

C02

Eiwei/i

Abb. 8 Möglichkeiten des Einsnt7.es von Biomassen Böhme, Keil, Philipp, Ringpfeil, Bedeutung und Einfluß der Chemie auf die Entwicklung der industriemäßigen Produktion der Landwirtschaft. Vortrag vor dem Plenum der Akademie der Wissenschaften der DDR am 13. 4. 1978. bensmittelproduktion entstünden. O M B n r k a r t P h i l i p p wird in e i n e m V o r t r a g über die Nutzung' des H o l / e s sielier n ä h e r auf dieses P r o b l e m eingehen. Die überschlägliche R e c h n u n g charakterisiert die gegenwärtige B e d e u t u n g

der

regenerierbaren E n e r g i e t r ä g e r im allgemeinen. Diese E i n s c h ä t z u n g bedeutet nicht, d a ß S o n n e n - u n d W i n d e n e r g i e sowie die energetische V e r w e n d u n g von B i o m a s s e n grundsätzlich u n b e d e u t e n d wären, sie werden sicher örtliche B e d e u t u n g erlangen. I h r e R o l l e müssen wir jedoch i m m e r unter dem Aspekt betrachten, — d a ß die Nutzung dieser E n e r g i e n relativ h o h e n F o n d s a u f w a n d erfordert und — d a ß diese Energiequellen u n m i t t e l b a r oder m i t t e l b a r begrenzt sind und d e s h a l b mit

steigendem

Gesamtenergieverbrauch

A u f k o m m e n a u s m a c h e n werden.

18

einen

relativ

sinkenden Anteil

am

W e n n wir von d e r Entwicklung des Braunkohle- u n d E r d ö l a u f k o m m e n s ausgehen, müssen wir, auch w e n n wir eine geringere Entwicklung des E n e r g i e v e r b r a u ches als bisher a n n e h m e n , etwa ab 1990 verstärkt Kernenergie einsetzen. Dazu möchte ich noch einige B e m e r k u n g e n machen, weil auch in diesem Fall durchaus andere Auffassungen möglich sind. Die Steinkohlereserven sind wesentlich größer als die aller a n d e r e n fossilen Kohlenstroffträger z u s a m m e n , ü b e r d i e s befindet sich ein b e d e u t e n d e r Teil v o n ihnen auf d e m Gebiet des R G W . Iis liegt sehr nahe, der Steinkohle die Rolle des z u k ü n f t i g e n universellen Energie- u n d Kohlenstoilspenders ü b e r t r a g e n zu wollen. Der Einsatz von Steinkohle ist f ü r die DDR jedoch mit einigen P r o b l e m e n verbunden: — W i r besitzen keine S t e i n k o h l e v o r k o m m e n . — W i r v e r f ü g e n gegenwärtig ü b e r keine n e n n e n s w e r t e n K a p a z i t ä t e n z u r Sleink o h l e n v e r a r b e i t u n g u n d m ü ß t e n sie langfristig a u f b a u e n . — Der T r a n s p o r t der Steinkohle ist aufwendig, ü b e r weite E n t f e r n u n g ist gegenwärtig n u r der SchilTtransport rentabel. — Die Steinkohleimporte w ü r d e n die Wirtschaftskraft der D D R erheblich belasten. ohne d a ß Steinkohle die entscheidenden Produktivilätsvorleile des E r d öls und Erdgases bietet. l i i e r bietet sich eine Beteiligung an Investitionen zur Erschließung und Verarbeitung von Steinkohlen im R a h m e n des R G W an und d e r Bezug von organischen Grundstoffen, die als flüssige oder gasförmige P r o d u k t e leichter, z. T. vielleicht in den bestehenden T r a n s p o r t s y s t e m e n transportiert werden könnten. Dabei soll nicht u n e r w ä h n t bleiben, d a ß die A d W d e r U d S S R ihr großes Interesse an der Zusammenarbeit auf d e m Gebiet d e r Carbocliemie zum Ausdruck gebracht hat. W i e bereils bei der Untersuchung d e r Subslitutionsmöglichkeiten zwischen B r a u n k o h l e und Erdöl wird auch hier deutlich, d a ß die A u s n u t z u n g technischer Möglichkeiten von den konkreten Bedingungen der Volkswirtschaft a b h ä n g t . Welche W i r k u n g wird die verstärkte A n w e n d u n g der K e r n e n e r g i e auf die Vera r b e i t u n g fossiler Kohlenstoflträger h a b e n ? Die Kernenergie wird, das liegt in d e r N a t u r d e r Sache, zunächst die Energiesiluation entlasten. W e n n die B r a u n k o h l e das Erdöl aus seinen energetischen F u n k t i o n e n v e r d r ä n gen soll, müssen sich später notgedrungen zwei T e n d e n z e n ü b e r l a g e r n : Die B r a u n k o h l e ersetzt das Erdöl bei der Elektroenergie- u n d F e r n w ä r m e e r z e u g u n g u n d wird z u n e h m e n d selbst von der Kernenergie substituiert. Dadurch wird zunächst Erdöl, später aber auch Kohle, f ü r die stofTwirtsehaftliche V e r w e n d u n g frei. W a n n diese E t a p p e n a b l a u f e n , hängt in erster Linie v o n der Steigerungsrate d e r Kernenergieerzeugung ab. Unser erstes Ziel m u ß sein, so viel Kernenergie bereitzustellen, d a ß d e r Zuwachs des Energieverbrauchs gedeckt werden k a n n .

19

Die zweite Stufe wird die schrittweise Freisetzung von Kohle und Erdöl sein, indem die Kernenergie nicht nur den Zuwachs an Gebrauchsenergie sichert, sondern bisherige Energieträger — die fossilen Kohlenstoffträgcr — substituiert. Die dritte Stufe besteht in der stoflwirtschafllichen Nutzung der freigesetzten Kohle, die volkswirtschaftlich besonders vorteilhaft erscheint, wenn der stoffliche Wirkungsgrad der Braunkohleverarbeitung durch Bereitstellung von nuklearer Prozeßwärme verbessert werden kann. Dabei lassen sich die in (Abb. 9) gezeigten guten Gesamlwirkungsgradc erreichen.

900

9S0

1000

°C

1100

Heliumaustrittstemperatur

Abb. 9

Wirkungsgrade

der Braunkohlcverarbeitung

bei Nutzung nuklearer

Prozeß-

wärme Eigene Berechnungen.

Jede dieser Stufen erfordert eine Zunahme des Entwicklungstempos der Kernenergieerzeugung und nicht bloß elwa die Fortsetzung einer schon erreichten Zuwachsrate. Die Kopplung von Kernenergie und Braunkohle wird der Volkswirtschaft auch nach der Erschöpfung der Erdölreserven eine Basis geben, wenn Energie durch Kernkraft und Chemiegrundstoffe durch die Kohle bereitgestellt werden. Das stellt auch der Präsident der AdW der UdSSR, AM Alexandrow, in seinem Artikel zu den Perspektiven der Energiewirtschaft im ND 3 fest.

20

Er brachte z u m Ausdruck, d a ß es noch nicht zu spät sei, mit einer Unigestaltung der Energiewirtschaft zu beginnen und behandelt sowohl die Kernenergetik und die umfassendere Mutzung der Kohle als auch die Entwicklung des Erdöls und des Erdgases und spricht in diesem Zusammenhang von einer Übergangsperiode. Wenn wir von dem voraussichtlichen Termin der Erschöpfung unserer Braunkohlenreserven zurückrechnen, kommen wir zu dein Schluß, d a ß zwischen 1990 und 2000 das letzte Braunkohlengroßkraftwerk gebaut werden wird. Ein solches Kraftwerk verbraucht bei einer Leistung von 1 000 M W stündlich etwa 1 2 0 0 l Rohbraunkohle und benötigt f ü r eine 30jährige Belriebszeil eine Lagerstätte von 250 Mio l Braunkohle. Die erforderlichen Projeklierungs- und Aufschlußarbeileii m ü ß t e n noch in diesem J a h r z e h n t beginnen. Zu diesem Zeitpunkt m u ß aber auch spätestens feststehen, welcher Teil der Braunkohle für eine sloirwirlschaflliche Nutzung erhallen bleiben m u ß . W e n n nach 1990—2000 keine Kohlekraflwerke gebaut werden, liegt auf der Hand, d a ß spätestens zu diesem Zeitpunkt die K e r n k r a f t w e r k e den Zuwachs an Elektroenergie und F e r n w ä r m e sowie die beginnende Stillegung veralteter Braunkoldekraftwerke abfangen müssen. Da Kernkraftwerke gegenwärtig teurer sind als Braunkohlenkraflwerke, wir überdies bei verstärktem Einsatz von K e r n k r a f t eine entsprechende Instandhallungs- und Entsorgungsindustrie sichern müssen, die bisher noch nicht in diesem Umfang nötig war, ist a m Ende dieses Jahrzehntes mit einer h o h e n Belastung der Volkswirtschaft durch Investitionen zu rechnen, worauf wir uns heule schon vorbereiten müssen. Die bisherigen Betrachtungen bezogen sich vornehmlich auf die Sicherung des Energieverbrauches. In welchem Maße ist der Einsatz weiterer Kohlenslofflräger erforderlich und möglich? Grundsätzlich m u ß auf die Relation hingewiesen werden, die zwischen dem energetisch und dem slofTwirlschaftlieh eingesetzten Anteil von fossilen organischen Kohlenstofllrägern besteht. Daraus ergibt sich, d a ß bereits eine geringfügige Verschiebung der Verwendungsverhällnisse zu einem relativ großen M e h r a u f k o m m e n f ü r die sloffwirlschaftliche Verwendung f ü h r e n kann. Zunächst liegen also dort die Reserven der SlolfWirtschaft. Als Slofflieferant spielt übrigens — wegen der geringeren Mengeildimensionen — die Landwirtschaft eine bedeutende Rolle. Die landwirtschaftlichen P r o d u k t e werden, wie auch in allen vergangenen Epochen, eine bedeutende Reserve der SlofFwirtschafl bleiben. Eine wohl unerschöpfliche Quelle f ü r die Bereitstellung v o n Kohlenstoff können die fossilen anorganischen Köhlensloffträger sein, aus denen m a n eine C02-Chemie a u f b a u e n könnte. Ich möchte darauf hinweisen, daß. die recht großen Weltkohlevorräte vergleichsweise klein sind gegenüber der Kohlensloilmenge, die in den Kalk- u n d Dolomilgebirgen der E r d e gespeichert ist. Eine Ausweitung der Kohlenstoflgewinnung auf diese Vorräte wird neue Perspektiven eröffnen, die allerdings jetzt noch nicht real eingeschätzt werden können.

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Die bessere Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Rohstoffe, die Verringerung der Wandlungsverluste bei den Prozessen der Euergie- und Stoffwirlschaft und der Einsatz weiterer Energieträger helfen uns, das mögliche Aufkommen zu steigern. Die andere Seite der Aufkommens- und Bedarfsproblematik ist die Verringerung des Bedarfes.

Zur Verringerung

des Bedarfes an Gebrauchsenergie

und

Chemierohsloffen

Dafür sehen wir u. a. folgende Möglichkeiten: — Verringerung der spezifischen Verbrauche — Veränderungen in der Wirlschaflsslruklur — Veränderung der Verbrauchsgewohnheiten. Für die Verringerung der spezifischen Energie- und Malerialaufwendungen bestehen konkrete, in den Plänen der Volkswirtschaft enthaltene Zielstellungen, für deren Erreichung vielfältige wissenschaftlich-technische Maßnahmen notwendig sind. Diese Ziele werden erreicht, wenn die Energie- und Materialeinsparung auf neuen technologischen und konstruktiven Lösungen begründet ist, also auf dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt. Diese erfordern im allgemeinen Aufwendungen an Rationalisierungsmitteln und Investitionen. liier gilt es, zwei gegensätzliche Faktoren zu beachten. Einerseits erfordern technologische Änderungen oft hohe Aufwendungen, so daß die volkswirtschaftlichen Möglichkeiten die technologischen Erfodernisse beschränken, andererseits führen Rationalisierungsmaßnahmen häufig zu großen Einsparungen. Das trifft auf die rationelle Energieanwendung besonders zu. Die Bereitstellung von Investitionen bedeutet stets auch die Bereitstellung von Energieäquivalenten für diese Grundmittel. So ist in den Anlagen eines Kernkraftwerkes so viel Gebrauchsenergie vergegenständlicht, daß das Kraftwerk etwa ein J a h r benötigt, um der Volkswirtschaft die vorgeschosssene Energiemenge zurückzuliefern. Diese — sagen wir — „energetische Rückflußdauer" von Investitionen und Rationalisierungsmaßnalunen wird eine wichtige Größe für die Konzipierung grundsätzlicher Lösungen der rationellen Energieanwendung werden. Ein Blick auf den Nutzensnachweis energiewirtschaftlicher Rationalisierungsmaßnahmen zeigt, daß Anlagen zur Nutzung von Abwärme, Investitionen zur Wärmedämmung u. a. wesentlich effektiver sein können als Maßnahmen zur extensiven Erweiterung unserer Energiebasis. Solche Rationalisierungsmaßnahmen sind also „relative Energieerzeuger". Wir stellen dazu eine einfache Rechnung an: Im Bereich des MfC brachten 1976 10 Mark einmaliger Rationalisierungsaufwand eine Energieeinsparung von 1 GJ pro J a h r . Genausoviel kostete diese Energie, wenn wir sie als Erdöl einführten. 22

Allerdings gibt es zwischen Rationalisierung und Rohstoilimporl zwei Unterschiede: 1. Für den Import der Energieträger müssen wir Valuten oder entsprechende Äquivalente ausgeben; 2. müssen wir diese Ausgabe jährlich wiederholen. Im weiteren Sinne treten hier die bekannten, aber noch nicht ausreichend geklärten Probleme des Verhältnisses zwischen einmaligem und laufendem Aufwand auf. Wir hallen es für ein wichtiges Problem der Energieversorgung, wie innerhalb der Volkswirtschaft die strukturellen Zusammenhänge zwischen Import von Energie und Export von Erzeugnissen des Anlagenbaues gestaltet wird. Denn Anlagenexport bedeutet — Export ..vergegenständlichter^ Energie und in vielen Fällen — Export von Rationalisierungsmitteln. Diese Zusammenhänge sind für den Chemiker und Verfahrenstechniker im Einzelfall schwer überschaubar. Da wir nur durch eine komplexe volkswirtschaftliche Betrachtungsweise zu den notwendigen Lösungen kommen, ist auch hier eine interdisziplinäre Zusammenarbeit die Voraussetzung. Wenn wir von der Nutzung der Systemvorzüge des Sozialismus sprechen, werden gerade auf dein Gebiet rationeller Energie- und Rohstoilanwendung große Reserven sichtbar. Wir müssen sie nur wesentlich besser nutzen. Ein wichtiger Schritt zur Energie- und Rohstoilciuspurung ist die Erhöhung der Qualität, Langlebigkeit und Zuverlässigkeit der Erzeugnisse. Durch verbesserte Materialien ist z. B. eine weitere Entwicklung des Leichtbaues möglich. Das führt nicht nur bei der Herstellung, sondern auch bei allen folgenden Transportprozessen, der Montage und der Erhaltung zu Einsparungeil. Die Erhöhung der Lebensdauer hat noch größere Bedeutung. Iis ist einleuchtend, daß es nicht ausschließlich darum gehen kann, die Kosten, insbesondere den Material- und Energieaufwand zur Produktion eines hochwertigen Industrieerzeugnisses, um zu senken, sondern darum, diese Konsumgüter nicht nur 5 Jahre, sondern die mehrfache Zeil effektiv verwenden zu können. Das verlangt in erster Linie eine andere Qualität der Produkte, aber auch andere Denkweisen in der individuellen, der gesellschaftlichen und produktiven Konsumtion.

Wegwerfideologie

oder sinnvolle Verwendung

von Energie und

Material?

Ich möchte diesen Gedankengang etwas weiter ausführen und einige Bemerkungen zur Veränderung der Verbrauchsgewohnlieiten machen. Die kapitalistische Produktionsweise ist auf maximalen Profit orientiert. Daraus resultiert für den Kapitalismus völlig folgerichtig die Wegwerfideologie. Diesen W eg müssen wir aber nicht gehen, und wir dürfen ihn auch nicht gehen. Die sozialistischen Produktionsverhältnisse begründen auch sozialistische Verleilungs-

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und Konsumtionsverhältnisse. Wenn wir unsere Verbrauchsgewohnheiten beurteilen, müssen wir aber feststellen, daß noch viele, ja zu viele geschichtlich überholte und gesellschaftlich nicht optimale Verhaltensweisen vorhanden sind. Um ein Beispiel zu nennen: Auf dein Gebiet des Personentransportes erscheinen gesellschaftliche an Stelle individueller Lösungen zweckmäßiger. (Abb. 10) zeigt den unterschiedlichen Energieverbrauch für verschiedene Möglichkeiten der Personenbeförderung. Wir wollen dieses Beispiel nicht bis in seine technischen und organisatorischen Details diskutieren, denn es soll nur das Anliegen verdeutlichen. Und das bestellt darin, daß uns der Sozialismus sowohl von seiner materiellen Basis als auch von seinem ideologischen ü b e r b a u her gute Möglichkeiten bietet, größtmögliche Hediirjnisbefricdigung

mit

sinnvollster

Energie-

und

llolislofjausnulzung

zu

verbinden.

Die

Ab-

sage an Energie- und Materialverschwendung bedeutet keinesfalls die Verbreitung einer Mangelwirlschaft.

Pkw Fernzüge E- Traktion U-Bahn Straßenbahn Omnibus

2,2

3,5

6,5

Abb. 10 Energieaufwand für verschiedene Arten der Personenbeförderung Aus „IPW-Berichte" 11/79, Staatsverlag der DDR.

Zu dieser Frage gehört auch die bessere Erfassung und Nutzung der sogenannten Sekundärrohstoffe. Wie günstig sich Sloffkreisläufe nicht nur bei den Rohstoffbilanzen, sondern auch energetisch auswirken, zeigte OM Werner Lange in seinem Vortrag über „Werkstoffe und Energie". Er wies nach, wie stark der Energieaufwand sinkt, wenn Sekundärrohstoffe als Ausgangsprodukle eingesetzt werden, die Stoffe also nicht erst gebildet werden müssen. Es wurde auch deutlich, wie wichtig es ist, bei der Auswahl der Werkstoffe den Energieaufwand zu ihrer Herstellung zu berücksichtigen. Deshalb erscheint es uns notwendig, daß jeder Produzent eines Stoffes oder Erzeugnisses in wesentlich stärkerem Maße als bisher nicht nur die Verantwortung für die Qualität des Erzeugnisses trägt, sondern auch eine gesellschaftliche Verantwortung für den richtigen Einsatz bzw. die Anwendung der Produkte und ebenso für die Erfassung und volkswirtschaftlich günstige Weiterverwendung nach ihrem Ausscheiden aus der Nutzung. Dadurch würde bei der Herstellung einer Ware von Anfang an ..wiederverwendungsfreundlich" gearbeitet werden. 24

Zum Einfluß der

Wirtschaftspolitik

J e teurer Energie und Rohstoffe werden, deslo besser müssen sie ausgenutzt werden. Das bedeutet vor allem: Desto höher müssen sie veredelt werden. Das wird auch Konsequenzen für unsere Wirtschaftsstruktur haben. Die Energie- und Rohsloffsilualion legt uns folgende Schlußfolgerungen nahe: — In der DDR sollten vorrangig Industrien zum höchsten Leistungsniveau entwickelt werden, die wenig Material- und Energieaufwand erfordern und zu hochwertigen und hochveredelten Produkten führen. Auf dem Gebiet der Chemie sind das vor allem Zwischenprodukte. Pflanzenschutzmittel, Pharmazeutika, Farbstoffe, technische 11ilfsstofle und Veredlungsmittel, Spezialpolymere, Ilaushaltschemikalien, Kosmetika usw. usf. — also Produkte, die wir mit breiten Anwcndungsspektren und in vielfältigen Sortimenten herstellen können. — Die Struktur der Volkswirtschaft sollte besonders den Umstand beachten, daß die Werktätigen der DDR über eine ausgezeichnete Qualifikation und Berufserfahrung verfügen, also, um einen Terminus von Marx zu gebrauchen, komplizierte Arbeit leisten können. Die Produktionscrfahrung der Werktätigen unseres Landes, die sich im Laufe von Generationen herausgebildet hat, ist ein großer universeller Schatz, den es besonders bei der effektivsten Nutzung und hohen Veredelung eigener und importierter Rohstoffe zu nutzen gilt. In diesem Sinne verstehen wir die Bemerkung von Günther Mittag auf dem 11. Plenum des ZK der SED: „Das schöpferische Wirken von Ilunderttausenden hochgebildeten, erfahrenen wissenschaftlich-technischen Kadern . . . muß noch in ganz anderer Weise zum Ausgangspunkt qualitativer Veränderungen in der Technologie, der Qualität der Erzeugnisse, der Struktur der Produktion mit dem Ziel der höchsten Effektivität werden." Diese Vorstellungen schließen ein, daß es aus den verschiedensten Gründen nach wie vor erforderlich sein wird, viele Grundstoffe selbst herzustellen, auch solche. die energie- und stoffintensiv sind. Zusammenfassend kann man feststellen: Die ausschließlich technischen Möglichkeiten zur Sicherung unserer Energie- und Rohstoffversorgung sind nur ein Faktor zur Lösung der Probleme. Vorhandene Anlagen erlauben begrenzte Wirkungsgradverbesserungen. Neue Anlagen müssen sich stets in bereits Vorhandenes einfügen. Dies trifft auf die Energie- und Grundstoffindustrie zu und schränkt in gewisser Weise die Anwendung technischer Möglichkeiten ein. Das gilt besonders für die vorhandenen Braunkohlenverarbeitungsverfahren, während auf dem Gebiet der Erdölverarbeitung durch neue Anlagen und Verfahren noch größere Reserven erschlossen werden können. Eine aussichtsreichere Möglichkeit zur Intensivierung der Verarbeitung fossiler 25

Kohlenstollträgcr biclcl die optimale Verteilung von Braunkohle und Erdöl bzw. Erdgas auf die spezifischen Verwendungszwecke. Hier kann die Entwicklung neuer Verfahren der vertieften Erdölverarbeitung mil Strukturentscheidungen effektiv verbunden werden. Neben der intensiveren Nutzung dieser Rohstoffe m u ß die Entwicklung der Kernenergie stehen. Mit der Ausschöpfung aller Möglichkeilen der A u f k o m m e n s e r h ö h u n g m u ß eine Senkung der spezifischen Verbrauche einhergehen. Diese Aufgabe stellt uns vor das Problem, einen volkswirtschaftlich optimalen Weg zwischen Energie- und Rohstoffverbrauch hei d e m Anwender und den Aufwandsveränderungen bei d e m Erzeuger zu finden. Hierzu sind zunehmend grundsätzliche, volkswirtschaftlich optimale Lösungen erforderlich. Die Ausnutzung qualitativer Faktoren, wie Qualitätserhöhung, Steigerung der Zuverlässigkeit und der Lebensdauer, E r h ö h u n g des Gebrauchswertes bietet den Ansalzpunkt hierfür. Schließlich liegen große Reserven in der Entwicklung von Vcrhrauchsgewohnheiten, die den objektiven Umständen und den Möglichkeiten der sozialistischen Gesellsclia ftsordnung enIsprechen. Alle diese Möglichkeiten müssen gemeinsam genutzt werden. Die energiewirtscliaftliche und stoffwirlschaftliche Sicherung der weiteren Entwicklung der DDR. die stets in einer Verbindung vom wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt bestehen wird, ist wegen dieses Zusammenwirkens vieler Notwendigkeiten kein technologisches oder verfahrenstechnisches Problem allein, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe der gesamten Wissenschaft, an der viele wissenschaftliche Disziplinen mitarbeiten müssen.

Anmerkungen 1 Ich möchte den zahlreichen Kollegen des Forschungsbcrcichcs Chemie, vor allem denen des Instituts für chemische Technologie, danken für die vielen Einzelunlersuchungen, die notwendig waren, um die verallgemeinerten Aussagen machen zu können, wobei ich auf die speziellen Ergebnisse bewußt nicht eingehe. Insbesondere danke ich Dipl.-Ing.-Ök. Apelt, Dr. rer. nat. Großmann, Dipl.-Ing.-Ök. Grübler, Dr. rer. nat. Klare, Dipl.-Ing. Müller, Dr. Ing. Pelagalli und Dr. agr. Schulz. Ich möchte auch den Mitgliedern der Akademie danken, die mich durch Hinweise und Anregungen unterstützten, was dazu beitrug, daß einige Punkte des Vortrages gegenüber den vorgelegten Thesen verbessert werden konnten. 2 Wenn wir diesen Gedanken fortführen, erscheint eine Kohle-Erdöl-Verbundwirtschaft möglich, in der die Kohle die energetische Versorgung der stoffwirtschaftlichen Erdölverarbeitungsprozesse übernimmt, also der Übergang von autothermen Erdölverarbeitungsprozessen zu allothermen Erdölverarbeitungsprozessen durch Einführung von Prozeßwärme aus Braunkohleprozessen, die auch über Kernenergie gebracht werden könnte, was zur Schonung der Braunkohlevorräte führen würde. 3 ND vom 21./22. April 1979. 26

Sitzungsberichte der AdW der DDR

26 N/1980

Siegfried Nowak

Diskussionsbeitrag Gestatten Sie mir einige Anmerkungen und Ergänzungen zum Vortrag. Die Ausführungen, mit denen ich voll inhaltlich übereinstimme, zeigten die wesentlichsten Entwicklungstendenzen auf dem Gebiet der Verwertung fossiler Kohlenstoffträger und insbesondere unserer einheimischen Braunkohle. Ich möchte hier die Aussage unterstreichen, daß die Herausarbeitung einer einheitlichen Strategie über die optimale ¡Nutzung der importierten wie einheimischen organischen Rohstoffe eine jetzt erforderliche Grundvoraussetzung für die Lösung unserer langfristigen Energie- und KohstofTprobleme ist. Die Notwendigkeit, die Erdölverarbeitung bis zum Jahre 1985 auf dem Niveau des Jahres 1980 zu belassen, erfordert nicht nur den sparsamsten Umgang mit dem importierten Erdöl, sondern erfordert ganz zwingend verbesserte und neue Verarbcitungsteehnologien für das Erdöl, schrittweise Substitution von Erdöl durch andere Rohstoffe und damit auch veränderte Entwicklungskonzeplionen in anderen Bereichen der Volkswirtschaft. Da dieses Gebiet im Vortrag nur gestreift wurde, gestallen Sie mir einige Ergänzungen zu diesen Fragen. Wir haben von dem Fakt auszugehen, daß die Erdölverarbeitung in den Jahren 1980—198,") pro J a h r 19 Mio l nicht überschreiten wird. Der weitgehend konstanten Erdölverarbeitung stehen aber hohe Zuwachsraten an Chemieprodukten wie beispielsweise den Plasten. Elasten, Farbstoffen. Pflanzenschutzmitteln, Waschmilteln u. a. sowie eine sich rasch entwickelnde Motorisierung gegenüber. Während die Chemieprodukte Wachstumsraten von ca. 1% aufweisen, werden für die Zunahme an Personenkraftwagen die folgenden Zahlen ausgewiesen: Anzahl der P K W 1975 1,9 Mio Stück 1980 2,7 1985 3,8 Die Gewinnung der genannten Chemieprodukte wie die Erzeugung von Treibstoffen für die Motorisierung erfolgt in der DDR fast ausschließlich auf Rasis von ßenzinfraktionen des Erdöls, die im importierten Erdöl nur in einer Menge von ca. 15—18% enthalten sind. Wollte man den künftigen Bedarf für die Chemie und die Motorisierung weiterhin auf Basis von Benzinfraktionen decken, dann müßten im Jahre 1985 etwa 30 Mio t Erdöl importiert werden. Eine Forderung, die sich 27

aus ökonomischen Gründen wie aus Gründen der Verfügbarkeit von Erdöl auf dem Weltmarkt nicht realisieren läßt. F ü r die Volkswirtschaft der D D R erhebt sich daher ganz aktuell die Frage, entweder die Wachstumsralen zu drosseln oder die vorhandene Erdölsubstanz intensiver und rationeller zu nutzen. Die Aufgabe besieht darin, das importierte Erdöl in weitaus stärkerem Maße als bisher für den stofflichen Einsatz zu verwenden und den Anteil für die Energieerzeugung draslisch zu reduzieren. Welche Möglichkeit haben wir dabei? Zur Zeit wird das Erdöl in unserer Republik zu etwa \A% für stoffwirlsehaftliche Zwecke genutzt. Die verbleibenden 86% werden zu etwa 35% in F o r m von Vergaser-, Diesel- und FluglurbinenkraflslolT und der Rest als lleizöl verbrannt. Die Lösung kann nur darin bestehen, durch Entwicklung und Einführung neuer Verarbeitungstechnologien die hochsiedenden Anteile des Erdöls, die bisher energetisch genutzt werden, in organische Grundstoffe und in sogenannte helle Produkte (Benzin- und Dieselölfraklionen) zu wandeln. Ein solcher Strukturwandel in der Erdölverarbeitung ist durch den geplanten A u f b a u eines Spalt- und Aromalenkomplexes und durch Rationalisierungsvorhaben vorgesehen. Einige Institute des Forschungsbereiches Chemie sind im Rahmen von Staatsplanlhemen an der Vorbereitung und Inbetriebnahme der vertieften Erdölverarbeitung durch Forschungs- und Entwicklungs-Arbeitcn beteiligt. Ein solcher Weg erfordert erhöhte materielle und personelle Aufwendungen. So ist der laufende Aufwand für die vertiefte Verarbeitung 1 t Erdöl etwa um den Faktor 5 höher als nach der bisherigen Verarbeitungstechnologic. Eine wesentliche Frage besteht darin, daß die bisher für die Energicerzeugung eingesetzten hochsiedenden Erdölfraktionen durch andere Energieträger, insbesondere durch Braunkohle, und zu einem späteren Zeitpunkt durch Kernenergie ersetzt werden müssen. Auch d a f ü r sind erhebliche Investitionen in der Kohleförderung wie beim Aufbau zusätzlicher Kohlekraftwerke oder durch Reumstellungen von Ileizölkraflwerken auf Kohle erforderlich. Ungeachtet dieser bereits eingeleiteten Eni wickhing, sind weitere Wege und Untersuchungen notwendig, um die geplanten Zuwachsraten in der Volkswirtschaft zu gewährleisten und das teure Imporlerdöl noch rationeller zu nutzen oder zu substituieren. Eine solche Forderung betrifft nicht nur die Chemieindustrie, sondern alle Zweige der Volkswirtschaft. So gibt es bisher in unserer Republik ungenügende Bemühungen, den TreibstoiTbedarf des VK-Molors drastisch zu senken. Mit unserer Entwicklung sind wir hier hinter dem internationalen Niveau zurückgeblieben. Eine andere Richtung, die international gegangen wird, ist die Entwicklung und der Einsatz von Diesel-PKW-Motoren. die im Vergleich zum VK-Molor gleicher Leistung nur etwa 70% des Treibstolfbedarfes desselben erfordern. Hinzu kommt, daß sich Dieselkraftstoff kostengünstiger und nach einer weniger aufwendigen Technologie als V K herstellen läßt. Weitere Möglichkeiten, Benzinfraktionen einzusparen, ergeben sich durch Zugabe von Methanol zu VK-Treibsloffen, die sich im praktischen Betrieb gut bewährt haben. Die Substitution von Erdölsubstanz durch Methanol ist eine attraktive Möglichkeit, da sich dieses

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M e t h a n o l relativ leicht u n d kostengünstig aus Kohle herstellen läßt. Alle diese Fragen sind f ü r die Entwicklung in d e r D D R v o n h o h e r volkswirtschaftlicher Bedeutung u n d erfordern die E r a r b e i t u n g v o n langfristigen K o n z e p t i o n e n u n d gleicherm a ß e n auch kurzfristigen Entscheidungen. Die v e r ä n d e r t e Rohstoffsitualion zwingt auch zu neuen Überlegungen u n d Konzeptionen in weiteren Dereichen d e r Volkswirtschaft. So ist beispielsweise die F r a g e zu untersuchen, ob d e r bisher eingeschlagene W e g der „Verdieselung" d e r Reichsbahn weiter gegangen w e r d e n k a n n u n d inwieweit die Elektrifizierung des Eisenbahnnetzes ü b e r die Kohle günstiger ist. I l i c r erheben sich solche Fragen, welche Voraussetzungen f ü r die Elektrifizierung zu schaffen sind, wie z. B. Verfügbarkeit des notwendigen K u p f e r s bzw. die G e w ä h r l e i s t u n g des Oberlcilungsbaues 11. a. Eine ganze Reihe v o n a n d e r e n P r o b l e m e n , wie die Weiterentwicklung des innerstädtischen Verkehrs, oder die weitere E n t w i c k l u n g unseres S t r a ß e n b a u e s (Bitumen- oder Betonstraßen) stehen g a n z aktuell v o r uns u n d müssen entschieden werden. In jedem Falle sind es Fragen u n d Probleme, die eine k o m p l e x e Untersuchung durch unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen erfordern. Aus meiner Sicht ergibt sich hier ein interessantes u n d notwendiges Betätigungsfeld in der konzeptionellen Arbeit zwischen d e m N a t u r - u n d Gesellschaftswissenschaftler. Die unterschiedlichen Einrichtungen der A k a d e m i e der Wissenschaften sollten sich diesen Fragen stellen u n d so zur langfristigen Konzeption unserer volkswirtschaftlichen Entwicklung u n d zur Sicherung unserer R o h s l o f f p r o bleme beitragen. Das Zenlralinstilut f ü r organische Chemie wird in Z u s a m m e n a r b e i t mit a n d e r e n Instituten des Forschungsbereichs Chemie nicht nur zur A u s a r b e i t u n g von Studien zur optimalen R o h s l o f l n u t z u n g beitragen, sondern wird z u n e h m e n d seine K a p a zitäten auf Fragen der rationellen Verwertung einheimischer u n d importierter Rohstoffe konzentrieren. In enger Kooperation mit Einrichtungen der chemischen Industrie arbeiten wir an F r a g e n der vertieften E r d ö l v e r a r b e i t u n g wie an rationellen u n d effektiven Synthesen auf der Basis von Carbidacelylen, Synlhesegas aus B r a u n k o h l e sowie von Zwischen- u n d hochveredellen P r o d u k t e n . Eine Besonderheit unserer Forschungen auf d e m Gebiet der Carbochemie (für die wir zur Zeil noch a u f w e n d i g e materiell-technische Voraussetzungen wie Ilochd r u c k a p p a r a l u r e n und Bedingungen zur Arbeil mit toxischen Stoffen schaffen müssen) besteht nicht allein darin, hocheffektive Synthesen zu erarbeiten, sondern sie haben auch unter d e m Aspekt zu erfolgen, d a ß die Synthesen den pclrolchemisch determinierten Verarbeitungsstrukturen unserer chemischen I n d u s t r i e angepaßt sein müssen. Eine weitere Besonderheit d e r Forschlings- u n d Entwicklungsarbeiten auf d e m Gebiet der vertieften E r d ö l v e r a r b e i t u n g u n d der Carbochemie besteht auch d a r i n , d a ß f ü r praxisrelevante Aussagen Anlagengrößen erforderlich sind, die in Akademieeinrichlungen nicht, zu betreiben sind. Bei der weiteren Präzisierung unserer Arbeilen wird es deshalb darauf a n k o m m e n , in enger Kooperation mit Forschlingseinrichtungen d e r chemischen Industrie eine zweckmäßige u n d sich e r g ä n z e n d e Arbeitsteilung aüf den g e n a n n t e n Gebieten zu fixieren u n d zu realisieren.

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Sitzungsberichte der A d W der D D R

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H e l m u t Koziolek

Diskussionsbeitrag Ich s t i m m e m i t dem, was hier vorgetragen wurde, weitgehend überein, möchte n u r einige P r o b l e m e zusätzlich aufwerten und auch sagen, womit ich nicht einverstanden bin. Ich glaube, die schwerste Frage ist wirklich die — hierin m u ß m a n Herrn Keil u n b e d i n g t zustimmen und dabei sind wir natürlich auch zur Zusammenarbeit bereit —, d a ß unsere S t r u k t u r viel stärker auch die Möglichkeiten unserer Rohstoff- und Knergiewirtsehaft berücksichtigen und nach ihnen profiliert werden m u ß . Ich glaube n u r nicht d a r a n , d a ß wir k ü n f t i g m e h r Rohstoffe und I lalbfabrikale e i n f ü h r e n können —, also sozusagen andere Länder m e h r o d e r weniger als Billigwarenländer betrachten und auf dieser G r u n d l a g e die Rohstoffe hochveredeln k ö n n e n . Ich glaube, es bleibt nichts anderes übrig, als unsere einheimischen Rohstoffe und die v e r f ü g b a r e n Importe selbst wesentlich h ö h e r zu veredeln. Das möchte ich als erstes sagen. W i e die Dinge auch in der Weltwirtschaft stehen, können wir wohl k a u m von einer anderen A n n a h m e a u s g e h e n ; darin besteht ja auch die Erschwernis. W e n n Kollege Keil hier feststellt, d a ß wir uns in den Investitionen f ü r die k o m m e n d e n J a h r e darauf einzustellen h a b e n , m u ß ich allerdings sagen, d a ß wir bereits heute (50—65% unserer Industrieinvestitionen in d e r Energie- und RohslofTwirlsehaft einsetzen. Das ist natürlich ein e n o r m e r Anteil, u n d wir erwarten Ergebnisse daraus. W i r müssen ja letztlich B e d ü r f n i s k o m p l c x e befriedigen und dies z u n e h m e n d besser. W i r können uns doch nicht dadurch retten, d a ß wir von einer Verbraucherpsychologie ausgehen, die die Entwicklung d e r B e d ü r f n i s k o m p l e x e als abgeschlossen betrachtet. Ich halle das zwar f ü r theoretisch interessant, aber nicht f ü r m a c h b a r . J e d e r soziale Fortschritt erfordert heule ein wesentlich höheres W a c h s t u m d e r Arbcitsproduktivilät u n d der Effektivität als zu Beginn der siebziger J a h r e . Desh a l b tritt die volle Erschließung der qualitativen F a k t o r e n des Wirtschaftswachstums noch stärker in den V o r d e r g r u n d der gesamten Arbeil in allen Zweigen der Volkswirtschaft. Es k o m m t darauf an, aus d e m V o r h a n d e n e n m e h r zu m a c h e n ; dies h ä n g t u n m i t t e l b a r mit d e m K a m p f u m h ö h e r e Qualität z u s a m m e n u n d ist weilgehend v e r b u n d e n mit einem h o h e n Veredlungsgrad der gesamten P r o d u k tion, u n d zwar auf jeder Stufe bis z u m E n d p r o d u k t . Es ist keine Ü b e r t r e i b u n g , w e n n festgestellt wird, d a ß die h ö h e r e Veredlung der Rohstoffe u n d Materialien eine g r u n d l e g e n d e A u f g a b e jedes K o m b i n a t s ist u n d d a ß d a r a n auch seine wirk-

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liehe L e i s t u n g zur B e d a r f s d e c k u n g , z u r E x p o r t r e n t a b i l i t ä t , z u r volkswirtschaftlichen ElTektiviläl z u m A u s d r u c k k o m m t . Höchstmögliche V e r e d l u n g v o n R o h s t o d e n u n d M a t e r i a l bedeutet v o r

allem

w i r k s a m s t e N u t z u n g d e s geistigen u n d materiellen P o t e n t i a l s auf j e d e r S t u f e der Arbeitsteilung

und

Kooperation.

Ungenügende Veredlung

bedeutet

überhöhten

A u f w a n d und Verlust a m N a t i o n a l e i n k o m m e n . Natürlich besieht unter unseren g e g e b e n e n ö k o n o m i s c h e n B e d i n g u n g e n d a s P r o b l e m der höheren V e r e d l u n g in bes o n d e r e m M a ß e d a r i n , auf bestmögliche W e i s e mit den schwieriger g e w o r d e n e n B e d i n g u n g e n auf den RohstofTmürkten, j a auf den A u ß e n m ä r k t e n ü b e r h a u p t fertig zu w e r d e n . Doch es h a n d e l t sich prinzipiell um einen V o r g a n g in historischen Dim e n s i o n e n . der mit der Fähigkeil der menschlichen A r b e i t s k r a f t , d e m von ihr entwickelten S t a n d d e r W i s s e n s c h a f t , der B i l d u n g , d e m technischen und schen N i v e a u u n d seiner U m s e t z u n g in P r o d u k t e f ü r d i e

technologi-

Bedürfnisbefriedigung

z u s a m m e n h ä n g t . F ü r u n s ist dieser V o r g a n g vor a l l e m b e s t i m m t durch die Verb i n d u n g der wissenschaftlich-technischen R e v o l u t i o n mit den V o r z ü g e n d e s Sozialismus. Zur allgemeinen Rolle der höheren V e r e d l u n g d e r Roh-, Werk- und H i l f s s t o f f e im Z u s a m m e n h a n g

mit d e m

wissenschaftlich-technischen

Fortschritt

sowie

mit

d e m E r f o r d e r n i s , diesen Prozeß durch alle Stufen bis z u m E n d p r o d u k t rationell zu vollziehen als auch z u r N o t w e n d i g k e i t , d a ß die Zweige d e r P r o d u k t i o n d a b e i wechselseitig a u f e i n a n d e r einwirken m ü s s e n , hat bereits K a r l M a r x vielfach hing e w i e s e n : auch d a r a u f , d a ß sich bei d i e s e m V e r e d l u n g s v o r g a n g q u a l i t a t i v e

Ent-

wicklungen u n d q u a n t i t a t i v e V e r b e s s e r u n g e n H a n d in H a n d vollziehen. S o z. 15. betont er in seiner Schrift „ G r u n d r i s s e der Kritik d e r politischen Ö k o n o m i e " 1 , d a ß die V e r m e h r u n g und E n t w i c k l u n g der P r o d u k t i v k r ä f t e mit einer h ö h e r e n E f f e k tivität (Surpluswert) v e r b u n d e n sein muß. daß dies die Möglichkeiten der Produktion und K o n s u m t i o n erweitert, d a ß d a m i t neue B e d ü r f n i s s e b e f r i e d i g t werden können u n d d a ß dies ein q u a l i t a t i v e r A u s d r u c k der W i r k s a m k e i t d e r lebendigen Arbeit ist. M a r x betont weiter, d a ß die bessere A n a l y s e u n d N u t z u n g d e r N a t u r erforderlich ist, u m n e u e nützliche E i g e n s c h a f t e n d e r D i n g e zu entdecken, sowohl um neue, b r a u c h b a r e G e g e n s t ä n d e zu entdecken, wie n e u e

Gebrauchswerteigen-

schaften der allen lind neue E i g e n s c h a f t e n derselben als R o h s t o f f e u s w . 2 H ö h e r e V e r e d l u n g v o n R o h - u n d W e r k s t o f f e n , o d e r w a s s y n o n y m ist, n e u e Erzeugnisse, E r z e u g n i s s e m i t höheren G e b r a u c h s w e r t e i g e n s c h a f t e n , Schließung der stofflichen V e r k e t t u n g v e r b u n d e n mit der vollen N u t z u n g der v o r h a n d e n e n E n e r gie- u n d R o h s t o f f e n e r g i e n e u e T e c h n o l o g i e n v o n h o h e r v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e r Wirks a m k e i t , die d e n fortgeschrittenen S t a n d v o n W i s s e n s c h a f t u n d T e c h n i k in der Welt b e s t i m m e n , k ö n n e n n u r d a n n entwickelt w e r d e n , w e n n sie sich a u f g r u n d legend n e u e E r k e n n t n i s s e über G e s e t z m ä ß i g k e i t e n in N a t u r u n d Technik stützen. Die Geschichte der E n t w i c k l u n g der P r o d u k t i v k r ä f t e beweist d a s . W i r k e n n e n in der D D R zahlreiche B e i s p i e l e , wie a u s der G r u n d l a g e n f o r s c h u n g , in V e r b i n d u n g mit der a n g e w a n d t e n F o r s c h u n g , n e u e l i r z e u g n i s s e und T e c h n o l o g i e n h e r v o r g e b e n .

3!

wie wesentliche strukturelle W a n d l u n g e n bestehender u n d die E n t s t e h u n g neuer Industriezweige, die V e r v o l l k o m m n u n g der Landwirtschaft, die Entwicklung einer wirksamen I n f r a s t r u k t u r usw. erfolgen. Denken wir an die Entwicklung der Kernphysik, an die Arbeiten zur Kernspaltung, ohne die es keine Kerncnergelik, keine Kerntechnik gäbe, an die Arbeiten z u m elektroencrgetischen Charakter v o n Wellen, zur Q u a n t e l u n g solcher Wellen, o h n e die keine Elektronik möglich wäre, gleich, ob es sich u m R ö h r e n , Halbleiter oder Mikroprozessoren handelt. Die Entwicklungen über die Z u s a m m e n s e t z u n g von Farbstoffen, die Analysen u n d Synthesen der Farbstoffe, w a r e n der Ausgangspunkt f ü r die industrielle P r o d u k t i o n aus T e e r p r o d u k t e n , die wesentlich billiger als natürliche Farbstoffe waren u n d die den enormen Prozeß der Chemisierung wesentlich mit beeinflußten. Die Grundlagenforschung über die Polymerisation v o n organischen V e r b i n d u n g e n , über Gesetzmäßigkeiten dieser Prozesse bilden die Basis f ü r die P r o d u k t i o n einer in der N a t u r nicht existierenden G r u p p e chemischer Verb i n d u n g e n . Die darauf basierenden P r o d u k t e wie Chemiefasern, Plaste, AntriebStoffe sind aus unserem Leben nicht m e h r wegzudenken. Die Entwicklung d e r Mikroelektronik wäre in d e r D D R o h n e die G r u n d l a g e n f o r s c h u n g auf d e m Gebiet der Reinststoffe, der F e s t k ö r p e r p h y s i k u n d Werkstofforschung in d e m wachsenden u n d geplanten U m f a n g u n d T e m p o nicht möglich. Hier wie auch in zahlreichen a n d e r e n Zweigen zeigt es sich, d a ß unsere K o m b i n a t e ihre Möglichkeiten, gemeinsam mit den Einrichtungen der G r u n d l a g e n f o r s c h u n g u n d den Neuerern theoretische Erkenntnisse u n d E r f a h r u n g e n in neue Technologien u n d Erzeugnisse u m zusetzen, voll nutzen müssen. K a r l M a r x w i d m e t sich besonders auch der N u t z u n g des V o r h a n d e n e n u n t e r ökonomischen Aspekten im Z u s a m m e n h a n g m i t der Z u n a h m e der Qualifikation der lebendigen Arbeit, die er nicht v o n u n g e f ä h r als die höchste F o r m der Akkumulation bezeichnet. Dieser Prozeß ist f ü r uns u n t e r den Bedingungen des sozialistischen E i g e n t u m s und d a m i t d e r Kooperation sozialistischer E i g e n t ü m e r von allergrößter Bedeutung. I m m e r wieder h e b t er die Rolle der lebendigen Arbeit, ihr Niveau als das wichtigste M o m e n t d e r höheren Veredlung der vergegenständlichten Arbeit h e r v o r . M a r x schreibt in den ..Grundrissen"- 1 , d a ß die Arbeit das lebendige, gestaltende Feuer d e r P r o d u k t i o n ist, d a ß sie es ist, die sich das Material erhält und den F o r m wcchscl des Stoffes so vollzieht, wie es d e m Zweck der Arbeiter entspricht. Alle Arbeitsinstrumente u n d Arbcitsgegenslände, die im S t u f e n p r o z e ß nicht oder nicht rationell genug genutzt werden, stellen vergeudete Arbeit dar. Und im Kapital stellt er dar, d a ß gesllsehafllich gesehen die Produktivitätssteigerung in einem Industriezweig den A u f w a n d in den anderen m i n d e r t / 1 I m m e r wieder unterstreicht M a r x dabei die Rolle der Wissenschaft und ihrer Nutzung, u m zu h ö h e r veredelten E n d p r o d u k t e n zu k o m m e n . Die I l ö h e r v e r e d l u n g d e r Rohstoffe und des Materials, ihr Niederschlag in Erzeugnissen, die sowohl als Arbeitsinstrumente, als Arbeitsgegenstände und als K o n s u m g ü t e r die B e d ü r f n i s s e qualitativ besser u n d ökonomisch effektiver befriedigen, ist ein prinzipieller Vor32

gang, der vor allem abhängt vom Niveau der Wissenschaft, der Bildung und ihrer Nutzung in der Produktion. Noch einige Bemerkungen zur gegenwärtigen historischen Dimension dieser Aufgabe, die objektiv bestimmt wird durch das Weltniveau. Es ist klar, daß die höhere Veredlung von Rohstoffen und Material, aber auch die qualitative sowie quantitative Verbesserung von Arbeitsinstrumenten durch ökonomisch vertretbare Neuerungen bzw. Innovationen bestimmt wird. Sie sind entscheidender Ausdruck des ökonomischen Wachstums. Wobei sie sowohl grundlegende Neuerungen umfassen, sogenannte Basisinnovalionen, die auf Entwicklungen bzw. Erfindungen aufbauen, als auch solche, die systematische Verbesserungen an Technik, Verfahren, Technologien sowie Produkten umfassen. Im Zuge von Basisinnovalionen entstehen oft neue Industriezweige bzw. tiefgreifende Wandlungen in allen Bereichen der gesellschaftlichen Produktivkräfte. Hierbei denken wir an solche qualitativen Enlwieklungssprünge, wie z. B. die Dampfmaschine, der mechanische Webstuhl, die Werkzeugmaschine, die Eisenbahn, der Siemens-Martin-Ofen, die Elektrotechnik, der Motor, das Automobil, (las Elugzeug, die Elektronenröhre, der Transistor, der integrierte Schaltkreis und vor allem der Mikroprozessor, die Datenverarbeitung und Raumfahrtlechnik, die tiefgreifende Veränderungen der Arbeitsproduktivität und der Befriedigung von Bedürfnissen zur Folge hatten, und höchste Anforderungen an Arbeitsteilung, Kooperation und Disponibililät stellten und stellen. Auch Verbesserungsinnovationen, mit denen schon vorhandene Technologien weiter entwickelt werden, wie neue Konstruktion und Entwicklung bereits vorhandener Produkte, die die vorangegangenen Erzeugnisse an Mannigfaltigkeit, Qualität. Verläßlichkeit usw. übertreffen (z. B. die Malimotechnik, der Plasmaschmelzofen und viele andere), erlauben in der Regel eine wesentlich günstigere Nutzung der Ressourcen. Mit beiden Formen sind weitreichende Prozesse zur rationellen Nutzung von Rohstoffen und Energie verbunden. Ich halte es für eine wichtige Aufgabe, die Tendenz zu überwinden, daß auf manchen Gebieten die Hauptmasse der Produktion noch in der ersten Verarbeitungsstufe erzeugt wird: z. B. in der chemischen Industrie durch die Grundchemie; ebenso in der Metallurgie oder in der Textilindustrie, aber auch in der Elektrotechnik/Elektronik, wo das Hauptgewicht z. B. des Exports noch bei relativ einfachen Erzeugnissen liegt. Es gilt, die zur Verfügung stehenden Rohstoffe in höchstmöglichem Umfang durch qualifizierte Arbeit zu veredeln. Dem ersten Problem, was die strukturelle Frage angeht, stimme ich also voll zu. Ich bin ebenfalls der Ansicht, daß wir uns auf weitere und neue Probleme einstellen müssen. Bei der Braunkohle, aber auch bei anderen Rohstoffen, z. B. Kalk und Salz, wissen wir heute, daß es noch größere Ressourcen gibt als vor 5 Jahren eingeschätzt worden ist. Die Vorkommen haben jedoch nicht so gute Qualität und es stellt sich die Frage der weiteren Verarbeitung. Wir wissen, daß ganze Gebiete der DDR in

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bczug auf die Kohle noch nicht genügend erkundet sind. Wir wissen, daß wir bisher diu Braunkohle nur in der ersten und zweiten geologischen Schicht abbauen aber nicht in den lieferen Schichten, wo ebenfalls Kohle liegt. Wie kommen wir an die lieferen Schichten heran? Wir sind bei 150 Metern Tiefe, mit welchen Verfahren arbeilen wir darunter? Ich stelle diese Fragen als Ökonom aus der Sicht der notwendigen komplexen Zusammenarbeit. Wo liegt der Kreuzungspunkt zwischen uns und den Technikwissenschaftlern hierbei? Man erwartet meistens von den Ökonomen Berechnungen, die hohe Preise zugrunde legen, statt veränderte technische Lösungen. Wir können jedoch nur mit solchen Preisen arbeiten, die die Erschließung zu den heutigen Werleil ermöglichen. Wir können auch nicht annehmen, daß diese immer weiter steigen, nur weil wir mit weitgehend traditionellen Methoden arbeiten. Das ist es, was mich als Ökonom ganz stark beschäftigt. Ich könnte auch für das Masse-Leistungs-Verhältnis unserer Produkte eine Reihe von Problemen darlegen. Es ist eine Tatsache, daß wir in einem weit höheren Ausmaß an die Verfeinerung der Struktur unserer Wirtschaft herangehen müssen als bisher. Es gehl dabei um einen großen Komplex. Nehmen wir als Beispiel das Aulo. Der Pkw-Verkehr baut auf eine der besten Infrastrukturen auf, die es überhaupt gibt. Ich bin etwas skeptisch in bezug auf das skizzierte künftige \ erhüllnis von Pkw zu anderen Verkehrsmitteln. Meiner Meinung nach hat das Aulo bis an die Sladtgrenze heran seine volle Berechtigung. Die Praxis zeigt, daß es zur Abschaffung der Pkw auch Alternativen gibt. Eine davon ist die wesentliche Senkung der Verbrauchskennzilfern. Zum Beispiel von Vergaserkraftstoff und anderen Einsalzsloffen. Bei uns gibt es zum Teil Auffassungen, es sei das alles ferne Perspektive. Es ist aber reale Gegenwart, wie die Entwicklung der Mikroprozessoren und ihr Einsatz beim Auto zeigen. Dabei ist dieser Einsatz selbst ein Optimierungsproblern, da ein Mikroprozessor — einmal verwendet — nicht nur für die Zündung, sondern komplex für alle Vorgänge im Aulo wirksam wird, die Materialien verbrauchen, auch für verschiedenste andere Zwecke bis hin zu Konlrollfunklionen. Dieses komplexe Herangehen an die Dinge halle ich für außerordentlich bedeutsam und möchte diese Gedanken von Herrn Keil auch unterstützen. Was ist zum Erdöl zu sagen? Wir haben 19 Millionen Tonnen Erdöl im J a h r zur Verfügung und ich stimme auch zu, wir werden nicht mit sehr viel mehr rechnen können. Der Preis ist inzwischen bereits weiter stark gestiegen, so daß wir beim Import an eine Grenze stoßen. Eine dringliche Sache für uns ist die Senkung des Heizölverbrauches. Welche Reserven liegen dort? Was für Strukturveränderungen sind hier möglich? Das sind Fragen zu denen wir natürlich zur Mitarbeit entsprechend der Forderungen, die Kollege Keil hier gestellt hat, bereit sind. Ich möchte eine letzte Bemerkung machen zu dem psychologischen Vcrbrauchervcrhallen. Selbstverständlich bin ich auch gegen jede Verschwendung von Gebrauchswerten in bezug auf die Lebensweise der Bevölkerung. Aber wir müssen daran festhallen, daß die Weiterentwicklung neuer Konsumgüter, vor allem qualitativ hochwertiger, industrieller Konsumgüter eine wichtige Seite der Bereicherung der Lebensweise ist. Sehen wir uns einen großen Teil unserer Konsumgüter an, 34

wie K ü h l s c h r ä n k e , W a s c h m a s c h i n e n , Erzeugnisse der olektroakuslischen Industrie, so müssen wir feststellen, d a ß wir nicht n u r ein ungünstiges M a s s e - L e i s l u n g s - V e r hällnis, sondern auch f u n k t i o n a l e Schwierigkeiten h a b e n . Ich glaube, d a ß wir uns generell eine richtige E i n s t e l l u n g schaffen müssen zu n e u e n E n t w i c k l u n g e n

und

z u m P r o b l e m Verschwendung. Ich bin zuliefst d a v o n überzeugt, d a ß die B e v ö l k e rung von uns erwartet, d a ß wir ihr bei der Gestaltung der B e d ü r f n i s s e wichtige, sich in der W e l t durchsetzende positive G e w o h n h e i t e n gewährleisten und entsprechend produzieren. Daraus ergibt sich die Aufgabe, noch s t ä r k e r zu untersuchen, wie wir ausgehend von der E n e r g i e und den R o h s t o f f e n , ü b e r die v e r m i t t e l n d e n S t u f e n hinweg, schließlich die Y e r s o r g u n g s k o m p l e x e sichern, u m die es uns letzten E n d e s g e h t : W o h n e n , B e k l e i d e n , E r n ä h r e n usw. W i r w e n d e n h e u l e für die E r n ä h r u n g noch den weitaus größten T e i l der Mittel auf. S e h e n wir n ä h e r h i n , ist es E n e r g i e ; sehen wir noch schärfer h i n t e r die E r n ä h r u n g , linden wir nicht u n b e d e u tende M e n g e n fehlgeleiteter E n e r g i e , Energie, die n u r zu e i n e m geringen T e i l b e i m Enderzeugnis

a n k o m m t , weil wir m o d e r n e V e r f a h r e n ,

Produklionsverkeltungen

usw. nicht beherrschen. Betrachtung

auf

viele D i n g e stoßen werden, die uns E n e r g i e und R o h s t o f f e e i n s p a r e n . Das

Ich bin der M e i n u n g , d a ß wir bei einer solchen k o m p l e x e n

gilt

schon für ganz einfache S l u f e n p r o d u k t i o n e n . M a n sollle dabei die allgemeine, auf Koeffizienten a u f b a u e n d e Verllechlungsbilanzierung nicht überschätzen. N iel wichtiger scheint m i r zu sein, d a ß wir für b e s t i m m t e E n d p r o d u k t e g e n a u e r die P r o duklionsslufen a n a l y s i e r e n , sie in V e r k e t t u n g bringen, das ganze auch technologisch durcharbeiten und auf diese W e i s e b e s t i m m t beträchtliche Energie- und R o h stollcinsparuiigen e r h a l l e n .

Anmerkungen 1 S. Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin, Dietz Verlag 1974, S. 312. 2 Ebenda. 3 Ebenda, S. 266. 4 A1EW, Bd. 25, S. 892.

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Sitzungsberichte der AdW der DDR

26 N/1980

Klaus Strzodka

Diskussionsbeitrag Ich bin dein P r ä s i d i u m und der K l a s s e Chemie sehr d a n k b a r , d a ß dieser Vortrag als P l e n a r v o r t r a g a u f g e n o m m e n u n d von Herrn Keil in einer so u m f a s s e n d e n Art behandeil wurde. E s ist d e m Vortragenden in. E . gelungen, alle hier vertretenen Disziplinen anzusprechen und nachzuweisen, d a ß die F r a g e des Einsatzes der Kohlensloirträger nicht nur ein Ressort der E n e r g e ü k e r und der Chemiker ist, sondern gleichermaßen A u f g a b e n den ¿Naturwissenschaftlern als auch den Ökonomen stellt. D e s h a l b sollte der Vortrag G e g e n s t a n d weiterer vertiefender Diskussion in den K l a s s e n u n d Arbeitsgruppen der A k a d e m i e werden. Ich bin mit den grundsätzlichen A u s s a g e n des Vortrages einverstanden, trotzd e m seien mir einige B e m e r k u n g e n gestattet: H e r r Keil stellte fest, d a ß die drei KohlenslofTlräger gleichermaßen stoilwirtschafllich oder energetisch eiusetzbar sind u n d eine gegenseitige Substitution im Prinzip möglich ist. Dieser allgemeinen Feststellung k a n n m a n zustimmen, wenn es u m die Elektroenergie u n d die W ä r m e erzeugung gehl. Bei anderen U m w a n d l u n g e n gibt es aber einige Einschränkungen. D a z u zwei Beispiele: — E s w u r d e gesagt, d a ß die Herstellung von Benzin oder Treibstoffen aus K o h l e über die H y d r i e r u n g a u f w e n d i g e r ist als die Herstellung durch die Verarbeitung v o n Erdöl, g a n z abgesehen d a v o n , d a ß bei einer solchen K o h l e n h y d r i e rung höhere energetische Verluste auftreten. Bei der erneut entflammten Diskussion u m die K o h l e n v e r f l ü s s i g u n g glauben wir häufig, d a ß einfach die früheren E r f a h r u n g e n bei der H y d r i e r u n g u n d der T r e i b s t o f f s y n l h e s e voll beherrscht und ü b e r n o m m e n werden können. B e i den weiteren Arbeiten, besonders bei der Ü b e r t r a g u n g in größere Dimensionen zeigte sich aber bei der H y d r i e r u n g gleichermaßen wie auch bei der Synlhesegasherstellung, daß die T r e n n u n g des Feststoffes v o n der Flüssigkeit oder v o n d e m G a s größere Schwierigkeiten bereitet. W e n n wir hier darüber diskutieren, z. B . die K o h l e wieder verstärkt f ü r die H y d r i e r u n g einsetzen zu m ü s s e n , so sind hier weitere Grundlagenforschungen erforderlich, weil die Erkenntnisse v o n einst nicht ausreichend sind. — K e i n e Alternativen der Substitution gibt es z. B . b e i m metallurgischen oder beim chemischen K o k s , d a diese nicht nur Brennstoff, sondern als Kohlenstoffträger zugleich chemische R e a g e n z sind. Sicherlich k a n n m a n bei der Verwen36

düng dieser chemischen Reagenz den energetischen Anteil, der im Prozeß zur Erzeugung der Prozeßwärme verbrannt wird, reduzieren. Keine Alternative gibt es auch f ü r den Eleklrodenkoks, wo die Herstellung nur über die flüssige Phase, d. h. die Erdölrückslände gehen muß wegen clor notwendigen niedrigen Aschegehalte. Zum Wasserstoff : Kohle Verhältnis der verschiedenen Energieträger ist folgendes zu sagen. Die fossilen Kohlenstoffträger müssen bei der Verarbeitung meistens hydriert werden, d. h. es muß an den Kohlenstoff Wasserstoff angelagert werden. Von Bedeutung ist aber auch, und das kam nur mit einem Nebensatz zum Ausdruck, der Sauerstoffgehalt des Rohstoffes. Die relativ jüngere und dabei weniger inkohlle Braunkohle hat einen höheren Sauerstoffgehalt in der Kohlesubstanz als z. B. Steinkohle. Dieser Sauerstoff wird bei der Hydrierung ebenfalls mit hydriert. Hierbei erhält man dann aber keine Kohlenwasserstoffe, sondern ein recht teures Wasser. Bei der sonst recht aufwendigen thermischen Kohlcnverarbeitung darf man aber auch nicht übersehen, daß die Kohlenentgasung, aber auch die -vergasung in bestimmtem Umfange stoffwirtschafllich nutzbare flüssige Kohlenwasserstoffe liefert, die bei der Erdölverarbeitung nicht anfallen. Ich bin mit dem Grundtenor der Aussage des Vortrages einverstanden, daß es ungünstiger ist, die Kohlenwasserstoffe, Erdöl und Erdgas für energetische Zwecke zu verbrennen. Aber auch die Kohlen sollten stoffwirtschaftlich besser genutzt werden, bevor diese für die Wärmeerzeugung verbrannt werden. Den Gedanken der sog. Kombinalionskraflwerke, bei denen eine stoffwirlschaftliche Nutzung z. B. der Kohle vor der Energieerzeugung über Gasturbinen oder Dampferzeuger erfolgt, sollte man weiter verfolgen und entsprechend unseren volkswirtschaftlichen Möglichkeiten mehr und mehr einführen. Es ist notwendig, noch auf ein weiteres Problem hinzuweisen. Wir glauben einen effektvollen stofflichen Einsatz des Erdgases zu haben, wenn wir dieses z. B. in der chemischen Industrie zu Synthesegas oder als Stadtgas spalten. Bei dieser Spaltung müssen wir natürlich energetische Verluste hinnehmen. Andererseits erzeugen wir aber Stadtgas aus Kohle, ebenfalls mit Verlusten verbunden. Es ergibt sich daraus die Krage, warum also nicht gleich Synlhesegas aus Kohle herstellen und Tirdgas für den direkten Einsatz, z. B. in den Haushalten, vorsehen. Sicherlich spielen die Umstellungskosten der bisherigen Versorgungssysteme auf Erdgas eine große Rolle. Von großer Bedeulung ist die generelle Feststellung, daß die Kohlenstoffträger als energetische Rohstoffe mit größter Überlegung verwendet werden müssen. Wärme, Dampf und auch andere Energieformen, z. B. die Elektroenergie, können, wie es im Vortrag gesagt, wurde, in Kernreaktoren zweckmäßiger ohne Kohlenstoffverhrennung erzeugt werden. Auch hier sollten wir Kombinationskraftwerke im Auge behalten, bei denen Hochtemperaturreaktoren z. B. zuerst die Proßeswärme f ü r chemische Reaktionen liefern. Interessant ist auch der im Vortrag gewählte Begriff der energetischen Rückflußdauer, besonders bei Investitionen. Mit diesem Begriff müssen wir uns mehr 37

v e r t r a u l machen, weil in der Z u k u n f t einige volkswirtschaftliche Entscheidungen wesentlich v o n dieser R ü c k f l u ß d a u e r a b h ä n g e n werden. Dazu ebenfalls zwei Beispiele: W i r sprechen viel von der mögliehen N u t z u n g der Sonnenenergie auch bei uns. Es ist aber bekannt, d a ß die relativ geringe Sonnenscheindauer u n d die relativ geringe einfallende Energiemenge in unserem Land eine ökonomische N u t z u n g problematischer erscheinen lassen als in südlicheren L ä n d e r n . W e n n m a n die energetischen A u f w e n d u n g e n f ü r die Herstellung eines derzeitig verwendeten Sonnenkollektors (Aluminium, Glas etc.) mit der zu gewinnenden Energie vergleicht, so h a b e n einige sehr grobe Betrachtungen ergeben, d a ß ein Sonnenko'llcktor sich erst in 10 J a h r e n amortisiert. In 10 J a h r e n ist aber ein solcher Sonnenkollektor meist schon verschlissen. Ein anderes Beispiel diesmal aus d e r Hauswirtschaft. W i r waren es gewöhnt, d a ß wir vor nicht allzu langer Zeit H a u s h a l l s w ä r m e g e r ä l e (z. B. W ä r m e w i r b i e r ) mit einer Leistung von ca. I k W f ü r ca. 250,— M a r k iin H a n d e l erwerben k o n n t e n . Die Kraftwerksleistung, die z u m Betreiben dieser Heizleistung benötigt wird, erfordert aber Investitionen von 2 .'300,— M a r k . In dieser S u m m e ist der Aufschluß des Tagebaues f ü r die erfordeliche K o h l e n m e n g e noch nicht mit enthalten. Von diesen gesellschaftlichen A u f w e n d u n g e n s p ü r t der K ä u f e r dieses W ä r m e g e r ä t e s k a u m etwas, weil d e r zu zahlende Ilaushallenergiepreis bei uns so gering ist. d a ß die Amortisation des K r a f t w e r k e s und weilerer Knergieanlagen k a u m erfolgl. Mit diesen Beispielen wollle ich n u r zeigen, d a ß wir bei der E n e r g i e n n w e n d u n g sehr sorgfältig p r ü f e n müssen, was wir zu welchen Zwecken verwenden und ob wir nicht durch zweckmäßigere Anlagen einen gleichen Effekt mit geringerem Aufw a n d erzielen können. Mil m e i n e m Diskussionsbeitrag wollle ich die im Vortrag bereits herausgearbeitete Frage unterstreichen, d a ß die Energiennwendung, die Energiewirtschaft insgesamt eine k o m p l e x e volkswirtschaftliche Bedeutung hat, von der unsere weitere Entwicklung wesentlich beeinflußt wird. Aus diesem G r u n d e e m p f e h l e ich auch, diese Fragen m e h r z u m Gegenstand der Diskussionen im Plen u m und in den Klassen d e r A k a d e m i e zu machen.

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26 N/1980

Wolfgang Schirmer

Diskussionsbeitrag Aus d e r Fülle d e r P r o b l e m e , die h i e r u m r i s s e n w e r d e n , m ö c h t e ich mich d e r Trage d e r V e r e d e l u n g v o n R o h s t o f f e n d u r c h die P r o d u k t i o n h o c h w e r t i g e r F i n a l erzeugnisse w i d m e n . .Nicht seilen w i r d an uns C h e m i k e r d i e A u f f o r d e r u n g gerichtet, wissenschaftliche Heiträge d a f ü r zu leisten, d a ß d i e chemische I n d u s t r i e n e b e n d e r n o t w e n d i g e n M e n g e an P r o d u k t e n von M a s s e n c h a r a k t e r v e r s t ä r k t Zwischenp r o d u k t e u n d F i n a l e r z e u g n i s s e v o n h o h e m G e b r a u c h s w e r t herstellen k a n n . I)a d e r U m f a n g d e r z u r V e r f ü g u n g s t e h e n d e n

fossilen K o h l e n s l o f f l r ä g e r , be-

s o n d e r s in F o r m des E r d ö l s u n d des F r d g a s e s . begrenzl ist, m ü s s e n wir f ü r d i e nächsten J a h r e v o n d e m G r u n d s a l z a u s g e h e n , a u s d e m V o r h a n d e n e n

m e h r zu

machen u n d v o r h a n d e n e R o h s t o f f e d u r c h chemische S y n t h e s e w e i l g e h e n d zu veredeln. Das ist sicher nicht n u r nach e i n e m auf alle P r o b l e m e z u t r e f f e n d e n S c h e m a möglich. Die chemische I n d u s t r i e d e r D D R isl l e i s t u n g s f ä h i g . Sie k a n n sich auf e r f a h r e n e F a c h a r b e i t e r , I n g e n i e u r e u n d W i s s e n s c h a f t l e r sliilzen. Iis liegen K e n n l nisse aus d e r F o r s c h u n g v o r . die g e m e i n s a m mit v e r f a h r e n s t e c h n i s c h e m

Wissen

f ü r d i e D u r c h f ü h r u n g v o n chemischen S y n t h e s e n eingesetzt w e r d e n k ö n n e n . Die von d e r chemischen I n d u s t r i e erzeugten P r o d u k t e w e r d e n in fast allen

Zweigen

d e r Volkswirtschaft benötigt. W i r schaffen uns m i t i h r e r P r o d u k t i o n

günstige

Möglichkeiten f ü r den zusätzlichen E x p o r t u n d f ü r d i e l a n g f r i s t i g e K o o p e r a t i o n mit u n s e r e n P a r t n e r n im R G W . Die d u r c h chemische S y n t h e s e mögliche V e r e d e l u n g v o n R o h s t o f f e n k a n n einen b e d e u t e n d e n W e r l erreichen. Ich m ö c h t e hier n u r ein p a a r r e l a t i v e Z a h l e n n e n n e n : Setze ich d e n W e r t e i n e r T o n n e Kohlenstoff im Rohstoff gleich 1. so m a c h t d e r W e r t d e r s e l b e n M e n g e Kohlenstoff in d e m aus E r d ö l g e w o n n e n e n Ä t h y l e n

den

F a k t o r 3. in Acelylen den F a k t o r 5 aus. Diese P r o d u k t e g e h ö r e n noch zu d e n R o h stoffen d e r chemischen I n d u s t r i e . K o m m e n wir zu d e n P l a s t r o h s l o f f e n . steigt d e r V e r e d e l u n g s f a k t o r auf W e r t e v o n 4—10. bei S p e z i a l p l a s t e n k a n n dieser W e r t bereits 3 0 — 1 0 0 a u s m a c h e n . F a r b s t o f f e , d i e d u r c h chemische S y n t h e s e g e w o n n e n werd e n , weisen d e m Kohlenstoff bereits einen V e r e d e l u n g s f a k t o r von 5 0 zu, u n d in pharmazeutischen

P r o d u k t e n k a n n ich Z a h l e n v o n 1 0 0 — 1 0 0 0 e r m i t t e l n . I m ex-

tremsten Kalle isl d e r Kohlenstoff im F o t o k o p i e r l a c k f ü r die M i k r o e l e k t r o n i k d a s fiOOOfache des A u s g a n g s m a t e r i a l s w e r t . Natürlich sind d i e l e t z t g e n a n n t e n P r o d u k t e keine M a s s e n e r z e u g n i s s e m e h r , a b e r es w e r d e n m i n d e s t e n s 5 0 0 0 c h e m i s c h e Ver-

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bindungen auf dem Weltmarkt gehandelt, die heule durch Synthese gewonnen werden und in denen der Kohlenstoff einen hohen Yeredelungsgrad autweist. Es bestehen also für unsere chemische Industrie günstige Entwicklungsmöglichkeiten. Selbstverständlich bedarf diese Aussage einer kritischen Analyse. Je höher die Veredelung, desto größer ist im allgemeinen der Investitionsaufwand für die Durchführung der notwendigen Synthesen. Viele Finalprodukte werden über eine größere Zahl von Zwischenstufen gewonnen, so daß nicht nur eine, sondern mehrere Anlagen neu errichtet werden müssen. Der Investitionsaufwand geht daher oft in die Hunderte von Millionen Mark, und unsere Möglichkeiten auf diesem Gebiet sind in den nächsten Jahren sicherlich begrenzt. Nicht der Neubau von Produktionsanlagen stellt den wichtigsten Weg zur Lösung dieser Syntheseaufgaben dar, sondern die Möglichkeiten, die sich aus der Nutzung vorhandener Anlagen ergeben. Wir verfügen über leistungsfähige Anlagen für die Herstellung von Grundstoffen. Bei diesen Produktionsverfahren fallen Neben- oder Koppelprodukte an, die heute oftmals nicht mehr gewonnen werden, da die hierfür vorgesehenen technischen Einrichtungen durch Rationalisierung entfallen, oder weil die hierfür erforderlichen Arbeitskräfte fehlen. Berücksichtigen wir jedoch, daß wir durch den Wegfall der Gewinnung dieser Nebenprodukte Zusatzimporte gegen Devisen durchführen müssen, so kommt einer gesamtvolkswirtschaftlichen Analyse dieses Problems große Bedeutung zu. In vielen Fällen wird es zweckmäßig sein, diese Nebenprodukte zu gewinnen oder ihre Wiedergewinnung in Gang zu setzen. Für manche Erzeugnisse brauchen wir einen spezifischen Anlagenbau, der bei uns nicht stark entwickelt ist. Das gilt zum Beispiel für die fotografische Industrie. Für die Erzeugung eines Colorfilms mit hoher Sensibilität werden über 100 chemische Produkte zum Teil von komplizierter Zusammensetzung benötigt. Die chemischen Synthesen, die zu solchen Erzeugnissen führen, schlagen sich also im Gesamtergebnis dieses Gebietes der chemischen Industrie nieder. Für solche Gebiete muß auch noch zusätzlich Forschungsarbeit geleistet werden, da Fragen der Synthese und der Verfahrenstechnik auf unkonventionelle Weise gelöst werden müssen. Dadurch, daß der Export in kapitalistische Länder nicht stabil ist., gilt es, weitere Faktoren zu berücksichtigen. Für das hier betrachtete Problem kommt der Arbeitsteilung im Rat f ü r gegenseitige Wirtschaftshilfe eine große Bedeutung zu. Unser relativ kleines Land kann mit Sicherheit nicht alle Zwischenprodukte erzeugen, die für die große Menge an Finalprodukten benötigt werden. In Kooperation mit den Partnern im RGW kommen wir zu einer Spezialisierung bestimmter Produktionszweige, was nicht nur die Versorgung stabilisiert, sondern auch Vorteile für alle Partnerländer mit sich bringt. Selbstverständlich sind hier einseitige Lösungen nicht möglich. So können wir zum Beispiel nicht verlangen, daß wir allein vorwiegend spezielle Produkte, die eine hohe Materialveredelung aufweisen, erzeugen, während uns die anderen Partner die hierfür benötigten Rohstoffe liefern. Die zwischen den sozialistischen Ländern eingeleitete Arbeitsteilung in der chemischen Industrie geht von

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den Grundsätzen des gemeinsamen Nutzens und des gegenseitigen Vorteils aus. Aber noch sind wir nicht so weil wie zum Beispiel die Schweiz, jenes Land, das oftmals als Beispiel hingestellt wird, wenn es darum gehl, Fragen einer hohen Malerialveredeluiig zu diskutieren. Die hochentwickelte schweizerische chemische Industrie importiert rund 75% aller benötigten Grund- und Zwischenprodukte. Sie lindet sie auf einem Markt, auf dem diese Produkte regelmäßig angeboten werden, so daß bei entsprechend ausgeglichener Zahlungsbilanz der Erwerb dieser Produkte leicht möglich ist. Zwischen den RGW-Staaten entwickelt sich ein solcher Markt erst noch, aber da die Beziehungen zwischen diesen Ländern den Charakter der langfristigen Planbarkeil und Zusammenarbeit haben, sind hier die Faktoren Arbeitsteilung und Zeil mit anderen Maßstäben zu messen. Wir erleben gerade heule, demonstriert durch die Maßnahmen des US-Präsidenten Carler und seiner Administration, daß die USA rücksichtslos in bestehende I landelsvereinbarungen eingreifen, um politische Ziele durchsetzen zu können. Wir müssen daher alles tun, um eine starke ökonomische Abhängigkeil auf bestimmten Gebieten der Versorgung mit Rohstoffen und Zwischenprodukten abzubauen. Eigene Anstrengungen und planmäßiger Ausbau unserer sozialistischen Handelsbeziehungen im RGW und mit einem Kreis von Nationalstaaten stellen wichtige Maßnahmen zur Überwindung solcher Abhängigkeit dar. Bei Beibehaltung einer bestimmten Struktur der Grundstofferzeugung, die unsere Volkswirtschaft selbstverständlich unverändert benötigt, sollte ein weiterer Ausbau der Erzeugung von Zwischenprodukten betrieben werden, wobei das Tempo dieser Entwicklung und die Lösung der damit verbundenen Aufgaben von vielen Faktoren abhängig ist, die die Volkswirtschaft unseres Landes beeinflussen können. Viele der von mir genannten Probleme, und die Liste ließe sich noch um weitere Aufgaben verlängern, beruhen auf objektiven Zusammenhängen, die komplex behandelt werden müssen. Die Veredelung der uns zur Verfügung stehenden Rohstoffe steht langfristig auf der Tagesordnung unserer Volkswirtschaft. Konkrete Schritte hierfür zu linden, ist eine Aufgabe der Kooperation verschiedener Wissenschaftsdisziplinen, die wir nicht zulelzl auch an unserer Akademie betreiben müssen.

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Wolfgang Heinrichs

Diskussionsbeitrag Ich greife sehr gern die Anregungen von Herrn Keil zur interdisziplinären Arbeit mit den Wirtschaftswissenschaften auf, um so mehr, als ich in seinem Vortrag schon einen hohen Grad der Übereinstimmung im Problemverständnis feststellen darf. Das kommt insbesondere in der Aussage zum Ausdruck, daß man Probleme der Substitution der Energieträger innerhalb der fossilen Kohlenstoffe und darüber hinaus nicht mehr nur von einem Wirtschaftszweig oder von der Energiewirtschaft und der Chemie allein beurteilen kann. Wegen des hohen Verllechlungsgrades kann man zu richtigen, langfristig tragenden Entscheidungen nur dann gelangen, wenn man diesen Entscheidungen volkswirtschaftliche Kriterien zugrundelegt. Insofern haben wir einen hohen Grad des Probleniversländnisses erreicht. Ich möchte die im Vortrag getroffene Aussage doppell unterstreichen, daß die Konsequenzen, die hier gezogen wurden, in sloffwirlschaftlicher Hinsicht relativiert werden müssen, wenn festgestellt wurde, daß das alles noch ergänzt werden müsse um die Konsequenzen für die Grundfondswirtschaft und für die Investitionen. Nach meiner Auffassung liegt in der Tat hierin das Kernproblem unserer weiteren Zusammenarbeit, nämlich nach volkswirtschaftlichen Kriterien die Konsequenzen für die Grundfondswirtschafl, für die Akkumulation und Investitionspolilik herauszuarbeiten. Heute und sicherlich in der nahen und ferneren Zukunft ist und bleibt die Energiewirtschaft erstens ein grundfondsintensiver Zweig, überdurchschnittliche Grundfondsinlensität bedeutet, daß im Vergleich zum Durchschnitt der Volkswirtschaft eben eine Mark Investition bedeutend weniger Nalionaleinkommenszu wachs erbringt. Darüber darf man nicht moralisieren. Dieser Aufwand ist vielmehr für die proportionale Entwicklung nötig, um den volkswirtschaftlichen Reproduktionsprozeß stabil zu gestalten, Das soll nochmals an einigen wenigen volkswirtschaftlichen Daten verdeutlicht werden. Wenn man die Kraflstoflherslellung der Chemie in die Berechnungen mit einbezieht, sind etwa 60 Prozent unserer Investitionen, die für die Industrie zur Verfügung stehen, seil mehreren Jahrzehnten für die langfristige Sicherung des Energie- und Rohstoffbedarfs gebunden. Wenn man nun noch in Betracht zieht, daß etwa 37 Prozent der Güterlransporlmenge für den Energieträgertransport gebunden ist, 16 Prozent der Gütertransportmenge der Binnenschiffahrt auf Energie42

träger entfallen u n d unsere Tankerflotte auch ausschließlich f ü r E n e r g i e t r a n s p o r t e eingesetzt ist, d a n n ist der l n v e s t i t i o n s a u f w a n d f ü r Energie u n d Rohstoffe in der ^ olkswirlschafl sogar noch höher. Schon aus diesem G r u n d e ist es notwendig, neben sloll'wirlschafüichen Bewertungen immer stärker die D y n a m i k der G r u n d fondsintensitäl zu untersuchen, ohne den Gesichtspunkt der Sicherung des Energieb e d a r f s aus dem Auge zu verlieren. Denn die Deckung des E n e r g i e b e d a r f s ist — wie es in der Diskussion hervorgehoben wurde — einer der wichtigsten Faktoren zur Ereisetzung von lebendiger Arbeit. Allerdings gehört zu diesem Freiselzungscffekl neue Technik, d e n n Energie o h n e m o d e r n e Maschinen u n d o h n e progressive Technik ersetzt n u r bei wachsendem volkswirtschaftlichem A u f w a n d lebendige Arbeit. Also h a n d e l t es sich nicht u m eine direkte Substitution. Darin liegt eine g a n z wiehlige volkswirtschaftliche P r o b l e m a t i k . Das m u ß in die volkswirtschaftlichen Bewertungen einbezogen w e r d e n . Es ist bei diesen Bewertungen zweitens zu berücksichtigen, d a ß z u r gleichen Zeit neben den Investilionsansprücheu f ü r die Sicherung des Energie- und zum Teil auch des R o h s t o f f b e d a r f s (liier gibt es ja enge Wechselbeziehungen), längerfristig weitere Investitionsansprüche bestehen, beispielsweise bei der Mikroelektronik und bei verschiedenen a n d e r e n wichtigen Richtungen der wissenschaftlichtechnischen Revolution. W i r müssen von einer v o r h a n d e n e n A k k u m u l a t i o n s m a s s e in der Volkswirtschaft ausgehen, u m d a n n richtig zu verteilen. Auch dieser Aspekt ist bei volkswirtschaftlichen B e w e r t u n g e n nach meiner A u f f a s s u n g bei Substitutionsprozessen i n n e r h a l b der Energie- u n d RohstoiTwirlschaft zu berücksichtigen. Fragt m a n also nach d e m volkswirtschaftlichen B c w e r t u n g s k r i l c r i u m , so besteht es — Proportionalitätsbedingungen vorausgesetzt — in einem wachsenden Beitrag f ü r die Steigerung der Arbeitsproduktivität und der Effektivität, u m so einen höheren Zuwachs an p r o d u z i e r t e m N a t i o n a l e i n k o m m e n zu erreichen. Das volkswirtschaftliche B e w e r l u n g s k r i l e r i u m m u ß m a n natürlich durch Teilkriterien untersetzen, beispielsweise dadurch, d a ß m a n ü b e r p r ü f t , w a n n eine M a r k Investition in der v e r a r b e i t e n d e n Industrie z u r E i n s p a r u n g an Energie u n d Material unlor b e s t i m m t e n Yerflechlungsbedingungen f ü r die Volkswirtschaft günstiger ist als eine M a r k zusätzliche Investition f ü r den Zuwachs an Energieträgern u n d Rohstoffen. Ich will d a m i t deutlich machen, d a ß diese volkswirtschaftlichen Bewerlungskriterien n u r bedingt etwas mit Bewertungen der Iuveslilionsriickflußdauer in K o m b i n a t e n oder einem Zweig der Volkswirtschaft zu tun h a b e n . Erslere sind insbesondere f ü r strategische Berechnungen zu nutzen, u m P r ä f e r e n z e n bei der Verteilung der A k k u m u l a t i o n e n zu objektivieren. Gestatten Sie m i r auch noch eine zweite Bemerkung. Ich gehöre — wie H e r r Koziolek — zu den Ö k o n o m e n , die in b e s t i m m t e r Hinsicht ein gebrochenes Verhältnis h a b e n zu Aussagen ü b e r T e n d e n z e n der Verschwendung u n d der Konsumgesellschaft, die in unserer Gesellschaft v o n d e r kapitalistischen Gesellschaft noch nachwirken w ü r d e n bzw. v o n letzterer kopiert werden w ü r d e n . Gewiß sind z u m Teil ernste T e n d e n z e n von Verschwendungen existent. Sie sind da, u n d sie darf m a n nicht bagatellisieren. Doch m u ß m a n k ü n f -

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lig sicherlich etwas konkreter in den Wertungen werden, weil die Erhöhung der Qualität, die Verlängerung der llaltbarkeitsdaucr, das heißt also die zusätzliche Verlängerung der L'mschlagszyklen und die Erhöhung der Zuverlässigkeit der Erzeugnisse, unterschiedliche Wirkungen auslösen. Die Erhöhung der Zuverlässigkeil und die Erhöhung der Qualität sind in jedem Fall zu bejahen, um Tendenzeil der Verschwendung entgegenzuwirken. Eine Verlängerung der Haltbarkeit, die in jedem Fall eine zeitliche Verlängerung des Zyklus einschließt, würde ich als Ökonom dagegen relativieren. Ich will das volkswirtschaftliche Problem an zwei Beispielen deutlich machen, zunächst an unseren Investitionsgütern. Etwa 25 Prozent der im wirtschaftlichen Kreislauf fungierenden Güter sind Investitionsgüter, das heißt Maschinen, Produktionsinstrumente. Wir haben zur Zeil in der Volkswirtschaft eine Aussonderungsrale von etwa 2 Prozent. In Abständen von jeweils 50 Jahren würde der Maschinenpark, einschließlich der Bauanteil, umschlagen. Moderne, hochentwickelte Volkswirtschaften weisen eine Aussonderungsrale von 5 bis sogar 7 Prozent aus. Wenn wir nicht einen wachsenden Anteil von modernen Maschinen als Äquivalent für wachsende Imporlaufwände für Energieträger und llohslofTe einsetzen müßten, dann wären wir schon daran sehr interessiert, die Aussonderungsquote zu erhöhen, das heißt den Zyklus zeitlich zu verkürzen. Denn die alte Technik ist eben eine energieintensivere und materialintensivere Technik, abgesehen von der Arbeitsgeschwindigkeit der Maschinen, die arbeilszeileinsparend wirkt. Eine Verlängerung des Zyklus allein aus Erwägungen slofhvirlschaftlicher Natur würde deshalb zu Produktivilälsverluslen führen. Reproduktiv betrachtet wäre das — f ü r längere Zeiträume gesehen — eine Vergeudung und nicht Einsparung von Energie und Material. Soviel zu eleu Investitionsgütern. Bei Konsumgütern wird die Sache etwas schwieriger. Herr Koziolek hat schon auf einige Probleme hingewiesen. Volkswirtschaftlich wäre es sicherlich sehr günstig, bei Kühlschränken, Waschmaschinen und auch in der Unterhaltungselektronik den Umschlag zu verkürzen. Er hat sich in der DDR auch verkürzt. Nach dem Statistischen Jahrbuch hat sich die durchschnittliche Gebrauchsdauer dieser Konsumgüter in den letzten 10 Jahren bedeutend verkürzt. Ich will nicht die Forderung nach weiterer Verkürzung erheben. Doch m u ß sehr sorgfältig untersucht werden, wenn eine neue Generation von Waschmaschinen oder von Kühlsehränken im Massenumfang eingeführt werden muß, um mehr Energie zu sparen. Der Unterschied im Energieaufwand bei älteren und neueren Fernsehgeräten ist ebenfalls beträchtlich. Also sollte man die Qualität, Haltbarkeit und Zuverlässigkeit etwas präziser im Reproduktionsprozeß verfolgen und nicht allen Gebrauchswerteigenschaften pauschal gleichlaufende ökonomische Wirkungen unterstellen. Konsumgüter, die langlebig genutzt werden, sind ja, wenn man so will, Produktionsmittel in den Haushaltungen. Insofern werden wir im Zenlralinstitut f ü r Wirtschaftswissenschaften im Rahmen der energiewirtschaftlichen Grundlagenforschung diese Problematik stärker beachten müssen. Der Zeitpunkt ist absehbar, zu dem zumindest der Elektroenergiebedarf im konsumtiven Bereich fast genau so hoch 44

sein wird wie d e r Bedarf f ü r die industrielle u n d landwirtschaftliche P r o d u k t i o n . Insofern wird der k o n s u m t i v e F a k l o r des Knergiebedarfs u n d des Knergieverbrauchs eine i m m e r größere volkswirtschaftliche Relevanz aufweisen. Diese Problematik m u ß deshalb in die volkswirtschaftliche Rewerlung einbezogen werden.

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