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German Pages 386 Year 2021
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 327
Der Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich Eine aufsichtsrechtliche und zivilrechtliche Einordnung am Beispiel sog. Robo-Advisor
Von
Ricarda Theis
Duncker & Humblot · Berlin
RICARDA THEIS
Der Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 327
Der Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich Eine aufsichtsrechtliche und zivilrechtliche Einordnung am Beispiel sog. Robo-Advisor
Von
Ricarda Theis
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D21 Alle Rechte vorbehalten © 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-18332-6 (Print) ISBN 978-3-428-58332-4 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Meinem Mann Daniel
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen im Wintersemester 2020/2021 als Dissertation angenommen. Literatur, Rechtsprechung und Gesetzgebungsentwicklung wurden bis zum 1. Mai 2020 berücksichtigt. Frau Prof. Dr. Christine Osterloh-Konrad danke ich ganz herzlich für die Betreuung meiner Dissertation sowie ihre Unterstützung und wertvollen Anregungen in allen Phasen der Entstehung dieser Arbeit. Darüber hinaus danke ich Herrn Prof. Dr. Jens-Hinrich Binder für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dem Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München danke ich für die Möglichkeit als Gastwissenschaftlerin, die Einrichtungen des Instituts nutzen zu können. Mein persönlicher Dank gilt darüber hinaus Herrn Dr. Vincent Docherty und Herrn Dr. Lennart Lutz für das Durchlesen des Manuskripts und ihre hilfreichen Anmerkungen. Zu tiefer Dankbarkeit bin ich meinen Eltern Heidrun und Dr. Axel Theis verpflichtet, die mit ihrer vorbehaltlosen und liebevollen Unterstützung und ihren steten Ermutigungen einen wesentlichen Teil zum Erfolg meiner Ausbildung und zur Entstehung dieser Arbeit beigetragen haben. Marc, Ann-Kristin, Sisqo und Carlos danke ich für ihre mentale Unterstützung und dafür, dass sie stets für die nötige Abwechslung gesorgt haben. Mein größter Dank gilt meinem Mann Daniel, der mir nicht nur als wertvoller Diskussionspartner bei der Anfertigung dieser Arbeit zur Seite stand, sondern mich mit unermüdlicher Geduld und bedingungslosem Zuspruch durch zwei Examen begleitet hat. Ihm ist diese Arbeit gewidmet. München, im März 2021
Ricarda Theis
Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einführung in die Untersuchung
25
Kapitel 1 Aufriss der Problemstellung
25
Kapitel 2 Ziel und Gang der Untersuchung
29
Teil 2 Grundlagen
31
Kapitel 1 Terminologie
31
§ 1 Begriff und Abgrenzung der Robo-Advice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 § 2 Weitere Begrifflichkeiten und Einordnung der Robo-Advice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Kapitel 2 Funktionsweise
36
§ 1 Informationstechnische und wirtschaftswissenschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . 36 A. Grundlagen des Portfoliomanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Funktionsweise der Robo-Advisor im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 I. Erstellung des Anlageuniversums und Auswahl der Investitionsvehikel . . . . . 40 II. Erstellung von Musterportfolios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 III. Ermittlung der Risikoneigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 IV. Rebalancing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 C. Zusammenfassung Abschnitt § 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
10
Inhaltsverzeichnis
§ 2 Bedeutung künstlicher Intelligenz beim Einsatz von Robo-Advisorn . . . . . . . . . . . . . 48 A. Grundlagen der künstlichen Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I. Definition der künstlichen Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Menschliches Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Menschliches Denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Rationales Denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4. Rationales Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 II. Abgrenzung und Definition automatischer und intelligenter Agenten . . . . . . . 52 III. Weitere wichtige Teilgebiete der künstlichen Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 B. Verwendung künstlicher Intelligenz durch Robo-Advisor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I. Vergleich des Konzepts intelligenter Agenten mit der Funktionsweise eines Robo-Advisors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Die Zukunft der Robo-Advisor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 C. Zusammenfassung Abschnitt § 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Kapitel 3 Fazit
62
Teil 3 Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
64
Kapitel 1 Rechtsquellen 64 § 1 Die Rechtsgrundlagen der Anlageberatung und der Vermögensverwaltung . . . . . . . . 64 § 2 Europarechtlicher Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 § 3 Verhältnis von Zivil- und Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 A. Anwendung der klassischen Abgrenzungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 B. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Ausstrahlungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 II. Doppelnormtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 III. Maximalharmonisierungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 IV. Theorie vom Primat des Zivilrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 C. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 D. Aufsichtsrechtliche Normen als Schutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
Inhaltsverzeichnis
11
Kapitel 2 Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice 84 § 1 Rechtliche Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 A. Begriff des Aufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 B. Regelungsziele des Aufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 I. Regelungsziele des Aufsichtsrechts im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Funktionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Stabilität des Finanzmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 II. Vereinbarkeit des Einsatzes automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich mit den Regelungszielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Einfluss auf den Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Förderung des Anlegerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Beeinträchtigung des Anlegerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Einfluss auf den Funktionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Förderung des Funktionsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Beeinträchtigung des Funktionsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Einfluss auf die Stabilität des Finanzmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Förderung der Stabilität des Finanzmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Beeinträchtigung der Stabilität des Finanzmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 C. Systematik des materiellen Aufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 D. Auslegung des Aufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 § 2 Aufsichtsrechtliche Behandlung der Robo-Advice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 A. Erlaubnispflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Voraussetzungen der Erlaubnispflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Einordnung der Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 aa) Finanzportfolioverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 bb) Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 cc) Anlagevermittlung und Abschlussvermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 b) Sonstige regulierte Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Erforderlicher Umfang der Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Beschränkung auf Inlandsaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung aus anderen EWRStaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung aus Drittstaaten . . . . . 127
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Inhaltsverzeichnis c) Grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung in andere EWR-Staaten oder Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. Strategien zur Vermeidung der Erlaubnispflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Gesetzliche Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Einzelfallbezogene Freistellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Unternehmen, die nicht als Finanzdienstleistungsinstitute gelten . . . . . . 137 c) Vertraglich gebundene Vermittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 d) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Disclaimer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Keine Flucht in die unvollständige Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 B. Erlaubnisfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 I. Zwingende Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Betriebsbezogene Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Anforderungen an Antragsteller, Inhaber und Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . 147 II. Nicht zwingende Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 C. Pflichten der laufenden Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 I. Pflichten aus dem KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Allgemeine organisatorische Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Anforderungen an das Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Bedeutung von IT-Risiken für die Robo-Advice . . . . . . . . . . . . . . . . 150 bb) Anforderungen an das Risikomanagement von Robo-Advisorn . . . . 152 cc) Derzeitige Risikosituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 c) Sonstige Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Anforderungen an die Auslagerung von Aktivitäten und Prozessen . . . . . . 158 3. Anforderungen an bestimmte Personengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 4. Organisatorische Anforderungen zur Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen strafbaren Handlungen . . . . . . . . . . . . 158 5. Gesetzliche Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Kapitalmarktrechtliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Die allgemeine Pflicht zur Wahrung des Kundeninteresses . . . . . . . . . . . . . 163 2. Pflicht zur Vermeidung und Offenlegung von Interessenkonflikten . . . . . . 166 a) Interessenkonflikte zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Geschäftsleitung sowie Mitarbeitern einerseits und Kunden andererseits 167 b) Interessenkonflikte von Kunden untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 c) Offenlegung und Dokumentation von Interessenkonflikten . . . . . . . . . . 171 3. Sachkundepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
Inhaltsverzeichnis
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4. Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Allgemeine Anforderungen an die Art und Weise der Darstellung von Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Pflichtinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 aa) Besondere Informationspflichten bei der Finanzportfolioverwaltung 182 bb) Besondere Informationspflichten bei der Anlageberatung . . . . . . . . 182 c) Form der Informationserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 5. Geeignetheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Grundsätzliche Fähigkeit eines automatischen oder intelligenten Agenten zur Erteilung von Anlagerat oder zur Verwaltung von Vermögen . . 186 b) Mögliche Fehlerquellen und Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 aa) Input-Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 bb) Output-Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 cc) Erforschung im Rahmen des Reinforcement Learning . . . . . . . . . . . 193 c) Geeignetheitserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 6. Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 a) Aufzeichnungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Zeitpunkt der Aufzeichnung und Dauer der Aufbewahrung . . . . . . . . . . 198 c) Datensicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 7. Weitere Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Berichtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Pflicht zur bestmöglichen Auftragsausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 c) Pflicht zur getrennten Vermögensverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 d) Bezugnahme auf KWG-Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 8. Geltung des WpHG-Pflichtenregimes im grenzüberschreitenden Verkehr 201 III. Pflichtenkatalog bei Erlangung einer gewerberechtlichen Erlaubnis . . . . . . . . 201 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 § 3 Ergebnisse Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
Kapitel 3 Zivilrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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§ 1 Rechtliche Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 A. Bedeutung der Ausstrahlungswirkung für den Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 B. Die Zurechnung von Willenserklärungen beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 II. Blanketterklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 III. Botenerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 IV. Analoge Anwendung der Stellvertretungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 V. Eigene Willenserklärung des Betreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
14
Inhaltsverzeichnis VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
§ 2 Vertragsschluss und Vertragscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 A. Anlageberatungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 B. Vermögensverwaltungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 § 3 Pflichten aus dem Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 A. Anlageberatungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 I. Anlegergerechte Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Explorationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Geeignetheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Objektgerechte Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Sachkundepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. Pflicht zur Vermeidung und Offenlegung von Interessenkonflikten . . . . . . 230 III. Verbraucherspezifische Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Pflicht zur Einrichtung eines „Buttons“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3. Sonstige Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 B. Vermögensverwaltungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 I. Anbahnung der Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 II. Durchführung der Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Pflicht zur Einhaltung der Anlagerichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 2. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . 238 a) Spekulationsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 b) Gebot der Diversifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 c) Gebot der produktiven Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 3. Benachrichtigungs- und Rechenschaftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 4. Pflicht zur Vermeidung und Offenlegung von Interessenkonflikten . . . . . . 243 5. Herausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 III. Verbraucherspezifische Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 § 4 Ergebnisse Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
Kapitel 4 Folgen von Pflichtenverstößen
248
§ 1 Rechtliche Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 A. Mögliche Verantwortliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 B. Die Verantwortlichkeit automatischer und intelligenter Agenten . . . . . . . . . . . . . . 248 I. Zurechnungsfähigkeit automatischer und intelligenter Agenten im Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
Inhaltsverzeichnis
15
II. Zurechnungsfähigkeit automatischer und intelligenter Agenten im Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 III. Strafrechtliche Handlungs- und Schuldfähigkeit automatischer und intelligenter Agenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 C. Die Zurechenbarkeit von Handlungen automatischer und intelligenter Agenten
252
I. Zurechnung aus deliktsrechtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 II. Zurechnung aus vertragsrechtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 III. Zurechnung aus strafrechtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 § 2 Aufsichtsrechtliche Folgen eines Pflichtenverstoßes beim Einsatz eines Robo-Advisors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 A. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 B. Straf- und bußgeldbewehrte Pflichtenverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 I. Die Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit beim Einsatz eines Robo-Advisors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 II. Vorschriften des KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 1. Handeln ohne Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Sanktionen gegen juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 III. Vorschriften des WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 1. Relevante Bußgeldvorschriften des WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 2. Vorsatz und Leichtfertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 IV. Verbot der „digitalen Auslegung“ im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht 264 § 3 Zivilrechtliche Folgen eines Pflichtenverstoßes beim Einsatz eines Robo-Advisors
264
A. Vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 I. Haftung des Betreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1. Besonderheiten der Robo-Advice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 2. Mögliche Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 a) Haftung aus dem Anlageberatungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 aa) Vorvertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 bb) Vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (1) Verstoß gegen die Pflicht zur anlegergerechten Beratung . . . . . 268 (2) Verstoß gegen die Pflicht zur objektgerechten Beratung . . . . . . 268 b) Haftung aus dem Vermögensverwaltungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 aa) Vorvertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 (1) Keine ausreichende Beratung bei der Festlegung der Anlagerichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 (2) Unzureichende Information über Chancen und Risiken . . . . . . . 270 bb) Vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 (1) Abweichen von den Anlagezielen des Kunden . . . . . . . . . . . . . . 270 (2) Unzureichende Einholung und Auswertung von Produktinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
16
Inhaltsverzeichnis 3. Vertretenmüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 a) Haftung des Betreibers für eigenes Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 aa) Erkennbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 bb) Vermeidbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 cc) Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 dd) Sorgfaltspflichten im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 b) Haftung des Betreibers für fremdes Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 c) Mitverschulden des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 4. Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden . . . . . . . . 277 a) Aus technischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 b) Aus vertragsspezifischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 5. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Beweis der Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 b) Beweis des Vertretenmüssens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 aa) Entlastungsbeweis bei Vorliegen einer Black Box . . . . . . . . . . . . . . 282 bb) Entlastungsbeweis hinsichtlich Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . 282 cc) Entlastungsbeweis bei mehreren möglichen Schadensursachen . . . . 283 c) Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 aa) Aus technischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (1) Beweisbarkeit der Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (2) Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 bb) Aus vertragsspezifischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 d) Beweissicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 II. Haftung des Programmierers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 B. Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 I. Haftung des Betreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 1. Betreiber im deliktsrechtlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 2. Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 a) Verletzung eines Schutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 aa) Handeln ohne aufsichtsrechtliche Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 bb) Verletzung einer Wohlverhaltens- oder Organisationspflicht . . . . . . 294 cc) Verletzung eines Strafgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 b) Rechtswidrigkeit und Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 c) Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 d) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 3. Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung . . . . . . . . . . . . . . . 298
Inhaltsverzeichnis
17
4. Haftung für vermutetes Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 a) Haftung für den Verrichtungsgehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 aa) Für das Handeln des Robo-Advisors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 bb) Für das Handeln des Programmierers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 b) Haftung des Aufsichtspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 c) Berufstierhalterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 d) Haftung des Tieraufsehers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 5. Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 a) Direkte Anwendung der Gefährdungshaftungstatbestände . . . . . . . . . . . 305 b) Analoge Anwendung der Gefährdungshaftungstatbestände . . . . . . . . . . 305 II. Haftung des Programmierers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 1. Haftung aus dem ProdHaftG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 2. Haftung aus dem BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 a) Gegenüber dem Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 b) Regress des Betreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 III. Gesamtschuldnerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 C. Haftung als vertraglich gebundener Vermittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 D. Möglichkeiten eines Haftungssauschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 § 4 Ergebnisse Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314
Kapitel 5 Fazit
316
Teil 4 Reformansätze
320
Kapitel 1 Reformbedürftigkeit und Reformziele
320
Kapitel 2 Bewertung der einzelnen Reformansätze
322
§ 1 Reformansätze im Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 A. Schaffung von Transparenzanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 I. Offenlegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 1. Abwägung mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des Betreibers . . . . . 324 2. Nutzen für die Aufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
18
Inhaltsverzeichnis II. Begründungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 1. Bedürfnis nach einer neuen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 2. Umsetzungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 B. Gewährleistung der Funktionsfähigkeit und angemessener Sicherheitsvorkehrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 I. Anforderungen an Betreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 1. Festlegung eines Maßnahmenkatalogs für das Risikomanagement . . . . . . . 331 2. Verpflichtung zum Einsatz von Explainable Artificial Intelligence . . . . . . . 333 II. Anforderungen an Aufsichtsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 1. Durchführung IT-bezogener Stresstests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
2. Einführung eines Systems zur laufenden Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . 336 § 2 Reformansätze im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 A. Verschuldenslösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 I. Schaffung eines Gefährdungshaftungstatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 II. Zurechnungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 B. Schaffung einer Haftungsmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 I. Versicherungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 II. E-Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 C. Beweiserleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 I. Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 II. Beweissicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 D. Die Schaffung neuer technischer Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 § 3 Ergebnisse Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352
Kapitel 3 Fazit
354
Teil 5 Zusammenfassung und Ausblick
355
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
Abkürzungsverzeichnis 2. FiMaNoG a. A. AbgG ABl. Abs. AcP AEUV a. F. AG AGB AIF AJP/PJA AktG Ala. L. Rev. Anm. Art. ASIC AT AtG B2B BaFin BAIT BB BBergG Bd. Begr. Beschl. BGB BGBl. BGH BGHSt. BGHZ Bio. BKR BT BT-Drs. BVerwG BVerwGE bzw.
Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz andere(r) Ansicht Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz) Amtsblatt Absatz Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Die Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Alternative Investmentfonds Aktuelle Juristische Praxis/Pratique Juridique Actuelle Aktiengesetz Alabama Law Review Anmerkung Artikel Australian Securities and Investments Commission Allgemeiner Teil Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) Business-to-Business Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT Betriebsberater Bundesberggesetz Band Begründer Beschluss Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Billion Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Besonderer Teil Bundestagsdrucksache Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise
20 CAT CB CCZ CEN CF Chi.-Kent. L. Rev. Cog. Psychol. Colum. L. Rev. CR CRR DB DelVO DePaul Bus. & Com. L. J. d. h. DIN Diss. DSGVO DStR DuD ECFR EG EGBGB EGV Einf. Einl. engl. ESAs ESMA et al. etc. ETF EU EuGH EUV EuZW EWR EZB f./ff. FAZ FCA FinaRisikoV FINRA FinVermV Fn. FSB
Abkürzungsverzeichnis Consolidated Audit Trails Compliance Berater Corporate Compliance Zeitschrift Comité Européen de Normalisation Corporate Finance Chicago-Kent Law Review Cognitive Psychology Columbia Law Review Computer und Recht Capital Requirements Regulation Der Betrieb Delegierte Verordnung DePaul Business and Commercial Law Journal das heißt Deutsches Institut für Normung Dissertation Datenschutz-Grundverordnung Das deutsche Steuerrecht Datenschutz und Datensicherheit European Company and Financial Law Review Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführung Einleitung englisch European Supervisory Authorities European Securities and Markets Authority et alii/aliae et cetera Exchange Traded Funds Europäische Union Europäischer Gerichtshof Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum Europäische Zentralbank folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Financial Conduct Authority Verordnung zur Einreichung von Finanz- und Risikotragfähigkeitsinformationen nach dem Kreditwesengesetz (Finanz- und Risikotragfähigkeitsinformationenverordnung) Financial Industry Regulatory Authority Verordnung über die Finanzanlagenvermittlung (Finanzanlagenvermittlungsverordnung) Fußnote Financial Stability Board
Abkürzungsverzeichnis gem. GewO GG GmbHG GPR GWB GwG GWR HaftPflG Harv. J.L. & Tech. HGB Hinweisbeschl. h. M. Hrsg. Hs. IEC InTeR Iowa L. Rev. IRZ i. S. d. ISIN ISO i. S. v. it+ti ITRB i. V. m. JR JuS JZ K&R KAGB Kap. Kfz. KWG LIME lit. LRP LuftVG MaComp MaRisk MDR MiFID I MiFID II MiFIR
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gemäß Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz) Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Haftpflichtgesetz Harvard Journal of Law & Technology Handelsgesetzbuch Hinweisbeschluss herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz International Electrotechnical Commission Zeitschrift zum Innovations- und Technikrecht Iowa Law Review Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung im Sinne des, der Wertpapier-Identifikationsnummer International Organization for Standardization im Sinne von Informationstechnik und Technische Informatik IT Rechtsberater in Verbindung mit Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristen Zeitung Kommunikation & Recht Kapitalanlagegesetzbuch Kapitel Kraftfahrzeug Gesetz über das Kreditwesen Local Interpretable Model-Agnostic Explanations litera Layer-wise Relevance Propagation Luftfahrtgesetz Rundschreiben 05/2018 (WA) der BaFin – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten Rundschreiben 09/2017 (BA) der BaFin – Mindestanforderungen an das Risikomanagement Monatszeitschrift für Deutsches Recht Markets in Financial Instruments Directive I Markets in Financial Instruments Directive II Markets in Financial Instruments Regulation
22 Mio. MIT Tech. Rev. MMR Mrd. m. w. N. n. F. NJOZ NJW NJW-RR Nr. NZG NZWiSt OLG OWiG ProdHaftG ProdSG RdF RG RGZ RW Rz. S. SEC sog. Sp. SpRAy StGB st. Rspr. StVG SZ Tex. Int’l L. J TIBER TranspR u. a. Uabs. UmweltHG U. Penn. Urt. USA u. U. UWG v. VermAnlG Versäumnisurt. VersR
Abkürzungsverzeichnis Million Massachusetts Institute of Technology Technology Review Multimedia und Recht Milliarde mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift NJW Rechtsprechungs-Report Nummer Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht Oberlandesgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz) Gesetz über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (Produktsicherheitsgesetz) Recht der Finanzinstrumente Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rechtswissenschaft Randziffer Seite, Satz U.S. Securities and Exchange Commission sogenannte/r/s Spalte Spectral Relevance Analysis Strafgesetzbuch ständige Rechtsprechung Straßenverkehrsgesetz Süddeutsche Zeitung Texas International Law Journal Threat Intelligence-based Ethical Red-teaming Transportrecht unter anderem Unterabsatz Umwelthaftungsgesetz University of Pennsylvania Urteil United States of America unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom Gesetz über Vermögensanlagen (Vermögensanlagengesetz) Versäumnisurteil Versicherungsrecht
Abkürzungsverzeichnis VG vgl. VO Vor Vorlagebeschl. VVG VW VwVfG vzbv Wash. J.L. Tech. & Arts WM WpDVerOV WpHG WpHGMaAnzV
ZAG z. B. ZBB ZD ZEuP ZfgG ZfgK ZfPW ZGR ZHR ZIP ZPO ZRP ZSTW zugl.
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Verwaltungsgericht vergleiche Verordnung Vorbemerkung(en) Vorlagebeschluss Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Versicherungswirtschaft Verwaltungsverfahrensgesetz Verbraucherzentrale Bundesverband Washington Journal of Law, Technology & Arts Wertpapiermitteilungen. Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung 2. Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz) Verordnung über den Einsatz von Mitarbeitern in der Anlageberatung, als Vertriebsmitarbeiter, in der Finanzportfolioverwaltung, als Vertriebsbeauftragte oder als Compliance- Beauftragte und über die Anzeigepflichten nach § 87 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung) Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz) zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Datenschutz Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zugleich
Teil 1
Einführung in die Untersuchung Kapitel 1
Aufriss der Problemstellung
„God isn’t compatible with machinery and scientific medicine and universal happiness. You must make a choice. Our civilization has chosen machinery and medicine and happiness.“ Aldous Huxley, Brave New World (1932), S. 207.
Fortschritt ist heute gleichbedeutend mit Digitalisierung und damit einhergehend mit Beschleunigung, Automatisierung und Vernetzung. Der tiefgreifende Wandel, den die Digitalisierung für Welt und Gesellschaft mit sich gebracht hat, hat gerade erst begonnen. Schon heute ist das menschliche Verständnis von Kommunikation und Mobilität ein grundlegend anderes als noch vor zwanzig oder gar dreißig Jahren. Roboter, künstliche Intelligenz und Automatisierung durchdringen nach und nach jeden Aspekt menschlichen Daseins. Die ständige Erreichbarkeit jedes Einzelnen und die jederzeitige Verfügbarkeit von Waren und Dienstleistungen mit dem bloßen Griff zum Smartphone sind heutzutage nurmehr eine Selbstverständlichkeit. Die fortschreitende technische Entwicklung automatisiert immer komplexere Prozesse. Viele menschliche Arbeitskräfte werden im Zuge dessen durch Roboter ersetzt (dass zugleich aber eine neue Kategorie an Arbeitsplätzen geschaffen wird, sei hier nur nebenbei erwähnt). Der Mensch der Zukunft lässt sich nicht nur von automatisierten Autos chauffieren, sondern erhält auch seinen rechtlichen Rat von automatisierten Anwälten und nimmt medizinische Behandlungsempfehlungen von automatisierten Ärzten entgegen. Aufmerksamkeit wurde lange Zeit vor allem der Automatisierung der Fertigungsindustrie zuteil. Doch der Fokus wandert nun zunehmend auf die Finanzbranche. Denn auch vor dieser macht die Digitalisierung keinen Halt. 1959 nahm der erste Geldautomat seinen Betrieb auf, 1981 konnten erstmals Bankgeschäfte von zuhause aus vorgenommen werden und seit 1994 ist die Zahlung über das Internet
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Teil 1: Einführung in die Untersuchung
möglich.1 Seit der Markteinführung dieser Innovationen, die freilich zunächst nur für Kunden in den USA verfügbar waren, hat sich viel getan. „FinTechs“ erobern den Markt. FinTech ist die Kurzform von „financial technology“.2 Dabei handelt es sich um Unternehmen, die den Finanzsektor mit innovativen, internetbasierten Technologien verknüpfen und dadurch Produkte und Dienstleistungen regelmäßig effizienter, benutzerfreundlicher und transparenter zur Verfügung stellen können als traditionelle Anbieter.3 Menschliche Akteure werden dabei auf verschiedenen Ebenen durch den Einsatz automatischer und/oder intelligenter Agenten4 unterstützt oder gar ersetzt. Gerade im Finanzdienstleistungsbereich bieten sich zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für automatische und intelligente Agenten. So werden Bankgeschäfte mittels reiner Online-Banken abgewickelt, die Beteiligungs- und Kreditfinanzierung erfolgt im Rahmen von sogenanntem „Crowdinvesting“, „Crowdfunding“ und „Crowdlending“ und das Effektengeschäft vollzieht sich durch algorithmischen Handel.5 Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wirkt der Anruf beim Bankberater oder gar ein Besuch der Bankfiliale anlässlich eines Beratungstermins schon fast anachronistisch. Erwartungsgemäß greift die Digitalisierung deshalb auch auf den Bereich der Finanzberatung über. Neben automatisierten Fahrzeugen gibt es nun auch automatisierte Anlageberatung und automatisierte Vermögensverwaltung mittels sog. „Robo-Advisor“. Vereinfacht ausgedrückt, führen Robo-Advisor die üblicherweise höchst komplexen und individuellen Finanzdienstleistungen der Anlageberatung und Vermögensverwaltung auf der Basis von Algorithmen ohne oder unter nur geringer Beteiligung menschlicher Berater durch.6 Ihr Einsatz wirft sowohl auf aufsichtsrechtlicher als auch auf vertraglicher Ebene zahlreiche Fragestellungen auf und kann deshalb exemplarisch für den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich dienen. Die Geschichte der digitalen Berater ist dabei noch vergleichsweise jung. 2010 trat in den USA mit Betterment der erste Robo-Advisor auf den Markt.7 Wenig später, im Jahre 2013, folgten mit Quirion und Cashboard die ersten deutschen Anbieter.8 Während die Zielgruppe der Robo-Advisor zunächst internetaffine junge Menschen waren, zählen zu ihren Kunden mittlerweile nicht mehr nur „Millenials“.9 Heute
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Alt/Puschmann, Digitalisierung der Finanzindustrie (2016), S. 5 f. Dorfleitner et al., FinTech in Germany (2017), S. 5. 3 Dorfleitner et al., FinTech in Germany (2017), S. 5. 4 Siehe zu diesen Begriffen unten Teil 2 Kap. 2 § 2 A. II. 5 Vgl. Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (794). 6 Rauch/Lebeau/Thiele, RdF 2017, 227. 7 Stein, The History of Betterment: Changing an Industry (2016), abrufbar unter: www.bet terment.com/resources/the-history-of-betterment/. 8 Dorfleitner et al., FinTech in Germany (2017), S. 35. 9 Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (794). 2
Kap. 1: Aufriss der Problemstellung
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können Robo-Advisor einen generationenübergreifenden Erfolg vorweisen. Das Durchschnittsalter von Robo-Advisor-Kunden liegt bei 50 Jahren.10 Begründet liegt dies in dem Versprechen, das Robo-Advisor leisten: das Verschaffen eines kostengünstigen Zugangs zu professioneller Anlageberatung und Vermögensverwaltung bereits ab geringen Anlagesummen.11 Dabei handelt es sich um Dienstleistungen, die sonst wohlhabenden Kunden vorbehalten sind.12 Ein Angebot, das gerade in Zeiten, in denen die gesetzliche Rente nicht mehr ausreicht, um für das Alter vorzusorgen13, verlockend wirkt. Dabei handelt es sich bei der Robo-Advice keineswegs um ein vorübergehendes Phänomen. Der Robo-Advisor-Markt in Deutschland konnte in den letzten Jahren ein erhebliches Wachstum verzeichnen. Aus mehr als 30 Anbietern können Kunden hierzulande mittlerweile auswählen. 2015 betrug das Anlagevolumen aller RoboAdvisor in Deutschland gerade einmal 170 Mio. Euro, im Jahr 2019 belief es sich bereits auf 7,5 Mrd. Euro und für das Jahr 2022 wird gar ein Anlagevolumen von ca. 24 Mrd. Euro vorausgesagt.14 Für die USA wird für das Jahr 2022 sogar ein Anlagevolumen von ca. 1,4 Bil. US-Dollar (entspricht ca. 1,2 Bil. Euro) erwartet.15 Auch wenn es sich dabei nur um einen Bruchteil dessen handelt, was Fondsgesellschaften insgesamt an Anlagegeldern verwalten16, konnten Robo-Advisor nichtsdestotrotz in kurzer Zeit ein beträchtliches Wachstum verzeichnen. Doch die Markteinführung der Robo-Advisor war naturgemäß nicht nur von Euphorie geprägt. Begleiterscheinung sämtlicher technischer Innovationen war schon immer die Angst vor dem Wandel. Bereits in den Jahren 1811 bis 1817 stürmten die Ludditen die Maschinen der Textilindustrie, heute wird in regelmäßigen Abständen der drohende Verlust von Millionen von Arbeitsplätzen ausgerufen.17 Selbst Szenegrößen wie Elon Musk, Steve Wozniak und Bill Gates warnten zuletzt vor den Gefahren der künstlichen Intelligenz.18 Der Einsatz von Robo-Advisorn lässt befürchten, dass eine Vielzahl von Anlegern der gleichen oder einer zumindest ähnlichen Anlagestrategie folgen und dadurch systemische Risiken erzeugt wer-
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Kanning, ING Diba befeuert Anlageroboter, FAZ vom 29. 05. 2018, abrufbar unter: www. faz.net/-hs7-9am5z. 11 Dorfleitner et al., FinTech in Germany (2017), S. 35 f. 12 Fischer, Ma., ZfgG 2017, 183; Ji, 117 Colum. L. Rev. 1543, 1544 (2017). 13 Harrer, Exchange Traded Funds (ETFs) (2016), S. 34; Jäger/Utecht, VW 2004, 76. 14 Siehe de.statista.com/outlook/337/137/robo-advisors/Deutschland. 15 Siehe www.statista.com/outlook/337/109/robo-advisors/united-states. 16 2018 verwalteten Fondsgesellschaften in Deutschland ca. 3,1 Billionen Euro, vgl. McKinsey & Company, Fondsanbieter in Deutschland unter Druck, Press Release 23. Juli 2019, www.mckinsey.de/news/presse/2019-07-23-asset-management. 17 Schäfer, Ulrich, Kollege Roboter, SZ vom 30./31. 05. 2018, S. 4. 18 Scherer, 29 Harv. J.L. & Tech. 354, 355 (No. 2 Spring 2016).
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Teil 1: Einführung in die Untersuchung
den.19 Zudem sind Robo-Advisor mangels zwischenmenschlicher Kommunikation unter Umständen nicht dazu in der Lage, in Krisenzeiten Anleger vor übereilten Entscheidungen zu bewahren.20 Die Angst vor dem Neuen resultiert häufig im hilfesuchenden Blick zum Recht, das mit der rasanten technischen Entwicklung nicht mitzuhalten scheint. Gerade in der Anlageberatung macht das mit dem Informationsgefälle zwischen Anlageberater und Anleger einhergehende Prinzipal-Agenten-Problem eine Überwachung der beratenden Bank unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Bank die Interessen der Kunden wahrt.21 Es stellt sich mithin die Frage, ob das Aufsichtsrecht diesem Anspruch auch beim Einsatz von Robo-Advisorn als Anlageberater und Vermögensverwalter noch gerecht werden kann. Bei seiner Entwicklung war Regelungsobjekt des Aufsichtsrechts stets der menschliche Berater.22 Anpassungen aufgrund von technischen Neuerungen, wie sie etwa in § 80 Abs. 2 WpHG zum algorithmischen Handel zu finden sind, waren stets nur punktueller Natur, nicht aber eine strukturelle Reaktion auf die fortschreitende Digitalisierung. Und auch im Zivilrecht werfen der Vertragsschluss und die Vertragsdurchführung mittels automatischer und intelligenter Agenten Fragen auf. Jedoch müssen nicht sämtliche technischen Entwicklungen auch eine entsprechende Reaktion des Gesetzgebers nach sich ziehen. Zum einen darf nicht jede ängstliche Stimmung in der Gesellschaft zu einer „innovationshemmenden Überregulierung“ führen.23 Zum anderen gibt das abstrakte kontinentaleuropäische Recht seinen Anwendern die Werkzeuge der Auslegung und der analogen Anwendung an die Hand, welche unter Umständen bereits im Rahmen der bestehenden Gesetze eine adäquate Reaktion auf technische Entwicklungen ermöglichen.24 Ob bereits das geltende Recht in der Lage ist, einen rechtlichen Rahmen für Robo-Advice zu bieten, oder ob eklatante Regelungslücken bestehen, wird im weiteren Verlauf der Untersuchung erörtert.
19 Baker/Dellaert, 103 Iowa L. Rev. 713, 732 (2018); Edwards, 93 Chi.-Kent. L. Rev. 97, 108 (2018); Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 2, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 20 Fein, Robo Advisors: A Closer Look (2015), S. 5, abrufbar unter: ssrn.com/abstract=2658701. 21 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 3 f. 22 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 2, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 23 Denga, CR 2018, 69 (70). 24 Denga, CR 2018, 69 (71).
Kap. 2: Ziel und Gang der Untersuchung
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Kapitel 2
Ziel und Gang der Untersuchung Ziel dieser Untersuchung ist es, aufzuzeigen, wie automatische und intelligente Agenten im Finanzdienstleistungsbereich im Allgemeinen und Robo-Advisor im Speziellen in das aktuelle aufsichtsrechtliche sowie das aktuelle zivilrechtliche System eingeordnet werden können und an welchen Stellen gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Fragen des Datenschutzes werden lediglich tangiert, sind im Übrigen aber nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Dabei soll dargestellt werden, welche Vorteile und welche Probleme sich aus rechtlicher Perspektive beim Einsatz automatischer Agenten auf der einen und intelligenter Agenten auf der anderen Seite im Finanzdienstleistungsbereich ergeben. Um beantworten zu können, wie die Normen des Aufsichts- und des Zivilrechts im Einzelfall auf den Einsatz von Robo-Advisorn angewendet werden können, müssen zunächst einige generelle Vorüberlegungen zum Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich getätigt werden. Hierbei wird der Blick anfänglich auf deren Vereinbarkeit mit den Regelungszielen des Aufsichtsrechts sowie auf Probleme der Zurechnung von Willenserklärungen unter Einsatz automatischer und intelligenter Agenten gerichtet. Sodann soll eine Konzentration auf die Fragen erfolgen, welche aufsichtsrechtlichen und zivilrechtlichen Pflichten der Einsatz eines automatischen oder intelligenten Agenten im Finanzdienstleistungsbereich mit sich bringt und welche Konsequenzen ein Verstoß gegen diese Pflichten nach sich zieht. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Zurechnungsfähigkeit automatischer und intelligenter Agenten sowie nach der Möglichkeit einer Zurechnung ihrer Handlungen zu ihrem Betreiber. Vom Standpunkt der aktuellen Rechtslage aus sollen Lücken der Regulierung identifiziert und mögliche Reformoptionen diskutiert werden. Explizit von der Behandlung in dieser Arbeit ausgeschlossen sind dagegen Fragen der Rückabwicklung mittels automatischer und intelligenter Agenten geschlossener Finanzdienstleistungsverträge. Dem folgt auch der Aufbau der Untersuchung: Um ein belastbares Fundament für die sich anschließende rechtliche Bewertung des Phänomens „Robo-Advice“ zu schaffen, muss zunächst für ein einheitliches Verständnis der wesentlichen Begrifflichkeiten gesorgt werden. Teil 2 der Arbeit erläutert deshalb die diversen im Zusammenhang mit der Robo-Advice aufkommenden Termini und klärt über die Funktionsweise eines Robo-Advisors aus informationstechnischer und wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive auf. Teil 3 schließt sodann mit der rechtlichen Einordnung der Robo-Advice an, indem er in Kapitel 1 als Erstes relevante Rechtsquellen benennt und das Verhältnis zwischen Zivil- und Aufsichtsrecht erläutert und sodann in Kapitel 2 und 3 eine detaillierte aufsichtsrechtliche und zivilrechtliche Einordnung vornimmt. Mit der Frage, welche rechtlichen Konsequenzen ein Verstoß gegen die erläuterten aufsichtsrechtlichen und zivilrechtlichen
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Teil 1: Einführung in die Untersuchung
Pflichten unter Einsatz eines Robo-Advisors nach sich zieht, setzt sich anschließend Kapitel 4 auseinander. Schließlich werden in Teil 4 unter der Überschrift „Reformansätze“ die in den vorangegangenen Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich bestehender Regelungslücken des geltenden Rechts beim Umgang mit automatischen und intelligenten Agenten im Finanzdienstleistungsbereich zusammengefasst und Vorschläge zu ihrer Bewältigung diskutiert. Zuletzt erfolgt in Teil 5 eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit und wird ein Ausblick in die zukünftige Entwicklung gewagt.
Teil 2
Grundlagen Kapitel 1
Terminologie § 1 Begriff und Abgrenzung der Robo-Advice Eine exakte rechtliche Bewertung der Robo-Advice ist nur dann möglich, wenn zunächst eine präzise Definition des Begriffs des Robo-Advisors sowie damit zusammenhängender Begriffe erfolgt und Robo-Advisor von ähnlichen Finanzinnovationen abgegrenzt werden. Eine einheitliche Definition eines Robo-Advisors existiert aufgrund seines innovativen Charakters naturgemäß noch nicht.1 Der Begriff „Robo-Advisor“, welcher sich aus den englischen Worten „Robot“ und „(Financial)Advisor“ zusammensetzt, wurde erstmals 2010 geprägt und beschreibt eine wirtschaftliche Erscheinung, aber kein klar abgegrenztes Rechtsinstitut.2 Schon die Bezeichnung des Phänomens an sich ist uneinheitlich. So wird im gleichen Zusammenhang unter anderem von „Robo-Advisor“3, „Robo-Adviser“4, „Robo-Advice“5, „Robo-Advisory“6, „digital investment advice“7, „automation in financial 1
Schuster, M./Bartsch, in: Krimphove (Hrsg.), Fintechs (2019), 323 (325). Maume, 55:1 Tex. Int’l L. J., 49, 63 (2019). 3 Baker/Dellaert, 103 Iowa L. Rev., 713 (2018); Fein, Robo Advisors: A Closer Look (2015), S. 1, abrufbar unter: ssrn.com/abstract=2658701; Ji, 117 Colum. L. Rev., 1543 (2017); Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966; Schuster, M./Bartsch, in: Krimphove (Hrsg.), Fintechs (2019), 323 (325); Strzelczyk, 16 DePaul Bus. & Com. L. J., 54 (2018). 4 Edwards, 93 Chi.-Kent. L. Rev., 97 (2018); SEC, IM Guidance Update: Robo-Advisers, February 2017, S. 1, abrufbar unter: www.sec.gov/investment/im-guidance-2017-02.pdf. 5 Baker/Dellaert, 103 Iowa L. Rev., 713 (2018); Grischuk, BaFin Journal, August 2017, S.18, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/BaFinJournal/2017/bj_1708. html; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793; Rauch/Lebeau/Thiele, RdF 2017, 227; Roth, B./Blessing, CCZ 2016, 258 (265); Schuster, M./Bartsch, in: Krimphove (Hrsg.), Fintechs (2019), 323 (325); Weber/Baisch, AJP/PJA 2016, 1065. 6 Maume, 55:1 Tex. Int’l L. J., 49 (2019); Nathmann, FinTech (2019), S. 33. 7 FINRA, Report on Digital Investment Advice, March 2016, S. 1, abrufbar unter: www. finra.org/sites/default/files/digital-investment-advice-report.pdf; Iannarone, 93 Chi.-Kent. L. Rev., 141 (2018). 2
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Teil 2: Grundlagen
advice“8 und „digital financial product advice“9 gesprochen. Im Sinne der Einheitlichkeit wird im weiteren Verlauf der Arbeit die Beratungsplattform selbst als „Robo-Advisor“ und die Tätigkeit der digitalen Beratung als „Robo-Advice“ bezeichnet. Uneinigkeit herrscht auch dahingehend, ob unter einem Robo-Advisor nur eine solche Plattform verstanden wird, die digitale Anlageberatung erbringt, oder ob sich der Begriff zusätzlich auch auf die digitale Vermögensverwaltung bezieht. Die BaFin differenziert zwischen der Robo-Advice als Plattform zur automatisierten Anlageberatung einerseits und der automatisierten Finanzportfolioverwaltung andererseits.10 Auch in der Literatur existieren Stimmen, die ein solch enges Verständnis des Begriffs „Robo-Advice“ befürworten.11 Überwiegend wird jedoch auch die digitale Vermögensverwaltung als Robo-Advice verstanden.12 Diesem Ansatz folgt auch die vorliegende Arbeit, da sich Anlageberatung und Vermögensverwaltung lediglich darin unterscheiden, wer die finale Anlageentscheidung trifft, im Übrigen aber nahezu gleich aufgebaut sind. Damit lassen sich Robo-Advisor definieren als alle online-basierten voll- oder teilautomatischen Systeme, bei denen ein Programm Kunden unter anderem auf Basis der von ihnen getätigten Angaben einen Anlagerat erteilt oder das Vermögen verwaltet. Vom Begriff des Robo-Advisors werden somit ausschließlich solche Systeme erfasst, die in unmittelbarem Kundenkontakt stehen. Nicht erfasst werden dagegen Systeme, die lediglich Anlagevorschläge für menschliche Berater entwickeln, welche diese dann an die Kunden weiterleiten. Zum einen handelt es sich dabei nicht um ein neues Phänomen, zum anderen hat die Frage, ob und welche Systeme im Hintergrund eingesetzt werden, keinen Einfluss auf die rechtliche Behandlung des 8 ESAs, Report on automation in financial advice, 2016, S. 1, abrufbar unter: https://esasjoint-committee.europa.eu/Pages/News/European-Supervisory-Authorities-publish-conclusi ons-on-automation-in-financial-advice.aspx. 9 ASIC, Regulatory Guide 255, Providing digital financial product advice to retail clients, August 2016, S. 1, abrufbar unter: download.asic.gov.au/media/3994496/rg255-published-30august-2016.pdf#page18. 10 BaFin, Robo-Advice und Auto-Trading (2016), abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Auf sicht/FinTech/Anlageberatung/anlageberatung_node.html; BaFin, Automatisierte Finanzportfolioverwaltung, (2016), abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Aufsicht/FinTech/Finanzportfolio verwaltung/finanzportfolioverwaltung_node.html. Wie sich aus einer aktuellen Verbraucherinformation ergibt, scheint die BaFin von dieser strengen Trennung jedoch abzuweichen, BaFin, Robo-Advice – Automatisierte Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung, (2020), abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Verbraucher/Finanzwissen/Fintech/RoboAdvice/robo_ad vice_node.html. 11 Maume, 55:1 Tex. Int’l L. J., 49, 64 (2019); Nathmann, FinTech (2019), S. 55 f.; Oehler/ Horn/Wendt, in: Keuper/Schomann/Sikora/Wassef (Hrsg.), Disruption und Transformation Management (2018), S. 325 (333); Roth, B./Blessing, CCZ 2016, 258 (265). 12 Baumanns, BKR 2016, 366 (368); Dorfleitner et al., FinTech in Germany (2017), S. 9; Fischer, Ma., ZfgG 2017, 183; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (794); Oppenheim/LangeHausstein, WM 2016, 1966 (1967); Rauch/Lebeau/Thiele, RdF 2017, 227; Schuster, M./ Bartsch, in: Krimphove (Hrsg.), Fintechs (2019), 323 (325).
Kap. 1: Terminologie
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im Vordergrund agierenden menschlichen Anlageberaters oder Vermögensverwalters.13 Neben vollautomatischen Robo-Advisorn existieren auch Hybrid-Lösungen, bei denen die algorithmische Beratung und Verwaltung auf unterschiedlichen Ebenen durch Menschen unterstützt wird. Abgegrenzt werden müssen Robo-Advisor zu ähnlichen online-basierten Innovationen der Finanzbranche. So dürfen Robo-Advisor nicht verwechselt werden mit dem sog. „Social Trading“. Beim Social Trading können Anleger auf einer OnlinePlattform als sog. „Follower“ die öffentlich geführten Depots und Handelsentscheidungen von Tradern (sog. Signalgebern) beobachten und diese mittels automatisierter Auftragsausführung für das eigene Depot kopieren.14 Automatisiert wird hier nicht die Beratung oder die Verwaltung des Vermögens, sondern die Ausführung der Order anhand der Handelsstrategien des jeweiligen Signalgebers. Weniger eindeutig gestaltet sich die Abgrenzung zwischen Robo-Advisorn und dem sog. algorithmischen Handel. Gem. § 80 Abs. 2 S. 1 WpHG ist algorithmischer Handel dann gegeben, wenn beim Handel mit Finanzinstrumenten einzelne Auftragsparameter durch einen Computeralgorithmus automatisch bestimmt werden, ohne dass es sich um ein System handelt, das nur zur Weiterleitung von Aufträgen zu einem oder mehreren Handelsplätzen, zur Bearbeitung von Aufträgen ohne die Bestimmung von Auftragsparametern, zur Bestätigung von Aufträgen oder zur Nachbearbeitung ausgeführter Aufträge verwendet wird. Bei den Auftragsparametern handelt es sich gem. § 80 Abs. 2 S. 2 WpHG insbesondere um Entscheidungen, ob der Auftrag eingeleitet werden soll, über Zeitpunkt, Preis oder Quantität des Auftrags oder wie der Auftrag nach seiner Einreichung mit eingeschränkter oder gänzlich ohne menschliche Beteiligung bearbeitet wird. Der Begriff des algorithmischen Handels darf dabei nicht vermengt werden mit demjenigen des Hochfrequenzhandels. Dieser stellt zwar einen Teilbereich des algorithmischen Handels dar, er ist aber durch eine hohe Anzahl von Auftragseingaben, -änderungen oder -löschungen innerhalb von Mikrosekunden gekennzeichnet.15 Keiner der derzeit tätigen Robo-Advisor bietet Wertpapierdienstleistungen an, welche auf dem Hochfrequenzhandel beruhen.16 Ob Robo-Advisor dagegen algorithmischen Handel betreiben, hängt von ihrer Ausgestaltung im Einzelfall ab.17 Für die Einordnung als algorithmischer Handel kommt es entscheidend darauf an, ob der Algorithmus selbständig über bestimmte Aspekte eines Auftrags entscheidet (Preis, Volumen, 13
Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 4, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 14 BaFin, Social Trading-Plattformen zur Signalgebung und automatisierten Auftragsausführung, 2017, abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Verbraucher/Finanzwissen/Fintech/SocialTra ding/social_trading_node.html. 15 BaFin, Algorithmischer Handel und Hochfrequenzhandel (2019), abrufbar unter: www. bafin.de/DE/Aufsicht/BoersenMaerkte/Handel/Hochfrequenzhandel/high_frequency_trading_ artikel.html. 16 Darányi, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 16 Rn. 76. 17 Vgl. Madel, Robo Advice (2019), S. 236 ff.
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Teil 2: Grundlagen
Zeitpunkt der Ausführung etc.) bzw. automatisch Aufträge generiert und/oder entscheidet diese auszuführen.18 Erfordert die Einleitung, Erzeugung, Weiterleitung oder Ausführung von Aufträgen noch das Eingreifen eines Menschen, liegt kein algorithmischer Handel vor.19 Ein Robo-Advisor betreibt demnach nur dann algorithmischen Handel, wenn sich die Automatisierung nicht nur auf die Generierung von Anlageempfehlungen und Anlageentscheidungen beschränkt, sondern diese auch vollautomatisch vom System umgesetzt werden.20 Schließlich muss eine Abgrenzung der Robo-Advice von automatisierter Beratung in anderen Branchen erfolgen. Die Automatisierung von Beratungsleistungen ist ein Phänomen, das nicht nur auf dem Gebiet der Finanzanlage auftritt. Auch in anderen Bereichen, wie etwa der Versicherungsbranche21, kommt es zum Einsatz automatisierter Berater. Auch wenn im Zusammenhang mit diesen Branchen mitunter von Robo-Advisorn gesprochen wird22, hat sich der Begriff wohl nur in Bezug auf Anlageberatung und Vermögensverwaltung durchgesetzt.
§ 2 Weitere Begrifflichkeiten und Einordnung der Robo-Advice Nachdem eine Definition des Begriffs Robo-Advisor erfolgt ist und dieser von ähnlichen Erscheinungen abgegrenzt wurde, müssen abschließend noch Definitionen zu weiteren für die Arbeit wesentlichen Begriffen erfolgen. Dabei handelt es sich zunächst um die Begriffe der Automatisierung, des Algorithmus, des Roboters, der Autonomie und des Agenten. Zwar ist die „künstliche Intelligenz“ für die RoboAdvice ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Allerdings erfordert die Erläuterung ihrer Bedeutung sowie die Darlegung ihres Zusammenhangs mit Robo-Advisorn eine ausführlichere Darstellung, so dass ihr ein eigenes Kapitel gewidmet ist.23 Es ist schwer, zu den Begriffen der Automatisierung, des Algorithmus, des Roboters, der Autonomie und des Agenten anerkannte Definitionen zu finden, weil sie zum einen interdisziplinärer Natur sind und zum anderen dem ständigen Wandel der Technik unterliegen.24 Vor allem auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur findet eine einheitliche oder eine sauber abgegrenzte Verwendung der einzelnen Begrifflichkeiten häufig nicht statt. Eine gewinnbringende Erörterung bestehender 18 BaFin, Häufige Fragen und Antworten zum algorithmischen Handel und zum Hochfrequenzhandel (Stand: 17. 07. 2019), Fragen 4 und 7, abrufbar unter: www.bafin.de/Shared Docs/Downloads/DE/FAQ/dl_faq_hft.html?nn=7846742. 19 BaFin, Häufige Fragen und Antworten zum algorithmischen Handel und zum Hochfrequenzhandel (Stand: 17. 07. 2019), Fragen 4 und 7, abrufbar unter: www.bafin.de/Shared Docs/Downloads/DE/FAQ/dl_faq_hft.html?nn=7846742. 20 Vgl. Darányi, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 16 Rn. 78. 21 So z. B. für den deutschen Markt „Clark“: www.clark.de. 22 Baker/Dellaert, 103 Iowa L. Rev., 713, 720 (2018). 23 Siehe unten Teil 2 Kap. 2 § 2. 24 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 17.
Kap. 1: Terminologie
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Probleme ist aber nur dann realisierbar, wenn die relevanten Begrifflichkeiten exakt definiert und abgegrenzt werden, weil auch eine rechtliche Subsumtion stets nur bei einer eindeutigen Erfassung des zugrundeliegenden Sachverhalts möglich ist. Für eine konsequente Lösung der auftretenden Rechtsprobleme ist ein einheitliches Verständnis der Begriffe unerlässlich. Es erscheint aufgrund des technischen Hintergrunds der Thematik zweckmäßig, sich auf ein technisches Verständnis der Begriffe zu konzentrieren, da ihre Bedeutung in den Geisteswissenschaften naturgemäß eine andere ist.25 Wegen ihrer gesetzesähnlichen Struktur und ihrer präzisen sprachlichen Formulierung eignet sich ein Rückgriff auf die Normen des Deutschen Instituts für Normung (im Folgendenden: DIN). Diese haben zwar keinen Gesetzescharakter, tragen aber die Vermutung in sich, den Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wiederzugeben.26 Die DIN IEC 60050 - 351 definiert „automatisch“ unter der Nummer 351 - 42 - 30 als einen Prozess oder eine Einrichtung bezeichnend, der oder die unter festgelegten Bedingungen ohne menschliches Eingreifen abläuft oder arbeitet. Ein „Algorithmus“ wird von der DIN IEC 60050 - 351 unter der Nummer 351 42 - 7 definiert als eine vollständig bestimmte endliche Folge von Anweisungen, nach denen die Werte der Ausgangsgrößen aus den Werten der Eingangsgrößen berechnet werden können. Ein „Roboter“ ist nach Nr. 2.6 der DIN EN ISO 8373 ein betätigter Mechanismus, der in mehr als einer Achse programmierbar, mit einem bestimmten Grad an Autonomie ausgestattet und in der Lage ist, sich innerhalb seiner Umgebung frei zu bewegen, um vorgesehene Aufgaben zu erfüllen. „Autonomie“ stellt nach Nr. 2.2 DIN EN ISO 8373 die Fähigkeit dar, bestimmungsgemäße Aufgaben basierend auf dem aktuellen Zustand und der aktuellen Wahrnehmung ohne menschliches Eingreifen durchzuführen. Dabei stellt Autonomie aber keinen eindeutig abgrenzbaren, statischen Zustand, d. h. keine festgelegte Eigenschaft eines Systems dar, sondern vollzieht sich stufenweise.27 Ein System kann nur über einen gewissen Grad an Autonomie verfügen.28 Dieser ist umso höher, je mehr sich das System selbständig an Problemsituationen anpassen kann und je mehr seine Handlungen von intrinsischen Mechanismen geleitet werden.29 Dabei müssen die Aktionen eines autonomen Systems, um es von Expertensystemen abzugrenzen, die lediglich bestimmte Regeln anwenden, um Sachverhalte zu bewerten, eine relevante Veränderung der Realwelt nach sich ziehen.30 25
Wildhaber/Lohmann, AJP/PJA 2017, 135 (136). BGH, Urt. v. 24. 5. 2013 – V ZR 182/12, NJW 2013, 2271. 27 Münch, Autonome Systeme im Krankenhaus (2017), S. 37; Reichwald/Pfisterer, CR 2016, 208 (210). 28 Reichwald/Pfisterer, CR 2016, 208 (210). 29 Pieper, InTeR 2018, 9 (12); Reichwald/Pfisterer, CR 2016, 208 (210); Specht, L./Herold, MMR 2018, 40 (41). 30 Stiemerling, CR 2015, 762 (765). 26
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Teil 2: Grundlagen
Für den Begriff des Agenten findet sich keine taugliche DIN-Definition. Dieser Begriff erfährt in den Wirtschaftswissenschaften und in der Informatik eine im Detail unterschiedliche Definition.31 Gemein ist beiden Disziplinen, dass sie einen Agenten als eine Instanz verstehen, welche eine ihr übertragene Aufgabe selbständig ausführt.32 Diese Definition soll auch der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt werden. Zunächst einmal kann festgestellt werden, dass die im Programmcode der RoboAdvisor-Software enthaltenen unbedingten Handlungsanweisungen Algorithmen darstellen. Problemlos kann das Handeln eines Robo-Advisors zudem als automatisch bezeichnet werden. Er ist durch seine Software in einer Weise ausgestattet, die es ihm erlaubt Anlageempfehlungen ohne Mitwirkung eines Menschen abzugeben oder Anlageentscheidungen ohne Mitwirkung eines Menschen zu treffen. Allerdings stellt ein Robo-Advisor entgegen seiner missverständlichen Bezeichnung als „Robo“ keinen Roboter dar. Ein Roboter setzt Beweglichkeit voraus, folglich muss es sich um eine fassbare Maschine, eine körperliche Sache handeln. Eine solche stellt ein RoboAdvisor als reine Plattform, deren Prozesse allein online aufgrund von Algorithmen ablaufen, nicht dar. Robo-Advisor besitzen zudem die Fähigkeit, eine bestimmungsgemäße Aufgabe, die Anlageberatung und Vermögensverwaltung basierend auf dem aktuellen Zustand sowie getätigten Wahrnehmungen hinsichtlich des einzelnen Anlegers sowie des Marktumfelds, ohne menschliches Eingreifen durchzuführen und verfügen demnach über Autonomie. Der Grad der Autonomie ist abhängig von der Ausgestaltung des Robo-Advisors im jeweiligen Einzelfall. Dabei ist zu berücksichtigen, in welchem Umfang der Robo-Advisor selbständig Anlageempfehlungen und Anlageentscheidungen generiert und umsetzt sowie inwieweit menschliche Akteure an den einzelnen Handlungsschritten beteiligt sind. Schließlich führt ein Robo-Advisor selbständig eine ihm übertragene Aufgabe aus, etwa die Verwaltung von Vermögen, und entspricht damit einem Agenten. Kapitel 2
Funktionsweise § 1 Informationstechnische und wirtschaftswissenschaftliche Grundlagen Neben einer eindeutigen Definition der im Zusammenhang mit Robo-Advisorn wesentlichen Begriffe setzt eine exakte rechtliche Bewertung von Robo-Advisorn auch ein Verständnis ihrer informationstechnischen Grundlagen und ihres ökonomischen Hintergrunds voraus. Der informationstechnische kann dabei nicht ohne den 31
Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 87. Burkhard, it+ti 1998, 6; Gomber, Elektronische Handelssysteme (2000), S. 118; John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 15; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 87. 32
Kap. 2: Funktionsweise
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ökonomischen Hintergrund erläutert werden, weil wirtschaftswissenschaftliche Formeln die Grundlage der im Wege der Informationstechnik zu implementierenden Algorithmen, d. h. der eindeutigen Handlungsvorschriften bilden. Bevor aber die Funktionsweise der Robo-Advisor im Einzelnen erläutert werden kann, muss zunächst dargelegt werden, nach welchen Grundsätzen Investoren bei ihren Anlageentscheidungen allgemein vorgehen. Dazu werden kurz die ökonomischen Grundlagen des Portfoliomanagements aufgezeigt.
A. Grundlagen des Portfoliomanagements Ein jeder Investor steht vor der Frage, welche Finanzinstrumente er in welcher Gewichtung in sein Portfolio aufnehmen soll. Dementsprechend ist Hauptaspekt der Portfoliotheorie die Entwicklung von Handlungsempfehlungen für die Asset-Allokation innerhalb von Portfolios.33 Allgemein kann man zwischen aktivem und passivem Portfoliomanagement unterscheiden. Während beim aktiven Portfoliomanagement konkrete Einzeltitel und Asset-Klassen ausgewählt werden und versucht wird, durch einen Informationsvorsprung den Markt zu schlagen (sog. StockPicking), werden beim passiven Portfoliomanagement effiziente Märkte unterstellt und meist nur Indexportfolios oder andere vorgegebene Portfolios repliziert.34 Die optimale Zusammenstellung der Anlagen innerhalb eines Portfolios bildet den Kern der Asset-Allokation.35 Markowitz, der dafür 1990 den Nobelpreis erhielt und als Begründer der modernen Portfoliotheorie gilt, entwickelte 1952 die Annahme, dass Anleger ihre Investitionsentscheidungen allein auf der Grundlage der beiden Größen Rendite und Risiko treffen.36 Ziel der modernen Portfoliotheorie ist es, dasjenige Portfolio zu ermitteln, das bei einem gegebenen Risiko die maximale Rendite bzw. bei einer gegebenen Rendite das minimale Risiko erzielt.37 Erreicht werden kann dies durch eine optimale Mischung der verschiedenen Finanztitel im Portfolio.38 Dieser Effekt, der auch als Diversifikation bezeichnet wird, entsteht dann, wenn solche Finanztitel miteinander gemischt werden, deren Korrelationskoeffizient möglichst gering ist39, d. h. deren Risiken 33
Breuer/Gürtler/Schuhmacher, Portfoliomanagement I (2010), S. 5. Specht, K./Gohout, Grundlagen der Kapitalmarkttheorie und des Portfoliomanagements (2009), S. 4. 35 Specht, K./Gohout, Grundlagen der Kapitalmarkttheorie und des Portfoliomanagements (2009), S. 3. 36 Korn, Moderne Finanzmathematik (2014), S. 2; Kremer, Marktrisiken (2018), S. 1; Markowitz, 7 The Journal of Finance, 77 (1952). 37 Korn, Moderne Finanzmathematik (2014), S. 4; Kremer, Marktrisiken (2018), S. 1; Markowitz, 7 The Journal of Finance, 82 (1952). 38 Kremer, Marktrisiken (2018), S. 14; Markowitz, 7 The Journal of Finance, 89 (1952). 39 Kremer, Marktrisiken (2018), S. 14; Markowitz, 7 The Journal of Finance, 89 (1952). 34
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Teil 2: Grundlagen
möglichst gegenläufig verlaufen und sich damit ausgleichen.40 Man bezeichnet diesen Ansatz auch als Erwartungswert-Varianz-Ansatz.41 Die Varianz stellt ein Maß für die Stärke der Schwankung der Abweichung der tatsächlich erzielten Rendite vom Erwartungswert dar.42 Die Wurzel aus der Varianz wird als Standardabweichung bezeichnet und als Risikomaß verwendet.43 Problematisch an diesem Risikomaß ist, dass es sowohl Abweichungen vom Erwartungswert nach unten als auch Abweichungen nach oben und damit grundsätzlich erwünschte Abweichungen erfasst.44 Außerdem wird bei der Standardabweichung davon ausgegangen, dass Renditen normalverteilt und unabhängig sind.45 Dies ist aber nicht der Fall, da zwei Finanztitel zwar hinsichtlich Rendite und Volatilität über den gleichen Erwartungswert verfügen, aber dennoch unterschiedlich hohe zentrale Momente der Verteilung, wie die Schiefe der Verteilung und die Kurtosis, aufweisen können.46 Hinzu kommen Behavioral-Economics-Aspekte, wie die Tatsache, dass private Investoren Verluste (d. h. Abweichungen nach unten) in der Regel stärker gewichten als Gewinne (d. h. Abweichungen nach oben).47 Um der aufgeführten Problematik zu begegnen, wurde die Standardabweichung zu sogenannten Downside-Risikomaßen wie der Semi-Standardabweichung, den Lower-Partial-Moments, der Ausfallwahrscheinlichkeit, dem Value-at-Risk, dem Conditional-Value-at-Risk, dem Modified-Value-at-Risk und dem Maximum Drawdown weiterentwickelt.48 Statt das Risiko im Rahmen einer Gesamtbetrachtung als jegliche Abweichung von einem geplanten Wert zu verstehen, ist bei DownsideRisikomaßen nur entscheidend, wie wahrscheinlich eine negative Abweichung von einem Erwartungswert ist bzw. welches Ausmaß diese annehmen kann.49
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Harrer, Exchange Traded Funds (ETFs) (2016), S. 53. Korn, Moderne Finanzmathematik (2014), S. 4. 42 Kremer, Marktrisiken (2018), S. 9 f. 43 Kremer, Marktrisiken (2018), S. 10. 44 Kremer, Marktrisiken (2018), S. 10. 45 Mondello, Finance: Angewandte Grundlagen (2018), S. 35. 46 Siehe Mondello, Finance: Angewandte Grundlagen (2018), S. 35 und S. 57 ff. Die Schiefe misst den Symmetriegrad der Renditen um den Erwartungswert. So bedeutet etwa eine rechtsschiefe Verteilung, dass die Verluste klein und häufig, die Gewinne jedoch hoch und weniger häufig sind. Die Kurtosis misst den Grad der Steilheit in der Verteilungsmitte und den Grad der Ausbuchtungen an den beiden Enden der Verteilung. Die Normalverteilung weist eine Kurtosis von 3 auf. Liegt die Kurtosis dagegen über 3, sind im Vergleich zur Normalverteilung mehr Extrembeobachtungen gegeben. 47 Mondello, Finance: Angewandte Grundlagen (2018), S. 36. Dabei handelt es sich im eine der wesentlichen Erkenntnisse der sog. Prospect Theory, vgl. Kahneman/Tversky, 47 Econometrica, 263 (1979). 48 Bruns/Meyer-Bullerdiek, Professionelles Portfoliomanagement (2020), S. 24; Mondello, Finance: Angewandte Grundlagen (2018), S. 35. Siehe zur Berechnung im Einzelnen: Bruns/ Meyer-Bullerdiek, Professionelles Portfoliomanagement (2020), S. 25 ff. 49 Bruns/Meyer-Bullerdiek, Professionelles Portfoliomanagement (2020), S. 24. 41
Kap. 2: Funktionsweise
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Daneben kam es auch zu Weiterentwicklungen des Erwartungswert-VarianzAnsatzes ohne eine Downside-Risiko-Definierung. Das Capital Asset Pricing Model erweitert den klassischen Erwartungswert-Varianz-Ansatz um die Frage, bei welchem Teil des Gesamtrisikos es sich um das systematische Risiko handelt, welches sich nicht durch Diversifikation beseitigen lässt.50 Das Capital Asset Pricing Model zeigt damit, dass die erwartete Rendite einer Anlage maßgeblich davon beeinflusst wird, wie stark die Rendite der Anlage mit der Marktrendite korreliert.51 Auch das Capital Asset Pricing Model selbst wurde etwa durch das Fama/Fench-3-FaktorenModell52 oder das Black-Litterman-Modell53 weiterentwickelt. In der Praxis von Banken, Versicherungen, Investment- und Vermögensverwaltungsgesellschaften kommen sowohl der klassische Markowitz-Ansatz in sämtlichen Weiterentwicklungen als auch diverse Downside-Risikomaße zum Einsatz.54 Mit der einmaligen Ermittlung des optimalen Portfolios ist die Asset-Allokation jedoch nicht abgeschlossen. Da sich die Marktgewichte im Laufe der Zeit verschieben, muss Asset-Allokation als ein dynamischer Prozess verstanden werden.55 Die Veränderung der Marktgewichte kann dazu führen, dass das Portfolio andere Chancen- und Risiken-Eigenschaften entwickelt als vom Anleger ursprünglich gewünscht.56 Gewinnt etwa eine risikoreichere Anlage an Wert, während der Wert der übrigen Anlagen unverändert bleibt, so steigt das Risiko des Portfolios insgesamt an. Das Rebalancing dient dann dazu, das ursprünglich vom Anleger ausgewählte Chancen-Risiko-Verhältnis wiederherzustellen.57
B. Funktionsweise der Robo-Advisor im Einzelnen Die soeben erarbeiteten Grundlagen der Portfoliotheorie und der Asset-Allokation haben in unterschiedlicher Ausprägung Niederschlag in der Funktionsweise der Robo-Advisor gefunden. Grundsätzlich kann der Prozess bis zur Ausgabe eines Anlagevorschlags bzw. bis zur Vornahme der Vermögensverwaltung in fünf Schritte unterteilt werden. Dabei ist eine Unterstützung durch menschliche Berater im Rahmen von sog. Hybrid-Modellen auf jeder Stufe möglich. Zu beachten ist, dass nicht alle Robo-Advisor exakt nach dem im Folgenden dargestellten Schema vorgehen. Ob und, wenn ja, wie in50
Mondello, Finance: Angewandte Grundlagen (2018), S. 169. Mondello, Finance: Angewandte Grundlagen (2018), S. 174. 52 Siehe Mondello, Finance: Angewandte Grundlagen (2018), S. 186 ff. 53 Siehe Ernst/Schurer, Portfolio Management (2015), S. 494 ff. 54 Bruns/Meyer-Bullerdiek, Professionelles Portfoliomanagement (2020), S. 90, Korn, Moderne Finanzmathematik (2014), S. 2; Kremer, Marktrisiken (2018), S. 87. 55 Vijayalakshmi Pai, Metaheuristics for Portfolio Optimization (2018), S. 239. 56 Vijayalakshmi Pai, Metaheuristics for Portfolio Optimization (2018), S. 239. 57 Vijayalakshmi Pai, Metaheuristics for Portfolio Optimization (2018), S. 240. 51
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Teil 2: Grundlagen
tensiv ein Robo-Advisor die einzelnen Schritte durchführt, hängt auch davon ab, welches Geschäftsmodell er verfolgt und wie konkret der am Ende ausgegebene Anlagevorschlag ausgestaltet ist. I. Erstellung des Anlageuniversums und Auswahl der Investitionsvehikel Die ersten beiden Schritte erfolgen, bevor Robo-Advisor überhaupt beratend tätig werden können, d. h. in Kundenkontakt treten. Wie bei jeder Asset-Allokation wird zunächst ein Anlageuniversum erstellt. Dazu werden verschiedene Anlageklassen festgelegt, die möglichst diversifiziert unterschiedliche Wertpapiermärkte abbilden.58 Solche Anlageklassen stellen etwa Aktien aus Schwellen- oder Industrieländern, Staats- und Unternehmensanleihen aus Industrie- und Schwellenländern, Rohstoffe und Geldmarktinstrumente dar.59 Den nächsten Schritt bildet die Auswahl von Investitionsvehikeln, welche die jeweiligen Anlageklassen repräsentieren.60 Die überwiegende Zahl der Robo-Advisor verwendet als Investitionsvehikel passive, börsengehandelte Indexfonds, sog. Exchange Traded Funds (im Folgenden: ETFs).61 Bei einem ETF handelt es sich um einen Wertpapierkorb, der dazu bestimmt ist, einen Index abzubilden, und der an einem Aktienmarkt oder einem anderen organisierten Markt gehandelt wird.62 ETFs bieten eine Reihe von Vorteilen, die sie besonders für Robo-Advisor attraktiv machen. So sind sie kostengünstig, leicht handelbar, transparent hinsichtlich der Fondszusammensetzung und ermöglichen auf unkomplizierte Weise die Verwirklichung hoher Diversifikationseffekte.63 Neben ETFs dienen aber auch Exchange Traded Commodities, welche die Wertentwicklung von Rohstoffen, Rohstoff-Fu58 Scalable Capital Whitepaper, S. 6, abrufbar unter: https://de.scalable.capital/assets/3od ztfgndkxn/3GZgOJuj16qE44qCGcQy4K/45ebc93e570b346dbaba3bce6bfd6920/Scalable_Capi tal_Whitepaper_WP05_DE.pdf. 59 Scalable Capital Whitepaper, S. 6, abrufbar unter: https://de.scalable.capital/assets/ 3odztfgndkxn/3GZgOJuj16qE44qCGcQy4K/45ebc93e570b346dbaba3bce6bfd6920/Scalab le_Capital_Whitepaper_WP05_DE.pdf; Growney Whitepaper S. 5 – 9, abrufbar unter: https: //static.growney.de/website/images/growney-Investmentprozess.pdf; Whitebox Whitepaper, S. 8 f., abrufbar unter: www.whitebox.eu/konzept. 60 Scalable Capital Whitepaper, S. 6, abrufbar unter: https://de.scalable.capital/assets/ 3odztfgndkxn/3GZgOJuj16qE44qCGcQy4K/45ebc93e570b346dbaba3bce6bfd6920/Scalab le_Capital_Whitepaper_WP05_DE.pdf. 61 Scalable Capital Whitepaper, S. 6, abrufbar unter: https://de.scalable.capital/assets/ 3odztfgndkxn/3GZgOJuj16qE44qCGcQy4K/45ebc93e570b346dbaba3bce6bfd6920/Scalab le_Capital_Whitepaper_WP05_DE.pdf; Whitebox Whitepaper, S. 8, abrufbar unter: www. whitebox.eu/konzept; Growney Whitepaper, S. 4 – 7, abrufbar unter: https://static.growney.de/ website/images/growney-Investmentprozess.pdf. 62 Baiden, Exchange Traded Funds (2012), S. 9. 63 Baiden, Exchange Traded Funds (2012), S. 49 f.; Bruns/Meyer-Bullerdiek, Professionelles Portfoliomanagement (2020), S. 277; Harrer, Exchange Traded Funds (ETFs) (2016), S. 93.
Kap. 2: Funktionsweise
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tures oder Rohstoff-Indizes nachbilden64, reguläre Indexfonds, aktiv gemanagte Fonds und nachhaltige Fonds als Investitionsvehikel für Robo-Advisor. So soll es demnächst sogar zum Markteintritt von Robo-Advisorn kommen, welche ausschließlich in Kryptowährungen investieren.65 Die Auswahl der als Investitionsvehikel geeigneten Anlageinstrumente erfolgt vorwiegend durch Menschen. Unterstützt werden sie durch eine von einem Filterund Rangfolge-Algorithmus getroffene Vorauswahl, etwa bezüglich der Kostenstruktur.66 Die Implementierung eines solchen Algorithmus kann beispielsweise mittels einer Programmierung in R erfolgen.67 II. Erstellung von Musterportfolios Den dritten und wesentlichen Schritt bildet grundsätzlich die Erstellung von Musterportfolios. Jedoch muss bei diesem Schritt zwischen den einzelnen Anbietern unterschieden werden. Die Erstellung von Musterportfolios wird nur von denjenigen Robo-Advisorn vorgenommen, die ihre Portfolios anhand von Risikokennzahlen optimieren, welche auf den Grundlagen der modernen Portfoliotheorie aufbauen. Diejenigen Anbieter, deren Anlagestrategie auf einem aktiven Risikomanagement und der Verwendung von Downside-Risikomaßen gründet, verzichten auf diesen dritten Schritt. Sie stellen die jeweiligen Portfolios erst nach Beantwortung des Fragenkatalogs durch den Kunden individuell und angepasst an die jeweilige Marktsituation zusammen. Die verschiedenen Musterportfolios werden dabei aus den in den ersten beiden Schritten ermittelten Anlageklassen und Investitionsvehikeln kombiniert. Wie viele verschiedene Musterportfolios erstellt werden, hängt davon ab, wie viele verschiedene Risikoklassen der Betreiber des jeweiligen RoboAdvisors anbieten möchte. Dem Erwartungswert-Varianz-Ansatz folgend entsprechen die Musterportfolios für jede festgelegte Risikoklasse derjenigen Kombination aus Anlageklassen, die unter der Bedingung des jeweils gegebenen Risikos die höchste Rendite erwarten lässt.68 Häufig verwenden Robo-Advisor zur Ermittlung des optimalen Portfolios aber nicht nur die Erwartungswert-Varianz-Analyse, sondern greifen zusätzlich auf die Weiterentwicklungen des klassischen Markowitz-Ansatzes zurück. So wird der Erwartungswert-Varianz-Ansatz ergänzt durch das Fama-French-3-Faktoren-Mo64
Bruns/Meyer-Bullerdiek, Professionelles Portfoliomanagement (2020), S. 692. Siehe www.coindex.de. 66 Kirsch, Der Roboter verliert seine Unschuld, Wirtschaftswoche vom 13. 07. 2017, abrufbar unter: www.wiwo.de/finanzen/geldanlage/robo-advisor-der-roboter-verliert-seine-un schuld-/20024920.html. 67 Egan, Eliminating the Black Box: How We Automated ETF Selection (2015), abrufbar unter: www.betterment.com/resources/how-betterment-automates-etf-selection/. 68 Cominvest Whitepaper, S. 23, abrufbar unter: www.comdirect.de/cms/media/cominvest_ whitepaper_comdirect.pdf. 65
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Teil 2: Grundlagen
dell69, das Capital Asset Pricing Model70 oder das Black-Litterman-Modell71, zuweilen auch in Kombination miteinander. Außerdem werden mitunter Nebenbedingungen festgelegt, die bei der Optimierung eingehalten werden müssen, wie z. B. Maximalgewichtungen bestimmter Anlageklassen für die einzelnen Risikoklassen.72 Der entsprechende Optimierungsalgorithmus kann unter anderem mit den Programmiersprachen MatLab73, R74, C++75 oder Python76 in das Robo-Advisor-Programm implementiert werden.77 III. Ermittlung der Risikoneigung In einem vierten Schritt wird die individuelle Risikoneigung des jeweiligen Anlageinteressenten ermittelt. Dazu füllt dieser einen Online-Fragebogen zu seinen persönlichen Verhältnissen wie etwa Anlagezielen, vorheriger Investmenterfahrung, Wissen über Anlageinstrumente, Risikobereitschaft etc. aus. Die Verbindung der abgegebenen Antwort-Kombinationen mit den spezifischen Risikoklassen erfolgt mittels eines auf einem Entscheidungsbaum gründenden Algorithmus.78 Dabei werden bei manchen Robo-Advisorn bestimmte Antwort-Kombinationen, wie beispielsweise die Angabe eines Anlagehorizonts von einem Jahr bei dem gleichzeitigen Anlageziel der sicheren Liquidität, als widersprüchlich zurückgewiesen.79
69 Quirion Whitepaper, S. 11, abrufbar unter: www.quirion.de/fileadmin/redaktion/user_up load/Dokumente/Whitepaper_quirion_Anlagekonzept_20171219_V11.pdf. 70 Betterment Portfolio Strategy Whitepaper, abrufbar unter: www.betterment.com/resour ces/research/betterment-portfolio-strategy; Wealthfront Investment Methodology Whitepaper, abrufbar unter: research.wealthfront.com/whitepapers/investment-methodology; Fischer, Ma., ZfgG 2017, 183 (192). 71 Betterment Portfolio Strategy Whitepaper, abrufbar unter: www.betterment.com/resour ces/research/betterment-portfolio-strategy; Wealthfront Investment Methodology Whitepaper, abrufbar unter: research.wealthfront.com/whitepapers/investment-methodology; Fischer, Ma., ZfgG 2017, 183 (192). 72 Cominvest Whitepaper, S. 23, abrufbar unter: www.comdirect.de/cms/media/cominvest_ whitepaper_comdirect.pdf. 73 Siehe McCarthy, E., Foundations of Computational Finance with MATLAB (2018), S. 285 ff.; Cominvest Whitepaper, S. 23, abrufbar unter: www.comdirect.de/cms/media/comin vest_whitepaper_comdirect.pdf. 74 Siehe Ang, Analyzing Financial Data and Implementing Financial Models Using R (2015), S. 209 ff. 75 Siehe Oliveira, Practical C++ Financial Programming (2015), S. 259 ff. 76 Siehe Hilpisch, Python for Finance (2014), S. 322 ff. 77 Pachamanova/Fabozzi, Portfolio Construction and Analytics (2016), S.168 f. 78 Siehe Tertilt/Scholz, To Advise, or Not to Advise – How Robo-Advisors Evaluate the Risk Preferences of Private Investors (2017), S. 5, abrufbar unter: ssrn.com/abstract=2913178. 79 Tertilt/Scholz, To Advise, or Not to Advise – How Robo-Advisors Evaluate the Risk Preferences of Private Investors (2017), S. 5, abrufbar unter: ssrn.com/abstract=2913178.
Kap. 2: Funktionsweise
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Die Anzahl der Fragen variiert zwischen den einzelnen Anbietern erheblich. Ebenso variiert auch die Qualität der Befragung. Statt nach den persönlichen Umständen zu fragen, die eine bestimmte Risikoneigung ergeben, fragen manche RoboAdvisor unmittelbar nach der persönlichen Risikoeinschätzung. Daran ist problematisch, dass die Anleger eine Frage beantworten sollen, die sie meist nicht verstehen.80 Weiterhin problematisch ist die Tatsache, dass gegebene Antworten mitunter keinen Einfluss auf die später vorgenommene Risikoeinstufung haben, weil der Algorithmus mancher Robo-Advisor offenbar bestimmte Antworten nicht als relevante Faktoren ansieht und sie infolgedessen nicht in die Berechnung der Risikoneigung des Kunden miteinbezieht.81 Ebenso wie die Qualität und Quantität der von den Robo-Advisorn gestellten Fragen hängt auch das dem Kunden am Ende der Befragung präsentierte Ergebnis vom jeweiligen Robo-Advisor ab. So gibt ein Teil der Plattformen keinen konkreten Anlagevorschlag ab, sondern überlässt dem Anlageinteressenten lediglich Informationen hinsichtlich verschiedener Wertpapiere.82 Die Befragung dient dann nur dazu, eine gewisse Vorauswahl zu treffen oder dem Interessenten eine prozentuale Aufteilung des Portfolios (etwa nach Branchen) nahezulegen, ohne jedoch konkrete Finanzinstrumente zu empfehlen.83 Handelt es sich um einen Robo-Advisor, der den verschiedenen Risikoklassen Musterportfolios zuordnet, so wird dem Anlageinteressenten nach Ausfüllen des Fragebogens ein konkretes Musterportfolio empfohlen. Dabei werden auch die spezifische Vermögensallokation sowie das Spektrum der potenziellen künftigen Wertentwicklung des Portfolios angezeigt. Zur Ermittlung der künftigen Wertentwicklung wenden viele Robo-Advisor eine sog. Monte-Carlo-Simulation an.84 Bei der Monte-Carlo-Simulation handelt es sich um eine Methode aus der Statistik, die komplexe Probleme auf der Grundlage des starken Gesetzes der großen Zahlen löst.85 Im Bereich der Portfoliooptimierung kann sie dazu verwendet werden, zukünftige finanzielle Entwicklungen durch den wiederholten Einsatz von Zufallszahlen zu prognostizieren.86 80
Fischer, Ma., ZfgG 2017, 183 (192). Tertilt/Scholz, To Advise, or Not to Advise – How Robo-Advisors Evaluate the Risk Preferences of Private Investors (2017), S. 1, abrufbar unter: ssrn.com/abstract=2913178. Siehe unten Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 5. b) bb). 82 Rauch/Lebeau/Thiele, RdF 2017, 227 (228). 83 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 36; Rauch/Lebeau/Thiele, RdF 2017, 227 (228). 84 Visualvest Whitepaper Computergestütztes Sparen, S. 14, abrufbar unter: www.visual vest.de/static/downloads/VisualVest-Computergestueztes-Sparen_neu2018_final_v2.pdf. 85 Siehe Korn, Moderne Finanzmathematik (2014), S. 211 ff. und Glassermann, Monte Carlo Methods in Financial Engineering (2003), S. 1 ff. Nach dem starken Gesetz der großen Zahlen nähert sich das arithmetische Mittel (d. h. der Durchschnitt) von unabhängigen, gleichverteilten Zufallsvariablen fast sicher einem bestimmten Erwartungswert an. 86 Glassermann, Monte Carlo Methods in Financial Engineering (2003), S. 1 ff.; Korn, Moderne Finanzmathematik (2014), S. 211 ff. 81
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Teil 2: Grundlagen
Bei denjenigen Anbietern, die ein aktives Risikomanagement betreiben, entsprechen die nach dem Ausfüllen des Fragebogens ermittelten Risikoklassen nicht automatisch einem konkreten Portfolio, sondern verschiedenen Maximalwerten bestimmter Downside-Risikomaße wie etwa dem Value-at-Risk87 oder dem Maximum-Drawdown88. Für die gewählte Risikoklasse wird sodann das der aktuellen Marktlage entsprechende optimale Portfolio ermittelt. Als optimal gilt ein Portfolio auch hier, wenn es unter allen möglichen Portfolios die höchste Rendite erwarten lässt, ohne das Risikolimit des Anlegers zu überschreiten.89 Auch für die Implementierung dieses Optimierungsalgorithmus eignen sich beispielsweise die Programmiersprachen Matlab, R, C++ oder Python. Ebenso wird dem Anleger die Spannbreite einer möglichen Wertentwicklung angezeigt, die mit Hilfe einer MonteCarlo-Simulation erstellt wurde. Die Implementierung des Monte-Carlo-Algorithmus kann ebenfalls mit den Programmiersprachen MatLab90, R91, C++92 oder Python93 erfolgen. Auch der Abschluss dieses vierten Schritts hängt davon ab, welches Geschäftsmodell der einzelne Robo-Advisor verfolgt. Vereinzelt muss der Anlageinteressent den Anlagevorschlag vollkommen selbständig umsetzen bzw. anhand der erhaltenen Informationen sogar die einzelnen Finanzinstrumente selbst auswählen und erwerben.94 Diese Robo-Advisor werden auch als sog. Self-Service-Robo-Advisor bezeichnet.95 Andere Robo-Advisor, welche ein sog. Half-Service-Geschäftsmodell verfolgen, bieten nach Überlassung der Informationen oder nach Abgabe des konkreten Anlagevorschlags die Möglichkeit, beim Robo-Advisor selbst ein Depot zu eröffnen und den Anlagevorschlag umzusetzen, oder vermitteln die entsprechenden Willenserklärungen des Anlageinteressenten an eine Partnerbank.96
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Scalable Capital Whitepaper, S. 16, abrufbar unter: https://de.scalable.capital/assets/ 3odztfgndkxn/3GZgOJuj16qE44qCGcQy4K/45ebc93e570b346dbaba3bce6bfd6920/Scalab le_Capital_Whitepaper_WP05_DE.pdf; Warburg Navigator Whitepaper, S. 2 f., abrufbar unter: navigator.mmwarburg.de/doc/Whitepaper.pdf. 88 Whitebox Whitepaper, S. 37, abrufbar unter: www.whitebox.eu/konzept. 89 Scalable Capital Whitepaper, S. 18, abrufbar unter: https://de.scalable.capital/assets/ 3odztfgndkxn/3GZgOJuj16qE44qCGcQy4K/45ebc93e570b346dbaba3bce6bfd6920/Scalab le_Capital_Whitepaper_WP05_DE.pdf. 90 Beucher, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik mit MATLAB (2007), S. 139 ff. 91 Jeet/Vats, Learning Quantitative Finance with R (2017), S. 208 ff. 92 Oliveira, Practical C++ Financial Programming (2015), S. 273 ff. 93 Hilpisch, Python for Finance (2014), S. 59 ff. und S. 209 ff. 94 Fischer, Ma., ZfgG 2017, 186. So zum Beispiel der Robo-Advisor Moneyfilter www.moneyfilter.de. 95 Rauch/Lebeau/Thiele, RdF 2017, 227. 96 Rauch/Lebeau/Thiele, RdF 2017, 227 (228).
Kap. 2: Funktionsweise
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IV. Rebalancing Beim letzten Schritt des Anlageprozesses, der naturgemäß bei denjenigen RoboAdvisorn ausbleibt, die weder die Möglichkeit der Depoteröffnung anbieten noch entsprechende Willenserklärungen vermitteln, handelt es sich um die Überwachung der Musterportfolios und der Kundenportfolios und das sich anschließende Rebalancing. Für das Rebalancing werden von den Robo-Advisorn unterschiedliche Anlagestrategien angewandt. Dabei kann eine grobe Einteilung in vier Anlagestrategien vorgenommen werden:97 Bei einer passiven Anlagestrategie wird die Ist-Allokation des Portfolios in regelmäßigen Zeitabständen (etwa jährlich oder halbjährlich) wieder an die Soll-Allokation angepasst.98 Soll die Aktienquote bei einem Anleger mittlerer Risikoneigung zum Beispiel bei 50 Prozent liegen und der Aktienmarkt steigt um 20 Prozent, hat sich der Aktienanteil des Portfolios auf 60 Prozent erhöht.99 Zu dem zuvor festgelegten Zeitpunkt werden dann so viele Aktien verkauft, bis wieder eine Quote von 50 Prozent erreicht ist.100 Wird die Anpassung an die gewählten Quoten nicht nur in regelmäßigen Abständen, sondern bereits dann vorgenommen, wenn die Anlageklassen um einen gewissen Prozentsatz (z. B. eine Abweichung um mehr als 15 Prozent101) vom Zielgewicht abweichen, spricht man von einer semi-passiven Anlagestrategie.102 Eine andere Richtung schlagen solche Robo-Advisor ein, welche eine semi-aktive Anlagestrategie verfolgen. Dabei handelt es sich auch um diejenigen Robo-Advisor, die nicht mit Musterportfolios arbeiten, sondern bereits auf der Ebene der PortfolioOptimierung aktives Risikomanagement betreiben. Bei der semi-aktiven Anlagestrategie erfolgt keine Anpassung an die ursprünglichen Anlageklassen-Quoten, sondern an das gewünschte Anlagerisiko, welches sich etwa in einem bestimmten Value-at-Risk-Wert ausdrückt.103 Anhand historischer Börsendaten wird im Rahmen dieser Strategie laufend die zukünftige Risikoentwicklung des Portfolios progno97 Öko-TEST Magazin 3 - 2018, S. 118 f., abrufbar unter: www.oekotest.de/bin/hefte/M1 803-Robo-Advisor.pdf. 98 Easyfolio-Broschüre, S. 3, abrufbar unter: www.easyfolio.de/wp-content/themes/easyfo lio-web-theme/images/pdf/easyFlyer.pdf; Growney Whitepaper, S. 12, abrufbar unter: https: //static.growney.de/website/images/growney-Investmentprozess.pdf; Öko-TEST Magazin 3 2018, S. 118 f., abrufbar unter: www.oekotest.de/bin/hefte/M1803-Robo-Advisor.pdf; Quirion Whitepaper, S. 15, abrufbar unter: www.quirion.de/fileadmin/redaktion/user_upload/Dokumen te/Whitepaper_quirion_Anlagekonzept_20171219_V11.pdf. 99 Freiberger, Roboter sind auch nur Menschen, SZ vom 29. 05. 2018, S. 19. 100 Freiberger, Roboter sind auch nur Menschen, SZ vom 29. 05. 2018, S. 19. 101 Fintego Produktinformationsbroschüre, S. 4, abrufbar unter: www.fintego.de/service/ #c7676. 102 Öko-TEST Magazin 3 - 2018, S. 118 f., abrufbar unter: www.oekotest.de/bin/hefte/M1 803-Robo-Advisor.pdf. 103 Öko-TEST Magazin 3 - 2018, S. 118 f., abrufbar unter: www.oekotest.de/bin/hefte/M1 803-Robo-Advisor.pdf.
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Teil 2: Grundlagen
stiziert; so wird beispielsweise bei starker historischer Schwankung auch eine starke künftige Schwankung angenommen.104 Weicht die aktuelle Risikoprojektion von dem vorab über den Value-at-Risk definierten Risikokorridor ab, wird eine Anpassung vorgenommen.105 Wählt der Robo-Advisor gezielt Einzeltitel und Fonds aus und schichtet diese abhängig von der aktuellen Markt- und Kapitalmarktlage um (sog. Stock-Picking bzw. Fonds-Picking) und greift unter Umständen zusätzlich für die Wahl des optimalen Ausstiegs- bzw. Einstiegszeitpunkts (sog. Timing-Strategie) auf technische Prognoseanalysen zurück, handelt es sich um eine aktive Anlagestrategie.106 Weiterhin unterscheiden sich die Robo-Advisor im Rahmen des Rebalancing nicht nur hinsichtlich ihrer Anlagestrategie, sondern auch dahingehend, wer nach Feststellung der Anpassungsbedürftigkeit die abschließende Anlageentscheidung trifft.107 Bei der überwiegenden Zahl der Robo-Advisor erfolgt das Rebalancing automatisch. Vereinzelt muss der Kunde jedoch vor jeder Umschichtung zustimmen.108 Dabei handelt es sich um diejenigen Robo-Advisor, die ein Half-ServiceGeschäftsmodell verfolgen.109 Robo-Advisor, die hinsichtlich der Vermögensanlage im Rahmen des Rebalancings über die volle Dispositionsbefugnis verfügen, werden dagegen als Full-Service-Robo-Advisor bezeichnet.110 Self-Service-Robo-Advisor bieten kein Rebalancing an. Die Funktionsweise des automatischen Rebalancings gründet bei den passiven bis semi-aktiven Anlagestrategien darauf, dass eine Abweichung von den jeweiligen Schwellenwerten im Allokationsalgorithmus Wertpapierorders auslöst, bis die gewünschte Allokation wiederhergestellt ist, d. h. bis die gewünschte Gewichtung oder diejenige Gewichtung erreicht ist, welche einem gewünschten Risikomaß entspricht.
104 Freiberger, Roboter sind auch nur Menschen, SZ vom 29. 05. 2018, S. 19; Scalable Capital Whitepaper, S. 38, abrufbar unter: https://de.scalable.capital/assets/3odztfgndkxn/ 3GZgOJuj16qE44qCGcQy4K/45ebc93e570b346dbaba3bce6bfd6920/Scalable_Capital_ Whitepaper_WP05_DE.pdf. 105 Scalable Capital Whitepaper, S. 38, abrufbar unter: https://de.scalable.capital/assets/ 3odztfgndkxn/3GZgOJuj16qE44qCGcQy4K/45ebc93e570b346dbaba3bce6bfd6920/Scalab le_Capital_Whitepaper_WP05_DE.pdf. 106 Cominvest Whitepaper, S. 22 ff., abrufbar unter: www.comdirect.de/cms/media/comin vest_whitepaper_comdirect.pdf; Solidvest Investmentphilosophie, abrufbar unter: www.solid vest.de/philosophy; Öko-TEST Magazin 3 - 2018, S. 118 f., abrufbar unter: www.oekotest.de/ bin/hefte/M1803-Robo-Advisor.pdf; Warburg Navigator Whitepaper, S. 9 ff., abrufbar unter: na vigator.mmwarburg.de/doc/Whitepaper.pdf. 107 Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1967. 108 So ist dies beispielsweise beim Robo-Advisor Cominvest der Fall, wenn die Produktvariante „Wir gemeinsam“ gewählt wird: Cominvest Whitepaper S. 22, abrufbar unter: www. comdirect.de/cms/media/cominvest_whitepaper_comdirect.pdf. 109 Rauch/Lebeau/Thiele, RdF 2017, 227 (228). 110 Rauch/Lebeau/Thiele, RdF 2017, 227.
Kap. 2: Funktionsweise
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Bei einer aktiven Anlagestrategie dagegen aktualisiert ein Algorithmus regelmäßig die Rangfolge der Wertpapiere. Dazu verwendet er ein sog. Scoring-Modell, bei dem die einzelnen Wertpapiere anhand verschiedener Kriterien wie der historischen Kursentwicklung, der Trendstärke, der Rendite, des maximalen Drawdowns, der Volatilität, der Information Ratio, der Länge des Track Records etc. bewertet werden.111 Auch die Implementierung dieser Algorithmen kann mittels der Programmiersprachen Matlab112, C++113, R114 oder Python115 erfolgen.
C. Zusammenfassung Abschnitt § 1 Die unterschiedlichen Geschäftsmodelle lassen sich damit zunächst abgrenzen nach Full-Service-, Half-Service- und Self-Service-Robo-Advisorn. Full-ServiceRobo-Advisor kaufen und verkaufen im Rahmen einer Rund-um-Vermögensverwaltung dispositionsbefugt Wertpapiere und betreiben ein automatisches Rebalancing.116 Half-Service-Anbieter suchen die Anlageprodukte nach der auf den Kunden individualisierten Anlagestrategie lediglich aus, die Anlageentscheidung selbst liegt aber beim Kunden, und beim Rebalancing muss vor jeder Umschichtung eine Zustimmung erfolgen.117 Self-Service-Angebote überlassen dem Kunden nur Informationen bezüglich einzelner Finanzinstrumente oder empfehlen die Zusammenstellung eines bestimmten Portfolios, die Umsetzung in ein Wertpapierdepot muss von ihm aber selbständig vorgenommen werden.118 Self-Service- und Half-ServiceLeistungen werden nur von einem kleinen Teil der Robo-Advisor angeboten, bei dem überwiegenden Teil der Robo-Advisor handelt es sich um Full-Service-Robo-Advisor. Full-Service-Robo-Advisor lassen sich weiter einteilen in eher aktive und eher passive Robo-Advisor. Eher aktive Robo-Advisor betreiben sowohl hinsichtlich der erstmaligen Erstellung eines Portfolios aktives Risikomanagement, indem sie die Portfolios angepasst an die jeweilige Marktsituation individuell erstellen, als auch aktives Rebalancing, indem sie als Schwellenwert Downside-Risikogrößen verwenden oder sogar einzelne Fonds oder Titel je nach Marktsituation gezielt auswählen. 111
Cominvest Whitepaper, S. 24, abrufbar unter: www.comdirect.de/cms/media/comin vest_whitepaper_comdirect.pdf; Warburg Navigator Whitepaper, S. 9, abrufbar unter: navigator.mmwarburg.de/doc/Whitepaper.pdf. 112 Vijayalakshmi Pai, Metaheuristics for Portfolio Optimization (2018), S. 239 ff. 113 Oliveira, Practical C++ Financial Programming (2015), S. 255 und S. 268 ff. 114 Ang, Analyzing Financial Data and Implementing Financial Models Using R (2015), S. 86 ff. und S. 193 ff. 115 Humber, Personal Finance with Python (2018), S. 81 ff. 116 Rauch/Lebeau/Thiele, RdF 2017, 227. 117 Rauch/Lebeau/Thiele, RdF 2017, 227 und 232. 118 Rauch/Lebeau/Thiele, RdF 2017, 227.
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Teil 2: Grundlagen
Eher passive Robo-Advisor erstellen nicht für jeden Anleger individuelle Portfolios, sondern Musterportfolios. Das Rebalancing richtet sich nicht nach der jeweiligen Marktsituation, sondern danach, ob die Gewichtung der Anlageklassen in den Musterportfolios sich im Vergleich zur erstmaligen Erstellung verändert hat. Eine eindeutige Abgrenzung zwischen aktiven und passiven Robo-Advisorn kann aber nicht immer vorgenommen werden, da die Anbieter die Erstellung von Musterportfolios mitunter mit der gezielten Fonds-Auswahl im Rahmen des Rebalancings kombinieren.119
§ 2 Bedeutung künstlicher Intelligenz beim Einsatz von Robo-Advisorn Nach der vorangegangenen Erarbeitung der grundlegenden Funktionsweise von Robo-Advisorn drängt sich die Frage auf, ob es sich bei diesen wirklich um solch „intelligente“ Anlageberater und Vermögensverwalter handelt, wie es die Anbieter suggerieren120, kurzum: ob Robo-Advisor mit künstlicher Intelligenz arbeiten. Wäre dem so, würden sich aus aufsichtsrechtlicher und zivilrechtlicher Perspektive weitaus komplexere Fragestellungen ergeben, als dies der Fall wäre, wenn RoboAdvisor bei der Entwicklung ihres Anlagerates bzw. bei ihrer Vermögensverwaltung schlicht simple Entscheidungsbäume abarbeiteten. Bevor aber die Frage beantwortet werden kann, ob Robo-Advisor künstliche Intelligenz einsetzen, muss vorab die Frage geklärt werden, was künstliche Intelligenz bedeutet.
A. Grundlagen der künstlichen Intelligenz Sowohl in der Tagespresse als auch in wissenschaftlichen Veröffentlichungen verschiedenster Fachrichtungen hat sich der Begriff der künstlichen Intelligenz fest etabliert. Es mag sich zwar um einen bedeutungsträchtigen und eindrucksvollen Begriff handeln, nichtsdestotrotz ist er unscharf und lässt kein einheitliches Verständnis zu, da es an einer allgemeingültigen Definition mangelt.121 Schon eine exakte Festlegung dessen, was unter Intelligenz verstanden werden kann, erweist sich als problematisch.122
119 So etwa der Robo-Advisor Cominvest: Cominvest Whitepaper, S. 23 f., abrufbar unter: www.comdirect.de/cms/media/cominvest_whitepaper_comdirect.pdf. 120 Siehe etwa de.scalable.capital. 121 Specht, L./Herold, MMR 2018, 40 (41). 122 Reichwald/Pfisterer, CR 2016, 208 (211).
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I. Definition der künstlichen Intelligenz Wie also lässt sich künstliche Intelligenz definieren? Wie komplex dies ist, lässt sich am Beispiel des Definitionsversuchs eines bekannten Nachschlagewerks zeigen.123 Die Encyclopedia Britannica definiert künstliche Intelligenz als die Fähigkeit eines digitalen Computers oder eines computergesteuerten Roboters, Aufgaben zu erfüllen, die üblicherweise mit intelligenten Wesen in Verbindung gebracht werden.124 Problematisch an dieser Definition ist, dass sie letztlich jedem Computer die Fähigkeit der künstlichen Intelligenz zuschreibt.125 So stellt beispielsweise das Auswendiglernen langer Texte oder das schnelle Multiplizieren zwanzigstelliger Zahlen eine Aufgabe dar, die vom Menschen als intelligentem Wesen, in gleicher Weise aber auch von gewöhnlichen Computern erfüllt werden kann.126 Die Geschichte der künstlichen Intelligenz reicht bis in die 1950er Jahre zurück. Erstmals tauchte der Begriff der „artificial intelligence“ 1955 in einem von John McCarthy an die Rockefeller Foundation formulierten Antrag auf die Bewilligung von Fördermitteln für das gleichnamige Forschungsprojekt auf.127 Die daraufhin abgehaltene Konferenz ließ das Darmouth College zum Geburtsort der künstlichen Intelligenz werden.128 Seitdem konnten auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz viele bahnbrechende Erfolge verzeichnet werden. Häufig angeführte Meilensteine jüngeren Datums sind die Triumphe intelligenter Systeme über menschliche Spitzenspieler in Spielen, von denen jeweils angenommen wurde, ihre Beherrschung auf Weltklasse-Niveau könne nur von Menschen erreicht werden. So bezwang der IBMComputer Deep Mind im Jahre 1996 den damaligen Schach-Weltmeister Garri Kasparow, das ebenfalls von IBM entwickelte intelligente System Watson triumphierte in der Quizsendung Jeopardy! 2011 gegen zwei der besten Spieler aller Zeiten und der Google-Computer AlphaGo besiegte 2016 einen der weltbesten Profispieler, Lee Sedol, im Brettspiel Go.129 Im Laufe der Entwicklung der künstlichen Intelligenz ist es zu vielen Definitionsversuchen gekommen. Dabei nähern sich die wichtigsten Ansätze dem Problem aus vier verschiedenen Perspektiven.130 Gemein ist ihnen, dass sie die künstliche Intelligenz nicht als endgültigen Zustand, sondern als ein Ziel deuten und beschreiben, wie dieses zu erreichen ist. 123
Vgl. zu diesem Beispiel Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz (2016), S. 2. Encyclopedia Britannica, abrufbar unter: www.britannica.com/technology/artificial-intel ligence. 125 Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz (2016), S. 2. 126 Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz (2016), S. 2. 127 McCarthy, J./Minsky/Rochester/Shannon, A Proposal for the Darmouth Summer Research Project on Artificial Intelligence (1955), abrufbar unter: jmc.stanford.edu/articles/ dartmouth/dartmouth.pdf; Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 40. 128 Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 40. 129 Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz (2016), S. 7. 130 Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 23. 124
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Teil 2: Grundlagen
1. Menschliches Handeln Der Ansatz des menschlichen Handelns versteht künstliche Intelligenz als das Studium des Problems, wie Computer dazu gebracht werden können, Aufgaben zu verrichten, in denen derzeit der Mensch überlegen ist.131 Dieser Ansatz ist im Zusammenhang mit dem sog. Turing-Test zu sehen.132 Nach dem von Alan Turing 1950 entwickelten Test kann ein Computer dann als intelligent verstanden werden, wenn ein Mensch, der dem Computer diverse Fragen stellt, aufgrund der gegebenen Antworten nicht erkennen kann, ob es sich bei dem Antwortgeber um einen Menschen oder um einen Computer handelt.133 Folglich ist es nach diesem Ansatz Ziel der künstlichen Intelligenz, ein System zu erschaffen, das wie ein Mensch handelt, d. h. den Turing-Test besteht. Die Konsequenz dieses Ansatzes ist jedoch, dass sich die künstliche Intelligenz darum bemüht, menschliche intelligente Verhaltensweisen zu imitieren, und nicht darum, die Grundprinzipien menschlicher Intelligenz zu verstehen. Russell/Norvig ziehen als Vergleich die Entwicklung des Flugzeuges heran: Die Gebrüder Wright und andere erreichten den Traum vom Fliegen unter anderem deshalb, weil sie damit aufhörten, Vögel zu imitieren, und anfingen, Windkanäle zu bauen und die Aerodynamik zu studieren.134 2. Menschliches Denken Ein weiterer Ansatz nähert sich der künstlichen Intelligenz aus der Richtung des menschlichen Denkens. Einer der ersten Definitionsversuche der künstlichen Intelligenz stammt aus diesem Bereich. Bellman verstand unter künstlicher Intelligenz 1978 die Programmierung von Computern, die Aktivitäten ausüben können, die mit menschlichem Denken assoziiert werden, wie Entscheidungsfindung, Problemlösung, Lernen, Erschaffen, Spielen etc.135 Um ein System erschaffen zu können, das wie ein Mensch denkt, muss zunächst festgelegt werden, wie Menschen denken.136 Ziel der künstlichen Intelligenz ist entsprechend diesem Ansatz, eine Theorie des menschlichen Verstandes zu erarbeiten, weil damit auch die Möglichkeit geschaffen wird, diese Theorie durch ein Computerprogramm auszudrücken.137
131
Rich/Knight/Nair, Artificial Intelligence (2009), S. 3; Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 23. 132 Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S.23. 133 Turing, Computing Machinery and Intelligence, LIX (236) Mind, 433 ff. (1950); Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 23. 134 Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 24. 135 Bellman, An Introduction to Artificial Intelligence: Can Computers Think? (1978), S. 3 f; Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 23. 136 Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 24. 137 Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 24.
Kap. 2: Funktionsweise
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3. Rationales Denken Der dritte Ansatz stammt aus der Richtung des rationalen Denkens und sieht als Ziel der künstlichen Intelligenz die Aufstellung von Denkregeln zur Lösung sämtlicher Probleme.138 Künstliche Intelligenz wird verstanden als das Studium derjenigen Berechnungen, die es ermöglichen, wahrzunehmen, logisch zu folgern und zu agieren.139 Grundlage dieses Ansatzes ist der Versuch, Probleme durch logische Notation zu beschreiben, d. h. formloses Wissen durch formale Begriffe so zu beschreiben, wie es die Logik erfordert.140 Verfechter dieses Ansatzes hoffen durch die Weiterentwicklung von Programmen, welche durch logische Notation beschriebene Probleme lösen können, intelligente Systeme zu erschaffen.141 An diesem Ansatz ist zum einen problematisch, dass es mitunter sehr schwer ist, formloses Wissen durch formale Begriffe zu beschreiben, vor allem wenn es sich um unsicheres Wissen handelt, und zum anderen, dass bereits bei Problemen, die nur mit einigen hundert Fakten abgebildet werden können, die Rechenleistung eines Computers überfordert sein kann.142 4. Rationales Handeln Der vierte Ansatz schließlich nähert sich der künstlichen Intelligenz aus der Richtung des rationalen Handelns. Nach diesem Ansatz ist das Ziel der künstlichen Intelligenz die Erschaffung rationaler, intelligenter Agenten.143 Ein rationaler Agent verhält sich so, dass er das beste Ergebnis und bei Unsicherheit das beste erwartete Ergebnis erzielt.144 Das Ziehen logischer Schlussfolgerungen, das Grundlage des Ansatzes des rationalen Denkens ist, kann dabei Teil eines rationalen Agenten sein.145 Rationalität drückt sich aber nicht ausschließlich in korrekten Schlussfolgerungen aus, weil es Situationen geben kann, in denen das beweisbar Richtige nicht getan wird oder in denen rational agiert wird, ohne vorher Schlussfolgerungen zu ziehen; so ist beispielsweise das reflexartige Zurückschrecken von einer heißen Herdplatte erfolgreicher, als erst lange zu planen.146 138
Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 25. Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 23; Winston, Artificial Intelligence (1992), S. 5. 140 Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 25. 141 Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 25. 142 Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 25. 143 Poole/Mackworth/Goebel, Computational Intelligence (1998), S. 1; Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 23. 144 Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 25. 145 Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 25. 146 Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 25 f. 139
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Teil 2: Grundlagen
Ein Agent agiert rational, wenn er stets diejenige Aktion auswählt, die anhand seiner bisherigen Wahrnehmungsfolge und seines bisherigen Wissens die erwartete Leistung maximiert.147 Im Rahmen seiner Wahrnehmung sammelt ein rationaler Agent nicht nur Informationen, sondern er lernt auch aus diesen und verlässt sich nicht schlicht auf das Vorwissen seines Entwicklers.148 Dieser Ansatz ist den anderen aus zwei Gründen überlegen: Zum einen ist er allgemeiner als der Ansatz des „rationalen Denkens“, weil es sich beim logischen Schlussfolgern nur um einen von vielen Wegen zur Erreichung von Rationalität handelt.149 Zum anderen ist er aber auch den Ansätzen des „menschlichen Denkens“ und des „menschlichen Handelns“ vorzuziehen, weil sich Rationalität mathematisch klar definieren lässt und dadurch überprüfbar ist, während menschliches Verhalten sich durch die nicht greifbare Anpassung des Menschen an seine Umgebung und die Summe seiner Verhaltensweisen definiert.150 II. Abgrenzung und Definition automatischer und intelligenter Agenten Es werden viele verschiedene Arten von Agenten unterschieden, die sich hinsichtlich ihrer Fähigkeiten und ihres Intelligenzniveaus unterscheiden, auf die hier im Einzelnen aber nicht eingegangen werden kann.151 Ob sie jeweils als rational bezeichnet werden können, hängt auch davon ab, in welcher Umgebung sie eingesetzt werden.152 Von besonderer Bedeutung für diese Arbeit sind intelligente Agenten. Intelligente Agenten können entsprechend dem Ansatz des rationalen Handelns als rationale Agenten verstanden werden. Eine elementare Eigenschaft eines jeden rationalen Agenten ist seine Lernfähigkeit. Ein lernender Agent lässt sich schematisch folgendermaßen veranschaulichen:
147 148 149 150 151 152
Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 64. Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 65 f. Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 26. Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 26. Siehe Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz, (2012) S. 73 ff. Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 64.
Kap. 2: Funktionsweise
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Leistungsstandard
Kritik Feedback Änderungen
Leistungselement
Lernelement Wissen Lernziele
Problemgenerator
Umgebung
Sensoren
Aktuatoren
Abbildung 1: Ein allgemeiner lernender Agent153
Die wichtigsten Komponenten des lernenden Agenten sind das Leistungs- und das Lernelement. Während das Leistungselement die Wahrnehmungen der Sensoren aufnimmt und entscheidet, welche Aktionen durch die Aktuatoren ausgeführt werden, verwendet das Lernelement das Feedback aus der Kritik dazu, um zu entscheiden, ob das Leistungselement verändert werden muss, um zukünftig bessere Ergebnisse zu erzielen.154 Verfügt ein Agent nicht über Lernfähigkeit und trifft er Entscheidungen stets nach den gleichen Bedingung/Aktion-Regeln, handelt es sich um einen simplen Reflexagenten ohne Lernelement.155 Entscheidendes Kriterium für die Einordnung eines Agenten ist demnach, ob er über die Fähigkeit zu lernen verfügt. Im Rahmen dieser Arbeit wird, um eine präzise Abgrenzung vornehmen zu können, zwischen automatischen und intelligenten Agenten unterschieden. Gemein ist beiden Typen von Agenten, dass sie über Autonomie verfügen. Dies zeichnet sich, wie bereits erläutert156, dadurch aus, dass sie in der Lage sind, bestimmungsgemäße Aufgaben anhand der aktuellen Wahrnehmung und ohne menschliches Eingreifen durchzuführen. Sie unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihres Grades an Autonomie.
153 154 155 156
Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 83. Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 83. Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 76 f. Siehe oben Teil 2 Kap. 1 § 2.
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Teil 2: Grundlagen
Ein automatischer Agent verfügt über einen vergleichsweise geringen Grad an Autonomie. Er entspricht lediglich einem simplen Reflexagenten, d. h. er ist nicht in der Lage zu lernen und agiert stets nach den gleichen Bedingung/Aktion-Regeln. Der ihm zugrunde liegende Algorithmus ist statisch und deterministisch.157 Dies bedeutet, dass bei einem gegebenen Input stets vorhergesagt werden kann, welche Entscheidung der automatische Agent treffen wird.158 Intelligente Agenten dagegen besitzen regelmäßig einen hohen Autonomiegrad und entsprechen den soeben dargestellten lernenden Agenten. Sie verfügen über Lernfähigkeit und Selbstadaptivität und sind deshalb in der Lage, ihre zu einem vorgegebenen Ziel führende Handlungsfolge anhand vergangener Wahrnehmungen anzupassen.159 Da sie nicht deterministisch agieren, kann häufig weder im Vorhinein vorausgesagt werden, welchen Output ein bestimmter Input erzeugen wird, noch im Nachhinein erklärt werden, warum ein bestimmter Input den gegebenen Output erzeugt hat.160 III. Weitere wichtige Teilgebiete der künstlichen Intelligenz Aufgrund der immensen Bedeutung der Lernfähigkeit für das Verständnis der künstlichen Intelligenz stellt die Entwicklung maschineller Lernverfahren eines der wichtigsten Teilgebiete der künstlichen Intelligenz dar.161 Beim maschinellen Lernen kann grob zwischen dem überwachten Lernen und dem nicht überwachten Lernen unterschieden werden. Beim überwachten Lernen werden dem Agenten Funktionen aus verschiedenen Paaren von Eingaben und Ausgaben vorgegeben, so dass dieser im Anschluss in der Lage ist, einen Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Ein- und Ausgaben herzustellen.162 Beim nicht überwachten Lernen dagegen erlernt der Agent ohne einen „Lehrer“, Muster in Eingaben zu erkennen, wie dies etwa beim sog. Clustering der Fall ist, bei dem der Agent selbständig in einer unsortierten Menge von Daten Strukturen erkennt und Klassifizierungen vornimmt.163 Dem nicht überwachten Lernen ähnelt das sog. Reinforcement Learning, bei dem ein Agent aus einer Reihe von Verstärkungen, d. h. Belohnungen oder Bestrafungen lernt, welche Aktionen gut oder schlecht sind.164 157
Vgl. Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 19. Vgl. Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz (2016), S. 19 f. 159 Vgl. Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 21. 160 Vgl. Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz (2016), S. 19 f. 161 Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz (2016), S. 191. 162 Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 811. 163 Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz (2016), S. 245; Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 811. 164 Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 811. 158
Kap. 2: Funktionsweise
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In engem Zusammenhang mit dem maschinellen Lernen steht das Black BoxProblem der künstlichen Intelligenz. Verlassen sich Systeme nicht mehr auf die Eingabe von Programmierern oder Ingenieuren, sondern auf Algorithmen, die sie sich selbst beigebracht bzw. selbst angepasst haben, kann oft weder ex post nachvollzogen werden, warum eine bestimmte Entscheidung getroffen wurde, noch kann ex ante mit Sicherheit gesagt werden, welche Entscheidung das System treffen wird.165 Die mangelnde Vorhersehbarkeit und Erklärbarkeit wird dadurch verstärkt, dass sich menschliche und künstlich intelligente Entscheidungs- und Lernprozesse fundamental voneinander unterscheiden.166 Künstlich intelligente Systeme werden mitunter bewusst so konstruiert, dass sie einen Lösungsweg einschlagen, welcher außerhalb der menschlichen Vorstellungskraft liegt.167 Der Prozess im Inneren des Systems ist eine undurchsichtige Black Box. Einen Ansatzpunkt zur Lösung dieses Problems bildet die Explainable Artificial Intelligence. Das Forschungsfeld der Explainable Artificial Intelligence setzt es sich zum Ziel, die Nachvollziehbarkeit, Verständlichkeit und Erklärbarkeit der Entscheidungsfindung künstlich intelligenter Systeme herzustellen.168 Vor allem in problematischen Situationen menschlicher Entscheidungsfindung kann eine Erklärungskomponente dabei helfen, menschlichen Entscheidern die Möglichkeit zur Überprüfung der Plausibilität des Ergebnisses zu bieten.169 Fortschritte konnten auf diesem Gebiet bereits im Bereich der Medizin170 und der Verteidigung171 verzeichnet werden. Das maschinelle Lernen ist aber nur eines von vielen Teilgebieten der künstlichen Intelligenz. Die künstliche Intelligenz ist nicht auf eine Methode beschränkt, sondern setzt zur Erreichung ihres Ziels, der Erschaffung von intelligenten Agenten, viele verschiedene Verfahren ein.172 Für den Rahmen dieser Arbeit sind neben dem maschinellen Lernen noch die zwei folgenden von Bedeutung: Da die Produktivität der künstlichen Intelligenz zu einem großen Teil auch vom Umfang und der Qualität der zu Verfügung stehenden Daten abhängt,173 ist ein elementares Teilgebiet das sog. 165
Siehe Knight, The Dark Secret at the Heart of AI, 120 (3) MIT Tech. Rev., 55 ff. (2017). Scherer, 29 Harv. J.L. & Tech. 354, 364 (No. 2 Spring 2016). 167 Scherer, 29 Harv. J.L. & Tech. 354, 364 f. (No. 2 Spring 2016). 168 Holzinger, Informatik-Spektrum April 2018, 138 (139). 169 Holzinger, Informatik-Spektrum April 2018, 138 f. 170 Einen Überblick über die verschiedenen Erklärungsansätze bietet Holzinger, Informatik-Spektrum April 2018, 138 (140 ff.). 171 Intensive Bemühungen zur Erklärbarkeit der Entscheidungen künstlicher Intelligenz im militärischen Bereich stellt etwa die DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency), eine Behörde des Verteidigungsministeriums der Vereinigten Staaten an. Siehe dazu www. darpa.mil/program/explainable-artificial-intelligence. 172 Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz (2016), S. 3 f. 173 Hufeld, Aufsicht und Regulierung in Zeiten von Big Data und künstlicher Intelligenz, BaFin Perspektiven Ausgabe 1 2018, S. 8, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Down loads/DE/BaFinPerspektiven/2018/bp_18-1_digitalisierung.html. 166
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Teil 2: Grundlagen
Data Mining. Beim Data Mining wird durch Methoden aus der Statistik oder dem maschinellen Lernen aus einer großen Menge an Daten (auch genannt Big Data) neues Wissen generiert.174 Ein ebenso relevantes Teilgebiet ist das der künstlichen neuronalen Netze. Bei künstlichen neuronalen Netzen handelt es sich um Computermodelle, die einige Eigenschaften mit dem menschlichen oder tierischen Gehirn teilen und in denen viele einzelne Einheiten parallel arbeiten, ohne dass eine zentrale Steuereinheit existiert.175
B. Verwendung künstlicher Intelligenz durch Robo-Advisor Um zu ermitteln, ob Robo-Advisor künstliche Intelligenz einsetzen, muss ein Vergleich ihrer Funktionsweise mit dem soeben entwickelten Verständnis der künstlichen Intelligenz als Konstruktion intelligenter, d. h. lernender Agenten erfolgen. I. Vergleich des Konzepts intelligenter Agenten mit der Funktionsweise eines Robo-Advisors Auf der ersten Stufe des Beratungsprozesses eines Robo-Advisors werden das Anlageuniversum erstellt und die repräsentierenden Investitionsvehikel ausgewählt.176 Dieser Schritt erfolgt überwiegend durch Menschen. Programmen, die eine Vorauswahl treffen, liegen simple Rangfolge- und Sortierungsalgorithmen zugrunde. Ein Programm, das Daten schlicht anhand bestimmter Parameter sortiert und ordnet, kennt nur ein richtiges Ergebnis, es kann sich nicht verbessern, nicht lernen. Auch im nächsten Schritt, der Erstellung der Musterportfolios177, ist weder ein Kritik- noch ein Lernelement zu erkennen. Der Optimierungsalgorithmus kombiniert die vorgegebenen Investitionsvehikel so, dass sie vorgegebenen Risikokennzahlen und bestimmten Nebenbedingungen entsprechen. Dies kann zwar noch als Leistungselement interpretiert werden, da Risikokennzahlen und zur Verfügung stehende Investitionsvehikel wahrgenommen werden und diese Wahrnehmung in einer entsprechenden Kombination als Aktion resultiert. Allerdings ist diese Kombination lediglich das Ergebnis der Berechnung einer feststehenden mathematischen Formel. Es handelt sich um einen deterministischen Algorithmus, der bei gleicher Eingabe stets das gleiche Ergebnis liefert. Ein Lernelement, das aufgrund von Kritik versucht, bei der nächsten Kombinierungs-Aktion ein besseres Ergebnis zu erzielen, fehlt. 174 175 176 177
Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz (2016), S. 196. Patterson/Gibson, Deep Learning (2017), S. 41. Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 1 B. I. Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 1 B. II.
Kap. 2: Funktionsweise
57
Beim Zusammenführen von Kunden mit Musterportfolios arbeitet der RoboAdvisor je nach den gegebenen Antworten einen Entscheidungsbaum ab. Wenn eine bestimmte Antwort-Folge gegeben wird, dann wird ein bestimmtes Musterportfolio empfohlen. Auch dieser Algorithmus ist demnach deterministisch und verfügt über kein Lernelement. Bei Robo-Advisorn, die mit Downside-Risikomaßen arbeiten und ihre Portfolios kundenindividuell zusammenstellen, gilt ebenfalls nichts anderes. Die Optimierung vollzieht sich auf die gleiche Weise wie bei der Erstellung von Musterportfolios, nur der Zeitpunkt ist ein anderer. Im Rahmen des Rebalancings stellt die Umsetzung der passiven bis semi-aktiven Anlagestrategien ebenso einen deterministischen Algorithmus dar. Das Programm erkennt mittels seiner Sensoren, dass sich das Risiko innerhalb des Portfolios (ausgedrückt durch eine bestimmte Anlagengewichtung oder einen bestimmten Wert einer Risikokennzahl) verändert hat, gibt diese Wahrnehmung an sein Leistungselement weiter und nimmt anschließend Verkaufs- und Kauforder vor, bis der gewünschte Zustand wieder hergestellt ist. Auch hier gibt es keinen Spielraum, bessere Ergebnisse zu erzielen, weil das Ergebnis, eine bestimmte Anlagengewichtung oder eine bestimmte Risikokennzahl, feststeht. Die Möglichkeit, aus früheren Aktionen zu lernen, besteht nicht. Ein solcher Robo-Advisor folgt lediglich Bedingung/Aktion-Regeln, stellt also einen einfachen Reflexagenten ohne Lernelement und damit einen automatischen Agenten dar. Aktive Anlagestrategien dagegen bieten verschiedene Ansatzpunkte für den Einsatz intelligenter Agenten. So kann etwa aus dem Erfolg vergangener Reaktionen auf bestimmte Marktsituationen oder dem Einsatz verschiedener Timing-Strategien für die Zukunft gelernt werden. Ob die derzeit in Deutschland tätigen aktiven RoboAdvisor tatsächlich über ein solches Lernelement verfügen, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Dies liegt zum einen darin begründet, dass die Unternehmen Informationen zur exakten technischen Funktionsweise der Robo-Advisor nicht veröffentlichen wollen.178 Zum anderen herrscht auch in der Robo-Advisor-Branche kein einheitliches Verständnis davon, was unter künstlicher Intelligenz bzw. maschinellem Lernen zu verstehen ist. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Großteil der Robo-Advisor derzeit überwiegend auf der Grundlage determinierter, regelbasierter Algorithmen arbeitet.179 Künstliche Intelligenz kommt mitunter zur Überprüfung von Kundenangaben oder bei der Erstellung probabilistischer Modelle über die zu erwartende Marktentwicklung zum Einsatz.180 178 Siehe zu einem ähnlichen Problem beim Einsatz maschinellen Lernens durch quantitative Fonds FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 19, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117.pdf. 179 Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 1 Rn. 46; Möslein, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 3 Rn. 2 f. 180 Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 1 Rn. 48; Möslein, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 3 Rn. 2 f.
58
Teil 2: Grundlagen
Bezeichnenderweise nehmen nur wenige der auf dem deutschen Markt gegenwärtig tätigen Robo-Advisor auf ihrer Internetseite oder in veröffentlichten Whitepapers dazu Stellung, ob es bei der Erstellung des Anlagerates bzw. der Vermögensverwaltung zum Einsatz künstlicher Intelligenz kommt. Die Comdirect, welche den Robo-Advisor Cominvest anbietet, spricht im unternehmenseigenen Magazin davon, dass es bei ihrem Robo-Advisor zum Einsatz künstlicher Intelligenz und lernender Algorithmen kommt.181 Auch der Robo-Advisor VisualVest setzt seit Ende 2019 das Tool Machine Learning for Investment Applications ein.182 Dabei handelt es sich um eine Software, welche in der Lage ist, Daten intelligent zu verknüpfen und auf der Grundlage dieser Verknüpfungen Prognosen zur Entwicklung von Märkten, Unternehmenssektoren oder Anlageklassen abzugeben und so die Entscheidungsfindung zu unterstützen.183 Schließlich soll der Robo-Advisor Smavesto dazu in der Lage sein, seinen Algorithmus mittels künstlicher Intelligenz selbständig anzupassen.184 Mit Hilfe von Big-Data-Analysen verarbeitet und interpretiert der Smavesto-Robo-Advisor hohe Datenmengen und lernt Verkaufs- und Kauf-Signale zu erkennen.185 II. Die Zukunft der Robo-Advisor Auf internationaler Ebene sind diverse Robo-Advisor zu finden, die angeben, künstliche Intelligenz einzusetzen. So wirbt etwa der US-amerikanische RoboAdvisor Pefin damit, der weltweit erste künstlich intelligente Robo-Advisor zu sein und neuronale Netze implementiert zu haben, die ein komplexes Geflecht an finanziellen Beziehungen analysieren, dadurch die finanzielle Zukunft der Kunden vorhersagen und entsprechend auf Marktveränderungen etc. reagieren können.186 Asiatische Kunden können sich durch den deep-learning Robo-Advisor Qara oder den Robo-Advisor Kristal beraten lassen, dessen Dienste durch künstliche Intelligenz gestützt werden.187
181 Wie Menschen den Robo Advisor im Investmentprozess unterstützen, Comdirect Magazin, abrufbar unter: www.comdirect.de/magazin/dossier/wie-menschen-den-robo-advisor-iminvestmentprozess-unterstuetzen/. 182 Siehe www.visualvest.de/blog/2019/optimierung-durch-kuenstliche-intelligenz-visual vest-passt-vestfolios-an. 183 Siehe www.visualvest.de/blog/2019/optimierung-durch-kuenstliche-intelligenz-visual vest-passt-vestfolios-an. 184 Siehe www.smavesto.de/magazin/artikel/robo-advisor-eine-neue-smartere-generation-/. 185 Siehe www.smavesto.de/magazin/artikel/robo-advisor-eine-neue-smartere-generation-/. 186 Siehe www.pefin.com/whyai. 187 Qara ist für Kunden aus Süd-Korea, Hong Kong und Singapur verfügbar, siehe www.qara.ai. Kristal kann aus Indien, Hong Kong und Singapur in Anspruch genommen werden, siehe kristal.ai.
Kap. 2: Funktionsweise
59
Ohne Frage wird die Zukunft der Finanzindustrie, wie aller anderen Industrien auch, vom immer weiterreichenden Einsatz künstlicher Intelligenz geprägt sein.188 Das World Economic Forum sieht in der künstlichen Intelligenz sogar den Treiber der vierten industriellen Revolution.189 Gerade die Robo-Advice bietet dafür erhebliches Potenzial.190 Zum einen können maschinell lernende Algorithmen mittels der gleichen Programmiersprachen implementiert werden, die ohnehin für die Programmierung der Robo-Advisor zum Einsatz kommen. Zum anderen verfügen Robo-Advisor über enorme Datenmengen bezüglich ihrer Kunden, welche sie aus den Antworten zum Online-Fragebogen sowie aus historischen Transaktionen generiert haben.191 Künstliche Intelligenz kann bei Robo-Advisorn nicht nur dazu genutzt werden, in Daten über vergangene Kursentwicklungen Muster zu erkennen und das Anlageverhalten entsprechend anzupassen, sondern auch dazu, kundenindivuelle Anlagevorschläge zu generieren. Bei dieser Technik, welche bereits von einigen RoboAdvisorn in den USA eingesetzt wird, verfolgen Algorithmen die Kontoaktivitäten des Kunden und werten die Daten aus, um ein Finanzprofil über den Kunden zu erstellen, auf dessen Grundlage individuelle Anlagevorschläge generiert werden können.192 Durch eine Verknüpfung mit den Bankkonten oder sogar mit den Profilen in sozialen Netzwerken der Kunden lässt sich etwa auf Konsumverhalten, Einkommen, Erspartes, finanzielle Verpflichtungen, den beruflichen Werdegang, die familiären Verhältnisse etc. schließen.193 Dieser riesige Datensatz bietet die optimalen Voraussetzungen für maschinell lernende Systeme.194 Vergangene Transaktionsdaten können zudem dazu eingesetzt werden, Anlagemuster zu erkennen.195 Neigt der Anleger etwa zu bestimmten Anlagefehlern, wie beispielsweise zu dem aus der Behavioral Economics bekannten zyklischen Inves188
Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 577 (2014). Young Lee/Yeong Kwon/In Lim, in: ByungHoon Kang/Kim (Hrsg.), Information Security Applications (2018), S. 323. 190 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 18 f., abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 191 FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 19, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117.pdf; Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 18, abrufbar unter: www. ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 192 So etwa die Robo-Advisor Pefin (www.pefin.com/whyai), Personal Capital (www.perso nalcapital.com/financial-software) und Wealthfront (blog.wealthfront.com/introducing-newdashboard/). 193 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 18 f., abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series; Phoon/ Koh, Robo Advisors and Wealth Management, The Journal of Alternative Investments Winter 2018, 79 (88). 194 FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 18, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117.pdf. 195 von Nitzsch/Braun, in: Seidel (Hrsg.), Banking & Innovation 2017 (2017), S. 49 (60). 189
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Teil 2: Grundlagen
tieren, könnte der Robo-Advisor ihm die bestehenden psychologischen und ökonomischen Zusammenhänge transparent erläutern.196 Lernen bedeutet in diesem Zusammenhang, den Kunden und seine Bedürfnisse durch Analyse seines vergangenen sowie Beobachtung seines derzeitigen Verhaltens besser kennenzulernen und in Folge geeignetere Anlageprodukte zu empfehlen oder auszuwählen.197 Schon heute kommt es im „klassischen“ Portfolio-Management zum Einsatz von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen, um versteckte Muster in Finanzdaten, wie etwa Preisbewegungen und Volatilitäten, zu erkennen.198 Zusätzlich stellen spezialisierte Unternehmen Asset-Managern Machine Learning-Anwendungen zur Analyse der gewaltigen Datenmenge aus aktuellen Nachrichten und aktueller Marktforschung zur Verfügung.199 Robo-Advisor der Zukunft könnten deshalb Entwicklungen auf der Kundenseite mit solchen auf der Marktseite verknüpfen und aus umfangreichen Datensätzen hinsichtlich ihrer Kunden, hinsichtlich vergangener Marktbewegungen und hinsichtlich des aktuellen Weltgeschehens lernen. Die Vorteile des Einsatzes künstlicher Intelligenz durch Robo-Advisor liegen auf der Hand: Sie ermöglicht höchst individuelle, auf den einzelnen Kunden maßgeschneiderte Anlageempfehlungen und sekundenschnelle Reaktionen auf Marktveränderungen. Hinzu kommt, dass Robo-Advisor als rationale Agenten den vollkommenen Homo Oeconomicus, sozusagen eine Machina Oeconomica, darstellen würden.200 Sämtliche Annahmen der neoklassischen Ökonomie arbeiten mit dem Konstrukt des Anlegers als perfekt rationalem Homo Oeconomicus, der in jeder Situation diejenige Entscheidung trifft, welche seinen Nutzen maximiert.201 Bekanntermaßen hat diese Annahme aber nur begrenzt etwas mit der Realität zu tun, wie nicht zuletzt die Existenz des Forschungsgebiets der Behavioral Economics beweist. Wie gezeigt wurde202, ist es gerade Ziel der künstlichen Intelligenz, rationale Agenten zu erschaffen. Die Annahmen der neoklassischen Ökonomie würden beim vermehrten Einsatz rationaler Robo-Advisor letztlich doch auf Tatsachen fußen.
196
von Nitzsch/Braun, in: Seidel (Hrsg.), Banking & Innovation 2017 (2017), S. 49 (60). Vgl. Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 19, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 198 Brühl, in: Brühl/Dorschel (Hrsg.), Praxishandbuch Digital Banking (2018), S. 3 (9); FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 18, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117.pdf. 199 FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 19, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117.pdf. 200 Parkes/Wellman, Economic Reasoning and Artificial Intelligence, 349 (6245) Science, 267 (2015), hier allerdings grammatikalisch fehlerhaft bezeichnet als „machina economicus“. 201 Parkes/Wellman, Economic Reasoning and Artificial Intelligence, 349 (6245) Science, 267 (2015). 202 Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 2 A. I. 4. 197
Kap. 2: Funktionsweise
61
Die Robo-Advice befindet sich, vor allem im Hinblick auf ihr erhebliches Potenzial, erst in einem frühen Entwicklungsstadium.203 Die Zukunft der Robo-Advice gehört der künstlichen Intelligenz unter dem Einsatz von Big Data.204 Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass Internetriesen wie Alibaba, Amazon, Apple, Facebook oder Google, die über ein Vielfaches der Daten reiner Finanzdienstleister verfügen, mittlerweile im Finanzdienstleistungsbereich tätig sind. Schon heute bietet Amazon eine eigene Kreditkarte an, verfügen Apple und Google über eigene Bezahlsysteme und können sich US-Kunden im Facebook-Messenger Geld senden. Und unter dem Dach des mächtigen Alibaba-Konzerns befindet sich nicht weniger als das „teuerste FinTech der Welt“, die Ant Financial Services Gruppe, die neben einem Online-Bezahlsystem und einem Kreditbewertungssystem unter anderem auch die Möglichkeit bietet, Anlageprodukte zu kaufen und zu verwalten, Stromrechnungen zu bezahlen, das Mobilfunkguthaben aufzuladen, Pakete zu verschicken und Mitfahrdienste zu bestellen.205 Über einen Eintritt dieser Konzerne auf den Markt der Robo-Advisor wird schon seit längerem spekuliert.206 Die Verwendung der ihnen zur Verfügung stehenden Datenberge im Rahmen einer intelligenten digitalen Anlageberatung wäre dann nur eine konsequente Folge. Die Implementierung von Data Mining-Algorithmen und maschinell lernenden Algorithmen wird durch Projekte wie Apache Mahout erheblich vereinfacht.207 Bei Apache Mahout handelt es sich um ein Open Source-Regelwerk, das der Entwicklung von Algorithmen zur Auswertung großer Datenmengen dient.208 Durch solche frei zugänglichen Regelwerke, die unter anderem in C++ oder Python geschrieben sind, werden die intelligenten Anwendungen einer Vielzahl an Entwicklern zugänglich.209 Diese Programmiersprachen entsprechen denjenigen, mit denen die einzelnen Algorithmen der Robo-Advisor ohnehin implementiert werden. Die Weiterentwicklung eines „einfachen“ zu einem „intelligenten“ Robo-Advisor stellt deshalb keine 203 Young Lee/Yeong Kwon/In Lim, in: ByungHoon Kang/Kim (Hrsg.), Information Security Applications (2018), S. 323 (334). 204 Möslein, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 3 Rn. 3. 205 Hua, Plötzlich in der ersten Liga – was das teuerste Fintech der Welt auszeichnet, Handelsblatt vom 08. 06. 2018, abrufbar unter: www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versi cherungen/ant-financial-ploetzlich-in-der-ersten-liga-was-das-teuerste-fintech-der-welt-aus zeichnet/22663308.html. 206 Siehe beispielsweise Amazon poised to launch Robo-Advisor (2018), abrufbar unter: www.nasdaq.com/article/amazon-poised-to-launch-robo-advisor-cm932532; Barreto, Chinese banks, brokers eye robo advice for edge on competition (2017), abrufbar unter: www.reuters. com/article/us-china-wealth-management-roboadvisors/chinese-banks-brokers-eye-robo-ad vice-for-edge-on-competition-idUSKBN17T08P; ,Nothing stopping‘ Google from entering wealth management (2019), abrufbar unter: www.financial-planning.com/news/what-googlechecking-accounts-could-mean-for-wealth-management. 207 Arnold, in: Brühl/Dorschel (Hrsg.), Praxishandbuch Digital Banking (2018), S. 259 (272 f.); siehe mahout.apache.org. 208 Arnold, in: Brühl/Dorschel (Hrsg.), Praxishandbuch Digital Banking (2018), S. 259 (272 f.). 209 Siehe Oettinger, Data Science (2017), S. 64 ff.
62
Teil 2: Grundlagen
unüberwindbare Hürde mehr dar. Eine rechtliche Bewertung der Robo-Advice, ohne dabei den potenziellen Einsatz künstlicher Intelligenz zu berücksichtigen, kann daher nur unvollständig sein. Aus diesem Grund wird die vorliegende Arbeit bei der rechtlichen Bewertung von Robo-Advisorn stets auch auf Aspekte des Einsatzes künstlicher Intelligenz eingehen.
C. Zusammenfassung Abschnitt § 2 Künstliche Intelligenz kann definiert werden als das Ziel der Erschaffung rationaler, lernender Agenten.210 Wesentliches Abgrenzungsmerkmal zwischen automatischen und intelligenten Agenten ist deshalb, ob sie über die Fähigkeit zu lernen verfügen. Die Vermutung liegt nahe, dass die überwiegende Zahl der heute tätigen Robo-Advisor noch nicht mit künstlicher Intelligenz arbeitet, da den Programmen das lernende Element fehlt. Sie stellen damit lediglich automatische Agenten, d. h. simple Reflexagenten dar. Die Zahl derjenigen Anbieter, die unter Verwendung von Big Data, neuronalen Netzen und maschinellem Lernen höchst individuellen Anlagerat erteilen und in der Lage sind, sekundenschnell auf Marktveränderungen zu reagieren, wächst aber. Mit einiger Sicherheit kann deshalb gesagt werden, dass in nicht allzu ferner Zukunft Robo-Advisor, die über einen gewissen Grad an künstlicher Intelligenz verfügen, der Marktstandard sein werden.211 In Zukunft werden Robo-Advisor deshalb intelligente Agenten darstellen. Der Einsatz künstlicher Intelligenz kann folglich bei einer rechtlichen Bewertung von Robo-Advisorn nicht unbeachtet bleiben. Kapitel 3
Fazit Von erheblicher Bedeutung für eine präzise rechtliche Bewertung und Einordnung des Phänomens „Robo-Advice“ ist die Abgrenzung zwischen Robo-Advisorn, welche automatische Agenten darstellen und Robo-Advisorn, welche als intelligente Agenten agieren. Automatische Agenten sind simple Reflexagenten, deren Handeln sich stets deterministisch vollzieht.212 Ihr statischer Algorithmus besteht aus Wenn-DannFolgen, weshalb ihre Reaktion auf einen bestimmten Input vorhergesagt werden 210
Poole/Mackworth/Goebel, Computational Intelligence (1998), S. 1; Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 23. 211 So auch Kumpan, EuZW 2018, 745 (746) und Möslein, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 3 Rn. 3. 212 Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 19.
Kap. 3: Fazit
63
kann.213 Intelligente Agenten dagegen handeln nicht deterministisch. Sie verfügen über Lernfähigkeit und Selbstadaptivität, weshalb häufig weder ex ante vorhergesagt werden kann, wie sie entscheiden werden, noch ex post nachvollzogen werden kann, weshalb eine bestimmte Entscheidung getroffen wurde.214 Gerade die Frage der Vorhersehbarkeit von Handlungen und Entscheidungen kann sich aber auf die Beurteilung rechtlicher Fragestellungen auswirken. Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass Robo-Advisor je nach Ausgestaltung der ihnen zugrundeliegenden Software über einen unterschiedlich hohen Grad an Autonomie verfügen und an unterschiedlichen Stellen künstliche Intelligenz einsetzen können. Ein und derselbe Robo-Advisor kann deshalb je nach betrachtetem Tätigkeitsfeld sowohl einen automatischen als auch einen intelligenten Agenten darstellen. Für die rechtliche Einordnung ist dabei allein entscheidend, ob der Robo-Advisor hinsichtlich der konkreten Aktion, etwa der Erfüllung aufsichtsrechtlicher Pflichten oder dem Abschluss eines Vertrags, als automatischer oder als intelligenter Agent agiert.
213 214
Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz (2016), S. 19 f. Knight, The Dark Secret at the Heart of AI, 120 (3) MIT Tech. Rev., 55 ff. (2017).
Teil 3
Rechtliche Einordnung der Robo-Advice Kapitel 1
Rechtsquellen § 1 Die Rechtsgrundlagen der Anlageberatung und der Vermögensverwaltung Eine Befassung mit der Thematik der Robo-Advice sucht man sowohl in europäischen als auch in nationalen Regelungswerken vergebens. Lediglich an einigen wenigen Stellen wird auf diese Bezug genommen. So führt Erwägungsgrund 86 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/5651 etwa aus, dass klargestellt werden sollte, dass Wertpapierfirmen für die Durchführung von Eignungsbeurteilungen zuständig bleiben, wenn eine Anlageberatung oder Portfolioverwaltungsdienstleistung ganz oder teilweise durch ein automatisiertes oder teilautomatisiertes System erbracht wird. Mangels spezieller Normen sind auf die Robo-Advice deswegen die allgemeinen Regelungen zur Anlageberatung und Vermögensverwaltung anzuwenden. Eine einheitliche Kodifikation des Wertpapierberatungsrechts, insbesondere auch hinsichtlich des Rechts der Risikoaufklärung, ist nie erfolgt.2 Vielmehr ist es verstreut in verschiedenen Rechtsgebieten zu finden, teilweise fehlt eine Kodifikation gänzlich.3 Seine Ursprünge liegen im Zivilrecht, seit Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts wird es aber immer mehr beeinflusst durch das öffentliche Aufsichtsrecht.4 Vereinzelt sind Normen auch dem Strafrecht zuzuordnen. Rechtliche Phänomene aus dem Bereich der Anlageberatung und der Vermögensverwaltung müssen daher vor allem aus zwei Perspektiven rechtlich bewertet werden: Zum einen folgt aus der Anlageberatung bzw. Vermögensverwaltung ein
1
ABl. L 87 vom 31. 3. 2017, S. 1 ff. Hannöver/Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 110 Rn. 6. 3 Schwintowski, in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 1 Rn. 27. 4 Hannöver/Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 110 Rn. 6. 2
Kap. 1: Rechtsquellen
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umfangreicher zivilrechtlicher Pflichtenkanon des jeweiligen Finanzintermediärs.5 Zum anderen werden sowohl die Anlageberatung als auch die Vermögensverwaltung vom Gesetz über den Wertpapierhandel (im Folgenden: WpHG) als Wertpapierdienstleistung und vom Gesetz über das Kreditwesen (im Folgenden: KWG) als Finanzdienstleistung qualifiziert, was diverse aufsichtsrechtliche Pflichten nach sich zieht, insbesondere die in den §§ 63 ff. WpHG geregelten Wohlverhaltenspflichten und die in den §§ 80 ff. WpHG normierten Organisationspflichten.6 Relevante nationale Rechtsquellen sind in diesem Zusammenhang folglich vor allem BGB, WpHG und KWG. Aber auch die Wertpapierdienstleistungs-Verhaltensund Organisationsverordnung (im Folgenden: WpDVerOV)7 muss beachtet werden. Eine wesentliche Rolle bei der Auslegung aufsichtsrechtlicher Normen spielen schließlich auch die Rundschreiben und Merkblätter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: BaFin). Zu nennen sind hier allen voran die Mindestanforderungen an das Risikomanagement der BaFin in der Fassung vom 27. Oktober 2017 (im Folgenden: MaRisk)8 und die zugehörige Erläuterung9, welche einen flexiblen und praxisnahen Rahmen für die Ausgestaltung des Risikomanagements der Institute vorgeben10, sowie die Mindestanforderungen an die Compliance in der Fassung vom 9. Mai 2018 (im Folgenden: MaComp)11, welche die Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten der §§ 63 ff. WpHG und der Art. 21 ff. der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 konkretisieren.12 Die Rundschreiben und Merkblätter der BaFin entfalten aufgrund des Vorrangs und Vorbehalts des Gesetzes nach Art. 20 Abs. 3 GG zwar keine Gesetzeskraft, sondern stellen norminterpretierende Verwaltungsvorschriften dar, welche rechtlich allein die BaFin
5 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 4; Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 3 f. 6 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 4; Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 3 f. 7 Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und -Organisationsverordnung – WpDVerOV) vom 17. Oktober 2017, BGBl. I S. 3566, zuletzt geändert durch Art. 13 Abs. 2 des Gesetzes vom 10. Juli 2018, BGBl. I S. 1102. 8 BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA) vom 27. 10. 2017 – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/ DE/Rundschreiben/2017/rs_1709_marisk_ba.html. 9 BaFin, Erläuterungen zu den MaRisk in der Fassung vom 27. 10. 2017, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben/dl_rs0917_marisk_Endfassung_201 7_pdf_ba.html. 10 AT 1 Rz. 1 MaRisk. 11 BaFin, Rundschreiben 05/2018 (WA) vom 9. 5. 2018 – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten – MaComp, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/2 018/rs_18_05_wa3_macomp.html. 12 AT 1 Rz. 1 MaComp.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
und die Deutsche Bundesbank binden.13 Sie sind aber von erheblicher praktischer Bedeutung, weshalb ihnen eine faktische Bindungswirkung zukommt.14
§ 2 Europarechtlicher Einfluss Das Aufsichtsrecht findet seine Grundlage zum größten Teil im EU-Recht.15 Die lange Entwicklungsgeschichte des europäischen Aufsichtsrechts, auf deren Weg unter anderem die Schaffung der Richtlinie 93/22/EWG über Wertpapierdienstleistungen vom 10. Mai 199316 und der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente (sog. MiFID I – Markets in Financial Instruments Directive)17 sowie der darauf bezogenen Ergänzungsrichtlinie 2006/31/EG vom 5. April 200618 lag, fand ihren vorläufigen Höhepunkt im Erlass der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente (sog. MiFID II)19 und der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 über Märkte für Finanzinstrumente (sog. MiFIR – Markets in Financial Instruments Regulation)20 jeweils vom 15. Mai 2014. MiFID II und MiFIR sowie das sie umsetzende 2. Finanzmarktnovellierungsgesetz (im Folgenden: 2. FiMaNoG)21 sind seit dem 3. Januar 2018 anzuwenden. Relevant ist daneben auch die die §§ 63 ff. WpHG konkretisierende Delegierte Verordnung (EU) 2017/56522 vom 25. April 2016 (im Folgenden: DelVO-2017/565), welche organisatorische Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie Definitionen zu bestimmten Begriffen enthält23, sowie die Delegierte Verordnung (EU) 2017/58924 vom 19. Juli 2016 (im Folgenden: DelVO-2017/589), welche die MiFID II durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung der organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen, die algorithmischen Handel be13
Benzler/Krieger, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 11 Rn. 3; Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 56 mit Fn. 54; Nathmann, FinTech (2019), S. 82. 14 Benzler/Krieger, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 11 Rn. 3. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Leitlinien der European Banking Authority (EBA) und die Veröffentlichungen internationaler Gremien wie dem Financial Stability Board (FSB), Benzler/Krieger, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 11 Rn. 4. 15 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 5. 16 ABl. EG Nr. L 141 vom 11. 6. 1993, S. 27 ff. 17 ABl. EU Nr. L 145 vom 30. 4. 2004, S. 1 ff. 18 ABl. EU Nr. L 114 vom 27. 4. 2006, S. 60 ff. 19 ABl. L 173 vom 15. 5. 2014, S. 349 ff. 20 ABl. L 173 vom 15. 5. 2014, S. 84 ff. 21 BGBl. I 2017, S. 1693 ff. 22 ABl. L 87 vom 31. 3. 2017, S. 1 ff. 23 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 847 mit Fn. 7. 24 ABl. L 87 vom 31. 3. 2017, S. 417 ff.
Kap. 1: Rechtsquellen
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treiben, ergänzt. Diese Rechtsakte haben namentlich zu einer erheblichen Ausweitung der aufsichtsrechtlichen Verhaltens- und Organisationspflichten des WpHG geführt.25 Aber auch das KWG hat vereinzelte Änderungen durch die MiFID II erfahren. Was die Zuständigkeitsverteilung zwischen den verschiedenen Aufsichtsbehörden betrifft, so ist es für die Zwecke dieser Arbeit ausreichend, darauf hinzuweisen, dass eine Zuständigkeit der Europäischen Zentralbank nach dem in Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 EUVallgemein festgelegten Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nur dann gegeben ist, wenn eine Norm dies ausdrücklich regelt.26 In allen anderen Fällen, insbesondere im für die Robo-Advice relevanten Finanzdienstleistungssektor, verbleibt es bei der Zuständigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden, in diesem Fall der BaFin.27 Die Ausgestaltung des zivilrechtlichen Verhältnisses zwischen Anleger und Finanzintermediär richtet sich nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Anlageberatungs- bzw. Vermögensverwaltungsvertrag.28 Der deutsche Gesetzgeber hat MiFID I und MiFID II nicht durch eine Änderung des BGB umgesetzt.
§ 3 Verhältnis von Zivil- und Aufsichtsrecht Betrachtet man diese beiden Aspekte rechtlicher Bewertung der Anlageberatung und Vermögensverwaltung, drängt sich die Frage nach der Art des Zusammenspiels zwischen dem Zivilrecht und dem Aufsichtsrecht als öffentlichem Recht auf. Über diese Frage ist, vor allem hinsichtlich der in den §§ 63 ff. WpHG normierten Wohlverhaltenspflichten, ein weiterhin andauernder Streit entbrannt.29 Kernfrage dieses Streits ist es, ob die zivilrechtlichen Pflichten des Anlageberaters durch aufsichtsrechtliche Regelungen betreffend die Anlageberatung festgelegt, beeinflusst oder begrenzt werden, insbesondere, ob ein Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Pflichten auch eine zivilrechtliche Schadensersatzpflicht nach sich zieht.30 Die folgenden Ausführungen werden zeigen, dass die aufsichtsrechtlichen Pflichten keine direkte Wirkung im Zivilrecht entfalten, sondern bei der Auslegung zivil25
Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 3. Glos/Benzing, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 2 Rn. 10. 27 Glos/Benzing, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 2 Rn. 12. 28 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 6. 29 Die dargestellten Theorien wurden im Wesentlichen zu den §§ 31 ff. WpHG in ihrer bis zum 3. Januar 2018 geltenden Fassung entwickelt, haben aber auch für die §§ 63 ff. WpHG n. F. nichts an Relevanz eingebüßt, da eine Stellungnahme des Gesetzgebers zum Verhältnis von Zivil- und Aufsichtsrecht auch im neuen Recht fehlt. 30 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 8; Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 189. 26
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
rechtlicher Generalklauseln und unbestimmter Rechtsbegriffe richtungsweisend wirken. Sollte durch die Anlageberatung bzw. Vermögensverwaltung eines RoboAdvisors gegen aufsichtsrechtliche Pflichten verstoßen werden, ergeben sich deshalb nicht zwingend vertragliche Schadensersatzansprüche. Bei der Konkretisierung der vertraglichen Pflichten des Robo-Advisors sind die aufsichtsrechtlichen Pflichten aber als Auslegungshilfe heranzuziehen.
A. Anwendung der klassischen Abgrenzungstheorien Bevor man sich der Frage widmet, in welchem Verhältnis das als öffentliches Recht zu qualifizierende Aufsichtsrecht zum Zivilrecht steht, sollte man zunächst einen Schritt zurückgehen und klären, in welchem Verhältnis zueinander öffentliches Recht und Zivilrecht ganz grundsätzlich stehen. Im deutschen Recht, das geprägt ist von der traditionellen Trennung zwischen dem öffentlichen Recht und dem Privatrecht,31 ist bekanntermaßen schon die Abgrenzung zwischen den beiden Rechtsgebieten allgemein seit jeher umstritten.32 Aufgrund der engen Verzahnung von zivilrechtlichen und aufsichtsrechtlichen Pflichten im Rahmen der Anlageberatung und der Vermögensverwaltung erlangt der Streit in diesem Bereich der Finanzmarktregulierung eine besondere Brisanz.33 Im Wesentlichen werden heute noch drei Theorien zur Abgrenzung von öffentlichem Recht und Privatrecht vertreten: die Interessentheorie, die Subordinationstheorie und die (modifizierte) Subjektstheorie.34 Die Interessentheorie differenziert nach der Art des Interesses, das durch die jeweilige Rechtsnorm geschützt wird: Dem öffentlichen Recht sind diejenigen Rechtsnormen zuzuordnen, welche vorwiegend dem Schutz des Allgemeininteresses dienen, während dem Privatrecht solche Normen zugewiesen sind, die überwiegend den Schutz von Individualinteressen im Blick haben.35 Das Aufsichtsrecht und damit auch die §§ 63 ff. WpHG haben sowohl den Schutz der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes als auch den Schutz der Anleger zum Ziel.36 Der Anlegerschutz bezieht 31 Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 187. 32 Vgl. Überblick in v. Albedyll, in: Bader et al. (Hrsg.), VwGO (2018), § 40 Rn. 75 ff. 33 Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 187. 34 v. Albedyll, in: Bader et al. (Hrsg.), VwGO (2018), § 40 Rn. 75; Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, Stand Juli 2019, § 40 Rn. 218. 35 v. Albedyll, in: Bader et al. (Hrsg.), VwGO (2018), § 40 Rn. 83; Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, Stand Juli 2019, § 40 Rn. 219. Die Interessentheorie geht zurück den römischen Juristen Ulpian, Digesten 1.1.1.2: „Publicum ius est, quod ad statum rei Romanae spectat, privatum quod ad singulorum utilitatem: sunt enim quaedam publice utilia, quaedam privatim!“. 36 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 7 ff. Siehe unten Teil 3 Kap. 2 § 1 B. I.
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sich dabei nicht nur auf die Gesamtheit der Anleger, sondern hat auch den individuellen Anleger im Blick.37 Individualschutz und Allgemeinschutz liegen somit gleichermaßen im Fokus der Wohlverhaltenspflichten. Die Interessentheorie lässt keine eindeutige Zuordnung zu einem Rechtsgebiet zu.38 Gleiches gilt auch für die Subordinationstheorie. Nach der Subordinationstheorie wird ein Rechtsverhältnis dann als öffentlich-rechtlich qualifiziert, wenn die an ihm Beteiligten zueinander in einem Über- und Unterordnungsverhältnis stehen.39 Von einem Privatrechtsverhältnis ist dagegen auszugehen, wenn sich die Beteiligten im Verhältnis der Gleichordnung gegenüberstehen.40 Die BaFin kann gem. § 88 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 WpHG zur Überwachung der Einhaltung der Wohlverhaltenspflichten von den Wertpapierdienstleistungsunternehmen Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen verlangen sowie Prüfungen bei diesen vornehmen. Zusätzlich überträgt § 6 Abs. 1 S. 1 WpHG der BaFin allgemein die Aufsicht nach den Vorschriften des WpHG und § 6 Abs. 1 S. 2 WpHG ermächtigt sie zum Erlass der Anordnungen gegenüber den Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die nötig sind, um Missstände zu beseitigen oder zu verhindern. Wertpapierdienstleistungsunternehmen und BaFin stehen deshalb zweifelsohne in einem Subordinationsverhältnis zueinander.41 Gleichzeitig kann aber nicht geleugnet werden, dass die Wohlverhaltenspflichten, ganz gleich in welcher Weise, auf das Verhältnis zwischen Finanzintermediär und Kunden einwirken. Beide Parteien sind rechtlich auf gleicher Ebene an dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis beteiligt. Schließlich lässt sich auch durch Anwendung der modifizierten Subjektstheorie keine eindeutige Lösung erzielen. Die modifizierte Subjektstheorie nimmt eine Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht danach vor, ob die maßgeblichen Normen ausschließlich einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten.42 Es sind damit nur solche Rechtsverhältnisse dem öffentlichen Recht zuzurechnen, bei denen auf einer Seite als Berechtigter oder Verpflichteter notwendigerweise ein Träger öffentlicher Gewalt beteiligt ist, weil es sich um Rechte und Pflichten handelt, die nur einem Träger öffentlicher Gewalt zustehen können, während bei privatrechtlichen Verhältnissen auf jeder Seite Private stehen können.43 37
Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 13 ff. Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 459; Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 196. 39 v. Albedyll, in: Bader et al. (Hrsg.), VwGO (2018), § 40 Rn. 79; Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, Stand Juli 2019, § 40 Rn. 220; Ruthig, in: Kopp (Begr.)/Schenke (Hrsg.), VwGO (2019), § 40 Rn. 11. 40 v. Albedyll, in: Bader et al. (Hrsg.), VwGO (2018), § 40 Rn. 79. 41 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 460; Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 197. 42 v. Albedyll, in: Bader et al. (Hrsg.), VwGO (2018), § 40 Rn. 76; Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, Stand Juli 2019, § 40 Rn. 222; Ruthig, in: Kopp (Begr.)/Schenke (Hrsg.), VwGO (2019), § 40 Rn. 11. 43 Zimmermann, in: MüKo-ZPO (2017), § 13 GVG Rn. 8. 38
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Auf der Pflichtenseite der Wohlverhaltenspflichten steht zweifelsfrei das Wertpapierdienstleistungsunternehmen als Privatperson, so dass sich die Wohlverhaltenspflichten vordergründig nur als Verpflichtung Privater und damit als Privatrecht darstellen. Daraus folgt aber nicht automatisch, dass das Recht, die Einhaltung dieser Pflichten einzufordern, ebenfalls einer Privatperson zusteht. Die Wohlverhaltenspflichten bezwecken nicht nur den Schutz des individuellen Anlegers, sondern auch den Schutz der Gesamtheit der Anleger und der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes.44 Notwendigerweise muss also eine dritte Institution dazu berechtigt sein, Maßnahmen zu ergreifen, welche die Einhaltung der Pflichten sicherstellen. Wie unter anderem aus § 6 Abs. 1 und § 88 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 WpHG folgt, stellt die BaFin eine solche Institution dar. Zwar resultiert allein aus der hoheitlichen Überwachung und Durchsetzung von Pflichten, die zwischen Privatpersonen einzuhalten sind, noch nicht eine Zuordnung zum öffentlichen Recht.45 Vielmehr kommt es darauf an, ob die staatliche Kontrolle lediglich den Zweck hat, die Beachtung der Verhaltenspflichten sicherzustellen, oder ob die Pflicht selbst das ohnehin bestehende Aufsichtsverhältnis näher ausgestaltet.46 Dies richtet sich nach dem Willen des Gesetzgebers.47 Die nähere Ausgestaltung eines ohnehin bestehenden Aufsichtsverhältnisses findet durch die Wohlverhaltenspflichten der §§ 63 ff. WpHG aber statt. Nicht zuletzt § 6 WpHG statuiert ein Aufsichtsverhältnis zwischen BaFin und Wertpapierdienstleistungsunternehmen. In den Erwägungsgründen zur MiFID II kommt zudem der gesetzgeberische Wille zur Ausgestaltung dieses Aufsichtsverhältnisses durch die Wohlverhaltenspflichten zum Ausdruck.48 Erwägungsgrund 2 der MiFID II bezeichnet die Wohlverhaltensregeln ausdrücklich als Tätigkeitsbedingung für Wertpapierfirmen. Nach Erwägungsgrund 7 ist Zweck der MiFID II unter anderem der Erlass von Bestimmungen über die Zulassung der Geschäftstätigkeit, über die Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit von Wertpapierfirmen im Hinblick auf den Anlegerschutz und über die Befugnisse der Aufsichtsbehörden. Auch dies belegt, dass die Wohlverhaltenspflichten zwar den individuellen Anlegerschutz ebenfalls im Blick haben, aber primär Bedingung für ein zulässiges Tätigwerden der Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind, welches durch die BaFin beaufsichtigt wird. Die Wohlverhaltenspflichten gestalten folglich das öffentlich-rechtliche Überwachungsverhältnis zwischen BaFin und Wertpapierdienstleistungsunternehmen näher aus.49 44 Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), § 31 Rn. 9; Koller, in: Assmann/ Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 2. Siehe unten Teil 3 Kap. 2 § 1 B. I. 45 Dieckmann, AcP 2013, 1 (26); Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, Stand Juli 2019, § 40 Rn. 239. 46 Dieckmann, AcP 2013, 1 (26). 47 Dieckmann, AcP 2013, 1 (26). 48 Vgl. Dieckmann, AcP 2013, 1 (26) zur MiFID I. 49 Dieckmann, AcP 2013, 1 (26).
Kap. 1: Rechtsquellen
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Somit kann festgehalten werden, dass neben Interessen- und Subordinationstheorie auch die modifizierte Subjektstheorie keine zweifelsfreie Zuordnung der Wohlverhaltenspflichten entweder zum öffentlichen Recht oder zum Privatrecht ermöglicht. Die Anwendung der klassischen Abgrenzungstheorien führt mithin zu keinem eindeutigen und damit zu keinem befriedigenden Ergebnis.50
B. Meinungsstand Im Streit um die zivilrechtliche Bedeutung der aufsichtsrechtlichen Pflichten haben sich deshalb bereits vor Umsetzung der MiFID I eigene Theorien der Abgrenzung entwickelt. Schon damals konnten die Meinungen im Wesentlichen zwei Lagern zugeordnet werden: Während eine Seite den Normen der Wohlverhaltenspflichten eine Doppelnatur zuschrieb, die in einer Qualifizierung der Vorschriften sowohl als Normen des öffentlichen Rechts als auch als Normen des Zivilrechts zum Ausdruck kommt,51 verstand die andere Seite die Wohlverhaltenspflichten ausschließlich als Normen des öffentlichen Rechts, die jedoch in den zivilrechtlichen Bereich „ausstrahlen“.52 An diesem Meinungsstand hat sich auch seit Umsetzung der MiFID I53 bzw. der MiFID II54 grundsätzlich nichts geändert. Zur Ausstrahlungs- und Doppelnormtheorie hinzugesellt haben sich jedoch zwei weitere Auffassungen. Zur MiFID I wurde die sogenannte Theorie von der Maximalharmonisierung entwickelt.55 Nach dieser Theorie verlangt die MiFID I nach einer Maximalharmonisierung der in der Richtlinie festgelegten Verhaltenspflichten, was einen unbedingten Gleichlauf der zivil- und aufsichtsrechtlichen Pflichten zur Folge habe.56 50 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 459; Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 199. 51 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 486; Ilg, Die Neuregelung der Wohlverhaltensregeln durch die Richtlinie 2004/39/EG (2006), S. 234; Köndgen, NJW 1996, 558 (569); Lang, N., ZBB 2004, 289 (294 f.); Leisch, Informationspflichten nach § 31 WpHG (2004), S. 68 ff. und 85; Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 190. 52 Balzer, ZBB 1997, 260 (262 f.); Horn, ZBB 1997, 139 (149 f.); Koller, in: Assmann/ Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 9; Lang, V., Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen (2002), § 6 Rn. 10 ff.; Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 192; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Auflage 2004, Vor § 31 WpHG, Rn. 5 – 8. 53 Dieckmann, AcP 2013, 1 (17 ff.); Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 200; Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Auflage 2010, Vor § 31 WpHG, Rn. 12. 54 Buck-Heeb/Poelzig, BKR 2017, 485 (494 f.); Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 9; Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, Vor § 63 WpHG, Rn. 10 ff.; Schäfer, F., in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 36 f. 55 Schäfer, F., in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 36. 56 Mülbert, WM 2007, 1149 (1157); Mülbert, ZHR 2008, 170 (172 und 183 f.).
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Nach dieser Ansicht hat die Maximalharmonisierung nicht nur ein Verbot von im Verhältnis zur Richtlinie strengeren aufsichtsrechtlichen Regelungen, sondern auch von strengeren zivilrechtlichen Regelungen zur Folge.57 Diese Auffassung steht der Doppelnormtheorie nahe, weil auch sie aus der Richtlinie eine unmittelbare Wirkung auf die zivilrechtlichen Normen herleitet.58 Eine vierte Ansicht schließlich geht davon aus, dass das Zivilrecht widersprechendem Aufsichtsrecht stets vorgeht.59 I. Ausstrahlungstheorie Nach den der Ausstrahlungstheorie zuzuordnenden Ansichten handelt es sich bei den §§ 63 ff. WpHG ausschließlich um Aufsichtsrecht, das jedoch auf das Zivilrecht im Rahmen der Auslegung der zivilrechtlichen Pflichten des Finanzintermediärs gegenüber dem Kunden ausstrahlt.60 Innerhalb dieser Theorie existieren unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Terminologie und hinsichtlich des Grads der Bindungswirkung des Aufsichtsrechts für die zivilrechtliche Auslegung. So wird neben einer Ausstrahlung etwa auch von einer Konkretisierung61 oder einer Auslegungshilfe62 gesprochen. Teilweise wird angenommen, die aufsichtsrechtlichen Pflichten seien lediglich einer von mehreren Aspekten, die bei der Auslegung von Blanketttatbeständen wie § 241 Abs. 2 BGB63 und/oder Generalklauseln wie §§ 133, 157, 242 BGB64 eine Rolle spielen. Andere gehen davon aus, dass die aufsichtsrechtlichen Pflichten einen zivilrechtlichen Mindeststandard festlegen.65 Nach Ansicht des BGH können die Wohlverhaltenspflichten der §§ 31 ff. 57
Mülbert, WM 2007, 1149 (1157); Mülbert, ZHR 2008, 170 (183 f.). Schäfer, F., in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 36. 59 Assmann, in: FS U. Schneider (2011), S. 37 (53). 60 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 10 f.; Ellenberger, in: FS Nobbe (2009), S. 523 (534 ff.); Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), Vor §§ 31 ff., Rn. 81; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 9; Köndgen, in: FS Canaris, Band II (2007), S. 183 (204 ff.); Möslein, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar (2016), 34. Kap., Rn. 18; Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, Vor § 63 WpHG, Rn. 13; Schäfer, F., in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 36 f.; Sethe, in: Schäfer, F./Sethe/ Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 5 Rn. 294; Zahrte, in: MüKoHGB (2019), Anlageberatung, Rn. 109. 61 Grigoleit, ZHR 2013, 264 (280); Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, Vor § 63 WpHG, Rn. 13. 62 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 11. 63 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 11; Zahrte, in: MüKoHGB (2019), Anlageberatung, Rn. 132. 64 Grigoleit, ZHR 2013, 264 (280); Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, Vor § 63 WpHG, Rn. 13; Schäfer, F., in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 37; Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 132. 65 Zur MiFID I: Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), Vor §§ 31 ff., Rn. 83; Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Auflage 2010, Vor 58
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WpHG a. F. (§§ 63 ff. WpHG n. F.), soweit ihnen eine anlegerschützende Funktion zukommt, für Inhalt und Reichweite (vor-)vertraglicher Aufklärungs- und Beratungspflichten von Bedeutung sein.66 Gegner der Ausstrahlungstheorie werfen dieser vor, dass sie zu keinen handhabbaren Ergebnissen führe und „diffus“ sei.67 Der den Zivilgerichten verbleibende Entscheidungsspielraum sei zu groß, weil im Einzelfall von den Wohlverhaltenspflichten abgewichen werden könnte.68 Dies könnte zu einem divergierenden Pflichtenkatalog im Zivil- und im Aufsichtsrecht führen.69 Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung gebiete es aber, Widersprüche im Zivil- und im Aufsichtsrecht möglichst zu vermeiden.70 Zudem sei bereits nicht bestimmt, was unter dem Begriff der „Ausstrahlung“ zu verstehen sei.71 All dies beeinträchtige die Rechtssicherheit.72 Ein im Zusammenhang mit der MiFID I angeführtes Argument, das aber zur MiFID II ebenso vorgebracht werden könnte, lautet, dass aufgrund der vollharmonisierenden Wirkung der Richtlinie die Erreichung ihrer Ziele im gesamten mitgliedstaatlichen Recht sichergestellt werden müsse und sich nicht auf denjenigen Bereich beschränke, für den sich der Gesetzgeber bei der Umsetzung entschieden habe.73 Dem effet utile könne man nur dann gerecht werden, wenn die Wohlverhaltenspflichten auch zivilrechtlich verbindlich wirkten, weil der Anlegerschutz anderenfalls nicht ausreichend durchgesetzt werden könne.74 Dagegen wird zu Recht vorgebracht, dass MiFID I und MiFID II an keiner Stelle eine Vereinheitlichung des Zivilrechts als Ziel festlegen, was im Übrigen auch schon zu kompetenzrechtlichen Zweifeln führen würde.75 Nach dem aus Art. 288 AEUV folgenden Grundsatz der Zielverbindlichkeit steht den Mitgliedsstaaten die Wahl der
§ 31 WpHG, Rn. 14. Zur MifID II: Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 9. 66 BGH, Urt. v. 17. 9. 2013 – XI ZR 332/12, NZG 2013, 1226 (1228). 67 Assmann, in: FS U. Schneider (2011), S. 37 (53); Dieckmann, AcP 2013, 1 (3). 68 Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 201 f. 69 Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 209. 70 Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 209. 71 Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 204. 72 Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 204. 73 Herresthal, ZBB 2012, 89 (102). 74 Roth, W., ZBB 2012, 429 (435 f.). 75 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 10; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 10; Rothenhöfer, in: Schwark/ Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, Vor § 63 WpHG, Rn. 14.
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Form und Mittel der Umsetzung in nationales Recht frei.76 Der effet utile bedeutet nur, dass den Regelungszielen der Richtlinie zu uneingeschränkter praktischer Wirksamkeit verholfen werden muss, nicht aber, dass dies nur durch Umsetzung in sämtlichen Rechtsgebieten möglich ist.77 Erwägungsgrund 164 der Richtlinie regelt ausdrücklich, dass die Richtlinie das Subsidiaritätsprinzip und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet und nicht über das zur Erreichung des Ziels der Richtlinie erforderliche Maß hinausgeht.78 Diese Auffassung ist auch vom EuGH bestätigt worden. Auf Vorlage eines spanischen Gerichts hin entschied er, dass es der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten zukomme, festzulegen, welche vertraglichen Folgen es haben muss, wenn ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Anforderungen der MiFID I nicht erfüllt, wobei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden müssten.79 Insbesondere bestimme die Richtlinie weder, dass die Mitgliedstaaten überhaupt vertragliche Folgen für den Verstoß gegen Verpflichtungen vorsehen müssen, noch, welche Folgen in Betracht kommen.80 II. Doppelnormtheorie Nach der Doppelnormtheorie verfügen die Wohlverhaltenspflichten über einen ambivalenten Charakter und sind damit öffentliches Recht und Zivilrecht zugleich.81 Hauptargument der Vertreter dieser Theorie ist zum einen, dass so ein Gleichlauf der eine zivilrechtliche Haftung begründenden Pflichten mit den durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen durchsetzbaren Pflichten hergestellt werde und zum anderen, dass nur auf diese Weise das Regelungsziel des Anlegerschutzes erreicht werden könne.82 Dafür spreche seit Umsetzung der MiFID I zudem der hohe Detaillierungsgrad der Normen, welche die Wohlverhaltenspflichten regeln.83 76 Zur MiFID I: Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Auflage 2010, Vor § 31 WpHG, Rn. 14. 77 Zur MiFID I: BGH, Urt. v. 17. 9. 2013 – XI ZR 332/12, NZG 2013, 1226 (1229); Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Auflage 2010, Vor § 31 WpHG, Rn. 14; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung (2014), S. 36. 78 Vgl. zur MiFID I Ellenberger, in: FS Nobbe (2009), S. 523 (536). 79 EuGH Urt. v. 30. 5. 2013 – C-604/11, ECLI:EU:C:2013:344 Rn. 59 – Genil 48 SL u. a./ Bankinter SA u. a. 80 EuGH Urt. v. 30. 5. 2013 – C-604/11, ECLI:EU:C:2013:344 Rn. 57 – Genil 48 SL u. a./ Bankinter SA u. a. 81 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 486; Möllers, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 31 Rn. 15; Veil, ZBB 2008, 34 (40); Weichert/Wenninger, WM 2007, 627 (635). Im Ergebnis auch Köndgen, JZ 2012, 260 (261); Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 200. 82 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 479 f.; Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 209. 83 Veil, ZBB 2008, 34 (40); Weichert/Wenninger, WM 2007, 627 (635).
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Als Verteidigung gegenüber der Kritik, welche die Existenz von Doppelnormen im deutschen Recht grundsätzlich infrage stellt, wird mitunter ein Vergleich zu den §§ 133, 138 und §§ 104 ff. BGB, den Vorschriften über den Arbeitsschutz, dem § 7 StVG, dem § 3 S. 1 Abgeordnetengesetz (im Folgenden: AbgG)84 und dem Rechtsinstitut des Prozessvergleichs herangezogen, da diese jeweils sowohl im Zivilrecht als auch im öffentlichen Recht Geltung beanspruchten.85 Die Gegner dieser Ansicht verweisen mit Recht darauf, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür existieren, dass der Gesetzgeber auch im Aufsichtsrecht Normen mit einer solchen Doppelwirkung schaffen wollte.86 Hätte der Gesetzgeber bei Umsetzung der MiFID I bzw. MiFID II auch zivilrechtliche Pflichten schaffen wollen, hätte er dies deutlich zum Ausdruck bringen müssen.87 Dies gilt seit Umsetzung der MiFID II durch das 2. FiMaNoG umso mehr, da er trotz Kenntnis der Problematik keine Äußerungen dahingehend getätigt hat, dass er den Erlass zivilrechtlicher Regelungen beabsichtigt.88 Vorgebracht wird außerdem, dass ein zwingender Gleichlauf von Aufsichts- und Zivilrecht auch aus rechtsstaatlicher Perspektive äußerst bedenklich sei, weil weder die Rechtsprechung an die Auslegung der Normen durch die BaFin noch die BaFin an die Auslegung der Normen durch die Zivilgerichte gebunden ist.89 Hinzu kämen kaum zu lösende Rechtswegfragen sowie die Tatsache, dass Aufsichtsnormen, welche in einem Subordinationsverhältnis wirken, nach anderen Regeln auszulegen sind als Normen des Zivilrechts, welche zwischen gleichgeordneten Privatrechtssubjekten zur Anwendung kommen.90 Zusätzlich fehle dem EU-Gesetzgeber die Kompetenz für die zivilrechtliche Harmonisierung des Geschäftsbesorgungs- und Kommissionsrechts.91 MiFID I und MiFID II werden allein auf die Grundlage der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV92 und auf Art. 53 Abs. 1 AEUV gestützt, 84 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz – AbgG) vom 21. Februar 1996, BGBl. I S. 326, zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 5. Januar 2017, BGBl. I S. 17. 85 Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung (2013), S. 203. 86 Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, Vor § 63 WpHG, Rn. 11; Schäfer, F., in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 37. 87 Schäfer, F., in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 37. 88 Schäfer, F., in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 37. 89 Schäfer, F., in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 37; Sethe, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 5 Rn. 292 f. 90 Schäfer, F., in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 37. 91 Assmann, ZBB 2008, 21 (30); Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, Vor § 63 WpHG, Rn. 14.; Sethe, in: Schäfer, F./ Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 5 Rn. 291. 92 Zur MiFID I: Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Auflage 2010, Vor § 31 WpHG, Rn. 14. Zur MiFID II: Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, Vor § 63 WpHG, Rn. 14.
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der lediglich die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten erlaubt, nicht aber Vorgaben in Bezug auf der Vertragsfreiheit.93 III. Maximalharmonisierungstheorie Nach der Theorie von der Maximalharmonisierung verfügen die Wohlverhaltenspflichten zwar nicht über eine Doppelnatur, die MiFID I sowie die zugehörige Durchführungsrichtlinie verlangen aber nach einer Maximalharmonisierung, welche in einem völligen Gleichlauf der Pflichten im Aufsichts- und im Zivilrecht zum Ausdruck kommt.94 Mit der Richtlinie nicht vereinbar seien deshalb nicht nur strengere aufsichtsrechtliche, sondern auch strengere zivilrechtliche Regelungen.95 Auch hier werden der effet utile und der Anlegerschutz als Argumentationsgrundlage herangezogen, denen man jeweils nur durch einen zwingenden Gleichlauf von Zivil- und Aufsichtsrecht gerecht werden könne.96 Die schon für die Ausstrahlungstheorie vorgebrachten Argumente entkräften auch hier dieses Vorbringen.97 Gegen die zwingende Bindung des Zivilrechts an das Aufsichtsrecht wird ferner angeführt, dass sie letztlich die „methodologische Selbstaufgabe des Zivilrechts“ nach sich ziehe.98 Auch in diesem Zusammenhang werden zudem kompetenzrechtliche Zweifel vorgebracht.99 Schließlich könne von einer Richtlinie, die Aufsichtsrecht und damit öffentliches Recht regele, nicht angenommen werden, dass sie eine Maximalharmonisierung auch des Zivilrechts anstrebe.100 IV. Theorie vom Primat des Zivilrechts Eine vierte Ansicht schließlich geht vom Primat des Zivilrechts aus, das sich stets gegenüber dem Aufsichtsrecht durchsetze.101 Auch einen Einfluss der aufsichtsrechtlichen Regeln auf die Auslegung der vertraglichen und vorvertraglichen 93
Sethe, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 5 Rn. 291. 94 Mülbert, WM 2007, 1149 (1157); Mülbert, ZHR 2008, 170 (183 f.). 95 Mülbert, WM 2007, 1149 (1157). 96 Mülbert, ZHR 2008, 170 (184). 97 Siehe oben Teil 3 Kap. 1 § 3 B. I. 98 Ekkenga, in: MüKo-HGB (2019), Effektengeschäft, Rn. 85; Schwark, in: Schwark/ Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Auflage 2010, Vor § 31 WpHG Rn. 14. 99 Sethe, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 5 Rn. 291. 100 Assmann, ZBB 2008, 21 (30); Ellenberger, in: FS Nobbe (2009), S. 523 (537). 101 Assmann, in: FS U. Schneider (2011), S. 37 (45); Assmann, ZBB 2008, 21 (30).
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Pflichten lehnt diese Ansicht ab.102 Bei Erfüllung seiner zivilrechtlichen Pflichten könne sich der Verpflichtete, ohne entsprechende Änderung des Zivilrechts, weder auf aufsichtsrechtliche Privilegierungen berufen, noch müsse er, bei strengerem Aufsichtsrecht, mit aufsichtsrechtlichen Konsequenzen rechnen.103 Für die Theorie vom Primat des Zivilrechts wird angeführt, dass aufsichtsrechtliche und zivilrechtliche Normen in verschiedenen Regelungszusammenhängen stünden und ungleiche Zielsetzungen hätten.104 Argumentiert wird zudem auch hier mit der fehlenden Kompetenz des EU-Gesetzgebers zum Erlass zivilrechtlicher Bestimmungen.105 Dagegen wird vorgebracht, dass ein uneingeschränkter Primat des Zivilrechts auch vertragliche Abreden erfassen würde und dass das Aufsichtsrecht damit letztlich der Disposition der Vertragsparteien überlassen und ihm lediglich eine Appellfunktion zugestanden würde.106 Zudem führe ein im Vergleich zum Zivilrecht strengeres Aufsichtsrecht, das eine bestimmte Handlung untersagt, stets auch dazu, dass diese auch in der zivilrechtlichen Praxis nicht mehr anzutreffen sei, weil kein Finanzdienstleister seine Lizenz verlieren wolle.107 Diese Tatsache belege, dass es ein vom Aufsichtsrecht völlig unabhängiges Zivilrecht nicht geben könne, weil das Aufsichtsrecht stets, zumindest in Form einer faktischen Ausstrahlung, auf das Zivilrecht einwirke.108
C. Stellungnahme Zu folgen ist einer Ausprägung der Ausstrahlungstheorie, die zwar von einer grundsätzlichen Selbstständigkeit des Aufsichts- und des Zivilrechts ausgeht, gleichwohl aber ein Ausstrahlen der aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten auf das Zivilrecht bei der Auslegung und Konkretisierung der vertraglichen Pflichten im Rahmen eines Anlageberatungs- oder Vermögensverwaltungsvertrags anerkennt. Mit dieser Ausstrahlung geht keine zwingende Bindung des Zivilrechts an das Aufsichtsrecht einher, sondern im Einzelfall sind Abweichungen sowohl nach „oben“ als auch nach „unten“ zulässig.
102
Assmann, ZBB 2008, 21 (30). Assmann, in: FS U. Schneider (2011), S. 37 (53). 104 Assmann, ZBB 2008, 21 (29). 105 Assmann, in: FS U. Schneider (2011), S. 37 (45); Assmann, ZBB 2008, 21 (30). 106 Schäfer, F., in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 37; Sethe, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 5 Rn. 299. 107 Sethe, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 5 Rn. 299. 108 Sethe, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 5 Rn. 299. 103
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Gegen die Doppelnormtheorie sprechen außer den bereits aufgezeigten, in der Literatur gegen sie vorgebrachten Argumenten grundsätzliche Zweifel an der Existenz von Doppelnormen im deutschen Recht. Die deutsche Rechtstradition ist geprägt von der Trennung zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht.109 Die Zweiteilung des Rechts in öffentliches und privates Recht geht aus den beiden Hauptaufgaben der Rechtsordnung hervor, die Regelung der staatlichen Sphäre und die Regelung der Gesellschaft.110 Aus dieser Zweiteilung folgt auch, dass beide Rechtsgebiete grundverschieden sind, weil sie sich nach unterschiedlichen Leitprinzipien richten.111 Zwitterlösungen bei der Charakterisierung von Normen und Rechtsinstituten steht das deutsche Recht deshalb im Allgemeinen negativ gegenüber.112 Die Existenz von Doppelnormen mit zivilrechtlichem und aufsichtsrechtlichem Charakter kann auch nicht durch einen Vergleich mit anderen Rechtsinstituten, bei denen eine solche Doppelnatur anerkannt sein soll, bewiesen werden: Die §§ 104 ff. und 138 BGB gelten im öffentlichen Recht jeweils nur, sofern, wie etwa im Verwaltungsrecht in den §§ 12 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und 59 Abs. 1 VwVfG bzw. den §§ 44 Abs. 2 Nr. 6 und 59 Abs. 1 VwVfG, ausdrücklich auf sie Bezug genommen wird. Anderenfalls können die §§ 104 ff.113 und 138114 BGB, wie auch § 133 BGB115, im öffentlichen Recht analog angewendet werden. Verfügten die §§ 104 ff. und 138 BGB aber neben ihrem privatrechtlichen auch über einen öffentlich-rechtlichen Charakter, bedürfte es der ausdrücklichen Verweisung im VwVfG nicht. Auch die analoge Anwendung diverser zivilrechtlicher Normen im öffentlichen Recht verwandelt diese nicht in zugleich öffentlich-rechtliche Normen. Schon aus der Tatsache, dass der Umweg über eine Analogie gewählt wird, folgt, dass es sich bei den Normen nicht um originär öffentlich-rechtliche handelt, sondern um zivilrechtliche, deren allgemeiner Rechtsgedanke mit Hilfe einer Analogie ins öffentliche Recht übertragen wird.
109
Katz/Sander, Staatsrecht (2019), § 2 Rn. 9. Schmidt, D., Die Unterscheidung von privatem und öffentlichen Recht (1985), S. 227; Katz/Sander, Staatsrecht (2019), § 2 Rn. 9. 111 Schmidt, D., Die Unterscheidung von privatem und öffentlichen Recht (1985), S. 227. 112 Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, Vor § 63 WpHG, Rn. 11; Ruthing, in: Kopp (Begr.)/Schenke (Hrsg.), VwGO (2019), § 40 Rn. 11; Schmidt, D., Die Unterscheidung von privatem und öffentlichen Recht (1985), S. 227 ff., 338 ff. A. A. Leisch, Informationspflichten nach § 31 WpHG (2004), S. 46 ff.; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 461 ff. 113 Klumpp, in: Staudinger (Begr.), BGB (2017), Vor. §§ 104 ff., Rn. 141 m. w. N.; Spickhoff, in: MüKo-BGB (2018), Vor § 104 Rn. 24. 114 Armbrüster, in: MüKo-BGB (2018), § 138 Rn. 10. 115 BVerwG, Urt. v. 17. 10. 1975 – IV C 66/72, BVerwGE 49, 244 (247); BGH, Urt. v. 9. 12. 1982 – III ZR 106/81, BGHZ 86, 104 (110); Busche, in: MüKo-BGB (2018), § 133 Rn. 47. 110
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Selbst wenn es sich bei den §§ 104 ff., 133, 138 BGB aber um Doppelnormen handeln würde, könnte daraus noch nicht auf einen Doppelnormcharakter der Wohlverhaltenspflichten aus den §§ 63 ff. WpHG geschlossen werden. Die Interessenlagen sind in beiden Fällen völlig verschieden. Die §§ 104 ff., 133, 138 BGB begründen keine vertraglichen Pflichten und können damit allenfalls mittelbar haftungsrechtliche Folgen haben. Dagegen werden aus dem Doppelnormcharakter der §§ 63 ff. WpHG Pflichten für den Finanzintermediär hergeleitet, bei deren Verletzung unmittelbar haftungsrechtliche Konsequenzen drohen. Den Arbeitsschutzvorschriften kommt ebenfalls keine Doppelnatur zu. Anerkanntermaßen transformiert § 618 BGB die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften in das privatrechtliche Arbeitsverhältnis.116 Dadurch entwickelt aber weder § 618 BGB zugleich einen öffentlich-rechtlichen, noch entwickeln die Arbeitsschutzvorschriften zugleich einen privatrechtlichen Charakter, vielmehr erfahren die zivilrechtlichen Pflichten nur durch öffentlich-rechtliche Pflichten eine Konkretisierung.117 Auch § 3 S. 1 AbgG kann nicht als Argument herangezogen werden. § 3 S. 1 AbgG regelt, dass einem Bewerber um einen Sitz im Bundestag zur Vorbereitung seiner Wahl innerhalb der letzten zwei Monate vor dem Wahltag auf Antrag Urlaub von bis zu zwei Monaten zu gewähren ist. Dieser Anspruch kann sowohl gegenüber dem privaten Arbeitgeber als auch gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn geltend gemacht werden und damit sowohl zivilrechtlicher als auch öffentlichrechtlicher Natur sein.118 Zwischen den §§ 63 ff. WpHG und § 3 S. 1 AbgG besteht aber ein struktureller Unterschied: Während die §§ 63 ff. WpHG nach den Vertretern der Doppelnormtheorie zeitgleich im Verhältnis Finanzintermediär – BaFin öffentlich-rechtlich und im Verhältnis Finanzintermediär – Kunde privatrechtlich wirken sollen, führt § 3 S. 1 AbgG nur entweder zu einem öffentlich-rechtlichen oder zu einem privatrechtlichen Anspruch.119 Würde man den § 3 S. 1 AbgG als Doppelnorm verstehen, so wäre er im Gegensatz zu den §§ 63 ff. WpHG nicht simultan öffentlich-rechtlich und zivilrechtlich, sondern alternativ und würde damit zumindest nicht zur traditionellen Trennung von Zivilrecht und öffentlichem Recht in Widerspruch stehen und auch hinsichtlich des Rechtswegs keine Probleme aufwerfen. Des Weiteren ist diejenige Ansicht abzulehnen, welche § 7 Abs. 1 StVG neben einer privatrechtlichen auch eine öffentlich-rechtliche Wirkung zuschreibt. Nach dieser Auffassung ist der § 7 Abs. 1 StVG deshalb auch dem öffentlichen Recht zuzurechnen, weil der Staat die Einhaltung der jedermann obliegenden Pflichten
116 117 118 119
Wank, in: Erfurter Kommentar (2020), § 618 Rn. 4 f. Wank, in: Erfurter Kommentar (2020), § 618 Rn. 4. Dieckmann, AcP 2013, 1 (21 f.). Dieckmann, AcP 2013, 1 (22).
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überwacht und erzwingen kann.120 Dies kann jedoch nicht überzeugen, da durch die polizeiliche Generalklausel eine Vielzahl von Jedermann-Normen sanktioniert wird, diese dadurch aber nicht alle zu öffentlich-rechtlichen Normen werden.121 Schließlich kann auch der Prozessvergleich nicht als Begründung dienen. Beim Prozessvergleich stehen sich sowohl im Rahmen der öffentlich-rechtlich wirkenden Prozesshandlung als auch im Rahmen des privatrechtlich wirkenden Rechtsgeschäfts die gleichen Parteien auf gleicher Ebene gegenüber. Der Prozessvergleich kann nur deshalb im Zivilrecht und im öffentlichen Recht eine ähnliche streitbeendende Wirkung entfalten, weil die im Zivil- und Verwaltungsprozessrecht geltende Dispositionsmaxime der Vertragsfreiheit insofern ähnlich ist, als dass beide Rechtsinstitute den beteiligten Parteien bei der Gestaltung ihres Rechtsverhältnisses einen Spielraum überlassen. Bei einer Doppelnatur der §§ 63 ff. WpHG soll dagegen die gleiche Wirkung in einem Subordinationsverhältnis einerseits und in einem Gleichordnungsverhältnis andererseits erzielt werden. Auch der hohe Detaillierungsgrad der Wohlverhaltensnormen kann nicht als Argument für die Doppelnormtheorie angeführt werden, weil schon nicht ersichtlich ist, weshalb öffentlich-rechtliche Pflichten, sobald sie besonders detailliert ausgestaltet sind, plötzlich auch zu zivilrechtlichen Pflichten mutieren sollten. Um den von Vertretern sowohl der Doppelnormtheorie als auch der Maximalharmonisierungstheorie immer wieder vorgebrachten Anlegerschutz zu erreichen, muss keine unmittelbare Geltung der Wohlverhaltensregeln auch im Zivilrecht bzw. kein zwingender Gleichlauf von Zivil- und Aufsichtsrecht erfolgen. Der Schutz der Anleger kann auch allein durch die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die von der BaFin zudem zwangsweise durchgesetzt werden können, erreicht werden.122 Auch das für die Theorie des Primats des Zivilrechts angeführte Argument, dass es dem EU-Gesetzgeber an Kompetenz zum Erlass einer im Zivilrecht umzusetzenden Richtlinie fehle, überzeugt nicht. Die Heranziehung aufsichtsrechtlicher Normen bei der Auslegung setzt keine Kompetenz des EU-Gesetzgebers voraus, weil es nicht zu einer unmittelbaren Wirkung der Normen kommt. Die völlige Unabhängigkeit des Zivilrechts vom Aufsichtsrecht kann es zudem faktisch nicht geben.123 Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen wird in einem bestehenden Vertragsverhältnis stets auch die aufsichtsrechtlichen Pflichten wahren, um nicht einen Verlust der Erlaubnis zu riskieren.124 Aufgrund der mitunter gleichen Schutzrichtung des Zi120 Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, Stand Juli 2019, § 40 Rn. 239. 121 Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, Stand Juli 2019, § 40 Rn. 239. 122 Zimmermann, GPR 2008, 38 (44). 123 So auch Sethe, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 5 Rn. 299. 124 So auch Sethe, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 5 Rn. 299.
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vilrechts und des Aufsichtsrechts, insbesondere in Bezug auf den Anlegerschutz, besteht auch kein Bedürfnis nach einer völligen Unabhängigkeit. Schließlich kann die Ausstrahlungstheorie auch nicht als diffus bezeichnet werden. Im Gegensatz zur „Doppelnorm“ ist der Begriff der „Ausstrahlung“ kein dem deutschen Recht fremder Begriff: In Rechtsprechung und Literatur ist die sogenannte mittelbare Drittwirkung der Grundrechte schon lange anerkannt.125 Sie kommt in einer Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das Privatrecht zum Ausdruck.126 Bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln ist die objektive Wertordnung, welche die Grundrechte bilden, als Auslegungshilfe heranzuziehen.127 Ein Vergleich der Ausstrahlungswirkung der Wohlverhaltenspflichten mit der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte scheitert auch nicht daran, dass Grundrechte und Privatrecht im Gegensatz zu Aufsichtsrecht und Privatrecht in der Normenhierarchie nicht auf demselben Rang stehen.128 Zum einen ist nicht ersichtlich, warum eine unterschiedliche Rangebene der Normen die Ausstrahlung mehr oder weniger „diffus“ machen sollte. Zum anderen werden die Grundrechte bei der mittelbaren Drittwirkung ja gerade nicht „vorrangig“ gegenüber dem Privatrecht angewendet, sondern sie finden als Ausdruck einer objektiven Wertordnung über eine grundrechtskonforme Anwendung der privatrechtlichen Normen ihren Weg ins Privatrecht.129 Wie bei der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auch, strahlen die aus einem Staat-Bürger-Verhältnis stammenden Wohlverhaltenspflichten über das Mittel der Auslegung auf das Vertragsverhältnis zwischen zwei Bürgern aus. Zwar kann dem WpHG nicht in gleicher Weise wie dem Grundgesetz die Aufstellung einer objektiven Wertordnung zugeschrieben werden. Das WpHG, das häufig auch als „Grundgesetz“130 bzw. als „Schrittmacher“131 des Wertpapierhandels bezeichnet wird, enthält aber ein ausdifferenziertes Pflichtenprogramm zum Anlegerschutz. Ähnlich der Wertordnung des Grundgesetzes stellt das WpHG folglich eine Art Grundordnung des Anlegerschutzes auf. Sofern im aufsichtsrechtlichen und im zivilrechtlichen Bereich die gleichen Interessenskonflikte zu bewältigen sind, bietet es
125
Epping, Grundrechte (2019), Rn. 347. BVerfG, Urt. v. 15. 1. 1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 (207); Grabenwarter, in: Maunz/Dürig (Begr.), GG, Stand Oktober 2019, Art. 5 Abs. 1 Rn. 107. 127 BVerfG, Urt. v. 15. 1. 1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 (205 f.). 128 So aber: Dieckmann, AcP 2013, 1 (3 mit Fn. 8). 129 Grabenwarter, in: Maunz/Dürig (Begr.), GG, Stand Oktober 2019, Art. 5 Abs. 1 Rn. 107. 130 Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), HGB (2015), Bank- und Börsenrecht, Rn. VI 1; Hopt, ZHR 1995, 135; Möllers, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 31 Rn. 1. 131 Köndgen, in: FS Canaris, Band II (2007), S. 183 (207). 126
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sich deshalb an, das vom Gesetzgeber bereits ausformulierte Regelungsmodell zur Auslegung heranzuziehen.132 Logische Folge der Annahme einer Ausstrahlungswirkung kann schließlich nur eine Ausstrahlung in Form einer Hilfestellung bei der Auslegung und Konkretisierung einzelner vertraglicher Pflichten, nicht aber die Festlegung zivilrechtlicher Mindeststandards sein. Wie bereits dargestellt, besitzt die EU keine Kompetenz zur Einschränkung der Vertragsfreiheit in diesem Bereich. So argumentieren, wenig konsequent, auch diejenigen Vertreter der Ausstrahlungstheorie, welche davon ausgehen, dass die MiFID I bzw. die MiFID II im Sinne von zivilrechtlichen Mindeststandards zu berücksichtigen sei.133 Dies ist aber widersprüchlich, da die fehlende Kompetenz nicht nur die unmittelbare Schaffung zivilrechtlicher Normen verbietet, sondern auch den Erlass zivilrechtlicher Mindeststandards untersagt. Die ausstrahlende Wirkung kann deshalb allein darin liegen, dass vertragliche Pflichten durch die aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltens- und Organisationspflichten konkretisiert und ausgelegt werden können.
D. Aufsichtsrechtliche Normen als Schutzgesetze Der Streit um die Abgrenzung des Zivilrechts vom Aufsichtsrecht setzt sich in der Frage um die Einordnung aufsichtsrechtlicher Normen als Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB fort. Allgemein von Rechtsprechung134 und Literatur135 als Schutzgesetz anerkannt ist § 32 Abs. 1 S. 1 KWG, welcher die Erlaubnispflicht für die Erbringung von Finanzdienstleistungen regelt. Weitaus weniger eindeutig ist die Einordnung der aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltens- und Organisationspflichten nach §§ 63 ff. WpHG als Schutzgesetze. 132 Koch/Harnos, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, § 67 WpHG, Rn. 64. 133 Zur MiFID I: Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Auflage 2010, Vor § 31 WpHG, Rn. 14. Zur MifID II: Koller, in: Assmann/Schneider/ Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 9 f. 134 St. Rspr. BGH, Urt. v. 8. 5. 1973 – VI ZR 164/71, NJW 1973, 1547 (1548); BGH, Versäumnisurt. v. 21. 4. 2005 – III ZR 238/03, NJW 2005, 2703; zuletzt BGH, Urt. v. 19. 3. 2013 – VI ZR 56/12, BGHZ 197, 1 (4) Rn. 11 und BGH, Urt. v. 16. 5. 2017 – VI ZR 266/16, NJW 2017, 2463. 135 Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 109; Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 71; Edelmann, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 3 Rn. 98; Fischer, R./Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 32 KWG, Rn. 31; Förster, in: Bamberger et al. (Hrsg.), BeckOK BGB (2020), § 823 Rn. 290; Samm, in: Beck (Begr.)/Samm/Kokemoor (Hrsg.), KWG, Stand Februar 2020, § 32 Rn. 20; Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 34; Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 32 KWG, Rn. 93.
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Nahezu einhellig abgelehnt wurde die Schutzgesetzeigenschaft der Organisationspflichten nach §§ 33 ff. WpHG a. F.136 Dies ist vor dem Hintergrund, dass die Organisationspflichten allein die organisatorischen Aspekte der inneren Struktur und der Abläufe der Arbeitsvorgänge des Wertpapierdienstleistungsunternehmens betreffen137, auch überzeugend. Für die §§ 80 ff. WpHG n. F. kann insoweit nichts anderes gelten.138 Die Einordnung der Wohlverhaltenspflichten als Schutzgesetze war und ist hingegen umstritten. Der BGH verfolgte eine ablehnende Haltung hinsichtlich der Einordnung der §§ 31 ff. WpHG a. F. als Schutzgesetze.139 Gegen eine Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten spricht insbesondere, dass andernfalls eine dem System des Deliktsrechts widersprechende, umfangreiche deliktische Haftung für Vermögensschäden entstehen würde.140 Den Wohlverhaltens- und Organisationspflichten ist über die Ausstrahlungswirkung auf die vertraglichen Pflichten hinaus prinzipiell keine weitere zivilrechtliche Bedeutung beizumessen.141 Abzulehnen ist eine Schutzgesetzeigenschaft jedenfalls bei denjenigen Pflichten, welche grundsätzlich nur die inneren Prozesse und Abläufe des Wertpapierdienstleistungsunternehmens betreffen.142 Dies umfasst etwa die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten143 oder die Explorationspflicht144. In Betracht kommt eine Schutzgesetzeigenschaft allenfalls bei solchen Normen, die konkrete Handlungs- und Informationspflichten gegenüber dem einzelnen Anleger enthalten.145 So war für die Pflicht zur Zurverfügungstellung eines Basisin136 BGH, Urt. v. 8. 5. 2001 – XI ZR 192/00, BGHZ 147, 343 (352 f.); Balzer, ZBB 1997, 260 (263 f.); Fett, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, § 63 WpHG, Rn. 19; Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), Vor §§ 31 ff. Rn. 105; Meyer/Paetzel/Will, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 33 Rn. 276; Schäfer, F., WM 2007, 1872 (1876). A. A. Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn (Hrsg.), HGB (2015), Bank- und Börsenrecht, Rn. VI 320. 137 BT-Drs. 12/7981, S. 105; Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), Vor §§ 31 ff. Rn. 105. 138 Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 80 Rn. 1. 139 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 72; Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), Vor §§ 31 ff. Rn. 103; Winde, Die Regulierung anlagevermittelnder und -beratender Internet-Plattformen (2019), S. 230. Zuletzt: BGH, Urt. v. 19. 12. 2006 – XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 (232) Rn. 18 f.; BGH, Urt. v. 19. 2. 2008 – XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276, (280) Rn. 14 f.; BGH, Urt. v. 22. 6. 2010 – VI ZR 212/09, BGHZ 186, 58 (70) Rn. 33; BGH, Urt. v. 17. 9. 2013 – XI ZR 332/12, NZG 2013, 1226 (1228). 140 Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung (2014), S. 371. 141 BGH, Urt. v. 19. 12. 2006 – XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 (232) Rn. 18; BGH, Urt. v. 19. 2. 2008 – XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276 (280) Rn. 14. Siehe zum Verhältnis zwischen Zivilund Aufsichtsrecht ausführlich oben Teil 3 Kap. 1 § 3. 142 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 72. 143 BGH, Urt. v. 17. 9. 2013 – XI ZR 332/12, NZG 2013, 1226 (1228) zu § 31d WpHG a. F. 144 OLG Stuttgart, Urt. v. 27. 6. 2012 – 9 U 140/11, BKR 2012, 379 (380) zu § 31 Abs. 4 WpHG a. F. 145 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 72.
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formationsblatts nach § 31 Abs. 3 WpHG a. F. eine Schutzgesetzeigenschaft vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen.146 Ob einer Wohlverhaltenspflicht eine Schutzgesetzeigenschaft zukommt, ist stets eine Frage des Einzelfalls. Zu beachten ist, dass die Annahme eines Schutzgesetzes auch im Zusammenhang mit dem haftungsrechtlichen Gesamtsystem tragbar erscheinen muss, daher sollte bei der Einordnung als Schutzgesetz restriktiv vorgegangen werden.147 Zu berücksichtigen ist etwa, dass zwischen dem Kunden und dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein Vertrag besteht, weshalb dieses ohnehin vertraglich haftet. Aus der Annahme einer Schutzgesetzeigenschaft resultiert somit letztlich nur für Organe und Angestellte des Unternehmens eine Haftungserweiterung.148 Kapitel 2
Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice § 1 Rechtliche Vorüberlegungen Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, in welchem Verhältnis das Aufsichtsrecht zum Zivilrecht steht. Nicht geklärt wurde aber, welche Rechtsbereiche neben den Wohlverhaltenspflichten des WpHG unter das Aufsichtsrecht zu fassen sind. Bevor ein Tatbestand aufsichtsrechtlich beurteilt werden kann, muss eine solche Abgrenzung der betroffenen Rechtsbereiche aber vorgenommen werden. Des Weiteren ist es dienlich, sich im Anschluss mit den Regelungszielen des Aufsichtsrechts auseinanderzusetzen, weil diese bei der Auslegung der einschlägigen Normen von erheblicher Bedeutung sind. Außerdem bietet es sich vor einer Prüfung des Einzelfalls an, die Systematik des materiellen Aufsichtsrechts vorweg überblicksartig zu erläutern. Für das formelle Aufsichtsrecht ergeben sich beim Einsatz von Robo-Advisorn keine Besonderheiten, so dass eine Erläuterung unterbleiben kann. Schließlich sollen die Grundsätze dargelegt werden, welche bei der Auslegung des Aufsichtsrechts allgemein und im Speziellen bei der Anwendung auf die Robo-Advice gelten.
146 Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz), BT-Drs. 17/3628, 21. 147 BGH, Urt. v. 8. 6. 1976 – VI ZR 50/75, BGHZ 66, 388 (390 f.); BGH, Urt. v. 19. 2. 2008 – XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276 (281) Rn. 18. 148 BGH, Urt. v. 19. 2. 2008 – XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276 (281) Rn. 18.
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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A. Begriff des Aufsichtsrechts Weder hinsichtlich des Aufsichtsrechts noch hinsichtlich der verwandten Rechtsgebiete des Kapitalmarktrechts und des Bankrechts existiert eine einheitliche Definition. Teilweise überschneiden sich die Definitionsversuche zu den Rechtsgebieten. Eine konkrete Definition des Begriffs des Aufsichtsrechts ist daher nicht möglich, für die exakte Bewertung des Phänomens der Robo-Advisor aber auch gar nicht nötig. Da die BaFin schon begrifflich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht darstellt, bietet es sich an, sich bei der Abgrenzung des Aufsichtsrechts für die Zwecke dieser Untersuchung an die Zuständigkeitsbereiche der BaFin zu halten. Die BaFin ist am 1. Mai 2002 aus der Verschmelzung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen mit den damaligen Bundesaufsichtsämtern für den Wertpapierhandel und das Versicherungswesen hervorgegangen.149 Dementsprechend ist sie insbesondere für die Bankenaufsicht, die Wertpapier- und Börsenaufsicht und die Versicherungsaufsicht zuständig. Für die im Zusammenhang mit Robo-Advisorn bedeutsame Anlageberatung und Vermögensverwaltung spielen vor allem die Banken-, die Wertpapier- und die Börsenaufsicht eine Rolle. Relevantes Aufsichtsrecht ergibt sich demnach nicht nur aus dem KWG, sondern auch aus dem WpHG, denn die BaFin übt ihre Aufsicht gem. § 6 Abs. 1 S. 1 WpHG auch nach den Vorschriften des WpHG aus. Als Aufsichtsrecht sollen im weiteren Verlauf der Untersuchung daher nicht nur die Erlaubnispflicht und -fähigkeit nach dem KWG verstanden werden, sondern auch die Ge- und Verbote des WpHG, namentlich die Wohlverhaltenspflichten nach §§ 63 ff. WpHG und die Organisationspflichten nach §§ 80 ff. WpHG, über deren Einhaltung die BaFin gem. § 6 Abs. 2 S. 1 WpHG wacht. Auch einzelnen Normen des Geldwäschegesetzes (im Folgenden: GwG) kommt im Zusammenhang mit der Anwendung KWG-rechtlicher Pflichten Bedeutung zu.
B. Regelungsziele des Aufsichtsrechts Die Regelungsziele des Aufsichtsrechts spielen sowohl für die richtlinienkonforme Auslegung150 als auch für die Auslegung des nationalen Rechts nach herkömmlichen Auslegungsmethoden eine Rolle.151 Da diese Regelungsziele für 149 Aufgaben & Geschichte der BaFin (2020), abrufbar unter www.bafin.de/DE/DieBaFin/ AufgabenGeschichte/aufgabengeschichte_node.html. 150 EuGH Urt. v. 19. 1. 2010 – Rs. C-555/07, ECLI:EU:C:2010:21 Rn. 48 – Kücükdeveci/ Swedex; EuGH Urt. v. 10. 4. 1984 – Rs. 14/83, ECLI:EU:C:1984:153 Rn. 26 – von Colson und Kamann; EuGH, Urt. v. 14. 7. 1994 – Rs. C-91/92, ECLI:EU:C:1994:292 Rn. 26 – Faccini Dori; EuGH Urt. v. 5. 10. 2004 – Rs. C-397/01 bis C-403/0, ECLI:EU:C:2004:584 Rn. 113 – Pfeiffer u. a. gegen Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Waldshut e.V. 151 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 38 f.
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sämtliche aufsichtsrechtlichen Normen, die im Zusammenhang mit Robo-Advice eine Rolle spielen, im Wesentlichen gleich sind, wirft die Auslegung der verschiedenen Normen beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten stets ähnliche Probleme auf. Bevor die rechtliche Bewertung von Robo-Advisorn anhand der relevanten Normen im Einzelnen geprüft wird, soll deshalb die Vereinbarkeit der Regelungsziele des Aufsichtsrechts mit dem Einsatz automatischer und intelligenter Agenten zunächst im Allgemeinen analysiert werden. I. Regelungsziele des Aufsichtsrechts im Allgemeinen Das Aufsichtsrecht reguliert eines der wichtigsten Standbeine einer Volkswirtschaft: Das Finanzsystem.152 Primäres Ziel einer jeden Regulierung und Beaufsichtigung von Finanzmärkten muss es deshalb sein, ihre Stabilität und Funktion zu erhalten und zu verbessern.153 Das bei dieser Regulierung international jahrelang verfolgte Dogma, dass ein rechtliches Eingreifen in den Markt nur dann nötig sei, wenn sich Anzeichen für ein Marktversagen ergeben, hat sich nicht zuletzt durch die Finanzkrise als in dieser Absolutheit falsch herausgestellt.154 Vielmehr sind gerade Finanzmärkte anfällig für Störungen, da die Folgen potenziell destruktiver Handlungen häufig erst nach Jahren oder Jahrzenten offenbar werden.155 Während das Potenzial für ein Marktversagen groß ist, sind die Möglichkeiten einer nachträglichen Korrektur gering.156 Die Regulierung der Finanzmärkte in der EU ist deshalb zu einem großen Teil eine Reaktion auf das regulatorische Versagen vor der Finanzkrise: Die Folgen der Krise sollen eingedämmt und die Stabilität des Finanzsystems wiederhergestellt werden.157 Dieses Bestreben kommt auch in den Regelungszielen der für die aufsichtsrechtliche Bewertung der Robo-Advisor relevanten Vorschriften zum Ausdruck. Dabei handelt es sich um die Erlaubnispflicht und -fähigkeit nach dem KWG sowie die Pflichten der laufenden Geschäftsführung aus KWG und WpHG. Ihre Zwecksetzung lässt sich im Wesentlichen in den zwei Regelungszielen Anlegerschutz und Funktionsschutz des Finanzmarkts zusammenfassen, welche voneinander abhängig sind.158 Anlegerschutz und Funktionsschutz des Finanzmarktes wiederum verfolgen das gemeinsame Ziel, die Stabilität des Finanzmarktes sicherzustellen. 152
Armour et al., Principles of Financial Regulation (2016), S. 51. Armour et al., Principles of Financial Regulation (2016), S. 51. 154 Armour et al., Principles of Financial Regulation (2016), S. 51; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation (2014), S. 3. 155 Armour et al., Principles of Financial Regulation (2016), S. 51. 156 Armour et al., Principles of Financial Regulation (2016), S. 51. 157 Bamberger, in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bankund Kapitalmarktrecht. Band 1 (2017), § 1 Rn. 92. 158 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 7; Fischer, R., in: Boos/Fischer/SchulteMattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), Einf. KWG, Rn. 169 und 172 ff.; Früh, in: Kümpel (Begr.), Bank- und Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 1.95 f. und 1.102; Lehmann, in: MüKo-BGB 153
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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1. Anlegerschutz Der Aspekt des Anlegerschutzes ist vor allem im Rahmen des WpHG relevant. Beim KWG spielt er eine untergeordnete Rolle, wenn auch seine Bedeutung hier stetig zunimmt.159 Der überwiegende Teil der anlegerschützenden Normen ist institutioneller Natur, d. h. er schützt die Gesamtheit der Anleger.160 Dies liegt darin begründet, dass das Vertrauen der Anleger in die Integrität und Stabilität des Finanzmarktes essenzielle Voraussetzung für dessen Funktionsfähigkeit ist.161 Einzelne Normen verfolgen aber auch das Ziel des individuellen Anlegerschutzes.162 Dies gilt vor allem für die Wohlverhaltenspflichten nach §§ 63 ff. WpHG und die Organisationspflichten nach §§ 80 ff. WpHG.163 Ziel des 2. FiMaNoG ist laut der Begründung des Regierungsentwurfs „die Stärkung des Anlegerschutzes durch Ausweitung der Verhaltens- und Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen“.164 Die große Bedeutung des Anlegerschutzes kommt auch in der MiFID II zum Ausdruck, die allein in siebzehn Erwägungsgründen auf ihn Bezug nimmt. Hervorzuheben ist insbesondere Erwägungsgrund 86, der den Anlegerschutz ausdrücklich zum Ziel dieser Richtlinie erklärt. Die individuelle Komponente des Anlegerschutzes im Rahmen der Wohlverhaltensregeln lässt sich dabei vor allem den Erwägungsgründen 70 und 74 entnehmen. Nach Erwägungsgrund 70 ist eine Verschärfung der Wohlverhaltensregeln gerade auch zur Stärkung des Anlegerschutzes im Hinblick auf die Anlageberatung nötig, und Erwägungsgrund 74 erklärt eine Stärkung des Anlegerschutzes im Zusammenhang mit Interessenskonflikten bei unabhängiger Anlageberatung und bei der Portfolioverwaltung für notwendig. Auch die Regelungen zur Erlaubnispflicht und -fähigkeit von Finanzdienstleistungsinstituten nach dem KWG finden ihre Zwecksetzung im Anlegerschutz. Wegen des Umgangs der Finanzdienstleistungsinstitute mit fremden Geldern und Wertpapieren sind sie von erheblicher Bedeutung für das Vertrauen der Anleger in die Finanzmärkte.165 Damit wird überwiegend ein institutioneller Anlegerschutz verfolgt. (2018), Internationales Wirtschaftsrecht. Teil 12. Internationales Finanzmarktrecht, Rn. 2 f.; Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch (2017), Vor § 104 Rn. 72. 159 Fischer, R., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), Einf. KWG, Rn. 169 und 172. 160 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 13. 161 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 13. 162 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 14; Früh, in: Kümpel (Begr.), Bank- und Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 1.96; Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch (2017), Vor § 104 Rn. 79. 163 Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 2; Möllers, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 31 Rn. 4. 164 Begründung des Regierungsentwurfs des 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, 1. 165 Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 25a KWG, Rn. 33 f.; Fischer, R./Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 32 KWG, Rn. 5.
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Daneben ist für § 32 KWG, der die Erlaubnispflicht bei Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen regelt, ein Individualschutzcharakter anerkannt.166 2. Funktionsschutz Der Schutz der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes ist auf die drei Teilaspekte der allokativen, der operationalen und der institutionellen Funktionsfähigkeit gerichtet.167 Die allokative Funktionsfähigkeit umfasst die Steuerungsfähigkeit des Finanzmarktes, d. h. seine Fähigkeit, anlagefähiges Kapital derart umzuschichten, dass unter der Prämisse hinreichender Sicherheit und einer möglichst hohen Rendite das Kapital dorthin fließt, wo es am dringendsten benötigt wird.168 Ein Finanzmarkt ist operational funktionsfähig, wenn die Transaktionskosten, die den Marktteilnehmern entstehen, möglichst gering sind.169 Die institutionelle Funktionsfähigkeit eines Finanzmarktes ist schließlich gegeben, wenn dieser über die Grundvoraussetzungen für einen funktionierenden Markt verfügt, d. h. insbesondere einen ungehinderten Marktzugang bietet, standardisierte und damit verkehrsfähige Produkte zur Verfügung stellt und aufnahmefähig (liquide) ist.170 Die Liquidität des Marktes setzt sich zusammen aus der Markttiefe, d. h. der Zahl der Investoren und dem Volumen des angelegten und anlagesuchenden Kapitals, und aus der Marktbreite, d. h. der Vielfalt des Angebots.171 Auch die Normen des KWG verfolgen den Schutz der „Schlüsselfunktion“ der Finanzwirtschaft.172 Mit der Sicherung der Schlüsselfunktion ist ebenfalls die Op-
166
BGH, Urt. v. 21. 4. 2005 – III ZR 238/03, NJW 2005, 2703; BGH, Urt. v. 11. 7. 2006 – VI ZR 339/04, BKR 2007, 251 mit Verweis auf frühere Rspr.; jüngst auch BGH, Urt. v. 10. 10. 2017 – VI ZR 556/14, NJW 2018, 230; Fischer, R./Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 32 KWG, Rn. 31 f. mit weiteren Nachweisen zur herrschenden Meinung in der Literatur. 167 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 8; Lehmann, in: MüKo-BGB (2018), Internationales Wirtschaftsrecht. Teil 12. Internationales Finanzmarktrecht, Rn. 3; Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch (2017), Vor § 104 Rn. 73. 168 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 11; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht (2006), § 32 II 2. 169 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 10; Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch (2017), Vor § 104 Rn. 75. 170 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 9; Früh, in: Kümpel (Begr.), Bank- und Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 1.102; Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch (2017), Vor § 104 Rn. 76. 171 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 9. 172 Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 25a KWG, Rn. 33 f.; Fischer, R., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), Einf. KWG, Rn. 169; Fischer, R./Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 32 KWG, Rn. 5.
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timierung der Kapitalallokation gemeint.173 Schließlich soll durch das KWG auch die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen sichergestellt und Nachteile für die Gesamtwirtschaft durch Missstände im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen vermieden werden, so dass auch Aspekte des institutionellen Funktionsschutzes vom Regelungszweck des KWG erfasst sind.174 3. Stabilität des Finanzmarktes Eine Verbindung finden die beiden Regelungsziele des Anleger- und des Funktionsschutzes über ihre gemeinsame Zielrichtung: die Gewährleistung der Stabilität des Finanzsystems. Die Sicherstellung der Stabilität des Finanzsystems hat vor allem durch die Finanzkrise erheblich an Bedeutung gewonnen.175 Ein stabiles Finanzsystem kann aber nur gewährleistet werden, wenn die Anleger Vertrauen in den Finanzmarkt haben, weshalb der Schutz der Anleger eine unabdingbare Voraussetzung für ein stabiles Finanzsystem darstellt.176 Im Gegensatz zum Funktionsschutz des Finanzmarktes ist das Ziel eines stabilen Finanzsystems nicht auf die Verhinderung des Zusammenbruchs eines einzelnen Finanzinstituts, sondern das gesamte Finanzsystems gerichtet.177 Nichtsdestotrotz gefährdet bereits der Zusammenbruch eines einzelnen Instituts die Stabilität des gesamten Finanzsystems, so dass auch der Funktionsschutz des Finanzmarktes die Stabilität des Finanzsystems fördert.178 Bei der Auslegung aufsichtsrechtlicher Normen muss der Blick neben dem Anleger- und dem Funktionsschutz deshalb auch auf das vorgelagerte Regelungsziel der Gewährleistung der Stabilität des Finanzsystems gerichtet sein. II. Vereinbarkeit des Einsatzes automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich mit den Regelungszielen Der Einsatz neuer Technologien im Finanzdienstleistungsbereich in Form von automatischen Agenten, d. h. simplen Reflexagenten ohne Lernelement und intelligenten, d. h. lernenden Agenten, stellt für den Rechtsanwender eine Herausforderung dar. 173
Fischer, R., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), Einf. KWG, Rn. 169. 174 Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 25a KWG, Rn. 33. 175 Veil, in: Veil (Hrsg.), Europäisches Kapitalmarktrecht (2014), § 2 Rn. 8. 176 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 13; Lehmann, in: MüKo-BGB (2018), Internationales Wirtschaftsrecht. Teil 12. Internationales Finanzmarktrecht, Rn. 5. 177 Lehmann, in: MüKo-BGB (2018), Internationales Wirtschaftsrecht. Teil 12. Internationales Finanzmarktrecht, Rn. 4. 178 Lehmann, in: MüKo-BGB (2018), Internationales Wirtschaftsrecht. Teil 12. Internationales Finanzmarktrecht, Rn. 5.
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Ausgerichtet auf die soeben dargestellten Regelungsziele war Regelungsobjekt des einschlägigen Aufsichtsrechts bei seiner Schöpfung stets der menschliche Finanzintermediär.179 Wie und ob sich diese Ziele auch verwirklichen lassen, wenn an dessen Stelle nun mehr oder weniger intelligente Systeme treten, soll im Folgenden erläutert werden. 1. Einfluss auf den Anlegerschutz a) Förderung des Anlegerschutzes Ein für den Anlegerschutz wesentlicher Vorteil einer jeden Software gegenüber dem Menschen liegt in ihrer Neutralität. Diese Neutralität schützt Anleger davor, dass nicht aufgrund von Emotionen und Verhaltensanomalien fehlerhafte Anlageentscheidungen getroffen werden.180 Dies gilt für bloß automatische Agenten, aber umso mehr für rationale, lernende Agenten. Eine Schwäche von künstlich intelligenten Systemen wird häufig darin gesehen, dass sie nicht über einen „gesunden Menschenverstand“ oder Intuition verfügen.181 Im Zusammenhang mit Finanzanlagen stellt jedoch gerade dieser Aspekt einen erheblichen Vorteil dar. Ein ganzes Forschungsfeld der Ökonomie verdankt seine Existenz dem menschlichen Unvermögen, Finanzentscheidungen rational und frei von Emotionen zu treffen: die Behavioral Economics. Die Behavioral Economics wurden als Gegenentwurf zum Modell des Homo Oeconomicus entwickelt.182 Der Homo Oeconomicus, der perfekt rationale, stets nutzenmaximierende Anleger, war nicht nur eine Bedingung bei der Entstehung vieler ökonomischer Theorien wie etwa der von Markowitz entwickelten Portfoliotheorie183, sondern bildete auch bei Entwicklung der Kapitalmarktgesetzgebung das wesentliche Anlegerleitbild.184 Das Homo-Oeconomicus-Modell geht zunächst von einer unbegrenzten Rationalität des Menschen aus, welche darin zum Ausdruck 179
Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 2, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 180 Baker/Dellaert, 103 Iowa L. Rev. 713, 725 und 732 (2018); Maume, ECFR 2019, 622 (628); Maume, 55:1 Tex. Int’l L. J., 49, 69 (2019); Schuster, M./Bartsch, in: Krimphove (Hrsg.), Fintechs (2019), 323 (325). 181 Zum Bestreben künstliche Intelligenz mit einem gesunden Menschenverstand und Intuition zu konstruieren siehe Knight, The US military wants to teach AI some basic common sense, MIT Technology Review vom 11. 10. 2018, abrufbar unter www.technologyreview.com/ s/612263/the-us-military-wants-to-teach-ai-some-basic-common-sense/. 182 Schäfer, H.-B./Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (2012), S. XXXVI. 183 Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 1 A. 184 Buck-Heeb, BKR 2017, 89 (96); Lerch, Anlageberater als Finanzintermediäre (2015), S. 69 f.; Veil, in: Veil (Hrsg.), Europäisches Kapitalmarktrecht (2014), § 6 Rn. 21. Vgl. auch Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437 (445), die in Bezug auf die aufsichtsrechtlichen Informationsplichten von einem Homo Oeconomicus light sprechen.
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kommt, dass dieser über die vollständige Kenntnis aller Entscheidungsalternativen verfügt, seine Entscheidungen stets nach den Regeln der Transitivität ordnet und sie unabhängig, konsistent und widerspruchsfrei trifft.185 Darüber hinaus nimmt das Modell eine unbegrenzte Willenskraft und ein unbegrenztes Eigennutzstreben des Menschen an, ohne dabei Fairness-Aspekte zu berücksichtigen.186 Die Ergebnisse der Behavioral Economics zeigen jedoch, dass das tatsächliche Verhalten des Einzelnen systematisch von diesen Annahmen abweicht: So weisen Menschen Verhaltensanomalien auf, die der ökonomischen Rationalität entgegenlaufen und zu systematischen Fehlern führen, haben Selbstkontrollprobleme und bewerten den Gegenwartsgenuss höher, während sie den zukünftigen Nutzen stark diskontieren.187 Zudem sind sie nur begrenzt eigennützig, weil sie auch von Gerechtigkeits- und Fairness-Vorstellungen geleitet sind.188 Dabei darf jedoch nicht verkannt werden, dass Modellannahmen wie die des Homo Oeconomicus notwendig sind, um überhaupt wissenschaftlich arbeiten zu können.189 Selbst wenn eine Annahme in Bezug auf die menschlichen Beziehungen in ihrer Gesamtheit zunächst realitätsfern erscheint, so ermöglicht sie im Einzelfall doch korrekte Schlussfolgerungen.190 Modelle erheben nicht den Anspruch der Vollständigkeit, sondern sind gerade deshalb in der Lage, einen Ausschnitt aus der Realität zu erklären, weil sie die für Berechnungen zu komplexe Realität reduzieren.191 Das Konzept der Rationalität hat also trotz der Erkenntnisse der Behavioral Economics seine Daseinsberechtigung. Die Instrumente der Behavioral Economics können die traditionellen Modelle der Ökonomie aber im Hinblick auf menschliche Verhaltensweisen ergänzen und bei der Bewertung der Ergebnisse helfen.192 Anders gelagert ist die Situation jedoch beim Einsatz intelligenter Agenten. Während die traditionellen ökonomischen Modelle von der Existenz rationaler Akteure für ihre Berechnungen ausgehen, ist das Wissenschaftsfeld der künstlichen Intelligenz geprägt von dem Bestreben nach der Erschaffung eben solcher rationaler Agenten.193 Die Qualität eines künstlich intelligenten Systems wird vor allem danach 185 Beck, H., Behavioral Economics (2014), S. 2; Schäfer, H.-B./Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (2012), S. 97 f. 186 Beck, H., Behavioral Economics (2014), S. 2. 187 Beck, H., Behavioral Economics (2014), S. 2 f.; Schäfer, H.-B./Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (2012), S. 104; Schwarz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 7 Rn. 3. 188 Beck, H., Behavioral Economics (2014), S. 2 f.; Schäfer, H.-B./Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (2012), S. 104. 189 Beck, H., Behavioral Economics (2014), S. 6. 190 Beck, H., Behavioral Economics (2014), S. 6 f. 191 Beck, H., Behavioral Economics (2014), S. 6. 192 Beck, H., Behavioral Economics (2014), S. 9. 193 Parkes/Wellman: Economic Reasoning and Artificial Intelligence, 349 (6245) Science, 267 (2015).
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beurteilt, inwiefern es in der Lage ist, aufgrund des Vorwissens von der Umgebung, der bisherigen Wahrnehmungsfolge und der verfügbaren Handlungen das im Einzelfall angestrebte Ziel zu erreichen.194 Dieser Zusammenhang zwischen Wahrnehmungen, Handlungen und Zielen bildet gerade die Quintessenz der Rationalität.195 Im traditionellen ökonomischen Verständnis von Rationalität spiegeln Ziele die Präferenzen und den maximalen Erwartungsnutzen wider, Wahrnehmungen und verfügbare Handlungen drücken sich in den Entscheidungsalternativen aus.196 Damit besteht eine direkte Verbindung zwischen dem ökonomischen Verständnis und dem Verständnis der künstlichen Intelligenz von Rationalität; mit anderen Worten strebt die künstliche Intelligenz danach, innerhalb der gegebenen Leistungsfähigkeit von Computern einen perfekten synthetischen Homo Oeconomicus, d. h. eine Machina Oeconomica zu konstruieren.197 Der Einsatz rationaler, lernender Agenten im Finanzdienstleistungsbereich verhilft dem Anlegerschutz damit zu besserer Wirksamkeit, weil diese dem der Kapitalgesetzgebung zugrundeliegende Anlegerleitbild eines perfekt rationalen Anlegers nahezu198 entsprechen und Anleger deshalb bei ihren Anlageentscheidungen nicht durch Verhaltensanomalien gelenkt werden. Man könnte nun argumentieren, dass dieser Effekt auch beim Einsatz menschlicher Anlageberater und Vermögensverwalter eintrete, da diese aufgrund persönlicher Distanz gleichfalls in der Lage seien, die Anlageentscheidung rational und frei von Emotionen zu treffen. Die Ergebnisse der Behavioral-Economics-Forschung gelten aber nicht nur für denjenigen, der Anlageentscheidungen im eigenen Interesse fällt, sondern auch für professionelle Finanzintermediäre, welche Entscheidungen in fremdem Interesse treffen.199 Denn auch professionelle Anleger und Anlageberater unterliegen Verhaltensanomalien, am häufigsten dem sog. Overconfidence Bias.200 194 Parkes/Wellman: Economic Reasoning and Artificial Intelligence, 349 (6245) Science, 267 (2015); Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 64. 195 Parkes/Wellman: Economic Reasoning and Artificial Intelligence, 349 (6245) Science, 267 (2015). 196 Parkes/Wellman: Economic Reasoning and Artificial Intelligence, 349 (6245) Science, 267 (2015). 197 Parkes/Wellman: Economic Reasoning and Artificial Intelligence, 349 (6245) Science, 267 (2015). 198 Zu den Grenzen der künstlichen Intelligenz bei der Erzeugung rationaler Agenten siehe Parkes/Wellman: Economic Reasoning and Artificial Intelligence, 349 (6245) Science, 268 (2015). 199 Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance (2006), S. 146, allgemein zu Finanzintermediären und S. 179, zu Anlageberatern; Lerch, Anlageberater als Finanzintermediäre (2015), S. 87, zu Anlageberatern; Stanzel, Qualität des Aktienresearchs von Finanzanalysten (2007), S. 104 ff., zu Finanzanalysten; Teigelack, Finanzanalysen und Behavioral Finance (2009), S. 108 ff., zu Finanzanalysten. 200 Der Overconfidence Bias beschreibt das Phänomen, dass Menschen die Korrektheit ihrer Entscheidungen oder Analysen erheblich überschätzen. Griffin/Tversky, 24 Cog. Psychol. 411 (1992); Beck, H., Behavioral Economics (2014), S. 58; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und
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Selbst wenn also der Einsatz eines menschlichen Finanzintermediärs systematische Fehler aufgrund von Verhaltensanomalien reduziert, so ist doch kein vollständiger Ausschluss solcher Fehler gewährleistet.201 Somit lässt sich festhalten, dass die im Sinne des Anlegerschutzes stehende vollständige Verhinderung fehlerhafter Anlageentscheidungen aufgrund von Verhaltensanomalien sich nur durch den Einsatz eines neutralen Agenten erreichen lässt. Der neutrale Agent scheint zudem über keine eigenen Interessen zu verfügen und dem menschlichen Finanzintermediär auch insofern überlegen zu sein.202 Das Grundproblem im Verhältnis Kunde–Finanzintermediär, das auch in der PrinzipalAgenten-Theorie zum Ausdruck kommt, liegt neben einer asymmetrischen Informationsverteilung auch in den teilweise widerstreitenden Interessen von Finanzintermediär und Kunden begründet.203 Solche Interessenkonflikte können sich etwa aus der Vergütungsstruktur des einzelnen Mitarbeiters oder aus Vertriebsvorgaben hinsichtlich des Vertriebs hauseigener Produkte ergeben.204 Ein neutraler Agent scheint deshalb die perfekte Lösung dieses Problems zu sein. Es drängt sich jedoch die Frage auf, ob ein automatischer oder intelligenter Agent wirklich nicht in der Lage ist, ein eigenes Interesse zu entwickeln. Man ist geneigt, die Fähigkeit zur Bildung eines Interesses mit dem Hinweis darauf abzulehnen, dass das Innehaben eines Interesses Bewusstsein voraussetzt und ein Algorithmus als schlichte Handlungsanweisung nicht in der Lage ist, über ein solches zu verfügen.205 Diese Behauptung wirft gewiss mehr Fragen auf, als sie beantwortet: Wie definiert sich Interesse? Was ist Bewusstsein? Letztlich dürften die Antworten auf diese Fragen auch davon abhängen, in welchem Zusammenhang sie gestellt werden. Der Duden definiert ein Interesse allgemein als etwas, woran jemandem sehr gelegen ist, was für jemanden oder etwas wichtig oder nützlich ist.206 Im WpHG spielt das Interesse des Finanzintermediärs vor allem dann eine Rolle, wenn es mit den Interessen des Kunden kollidiert. Die Interessen, welche im Anwendungsbereich des WpHG miteinander in Konflikt stehen, entsprechen einem Streben nach dem Erreichen
Behavioral Finance (2006), S. 146; Odean, 53 J Fin 1887, 1896 (1998); Teigelack, Finanzanalysen und Behavioral Finance (2009), S. 117 f. und 121 f. 201 Ji, 117 Colum. L. Rev. 1543, 1563 (2017); Traff, The Future of the Wealth Management Industry: Evolution or Revolution? (2016), S. 55 f., abrufbar unter: dspace.mit.edu/handle/ 1721.1/104548. 202 Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (801). 203 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 3. 204 Vgl. Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, § 63 WpHG, Rn. 46 f. und 50. 205 So Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 8; Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 17 und Möslein/ Lordt, ZIP 2017, 793 (801). 206 Duden Online Wörterbuch, abrufbar unter www.duden.de/rechtschreibung/Interesse.
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bestimmter Ziele, insbesondere nach der Realisierung von Geschäftschancen.207 Eine Kollision dieser Interessen tritt dann auf, wenn diese Ziele in entgegengesetzte Richtungen verlaufen.208 Nun kann man freilich die Frage stellen, ob dieses „Streben“ nicht einen freien Willen und damit ein Bewusstsein des automatischen oder intelligenten Agenten voraussetzt, woran sich erneut die Frage anschließt, was letztendlich unter Bewusstsein zu verstehen ist und ob eine Maschine oder eine Software jemals in der Lage sein kann, über ein solches zu verfügen. Diese Fragen um das Bewusstsein beschäftigen die Menschheit schon seit Jahrtausenden. Verschiedene Wissenschaften wie Philosophie, Psychologie, Neurowissenschaften oder Kognitionswissenschaften nähern sich der Entschlüsselung des Bewusstseins aus unterschiedlichen Perspektiven. Innerhalb der einzelnen Disziplinen wiederum setzt sich der Theorienstreit fort. Im Ergebnis enthalten die diversen Bewusstseinstheorien jedoch nur eine Antwort auf die Frage, warum ein Individuum ein bestimmtes Ziel erreichen möchte. Gleiches gilt auch im Zusammenhang mit automatischen und intelligenten Agenten. Die Antworten auf die Fragen, ob ein automatischer oder intelligenter Agent über ein Bewusstsein verfügen kann und wie ein solches ausgestaltet ist, beantworten zugleich, warum er bestimmte Ziele verfolgt: Agiert das System aus einem eigenen bewussten Antrieb heraus oder spult es unbewusst eine Reihenfolge von Handlungsschritten ab, bis das jeweilige Ziel erreicht ist? Dies ist zweifelsohne ein wichtiger Aspekt des Interesses, aber keiner, der im Zusammenhang mit den im WpHG geregelten Interessenkonflikten eine Rolle spielt. Entscheidend ist allein, welcher Natur die verfolgten Ziele sind, die entgegengesetzt zu denjenigen des Kunden verlaufen. Es kommt also letztlich nur darauf an, ob diese verfolgten Ziele mit den Zielen des Kunden in Konflikt stehen, und nicht, warum diese Ziele vom jeweiligen Finanzintermediär verfolgt werden. Am Anfang eines jeden Agenten, auch eines intelligenten, lernenden und sich verändernden Agenten, steht ein Mensch, der ihn erschafft. Wesentlicher erster Schritt dieses Schöpfungsprozesses ist es, dem Programm ein Ziel vorzugeben, welches es zu erreichen hat.209 Ein (fehlerfreies) Programm wird für die Dauer seiner Existenz seine Aktionen stets so ausführen, dass sie der Erreichung dieses Ziels dienen. Dies gilt in gleicher Weise für intelligente Systeme. Nach dem dieser Untersuchung zugrunde gelegten Verständnis von künstlicher Intelligenz ist die entscheidende Fähigkeit intelligenter Systeme ihre Lernfähigkeit.210 Diese Lernfähig207 Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), § 31 Rn. 50; Möllers, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 31 Rn. 130; Rothenhöfer, in: Schwark/ Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, § 63 WpHG, Rn. 46. 208 Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), § 31 Rn. 50. 209 Die Formulierung der zu erreichenden Ziele vollzieht sich bei der Software-Entwicklung im Rahmen der sogenannten Anforderungsanalyse, vgl. Kleuker, Grundkurs Software-Engineering mit UML (2018), S. 27 f. 210 Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 2 A. II.
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keit verleitet die intelligenten Systeme aber nicht dazu, plötzlich andere als die vorgegebenen Ziele zu verfolgen. Anders als diverse Dystopien es suggerieren, wird ein intelligentes System nicht selbständig seine Ziele von „Maximierung der erwarteten Rendite bei gegebenem Risiko“ umschalten auf „Ergreifen der Weltherrschaft“. Die Lernfähigkeit verhilft dem intelligenten System nur dazu, seine festgelegten Ziele schneller, effizienter und erfolgreicher zu erreichen, nicht aber, diese eigenständig anzupassen. Selbst wenn es dazu in der Lage wäre, gibt es schlicht keinen Grund für ein System, seine Ziele zu ändern. Es gibt keinen Anlass für das System, sich über die Ziele seines Schöpfers hinweg zu setzen, oder, wie der Professor für Psychologie an der Universität Harvard Steven Pinker es ausdrückt „klug zu sein ist nicht dasselbe wie etwas zu wollen“211. Ein Programm verknüpft mit dem Erreichen bestimmter Ziele keine positiven Empfindungen. Dies gilt sogar für rationale, lernende Agenten. Selbst wenn, wie etwa beim Reinforcement Learning212, zur Veranschaulichung des Lernprozesses von „Belohnung“ oder „Bestrafung“ des Algorithmus gesprochen wird, verknüpft dieser damit keine positiven oder negativen Gefühle, weil er nicht in der Lage ist, zu empfinden. Er hat kein tieferes Verständnis von der Bedeutung von „gut“ oder „schlecht“. Ein Programmierer hat den Algorithmus vielmehr so konstruiert, dass eine aus Sicht eines Menschen „gute“ Handlungsalternative weiterverfolgt wird, während eine „schlechte“ Handlungsalternative abgebrochen wird. Ein auch noch so komplexer Algorithmus bleibt stets eine mehr oder weniger lange Abfolge von Handlungsschritten. Die Quintessenz all dieser Überlegungen ist die Erkenntnis, dass die Ziele eines automatischen oder intelligenten Agenten stets mit denjenigen des Programmierers bzw. des entsprechenden Auftraggebers identisch sind. Ein Interessenkonflikt kann also nur dort entstehen, wo er bewusst vom (beauftragten) Programmierer in den Programmcode implementiert wurde.213 Ist eine Pflicht zur Wahrung des Kundeninteresses Zielvorgabe des Programms, so kann es auch bei intelligenten Agenten nicht zu einem „negativen Lerneffekt“ kommen, welcher den Agenten dazu verleitet, sich über die Interessen des Kunden hinwegzusetzen.214 Da sich das Programm nicht selbständig neue Ziele setzen kann, sondern allenfalls die Zwischenschritte zur Erreichung dieser Ziele anpassen kann, ist es von sich aus nicht in der Lage, in einen Interessenkonflikt zu geraten, wenn es gewissenhaft und ordnungsgemäß programmiert wurde.
211
Pinker, in: Brockman (Hrsg.), Was sollen wir von Künstlicher Intelligenz halten? (2017), S. 31 (33). 212 Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 2 A. III. 213 Ähnlich Nathmann, FinTech (2019), S. 103. 214 So aber Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 26.
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b) Beeinträchtigung des Anlegerschutzes Gefahren für den Anlegerschutz ergeben sich jedoch aus einer der größten Schwächen von Algorithmen: An ihrem Anfang steht stets ein Mensch, der sie erschafft. Ein automatischer oder intelligenter Agent kann die sich aus der Neutralität und Rationalität ergebenden Vorteile nur dann für sich in Anspruch nehmen, wenn er auch mit dem Ziel programmiert wurde, einen rationalen und neutralen Agenten zu erschaffen. Allein die Tatsache, dass ein Programm keine anderen als die vorgegeben Ziele verfolgt, schützt Anleger nicht davor, dass ein im Hintergrund stehender (unter Umständen damit beauftragter) Programmierer eigene oder Dritt-Interessen in den Programmcode implementiert215 oder der lernende Agent nur mit einseitigen Daten gefüttert wird.216 Im Zusammenhang mit dem Anlegerschutz ebenfalls Beachtung geschenkt werden muss dem Phänomen des „Algorithmic Bias“.217 Der Begriff „Algorithmic Bias“ beschreibt die systematische Diskriminierung einzelner Personen oder Personengruppen durch die von automatischen oder intelligenten Agenten getroffenen Entscheidungen.218 Die Diskriminierungen können unterschiedlicher Natur sein, und ihnen können unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen. So sind Algorithmen stets ein Spiegel der Wertvorstellungen ihres Schöpfers, weshalb sich die moralischen Einstellungen des Programmierers in den durch die Software getroffenen Entscheidungen fortsetzen können.219 Sie können aber auch darin begründet liegen, dass die verwendeten Trainingsdaten zu undifferenziert waren, oder darin, dass der Algorithmus Aspekte wie Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht etc. in seine Bewertung miteinbezieht, die ein moralisch handelnder Mensch nicht beachten würde.220 Der Einsatz intelligenter Systeme schürt so die Gefahr, dass sich bestehende soziale Ungleichgewichte verstärken. Beispielhaft ist ein statistisches Scoring-Verfahren, das in den USA von Strafverfolgungsbehörden eingesetzt wird, um zu ermitteln, ob Angeklagte in Zukunft erneut straffällig werden: Afro-Amerikaner kategorisierte das System fast doppelt so oft als zukünftige Straftäter wie weiße Angeklagte.221 Auch bei der Kreditvergabe 215
(801). 216
Vgl. Baker/Dellaert, 103 Iowa L. Rev. 713, 732 (2018); Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793
Kirkpatrick, 59 (10) Communications of the ACM, 16 (2016). Danks/London, in: Proceedings of the 26th International Joint Conference on Artificial Intelligence (2017), S. 4691; Kirkpatrick, 59 (10) Communications of the ACM, 16 (2016). 218 Vgl. Danks/London, in: Proceedings of the 26th International Joint Conference on Artificial Intelligence (2017), S. 4691; Kirkpatrick, 59 (10) Communications of the ACM, 16 (2016); Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 48 ff. 219 Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 48. 220 Danks/London, in: Proceedings of the 26th International Joint Conference on Artificial Intelligence (2017), S. 4691 (4692 f.); Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 49. 221 Kirkpatrick, 59 (10) Communications of the ACM, 16 (2016). 217
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und bei der Auswahl von Werbeanzeigen konnten diskriminierende Entscheidungen registriert werden: So knüpften Algorithmen ihre Entscheidung darüber, ob an einen bestimmten Bewerber ein Kredit vergeben werden sollte häufig an Eigenschaften, welche mittelbar auf die Hautfarbe einer Person schließen lassen wie etwa ihr Einkommen oder ihr Wohnort.222 2015 fanden Forscher heraus, dass Googles Anzeigensystem Werbung mit hochbezahlten Jobangeboten fast ausschließlich Männern anzeigte.223 In Bezug auf den Anlegerschutz beim Einsatz von Robo-Advisorn ist dies aus zweierlei Gesichtspunkten relevant: Werden beispielsweise intelligente Robo-Advisor nur mit Datensätzen durchschnittlicher weißer Männer trainiert oder Musterportfolios anhand der durchschnittlichen Präferenzen weißer Männer konstruiert, erhalten andere Personengruppen, die nicht nur über andere Lebensverläufe, sondern auch über andere Risikovorstellungen verfügen unter Umständen keinen geeigneten Anlagerat.224 Intelligente Robo-Advisor der Zukunft könnten möglicherweise ein Kontrahieren mit bestimmten benachteiligten Personengruppen ganz verweigern, weil bei diesen nur mit geringen Einkommenssteigerungen und damit verbundenen geringen Einzahlungen zu rechnen ist oder zu erwarten ist, dass diese ihre Anlage nach kurzer Zeit wieder liquidieren. Unabhängig von ihrer tatsächlichen Bonität könnte deswegen der intelligente Robo-Advisor den Vertragsschluss mit einer Person ablehnen, die in einem Wohngebiet mit durchschnittlich schlechter Zahlungsmoral lebt.225 Die Entscheidungen des Robo-Advisors würden damit zu einer willkürlichen Schlechterbehandlung führen.226 Verstärkt wird dieses Problem durch die Black Box-Problematik der künstlichen Intelligenz, welche dazu führt, dass sich ex post nicht immer feststellen lässt, wie es zu einer diskriminierenden Entscheidung kommen konnte.227 Es lässt sich damit festhalten, dass Interessenkonflikte und vorurteilsbehaftetes Verhalten beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten nicht vollständig ausgeschlossen sind. Schließlich stellt die Black Box der künstlichen Intelligenz auch eine Gefahr für den institutionellen Anlegerschutz dar. Lassen sich die Entscheidungen intelligenter Agenten bei Finanzdienstleistungen nicht mehr nachvollziehen und erklären, kann
222
Kirkpatrick, 59 (10) Communications of the ACM, 16 (2016). Kirkpatrick, 59 (10) Communications of the ACM, 16 (2016). 224 Geleitet von der Idee, dass Frauen eine andere Finanzberatung benötigen als Männer bietet etwa der Robo-Advisor „Ellevest“ automatisierte Vermögensverwaltung speziell für Frauen an, www.ellevest.com. 225 Vgl. Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 50. 226 Vgl. Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 50. 227 Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 2 A. III. 223
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dies zu einem Vertrauensverlust des Anlegerpublikums in die Integrität und Stabilität der Märkte führen.228 c) Zwischenergebnis Trotz des Auftretens von Interessenkonflikten und vorurteilsbehaftetem Verhalten beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten bei Finanzdienstleistungen ist dennoch von einer insgesamt reduzierten Gefahr für den Anlegerschutz im Vergleich zu menschlichen Finanzintermediären auszugehen. Hervorzuheben ist insbesondere, dass sich Fehlentscheidungen aufgrund von Verhaltensanomalien durch den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten ausschließen lassen. Ein ordnungsgemäß und gewissenhaft programmierter automatischer oder intelligenter Agent gerät zudem in keinen Interessenkonflikt. Eine solche Situation tritt nur auf, wenn Drittinteressen bewusst in den Programmcode implementiert wurden. Interessenkollisionen sind damit nicht wie bei menschlichen Beratern ein „situatives“, sondern ein „strukturelles“ Problem.229 Das Auftreten von Interessenkonflikten lässt sich beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten bereits im Vorhinein verhindern bzw. durch Analyse des Programmcodes im Nachhinein zweifelsfrei feststellen.230 Bei einem menschlichen Finanzintermediär ist dies nicht möglich. Diffiziler ist dies aufgrund der Black Box der künstlichen Intelligenz beim Phänomen des Algorithmic Bias. Die Gefahr der Entstehung eines Algorithmic Bias kann durch Schutzmaßnahmen bei der Programmierung oder durch Verwendung inklusiver Trainingsdaten aber begrenzt werden.231 Zudem sollten automatisierte Entscheidungsträger stetig daraufhin überprüft werden, ob sie einem Algorithmic Bias unterliegen. Ein möglicher Ansatzpunkt wäre der Einsatz nur solcher Systeme, die ihre Entscheidungsfindung selbst erklären können. Diese Öffnung der Black Box ist auch unter dem Stichwort Explainable Artificial Intelligence bekannt.232 Interessenkonflikte und vorurteilsbehaftetes Verhalten sind bei Robo-Advisorn also nicht nur anderen Charakters, sondern ihrem Auftreten kann überwiegend auch durch entsprechende Maßnahmen entgegengewirkt werden. Auch die drohende Gefahr
228 Sheh/Monteath, KI – Künstliche Intelligenz Vol. 32 2018, 1. Vgl. Madel, Robo Advice (2019), S. 251. 229 Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 14; Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 18; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (801). 230 Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 54; Weber/Baisch, AJP/PJA 2016, 1065 (1070). 231 Wolfangel, Programmierter Rassismus (2018), abrufbar unter: www.zeit.de/digital/inter net/2018-05/algorithmen-rassismus-diskriminierung-daten-vorurteile-alltagsrassismus/komplett ansicht. 232 Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 2 A. III.
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eines schwindenden Anlegervertrauens könnte durch Explainable Artificial Intelligence-Ansätze begrenzt werden.233 Insgesamt ist deshalb eher von einem positiven Einfluss des Einsatzes von RoboAdvisorn auf den Anlegerschutz auszugehen. Den Besonderheiten bei der Entscheidungsfindung durch automatische und intelligente Agenten muss aber bei der Auslegung der Pflichten der laufenden Geschäftstätigkeit aus dem KWG und aus dem WpHG Rechnung getragen werden.234 2. Einfluss auf den Funktionsschutz a) Förderung des Funktionsschutzes Der Einfluss des Einsatzes automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich auf die Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes ist sowohl aus Anlegersicht als auch aus Sicht der Anbieter von Finanzdienstleistungen positiv zu beurteilen. Aus Anlegersicht erfreulich ist vor allem die Förderung der institutionellen Funktionsfähigkeit. Der Einsatz automatischer und intelligenter Agenten unterstützt die institutionelle Funktionsfähigkeit insbesondere dadurch, dass er den Zugang zum Finanzmarkt auch für Kleinanleger öffnet.235 Für Kleinanleger ist das Angebot an professioneller Anlageberatung und Vermögensverwaltung aus zweierlei Gründen erheblich reduziert. Zum einen setzt die traditionelle Anlageberatung und Vermögensverwaltung durch menschliche Berater üblicherweise Mindestanlagesummen in Höhe von etwa 100.000 Euro voraus. Zum anderen führt die Implementierung der durch die MiFID II bewirkten Gesetzesänderungen, insbesondere der neuen Regeln zur Geeignetheitserklärung und zur Telefonaufzeichnung, laut einer Umfrage der Frankfurter Beteiligungsgesellschaft PPI zu hohen Kosten und Folgekosten für beratende Banken.236 Zudem haben sich Dauer und Komplexität der Beratungsgespräche erhöht. Der PPI-Umfrage zufolge möchten sich deshalb 32 % der befragten Banken und Sparkassen ganz aus dem Anlageberatungsgeschäft zurückziehen.237 Diese Lücken können durch den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten geschlossen werden. Automatisierungstechniken können eingesetzt werden, um den MiFID II-Anforderungen gerecht zu werden.238 Hinzu kommt, dass zwar die Kosten für die Erstellung eines automatischen oder intelligenten Agenten sehr hoch sind, die 233
Sheh/Monteath, KI – Künstliche Intelligenz Vol. 32 2018, 1. Siehe unten Teil 3 Kap. 2 § 2 C. 235 Dorfleitner et al., FinTech in Germany (2017), S. 35 f. 236 PPI, MiFiD II-Readiness (2018), S. 6 und 18, abrufbar unter: www.fundresearch.de/ mifid-ii/PPI-MiFID-II-Welle-7_final.pdf. 237 PPI, MiFiD II-Readiness (2018), S. 7 und 25, abrufbar unter: www.fundresearch.de/ mifid-ii/PPI-MiFID-II-Welle-7_final.pdf. 238 PPI, MiFiD II-Readiness (2018), S. 9 und 25, abrufbar unter: www.fundresearch.de/ mifid-ii/PPI-MiFID-II-Welle-7_final.pdf. 234
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marginalen Kosten jeder neuen Transaktion aber relativ niedrig sind.239 Dadurch können die Unternehmen von Skaleneffekten profitieren und im Zuge dessen die Finanzdienstleistungen durch die automatischen und intelligenten Agenten preisgünstiger anbieten.240 Außerdem ist die digitale Anlageberatung und Vermögensverwaltung teilweise bereits ab einer Mindestanlagesumme von 1 Euro möglich. Robo-Advisor ermöglichen Anlegern damit individuelle Anlageberatung und Vermögensverwaltung ab geringeren Mindestanlagesummen und zu günstigeren Konditionen als menschliche Finanzintermediäre. Dadurch fließt das Geld einer ganz neuen Klasse an Investoren auf den Finanzmarkt.241 Weil dadurch die Vielfalt des Angebots (d. h. die Marktbreite) sowie die Zahl der Investoren und das Volumen des angelegten und anlagesuchenden Kapitals (d. h. die Markttiefe) zunimmt, trägt dies letztlich auch zu einer gesteigerten Liquidität des Marktes bei. Die Liquidität des Marktes stellt ebenfalls einen wichtigen Aspekt der institutionellen Funktionsfähigkeit dar. Sowohl aus Anleger- als auch aus Anbietersicht als positiv stellt sich außerdem die Förderung der operationalen Funktionsfähigkeit dar. Der Einsatz automatischer und intelligenter Agenten führt zu einer Verringerung der Transaktionskosten. Transaktionskosen umfassen, vereinfacht gesagt, sämtliche Kosten, die mit einer Transaktion verbunden sind.242 Dazu zählen die Suchkosten, d. h. die Kosten der Bekanntgabe des eigenen Angebots bzw. des In-Erfahrung-Bringens fremder Angebote, die Zeitkosten, d. h. die Kosten der Prüfung der einzelnen Alternativen, die Kosten des Vertragsabschlusses selbst und die Kosten der Sicherstellung der Vertragserfüllung.243 Auf jeder dieser Ebenen können Anleger und Anbieter von geringeren Transaktionskosten im Vergleich zu einer Transaktion unter Einsatz eines menschlichen Finanzintermediärs profitieren. Die Suche nach einem passenden Vertragspartner, der Vergleich verschiedener Angebote sowie Vertragsschluss und Vertragsdurchführung selbst vollziehen sich vollständig online und können zu jeder Zeit an nahezu jedem Ort unter geringstem Kostenaufwand durchgeführt werden. Schließlich tragen all diese Aspekte auch zum Schutz der allokativen Funktionsfähigkeit bei. Geringere Kosten für Anleger und Anbieter führen, vereinfacht
239
ESAs, Report on automation in financial advice (2016), S. 8, abrufbar unter: esas-jointcommittee.europa.eu/Publications/Reports/EBA BS 2016 422 (JC SC CPFI Final Report on automated advice tools).pdf; Weber/Baisch, AJP/PJA 2016, 1065 (1070). 240 ESAs, Report on automation in financial advice (2016), S. 8, abrufbar unter: esas-jointcommittee.europa.eu/Publications/Reports/EBA BS 2016 422 (JC SC CPFI Final Report on automated advice tools).pdf. 241 Dorfleitner et al., FinTech in Germany (2017), S. 35 f.; Ringe/Ruof sprechen in diesem Zusammenhang von einer „finanziellen Inklusion“, Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 10, abrufbar unter: www.ebi-europa. eu/publications/working-paper-series. 242 Stocker, Moderne Volkswirtschaft (2014), S. 148. 243 Stocker, Moderne Volkswirtschaft (2014), S. 149.
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ausgedrückt, dazu, dass mehr Kapital derart umgeschichtet wird, dass es für Anleger Rendite erzielt und zugleich den Kapitalbedarf der Anbieter deckt. b) Beeinträchtigung des Funktionsschutzes Für den Schutz der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes ergibt sich eine Gefahr vor allem aus fehlerhaft programmierten automatischen und intelligenten Agenten. Im Vergleich zu einer fehlerhaften Beratung oder Vermögensverwaltung durch einen menschlichen Finanzintermediär zieht ein fehlerhaft programmierter Robo-Advisor schwerwiegendere Konsequenzen nach sich, weil er in kürzerer Zeit einen weitaus größeren Kundenkreis fehlerhaft beraten kann.244 Baker/Dellaert ziehen zur Veranschaulichung einen Vergleich zum Einfluss einer schlechten Bewertung eines Restaurants auf „Yelp“ heran: Während etwa der Rat des Concierge eines Hotels, ein bestimmtes Restaurant besser zu meiden, nur einen geringen Prozentsatz aller Touristen beeinflusst, erreicht die negative „Yelp“-Bewertung fast sämtliche Touristen in einer Stadt.245 Ein fehlerhafter Robo-Advisor birgt somit die Gefahr einer ungünstigen Allokation des Kapitals einer Vielzahl von Anlegern und beeinträchtigt damit die allokative Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes. c) Zwischenergebnis Insgesamt ist von einem positiven Einfluss des Einsatzes automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich auf die Funktionsfähigkeit des Marktes auszugehen. Robo-Advisor bieten zu günstigen Konditionen auch Kleinanlegern die Möglichkeit, Anlageberatung und Vermögensverwaltung in Anspruch zu nehmen und so am Finanzmarkt aktiv zu werden. Dies vergrößert gleichzeitig den Kreis potenzieller Investoren. Die reine Online-Ausführung des Vertragsabschlusses sorgt zudem für niedrige Transaktionskosten. Gefahren für die allokative Funktionsfähigkeit des Marktes bestehen jedoch, wenn automatische und intelligente Agenten fehlerhaft programmiert wurden. 3. Einfluss auf die Stabilität des Finanzmarktes a) Förderung der Stabilität des Finanzmarktes Der Einsatz automatischer und intelligenter Agenten in der Finanzdienstleistungsbranche hat das Potenzial, den Finanzmarkt zu verändern, indem er Markt244
Baker/Dellaert, 103 Iowa L. Rev. 713, 742 (2018); ESAs, Report on automation in financial advice (2016), S. 10, abrufbar unter: esas-joint-committee.europa.eu/Publications/ Reports/EBA BS 2016 422 (JC SC CPFI Final Report on automated advice tools).pdf; Madel, Robo Advice (2019), S. 254; Müssig, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 5 Rn. 103. 245 Baker/Dellaert, 103 Iowa L. Rev. 713, 743 (2018).
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anteile erobert, dadurch etablierte Unternehmen unter Druck setzt und eine Diversifizierung der Anbieter am Markt herbeiführt.246 Eine Diversifizierung des Marktes ist vor allem in einem so hoch konzentrierten Markt wie dem Finanzmarkt eine erstrebenswerte Entwicklung, weil eine erhöhte Anzahl an Anbietern zur Stabilität des Marktes beiträgt.247 Außerdem bietet insbesondere der Einsatz intelligenter Agenten unter Verwertung von Big Data für Anbieter die Möglichkeit, Informationen effizienter zu verarbeiten und dadurch die Profitabilität und die Effizienz insgesamt zu erhöhen.248 Dies wiederum kann die Kosten und Risiken der Anbieter senken, die Bildung finanzieller Rücklagen unterstützen und in Folge zu einer systemweiten Stabilität beitragen.249 Kommt es zukünftig zu einem Einsatz intelligenter Agenten unter Verwertung von Big Data durch eine Vielzahl von Anbietern, kann die effizientere Informationsverarbeitung auch dazu führen, dass Fehlentwicklungen bei der Preisbildung und damit makroökonomische Ungleichgewichte auf dem Finanzmarkt frühzeitig verhindert werden.250 Auch dies verbessert die Stabilität des Finanzmarktes. b) Beeinträchtigung der Stabilität des Finanzmarktes Die größte Bedrohung für die Stabilität eines Finanzmarktes bildet das systemische Risiko. Beim systemischen Risiko handelt es sich um die Gefahr, dass die Insolvenz einzelner Finanzinstitutionen eine Krise des gesamten Finanzsystems hervorruft.251 Der Einfluss automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich ist derzeit noch überschaubar, weshalb die bestehenden systemischen Risiken noch nicht geeignet sind, die Stabilität des gesamten Finanzmarktes zu bedrohen.252 Da aber die Marktanteile von Robo-Advisorn und ähnlichen Phäno-
246 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 13, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 247 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 13, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 248 FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 25, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117.pdf. 249 FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 25, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117.pdf. 250 FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 30, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117.pdf. 251 Issing/Bluhm, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance von Banken (2011), S. 84. 252 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 16, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series.
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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menen stetig wachsen, sollte man sich bereits jetzt mit möglichen systemischen Risiken auseinandersetzen, um ihre Realisierung frühzeitig zu verhindern.253 Eine Ausprägung des systemischen Risikos ist das Risiko des Herdenverhaltens, welches eine Risikokonzentration auf bestimmte Marktsegmente nach sich zieht und entsteht, wenn eine Vielzahl von Anlegern die gleiche Anlagestrategie verfolgt.254 Dieses Risiko besteht vor allem bei automatischen, d. h. simplen Reflexagenten. Wie dargestellt wurde, verfolgen die meisten Robo-Advisor ähnliche Anlagestrategien, weshalb auch die zugrundeliegenden Algorithmen ähnlich sind. Sie verwenden ähnliche Risikokennzahlen und setzen auf ein möglichst diversifiziertes Portfolio, um das Risiko zu minimieren. Dabei investieren sie in ähnliche Wertpapiere, allen voran in ETFs. Ist die Anlagestrategie einer Vielzahl von Anlegern ähnlich gelagert, hat dies größere Schwankungen in der Preisbildung von Anlagen zur Folge.255 Dies wiederum verursacht häufigere Extremereignisse und verschärft Schwankungen im wirtschaftlichen Wachstum, was wiederum die Stabilität des gesamten Finanzmarktes bedroht.256 Bei intelligenten, lernenden Agenten ist dieses Risiko etwas geringer. Aufgrund ihrer Lernfähigkeit sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Algorithmen der verschiedenen Anbieter größer. Die gleiche Gefahr kann sich jedoch entwickeln, wenn die Algorithmen mit identischen Datensätzen trainiert wurden. Ein ähnliches systemisches Risiko, welches bei automatischen und bei intelligenten Agenten gleichermaßen existiert, bergen voneinander abhängige und vernetzte Agenten. Die sich aus der Abhängigkeit und Vernetzung von Agenten auf dem Finanzmarkt ergebenden Risiken werden von Lin treffend als „too linked to fail“ und „too fast to save“ bezeichnet.257 Angelehnt ist diese Terminologie an jene systemrelevanten Institute, welche „too big to fail“, d. h. zu bedeutend für eine Volkswirtschaft sind, als dass es sich ein Staat leisten könnte, ihre Insolvenz zu riskieren,
253 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 16, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 254 FSB, Financial Stability Implications from FinTech (2017), S. 20, abrufbar unter: www. fsb.org/wp-content/uploads/R270617.pdf; Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 1 Rn. 16; Madel, Robo Advice (2019), S. 252; Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 16, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 255 FSB, Financial Stability Implications from FinTech (2017), S. 20, abrufbar unter: www. fsb.org/wp-content/uploads/R270617.pdf; Maume, ECFR 2019, 622 (628 f.); Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 16, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 256 FSB, Financial Stability Implications from FinTech (2017), S. 20, abrufbar unter: www. fsb.org/wp-content/uploads/R270617.pdf; Maume, ECFR 2019, 622 (628 f.); Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 16, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 257 Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 585 (2014).
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und die in Krisenzeiten deshalb durch staatliche Mittel gerettet werden.258 Schon die Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 hat offenbar werden lassen, welches Risiko durch die zu starke Vernetzung von Finanzinstituten droht.259 Der Untergang der Investmentbank Lehman Brothers vollzog sich nicht isoliert, sondern beeinflusste Tausende von Finanzmarktakteuren weltweit.260 Auch heute noch sind nahezu sämtliche Finanzinstitute über ein undurchsichtiges, globales Netz an gegenseitigen Verbindlichkeiten und indirekten Investitionen in dieselben Finanzprodukte voneinander abhängig.261 Diese Vernetzung wird sich durch den steigenden Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich nur noch verstärken.262 Zahlreiche automatische und intelligente Agenten sind Teil eines weltweiten finanziellen Geflechts, welches sich über Institutionen, Staaten und Finanzinstrumente spannt und dadurch das systemische Risiko des „too linked to fail“ erzeugt.263 Scheitert einer dieser stark vernetzten Finanzmarktakteure, kann sein Untergang von Aufsichtsorganen nicht mehr isoliert werden, sondern er zieht diverse andere Akteure mit in seine Abwärtsspirale hinein.264 Im Unterschied zu Institutionen, denen schon aufgrund ihrer Größe Systemrelevanz zukommt, sind diese Finanzmarktakteure allein aufgrund ihrer Vernetzung kritisch für die Stabilität eines Finanzmarktes, weshalb bereits kleine und mittlere Unternehmen systemrelevant werden können.265 Andersgeartet ist die Gefahr der Vernetzung bei automatischen und intelligenten Agenten deshalb, weil sie nicht allein aufgrund von gegenseitigen Verbindlichkeiten und Investitionen miteinander vernetzt sind, sondern ihre Algorithmen direkt voneinander abhängen und die Aktion eines Agenten damit unmittelbar eine Reaktion anderer Agenten auslöst. Diese Abhängigkeit kann etwa daraus resultieren, dass die Agenten sehr ähnliche oder voneinander abhängige Anlagestrategien verfolgen266, oder beim Einsatz künstlicher Intelligenz das Produkt der Verwendung identischer Datensätze sein.267 Voneinander abhängige Algorithmen führen dazu, dass externe Schocks ähnliche Reaktionen hervorrufen und dadurch Liquiditätsengpässe erzeugen, welche nach und nach das ganze Finanzsystem er258 Issing/Bluhm, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance von Banken (2011), S. 88; Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 585 (2014). 259 Vgl. Issing/Bluhm, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance von Banken (2011), S. 84. 260 Wolfers/Voland, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance von Banken (2011), S. 327. 261 Issing/Bluhm, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance von Banken (2011), S. 84. 262 Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 586 (2014). 263 Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 586 (2014). 264 Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 586 (2014). 265 Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 587 (2014). 266 Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 587 (2014). 267 FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 1, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117.pdf.
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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fassen.268 So neigen etwa Robo-Advisor dazu, in Stressphasen, wenn gerade ein hoher Liquiditätsbedarf besteht, Anlagen zu verkaufen und damit die Volatilität weiter zu erhöhen.269 Das Scheitern eines Agenten kann Rückkopplungseffekte und Kettenreaktionen hervorrufen, welche die Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährden.270 Zur Realisierung dieses Risikos ist es in der Vergangenheit im Rahmen sog. „Flash Crashes“ bereits gekommen.271 Der aufsehenerregendste Flash Crash ereignete sich am 6. Mai 2010. Innerhalb einer halben Stunde brachen amerikanische Aktienindizes massiv ein, verloren bis zu 9 % und erholten sich anschließend wieder.272 Mitausgelöst wurde dieser Flash Crash durch einen einzelnen Händler aus London, welcher Gebrauch von einer dubiosen Handelstechnik, dem sog. Spoofing, machte.273 Beim Spoofing wird der Eindruck einer erhöhten Nachfrage erweckt, indem unter Einsatz technischer Mittel eine Vielzahl kleinerer Kauforders platziert wird.274 Als Folge steigt der Kurs; bevor aber Handelsaufträge erfüllt werden, werden die Orders wieder zurückgenommen.275 Diejenigen Finanzinstrumente, welche Ziel der stornierten Orders waren, werden anschließend zum künstlich erhöhten Kurs verkauft.276 Spiegelbildlich kann durch die elektronische Platzierung vieler Verkaufsorders der Kurs künstlich gesenkt werden, um in Folge Finanzinstrumente günstig erwerben zu können.277 Der Flash Crash aus dem Jahre 2010 ereignete sich auch deshalb, weil Algorithmen diverser Agenten entsprechend auf die Handlungen des Londoner Händlers reagierten, und kann deshalb als Beispiel für die Realisierung des Risikos voneinander abhängiger und vernetzter Algorithmen dienen.278 Eng mit dem Risiko der Vernetzung und der wechselseitigen Abhängigkeit verbunden ist das Risiko des „too fast to save“. Der Flash Crash von 2010 war nicht nur deshalb so gefährlich für die Stabilität des Finanzsystems, weil ein einzelner Händler 268 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 16, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 269 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 16 f., abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 270 Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 588 (2014). 271 Vgl. im Zusammenhang mit der Robo-Advice auch Pieper, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 6 Rn. 9. 272 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 17, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 273 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 17, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 274 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 664. 275 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 664; Teigelack, BB 2012, 1361 (1364). 276 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 664. 277 Vgl. Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 17, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series; Teigelack, BB 2012, 1361 (1364). 278 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 17, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series.
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aufgrund der Vernetzung der Algorithmen in der Lage war, eine Kettenreaktion auszulösen, welche große Teile des amerikanischen Finanzmarktes erfasste, sondern auch deshalb, weil sich dieser Dominoeffekt mit einer erheblichen Geschwindigkeit ausbreitete.279 Der Einsatz automatischer und intelligenter Agenten auf den Finanzmärkten hat dazu geführt, dass Transaktionen auf den Finanzmärkten heute so schnell ausgeführt werden, dass keine Aufsichtsbehörde mehr in der Lage ist, einzugreifen.280 So benötigt ein Robo-Advisor für die Verarbeitung einer Information und die entsprechende Reaktion nur einen Bruchteil der Zeit, die ein menschlicher Finanzintermediär ohne technische Unterstützung benötigt. Umso kritischer ist es deshalb, wenn der Robo-Advisor eine falsche Information erhält und unmittelbar reagiert. Die Gefährlichkeit der „too fast to save“-Problematik liegt nicht darin, dass ein bestehendes systemisches Risiko vergrößert wird, sondern darin, dass eine Realisierung des Risikos schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr verhindert oder abgemildert werden kann. Ein weiteres Risiko für die Stabilität des Finanzmarktes ergibt sich aus der Gefahr von Cyber-Angriffen bzw. Cyber-Threats auf die automatischen und intelligenten Agenten.281 Der Einsatz von Programmen im Finanzdienstleistungsbereich birgt stets die Gefahr der Manipulation durch Dritte. Diese führen entweder durch Denial-ofService-Angriffe eine Überlastung und Lahmlegung des Internet-Portals herbei, greifen durch Hacking-Attacken und Malware wie Viren und Trojanische Pferde in den Algorithmus selbst ein oder programmieren eigene Agenten, welche mittels Täuschungshandlungen den Marktpreis zu ihrem Vorteil beeinflussen.282 Handelt es sich um einen automatischen Agenten, dessen Algorithmus deterministisch ist und dessen Reaktionen deshalb vorhersehbar sind, ist diese Täuschungsgefahr noch weitaus größer als bei intelligenten Agenten.283 Kann ein Dritter etwa genau abschätzen, welche Kauf- und Verkaufsentscheidungen ein Robo-Advisor in bestimmten Marktlagen treffen wird, kann er dies durch geschickte Manipulation zu seinem Vorteil ausnutzen. Ein zusätzliches Risiko für die Stabilität des gesamten Finanzmarktes ergibt sich auch hier vor dem Hintergrund der Vernetzung der Algorithmen. Ein Angriff auf das schwächste Glied der Kette kann eine Infizierung des
279
Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 589 (2014). Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 589 (2014). 281 Vgl. Pieper, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 6 Rn. 10. 282 Vgl. Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 583 f. (2014). Eine Übersicht über die verschiedenen Cyber-Threats findet sich bei Königs, IT-Risikomanagement mit System (2017), S. 443 ff. 283 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 17, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series; Wolcott, ,Hacking the algo:‘ when automated traders are victims, not villains (2017), Thomson Reuters Regulatory Intelligence, August, zitiert nach: FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 25, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117. pdf. 280
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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ganzen Systems zur Folge haben.284 Ob die Gefahr durch Cyber-Risiken durch den Einsatz von Robo-Advisorn erheblich steigen wird, lässt sich vor dem Hintergrund, dass bereits heute an einem Großteil der Transaktionen auf den Finanzmärkten automatische Agenten beteiligt sind, jedoch bezweifeln. Während die Tatsache, dass die Entscheidungen intelligenter Agenten nicht immer vorhersagbar sind, sie zwar weniger anfällig für Manipulationen macht, stellt die sogenannte Black Box der künstlichen Intelligenz aber gleichzeitig auch ein Risiko für die Stabilität des Finanzmarktes dar. Vor allem beim Auftreten von Extremereignissen können Menschen und insbesondere Aufsichtsbehörden nicht abschätzen, wie die intelligenten Agenten reagieren werden und ob dementsprechend ein Eingreifen notwendig wird.285 Dieses Risiko ist bei Multiagenten-Systemen wie dem Finanzmarkt, d. h. bei Systemen, in denen mehrere Agenten aufeinander treffen und miteinander kommunizieren und agieren, umso größer.286 Vom Menschen kann dann nicht nur nicht nachvollzogen werden, wie die Agenten Entscheidungen treffen, sondern auch nicht, wie diese miteinander kommunizieren.287 Die „Sprache“ der Agenten ist für den Menschen schlicht nicht verständlich. Jedoch muss bedacht werden, dass auch das Treffen von Entscheidungen durch Menschen weder stets vorhersehbar noch in all seinen Einzelheiten erklärbar ist. Der von Neurowissenschaftlern und Psychologen seit einigen Jahren geführte Streit darüber, ob der Mensch überhaupt über einen freien Willen verfügt oder ob die Ausführung einer Handlung vom Gehirn schon eingeleitet wird, bevor der Mensch das Gefühl hat, eine Entscheidung getroffen zu haben, zeigt, dass auch der Entscheidungsprozess des menschlichen Gehirns noch nicht entschlüsselt ist und damit ebenfalls einer Black Box gleicht.288 c) Zwischenergebnis Der Einsatz automatischer und intelligenter Agenten scheint diverse Gefahren für die Stabilität des Finanzmarktes mit sich zu bringen. So ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich auf dem ohnehin schon stark vernetzten Finanzmarkt durch den immer intensiveren Einsatz automatischer und intelligenter Agenten neuartige
284
FSB, Financial Stability Implications from FinTech (2017), S. 19, abrufbar unter: www. fsb.org/wp-content/uploads/R270617.pdf. 285 FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 26, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117.pdf. 286 Vgl. Kirn/Müller-Hengstenberg, MMR 2014, 225 (230 f.). 287 FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 26, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117.pdf. 288 Siehe Nagel, in: Erbguth/Jox (Hrsg.), Angewandte Ethik in der Neuromedizin (2017), 13 (15 ff.); Pande, Artificial Intelligence’s ,Black Box‘ Is Nothing to Fear (2018), abrufbar unter www.nytimes.com/2018/01/25/opinion/artificial-intelligence-black-box.html.
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und unvorhersehbare Verflechtungen entwickeln.289 Bei der Bewertung einzelner Innovationen wie der Robo-Advice muss jedoch beachtet werden, dass schon jetzt viele Prozesse auf den Finanzmärkten durch den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten unterstützt oder ausgeführt werden. So wird bereits heute der Anteil des Hochfrequenzhandels am Gesamthandelsvolumen in Europa auf 40 % und in den USA sogar auf 80 % geschätzt.290 Der Einsatz von Robo-Advisorn wird nach der Eroberung größerer Marktanteile zwar das Risiko des „too linked to fail“ und des „too fast to save“ sowie von Cyber-Angriffen erhöhen. Letztendlich handelt es sich dabei aber um eine Entwicklung, von der der gesamte Finanzmarkt erfasst ist und auf die ein einzelnes innovatives Geschäftsmodell nur begrenzten Einfluss hat. Auch die Black Box-Problematik wirkt weniger bedrohlich, wenn man bedenkt, dass auch der Prozess der menschlichen Entscheidungsfindung noch lange nicht entschlüsselt ist. III. Zusammenfassung Die Regelungsziele des Aufsichtsrechts lassen sich zusammenfassen als der Schutz der Gesamtheit der Anleger sowie des individuellen Anlegers und der Schutz der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes in seinen Ausprägungen der allokativen, der operationalen und der institutionellen Funktionsfähigkeit.291 Diese beiden Ziele wiederum dienen dem Hauptziel der Sicherung eines stabilen Finanzmarktes. Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass der Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich sich durchaus mit den vom Aufsichtsrecht verfolgten Zielen vereinbaren lässt. Teilweise können die Ziele durch den Einsatz der Agenten sogar besser verwirklicht werden als von ihrem menschlichen Pendant, weil bestimmte typisch menschliche Unzulänglichkeiten eliminiert werden können. Andere Gefahren dagegen verlagern sich oder treten in anderer Gestalt auf. So resultieren die drohenden Beeinträchtigungen des Anlegerschutzes und des Schutzes der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes fast ausschließlich aus einer bewussten oder unbewussten Fehlprogrammierung der Agenten. Die Beeinträchtigung ist die Folge einer vorgelagerten fehlerhaften Handlung des Programmierers bzw. seines Auftraggebers. Besondere Gefahren ergeben sich schließlich für die Stabilität des Finanzmarktes aufgrund verschiedener systemischer Risiken. Dabei handelt es sich aber überwiegend nicht um Risiken, welche spezifisch auf dem Einsatz von Robo-Advisorn 289 FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 31, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117.pdf. 290 Gresser, Praxishandbuch Hochfrequenzhandel. Band 2 (2018), S. 174. 291 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 7; Fischer, R., in: Boos/Fischer/SchulteMattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), Einf. KWG, Rn. 169 und 172 ff.; Früh, in: Kümpel (Begr.), Bank- und Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 1.95 f. und 1.102; Lehmann, in: MüKo-BGB (2018), Internationales Wirtschaftsrecht. Teil 12. Internationales Finanzmarktrecht, Rn. 2 f.; Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch (2017), Vor § 104 Rn. 72.
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beruhen, sondern um solche, die mit der generellen Digitalisierung von Transaktionen und damit zusammenhängenden Dienstleistungen auf dem Finanzmarkt einhergehen. Im Ergebnis besteht mehrheitlich ein Gleichlauf zwischen denjenigen Gefahren, welche sich aus dem Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich und dem Einsatz menschlicher Finanzintermediäre ergeben. Mitunter treten sie aber in anderer Gestalt auf und bedürfen daher eines anderen Umgangs, welcher im Folgenden näher dargestellt wird.
C. Systematik des materiellen Aufsichtsrechts Den wesentlichen Anknüpfungspunkt für die staatliche Aufsicht durch die BaFin stellt die Erlaubnispflicht bestimmter Geschäftstätigkeiten dar. Bei der Erlaubnispflicht handelt es sich um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und damit um eine Einschränkung der Gewerbefreiheit nach § 1 Abs. 1 Gewerbeordnung (im Folgenden: GewO) sowie einen Eingriff in die Berufswahlfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG.292 Im Hinblick auf die Bedeutung der soeben erläuterten Regelungsziele sind diese jedoch gerechtfertigt.293 Vor Erteilung einer Erlaubnis unterzieht die BaFin die geplante Geschäftstätigkeit einer zweistufigen Prüfung. Zunächst wird geklärt, ob überhaupt eine Erlaubnispflicht vorliegt, bevor in einem zweiten Schritt die Erlaubnisfähigkeit analysiert wird. Die Erlaubnispflicht für Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen ergibt sich aus § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG. Die Erlaubnisfähigkeit ist gegeben, wenn unter anderem die in § 33 KWG in Form von Versagungsgründen geregelten Mindestanforderungen erfüllt sind.294 Diese Mindestanforderungen bilden zudem einen Grundbestandteil derjenigen Pflichten, welche im Rahmen der laufenden Geschäftstätigkeit zu wahren sind.295 Da viele der Bankgeschäfts- und Finanzdienstleistungstatbestände des § 1 Abs. 1 und Abs. 1a KWG nahezu identisch in § 2 Abs. 8 WpHG definiert sind, ergibt sich für die laufende Geschäftsführung zudem ein umfangreicher Pflichtenkatalog aus dem WpHG, insbesondere die Wohlverhaltenspflichten der §§ 63 ff. WpHG. 292 Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 1; Fischer, R./Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 32 KWG, Rn. 5. 293 Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 1; Fischer, R./Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 32 KWG, Rn. 5. 294 Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 1. 295 Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 1.
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Wer ohne die erforderliche Erlaubnis vorsätzlich oder fahrlässig Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt, macht sich gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 KWG strafbar. Zudem können gem. § 30 OWiG i. V. m. § 59 KWG auf das Unternehmen selbst Bußgelder zukommen.
D. Auslegung des Aufsichtsrechts Bei der Auslegung aufsichtsrechtlicher Normen muss zwischen originär nationalen und angeglichenen Normen unterschieden werden.296 Die klassischen Auslegungsmethoden werden angewendet, wenn die Vorschrift dem originär deutschen Recht zuzuordnen ist.297 Setzt die nationale Norm dagegen europäische Richtlinien um, so muss die Auslegung richtlinienkonform erfolgen.298 Dies bedeutet, dass zunächst die herkömmlichen Auslegungsmethoden anzuwenden sind.299 Führen diese zu mehreren möglichen Auslegungsergebnissen, so gebührt demjenigen der Vorrang, welches den Richtlinienvorgaben entspricht.300 Da der Rechtsanwender bei der Beurteilung der rechtlichen Behandlung innovativer Technologien wie der Robo-Advice regelmäßig mit einem Regelwerk zu kämpfen hat, welches nicht mit Blick auf den Einsatz dieser Technologien geschaffen wurde, tritt die Situation mehrerer möglicher Auslegungsergebnisse aber regelmäßig nicht auf. Weder der Wortlaut noch die systematische Stellung im Gesetz und erst recht nicht der Wille des historischen Gesetzgebers geben eine unmittelbare Antwort darauf, wie die mit Blick auf menschliche Handlungsträger geschaffene Norm auf ihre digitalen Pendants anzuwenden ist. Die Auslegung der Norm kann sich damit allein nach ihrem Telos richten, zu dessen Ermittlung die anderen Auslegungsmethoden freilich herangezogen werden können. Die Auslegung der aufsichtsrechtlichen Normen bei Anwendung auf die Robo-Advice muss deshalb stets mit dem Ziel erfolgen, den soeben dargelegten Regelungszielen vor dem Hintergrund der sich beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten ergebenden Chancen und Risiken in der digitalen Welt zur Geltung zu verhelfen. Man könnte insofern auch von einer „digitalen Auslegung“ sprechen. Diese „digitale Auslegung“, welche naturgemäß nur dann zur Anwendung kommt, wenn eine Norm infrage steht, die allein mit Blick auf menschliche Akteure geschaffen wurde301, stellt letztendlich eine Ausprägung der teleologischen Ausle296
Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 38. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 38. 298 Schäfers, JuS 2015, 875 (877) m. w. N. 299 Schäfers, JuS 2015, 875 (878) m. w. N. A. A. etwa Kühling, JuS 2014, 481 (486) nach dem die Richtlinie vor der nationalen Vorschrift auszulegen ist. 300 Schäfers, JuS 2015, 875 (878). 301 Die digitale Auslegung ist deshalb etwa ausgeschlossen bei den Vorschriften zum algorithmischen Handel. 297
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gung dar. Sie fragt jedoch nicht nur nach dem Sinn und Zweck einer Norm, sondern auch danach, wie dieser beim Agieren automatischer und intelligenter Agenten zur Geltung kommen kann sowie ob und wie die für Menschen geschaffenen Regelungen auf das Handeln digitaler Akteure übertragen werden können.302 So erscheint es insbesondere bei Anwendung der sich aus dem KWG und dem WpHG ergebenden Pflichten der laufenden Geschäftsführung zweckmäßig, dass diese von zweierlei Handlungsträgern gemeinsam zu erfüllen sind. Eine ordnungsgemäße Pflichterfüllung kann nur sichergestellt werden, wenn sowohl an das Handeln des Robo-Advisors als auch an das Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst und damit an die hinter ihm stehenden handelnden natürlichen Personen angeknüpft wird. Primär müssen die Pflichten soweit wie möglich vom unmittelbar gegenüber dem Kunden auftretenden und handelnden automatischen oder intelligenten Agenten erfüllt werden. Wo das Konzept der Pflichterfüllung durch automatische oder intelligente Agenten aber an seine Grenzen stößt, weil Eigenschaften gefordert werden, welche nach dem aktuellen Stand der Technik nur Menschen zugeschrieben werden können, und eine sinngemäße Übertragung auf den automatischen oder intelligenten Agenten scheitert, dort muss eine Anknüpfung an diejenigen Menschen erfolgen, welche einen wesentlichen Teil zur Generierung des Outputs durch den Agenten beitragen. Dabei handelt es sich um die Personen, welche maßgeblich an der Entwicklung der Robo-Advice-Software beteiligt sind oder den fehlerfreien Ablauf des Programms überwachen und beeinflussen können. Probleme bei der Auslegung des Aufsichtsrechts ergeben sich zudem aufgrund der Tatsache, dass Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Normen mitunter straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich sanktioniert sind. Dies gilt insbesondere für das Erbringen von Finanzdienstleistungen ohne Erlaubnis (§§ 54, 56, 59 KWG) und die Wohlverhaltens- und Organisationspflichten (§ 120 Abs. 8 WpHG). Nach § 1 StGB bzw. § 3 OWiG i. V. m. Art. 103 Abs. 2 GG gilt im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht das Analogieverbot. Umstritten ist jedoch, ob das Analogieverbot auch hinsichtlich der aufsichtsrechtlichen Normen gilt, auf die die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Normen Bezug nehmen.303 So wird teilweise eine gespaltene Auslegung angenommen, welche ein solches Analogieverbot hinsichtlich der Bezugsnorm nur im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht bejaht und damit unterschiedliche Ergebnisse im Zivil- und im Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht hinnimmt.304 Teilweise wird aber auch eine synchrone Auslegung vertreten, welche den strengen straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Maßstab auch im Zivilrecht (und teilweise sogar im Aufsichtsrecht305) anwenden will306. Überzeugen kann nur 302
So im Ansatz auch Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 32. 303 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 49. 304 Cahn, AG 1997, 502 (503); Oechsler, ZIP 2011, 449 (452); Schürnbrand, NZG 2011, 1213 ff. 305 Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), Vor §§ 21 – 30 Rn. 25.
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diejenige Ansicht, welche sowohl im Strafrecht als auch im Zivilrecht eine analoge Anwendung der straf- und bußgeldbewehrten Normen für unzulässig erklärt. Anderenfalls wird über eine analoge Anwendung im Zivilrecht und einer entsprechenden Schadensersatzpflicht richterrechtlich die Grenze der Straf- oder Bußgeldnorm ausgeweitet.307 Aufsichtsrechtlich ist eine analoge Anwendung aufsichtsrechtlicher Pflichten und eine zwangsweise Durchsetzung durch die BaFin dagegen möglich.308 Das Aufsichtsrecht und seine Durchsetzungsmöglichkeit durch die BaFin sind darauf gerichtet, ex ante Pflichtverstöße zu verhindern. Das Straf- und das Zivilrecht sind dagegen nur darauf ausgerichtet, einen begangenen Pflichtenverstoß ex post zu sanktionieren bzw. einen Schadensausgleich herbeizuführen. Zudem könnten die Aufgaben der BaFin gem. § 6 Abs. 1 WpHG bzw. § 6 Abs. 2 und 3 KWG nur eingeschränkt erfüllt werden, wenn auch hinsichtlich der aufsichtsrechtlichen Pflichten die strenge Wortlautgrenze zu beachten wäre. In Konsequenz wäre auch die Erreichung der aufsichtsrechtlichen Regelungsziele nur eingeschränkt möglich. Es kann aber nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein, durch die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung von Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Pflichten deren Schutzbereich zu verringern.
§ 2 Aufsichtsrechtliche Behandlung der Robo-Advice A. Erlaubnispflicht Erfüllt das Geschäftsmodell eines Robo-Advisors den Tatbestand einer aufsichtsrechtlich regulierten Tätigkeit, ist grundsätzlich eine Erlaubnis erforderlich. Bei den von Robo-Advisorn durchgeführten Tätigkeiten handelt es sich regelmäßig um Finanzdienstleistungen nach § 1 Abs. 1a S. 2 KWG, namentlich um die Anlageberatung (Nr. 1a) oder die Finanzportfolioverwaltung (Nr. 3), welche einer Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG bedürfen.309 Daneben kommen aber auch andere regulierte Tätigkeiten in Betracht. Universalbanken, welche grundsätzlich über eine Banklizenz gem. § 32 Abs. 1 KWG in Form einer Vollkonzession verfügen, bedürfen keiner zusätzlichen Erlaubnis, wenn sie Finanzdienstleistungen mittels eines Robo-Advisors anbieten 306 BGH, Urt. v. 8. 6. 2006 – VII ZR 13/05, BGHZ 168, 98 (105) Rn. 17; Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), Einl. Rn. 35; Eggers, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht (2019), Kap. 3 Rn. 9; Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), HGB (2015), Bank- und Börsenrecht, Rn. VI 32. 307 Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), Einl. Rn. 35; Eggers, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht (2019), Kap. 3 Rn. 9. 308 So auch Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), Einl. Rn. 35; Eggers, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht (2019), Kap. 3 Rn. 9. 309 Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 5; Madel, Robo Advice (2019), S. 122 ff.
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wollen.310 Etwas anderes gilt jedoch für FinTechs, da diese regelmäßig über keine Lizenzen verfügen.311 Im Folgenden soll in einem ersten Schritt dargestellt werden, unter welchen Voraussetzungen eine Erlaubnispflicht besteht. In einem zweiten Schritt soll sodann erläutert werden, welche zulässigen und unzulässigen Möglichkeiten zur Vermeidung einer Erlaubnispflicht existieren. I. Voraussetzungen der Erlaubnispflicht Die Voraussetzungen der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG erfüllt, wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will. Bei einer Prüfung muss beachtet werden, dass sich die diversen am Markt tätigen Robo-Advisor nicht immer klar kategorisieren lassen, da die verschiedenen Geschäftsmodelle sehr heterogen sind.312 Welche Art von Finanzdienstleistung vom jeweiligen Robo-Advisor erbracht wird, ist stets eine Frage des Einzelfalls.313 Eine wesentliche Hilfe bei der Auslegung der verschiedenen Tatbestandsmerkmale bilden die Merkblätter der BaFin, welchen aufgrund des Vorrangs und Vorbehalts des Gesetzes nach Art. 20 Abs. 3 GG zwar keine rechtliche, jedoch eine faktische Außenwirkung zukommt, weil sie die Verwaltung im Innenverhältnis binden.314 1. Einordnung der Geschäftsmodelle Schwerpunktmäßig unterfallen die Geschäftsmodelle der Robo-Advisor den Finanzdienstleistungstatbeständen des § 1 Abs. 1a S. 2 KWG. Im Einzelfall kommt aber auch eine Subsumtion unter andere regulierte Tätigkeiten in Betracht. a) Finanzdienstleistungen aa) Finanzportfolioverwaltung Gem. § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 3 KWG betreibt Finanzportfolioverwaltung, wer einzelne in Finanzinstrumenten angelegte Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum verwaltet. Die Begriffe Vermögensverwaltung und Finanzportfoliover310
Madel, Robo Advice (2019), S. 121 f. Madel, Robo Advice (2019), S. 122. 312 Rauch/Lebeau/Thiele, RdF 2017, 227. 313 Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1967). 314 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 56 mit Fn. 54. 311
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waltung können grundsätzlich sinngleich verwendet werden, da es sich bei der Vermögensverwaltung um den wichtigsten Anwendungsfall der Finanzportfolioverwaltung handelt.315 Das entscheidende Abgrenzungsmerkmal der Finanzportfolioverwaltung vor allem zur Anlageberatung stellt der Spielraum hinsichtlich der Anlageentscheidung dar.316 Die Dispositionsbefugnis muss für eine gewisse Dauer bestehen, bloß einmalige Vorgänge sind nicht ausreichend.317 Die Formulierung auf dem Merkblatt der BaFin zur Finanzportfolioverwaltung, dass ein auf Dauer angelegtes Mandat des Vermögensverwalters nicht zwingend erforderlich ist, so dass auch eine einmalige Verwaltungstätigkeit den Tatbestand erfüllen kann318, darf dabei nicht falsch verstanden werden. Schon aus dem Begriff „Verwaltung“ selbst ergibt sich, dass dieser immer ein gewisses Zeitmoment innewohnt319, und dass sie sich niemals in einer einzelnen Anlageaktion erschöpfen kann. Die einmalige Umsetzung eines Musterportfolios durch einen Robo-Advisor stellt damit noch keine Vermögensverwaltung dar, sondern erfüllt je nach den Umständen des Einzelfalls allenfalls den Tatbestand der Anlageberatung. Von einer Verwaltung kann erst dann gesprochen werden, wenn zumindest für einen gewissen Zeitraum die Möglichkeit des Verwalters besteht, das angelegte oder anzulegende Vermögen frei umzuschichten.320 Die nötige Dispositionsbefugnis ist außerdem zu verneinen, wenn der Kunde hinsichtlich der Anlage oder der Umschichtung über einen Zustimmungsvorbehalt verfügt.321 Ein Entscheidungsermessen ist aber zu bejahen, wenn dem Kunden lediglich ein Vetorecht zusteht, der Robo-Advisor aber so lange rechtsverbindliche Anlageentscheidungen treffen kann, bis der Kunde widerspricht.322 315 Baumanns, BKR 2016, 366 (369); Kumpan, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, § 2 WpHG, Rn. 131. 316 Baumanns, BKR 2016, 366 (369); Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (795); Oppenheim/ Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1967). 317 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 28, 215; Oppenheim/LangeHausstein, WM 2016, 1966 (1967); Sprockhoff, WM 2005, 1739; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/ Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 7; Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 111 Rn. 1. 318 BaFin, Hinweise zum Tatbestand der Finanzportfolioverwaltung (2018), abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_091208_tatbestand_finanz portfolioverwaltung.html. 319 BaFin, Hinweise zum Tatbestand der Finanzportfolioverwaltung (2018), abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_091208_tatbestand_finanz portfolioverwaltung.html. 320 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 78. 321 BaFin, Hinweise zum Tatbestand der Finanzportfolioverwaltung (2018), abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_091208_tatbestand_finanz portfolioverwaltung.html; Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 55. 322 BaFin, Hinweise zum Tatbestand der Finanzportfolioverwaltung (2018), abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_091208_tatbestand_finanz portfolioverwaltung.html.
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Somit handelt es sich bei sämtlichen Robo-Advisorn, die ein Full-Service-Geschäftsmodell anbieten, d. h. sowohl im Rahmen der erstmaligen Anlage als auch im Rahmen des folgenden Rebalancings über freie Entscheidungsmacht verfügen,323 um Finanzportfolioverwalter i. S. d. § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 3 KWG.324 Nicht erheblich ist, ob es sich um einen hybriden Robo-Advisor handelt325, weil es für die Beurteilung nicht darauf ankommt, ob die Anlageentscheidung durch einen Menschen oder durch ein Programm gefällt wird.326 Ebenfalls unschädlich ist, dass das Entscheidungsermessen aufgrund der Auswahl eines Musterportfolios bzw. eines Risikomaßes eingeschränkt ist. Die Vereinbarung von Anlagerichtlinien schließt die Qualifikation als Vermögensverwaltung nicht aus.327 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Anlagerichtlinien so eng ausgestaltet sind, dass das Ermessen auf null reduziert ist.328 Die Verwaltung des Vermögens für andere kann sich im Wege der Vollmachtsverwaltung oder der Treuhandverwaltung vollziehen.329 Bei der Vollmachtsverwaltung werden die im Eigentum des Kunden stehenden Wertpapiere von einer Depotbank in einem Depot verwahrt.330 Der Kunde erteilt dem Vermögensverwalter die Vollmacht, über die im Depot befindlichen Wertpapiere im Namen des Kunden zu verfügen, während das Eigentum stets beim Kunden verbleibt.331 Im Rahmen des Treuhandmodells überträgt der Kunde sein Eigentum auf den Vermögensverwalter, welcher sodann als Treuhänder im eigenen Namen, aber mit wirtschaftlicher Wirkung für den Kunden über die Wertpapiere verfügt.332 Aus Sicht eines Robo-AdviceAnbieters problematisch ist das Treuhandmodell deswegen, weil es gegebenenfalls eine Erlaubnis zur Erbringung von Bankgeschäften in Form des Einlagegeschäfts gem. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG und des Depotgeschäfts gem. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 KWG erfordert.333 Es konnte kein derzeit am Markt tätiger Robo-Advisor identifiziert werden, der nach dem Treuhandmodell vorgeht.334 323
Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 1 B. IV. So auch Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 54. 325 Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 1 B. 326 Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1967 f.). 327 Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 16. 328 Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 47; Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 55; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (796). 329 Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (796); Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 7. 330 Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 7. 331 Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 7. 332 Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 7. 333 Dazu statt vieler Sethe, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 5 Rn. 14 ff. und 33 ff. Siehe auch Begründung des Regierungsentwurfs zur Sechsten KWG-Novelle, BT-Drs. 13/7142, 66. 334 Zum gleichen Ergebnis gelangen Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (796) und Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 48. 324
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Auch die übrigen Tatbestandsmerkmale, die Verwaltung einzelner Vermögen und die Anlage in Finanzinstrumente, werden von Full-Service-Robo-Advisorn erfüllt. Die Verwaltung einzelner Vermögen ist gegeben, wenn die Verwaltung auf Einzelkundenbasis erfolgt, wobei die Zusammenfassung verschiedener Kundenvermögen in einem Portfolio unschädlich ist.335 Wesentlich ist, dass es sich nicht um eine Form der kollektiven Vermögensverwaltung, d. h. eine Disposition über das Vermögen einer Gemeinschaft von Anlegern im Rahmen eines „Produkts“ handelt.336 Bei der Robo-Advice erfolgt zwar unter Umständen eine standardisierte Verwaltung der Vermögen all derjenigen Kunden, welche über die gleiche Risikoklasse verfügen, dies stellt aber keine kollektive Verwaltung des gesamten Vermögens dieser Kundengruppe dar.337 Vielmehr bleiben die Vermögenswerte der einzelnen Kunden in ihren Depots diesen während der gesamten Zeit der Verwaltung individuell zugeordnet.338 Ändern sich die persönlichen Verhältnisse des Anlegers, so wird auch seine Anlagestrategie entsprechend angepasst.339 Die Definition von Finanzinstrumenten findet sich in § 1 Abs. 11 KWG. Danach sind sowohl die von Robo-Advisorn üblicherweise als Investitionsvehikel verwendeten ETFs340 als Anteile an Investmentvermögen gem. § 1 Abs. 11 Nr. 5 KWG i. V. m. § 1 Abs. 1 Kapitalanlagegesetzbuch (im Folgenden: KAGB)341 erfasst als auch Einzeltitel wie Aktien und andere Anleihen gem. § 1 Abs. 11 Nr. 1 KWG, in welche Robo-Advisor mit einer aktiven Anlagestrategie342 unter anderem investieren. Wie sich aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 3 KWG ergibt, setzt der Tatbestand der Vermögensverwaltung nicht voraus, dass sich das jeweilige Portfolio ausschließlich aus Finanzinstrumenten zusammensetzt.343 Ausreichend ist es viel-
335 Begründung des Regierungsentwurfs zur Sechsten KWG-Novelle, BT-Drs. 13/7142, 65; Schäfer, F., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 1 KWG, Rn. 159. 336 Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 12. 337 So auch Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 52 und Madel, Robo Advice (2019), S. 109 ff. 338 Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 52; Madel, Robo Advice (2019), S. 109 ff. 339 Madel, Robo Advice (2019), S. 110. 340 Harrer, Exchange Traded Funds (ETFs) (2016), S. 175; Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 1 Rn. 26; Madel, Robo Advice (2019), S. 92. Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 1 B. I. 341 Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) vom 4. Juli 2013, BGBl. I S. 1981, zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 19. März 2020, BGBl. I S. 529. 342 Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 1 B. IV. 343 BaFin, Hinweise zum Tatbestand der Finanzportfolioverwaltung (2018), abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_091208_tatbestand_finanz portfolioverwaltung.html.
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mehr, wenn neben anderen Vermögensgegenständen eine Anlage auch in Finanzinstrumente gem. § 1 Abs. 11 KWG erfolgt.344 Handelt es sich bei dem Anbieter der Robo-Advice ohnehin um ein Kreditinstitut mit entsprechender Banklizenz, ist die Einholung einer zusätzlichen Erlaubnis zur Erbringung von Finanzdienstleistungen nicht erforderlich.345 Die Qualifikation eines Instituts als Finanzdienstleistungsinstitut ist subsidiär zur Qualifikation als Kreditinstitut.346 Dies ergibt sich sowohl aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 1 Abs. 1 KWG und § 1 Abs. 1a KWG347 als auch aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1a S. 1 KWG, nach dem Finanzdienstleistungsinstitute nur solche Unternehmen sind, die keine Kreditinstitute sind. bb) Anlageberatung Die Anlageberatung gem. § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1a KWG umfasst die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird. Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Robo-Advisorn muss bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der persönlichen Empfehlung sowohl dem Element „persönlich“ als auch dem Element „Empfehlung“ gesonderte Beachtung geschenkt werden. Zunächst ist festzustellen, dass aus der Bezeichnung der Empfehlung als „persönlich“ nicht geschlossen werden kann, dass diese nur durch einen menschlichen Berater erfolgen kann. „Persönlich“ bezieht sich nicht auf die Person des Beraters, sondern auf die des Kunden und ist im Sinne einer individuellen im Gegensatz zu einer kollektiven Empfehlung zu verstehen. Eine individuelle Empfehlung kann grundsätzlich auch von einem Robo-Advisor abgegeben werden.348 Hinsichtlich des Elements der „Empfehlung“ existieren im Wesentlichen zwei Definitionsansätze. Nach einer Definition liegt eine Empfehlung vor, wenn das 344 BaFin, Hinweise zum Tatbestand der Finanzportfolioverwaltung (2018), abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_091208_tatbestand_finanz portfolioverwaltung.html. 345 Begründung des Regierungsentwurfs zur Sechsten KWG-Novelle, BT-Drs. 13/7142, 66; Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 49; Schäfer, F., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 1 KWG, Rn. 129. 346 Begründung des Regierungsentwurfs zur Sechsten KWG-Novelle, BT-Drs. 13/7142, 65; Schäfer, F., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 1 KWG, Rn. 129. 347 Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 49. 348 So auch Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 25.
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Ergreifen einer bestimmten Handlung als im Interesse des Empfehlungsempfängers liegend bezeichnet wird.349 Weiterhin wird eine Empfehlung aber auch definiert als der Vorschlag zu einer bestimmten Handlung, die der Empfehlende vornehmen würde, wenn er an der Stelle des Empfehlungsempfängers stünde.350 Insbesondere in Hinblick auf diesen zweiten Definitionsansatz wirft Linardatos die Frage auf, ob ein Robo-Advisor als bloßer Algorithmus überhaupt dazu in der Lage ist, einen Anlagerat zu erteilen, oder ob dies nicht Selbstreflexion und ein Verständnis dessen voraussetzt, was existentielle Ängste und wirtschaftlicher Verlust bedeuten.351 Eine Antwort auf diese Frage findet auch Linardatos nicht. Vielmehr geht er davon aus, dass es darauf gar nicht ankommt, weil entscheidend nicht die Perspektive des RoboAdvisors, sondern diejenige des Menschen sei.352 Das Vorliegen eines Anlagerats sei dann zu bejahen, wenn der Kunde aufgrund mangelnder Erfahrung mit dem Finanzmarkt besonders schutzwürdig ist oder wenn beim Kunden aufgrund der Interaktion mit dem Robo-Advisor der besondere Vertrauenstatbestand entsteht, dass ihm eine persönliche Empfehlung erteilt werde.353 Auch Oppenheim/Lange-Hausstein und Madel gehen davon aus, dass die Perspektive des Kunden für die Qualifikation einer Äußerung als „Empfehlung“ entscheidend ist.354 Diese Sicht ist aber abzulehnen, weil sie die Prüfung des Tatbestandsmerkmals der „Empfehlung“ mit der Prüfung des Tatbestandsmerkmals „Darstellung der Empfehlung als geeignet“ vermischt. Ob eine Empfehlung vorliegt, ist weder aus Sicht des Robo-Advisors noch aus Sicht des Kunden zu beurteilen, sondern objektiv. Dabei muss die Empfehlung von der bloßen Information abgegrenzt werden.355 Im Gegensatz zu dieser enthält die Empfehlung nicht nur eine neutrale Beschreibung der Eigenschaften eines Geschäfts, sondern einen konkreten Anlagevorschlag und ein wertendes Urteil.356 349 Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung (2019), S. 1, Nr. 2, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_110513_anlagebera tung_neu.html; Kumpan, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, § 2 WpHG, Rn. 154; Nathmann, FinTech (2019), S. 98; Schäfer, F., in: Boos/ Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 1 KWG, Rn. 143. 350 Balzer, ZBB 2007, 333 (335); Veil, ZBB 2008, 34 (36). 351 Linardatos, InTeR 2017, 216 (217). 352 Linardatos, InTeR 2017, 216 (217). 353 Linardatos, InTeR 2017, 216 (217); Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 24. 354 Madel, Robo Advice (2019), S. 85; Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1967 f.). Aus EU-rechtlicher Perspektive auch Maume, ECFR 2019, 622 (631). 355 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 13; Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung (2019), S. 1, Nr. 2, abrufbar unter: www. bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_110513_anlageberatung_neu.html; Nathmann, FinTech (2019), S. 98 f. 356 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 13.
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Unabhängig davon, welche der beiden Definitionsansätze man heranzieht, handelt es sich bei dem Anlagevorschlag, den ein Robo-Advisor nach dem Ausfüllen des Fragebogens durch den Kunden ausgibt, um eine Empfehlung i. S. d. § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1a KWG. Die vom Robo-Advisor erstellte Handlungsempfehlung hinsichtlich der Zusammenstellung eines Portfolios geht über eine bloße Beschreibung der Anlage hinaus und enthält ein Werturteil dahingehend, dass gerade dieses Portfolio zu der für den Kunden ermittelten Risikoklasse passt und mithin eine Anlage in dieser Form in seinem Interesse liegt. Auch in Anbetracht des zweiten Definitionsansatzes muss eine Empfehlung bejaht werden, weil ein Robo-Advisor nicht weniger als ein Mensch dazu in der Lage ist, ein Urteil dahingehend abzugeben, wie er handeln würde, wenn er sich in der Situation des Empfehlungsempfängers befinden würde. Selbst ein menschlicher Berater kann sich nicht problemlos in die Situation eines anderen hineinversetzen, weil er nicht über das gleiche Risikoprofil verfügt und daher nur anhand von Kennzahlen objektiv beurteilen kann, wie schwer ein Verlust für den Anleger im Einzelfall wiegt. Ebenso wie ein Robo-Advisor kann der menschliche Berater nur mittels der ihm präsentierten Daten einen Anlagerat erteilen. Dass der Robo-Advisor kein tieferes Verständnis von der Bedeutung wirtschaftlicher Verluste und existentieller Ängste hat, kann ihm bei der Erteilung eines Anlagerats sogar zum Vorteil gereichen. Emotionen erschweren rationale Entscheidungen und führen zu kognitiven Verzerrungen.357 Zudem ist mit Blick auf die aufgeführten Regelungsziele im Zweifel eher von der Abgabe einer Empfehlung auszugehen als diese abzulehnen, weil mit der Erlaubnispflicht erhebliche für den Anlegerschutz und den Funktionsschutz relevante Pflichten einhergehen.358 Des Weiteren muss sich die Empfehlung auf bestimmte Finanzinstrumente i. S. d. § 1 Abs. 11 KWG beziehen. Hinsichtlich der Subsumtion unter den Begriff der Finanzinstrumente ergeben sich im Vergleich zur Finanzportfolioverwaltung durch Robo-Advisor keine Besonderheiten. Weiterhin erforderlich ist, dass es sich bei den empfohlenen Finanzinstrumenten um „bestimmte“ handelt, dass also das jeweilige Finanzinstrument genau bezeichnet wird.359 Dies ist etwa der Fall, wenn die Wertpapier-Identifikationsnummer (ISIN) genannt wird.360 Entscheidend ist, dass der Anlagerat nicht nur die Struktur des Portfolios erläutert, sondern konkret angibt,
357 358
Rn. 9.
Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 1. a). Vgl. Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3
359 BaFin, Robo-Advice und Auto-Trading – Plattformern zur automatisierten Anlageberatung und automatischem Trading (2016), abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Aufsicht/FinTech/ Anlageberatung/anlageberatung_node.html; Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 27. 360 BaFin, Robo-Advice und Auto-Trading – Plattformern zur automatisierten Anlageberatung und automatischem Trading (2016), abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Aufsicht/FinTech/ Anlageberatung/anlageberatung_node.html; Baumanns, BKR 2016, 366 (369).
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welche Finanzinstrumente in welcher Anzahl erworben werden sollten.361 Keine Anlageberatung betreiben demnach Plattformen, welche die Strukturierung eines Musterportfolios nur in Prozentwerten verschiedener Anlageklassen oder Branchen angeben (z. B. 30 % Renten, 10 % Liquidität, 60 % Aktien).362 Erfolgt die Empfehlung jedoch dergestalt, dass zunächst nur entsprechende Prozentwerte angegeben werden, aber nach einer Registrierung ein konkreter Anlagerat erfolgt, ist dies unschädlich.363 Entscheidend ist nicht, welche Zwischenschritte vorgenommen werden, sondern ob am Ende des Prozesses eine bestimmte Empfehlung abgegeben wird.364 Werden dem Kunden nach Beantwortung des Online-Fragebogens mehrere Anlagevorschläge angezeigt, ist dies unschädlich, sofern sie sich nur jeweils auf bestimmte Finanzinstrumente beziehen.365 Außerdem muss die Empfehlung gegenüber dem Kunden oder seinem Vertreter abgegeben werden. In Bezug auf die Anlageberatung durch Robo-Advisor ergeben sich diesbezüglich keine Besonderheiten. Besonderes Gewicht erlangen im Rahmen des Einsatzes von Robo-Advisorn die Tatbestandsalternativen des Stützens der Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers oder der Darstellung der Empfehlung als für ihn geeignet. An dieser Stelle zeigt sich, weshalb es nicht schon im Rahmen der Prüfung des Tatbestandsmerkmals „Empfehlung“ auf die Sicht des Kunden ankommen kann. Zum einen spricht der Gesetzeswortlaut nur hier ausdrücklich von einer „Darstellung als geeignet“, d. h. es kann auch nur hier auf das subjektive Empfinden des Kunden ankommen. Zum anderen ist dieses subjektiv zu beurteilende Tatbestandsmerkmal alternativ zum objektiv zu beurteilenden Tatbestandsmerkmal des Stützens der Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände ausgestaltet. Hat der RoboAdvisor eine Prüfung der persönlichen Umstände vorgenommen und seine Empfehlung darauf gestützt – eine Tatsache, die sich durch Analyse des Algorithmus nachvollziehen lässt – kommt es auf die Sicht des Kunden gar nicht an. Eine mit Unsicherheiten behaftete Prüfung der subjektiven Sicht des Kunden kann dann unterbleiben.
361 BaFin, Robo-Advice und Auto-Trading – Plattformern zur automatisierten Anlageberatung und automatischem Trading (2016), abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Aufsicht/FinTech/ Anlageberatung/anlageberatung_node.html. 362 BaFin, Robo-Advice und Auto-Trading – Plattformern zur automatisierten Anlageberatung und automatischem Trading (2016), abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Aufsicht/FinTech/ Anlageberatung/anlageberatung_node.html; Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 36. 363 Madel, Robo Advice (2019), S. 93. 364 Madel, Robo Advice (2019), S. 93. 365 Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung (2019), S. 2, Nr. 2, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_110513_anlagebera tung_neu.html; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (795).
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Die Tatbestandsalternative des Stützens der Empfehlung auf die persönlichen Umstände erfordert, dass der Robo-Advisor die vom Kunden erhaltenen Informationen bezüglich seiner persönlichen Umstände auch tatsächlich bei seiner Empfehlung berücksichtigt.366 Das bedeutet, dass der Programmcode des Robo-Advisors so ausgestaltet sein muss, dass die vom Kunden abgegebene Kombination an Antworten einen unmittelbaren Einfluss auf die ausgegebene Anlageempfehlung hat. Was unter persönlichen Umständen zu verstehen ist, lässt sich weder dem KWG noch dem WpHG entnehmen. Auch Art. 9 DelVO-2017/565 spricht nur von den „Verhältnissen der betreffenden Person“ und schafft daher keine Klarheit.367 Nach BaFin und Deutscher Bundesbank ist bereits ausreichend, dass der Kunde den RoboAdvisor in allgemeiner Form über seine finanzielle Situation unterrichtet.368 Stützt der Robo-Advisor seine Empfehlung allein auf Aspekte wie die Anlagesumme, die Anlagedauer und die Risikoneigung des Kunden, ist dieses Tatbestandsmerkmal noch nicht erfüllt, weil sich diese Informationen nicht unmittelbar auf die finanzielle Situation des Kunden beziehen, sondern nur auf seine Anlagepräferenzen.369 Die finanzielle Situation des Kunden wird erst dann erfasst, wenn der Robo-Advisor zusätzlich noch Informationen zum Einkommen, zu Kreditverpflichtungen, zum Konsumverhalten, zur Sparquote etc. verwertet.370 Für die zweite Tatbestandsalternative der Darstellung der Empfehlung als für den Anleger geeignet genügt es, wenn der Robo-Advisor zurechenbar den Anschein setzt, dass die persönlichen Umstände des Anlegers berücksichtigt wurden.371 Dies ist dann der Fall, wenn der Kunde davon ausgehen kann, dass seine persönlichen Umstände bei der Generierung des Anlagerats eine Rolle gespielt haben. Ob dies der Fall ist, wird durch eine Bewertung verschiedener Indizien ermittelt. Die Annahme der Berücksichtigung der persönlichen Umstände kann sich etwa daraus ergeben, dass die im Rahmen der Online-Befragung eingeholten Informationen sich explizit auf die finanzielle Situation des Kunden beziehen.372 Ob sie zur Ermittlung der Empfehlung vom Algorithmus tatsächlich auch verwendet wurden, ist unerheblich. 366 Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung (2019), S. 3, Nr. 4, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_110513_anlagebera tung_neu.html. 367 Baumanns, BKR 2016, 366 (370); Madel, Robo Advice (2019), S. 87. 368 Baumanns, BKR 2016, 366 (370); Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung (2019), S. 3, Nr. 4, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merk blatt/dl_mb_110513_anlageberatung_neu.html. 369 Baumanns, BKR 2016, 366 (370). 370 Baumanns, BKR 2016, 366 (370). 371 Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung (2019), S. 4, Nr. 4, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_110513_anlagebera tung_neu.html. 372 Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (795).
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Ein entsprechender Anschein kann aber auch dadurch entstehen, dass auf der Internetseite des Robo-Advisors Aussagen zu finden sind wie: „Diese Investmentvermögen entsprechen Ihren Investitions- und Risikoneigungen“ oder „Aufgrund Ihrer Angaben sind folgende Finanzinstrumente (möglicherweise) für Sie interessant.“373 Auf die Frage, ob das Entstehen eines solchen Anscheins durch entsprechende Disclaimer und Warnhinweise verhindert werden kann, wird im Folgenden noch eingegangen.374 Schließlich stellt sich die Frage, ob die Ausgabe der Empfehlung über das Internet unter das negative Tatbestandsmerkmal der nicht ausschließlichen Bekanntgabe über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit fällt.375 Laut BaFin und Deutscher Bundesbank wird dieses Tatbestandsmerkmal dann erfüllt, wenn die Form der Bekanntgabe geeignet und bestimmt ist, die Allgemeinheit und damit einen individuell nicht bestimmbaren Personenkreis zu adressieren, wovon neben einer Bekanntgabe in der Presse, in Hörfunk und Fernsehen sowie auf öffentlichen Veranstaltungen ausdrücklich auch eine Bekanntgabe der Ratschläge im Internet erfasst wird.376 Die Abgabe von Empfehlungen durch Robo-Advisor im Internet fällt aus dreierlei Gründen dennoch nicht unter dieses negative Tatbestandsmerkmal. Zum einen ist die Empfehlung des Robo-Advisors zwar im Internet abrufbar, sie richtet sich aber nicht an die Allgemeinheit als einen individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, weil sie stets von der individuellen Antwort-Kombination des einzelnen Kunden abhängt.377 Auch diejenigen Personen, welche aufgrund der gleichen Antwort-Kombination die gleiche Empfehlung erhalten, stellen keine „Allgemeinheit“ dar, weil sie sich über eben diese Antwort-Kombination identifizieren und bestimmen lassen. Ein Blick auf die anderen Medien, welche BaFin und Deutsche Bundesbank als Beispiele für eine Bekanntgabe an die Allgemeinheit heranziehen, ergibt zum anderen, dass ihre Gemeinsamkeit darin liegt, dass sie die Möglichkeit einer Beeinflussung der Empfehlung durch die Angabe persönlicher Umstände des Kunden ausschließen.378 Daraus ergibt sich, dass auch die Bekanntgabe der Empfehlung im Internet sich nur auf Fälle beziehen soll, in denen Ratschläge ohne jeglichen individuellen Bezug im 373 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 68. 374 Siehe unten Teil 3 Kap. 2 § 2 A. II. 2. 375 Baumanns, BKR 2016, 366 (370). Aus EU-rechtlicher Perspektive Maume, ECFR 2019, 622 (631). 376 Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung (2019), S. 4, Nr. 5, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_110513_anlagebera tung_neu.html. 377 Ähnlich Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 40. 378 Vgl. Baumanns, BKR 2016, 366 (371) die insoweit vom „Fehlen eines interaktiven Elements“ spricht. Ähnlich Madel, Robo Advice (2019), S. 98.
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Internet veröffentlicht werden. Außerdem kann eine Bekanntgabe über das Internet schon deswegen nicht als Ausschlusskriterium für das Betreiben von Anlageberatung gelten, weil die DelVO-2017/565 in ihrem Erwägungsgrund 14 ausdrücklich darauf hinweist, dass auch eine Empfehlung, die ausschließlich über das Internet abgegeben wird, eine persönliche Empfehlung darstellen kann. Ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Anlageberatung, das in der Abgrenzung zur Finanzportfolioverwaltung Relevanz erlangt, ist die fehlende Dispositionsbefugnis hinsichtlich des angelegten oder anzulegenden Vermögens des Kunden.379 Ein anlageberatender Robo-Advisor gibt deshalb am Ende der OnlineBefragung zwar einen hinsichtlich der Anlage in bestimmte Finanzinstrumente konkreten Anlagevorschlag aus, die tatsächliche Umsetzung dieses Vorschlags muss aber vom Kunden selbst vorgenommen werden oder dieser muss zumindest zustimmen. Die Beratungsleistung des Anlageberaters besteht nur darin, dem Kunden eine Entscheidungsgrundlage zu bieten.380 Anlageberatung wird mithin vor allem von denjenigen Robo-Advisorn betrieben, welche ein Half-Service- oder ein SelfService-Geschäftsmodell verfolgen. Beim Half-Service-Geschäftsmodell muss der Kunde sowohl vor Umsetzung der erstmaligen Anlageempfehlung als auch im Rahmen des Rebalancings vor jeder einzelnen Umschichtung zustimmen.381 Beim Self-Service-Geschäftsmodell erhält der Kunde eine einmalige Anlageempfehlung und muss die Umsetzung in ein tatsächliches Portfolio vollkommen selbständig vornehmen.382 cc) Anlagevermittlung und Abschlussvermittlung Die Anlagevermittlung stellt gem. § 1 Abs. 1a Nr. 1 KWG die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten dar. Unter der Abschlussvermittlung ist gem. § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 2 KWG die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten in fremdem Namen für fremde Rechnung zu verstehen. Die Abgrenzung zur Anlageberatung erfolgt danach, ob Kapitalanlagen dem Kunden nur vermittelt, oder ob sie ihm empfohlen werden.383 Sowohl die BaFin384 als auch diverse Literaturstimmen385 fassen unter den Begriff 379 Herresthal, in: MüKo-HGB (2019), Vermögensverwaltung, Rn. 1; Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 46 f.; Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 53; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (797); Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1967 f.); Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 10. 380 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 28. 381 Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 1 B. IV. 382 Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 1 B. III. 383 Siol, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 45 Rn. 3 f. 384 BaFin, Robo-Advice und Auto-Trading – Plattformern zur automatisierten Anlageberatung und automatischem Trading (2016), abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Aufsicht/FinTech/ Anlageberatung/anlageberatung_node.html.
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des Robo-Advisors auch solche Geschäftsmodelle, welche die Vermittlung von Geschäften über Finanzinstrumente bzw. die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten in fremdem Namen und für fremde Rechnung zum Gegenstand haben. Nach dem dieser Arbeit zugrunde gelegten Begriffsverständnis von einem RoboAdvisor stellt dessen wesentliche Eigenschaft aber die automatisierte Erteilung von Anlagerat oder die automatisierte Erbringung von Vermögensverwaltung dar.386 Reine Vermittlungstätigkeiten sind davon nicht erfasst. Dem Begriff Robo-Advisor ist das Erbringen einer Beratungstätigkeit immanent. Da der Begriff Robo-Advisor deshalb auch bei potenziellen Kunden den Eindruck der Erbringung einer Beratung hervorruft, gestaltet es sich schwierig, auch reine Vermittlungstätigkeiten darunter zu fassen. Die Tatbestände der Anlage- und Abschlussvermittlung sind deshalb beim Einsatz eines Robo-Advisors nicht erfüllt. Zudem ergeben sich aus der automatisierten Vermittlung kaum Unterschiede zur Vermittlung durch einen Menschen, weshalb die Automatisierung keinen rechtlichen Besonderheiten begegnet. b) Sonstige regulierte Tätigkeiten Neben den üblichen Beratungs- und Verwaltungstätigkeiten bieten vor allem größere Robo-Advisor mitunter noch andere Dienstleistungen an. Die sie betreibenden Wertpapierdienstleistungsunternehmen unterfallen damit ungewollt zusätzlichen Erlaubnispflichten. Dies gilt zunächst für das unbeabsichtigte Erbringen von Bankgeschäften gem. § 1 Abs. 1 S. 2 KWG. Darunter fallen die bereits oben erwähnten Einlagengeschäfte nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG und Depotgeschäfte nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 KWG. Dies gilt vor allem aber für das ungewollte Erbringen von Zahlungsdiensten, welches eine Erlaubnispflicht nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (im Folgenden: ZAG) nach sich zieht.387 So führt oftmals schon die alleinige Annahme und Weiterleitung von Kundengeldern durch den Robo-Advisor zur Erfüllung des Tatbestands des erlaubnispflichtigen Finanztransfergeschäfts nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 6
385 Baumanns, BKR 2016, 366 (372); Bitter, in: Hoeren/Sieber/Holznagel (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Stand Oktober 2019, Teil 15.4 Rn. 61; Linardatos, InTeR 2017, 216 (217); Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 56 ff.; Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 89; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (796 f.); Oppenheim/LangeHausstein, WM 2016, 1966 (1967 f.); Spindler, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 13 Rn. 32 f. Anders Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 1 und Madel, Robo Advice (2019), S. 102 ff. 386 Siehe oben Teil 2 Kap. 1 § 1. 387 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 94.
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ZAG.388 Bei einem Finanztransfergeschäft handelt es sich gem. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 ZAG um Dienste, bei denen ohne Einrichtung eines Zahlungskontos auf den Namen eines Zahlers oder eines Zahlungsempfängers ein Geldbetrag des Zahlers nur zur Übermittlung eines entsprechenden Betrags an den Zahlungsempfänger oder an einen anderen, im Namen des Zahlungsempfängers handelnden Zahlungsdienstleister entgegengenommen wird oder bei dem der Geldbetrag im Namen des Zahlungsempfängers entgegengenommen und diesem verfügbar gemacht wird. Um zu vermeiden, neben einer Erlaubnispflicht nach dem KWG auch noch in eine Erlaubnispflicht nach dem ZAG zu geraten, sind viele Robo-Advice-Unternehmen dazu übergegangen, mit entsprechend lizensierten Zahlungsdienstleistern oder Banken zu kooperieren, über welche sie die jeweiligen Zahlungsströme leiten können.389 2. Erforderlicher Umfang der Geschäfte Die Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG setzt voraus, dass die Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbracht werden, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn der Betrieb auf eine gewisse Dauer angelegt ist und mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird.390 Die zweite Alternative setzt voraus, dass die Geschäfte in einem Umfang erbracht werden, der objektiv eine kaufmännische Organisation erfordert.391 Der Betrieb der typischen Robo-Advisor ist stets auf Dauer angelegt und erfolgt mit Gewinnerzielungsabsicht, so dass es auf die zweite Tatbestandsalternative regelmäßig nicht ankommt.392 3. Beschränkung auf Inlandsaktivitäten Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG ist die Erlaubnispflicht außerdem auf solche Geschäfte beschränkt, welche im Inland be-
388
Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 95. 389 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 42. 390 BaFin, Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Erbringen von Finanzdienstleistungen gemäß § 32 Absatz 1 KWG (2018), abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Down loads/DE/Merkblatt/WA/dl_fidierlaubnis_buba.html. 391 BaFin, Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Erbringen von Finanzdienstleistungen gemäß § 32 Absatz 1 KWG (2018), abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Down loads/DE/Merkblatt/WA/dl_fidierlaubnis_buba.html. 392 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 111.
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trieben werden.393 Ein Geschäftsbetrieb im Inland liegt unstreitig dann vor, wenn sich der Sitz, eine Zweigniederlassung, ein Betriebsteil oder eine sonstige physische Präsenz des Unternehmens im Inland befindet.394 Hinsichtlich der Zweigstelle eines ausländischen Unternehmens ist in § 53 Abs. 1 KWG ausdrücklich geregelt, dass diese als Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut gilt. Für Dienstleistungen, die wie die Robo-Advice über das Internet angeboten werden, ist vor allem von Bedeutung, ob auch eine grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit ohne physische Präsenz im Inland der Erlaubnispflicht unterliegt, denn nicht alle Robo-Advice-Unternehmen, die ihre Dienstleistungen auf dem deutschen Markt anbieten, verfügen auch über einen Sitz, eine Zweigniederlassung oder eine ähnliche Stelle in Deutschland.395 a) Grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung aus anderen EWR-Staaten Eine Erlaubnispflicht liegt unzweifelhaft nicht vor, wenn das Robo-AdviceUnternehmen über einen sog. „Europäischen Pass“ verfügt. Nach § 53b Abs. 1 S. 1 KWG darf ein CRR-Kreditinstitut396 oder ein Wertpapierhandelsunternehmen mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (im Folgenden: EWR) ohne Erlaubnis durch die Aufsichtsbehörde unter anderem im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs im Inland Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen, wenn das Unternehmen von den zuständigen Stellen seines Herkunftsmitgliedstaates zugelassen worden ist, die Geschäfte von der Zulassung abgedeckt sind und das Unternehmen von den zuständigen Stellen nach Maßgabe der Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union beaufsichtigt wird. Bei Wertpapierhandelsunternehmen handelt es sich gem. § 1 Abs. 3d S. 4 KWG um Institute, die keine CRR-Kreditinstitute sind und die Bankgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 oder 10 KWG betreiben oder Finanzdienstleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1 bis 4 KWG erbringen, es sei denn, die Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beschränken sich auf Devisen oder Rechnungseinheiten. Damit fallen sämtliche oben dargestellte Finanzdienstleistungstat393
Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 56. 394 Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 56; Fischer, R./Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 32 KWG, Rn. 18; Samm, in: Beck (Begr.)/Samm/Kokemoor (Hrsg.), KWG, Stand Februar 2020, § 32 Rn. 26; Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 32 KWG, Rn. 7. 395 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 121. 396 Bei einem CRR-Kreditinstitut handelt es sich um ein Unternehmen, das nach der Capital Requirements Regulation (Verordnung (EU) Nr. 575/2013 der Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012, ABl. L 176 vom 27. 6. 2013, S. 1 ff.) ein Kreditinstitut darstellt.
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bestände, die von Robo-Advisorn erfüllt werden, unter den Begriff des Wertpapierhandelsunternehmens. Für die Betreiber von Robo-Advisorn bedeutet dies, dass sie dann keiner Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG bedürfen, wenn das Unternehmen seinen Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums hat und in diesem Staat über eine entsprechende Erlaubnis verfügt. b) Grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung aus Drittstaaten Problematischer stellt sich die Situation dagegen dar, wenn der Betreiber des Robo-Advisors ohne physische Präsenz im Inland grenzüberschreitend tätig wird und seinen Sitz in einem Staat außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes hat. Zum Umgang mit dieser Situation werden im Wesentlichen zwei Ansätze vertreten. Nach der früher einhellig und heute noch teilweise vertretenen institutsbezogenen Auslegung des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG setzt eine Erlaubnispflicht stets auch eine physische Präsenz im Inland voraus.397 Die Rechtsprechung folgt dagegen heute überwiegend der Verwaltungspraxis der BaFin und vertritt einen vertriebsbezogenen Ansatz.398 In der Literatur stellt sich das Meinungsbild uneinheitlich dar.399 Nach dem vertriebsbezogenen Ansatz ist immer dann von einer Erlaubnispflicht auszugehen, wenn ein ausländisches Unternehmen beabsichtigt, sich in Deutschland zielgerichtet an den Markt zu wenden, um gegenüber Unternehmen und/oder Personen, die ihren Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wiederholt und geschäftsmäßig Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen anzubieten.400 Die Zielrichtung auf den deutschen Markt wird bei Online-Angeboten im Wesentlichen 397 Dem institutsbezogenen Ansatz folgen u. a. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 15. 1. 1986 – 16 W 2/86, WM 1987, 899 f.; Hanten, WM 2003, 1412 (1413 f.); Rögner, WM 2006, 745 (747); Samm, in: Beck (Begr.)/Samm/Kokemoor (Hrsg.), KWG, Stand Februar 2020, § 32 Rn. 37 ff. Speziell in Bezug auf FinTechs wohl auch Nathmann, FinTech (2019), S. 190. 398 Zur Rechtsprechung: BVerwG, Urt. v. 22. 4. 2009 – 8 C 2.09, BVerwGE 133, 358 (366) Rn. 36; VG Frankfurt a. M. Beschl. v. 7. 5. 2004 – 9 G 6496/03, WM 2004, 1917; VG Frankfurt a. M., Vorlagebeschl. v. 11. 10. 2004 – 9 E 993/04 (V), NJOZ 2004, 4299; VG Frankfurt a. M., Urt. v. 5. 7. 2007 – 1 E 4355/06 (V), BKR 2007, 341. A.A aber VGH Kassel, Beschl. v. 21. 1. 2005 – 6 TG 1568/04, WM 2005, 1123. Zur Verwaltungspraxis: BaFin, Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften (2019), abrufbar unter: www. bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_050401_grenzueberschreitend. html; BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft (2014), abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Ve roeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_140311_tatbestand_einlagengeschaeft.html; Fischer, R./ Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 32 KWG, Rn. 21. 399 Dem vertriebsbezogenen Ansatz folgen u. a. Albert, in: Reischauer/Kleinhans (Begr.), KWG, Stand Oktober 2019, § 32 Rn. 6; Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 56 f.; Christoph, ZBB 2009, 117 (119); Freiwald, WM 2008, 1537 (1545); Ohler, EuZW 2006, 691 (693); Ohler, WM 2002, 162 (167); Spindler/Bille, WM 2014, 1357 (1364); Vahldiek, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 53 KWG, Rn. 187; Voge, WM 2007, 381 (383 ff.). 400 BaFin, Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften (2019), Nr. 1, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/ mb_050401_grenzueberschreitend.html.
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durch den Inhalt der Website beurteilt.401 Maßgebende Kriterien sind dabei etwa die Domainkennzeichnung, die Sprache, die Produktbeschreibung, die Finanz- oder sonstigen länderspezifischen Kundeninformationen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die Preisangaben und Zahlungsmodalitäten sowie die Nennung deutscher Ansprechpartner.402 Eine dritte, auch als Teilaktstheorie bezeichnete Auffassung versteht sich nicht als Widerspruch zum vertriebsbezogenen Ansatz, sondern wird von BaFin und Rechtsprechung ergänzend herangezogen.403 Nach der Teilaktstheorie ist eine Erlaubnispflicht auch dann gegeben, wenn eine inländische Stelle mit rechtlicher Wirkung für ein ausländisches Unternehmen am Zustandekommen bankgeschäftlicher Verträge oder deren Abwicklung mitwirkt, was bereits anzunehmen ist, wenn die inländische Stelle wesentliche Teilakte des erlaubnispflichtigen Geschäfts vornimmt.404 Weder aus primärem noch aus sekundärem Gemeinschaftsrecht ergibt sich eine zwingende Auslegung des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG.405 Der EuGH hat in einem ähnlichen Fall lediglich festgestellt, dass sich Unternehmen aus Drittstaaten weder auf die Dienstleistungsverkehrsfreiheit nach Art. 49 ff. EGV noch auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 ff. EGV berufen können, ist aber nicht darauf eingegangen, ob die Anknüpfung an ein zielgerichtetes Wenden an den Markt zulässig ist.406 Zu prüfen ist folglich allein die Vereinbarkeit mit nationalem Recht, weshalb eine Auslegung des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG anhand der klassischen Methoden Wortlaut, Systematik, Wille des historischen Gesetzgebers und Sinn und Zweck der Norm zu erfolgen hat. Für die institutsbezogene Ansicht wird als Argument zunächst der Wortlaut des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG angeführt.407 § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG spreche von „im Inland“, was bedeute, dass nur Unternehmen mit Sitz im Inland gemeint sein
401 BaFin, Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften (2019), Nr. 1, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/ mb_050401_grenzueberschreitend.html. 402 BaFin, Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften (2019), Nr. 1, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/ mb_050401_grenzueberschreitend.html. 403 BVerwG, Urt. v. 22. 4. 2009 – 8 C 2.09, BVerwGE 133, 358 (366) Rn. 36; Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 32 KWG, Rn. 9; Voge, WM 2007, 381 (383). 404 Voge, WM 2007, 381 (383). 405 Jonetzki, Rechtsrahmen innovativer Zahlungssysteme für das Internet (2010), S. 227 mit Fn. 1325. 406 EuGH, Urt. v. 3. 10. 2006 – C-452/04, Slg. I-9562 Rn. 47 – 50 – Fidium Finanz AG/ Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht; Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 32 KWG, Rn. 14. 407 Hanten, WM 2003, 1412 (1414); Rögner, WM 2006, 745 (748).
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könnten.408 Der Satzteil „im Inland“ darf aber nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss in seinem Zusammenhang mit den übrigen Satzteilen des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG gesehen werden. Denn nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG bedarf einer Erlaubnis wer „im Inland (…) Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will“. Die Bezeichnung „im Inland“ bezieht sich also nicht auf den Sitz des Unternehmens, sondern auf den Ort, an dem Geschäfte erbracht werden sollen. Ein Geschäftsbetrieb im Inland setzt nicht notwendig voraus, dass sich auch der Sitz des Unternehmens im Inland befindet.409 Von den Vertretern der institutsbezogenen Auslegung wird weiterhin angeführt, dass sich aus der Systematik der §§ 53 ff. KWG ergebe, dass grenzüberschreitende Geschäfte nur ausnahmsweise und nicht generell erlaubnispflichtig sein können.410 Bei den §§ 53 ff. KWG handele es sich um Ausnahmetatbestände von der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG für ausländische Institute.411 Dies ergebe sich zum einen daraus, dass die §§ 53 ff. KWG unter der Überschrift „Sondervorschriften“ stehen412, und zum anderen aus der Tatsache, dass es der Regelung des § 53 Abs. 1 KWG gar nicht bedurft hätte, wenn jede grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit von vornherein erlaubnispflichtig wäre.413 Aber auch dieses Argument vermag nicht zu überzeugen. Zum einen stellen die §§ 53 ff. KWG keine Sondervorschriften zu § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG allein dar. „Sondervorschriften“ lautet die Überschrift des gesamten fünften Abschnitts des KWG, weshalb es sich nicht um Sondervorschriften speziell zur Erlaubnispflicht, sondern um Sondervorschriften für das gesamte KWG handelt. Insbesondere normiert der § 53 Abs. 1 S. 1 KWG auch nicht ausschließlich die ausnahmsweise Erlaubnispflicht von Zweigstellen ausländischer Institute, sondern regelt, dass diese Zweigstellen als Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute gelten. Der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG ist daher nur eine der Konsequenzen des § 53 Abs. 1 KWG. So folgt aus § 53 Abs. 1 S. 1 KWG etwa auch die Anwendbarkeit der Finanz- und Risikotragfähigkeitsinformationenverordnung (im Folgenden: FinaRisikoV)414, wie sich aus § 1 FinaRisikoV i. V. m. § 1 Abs. 1b KWG ergibt. Somit
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Hanten, WM 2003, 1412 (1414); Rögner, WM 2006, 745 (748). Voge, WM 2007, 381 (383). 410 Hanten, WM 2003, 1412 (1414); Rögner, WM 2006, 745 (749). 411 Hanten, WM 2003, 1412 (1414); Rögner, WM 2006, 745 (749); Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 32 KWG, Rn. 14; Steck, K./Campbell, ZBB 2006, 354 (364). 412 Rögner, WM 2006, 745 (749). 413 Hanten, WM 2003, 1412 (1414); Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 32 KWG, Rn. 14. 414 Verordnung zur Einreichung von Finanz- und Risikotragfähigkeitsinformationen nach dem Kreditwesengesetz (Finanz- und Risikotragfähigkeitsinformationenverordnung – FinaRisikoV) vom 6. Dezember 2013, BGBl. I S. 4209, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 4. Juli 2018, BGBl. I S. 1086. 409
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verfügt der § 53 Abs. 1 KWG auch dann über einen Regelungsgehalt, wenn sämtliche grenzüberschreitenden Tätigkeiten erlaubnispflichtig sind. Zum anderen bezeichnet der § 53b Abs. 1 S. 1 Var. 3 KWG das Betreiben grenzüberschreitender Geschäfte (auch ohne physische Präsenz) ausdrücklich als Unterfall des Betreibens von Bankgeschäften und des Erbringens von Finanzdienstleistungen „im Inland“ und legt die Voraussetzungen fest, unter welchen in diesem Fall keine Erlaubnispflicht besteht.415 Damit belegt § 53b Abs. 1 S. 1 Var. 3 KWG gerade, dass in allen anderen Fällen, in denen diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, eine Erlaubnispflicht besteht. Schwennicke bringt gegen die vertriebsbezogene Ansicht aus systematischer Perspektive weiterhin vor, dass die Annahme der Erlaubnispflicht eines ausländischen Unternehmens ohne physische Präsenz im Inland widersprüchlich sei, wenn wegen der Regelungen in § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 KWG und in § 53 Abs. 1 KWG ohnehin nie eine Erlaubnisfähigkeit bestehen könne.416 Aus §§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 und 53 Abs. 1 KWG ergibt sich, dass einem Institut die Erlaubnis stets zu versagen ist, wenn es weder über eine Hauptverwaltung noch über eine Zweigstelle im Inland verfügt. Auch hält Schwennicke die Möglichkeit einer Befreiung nach § 2 Abs. 4 KWG für „kaum denkbar“, wenn keine Erlaubnisfähigkeit besteht.417 Dies stellt aber einen Zirkelschluss dar.418 Erlaubnispflicht und Erlaubnisfähigkeit stellen zwei voneinander zu unterscheidende und nacheinander zu prüfende Ebenen auf dem Weg zur Erlaubniserteilung dar. Die Erlaubnisfähigkeit ist nicht etwa Voraussetzung für die Erlaubnispflicht. Vielmehr gelangt man überhaupt erst zur Prüfung der Erlaubnisfähigkeit, wenn man die Erlaubnispflicht bejaht hat.419 Die Tatsache, dass die Erlaubnisfähigkeit zu verneinen ist, schließt deswegen nicht von vornherein aus, dass eine Erlaubnispflicht besteht. Entsprechendes gilt auch für die Möglichkeit der Befreiung nach § 2 Abs. 4 KWG. Schwennicke stellt selbst fest, dass der § 2 KWG „Ausnahmen von der Erlaubnispflicht“ enthält.420 § 2 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 KWG regelt ausdrücklich, dass die BaFin im Einzelfall bestimmen kann, dass auf ein Institut unter anderem die §§ 26 bis 38 KWG und damit auch der § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden sind. Wird nach § 2 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 KWG von der Erlaubnispflicht befreit, gelangt man also schon gar nicht zur Prüfung der Erlaubnisfähigkeit. Der seit Umsetzung des 2. FiMaNoG geltende und für die vorliegende Situation heute relevante § 2 Abs. 5 KWG ermöglicht außerdem eine entsprechende Befreiung im Einzelfall für Institute mit Sitz in einem Drittstaat, die im Inland im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsver415 Vahldiek, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 53 KWG, Rn. 179. 416 Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 32 KWG, Rn. 14. 417 Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 32 KWG, Rn. 14. 418 Zu diesem Ergebnis gelangt auch Voge, WM 2007, 381 (383). 419 Voge, WM 2007, 381 (383). 420 Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 2 KWG, Rn. 1.
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kehrs Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen, solange sie im Hinblick auf ihre im Inland betriebenen Geschäfte wegen ihrer Aufsicht durch die im Herkunftsstaat zuständige Behörde insoweit nicht zusätzlich der Aufsicht durch die Bundesanstalt bedürfen. Laut Begründung des Regierungsentwurfs des 2. FiMaNoG dient der § 2 Abs. 5 KWG ausdrücklich der Kodifizierung der Verwaltungspraxis der BaFin.421 Aus historischer Sicht führen Vertreter des institutsbezogenen Ansatzes zunächst an, dass der Gesetzgeber des KWG von 1961 in seiner Gesetzesbegründung zu § 53 KWG ausdrücklich geäußert hat, dass eine besondere Erfassung ausländischer Kreditinstitute deshalb nötig sei, weil diese anderenfalls nicht vom KWG erfasst seien.422 Überdies habe der ursprüngliche Diskussionsentwurf zum 4. Finanzmarktförderungsgesetz eine Ergänzung des § 32 Abs. 1 KWG um einen Satz 2 vorgesehen, nach dem ein Betreiben von Geschäften im Inland auch dann vorliegen sollte, wenn „der Erbringer oder Empfänger seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland“ hat.423 Dieser Ergänzung hätte es gar nicht bedurft, wenn die grenzüberschreitende Tätigkeit ohne physische Präsenz im Inland ohnehin § 32 Abs. 1 S. 1 KWG unterfallen würde.424 Dem kann entgegengehalten werden, dass bei Schaffung des KWG im Jahre 1961 weder das Internet noch Telefaxgeräte existierten und auch das Fernsprechnetz nicht mit dem heutigen zu vergleichen war.425 Die Erbringung von Finanzdienstleistungen über Ländergrenzen hinweg, ohne physische Präsenz im Inland, war für den damaligen Gesetzgeber schlicht nicht vorstellbar.426 Der gesetzgeberische Wille kann zur Ermittlung des Gesetzeszwecks herangezogen werden, zur Lösung konkreter Auslegungsprobleme ist er aber ungeeignet, da viele Probleme vom Gesetzgeber nicht vorhergesehen und damit auch nicht berücksichtigt werden können.427 Die Grenze der Auslegung bestimmt allein der Wortlaut.428 Die Formulierung „im Inland“ ist dabei weit genug, um auch den grenzüberschreitenden Geschäftsbetrieb ohne physische Präsenz im Inland zu erfassen.429
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Begründung des Regierungsentwurfs zum 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, 258. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes über das Kreditwesen, BT-Drs. 3/ 1114, 45 zu § 58; Hanten, WM 2003, 1412 (1414); Rögner, WM 2006, 745 (749). 423 Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 32 KWG, Rn. 11. 424 Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 32 KWG, Rn. 14. 425 Voge, WM 2007, 381 (384). 426 VG Frankfurt a. M., Vorlagebeschl. v. 11. 10. 2004 – 9 E 993/04 (V), NJOZ 2004, 4299 (4309); Voge, WM 2007, 381 (384). 427 Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), Einl. Rn. 45. 428 VG Frankfurt a. M., Vorlagebeschl. v. 11. 10. 2004 – 9 E 993/04 (V), NJOZ 2004, 4299 (4308); Freiwald, WM 2008, 1537 (1541). 429 Freiwald, WM 2008, 1537 (1541). 422
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Hinsichtlich des zweiten historischen Arguments genügt es darauf hinzuweisen, dass die Ergänzung im Diskussionsentwurf selbst nur als „Klarstellung“ bezeichnet wurde, die nur „aus Gründen der Rechtssicherheit geboten“ sei.430 Die eigentliche Überlegenheit der vertriebsbezogenen zur institutsbezogenen Ansicht ergibt sich aber aus dem Telos des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG. Die Erlaubnispflicht des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG dient vorwiegend dem Schutz der Funktionsfähigkeit und Stabilität des Finanzsystems und dem Anlegerschutz.431 Diesen Zielen kann die Erlaubnispflicht nur dann gerecht werden, wenn sie auch die auf den deutschen Markt abzielenden grenzüberschreitenden Tätigkeiten von Kreditund Finanzdienstleistungsinstituten ohne physische Präsenz im Inland erfasst.432 Die Erbringung von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen über das Internet stellt immer mehr die Regel als eine Ausnahme dar. Das damit einhergehende Kontrollbedürfnis darf nicht dadurch missachtet werden, dass die inländische Aufsicht ihre Augen vor solchen Anbietern verschließt, welche vom außereuropäischen Ausland aus auf dem deutschen Markt tätig sind.433 Zu verlockend stellt sich einem Unternehmen andernfalls die Möglichkeit dar, das deutsche Aufsichtsrecht dadurch zu umgehen, dass es seine Organisations- und Betriebsstruktur in einem Staat ansiedelt, in dem die Erfüllung internationaler Aufsichtsstandards mehr als zweifelhaft ist.434 Das deutsche Aufsichtsrecht droht dann zu einem bloß „optionalen Recht“ zu verkümmern.435 Ein durchgreifender Schutz der Funktionsfähigkeit und Stabilität des Finanzmarktes sowie der Anleger kann nur dann gewährt werden, wenn das entscheidende Kriterium für eine Erlaubnispflicht der Ort ist, an dem die Geschäftsaktivität ihre Wirkung entfaltet, und nicht der Ort, von dem sie ausgeht.436 Besondere Brisanz erlangt diese Tatsache vor dem Hintergrund des steigenden Einsatzes automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich, wie etwa dem Einsatz von Robo-Advisorn, welche ausschließlich über das Internet angeboten werde. Robo-Advisor und ähnliche innovative Geschäftsmodelle im Finanzdienstleistungsbereich bergen bisher unbekannte Gefahren für die durch das Aufsichtsrecht geschützten Rechtsgüter437, denen mit effektiven aufsichtsrechtlichen Mitteln begegnet werden muss. So drohen dem Anlegerschutz neuartige Formen von Interessenkonflikten und vorurteilsbehaftetem Verhalten, und die Funktionsfähigkeit 430 Zitiert nach Fischer, R./Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRRVO (2016), § 32 KWG, Rn. 19; Jonetzki, Rechtsrahmen innovativer Zahlungssysteme für das Internet (2010), S. 228 f.; Voge, WM 2007, 381 (384). 431 Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 2, m. w. N. 432 Voge, WM 2007, 381 (385). 433 Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 57. 434 Madel, Robo Advice (2019), S. 128; Voge, WM 2007, 381 (385). 435 Freiwald, WM 2008, 1537 (1542). 436 Voge, WM 2007, 381 (386) spricht insoweit auch vom Auswirkungsprinzip. 437 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II.
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des Finanzsystems sieht sich durch die schwerwiegenderen Folgen fehlerhafter Dienstleistungen in Gefahr. Insbesondere aber sind fehlerhafte automatische und intelligente Agenten dazu in der Lage, im Wege der „too linked to fail“- und „too fast to save“-Problematik das gesamte Finanzsystem zu infizieren. Gerade solche Institute, welche über das Internet in den deutschen Markt hineinwirken, nicht zu beaufsichtigen, bedeutet die Stabilität des Finanzsystems aufs Spiel zu setzen. Vor allem bei innovativen neuen Geschäftsmodellen, deren rechtliche Behandlung auch in anderen Ländern noch nicht geklärt ist, besteht aber das Bedürfnis nach einer effektiven inländischen Aufsicht, weil das Risiko einer fehlenden Aufsicht im Heimatland des ausländischen Anbieters weitaus größer ist als bei traditionellen Geschäftsmodellen.438 Die Rechtsfolge der institutsbezogenen Auffassung wäre in diesen Fällen ein völlig unbeaufsichtigtes Angebot an neuartigen Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen auf dem deutschen Markt. Das Anknüpfen der Erlaubnispflicht an die physische Präsenz im Inland stellt sich vor dem Hintergrund des Ziels eines effektiven Aufsichtsrechts heutzutage und insbesondere mit Blick auf die zu erwartende zukünftige Entwicklung als realitätsfern dar. Dabei kann auch die Argumentation Nathmanns nicht überzeugen, der insbesondere im Zusammenhang mit dem Online-Vertrieb von Finanzdienstleistungen kritisiert, dass beim vertriebsbezogenen Ansatz das deutsche Recht Unternehmen reguliere, die nicht mit Deutschland verbunden sind.439 Durch das zielgerichtete Wenden an den deutschen Markt wird eine solche Verbundenheit gerade begründet. Schließlich ergibt sich auch aus § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG, der die Strafbarkeit des Tätigwerdens ohne entsprechende Erlaubnis regelt, keine Notwendigkeit zu einer restriktiven Auslegung des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG.440 Aus dem sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Analogieverbot folgt, dass der Wortsinn des Gesetzes die äußerste Grenze der richterlichen Auslegung im Strafrecht bildet.441 Dieser Grundsatz kommt aber nur innerhalb des Strafrechts zur Anwendung und verhindert eine bestimmte Auslegung des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG allenfalls bei tatsächlicher Anwendung des § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG, aber nicht schon im Verwaltungsverfahren oder in einem verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit.442 Die Beschränkung der Erlaubnispflicht auf solche grenzüberschreitenden Tätigkeiten, welche „zielgerichtet“ in den deutschen Markt hineinwirken, gewährleistet außerdem, dass die passive Dienstleistungsfreiheit, d. h. das Recht der im Inland ansässigen Personen, auf eigene Initiative hin Dienstleistungen ausländischer An438 Spindler/Bille, WM 2014, 1357 (1364) sprechen dieses Problem im Zusammenhang mit Bitcoin-Transaktionen an. 439 Nathmann, FinTech (2019), S. 184 f. 440 Voge, WM 2007, 381 (386). A. A. Hanten, WM 2003, 1412 (1414); Rögner, WM 2006, 745 (752). 441 Schmitz, in: MüKo-StGB (2017), § 1 StGB, Rn. 2 und 73. 442 Voge, WM 2007, 381 (386). Siehe zur Auslegung des Aufsichtsrechts bereits oben Teil 3 Kap. 2 § 1 D.
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bieter in Anspruch zu nehmen, durch die vertriebsbezogene Auslegung nicht eingeschränkt wird.443 Im Ergebnis kann damit nur die vertriebsbezogene Auslegung des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG überzeugen. Für Betreiber eines Robo-Advisors bedeutet dies, dass auch dann, wenn sie weder über einen Sitz noch über eine Zweigstelle oder eine ähnliche Stelle in Deutschland verfügen, eine Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG bestehen kann, wenn der Inhalt ihrer Internetseite so interpretiert werden kann, dass er ein zielgerichtetes Anbieten auf dem deutschen Markt darstellt.444 Indizien sind dabei u. a. eine Domainendung auf „.de“, das Verwenden der deutschen Sprache, Preisangaben in Euro, die Nennung deutscher Ansprechpartner, die Angabe einer deutschen Telefonnummer sowie sämtliche sonstige Faktoren, die einen spezifischen Bezug zum deutschen Markt herstellen. c) Grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung in andere EWR-Staaten oder Drittstaaten Möchte ein Robo-Advice-Unternehmen aus Deutschland heraus Finanzdienstleistungen in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums erbringen, so kann es dazu ebenfalls den „Europäischen-Pass“ beantragen. Dazu muss er lediglich das Anzeigeverfahren des § 24a Abs. 3 Var. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 1 KWG i. V. m. § 12 Abs. 1 Anzeigenverordnung445 durchlaufen. Die Anzeige kann formlos in einfacher Ausfertigung bei der BaFin und in einfacher Ausfertigung bei der Bundesbank eingereicht werden.446 Die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung eines Robo-Advice-Unternehmens aus Deutschland in einen Drittstaat richtet sich nach dem jeweiligen Recht des Drittstaates.447 II. Strategien zur Vermeidung der Erlaubnispflicht Bei einer bestehenden Erlaubnispflicht muss nicht nur ein zeit- und kostenintensives Erlaubnisverfahren448 durchlaufen, sondern auch erheblichen Folgepflich443
Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 32 KWG, Rn. 12. Ähnlich Madel, Robo Advice (2019), S. 125 ff. 445 Verordnung über die Anzeigen und die Vorlage von Unterlagen nach dem Kreditwesengesetz (Anzeigenverordnung – AnzV) vom 19. Dezember 2006, BGBl. I S. 3245, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 16. Oktober 2018, BGBl. I S. 1725. 446 Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 24a KWG, Rn. 51. 447 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 141. 448 So ist etwa mit einer Bearbeitungszeit von sechs bis neun Monaten zu rechnen. Neben die Kosten der BaFin für die Durchführung treten zudem Kosten für etwaige Berater und für die Implementierung und IT-Umsetzung. Vgl. dazu Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 120. 444
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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ten nachgekommen werden. Dies stellt insbesondere für FinTechs, die häufig dem Start-Up-Bereich entstammen und über geringe finanzielle Ressourcen und dementsprechend auch nicht über gefestigte Compliance-Strukturen verfügen, ein erhebliches Hindernis dar, welches sich zu einer Marktzutrittsschranke entwickeln kann.449 Entsprechend groß ist das Bestreben der Unternehmen, eine Erlaubnispflicht zu vermeiden. Dazu bietet sich vor allem die Erfüllung eines gesetzlichen Ausnahmetatbestands nach § 2 KWG an. Die „Flucht in die unvollständige Beratung“ stellt dagegen keine geeignete Möglichkeit zur Vermeidung der Erlaubnispflicht dar und auch Disclaimer können nicht uneingeschränkt eingesetzt werden. 1. Gesetzliche Ausnahmetatbestände a) Einzelfallbezogene Freistellungen Die § 2 Abs. 4 und Abs. 5 KWG ermöglichen der BaFin eine Befreiung von diversen Pflichten, unter anderem der Erlaubnispflicht, im Einzelfall. Bei grenzüberschreitenden Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen macht die BaFin von der Befreiungsmöglichkeit nach § 2 Abs. 4 KWG regelmäßig dann Gebrauch, wenn sie das im Zusammenhang mit dem Betreiben von Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäften grundsätzlich bestehende Aufsichtsbedürfnis verneint.450 Das von § 2 Abs. 4 S. 1 KWG geforderte fehlende Aufsichtsbedürfnis nimmt die BaFin immer dann an, wenn das Unternehmen in seinem Herkunftsstaat von der dort zuständigen Behörde effektiv nach den internationalen Standards beaufsichtigt wird und die Behörde mit der BaFin befriedigend zusammenarbeitet.451 Diese schon länger bestehende Verwaltungspraxis wurde im Zuge der Umsetzung des 2. FiMaNoG in § 2 Abs. 5 KWG kodifiziert.452 Für Betreiber eines Robo-Advisors, die weder über einen Europäischen Pass i. S. d. § 53b Abs. 1 S. 1 KWG noch über eine physische Präsenz im Inland verfügen und grenzüberschreitend tätig sind, gestaltet sich deshalb vor allem die Befreiungsmöglichkeit nach § 2 Abs. 5 S. 1 KWG als attraktiv. Gem. § 2 Abs. 5 S. 1 KWG kann die BaFin im Einzelfall bestimmen, dass auf ein Institut mit Sitz in einem Drittstaat, das im Inland im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise 449
Ettl, ZfgK 2016, 737 (738); Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 103; Pieper, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 6 Rn. 12; Steck, A., in: Groß, V. et al. (Hrsg.), Bankrechtstag 2016 (2017), S. 110. 450 BaFin, Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften (2019), Nr. 2, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/ mb_050401_grenzueberschreitend.html. 451 BaFin, Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften (2019), Nr. 2, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/ mb_050401_grenzueberschreitend.html. 452 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 A. I. 3. b).
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eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will, die §§ 1a, 2c, 10 bis 18, 24, 24a, 25, 25a bis 25e, 26 bis 38, 45, 46 bis 46c und 51 Abs. 1 KWG insgesamt nicht anzuwenden sind, solange das Institut im Hinblick auf seine im Inland betriebenen Geschäfte wegen seiner Aufsicht durch die im Herkunftsstaat zuständige Behörde insoweit nicht zusätzlich der Aufsicht durch die Bundesanstalt bedarf. Aus dem Wort „insgesamt“ folgt, dass nur eine Befreiung von allen genannten Vorschriften und nicht nur von einzelnen möglich ist.453 Hinsichtlich des negativen Tatbestandsmerkmals eines fehlenden Aufsichtsbedürfnisses ist davon auszugehen, dass die BaFin ihre Verwaltungspraxis zu § 2 Abs. 4 S. 1 KWG fortsetzt.454 Dafür spricht zum einen die Tatsache, dass der § 2 Abs. 5 KWG der Kodifizierung ebendieser Verwaltungspraxis dienen sollte. Zum anderen hat die BaFin erst im März 2019 eine Anpassung jenes Merkblattes vorgenommen, das diese Verwaltungspraxis erstmals schriftlich fixierte.455 Sie will somit an ihrem Standpunkt weiter festhalten.456 In diesem Merkblatt differenziert die BaFin zudem danach, ob die Geschäfte gegenüber institutionellen Anlegern oder gegenüber Privatkunden erbracht werden.457 Das Angebot eines Robo-Advisors richtet sich regelmäßig nur an Privatkunden. Nach der Verwaltungspraxis der BaFin sind gegenüber Privatkunden (mit Ausnahme des Finanztransfergeschäftes) grundsätzlich alle nach §§ 32, 1 Abs. 1 und Abs. 1a KWG erlaubnispflichtigen Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen freistellungsfähig, wenn die Geschäfte über die Vermittlung eines inländischen Kreditinstituts oder eines EWR-Instituts, das über einen Europäischen Pass verfügt, zustande kommen.458 Hat das inländische Kreditinstitut oder das EWR-Institut erfolgreich die Geschäftsbeziehung zu einem be453 Zur identischen Formulierung bei § 2 Abs. 4 KWG a. F. vgl. BVerwG Beschl. v. 7. 12. 1970 – I B 64.70, WM 1971, 1255 (1256); Schäfer, F., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 2 KWG, Rn. 58; Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 2 Rn. 40. 454 So auch Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 135. 455 BaFin, Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften (2019), abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_ 050401_grenzueberschreitend.html. Die erste Fassung des Merkblattes stammt von 2005. 456 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 135 mit Fn. 82. 457 Als institutionelle Anleger gelten insbesondere Bund, Länder, kommunale Gebietskörperschaften und deren Einrichtungen, Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute i. S. d. § 1 Abs. 1 und Abs. 1a KWG, einschließlich der Kapitalverwaltungsgesellschaften i. S. d. KAGB, private und öffentliche Versicherungsunternehmen und Kapitalgesellschaften i. S. d. § 267 Abs. 2 und Abs. 3, vgl. BaFin, Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften (2019), Nr. 2, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichun gen/DE/Merkblatt/mb_050401_grenzueberschreitend.html; Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 135 mit Fn. 83. 458 BaFin, Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften (2019), Nr. 2, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/ mb_050401_grenzueberschreitend.html.
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stimmten Kunden hergestellt, kann sich das ausländische Institut für zukünftige Dienstleistungen direkt an den Kunden wenden.459 Für Robo-Advice-Unternehmen, die ohne physische Präsenz im Inland auf dem deutschen Markt tätig werden wollen, bedeutet dies, dass eine Freistellung nach § 2 Abs. 5 S. 1 KWG nur in Betracht kommt, wenn die Aufsichtsbehörde ihres Heimatlandes nach internationalen Standards vorgeht und mit der BaFin zusammenarbeitet und sie zur erstmaligen Herstellung einer Kundenbeziehung mit einem inländischen Kreditinstitut kooperieren. b) Unternehmen, die nicht als Finanzdienstleistungsinstitute gelten § 2 Abs. 6 S. 1 KWG enthält einen Katalog an Tatbeständen, bei deren Erfüllung bestimmte Unternehmen, die materiell Finanzdienstleistungsinstitute darstellen, von der Anwendung des KWG und damit auch von der Erlaubnispflicht ausgenommen sind.460 Für die Robo-Advice sind vor allem die Nr. 8 und 20 von Bedeutung, welche Ausnahmeregelungen für die Anlageberatung und die Anlagevermittlung bzw. für die Finanzportfolioverwaltung und die Anlageverwaltung vorsehen.461 Da die Erfüllung eines Ausnahmetatbestands eine Reihe positiver Konsequenzen nach sich zieht, offenbart sich an dieser Stelle auch, weshalb die oben vorgenommene Abgrenzung zwischen den verschiedenen Finanzdienstleistungstatbeständen relevant ist. Nach § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG gelten Unternehmen, welche als Finanzdienstleistungen ausschließlich die Anlageberatung oder die Anlagevermittlung erbringen, dann nicht als Finanzdienstleistungsinstitute, wenn sie die Finanzdienstleistungen nur zwischen Kunden und bestimmten in der Norm genannten Unternehmen betreiben und diese sich zudem auf bestimmte Finanzinstrumente beschränken. Dass die Unternehmen dabei vertraglich nicht dazu befugt sind, sich Eigentum oder Besitz an Geldern oder Anteilen von Kunden zu verschaffen (es sei denn, das Unternehmen verfügt über eine entsprechende Erlaubnis), stellt eine weitere Voraussetzung des § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG dar und ist bei beratenden Robo-Advisorn stets erfüllt, da diese nur im Self-Service- und Half-Service-Bereich agieren. Bei den Finanzinstrumenten, auf die sich die Finanzdienstleistungen im Rahmen der Ausnahme des § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG beschränken müssen, handelt es sich um Anteile oder Aktien an inländischen Investmentvermögen, Anteile oder Aktien 459 BaFin, Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften (2019), Nr. 2, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/ mb_050401_grenzueberschreitend.html. 460 Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 2 Rn. 42. 461 Baumanns, BKR 2016, 366 (371); Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 7; Madel, Robo Advice (2019), S. 138; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (797); Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1969).
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an EU-Investmentvermögen oder ausländischen AIF (Alternative Investmentfonds) und um Vermögensanlagen i. S. d. § 1 Abs. 2 Vermögensanlagengesetz (im Folgenden: VermAnlG)462. Diese Finanzinstrumente stellen standardisierte Produkte dar, die keine besonderen Risiken bergen, weshalb Finanzdienstleistungen, die sie betreffen, keiner Aufsicht bedürfen.463 Auch ETFs sind Investmentvermögen i. S. v. § 1 Abs. 1 KAGB und daher zulässiger Beratungsgegenstand, wenn sie von einer inländischen Kapitalverwaltungsgesellschaft ausgegeben werden bzw. nach den Vorgaben des KAGB vertrieben werden.464 Beim Betrieb von Robo-Advisorn, die ausschließlich die Anlageberatung erbringen, bietet es sich deshalb an, sich zur Vermeidung einer Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG auf diese Finanzinstrumente und Tätigkeiten zu beschränken.465 Dabei muss jedoch streng darauf geachtet werden, die Grenzen der jeweiligen Finanzdienstleistungstatbestände nicht zu überschreiten, um nicht ungewollt in eine Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG zu geraten und als Folge aufsichtsrechtliche, strafrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen wegen des Betreibens von Finanzdienstleistungen ohne entsprechende Erlaubnis befürchten zu müssen. So darf die Grenze zwischen Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung nicht dadurch überschritten werden, dass dem Robo-Advisor über die reine Beratungstätigkeit hinaus auch eine Dispositionsbefugnis zum Treffen von Anlageentscheidungen eingeräumt wird.466 Der § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 20 KWG nimmt Unternehmen dann vom Tatbestand der Finanzdienstleistungsinstitute aus, wenn sie ausschließlich die Finanzportfolioverwaltung oder Anlageverwaltung erbringen und diese sich auf Vermögensanlagen i. S. d. § 1 Abs. 2 VermAnlG oder auf geschlossene AIF i. S. d. § 1 Abs. 5 KAGB beschränken. Grundsätzlich können sich Betreiber eines Robo-Advisors also von einer Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG befreien, wenn sie die Finanzportfolioverwaltung auf diese beiden Finanzinstrumente begrenzen. Allerdings sind von diesem sehr engen Ausnahmetatbestand einige der Finanzinstrumente i. S. d. § 1 Abs. 11 KWG ausgenommen, die von Robo-Advisorn üblicherweise als Investitionsvehikel verwendet werden, allen voran ETFs467. Für das Geschäftsmodell der Robo-Advisor ist diese Ausnahme daher nur bedingt geeignet. 462 Gesetz über Vermögensanlagen (Vermögensanlagegesetz – VermAnlG) vom 6. Dezember 2011, BGBl. I S. 2481, zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 8. Juli 2019, BGBl. I S. 1002. 463 Schäfer, F., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 2 KWG, Rn. 80. 464 Madel, Robo Advice (2019), S. 139. 465 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 113. 466 Siehe dazu Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 46 f.; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (797) und bereits oben Teil 3 Kap. 2 § 2 A. I. 1. a) aa) und bb). 467 Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen von ETFs siehe Harrer, Exchange Traded Funds (ETFs) (2016), S. 162 ff.
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c) Vertraglich gebundene Vermittler Ebenfalls nicht als Finanzdienstleistungsinstitut gilt gem. § 2 Abs. 10 S. 1 KWG ein Unternehmen mit Sitz im Inland, das keine Bankgeschäfte betreibt und das als Finanzdienstleistungen nur die Anlagevermittlung, die Anlageberatung oder das Platzierungsgeschäft erbringt und dies ausschließlich für Rechnung und unter der Haftung eines CRR-Kreditinstituts oder eines Wertpapierhandelsunternehmens, das seinen Sitz im Inland hat oder nach § 53b Abs. 1 S. 1 oder Abs. 7 KWG im Inland tätig ist, und das haftende Institut dies der BaFin angezeigt hat. Das Unternehmen gilt dann als vertraglich gebundener Vermittler. Diese Struktur wird auch als Haftungsdachstruktur bezeichnet, weil der vertraglich verbundene Vermittler unter der Erlaubnis des Haftungsdachstellers, d. h. des CRR-Kreditinstituts oder Wertpapierhandelsunternehmens, tätig werden kann.468 Für Wertpapierhandelsunternehmen, welche einen Robo-Advisor betreiben, können sich aus einer solchen Struktur neben dem offenkundigen Vorteil, dass sie sich als vertraglich gebundener Vermittler nicht selbst um eine Erlaubnis i. S. d. § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG bemühen müssen, aber auch Nachteile ergeben.469 So kann sich insbesondere die Einbindung in die fremde Geschäfts- und Risikoorganisation des Haftungsdachstellers sowie die Abhängigkeit von diesem als Nachteil erweisen.470 Auch entstehen für die erstmalige Einbindung unter Umständen „Anschlusskosten“ in nicht unbeträchtlicher Höhe.471 Betreibt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen einen Robo-Advisor, welcher ausschließlich die Anlageberatung erbringt, kann das Tätigwerden als vertraglich gebundener Vermittler dennoch eine attraktive Alternative zur Beantragung einer eigenen Erlaubnis darstellen. So obliegt zum einen die Erfüllung der Wohlverhaltenspflichten des WpHG nur dem Haftungsdachsteller472 und ergibt sich aus dem Wegfall eines eigenen Erlaubnisverfahrens zum anderen eine erhebliche Zeitersparnis. Das CRR-Kreditinstitut oder Wertpapierhandelsunternehmen muss bei der Kooperation mit einem vertraglich gebundenen Vermittler außerdem die sich aus § 25e KWG ergebenden Pflichten erfüllen. d) Konsequenzen Die Erfüllung eines gesetzlichen Ausnahmetatbestandes zieht neben der Vermeidung der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG unter Umständen 468 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 113. 469 Siehe zu den zivilrechtlichen Konsequenzen unten Teil 3 Kap. 4 § 3 C. 470 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 113. 471 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 113. 472 Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 2 Rn. 89.
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noch weitere rechtliche Konsequenzen, insbesondere eine gewerberechtliche Erlaubnispflicht nach sich. Erfüllt ein grenzüberschreitend tätiges Robo-Advice-Unternehmen alle nötigen Voraussetzungen und erhält erfolgreich eine Freistellung nach § 2 Abs. 5 KWG, so wird ihm neben der Befreiung von § 32 Abs. 1 S. 1 KWG auch eine Befreiung von allen übrigen in § 2 Abs. 5 S. 1 KWG genannten Normen erteilt. Das den RoboAdvisor betreibende Unternehmen bleibt in diesem Fall aber dennoch ein Finanzdienstleistungsinstitut i. S. d. § 1 Abs. 1a S. 1 KWG und hat deshalb alle übrigen KWG-Vorschriften weiterhin zu beachten.473 Anders ist dies bei den in § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 und Nr. 20 KWG normierten Ausnahmetatbeständen, bei deren Erfüllung ein Unternehmen nicht als Finanzdienstleistungsinstitut gilt. Folglich hat das Unternehmen auch alle übrigen an den Finanzdienstleistungstatbestand anknüpfenden Normen nicht zu beachten. RoboAdvice-Unternehmen, die den Tatbestand des § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG erfüllen, agieren aber dennoch nicht ohne Aufsicht. Statt als Finanzdienstleistungsinstitut sind sie dann aber als Finanzanlagenvermittler nach § 34f Abs. 1 S. 1 GewO bzw. als Honorar-Finanzanlagenberater nach § 34h Abs. 1 S. 1 GewO erlaubnispflichtig. Die Erteilung der Erlaubnis und die Aufsicht obliegen je nach Bundesland den Gewerbeämtern oder Industrie- und Handelskammern.474 Die Erlangung einer gewerberechtlichen Erlaubnis ist für Robo-Advice-Unternehmen deswegen attraktiv, weil diese sowohl hinsichtlich der Anforderungen an die Erlaubnisfähigkeit als auch hinsichtlich der Pflichten der laufenden Geschäftstätigkeit hinter den Voraussetzungen einer KWG-Erlaubnis zurückbleibt.475 Agiert das den Robo-Advisor betreibende Unternehmen als vertraglich gebundener Vermittler, so wird seine Tätigkeit dem Haftungsdachsteller zugerechnet, § 2 Abs. 10 S. 2 KWG. Allein der Haftungsdachsteller unterliegt den Wohlverhaltenspflichten des WpHG und den Vorschriften des KWG, weshalb eine Beaufsichtigung des vertraglich gebundenen Vermittlers nicht notwendig ist.476 Der vertraglich gebundene Vermittler selbst unterliegt weder der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 KWG noch derjenigen nach § 34f Abs. 1 S. 1 GewO.477
473
Schäfer, F., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 2 KWG, Rn. 60. 474 Siehe dazu die Übersicht bei Schönleiter, in: Landmann/Rohmer (Begr.), GewO, Stand Dezember 2019, § 34f Rn. 28. Siehe zu den zu erwartenden Änderungen unten Teil 3. Kap. 2 § 2 C. III. 475 Baumanns, BKR 2016, 366 (371); Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1970). 476 Schäfer, F., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 2 KWG, Rn. 122 und 125. 477 Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 2 Rn. 89 f.
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2. Disclaimer Disclaimer kommen in verschiedenen Vertragsverhältnissen zum Einsatz. Dabei werden sie nicht nur dazu verwendet, eine Haftung zu vermeiden, sondern auch dazu, die Erfüllung bestimmter Tatbestandsmerkmale von vornherein zu verhindern. In vielen Fällen gelingt es den Verwendern von Disclaimern aber nicht, die gewünschten rechtlichen Folgen auch tatsächlich herbeizuführen. Auch im Zusammenhang mit der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG kommt es auf unterschiedlichen Tatbestandsebenen zum Einsatz von Disclaimern. So sind Disclaimer in AGB für das Aufsichtsrecht zwar grundsätzlich nicht von Bedeutung, da es sich beim Aufsichtsrecht um nicht disponibles zwingendes Recht handelt.478 Sie können aber auch im Aufsichtsrecht bei der Frage Berücksichtigung finden, ob ein bestimmter Anschein entstanden ist. Bei der Anlageberatung gem. § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1a KWG spielt dies vor allem bei der Prüfung der zweiten Tatbestandsalternative „als für [den Kunden] geeignet dargestellt“ eine Rolle. Durch Verwendung deutlich sichtbarer (etwa mittels Pop-upFenstern) und eindeutig formulierter Disclaimer kann hier verhindert werden, dass der Eindruck entsteht, die persönlichen Umstände des Kunden seien bei einer vom Robo-Advisor ausgegebenen Empfehlung oder Information berücksichtigt worden.479 Von einer eindeutigen Formulierung kann etwa dann ausgegangen werden, wenn der Robo-Advisor darauf hinweist, dass keine Anlageberatung gegeben ist, weil die Ergebnisse der Online-Befragung nicht auf Grundlage der finanziellen Verhältnisse des Kunden generiert wurden und deshalb auch keine Aussage darüber zulassen, ob die Anlage dem Risikoprofil des Kunden entspricht.480 Nicht ausreichend ist dagegen der bloße Hinweis, dass keine Anlageberatung erteilt wird oder dass keine Angemessenheits- oder Geeignetheitsprüfung durchgeführt wurde.481 Wie allgemein bei der Tatbestandsalternative „als für [den Kunden] geeignet dargestellt“ kommt es auch bei der Auslegung von Disclaimern entscheidend darauf an, ob der Kunde nach dem Gesamteindruck, welcher sich ihm beim Besuch der Website des Robo-Advisors bietet, davon ausgehen darf, dass bei der Anlageempfehlung seine persönlichen finanziellen Umstände berücksichtigt wur-
478 Baumanns, BKR 2016, 366 (371); Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 41; Koller, in: Assmann/ Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 8; Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap. 3, Rn. 37; Möllers, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 31 Rn. 27 m. w. N. 479 Baumanns, BKR 2016, 366 (370); Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (796); Pieper, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 6 Rn. 44. 480 Baumanns, BKR 2016, 366 (370). 481 Baumanns, BKR 2016, 366 (370); Madel, Robo Advice (2019), S. 99 f. Aus EUrechtlicher Perspektive Maume, ECFR 2019, 622 (632).
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den.482 Verfügt die Website des Robo-Advisors über einen solchen wirksamen Disclaimer, kann folglich verhindert werden, dass der Tatbestand der Anlageberatung i. S. d. § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1a KWG erfüllt wird. Ob dadurch auch die Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 KWG ausgeschlossen ist, ist eine Frage des Einzelfalls und hängt davon ab, ob auch die anderen sich aus § 1 Abs. 1a S. 2 KWG ergebenden Finanzdienstleistungstatbestände nicht erfüllt werden. Außerdem kann durch das Verwenden eines entsprechenden Disclaimers auch verhindert werden, dass in der Geschäftstätigkeit eines Drittstaatenunternehmens ein zielgerichtetes Wenden an den deutschen Markt gesehen werden kann.483 Der Disclaimer muss ausdrücklich darauf hinweisen, dass die angebotenen Dienstleistungen sich nur an den jeweiligen ausländischen Markt richten. Möglich ist zudem eine IP-Sperre, die es Kunden von vornherein unmöglich macht, von Deutschland aus die Finanzdienstleistungen in Anspruch zu nehmen.484 Ein wirksamer Disclaimer in diesem Zusammenhang verhindert, dass ein ausländisches Finanzdienstleistungsinstitut allein durch das Angebot auf seiner Website in Deutschland in die Erlaubnispflicht gerät. 3. Keine Flucht in die unvollständige Beratung Kein geeignetes Instrument zur Umgehung der Erlaubnispflicht bildet dagegen die sogenannte „Flucht in die unvollständige Beratung“. Unter einer „Flucht in die unvollständige Beratung“ wird der Versuch verstanden, der Qualifikation als Anlageberatung dadurch zu entgehen, dass aufsichtsrechtliche Pflichten, wie die Angemessenheits- oder Geeignetheitsprüfung, nur ungenügend erfüllt werden.485 Durch eine möglichst knappe Formulierung des Online-Fragebogens wird versucht, den Eindruck zu vermeiden, dass sich die Empfehlung auf die Berücksichtigung persönlicher Umstände stützt.486 Die Ursache für dieses Vorgehen liegt darin begründet, dass die Ausgestaltung des Online-Fragebogens nicht nur die rechtliche Qualifikation der ausgegebenen Empfehlung beeinflusst, sondern dass entgegengesetzt die rechtliche Qualifikation auch bestimmt, wie detailliert der Online-Fragebogen formuliert sein muss.487 In welchem Umfang die Kundenexploration durchgeführt wird, hat für die Qualifikation einer Geschäftstätigkeit als Anlageberatung aber allenfalls 482
Siehe dazu bereits oben Teil 3 Kap. 2 § 2 A. I. 1. a) bb) sowie Baumanns, BKR 2016, 366 (370); Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 46 und Madel, Robo Advice (2019), S. 100. Aus EU-rechtlicher Perspektive Maume, ECFR 2019, 622 (632). 483 BaFin, Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften (2019), Nr. 1, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/ mb_050401_grenzueberschreitend.html; Seebach, WM 2010, 733 (738). 484 Seebach, WM 2010, 733 (738). 485 Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1968). 486 Madel, Robo Advice (2019), S. 89. 487 Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1968).
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Indizwirkung.488 Entscheidend ist allein, wie konkret die Empfehlung ausgestaltet ist und ob allgemein der Anschein entsteht, die persönlichen Umstände des Anlegers seien in die Beurteilung der Anlage miteingeflossen.489 Die Anzahl der im Zuge der Generierung des Anlagevorschlags berücksichtigten und abgefragten persönlichen Umstände ist für die rechtliche Einordnung als Anlageberatung nicht entscheidend.490 Da die Pflicht zur umfassenden Kundenexploration eine aus der Qualifikation als Anlageberatung folgende Pflicht ist491, kann sie nicht zugleich Tatbestandsvoraussetzung sein.492 Zur Vermeidung einer Erlaubnispflicht eignet sich eine unvollständige Beratung daher nicht. Vielmehr drohen durch sie aufsichtsrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen. III. Zusammenfassung Unter welchen der in Betracht kommenden Finanzdienstleistungstatbestände nach § 1 Abs. 1a S. 2 KWG – namentlich die Finanzportfolioverwaltung und die Anlageberatung – die Tätigkeit eines Robo-Advisors eingeordnet werden muss, hängt von seiner konkreten Ausgestaltung ab.493 Entscheidend ist insbesondere, ob der Robo-Advisor über eine Dispositionsbefugnis hinsichtlich der Umsetzung des Anlagevorschlags verfügt, oder ob dieser vom Kunden selbst umgesetzt werden muss.494 Welcher Tatbestand erfüllt ist, ist vor allem vor dem Hintergrund der Ausnahmetatbestände nach § 2 Abs. 6 und Abs. 10 KWG und damit für ein mögliche Ausnahme von der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG von erheblicher Bedeutung. Beachtet werden muss zudem, dass die Erfüllung des Ausnahmetatbestandes in § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG zwar von der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG befreit, gleichzeitig aber eine Erlaubnispflicht nach § 34f Abs. 1 S. 1 bzw. § 34h Abs. 1 S. 1 GewO nach sich zieht. 488 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 68. 489 BaFin, Robo-Advice und Auto-Trading – Plattformen zur automatisierten Anlageberatung und automatischem Trading (2016), abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Aufsicht/FinTech/ Anlageberatung/anlageberatung_node.html; Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 68; Oppenheim/LangeHausstein, WM 2016, 1966 (1968). 490 Madel, Robo Advice (2019), S. 89. 491 Dies ergibt sich aus § 64 Abs. 3 WpHG. Siehe unten Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 5. 492 Madel, Robo Advice (2019), S. 89. 493 Vgl. Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1967). 494 Herresthal, in: MüKo-HGB (2019), Vermögensverwaltung, Rn. 1; Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 46 f.; Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 53; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (797); Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1967 f.); Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 10.
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Auch ein Robo-Advice-Unternehmen, welches weder über eine physische Präsenz im Inland noch über einen Europäischen Pass nach § 53b Abs. 1 S. 1 KWG verfügt, kann sich nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG erlaubnispflichtig machen, wenn es sich mit seiner grenzüberschreitenden Tätigkeit zielgerichtet an den deutschen Markt wendet. Ein solches „zielgerichtetes Wenden an den deutschen Markt“ kann durch die Verwendung von IP-Sperren oder eindeutigen Disclaimern verhindert werden.495 Daneben besteht auch die Möglichkeit, mit einem inländischen Institut zu kooperieren und sich eine Befreiung nach § 2 Abs. 5 S. 1 KWG erteilen zu lassen. Disclaimer können außerdem dazu genutzt werden, das Entstehen eines Anscheins dahingehend zu verhindern, dass die persönlichen Umstände des Anlegers bei einer Empfehlung berücksichtigt wurden, und so die Erfüllung des Anlageberatungstatbestandes abwenden.496 Da entsprechende Disclaimer aber eindeutig formuliert und deutlich sichtbar sein müssen, ist der Anlegerschutz auch in diesen Fällen gewahrt. Keine solche Wirkung ruft die bloße „Flucht in die unvollständige Beratung“ hervor, weil die Gestaltung des Fragenkatalogs für die Qualifikation einer Tätigkeit als Anlageberatung nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist.497 Betrachtet man die verschiedenen Möglichkeiten zur Vermeidung einer Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG in ihrer Gesamtheit, so ist bemerkenswert, dass der Tatbestand der Anlageberatung im Vergleich zu dem der Portfolioverwaltung einen weitaus größeren Spielraum bietet. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass eine größere Anzahl gesetzlicher Ausnahmetatbestände an die Anlageberatung anknüpft. Zum anderen existiert nur bei der Anlageberatung die Tatbestandsalternative „als geeignet dargestellt“, welche durch das Entstehen eines bestimmten Anscheins erfüllt wird und deshalb von der Wirkung verschiedener Indizien abhängt. Nur im Rahmen der Anlageberatung kann es deshalb zum Einsatz von Disclaimern kommen, welche durch eine entgegengesetzte indizielle Wirkung das Entstehen des Anscheins verhindern. Solche Tatbestandsmerkmale sind im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung nicht zu prüfen. Vielmehr sind das Einräumen einer Dispositionsbefugnis und die Verwaltung über einen gewissen Zeitraum Tatbestandsmerkmale, die nicht von einer Abwägung verschiedener Indizien abhängen, sondern die entweder eindeutig erfüllt oder nicht erfüllt werden. Daraus ergibt sich, dass sich einem Unternehmen, welches einen anlageberatenden Robo-Advisor betreibt, weitaus mehr Möglichkeiten bieten, die Erlaubnispflicht des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG zu vermeiden, als einem Unternehmen, welches einen vermögensverwaltenden Robo-Advisor betreibt. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung eine finale Ent-
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Seebach, WM 2010, 733 (738). Baumanns, BKR 2016, 366 (370); Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 46 und Madel, Robo Advice (2019), S. 100. Aus EU-rechtlicher Perspektive Maume, ECFR 2019, 622 (632). 497 Madel, Robo Advice (2019), S. 89. 496
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scheidung über die Anlage von Kundengeldern getroffen wird, aber gerechtfertigt, weil es deshalb auch eines höheren Anlegerschutzniveaus bedarf.
B. Erlaubnisfähigkeit Welche Voraussetzungen für eine Erlaubnisfähigkeit erfüllt werden müssen, ergibt sich aus den Versagungsgründen des § 33 KWG. Gem. § 33 Abs. 3 KWG darf die Erlaubnis nur aus den in den Absätzen 1, 1a und 2 genannten Gründen versagt werden. Dabei sind in § 33 Abs. 1 KWG die zwingenden Versagungsgründe geregelt, während es sich bei § 33 Abs. 2 KWG um eine Kannbestimmung handelt.498 § 33 Abs. 1a KWG, der sich auf die Erlaubnis von Datenbereitstellungsdienstleistungen bezieht, ist für Robo-Advisor nicht relevant. I. Zwingende Versagungsgründe Die zwingenden Versagungsgründe des § 33 Abs. 1 KWG lassen sich grob unterteilen in betriebsbezogene Anforderungen und Anforderungen an Antragsteller, Inhaber und Geschäftsleiter. 1. Betriebsbezogene Anforderungen Unter die betriebsbezogenen Anforderungen sind zunächst solche Versagungsgründe zu fassen, welche sich auf die für den Geschäftsbetrieb erforderlichen Mittel beziehen. Zu diesen ausreichenden Mitteln sind angemessene Eigenmittel sowie ein ausreichendes Eigenkapital zu zählen.499 Welche Eigenmittel angemessen sind, bestimmt sich durch die Kapitalquoten des § 10 Abs. 1 S. 1 KWG i. V. m. Art. 92 ff., 25 ff. Verordnung (EU) Nr. 575/2013500 und wird je nach Umfang und Risikolage des laufenden Geschäfts in einem dynamischen Prozess ermittelt.501 Das Anfangskapital stellt dagegen eine statische Größe dar und muss in einer solchen Höhe vorhanden sein, dass es dazu ausreicht, die Geschäfte der nächsten drei bis fünf Jahre genügend abzusichern.502 Für einige Institute schreibt § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KWG Mindest498 Fischer, R./Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 33 KWG Rn. 2 f. 499 Fischer, R./Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 33 KWG Rn. 6. 500 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 vom 26. Juni 2013, ABl. 176 vom 27. 6. 2013, S. 1 ff. 501 Fischer, R./Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 33 KWG Rn. 6. 502 Fischer, R./Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 33 KWG Rn. 6.
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anfangskapitalanforderungen vor. Interessant für die Robo-Advice ist vor allem die Kapitalanforderung des § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a) KWG, der unter anderem für Anlageberater und Finanzportfolioverwalter, die nicht befugt sind, sich bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen Eigentum oder Besitz an Geldern oder Wertpapieren von Kunden zu verschaffen, und die nicht auf eigene Rechnung mit Finanzinstrumenten handeln ein Mindestanfangskapital in einem Gegenwert von 50.000 Euro fordert. Robo-Advisor sind regelmäßig nicht dazu befugt, sich Eigentum oder Besitz an Geldern oder Wertpapieren von Kunden zu verschaffen, da selbst die im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung eingeräumte Dispositionsbefugnis nicht ein solches Recht beinhaltet und die Wertpapiere der Kunden von einer Depotbank verwahrt werden.503 Alternativ zur Verschaffung eines Anfangskapitals in Höhe von 50.000 Euro besteht für Anlageberater nach § 33 Abs. 1 S. 2 KWG die Möglichkeit, eine geeignete Versicherung zum Schutz der Kunden abzuschließen, die eine Versicherungssumme von mindestens 1.000.000 Euro für jeden Versicherungsfall und eine Versicherungssumme von mindestens 1.500.000 Euro für alle Versicherungsfälle vorsieht, und dies gegenüber der BaFin im Rahmen des Erlaubnisantrags nachzuweisen. Ebenfalls als betriebsbezogen zu verstehen ist die Anforderung des § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 KWG, nach der das Institut über eine Hauptverwaltung mit Sitz im Inland verfügen muss. Zur Prüfung dieses Versagungsgrundes kommt es nicht, wenn das Institut über einen Europäischen Pass i. S. d. § 53b Abs. 1 KWG verfügt oder die BaFin im Einzelfall von der Ausnahme des § 2 Abs. 5 S. 1 KWG Gebrauch gemacht hat, weil das Eingreifen dieser Vorschriften schon die Erlaubnispflicht beseitigt. Schließlich sind auch die von § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 KWG gestellten Anforderungen an die Organisation als betriebsbezogen zu verstehen.504 Nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 KWG kann einem Institut die Erlaubnis dann versagt werden, wenn es nicht dazu bereit oder in der Lage ist, die erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen zum ordnungsmäßigen Betreiben der Geschäfte, für die es die Erlaubnis beantragt, zu schaffen. Diese Vorschrift enthält nicht selbst eine Normierung der organisatorischen Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs, sondern setzt diese voraus.505 Da sie deshalb in sehr engem Zusammenhang mit den organisatorischen Anforderungen des § 25a KWG steht, erfolgt eine nähere Erläuterung der Thematik
503 Siehe dazu bereits oben die Abgrenzung zwischen dem Treuhands- und dem Vollmachtsmodell im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung Teil 3 Kap. 2 § 2 A. I. 1. a) aa). 504 Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 69. 505 Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 69.
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im Zusammenhang mit der Darstellung der Pflichten der laufenden Geschäftstätigkeit aus dem KWG.506 2. Anforderungen an Antragsteller, Inhaber und Geschäftsleiter Die § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bis Nr. 4c KWG enthalten diverse Anforderungen unter anderem an die Zuverlässigkeit und die fachliche Eignung von Antragstellern, Geschäftsleitern und Inhabern einer bedeutenden Beteiligung. Prüfungskriterien zur Ermittlung der Zuverlässigkeit und der fachlichen Eignung in Bezug auf Geschäftsleiter sind in § 25c KWG zu finden, so dass sich auch eine tiefere Auseinandersetzung mit dieser Problematik im Zusammenhang mit der Darstellung der Pflichten der laufenden Geschäftstätigkeit aus dem KWG anbietet.507 Aus § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 KWG folgt außerdem, dass das Institut über zwei Geschäftsleiter verfügen muss. Für Robo-Advisor ist diese Vorschrift jedoch nicht von Bedeutung, da diese, wie bereits festgestellt, regelmäßig nicht dazu befugt sind, sich Eigentum oder Besitz an den Geldern oder Wertpapieren von Kunden zu verschaffen. II. Nicht zwingende Versagungsgründe Im Ermessen der BaFin stehen die Versagungsgründe des § 33 Abs. 2 KWG. Nach § 33 Abs. 2 S. 1 KWG kann eine Erlaubnis dann versagt werden, wenn die wirksame Aufsicht über das Institut beeinträchtigt ist. § 33 Abs. 2 S. 2 KWG zählt dazu Regelbeispiele auf, bei deren Vorliegen der Tatbestand einer beeinträchtigten Aufsicht grundsätzlich erfüllt ist. Durch sie soll verhindert werden, dass Unternehmen aufgrund von Tatsachen, welche sich einer Aufsicht durch die BaFin entziehen, in eine Schieflage geraten.508 Da die Regelbeispiele aber keinen Bezug zu einer potenziellen Digitalisierung aufweisen, ergeben sich für den Einsatz von Robo-Advisorn keine Besonderheiten. III. Zusammenfassung Die Erlaubnisfähigkeit bestimmt sich allein nach § 33 Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 2 KWG, weil nach § 33 Abs. 3 KWG die Erlaubnis nur aus solchen Gründen versagt werden darf, welche in diesen Absätzen geregelt sind. Die zwingenden Versagungsgründe des § 33 Abs. 1 KWG weisen aber häufig eine enge Verzahnung mit den aus den §§ 25a ff. KWG folgenden Pflichten der laufenden Geschäftstätigkeit auf. Die Versagung aus den Gründen des § 33 Abs. 2 KWG steht im Ermessen der BaFin. Für Robo-Advisor spielen diese grundsätzlich aber keine Rolle. 506
Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. I. Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. I. 508 Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 76. 507
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C. Pflichten der laufenden Geschäftstätigkeit Wie allgemein das gesamte Aufsichtsrecht, verfolgen auch die Regelungen zu den Pflichten der laufenden Geschäftstätigkeit den Anlegerschutz sowie den Schutz der Funktionsfähigkeit und Stabilität des Finanzmarktes, auch wenn diese Regelungsziele im KWG und im WpHG unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Diese kommen auch in den jeweiligen Pflichten der laufenden Geschäftstätigkeit zum Ausdruck. So dienen die §§ 25a ff. KWG der Aufrechterhaltung einer funktionierenden und transparenten Unternehmensorganisation, welche wiederum eine Voraussetzung für ein angemessenes Risikomanagement darstellt und damit sowohl auf Unternehmensebene auch auf dem Gesamtmarkt Fehlentwicklungen vorbeugen.509 Dagegen haben die Wohlverhaltens- und Organisationspflichten der §§ 63 ff. und §§ 80 ff. WpHG die Regelung der Verhaltensweisen des einzelnen Instituts gegenüber Vertragspartnern und anderen Marktteilnehmern zum Gegenstand.510 I. Pflichten aus dem KWG Die laufende Aufsicht beinhaltet zunächst die Sicherstellung, dass die Zulassungsvoraussetzungen des § 33 KWG weiterhin bestehen.511 Im KWG sind außerdem diverse weitere Anforderungen zu finden, welchen ein Institut im Rahmen seiner laufenden Geschäftstätigkeit nachzukommen hat. Zu diesen Pflichten gehören quantitative Anforderungen wie die Anforderungen an Eigenmittel (§§ 10 ff. KWG) und an Großkredite (§§ 13 ff. KWG), welche dafür Sorge tragen sollen, dass das Institut solvent und liquide bleibt.512 Davon sind ferner periodische und anlassbezogene Melde- und Offenlegungspflichten umfasst, die aus den quantitativen Anforderungen folgen und die finanzielle Lage des Instituts zum Gegenstand haben.513 Schließlich sind auch die qualitativen Anforderungen an die Organe und die Organisation des Instituts, welche vor allem in den §§ 25a ff. KWG zu finden sind, hierzu zu zählen.514 Nur hinsichtlich dieser organisatorischen Pflichten ergibt sich durch den Einsatz innovativer Geschäftsmodelle wie dem der Robo-Advice eine neuartige Problematik. Die Erfüllung quantitativer Anforderungen an die finanzielle Situation eines Unternehmens und damit zusammenhängender Melde- und Offenlegungspflichten 509 Benzler/Krieger, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 11 Rn. 1. 510 Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 19. 511 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 329. 512 Glos, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 13 Rn. 4. 513 Glos, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 13 Rn. 17 ff. 514 Glos, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 13 Rn. 5.
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dürfte allenfalls mittelbar von dem im Einzelfall verfolgten Geschäftsmodell abhängen. Was aber eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation in Unternehmen bedeutet, in denen ein wesentlicher Teil der Geschäfte nicht mehr von Menschen abgewickelt wird, sondern der Entscheidung automatischer oder intelligenter Agenten obliegt, bedarf eingehenderer Erläuterung. Die folgenden Ausführungen zu den Pflichten der laufenden Geschäftsführung aus dem KWG konzentrieren sich deshalb auf die organisatorischen Anforderungen der §§ 25a ff. KWG und die sich beim Einsatz von Robo-Advisorn in diesem Zusammenhang ergebenden Probleme. 1. Allgemeine organisatorische Pflichten § 25a KWG stellt allgemeine organisatorische Anforderungen an die beaufsichtigten Institute.515 Relevant für den Einsatz von Robo-Advice ist vor allem Absatz 1. Aus den übrigen Absätzen, welche plötzliche und unerwartete Zinsänderungen (Abs. 2), Organisationspflichten auf Gruppenebene (Abs. 3 und 4), das Vergütungssystem (Abs. 5), personelle Risikoträger (Abs. 5a) und die Verordnungsermächtigung der BaFin bezüglich der Vergütungssysteme (Abs. 6) betreffen, ergeben sich für Robo-Advice-Plattformen keine Besonderheiten im Vergleich zu anderen Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten. Gem. § 25a Abs. 1 S. 1 KWG muss ein Institut über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verfügen, welche die Einhaltung der vom Institut zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen und der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten gewährleistet. Bei den in § 25a Abs. 1 KWG festgelegten Bestimmungen handelt es sich um Mindestanforderungen, die unter Umständen durch andere gesetzliche Verpflichtungen oder über den unbestimmten Rechtsbegriff der „ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation“ erweitert werden.516 Neben der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten erfordert eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation i. S. d. § 25a Abs. 1 KWG außerdem ein angemessenes und wirksames Risikomanagement (S. 3) sowie die Bestimmbarkeit der finanziellen Lage (S. 6 Nr. 1), eine vollständige Dokumentation der Geschäftstätigkeit (S. 6 Nr. 2) und die Einrichtung eines Whistleblower-Systems (S. 6 Nr. 3). a) Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten Eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation setzt nach § 25a Abs. 1 S. 1 KWG zunächst die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der betriebswirt515
Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 25a KWG Rn. 16. 516 Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 25a KWG Rn. 16.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
schaftlichen Notwendigkeiten voraus. Aus keinem dieser beiden Merkmale ergeben sich für die Institute aber unmittelbare Rechtspflichten.517 Das Gebot zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen ist lediglich klarstellender Natur und Ausdruck des ohnehin für jede Rechtsperson geltenden Legalitätsprinzips.518 Bei der Regelung der Einhaltung der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit handelt es sich um eine bloße Empfehlung an die Geschäftsleitung.519 b) Anforderungen an das Risikomanagement Weiterhin setzt eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation voraus, dass das Institut über ein angemessenes und wirksames Risikomanagement verfügt, § 25a Abs. 1 S. 3 KWG. Wann das Risikomanagement angemessen ist, richtet sich nach dem Grundsatz der doppelten Proportionalität.520 Nach § 25a Abs. 1 S. 4 KWG, welcher die gesetzliche Grundlage für den Grundsatz der doppelten Proportionalität bildet, muss das Risikomanagement in Abhängigkeit zu Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftstätigkeit ausgestaltet sein.521 Der Grundsatz der doppelten Proportionalität bedeutet, dass einerseits das Institut selbst sein Risikomanagement individuell an seinen Gegebenheiten ausrichten muss, dass aber andererseits auch die BaFin ihre Prüfungshandlungen individuell an die Gegebenheiten des Instituts anpassen muss.522 Dem Merkmal der Wirksamkeit kommt neben der Angemessenheit keine eigenständige Bedeutung zu.523 aa) Bedeutung von IT-Risiken für die Robo-Advice Die wesentlichen Elemente eines solchen Risikomanagements ergeben sich grundsätzlich aus § 25a Abs. 1 S. 3 Hs. 2 KWG sowie aus den MaRisk und der zugehörigen Erläuterung zu den MaRisk, welche einen flexiblen und praxisnahen Rahmen für die Ausgestaltung des Risikomanagements der Institute vorgeben524. Bedeutsam sind zudem die bankaufsichtlichen Anforderungen an die IT (im Folgenden: BAIT)525, welche sowohl die gesetzlichen als auch die Vorgaben der MaRisk 517
Langen, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 25a KWG, Rn. 45 und 48. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), BT-Drs. 14/8017, 124; Langen, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 25a KWG, Rn. 45. 519 Langen, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 25a KWG, Rn. 48. 520 Langen, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 25a KWG, Rn. 51. 521 Langen, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 25a KWG, Rn. 32. 522 Langen, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 25a KWG, Rn. 32. 523 Langen, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 25a KWG, Rn. 51. 524 AT 1 Rz. 1 MaRisk. 525 BaFin, Rundschreiben 10/2017 (BA) in der Fassung vom 14. 09. 2018 – Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT (BAIT), abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Down loads/DE/Rundschreiben/dl_rs_1710_ba_BAIT.html. 518
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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konkretisieren.526 Die Anforderungen an das Risikomanagement haben durch die MaRisk und die BAIT eine sehr detailreiche Ausgestaltung erfahren. Auf alle Einzelheiten kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden, weshalb sich die folgenden Ausführungen auf das Management jener Risiken beschränken, welche beim Einsatz von Robo-Advisorn besonders relevant sind. Auf welche Risiken sich das Risikomanagement im Wesentlichen zu beziehen hat, ergibt sich aus AT 2.2 Rz. 1 der MaRisk und § 25c Abs. 4a Nr. 2 lit. a) KWG. Danach sind zumindest Adressenausfallrisiken, Marktpreisrisiken, Liquiditätsrisiken und operationelle Risiken als wesentlich einzustufen. Diese Aufzählung zeigt, dass die MaRisk ihr Augenmerk vor allem auf die Verhütung finanzieller Risiken legen. Dies ergibt sich auch aus AT 2.2 Rz. 1 der MaRisk, nach dem ein Institut im Rahmen der Risikoinventur zu prüfen hat, welche Risiken die Vermögenslage, die Ertragslage oder die Liquiditätslage wesentlich beeinträchtigen können. Die Absicherung gegen finanzielle Risiken bildet zweifelsohne ein Kernelement zur Erreichung des Ziels der MaRisk, den Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken, welche die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können.527 Auch für Robo-Advice-Plattformen spielt die Absicherung gegen finanzielle Risiken eine wesentliche Rolle. Ebenso relevant ist für sie aber die Absicherung gegen Cyber-Risiken. Dafür spricht zunächst der Grundsatz der doppelten Proportionalität gem. § 25a Abs. 1 S. 4 KWG, welcher auch in den MaRisk an verschiedenen Stellen zum Ausdruck kommt. So handelt es sich bei den meisten RoboAdvisorn um Finanzdienstleistungsinstitute i. S. d. § 1 Abs. 1a S. 1 KWG, für welche die Vorgaben der MaRisk nach AT 2.1 Rz. 2 nicht mit der gleichen Strenge gelten wie für Kreditinstitute i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 KWG, sondern nur insoweit zu beachten sind, wie dies vor dem Hintergrund der Institutsgröße sowie Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten zur Einhaltung der gesetzlichen Pflichten aus § 25a KWG geboten erscheint. Dies gilt insbesondere für die Module AT 3, AT 5, AT 7 und AT 9. Nach AT 1 Rz. 3 der MaRisk erfordert ein sachgerechter Umgang mit dem Proportionalitätsprinzip, dass unter anderem solche Institute, deren Geschäftsaktivität durch eine besondere Komplexität oder eine besondere Risikoexponierung gekennzeichnet ist, im Einzelfall über bestimmte, in den MaRisk explizit formulierte Anforderungen hinaus weitergehende Vorkehrungen treffen. Für das Geschäftsmodell der Robo-Advisor bedeutet dies, dass der Tatsache Rechnung getragen werden muss, dass ein funktionsfähiges und sicheres IT-System 526 Benzler/Krieger, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 11 Rn. 3. 527 AT 2 Rz. 1 MaRisk.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
nicht nur einem von vielen Standbeinen gleichkommt, sondern dass es das Herz jeder geschäftlichen Aktivität und jeder Wertschöpfung überhaupt darstellt.528 RoboAdvisor sind in besonderer Weise Cyber-Risiken ausgesetzt. Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der doppelten Proportionalität kann das Risikomanagement eines Robo-Advisors folglich nur dann Wirksamkeit entfalten, wenn es sich nicht auf finanzielle Risiken konzentriert, sondern sein Augenmerk mit mindestens gleicher Intensität auch auf IT-Risiken legt. Nur dann kann auch den Zielen der MaRisk, die den Instituten anvertrauten Vermögenswerte zu sichern, die ordnungsgemäße Durchführung von Finanzdienstleistungen zu gewährleisten und insbesondere Nachteile für die Gesamtwirtschaft zu verhindern, entsprochen werden. Diese Ziele, welche wortgleich als Ziele der BaFin in § 6 Abs. 2 KWG niedergelegt sind, sind Ausdruck der allgemeinen Regelungsziele des Aufsichtsrechts, den Anlegerschutz sowie den Funktionsschutz und die Stabilität des Finanzmarktes zu gewährleisten. bb) Anforderungen an das Risikomanagement von Robo-Advisorn Der Umgang mit IT-Risiken ist vor allem im AT 7 der MaRisk geregelt. Zunächst fordert AT 7.2 Rz. 1 MaRisk allgemein, dass sich Umfang und Qualität der technisch-organisatorischen Ausstattung an den betriebsinternen Erfordernissen, den Geschäftsaktivitäten sowie der Risikosituation zu orientieren haben. Dazu gehört nach AT 7.2 Rz. 2 MaRisk auch, dass die Institute bei Ausgestaltung ihrer IT-Systeme und der dazugehörigen IT-Prozesse auf gängige Standards wie den Grundschutzkatalog des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik oder den internationalen Sicherheitsstandard ISO/IEC 2700X abstellen.529 Außerdem sind nach AT 7.2 Rz. 4 der MaRisk angemessene Überwachungs- und Steuerungsprozesse einzurichten, die insbesondere die Festlegung von IT-Risikokriterien, die Identifikation von Cyber-Risiken, die Festlegung des Schutzbedarfs, daraus abgeleitete Schutzmaßnahmen für den IT-Betrieb sowie die Festlegung entsprechender Maßnahmen zur Risikobehandlung und -minderung umfassen. Wesentliche Aspekte hinsichtlich des Managements von Cyber-Risiken sind zudem der DelVO-2017/589 zu entnehmen. Diese dient zwar ausweislich ihres Titels nur der Festlegung der organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen, die algorithmischen Handel i. S. d. Art. 17 MiFID II betreiben. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen ergibt, hat sie aber die Verhütung von Risiken im Blick, die in gleicher oder ähnlicher Weise auch beim Einsatz automatischer oder intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich drohen. Zu nennen sind hier etwa Risiken, welche im Zusammenhang mit Hardware, Software und den Kommunikationsleitungen entstehen (Erwägungsgrund 2), Risiken aufgrund der fehlerhaften Verarbeitung von Marktdaten (Erwägungsgrund 4) sowie Risiken für das faire und ordnungsgemäße Funktionieren des Marktes (Erwägungsgründe 5 und 6). Der Inhalt der 528 529
Vgl. Maume, ECFR 2019, 622 (646 f.). Teil I Rz. 2 BAIT.
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DelVO-2017/589 kann deshalb nicht nur direkt auf diejenigen Robo-Advisor angewandt werden, welche den algorithmischen Handel betreiben530, sondern kann auch zur Auslegung des Umfangs eines angemessenen Risikomanagements i. S. d. § 25a Abs. 1 S. 3 KWG für solche Robo-Advisor herangezogen werden, die keinen algorithmischen Handel betreiben. Will man entschlüsseln, welche spezifischen Anforderungen ein angemessenes und wirksames Risikomanagement eines Robo-Advisors zu erfüllen hat, muss man zunächst zurückkehren zu der Frage, welche besonderen Risiken der Einsatz von Robo-Advisorn für die Regelungsziele des Aufsichtsrechts birgt. Diese Frage, die bereits ausführlich diskutiert wurde,531 soll an dieser Stelle nur hinsichtlich der wesentlichen Problempunkte aufgegriffen werden. Relevant ist zunächst das Herdenrisiko, das entsteht, wenn eine Vielzahl von Anlegern die gleiche Anlagestrategie verfolgt.532 Für Robo-Advisor kann ein angemessenes und wirksames Risikomanagement in diesem Zusammenhang nur die ständige Überwachung und Überprüfung der eigenen Anlagestrategie sowie des Verhaltens der anderen Marktakteure, insbesondere der anderen Wettbewerber auf dem Robo-Advice-Markt bedeuten. Eine Echtzeitüberwachung sieht auch Art. 16 DelVO-2017/589 vor. Nach dessen Absatz 1 müssen Wertpapierfirmen in Echtzeit sämtliche unter ihrem Handelscode ausgeführten algorithmischen Handelstätigkeiten auf Anzeichen für marktstörende Handelsbedingungen unter Einbeziehung sämtlicher Märkte, Anlageklassen oder Produkte, auf die sich die Tätigkeiten der Wertpapierfirma erstrecken, überwachen. Als Maßnahme zur Risikobehandlung und -minderung des Herdenrisikos kommt die Anpassung der Anlagestrategie bzw. die Vergrößerung des Angebots an Anlagestrategien in Betracht. Bedeutsam ist außerdem das Risiko von Fehlern im Programm des Robo-Advisors, welche dazu führen, dass eine fehlerhafte Anlageberatung oder Vermögensverwaltung nicht nur einen einzelnen, sondern alle Kunden gleichermaßen betrifft und damit weitaus gravierendere Konsequenzen nach sich zieht als Fehler im klassischen Beratungsgeschäft.533 Dieses Risiko kann nur durch eine laufende gründliche Überwachung der eingesetzten Software, welche eine frühzeitige Identifikation und Behebung des Fehlers ermöglicht, gemindert werden. Zudem sind nach AT 7.2 Rz. 3 MaRisk IT-Systeme vor ihrem erstmaligen Einsatz und nach wesentlichen Veränderungen zu testen und von den fachlich sowie auch von den technisch zuständigen Mitarbeitern abzunehmen. Art. 5 Abs. 1 und Abs. 4 DelVO530
Siehe zur Abgrenzung der Begriffe oben Teil 2 Kap. 1 § 1. Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 532 FSB, Financial Stability Implications from FinTech (2017), S. 20, abrufbar unter: www. fsb.org/wp-content/uploads/R270617.pdf; Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 16, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/ working-paper-series. 533 Baker/Dellaert, 103 Iowa L. Rev. 713, 742 (2018); ESAs, Report on automation in financial advice (2016), S. 10, abrufbar unter: esas-joint-committee.europa.eu/Publications/ Reports/EBA BS 2016 422 (JC SC CPFI Final Report on automated advice tools).pdf. 531
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2017/589 statuiert hierzu die Pflicht, klar abgegrenzte Methodologien für die Entwicklung und das Testen von Algorithmen festzulegen, um insbesondere zu gewährleisten, dass der Handelsalgorithmus keine außerplanmäßigen Verhaltensweisen zeigt und auch unter Stressbedingungen auf den Märkten effektiv funktioniert. Konformitätstests i. S. d. Art. 6 DelVO-2017/589 sollen zudem sicherstellen, dass die grundlegenden Bestandteile des Handelsalgorithmus ordnungsgemäß funktionieren. Außerdem müssen Algorithmen kontrolliert nach den Anforderungen des Art. 8 DelVO-2017/589 eingeführt werden. Besondere Aufmerksamkeit muss im Rahmen des IT-Risikomanagements außerdem den Cyber-Risiken bzw. Cyber-Threats geschenkt werden. Diese sind vor allem deswegen zu beachten, weil sich ein Angriff auf ein Unternehmen auf den gesamten Finanzmarkt ausbreiten kann. Neben einer laufenden Überwachung kommt zur Minderung dieses Risikos auch der Einsatz von Stresstests in Betracht. Bei Stresstests handelt es sich um eine Methode zur Ermittlung des individuellen Gefährdungspotenzials bezüglich außergewöhnlicher, aber plausibel möglicher Ereignisse.534 Speziell zur Abwehr von Cyber-Angriffen fordert Art. 18 Abs. 4 DelVO-2017/589 die jährliche Durchführung von Penetrationstests und Schwachstellenanalysen. Penetrationstests stellen ein wirksames Instrument zur Überprüfung der Widerstandsfähigkeit des eigenen Systems gegen Cyber-Threats dar. Dabei handelt es sich um die Simulation gezielter Hackerattacken zur Identifizierung von Schwachstellen in der IT-Sicherheit.535 Penetrationstests werden grundsätzlich nicht durch das Unternehmen selbst, sondern durch darauf spezialisierte externe Unternehmen durchgeführt.536 Der Aufbau einer eigenen Penetrationsabteilung ist sowohl aus Kostengründen abzulehnen als auch aufgrund der Tatsache, dass externe Tester eine unvoreingenommene Perspektive einnehmen können und über eine Vielzahl von Ressourcen und Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügen.537 Die regelmäßige und anlassbezogene Durchführung von Penetrationstests stellt eine effektive Methode zur Absicherung von IT-Systemen durch eine gezielte Offenlegung von Schwachstellen dar und sollte deshalb Teil eines jeden Risikomanagements von Robo-Advice-Anbietern sein. Außerdem muss nach AT 7.3 Rz. 1 MaRisk für Notfälle in zeitkritischen Aktivitäten und Prozessen Vorsorge in Form eines Notfallkonzepts getroffen werden, das geeignete Maßnahmen zur Reduzierung des Schadensrisikos festlegt. Art. 14 Abs. 2 DelVO-2017/589 listet dazu detailliert die Bestandteile eines solchen Notfallkonzepts auf. Auch das Notfallkonzept selbst ist regelmäßig durch Notfalltests auf seine Wirksamkeit hin zu überprüfen.538 534 535 536 537 538
AT 4.3.3 Rz. 1 Erläuterung MaRisk. Sowa/Duscha/Schreiber, IT-Revision, IT-Audit und IT-Compliance (2019), S. 126. Sowa/Duscha/Schreiber, IT-Revision, IT-Audit und IT-Compliance (2019), S. 151. Sowa/Duscha/Schreiber, IT-Revision, IT-Audit und IT-Compliance (2019), S. 151. AT 7.3 Rz. 1 MaRisk.
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In Zusammenhang mit dem Risiko von Cyber-Threats steht das Risiko des „too linked to fail“.539 Aufgrund der engen Vernetzung vieler Robo-Advisor mit anderen Finanzmarktakteuren können bei einem Cyber-Angriff auf einen Robo-Advisor diese anderen Akteure „angesteckt“ werden und kann sich sein Scheitern über Rückkopplungseffekte auf das ganze Finanzsystem ausbreiten.540 Eine Abwendung dieses Effekts durch Aufsichtsbehörden ist aufgrund der „too fast to save“-Problematik häufig nicht mehr möglich.541 Wie bereits erläutert, ist das Konzept von Instituten, die „too linked to fail“ bzw. „too fast to save“ sind, angelehnt an jene Institute, die vor allem im Zuge der Finanzkrise als „too big to fail“ charakterisiert wurden, denen also aufgrund ihrer Größe eine solche Systemrelevanz zukommt, dass ihr Scheitern verheerende Folgen für die Stabilität des gesamten Finanzsystems hätte.542 Es bietet sich deshalb an, auch im Rahmen des Risikomanagements einen Blick auf die Anforderungen an das Risikomanagement von „too big to fail“-Instituten zu werfen. Bei Instituten, die „too big to fail“ und aufgrund eines Geflechts an gegenseitigen Verbindlichkeiten und Investitionen miteinander vernetzt sind, lässt sich eine Risikoabdeckung und Verhaltenssteuerung durch erhöhte Anforderungen an Kapitalpuffer erreichen.543 Ergibt sich die Systemrelevanz eines Instituts aber daraus, dass es „too linked to fail“ ist, können gesteigerte Kapitalanforderungen allein nicht ausreichen, weil die wesentlichen Risiken nicht allein finanzieller Natur sind. Während vergangene Krisen stets in finanziellen Verlusten wurzelten, können in der heutigen digitalen Ära systemische Schocks auch aus nicht-finanziellen Quellen, wie etwa einer fehlerhaften Hardoder Software, und insbesondere aus Cyber-Threats resultieren.544 Hinzu kommt, dass beim drohenden Scheitern eines solchen Instituts, anders als bei „too big to fail“-Instituten, eine nachträgliche Rettung durch staatliches Eingreifen nicht mehr möglich ist. Befindet sich ein solches Institut in einer Abwärtsspirale, sind sein Scheitern und das Übergreifen auf das Finanzsystem „too fast to save“, so dass allein präventive Maßnahmen im Rahmen des Risikomanagements dieses Risiko mindern können. Robo-Advisor, die über eine solche systemrelevante Vernetzung verfügen, sollten deshalb besondere Anforderungen hinsichtlich der Sicherheit der IT-Systeme erfüllen. Insbesondere sollte ein dem AT 7.3 MaRisk entsprechendes Notfallkonzept dafür Sorge tragen, dass sich Cyber-Threats und Programmfehler nicht auf das gesamte Finanzsystem ausbreiten können, sondern dass ein betroffenes System im Notfall isoliert werden kann. Art. 12 DelVO-2017/ 539
Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 585 (2014). Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 588 (2014). 541 Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 588 f. (2014). 542 Issing/Bluhm, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance von Banken (2011), S. 88; Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 585 (2014). 543 Neus/Riepe, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 6 Rn. 33 f. 544 FSB, FSB Chair’s letter to G20 Leaders meeting in Buenos Aires (2018), S. 2, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P271118.pdf. 540
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
589 sieht deshalb die Einrichtung einer sog. „Kill-Funktion“ vor. Die „Kill-Funktion“ stellt eine Notfallmaßnahme dar, die jeden beliebigen Auftrag, der bei irgendeinem Handelsplatz eingereicht, aber noch nicht ausgeführt wurde, sofort stornieren kann. Zudem muss der Handelsalgorithmus nach Art. 5 Abs. 4 lit. d) DelVO-2017/589 auch unter Stressbedingungen seine Abschaltung zulassen. Schließlich muss auch der Black Box-Problematik besondere Beachtung geschenkt werden. Die Tatsache, dass allgemein und insbesondere bei Extremereignissen nicht vorhergesagt werden kann, wie ein Robo-Advisor, welcher künstliche Intelligenz einsetzt, entscheidet, und dass zudem nicht nachvollzogen werden kann, wie er auf dem Finanzmarkt als einer Multi-Agenten-Umgebung mit anderen Agenten kommuniziert, kann ein Risiko für die Stabilität des Finanzmarktes darstellen.545 Eine Risikominderung kann deshalb nur durch ein präventives Risikomanagement erreicht werden. Auch für Betreiber von Robo-Advisor-Plattformen, die im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung auf künstliche Intelligenz setzen, könnte die Verpflichtung zum Einsatz von Explainable Artificial Intelligence-Techniken546 im Rahmen des Risikomanagements dafür Sorge tragen, dass die Entscheidungen des Robo-Advisors bei Bedarf auf ihre Plausibilität hin überprüft werden können. Ob ein angemessenes Risikomanagement nur durch eine Verpflichtung zur Einrichtung einer Explainable Artificial Intelligence erreicht werden kann, wird in Teil 4 dieser Arbeit noch erläutert.547 cc) Derzeitige Risikosituation Bei Betrachtung all dieser Risiken vor allem für die Stabilität des Finanzmarktes darf nicht unerwähnt bleiben, dass sich eine reale Gefahr für den Finanzmarkt erst dann ergeben wird, wenn Robo-Advisor, insbesondere solche, die lernende, intelligente Agenten darstellen, und solche, die algorithmischen Handel betreiben, größere Marktanteile erlangen. Dies ist heute noch nicht der Fall. Wie bereits festgestellt, besteht jedoch gerade auf dem Finanzmarkt die Gefahr, dass destruktive Handlungen erst nach Jahren ihr Störpotenzial entfalten und eine nachträgliche Korrektur häufig nicht mehr möglich ist.548 Deshalb müssen sich Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden schon heute der Frage stellen, wie ein angemessenes und wirksames Risikomanagement beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich allgemein und speziell bei Robo-Advisorn ausgestaltet werden muss.
545
Vgl. FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 26, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117.pdf und Kirn/Müller-Hengstenberg, MMR 2014, 225 (230 f.). 546 Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 2 A. III. 547 Siehe unten Teil 4 Kap. 2 § 1 B. I. 2. 548 Siehe dazu Teil 3 Kap. 2 § 1 B. I.
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
157
Ob man der derzeitigen Gesetzeslage und ihrer Interpretation durch die BaFin die in diesem Kapitel identifizierten notwendigen Anforderungen an das Risikomanagement entnehmen kann, ist zumindest fraglich. Insbesondere hinsichtlich des Konzepts der Explainable Artificial Intelligence und der Widerstandsfähigkeit gegen Cyber-Threats wäre eine normative Festlegung und/oder eine Festlegung in einem neuen Merkblatt bzw. eine entsprechende Ergänzung der MaRisk oder der BAIT wünschenswert. Ein Risikomanagement, das für eine widerstandsfähige IT-Sicherheit sowie die Erklärbarkeit der Entscheidungen intelligenter Agenten sorgt, kann letztlich nicht nur die Stabilität des Finanzmarktes fördern, sondern zudem das Vertrauen der Anleger in den Finanzmarkt allgemein stärken und damit auch dem institutionellen Anlegerschutz dienen. c) Sonstige Anforderungen Weiterhin müssen die Institute nach § 25a Abs. 1 S. 6 Nr. 1 KWG dazu fähig sein, ihre finanzielle Lage zu bestimmen. Dabei wird nicht verlangt, dass diese immerzu berechnet wird, sondern die Institute müssen nur über die entsprechenden Instrumente verfügen, um diese jederzeit ermitteln zu können.549 § 25a Abs. 1 S. 6 Nr. 2 KWG erfordert zudem eine vollständige Dokumentation der Geschäftstätigkeit. Die Aufzeichnungen müssen dabei so beschaffen sein, dass sie eine abschließende Beurteilung durch die BaFin dahingehend zulassen, ob das Institut seinen aufsichtsrechtlichen Pflichten nach dem KWG nachkommt.550 Irrelevant ist in diesem Zusammenhang, ob auch den sich aus dem WpHG ergebenden Pflichten nachgekommen wird.551 Dies ist nur im Rahmen der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten nach § 83 WpHG von Bedeutung.552 Schließlich setzt § 25a Abs. 1 S. 6 Nr. 3 KWG die Einrichtung eines Whistleblower-Prozesses voraus.553 Im Ergebnis lässt sich damit feststellen, dass sich aus diesen sonstigen Anforderungen über die Dokumentation des speziellen Risikomanagements keine Besonderheiten für die Betreiber von Robo-Advisorn ergeben.
549
Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 25a KWG Rn. 652. 550 Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 25a KWG Rn. 663 f. 551 Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 25a KWG Rn. 663. 552 Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 25a KWG Rn. 663 zu § 34 WpHG a. F. 553 Siehe dazu etwa Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 25a KWG Rn. 687 f.
158
Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
2. Anforderungen an die Auslagerung von Aktivitäten und Prozessen § 25b KWG, welcher Anforderungen an die Auslagerung von Aktivitäten und Prozessen aufstellt, spielt beim Einsatz von Robo-Advisorn deswegen eine Rolle, weil vermögensverwaltende Robo-Advisor vereinzelt die Verwaltung der Kundenportfolios auf Dritte auslagern.554 Eine Auslagerung liegt vor, wenn ein anderes Unternehmen mit der Wahrnehmung solcher Aktivitäten und Prozesse im Zusammenhang mit der Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen beauftragt wird, die ansonsten vom Institut selbst erbracht würden.555 Dies kann nützlich sein, um auf das Dienstleistungsspektrum, die Expertise oder den Namen eines bekannten Portfolioverwalters zugreifen zu können.556 Die Verantwortung für die Einhaltung der zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen bleibt entsprechend § 25b Abs. 2 S. 2 KWG aber beim Robo-Advice-Institut. Einzelheiten zur Auslagerung sind dem AT 9 der MaRisk zu entnehmen. 3. Anforderungen an bestimmte Personengruppen Aus § 25c KWG ergeben sich Anforderungen an die Geschäftsleiter von Instituten. Insbesondere setzt § 25c Abs. 1 S. 1 KWG die fachliche Eignung der Geschäftsleiter zur Leitung des Instituts voraus, was nach S. 3 regelmäßig dann zu bejahen ist, wenn eine dreijährige leitende Tätigkeit bei einem Institut von vergleichbarer Größe und Geschäftsart nachgewiesen wird. Vor allem für potenzielle Geschäftsleiter eines jungen Start-Ups stellt dies eine Hürde dar, weil diese naturgemäß noch nicht über eine solche Erfahrung verfügen.557 § 25d KWG ist als Parallelvorschrift zu § 25c KWG ausgestaltet und stellt entsprechende Anforderungen an die Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen, wenn auch weniger streng.558 4. Organisatorische Anforderungen zur Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen strafbaren Handlungen Regelungen betreffend die Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen strafbaren Handlungen sind in den §§ 25g ff. KWG zu finden. 554 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 148. 555 AT 9 Rz. 1 MaRisk. 556 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 148. 557 Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1969). 558 Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 25c KWG Rn. 9; Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 25d KWG Rn. 17.
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
159
Für Institute, welche die Robo-Advice anbieten, erlangt aber grundsätzlich nur § 25h Abs. 1 KWG Bedeutung, da die übrigen Vorschriften überwiegend Kreditinstitute betreffen. § 25h Abs. 1 S. 1 KWG enthält die Anforderung, neben den in § 25a Abs. 1 KWG und §§ 4 bis 6 GwG festgelegten Pflichten ein angemessenes Risikomanagement einzurichten sowie über interne Sicherungsmaßnahmen zu verfügen, die der Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder sonstigen strafbaren Handlungen dienen, die zu einer Gefährdung des Vermögens des Instituts führen können. Damit ergänzt § 25h Abs. 1 KWG insbesondere auch für Finanzdienstleistungsinstitute die Vorschriften, welche nach §§ 4 ff. GwG für alle Verpflichteten bestehen559, weshalb im Folgenden Bezug auf GwG-Normen genommen wird. Das angemessene Risikomanagement muss sich über § 25a KWG hinaus explizit auf die Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen strafbaren Handlungen beziehen. Bei Robo-Advisorn muss dabei vor allem auf die bereits im Zusammenhang mit § 25a KWG ausführlich erläuterte besondere Exponierung von Robo-Advisorn für Cyber-Risiken geachtet werden. Zudem verpflichtet § 25h Abs. 1 S. 3 KWG die Institute ausdrücklich dazu, geeignete Strategien und Sicherungsmaßnahmen zu entwickeln, um den Missbrauch neuer Technologien für Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung oder der Begünstigung der Anonymität von Geschäftsbeziehungen und Transaktionen zu verhindern. Ein angemessenes Risikomanagement und interne Sicherungsmaßnahmen umfassen nach § 25h Abs. 1 S. 2 KWG außerdem die Schaffung angemessener geschäfts- und kundenbezogener Sicherungssysteme. Zur Schaffung eines angemessenen kundenbezogenen Sicherungssystems gehört etwa die Einrichtung eines risikoangemessenen Kundenannahmeprozesses.560 Teil dieses Prozesses ist die Identifizierung und Identifikation des Kunden, § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 lit. b) GwG. Bei natürlichen Personen sind zur Identifizierung nach §§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 11 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GwG Vor- und Nachname, Geburtsort, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Wohnanschrift zu erheben. Die Prüfung der Identität kann sich gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG entweder vor Ort vollziehen oder gem. § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG mittels eines sonstigen geeigneten Verfahrens. Robo-Advisor greifen zur Identitätsprüfung regelmäßig auf das Videoidentifizierungsverfahren zurück, welches nach dem entsprechenden Rundschreiben der BaFin ein solches geeignetes Verfahren darstellt.561 Bei der Videoidentifizierung 559
Achtelik, in: Herzog/Achtelik (Hrsg.), Geldwäschegesetz (2018), § 25h KWG, Rn. 1. Auerbach/Hentschel, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 25h KWG, Rn. 35. 561 BaFin, Rundschreiben 3/2017 (GW) – Videoidentifizierungsverfahren in der Fassung vom 10. 04. 2017, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rund schreiben/2017/rs_1703_gw_videoident.html; Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 125. 560
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
wird eine sinnliche Wahrnehmung der am Identifizierungsprozess beteiligten (natürlichen) Personen ungeachtet der räumlichen Trennung ermöglicht, indem sich die zu identifizierende Person und der Mitarbeiter im Rahmen der Videoübertragung gegenübersitzen und kommunizieren.562 Möglich563 und von Robo-Advisorn häufig praktiziert ist die Auslagerung des Videoidentifizierungsverfahrens auf einen Dritten mittels vertraglicher Vereinbarung nach § 17 Abs. 5 S. 1 und S. 2 GwG.564 Maßnahmen des Dritten werden dem Betreiber des Robo-Advisors aber gem. § 17 Abs. 5 S. 2 GwG als eigene zugerechnet. Er muss sich gem. § 17 Abs. 7 S. 2 GwG durch Stichproben von der Angemessenheit und Ordnungsmäßigkeit der Maßnahmen überzeugen, die der Dritte getroffen hat. Um sicherzustellen, dass den geldwäscherechtlichen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen wird, sind gem. § 6 Abs. 2 Nr. 5 GwG die Mitarbeiter auf ihre Zuverlässigkeit hin zu überprüfen und gem. § 6 Abs. 2 Nr. 6 GwG erstmalig und laufend in Bezug auf Typologien und aktuelle Methoden der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung sowie die insoweit einschlägigen Vorschriften und Pflichten zu unterrichten. Nach ihrem Wortlaut sind die Vorschriften allein auf menschliche Mitarbeiter zugeschnitten. Da die Regelungen aber insbesondere auch diejenigen Mitarbeiter betreffen, die für die Durchführung von Transaktionen und die Anbahnung und Begründung von Geschäftsbeziehungen zuständig sind,565 stellt sich die Frage, wie diesen Anforderungen beim Einsatz eines Robo-Advisors, bei welchem ebendiese Geschäftshandlungen von einem Algorithmus durchgeführt werden, nachgekommen werden kann. Es bietet sich eine „digitale Auslegung“ der Norm an, die danach fragt, wie der Sinn und Zweck der Norm auch beim Agieren automatischer und intelligenter Agenten zur Geltung kommen kann sowie ob und wie die für Menschen geschaffenen Regelungen auf das Handeln digitaler Akteure übertragen werden können.566 Die Zuverlässigkeit eines Mitarbeiters ist gegeben, wenn dieser Gewähr dafür bietet, sämtliche geldwäscherechtlichen Pflichten zu erfüllen, Tatsachen i. S. d. § 43 Abs. 1 GwG zu melden und sich nicht selbst an zweifelhaften Transaktionen oder 562 BaFin, Rundschreiben 3/2017 (GW) – Videoidentifizierungsverfahren in der Fassung vom 10. 04. 2017, A., abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rund schreiben/2017/rs_1703_gw_videoident.html. 563 BaFin, Rundschreiben 3/2017 (GW) – Videoidentifizierungsverfahren in der Fassung vom 10. 04. 2017, B. I., abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/ Rundschreiben/2017/rs_1703_gw_videoident.html; Figura, in: Herzog/Achtelik (Hrsg.), Geldwäschegesetz (2018), § 13 GwG, Rn. 3. 564 Etabliert haben sich Anbieter wie „ID-Now“, „webID“ und die Deutsche Post mit ihrem Service „PostIdent“. 565 Auerbach/Hentschel, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 25h KWG, Rn. 39. 566 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 D. Im Gegensatz zu den die Strafbarkeit betreffenden Normen des GwG ist diese Norm der Auslegung zugänglich, vgl. Bülte, NZWiSt 2017, 276 (283).
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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Geschäften aktiv oder passiv zu beteiligen.567 Nach ihrem Sinn und Zweck soll die Zuverlässigkeitsprüfung zur Gewährleistung hoher Standards bei der Personalauswahl führen und Mittelsmänner daran hindern, Unternehmen zu infiltrieren, welche für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung bedeutungsvoll sind.568 Zwar besteht keine Gefahr, dass ein krimineller Robo-Advisor als Mittelsmann selbständig in ein solches Unternehmen eindringt, jedoch müssen entsprechend strenge Maßstäbe bei der Auswahl derjenigen Personen angesetzt werden, welche mit der Programmierung des Robo-Advisors beauftragt werden, da sich andernfalls ihre kriminelle Zielrichtung im Programmcode des Robo-Advisors fortsetzen kann. Ziel der regelmäßigen und laufenden Unterrichtung ist es, dass Mitarbeiter lernen, Transaktionen zu erkennen, die im Zusammenhang mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung stehen, und sich entsprechend zu verhalten.569 Dabei handelt es sich um ein Ziel, das bei entsprechender Programmierung durchaus auch von einem Robo-Advisor erreicht werden kann. Im Ergebnis bedeutet dies für den Einsatz von Robo-Advisorn zunächst, dass die hohen Standards des GwG bei der Personalauswahl bereits für diejenigen Personen gelten müssen, welche den Robo-Advisor programmieren. Die Pflicht zur erstmaligen und laufenden Unterrichtung sowie zur Gewährleistung der Zuverlässigkeit muss aber auch für den Robo-Advisor selbst gelten. Überträgt man die menschliche Komponente dieser Vorschriften auf einen Algorithmus, bedeutet dies, dass das System in der Lage sein muss, verdächtige Finanzströme zu identifizieren und zu melden sowie die entsprechende Transaktion abzubrechen. Dies kann entweder dadurch umgesetzt werden, dass sowohl zu Beginn als auch im laufenden Betrieb des Programms regelmäßig klare Regeln implementiert werden, die verdächtige Finanzströme filtern und melden.570 Alternativ kann aber auch in diesem Bereich auf künstliche Intelligenz gesetzt werden. Da die Identifizierung verdächtiger Zahlungsströme einen Fall der Mustererkennung darstellt, ist sie geradezu prädestiniert für den Einsatz maschinellen Lernens und eines Trainings anhand von Beispieldaten.571 Allerdings müssen auch in diesem Zusammenhang die Probleme der künst567
Auerbach/Hentschel, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 25h KWG, Rn. 40. 568 Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Optimierung der Geldwäscheprävention, BT-Drs. 17/6804, 34; Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen, BTDrs. 18/11555, 111; Herzog, in: Herzog/Achtelik (Hrsg.), Geldwäschegesetz (2018), § 6 GwG, Rn. 12. 569 Herzog, in: Herzog/Achtelik (Hrsg.), Geldwäschegesetz (2018), § 6 GwG, Rn. 13. 570 Vgl. Neufang, IRZ 2017, 249 (252) und Seidenstücker, Mit künstlicher Intelligenz Finanzbetrügern auf der Spur (2018), abrufbar unter: www.finanzen.net/nachricht/aktien/mit-ku enstlicher-intelligenz-finanzbetruegern-auf-der-spur-6390249. 571 Vgl. zu Einzelheiten Neufang, IRZ 2017, 249 (252 ff.) und Seidenstücker, Mit künstlicher Intelligenz Finanzbetrügern auf der Spur (2018), abrufbar unter: www.finanzen.net/nach richt/aktien/mit-kuenstlicher-intelligenz-finanzbetruegern-auf-der-spur-6390249.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
lichen Intelligenz, allen voran das Black Box-Problem, Berücksichtigung finden. Da aus einer erkannten verdächtigen Transaktion unter Umständen auch eine Strafbarkeit folgen kann, stellt die Erklärbarkeit der Entscheidungen eines solchen intelligenten Systems ein unverzichtbares Merkmal dar.572 5. Gesetzliche Ausnahmetatbestände Bereits dargestellt wurden jene Ausnahmetatbestände, welche eine Vermeidung der Erlaubnispflicht aus § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG ermöglichen.573 Daneben existieren aber auch Tatbestände, welche eine Ausnahme von den Pflichten der laufenden Geschäftstätigkeit nach dem KWG zulassen. So müssen nach § 2 Abs. 8 und Abs. 8b KWG unter anderem Anlageberater und Finanzportfolioverwalter, die nicht befugt sind, sich bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen Eigentum oder Besitz an Geldern oder Wertpapieren von Kunden zu verschaffen, und die nicht auf eigene Rechnung Finanzinstrumente handeln, insbesondere nicht die sich aus § 25a Abs. 2 und Abs. 5 KWG ergebenden Verpflichtungen hinsichtlich plötzlicher Zinsänderungen und dem Verhältnis zwischen variabler und fixer jährlicher Vergütung für Mitarbeiter und Geschäftsleiter erfüllen. Zudem erfassen die in § 2 Abs. 4 und Abs. 5 KWG normierten Befreiungsmöglichkeiten im Einzelfall nicht nur die Erlaubnispflicht, sondern gehen unter anderem auch mit einer Befreiung bezüglich der Pflichten aus §§ 25a bis 25e KWG einher. II. Kapitalmarktrechtliche Pflichten Die Wohlverhaltens- und Organisationspflichten der §§ 63 ff. und 80 ff. WpHG gelten grundsätzlich nur für Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Dabei handelt es sich nach § 2 Abs. 10 WpHG unter anderem um Finanzdienstleistungsinstitute, die Wertpapierdienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Der Tatbestand der Wertpapierdienstleistungen findet seine Definition wiederum in § 2 Abs. 8 S. 1 WpHG. Die Tatbestandsalternativen der Anlageberatung (Nr. 10) und der Finanzportfolioverwaltung (Nr. 7) sind weitgehend identisch zu § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1a und Nr. 3 KWG definiert, so dass eine erneute Subsumtion nicht erforderlich erscheint, sondern ihre Erfüllung durch die verschiedenen Geschäftsmodelle der Robo-Advice als gegeben angenommen werden kann. Auch das Vorliegen des Merkmals der Gewerbsmäßigkeit wurde bereits erläutert. In gleicher Weise, wie Ausnahmen vom KWG-rechtlichen Begriff des Finanzinstituts existieren, bestehen zudem Ausnahmetatbestände vom Begriff des Wert572
Stolberg/Ceccotti, XAI – Explainable AI: Wissen was die KI wirklich macht – so bleibt künstliche Intelligenz erklärbar (2018), abrufbar unter: www.it-finanzmagazin.de/xai-wissenwas-die-ki-wirklich-macht-kuenstliche-intelligenz-erklaerbar-67609/. 573 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 A. II. 1.
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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papierdienstleistungsunternehmens i. S. d. WpHG. Diese ergeben sich aus § 3 WpHG. Für die Robo-Advice dürfte vor allem der § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 WpHG relevant sein, nach welchem Unternehmen, die ausschließlich die Anlageberatung und die Anlagevermittlung erbringen, unter bestimmten Voraussetzungen nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten. Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen dem Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.574 Bevor eine Wertpapierdienstleistung erbracht werden darf, muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zunächst die Einordnung des Kunden in eine der in § 67 WpHG festgelegten Kundenkategorien vornehmen.575 Je nachdem, ob es sich bei dem Kunden um einen Privatkunden, einen professionellen Kunden oder eine geeignete Gegenpartei handelt, wird durch das WpHG ein unterschiedlich intensiver Schutz gewährt.576 Die Notwendigkeit einer solchen formellen Einstufung entfällt nur dann, wenn die jeweiligen Wertpapierdienstleistungen des Unternehmens sich auf nur eine Kundengruppe beschränken und diese Tatsache entsprechend dokumentiert wird.577 Dieser Fall liegt beim Geschäftsmodell der Robo-Advice-Unternehmen grundsätzlich vor. Diese erbringen ihre Dienstleistungen (zumindest derzeit) nur gegenüber Privatkunden, die weder ein Unternehmen i. S. d. § 67 Abs. 2 oder Abs. 4 WpHG darstellen noch über besondere Erfahrungen auf dem Kapitalmarkt bzw. über ein Bankguthaben und Finanzinstrumente im Wert von über 500.000 Euro nach § 67 Abs. 6 S. 3 WpHG verfügen. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf diejenigen Verpflichtungen, welche gegenüber Privatkunden bestehen. 1. Die allgemeine Pflicht zur Wahrung des Kundeninteresses Generalklauselartig578 legt § 63 Abs. 1 WpHG fest, dass sämtliche Geschäftshandlungen eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse der Kunden zu erbringen sind. Bei den Begriffen „ehrlich, redlich und professionell“ handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, welche als Leitprinzipien bei der Erbringung jeder ordnungsgemäßen Wertpapierdienstleistung zu beachten sind.579 Ihnen kommt damit auch bei 574
Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 A. II. 1. b). Theißen/Schwinger, in: Szesny/Kuthe (Hrsg.), Kapitalmarkt Compliance (2018), 17. Kap., Rn. 93. 576 Grundmann, in: Staub (Begr.), HGB (2018). Band 11/2. Bankvertragsrecht. Investment Banking II, Teil 8 Rn. 232; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 67 Rn. 2. 577 Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 67 Rn. 2. 578 Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 15. 579 Grundmann, in: Staub (Begr.), HGB (2018). Band 11/2. Bankvertragsrecht. Investment Banking II, Teil 8 Rn. 128; Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), KapitalmarktrechtsKommentar, 5. Auflage 2020, § 63 WpHG, Rn. 6. Vgl. zu § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a. F. Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), § 31 Rn. 13 m. w. N.; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung (2014), § 3 Rn. 1. 575
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Auslegung der weiteren in den §§ 63 ff. WpHG konkret ausformulierten Verhaltenspflichten Bedeutung zu. Unter Ehrlichkeit ist das Gebot zu verstehen, seine Kunden nicht bewusst in die Irre zu führen.580 Redlichkeit liegt vor, wenn sich ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen trotz der berechtigten Verfolgung auch eigener Zwecke loyal gegenüber seinen Kunden verhält.581 Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen handelt schließlich professionell, wenn eine ausreichende Sachkompetenz gegeben ist und die verkehrserforderliche Sorgfalt gewahrt wird.582 Bemerkenswert ist, dass die Begriffe der Redlichkeit, der Ehrlichkeit und der Professionalität Eigenschaften beschreiben, über die im Grundsatz nur Menschen verfügen können. Zwar obliegt nach dem Wortlaut des § 63 Abs. 1 WpHG nur dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Pflicht, nach diesen Leitprinzipien zu handeln. Normadressat583 und verantwortlich ist deshalb zunächst das Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst. Nachkommen kann es dieser Pflicht aber, indem es organisatorische und verwaltungsmäßige Vorkehrungen trifft sowie angemessene Strategien und Verfahren584 anwendet, welche sicherstellen, dass die materiellen Verhaltensregeln beachtet werden585, d. h. sich die für das Unternehmen handelnden natürlichen Personen entsprechend verhalten. Denn ganz gleich, ob das Wertpapierdienstleistungsunternehmen als juristische Person, als Personengesellschaft oder als Einzelkaufmann organisiert ist, sind die ihm obliegenden Pflichten faktisch von den für das Unternehmen handelnden natürlichen Personen zu erfüllen. Problematisch gestaltet sich mithin die Übertragung dieser Leitprinzipien auf „digitale Mitarbeiter“, d. h. auf automatische und intelligente Agenten wie RoboAdvisor. Ein Algorithmus als schlichte Abfolge endlicher Handlungsanweisungen lässt sich nicht mit dem menschlichen Konzept von Redlichkeit, Ehrlichkeit und Professionalität vereinbaren. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich lediglich um einen automatischen Agenten, d. h. einen simplen Reflexagenten ohne Lernelement, oder um einen intelligenten Agenten mit Lernelement handelt. Auch dieser ist nur auf die Erreichung eines bestimmten vorgegebenen Ziels ausgerichtet, verfügt aber nicht über die Fähigkeit, plötzlich eigene Ziele zu verfolgen586, was gleichsam aber eine
580
Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 16. Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 17. 582 Grundmann, in: Staub (Begr.), HGB (2018). Band 11/2. Bankvertragsrecht. Investment Banking II, Teil 8 Rn. 133; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 18. Vgl. zu Art. 24 Abs. 1 MiFID II Enriques/Gargantini, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), Regulation of the EU Financial Markets. MiFID II and MiFIR (2017), 58 (89 f.). 583 Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), § 2 Rn. 146. 584 Vgl. die entsprechenden Formulierungen in Art. 16 Abs. 2, Abs. 3 und Art. 23 Abs. 2 MiFID II. 585 Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), Vor. §§ 31 ff. Rn. 62. 586 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 1. a). 581
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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Voraussetzung dafür wäre, dass man sein Verhalten als (un)redlich, (un)ehrlich oder (un)professionell bezeichnen könnte. Die Gewährleistung der Regelungsziele des Aufsichtsrechts kann aber nur dann sichergestellt werden, wenn diese Leitprinzipien auch beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich ihre Wirkung entfalten können. Die „analogen“587 Wohlverhaltens- und Organisationspflichten müssen deshalb „digital“ ausgelegt werden. Für die Betreiber eines Robo-Advisors bedeutet dies zum einen, bereits bei der Auswahl derjenigen Mitarbeiter588, welche für die Programmierung und die Überwachung des laufenden Betriebs des Robo-Advisors zuständig sind, darauf zu achten, dass es sich um Personen handelt, welche die Anforderungen an Redlichkeit, Ehrlichkeit und Professionalität beachten. Zum anderen bedeutet es auf Ebene der Programmierung des Robo-Advisors, sich bei Erstellung des Programmcodes die Konzepte von Ehrlichkeit, Redlichkeit und Professionalität als Handlungsmaxime zu setzen (bzw. eine entsprechende Vorgabe an den beauftragten Programmierer weiterzugeben). Denn gerade im Zusammenhang mit dem Anlegerschutz stellt die Tatsache, dass das Handeln eines automatischen und auch eines intelligenten Agenten durch den Programmcode vorgegeben ist, einen erheblichen Vorteil gegenüber menschlichen Finanzintermediären dar.589 In gleichem Maße wie die Kollisionen mit dem Anlegerschutz bei Robo-Advisorn nur struktureller Natur sein können590, kann auch seine Gewährleistung durch die Implementierung dieser Leitprinzipien in den Programmcode strukturell sichergestellt werden. Die Handlungsanweisungen innerhalb des Algorithmus müssen sich folglich soweit wie möglich an den Konzepten von Ehrlichkeit, Redlichkeit und Professionalität ausrichten. Ehrlichkeit muss in diesem Zusammenhang dahingehend ausgelegt werden, dass die Programmierung nicht mit dem Ziel erfolgen darf, dass die durch den RoboAdvisor mitgeteilten Informationen nicht der Wahrheit entsprechen und dazu geeignet sind, den Kunden zu täuschen.591 Dem Gebot der Redlichkeit wird in der digitalen Sphäre des Robo-Advisors nachgekommen, wenn dieser nicht in einer Weise programmiert ist, dass die berechtigterweise verfolgten Eigeninteressen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens vorrangig vor der Renditemaximierung des Kundenportfolios erfüllt werden.
587
(373). 588
Vgl. zur Formulierung „analoge Wohlverhaltenspflicht“ Baumanns, BKR 2016, 366
Vgl. zu den allgemeinen Anforderungen an die Auswahl und Überwachung von Mitarbeitern Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 80 Rn. 5. 589 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 1. a). 590 Vgl. zu „strukturellen Interessenkonflikten“ insb. Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (801). 591 Vgl. allgemein zum Verbot der Irreführung Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 62 m. w. N.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Dieses Gebot ist zudem bereits bei der Auswahl der Investitionsvehikel im Rahmen der Erstellung des Anlageuniversums zu berücksichtigen. Das Konzept der Professionalität schließlich muss beim Einsatz eines RoboAdvisors in der Art ausgelegt werden, dass die dem Optimierungsalgorithmus zugrundeliegenden wirtschaftswissenschaftlichen Formeln stets dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen. Außerdem muss je nach Geschäftsmodell des RoboAdvisors im Einzelfall eine möglichst umfassende Informationsverarbeitung gewährleistet sein.592 So sollte der Robo-Advisor bei Generierung seiner Anlageempfehlung oder bei Durchführung des Rebalancings stets möglichst umfassende und aktuelle Daten zur Marktlage verarbeiten. Dies gilt insbesondere für die RoboAdvisor, die eine aktive Anlagestrategie verfolgen, da ihr Rebalancing von der angenommenen aktuellen Marktsituation direkt abhängig ist. Professionalität in ihrer Ausprägung als Anwendung der verkehrserforderlichen Sorgfalt bedeutet zudem, die Software des Robo-Advisors laufend zu überwachen und Soft- und Hardware an den aktuellen Stand der Technik anzupassen. 2. Pflicht zur Vermeidung und Offenlegung von Interessenkonflikten Aus § 63 Abs. 3 S. 1 WpHG ergibt sich die Pflicht eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, bestehende Interessenkonflikte vor Durchführung der Geschäfte gegenüber dem Kunden offenzulegen. Aus Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 MiFID II und insbesondere aus Erwägungsgrund 48 der DelVO-2017/565 folgt aber, dass die Offenlegung der Interessenkonflikte nur das letzte Mittel darstellen darf, wenn die vorrangig getroffenen organisatorischen und administrativen Vorkehrungen zur Vermeidung oder Regelung dieser Interessenkonflikte nicht ausreichend waren, um mit hinreichender Gewissheit sicherzustellen, dass die Risiken für eine Verletzung der Interessen des Kunden abgewendet werden. Art. 34 Abs. 4 Uabs. 1 DelVO-2017/565 beschreibt die Offenlegung von Interessenkonflikten deshalb als Ultima Ratio. Diese vorrangig zu erfüllenden organisatorischen Pflichten haben im nationalen Recht ihren Niederschlag in § 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 WpHG gefunden. Danach hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Dauer wirksame Vorkehrungen für angemessene Maßnahmen zu treffen, um Interessenkonflikte bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen zu erkennen, zu vermeiden oder zu regeln. Dabei können Interessenkonflikte unter anderem auftreten zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst, seiner Geschäftsleitung und seiner Mitarbeiter einerseits und dem Kunden andererseits oder zwischen seinen Kunden untereinander, § 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Hs. 1 WpHG.
592 Vgl. allgemein zu Informationsbeschaffungspflichten Koller, in: Assmann/Schneider/ Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 80 Rn. 4.
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
167
a) Interessenkonflikte zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Geschäftsleitung sowie Mitarbeitern einerseits und Kunden andererseits Dass ein Robo-Advisor als „digitaler Mitarbeiter“ des Wertpapierdienstleistungsunternehmens nicht von sich aus in der Lage ist, mit den Kunden in einen Interessenkonflikt zu geraten, wurde bereits ausführlich erläutert. Kollidiert die Zielvorgabe eines automatischen oder intelligenten Agenten mit den Interessen der Kunden, dann ist ursächlich nicht ein eigener Antrieb des Agenten, sondern die Implementierung der entsprechenden Zielvorgabe in den Programmcode des Agenten durch den Entwickler.593 In Konflikt stehen letztlich nicht die Interessen des Robo-Advisors und die der Kunden, sondern die des Wertpapierdienstleistungsunternehmens und die der Kunden. Die Interessen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens sind aber im Programmcode des Robo-Advisors als Zielvorgaben wiederzufinden. Beim Einsatz von Robo-Advisorn weisen Interessenkonflikte deswegen keine situative, sondern eine strukturelle Natur auf.594 Zugleich bedeutet dies: Wenn Interessenkonflikte bestehen, dann treten diese systematisch bei jeder entsprechenden Geschäftsaktivität auf.595 Da die Ursache für einen Interessenkonflikt somit zeitlich der Geschäftsaktivität vorgelagert ist, muss auch ihre Bekämpfung entsprechend früh ansetzen.596 Die Organisationspflichten zur Vermeidung der Interessenkonflikte gewinnen damit erheblich an Relevanz.597 Bereits bei der Entwicklung der Robo-Advice-Software muss deshalb akribisch darauf geachtet werden, dass das Programm nicht den Interessen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens stets Vorrang einräumt vor denjenigen der Kunden.598 Ein Teil der Literatur spricht sogar von einer generellen Pflicht, „möglichst konfliktvermeidende Algorithmen“ zu konstruieren und zu verwenden, bzw. vom Verbot des bewussten Einprogrammierens von Interessenkonflikten.599 Dies stellt vor allem deshalb eine Herausforderung dar, weil Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht uneingeschränkt fremdnützig tätig werden müssen, sondern durchaus auch
593
Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 1. a). Vgl. Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 14; Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 18; Madel, Robo Advice (2019), S. 158; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (801); Müssig, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 5 Rn. 18. 595 Kumpan, EuZW 2018, 745 (746). 596 Kumpan, EuZW 2018, 745 (746); Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTechHandbuch (2019), § 15 Rn. 32. 597 Kumpan, EuZW 2018, 745 (746); Madel, Robo Advice (2019), S. 158. 598 Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 15. Vgl. allgemein zu Maßnahmen zur Bewältigung von Interessenkonflikten Koller, in: Assmann/ Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 80 Rn. 23. 599 Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 38; Madel, Robo Advice (2019), S. 235; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (802); Spindler, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 13 Rn. 39. 594
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
eigene Geschäfts- und Gewinninteressen verfolgen dürfen.600 Sind im Rahmen der Anlageberatung etwa mehrere Finanzinstrumente gleich geeignet i. S. d. § 64 Abs. 3 S. 2 WpHG, so darf auch das Produkt empfohlen werden, welches dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen die größten Vorteile bringt.601 Dies dürfte beim Aufsetzen eines Robo-Advisors bereits bei der Auswahl der Finanzinstrumente eine Rolle spielen, welche als Investitionsvehikel im Rahmen des Anlageuniversums verschiedene Anlageklassen repräsentieren. Die meisten RoboAdvisor werden nicht als unabhängige Honorar-Anlageberater tätig.602 Bei der unabhängigen Honorar-Anlageberatung, welche eine Ausnahme zur „klassischen“ Anlageberatung darstellt, erhält das Wertpapierdienstleistungsunternehmen keine monetären oder nicht-monetären Vorteile von Dritten für die im Portfolio platzierten Finanzinstrumente, sondern lässt sich die Beratungsleistung durch den Kunden vergüten, etwa durch einen pauschalen Stundensatz.603 Erbringt ein Robo-Advisor die „klassische“ Anlageberatung mit dem Recht zur Annahme von Provisionen für platzierte Produkte, muss deshalb bei Erstellung des Anlageuniversums darauf geachtet werden, dass nicht allein die Höhe der Provisionen handlungsleitend ist, sondern es muss bereits zu diesem Zeitpunkt das Interesse potenzieller Kunden im Auge behalten werden, wie etwa die Eignung der jeweiligen Finanzinstrumente, die einzelnen Anlageklassen zu repräsentieren. Eine ausführliche Regelung hat das Problem der Zuwendungen durch Dritte, welche nicht Kunden des Wertpapierdienstleistungsunternehmens sind, in § 70 WpHG604 sowie speziell für die Finanzportfolioverwaltung in § 64 Abs. 7 WpHG erfahren. Hinzu kommt, dass Robo-Advisor häufig über Produkte in ihrem Anlageuniversum verfügen, welche von Gesellschaften emittiert werden, mit welchen das Robo-Advice-Unternehmen in einem Konzernverbund steht oder mit welchen das Robo-Advice-Unternehmen aufgrund von Investitionsbeziehungen anderweitig 600 Vgl. allgemein zur Fremdnützigkeit des Geschäftsaktivität des Wertpapierdienstleistungsunternehmens Grundmann, in: Staub (Begr.), HGB (2018). Band 11/2. Bankvertragsrecht. Investment Banking II, Teil 8 147 f.; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 20 m. w. N. 601 Vgl. allgemein zur Fremdnützigkeit des Geschäftsaktivität des Wertpapierdienstleistungsunternehmens Grundmann, in: Staub (Begr.), HGB (2018). Band 11/2. Bankvertragsrecht. Investment Banking II, Teil 8 Rn. 147 f.; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 20 m. w. N. 602 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 161. 603 Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 64 Rn. 9 und 15. 604 Gem. § 70 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG darf ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen keine Zuwendungen von Dritten annehmen, es sei denn, die Zuwendung ist darauf ausgelegt, die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern, steht der Erbringung der Dienstleistung im bestmöglichen Interesse des Kunden nicht entgegen und Existenz, Art und Umfang der Zuwendung werden dem Kunden vor Erbringung der Wertpapierdienstleistung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise unmissverständlich offengelegt.
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verbunden ist.605 Dann besteht unter Umständen ein Konflikt zwischen dem Interesse an der Stärkung des verbundenen Unternehmens und dem Kundeninteresse.606 Die Aufnahme ausschließlich „hauseigener“ Produkte bzw. solcher verbundener Unternehmen in das Anlageuniversum ist nur dann zulässig, wenn der Kunde in einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung sein Einverständnis zum Ausdruck gebracht hat.607 Da die vertragliche Abrede unmittelbar das individuelle Kundeninteresse wiedergibt, ist sie auch im Rahmen des Aufsichtsrechts bei der Frage zu berücksichtigen, ob ein Interessenkonflikt vorliegt.608 Im Zusammenhang mit Interessenkonflikten zwischen Mitarbeitern des Wertpapierdienstleistungsunternehmens und Kunden sind auch die Regelungen hinsichtlich der Vergütungs- und Anreizstrukturen sowie Vertriebsvorgaben zu sehen. Diese sind in §§ 63 Abs. 3 und 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Hs. 2, Nr. 3 WpHG zu finden und beruhen auf den Art. 23 Abs. 1 und 24 Abs. 10 MiFID II, welche wiederum durch Art 27 und 34 Abs. 3 Uabs. 2 lit. c) DelVO-2017/565 konkretisiert werden.609 Diese Normen verpflichten Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Wesentlichen dazu, Interessenkonflikte zwischen Mitarbeitern und Kunden nicht durch die Gestaltung entsprechender Vergütungs- und Anreizstrukturen sowie Vertriebsvorgaben zu begünstigen oder zu verursachen. Eine solche Gefahr besteht bei Robo-Advisorn als digitalen Mitarbeitern schon mangels Vergütung und aufgrund des fehlenden eigenen finanziellen Interesses automatischer und intelligenter Agenten nicht. Aus Art. 27 Abs. 2 DelVO-2017/565 sowie aus Erwägungsgrund 41 DelVO2017/565 ergibt sich jedoch, dass die Vergütungsgrundsätze auch für solche Mitarbeiter gelten, welche nur indirekt an der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen beteiligt sind, sowie für Mitarbeiter, die das Vertriebspersonal überwachen. Übertragen auf ein Robo-Advice-Unternehmen bedeutet dies, dass die Anforderungen an die Vergütungs- und Anreizstrukturen sowie Vertriebsvorgaben im Hinblick auf die Entwickler der Robo-Advice-Software sowie auf Mitarbeiter aus dem Bereich IT, welche die Robo-Advice-Software überwachen, zu beachten sind.610
605 606 607
55. 608
Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 2 f. Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 6 f. Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 17 und
Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 56. Grundmann, in: Staub (Begr.), HGB (2018). Band 11/2. Bankvertragsrecht. Investment Banking II, Teil 8 Rn. 159; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 46. 610 Ähnlich Madel, Robo Advice (2019), S. 161. 609
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
b) Interessenkonflikte von Kunden untereinander Interessenkonflikte zwischen einzelnen Kunden können sich zum einen daraus ergeben, dass die Kunden über gegenläufige Interessen verfügen.611 Sie können zum anderen aber auch in der Form auftreten, dass die Kunden zwar gleichläufige Interessen aufweisen, diese jedoch nicht in gleichem Maße erreicht werden können, weil die Wahrnehmung von Geschäftschancen am Markt vielfach mit dem Zeitpunkt der Auftragsausführung zusammenhängt.612 Eine Situation, in der gegenläufige Interessen der Kunden auftreten, dürfte bei der derzeitigen Generation von Robo-Advisorn eher unwahrscheinlich sein, weil der Kreis der zu platzierenden Finanzinstrumente durch das Anlageuniversum von vornherein festgelegt ist und die Erstellung von Musterportfolios zudem auf der Grundlage gleichgerichteter Interessen einer Vielzahl von Anlegern aufbaut. Die Gegenläufigkeit verschiedener Musterportfolios kann bereits bei ihrer Zusammenstellung ausgeschlossen werden. Mit zunehmendem Einsatz von künstlicher Intelligenz durch Robo-Advisor nimmt aber auch die Individualität der einzelnen Kundenportfolios zu, so dass durchaus Raum für gegenläufige Interessen entsteht. Bei der Entwicklung eines solchen intelligenten Robo-Advisors muss deshalb darauf geachtet werden, dass dieser in der Lage ist, gegenläufige Kundeninteressen zu identifizieren und im Notfall auf eine Ausführung der entsprechenden Geschäftsaktivitäten zu verzichten.613 Um Konflikte zwischen gleichgerichteten Interessen zu vermeiden bzw. zu minimieren, müssen das Prioritätsprinzip beachtet und eine Gleichbehandlung der Kunden gewährleistet werden.614 Eine Abwicklung der Kundenaufträge nach dem Prioritätsprinzip bedeutet, Aufträge nach dem Zeitpunkt ihres Eingangs zu bearbeiten.615 Dieses Werkzeug zur Konfliktvermeidung eignet sich vor allem für jene Robo-Advisor, welche Anlageberatung betreiben. Für vermögensverwaltende RoboAdvisor ist es dagegen weniger tauglich. Eine Anwendung des Prioritätsprinzips auch auf die Vermögensverwaltung hätte zur Folge, dass es für alle Zeiten zu einer Priorisierung desjenigen Kunden käme, welcher zuerst den Auftrag gegeben hat.616 611 Möllers, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 31 Rn. 132; Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, § 63 WpHG, Rn. 51 m. w. N. 612 Möllers, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 31 Rn. 132; Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, § 63 WpHG, Rn. 51 m. w. N. und Rn. 61. 613 Zur Abstandnahme vom Geschäft als Möglichkeit zur Vermeidung von Interessenkonflikten allgemein vgl. Möllers, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 31 Rn. 137. 614 Möllers, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 31 Rn. 137 und 143. 615 Vgl. Möllers, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 31 Rn. 139. 616 Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 80 Rn. 58.
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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Regelmäßig erscheint deshalb bei knappen Geschäftschancen nur eine pro rataZuteilung zu allen gleich interessierten Kunden sachgerecht.617 Eingang ins Gesetz haben diese Pflichten in § 69 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG gefunden.618 Entsprechend geeignete Vorkehrungen trifft der Anbieter eines RoboAdvisors nur dann, wenn er sicherstellt, dass eine Ausführung der Kundenaufträge nach Eingang bzw. eine Zuteilung pro rata in den Programmcode des Robo-Advisors implementiert wurde.619 c) Offenlegung und Dokumentation von Interessenkonflikten Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben die Wirksamkeit ihrer organisatorischen Vorkehrungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten gem. Art. 34 Abs. 5 DelVO-2017/565 laufend, primär mittels eines IT-Systems, zu überwachen und zu dokumentieren.620 Dies gilt gem. § 9 Abs. 1 WpDVerOV insbesondere für die Vertriebsvorgaben. Die Implementierung der Überwachung und Dokumentation mittels eines IT-Systems stellt bei Robo-Advisorn im Vergleich zu ihrem menschlichen Pendant kein größeres Problem dar, da es sich ohnehin um Programme handelt, die ohne Weiteres so konstruiert werden können, dass sie ihre einzelnen Abläufe überprüfen und aufzeichnen. Lassen sich Interessenkonflikte auch bei Anwendung aller angemessenen Maßnahmen nicht vermeiden, müssen sie offengelegt werden, § 63 Abs. 2 WpHG. Eine Offenlegung muss gem. § 70 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 4 WpHG zudem dann erfolgen, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zulässigerweise Zuwendungen im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen annimmt. Dabei spielt grundsätzlich keine Rolle, ob die Annahme der Zuwendungen tatsächlich einen Interessenkonflikt auslöst, weil die abstrakte Gefahr eines solchen Konflikts ausreichend ist.621 Nach einer Ansicht in der Literatur gilt auch für die Robo-Advice nichts anderes, selbst wenn die Zuwendungen keinen Einfluss auf die Entscheidungen des Robo-
617
Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 80 Rn. 58; Kumpan, Der Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht (2014), S. 479 f.; Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung (2005), S. 802 ff. 618 Nach § 69 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG muss ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen geeignete Vorkehrungen treffen, um Kundenaufträge unverzüglich und redlich im Verhältnis zu anderen Kundenaufträgen auszuführen oder an Dritte weiterzuleiten bzw. vergleichbare Kundenaufträge der Reihenfolge ihres Eingangs nach auszuführen oder an Dritte zum Zwecke der Ausführung weiterzuleiten. 619 Vgl. Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 33. 620 Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 80 Rn. 54. 621 Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 70 Rn. 3.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Advisors haben und „nachweislich unvoreingenommen“ erfolgen.622 Es wird argumentiert, der Einsatz eines „konfliktfreien Programms“ beseitige nur die konkrete Gefahr eines Interessenkonflikts, nicht aber die jeder Zuwendung innewohnende abstrakte Gefahr einer Beeinflussung.623 Diese Sicht kann jedoch nicht überzeugen, weil in einer Situation, in der eine Beeinflussung durch Zuwendungen nachweislich ausgeschlossen ist, diese Zuwendungen auch keine abstrakte Gefahr erzeugen können. Eine konsequent „konfliktfreie Programmierung“ bannt nicht nur die konkrete Gefahr im Einzelfall624, sondern schließt jede abstrakte Möglichkeit, dass sich die Gefahr der Beeinflussung realisiert, aus. Auch eine abstrakte Gefahr setzt voraus, dass überhaupt eine Gefahr besteht. Dies ist bei einem nachweislich konfliktfreien Robo-Advisor aber nicht der Fall, weil sein Algorithmus zu einer Aktion, welche eine Gefahr für die Interessen des Kunden darstellen würde, schlicht nicht fähig ist.625 Zudem wird argumentiert, dass eine teleologische Reduktion des § 31d Abs. 1 WpHG a. F. (§ 70 Abs. 1 WpHG n. F.) auch im Fall der Robo-Advice nicht möglich sei, da der Gesetzgeber in einer (noch) älteren Fassung des § 31d Abs. 4 WpHG zwar zunächst eine Ausnahme für den Fall vorgesehen habe, dass trotz empfangener Zuwendungen die Empfehlung nachweislich unvoreingenommen erfolgt, dass diese Ausnahme 2011 aber wieder gestrichen worden sei.626 Diese Streichung stelle eine Verschärfung der Gesetzeslage dar, welche einer teleologischen Reduktion entgegenstünde.627 Tatsächlich regelte der § 31d Abs. 4 WpHG in seiner vor dem 8. April 2011 geltenden Fassung, dass, wenn die Annahme einer Zuwendung im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung erfolgt und diese Dienstleistungen trotz der Zuwendung unvoreingenommen erbracht werden, zu vermuten ist, dass die Zuwendung darauf ausgelegt ist, die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern. Bei dieser Vorschrift handelte es sich also um eine Vermutungsregel, die im Verwaltungsverfahren und -prozess vor allem von beweisrechtlicher Bedeutung ist.628 Die Abschaffung des § 31d Abs. 4 WpHG in der Fassung vor 622 Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 37; Madel, Robo Advice (2019), S. 162 f.; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (802); Spindler, in: Möslein/ Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 13 Rn. 39. 623 Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (802); Spindler, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTechHandbuch (2019), § 13 Rn. 39. 624 So aber Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (802). 625 In diesem Sinne auch Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 122. 626 Madel, Robo Advice (2019), S. 162; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (802). 627 Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (802). 628 Eine Vermutungsregel führt auch im Verwaltungsverfahren dazu, dass das Vorhandensein einer Tatsache nicht von demjenigen bewiesen werden muss, der sich auf ihr Vorliegen beruft, sondern dass vielmehr der Gegner die zur Widerlegung der Tatsache dienenden Tat-
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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dem 8. April 2011 sollte folglich dafür sorgen, dass die Eignung der Zuwendung zur Qualitätsverbesserung nicht mehr vermutet wird, sondern stets positiv nachgewiesen werden muss. Eine teleologische Reduktion des § 31d Abs. 1 WpHG ist deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion des § 70 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 4 WpHG liegen im Fall der Robo-Advice, die nachweislich unvoreingenommen erbracht wird, auch vor. Bei der teleologischen Reduktion wird eine bestimmte Norm auf einen Sachverhalt, der grundsätzlich von ihrem Wortlaut erfasst ist, nicht angewendet, weil die Anwendung der Norm auf den konkreten Sachverhalt dem Normzweck widerspräche.629 Nach dem Wortlaut des § 70 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4 WpHG muss eine Offenlegung der Zuwendungen bei Robo-Advisorn auch dann erfolgen, wenn dieser nachweislich unvoreingenommen agiert. Die Gefahr, dass sich der jeweilige Finanzintermediär bei Erbringung der Wertpapierdienstleistung nicht von den Interessen des Kunden leiten lässt, sondern vorrangig von den von Dritten versprochenen Vorteilen, hängt unmittelbar von der Art und der Höhe der Zuwendungen ab.630 Zweck der Vorschrift ist es deshalb, dem Anleger durch die Offenlegung eine informierte Risikoabwägung631 und reflektierte Entscheidung dahingehend zu ermöglichen, ob er mit dem jeweiligen Wertpapierdienstleistungsunternehmen kontrahieren möchte.632 Eine Anwendung der Norm auf nachweislich unvoreingenommen agierende Robo-Advisor würde diesem Zweck widersprechen. Auch an dieser Stelle muss eine Auslegung im digitalen Sinne erfolgen, welche auf die zwischen menschlichem und digitalem Berater bestehenden Unterschiede Rücksicht nimmt. Denn bei einem menschlichen Finanzintermediär kann die Beeinflussung durch Zuwendungen nie zur Gänze ausgeschlossen werden, weil sich kaum ermitteln lässt, welche Motive im Einzelfall handlungsleitend waren. Bei der Annahme von Zuwendungen durch einen Menschen besteht stets die abstrakte Gefahr einer Beeinflussung, so dass eine informierte Entscheidung des Anlegers nur dann möglich ist, wenn auch umfassend über Zuwendungen informiert wird. Dagegen ist bei einem Robo-Advisor, der nachweislich konfliktfrei tätig wird, eine solche abstrakte Gefahr ausgeschlossen, und die Situation des Anlegers wird durch die Information über Zuwendungen nicht verbessert, sondern trägt allenfalls zu seiner Verwirrung bei. Eine Offenlegung ist bei Robo-Advisorn folglich nur dann geboten, wenn Interessenkonflikte vorliegen oder Zuwendungen angenommen werden und gleichzeitig eine Beeinflussung der Empfehlung nicht nachweislich ausgeschlossen ist. sachen vortragen muss, vgl. Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk (Begr.)/Sachs (Hrsg.), VwVfG (2018), § 26 Rn. 26, m. w. N. 629 Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), Einl. Rn. 49. 630 Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), § 31d Rn. 1a. 631 Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), § 31d Rn. 1a; Grundmann, in: Staub (Begr.), HGB (2018). Band 11/2. Bankvertragsrecht. Investment Banking II, Teil 8 Rn. 246. 632 Siehe auch § 63 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 WpHG.
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Kommt es zum Auftreten „struktureller Interessenkonflikte“, so muss auch die Offenlegung strukturell, d. h. vor jeder entsprechenden Dienstleistungserbringung erfolgen.633 Das „Wie“ der Offenlegung wird durch § 63 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG bestimmt. Danach muss die Darlegung mittels eines dauerhaften Datenträgers und so detailliert erfolgen, dass der Kunde in die Lage versetzt wird, seine Entscheidung über die Wertpapierdienstleistung in Kenntnis der Sachlage zu treffen. Die Darlegung mittels eines dauerhaften Datenträgers i. S. d. § 2 Abs. 43 WpHG ist grundsätzlich bereits dann erfüllt, wenn dem Kunden die entsprechenden Informationen per E-Mail mitgeteilt werden.634 3. Sachkundepflicht Gem. § 63 Abs. 5 S. 1 WpHG muss ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen die von ihm angebotenen oder empfohlenen Finanzinstrumente verstehen. Ergänzt wird diese Verhaltenspflicht durch die organisatorischen Voraussetzungen des § 87 WpHG, welcher Anforderungen an die Sachkunde der Mitarbeiter des Wertpapierdienstleistungsunternehmens stellt, eine für die jeweilige Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit voraussetzt und diesbezüglich Anzeigeplichten statuiert. Gemeinsam setzen §§ 63 Abs. 5 und 87 WpHG die Art. 25 Abs. 1 und 24 Abs. 2 Uabs. 2 MiFID II um. Die DelVO-2017/565 zur MiFID II hält sich dagegen zurück und legt in ihrem Art. 21 Abs. 1 S. 1 lit. b) DelVO-2017/565 lediglich fest, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen sicherzustellen haben, dass alle relevanten Personen die Verfahren, die für eine ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben einzuhalten sind, kennen.635 Dies liegt darin begründet, dass die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority, im Folgenden: ESMA) ausführliche Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen636 entwickelt hat, welchen zwar keine Rechtsverbindlichkeit zukommt, die jedoch als sekundäre Rechtsquellen angesehen werden.637 Besondere Relevanz kommt außerdem der WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung (im Folgenden: WpHGMaAnzV)638 zu, welche die Anforderungen nach § 87 633
Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (802). Siehe unten Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 4. c). 635 Mansen, Die neuen Anlageberatungsregeln der MiFID II (2018), S. 197. 636 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen (2016), abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015-1886_de.pdf. 637 Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), § 34d Rn. 5; Mansen, Die neuen Anlageberatungsregeln der MiFID II (2018), S. 197; Möllers, in: Gsell/Herresthal (Hrsg.), Vollharmonisierung im Privatrecht (2009), 247 (254); Möllers, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 34d Rn. 16. 638 Verordnung über den Einsatz von Mitarbeitern in der Anlageberatung, als Vertriebsmitarbeiter, in der Finanzportfolioverwaltung, als Vertriebsbeauftragte oder als ComplianceBeauftragte und über die Anzeigepflichten nach § 87 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG634
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WpHG weiter konkretisiert. Insgesamt ergibt sich so ein Regelungsgefüge, das detaillierte Kriterien festlegt, mit deren Hilfe das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Kenntnisse und Kompetenzen seiner Mitarbeiter zur Erbringung der jeweiligen Wertpapierdienstleistung beurteilen kann.639 Dadurch soll eine Angleichung der Kenntnisse und Kompetenzen der Mitarbeiter, die Anlageberatung gegenüber Kunden erbringen, gewährleistet sowie sichergestellt werden, dass die Unternehmen im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden handeln, und damit der Anlegerschutz allgemein verbessert werden.640 So fordert § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 WpHGMaAnzV i. V. m. § 7 Abs. 1 WpHG von Mitarbeitern in der Anlageberatung Sachkunde insbesondere in Form von Kenntnissen in den Bereichen Kundenberatung, rechtliche Grundlagen und fachliche Grundlagen. § 1b Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 WpHGMaAnzV i. V. m. § 87 Abs. 3 WpHG fordert als Pendant für die Finanzportfolioverwaltung Kenntnisse in den Bereichen rechtliche Grundlagen und fachliche Grundlagen. Nachgewiesen werden müssen diese Kenntnisse gem. § 1 Abs. 5 bzw. § 1b Abs. 5 WpHGMaAnzV zudem durch eine Tätigkeit in der Anlageberatung bzw. Portfolioverwaltung über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Der Nachweis der Sachkunde allgemein kann durch entsprechende Berufsqualifikationen erfolgen, § 4 WpHGMaAnzV. Es stellt sich erneut die Frage, wie diese eindeutig für menschliche Mitarbeiter entwickelten Anforderungen auf Robo-Advisor anzuwenden sind.641 Grundsätzlich werden unter Mitarbeitern nur natürliche Personen verstanden, welche die einschlägigen Dienstleistungen für Kunden im Namen der Firma erbringen.642 Vor dem Hintergrund der erheblichen Bedeutung der Regelungen für den Anlegerschutz müssen sie jedoch auch auf Robo-Advisor anwendbar sein, weil sich ein Anleger in der gleichen unterlegenen Situation befindet, unabhängig davon, ob er einem menschlichen oder einem digitalen Finanzintermediär gegenüber steht.643 Auch an dieser Stelle muss deshalb eine „digitale Auslegung“ der Vorschrift und damit eine Anknüpfung sowohl an das Tätigwerden des Robo-Advisors selbst als auch an die an seiner Entwicklung beteiligten und ihn überwachenden Personen erfolgen.644 Außerdem kann auf jene Grundsätze zurückgegriffen werden, welche Mitarbeiteranzeigeverordnung – WpHGMaAnzV) vom 21. 12. 2011, BGBl. I S. 3116, d zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO vom 24. 11. 2017, BGBl. I S. 3810. 639 Vgl. ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen (2016), S. 5, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015-1886_de.pdf. 640 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen (2016), S. 5 f., abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015-1886_de.pdf. 641 Vgl. dazu ausführlich Dieckmann, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 8 Rn. 26 ff. 642 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen (2016), S. 4, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015-1886_de.pdf. 643 So wohl auch Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 50 mit Fn. 16. A. A. Madel, Robo Advice (2019), S. 153 und S. 242. 644 So auch Maume, ECFR 2019, 622 (635).
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
bereits im Zusammenhang mit der Professionalität i. S. d. § 63 Abs. 1 WpHG entwickelt wurden.645 Soweit wie möglich müssen die Sachkunde- und Zuverlässigkeitsanforderungen folglich vom Robo-Advisor selbst erfüllt werden. Unter Sachkunde sind kognitives, erlernbares Fachwissen sowie die entsprechenden Fähigkeiten zu verstehen.646 Für anlageberatende und vermögensverwaltende Robo-Advisor bedeutet dies, dass sie stets in der Lage sein müssen, technisch einwandfrei Informationen zu verarbeiten und auf der Basis aktueller informationstechnischer und wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse zu agieren.647 Über die von § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 WpHGMaAnzV bzw. § 1b Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 WpHGMaAnzV geforderten Fähigkeiten können nicht allein Menschen verfügen, sondern diese Kenntnisse, wie etwa über die Wertentwicklungen von Finanzinstrumenten (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 lit. c) WpHGMaAnzV), die Bewertungsgrundsätze von Finanzinstrumenten (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 lit. d) WpHGMaAnzV) oder das Portfoliomanagement (§ 1b Abs. 3 Nr. 2 lit. a) WpHGMaAnzV) lassen sich durchaus auch als Algorithmen formulieren und in Programmen umsetzen. Was den Nachweis der Kenntnisse durch Tätigkeit in der Anlageberatung bzw. Finanzportfolioverwaltung über einen Zeitraum von sechs Monaten betrifft, so kann nach § 1 Abs. 5 S. 3 bzw. § 1b Abs. 5 S. 3 WpHGMaAnzV diese Tätigkeit auch unter Aufsicht eines anderen entsprechend sachkundigen Mitarbeiters erfolgt sein. Übertragen auf Robo-Advisor kann der Nachweis deshalb auch dadurch geführt werden, dass diese in den ersten sechs Monaten ihres Tätigwerdens unter der strengen Aufsicht eines sachkundigen Mitarbeiters agiert haben. Zudem müssen am Entwicklungsprozess sowie am laufenden Betrieb des RoboAdvisors sachkundige und qualifizierte Mitarbeiter beteiligt sein. Wertpapierdienstleistungsunternehmen sollten dafür Sorge tragen, dass die an der Entwicklung und dem Betrieb der Robo-Advisor beteiligten Mitarbeiter über das notwendige Verständnis der für die Erbringung der digitalen Beratung eingesetzten Technologien und Algorithmen verfügen.648 Die Sachkunde und Qualifikation der Entwickler darf sich jedoch nicht auf technische Aspekte beschränken. Vielmehr muss der RoboAdvisor mit der Unterstützung eines vollausgebildeten Anlageberaters oder Ver-
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Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 1. Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), § 34d Rn. 8; Mansen, Die neuen Anlageberatungsregeln der MiFID II (2018), S. 206; Möllers, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 34d Rn. 22. 647 Vgl. Madel, Robo Advice (2019), S. 263 und Dieckmann, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 8 Rn. 30. 648 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 32, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-43-1163_ guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_de.pdf; Dieckmann, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 8 Rn. 40. 646
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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mögensverwalters erschaffen werden, welcher selbst die Anforderungen der §§ 63 Abs. 5 S. 1, 87 WpHG i. V. m. der WpHGMaAnzV erfüllt.649 Was das Tatbestandsmerkmal der Zuverlässigkeit betrifft, so ist dieses digital dahingehend auszulegen, dass eine Zuverlässigkeit dann zu bejahen ist, wenn in der Programmierung des Robo-Advisors der Wille zum Ausdruck kommt, stets im Interesse des Kunden zu handeln.650 Dass dem Robo-Advisor dieser „Wille“ durch eine entsprechende Zielvorgabe im Rahmen der Programmierung auferlegt wurde, spielt für diese Wertung keine Rolle.651 Schließlich fordert die MaComp in ihrem BT 11.2 Rz. 2, dass der ComplianceBeauftragte i. S. d. § 87 Abs. 5 WpHG bei einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Handelsalgorithmen oder algorithmische Handelssysteme einsetzt, über die Sachkenntnis nach § 3 Abs. 1 WpHGMaAnzV hinaus die eingesetzten Handelsalgorithmen oder algorithmischen Handelssysteme zumindest in Grundsätzen versteht. Zudem sieht Art. 3 Abs. 1 DelVO-2017/589 vor, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen über eine ausreichende Anzahl von Mitarbeitern verfügen müssen, die über die notwendigen Kompetenzen verfügen, um die Handelsalgorithmen zu verwalten sowie ausreichende technische Kenntnisse hinsichtlich der Handelsalgorithmen, des Überwachens und Testens der Algorithmen, der Handelsstrategien, die mit dem Handelsalgorithmus verfolgt werden, sowie der rechtlichen Verpflichtungen, denen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen unterliegt, aufweisen. Art. 3 Abs. 4 DelVO-2017/589 konkretisiert diese Verpflichtungen noch einmal hinsichtlich solcher Mitarbeiter, welche eine Risikomanagement- oder Compliance-Funktion wahrnehmen. Gem. § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen der BaFin den Mitarbeiter, der die Anlageberatung betreibt, anzeigen. Außerdem müssen der BaFin die Details derjenigen Mitarbeiter angezeigt werden, über die beim Wertpapierdienstleistungsunternehmen durch Privatkunden Beschwerden erhoben wurden, § 87 Abs. 1 S. 4 WpHG. Welche Mitarbeiter bei einem Robo-Advisor anzuzeigen sind, ist fraglich. Die BaFin selbst fordert, dass stets diejenige Person ermittelt werden muss, der die automatisierte Anlageberatung zugerechnet werden kann, und dass diese zum Mitarbeiter- und Beschwerderegister anzumelden ist.652 Ob dies vor dem Hintergrund, dass an der Entwicklung und dem 649
Vgl. Mansen, Die neuen Anlageberatungsregeln der MiFID II (2018), S. 149 f. und FCA, FG17/8: Streamlined advice and related consolidated guidance (2017), S. 43, abrufbar unter www.fca.org.uk/publication/finalised-guidance/fg-17-08.pdf zur entsprechenden Ansicht in den Leitlinien der britischen Financial Conduct Authority zur sog. streamlined advice, welche auch Robo-Advice erfasst. A. A. Madel, Robo Advice (2019), S. 153 und S. 165 nach dem nur diejenigen menschlichen Entscheidungsträger, welche die Produkte des Anlageuniversums auswählen über Sachkenntnis verfügen müssen. 650 Dieckmann, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 8 Rn. 31. 651 Dieckmann, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 8 Rn. 31. 652 BaFin, Robo-Advice und Auto-Trading (2016), abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Auf sicht/FinTech/Anlageberatung/anlageberatung_node.html. So auch Kilian/Ulrich/Arkat, in:
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Betrieb eines Robo-Advisors eine Vielzahl natürlicher und juristischer Personen beteiligt sind, für den Anlegerschutz wirklich zielführend ist, erscheint zweifelhaft. Naheliegender wäre eine entsprechende Anzeigepflicht bezüglich des RoboAdvisors selbst, welche letztlich eine Verantwortung der Gesamtheit der als Wertpapierdienstleistungsunternehmen hinter dem Robo-Advisor stehenden Personen zur Folge hätte. Privatkunden werden Beschwerden nicht über hinter dem RoboAdvisor stehende Personen erheben, sondern über das Programm, mit dem sie in unmittelbarem Kontakt standen. Eine Aufnahme des Robo-Advisors selbst in das Mitarbeiter- und Beschwerderegister würde den Anlegern eine Beschwerde erleichtern und der BaFin die Identifizierung desjenigen Beraters vereinfachen, der im Mitarbeiterregister hinterlegt und über den die Beschwerde erhoben wurde. In Bezug auf das Regelungsziel des Schutzes der Anleger vor inkompetenten Anlageberatern wäre die Anwendung einer entsprechenden Anzeigepflicht auch hinsichtlich Robo-Advisorn demnach förderlich.653 Es ist jedoch zweifelhaft, ob die BaFin in der Lage ist, in ihre nach § 87 Abs. 7 WpHG geführte Datenbank auch Programme aufzunehmen. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass sich ein Großteil der Anforderungen an die Kompetenz und Kenntnisse der menschlichen Mitarbeiter auch in den Programmcode der Robo-Advisor implementieren lassen, dass aber auch die Entwickler des Robo-Advisors über Sachkunde in den Bereichen der Softwareentwicklung und der Anlageberatung und Vermögensverwaltung verfügen müssen. 4. Informationspflichten a) Allgemeine Anforderungen an die Art und Weise der Darstellung von Informationen § 63 Abs. 6 S. 1 WpHG statuiert die Pflicht eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, die den Kunden zur Verfügung gestellten Informationen redlich, eindeutig und nicht irreführend zu gestalten. Damit enthält § 63 Abs. 6 S. 1 WpHG selbst keine spezifische Informationspflicht, sondern regelt nur die Art und Weise, in der sämtliche freiwilligen und pflichtgemäßen Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen.654 Aus § 63 Abs. 6 S. 2 WpHG, Art. 44 Abs. 1 DelVO-2017/565 und BT 3.1.1 Rz. 1 MaComp ergibt sich, dass diese Anforderungen für sämtliche Formen von InforMoritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 154. 653 So auch Dieckmann, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 8 Rn. 33 und Schuster, M./Bartsch, in: Krimphove (Hrsg.), Fintechs (2019), 323 (329). 654 Grundmann, in: Staub (Begr.), HGB (2018). Band 11/2. Bankvertragsrecht. Investment Banking II, Teil 8 Rn. 165; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 55.
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mationen gelten, insbesondere auch für Marketingmitteilungen, also unabhängig davon, ob die Informationen werbender Natur sind oder nicht. Voraussetzung ist allein, dass die Informationen den (potenziellen) Kunden in irgendeiner Art und Weise zugänglich gemacht wurden.655 Darunter fällt gem. BT 3.2 Rz. 2 MaComp jede Verbreitung, welche dafür sorgt, dass Kunden wahrscheinlich davon Kenntnis erlangen. Ob das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dabei auch der ursprüngliche Urheber der Information ist, ist unerheblich. Somit sind bei sämtlichen Informationen, die auf der Internetseite des Robo-Advisors zu finden sind, diese Grundsätze zu beachten. Handelt es sich bei der Information um eine Marketingmitteilung, so muss diese gem. § 63 Abs. 6 S. 2 WpHG eindeutig als eine solche erkennbar sein. Informationen sind eindeutig, wenn sie klar, d. h. einer anderweitigen Interpretation nicht zugänglich sind.656 Sie erfüllen außerdem auch das Gebot der Redlichkeit, wenn die Interessen des jeweiligen Kunden bzw. des Durchschnittskunden beachtet werden.657 Das Gebot der Redlichkeit bezieht sich dabei insbesondere auf die Form der Darstellung der Information.658 Vor allem in dem für Robo-Advisor relevanten Geschäftsverkehr mit Privatkunden werden Informationen häufig nur flüchtig betrachtet, weshalb die zentralen Aspekte der Wertpapierdienstleistung besonders hervorgehoben werden sollten.659 Zugleich sollte einem sog. Information Overload, d. h. einer Informationsüberflutung, angemessen entgegengewirkt werden.660 Möglich ist etwa die Verwendung eines ansprechenden Layouts und der Einsatz von Bildern und Grafiken.661 Wie sich aus Art. 44 Abs. 2 lit. b) und c) DelVO-2017/565 ergibt, muss bei der Bezugnahme auf Vorteile stets auch auf mögliche Risiken hingewiesen werden und müssen Risiken in einer Schriftgröße aufgeführt werden, die der vorherrschenden Schriftgröße der übrigen Informationen entspricht. Je intensiver bestimmte Vorteile hervorgehoben werden, desto intensiver muss auch auf entsprechende Risiken eingegangen werden, BT 3.3.3 Rz. 2 MaComp. Insgesamt bietet sich bei der Robo655 Grundmann, in: Staub (Begr.), HGB (2018). Band 11/2. Bankvertragsrecht. Investment Banking II, Teil 8 Rn. 167; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 57. 656 Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), § 31 Rn. 97; Grundmann, in: Staub (Begr.), HGB (2018). Band 11/2. Bankvertragsrecht. Investment Banking II, Teil 8 Rn. 166; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 61. 657 Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 63. 658 Vgl. Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 63 ff. 659 Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 65. 660 Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), § 31 Rn. 130; Grundmann, in: Staub (Begr.), HGB (2018). Band 11/2. Bankvertragsrecht. Investment Banking II, Teil 8 Rn. 176; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 66; Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, § 63 WpHG, Rn. 210. 661 Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 66; Stahl, Information Overload am Kapitalmarkt (2013), S. 224 ff. und S. 232 ff.
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Advice zur Hervorhebung wichtiger Informationen die Nutzung von interaktiven Elementen wie Pop-up-Fenstern und Tooltips an.662 Die Art. 44 Abs. 4 bis Abs. 6 DelVO-2017/565 enthalten zudem Anforderungen an die Darstellung der Wertentwicklung eines Finanzinstruments, eines Finanzindex oder einer Wertpapierdienstleistung. Bezieht sich ein Hinweis oder eine Simulation auf eine frühere Wertentwicklung, so muss insbesondere eine Warnung dahingehend erfolgen, dass die frühere Wertentwicklung kein verlässlicher Indikator für künftige Ergebnisse ist, Art. 44 Abs. 4 lit. d), Abs. 5 lit. c) DelVO-2017/565. Da Robo-Advisor häufig eine Monte-Carlo-Simulation anwenden, um Kunden die Spannbreite der möglichen Wertentwicklung des generierten Portfolios anzuzeigen663, sind für Robo-Advisor aber vor allem die Anforderungen an die Darstellung künftiger Wertentwicklungen relevant.664 Nach Art. 44 Abs. 6 DelVO-2017/565 darf die Simulation nicht selbst auf einer simulierten früheren Wertentwicklung beruhen (lit. a)), muss die Simulation auf angemessenen, durch objektive Daten gestützten Annahmen beruhen (lit. b)), müssen die Auswirkungen von Provisionen, Gebühren und anderen Entgelten angegeben werden, wenn die Simulation auf der Bruttowertentwicklung beruht (lit. c)), muss die Simulation auf (sowohl positiven als auch negativen) Szenarien mit unterschiedlichen Marktbedingungen beruhen und die Art und die Risiken der in die Analyse einbezogenen Arten von Instrumenten widerspiegeln (lit. d)) und muss die Simulation eine deutliche Warnung dahin gehend enthalten, dass derartige Prognosen kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung sind (lit. e)). Ein Verstoß gegen das Verbot der Irreführung liegt schließlich vor, wenn eine Information, welche Tatsachen betrifft, von einem verständigen Durchschnittskunden der angesprochenen Zielgruppe vernünftigerweise auch anders verstanden werden kann.665 Gem. BT 3.3.2 Rz. 1 MaComp ergibt sich aus dem Verbot der Irreführung auch, dass bereitgestellte Informationen immer über eine angemessene Aktualität verfügen müssen, wobei an online zur Verfügung gestelltes Material deutlich höhere Anforderungen gestellt werden als an gedruckte, für die Auslage in Filialen bestimmte Materialien.666 Bei Robo-Advice-Plattformen muss deshalb
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ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 7, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-43-1163_ guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_de.pdf. 663 Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 1 B. III. 664 Vgl dazu ausführlich Müssig, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 5 Rn. 77 ff. 665 Grundmann, in: Staub (Begr.), HGB (2018). Band 11/2. Bankvertragsrecht. Investment Banking II, Teil 8 Rn. 166; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 62. 666 Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 62.
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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verstärkt darauf geachtet werden, dass die online gestellten Informationen aktuell sind und dass überholte Informationen nicht weiterverbreitet werden.667 b) Pflichtinformationen § 63 Abs. 7 WpHG enthält diejenigen Pflichtinformationen, die Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihren Kunden zur Verfügung zu stellen haben. Die Information muss „rechtzeitig“ erfolgen, d. h. in angemessener Zeit vor Erbringung der Wertpapierdienstleistung und bei Abschluss eines bindenden Vertrags in angemessener Zeit vor dem Vertragsschluss.668 Aus § 63 Abs. 7 S. 1 WpHG ergibt sich zunächst die Pflicht, den Kunden über das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und seine Dienstleistungen zu informieren. Für Robo-Advisor bedeutet dies, darüber zu informieren, ob Anlageberatung oder Finanzportfolioverwaltung erbracht wird. Auch über die Verwendung und die grundlegende Funktionsweise des Systems muss der Kunde informiert werden.669 Außerdem muss der Kunde ausdrücklich darüber aufgeklärt werden, dass und inwieweit Anlageempfehlungen und Anlageentscheidungen sowie die Übermittlung und Umsetzung der Kaufs- und Verkaufsorders durch den Einsatz von Algorithmen und (unter Umständen) künstlicher Intelligenz generiert werden. Informiert werden muss in diesem Zusammenhang auch über den Grad menschlicher Beteiligung am Entscheidungsprozess.670 Nur auf diese Weise erhält der potenzielle Anleger ein umfassendes Bild von den ihm angebotenen Dienstleistungen und eine Vorstellung von den besonderen Chancen und Risiken der Robo-Advice. Dies umfasst jedoch nicht die Pflicht zur Offenlegung des zugrundeliegenden Algorithmus.671 Es muss lediglich die grundlegende Funktionsweise erläutert werden, um dem Kunden eine informierte Entscheidung zu ermöglichen.672 § 63 Abs. 7 S. 3 und S. 4 WpHG legt weitere explizite Informationspflichten insbesondere hinsichtlich der Kostenstruktur der Dienstleistungen fest. Bezüglich 667 Vgl. BT 3.3.2 Rz.1 und Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 62. 668 Grundmann, in: Staub (Begr.), HGB (2018). Band 11/2. Bankvertragsrecht. Investment Banking II, Teil 8 Rn. 171; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 97. 669 Auerbach/Adelt, in: Krimphove/Kruse (Hrsg.), MaComp (2019), BT 7 Rn. 35. 670 Auerbach/Adelt, in: Krimphove/Kruse (Hrsg.), MaComp (2019), BT 7 Rn. 35; ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 7, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-43-1163_guidelines_ on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_de.pdf; Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 88; Madel, Robo Advice (2019), S. 174; Müssig, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 5 Rn. 29 und 36. 671 So auch Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 65. 672 Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 87.
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des Inhalts dieser mitzuteilenden Informationen ergibt sich für Robo-Advisor im Vergleich zu menschlichen Finanzintermediären aber keine Besonderheit. aa) Besondere Informationspflichten bei der Finanzportfolioverwaltung Für die Finanzportfolioverwaltung ergeben sich aus § 63 Abs. 7 S. 1 WpHG i. V. m. Art. 47 Abs. 2 und Abs. 3 DelVO-2017/565 zusätzliche Informationspflichten, um dem Kunden eine Bewertung der vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen erbrachten Leistung zu ermöglichen. Dazu gehört, angemessene Benchmark-Kriterien anzugeben, welche einen sachgerechten Vergleich mit den Anlagezielen und den im Kundenportfolio befindlichen Finanzinstrumenten ermöglichen, Art. 47 Abs. 3 lit. c) DelVO-2017/565.673 Auch über die Art und Weise und die Häufigkeit der Bewertung der Finanzinstrumente im Kundenportfolio sowie über die Reichweite des bei den Anlageentscheidungen eingeräumten Ermessens ist zu informieren, Art. 47 Abs. 3 lit. a), b) und d) DelVO-2017/565. Robo-Advisor haben demnach mitzuteilen, wie und wie häufig sie Kundenportfolios bewerten, und müssen eine entsprechende Benchmark angeben. Eine Bewertung des Kundenportfolios dürfte bei Robo-Advisorn regelmäßig mit der Vornahme des periodischen oder anlassbedingten Rebalancings einhergehen.674 Zusätzlich müssen Robo-Advisor darüber informieren, welcher Spielraum ihnen bei Anlageentscheidungen zukommt. Bei der Vermögensverwaltung durch Robo-Advisor hängt dieser Spielraum unmittelbar von der ermittelten Risikoklasse des Kunden ab, so dass eine ausführliche Information über diese Risikoklasse und ihre Bedeutung für die daraus resultierenden Anlageentscheidungen dieser Anforderung genügen dürfte. bb) Besondere Informationspflichten bei der Anlageberatung Erbringt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Anlageberatung, so müssen zusätzlich zu den Pflichten aus § 63 Abs. 7 WpHG die Informationspflichten aus § 64 Abs. 1 S. 1 WpHG erfüllt werden.675 Beim Einsatz eines Robo-Advisors muss deshalb darüber informiert werden, ob eine unabhängige Honorar-Anlageberatung betrieben wird. Dabei müssen unter anderem die grundlegenden Unterschiede zwischen der nicht-unabhängigen Beratung und der unabhängigen Honorar-Anlageberatung dargestellt werden.676 Es ist 673
Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 126. Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 1 B. IV. 675 Nach § 64 Abs. 1 S. 1 WpHG muss darüber informiert werden, ob es sich um eine unabhängige Honorar-Anlageberatung handelt oder nicht (Nr. 1), ob sich die Anlageberatung auf eine umfangreiche oder eine eher beschränkte Analyse verschiedener Arten von Finanzinstrumenten stützt (Nr. 2) und ob das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dem Kunden regelmäßig eine Beurteilung der Geeignetheit der empfohlenen Finanzinstrumente zur Verfügung stellt (Nr. 3). 676 Grundmann, in: Staub (Begr.), HGB (2018). Band 11/2. Bankvertragsrecht. Investment Banking II, Teil 8 Rn. 176; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 64 Rn. 9; Roth, B./Blessing, CCZ 2016, 258 (261). 674
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also darauf hinzuweisen, dass nicht-unabhängige Berater dazu berechtigt sind, von Dritten monetäre und nicht-monetäre Vorteile anzunehmen, und dass die unabhängige Honorar-Anlageberatung entgeltlich erbracht wird.677 Weil die Anlageberatung eines Robo-Advisors grundsätzlich beschränkt ist auf die sich in seinem Anlageuniversum befindlichen Finanzinstrumente, sollten RoboAdvisor zudem erläutern, auf welche Art und Weise ihr jeweiliges Anlageuniversum erstellt wurde, insbesondere welche Finanzinstrumente im Einzelnen als Investitionsvehikel dienen.678 Außerdem muss eine Information dahingehend erfolgen, ob sich die Anlageberatung in einer einmaligen Empfehlung erschöpft oder ob die Geeignetheit der Empfehlung regelmäßig beurteilt wird. Zudem muss dem Kunden über jedes Finanzinstrument, auf das sich eine Kaufempfehlung bezieht, ein kurzes, leicht verständliches Informationsblatt, dessen Angaben mit dem Prospekt vereinbar sind, zur Verfügung gestellt werden, § 64 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 WpHG. Bei bestimmten Finanzinstrumenten treten an die Stelle dieses Informationsblattes standardisierte Informationsblätter wie das Basisinformationsblatt oder die wesentlichen Anlegerinformationen i. S. d. KAGB, § 64 Abs. 2 S. 4 WpHG679. Bei der unabhängigen Honorar-Anlageberatung ergeben sich aus § 64 Abs. 6 WpHG zusätzliche Informationspflichten, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst Anbieter oder Emittent der Finanzinstrumente ist, in enger Verbindung oder wirtschaftlicher Verflechtung zum Anbieter oder Emittenten steht oder eigene Gewinninteressen am Geschäftsabschluss bestehen. Die Information nach § 64 Abs. 2 WpHG muss schließlich vor Beginn jeder einzelnen Beratung erfolgen.680 Hinweise allein in AGB sind nicht ausreichend,681 und auch ein versteckter Hinweis unter der Rubrik „rechtliche Hinweise“ auf der Internetseite sollte vermieden werden.682 Vielmehr bietet sich eine klare Kommunikation der Informationen im Beratungsvertrag683 oder mittels eines Informationsblattes an.
677 Grundmann, in: Staub (Begr.), HGB (2018). Band 11/2. Bankvertragsrecht. Investment Banking II, Teil 8 Rn. 177; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 64 Rn. 9 und 15. 678 Vgl. Art. 52 Abs. 3 DelVO-2017/565. 679 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 154. 680 Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), § 31 Rn. 203; Koller, in: Assmann/ Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 64 Rn. 23. 681 Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 64 Rn. 23. 682 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 159. 683 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 159.
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c) Form der Informationserteilung Während sich hinsichtlich des Inhalts der mitzuteilenden Informationen beim Einsatz von Robo-Advisorn kaum Besonderheiten ergeben, eröffnet die ausschließliche Kommunikation mit den Kunden über das Internet neue Möglichkeiten der Informationsübermittlung. Die nach §§ 63 Abs. 7 und 64 Abs. 1 WpHG mitzuteilenden Pflichtinformationen müssen gem. Art. 46 Abs. 3 DelVO-2017/565 auf einem dauerhaften Datenträger oder auf einer qualifizierten Website übertragen werden.684 Aus § 2 Abs. 43 S. 2 WpHG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 DelVO-2017/565 ergibt sich, dass ein anderer dauerhafter Datenträger als Papier nur dann verwendet werden darf, wenn die Bereitstellung der betreffenden Informationen über dieses Medium den Rahmenbedingungen angemessen ist und die Person, der die Informationen zur Verfügung zu stellen sind, die Wahl hat, diese auf Papier oder dem betreffenden anderen dauerhaften Datenträger zu erhalten, und sich ausdrücklich für letzteres entscheidet. Die Anforderungen an eine qualifizierte Website sind in Art. 3 Abs. 2 DelVO-2017/565 zu finden und erfordern unter anderem, dass die Bereitstellung der Information über die Website nach den Rahmenbedingungen angemessen ist, dass der Kunde ausdrücklich zugestimmt hat und dass die Informationen über diese Website laufend abgefragt werden können, und zwar so lange, wie sie für den Kunden nach vernünftigem Ermessen einsehbar sein müssen. Die Bereitstellung von Informationen auf elektronischem Wege wird als angemessen betrachtet, wenn der Kunde nachweislich über einen regelmäßigen Zugang zum Internet verfügt, was als nachgewiesen gilt, wenn der Kunde für die Ausführung des Geschäfts eine E-Mail-Adresse angegeben hat, Art. 3 Abs. 3 DelVO-2017/565. Die Pflichtinformationen nach §§ 63 Abs. 7 und 64 Abs. 1 WpHG können zudem gemeinsam685 und gem. § 63 Abs. 7 S. 2 i. V. m. § 64 Abs. 1 S. 2 WpHG in standardisierter Form erteilt werden. Geben Kunden bei Nutzung eines Robo-Advisors ihre E-Mail-Adresse an und stimmen einer bestimmten Form der elektronischen Kommunikation zu, so können Robo-Advisor alle Pflichtinformationen in standardisierter Form an präsenter Stelle auf ihrer Website bzw. im Wege eines per E-Mail versendeten oder downloadbaren Informationsblattes zur Verfügung stellen. Gleiches gilt auch für das nach § 64 Abs. 2 S. 1 WpHG zu übermittelnde Informationsblatt hinsichtlich der einzelnen Finanzinstrumente, welches gem. § 4 Abs. 2 WpDVerOV als elektronisches Dokument zur Verfügung gestellt werden kann. Unabhängig von der Form der Informationserteilung muss jedoch stets darauf geachtet werden, dass die Information rechtzeitig erfolgt, d. h. bevor dem Anleger die Möglichkeit gegeben wird, seine Anlageentscheidung umzusetzen bzw. bevor der Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen wird. 684 685
Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 98. Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 64 Rn. 23.
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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5. Geeignetheitsprüfung Vor Erbringung einer Wertpapierdienstleistung hat ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen vom Kunden diverse Informationen einzuholen, um die Geeignetheit der Wertpapierdienstleistung bzw. bestimmter Finanzinstrumente für den Kunden beurteilen zu können. Die Geeignetheitsprüfung umfasst dabei den gesamten Prozess der Einholung von Informationen über einen Kunden sowie die nachfolgende Beurteilung der Geeignetheit eines bestimmten Finanzinstruments für diesen Kunden.686 Die Einholung der Kundeninformationen und die Generierung eines daran ausgerichteten Anlagerats bzw. einer daran ausgerichteten Anlageentscheidung bildet das Herzstück eines jeden Robo-Advisors. Fehler in diesem Bereich führen regelmäßig zu systematischen Mängeln. Eine ordnungsgemäße Geeignetheitsprüfung ist für den Einsatz eines Robo-Advisors daher von herausragender Bedeutung. Die Pflicht zur Einholung aller nötigen Kundeninformationen, auch genannt Explorationspflicht, ergibt sich aus § 64 Abs. 3 S. 1 WpHG und erfordert, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen von einem Kunden alle Informationen über Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen, über die finanziellen Verhältnisse des Kunden, einschließlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, und über seine Anlageziele, einschließlich seiner Risikotoleranz, einholt, die erforderlich sind, um dem Kunden ein Finanzinstrument oder eine Wertpapierdienstleistung empfehlen zu können, das bzw. die für ihn geeignet ist und insbesondere seiner Risikotoleranz und seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, entspricht. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf nach § 64 Abs. 3 S. 2 WpHG seinen Kunden nur Finanzinstrumente und Wertpapierdienstleistungen empfehlen oder Geschäfte im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung tätigen, die nach den eingeholten Informationen für den Kunden geeignet sind. Art. 54 Abs. 1 Uabs. 2 DelVO-2017/565, auf den § 64 Abs. 3 S. 3 WpHG verweist, stellt ausdrücklich klar, dass die Verantwortung für die Durchführung der Eignungsbeurteilung auch dann bei der die Dienstleistung erbringenden Wertpapierfirma liegt, wenn Anlageberatungs- oder Portfolioverwaltungsdienstleistungen ganz oder teilweise über ein voll- oder halbautomatisches System erbracht werden. Weitere Erläuterungen zur Anwendung des Art. 25 Abs. 2 MiFID II, welchen § 64 Abs. 3 WpHG umsetzt,687 sowie zu den Art. 54, 55 DelVO-2017/565 sind in den Leitlinien der ESMA zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung zu finden.688 Auch diese nehmen bemerkenswerterweise an vielen Stellen 686
BT 7. 1 Rz. 2 MaComp. Begründung des Regierungsentwurfs zum 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, 235. 688 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 32, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-43-1163_ guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_de.pdf. 687
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
ausdrücklichen Bezug auf die Bedeutung der Geeignetheitsprüfung im Zusammenhang mit Robo-Advisorn. a) Grundsätzliche Fähigkeit eines automatischen oder intelligenten Agenten zur Erteilung von Anlagerat oder zur Verwaltung von Vermögen Zu der in der in- und ausländischen Literatur vielfach aufgeworfenen Frage, ob automatische oder intelligente Agenten überhaupt in der Lage sind, einen Anlagerat zu erteilen, nehmen dagegen weder die DelVO-2017/565 noch die ESMA-Leitlinien Stellung. Ein in diesem Zusammenhang häufig vorgebrachtes Argument lautet, dass Robo-Advisor nicht in der Lage sind, Anlageberatung oder Vermögensverwaltung zu erbringen, weil sie nicht über menschliches Urteilsvermögen oder menschliche Beobachtungsgabe verfügen.689 So lasse die Verwendung eines einheitlichen Fragenkatalogs nicht genügend Raum für die Beurteilung der individuellen Bedürfnisse eines einzelnen Kunden.690 Außerdem könne nur ein menschlicher Berater den Anleger in entscheidenden Zeiten, wie etwa bei hoher Marktvolatilität, unterstützend zur Seite stehen und ihn vor Panikreaktionen und daraus folgenden Anlagefehlern bewahren.691 Einem Robo-Advisor fehle es dafür an der persönlichen Komponente der Beratung.692 Zwar ist diese Argumentationslinie insofern nachvollziehbar, als ein menschlicher Finanzintermediär aufgrund seiner Auffassungsgabe durchaus besser in der Lage ist, feine Nuancen in den Antworten des Anlegers zu erkennen, die einem RoboAdvisor unter Umständen verborgen bleiben. Im Gegenzug sind Robo-Advisor ihrem menschlichen Pendant aber in anderen relevanten Aspekten der Beratung und Verwaltung überlegen, etwa weil sie rationale Entscheidungen frei von Verhaltensanomalien treffen693 und auf Marktveränderungen um ein Vielfaches schneller reagieren können. Dass Robo-Advisor stets einheitliche Fragebögen verwenden, die eine individuelle Beurteilung nicht zulassen, kann in dieser Absolutheit nicht festgestellt werden, sondern ist eine Frage der Ausgestaltung des Robo-Advice-Programms im 689 Vgl. Fein, Robo Advisors: A Closer Look (2015), S. 5, abrufbar unter: ssrn.com/abstract=2658701; FINRA, Report on Digital Investment Advice (2016), S. 8 f., abrufbar unter: www.finra.org/sites/default/files/digital-investment-advice-report.pdf; Ji, 117 Colum. L. Rev. 1543, 1566 (2017); Linardatos, InTeR 2017, 216 (217). 690 Ji, 117 Colum. L. Rev. 1543, 1565 (2017); Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 13, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publi cations/working-paper-series. 691 Fein, Robo Advisors: A Closer Look (2015), S. 5, abrufbar unter: ssrn.com/abstract=2658701 und Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 15, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-se ries. 692 Vgl. Fein, Robo Advisors: A Closer Look (2015), S. 5, abrufbar unter: ssrn.com/abstract=2658701. 693 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 1. a).
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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Einzelfall. So gibt es durchaus Robo-Advisor, welche dynamische Formulare verwenden, die je nach vorheriger Antwort andere oder weitergehende Fragen stellen.694 Dies führt zu einer komplexeren Beurteilung des Anlegers und kann mehr als eine Million verschiedene Antwort-Kombinationen zur Folge haben.695 Insbesondere wird auch durch den steigenden Einsatz von künstlicher Intelligenz im Bereich der Anlageberatung und Vermögensverwaltung die Individualität der Befragung und der Beratungsleistung steigen.696 So kann die Verwendung von künstlicher Intelligenz die Analyse großer Datenmengen (sog. Big Data Analytics) erleichtern, so die Eigenschaften eines Anlegers detaillierter und zutreffender ermitteln und dadurch eine gezielte und passgenaue Anlageberatung und Vermögensverwaltung ermöglichen.697 Menschen können bestimmte Beratungstätigkeiten besser ausführen als Robo-Advisor, während Robo-Advisor Menschen in anderen Bereichen der Beratungstätigkeit überlegen sind. Entscheidend dürfte letztlich die Erkenntnis sein, dass RoboAdvisor nicht besser sein müssen als menschliche Berater, sie müssen nur im Schnitt eine qualitativ ähnliche Beratungs- oder Vermögensverwaltungsleistung erbringen.698 b) Mögliche Fehlerquellen und Lösungen Geht man grundsätzlich davon aus, dass automatische und intelligente Agenten in der Lage sind, einen Anlagerat zu erteilen und Vermögen zu verwalten, so lassen sich im Allgemeinen zwei Quellen für mögliche Mängel im Beratungsprozess identifizieren.699 Ein fehlerhafter Anlagerat bzw. eine fehlerhafte Vermögensverwaltung kann zum einen aus einer bewusst oder unbewusst falschen Bedienung des RoboAdvisors durch den Anleger und damit aus einem fehlerhaften Input resultieren. So können etwa mangelnde Sorgfalt, Unkenntnis700 und auch Selbstüberschätzung701 zu Fehleingaben im Rahmen der Online-Befragung führen. Zum anderen kann auch die 694 Tertilt/Scholz, To Advise, or Not to Advise – How Robo-Advisors Evaluate the Risk Preferences of Private Investors (2017), S. 5, abrufbar unter: ssrn.com/abstract=2913178. 695 Tertilt/Scholz, To Advise, or Not to Advise – How Robo-Advisors Evaluate the Risk Preferences of Private Investors (2017), S. 5, abrufbar unter: ssrn.com/abstract=2913178. 696 FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 27, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117.pdf. 697 FSB, Artificial intelligence and machine learning in financial services (2017), S. 27, abrufbar unter: www.fsb.org/wp-content/uploads/P011117.pdf. 698 Vgl. Maume, 55:1 Tex. Int’l L. J., 49, 53, 84 (2019). 699 Vgl. Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 9 ff. 700 BaFin, Robo-Advice – Automatisierte Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung, (2020), abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Verbraucher/Finanzwissen/Fintech/RoboAdvice/ robo_advice_node.html; Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 10; Maume, ECFR 2019, 622 (628). 701 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 16, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-43-1163_ guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_de.pdf.
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Output-Seite des Robo-Advisors fehlerbehaftet sein. So kann die falsche Anlageberatung oder Vermögensverwaltung das Resultat einer fehlerhaften Software sein.702 Besondere Beachtung muss zudem dem Reinforcement Learning geschenkt werden, bei welchem im Rahmen der Erforschung neuer Strategien mitunter bewusst nicht optimale Entscheidungen für den Kunden getroffen werden. aa) Input-Fehler Input-Fehler können eine lückenhafte oder unrichtige Einholung von Kundeninformationen zur Folge haben und damit zu einer mangelhaften Erfüllung der sich aus § 64 Abs. 3 S. 1 WpHG ergebenden Explorationspflicht führen. Beruht der fehlerhafte Input auf einem mangelhaften Verständnis des Anlegers vom Inhalt der gestellten Frage, so kann dem im Wesentlichen auf drei Arten begegnet werden. Wie sich auch aus Art. 54 Abs. 7 lit. a) DelVO-2017/565 ergibt, sollte dem Kunden vor Augen geführt werden, dass vollständige, wahrheitsgemäße und aktuelle Angaben unerlässlich sind, um geeignete Finanzinstrumente empfehlen zu können.703 Zum Verständnis des Kunden trägt außerdem die Verwendung einer klaren und eindeutigen Sprache ohne die Verwendung übermäßig vieler Fachausdrücke bei.704 Schließlich können dem Anleger Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, zusätzliche Erläuterungen oder Beispiele zum Fragegegenstand einzuholen, etwa durch die Verwendung von Tooltips oder Pop-Up-Fenstern.705 Einige RoboAdvisor setzen ähnliche Instrumente bereits ein. So können mitunter neben dem Feld für die Eingabe der Kundeninformationen über das Feld „Wozu dienen diese Informationen?“ weitergehende Informationen zum Fragegegenstand eingeholt werden.706 Für hybride Robo-Advisor bietet sich zudem die Einrichtung eines Chatfensters an, mittels dessen der Kunde bei Bedarf weitere Nachfragen stellen kann. 702
BaFin, Robo-Advice – Automatisierte Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung, (2020), abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Verbraucher/Finanzwissen/Fintech/RoboAdvice/ robo_advice_node.html; Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 13; Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 14, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 703 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 6 f., abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-43-1163_ guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_de.pdf; BT 7.1 Rz. 3 MaComp. Vgl. zudem Feger, CB 2017, 359 (361). 704 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 8, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-43-1163_ guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_de.pdf; Müssig, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 5 Rn. 39. 705 Auerbach/Adelt, in: Krimphove/Kruse (Hrsg.), MaComp (2019), BT 7 Rn. 35; ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 10, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-43-1163_guidelines_ on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_de.pdf; Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 29; Müssig, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 5 Rn. 37. 706 Madel, Robo Advice (2019), S. 269.
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Gem. Art. 54 Abs. 8 DelVO-2017/565 darf ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Anlageberatung oder die Finanzportfolioverwaltung nicht erbringen, wenn es die für die Beurteilung notwendigen Informationen vom Kunden nicht erhält. Die Möglichkeit der Nichtbeantwortung einzelner Fragen darf deshalb im Programm des Robo-Advisors nicht vorgesehen sein, sondern die Weigerung des Kunden, einzelne Fragen zu beantworten, muss zum Abbruch des Prozesses führen.707 Auf keinen Fall darf die Art der Fragestellung dazu verwendet werden, den Anleger bei seiner Beantwortung in eine bestimmte, etwa eine für den Robo-Advisor besonders profitable Richtung zu lenken, sog. framing.708 Zwar können durch den Einsatz eines Robo-Advisors Verhaltensanomalien auf der Beraterseite ausgeschaltet werden, nicht jedoch besteht ein Schutz vor den Verhaltensanomalien des Anlegers, welche ihn dazu verleiten, seine eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie seine Risikotragfähigkeit zu überschätzen.709 Dieser Effekt der Selbstüberschätzung dürfte bei Mitteilung der Informationen gegenüber einem Robo-Advisor im Gegensatz zur Beantwortung der Fragen gegenüber einem Menschen noch stärker ausfallen.710 Hinzu kommt das mitunter sehr unterschiedliche Verständnis der Anleger hinsichtlich der Bedeutung von in den Fragebögen verwendeten auslegungsbedürftigen Begriffen. Zwei Anleger, die für ihre Altersvorsorge sparen wollen, können in Bezug auf eine Bad-Case-Situation etwas völlig anderes im Sinn haben.711 Abhilfe schaffen kann eine Gegenprüfung der Kundenangaben anhand objektiver Kriterien.712 So bietet es sich beispielsweise an, statt einen Kunden danach zu fragen,
707 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 9, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-43-1163_ guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_de.pdf; Müssig, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 5 Rn. 41. 708 Baker/Dellaert, Behavioral Finance, Decumulation and the Regulatory Strategy for Robo-Advice (2019), U. Penn. Law School, Research Paper No. 18 – 19, S. 16 f., abrufbar unter: www.ssrn.com/abstract=3219955; BT 7.5 Rz. 1.a MaComp; Kumpan, in: Möslein/ Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 12; Madel, Robo Advice (2019), S. 271 f. 709 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 16, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-43-1163_ guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_de.pdf; Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 12; Madel, Robo Advice (2019), S. 265 ff.; Wedlich, CF 2018, 225 (226 ff.). 710 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 16, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-43-1163_ guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_de.pdf; Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 12; Wedlich, CF 2018, 225 (226 ff.). 711 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 14, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series. 712 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 15, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-43-1163_
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ob er über ausreichende Erfahrung hinsichtlich eines bestimmten Finanzinstruments verfügt, danach zu fragen, mit welchen Produkten er sich auskennt, wie oft er mit ihnen handelt und wie lange diese Geschäfte zurückliegen.713 Statt einen Kunden unmittelbar nach seiner Risikotragfähigkeit zu fragen, könnte alternativ danach gefragt werden, welche Höhe an Verlusten er über einen bestimmten Zeitraum hinnehmen würde.714 Zudem müssen die Antworten des Kunden kritisch hinterfragt werden.715 Angaben des Kunden zu seinem monatlich frei verfügbaren Nettoeinkommen können etwa verglichen werden mit Angaben zu seinem Beruf und zu seinen Familienverhältnissen.716 Damit einher geht auch, dass das System in der Lage sein muss, die Antworten des Kunden auf ihre Kohärenz hin zu überprüfen, Widersprüche zu erkennen und den Kunden darauf hinzuweisen.717 Ein Teil der derzeitig tätigen Robo-Advisor führt eine solche Widersprüchlichkeitsprüfung durch. Diese Robo-Advisor weisen bestimmte Antwort-Kombinationen, wie beispielsweise die Angabe eines Anlagehorizonts von einem Jahr bei dem gleichzeitigen Anlageziel der sicheren Liquidität, als widersprüchlich zurück.718 Warum nach Spindler719 beim Einsatz künstlicher Intelligenz durch Robo-Advisor höhere Anforderungen an die Widersprüchlichkeitsprüfung und entsprechende Rückfragen gegenüber dem Kunden zu stellen sein sollten, ist nicht nachvollziehbar. Nicht der Umfang der Pflichten ist an die technischen Fähigkeiten des Robo-Advisors anzupassen, sondern Entwickler müssen die Fähigkeiten der Robo-Advisor so ausgestalten, dass sie in der Lage sind, die bestehenden Pflichten zu erfüllen.
guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_de.pdf; Müssig, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 5 Rn. 51. 713 BT 7.5 Rz. 3 MaComp; ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 15, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/ library/esma35-43-1163_guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_ de.pdf. 714 BT 7.5 Rz. 3 MaComp; ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 15, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/ library/esma35-43-1163_guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_ de.pdf. 715 Wedlich, CF 2018, 225 (228). 716 Wedlich, CF 2018, 225 (228). 717 BT 7.5 Rz. 4 MaComp; ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S.16, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/ library/esma35-43-1163_guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_ de.pdf; Feger, CB 2017, 359 (361); Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 74; Madel, Robo Advice (2019), S. 182; Müssig, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 5 Rn. 45. 718 Tertilt/Scholz, To Advise, or Not to Advise – How Robo-Advisors Evaluate the Risk Preferences of Private Investors (2017), S. 5, abrufbar unter: ssrn.com/abstract=2913178. 719 Spindler, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 13 Rn. 37.
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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Schließlich sollten die Kundeninformationen regelmäßig auf ihre Aktualität hin überprüft werden und eine Aktualisierung insbesondere beim Auftreten relevanter Ereignisse, wie dem Erreichen des Rentenalters, erfolgen.720 Mit dem wachsenden Einsatz von künstlicher Intelligenz im Finanzdienstleistungsbereich dürfte aber die Gefahr von Input-Fehlern geringer werden. Intelligente Robo-Advisor generieren das Finanz-Profil des Kunden nicht nur aufgrund der von ihm selbst getätigten Angaben, sondern beobachten sämtliche Zahlungsströme der Konten des Anlegers und lassen so auch Daten zum tatsächlichen Konsum- und Sparverhalten sowie zu Veränderungen der Lebenssituation (z. B. Arbeitsplatzverlust, die Erhöhung des Einkommens, die Geburt eines Kindes, Studienbeginn der Kinder, Erreichen des Rentenalters, etc.) in ihre Kundenexploration miteinfließen. bb) Output-Fehler Während sich Input-Fehler auf die Erfüllung der Explorationspflicht nach § 64 Abs. 3 S. 1 WpHG auswirken, haben Output-Fehler eine ungenügende Beurteilung der Geeignetheit eines bestimmten Finanzinstruments für einen Kunden i. S. d. § 64 Abs. 3 S. 2 WpHG zur Folge. Output-Fehler entstehen, wenn eingegebene Daten nicht oder nicht richtig vom Robo-Advisor verarbeitet werden, weil die zugrundeliegende Software ungenau programmiert oder durch Dritte manipuliert wurde.721 So hat eine Studie aus dem Jahre 2017 ergeben, dass mehrere Robo-Advisor Fragen stellen, deren Antwort sie später nicht für die Erstellung eines Risikoprofils des Kunden und damit auch nicht für die Anlageberatung oder die Vermögensverwaltung verwerten.722 Erschreckenderweise konnten im Rahmen der Studie sogar Robo-Advisor identifiziert werden, bei denen die Antwort auf eine einzige Frage ausschlaggebend für das anschließend empfohlene Portfolio war.723 Da die Kundeninformationen nicht nur gem. § 64 Abs. 3 S. 1 WpHG erschöpfend einzuholen sind, sondern gem. § 64 Abs. 3 S. 2 WpHG die empfohlenen Finanzinstrumente auch „nach den eingeholten Informationen für den Kunden geeignet sein“ müssen, stellt ein solches Vorgehen einen Verstoß gegen die Pflicht zur Durchführung einer Geeignetheitsprüfung dar. Hinzu kommt, dass ein solches Vorgehen dem Anleger eine umfassendere Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände suggeriert, als tatsächlich vorgenommen wird, so dass dies auch unter Anlegerschutzgesichtspunkten 720
BT 7.6 MaComp; ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S.16, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/ esma35-43-1163_guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_de.pdf. 721 BaFin, Robo-Advice – Automatisierte Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung, (2020), abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Verbraucher/Finanzwissen/Fintech/RoboAdvice/ robo_advice_node.html; Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 13. 722 Tertilt/Scholz, To Advise, or Not to Advise – How Robo-Advisors Evaluate the Risk Preferences of Private Investors (2017), S. 15, abrufbar unter: ssrn.com/abstract=2913178. 723 Tertilt/Scholz, To Advise, or Not to Advise – How Robo-Advisors Evaluate the Risk Preferences of Private Investors (2017), S. 15, abrufbar unter: ssrn.com/abstract=2913178.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
kritisch zu sehen ist. Demnach müssen sämtliche eingeholten Kundeninformationen in die Prüfung der Geeignetheit einbezogen werden. In die Beurteilung der Geeignetheit ebenfalls miteinfließen müssen deshalb auch Informationen über die finanzielle Situation des Kunden, die der Robo-Advisor anderweitig erlangt hat.724 Dies gilt insbesondere beim Einsatz von Big-DataTechniken. Aus der Tatsache, dass intelligente Robo-Advisor durch die Verwendung von Big-Data-Analytics die Anlegereigenschaften detaillierter und zutreffender ermitteln können, folgt, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen, welches die Robo-Advice anbietet, dazu verpflichtet ist, die relevanten Daten bei der Geeignetheitsprüfung auch zu verwenden.725 Eine Minimierung des Risikos einer fehlerhaften Software sowie der Manipulation durch Dritte lässt sich, wie bereits zum KWG ausgeführt726, nur durch eine laufende gründliche Überwachung und Überprüfung der eingesetzten Software, welche eine frühzeitige Identifizierung und Behebung des Fehlers ermöglichen, sowie durch regelmäßige IT-bezogene Stresstests und die Einrichtung eines Notfallsystems mitsamt einer „Kill-Funktion“ erreichen.727 Im WpHG sind entsprechende Regelungen in Bezug auf den algorithmischen Handel zu finden. So muss ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das den algorithmischen Handel betreibt gem. § 80 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG insbesondere über Systeme und Risikokontrollen verfügen, die sicherstellen, dass die Handelssysteme belastbar sind, über ausreichende Kapazitäten verfügen und angemessenen Handelsschwellen und Handelsobergrenzen unterliegen, und dass die Übermittlung von fehlerhaften Aufträgen oder eine Funktionsweise des Systems vermieden wird, durch die Störungen auf dem Markt verursacht oder ein Beitrag zu diesen geleistet werden könnten. § 80 Abs. 2 S. 4 WpHG fordert zudem die Einrichtung wirksamer Notfallvorkehrungen. Diese Regelungen gelten auch beim Einsatz eines Robo-Advisors. Ob § 80 Abs. 2 WpHG auf einen Robo-Advisor direkt oder analog anzuwenden ist, hängt von dessen Ausgestaltung im Einzelfall ab. Handelt es sich um einen Robo-Advisor, der algorithmischen Handel betreibt, der also nicht nur automatisiert berät und verwaltet, sondern die getroffene Anlageentscheidung auch selbständig umsetzt728, so kann § 80 Abs. 2 WpHG direkt angewendet werden. Betreibt der Robo-Advisor dagegen keinen algorithmischen Handel, muss § 80 Abs. 2 WpHGanalog angewendet wer-
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Müssig, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 5 Rn. 54. Spindler/Seidel, NJW 2018, 2153 (2157). 726 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. I. 1. b). 727 Ähnlich Feger, CB 2017, 359 (361); Madel, Robo Advice (2019), S. 230 ff. und Müssig, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 5 Rn. 101. Vgl. zudem BT 7.8 Rz. 2 MaComp. 728 Siehe zum Begriff des algorithmischen Handels und seiner Bedeutung für die RoboAdvice oben Teil 2 Kap. 1 § 1. 725
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den.729 Die Voraussetzungen der analogen Anwendung sind in einem solchen Fall gegeben.730 Da eine entsprechende Regelung zu dieser Form der Robo-Advice nicht geschaffen wurde und dies aufgrund mangelnden Bewusstseins des Gesetzgebers vom Geschäftsmodell der Robo-Advice bei Erlass des § 80 WpHG auch planwidrig erfolgte, besteht eine planwidrige Regelungslücke. Die Interessenlage ist vergleichbar, weil die Gefahren für die Stabilität des Finanzmarktes, vor denen § 80 Abs. 2 WpHG schützen soll, insbesondere die Steigerung der Komplexität und Volatilität sowie drohendes missbräuchliches Verhalten731, bei der Robo-Advice in ähnlichem Maße bestehen können732. Zudem regeln § 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG und Art. 21 Abs. 3 DelVO-2017/565 allgemein, dass angemessene Vorkehrungen getroffen werden müssen, um die Kontinuität und Regelmäßigkeit der Wertpapierdienstleistungen zu gewährleisten, sowie eine angemessene Notfallplanung eingerichtet werden muss, die bei einer Störung der Systeme und Verfahren gewährleistet, dass wesentliche Daten und Funktionen erhalten bleiben und Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten fortgeführt werden. Durch die Erfüllung der sich aus § 80 Abs. 2 WpHG ergebenden Pflichten kann das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dafür Sorge tragen, dass das Risiko eines Output-Fehlers beim Einsatz des Robo-Advisors reduziert wird. cc) Erforschung im Rahmen des Reinforcement Learning Der Einsatz intelligenter Robo-Advisor ermöglicht nicht nur eine ausdifferenzierte Kundenexploration, sondern gestattet auf der Grundlage dieses umfassenden Datensatzes auch die Generierung individuellerer, stärker auf den einzelnen Kunden angepasster Portfolios. Je nach Ausgestaltung des dem Robo-Advisor zugrundeliegenden Programms ist dieser sogar dazu in der Lage, seine Anlagestrategien anhand vergangener Erfahrungen anzupassen. Stellt sich eine Anlagestrategie als besonders günstig/ungünstig heraus, wird der Robo-Advisor diese in Zukunft verstärkt/nicht mehr weiterverfolgen. Es handelt sich bei dieser Form des Lernens um einen Fall des Reinforcement Learning.733 Im Rahmen dieses Lernprozesses befindet sich der Agent in einer Situation, in welcher er aus verschiedenen möglichen Aktionen auswählen muss.734 Dabei kann er stets die Strategien ausnutzen, die sich in der Vergangenheit als erfolgreich bewährt haben.735 Alternativ kann der intelligente 729
Vgl. Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 32, der von einer „entsprechenden Auslegung“ spricht. Unklar Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 64 Rn. 8 mit Fn. 14. 730 Für eine analoge Anwendung des § 80 WpHG ziehen auch Schuster, M./Bartsch (Schuster, M./Bartsch, in: Krimphove (Hrsg.), Fintechs (2019), 323 (329)) in Betracht. 731 Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 80 Rn. 103. 732 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 3. b). 733 Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 2 A. III. 734 Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz (2016), S. 328. 735 Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz (2016), S. 328.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Agent aber auch neue, möglicherweise langfristig erfolgreichere, Strategien erforschen.736 Der Agent muss also letztlich eine Abwägung vornehmen zwischen der Ausnutzung (engl. exploitation) der derzeit bekannten optimalen Strategie und der Erforschung (engl. exploration) weiterer Strategien zur Ermittlung einer möglicherweise noch unbekannten, tatsächlich optimalen Strategie.737 Man nennt dieses Dilemma auch Exploration/Exploitation-Tradeoff.738 Grundsätzlich sollte im Rahmen des Reinforcement Learning eine Kombination aus Erforschung und Ausnutzung gewählt werden, welche anfangs über einen hohen Erforschungsanteil verfügt, der dann im Laufe der Zeit immer weiter reduziert wird.739 Das Problem an dieser Art des Lernens ist, dass der Algorithmus, um Erfahrungen zu machen und aus ihnen lernen zu können, mitunter eine Entscheidung treffen muss, die absichtlich nicht der für den Kunden optimalen entspricht.740 Während also bei einem Teil der Kunden die Wirkung neuer Anlagestrategien erforscht wird, profitiert der andere Teil der Kunden von den so gewonnenen Erkenntnissen und kann diese gewinnbringend ausnutzen.741 Weil damit einhergeht, dass bei einem Teil der Kunden bewusst Anlageempfehlungen ausgesprochen und Anlageentscheidungen getroffen werden, die unter Umständen nicht für den Kunden geeignet sind, führt ein solches Vorgehen zu einem Verstoß gegen die Pflicht nach § 64 Abs. 3 S. 2 WpHG nur geeignete Finanzinstrumente zu empfehlen bzw. nur geeignete Geschäfte im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung zu tätigen. Diese Form des Reinforcement Learning steht damit nicht in Einklang mit dem WpHG. Lerneffekte der Algorithmen dürfen demnach nicht auf Kosten eines Teils der Anlegerschaft erzielt werden. Intelligenten Robo-Advisorn ist es deshalb untersagt, Lerneffekte im Wege der Erforschung möglicherweise suboptimaler Strategien zu erzielen. c) Geeignetheitserklärung Anlageberatende Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben dem Privatkunden gem. § 64 Abs. 4 S. 1 und S. 2 WpHG eine Geeignetheitserklärung zur Verfügung zu stellen, welche die erbrachte Beratung benennt und erläutert, wie sie auf Präferenzen, Anlageziele und sonstige Merkmale des Kunden abgestimmt wurde. Die Geeignetheitserklärung ersetzt das bisher erforderliche Beratungsprotokoll, weshalb die vormalige Diskussion, von wem dieses bei einem Online-Beratungsprozess unterzeichnet werden muss742, hinfällig geworden ist.743
736 737 738 739 740 741 742
Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz (2016), S. 328. Russell/Norvig, Künstliche Intelligenz (2012), S. 969. Baker/Dellaert, 103 Iowa L. Rev., 713, 743 (2018). Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz (2016), S. 328. Baker/Dellaert, 103 Iowa L. Rev., 713, 743 (2018). Baker/Dellaert, 103 Iowa L. Rev., 713, 743 (2018). Baumanns, BKR 2016, 366 (373).
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Gem. § 64 Abs. 4 S. 4 WpHG kann die Geeignetheitserklärung bei Verwendung eines Fernkommunikationsmittels, das die vorherige Übermittlung nicht erlaubt, auch erst nach Orderausführung zur Verfügung gestellt werden. Bei vollautomatisierten Robo-Advisorn dürfte diese Regelung keine Rolle spielen, weil diese problemlos vor einer Orderausführung die Geeignetheitserklärung anzeigen können.744 Anders gestaltet sich dies bei hybriden Robo-Advisorn, welche eine menschliche Intervention zulassen. Führt die Intervention eines Menschen dazu, dass der Inhalt der Erklärung angepasst oder geändert werden muss, bietet die Regelung des § 64 Abs. 4 S. 4 WpHG Erleichterung.745 6. Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten a) Aufzeichnungspflichten Aus § 83 WpHG i. V. m. § 9 WpDVerOV und Art. 72 ff. DelVO-2017/565 ergeben sich eine Reihe von Aufzeichnungspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Der § 83 Abs. 1 WpHG enthält dabei die allgemeine Pflicht, über die erbrachten Wertpapierdienstleistungen sowie die getätigten Geschäfte Aufzeichnungen zu erstellen, die es der BaFin ermöglichen, die Einhaltung der Wohlverhaltensund Organisationspflichten sowie der Pflichten aus der MiFIR und der Marktmissbrauchsverordnung746 zu prüfen und durchzusetzen. Sowohl nach Anhang I und IV Abschnitt 1 der DelVO-2017/565 als auch nach der von der BaFin nach § 83 Abs. 11 WpHG veröffentlichten Mindestaufzeichnungsliste747 sind im Zusammenhang mit der Kundeneinschätzung nach §§ 63 Abs. 10 und 64 Abs. 3 WpHG i. V. m. Art. 54 bis 56 DelVO-2017/565 Informationen über die Beurteilung der Geeignetheit und Angemessenheit aufzuzeichnen und aufzubewahren. Im Gegensatz zu § 83 Abs. 3 bis 6 WpHG und Art. 76 DelVO-2017/565 verfolgt die Aufzeichnungspflicht nach § 83 Abs. 1 WpHG und Art. 74 DelVO-2017/565 nicht das Ziel, eine Beweissicherung für die Anleger zu ermöglichen, sondern dient primär dem Interesse an einer effizienten Aufsicht.748 Nach § 9 Abs. 2 S. 1 WpHG muss sichergestellt werden, dass die BaFin anhand der Aufzeichnungen jede wesentliche Phase der Bearbeitung 743 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 181. 744 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 184. 745 Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 184. 746 Verordnung (EU) Nr. 569/2014 des Europäischen Parlaments und Rates über Marktmissbrauch, ABl. Nr. L 173 vom 16. 4. 2014, S. 1. 747 BaFin, Anlage AT 8 – Mindestaufzeichnungsliste nach § 83 Abs. 11 WpHG (2018), abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben/dl_rs_0518_Ma Comp_anlage_at8.html. 748 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 958; Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 83 Rn. 3.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
sämtlicher Geschäfte rekonstruieren kann. Die Aufzeichnungen müssen grundsätzlich so gestaltet werden, dass im Nachhinein nachvollzogen werden kann, warum eine bestimmte Anlageentscheidung getroffen oder warum eine konkrete Anlageempfehlung ausgesprochen wurde.749 Dies umfasst die Erhebung der Kundeninformationen und die Art und Weise, wie diese Informationen zur Bestimmung des Risikoprofils des Kunden verwendet wurden sowie die Informationen über die Finanzinstrumente, die dem Kunden empfohlen oder für ihn erworben wurden, und die den Kunden zur Verfügung gestellten Berichte.750 Speziell in Bezug auf den algorithmischen Handel legt auch § 80 Abs. 3 WpHG eine Pflicht zur Aufbewahrung ausreichender Aufzeichnungen in Bezug auf Systeme und Risikokontrollen fest. Damit einher geht aber nicht die Pflicht, den Algorithmus aufzubewahren oder gar offenzulegen.751 Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss jedoch in der Lage sein, bei entsprechenden Untersuchungen durch die BaFin nachzuweisen, wie ein Algorithmus zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit funktioniert hat.752 Robo-Advisor, die lediglich automatische Agenten, d. h. simple Reflexagenten ohne Lernelement darstellen, können dieser Verpflichtung nachkommen, indem sie die Zweige des Entscheidungsbaums sowie die jeweils gewählte Alternative an jedem Knotenpunkt aufzeichnen.753 Diffiziler gestaltet sich die Aufzeichnungspflicht bei intelligenten, lernenden Robo-Advisorn. Die Existenz einer Black Box, welche unter Umständen weder ex ante eine Vorhersage noch ex post eine Erklärung der von einem Robo-Advisor getroffenen Entscheidungen ermöglicht, lässt sich nur schwer mit diesem Regelungskonzept vereinbaren. Nicht immer ist erkennbar, welche Faktoren die Entscheidungsfindung des intelligenten Agenten beeinflusst haben. Erneut scheint die Entwicklung und Implementierung einer Explainable Artificial Intelligence754, welche eine Nachvollziehbarkeit und Erklärbarkeit der Entscheidungen künstlich intelligenter Systeme herstellt, einen Ansatz zu bieten, um eine effiziente Aufsicht zu ermöglichen. Grundsätzlich ist die Aufzeichnungspflicht aber nicht als umfassende Begründungspflicht hinsichtlich jeder einzelnen Anla749 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 33, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-43-1163_ guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_de.pdf. 750 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID II-Anforderungen an die Eignung (2018), S. 33, abrufbar unter: www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35-43-1163_ guidelines_on_certain_aspects_of_mifid_ii_suitability_requirements_de.pdf. 751 BaFin, Häufige Fragen und Antworten zum algorithmischen Handel und zum Hochfrequenzhandel (Stand: 17. 07. 2019), Frage 20, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/ Downloads/DE/FAQ/dl_faq_hft.html. 752 BaFin, Häufige Fragen und Antworten zum algorithmischen Handel und zum Hochfrequenzhandel (Stand: 17. 07. 2019), Frage 20, abrufbar unter: www.bafin.de/SharedDocs/ Downloads/DE/FAQ/dl_faq_hft.html. 753 Ähnlich Müssig, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 5 Rn. 101. 754 Siehe zum Konzept der Explainable Artificial Intelligence oben Teil 2 Kap. 2 § 2 A. III.
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geempfehlung und -entscheidung zu verstehen. Ausreichend dürfte es daher auch beim Einsatz intelligenter Agenten sein, wenn aufgezeichnet wird, dass die in § 64 Abs. 3 S. 1 WpHG genannten Informationen ordnungsgemäß erhoben wurden und in angemessener Gewichtung Eingang in die Anlageempfehlung oder -entscheidung gefunden haben. Ob die Entwicklung einer umfassenden Begründungspflicht beim Einsatz automatischer und insbesondere intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich sinnvoll erscheint und welche Möglichkeiten zu ihrer Umsetzung bestehen, wird in Teil 4 ausführlich erläutert.755 Konkretisiert wird § 83 Abs. 1 WpHG durch § 83 Abs. 2 WpHG, nach dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen über die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien und sonstige Vertragsbedingungen Aufzeichnungen zu erstellen haben. § 83 Abs. 2 WpHG bezieht sich damit auf die nach Art. 58 DelVO-2017/565 mit dem Kunden geschlossene Rahmenvereinbarung, in der die wesentlichen Rechte und Pflichten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens und des Kunden niedergelegt sind.756 Für Robo-Advisor relevant ist zudem der § 83 Abs. 3 und Abs. 4 WpHG, nach dem bei Dienstleistungen, die sich auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen beziehen, die elektronische Kommunikation aufgezeichnet werden muss und alle angemessenen Maßnahmen ergriffen werden müssen, um eine solche Aufzeichnung der elektronischen Kommunikation zu ermöglichen. Die elektronische Kommunikation erfasst dabei nicht nur die Kommunikation per EMail, sondern auch per Website oder per App.757 Der Kunde muss gem. § 83 Abs. 5 S. 1 WpHG i. V. m. Art. 76 Abs. 8 DelVO-2017/565 vorab über die Aufzeichnung informiert werden. Widerspricht der Kunde oder unterbleibt die Aufklärung, so darf die Wertpapierdienstleistung nach § 83 Abs. 5 S. 2 WpHG nicht im Wege der elektronischen Kommunikation erbracht werden. Für die Robo-Advice bedeutet dies, dass die Dienstleistung in einem solchen Fall faktisch nicht mehr erbracht werden kann. Erwähnung finden soll an dieser Stelle auch die Pflicht, nach Art. 5 Abs. 7 DelVO-2017/589 Aufzeichnungen über alle wesentlichen Änderungen an der für den algorithmischen Handel verwendeten Software zu führen. Aus diesen Aufzeichnungen muss hervorgehen, wann eine Änderung vorgenommen wurde, wer die Änderung vorgenommen hat, wer die Änderung genehmigt hat und worin die Änderung bestand. Wird der zugrundeliegende Algorithmus verändert, etwa aufgrund von Entwicklungen im regulatorischen Umfeld, sind diese Veränderungen aufzuzeichnen und ist der Verlauf der Änderungen zu dokumentieren und zu archivieren.758 Änderungen im Programm des Robo-Advisors sind deshalb jedenfalls dann zu dokumentieren und archivieren, wenn dieser algorithmischen Handel betreibt. 755 756 757 758
Siehe unten Teil 4 Kap. 2 § 1 A. II. Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 83 Rn. 8. Vgl. Roth, B./Blessing, CCZ 2017, 8 (10). Vgl. Feger, CB 2017, 359 (360) und Madel, Robo Advice (2019), S. 232.
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b) Zeitpunkt der Aufzeichnung und Dauer der Aufbewahrung In der Praxis zu Problemen führt die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine Kommunikation aufzuzeichnen ist.759 Grundsätzlich bestehen dazu zwei Lösungsansätze: Zum einen kommt eine durchgehende Aufzeichnung ab Kommunikationsbeginn in Betracht, zum anderen besteht die Möglichkeit, nur die orderrelevanten Kommunikationsabschnitte aufzuzeichnen.760 Da die Aufzeichnungen nach § 83 Abs. 3 S. 1 WpHG der Beweissicherung dienen, sollten Robo-Advisor den Weg der durchgehenden Aufzeichnung wählen und sämtliche gestellte Fragen sowie die hierzu abgegebenen Antworten aufzeichnen. Die Aufzeichnungen i. S. d. § 83 Abs. 1 WpHG sind nach § 9 Abs. 4 S. 1 WpDVerOV für fünf Jahre aufzubewahren. Aufzeichnungen, welche die Rechte und Pflichten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens und des Kunden im Rahmen des Dienstleistungsvertrags betreffen, sind gem. Art. 73 DelVO-2017/565 mindestens für die Dauer der Geschäftsbeziehung zu dem Kunden aufzubewahren. Aufzeichnungen nach Maßgabe des § 83 Abs. 3 WpHG sind nach § 83 Abs. 8 S. 1 WpHG ebenfalls für fünf Jahre aufzubewahren. c) Datensicherheit In engem Zusammenhang mit den Aufzeichungs- und Aufbewahrungspflichten (aber auch mit der Explorationspflicht), vor allem in Bezug auf Kundendaten, stehen die Pflichten zur Gewährleistung der Sicherheit der Informationen. Dies betrifft zunächst die Sicherheit der Übermittlung der Kundendaten im Rahmen der Exploration nach § 64 Abs. 3 S. 1 WpHG, aber auch die Aufzeichnung und die darauffolgende Aufbewahrung der Kunden- und der Kommunikationsdaten. § 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 WpHG setzt deshalb solide Sicherheitsmechanismen in Bezug auf Informationsübermittlungswege voraus.761 Bei der Robo-Advice kann dies insbesondere bedeuten, dass die Kommunikation mit Kunden entsprechend zu verschlüsseln ist.762
759 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 955; Büter/Schröer, in: Teuber/Schröer (Hrsg.), MiFID II und MiFIR (2015), Rn. 340; Roth, B./Blessing, CCZ 2017, 8 (11 f.). 760 Vgl. Büter/Schröer, in: Teuber/Schröer (Hrsg.), MiFID II und MiFIR (2015), Rn. 342; Roth, B./Blessing, CCZ 2017, 8 (11 f.). 761 Nach § 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 WpHG muss ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen über solide Sicherheitsmechanismen verfügen, die die Sicherheit und Authentifizierung der Informationsübermittlungswege gewährleisten, das Risiko der Datenverfälschung und des unberechtigten Zugriffs minimieren und verhindern, dass Informationen bekannt werden, so dass die Vertraulichkeit der Daten jederzeit gewährleistet ist. 762 Vgl. Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 80 Rn. 64.
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7. Weitere Pflichten Im Rahmen der Robo-Advice außerdem beachtet werden müssen die Berichtspflichten, die Pflicht zu bestmöglicher Auftragsausführung sowie die Pflicht zur getrennten Vermögensverwahrung. Außerdem nimmt das WpHG Bezug auf Pflichten aus dem KWG. a) Berichtspflichten Nach § 63 Abs. 12 S. 1 Hs. 1 WpHG müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihre Kunden in geeigneter Weise auf einem dauerhaften Datenträger über die ausgeführten Geschäfte berichten. § 64 Abs. 8 WpHG stellt zusätzliche Berichtspflichten bei Erbringung der Finanzportfolioverwaltung auf. Ergänzt werden die Berichtspflichten durch die Art. 60 – 62 DelVO-2017/565. Insbesondere im Rahmen der Robo-Advice muss der Ausnahme des Art. 60 Abs. 3 lit. a) DelVO-2017/565 Beachtung geschenkt werden. Danach entfällt die Pflicht zur periodischen Berichterstattung763, wenn der Kunde über einen Zugang zu einem Online-System verfügt, über welches er die aktuelle Aufstellung seines Portfolios sowie alle übrigen relevanten Informationen abrufen kann, und der Kunde nachweislich mindestens einmal während des Quartals die Informationen aufgerufen hat. Mit der Einräumung der Möglichkeit, die Aufstellung des Portfolios jederzeit online auf der Website oder über die App einsehen zu können, entfallen deshalb die periodischen Berichtspflichten, wenn der Kunde mindestens einmal im Quartal auf diese Informationen zugegriffen hat. Für die Robo-Advice zusätzlich relevant dürfte die Regelung des Art. 62 Abs. 1 DelVO-2017/565 sein, nach der eine Mitteilung an den Kunden immer dann zu erfolgen hat, wenn der Gesamtwert des zu Beginn des jeweiligen Berichtszeitraums zu beurteilenden Portfolios um 10 % fällt, sowie anschließend bei jedem Wertverlust in 10 %-Schritten, und zwar spätestens am Ende des Geschäftstags, an dem der Schwellenwert überschritten wird oder – falls der Schwellenwert an einem geschäftsfreien Tag überschritten wird – am Ende des folgenden Geschäftstags. Auch wenn Kunden eines Robo-Advisors die Wertentwicklung ihres Portfolios grundsätzlich jederzeit über die Website oder in der App einsehen können, muss bei Überschreitung dieser Schwellenwerte ein zusätzlicher Bericht zur Verfügung gestellt werden.764 Die Berichte können dem Kunden im Online-Portal zum Download 763 Gem. Art. 60 Abs. 1 und Abs. 3 DelVO-2017/595 müssen Wertpapierfirmen, die Portfolioverwaltungsdienstleistungen für Kunden erbringen, den betreffenden Kunden alle drei Monate auf einem dauerhaften Datenträger eine Aufstellung der in ihrem Namen erbrachten Portfolioverwaltungsdienstleistungen übermitteln. 764 Vgl. Darányi, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 16 Rn. 73. Eine bestmögliche Auftragsausführung bedeutet nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG insbesondere entsprechende Grundsätze zur Auftragsausführung festzulegen und diese regelmäßig zu überprüfen, sowie sicherzustellen, dass die Ausführung jedes einzelnen Kundenauftrags
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zur Verfügung gestellt werden oder ihm per E-Mail zugesandt werden. Wenn lediglich ein Download möglich ist, sollte aber eine zusätzliche Information per EMail oder per Push-Nachricht erfolgen. b) Pflicht zur bestmöglichen Auftragsausführung § 82 WpHG verpflichtet Wertpapierdienstleistungsunternehmen dazu, Kundenaufträge in Bezug auf den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten stets bestmöglich auszuführen.765 Betreibt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Finanzportfolioverwaltung, ohne die Aufträge oder Entscheidungen selbst auszuführen, gelten die besonderen Voraussetzungen des Art. 65 DelVO-2017/565.766 Diese Regelung ist vor allem relevant, wenn der Robo-Advisor keinen algorithmischen Handel betreibt und ein anderes Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit der Orderausführung beauftragt wurde. Bei der Wahl desjenigen Wertpapierdienstleistungsunternehmens, welches mit der Auftragsausführung beauftragt wird, müssen dessen Ausführungsgrundsätze berücksichtigt werden.767 c) Pflicht zur getrennten Vermögensverwahrung Gem. § 84 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 WpHG hat ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das nicht über eine Erlaubnis für das Einlagengeschäft nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG verfügt, die Kundengelder getrennt von den Geldern des Unternehmens und von anderen Kundengeldern auf Treuhandkonten bei einem Kreditinstitut zu verwahren. Da Robo-Advice-Unternehmen regelmäßig nicht über eine Erlaubnis für das Einlagengeschäft verfügen, haben sie diese Pflicht zur getrennten Vermögensverwahrung zu beachten. d) Bezugnahme auf KWG-Pflichten Das WpHG nimmt an verschiedenen Stellen auf das KWG Bezug. So statuiert etwa § 80 Abs. 1 S. 1 WpHG noch einmal ausdrücklich die Pflicht der Wertpapierdienstleistungsunternehmen die organisatorischen Pflichten nach § 25a Abs. 1 und § 25e KWG einzuhalten.768 Welche Besonderheiten sich beim Betrieb eines nach Maßgabe dieser Grundsätze vorgenommen wird. Der Inhalt der Grundsätze der Auftragsausführung ergibt sich aus § 82 Abs. 5 S. 1 WpHG und Art. 66 Abs. 3 DelVO-2017/565. 765 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 936. 766 BT 4.4 Rz. 1 MaComp. 767 BT 4.4 Rz. 1 MaComp. 768 § 80 Abs. 6 S. 1 WpHG weist zudem darauf hin, dass bei einer Auslagerung die Anforderungen des § 25b KWG zu beachten sind. Zudem sind nach § 80 Abs. 6 S. 2 bis 4 WpHG weitere speziell für Wertpapierdienstleistungsunternehmen relevante Pflichten zu beachten, durch welche sichergestellt werden soll, dass die Ordnungsmäßigkeit der Erbringung der Wertpapierdienstleistungen, die Minimierung der Interessenkonflikte und die Wirksamkeit des
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Robo-Advisors hinsichtlich der Erfüllung der KWG-Pflichten ergeben, wurde bereits erläutert.769 8. Geltung des WpHG-Pflichtenregimes im grenzüberschreitenden Verkehr Bei Dienstleistungen, die wie die Robo-Advice über das Internet angeboten werden, stellt sich immer auch die Frage, ob das Pflichtenregime des WpHG auch auf grenzüberschreitenden Dienstleistungen anzuwenden ist. Grundsätzlich bestimmt § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Alt. 1 WpHG, dass die Vorschriften über die Wohlverhaltens- und Organisationspflichten der §§ 63 ff. WpHG auch auf solche Handlungen und Unterlassungen, die im Ausland vorgenommen werden, anzuwenden sind, die Wertpapierdienstleistungen betreffen, welche im Inland angeboten werden. Handelt es sich jedoch um ein Unternehmen, welches über einen Europäischen Pass770 i. S. d. § 53b KWG verfügt und dessen Zweigniederlassung oder vertraglich verbundener Vermittler einen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland aufweist, so sind gem. § 90 Abs. 1 S. 1 WpHG die §§ 63 Abs. 2, 72 bis 78, 80 Abs. 1 bis 6 und 9 bis 13, 81, 84 bis 87 Abs. 1 S. 2 bis 4 und Abs. 3 bis 8 WpHG nicht anzuwenden. Die Aufsicht der BaFin über diese Zweigniederlassungen ist in § 90 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 bis 7 WpHG näher geregelt. Wenn sich der Sitz des grenzüberschreitend tätigen Unternehmens in einem Drittstaat befindet, kann die BaFin im Einzelfall bestimmen, dass die §§ 63 Abs. 2, 72 bis 78, 80 Abs. 1 bis 6 und 9 bis 13, 81, 84 bis 87 Abs. 1 S. 2 bis 4 und Abs. 3 bis 8 WpHG nicht anzuwenden sind, § 91 S. 1 WpHG. III. Pflichtenkatalog bei Erlangung einer gewerberechtlichen Erlaubnis Erfüllt ein Robo-Advice-Unternehmen die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG bzw. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 WpHG, gilt es nicht als Finanzdienstleistungsunternehmen bzw. Wertpapierdienstleistungsunternehmen.771 Daraus folgt nicht nur, dass eine Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG nicht besteht, sondern das Unternehmen unterliegt auch nicht den Pflichtenregimen des KWG und des WpHG.772 internen Kontrollverfahrens nicht durch die Auslagerung von Unternehmensfunktionen und -prozessen gefährdet wird. Außerdem spezifiziert der § 81 Abs. 1 S. 1 WpHG die Pflichten der Geschäftsleiter aus § 25c Abs. 3 KWG von Wertpapierdienstleistungsunternehmen dahingehend, dass die Integrität des Marktes gewahrt und die Interessen der Kunden gefördert werden müssen. Die § 81 Abs. 1 S. 2 WpHG, Abs. 4 WpHG enthalten weitere den § 25c Abs. 3 KWG ergänzende Pflichten. 769 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. I. 770 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 A. I. 3. 771 Madel, Robo-Advice (2019), S. 194. 772 Baumanns, BKR 2016, 366 (371); Madel, Robo-Advice (2019), S. 215; Oppenheim/ Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1969 f.).
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Beachten müssen diese Robo-Advice-Unternehmen jedoch die Pflichten der §§ 11 bis 25 Finanzanlagenvermittlungsverordnung773 (im Folgenden: FinVermV). Die FinVermV in ihrer derzeitigen Fassung ist nicht mit den Anforderungen der MiFID II vereinbar und daher unionsrechtswidrig.774 Durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung vom 9. Oktober 2019 hat der Gesetzgeber die FinVermV an die Vorgaben der MiFID II angepasst. Die Änderungen treten am 1. August 2020 in Kraft.775 Durch die Änderungen werden die Wohlverhaltenspflichten der FinVermV denjenigen des WpHG angeglichen. Dies gilt insbesondere für die Pflicht zur Vermeidung und Offenlegung von Interessenkonflikten nach § 11a FinVermV n. F., die Informationspflicht nach § 13 FinVermV n. F., die Pflicht zur Geeignetheitsprüfung nach § 16 FinVermV n. F. und zur Erteilung einer Geeignetheitserklärung nach § 18 FinVermV n. F. sowie die Pflicht zur Aufzeichnung von Telefongesprächen und elektronischer Kommunikation nach § 18a FinVermV n. F.776 Die Wohlverhaltenspflichten der FinVermV weichen damit nur noch geringfügig von denjenigen des WpHG ab.777 Ein echter Vorteil aus der Erlangung einer gewerberechtlichen statt einer KWG-rechtlichen Erlaubnis ergibt sich für Betreiber eines Robo-Advisors deshalb wohl nur noch in Bezug auf KWGPflichten. Entsprechend einem Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Finanzen, des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sollen die FinVermV sowie §§ 34f und 34h GewO zum 1. Januar 2021 außer Kraft treten.778 In das WpHG sollen sodann ein neuer Erlaubnistatbestand für Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater eingeführt werden sowie die bisherigen Bestimmungen der FinVermV n. F. übernommen werden.779 Zudem soll die Zuständigkeit für Finanzanlagenvermittler von den Industrie- und Handelskammern auf die BaFin übergehen.780 Die Regulierung 773 Finanzanlagenvermittlungsverordnung vom 2. Mai 2012, BGBl. I S. 1006, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 9. Oktober 2019, BGBl. I S. 1434. 774 Madel, Robo-Advice (2019), S. 214. 775 Art. 2 Zweite Verordnung zur Änderung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung, BGBl. I S. 1440. 776 Art. 1 Zweite Verordnung zur Änderung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung, BGBl. I S. 1436 ff. 777 Vgl. Baumanns, BKR 2016, 366 (372). 778 Eckpunktepapier zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, abrufbar unter: www.bundesfinanzministeri um.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Internationales_Finanzmarkt/2019-07-24-eckpunk te-finanzanlagenvermittel-bafin.html. 779 Eckpunktepapier zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, abrufbar unter: www.bundesfinanzministeri um.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Internationales_Finanzmarkt/2019-07-24-eckpunk te-finanzanlagenvermittel-bafin.html, S. 1. 780 Eckpunktepapier zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, abrufbar unter: www.bundesfinanzministeri
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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der Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater wird damit weiter derjenigen von Wertpapierdienstleistungsunternehmen angenähert. IV. Zusammenfassung Robo-Advice-Unternehmen, welche über eine Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG verfügen, haben diverse sich aus dem KWG und dem WpHG ergebende Pflichten zu beachten. Im Rahmen des KWG sind vor allem die Pflichten der §§ 25a ff. KWG im Zusammenhang mit dem Risikomanagement von Bedeutung. Wie sich aus AT 2.2 Rz. 1 MaRisk und § 25c Abs. 4a Nr. 2 lit. a) KWG ergibt, beziehen sich die gesetzlichen und die Anforderungen der MaRisk an das Risikomanagement vor allem auf die Bewältigung finanzieller Risiken. Auch bei Robo-Advisorn spielen finanzielle Risiken eine Rolle. Von entscheidender Bedeutung sind beim Einsatz eines RoboAdvisors aber Cyber-Risiken. Das Risikomanagement beim Betrieb eines RoboAdvisors bedarf daher besonderer Ausgestaltung und muss sich insbesondere mit den Gefahren der Robo-Advice für die Regelungsziele des Aufsichtsrechts auseinandersetzen. Eine Bewältigung des Herdenrisikos ist nur durch die ständige Überwachung, Überprüfung und Anpassung der eigenen Anlagestrategie in Abhängigkeit vom Verhalten der anderen Marktakteure möglich. Gleiches gilt auch für die Minderung der Risiken, welche aus einer fehlerbehafteten Software resultieren. Abhilfe schaffen kann nur die gründliche, laufende Überwachung sowie die Durchführung entsprechender Tests vor dem erstmaligen Einsatz und nach wesentlichen Veränderungen. Auch bei sog. Cyber-Threats bietet die laufende Überwachung sowie die regelmäßige und anlassbezogene Durchführung von Stresstests eine Möglichkeit zur Identifizierung von Schwachstellen in der IT-Sicherheit. Die Einrichtung eines Notfallsystems schafft zudem Vorsorge für Notfälle in zeitkritischen Aktivitäten und Prozessen. Um zu verhindern, dass sich Gefahren aufgrund der „too linked to fail“und „too fast to save“-Problematik auf das gesamte Finanzsystem ausbreiten, muss eine sog. „Kill-Funktion“ eingerichtet werden, die eine Stornierung jedes beliebigen Auftrags, der noch nicht ausgeführt wurde, ermöglicht sowie bei Bedarf eine Abschaltung des Systems zulässt. Besondere Bedeutung erlangt das Konzept einer „digitalen Auslegung“ im Zusammenhang mit den Wohlverhaltens- und Organisationspflichten der §§ 63 ff. WpHG. Diese zu Recht als „analog“781 bezeichneten Pflichten wurden überwiegend mit Blick auf menschliche Finanzintermediäre geschaffen782 und führen daher immer um.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Internationales_Finanzmarkt/2019-07-24-eckpunk te-finanzanlagenvermittel-bafin.html, S. 1 f. 781 Baumanns, BKR 2016, 366 (373). 782 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 2, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
wieder zu Schwierigkeiten bei der Anwendung auf automatische und intelligente Agenten. Eine digitale Auslegung dient dazu, den Regelungszielen auch beim Einsatz digitaler Finanzintermediäre Geltung zu verleihen. Was die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten betrifft, so sind im Zusammenhang mit der Robo-Advice vor allem diejenigen Konflikte interessant, welche vermeintlich zwischen dem Robo-Advisor selbst und seinen Kunden bestehen. Diese können allein durch eine bewusste Implementierung in den Programmcode des Robo-Advisors entstehen. Solche Interessenkonflikte können bei Robo-Advisorn daher nur struktureller, nicht aber situativer Natur sein, weshalb sich auch ihre Verhinderung nur strukturell durch die Vermeidung des Einprogrammierens kundenfremder Interessen in den Code des Robo-Advisors vollziehen kann.783 Die sich aus § 80 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Hs. 1 WpHG ergebende Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten ist beim Einsatz eines Robo-Advisors dahingehend auszulegen, dass ein grundsätzliches Verbot zum Einprogrammieren solcher Eigeninteressen des Betreibers besteht, welche in Konflikt mit den Interessen der Kunden stehen.784 Interessenkonflikten der Kunden untereinander muss durch eine Programmierung begegnet werden, welche die Konflikte identifiziert und durch Anwendung des Prioritäts- und des Gleichbehandlungsgrundsatzes löst oder zumindest minimiert.785 Die Sachkundeerfordernisse müssen soweit wie möglich beim Robo-Advisor selbst vorliegen, d. h. dieser muss in der Lage sein, technisch einwandfrei Informationen zu verarbeiten und stets auf der Basis aktueller informationstechnischer und wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse agieren.786 Zudem müssen auch die an der Entwicklung und dem Betrieb des Robo-Advisors beteiligten Mitarbeiter über das nötige technische und wirtschaftswissenschaftliche Verständnis verfügen. Eine Aufnahme auch von Robo-Advisorn in das Mitarbeiter- und Beschwerderegister lehnt die BaFin zwar ab, vor dem Hintergrund des Anlegerschutzes wäre eine solche aber wünschenswert. Im Rahmen der Erfüllung der Informationspflichten muss insbesondere darauf geachtet werden, dass die online gestellten Informationen stets aktuell sind und dass überholte Informationen nicht weiterverbreitet werden.787 Berücksichtigt werden 783
Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 15; Kumpan, EuZW 2018, 745 (746); Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 32; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (801); Schwarz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 7 Rn. 56 f. 784 Vgl. Darányi, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 16 Rn. 85; Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 15 Rn. 38. 785 Vgl. Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 33. 786 Vgl. Madel, Robo Advice (2019), S. 263 und Dieckmann, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 8 Rn. 30. 787 Vgl. BT 3.3.2 Rz.1 und Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 63 Rn. 62.
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
205
muss außerdem, dass Umfang und Inhalt der Informationspflichten in Abhängigkeit vom Geschäftsmodell des jeweiligen Robo-Advisors variieren. Unter bestimmten Voraussetzungen können die Informationen auch auf der Website des Robo-Advisors zur Verfügung gestellt werden. Was die Pflicht zur Durchführung einer Geeignetheitsprüfung betrifft, so ist zunächst festzuhalten, dass trotz gegenteiliger Stimmen in der in- und ausländischen Literatur auch automatische oder intelligente Agenten dazu in der Lage sind, diese zu erfüllen. Zwar können Menschen manche Aspekte der Beratungstätigkeit besser ausführen als Robo-Advisor, diese sind ihnen dafür in anderen Bereichen überlegen. Robo-Advisor müssen ihre Pflichten aber nicht besser bewältigen als menschliche Finanzintermediäre, sie müssen nur im Schnitt ein vergleichbares Qualitätsniveau erreichen.788 Fehler können sowohl auf der Input- als auch auf der Output-Seite des Beratungsprozesses auftreten. Input-Fehler beruhen häufig auf einem mangelhaften Verständnis der Anleger und können durch die richtige Art der Fragestellung sowie die Einräumung der Möglichkeit, weitere Informationen zur Bedeutung des Fragegegenstandes einzuholen, abgemildert werden. Fehlern auf der Output-Seite kann, wie im Rahmen des Risikomanagements, durch eine laufende, gründliche Überwachung der eingesetzten Software, regelmäßige IT-bezogene Stresstests und die Einrichtung eines Notfallsystems mitsamt einer „Kill-Funktion“ begegnet werden. Im Rahmen des Reinforcement Learning dürfen Lerneffekte intelligenter RoboAdvisor nicht zu Lasten eines Teils der Kundschaft gehen, sondern grundsätzlich nur im Umgang mit Trainingsdaten erzielt werden.789 Für Wertpapierdienstleistungsunternehmen bestehen umfangreiche Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten. Dabei müssen die Aufzeichnungen insbesondere auch einen Schluss darauf zulassen, warum eine bestimmte Anlageentscheidung getroffen oder warum eine bestimmte Anlageempfehlung ausgesprochen wurde. Bei Robo-Advisorn, die lediglich automatische Agenten, d. h. simple Reflexagenten ohne Lernelement darstellen, kann dieser Verpflichtung nachgekommen werden, indem die Zweige des Entscheidungsbaums sowie die jeweils gewählte Alternative an jedem Knotenpunkt aufgezeichnet wird. Eine Nachvollziehbarkeit und Erklärbarkeit der Entscheidungen intelligenter Robo-Advisor könnte möglicherweise durch die Entwicklung und Implementierung einer Explainable Artificial Intelligence erreicht werden. Die Vermeidung der Pflicht zur Erlangung einer BaFin-Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG führt grundsätzlich dazu, dass das Pflichtenregime des KWG auch im Übrigen nicht greift. Die dann notwendige Erlangung einer gewerberechtlichen Erlaubnis nach § 34f Abs. 1 S. 1 GewO bzw. § 34h Abs. 1 S. 1 GewO zieht aber den Pflichtenkatalog der §§ 11 bis 25 FinVermV nach sich, welcher vor 788 789
Maume, 55:1 Tex. Int’l L. J., 49, 53, 84 (2019). Vgl. Baker/Dellaert, 103 Iowa L. Rev., 713, 743 (2018).
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
allem aufgrund zukünftiger Änderungen nur geringfügig von den Wohlverhaltenspflichten der §§ 63 ff. WpHG abweicht. Es lässt sich abschließend festhalten, dass das Geschäftsmodell der Robo-Advice demjenigen der menschlichen Anlageberater und Vermögensverwalter zwar sehr ähnlich ist, aber auch Unterschiede aufweist. Auch die Chancen und Risiken für die Verwirklichung der Regelungsziele des Aufsichtsrechts sind andere als beim Einsatz menschlicher Finanzintermediäre. Entsprechend andere Anforderungen müssen deshalb auch an die Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Pflichten beim Einsatz eines Robo-Advisors gestellt werden. Das Pflichtenregime des KWG und des WpHG, die ihnen zugrundliegenden europäischen Richtlinien sowie die Delegierten Verordnungen bieten in ihrer direkten Anwendung dabei nicht immer einen ausreichenden Schutz, um die Durchsetzung der Regelungsziele zu gewährleisten. So muss zum Teil eine sehr weite, „digitale“ Auslegung derjenigen Normen erfolgen, welche nach ihrem Wortlaut grundsätzlich nur auf Menschen anwendbar sind. In anderen Fällen müssen Normen herangezogen werden, welche im Hinblick auf den algorithmischen Handel erlassen wurde. Teilweise, insbesondere mit Blick auf die Einrichtung einer Explainable Artificial Intelligence, fehlen konkrete Regelungen ganz.
§ 3 Ergebnisse Kapitel 2 Die überwiegende Zahl der Unternehmen, welche einen Robo-Advisor betreiben, bedarf einer Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG. Die Vermeidung einer aufsichtsrechtlichen Erlaubnispflicht mit der Konsequenz der Verpflichtung, eine Erlaubnis nach § 34f Abs. 1 S. 1 GewO bzw. § 34h Abs. 1 S. 1 GewO einzuholen, ist in bestimmten Fällen, insbesondere bei Erfüllung eines Ausnahmetatbestandes nach § 2 KWG, zwar möglich, bringt in Bezug auf WpHG-rechtliche Pflichten aber nur geringe Vorteile. Folglich unterliegen die meisten Robo-Advisor-Anbieter einem umfangreichen Pflichtenkatalog nach dem KWG und dem WpHG. Betrachtet man dieses Pflichtenregime vor dem Hintergrund der Regelungsziele des Aufsichtsrechts, d. h. des Anlegerschutzes und des Schutzes der Funktionsfähigkeit und Stabilität des Finanzmarktes, so wird deutlich, dass diese mitunter nur durch eine zusätzliche, sehr weite, „digitale“ Auslegung sowie durch direkte oder analoge Heranziehung des zum algorithmischen Handel entwickelten Regelungsgefüges erreicht werden können. Dieses Gefüge aus der wortlautgetreuen Anwendung von Normen, der Heranziehung eines Auslegungskonstrukts und dem Rückgriff auf in Bezug auf den algorithmischen Handel entwickelter Normen hat eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge, welche zu Lasten von Anlegern, Robo-Advice-Anbietern und Aufsehern gleichermaßen geht. Während die aufsichtsrechtlichen Pflichten zwar grundsätzlich unangetastet bleiben sollten, besteht in Bezug auf ihre spezifische Ausgestaltung beim Einsatz
Kap. 2: Aufsichtsrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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automatischer und intelligenter Agenten vereinzelt Anpassungsbedarf. Handlungsleitend müssen dabei die Chancen und Risiken sein, welche sich für die Gewährleistung der Regelungsziele des Aufsichtsrechts aus dem Einsatz automatischer und intelligenter Agenten ergeben. Analysiert man die Risiken, welche sich aus dem Einsatz automatischer und intelligenter Agenten für die Regelungsziele ergeben, so wird deutlich, dass eine Gesetzgebung vor allem die Funktionsfähigkeit der Agenten sicherstellen, auf die Einrichtung von Schutzvorrichtungen hinwirken und Transparenz herstellen muss. Ein Agent verfügt über eine ordnungsgemäße Funktionsfähigkeit, wenn er insbesondere in der Lage ist, die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an das Risikomanagement sowie an den Umgang mit Interessenkonflikten, an die Sachkunde, an die Zur-Verfügung-Stellung von Informationen, an die Durchführung der Kundenexploration und der Geeignetheitsprüfung und an die Aufzeichnung und Aufbewahrung bestimmter Daten zu erfüllen. Angemessene Schutzvorrichtungen gewährleisten dabei, dass die Funktionsfähigkeit des Agenten auch in außergewöhnlichen MarktSituationen gegeben ist, und wehren Angriffe und Manipulationen Dritter ab. Die Herstellung von Transparenz ermöglicht schließlich eine Beurteilung, ob Funktionsfähigkeit und Schutzvorrichtungen in ausreichendem Maße vorliegen. Bei der Entwicklung entsprechender Normen müssen jedoch auch die Interessen der betroffenen Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse berücksichtigt werden, weshalb fraglich ist, ob eine schlichte Offenlegung der AlgorithmusFormel das Mittel der Wahl sein sollte.790 Ein ideales Regelungsgefüge gewährleistet zudem eine umfassende Aufsicht, ohne dabei die Verwirklichung des volkswirtschaftlichen Interesses an einem Wettbewerbssystem, das Innovationen schützt und fördert, übermäßig zu blockieren.791 Als regulatorisches Werkzeug bietet sich die Durchführung von der Aufsichtsbehörde geleiteter Tests an, welche die Schutzvorrichtungen und die Funktionsfähigkeit des einzelnen Agenten durch Simulation sowohl der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit als auch außergewöhnlicher Marktzustände und des Angriffs Dritter überprüfen.792 Die Überprüfung der Funktionsfähigkeit kann nicht nur sicherstellen, dass die Kundenexploration umfassend durchgeführt wird und geeignete Anlageempfehlungen bzw. -entscheidungen generiert werden, sondern kann auch identifizieren, ob in den Programmcode des Agenten Interessenkonflikte implementiert wurden oder ob ein Algorithmic Bias besteht.
790 Vgl. zu einem ähnlichen Problem i. R. d. Datenschutzrechts Hoeren/Niehoff, RW 2018, 47 (55 ff.). Siehe unten Teil 4 Kap. 2 § 1 A. I. 791 Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 33. Vgl. zu einem ähnlichen Problem i. R. d. Datenschutzrechts Hoeren/Niehoff, RW 2018, 47 (60). 792 Vgl. Baker/Dellaert, Behavioral Finance, Decumulation and the Regulatory Strategy for Robo-Advice (2019), U. Penn. Law School, Research Paper No. 18 – 19, S. 23 f., abrufbar unter: www.ssrn.com/abstract=3219955.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Regelungen zur Transparenz bedeuten eine Anknüpfung an die Ausgestaltung der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten. Hierbei muss danach unterschieden werden, ob es sich um einen nur automatischen oder um einen intelligenten Agenten handelt. Bei schlicht automatischen Agenten reicht es aus, die Datenströme in Bezug auf die Interaktion mit Kunden und die in Folge getroffenen Anlageentscheidungen aufzuzeichnen. Bei intelligenten Agenten müsste als zusätzlicher Schritt die Herstellung der Erklärbarkeit der getroffenen Anlageentscheidungen, d. h. die Implementierung einer Explainable Artificial Intelligence hinzukommen. Problematisch am Ansatz einer Explainable Artificial Intelligence ist, dass es derzeit noch nicht im Rahmen des Möglichen liegt, die Entscheidungen sämtlicher intelligenter Systeme erklärbar zu machen.793 Auch in diesem Zusammenhang gilt also, dass bei der Ermittlung angemessener aufsichtsrechtlicher Anforderungen an den Einsatz intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich stets eine Abwägung zwischen dem Interesse an einer effektiven Aufsicht und dem Interesse einer Volkswirtschaft an der Förderung von Innovationen vorgenommen werden muss.794 Ein angemessener Ausgleich zwischen Innovationsförderung einerseits und Gewährleistung einer angemessenen Aufsicht andererseits ist nur gegeben, wenn zwar nicht die vollständige Entscheidung des intelligenten Systems erklärbar gemacht werden muss, aber die Entscheidungen zumindest überprüfbar und nachvollziehbar sind.795 Welche technischen Möglichkeiten der Annäherung an eine Explainable Artificial Intelligence bestehen, und wie diese aus regulatorischer Perspektive zu bewerten sind, wird in Teil 4 noch ausgeführt.796 Die erläuterten verschiedenen Werkzeuge sind dem Recht nicht fremd, sondern finden im Aufsichtsrecht und in anderen Rechtsgebieten bereits eine gesetzliche Grundlage. Wie bereits erwähnt, sieht das Gesetz etwa im Zusammenhang mit dem algorithmischen Handel in § 80 Abs. 2 Nr. 4 WpHG die Einrichtung von Notfallvorkehrungen vor. Art. 12 DelVO-2017/589 fordert zusätzlich die Einrichtung einer sog. „Kill-Funktion“ und Art. 5 Abs. 4 lit. d) DelVO-2017/589 setzt die Möglichkeit der Abschaltung des Systems unter Stressbedingungen voraus. Ansätze einer algorithmischen Aufzeichnungspflicht sind in Art. 5 Abs. 7 DelVO-2017/589 zu finden, nach dem Aufzeichnungen über alle wesentlichen Änderungen an der für den algorithmischen Handel verwendeten Software zu führen sind. Auch sehen die Regelungen zum algorithmischen Handel in Art. 5 Abs. 1 und Abs. 4 DelVO-2017/589 die Pflicht vor, durch die Entwicklung von Tests zu gewährleisten, dass der Handelsalgorithmus keine außerplanmäßigen Verhaltensweisen zeigt und auch unter Stressbedingungen auf den Märkten effektiv funktioniert, wenngleich diese Tests nur auf Unternehmensebene und nicht auf Aufsichtsebene durchzuführen sind. 793 794 795
(60). 796
Hoeren/Niehoff, RW 2018, 47 (60). Vgl. Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 33. Vgl. zum ähnlichen Problem i. R. d. Datenschutzrechts Hoeren/Niehoff, RW 2018, 47 Siehe unten Teil 4 Kap. 2 § 1 A. II. 2.
Kap. 3: Zivilrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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Anforderungen an die Erklärbarkeit automatischer Entscheidungen werden auch im Rahmen des Datenschutzrechts gefordert, obschon die inhaltliche Reichweite der Offenlegungspflichten, insbesondere in Bezug auf die Entscheidungen künstlich intelligenter Systeme, umstritten ist797. So umfasst die Auskunftspflicht nach Art. 13 Abs. 2 lit. f), 14 Abs. 2 lit. g) und 15 Abs. 1 lit. h) Datenschutzgrundverordnung798 (im Folgenden: DSGVO) bei automatisierten Entscheidungen auch die Erteilung aussagekräftiger Informationen über die involvierte Logik. Ob eine Anlehnung einer neuen Regelung an diese Vorschriften erfolgen kann, wird im Rahmen des Teils 4 erläutert.799 Durch die Konkretisierung und Ergänzung bestehender Normen des KWG und des WpHG kann eine Gewährleistung der Regelungsziele auch beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich sichergestellt werden. Für die Ausgestaltung im Einzelnen kann möglicherweise eine Anlehnung an ähnliche Konstrukte in den Regelungen zum algorithmischen Handel und zum Datenschutz erfolgen. Dabei muss die Ausformulierung nicht speziell für die RoboAdvice erfolgen. Vielmehr wäre es wünschenswert, einen einheitlichen Regelungsrahmen für sämtliche im Finanzdienstleistungsbereich tätigen automatischen und intelligenten Agenten hervorzubringen, da die sich ergebenden Chancen und Risiken für die Regelungsziele des Aufsichtsrechts stets ähnlicher Natur sind. Kapitel 3
Zivilrechtliche Aspekte der Robo-Advice Das Phänomen Robo-Advice wirft nicht nur die soeben dargestellten umfangreichen aufsichtsrechtlichen Fragestellungen auf, sondern stellt auch den Anwender des Zivilrechts vor Herausforderungen. Schwierigkeiten ergeben sich beim Einsatz von Robo-Advisorn auf allen Ebenen der Vertragsabwicklung. So sind sowohl die Vertragsanbahnung als auch der Vertragsschluss und die Vertragsdurchführung problematisch.800 Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf Probleme im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss sowie parallel zum soeben dargestellten Aufsichtsrecht auf die Auslegung vertraglicher Pflichten beim Einsatz eines Robo-Advisors.
797
Vgl. Hoeren/Niehoff, RW 2018, 47 (55 ff.) m. w. N. Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, ABl. L 119 vom 4. 5. 2016, S. 1 ff. 799 Siehe unten Teil 4 Kap. 2 § 1 A. I. 2. 800 Vgl. Darányi, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 16 Rn. 43 und Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (797 ff.). 798
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
§ 1 Rechtliche Vorüberlegungen Bevor auf die Herausforderungen des Vertragsschlusses unter Einsatz eines RoboAdvisors sowie den Inhalt der durch den Robo-Advisor zu erfüllenden vertraglichen Pflichten eingegangen wird, muss zunächst grundlegend dargestellt werden, auf welche Weise das Aufsichtsrecht auf das Zivilrecht ausstrahlt und auf welche Weise Willenserklärungen beim Vertragsschluss unter Einsatz eines automatischen oder intelligenten Agenten zugerechnet werden können.
A. Bedeutung der Ausstrahlungswirkung für den Vertragsinhalt Wie bereits ausführlich dargestellt wurde, kommt den Wohlverhaltens- und Organisationspflichten aus §§ 63 ff. WpHG kein Doppelnormcharakter zu.801 Sondern es ist von einer Ausstrahlungswirkung des Aufsichts- auf das Zivilrecht auszugehen. Die Wohlverhaltenspflichten wirken nicht, wie im Rahmen der Doppelnormtheorie angenommen, unmittelbar im Zivilrecht, sondern lediglich mittelbar. Dies bedeutet im Einzelnen, dass die aufsichtsrechtlichen Pflichten weder eine Begrenzung noch eine Erweiterung des zivilrechtlich zu beurteilenden Pflichtenkatalogs des Anlageberaters oder Vermögensverwalters bewirken802. Vielmehr sind sie im Rahmen der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und von Generalklauseln heranzuziehen. Da es sich weder beim Anlageberatungsvertrag noch beim Vermögensverwaltungsvertrag um einen gesetzlichen Vertragstyp handelt, richten sich die vertraglichen Pflichten der Vertragsparteien grundsätzlich nach den aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten. Im Einzelfall kann aufgrund der Vertragsautonomie jedoch sowohl nach „oben“ als auch nach „unten“ von den aufsichtsrechtlichen Pflichten abgewichen werden. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass dabei die übrigen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere des AGB-Rechts, gewahrt werden. Die vertraglichen Pflichten sind sowohl abhängig von der Vertragsgestaltung im Einzelfall als auch von den durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Anlageberatungs- und Vermögensverwaltungsvertrag sowie den ausstrahlenden Wohlverhaltenspflichten.
B. Die Zurechnung von Willenserklärungen beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten Der Abschluss eines Vertrags setzt die Abgabe und den Zugang zweier aufeinander bezogener Willenserklärungen, Angebot und Annahme, voraus.803 Wird ein Vertrag unter Einsatz eines automatischen oder intelligenten Agenten geschlossen, 801 802 803
Siehe oben Teil 3 Kap. 1 § 3 B. II. und C. BGH, Urt. v. 27. 9. 2011 – XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 (135) Rn. 47. Mansel, in: Jauernig, BGB (2018), Vor § 145 Rn. 2.
Kap. 3: Zivilrechtliche Aspekte der Robo-Advice
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stellt sich die Frage, von wem die nötigen Willenserklärungen abgegeben werden bzw. wie und wem abgegebene Erklärungen zuzurechnen sind. Zunächst ist festzustellen, dass ein Vertragsschluss mit dem automatischen oder intelligenten Agenten selbst als Vertragspartner mangels Rechtsfähigkeit nicht in Betracht kommt. Die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, setzt eine eigene Rechtspersönlichkeit voraus, welche automatischen und intelligenten Agenten de lege lata nicht zukommt.804 Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt nach § 1 BGB mit der Geburt. Dabei regelt § 1 BGB jedoch nur den zeitlichen Beginn der Rechtsfähigkeit und verleiht diese nicht erst.805 Sie ist vielmehr Ausdruck der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG.806 Die Rechtsfähigkeit juristischer Personen resultiert dagegen aus der Verleihung derselbigen durch das einfache Recht.807 Da automatische und intelligente Systeme aber weder über Menschenwürde verfügen noch ihre Rechtsfähigkeit durch das einfache Recht anerkannt ist, kommt ihnen eine solche nicht zu.808 Ein Vertragsschluss ist folglich nur mit den als Betreibern hinter dem automatischen oder intelligenten Agenten stehenden rechtsfähigen natürlichen oder juristischen Personen oder Personengesellschaften möglich.809 Weil die Erklärungen zum Abschluss und Inhalt des Vertrags aber nicht unmittelbar vom Betreiber selbst abgegeben werden, stellt sich die Frage, wie diesem die Erklärungen des Agenten zugerechnet werden können.
804 Bräutigam/Klindt, NJW 2015, 1137; Cornelius, MMR 2002, 353 (354); Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 41; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 244; Müller-Hengstenberg/Kirn, MMR 2014, 307 (308); Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 91 f. Zu den Bestrebungen, die Rechtsfähigkeit intelligenter Systeme als sog. E-Person anzuerkennen, vgl. Beck, S., in: Hilgendorf/Günther (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung (2013), S. 239 (255 ff.); Borges, NJW 2018, 977 (979); Europäisches Parlament, Bericht mit Empfehlungen an die Kommission zu zivilrechtlichen Regelungen im Bereich Robotik (2015/2103(INL)) v. 21. 1. 2017, S. 21 f., Rz. 59, abrufbar unter: www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2017-0005_DE.pdf; Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 251 ff.; Kluge/Müller, InTeR 2017, 24 (29 f.); Specht, L./Herold, MMR 2018, 40 (43). 805 Petersen, Jura 2009, 669; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 91; Spickhoff, in: MüKo-BGB (2018), § 1 Rn. 1 und 13. 806 Petersen, Jura 2009, 669; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 91; Spickhoff, in: MüKo-BGB (2018), § 1 Rn. 13. 807 Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 91. 808 Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 92. 809 Für die Robo-Advice Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 18 und Schuster, M./Bartsch, in: Krimphove (Hrsg.), Fintechs (2019), 323 (328).
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
I. Stellvertretung Es drängt sich zunächst eine Zurechnung nach den allgemeinen Regeln zur Stellvertretung nach den §§ 164 ff. BGB auf.810 Jedoch setzt diese nach § 164 Abs. 1 S. 1 BGB eine eigene Willenserklärung des Stellvertreters voraus. Ob eine solche durch einen Agenten abgegeben werden kann, ist fraglich. In der Literatur wird danach differenziert, ob die Erklärung von einem bloß automatischen oder von einem intelligenten System abgegeben wurde. Während bei Erklärungen nur automatischer Agenten grundsätzlich Einigkeit dahingehend herrscht, dass diese nicht in der Lage sind, eine eigene Willenserklärung abzugeben811, ist dies bei intelligenten Agenten, deren Entscheidungen nicht immer vorhersehbar sind und denen deshalb ein gewisser Spielraum bei ihren Erklärungen zukommt, umstritten.812 So wird mitunter vertreten, dass für intelligente Agenten zumindest im Rahmen der §§ 164 ff. BGB eine Rechtsfähigkeit anerkannt werden müsse.813 Als juristischer Verantwortungsträger könne ein System auch dann qualifiziert werden, wenn man die einem intelligenten Agenten innewohnende Fähigkeit, das eigene Verhalten zu kontrollieren, als ausschlaggebendes Kriterium für die Anerkennung eines rechtsfähigen Subjekts ansehe.814 Dabei müsse der intelligente Agent aber mangels eigener Vermögensmasse wie ein minderjähriger Vertreter behandelt werden, der nach § 165 BGB zwar in der Lage ist, Willenserklärungen im Namen des Vertreters abzugeben, nach § 179 Abs. 3 BGB jedoch nicht haftet.815 Dieser Einordnung kann nicht gefolgt werden. Der Konzeption des BGB liegt der Gedanke zugrunde, dass das Wesen der Willenserklärung gerade in ihrer Rückführbarkeit auf einen menschlichen Entschluss besteht.816 Dies folgt auch aus der Menschenwürde gem. Art. 1 GG und dem sich aus ihr ergebenden Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit gem. Art. 2 Abs. 1 GG. Diese Grundrechte verleihen dem Menschen als natürliche Person die Eigenschaft eines Rechtsträgers und damit
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Lordt/Renning, JuS 2019, 311 (315). BGH, Urt. v. 16. 10. 2012 – X ZR 37/12, BGHZ 195, 126 (131) Rn. 17, NJW 2013, 598 (599) mit Anmerkung Stadler, NJW 2017, 3092; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 244; Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431 (440 f.); Singer, in: Staudinger (Begr.), BGB (2017), Vor. §§ 116 ff., Rn. 57; Spindler, in: Spindler/Schuster, F. (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien (2019), Vor. §§ 116 ff. BGB, Rn. 6. 812 In der Literatur werden die Erklärungen automatischer Agenten auch als automatisierte Willenserklärungen bzw. Computererklärungen und die Erklärungen intelligenter Agenten auch als elektronische Willenserklärungen bezeichnet, vgl. Singer, in: Staudinger (Begr.), BGB (2017), Vor. §§ 116 ff., Rn. 57. 813 Specht, L./Herold, MMR 2018, 40 (43). 814 Specht, L./Herold, MMR 2018, 40 (43). 815 Specht, L./Herold, MMR 2018, 40 (43). 816 Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 87; Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2820). 811
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die Fähigkeit Träger von Rechten und Pflichten zu sein.817 Folglich sind auch nur Menschen dazu fähig, einen rechtsgeschäftlichen Willensakt herbeizuführen.818 Dass auch juristischen Personen und Personengesellschaften als organisierten Wirkungseinheiten aus ökonomischen Gründen die Rechtsfähigkeit zuerkannt wird, ändert daran nichts, weil das sich aus Art. 9 GG ergebende Prinzip freier sozialer Gruppenbildung lediglich die Persönlichkeitsverwirklichung nach Art. 2 Abs. 1 GG in Gruppenform schützt.819 Auch bei juristischen Personen und Personengesellschaften bleibt der Mensch als Gesellschafter oder Organ letztverantwortlich, §§ 31, 31a BGB, § 93 Abs. 2 AktG, § 43 GmbHG.820 Entscheidend ist damit allein, dass sich eine Willenserklärung auf einen menschlichen Urheber zurückführen lässt, und nicht, ob ein Agent über ein Lernelement verfügt und seine Entscheidungen deshalb nicht immer vorhersehbar sind.821 Auch die Erklärung eines lernfähigen, intelligenten Agenten lässt sich letzten Endes immer einem Menschen zuordnen. Der dem intelligenten Agenten zugrunde liegende Algorithmus wurde dahingehend konstruiert, ein bestimmtes Ziel unter gewissen Bedingungen bestmöglich zu erreichen. Derjenige, welcher den intelligenten Agenten in Betrieb nimmt, ist sich sowohl dieses Ziels als auch der Form der Entscheidungsfindung bewusst. Auch wenn ein System über Lernfähigkeit verfügt, hat der Betreiber kein Interesse daran, dass dieses über eine grenzenlose Handlungsfähigkeit verfügt.822 Er wird deshalb bei der Programmierung und vor Inbetriebnahme des Agenten sicherstellen, dass dessen Handlungs- und Lernfähigkeit beschränkt ist.823 Diese Begrenzung und Ausrichtung auf ein bestimmtes Ziel führt letztlich zu einer Rückführbarkeit der durch den intelligenten Agenten abgegebenen Erklärung zu seinem Betreiber.824 Dafür spricht zudem, dass sich auch der Betreiber des intelligenten Agenten seiner Vorzüge und Vereinfachungen bedient und eine Anwendung der Stellvertretungsregeln für Minderjährige deshalb zu einer inadäquaten Risikoverteilung führen würde.825 Durch den Einsatz eines nicht haftenden Vertreters könnte der Betreiber
817
Müller-Hengstenberg/Kirn, MMR 2014, 307 f. Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2820). Ähnlich Nathmann, FinTech (2019), S. 102. 819 Müller-Hengstenberg/Kirn, MMR 2014, 307 (308); Scholz, in: Maunz/Dürig (Begr.), GG, Stand Oktober 2019, Art. 9 Abs. 1 Rn. 33. Vgl. auch Schirmer, JZ 2016, 660 (661). 820 Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2820); Müller-Hengstenberg/Kirn, MMR 2014, 307 (308). 821 Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 88; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 259. 822 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 259. 823 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 259. 824 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 259. 825 Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431 (443). 818
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sich in einem Haftungsprozess grundsätzlich jederzeit erfolgsversprechend auf eine fehlende Bevollmächtigung berufen.826 Eine Zurechnung der Erklärungen nach den Regeln der Stellvertretung ist mangels der Fähigkeit zur Abgabe einer eigenen Willenserklärung demnach weder beim Einsatz automatischer noch beim Einsatz intelligenter Agenten möglich. II. Blanketterklärung Zudem wird vertreten, dass die Erklärungen automatischer827 bzw. intelligenter Agenten828 nach den Grundsätzen über die Blanketterklärung zuzurechnen sind. Wer ein mit seiner Unterschrift versehenes Blankett bewusst aus der Hand gibt, muss sich den (u. U. abredewidrig) ausgefüllten Inhalt gegenüber einem gutgläubigen Dritten als seine eigene Willenserklärung zurechnen lassen.829 Die Regeln der Stellvertretung werden auf die Blanketterklärung analog angewendet.830 Ähnlich dem Unterzeichner einer Blanketterklärung müsse auch bei der Willenserklärung eines intelligenten Agenten eine Zurechnung erfolgen, obwohl der Betreiber keinen unmittelbaren Einfluss auf den Inhalt der Erklärung hat.831 Dies ist jedoch abzulehnen.832 Mit der Inbetriebnahme eines Agenten setzt dessen Betreiber nicht seine metaphorische Unterschrift unter jede Art von Erklärung. Vielmehr ist der Umfang der Erklärungen, die der Agent abgeben kann, beschränkt. Bei automatischen, deterministisch handelnden Agenten sind Anzahl und Inhalt möglicher Erklärungen durch den zugrundeliegenden Entscheidungsbaum genau festgelegt. Aber auch bei intelligenten Agenten ist der Kreis des möglichen Tätigwerdens durch das bei der Programmierung vorgegebene Ziel beschränkt. Die „Intelligenz“ befähigt das System dazu, dieses Ziel effektiver und effizienter zu 826
Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431 (444). Gitter/Roßnagel, K & R, 2003, 64 (66); Groß, N./Gressel, NZA 2016, 990 (992); Köhler, AcP 1982, 126 (134); Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 109 ff. Ähnlich bei Dialogen unter Einsatz von Bildschirmtexten Redeker, NJW 1984, 2390 (2392). 828 Gitter, Softwareagenten im elektronischen Geschäftsverkehr (2007), S. 180 ff.; Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 91 ff. und 100; Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 62; John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 105 ff.; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 109 ff. 829 BGH, Urt. v. 29. 2. 1996 – IX ZR 153/95, BGHZ 132, 119 (127 f.); Ellenberger, in: Palandt, BGB (2020), § 172 Rn. 5. 830 Ellenberger, in: Palandt, BGB (2020), Vor § 164 Rn. 13 und § 172 Rn. 5. 831 Gitter, Softwareagenten im elektronischen Geschäftsverkehr (2007), S. 180; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 109. 832 So auch Kitz, in: Hoeren/Sieber/Holznagel (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Stand Oktober 2019, Teil 13.1 Rn. 42; Sattler, BB 2018, 2243 (2250); Sorge, Softwareagenten (2006), S. 25 f.; Spindler, in: Spindler/Schuster, F. (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien (2019), § 164 BGB, Rn. 12; Wiebe, Die elektronische Willenserklärung (2002), S. 133 ff. 827
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erreichen, aber nicht dazu, völlig bereichsfremde Willenserklärungen abzugeben. So kann etwa ein intelligenter Robo-Advisor eine individuellere Anlageberatung oder Vermögensverwaltung erbringen oder den Vertragsschluss aus bestimmten Gründen ablehnen. Zu Entscheidungen, die über das „Ob“ und „Wie“ des Vertrags hinausgehen, ist der intelligente Robo-Advisor aber nicht in der Lage. Während der Betrieb eines automatischen oder intelligenten Agenten nur eine endliche Zahl bzw. eine begrenzte Art von Willenserklärungen zulässt, befähigt die Blankettunterschrift einen Dritten zur Abgabe jeder Form von Willenserklärung.833 Das Risiko, das mit dem jeweils gesetzten Rechtsschein einhergeht, ist also ein völlig anderes.834 Hinzu kommt, dass bei der Abgabe einer Willenserklärung unter Einsatz eines automatischen oder intelligenten Agenten für den Erklärungsempfänger stets erkennbar ist, dass die Erklärung nicht von einem Menschen erstellt wurde.835 Dagegen vermittelt die über eine Blankettunterschrift gesetzte Erklärung grundsätzlich den Eindruck der Urheberschaft des Unterzeichners zu entstammen, so dass der geschaffene Vertrauenstatbestand nicht mit demjenigen der Agentenerklärung zu vergleichen ist.836 Schließlich würde die Blanketterklärung ebenfalls die Abgabe einer eigenen Willenserklärung voraussetzen, zu einer solchen ist aber, wie soeben dargestellt, weder der automatische noch der intelligente Agent in der Lage.837 Eine Behandlung der Erklärung von automatischen oder intelligenten Agenten nach den Grundsätzen über die Blanketterklärung ist demnach ausgeschlossen.
III. Botenerklärung Überwiegend abgelehnt wird eine Einordnung sowohl der Erklärung automatischer Agenten als auch der Erklärung intelligenter Agenten als Erklärung eines Boten.838 Ein Bote übermittelt eine bereits gefasste, fremde Willenserklärung eines anderen und gibt keine eigene ab.839 Ihm kommt ein Entscheidungsspielraum deshalb grundsätzlich nur hinsichtlich der Art der Übermittlung, aber nicht hinsichtlich des 833 Vgl. Spindler, in: Spindler/Schuster, F. (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien (2019), § 164 BGB, Rn. 12. 834 Sattler, BB 2018, 2243 (2250). 835 Sorge, Softwareagenten (2006), S. 26. 836 Sorge, Softwareagenten (2006), S. 26. 837 Kitz, in: Hoeren/Sieber/Holznagel (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Stand Oktober 2019, Teil 13.1 Rn. 42. 838 Cornelius, MMR 2002, 353 (355); Gitter, Softwareagenten im elektronischen Geschäftsverkehr (2007), S. 176 f.; Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 89; Groß, N./Gressel, NZA 2016, 990 (991); Groß, J., InTeR 2018, 4 (5); Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 105 f.; Sorge, Softwareagenten (2006), S. 25; Wiebe, Die elektronische Willenserklärung (2002), S. 133. 839 Ellenberger, in: Palandt, BGB (2020), Vor § 164 Rn. 11.
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Inhalts der Willenserklärung zu.840 Automatische und intelligente Agenten übermitteln jedoch nicht nur die bereits vorgefasste, inhaltlich konkretisierte Willenserklärung ihres Betreibers, sondern reagieren auf verschiedene Situationen durch Anpassung der abzugebenden Willenserklärungen unterschiedlich.841 Dass der Inhalt der Willenserklärungen in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation beim automatischen Agenten vorhergesagt werden kann, ändert an dieser Einschätzung nichts. Im Rahmen der Interaktionen mit verschiedenen Dritten wird der Inhalt der jeweiligen Willenserklärungen nichtsdestotrotz vom automatischen Agenten bestimmt und nicht durch einen vorgeschalteten Menschen konkretisiert. Die Erklärungen automatischer und intelligenter Agenten können deshalb auch nicht als Botenerklärungen verstanden werden. IV. Analoge Anwendung der Stellvertretungsregeln Denkbar wäre es weiterhin, die Regelungen des Stellvertretungsrechts gem. §§ 164 ff. BGB analog auf die unter Einsatz von automatischen und intelligenten Agenten abgegebenen Erklärungen anzuwenden.842 Nach allgemeinen Grundsätzen würde dies sowohl das Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage als auch einer planwidrigen Regelungslücke voraussetzen. Zwar könnte man die Planwidrigkeit einer etwaigen Regelungslücke aufgrund des Inkrafttretens des BGB am 1. Januar 1900 noch bejahen, weil seine Begründer gewiss keine Willenserklärungen unter Einsatz automatischer und intelligenter Agenten bedacht haben.843 Es mangelt aber an einer vergleichbaren Interessenlage. Eine solche würde voraussetzen, dass der Einsatz eines automatischen oder intelligenten Agenten trotz fehlender Rechtsfähigkeit mit der Zwischenschaltung eines Stellvertreters vergleichbar ist.844 Dies ist jedoch abzulehnen. Die fehlende Rechtsfähigkeit stellt gerade den ausschlaggebenden Grund dafür dar, dass eine Vergleichbarkeit der Interessenlagen zu verneinen ist. Die Rechtsfähigkeit des Stellvertreters ist von solch grundlegender Bedeutung, dass ihr Fehlen nicht durch eine analoge Anwendung 840
Schilken, in: Staudinger (Begr.), BGB (2014), Vor § 164 Rn. 75; Schubert, in: MüKoBGB (2018), § 164 Rn. 72. 841 So auch Gitter, Softwareagenten im elektronischen Geschäftsverkehr (2007), S. 177; Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 89; Groß, N./Gressel, NZA 2016, 990 (991); Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 106; Wiebe, Die elektronische Willenserklärung (2002), S. 133. 842 So Brauner, Das Erklärungsrisiko beim Einsatz von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen (1988), S. 56 f.; Keßler, MMR 2017, 589 (592); Lordt/Renning, JuS 2019, 311 (315); Schuster, M./Bartsch, in: Krimphove (Hrsg.), Fintechs (2019), 323 (328). Für eine teilweise analoge Anwendung John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 154 und Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 113. 843 Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 109. 844 Vgl. Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 94.
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überwunden werden kann, sondern ein Verzicht auf die Rechtsfähigkeit in bestimmten Fällen ein Tätigwerden des Gesetzgebers erfordern würde.845 Dies kommt auch in § 165 BGB zum Ausdruck, welcher die Wirksamkeit der Willenserklärung solcher Vertreter, die in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, ausdrücklich anordnet und damit die Rechtsfähigkeit eines jeden Vertreters implizit voraussetzt.846 Ein Schutz des Geschäftsverkehrs, wie er in den Tatbeständen der §§ 170 – 173 BGB vorgesehen ist847, ist beim Einsatz eines automatischen oder intelligenten Agenten nicht erforderlich. Dieser kann durch seinen Betreiber jederzeit ausgeschaltet werden. Auch besteht anders als beim Verhältnis Vertretener – Vertreter keine Gefahr widerstreitender Interessen zwischen dem Betreiber und dem Agenten, welche den Agenten dazu verleiten würden, seine „Macht“ missbräuchlich zu verwenden. Der Agent richtet sein Tätigwerden stets nur an dem ihm einprogrammierten Ziel aus. Zudem wurde das Stellvertretungsrecht dergestalt konzipiert, dass das Risiko einer fehlenden Vertretungsmacht gem. § 179 BGB beim Vertreter selbst liegt.848 Automatische und intelligente Agenten verfügen aber nicht über eine Haftungsmasse und sind dazu mangels Rechtsfähigkeit auch nicht in der Lage, so dass die Frage der Risikotragung bei fehlender Vertretungsmacht letztlich offen bliebe.849 Dass eine Anwendung der Regeln zum Stellvertretungsrecht der beschränkt Geschäftsfähigen zu einer inadäquaten Risikoverteilung und folglich ebenfalls zu keiner sachgerechten Lösung führen würde, wurde bereits dargestellt. Somit ist für eine analoge Anwendung des Stellvertretungsrechts die Voraussetzung einer vergleichbaren Interessenlage nicht gegeben. V. Eigene Willenserklärung des Betreibers Bei der Abgabe einer Willenserklärung durch einen automatischen850 oder intelligenten Agenten handelt es sich schlicht um eine Willenserklärung des Betreibers selbst.851 Diese erfolgt zwar zeitlich gestreckt, der Handlungs-, Rechtsbindungs- und 845 Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 94; Groß, J., InTeR 2018, 4 (5); Heuer-James/ Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2821). 846 Vgl. Cornelius, MMR 2002, 353 (355); Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 95; Schubert, in: MüKo-BGB (2018), § 164 Rn. 109; Wiebe, Die elektronische Willenserklärung (2002), S. 130. 847 Schubert, in: MüKo-BGB (2018), § 170 Rn. 1. 848 Schubert, in: MüKo-BGB (2018), § 164 Rn. 109. 849 Groß, J., InTeR 2018, 4 (5); Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2821); Schubert, in: MüKo-BGB (2018), § 164 Rn. 109. 850 Koch, Internet-Recht (2005), S. 100 f.; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 249; Mehrings, MMR 1998, 30 (31); Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 34. 851 Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2820); Kitz, in: Hoeren/Sieber/ Holznagel (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Stand Oktober 2019, Teil 13.1 Rn. 42;
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Geschäftswille des Betreibers ist aber sowohl beim Einsatz eines automatischen852 als auch beim Einsatz eines intelligenten Agenten gegeben.853 Der abstrakte Wille des Betreibers wurde in Form einer spezifischen Zielvorgabe in den Programmcode des Agenten implementiert, durch die Ausgabe einer bestimmten Erklärung des Agenten bei Benutzung konkretisiert er sich.854 Es handelt sich um eine eigene Willenserklärung des Betreibers, deren Inhalt nach den Grundsätzen über den objektiven Empfängerhorizont nach §§ 133, 157 BGB ausgelegt wird.855 Die Auslegung am objektiven Empfängerhorizont bedeutet nach der allgemeinen Formel, dass „darauf abzustellen ist, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste“.856 Für die Auslegung kommt es deshalb nicht allein auf den Willen des Betreibers an.857 Zudem bezieht sich die Auslegung am objektiven Empfängerhorizont nicht nur auf den Inhalt der Erklärung, sondern auch auf die Person des Erklärenden.858 Diese Grundsätze gelten auch beim Einsatz von Computersystemen859 und lassen sich damit auch auf den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich übertragen. Der mit dem automatischen oder intelligenten Agenten kommunizierende potenzielle Vertragspartner darf deshalb nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass die Erklärung, so wie sie vom System ausgegeben wurde, auch von dessen Betreiber veranlasst wurde. Da der potenzielle Vertragspartner die technischen Hintergründe des Zustandekommens der abgegebenen Willenserklärung nicht kennt, kann es bei der Auslegung Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 259; Schubert, in: MüKo-BGB (2018), § 164 Rn. 109; Singer, in: Staudinger (Begr.), BGB (2017), Vor. §§ 116 ff., Rn. 57; Spindler, in: Spindler/Schuster, F. (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien (2019), Vor §§ 116 ff. BGB, Rn. 10. 852 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 251 f. 853 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 55; Kitz, in: Hoeren/Sieber/ Holznagel (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Stand Oktober 2019, Teil 13.1 Rn. 55; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 260; Mehrings, MMR 1998, 30 (31); Müller-Hengstenberg/Kirn, MMR 2014, 307 (308 f.); Singer, in: Staudinger (Begr.), BGB (2017), Vor. §§ 116 ff., Rn. 57. 854 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 260. 855 Groß, J., InTeR 2018, 4 (5); Koch, Internet-Recht (2005), S. 100; Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431 (441 f.). 856 BGH, Urt. v. 5. 10. 1961 – VII ZR 207/60, BGHZ 36, 30 (33); BGH, Urt. v. 3. 2. 1967 – VI ZR 114/65, BGHZ 47, 75 (78); BGH, Urt. v. 24. 6. 1988 – V ZR 49/87, NJW 1988, 2878 (2879); BGH, Urt. v. 5. 7. 1990 – IX ZR 10/90, NJW 1990, 3206; BGH, Urt. v. 18. 12. 2008 – I ZR 23/06, NJW 2009, 774 (776); BGH, Urt. v. 27. 1. 2010 – VIII ZR 58/09, NJW 2010, 2422 (2425); BGH, Urt. v. 16. 10. 2012 – X ZR 37/12, BGHZ 195, 126 Rn. 18; Busche, in: MüKo-BGB (2018), § 133 Rn. 12; Mansel, in: Jauernig, BGB (2018), § 133 Rn. 10; Dörner, in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 133 Rn. 8. 857 Vgl. Busche, in: MüKo-BGB (2018), § 133 Rn. 12. 858 Mansel, in: Jauernig, BGB (2018), § 133 Rn. 10. 859 BGH, Urt. v. 16. 10. 2012 – X ZR 37/12, BGHZ 195, 126 Rn. 19; Busche, in: MüKoBGB (2018), § 133 Rn. 12; Mansel, in: Jauernig, BGB (2018), § 133 Rn. 11.
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auch keinen Unterschied machen, ob die Willenserklärung von einem automatischen oder von einem intelligenten Agenten generiert wurde. Dies erscheint zudem sowohl unter Risiko-860 als auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten861 als sachgerecht. Das Zivilrecht ist von dem allgemeinen Rechtsgedanken geprägt, dass derjenige, welcher sich der Vorteile eines Gehilfen oder ähnlicher risikobehafteter Verfahrensweisen bedient, auch das Risiko der sich daraus ergebenden, möglicherweise negativen Folgen zu tragen hat.862 Dieser Rechtsgedanke kommt etwa in der Gefährdungshaftung, den Verkehrssicherungspflichten, den Zurechnungsnormen nach §§ 278, 31 und 166 Abs. 1 BGB, sowie den Haftungsprivilegien im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 680 BGB zum Ausdruck.863 Auch auf den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten bei der Abgabe von Willenserklärungen lässt er sich übertragen.864 Der Betreiber aktiviert den automatischen oder intelligenten Agenten, um sich seiner Vorzüge durch eine einfachere und schnellere Geschäftsabwicklung zu bedienen sowie neue Vertriebskanäle zu öffnen; deshalb erscheint es auch angemessen, ihm das Risiko fehlerhafter Willenserklärungen aufzubürden.865 Anderenfalls könnte sich der Betreiber stets mit der Argumentation exkulpieren, dass der Agent außerhalb seiner ihm gesetzten Zielvorgabe agiert habe.866 Einem Dritten wäre der gegenteilige Beweis dagegen kaum möglich.867 Durch die Aktivierung des Agenten schafft der Betreiber zudem einen Vertrauenstatbestand.868 Der Vertragspartner darf nach dem objektiven Empfängerhorizont darauf vertrauen, dass der Betreiber den Agenten bewusst in Betrieb gesetzt hat und sich dessen Erklärungen zurechnen lassen will.869 Dies gilt auch beim Einsatz eines intelligenten Agenten. Auch beim Einsatz eines intelligenten Agenten verfügt der Betreiber über einen Handlungswillen sowie ein generelles Erklärungsbewusstsein.870 Er weiß, dass der intelligente Agent Erklärungen für ihn abgibt, und auch,
860 Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2822); Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431 (445). Vgl. auch Wiebe, Die elektronische Willenserklärung (2002), S. 216 ff., der von einer Zurechnung nach dem Risikoprinzip ausgeht. 861 Groß, J., InTeR 2018, 4 (5). 862 Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2822). 863 Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2822); Wiebe, Die elektronische Willenserklärung (2002), S. 159 f. 864 Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2822). 865 Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2822). 866 Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2822). 867 Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2822). 868 Groß, J., InTeR 2018, 4 (5). 869 Groß, J., InTeR 2018, 4 (5). 870 Cornelius, MMR 2002, 353 (355); Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431 (444); Spindler, in: Spindler/Schuster, F. (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien (2019), Vor. §§ 116 ff. BGB, Rn. 10.
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dass diese rechtserheblich sind.871 Auch wenn er nicht bei jeder Geschäftstätigkeit des Agenten über einen konkreten Geschäftswillen verfügt, so hat er doch den generellen Willen inne, die sich im Rahmen des Zielsystems des Agenten befindlichen Geschäftsabschlüsse herbeizuführen.872 Eine andere Wertung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil dem System mehrere Lösungswege zur Verfügung stehen oder neue Lösungsansätze durch das System entwickelt werden.873 Die Entwicklung neuer, effektiverer Lösungswege verändert nicht das dem System vorgegebene Ziel. Allein das Ziel, nicht der Weg dorthin, sind aber entscheidend für den Geschäftswillen des Betreibers. Lösungswege, welche dieser Zielerreichung dienen, sind vom generellen Geschäftswillen des Betreibers umfasst. Fehlfunktionen oder Manipulationen des Systems, welche dazu führen, dass die Aktionen des Agenten nicht mehr dieser Zielerreichung dienen, führen zu einer Diskrepanz zwischen dem objektiven und dem subjektiven Geschäftswillen des Betreibers und berechtigen diesen zur Anfechtung nach § 120 BGB. Diese Norm, welche die Anfechtbarkeit einer Willenserklärung bei falscher Übermittlung regelt, führt auch vor dem Hintergrund der soeben erläuterten Risikoverteilung zu einer sachgerechten Lösung. Da sich der automatische oder intelligente Agent allein im Risiko- und Herrschaftsbereich seines Betreibers befindet, welcher durch sorgfältige Programmierung, laufende Überwachung und der Einrichtung von Schutzvorkehrungen gegen Cyber-Threats die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Gefahr von Fehlfunktionen und Manipulationen hat, erscheint es auch interessengerecht, dass er zwar zunächst an die Willenserklärung gebunden, aber zur Anfechtung berechtigt ist. Der Vertragspartner ist auch im Fall der Anfechtung wegen des Schadensersatzanspruchs aus § 122 BGB nicht schutzlos gestellt. Die aufgrund der bestehenden Gesetzeslage gegebenen Rechtsinstitute sind daher ausreichend, um das Problem der Abgabe von Willenserklärungen unter Einsatz eines automatischen oder intelligenten Agenten einer sachgerechten Lösung zuzuführen.
871 Zur Bedeutung von Handlungswillen, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswillen vgl. Kitz, in: Hoeren/Sieber/Holznagel (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Stand Oktober 2019, Teil 13.1 Rn. 43 ff. und Singer, in: Staudinger (Begr.), BGB (2017), Vor. §§ 116 ff., Rn 27 ff. 872 Cornelius, MMR 2002, 353 (355); Kitz, in: Hoeren/Sieber/Holznagel (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Stand Oktober 2019, Teil 13.1 Rn. 55. Ein fehlender Geschäftswille hätte zudem allenfalls die Anfechtbarkeit der Willenserklärung nach § 119 Abs. 1 BGB zur Folge, vgl. Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431 (444) und Singer, in: Staudinger (Begr.), BGB (2017), Vor. §§ 116 ff., Rn. 29. 873 So aber Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 49.
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VI. Zusammenfassung Ein Umweg über die Zurechnung einer fremden Willenserklärung durch (analoge) Anwendung der Stellvertretungsregeln oder durch Anwendung der Grundsätze zur Blanketterklärung ist weder nötig noch möglich. Der Agent gibt schon keine eigene Willenserklärung ab. Auch wenn der Agent den Inhalt der jeweiligen Erklärung beeinflussen kann, so funktioniert er nur, weil und wie er programmiert wurde.874 Auch lässt sich die Abgabe von Willenserklärungen unter Einsatz von automatischen und intelligenten Agenten nicht uneingeschränkt unter das Rechtsinstitut der Botenschaft einordnen, weil sie nicht lediglich vorgefasste Willenserklärungen übermitteln, sondern durchaus auf deren Inhalt Einfluss nehmen können. Die Zurechnung der Willenserklärungen zum Betreiber des Agenten hat nach den Grundsätzen über den objektiven Empfängerhorizont zu erfolgen.875 Die Willenserklärungen eines automatischen oder intelligenten Agenten werden nach §§ 133, 157 BGB immer derjenigen Person als eigene zugerechnet, welche diesen aus Sicht des Erklärungsempfängers zu eigenen Zwecken verwendet.876 Dabei handelt es sich grundsätzlich um dessen Betreiber. Auch ist der Inhalt der Erklärung dem Betreiber stets so zuzurechnen, wie er vom System ausgegebenen wurde, weil der Vertragspartner nach Treu und Glauben davon ausgehen darf, dass der Betreiber eine Willenserklärung dieses Inhalts veranlassen wollte. Im Falle einer Fehlfunktion oder Manipulation des automatischen oder intelligenten Agenten steht dem Betreiber grundsätzlich der Weg der Anfechtung nach § 120 BGB offen.
§ 2 Vertragsschluss und Vertragscharakter Beim Einsatz eines Robo-Advisors stellt sich sowohl bei Abschluss eines Anlageberatungsvertrags als auch bei Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrags die Frage, zu welchem Zeitpunkt es zum Vertragsschluss kommt und ab welchem Zeitpunkt folglich die vertraglichen Pflichten zu erfüllen sind. Unerheblich für die Frage des vertraglichen Charakters ist, ob der Betreiber in den AGB erklärt, keine Anlageberatung bzw. keine Vermögensverwaltung zu erbringen. Wenn durch den Robo-Advisor dennoch entsprechende Finanzdienstleistungen angeboten werden, liegt eine konkludente Willenserklärung des Betreibers vor, welche auf den Abschluss eines Anlageberatungs- bzw. eines Vermögensverwaltungsvertrags gerichtet ist. Dass ein Widerspruch zwischen der ausdrücklichen Erklärung in den AGB und der konkludenten Erklärung durch die tatsächlich angebotenen Finanzdienstleis-
874 Kitz, in: Hoeren/Sieber/Holznagel (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Stand Oktober 2019, Teil 13.1 Rn. 42. 875 Groß, J., InTeR 2018, 4 (5); Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431 (441 f.). 876 Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431 (441).
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tungen vorliegt, ist unschädlich.877 Es handelt sich um einen Fall der sogenannten protestatio facto contraria, weshalb dem Widerspruch gegen das tatsächliche Verhalten keine Bedeutung zukommt.878
A. Anlageberatungsvertrag Gegenstand des Anlageberatungsvertrags ist, wie im Aufsichtsrecht auch, die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an den Kunden in Bezug auf die Anlage einer bestimmten Geldsumme.879 Mangels eines entsprechenden Rechtsbindungswillens des Betreibers kann nicht davon ausgegangen werden, dass bereits in der Eröffnung der Möglichkeit, einen Online-Fragebogen auszufüllen, ein Angebot zum Abschluss eines Anlageberatungsvertrags liegt.880 Die Fragebögen sind auf den Internetseiten der Robo-Advisor frei verfügbar oder erfordern allenfalls die Registrierung mittels Angabe einer EMail-Adresse, so dass nicht anzunehmen ist, dass der Betreiber mit jedem Einzelnen, der den Fragebogen nutzt, unmittelbar einen Anlageberatungsvertrag schließen möchte.881 Darin kann lediglich eine invitatio ad offerendum gesehen werden, welche den Kunden dazu einlädt, durch vollumfängliche und erfolgreiche Beantwortung des Fragebogens seinerseits ein Angebot abzugeben. Dieser Bewertung stehen auch nicht durch die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum konkludenten Vertragsschluss bei der Anlageberatung entgegen. Nach diesen Grundsätzen kommt ein Anlageberatungsvertrag stillschweigend zustande, wenn ein Kunde an einen Anlageberater nach dessen Angebot oder von sich aus herantritt und deutlich macht, dass er auf eine (bestimmte) Anlageentscheidung bezogen die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Beraters in Anspruch nehmen will, und der Berater dieses Angebot durch die Aufnahme eines Beratungsgesprächs annimmt.882 Ein Teil der Literatur geht aufgrund dieser Rechtsprechung davon aus, dass bei der Robo-Advice der Vertragsschluss bereits mit Beginn des vom Kunden in Gang gesetzten Explorationsvorgangs zustande
877 Buck-Heeb/Lang, V., in: Gsell et al. (Hrsg.), BeckOGK BGB, 1. 3. 2020, § 675 Rn. 606; Schwarz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 7 Rn. 31. 878 Schwarz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 7 Rn. 31. 879 Edelmann, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 3 Rn. 3 ff. 880 Lordt/Renning, JuS 2019, 311 (314); Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798); Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 69; Schuster, M./Bartsch, in: Krimphove (Hrsg.), Fintechs (2019), 323 (328). 881 Lordt/Renning, JuS 2019, 311 (314); Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798); Schuster, M./ Bartsch, in: Krimphove (Hrsg.), Fintechs (2019), 323 (328). 882 BGH, Urt. v. 4. 3. 1987 – IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117, (118); grundlegend BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (sog. Bond-Urteil).
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kommt.883 Die Annahme eines Vertragsschlusses bereits zu einem solch frühen Zeitpunkt wird in der Literatur jedoch vielfach kritisiert.884 Sofern sich die Parteien eines Vertragsschlusses nicht bewusst sind, stelle die Annahme eines solchen eine reine Fiktion dar.885 Für den Vertragsschluss unter Einsatz eines Robo-Advisors muss diese Rechtsprechung aus zweierlei Gründen ohne Belang sein. Zum einen setzt auch die Annahme eines konkludenten Vertragsschlusses einen Rechtsbindungswillen der Parteien voraus886. Ein solcher ist mit Eröffnung der Möglichkeit den Online-Fragebogen auszufüllen aber noch nicht gegeben.887 Zum anderen kommt es nach den Grundsätzen der Rechtsprechung nicht durch den Beginn irgendeines Gesprächs zwischen Kunden und Berater zum Abschluss des Anlageberatungsvertrags, sondern durch den Beginn eines Beratungsgesprächs.888 Konstitutiv für den Vertragsschluss ist deshalb allein die reale Aufnahme der Beratungstätigkeit, d. h. der im Laufe eines Gesprächs gefragt oder ungefragt erteilte Rat.889 Bei der Robo-Advice ist die Aufnahme einer Beratungstätigkeit im Rahmen der Online-Befragung jedoch technisch ausgeschlossen. Der Robo-Advisor ist aufgrund seiner Programmierung gar nicht dazu in der Lage, vor Abschluss der Exploration einen Rat zu erteilen. Im Rahmen der OnlineBefragung werden nur Informationen über den Kunden eingeholt. Es handelt sich bei der Online-Befragung deshalb schon nicht um ein Beratungsgespräch.890 Daher kann auch das Argument nicht überzeugen, der Online-Vertrieb dürfe nicht besser behandelt werden als die vergleichbaren Situationen im Offline-Vertrieb.891 In Bezug 883
Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 4 Rn. 65; Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 70. 884 Buck-Heeb, WM 2012, 625 (627); Buck-Heeb, ZIP 2013, 1401 (1403); Herresthal, WM 2012, 2261; Herresthal, ZBB 2012, 89 (92 f.); Krüger, NJW 2013, 1845; Schaub, AcP 2002, 757 (787); Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung (2014), S. 130 f.; Spindler, NJW 2011, 1920 (1921). 885 Allgemein Buck-Heeb, WM 2012, 625 (627). In Bezug auf die Robo-Advice Lordt/ Renning, JuS 2019, 311 (314); Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798). 886 Lordt/Renning, JuS 2019, 311 (314); Schmitt, in: Zerey (Hrsg.), Finanzderivate (2016), § 34 Rn. 164. 887 Lordt/Renning, JuS 2019, 311 (314); Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798); Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 69; Schuster, M./Bartsch, in: Krimphove (Hrsg.), Fintechs (2019), 323 (328). 888 BGH, Urt. v. 4. 3. 1987 – IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117, (118); BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (Bond); Schnauder, JZ 2013, 120 (124 und 127). 889 BGH, Urt. v. 4. 3. 1987 – IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117, (118); BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (Bond); Schnauder, JZ 2013, 120 (124 und 127); Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 132. 890 Ähnlich Buck-Heeb/Lang, V., in: Gsell et al. (Hrsg.), BeckOGK BGB, 1. 3. 2020, § 675 Rn. 599. 891 So Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 77.
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auf die Gefahr einer im Laufe der Kundenexploration gefragt oder ungefragt erteilten Beratung ist die Situation zwischen Online- und Offline-Vertrieb gerade nicht vergleichbar. Hilfreich können Disclaimer sein, mit denen der Robo-Advisor bereits vor Beginn der Online-Befragung zum Ausdruck bringt, dass durch diese noch keine Anlageberatung erbracht wird.892 Das Angebot zum Abschluss eines Anlageberatungsvertrags wird bei der RoboAdvice vom Kunden durch Beantwortung des Online-Fragebogens und unter Umständen dem Durchführen einer Registrierung abgegeben, etwa durch Klicken des Buttons „Anlagestrategie ermitteln“ oder Vergleichbarem.893 Das entsprechende Angebot kann dann, nach Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Kunden und der Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit seiner Antworten durch den RoboAdvisor, durch Anzeige eines konkreten Anlagevorschlags angenommen werden.894 Der Inhalt des Anlageberatungsvertrags hängt von der Ausgestaltung im Einzelfall ab.895 Regelmäßig handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertrags- oder Auftragscharakter, abhängig davon, ob von einer Entgeltlichkeit auszugehen ist oder nicht.896 Die Pflichten richten sich damit grundsätzlich nach den §§ 675 Abs. 1, 665 ff. BGB.897
B. Vermögensverwaltungsvertrag Parallel zum Aufsichtsrecht ist der Vertragszweck des Vermögensverwaltungsvertrags gerichtet auf die selbständige und dauerhafte Verwaltung des Kundenvermögens durch den Vermögensverwalter.898 Grundsätzlich ist auch beim Vermögensverwaltungsvertrag ein stillschweigender Vertragsschluss denkbar, etwa wenn im Rahmen eines Anlageberatungsvertrags der Berater aufgrund einer erteilten 892
Buck-Heeb, ZIP 2013, 1401 (1404); Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798). A. A. Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 88. 893 Vgl. Lordt/Renning, JuS 2019, 311 (314) und Schuster, M./Bartsch, in: Krimphove (Hrsg.), Fintechs (2019), 323 (328). Zu den besonderen Anforderungen an die Gestaltung der Schaltfläche im Falle eines entgeltlichen Anlageberatungsvertrags siehe sogleich. 894 Vgl. Lordt/Renning, JuS 2019, 311 (314) und Schuster, M./Bartsch, in: Krimphove (Hrsg.), Fintechs (2019), 323 (328). 895 Hannöver/Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 110 Rn. 41. 896 BGH, Urt. v. 3. 3. 2011 @ III ZR 170/10, NJW-RR 2011, 913 (914); Emmerich, in: MüKo-BGB (2019), § 311 Rn. 100; Sprau, in: Palandt, BGB (2020), § 675 Rn. 35 und 48. 897 BGH, Urt. v. 3. 3. 2011 @ III ZR 170/10, NJW-RR 2011, 913 (914); Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 82; Emmerich, in: MüKo-BGB (2019), § 311 Rn. 100; Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 61. 898 Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 111 Rn. 12.
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Vollmacht auch zur Verwaltung des Vermögens übergeht und der Kunde nicht einschreitet.899 Entsprechende Situationen sind beim Einsatz eines vermögensverwaltenden Robo-Advisors aber nicht vorstellbar, weshalb das zum Abschluss des Anlageberatungsvertrag Gesagte gilt. Durch die Ermöglichung der Beantwortung eines Online-Fragebogens wird lediglich eine invitatio ad offerendum abgegeben. Erst die Beantwortung und eine eventuelle Registrierung stellen seitens des Kunden ein Angebot zum Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrags dar, welches der Robo-Advisor nach entsprechender Gegenprüfung durch Anzeige einer Anlagestrategie annimmt. Der in aller Regel entgeltliche Vermögensverwaltungsvertrag stellt einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichen Elementen dar und zieht damit ebenfalls die Pflichten aus §§ 675 Abs. 1, 665 ff. BGB nach sich.900 Dass einige Robo-Advisor-Plattformen auf ihrer Website von Anlageberatung sprechen, obwohl sie tatsächlich Vermögensverwaltung betreiben, schadet der Qualifikation des zugrundeliegenden Vertrags als Vermögensverwaltungsvertrag nach dem Grundsatz falsa demonstratio non nocet nicht.901 Grundsätzlich führen alle derzeit am Markt tätigen Robo-Advisor ihre Vermögensverwaltung im Wege der Vollmachtsverwaltung durch.902 Daraus folgt, dass neben dem Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrags auch noch der Abschluss eines Depotvertrags mit der das Depot verwaltenden Partnerbank erfolgen muss.903
§ 3 Pflichten aus dem Vertrag Die aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten haben, wie soeben erläutert, einen erheblichen Einfluss auf die Auslegung und Konkretisierung der vertraglichen Pflichten im Rahmen eines Anlageberatungs- oder Vermögensverwaltungsvertrags.
899 OLG Karlsruhe, Urt. v. 16. 3. 2000 – 12 U 127/99, WM 2001, 805 (808); Herresthal, in: MüKo-HGB (2019), Vermögensverwaltung, Rn. 26; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/ Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 50. 900 BGH, Urt. v. 29. 3. 1994 – XI ZR 31/93, NJW 1994, 1861; BGH, Urt. v. 28. 10. 1997 – XI ZR 260/96, BGHZ 137, 69 (73); BGH, Versäumnisurt. v. 4. 4. 2002 – III ZR 237/01, NJW 2002, 1868; BGH, Urt. v. 23. 10. 2007 – XI ZR 423/06, NJW-RR 2008, 1269 (1270); Herresthal, in: MüKo-HGB (2019), Vermögensverwaltung, Rn. 14; Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/ Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 82; Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 46. 901 Krimphove, BB 2018, 2691 (2693). 902 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 A. I. 1. a) aa). 903 Madel, Robo-Advice (2019), S. 45; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798); Oppenheim/ Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1971).
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Daneben sind die vertraglichen Pflichten aufgrund der Vertragsautonomie aber auch abhängig von der Ausgestaltung des Vertrags im jeweiligen Einzelfall. Zur Grundlage des Vertrags geworden und deshalb bei der Auslegung und Konkretisierung der einzelnen vertraglichen Pflichten ebenfalls von entscheidender Bedeutung ist die Tatsache, dass sich die Beratung oder Vermögensverwaltung nach dem Willen des Kunden ganz oder teilweise mittels eines Robo-Advisors vollzieht. Im Gegensatz zum klassischen Anlageberatungs- oder Vermögensverwaltungsvertrag schuldet der Betreiber deshalb nicht nur die ordnungsgemäße Erteilung eines Anlagerats bzw. die ordnungsgemäße Verwaltung des Vermögens, sondern er schuldet die Inbetriebnahme und Inbetriebhaltung eines Robo-Advisors, welcher dazu in der Lage ist, einen ordnungsgemäßen Anlagerat zu erteilen bzw. das Kundenvermögen ordnungsgemäß zu verwalten. Wann die Erteilung eines Anlagerats oder die Verwaltung des Kundenvermögens durch den Robo-Advisor ordnungsgemäß ist, bestimmt sich auch nach dem von Rechtsprechung und Literatur zum klassischen Anlageberatungs- und Vermögensverwaltungsvertrag entwickelten Pflichtenprogramm.
A. Anlageberatungsvertrag Als maßgebliche, allgemein geltende Pflicht nennt der BGH in seiner grundlegenden Bond-Entscheidung die Pflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung.904 I. Anlegergerechte Beratung Die Perspektive der anlegergerechten Beratung ist die des Anlegers selbst. Ihr Ziel ist es, im Rahmen der Beratung den spezifischen Eigenschaften des jeweiligen Kunden Rechnung zu tragen.905 1. Explorationspflicht Die anlegergerechte Beratung setzt zunächst voraus, dass der Anlageberater den Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft erfragt und im Rahmen seiner Beratung berücksichtigt.906 Eine Präzisierung der anlegergerechten Beratung liegt deshalb in der Explorationspflicht 904 Grundlegend BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (Bond); mittlerweile st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 10. 1. 2019 – III ZR 109/17, NJW-RR 2019, 428 (430) m. w. N.; Hannöver/Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 110 Rn. 44. 905 BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (Bond); Emmerich, in: MüKoBGB (2019), § 311 Rn. 103. 906 BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (Bond).
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des Anlageberaters.907 Der § 64 Abs. 3 S. 1 WpHG strahlt hinsichtlich des Umfangs der konkret einzuholenden Informationen auf die zivilrechtliche Explorationspflicht aus. Einzuholen sind deshalb alle Informationen über Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen, über die finanziellen Verhältnisse des Kunden, einschließlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, und über seine Anlageziele, einschließlich seiner Risikotoleranz, die erforderlich sind, um dem Kunden ein Finanzinstrument oder eine Wertpapierdienstleistung empfehlen zu können, das bzw. die für ihn geeignet ist und insbesondere seiner Risikotoleranz und seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, entspricht. Die zivilrechtliche Explorationspflicht ist grundsätzlich deckungsgleich zur aufsichtsrechtlichen. Dies gilt neben der Pflicht, den Anleger umfassend über seine Eigenschaften zu befragen, auch für die Pflicht, ihn auf widersprüchliche Antworten hinzuweisen.908 Hinsichtlich der Möglichkeit, diese Explorationspflicht mittels eines Robo-Advisors erschöpfend zu erfüllen, und der im Einzelnen zu beachtenden Besonderheiten kann daher auf die obigen Ausführungen zum Aufsichtsrecht verwiesen werden.909 2. Geeignetheitsprüfung Gleiches gilt auch für die Prüfung von für den Kunden geeigneten Anlageprodukten. Im Anschluss an die Ermittlung der Kundeneigenschaften hat der Anlageberater eine oder mehrere geeignete Anlagen auszuwählen und dem Kunden vorzustellen.910 Zivilrechtlich existiert grundsätzlich keine Verpflichtung, eine konkrete Anlage zu empfehlen.911 Wird aber eine konkrete Empfehlung ausgesprochen, muss sie nach dem Grundsatz der anlegergerechten Beratung und der Ausstrahlungswirkung des § 64 Abs. 3 S. 2 WpHG nach den eingeholten Informationen geeignet sein.912 Wird eine Anlage empfohlen, die nicht dem Anlageziel oder der Anlagestrategie des Anlegers entspricht, stellt dies eine Pflichtverletzung des Betreibers dar.913 Da anlageberatende Robo-Advisor stets eine konkrete Anlageempfehlung ausgeben, muss der Betreiber auch aus zivilrechtlicher Perspektive dafür Sorge tragen, dass die 907
Hannöver/Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 110 Rn. 44. 908 BGH, Urt. v. 25. 10. 2007 – III ZR 100/06, NZG 2008, 117 (119). 909 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 5. a). 910 BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (Bond); Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 186. 911 Hannöver/Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 110 Rn. 51. 912 BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (Bond); Hannöver/Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 110 Rn. 52. 913 BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (Bond); Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 195.
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aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Geeignetheit der Anlageberatung gewahrt werden.914 Wie auch im Aufsichtsrecht915 führt der Einsatz von Big-Data-Techniken bei der Einholung von Kundeninformationen dazu, dass auch die Geeignetheitsprüfung auf der Grundlage des erlangten umfangreichen Datensatzes durchzuführen ist.916 II. Objektgerechte Beratung Die objektgerechte Beratung berücksichtigt die Besonderheiten des jeweils in Betracht kommenden Anlageobjekts.917 1. Informationspflicht Die endgültige Anlageentscheidung wird im Rahmen des Anlageberatungsvertrags nicht vom Finanzintermediär, sondern vom Kunden selbst getroffen.918 Der Anlageberater ist deshalb dazu verpflichtet, den Anleger so über die wesentlichen Eigenschaften und Risiken des beabsichtigten Anlageobjekts zu informieren919, dass dieser in der Lage ist, eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen.920 Dabei muss die Kommunikation der Anlageeigenschaften in einer für den Kunden verständlichen Art und Weise erfolgen.921 Unerheblich ist, in welcher Form die Informationen dem Kunden mitgeteilt werden.922 Die Informationen können dem Kunden daher auch als Teil des nach § 64 Abs. 2 WpHG aufsichtsrechtlich erforderlichen Informationsblatts erteilt werden.923 Entscheidend ist, dass die Mitteilung der Information so rechtzeitig erfolgt, dass der Anleger vor der Anlageentscheidung ausreichend Gelegenheit hat, sich mit ihrem Inhalt zu befassen.924 Welche Frist dafür angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.925 914
Siehe zu den Anforderungen im Einzelnen oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 5. Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 5. b) bb). 916 Spindler/Seidel, NJW 2018, 2153 (2157). 917 BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (Bond); Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 204. 918 Siehe zum Geschäftsmodell der Anlageberatung oben Teil 3 Kap. 2 § 2 A. I. 1. a) bb). 919 BGH, Urt. v. 4. 2. 1987 – IVa ZR 134/85, NJW-RR 1987, 936; BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (Bond); BGH, Urt. v. 10. 1. 2019 – III ZR 109/17, NJW-RR 2019, 428 (430); Hannöver/Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 110 Rn. 55. 920 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 45; Hannöver/Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 110 Rn. 55. 921 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 45. 922 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 45. 923 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 45. 924 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 45. 915
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Zwar können grundsätzlich die zivilrechtlichen Informationspflichten, insbesondere bei hochkomplexen Finanzprodukten, auch weiter gehen als diejenigen des Aufsichtsrechts.926 Im Einsatzbereich der Robo-Advice dürfte dies aber zumindest derzeit noch nicht der Fall sein, da sich das Anlageuniversum zumeist auf einfach strukturierte Anlageprodukte, insbesondere ETFs, konzentriert. Die Zielgruppe der meisten Robo-Advisor hat eher unerfahrene Anleger im Blick, daher muss auch die Sprache der zu erteilenden Informationen entsprechend klar formuliert sein. Wie das nach § 64 Abs. 2 WpHG zu übermittelnde Informationsblatt, können auch die objektspezifischen Informationen im Rahmen der Robo-Advice an präsenter Stelle auf der Website als Download zur Verfügung gestellt oder per E-Mail versandt werden.927 Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass die Informationserteilung erfolgt, bevor dem Anleger die Möglichkeit angeboten wird, seine Anlageentscheidung umzusetzen.928 Bei der Robo-Advice spielt die Zeitkomponente der Erteilung der Information allerdings nur eine geringe Rolle, da es dem Anleger bei der elektronisch erteilten Information selbst überlassen bleibt, wie viel Zeit er sich zum Studium der Information lässt, bevor er seine Anlageentscheidung trifft. 2. Sachkundepflicht Inhalt und Umfang der Anlageberatung und der Informationserteilung dürfen nicht vom Wissensstand des einzelnen Anlageberaters abhängig sein.929 Wie im Aufsichtsrecht ist der Anlageberater deswegen verpflichtet, seine Empfehlungen stets nur auf der Basis aktueller Informationen und Prognosen auszusprechen.930 Der Betreiber eines Robo-Advisors muss auch aus zivilrechtlicher Perspektive dafür sorgen, dass der Algorithmus stets auf der Basis aktueller Informationen arbeitet.931 Beim Einsatz von Big-Data-Analytics muss der Betreiber dafür Sorge tragen, dass ein Robo-Advisor, der dazu in der Lage ist, große Mengen an Informationen und Daten über die einzelnen Produkte zu verarbeiten, die erlangten Kenntnisse bei der
925 BGH, Beschl. v. 19. 7. 2011 @ XI ZR 191/10, NZG 2011, 1187 (1189); BGH, Urt. v. 10. 1. 2019 – III ZR 109/17, NJW-RR 2019, 428 (431); Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 292. 926 BGH, Urt. v. 22. 3. 2011 @ XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 (25 f.) Rn. 29 f.; Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 46. 927 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 4. c). 928 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 4. c). 929 Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 205. 930 BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (131) (Bond); BGH, Urt. v. 5. 3. 2009 – III ZR 302/07, NJW-RR 2009, 687 (688); BGH, Urt. v. 27. 10. 2009 – XI ZR 337/08, NJW-RR 2010, 115 (116 f.); BGH, Urt. v. 5. 11. 2009 – III ZR 302/08, NJW-RR 2010, 349 (350); Spindler, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar (2016), 33. Kap., Rn. 123; Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 205. 931 Siehe zur aufsichtsrechtlichen Sachkundepflicht oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 3.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Generierung des Anlagerats auch einsetzt.932 Insofern kommt es zu einem Absinken der Schwelle der Zumutbarkeit hinsichtlich der Menge der in die Bewertung des Anlageproduktes einzubeziehenden Informationen.933 3. Pflicht zur Vermeidung und Offenlegung von Interessenkonflikten Da es sich beim Anlageberatungsvertrag um einen fremdnützigen Vertrag handelt, welcher den Anlageberater strikt an die Interessen des Kunden bindet, ist der Anlageberater auch nach den Regeln des Zivilrechts dazu verpflichtet, Interessenkonflikte zu vermeiden und notfalls offenzulegen.934 Ein einheitlich geregeltes Zuwendungsverbot, wie es im Aufsichtsrecht in § 70 WpHG geregelt ist, existiert im Zivilrecht nicht.935 Nach der Rechtsprechung des BGH müssen insbesondere Rückvergütungen und Innenprovisionen offengelegt werden.936 Bei Rückvergütungen handelt es sich um umsatzabhängige Provisionen, die nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsgebühren gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt.937 Innenprovisionen stellen dagegen nicht ausgewiesene Vertriebsprovisionen dar, welche aus dem Anlagevermögen gezahlt werden.938 Die Einzelheiten der Abgrenzung sind in der Literatur stark umstritten und werden auch von der Rechtsprechung nicht immer einheitlich gehandhabt.939 Ihre Darstellung muss für die Zwecke dieser Arbeit jedoch unterbleiben, da sich für die rechtliche Bewertung des Einsatzes von Robo-Advisorn keine Besonderheiten ergeben.
932
bb). 933
Vgl. Spindler/Seidel, NJW 2018, 2153 (2157). Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 5. b)
Vgl. Spindler/Seidel, NJW 2018, 2153 f. BGH, Urt. v. 19. 12. 2006 – XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226; BGH, Beschl. v. 20. 1. 2009 – XI ZR 510/07, NJW 2009, 1416; BGH, Beschl. v. 29. 6. 2010 – XI ZR 308/09, NJW 2010, 2339; BGH, Urt. v. 22. 3. 2011 @ XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 (27) Rn. 32; Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 47; Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 223. Für die Robo-Advice Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (800). 935 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 80. 936 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 81 und 84. 937 BGH, Hinweisbeschl. v. 9. 3. 2011 @ XI ZR 191/10, NJW 2011, 3227; BGH, Urt. v. 8. 5. 2012 @ XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 (164) Rn. 17, NJW 2012, 2427 (2428); BGH, Urt. v. 3. 6. 2014 – XI ZR 147/12, BGHZ 201, 310 (314) Rn. 17; BGH, Urt. v. 8. 4. 2014 – XI ZR 341/12, NJW 2014, 2348 (2349); Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 81. 938 BGH, Hinweisbeschl. v. 9. 3. 2011 @ XI ZR 191/10, NJW 2011, 3227 (3228); BGH, Urt. v. 8. 5. 2012 @ XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 (164) Rn. 17, NJW 2012, 2427 (2428); BGH, Urt. v. 3. 6. 2014 – XI ZR 147/12, BGHZ 201, 310 (314) Rn. 17; Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 84. 939 Hannöver/Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 110 Rn. 72 m. w. N. 934
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Dass und in welcher Form auch beim Einsatz von Robo-Advisorn Interessenkonflikte möglich sind, wurde bereits an verschiedenen Stellen ausführlich erläutert.940 Auch im Zivilrecht gilt: Interessenkonflikte sind beim Einsatz von RoboAdvisorn stets struktureller Natur, weshalb ihnen durch entsprechende organisatorische Maßnahmen, wie der Verwendung konfliktvermeidender und konfliktlösender Algorithmen, begegnet werden muss.941 III. Verbraucherspezifische Pflichten Zudem bestehen bei der Robo-Advice verbraucherspezifische Pflichten. Da es sich bei den Kunden der Robo-Advisor regelmäßig um Verbraucher im Sinne des § 13 BGB handelt, stellen die im Rahmen der Robo-Advice abgeschlossenen Verträge Verbraucherverträge im Sinne des § 310 Abs. 3 BGB dar. Auch haben sie regelmäßig eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand, so dass gem. § 312 Abs. 1 BGB die §§ 312 ff. BGB Anwendung finden. An der Verbrauchereigenschaft des Kunden ändern auch die mitunter sehr hohen Mindestanlagesummen von 100.000 Euro oder mehr nichts, da die Verbrauchereigenschaft allein davon abhängt, dass der Zweck des Vertrags nicht überwiegend einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.942 Daraus folgen sowohl die Pflicht zu einem Vorgehen nach der sog. „Button-Lösung“ als auch umfangreiche Informationspflichten. 1. Pflicht zur Einrichtung eines „Buttons“ § 312j Abs. 3 S. 1 BGB statuiert die Pflicht des Unternehmers, die Bestellsituation so zu gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, so ist diese nach § 312j Abs. 3 S. 2 BGB mit der gut lesbaren Beschriftung „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung zu versehen. Entscheidend ist, dass durch die Beschriftung sowohl die vertragliche Bindung als auch die Zahlungspflicht deutlich wird.943 Wird diese Pflicht nicht erfüllt, kommt es gem. § 312j Abs. 4 BGB nicht zum Vertragsschluss. 940
Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 1. a) und Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 2. Vgl. Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 14; Kumpan, EuZW 2018, 745 (746); Kumpan, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTechHandbuch (2019), § 15 Rn. 18 und 32; Madel, Robo Advice (2019), S. 158; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (801); Müssig, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 5 Rn. 18; Schwarz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 7 Rn. 56 f. 942 Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798); Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1971); Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 14; Schwarz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 7 Rn. 18. A. A. Kilian/ Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 67. 943 Wendehorst, in: MüKo-BGB (2019), § 312j Rn. 27. 941
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Handelt es sich bei dem mittels des Robo-Advisors zu schließenden Vertrag um einen entgeltlichen Anlageberatungsvertrag, muss deshalb ein entsprechender Button auf der Website des Robo-Advisors eingerichtet werden. Da die Formulierung „zahlungspflichtig bestellen“ im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Anlageberatungsvertrags unpassend wirkt und Anleger verwirren könnte944, kann auf eine vergleichbare Formulierung wie etwa „kostenpflichtigen Anlageberatungsvertrag schließen“ oder Ähnliches zurückgegriffen werden. 2. Informationspflichten Der mittels eines Robo-Advisors geschlossene Vertrag stellt zunächst einen Vertrag dar, welcher im Wege des elektronischen Geschäftsverkehrs i. S. d. § 312i Abs. 1 S. 1 BGB geschlossen wird. Außerdem handelt es sich dabei um einen Fernabsatzvertrag über Finanzdienstleistungen gem. §§ 312c Abs. 1, 312d Abs. 2 BGB. Da eine Finanzdienstleistung gem. § 312 Abs. 5 S. 1 BGB auch Vertragsverhältnisse über Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Altersversorgung oder Geldanlage erfasst, zählt auch der Anlageberatungsvertrag zu den Finanzdienstleistungen.945 Weil die Robo-Advice damit sowohl unter den Tatbestand des Fernabsatzes von Finanzdienstleistungen als auch unter den Tatbestand des Vertragsabschlusses im Wege des elektronischen Geschäftsverkehrs fällt, müssen zweierlei verbraucherrechtliche Informationspflichten erfüllt werden.946 Zunächst besteht nach § 312d Abs. 2 BGB die Pflicht, den Verbraucher nach Maßgabe des Art. 246b EGBGB zu informieren. Aus § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich außerdem die Pflicht, die in Art. 246c EGBGB bestimmten Informationen vor Abgabe der Bestellung durch den Kunden klar und verständlich mitzuteilen. Dabei sind sich die aufsichtsrechtlich und die zivilrechtlich zu erteilenden Informationen zwar sehr ähnlich, sie sind aber nicht vollständig deckungsgleich.947 Es bietet sich deshalb an, die Informationen auf einem gemeinsamen aus verbraucherund aufsichtsrechtlichen Bausteinen bestehenden Informationsblatt zu erteilen.948 Wie auch im Aufsichtsrecht sind die Informationen dem Anleger gem. Art. 246b § 1 Abs. 1 EGBGB „zur Verfügung zu stellen“. Erforderlich ist nach Art. 246b § 2
944
Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798). Wendehorst, in: MüKo-BGB (2019), § 312 Rn. 111. 946 Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798). 947 Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 75; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798); Oppenheim/ Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1972); Schwarz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 7 Rn. 45. 948 Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 76; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (799); Oppenheim/ Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1972); Schwarz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 7 Rn. 45. 945
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Abs. 1 EGBGB die Mitteilung auf einem dauerhaften Datenträger i. S. d. § 126b S. 2 BGB.949 Bei der Robo-Advice können demnach die ohnehin aufsichtsrechtlich zu erstellenden Informationsblätter um die zivilrechtlich zu erteilenden Informationen ergänzt werden und zum Download zu Verfügung gestellt oder per E-Mail zugesandt werden.950 Die bloße Anzeige der Informationen auf der Website genügt den Anforderungen an einen dauerhaften Datenträger i. S. d. § 126b S. 2 BGB mangels Speichermöglichkeit dagegen nicht.951 3. Sonstige Pflichten Schließlich sind auch die übrigen in § 312i Abs. 1 S. 1 BGB normierten Pflichten im Rahmen der Robo-Advice zu berücksichtigen. So müssen angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung gestellt werden, mit deren Hilfe der Kunde Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung erkennen und berichtigen kann (Nr. 1), der Zugang der Bestellung unverzüglich auf elektronischem Wege bestätigt werden (Nr. 3) und es muss die Möglichkeit bestehen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern (Nr. 4).
B. Vermögensverwaltungsvertrag Da der Vermögensverwaltungsvertrag anders als der Anlageberatungsvertrag nicht durch die einmalige Erteilung eines Anlagerats erfüllt ist, sondern nach der Vertragsanbahnung in ein Dauerschuldverhältnis mündet, bietet es sich an, im Rahmen der Darstellung der vertraglichen Pflichten nach diesen Vertragsphasen zu differenzieren. I. Anbahnung der Vermögensverwaltung Es ist umstritten, ob der Vermögensverwalter und der Anleger noch vor Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrags einen Beratungsvertrag über die geeignete Ausgestaltung eines Vermögensverwaltungsvertrags schließen.952 Ein Teil der Literatur bejaht dies mit dem Argument, dass auch im Rahmen der Anbahnung des Vermögensverwaltungsvertrags der Anleger eine Entscheidung darüber treffen muss, ob er den konkreten Vermögensverwaltungsvertrag abschließen möchte, und 949
Schwarz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 7 Rn. 48. Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 4. c). 951 BT-Drs. 17/12637, 44; Ellenberger, in: Palandt, BGB (2020), § 126b Rn. 3; Schwarz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 7 Rn. 48. 952 Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 43. 950
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diesbezüglich durch den Vermögensverwalter beraten wird.953 Die Rechtsprechung954 und der überwiegende Teil der Literatur lehnen dies jedoch ab, da es der Konstruktion eines konkludenten Beratungsvertrags nicht bedürfe, weil sich eine entsprechende Beratungspflicht schon als vorvertragliche Pflicht zum späteren Vermögensverwaltungsvertrag ergebe.955 Vor allem im Bereich der Robo-Advice erscheint die Annahme des Abschlusses eines Beratungsvertrags problematisch, weil vor Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrags lediglich die Kundenexploration erfolgt, bei welcher die Vornahme von Beratungstätigkeiten technisch ausgeschlossen ist.956 Was den Inhalt der vom Vermögensverwalter zu erfüllenden Pflichten betrifft, so ergibt sich zwischen der Annahme eines konkludent abgeschlossenen Beratungsvertrags und einer vorvertraglichen Beratungspflicht aber ohnehin kein Unterschied.957 Die Einhaltung der von der Rechtsprechung unter anderem in der Bond-Entscheidung entwickelten Grundsätze zur anleger- und objektgerechten Beratung stellt deswegen auch eine Pflicht des Vermögensverwalters dar.958 Unterschiede ergeben sich jedoch aufgrund der Tatsache, dass im Anschluss an die Vertragsanbahnung keine konkrete Anlage empfohlen wird, sondern ein Vermögensverwaltungsvertrag
953 Balzer, in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht. Band 2 (2017), § 53 Rn. 12; Balzer, Vermögensverwaltung durch Kreditinstitute (1999), S. 50 f.; Gaßner/Escher, WM 1997, 93 (96); Lang, V., in: Schäfer, F./Sethe/ Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 7 Rn. 42; Lang, V., Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen (2002), § 22 Rn. 1; wohl auch Müller/Walz, in: Ellenberger/Clouth (Hrsg.), Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft (2018), Rn. 958 ff. 954 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15. 7. 2003 – 24 U 16/03, NJOZ 2004, 2949 f. Wohl auch BGH, Versäumnisurt. v. 4. 4. 2002 – III ZR 237/01, NJW 2002, 1868 f. 955 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 578 f.; Heinsius, ZBB 1994, 47 (49); Herresthal, in: MüKo-HGB (2019), Vermögensverwaltung, Rn. 53; Horn, ZBB 1997, 139 (142 f.); Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 43; Schäfer, F., ZBB 2000, 150 (151); Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 29; Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung (2005), S. 877 mit Fn. 487. Wohl auch Kiethe/Hektor, DStR 1996, 547 (548). 956 A. A. Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 113 ff. 957 Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 43; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 29 und 127. 958 BGH, Versäumnisurt. v. 4. 4. 2002 – III ZR 237/01, NJW 2002, 1868 f.; OLG Köln, Urt. v. 20. 9. 1996 – 20 U 140/95, WM 1997, 570 (573); Gaßner/Escher, WM 1997, 93 (97); Heinsius, ZBB 1994, 47 (49); Lang, V., in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 7 Rn. 4; Schäfer, F./Müller, Haftung für fehlerhafte Wertpapierdienstleistungen (1999), Rn. 237; Schäfer, F., Haftung für fehlerhafte Anlageberatung und Vermögensverwaltung (1995), S. 110; Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 111 Rn. 28.
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abgeschlossen werden soll, welcher auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten ist.959 Der Schwerpunkt der vorvertraglichen Pflichten des Vermögensverwalters liegt deshalb in der Ermittlung passender Anlagerichtlinien und einer passenden Anlagestrategie.960 Auch im Rahmen des Vermögensverwaltungsvertrags sind deshalb zunächst eine Exploration des Kunden sowie eine anschließende Geeignetheitsprüfung vorzunehmen.961 Vor dem Hintergrund der Ausstrahlungswirkung des § 64 Abs. 3 WpHG muss der Betreiber mithin dafür sorgen, dass der vermögensverwaltende Robo-Advisor dazu in der Lage ist, alle Informationen über Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen, über die finanziellen Verhältnisse des Kunden einschließlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, und über seine Anlageziele einschließlich seiner Risikotoleranz zu ermitteln. Die Exploration muss dabei stets auf das Ziel der Bestimmung einer geeigneten Anlagestrategie ausgerichtet sein. Auch im Rahmen der vorvertraglichen Informationspflichten müssen die Unterschiede zwischen Anlageberatung und Vermögensverwaltung berücksichtigt werden. So muss beim Einsatz eines Robo-Advisors, welcher das Vermögen verwaltet, nicht über die Chancen und Risiken konkreter Finanzinstrumente informiert werden, sondern nur allgemein über die Chancen und Risiken der im Anlageuniversum des jeweiligen Robo-Advisors befindlichen Investitionsvehikel bzw. die Chancen und Risiken der einzelnen Anlagestrategie.962 Gleiches gilt auch für die bereits im vorvertraglichen Bereich zu beachtende Pflicht zur Vermeidung und Offenlegung von Interessenkonflikten. Um eine umfassende Risikoabschätzung vornehmen zu können und eine informierte Entscheidung darüber treffen zu können, mit wem und mit welchem Inhalt er einen Vermögensverwaltungsvertrag schließen möchte, muss der Kunde bereits vor Abschluss des Vertrags über das Vorliegen potenzieller Interessenkonflikte, etwa aufgrund von
959
Balzer, in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht. Band 2 (2017), § 53 Rn. 12; Gaßner/Escher, WM 1997, 93 (97); Lang, V., in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 7 Rn. 5; Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 111 Rn. 29. 960 Balzer, in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht. Band 2 (2017), § 53 Rn. 12; Gaßner/Escher, WM 1997, 93 (97); Möslein, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar (2016), 34. Kap., Rn. 25; Müller/Walz, in: Ellenberger/Clouth (Hrsg.), Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft (2018), Rn. 959. 961 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 589 ff.; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 30 und 32; Schödermeier, WM 1995, 2053 f. 962 Vgl. allgemein zur Vermögensverwaltung Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/BuckHeeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 31.
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Innenprovisionen oder Rückvergütungen, informiert werden.963 Dabei muss die Aufklärung jedoch nicht in gleichem Umfang erfolgen wie bei der Anlageberatung.964 Da mit dem Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrags noch keine konkrete Anlageentscheidung getroffen ist, genügt eine allgemeine Information über potenzielle Interessenkonflikte aufgrund von bestimmten Provisions- oder Vergütungsvereinbarungen.965 II. Durchführung der Vermögensverwaltung Aus dem Charakter des Vermögensverwaltungsvertrags als Dienstvertrag in Form eines Geschäftsbesorgungsvertrags folgt auch, dass kein konkreter Erfolg geschuldet ist.966 Der Vermögensverwalter ist vielmehr zu einer laufenden Verwaltung des Vermögens des Kunden in dessen Interesse verpflichtet.967 1. Pflicht zur Einhaltung der Anlagerichtlinien Das Recht des Vermögensverwalters zur selbständigen Verwaltung des Vermögens des Kunden ist zumeist eingeschränkt durch die Vereinbarung von Anlagerichtlinien.968 Diese werden von der herrschenden Lehre als Weisungen qualifiziert.969 Ist das Recht zur Einzelanweisung durch den Kunden vertraglich ausgeschlossen, so ist im Allgemeinen auch dieser an die vereinbarten Anlagerichtlinien 963 Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 87 f. 964 Müller/Walz, in: Ellenberger/Clouth (Hrsg.), Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft (2018), Rn. 959; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 88. 965 Müller/Walz, in: Ellenberger/Clouth (Hrsg.), Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft (2018), Rn. 959; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 88. 966 BGH, Urt. v. 23. 10. 2007 – XI ZR 423/06, NJW-RR 2008, 1269 (1271). 967 BGH, Urt. v. 28. 10. 1997 – XI ZR 260/96, BGHZ 137, 69 (73); BGH, Urt. v. 23. 10. 2007 – XI ZR 423/06, NJW-RR 2008, 1269 (1271). 968 BGH, Urt. v. 28. 10. 1997 – XI ZR 260/96, BGHZ 137, 69 (73); Herresthal, in: MüKoHGB (2019), Vermögensverwaltung, Rn. 41; Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 44; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 71; Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 111 Rn. 15. 969 BGH, Urt. v. 28. 10. 1997 – XI ZR 260/96, BGHZ 137, 69 (73); Balzer, Vermögensverwaltung durch Kreditinstitute (1999), S. 81; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 560; Herresthal, in: MüKo-HGB (2019), Vermögensverwaltung, Rn. 43; Lang, V., Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen (2002), § 23 Rn. 47; Schäfer, F., in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 9 Rn. 3; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 71; Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung (2005), S. 876; Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 111 Rn. 16.
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gebunden.970 In diesem Fall stellen die Anlagerichtlinien nicht nur eine Weisung, sondern eine vertragliche Vereinbarung dar.971 Bei der Robo-Advice sind die verschiedenen Musterportfolios, welche in Abhängigkeit von der Risikoneigung des jeweiligen Kunden zur Auswahl stehen, als vorgegebene Anlagerichtlinien zu verstehen. Durch das Musterportfolio wird konkret vorgegeben, in welcher Gewichtung die einzelnen Anlageklassen im Portfolio des einzelnen Kunden vertreten sein müssen. Da die Erteilung von Einzelanweisungen durch den Kunden sich nur schwer mit dem Konzept einer vollautomatisierten Vermögensverwaltung vereinbaren lässt bzw. sich nicht kosteneffizient umsetzen lassen würde972, ist das Recht des Kunden, Einzelanweisungen in Bezug auf die Anlage zu erteilen, im Rahmen der Vermögensverwaltung durch RoboAdvisor meist ausgeschlossen oder eingeschränkt.973 Eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist in einem solchen Ausschluss oder einer solchen Einschränkung nicht zu sehen, weil im Rahmen einer Interessenabwägung auch berücksichtigt werden muss, dass das Geschäftsmodell Robo-Advice allein auf das Massengeschäft ausgerichtet ist und sich nur auf diese Weise effizient umsetzen lässt.974 Auch stellt dies keine Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB dar. Die parallele vertragliche Vereinbarung von Anlagerichtlinien stellt sicher, dass nicht nur die Rechte des Anlegers zur Erteilung von Einzelanweisungen eingeschränkt sind, sondern dass auf der anderen Seite auch die Dispositionsbefugnis des Vermögensverwalters beschränkt ist.975 Die durch die Auswahl eines konkreten Musterportfolios festgelegten Anlagerichtlinien stellen somit eine vertragliche Vereinbarung dar. Schon heute (und in Zukunft wohl noch häufiger) sind vereinzelt Robo-Advisor aktiv, welche durch den Einsatz maschinellen Lernens die Anlagestrategie dynamisch an die jeweilige Lebenssituation des Kunden anpassen, um so eine an die aktuellen Gegebenheiten angepasste und höchst individuelle Portfoliostruktur zu gewährleisten.976 Vollzieht sich dieser Prozess vollkommen automatisch und ohne Rückfrage beim jeweiligen Kunden, stellt dies grundsätzlich eine unzulässige ein970
Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 71. 971 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 562 f.; Schäfer, F., in: Schäfer, F./ Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 9 Rn. 3; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 71. 972 Darányi, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 16 Rn. 72. 973 So wird etwa dem Vermögensverwalter ein außerordentlichen Kündigungsrecht eingeräumt, falls die Weisungen des Kunden die Umsetzung der gewählten Anlagestrategie gefährden. 974 Vgl. Darányi, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 16 Rn. 72; allgemein zur standardisierten Vermögensverwaltung Schäfer, F., in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 9 Rn. 16. 975 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 563 f. 976 Siehe ausführlich oben Teil 2 Kap. 2 § 2 B.
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seitige Vertragsänderung dar. Der Betreiber eines intelligentes Robo-Advisors muss deshalb sicherstellen, dass dieser, bevor er eine Anpassung der Anlagerichtlinien und folglich der Anlagestrategien vornimmt, zunächst die Bestätigung des Kunden einholt. Individualvertraglich kann eine dynamische Anpassung ohne Weiteres vereinbart werden. Für den Betreiber eines Robo-Advisors dürfte aber vor allem relevant sein, dass auch einer entsprechenden Vereinbarung in AGB grundsätzlich nichts entgegensteht. Zumindest bei einem deutlichen Hinweis auf die Klausel kann diese nicht als überraschend i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB gewertet werden. Da sich die dynamische Anpassung zum Zwecke einer individuelleren Vermögensverwaltung im Interesse des Kunden vollzieht, stellt die Klausel auch weder einen unzumutbaren Änderungsvorbehalt i. S. d. § 308 Nr. 4 BGB noch eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar. 2. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Vermögensverwaltung Neben der Beachtung der festgelegten Anlagerichtlinien müssen vom Vermögensverwalter die Grundsätze ordnungsgemäßer Vermögensverwaltung eingehalten werden.977 Rechtsprechung und Literatur gehen von drei grundsätzlichen Geboten aus, welche im Rahmen einer ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung zu wahren sind: das Spekulationsverbot, das Gebot der Diversifikation und das Gebot der produktiven Verwaltung.978 a) Spekulationsverbot Nach dem Spekulationsverbot ist es dem Vermögensverwalter untersagt, mit dem anvertrauten Vermögen zu spekulieren.979 Allerdings kann nicht unter jeder risikobehafteten Anlage bereits Spekulation verstanden werden.980 Entscheidend ist, dass eine angemessene Mischung zwischen riskanten und konservativen Anlageformen, welche mit dem vertraglich vereinbarten Risikoniveau kompatibel ist, sichergestellt wird.981 Das Spekulationsverbot muss bei der Robo-Advice auf zwei Ebenen berücksichtigt werden. Zum einen muss schon beim Aufsetzen der verschiedenen Musterportfolios darauf geachtet werden, dass die Gewichtung der einzelnen Asset977 Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 75. 978 Benicke, ZGR 2004, 760 (761 f.); Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 75. Für die Robo-Advice Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 49. 979 Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 111 Rn. 20. 980 Benicke, ZGR 2004, 760 (763 f.). 981 BGH, Urt. v. 29. 3. 1994 – XI ZR 31/93, NJW 1994, 1861 (1862).
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klassen untereinander die Einhaltung der den jeweiligen Musterportfolios zugeordneten Risikoniveaus gewährleistet. So sollte etwa bei einer Anlagestrategie, welche als „konservativ“ bezeichnet wird, der Aktienanteil im Musterportfolio nicht mehr als 30 % betragen.982 Zum anderen muss auch bei der Auswahl der die einzelnen Anlageklassen repräsentierenden Investitionsvehikel darauf geachtet werden, welches Risiko diesen im Einzelfall innewohnt. Auch bei Anlageprodukten ein und derselben Anlageklasse kann es mitunter zum Auftreten unterschiedlicher Risikoniveaus kommen.983 Da sowohl die Erstellung der Musterportfolios als auch die Erstellung des Anlageuniversums und die Auswahl der Investitionsvehikel bei Robo-Advisorn (noch) von Menschenhand mit lediglich algorithmischer Unterstützung vorgenommen werden, ergeben sich im Vergleich zu menschlichen Vermögensverwaltern grundsätzlich keine Unterschiede. Sollte es bei dem Robo-Advisor zum Einsatz von künstlicher Intelligenz mit dem Resultat kundenindividueller Portfolios kommen, ergeben sich ebenfalls keine Besonderheiten. Auch in diesem Fall muss sichergestellt sein, dass die Assetmischung dem unter Einsatz von künstlicher Intelligenz ermittelten Risikoniveau entspricht. b) Gebot der Diversifikation Dem Gebot der Diversifikation ist sowohl durch eine Streuung der Anlageklassen als auch durch eine Streuung innerhalb der Anlageklassen nachzukommen.984 RoboAdvisor gründen ihre Anlagestrategie regelmäßig auf den Erkenntnissen der modernen Portfoliotheorie, deren Ziel es ist, im Wege der Diversifikation dasjenige Portfolio zu erstellen, das bei einem gegebenen Risiko die maximale Rendite bzw. bei einer gegebenen Rendite das minimale Risiko erzielt.985 Dem Gebot der Diversifikation dürfte daher beim Einsatz des Großteils der Robo-Advisor ohne Weiteres nachgekommen werden. c) Gebot der produktiven Verwaltung Das Gebot der produktiven Vermögensverwaltung verpflichtet den Vermögensverwalter dazu, ständig zu überwachen, ob das Vermögen des Kunden noch in Werten 982 OLG Düsseldorf, Urt. v. 13. 6. 1990 – 6 U 234/89, WM 1991, 94, (95 f.); Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 72. 983 Schäfer, F., Haftung für fehlerhafte Anlageberatung und Vermögensverwaltung (1995), S. 110; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 73. 984 Müller/Walz, in: Ellenberger/Clouth (Hrsg.), Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft (2018), Rn. 1007; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 81. 985 Siehe ausführlich oben Teil 2 Kap. 2 § 1 A.
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und auf Märkten angelegt ist, die geeignet sind, die Anlageziele zu erreichen.986 Der Vermögensverwalter ist in diesem Zusammenhang dazu verpflichtet, sowohl die Entwicklung des Portfolios selbst als auch die Entwicklung der verschiedenen Märkte, auf denen die Anlageprodukte gehandelt werden, ständig zu überwachen und Prognosen vorzunehmen.987 Sodann muss er die Depotstruktur gegebenenfalls durch Umschichtungen an die neuen Gegebenheiten anpassen, um das in den Anlagerichtlinien festgelegte Risikoniveau wieder zu erreichen.988 Die laufende Vermögensverwaltung wird bei vollautomatisierten Robo-Advisorn nicht durch Menschen vorgenommen. Das Gebot der produktiven Vermögensverwaltung muss deshalb im Gegensatz zu den anderen beiden Geboten ordnungsgemäßer Vermögensverwaltung in den Algorithmus des Robo-Advisors implementiert werden. Daraus folgt zunächst, dass ein wirksames Rebalancing gewährleistet werden muss. Ob sich das Rebalancing dabei wie im Fall der passiven Anlagestrategie periodisch oder wie im Rahmen der semi-passiven, semi-aktiven und aktiven Anlagestrategie989 anlassbezogen zu vollziehen hat, hängt von der Ausgestaltung des Vermögensverwaltungsvertrags im Einzelfall ab. Zudem muss sichergestellt werden, dass aktuelle Marktentwicklungen bei der Strukturierung des Portfolios durch den Algorithmus Berücksichtigung finden. Auf der Grundlage welcher wirtschaftswissenschaftlichen Ansichten die Kurs- und Marktprognosen vorgenommen werden, ist aus rechtlicher Perspektive nicht verbindlich festgelegt.990 Möglich ist deshalb sowohl ein Vorgehen wie im Rahmen der semi-aktiven Anlagestrategie, bei welcher anhand historischer Börsendaten die zukünftige Marktentwicklung prognostiziert wird und anhand des gewählten Valueat-Risk-Wertes eine Anpassung des Portfolios vorgenommen wird, als auch der Einsatz anderweitiger Prognosemechanismen. Der Algorithmus des Robo-Advisors muss folglich auf der Grundlage aktueller wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse konstruiert sein sowie aktuelle Marktentwicklungen und -prognosen in seine Berechnungen miteinbeziehen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen deterministisch oder einen intelligent agierenden Robo-Advisor handelt. Sollen Machine-Learning-Anwendungen im Rahmen der Robo-Advice dazu eingesetzt werden, die gewaltige Datenmenge aus 986
BGH, Urt. v. 23. 10. 2007 – XI ZR 423/06, NJW-RR 2008, 1269 (1270); Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 76; Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 111 Rn. 20. 987 Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 76. 988 Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 76. 989 Siehe zu den einzelnen Anlagestrategien oben Teil 2 Kap. 2 § 1 B. IV. 990 Schäfer, F., in Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 4 Rn. 2; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 78.
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aktuellen Nachrichten und aktueller Marktforschung zu analysieren und auf ihrer Grundlage Prognosen vorzunehmen und Schlussfolgerungen zu ziehen991, muss ebenfalls sichergestellt sein, dass das anschließende Tätigwerden des Robo-Advisors mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft vereinbar ist. 3. Benachrichtigungs- und Rechenschaftspflicht Aus §§ 675 Abs. 1, 666 BGB folgt die Pflicht, dem Anleger die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen, und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft zu erteilen. Die Benachrichtigungspflicht bedeutet, dass der Anleger über alle wesentlichen Entwicklungen, insbesondere den Eintritt erheblicher Verluste zu informieren ist.992 Der BGH nahm in der Vergangenheit eine Benachrichtigungspflicht etwa an, wenn innerhalb von fünf Monaten ein Wertverlust von ca. 21 % eingetreten ist.993 Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass unterhalb dieser Schwelle noch keine Benachrichtigungspflicht besteht.994 Aus aufsichtsrechtlicher Perspektive ist Art. 62 Abs. 1 DelVO-2017/565 zu berücksichtigen, nach welchem eine Benachrichtigungspflicht besteht, wenn der Gesamtwert des Portfolios um 10 % fällt, sowie anschließend bei jedem weiteren Wertverlust in 10 %-Schritten.995 Aus zivilrechtlicher Perspektive wird die „Erheblichkeit“ eines Wertverlusts auch von der Risikofreudigkeit des Anlegers und damit von den vereinbarten Anlagerichtlinien beeinflusst.996 Die Beantwortung der Frage, ab welcher Verlustschwelle eine Benachrichtigungspflicht besteht, hängt deshalb immer von der Risikoneigung des jeweiligen Anlegers ab. Es bietet sich aus Betreiberperspektive aus Gründen der Vorsicht an, über die aufsichtsrechtliche Schwelle hinaus niedrigere Verlustschwellen für eine Benachrichtigung vertraglich festzulegen, wenn es sich um eine eher konservative Anlagestrategie handelt.997 Eine 991
Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 2 B. II. BGH, Urt. v. 29. 3. 1994 – XI ZR 31/93, NJW 1994, 1861 (1862); Ellenberger, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 13 Rn. 4; Schäfer, F., WM 1995, 1009, (1010 f.); Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 93. 993 BGH, Urt. v. 29. 3. 1994 – XI ZR 31/93, NJW 1994, 1861 (1862); Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 93; Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 111 Rn. 31. 994 Walz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 111 Rn. 31. 995 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 7. a). 996 Ellenberger, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 13 Rn. 4; Schäfer, F., WM 1995, 1009, (1011); Herresthal, in: MüKo-HGB (2019), Vermögensverwaltung, Rn. 81; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 93; Walz, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 111 Rn. 31. 997 Vgl. Darányi, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 16 Rn. 73. 992
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unterlassene Benachrichtigung kann eine Schadensersatzpflicht des Betreibers in Höhe der Differenz zwischen der objektiv gebotenen Mitteilung und der tatsächlich erfolgten Mitteilung nach sich ziehen.998 Deshalb sollten zur Vermeidung von Haftungsrisiken bei eher konservativen Anlagestrategien automatische Benachrichtigungen in den Programmcode des Robo-Advisors implementiert werden, welche schon unterhalb der 10 %-Schwelle ausgelöst werden. Zwar ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass die Vorgaben zu den Verlustschwellen mit Blick auf eine Verwaltungssituation entwickelt wurden, in welcher der Kunde nur in bestimmen Zeitabschnitten schriftliche Berichte erhielt, der Kunde eines Robo-Advisors aber jederzeit die Wertentwicklung seines Portfolios über die App oder die Website einsehen kann.999 Ein Interesse des Kunden, im Falle erheblicher Verluste eine Benachrichtigung etwa in Form einer Push-Nachricht oder per E-Mail zu erhalten, besteht aber dennoch, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kunde auch tatsächlich regelmäßig die Entwicklung überprüft.1000 Die Pflicht, nach § 675 Abs. 1, 666 2. Fall BGB auf Verlangen Auskunft über den Stand des Geschäfts zu geben, erfüllt der Betreiber eines Robo-Advisors dagegen mit der Eröffnung der Möglichkeit, die Entwicklung des Portfolios jederzeit online einsehen zu können. Grundsätzlich besteht darüber hinaus eine periodische Rechenschaftspflicht.1001 Beachtet werden muss aber die Ausstrahlungswirkung der aufsichtsrechtlichen Berichtspflichten gem. § 64 Abs. 8 WpHG i. V. m. Art. 60 – 62 DelVO-2017/565.1002 Insbesondere im Rahmen der Robo-Advice muss die Ausnahme des Art. 60 Abs. 3 lit. a) DelVO-2017/565 bei der Auslegung der vertraglichen Berichtspflichten Berücksichtigung finden. Mit der Einräumung der Möglichkeit, die Aufstellung des Portfolios jederzeit online einsehen zu können, entfallen deshalb die periodischen Berichtspflichten, wenn der Kunde mindestens einmal im Quartal auf diese Informationen zugegriffen hat. Selbstverständlich steht es den Parteien frei, davon abweichend noch zusätzliche periodische Berichtspflichten zu vereinbaren. Zusätzlich zur Einräumung der Möglichkeit, die Portfolioentwicklung online einzusehen, muss der Betreiber somit dafür Sorge tragen, dass der Robo-Advisor dem Kunden bei außergewöhnlichen Entwicklungen, insbesondere bei erheblichen Vermögensverlusten, Bericht erstattet.
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Darányi, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 16 Rn. 73. Darányi, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 16 Rn. 73. 1000 So auch Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 95. 1001 Ellenberger, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 13 Rn. 21; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 95. 1002 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 7. a). 999
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4. Pflicht zur Vermeidung und Offenlegung von Interessenkonflikten Auch bei einem Vermögensverwaltungsvertrag handelt es sich um einen fremdnützigen Vertrag, weshalb sämtliche Verhaltensweisen unzulässig sind, die nicht vorrangig dem Vermögensinhaber, sondern dem Vermögensverwalter oder einem Dritten dienen.1003 Auch über die vorvertraglichen Offenlegungspflichten hinaus kann ein Bedürfnis nach der Offenlegung gewisser Konflikte bestehen. So ist etwa im Rahmen der Rechenschaftslegung auch darüber zu informieren, welche Provisionen tatsächlich an den Vermögensverwalter gezahlt wurden.1004 Kommt es im Laufe der Vermögensverwaltung zum Entstehen eines potenziellen Interessenkonflikts, etwa wenn für Kundenportfolios Finanzinstrumente erworben werden, mit welchen der Vermögensverwalter persönlich oder wirtschaftlich verflochten ist, so muss auch darüber dem Kunden ein Hinweis erteilt werden.1005 Das dem Robo-Advisor zugrundeliegende Programm muss demnach so gestaltet sein, dass die online abrufbaren Informationen auch erhaltene Provisionszahlungen enthalten. Zudem muss eine Erteilung von Hinweisen im Fall potenziell auftretender Interessenkonflikte im Laufe der Vermögensverwaltung erfolgen. 5. Herausgabepflicht Die §§ 675 Abs. 1, 667 2. Fall BGB statuieren die Pflicht des Vermögensverwalters, alles herauszugeben, was in Ausführung der Vermögensverwaltung erlangt wurde. Dies umfasst grundsätzlich auch erhaltene Vertriebsprovisionen.1006 Da es sich bei § 667 2. Fall BGB um eine dispositive Vorschrift handelt, kann die Herausgabepflicht durch die Aufnahme entsprechender „Behaltensklauseln“ in den Vermögensverwaltungsvertrag jedoch ausgeschlossen werden.1007 Ob und wie die 1003 Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 83. 1004 BGH, Urt. v. 14. 1. 2014 – XI ZR 355/12, BGHZ 199, 355 (377) Rn. 49, NJW 2014, 924 (930); Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 88. 1005 OLG Köln, Urt. v. 22. 1. 1999 – 20 U 40/98, NZG 1999, 1177; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31. 1. 2008 – I-6 U 21/07, EWiR 2008, 271; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 90 f.; Walz, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch (2017), § 111 Rn. 21. 1006 Ellenberger, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 13 Rn. 22; Schäfer, F., in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 11 Rn. 26; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 96; Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung (2005), S. 896; Mülbert WM 2009, 481 (483 ff.). 1007 BGH, Urt. v. 14. 1. 2014 – XI ZR 355/12, BGHZ 199, 355; Koch, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Auflage 2004, § 31d WpHG Rn. 113; Mülbert, WM 2009, 481 (487); Schäfer, F., in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 11 Rn. 27; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.),
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Einbeziehung solcher Behaltensklauseln auch in Form von AGB wirksam ist, ist umstritten.1008 Für die Vermögensverwaltung mittels eines Robo-Advisors ergeben sich im Vergleich zur Verwaltung durch einen menschlichen Finanzintermediär jedoch keine Besonderheiten, so dass eine Darstellung des Streits unterbleiben kann. III. Verbraucherspezifische Pflichten Der Kundenkreis der Betreiber vermögensverwaltender Robo-Advisor entspricht demjenigen der Betreiber anlageberatender Robo-Advisor, weshalb die geschlossenen Vermögensverwaltungsverträge ebenfalls Verbraucherverträge i. S. d. §§ 312 Abs. 1, 310 Abs. 3 BGB darstellen.1009 Grundsätzlich finden deshalb die §§ 312 ff. BGB Anwendung. Aus der Anwendbarkeit der verbraucherrechtlichen Vorschriften folgt zunächst die Pflicht zur Einrichtung eines Buttons i. S. d. § 312j Abs. 3 S. 1 BGB.1010 Ähnlich wie im Rahmen der anlageberatenden Robo-Advice könnte bei der Gestaltung des Buttons die Formulierung „kostenpflichtigen Vermögensverwaltungsvertrag schließen“ gewählt werden. Beim Vermögensverwaltungsvertrag ist jedoch die Besonderheit zu beachten, dass neben dem Vermögensverwaltungsvertrag regelmäßig noch ein Depotvertrag mit der Partnerbank des Robo-Advice-Unternehmens geschlossen wird.1011 Auch bei diesem Vertragsschluss muss die Button-Pflicht erfüllt werden.1012 Wie der Anlageberatungsvertrag stellt auch der mittels des Robo-Advisors geschlossene Vermögensverwaltungsvertrag sowohl einen Fernabsatzvertrag über Finanzdienstleistungen als auch einen Vertrag dar, welcher im Wege des elektronischen Geschäftsverkehrs geschlossen wird, so dass ebenfalls zweierlei verbraucherrechtliche Informationspflichten zu erfüllen sind.1013 Dies sind zum einen die Informationspflicht nach § 312d Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 246b EGBGB und zum anderen die Informationspflicht nach § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB i. V. m. Art. 246c EGBGB, welche jeweils vor Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrags zu erfüllen sind. Eine Kombination mit dem nach dem Aufsichtsrecht zu erstellenden InformatiHandbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 96; Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung (2005), S. 897. 1008 Vgl. Mülbert, WM 2009, 481 (487 ff.) m. w. N. und Schäfer, Ulrike, in: Assmann/ Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 66 m. w. N. 1009 So auch Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 53. 1010 Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 53. 1011 Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798); Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1971). 1012 Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798); Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1971). 1013 Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798); Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 53 und 55.
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onsblatt ist auch hier möglich.1014 Schließlich müssen auch bei der Vermögensverwaltung die sonstigen Pflichten des § 312i Abs. 1 BGB erfüllt werden.
§ 4 Ergebnisse Kapitel 3 Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass der automatische oder intelligente Agent selbst kein tauglicher Vertragspartner ist, da ihm de lege lata keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt.1015 Mit dem Robo-Advisor selbst kann deshalb kein Vertrag geschlossen werden. Er kann stets nur die Position eines Vermittlers einnehmen. Die Erklärungen eines automatischen oder intelligenten Agenten stellen weder Erklärungen eines Stellvertreters noch Blanketterklärungen dar.1016 Auch eine Qualifikation als Botenerklärung oder die analoge Anwendung der Stellvertretungsregeln scheidet aus.1017 Vielmehr stellt die Abgabe einer Willenserklärung mittels eines automatischen1018 oder intelligenten Agenten eine Willenserklärung des Betreibers des Agenten selbst dar.1019 Die durch den automatischen oder intelligenten Agenten abgegebene Willenserklärung ist dem Betreiber nach dem objektiven Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 BGB zuzurechnen.1020 Dies erscheint sowohl unter Risiko-1021 als auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten1022 als sachgerecht. Was den Zeitpunkt des Vertragsschlusses betrifft, so stellt nicht bereits die Eröffnung der Möglichkeit, auf der Website des Robo-Advisors einen Online-Fragebogen auszufüllen, ein Angebot auf Abschluss eines Anlageberatungs- oder Vermögensverwaltungsvertrags dar.1023 Sie ist lediglich eine invitatio ad offerendum. Erst mit dem vollständigen Ausfüllen des Fragebogens und unter Umständen der Durchführung einer Registrierung gibt der Kunde selbst ein Angebot ab.1024 Durch die Anzeige des Anlagevorschlags bzw. der Anlagestrategie wird dieses mittels des 1014 Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (799); Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1972); Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 53. 1015 Müller-Hengstenberg/Kirn, MMR 2014, 307 (308). 1016 Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 1 B. I. und II. 1017 Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 1 B. III. und IV. 1018 Mehrings, MMR 1998, 30 (31). 1019 Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2820); Kitz, in: Hoeren/Sieber/ Holznagel (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, Stand Oktober 2019, Teil 13.1 Rn. 42; Schubert, in: MüKo-BGB (2018), § 164 Rn. 109; Singer, in: Staudinger (Begr.), BGB (2017), Vor. §§ 116 ff. Rn. 57; Spindler, in: Spindler/Schuster, F. (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien (2019), Vor §§ 116 ff. BGB, Rn. 10. 1020 Groß, J., InTeR 2018, 4 (5); Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431 (441 f.). 1021 Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2822); Paulus/Matzke, ZfPW 2018, 431 (445). 1022 Groß, J., InTeR 2018, 4 (5). 1023 Lordt/Renning, JuS 2019, 311 (314); Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798); Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 69. 1024 Lordt/Renning, JuS 2019, 311 (314).
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Robo-Advisors angenommen.1025 Die von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Anlageberatungsvertrag entwickelten Grundsätze zum konkludenten Vertragsschluss können auf die Robo-Advice keine Anwendung finden.1026 Sowohl der Anlageberatungsvertrag als auch der Vermögensverwaltungsvertrag stellen, jeweils abhängig von der Entgeltlichkeit, einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertrags- oder Auftragscharakter i. S. d. §§ 675 Abs. 1, 665 BGB dar.1027 Bei der Vermögensverwaltung kommt es regelmäßig noch zum Abschluss eines weiteren Vertrags über die Verwaltung des Depots mit der Partnerbank des Vermögensverwalters.1028 Das vertragliche Pflichtenregime des Anlageberaters oder Vermögensverwalters ist stark geprägt von den in der Bond-Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur anleger- und objektgerechten Beratung sowie von der Ausstrahlungswirkung der aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten. Bei der Robo-Advice besteht für den Betreiber außerdem die Pflicht, dieses Pflichtenprogramm ganz oder teilweise durch die Inbetriebnahme und Inbetriebhaltung eines Robo-Advisors zu erfüllen. Der starke Einfluss des Aufsichtsrechts kommt vor allem in den sehr ähnlichen Anforderungen an die Durchführung einer Exploration und einer Geeignetheitsprüfung sowie in der Sachkundepflicht und der Pflicht zur Vermeidung und Offenlegung von Interessenkonflikten zum Ausdruck. Aber auch die aufsichtsrechtlich und zivilrechtlich zu erfüllenden Informationspflichten sind in vielen Bereichen deckungsgleich. Unterschiede ergeben sich etwa bei einzelnen verbraucherrechtlich zu erteilenden Informationen. Um Dopplungen zu vermeiden, bietet es sich für einen Robo-Advice-Anbieter an, ein kombiniertes Informationsblatt zur Verfügung zu stellen, das sowohl den aufsichtsrechtlichen als auch den zivilrechtlichen Anforderungen gerecht wird.1029 Aus verbraucherrechtlicher Perspektive muss im Rahmen der Robo-Advice außerdem der Pflicht zur Einrichtung eines „Buttons“ i. S. d. § 312j Abs. 3 S. 1 BGB Aufmerksamkeit gewidmet werden.1030 Hier könnte die Formulierung „kostenpflichtigen Anlageberatungsvertrag schließen“ bzw. „kostenpflichtigen Vermögensverwaltungsvertrag schließen“ gewählt werden. Der Vermögensverwalter ist darüber hinaus verpflichtet, die vereinbarten Anlagerichtlinien einzuhalten, die Grundsätze ordnungsgemäßer Vermögensverwaltung zu wahren, anlassbezogen Rechenschaft über die Entwicklung des Portfolios zu leisten sowie durch den Vermögensverwaltungsvertrag Erlangtes herauszugeben. 1025
Lordt/Renning, JuS 2019, 311 (314). Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 2 A. 1027 Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 2 A. und B. 1028 Madel, Robo-Advice (2019), S. 45; Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798); Oppenheim/ Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1971). 1029 Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (799); Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1972); Rosenkranz, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 2 Rn. 53. 1030 Möslein/Lordt, ZIP 2017, 793 (798); Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1971). 1026
Kap. 3: Zivilrechtliche Aspekte der Robo-Advice
247
Die im Rahmen der Robo-Advice durch Auswahl einer bestimmten Anlagestrategie vereinbarten Anlagerichtlinien stellen eine vertragliche Vereinbarung dar. Eine intelligente, dynamische Anpassung dieser Anlagerichtlinien ist nur mit vorheriger Zustimmung des Kunden oder durch ausdrückliche vertragliche Festlegung der Anpassungsmöglichkeit zulässig, da anderenfalls eine unzulässige einseitige Vertragsänderung vorliegt. Während das Spekulationsverbot und das Gebot der Diversifikation bereits auf Ebene der Erstellung des Anlageuniversums und damit überwiegend von den menschlichen Akteuren zu beachten sind, muss das Gebot der produktiven Vermögensverwaltung in den Algorithmus des Robo-Advisors implementiert werden. Dabei ist entscheidend, dass der Robo-Advisor über ein wirksames RebalancingSystem verfügt. Hinsichtlich der bestehenden Benachrichtigungs- und Rechenschaftspflicht ist im Rahmen der vermögensverwaltenden Robo-Advice zu empfehlen, dass bei Kunden-Portfolios mit konservativen Anlagestrategien eine Benachrichtigung schon unterhalb der aufsichtsrechtlichen Verlustschwelle von 10 % erfolgt. Im Ergebnis lässt sich damit festhalten, dass die Abgabe von Willenserklärungen nicht durch den Robo-Advisor, sondern durch den Betreiber erfolgt. In Konsequenz obliegt auch die Erfüllung vertraglicher Pflichten nicht dem Robo-Advisor selbst, sondern seinem Betreiber. Was den Inhalt der vertraglichen Pflichten betrifft, so ist zunächst zu bemerken, dass diese trotz der umfangreichen Entwicklung von Grundsätzen durch die Rechtsprechung unter dem starken Einfluss der aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten stehen. Da es sich beim Anlageberatungsvertrag bzw. beim Vermögensverwaltungsvertrag aber nicht um einen im BGB vertypten Vertrag handelt, sind die Vertragsparteien bei der inhaltlichen Ausgestaltung aufgrund der Vertragsfreiheit grundsätzlich flexibel. Konstruktionen wie einer „digitalen Auslegung“1031 des Pflichtenregimes bedarf es im Vertragsrecht nicht, da die automatische oder intelligente Ausführung von Vertragsanbahnung und Vertragsdurchführung Teil der vertraglichen Vereinbarung sind und sich die vertraglichen Pflichten stets nach dem vereinbarten Vertragsinhalt im Einzelfall richten. Führt man diese beiden Aspekte, die Ausstrahlungswirkung der aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten einerseits und die Freiheit, eine digitale Ausführung des Vertrags und der aus ihm resultierenden Pflichten zu vereinbaren andererseits, zusammen, so wird klar, dass ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf im Zusammenhang mit dem zivilrechtlichen Pflichtenregime nicht besteht. Zum anderen wird aber auch deutlich, wie wichtig konkrete gesetzliche Regelungen im Aufsichtsrecht sind, die sodann eine Ausstrahlungswirkung im Zivilrecht entfalten.
1031
Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 D.
248
Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Kapitel 4
Folgen von Pflichtenverstößen Die vorangegangenen Kapitel haben herausgearbeitet, welcher umfangreiche aufsichtsrechtliche und zivilrechtliche Pflichtenkatalog von Anlageberatern und Vermögensverwaltern zu erfüllen ist und auf welche Weise dieser auf digitale Finanzintermediäre anzuwenden ist. Dieses Kapitel stellt nun dar, welche Folgen ein Verstoß gegen den Pflichtenkatalog nach sich zieht. Dabei kommen sowohl eine vertragliche und außervertragliche Haftung als auch aufsichtsrechtliche Maßnahmen der BaFin in Betracht. Aufgrund einiger straf- und bußgeldbewehrter Normen des Aufsichtsrechts wird das Strafrecht ebenfalls tangiert. Bevor jedoch eine Aufarbeitung der Folgen von Pflichtenverstößen im Einzelnen erfolgt, wird zunächst allgemein der Frage nachgegangen, wer als Verantwortlicher für einen Pflichtenverstoß herangezogen werden kann, insbesondere, ob eine Verantwortlichkeit automatischer und intelligenter Agenten in Betracht kommt und ob eine Zurechnung von Handlungen automatischer und intelligenter Agenten möglich ist.
§ 1 Rechtliche Vorüberlegungen A. Mögliche Verantwortliche Wird beim Einsatz eines automatischen oder intelligenten Agenten gegen eine zivilrechtliche oder aufsichtsrechtliche Pflicht verstoßen, so kommen mehrere Verantwortliche in Betracht. Verantwortlich kann zunächst der Agent selbst sein, welcher letztlich die pflichtverletzende Handlung ausgeführt hat. Aber auch der Betreiber des Agenten sowie der Programmierer, welcher ihn entwickelt hat, können als Verantwortliche für die Pflichtverletzung anzusehen sein. Bei den Betreibern und Programmierern automatischer oder intelligenter Agenten handelt es sich um natürliche oder juristische Personen, die ohne Weiteres für ihr Handeln zur Verantwortung gezogen werden können.
B. Die Verantwortlichkeit automatischer und intelligenter Agenten Ob automatische und intelligente Agenten wirklich Verantwortung für ihr Handeln und folglich auch für durch ihr Handeln verursachte Schäden tragen können und müssen, ist allerdings fraglich. Im Vertrags- und Deliktsrecht entspricht die Fähigkeit zur Übernahme von Verantwortung der Zurechnungsfähigkeit. Im Strafrecht entspricht sie der Handlungs- und der Schuldfähigkeit.
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
249
I. Zurechnungsfähigkeit automatischer und intelligenter Agenten im Deliktsrecht Eine Definition der Deliktsfähigkeit enthält das Gesetz nicht, vielmehr wird sie nur negativ umschrieben.1032 So wird etwa bei Personen unter sieben Jahren gem. § 828 Abs. 1 BGB generell von einer Deliktsunfähigkeit ausgegangen. Die Deliktsfähigkeit ist aber nicht an starre Altersgrenzen gebunden, sondern knüpft letztlich an die Einsichtsfähigkeit des Akteurs an, wie sich insbesondere aus § 828 Abs. 3 BGB ergibt.1033 Somit bliebe grundsätzlich Raum, die Deliktsfähigkeit automatischer und intelligenter Agenten zumindest begrenzt auf denjenigen Funktionsbereich anzuerkennen, in dem die Agenten jeweils eingesetzt werden.1034 Diese Ausweitung der Deliktsfähigkeit begegnet jedoch auf mehreren Ebenen Bedenken. So enthält der Wortlaut der sich auf die Deliktsfähigkeit beziehenden Normen wie § 828 BGB stets die Bezeichnung „wer“, woraus folgt, dass nur Menschen die Zurechnungsfähigkeit innehaben können.1035 Mag man dem noch mit dem Argument entgegnen, dass der Gesetzgeber von 1900 bei der Schaffung der Norm eben nur Menschen im Blick hatte1036, so stößt man jedoch unausweichlich erneut1037 auf das Problem der fehlenden Haftungsmasse eines automatischen oder intelligenten Agenten. De lege ferenda könnte dieses Problem durch Einführung einer Versicherungspflicht des Betreibers nach dem Pflichtversicherungsgesetz, welche die Risiken automatischer und intelligenter Agenten kollektiv absichert, gelöst werden.1038 In der US-amerikanischen Literatur wird sogar diskutiert, ob intelligenten Agenten die Fähigkeit zugesprochen werden soll, selbständig Eigentum zu erwerben, um so für Schäden aufkommen zu können.1039 Gerade im Fall eines Robo-Advisors ließe sich dies dadurch verwirklichen, dass der Robo-Advisor neben der Verwaltung von Kundengeldern auch Eigengeschäfte betreibt, um mit der erzielten Rendite mögliche Schadensersatzansprüche zu erfüllen.1040 Allerdings würde die Schaffung entsprechender Gesetze lediglich die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche ermöglichen. Die Anerkennung einer (Teil-) Deliktsfähigkeit von automatischen oder intelligenten Agenten muss aber auch deswegen scheitern, weil diesen keine Einsichtsfähigkeit unterstellt werden kann. 1032
Kluge/Müller, InTeR 2017, 24 (26). Kluge/Müller, InTeR 2017, 24 (26). 1034 Kluge/Müller, InTeR 2017, 24 (26 f.). 1035 Kluge/Müller, InTeR 2017, 24 (26). 1036 Kluge/Müller, InTeR 2017, 24 (26). 1037 Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 1 B. IV. 1038 Keßler, MMR 2017, 589 (593). 1039 Kaplan, Artificial Intelligence (What Everyone Needs to Know) (2016), S. 103 ff.; Keßler, MMR 2017, 589 (593); Rothenberg, 11 Wash. J.L. Tech. & Arts 439 (2016). 1040 Keßler, MMR 2017, 589 (593 f.). 1033
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Wie sich aus § 828 Abs. 3 BGB ergibt, stellt die Einsichtsfähigkeit aber eine unabdingbare Voraussetzung für die Annahme einer Deliktsfähigkeit dar. Unter der Einsichtsfähigkeit ist nach der Rechtsprechung die Fähigkeit zu verstehen, das Unrecht der eigenen Handlung und damit die Verpflichtung erkennen zu können, für die Folgen des eigenen Tuns einstehen zu müssen.1041 Eine solche Fähigkeit kann einem Agenten nicht, auch nicht begrenzt auf seinen Funktionsbereich, zugeschrieben werden. Wie bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, stellt der Algorithmus von Agenten, auch von intelligenten und lernfähigen Agenten, lediglich eine mehr oder weniger lange Abfolge von Handlungsanweisungen dar, welche auf die Erreichung eines bestimmten Ziels gerichtet ist. Ist diese Anweisungsfolge fehlerhaft und der Agent nicht uneingeschränkt fähig, das vorgegebene Ziel zu erreichen, so beruht dies nicht auf einem im Inneren des Agenten gebildeten Willen, sondern auf einer vorgelagert falschen Programmierung oder einer Manipulation von außen. Der Agent hat kein Verständnis von Recht und Unrecht und kann mögliches Verhalten deshalb auch nicht als solches bewerten. Wäre er in der Lage, die Folgen seines Handelns abzuschätzen, müsste zudem die Zielfunktion, welche die Maxime eines jeden Handelns des Agenten bildet, ihn schon vorher daran hindern, die Handlung auszuführen. Eine Zurechnungsfähigkeit des automatischen oder intelligenten Agenten im Deliktsrecht ist demnach zu verneinen.1042 II. Zurechnungsfähigkeit automatischer und intelligenter Agenten im Vertragsrecht Nach § 276 Abs. 1 S. 2 BGB, welcher Ausdruck des allgemeinen Verschuldensprinzips ist, finden die §§ 827 und 828 BGB im Schuldrecht entsprechende Anwendung.1043 Aus diesem Verweis folgt, dass die Frage nach dem Vorliegen der Zurechnungsfähigkeit im Rahmen der vertraglichen Haftung in gleicher Weise beantwortet werden muss wie im Deliktsrecht.1044 Aus § 276 Abs. 1 S. 2 BGB und den Ausführungen im vorangegangenen Abschnitt ergibt sich deshalb, dass eine Zurechnungsfähigkeit automatischer und intelligenter Agenten auch im Vertragsrecht nicht gegeben ist.
1041
BGH, Urt. v. 30. 11. 2004 – VI ZR 335/03, BGHZ 161, 180 (187); BGH, Urt. v. 21. 12. 2004 – VI ZR 276/03, NJW-RR 2005, 327 (328); Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 828 Rn. 11. 1042 So im Ergebnis auch Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 319. 1043 Caspers, in: Staudinger (Begr.), BGB (2014), § 276 Rn. 105. 1044 Caspers, in: Staudinger (Begr.), BGB (2014), § 276 Rn. 105.
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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III. Strafrechtliche Handlungs- und Schuldfähigkeit automatischer und intelligenter Agenten Heute ist im Allgemeinen anerkannt, dass nur Menschen einen Straftatbestand erfüllen können.1045 Dies war jedoch nicht immer so und wird im Hinblick auf die Diskussion um die Einführung eines Unternehmensstrafrechts erneut infrage gestellt.1046 Bis hinein in die frühe Neuzeit kam es sogar zur Verhängung von Tierstrafen und zur Durchführung von Tierprozessen.1047 Ob den Tieren damit im Rahmen der Prozesse und Verfahren wirklich die Fähigkeit zu rechtlicher Verantwortung und Schuld zugesprochen wurde1048 oder ob etwa das Töten der Tiere lediglich eine polizeiliche Maßnahme darstellte1049 bzw. Tierprozesse allein als Schauspiel dienten1050, ist in der Literatur zwar umstritten. Es zeigt jedoch, dass das Monopol des Menschen auf Strafbarkeit durchaus infrage gestellt werden und die Möglichkeit einer Handlungs- und einer Schuldfähigkeit automatischer und intelligenter Agenten diskutiert werden kann. Das Wesen strafrechtlich relevanten Handelns liegt darin, dass es sich um ein geistig kontrollierbares und steuerbares Gestalten der Wirklichkeit handelt.1051 Es sei an dieser Stelle erneut darauf verwiesen, dass sich ein Agent nicht selbst Ziele setzt und diese sodann verwirklicht.1052 Er folgt vielmehr den Zielvorgaben, welche in ihn vor der Inbetriebnahme durch seinen Schöpfer implementiert wurden, auch wenn er die dorthin führenden Handlungsfolgen mittels künstlicher Intelligenz angepasst hat. Weil die Gestaltung der Wirklichkeit damit stets ein Resultat dieser Zielvorgabe und nicht einer Willensbetätigung des Agenten ist, kann auch nicht von einer geistig kontrollierten bzw. gesteuerten Gestaltung der Wirklichkeit gesprochen werden. Eine Handlungsfähigkeit automatischer oder intelligenter Agenten ist folglich abzulehnen.1053 Von strafrechtlich relevantem Handeln kann beim Agieren eines automatischen oder intelligenten Agenten deshalb nicht ausgegangen werden.
1045
Gleß/Weigend, ZSTW 2014, 561 (566). Vgl. dazu etwa Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.), Unternehmensstrafrecht (2012) oder Leipold, ZRP 2013, 34 ff. 1047 Fischer, Mi., in: Rehberg/Gisecke/Dumke (Hrsg.), Die Natur der Gesellschaft (2008), S. 5151; Gleß/Weigend, ZSTW 2014, 561 (566). 1048 Fischer, Mi., in: Rehberg/Gisecke/Dumke (Hrsg.), Die Natur der Gesellschaft (2008), S. 5151 (5155). 1049 Gergen, Natur und Recht 2012, 96 (97); Kaufmann, in: Erler/Kaufmann/Werkmüller (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (1998), Sp. 234. 1050 Kaufmann, in: Erler/Kaufmann/Werkmüller (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (1998), Sp. 234. 1051 Eisele, in: Schönke/Schröder (Begr.), Strafgesetzbuch. Kommentar (2019), Vor. §§ 13 ff., Rn. 37. 1052 So in diesem Zusammenhang auch Gleß/Weigend, ZSTW 2014, 561 (572). 1053 So im Ergebnis auch Gleß/Weigend, ZSTW 2014, 561 (572 f.) und Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 95. 1046
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Aber auch die Schuldfähigkeit des Agenten muss verneint werden. Diese setzt ähnlich wie die Deliktsfähigkeit voraus, dass die betroffene Person fähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.1054 Nach dem BGH liegt „der innere Grund des Schuldvorwurfes […] darin, daß [sic] der Mensch auf freie, verantwortliche, sittliche Selbstbestimmung angelegt und deshalb befähigt ist, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden“.1055 Der automatische oder intelligente Agent ist aber nicht dazu in der Lage, sein Handeln als Recht oder Unrecht zu bewerten, und folglich auch nicht dazu, nach einer entsprechenden Einsicht zu handeln.1056 Deshalb verfügen automatische oder intelligente Agenten auch nicht über eine Schuldfähigkeit.1057
C. Die Zurechenbarkeit von Handlungen automatischer und intelligenter Agenten Die soeben erfolgten Ausführungen haben folgendes Spannungsfeld zutage gefördert1058 : Automatische oder intelligente Agenten handeln zwar, können jedoch weder zivilrechtlich noch strafrechtlich für ihr Tun zur Verantwortung gezogen werden. Menschen können für ihr Tun sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, handeln beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten aber nicht unmittelbar. Geklärt werden muss deshalb, ob die Handlungen solcher Agenten Menschen zugerechnet werden können. I. Zurechnung aus deliktsrechtlicher Perspektive Das Deliktsrecht ist von dem Grundsatz geprägt, dass eine persönliche Haftung für das Verschulden eines anderen nicht existiert, sondern dass der Schaden stets durch eigenes Verhalten rechtswidrig und schuldhaft verursacht worden sein muss.1059 Auch der Geschäftsherr muss, anders als im vertraglichen Bereich, in dem § 278 BGB die Zurechnung für das Verschulden des Erfüllungsgehilfen regelt, nur
1054 BGH, Beschl. v. 18. 3. 1952 – GSSt. 2/51, BGHSt. 2, 194 (200); Gleß/Weigend, ZSTW 2014, 561 (573); Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 95. 1055 BGH, Beschl. v. 18. 3. 1952 – GSSt. 2/51, BGHSt. 2, 194 (200). 1056 Zum neuen Forschungsfeld „Machine Ethics“, das danach strebt, auch künstlich intelligenten Wesen die Fähigkeit zu moralischem Verhalten zu verleihen, siehe etwa Anderson, M./Anderson, S., Machine Ethics (2011) oder Misselhorn, Grundfragen der Maschinenethik (2018). 1057 So im Ergebnis auch Gleß/Weigend, ZSTW 2014, 561 (579) und Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 96. 1058 Vgl. Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 319. 1059 John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 269 f.; Kötz/Wagner, Deliktsrecht (2016), Rn. 7; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 323.
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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für eigenes Verschulden haften.1060 Eine Haftung für das Verschulden des Vertreters existiert bei natürlichen Personen im Deliktsrecht grundsätzlich nicht.1061 Auch § 831 BGB stellt keine Zurechnungsnorm dar, sondern begründet einen selbstständigen Anspruch gegen den Geschäftsherrn wegen eigenen Auswahl-, Ausrichtungs- oder Überwachungsverschuldens.1062 Vorschriften, die, wie § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG, § 31 BGB analog oder § 3 Haftpflichtgesetz, ausnahmsweise eine Haftung für das Verschulden Dritter vorsehen1063, finden auf den Betreiber eines automatischen oder intelligenten Agenten keine Anwendung. Eine Zurechnung der schädigenden Handlungen eines automatischen oder intelligenten Agenten zum Betreiber scheidet im Rahmen des Deliktsrechts deshalb aus. Hinzu kommt, dass eine Zurechnung fremden Verschuldens nur dort in Betracht kommt, wo fremdes Verschulden vorliegt. Da, wie soeben festgestellt, ein automatischer oder intelligenter Agent aber nicht über Deliktsfähigkeit verfügt, ist ein solches nicht gegeben.1064 Eine deliktsrechtliche Haftung des Betreibers für das schädigende Verhalten eines automatischen oder intelligenten Agenten ist demnach nur dort möglich, wo dem Betreiber ein eigenes schädigendes Handeln zur Last gelegt werden kann. Handelt es sich bei dem Agenten um einen automatischen Agenten, so ist dies ohne Weiteres möglich. Der Betreiber weiß bei der Inbetriebnahme genau, wie der Agent auf verschiedene Situationen reagieren wird, weil dies durch den zugrunde liegenden Entscheidungsbaum exakt und unveränderlich festgelegt ist. Er kann im Vorhinein das „Ob“ und „Wie“ der Aktionen des Agenten bestimmen, weil der Agent allein nach einem klar definierten Auftrag agiert.1065 Der automatische Agent kann deshalb als verlängerter Arm des Betreibers verstanden werden. Die vom Betreiber getroffene Entscheidung setzt sich in der Entscheidung des Agenten fort.1066 Der Einsatz eines automatischen Agenten ist daher dem Fall gleichzustellen, dass jemand eine Maschine in Betrieb nimmt.1067 Die Entscheidungsausführung durch den automatischen Agenten kann seinem Betreiber folglich als eigenes Handeln zugerechnet werden.1068
1060
Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil (2020), § 67 Rn. 2. RG, Urt. v. 27. 4. 1928 – III 386/27, RGZ 121, 114 (118); RG, Urt. v. 29. 1. 1906 – VI 175/05, RGZ 62, 346 (349). 1062 Sprau, in: Palandt, BGB (2020), § 831 Rn. 1; Teichmann, in: Jauernig, BGB (2018), § 831 Rn. 1. 1063 Vgl. Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 142 mit Fn. 577. 1064 Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 142. 1065 Spiecker, CR 2016, CR 2016, 698 (701). 1066 Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1970). 1067 Riehm, ITRB 2014, 113; Spindler, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 13 Rn. 39. 1068 Spiecker, CR 2016, CR 2016, 698 (701). 1061
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Diese „Werkzeugtheorie“ lässt sich jedoch auf den Einsatz intelligenter Agenten nicht übertragen.1069 Bei der Inbetriebnahme eines intelligenten Agenten kennt der Betreiber grundsätzlich nur dessen vorgegebenes Ziel. Auf welche Art und Weise, d. h. durch die Vornahme welcher Zwischenschritte und Handlungsfolgen der intelligente Agent dieses erreicht, kann aufgrund von internen Lernprozessen unter Umständen weder vorhergesagt noch nachvollzogen werden. Anders als beim automatischen Agenten kann der Betreiber nicht im Vorhinein festlegen, wie der intelligente Agent auf welche Situation zu reagieren hat. Der Betreiber schafft deshalb lediglich die „Grundlagen der Arbeitsfähigkeit des Agenten“1070. Der Agent kann bei seiner Entscheidungsausführung aber nicht als verlängerter Arm des Betreibers verstanden werden. Der Betreiber eines intelligenten Agenten haftet somit nur dann, wenn man als relevante schädigende Handlung nicht erst die Entscheidungsausführung durch den intelligenten Agenten betrachtet, sondern wenn man bereits an die Inbetriebnahme selbst oder an die Inbetriebhaltung des Agenten anknüpft.1071 Lässt man vorsätzliches Handeln außer Betracht, kommt eine Haftung des Betreibers beim Einsatz eines intelligenten Agenten nur bei der Verletzung von Sorgfaltspflichten bzw. möglicherweise im Rahmen einer Gefährdungshaftung in Betracht.1072 Gleiches muss auch für den Einsatz automatischer Agenten gelten, wenn sich diese entgegen dem Willen ihres Betreibers verhalten. Ihre Entscheidung kann dann nicht mehr als fortgesetzte Entscheidung ihres Betreibers verstanden werden, so dass auch in diesem Fall nur an eine Inbetriebnahme oder Inbetriebhaltung des Agenten als Handlung angeknüpft werden kann. Ob die Schaffung einer gesetzlichen Regelung, welche die Handlungen des Agenten seinem Betreiber unmittelbar zurechnet, einen tauglichen Reformansatz darstellt, wird in Teil 4 ausgeführt. II. Zurechnung aus vertragsrechtlicher Perspektive Auch im Vertragsrecht ist eine Zurechnung der Agentenhandlung nicht nötig, wenn die Handlung des Agenten eine eigene Handlung seines Betreibers darstellt. An den zum Deliktsrecht entwickelten Gedanken kann im Vertragsrecht angeknüpft werden. Die Entscheidung des Betreibers setzt sich nur dort in der Agentenentscheidung fort, wo ein automatischer Agent entsprechend dem Willen seines Betreibers handelt.1073 Steht dagegen der Einsatz eines intelligenten Agenten infrage 1069 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 320; Riehm, ITRB 2014, 113. 1070 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 319. 1071 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 324 f. 1072 Vgl. Bräutigam/Klindt, NJW 2015, 1137 (1139); Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 325 ff. und 346 ff.; Müller-Hengstenberg/Kirn, CR 2018, 682 (689); Siehe dazu ausführlich unten Teil 3 Kap. 4 § 3 A. I. 2. a) und Teil 3 Kap. 4 § 3 B. I. 5. 1073 Oppenheim/Lange-Hausstein, WM 2016, 1966 (1970).
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oder handelt der automatische Agent aus irgendeinem Grund entgegen dem Willen seines Betreibers, muss diskutiert werden, ob eine Zurechnung des Handelns des Agenten möglich ist. Im Schuldrecht regelt § 278 BGB die Zurechnung des Verhaltens von Hilfspersonen zum Schuldner.1074 Gem. § 278 S. 1 BGB hat der Schuldner das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Ähnlich wie beim Einsatz einer menschlichen Hilfskraft bedient sich der Schuldner beim Einsatz eines automatischen oder intelligenten Agenten einer technischen Hilfskraft. Daher liegt die Überlegung nahe, beim Einsatz dieser technischen Hilfskraft ebenfalls § 278 BGB anzuwenden. Zunächst scheidet eine direkte Anwendung des § 278 BGB aus, da die Erfüllungsgehilfeneigenschaft nur von einer natürlichen oder einer juristischen Person erfüllt werden kann, ein automatischer oder intelligenter Agent aber weder eine natürliche noch eine juristische Person darstellt.1075 In Betracht kommt deswegen nur eine analoge Anwendung des § 278 BGB auf den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten.1076 Dabei kann das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke noch ohne größere Probleme bejaht werden.1077 Fraglich ist aber, ob auch eine vergleichbare Interessenlage angenommen werden kann. Dies ist in der Literatur umstritten.1078 Die Diskussion um die analoge Anwendung des § 278 BGB beim Einsatz technischer Einrichtungen ist dabei keinesfalls ein Phänomen der rasanten Digitalisierung der letzten Jahre, sondern wird schon seit 1074
Grundmann, in: MüKo-BGB (2019), § 278 Rn. 1. Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 129; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 138. A. A. Schirmer, JZ 2016, 660 (664 f.), der für eine direkte Anwendung des § 278 BGB auf Roboter plädiert. 1076 Buck-Heeb/Lang, V. möchten den § 278 BGB bei der Robo-Advice direkt anwenden, Buck-Heeb/Lang, V., in: Gsell et al. (Hrsg.), BeckOGK BGB, 1. 3. 2020, § 675 Rn. 616. 1077 Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 129 f.; Grundmann, in: MüKo-BGB (2019), § 278 Rn. 46; Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 76 ff.; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 139. 1078 Befürworter einer analogen Anwendung sind etwa Keßler, MMR 2017, 589 (592); Loewenheim, BB 1967, 593 (597 f.); Schmidt, R., AcP 1966, 1 (23 f.); Wolf, M., JuS 1989, 899 (902 f.); Wulf/Burgenmeister, CR 2015, 404. Dagegen sprechen sich unter anderem aus Caspers, in: Staudinger (Begr.), BGB (2014), § 278 Rn. 5; Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 131; Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), § 278 Rn. 11; Grützmacher, CR 2016, 695 (697); Groß, J., InTeR 2018, 4 (7); Grundmann, in: MüKo-BGB (2019), § 278 Rn. 46; Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 84 und 112; Hanisch, Haftung für Automation (2010), S. 28 f.; Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2829); Horner/Kaulartz, CR 2016, 7; John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 248 f.; Köhler, AcP 1982, 126 (168); Müller-Hengstenberg/Kirn, MMR 2014, 307 (311); Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 141. 1075
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
dem Einsatz der ersten serienmäßig produzierten EDV-Anlagen geführt.1079 Dabei entsprechen die von den Befürwortern und Gegnern der analogen Anwendung heute vorgebrachten Argumente im Wesentlichen denjenigen, welche auch früher angeführt wurden. Hauptargument für die Bejahung einer vergleichbaren Interessenlage ist, dass die Gründe, welche für die Zurechnung des Verhaltens des Erfüllungsgehilfen allgemein angeführt werden, auch beim Einsatz eines automatischen oder intelligenten Agenten greifen.1080 Wie der Schuldner, welcher einen menschlichen Erfüllungsgehilfen einsetzt, ziehe auch der Betreiber eines automatischen oder intelligenten Agenten aus dessen Einsatz und der damit verbundenen „Arbeitsteilung“ seine Vorteile.1081 Der Betreiber solle sich nicht dadurch der Haftungszurechnung nach § 278 BGB entziehen können, dass er statt eines menschlichen Hilfsmittels ein technisches einsetzt.1082 Zudem befinde sich der automatische oder intelligente Agent allein im Risiko- und Herrschaftsbereich des Betreibers, wohingegen der Kunde die Ergebnisse des Agenten weder steuern noch nachprüfen könne.1083 Gegen eine analoge Anwendung spricht zunächst die Verteilung von Risiko und Interesse. Nicht nur der Betreiber zieht Vorteile aus dem Einsatz des automatischen oder intelligenten Agenten, sondern auch der Kunde profitiert. Die geringere Fehleranfälligkeit, der Kostenvorteil, die Rationalität und die höhere Zuverlässigkeit, über welche ein automatisches oder intelligentes System im Vergleich zu einem Menschen verfügt, nutzen sowohl dem Betreiber als auch dem Kunden.1084 Wenn der Einsatz des automatischen oder intelligenten Agenten in beider Parteien Interesse ist, erscheint es nicht sachgerecht, das damit einhergehende Risiko nur einer der beiden Parteien aufzuerlegen. Auch wenn sich der Agent im Risiko- und Herrschaftsbereich des Betreibers befindet, erscheint es interessengerecht, die Vornahme einer Handlung durch den Agenten anders zu bewerten als die Abgabe einer Willenserklärung1085 mittels des Agenten. Im Gegensatz zum Recht der Willenserklärungen steht dem Betreiber 1079
Siehe etwa Köhler, AcP 1982, 126 (157 und 167 ff.); Lieser, JZ 1971, 759 (761); Loewenheim, BB 1967, 593 (597 f.); Schmidt, R., AcP 1966, 1 (23). 1080 Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 139. 1081 Köhler, AcP 1982, 126 (157); Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 139; Schmidt, R., AcP 1966, 1 (23); Wolf, M., JuS 1989, 899 (901). 1082 Köhler, AcP 1982, 126 (157). 1083 Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 130; John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 248; Köhler, AcP 1982, 126 (157); Schmidt, R., AcP 1966, 1 (23 f.); Wolf, M., JuS 1989, 899 (901). 1084 Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 130; Schmidt, R., AcP 1966, 1 (23). Siehe zu den Vorteilen eines Robo-Advisors für den Anleger oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 1. a) und 2. b). 1085 Dort spricht diese Risikoverteilung dafür die Willenserklärung des Agenten stets als Willenserklärung des Betreibers zu werten. Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 1 B. V.
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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hinsichtlich der Handlung eines Erfüllungsgehilfen kein Anfechtungsrecht zu, weshalb die Annahme einer Zurechnung nach § 278 BGB eine nicht sachgerechte, einseitige Risikoverteilung zu Lasten des Betreibers zur Folge hätte. Ausschlaggebend dürfte aber letztlich die Tatsache sein, dass § 278 BGB allein an menschliches Verhalten und ein Verschulden des Erfüllungsgehilfen anknüpft, welches zumindest für diesen vorhersehbar und vermeidbar war.1086 Eine analoge Anwendung auf nichtmenschliche Erfüllungsgehilfen anzuerkennen, würde aber letztlich dazu führen, über den § 278 BGB auch eine Haftung für die Risiken einer Sache einzuführen.1087 Da ein intelligenter oder automatischer Agent weder über Rechts-1088 noch über Schuldfähigkeit1089 verfügt, hätte dies zugleich zur Folge, dass die Grenze zwischen Verschuldens- und Verursachungshaftung aufgelöst werden würde.1090 Weil ein Agent aber nicht in der Lage ist, schuldhaft zu handeln, existiert auch kein Ansatzpunkt für die Zurechnung eines Verschuldens zum Betreiber.1091 Damit ginge zugleich das „Ventil“ verloren, welches das Verschulden des Erfüllungsgehilfen im Rahmen der Zurechnung nach § 278 BGB bildet und welches dafür sorgt, dass nicht jegliches Verhalten des Erfüllungsgehilfen dem Schuldner zugerechnet werden kann.1092 Letztlich würde eine analoge Anwendung des § 278 BGB dazu führen, dass sich dieser von einer Zurechnungsnorm zu einer haftungsbegründenden Norm wandelt, was der Schaffung eines Gefährdungshaftungstatbestands contra legem gleichkäme.1093 Schließlich wäre auch fraglich, welcher Sorgfaltsmaßstab mit Blick auf das Handeln des automatischen oder intelligenten Agenten heranzuziehen wäre, da die Rechtsfigur einer durchschnittlichen, idealtypischen Maschine grundsätzlich nicht existiert.1094 Die schuldrechtliche Zurechnung des Handelns des automatischen oder intelligenten Agenten über § 278 BGB analog ist demnach ebenfalls nicht möglich. Beim Handeln eines intelligenten Agenten und beim bestimmungswidrigen Handeln eines automatischen Agenten kann im Ergebnis auch im Bereich der vertragsrechtlichen Haftung nur an das Verhalten des Betreibers, etwa in Form einer 1086
Köhler, AcP 1982, 126 (168). Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 131; John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 249; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 140. 1088 Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 1 B. 1089 Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 1 C. II. 1090 Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 131; John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 249; Köhler, AcP 1982, 126 (168); Lieser, JZ 1971, 759 (761). 1091 Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2829). 1092 Grundmann, in: MüKo-BGB (2019), § 278 Rn. 46. 1093 Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 131; Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2829). 1094 Heuer-James/Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2829). 1087
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Inbetriebnahme oder Inbetriebhaltung des Agenten, angeknüpft werden.1095 Auch im vertraglichen Kontext wird die Schaffung einer gesetzlichen Regelung, welche die Zurechnung der Handlungen des Agenten zum Betreiber festlegt, in Teil 4 diskutiert.1096 III. Zurechnung aus strafrechtlicher Perspektive Da eine Handlungsfähigkeit automatischer und intelligenter Agenten nicht gegeben ist, scheidet auch im Strafrecht eine Zurechnung der Handlung des Agenten aus. Es kommt lediglich eine Anknüpfung an die Handlung einer natürlichen Person in Betracht. Entwickelt jemand vorsätzlich einen Agenten, welcher einen Dritten schädigt, oder nimmt bzw. hält einen solchen vorsätzlich in Betrieb, so stellt schon diese Entwicklung oder Inbetriebnahme bzw. Inbetriebhaltung eine vorwerfbare Tathandlung dar, so dass eine Zurechnung der Handlung des Agenten gar nicht notwendig ist.1097 Im Rahmen von Fahrlässigkeitsdelikten kommt es entscheidend darauf an, ob die Tatbestandsverwirklichung vorhersehbar war und ob der Täter eine Sorgfaltspflicht verletzt hat.1098 Auch hier kann bereits an die Programmierung oder die Inbetriebnahme bzw. Inbetriebhaltung des Agenten als vorwerfbare Tathandlung angeknüpft werden.1099
§ 2 Aufsichtsrechtliche Folgen eines Pflichtenverstoßes beim Einsatz eines Robo-Advisors Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Pflichten können sowohl Maßnahmen der BaFin als auch straf- und ordnungdswidrigkeitenrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
1095 Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), § 278 Rn. 11; Horner/Kaulartz, CR 2016, 7; Müller-Hengstenberg/Kirn, MMR 2014, 307 (311). Speziell in Bezug auf Robo-Advisors Spindler, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 13 Rn. 39. 1096 Siehe unten Teil 4 Kap. 2 § 2 A. II. 1097 Gleß/Weigend, ZSTW 2014, 561 (579); Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 192 f. 1098 Gleß/Weigend, ZSTW 2014, 561 (580). 1099 Gleß/Weigend, ZSTW 2014, 561 (581 f.); Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 193.
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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A. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen der BaFin Verstößt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen beim Einsatz eines RoboAdvisors gegen aufsichtsrechtliche Pflichten, so stehen der BaFin zahlreiche Eingriffsinstrumente zur Verfügung, um das Aufsichtsrecht durchzusetzen.1100 Dazu gehört sowohl ein Tätigwerden in Form von Verwaltungsakten i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG und in Form von Richtlinien als auch informelles Verwaltungshandeln.1101 Zum informellen Verwaltungshandeln gehört unter anderem die Kommunikation mittels Gesprächen, Auskunftsschreiben, Gesuchen und Ermahnungen.1102 Im Rahmen des hoheitlichen Verwaltungshandelns hat die BaFin etwa die Möglichkeit, nach § 35 Abs. 2 KWG die aufsichtsrechtliche Erlaubnis aufzuheben oder nach § 36 KWG die Geschäftsleiter abzuberufen. Dies umfasst nach § 35 Abs. 2 Nr. 6 KWG insbesondere den Fall des nachhaltigen Verstoßes gegen Bestimmungen des KWG, des GwG und des WpHG. Wird demnach beim Einsatz eines Robo-Advisors trotz Abmahnung gegen Bestimmungen dieser Gesetze, insbesondere gegen die Wohlverhaltens- und Organisationspflichten der §§ 63 ff. WpHG verstoßen, so kann die BaFin sowohl die Geschäftsleiter des verantwortlichen Wertpapierdienstleistungsunternehmens abberufen als auch die aufsichtsrechtliche Erlaubnis aufheben. Daneben enthalten sowohl § 6 Abs. 3 S. 1 KWG als auch § 6 Abs. 1 S. 3 WpHG Generalklauseln, nach denen der BaFin eine allgemeine Anordnungsbefugnis zur Durchsetzung des Aufsichtsrechts zukommt.1103 Um nicht schwerwiegende Maßnahmen durch die BaFin bis hin zur Aufhebung der aufsichtsrechtlichen Erlaubnis zu riskieren, muss beim Einsatz eines RoboAdvisors sowohl vor seiner Inbetriebnahme als auch durch laufende Überwachung sichergestellt sein, dass dieser die sich aus dem KWG und dem WpHG ergebenden Anforderungen erfüllt. Aufgrund ihrer kaum zu unterschätzenden Bedeutung für die Regelungsziele des Aufsichtsrechts und der besonderen Komplexität, welche sich bei ihrer Umsetzung durch automatische und intelligente Agenten ergibt, gilt dies insbesondere für die Erfüllung der Anforderungen an das Risikomanagement nach § 25a KWG und die Wohlverhaltens- und Organisationspflichten nach den §§ 63 ff. WpHG. 1100 Glos, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 13 Rn. 129; Schäfer, F., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 6 KWG, Rn. 9. 1101 Freis-Janik, in: Kümpel (Begr.), Bank- und Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 2.389; Glos, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 13 Rn. 129; Schäfer, F., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 6 KWG, Rn. 9 und 22. 1102 Glos, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 13 Rn. 129; Schäfer, F., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 6 KWG, Rn. 22. 1103 Schäfer, F., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 6 KWG, Rn. 61; Zetsche/Lehmann, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, § 6 WpHG, Rn. 37.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
B. Straf- und bußgeldbewehrte Pflichtenverstöße Sowohl das KWG als auch das WpHG unterscheiden zwischen strafwürdigen und bußgeldbewehrten Pflichtenverstößen. Bei ihrer Anwendung ist sowohl die Eigenschaft des Robo-Advisors als automatischer oder intelligenter Agent als auch die Eigenschaft des als Betreiber agierenden Wertpapierdienstleistungsunternehmens zu berücksichtigen. Besonderes Augenmerk muss zudem darauf gelegt werden, dass eine „digitale Auslegung“ im Rahmen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts nicht möglich ist. I. Die Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit beim Einsatz eines Robo-Advisors Wie soeben erläutert wurde, kann eine Zurechnung strafrechtlich relevanten Handelns beim Agieren eines automatischen oder intelligenten Agenten nicht erfolgen.1104 Weil den Anknüpfungspunkt folglich stets nur das eigene Handeln des Betreibers bildet, kann Gegenstand eines Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsvorwurfs niemals der fehlerhafte Algorithmus des Robo-Advisors selbst sein, sondern lediglich ein menschliches Fehlverhalten, welches die Fehlerhaftigkeit des Algorithmus zur Folge hatte.1105 Die Bejahung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit ist somit nur dann möglich, wenn das Fehlverhalten des Robo-Advisors auf ein menschliches Handeln zurückgeführt werden kann. II. Vorschriften des KWG 1. Handeln ohne Erlaubnis Die bedeutendste Strafnorm des KWG stellt § 54 KWG dar1106, welcher das Betreiben verbotener Geschäfte und das Handeln ohne Erlaubnis sanktioniert. Nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer ohne Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 S. 1 KWG Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt. Bei fahrlässiger Begehung beträgt die Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre, § 54 Abs. 2 KWG. Wie soeben dargestellt, muss beim Einsatz automatischer oder intelligenter Agenten für die Tatbegehung nicht erst an die konkrete Erbringung der Finanzdienstleistung durch den Agenten angeknüpft werden.1107 Als taugliche Tathandlung eignet sich vielmehr schon die vorsätzliche Inbetriebnahme des Robo-Advisors. Da aber Robo-Advisor regelmäßig nicht von Einzelpersonen, sondern von Unternehmen 1104 1105 1106 1107
Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 1 C. III. Spoerr, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 120 Rn. 1354. Nestler, Bank- und Kapitalmarktstrafrecht (2017), Rn. 776. Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 1 C. II.
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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betrieben werden, stellt sich zudem die Frage, wer in der Organisation als Täter anzusehen ist. Aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB folgt, dass derjenige die Finanzdienstleistung i. S. d. § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG erbringt, der in organschaftlicher Stellung für die juristische Person handelt.1108 Als Täter i. S. d. § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG gilt deshalb, wem eine leitende Funktion zukommt und wer mit weitreichenden Befugnissen beauftragt wurde, für das Unternehmen zu handeln.1109 Somit kommt als Täter in Betracht, wer in leitender Funktion an der Inbetriebnahme des Robo-Advisors beteiligt war. Gerade bei FinTechs, welche neuartige und innovative Geschäftsmodelle anbieten, ist aber nicht immer eindeutig, ob diese den Tatbestand eines Finanzdienstleistungsinstituts erfüllen. Fraglich ist deshalb außerdem, ob eine Strafbarkeit auch vorliegt, wenn sich der Täter im Irrtum über die Erlaubnispflichtigkeit oder das Vorliegen einer Erlaubnis befindet. Keine Entschuldigung stellt grundsätzlich die Behauptung dar, nicht gewusst zu haben, dass das Betreiben eines Robo-Advisors eine erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung darstellt.1110 Ein Verbotsirrtum i. S. d. § 17 S. 1 StGB setzt voraus, dass der Irrtum nicht vermeidbar war. Da die BaFin auf ihrer Internetseite aber klar Stellung zur Erlaubnispflichtigkeit der Robo-Advice nimmt, dürfte sich der Nachweis einer solchen Vermeidbarkeit als schwierig erweisen.1111 Ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB kommt dagegen in Betracht, wenn der Täter irrig davon ausgeht, dass die Tätigkeit des Robo-Advisors einen Ausnahmetatbestand von der Erlaubnispflichtigkeit wie etwa § 2 Abs. 4, Abs. 5, Abs. 6 S. 1 Nr. 8, Abs. 6 S. 1 Nr. 20 oder Abs. 10 KWG erfüllt.1112 Dies ist etwa der Fall, wenn der Betreiber die Grenzen zwischen der Anlageberatung und der Vermögensverwaltung verkennt und fälschlicherweise davon ausgeht den Tatbestand des § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG zu erfüllen. Gem. § 16 Abs. 1 S. 2 StGB bleibt die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung davon aber unberührt. Ist dem Täter nicht bewusst, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht über eine entsprechende Erlaubnis verfügt, bleibt der Robo-Advisor nach einer Aufhebung der Erlaubnis weiterhin in Betrieb oder war dem Täter unvermeidbar 1108 Lindemann, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 54 KWG, Rn. 23. 1109 Lindemann, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 54 KWG, Rn. 23. 1110 Allgemein zu Erbringung von Finanzdienstleistungen Lindemann, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 54 KWG, Rn. 26 f. 1111 BaFin, Robo-Advice und Auto-Trading (2016), abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Auf sicht/FinTech/Anlageberatung/anlageberatung_node.html; BaFin, Automatisierte Finanzportfolioverwaltung, (2016), abrufbar unter: www.bafin.de/DE/Aufsicht/FinTech/Finanzportfolio verwaltung/finanzportfolioverwaltung_node.html. Vgl. auch Pieper, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 6 Rn. 48. 1112 Reichling, in: MüKo-StGB (2019), § 54 KWG, Rn. 74; Lindemann, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 54 KWG, Rn. 28. Siehe zu möglichen Ausnahmetatbeständen bei der Robo-Advice oben Teil 3 Kap. 2 § 2 A. II. 1.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
nicht bewusst, dass eine Erlaubnispflichtigkeit besteht, so kommt eine fahrlässige Tatbegehung gem. § 54 Abs. 2 KWG in Betracht. Dabei haben unmittelbar an der Geschäftsleitung beteiligte Personen umfangreichere Sorgfaltspflichten zu erfüllen als Unternehmensbeteiligte, die von Gesetzes wegen nicht unmittelbar zur Einholung der Genehmigung verpflichtet sind.1113 Für die Strafbarkeit nach § 54 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 KWG entscheidend ist also letztlich, wer vorsätzlich oder fahrlässig die Inbetriebnahme des Robo-Advisors initiiert hat, bevor eine aufsichtsrechtliche Erlaubnis erteilt wurde oder wer vorsätzlich oder fahrlässig einen Robo-Advisor in Betrieb hält, nachdem die aufsichtsrechtliche Erlaubnis aufgehoben wurde. 2. Sanktionen gegen juristische Personen Ein wesentlicher Unterschied zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten liegt darin, dass nach § 30 Abs. 1 OWiG eine Geldbuße auch gegen eine juristische Person verhängt werden kann, während eine Straftat nur von Menschen begangen werden kann. Anknüpfend an die von einer natürlichen Person in leitender Stellung nach § 54 KWG begangene Straftat kann deshalb nach § 30 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 OWiG auch gegen die juristische Person selbst eine Geldbuße von bis zu zehn Millionen Euro bei vorsätzlicher und bis zu fünf Millionen Euro bei fahrlässiger Begehung verhängt werden. § 59 KWG erstreckt sich unter anderem auch auf solche Unternehmen im Sinne des § 53b Abs. 1 S. 1 KWG, welche über eine Zweigniederlassung oder im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs im Inland tätig sind. Erfüllt eine natürliche Person einen Straftatbestand nach dem KWG, kommt also nicht nur ein strafrechtliches Vorgehen gegen diese selbst in Betracht. Auch das Finanzdienstleistungsunternehmen, das den Robo-Advisor betreibt, kann mit einem Bußgeld sanktioniert werden. Dies gilt auch für solche Unternehmen, welche mittels eines Europäischen Passes i. S. d. § 53b Abs. 1 S. 1 KWG grenzüberschreitend in Deutschland tätig sind.1114 III. Vorschriften des WpHG 1. Relevante Bußgeldvorschriften des WpHG Im WpHG sind keine Strafvorschriften zu finden, welche beim Einsatz eines Robo-Advisors von Relevanz sind. Dagegen enthält § 120 Abs. 8 WpHG eine Reihe von Bußgeldvorschriften, welche eine nicht ordnungsgemäße Erfüllung der Wohlverhaltens- und Organisationspflichten aus §§ 63 ff. WpHG sanktionieren. Erfasst sind dabei sämtliche Wohlverhaltens- und Organisationspflichten, welche auch beim 1113
Reichling, in: MüKo-StGB (2019), § 54 KWG, Rn. 77; Lindemann, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 54 KWG, Rn. 28. 1114 Siehe zur grenzüberschreitenden Tätigkeit von Robo-Advisorn oben Teil 3 Kap. 2 § 2 A. I. 3.
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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Einsatz eines Robo-Advisors zu berücksichtigen sind. Dabei sanktioniert § 120 Abs. 8 WpHG insbesondere die fehlerhafte Offenlegung von Interessenkonflikten (Nr. 27), Fehler im Zusammenhang mit der Zurverfügungstellung von Informationen (Nr. 31, 33, 35, 38), Fehler im Zusammenhang mit der Kundenexploration, der Geeignetheitsprüfung und der Geeignetheitserklärung (Nr. 39, 40, 41) und unzureichende Vorkehrungen, um die Kontinuität und Regelmäßigkeit der Wertpapierdienstleistungen zu gewährleisten (Nr. 97). Zu beachten ist weiterhin, dass § 120 Abs. 8 WpHG teilweise schlicht „wer“ und teilweise „wer als Wertpapierdienstleistungsunternehmen“ adressiert. Die Ordnungswidrigkeiten können also mitunter nur vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst begangen werden. Sofern sich eine Nummer des § 120 Abs. 8 WpHG auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen bezieht, so ist die Sanktion gem. § 9 OWiG aber gegen die für das Unternehmen als Vertreter handelnde Person zu richten. Da ein Vorgehen gegen den Robo-Advisor selbst ausscheidet, kommt erneut ein Vorgehen gegen denjenigen in Betracht, welcher vorsätzlich oder leichtfertig die Inbetriebnahme desjenigen Robo-Advisors initiiert hat, der gegen die genannten Wohlverhaltens- und Organisationpflichten verstößt. Ebenfalls kann gem. § 30 OWiG eine Geldbuße gegen die juristische Person festgesetzt werden. 2. Vorsatz und Leichtfertigkeit Bußgeldbewehrt ist nach § 120 Abs. 8 WpHG nicht nur eine vorsätzliche Verletzung der Wohlverhaltens- und Organisationspflichten, sondern auch ein leichtfertiges Handeln. Bei der Leichtfertigkeit handelt es sich um einen besonders gesteigerten Grad der Fahrlässigkeit.1115 Da von Personen, die für Wertpapierdienstleistungsunternehmen tätig werden, erwartet wird, dass sie sich mit den gesetzlichen Voraussetzungen vertraut machen und wenn nötig professionellen Rat einholen, wird Leichtfertigkeit insbesondere bei Vorliegen eines vermeidbaren Verbotsirrtums i. S. d. § 11 Abs. 2 OWiG angenommen.1116 Beim Einsatz eines Robo-Advisors kommt ein Leichtfertigkeitsvorwurf aber auch dann in Betracht, wenn ein RoboAdvisor in Betrieb genommen wird, ohne dass mit ausreichender Sorgfalt sichergestellt wurde, dass der ihm zugrundeliegende Algorithmus in der Lage ist, die Wohlverhaltens- und Organisationspflichten zu erfüllen. Dem hinter dem Robo-Advisor stehenden Wertpapierdienstleistungsunternehmen und den für es handelnden Personen sollte demnach schon aus ordnungswidrigkeitenrechtlicher Sicht daran gelegen sein, durch entsprechende Tests und Vorkehrungen dafür Sorge zu tragen, dass der Robo-Advisor fähig ist, die aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltens- und Organisationspflichten zu erfüllen.
1115 Spoerr, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 120 Rn. 371; Eggers, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht (2019), Kap. 3 Rn. 36. 1116 Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), § 39 Rn. 331 und 341.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
IV. Verbot der „digitalen Auslegung“ im Strafund Ordnungswidrigkeitenrecht Da der Inhalt und die Bedeutung der Wohlverhaltens- und Organisationspflichten beim Einsatz eines Robo-Advisors teilweise schwer zu ermitteln ist und mitunter auf eine digitale Auslegung1117 zurückgegriffen werden muss, stellt sich außerdem die Frage, wie mit diesen rechtlichen Unsicherheiten im Ordnungswidrigkeitenrecht umzugehen ist. Ähnlich wie bei der Erlaubnispflicht nach dem KWG muss auch bei der Beurteilung von Ordnungswidrigkeiten darauf Rücksicht genommen werden, dass die Rechtslage hinsichtlich der von einem Robo-Advisor zu erfüllenden Pflichten derzeit sehr unklar ist, und es muss unter Umständen ein Verbotsirrtum nach § 11 Abs. 2 OWiG angenommen werden. Unstreitig ist, dass bei der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionierung der Verletzung einer aufsichtsrechtlichen Pflicht eine Auslegung der aufsichtsrechtlichen Bezugsnormen über ihren Wortlaut hinaus wegen des Analogieverbots nach § 3 OWiG i. V. m. Art. 103 Abs. 2 GG ausgeschlossen ist.1118 Damit scheidet auch eine digitale Auslegung der Wohlverhaltens- und Organisationspflichten aus. Lässt sich eine Wohlverhaltens- oder Organisationspflicht nach ihrem Wortlaut nicht unmittelbar auf den Einsatz eines Robo-Advisors anwenden, so können aus ihrer Verletzung deshalb keine strafrechtlichen oder bußgeldrechtlichen Sanktionen folgen.
§ 3 Zivilrechtliche Folgen eines Pflichtenverstoßes beim Einsatz eines Robo-Advisors Zivilrechtliche Ansprüche seitens des Kunden können sich beim Einsatz eines Robo-Advisors sowohl aus dem vertraglichen Verhältnis als auch aus Deliktsrecht ergeben.
A. Vertragliche Haftung I. Haftung des Betreibers Als Anspruchsgegner des Kunden kommt im Rahmen der vertraglichen Haftung allein der Vertragspartner selbst, d. h. der Betreiber des Robo-Advisors im vertragsrechtlichen Sinne, in Betracht.1119
1117
Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 D. Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), Einl. Rn. 35; Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), HGB (2015), Bank- und Börsenrecht, Rn. VI 32. 1119 Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 1 B. und Teil 3 Kap. 4 § 1 B. und C. 1118
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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1. Besonderheiten der Robo-Advice Eine sachgerechte und trennscharfe Prüfung der potentiellen Schadensersatzansprüche des Kunden beim Einsatz eines Robo-Advisors kann nur gelingen, wenn den Besonderheiten der Robo-Advice Rechnung getragen wird. Dies bedeutet insbesondere, die Unterschiede zwischen klassischen Anlageberatungs- bzw. Vermögensverwaltungsverträgen und Verträgen über die Anlageberatung bzw. Vermögensverwaltung mittels eines Robo-Advisors bei der Prüfung zu berücksichtigen. Der klassische menschliche Finanzintermediär schuldet die Abgabe eines Anlagerats oder die Verwaltung des Kundenvermögens. Ein Schadensersatzanspruch des Kunden besteht, wenn der Anlagerat oder die Vermögensverwaltung nicht mit den Kundeninteressen vereinbar ist, der Finanzintermediär diese Pflichtverletzung zu vertreten hat und die Pflichtverletzung kausal für den beim Kunden entstandenen Schaden war. Der Betreiber eines Robo-Advisors schuldet dagegen die Inbetriebnahme und Inbetriebhaltung eines Robo-Advisors, welcher dazu in der Lage ist, einen ordnungsgemäßen Anlagerat zu erteilen bzw. das Kundenvermögen ordnungsgemäß zu verwalten. Damit wird die Handlungskette, welche von der Pflichtverletzung zum Schaden führt, um einen weiteren Schritt ergänzt. Bei der Robo-Advice erschöpft sich die Erfüllung der vertraglichen Pflichten in den Bereichen, in denen der Betreiber den Robo-Advisor einsetzt, deshalb nicht etwa in der Abgabe eines Rats oder dem Treffen einzelner Anlageentscheidungen im Rahmen der Vermögensverwaltung, sondern stellt jeweils einen gestreckten Sachverhalt dar. Zunächst handelt der Betreiber des Robo-Advisors, indem er diesen in Betrieb nimmt und laufend in Betrieb hält. Aufgrund dieser initialen Handlung des Betreibers wird der Programmablauf des Robo-Advisors in Gang gesetzt, welcher in der Ausführung der ihm obliegenden Aufgaben, d. h. etwa der Kunden-Befragung, der Prüfung der Geeignetheit und insbesondere der Erteilung eines Anlagerats oder der laufenden Verwaltung des Kundenvermögens mündet. Die Pflichterfüllung vollzieht sich bei der Robo-Advice deshalb zweiaktig: Durch die Inbetriebnahme bzw. Inbetriebhaltung durch den Betreiber und durch die Ausführung des Pflichtenprogramms durch den Robo-Advisor. Dass der Robo-Advisor die Pflichten ausführt, bedeutet aber nicht, dass die Pflichterfüllung dem RoboAdvisor obliegt. Die vertraglichen Pflichten bleiben Pflichten des Betreibers, der den Robo-Advisor einsetzt. Aus diesem Grund kann auch nur der Betreiber, nicht aber der Robo-Advisor, eine Pflichtverletzung begehen. Diese Zweiaktigkeit muss sowohl auf der Ebene der Pflichtverletzung als auch auf der Ebene des Verschuldens sowie auf der Ebene der Kausalität angemessen berücksichtigt werden.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
2. Mögliche Pflichtverletzungen Zunächst muss eine Pflichtverletzung des Betreibers vorliegen. Der Begriff der Pflichtverletzung wurde im Rahmen der Schuldrechtsreform in das BGB eingeführt und stellt den Zentralbegriff des Leistungsstörungsrechts dar.1120 Darüber, wie der Begriff der Pflichtverletzung zu definieren ist, herrscht jedoch noch immer Uneinigkeit. Die herrschende Meinung verfolgt einen erfolgsbezogenen Ansatz. Danach ist in jeder objektiven Störung des Schuldverhältnisses eine Pflichtverletzung zu sehen, unabhängig davon, ob diese dem Schuldner, dem Gläubiger oder keiner der Parteien zuzurechnen ist.1121 Nach der verhaltensbezogenen Auffassung ist in jedem Verhalten des Schuldners, das von dem durch das Schuldverhältnis vorgegebenen Pflichtenprogramm abweicht, eine Pflichtverletzung zu sehen.1122 Dieser Streit besteht jedoch nur im Fall erfolgsbezogener Pflichten. Handelt es sich um ein Schuldverhältnis, in dem lediglich ein bestimmtes Verhalten, nicht aber ein Erfolg geschuldet wird, so besteht Einigkeit darüber, dass die Pflichtverletzung verhaltensbezogen definiert werden muss.1123 Da es sich sowohl beim Anlageberatungs- als auch beim Vermögensverwaltungsvertrag um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter handelt1124, bei welchem kein Erfolg geschuldet wird, ist die Pflichtverletzung auch im vorliegenden Zusammenhang verhaltensbezogen zu definieren. Eine Pflichtverletzung des Betreibers kann folglich nur dann bejaht werden, wenn das Verhalten des Betreibers von dem mit dem Kunden vertraglich vereinbarten Pflichtenprogramm abweicht. Wie bereits festgestellt wurde, stellen die Handlungen des Robo-Advisors nur dann eigene Handlungen des Betreibers dar, wenn es sich um einen automatischen Robo-Advisor handelt, der entsprechend seiner Bestimmung agiert.1125 In allen anderen Fällen kann nur an die Inbetriebnahme bzw. Inbetriebhaltung des RoboAdvisors durch den Betreiber angeknüpft werden. Wenn eine Zurechnung der Handlungen des Robo-Advisors zum Betreiber nicht erfolgt1126, kann für die Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Pflichtverletzung auch nicht auf die Handlungen des Robo-Advisors abgestellt werden. Vielmehr muss der gesamte gestreckte Sachverhalt der Pflichterfüllung berücksichtigt werden. 1120
Ernst, in: MüKo-BGB (2019), § 280 Rn. 11; Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), § 280 Rn. 1/2 f.; Lorenz, in: Bamberger et al. (Hrsg.), BeckOK BGB (2020), § 280 Rn. 11. 1121 Benicke/Hellwig, NJW 2014, 1697 (1698); Canaris, JZ 2001, 499 (512); Ernst, in: MüKo-BGB (2019), § 280 Rn. 13 und 18; Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), § 280 Rn. 12; Lorenz, in: Bamberger et al. (Hrsg.), BeckOK BGB (2020), § 280 Rn. 11; Lorenz, NJW 2005, 1889 (1890), Schulze, in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), Vor §§ 275 – 292 Rn. 8. 1122 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 66; Heuser, Jura 2012, 663 (666 f.). 1123 Lorenz, NJW 2005, 1889 (1890); Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), § 280 Rn. 12. 1124 Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 2. 1125 Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 1 C. II. 1126 Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 1 C. II.
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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Die Erfüllung der vertraglichen Pflichten setzt sich beim digital geprägten Anlageberatungs- oder Vermögensverwaltungsvertrag aus der Inbetriebnahme bzw. Inbetriebhaltung durch den Betreiber und der Ausführung des Pflichtenprogramms durch den Robo-Advisor zusammen. Deshalb kann eine Pflichtverletzung ebenfalls nur das Ergebnis der Summe dieser beider Aktionen sein. Auch die Pflichtverletzung muss sich folglich zweiaktig vollziehen. Während bei der klassischen Beratung durch einen menschlichen Berater der durch den Menschen unmittelbar fehlerhaft erteilte Anlagerat eine Pflichtverletzung darstellt, kann es bei der Robo-Advice keinen fehlerhaften Anlagerat geben, ohne dass der Robo-Advisor zuvor durch den Menschen in Betrieb genommen wurde und laufend in Betrieb gehalten wird. In den Bereichen, in denen sich der Betreiber zum Einsatz eines Robo-Advisors verpflichtet hat, liegt eine Pflichtverletzung des Betreibers somit nur dann vor, wenn der RoboAdvisor vom Betreiber in Betrieb genommen bzw. in Betrieb gehalten wurde und der Robo-Advisor anschließend eine nicht dem Pflichtenprogramm des Betreibers entsprechende Handlung ausgeführt hat. Welche Handlungen des Robo-Advisors nicht dem Pflichtenprogramm des Betreibers aus dem Anlageberatungs- bzw. Vermögensverwaltungsvertrag entsprechen wird im Folgenden dargestellt. a) Haftung aus dem Anlageberatungsvertrag Bei der Anlageberatung kommen Pflichtverletzungen sowohl im Rahmen der anlegergerechten als auch der objektgerechten Beratung in Betracht. aa) Vorvertragliche Haftung Ob sich eine Haftung aus dem vertraglichen oder dem vorvertraglichen Verhältnis ergibt, hängt bei der Anlageberatung im Wesentlichen davon ab, zu welchem Zeitpunkt man einen Vertragsschluss annimmt.1127 Beim Einsatz eines Robo-Advisors stellt das Absenden der Antworten auf die Online-Befragung mit dem Klicken auf die Schaltfläche „Anlagestrategie ermitteln“ die Abgabe des Angebots auf den Abschluss eines Anlageberatungsvertrags dar. Dieses wird durch die Anzeige des Anlagevorschlags, verbunden mit den entsprechenden Informationen, angenommen.1128 Pflichtverletzungen des Betreibers im vorvertraglichen Bereich können sich deshalb vor allem durch eine unzureichende Einholung von Informationen im Rahmen der Kundenexploration durch den Robo-Advisor ergeben. Im Übrigen überlagern die Pflichten aus dem geschlossenen Anlageberatungsvertrag diejenigen aus der (subsidiären) culpa in contrahendo.1129 1127
Buck-Heeb, ZIP 2013, 1401 (1407 f.); Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 501. 1128 Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 2 A. 1129 Spindler, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar (2016), 33. Kap., Rn. 62; Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 501.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
bb) Vertragliche Haftung Schadensersatzansprüche ergeben sich bei der Anlageberatung somit vor allem aus der vertraglichen Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB.1130 (1) Verstoß gegen die Pflicht zur anlegergerechten Beratung Ein Verstoß gegen die Pflicht zur anlegergerechten Beratung liegt vornehmlich dann vor, wenn die individuellen Eigenschaften und Bedürfnisse des Kunden bei der Ermittlung des Anlagevorschlags nicht ausreichend berücksichtigt wurden.1131 Übertragen auf den Einsatz eines Robo-Advisors, bedeutet dies, dass das Programm aufgrund eines fehlerhaften Algorithmus nicht alle erlangten Kundeninformationen, welche für die Beurteilung relevant sind, in die Ermittlung des Anlagevorschlags miteinbezieht. An dieser Stelle sei erneut1132 darauf hingewiesen, dass durch RoboAdvisor, welche Big-Data-Techniken einsetzen, die umfangreichen Informationen, welche diese über Kunden erlangen, auch im Rahmen der Entwicklung einer passenden Anlagestrategie verwerten werden müssen, da deren Betreiber anderenfalls eine Pflichtverletzung begehen.1133 (2) Verstoß gegen die Pflicht zur objektgerechten Beratung Gegen die Pflicht zur objektgerechten Beratung wird insbesondere dann verstoßen, wenn der Anlageberater seine Informationspflichten nur unzureichend erfüllt und den Kunden nicht vollständig, nicht richtig oder nicht verständlich über die Chancen und Risiken der empfohlenen Anlageobjekte informiert.1134 In engem Zusammenhang mit der Informationspflicht steht die Pflicht des Anlageberaters, sich über die Eigenschaften eines Anlageproduktes umfassend zu informieren, die sog. Sachkundepflicht.1135 Eine Pflichtverletzung kann in diesem Zusammenhang daraus folgen, dass der Anlageberater nicht alle Informationen über die Eigenschaften eines Anlageprodukts eingeholt hat, welche zu einer sorgfältigen und sachkundigen Prüfung erforderlich sind.1136 Sorgt der Betreiber eines anlageberatenden RoboAdvisors also nicht dafür, dass dieser stets auf der Basis aktueller Informationen 1130 Spindler, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar (2016), 33. Kap., Rn. 204; Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 412. 1131 BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (128 f.) (Bond); BGH, Urt. v. 27. 9. 2011 – XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 (125) Rn. 22; Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 413. 1132 Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 3 A. I. 2. 1133 Spindler/Seidel, NJW 2018, 2153 (2157). Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 5. b) bb). 1134 BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (129) (Bond); BGH, Urt. v. 27. 9. 2011 – XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 (125); Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 413. 1135 Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 3 A. II. 2. 1136 BGH, Urt. v. 6. 7. 1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (131) (Bond); BGH, Urt. v. 7. 10. 2008 – XI ZR 89/07, BGHZ 178, 149 (153) Rn. 12; BGH, Urt. v. 27. 10. 2009 – XI ZR 337/08, NJW-RR 2010, 115 (116); Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 414.
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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arbeitet, hat dies eine Verletzung der vertraglichen Pflichten zur Folge. Erneut führt die Fähigkeit eines Robo-Advisors zur Anwendung von Big-Data-Techniken zu einer Erweiterung des Pflichtenumfangs für den Betreiber.1137 b) Haftung aus dem Vermögensverwaltungsvertrag Benicke unterscheidet im Rahmen der Vermögensverwaltung vier typische Arten von Pflichtverletzungen, welche sowohl im vorvertraglichen Bereich als auch im Bereich der Vertragsdurchführung angesiedelt sind und auf welche im Folgenden eingegangen wird.1138 Den Verstoß gegen die Pflicht zur Vermeidung und Offenlegung von Interessenkonflikten sieht Benicke allerdings nicht als typische Pflichtverletzung, da der Kunde in diesen Fällen zum einen keine Kenntnis über die genauen Aktivitäten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens hat und er zum anderen regelmäßig auch nicht dazu in der Lage ist, einen Schaden nachzuweisen.1139 Auch beim Einsatz eines Robo-Advisors kann es grundsätzlich zum Auftreten dieser typischen Pflichtverletzungen kommen. aa) Vorvertragliche Haftung Im Gegensatz zum Anlageberatungsvertrag bestehen im Rahmen eines Vermögensverwaltungsvertrags bereits im vorvertraglichen Bereich umfassende Beratungspflichten, so dass sich verschiedene Ansatzpunkte für mögliche Pflichtverletzungen und einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB bieten.1140 (1) Keine ausreichende Beratung bei der Festlegung der Anlagerichtlinien Zunächst ist an den Fall zu denken, dass bereits bei Festlegung der Anlagerichtlinien keine ordnungsgemäße Beratung erfolgt, so dass schon die Anlagerichtlinien nicht mit den tatsächlichen Anlagezielen des Kunden übereinstimmen.1141 Zu einer unrichtigen Festlegung von Anlagerichtlinien kann es kommen, wenn die Software des Robo-Advisors fehlerbehaftet ist und in Folge eine ungenaue Kundenexploration oder Geeignetheitsprüfung vorgenommen wird. Dies führt dazu, dass dem Kunden eine Risikokennzahl oder ein Musterportfolio zugeordnet wird, die bzw. das nicht seinen Anlagezielen entspricht.
1137
Vgl. Spindler/Seidel, NJW 2018, 2153 (2157). Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 813. 1139 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 813 f. 1140 Buck-Heeb/Lang, V., in: Gsell et al. (Hrsg.), BeckOGK BGB, 1. 3. 2020, § 675 Rn. 651 und 790. 1141 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 813 und 815 ff.; Buck-Heeb/ Lang, V., in: Gsell et al. (Hrsg.), BeckOGK BGB, 1. 3. 2020, § 675 Rn. 790. 1138
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
(2) Unzureichende Information über Chancen und Risiken In den vorvertraglichen Bereich fällt beim Vermögensverwaltungsvertrag zudem die Verletzung der Pflicht, den Kunden umfassend, sorgfältig und verständlich über die den Anlagerichtlinien zugrundeliegenden Produktgattungen und die sich aus ihnen ergebenden Chancen und Risiken zu informieren.1142 Wie im Rahmen der Anlageberatung auch, kann sich eine Pflichtverletzung des Betreibers insbesondere daraus ergeben, dass durch den Robo-Advisor dem Kunden ein fehlerhaftes Informationsblatt zur Verfügung gestellt wird oder dass das Informationsblatt nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt wird. bb) Vertragliche Haftung Die einschlägige Anspruchsgrundlage für Pflichtverletzungen bei der Durchführung von Vermögensverwaltungsverträgen stellt ebenfalls § 280 Abs. 1 BGB dar. (1) Abweichen von den Anlagezielen des Kunden Im Rahmen der vertraglichen Haftung ist denkbar, dass sich der Vermögensverwalter trotz der festgelegten Anlagerichtlinien bei der Durchführung der Verwaltung nicht an diese hält und eine Anlageentscheidung trifft, die gegen bestimmte Anlagerichtlinien verstößt.1143 Diese Pflichtverletzung stellt in der Gerichtspraxis sogar den häufigsten Grund für Schadensersatzforderungen dar.1144 Auch bei der Robo-Advice kann die Durchführung der Verwaltung gegen die festgelegten Anlagerichtlinien verstoßen, wenn die Anlageentscheidungen aufgrund eines fehlerhaften Algorithmus von den zugeordneten Risikokennzahlen oder Musterportfolios abweichen oder der Rebalancing-Algorithmus fehlerbehaftet ist. Eine typische Pflichtverletzung stellt es laut Benicke außerdem dar, wenn die Anlagepolitik des Vermögensverwalters bei einem Kunden, mit dem keine konkreten Anlagerichtlinien vereinbart wurden, nicht mit dessen Anlagezielen übereinstimmt.1145 Da es zum grundlegenden Geschäftsmodell der Robo-Advice gehört, Anlagerichtlinien festzulegen, kommt eine solche typische Pflichtverletzung beim Einsatz eines Robo-Advisors nicht in Betracht. (2) Unzureichende Einholung und Auswertung von Produktinformationen Schließlich kann es bei der Vermögensverwaltung ebenso wie bei der Anlageberatung dazu kommen, dass der Verwalter nur unzureichend Informationen hinsichtlich der einzelnen Anlageobjekte einholt und auswertet und in Folge eine 1142
Buck-Heeb/Lang, V., in: Gsell et al. (Hrsg.), BeckOGK BGB, 1. 3. 2020, § 675 Rn. 790; Schäfer, Ulrike, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 19 Rn. 26. 1143 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 813 und 817 ff. 1144 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 817. 1145 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 813 und 820 ff.
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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fehlerhafte Anlageentscheidung trifft.1146 Bei der Verarbeitung von Informationen über die Marktentwicklung und die Produkteigenschaften durch Robo-Advisor können ebenfalls Fehler im System vorhanden sein, welche dazu führen, dass es zu einer fehlerhaften Bewertung einzelner Anlageobjekte und sich daraus ergebenden fehlerhaften Anlageentscheidungen kommt. Auch an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Fähigkeit eines Robo-Advisors zur Anwendung von Big-DataTechniken die Pflicht des Betreibers zur Einholung und Auswertung von Informationen und damit auch den Kreis möglicher Pflichtverletzungen durch den Betreiber erweitert.1147 3. Vertretenmüssen Ein Vertretenmüssen des Schuldners ist gegeben, wenn diesem hinsichtlich der Pflichtverletzung ein Verschulden vorgeworfen werden kann.1148 Bezugspunkt der Verschuldensprüfung sind die vom Schuldner durch sein Handeln herbeigeführten oder die durch sein Unterlassen eingetretenen Umstände.1149 Nach dem Verschuldensprinzip ist deshalb entscheidend, ob der Schuldner sich in vorwerfbarer Weise verhalten hat.1150 Ein Verschulden des Betreibers kann folglich nur dann vorliegen, wenn dieser den Robo-Advisor in vorwerfbarer Weise in Betrieb genommen oder in Betrieb gehalten hat. Das ist unzweifelhaft dann der Fall, wenn der Betreiber bewusst und gewollt einen Robo-Advisor in Betrieb nimmt oder in Betrieb hält, welcher nicht in der Lage ist, den Anforderungen, welche sich aus den dem Betreiber obliegenden Pflichten ergeben, gerecht zu werden. Dann kann ohne Weiteres von einem vorsätzlichen Verhalten des Betreibers i. S. d. § 276 Abs. 1 S. 1 BGB ausgegangen werden. Von einem vorwerfbaren Verhalten des Betreibers ist ebenfalls auszugehen, wenn ihm aufgrund der Inbetriebnahme oder der Inbetriebhaltung des Robo-Advisors Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Während bei Anlageberatungs- und Vermögensverwaltungsverträgen, an denen lediglich menschliche Finanzintermediäre beteiligt sind, das Organisationsverschulden im Unternehmen eine wesentliche Rolle spielt1151, verlagert sich dies bei der Robo-Advice auf die technische Ebene. Zudem muss unterschieden werden zwischen einem Vertretenmüssen des Betreibers für eigenes Verschulden und für das Verschulden eines Dritten. 1146 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 813 und 824 ff.; Schäfer, Ulrike, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 19 Rn. 22. 1147 Vgl. Spindler/Seidel, NJW 2018, 2153 (2157). 1148 Ernst, in: MüKo-BGB (2019), § 280 Rn. 24. 1149 Ernst, in: MüKo-BGB (2019), § 280 Rn. 28. 1150 Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), § 276 Rn. 3. 1151 Zum Vermögensverwaltungsvertrag BGH, Urt. v. 15. 4. 1997 – XI ZR 105/96, BGHZ 135, 202 (205 ff.); Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 132. Zum Anlageberatungsvertrag BGH, Urt. v. 12. 5. 2009 – XI ZR 586/07, NJW 2009, 2298 f.; Nobbe, ZBB 2009, 93 (104); Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 432.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
a) Haftung des Betreibers für eigenes Verschulden Die fehlerhafte Handlung des Robo-Advisors kann dem Betreiber nur dann vorgeworfen werden, wenn die Inbetriebnahme oder Inbetriebhaltung des RoboAdvisors zumindest fahrlässig erfolgte. Den Betreiber trifft deshalb immer dann ein Verschulden, wenn er den Robo-Advisor fahrlässig nicht mit einer Software versehen hat, welche es diesem erlaubt, dem vertraglichen Pflichtenprogramm des Betreibers gerecht zu werden. Fahrlässig handelt nach § 276 Abs. 2 BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Dabei setzt Fahrlässigkeit voraus, dass der rechtlich missbilligte Erfolg bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkannt und vermieden werden können.1152 aa) Erkennbarkeit Zunächst geht es deshalb darum, mögliche Gefahrenquellen beim Einsatz des Robo-Advisors zu erkennen.1153 Die soeben dargestellten fehlerhaften Aktionen des Robo-Advisors können auf einer Vielzahl von Ursachen beruhen. Neben einer unsachgemäßen Programmierung kommt etwa auch eine Beeinflussung des Programms des Robo-Advisors durch Dritte in Form von Cyber-Angriffen in Betracht. Risiken, welche in Schäden beim Kunden resultieren können, sind deshalb unter anderem das Risiko einer Fehlfunktion und das Risiko einer Manipulation des Systems durch Dritte.1154 Der Betreiber verhält sich fahrlässig, wenn er nicht ausreichende Maßnahmen ergreift, um solche Ursachen und ein potentielles Fehlverhalten möglichst früh zu erkennen. Vor dem ersten Einsatz des Robo-Advisors müssen Fehler im Programm oder Lücken im Schutz gegen Cyber-Threats folglich mittels geeigneter Tests identifiziert werden.1155 Mit einem steigenden Grad an Autonomie des Agenten nimmt die Erkennbarkeit möglichen Fehlverhaltens ab.1156 Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass bei einem hohen Grad an Autonomie des Agenten der Betreiber mangels Erkennbarkeit nicht fahrlässig handeln kann und er Pflichtverletzungen deshalb stets nicht zu vertreten hat.1157 Vielmehr obliegt es dem Betreiber, auch in diesem Fall durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass ein potenzielles Fehlverhalten möglichst früh erkannt wird. Je selbständiger ein Robo-Advisor aber agiert, desto mehr verlagert sich die Überprüfungspflicht auf den laufenden Betrieb des RoboAdvisors.1158 Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um einen intelligenten Robo1152
Stadler, in: Jauernig, BGB (2018), § 276 Rn. 23. Vgl. Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 134. 1154 Zech, ZfPW 2019, 198 (205). 1155 Als Leitfaden kann die Standardreihe ISO/IEC/IEEE 29119 zum Software-Testen dienen. 1156 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 68 f. 1157 In diese Richtung aber Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 68 f. 1158 Vgl. Horner/Kaulartz, CR 2016, 7 (8). 1153
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
273
Advisor handelt, dessen Handlungen nicht immer vorhersehbar sind. Deshalb müssen durch eine ständige Überwachung und regelmäßige sowie anlassbezogene Tests auch im laufenden Betrieb des Robo-Advisors Schwachstellen identifiziert werden. bb) Vermeidbarkeit Zudem verhält sich der Betreiber fahrlässig, wenn er keine Gegenmaßnahmen ergreift, um eine Realisierung der erkannten Gefahren zu vermeiden. Zur Vermeidung einer Fehlfunktion oder Manipulation muss bereits bei der Programmierung des Systems und der Errichtung von Schutzvorkehrungen besonders sorgsam vorgegangen werden.1159 Für den Einsatz intelligenter Robo-Advisor bedeutet dies, dass im Rahmen des Trainings nur sorgfältig ausgewählte Trainingsdatensätze eingesetzt werden, da sich unerwünschtes Verhalten bei lernenden Systemen auch aus den verwendeten Trainingsdaten ergeben kann.1160 Ergibt sich aus den Tests oder der laufenden Überwachung der Tätigkeit des Robo-Advisors, dass Schwachstellen bestehen, so müssen diese unmittelbar beseitigt werden. Auch hier gilt: Je selbständiger und intelligenter ein Robo-Advisor agiert, desto stärker muss das Gewicht auf die laufende Überwachung des Robo-Advisors gelegt werden.1161 cc) Sorgfaltsmaßstab Welchen Sorgfaltsmaßstab der Betreiber bei diesen Maßnahmen zu beachten hat, ist objektiv danach zu bestimmen, welche Sorgfalt ein besonnener und gewissenhafter Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises im Zeitpunkt des relevanten Verhaltens angewendet hätte.1162 Diese Definition des Sorgfaltsmaßstabs zeigt zugleich, dass nicht jede denkbare Gefahr erkannt und vermieden werden muss, sondern nur diejenige, welche ein besonnener und gewissenhafter Angehöriger des jeweiligen Verkehrskreises erkannt und vermieden hätte. Grundsätzlich sind an den Betreiber eines Robo-Advisors als professionellen Anbieter einer digitalen Finanzdienstleistung hohe Anforderungen zu stellen. Denn welche Sorgfaltspflichten von einem Angehörigen des bestimmten Verkehrskreises erwartet werden können, hängt auch davon ab, welche Besonderheiten bei dem jeweiligen Geschäftstyp bestehen, welche Personengruppen am Geschäft beteiligt sind 1159
Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 326 f.; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 144. Kilian/Ulrich/ Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 97 sehen die Errichtung einer IT-Sicherheit, welche dem marktüblichen Niveau entspricht als vertragliche Nebenpflicht. 1160 Zech, ZfPW 2019, 198 (203). 1161 Vgl. Horner/Kaulartz, CR 2016, 7 (8). 1162 BGH, Urt. v. 16. 3. 1976 – VI ZR 199/74, BGHZ 76, 201; BGH, Urt. v. 20. 10. 1987 – VI ZR 280/86, NJW 1988, 909; Stadler, in: Jauernig, BGB (2018), § 276 Rn. 29.
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und welche Risiken existieren.1163 Zum einen stehen sich bei der Robo-Advice ein professioneller Anbieter und ein meist sowohl in wirtschaftswissenschaftlicher als auch in technischer Hinsicht unkundiger Benutzer gegenüber. Zum anderen ist das Geschäftsmodell der digitalen Verwaltung von Vermögen geradezu prädestiniert dafür, Zielscheibe von Cyber-Attacken zu werden. Verfügt der Betreiber nicht über das nötige Know-how, um mögliche Gefahren zu erkennen und zu vermeiden, kann deshalb erwartet werden, dass er sich dieses aneignet oder den Rat entsprechender Fachleute einholt bzw. diese mit der Installation der nötigen Vorkehrungen und der nötigen Überwachung beauftragt. Gleichzeitig können die Sorgfaltspflichten aber nicht so weit reichen, dass jede einzelne Entscheidung des Agenten überwacht werden muss, um so die Verhinderung jedes denkbaren Schadenseintritts sicherzustellen.1164 Eine vollständige Überwachung, Aufsicht und Kontrolle ist beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten unerfüllbar.1165 Insbesondere bei intelligenten Agenten ist die Verhinderung eines jeden potentiellen Schadens mangels Steuerbarkeit und Vorhersehbarkeit des Handelns nicht umsetzbar.1166 So liegt die Entwicklung einer vollständigen Explainable Artificial Intelligence1167 derzeit noch nicht im Rahmen des technisch Möglichen1168 und kann daher auch nicht Teil der Sorgfaltspflichten sein. Sorgfaltspflichten dürfen nicht dazu führen, dass der Einsatz der Systeme faktisch ausgeschlossen wird, weil die Kosten der Umsetzung der Sicherheitsanforderungen den mit dem Einsatz der Systeme verbundenen Nutzen übersteigen.1169 Dies käme einem Verbot des Einsatzes automatischer und intelligenter Agenten im Rechtsverkehr gleich.1170 Auch die Rechtsprechung nimmt bei der Festlegung des objektiven Sorgfaltsmaßstabs eine Kosten-Nutzen-Analyse vor.1171 Danach richtet sich der zu betreibende Vermeidungsaufwand nach der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts.1172 Mit dem Einsatz eines Robo-Advisors geht aber nicht notwendi-
1163
Schulze, in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 276 Rn. 14. Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 341; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 137. 1165 Gruber, in: Hilgendorf/Günther (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung (2013), S. 123 (146). 1166 Horner/Kaulartz, CR 2016, 7 (8). 1167 Siehe zum Konzept der Explainable Artificial Intelligence oben Teil 2 Kap. 2 § 2 A. III. 1168 Hoeren/Niehoff, RW 2018, 47 (60). 1169 Köhler, AcP 1982, 126 (162); Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 341. 1170 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 341. 1171 BGH Urt. v. 5. 10. 2004 – VI ZR 294/03, NJW-RR 2005, 251 (253); BGH Urt. v. 31. 10. 2006 – VI ZR 223/05, NJW 2007, 762 (763). 1172 BGH Urt. v. 5. 10. 2004 – VI ZR 294/03, NJW-RR 2005, 251 (253); BGH Urt. v. 31. 10. 2006 – VI ZR 223/05, NJW 2007, 762 (763); Grundmann, in: MüKo-BGB (2019), § 276 Rn. 61; Horner/Kaulartz, CR 2016, 7 (8). 1164
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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gerweise ein höheres Risiko eines Schadenseintritts einher.1173 Vielmehr sind die sich ergebenden Risiken nur anderer Natur als bei Tätigwerden eines menschlichen Finanzintermediärs. Abhängig vom betrachteten Einsatzgebiet, weisen automatische und intelligente Agenten sogar eine weitaus geringere Fehleranfälligkeit auf als Menschen.1174 Dass die Sorgfaltspflichten nicht so weit reichen können, dass jede einzelne Agentenhandlung überprüft werden muss, erscheint auch unter Risikoverteilungsgesichtspunkten sachgerecht.1175 Der Kunde des Robo-Advisors hat sich der Anlageberatung oder Vermögensverwaltung durch einen automatischen oder intelligenten Agenten bewusst ausgesetzt, um von den sich ergebenden Vorteilen, insbesondere Kostenvorteilen und dem vereinfachten Zugang zu professionellen Finanzdienstleistungen zu profitieren.1176 Die Tragung eines Teils des Risikos durch den Kunden ist daher angemessen. dd) Sorgfaltspflichten im Einzelnen Welche konkreten Sorgfaltspflichten beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Allgemeinen und beim Einsatz von Robo-Advisorn im Speziellen bestehen, werden die Rechtsprechung, die Risikoforschung und auch die technische Entwicklung der nächsten Jahre und Jahrzehnte ergeben.1177 Die Entwicklung weiterer technischer Standards, wie etwa spezieller ISO-Normen, welche die einzelnen technischen Anforderungen zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten ausdrücklich benennen, würde die Rechtssicherheit erhöhen.1178 Im Ergebnis dürften die Sorgfaltspflichten daher parallel zu denjenigen Pflichten verlaufen, welche auch im Rahmen des aufsichtsrechtlichen Risikomanagements gefordert werden.1179 Dabei handelt es sich sowohl um Pflichten, welche im Vorfeld der Inbetriebnahme zu erfüllen sind und deren Verletzung sich deshalb in der Inbetriebnahme selbst fortsetzt, als auch um Pflichten, die im Rahmen der laufenden Inbetriebhaltung des Robo-Advisors zu erfüllen sind. Dies bedeutet eine Pflicht zur sorgsamen Programmierung und Auswahl von Trainingsdaten, zu regelmäßigen sowie anlassbezogenen Funktions- und Sicherheitstests, zur Einrichtung eines Notfallsystems und einer „Kill-Funktion“ sowie zur gründlichen laufenden Über-
1173
Vgl. Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 239. John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 285. Davon ging in Bezug auf Computer bereits Loewenheim, BB 1967, 593 (597 f.) aus. 1175 Horner/Kaulartz, CR 2016, 7 (8). 1176 Siehe zu den Vorteilen eines Robo-Advisors für den Anleger oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 1. a) und 2. b). 1177 Zech, ZfPW 2019, 198 (211). 1178 Zech, ZfPW 2019, 198 (211). 1179 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. I. 1. b) bb). Ähnlich auch Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 327. 1174
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wachung.1180 Die Verhinderung jedes einzelnen denkbaren Schadenseintritts ist damit, vor allem beim Einsatz künstlicher Intelligenz, aber weder möglich noch gefordert. b) Haftung des Betreibers für fremdes Verschulden Nicht jede fehlerhafte Aktion eines Robo-Advisors, welche eine Pflichtverletzung des Betreibers darstellt, lässt sich auf ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten des Betreibers zurückführen. So ist ein Verschulden des Betreibers insbesondere dann zu verneinen, wenn er die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit und die Errichtung und Aufrechterhaltung von Schutzvorkehrungen an fachkundige Dritte delegiert hat, welche sodann eine Pflichtverletzung verursachen. Liegt ein Verschulden des Betreibers nicht vor, so stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, ob ihm das Verschulden eines Dritten nach § 278 S. 1 BGB zugerechnet werden kann. Ausgeschlossen ist, wie die obigen Ausführungen zur Zurechnung des Verschuldens automatischer und intelligenter Agenten ergeben haben, eine Zurechnung des Verschuldens des Robo-Advisors selbst nach § 278 S. 1 BGB (analog).1181 In Betracht kommt aber eine Zurechnung des Verschuldens von Hilfspersonen im Betrieb des hinter dem Robo-Advisor stehenden Unternehmens sowie eine Zurechnung des Verschuldens eines externen Programmierers, welcher nicht Teil des Unternehmens ist. Eine Zurechnung wird vor allem dann zu bejahen sein, wenn eine mit der Überwachung und Kontrolle des Robo-Advisors betraute Hilfsperson sich sorgfaltspflichtwidrig verhält. Keine Zurechnung nach § 278 S. 1 BGB kann dagegen erfolgen, wenn ein mit der Programmierung des Robo-Advisors beauftragter externer Programmierer vorsätzlich oder fahrlässig eine fehlerhafte oder unsichere Software entwickelt oder eine fehlerhafte Software eingekauft wird und der Fehler nicht erkennbar war.1182 Ähnlich wie der Hersteller oder Lieferant eines Produkts nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers sein kann1183, kann auch der externe Programmierer nicht Erfüllungsgehilfe des Betreibers sein. Der Programmierer wird schon nicht in Erfüllung einer Verbindlichkeit des Betreibers tätig, weil der Betreiber dem Kunden gegenüber nicht die Entwicklung einer Robo-Advice-Software, sondern die Erbringung der Anlageberatung oder Vermögensverwaltung schuldet.
1180
Vgl. auch Köhler, AcP 1982, 126 (167). Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 1 C. II. 1182 Vgl. Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 129; Hanisch, Haftung für Automation (2010), S. 23; Wiebe, Die elektronische Willenserklärung (2002), S. 187 mit Fn. 246. 1183 H. M., statt vieler Caspers, in: Staudinger (Begr.), BGB (2014), § 278 Rn. 37 f. 1181
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c) Mitverschulden des Kunden Zudem kann nach § 254 BGB ein Mitverschulden des Kunden zu berücksichtigen sein. Bei einem Anlageberatungsvertrag kommt dies vor allem dann in Betracht, wenn der Anleger entgegen dem Rat des Robo-Advisors handelt. Auch falsche Angaben im Rahmen der Online-Befragung, etwa unrichtige Angaben zu Erfahrungen mit Wertpapiergeschäften, führen zu einem Mitverschulden des Anlegers, wenn als Folge kein geeigneter Anlagerat erteilt oder das Vermögen nicht sachgerecht verwaltet werden kann. 4. Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden Erforderlich ist weiterhin, dass der entstandene Schaden durch die Pflichtverletzung verursacht wurde, dass zwischen beidem mithin ein Kausalzusammenhang besteht.1184 Kausalität ist nach der condicio-sine-qua-non1185-Formel gegeben, wenn eine Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass damit der Erfolg ebenfalls entfiele.1186 Da sich die Pflichtverletzung zweiaktig vollzieht, kann für die Beantwortung der Kausalitätsfrage ebenfalls nicht nur an die Handlung des Robo-Advisors, etwa die fehlerhafte Verwaltung des Kundenvermögens, angeknüpft werden. Erforderlich ist vielmehr, dass sowohl die Inbetriebnahme bzw. Inbetriebhaltung des Robo-Advisors durch den Betreiber als auch die Handlungsausführung durch den Robo-Advisor kausal für den beim Kunden entstandenen Schaden waren. Beim Einsatz eines Robo-Advisors stellt die Bejahung der Kausalität nicht nur aus technischer Perspektive eine Herausforderung dar, sondern sie bereitet bei Anlageberatungs- und Vermögensverwaltungsverträgen schon grundsätzlich Schwierigkeiten. a) Aus technischer Perspektive Regelmäßig kann die Inbetriebnahme eines Robo-Advisors nicht hinweggedacht werden, ohne dass auch der durch den Robo-Advisor verursachte Schaden entfiele. Bei uneingeschränkter Anwendung der condicio-sine-qua-non-Formel wäre somit jeder durch eine Handlung des Robo-Advisors verursachte Schaden kausal durch ein Verhalten des Betreibers herbeigeführt. 1184
Ernst, in: MüKo-BGB (2019), § 280 Rn. 31. Die häufig anzutreffende Schreibweise „conditio sine qua non“ entstammt dem Mittellatein und ist im klassischen Latein inkorrekt, vgl. Thesavrvs lingvae Latinae (2019), S. 127 f., abrufbar unter publikationen.badw.de/de/thesaurus; Duden Online-Wörterbuch, abrufbar unter www.duden.de/rechtschreibung/Kondition. 1186 Oetker, in: MüKo-BGB (2019), § 249 Rn. 103; Schiemann, in: Staudinger (Begr.), BGB (2017), § 249 Rn. 8. 1185
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Es ist heute jedoch unumstritten, dass nicht aus jeder äquivalent-kausalen Handlung eine Schadensersatzpflicht resultieren kann.1187 Die Adäquanztheorie fragt deshalb zusätzlich danach, ob die Handlung „im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Lauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des eingetretenen Erfolgs geeignet gewesen ist“.1188 Die infrage stehende Handlung ist somit daraufhin zu prüfen, ob sie „unter Heranziehung des gesamten zur Zeit der Beurteilung zur Verfügung stehenden menschlichen Erfahrungswissens (…) den Eintritt des schädigenden Ereignisses in erheblicher Weise begünstigt hat“.1189 Demgemäß ist nach Wertungsgesichtspunkten die Kausalität dann zu verneinen, wenn ein zweites Ereignis, etwa die Handlung eines Dritten, den Kausalzusammenhang zwischen Erfolg und infrage stehender Handlung unterbricht.1190 Ein Kausalzusammenhang ist infolgedessen in den Fällen zu verneinen, in denen ein externer Faktor das Verhalten des Robo-Advisors beeinflusst. Dies ist etwa gegeben, wenn der Robo-Advisor aufgrund einer nicht erkennbaren und nicht vermeidbaren Manipulation durch Dritte fehlerhaft agiert. Der Schaden wurde dann nicht unmittelbar durch die Inbetriebnahme oder Inbetriebhaltung des Robo-Advisors verursacht. Vielmehr unterbricht der externe Faktor, welcher zwischen die letzte Handlung des Betreibers und die Aktion des Robo-Advisors tritt, den Kausalzusammenhang zwischen der Handlung des Betreibers und dem entstandenen Schaden. Oft lässt sich beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten aber nicht mehr vollständig klären, welcher konkrete Faktor ein fehlerhaftes Verhalten hervorgerufen hat.1191 Ein Fehler im Programm kann etwa auf einem (dem Betreiber zurechenbaren) unsorgfältigen Vorgehen bei der Programmierung und Wartung des Robo-Advisors beruhen. Ebenso kann eine Cyber-Attacke dazu führen, dass der Robo-Advisor nicht mehr bestimmungsgemäß agiert. Zudem kann auch die zunehmende Vernetzung des Robo-Advisors mit anderen Agenten auf dem Kapitalmarkt zu einer Verarbeitung unrichtiger oder unvollständiger Daten führen.1192 1187
Schiemann, in: Staudinger (Begr.), BGB (2017), § 249 Rn. 12. RG, Urt. v. 22. 6. 1931 – VI 46/31, RGZ 133, 126 (127); BGH, Urt. v. 23. 10. 1951 – I ZR 31/51, BGHZ 3, 261 (267); Schiemann, in: Staudinger (Begr.), BGB (2017), § 249 Rn. 15. 1189 BGH, Urt. v. 23. 10. 1951 – I ZR 31/51, BGHZ 3, 261 (267); Schiemann, in: Staudinger (Begr.), BGB (2017), § 249 Rn. 15; Traeger, Der Kausalbegriff im Zivil- und Strafrecht (1904), S. 159. 1190 BGH, Urt. v. 16. 2. 1972 – VI ZR 128/70, BGHZ 58, 162 (165); BGH, Urt. v. 11. 11. 1999 – III ZR 98/99, NJW 2000, 947 (948); BGH, Urt. v. 17. 12. 2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 55; Oetker, in: MüKo-BGB (2019), § 249 Rn. 142. 1191 Beck, S., JR 2009, 225 (227); Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 88; Hötitzsch, in: Hilgendorf/Hötitzsch (Hrgs.), Das Recht vor den Herausforderungen der modernen Technik (2015), S. 75 (81); Käde/von Maltzan, CR 2020, 66 (71); Kluge/Müller, InTeR 2017, 24 (25); Sorge, in: Hornung (Hrsg.), Rechtsfragen der Industrie 4.0 (2018), S. 139 (146 f.); Spindler, CR 2015, 766 (772); Zech, ZfPW 2019, 198 (207 f.). 1192 Vgl. Zech, ZfPW 2019, 198 (208). Siehe zur Vernetzung von Robo-Advisorn oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 3. b). 1188
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Außerdem kann ein bestimmter Fehler auch erst durch das Zusammentreffen mehrerer Faktoren, wie etwa kumulativ durch nicht ausreichende Abwehrmaßnahmen und eine Cyber-Attacke, hervorgerufen werden.1193 Beim Einsatz intelligenter Agenten wird dieses Problem noch verschärft, weil Fehler zusätzlich noch daher rühren können, dass untaugliche Trainingsdaten verwendet wurden.1194 Hinzu kommt, dass sich bei automatischen Agenten aufgrund ihres Determinismus durch eine Analyse des Programmcodes häufig bestimmte Fehlerquellen ausschließen lassen. Bei intelligenten Agenten dagegen lässt sich aufgrund der Black Box-Problematik der künstlichen Intelligenz ex post vielfach nicht mehr feststellen, welche Faktoren eine bestimmte Entscheidung des intelligenten Agenten hervorgerufen haben.1195 Folglich kommen als alternativ oder kumulativ kausale Handlungen1196 unter anderem die Programmierung, die Lieferung und Auswahl von Trainingsdaten, die Inbetriebnahme, die Wartung, Cyber-Attacken und Aktionen vernetzter Agenten in Betracht. Auch eine Anwendung des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB (analog1197), nach dem jeder für den Schaden verantwortlich ist, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat, kann dieses Problem nicht lösen. Zunächst ist § 830 Abs. 1 S. 2 BGB nur dann anwendbar, wenn im Fall der alternativen Kausalität unsicher ist, wer den Schaden durch seine Handlung verursacht hat, aber nicht, wenn zudem eine Unsicherheit darüber besteht, ob der Schaden entweder kumulativ oder alternativ durch mehrere Handlungen verursacht wurde.1198 Für die Anwendbarkeit des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB muss zudem feststehen, dass jeder der infrage kommenden Teilnehmer eine Handlung vorgenommen hat, die geeignet gewesen ist, den Schaden herbeizuführen.1199 Dieser Fall liegt aber nicht vor, da weder feststeht, ob die in Betracht kommenden Teilnehmer überhaupt eine schadensgeeignete Handlung vorgenommen haben, noch ob die potenzielle Handlung nur allein oder gemeinsam mit anderen Handlungen kausal für das Schadensereignis war. Schließlich ist der § 830 Abs. 1 S. 2 BGB von vornherein nicht dazu in der Lage, die Black Box-Problematik zu lösen. Somit lässt sich in bestimmten Fällen weder faktisch noch nach derzeit geltendem Recht rechtlich lösen, welcher Faktor für den mittels eines Robo-Advisors verursachten Schaden kausal war.1200 1193
Zech, ZfPW 2019, 198 (208). Zech, ZfPW 2019, 198 (203). 1195 Siehe zum Black Box-Begriff oben Teil 2 Kap. 2 § 2 A. III. 1196 Zech, ZfPW 2019, 198 (207 f.). 1197 BGH, Urt. v. 16. 1. 2001 – X ZR 69/99, NJW 2001, 2538 (2539 f.). 1198 Zech, ZfPW 2019, 198 (208). 1199 Eberl-Borges, in: Staudinger (Begr.), BGB (2018), § 830 Rn. 69; Spindler, AcP 2008, 283 (306); Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 830 Rn. 55. 1200 Vgl. Zech, in: Gleß/Seelmann (Hrsg.), Intelligente Agenten und das Recht (2016), S. 163 (175). 1194
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b) Aus vertragsspezifischer Perspektive Im Rahmen der Prüfung der Kausalität müssen jedoch nicht nur die technischen Besonderheiten eines Robo-Advisors, sondern auch die Besonderheiten beachtet werden, welche sich bei Anlageberatungs- und Vermögensverwaltungsverträgen im Allgemeinen ergeben. Wurden etwa im Rahmen eines Anlageberatungsvertrags die Informationspflichten nicht hinreichend erfüllt, so kommt es für die Bejahung der Kausalität zwischen der Verletzung der Informationspflicht und dem Schaden des Anlegers nicht auf die Wertentwicklung der Anlage, sondern allein darauf an, ob die ungenügende Erteilung von Informationen kausal für den Anlageentschluss des Anlegers war.1201 Wann bei Pflichtverletzungen im Rahmen von Anlageberatungs- und Vermögensverwaltungsverträgen die Kausalität zu bejahen und wie der Schaden zu berechnen ist, ist stets vom jeweiligen Einzelfall abhängig und mitunter umstritten.1202 Da sich diesbezüglich für den Einsatz eines Robo-Advisors im Vergleich zu einem menschlichen Finanzintermediär aber keine Besonderheiten ergeben, soll die Problematik im Rahmen dieser Arbeit nicht dargestellt werden. 5. Beweislast Grundsätzlich trifft die Beweislast für das Vorliegen sämtlicher tatbestandlicher Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs den Geschädigten.1203 a) Beweis der Pflichtverletzung Zunächst muss der Geschädigte deshalb darlegen und beweisen, dass eine Pflicht aus dem Vertrag verletzt wurde. Der geschädigte Anleger muss folglich nachweisen, dass der Betreiber seine Pflichten aus dem Anlageberatungs- oder Vermögensverwaltungsvertrag nicht erfüllt hat, dass er folglich einen Robo-Advisor in Betrieb genommen oder in Betrieb gehalten hat, welcher nicht dazu in der Lage war einen vertragsgemäßen Anlagerat zu erteilen oder vertragsgemäß das Vermögen zu verwalten. Die pauschale Behauptung, nicht hinreichend auf bestimmte Risiken hin1201 Edelmann, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 3 Rn. 113. 1202 Siehe zur Vermögensverwaltung etwa Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 830 ff.; Schäfer, Ulrike, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 23 Rn. 138 ff. Zur Anlageberatung etwa Edelmann, in: Assmann/ Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 3 Rn. 113 ff. und 123 ff.; Spindler, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar (2016), 33. Kap., Rn. 209 ff. und 212; Zahrte, in: MüKo-HGB (2019), Anlageberatung, Rn. 424 und 430. 1203 Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), Vor § 249 Rn. 128; Oetker, in: MüKo-BGB (2019), § 249 Rn. 480; Schiemann, in: Staudinger (Begr.), BGB (2017), Vor § 249 Rn. 88.
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gewiesen worden zu sein, ist dafür nicht ausreichend, sondern es muss konkret zu Anlageerfahrungen, Risikogeneigtheit und Anlagezielen vorgetragen werden.1204 Aufgrund der für den Anleger bestehenden Schwierigkeit, negative Tatsachen zu beweisen, kann es im Einzelfall zu einer sekundären Darlegungslast des Anlageberaters oder Vermögensverwalters kommen.1205 Die sekundäre Darlegungslast obliegt der nicht beweisbelasteten Partei dann, wenn die eigentlich beweisbelastete Partei außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht, die Gegenpartei die erheblichen Tatsachen aber kennt und ihr nähere Angaben dazu auch zumutbar sind.1206 Da den Betreiber eines Robo-Advisors nach § 83 WpHG i. V. m. § 9 WpDVerOV und Art. 72 ff. DelVO-2017/565 umfangreiche Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten hinsichtlich des Nachweises der Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltens- und Organisationspflichten treffen1207 und diese in weiten Teilen deckungsgleich zu den vertraglichen Pflichten sind, verfügt er über Kenntnis darüber, in welchem Umfang worüber aufgeklärt und beraten wurde, und kann dies anhand der Dokumentation auch zumutbar darlegen. Der Betreiber des Robo-Advisors kann im Rahmen der sekundären Darlegungslast unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, die aufsichtsrechtliche Dokumentation vorzulegen. Zudem steht dem Anleger gegen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen aus § 83 Abs. 7 WpHG ein Anspruch auf Zurverfügungstellung der Aufzeichnungen der elektronischen Kommunikation auf einem dauerhaften Datenträger zu. Wenn die Aufzeichnungen in einem zivilrechtlichen Prozess als Beweismittel dienen sollen, muss der Datenträger so erstellt werden, dass dessen Vorlage als Beweismittel auch nach Prozessrecht zulässig ist.1208 Eine Beweislastumkehr zugunsten des Anlegers begründet die Verletzung aufsichtsrechtlicher Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten jedoch nicht.1209 b) Beweis des Vertretenmüssens In Abweichung vom Grundsatz der Beweislastverteilung enthält § 280 Abs. 1 S. 2 BGB eine Umkehr der Beweislast dahingehend, dass der Schuldner beweisen muss, 1204
BGH, Urt. v. 6. 12. 2012 – III ZR 66/12, NJW-RR 2013, 296 f.; Edelmann, in: Assmann/ Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 3 Rn. 107. 1205 Edelmann, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 3 Rn. 107; Prütting, in: MüKo-ZPO (2016), § 286 Rn. 103. 1206 BGH, Urt. v. 1. 12. 1982 – VIII ZR 279/81, BGHZ 86, 23 (29); BGH, Urt. v. 17. 2. 2004 – X ZR 108/02, NJW-RR 2004, 989 (990); BGH, Urt. v. 6. 7. 2011 – VIII ZR 340/10, NJW 2011, 3028 (3029); Prütting, in: MüKo-ZPO (2016), § 286 Rn. 103; Schwarze, in: Staudinger (Begr.), BGB (2014), § 280 Rn. F 7. 1207 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 6. 1208 Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), WpHG (2019), § 83 Rn. 19. 1209 Buck-Heeb/Poelzig, BKR 2017, 485 (495).
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.1210 Der Betreiber des RoboAdvisors muss demnach die Vermutung widerlegen, dass ihm hinsichtlich der Pflichtverletzung ein Verschulden anzulasten ist. Beim Einsatz eines Robo-Advisors kann die Widerlegung der Verschuldensvermutung aus dreierlei Gründen Schwierigkeiten bereiten. aa) Entlastungsbeweis bei Vorliegen einer Black Box Die Widerlegung der Verschuldensvermutung stellt zunächst dann eine Herausforderung dar, wenn die Entscheidungsfindung eines intelligenten Robo-Advisors eine Black Box darstellt. Der Hinweis darauf, dass die Handlungsweise eines intelligenten Agenten grundsätzlich nicht vorhersehbar ist, kann jedoch nicht als Verteidigung dienen, weil dies ein typisches Risiko der Verwendung künstlicher Intelligenz darstellt, welches der Betreiber zu verantworten hat und dessen er sich bei Inbetriebnahme des Robo-Advisors bewusst war.1211 bb) Entlastungsbeweis hinsichtlich Sorgfaltspflichten Im Bereich der Haftung für Fahrlässigkeit nach § 276 Abs. 2 BGB bedeutet die Beweislastumkehr, dass der Betreiber nachweisen muss, dass der Schaden auch bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt eingetreten wäre oder dass er alle ihm obliegenden Sorgfaltspflichten erfüllt hat.1212 Die Verschuldensvermutung kann vom Betreiber des Robo-Advisors folglich entweder dadurch widerlegt werden, dass er nachweist, dass ein Schaden nicht auf eine Sorgfaltspflichtverletzung seinerseits zurückzuführen ist. So kann etwa der Nachweis erbracht werden, dass Fehler auf einem nicht erkennbaren Mangel einer gekauften Software beruhen.1213 Oder der Betreiber erbringt den Nachweis, dass er alle wesentlichen Sorgfaltspflichten erfüllt, d. h. alle zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat, um Schäden zu vermeiden1214, wie etwa sich entsprechend bestimmter technischer Standards verhalten hat. Die Einhaltung der einschlägigen technischen Standards wie DIN- und ISO-Normen begründet grundsätzlich einen Anscheinsbeweis dafür, dass die Sorgfaltspflichten eingehalten wurden.1215
1210
Oetker, in: MüKo-BGB (2019), § 249 Rn. 481. Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 215. 1212 Denga, CR 2018, 69 (75); Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 215; Horner/Kaulartz, CR 2016, 7 (9); Schwarze, in: Staudinger (Begr.), BGB (2014), § 280 Rn. F 39. 1213 Köhler, AcP 1982, 126 (166). 1214 Köhler, AcP 1982, 126 (167); Maume, ECFR 2019, 622 (647). 1215 Im Zusammenhang mit Verkehrssicherungspflichten Spindler, in: Hilgendorf (Hrsg.), Robotik im Kontext von Recht und Moral (2014), S. 63 (71). 1211
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cc) Entlastungsbeweis bei mehreren möglichen Schadensursachen Zwischen dem Beweis des Vertretenmüssens und dem Beweis der Kausalität angesiedelt ist das Problem mehrerer möglicher Schadensursachen. Es wurde im vorangehenden Kapitel bereits dargelegt, dass sich beim Einsatz automatischer und insbesondere intelligenter Agenten nicht immer zweifelsfrei aufklären lässt, welcher Faktor zu einer fehlerhaften Aktion des Agenten und damit zur Verursachung eines Schadens geführt hat. Kommen für den Eintritt eines Schadens mehrere mögliche Ursachen in Betracht oder ist die Schadensursache unaufklärbar, so ist der Entlastungsbeweis bereits dadurch geführt, dass der Schuldner nachweist, alle ihm obliegenden Sorgfaltspflichten beobachtet zu haben.1216 Ausreichend ist in einem solchen Fall ebenfalls der Nachweis, dass die infrage stehende Schadensursache unwahrscheinlich ist oder dass eine andere wahrscheinliche Schadensursache nicht zu vertreten ist.1217 Kommen für eine fehlerhafte Entscheidung des Robo-Advisors mithin mehrere mögliche Ursachen in Betracht, so kann der Betreiber sein fehlendes Verschulden durch den Nachweis der Erfüllung sämtlicher Sorgfaltspflichten beweisen. Kann etwa nicht geklärt werden, ob ein schädliches Agieren des Robo-Advisors auf einem fehlerhaften Programm beruht oder durch die Manipulation eines Dritten verursacht wurde, so genügt als Entlastungsbeweis auch der Nachweis, dass ein anfänglich fehlerbehaftetes Programm als Ursache unwahrscheinlich ist oder dass die Manipulation eine wahrscheinliche Ursache darstellt. c) Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Schaden Die Last des Beweises für das Vorliegen eines Schadens sowie eines kausalen Zusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden trägt grundsätzlich der Gläubiger des Schadensersatzanspruchs.1218 Der Kunde des Robo-Advisors muss folglich beweisen, dass durch eine Pflichtverletzung des Betreibers ein Schaden verursacht wurde. Auch an dieser Stelle müssen die Besonderheiten der Robo-Advice und damit die Zweiaktigkeit der Pflichterfüllung berücksichtigt werden. Der Kunde muss somit beweisen, dass die Inbetriebnahme oder Inbetriebhaltung des Robo-Advisors eine dem Pflichtenprogramm des Betreibers
1216
BGH, Urt. v. 19. 5. 1965 – I b ZR 97/63, NJW 1965, 1583 (1585); Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), § 280 Rn. 40. 1217 BGH, Urt. v. 19. 5. 1965 – I b ZR 97/63, NJW 1965, 1583 (1585); BGH, Urt. v. 13. 12. 1991 – LwZR 5/91, BGHZ 116, 334 (337); Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), § 280 Rn. 40; Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 88; Westermann, in: Erman (Begr.), BGB (2017), § 280 Rn. 32. 1218 BGH, Urt. v. 17. 12. 1968 – VI ZR 212/67, NJW 1969, 553 f.; BGH, Urt. v. 31. 5. 1978 – VIII ZR 263/76, NJW 1978, 2197 (2198); BGH, Urt. v. 1. 7. 1980 – VI ZR 112/79, NJW 1980, 2186 f.; Ernst, in: MüKo-BGB (2019), § 280 Rn. 146; Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), § 280 Rn. 38; Schwarze, in: Staudinger (Begr.), BGB (2014), § 280 Rn. F 41.
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widersprechende Handlung des Robo-Advisors ausgelöst hat, welche wiederum einen Schaden des Gläubigers verursacht hat. Auch im Rahmen der Beweislast müssen sowohl technische Besonderheiten als auch die allgemein bei Anlageberatungs- und Vermögensverwaltungsverträgen bestehenden Besonderheiten beachtet werden. aa) Aus technischer Perspektive (1) Beweisbarkeit der Kausalität Wie bereits erläutert, bereitet die Feststellung, welcher Faktor beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten ein fehlerhaftes Verhalten hervorgerufen hat, mitunter erhebliche Schwierigkeiten. Hinzu kommt, dass Fehler auch in einer nachträglichen Analyse des Programms nicht mehr reproduzierbar oder rückverfolgbar sind.1219 Gleichzeitig hat ein geschädigter Anleger keinerlei Einsichtsmöglichkeiten in die internen Vorgänge und die Grundlagen der Entscheidungsfindung eines Robo-Advisors. Es stellt sich mithin die Frage, ob der Betreiber im Rahmen der sekundären Darlegungslast dazu verpflichtet sein kann, sein Bestreiten durch eine Offenlegung des dem Robo-Advisor zugrundeliegenden Algorithmus zu substantiieren. Dies ist jedoch abzulehnen. Zum einen verfügt der Betreiber, insbesondere beim Einsatz künstlicher Intelligenz, selbst nicht über das Wissen, welche Tatsachen ursächlich für ein bestimmtes Ereignis waren. Zum anderen besteht die sekundäre Darlegungslast einer Partei stets nur im Rahmen des Zumutbaren, weshalb eine Verpflichtung zur Offenlegung von Betriebsgeheimnissen ausgeschlossen ist.1220 Die besondere Schutzbedürftigkeit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kommt nicht nur in ihrem umfassenden einfachgesetzlichen Schutz, etwa durch § 17 UWG, § 56 Abs. 3 S. 2 GWB, § 90 HGB, §§ 5 Nr. 7, 203 Abs. 1 und 2, 204 StGB sowie § 85 Abs. 1 GmbHG und das neu geschaffene Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen1221, zum Ausdruck, sondern ergibt sich auch daraus, dass sie vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, welcher die freie unternehmerische Tätigkeit schützt, erfasst sind.1222 Bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses handelt es sich um unternehmensbezogene Tatsachen, die nicht offenkundig sind und an deren Geheimhaltung ihrem Inhaber ein berechtigtes Interesse zukommt.1223 Ein berechtigtes Geheimhaltungs1219 Hötitzsch, in: Hilgendorf/Hötitzsch (Hrgs.), Das Recht vor den Herausforderungen der modernen Technik (2015), S. 75 (81). 1220 BGH, Urt. v. 15. 3. 2012 – I ZR 52/10, GRUR 2012, 626 (629). 1221 Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vom 18. April 2019, BGBl. I S. 466. 1222 Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 37 f.; Wolff, NJW 1997, 98 ff. 1223 BVerwG, Urt. v. 17. 3. 2016 – 7 C 2/15, BVerwGE 154, 231 (242 f.) Rn. 35; Eisele, in: Schönke/Schröder (Begr.), Strafgesetzbuch. Kommentar (2019), § 203 Rn. 9 und 11; Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 37; Wolff, NJW 1997, 98.
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interesse ist gegeben, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, den Konkurrenten exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachhaltig zu beeinflussen.1224 Auch bei dem einem automatischen oder intelligenten Agenten zugrundeliegenden Algorithmus handelt es sich um ein solches schützenswertes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis. Der Algorithmus legt die dem Programm zugrundeliegende Berechnungsformel fest und stellt damit das Herzstück der Software und den wesentlichen Teil der Innovationsleistung dar.1225 Er wurde regelmäßig unter erheblichem zeitlichen und finanziellen Investitionsaufwand entwickelt.1226 Gerade bei Plattformen wie Robo-Advisorn, bei denen die angebotenen Dienstleistungen vollständig digital erbracht werden, stellt der Algorithmus den Kern jeder Wertschöpfung dar. Seine Offenlegung würde es Wettbewerbern ermöglichen, von der Innovationsleistung des Unternehmens zu profitieren, ohne selbst entsprechende Investitionen getätigt haben zu müssen.1227 Die Offenlegung des Algorithmus, mithin des „Herzens des Robo-Advisors“, kann dem Betreiber deshalb nicht zugemutet werden. Ist eine weitergehende Substantiierung der Behauptung fehlender Kausalität ohne Offenlegung des Algorithmus nicht möglich, genügt der Betreiber seiner Darlegungslast deshalb bereits durch einfaches Bestreiten. Auch über einen Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB kann eine Pflicht zur Offenlegung des Algorithmus nicht konstruiert werden. Ein Auskunftsanspruch gem. § 242 BGB setzt zum einen ebenfalls voraus, dass die Offenlegung dem Gläubiger zugemutet werden kann.1228 Zum anderen kann ein Auskunftsanspruch zur Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses nur in Ausnahmefällen bestehen. Stünde dem grundsätzlich darlegungs- und beweisbelasteten Gläubiger regelmäßig ein Auskunftsanspruch hinsichtlich der zu beweisenden Tatsachen zu, so würden die allgemeinen Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast unterlaufen.1229 Möglich wäre zwar die Prüfung des Algorithmus durch einen neutralen, zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten.1230 Es ist aber bereits fraglich, ob die Analyse des Algorithmus überhaupt zu einem Mehrwert für den beweispflichtigen 1224
BVerwG, Urt. v. 17. 3. 2016 – 7 C 2/15, BVerwGE 154, 231 (242 f.) Rn. 35. Auch im Datenschutzrecht ist nach BGH, Urt. v. 28. 1. 2014 – VI ZR 156/13, BGHZ 200, 38 Rn. 27 und der h. M. eine Pflicht zur Offenlegung des Algorithmus abzulehnen, vgl. Gausling, ZD 2019, 335 (340 f.); Kugelmann, DuD 2016, 566 (568); Paal/Hennemann, in: Paal/ Pauly (Hrsg.), DS-GVO BDSG (2018); Art. 13 DS-GVO, Rn. 31. 1226 Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 33. 1227 Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 38. 1228 Krüger, in: MüKo-BGB (2019), § 260 Rn. 20. 1229 BGH, Urt. v. 8. 2. 2018 – III ZR 65/17, NJW 2018, 2629 (2631); Krüger, in: MüKo-BGB (2019), § 260 Rn. 37. 1230 So zu § 259 BGB Krüger, in: MüKo-BGB (2019), § 259 Rn. 31. 1225
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Gläubiger führt. Zum einen kann es auch bei der Übersetzung des Algorithmus in ein Programm noch zu Fehlern kommen.1231 Zum anderen ergeben sich Probleme häufig erst aus der Interaktion mit anderen vernetzten Programmen.1232 Allein durch die Analyse des Algorithmus kann nicht ausgeschlossen werden, dass externe Faktoren das Ergebnis des Programmablaufs beeinflusst haben. Der Beweis der Kausalität kann für den Geschädigten aus der technischen Perspektive daher eine erhebliche Herausforderung darstellen. Gelingt ihm der Beweis der Kausalität nicht, ist also ein sog. non liquet gegeben, ist der Richter gezwungen, nach Beweislastgrundsätzen und damit zu Lasten des klagenden Anlegers zu entscheiden.1233 Da sich der Robo-Advisor und die ihm zugrundeliegende Software vollständig im Risikobereich des Betreibers befinden, erscheint die alleinige Risikotragung durch den Gläubiger nicht angemessen. Gleichzeitig kann es dem Betreiber aber nicht zugemutet werden, im Rahmen sämtlicher Prozesse zur Offenlegung seiner wesentlichen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verpflichtet zu werden. Zudem ist die Offenlegung des Algorithmus kaum geeignet, die Frage der Kausalität zu lösen. Ein Ausgleich könnte hier im Wege einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Kausalität zu Lasten des Betreibers gefunden werden. Ob die Schaffung einer solchen Beweislastumkehr einen tauglichen Reformansatz darstellt, wird in Teil 4 dargestellt.1234 (2) Beweislastumkehr Vom Grundsatz, dass der Gläubiger die Kausalität zu beweisen hat, werden verschiedene Ausnahmen in Form von Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweislast gemacht.1235 Für den Fall des Einsatzes automatischer oder intelligenter Agenten sieht das geltende Recht eine solche Umkehr oder Erleichterung der Beweislast jedoch nicht vor. Eine gesetzliche Beweislastumkehr in Form einer Kausalitätsvermutung enthalten etwa § 34 Abs. 1 Gentechnikgesetz, § 6 Abs. 1 S. 1 Umwelthaftungsgesetz oder § 84 Abs. 2 S. 1 Arzneimittelgesetz.1236 Eine analoge Anwendung der Normen1237 scheidet jedoch aus, da es sich um Ausnahmevorschriften handelt, welche der Gesetzgeber bewusst nur auf die geregelten Sonderfälle beschränken und nicht auf weitere Fälle erstrecken wollte.
1231
Pomberger/Dobler, Algorithmen und Datenstrukturen (2008), S. 82. Vgl. Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 41. 1233 Prütting, in: MüKo-ZPO (2016), § 286 Rn. 93. 1234 Siehe unten Teil 4 Kap. 2 § 2 C. I. 1235 Ernst, in: MüKo-BGB (2019), § 280 Rn. 148; Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), § 280 Rn. 38; Schwarze, in: Staudinger (Begr.), BGB (2014), § 280 Rn. F 41 ff. 1236 Schmidt, K., in: Geigel (Begr.), Haftpflichtprozess (2020), 1. Kap. Rn. 51; Zech, ZfPW 2019, 198 (218). 1237 So ein Vorschlag von Zech, ZfPW 2019, 198 (218). 1232
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Eine Beweislastumkehr ohne gesetzliche Grundlage ist aus Gründen der Rechtssicherheit und der Kalkulierbarkeit des Prozessrisikos nur in absoluten Ausnahmefällen im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung möglich.1238 Zur Entwicklung einer Kausalitätsvermutung im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung ist es etwa bei groben Verletzungen von Berufspflichten, die zum Schutz von Körper und Gesundheit anderer bestehen, gekommen.1239 Die Ausbildung einer entsprechenden richterrechtlichen Umkehr der Beweislast hinsichtlich der die Kausalität begründenden Tatsachen hat im Zusammenhang mit dem Einsatz automatischer und intelligenter Agenten noch nicht stattgefunden. Die Schaffung einer solchen kann aber dazu beitragen, eine Parallelität zwischen der Verteilung des Risikos und der Verteilung der Beweislast herbeizuführen. Vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Rechtssicherheit und des breiten Einsatzes automatischer und intelligenter Agenten auch über den Finanzdienstleistungsbereich hinaus sollte sich dies vorzugswürdig im Wege der Einführung einer klar definierten und eindeutig abgrenzbaren gesetzlichen Regel vollziehen. bb) Aus vertragsspezifischer Perspektive Eine weitere Fallgruppe der soeben angesprochenen richterrechtlichen Beweislastumkehr bildet die Kausalitätsvermutung bei der Verletzung einer Aufklärungs-, Beratungs- oder Warnpflicht.1240 Wurde etwa ein Kunde im Rahmen der Anlageberatung nicht ausreichend aufgeklärt, so gilt eine Vermutung, dass er das betroffene Geschäft bei korrekter Aufklärung nicht abgeschlossen hätte, sog. „Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens“.1241 Wird beim Einsatz eines anlageberatenden Robo-Advisors die Pflicht zur anlegerund objektgerechten Beratung, insbesondere die Informationspflicht und die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten, nicht ordnungsgemäß erfüllt, so wird vermutet, dass der Anleger die empfohlenen Anlageprodukte bei Erfüllung der Pflichten nicht erworben hätte. Weiter als dieser Zusammenhang reicht die Kausalitätsvermutung aber nicht. Der Betreiber des Robo-Advisors trägt das Risiko der Unaufklärbarkeit des Kausalzusammenhangs nur insoweit, als fraglich ist, wie sich der Kunde im Falle pflichtgemäßer Beratung verhalten hätte.1242 Die Kausalitäts1238
Foerste, in: Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO (2020), § 286 Rn. 37; Prütting, in: MüKo-ZPO (2016), § 286 Rn. 123; Saenger, in: Saenger (Hrsg.), ZPO (2019), § 286 Rn. 66. In Bezug auf die Robo-Advice auch Maume, ECFR 2019, 622 (649). 1239 Saenger, in: Saenger (Hrsg.), ZPO (2019), § 286 Rn. 77. 1240 Schwarze, in: Staudinger (Begr.), BGB (2014), § 280 Rn. F 42. 1241 BGH, Urt. v. 16. 11. 1993 – XI ZR 214/92, BGHZ 124, 151 (159) m. w. N.; BGH, Urt. v. 8. 5. 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159; Edelmann, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Assmann/ Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 3 Rn. 108 ff.; Schwarze, in: Staudinger (Begr.), BGB (2014), § 280 Rn. F 61; Westermann, in: Erman (Begr.), BGB (2017), § 280 Rn. 31. 1242 Vgl. BGH, Urt. v. 5. 7. 1973 – VII ZR 12/73, BGHZ 61, 118 (122); Zahrte, in: MüKoHGB (2019), Anlageberatung, Rn. 424.
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vermutung bezieht sich damit insbesondere nicht auf technische Aspekte des RoboAdvisors wie eine Unaufklärbarkeit des Kausalzusammenhangs aufgrund mehrerer möglicher Schadensursachen. Was Vermögensverwaltungsverträge betrifft, so ist zu bemerken, dass den Vermögensverwalter keine sekundäre Darlegungslast zur Darlegung der internen Entscheidungsabläufe und zur Begründung von Anlageentscheidungen innerhalb der Anlagerichtlinien trifft.1243 Der Betreiber eines Robo-Advisors muss also bei einer behaupteten nachteiligen Anlageentscheidung des Robo-Advisors nicht erläutern, welche internen Abläufe im Programm des Robo-Advisors zu einer konkreten Anlageentscheidung geführt haben und warum diese Entscheidung ex ante vertretbar war. Vielmehr obliegt es dem klagenden Anleger, substantiiert darzulegen, warum eine bestimmte Anlageentscheidung aus wirtschaftlicher Sicht pflichtwidrig war und zu einem konkreten Schaden geführt hat.1244 Schließlich ergibt sich eine Beweiserleichterung auch aus § 287 ZPO und dem aus ihm folgenden Rechtsinstitut der freien richterlichen Schadensschätzung.1245 Danach kann der Tatrichter den Eintritt des Schadens und seinen Umfang in freier richterlicher Beweiswürdigung schätzen.1246 Dies ist vor allem bei Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit Anlageberatungs- und Vermögensverwaltungsverträgen vorteilhaft für den Gläubiger, da die Schadensberechnung mitunter Schwierigkeiten bereiten kann und mit Unsicherheiten behaftet ist.1247 So ist im Rahmen der Differenzhypothese der hypothetische Zustand zu bestimmen, der bei pflichtgemäßen Verhalten bestehen würde.1248 Gerade im Rahmen der Vermögensverwaltung kommen aber unzählige Anlagealternativen in Betracht, die jeweils unterschiedliche Wertentwicklungen zur Folge gehabt hätten.1249 d) Beweissicherung Erleichterungen im Rahmen der Beweisführung für beide Parteien des Rechtsstreits können Aufzeichnung und Protokollierung der internen Vorgänge des RoboAdvisors im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit, etwa der Generierung des Anlagevorschlags sowie der sich unter Umständen anschließenden Verwaltung des Vermögens, der Abwehr von Cyber-Angriffen oder der Durchführung von Funktions1243
BGH, Urt. v. 23. 10. 2007 – XI ZR 423/06, NJW-RR 2008, 1269 (1270); Schwarze, in: Staudinger (Begr.), BGB (2014), § 280 Rn. F 61. 1244 BGH, Urt. v. 23. 10. 2007 – XI ZR 423/06, NJW-RR 2008, 1269 (1270). 1245 Schwarze, in: Staudinger (Begr.), BGB (2014), § 280 Rn. F 8. 1246 BGH, Urt. v. 28. 4. 1982 – IV a ZR 8/81, NJW 1983, 998 f.; Schwarze, in: Staudinger (Begr.), BGB (2014), § 280 Rn. F 8. 1247 Siehe zur Vermögensverwaltung etwa Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 830 ff. 1248 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 831. 1249 Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung (2006), S. 831.
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und Sicherheitstests, bringen. So könnte den Beweisproblemen etwa mit dem Einsatz von Logfiles und Blackboxes1250 begegnet werden.1251 Bei einer Logfile handelt es sich um eine Datei, in der alle oder bestimmte Aktionen und Ereignisse eines Systems protokolliert werden.1252 Auf diese Weise ließe sich zum einen die Existenz oder Nichtexistenz eines Systemfehlers ex post ermitteln.1253 Zum anderen könnte der Betreiber auf diese Weise die Erfüllung sämtlicher Sorgfaltspflichten nachweisen und dadurch den Entlastungsbeweis hinsichtlich des Vertretenmüssens erbringen. Eine gesetzliche Pflicht zum Einsatz von Logfiles und Blackboxes besteht nach geltendem Recht jedoch nicht. II. Haftung des Programmierers Der Programmierer steht, wie bereits ausgeführt, in keinem vertraglichen Verhältnis zum Kunden des Robo-Advisors, so dass dieser keine vertraglichen Ansprüche gegen ihn geltend machen kann. Handelt es sich um einen externen Programmierer, welcher nicht Teil der Unternehmensorganisation des Betreibers ist, kann es bei einer fehlerhaften Robo-Advice-Software aber zu vertraglichen Regressansprüchen des Betreibers gegen den Programmierer kommen. Da es in diesem Verhältnis jedoch zu keinen Besonderheiten im Vergleich zu sonstigen Softwareerstellungsverträgen kommt, soll auf diese nicht weiter eingegangen werden. III. Zusammenfassung Als Anspruchsgegner des Kunden kommt im vertraglichen Bereich allein der Betreiber des Robo-Advisors in Betracht. Eine Pflichtverletzung des Betreibers durch die Inbetriebnahme und Inbetriebhaltung eines Robo-Advisors kann insbesondere darin liegen, dass die Robo-Advice-Software nicht dazu fähig ist, die Informationen über den Kunden umfassend einzuholen, und als Folge auch nicht in der Lage ist, die individuellen Bedürfnisse und Eigenschaften des Kunden bei der Ermittlung des Anlagevorschlags oder der Festlegung der Anlagerichtlinien zu berücksichtigen, was letztlich eine ungeeignete Anlageempfehlung oder eine unge1250 Gemeint sind Blackboxes, wie man sie aus dem Flugverkehr kennt, nicht zu verwechseln mit dem Black Box-Problem der künstlichen Intelligenz. 1251 Denga, CR 2018, 69 (75 f.); Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 88; Horner/Kaulartz, CR 2016, 7 (10); Horner/Kaulartz, InTeR 2016, 22 (26); Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 355; Spindler, CR 2015, 766 (772). Ausführlich zur Motivation der Speicherung von Fahrzeugdaten im Rahmen des automatisierten Fahrens Lutz, Automatisiertes Fahren, Dashcams und die Speicherung beweisrelevanter Daten (2017), S. 27 ff. 1252 Gabler Wirtschaftslexikon, abrufbar unter www.wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/ logfile-41087/version-264459. 1253 Vgl. Lutz, Automatisiertes Fahren, Dashcams und die Speicherung beweisrelevanter Daten (2017), S. 42.
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eignete Vermögensverwaltung zur Folge hat. Die Inbetriebnahme oder Inbetriebhaltung kann aber auch dann eine Pflichtverletzung darstellen, wenn der RoboAdvisor falsche, etwa nicht mehr aktuelle Informationen über das Marktgeschehen und die Eigenschaften der empfohlenen und verwalteten Anlageprodukte verarbeitet. Daraus folgende Fehler wären erneut ungeeignete Anlageratschläge, aber auch eine fehlerhafte Information des Kunden über die Chancen und Risiken der einzelnen Anlageprodukte. Da die Fähigkeit des Robo-Advisors zum Einsatz von Big-DataTechniken den Pflichtenkreis des Betreibers erweitert, erweitert sich auch der Kreis möglicher Pflichtverletzungen, wenn eingeholte Informationen nicht umfassend berücksichtigt werden. Fehlfunktionen des Robo-Advice-Programms im Bereich der Informationseinholung und -verarbeitung können somit zahlreiche Pflichtverletzungen des Betreibers begründen. Auf der Ebene des Vertretenmüssens muss zwischen einem eigenen Verschulden des Betreibers und fremdem, dem Betreiber aber zurechenbaren Verschulden unterschieden werden. Den Vorwurf der Fahrlässigkeit kann der Betreiber durch den Nachweis der Erfüllung sämtlicher Sorgfaltspflichten abwenden. Dies erfordert die Durchführung regelmäßiger sowie anlassbezogener Tests, um Fehler im Programm oder Lücken im Schutz gegen Cyber-Threats bereits frühzeitig erkennen und die identifizierten Fehlfunktionen beheben zu können. So werden Pflichtverletzungen von vornherein vermieden. Beim Einsatz intelligenter Robo-Advisor müssen zudem die verwendeten Trainingsdaten sorgfältig ausgewählt werden.1254 Insgesamt gilt beim Einsatz eines Robo-Advisors ein hoher Sorgfaltsmaßstab. Eine vollständige Überwachung jeder einzelnen Aktion und Entscheidung ist aber weder möglich noch nötig.1255 Welche Sorgfaltspflichten beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich im Einzelnen bestehen, hat sich in der Rechtsprechung noch nicht herauskristallisiert. Die Schaffung spezifischer ISO- oder DINNormen könnte aber zu einer Erhöhung der Rechtsicherheit beitragen.1256 Grundsätzlich obliegt dem Betreiber eine Pflicht zur sorgsamen Programmierung, zur sorgsamen Auswahl von Trainingsdaten, zu regelmäßigen sowie anlassbezogenen Funktions- und Sicherheitstests, zur Einrichtung eines Notfallsystems und einer KillFunktion und zur gründlichen laufenden Überwachung. Hat der Betreiber diese Pflichten erfüllt, so hat er eine etwaige Pflichtverletzung grundsätzlich nicht zu vertreten. Das Verschulden eines internen, in die Unternehmensorganisation des Betreibers eingegliederten Programmierers muss sich der Betreiber nach § 278 S. 1 BGB zurechnen lassen.
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Vgl. Zech, ZfPW 2019, 198 (203). Vgl. Gruber, in: Hilgendorf/Günther (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung (2013), S. 123 (146); Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 341; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 137. 1256 Zech, ZfPW 2019, 198 (211). 1255
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Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Kausalität stellt sich aus technischer Perspektive das Problem, dass sich beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten häufig nicht mehr vollständig klären lässt, welcher Faktor ein fehlerhaftes Verhalten hervorgerufen hat.1257 So kommen als alternativ oder kumulativ kausale Handlungen unter anderem die Programmierung, die Lieferung und Auswahl von Trainingsdaten, die Inbetriebnahme, die Wartung, Cyber-Attacken und Aktionen vernetzter Agenten in Betracht.1258 Im Rahmen der Beweislast ist das Vorliegen einer Pflichtverletzung grundsätzlich vom Kunden als Anspruchsteller zu beweisen. Aufgrund der dem Betreiber obliegenden aufsichtsrechtlichen Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten kann es in bestimmten Bereichen aber zu einer sekundären Darlegungslast des Betreibers kommen. Hinsichtlich des Vertretenmüssens ergibt sich aus § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zwar eine Umkehr der Beweislast zu Lasten des Betreibers. Gelingt diesem jedoch der Nachweis, dass alle Sorgfaltspflichten erfüllt wurden, so gilt der Entlastungsbeweis als erbracht.1259 Dies gilt insbesondere, wenn mehrere mögliche Schadensursachen in Betracht kommen. Der Hinweis auf die Unaufklärbarkeit aufgrund des Vorliegens einer Black Box genügt jedoch nicht.1260 Der Kunde des Robo-Advisors trägt zudem die Beweislast für das Vorliegen eines kausalen Zusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung des Betreibers und dem entstandenen Schaden. Die Möglichkeit mehrerer Schadensursachen sowie die mangelnde Reproduzierbarkeit und Rückverfolgbarkeit von Fehlfunktionen stellt diesen dabei vor erhebliche Schwierigkeiten. Auch besteht grundsätzlich keine sekundäre Darlegungslast des Betreibers zur Offenlegung des zugrundeliegenden Algorithmus. Dabei existiert keine richterrechtliche oder gesetzliche Umkehr der Beweislast im technischen Bereich, welche dem Anspruchsteller im Falle des Einsatzes eines automatischen oder intelligenten Agenten im Finanzdienstleistungsbereich zur Seite steht. Da sich der Robo-Advisor vollständig im Risikobereich des Betreibers befindet und der geschädigte Kunde über keinerlei Möglichkeiten verfügt, einen Einblick in dessen Funktionsweise zur erlangen, stellt dies ein überaus unbefriedigendes Ergebnis dar. Abhilfe schaffen könnte die Entwicklung einer Be-
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Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 88; Hötitzsch, in: Hilgendorf/Hötitzsch (Hrgs.), Das Recht vor den Herausforderungen der modernen Technik (2015), S. 75 (81); Käde/von Maltzan, CR 2020, 66 (71); Kluge/Müller, InTeR 2017, 24 (25); Beck, S., JR 2009, 225 (227); Sorge, in: Hornung (Hrsg.), Rechtsfragen der Industrie 4.0 (2018), S. 139 (146 f.); Spindler, CR 2015, 766 (772); Zech, ZfPW 2019, 198 (207 f.). 1258 Vgl. Zech, ZfPW 2019, 198 (208). 1259 Denga, CR 2018, 69 (75); Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 215; Horner/Kaulartz, CR 2016, 7 (9); Schwarze, in: Staudinger (Begr.), BGB (2014), § 280 Rn. F 39. 1260 Grapentin, Vertragsschluss und vertragliches Verschulden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Softwareagenten (2018), S. 215.
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weislastumkehr hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Kausalität zu Lasten des Betreibers. Ebenfalls existiert in diesem Bereich derzeit keine Regelung, welche sich mit der Sicherung von Beweismaterial befasst. Die Verpflichtung zur Führung sog. Logfiles, welche vom Robo-Advisor ausgeführte Aktionen und getroffene Entscheidungen protokollieren, könnte Beweisprobleme auf verschiedenen Ebenen lösen.1261 Eine Haftung des Programmierers gegenüber dem Kunden kommt mangels eines Vertragsverhältnisses nicht in Betracht. Handelt es sich um einen externen Programmierer, welcher nicht in die Unternehmensorganisation des Betreibers eingegliedert ist, kommen aber Regressansprüche des Betreibers in Betracht.
B. Deliktische Haftung Eine deliktische Haftung ist beim Einsatz eines Robo-Advisors nur eingeschränkt möglich. Zum einen scheidet, wie auch im Vertragsrecht, eine persönliche deliktische Haftung des Robo-Advisors schon mangels eigener Rechtspersönlichkeit aus.1262 Zum anderen stellt § 823 Abs. 1 BGB keine taugliche Anspruchsgrundlage dar. Dies liegt darin begründet, dass vom Schutzbereich des § 823 Abs. 1 BGB nur die in ihm enumerativ aufgezählten Rechtsgüter erfasst sind.1263 Nicht Teil des Schutzbereichs ist insbesondere der primäre Vermögensschaden.1264 Bei einer Pflichtverletzung unter Einsatz eines Robo-Advisors kommt als Schadenstyp jedoch ausschließlich ein primärer Vermögensschaden in Betracht.1265 Die Verletzung von Pflichten im Zusammenhang mit der Anlageberatung oder der Vermögensverwaltung kann lediglich das Vermögen des Anlegers schädigen.1266 Eigentumsverletzungen oder gar Körperschäden sind nicht denkbar. Mögliche deliktische Anspruchsgrundlagen können deshalb grundsätzlich nur § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. 1261
Vgl. Denga, CR 2018, 69 (75); Horner/Kaulartz, CR 2016, 7 (10); Spindler, CR 2015, 766 (772). 1262 Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 1 B. Vgl. auch Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 322. 1263 Hager, in: Staudinger (Begr.), BGB (2017), § 823 Rn. B 192; Sprau, in: Palandt, BGB (2020), § 823 Rn. 2; Staudinger, A., in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 823 Rn. 1; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 823 Rn. 62 und 164. 1264 Sprau, in: Palandt, BGB (2020), § 823 Rn. 2; Staudinger, A., in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 823 Rn. 1; Teichmann, in: Jauernig, BGB (2018), § 823 Rn. 19; Wagner, in: MüKoBGB (2017), § 823 Rn. 370. 1265 Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 88. Vgl. für den Einsatz autonomer und intelligenter Wertpapierhandelssysteme Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 329 f. 1266 Vgl. Edelmann, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 3 Rn. 97.
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einem Schutzgesetz oder § 826 BGB sein, da diese das Vermögen schützen.1267 Als Haftungsgegner kommt primär der Betreiber des Robo-Advisors in Betracht. Zudem ist auch eine Haftung des Programmierers, welcher die Software des Robo-Advisors entwickelt hat, denkbar. I. Haftung des Betreibers 1. Betreiber im deliktsrechtlichen Sinne Bevor eine Haftung des Betreibers im Deliktsrecht diskutiert werden kann, muss zunächst einmal festgelegt werden, wer unter einem Betreiber im deliktsrechtlichen Sinne zu verstehen ist. Die Formulierung eines Betreiberbegriffs kann dabei zur Abgrenzung des Betreibers vom Programmierer des Robo-Advisors dienen. Bei der Formulierung einer Definition kann eine Anlehnung an der Definition des Kfz-Halters erfolgen. Betreiber eines automatischen oder intelligenten Agenten im deliktsrechtlichen Sinn ist demnach, wer den Agenten für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die tatsächliche Verfügungsgewalt darüber besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt.1268 Dies dürfte regelmäßig das hinter dem Robo-Advisor stehende Wertpapierdienstleistungsunternehmen sein. Beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten stehen sich die Interessen des Einzelnen an der Ausnutzung technischer Errungenschaften und das Interesse der Kunden, nicht durch schwer kontrollierbare und unter Umständen unvorhersehbare Aktionen der Agenten geschädigt zu werden, gegenüber. Dieser Konflikt weist Ähnlichkeiten auf zum im Straßenverkehr bestehenden Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse des Einzelnen, das Kfz als technische Errungenschaft zu nutzen, und dem Interesse der Allgemeinheit, nicht durch das nicht immer kontrollierbare Kfz geschädigt zu werden.1269 Wie auch beim Halterbegriff sind nicht die Eigentumsverhältnisse entscheidend, sondern es kommt allein auf die tatsächlichen Gegebenheiten sowie eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an.1270 2. Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes a) Verletzung eines Schutzgesetzes Eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB setzt zunächst die Verletzung eines Schutzgesetzes voraus. Unter einem Schutzgesetz ist jedes Gesetz i. S. d. Art. 2 EGBGB zu verstehen, das neben dem Schutz der Allgemeinheit zumindest auch dem 1267
Vgl. Edelmann, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 3 Rn. 97. 1268 Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 136. In Bezug auf Kfz. BGH, Urt. v. 21. 12. 2004 – VI ZR 276/03, BGHZ 13, 351. 1269 Vgl. Kaufmann, in: Geigel (Begr.), Haftpflichtprozess (2020), 25. Kap. Rn. 16. 1270 Vgl. Kaufmann, in: Geigel (Begr.), Haftpflichtprozess (2020), 25. Kap. Rn. 32 und 35.
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Schutz einzelner Personen oder Personenkreise dienen soll.1271 Aufgrund der umfassenden Bedeutung des Aufsichtsrechts für die Anlageberatung und die Vermögensverwaltung kommen beim Einsatz eines Robo-Advisors vor allem aufsichtsrechtliche Normen, aber auch Vorschriften des Strafrechts als Schutzgesetze in Betracht. aa) Handeln ohne aufsichtsrechtliche Erlaubnis Wie bereits gezeigt wurde, wird die Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 S. 1 KWG von Rechtsprechung1272 und Literatur1273 als Schutzgesetz anerkannt.1274 Da der Betrieb eines Robo-Advisors grundsätzlich erlaubnispflichtig i. S. d. § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG ist1275, stellt die Inbetriebnahme oder Inbetriebhaltung eines RoboAdvisors ohne entsprechende Erlaubnis eine Schutzgesetzverletzung i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB dar. bb) Verletzung einer Wohlverhaltens- oder Organisationspflicht Während die Schutzgesetzeigenschaft der Organisationspflichten nach §§ 33 ff. WpHG a. F. einhellig abgelehnt wurde,1276 ist die Einordnung der Wohlverhaltenspflichten als Schutzgesetze umstritten.1277 1271 St. Rspr. BGH, Urt. v. 21. 10. 1991 – II ZR 204/90, BGHZ 116, 7 (13) m. w. N.; Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil (2020), § 64 Rn. 4; Spickhoff, in: Soergel (Begr.), BGB (2005), § 823 Rn. 195; Sprau, in: Palandt, BGB (2020), § 823 Rn. 58; Staudinger, A., in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 823 Rn. 147; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 823 Rn. 498. 1272 St. Rspr. BGH, Urt. v. 8. 5. 1973 – VI ZR 164/71, NJW 1973, 1547 (1548); BGH, Versäumnisurt. v. 21. 4. 2005 – III ZR 238/03, NJW 2005, 2703; zuletzt BGH, Urt. v. 19. 3. 2013 – VI ZR 56/12, BGHZ 197, 1 (4) Rn. 11 und BGH, Urt. v. 16. 5. 2017 – VI ZR 266/16, NJW 2017, 2463. 1273 Binder, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 3 Rn. 109; Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 71; Edelmann, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts (2020), § 3 Rn. 98; Fischer, R./Müller, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 32 KWG, Rn. 31; Förster, in: Bamberger et al. (Hrsg.), BeckOK BGB (2020), § 823 Rn. 290; Samm, in: Beck (Begr.)/Samm/Kokemoor (Hrsg.), KWG, Stand Februar 2020, § 32 Rn. 20; Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 34; Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG (2016), § 32 KWG, Rn. 93. 1274 Siehe oben Teil 3 Kap. 1 § 3 D. 1275 Siehe dazu ausführlich oben Teil 3 Kap. 2 § 2 A. 1276 BGH, Urt. v. 8. 5. 2001 – XI ZR 192/00, BGHZ 147, 343 (352 f.); Balzer, ZBB 1997, 260 (263 f.); Fett, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, § 63 WpHG, Rn. 19; Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), Vor §§ 31 ff. Rn. 105; Meyer/Paetzel/Will, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 33 Rn. 276; Schäfer, F., WM 2007, 1872 (1876). A. A. Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn (Hrsg.), HGB (2015), Bank- und Börsenrecht, Rn. VI 320. 1277 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 72; Fuchs, A., in: Fuchs, A. (Hrsg.), WpHG (2016), Vor §§ 31 ff. Rn. 103; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung (2014), S. 371; Winde, Die Regulierung anlagevermittelnder und -beratender Internet-Plattformen (2019), S. 230. Zuletzt: BGH, Urt. v. 19. 12. 2006 – XI ZR 56/
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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Wie gezeigt wurde, ist den Wohlverhaltens- und Organisationspflichten über die Ausstrahlungswirkung auf die vertraglichen Pflichten hinaus jedoch prinzipiell keine weitere zivilrechtliche Bedeutung beizumessen.1278 In Betracht kommt eine Schutzgesetzeigenschaft allenfalls bei solchen Normen, die konkrete Handlungsund Informationspflichten gegenüber dem einzelnen Anleger enthalten.1279 Ob einer Wohlverhaltenspflicht eine Schutzgesetzeigenschaft zukommt, ist stets eine Frage des Einzelfalls. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der Kunde mit dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen in vertraglicher Beziehung steht, weshalb dieses ohnehin vertraglich haftet. Aus der Annahme einer Schutzgesetzeigenschaft resultiert somit letztlich nur für Organe und Angestellte des Unternehmens eine Haftungserweiterung.1280 Auch zum Betreiber des Robo-Advisors, welcher regelmäßig mit dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen personenidentisch sein dürfte, steht der Kunde in vertraglicher Beziehung. Aufgrund der Ausstrahlungswirkung der aufsichtsrechtlichen Pflichten auf das Vertragsrecht im Rahmen der Anlageberatung und Vermögensverwaltung ergibt sich wegen der ohnehin bestehenden vertraglichen Haftung des Betreibers des Robo-Advisors für diesen auch im Falle einer Schutzgesetzqualität einer Wohlverhaltenspflicht grundsätzlich kein zusätzliches Haftungsrisiko.1281 Die Frage nach der Schutzgesetzqualität einer Wohlverhaltenspflicht hat deshalb für den Betreiber keine praktische Relevanz.1282 cc) Verletzung eines Strafgesetzes Aus dem Bereich des Strafrechts sind vor allem die Vermögensdelikte und dabei insbesondere der Computerbetrug nach § 263a StGB1283 und der Kapitalanlagebetrug nach § 264a StGB1284 als Schutzgesetze von Relevanz. Dabei handelt es sich jedoch um Vorsatzdelikte, so dass eine rein fahrlässige Schutzgesetzverletzung ausscheidet. 05, BGHZ 170, 226 (232) Rn. 18 f.; BGH, Urt. v. 19. 2. 2008 – XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276, (280) Rn. 14 f.; BGH, Urt. v. 22. 6. 2010 – VI ZR 212/09, BGHZ 186, 58 (70) Rn. 33; BGH, Urt. v. 17. 9. 2013 – XI ZR 332/12, NZG 2013, 1226 (1228). Siehe bereits oben Teil 3 Kap. 1 § 3 D. 1278 BGH, Urt. v. 19. 12. 2006 – XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 (232) Rn. 18; BGH, Urt. v. 19. 2. 2008 – XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276 (280) Rn. 14. Siehe zum Verhältnis zwischen Zivilund Aufsichtsrecht ausführlich oben Teil 3 Kap. 1 § 3. 1279 Bracht, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 19 Rn. 72. 1280 BGH, Urt. v. 19. 2. 2008 – XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276 (281) Rn. 18. 1281 Vgl. BGH, Urt. v. 19. 2. 2008 – XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276 (281), Rn. 18 ff.; BGH, Urt. v. 22. 6. 2010 – VI ZR 212/09, BGHZ 186, 58 (69), Rn. 31; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht (2019), Rn. 923; Grigoleit, ZHR 2013, 264 (279); Möllers, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 31 Rn. 447; Nikolaus/D’Oleire, WM 2007, 2129 (2130); Schäfer, F., WM 2007, 1872 (1875); Veil, WM 2007, 1821 (1826). 1282 Leisch, Informationspflichten nach § 31 WpHG (2004), S. 86; Möllers, in: Hirte/ Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG (2014), § 31 Rn. 447. 1283 Mühlbauer, in: MüKo-StGB (2019), § 263a Rn. 8. 1284 BGH, Urt. v. 21. 10. 1991 – II ZR 204/90, BGHZ 116, 7 (13 f.).
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
§ 54 KWG, welcher die strafrechtliche Sanktion des Handelns ohne aufsichtsrechtliche Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 S. 1 KWG enthält, erlangt als Schutzgesetz neben § 32 Abs. 1 S. 1 KWG insofern Bedeutung, als er über § 14 Abs. 1 S. 1 StGB den Adressatenkreis auf die Organmitglieder des Wertpapierdienstleistungsunternehmens als juristischer Person ausdehnt.1285 b) Rechtswidrigkeit und Verschulden Die Verletzung des Schutzgesetzes indiziert die Rechtswidrigkeit.1286 Das Verschulden hat sich im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB nur auf die Schutzgesetzverletzung, nicht auch auf die Rechtsgutsverletzung zu beziehen.1287 Der Vorsatz bzw. die Fahrlässigkeit des Betreibers nach § 276 BGB hat sich deshalb nur auf die Verletzung des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG oder die Verletzung der konkreten Wohlverhaltenspflicht mit Schutzgesetzeigenschaft zu beziehen, nicht auch auf den Vermögensschaden. Bei Verletzung des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG kann das Verschulden auch in diesem Zusammenhang aufgrund eines Irrtums über die Erlaubnispflicht des RoboAdvisors unter Umständen entfallen. Im Zivilrecht gilt die sogenannte „Vorsatztheorie“, nach welcher Teil des Vorsatzes auch das Bewusstsein über die Rechtswidrigkeit ist, weshalb bei einem Verbotsirrtum die Haftung entfällt.1288 Bei strafrechtlichen Schutzgesetzen, bei welchen der Entfall der Schuld die Unvermeidbarkeit des Irrtums voraussetzt1289, gilt dies auch im Anwendungsbereich des § 823 Abs. 2 BGB.1290 Bei § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG kann wegen der Strafbewehrung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG nichts anderes gelten.1291 Soweit sich der Betreiber eines Robo-Advisors also auf eine Unvermeidbarkeit seines Irrtums über die Erlaubnispflicht berufen kann,1292 scheidet auch eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB aus. Bei den infrage kommenden Straftatbeständen der §§ 263a, 264a StGB ist 1285
Holle, BKR 2018, 500 (502). Staudinger, A., in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 823 Rn. 152. 1287 Spickhoff, in: Soergel (Begr.), BGB (2005), § 823 Rn. 209; Staudinger, A., in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 823 Rn. 153; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 823 Rn. 50 und 536. 1288 Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung (2014), S. 372. 1289 Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 2 B. II. 1. 1290 BGH, Urt. v. 16. 5. 2017 – VI ZR 266/16, NJW 2017, 2463 f.; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung (2014), S. 372. 1291 BGH, Urt. v. 10. 7. 1984 – VI ZR 222/82, NJW 1985, 134 (135); BGH, Urt. v. 15. 5. 2012 @ VI ZR 166/11, NJW 2012, 3177 (3180); BGH, Urt. v. 16. 5. 2017 – VI ZR 266/16, NJW 2017, 2463 f.; BGH, Urt. v. 27. 6. 2017 – VI ZR 424/16, NJW-RR 2017, 1004 (1005); BGH, Urt. v. 10. 7. 2018 – VI ZR 263/17, NJW-RR 2018, 1250 (1252); Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung (2014), S. 372 f. 1292 So auch Pieper, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 6 Rn. 49. Siehe zur Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums im Strafrecht oben Teil 3 Kap. 4 § 2 B. II. 1. 1286
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zu beachten, dass es sich um Vorsatzdelikte handelt, weshalb auch im Rahmen des Deliktsrecht eine Begehung durch fahrlässiges Handeln ausscheidet.1293 c) Kausalität Die Schutzgesetzverletzung muss schließlich kausal für den geltend gemachten Schaden geworden sein.1294 Möchte man die Schutzgesetzqualität einzelner Wohlverhaltenspflichten bejahen, so ergeben sich beim Einsatz eines Robo-Advisors erneut Probleme. Wie im Rahmen der vertraglichen Haftung1295 kann mitunter fraglich sein, welcher konkrete Umstand ursächlich für die Verletzung der Wohlverhaltenspflicht und damit ursächlich für die Schadensentstehung war. Es muss auch in diesem Zusammenhang bei der Prüfung der Kausalität die Zweiaktigkeit der Pflichterfüllung beim Einsatz eines Robo-Advisors berücksichtigt werden.1296 Ebenfalls zu berücksichtigen ist der jeweilige Schutzzweck der Norm. So kann die haftungsausfüllende Kausalität bei Verletzung des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG nur dann bejaht werden, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen dem Vermögensschaden und der erlaubnispflichtigen Finanzdienstleistung besteht und der Schaden nicht etwa nur auf Kursverlusten beruht.1297 d) Beweislast Im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB greift ebenfalls die Grundregel, dass der Geschädigte alle Voraussetzungen für das Bestehen des Anspruchs darlegen und beweisen muss.1298 Jedoch kommt es auch hier im Einzelfall zu Erleichterungen. Zwar existiert eine Beweislastumkehr in Bezug auf das Verschulden, wie sie in § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu finden ist, in § 823 Abs. 2 BGB nicht. Das Verschulden wird aber ebenfalls vermutet, wenn das verletzte Schutzgesetz das geforderte Verhalten kon-
1293 Vgl. RG, Urt. v. 10. 10. 1927 – VI 45/27, RGZ 118, 312 (315); RG, Urt. v. 25. 1. 1941 – IV 281/40, RGZ 166, 40 (46); BGH, Urt. v. 26. 2. 1962 – II ZR 22/61, BGH, NJW 1962, 910 (911); BGH, Urt. v. 29. 4. 1966 – V ZR 147/63, BGHZ 46, 17 (21); Spickhoff, in: Soergel (Begr.), BGB (2005), § 823 Rn. 210; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 823 Rn. 537. 1294 Spickhoff, in: Soergel (Begr.), BGB (2005), § 823 Rn. 216. 1295 Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 3 A. I. 4. a). 1296 Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 3 A. I. 1. 1297 BGH, Urt. v. 7. 7. 2015 – VI ZR 372/14, NJW-RR 2015, 1144 (1146 f.); Schäfer, Ulrike, in: Schäfer, F./Sethe/Lang, V. (Hrsg.), Handbuch der Vermögensverwaltung (2016), § 19 Rn. 56. 1298 BGH, Urt. v. 13. 12. 1984 – III ZR 20/83, NJW 1985, 1774 (1775); BGH, Urt. v. 19. 11. 1985 – VI ZR 148/84, NJW 1986, 1105 (1106); BGH, Urt. v. 2. 12. 1986 – VI ZR 252/85, NJW 1987, 1694 (1695); BGH, Urt. v. 17. 3. 1987 – VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190 (195); Spickhoff, in: Soergel (Begr.), BGB (2005), § 823 Rn. 229; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 823 Rn. 543.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
kret umschreibt.1299 Dagegen obliegt die Last des Beweises weiterhin dem Geschädigten, wenn das Schutzgesetz nur einen Verletzungserfolg verbietet.1300 Von einer solchen konkreten Handlungsbeschreibung kann beim Betreiben von Finanzdienstleistungen ohne entsprechende Erlaubnis i. S. d. § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG ausgegangen werden. Gleiches gilt für die Straftatbestände nach §§ 263a, 264a StGB, welche konkrete tatbestandliche Handlungen fordern. Problematisch kann dies jedoch sein, falls man einzelne Wohlverhaltenspflichten als Schutzgesetze einordnen möchte, da Handlungspflichten wie in § 63 Abs. 1 WpHG häufig unter Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe beschrieben werden. Hinsichtlich der Kausalität gilt ein Anscheinsbeweis dann, wenn ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB feststeht und der Schaden eingetreten ist, welcher mit Hilfe des verletzten Gesetzes hätte verhindert werden sollen.1301 Erleidet der Anleger einen Vermögensschaden, kommt die Geltung des Anscheinsbeweises sowohl bei nachgewiesener Verletzung des § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG als auch bei nachgewiesener Verletzung von Vermögensdelikten in Betracht. Sofern man einzelnen Wohlverhaltenspflichten, welche dem individuellen Anlegerschutz dienen, eine Schutzgesetzeigenschaft zugestehen möchte, kann auch in diesen Fällen der Anscheinsbeweis greifen. 3. Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung Auch § 826 BGB bietet sich als taugliche Anspruchsgrundlage grundsätzlich an, da er jegliche Rechtsgüter und damit insbesondere auch das Vermögen schützt.1302 Die Bejahung eines Anspruchs aus § 826 BGB setzt jedoch die Erfüllung strenger Voraussetzungen voraus. Insbesondere muss ein Verstoß gegen die guten Sitten gegeben sein. Problematisch dürfte besonders das Merkmal der Sittenwidrigkeit sein. In der Inbetriebnahme oder Inbetriebhaltung des Robo-Advisors durch den Betreiber müsste eine sittenwidrige Handlung gesehen werden können. Die Sittenwidrigkeit als eine „gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“1303 verstoßende Handlung kann sich aus der Verwerflichkeit des eingesetzten Mittels, des verfolgten Zwecks, der Zweck-Mittel-Relation oder den eingetretenen 1299 BGH, Urt. v. 19. 11. 1991 – VI ZR 171/91, BGHZ 116, 104 (115); Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil (2020), § 64 Rn. 9; Spickhoff, in: Soergel (Begr.), BGB (2005), § 823 Rn. 232; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 823 Rn. 545. 1300 BGH, Urt. v. 19. 11. 1991 – VI ZR 171/91, BGHZ 116, 104 (115); Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil (2020), § 64 Rn. 9; Spickhoff, in: Soergel (Begr.), BGB (2005), § 823 Rn. 232; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 823 Rn. 545. 1301 Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 823 Rn. 88 und 546. 1302 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 336; Sprau, in: Palandt, BGB (2020), § 826 BGB Rn. 1 und 3; Staudinger, A., in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 826 Rn. 3; Teichmann, in: Jauernig, BGB (2018), § 826 Rn. 1; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 826 Rn. 4. 1303 St. Rspr. Erstmals RG, Urt. v. 11. 4. 1901 – VI 443/00, RGZ 48, 114 (124). Zuletzt BGH, Urt. v. 7. 5. 2019 – VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 (2165).
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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Folgen ergeben.1304 In seiner subjektiven Komponente setzt der Tatbestand des § 826 BGB voraus, dass der Handelnde die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände kennt oder sich ihrer Kenntnis leichtfertig verschließt.1305 Eine Sittenwidrigkeit der Inbetriebnahme oder Inbetriebhaltung kommt, da diese als grundsätzlich neutrale Handlungen kein verwerfliches Mittel darstellen, nur in Betracht, wenn der Betreiber mit dieser Handlung einen verwerflichen Zweck verfolgt. Im Rahmen der Anlageberatung oder Vermögensverwaltung kann sich dies vor allem aus einer anleger- und/oder objektwidrigen Beratung ergeben.1306 Eine verwerfliche Zweckverfolgung stellt es etwa dar, wenn der Betreiber einen Robo-Advisor in Betrieb nimmt oder in Betrieb hält, obwohl ihm bewusst oder grob leichtfertig unbewusst ist1307, dass dieser so programmiert ist, dass er Kunden planmäßig falsch berät, um sie dadurch zu einer Anlage in nicht ihrer Risikoneigung entsprechende Anlageprodukte zu veranlassen.1308 Eine planmäßige Falschberatung läge in diesem Zusammenhang beispielsweise vor, wenn die Empfehlung oder die Vermögensverwaltung in eindeutigem Widerspruch zu den Risikopräferenzen des Kunden steht oder diesem im Rahmen der Informationserteilung der Risikogehalt der einzelnen Anlageprodukte in zu günstigem Licht dargestellt wird.1309 Entspricht der Robo-Advisor allen aufsichtsrechtlichen Anforderungen, kann aus einer sozialethischen Perspektive nicht von Sittenwidrigkeit ausgegangen werden.1310 Zudem muss die Schädigung vorsätzlich erfolgen. Während für die Bejahung der subjektiven Seite der Sittenwidrigkeit auch ein gewissenloses Verhalten genügt, muss hinsichtlich der Schädigung Vorsatz gegeben sein.1311 Der Betreiber müsste wissen, dass es aufgrund der Konzeption des Robo-Advisor-Programms mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schadenseintritt beim Kunden kommt, und
1304 BGH, Urt. v. 7. 5. 2019 – VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 (2165) m. w. N.; Sprau, in: Palandt, BGB (2020), § 826 BGB Rn. 4; Staudinger, A., in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 826 Rn. 7; Teichmann, in: Jauernig, BGB (2018), § 826 Rn. 4 f.; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 826 Rn. 9. 1305 BGH, Urt. v. 30. 1. 1953 – I ZR 88/52, BGHZ 8, 387 (393); BGH, Urt. v. 20. 3. 1995 -_ II ZR 205/94, BGHZ 129, 136 (175); BGH, Urt. v. 29. 6. 2005 – VIII ZR 299/04, NJW 2005, 2991 (2992); Teichmann, in: Jauernig, BGB (2018), § 826 Rn. 5; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 826 Rn. 33. 1306 BGH, Urt. v. 19. 2. 2008 – XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276 Rn. 29; Wagner, in: MüKoBGB (2017), § 826 Rn. 121 mit Fn. 470. 1307 Sprau, in: Palandt, BGB (2020), § 826 BGB Rn. 9. 1308 Zur Anlageberatung allgemein BGH, Beschl. v. 18. 8. 2015 – VI ZR 302/14, BeckRS 2015, 16521; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 826 Rn. 120. 1309 BGH, Urt. v. 19. 2. 2008 – XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276 Rn. 29; Wagner, in: MüKoBGB (2017), § 826 Rn. 121. 1310 Allgemein zu automatischen und intelligenten Agenten Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 336 f. 1311 Sprau, in: Palandt, BGB (2020), § 826 BGB Rn. 9 f.
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dies zumindest billigend in Kauf nehmen.1312 Eine Haftung des Betreibers nach § 826 BGB kommt folglich nur in denjenigen Ausnahmefällen in Betracht, in denen der Betreiber bewusst und gewollt einen Robo-Advisor in Betrieb nimmt oder hält, welcher so programmiert ist, dass er Kunden schädigt. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 826 BGB trägt dann erneut der Geschädigte die volle Beweislast.1313 Da der Vorsatz als innere Tatsache dem unmittelbaren Beweis nicht zugänglich ist und aus äußeren Umständen erschlossen werden muss, erfolgt der Beweis mittels Indizien, wie etwa der Offensichtlichkeit relevanter Tatsachen.1314 Die praktische Relevanz des § 826 BGB ist aufgrund seiner hohen Anforderungen daher eher als gering einzustufen.1315 4. Haftung für vermutetes Verschulden Als Übergangsform zwischen der klassischen Verschuldenshaftung und der klassischen Gefährdungshaftung kann die Haftung für vermutetes Verschulden verstanden werden.1316 Eine entsprechende Verschuldensvermutung ist sowohl in § 831 Abs. 1 S. 2 BGB als auch in § 832 Abs. 1 S. 2 BGB, in § 833 S. 2 BGB und in § 834 BGB zu finden.1317 Zwar enthält auch der § 836 S. 2 BGB eine Verschuldensvermutung.1318 Seine Anwendbarkeit im Zusammenhang mit der Robo-Advice erscheint aber fernliegend. a) Haftung für den Verrichtungsgehilfen aa) Für das Handeln des Robo-Advisors Der Aspekt der Arbeitsteilung zwischen Betreiber und Robo-Advisor sowie die sich im Zusammenhang mit der Zurechnung ergebenden Probleme legen eine Anwendung des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB mit dem Robo-Advisor in der Rolle des Verrichtungsgehilfen nahe. Es scheint zunächst so, als könnten mit § 831 Abs. 1 S. 1 BGB die sich bei Anwendung der § 823 Abs. 1 BGB ergebenden Schwierigkeiten überwunden werden. Über § 831 Abs. 1 S. 1 BGB kann grundsätzlich auch Ersatz für
1312
Allgemein zu automatischen und intelligenten Agenten Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 337. 1313 BGH, Urt. v. 18. 12. 2007 – VI ZR 231/06, BGHZ 175, 58 Rn. 21; Wagner, in: MüKoBGB (2017), § 826 Rn. 51. 1314 Staudinger, A., in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 826 Rn. 9 und 12; Teichmann, in: Jauernig, BGB (2018), § 826 Rn. 10; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 826 Rn. 51. 1315 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 169. 1316 Spickhoff, JuS 2016, 865 (866). 1317 Spickhoff, JuS 2016, 865 (866). 1318 Spickhoff, JuS 2016, 865 (866).
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den primären Vermögensschaden geleistet werden.1319 Ein Verschulden des Verrichtungsgehilfen selbst ist nicht erforderlich.1320 Eine direkte Anwendung des § 831 Abs. 1 S. 1 auf automatische und intelligente Agenten scheidet zwar aus. Wie sich aus dem Wortlaut des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt, muss es sich beim Verrichtungsgehilfen um eine „Person“ handeln. Die Eigenschaft als Person ist untrennbar mit Rechtsfähigkeit verbunden1321, über welche eine Robo-Advisor nicht verfügt.1322 In Betracht kommt jedoch eine analoge Anwendung des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB auf den Einsatz von Robo-Advisorn. Ob der § 831 Abs. 1 S. 1 BGB auf automatische und intelligente Agenten analog angewendet werden kann, ist in der Literatur umstritten.1323 Für den Einsatz von Robo-Advisorn spielt dieser Streit jedoch keine Rolle, da die Anwendbarkeit des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB schon aus anderen Gründen scheitert. Die Anwendung des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass der Verrichtungsgehilfe den objektiven Tatbestand einer unerlaubten Handlung nach den §§ 823 ff. BGB erfüllt hat.1324 Wie soeben dargestellt, ist ein Ersatz primärer Vermögensschäden aber nur im Rahmen der §§ 823 Abs. 2 und 826 BGB möglich, so dass als taugliche, durch den Robo-Advisor als Verrichtungsgehilfen begangene Delikte auch nur diese beiden Normen in Betracht kommen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass von dem Grundsatz, dass ein Verschulden des Verrichtungsgehilfen nicht erforderlich ist, dann eine Ausnahme gemacht werden muss, wenn bereits der objektive Tatbestand des vom Verrichtungsgehilfen erfüllten Delikts subjektive Elemente enthält.1325 Dies gilt vor allem für § 826 BGB und für
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Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 338. BGH, Beschl. v. 4. 3. 1957 – GSZ 1/56, BGHZ 24, 21 (29); BGH, Urt. v. 12. 7. 1996 – V ZR 280/94, NJW 1996, 3205 (3207); Sprau, in: Palandt, BGB (2020), § 831 BGB Rn. 8; Staudinger, A., in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 831 Rn. 8; Teichmann, in: Jauernig, BGB (2018), § 831 Rn. 9; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 831 Rn. 29. 1321 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 134; John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 272; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 338 f.; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 147. 1322 Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 1 B. 1323 Bejahend Denga, CR 2018, 69 (76 f.); John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 274; Kluge/Müller, InTeR 2017, 24 (27 ff.); Riehm, ITRB 2014, 113; (114). Ablehnend Grützmacher, CR 2016, 695 (697 f.); Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 341; Müller-Hengstenberg/Kirn, CR 2018, 682 (686); Heuer-James/ Chibanguza/Stu¨ cker, BB 2018, 2818 (2830); Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 148. 1324 Sprau, in: Palandt, BGB (2020), § 831 BGB Rn. 8; Staudinger, A., in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 831 Rn. 8; Teichmann, in: Jauernig, BGB (2018), § 831 Rn. 6; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 831 Rn. 29. 1325 Sprau, in: Palandt, BGB (2020), § 831 BGB Rn. 8; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 831 Rn. 30. 1320
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
vorsätzliche Straftatbestände i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB.1326 Ebendiese subjektive Komponente kann ein Robo-Advisor mangels Schuldfähigkeit1327 aber nicht erfüllen. Auch ein deliktisches Handeln des Robo-Advisors nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 oder nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten scheidet aus. Sowohl § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG als auch die Wohlverhaltenspflichten enthalten keine Verpflichtung des Robo-Advisors selbst, sondern des hinter dem Robo-Advisor stehenden Wertpapierdienstleistungsunternehmens. Somit scheiden sowohl § 826 BGB als auch § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG, i. V. m. aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten oder i. V. m. §§ 263a, 264a StGB als taugliche Delikte aus. Mangels eines möglichen durch den Robo-Advisor begangenen Delikts ist deshalb sowohl eine direkte als auch eine analoge Anwendung des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB und damit eine entsprechende Haftung des Betreibers ausgeschlossen. bb) Für das Handeln des Programmierers Begeht dagegen der Programmierer des Robo-Advisors ein Delikt nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz oder nach § 826 BGB, so kommt eine Haftung des Betreibers nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB durchaus in Betracht. Voraussetzung ist jedoch, dass der Betreiber in einem Weisungsverhältnis zum Programmierer steht.1328 Möglich wäre eine Haftung des Betreibers deshalb nur dann, wenn der Programmierer in die Unternehmensorganisation des Betreibers eingegliedert ist. b) Haftung des Aufsichtspflichtigen Auch das in § 832 Abs. 1 BGB geregelte Verhältnis zwischen Aufsichtspflichtigem und Schutzbefohlenem scheint Parallelen aufzuweisen zum Verhältnis zwischen Betreiber und Robo-Advisor, da in beiden Beziehungen für die Handlungen eines weitgehend eigenständig entscheidenden Dritten gehaftet werden soll.1329 Zunächst scheidet eine direkte Anwendbarkeit des § 832 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB aus, da sich dieser schon ausweislich seines Wortlauts allein auf die Aufsicht über natürliche Personen bezieht.1330 1326 BGH, Urt. v. 15. 10. 2013 – VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380 (1381); Sprau, in: Palandt, BGB (2020), § 831 BGB Rn. 8; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 831 Rn. 30. 1327 Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 1 B. I. 1328 BGH, Urt. v. 10. 12. 2013 – VI ZR 534/12, NJW-RR 2014, 614 (615); Staudinger, A., in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 831 Rn. 7; Teichmann, in: Jauernig, BGB (2018), § 831 Rn. 5; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 831 Rn. 14. 1329 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 342 f. 1330 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 137; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 342. Vgl. Staudinger, A., in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 832 Rn. 6; Teichmann, in: Jauernig, BGB (2018), § 832 Rn. 3; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 832 Rn. 11 ff.
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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Aber auch eine analoge Anwendung muss mangels vergleichbarer Interessenlage ausscheiden.1331 Zweck des § 832 BGB ist es, dass derjenige, welcher kraft Gesetzes (Abs. 1) oder durch Vertrag (Abs. 2) zur Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, für diejenigen Schäden aufkommen muss, welche der Aufsichtsbedürftige mangels Fähigkeit zur Beurteilung der Handlungssituation und zur rationalen Steuerung des eigenen Verhaltens verursacht.1332 Zum einen liegt schon keine gesetzliche oder vertragliche Verpflichtung des Betreibers des Robo-Advisors zu dessen Beaufsichtigung vor. Eine solche Regelung ergibt sich insbesondere nicht aus dem Aufsichtsrecht.1333 Dieses verpflichtet den Betreiber im Rahmen einer laufenden Überwachung lediglich dazu, sicherzustellen, dass der Einsatz des Robo-Advisors mit dem Aufsichtsrecht vereinbar ist.1334 Die Pflicht zur Überwachung jeder einzelnen Handlung des Robo-Advisors ist damit aber nicht verbunden, da es gerade Sinn und Zweck eines automatischen und intelligenten Agenten ist, dass dieser innerhalb seines Einsatzbereiches weitgehend selbständig agiert.1335 Hinzu kommt, dass die Fähigkeit zu rationalem Handeln ein wesensprägendes Merkmal intelligenter Agenten darstellt.1336 Eine vergleichbare Interessenlage kann deshalb nicht angenommen werden. Schließlich setzt der § 832 BGB, ähnlich wie § 831 BGB, ein Delikt des Schutzbefohlenen voraus, auch wenn es dabei nicht auf ein Verschulden ankommt.1337 Da, wie soeben ausgeführt, eine Begehung der §§ 823 Abs. 2, 826 BGB durch den Robo-Advisor ausscheidet und die §§ 823 ff. BGB im Übrigen nicht den Ersatz des primären Vermögensschadens betreffen, ist ein solches Delikt aber nicht denkbar. c) Berufstierhalterhaftung Schließlich enthält der § 833 S. 2 BGB eine Vermutung für das Verschulden des Halters solcher Tiere, die dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt sind.1338 Da ein Robo-Advisor nicht unter den Begriff
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Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 136 f.; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 343. 1332 Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 832 Rn. 2. 1333 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 343. 1334 Siehe zur laufenden Überwachung oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 5. b) bb) und Teil 3 Kap. 2 § 2 C. I. 1. b) bb). 1335 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 343. 1336 Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 2 A. II. und Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 1. a). 1337 RG, Urt. v. 30. 12. 1901 – VI 285/01, RGZ 50, 60 (65); BGH, Urt. v. 29. 5. 1990 – VI ZR 205/89, BGHZ 111, 282 (284); Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 832 Rn. 23. 1338 Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 833 Rn. 43.
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
eines Tieres gefasst werden kann, scheidet eine direkte Anwendung auch hier aus. Vom Begriff des Tieres sind nur lebende Tiere im biologischen Sinne erfasst.1339 Die analoge Anwendung muss aber ebenfalls abgelehnt werden. Die Regelung des § 833 S. 2 BGB ist schon nicht analogiefähig.1340 Sie wurde 1908 als Reaktion auf die Interventionen der Landwirtschafts- und Fuhrunternehmer-Lobby eingeführt.1341 Es handelt sich letztlich um eine teleologisch nicht zu rechtfertigende Ausnahme, der kein verallgemeinerungsfähiger Rechtsgedanke entnommen werden kann.1342 d) Haftung des Tieraufsehers Letztlich muss auch eine (analoge) Anwendung des § 834 BGB ausscheiden, da der Betreiber des Robo-Advisors für diesen nicht durch Vertrag die Führung der Aufsicht übernommen hat.1343 5. Gefährdungshaftung Im Deliktsrecht existiert neben der Verschuldenshaftung auch eine Gefährdungshaftung. Sie ist in zahlreichen Sondergesetzen niedergelegt und soll in denjenigen Bereichen einen Anreiz zur Schadensvermeidung setzen, in denen eine besonders hohe Schadenswahrscheinlichkeit besteht.1344 Nach dem Grundprinzip der Gefährdungshaftung ist es dem Träger einer bestimmten Gefahr zunächst einmal gestattet, das mit der Gefahr verbundene Risiko zu schaffen.1345 Er muss als Ausgleich dafür jedoch für sämtliche aus der Risikorealisation folgende Schäden ohne Verschulden einstehen.1346
1339 Sprau, in: Palandt, BGB (2020), § 833 BGB Rn. 4; Staudinger, A., in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 833 Rn. 3; Stieper, in: Staudinger (Begr.), BGB (2017), § 90a Rn. 5 f.; Stresemann, in: MüKo-BGB (2018), § 90a Rn. 4. 1340 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 140; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 345; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 148 f. 1341 Eberl-Borges, in: Staudinger (Begr.), BGB (2018), § 833 Rn. 3; Kannowski, in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), HKK-BGB (2013), §§ 831 – 839a, 841 Rn. 40; Schmalhorst, Die Tierhalterhaftung im BGB von 1896 (2002), S. 145 f. und 151 f.; Spickoff, in: Gsell et al. (Hrsg.), BeckOGK BGB, 1. 2. 2020, § 833 Rn. 17. 1342 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 345; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 148 f.; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 833 Rn. 44. 1343 Vgl. Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 149. 1344 Schäfer, H.-B./Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (2012), S. 228 und 232. 1345 Spickhoff, JuS 2016, 865 (866). 1346 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht (2017), Rn. 1684; Fuchs, M./Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht (2017), S. 281; Spickhoff, JuS 2016, 865 (866).
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Auch mit der Inbetriebnahme eines Robo-Advisors schafft dessen Betreiber eine Gefahr, welche er nur eingeschränkt kontrollieren kann. Das Grundprinzip der Gefährdungshaftung scheint daher auch in diesem Zusammenhang einen Weg zur Lösung der sich beim Einsatz eines Robo-Advisors ergebenden haftungsrechtlichen Probleme darzustellen. Es muss mithin geklärt werden, ob die direkte oder analoge Anwendung eines Gefährdungshaftungstatbestands auf durch Robo-Advisor verursachte Schäden möglich ist. a) Direkte Anwendung der Gefährdungshaftungstatbestände Die Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB stellt den einzigen im BGB geregelten Fall einer Gefährdungshaftung dar.1347 Eine direkte Anwendung auf den Einsatz von Robo-Advisorn scheidet aber auch hier mangels der Erfüllung des Tierbegriffs aus. Eine direkte Anwendung der sonstigen in anderen Gesetzen geregelten Gefährdungshaftungstatbestände wie etwa § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 HaftPflG, §§ 25 ff. AtG, § 114 Abs. 1 BBergG, § 33 Abs. 1 LuftVG und § 7 StVG1348 ist aufgrund ihres eindeutigen Wortlauts jedoch ebenfalls nicht möglich. b) Analoge Anwendung der Gefährdungshaftungstatbestände Eine Gefährdungshaftung für durch Robo-Advisor verursachte Schäden kommt daher nur dann in Betracht, falls die entsprechenden Tatbestände analog angewendet werden können. Dabei ist bereits umstritten, ob die analoge Anwendung von Gefährdungshaftungstatbeständen überhaupt möglich ist. Die Rechtsprechung1349 und der überwiegende Teil der Literatur1350 lehnen dies ab und gehen von der Geltung des 1347 Fuchs, M./Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht (2017), S. 288; Kannowski, in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), HKK-BGB (2013), §§ 831 – 839a, 841 Rn. 31. 1348 Einen Überblick liefert Wagner, in: MüKo-BGB (2017), Vor § 823 Rn. 18. 1349 RG, Urt. v. 11. 1. 1912 – VI 86/11, RGZ 78, 171 (172); RG, Urt. v. 6. 5. 1920 – VI 455/19, RGZ 99, 96 (98 f.); RG, Urt. v. 11. 4. 1935 – VI 540/34, RGZ 147, 353 (355 f.); BGH, Urt. v. 29. 4. 1960 – VI ZR 113/59, NJW 1960, 1345 (1346); BGH, Urt. v. 15. 10. 1970 – III ZR 169/67, BGHZ 54, 332 (336); BGH, Urt. v. 25. 1. 1971 – III ZR 208/68, BGHZ 55, 229 (234); BGH, Urt. v. 7. 11. 1974 – III ZR 107/72, BGHZ 63, 234 (237); BGH, Urt. v. 4. 4. 2006 – VI ZR 151/05, NJW-RR 2006, 1098 (1099). 1350 Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), § 276 BGB, Rn. 24; Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 140; Köhler, AcP 1982, 126 (157); Loewenheim, BB 1967, 593 (597); Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil (2020), § 73 Rn. 5; Röthel, JURA 2012, 444; Schäfer, H.-B./Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (2012), S. 228; Staudinger, A., in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), Vor § 823 Rn. 7; Teichmann, in: Jauernig, BGB (2018), Vor § 823 Rn. 11; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), Vor § 823 Rn. 26. A. A. Deutsch, VersR 1971, 1 (4); Kötz/Wagner, Deliktsrecht (2016); Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 348; Rn. 514; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 155; Spickhoff, in: Soergel (Begr.), BGB (2005), Vor § 823 Rn. 67; Zech, ZfPW 2019, 198 (214 f.).
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
sog. Enumerationsprinzips aus. Für das Enumerationsprinzip wird angeführt, dass es sich bei sämtlichen Gefährdungshaftungstatbeständen um Spezialgesetze mit Ausnahmecharakter handele.1351 Befürworter der Analogiefähigkeit argumentieren, dass es sehr wohl Gefährdungshaftungstatbestände gebe, denen ein verallgemeinerungsfähiger Rechtsgedanke zugrunde liege.1352 Für die Frage, ob relevante Gefährdungshaftungstatbestände auch auf den Einsatz von Robo-Advisorn analog angewendet werden können, spielt dieser Streit keine Rolle. Die analoge Anwendung der entsprechenden Gefährdungshaftungstatbestände muss bereits mangels einer Vergleichbarkeit der Interessenlagen verneint werden. Dies gilt zunächst für die Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB. So lassen sich schon die von einem Tier und die von einem Robo-Advisor ausgehende Gefahr nicht miteinander vergleichen.1353 Während bei Tieren die Gefahr vor allem aus ihrer Fähigkeit zu physischer Kraftentfaltung auf den Körper oder das Eigentum eines Dritten resultiert1354, bedroht ein Robo-Advisor als bloße Software allenfalls das Vermögen des Einzelnen.1355 Die spezifische Tiergefahr, deren Realisation Voraussetzung für eine Haftung nach § 833 S. 1 BGB ist, äußert sich in einem der tierischen Natur entsprechenden, unberechenbaren und selbständigen Verhalten des Tieres.1356 Von einer aus dem Instinkt des Tieres resultierenden Unberechenbarkeit kann bei einem Robo-Advisor, dessen wesentliches Merkmal sein einprogrammiertes zielgerichtetes und rationales Verhalten ist, aber nicht gesprochen werden.1357 Damit einher geht auch die unterschiedliche Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass automatische und intel-
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Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), § 276 BGB, Rn. 24; Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil (2020), § 73 Rn. 6; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), Vor § 823 Rn. 26. 1352 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 347; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994), S. 601 f.; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 154. 1353 Vgl. Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 344. 1354 Eberl-Borges, in: Staudinger (Begr.), BGB (2018), § 833 Rn. 5, 16 und 41 m. w. N.; Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 138; Hanisch, Haftung für Automation (2010), S. 47; Krause, in: Soergel (Begr.), BGB (2005), § 833 Rn. 8. 1355 Vgl. John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 281; Köhler, AcP 1982, 126 (157); Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 344. 1356 RG, Urt. v. 30. 1. 1905 – VI 150/04, RGZ 60, 65 (68 f.); RG, Urt. v. 20. 9. 1933 – V 153/ 33, RGZ 141, 406 (407); BGH, Urt. v. 6. 7. 1976 – VI ZR 177/75, BGHZ 67, 129 (132 f.); zuletzt BGH, Urt. v. 24. 4. 2018 – VI ZR 25/17, NJW 2018, 3439; Sprau, in: Palandt, BGB (2020), § 833 BGB Rn. 1; Staudinger, A., in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 833 Rn. 4; Teichmann, in: Jauernig, BGB (2018), § 833 Rn. 4; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 833 Rn. 13. 1357 Siehe zum rationalen Verhalten oben Teil 2 Kap. 2 § 2 A. II. und Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 1. a). Vgl. Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 139; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 344 f.; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 156.
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ligente Agenten keine hohe Schadens- und Fehlerwahrscheinlichkeit aufweisen.1358 Robo-Advisor werden unter anderem gerade deshalb eingesetzt, weil sie zu weniger Fehlern neigen als Menschen.1359 Dass es aufgrund der Black Box der künstlichen Intelligenz zu unvorhersehbarem Verhalten intelligenter Robo-Advisor kommt, führt nicht automatisch dazu, dass Schäden verursacht werden. Bei voller Funktionsfähigkeit agiert der Robo-Advisor auch bei unvorhersehbarem Verhalten zielgerichtet innerhalb seines Einsatzbereiches. Die mangelnde Steuerbarkeit eines Robo-Advisors führt deshalb nicht zwingend zu einer erhöhten Schadenswahrscheinlichkeit.1360 Verursacht ein Robo-Advisor einen Schaden, so ist dies die Folge einer Fehlfunktion und die Realisation eines technischen Risikos, aber nicht die Folge einer auf unberechenbarem Verhalten gründenden Tiergefahr.1361 Auch die analoge Anwendung der sonstigen Gefährdungshaftungstatbestände muss mangels vergleichbarer Interessenlage ausgeschlossen werden.1362 Den sonstigen Tatbeständen ist gemein, dass sie sich grundsätzlich auf Aktivitäten beziehen, deren konkrete Gefährlichkeit unter anderem aus hohen Geschwindigkeiten (Eisenbahnen, Kraftfahrzeuge, Flugzeuge) oder der Ansammlung bzw. Übertragung erheblicher Energiemengen (Atomenergieanlagen, Hochspannungsleitungen, Hochdruckrohrleitungen) resultiert.1363 Auch diese Gefahren lassen sich mit dem durch einen Robo-Advisor drohenden Vermögensschaden nicht vergleichen.1364 Die analoge Anwendung existierender Gefährdungshaftungstatbestände auf durch Robo-Advisor verursachte Schäden muss daher abgelehnt werden. Allerdings könnte die Schaffung eines neuen Gefährdungshaftungstatbestandes, welcher sich auf die durch Robo-Advisor oder die durch automatische und intelligente Agenten im Finanzdienstleistungsbereich drohende Gefahren bezieht, geeignet sein, eine der Gefahrenbeherrschung entsprechende Risikoverteilung herzustellen.
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John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 285. Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 1. a). 1360 Vgl. Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 239 f.; John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 285. 1361 Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 156. 1362 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 348; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 156. 1363 Deutsch, NJW 1992, 73 (75); Ehmann, Deliktsrecht (2014), S. 116 f.; John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 277 f.; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 348. 1364 John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 281; Köhler, AcP 1982, 126 (157); Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 348; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 157. 1359
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II. Haftung des Programmierers Neben dem Betreiber des Robo-Advisors kommt als weiterer Anspruchsgegner auch dessen Programmierer in Betracht. Ein weiteres Haftungssubjekt stellt dieser freilich nur dann dar, wenn er nicht Teil der Unternehmensorganisation des Betreibers ist.1365 Da sich der Programmierer bei der Entwicklung des Robo-Advisors in einer mit dem Hersteller eines Produkts vergleichbaren Position befindet, können sich Ansprüche möglicherweise nicht nur aus dem BGB, sondern auch aus dem Produkthaftungsgesetz (im Folgenden: ProdHaftG)1366 ergeben. 1. Haftung aus dem ProdHaftG Es erscheint naheliegend, an eine Haftung des Programmierers aus dem ProdHaftG zu denken. Ob auch Software unter den Produktbegriff des § 2 ProdHaftG fällt, ist jedoch umstritten.1367 Unter einem Produkt ist gem. § 2 ProdHaftG jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet, sowie Elektrizität zu verstehen. Dagegen, dass ein unkörperlicher Gegenstand wie Software von § 2 ProdHaftG erfasst ist, spricht, dass der europäische Gesetzgeber in dem der Norm zugrundeliegenden Art. 2 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte1368 die Elektrizität in Satz 2 ausdrücklich zum Produkt erklärt hat und damit im Übrigen wohl davon ausgeht, dass unkörperliche Gegenstände nicht vom Produktbegriff erfasst sind.1369
1365
Anders als Kollmann (Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 352) für autonome Handelssysteme annimmt, ist es nicht prinzipiell so, dass die Betreiber von Robo-Advisorn die zugrundeliegende Software selbst entwickeln. Vielmehr gibt es im B2B-Bereich zahlreiche Anbieter, deren Geschäftsmodell darin besteht, für andere Unternehmen die Entwicklung und Implementierung einer digitalen Anlageberatung oder Vermögensverwaltung zu übernehmen, siehe etwa www.weadvise.de. 1366 Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz – ProdHaftG) vom 15. Dezember 1989, BGBl. I S. 2198, zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 17. Juli 2017, BGBl. I S. 2421. 1367 Die h. M. in der Literatur geht von einer Produkteigenschaft von Software aus Cahn, NJW 1996, 2899 (2904); Förster, in: Bamberger et al. (Hrsg.), BeckOK BGB (2020), § 2 ProdHaftG, Rn. 22; Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 176 ff.; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 354 f.; Lehmann, NJW 1992, 1721 (1724); Spindler, NJW 2004, 3145 (3149); Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 2 ProdHaftG, Rn. 18. A. A. Graf v. Westphalen, NJW 1990, 83 (87); Hilty, MMR 2003, 3 (14); Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 163. 1368 ABl. Nr. L 210 vom 25. 7. 1985, S. 29. 1369 Vgl. zu diesem Argument Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 177; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 2 ProdHaftG, Rn. 20, der dies allerdings nicht als „Rechtsfortbildungssperre“ wertet.
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
309
Ob Software unter den Produktbegriff fällt, muss an dieser Stelle jedoch nicht entschieden werden. Ein Anspruch scheitert schon daran, dass das ProdHaftG ausweislich seines § 1 Abs. 1 S. 1 nur vor Schäden der Gesundheit, des Körpers oder von Sachen schützt, so dass kein Ersatz des einzig in Betracht kommenden primären Vermögensschadens gefordert werden kann.1370 Aus dem ProdHaftG ergeben sich somit keine Ansprüche gegen den Programmierer der Robo-Advice-Software. 2. Haftung aus dem BGB Fraglich ist deshalb, ob sich aus dem BGB eine taugliche Anspruchsgrundlage ergibt. Handelt es sich um einen externen Programmierer, der mit der Entwicklung des Robo-Advisors beauftragt wurde, so ergeben sich mögliche Ansprüche ihm gegenüber nicht nur für den Kunden des Robo-Advisors, sondern auch für dessen Betreiber. a) Gegenüber dem Kunden Als mögliche Schäden kommen erneut nur Vermögensschäden in Betracht, so dass eine Haftung des Programmierers gegenüber dem Kunden des Robo-Advisors allein aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz oder aus § 826 BGB in Betracht kommt. Eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 263a, 264a StGB oder § 826 BGB würde voraussetzen, dass der Programmierer den Kunden vorsätzlich schädigen will.1371 Zur Erlangung einer aufsichtsrechtlichen Erlaubnis i. S. d. § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG oder zur Beachtung aufsichtsrechtlicher Wohlverhaltenspflichten ist der externe Programmierer nicht verpflichtet. Als mögliche Schutzgesetze kommen aber die Normen des Produktsicherheitsgesetzes (im Folgenden: ProdSG)1372 in Betracht.1373 Das ProdSG kommt nach seinem § 1 zur Anwendung, wenn im Rahmen einer Geschäftstätigkeit Produkte auf dem Markt bereitgestellt, ausgestellt oder erstmals verwendet werden. Ein Schutzgesetz stellt insbesondere § 3 ProdSG dar, welcher die allgemeinen Anforderungen an die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt betrifft.1374 Das 1370 Förster, in: Bamberger et al. (Hrsg.), BeckOK BGB (2020), § 1 ProdHaftG, Rn. 17; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 355; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 1 ProdHaftG, Rn. 3. 1371 Siehe für den Betreiber oben Teil 3 Kap. 4 § 3 B. I. 2. und 3. 1372 Gesetz über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (Produktsicherheitsgesetz – ProdSG) vom 8. November 2011, BGBl. I S. 2178, 2179; 2012 I S. 131, zuletzt geändert durch Art. 435 der Verordnung vom 31. August 2015, BGBl. I S. 1474. 1373 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 165; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 358; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 174. 1374 Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 2 ProdHaftG Rn. 20.
310
Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
ProdSG kann jedoch aus mehreren Gründen nicht auf die Entwicklung von RoboAdvisorn und den Vertrieb der zugrundeliegenden Software angewendet werden.1375 So sind unter Produkten nach § 2 Nr. 22 ProdSG Waren, Stoffe oder Zubereitungen, die durch einen Fertigungsprozess hergestellt worden sind, zu verstehen. Eine Software kann aber weder als Ware, Stoff oder Zubereitung verstanden werden, noch stellt ihre Entwicklung einen Fertigungsprozess dar. Gerade der Begriff „Fertigungsprozess“ kann vernünftigerweise nur im Zusammenhang mit körperlichen Gegenständen verwendet werden. Zudem ist nach § 3 Abs. 1 S. 1 ProdSG der Schutzbereich des ProdSG beschränkt auf die Sicherheit und Gesundheit von Personen, so dass der Ersatz primärer Vermögensschäden erneut ausgeschlossen ist.1376 Eine Haftung des Programmierers kommt deshalb nur bei vorsätzlicher Schädigung des Kunden und Erfüllung der übrigen Tatbestandsmerkmale der §§ 823 Abs. 2 i. V. m. §§ 263a, 264a StGB oder des § 826 BGB in Betracht. b) Regress des Betreibers Auch Regressansprüche des Betreibers gegen den externen Programmierer können sich aufgrund des allein in Betracht kommenden primären Vermögensschadens allein aus §§ 823 Abs. 2 i. V. m. §§ 263a, 264a StGB oder § 826 BGB ergeben, so dass erneut eine vorsätzliche Schädigung durch den Programmierer erforderlich wäre. III. Gesamtschuldnerhaftung Wie soeben erläutert, kommen als Anspruchsgegner für durch einen Robo-Advisor verursachte Schäden sowohl der Betreiber als auch der Programmierer in Betracht. Im deliktischen Bereich besteht dabei auch die Möglichkeit, dass beide als Gesamtschuldner i. S. d. § 840 Abs. 1 BGB haften.1377 Der geschädigte Kunde kann den Schadensersatz dann von jedem Verantwortlichen ganz oder teilweise, insgesamt aber nur einmal einfordern, § 421 BGB.1378 Im Innenverhältnis der Gesamtschuldner erfolgt ein Ausgleich der Gesamtschuldner untereinander nach § 426 BGB.1379 Durch vertragliche Vereinbarungen zwischen Programmierer und Betreiber kann der
1375
Vgl. Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 358. Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 358; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 823 Rn. 870 f. 1377 Vgl. Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 195 f.; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 188 f. 1378 Krause, in: Soergel (Begr.), BGB (2005), § 840 Rn. 2. 1379 Krause, in: Soergel (Begr.), BGB (2005), § 833 Rn. 11. 1376
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
311
Ausgleich aber auch auf andere Weise, insbesondere in einem anderen Verhältnis erfolgen.1380 IV. Zusammenfassung Zwar kommt im Rahmen der deliktischen Haftung für den Kunden als Anspruchssteller neben dem Betreiber auch der Programmierer als Anspruchsgegner in Betracht. Weil der primäre Vermögensschaden aber nicht vom Schutzbereich des § 823 Abs. 1 BGB erfasst ist, ist ein Schadensersatzanspruch nur bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz oder des § 826 BGB möglich. Ein taugliches Schutzgesetz stellt zunächst die Regelung über das Handeln ohne aufsichtsrechtliche Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG dar. Ob auch die aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten nach den §§ 63 ff. WpHG Schutzgesetze darstellen, ist im Einzelnen stark umstritten. Der BGH verfolgt eine eher ablehnende Linie.1381 Da die Wohlverhaltenspflichten aber ohnehin auf den Inhalt der vertraglichen Pflichten ausstrahlen, würde die Annahme einer Schutzgesetzqualität nur für Organe und Angestellte des Betreibers eine tatsächliche Haftungserweiterung bedeuten, so dass der Frage keine bedeutende praktische Relevanz zukommt.1382 Grundsätzlich stellen auch Strafgesetze, insbesondere die in diesem Bereich relevanten §§ 263a und 264 StGB Schutzgesetze dar. Aufgrund des Vorsatzerfordernisses und der auch im Übrigen sehr hohen Anforderungen dürfte sich die praktische Relevanz dieser Anspruchsgrundlagen erneut in Grenzen halten. Gleiches gilt auch für die Anspruchsgrundlage des § 826 BGB. Eine Anspruchsgrundlage kann auch nicht in denjenigen Normen gefunden werden, nach welchen im Deliktsrecht unter bestimmten Voraussetzungen das Verschulden vermutet werden kann. Die Vorschriften §§ 831 Abs. 1 S. 2, 832 Abs. 1 S. 2, 833 S. 2 und 834 BGB können weder direkt noch analog auf den Einsatz eines Robo-Advisors angewendet werden. Eine analoge Anwendung des § 831 Abs. 1 S. 2 oder des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB scheitert schon deswegen, weil kein durch den RoboAdvisor zu begehendes Delikt denkbar ist. Die Regelung des § 833 S. 2 BGB stellt eine Ausnahmevorschrift dar, welcher kein verallgemeinerungsfähiger Rechtsge-
1380 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 196; Heinemeyer, in: MüKo-BGB (2019), § 426 Rn. 16; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 188. 1381 Zuletzt: BGH, Urt. v. 19. 12. 2006 – XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 (232) Rn. 18 f.; BGH, Urt. v. 19. 2. 2008 – XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276, (280) Rn. 14 f.; BGH, Urt. v. 22. 6. 2010 – VI ZR 212/09, BGHZ 186, 58 (70) Rn. 33; BGH, Urt. v. 17. 9. 2013 – XI ZR 332/12, NZG 2013, 1226 (1228). 1382 Vgl. BGH, Urt. v. 19. 2. 2008 – XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276 (281) Rn. 18.
312
Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
danke entnommen werden kann, weshalb sie nicht analogiefähig ist.1383 Auch § 834 BGB kann nicht analog angewendet werden, weil es an einer vertraglichen Verpflichtung des Betreibers zur Führung der Aufsicht über den Robo-Advisor fehlt. Aber auch diejenigen Normen, welche Gefährdungshaftungstatbestände enthalten, können weder direkt noch analog auf den Einsatz eines Robo-Advisors angewendet werden. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass zwischen den Gefährdungshaftungstatbeständen und dem Einsatz eines Robo-Advisors keine vergleichbaren Interessenlagen bestehen. Insbesondere lassen sich die jeweils drohenden Gefahren nicht mit der von einem Robo-Advisor ausgehenden Gefahr vergleichen. So sollen die bestehenden Gefährdungshaftungstatbestände etwa vor der physischen Kraft eines Tieres, hohen Geschwindigkeiten oder der Ansammlung und Übertragung erheblicher Energiemengen schützen.1384 Durch einen Robo-Advisor droht aber allenfalls die Schädigung des Vermögens.1385 Auch die Darstellung des Deliktsrechts hat folglich offenbar werden lassen, dass die Verteilung der Haftungs- und Schadensrisiken nicht der Verteilung der Gefahrbeherrschung entspricht. Die Schaffung eines neuen Gefährdungshaftungstatbestandes, speziell in Bezug auf Robo-Advisor oder in Bezug auf automatische und intelligente Agenten im Finanzdienstleistungsbereich könnte aber einen Ansatz zur Lösung der bestehenden Haftungsprobleme bilden. Ob dies eine sinnvolle Reform darstellt, wird in Teil 4 diskutiert.1386 Eine Haftung des externen Programmierers aus dem ProdHaftG oder aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. dem ProdSG scheitert an der mangelnden Produkteigenschaft der Robo-Advice-Software. Bestehen Ansprüche des Kunden sowohl gegen den Betreiber als auch gegen den Programmierer, so haften beide unter Umständen als Gesamtschuldner nach § 840 BGB.
C. Haftung als vertraglich gebundener Vermittler Eine besondere Haftungskonstellation ergibt sich, wenn das Robo-Advice-Unternehmen als vertraglich gebundener Vermittler i. S. d. § 2 Abs. 10 KWG unter dem 1383
Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 140; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 345; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 148 f.; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 833 Rn. 44. 1384 Ehmann, Deliktsrecht (2014), S. 116 f.; Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 138; John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 277 f.; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 348. 1385 Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 88. Vgl. für den Einsatz autonomer und intelligenter Wertpapierhandelssysteme Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 329 f. 1386 Siehe unten Teil 4 Kap. 2 § 2 A. I.
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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Haftungsdach eines CRR-Kreditinstituts oder eines Wertpapierhandelsunternehmens tätig wird. Welche aufsichtsrechtlichen Konsequenzen dies nach sich zieht, wurde bereits erläutert.1387 Aus zivilrechtlicher Perspektive bedeutet dies, dass der Haftungsdachsteller die komplette Haftung für den vertraglich gebundenen Vermittler übernimmt.1388 Dazu schließen der Haftungsdachsteller und der vertraglich gebundene Vermittler eine vertragliche Vereinbarung, nach welcher der Haftungsdachsteller für sämtliches Fehlverhalten des vertraglich gebundenen Vermittlers gegenüber Kunden einzustehen hat.1389 Eine Eigenhaftung des vertraglich gebundenen Vermittlers kommt allenfalls dann in Betracht, wenn dieser selbst die Voraussetzungen der Ansprüche aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 263a, 264a StGB erfüllt. Zugleich verpflichtet sich der vertraglich gebundene Vermittler nur im Namen und für Rechnung des Haftungsdachstellers zu handeln, was grundsätzlich nur dann gegeben ist, wenn er als Vertreter gem. § 164 Abs. 1 S. 1 BGB oder als Erfüllungsgehilfe gem. § 278 S. 1 BGB des Haftungsdachstellers tätig wird.1390 Da der wirtschaftliche Erfolg im Falle einer solchen Konstruktion allein beim Haftungsdachsteller anfällt, steht dem vertraglich gebundenen Vermittler gegen diesen grundsätzlich ein Provisionsanspruch zu.1391 Neben den bereits dargestellten aufsichtsrechtlichen Vor- und Nachteilen dieser rechtlichen Konstruktion muss sich der Betreiber eines Robo-Advisors bei der Entscheidung, ob er als vertraglich gebundener Vermittler eines anderen Unternehmens tätig werden möchte, auch mit diesen haftungsrechtlichen Konsequenzen auseinandersetzen.
D. Möglichkeiten eines Haftungssauschlusses Wie bereits dargestellt, lassen sich die aufsichtsrechtlichen Pflichten grundsätzlich weder individualvertraglich noch durch AGB ausschließen.1392 Im Wege einer individualvertraglichen Vereinbarung oder durch AGB kann aber die zivilrechtliche Haftung ausgeschlossen werden.
1387
Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 A. II. 1. c). Schäfer, F., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 2 KWG, Rn. 128; Lehrl/Wolf, K.-E., BKR 2009, 497 (498). 1389 Schäfer, F., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 2 KWG, Rn. 128; Lehrl/Wolf, K.-E., BKR 2009, 497 (498). 1390 Schäfer, F., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO (2016), § 2 KWG, Rn. 128; Lehrl/Wolf, K.-E., BKR 2009, 497 (498). 1391 Lehrl/Wolf, K.-E., BKR 2009, 497 (498). 1392 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 A. II. 2. 1388
314
Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Für den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten1393 und damit auch für den Einsatz von Robo-Advisorn gelten insoweit keine Besonderheiten.1394 Ein individualvertraglicher Haftungssauschluss für vorsätzliches Handeln ist gem. § 276 Abs. 3 BGB nicht möglich. Bei einem Haftungsausschluss im Rahmen von AGB müssen insbesondere die Anforderungen des § 307 BGB und des § 309 Nr. 7 BGB beachtet werden. § 309 Nr. 7 lit. a) BGB erklärt den Ausschluss der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit für unwirksam. Nach § 309 Nr. 7 lit. b) BGB ist ein Haftungsausschluss hinsichtlich sonstiger Schäden für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln unwirksam. Ebenfalls unwirksam ist ein Haftungsausschluss für die Verletzung von Kardinalpflichten.1395 Da es zu den Hauptleistungspflichten eines Robo-Advisors gehört, Anlageempfehlungen passgenau und nachvollziehbar zu generieren und zur Verfügung zu stellen, sind deshalb sämtliche Klauseln unwirksam, welche die Erreichung dieses Zwecks gefährden.1396 Unwirksam sind somit Klauseln, welche eine Beschränkung bzw. eine Sperrung des Online-Zugangs für zulässig erklären, oder Klauseln, welche die Verfügbarkeit der Systeme bei Systemausfällen, Systembeeinträchtigungen, Systemüberlastungen oder Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten beschränken.1397 Werden diese Grenzen beachtet, kann der Betreiber eines Robo-Advisors aber durchaus von Haftungsausschlussklauseln Gebrauch machen. Auch die derzeit am Markt tätigen Robo-Advice-Anbieter setzen solche Klauseln ein.1398
§ 4 Ergebnisse Kapitel 4 Automatische und intelligente Agenten verfügen weder im Delikts- noch im Vertragsrecht über Zurechnungsfähigkeit und auch im strafrechtlichen Sinne kommt ihnen keine Handlungs- oder Schuldfähigkeit zu. Sie haben kein Verständnis für die Bedeutung von Recht und Unrecht und können deshalb nicht für die Folgen ihres Tuns zur Rechenschaft gezogen werden. 1393
Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 86. Ausführlich zum Einsatz von AGB bei der Robo-Advice Pieper, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 6 Rn. 16 ff. 1395 BGH, Urt. v. 29. 1. 1968 – II ZR 18/65, BGHZ 49, 356 (363); BGH, Urt. v. 3. 3. 1988 \__ X ZR 54/86, BGHZ 103, 316 (322); Wurmnest, in: MüKo-BGB (2019), § 307 Rn. 72. 1396 Pieper, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 6 Rn. 41. 1397 Pieper, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 6 Rn. 35 und 39. 1398 Pieper, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 6 Rn. 26 und 30. Siehe beispielsweise Nr. 6.1 der Vertragsbedingungen des Robo-Advisors „Scalable Capital“, abrufbar unter: www.scalable.capital/app/api/pdf/static?type=scalable_terms_and_condi tions. 1394
Kap. 4: Folgen von Pflichtenverstößen
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Die Handlungen eines Agenten sind seinem Betreiber nur dann zurechenbar, wenn es sich um einen bestimmungsgemäß agierenden automatischen Agenten handelt. In allen übrigen Fällen, d. h. bei nicht bestimmungsgemäß handelnden automatischen Agenten oder beim Handeln eines intelligenten Agenten, scheidet eine Zurechnung des Handelns zum Betreiber mangels Vorhersehbarkeit aus. Angeknüpft werden kann dann allein an die Inbetriebnahme oder die Inbetriebhaltung des Agenten durch den Betreiber. Ob die Schaffung von Normen, welche die Zurechnung der Handlungen eines automatischen oder intelligenten Agenten zu seinem Betreiber bestimmen, eine Lösung hinsichtlich der verschiedenen Haftungsprobleme darstellt, wird in Teil 4 ausführlich diskutiert.1399 Um mitunter schwerwiegende Maßnahmen durch die BaFin, wie etwa den Entzug der aufsichtsrechtlichen Erlaubnis, zu verhindern, muss der Betreiber des RoboAdvisors sicherstellen, dass die Anforderungen aus dem KWG und dem WpHG eingehalten werden. Bei Verletzung der Wohlverhaltenspflichten der §§ 63 ff. WpHG drohen zudem Bußgelder aus § 120 WpHG. Wer einen Robo-Advisor ohne die erforderliche Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG betreibt, macht sich gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG strafbar. Ein Verbotsirrtum i. S. d. § 17 S. 1 StGB über die Erlaubnispflichtigkeit der Robo-Advice ist ausgeschlossen, weil der Irrtum aufgrund der deutlichen Stellungnahme der BaFin auf ihrer Website vermeidbar war. Ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB kommt in Betracht, wenn irrig davon ausgegangen wird, dass die Tätigkeit des Robo-Advisors einen Ausnahmetatbestand von der Erlaubnispflicht wie etwa § 2 Abs. 4, Abs. 5, Abs. 6 S. 1 Nr. 8, Abs. 6 S. 2 Nr. 20 oder Abs. 10 KWG erfüllt. Bei der vertraglichen Haftung des Betreibers für unter Einsatz eines Robo-Advisors verursachte Pflichtverletzungen muss der Zweiaktigkeit der Pflichterfüllung besondere Beachtung geschenkt werden. Schwierigkeiten bereitet zudem die Prüfung des Vertretenmüssens und der Kausalität sowie der Beweis der Tatbestandsmerkmale. Trotz der Umkehr der Beweislast in Bezug auf das Vertretenmüssen kann sich der Betreiber mit dem Nachweis vollständiger Erfüllung aller Sorgfaltspflichten entlasten. Eine Überwachung sämtlicher Handlungen des Robo-Advisors ist dabei weder möglich noch nötig. Bezüglich des konkreten Inhalts der Sorgfaltspflichten herrscht Rechtsunsicherheit. Dieser Unsicherheit könnte möglicherweise mit der Schaffung entsprechender DIN- oder ISO-Normen begegnet werden.1400 Beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten lässt sich häufig nicht mehr klären, welcher von mehreren Faktoren ursächlich für eine bestimmte Fehlfunktion war oder welche Faktoren alternativ oder kumulativ kausal für die Schadensent-
1399 1400
Siehe unten Teil 4 Kap. 2 § 2 A. II. Siehe unten Teil 4 Kap. 2 § 2 D.
316
Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
stehung waren.1401 Dem geschädigten Kunden des Robo-Advisors kommen dabei weder eine Beweislastumkehr noch eine sekundäre Darlegungslast des Betreibers zu Hilfe, weshalb die Beweisführung in solchen Fällen erhebliche Probleme bereitet. Die Schaffung einer neuen gesetzlichen Beweislastumkehr sowie von Regelungen hinsichtlich der Beweissicherung könnten hier möglicherweise Abhilfe schaffen.1402 Lässt man vorsätzliches Handeln außer Betracht, so ergeben sich aus dem Deliktsrecht kaum taugliche Anspruchsgrundlagen, welche dem Kunden eines RoboAdvisors im Falle einer Pflichtverletzung Schadensersatzansprüche zugestehen. Selbst wenn man die Wohlverhaltenspflichten der §§ 63 ff. WpHG als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB ansieht, ändert sich an dieser Einschätzung nichts, weil die Probleme hinsichtlich des Vertretenmüssens, der Kausalität und der Beweisbarkeit identisch zum Vertragsrecht gelagert sind. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Beweislastumkehr bezüglich des Vertretenmüssens nicht besteht. Auch eine analoge Anwendung der Normen über das vermutete Verschulden und insbesondere der Normen, welche einen Gefährdungshaftungstatbestand enthalten, ist ausgeschlossen. Die Schaffung eines neuen Gefährdungshaftungstatbestands im Bereich der Robo-Advice oder allgemein beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich könnte aber unter Umständen zur Lösung der bestehenden Probleme im Rahmen der vertraglichen und der deliktischen Haftung dienen.1403 Kapitel 5
Fazit Der Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich und damit auch der Einsatz von Robo-Advisorn ist Gegenstand sowohl des Aufsichts- als auch des Zivilrechts. Das Verhältnis der beiden Rechtsgebiete zueinander ist vor allem im Bereich der aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltens- und Organisationspflichten aus den §§ 63 ff. WpHG stark umstritten. Die besseren Argumente sprechen dafür, den Wohlverhaltens- und Organisationspflichten im Zivilrecht keine direkte Wirkung zuzusprechen, weil sie dem öffentlichen Recht zugeordnet sind. Sie sind aber bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und von Generalklauseln sowie bei der Konkretisierung vertraglicher Pflichten ergänzend 1401 Beck, S., JR 2009, 225 (227); Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 88; Hötitzsch, in: Hilgendorf/Hötitzsch (Hrsg.), Das Recht vor den Herausforderungen der modernen Technik (2015), S. 75 (81); Käde/von Maltzan, CR 2020, 66 (71); Kluge/Müller, InTeR 2017, 24 (25); Sorge, in: Hornung (Hrsg.), Rechtsfragen der Industrie 4.0 (2018), S. 139 (146 f.); Spindler, CR 2015, 766 (772); Zech, ZfPW 2019, 198 (207 f.). Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 3 A. I. 4. a). 1402 Siehe unten Teil 4 Kap. 2 § 2 C. 1403 Siehe unten Teil 4 Kap. 2 § 2 A. I.
Kap. 5: Fazit
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heranzuziehen. Die Analyse der beiden Rechtsgebiete hat gezeigt, dass im derzeitigen Regelungsgefüge sowohl Bereiche existieren, die trotz technischer Innovationen keiner rechtlichen Neugestaltung bedürfen, als auch Bereiche, die aufgrund des Einsatzes automatischer und intelligenter Agenten ihren Regelungszweck nur noch eingeschränkt erreichen können. Unangetastet bleiben kann das Aufsichtsrecht vor allem hinsichtlich der Regelungen zur Erlaubnispflicht und -fähigkeit nach dem KWG. Die Geschäftsmodelle der Robo-Advice unterfallen Finanzdienstleistungstatbeständen nach § 1 Abs. 1a S. 2 KWG. Daraus ergibt sich eine Erlaubnispflicht des Betreibers nach § 32 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 KWG, welche sich auch nicht durch den Einsatz von Disclaimern vermeiden lässt. Aus dieser wiederum folgen verschiedene Pflichten, deren Erfüllung Voraussetzung für das Bestehen einer Erlaubnisfähigkeit ist. Dass auch der Betrieb eines Robo-Advisors einer aufsichtsrechtlichen Erlaubnis bedarf und in Folge die Anforderungen an die Erlaubnisfähigkeit erfüllen muss, erscheint vor dem Hintergrund der Chancen und Risiken, welche die Robo-Advice für die Regelungsziele des Aufsichtsrechts in sich trägt, als einzig richtige Konsequenz. Eine Anpassung der Vorschriften auf den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten ist deshalb nicht vonnöten. Die Bejahung der Erlaubnispflicht bildet letztlich das Einfallstor für die Anwendung des aufsichtsrechtlichen Pflichtenkatalogs aus dem KWG und dem WpHG. Auch diese Pflichten können insoweit unverändert bestehen bleiben, als sich im Rahmen ihrer Anwendung keine Besonderheiten für den Einsatz digitaler Anlageberater und Vermögensverwalter ergeben. Dies betrifft nahezu sämtliche Pflichten des KWG, welche sich nicht auf das Risikomanagement beziehen, sowie die Berichtspflichten, die Pflichten zur bestmöglichen Auftragsausführung, die Pflicht zur getrennten Vermögensverwahrung und die auf das KWG bezugnehmenden Pflichten aus dem WpHG. Dass eine Anpassung bestimmter aufsichtsrechtlicher Pflichten notwendig ist, folgt aber daraus, dass die Regelungsziele des Aufsichtsrechts nur mit Hilfe einer sehr weiten „digitalen“ Auslegung und einer analogen Anwendung der Normen zum algorithmischen Handel erreicht werden können. Dies hat eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge, welche sich sowohl auf die Betreiber von Robo-Advisorn als auch auf Kunden und Aufseher gleichermaßen negativ auswirkt. Während die grundlegenden Ziele der aufsichtsrechtlichen Pflichten weiter handlungsleitend sein sollten, besteht an einigen Stellen hinsichtlich des Einsatzes automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich noch Anpassungsbedarf. Dabei sollte eine Gesetzgebung vor allem auf die Herstellung von Transparenz, die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit sowie die Gewährleistung von Schutzvorrichtungen ausgerichtet sein. Die Schaffung von Offenlegungs- oder Begründungspflichten sowie die ausdrückliche Formulierung der im Rahmen des Risikomanagements vorzunehmenden Vorkehrungen könnte hier möglicherweise eine Lösung darstellen. Bei der Entwicklung entsprechender Normen müssen neben den Regelungszielen des Aufsichtsrechts jedoch auch die Interessen der einzelnen Betreiber sowie das volkswirtschaftliche Interesse an einem Wettbewerbssystem, das
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Teil 3: Rechtliche Einordnung der Robo-Advice
Innovationen fördert, berücksichtigt werden.1404 Die Einzelheiten zu den angesprochenen Reformansätzen werden in Teil 4 ausgeführt. Keiner Reform bedarf das Zivilrecht in Bezug auf die Zurechnung von Willenserklärungen beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten. Die aufgrund der bestehenden Gesetzeslage gegebenen Rechtsinstitute sind ausreichend, um das Problem der Abgabe von Willenserklärungen unter Einsatz eines automatischen oder intelligenten Agenten einer sachgerechten Lösung zuzuführen. Bei der mittels eines automatischen oder intelligenten Agenten abgegebenen Willenserklärung handelt es sich um eine eigene Willenserklärung des Betreibers, welche diesem nach den Grundsätzen über den objektiven Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 BGB zugerechnet wird. Auch der Inhalt der vertraglichen Pflichten bedarf aus der Perspektive des Zivilrechts keiner Änderung. Zum einen sind die vertraglichen Pflichten aufgrund der Vertragsautonomie abhängig vom jeweiligen Einzelfall. Daraus folgt auch, dass die Durchführung der Beratung und Vermögensverwaltung mittels eines Robo-Advisors zur Grundlage des Vertrags geworden und im Rahmen der Auslegung der einzelnen Pflichten zu berücksichtigen ist. Zum anderen folgt aus der Ausstrahlungswirkung der aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltens- und Organisationspflichten, dass diese im Rahmen der Auslegung und Konkretisierung der vertraglichen Pflichten heranzuziehen sind. Eine Anpassung der aufsichtsrechtlichen Pflichten würde deshalb auch entsprechende Änderungen im vertraglichen Bereich nach sich ziehen. Das Zivilrecht hat jedoch Lücken in Bezug auf die Folgen von Pflichtverletzungen offenbart. Dabei konnten mögliche Anknüpfungspunkte für Reformen auf verschiedenen Ebenen identifiziert werden. So besteht weder im Delikts- noch im Vertragsrecht eine Zurechnungsfähigkeit automatischer oder intelligenter Agenten. Aber auch dem Betreiber können die unmittelbaren Handlungen der automatischen und intelligenten Agenten grundsätzlich nicht zugerechnet werden. Eine Pflichtverletzung liegt deshalb nur dann vor, wenn der Robo-Advisor vom Betreiber in Betrieb genommen bzw. in Betrieb gehalten wurde und der Robo-Advisor anschließend eine nicht dem Pflichtenprogramm des Betreibers entsprechende Handlung ausgeführt hat. Im Rahmen der vertraglichen Haftung wurde auf der Ebene des Vertretenmüssens festgestellt, dass der Betreiber den nötigen Entlastungsbeweis erbringen kann, indem er nachweist, sämtliche Sorgfaltspflichten erfüllt zu haben. Über den konkreten Inhalt der Sorgfaltspflichten beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich besteht aber Unsicherheit. Für die Kausalität obliegt die Beweislast dem geschädigten Kunden. Der Beweis der Kausalität ist beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten mitunter aber nur sehr schwer oder gar nicht möglich. Lässt man Ansprüche wegen vorsätzlicher Schädigung außen vor, so bietet das Deliktsrecht, mangels des Schutzes vor einem primären Vermögensschaden, kaum taugliche Anspruchsgrundlagen für einen geschädigten Kunden. Selbst wenn man die Schutzgesetzeigenschaft aufsichtsrecht1404
Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 33.
Kap. 5: Fazit
319
licher Wohlverhaltenspflichten anerkennen will, führt dies lediglich zu einer Erweiterung der Haftung auf Organe und Angestellte des Betreibers des Robo-Advisors. Aufgrund der ohnehin bestehenden Ausstrahlungswirkung der Wohlverhaltenspflichten auf die vertraglichen Pflichten wird aber nicht der Haftungsumfang des Betreibers erweitert. Eine direkte oder analoge Anwendung der Gefährdungshaftungstatbestände oder der Tatbestände über das vermutete Verschulden auf den Einsatz von Robo-Advisorn ist ausgeschlossen. Sowohl die Analyse der vertraglichen als auch der deliktischen Haftung hat gezeigt, dass die Verteilung des Haftungsund Schadensrisikos nicht der Verteilung der Gefahrbeherrschung entspricht. Der Robo-Advisor und insbesondere die ihm zugrundeliegende Software befinden sich vollumfänglich im Risiko- und Herrschaftsbereich des Betreibers. Der Kunde kann keinen Einblick in die Funktionsweise und Funktionsfähigkeit des Robo-Advisors gewinnen. Dennoch obliegt dem Kunden hinsichtlich des Vorliegens eines Kausalzusammenhangs zwischen der Pflicht- bzw. Schutzgesetzverletzung und der Entstehung des Schadens die Beweislast. Das Deliktsrecht stellt zudem keine tauglichen Anspruchsgrundlagen zur Verfügung. Ob die Schaffung neuer Regelungen in Bezug auf die Zurechnung, die Beweissicherung und Beweislastverteilung sowie die Schaffung eines neuen Gefährdungshaftungstatbestands taugliche Mittel darstellen, um dieser Problematik zu begegnen, wird in Teil 4 dargelegt. Diskutiert wird ebenfalls, ob Probleme auf verschiedenen Ebenen durch Einführung einer Pflichtversicherung sowie die Formulierung expliziter Sorgfaltspflichten im Rahmen technischer Standards gelöst werden können. Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass das bestehende Rechtssystem schon einige Instrumente bereithält, um die sich aus dem Einsatz von automatischen und intelligenten Agenten im Finanzdienstleistungsbereich ergebenden Problemen einer angemessenen Lösung zuzuführen. Gleichzeitig haben die vorangegangenen Ausführungen die Erkenntnis zutage gefördert, dass die Erzielung sachgerechter Ergebnisse mitunter nicht oder nur unter Einsatz unsicherheitsbehafteter Methoden möglich ist. Es bestehen deshalb durchaus Anknüpfungspunkte für mögliche Reformen sowohl im Rahmen des Aufsichts- als auch des Zivilrechts. Welche Reformansätze in Betracht kommen und wie diese im Einzelnen zu bewerten sind, soll Gegenstand des folgenden Teils sein.
Teil 4
Reformansätze Kapitel 1
Reformbedürftigkeit und Reformziele Die vorangehenden Abschnitte haben Lücken in der Regulierung automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich identifiziert und Ansatzpunkte für mögliche Reformen aufgezeigt. Dabei wurde zudem die Erkenntnis gewonnen, dass der Einsatz solcher Agenten neuartige Gefahren mit sich bringt, dass er zugleich aber auch Chancen sowohl für die Betreiber und Verwender des Agenten als auch für Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden bietet. Diesen spezifischen Chancen und Risiken muss auch im Rahmen der Entwicklung von Reformansätzen Rechnung getragen werden. Bevor konkrete Reformvorschläge abgegeben werden können, muss zunächst der Frage nachgegangen werden, welches Ergebnis mit den vorgeschlagenen Reformen erzielt werden soll. So kann eine Regulierung entweder das Ziel verfolgen, sämtliche Detailprobleme zu erfassen, oder allgemein formulierte Normen schaffen, welche eine Lösung der Detailprobleme erst durch Auslegung und Konkretisierung ermöglichen.1 Der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit vor allem im Aufsichtsrecht mitunter zu ersterem tendiert, wie die Normen zum algorithmischen Handel zeigen.2 Mit Blick auf den sich ständig wandelnden Stand der Technik muss ein solches Vorgehen jedoch abgelehnt werden. Andernfalls droht der Gesetzgeber der technischen Entwicklung hinterherzulaufen.3 Wirksam kann daher nur eine Regulierung sein, welche den bestehenden Problemen mit abstrakt-generell formulierten Normen begegnet, welche sich nicht auf ein spezifisches Geschäftsmodell wie etwa die RoboAdvice beschränken.4 Sowohl die Normen des WpHG und des KWG als auch die 1 Vgl. Madel, Robo Advice (2019), S. 281 f.; Möllers, Juristische Methodenlehre (2019), § 7 Rn. 1 f. 2 Vgl. Madel, Robo Advice (2019), S. 281 f.; Möllers, ZEuP 2016, 325 (330 f.). A. A. Nathmann, FinTech (2019), S. 127 f., der für die Einführung eines eigenen erlaubnispflichtigen Finanzdienstleistungstatbestand für FinTech-Geschäftsmodelle in den § 1 KWG plädiert. 3 Madel, Robo Advice (2019), S. 281 f.; Möllers, Juristische Methodenlehre (2019), § 7 Rn. 10. 4 Vgl. Madel, Robo Advice (2019), S. 281.
Kap. 1: Reformbedürftigkeit und Reformziele
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Normen des BGB verfügen überwiegend über einen hohen Abstraktionsgrad5, so dass durch entsprechende Auslegung eine Anwendung auch auf den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich möglich ist. Dass bei der Verwendung abstrakt-genereller Normen ein gewisser Grad an rechtlicher Unsicherheit besteht, ist unschädlich.6 Diese Unsicherheit ist Teil des Geschäftsrisikos, welches das Unternehmen, das ein innovatives Geschäftsmodell anbietet, eingeht.7 An einigen Stellen ist der Umfang der bestehenden Rechtsunsicherheit jedoch nicht mehr tragbar oder eine angemessene rechtliche Lösung nicht durch Auslegung erreichbar. An diesen Stellen setzen die nachfolgenden Reformvorschläge an. Gerade im Aufsichtsrecht muss eine Regulierung darauf gerichtet sein, die Gefahren, welche sich aus einer Fehlfunktion des Agenten oder aufgrund systemischer Risiken für den Anlegerschutz sowie die Funktionsfähigkeit und Stabilität des Finanzmarktes ergeben, zu eliminieren bzw. zu minimieren. Chancen ergeben sich unter anderem daraus, dass die Automatisierung des Beratungs- und Vermögensverwaltungsprozesses grundsätzlich auch die Aufsicht erleichtert, weil die Entscheidungsfindung klaren Handlungsmustern folgt und sich im Allgemeinen frei von Verhaltensanomalien und Drittinteressen vollzieht. Zwar können im Rahmen des Aufsichtsrechts mit Hilfe des hier entwickelten Konzepts einer digitalen Auslegung die mit den aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltens- und Organisationspflichten verfolgten Regelungsziele auch beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten in weiten Teilen erreicht werden, und im Rahmen des Risikomanagements kann eine (analoge) Anwendung der Normen zum algorithmischen Handel erfolgen. In bestimmten Bereichen sollten jedoch im Sinne der Rechtssicherheit Klarstellungen in Bezug auf den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten erfolgen. Eine umfassende Gewährleistung der Regelungszwecke des Aufsichtsrechts erfordert zudem an einigen Stellen Ergänzungen. Vor dem Hintergrund der bestehenden Chancen und Risiken sollten bei der Entwicklung entsprechender Reformansätze die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit automatischer und intelligenter Agenten, die Errichtung von Schutzvorkehrungen und die Herstellung von Transparenz handlungsleitend sein. Entsprechende Zielsetzungen sind auch im Rahmen der Entwicklung zivilrechtlicher Reformoptionen von Bedeutung. Während die Erzeugung von Transparenz den geschädigten Kunden eines automatischen oder intelligenten Agenten vor allem im Rahmen der Rechtsverfolgung unterstützt, sorgt die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit und von Sicherheitsvorkehrungen dafür, dass Pflichtverletzungen möglichst erst gar nicht auftreten. Aufgrund der im Zivilrecht herrschenden Haftungsproblematik muss aber ebenso die Frage einer Lösung zugeführt werden, 5 Vgl. Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 32 und Madel, Robo Advice (2019), S. 262 und 289. 6 Vgl. Maume, ECFR 2019, 622 (638). 7 Maume, ECFR 2019, 622 (638).
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Teil 4: Reformansätze
wer im Falle einer Fehlfunktion eines automatischen oder intelligenten Agenten im Finanzdienstleistungsbereich billigerweise die Verantwortung trägt. Ansatzpunkte bestehen sowohl auf Ebene des Verschuldens als auch im Rahmen des Beweisrechts. Im Allgemeinen sollten Reformbemühungen nicht nur speziell ein einzelnes Geschäftsmodell wie etwa die Robo-Advice erfassen. Gesetzesformulierungen, welche sich generell auf automatische und intelligente Agenten (im Finanzdienstleistungsbereich) beziehen, stellen sicher, dass alle heute relevanten Geschäftsmodelle erfasst werden, dass aber zugleich auch alle zukünftigen Innovationen eine Regelung erfahren. Kapitel 2
Bewertung der einzelnen Reformansätze § 1 Reformansätze im Aufsichtsrecht Neben der Möglichkeit zu kleineren im Laufe der Arbeit angesprochenen Anpassungen, wie etwa die Aufnahme von Robo-Advisorn in das Mitarbeiter- und Beschwerderegister nach § 87 Abs. 7 WpHG8, bestehen im Aufsichtsrecht Reformansätze zur Schaffung von Transparenz vor allem in Bezug auf die aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten und zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit und angemessener Sicherheitsvorkehrungen im Rahmen des Risikomanagements. Eine Anpassung kann sich sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene vollziehen. Grenzen werden dem deutschen Gesetzgeber im Aufsichtsrecht durch die europäischen Richtlinien, allen voran durch die MiFID II gesetzt. Ob die MiFID II eine Mindest- oder eine Vollharmonisierung vorschreibt, kann nicht einheitlich beantwortet werden, sondern ist anhand jeder Vorschrift im Einzelfall zu prüfen.9 Auch eine Vollharmonisierung lässt jedoch gewisse Spielräume wie etwa Konkretisierungen zu.10 Die nachfolgenden Vorschläge stellen Ergänzungen und Konkretisie8
Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 3. Möllers, ZEuP 2016, 325 (350 f.); Pölzig, Stellungnahme zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG) und dem Entwurf eines Änderungsantrags der Fraktionen CDU/CSU und SPD (2017), abrufbar unter: www.bundestag.de/re source/blob/496040/d8f980147529723175d2c23d2bbc6c78/13-data.pdf, S. 3. 10 Mittwoch, Vollharmonisierung und Europäisches Privatrecht (2013), S. 34; Pölzig, Stellungnahme zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG) und dem Entwurf eines Änderungsantrags der Fraktionen CDU/CSU und SPD (2017), abrufbar unter: www.bundestag.de/resource/blob/496040/d8f980147529723175d2c23 d2bbc6c78/13-data.pdf, S. 3. Zu den bestehenden Spielräumen ausführlich Mittwoch, Vollharmonisierung und Europäisches Privatrecht (2013), S. 33 ff. 9
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
323
rungen bestehender Regelungen dar und lassen sich deshalb auch mit vollharmonisierenden Vorschriften vereinbaren.
A. Schaffung von Transparenzanforderungen Voraussetzung einer effektiven Aufsicht ist die Transparenz der zu beaufsichtigenden Geschäftstätigkeit. Eine effektive Aufsicht ist nur dann möglich, wenn die Aufsichtsbehörde einen Einblick in den Prozess der Generierung von Anlagevorschlägen und Anlageentscheidungen erlangt, weil nur so sichergestellt werden kann, dass die aufsichtsrechtlichen Pflichten gewahrt und die Risiken für die Regelungsziele des Aufsichtsrechts minimiert werden. Transparenz kann beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten zum einen dadurch erzeugt werden, dass der dem Agentenprogramm zugrundeliegende Algorithmus vor Inbetriebnahme offengelegt werden muss, und zum anderen dadurch geschaffen werden, dass die durch einen solchen Agenten getroffenen Entscheidungen nachträglich begründet werden müssen. Zwar müssen auch im Rahmen der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten des § 83 WpHG i. V. m. § 9 WpDVerOV und Art. 72 ff. DelVO-2017/565 Aufzeichnungen so gestaltet werden, dass im Nachhinein nachvollzogen werden kann, warum eine konkrete Anlageentscheidung getroffen und warum eine bestimmte Anlageempfehlung ausgesprochen wurde. Eine umfassende Begründungspflicht oder eine Offenlegungspflicht geht damit jedoch nicht einher.11 Nachfolgend soll deshalb diskutiert werden, ob die Einführung solcher Pflichten zur Schaffung von Transparenz geeignet ist. I. Offenlegungspflicht Die Offenlegung des dem Programm zugrundeliegenden Algorithmus könnte es der Aufsichtsbehörde unter Umständen ermöglichen, präventiv vor der erstmaligen Inbetriebnahme zu überprüfen, ob der automatische oder intelligente Agent über unbewusst erzeugte Fehler oder bewusst gegen das Aufsichtsrecht verstoßende Entscheidungsparameter verfügt.12 Schon bevor der Agent erstmalig mit Kunden in Kontakt tritt, könnten so möglicherweise systematische Interessenkonflikte oder andere Irrationalitäten entdeckt und verhindert werden.
11
Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 6. a). Dies schlägt der Verbraucherzentrale Bundesverband vor vzbv, Bessere Beratung durch Digitalisierung?! Positionspapier des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) zu digitaler Finanzanlageberatung und Vermögensverwaltung (Robo Advice) (2018), S. 8, abrufbar unter: www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2018/07/16/fin_18-07-13-vzbv-positionspapierrobo-advice.pdf. A. A. Maume, ECFR 2019, 622 (634). 12
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Teil 4: Reformansätze
1. Abwägung mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des Betreibers Dem Interesse an einer effektiven Aufsicht entgegen steht jedoch das Interesse der Betreiber der automatischen oder intelligenten Agenten an der Wahrung ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.13 Bei dem einem automatischen oder intelligenten Agenten zugrundeliegenden Algorithmus handelt es sich um ein schützenswertes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis.14 Der Algorithmus legt die dem Programm zugrundeliegende Berechnungsformel fest und stellt damit das Herzstück der Software und den wesentlichen Teil der Innovationsleistung dar.15 Er wurde regelmäßig unter erheblichem zeitlichen und finanziellen Investitionsaufwand entwickelt.16 Gerade bei Plattformen wie Robo-Advisorn, bei denen die angebotenen Dienstleistungen vollständig digital erbracht werden, stellt der Algorithmus den Kern jeder Wertschöpfung dar. Seine Offenlegung würde es Wettbewerbern ermöglichen, von der Innovationsleistung des Unternehmens zu profitieren, ohne selbst entsprechende Investitionen getätigt haben zu müssen.17 Dem kann jedoch entgegengehalten werden, dass die bei der BaFin beschäftigten Personen nach § 9 Abs. 1 S. 1 KWG die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten dürfen, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist. Im Falle einer Pflicht zur Offenlegung des Algorithmus gegenüber der BaFin wäre die Geheimhaltung, insbesondere gegenüber Konkurrenten, demnach sichergestellt. 2. Nutzen für die Aufsichtsbehörde Es ist zum einen aber bereits fraglich, ob die BaFin überhaupt über die entsprechenden Ressourcen verfügt, um einen offengelegten Algorithmus auf seine Gesetzmäßigkeit und Widerspruchsfreiheit hin zu überprüfen.18 Zum anderen darf der Algorithmus nicht mit dem Quellcode des Programms verwechselt werden.19 Ein Algorithmus stellt eine Folge von Handlungsanweisungen dar, welche die Lösung 13 Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 33. Zu diesem Spannungsfeld im Datenschutzrecht vgl. BGH, Urt. v. 28. 1. 2014 – VI ZR 156/13, BGHZ 200, 38 Rn. 27; Hoeren/ Niehoff, RW 2018, 47 (56); Kugelmann, DuD 2016, 566 (568); Paal/Hennemann, in: Paal/Pauly (Hrsg.), DS-GVO BDSG (2018), Art. 13 DS-GVO, Rn. 31. Siehe für die Robo-Advice auch Möslein, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 3 Rn. 17 f. 14 Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 3 A. I. 5. c) aa) (1). 15 Auch im Datenschutzrecht ist nach BGH, Urt. v. 28. 1. 2014 – VI ZR 156/13, BGHZ 200, 38 Rn. 27 und der h. M. eine Pflicht zur Offenlegung des Algorithmus abzulehnen, vgl. Gausling, ZD 2019, 335 (340 f.); Kugelmann, DuD 2016, 566 (568); Paal/Hennemann, in: Paal/ Pauly (Hrsg.), DS-GVO BDSG (2018); Art. 13 DS-GVO, Rn. 31. 16 Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 33. 17 Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 38. 18 Maume, ECFR 2019, 622 (634). 19 Vgl. Hoeren/Niehoff, RW 2018, 47 (57).
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
325
einer Aufgabe abstrakt beschreiben.20 Der Quellcode dagegen ist ein Algorithmus, der in einer Programmiersprache formuliert und soweit konkretisiert ist, dass er von einer bestimmten Maschine ausgeführt werden kann.21 Erst mittels des Quellcodes wird der Algorithmus in ein funktionsfähiges Programm transformiert.22 Allein durch statische Analyse eines Algorithmus können nicht sämtliche Fehler aufgedeckt werden.23 Auch bei der Übersetzung des Algorithmus in ein Programm kann es noch zu Fehlern kommen.24 Probleme ergeben sich zudem häufig erst aus der Interaktion mit anderen vernetzten Programmen.25 Selbst bei nur automatischen Agenten weisen die algorithmischen Entscheidungen außerdem eine hohe Komplexität auf, weil eine große Anzahl abstrakter Variablen gewichtet und verknüpft wird, welche die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit überschreiten.26 Bei intelligenten Agenten kommt erschwerend hinzu, dass sich der zugrundeliegende Algorithmus aufgrund der Lernfähigkeit anhand gesammelter Erfahrungen laufend anpasst, so dass jede Analyse des Algorithmus stets nur eine Momentaufnahme darstellen kann.27 Auch sind selbst Experten auf Grund der Black Box-Problematik der künstlichen Intelligenz regelmäßig nicht dazu in der Lage, die Entscheidungen eines intelligenten Agenten vorherzusagen.28 Fraglich ist, ob diese Probleme dadurch umgangen werden können, dass nicht eine Offenlegung des Algorithmus selbst, sondern in Anlehnung an die Art. 13 Abs. 2 lit. f), 14 Abs. 2 lit. g) und 15 Abs. 1 lit. h) DSGVO die Offenlegung aussagekräftiger Informationen über die involvierte Logik gefordert wird. Dies ist jedoch abzulehnen. Zum einen verfolgt die DSGVO schon eine völlig andere Schutzrichtung. Nach ihrem Art. 1 Abs. 2 hat die DSGVO vor allem den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf den Schutz personenbezogener Daten im Blick. Das Aufsichtsrecht dagegen dient grundsätzlich nur dem Anlegerschutz sowie dem Schutz der Funktionsfähigkeit und Stabilität des Finanzmarktes. Die im Datenschutz wesentlichen grundrechtlichen Implikationen algorithmenbasierter (Gruppen-)Diskriminierungen sind im Aufsichtsrecht allenfalls von untergeordneter Bedeutung.29 Die Darlegung der „involvierten Logik“ 20
Pomberger/Dobler, Algorithmen und Datenstrukturen (2008), S. 82. Siehe zur Definition des Algorithmus oben Teil 2 Kap. 1 § 2. 21 Pomberger/Dobler, Algorithmen und Datenstrukturen (2008), S. 82. 22 Pomberger/Dobler, Algorithmen und Datenstrukturen (2008), S. 82. 23 Vgl. Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 41. 24 Pomberger/Dobler, Algorithmen und Datenstrukturen (2008), S. 82. 25 Vgl. Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 41. 26 Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 41. 27 So auch Maume, ECFR 2019, 622 (634). 28 Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 2 A. III. 29 Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 143.
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Teil 4: Reformansätze
verfolgt also das Ziel, strukturelle Diskriminierungen offenzulegen, kann aber nicht dazu dienen, nachzuprüfen, ob die wesentlichen aufsichtsrechtlichen Pflichten gewahrt wurden. Zum anderen ist der Begriff einer „involvierten Logik“ unscharf und dementsprechend auch im Rahmen des Datenschutzrechts umstritten, was darunter zu verstehen ist und welche Anforderungen beim Einsatz künstlicher Intelligenz gelten sollen.30 Der tatsächliche Nutzen einer solchen Offenlegungspflicht für die Effektivität der Aufsicht ist deshalb von mehr als zweifelhafter Natur. Die Einführung einer Offenlegungspflicht von Algorithmen ist folglich abzulehnen.31 II. Begründungspflicht Als zweite Möglichkeit zur Schaffung von Transparenz und zur Gewährleistung einer effektiven Aufsicht kommt die Einführung einer nachträglichen Begründungspflicht in Betracht. Inhalt einer solchen Begründungspflicht wäre die Pflicht, die durch einen automatischen oder intelligenten Agenten im Finanzdienstleistungsbereich getroffenen Entscheidungen zu begründen. Dies würde bedeuten, dass ein Robo-Advisor in der Lage sein muss, darzulegen, weshalb er eine bestimmte Anlageempfehlung abgegeben oder eine bestimmte Anlageentscheidung für den Kunden getroffen hat. Die BaFin könnte die entsprechenden Entscheidungen dann auf ihre Plausibilität und ihre Vereinbarkeit mit den Voraussetzungen der §§ 63 ff. WpHG überprüfen. Die Begründungspflicht würde so Transparenz schaffen und eine effektive Aufsicht ermöglichen, ohne die Betreiber zugleich zu einer Offenlegung ihrer Algorithmen zu verpflichten. Damit einhergehen würde eine Stärkung des Anlegerschutzes, was mittelbar auch eine Stärkung des Anlegervertrauens in den Finanzmarkt zur Folge hätte. Auch wenn die Schaffung einer Begründungspflicht der BaFin nur ex post die Überprüfung bereits getroffener Entscheidungen ermöglichen würde, könnten so riskante Verhaltensmuster identifiziert werden, bevor sie sich auf dem Finanzmarkt ausbreiten. Die Begründungspflicht würde deshalb auch zu einem Schutz der Funktionsfähigkeit und Stabilität des Finanzmarktes beitragen. 1. Bedürfnis nach einer neuen Regelung Dabei muss die Begründungspflicht nicht zwingend mit der Schaffung einer neuen Wohlverhaltens- oder Organisationspflicht im WpHG einhergehen. Sie kann sich auch durch eine Anpassung und Konkretisierung der bestehenden Aufzeich30
Hoeren/Niehoff, RW 2018, 47 (55 f.) m. w. N. So im Ergebnis auch Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 62. A. A. wohl Baker/Dellaert, 103 Iowa L. Rev., 713 (749) für das US-amerikanische Rechtssystem. 31
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
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nungs- und Aufbewahrungspflicht aus § 83 Abs. 1 WpHG vollziehen. Zwar müssen die Aufzeichnungen auch nach der bestehenden Aufzeichnungspflicht so gestaltet werden, dass nachvollzogen werden kann, warum eine bestimmte Anlageentscheidung getroffen oder warum eine konkrete Anlageempfehlung ausgesprochen wurde.32 Im Sinne der Rechtssicherheit wäre es jedoch wünschenswert, den Umfang der konkreten Aufzeichnungspflicht beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich gesetzlich festzulegen. Wesentliche Voraussetzungen der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Rechtssicherheit sind die Klarheit und die Bestimmtheit von Normen.33 Nach dem Grundsatz der Klarheit des Rechts müssen Normen so klar formuliert sein, dass der Bürger in der Lage ist, sich ein eigenes Bild von seiner Rechtslage zu machen.34 Der Bestimmtheitsgrundsatz setzt voraus, dass Normen so bestimmt formuliert sind, dass ihre Folgen vorhersehbar sind und der Bürger sein Verhalten danach ausrichten kann.35 Beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten besteht im Hinblick auf die Übertragung von Verhaltenspflichten auf den digitalen Bereich jedoch eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Vor allem beim Einsatz künstlicher Intelligenz, bei dem die Herstellung der Erklärbarkeit von Entscheidungen durch Implementierung einer Explainable Artificial Intelligence noch nicht im Rahmen des technisch Möglichen liegt, ist die Frage, ob und in welchem Umfang Entscheidungen begründet werden müssen, von existenzieller Bedeutung für die Betreiber. Die Forderung nach einer umfassenden Begründung hätte zur Folge, dass faktisch jeder Einsatz von künstlicher Intelligenz im Finanzdienstleistungsbereich gesetzeswidrig wäre. Vor dem Hintergrund dieser Folge kann sich der Umfang einer Begründungspflicht nicht allein aus der Auslegung des abstrakt-generellen § 83 Abs. 1 WpHG ergeben. Der Betreiber eines intelligenten Agenten kann sich aus § 83 Abs. 1 WpHG weder ein Bild von der bestehenden Rechtslage machen noch sein Verhalten anhand vorhersehbarer Folgen
32
Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 6. a). Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Begr.), GG, Stand Oktober 2019, Art. 20 Rn. 50 ff. 34 BVerfG, Urt. v. 5. 8. 1966 – 1 BvF 1/61, BVerfGE 20, 150 (157 f.); BVerfG, Beschl. v. 12. 1. 1967 – 1 BvR 169/63, BVerfGE 21, 73 (79 f.); BVerfG, Urt. v. 4. 4. 1967 – 1 BvR 126/65, BVerfGE 21, 245 (261); BVerfG, Beschl. v. 7. 7. 1971 – 1 BvR 775/66, BVerfGE 31, 255 (264); Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Begr.), GG, Stand Oktober 2019, Art. 20 Rn. 53. 35 BVerfG, Beschl. v. 7. 7. 1971 – 1 BvR 775/66, BVerfGE 31, 255 (264); BVerfG, Beschl. v. 23. 4. 1974 – 1 BvR 6/74, BVerfGE 37, 132 (142); BVerfG, Beschl. v. 22. 6. 1977 – 1 BvR 799/ 76, 45, 400 (420); BVerfG, Beschl. v. 12. 6. 1979 – 1 BvL 19/76, BVerfGE 52, 1 (41); BVerfG, Beschl. v. 8. 1. 1981 – 2 BvL 3, 9/77, BVerfGE 56, 1 (12); BVerfG, Beschl. v. 3. 11. 1982 – 1 BvR 210/79, BVerfGE 62, 169 (183); BVerfG, Beschl. v. 18. 5. 1988 – 2 BvR 579/84, BVerfGE 78, 205 (212); BVerfG, Beschl. v. 27. 11. 1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130 (145); BVerfG, Urt. v. 24. 4. 1991 – 1 BvR 1341/90, BVerfGE 84, 133 (149); BVerfG, Urt. v. 17. 11. 1992 – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234 (263); BVerfG, Beschl. v. 9. 4. 2003 – 1 BvL 1/01, BVerfGE 108, 52 (75); BVerfG, Beschl. v. 3. 3. 2004 – 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33 (53 f.); Grzeszick, in: Maunz/ Dürig (Begr.), GG, Stand Oktober 2019, Art. 20 Rn. 58. 33
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Teil 4: Reformansätze
ausrichten. Es besteht somit ein Konflikt sowohl mit dem Grundsatz der Normenklarheit als auch mit dem Bestimmtheitsgrundsatz. In welchem Umfang Entscheidungen automatischer und intelligenter Agenten im Rahmen der Aufzeichnungspflicht aufzuzeichnen und zu begründen sind, muss deshalb durch eine konkrete Regelung festgelegt werden. Denkbar wäre etwa die Schaffung eines neuen Absatzes 1a des § 83 WpHG, welcher die Aufzeichnungspflicht beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich konkretisiert. 2. Umsetzungsmöglichkeiten Wie eine solche Konkretisierung auszugestalten ist, hängt auch davon ab, welche technischen Möglichkeiten zur Begründung getroffener Entscheidungen beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten derzeit bestehen. Keine Herausforderung stellt die Begründung getroffener Entscheidungen beim Einsatz automatischer Agenten dar, welche auf der Grundlage simpler Entscheidungsbäume agieren. Welche Kriterien den Ausschlag für eine bestimmte Entscheidung gegeben haben, lässt sich anhand des Verlaufs des Entscheidungspfads an jedem Knotenpunkt ohne Weiteres nachvollziehen. Aufgrund des Black Box-Problems der künstlichen Intelligenz36 stellt die Begründung getroffener Entscheidungen den Betreiber eines intelligenten Agenten jedoch vor erhebliche Schwierigkeiten. Die Implementierung einer vollkommenen Explainable Artificial Intelligence ist derzeit noch nicht umsetzbar.37 Es haben sich jedoch verschiedene Ansätze entwickelt, welche sich der Herstellung einer erklärbaren künstlichen Intelligenz zumindest annähern. Ein Ansatz, um die Vorhersagen komplexer Modelle zu erklären, besteht darin, konkrete Entscheidungen mit einer einfachen, interpretierbaren Ersatzfunktion näherungsweise zu erklären.38 Eine beliebte Technik, die in diese Kategorie fällt, sind Local Interpretable Model-Agnostic Explanations (LIME).39 Durch ein technisches Verfahren werden dabei die wesentlichen Einflussgrößen um eine Entscheidung herum erkannt.40 Mit Hilfe dieser Technik können zwar nicht sämtliche Parameter wiedergegeben werden, welche die Entscheidung eines intelligenten Systems beeinflusst haben, anhand der erkannten Entscheidungsparameter kann aber annäherungsweise beurteilt werden, ob die Entscheidung auf sachgemäßen Kriterien fußt.41 36
Siehe oben Teil 2 Kap. 2 § 2 A. III. Vgl. Hoeren/Niehoff, RW 2018, 47 (60). 38 Samek/Müller, in: Samek et al. (Hrsg.), Explainable AI: Interpreting, Explaining and Visualizing Deep Learning (2019), S. 5 (12). 39 Holzinger, Informatik-Spektrum April 2018, 138 (140); Käde/von Maltzan, CR 2020, 66 (70); Samek/Müller, in: Samek et al. (Hrsg.), Explainable AI: Interpreting, Explaining and Visualizing Deep Learning (2019), S. 5 (12). 40 Hoeren/Niehoff, RW 2018, 47 (60); Samek/Müller, in: Samek et al. (Hrsg.), Explainable AI: Interpreting, Explaining and Visualizing Deep Learning (2019), S. 5 (12). 41 Hoeren/Niehoff, RW 2018, 47 (60). 37
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
329
Eine weitere Methode, Entscheidungen intelligenter Systeme erklärbar zu machen, stellt die Analyse der Reaktion des Systems auf lokale Änderungen dar.42 Einige dieser Erklärungsansätze werden im Forschungsfeld der Explainable Artificial Intelligence schon lange eingesetzt.43 Sie leiden jedoch unter einigen grundlegenden Problemen wie Diskontinuitäten in ihren Erklärungen und gelten daher als suboptimal für die Erklärung heutiger intelligenter Agenten.44 Im Rahmen der sog. Layer-Wise Relevance Propogation (LRP) wird durch ein komplexes mathematisches Verfahren versucht, Entscheidungsmuster durch rückwärtiges Abspielen des Entscheidungsprozesses aufzudecken und mittels einer sog. Heatmap zu visualisieren.45 Problematisch an dieser Methode ist, dass sie grundsätzlich nur auf visuelle Entscheidungen wie etwa eine Bilderkennungssoftware angewendet werden kann46. Schließlich können einzelne Erklärungsmethoden zusammengefasst und analysiert werden, um allgemeine Muster zu identifizieren.47 Eine kürzlich vorgeschlagene Methode, die Spectral Relevance Analysis (SpRAy), berechnet solche MetaErklärungen durch das Zusammenfassen einzelner Heatmaps.48 Die Ergebnisse der einzelnen Methoden stellen Wahrscheinlichkeitsangaben und damit stets nur eine Annäherung an die Erklärung der Entscheidungen intelligenter Agenten dar. Somit stellt sich die Frage, ob eine solche Annäherung als ausreichende Begründung betrachtet werden kann oder ob nur eine vollumfängliche Begründung einer effektiven Aufsicht gerecht wird. Letzteres hätte zur Folge, dass ein gesetzmäßiger Einsatz künstlicher Intelligenz im Finanzdienstleistungsbereich aus aufsichtsrechtlicher Perspektive derzeit ausgeschlossen ist. Es offenbart sich ein Spannungsverhältnis zwischen dem Bedürfnis nach einer effektiven Aufsicht und dem Bedürfnis nach einem Wettbewerbssystem, welches nicht jeglicher Innovation den regulatorischen Riegel vorschiebt.49 Bei der Auflösung dieses Spannungsverhältnisses muss zunächst berücksichtigt werden, dass sich 42
Samek/Müller, in: Samek et al. (Hrsg.), Explainable AI: Interpreting, Explaining and Visualizing Deep Learning (2019), S. 5 (13). 43 Samek/Müller, in: Samek et al. (Hrsg.), Explainable AI: Interpreting, Explaining and Visualizing Deep Learning (2019), S. 5 (13). 44 Samek/Müller, in: Samek et al. (Hrsg.), Explainable AI: Interpreting, Explaining and Visualizing Deep Learning (2019), S. 5 (13). 45 Hoeren/Niehoff, RW 2018, 47 (59); Holzinger, Informatik-Spektrum April 2018, 138 (140); Samek/Müller, in: Samek et al. (Hrsg.), Explainable AI: Interpreting, Explaining and Visualizing Deep Learning (2019), S. 5 (14). 46 Hoeren/Niehoff, RW 2018, 47 (59 f.). 47 Samek/Müller, in: Samek et al. (Hrsg.), Explainable AI: Interpreting, Explaining and Visualizing Deep Learning (2019), S. 5 (14). 48 Samek/Müller, in: Samek et al. (Hrsg.), Explainable AI: Interpreting, Explaining and Visualizing Deep Learning (2019), S. 5 (14). 49 Vgl. Denga, CR 2018, 69 (70); Hoeren/Niehoff, RW 2018, 47 (60); Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 33.
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Teil 4: Reformansätze
nicht das Recht der Innovation, sondern die Innovation dem Recht unterzuordnen hat. Dies bedeutet, dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei steht, auch solche rechtlichen Anforderungen an die Betreiber intelligenter Agenten zu stellen, welche derzeit noch nicht im Rahmen des technisch Möglichen liegen, wenn nur auf diese Weise Gefahren verhütet und eine effektive Aufsicht gewährleistet werden kann. Zudem kann auch das Stellen hoher rechtlicher Anforderungen einen Antrieb dafür darstellen, technische Mittel zu entwickeln, welche den rechtlichen Anforderungen gerecht werden. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass der deutsche Markt durch zu strenge Anforderungen ein innovationsfeindliches Gepräge erhält, welches ein Abwandern von Unternehmen und Investoren in das weniger streng regulierte Ausland zur Folge hat. Hinzu kommt, dass eine vollkommene Erklärbarkeit jeglicher durch intelligente Agenten getroffener Entscheidungen für eine effektive Aufsicht gar nicht erforderlich ist. Eine Erklärung kann auch dann nützlich sein, wenn sie nicht zu 100 % dem dem Agenten wirklich zugrundeliegenden Entscheidungsprozess entspricht.50 Eine effektive Aufsicht im Sinne einer Gewährleistung des Anlegerschutzes und der Funktionsfähigkeit und Stabilität des Finanzmarktes setzt nicht voraus, dass die BaFin sämtliche Entscheidungen intelligenter Agenten bis ins letzte Detail nachrechnen kann. Entscheidend ist, dass die BaFin nachvollziehen kann, welche wesentlichen Faktoren die Entscheidung für den Kunden beeinflusst haben. Im Rahmen der Robo-Advice muss also nachvollziehbar sein, welche wesentlichen Informationen zur Generierung der Anlageempfehlung oder Anlageentscheidung geführt haben. Die Formulierung einer Begründungspflicht muss folglich einen Mittelweg finden zwischen dem technisch Möglichen und dem für eine effektive Aufsicht Erforderlichen. Um technische Fortschritte auf dem Gebiet der Explainable Artificial Intelligence zu fördern, sollte eine solche Begründungspflicht keine konkrete Methode der Begründung vorgeben. Als absolute Untergrenze sollte jedoch gefordert werden, dass der Betreiber diejenigen Informationen zur Verfügung stellt, die nötig sind, um die Plausibilität der wesentlichen Entscheidungen nachzuvollziehen.51 § 83 Abs. 1a WpHG n. F. könnte in diesem Sinne folgendermaßen lauten: „Setzt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen automatische oder intelligente Systeme ein, so müssen diese Aufzeichnungen auch Informationen über diejenigen Faktoren enthalten, welche für die Generierung der Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung wesentlich waren und es der Bundesanstalt ermöglichen, das Zustandekommen nachzuvollziehen.“
50
Sheh/Monteath, KI – Künstliche Intelligenz Vol. 32 2018, 1 (2). Ähnlich Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 62. 51
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
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B. Gewährleistung der Funktionsfähigkeit und angemessener Sicherheitsvorkehrungen Reformen, welche auf eine Gewährleistung der Funktionsfähigkeit und angemessener Sicherheitsvorkehrungen hinwirken, können sowohl auf Seiten des Betreibers des automatischen oder intelligenten Agenten als auch auf Seiten der Aufsichtsbehörde anknüpfen. I. Anforderungen an Betreiber Für die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Systeme und angemessener Sicherheitsvorkehrungen ist ein wirksames Risikomanagement von essenzieller Bedeutung. 1. Festlegung eines Maßnahmenkatalogs für das Risikomanagement Im Rahmen der Kapitel zum Risikomanagement und zu den Wohlverhaltens- und Organisationspflichten wurden diverse Maßnahmen genannt, welche Risiken beim Einsatz von Robo-Advisorn auf verschiedenen Ebenen begegnen können. Dazu gehören eine laufende gründliche Überwachung und Überprüfung der eingesetzten Software, welche eine frühzeitige Identifizierung und Behebung des Fehlers ermöglichen, sowie regelmäßige IT-bezogene Stresstests und die Einrichtung eines Notfallsystems mitsamt einer „Kill-Funktion“.52 Eine Festlegung der einzelnen Maßnahmen hat jedoch weder in Gesetzen noch in Rundschreiben und Merkblättern der BaFin stattgefunden. Lediglich speziell für den algorithmischen Handel benennt der europäische Gesetzgeber in der DelVO-2017/ 589 verschiedene Maßnahmen. So sieht Art. 16 DelVO-2017/589 eine Echtzeitüberwachung vor. Art. 5 Abs. 1 und 4 DelVO-2017/589 statuiert die Pflicht, klar abgegrenzte Methodologien für die Entwicklung und das Testen von Algorithmen festzulegen, um insbesondere zu gewährleisten, dass der Handelsalgorithmus keine außerplanmäßigen Verhaltensweisen zeigt und auch unter Stressbedingungen auf den Märkten effektiv funktioniert. Durch Tests i. S. d. Art. 6 DelVO-2017/589 soll zudem sichergestellt werden, dass die grundlegenden Bestandteile des Handelsalgorithmus ordnungsgemäß funktionieren und eine Konformität mit den Systemen des Handelsplatzes aufweisen, auf dem sie tätig sind. Art. 14 DelVO-2017/589 bestimmt die Pflicht zur Einführung eines Notfallkonzepts und listet dessen nötige Bestandteile auf. Schließlich muss nach Art. 12 DelVO-2017/589 eine „Kill-Funktion“ eingerichtet werden und der Algorithmus nach Art. 5 Abs. 4 lit. d) DelVO-2017/589 auch unter Stressbedingungen eine Abschaltung zulassen. Speziell zur Abwehr von Cyber-Angriffen fordert Art. 18 Abs. 4 DelVO-2017/589 die jährliche Durchführung von Penetrati52
Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. I. 1. b) bb) und Teil 3 Kap. 2 § 2 C. II. 5. b) bb).
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Teil 4: Reformansätze
onstests und Schwachstellenanalysen, um Cyber-Angriffe zu simulieren. Nach Art. 5 Abs. 7 DelVO-2017/589 sind zudem Aufzeichnungen über alle wesentlichen Änderungen an der für den algorithmischen Handel verwendeten Software zu führen. Der deutsche Gesetzgeber hat im Rahmen der Organisationspflichten nach § 80 Abs. 2 WpHG einen ähnlichen Pflichtenkatalog für den algorithmischen Handel entwickelt. Durch eine Heranziehung der DelVO-2017/589 im Rahmen der Auslegung des § 25 Abs. 1 S. 3 KWG sowie durch eine (analoge) Anwendung des § 80 Abs. 2 WpHG kann dieser Maßnahmenkatalog auch auf den Einsatz von Robo-Advisorn bzw. allgemein auf den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich angewendet werden. Wie bereits im Zusammenhang mit der Begründungspflicht ausgeführt, gebietet es jedoch der Grundsatz der Rechtssicherheit, dass sich dieser Maßnahmenkatalog nicht nur aus einer analogen Anwendung der Normen zum algorithmischen Handel bzw. aus einer extensiven Auslegung der Normen zum Risikomanagement ergibt, sondern dass dieser sprachlich fixiert wird. Um trotz der sprachlichen Fixierung flexibel auf technische Neuerungen sowie auf innovative Geschäftsmodelle reagieren zu können, sollte eine Festlegung nicht in Gesetzesform erfolgen, sondern in Form eines Merkblatts der BaFin.53 Diese stellen zwar lediglich norminterpretierende Verwaltungsvorschriften dar, welchen keine Gesetzeskraft zukommt und die rechtlich allein die BaFin und die Deutsche Bundesbank binden.54 Sie sind aber von erheblicher praktischer Bedeutung, weshalb sie eine faktische Bindungswirkung entfalten.55 Dazu muss nicht notwendigerweise ein neues Merkblatt erstellt werden. Möglich ist auch eine Ergänzung der MaRisk oder der BAIT. Um nicht nur punktuell auf einzelne Innovationen zu reagieren, sollte sich der Maßnahmenkatalog nicht auf bestimmte Geschäftsmodelle wie etwa die Robo-Advice beziehen, sondern sich allgemein an die Betreiber automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich richten. Die Antwort auf die Fragen, welche spezifischen Maßnahmen sinnvollerweise durchgeführt werden sollten und wie dies technisch umsetzbar ist, kann in Anlehnung an die DelVO-2017/589 und die Normen zum algorithmischen Handel gemeinsam mit IT-Experten entwickelt werden.
53 A. A. wohl Möslein, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 3 Rn. 16, der für eine gesetzliche Normierung der Anforderungen an das Risikomanagement bei der Robo-Advice plädiert. 54 Benzler/Krieger, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 11 Rn. 3; Loff, in: Klebeck/Dobrauz-Saldapenna (Hrsg.), Rechtshandbuch Digitale Finanzdienstleistungen (2018), 3. Kap., Rn. 56 mit Fn. 54. 55 Benzler/Krieger, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (2018), § 11 Rn. 3.
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
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2. Verpflichtung zum Einsatz von Explainable Artificial Intelligence Im Rahmen des Kapitels zum Risikomanagement wurde die Frage aufgeworfen, ob nur durch eine Verpflichtung zum Einsatz von Explainable Artificial IntelligenceTechniken ein angemessenes Risikomanagement nach § 25a Abs. 1 S. 3 KWG erreicht werden könne.56 Die Ausführungen zur Begründungspflicht haben die Grenzen der Explainable Artificial Intelligence aufgezeigt. Eine Verpflichtung zur Einführung einer Explainable Artificial Intelligence würde daher auch hier ein faktisches Verbot des Einsatzes intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich nach sich ziehen. In diesem Zusammenhang muss auch der unterschiedliche Charakter von KWG und WpHG Berücksichtigung finden. Die aufsichtsrechtlichen Normen des KWG haben auch den gesamten Finanzmarkt, insbesondere in Bezug auf potenzielle Rückkopplungseffekte und Fehlentwicklungen im Blick.57 Entscheidend ist folglich ein Funktionieren des Gesamtmarktes. Dagegen richtet das WpHG seinen Blick vorwiegend isoliert auf einzelne Finanzinstitute und ihre Beziehung zu anderen Marktteilnehmern.58 Relevant ist deshalb die Ordnungsmäßigkeit einzelner Finanzdienstleistungen. Da es zur Bewertung der Richtigkeit einzelner Finanzdienstleistungen von wesentlicher Bedeutung ist, wie die ihnen zugrundeliegenden Anlageentscheidungen zustande gekommen sind, erscheint die Entwicklung einer Begründungspflicht im Rahmen des WpHG sinnvoll. Im Rahmen des KWG kommt es jedoch nicht allein auf die Richtigkeit einer einzelnen Transaktion an, sondern darauf, welche Entwicklungen sich aus dem Zusammenspiel vieler Transaktionen auf dem gesamten Finanzmarkt ergeben. Es ist somit weniger von Bedeutung, dass der einzelne Akteur jede seiner Entscheidungen begründen kann, sondern es kommt vielmehr darauf an, dass er die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Marktes allgemein durch sein Handeln nicht gefährdet. Es obliegt dem einzelnen Marktteilnehmer aber letztlich selbst, wie er dieses Ziel erreicht. Explainable Artificial Intelligence-Ansätze können von Betreibern intelligenter Agenten demnach dazu eingesetzt werden, die Ergebnisse von Stresstests zu interpretieren und Schwachstellen zu identifizieren. Ein angemessenes Risikomanagement setzt aber nicht die Vorgabe einer konkreten Explainable Artificial Intelligence-Methode oder gar die Entwicklung einer vollständigen Explainable Artificial Intelligence-Technik voraus. Im Ergebnis kann damit festgehalten werden, dass eine Verpflichtung zur Einrichtung einer Explainable Artificial Intelligence-Technik nicht zwingend notwendig ist, um ein angemessenes Risikomanagement zu gewährleisten. Eine Anpassung 56
Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. I. 1. b) bb). Issing/Bluhm, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance von Banken (2011), S. 84 f. 58 Issing/Bluhm, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance von Banken (2011), S. 84 f.; Schäfer, F., in: Schwintowski. (Hrsg.), Bankrecht (2018), Kap. 18 Rn. 19. 57
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Teil 4: Reformansätze
des KWG oder der das KWG interpretierenden Merkblätter ist deshalb nicht erforderlich. Der Betreiber kann aber Explainable Artificial Intelligence-Ansätze einsetzen, um die ihm obliegenden Pflichten aus dem KWG zu erfüllen. II. Anforderungen an Aufsichtsbehörden Aus aufsichtsbehördlicher Perspektive kann sowohl die selbständige Durchführung IT-bezogener Stresstests als auch die Einführung eines Systems zur laufenden Echtzeitüberwachung dazu dienen, die Funktionsfähigkeit zu gewährleisten und die Einrichtung angemessener Sicherheitsvorkehrungen sicherzustellen. 1. Durchführung IT-bezogener Stresstests Nicht nur die Institute selbst müssen im Rahmen des Risikomanagements Stresstests durchführen. Auch die Aufsichtsbehörden können Institute Stresstests unterziehen. So kann die BaFin auf nationaler Ebene nach § 6b Abs. 3 KWG Institute aufsichtlichen Stresstests unterziehen, um die Auswirkungen von Schocks zu simulieren. Auf europäischer Ebene ist die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority) nach Art. 21 Abs. 2 Uabs. 3 lit. b) und 32 Verordnung (EU) 1093/201059 dazu befugt, Stresstests durchzuführen, um eine wirtschaftliche Analyse der Märkte vorzunehmen, auf denen Finanzinstitute tätig sind, und die Folgen potenzieller Marktentwicklungen abzuschätzen. Diese Stresstests haben es zum Ziel, die Widerstandsfähigkeit der Finanzinstitute gegenüber negativen Marktentwicklungen zu prüfen, um so eine Gesamtbewertung des systemischen Risikos für den Finanzmarkt abgeben zu können.60 Simuliert werden im Rahmen dieser Stresstests stets nur finanzielle Schocks. Wie die Ausführungen zum Risikomanagement beim Einsatz von Robo-Advisorn gezeigt haben, sind beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich Cyber-Risiken aber ebenfalls von kaum zu unterschätzender Bedeutung.61 Sie können erhebliche Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzmarktes haben.62 Eine Gesamtbewertung des systemischen Risikos für den Finanzmarkt erfordert bei Unternehmen, welche automatische und intelligente Agenten im Finanzdienstleistungsbereich einsetzen, deswegen auch eine Bewertung ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Cyber-Risiken. 59 Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl. L 331 vom 15. 12. 2010, S. 12 ff. 60 Erwägungsgrund 43 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010; EBA, EU-wide stress-testing, abrufbar unter eba.europa.eu/risk-analysis-and-data/eu-wide-stress-testing. 61 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 2 C. I. 1. b) aa). 62 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 3. b).
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
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Sinnvoll erscheint daher die regelmäßige Durchführung IT-bezogener Stresstests durch die Aufsichtsbehörden.63 Sowohl auf internationaler als auch auf europäischer und nationaler Ebene ist es bereits zur Entwicklung IT-bezogener Stresstests gekommen. So wurde im Jahre 2017 von einer G7-Expertengruppe der sog. Threatled Penetration Test entwickelt.64 Im Rahmen dieses Tests wird ein kontrollierter Versuch vorgenommen, die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens gegen CyberAttacken dadurch zu überprüfen, dass die Techniken realer Angreifer simuliert werden.65 Im Mai 2018 haben die Notenbanken des Europäischen Systems der Zentralbanken das sogenannte „TIBER-EU“ (Threat Intelligence-based Ethical Red-teaming) verabschiedet.66 Dabei handelt es sich um ein Rahmenwerk, welches Regeln und Mindeststandards zur Durchführung bedrohungsgeleiteter Penetrationstests durch europäische oder nationale Behörden festlegt.67 Wesentliche Ziele des TIBER-EU sind die Verbesserung der Cyber-Abwehrfähigkeit von Unternehmen im Finanzsektor und die Standardisierung der Art und Weise, mit welcher Behörden bedrohungsgeleitete Penetrationstests in der EU durchführen.68 Beim Threat Intelligence-based Ethical Red-teaming handelt es sich um eine Weiterentwicklung von Penetrationstests.69 Während sich Penetrationstests häufig nur auf ein einzelnes System beziehen, kann beim Threat Intelligence based Ethical Red-teaming ein Angriff auf ein ganzes Unternehmen simuliert werden.70 Dazu wird eine Vielzahl von Methoden eingesetzt, um die Taktiken, Techniken und Prozesse realer Angreifer
63 A. A. Maume, ECFR 2019, 622 (635), der aufsichtliche Stresstests nur anlassbezogen zulassen möchte. 64 G7 Fundamental Elements for Threat-Led Penetration Testing (2018), S. 1, abrufbar unter: www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/2018-10-30-g7-penetrationtesting.pdf?__blob=publicationFile&v=3. 65 G7 Fundamental Elements for Threat-Led Penetration Testing (2018), S. 2, abrufbar unter: www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/2018-10-30-g7-penetrationtesting.pdf?__blob=publicationFile&v=3. 66 Deutsche Bundesbank, TIBER-DE – Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming in Deutschland (2019), abrufbar unter: www.bundesbank.de/de/aufgaben/unbarer-zahlungsver kehr/serviceangebot/tiber-de/tiber-de-816986; EZB, TIBER-EU Framework – How to implement the European framework for Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming (2018), abrufbar unter: www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/ecb.tiber_eu_framework.en.pdf. 67 Deutsche Bundesbank, TIBER-DE – Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming in Deutschland (2019), abrufbar unter: www.bundesbank.de/de/aufgaben/unbarer-zahlungsver kehr/serviceangebot/tiber-de/tiber-de-816986; EZB, TIBER-EU Framework – How to implement the European framework for Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming (2018), S. 2, abrufbar unter: www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/ecb.tiber_eu_framework.en.pdf. 68 EZB, TIBER-EU Framework – How to implement the European framework for Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming (2018), S. 2, abrufbar unter: www.ecb.europa.eu/pub/ pdf/other/ecb.tiber_eu_framework.en.pdf. 69 Sowa/Duscha/Schreiber, IT-Revision, IT-Audit und IT-Compliance (2019), S. 140 f. 70 EZB, TIBER-EU Framework – How to implement the European framework for Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming (2018), S. 10, abrufbar unter: www.ecb.europa.eu/pub/ pdf/other/ecb.tiber_eu_framework.en.pdf.
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Teil 4: Reformansätze
nachzuahmen.71 Das Bundesfinanzministerium und die Deutsche Bundesbank haben dieses Rahmenwerk im September 2019 mit dem TIBER-DE in Deutschland umgesetzt.72 Die Durchführung des TIBER-Tests stellt dabei ein Leistungsangebot der Deutschen Bundesbank dar, welches von Banken, Versicherungen und Finanzmarktinfrastrukturen auf freiwilliger Basis in Anspruch genommen werden kann.73 Vor dem Hintergrund der bereits dargestellten Risiken, welche Cyber-Angriffe nicht nur für das bedrohte Unternehmen, sondern auch für die Stabilität des Finanzmarktes allgemein mit sich bringen, sollten solche Tests zukünftig aber nicht nur fakultativ durchgeführt werden. Vielmehr sollten parallel zu den finanzbezogenen Stresstests auch IT-bezogene Stresstests regelmäßig obligatorisch absolviert werden müssen. Ob diese Stresstests dabei von speziellen Einheiten der Aufsichtsbehörden oder, wie beim TIBER vorgesehen74, durch zertifizierte Drittanbieter durchgeführt werden, ist aus regulatorischer Sicht unerheblich. Die Durchführung regelmäßiger aufsichtlicher IT-bezogener Stresstests würde nicht nur die Resilienz eines einzelnen Unternehmens erhöhen, sondern die Stabilität des gesamten Finanzsektors fördern.75 2. Einführung eines Systems zur laufenden Überwachung Daneben erscheint eine laufende Echtzeitüberwachung sämtlicher unter Einsatz von automatischen und intelligenten Agenten durchgeführter Transaktionen als geeignetes Mittel, um den Gefahren für die Stabilität des Finanzmarktes zu begegnen. Eine laufende Echtzeitüberwachung kann Aufsichtsbehörden bei der Bewältigung systemischer Risiken unterstützen, indem negative Marktentwicklungen identifiziert werden, bevor sie sich auf den gesamten Finanzmarkt ausbreiten oder ein Eingreifen aufgrund der „too linked to fail“ und „too fast to save“-Problematik76 nicht mehr möglich ist. 71 EZB, TIBER-EU Framework – How to implement the European framework for Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming (2018), S. 10, abrufbar unter: www.ecb.europa.eu/pub/ pdf/other/ecb.tiber_eu_framework.en.pdf. 72 Bundesministerium der Finanzen, TIBER-DE macht das deutsche Finanzsystem sicherer (2019), abrufbar unter: www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Fi nanzpolitik/2019/09/2019-09-12-Tiber-de.html; Deutsche Bundesbank, TIBER-DE – Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming in Deutschland (2019), abrufbar unter: www.bundes bank.de/de/aufgaben/unbarer-zahlungsverkehr/serviceangebot/tiber-de/tiber-de-816986. 73 Deutsche Bundesbank, TIBER-DE – Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming in Deutschland (2019), abrufbar unter: www.bundesbank.de/de/aufgaben/unbarer-zahlungsver kehr/serviceangebot/tiber-de/tiber-de-816986. 74 EZB, TIBER-EU Framework – How to implement the European framework for Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming (2018), S. 3 f., abrufbar unter: www.ecb.europa.eu/ pub/pdf/other/ecb.tiber_eu_framework.en.pdf. 75 G7 Fundamental Elements for Threat-Led Penetration Testing (2018), S. 7, abrufbar unter: www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/2018-10-30-g7-penetrationtesting.pdf?__blob=publicationFile&v=3. 76 Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 3. b).
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
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Für die Entwicklung eines solchen Echtzeitüberwachungssystems könnte eine Orientierung an dem in den USA eingesetzten System CAT (Consolidated Audit Trails) erfolgen, welches von der US-amerikanischen Wertpapier- und Börsenaufsicht SEC (U.S. Securities and Exchange Commission) zur Überwachung der Kapitalmärkte verwendet wird.77 Das CAT wurde als Reaktion auf den Flash Crash78 entwickelt und wird seit dem 15. November 2018 eingesetzt, um Wertpapier-Order während ihres gesamten Lebenszyklus zu verfolgen und die ausführenden Händler zu identifizieren, um so Aktivitäten in Bezug auf zugelassene Wertpapiere auf den US-Märkten effizienter verfolgen zu können.79 Dazu werden täglich etwa 58 Milliarden einzelne Datenpunkte über Handelsgeschehen einschließlich Kunden und Preisen in einer Cloud gespeichert und mittels komplexer Analysen und unter Einsatz maschinellen Lernens auf mögliche negative Entwicklungen hin kontrolliert.80 Die Einführung eines solchen Systems auf dem europäischen Markt stellt zweifelsohne eine Mammutaufgabe dar. Aufgrund des immer weiterreichenden Einsatzes automatischer und intelligenter Agenten auf den Finanzmärkten und der damit einhergehenden Zunahme systemischer Risiken sollten aber auch der europäische Gesetzgeber und die europäischen Aufsichtsbehörden sich besser früher als später damit auseinandersetzen, um die Stabilität des Finanzmarktes in Zukunft gewährleisten zu können.
§ 2 Reformansätze im Zivilrecht Die Ausführungen zur zivilrechtlichen Einordnung der Robo-Advice haben offengelegt, dass beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich die Verteilung des Haftungsrisikos nicht der Verteilung der Gefahrbeherrschung entspricht. So besteht weder im Delikts- noch im Vertragsrecht eine Zurechnungsfähigkeit von automatischen oder intelligenten Agenten, und auch dem Betreiber kann das Agentenhandeln nicht unmittelbar zugerechnet werden. Im Rahmen des Vertretenmüssens kann durch den Nachweis der Erbringung sämtlicher Sorgfaltspflichten durch den Betreiber ein Entlastungsbeweis erbracht werden. Schwer wiegt außerdem, dass die Beweislast für das Vorliegen der Kausalität beim Kunden liegt. Das Deliktsrecht bietet zudem kaum taugliche Anspruchsgrundlagen für geschädigte Kunden. 77
Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 155. Siehe oben Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 3. b). 79 The Consolidated Audit Trail, abrufbar unter: www.catnmsplan.com. 80 Crabb, PRIMER: The Consolidated Audit Trail (2019), International Financial Law Review, abrufbar unter: www.iflr.com/Article/3867714/PRIMER-The-Consolidated-AuditTrail.html; PwC, Consolidated audit trail: Ready, set, CAT! (2019), abrufbar unter: www.pwc. com/us/en/financial-services/regulatory-services/publications/assets/consolidated-audit-trail. pdf. 78
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Teil 4: Reformansätze
Im Zentrum der nachfolgenden Ausführungen steht deshalb die Frage, wie eine angemessene Risikoverteilung zwischen dem Betreiber des Agenten und seinem Kunden hergestellt werden kann. Einer Lösung dieser Problematik kann sich aus verschiedenen Perspektiven angenähert werden. So kann dem Problem sowohl auf der Ebene des Verschuldens als auch durch die Schaffung einer Haftungsmasse oder durch Beweiserleichterungen begegnet werden. Der Erlass neuer technischer Standards kann Reformen im Zivilrecht ergänzen.
A. Verschuldenslösungen Die Ebene des Verschuldens bietet zwei verschiedene Ansatzpunkte. Zum einen kann durch die Schaffung eines neuen Gefährdungshaftungstatbestandes eine Haftung des Betreibers vollkommen unabhängig von seinem Verschulden begründet werden. Zum anderen kann im Wege der Schaffung einer Zurechnungslösung eine unmittelbare Zurechnung des Verhaltens des Agenten zu seinem Betreiber erfolgen. I. Schaffung eines Gefährdungshaftungstatbestandes Wann immer es gilt, neuartige Gefahrenquellen insbesondere durch neue Technologien einzudämmen, scheint die Schaffung eines neuen Gefährdungshaftungstatbestandes das Mittel der Wahl zu sein.81 Daher verwundert es wenig, dass auch im Zusammenhang mit dem Einsatz automatischer und intelligenter Agenten die Einführung einer neuen Gefährdungshaftung diskutiert wird. Die Gefährdungshaftung erscheint aufgrund des ihr zugrundliegenden Gedankens, dass derjenige, der eine erlaubte Gefahr schafft, auch für die aus ihrer Realisation resultierenden Schäden aufkommen muss82, zunächst als naheliegendes Instrument zur Lösung der sich beim Einsatz der Agenten ergebenden Haftungsprobleme. Die Schaffung eines neuen Gefährdungshaftungstatbestandes für unter Einsatz automatischer und intelligenter Agenten verursachte Schäden wird deshalb von einem Teil der Literatur befürwortet.83 Hauptargument ist dabei stets, dass die Gefährdungshaftung einen Ausgleich für die Zulassung riskanter Innovationen 81 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 238; Wagner, in: MüKo-BGB (2017), Vor § 823 Rn. 18. 82 Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 3 B. I. 5. Vgl. Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht (2017), Rn. 1684; Fuchs, M./Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht (2017), S. 281; Spickhoff, JuS 2016, 865 (866). 83 Borges, CR 2016, 272 (279 ff.); Bräutigam/Klindt, NJW 2015, 1137 (1139); Groß, N./ Gressel, NZA 2016, 990 (996); Gruber, in: Hilgendorf/Günther (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung (2013), S. 123 ff.; Horner/Kaulartz, InTeR 2016, 22 (24); Schaub, JZ 2017, 342 (348); Schirmer, JZ 2016, 660 (665); Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 364 ff.; Spindler, CR 2015, 766 (775 f.); Zech, in: Gleß/Seelmann (Hrsg.), Intelligente Agenten und das Recht (2016), S. 163 (201 f.); Zech, ZfPW 2019, 198 (214 ff.).
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
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schafft und soziales Vertrauen ermöglicht.84 Die vorgeschlagenen Ausprägungen reichen dabei von „spezialgesetzlich verankerte[n] Gefährdungshaftungstatbestände[n] für klar umgrenzte Anwendungskontexte“85 bis hin zu einem generellen Gefährdungshaftungstatbestand für „Risiken neuartiger Technologien“86. Auch wird sowohl eine Gefährdungshaftung des Programmierers als auch des Betreibers vorgeschlagen.87 Die Einführung eines Gefährdungshaftungstatbestandes zu Lasten des Betreibers und/oder Programmierers eines automatischen oder intelligenten Agenten muss jedoch abgelehnt werden. Gegen die Einführung einer solchen Gefährdungshaftung kann zunächst vorgebracht werden, dass sie erhebliche negative Auswirkungen auf die Innovationskraft der Volkswirtschaft Deutschland hätte.88 Die Einführung einer Gefährdungshaftung hätte für Betreiber und Programmierer ein unkalkulierbares Haftungsrisiko zur Folge. Gerade im FinTech-Bereich, der geprägt ist durch innovative Start-ups, hätte dies immense Konsequenzen und würde wohl dazu führen, dass Geschäftsmodelle wie die Robo-Advice auf dem deutschen Markt allenfalls noch eine geringe Rolle spielen. Die Entwicklung und Einführung innovativer Geschäftsmodelle würde zum Nachteil der Gesellschaft und zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Marktes verzögert.89 Ein weiteres von den Befürwortern einer Gefährdungshaftung immer wieder vorgebrachtes Argument, welches der ökonomischen Analyse des Rechts entstammt, lautet, dass sich durch die Gefährdungshaftung das Aktivitätsniveau des riskanten Einsatzes der Agenten steuern ließe.90 Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Anders als teilweise vorgebracht,91 würde die Einführung einer Gefährdungshaftung gerade nicht Anreize zur Schadensvermeidung und Weiterentwicklung der Technologien setzen. Ein unkalkulierbares Haftungsrisiko führt nicht dazu, dass die Betreiber automatischer und intelligenter Agenten weitere extrem kostenintensive Investitionen in die Entwicklung risikoärmerer Systeme tätigen, sondern dazu, dass sie sich vom Markt zurückziehen oder einen Markteintritt gar nicht erst wagen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass es sich insbesondere beim Einsatz intelligenter Agenten häufig um unvorhersehbare Schäden handelt. Der Betreiber eines 84 Gruber, in: Hilgendorf/Günther (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung (2013), S. 123 (153); Zech, ZfPW 2019, 198 (216). 85 Gruber, in: Hilgendorf/Günther (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung (2013), S. 123 (158). 86 Zech, ZfPW 2019, 198 (215). 87 Vgl. Zech, ZfPW 2019, 198 (215 f.). 88 Vgl. Denga, CR 2018, 69 (76); Müller-Hengstenberg/Kirn, CR 2018, 682 (692). 89 Vgl. Denga, CR 2018, 69 (76). 90 Spindler, CR 2015, 766 (775); Zech, in: Gleß/Seelmann (Hrsg.), Intelligente Agenten und das Recht (2016), S. 163 (197); Zech, ZfPW 2019, 198 (214). Vgl. allgemein Schäfer, H.-B./Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (2012), S. 233 ff. 91 Hanisch, Haftung für Automation (2010), S. 177; Zech, in: Gleß/Seelmann (Hrsg.), Intelligente Agenten und das Recht (2016), S. 163 (201 f.).
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Teil 4: Reformansätze
Agenten ist dann nicht in der Lage, potenzielle Schadenskosten in den Preis seiner Dienstleistung einzuberechnen.92 Auch die Einführung von Haftungshöchstgrenzen93 stellt kein taugliches Mittel zur Abmilderung der innovationshemmenden Wirkung der Gefährdungshaftung dar. Zum einen zeigt die Tatsache, dass überhaupt ein Bedürfnis danach besteht, die Gefährdungshaftung auf der Rechtsfolgenseite zu korrigieren, dass die Gefährdungshaftung grundsätzlich zu einer inadäquaten Risikoverteilung zu Lasten des Betreibers führt. Zum anderen bieten Haftungshöchstgrenzen stets nur einen Schutz vor hohen Haftungssummen aufgrund von Extremereignissen, aber nicht vor hohen Haftungssummen, die sich aus der Addition einer Vielzahl kleinerer Schadensfälle ergeben. Hinzu kommt, dass die Gefährdungshaftung zwar die Notwendigkeit entfallen lässt, das Verschulden zu beweisen, dass ein Beweis der Kausalität zwischen der Rechtsgutsverletzung und der Realisierung der dem Agenten innewohnenden Gefahr aber weiterhin erforderlich ist.94 Dies führt zurück zu der Problematik, dass häufig mehrere Schadensursachen in Betracht kommen und der Geschädigte über keinen Einblick in die Funktionsweise des Agenten verfügt.95 Er ist daher nicht in der Lage, nachzuweisen, dass eine Rechtsgutsverletzung durch eine Fehlerhaftigkeit des konkreten Agenten verursacht wurde.96 Das Problem schwieriger Kausalitätsbeweise wird bei der Gefährdungshaftung auch nicht dadurch bewältigt, dass der Beweis „genügt, dass der Schaden im Rahmen des Einsatzes eines solchen Systems durch dieses entstanden ist“97, weil häufig eben gerade nicht klar ist, dass ein Schaden durch das konkrete System verursacht wurde. Zudem stellt sich bereits die Frage, ob sich die Grundgedanken der Gefährdungshaftung überhaupt auf den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten übertragen lassen.98 Der Grund für die verschuldensunabhängige Haftung liegt vor allem darin, dass eine übermäßige Gefahr und ein erhöhtes Risiko geschaffen werden.99 Der Einsatz automatischer und intelligenter Agenten geht aber nicht notwendigerweise mit einem erhöhten Risiko einher.100 Die durch einen Agenten 92 Vgl. Schäfer, H.-B./Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (2012), S. 239 f. 93 Gruber, in: Hilgendorf/Günther (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung (2013), S. 123 (153); Schirmer, JZ 2016, 660 (665); Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 364; Spindler, CR 2015, 766 (775). 94 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 440. 95 Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 3 A. I. 5. c) aa) (1). 96 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 441. 97 So aber Spindler, CR 2015, 766 (775). 98 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 239. 99 Deutsch, NJW 1992, 73 (74); Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 239; John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 285. 100 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 239.
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
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drohenden Gefahren sind anderer Natur als beim Tätigwerden eines Menschen. Sie führen aber nicht notwendigerweise zu einem höheren Risiko. Vielmehr weisen automatische und intelligente Agenten, abhängig von ihrem jeweiligen Einsatzgebiet, mitunter eine weitaus geringere Fehleranfälligkeit auf als Menschen.101 Automatische und intelligente Agenten werden unter anderem deshalb eingesetzt, weil sie durch Menschen verursachte Risiken abmildern.102 Dies gilt in gleichem Maße beim Einsatz intelligenter Agenten. Aus der Unvorhersehbarkeit der Handlungen folgt nicht unmittelbar ihre Gefährlichkeit.103 Schließlich erweist sich die Gefährdungshaftung in besonderem Maße als ungeeignet für den hier betrachteten Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich. Zunächst ist schon der Kreis drohender Rechtsgutsverletzungen beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten ein völlig anderer als derjenige, welcher durch die Gefährdungshaftung üblicherweise erfasst wird.104 Bestehende Gefährdungshaftungstatbestände schützen grundsätzlich nur Leben, Körper, Gesundheit und Eigentum, aber nicht das Vermögen.105 Durch den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich drohen aber allein primäre Vermögensschäden.106 Die Einführung eines Gefährdungshaftungstatbestandes, welcher auf den Ersatz primärer Vermögensschäden gerichtet ist, würde damit in Widerspruch zur Grundkonzeption der Gefährdungshaftung stehen.107 Von besonderer Bedeutung ist zudem die Tatsache, dass sich beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich Schädiger und Geschädigter in einem Vertragsverhältnis gegenüberstehen. Der Einsatz des Agenten ist Vertragsinhalt geworden.108 Die Gefährdungshaftung schafft regelmäßig einen Ausgleich für die Realisation eines Risikos, dem der Geschädigte unfreiwillig ausgesetzt war.109 Durch den Vertragsabschluss hat sich der Geschädigte dem dem 101 John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 285. Davon ging in Bezug auf Computer bereits Loewenheim, BB 1967, 593 (597 f.) aus. 102 Horner/Kaulartz, CR 2016, 7 (13). 103 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 240; John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 285. 104 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 432 f. 105 Deutsch, VersR 1971, 1 (6); Ehmann, Deliktsrecht (2014), S. 119; Fuchs, M./Pauker/ Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht (2017), S. 333; Schäfer, H.-B./Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (2012), S. 317; Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 432; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2 (1994), S. 602 f.; Lieser, JZ 1971, 759 (761). Die einzige Ausnahme bildet § 22 WHG, vgl. Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2 (1994), S. 602. 106 Vgl. Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 432; Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 355. 107 Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 457; Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 355. 108 Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 3. 109 Loewenheim, BB 1967, 593 (597).
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Teil 4: Reformansätze
Agenten innewohnenden Risiko aber freiwillig ausgesetzt.110 Auch wird durch die Vertragsbeziehung der Kreis möglicher Geschädigter begrenzt. Durch die Agenten wird nicht wie etwa bei der Tiergefahr oder der Gefahr durch ein Kfz die Allgemeinheit gefährdet, sondern nur ein geschlossener Kundenkreis.111 Gegen eine Gefährdungshaftung des Programmierers spricht zudem, dass für diesen der konkrete Einsatz und die Wartung des automatischen oder intelligenten Agenten und damit auch potenzielle Risiken nicht absehbar sind.112 Dies gilt in besonderem Maße beim Einsatz intelligenter Agenten. Der dem intelligenten Agenten zugrundeliegende Algorithmus entwickelt sich laufend fort und passt sich entsprechend der Umgebung an, in der er eingesetzt wird, sowie anhand der Daten, die er verarbeitet. Es handelt sich somit nicht mehr um den gleichen intelligenten Agenten wie zum Zeitpunkt der Programmierung. Der Programmierer kann die Fortentwicklung des intelligenten Agenten nur bedingt im Vorhinein beeinflussen. Folglich kann der Programmierer das Risiko für die Rechtsgüter Dritter weder steuern noch begrenzen.113 Ein neuer Gefährdungshaftungstatbestand hätte nach all dem nicht den Ausgleich der Risikoverteilung, sondern eine unangemessene Risikoverteilung zu Lasten des Betreibers oder des Programmierers zur Folge. Die Einführung eines neuen Gefährdungshaftungstatbestandes beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich stellt damit kein taugliches Mittel zur Lösung der bestehenden Haftungsprobleme dar. II. Zurechnungslösung Eine weitere Lösung setzt sowohl auf der Ebene der Pflichtverletzung als auch des Verschuldens an. So wird die Einführung einer Norm vorgeschlagen, welche die Zurechnung des Verschuldens automatischer und intelligenter Agenten zu ihrem Betreiber ausdrücklich bestimmt.114 Durch eine Ergänzung des § 276 BGB115 bzw. des § 278 BGB116 bzw. durch eine zusätzliche Norm im allgemeinen Teil des Schuldrechts117 soll festgelegt werden, dass der Schuldner das Verschulden eines automatischen oder intelligenten Agenten, dessen er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten hat wie eigenes Verschulden. 110
Loewenheim, BB 1967, 593 (597). Vgl. Kollmann, Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme (2019), S. 456. 112 Borges, NJW 2018, 977 (981). 113 Borges, NJW 2018, 977 (981). 114 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 241 f.; Hanisch, Haftung für Automation (2010), S. 207; John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 257; Köhler, AcP 1982, 126 (169). 115 John, Haftung für künstliche Intelligenz (2007), S. 257; Köhler, AcP 1982, 126 (169). 116 Hanisch, Haftung für Automation (2010), S. 207. 117 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 241. 111
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
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Eine solche Zurechnung stellt eine attraktive Lösung des Problems dar, dass beim Handeln eines intelligenten Agenten und beim bestimmungswidrigen Handeln eines automatischen Agenten de lege lata nur an das Verhalten des Betreibers in Form einer Inbetriebnahme oder Inbetriebhaltung des Agenten angeknüpft werden kann.118 Dass eine solche Zurechnungslösung nur im Rahmen von Vertragsverhältnissen wirkt119, stellt beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich kein Problem dar, da hier ein Vertragsverhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem grundsätzlich gegeben ist. Es bleibt aber das Problem bestehen, dass der Agent nicht schuldfähig ist und daher auch kein Verschulden existiert, welches dem Betreiber zugerechnet werden könnte.120 Zunächst erscheint es daher sinnvoll, nicht das Verschulden des Agenten zuzurechnen, sondern dessen Verhalten.121 Dies hätte aber zur Folge, dass die Zweiaktigkeit der Pflichterfüllung keine Berücksichtigung mehr findet.122 Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass eine Zurechnung sämtlicher Agentenhandlungen auch bedeutet, die der fehlerhaften Handlung möglicherweise vorgelagerte externe Beeinflussung des Agenten mit zuzurechnen. Die unmittelbare Zurechnung sämtlicher Aktionen des Agenten zum Betreiber stellt deshalb nur vordergründig eine andere Lösung dar als die Schaffung eines Gefährdungshaftungstatbestandes. Wenn dem Betreiber sämtliche und damit auch die extern beeinflussten Aktionen des Agenten zugerechnet werden, ist eine Entlastung nicht möglich. Im Ergebnis führt deshalb auch die Zurechnungslösung zu einer verschuldensunabhängigen Haftung des Betreibers für jegliches Fehlverhalten des Agenten und ist aus den soeben diskutierten Gründen abzulehnen.
B. Schaffung einer Haftungsmasse Eine weitere Gruppe von Reformvorschlägen versucht dem Problem zu begegnen, dass automatische und intelligente Agenten über keine Haftungsmasse verfügen. Durch die Einführung einer Pflichtversicherung oder durch die Schaffung einer EPerson soll sichergestellt werden, dass im Schadensfall das nötige Haftungskapital zur Verfügung steht.
118 Vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB (2020), § 278 Rn. 11; Horner/Kaulartz, CR 2016, 7; Müller-Hengstenberg/Kirn, MMR 2014, 307 (311). Speziell in Bezug auf Robo-Advisors Spindler, in: Möslein/Omlor (Hrsg.), FinTech-Handbuch (2019), § 13 Rn. 39. Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 1 C. II. 119 Dies kritisiert Hanisch, Haftung für Automation (2010), S. 207. 120 Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 1 B. II. und C. II. 121 Vgl. Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 241. 122 Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 3 A. I. 1.
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Teil 4: Reformansätze
I. Versicherungslösung Vertreter einer Versicherungslösung plädieren dafür, eine Pflichtversicherung des Betreibers einzuführen, welche die durch automatische und intelligente Agenten verursachten Schäden ganz123 oder teilweise124 abdeckt. In engem Zusammenhang mit dem Vorschlag der Einführung einer Pflichtversicherung ist auch die Schaffung eines Haftungsfonds für durch automatische oder intelligente Agenten hervorgerufene Schäden zu sehen.125 Dabei muss jedoch beachtet werden, dass sowohl eine Pflichtversicherung als auch ein Haftungsfonds das Problem der Haftung niemals lösen können.126 Die Schaffung einer solchen Haftungsmasse erleichtert lediglich die Rechtsdurchsetzung, aber nicht die Rechtsbegründung.127 Die Einführung einer Pflichtversicherung wird daher regelmäßig als Ergänzung zu einem neuen Gefährdungshaftungstatbestand vorgeschlagen.128 Für den Schädiger selbst bietet die Einführung einer solchen Pflichtversicherung oder eines Haftungsfonds den offensichtlichen Vorteil einer Schadensabnahme.129 Da eine gesetzliche Pflicht des Betreibers zum Abschluss einer Versicherung jedoch in die grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit eingreift, bedarf ihre Einführung einer Rechtfertigung.130 Umstände, die eine Versicherungspflicht begründen können, sind etwa die Einführung einer Gefährdungshaftung, die Bedrohung besonders wichtiger Rechtsgüter wie Leib und Leben, eine große Anzahl insolvenzgefährdeter Haftpflichtiger, eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Daseinsvorsorge, kein funktionierender Markt für freiwillige Haftpflichtversicherungen oder Kostenvorteile einer Pflichtversicherung gegenüber freiwilligen Versicherungen.131 Beim Einsatz automatischer oder intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich vermögen solche Umstände aber nicht die Einführung einer Pflichtversicherung zu rechtfertigen. Die Einführung einer Gefährdungshaftung ist aus den
123 Lin, The New Financial Industry, 65 (3) Ala. L. Rev., 567, 617 ff. (2014); Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 367; Zech, in: Gleß/Seelmann (Hrsg.), Intelligente Agenten und das Recht (2016), S. 163 (201 f.); Zech, ZfPW 2019, 198 (216). 124 Spindler, CR 2015, 766 (775 f.). 125 Vgl. Hanisch, Haftung für Automation (2010), S. 183. 126 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 242. 127 Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 242. 128 Horner/Kaulartz, CR 2016, 7 (14); Spindler, CR 2015, 766 (775). 129 Hanisch, in: Hilgendorf/Günther (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung (2013), S. 109 (114). 130 Brand, in: Langheid/Wandt (Hrsg.), MüKo-VVG (2017), Vor §§ 113 bis 124 Rn. 3; Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 243; Reiff, TranspR 2006, 15 (16). 131 Brand, in: Langheid/Wandt (Hrsg.), MüKo-VVG (2017), Vor §§ 113 bis 124 Rn. 4; Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 243.
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
345
soeben erläuterten Gründen abzulehnen.132 Ebenfalls drohen keine Gefahren für besonders wichtige Rechtsgüter wie Leib und Leben, sondern allein für das Vermögen. Zudem existiert auch nicht eine große Anzahl insolvenzgefährdeter Haftpflichtiger, wie dies etwa im Straßenverkehr der Fall ist, an dem auch einkommensund vermögensschwache Bevölkerungskreise teilnehmen.133 Vielmehr steht auf Seiten des Schädigers regelmäßig ein Unternehmen, welches den Agenten betreibt. Beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten ist der Gesetzgeber ferner nicht zu einer besonderen Daseinsvorsorge berufen, da keine Anzeichen dafür bestehen, dass die Erbringung von Finanzdienstleistungen durch automatische oder intelligente Agenten mit der Verursachung höherer Schadenssummen verbunden ist als die Erbringung von Finanzdienstleistungen durch Menschen.134 Zwar werden derzeit keine Versicherungen angeboten, welche sich speziell auf den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich beziehen. Jedoch dürfte der Großteil existierender Risiken bereits durch bestehende Versicherungsprodukte wie etwa IT-Haftpflichtversicherungen oder Cyber-Schutz-Versicherungen abgedeckt sein. Mit dem stetig wachsenden Einsatz solcher Agenten in den verschiedensten Lebensbereichen wird zudem das Angebot entsprechender Versicherungen zunehmen, so dass auch von einem Funktionieren des Marktes freiwilliger Versicherungen ausgegangen werden kann.135 Schließlich sind keine Gründe für einen Kostenvorteil von Pflichtversicherungen gegenüber freiwilligen Versicherungen beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich ersichtlich. Gegen die Einführung einer Pflichtversicherung oder eines Haftungsfonds spricht außerdem, dass das Geld, das für diese aufgewendet werden muss, dem Wirtschaftskreislauf entzogen und volkswirtschaftlich gebunden ist.136 Dies führt dazu, dass der Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich allgemein teurer wird137, weshalb in Folge weniger Investitionen getätigt werden können. Ausschlaggebend dürfte aber letztlich die Tatsache sein, dass durch Pflichtversicherungen und Haftungsfonds, welche im Schadensfall den entstandenen Schaden begleichen, Fehlanreize gesetzt werden und eine Verhaltenssteuerung durch das Zivilrecht ausgeschlossen wird.138 Wird im Schadensfall der Ersatz des entstandenen Schadens ohnehin von einer Versicherung oder einem Haftungsfonds übernommen, 132 133 134 135 136 137
(115).
Siehe oben Teil 4 Kap. 2 § 2 A. I. Brand, in: Langheid/Wandt (Hrsg.), MüKo-VVG (2017), Vor §§ 113 bis 124 Rn. 4. Vgl. Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 244. Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 244. Denga, CR 2018, 69 (76); Hanisch, Haftung für Automation (2010), S. 183 und 185. Hanisch, in: Hilgendorf/Günther (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung (2013), S. 109
138 Hanisch, Haftung für Automation (2010), S. 183 und 185; Hanisch, in: Hilgendorf/ Günther (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung (2013), S. 109 (114 f.).
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Teil 4: Reformansätze
so bestehen für den Betreiber eines automatischen oder intelligenten Agenten nur geringe Anreize, die Widerstandsfähigkeit des Programms gegen Cyber-Angriffe zu stärken oder in die Entwicklung verlässlicherer Software zu investieren. Insbesondere bei innovativen Technologien, bei denen noch viel Entwicklungspotenzial besteht, kann eine solche Anreizsetzung die Erforschung schadensvermeidender Techniken verhindern.139 Letztlich wird durch ein solches System der Unvorsichtige, welcher auf entsprechende Investitionen verzichtet, gegenüber dem Sorgfältigen bevorzugt.140 Zwar kann diesem Problem grundsätzlich durch Prämienstaffelungen, welche sich an den Vorsorgeaufwendungen des Versicherten orientieren, begegnet werden.141 Eine solche Prämienstaffelung ist beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich aber nicht denkbar, weil sich getätigte Vorsorgeaufwendungen in diesem Bereich, anders als etwa bei Feuerversicherungen, ex ante durch die Versicherer kaum beobachten und quantifizieren lassen.142 Schließlich wird durch die Einführung einer Pflichtversicherung oder eines Haftungsfonds ein Gefährdungspotenzial automatischer und intelligenter Agenten signalisiert, welches in dieser Höhe nicht gegeben ist.143 Wie bereits zum wiederholten Male ausgeführt, sind die durch einen Agenten drohenden Gefahren anderer Natur als beim Tätigwerden eines Menschen. Sie führen aber nicht notwendigerweise zu einem höheren Risiko. II. E-Person Ebenfalls mit der Schaffung einer Haftungsmasse einher geht die Zuschreibung des Status einer „E-Person“ oder einer „elektronischen Person“ zu automatischen oder intelligenten Agenten.144 Über die bloße Erzeugung einer Haftungsmasse hinaus wird durch die Schaffung eines Zurechnungsobjekts für die Handlungen des Agenten auch die Haftungsbegründung erleichtert. Die umfangreiche Debatte145 um die 139
Vgl. Hanisch, Haftung für Automation (2010), S. 185. Hanisch, Haftung für Automation (2010), S. 185. 141 Schäfer, H.-B./Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (2012), S. 241. 142 Vgl. Schäfer, H.-B./Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts (2012), S. 243. 143 Hanisch, in: Hilgendorf/Günther (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung (2013), S. 109 (115). 144 Beck, S., in: Hilgendorf/Günther (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung (2013), S. 239 (256). 145 Vgl. etwa Beck, S., in: Hilgendorf/Günther (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung (2013), S. 239 (255 ff.); Borges, NJW 2018, 977 (979); Denga, CR 2018, 69 (77); Europäisches Parlament, Bericht mit Empfehlungen an die Kommission zu zivilrechtlichen Regelungen im Bereich Robotik (2015/2103(INL)) v. 21. 1. 2017, S. 21 f., Rz. 59, abrufbar unter: www.europ arl.europa.eu/doceo/document/A-8-2017-0005_DE.pdf; Günther, Roboter und rechtliche Ver140
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
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Einführung des Status einer „E-Person“ bzw. einer „elektronischen Person“ wirft zahlreiche Fragen rechtlicher und moralischer Natur auf146 und kann in ihrer Gänze im Rahmen dieser Arbeit nicht dargestellt werden. Zumindest in dem hier betrachteten Bereich des Einsatzes automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich würde die Einführung eines solchen Status aber über das Ziel hinausschießen. Auslöser der Debatte war und ist die Erwartung, dass zukünftig menschenähnliche Roboter bedeutsame soziale und gesellschaftliche Aufgaben übernehmen werden.147 Automatische und intelligente Agenten im Finanzdienstleistungsbereich verfügen jedoch über klare Zielvorgaben und werden nur in einem sehr begrenzten Bereich eingesetzt. Die Schaffung einer „E-Person“ ist in diesem Bereich nicht erforderlich. Sie ist weder zur Ermöglichung eines Vertragsschlusses vonnöten148 noch ist sie in der Lage, die bestehenden Probleme zu lösen. Denn die Einführung einer „E-Person“ hätte allenfalls zur Folge, dass die Zweiaktigkeit der Pflichtverletzung entfällt.149 Auf der Ebene des Verschuldens würden aber zahlreiche neue Fragen und Probleme auftauchen. So stellt sich zunächst die Frage, wie das Verschulden eines Agenten zu bestimmen ist. Allein für die Probleme bei der Zurechnung der Handlungen der Agenten zu einem Haftungsobjekt kann die Einführung einer „E-Person“ eine Lösung bieten. Die Schaffung einer solchen Rechtsfigur mit umfangreichen Rechtsfolgen ist für die Lösung dieses einzelnen Problems aber nicht nötig. Die bestehenden Probleme sollten vielmehr punktuell behoben werden. Im Übrigen ist dem bestehenden Recht, solange es sachgerechte Lösungen bietet, der Vorzug zu geben.150 Die Einführung einer „E-Person“ bzw. „elektronischen Person“ ist für automatische und intelligente Agenten im Finanzdienstleistungsbereich daher weder erforderlich noch geeignet, um die bestehenden Haftungsprobleme zu lösen.
C. Beweiserleichterungen Am überzeugendsten dürfte es sein, ein Rechtsinstrument einzuführen, welches genau dort ansetzt, wo Probleme im Rahmen der Haftung bestehen: auf der Ebene der Beweisführung. Aus einer rechtlichen Perspektive bietet sich dafür die Einführung
antwortung (2016), S. 251 ff.; Kluge/Müller, InTeR 2017, 24 (29 f.); Lohmann, ZRP 2017, 168 (171); Specht, L./Herold, MMR 2018, 40 (43). 146 Beck, S., in: Hilgendorf/Günther (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung (2013), S. 239 ff. 147 Beck, S., in: Hilgendorf/Günther (Hrsg.), Robotik und Gesetzgebung (2013), S. 239. 148 Siehe oben Teil 3 Kap. 3 § 1 B. V. 149 Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 3 A. I. 1. 150 Lohmann, ZRP 2017, 168 (171).
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Teil 4: Reformansätze
einer Beweislastumkehr an.151 Eine technische Lösung kann die Entwicklung von Techniken zur Beweissicherung darstellen.152 I. Beweislastumkehr Die Schwierigkeit für den geschädigten Kunden, die Kausalität zwischen der pflichtwidrigen Inbetriebnahme bzw. der pflichtwidrigen Inbetriebhaltung des Agenten und dem entstandenen Schaden zu beweisen, stellt eines der wesentlichen Probleme im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich dar.153 Oft lässt sich beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten nicht mehr vollständig klären, welcher Faktor ein fehlerhaftes Verhalten hervorgerufen hat.154 Da sich die Funktionsweise und Funktionsfähigkeit des Agenten vollständig im Kenntnis- und Risikobereich des Betreibers befindet, erscheint es sachgerecht, ihm im Falle eines Schadens auch die Beweislast dahingehend aufzuerlegen, dass dieser Schaden nicht kausal durch die Inbetriebnahme oder die Inbetriebhaltung des Agenten verursacht wurde, sondern dass der Kausalzusammenhang durch einen externen Faktor unterbrochen wurde.155 Für die Ausgestaltung einer entsprechenden Norm kann eine Orientierung an den Normen zum Umwelthaftungsrecht erfolgen.156 So bestimmt § 6 Abs. 1 S. 1 Umwelthaftungsgesetz (im Folgenden: UmweltHG)157 dann eine Kausalitätsvermutung, wenn eine Anlage nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den gegebenen Schaden zu verursachen. Ähnlich wie bei der vorliegenden Problematik bestehen im Umwelthaftungsrecht Schwierigkeiten, bestimmte Erkrankungen und Schäden auf eine bestimmte Einwirkung zurückzuführen.158 Häufig wirken viele Schadensfaktoren zusammen.159 151
Maume, ECFR 2019, 622 (647 f.); Zech, ZfPW 2019, 198 (217). Zech, ZfPW 2019, 198 (218). 153 Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 3 A. I. 5. b) und c). 154 Beck, S., JR 2009, 225 (227); Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 88; Hötitzsch, in: Hilgendorf/Hötitzsch (Hrgs.), Das Recht vor den Herausforderungen der modernen Technik (2015), S. 75 (81); Käde/von Maltzan, CR 2020, 66 (71); Kluge/Müller, InTeR 2017, 24 (25); Sorge, in: Hornung (Hrsg.), Rechtsfragen der Industrie 4.0 (2018), S. 139 (146 f.); Spindler, CR 2015, 766 (772); Zech, ZfPW 2019, 198 (207 f.). Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 3 A. I. 4. a). 155 So auch Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 355. 156 Zech, ZfPW 2019, 198 (218). 157 Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG) vom 10. Dezember 1990, BGBl. I S. 2634, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom17. Juli 2017, BGBl. I S. 2421. 158 Hager, in: Landmann/Rohmer (Begr.), Umweltrecht, Stand Juni 2019, § 6 UmweltHG, Rn. 1. 159 Hager, in: Landmann/Rohmer (Begr.), Umweltrecht, Stand Juni 2019, § 6 UmweltHG, Rn. 1. 152
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
349
In Anlehnung an § 6 Abs. 1 S. 1 UmweltHG könnte eine Kausalitätsvermutung beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich lauten: „Setzt jemand zur Erfüllung seiner sich aus einem Finanzdienstleistungsvertrag ergebenden Pflichten einen automatischen oder intelligenten Agenten ein und entsteht dem Gläubiger bei der Durchführung des Finanzdienstleistungsvertrags ein Schaden, so wird vermutet, dass der Schaden durch den Betrieb dieses Agenten verursacht wurde, wenn der Agent nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den entstandenen Schaden zu verursachen.“
Da Finanzdienstleistungsverträge regelmäßig Geschäftsbesorgungscharakter nach § 675 BGB aufweisen160, scheint die Platzierung einer solchen Norm im BGB in Abschnitt 3, Titel 12, Untertitel 2 „Geschäftsbesorgung“ passend. Eine solche Regelung würde auch thematisch zu den §§ 675a und 675b BGB passen, welche ebenfalls Finanzdienstleistungen betreffen161. Denkbar wäre etwa die Einfügung eines § 675c BGB n. F. Beachtet werden muss jedoch, dass nicht nur für den Geschädigten, sondern auch für den Betreiber selbst häufig nicht ersichtlich ist, welche Prozesse letztlich zur Schadensentstehung geführt haben.162 Für den Betreiber ist eine Widerlegung der Verursachungsvermutung dann nur sehr schwer oder gar nicht möglich. Die Vermutungsregel muss deshalb dann eingeschränkt werden, wenn der Betreiber nachweist, dass der Agent fehlerfrei funktioniert hat.163 Eine ähnliche Erleichterung sieht auch § 6 Abs. 2 UmweltHG vor. Entsprechend könnte § 675c Abs. 2 BGB n. F. lauten: „Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Agent bestimmungsgemäß und fehlerfrei agiert hat.“
Eine solche Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität führt zu einer angemessenen Risikoverteilung, ohne wie bei der Gefährdungshaftung oder der Zurechnungslösung dem Betreiber jede Möglichkeit zu nehmen, sich zu exkulpieren. Die grundsätzliche Verursachungsvermutung trägt der Tatsache Rechnung, dass sich der Agent vollständig im Risikobereich des Betreibers befindet. Durch die Möglichkeit zur Widerlegung der Vermutung und durch die Erleichterung in Abs. 2 findet der Umstand Berücksichtigung, dass sich der Geschädigte bewusst für einen Vertragsschluss mittels eines automatischen oder intelligenten Agenten entschieden hat und ebenfalls dessen Vorzüge genießt, weshalb auch eine teilweise Risikotragung seinerseits gerechtfertigt erscheint.164
160
B. 161
Siehe für die Anlageberatung und Vermögensverwaltung oben Teil 3 Kap. 3 § 2 A. und
Schulte-Nölke, in: Schulze (Hrsg.), BGB (2019), § 675 Rn. 2. Hanisch, Haftung für Automation (2010), S. 204. 163 Vgl. Maume, ECFR 2019, 622 (647). 164 Vgl. Maume, ECFR 2019, 622 (648). Siehe zu den Vorteilen der Robo-Advice für den Anleger Teil 3 Kap. 2 § 1 B. II. 1. a) und 2. a). 162
350
Teil 4: Reformansätze
Die Einführung einer Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldens ist nicht erforderlich. Zwischen Geschädigtem und Schädiger besteht ein Vertragsverhältnis, so dass die Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB greift. Davon unberührt bleibt die Frage, ob dem Betreiber im Falle eines Schadensersatzanspruchs eines geschädigten Kunden ein Regressanspruch gegen einen externen Programmierer zusteht. Dies ist unter anderem eine Frage der Ausgestaltung des zugrundeliegenden Softwareerstellungsvertrags und nicht eine Frage, welche speziell beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich auftritt. Dieses Problem ist daher nicht Gegenstand dieser Arbeit. Allgemein lässt sich jedoch sagen, dass der Softwareerstellungsvertrag im B2BVerhältnis geschlossen wird, so dass es dem Betreiber zumutbar ist, den Haftungsrisiken durch eine entsprechende Vertragsgestaltung mit dem externen Programmierer zu begegnen. Zudem genügt der Besteller einer Software bei einem behaupteten Mangel der Software bereits dann seiner Darlegungslast, wenn er Mangelerscheinungen, die er der fehlerhaften Leistung des externen Programmierers zuordnet, genau bezeichnet.165 Zu den genauen Ursachen der Mangelerscheinung muss er dagegen nicht vortragen. An den Nachweis der Fehlerhaftigkeit der Software sind daher keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Die Einführung einer Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität zwischen der Inbetriebnahme oder der Inbetriebhaltung des automatischen oder intelligenten Agenten und dem beim Kunden eingetretenen Schaden erscheint daher als sachgerechte Lösung des Haftungsproblems. II. Beweissicherung Daneben würde auch eine umfangreiche Beweissicherung die Beweisführung erleichtern. Ein wesentliches Problem bei dem digitalen Abschluss und bei der digitalen Durchführung von Verträgen liegt darin, dass die zugrundeliegenden Datenströme für das menschliche Auge nicht sichtbar sind und der Datenfluss zudem flüchtig ist.166 Ob die von einem Agenten getroffenen Entscheidungen vor dem Hintergrund des zugrundeliegenden Finanzdienstleistungsvertrags sachgerecht waren, lässt sich im Nachhinein deshalb schwer überprüfen. Dies gilt vor allem beim Einsatz intelligenter Agenten, bei denen oft weder ex post nachvollzogen werden kann, warum eine bestimmte Entscheidung getroffen wurde, noch ex ante mit Sicherheit gesagt werden kann, welche Entscheidung der Agent treffen wird.167 Die Aufzeichnung der Datenströme in sogenannten Logfiles oder Blackboxes kann eine ex post-Kontrolle der Entscheidungen und damit auch eine entsprechende
165 166 167
BGH, Urt. v. 5. 6. 2014 – VII ZR 276/13, NJW-RR 2014, 1204. Horner/Kaulartz, InTeR 2016, 22 (26). Siehe zum Black Box-Problem der künstlichen Intelligenz oben Teil 2 Kap. 2 § 2 A. III.
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
351
Beweisführung ermöglichen.168 So kann besser nachvollzogen werden, ob sich die Aktionen des Agenten frei von der Beeinflussung durch externe Faktoren vollzogen haben. Bei intelligenten Agenten erfordert dies zudem den Einsatz von Techniken aus dem Bereich der Explainable Artificial Intelligence, welche bereits im Zusammenhang mit dem Vorschlag der Einführung einer Begründungspflicht im Aufsichtsrecht ausführlich dargestellt wurden.169 Auf diese Weise können mithilfe von Wahrscheinlichkeitsangaben Aussagen darüber getroffen werden, warum der intelligente Agent eine bestimmte Entscheidung getroffen hat. Solche Wahrscheinlichkeitsangaben sind im Rahmen der Beweisführung auch ausreichend. Die richterliche Überzeugung, welche Ziel der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO ist, setzt keine Gewissheit voraus, sondern erfordert eine ausreichende Überzeugung.170 Eine solche ausreichende Überzeugung kann auch erreicht werden, wenn sich die Entscheidungsfindung eines intelligenten Agenten nur wahrscheinlich auf eine bestimmt Art und Weise vollzogen hat. Da eine erschöpfende Beweisführung bei einer Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität und des Verschuldens im Interesse des Betreibers selbst ist, muss eine gesetzliche Verpflichtung zu einer entsprechenden Beweissicherung jedoch nicht erfolgen. Hinzu kommt, dass die Einführung einer Begründungspflicht im Rahmen des Aufsichtsrechts über die Ausstrahlungswirkung des Aufsichtsrechts einer vertraglichen Pflicht entsprechen würde und folglich ohnehin eine solche Entwicklung zur Folge hätte.171 Die Sicherung der Datenströme in Logfiles oder Blackboxes sowie der Einsatz von Explainable Artificial Intelligence-Methoden zur Begründung getroffener Entscheidungen mittels Wahrscheinlichkeitsangaben stellen somit sehr hilfreiche Mittel zur Beweisführung dar. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Durchführung ist aber nicht vonnöten, wenn es zur Einführung einer Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität kommt. Das Vermögen zu umfangreicher Beweisführung ist dann ohnehin im Interesse des Betreibers.
D. Die Schaffung neuer technischer Standards Der Betreiber eines automatischen oder intelligenten Agenten im Finanzdienstleistungsbereichkann sich des Vorwurfs der Fahrlässigkeit erwehren, indem er 168
Denga, CR 2018, 69 (75 f.); Günther, Roboter und rechtliche Verantwortung (2016), S. 88; Horner/Kaulartz, CR 2016, 7 (10); Horner/Kaulartz, InTeR 2016, 22 (26); Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 355; Schulz, Verantwortlichkeit bei autonom agierenden Systemen (2015), S. 381; Spindler, CR 2015, 766 (772). Siehe dazu bereits oben Teil 3 Kap. 4 § 3 A. I. 5. d). 169 Siehe oben Teil 4 Kap. 2 § 1 A. II. 2. 170 BGH, Urt. v. 14. 12. 1993 – VI ZR 221/92, NJW-RR 1994, 567; Prütting, in: MüKo-ZPO (2016), § 286 Rn. 18. 171 Siehe oben Teil 4 Kap. 2 § 1 A. II. 2.
352
Teil 4: Reformansätze
nachweist, sämtliche Sorgfaltspflichten erfüllt zu haben.172 Über eine Steuerung des Sorgfaltsniveaus kann somit grundsätzlich auch gesteuert werden, wie einfach sich der Betreiber von der Verschuldensvermutung entlasten kann.173 Allerdings wird der Inhalt der im Einzelfall vorzunehmenden Sorgfaltsmaßnahmen regelmäßig nicht gesetzlich festgelegt, sondern durch die Rechtsprechung konkretisiert.174 Einen erheblichen Beitrag zur Erhöhung der Rechtssicherheit leistet jedoch die Entwicklung technischer Standards wie ISO-, CEN- und DIN-Normen.175 Diese stellen bei der Ermittlung der im Einzelfall anzuwendenden Sorgfaltspflicht zwar nur einen Mindeststandard dar, da sie aber unter der Mitwirkung fachkundiger Branchenexperten erlassen werden, können sie zu einer technikgerechten Rechtsprechung beitragen.176 Die soeben dargestellten Reformvorschläge zum Zivilrecht können durch die Einführung technischer Standards, welche sich speziell mit der Verhütung von Gefahren und Risiken beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich auseinandersetzen, ergänzt werden.
§ 3 Ergebnisse Kapitel 2 Zur Gewährleistung einer effektiven Aufsicht sollten Reformen im Rahmen des Aufsichtsrechts zunächst auf die Herstellung von Transparenz gerichtet sein. Dies setzt jedoch nicht voraus, dass der Betreiber verpflichtet wird, den dem automatischen oder intelligenten Agenten zugrundeliegenden Algorithmus offenzulegen. Daraus ergäbe sich kein Nutzen für die Effektivität der Aufsicht. Die Schaffung von Transparenz kann jedoch dadurch unterstützt werden, dass die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht aus § 83 Abs. 1 WpHG durch die Einführung einer Begründungspflicht für die Entscheidungen automatischer und intelligenter Agenten im Rahmen eines § 83 Abs. 1a WpHG n. F. konkretisiert wird. Dies setzt allerdings nicht voraus, dass die Entscheidungen intelligenter Agenten erklärbar gemacht werden müssen. Vielmehr sind die Wahrscheinlichkeitsangaben, welche das Ergebnis anerkannter Explainable Artificial Intelligence-Methoden sind, ausreichend. Reformen im Rahmen des Aufsichtsrechts sollten des Weiteren auf die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Agenten und angemessener Sicherheitsvorkehrungen gerichtet sein. Dazu kann der Erlass eines neuen oder die Ergänzung 172
Siehe oben Teil 3 Kap. 4 § 3 A. I. 5. b) bb). Vgl. Zech, ZfPW 2019, 198 (210 f.). 174 Zech, ZfPW 2019, 198 (211). 175 Spindler, CR 2015, 766 (771); Spindler, in: Hilgendorf (Hrsg.), Robotik im Kontext von Recht und Moral (2014), S. 63 (71); Zech, ZfPW 2019, 198 (211). 176 Förster, in: Bamberger et al. (Hrsg.), BeckOK BGB (2020), § 823 Rn. 344; Spindler, in: Hilgendorf (Hrsg.), Robotik im Kontext von Recht und Moral (2014), S. 63 (71); Wagner, in: MüKo-BGB (2017), § 823 Rn. 447; Zech, ZfPW 2019, 198 (211). 173
Kap. 2: Bewertung der einzelnen Reformansätze
353
eines bestehenden Merkblattes hilfreich sein, welches festlegt, welche Maßnahmen im Einzelnen im Rahmen des Risikomanagements beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich erforderlich sind. Zudem sollten IT-bezogene Stresstests nicht nur auf freiwilliger Basis durchgeführt werden, um die Abwehrfähigkeit sämtlicher relevanter Unternehmen überprüfen zu können. Schließlich sollte ein System zur laufenden Echtzeitüberwachung sämtlicher unter Einsatz automatischer oder intelligenter Agenten durchgeführter Transaktionen eingeführt werden. Dabei kann sich an dem in den USA angewendeten System „CAT“ orientiert werden.177 Reformvorschläge im Rahmen des Zivilrechts sollten stets darauf ausgerichtet sein sicherzustellen, dass die Verteilung des Haftungsrisikos der Verteilung der Risikobeherrschung folgt. Die Ausführungen auf der Ebene des Verschuldens haben gezeigt, dass die Gefährdungshaftung kein geeignetes Instrument darstellt, um eine solche angemessene Risikoverteilung herzustellen. Dies liegt vor allem darin begründet, dass beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich keine Schäden für bedeutende Rechtsgüter, sondern allein für das Vermögen drohen und dass der Kontakt des Geschädigten mit dem Agenten auf freiwilliger Basis erfolgt. Auch eine Zurechnungslösung, welche das Verhalten des Agenten seinem Betreiber zurechnet, führt letztlich zum gleichen Ergebnis wie die Schaffung eines Gefährdungshaftungstatbestandes und ist daher abzulehnen. Ebenfalls kann weder der Vorschlag der Einführung einer Pflichtversicherung noch die Schaffung einer „E-Person“ bzw. „elektronischen Person“ überzeugen. So hat die Einführung einer Pflichtversicherung eine falsche Anreizsetzung zur Folge, weil der Ersatz des Schadens ohnehin durch die Versicherung übernommen wird.178 Die Schaffung einer „E-Person“ würde umfangreiche Rechtsfolgen nach sich ziehen, welche zur Lösung der bestehenden Haftungsprobleme nicht erforderlich sind. Insgesamt würde sowohl die Schaffung einer Pflichtversicherung als auch einer „EPerson“ mehr Fragen aufwerfen als bestehende Probleme zu lösen. Der Schlüssel zum Haftungsproblem des Beweises der Kausalität kann somit nur eine Beweislastumkehr sein. Diese führt dazu, dass der Betreiber, welcher den Agenten beherrscht, zugleich das Risiko einer Schadensentstehung trägt. Anders als bei der Gefährdungshaftung besteht aber weiterhin die Möglichkeit der Exkulpation. Ebenfalls sehr hilfreich sind Maßnahmen, welche eine Sicherung von Beweismitteln ermöglichen. Allerdings bedarf es keiner gesetzlichen Verpflichtung zu ihrer Vornahme. Bei Einführung einer Beweislastumkehr ist die Durchführung solcher Maßnahmen ohnehin im Interesse des Betreibers selbst. Kommt es zur Schaffung einer aufsichtsrechtlichen Begründungspflicht, besteht zudem schon aus aufsichtsrechtlicher Perspektive eine Pflicht zur Aufzeichnung der Datenströme.
177 178
Martini, Blackbox Algorithmus (2019), S. 155. Vgl. Hanisch, Haftung für Automation (2010), S. 185.
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Teil 4: Reformansätze
Kapitel 3
Fazit Die Herstellung einer Rechtslage für den Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich, welche einerseits eine Förderung und Sicherung der Regelungsziele des Aufsichtsrechts sicherstellt und andererseits eine angemessene Risikoverteilung im Rahmen des Zivilrechts gewährleistet, stellt somit keine unlösbare Aufgabe dar. Weder das Aufsichts- noch das Zivilrecht müssen zur Schließung der bestehenden Regelungslücken in ihren Grundfesten berührt werden. Umfangreiche Änderungen wie etwa die Einführung einer „E-Person“ sind nicht erforderlich. Vielmehr kann bereits durch punktuelle Anpassungen die gewünschte Rechtslage erreicht werden. Dabei fordern die rechtlichen Neuerungen nichts Unmögliches, sondern ihnen kann mit den bestehenden Mitteln der Technik nachgekommen werden. Zugleich setzen sie aber auch Anreize zur Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten, um die rechtlichen Anforderungen noch besser und effektiver zu erfüllen. Die dargestellten und als positiv bewerteten Reformvorschläge stellen folglich ein effizientes Mittel dar, um den Herausforderungen sowohl des aktuellen als auch des in naher Zukunft zu erwartenden Stands der Technik gerecht zu werden.
Teil 5
Zusammenfassung und Ausblick Die Finanzbranche eignet sich wie kaum ein anderer Bereich für die Einführung digitaler Geschäftsmodelle. Schon heute vollzieht sich ein Großteil der Finanztransaktionen und Finanzdienstleistungen unter dem Einsatz digitaler Mittel. Der Einfluss, welchen die Digitalisierung zukünftig auf die Finanzbranche haben wird, kann nicht unterschätzt werden. Dabei wird insbesondere der Einsatz intelligenter Agenten weiter steigen. Das Geschäftsmodell der Robo-Advice stellt nur ein Beispiel für diesen Einfluss dar. Die Robo-Advice kann aber exemplarisch zeigen, welche rechtlichen Herausforderungen sich beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten in der Finanzdienstleistungsbranche stellen. Die durchgeführte Untersuchung hat gezeigt, wie und ob das geltende Aufsichtsrecht und das geltende Zivilrecht in der Lage sind, mit solchen Phänomenen umzugehen. Im Ergebnis ist das bestehende Regelungsgefüge überwiegend sowohl dazu geeignet, die heute mehrheitlich tätigen automatischen Agenten angemessen zu erfassen, als auch den Problemen zu begegnen, welche sich aus der Ausbreitung intelligenter Agenten ergeben. Oft verfügen die bestehenden Normen über einen ausreichenden Abstraktionsgrad, um den Herausforderungen, welche der Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich dem Recht stellt, gerecht zu werden.1 Die Verwirklichung der Regelungsziele des Aufsichtsrechts ist auch beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten möglich. Zwar bergen digitale Finanzdienstleistungserbringer in bestimmten Bereichen neuartige Risiken für diese Regelungsziele. Gleichzeitig sind sie an anderer Stelle aber dazu in der Lage, die Ziele besser zu erreichen als ihre menschlichen Vorbilder, weil bestimmte menschliche Unzulänglichkeiten eliminiert werden können. Ihren Besonderheiten muss bei der Anwendung der aufsichtsrechtlichen Normen aber Rechnung getragen werden. Das Aufsichtsrecht erfasst die Erbringung von Finanzdienstleistungen durch automatische oder intelligente Agenten in gleicher Weise wie die Erbringung von Finanzdienstleistungen durch menschliche Finanzintermediäre. Sie bedürfen einer aufsichtsrechtlichen Erlaubnis und unterliegen dem gleichen Pflichtenregime des WpHG und KWG. Zur Übertragung des Pflichtenkatalogs auf die digitalen Akteure 1 Herresthal, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 9 Rn. 32; Madel, Robo Advice (2019), S. 289.
356
Teil 5: Zusammenfassung und Ausblick
muss aber mitunter eine „digitale Auslegung“ oder analoge Anwendung einzelner Normen stattfinden. Trotz dieser Auslegungsmöglichkeiten stößt jedoch auch das Aufsichtsrecht, welches alleine mit Blick auf menschliche Finanzintermediäre entwickelt wurde,2 an einzelnen Stellen an seine Grenzen. Klarstellungen und Ergänzungen einzelner Normen sowie eine auch technische Ausrichtung der Aufsicht können sicherstellen, dass die Pflichten der laufenden Geschäftstätigkeit auch vor einem digitalen Hintergrund vollumfänglich erfüllt werden, und eine effektive Aufsicht im digitalen Zeitalter ermöglichen. Auch das BGB ist in weiten Teilen ohne Weiteres dazu in der Lage, das Verhältnis zwischen Agenten-Betreiber und Kunden in einen rechtlichen Rahmen zu fassen. In den 120 Jahren seines Bestehens hat das BGB den Aufstieg und Untergang zahlreicher technischer Entwicklungen begleitet. Es hat dabei stets bewiesen, dass die Formulierungen seiner Gründungsväter auch im Wandel der Zeit nichts an Wirksamkeit eingebüßt haben. Anpassungen an technische Entwicklungen fanden deshalb stets nur vereinzelt statt. Der Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich stellt das BGB deswegen ebenfalls vor keine unlösbare Aufgabe. Dies gilt insbesondere für den Abschluss des Finanzdienstleistungsvertrags. Es gilt im Allgemeinen aber auch für die Haftung des Betreibers des Agenten bei einer Schädigung des Kunden. Bei der Haftung beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich sind zwei wesentliche Besonderheiten zu beachten, welche beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten in anderen Bereichen unter Umständen nicht bestehen. Dies ist zum einen die Tatsache, dass dem Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem ein Vertragsverhältnis zugrunde liegt und dass sich das Zusammentreffen mit dem Agenten deshalb auf freiwilliger Basis vollzieht. Zum anderen ist es die Tatsache, dass keine Schäden für Rechtsgüter von herausragender Bedeutung, sondern lediglich primäre Vermögensschäden entstehen können. Diese beiden Besonderheiten führen zunächst dazu, dass das Deliktsrecht kaum Anspruchsgrundlagen für einen geschädigten Kunden bereithält. Sie führen zudem dazu, dass eine Risikotragung zwar überwiegend, aber nicht allein durch den Betreiber sachgerecht ist. Die punktuellen Anpassungen, die das Zivilrecht aufgrund des Einsatzes automatischer und intelligenter Agenten erfahren sollte, damit der Kunde auch im digitalen Zeitalter Schadensersatzansprüche durchsetzen kann, belasten deshalb zwar größtenteils den Betreiber, enthalten aber auch Entlastungsmöglichkeiten.
2 Ringe/Ruof, A Regulatory Sandbox for Robo Advice, EBI Working Paper Series 2018 no. 26, S. 2, abrufbar unter: www.ebi-europa.eu/publications/working-paper-series.
Teil 5: Zusammenfassung und Ausblick
357
Insgesamt hat sich gezeigt, dass das Zusammenspiel der beiden grundsätzlich selbständigen und voneinander unabhängigen Rechtsgebiete des Zivilrechts und des Aufsichtsrechts einen soliden rechtlichen Rahmen bietet, um den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden, welche sich beim Einsatz automatischer und intelligenter Agenten im Finanzdienstleistungsbereich ergeben. Dieses Zusammenspiel wird durch die vorgeschlagenen gesetzlichen Anpassungen weiter vertieft und gefördert. Welche technischen Entwicklungen uns im Finanzdienstleistungsbereich und im Allgemeinen noch bevorstehen, ist derzeit noch nicht absehbar. Neben einem umfangreichen Einsatz von künstlicher Intelligenz werden im Bereich der Robo-Advice etwa die Einführung von Sprachassistenten und Chatbots, welche den Kunden durch den Explorationsprozess führen, diskutiert.3 Mit einiger Sicherheit kann jedoch gesagt werden, dass in der Finanzdienstleistungsbranche der Einfluss intelligenter Agenten parallel zur Menge an verarbeiteten Daten zunehmen wird. Dem Recht kommt dabei die Aufgabe zu, diese Entwicklung zu begleiten und in geordnete Bahnen zu lenken. Dies kann nur gelingen, wenn gesetzliche Neuerungen nicht eine bloße Reaktion auf die technischen Entwicklungen der Vergangenheit darstellen, sondern auch die erwarteten technischen Phänomene der nahen Zukunft im Blick haben.
3 Kilian/Ulrich/Arkat, in: Moritz/Helios/Jesch (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht (2019), Kap. 17 Rn. 171; Lange-Hausstein, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 15 Rn. 2 und 12 f.; Linardatos, in: Linardatos (Hrsg.), Rechtshandbuch Robo Advice (2020), § 1 Rn. 23 und 46; Linardatos, InTeR 2017, 216 (219).
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Stichwortverzeichnis Abschlussvermittlung 123 f. Agent 36 aktive Anlagestrategie 45 algorithmic bias 96 algorithmischer Handel 33 Algorithmus 35 Analogieverbot 111 f. Anfechtung 220 Anlageberatung 117 ff., 222 ff. Anlageklassen 40 Anlagerichtlinien 236 ff. Anlageuniversum 40 Anlagevermittlung 123 f. Anlegerschutz 87, 90 f. Asset-Allokation 37 Aufbewahrungspflicht 196, 198 Aufsichtsrecht 85 Aufzeichnungspflichten 195 ff. Ausstrahlungstheorie 72 Ausstrahlungswirkung 81, 210 automatisch 35 automatischer Agent 54 Autonomie 35
Begründungspflicht 326 ff. Benachrichtigungs- und Rechenschaftspflicht 241 f. Berichtspflicht 199 f. Betreiber 293 Beweiserleichterungen 347 f. Beweislastumkehr 281 ff., 286 f., 348 f. Beweissicherung 288 f., 350 f. Big Data 56 Big Data Analytics 187, 192 Black-Box-Problem 55 Blackboxes 289, 350 f. Blanketterklärung 214 f. Bond-Rechtsprechung 226 Botenerklärung 215 f. Button 231 f.
Capital Asset Pricing Model CRR-Kreditinstitut 126 Cyber-Threat 106, 154
39
Data Mining 56 Deliktsfähigkeit 249 f. digitale Auslegung 110 f. Disclaimer 141 Diversifikation 37 Diversifikationsgebot 239 Doppelnormtheorie 74 f. Downside-Risikomaß 38 Echtzeitüberwachung 336 f. Einsichtsfähigkeit 250 elektronische Person 346 f. Empfängerhorizont 218 E-Person 346 f. Erlaubnisfähigkeit 145 ff. Erlaubnispflicht 112 ff. Erwartungswert-Varianz-Ansatz 38 Europäischer Pass 126 Exchange Traded Commodities 40 f. Exchange Traded Funds 40 Explainable Artificial Intelligence 55, 328 ff., 333 f. exploration/exploitation tradeoff 194 Explorationspflicht 185, 226 f. Finanzinstrument 116 Finanzportfolioverwaltung 113 f. Flash Crash 105 framing 189 Full-Service Robo-Advisor 46 Funktionsschutz 88, 99 f. Gebot der produktiven Verwaltung 239 f. Geeignetheitserklärung 194 f. Geeignetheitsprüfung 185 ff., 227 f. Gefährdungshaftung 304 ff., 338 ff. Gesamtschuldnerhaftung 310 f.
384
Stichwortverzeichnis
grenzüberschreitende Geschäfte 125 f. Grundsatz der doppelten Proportionalität 150 Haftungsfonds 344 Haftungshöchstgrenze 340 Half-Service Robo-Advisor 44 Herausgabepflicht 243 f. Hochfrequenzhandel 33 homo oeconomicus 60, 90 f. hybrider Robo-Advisor 33, 39 information overload 179 Informationsblatt 183, 229 f. Informationspflichten 178 ff., 228 f., 232 f. institutsbezogener Ansatz 127 f. intelligenter Agent 54 Interessenkonflikt 93 ff., 166 ff., 230 f., 243 Interessentheorie 68 Investitionsvehikel 40 IT-Risiken 150 f. Kausalitätsvermutung 286, 348 f. Kill-Funktion 156 Korrelationskoeffizient 37 f. künstliche Intelligenz 48 ff. künstliche neuronale Netze 56 Kurtosis 38 layer-wise relevance propogation 329 lernender Agent 53 local interpretable model-agnostic explanations 328 Logfile 289, 350 f. machina oeconomica 60 Markowitz-Ansatz 37 maschinelles Lernen 54 Maximalharmonisierungstheorie 76 moderne Portfoliotheorie 37 modifizierte Subjektstheorie 69 Monte-Carlo-Simulation 43 Musterportfolio 41 nicht-überwachtes Lernen Offenlegungspflicht
54
323 ff.
passive Anlagestrategie 45 Penetrationstest 154 Pflichtverletzung 266 Pflichtversicherung 344 Portfoliomanagement 37 ff. Prioritätsprinzip 170 pro-rata Zuteilung 171 Produkthaftung 308 f. Produktsicherheit 309 f. Quellcode
325
rationaler Agent 51 Rebalancing 39, 45 f. Rechtsbindungswille 223 Reflexagent 53 Regress 289, 310, 350 reinforcement learning 54, 193 Risikomanagement 150 ff. Robo-Advice 32 Robo-Advisor 26, 32 Roboter 35 Sachkundepflicht 174 ff., 229 f. Schiefe 38 Schuldfähigkeit 251 f. Schutzgesetz 82, 293 f. Self-Service Robo-Advisor 44 semi-aktive Anlagestrategie 45 semi-passive Anlagestrategie 45 Social-Trading 33 spectral relevance analysis 329 Spekulationsverbot 238 f. Stabilität des Finanzmarktes 89, 101 ff. Standardabweichung 38 Stellvertretung 212 ff., 216 ff. Stock-Picking 37, 46 Stresstest 154, 334 f. Subordinationstheorie 69 Tatbestandsirrtum 261, 315 Teilaktstheorie 128 Theorie vom Primat des Zivilrechts threat-led penetration test 335 Transaktionskosten 100 Treuhandverwaltung 115 überwachtes Lernen
54
76 f.
Stichwortverzeichnis Varianz 38 Verbotsirrtum 261, 315 Vermögensverwaltung 113 f., 224 ff. Verrichtungsgehilfe 300 ff. Verschuldenslösung 338 ff. Versicherungslösung 344 ff. vertraglich gebundener Vermittler 139, 312 f. Vertragsschluss 221 ff. vertriebsbezogener Ansatz 127 f. Videoidentifizierung 159 f. Vollmachtsverwaltung 115, 225
Werkzeugtheorie 254 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 162 Willenserklärung 217 f. Zurechnung 210 ff., 252 ff. Zurechnungsfähigkeit 249 ff. Zurechnungslösung 342 ff. zweiaktige Pflichterfüllung 265 zweiaktige Pflichtverletzung 267
385