Der Echtheitsbegriff im Tatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) [1 ed.] 9783428470952, 9783428070954


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German Pages 274 Year 1991

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Der Echtheitsbegriff im Tatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) [1 ed.]
 9783428470952, 9783428070954

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BERND STEINMETZ

Der Echtheitsbegriff im Tatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 StGB)

Strafrechtliche Abhandlungen· Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberhard Schmidhäuser on!. Professor der Rechte an der Universität Hamburg

und Dr. Friedrich-Christian Schroeder ord. Professor der Rechte an der Universität Regensburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 68

Der Echtheitsbegriff im Tatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 StGB)

Von

Bernd Steinmetz

DUßcker & Humblot . Berliß

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Prof. Dr. Eberhard Schmidhäuser, Hamburg

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Steinmetz, Hernd:

Der Echtheitsbegriff im Tatbestand der Urkundenfälschung

(§ 267 StGB) / von Bernd Steinmetz. - Berlin: Duncker und

Humblot, 1991 (Strafrechtliche Abhandlungen; N. F., Bd. 68) Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 1988 ISBN 3-428-07095-X NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-07095-X

Meiner Frau und meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1988/89 am Fachbereich Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg als Dissertation eingereicht. Rechtsprechung und Schrifttum bis zum 1. Januar 1990 konnten in den Anmerkungen noch berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Eberhard Schmidhäuser, der das Thema dieser Untersuchung angeregt sowie in ermutigenden und fruchtbaren Gesprächen die Bearbeitung begleitet hat. Ferner danke ich ihm und Herrn Prof. Dr. Friedrich-Christian Schroeder für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der "Strafrechtlichen Abhandlungen". Hamburg, im Juli 1990

Bernd Steinmetz

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

1. Abschnitt Grundlagen des Echtheitsbegriffes

l. Der AusstelierbegriJf des § 267 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

A. Der Anscheinsaussteller und der Urheber einer Urkunde . . . . . . . . ..

24

B. Die Geistigkeitstheorie als Grundlage beider "Ausstellerbegriffe"?

26

11. Inhalt der Geistigkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

A. Entstehung aus der Körperlichkeitstheorie

28

...................

28

1. Einsatz von Herstellungsgehilfen bei der Urkundenverkörperung ...

28

a) Bedeutung der Körperlichkeitstheorie für die Echtheit .......

28

b) Bedeutung der Körperlichkeitstheorie für die Urkundsqualität ...

29

c) Maschinell erstellte Erklärungen

30

.....................

d) Das Problem der "Depeschenfälschung" nach altem Recht 2. Zeichnen mit fremdem Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31 32

B. Die frühe Rechtsprechung des Reichsgerichts

33

C. Jüngere Rechtsprechung und Lehre ......... . . . . . . . . . . . . . ..

35

1. Das "geistige Herrühren"

35

2. Der "Erklärende" oder der "Erklärer" als Aussteller

38

3. Allgemeingültige Ausstellerbestimmung oder Spezialregel für Vertretungsfälle ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

4. Der Hauptanwendungsfall: Das Zeichnen mit fremdem Namen . . ..

40

a) Genaue Bezeichnung der Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

b) Das "Konformitätsargument"

41

5. Grenzen der Konformität zwischen Zivilrecht und Strafrecht

42

6. Bisherige Kritik an der Geistigkeitstheorie

43

10

Inhal tsverzeichnis

IIl. Das Rechtsgut des § 267 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

A. Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs

44

B. Schutz der "Institution der Urkunde"

44

C. Schutz des Beweisverkehrs

45

D. Vertrauen auf Authentizität von Urkunden . . . . . . . . . . . . . . .

47

2. Abschnitt Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie I. Sprachliche Mängel des Begriffes "Geistiges Herrühren"

50

A. Nicht jede geistige Urheberschaft ist ein "geistiges Herrühren" ..

51

B. "Geistiges Herrühren" im Rechtssinne? . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

11. Behandlung der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum ...

54

A. Zivilrechtliche Ausnahme als Grundfall für den strafrechtlichen Echtheitsbegriff .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

54

B. Fehlende Erörterungen zur offenen, nicht vorgetäuschten Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

C. Anwendung der Geistigkeitstheorie auf die Fälle der offenen (nicht vor-

getäuschten) Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

59

D. Der Urkundenaussteller bei der offenen, nicht vorgetäuschten Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

1. Offene Vertretung natürlicher Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertreter oder Vertretener als Aussteller?

60

...............

60

b) Ausstellerbestimmung anhand des betroffenen Rechtsgutes ....

62

c) Der Vertreter ohne Vertretungsmacht als Hersteller einer unechten Urkunde? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

2. Offene Vertretung von Firmen und Behörden . . . . . . . . . . . . . . .

66

a) Ausstellereigenschaft von Firmen und Behörden . . . . . . . . . . .

66

b) Zurücktreten der unterzeichnenden Person gegenüber dem Firmennamen oder der Behördenbezeichnung? . . . . . . . . . . . . . . . ..

68

aa) Eigenständige Bedeutung des Namens des Unterzeichners . ..

70

bb) Undurchschaubarkeit der Befugnisse bei Behörden oder Firmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

c) Bestimmung des Ausstellers als "Tatfrage"? ..........

73

d) Der Aussteller bei offener Vertretung von Firmen oder Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

Inhaltsverzeichnis

11

aa) GIeichbehandlung der offenen Vertretung von Firmen oder Behörden mit der offenen Vertretung natürlicher Personen ..

76

bb) Der Firmenname oder die Behördenbezeichnung als zusätzliches Individualisierungsmerkmal . . . . . . . . . . . . ..

78

E. Schlußfolgerungen für die offene Stellvertretung bei vorgetäuschtem Vertretungsvermerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

1. Vorgetäuschte offene Vertretung einer natürlichen Person

79

2. Vorgetäuschte offene Vertretung von Firmen oder Behörden .....

80

F. Unanwendbarkeit der Geistigkeitstheorie auf jegliche offene Stellvertretung

83

3. Abschnitt

Kritik der Geistigkeitstheorie im Rahmen der üblich erweise erörterten AnwendungsfäUe 88

l. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

A. Der Normalfall: Unechtheit der Urkunde aufgrund einer Ausstellertäuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

B. Ausnahmen für die Verwendung eines falschen Namens

90

1. Keine Ausstellerangabe bei offener oder versteckter Anonymität ...

90

a) Anonymität aufgrund des Täterwillens? ..

91

b) Objektiv begründete Anonymität ..... .

95

aa) Zeichnung mit unleserlicher Unterschrift ..... . bb) Verwendung historischer oder literarischer Namen cc) Verwendung von "Allerweltsnamen"

95

97 100

2. Künstlernamen, Decknamen, Spitznamen und auf Dauer gebrauchte Falschnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Möglichkeit einer Namenstäuschung ohne Identitätstäuschung? a) Eingrenzung der Fallkonstellation

107

...........

109

b) Bloße Namenstäuschung aufgrund des Täterwillens?

110

aa) Keine Berücksichtigung subjektiver Kriterien bei der Bestimmung der Echtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 bb) Der Anscheinsaussteller bei der sogenannten bloßen Namenstäuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Berücksichtigung des Täterwillens bei dem Merkmal "Zur Täuschung im Rechtsverkehr" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 4. Zur Frage der Identitätstäuschung bei fehlendem Interesse am Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

Inhaltsverzeichnis

12

5. Rein objektiver, strenger Echtheitsbegriff bei der Verwendung eines falschen, nicht zustehenden Namens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

c.

Der Hauptfall der Geistigkeitstheorie: Das Zeichnen mit fremdem Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Weitere Konkretisierung der vom Zeichnen mit fremdem Namen um-

faßten Fälle

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

a) "Zeichnen" nicht nur im Sinne von "Unterzeichnen"

........ 129

b) Differenzierung zwischen Dispositiv- und Zeugnisurkunden? 2. Die Behandlung des Zeichnens mit fremdem Namen im Zivilrecht a) Das "Handeln unter fremdem Namen"

130 134

. . . . . . . . . . . . . . . . . 134

b) Zivilrechtliche Wirkungen des Zeichnens mit dem Namen des Ver137 tretenen 3. Kritische Betrachtung der Konformitätserwägungen a) Konformität beim Zeichnen mit fremdem Namen

141 141

aa) Prüfung der Kriterien, die zur zivilrechtlichen Wirksamkeit des Zeichnens mit fremdem Namen führen . . . . . . . . . . . . . . 143 bb) Die mögliche "Fremdhändigkeit" der eigenhändigen Unterschrift bei § 126 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . ., . . . . . . .. 147 cc) Nachträgliche Genehmigung bei vollmachtloser Verwendung des fremden Namens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Konformität bei sonstiger Verwendung eines falschen Namens. .. 153 c) Beschränkung des Konformitätsarguments auf bestimmte Fälle der Stellvertretung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 d) Ungeeignetheit der Konformitätserwägungen für den Echtheitsbegriff des § 267 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 4. Verwendung des Namens einer vertretenen natürlichen Person (Verdeckte Vertretung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Der Anscheinsaussteller beim Zeichnen mit fremdem Namen . .. 162 b) Der Urheber beim Zeichnen mit fremdem Namen .......... 164 aa) Der Wille des Unterzeichners zur Vertretung des Namensträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 bb) Der Wille des Namensträgers zum Vertretensein ........ 175 aaa) Folgen der Berücksichtigung des Willens zum Vertretensein für die Bestimmung des Urhebers der Urkunde . .. 176 bbb) Der "wahre Wille" des Namensträgers ....... cc) Rechtliche Zulässigkeit der verdeckten Stellvertretung

183 187

aaa) Vertretungsverbote und Eigenhändigkeitserfordernisse 189 bbb) Berücksichtigung von Eigenhändigkeitserfordernissen bei der Unterzeichnung, nicht aber bei der Niederschrift? .. 194

Inhaltsverzeichnis

13

ccc) Einfluß von Wirksamkeitserwägungen auf den Echtheitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 196 ddd) Die herrschende Meinung als "modifizierte Körperlichkeitstheorie ?" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 dd) Ungeeignetheit der üblicherweise genannten drei Voraussetzungen zur Bestimmung des Urhebers einer Urkunde beim Zeichnen mit fremdem Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 5. Verdeckte Vertretung von Firmen oder Behörden

206

a) Der Anscheinsaussteller der Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Der Urheber der Urkunde

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

D. Echtheit trotz Verwendung eines nicht zustehenden Namens II. Ausstellertäuschung trotz Verwendung des eigenen Namens

218 218

A. Bezug dieser Fallgruppe zur Geistigkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . 220 B. Unabhängigkeit des Echtheitsbegriffes von subjektiven Kriterien

221

C. Einzelfälle zur Unechtheit trotz Verwendung des eigenen Namens

222

4. Abschnitt Fazit der kritischen Auseinandersetzung mit der Geistigkeitstheorie

I. Ungeeignetheit der Geistigkeitstheorie für den Echtheitsbegriff des § 267 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

A. Zusammenfassung der Kritik

233

B. Weitere Einzelfälle, die die Unanwendbarkeit der Geistigkeitstheorie belegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

1I. Rückkehr zu einer modifizierten Form der Körperlichkeitstheorie

243

A. Keine Lösung der Probleme bei der Ausstellerbestimmung mit Hilfe anderer, die Geistigkeitstheorie modifizierender Ansätze ..... . . . .. 243 B. Grundlage jeglicher Echtheitsbestimmung: Vertrauen auf das körperliche Herrühren vorn Aussteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 C. Modifizierung der reinen körperlichen Betrachtungsweise durch Einbeziehung von Herstellungsgehilfen in die körperliche Ausstellerbestimmung 248 D. Die Ausstellerbestimmung nach einer "modifizierten Körperlichkeitstheorie" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 252

Inhaltsverzeichnis

14

E. Auswirkungen der "modifizierten Körperlichkeitstheorie" auf die in die259 ser Arbeit erörterten Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ständige Berücksichtigung einer körperlichen Betrachtungsweise

259

2. Das Zeichnen mit fremdem Namen, eine Form des Herstellens einer unechten Urkunde! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

Il/. Ergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Literaturverzeichnis

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

Abkürzungsverzeichnis a.a.O.

Am angegebenen Ort

abI.

ablehnend

Abschn.

Abschnitt

AcP

Archiv für die civilistische Praxis

a.E.

am Ende

a.F.

alte Fassung

AG

Aktiengesellschaft

AGB

Allgemeine Geschäftsbedingungen

AktG

Aktiengesetz vom 6. 9. 1965 (BGBI. I S. 1089)

Anm.

Anmerkung

AO

Abgabenordnung vom 16. 3. 1976 (BGBI. I S. 613,1977 I S. 269)

Art.

Artikel

AT

Allgemeiner Teil

Aufl.

Auflage

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

Bd.

Band

Bem.

Bemerkung

ber.

berichtigt

BeurkG

Beurkundungsgesetz vom 28. 8. 1969 (BGBI. I S. 1513)

BFH

Bundesfinanzhof

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. 8. 1896 (RGBI. S. 195)

BGBI.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (amtliche Sammlung)

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (amtliche Sammlung)

BT

Besonderer Teil

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (amtliche Sammlung)

BVerfGG

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. 12. 1985 (BGBI. I S. 2229)

BWahlG

Bundeswahlgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. 9. 1975 (BGBI. I S. 2325)

Abkürzungsverzeichnis

16 DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

ders.

derselbe

dies.

dieselbe

Diss. iur.

juristische Dissertation

DJ

Deutsche Justiz (Zeitschrift)

DJZ

Deutsche Juristen-Zeitung

DR

Deutsches Recht (Zeitschrift)

Dr. med.

Doktor der Medizin

Dr. phi!.

Doktor der Philosophie

DStRZ

Deutsche Strafrechts-Zeitung

Dt. Rechtsw.

Deutsche Rechtswissenschaft (Zeitschrift)

EG

Europäische Gemeinschaften

EheG

Ehegesetz (Gesetz Nr. 16 des Kontrollrates) vom 20. 2. 46 (KRABl. S. 77, ber. S. 294)

Eint.

Einführung

Ein!.

Einleitung

entspr.

entsprechend

Erg. Lief.

Ergänzungslieferung

EStDV 1977

Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1977 in der Fassung vom 5. 12. 1977 (BGB!. I S. 2443)

EStG

Einkommensteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. 2. 1987 (BGB!. I S. 657)

EzSt

Entscheidungssammlung zum Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht

f., ff.

folgende

Fa.

Firma

FG

Festgabe

FGO

Finanzgerichtsordnung vom 6. 10. 1965 (BGB!. I S. 1477)

FN

Fußnote

FS GA

Festschrift Goltdammer's Archiv für Strafrecht

Gebr.

Gebrüder

Ged.S.

Gedächtnisschrift

gern.

gemäß

GenG

Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1. 5. 1889 (RGB!. S. 55)

gez.

gezeichnet

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949 (BGB!. S. 1)

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Abkürzungsverzeichnis GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit bcschriinkh;r Haftung vom 20. 5. 1892 (RGBI. S. 477)

GS

Der Gerichtssaal (Zeitschrift)

GVBI.

Gesetz- und Versordnungsblatt

Hamb.BüWahlG

Gesetz über die Wahl zur hamburgischen Bürgerschaft in der Fassung vom 22. 7. 1986 (GVBI. S. 223)

HansOLG

Hanseatisches Oberlandesgericht

HGB

Handelsgesetzbuch vom 10. 5. 1897 (RGBI. S. 219)

h. L.

herrschende Lehre

h. M.

herrschende Meinung

HRR

Höchstrichterliche Rechtsprechung (Zeitschrift)

HS

Halbsatz

i. A.

im Auftrag

insbes.

insbesondere

i. V.

in Vertretung

i. V. m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter

JK

Jura-Kartei (Karteikartenbeilage zur Zeitschrift Juristische Ausbildung)

JR

Juristische Rundschau

Jura

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JW

Juristische Wochenschrift

JZ

Juristenzeitung

KG

Kammergericht

KG

Kommanditgesellschaft

KRABl.

Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland

Lfg.

Lieferung

LG

Landgericht

LH

Lehrheft

LK

Leipziger Kommentar

LM

Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs

LZ

Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

m.

mit

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

MK m. w. N.

Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr.

Nummer

2 Steinmetz

17

Abkürzungsverzeichnis

18 NStE

Neue Entscheidungssammlung für Strafrecht

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

o. ä.

oder ähnliches

oHG

offene Handelsgesellschaft

OLG

Oberlandesgericht

ppa.

per procura

PStG

Personenstandsgesetz in der Fassung vom 8. 8. 1957 (BGBI. I S. 1126)

Rdn. Recht

Randnummer Das Recht (Zeitschrift)

RG

Reichsgericht

RGBI.

Reichsgesetzblatt

RGRK

Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes (Reichsgerichtsrätekommentar)

RGRspr.

Rechtsprechung des Deutschen Reichsgerichts in Strafsachen (Entscheidungssammlung)

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (amtliche Sammlung)

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (amtliche Sammlung)

S.

Satz, Seite

SchlHA

Schleswig-Holsteinische Anzeigen (Zeitschrift)

SchlHOLG

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Sch/Sch

Schönke/Schröder

sen.

senior

SK sog.

Systematischer Kommentar

Sp.

Spalte

StGB

Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.3. 1987 (BGBI. I S. 945, ber. S. 1160)

StPO

Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. 4. 1987 (BGBI. I S. 1074)

sogenannt

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

Str. Vert.

Strafverteidiger (Zeitschrift)

StVR

Straßenverkehrsrecht

StVZO

Straßenverkehrszulassungsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. 9. 1988 (BGBI. III S. 9232 - 1)

u. ä.

und ähnliches

Überbl.

Überblick

Abkürzungsverzeichnis u. U.

unter Umständen

v.

vom, von

VRS

Verkehrsrechts-Sammlung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25. 5. 1976 (BGBl. I S. 1253)

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. 1.1960 (BGBl. I S. 17)

WG wistra

Wechselgesetz vom 21. 6. 1933 (RGBl. I S. 399) Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht

ZAkDR

Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht

Zf.

Ziffer

19

ZPO

Zivilprozeßordnung in der Fassung vom 12. 9. 1950 (BGBl. S. 533)

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

z. T.

zum Teil

zugl.

zugleich

Einleitung In Schrifttum und Rechtsprechung zu § 267 StGB wird fast einhellig von der sogenannten "Geistigkeitstheorie" ausgegangen!. Nach ihr soll "Aussteller" einer Urkunde derjenige sein, von dem die urkundliche Erklärung "geistig herrührt"2. Der Begriff des "Ausstellers" ist wiederum das Schlüsselwort zur Bestimmung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde, denn nach einmütiger Auffassung in Rechtsprechung und Lehre soll eine Urkunde immer dann unecht sein, wenn die Urkunde nicht von derjenigen Person herrührt, die sich (anscheinend) als Aussteller aus der Urkunde ergibt3 . Demnach bietet die Geistigkeitstheorie offenbar einen Lösungsansatz bei der Prüfung der zentralen Frage im Unrechtstatbestand des § 267 StGB, nämlich der Frage danach, ob die von einem Täter hergestellte oder gebrauchte Urkunde echt oder unecht ist. Der Ansatz der Geistigkeitstheorie hat dabei offenkundig einen Bezug zum Zivilrecht. In allen einschlägigen Darstellungen findet sich die Erörterung der zentralen Fallgruppe des sogenannten "Zeichnens mit fremdem Namen"4. Es handelt sich dabei um die Fälle, in denen jemand im Rahmen einer rechtsgeschäftlichen Vertretung bei der Unterzeichnung eines urkundlichen Schriftstückes nicht seinen eigenen, sondern den Namen des Vertretenen zur Unterzeichnung verwendet. Hier ist nach der Geistigkeitstheorie folgende Überlegung anzustellen: Da das Zivilrecht ein solches Zeichnen mit fremdem Namen als rechtsgeschäftlich wirksame Vertretung ansieht 5 , rührt die urkundliche Erklärung nicht vom unterzeichnenden Vertreter her, sondern wird "geistig" dem Vertretenen zugerechnet. Letzterer ist somit Aussteller der Urkunde und erscheint auch als solcher auf dem Schriftstück; die Urkunde ist mithin echt im Sinne des Urkundenstrafrechts 6 • Es läßt sich daher sagen, daß die Geistigkeitstheorie auf der Idee einer Konformität zwischen Zivilrecht und Strafrecht 1 Siehe nur m. w. N. TrändIe, LK § 267 Rdn. 16, 124; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn.55. 2 Siehe nur m. w. N. Trändie, LK § 267 Rdn. 15; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 55. 3 Siehe nur RGSt 48, 238, 240; BGHSt 1, 117, 121; BGHSt 9, 44, 45; BGHSt 33,159, 160; BGH EzSt § 267 Nr. 1; Trändie, LK § 267 Rdn. 124; Sch/SchICramer, § 267 Rdn.48. 4 Siehe nur MaurachlSchroeder, BT 2 § 65 III 2 b; zu abweichenden Benennungen dieser Fallgruppe s. unten 1. Abschn. II C 4 a. 5 Vgl. nur m. w. N. RGZ 74,69; Thiele, MK § 164 Rdn. 33. 6 Zur Behandlung der Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen s. nur Trändie, LK § 267 Rdn. 19; SchISch/Cramer, § 267 Rdn. 56; im 3. Abschnitt unter Punkt I C wird ausführlich auf diese Fallgruppe einzugehen sein.

Einleitung

22

beruht, die sich folgendermaßen formulieren ließe: Die zivil rechtliche Zulassung eines wirksamen Zeichnens mit fremdem Namen einerseits kann nicht auf der anderen Seite eine Bestrafung wegen des Herstellens einer unechten Urkunde nach sich ziehen7 . Dies ließe sich sogar zu der Aussage zuspitzen, daß strafrechtlich gesehen eine Urkunde nicht unecht sein könne, wenn sie zivilrechtlich wirksam ist8 . Im Rahmen dieser Arbeit wird der Ansatz der Geistigkeitstheorie einer kritischen Würdigung unterzogen, wobei ein besonderes Augenmerk auf dem eben geschilderten Bezug zum Zivilrecht liegen wird. Dabei soll aufgezeigt werden, daß die Formel vom "geistigen Herrühren" nicht nur sprachlich unzureichend ist, sondern daß sie auch losgelöst von den ihr eigentlich zugrundeliegenden Konformitätserwägungen zwischen Zivilrecht und Strafrecht verwendet wird. Dies wird zunächst an der Behandlung der offenen Stellvertretung gezeigt werden, wobei insbesondere auf die Fälle der vorgetäuschten offenen Stellvertretung einzugehen sein wird. Dort führt die Anwendung der Formel vom "geistigen Herrühren" entgegen ihrer ursprünglichen Funktion (Einschränkung der Strafbarkeit nach § 267 StGB beim Zeichnen mit fremdem Namen) sogar zur Ausweitung der Strafbarkeit9 , indem auch die schriftliche Lüge über das Bestehen einer Vertretungsmacht unter Umständen nach § 267 StGB strafbar sein soll. Weiterhin wird verdeutlicht, daß häufig ganz andere Fragen, als die nach dem "geistigen Aussteller", die Beurteilung der Echtheit von Urkunden beeinflussen, was zum Beispiel durch die Berücksichtigung des Rechtsbindungs- oder Täuschungswillens eines Beteiligten geschieht. Anhand der klassischen Fallgruppe des Zeichnens mit fremdem Namen wird erörtert werden, daß die Idee von Konformität zwischen Strafrecht und Zivilrecht im Grunde genommen durch so viele Ausnahmen eingeschränkt wird, daß für den ursprünglichen Anwendungsbereich kein Raum mehr bleibt. Nach einer weiteren Erörterung von Fällen, in denen trotz Gebrauch des eigenen Namens unechte Urkunden hergestellt werden, wird im Ergebnis eine Abkehr vom Ansatz der Geistigkeitstheorie für notwendig erachtet. Die Ausstellerbestimmung in § 267 StGB sollte vielmehr an hand einer hier vorgeschlagenen "modifizierten Körperlichkeitstheorie" vorgenommen werden. Die soeben dargelegte Eingrenzung macht deutlich, daß in dieser Arbeit keine Überlegungen dazu angestellt werden, wie der Urkundsbegriff im einzelnen festzulegen ist. Die damit verbundenen zahlreichen Probleme und Streitstände lO haben nämlich zumeist keine Relevanz für die hier zu erörternVgl. bereits RGZ 74, 69, 71 und u. a. Schroeder, GA 1974, 225, 229. So ausdrücklich Bockelmann, BT 3 § 12 III 1 b; zu diesem Konformitätsargument s. u. 1. Abschn. II C 4 b. 9 Siehe bereits jetzt Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 103 f., 155. 10 Siehe nur mit jeweils umfangreichen Nachweisen zu den Merkmalen des Urkundsbegriffes: Trändie, LK § 267 Rdn. 1 ff.; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 2 ff. Zu Einzelproblemen wie der Unterscheidung zwischen Absichts- und Zufallsurkunden bzw. der 7

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Einleitung

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den Einzelfälle. Soweit es um die Verwendung fremder, nicht zustehender Namen oder die Zeichnung eines Vertreters mit dem Namen eines Vertretenen geht, handelt es sich bei den zugrundeliegenden Urkunden in der Regel um Schriftstücke. Da aber selbst bei enger Auslegung des Urkundsbegriffes jedenfalls Schrifturkunden unter § 267 StGB fallen 11 , bedarf es hier keiner genaueren Bestimmung der Merkmale einer Urkunde. Ähnliches gilt auch für weitere Streitfragen bei der Auslegung von § 267 StGB, wie zum Beispiel das Verhältnis zwischen den Tatbestandsalternativen des Herstellens einer unechten Urkunde und des Verfälschens einer echten 12 • Die Darstellung in dieser Arbeit beschränkt sich fast ausschließlich auf Ausführungen, die das Herstellen einer unechten Urkunde in der Form betreffen, daß der Herstellende die verkörperte Erklärung selbst in die Welt setzt, er also nicht eine bereits vorhandene Urkunde verändert.

Abgrenzung von Urkunden und Beweiszeichen s. m. w. N. Trändle, LK § 267 Rdn. 50 ff., 69 ff.; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 14 f., 20 ff. 11 Nur Schriftstücke als Urkunden betrachtend: Ouo, BT 1 § 70 I c aa; ders. JuS 1987 761, 762 f.; Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 11 B; Schilling, Augenscheinsbeweis, S. 82 f., 86 f.; Schmidhäuser, BT 14/10; Wetzel, § 59 11 1. Siehe auch Kienapfel, GA 1970, 193, 213 allerdings unter Hinweis (a.a.O. FN 160) auf seine Erweiterung des Urkundenbegriffes auf sog. "Verkehrsmarken" . Samson, SK § 257 Rdn. 22 bezeichnet die Schrifturkunde durchaus zu Recht als "Idealtyp" der Urkunde. 12 Hierzu s. nur m. w. N. Trändle, LK § 267 Rdn. 119 ff., 153 ff.; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 46, 64 f.

1. Abschnitt

Grundlagen des EchtheitsbegritTes I. Der AusstellerbegritT des § 267 StGB A. Der AnscheinsaussteUer und der Urheber einer Urkunde "Aussteller ist der, von dem eine Urkunde herrührt"!. Diese eindeutig erscheinende Aussage, die in Rechtsprechung und Literatur zu § 267 StGB allgemein anerkannt ist, stellt einen ersten Ansatz dar, die Person eines Urkunden ausstellers zu bestimmen. Wie schon in der Einleitung kurz dargestellt wurde, bemül)t sich die sogenannte Geistigkeitstheorie, den Aussteller einer Urkunde mittels eines "geistigen Herrührens" genauer zu erfassen. Dabei ist der Begriff des "Ausstellers" in zweierlei Hinsicht der zentrale Terminus bei der Auslegung des § 267 StGB. Zunächst ist von der Erkennbarkeit eines Ausstellers die Urkundseigenschaft einer verkörperten Gedankenerklärung abhängig2 • Darüber hinaus ist der Ausstellerbegriff der Schlüssel zur Lösung der Frage, ob eine Urkunde echt oder unecht ist. Zur Feststellung der Unechtheit muß eine Personenverschiedenheit zwischen dem sich aus der Urkunde ergebenden Aussteller und dem tatsächlichen Urheber der verkörperten Gedankenerklärung bestehen. Dies kann eigentlich nur durch zwei aufeinander folgende Gedankenschritte geklärt werden. Zunächst muß die Frage nach dem aus der Urkunde als Aussteller Erscheinenden untersucht werden; danach ist die Person ausfindig zu machen, die tatsächlich die urkundliche Erklärung abgegeben hat. In Schrifttum und Rechtsprechung werden hierfür zumeist die Begriffe "scheinbarer Aussteller" und "wirklicher Aussteller" gewählt 3 . Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 16. Über die Erkennbarkeit des Ausstellers als Wesensmerkmal der Urkunde besteht Einigkeit: s. m. w. N. Kienapfel, Urkunden H, S. 59,250 ("Fundament für den Echtheitsbegriff"); Trändie, LK § 267 Rdn. 1,4,26 ff.; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 16 ff. 3 Siehe die Differenzierung der Prüfungsschritte bei Samson, SK § 267 Rdn. 40, 42, 48; ebenso ders. JuS 1970, 369, 374 f.; ders. JA 1979, 658, 659 f.; Benfer, BT H Rdn. 266, 261; Ranft, Echtheit, S. 58 f.; Stehling, Urkundenfälschung, S. 79; ähnlich auch Paeffgen, IR 1986, 114, 115; Puppe, Jura 1986, 22, 23, 28; dies. JZ 1986 938,941; vom "scheinbaren" und "wirklichen" Aussteller spricht auch ausdrücklich BGHSt 33, 1

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I. Der Ausstellerbegriff des § 267 StGB

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Diese Begriffe sind aber für die eben aufgezeigte Vorgehensweise nur bedingt brauchbar. Der Terminus "scheinbarer Aussteller" zur Bezeichnung der Person, die sich aus der Urkunde als Aussteller ergibt, suggeriert bereits die Unechtheit dieser Urkunde. Nur wenn in Wahrheit eine andere Person die urkundliche Erklärung abgegeben hat, ist ein "scheinbarer Aussteller" aus der Urkunde ersichtlich. Eine echte Urkunde hingegen hat keinen "scheinbaren Aussteller", sie erweckt nämlich den richtigen Eindruck, von der Person herzurühren, von der sie auch wirklich stammt. Aus diesem Grunde muß gesagt werden, daß die Ausstellerangabe in einer Urkunde den Anschein erweckt, als rühre die Erklärung von der bezeichneten Person her. Dieser Anschein kann richtig oder falsch, die Urkunde demgemäß echt oder unecht sein. Daher soll im folgenden der aus dem urkundlichen Schriftstück selbst ersichtliche Aussteller mit dem Begriff des "Anscheins ausstellers" bezeichnet werden4 • Auch die Verwendung des Begriffes "wirklicher" (oder auch "wahrer") Aussteller ist nicht sonderlich passend4a • Es ist im Grunde genommen unzutreffend, bei einer unechten, also ge- oder verfälschten Urkunde den Täter (den Fälscher oder Verfälscher) als den "wirklichen Aussteller" zu bezeichnen. Charakteristisch für eine unechte Urkunde ist es gerade, daß sie keinen wirklichen Aussteller hat, sondern nur eine Person, die der verkörperten Erklärung den falschen Anschein gibt, als rühre sie von einer anderen Person (nämlich dem aus der Urkunde ersichtlichen Anscheinsaussteller, der hier nur scheinbarer Aussteller ist) her. Der Fälscher ist, worin das Gefährliche der gelungenen Fälschung liegt, nicht als "wirklicher" Aussteller auszumachen, sondern 159,160 f.; der Ausdruck "wirklicher" Aussteller findet Verwendung bei Blei, BT § 80 III 1; Lackner, § 267 Anm. 3; Otto, BT § 70 I 4 a; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 16 ("angeblicher"/"wirklicher" Aussteller); ebenso Widmann, Unechte Urkunde, S. 4,21; Sonnen, JA 1986, 55; Welzel, § 60 AI 1 a ("ersichtlicher" bzw. "angeblicher" Aussteller/"wirklicher" Aussteller); WesseIs, BT 1 § 18 III 1; BGHSt 1, 117, 121; BGHSt 9, 44, 45. Dabei wird der Begriff des "wirklichen" Ausstellers in den letztgenannten Entscheidungen auch in dem Sinne verwendet, daß eine unechte Urkunde den Anschein erwecke, der wirkliche Aussteller sei eine andere Person als derjenige, von dem die Urkunde herrühre. Dies trägt natürlich zur Begriffsverwirrung bei, da der Anschein des wirklichen Ausstellers gerade auf den scheinbaren Aussteller hinweist. Ähnliche Begriffe zur Unterscheidung der beiden Gedankenschritte auch bei Arzt, LH 4 Rdn. 481 ("richtiger" Aussteller); Haft, BT § 29 11 2 ("vermeintlicher" Aussteller); Kohlrausch/Lange, § 267 Anm. IV ("anscheinender"/"wirklicher Erklärer"); Tröndle, LK § 267 Rdn. 126 ("scheinbarer Aussteller"/"wirklicher Hersteller"); Paeffgen, JR 1986, 114 f. ("Anscheinsaussteller"/"wahrer Aussteller"); Schmidhäuser, BT 14/11 ("scheinbarer Erklärer"); Sieber, Computerkriminalität, S. 292 f. ("scheinbarer"/ "tatsächlicher Aussteller"); RGSt 48, 238, 240 ("wahrer Aussteller"); BGH StrVert 1986, 156 verwendet sowohl den Begriff des "wirklichen" als auch den des "wahren Ausstellers"; BayObLG JZ 1988, 727 ("als Aussteller erkennbar"/"tatsächlicher Verfasser"). 4 Soweit ersichtlich, spricht nur Paeffgen, JR 1986, 114 f. von einem "Anscheinsaussteiler" . 4. Vgl. die zutreffende Kritik bei Puppe, Jura 1986,22,24; dies., JZ 1986, 938.

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1. Abschn.: Grundlagen des Echtheitsbegriffes

er ist lediglich der tatsächliche Urheber einer Scheinerklärung4b • Aus diesem Grunde wird in dieser Arbeit derjenige, der eine urkundliche Erklärung tatsächlich abgibt, schlicht als "Urheber" bezeichnet. Handelt es sich dabei um die Person, die aus der Urkunde als Anscheinsaussteller ersichtlich ist, so liegt eine echte Urkunde vor. Der Urheber und Anscheinsaussteller kann dann auch mit dem Begriff des Ausstellers der (echten) Urkunde bezeichnet werden. Ist dagegen der Urheber der urkundlichen Erklärung nicht mit dem Anscheinsaussteller identisch, so ist diese Urkunde unecht, da sie den falschen Anschein erweckt, vom angegebenen Aussteller herzurühren.

B. Die Geistigkeitstheorie als Grundlage beider "Ausstellerbegriffe"? Wenn nun die Geistigkeitstheorie besagt, Aussteller einer Urkunde sei derjenige, von dem eine Erklärung geistig herrühre, so müßte diese Theorie bereits eine wesentliche Rolle bei der Bestimmung der Urkundseigenschaft spielen, nämlich bei der Prüfung der Frage, ob aus der verkörperten Gedankenerklärung heraus eine Person erkennbar ist, von der diese geistig herrührts. Andererseits wird die Geistigkeitstheorie aber nicht nur auf den ersten Gedankenschritt (gibt es einen aus der Urkunde ersichtlichen Anscheinsaussteller? bzw. wer ist der Anscheinsaussteller?) angewandt, sondern sie soll auch für den zweiten Gedankenschritt (wer ist der tatsächliche Urheber der Urkunde?) maßgeblich sein. Gerade bei den bereits angeführten Fällen des Zeichnens mit fremdem Namen wird die Geistigkeitstheorie in dieser Art und Weise angewandt: Hat ein Bevollmächtigter im Rahmen seiner rechts geschäftlichen Vollmacht bei der Unterzeichnung eines urkundlichen Schriftstückes den Namen seines Vollmachtgebers verwendet, so ist der Namensträger zunächst einmal der aus der Urkunde ersichtliche Anscheinsaussteller. Er soll aber zugleich auch der Urheber der urkundlichen Erklärung sein, da die Unterzeichnung seines Bevollmächtigten ihm "geistig" zugerechnet wird. Die Personengleichheit zwischen dem Anscheinsaussteller und dem Urheber führt demnach zur Echtheit einer solchermaßen hergestellten Urkunde 6 . Vgl. Puppe, Jura 1986, 22, 24; dies., JZ 1986, 938. So wird der Ansatz der Geistigkeitstheorie unter dem Aspekt "Erkennbarkeit des Urkundenausstellers" bzw. bei der Erörterung der Urkundseigenschaften ausdrücklich erwähnt durch: Arzt, LH 4 Rdn. 482; Blei, BT § 80 I 1 b; Bockelmann, BT 3 § 12 11 5 b; Eser, IV Nr. 19 A 19; Haft, BT § 29 I 2 b; Kienapfel, Urkunden I, S. 11 FN 32 unter b); Krey, BT 1 Rdn. 710; Lackner, § 267 Anm. 2 e; Ouo, JuS 1987,761,764; Seier, JA 1979, 133, 138; Sieber, Computerkriminalität, S. 288; Wesseis, BT 1 § 18 I 2 c. Angedeutet wird die Anwendung der Geistigkeitstheorie auf die Feststellung des aus der Urkunde ersichtlichen Anscheinsausstellers auch von Trändie, LK § 267 Rdn. 38; Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 111 2 b; Puppe, Technische Aufzeichnungen, S. 176; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 17 ff., 58; Schmidhäuser, BT 14/8; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 16; Welzel, § 59 11 3. 4b

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I. Der Ausstellerbegriff des § 267 StGB

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Nun mutet es zunächst paradox an, wenn die Ausstellerbestimmung nach der Geistigkeitstheorie sowohl bei der Festlegung des Anscheinsausstellers als auch bei der Bestimmung des Urhebers einer Urkunde angewandt werden soll. Eine Urkunde ist nur dann unecht, wenn der Anscheinsaussteller und der Urheber nicht identisch sind. Wird jedoch bei beiden Prüfungsschritten gen au der gleiche Lösungsansatz zugrundegelegt, dann drängt sich die Frage auf, ob denn bei bei dieser Vorgehensweise überhaupt die Unechtheit einer Urkunde festgestellt werden kann. Die pauschale Benutzung der Formel vorn "geistigen Herrühren" verdeckt aber, daß bei der Suche nach dem Anscheinsaussteller ein anderer Ausgangspunkt zu wählen ist, als bei der Suche nach dem Urheber der Urkunde. Fragt man nach dem aus der Urkunde ersichtlichen Anscheinsaussteller , so wird geprüft, wen ein normaler Teilnehmer am Rechtsverkehr in der Regel ohne Kenntnis weiterer Umstände als den Aussteller der Urkunde ansehen würde. Bei der Prüfung, ob der Anscheinsaussteller auch wirklich der Urheber der urkundlichen Erklärung ist, muß aber von einern anderen Kenntnisstand ausgegangen werden. Diese Frage kann nur geklärt werden, wenn die näheren Umstände der Urkundenherstellung bekannt sind; ob zum Beipiel berechtigterweise mit einern fremden Namen gezeichnet wurde, ob eine Schreibhilfe tätig war, oder ob eine sonstige Erklärungshilfe eingeschaltet wurde. Insofern ist es nicht verfehlt, wenn für beide Begriffsbestimmungen derselbe Lösungsansatz (sei es nun die Körperlichkeits-, die Geistigkeits-oder eine sonstige Theorie) gewählt wird, da von verschiedenen Standpunkten aus gewertet wird. Im Rahmen dieser Arbeit wird aber gezeigt werden, daß die beiden dargelegten Prüfungsschritte (zunächst Bestimmung des Anscheinsausstellers, dann Frage nach Identität mit dem Urheber) häufig nicht genau getrennt werden, wobei immer dann Unstimmigkeiten auftreten, wenn die Betrachtungsweise des einen Prüfungsschrittes auf den anderen übertragen wird.

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Zur Behandlung der entsprechenden Fälle nach der Geistigkeitstheorie s.: Blei, BT

§ 80 III 1; Bockelmann, BT 3 § 12 III 1 b; Eser, IV NT. 19 A 39; Haft, BT § 2911 2; Kie-

napfel, Urkunden I, S. 219 FN 3; Krey, BT 1 Rdn. 710; TrändIe, LK § 267 Rdn. 124; MaurachlSchroeder, BT 2 § 65 III 2; Duo, BT § 70 I 1 c bb; Puppe, Technische Aufzeichnungen, S. 166; dies., NJW 1973, 1870, 1871; Samsan, JuS 1970, 369, 375; ders., JA 1979, 658, 660; ders., SK § 267 Rdn. 50; Schänke, FG Kohlrausch, S. 253 ff.; Schi Schleramer, § 267 Rdn. 55; Schmidhäuser, BT 14113; Seier, JA 1979, 133, 138; Sieb er, Computerkriminalität, S. 292 f.; WetzeI, § 60 A I 1 a a; WesseIs, BT 1 § 18 1 b; eingehende Stellungnahme zu diesem Problemkreis s. unten 3. Abschn. I C.

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I. Abschn.: Grundlagen des Echtheitsbegriffes

11. Inhalt der Geistigkeitstheorie A. Entstehung aus der Körperlichkeitstheorie

Nach der sogenannten Körperlichkeitstheorie 7 wird als Aussteller einer Urkunde derjenige angesehen, der die Urkunde tatsächlich hergestellt hat. Nach dieser, auch als "formale Urheberlehre" oder "Lehre VOn der faktischen Herstellung" bezeichneten Ansicht 8 ist eine Urkunde dann unecht, wenn derjenige, der aus ihr als Aussteller erscheint, nicht mit dem physisch Herstellenden identisch ist. Ausgehend von dem "Normalfall" der Urkundenfälschung (A stellt ein Schriftstück her, das von B herzurühren scheint) bezieht sich die Ausstellerbestimmung mittels des Kriteriums der körperlichen Herstellung also zunächst auf den Urheber der Urkunde. Eine solchermaßen hergestellte Urkunde ist nach der Körperlichkeitstheorie deshalb unecht, weil der Anscheinsaussteller B nicht mit dem in Wirklichkeit dahinterstehenden Urheber, dem körperlichen Hersteller A übereinstimmt. Die mittlerweile einhellige Ablehnung dieses Ansatzes beruht auf verschiedenen Fallkonstellationen, die bei konsequenter Durchführung einer rein körperlichen Betrachtungsweise zum Teil zu nicht akzeptablen Ergebnissen führen. 1. Einsatz von HersteUungsgehilfen bei der Urkundenverkörperung a) Bedeutung der Körperlichkeitstheorie für die Echtheit

Immer dann, wenn jemand bei der Abgabe einer urkundlichen Erklärung sich einer Hilfsperson bedient, die mit der tatsächlichen Ausfertigung der Urkunde beauftragt ist, würde nach der eben geschilderten rein tatsächlichen Betrachtung diese Hilfsperson als Aussteller (genauer: als Urheber) der Urkunde gelten. In diesem Sinne würde also eine Schreibhilfe, die auftragsgemäß eine urkundliche Erklärung erstellt, Urkundenaussteller sein. Gleichermaßen wäre ein Drucker der Urheber von Urkunden, die er auf mechanischem Wege herstellt (z. B. Aktien, Eintrittskarten etc.). Auch der Postbeamte, der ein telefonisch aufgegebenes Telegramm schriftlich festhält, müßte als Urkundenaussteller angesehen werden9 • 7 Zuletzt vertreten von Boldt, DR 1941, 992; Frank, § 267 Anm. I; ders., ZStW Bd. 32, 82, 95; Ranft, Echtheit, S. 89 f., 96 (allerdings nur für handschriftlich unterzeichnete Urkunden); sowie auch Rock, Echtheitsbegriff, S. 66. Umfassender Überblick, insbesondere über die verschiedenen Spielarten dieser Lehre bei Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 38 ff.; Widmann, Unechte Urkunde, S. 72 ff. S Zu den Bezeichnungen s. nur Trändie, LK § 267 Rdn. 25. 9 Siehe Beispiele bei Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 III 2 b.

II. Inhalt der Geistigkeitstheorie

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Die fortschreitende Technisierung des Wirtschaftsverkehrs und die zunehmende Verwendung von Hilfspersonen bei der Abwicklung von Geschäften eröffnete bereits im letzten Jahrhundert immer häufiger die Möglichkeit, daß der körperliche Hersteller einer Urkunde nicht mit der Person identisch war, als deren Erklärung die Urkunde im Rechtsverkehr allgemein aufgefaßt wurde. Dabei ist eindeutig, daß der Rechtsverkehr in der Regel nur ein Interesse an der Person hat, die sich bei der Urkundenherstellung einer Hilfsperson bedient hat. Die Person des körperlich Herstellenden ist normalerweise ohne Belang lO ; die ausschließliche Bindung der Ausstellereigenschaft an den tatsächlichen Herstellungsvorgang entspricht daher nicht den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs. Häufig ist die die Urkunde tatsächlich herstellende Hilfsperson zudem nicht aus der Urkunde selbst ersichtlich. Wenn eine solche Erklärung dann aber den Anschein erweckt, sie rühre direkt von der Person her, die lediglich die Herstellungshilfe beauftragt hat, so wäre diese Urkunde nach dem Erklärungsansatz der ursprünglichen Körperlichkeitstheorie unecht. Der Anscheinsaussteller wäre nicht identisch mit dem Urheber der Urkunde, dem körperlichen Hersteller. Das ist aber ein unerträgliches Ergebnis, welches in Anbetracht der vielfachen Verwendung von Hilfspersonen im Wirtschaftsleben ausgeschlossen ist. b) Bedeutung der Körperlichkeitstheorie für die Urkundsqualität

Die Betrachtungsweise der reinen Körperlichkeitstheorie hat aber auch Konsequenzen für die Feststellung der Urkundseigenschaft. Hierbei spricht gegen eine rein körperliche Betrachtungsweise, daß sie unter Umständen den Urkundenschutz für Erklärungen, die mittels einer Hilfsperson urkundlich verkörpert wurden, ganz entfallen läßt. Es ist nämlich denkbar, daß eine Erklärung, die keine Angabe über die körperlich herstellende Hilfsperson enthält, schon von ihrem äußeren Anschein her nicht von der Person hergestellt sein kann, die die Herstellung in Auftrag gegeben hat. Dies gilt zum Beispiel für gedruckte Erklärungen (Aktien, Eintrittskarten o. ä.), bei denen jedermann weiß, daß sie der im Rechtsverkehr als für die Erklärung maßgeblich angesehene Auftraggeber nicht selbst gefertigt hat l1 . Wenn aber ein Hinweis auf die herstellende Druckerei oder gar auf den einzelnen Drucker fehlt, so müßte bei nur körperlicher Betrachtung eigentlich gesagt werden, daß es an der Erkennbarkeit des Ausstellers, der wichtigsten Urkundseigenschaft 12 , mangelt. Bei konsequenter Anwendung der Körperlichkeitstheorie dürften Vgl. Puppe, NJW 1973, 1870, 1871; dies. Jura 1979,630,637 f. Siehe RGSt 23, 249, 251: keine Urkundseigenschaft einer Zeitungsanzeige, da jedermann weiß, daß eine gedruckte Unterschrift nicht eigenhändig vollzogen ist. 12 S. o. 1. Abschn. I. 10 11

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I. Abschn.: Grundlagen des Echtheitsbegriffes

also mechanisch vervielfältigte Erklärungen, die keinen Hinweis auf den körperlichen Hersteller enthalten, schon gar keine Urkunden mehr sein!3. Dabei ist aber zu beachten, daß hierbei die Kriterien der Körperlichkeitstheorie nicht, wie zuvor gezeigt, auf die Feststellung des tatsächlich hinter der Urkunde stehenden Urhebers, sondern bereits auf die Bestimmung des sich aus der Urkunde ergebenden Anscheinsausstellers angewandt werden. Dies erscheint aber sachgerecht, denn wenn schon nach der Körperlichkeitstheorie die Schreibhilfe als Urheber einer urkundlichen Erklärung betrachtet wird, so ist es zwingend, sie bei Erkennbarkeit aus der Urkunde auch als Anscheinsaussteller anzusehen, da nur so die Echtheit einer solchen Urkunde bejaht werden kann. Bei dieser Anwendung der Kriterien der Körperlichkeitstheorie sowohl auf die Feststellung des Anscheinsausstellers als auch auf die Ermittlung des Urhebers der Erklärung darf aber, ebenso wie bei Anwendung der Geistigkeitstheorie auf beide Prüfungsschriue!4, nicht aus den Augen verloren werden, daß verschiedene Ausgangspunkte zugrundegelegt werden müssen, damit überhaupt eine Personen verschiedenheit zwischen Anscheinsaussteller und Urheber, also die Unechtheit einer Urkunde, konstatiert werden kann. Im ersten Prüfungsschritt muß nach dem aus der Urkunde erkennbaren körperlichen Hersteller als Anscheinsaussteller gefragt werden, danach ist unter Einbeziehung der tatsächlichen Herstellungsumstände zu prüfen, wer der wahre körperliche Urheber der Urkunde ist. Eine unechte Urkunde liegt bei dieser körperlichen Betrachtungsweise also immer dann vor, wenn der Anschein, eine Urkunde rühre körperlich vom angegebenen Aussteller her, falsch ist, weil in Wahrheit eine andere Person körperlicher Urheber der Erklärung ist. c) MaschineU ersteUte Erklärungen

Gegen eine rein körperliche Betrachtungsweise spricht aber auch eine weitere Entwicklung im modernen Rechtsverkehr: Es gibt immer mehr maschinell hergestellte urkundliche Erklärungen, an deren Zustandekommen kein Mensch als körperlich Herstellender beteiligt ist. Die automatische Datenverarbeitung ermöglicht eine Vielzahl solcher Erklärungen wie z. B. amtliche Bescheide, Kontoauszüge, automatische Rechnungen, Mahnungen!5. Bei Anwendung der Körperlichkeitstheorie dürfte es den entsprechenden Schriftstücken bereits an der Urkundsqualität mangeln. Schon aufgrund ihres Siehe dazu Samson, SK § 267 Rdn. 47; ders., JA 1979,658,660. S. o. 1. Abschn. I B. 15 Siehe dazu Trändie, LK § 267 Rdn. 11; Kienapfel, JZ 1971,163,165 f.; sowie insbesondere Sieber, Computerkriminalität, S. 289 f., 2/20 f. Ablehnung der Urkundseigenschaft solcher Erklärungen (und Einstufung als technische Aufzeichnungen) allerdings bei Lampe, NJW 1970, 1097 ff.; Schilling, Technische Aufzeichnungen, S. 22 ff. 13

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11. Inhalt der Geistigkeitstheorie

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Erscheinungsbildes entsteht im Normalfall nicht der Eindruck, eine körperlich tätige Person sei Anscheinsaussteller des Schriftstückes. Aber selbst in den Fällen, in denen sich eine bestimmte Person als Anscheinsaussteller aus einem solchen Schriftstück ergibt (z. B. bei zusätzlicher Verwendung faksimilierter Unterschriften), verhindert die Anwendung der Körperlichkeitstheorie eine Feststellung' der Echtheit oder Unechtheit der Urkunde. Mangels einer körperlich herstellenden Person fehlt es in diesen Fällen an einem Urheber der Urkunde; die Identität oder Nichtidentität von Anscheinsaussteller und Urheber kann daher nicht überprüft werden. d) Das Problem der "Depeschenfälschung" nach altem Recht

Die Abwendung vom Ansatz, nur den körperlich Herstellenden als Aussteller einer Urkunde zu betrachten, beruhte unter anderem auch auf dem Gesetzeswortlaut des § 267 StGB vor der Neufassung durch die Verordnung vom 29. 5. 1943 16 . Die Straftat der Urkundenfälschung war zuvor als ein zweiaktiges Delikt ausgestaltet, wobei zur Vollendung der Tat das Herstellen und das Gebrauchen derselben unechten Urkunde erforderlich war. Bei Anwendung der Körperlichkeitstheorie auf die Fälle der Aufgabe eines gefälschten Telegramms 17 war nach damaliger Gesetzeslage eine sachgerechte Lösung nicht möglich. Wer unter Täuschung über seine Identität ein Formular zur Telegrammaufgabe ausfüllte, stellte nach (auch heute) fast einhelliger Ansicht eine unechte Urkunde her l8 . Von dieser unechten Urkunde wurde aber nicht zugleich gegenüber dem Adressaten Gebrauch gemacht, sondern dieser erhielt das von der Post gefertigte Ankunftstelegramm, welches gerade nicht vom Telegrammaufgeber körperlich hergestellt wurde. Die strikte Anwendung der Körperlichkeitstheorie auf die Fälle der Telegrammfälschung führte bei der damaligen Gesetzeslage zum unbefriedigenden Ergebnis der Straflosigkeit, da es am Gebrauchen einer unechten Urkunde fehlte l9 . Abgesehen von dem "Gebrauchmachen" mittels des Ankunftstelegrammes war aber auch die Rechtsnatur des Ankunftstelegrammes umstritten 20 • Bei konsequenter Anwendung der Körperlichkeitstheorie auf die Feststellung des Anscheinsausstellers dürfte dem Ankunftstelegramm schon keine UrkundseiRGBI I 339. Sog. Depeschenfälschung (Nach Einführung des telegrafischen Verkehrs nahmen Rechtsprobleme, die sich aus dieser technischen Neuerung ergaben, im zivil- und strafrechtlichen Schrifttum sowie in der Rechtsprechung breiten Raum ein.). 18 Siehe dazu umfassend Schöning, Telegramm, S. 104 ff., 199 ff.; Bei nur telefonischer Aufgabe des Telegramms würde auch dies entfallen, denn körperlich Herstellender wäre dann ein Postbediensteter. 19 So im Ergebnis auch RGRspr. 1,793,796; s. die umfassende Darstellung bei Schöning, Telegramm, S. 77 ff., 143 ff. 20 Vgl. Schöning, Telegramm, S. 59,99, 109,235,289. 16 17

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1. Abschn.: Grundlagen des Echtheitsbegriffes

genschaft zukommen, da es den die Erklärung ausfertigenden Beamten nicht als Aussteller erkennen läßt 21 . Auch hier wurde also das Bedürfnis sichtbar, sich von einer rein körperlichen Betrachtungsweise zu lösen, damit der Telegrammaufgeber und nicht der körperlich herstellende Telegrafenbeamte als Anscheinsaussteller und im normalen Echtheitsfall zugleich auch als Urheber des Ankunftstelegrammes betrachtet werden kann 22 . 2. Zeichnen mit fremdem Namen

Wie bereits in der Einleitung angedeutet, werden die Konsequenzen der Körperlichkeitstheorie nicht nur bei der "Vertretung in der Erklärung"23 durch Einschaltung einer Hilfsperson, sondern auch bei der "Vertretung im Willen"24 als unbillig empfunden. Diskutiert wurde und wird die zweite Fallgruppe im wesentlichen nur an den Fällen des Zeichnens mit fremdem Namen (bei bestehender Vollmacht des Vertreters zur Vertretung des Namensträgers)25. Bei strikter Anwendung der Grundsätze der Körperlichkeitstheorie kommt man zur Unechtheit einer solchermaßen hergestellten Urkunde, da der körperlich Herstellende in diesen Fällen nicht mit dem Namensträger, der aber als Aussteller der Urkunde erscheint, identisch ist. Die Bestrafung des Zeichnens mit fremdem Namen als Urkundenfälschung wurde bereits früh aus zwei Gründen als nicht sachgerecht empfunden. Zum einen handelte es sich offenbar zeitweise um eine weit verbreitete und allgemein akzeptierte Gepflogenheit 26 ; zum anderen wurde das Zeichnen mit fremdem Namen zivilrechtlieh sogar dort gebilligt, wo das Gesetz in § 126 I BGB eine eigenhändige Namensunterschrift verlangt27 . Zur Ausräumung dieser Diskrepanz zwischen Zivilrecht und Strafrecht bedurfte es der Überwindung einer nur körperlichen Betrachtungsweise bei der Bestimmung des Ausstellers, was wiederum Einfluß auf den Echtheitsbegriff hatte 28 •

Vgl. Samson, JA 1979, 658, 660. Siehe dazu die Darstellung des Meinungsstreites im Schrifttum der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis 1928 bei Schöning, Telegramm, S. 55 ff., 104 ff. 23 Ausdruck bei Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 59. 24 Ausdruck bei Ben/er, BT 11 Rdn. 261; Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 III 2 a; Samson, SK § 267 Rdn. 53; ders., JuS 1970, 369, 375; ders., JA 1979, 658, 660. 25 Siehe nur die Abhandlungen von Frank, ZStW Bd. 32 (1911), 82 ff.; Schönke, in FG Kohlrausch (1944), 253 ff. 26 Siehe Frank, ZStW Bd. 32,82; Scheiber, Urkundenherstellung, S. 3 f., 30; RGZ 74,69 f.; RGZ 81,1,2; zuletzt Timcke, Identitätstäuschung, S. 93. 27 RGZ 74,69 ff.; s. dazu unten 3. Abschn. I C 3 a bb. 28 Ausführliche Darstellung dieser Fallgruppe unter 1. Abschn. 11 C 4 und 3. Abschn. 21

22

Ie.

11. Inhalt der Oeistigkeitstheorie

33

B. Die frühe Rechtsprechung des Reichsgerichts Die Rechtsprechung hat, abgesehen von der bereits zitierten Entscheidung des Reichsgerichts vom 15. 5. 188029 , nie eine rein körperliche Betrachtungsweise bei der Bestimmung des Urkundenausstellers und damit der Echtheit von Urkunden zugrundegelegt. Allerdings taucht die heute allgemein gebräuchliche Formel vom "geistigen Herrühren" erstmals in der Entscheidung des Reichsgerichts vom 9. 12. 194030 auf. Es ist daher fraglich, ob die früheren Entscheidungen des Reichsgerichts ohne weiteres aus der heutigen Sicht des Diskussionsstandes bereits als Entscheidungen auf der Grundlage der Geistigkeitstheorie aufgefaßt werden können 3 !, oder ob es sich vielmehr nur um erste vorsichtige Modifikationen des Ansatzes der Körperlichkeitstheorie handelte. Dies kann aber letztlich dahingestellt bleiben, da die früheren Entscheidungen zumindest als Wegbereiter der heutigen Geistigkeitstheorie angesehen werden können 32 . Diese Funktion der älteren Rechtsprechung wird daran deutlich, daß ähnliche Formulierungen wie die des Reichsgerichts noch heute zur Bestimmung des Ausstellers nach der Geistigkeitstheorie herangezogen werden 33 • So betrachtete das Reichsgericht schon sehr früh denjenigen als Aussteller einer Urkunde, der sich fremder Hilfspersonen zu deren Herstellung bediente33a • Dies war gerade für die Fälle der Telegrammfälschung entscheidend, denn bei dieser Betrachtungsweise wurde das Telegrafenamt beziehungsweise die handelnden Bediensteten nur als Organe oder Werkzeuge des Telegrammaufgebers angesehen34 • Die Ankunftsdepesche konnte also als Urkunde bewertet werden, deren Urheber der Telegrammaufgeber war. Hatte dieser nun mittels einer Identitätstäuschung den Eindruck erweckt, der aus der Urkunde zu ersehende Anscheinsaussteller habe das Telegramm aufgegeben, so war neben dem Herstellen einer unechten Urkunde auch das Gebrauchen derselben gegenüber dem Adressaten zu bejahen35 • Die Loslösung von der körperlichen Betrachtungsweise sowohl bei der Bestimmung des Anscheinsausstellers als auch des Urhebers der Urkunde wurde unter anderem mit folgenden Formeln umschrieben:

RORspr. 1,793. ROSt 75,46. 31 wie dies bei Tröndle, LK § 267 Rdn. 16 und auch bei OUo, JuS 1987, 761, 764 FN 38 geschieht. 32 So zur Entscheidung ROSt 8, 92: Schöning, Telegramm, S. 176 ff., 187. 33 Siehe dazu unten l. Abschn. 11 C l. 33a Siehe die Entscheidung vom 6. 3. 1883: ROSt 8, 92, 99 f. 34 Siehe ROSt 8, 92, 99. 35 Vgl. ROSt 8,92,97 ff. 29

30

3 Steinmetz

34

1. Abschn.: Grundlagen des Echtheitsbegriffes

- " ... die Depeschenausfertigung (wird) als direkte schriftliche Willensäußerung des Absenders, und dieser als Aussteller der Ankunftsdepesche angesehen werden müssen. Eine Urkunde verliert dadurch ihre Bedeutung als solche nicht, daß der Erklärende sie nicht selbst schreibt, sondern die Niederschrift als eigene durch die Hand eines Dritten veranlaßt. "36 - "In der Beifügung einer Namensunterschrift" (im konkreten Fall durch Stempelaufdruck, wobei der Stempelaufdruck nicht notwendigerweise nur vom Namensträger vorgenommen wurde) "liegt ( ... ) die Erklärung, daß sich der Unterschreibende den Inhalt der Schrift aneigne, ihn als Inhalt einer eigenen Erklärung gelten lassen wolle. "37 - "Eine derartige Urkunde" (nämlich eine mitsamt Namensunterschrift gedruckte) "erweckt ( ... ) den Eindruck, daß sie von derjenigen Person, deren gedruckte Namensunterschrift sie aufweist, herrührt und daß diese Person für den Inhalt der Urkunde verantwortlich ist. "38,39 Schon in den frühen Entscheidungen des Reichsgerichts war dabei ein Hauptargument, daß eine rein körperliche Betrachtungsweise des Herstellens einer Urkunde zu einem Ausstellerbegriff führen würde, der nicht der Auffassung des Verkehrslebens und der Anschauung des Rechtsverkehrs entspräche 40 • Diese Praktikabilitätserwägungen prägen noch heute die Begründungen zur Geistigkeitstheorie.

36 RGSt 8, 92, 100 f.: Hier hat das RG bei einem mit falschem Namen gezeichneten Telegramm den vermeintlichen Absender als Anscheinsaussteller und den tatsächlichen Telegrammaufgeber als Urheber angesehen. 37 RGSt 10, 304, 306: Hier hat das RG den Namensträger als Anscheinsaussteller und für den Fall der befugten Beidrückung des Namensstempels auch als Urheber der urkundlichen Erklärung angesehen. 38 RGSt 13, 168: Hier betrachtet das RG den Träger des gedruckten Namens als Anscheinsaussteller . 39 Siehe außerdem RGSt 26, 270, 271 (als Aussteller wird derjenige angesehen, der eine Erklärung drucken läßt); RGSt 29, 357, 359 (als Anscheinsaussteller wird derjenige angesehen, dessen Name (unbefugt) gedruckt wird; als Urheber gilt derjenige, der den Druck ausführen läßt); RGSt 44,69,72 (als Urheber einer urkundlichen Erklärung wird derjenige betrachtet, der sich einer Schreibhilfe bedient); RGSt 57,321 und RGSt 66, 365, 367 (bei telefonischer Telegrammaufgabe unter falschem Namen bzw. Nennung der falschen Rufnummer wird der Namensträger bzw. der Anschlußinhaber als Anscheinsaussteller angesehen. Urheber der urkundlichen Erklärung ist dagegen der Telegrammaufgeber ). 40 Siehe nur RGSt 8, 92, 99 f.; RGSt 10, 304, 306; RGSt 13, 168.

11. Inhalt der Geistigkeitstheorie

35

c. Jüngere Rechtsprechung und Lehre 1. Das "geistige Herrühren"

Wie bereits oben 41 angedeutet, wird die Körperlichkeitstheorie in ihrer ursprünglichen, strengen Form mittlerweile einhellig abgelehnt. Häufig findet sich dabei im Rahmen der Erörterung der Geistigkeitstheorie die der frühen Rechtsprechung des Reichsgerichts ähnliche Wendung, letztere würde den Erfordernissen des modernen Rechts- und Wirtschaftsverkehrs besser entsprechen als der vorherige Ansatz 42 . Insgesamt gesehen beherrscht die Geistigkeitstheorie, die auch als "materielle Urheberlehre"43 oder "materiellzivilrechtsbezogene Theorie"44,44. bezeichnet wird, alle Erörterungen zum Aussteller- und zum Echtheitsbegriff in § 267 StGB. Dabei wird fast floskelhaft die Formel, Aussteller einer Urkunde sei derjenige, von dem sie "geistig herrühre", wiederholt45 . Offenbar wird diese Formulierung aber als unzureichend empfunden, eine genaue Ausstellerbestimmung zu ermöglichen. Daher wird eine Vielzahl von Formulierungen verwendet, um das "geistige Herrüh1. Abschn. II A. Siehe Trändie, LK § 267 Rdn. 22; Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 III 2 a; Samson, JuS 1970, 369, 375; Schänke, FG Kohlrausch, S. 253, 255; Schroeder, GA 1974, 225, 230; Seier, JA 1979, 133, 138; Erwähnung auch bei Samson, SK § 267 Rdn. 58 sowie Stehling, Urkundenfälschung, S. 79. 43 BayObLG NJW 1981, 772; Lackner, § 267 Anm. 2 e; Trändie, LK § 267 Rdn. 16, 124. 44 Vgl. Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 III 2 b; Schroeder, GA 1974, 225, 229; ders., JuS 1981,417. Sauer, BT S. 196 spricht von einer "material-normativen Theorie"; Duo, JuS 1987, 761, 764; ders., JK § 267/11 schlägt die Bezeichnung "rechtliche Zurechnungstheorie" vor. 44. Wesentlich differenzierter Widmann, Unechte Urkunde, S. 90 ff. Widman stellt der "faktischen Theorie" (S. 72 ff.) zahlreiche Lösungsansätze gegenüber, die er alle als eigenständige "Theorien" darzustellen versucht. Im Grunde genommen handelt es sich hierbei aber um verschiedene Spielarten der Geistigkeitstheorie, auch wenn nicht immer die Formel vom "geistigen Herrühren" verwendet wird. Die von Widmann aufgezählten "Theorien" enthalten lediglich unterschiedliche Lösungsansätze für die Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen. Im einzelnen unterscheidet Widmann folgende Ansätze: Idelle Theorie (S. 111 f., 141), kausale Theorie (S. 112 f., 141), Theorie der bloßen gültigen Ermächtigung bzw. Berechtigung (S. 115 ff.), Gültigkeitstheorie (S. 117 ff.), Täuschungstheorie (S. 120 ff.), Theorie vom Funktionieren der Vollmacht (S. 131 ff.), Dreipunktetheorie (S. 134 ff.), Geistigkeitstheorie oder materielle Urheberlehre (S. 147 ff.). Widmann selbst vertritt dabei eine Modifikation der von ihm sog. Gültigkeitstheorie (S. 90 ff.). Auf einzelne Aspekte dieser Ansätze wird bei der Erörterung der Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen einzugehen sein (s. unten 3. Abschn. I C). 45 So RGSt 75, 46; BayObLG NJW 1981, 774, 775; OLG Hamm NJW 1973, 634; Bockelmann, BT 3 § 12 II 5 b; III 1 b; Dähn, StGB § 267 Anm. 2; Eser, IV Nr. 19 A 19,39; Kohlrausch/Lange, § 267 Anm. III 3; Krey, BT 1 Rdn. 708; Trändie, LK § 267 Rdn. 15; Samson, JuS 1970, 369, 375; ders., JA 1979, 658, 660; ders., SK § 267 Rdn. 50; Schäning, Telegramm, S. 175; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 55; Seier, JA 1979,133,138; Sonnen, JA 1081, 367; Wesseis, BT 1 § 18 I 2 c, III 1 b. 41

42

3*

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1. Abschn.: Grundlagen des Echtheitsbegriffes

ren" genauer zu beschreiben, wobei aber viele dieser Formulierungen ebenso vage bleiben. Nach dieser verwirrenden Begriffsfülle soll Aussteller einer Urkunde auch derjenige sein, - der geistig hinter der Erklärung steht46 beziehungsweise der als Rechtsperson geistig hinter der Erklärung steht47 , - der als geistiger Urheber für die Erklärung einsteht48 , - dem die Erklärung geistig zugeschrieben wird49 , - der der geistige Produzent der Erklärung ist50 , - von dem die Erklärung geistig stammt und der als geistiger Aussteller erkennbar ist51 , - der als geistiger Urheber anzusehen ist 52 , - dem die Erklärung geistig zuzurechnen ist 53 , - der die Erklärung zur eigenen macht 54 , - der die Erklärung als eigene verwirklicht wissen Will 55 , - der sich an die Erklärung gebunden fühlt 56 , - der sich als Erklärender bekennt57 , - der die Erklärung als seine gelten läßt oder lassen wil15 8 , - der sich zu der Erklärung bekennt59 , - der sich zu ihr als Urheber bekennt59a , 46 Vgl. Benfer, BT 11 Rdn. 250; Tröndle, LK § 267 Rdn. 16, 38, 124; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 16; Sieber, Computerkriminalität, S. 292 f.; vgl. auch Schöning, Telegramm, S. 182. 47 Tröndle, LK § 267 Rdn. 17. 48 Eser, IV Nr. 19 A 19; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 16; BayObLG NJW 1981, 774; ähnlich: Sieber, Computerkriminalität, S. 288. 49 Schmidhäuser, BT 14/13. 50 Kienapfel, Urkunden I, S. 219. 51 Arzt, LR 4 Rdn. 482. 52 Blei, BT § 80 III 1; DreherlTröndle, § 267 Rdn. 2. 53 Lackner, § 267 Anm. 2 e; Seier, JA 1979, 133, 138. 54 SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 55. 55 BayObLG NJW 1981, 774, 775; OLG Ramm NJW 1973, 634; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 55; Seier, JA 1979, 133, 138; Sonnen, JA 1981, 367. 56 BayObLG NJW 1981, 774, 775; OLG Ramm NJW 1973, 634; Tröndle, LK § 267 Rdn. 16,17; Schöning, Telegramm, S. 175,182; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 55; Seier, JA 1979, 133, 138; Sonnen, JA 1981, 367. 57 Eser, IV Nr. 19 A 19; MaurachlSchroeder, BT 2 § 65 III 2 b. 58 Vgl. Tröndle, LK § 267 Rdn. 16; Sauer, BT S. 189. 59 Tröndle, LK § 267 Rdn. 16,38; Schmidhäuser, BT 14/11; Schöning, Telegramm, S. 175, 182; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 16. 59. Lackner, § 267 Anm. 2 e.

II. Inhalt der Geistigkeitstheorie

37

- der an sie gehalten werden, sie als seine Erklärung angesehen wissen Will 59b , - von dem Tenor und Zeichnung der Urkunde rechtlich herrühren 6o , - der für die Erklärung rechtlich verantwortlich ist61 , - der für die Erklärung rechtlich einzustehen hat62 , - der die Erklärung verantwortet63 , - dem die Erklärung rechtlich zugerechnet wird64 , - der sich die Erklärung - nach außerstrafrechtlichen Normen - rechtlich zurechnen lassen muß64., - für den die Urkunde wirkt 65 , - der als Garant hinter der urkundlichen Erklärung steht66 , und der sie rechtlich als eigene Erklärung gegen sich gelten lassen muß66., - der nach außen hin für die Erklärung verantwortlich ist67 , - für den die in der Urkunde enthaltene Erklärung unbedingt, unaufhebbar und jedem gegenüber gilt67., - der die Garantie für die Richtigkeit des Inhalts der Urkunde übernehmen so1l67b, - der als Erklärer hinter der Urkunde steht68 , - als dessen Erklärung die Urkunde im Rechtsverkehr gilt 69 , - auf dessen maßgeblichen Willen der Inhalt der Urkunde zurückgeht7°, oder derjenige, - der der Erklärer ist, auf den es ankommt71 • Kohlrausch/Lange, § 267 Anm. IIl3. Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 III 2 b. 61 BGHSt 13, 382, 385; Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 III 2 b; Puppe, Technische Aufzeichnungen, S. 176. 62 Puppe, Technische Aufzeichnungen, S. 174. 63 Kienapfel, Urkunden 11, S. 59. 64 Sieber, Computerkriminalität, S. 292 f.; ähnlich Wesseis, BT 1 § 18 I 2 c. 64. Ouo, JuS 1987, 761, 764; ders., JK § 267/11. 65 Schänke, FG Kohlrausch, S. 253, 254. 66 BayObLG NJW 1981, 772, 773; Eser, IV Nr. 19 A 18. 66. Wesseis, BT 1 § 18 III 1 b. 67 Sonnen, JA 1981, 367. 67. Widmann, Unechte Urkunde, S. 90 ff., 97. 67b BGH EzSt § 267 Nr. 1. 68 Haft, BT § 29 I 2 b. 69 Puppe, Jura 1979,630,637; dies., JR 1981,441. 70 Welzel, § 59113. 71 Schöning, Telegramm, S. 182. 59b

60

38

l. Abschn.: Grundlagen des Echtheitsbegriffes

2. Der "Erklärende" oder der "Erklärer" als Aussteller

Zusätzlich zu dieser Unmenge an Beschreibungen wird versucht, die Beziehung des "geistigen Herrührens" auch durch eine Ersetzung des Begriffes des "Ausstellers" zu verdeutlichen. Da unter "Ausstellen" eben auch der nur formal-faktische Akt des körperlichen Herstellens72 verstanden werden kann, wird zum Teil statt vom "Aussteller" vom "Erklärenden"73 oder vom "Erklärer"74 gesprochen. Ob dieser Vorschlag zur Verdeutlichung der Beziehung des "geistigen Herrührens" beiträgt, erscheint aber zweifelhaft. Auch hier muß eine Unterscheidung zwischen dem sich aus der Urkunde ergebenden Anschein eines bestimmten Erklärers und dem in Wahrheit hinter der Urkunde stehenden Erklärer getroffen werden75 , damit die oben unter 1. Abschnitt I dargestellte Prüfungsreihenfolge bei der Frage nach der Echtheit einer Urkunde eingehalten wird. Für die Fälle der Einschaltung einer Hilfsperson bei der Erklärungsabgabe (Schreibhilfe, Drucker etc.) mag es dabei noch sinnvoll sein, den Aussteller als Anscheinsaussteller und zugleich auch als Urheber der Urkunde damit zu bezeichnen, daß dies diejenige Person sei, die etwas im Rechtsverkehr, sei es auch mittels eines Werkzeuges, "erklärt". In den Fällen der rechtsgeschäftlichen Vertretung (z. B. gerade beim Zeichnen mit fremdem Namen) besteht aber zumindest die gleiche Unklarheit wie bei Verwendung des Begriffes des "Ausstellers", wenn nicht sogar die Sprachverwirrung noch größer wird. Beim Zeichnen mit fremdem Namen wäre nämlich (unter Zugrundelegung des üblichen Ergebnisses der Geistigkeitstheorie ) der "Erklärer" (oder auch der "Erklärende") keineswegs derjenige, der die rechtsgeschäftliche Erklärung abgibt und sie in die urkundliche Form bringt. "Erklärer" beziehungsweise "Erklärender" wäre derjenige, der tatsächlich gesehen überhaupt nichts erklärt und nicht erklärend tätig wird, nämlich der, dem eine fremde Erklärung, von der er unter Umständen noch nicht einmal etwas weiß, im Rahmen zivilrechtlicher Vertretungsregeln so wie eine eigene Erklärung zugerechnet wird. Eine besondere Hilfe zum besseren Erkennen des "geistigen Herrührens" einer Erklärung von einer Person vermag in der Um benennung des Ausstellers in "Erklärer" oder "Erklärender" somit nicht gesehen zu werden. Vgl. Schroeder, GA 1974, 225, 230; ders., JuS 1981,417. So bereits RGSt 8, 92, 100; Eser, IV Nr. 19 A 19; Kienapfel, Urkunden I, S. 219; Tröndle, LK § 267 Rdn. 15; Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 III 2 b; Puppe, Jura 1979, 630, 637; dies., Jura 1986, 22 ff.; dies., JZ 1986, 938, 940; Schroeder, GA 1974, 225, 230; ders., JuS 1981,417. 74 So das BayObLG NJW 1981, 772, 773; Bockelmann, BT 3 § 12 11 5 b; wiederum Eser, IV Nr. 19 A 19; Haft, BT § 29 I 2 bund 11 2; wiederum Kienapfel, Urkunden I, S. 219; Kohlrausch/Lange, § 267 Anm. III 3, IV; Tröndle, LK § 267 Rdn. 15, 16; Schmidhäuser, BT 14/8,11; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 16. 75 Siehe nur Schmidhäuser, BT 14/11,13, der vom "scheinbaren Erklärer" und dem "als Erklärer Erscheinenden" spricht. 72

73

11. Inhalt der Geistigkeitstheorie

39

3. Allgemeingültige Ausstellerbestimmung oder Spezialregel für Vertretungsfälle?

Zum Teil entsteht der schon oben in der Einleitung und unter 1. Abschnitt

I. B. angesprochene Eindruck, als solle mit Hilfe der Geistigkeitstheorie eine

umfassende Definition für die Bestimmung eines jeweiligen Urkundenausstellers, bezogen sowohl auf den Anscheinsaussteller als auch auf den Urheber einer Urkunde, geschaffen werden76 • In diesem Fall wäre die Geistigkeitstheorie der zentrale Ansatz für die Bestimmung der Echtheit beziehungsweise Unechtheit einer Urkunde, denn Unechtheit soll ja nur dann vorliegen, wenn die Urkunde nicht von der Person herrührt, die sich als Aussteller aus ihr ergibt77 . Mit Hilfe der Geistigkeitstheorie könnte dann für § 267 StGB ein "vergeistigter"78 beziehungsweise ein "geistiger" oder "ideeller" Echtheitsbegriff gefunden werden, dem ein faktischer Echtheitsbegriff nach der Körperlichkeitstheorie gegenüberstünde79 • Demgegenüber wird in anderen Erörterungen im Schrifttum die Geistigkeitstheorie nur dann herangezogen, wenn es um bestimmte Problemfälle bei der Herstellung urkundlicher Erklärungen geht8o . In allen diesen Darstellungen bleibt aber völlig offen, wie denn außerhalb dieser Ausnahmefälle, für die die Geistigkeitstheorie gelten soll, eine Ausstellerbestimmung stattfinden könnte. Soll ansonsten ein Rückgriff auf die Körperlichkeitstheorie erfolgen? Die Ausführung von Schönke81 , daß "nach der geistigen Echtheitstheorie ( ... ) eine Urkunde von jemand her(-rührt), wenn er sie selbst geschaffen hat, oder wenn ein anderer dies getan hat und sie rechtlich ebenso wirkt, wie bei der 76 Vgl. die Darstellungen in RGSt 75, 46, 47; Bockelmann, BT 3 § 12 11 5 b; Kienapfel, Urkunden I, S. 219; ders., Urkunden 11, S. 59; Krey, BT 1 Rdn. 708; Lackner, § 267 Anm. 2 e; TrändIe, LK § 267 Rdn. 15,38; Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 III 2 b; Puppe, Technische Aufzeichnungen, S. 174; dies., Jura 1979, 630, 637; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 16, 55; Samson, SK § 267 Rdn. 50; Sieber, Computerkriminalität, S.288. 77 Siehe m. w. N. RGSt 48, 238, 240; BGHSt 1, 117, 121; BGHSt 9, 44, 45; BGHSt 33, 159, 160; TrändIe, LK § 267 Rdn. 124; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 40; Samson, SK § 267 Rdn. 40; Diese Bestimmung der Unechtheit ist aber nicht schon der Inhalt der Geistigkeitstheorie (so aber offenbar Kienapfel, Urkunden 11, S. 250), sondern gilt sowohl für Körperlichkeits- als auch Geistigkeitstheorie. Der entscheidende Unterschied ist, daß der Urheber (der bei Unechtheit vom Anscheinsaussteller personenverschieden ist) zum einen an hand des körperlichen und zum anderen anhand des geistigen Herrührens bestimmt werden soll. 78 Siehe Frank, ZStW Bd. 32, 82, 91 und 93. 79 Vgl. Schänke, FG Kohlrausch, S. 253,254. 80 Vgl. Arzt, LH 4 Rdn. 482; Eser, IV Nr. 19 A 19; Haft, BT § 29 I 2 b, 11 2; Duo, BT § 70 I 1 c bb; ders., JuS 1987, 761, 764; Puppe, NJW 1973, 1870 f.; Samson, JA 1979,658,660; Schroeder, GA 1974, 225, 230; Seier, JA 1979,133,138; Sieber, Computerkriminalität, S. 288; Schmidhäuser, BT 14/13; WetzeI, § 60 A I 1 a a; WesseIs, BT 1 § 18 I 2 c, III 1 b. 81 FG Kohlrausch, S. 253,254.

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1. Abschn.: Grundlagen des Echtheitsbegriffes

Schaffung durch den Namensträger selbst", deutet darauf hin, daß im Grunde die Körperlichkeitstheorie für das Selbst-Schaffen einer Urkunde fortgelten soll und die Geistigkeitstheorie nur den Aspekt des "Schaffen-Lassens" erklären kann 82 • Dieser Gedanke, daß die Körperlichkeitstheorie noch immer Anwendung findet, obwohl sie auf allgemeine Ablehnung stößt, wird an anderer Stelle wieder aufgenommen werden83 . 4. Der Hauptanwendungsfall: Das Zeichnen mit fremdem Namen a) Genaue Bezeichnung der FaUgmppe

Unabhängig davon, ob eine Allgemeingültigkeit des Ansatzes der Geistigkeitstheorie für die Bestimmung des Echtheitsbegriffes in § 267 StGB behauptet wird oder nicht, ist doch bezeichnend, daß sich die Erörterung der Geistigkeitstheorie zumeist im wesentlichen nur auf eine problematische Fallgruppe stützt. Es handelt sich bei diesen "Standardbeispielen" um die bereits erwähnten Fälle84 , in denen ein Bevollmächtigter den Namen seines Vollmachtgebers bei der Zeichnung einer Urkunde verwendet85 • Diese Fälle sollen zur Vereinfachung im Rahmen dieser Arbeit als die Fälle des "Zeichnens mit fremdem Namen" benannt werden, da dies die im Schrifttum gebräuchlichste, wenn auch nicht ganz einheitliche und im Grunde genommen auch ungenaue 86 Bezeichnung ist87 • Gegenüber der Erörterung dieser Fälle tritt die Erwähnung 82 Darauf deuten auch die Ausführungen von Otto, JK § 267/8 sowie JuS 1987, 761, 766 hin, wonach lediglich im Falle der befugten Vertretung bei der Herstellung einer Urkunde der Begriff des Herstellers den Bedürfnissen der Rechtspraxis folgend erweitert würde. Wenn der aus der Urkunde ersichtliche Hersteller (!) die Urkunde auch erstellt habe, so komme eine Urkundenfälschung nicht in Betracht. Dies ist im Grunde genommen die Anwendung der klassischen Körperlichkeitstheorie ! 83 S. u. 4. Abschn. 11. B. 84 S. o. Einleitung und 1. Abschn. 11. A. 2. 85 Hauptbeispiel in den Darstellungen der Geistigkeitstheorie bei Bockelmann, BT 3 § 12 III 1 b; Haft, BT § 2911 2; Lackner, § 267 Anm. 3 a; Trändie, LK § 267 Rdn. 19; Puppe, Jura 1979, 630, 638; Samson, JA 1979, 658, 660; ders., SK § 267 Rdn. 52 ff.; SChmidhäuser, BT 14/13; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 55; Welzel, § 60 All a a; Wessels, BT 1 § 18 III 1 b. 86 Ungenauigkeit der Bezeichnung deshalb, weil der "fremde Name" nicht begrifflich zwingend der des Vollmachtgebers sein muß, sondern jeder andere Name einer existierenden Person sein könnte. Aus diesem Grunde wird zur Beschreibung der entsprechenden anderen Fälle im 3. Abschnitt 1 vom "Zeichnen mit nicht zustehendem Namen" gesprochen. 87 Vom "Zeichnen mit fremdem Namen" in dem genannten Sinne sprechen: Blei, BT § 80 III 1 b; Bockelmann, BT 3 § 12 III 1 b; Frank, ZStW Bd. 32, 82; Krey, BT 1 Rdn. 710; Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 III 2 b; Ranft, Echtheit, S. 10; wohl auch Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 16 ff.; Rock, Echtheitsbegriff, S. 58 f.; sowie Puppe, Jura 1979, 630, 638; wobei letztere offenbar den zugleich verwendeten Begriff des "Handeins unter fremdem Namen" für diese Fallgruppe vorzieht: s. Puppe, JR 1981,

11. Inhalt der Geistigkeitstheorie

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weiterer Fallgruppen, die für die Begründung und auch für die historische Entwicklung der Geistigkeits- aus der Körperlichkeitstheorie von Bedeutung sind (Verwendung einer Schreibhilfe, mechanisch vervielfältigte oder gedruckte Urkunden, Telegramme), in den Hintergrund. b) Das "Konformitätsargument"

Die wichtigste Erwägung, die dazu führt, die vom Vertreter mit dem Namen des Vertretenen gezeichnete Urkunde nicht in den Kreis der unechten Urkunden fallen zu lassen, ist das bereits in der Einleitung und unter 1. Abschnitt 11. A. 2. geschilderte Streben nach Konformität zwischen Zivilrecht und Strafrecht. Aufgrund des zivilrechtlich zulässigen, also volle Rechtswirkungen entfaltenden Zeichnens mit fremdem Namen88 ginge es nicht an, zivilrechtlich wirksame Urkunden als strafrechtlich unechte zu behandeln89 , vielmehr müsse die Einheit der Rechtsordnung durch die konforme Behandlung des Zeichnens mit fremdem Namen im Zivil- und im Strafrecht gewahrt bleiben9o . 441 ff.; dies., Jura 1986, 22 ff.; JZ 1986, 938; NStZ 1988, 314 f. und JuS 1989, 361. (Erstaunlicherweise erörtert Puppe in JZ 1986, 938, 943 aber auch den Fall OLG Stuttgart, NJW 1981, 1223 im Zusammenhang mit dem "Handeln unter fremdem Namen", obwohl dort ein Angestellter auf einem Firmenbogen mit seinem eigenen Namenskürzel gezeichnet hat!). Ebenfalls vom "Handeln unter fremdem Namen" sprechend: Widmann, Unechte Urkunde, S. 54 ff., 64, allerdings ohne beständige Verwendung dieser Bezeichnung (zur umfassenderen Verwendung der Bezeichnung "Handeln unter fremdem Namen" in der zivilrechtlichen Rechtsprechung und Literatur s. u. 3. Abschnit I C 1 a). Vom "Zeichnen mit fremdem Namen" sprechen ebenfalls Benfer, BT I Rdn. 261; Samson, JA 1979, 658, 660; ders., SK § 267 Rdn. 53 (ders., JuS 1970369,375 aber noch vom "Unterzeichnen mit fremdem Namen" sprechend) sowie SchlSchlCramer § 267 Rdn. 57, wobei aber jeweils die Fälle der Schreibhilfe mit einbezogen sind. Auch bei Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 139, wird im Rahmen der Lösungsvorschläge die Stellvertretung gemeinsam mit der Botenschaft zum "Zeichnen mit fremdem Namen" gezählt. Ansonsten werden folgende Bezeichnungen für die erwähnte Fallgruppe verwandt: "Unterzeichnen mit fremdem Namen" bei Schmidhäuser, BT 14/13, wobei dort aber zugleich die weiteren Fälle des Zeichnens mit nicht zustehendem Namen einbezogen werden; "Unterzeichnen mit dem Namen eines anderen" bei Kienapfel, Urkunden I, S. 219 FN 3 (ohne Trennung zwischen Schreibhilfe und verdeckter Vertretung); "Vertretung bei der Unterzeichnung" bei Otto, BT § 70 11 c bb; ders., JuS 1987,761, 764 (allerdings ohne Differenzierung zwischen Schreibhilfe, offener und verdeckter Stellvertretung, wobei für letzteres von Otto auch der Terminus der "Stellvertretung bei Unterzeichnung einer Urkunde mit fremdem Namen" gebraucht wird); "Zeichnen für einen anderen" bei Eser, IV Nr. 19 A 39; "Zeichnen unter fremdem Namen" bei Tröndle, LK § 267 Rdn. 19 f.; Seier, JA 1979, 133, 138 sowie Otto, JK § 267111 (alle drei unter Einbeziehung der Schreibhilfe); "Auftreten unter fremdem Namen" bei Paeffgen, JR 1986, 113, 116; "Erlaubte Fremdzeichnung" bei Timcke, Identitätstäuschung, S. 92 ff., ebenfalls unter Einbeziehung der bloßen Schreibhilfe. 88 Zur Zulässigkeit s. nur m. w. N. RGZ 74,69; PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d; Thiele, MK § 164 Rdn. 33. 89 So ausdrücklich Bockelmann, BT 3 § 12 III 1 b. 90 Dieses "Konformitätsargument" findet sich schon in der Entscheidung RGZ 74, 69, 71 und bei v. LisztlSchmidt, § 161 I 1 a FN 3; sowie bei OLG Hamm NJW 1973,

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1. Abschn.: Grundlagen des Echtheitsbegriffes

5. Grenzen der Konformität zwischen Zivil- und Strafrecht

Gerade auch aufgrund der Dominanz der Fallgruppe "Zeichnen mit fremdem Namen" rückt das soeben genannte Konformitätsargument ("Was zivilrechtlich wirksam ist, kann nicht strafrechtlich unecht sein") in den Vordergrund der Überlegungen zur Geistigkeitstheorie. Dabei sind aber bereits an dieser Stelle die (wohl allgemein, wenn auch zumeist stillschweigend akzeptierten) Grenzen dieses Gleichklangs von Zivil- und Strafrecht aufzuzeigen. Man mag unter Berufung auf die Einheit der Rechtsordnung noch verlangen, daß eine zivil rechtlich wirksame, schriftliche Erklärung nicht zugleich eine unechte Urkunde sein kann. In umgekehrter Richtung, in dem Sinne, daß eine zivilrechtlich unwirksame schriftliche Erklärung dann auch keine echte Urkunde sein könne, wäre ein solches Verlangen aber unakzeptabel 91 . Es sind zahlreiche Gründe für die zivil rechtliche Unwirksamkeit einer schriftlichen Erklärung denkbar (z. B. Nichtigkeit wegen fehlender Geschäftsfähigkeit nach § 105 BGB, Nichtigkeit eines Scheingeschäfts nach § 117 BGB, Nichtigkeit einer Erklärung mangels Ernstlichkeit nach § 118 BGB, Nichtigkeit wegen Formmangels nach § 125 BGB, Unwirksamkeit einer Erklärung mangels Zuganges nach §§ 130, 131 BGB, Nichtigkeit wegen Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB, Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB, Nichtigkeit eines wirksam angefochtenen Rechtsgeschäfts nach § 142 BGB, Unwirksamkeit wegen offenen Dissenses nach § 154 BGB etc.); in allen diesen Fällen können schriftliche Erklärungen, sofern sie Urkundseigenschaft haben 92 , eben auch echt sein, nämlich dann, wenn sie von der Person herrüh634; Puppe, Jura 1979, 630, 638; dies., Jura 1986, 22, 23 FN 3; Scheiber, Urkundenherstellung, S. 30 f.; 42; Schänke, FG Kohlrausch, S. 253,256; Schroeder, GA 1974, 225, 229. Selbst in Darstellungen, die die Geistigkeitstheorie kritisieren oder verwerfen, wird das "Konformitätsargument" akzeptiert: Frank, ZStW Bd. 32, 82, 90; Puppe, JR 1981, 441 f.; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 136 ff.; s. auch Widmann, Unechte Urkunde, S. 91, 100 ff. sowie die Darstellung bei Holzhauer, Eigenhändige Unterschrift, S. 282 f. 91 Vgl. RGSt 44, 69,73; Bockelmann, BT 3 § 12 III 1 b; Holzhauer, Eigenhändige Unterschrift, S. 283; Timcke, Identitätstäuschung, S. 101; Timpe, Echtheit und Gültigkeit, S. 35; Widmann, Unechte Urkunde, S. 44; s. außerdem die Nachweise unten 3. Abschn. FN 551, 552 im Rahmen der kritischen Auseinandersetzung mit der Geistigkeitstheorie. 92 Ob einer sog. "nichtigen Urkunde" überhaupt Urkundseigenschaft zugebilligt werden kann, wird nicht einheitlich beantwortet: s. die Darstellung der völlig uneinheitlichen Rechtsprechung des RG bei Kienapfel, Urkunden I, S. 207 f. FN 225, wobei Kienapfel den "nichtigen" Urkunden Urkundseigenschaft zukommen läßt. Ebenso: Blei, BT § 80 I 3; Kienapfel, JZ 1972, 394 ff. (= Urkunden II S. 81 ff.); ders., Urkunden II S. 200; TrändIe, LK § 267 Rdn. 14 b, 64. Ähnlich, aber die Urkundseigenschaft bei offensichtlicher Unsinnigkeit und Unwirksamkeit verneinend: BGH GA 1971, 180; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 9; Samson, JuS 1970,369,373, wobei letzterer diese Einschränkung in JA 1979, 526, 531 und SK § 267 Rdn. 29 nicht mehr vornimmt. Ablehnung der Urkundseigenschaft eines formnichtigen Testaments nur bei Arzt, LH 4 Rdn.349.

11. Inhalt der Geistigkeitstheorie

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ren, die als ihr Aussteller aus der Urkunde ersichtlich ist92a • Hier wird bereits deutlich, daß die Beurteilung von strafrechtlicher Echtheit einerseits und zivilrechtlicher Wirksamkeit andererseits im Normalfall völlig unabhängig voneinander vorzunehmen ist. Der Ansatz der Geistigkeitstheorie suggeriert aber für einige Fallgruppen gen au das Gegenteil. Die Berechtigung dieses Ansatzes soll im Rahmen der einzelnen Fallgruppen93 näher untersucht werden. 6. Bisherige Kritik an der Geistigkeitstheorie

Bislang wurde nur erwähnt, daß die Geistigkeitstheorie so gut wie einhellig akzeptiert ist. In letzter Zeit wird aber zunehmend Kritik an der Geistigkeitstheorie geübt. Schroeder94, Ott0 95 sowie Puppe96 kritisieren im wesentlichen den Ansatz der Geistigkeitstheorie, eine umfassende Ausstellerdefinition liefern zu wollen, und beschränken ihre Anwendung daher ausdrücklich auf Vertretungsfälle. Puppe97 und Rheineck 98 bemängeln insbesondere die Inkonsequenzen, die bei der Anwendung der Geistigkeitstheorie in Kauf genommen werden, wobei Puppe zu dem Schluß kommt, die Geistigkeitstheorie in der heute vertretenen Form sei nichts anderes als eine modifizierte Körperlichkeitstheorie 99 • Sie verlangt demgegenüber einen rein materiellen Ausstellerbegriff, der sich allein nach dem Erklärungswillen der Person richtet, die in der Urkunde angegeben istJ()(). Rheineck kritisiert außerdem die mangelnde dogmatische Fundierung der Geistigkeitstheorie 101 und gelangt durch einen Vergleich zwischen mündlichen und urkundlichen Erklärungen zu einem neuen eigenen Fälschungsbegriff102 , der aber ähnlich wie der Ansatz der Geistigkeitstheorie durch ein Abhängigkeitsverhältnis der strafrechtlichen Echtheit von der zivilrechtlichen Wirksamkeit geprägt ist 103 • Zu diesen neueren kritischen Auffassungen wird jeweils an geeigneter Stelle dieser Arbeit Stellung genommen werden.

92. Bedenklich daher Dtto, JK § 267/11, wonach die Veranlassung eines Geschäftsunfähigen zur Unterschrift immer zur Unechtheit führen soll. 93 Siehe insbesondere 2. Abschn. II E, 3. Abschn. 94 GA 1974, 225, 230; JuS 1981, 417 f. 95 BT § 70 I 1 c bb, JuS 1987,761,764 f.; JK § 267111. 96 NJW 1973, 1870, 1871. 97 JR 1981, 441. 98 Fälschungsbegriff, S. 26,37. 99 Puppe, JR 1981,441,442 f. Dieser Vorwurf wird von Tröndle, LK § 267 Rdn. 24 FN 97 fälschlicherweise dahingehend verstanden, als würde Puppe selbst eine "modifizierte Körperlichkeitstheorie" vertreten. 100 Puppe, JR 1981, 441, 444. 101 Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 66, 86, 109. 102 Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 126 ff. 103 Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 136 ff.

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1. Abschn.: Grundlagen des Echtheitsbegriffes

111. Das Rechtsgut des § 267 StGB Bevor nun die soeben dargestellte Geistigkeitstheorie kritisch gewürdigt wird, soll untersucht werden, welches das von § 267 StGB betroffene Rechtsgut ist. Gerade bei der Beurteilung von Grenzfällen im Bereich der Anwendung der Geistigkeitstheorie wird sich zeigen, daß ein Bezug zum Rechtsgut des § 267 StGB nötig ist, damit sinnvolle und sachgerechte Ergebnisse erlangt werden können.

A. Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs In Literatur und Rechtsprechung wird zumeist die Umschreibung gebraucht, die §§ 267 ff. StGB schützten die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs 104 mit Urkunden und anderen Beweismitteln. Diese gebräuchliche Formel bietet aber nur eine unzureichende Bestimmung des RechtsguteslOS , insbesondere kann mit ihrer Hilfe nicht erklärt werden, warum z. B. nach § 267 StGB nur die Täuschung über den Urkundenaussteller , nicht aber eine schriftliche Lüge bestraft werden SOll106. Dabei steht es außer Zweifel, daß die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs auch durch inhaltlich unwahre Erklärungen beeinträchtigt werden kann 107 .

B. Schutz der "Institution der Urkunde" Zum Teil wird nun vertreten, die §§ 267 ff. StGB schützten die "Institution der Urkunde"108. Bei einer solchen Bestimmung des geschützten Gutes müßte 104 Siehe u. a. Blei, BT § 79 III; Bockelmann, BT 3 § 12 I; Eser, IV Nr. 19 a 2; Lackner, § 267 Anm. 1; TrändIe, LK Vor § 267 Rdn. 2; Lenckner, NJW 1967, 1890, 1892; Dito, BT § 69,1; ders., JuS 1987, 761 soweit nach verschiedenen "Schutzbereichen" unterschieden wird; Schänke, FG Kohlrausch, S. 253; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 1; Sonnen, JA 1986, 55; WetzeI, § 59 I; WesseIs, BT 1 § 18 I 1; RGSt 76, 233, 234; BGHSt 2,50,52; OLG Saarbrücken NJW 1975, 658, 659. Ferner Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs als Rechtsgut ansehend: DreherlTrändle, § 267 Rdn. 1; Haft, BT § 29 I 1 sowie Schmidhäuser, BT 14/4. Schmidhäuser weist dabei darauf hin, daß durch ein Delikt der Urkundenfälschung das Rechtsgut der Sicherheit des Rechtsverkehrs verletzt wird; ein "Schutz" dieses Rechtsgutes werde durch eine Norm des Strafgesetzes nicht bewirkt (vgl. Schmidhäuser, Form und Gehalt der Strafgesetze, S. 47). \05 Siehe die Kritik bei Puppe, Jura 1979, 630, die die Formulierung für eine Tautologie hält; Kritik auch bei Kienapfel, Jura 1983,185,186; Puppe, Jura 1986, 22; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 110 ff. 106 Siehe Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 110 ff.; der Grundsatz der Straflosigkeit einer schriftlichen Lüge im Rahmen von § 267 StGB ist allgemein anerkannt; s. nur TrändIe, LK Vor § 267 Rdn. 3,4; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 1,54. \07 Siehe nur Puppe, Jura 1979, 630, 638 zur unwahren Erklärung über die Vertretungsbefugnis. \08 So ausdrücklich Kienapfel, Jura 1983, 185, 186, was zumindest im Hinblick auf §§ 268,274 I Zf. 3 StGB sowie die mittlerweile erfolgte Ausweitung auf den Schutz von Dateien in § 269 StGB ungenau ist.

III. Das Rechtsgut des § 267 StGB

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dann konsequenterweise das Objekt des deliktischen Angriffs die Urkunde selbst sein 109 • Dies mag für die Fälle des Verfälschens einer echten Urkunde oder der Vernichtung, Beschädigung oder Unterdrückung einer Urkunde eine korrekte Bestimmung der deliktischen Angriffsrichtung sein, da in diesen Fällen die "Arbeitsgrundlage" des Täters eine Urkunde ist. Fraglich wird diese Rechtsgutsbestimmung aber dann, wenn jemand eine unechte Urkunde in Täuschungsabsicht selbst anfertigt oder aber von einer fremdgefertigten unechten Urkunde Gebrauch macht. Es ist nur schwer nachzuvollziehen, in diesen Handlungsweisen einen "Angriff auf die Urkunde" oder auch auf die "Institution der Urkunde" zu sehen. Wie noch näher zu erläutern sein wird, liegt die Angriffsrichtung bei diesen Handlungsweisen eher darin, daß das Vertrauen eines Beteiligten am Rechtsverkehr auf die Echtheit der ihm tatsächlich vorgelegten oder auch nur möglicherweise vorzulegenden Urkunde enttäuscht wird. Der denkbare Einwand, die Rechtsgutsbestimmung "Institution der Urkunde" sei nicht so wörtlich aufzufassen, wie dies eben geschehen ist, greift aber nicht durch. Vielmehr wird daran nur deutlich, daß eine exakte Bestimmung des Rechtsgutes der Urkundsdelikte der §§ 267 ff. StGB eben nicht darin liegt, wenn gesagt wird, diese bezweckten den Schutz der "Institution der Urkunde".

C. Schutz des Beweisverkehrs Zur genaueren Bestimmung der Angriffsrichtung der Delikte nach

§§ 267 ff. StGB wird häufig eine der wichtigsten Funktionen der Urkunde, ihre

Beweisfunktion, zugrundegelegt. Rechtsgut soll demnach die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Beweisverkehrs mit Urkunden llO (bzw. mit den anderen in

109 So Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 I 1; Samson, Urkunde und Beweiszeichen, S. 119 ("Angriff auf die Institution der Urkunden"); Schilling, Augenscheinsbeweis, S. 81 (Erörterung des Urkundsbegriffes unter der Bezeichnung als "Tatobjekt"), sowie S. 101 ("Angriff auf die Urkunden"); Sieber, Computerkriminalität, S. 271,274 ("Der das Tatobjekt umschreibende Begriff der Urkunde"); kritisch dazu Schmidhäuser, BT 14/5. lIO Siehe Trändie, LK Vor § 267 Rdn. 2 ("Sicherheit und Verläßlichkeit der Beweisführung mit Urkunden" wird als "Angriffsgegenstand" bezeichnet); Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 I 2 ("Angriff gegen die Möglichkeit, Reinheit und Zuverlässigkeit des Urkundenbeweises"); Schilling, Augenscheinsbeweis, S. 101 ("Erschütterung der Zuverlässigkeit der Beweisführung mit Urkunden"); Schilling, Reform, S. 18 ("Schwerpunkt des § 267 StGB liegt in dem täuschenden Beweisgebrauch"), sowie S. 19 ("Das Fälschungsverbrechen wird vom Beweisgebrauch geprägt"); Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 1 ("Schutz vor Beeinträchtigungen des Beweisverkehrs"); RGRspr. 7, 266,268 ("Schutz des Rechtsverkehrs gegen Gefahr falschen urkundlichen Beweises"); RGSt 13, 65, 66 ("Sicherung der Integrität und Authentizität von Urkunden wegen ihrer Bedeutung als Beweismittel"); RGSt 37, 83, 87 ("Wesen des § 267 StGB besteht im Mißbrauch eines falschen urkundlichen Beweismittels", "Schutz der Integrität des Urkundenbeweises"); RGSt 50, 420, 421 ("Schutz der Unversehrheit der Urkunde als formales Beweismittel").

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1. Absehn.: Grundlagen des Eehtheitsbegriffes

den §§ 267 ff. StGB aufgeführten Beweismitteln wie technische Aufzeichnungen, Daten etc.) sein. Doch diese Festlegung der Angriffsrichtung ist ebenfalls ungenau. Die Funktion gerade auch von Privaturkunden erschöpft sich nicht allein in der Fähigkeit, als Beweismittel zu dienen. Im schriftlichen Privat- und Geschäftsverkehr haben Urkunden häufig primär eine ganz andere Aufgabe. Der besondere Wert von Urkunden besteht nämlich auch darin, daß durch die Abgabe einer urkundlichen Erklärung, ebenso wie bei mündlichen Willensäußerungen, Reaktionen anderer Beteiligter am Rechtsverkehr hervorgerufen werden sollen. Die Eignung der Urkunde als potentielles Beweisstück für eine eventuelle spätere Auseinandersetzung der Beteiligten und aueh ihre Bestimmung, unter Umständen später als Beweismittel zu dienen, tritt dabei zunächst in den Hintergrund lll . So soll zum Beispiel die schriftliche Abgabe eines Verkaufsangebots zunächst nur den Käufer veranlassen, die Vertragsannahme zu erklären. Dabei führt die Tatsache, daß die Angebotserklärung urkundlich verkörpert ist, zuerst nur dazu, daß sie eine höhere Wahrheitsgarantie als eine entsprechende mündliche Erklärung genießt 112 • Für den Urkundenempfänger ist gegenüber dieser Wahrheitsgarantie die Bedeutung der Urkunde als wichtiges Beweisstück für einen späteren Streitfall zunächst nur von sekundärer Bedeutung. Man kann daher sagen, daß gerade Privaturkunden neben der Beweisfunktion eine weitere Aufgabe haben, nämlich die, als Entscheidungsgrundlage im Rechtsverkehr zu dienen und dort eine Gestaltungsfunktion zu übernehmen 113. Der Schutz vor unechten Privaturkunden stärkt und sichert daher nicht nur die Beweisführung mit Urkunden, sondern auch die im Rahmen der Privatautonomie jedermann zustehende freie Gestaltung von Rechtsverhältnissen. Diese besondere Eigenschaft unterscheidet die Privaturkunde ganz wesentlich von anderen in den §§ 267 ff. StGB erwähnten urkundlichen und urkundsähnlichen Verkörperungen oder nicht verkörperten Erklärungen. Daher dürfte es nicht möglich sein, eine einheitliche Rechtsgutsbestimmung für die §§ 267 ff. StGB präzise zu formulieren. Zwar behandeln die §§ 267 ff. StGB im weitesten Sinne den Mißbrauch von verkörperten 114 oder verkörperbaren Beweismitteln, die Rechtsgüter der einzelnen gesetzlichen Tatbestandsformulierungen sind dabei aber oftmals differenzierter zu betrachten 115. Insbesondere die umfangreichen Untersuchungen von Kienapfel 116 zeigen deutlich, daß Siehe Samson, Urkunde und Beweiszeichen, S. 109 f. Vgl. Samson, Urkunde und Beweiszeichen, S. 111 f. 113 Siehe Samson, JuS 1970, 369, 370; ders., JA 1979,526,527 f. 114 Vgl. Samson, SK Vor § 267 Rdn. 3, der vom mittelbaren und unmittelbaren Schutz von Beweismitteln spricht. 11S Zur getrennten Reehtsgutsbestimmung s. auch Puppe, Jura 1979, 630; dies., Jura 1986,22. 116 Urkunden I, S. 387 ff.; ders., Urkunden 11, S. 100 ff.; ders., Jura 1983, 185, 186 zum von ihm als "differenziertes Gewährschaftsträgerprinzip" bezeichneten System. 111

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III. Das Rechtsgut des § 267 StGB

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die §§ 267 ff. StGB verschiedene anerkannte Gewährschaftsträger mit ihren spezifischen Eigenarten betreffen, wobei die Angriffsrichtungen der einzelnen Delikte notwendigerweise voneinander abweichen müssen. Eine Rechtsgutsbestimmung kann daher immer nur für die jeweilige Einzelvorschrift, hier § 267 StGB, erfolgen, wenn sie nicht nur eine allgemeine und mehr oder weniger nichtssagende Formel enthalten soll.

D. Vertrauen auf Authentizität von Urkunden Dabei ist zunächst auf die wichtigste Eigenschaft der Urkunde einzugehen, die sie für den Rechtsverkehr so bedeutsam macht. Während bei einer mündlichen Erklärung nur eine im Zeitpunkt der Äußerung anwesende oder mittels technischer Hilfsmittel akustisch verbundene Person festzustellen vermag, von wem die entsprechende Erklärung herrührt, ist eine urkundliche Erklärung dauerhaft verkörpert, so daß auch nach dem Erkärungszeitpunkt sowohl die Erklärung selbst als auch der Aussteller herausgelesen werden können, ohne daß es zum Beispiel eines Zeugen dafür bedarf117 • Diese Perpetuierungsleistung der Urkunde 118 ermöglicht eine jederzeitige Zuordnung einer Erklärung zu einem bestimmten Aussteller. Zwar kann man sich im Rechtsverkehr auf die Wahrheit einer urkundlich festgehaltenen Erklärung ebensowenig verlassen, wie auf die Wahrheit einer mündlichen Erklärung 1l9 , dennoch wird einer urkundlichen Erklärung mehr Vertrauen hinsichtlich der Richtigkeit des Inhalts entgegengebracht. Dies ist eine Auswirkung der Perpetuierungsleistung der Urkunde, denn jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr weiß bei Ausstellung einer Urkunde, daß er aufgrund der dauerhaften Verkörperung seiner Erklärung am Erklärungsinhalt festgehalten werden kann, da er ja als Erklärungsurheber auszumachen ist. Aus diesem Grunde wird er (im Normalfall) bestrebt sein, eine inhaltlich richtige Erklärung abzugeben 12o • Ein jeder Empfänger der Urkunde wird um dieses Bestreben aufgrund eigener Erfahrungen im Rechtsverkehr wissen und (wenn keine konkreten Anhaltspunkte dagegensprechen) von der inhaltlichen Richtigkeit der Urkunde ausgehen. 117 Vgl. Tröndle, LK Vor § 267 Rdn. 2; zum eingehenden Vergleich zwischen mündlicher und urkundlich verkörperter Erklärung s.: Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 126 ff. 118 Die PerpetuierungsIeistung der Urkunde als wichtigste Eigenschaft heben insbesondere hervor: Samson, Urkunde und Beweiszeichen, S. 117 f.; ders., JuS 1970, 369, 370; ders., JA 1979, 526, 527 f.; ders., SK § 267 Rdn. 3; Schilling, Augenscheinsbeweis, S. 141; sowie Kienapfel, Jura 1983, 185, 187, der allerdings neben der Perpetuierungsauch die Garantiefunktion der Urkunde betont. In der Rechtsprechung wurde gelegentlich von der sog. "Beglaubigungsfunktion" der Urkunde bzw. dem "Mißbrauch der urkundlichen Beglaubigungsform" gesprochen: RGSt 8, 187, 190; RGSt 13, 171, 174; ähnlich auch RGRspr. 3,577,578; BGHSt 2,50,52. 119 Vgl. Schilling, Augenscheinsbeweis, S. 1Ol. 120 Vgl. Samson, Urkunde und Beweiszeichen, S. 110 f.

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1. Abschn.: Grundlagen des Echtheitsbegriffes

Dieses auf der Perpetuierungsleistung der Urkunde beruhende erhöhte Vertrauen, das urkundlichen Erklärungen entgegengebracht wird, stellt aber zugleich auch eine Gefahr für die am Rechtsverkehr beteiligten Personen dar 121 . Die (jederzeit widerlegbare) Wahrheitsvermutung für den Inhalt einer Urkunde kann natürlich nur dann sinnvoll eingreifen, wenn auch gewährleistet ist, daß die Urkunde von der als Aussteller angegebenen Person wirklich herrührt. Auch einer Urkunde, die lediglich den Anschein erweckt, von einer bestimmten Person herzurühren, würde im Rechtsverkehr zunächst entsprechendes Vertrauen entgegengebracht werden. Damit wird deutlich, daß der Rechtsverkehr mit Urkunden nur funktionsfähig ist, wenn eine Urkunde die Garantie der Authentizität besitzt l22 . Urkundliche Erklärungen, hinter denen nicht der angegebene Aussteller, sondern eine andere Person steht, sind für den Rechtsverkehr wertlos, da sie nicht eine Zuordnung der Erklärung zum Aussteller ermöglichen l23 . Dies zeigt, daß bei dem Delikt des § 267 StGB der Unrechtsschwerpunkt in der für eine rechtserhebliche Handlung bedeutsamen Täuschung eines Teilnehmers am Rechtsverkehr über die Authentizität einer urkundlichen Erklärung liegt l24 . Vor der Änderung des § 267 StGB durch die Verordnung vom 29. 5. 1943 125 war diese Angriffsrichtung des Delikts aufgrund der Zweiaktigkeit deutlicher zu erkennen. Die Vollendung des Delikts lag nicht bereits in dem Herstellen einer unechten Urkunde, sondern war erst beim Gebrauchen dieser Urkunde im Rechtsverkehr zu bejahen. Die entscheidende Vollendungshandlung lag also darin, daß einer anderen Person zumindest die Möglichkeit zur Kenntnisnahme des Urkundeninhalts gewährt wurde l26 , womit das Vertrauen dieser Person auf die Echtheit der Urkunde gefährdet war. Die Neufassung des Tatbestandes hat nun hinsichtlich der Handlungsalternative des Herstellens einer unechten Urkunde die Strafbarkeit weiter in das Vorbereitungsstadium der Täuschung rücken lassen 127 , dabei ist aber die eigentliche Angriffsrichtung in die Formulierung des Handlungszieles ("zur Täuschung im Rechtsverkehr") eingeflossen. Ein Delikt nach § 267 StGB verletzt demgemäß also nicht nur das konkrete Echtheitsvertrauen einer Person, der eine Urkunde vorgelegt wird, sondern auch das potentielle Echtheitsvertrauen von 121 Siehe Samson, JuS 1970, 369, 370; ders., JA 1979, 526, 527 f.; ders., SK § 267 Rdn.4. 122 Vgl. Sieb er, Computerkriminalität, S. 273. 123 Vgl. Puppe, JR 1978, 207; dies., Jura 1979, 630, 632 f.; dies., Jura 1986, 22, die davon spricht, daß der Rechtsverkehr ein Interesse daran habe, vor "Geister-", "Phantom-" oder "Scheinerklärungen" verschont zu bleiben. Ähnlich auch Paeffgen, JR 1986,118: "Garantie, daß jemand für die Erklärung als Person einstehen will". 124 Schmidhäuser, BT 14/4 spricht insoweit vom materialen Unwertgehalt. 125 RGBI I 339; s. o. 1. Abschn. 11 A 1. 126 Vgl. Frank, StGB § 267 Anm. V 2 a. 127 Siehe nur Trändie, LK Vor § 267 Rdn. 14.

III. Das Rechtsgut des § 267 StGB

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Personen, denen eine Urkunde im Rechtsverkehr vorgelegt werden könnte, also das Vertrauen eines jeden Teilnehmers am Rechtsverkehr. Ob nun allerdings das Vertrauen in die Echtheit von Urkunden und damit ihre Leistungsfähigkeit im Rechtsverkehr das Ergebnis der Strafdrohung des § 267 StGB ist 128 , oder ob nicht vielmehr das Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach Authentizität von Urkunden, das, wie oben festgestellt wurde, aufgrund der Perpetuierungsleistung der Urkunde größer ist als das Bedürfnis nach inhaltlicher Wahrheit, der Grund für den strafrechtlichen Echtheitsschutz ist, mag letztlich dahingestellt bleiben. Sicherlich besteht hier eine Wechselbeziehung zwischen dem gesteigerten Vertrauen in die Echtheit von Urkunden und der Strafdrohung des § 267 StGB. Festzuhalten bleibt damit, daß das Rechtsgut des § 267 StGB das Vertrauen des einzelnen Teilnehmers am Rechtsverkehr ist, nicht über die Authentizität urkundlicher Erklärungen getäuscht zu werden. Träger des Rechtsgutes "Vertrauen in die Authentizität von Urkunden" ist daher nicht nur der Einzelne, sondern zugleich auch die Gesamtheit aller Teilnehmer am Rechtsverkehr, also die Allgemeinheitl 29 •

128 So Samson, Urkunde und Beweiszeichen, S. 117 f.; ders., JuS 1970, 369, 370; ders., JA 1979, 526, 527 f.; ders., SK § 267 Rdn. 5. 129 Vgl. Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 1. 4 Steinmetz

2. Abschnitt

Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie I. Sprachliche Mängel des Begriffes "Geistiges Herrühren" Bei der im Rahmen der Geistigkeitstheorie üblichen Formel vom "geistigen HerrühreO" handelt es sich um einen mißverständlichen und schillernden Begriff. Die zahlreichen Versuche, die "geistige" Beziehung zwischen Aussteller und Urkunde mit anderen Formulierungen zu umschreiben!, zeugen von einer großen Unsicherheit in der Begriffsbildung2 . Dabei ist zumindest erstaunlich, daß die Bezeichnung dieses Ansatzes als "Geistigkeitstheorie" offenbar auf den von Frank3 geprägten, eigentlich als Kritik zu verstehenden Terminus der "Vergeistigung" des Echtheitsbegriffes zurückgeht4 • Trotz dieses negativen Ausgangspunktes wird die Formel vom "geistigen Herrühren" heute allgemein akzeptiert. Dabei besteht aber Einigkeit darüber, daß nicht jedes "geistige Herrühren" im allgemein verständlichen Sinne auch zugleich ein "geistiges Herrühren" im Sinne des Urkundenstrafrechts ist.

Siehe o. 1. Abschn. II C 1. Dies wird z. T. auch im Schrifttum gesehen. Dabei wird die Formel vom "geistigen Herrühren" und auch die Bezeichnung des Ansatzes als "Geistigkeitstheorie" als "nicht ganz korrekt" (Geppert, JK § 267/4), "zu weit greifend" (Tröndle, LK § 267 Rdn. 17), "zu weit und damit falsch" (Ouo, JuS 1987,761,764 entspr. ders. JK § 267/11), "zu Mißverständnissen Anlaß bietend" (Paeffgen, JR 1986, 114, 115), "wenig treffend" (Puppe, NJW 1973,1870 f.) "ungenau", "irreführend" und "falsch" (Puppe, Jura 1979, 630,637), "mißverständlich" (Puppe, Jura 1979, 630, 637; dies. JR 1981, 441), "unwissenschaftlich" und "unpraktisch" (Puppe, JZ 1986, 938, 941), "zu unpräzise, wenn nicht sogar direkt falsch" (Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 137) und als "sehr irreführend" (Schroeder, JuS 1981,417) bezeichnet, wobei eine Loslösung von der überkommenen Benennung als zweckmäßig erachtet (Schroeder, GA 1974, 225, 230) und für wünschenswert gehalten wird (Puppe, JZ 1986, 938, 941). 3 ZStW Bd. 32, 82, 91, 93. Siehe auch Merkei, Urkunde, S. 245,249 f., der bereits den Terminus "geistiger Urheber" benutzt. 4 Ebenso Schroeder, GA 1974,225,230. Ähnlich heute die kritischen Anmerkungen und Warnunen vor einer "Vergeistigung" des Gewaltbegriffes (s. nur m. w. N. Sch/Sch/ Eser, § 240 Rdn. 7; Haft, BT § 19 II 2 a; s. zuletzt BVerfGE 73,206). 1

2

1. Sprachliche Mängel des Begriffes "Geistiges Herrühren"

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A. Nicht jede geistige Urheberschaft ist ein "geistiges Herrühren" Es ist Einvernehmen darüber festzustellen, daß eine Anregung oder sonstige geistige Beeinflussung, die zum Beispiel eine fremde Urkundsniederschrift veranlaßt, nicht schon das "geistige Herrühren" und damit die Ausstellereigenschaft begründen soll. Der Anwalt oder Notar, der für seinen Mandanten einen Vertragstext entwirft, ist zwar bei späterer Verwendung des Entwurfes durch den Mandanten der "geistige Vater" des Vertrages; Aussteller der Vertragsurkunde soll er aber nicht sein5 . Ebenso ist ein vor Gericht aussagender Zeuge sicherlich "geistiger Schöpfer" des Inhalts seines Aussageprotokolls; als Aussteller wird man aber den protokollierenden Urkundsbeamten ansehen. Es soll also mit der Formel vom "geistigen Herrühren" nicht der inhaltliche Gestalter zum Aussteller gemacht werden 6 ; die geistige Genesis des Zustandekommens einer Erklärung soll nicht mit der Formel gemeint sein 7 • Wäre das "geistige Herrühren" so weit zu verstehen, daß jede kausale geistige Anregung zugleich als Begründung der Ausstellereigenschaft bewertet werden müßte, so könnte zur Herstellung einer unechten Urkunde gar nicht mehr angestiftet werden. Bei der Anstiftung ist die entscheidende Unrechtshandlung das Hervorrufen des Tatentschlusses8 ; ein jeder Anstifter ist in diesem Sinne "geistiger Verursacher" einer Tat. Wenn dies bei der Urkundenfälschung aber bereits ausreichen würde, die Eigenschaft als Urkundsaussteller zu begründen, so wäre jeder Anstifter bereits als Täter anzusehen, der mittels des Angestifteten eine unechte Urkunde herstellt. So wie das "geistige Herrühren" nicht im Sinne der "geistigen Anregung" verstanden werden soll, so werden auch andere geistige Urheberschaften nicht dazugerechnet. Nach einhelliger Meinung in Literatur und Rechtsprechung soll Aussteller einer Urkunde auch derjenige sein, der eine fremde geistige Leistung als eigene ausgibt9 . Der Examenskandidat, der eine fremdgefertigte Arbeit als angeblich eigene voriegt lO , oder der Architekt, der fremde Pläne nach Entfernung einer fremden Unterschrift mit seinem eigenen Namen unterzeichnetlI, sie sollen diejenigen sein, von denen die jeweiligen urkundlichen Erklärungen "geistig herrühren", obwohl die Erklärungsinhalte doch 5 Vgl. Tröndle, LK 267 Rdn. 17; zustimmend Ouo, JK § 267/11; Puppe, Jura 1979, 630,637. 6 Vgl. Puppe, JR 1981, 441. 7 Vgl. Tröndle, LK § 267 Rdn. 17. 8 Siehe nur m. w. N. Sch/Sch/Crarner, § 26 Rdn. 4. 9 Vgl. m. w. N. Tröndle, LK § 267 Rdn. 22, 132. 10 Vgl. BayObLG NJW 1981, 772; mit zustimmenden Anmerkungen von Geppert, JK § 267/4; Schroeder, JuS 1981, 417; Sonnen, JA 1981, 367; s. auch Puppe, JZ 1986, 938,941; Ouo, JuS 1987, 761, 764 sowie Schrnidhäuser, BT 14/14. 11 Vgl. BHG NJW 1954, 1375.

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

in vollem Umfang geistige Leistungen darstellen, die von anderen Personen stammen. Die Ausstellerbestimmungen in den eben angeführten Fallbeispielen mögen zwar im Ergebnis richtig sein, doch verdeutlichen sie die Verschwommenheit des Begriffes "geistiges Herrühren". Die Erläuterung des BayObLG12, § 267 StGB betreffe nicht die Verletzung des Vertrauens auf "Eigengeistigkeit" von Urkunden, sondern das Vertrauen auf deren Echtheit, welches durch die Täuschung über den Aussteller verletzt werden könne, ist zwar richtig, aber wenig hilfreich. In derselben Entscheidung betont das Gericht, daß beim Auseinanderfallen von geistiger Urheberschaft und körperlicher Herstellung mit Hilfe der Geistigkeitstheorie der "wirkliche Hersteller" ermittelt werden müsse l3 . Wenn man aber bedenkt, daß dieser "wirkliche Hersteller" nach dem allgemein akzeptierten und vom BayObLG lediglich mit anderen Formulierungen bedachten Ansatz derjenige sein soll, von dem die urkundliche Erklärung "geistig herrührt", dann besteht doch die Ausstellertäuschung darin, daß über die Person getäuscht wird, von der die Erklärung "geistig herrührt". Bei einem normalen Wortverständnis hinsichtlich des "geistigen Herrührens" wird man niemandem erklären können, warum die Täuschung über den geistigen Aussteller nicht auch zugleich eine Täuschung über die "Eigengeistigkeit" sein kann. Schließlich ist im Rahmen der sprachlichen Kritik noch auf die Fälle der Stellvertretung hinzuweisen, denn immerhin nimmt das "Zeichnen mit fremdem Namen" als Form der verdeckten Stellvertretung den größten Raum bei der Erörterung der Geistigkeitstheorie ein. In jenen Fällen kommt man bei Anwendung der Geistigkeitstheorie zu dem Ergebnis, "geistiger Aussteller" einer Urkunde sei der (verdeckt) Vertretene, mit dessen Namen eine urkundliche Erklärung von einem bevollmächtigten Vertreter gezeichnet wurde. Grund dafür ist, wie oben unter 1. Abschnitt 11 C 4 und 5 gezeigt wurde, das Streben nach Konformität von Zivil- und Strafrecht. Ob eine solche zivilrechtliche Betrachtungsweise aber mit der Kurzformel vom "geistigen Herrühren" exakt beschrieben ist, erscheint sehr zweifelhaft. Nach herkömmlichem Sprachgebrauch ist es im Falle einer rechtsgeschäftlichen Vertretung, gleichgültig, ob diese in dem urkundlichen Schrifstück offengelegt wird oder nicht, möglich, entweder den Vertreter oder auch den Vertretenen als "geistigen Urheber" einer Erklärung anzusehen. Der Prokurist, der ohne interne Beschränkungen seiner Vollmacht nach Gutdünken für seinen Geschäftsherrn schalten und walten kann, wäre erstaunt, wenn man ihm eröffnen würde, seine urkundlich festgehaltenen Vertragsabschlüsse würden nicht "geistig von ihm herrühren", während dasselbe dem weisungsgebundenen Unterbevollmächtigten, der nur eine Vollmacht zum Abschluß eines bereits vollkommen ausgehandelten Vertrages besitzt, sofort einleuchten würde. Es hängt für die 12 NJW 1981, 772, 774. 13

Siehe BayObLG NJW 1981, 772, 773.

I. Sprachliche Mängel des Begriffes "Geistiges Herrühren"

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unbefangene Betrachtung also von der Ausgestaltung des einzelnen Vertretungsverhältnisses ab, wen man als "geistigen Urheber" einer Erklärung bezeichnen würde. Demgegenüber erstaunt es, wenn beim Zeichnen mit fremdem Namen immer der Vertretene als "geistiger Aussteller" angesehen werden soll, also selbst dann, wenn der (mit fremdem Namen) zeichnende Vertreter eine Generalvollmacht hatte l 4, er also ohne "geistige Beteiligung" des Vertretenen die "geistige Ausgestaltung" der Urkunde übernommen hat lS . Demnach kann eine Urkunde auch von demjenigen im Sinne der Geistigkeitstheorie "geistig herrühren", der von der urkundlichen Erklärung nichts weiß und der keinerlei geistige Aktivitäten entfaltet 16 .

B. "Geistiges Herrühren" im Rechtssinne? Dies alles zeigt, daß aus dem bloßen Wortverständnis der Formulierung "geistiges Herrühren" nicht die einzelnen positiven Voraussetzungen für eine solche geistige Beziehung abgeleitet werden können. Vielmehr greifen offenbar andere Kriterien ein, die aber durch diese Formel nicht ersichtlich werden. Es muß also festgestellt werden, daß die Formel vom "geistigen Herrühren" nicht in ihrem Wortsinne verstanden werden darf, denn weder geistige Anregung noch geistige Urheberschaft bezüglich einer Erklärung sollen notwendigerweise eine geistige Beziehung im Sinne der Geistigkeitstheorie begründen. Vielmehr kann ein solchermaßen verstandenes "geistiges Herrühren" auch bei Fehlen einer geistigen Beziehung bestehen. Bezeichnend ist insofern die weitgehende Loslösung vom normalen Sprachgebrauch in der Darstellung von Krey17 zu dem oben bereits angeführten Examensfall 18 • Danach sei zu beachten, daß das geistige Herrühren nach der Geistigkeitstheorie nicht "auf den ersten Blick" bestimmt werden könne, vielmehr sei zu untersuchen, wer im Rechtssinne Aussteller sei. Hier wird zugegeben, daß man unter dem "geistigen Herrühren" im rechtlichen Sinne nicht mehr das verstehen will, was im Wortsinne ("auf den ersten Blick") darunter zu verstehen wäre. Wenn aber ein solcher Abstraktionsgrad erreicht wird, daß praktisch nur eine Worthülse 19 benutzt wird, die in Wahrheit längst einen anderen rechtlichen Inhalt hat, so ist zu fragen, ob im Sinne einer für die Straf14

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sen.

Vgl. für einen solchen Fall RGSt 75, 46, 48. Zur eingehenden Behandlung dieser Fallgruppe sei auf den 3. Abschn. I C verwie-

16 Siehe o. 1. Abschn. II C 2 die vergleichbare Argumentation zu den Begriffen "Erklärer" und "Erklärender". 17 BT 1 Rdn. 709. 18 Siehe BayObLG NJW 1981,772. 19 Vgl. die Kritik bei Puppe, JZ 1986, 938, 941 (s. auch den Ausdruck bei Trändie, LK § 267 Rdn. 24, wonach beim Zeichnen mit fremdem Namen der "geistige Urheber" "Aussteller im Rechtssinne" sei).

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

rechtsdogmatik unbedingt notwendigen Klarheit der Begriffsbildung eine solche Definition nicht dringend aufzugeben ist 20 .

11. Behandlung der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum A. Zivilrechtliche Ausnahme als Grundfall für den strafrechtlichen Echtheitsbegriff Unter 1. Abschnitt 11 C 4 wurde bereits angedeutet, daß die Darstellung der Geistigkeitstheorie sich häufig in der Schilderung der Fallgruppe des "Zeichnens mit fremdem Namen" erschöpft. Durch diese, direkt auf die problematische Fallgruppe zusteuernde Erörterung20a entsteht teilweise der Eindruck, als handele es sich beim Zeichnen mit fremdem Namen geradezu um den Normalfall der zivilrechtlichen, rechtsgeschäftlichen Vertretung21 . Es gerät dabei aber völlig aus dem Blickfeld, daß das Zeichnen mit fremdem Namen in der Regel eine Form der verdeckten Stellvertretung ist 22 , die nicht der normalen zivilrechtlich vorgesehenen Vertretungsform entspricht. Das Vertretungsrecht des BGB ist nämlich zunächst vom sogenannten Offenheitsprinzip (oder auch Offenkundigkeitsprinzip) beherrscht, wonach ein Vertreter zur rechtswirksamen Vertretung deutlich machen muß, daß er im Namen eines Vertretenen handelt23 • Dies wird bei Erstellung einer Urkunde regelmäßig dadurch erfolgen, daß der Vertreter unter Hinweis auf den Vertretenen mit seinem eigenen Namen zeichnet. Nun ist aber im Zivilrecht anerkannt24, 20 Hier drängt sich der Vergleich zur voluntativen Komponente beim Vorsatzbegriff auf: Eine Form des "Wollens" sei auch noch ein bloßes "Billigen", welches wiederum selbst dann vorliegen könne, wenn dem Täter ein Erfolgseintritt unerwünscht sei. In einem solchen Fall sei u. U. der Erfolgseintritt "im Rechtssinne gebilligt" (vgl. BGHSt 7, 363, 369); etwas Ungewolltes wird auf diesem Umweg über "den Rechtssinn" zu etwas Gewolltem gemacht (s. zu dieser Problematik die Ausführungen von Schmidhäuser, FS Oehler, S. 135,137 ff.). 20. Die mangelnde systematische Einordnung dieser Fälle wird insbesondere von Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 25 ff., 34 ff., 57 ff. und Timcke, Identitätstäuschung, S. 128, beklagt. 21 Siehe insbesondere RGSt 75,46,47; OLG Hamm NJW 1973,634,635; Bockelmann, BT 3, § 12 III 1 b; DreherlTrändle, § 267 Rdn. 18; Frank, ZStW Bd. 32,82,90, 95; Lackner, § 267 Anm. 3 a; Paeffgen, JR 1986, 114, 115; Puppe, JR 1981,441; Samsan, JA 1979, 658, 660; ders., SK § 267 Rdn. 53; Schmidhäuser, BT 14/13; Seier, JA 1979, 133, 138; Welzel, § 60 A I 1 a a; Wesseis, BT § 18 III 1 b. 22 Eindeutig differenzierend zwischen offener und verdeckter Stellvertretung bislang nur Puppe, NJW 1973,1870,1871; dies., Jura 1979, 630, 638; dies., Jura 1986,22 sowie Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 139 ff.; Timcke, Identitätstäuschung, S. 127 a f. 23 Vgl. nur PalandtlHeinrichs Einf. vor § 164 Anm. 1 b bb und § 164 Anm. 1 a; Thiele, MK vor § 164 Rdn. 2; zuletzt dazu K. Schmidt, JuS 1987, 425; s. auch Mittenzwei, NJW 1986, 2472, 2473. Ebenfalls auf das Offenheitsprinzip hinweisend: Widmann, Unechte Urkunde, S. 50 f.

11. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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daß bei bestehender Vertretungsmacht der Vertreter auch rechtswirksam mit dem Namen des Vertretenen zeichnen kann 25 , was in der Reg~l zu einer Durchbrechung des Offenkundigkeitsprinzips führt, wenn nämlich einem Vertragspartner nicht die Personenverschiedenheit zwischen Vertreter und Vertretenem auf der Seite des Kontrahenten bekannt ist. Zur Unterscheidung der beiden genannten Vertretungsformen wird im Rahmen dieser Arbeit von "offener" bzw. "verdeckter" Stellvertretung gesprochen werden. Eine offene Vertretung bei der Herstellung einer Urkunde ist demnach dadurch gekennzeichnet, daß der sie ausfertigende Vertreter sowohl auf die Person des Vertretenen schriftlich hinweist, als auch selbst als Vertreter aus dem Schriftstück ersichtlich ist. Bei verdeckter Stellvertretung ist der Vertreter dagegen nicht aus dem urkundlichen Schriftstück zu ersehen. Aufgrund der Zeichnung mit dem Namen des Vertretenen weist die Urkunde nur auf letzteren hin. Die zivilrechtlich zulässige Durchbrechung des dem Vertretungsrecht zugrundeliegenden Offenkundigkeitsprinzips bei der verdeckten Stellvertretung ist nun der Ausgangspunkt für die bereits26 erwähnte, von Lehre und Rechtsprechung angestrebte Konformität zwischen zivil rechtlicher Wirksamkeit und strafrechtlicher Echtheit. Es sind aber Zweifel angebracht, ob dieser Gleichklang von Zivil- und Strafrecht gerade an einem solchen Ausnahmefall orientiert werden kann. Es wird im Rahmen dieser Arbeit noch näher zu untersuchen sein, ob die Abhängigkeit des Echtheitsbegriffes von einer zivilrechtlichen Ausnahmeentscheidung wirklich sinnvoll ist, und ob sich diese Abhängigkeit nicht vielmehr durch das Übergehen des Normalfalles in unlösbare Widersprüche verwickelt.

B. Fehlende Erörterungen zur offenen, nicht vorgetäuschten Stellvertretung Wie soeben festgestellt wurde, ist das Zeichnen mit fremdem Namen eine besondere Form der Stellvertretung, nämlich einer nicht offengelegten, verdeckten Stellvertretung. Damit die Richtigkeit des auf dieser Fallgruppe basierenden Ansatzes der Geistigkeitstheorie überprüft werden kann, bedarf es einer genaueren Darstellung der Auswirkungen dieses Ansatzes auf die nicht verdeckte, also offene Stellvertretung26a • Dies erscheint gerade auch Wie bereits in der Einleitung und 1. Absehn. 11 A 2 erwähnt. Siehe m. w. N. RGZ 74,69; PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d; Thiele, MK § 164 Rdn.33. 26 Siehe o. 1. Abschn. 11 C 4 b. 26. Siehe den entsprechenden Hinweis bei Timcke, Identitätstäuschung, S. 127 a, wonach die "Vergeistigung" des Echtheitsbegriffes beim Zeichnen mit fremdem Namen auch Auswirkungen auf Fälle der offenen Stellvertretung haben müsse. 24 25

56

2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

deswegen geboten, da, wie oben 27 dargestellt wurde, zum Teil der Eindruck entsteht, allein aufgrund der Geistigkeitstheorie sei die Frage nach dem Anscheinsaussteller und dem Urheber einer Urkunde zu überprüfen. Dabei soll im folgenden zuerst die Frage untersucht werden, wer als der Aussteller einer Urkunde anzusehen ist, die in normaler, offener Vertretung gefertigt wurde, wobei die Urkunde dann sowohl die Person des Vertretenen als auch die des Vertreters kenntlich macht. Wie oben dargelegt wurde 27a , ist bei der Ausstellerbestimmung nach dem Anscheinsaussteller und dem Urheber der Urkunde zu fragen. Nur wenn es sich hierbei um ein und dieselbe Person handelt, kann sie auch als Aussteller einer (echten) Urkunde bezeichnet werden. Da hier allerdings zunächst nur auf Fälle der nicht vorgetäuschten Vertretung eingegangen wird, in denen weder über den Vertretenen noch über den Vertreter getäuscht wird, stellt sich das Problem der Personenverschiedenheit von Anscheinsausteller und Urheber an dieser Stelle noch nicht. Daher reicht es zunächst aus, wenn in den Fällen der nicht vorgetäuschten offenen Stellvertretung nur nach dem Aussteller der jeweiligen Urkunde gefragt wird. Mangels Identitätstäuschung liegen hierbei immer echte Urkunden vor, bei denen Anscheinsaussteller und Urheber ein und dieselbe Person sind. Erst in den Fällen der vorgetäuschten Stellvertretung27b kommt es darauf an, die Übereinstimmung des aus der Urkunde als Aussteller Erscheinenden mit dem Urheber der Urkunde zu überprüfen. Eben dies setzt aber voraus, daß zunächst beim Normalfall der nicht vorgetäuschten Stellvertretung die Kriterien für eine Ausstellerbestimmung in Vertretungsfällen gefunden werden. Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß die Frage, wer bei der normalen nicht vorgetäuschten und offengelegten Stellvertretung der Aussteller eines urkundlichen Schriftstücks ist, in der Regel nicht gestellt wird 28 ; offenbar wird diese Frage für unproblematisch gehalten 29 • Die in Schrifttum und Rechtsprechung 27

1. Abschn. II C 3.

Siehe 1. Abschn. I A. Dazu s. u. 2. Abschn. II E. 28 Ausdrücklich hierzu nur Puppe, Jura 1979, 630, 638; unklar Blei, BT § 80 11 b, der nur die u. U. fehlende Urkundseigenschaft bei Unterschrift mit einern Vertretungszusatz erörtert. Ansätze finden sich auch bei Widmann, Unechte Urkunde, S. 105 f., 145 f. FN 4. Siehe zudem Holzhauer, Eigenhändige Unterschrift, S. 285. Die einzige ersichtliche Entscheidung, die eine nicht vorgetäuschte, offene Stellvertretung behandelt (OLG Stuttgart, NJW 1981, 1223: Herstellung einer fingierten Rechnung durch einen vertretungsberechtigten Angestellten), bringt auch keine weitere Klarheit, sondern lehnt sich fälschlicherweise an die Rechtsprechung zum vorgetäuschten Vertretervermerk (dazu s. u. 2. Abschn. II E) an. Erstaunlicherweise wird aber diese Entscheidung von Puppe, JZ 1986, 938, 943 im Zusammenhang mit dem von ihr sog. "Handeln unter fremdem Namen" erörtert, was nach Puppe, Jura 1979, 630, 638 eine Form der verdeckten Stellvertretung sein soll, bei der die Person des Handelnden nicht erkennbar ist! 27.

27b

II. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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erörterten Fälle der Stellvertretung bei der Urkunden erstellung beschränken sich zumeist auf die Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen 30 und die Fälle des Zeichnens mit eigenem Namen unter Vortäuschung eines Vertretungsverhältnisses 31 • Dabei wird letztere Fallgruppe häufig gar nicht im Rahmen der Erörterungen zur Geistigkeitstheorie erwähnt 32 , sondern als Beleg dafür angeführt, daß auch das Zeichnen mit eigenem Namen eine Ausstellertäuschung sein könne 33 . Es fällt hierbei allerdings auf, daß fast alle oben genannten Autoren, die die Vortäuschung eines Vertretungsverhältnisses behandeln, diese Fäle nur unter dem Aspekt der vorgetäuschten Firmen- oder Behördenvertretung erörtern34 • Das liegt offenbar daran, daß die angeführte Rechtsprechung35 sich bislang fast ausschließlich mit diesem Teilbereich zu beschäftigen hatte. Wie aber die (vorgetäuschte) Stellvertretung einer natürlichen Person bei der Urkundenherstellung sich auf die Ausstellereigenschaft auswirkt, wird nicht weiter problematisiert. Diese fehlende Durchdringung der Materie hinsichtlich der unterschiedlichen Vertretungsformen (offen oder verdeckt; Vertretung von natürlichen 29 Differenzierend zwischen offener und verdeckter Stellvertretung nur: Puppe, NJW 1973,1870,1871; dies., Jura 1979, 630, 638; dies., Jura 1986,22; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 139 f.; s. auch Widmann, Unechte Urkunde, S. 105 f., 145 f. FN 4. Blei, JA 1973,814 erwähnt zwar die offene und die (vorgetäuschte) verdeckte Stellvertretung als verschiedene Zeichnungsmöglichkeiten, eine weitere Differenzierung unterbleibt aber. 30 Siehe o. die Nachweise unter 1. Abschn. 11 C 4. 31 Siehe dazu: RGSt 5, 259; RGSt 52,12; RGSt 55,173; RG GA Bd. 48, 136 f.; RG HRR 1939, Nr. 399; RG JW 1933, 436; BGHSt 7, 149, 152; BGHSt 9, 44, 46; BGHSt 17,11,13; OLG Bremen NJW 1950, 880, 881; OLG Köln VRS 57,123 ff.; OLG Kiel SchlHA 1947, 256; Arzt, LH 4 Rdn. 482; Blei, BT § 80 III 1 a; (zur Differenzierung ansetzend aber ders., BT § 80 11 b); Bockelmann, BT 3 § 12 III 1 b; DreherlTröndle, § 267 Rdn. 18,20; Eser, IV Nr. 19 A 39 ff.; Haft, BT § 29 II 2; Krey, BT 1 Rdn. 711; Lackner, § 267 Anm. 3 b; Tröndle, LK § 267 Rdn. 128,131; MaurachlSchroeder, BT 2 § 65 III 2 b a. E.; OUo, BT § 70 I 4 a bb; ders., JuS 1987,761,765 ff.; Preisendanz, StGB, § 267 Anm. 11 3; Puppe, NJW 1973, 1870, 1871; dies., Jura 1979, 630, 638; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 87 ff., 154 ff.; Samson, JuS 1970, 369, 374; ders., JA 1979, 658, 659; ders., SK § 267 Rdn. 47; Schmidhäuser, BT 14/13; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 52; Seier, JA 1979, 133, 138; Sieber, Computerkriminalität, S. 239; Welzel, § 60 A 11 a y; WesseIs, BT 1 § 18 III 1; Widmann, Unechte Urkunde, S. 145 f. FN 4, S.154. 32 So nur Arzt, LH 4 Rdn. 482; Eser, IV Nr. 19 A 39 ff.; MaurachlSchroeder, BT 2 § 65 III 2 b a. E.; OUo, JuS 1987,761,764 ff.; Seier, JA 1979, 133, 138; Sieber, Computerkriminalität, S. 293. 33 So RG HRR 1939, Nr. 399; Blei, BT § 80 III 1 a; DreherlTröndle, § 267 Rdn. 20; wiederum Eser, IV Nr. 19 A 38; Haft, BT § 2911 2; Lackner, § 267 Anm. 3 b; Tröndle, LK § 267 Rdn. 131; OUo, BT § 70 I 4 a bb; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 52; Timcke, Identitätstäuschul1g, S. 56; Welzel, § 60 A I 1 a y. 34 Siehe die Nachweise 2. Abschn. FN 31; außer Eser, IV Nr. 19 A 39 ff.; Puppe, NJW 1973, 1870, 1871; ders., Jura 1979, 630, 638; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 87 ff., 154 ff. Nicht weiter differenzierend: MaurachlSchroeder, BT 2 § 65 III 2 b a. E. 35 Oben 2. Abschn. FN 31.

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

Personen oder Firmen bzw. Behörden) führt häufig zu unklaren Aussagen, die zumeist durch eine undifferenzierte Betrachtung der zivilrechtlichen Stellvertretung im Rahmen der Geistigkeitstheorie geprägt sind. So spricht Otto von einer "Vertretung bei der Unterzeichnung"36, ohne deutlich zu machen, ob es sich dabei um eine verdeckte oder auch die offene Stellvertretung handeln soll. Seine Ausführung, daß Aussteller auch derjenige sei, der sich bei einer Unterzeichnung der Urkunde vertreten ließe, ist insoweit mißverständlich, als man daraus schließen könnte, daß es in Vertretungsfällen möglicherweise sogar zwei Urkundenaussteller geben könnte (nämlich den Unterzeichnenden und den Vertretenen)37. Otto weist dann aber jeweils auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen der von ihm 37a so bezeichneten "Vertretung bei der Unterzeichnung" hin, die auf der Entscheidung des Reichsgerichts vom 9. 12. 194038 beruhen. Hierbei handelt es sich um die üblichen drei Elemente, die von der herrschenden Meinung für ein zur Echtheit führendes Zeichnen mit fremdem Namen, also bei der verdeckten Stellvertretung erörtert werden 38a . Aus der weiteren Behandlung der "Vertretung bei der Unterzeichnung"38b ergibt sich aber, daß Otto eben doch auch Fälle der vorgetäuschten offenen Vertretung von Firmen oder Behörden mit in jene Konstellation einbeziehen wi1l 38c . Ähnliches gilt für die Ausführungen von Tröndle39 , der zunächst davon spricht, daß ein Vollmachtgeber dann Aussteller einer Urkunde sei, wenn der Bevollmächtigte für ihn eine Urkunde errichte. Dies deutet drauf hin, daß sowohl die verdeckte als auch die offene Stellvertretung mit dieser Äußerung gemeint sein können. Der Verweis auf eine nachfolgende Erörterung 40 und die dort aufgeführten Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen zeigen aber, daß Tröndle offenbar nur die verdeckte Stellvertretung erfassen Will41 . LedigBT § 70 11 c bb; JuS 1887,761,764; entspr. auch JK § 267/11. Eine Mehrheit von Ausstellern ist natürlich nicht schlichtweg ausgeschlossen; bei einer gemeinschaftlich ausgestellten Urkunde (z. B. Vertrag) sind auch mehrere Aussteller denkbar (s. Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 II D; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 17). 37. in BT § 70 I 1 c bb und JuS 1987, 761, 764. 38 RGSt 75, 46. 38. Siehe dazu im einzelnen unten 3. Abschn. I C 4 b. 38b bei Ouo, JuS 1987,761,765 ff. 3& In JK § 267/11 weist Ouo zudem nochmals darauf hin, daß er unter dem Terminus "Vertretung" nicht nur die rechtsgeschäftliche Vertretung, sondern auch Formen der bloßen Schreibhilfe verstehen will (dazu s. bereits oben 1. Abschn. FN 87). 39 LK § 267 Rdn. 16. 40 Auf Trändie, LK § 267 Rdn. 19. 41 Verwirrend auch die Darstellung bei Eser, IV Nr. 19 A 20, der vom offengelegten Handeln für einen anderen spricht (was ja ein Fall der offenen Stellvertretung wäre), dabei aber nur auf die Entscheidung OLG Hamm NJW 1973, 634 mit Anm. Puppe, NJW 1973, 1870 verweist. Dabei übersieht Eser, daß es in dem angesprochenen Fall gerade nicht um eine normale offene Stellvertretung geht, sondern ein Fall einer vorgetäuschten verdeckten Stellvertretung vorliegt, wobei die Verdecktheit der Stellvertre36

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11. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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lieh von Arzt42 und Blei43 werden verdeckte und offene Vertretung bei der Urkundenherstellung ausdrücklich gleich behandelt; Aussteller einer Urkunde ist nach den dortigen Ausführungen immer der Vertretene.

C. Anwendung der Geistigkeitstheorie auf die Fälle der offenen (nicht vorgetäuschten) Stellvertretung Das Ergebnis, zu dem Arzt44 und Blei45 kommen, scheint zunächst voll mit der Geistigkeitstheorie vereinbar, ja geradezu von ihr gefordert zu sein. Wenn der Aussteller einer Urkunde derjenige sein soll, der als Rechtsperson geistig hinter der Erklärung steht46 , dann ist es plausibel, ebenso wie bei der verdeckten, auch bei der offenen Stellvertretung den Vertretenen als Anscheinsaussteller und im Falle der Richtigkeit des Anscheins auch als Urheber der urkundlichen Erklärung zu betrachten.

In diese Richtung geht auch die Behandlung der Fälle der nur vorgetäuschten offenen Stellvertretung bei der Urkundenerstellung47 . Zumeist wird auch hier der (scheinbar) Vertretene als der aus der Urkunde zu entnehmende Anscheinsaussteller angesehen 48 , was zur Folge hat, daß aufgrund des nur vorgetäuschten Vertretungsverhältnisses die Urkunde nicht von dem scheinbar Vertretenen in zurechenbarer Weie herrührt, sondern daß der angebliche Vertreter als Urheber anzusehen, die Urkunde also unecht ist 49 • Wenn die überwiegende Ansicht in Schrifttum und Rechtsprechung offenbar dahingeht, tung (angeblicher Vertreter benutzt nicht seinen eigenen, sondern den Namen des Vertretenen) durch einen Vertretungszusatz vorgetäuscht wird (näher dazu unten 4. Abschn. I B). 42 LH 4 Rdn. 482. 43 JA 1973, 814, nicht ganz so deutlich ders., BT § 80 I 1 b. 44 LH 4 Rdn. 482. 45 JA 1973, 814. 46 Siehe unter 1. Abschn. 11 C 1 die zahlreichen Umschreibungen zum "geistigen Herrühren" . 47 Dazu eingehend unten 2. Abschn. Ir E. 48 So RGSt 52, 12, 13; RG HRR 1939, NT. 399; BGHSt 7, 149, 152; BGHSt 9, 44, 46; BGHSt 17,11,13; OLG Bremen NJW 1950, 880,881; Blei, BT § 80 III 1 a; Bockelmann, BT 3 § 12 III 1 b; Eser, IV NT. 19 A 39 ff.; Haft, BT § 29 II 2; Krey, BT 1 Rdn. 711; Lackner, § 267 Anm. 3 b; Trändie, LK § 267 Rdn. 128, 131; Schmidhäuser, BT 14/13; Sieb er, Computerkriminalität, S. 293; Wesseis, BT 1 § 18 III 1; so wohl auch MaurachlSchroeder, BT 2 § 65 III 2 b a. E.; widersprüchlich aufgrund der Wiedergabe entgegengesetzter Entscheidungen: DreherlTrändle, § 267 Rdn. 18, 20; widersprüchlich auch Widmann, Unechte Urkunde, der bei andauernder VertretersteIlung den Vertretenen (S. 145 f. FN 4), bei Einzelbevollmächtigung dagegen den Vertreter (S. 105 f., 145 f. FN 4) als Aussteller ansehen will. 49 Mit Recht weist Rheineck (Fälschungsbegriff, S. 99) darauf hin, daß hier (insbesondere in der Rechtsprechung des BGH und demgemäß auch im zustimmenden Schrifttum) die Grundsätze der Geistigkeitstheorie (zumeist) unausgesprochen angewandt werden.

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

bei nur vorgetäuschter Stellvertretung den angeblich Vertretenen als aus der Urkunde ersichtlichen Anscheinsaussteller anzusehen, so dürfte die Entscheidung für eine echte, nicht vorgetäuschte Vertretung eigentlich nicht anders ausfallen 5o • . Diese Anwendung der Geistigkeitstheorie auf die Ausstellerbestimmung bei der offenen Stellvertretung erscheint aber höchst fragwürdig, da mit einer solchen Betrachtungsweise Konsequenzen verbunden wären, die weder mit dem Rechtsgut des § 267 StGB noch mit den Grundgedanken der Geistigkeitstheorie vereinbar sind. Dies soll im folgenden näher begründet werden, wobei zwischen der offenen Vertretung natürlicher Personen einerseits und der Vertretung von Firmen und Behörden andererseits differenziert werden muß, da die bereits oben51 erwähnte, einseitige Behandlung der vorgetäuschten Vertretung von Firmen und Behörden den Blick auf die Lösung des Normalbeziehungsweise Grundfalles der nicht vorgetäuschten offenen Stellvertretung natürlicher Personen verstellt.

D. Der Urkundenaussteller bei der offenen, nicht vorgetäuschten Stellvertretung 1. Offene Vertretung natürlicher Personen a) Vertreter oder Vertretener als AussteUer?

Bei der Anfertigung von Urkunden im Rahmen des Normalfalles der offengelegten Vertretung einer anderen natürlichen Person sind aus der Urkunde zwei Personen ersichtlich: Der Vertretene, in dessen Namen gehandelt wird und für den gemäß §§ 164 ff. BGB unmittelbar die Rechtsfolgen des Rechtsgeschäfts oder der Erklärung eintreten, sowie der Vertreter, der unter Verwendung seines eigenen Namens und einer KlarsteIlung des Vertretungsverhältnisses die urkundliche Erklärung tatsächlich zeichnet52 • Dabei kann die Vertretungsmacht sowohl auf Rechtsgeschäft53 als auch auf gesetzlicher Anordnung beruhen54 • Bei Anwendung der oben ausgeführten Grundsätze Insoweit konsequent: OLG Stuttgart NJW 1981, 1223. 2. Abschn. II B. 52 Es handelt sich bereits bei dieser Konstellation um das Problem der sog. "Doppelindividualisierung" , das aufgrund der unzureichenden Durchdringung der Problematik immer nur bei den Fällen des vorgetäuschten Vertretungsverhältnisses im Bezug auf Firmen und Behörden erörtert wird (s. nur Samson, JuS 1970,369,374; Sieber, Computerkriminalität, S. 292 sowie auch Ouo, JuS 1987,761, 765). 53 Z. B. Privatvollmacht für ein einzelnes Rechtsgeschäft nach § 167 BGB; Prozeßvollmacht nach §§ 80 ZPO, 137 ff. StPO, 67 III VwGO. 54 Z. B. gesetzliche Vertretung durch Eltern nach § 1629 BGB oder Vormund nach § 1793 BGB. 50

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H. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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der Geistigkeitstheorie auf die Feststellung des Ausstellers der Urkunde müßte nun in jedem Fall der Vertretene als Aussteller angesehen werden. Gerade dies wird aber offenbar nicht getan. Mag es bei der normalen Zeichnung eines Bevollmächtigten noch angehen, den ("geistig dahinterstehenden") Vollmachtgeber als Aussteller anzusehen, so dürfte diese Betrachtungsweise bei der gesetzlichen Vertretung eines Kindes auf Befremden stoßen. Da in einem solchen Fall die zivilrechtlichen Folgen einer offenen Stellvertretung durch die Eltern das ("rechtlich dahinterstehende") Kind treffen, müßte letzteres als Aussteller angesehen werden. Gleiches müßte auch für den Anwaltsklienten gelten, der aufgrund der zivil- und prozeßrechtlichen Zurechnung von Prozeßschriften als Urkundenaussteller zu behandeln wäre. Mit dieser Konsequenz wird der Ansatz der Geistigkeitstheorie nirgends vertreten, vielmehr geht man offenbar von der plausibel erscheinenden, aber nach der Geistigkeitstheorie nicht erklärbaren Lösung aus, daß zumindest in den beiden letztgenannten Fällen die jeweiligen Vertreter (nämlich die Eltern bzw. der Anwalt) als Anscheinsaussteller und Urheber anzusehen sind. Deutlich wird dies an hand der Entscheidung des Reichsgerichts 55 , bei der es um einen Anwalt ging, der Prozeßschriften durch einen Büroangestellten fertigen und mit dem Anwaltsnamen unterzeichnen ließ. Das Reichsgericht ging ganz selbstverständlich davon aus, daß die Prozeßschriften Erklärungen des Anwalts darstellten, er also nach der in dieser Arbeit verwendeten Terminologie der Anscheinsaussteller der Urkunden sei55a • Bei Zugrundelegung der Geistigkeitstheorie hätte man aber auf die hinter den Erklärungen stehenden Personen, für die die Rechtswirkungen der Schriften eintraten, abstellen müssen. An keiner Stelle im Schrifttum, an der die Entscheidung zitiert wird, findet sich ein Hinweis auf diesen Widerspruch zur Geistigkeitstheorie. Vielmehr wird die genannte Entscheidung lediglich im Rahmen des Problems "Zeichnen mit fremdem Namen"56 bei Bestehen eines Eigenhändigkeitserfordernisses57 als ein Beleg für die Anwendung der Geistigkeitstheorie erwähnt58 . Kritik an der genannten Entscheidung wird von Rheineck 59 geübt, allerdings wird auch hier nur eine Inkonsequenz in der Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Eigenhändigkeitserfordernis beim Zeichnen mit fremdem Namen bemängelt. Es muß demzufolge davon ausgegangen werden, daß der offen auftretende Vertreter allgemein als Aussteller der von ihm gefertigten Urkunden angesehen wird, was im überwiegenden Schrifttum aber nicht weiter problematisiert wird 60 . Die Widersprüchlichkeit dieses Ansatzes zum Grundgedanken der 55

55. 56 57

58 59

RGSt 44,69,72. Zur Terminologie siehe oben 1. Abschn. I A. Der Bürovorsteher zeichnete auftragsgemäß mit dem Namen des Anwalts. Siehe dazu unten 3. Abschn. I C 4 b cc. Siehe Trändie, LK § 267 Rdn. 22; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 57. Fälschungsbegriff, S. 31.

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

Geistigkeitstheorie wird in der Regel nicht gesehen 61 • Es wird auch nicht deutlich gemacht, warum bei der verdeckten Stellvertretung (Zeichnen mit fremdem Namen) die zivilrechtliche Zurechnung die Ausstellerbestimmung beeinflussen soll, dies aber nicht auf die Ausstellerbestimmung bei der offenen Stellvertretung anzuwenden ist. Hier zeigt sich bereits, daß die oben angeführte 62 fehlende Differenzierung im überwiegenden Schrifttum und in der Rechtsprechung zur Geistigkeitstheorie zwischen dem zivilrechtlichen Normalfall der offenen Stellvertretung und der Ausnahme der verdeckten Stellvertretung zu Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Ausstellers einer Urkunde führt. b) Ausstellerbestimmung anhand des betroffenen Rechtsgutes

Die soeben getroffenen Feststellungen legen es nahe, bei der offenen Stellvertretung natürlicher Personen den mit seinem eigenen Namen unterzeichnenden Vertreter als den Aussteller der von ihm gefertigten urkundlichen Erklärungen anzusehen. Die Richtigkeit dieser Überlegung wird insbesondere durch den Blick auf das durch § 267 StGB erfaßte Rechtsgut deutlich. Wie bereits festgestellt 63 , besteht die Ratio des § 267 StGB darin, Verletzungen des Vertrauens auf Authentizität urkundlicher Erklärungen zu bestrafen. Der Teilnehmer am Rechtsverkehr soll vor "Phantomerklärungen"64 bewahrt werden, bei denen der aus der Urkunde zu entnehmende Aussteller nicht an der Erklärung festgehalten werden kann, weil die Erklärung nicht von ihm herrührt, oder weil der angegebene Aussteller gar nicht existiert. Im Normalfall der eigenhändigen Anfertigung einer Urkunde (oder auch des Anfertigenlassens mittels einer Schreibkraft oder eines Druckers) wird derjenige, von dem die Erklärung tatsächlich stammt, aus der Urkunde ersichtlich sein und daher auch an seiner Erklärung festgehalten werden können. Diese Möglichkeit, denjenigen, der eine Erklärung tatsächlich (selbst oder mittels eines Erklärungsbotens) abgegeben hat, "dingfest" zu machen, besteht sowohl dann, wenn aus der Urkunde ersichtlich ist, daß ihre Rechtsfolgen die erklärende 60 Außer bei Arzt, LH 4 Rdn. 482 und Blei, JA 1973, 814, die den Vertretenen als Aussteller ansehen wollen. Unklar, da nicht zwischen verdeckter und offener Vertretung unterscheidend: OUo, JuS 1987, 761, 766, wonach bei der Vertretung einer natürlichen Person der "ersichtliche Hersteller" derjenige sein soll, der sich bei der Anfertigung der Urkunde vertreten läßt. 61 Siehe aber Puppe, Jura 1979, 630, 637 f.; dies., JR 1981,441; dies., Jura 1986,22; noch nicht so deutlich dies., NJW 1973, 1870, 1871; sowie bei Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 21; unklar Widmann, Unechte Urkunde, S. 105 f., 145 f. FN 4, der nur bei Einzelbevollmächtigung, nicht dagegen bei andauernder VertretersteIlung, den Vertreter als Aussteller ansehen will. 62 Siehe 2. Abschn. II B. 63 Siehe o. 1. Abschn. III D. 64 Ausdruck nach Puppe, JR 1979, 206, 207; dies., Jura 1979, 630, 633.

11. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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Person treffen, als auch dann, wenn durch Offenlegung eines Vertretungsverhältnisses deutlich wird, daß die Rechtswirkungen der Erklärung für eine andere Person (einen offen Vertretenen) eintreten sollen. In dem letzteren Fall besteht gar keine Notwendigkeit, zum Schutze der Authentizität der Urkunde die Bestimmung des Ausstellers auf die vertretene Person zu verlagern; ausreichend ist, wenn der aus der Urkunde erkennbare Vertreter (der ja bei der offenen Stellvertretung mit seinem eigenen Namen zeichnet) auch wirklich die Erklärung abgegeben hat, er also daran festgehalten werden kann 64a • Demgegenüber entspringt der Ansatz der Geistigkeitstheorie, hinsichtlich der Ausstellereigenschaft auf den Vertretenen abzustellen, allein den Bedürfnissen zur sachgerechten Lösung der Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen. In jenen Fällen ist aus dem urkundlichen Schriftstück nur der verdeckt Vertretene erkennbar, es mangelt also an der Erkennbarkeit des (bei der offenen Stellvertretung erkennbaren) tatsächlichen Urhebers der Erklärung, den man an seiner Erklärung festhalten könnte. Aufgrund der angestrebten Konformität zwischen Zivil- und Strafrecht65 wird nun darauf abgestellt, daß für den aus der Urkunde ersichtlichen Vertretenen ohnehin die Rechtsfolgen der urkundlichen Erklärung eintreten, so daß es sachgerecht erscheint, ihn auch als Urheber der Erklärung anzusehen, obwohl der eigentliche, tatsächliche Urheber eine andere Person ist, die lediglich bei Ausstellung der Urkunde verborgen geblieben ist. Allein die Zurechnung der vom verdeckten Vertreter abgegebenen Erklärung gegenüber dem Vertretenen wird von der Geistigkeitstheorie mit der vagen Formel vom "geistigen Herrühren" beschrieben. Die Bewahrung des Vertrauens auf Authentizität der Urkunde wird dort also folgendermaßen modifiziert: Wenn schon nicht derjenige, der die Erklärung tatsächlich abgegeben hat (wegen seiner Unerkennbarkeit aus der Urkunde) an der Erklärung festgehalten werden kann, so soll dies wenigstens für denjenigen gelten, für den (aus der Urkunde erkennbar) die Rechtswirkungen eintreten. Dies zeigt, daß bei der verdeckten Stellvertretung vielleicht ein Bedürfnis bestehen mag, den Vertretenen, der als Anscheinsaussteller aus der Urkunde erkennbar ist, auch als deren Urheber zu betrachten (um unterschiedliche Wertungen im Zivil- und im Strafrecht zu vermeiden); dieses Bedürfnis besteht aber nicht für die Feststellung des Anscheinsausstellers oder Urhebers einer Urkunde bei der offenen Stellvertretung. Vielmehr würde die Anwendung der Geistigkeitstheorie auf die offene Stellvertretung natürlicher Personen dazu führen, daß Kriterien, die für den Prüfungsschritt "Wer ist der Urhe64. Die von Widmann, Unechte Urkunde, S. 145 f. FN 4 vorgeschlagene Differenzierung zwischen Dauervollmacht und einzelner Geschäftsvollmacht ist daher verfehlt. In beiden Fällen ist der Vertreter als solcher aus der Urkunde ersichtlich. 65 Siehe dazu 1. Abschn. II C 4 b.

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

ber einer Urkunde?" entwickelt wurden, auch bereits auf den Prüfungsschritt "Wer ist der Anscheinsaussteller der Urkunde?" übertragen würden 66 . c) Der Vertreter ohne Vertretungsmacht als Hersteller einer unechten Urkunde?

Die konsequente Befolgung des herkömmlichen Ansatzes der Geistigkeitstheorie bei der Bestimmung des Ausstellers einer Urkunde im Falle der offenen Stellvertretung natürlicher Personen hätte außerdem solche Folgen, die den Grundlagen dieser Theorie selbst widersprechen würden. Sähe man bei der offenen Stellvertretung stets den Vertretenen als Anscheinsaussteller an, so wäre eine urkundliche Erklärung, die vom offen auftretenden Vertreter gefertigt würde, nur dann echt, wenn dieser (als tatsächlicher Urheber) im Rahmen einer wirksamen Vollmacht handeln würde. Ein Mangel der Vollmacht 67 würde dazu führen, daß dem Vertretenen die Erklärung des Vertreters nicht mehr "geistig zugerechnet" werden könnte; eine solchermaßen gefertigte Urkunde wäre also unecht wegen des Auseinanderfallens von Anscheinsaussteller (Vertretener) und Urheber (vollmachtloser Vertreter). Damit müßte jeder offen als Stellvertreter auftretende Vertreter ohne Vertretungsmacht bei Unterzeichnung eines Schriftstückes eine unechte Urkunde herstellen 67a • Dem Anwendungsbereich des § 267 StGB würde damit außer der Verletzung des Vertrauens auf Authentizität von Urkunden auch noch der Angriff auf das Vertrauen hinsichtlich des Bestands einer Vertretungsmacht unterfallen. Außer Arzt 68 vertritt aber, soweit ersichtlich, niemand ausdrücklich diese Konsequenz für den Bereich der offenen Stellvertretung natürlicher Personen69 . Gegen dieses Ergebnis spricht bereits, daß hiermit eine SchlußfolZu den beiden Gedankenschritten s. o. 1. Abschn. I A. Z. B. Nichtigkeit nach § 105 BGB, schwebende Unwirksamkeit nach §§ 106 ff. BGB, Vernichtung durch Anfechtung nach § 142 BGB, oder auch nur Unwirksamkeit wegen Überschreitung einer nach außen beschränkten Vollmacht. 67. Auf diese Konsequenz weist auch Timcke, Identitätstäuschung, S. 127 a hin. 68 LH 4 Rdn. 482 f. 69 Der Gedanke, daß das Rechtsgut von § 267 StGB in Vertretungsfällen auch das Vertrauen auf den Bestand der Vertretungsmacht umfaßt, taucht bei Puppe, NJW 1973, 1870, 1871 auf (Garantie der Wahrheit von Angaben über die rechtliche Beziehung zwischen dem Erklärenden und der Erklärung), wird aber von ihr später verworfen (s. Puppe, Jura 1979, 630, 638). Zweifel an diesem Ansatz tauchen aber auch bei Arzt selber auf (LH 4 Rnd. 483), wobei allerdings nur der oft problematische Umfang der Vertretungsmacht angesprochen wird, der zur zentralen Frage bei der Echtheitsbestimmung in Vertretungsfällen und damit zu einer extensiven Auslegung des § 267 StGB führen würde. Zum gleichen Ergebnis würde wohl auch Schroeder kommen, der ausführt (Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 III 2 b a. E.), Unechtheit einer Urkunde müsse bejaht werden, wenn unzulässig ein Vertretungsverhältnis zum Ausdruck gebracht und mit eigenem Namen unterzeichnet würde. Siehe auch die Ausführungen von Timcke, Identitätstäuschung, S. 56 ff., wonach die Täuschung über die Vertretereigenschaft einen falschen Identitätsschein verursachen soll. 66

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11. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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gerung gezogen wird, die nach dem Lösungsansatz der Geistigkeitstheorie gerade vermieden werden sollte. Die Geistigkeitstheorie beruht nämlich, wie oben7o dargestellt, auf der zivilrechtlichen Anerkennung der verdeckten Stellvertretung, für die eine entsprechende Straflosigkeitsregel gefunden werden sollte. Inhalt der Geistigkeitstheorie soll aber nicht der oben als "umgekehrtes Konformitätsargument" bezeichnete71 Gedanke sein, daß jede zivilrechtliche Unwirksamkeit einer schriftlichen Erklärung sogleich zur strafrechtlichen Urkundenunechtheit führt. Genau dies geschieht aber für den Bereich des Rechts der offenen Vertretung natürlicher Personen, wenn man jeden Vertreter ohne Vertretungsmacht der Herstellung einer unechten Urkunde bezichtigen und bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen (also insbesondere der Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr) als Urkundenfälscher bestrafen könnte. Eine solche Lösung würde völlig außer acht lassen, daß das Zivilrecht auf Erklärungen eines Vertreters ohne Vertretungsmacht wesentlich flexibler reagieren kann als das Strafrecht. Stünde das Herstellen einer unechten Urkunde erst einmal fest, so könnte auch eine nachträgliche Genehmigung der Erklärung durch den zunächst ohne Vertretungsmacht Vertretenen, die zur zivilrechtlichen Wirksamkeit führt (siehe § 177 BGB), nicht die Unechtheit beseitigen. In einem solchen Fall würde sogar zusätzlich die von der Geistigkeitstheorie eigentlich bekämpfte Diskrepanz zwischen zivilrechtlicher Wirksamkeit und strafrechtlicher Unechtheit bestehen. Dies alles zeigt, daß bei der offenen, nicht vorgetäuschten Stellvertretung von natürlichen Personen der Vertreter als Urkundenaussteller anzusehen ist72 . Ein solche Urkunde erweckt also den zutreffenden Eindruck, vom Vertreter als Anscheinsaussteller und wahrem Urheber herzurühren. Die Grundsätze der Geistigkeitstheorie sind auf die Ausstellerbestimmung in diesen Fällen nicht anwendbar73 . 1. Abschn. II C 4 b. 1. Abschn. II C 5. n Ebenso Puppe, NJW 1973, 1870, 1871; dies., Jura 1979, 630, 637 f.; dies., JR 1981, 441; dies., Jura 1986, 22; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 21; beiläufig auch Waldeyer, Zeichnen mit fremdem Namen, S. 17; nur für den Fall der Einzelvollmacht: Widmann, Unechte Urkunde, S. 105, 145 f. FN 4. 73 Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang aber, daß Puppe (NJW 1973, 1870, 1871; dies., Jura 1979, 630, 637 f.) ihrer eigenen Aussage nach der Geistigkeitstheorie zustimmt, dabei aber durch die Ansehung des offen auftretenden Vertreters als Anscheinsaussteller der Urkunde dieser Theorie zum Teil einen anderen Inhalt verleiht (so auch die berechtigte Kritik von Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 60). Überdeckt wird diese Differenz zur "üblichen" Geistigkeitstheorie durch die Formel, daß Aussteller einer Urkunde derjenige sei, als dessen Erklärung die Urkunde im Rechtsverkehr gelte (s. Puppe, Jura 1979, 630, 637; dies., JR 1981, 441). Damit ist aber keine wesentliche terminologische Differenz zu den oben (1. Abschn. II C 1) aufgeführten zahlreichen Formeln zum "geistigen Herrühren" festzustellen; der Neuansatz Puppes hinsichtlich der offenen Stellvertretung natürlicher Personen bleibt somit im Gewirr der überkommenen Ansichten verborgen. 70 71

5 Steirunetz

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

2. Offene Vertretung von Firmen und Behörden

Fraglich ist nun, ob die offengelegte, nicht vorgetäuschte Vertretung einer Firma oder einer Behörde (z. B. durch Beidrückung eines Firmenstempels zum eigenen Namen oder durch Unterschrift auf einem Behördenbogen) hinsichtlich der Bestimmung des Urkundenausstellers ebenso zu beurteilen ist wie die offene Vertretung einer natürlichen Person. Dabei sei kurz darauf hingewiesen, daß unter dem Terminus "Vertretung einer Firma" (zivilrechtlich nicht ganz korrekt) die Konstellation verstanden werden soll, bei der jemand als Vertreter einer Handelsgesellschaft (oHG, KG, AG, GmbH), eines einzelkaufmännischen Betriebes, einer sonstigen juristischen Person des Privatrechts oder einer rechtsfähigen Institution (Genossenschaft, Stiftung, rechtsfähiger Verein) auftritt73 ,. Auch bei der offenen Vertretung von Firmen und Behörden ist über die Frage der sogenannten Doppelindividualisierung74 zu entscheiden: Als Urkundenaussteller kommen zunächst sowohl der Vertreter als auch die vertretene Institution in Betracht. a) AussteUereigenschaft von Firmen und Behörden

Das angesprochene Problem der Doppelindividualisierung läßt sich natürlich nur dann sinnvoll erörtern, wenn Behörden und Firmen überhaupt Urkundenaussteller sein können. Wenn dies ausgeschlossen wäre, so käme nur noch der Vertreter als Aussteller in Betracht. In Schrifttum und Rechtsprechung wird aber die mögliche Ausstellereigenschaft von Firmen und Behörden fast einmütig bejaht75 • Soweit ersichtlich, lehnt lediglich Samson 76 die mögliche Ausstellereigenschaft von Firmen oder Behörden ausdrücklich ab 77 • Dabei stützt er sich auf die Prämisse, daß im"mer nur natürliche Personen 73. Zur Bestimmung juristischer Personen und zu angenäherten Rechtsinstituten s. nur m. w. N. BaumbachlDudenlHopt HGB Ein!. vor § 105 Anm. 2 f.; PalandtlHeinrichs Einf. vor § 21 Anm. 3. 74 Dazu s. o. 2. Abschn. II DIa. 75 Ausdrückliche Hinweise bei: BGHSt 7,149,152; BGHSt 9,44,46; BGHSt 17,11, 13; sowie: Krey, BT 1 Rdn. 711; Puppe, Technische Aufzeichnungen, S. 176; Seier, JA 1979, 133, 139; Sieber, Computerkriminalität, S. 292 f.; Wesseis, BT 1 § 18 III 1: Widmann, Unechte Urkunde, S. 6, 145 f. FN 4. In anderen Entscheidungen und Erörterungen im Schrifttum wird stillschweigend von der möglichen Ausstellereigenschaft von Firmen und Behörden ausgegangen: RGSt 52, 12, 13; RG HRR 1939, Nr. 399; BGHSt 33, 159, 161; BGH Str.Vert. 1986, 156; OLG Bremen NJW 1950, 880, 881; OLG Stuttgart NJW 1981, 1223; Arzt, LH 4 Rdn. 482; Blei, BT § 80 III 1 a; DreherlTröndle, § 267 Rdn. 20; Haft BT § 29 II 2; Lackner § 267 Anm. 3 b; Tröndle LK § 267 Rdn. 131; OUo, BT § 70 I 4 a bb; Paeffgen, JR 1986, 114; Preisendanz, StGB § 267 Anm. II 3; Puppe, Jura 1979, 630, 638; Schmidhäuser, BT 14113; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 52. 76 JuS 1970,369,374 und JA 1979,658,659. 77 Interessanterweise wird dieser Gedanke von Samson später (SK Rdn. 47 (sowohl 12. Lfg. 82 als auch 21. Lfg. 87)) nicht mehr mit der gleichen Klarheit zum Ausdruck

H. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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Erklärungen abgeben, die dann unter Umständen juristischen Personen zuzurechnen sind 78 . Dabei ist bereits festzuhaiten, daß sich Samson in seiner Argumentation selbst widerspricht, wenn er zunächst Behörden und Firmen die mögliche Ausstellereigenschaft abspricht19 , wenig später aber bei der Erörterung der Körperlichkeitstheorie ein gegenteiliges Beispiel anbringt 8o : auf einer Eintrittskarte sei in der Regel nur die ausgebende Firma ausgewiesen, nicht aber der herstellende Drucker. Nach der Körperlichkeitstheorie wäre wegen fehlender Erkennbarkeit des Ausstellers diese Karte dem Schutz des § 267 StGB entzogen. Diese als unerträglich empfundene Strafbarkeitslücke würde durch die Geistigkeitstheorie geschlossen. Was kann das anderes bedeuten, als daß nun die Firma als Aussteller angesehen wird? Selbst in dem Fall, in dem ein urkundliches Schriftstück nur die Bezeichnung der Behörde oder den Firmennamen aufweist, will Samson nicht die Institution, sondern den zuständigen, vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten als Aussteller ansehen, auf den die Unterzeichnung mit dem Namen der Behörde oder dem Firmennamen hinweise 8!. Abgesehen davon, daß ein solcher Hinweis auf eine vertretungsberechtigte Person für einen Außenstehenden nicht unbedingt erkennbar ist (und um den aus der Urkunde zu entnehmenden Anscheinsaussteller geht es ja zunächst bei der Überprüfung der Urkundenechtheit), so führt diese Betrachtungsweise außerdem zu gebracht. Unklar bleibt dies auch in den Ausführungen von Ouo, JuS 1987,761,765 ff. Einerseits wird von OUo bei der Behandlung von offener und verdeckter Stellvertretung von Firmen oder Behörden kritisiert, daß der gesetzliche Schutz des § 267 StGB nicht das Vertrauen darauf bewahre, daß ein aus einer Urkunde ersichtlicher Berechtigter oder Verpflichteter auch wirklich rechtswirksam gebunden sei (so auch Ouo, JK StGB § 267/8 mit z. T. wortgleichen Formulierungen). Dann müßte Ouo konsequenterweise die Ausstellereigenschaft von Firmen oder Behörden verneinen, da er dies unter der Frage erörtert, ob denn Firmen oder Behörden in Vertretungsfällen Anscheinsaussteller seien. Zugleich will Ouo aber bezüglich des Falles OLG Stuttgart NJW 1981, 1223 eine unwahre Erklärung eines Firmenvertreters dann als unechte Urkunde einstufen, wenn der Ermächtigte seine Befugnis überschritten habe und die Erklärung nicht mehr der vertretenen Firma zuzurechnen sei. Eben dies setzt aber voraus, daß die Firma als Anscheinsausstellerin und der Vertreter als Urheber der Urkunde angesehen werden! 78 So Samsan, JuS 1970, 369, 374. 79 JA 1979, 658, 659 f. unter D H 3 b bb. 80 JA 1979, 658, 660 unter D H 4. 81 Samsan, JuS 1970, 369, 374 FN 72; dabei kann er sich auf die ältere Rechtsprechung berufen, die, allerdings ohne Problematisierung der Ausstellereigenschaft von Firmen oder Behörden, angenommen hat, die Unterzeichnung nur mit dem Firmennamen weise auf eine Unterschrift durch eine vertretungsberechtigte Person hin (s. RGSt 33, 397 f.) bzw. urkundliche Äußerungen von Behörden oder Korporationen würden einen Aussteller erkennen lassen, wenn aus ihnen ersichtlich sei, daß sie von einem zuständigen Beamten ausgestellt seien (RGSt 61, 161). Da es sich aber um ein Problem des Zeichnens mit einem anderen als dem eigenen Namen handelt, soll hierauf erst an geeigneter Stelle (s. unten 3. Abschn. I C 5) eingegangen werden. 5*

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

Unklarheiten, sobald mehrere Personen zur Vertretung der Behörde oder der Firma in einer entsprechenden Angelegenheit ermächtigt sind 82 • Hier müßte in beiden Fällen mangels Erkennbarkeit des zuständigen Vertreters bereits die Urkundeneigenschaft verneint werden. Doch abgesehen von diesen Unstimmigkeiten wurde schon oben der Ansatz Samsons widerlegt83 • Dort wurde festgestellt, daß im heutigen automatisierten Schriftverkehr durchaus Erklärungen vorkommen, die nicht unmittelbar auf eine natürliche Person zurückzuführen sind oder auch nur auf eine zuständige Person hinweisen, sondern die rein maschinell ohne jegliche menschliche Kenntnisnahme erstellt werden 84 • Sofern man diese Erklärungen als Urkunden im Sinne von § 267 StGB ansieht, können als Aussteller nur die Einzelpersonen, juristischen Personen oder Behörden in Betracht kommen, die solche Erklärungen in den Rechtsverkehr gelangen lassen. Die Ansicht Samsons, daß Behörden oder Firmen grundsätzlich keine Urkunden aussteller sein können, und daß es sich bei Zuerkennung dieser Eigenschaft nur um einen "Kunstgriff" der herrschenden Meinung handele 84a , ist damit abzulehnen 85 • b) Zurücktreten der unterzeichnenden Person gegenüber dem Firmennamen oder der Behördenbezeichnung?

Wenn nun ein von einer Behörde oder einem Betrieb stammendes Schriftstück von einer dort tätigen Person mit entsprechender Vollmacht unterzeichnet wird, kommt die neue re Rechtsprechung und überwiegende Meinung in der Literatur zu dem Ergebnis, daß der sich aus der Urkunde ergebende Aussteller in solchen Fällen die dahinterstehende Organisation sei. Überwiegend wird das damit begründet, daß der individuelle Name des Unterzeichners hinter den für den Rechtsverkehr wichtigeren Namen der Firma oder die Bezeichnung der Behörde zurücktrete 86 • Dieses Ergebnis steht auf den ersten So die berechtigte Kritik von Seier, JA 1979, 133, 139. 1. Abschn. II A 1 c. 84 Siehe auch den Hinweis bei Puppe, JR 1981, 441. 84a So Samson, Jura 1979, 658, 659. 85 Nicht zutreffend im Bezug auf maschinelle Erklärungen daher auch die Erwägung von Dito, JK StGB § 267/8 sowie JuS 1987,761,766, wenn man § 267 StGB als Delikt gegen die Echtheit von Urkunden verstehe, könnten Behörden, Handelsgesellschaften und juristischer Personen niemals Urheber von Urkunden sein, da ihnen der körperliche Akt der Urkundenherstellung nicht möglich sei. Zur grundSätzlichen Richtigkeit dieses Denkansatzes s. aber unten 3. Abschn. I C 5 a. 86 So ausdrücklich BGHSt 7,149,152; BGHSt 9, 44, 46; BGHSt 17,11,13; OLG Stuttgart NJW 1981, 1223; weiterhin: Puppe, Jura 1979, 630, 638; Seier, JA 1979, 133, 139; Sieber, Computerkriminalität, S. 292; Widmann, Unechte Urkunde, S. 145 f. FN 4; wohl auch Schmidhäuser, BT 14/13, der betont, daß es auf den individuellen Namen des Unterzeichners bei der (an jener Stelle erörterten, vorgetäuschten) Vertretung überhaupt nicht ankomme, da die vertretene Intitution als "Erklärer" erscheine. In diesem Sinne ebenfalls, allerdings noch nicht so deutlich, RG HRR 1939, Nr. 399. Völlig unklar Timcke, Identitätstäuschung, S. 60 ff., der einmal den Vertreter und ein 82

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11. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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Blick im Einklang mit der Geistigkeitstheorie, da als Aussteller die "geistig" hinter dem Vertreter stehende Institution angesehen wird 87 • In der älteren Rechtsprechung dagegen, der im Ergebnis einige neue re Literaturstimmen beipflichten, wurde dies nicht problematisiert, es wurde vielmehr ohne weiteres der Unterzeichner als Urkundenaussteller angesehen 88 • Bei näherem Hinsehen erweist sich aber die Begründung, der Name des Unterzeichners sei gegenüber dem Namen der Institution weniger bedeutsam als bloße Behauptung89 . Eine verschiedenartige Bestimmung des Urkundenausstellers bei der offengelegten Stellvertretung natürlicher Personen einerseits und der offenen Vertretung von Behörden und Firmen andererseits ist allein dadurch nicht gerechtfertigt. Zunächst sei darauf hingewiesen, daß auch der Bundesgerichtshof die oben angeführte Betrachtungsweise 90 nicht immer konsequent befolgt hat. So ist in der Entscheidung vom 22. 12. 195991 zunächst der Alleinvorstand einer Aktiengesellschaft als Aussteller von Inventurlisten angesehen worden, da er für deren Aufstellung rechtlich verantwortlich war, obwohl sich noch nicht einmal irgendeine Namensunterschrift oder sonstige Ausstellerangabe auf den Listen befand. Geht man von den genannten Grundsätzen aus, so hätte der anderes Mal die vertretene Institution als Aussteller ansehen will; schließlich aber ähnlich wie die vorstehend Zitierten argumentiert (S. 72 f.). 87 Wie unter 2. Abschn. 11 C erwähnt wurde, wird diese Übereinstimmung mit der Geistigkeitstheorie häufig nicht deutlich erkennbar gemacht; vgl. Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 99. 88 Siehe RG GA Bd. 48 (1901),136 f.; RG JW 1933, 436; OLG Kiel SchlHA 1947, 256 (unter 2. Abschn. 11 D 2 c Näheres zu dem irreführenden Leitsatz); von der Ausstellereigenschaft des Unterzeichners ausgehend auch: RGSt 55,173,174, wo allerdings die noch zu erörternde Erwägung (s. unten 2. Abschn. 11 E 2 FN 133) angestellt wurde, daß bei Unterzeichnung mit fälschlicher Beidrückung eines Prokurastempels der Anscheinsaussteller eine (nicht existierende) mit dem Urheber namensgleiche Person mit entsprechender Vollmacht sei. Der älteren Rechtsprechung im Ergebnis folgend: Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 154 ff.; Samson, JuS 1970, 369, 374; ders., JA 1979, 658, 659; ders., SK § 267 Rdn. 47; wohl auch Wetzel, § 60 A I 1 a y. Den Vertreter als Aussteller ansehend offenbar auch Benfer, BT 11 Rdn. 272, 250, ohne allerdings zwischen offener und verdeckter Vertretung zu unterscheiden. Zu beachten ist auch die Entscheidung RG HRR 1937 Nr. 420, wonach ein mit Firmenbezeichnung und unleserlicher Unterschrift versehenes Schriftstück auf einen Angestellten der Firma, der in dieser Weise zu zeichnen pflegt, als Aussteller hinweisen soll. Allerdings wird aus dem umfassenderen Entscheidungsabdruck in DJ 1936, 1892 deutlich, daß diese Betrachtungsweise in dem entschiedenen Fall offenbar auf Strafwürdigkeitserwägungen beruhte, die damit zusammenhingen, daß der Unterzeichner durch die unleserliche Unterschrift seinen jüdischen Namen verbarg. Dies macht die insoweit äußerst fragwürdige Entscheidung für die weitere Erörterung unbrauchbar (ähnlich die Kritik bei Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 89 FN 6). 89 So auch Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 103. 90 Zurücktreten des Unterzeichnernamens; s. BGHSt 7, 149, 152; BGHSt 9, 44, 46; BGHSt 17, 11, 13. 91 BGHSt 13, 382 ff.

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

BGH eigentlich die vom Vorstand vertretene Aktiengesellschaft als Urkundenausstellerin ansehen müssen. Erstaunlicherweise wird dies in derselben Entscheidung ebenfalls getan 92 , indem die Erwägung der Vorinstanz bestätigt wird, die Aktiengesellschaft sei Ausstellerin der Inventurlisten gewesen. Daß damit eigentlich zwei verschiedene Aussteller derselben Urkunde existierten, nämlich die Gesellschaft und die Person des Alleinvorstandes, nimmt der BGH im weiteren Verlauf der Entscheidung nicht zur Kenntnis und behandelt nur den Vorstand als den Urkundenaussteller. aa) Eigenständige Bedeutung des Namens des Unterzeichners Die bereits dargestellte Betrachtungsweise, daß nämlich der Name des Unterzeichners hinter den Namen der vertretenen Institution zurücktritt, muß nicht unbedingt dem Interesse des Adressaten und dem Verständnis solcher Erklärungen im Rechtsverkehr entgegenkommen93 , sondern in bestimmten Fällen kann der Rechtsverkehr gerade auch ein Interesse an einer gegenteiligen Betrachtungsweise haben. So ist es nicht schlichtweg ausgeschlossen, daß bei einer urkundlichen Erklärung der Rechtsverkehr, oder auch einzelne Adressaten, nur ein Interesse daran haben, welche Einzelperson eine solche Erklärung abgegeben hat, wobei es unter Umständen völlig bedeutungslos sein kann, ob diese Person dabei offen als Vertreter einer Behörde oder Firma aufgetreten ist. Ein solches Interesse hängt zum Beispiel von der Stellung ab, die der unterzeichnenden Einzelperson in der Hierarchie der Institution zukommt, für welche die urkundliche Erklärung abgegeben wird. So kann sicherlich der üblichen Betrachtungsweise häufig zugestimmt werden, wenn ein beliebiger Sachbearbeiter eines Großkonzerns eine rechtserhebliche urkundliche Erklärung für die Gesellschaft unterzeichnet. In der Regel ist es für den Rechtsverkehr nur bedeutsam, daß diese Erklärung dem Unternehmen zuzurechnen ist, der unterzeichnende Sachbearbeiter bleibt zumeist unbeachtet. Diese Beurteilung kann aber anders ausfallen, wenn die unterzeichnende Person innerhalb der von ihr vertretenen Organisation eine hervorgehobene Stellung innehat. Hier kann oft - bei entsprechender Bedeutung der Erklärung - der Rechtsverkehr mehr an der unterzeichnenden Einzelperson als an der vertretenen Institution interessiert sein (z. B. Erklärungen von Vorstandsmitgliedern bedeutender Gesellschaften, Erklärungen von u. U. auch politisch verantwortlichen Behördenleitern ). Nun mag man einwenden, daß Erklärungen der letztgenannten Art wohl nicht den Normalfall darstellen; der Regelfall sei vielmehr die von einer unter92

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BGHSt 13, 382, 385. So aber Puppe, Jura 1979, 630, 638.

11. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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geordneten, weisungsgebundenen Person unterzeichnete Erklärung für eine Firma oder Behörde. Dies wird auch nicht bestritten; es zeigt sich aber dennoch, daß die Behauptung: "Der Name des Unterzeichners tritt hinter den Namen der vertretenen Institution zurück" nicht allgemein gilt. Wichtig wird die Individualität des (auch untergeordneten, sonst bedeutungslosen) Unterzeichners immer in Zweifelsfragen oder bei Streitigkeiten, die sich gerade im Zusammenhang mit der von dieser Person unterzeichneten Erklärung ergeben. So wird sich jeder normale Teilnehmer am Rechtsverkehr, der eine urkundliche Erklärung erhält, die ein offen auftretender Vertreter einer Firma oder Behörde unterzeichnet hat, in Zweifelsfällen gerade an den Unterzeichner wenden, um die aufgetretenen Fragen zu klären. Bedeutsam wird der Name des Unterzeichners auch dann, wenn sich aus der Urkunde nicht nur bestimmte Rechtsfolgen für die vertretene Institution ergeben, sondern auch strafrechtliche Folgen, zivilrechtliche Haftungsfragen oder disziplinarrechtliche Auswirkungen für den Unterzeichner in Betracht gezogen werden müssen. So kommt es auf den Namen des Unterzeichners entscheidend an (und nicht mehr auf den Namen der vertretenen Institution), wenn die Urkunde etwa eine Beleidigung oder eine betrügerische Vorspiegelung enthält. Gleiches gilt für Haftungsfragen, sei es, daß der Unterzeichner zum Beispiel als Vertreter ohne Vertretungsmacht (§§ 177 I, 179 BGB) oder als ein seine Amtspflichten verletzender Beamter (nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG) in Anspruch genommen werden soll. Ebenso wird ein Bürger gerade den Namen eines unterzeichnenden Beamten am bedeutsamsten finden, wenn er sich bei einem Dienstvorgesetzten beschweren will. In allen diesen Fällen läßt sich nicht sagen, der Rechtsverkehr habe bei der offenen Vertretung von Firmen oder Behörden kein Interesse am Unterzeichner einer urkundlichen Erklärung, sein Name trete daher hinter den Namen der Institution zurück. Die Tatsache, daß unter Umständen auch die Person des unterzeichnenden Vertreters einer Behörde oder Firma für den Empfänger einer urkundlichen Erklärung von Bedeutung sein kann, zeigt deutlich die Formvorschrift des § 37 III VwVfG für den Erlaß von Verwaltungsakten. Hier wird vorgeschrieben, daß94 bei einem schriftlichen Verwaltungsakt sowohl die den Verwaltungsakt erlassende Behörde als auch der handelnde Beamte, letzterer in der Regel durch Namensunterschrift, erkennbar sein müssen. Wenn der Name des handelnden Beamten tatsächlich für den Rechtsverkehr so unbedeutend wäre, so hätte diese Vorschrift hinsichtlich des zweiten Formerfordernisses keinen Sinn. Sie soll aber sowohl eine Beweis- als auch eine Garantiefunktion erfüllen, die darin besteht, daß keine Entwürfe eines Verwaltungsaktes in Umlauf 94 ganz ähnlich wie beim zivilrechtlichen Offenkundigkeitsprinzip, vgl. oben 2. Abschn. II A.

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

geraten und die Gewißheit besteht, daß nur zeichnungsberechtigte Personen Verwaltungs akte im Namen der Behörde erlassen95 • Diese Vorschrift soll dafür sorgen, daß bei entsprechendem Bedürfnis der unterzeichnende Beamte an seiner urkundlich verkörperten Entscheidung festgehalten und für sie verantwortlich gemacht werden kann. Von einem grundsätzlichen Zurücktreten des Namens des Unterzeichners gegenüber der Behördenbezeichnung kann also nicht gesprochen werden.

bb) Undurchschaubarkeit der Befugnisse bei Behörden oder Firmen? Die Behauptung, der Name des offen auftretenden Vertreters einer Behörde oder Firma würde hinter den Firmennamen oder die Behördenbezeichnung zurücktreten, wird auch damit begründet, daß bei großen Organisationen aufgrund ihrer Undurchschaubarkeit für den Außenstehenden die Wirksamkeit einer Bevollmächtigung kaum nachzuprüfen sei. Da dies bei der offenen Stellvertretung natürlicher Personen einfacher sei, sei es gerechtfertigt, in einem Falle die vertretene Institution, im anderen Falle den Vertreter als Urkunden aussteller anzusehen 96 . Hierin liegt aber auch wieder nur eine Behauptung, die die Ungleichbehandlung der beiden Fallgruppen nicht begründen kann. Die Nachforschungen hinsichtlich der wirksamen Vollmachtskette einer offen als unterbevollmächtigt auftretenden Person kann durchaus mehr Schwierigkeiten bereiten, als die Nachprüfung der Zeichnungsbefugnis eines GmbH-Geschäftsführers. Die Ableitung des Grundsatzes, daß der Name des Vertreters gegenüber dem Namen der Firma oder der Behörde unbedeutend sei, läßt sich also auch nicht auf eine angebliche "Undurchschaubarkeit" von Behörden oder Firmen stützen. Zudem muß auch hier beachtet werden, daß die Bestimmung des Urkundenausstellers die Feststellung der Echtheit beziehungsweise Unechtheit einer Urkunde im Rahmen des § 267 StGB ermöglichen soll, indem die Übereinstimmung von Anscheinsaussteller und Urheber geprüft wird. Wie aber bereits festgestellt wurde97 , umfaßt das Rechtsgut von § 267 StGB das Vertrauen der Teilnehmer am Rechtsverkehr auf Authentizität von Urkunden, nicht aber das Vertrauen auf das Bestehen einer Vertretungsmacht. Wenn aber die Leichtigkeit beziehungsweise Schwere der Nachprüfung einer Vollmacht zum Kriterium für die Bestimmung des Urkundenausstellers gemacht 95 Vgl. Kopp, VwVfG, § 37 Rdn. 29; Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 37 Rdn.27. 96 So Puppe, Jura 1979, 630, 638; s. auch RG HRR 1939, Nr. 399 für die Vollmachtsüberprüfung bei Vertretung einer Behörde. 97 Siehe o. 2. Abschn. II D 1 b.

H. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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wird, fließt eine unzulässige Erwägung in die Ausstellerbestimmung mit ein. Bei erschwerter Nachprüfbarkeit einer Vollmacht (bei "undurchschaubaren" Organisationen) müßte demnach auf den Bestand der Vollmacht vertraut werden dürfen; der Vollmachtgeber wäre daher als Anscheinsaussteller der Urkunde anzusehen98 . Wird nun bei der Prüfung der Echtheit (der Authentizität) einer Urkunde neben der Feststellung des sich aus dem äußeren Anschein ergebenden Ausstellers zusätzlich nach dem Urheber gefragt, so bleibt als Prüfungsfrage nur übrig, ob auch wirklich eine Bevollmächtigung der ausführenden Person bestand. Man fragt also danach, ob auf die Bevollmächtigung, auf die (wegen der "Undurchschaubarkeit") vertraut werden mußte, auch wirklich vertraut werden durfte. Dies entspricht aber, wie bereits gezeigt, eben nicht der im § 267 StGB unter Strafe gestellten Verletzung des Rechtsgutes "Vertrauen auf die Authentizität von Urkunden"99, sondern wäre nur ein Angriff gegen das Vertrauen auf Bestand einer Vollmacht. Damit ist gezeigt, daß auch das Argument der Undurchschaubarkeit der Befugnisse bei größeren Organisationen, die ja im Einzelfall gegeben sein mag, nicht geeignet ist, die Behauptung zu stützen, Behörden oder Firmen seien bei offener Vertretung als Urkunden aussteller anzusehen, da der Name des Vertreters in den Hintergrund trete. c) Bestimmung des AussteUers als "Tatfrage"?

Die bisherigen Erörterungen haben gezeigt, daß es nicht notwendig ist, den Namen des Unterzeichners einer stellvertretend für eine Firma oder Behörde gefertigten Urkunde immer in den Hintergrund treten zu lassen. Dies könnte nun zu der Annahme verleiten, es müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, wessen Name (der des Vertreters oder der der vertretenen Institution) in der urkundlichen Erklärung der wichtigere sei; die Ausstellerprüfung ließe sich dann nicht schematisch lösen, sondern wäre vom jeweiligen Sachverhalt abhängig. Die Feststellung des Urkundenausstellers bei der Vertretung von Firmen und Behörden würde dann als "Tatfrage" behandelt werden 1OO • Soweit So in der Tat die Erwägung von Puppe, Jura 1979, 630, 638. Siehe insbesondere 2. Abschn. II D 1 b, c. 100 So Trändie, LK § 267 Rdn. 128; auch Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 52, der sich allerdings offenbar zugleich der h. M. anschließt, indem er den Namen des Unterzeichners zurücktreten lassen will, wenn dessen Unterschrift durch den Vertretungsvermerk auf die Firma oder Behörde als Ausstellerin hindeutet. Ähnlich Otto, BT § 70 I 4 a bb, der aber auf das zweifelhafte subjektive Kriterium abstellt, ob mit dem Schriftstück der Eindruck erweckt werden solle, die Stelle selbst habe die Erklärung abgegeben. Siehe auch Timcke, Identitätstäuschung, S. 66 f. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß die genannten Autoren allesamt nur die Bestimmung des Anscheinsausstellers im Fall der Zeichnung mit eigenem Namen unter Vortäuschung einer Behördenvertretung behandeln. Die Ausstellerbestimmung im Normalfall der nicht vorgetäuschten offenen Ver98 99

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

dies vertreten wird, beruft man sich im Schrifttum auf Entscheidungen des OLG Kiepol und des HansOLG Bremen lO2 . 103, wobei übersehen wird, daß die erstgenannte Entscheidung nichts zu dieser Frage hergibt. Entgegen dem irreführenden Leitsatz und der kurzen Sachverhaltszusammenfassung ist das OLG Kiepo4 nämlich in den Urteilsgründen ohne weitere Problematisierung davon ausgegangen, daß der mit eigenem Namen unterzeichnende Täter, der befugnisüberschreitend Behördenbriefköpfe und Stempel verwendete, als Anscheinsaussteller und wahrer Urheber der von ihm gefertigten Urkunden anzusehen war. Die "Tatfrage" wurde lediglich hinsichtlich der subjektiven Tatseite, also bezüglich der möglichen Bestrafung wegen eines Versuchs, gestellt, ob nämlich der Täter die Vorstellung hatte, über seine Identität (und damit über seine Ausstellereigenschaft) zu täuschen, oder ob er glaubte, die (anscheinend) vertretene Behörde sei Ausstellerin der Urkunden, er täusche lediglich eine nicht bestehende Vertretungs befugnis vor. Die Bestimmung des Urkundenausstellers soll nun bei dieser Einzelfallprüfung offenbar folgendermaßen erfolgenlOs: Aus der Sicht des Urkundenadressaten wird bestimmt, wer für ihn als Urkundenaussteller aus der Urkunde ersichtlich ist, ob also der Name des Unterzeichners oder der Name der vertretenen Institution im Vordergrund steht lO6 • Diese Betrachtungsweise ist aber für eine Bestimmung des Urkundenausstellers völlig ungeeignet, da sie für die auf dem AussteIlerbegriff beruhende Echtheitsprüfung viel zu unsicher ist. Urkundliche Erklärungen sind häufig nicht nur für einen Adressaten bestimmt, sondern können an eine Vielzahl von Personen gerichtet sein, die unter Umständen eine ganz verschiedene Vorstellung bezüglich des aus der Urkunde ersichtlichen Ausstellers haben, da sie unterschiedliche Interessen mit dem Inhalt der Urkunde verbinden. So ist es denkbar, daß ein Bürger, der sich eine behördliche Bescheinigung ausstellen läßt, aufgrund längeren Kontaktes zu der Behörde weiß, daß die urkundliche Erklärung von einem ganz bestimmten, ihm persönlich bekanntretung von Firmen oder Behörden wird, wie oben (2. Abschn. 11 B) gezeigt, nicht weiter problematisiert. 101 SchlHA 1947, 256. 102 NJW 1950, 880, 881. 103 Die Entscheidungen zustimmend zitierend auch Ohr, JuS 1967,255,256. 104 SchlHA 1947, 256. 105 Siehe die Ausführungen des OLG Kiel, SchlHA 1947, 256 zur subjektiven Tatseite, und OLG Bremen NJW 1950, 880, 881, wo allerdings nicht zwischen der Vertretung natürlicher Personen und der Vertretung von Firmen und Behörden differenziert wird; zu entscheiden war zudem ein Fall der vorgetäuschten Stellvertretung einer juristischen Person. 106 Bei dieser Betrachtungsweise wird die Ausstellerbestimmung zu einer Auslegungsfrage; vgl. Puppe, Jura 1979, 630, 638, die dies auch für die h. M. behauptet, obwohl dort doch gerade schematisch die vertretene Institution als Ausstellerin angesehen wird!

11. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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ten Sachbearbeiter unterschrieben ist. Unter Umständen kommt es dem Bürger sogar darauf an, daß gerade dieser Beamte die Bescheinigung unterzeichnet, weil es sich z. B. um eine Änderung einer früheren Bescheinigung handelt. Aus der Sicht dieses Adressaten steht sicherlich der Name des unterzeichnenden Beamten als entscheidender Ausstellerhinweis im Vordergrund. So ist es durchaus möglich, daß sich der Bürger in einem Streit um den Umfang der Bescheinigung darauf beruft, der unterzeichnende Beamte habe doch der Erklärung einen ganz bestimmten Inhalt geben wollen. Wird aber eine solche behördliche Erklärung einem Dritten zum Nachweis eines bestimmten Rechtsverhältnisses vorgelegt, so wird der Dritte in der Urkunde eher die Bescheinigung einer bestimmten Behörde sehen; diese Stelle wird aus seiner Sicht als Urkundenausstellerin anzusehen sein. Es drängt sich hier die Frage auf, aus wessen Sicht denn nun die Bestimmung des aus der Urkunde erkennbaren Ausstellers vorzunehmen ist. In solchen Fällen würde also auch die Behandlung der Ausstellerbestimmung als "Tatfrage" keinen hinreichenden Lösungsansatz bieten 106a • Es ist auch nicht möglich, die "Tatfrage" offen zu lassen und die Ausstellerbestimmung an die jeweilige Anschauung eines Adressaten zu binden. Zur Feststellung der Echtheit von Urkunden muß ein bestimmter sich aus der Urkunde ergebender Anscheinsaussteller gefunden werden, der mit dem Urheber übereinstimmen mußI07. Wenn keine bestimmte Person als Aussteller bestimmt würde, so könnte unter Umständen hinsichtlich ein und derselben Urkunde je nach Anschauung des Adressaten sowohl die Unechtheit als auch die Echtheit der Urkunde festgestellt werden. Würde in dem eben genannten Beispielsfall (ein Beamter fertigt eine Bescheinigung, die der Bürger einem Dritten vorlegt) der Beamte kompetenzwidrig gehandelt haben, so wäre die Urkunde dem Bürger gegenüber echt, da ja der Unterzeichner sowohl Anscheinsaussteller als auch Urheber der Urkunde wäre. Dem Dritten gegenüber wäre sie aber unecht, da der Urheber (der Unterzeichner) mangels Vertretungsbefugnis nicht mit dem Anscheinsaussteller (der Behörde) übereinstimmen würde. Eine solche Lösung würde zu einer Relativierung des Echtheitsbegriffes führen, wenn ein und dieselbe Urkunde sowohl echt als auch unecht sein könnte 108 • Schon das von § 267 StGB betroffene Rechtsgut schließt eine solche Relativierung aus; so soll eben nicht nur ein bestimmter Adressat einer Urkunde vor einem Irrtum über deren Authentizität bewahrt werden, sondern die Gesamtheit der Teilnehmer am Rechtsverkehr soll sich l06a Vgl. auch Timcke, Identitätstäuschung, S. 27 f., 68, wonach die Sicht eines Urkundenempfängers nicht den objektiven Sinn einer Erklärung zu verdrängen vermag. \07 Siehe die Erläuterungen unter 1. Abschn. I A. \08 Zur Gefahr der Relativierung des Echtheitsbegriffes s. Puppe, JuS 1987,275,277; sowie dies., Jura 1986, 22, 26, dort allerdings im Zusammenhang mit den Fällen der sog. "Namenstäuschung" (s. dazu unten 3. Abschn. I B 3).

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

auf die Echtheit von Urkunden verlassen können 109 • Dies alles zeigt, daß die Bestimmung des Urkundenausstellers bei der offenen, nicht vorgetäuschten Vertretung von Firmen und Behörden nicht zur "Tatfrage" erklärt werden kann. Die Anschauungen im Rechtsverkehr, wer als Aussteller einer solchen Urkunde anzusehen sei, können je nach Interessenlage verschieden sein, unter Umständen sogar hinsichtlich derselben Urkunde voneinander abweichen. Eine sichere Grundlage für die Echtheitsprüfung in § 267 StGB wird durch diesen Ansatz daher nicht geschaffen. d) Der AussteUer bei offener Vertretung von Firmen und Behörden

aa) Gleichbehandlung der offenen Vertretung von Firmen oder Behörden mit der offenen Vertretung natürlicher Personen Wie bereits gezeigt wurde, müßte die Anwendung der Geistigkeitstheorie auf die Bestimmung des Urkundenausstellers bei der offenen Vertretung von Firmen oder Behören dazu führen, daß die vertretene Institution als Ausstellerin angesehen wird, da ja die jeweiligen Erklärungen "geistig" von ihr herrühren 1iO • Dieses Ergebnis, zu dem auch die ganz überwiegende MeinungllI, wenn auch häufig ohne direkten Bezug zur Geistigkeitstheorie, kommt, läßt sich aber nicht auf die Behauptung stützen, der Rechtsverkehr würde grundsätzlich die vertretene Institution als Ausstellerin ansehen. Da es aber auch nicht möglich ist, die Bestimmung des Urkundenausstellers nach der jeweiligen Einschätzung der betroffenen Teilnehmer am Rechtsverkehr vorzunehmen, sind keine weiteren Gründe ersichtlich, warum die Festlegung des Urkunden ausstellers in diesen Fällen anders als bei der offengelegten Stellvertretung natürlicher Personen 1l2 erfolgen soll. Vielmehr sprechen genau die gleichen Argumente, die gegen die Einstufung einer vertretenen, natürlichen Person als Urkunden aussteller angeführt wurden, gegen die entsprechende Lösung der Frage der "Doppelindividualisierung" bei offener Vertretung von Firmen und Behörden. Es ist vom betroffenen Rechtsgut des § 267 StGB her nicht erforderlich, die vertretene Institution als Ausstellerin anzusehen, denn das Interesse an der Authentizität von Siehe o. 1. Abschn. III D. Dies verkennt Samson (JuS 1970, 369, 374 f.), wenn er kritisiert, der BGH verwechsle bei der Lösung der Fälle des vorgetäuschten Vertretungsvermerks die Abgabe von Erklärungen mit deren Rechtswirkungen. Der Inhalt der Geistigkeitstheorie besteht ja gerade darin, daß die zivil rechtliche Zurechnung einer Erklärung die Ausstellereigenschaft begründen soll. Dies ist also keine Verwechslung von Wirkung und Erklärungsabgabe, sondern nur eine konsequente Anwendung der Grundsätze der Geistigkeitstheorie! 111 Siehe die Nachweise oben 2. Abschn. 11 D 2 b. 112 Siehe oben 2. Abschn. 11 D 1. 109

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11. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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Urkunden bleibt gewahrt, wenn auf den offen auftretenden Vertreter zurückgegriffen werden kann l13 . Zudem würde auch in den Fällen der Vertretung von Firmen und Behörden bei Zugrundelegung der Ausstellerbestimmung nach der Geistigkeitstheorie ein jeder Vertreter ohne Vertretungsmacht sofort zum Hersteller einer unechten Urkunde gemacht l14 . Somit ist bei der offenen Vertretung von Firmen oder Behörden (ebenso wie bei der offenen Stellvertretung von natürlichen Personen) der ein Schriftstück unterzeichnende Vertreter der Urkundenaussteller 115 . Im Falle der nicht vorgetäuschten, berechtigten Vertretung stimmt dabei der Anschein, die Urkunde rühre von einem Vertreter der angegebenen Institution her, mit dem tatsächlichen Ablauf der Urkundenherstellung überein. Ist dagegen die Echtheit eines solchen Schriftstückes zweifelhaft, so ist zu prüfen, ob der Anscheinsaussteller (der genannte Vertreter) auch wirklich der Urheber der urkundlichen Erklärung ist. Es kommt insoweit also entscheidend auf den Namen des offen auftretenden Vertreters an, der für eine Institution unterzeichnet 116. Die Tatsache, daß einzelne Teilnehmer am Rechtsverkehr dem Namen des Unterzeichners keine große Bedeutung beimessen, sondern ihr Hauptaugenmerk auf die vertretene Institution richten,steht dazu nicht im Widerspruch. Auch bei der offengelegten Vertretung einer natürlichen Person wird im Rahmen der Ausstellerbestimmung zu Recht nicht danach gefragt, ob der Rechtsverkehr eher ein Interesse am Namen des Vertreters oder am Namen des Vertretenen hat. Vielmehr ist immer, wie oben ll7 festgestellt wurde, der Vertreter einer natürlichen Person bei Herstellung eines urkundlichen Schriftstückes als Urkundenaussteller anzusehen. 113 Dazu ausführlich 1. Abschn. 11 D 1 b; s. ferner Ouo, JuS 1987, 761, 766, der, allerdings ohne Differenzierung zwischen verdeckter und offener Stellvertretung, feststellt, daß die Betrachtung der vertretenen Institution als Ausstellerin zu einem Wahrheits- statt zu einem Echtheitsschutz führe. Unklar bleibt aber, warum OUo diese Sichtweise nicht auf die Vertretung natürlicher Personen überträgt. 114 Dazu ausführlich 1. Abschn. 11 D 1 c. 115 Von diesem Ausgangspunkt bei Prüfung eines vorgetäuschten Vertretungsvermerks ausgehend auch RGSt 55,173,174; RG GA Bd. 48 (1901),136 f.; RG JW 1933, 436; OLG Kiel SchlHA 1947, 256; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 154 f.; Wetzel, § 60 AI 1 a y; auch Samson, JuS 1970,369,374; ders., JA 1979, 658, 659; ders., SK § 267 Rdn. 47, wobei letzterer aber die fehlende Ausstellereigenschaft von Firmen und Behörden zugrunde1egt. Zu diesem Ergebnis müßte eigentlich auch OUo, JuS 1987, 761,765 ff. gelangen, da auch er es ablehnt, den erkennbaren Aussteller bei Vertretung von Firmen oder Behörden danach zu bestimmen, wer aus der Urkunde als berechtigt oder verpflichtet erscheint. Zur Kritik an der Argumentation OUos s. aber bereits oben 2. Abschn. FN 77. 116 Unrichtig daher Schmidhäuser, BT 14/13 mit dem Hinweis, auf den Namen des Unterzeichners käme es überhaupt nicht an, da bei offener (vorgetäuschter) Stellvertretung Anscheinsaussteller die (angeblich) vertretene Institution sei. 117 2. Abschn. 11 D 1.

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

Es bleibt also festzustellen, daß bei jeglicher Stellvertretung, die offengelegt wird, der aus dem urkundlichen Schriftstück zu entnehmende Aussteller nicht der Vertretene ist, für den die Rechtsfolgen der Erklärung eintreten, sondern der Vertreter, der diese Erklärung abgegeben hat. Die Grundsätze der Geistigkeitstheorie finden hier keine Anwendung; der Aussteller wird nicht aufgrund eines "geistigen Herrührens" bestimmt.

bb) Der Firmenname oder die Behördenbezeichnung als zusätzliches Individualisierungsmerkmal Allerdings ist abschließend noch auf eine Besonderheit bei der Bestimmung des Urkundenausstellers im Falle der offenen, nicht vorgetäuschten Vertretung von Behörden oder Firmen hinzuweisen. Wenn nun, wie oben gezeigt, der die Urkunde unterzeichnende Vertreter als Aussteller anzusehen ist, so bedeutet dies nicht, daß die Bezeichnung der vertretenen Behörde oder der Name der vertretenen Firma völlig bedeutungslos ist. Zweifellos ist der Name eines Individuums das wichtigste Merkmal zur Bestimmung seiner Identität im Rechtsverkehr 1l8 und daher auch das wichtigste Kriterium bei der Feststellung der Ausstellereigenschaft nach § 267 StGB. Dadurch ist aber nicht ausgeschlossen, daß die Person des Urkundenausstellers durch weitere aus der Urkunde ersichtliche Umstände näher konkretisiert wird, sei es durch Adressenangabe, Namenszusätze, Angabe von bestimmten Eigenschaften, rechtlichen oder tatsächlichen Beziehungen 1l9 . In diesem Zusammenhang ist dann gerade auch die aus einer Urkunde ersichtliche Vertretung einer Firma oder Behörde von Bedeutung, da der Unterzeichner zugleich als weiteres Individualisierungsmerkmal seine Zugehörigkeit zur vertretenen Institution deutlich macht 120. Bei der offenen Stellvertretung einer natürlichen Person ist der Hinweis auf den Vertretenen, der sich aus einem urkundlichen Schriftstück ergibt, nicht in der gleichen Weise geeignet, eine zusätzliche Individualisierung des Vertreters zu ermöglichen, da das normale Auftreten als vertretungsberechtigte Person nicht notwendigerweise auf eine besondere Rechtsbeziehung zur vertretenen Person (außer der Bevollmächtigung) hinweist. Bei der offenen Stellvertretung von Firmen oder Behörden macht der Unterzeichner einer urkundlichen Erklärung aber zugleich deutlich, daß er in die Organisationsstruktur der vertretenen Institution eingebunden ist. Die Urkunde weist in diesen Fällen also als Aussteller die Person X als Angehörige der Institution Yaus.

Vgl. nur Sch/Sch/Cramer, 267 Rdn. 49. Vgl. nur BGHSt 9,44,46. 120 Davon offenbar auch ausgehend: Samson, JuS 1970, 369, 374; ders., JA 1979, 658,660; ders., SK § 267 Rdn. 47. 118 119

11. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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E. Schlußfolgerungen für die offene Stellvertretung bei vorgetäuschtem Vertretungsvermerk Aus dem bisher Gesagten läßt sich nun eindeutig folgern, wie nach § 267 StGB die Fälle zu behandeln sind, in denen der Urkundenunterzeichner mit seinem eigenen Namen unterschreibt, dabei aber vorgibt, für einen Vertretenen zu handeln. Auch hier soll wiederum die (vorgetäuschte) Vertretung von natürlichen Personen und Firmen bzw. Behörden getrennt erörtert werden. 1. Vorgetäuschte offene Vertretung einer natürlichen Person

Oben 121 wurde bereits ausgeführt, daß auch eine unwirksame, nichtige oder nicht bestehende Vollmacht bei der offenen Vertretung einer natürlichen Person sich nicht auf die Ausstellerbestimmung auswirkt. Der falsus procurator ist nicht immer zugleich auch ein Urkundenfälscher! Als Aussteller einer Urkunde, die in offener Vertretung mit dem Namen des Vertreters gezeichnet wurde, ist nämlich der Vertreter anzusehen. Da in diesen Fällen keine Diskrepanz zwischen dem Anscheinsaussteller und dem Urheber der Urkunde besteht, ist eine solche Urkunde im strafrechtlichen Sinne echt. Die Tatsache der fehlenden zivilrechtlichen Wirksamkeit ist für diese Bewertung somit irrelevant. Daher ist die soweit ersichtlich einzige reichsgerichtliche Entscheidung, die zur vorgetäuschten offenen Vertretung einer natürlichen Person veröffentlicht wurde 122 , zutreffend. Das Reichsgericht hat in jenem Fall eine Urkundenfälschung abgelehnt, da der als Vormund auftretende Unterzeichner einer Urkunde dieser nicht den Anschein gegeben habe, als rührte sie von einer anderen Person her, vielmehr habe er nur eine unwahre Erklärung über seine Vertretungsbefugnis abgegeben 123 • Im bloßen Vorspiegeln der Vertretungsmacht für eine natürliche Person kann keine Ausstellertäuschung, sondern lediglich eine straflose schriftliche Lüge über das Bestehen einer Vertretungsbefugnis gesehen werden. Zwar hat der Rechtsverkehr ein grundsätzliches 2. Abschn. II D 1 c. RGSt 5, 259, 261: Vortäuschung der gesetzlichen Vertretungsmacht eines Vormunds. 123 Diese Entscheidung wird im Schrifttum lediglich als Beleg für die Straflosigkeit· des Vortäuschens eines Namenszusatzes zitiert (so bei Tröndle, LK § 267 Rdn. 131). Dabei wird nicht darauf hingewiesen, daß in dieser Entscheidung der Vertreter als Urkunden aussteller angesehen wurde, was eigentlich im Widerspruch zur Behandlung des Hauptfalles der Geistigkeitstheorie (dem Zeichnen mit fremdem Namen) steht, wo der Vertretene Urkundenaussteller sein soll. Ablehnend zu dieser Entscheidung Timcke, Identitätstäuschung, S. 56 f.; allerdings auch nur unter dem Aspekt der Vortäuschung einer Eigenschaft (s. dazu unten 3. Abschn. II). Von Samson (SK § 267 Rdn. 46) wird die genannte Entscheidung fälschlicherweise im Bezug auf die vorgetäuschte Firmen- bzw. Behördenvertretung angeführt. 121

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

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Interesse daran, daß schriftliche Lügen gerade auch dieser Art unterbleiben 124, eine für § 267 StGB relevante Rechtsgutsverletzung liegt dabei aber nicht vor. Aber auch in umgekehrter Richtung, nämlich bei der Vorspiegelung eines Vertretenseins, hat die Bestimmung des (echten oder scheinbaren) Vertreters als Urkundenaussteller Bedeutung. Wie oben 125 bereits dargestellt wurde, müßte bei Zugrundelegung der Grundsätze der Geistigkeitstheorie immer der Vertretene, also eigentlich auch das von den Eltern vertretene Kind oder die anwaltlich vertretene Prozeßpartei als Aussteller der vom Vertreter gefertigten Urkunde gelten. Dies hätte aber im Falle des vorgetäuschten Vertretenseins folgende nicht hinnehmbare Konsequenz: Der Geschäftsunfähige oder der beschränkt Geschäftsfähige, der in einem urkundlichen Schriftstück die Vertretung durch seinen gesetzlichen Vertreter nur vorspiegeln würde, müßte als Anscheinsaussteller angesehen werden. Da er auch der Urheber der urkundlichen Erklärung wäre, läge keine Täuschung über den Austeller und somit keine unechte Urkunde vor 126 • Gleiches würde auch für den Prozeßbeteiligten gelten, der zur Erfüllung des gesetzlich vorgeschriebenen Anwaltszwanges 127 einer Prozeßschrift den Anschein der anwaltlichen Vertretung geben würde. Bei konsequenter Anwendung der Geistigkeitstheorie müßten diese Urkunden als echt angesehen werden, obwohl doch gerade sie den Anschein hervorrufen, von einer anderen Person herzurühren! Solche Ergebnisse wären schlichtweg untragbar. Betrachtet man nun, wie hier vorgeschlagen, den offen aus der Urkunde ersichtlichen Vertreter als Aussteller der Urkunde, so liegt in den zuletzt angeführten Beispielen eine Diskrepanz zwischen dem Anscheinsaussteller , nämlich dem angeblichen Vertreter und dem Urheber (dem angeblich Vertretenen) vor. Solchermaßen hergestellte Urkunden sind also unecht, da über die Authentizität der Erklärungen ein Irrtum hervorgerufen wird. 2. Vorgetäuschte offene Vertretung von Firmen oder Behörden

Es wurde bereits dargestel1t1 28 , daß bei offener Vertretung einer Behörde oder einer Firma der unterzeichnende Vertreter als Urkunden aussteller anzusehen ist. Allerdings weist ihn die Behörden- oder Firmenangabe gerade auch als Angehörigen der entsprechenden Institution aus. Erst dieser Zusammenhang zwischen der vertretenen Organisation und dem offen auftretenden Siehe Puppe, Jura 1979,630,638. 2. Abschn. II Dia. 126 wobei ein solches Schriftstück mangels zivilrechtlich gültiger Vertretung keine Rechtswirkungen entfalten würde. 127 §§ 78 ZPO, 67 VwGO. 128 Siehe o. 2. Abschn. II D 2 d. 124 125

11. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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Repräsentanten ermöglicht die genaue Feststellung der Identität des Unterzeichners, der die urkundliche Erklärung zwar als eigene abgibt, sie aber aufgrund der dienstlichen oder arbeitsrechtlichen Beziehung Rechtswirkungen für und gegen die vertretene Institution entfaltet 129 • Dieser wichtige Unterschied gegenüber der offenen Stellvertretung einer natürlichen Person muß sich auch auf die Beurteilung der Fälle der nur vorgetäuschten offenen Vertretung einer Behörde oder Firma auswirken. Wer ein Schriftstück mit seinem Namen unterzeichnet und dabei fälschlicherweise für eine solche Institution aufzutreten vorgibt, der läßt aus der Urkunde erkennen, Aussteller sei eine Person seines Namens, die der angeführten Institution angehört 13o . Damit liegt in den Fällen des vorgetäuschten Zeichnens für eine Behörde oder eine Firma dann eine Ausstellertäuschung vor, wenn der Unterzeichner, der ja der tatsächliche Urheber der Erklärung ist, nicht in der entsprechenden Institution tätig ist, oder aber wenn die angegebene Institution gar nicht existiert l3l . Er erweckt damit nämlich den falschen Anschein, eine Person seines Namens habe als Angehörige dieser Institution befugterweise die urkundliche Erklärung abgegeben 132 • Ist aber der Unterzeichner für die Behörde oder den Betrieb tatsächlich tätig, so stimmen Anscheinsaussteller (Unterzeichner X in Institution Y) und Urheber überein. Aus der Urkunde ergibt sich in einem solchen Fall, daß der ausstellende Unterzeichner als Mitarbeiter eines Betriebes oder einer Behörde für diese Institution gehandelt hat l33 ; eine auf diese Art 129 Siehe o. 2. Abschn. II D 2 d bb: Bezeichnung der vertretenen Organisation als zusätzliches Individualisierungsmerkmal. 130 So das OLG Kiel SchlHA 1947, 256; ebenso Samson, SK § 267 Rdn. 47; inzident auch Samson, JuS 1970, 369, 374 sowie ders., JA 1979, 658, 660. Ebenfalls in diese Richtung deutend: Welzel, § 60 All a y. Ansonsten ist keine Rechtsprechung ersichtlich, die eine entsprechende Differenzierung vornehmen würde, was aber von Sonnen, JA 1986, 55 behauptet wird. Gerade die von ihm angeführte Entscheidung OLG Stuttgart NJW 1981,1223 ist ein Beleg für die Gegenmeinung, da sie den Namen des Unterzeichners hinter den Firmennamen zurücktreten läßt. (Insoweit geht auch die Bezugnahme von Sonnen auf Seier, JA 1979, 133, 139 fehl, der sich im Ergebnis gerade nicht der insbesondere von Samson vertretenen differenzierten Betrachtungsweise anschließt!) . 131 Daher im Ergebnis richtig, obwohl von der Ausstellereigenschaft der angeblich vertretenen juristischen Person ausgehend: OLG Bremen NJW 1950, 880 f. Der Unterzeichner hatte in diesem Fall seinem Namen den Stempel der angeblichen Firma "Harzer Eisenbahn AG" beigedrückt. 132 Daher ebenfalls im Ergebnis zutreffend, obwohl von der Ausstellereigenschaft der Behörde ausgehend: BGHSt 7, 149, 152, wo der Unterzeichner Formulare eines Zollamtes verwendete, dem er nicht angehörte. 133 Unrichtig daher RGSt 55, 173, 174, wo die These aufgestellt wird, daß bei Zeichnung eines Betriebsangehörigen mit eigenem Namen unter fälschlicher Beifügung eines Prokurastempels der Anschein erweckt würde, eine andere Person (gleichen Namens) im selben Betrieb habe die Unterschrift vorgenommen. Dabei ist aber darauf hinzuweisen, daß der vom RG entschiedene· Fall den Gebrauch eines falschen Namens betraf (von Otto, JuS 1987, 761,765 als ein Fall des Zeichnens mit eigenem Namen und vorgetäuschter Vertretungsmacht zitiert). Die Frage der vorgetäuschten Vertretung war nur

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

und Weise erstellte Urkunde ist daher echt 134 • Dies gilt vollkommen unabhängig von der jeweiligen Berechtigung, die dem Unterzeichner von der vertretenen Organisation eingeräumt wurde; eine bloße Kompetenzüberschreitung oder gar Kompetenzanmaßung spielt nämlich bei der Feststellung der Identität von Anscheinsaussteller (Person X in Institution Y) und Urheber keine Rolle. Ebenso wie bei der offenen Stellvertretung natürlicher Personen wirkt sich eine Vollmachtsüberschreitung, eine Unwirksamkeit der Vollmacht oder sogar das Nichtexistieren einer Vollmacht auch hier nicht auf die Beurteilung der Echtheit einer Urkunde aus. Der einer Behörde oder Firma angehörende falsus procurator ist also auch in diesen Fällen Anscheinsaussteller und zugleich Urheber einer echten Urkunde, die lediglich eine schriftliche Lüge über das Bestehen einer Vertretungsvollmacht beinhaltet 135. Im Einzelfall mag es durchaus schwierig sein, festzustellen, ob der Unterzeichner einer urkundlichen Erklärung nun tatsächlich innerhalb der angeblich vertretenen Institution tätig ist und nur seine Kompetenzen überschreitet, oder ob er außerhalb der angegebenen Organisation steht 136 • Diese Schwierigdeshalb relevant, weil der die Urkunde später gebrauchende Täter die fehlende Vertretungsmacht des Unterzeichners kannte, dagegen den Falschnamen für richtig hielt. Das RG bejahte insoweit zu Unrecht ein vorsätzliches Gebrauchen einer unechten Urkunde, weil nach der Vorstellung des Täters die Urkunde auf einen Betriebsangehörigen als Anscheinsaussteller hinwies, der zugleich auch Urheber (allerdings mit angemaßter Prokura) war. Unklar bleibt die Betriebszugehörigkeit des Unterzeichners in der Entscheidung RG JW 1933, 436, wo der unterzeichnende ehemalige Geschäftsführer einer GmbH als Urkundenaussteller angesehen wurde, der lediglich eine schriftliche Lüge über seine Vertretungsmacht hergestellt habe. Dieses Ergebnis ist nach den oben erläuterten Grundsätzen nur richtig, wenn der Unterzeichner noch in irgendeiner Weise für die GmbH tätig war. Als betriebsfremde Person hätte er eine Identitätstäuschung des Inhalts vorgenommen, daß eine Person seines Namens als Betriebsangehöriger das urkundliche Schriftstück gezeichnet habe (Ausdrückliche Ablehnung einer Differenzierung nach Betriebszugehörigkeit bzw. -fremdheit bei RG LZ 1924, Sp. 645, allerdings ohne Klärung, wer als Aussteller anzusehen ist.). 134 Zu diesem Ergebnis gelangt offenbar auch Benfer, BT 11 Rdn. 272, der aber nicht die erforderliche Trennung von verdeckter und offener Vertretung vollzieht. Richtig im Ergebnis die Entscheidung OLG Stuttgart NJW 1981, 1223, obwohl dort von der Ausstellereigenschaft der vertretenen Firma ausgegangen wurde und zudem nur ein Namenskürzel auf den vertretenden Aussteller hinwies. Unrichtig RGSt 52, 12 ff., wo bei offener Vertretung einer Behörde und ebenfalls mittels eines Namenskürzels vollzogener Zeichnung, wegen fehlender Vertretungsmacht des Behördenangehörigen die Unechtheit bejaht wurde (für Urkundenechtheit auch die ablehnende Anmerkung von Merkel, JW 1921, 579). 135 Ebenso RG GA Bd. 48 (1901), 136, 137; RG JW 1933, 436 (allerdings ohne Klärung der Betriebszugehörigkeit des Unterzeichners); OLG Kiel SchlHA 1947,256 (wo sich ein Behördenangehöriger ihm ehemals zustehende, nun aber seiner vorgesetzten Dienststelle zugeordnete Kompetenzen anmaßte); Samson, JuS 1970, 369, 374 f.; ders., JA 1979, 658, 659 f.; ders., SK § 267 Rdn. 47. Unklar bleibt die Schlußfolgerung von OUo, JuS 1987, 761, 765 ff., der im Ergebnis die Ausstellerbestimmung bei offener (und verdeckter) Stellvertretung von Firmen oder Behörden auch nicht mittels der zivilrechtlichen Zurechnung vornehmen will. Auf die Inkonsequenzen in der Argumentation von Ouo wurde bereits oben 2. Abschn. FN 77 hingewiesen.

11. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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keit ist aber hinnehmbar gegenüber der Konsequenz des Lösungsansatzes nach der Geistigkeitstheorie, jeden Vertreter ohne Vertretungsmacht als Hersteller einer unechten Urkunde anzusehen.

F. Unanwendbarkeit der Geistigkeitstheorie auf jegliche offene Stellvertretung Die vorangehenden Erörterungen dieses Abschnittes zeigen, daß die Geistigkeitstheorie, die aus den Fällen der Benutzung von Erklärungshilfen und des Zeichnens mit fremdem Namen entwickelt wurde, auf die Fälle der offenen Stellvertretung (Zeichnen mit eigenem Namen bei Rechtswirkungen für einen anderen) nicht anwendbar ist. Die Bestimmung des Urkundenausstellers kann sich in diesen Fällen nicht nach einem "geistigen Herrühren" bzw. der zivilrechtlichen Zurechnung von Erklärungen richten. Diese anhand der offenen, nicht vorgetäuschten Vertretung aufgezeigte Unanwendbarkeit der Geistigkeitstheorie erstreckt sich auch auf die Fälle der nur vorgetäuschten offenen Stellvertretung, bei denen die Echtheit von urkundlichen Schriftstükken durch einen Vergleich von Anscheinsaussteller und Urheber bestimmt werden muß. Wenn dagegen der Ansatz der Geistigkeitstheorie dennoch auf die Fälle der vorgetäuschten offenen Vertretung von Firmen und Behörden angewandt wird 137 , dann verkehrt man ihren Ausgangspunkt eigentlich in das Gegenteil. Die Geistigkeitstheorie wird hauptsächlich mit der nötigen Konformität zwischen Straf- und Zivilrecht in den Fällen des Zeichnens mit fremdem Namen begründet. In jenen Fällen soll aufgrund der zivil rechtlichen Zulässigkeit dieser Form der verdeckten Stellvertretung die Straflosigkeit hinsichtlich der Urkundenfälschung erreicht werden 138 • Die Anwendung der Geistigkeitstheorie bewirkt daher von ihrem ursprünglichen Ansatz her eine Eingrenzungder Strafbarkeit nach § 267 StGB. Mit ihrer Hilfe wird beim Zeichnen mit frem136 Siehe dazu die Probleme bei der Tatsachenfeststellung in dem Fall OLG Köln VRS 57, 123 ff., in dem der unterzeichnende Zollbeamte berechtigterweise das Dienstsiegel einer Einfuhrstelle führte, dabei aber unbefugterweise Formulare einer Ausfuhrstelle mit Namensunterschrift und Siegelabdruck versah. I37 So ausdrücklich: Eser, IV NT. 19 A 39 ff.; Seier, JA 1979, 133, 138 und Sieber, Computerkriminalität, S. 293. Wie Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 97 ff. nachweist, tut dies stillschweigend auch der BGH in den Entscheidungen: BGHSt 7, 149, 152; BGHSt 9,44,46; BGHSt 17, 11, 13. Gleiches wird man daher ebenfalls der mit dem BGH insoweit übereinstimmenden sonstigen Rechtsprechung und Literatur unterstellen dürfen. RGSt 52, 12, 13; RG HRR 1939, NT. 399; OLG Bremen NJW 1950, 880, 881; OLG Stuttgart NJW 1981,1223; Arzt, LH 4 Rdn. 360; Blei, BT § 80 III 1 a; Haft, BT § 29 11 2; Krey, BT 1 Rdn. 711; Lackner, § 267 Anm. 3 b; Trändie, LK § 267 Rdn. 128, 131; Preisendanz, StGB § 267 Anm. 11 3; Puppe, Jura 1979, 630, 638; Schmidhäuser, BT 14/13; Wesseis, BT 1 § 18 III 1. 138 Siehe o. 1. Abschn. 11 C 4 b.

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

dem Namen der sich aus der Urkunde ergebende Anscheinsaussteller (der Namensträger) trotz der verdeckten Stellvertretung mittels "geistiger Zurechnung" auch zum Urheber gemacht; die vom Vertreter hergestellte Urkunde ist also echt. Damit wird der Unterzeichner der Urkunde, der ja einen anderen als den eigenen Namen verwendet, vor der Bestrafung wegen Herstellens einer unechten Urkunde bewahrt. Die Anwendung der Geistigkeitstheorie auf die Fälle der vorgetäuschen Vertretungsbefugnis für Firmen oder Behörden bewirkt nun aber im Gegensatz zum zuvor dargestellten Ausgangspunkt eine Strafbarkeitsausweitung. Hier wird die Geistigkeitstheorie bereits zur Feststellung des Anscheinsausstellers herangezogen, um dann bei Fehlen einer Bevollmächtigung des Unterzeichners eine Verschiedenheit zwischen Anscheinsaussteller und Urheber (wegen fehlender "geistiger Zurechnung") festzustellen. Damit wird ein jeder offen auftretender Vertreter ohne Vertretungsmacht mit in den Bereich der Strafbarkeit hineingezogen; die von ihm hergestellten Schriftstücke wären immer unechte Urkunden 139 • Die obige Darlegung hat aber ergeben, daß dies eine Konsequenz ist, die weder bei der offenen Vertretung natürlicher Personen 139a , noch bei der offenen Vertretung von Firmen oder Behörden 139b hinnehmbar ist. Ursache für diese Unstimmigkeiten ist im wesentlichen die fehlende Differenzierung in Schrifttum und Rechtsprechung hinsichtlich der verschiedenen Vertretungsformen. Dem Ansatz der Geistigkeitstheorie wird zumeist eine allgemeine Geltung beigelegt, was dann zur Anwendung auch auf Fallkonstellationen führt, für die die Geistigkeitstheorie ursprünglich nicht geschaffen wurde l40 . Dies ist zwar für sich genommen noch kein Argument, das gegen die Anwendung der Geistigkeitstheorie spricht, jedoch wird deutlich, daß ohne weitere Begründung ein Lösungsansatz für bestimmte Problemfälle (Gebrauch einer Schreibhilfe, Zeichnen mit fremdem Namen) auf Konstellationen ausgedehnt wird, in denen sich entsprechende Probleme bei der Ausstellerbestimmung gar nicht stellen. Dabei wird auch deutlich, daß zwischen den oben 141 festgehaltenen Gedankenschritten bei der Bestimmung der Echtheit einer Urkunde nicht klar getrennt wird. Die Anwendung der Geistigkeitstheorie auf die vorgetäuschte offene Vertretung von Firmen oder Behörden 139 Siehe die entsprechende Kritik bei Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 103 f., 155 f. bezüglich der Ausdehnung der Geistigkeitstheorie auf andere als die ursprünglichen Fallgruppen. 139. Siehe o. 2. Abschn. II D 1 c, E 1. 139b Siehe o. 2. Abschn. II D 2 d aa, E 2. 140 Siehe nur die Selbstverständlichkeit, mit der bei Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 III 2 b a. E. vom unzulässigen Zeichnen mit fremdem Namen (verdeckte Stellvertretung) auf das Zeichnen eines falsus procurator (vorgetäuschte offene Stellvertretung) geschlossen wird. 141 1. Abschn. I A.

H. Fälle der offenen Stellvertretung in Rechtsprechung und Schrifttum

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bedeutet, daß die Frage nach dem "geistigen Herrühren" bei der Ermittlung des Anscheinsausstellers (1. Prüfungsschritt) gestellt wird. Bei den Fällen des Zeichnens mit fremdem Namen dient die Formel vom "geistigen Herrühren" aber gerade zur Bestimmung des Urhebers der Urkunde (2. Prüfungsschritt). Die gleichzeitige Anwendung der Geistigkeitstheorie sowohl auf die verschiedenen Prüfungsschritte als auch auf verschiedene Vertretungsformen (offen bzw. verdeckt) führt aber zu den in diesem Abschnitt beschriebenen, zum Teil nicht akzeptablen Konsequenzen. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß bei Anwendung der Geistigkeitstheorie auf bestimmte Fälle der offenen, vorgetäuschten Vertretung von Behörden auch Erwägungen des öffentlichen Rechts einbezogen werden müßten, um in diesen Fällen nicht die Diskrepanz zwischen öffentlich-rechtlicher Wirksamkeit und strafrechtlicher Unechtheit entstehen zu lassen l42 . Gedacht ist hierbei an die Fälle, in denen ein Behördenbediensteter einen schriftlichen Verwaltungsakt l43 erläßt, dabei aber seine Kompetenzen zur Zeichnung für die erlassende Behörde überschreitet. Bei Anwendung der Geistigkeitstheorie müßte als Anscheinsaussteller die erlassende Behörde angesehen werden, Urheber der urkundlichen Erklärung wäre aber der kompetenzwidrig handelnde Beamte l44 . Der solchermaßen erlassene Verwaltungsakt würde in seiner schriftlichen Verkörperung also eine unechte Urkunde sein. Nun ist aber im Verwaltungsrecht anerkannt, daß eine Behörde sich unter Umständen auch das kompetenzwidrige Verhalten eines Beamten zurechnen lassen muß. Der Verstoß gegen eine behördeninterne Zuständigkeitsregel hat keine Außenwirkung, was dazu führt, daß ein Verwaltungsakt, der entgegen einer solchen Regel von einem unzuständigen Beamten unterzeichnet wurde, rechtmäßig und wirksam ist l45 . Zwar kann unter gewissen Umständen ein Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes erfolgen l46 , der Widerspruch von strafrechtlicher Unechtheit und öffentlich-rechtlicher Wirksamkeit würde aber bis dahin bestehen. Dies zeigt, daß die Anwendung der Geistigkeitstheorie, die ihrem Grunde nach auf Konformitätserwägungen beruht, in bestimmten Fällen dennoch zu widersprüchlichen Bewertungen in verschiedenen Rechtsgebieten führen kann.

142 Das unter 1. Abschn. 11 C 4 b dargestellte "Konformitätsargument" wird zwar zumeist nur im Hinblick auf die zivilrechtliche Zulässigkeit der verdeckten Stellvertretung dargestellt, eine fehlende Konformität zwischen öffentl. Recht und Strafrecht müßte aber ebenso beurteilt werden; s. nur Bockelmann, BT 3 § 12 IH 1 b. 143 §§ 35,37 III VwVfG. 144 So die oben 2. Abschn. 11 D 2 und E 2 dargestellte, übliche Behandlung der vorgetäuschten offenen Vertretung von Behörden. 145 Vgl. Schwarze in Knack VwVfG § 375.2; Kopp, VwVfG § 37 Rdn. 35; Stelkensl BonklLeonhardt, VwVfG § 44 Rdn. 27. 146 Siehe § 49 VwVfG.

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2. Abschn.: Grundsätzliche Kritik der Geistigkeitstheorie

Wenn man aber in dem eben genannten Fall den unterzeichnenden Beamten als Anscheinsaussteller ansieht, wie unter 2. Abschnitt 11 E 2 vorgeschlagen, so tritt das Problem der mangelnden Konformität zwischen Strafrecht und öffentlichem Recht nicht auf, da er als Angehöriger der erlassenden Behörde auch als Urheber des urkundlich verkörperten Verwaltungs aktes auszumachen wäre. Bei dieser Betrachtungsweise ist der vom kompetenzwidrig handelnden Beamten erlassene Verwaltungsakt in seiner schriftlichen Verkörperung eine echte Urkunde.

3. Abschnitt

Kritik der Geistigkeitstheorie im Rahmen der üblicherweise erörterten Anwendungsfälle Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten zunächst gezeigt wurde, daß die der Geistigkeitstheorie zugrundeliegenden Erwägungen zu einem großen Teil auf einer zivilrechtlichen Ausnahmeentscheidung bei der verdeckten Stellvertretung beruhen, konnte deutlich gemacht werden, daß die Kriterien der Geistigkeitstheorie nicht auf den Normalfall der offenen Stellvertretung übertragen werden können. Dies gilt sowohl für die zumeist im Schrifttum nicht erörterten Fälle der nicht vorgetäuschten offenen Vertretung als auch für die Konstellationen, bei denen fälschlicherweise eine offene Vertretung vorgespiegelt wird. Bereits oben! wurde der Vorwurf erhoben, die Erörterungen zur Geistigkeitstheorie steuerten meistens direkt auf die problematischen Fallgruppen zu. Die nunmehr dargelegte Unanwendbarkeit der Geistigkeitstheorie auf die Fälle der offenen Stellvertretung gibt den Weg frei für die Erörterung der hauptsächlich diskutierten Problemfälle. Dabei ist die Darstellung des Denkansatzes der Geistigkeitstheorie gelegentlich von der wortspielähnlichen Formulierung geprägt, daß nicht jedes Zeichnen mit einem fremden Namen zur Unechtheit einer Urkunde und nicht jedes Zeichnen mit dem eigenen Namen zur Echtheit führe 2. Entsprechend soll auch im folgenden der Ansatz der Geistigkeitstheorie anhand der Fallgruppen der Verwendung von nicht zustehenden Namen einerseits und des eigenen Namens andererseits untersucht werden, wobei das Hauptaugenmerk auf der zentralen Figur des Zeichnens mit fremdem Namen (in dem oben unter 1. Abschnitt 11 C 4 a) bezeichneten Sinne) liegen wird. Allerdings stellt die verdeckte Stellvertretung wiederum nur einen Sonderfall im Rahmen der zu erörternden wesentlich umfangreicheren Gruppe der Verwendung eines nicht zustehenden Namens dar.

Siehe 2. Abschn. II A. Vgl. nur RGSt 75,46,47; eingehend zu diesem Wortspiel und dem Gebrauchen des eigenen Namens bei Herstellung einer unechten Urkunde s. unten 3. Abschn. II. 1

2

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens A. Der Normalfall: Unechtheit der Urkunde aufgrund einer Ausstellertäuschung Es besteht Einigkeit darüber, daß das wichtigste Individualisierungmerkmal einer Person (sei es nun eine natürliche oder eine juristische Person) der ihr nach zivilrechtlichen Regeln 3 zustehende Name ist 4 • Daraus folgt, daß durch das Zeichnen einer urkundlich verkörperten Erklärung mit einem falschen, nicht zustehenden Namen bei einem Urkundenempfänger eine unrichtige Vorstellung über die Person des Urkundenausstellers hervorgerufen wird 5• Hierbei ist es gleichgültig, ob sich der nicht zustehende Name in Unterschriftsform aus der Urkunde ergibt ("Zeichnen" im Sinne von "Unterzeichnen"), oder ob er z. B. aus dem Briefkopf eines Formularschreibens, dem Abdruck eines Namensstempels oder sonst aus dem Inhalt der urkundlichen Erklärung herausgelesen werden kann6 . Entscheidend für die Einstufung der Urkunde als "unecht" ist lediglich die Tatsache, daß der Anscheinsaussteller (ein Träger des dem Verwender nicht zustehenden Namens) und der Urheber (der Verwender des ihm nicht zustehenden Namens) nicht übereinstimmen7 • 3 Siehe § 12 BGB für natürliche Personen sowie auch § 18 HGB zur Firma des Einzelkaufmannes als "Handelsname". 4 Siehe Eser, IV Nr. 19 A 36; Ohr, JuS 1967,255,256; Puppe, Jura 1986, 22, 28; dies., JuS 1987, 275, 278; Samson, JuS 1970, 369, 374; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 49; Seier, JA 1979, 133, 134; sowie oben 2. Abschn. 11 D 2 d bb zu zusätzlichen Identitätsmerkmalen. 5 Siehe BGHSt 2, 50, 52 (Unterzeichnung eines Briefes mit falschem Namen führt zu einer unechten Urkunde, "wie keiner näheren Darlegung bedarf"); BGH LM Nr. 10 zu § 267; Tröndle, LK § 267 Rdn. 128; Ohr, JuS 1967, 255, 256; Puppe, Jura 1986, 22, 28; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 49; Seier, JA 1979, 133, 134; Stehling, Urkundenfälschung, S. 80. 6 Siehe zur Erkennbarkeit des Ausstellers nur Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 17, der zu Recht darauf hinweist, daß eine Schrifturkunde nicht notwendig eine Unterschrift enthalten muß. So gibt es im Rechtsverkehr zahlreiche urkundliche Erklärungen (wie Rechnungen, maschinelle Ausdrucke), denen auch ohne Unterschrift z. B. aufgrund des Briefkopfes ein Aussteller zugeordnet werden kann. Hat allerdings die Unterschrift eine Abschlußfunktion (so wie die Unterzeichnung einer fremdentworfenen Erklärung), so ist sie als Ausstellerangabe notwendig, schon um den bloßen Entwurf einer Urkunde von der endgültigen Erklärung abzugrenzen. 7 Eine unechte Urkunde liegt natürlich nicht nur bei Verwendung eines Falschnamens vor, sondern auch bei Verfälschung einer echten Urkunde durch eine nachträgliche Änderung (2. Begehungsvariante des § 267 StGB). Auch hier stimmen Anscheinsaussteller und Urheber der Urkunde nicht überein, da dem Anscheinsaussteller eine Erklärung zugeordnet wird, die hinsichtlih des veränderten Inhalts von einem anderen stammt. (Zum Verfälschen einer echten Urkunde, insbesondere zu dem Problem der Verfälschung durch den Aussteller selbst, s. nur m. w. N. Tröndle, LK § 267 Rdn. 142 ff.; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 66 ff.) Im Rahmen dieser Arbeit soll die Betrachtung im wesentlichen auf die Verwendung von fremden (oder auch dem eigenen) Namen bei der Herstellung von Urkunden beschränkt werden, da sich die hier kri-

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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Dabei ist unumstritten, daß die Person des Anscheinsausstellers, der im Falle der Unechtheit nur scheinbarer Aussteller ist, nicht wirklich existieren oder auch nur existiert haben muß8. Es ist lediglich erforderlich, daß die Urkunde bei Verwendung eines nicht zustehenden Falschnamens den Anschein erweckt, von einer konkreten Person als Aussteller herzurühren 9 ; konkretisierbar muß die Person dieses angeblichen, aus der Urkunde ersichtlichen Ausstellers nicht unbedingt sein 10 • Diese kurze Darstellung zeigt, daß im Normalfall der Urkundenfälschung durch Herstellen einer unechten Urkunde (A unterzeichnet ein Schriftstück mit dem Namen B) die Erwägungen der Geistigkeitstheorie keinerlei Bedeutung haben. Die Frage, von wem eine Erklärung "geistig herrührt", ist bei diesen einfachen Konstellationen ·völlig sinnlos, sie kommt überhaupt nur in Betracht, wenn die Bestimmung des Anscheinsausstellers und des Urhebers aufgrund der Beteiligung mehrerer Personen Schwierigkeiten bereitet. Trotzdem soll im folgenden nicht sofort auf den Hauptfall der Geistigkeitstheorie, das Zeichnen mit fremdem Namen, eingegangen werden. Das zulässige Zeichnen mit fremdem Namen ll stellt ja eine Ausnahme von dem eben geschilderten Grundsatz dar, daß das Verwenden eines nicht zustehenden Namens zur Herstellung einer unechten Urkunde führt 12. Zuvor sind aber weitere Ausnahmen von diesem Grundsatz zu erörtern, in denen ebenfalls trotz Verwendung eines falschen, nicht zustehenden Namens keine unechten Urkunden hergestellt werden sollen. Anhand dieser zunächst zu erörternden Fälle, die in der Regel keinen direkten Bezug zur Geistigkeitstheorie haben, wird gezeigt werden, daß bei verschiedenen Fallkonstellationen immer wieder ganz ähnliche, zum Teil fragwürdige Argumente zur Begründung von Ausnahmen (und weiteren Unterausnahmen) vom eben geschilderten Grundsatz herangezogen werden.

tisierte Geistigkeitstheorie gerade auf die Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen stützt. 8 So die einheitliche Rechtsprechung seit RGRspr. 3,577,578 bis zu BGHSt 5,149, 151; s. die umfangreichen Rechtsprechungsnachweise bei Kienapfel, Urkunden I, S. 267. Ebenso die einhellige Meinung im Schrifttum, s. nur Tröndle, LK § 267 Rdn. 43, 127; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 49; Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 IV 1 a; zuletzt Puppe, JuS 1987,275,276. 9 so wie dies bei einer echten Urkunde auch der Fall ist. \0 Siehe OUo, BT § 70 I 1 c cc. 11 in dem oben 1. Abschn. 11 C 4 a genannten Sinne, daß ein Vertreter den Namen des Vertretenen verwendet. 12 Siehe die bereits geschilderten Erwägungen (oben 1. Abschn. 11 C 4 b) zur Konformität zwischen Zivil- und Strafrecht bei zivilrechtlich zulässiger Verwendung des Namens des Vertretenen durch einen Vertreter.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

B. Ausnahmen für die Verwendung eines falschen Namens Zunächst sollen die Fälle behandelt werden, in denen (abgesehen vom Zeichnen mit fremdem Namen) trotz Verwendung eines nicht zustehenden Namens, also eines Falschnamens, der nicht der Name eines Vertretenen ist, entgegen dem obigen Grundsatz keine unechten Urkunden hergestellt werden.

1. Keine Ausstellerangabe bei offener oder versteckter Anonymität Wie eben gezeigt, deutet die Verwendung eines anderen als des rechtlich zustehenden Namens auf eine fremde Person als Urkundenaussteller hin. Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn die verwendete Namenszeichnung offenkundig nicht auf eine konkrete Person als Urkundenaussteller schließen läßt, dem entsprechenden Schriftstück mangels Ausstellerangabe also gar keine Urkundsqualität zukommen kann. Solche Fälle werden in Rechtsprechung und Schrifttum zumeist unter den Stichworten "offene" oder "versteckte Anonymität" erörtert J3 . Dabei ist die Zuordnung der zu diesen Begriffen gehörigen Fälle nicht einheitlich, was aber keinerlei Auswirkungen hat, da beim Vorliegen sowohl von offener als auch versteckter Anonymität einem entsprechenden Schriftstück die Urkundseigenschaft abgesprochen wird. In solchen Fällen kann die Verwendung eines nicht zustehenden Namens also nicht zur Herstellung einer unechten Urkunde führen!4, sondern soll straflos bleiben, da schon gar keine Urkunde vorliegt. Soweit von "offener Anonymität" gesprochen wird!5, betrifft das zumeist die Fälle, in denen historische oder literarische Namen verwendet werden!6 oder wo mit einem unleserlichen Zeichen eine Unterschrift fingiert wird!? Zu 13 Zu abweichenden Begriffen s. nur Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 11 D, IV 1 a ("gewollte" und "relative Anonymität"); Kienapfel, Urkunden I, S. 271 f. ("gewollte Anonymität" als Oberbegriff); Frank, ZStW Bd. 32, 82, 87 ("offene Pseudonymität" und "versteckte Anonymität"). 14 Siehe der oben (3. Abschn. I A) dargestellte Normalfall. 15 Siehe Benfer, BT 11 Rdn. 254; Lackner, § 267 Anm. 2 e; Trändie, LK § 267 Rdn. 40, 127; Duo, BT § 70 11 c cc; Samson, JuS 1970, 369, 374; ders., JA 1979,526, 531; ders., SK § 267 Rdn.34; Schmidhäuser, BT 14/11; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 18,49. 16 Wobei die Beispiele von "Napoleon" (Samson, JuS 1970, 369, 374) über "Pontius Pilatus" (Seier, JA 1979, 133, 135) bis "Götz von Berlichingen" (Timcke, Identitätstäuschung, S. 81) reichen. 17 Dabei will Trändie, LK § 267 Rdn. 40, 43 die unleserliche Unterschrift, nicht aber den unleserlichen Kritzel oder ein Bildzeichen zur versteckten Anonymität rechnen. Schmidhäuser, BT 14/11 will die Verwendung literarischer oder historischer Namen zu den Fällen der "versteckten Anonymität" zählen. Zusätzlich werden noch folgende Beispiele zur offenen Anonymität angeführt: Gebrauch eines als solchen erkennbaren Decknamens (Trändie, LK § 267 Rdn. 40,

1. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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der wesentlich häufiger erwähnten "versteckten Anonymität"18 wird fast immer nur der Fall der Verwendung von sogenannten "Allerweltsnamen" (Meier, Müller, Schmidt, Schulz) gezählt 19 , 20. a) Anonymität aufgrund des Täterwillens?

In beinahe allen einschlägigen Darstellungen findet sich der Hinweis21 , daß die Verwendung eines nicht zustehenden Namens der hier geschilderten Art (historischer, literarischer oder Allerweltsname sowie auch die Zeichnung mit einem unleserlichen Namenszug) dann nicht zur Anonymität der schriftlichen Erklärung führe, wenn diese Art der Unterzeichnung auf eine ganz bestimmte Person als Aussteller hinweise 22 . Dies ist im Grunde genommen aber eine Selbstverständlichkeit, denn sobald auf eine bestimmte Person als Aussteller hingedeutet wird, ist die betreffende Erklärung ihrem äußeren Anschein nach eben nicht mehr anonym. Um nun im Einzelfall festzustellen, ob eine anonyme Erklärung oder eine auf einen bestimmten Aussteller hinweisende Urkunde vorliegt, wird in Rechtsprechung und Schrifttum zumeist nach der Intention des Täters bei der Urkundenherstellung gefragt. So finden sich immer wieder23 Formulierungen, nach denen die Anonymität einer Erklärung (und damit die Ablehnung der Urkundseigenschaft) davon abhängen soll, ob der Täter auf eine bestimmte Person als Aussteller hinweisen oder ob er lediglich unerkannt bleiben wolle 24 • 127; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 18; zum sog. Decknamen s. u. 3. Abschn. I B 2) sowie der Gebrauch eines Phantasienamens (Trändle, LK § 267 Rdn. 127; Duo, BT § 70 I 1 c ce), wobei in jenen Darstellungen nicht recht deutlich wird, welche Fallkonstallation dies gen au umfassen soll. 18 Siehe Benfer, BT 11 Rdn. 253; Bockelmann, BT 3 § 12 I 5 a; Blei, BT § 80 11 b; Eser, IV NI. 19 A 18; Lackner, § 267 Anm. 2 e; Trändle, LK § 267 Rdn. 41 ff.; Duo, BT § 70 I 1 c ce; Samson, JuS 1970, 369, 374; ders., JA 1979, 526, 531; ders., SK § 267 Rdn. 34; Schmidhäuser, BT 14/11; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 18; Timcke, Identitätstäuschung, S. 80 ff.; Welzel, § 60 I 1 a (); Wesseis, BT 1 § 18 I 2 c; Widmann, Unechte Urkunde, S. 21; sowie RGSt 46, 297, 299; BGHSt 5,149,151. 19 Nur Eser, IV NI. 19 A 18 und Wesseis, BT § 18 I 2 c wollen auch den Gebrauch eines Decknamens (s. dazu unten 3. Abschn. I B 2), sowie Benfer, BT 11 Rdn. 253 und Welzel, § 60 A I 1 a () die Verwendung einer unleserlichen Unterschrift zur versteckten Anonymität rechnen. 20 Außerdem gehört zu den erörterten Fällen der Anonymität auch noch das Zeichnen mit einer Namensabkürzung. Da im Rahmen dieses Abschnitts aber nur die Fälle des Zeichnens mit einem nicht zustehenden (vollen) Namen erörtert werden (in Gegenüberstellung zu den im 2. Abschn. 11 behandelten Fällen des Zeichnens mit vollem eigenen Namen und Vertreterzusatz), wird diese Konstellation im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter berücksichtigt. Zum Zeichnen mit abgekürzten Namen s. Kienapfel, Urkunden I, S. 271 f.; kritisch dazu Trändie, LK § 267 Rdn. 43; außerdem RG GA Bd. 37, 190; RG GA Bd. 55,311. 21 wenn auch zumeist im Bezug auf verschiedene Fallkonstellationen. 22 Vgl. nur Trändle, LK § 267 Rdn. 40; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 18. 23 allerdings verstreut und zu verschiedenen Fallkonstellationen.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsflille

Zumeist wird aber nicht so eindeutig auf diese rein subjektive Betrachtungsweise abgestellt, sondern gefragt, ob aus dem Schriftstück selbst erkennbar sei, daß der Urheber trotz der Ausstellerangabe in seiner Urheberschaft verborgen bleiben wolle25 . Erst bei Bejahung der erkennbar gewollten Anonymität soll in diesen Fällen keine Urkunde vorliegen. Ist dagegen ersichtlich, daß der Hersteller mit seiner Ausstellerangabe auf eine bestimmte, von ihm verschiedene Person hinweisen will, so soll das Schriftstück eine unechte Urkunde sein 26 • Es ist aber sehr fraglich, ob der Wille des Täters zur Anonymität, oder auch nur der aus dem Schriftstück erkennbare entsprechende Wille, die Entscheidung zwischen Nicht-Urkunde (wegen fehlender Ausstellererkennbarkeit) 24 Siehe RGSt 41,425,426 (bei unleserlicher Unterschrift sei die Urkundseigenschaft davon abhängig, ob nach der Absicht des Schreibers die gewählten Zeichen als bloße "Schnörkel" oder als Namensunterschrift erscheinen sollten); RGSt 46, 297, 299 ff. (zum Gebrauch eines in einem Ort häufiger vorkommenden Namens ("Schomaker"); Urkundseigenschaft davon abhängig, ob Urkunde auf bestimmte Person oder eine Vielzahl von entsprechenden Namensträgem hinweisen soll); OLG Bremen NJW 1950, 880, 881 (zur unleserlichen Unterschrift, mit der der Schreiber auf einen bestimmten Aussteller hinweisen will. Zur Widersprüchlichkeit dieser Entscheidung, da zugleich die angeblich vertretene Firma als Ausstellerin angesehen wird, s. o. 2. Abschn. II D 2 c); Arzt, LH 4 Rdn. 477 (Anonymität, wenn sich niemand eine Erklärung zurechnen lassen wUT); Duo, BT § 70 I 1 c cc (Anonymität, wenn der Erklärende den Zusammenhang mit seiner Person verbergen will, er verheimlichen will, daß er hinter der Erklärung steht, oder er nicht auf eine bestimmte Person hinweisen wUT); Schmidhäuser, BT 14/11 (unleserliche Unterschrift, mit der auf niemanden hingewiesen werden soll). 25 Vgl. wiederum RGSt 46, 297, 300 (Urkundseigenschaft bei Allerweltsnamen, wenn die Urkunde den Eindruck erweckt, eine bestimmte Person wolle sich als Aussteller bekennen); Benter, BT II Rdn. 253 f. (Keine Urkundseigenschaft, wenn der Urheber sich nicht mit der Urkunde identifizieren bzw. anonym bleiben wUT); Bockelmann, BT 3 § 12 I 5 a (Keine Anonymität bei Allerweltsnamen, wenn aus der Urkunde geschlossen werden kann, daß der Urheber nicht nur unkenntlich bleiben, sondern über die Person des Ausstellers täuschen wUT); Eser, IV Nr. 19 A 18 (Bei Allerwelts- und Decknamen keine Urkundsqualität, wenn der Urheber ersichtlich nicht erkennbar sein wUT); Krey, BT 1 Rdn. 707 (Keine Urkundseigenschaft bei Allerweltsnamen, wenn ohne weiteres klar sei, daß der Urheber seine Identität verbergen will, ohne jemand anderes als Aussteller vorzutäuschen); Lackner, § 267 Anm. 2 e (Keine Urkundseigenschaft bei Allerwelts-, historischen oder literarischen Namen, wenn offenbar ist, daß der Täter nicht für die Erklärung einstehen wUT); Tröndle, LK § 267 Rdn. 40 ff. (Anonymität, wenn aus der Erklärung offen zutage tritt, daß es dem Urheber gerade darum geht, seine Urheberschaft zu verdecken); MaurachlSchroeder, BT 1 § 65 II D (Keine Urkunde, wenn Deckname, unleserliche Unterschrift oder Allerweltsname erkennen lassen, daß der Urheber nicht als Aussteller gelten will); Samson JuS 1970, 369,374 (Keine Urkunde bei historischen Namen oder Allerweltsnamen, wenn sich aus der Erklärung ergibt, daß sich niemand zu ihr bekennen wUT); ebenso ders., SK § 267 Rdn. 34; SchISch/Cramer, § 267 Rdn. 18 (Keine Urkundseigenschaft bei unleserlichem Kritzel oder Allerweltsnamen, wenn ersichtlich ist, daß die Feststellung des Urhebers verhindert werden soll); Wesseis, BT 1 § 18 I 2 c (Keine Urkundsqualität bei Decknamensgebrauch, wenn zweifelsfrei feststeht, daß der Urheber anonym bleiben wUT); Timcke, Identitätstäuschung, S. 85 (Keine Urkundseigenschaft, wenn die Absicht, anonym zu bleiben, aus der Urkunde selbst erkennbar ist). 26 Vgl. nur Tröndle, LK § 267 Rdn. 42; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 18.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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und unechter Urkunde (wegen Identitätstäuschung durch Gebrauch eines nicht zustehenden Namens) bestimmen darf. Zwar wurde bei der Untersuchung des Rechtsgutes des § 267 StGB27 festgestellt, daß auch gerade das Handlungsziel des Täters ("zur Täuschung im Rechtsverkehr") mit in die Erwägungen zur Angriffsrichtung dieses Delikts einbezogen werden muß. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, daß bereits bei der Bestimmung des Begriffes der "Urkunde", insbesondere im Hinblick auf das Merkmal "Erkennbarkeit eines Ausstellers", die Intentionen des Täters berücksichtigt werden müssen. Hinsichtlich des Willens zur Anonymität muß nämlich zunächst festgestellt werden, daß im Grunde genommen jeder Täter, der einen nicht zustehenden Namen gebraucht, vom Willen geleitet ist, sich hinter diesem Namen zu verstecken, unerkannt und anonym zu bleiben28 . Dabei ist es nicht zwingend, daß der Täter zugleich auch eine andere Person als Urkunden aussteller erscheinen lassen will. Es ist durchaus denkbar, daß ihm die Beurteilung des (nur scheinbaren) Ausstellers durch andere Teilnehmer am Rechtsverkehr völlig gleichgültig ist, wenn nur keine Beziehung zu seiner Person hergestellt werden kann. Im Falle von besonders plumpen oder ungeschickten Fälschungen kann ein solcher Wille zur Anonymität sogar offen zutage liegen, da deutlich erkennbar ist, daß der Urheber sich unerkannt hinter einem ihm nicht zustehenden Namen verbergen will. Eigentlich müßte man diesen plumpen, erkennbar vom Willen zur Anonymität geprägten Fälschungen bereits die Urkundseigenschaft absprechen, wenn man den oben angeführten Kriterien zustimmt. Es besteht aber weitgehende Einigkeit darüber, daß auch besonders plumpe und ungeschickte Fälschungen dem Tatbestand des § 267 StGB unterfallen sollen 29 . Gegen die Berücksichtigung des Handlungszieles bei Bestimmung der Anonymität von Urkunden spricht insbesondere die folgende Erwägung: Es muß nicht notwendigerweise eine eindeutige, nur in eine Richtung weisende Intention sein (entweder Wille zur Anonymität oder Wille zur Ausstellertäuschung), die der Handlung eines Täters in den hier erörterten Fällen (Zeichnen mit historischen, literarischen oder Allerweltsnamen oder mit unleserlicher Namensunterschrift) zugrundeliegt. So sind ohne weiteres Fallkonstellationen denkbar, in denen der Täter, der zum Beispiel mit dem Namen "Müller" unterzeichnet, gegenüber einer bestimmten Person den Eindruck erwecken will, eine ganz konkrete, dem Urkundenadressaten bekannte Person Siehe o. 1. Abschn. III D. Vgl. Kienapfel, Urkunden I, S. 271. 29 Vgl. Seier, JA 1979, 133, 135 sowie Puppe, Technische Aufzeichnungen, S. 165. Anders nur Bockelmann, BT 3 § 1211 2, der in solchen Fällen nur einen Versuch bejahen will. Die Berufung Bockelmanns auf die Entscheidung RG HRR 1936, Nr. 774 geht allerdings fehl; dort werden keine plumpen, ungeschickten Fälschungen behandelt. 27 28

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

namens "Müller" sei Aussteller dieses Schriftstückes; gegenüber einem anderen Erklärungsempfänger aber durch den Hinweis auf irgend eine Person namens "Müller" seine Anonymität wahren wilpo. Man käme in einem solchen Fall durch die Berücksichtigung des Täterwillens bei der Ausstellerbestimmung unter Umständen zu folgender Beurteilung: Der erste Adressat würde eine unechte Urkunde in den Händen halten (da über einen bestimmten "Müller" als Aussteller getäuscht wurde), der zweite dagegen nur eine anonyme Erklärung ohne Urkundscharakter (die von irgendeinem beliebigen "Müller" zu stammen scheint). Die Unhaltbarkeit dieses Ergebnisses liegt auf der Hand, da der Urkundsbegriff nicht in dieser Weise relativiert werden kann. Bereits das von § 267 StGB umfaßte Rechtsgut schließt aber ein solches Ergebnis aus, da nicht nur ein einzelner Teilnehmer am Rechtsverkehr vor Täuschungen über die Authentizität von Urkunden bewahrt werden soll. Vielmehr liegt die entscheidende deliktische Handlung darin, daß das Vertrauen aller Beteiligten am Rechtsverkehr auf die Authentizität von Urkunden angegriffen wird 3!. Sollte jemand einwenden wollen, daß ein urkundliches Schriftstück in der Regel nur einen Adressaten habe, womit die eben dargestellte Relativierung des Urkundsbegriffes praktisch keine Bedeutung hätte, vermag dies die obige Darstellung nicht zu entkräften. Abgesehen davon, daß Auslegungsregeln und Definitionen (hier: Anonymität bei entsprechendem - u. U. erkennbarem Täterwillen) sich immer gerade an Grenzfällen und besonderen Konstellationen, nicht aber am ohnehin eindeutigen Normalfall zu bewähren haben, entspricht dieser Einwand nicht dem von § 267 StGB betroffenen Rechtsgut. Urkunden sind als Beweisstücke (auch wenn die Beweisfunktion nicht immer im Vordergrund stehen muß32) geradezu dafür prädestiniert, nicht nur einem Urkundenempfänger vorgelegt zu werden, sondern (sei es im Streitfalle oder aus anderen Gründen) unter Umständen mehreren Urkundenempfängern zur Kenntnis zu gelangen. Dies ist jedem Hersteller eines urkundlichen Schriftstückes bekannt, so daß es durchaus nicht abwegig erscheint, wenn der Hersteller einer schriftlichen Erklärung gegenüber verschiedenen Adressaten ein jeweils unterschiedliches Handlungsziel verfolgt und sowohl den Anschein der Anonymität, als auch den Anschein des Herrührens von einem bestimmten Aussteller erwecken will.

30 Entsprechende Bedenken richteten sich oben (2. Abschn. 11 D 2 c) gegen die Berücksichtigung des Täterwillens zur Bestimmung der Frage, ob bei offener Vertretung einer Firma oder Behörde die Institution oder aber der Unterzeichner als Aussteller anzusehen ist. 31 Siehe o. 1. Abschn. 111 D sowie 2. Abschn. 11 D 2 c zur Gefahr der Relativierung des Echtheitsbegriffes bei Einbeziehung der Sicht des Urkundsadressaten in die Ausstellerbestimmung bei der offenen Stellvertretung von Firmen oder Behörden. 32 Siehe o. 1. Abschn. III C.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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Somit bleibt festzustellen, daß die Intention des Urhebers einer Erklärung keine Auswirkungen darauf haben kann, ob in Fällen der "versteckten" oder "offenen Anonymität" Urkunden vorliegen. Die Kriterien zur Unterscheidung der anonymen, nicht urkundlichen Erklärung von einer unechten Urkunde in den hier genannten Fällen können also nicht subjektiver, sondern nur objektiver Natur sein 33 • Es muß somit gefragt werden, ob das zu beurteilende Schriftstück objektiv den falschen Anschein des Herrührens von einem bestimmten Aussteller erweckt, oder ob es objektiv als anonyme Erklärung ohne Ausstellerangabe erscheint34 • b) Objektiv begründete Anonymität

Im folgenden soll kurz skizziert werden, in welchen Fällen objektiv zu bestimmende, anonyme Erklärungen vorliegen. Dabei wird die Darstellung auf die wichtigsten Beispiele der Verwendung eines nicht zustehenden Namens bzw. der Unterschrift mit einem unleserlichen Schriftzug beschränkt. aa) Zeichnung mit unleserlicher Unterschrift Wenn im Rechtsverkehr ein Schriftstück auftaucht, das mit einer unleserlichen Unterschrift versehen ist und keine weiteren Ausstellerhinweise enthält, so könnte gesagt werden, der Urheber dieser Erklärung sei objektiv gesehen ebensowenig auszumachen wie der Urheber einer eindeutig anonymen Erkärung ohne jegliche Ausstellerangabe35 . Dabei ist aber zu bedenken, daß es durchaus Personen gibt, deren individuelle Namensunterschrift schlicht unlesbar ist. Stellen alle diese Personen bei Unterzeichnung eines rechtserheblichen Schriftstückes nur anonyme Erklärungen und keine echten Urkunden her? Wäre dies der Fall, dann würde man die schriftlichen Erklärungen dieser Personen dem Anwendungsbereich des § 267 StGB entziehen; man würde sie damit der Gefahr der straflosen Fälschung oder Verfälschung preisgeben. Daß dies nicht so sein kann, zeigt schon 33 Vgl. Ohr, JuS 1967, 255, 256; Seier, JA 1979, 133, 135; so wohl auch Kienapfel, Urkunden I, S. 271 f.; Welzel, § 60 A I 1 a ö; widersprüchlich Timcke, Identitätstäuschung, S. 28,85, der einerseits eine rein objektive Anonymitätsprüfung vornehmen will, andererseits aber den aus der Urkunde selbst erkennbaren Willen zur Anonymität berücksichtigt. 34 Siehe auch Frank, ZStW Bd. 32, 82, 87; auf eine objektive Betrachtungsweise stellt auch ab: Widmann, Unechte Urkunde, S. 11,23,26 ff. 35 So die Begründung für fehlende Urkundseigenschaft in einem solchen Fall bei Frank, ZStW Bd. 32, 82, 89; s. weiterhin zur fehlenden Urkundseigenschaft wegen unleserlicher Unterschrift: Timcke, Identitätstäuschung, S. 88 f.; Welzel, § 60 A I 1 a ö; Widmann, Unechte Urkunde, S. 21; sowie Arzt, LH 4 Rdn. 355 f. (letzterer auf subjektive Kriterien abstellend); sehr vage Lackner, § 267 Anm. 2 e einerseits und Anm. 3 b andererseits.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

ein Blick auf die Erfordernisse, die ansonsten im Rechtsverkehr an das Vorliegen einer "Unterschrift" gestellt werden 36 . Einhellig wird hier nicht die Lesbarkeit der Unterschrift gefordert, sondern lediglich ein individueller Schriftzug, der aufgrund charakteristischer Merkmale geeignet ist, als Identitätskennzeichen zu dienen 37 • Daher muß gesagt werden, daß bei objektiver Betrachtung nur dann eine anonyme Erklärung festzustellen ist, wenn eine vorhandene unleserliche Urheberangabe noch nicht einmal den Anschein erweckt, eine individuelle Namensunterschrift zu sein, sondern es sich um einen bloßen Schnörkel oder Kritzel handelP8. Ansonsten ist aber eine, wenn auch unleserliche, einen individuellen Namenszug darstellende Unterschrift eine taugliche Ausstellerangabe, da sie auf eine individuelle Person hinweist, die in entsprechender Weise zu unterzeichnen pflegt39 • Dies bedeutet, daß die Verwendung einer vom eigenen individuellen Namenszug abweichenden, wenn auch unleserlichen Unterschrift eine Ausstellertäuschung bewirkt, also zur Herstellung einer unechten Urkunde und nicht nur zu einer anonymen Erklärung führt 40 • Als Anscheinsaussteller ergibt sich in solchen Fällen eine Person aus der Urkunde, die diesen Namenszug als individuelle Unterschrift führt; Urheber der Erklärung ist dagegen der Schreiber, dessen individuelle Namensunterschrift anders aussieht. Somit ist in den Fällen der Unterzeichnung mit einer unleserlichen Unterschrift keine AusUnterschriftserfordernis z. B. nach §§ 126 BGB, 130 Zf. 6 ZPO, 345 II Stpo. Vgl. nur BGHSt 12, 317 f.; BGH NJW 1982,1467; Förschler, MK § 126 Rdn. 27; s. ferner BFH NJW 1987, 343, wo allerdings die Erkennbarkeit zumindest einzelner Buchstaben gefordert wird, sowie BGH NJW 1987, 957 ("Unterzeichnung" mit einem Violinschlüssel!) und BGH NJW 1987,1333. 38 Fehlende Ausstellererkennbarkeit bei einem bloßen Schnörkel oder Kritzel bejahen auch DreherlTröndle, § 267 Rdn. 21; Tröndle, LK § 267 Rdn. 127; Ohr, JuS 1967, 255, 256; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 49; Seier, JA 1979, 133, 134; Stehling, Urkundenfälschung, S. 80; ebenso, allerdings unter Einbeziehung subjektiver Momente: Arzt, LH 4 Rdn. 477 f.; Tröndle, LK § 267 Rdn. 40; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 18. 39 Ebenso Kienapfel, Urkunden I, S. 268,271 f.; zu enge Voraussetzungen bei Welzel, § 60 A I 1 a 6, der bei ansonsten objektiver Betrachtung annimmt, daß immer Anonymität vorläge, wenn nicht auf eine bestimmte Person, die unleserlich unterschreibt, hingewiesen werde. Unzutreffend die Differenzierung bei Timcke, Identitätstäuschung, S. 89 f., wonach ein unleserlicher Namenszug zwar eine "echte Unterschrift" sein könne, ein solchermaßen vom Unterzeichner gefertigtes Schriftstück aber keine echte Urkunde sei. (Siehe auch die Entscheidung RG HRR 1937, Nr. 420, die neben subjektiven Erwägungen auch den Hinweis enthält, eine unleserliche Unterschrift weise auf eine Person hin, die entsprechend unterschreiben würde. Aufgrund der sehr fragwürdigen Grundlage dieser Entscheidung sei aber nochmals auf die oben 2. Abschn. FN 88 geäußerten Bedenken hingewiesen.) 40 Im Ergebnis richtig daher RGSt 41, 425 sowie BGH LM.Nr. 11 zu § 267 StGB, letztere Entscheidung zum unleserlich verstellten eigenen (!) Namenszug (s. dazu auch unten 3. Abschn. II C). Beide Entscheidungen lassen aber die Intention des Täters in die Echtheitsprüfung einfließen. Siehe zudem die im Ergebnis richtige Entscheidung OLG Bremen NJW 1950, 880, wo allerdings die Unechtheit mit der Unrichtigkeit des Vertretervermerks (s. dazu oben 2. Abschn. II E), nicht aber mit der Unleserlichkeit der Namensunterschrift begründet wird. 36 37

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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nahme von dem Grundsatz zu machen, daß das Zeichnen mit einem nicht zustehenden Namen (hier: ein nicht zustehender Namenszug) zu einer unechten Urkunde führt. Die Intention des Täters, nur anonym und unerkannt zu bleiben, hat auf die Feststellung der Unechtheit einer entsprechenden Urkunde keinen Einfluß. bb) Verwendung historischer und literarischer Namen

Demgegenüber liegt aber beim Gebrauchen eines historischen oder literarischen Namens eine Ausnahme von dem oben genannten Grundsatz41 vor. Hier führt die Verwendung (sei es durch Unterschrift, Briefkopf oder Namensstempel) eines nicht zustehenden Namens in der Regel nicht zur Herstellung einer unechten Urkunde. In diesen Fällen ist nämlich objektiv erkennbar und ohne Zuhilfenahme der Intention des Täters aus dem Schriftstück herauszulesen, daß kein Urheber der Erklärung kenntlich gemacht ist. Mangels Erkennbarkeit eines Ausstellers stellen diese offensichtlich unter einem Pseudonym geschriebenen Schriftstücke42 also schon gar keine Urkunden dar43 . Hierbei taucht aber die Frage auf, aus wessen Sicht in den Fällen der Verwendung von historischen oder literarischen Namen die Erkennbarkeit des Ausstellers bzw. die Anonymität zu beurteilen sein soll. Ist zum Beispiel ein Schriftstück mit "Baron von Münchhausen" unterzeichnet, so wird wohl jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr, dem dieses Schriftstück vorliegt, erkennen, daß der Urheber der Erklärung nicht aus dem Schriftstück ersichtlich ist, er also anonym bleibt. Dies dürfte aber bei einer Unterzeichnung mit dem Namen "Felix Krull" schon nicht mehr so eindeutig sein 44 . Auf wessen Hori41 Siehe 3. Abschn. I A: Gebrauch eines nicht zustehenden Namens führt zur Herstellung einer unechten Urkunde. 42 Insofern ist der von Frank, ZStW Bd. 32,82, 87 gewählte Ausdruck "Offene Pseudonymität" zutreffend. 43 Ebenso Frank, ZStW Bd. 32,82,87; Trändie, LK § 267 Rdn. 127; Ohr, JuS 1967, 255,256; Samson, JA 1979, 526, 531; Schmidhäuser, BT 14/11; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 18, 49; Stehling, Urkundenfälschung, S. 80; Timcke, Identitätstäuschung, S. 82 (wobei Timcke auf das Problem hinweist, daß gelegentlich doch Personen existieren, die einen entsprechenden Namen tragen: gleichnamiger Nachfahre des Götz von Berlichingen!); im Ergebnis auch, aber unter ausdrücklicher Zuhilfenahme subjektiver Kriterien: Arzt, LH 4 Rdn. 477 f.; Lackner, § 267 Anm. 2 e; Trändie, LK § 267 Rdn. 40; Otto, BT § 70 I 1 c ce; Samson, JuS 1970, 369, 374; ders., SK § 267 Rdn. 34; die Ansicht von Trändie, zustimmend zitierend: Seier, JA 1979, 133, 134. Unklar im Bezug auf das Zeichnen mit historischem und literarischem Namen: Kienapfel, Urkunden I, S. 271 f., der die h. M. zitiert und das Kriterium des Täterwillens verwirft. Ob Kienapfel bei Zeichnung mit historischem oder literarischem Namen auch die Urkundsqualität bejahen würde, wird nicht ausdrücklich gesagt (davon aber offenbar ausgehend die Kritik von Seier, JA 1979, 133, 134). 44 Siehe das Beispiel bei Seier, JA 1979, 133, 135 nach dem ein ungebildeter Forderungsgläubiger "Pontius Pilatus" für den Scheckaussteller hält.

7 Steinmetz

3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

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zont ist nun also abzustellen, was die erkennbare Anonymität solcher Erklärungen betrifft: auf den eines normalen Durchschnittsmenschen oder auf den (weiten oder beschränkten) Gesichtskreis der Person, die das zu beurteilende Schriftstück vorliegen hat oder der es vorgelegt werden soll? Seier45 differenziert zur Klärung dieser Frage danach, ob der Täter bereits eine bestimmte zu täuschende Person ins Auge gefaßt hat oder nicht. Wenn dies der Fall sei, so solle die Vorstellung des Urkundenempfängers, ansonsten der Blickwinkel eines Durchschnittsmenschen maßgebend sein für die Feststellung, ob eine anonyme Erklärung (oder eine unechte Urkunde) vorliege. Dies wird im wesentlichen damit begründet, daß zunächst einmal auch plumpe und ungeschickte Fälschungen dem Tatbestand des § 267 StGB unterfallen sollen, also auch die Täuschung des einfältigen Beweisdestinatärs erfaßt werde. Weiterhin sei es gerade im Interesse desjenigen, der glaube, ein taugliches Beweismittel in Händen zu halten, die Feststellung der Anonymität einer Erklärung aus seiner Sicht vorzunehmen 46 • Gegen diese Ansicht sprechen aber durchgreifende Bedenken. Es ist nicht einsehbar, warum die Bewertung eines Schriftstückes als anonyme NichtUrkunde einerseits oder als unechte urkundliche Erklärung andererseits davon abhängen soll, ob sich der Täter bereits ein (unter Umständen besonders einfältiges) Täuschungsopfer vorstellt, oder ob seine Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr noch nicht auf eine bestimmte Person konkretisiert ist. Dies würde bedeuten, daß ein mit historischem oder literarischem Namen gezeichnetes Schriftstück allein aufgrund der Vorstellung des Täters sowohl als unechte Urkunde als auch als anonyme Erklärung bewertet werden könnte. Unter 3. Abschn. I B 1 a wurde aber bereits gezeigt, daß subjektive Kriterien wie der "Täterwille zur Anonymität" keinen Einfluß auf die objektive Bestimmung der Erkennbarkeit eines Ausstellers haben können 47 . Dies gilt auch für die Einbeziehung der Tätervorstellung hinsichtlich der Konkretisierung eines eventuellen Täuschungsopfers. So droht gerade auch in dem von Seier48 angeführten Beispiel (Scheckunterschrift mit "Pontius Pilatus") die bereits oben aufgezeigte Gefahr der Relativierung des Urkundsbegriffes bei Einbeziehung subjektiver Merkmale in die objektive Feststellung der Anonymität49 • Der dem besonders einfältigen Gläubiger zugedachte Scheck soll ja nach jener Ansicht eine unechte Urkunde darstellen, da aus der beschränkten Sicht des Beweisdestinatärs der Scheck nicht als anonyme Erklärung erscheint. Der Täter dürfte aber auch die Vorstellung haben, daß der einfältige JA 1979, 133, 135. Seier, JA 1979, 133, 135. 47 Dies wird von Seier, JA 1979, 133, 135 in den Fällen der Verwendung eines Allerweltsnamens (dazu unten 3. Abschn. I B 1 b cc) auch ausdrücklich anerkannt. 48 JA 1979, 133, 135. 49 Siehe 3. Abschn. I B 1 a. 45

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I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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Gläubiger gerade aufgrund seiner Unkenntnis versuchen wird, den Scheck einzulösen. Wer der weitere Beweisdestinatär, dem der Scheck vorgelegt wird, sein könnte, dürfte zunächst noch nicht sicher sein. Für die Beurteilung der Anonymität der Erklärung gegenüber dem weiteren Adressaten müßte also auf die Sicht eines Durchschnittsmenschen abgestellt werden, dem sofort die Anonymität der Erklärung auffallen würde. Es müßte mangels Erkennbarkeit des Ausstellers die Urkundsqualität verneint werden. Dieses Ergebnis, ein Schriftstück sowohl als unechte Urkunde als auch als anonyme Erklärung anzusehen, nur weil es an verschiedene Teilnehmer im Rechtsverkehr gerichtet ist, ist aber, wie bereits oben gezeigt50 , ausgeschlossen 51 . Gegen die Ansicht, die Anonymitätsentscheidung (unter Umständen) aus der Sicht des Beweisdestinatärs vorzunehmen 52 , spricht aber auch folgendes: Die Angriffsrichtung des Delikts nach § 267 StGB besteht, wie bereits gezeigt wurde 53 , nicht darin, daß der (unter Umständen besonders einfältige) einzelne Teilnehmer am Rechtsverkehr über einen Urkundenaussteller getäuscht wird, sondern in der Verletzung des Interesses der Allgemeinheit an der Authentizität von Urkunden. Die von Seier vorgeschlagene Betrachtungsweise für die Fälle der Verwendung von historischen oder literarischen Namen 54 würde aber das Gegenteil bewirken, da völlig gleiche Schriftstücke je nach Bildungsoder Kenntnisstand des jeweiligen Urkundenadressaten von Fall zu Fall als Siehe 3. Abschn. I B 1 a. Der mögliche Gegeneinwand, in solchen Fällen sei eben immer nur auf die Sicht des ersten Beweisdestinatärs abzustellen, dann bliebe eine unechte Urkunde auch unecht, greift aber nicht durch. Würde der mittlerweile über seinen Irrtum aufgeklärte Gläubiger den (mit "Pontius Pilatus" gezeichneten) Scheck einer weiteren, nicht einfältigen Person (z. B. zu Einlösungszwecken) vorlegen, so müßte man nach der Ansicht Seiers sehr wohl auf den Horizont des zweiten Beweisdestinatärs abstellen, aus dessen Sicht nur das Gebrauchen einer anonymen Erklärung vorläge. Auch hier würde die zunächst unechte Urkunde plötzlich zu einer anonymen Erklärung. 52 Außer Seier, JA 1979, 133, 135 vertritt dies ebenfalls (allerdings nicht so differenziert) Lackner, § 267 Anm. 2 e, der diese Betrachtungsweise auch auf die Fälle der Unleserlichkeit der Unterschrift (s. vorherige Fallgruppe unter 3. Abschn. I B 1 b aa) anwenden will. Lackner beruft sich dabei auf die Entscheidung BayObLG NJW 1981, 774, nach der für jegliche Bestimmung des aus einer Urkunde erkennbaren Ausstellers die Sicht des Beweisdestinatärs entscheidend sein soll. Die vom BayObLG herangezogenen Nachweise (Tröndle, LK 9. Aufl., § 267 Rdn. 32,38; SchlSchlCramer, 20. Aufl., § 267 Rdn. 17; Lackner, 13. Aufl., § 267 Anm. 2 e; Blei, BT 11. Aufl., S. 274) geben (außer dem hier erörterten Beitrag von Seier, JA 1979, 133 ff.) aber nichts für diese Ansicht her. Dort (und, außer bei Lackner, auch an den entsprechenden Stellen der späteren Neuauflagen) wird nirgendwo die Bestimmung des aus der Urkunde erkennbaren Ausstellers allein aus der Sicht des Beweisdestinatärs vorgenommen. Es findet sich lediglich die Einschränkung, daß u. U. die Sichtweise bestimmter, eingeweihter oder beteiligter Personen bei der Ausstellerbestimmung heranzuziehen ist. Dazu s. unten 3. Abschn. I B 2 die Ausführungen zur Ausstellerbestimmung insbesondere bei Spitz- und Decknamen. 53 Siehe o. 1. Abschn. III D. 54 JA 1979, 133, 135. 50 51

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

anonyme Erklärungen oder auch als unechte Urkunden einzustufen wären. Nachdem, wie eben gezeigt, schon die Einbeziehung der Tätervorstellung den Urkundsbegriff relativieren würde, droht eine entspechende Unsicherheit auch bei Einbeziehung der jeweiligen Opfervorstellung55 . Dies alles führt zu dem Schluß, daß die Frage, ob eine unter einem historischen oder literarischen Namen abgegebene schriftliche Erklärung eine unechte Urkunde oder ein anonymes Schriftstück darstellt, nur aus der objektiven Sicht eines Durchschnittsbetrachters zu beantworten ist 55a • Dem steht nicht entgegen, daß § 267 StGB unter Umständen auch ganz plumpe und ungeschickte Fälschungen umfassen soll56. Wenn die Beschränktheit der Sicht eines einfältigen Beweisdestinatärs wirklich der ausschlaggebende Grund für die Bestrafung auch schlecht gelungener Fälschungen wäre, so müßte man im Umkehrschluß auch die Sicht eines spezialisierten Schriftexperten berücksichtigen, demgegenüber, wenn er als Beweisdestinatär in Betracht käme, praktisch keine Urkundenfälschung mehr begangen werden könne. Es liegt auf der Hand, daß dieses Ergebnis nicht dem Rechtsgut "Vertrauen aller Teilnehmer am Rechtsverkehr auf Authentizität von Urkunden" entsprechen würde. Im Normalfall wird also der Gebrauch eines literarischen oder historischen Namens (bei einiger Bekanntheit desselben) für einen objektiven Betrachter offen erkennen lassen, daß sich der Urheber der Erklärung hinter dem Pseudonym versteckt, es sich also um eine anonyme Erklärung ohne Urkundscharakter handelt. Es liegt somit ein Fall vor, in dem die Verwendung eines nicht zustehenden Namens ausnahmsweise nicht zur Herstellung einer unechten Urkunde führt. Die Intentionen des Herstellers oder die Sicht des Urkundsempfängers beeinflussen diese Bewertung aber nicht. cc) Verwendung von "Allerweltsnamen" Schließlich ist noch darauf einzugehen, wie im Rahmen einer objektiven Betrachtungsweise die Anonymität von Urkunden in den Fällen festzustellen ist, in denen schriftliche, rechtserhebliche Erklärungen unter einem häufig vorkommenden "Allerweltsnamen" abgegeben werden. In der Tat bereitet die Individualisierung des Urhebers eines solchen Schriftstückes Schwierigkei55 Das Ausnutzen der Vorstellungen eines besonders einfältigen Opfers kann daher bei der objektiven Prüfung des Straftatbestandes des § 267 StGB (im Gegensatz zu § 263 StGB) keine Rolle spielen. Siehe auch oben unter 2. Abschn. 11 D 2 c die Ausführungen (unter Hinweis auf Timcke, Identitätstäuschung, S. 27 f.), wonach die Bestimmung des Urkundenausstellers bei offener Vertretung von Firmen oder Behörden nicht aus der Sicht des Urkundsempfängers vorgenommen werden kann. 55a Gegen die Einbeziehung der Sichtweise des Beweisdestinatärs bei der Prüfung der Anonymität von Urkunden, allerdings bezüglich der Verwendung sog. Allerweltsnamen (dazu sogleich 3. Abschn. I BI b cc) s. Timcke, Identitätstäuschung, S. 82 f. 56 Wie Seier, JA 1979, 133, 135 u. a. mit Berufung auf Puppe, Technische Aufzeichnungen, S. 165 ausführt.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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ten, wenn nicht irgendwelche Zusätze als Identifikationshilfen dienen 57 • Dies könnte, ebenso wie in den Fällen der unleserlichen Unterschrift 58 dazu verleiten, entsprechende Erklärungen so zu behandeln, als enthielten sie überhaupt keine Ausstellerangabe, sie also als anonyme Erklärungen ohne Urkundscharakter anzusehen 59 • Dem ist aber entgegenzuhalten, daß bei einem jeden auch nicht so häufig vorkommenden Namen die Möglichkeit besteht, daß der Namensträger nicht völlig zweifelsfrei gekennzeichnet wird 60 • Trotzdem wird, soweit ersichtlich, nur bei sehr häufig auftretenden Namen behauptet, die Urkundseigenschaft von Erklärungen, die mit solchen Namen gezeichnet sind, könnte fehlen. Bei dieser Betrachtungsweise ist aber zu bedenken, daß man ähnlich wie bei den Personen, die mit einem unleserlichen Namenszug zu unterschreiben pflegen 61 , auch hier die Erklärungen von bestimmten Personen, nämlich der Träger solcher Allerweltsnamen, dem Anwendungsbereich des § 267 StGB entzöge 62 . Dagegen spricht insbesondere, daß es im Rechtsverkehr zur Erfüllung eines Unterschriftserfordernisses ausreichend ist, wenn lediglich mit dem Zunamen (ohne weiteren Individualisierungshinweis ) gezeichnet wird 63 • Es kann aber, für den Fall, daß ein entsprechendes Schriftstück nicht auf einen ganz bestimmten Träger des Namens als Urheber der Erkärung hinweist, nicht angehen, daß jegliche Schriftstücke, die mit "Meier", "Müller", "Schulze" usw. unterzeichnet sind, nur als anonyme Erklärungen anzusehen sind, die im Rahmen des § 267 StGB straflos ge- oder verfälscht werden dürfen 64 • Die von Vgl. Puppe, Jura 1986,22,28. Siehe o. 3. Abschn. I B 1 b aa. 59 So insbesondere Eser, IV Nr. 19 A 18; Frank, ZStW Bd. 32,82,87; Tröndle, LK § 267 Rdn. 42; MaurachlSchroeder, BT 2 § 65 II D; Samson, JuS 1970, 369, 374; ders., JA 1979, 526, 531; ders., SK § 267 Rdn. 34; Timcke, Identitätstäuschung, S. 82, 87; Widmann, Unechte Urkunde, S. 21; s. auch RGSt 68, 2, 3; ebenso, allerdings mit der selbstverständlichen Einschränkung, daß keine Anonymität vorliege, wenn der gebrauchte Allerweltsname doch auf eine bestimmte Person hindeute (zum Teil mit subjektiven Erwägungen): RGSt 46,297,299,301; Arzt, LH 4 Rdn. 477 f.; Blei, BT § 80 I 1 b; Bockelmann, BT 3 § 12 I 5 a; Krey, BT 1 Rdn. 707; Lackner, § 267 Anm. 2 e; Otto, BT § 70 I 1 c cc; Welzel, § 60 All a D; ebenso, aber nicht ganz so deutlich: Schmidhäuser, BT 14/11 (keine Urkundseigenschaft, wenn der häufige Name nur als Versteck erscheint); Wesseis, BT 1 § 18 I 2 c (Urkundseigenschaft nur, wenn der Eindruck erweckt wird, daß ein Namensträger hinter der Erkärung steht); unklar Tröndle, LK § 267 Rdn. 127 (Urkundseigenschaft nur, wenn Identitätstäuschung erreichbar war). 60 Siehe Seier, JA 1979, 133, 135. 61 Siehe 0.3. Abbschn. I BI b aa. 62 Siehe Seier, JA 1979, 133, 135; Bedenken hinsichtlich der Konsequenzen für die Träger von Allerweltsnamen auch bei RGSt 46,297,299 f.; Lackner, § 267 Anm. 2 e; Trändie, LK § 267 Rdn. 42; SchlSchlCramer, § 267 Rnd. 18. 63 Siehe dazu nur PalandtlHeinrichs, § 126 Anm. 3 e. 64 Dies gilt insbesondere auch für das immer wieder aufgeführte, auf Frank, ZStW Bd. 32, 82, 87 zurückgehende Beispiel, der mit "Müller" unterschriebenen Strafanzeige, die bei der Staatsanwaltschaft einer Großstadt eingeht. 57

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

Literatur und Rechtsprechung angebotenen subjektiven Kriterien zur besseren Bewältigung dieses Problems sind aber, wie oben gezeigt 65 , nicht brauchbar, da sie zu einer Relativierung des Urkundsbegriffes führen. Es gibt somit keine andere Möglichkeit, als eine rein objektive Betrachtungsweise zugrundezulegen 66 , nach der ein mit einem Allerweltsnamen versehenes Schriftstück nicht eine anonyme Erklärung, sondern eine Urkunde darstellt, als deren Aussteller eine (wenn auch unbestimmte) Person dieses Namens erscheint67 . Macht nun jemand von einem ihm nicht zustehenden Allerweltsnamen bei Herstellung eines Schriftstückes Gebrauch, so erscheint als Anscheinsaussteller eine Person dieses Namens, die nicht dem Urheber der Erklärung entspricht68 • Somit liegt in diesen Fällen keine Ausnahme von dem unter 3. Abschn. lAI genannten Grundsatz vor. Auch hier spielen die Intentionen des Täters keinerlei Rolle bei der Feststellung, daß bei Verwendung eines nicht zustehenden Allerweltsnamens eine unechte Urkunde und nicht nur eine anonyme Erklärung hergestellt wird.

Siehe 3. Abschn. I B 1 a. Zutreffend für diese Fälle Seier, JA 1979, 133, 135. Dabei ist aber erstaunlich, daß Seier die auf subjektiven Kriterien beruhende Ansicht von Tröndle (LK § 267 Rdn. 40) zum Zeichnen mit literarischen oder historischen Namen als "berechtigt" (JA 1979, 133, 134) bezeichnet. 67 So Kienapfel, Urkunden I, S. 267; ebenso auch Seier, JA 1979, 133, 136. Soweit letzterer aber zur weiteren Differenzierung darauf abstellt, ob der Täter bereits ein konkretes Täuschungsopfer ins Auge gefaßt hat, um bejahendenfalls aus dessen Sicht, ansonsten aus der Sicht des normalen Durchschnittsbeobachters, zu prüfen, ob sich der gebrauchte Allerweltsname nicht doch als bloße "Gattungsbezeichnung" darstelle, kann auf die Widerlegung dieses Ansatzes unter 3. Abschn. I B 1 b bb verwiesen werden. Richtig auch BGHSt 5, 149, 151, zum Zeichnen mit den nicht zustehenden Allerweltsnamen "Meyer" und "Fischer" verbunden mit der jeweiligen Ortsangabe "Münehen". Allerdings geht der BGH auf die Frage der "versteckten Anonymität" nicht weiter ein und sieht in der Namenszeichnung mit den unberechtigt geführten Allerweltsnamen ohne weiteres eine Täuschung über den Urkundsaussteller. 68 Am Rande sei hier nur der originelle Widerspruch vermerkt, in den sich Samson verwickelt, wenn er zunächst (JA 1979, 526, 531) Schriftstücken, die ohne unterscheidenden Zusatz mit Allerweltsnamen ("Hans Hansen in Flensburg oder Jupp Schmitz in Köln") gezeichnet sind, die Urkundeneigenschaft abspricht, dann aber in der Fortsetzung seines Beitrages (JA 1979, 658, 659 Beispiele 24 und 25), bei der Prüfung der Echtheit von Urkunden, gerade Fälle anführt, die auf der Verwendung von Allerweltsnamen beruhen ("Die Unterschrift ,Meyer' ist nichts anderes als die Verkürzung einer Erklärung, die vollständig lautet: ,Die vorstehende Erklärung stammt von mir. Mein Name ist Meyer.' Hat die Erklärung in Wahrheit Müller verfaßt, dann ist diese Ausstellererklärung unwahr und die Urkunde deshalb unecht (Fälschung). "). 65

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2. Künstlernamen, Decknamen, Spitznamen und auf Dauer gebrauchte Falschnamen

Eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz, daß die Verwendung eines nicht zustehenden Namens zur Herstellung einer unechten Urkunde führt 69 , wird für die Fälle diskutiert, in denen bei Herstellung cinn urkundlichen Erklärung ein Künstlername, ein in eingeweihten Kreisen bekannter Deckname 70 , ein Spitzname oder ein auf Dauer geführter Falschname gebraucht wird. Hier wird dann keine Urkundenunechtheit angenommen, wenn der rechtlich gesehen eigentlich nicht zustehende Name bereits ein Identifizierungsmerkmal der betreffenden Person ist 7 !, die sich dieses Namens bedient72 • In diesen Fällen ist also der aus der Urkunde zu entnehmende AnscheinsausSiehe 0.3. Abschn. I A. Der Gebrauch des Begriffes "Deckname" ist im Schrifttum weder einheitlich noch eindeutig auf bestimmte Fallkonstellationen bezogen. So wird der Gebrauch eines Decknamens z. T. bereits bei den Fällen der Anonymität erörtert (s. Trändie, LK § 267 Rdn. 40 und Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 18 bei der "offenen Anonymität"; Eser, IV Nr. 19 A 18 und Wesseis, BT 1 § 18 I 2 c bei der "versteckten Anonymität"; sowie Maurach/Schroeder, BT 2 § 6511 D bei der sog. "gewollten Anonymität"). Sofern dort Fälle gemeint sind, bei denen offen aus der Art der Unterzeichnung ersichtlich ist, daß keine Person dieses Namens existiert (s. das Beispiel bei Trändie, LK § 267 Rdn. 40: Unterschrift "Spektator" auf einem Flugblatt), sondern sich ein anonymer Urheber hinter dem Namen verbirgt, ist die Einordnung dieser Fälle bei den anonymen Erklärungen (ohne Urkundseigenschaft) korrekt. Im Rahmen dieser Arbeit soll aber unter dem Begriff "Deckname" ein Name verstanden werden, der vom rechtlich zustehenden Namen abweicht, der aber in bestimmten Kreisen zur Identifikation einer Person ausreicht. 71 So im Ergebnis: Benfer, BT 11 Rdn. 267 ff.; Blei, BT § 80 III 1; Eser, IV Nr. 19 A 36; Lackner, § 267 Anm. 3 a; Trändie, LK § 267 Rdn. 129; Ohr, JuS 1967,255,256; OUo, BT § 70 I 4 a aa; Puppe, Jura 1986, 22, 28; Samson, JuS 1970, 369, 374 FN 68; ders., JA 1979, 658, 659; Schänke in FG Kohlrausch, S. 253, 261; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 50 (soweit Cramer allerdings die Entscheidung OLG Celle NJW 1986, 2772 zitiert, ist darauf hinzuweisen, daß diese gerade keinen Fall des ständigen Falschnamensgebrauchs betraf!); Seier, JA 1979, 133, 136; Stehling, Urkundenfälschung, S. 80; Timcke, Identitätstäuschung, S. 54; Wesseis, BT 1 § 18 III 1 a; von RGSt 48, 238, 241 als "denkbar" bezeichnet; OLG Frankfurt NJW 1970, 673, 674. Im Ergebnis auch BGHSt 1, 117, 121, obwohl dort unrichtigerweise die Intention des Täters bei der Prüfung der Echtheit berücksichtigt wird. Ebenso BGHSt 33, 159, 160, wobei dort dieser Fall zur Problematik der sog. "Namenstäuschung" gerechnet wird (s. dazu unten 3. Abschn. I B 3). Unklar die Einordnung bei Hassemer, JuS 1986, 72, der die Urkundsqualität eines Schriftstückes bejaht, das mit einem Decknamen unterschrieben ist, welcher die treffende Person hinreichend kennzeichnen soll. Die hier aufgeworfene Frage ist aber keine der Urkundsqualität (so bei der Anonymität, s. 0.3. Abschn. I B 1), sondern der Unechtheit durch Ausstellertäuschung! 72 Sobald sich jemand eines Künstler-, Deck-, Spitz- oder Falschnamens bedient, der eine andere Person hinreichend kennzeichnet, so liegt natürlich eine Identitätstäuschung vor (s. OLG Frankfurt NJW 1970, 673 f.: Verwendung eines fremden Künstlernamens). Erörtert wird hier nur, ob auch die durch den Künstler-, Deck-, Spitz- oder Falschnamen bezeichnete Person selbst bei Verwendung dieses Namens (der ihr ja rechtlich nicht zusteht) eine Ausstellertäuschung begeht. 69

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

steller die Person, die durch den Künstler-, Deck-, Spitz- oder auf Dauer gebrauchten Falschnamen hinreichend individualisierbar ist. Sie ist bei Unterzeichnung mit diesem Namen zugleich auch Urheber der urkundlichen Erklärung; es liegt also eine echte Urkunde vor. Diese Beurteilung, daß ausnahmsweise auch ein rechtlich nicht zustehender Name zu einem hinreichenden Individualisierungsmerkmal für eine Person geworden ist, kann wiederum nur von einem objektiven Beobachterstandpunkt aus zu beurteilen sein 73 . Die Intention des Täters, der seinen Künstler-, Deck-, Spitz- oder Falschnamen gebr.aucht, der aber gar nicht über seine Identität täuschen will, muß daher für die Feststellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde unberücksichtigt bleiben74 • Auch hier würde ansonsten die Gefahr der Relativierung des Echtheitsbegriffes drohen 75 . Entscheidend ist somit nur, ob der verwendete Name den Unterzeichnenden bereits hinreichend als Individuum kennzeichnet. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß insbesondere Deck- und Spitznamen in der Regel nur innerhalb eines beschränkten Personenkreises als taugliches Identitätsmerkmal dienen können. Wird innerhalb dieses Personenkreises der Deck- oder Spitzname bei Herstellung einer schriftlichen Erklärung verwendet, so ist nur für die Beteiligten die Verknüpfung dieser Erklärung mit der Person des Urhebers möglich 76 • Dies bedeutet umgekehrt, daß die Verwendung eines solchen Deck- oder Spitznamen außerhalb des eingeweihten Personenkreises zu einer irrigen Vorstellung über die Person des Ausstellers führen kann, nämlich zu einem Irrtum über die Personengleichheit von Anscheinsaussteller und Urheber des entsprechenden urkundlichen Schriftstückes. Aus diesem Grund wird einhellig die zutreffende Einschränkung gemacht, daß bei Gebrauch eines vom rechtlich zustehenden Namen abweichenden Deck- oder Spitznamens nur dann eine echte Urkunde hergestellt wird, wenn das Schriftstück seiner Natur nach für die Kreise bestimmt ist, in denen der verwendete Name ein hinreichendes Individualisierungsmerkmal darstellt17 . Wie bei der Feststellung der Anonymität einer Erklärung (s. 0.3. Abschn. I B 1 a). Unrichtig die Berücksichtigung des Täterwillens daher in BGHSt 1,117,121, was sich auch im Leitsatz niedergeschlagen hat. Ebenfalls keine genaue Trennung zwischen objektiver Beurteilung der Echtheit und dem Willen des Täters bei Frank, ZStW Bd. 32,82,97. 75 Der Willen des Täters könnte ja durchaus dahingehend sein, eine Person über seine Identität zu täuschen, eine andere, der der verwendete Name als Identitätsmerkmal bekannt ist, dagegen nicht. Eine Aufspaltung der Echtheit, die diesem Willen entspräche, ist aber nicht möglich (s. o. 3. Abschn. I BI b bb). 76 Siehe das Beispiel bei Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 50: Unterzeichnung eines Logenprotokolls mit dem Logennamen. 77 Auf die beteiligten Kreise stellen ab: Eser, IV Nr. 19 A 36; Trändie, LK § 267 Rdn. 129; Ohr, JuS 1967, 255, 256; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 50; Seier, JA 1979, 133, 136; Stehling, Urkundenfälschung, S. 80. Siehe auch: BGHSt 33, 159, 160 (allerdings ohne Abgrenzung zu den Fällen der sog. Namenstäuschung; dazu unten 3. 73 74

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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Dies muß allerdings nicht so weit gehen, daß der gebrauchte Name in diesen Kreisen auch gerade als Deck- oder Spitzname bekannt ist78 , vielmehr ist es auch denkbar, daß dieser Name so eng mit der bezeichneten Person in Verbindung gebracht wird, daß er innerhalb der beteiligten Kreise für den rechtlich zustehenden Namen gehalten wird79 . Gerade dann ist dieser Name nämlich zum (alleinigen) Identitätsmerkmal der bezeichneten Person geworden. Im Einzelfall wird daher bei Verwendung des Schriftstückes innerhalb der beteiligten Kreise aus der Sicht eines objektiven Betrachters, der mit den Gepflogenheiten der betreffenden Kreise vertraut ist80 , festgestellt werden müssen, ob ein Deck- oder Spitzname bereits zum hinreichenden Identitätsmerkmal einer bestimmten Person geworden ist. Wird nun aber der in eingeweihten Kreisen bekannte Deck- oder Spitzname auf einem Schriftstück verwendet, das seiner Natur nach außerhalb dieses Kreises eine Funktion erfüllt, so handelt es sich um einen ganz normalen Fall der Verwendung eines nicht zustehenden Namens81 • Hier muß wegen der möglichen Betroffenheit von Personen, die außerhalb der mit dem Deck- oder Spitznamen vertrauten Kreise stehen, auf die Sicht eines objektiven Beobachters abgestellt werden, dem die Gepflogenheiten der betreffenden Kreise nicht bekannt sind. Aus diesem Blickwinkel wird nun der Deck- oder Spitzname nicht mehr als Individualisierungsmerkmal der herstellenden Person anzusehen sein, so daß der Anscheinsaussteller und der Urheber voneinander abweichen, die Urkunde also unecht ist. Bei dieser Beurteilung ist aber auf zweierlei hinzuweisen: zum einen darf die Feststellung, ob ein urkundliches Schriftstück seiner Natur nach für einen festen Adressatenkreis bestimmt ist, nicht von der Vorstellung des Herstellers der Urkunde abhängen. Die Irrelevanz einer subjektiven Betrachtungsweise für die Bestimmung der Ausstelleridentität wurde bereits oben81a dargetan. Vielmehr kann nur anhand objektiver Kriterien festgehalten werden, ob ein Abschn. I B 3); OLG Frankfurt NJW 1970, 673, 674 (zu in bestimmten Kreisen eingeführten Künstlernamen); Hassemer, JuS 1986, 72 (allerdings die Auswirkungen auf die Urkundsqualität behandelnd). 78 Dies verlangt aber Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 50. 79 So auch der berechtigte Einwand von Seier, JA 1979, 133, 136 gegen Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 50. 80 Dabei handelt es sich nicht um den eigentlichen Beweisdestinatär. Die Unerheblichkeit der (u. U. beschränkten) Sicht einer Person, der die Urkunde vorliegen wird, für die Beurteilung von Echtheit oder Unechtheit, wurde bereits ausführlich oben (3. Abschn. I B 1 b bb) begründet. Daher unzutreffend Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 50, der auf die Sicht des "nicht eingeweihten Inhabers des Papiers" abstellt. 81 So auch Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 50 und Seier, JA 1979, 133, 136 für von ihnen als "Umlaufpapiere" bezeichnete Urkunden. Seier spricht insoweit von einem Auseinanderfallen von Beweissphäre einerseits und dem Bereich, in dem der Deck- oder Spitzname sich eingebürgert habe andererseits. 81. Siehe 3. Abschn. I B 1 a.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

Schriftstück aufgrund seiner Bedeutung und des Gehaltes der Erklärung lediglich für einen besonderen Kreis eingeweihter Personen vorgesehen ist. Zum anderen muß die Feststellung der Echtheit oder Unechtheit eines solchen Schriftstückes absolut sein. Ist also ein mit einem Deck- oder Spitznamen gezeichnetes Schriftstück wegen seiner Bestimmung für einen eingeweihten Personenkreis als echt zu beurteilen, so gilt dies auch dann, wenn die Urkunde (u. U. entgegen dem vorgesehenen Erklärungssinn) auch außerhalb dieses Kreises Verwendung findet. Umgekehrt bleibt eine unechte, mit einem Spitzoder Decknamen gezeichnete Urkunde, die ihrer Natur nach außerhalb eines mit diesem Namen vertrauten Kreises Verwendung finden sollte, auch für diejenigen Personen unecht, die aufgrund ihrer Kenntnis des Namensverwenders die Identität von Anscheinsaussteller und Urheber der Urkunde durchschauen können. Eine Relativierung des Echtheitsbegriffes81b ist damit auch in diesem Bereich ausgeschlossen. Eine Konsequenz, die die eben aufgezeigte Betrachtungsweise hat, ist folgende: Werden verschiedene Urkunden mit demselben Deck- oder Spitznamen gezeichnet, so ist es möglich, daß aufgrund der Art der verkörperten Erklärungen und der sich daraus ergebenden Bestimmung für bestimmte Personenkreise einige Urkunden als echt, andere dagegen als unecht anzusehen sind. Dies ist aber eine zwingende Folge der Tatsache, daß ein Deck- oder Spitzname in der Regel eben nur innerhalb eines bestimmten Personenkreises als Identifikationsmerkmal für eine Person dient. Problematisch ist in diesen Fällen aber zudem, insbesondere bei der Verwendung von Künstlernamen und auch von auf Dauer gebrauchten Falschnamen, die Festlegung des Zeitpunktes, ab dem ein solcher, rechtlich nicht zustehender Name zu einem ausreichenden Individualisierungsmerkmal geworden ist82 • Dies ist jedenfalls dann eingetreten, wenn der nicht zustehende Name im Rechtsverkehr den rechtlich zustehenden Namen völlig verdrängt hat (insbesondere bei bekannten Künstlernamen) oder sich zumindest im Verkehr durchgesetzt hat 83 . Demgegenüber ist diese Schwelle nicht überschritten, wenn der nicht zustehende Name nur wenige Male zuvor verwendet wurde 84, wenn der Täter sich unter diesem Namen bereits vorgestellt hat, oder wenn er einer anderen Person schon unter diesem Namen bekannt ist85 • Wie bereits oben85a festgestellt wurde, ist es auch unerheblich, wie sich die IdentiSiehe o. 3. Abschn. I B 1 a. Gleiches gilt natürlich auch für die Frage, ab wann sich ein Deck- oder Spitzname innerhalb der beteiligten Kreise als Identitätsmerkmal durchgesetzt hat. 83 Vgl. Samson, JA 1979, 658, 659; so auch Puppe, Jura 1986, 22, 28. 84 Vgl. RGSt 48,238,240; RG JW 1932, 415; RG JW 1935,2817; BGHSt 1, 117, 121 (vorheriges, viermaliges Gebrauchen des Falschnamens "Morrison"; allerdings stellt der BGH auf subjektive Kriterien ab, um eine Identitätstäuschung zu begründen); SchlHOLG SchlHA 1949, 87, 88; Schänke in FG Kohlrausch, S. 253,261. 85 Siehe RGRspr. 3,577; RGSt 13, 245, 247; RGSt 30, 33, 34; RG LZ 1916, Sp. 45; RG LZ 1918, Sp. 935; Trändie, LK § 267 Rdn. 128; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 49; Seier, JA 1979, 133, 134. 81b

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1. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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tätsfeststellung aus der Sicht des Urkundsadressaten darstellt; daher wird ein nicht zustehender Name insbesondere nicht dadurch zum Identitätsmerkmal, wenn jemand (insbesondere das Täuschungsopfer) bei der Unterzeichnung mit dem nicht zustehenden Namen anwesend ist86 und nun diesen Namen fortan in Verbindung mit der Person des Unterzeichners bringt. Letztlich ist hier im Einzelfall darauf abzustellen, ob sich der gebrauchte Name im Rechtsverkehr bereits so weit eingebürgert hat, daß eine Identitätsleugnung des Unterzeichners unter Hinweis auf seinen abweichenden, ihm rechtlich zustehenden Namen sinnlos erscheint87 . Es bleibt somit festzustellen, daß von dem Grundsatz "Verwendung eines nicht zustehenden Namens führt zur Herstellung einer unechten Urkunde"88 dann eine Ausnahme zu machen ist, wenn ein Künstlername, ein auf Dauer gebrauchter Falschname, ein in beteiligten Kreisen bekannter Deck- oder Spitzname (soweit sich die Verwendung dieses Namens nach der Art der urkundlichen Erklärung auf jene Kreise beschränkt) zur Unterzeichnung verwendet wird und objektiv festzustellen ist, daß dieser Name die ausstellende Person hinreichend individualisierbar macht 89 . In diesen Fällen wird also trotz des Gebrauchs eines rechtlich nicht zustehenden Namens eine echte Urkunde hergestellt. Die Intention des Herstellers, mit dem gebrauchten Namen unter Umständen eine falsche Identitätsvorstellung hervorzurufen, bleibt dabei völlig unberücksichtigt89a . 3. Möglichkeit einer Namenstäuschung ohne Identitätstäuschung?

Darüber hinaus findet eine weitere Fallkonstellation große Beachtung in Literatur und Rechtsprechung, nach der, entgegen dem oben89b genannten Siehe o. 3. Abschn. I B 1 b bb. VgJ. RG JW 1932, 415; RG JW 1935, 2817; Tröndle, LK § 267 Rdn. 128; Schönke in FG Kohlrausch, S. 253, 261; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 49; Seier, JA 1979, 133, 134; s. auch Puppe, JuS 1987, 275, 277. 87 Siehe Samson, JuS 1970, 369, 374 FN 68. 88 Siehe o. 3. Abschn. I A. 89 Unrichtig daher RG DJZ 1906, Sp. 148, wo das RG feststellt, daß der Täter unter dem von ihm auf Dauer gebrauchten Falschnamen "Schröder" allgemein bekannt war. Das RG stellte zur Begründung der Identitätstäuschung bei Gebrauch dieses Namens insbesondere auf das fehlende Namensführungsrecht und die Intention des Täters ab, sich vor der Polizei zu verbergen sowie als kreditwürdige Person zu erscheinen. Kritisch zu dieser Entscheidung auch Frank, ZStW Bd. 32, 82, 97, der allerdings den Umstand des längeren Lebens unter falschem Namen für unerheblich hält und darauf abstellt, ob nach dem Willen des Täters der Anschein erweckt wird, eine andere Person sei der Urkundenausteller. Dies ist insoweit inkonsequent, als Frank zuvor (S. 93) die Subjektivierung des Echtheitsbegriffes in den Anwendungsfällen der Geistigkeitstheorie beklagt. Ebenfalls auf den Zweck des Falschnamensgebrauchs abstellend: RG LZ 1915, Sp. 1668; RG Recht 1908, Nr. 2759. 89. Ebenso auch Timcke, Identitätstäuschung, S. 49 f. 89b Siehe 3. Abschn. I A. 85a

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

Grundsatz, trotz der Verwendung eines nicht zustehenden Namens keine Herstellung einer unechten Urkunde vorliegen soll. Dies soll immer dann der Fall sein, wenn die vom Täter benutzte Ausstellerangabe lediglich über seinen (vom gebrauchten Namen abweichenden) tatsächlichen Namen täuscht, dadurch aber dennoch kein Identitätsirrtum über den Aussteller erregt wird 9o • Hierzu werden insbesondere die sogenannten "Inkognito-Fälle" erö~tert, in denen eine Person einen nicht zustehenden Namen gebraucht und dadurch zum Beispiel bei Unterzeichnung eines Vertrages (Mietvertrag, Beherbergungsvertrag) eine in Wahrheit nicht bestehende Ehe mit einer anderen Person vorspiegelt 91 oder aber den falschen Namen in einem Schriftstück verwendet, um unerkannt zu bleiben und den Nachforschungen durch Dritte zu entgehen 92 • Die bisherigen Ausführungen zum Echtheitsbegriff haben gezeigt, daß die Ausstellerbestimmung im Rahmen des § 267 StGB nach objektiven Kriterien zu erfolgen hat 92a • Dabei liegt eine unechte Urkunde nur dann vor, wenn der Anscheinsaussteller, dessen Name aus der Urkunde ersichtlich ist, nicht zugleich auch der Urheber der Erklärung ist. Insoweit ist es bereits fraglich, ob denn der Echtheitsbegriff nach § 267 StGB es überhaupt zuläßt, in bestimmten Fällen der Verwendung nicht zustehender Namen für eine urkundliche AusteIlerangabe zu sagen, die Person des Anscheinsausstellers sei identisch mit der des Urhebers (keine Identitätstäuschung), obwohl ein Name 90 Die These, bei bloßer Namenstäuschung liege unter Umständen ein Herstellen einer echten Urkunde vor, wenn es an einer Identitätstäuschung fehle, wird vertreten von: Arzt, LH 4 Rdn. 481; Benfer, BT 11 Rdn. 267 ff.; Blei, BT § 80 III 1; Dreher/ Tröndle, § 267 Rdn. 21, 26; Eser, IV Nr. 19 A 36; Frank, ZStW Bd. 32, 82,96; Haft, BT § 29 11 2; Hassemer, JuS 1986, 72; Krey, BT 1 Rdn. 704 f.; Tröndle, LK § 267 Rdn. 128 f.; Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 IV 1 a; Preisendanz, StGB § 267 Anm. 11 1 a; Schönke, FG Kohlrausch, S. 253,261; Sonnen, JA 1986, 54, 55; Welzel, § 60 A 11 aß; Wesseis, BT 1 § 18 III 1 a; aus der Rechtsprechung s.: RGSt 30, 43, 44; RGSt 48, 238, 241 (bloße Namenstäuschung wird für "denkbar" gehalten); RGSt 64, 95 f.; RG GA Bd. 56,81; RG JW 1932, 415 mit zust. Anm. Merkei; RG JW 1934, 3064; RG JW 1935, 2817; BGHSt 33, 159, 160; BGH bei Dallinger, MDR 1973, 556 (bloße Namenstäuschung für möglich haltend); BayObLG NJW 1980, 196; SchlHOLG SchIHA 1949, 87,88; LG Bonn Str. Vert. 1986,246. 91 Siehe zu diesem Beispielsfall: Blei, BT § 80 III 1; Dreher/Tröndle, § 267 Rdn. 26; Krey, BT 1 Rdn. 705; Tröndle, LK § 267 Rdn. 129; Preisendanz, StGB § 267 Anm. 11 1 a; Samsan, JuS 1970, 369, 374; ders., JA 1979, 658, 659; Schmidhäuser, BT 14/13; Schönke, FG Kohlrausch, S. 253,261; Seier, JA 1979,133,136; Timcke, Identitätstäuschung, S. 45 ff.; Welzel, § 60 A 11 aß; Wesseis, BT 1 § 18 III 1 a; RGSt 30, 43; RG DJZ 1908,1171; RG DStRZ 1918, Sp. 375; RG JW 1934, 3064; RG LZ 1917, Sp. 882; RG LZ 1917, Sp. 930; s. auch OLG Celle NJW 1986, 2772 mit insoweit kritischer Anmerkung von Kienapfel, NStZ 1987, 28 f. und Puppe, JuS 1987,275 (Zustimmung zu dieser Kritik bei Lackner, § 267 Anm. 3 a). 92 Siehe die Fälle bei: Benfer, BT 11 Rdn. 267; Haft, BT § 29 11 2; Krey, BT 1 Rdn. 703; Preisendanz, StGB § 267 Anm. 11 1 a; Seier, JA 1979,133,136; Wesseis, BT 1 § 18 III 1 a; RGSt 48, 238; RG GA Bd. 56, 81. 92. Siehe 3. Abschn. I B 1 a und 3. Abschn. I B 2.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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verwendet wurde, der nicht auf den Urheber hinweist (bloße Namenstäuschung). a) Eingrenzung der FaUkonstellation

Bevor die soeben skizzierte Ansicht im einzelnen untersucht wird, ist aber darauf hinzuweisen, daß die Trennung verschiedener Fallkonstellationen innerhalb der hier erörterten Fallgruppe der Verwendung eines nicht zustehenden Namens häufig nicht mit der nötigen Schärfe vollzogen wird. So finden sich unter dem Stichwort "Namenstäuschung" auch Erörterungen zu der bereits oben 93 behandelten Variante der Verwendung eines Künstler-, Deck-, Spitz-oder auf Dauer gebrauchten Falschnamens94 . Dabei wird aber in den letztgenannten Fällen95 durch die urkundliche Ausstellerangabe im Grunde genommen gar keine "Namenstäuschung" bewirkt. Wie oben festgestellt wurde, führt der Gebrauch eines solchen nicht zustehenden Namens erst dann zur Herstellung einer echten Urkunde, wenn er bereits zu einem hinreichenden Individualisierungsmerkmal der ihn benutzenden Person geworden ist 96 • Der Grund für die Einstufung von Schriftstücken, die mit Künstler-, Deck-, Spitz- oder auf Dauer gebrauchten Falschnamen gezeichnet sind, als echte Urkunden liegt also allein darin, daß die den Aussteller bezeichnende Namensangabe auch tatsächlich auf den Urheber der Erklärung hinweist. Damit mangelt es aber bereits an einer "Namenstäuschung" in dem Sinne, daß eine Fehlvorstellung bei einem möglichen Urkundenempfänger über den Namen, der den Aussteller kennzeichnet, erregt werden kann. In den Fällen, in denen der nicht zustehende Name (Künstler-, Deck-, Spitz- oder auf Dauer Siehe o. 3. Abschn. I B 2. Siehe die unklare Trennung der Fallkonstellationen bei Benfer, BT 11 Rdn. 267 ff.; Blei, BT § 80 III 1; DreherlTröndle, § 267 Rdn. 21,26; Eser, IV Nr. 19 A 36; Hassemer, JuS 1986, 72; Lackner, § 267 Anm. 3 a; Tröndle, LK § 267 Rdn. 128 f.; Olto, JK § 267/9; ders., (mit fast wortgleichen Ausführungen wie unter der vorgenannten FundsteIle) JuS 1987,761,767 f.; Samson, JuS 1970, 369, 374; ders., JA 1979, 658, 659; Schönke, FG Kohlrausch, S. 253,261; Schramm, JW 1934, 3064; Welzel, § 60 A I 1 aß; Wesseis, BT 1 § 18 III 1 a. Ebenso die Erwägungen in folgenden Entscheidungen: RGSt 48, 238, 241; RG GA Bd. 56,81 f.; RG JW 1935, 2817; insbesondere BGHSt 33, 159, 160; sowie OLG Celle NJW 1986, 2772 mit Anmerkung Kienapfel, NStZ 1987, 28 f., der zu Recht die fehlende Schärfe hinsichtlich der Konturen dieser Rechtsfigur beklagt. Auch bei Puppe, JuS 1987, 275, 277; Samson, SK § 267 Rdn. 43 und Seier, JA 1979, 133, 136 werden im Rahmen der kritischen Auseinandersetzung mit der Lehre von der bloßen Namenstäuschung angebliche Voraussetzungen für diese Fallkonstellation erwähnt, die aber eher bei den Fällen der Identifizierbarkeikt trotz Falschnamensgebrauchs zu besprechen sind (s. 3. Abschn. I B 2): Unterzeichnung der Urkunde in Gegenwart des Urkundenempfängers bzw. Bekanntsein des Täters beim Beweisdestinatär. 95 bei denen ja ein Zeichnen mit einem nicht zustehenden Namen ausnahmsweise nicht zur Herstellung einer unechten Urkunde führt (s. 3. Abschn. I B 2). 96 Siehe o. 3. Abschn. I B 2. 93

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

gebrauchter Falschname) den einer Person rechtlich zustehenden Namen verdrängt hat und alleiniges Identifikationsmerkmal geworden ist, kann also nicht davon gesprochen werden, daß der Gebrauch des die Person kennzeichnenden Namens eine "Täuschung über ihren Namen" bewirkt. Dies gilt erst recht dann, wenn, unter Umständen nur in den beteiligten Kreisen, der verwendete Künstler-, Deck- oder Spitzname gerade als ein solcher bekannt ist, jedermann also weiß, daß der einer Person rechtlich zustehende Name davon abweicht. In diesen Fällen wird bei Verwendung des zwar nicht zustehenden, die Person aber dennoch hinreichend kennzeichnenden Namens eben gerade keine irrturnsbedingte Fehlvorstellung über den Namen erregt. Diese Konstellationen können daher nicht unter der Sammelbezeichnung "Namenstäuschung" zusammengefaßt werden, vielmehr ist die Echtheit bzw. Unechtheit solcher Urkunden allein anhand der oben96a entwickelten objektiven Kriterien zu bestimmen. Aus diesem Grunde sollen bei der Erörterung der sogenannten "Namenstäuschung" im Rahmen dieser Arbeit im wesentlichen die bereits angeführten "Inkognito-Fälle"97 behandelt werden, da es sich hierbei wirklich um Fälle handelt, bei denen über den rechtlich zustehenden Namen getäuscht wird, ohne daß der verwendete Name zu einem Individualisierungsmerkmal geworden ist. b) "Bloße Namenstäuschung" aufgrund des Täterwillens?

Grundsätzlich muß gesagt werden, daß eine jede unechte Urkunde geeignet ist, eine Täuschung über den Namen des Ausstellers der Urkunde zu bewirken, da ja der aus der Urkunde zu entnehmende Name des Anscheinsausstellers vom Namen des Urhebers der Erklärung abweicht. Insofern enthält jede Urkunde, die eine falsche Ausstelleridentität vorspiegelt, auch zugleich eine Namenstäuschung oder "Namenslüge"98. Für die Untersuchung der "Inkognito-Fälle" ist aber nun zu fragen, ob dies ebenfalls in umgekehrter Richtung gilt, ob nämlich eine jede unrichtige Namensangabe auch zwangsläufig einen Siehe 3. Abschn. I B 2. Siehe dazu oben die Nachweise 3. Abschn. I B 3 FN 91, 92. 98 Siehe auch Tröndle, LK § 267 Rdn. 128; Otto, JK § 267/9; ders., JuS 1987,761, 767; Paeffgen, JR 1986, 114, der zu Recht auf die Irreführung durch den Begriff der "Namenstäuschung" hinweist. Ob allerdings der Vorschlag von Paeffgen, das im Schrifttum gebräuchliche Gegensatzpaar "Namenstäuschung"/"Identitätstäuschung" durch die Bezeichnungen "Täuschung über den Namen"/"Täuschung mit dem Namen (über den Aussteller)" zu ersetzen, viel mehr Begriffsklarheit mit sich bringt, mag bezweifelt werden (s. die ähnliche Begriffsbildung bei Wessels, BT 1 § 18 III 1 a). Der einzige denkbare Ausnahmefall, in dem eine unechte Urkunde nicht über den Namen, wohl aber über die Identität des Ausstellers täuscht, ist die unten (3. Abschn. 11 C) noch zu erörternde Konstellation der Verwendung des Namens einer gleichnamigen Person. 96. 97

1. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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falschen Identitätsanschein hinsichtlich des Ausstellers bewirkt. Hierbei kommen nun einige Stimmen aus Literatur und Rechtsprechung zu dem Ergebnis, daß eine solche bloße Namenstäuschung (ohne Vorspiegelung eines unrichtigen Anscheins bezüglich der Identität des Ausstellers) immer dann vorliege, wenn der einen nicht zustehenden Namen Gebrauchende nur seinen eigentlichen Namen ungenannt lassen wolle 99 , er sich ansonsten aber zu seiner Erklärung bekenne und gewillt sei, sich aus ihr verpflichten zu lassen 1oo . Dies bedeutet für die Fälle des Vorspiegelns einer nicht bestehenden Ehe, daß die Annahme einer bloßen, zur Urkundenechtheit führenden Namenstäuschung nach der genannten Ansicht davon abhängig gemacht wird, ob der falsche Namensgebrauch lediglich das Verschleiern des nichtehelichen Verhältnisses bezweckt!Ol, oder ob der Eindruck erweckt werden soll, der Unterzeichner sei eine gänzlich andere Person, nämlich der Ehegatte eines Dritten 102 . Für die übrigen "Inkognito-Fälle"103 wird, da es ja auf den Zweck des Falschnamensgebrauchs ankommen SOllI04, dann eine bloße im Rahmen von § 267 StGB nicht tatbestandsmäßige Namenstäuschung angenommen, wenn nur das Inkognito des Täters gewahrt werden soll 105 . Folgerichtig liegt nach jenem Ansatz keine bloße Namenstäuschung, sondern eine Identitätstäuschung und damit eine unechte Urkunde vor, wenn mittels des falschen Namens die Inanspruchnahme aus der urkundlichen Erklärung verhindert werden soll l06 , oder sogar ein ganz anderer Zweck, wie das Verbergen vor der Polizei 107 , verfolgt wird. Hierbei zeigt sich deutlich, daß wiederum subjektive Kriterien für die Bestimmung der Echtheit beziehungsweise Unechtheit von Urkunden herangezogen werden, wie dies insbesondere auch bei der Lösung der Fälle von Vgl. Welzel, § 60 A I 1 aß; RG JW 1935, 2817; s. auch Krey, BT 1 Rdn. 704 f. Vgl. Trändle, LK § 267 Rdn. 129; Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 IV 1 a. !O1 Siehe Krey, BT 1 Rdn. 705; Schänke, FG Kohlrausch, S. 253,261; Welzet, § 60 AI1 aß; RG DJZ 1908,1171 (Unterzeichnung mit nicht zustehendem Ehenamen und Hinzufügung des richtigen Mädchennamens); RG JW 1934, 3064. Siehe auch die im Ergebnis abgelehnte Erwägung bei RGSt 30, 43, 44. !O2 Vgl. Trändle, LK § 267 Rdn. 129; s. auch RG LZ 1917, Sp. 882, wobei dort aber unklar bleibt, ob diese Erwägungen die Echtheit beeinflussen sollen. !O3 Z. B. Inkognito eines Prominenten, um Ruhe vor Verehrern zu haben (s. Beispiel bei Haft, BT § 29 11 2) oder auch falscher Adelsname, um Aufmerksamkeit zu erregen (s. Beispiel bei Arzt, LH 4 Rdn. 359). 104 Ausdrücklich auf den Zweck abstellend: Preisendanz, StGB § 267 Anm. 11 1 a; Schänke, FG Kohlrausch, S. 253, 261; RG JW 1935, 2817; SchlHOLG SchlHA 1949, 87,88; s. auch LG Bonn Str. Vert. 1986,246. !Os Vgl. Wessels, BT 1 § 18 III 1 a. Hl6 Siehe Wessels, BT 1 § 18 III 1 a sowie die Beispiele bei Arzt, LH 4 Rdn. 481 (Ausnutzen der Ähnlichkeit mit einem Prominenten, Unterschrift mit dessen Namen, um auf seine Kosten Verträge abzuschließen); Haft, BT § 29112 (Hochstapler); s. auch RG JW 1932, 415 mit zust. Anm. Merket (Namenstäuschung zu Betrugszwecken). 107 Siehe dazu die Fälle RG DR 1940, 1828 sowie RG JW 1939, 275. 99

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

anonymen Erklärungen 108 geschieht. Die Echtheit von Urkunden, die angeblich nur über den Namen, nicht aber über die Identität des Täters täuschen, hängt bei Anwendung des geschilderten Lösungsansatzes somit allein von der Intention des Täters ab, insbesondere von dem Zweck, den er mit dem Gebrauch des Falschnamens verfolgt. Zu welchen Unsicherheiten die Einbeziehung subjektiver Kriterien in die Ausstellerbestimmung bzw. in die Echtheitsprüfung führt, wurde bereits im Rahmen dieser Arbeit gezeigt 109 • Dabei ist aber bemerkenswert, daß sich, im Gegensatz zur subjektiven Anonymitätsfeststellung 110 , bei den Fällen der sogenannten Namenstäuschung eine stärkere Gegenmeinung gebildet hat, die dort den Echtheitsbegriff nach rein obj ektiven Kriterien bestimmen will 111 • aa) Keine Berücksichtigung subjektiver Kriterien bei der Bestimmung der Echtheit

Zu Recht wird der Lehre von der unbeachtlichen bloßen Namenstäuschung vorgeworfen, die Einbeziehung von subjektiven Elementen in die Echtheits108 Siehe dazu oben 3. Abschn. I B 1 a, wo es sich dort allerdings um die Entscheidung zwischen anonymer Nicht-Urkunde und unechter Urkunde handelt. 109 Siehe 0.3. Abschn. 1 B 1 a (Keine Berücksichtigung des Täterwillens bei der Prüfung der Anonymität von Erklärungen). 110 Für eine objektive Anonymitätsprüfung sprechen sich ausdrücklich nur aus: Ohr, JuS 1967,255,256 sowie Seier, JA 1979, 133, 135, inzident auch Kienapfel, Urkunden I, S. 271 f.; Welzel, § 60 A 11 a Ö (s. o. 3. Abschn. I B 1 a FN 33). 111 So Kienapfel, JR 1980, 123; ders., NStZ 1987, 28 f.; s. auch bereits MerkeI, JW 1932,415; ferner Ohr, JuS 1967, 255, 256; Puppe, Jura 1986, 22,26; dies., JuS 1987, 275, 277 f.; Samson, JuS 1970, 369, 374; ders., JA 1979, 658, 659; ders., SK § 267 Rdn. 43 f.; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 48 ff.; Seier, JA 1979, 133, 136 f. (Hier sei nur kurz auf die Widersprüchlichkeit hingewiesen, die darin besteht, daß zwei der genannten Autoren bei anonymen Erklärungen subjektive Elemente in die Ausstellerbestimmung einfließen lassen, hier aber die Echtheit anhand objektiver Kriterien feststellen wollen. Siehe Samson, JuS 1970, 369, 374; ders., SK § 267 Rdn. 34 sowie Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 18). Widersprüchlich ebenfalls (allerdings in umgekehrter Richtung: objektive Anonymitätsfeststellung einerseits/subjektive Kriterien bei der Namenstäuschung andererseits): Frank, ZStW Bd. 32,82,87,96 und wohl auch Welzel, § 60 A 11 aß, ö). Auch bei den Entscheidungen RGSt 30, 43, 44; RGSt 48,238,241; RGSt 68, 2, 3; RG GA Bd. 56, 81 werden im Ergebnis die Handlungsziele der jeweiligen Täter nicht in die Bestimmung des Echtheitsbegriffes einbezogen (Soweit trotzdem eine bloße Namenstäuschung für möglich gehalten wird, liegt dies an der fehlenden Abgrenzung der "Namenstäuschung" in dem unter 3. Abschn. I B 3 a geschildertem Sinne gegenüber den Fällen der hinreichenden Identifizierbarkeit trotz Falschnamensgebrauchs (dazu s. 3. Abschn. I B 2).). Die Behauptung von Seier, JA 1979, 133, 137, das RG habe stets nur einen objektiven Echtheitsbegriff bei der sog. Namenstäuschung zugrunde gelegt und die Täterintention erst bei dem Merkmal der Täuschungsabsicht berücksichtigt, geht allerdings im Hinblick auf die Entscheidungen RG DJZ 1908,1171; RG JW 1932, 415; RG JW 1934, 3064 und RG JW 1935, 2816 fehl. Dort wurde gerade für die Entscheidung über die Echtheit von Urkunden, die mit falschem Namen gezeichnet wurden, der Zweck des Namensgebrauchs für entscheidend gehalten.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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prüfung ermögliche eine Relativierung des Echtheitsbegriffes und laufe dem Zweck des § 267 StGB zuwider ll2 . Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen eine Urkunde mehrere Adressaten hat, wobei es dann auch möglich ist, daß der mit falschem Namen Unterzeichnende gegenüber dem einen Adressaten nur den Zweck verfolgt, seinen Namen ungenannt zu lassen, sich aber ansonsten von ihm am Inhalt der Erklärung festhalten lassen will. Gegenüber dem zweiten Adressaten könnte ein gegenteiliges Ziel, nämlich die Täuschung über die Identität des Urkundenausstellers verfolgt werden. Eine diesen Täterintentionen folgende Aufspaltung von Echtheit und Unechtheit einer Urkunde kann aber nicht hingenommen werden 113 . Wenn man den häufig diskutierten Fall der Vorspiegelung einer nicht bestehenden Ehe 1l4 nimmt, so könnte eine entsprechende Differenzierung des Täterwillens folgendermaßen aussehen: Die mit einem falschen Namen im Hotelgästebuch oder auf dem Hotelmeldeschein 1l5 unterzeichnende Frau kann einerseits gegenüber dem Hotelier in redlicher Vertragserfüllungsabsicht handeln und nur vortäuschen wollen, sie sei die Ehefrau des mit ihr reisenden Mannes. Entsprechend dem oben beschriebenen Ansatz müßte dies dazu führen, die hergestellten Schriftstücke als echte (nur über den Namen täuschende) Urkunden anzusehen. Andererseits kann sie aber zugleich den Zweck verfolgen, einer anderen Person die entsprechenden Urkunden später vorlegen zu lassen, um den Eindruck zu erwecken, die wirkliche Ehefrau sei mit ihrem Ehemann auf Reisen gewesen (zum Beispiel zur Verschaffung eines Alibis für die wirkliche Ehefrau). Gegenüber dem zweiten Beweisdestinatär müßte nun aufgrund der bezweckten Identitätstäuschung die Unechtheit der mit dem falschen Namen unterzeichneten, zuvor als echt angesehenen Urkunde angenommen werden; ein Ergebnis, das wohl niemand akzeptieren würde. Gegen die Einbeziehung des Täterwillens in die Echtheitsprüfung bei der sogenannten Namenstäuschung spricht aber noch ein Weiteres: Der Wille der mit falschem Namen unterzeichnenden Person, sich aus ihrer Erklärung verpflichten zu lassen, kann auch zeitlich begrenzt sein 1l6 . So ist es möglich, daß sich der sein Inkognito wahrende Hotelgast während seines Hotelaufenthaltes durchaus zu seiner Erklärung bekennt und gewillt ist, die vertraglichen Verpflichtungen zur Bezahlung einzuhalten. Dieser Bindungswille muß aber eine spätere Beweissituation nicht mehr mit einschließen. Will der Hotelier nach 112 Siehe die entsprechende Kritik bereits oben 2. Abschn. IID 2 c und 3. Abschn. I B 1 a; zu der hier behandelten "Namenstäuschung" aber insbesondere Kienapfel, NStZ 1987,28 f.; Puppe, Jura 1986, 22, 26; dies., JuS 1987, 275, 277. 113 Vgl. Puppe, Jura 1986, 22, 26; dies., JuS 1987,275,277. 114 Siehe oben die Nachweise 3. Abschn. I B 3 FN 91. 115 Zur Urkundsqualität von Gästebüchern und Hotelmeldescheinen s. nur: BGH bei Dallinger, MDR 1973, 556 sowie RG DR 1940, 1828. 116 Vgl. Puppe, Jura 1986,22,26; dies., JuS 1987, 275, 277; Seier, JA 1979, 133, 137.

8 Steinmetz

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

Beendigung des Aufenthalts, zum Beispiel zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, auf den mit falschem Namen in Gästebuch oder Meldeschein eingetragenen Gast zurückgreifen, so müßte man ihm sagen, er würde zwar (wegen des damaligen Bindungswillens des Inkognito-Gastes) mit der Eintragung auf dem Meldeschein und im Gästebuch echte Urkunden in Händen halten, der ehemalige Gast könne, sofern man ihn überhaupt ausfindig macht, mit dem bloßen Hinweis auf seinen anderslautenden Namen die scheinbare Beweiswirkung dieser "echten" Urkunde beeinträchtigen. Ein solches Ergebnis steht aber im krassen Widerspruch zur von § 267 StGB geschützten Perpetuierungsleistung der Urkunde, die ja gerade gewährleisten soll, daß der Aussteller und Urheber seiner Erklärung auch über einen längeren Zeitraum hinweg an seiner Erklärung festgehalten werden kann 117 • Vielmehr würde man in so einem Fall den Beweiswert einer Urkunde vom Wohlwollen des Urkundenausstellers abhängig machen 1l8 , da nur bei Fortbestand seines Willens, sich zu seiner Erklärung zu bekennen, diese gegen ihn verwendet werden könnte. Um also die Qualität des Beweismittels "Urkunde" zu gewährleisten 119 , ist es nötig, auch in den Fällen der sogenannten Namenstäuschung den Echtheitsbegriff unabhängig von dem jeweiligen Täterwillen allein anhand von objektiven Kriterien zu bestimmen 12o •

Zur Perpetuierungsfunktion der Urkunde s. o. 1. Abschn. III D. Siehe Puppe, Jura 1986, 22, 26; dies., JuS 1987, 275, 277; Seier, JA 1979, 133, 137. 119 Dabei darf allerdings nicht aus den Augen verloren werden, daß der Vorteil einer Urkunde sich nicht lediglich in ihrem Beweiswert niederschlägt, sondern daß die Perpetuierung einer rechtserheblichen Erklärung auch Bedeutung für die Gestaltung von Rechtsverhältnissen hat (s. dazu oben 1. Abschn. III D die Rechtsgutsbestimmung für § 267 StGB). Insoweit erscheint es zu eng, wenn Samson (SK § 267 Rdn. 44; s. auch ders., JuS 1970, 369, 374; ders., JA 1979, 658, 659) darauf abstellt, daß bei der bloßen Namenstäuschung Urkundenfälschung (besser wäre hier: Herstellung einer unechten Urkunde) anzunehmen sei, da das Vertrauen des Urkundsempfängers enttäuscht werde, ein für einen zukünftigen Prozeß geeignetes Beweisstück zu erhalten. Ein solches Vertrauen wird man wohl nicht in jedem Fall unterstellen können, denn nicht jede Urkunde schöpft ihren Wert sogleich aus ihrer Brauchbarkeit für einen künftigen Prozeß. (Kritisch zu Samson, SK § 267 Rdn. 44 auch Schmidhäuser, BT 14/13, allerdings auf die Intention des Täters abstellend). Vom Grundsatz her ist aber der Ansatz Samsons akzeptabel: Zwar wird nicht das konkrete Vertrauen des Urkundenempfängers auf leichte Beweisführung verletzt, wenn man eine bei bloßer Namenstäuschung hergestellte Urkunde als echt ansieht, wohl aber das potentielle Vertrauen des unmittelbaren (und auch weiterer) Urkundsadressaten, auf den Urheber einer echten urkundlichen Erklärung aufgrund seiner namentlichen Übereinstimmung mit dem aus der Urkunde zu entnehmenden Anscheinsaussteller jederzeit zurückgreifen zu können. 120 Vgl. Kienapfel, JR 1980, 123; ders., NStZ 1987, 28 f., der hinsichtlich der Namenstäuschung von einer "objektiven Identitätsverschleierung" spricht sowie der h. M. zu Recht unterstellt, sie schaffe ein "Strafbarkeitsventil" durch Konfusion von objektiver und subjektiver Tatseite; ferner Ohr, JuS 1967, 255, 256; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 48; s. weiterhin Samson, JA 1979,658,659, der der Gegenansicht zu Recht "formelhafte, subjektivierende Kriterien" vorwirft; sowie Seier, JA 1979, 133, 137, der 117 118

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

115

bb) Der AnscheinsaussteUer bei der sogenannten bloßen Namenstäuschung

Zusätzlich ist aber ein weiterer Einwand gegen die Berücksichtigung des Täterwillens bei der bloßen Namenstäuschung zu machen, der die Bestimmung des Anscheinsausstellers einer solchen, angeblich nur über den Namen täuschenden Urkunde betrifft. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß, wie oben festgestellt wurde l21 , eine echte Urkunde 122 nur dann vorliegen soll, wenn der Anscheinsaussteller mit dem Urheber der Erklärung übereinstimmt, so stellt sich zwangsläufig die Frage, wie denn die Ausstellerbestimmung auszusehen hat, wenn man bei der bloßen Namenstäuschung (unter Berücksichtigung des Täterwillens) davon ausgeht, daß eine echte Urkunde hergestellt wird l23 . Bemerkenswert ist dabei, daß nirgendwo in Schrifttum und Rechtsprechung, soweit dem Ansatz "Namenstäuschung ist keine Identitätstäuschung bei entsprechendem Täterwillen" gefolgt wird, diese Frage erörtert wird. Fragt man nun in den Fällen der bloßen Namenstäuschung nach der Person des Urkundenausstellers, so müßte eigentlich derjenige als Anscheinsaussteller angesehen werden, dessen Name der in der urkundlichen Erklärung verwendete ist. Urheber der Urkunde wird aber der Unterschreibende sein l24, der (zum Beispiel nur zur Inkognito-Wahrung) einen falschen Namen verwendet. Damit müßte im Grunde genommen in den Fällen der bloßen Namenstäuschung die Unechtheit eines urkundlichen Schriftstückes festgestellt werden. Wenn man aber nicht zu diesem Ergebnis kommt l2 5, so kann dies nur geschehen, wenn man den Urheber der Urkunde (den Benutzer des Falschnamens ) zugleich auch als Anscheinsaussteller betrachtet 126, dessen Identität sich aus der Urkunde ergibt. Urkunden in Fällen der bloßen Namenstäuschung als "objektiv unecht" bezeichnet. Siehe schließlich auch Stehling, Urkundenfälschung, S. 80; Timcke, Identitätstäuschung, S. 47; sowie Widmann, Unechte Urkunde, S. 11, 23, 26 ff. Unklar: Duo, JK § 267/9 und ders., (mit fast wortgleichen Ausführungen) JuS 1987,761,768, der einerseits den Willen des Erklärenden im subjektiven Bereich des § 267 StGB prüft, dennoch aber der h. M. zur sog. Namenstäuschung zustimmt. Ursache hierfür ist die oben bereits angeführte (3. Abschn. FN 94) fehlende Trennung verschiedener Fallkonstellationen. 121 Siehe 1. Abschn. I A. 122 also eine Urkunde, die keine Identitätstäuschung über den Aussteller hervorruft. 123 wie dies die wohl noch überwiegende Meinung tut; s. die Nachweise oben 3. Abschn. FN 99 - 102, 104 - 107. 124 So auch TrändIe, LK § 267 Rdn. 129, der den Unterschreibenden als "wirklichen Aussteller" ansieht. 125 wie die angeführten Stimmen aus Literatur und Rechtsprechung (s. o. 3. Abschn. FN 99 - 102, 104 - 107). 126 So bezeichnet WesseIs, BT 1 § 18 III 1 a den Verwender des Falschnamens schlicht als "Aussteller" der urkundlichen Erklärung, ohne dies weiter zu problematisieren. 8*

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

Dies erscheint aber in zweierlei Hinsicht sehr fragwürdig: Zunächst einmal führt diese Betrachtungsweise dazu, daß jemand als Anscheinsaussteller angesehen wird, der eigentlich nicht aus ihr in eindeutig identifizierbarer Weise ersichtlich ist. Der sein Inkognito wahrende Täter bleibt nur deshalb unerkannt, weil seine Identität gerade nicht aus dem urkundlichen Schriftstück hervorgeht; ihn trotzdem als Anscheinsaussteller anzusehen, bedarf schon einer dem Sprachgebrauch zuwiderlaufenden Interpretation. Die zur Ausstellerbestimmung bei der sog. Namenstäuschung im Schrifttum benutzten Formulierungen 127 tragen aber nicht dazu bei, eine Begründung für die offenbar abweichende Bestimmung des Anscheinsausstellers zu liefern. Vielmehr erinnern sie in ihrer Allgemeinheit an einige der oben l28 angeführten Formeln, mit denen versucht wird, das "geistige Herrühren" einer urkundlichen Erklärung von einer bestimmten Person im Rahmen der Geistigkeitstheorie zu erklären 129. Darüber hinaus spricht aber ein ganz wesentliches Argument gegen die Ansicht, es gebe eine bloße Namenstäuschung ohne Identitätstäuschung. Wenn der einen falschen Namen gebrauchende Unterzeichner einer Urkunde in den Fällen der bloßen Namenstäuschung auch als Anscheinsaussteller anzusehen ist, obwohl sein richtiger Name sich nicht aus dem Urkundsinhalt ergibt, so löst man sich bei dieser Betrachtungsweise von dem bereits mehrfach angeführten 130 und für § 267 StGB grundlegenden Prinzip, daß der Name einer Person das im Rechtsverkehr entscheidende Individualisierungsmerkmal ist l3l . Vielmehr treten bei dieser Betrachtungsweise bestimmte Eigenschaften von Personen vollständig an die Stelle des Namens zur Bestimmung der Ausstellereigenschaft, da aufgrund der Namenstäuschung keine Zuordnung von Er127 Siehe insbesondere die bereits (3. Abschn. I B 3 b FN 100) erwähnten Ausführungen von Trändie, LK § 267 Rdn. 129 und MaurachlSchroeder, BT 2 § 65 IV 1 a, wonach eine bloße Namenstäuschung dann vorliege, wenn sich der Verwender eines Falschnamens zu seiner Erklärung bekenne und sich aus ihr verpflichten lassen wolle. 128 Siehe dazu 1. Abschn. II C 1. 129 Siehe nur die Formel bei Trändie, LK § 267 Rdn. 16, wonach Aussteller (also "geistiger Urheber") einer Erklärung derjenige sei, der geistig hinter der Erklärung stehe, sie als seine Erklärung gelten lasse, sich zu ihr bekenne und sich an sie gebunden fühle (weitere Nachweise s. o. 1. Abschn. II C 1). 130 Siehe dazu oben 3. Abschn. I Asowie 2. Abschn. II D 2 d bb. 131 Natürlich gibt es neben dem Namen auch andere Kriterien, die einen Urkundenaussteller individuell kennzeichnen (s. dazu oben 2. Abschn. IID 2 d bb, Firmenzugehörigkeit als zusätzliches Individualisierungsmerkmal) ; bedeutsam ist dies vor allem für Urkunden, die den Aussteller nicht namentlich kenntlich machen, sondern wo sich die Person des Ausstellers z. B. erst aus dem Urkundsinhalt selbst ergibt (zur Ausstellerbestimmung in diesen Fällen s. nur m. w. N. Trändie, LK § 267 Rdn. 28 ff.; SchiSchi eramer, § 267 Rdn. 17). Da hier aber die Fälle der Verwendung eines Falschnamens erörtert werden, steht der gebrauchte Name als Identitätsmerkmal ganz eindeutig im Vordergrund.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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klärungen zu einem bestimmten Namensträger mehr durchgeführt werden kann 132 • Die in den Inkognito-Fällen hergestellten Urkunden werden also nur deswegen als echt behandelt, weil eine Person mit bestimmten Eigenschaften sowohl als Anscheinsaussteller als auch als Urheber anzusehen ist. Entscheidendes Identitätskriterium für die durch Verwendung eines Falschnamens eine Ehe vorspiegelnde Unterzeichnerin eines Schriftstückes wird daher die Tatsache des Zusammenlebens mit einem Dritten. Über dieses Merkmal wird mittels der Urkunde kein Irrtum erregt. Im Falle des inkognito auftretenden Hotelgastes wird es zum Identitätskriterium der Person, Bewohner von Zimmer X zu sein. Dies zeigt, daß letztlich jede Eigenschaft einer Person bei dieser Sichtweise zum Identitätsmerkmal werden kann 133 , sofern mit der Ver132 Siehe auch die Kritik von Puppe, Jura 1986, 22, 26; dies., JuS 1987, 275, 277 (zustimmend zur Kritik von Puppe: Duo, JuS 1987, 761, 766, der dies allerdings allein auf die Ausstellerbestimmung mittels der Eigenschaft, Vertreter einer Firma oder Behörde zu sein, bezieht (s. dazu oben 2. Abschn. 11 D 2, E 2)). Soweit Puppe dabei allerdings dem BGH in BGHSt 33,159,160 f. unterstellen will, er ginge davon aus, daß eine bloße Namenstäuschung eine Urkunde nicht unecht mache, so läßt sich dies nicht so eindeutig und zweifelsfrei aus der Entscheidung herauslesen. Einerseits erwägt der BGH (BGHSt 33, 159, 160 f.) die Voraussetzungen für eine bloße Namenstäuschung (Unterzeichner will seinen Namen ungenannt lassen, steht aber im übrigen zu der Erklärung und will sich nicht der Beweiswirkung entziehen) erst bei dem Tatbestandsmerkmal "zur Täuschung im Rechtsverkehr", was voraussetzen würde, daß zunächst die Unechtheit einer entsprechenden Urkunde festgestellt wurde. Anschließend prüft der BGH (BGHSt 33, 159, 161) aber den von ihm zu beurteilenden Einzelfall "objektiv" mit Hilfe der eben genannten Kriterien, was zu einer logisch an sich ausgeschlossenen Rückkehr zur Frage nach dem Vorliegen einer Identitäts- oder bloßen Namenstäuschung führt. Dies soll aber, so müssen die Eingangserwägungen des BGH (BGHSt 33, 159, 160) verstanden werden, eine Frage von Echtheit oder Unechtheit sein. So deutet einiges (insbesondere auch der die gesamte Entscheidung relativierende Schlußsatz (BGHSt 33, 159, 163» darauf hin, daß der BGH der hier kritisierten Ansicht (Kritik auch von Puppe, Jura 1986, 22, 26) folgt, eine vom Täter bezweckte bloße Namenstäuschung führe nicht zur Herstellung einer unechten Urkunde. Allerdings ließe die widersprüchliche Begründung der BGH-Entscheidung auch eine gegenteilige Deutung zu. 133 Noch weitergehend die Kritik bei Puppe, Jura 1986, 22, 26 f.; ders., JuS 1987, 275, 277, wonach dann auch eine jede Täuschung über zum Identifikationsmerkmal erhobene Eigenschaften zur Herstellung einer unechten Urkunde führen müßte, was letztlich jede schriftliche Lüge über bestimmte Eigenschaften unter § 267 StGB fallen lassen würde. Soweit Puppe (Jura 1986, 22, 28) deswegen nur bei den sog. "Allerweltsnamen" auf bestimmte Eigenschaften hinweisende Zusätze als weitere Identifikationsmerkmale anerkennen will, dürfte dies allerdings zu eng sein. Neben einer Namensangabe kommen durchaus auch andere Hinweise als Identitätsmerkmale in Betracht (s. o. 2. Abschn. 11 D 2 d bb, E 2 zur Eigenschaft der Firmen- oder Behördenzugehörigkeit); nur kann eine vorhandene Namensangabe nicht vollständig als Identifikationskriterium durch die Eigenschaft einer Person ersetzt werden (zu dieser Problematik s. auch unten 3. Abschn. I C 5 a und 3. Abschn. 11). Genau dies geschieht aber in dem von Trändie, LK § 267 Rdn. 129 (unter Bezugnahme auf die Entscheidung BGH v. 21. 4. 53,1 StR 741/52 bei PfeifferlMaullSchulte, § 267 Anm. 3) angeführten Beispiel, wonach ein Dieb bei Verkauf einer gestohlenen Sache den Eigentümernamen verwendet. Die Bejahung des Tatbestandes von § 267 StGB wird dabei nicht primär auf den Gebrauch eines nicht zustehenden Namens in einem Schriftstück gestützt, sondern auf die Identitätstäuschung, die darauf beruhen

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

wendung eines Falschnamens nur eine "bloße Namenstäuschung" bezweckt wird 134 . Eine solche Betrachtungsweise ist aber schon durch das Rechtsgut des § 267 StGB ausgeschlossen. Wie oben festgehalten wurde 135 , erfaßt § 267 StGB Angriffe gegen das Vertrauen des Rechtsverkehrs auf Authentizität von Urkunden. Wenn aber in den Fällen der sog. Namenstäuschung die Echtheit von Urkunden an das Vorliegen bestimmter Eigenschaften der ausstellenden Person geknüpft wird, so ist die Feststellung der Authentizität von Urkunden kaum noch möglich. Aufgrund der Vielfalt von möglichen Eigenschaften, über die getäuscht werden kann, bedarf es eines einheitlichen Identifikationsmerkmales, welches eben nur der einer Person rechtlich zustehende Name, in Ausnahmefällen auch ein anderer, sie aber hinreichend individuell kennzeichnender Name 136 ist. Eine "bloße Namenstäuschung" ist daher auch immer zugleich eine Täuschung über die Identität des Urkundenausstellers; die solchermaßen hergestellte Urkunde ist daher unecht. c) Berücksichtigung des Täterwillens bei dem Merkmal "zur Täuschung im Rechtsverkehr"

Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, ist in den Fällen der sogenannten Namenstäuschung immer auch eine Identitätstäuschung durch das Verwenden eines nicht zustehenden Namens gegeben. Das Handlungsziel des Täters, aus bestimmten Gründen nur über seinen Namen, nicht aber über seine Identität zu täuschen, kann also nur bei dem Tatbestandsmerkmal "zur Täuschung im Rechtsverkehr" berücksichtigt werden 137 . Zur Täuschung im soll, daß der Dieb sich die Eigentümerposition anmaßt! Hier wird allein die Eigenschaft "Eigentümer der Sache" zum Identitätsmerkmal erhoben, die schriftliche Lüge über diese Eigenschaft soll die Unechtheit des urkundlichen Schriftstückes bewirken! (s. die Kritik von Puppe, Jura 1986, 22, 27 f.; dies., JuS 1987, 275, 277 FN 4 sowie von Duo, JuS 1987,761,766). 134 In der Tat werden im Schrifttum Beispiele angeführt, bei denen eine bloße Namenstäuschung letztlich nur deshalb angenommen wird, weil andere Kriterien zu alleinigen Identitätsmerkmalen erhoben werden. Es handelt sich dabei um Fälle, in denen ein nicht zustehender Name zweifach gegenüber demselben Adressaten gebraucht wird (Daß das bloße mehrmalige Gebrauchen eines Falschnamens diesen noch nicht zu einem Identitätsmerkmal macht, wurde bereits oben unter 3. Abschn. I B 2 festgestellt). Siehe DreherlTrändle, § 267 Rdn. 26: Bloße Namenstäuschung bei falscher Unterschrift auf Schuldschein und späterer Postanweisung zur Rückzahlung des Geldbetrages (Identitätskriterium wird hier die Eigenschaft, einen bestimmten Geldbetrag zu schulden!) sowie Frank, ZStW Bd. 32, 82, 96: Hinterlegung von Wertsachen unter einem "nom de guerre" und Quittierung der Rückgabe mit gleichem Namen (Identitätskriterium wird hier die Eigenschaft, Hinterleger der Wertsachen zu sein!). 135 Siehe o. 1. Abschn. III D. 136 Siehe o. 3. Abschn. I B 2 zu Künstler-, Spitz-, Deck- oder auf Dauer gebrauchten Falschnamen. 137 So ebenfalls: Kienapfel, JR 1980, 123; ders., NStZ 1987, 28 f.; Ohr, JuS 1967,255, 256; Puppe, Jura 1986, 22, 26; Samson, JuS 1970, 369, 374; ders., JA 1979,658,659;

1. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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Rechtsverkehr im Sinne des § 267 StGB handelt ein Täter immer dann, wenn er einen Irrtum über die Echtheit einer Urkunde erregen will und auf ein irrturnsbedingtes, rechtlich erhebliches Verhalten eines (unter Umständen noch gar nicht konkretisierten) Täuschungsopfers abzielt 138 • In vielen der hier erörterten Fälle der sogenannten Namenstäuschung 139 dürfte es an dem subjektiven Unrechtselement des § 267 StGB fehlen, denn bei bloßer Absicht des Täters, sein Inkognito zu wahren 140 , fehlt ihm die weitergehende Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr. Hierzu müßte er nämlich das Handlungsziel haben, einen Urkundsadressaten gerade durch einen Irrtum über die Ausstelleridentität zu einem rechtlich erheblichen Verhalten zu veranlassen l4l . Es muß in jedem Einzelfall geprüft werden, ob zur Täuschung im Rechtsverkehr gehandelt wurde 142 , denn es sind durchaus auch Fälle denkbar, in denen der Täter, der nur seinen ihm zustehenden Namen nicht nennen und sich auch sonst aus seiner Erklärung verpflichten lassen will, dennoch beim Gebrauch des ihm nicht zustehenden Namens ein auf einem Identitätsirrtum beruhendes, rechtserhebliches Verhalten eines Urkundsadressaten anstrebt 143 • Man wird aber nicht sagen können, daß bei jeder Täuders., SK § 267 Rdn. 44; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 48; Seier, JA 1979, 133, 137; Timcke, Identitätstäuschung, S. 41,47 f., 53 f.; im Ergebnis ebenfalls, wenn auch den Streit als unerheblich bezeichnend: Schmidhäuser, BT 14/13. Keine Berücksichtigung des Täterwillens bei der Feststellung der Echtheit auch bei: RGSt 48, 238, 241 f.; RGSt 68, 2, 3; RG GA Bd. 56, 81; BGH bei Dallinger, MDR 1973, 556. Keine exakte Begründung bei OLG Celle NJW 1986, 2772: "jedenfalls sei im subjektiven Bereich das Unrecht nicht gegeben" (s. die entsprechende Kritik von Kienapfel, NStZ 1987, 28 f.; Puppe, JuS 1987,275,278). Zustimmung zur Entscheidung des OLG Celle bei Duo, JK § 267/9 sowie fast wortgleich in JuS 1987,761,768, wobei Duo trotz Prüfung der subjektiven Kriterien bei der "Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr" dennoch meint, mit der h. M. zur "Namenstäuschung" übereinzustimmen (s. bereits oben 3. Abschn. FN 120). 138 Vgl. nur Samsan, SK § 267 Rdn. 87, 89; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 85 sowie auch BGHSt 5, 149, 151. Ungenau dagegen Trändie, LK § 267 Rdn. 188, soweit dort gesagt wird, es sei erforderlich, daß beim Adressaten ein Irrtum erregt und dieser zu einem rechtserheblichen Verhalten bestimmt würde. Eine Vollendung (Irrtum und irrturnsbedingtes Verhalten) ist hier nicht erforderlich, vielmehr muß der Täter lediglich ein entsprechendes Handlungsziel haben (s. dazu auch BGH EzSt § 267 NT. 1). 139 Insbesondere bei den "Inkognito-Fällen". 140 Z. B. der Prominente, der, um ungestört zu bleiben, im Hotel mit falschem Namen unterzeichnet. 141 Siehe SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 89, sowie Schmidhäuser, BT 14/13 mit berechtigter Kritik an Samsan, SK § 267, Rdn. 44 (s. auch Samsan, JA 1979,658,659, der nur pauschal eine "Urkundenfälschung" in den Fällen der sog. bloßen Namenstäuschung für gegeben hält, was also auch die Bejahung des subjektiven Unrechtsmerkmales mit einschließen muß); Ablehnung einer "Täuschung im Rechtsverkehr" bei den Inkognito-Fällen auch durch Seier, JA 1979, 133, 137. 142 So auch Kienapfel, JR 1980, 123; ders., NStZ 1987, 28 f.; SchlSchlCramer, § 267 Rdn.48. 143 Beispiele: Die mittels Falschnamensgebrauch eine Ehe vortäuschende Frau handelt mit dem Willen, durch die Namenstäuschung gerade eine Bedingung eines

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

schung über die Identität des Ausstellers durch die Verwendung eines Falschnamens sogleich auch eine Absicht des Täters zur Täuschung im Rechtsverkehr unterstellt werden darf144, daß also in jedem Fall der Täter bezwecke, sich der Beweiswirkung des von ihm geschaffenen urkundlichen Schriftstückes zu entziehen 145 • Das eben gewonnene Ergebnis (Straflosigkeit in den meisten "InkognitoFällen") könnte nun dazu verleiten, den oben diskutierten Meinungsstreit (Ist eine bloße Namenstäuschung auch eine Identitätstäuschung?) für unerheblich zu halten, da es letztlich gleichgültig sein könnte, ob in den Fällen der sogenannten bloßen Namenstäuschung bereits das Tatbestandsmerkmal "unecht" oder erst das Merkmal "zur Täuschung im Rechtsverkehr" verneint wird 146 • Dieser Sichtweise kann aber nicht zugestimmt werden. Zunächst einmal erscheint es unangebracht, Auslegungsprobleme bei einem Tatbestandsmerkmal mit dem Hinweis auf ein ohnehin nicht erfülltes, in der Regel später zu prüfendes Merkmal zu umgehen. Gerade beim Begriff der Unechtheit einer Urkunde in § 267 StGB ist eine genaue Begriffsbestimmung aber zudem notwendig, da nicht nur das Herstellen durch den Urkundenfälscher , sondern auch das Gebrauchen einer fremdgefertigten unechten Urkunde dem Straftatbestand des § 267 StGB unterfällt. So kann der Täter zum Beispiel eine fremdgefertigte, nicht in Täuschungsabsicht hergestellte Urkunde zur Täuschung im Rechtsverkehr gebrauchen und sich damit nach § 267 StGB strafbar machen. Die Frage, ob die betreffende Urkunde echt oder unecht war, kann in einem solchen Fall nicht offengelassen werden. Urkundsadressaten scheinbar zu erfüllen (Vermieter ist nur gewillt, an Ehepaar zu vermieten); der inkognito auftretende Hotelgast will das ihm gegenüber bestehende Hausverbot umgehen; der Falschnamensgebrauch geschieht zur Verdeckung einer anderen Straftat (s. Kienapfel, JR 1980, 123). 144 So aber offenbar Puppe, Jura 1986, 22, 28; dies., JuS 1987, 275, 278, die behauptet, wenn die Echtheit der Urkunde sich als "Namensechtheit" definiere, so liege in jedem Falschnamensgebrauch eine Täuschung über die Echtheit und der Täter handele also auch zur Täuschung im Rechtsverkehr. Dies ist aber ebensowenig eine zwingende Schlußfolgerung, wie dies die Behauptung wäre, die Verletzung fremden Gewahrsams nach § 242 StGB führe in allen Fällen dazu, daß ein jeder Täter auch in Zueignungsabsicht handeln würde. 145 Vgl. zur Bejahung der "rechtswidrigen Absicht" nach § 267 StGB a. F. nur bei Willen des Täters, sich der Beweiswirkung der Urkunde zu entziehen: RGSt 48, 238, 242. 146 So in der Tat Schmidhäuser, BT 14/13 mit der Feststellung, auf die Unechtheit von Urkunden in einem Inkognito-Fall (Vortäuschen einer Ehe auf Urlaubsreise) komme es wegen der Verneinung des Merkmales "zur Täuschung im Rechtsverkehr" gar nicht mehr an. Ähnlich Seier (JA 1979, 133, 136), der den Meinungsstreit in seiner Tragweite für überschätzt hält, da nur fraglich wäre, bei welchem Tatbestandsmerkmal anzusetzen sei. Auf gleicher Linie liegt die Entscheidung des OLG Celle NJW 1986, 2772, in der nicht entschieden wird, ob die Verwendung des nicht zustehenden (Familien-)Namens des Lebensgefährten zur Unechtheit einer Urkunde (Scheck) führt, da in dem konkreten Fall "jedenfalls" das Unrecht im subjektiven Bereich nicht gegeben sei! (Siehe die entsprechenden kritischen Anmerkungen zu dieser Entscheidung von Kienapfel, NStZ 1987, 28 f. und Puppe, JuS 1987, 275, 278).

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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Außerdem hat die Darstellung des Meinungsstreites gezeigt, daß die Befürworter einer bloßen Namenstäuschung ohne Identitätstäuschung subjektive Kriterien in den an sich objektiven Echtheitsbegriff einfließen lassen. Dieser Tendenz 147 muß aber entgegengetreten werden, da sonst letztlich auch bloße Billigkeits- und Strafwürdigkeitsüberlegungen148 in die Bestimmung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde einfließen könnten. Festzuhalten bleibt somit, daß in den Fällen der sogenannten Namenstäuschung keine Ausnahme von dem Grundsatz zu machen ist, wonach der Gebrauch eines nicht zustehenden Namens zur Herstellung einer unechten Urkunde führt. Der Wille des Täters, lediglich seinen ihm zustehenden Namen ungenannt zu lassen, ansonsten aber zu der Erklärung zu stehen, kann erst bei der Frage berücksichtigt werden, ob er zur Täuschung im Rechtsverkehr handelte. 4. Zur Frage der Identitätstäuschung bei fehlendem Interesse am Namen

Schließlich wird eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz "Verwendung eines nicht zustehenden Namens ist Herstellung einer unechten Urkunde"149 für den Fall erörtert, daß die (zum Beispiel an einem Rechtsgeschäft) beteiligten Personen gar kein Interesse an den verwendeten Namen haben l5o . Gegen diese Ausnahme richten sich aber ähnliche Bedenken, wie gegen die soeben 151 abgelehnte Ansicht, nach der bei entsprechendem Täterwillen eine sog. Namenstäuschung nicht zur Herstellung einer unechten Urkunde führen soll. Zunächst ist hervorzuheben, daß zu den an der Urkundsverwendung Beteiligten, auf deren Interesse abgestellt wird, natürlich auch der Aussteller 147 die sich insbesondere auch bei den Erwägungen zur Anonymität von Erklärungen gezeigt hat (s. o. 3. Abschn. I B 1 a). 148 Siehe die Erwägungen von Krey, BT 1 Rdn. 705, der das Fehlen einer Identitätstäuschung in den Fällen der bloßen Namenstäuschung (und damit die Echtheit (!) entsprechender Urkunden) letztlich damit begründet, daß die Sicherheit des Rechtsverkehrs nicht ins Gewicht fallend (!) beeinträchtigt würde und die Strafwürdigkeit dieser Fälle nicht einzusehen sei. (Zutreffend der dagegen gerichtete Einwand von Puppe, Jura 1986, 22, 28; dies., JuS 1987, 275, 279, daß u. U. eben auch Bagatelltaten einem Straftatbestand unterfallen können; ebenso Kienapfel, NStZ 1987, 28 f., der von einem "Straflosigkeitsventil" der h. M. spricht.) 149 Zu diesem Grundsatz s. 0.3. Abschn. lAI. 150 Siehe BGHSt 33, 159, 160; Duo, JK § 267/9; ders., JuS 1987, 761, 768; Wesseis, BT 1 § 18 III 1 a; s. auch die Tendenz bei Timcke, Identitätstäuschung, S. 51 ff., der hinsichtlich der Echtheit trotz Falschnamensgebrauchs z. T. auf die Bedeutung des urkundlichen Schriftstückes bzw. auf seine Geltungsdauer abstellen will. Zu Unrecht zählt Puppe, JuS 1987, 275, 278 auch die Fälle des fehlenden Namensinteresses zur sog. Namenstäuschung. Sie übersieht dabei, daß bei letzterer der Täuschungszweck des Täters, hier aber das Informationsinteresse des Opfers im Vordergrund steht (ebenso Lackner, § 267 Anm. 3 a). 151 Siehe 3. Abschn. I B 3 b.

122

3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

selbst gehören müßte l52 • Auf sein Interesse an dem Falschnamensgebrauch kann es aber schon gar nicht ankommen, wie die Erörterungen zur gewollten Anonymität l53 und zur bloßen Namenstäuschung l54 gezeigt haben. Offenbar ist dies aber auch nicht in diesem Sinne zu verstehen. In der oben bereits angeführten Entscheidung des BGH vom 21. 3. 85 154• werden mit "den Beteiligten" lediglich die in Betracht kommenden Beweisdestinatäre l55 bezeichnet und ein unter Umständen bei ihnen fehlendes Namensinteresse gegenüber dem Urkundsaussteller erörtert. Gegen die Berücksichtigung dieses Informationsinteresses sprechen aber mehrere Gründe. Auch in diesen Fällen droht bei Berücksichtigung des Informationsinteresses der am Umgang mit einer Urkunde Beteiligten wiederum die Gefahr der Relativierung der Echtheit einer Urkunde. Das Interesse am Namen einer anderen, im Rechtsverkehr eine Urkunde ausstellenden Person kann sehr unterschiedlich sein; verschiedene Urkundenempfänger können dabei ganz unterschiedliche Informationsbedürfnisse haben I56 . Hinzu kommt, daß ein solches Interesse am Namen eines Kontrahenten auch veränderlich und situationsabhängig ist, so daß das fehlende Interesse am rechtmäßigen Namensgebrauch ein sehr fragwürdiges Kriterium ist, mit dem bei Verwendung eines Falschnamens dennoch die Echtheit einer Urkunde bejaht werden könnte l57 . Das fehlende Interesse am rechtmäßigen Namen eines anderen Teilnehmers im Rechtsverkehr mag zwar unter Umständen eine Begleiterscheinung bei gewissen Fällen der hier erörterten Verwendung eines nicht zustehenden Namens sein l58 (insbesondere, wenn die Verwendung eines Deck- oder Künstlernamens, der als solcher bekannt ist, aufgrund seiner eindeutigen Zuordnung zu einer Person, kein Interesse an dem ihr rechtlich zustehenden Namen aufkommen läßt), in Anbetracht des Rechtsgutes des § 267 StGB kann eine solche einzelfallabhängige und eher zufällige Interessenlage aber nicht die Bestimmung der Echtheit einer Urkunde beinflussen. Wie bei der Darstellung des betroffenen Rechtsgutes ausgeführt l59 , hat die Gesamtheit aller Teilnehmer am Rechtsverkehr ein Interesse daran, die sich aus einer Urkunde als Aussteller ergebende Person an ihrer Erklärung festzuhalten. Gerade weil nicht nur der einzelne Empfänger einer Urkunde (und damit sein Interessse an der Person des Ausstellers) von einem deliktischen Angriff nach § 267 StGB Vgl. Paeffgen, JR 1986, 114. Siehe o. 3. Abschn. I B 1 a. 154 Siehe o. 3. Abschn. I B 3 b. 154. BGHSt 33, 159ff. 155 Siehe BGHSt 33, 159, 160, wo die "Beteiligten" und der "Aussteller" voneinander unterschieden werden. 156 Vgl. Puppe, Jura 1986, 22, 26; dies., JuS 1987,275,277. 157 Vgl. Paeffgen, JR 1986, 114; Puppe, Jura 1986, 22, 26. 158 Vgl. Paeffgen, JR 1986, 114. 159 Siehe o. 1. Abschn. III D. 152 153

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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betroffen ist, kann sein fehlendes Interesse am Namen eines anderen nicht dazu führen, daß eine mit falschem Namen versehene Urkunde als echt anzusehen ist 160 • Die schutzwürdigen Interessen aller Teilnehmer am Rechtsverkehr werden durch jeden Falschnamensgebrauch tangiert, denn es ist ja nicht gewährleistet, daß ein urkundliches Schriftstück ausschließlich zwischen zwei, am korrekten Namensgebrauch nicht interessierten Personen ein Rechtsverhältnis bestimmt. Gebraucht jemand in Kenntnis der Falschheit des auf einem fremdgefertigten Schriftstück verwendeten Namens dieses gegenüber einer anderen Person, so wäre es unsinnig, zu dem Schluß zu kommen, ein strafbares Gebrauchen einer unechten Urkunde läge deshalb nicht vor, weil im ursprünglichen Rechtsverhältnis die Beteiligten kein Interesse an einem korrekten Namensgebrauch gehabt hätten, die Urkunde daher also gar nicht unecht sei. Dies zeigt, daß von dem allgemeinen Interesse an dem korrekten Namen des Ausstellers (worauf sich das Vertrauen auf die Authentizität von Urkunden gründet, da ja der Name das unverzichtbare, einheitliche Individualisierungsmerkmal einer Person ist 161 ) nicht in Einzelfällen abgewichen werden darf162 . Allerdings ist bei der Diskussion der Frage, ob eine Identitätstäuschung bei fe-hlendem Namensinteresse der Beteiligten verneint werden kann, zu beachten, daß entsprechende Fälle nur eine geringe praktische Bedeutung haben dürften. Abgesehen von den eben angesprochenen Beispielen, bei denen das fehlende Interesse am Gebrauch des rechtlich zustehenden Namens nur eine Begleiterscheinung der Identifizierbarkeit auch bei Falschnamensgebrauch ist 163, sind kaum Konstellationen denkbar, die in eine gesonderte Kategorie "Keine Identitätstäuschung bei fehlendem Namensinteresse" fallen könnten. Wenn im Rechtsverkehr der Name eines anderen Beteiligten ohne Bedeutung ist, so wird es sich in der Regel bei den Beziehungen der Beteiligten nicht um Verhältnisse handeln, die auf urkundlichen Schriftstücken basieren. Vielmehr dürfte es dabei um alltägliche Rechtsbeziehungen gehen, die wegen ihrer geringen Bedeutung nur mit mündlichen Erklärungen gestaltet werden. Dies wird deutlich bei einem Blick auf zivilrechtliche Vertragsbeziehungen, wo normalerweise ein jeder Geschäftspartner ein Interesse am richtigen Namen seines Kontrahenten hat, damit die vertraglichen Verpflichtungen korrekt erfüllt werden. Die Bedeutungslosigkeit der Namensangabe wegen fehlenden Interesses der Beteiligten wird im Zivilrecht nur für sogenannte Bargeschäfte des täglichen Lebens erörtert l64 , also für Geschäfte, in denen die Vertrags beEbenso Paeffgen, JR 1986, 114. Siehe o. 3. Abschn. I B 3 b bb. 162 Vgl. Puppe, Jura 1986,22,26. 163 Siehe o. die Darstellung zur Verwendung von Künstler-, Deck-, Spitz- und länger gebrauchten Falschnamen; 3. Abschn. I B 2. 164 Die zivilrechtliche Diskussion erstreckt sich dabei aber nur auf das Gebiet des Vertretungsrechts, und zwar zumeist auf die Fälle, in denen wegen der geringen Bedeu160 161

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

ziehungen typischerweise gerade nicht schriftlich fixiert werden l65 • Dort wo rechtliche Beziehungen zwischen verschiedenen Beteiligten am Rechtsverkehr Eingang in urkundliche Schriftstücke finden, dürfte aber immer das von § 267 StGB geschützte Interesse vorhanden sein, die Authentizität einer Urkunde anhand der Ausstellerangabe überprüfen zu können 166. Schließlich sei aber noch darauf hingewiesen, daß auch die dogmatische Herleitung der hier erwähnten Fallkonstellationen sehr fragwürdig ist. Soweit ersichtlich, finden sich Erörterungen zu Fällen, in denen eine Ausstellertäuschung wegen des fehlenden Namensinteresses verneint wird, lediglich an wenigen Stellen in Rechtsprechung und Literatur. Nur aus der Entscheidung des BGH vom 21. 3. 85 167 , aus den zustimmenden Bemerkungen zu dieser Entscheidung von Wessels 168 und zeitweilig von Lackner l68a , sowie aus der Erwähnung bei Otto 168b lassen sich Erwägungen entnehmen, nach denen eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz zu machen sei, daß die Verwendung eines Falschnamens zur Herstellung einer unechten Urkunde führe. Der BGH führt dazu aus, daß keine Identitätstäuschung (sondern nur eine Namenstäuschung l69 ) dann in Betracht komme, tung eines Geschäftes (eben ein Bargeschäft des täglichen Lebens wie z. B. ein Kauf alltäglicher Bedarfsartikel in einem Kaufhaus) dem einen Vertragspartner die Person des anderen (und damit dessen Name) gleichgültig ist. Hierauf basiert die Konstruktion des sog. "Geschäfts für den, den es angeht", bei dem ein Vertrag mit demjenigen zustande kommt, den die Folgen nach dem Willen des handelnden wirtschaftlich treffen sollen (Im Rahmen des Vertretungsrechts ist dies eine Ausnahme vom sog. Offenkundigkeitsprinzip (dazu s. o. 2. Abschn. II A), da in diesen Ausnahmefällen auch Verträge mit einem Vertretenen zustande kommen können, ohne daß das Vertretungsverhältnis durch den Vertreter offengelegt wurde). Zu diesem Komplex s. m. w. N. Thiele, MK § 164 Rdn. 42 ff., insbes. 47, PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 c, d bb. 165 Auf die geringe strafrechtliche Bedeutung der Bargeschäfte des täglichen Lebens im Rahmen von § 267 StGB weist auch Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 144 hin. Allerdings erwähnt sie diesen Aspekt nur im Rahmen der Behandlung des Zeichnens mit fremdem Namen, also beim Gebrauchen des Namens eines Vertretenen durch den Vertreter (dazu s. u. 3. Abschn. I C). 166 Siehe dazu o. 1. Abschn. III D. 167 BGHSt 33, 159, 160. 168 Siehe Wesseis, BT 1 § 18 III 1 a. Noch ohne Erwähnung dieser Fallkonstellation die ältere Auflage: WesseIs, BT 1 9. Aufl. § 18 III 1 a. 168. Siehe Lackner, 16. Aufl. § 267 Anm. 3 a; noch ohne Erwähnung dieser Fallkonstellation Lackner, 15. Aufl. § 267 Anm. 3 a; mittlerweile der Kritik Puppes (Jura 1986, 22, 26) und Kienapfels (NStZ 1987, 27) zustimmend: Lackner, § 267 Anm. 3 a. 168b JK § 267/9; ders., JuS 1987, 761, 768. 169 Oben unter 3. Abschn. I B 3 a wurde bereits kritisiert, daß hier verschiedene Fallgruppen vermengt werden: unter dem Begriff "Namenstäuschung" erörtert der BGH auch Fälle, in denen im Grunde genommen gar keine Fehlvorstellung über den Namen einer Person erregt wird. Dazu gehört einmal die Verwendung eines Falschnamens, der hinreichendes Identifikationsmerkmal geworden ist (s. 3. Abschn. I B 2) sowie die hier diskutierte Fallkonstellation. Wenn die Namensangabe für die Beteiligten ohne jede Bedeutung ist, und sie kein Interesse am Gebrauch des richtigen Namens haben, so machen sie sich keine Gedanken über den Namen eines anderen; die Verwendung eines

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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" ... wenn die Wahrheit der Namensangabe für die jeweilige Beweissituation unter Berücksichtigung des Verwendungszwecks der Urkunde ohne jede Bedeutung ist und die Beteiligten kein Interesse daran haben, ob sich der Aussteller der Urkunde seines richtigen Namens bedient. "170 Dabei beruft sich der BGH auf die Ausführungen von Seier l7l , der an der entsprechenden FundsteIle aber keine eigene Meinung zu diesem Problem äußert 172 , sondern nur die Rechtsprechung des RG zur sogenannten Namenstäuschung referiert l73 . Seier faßt dabei zusammen, daß das RG jeweils geprüft habe, " ... ob trotz Handeins unter anderem Namen bei den Beteiligten kein Irrtum über die Persönlichkeit des Ausstellers entstehen könne, ob also auch der falsche Name, dessen sich der Aussteller bediene, seine Identität als Urheber der Urkunde hinreichend festzulegen geeignet sei. Ausschlaggebend hierfür seien die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die rein tatsächlichen oder rechtlichen Beziehungen, die zwischen dem Unterzeichnenden und dem Beweisdestinatär bestünden. ( ... ). In diesem Zusammenhang komme es vor allem auf den bestimmungsgemäßen Verwendungszweck der Urkunde, ihre Beweisrichtung und auf den Kreis der Beteiligten an. Sei die Wahrheit der Namensangabe für die Beweissituation ohne jede Bedeutung und hätten die am Beweisvorgang Interessierten gar kein Interesse daran, ob der Unterzeichnende im Rechtsverkehr mit ihnen sich seines richtigen Namens bediene, fehle es an der Identitätstäuschung. "174 Auch wenn dies nicht ganz deutlich wird, stützt Seier den letzten Satz des eben angeführten Zitats offenbar auf die Entscheidung des RG vom 4. 5. 1914 175 , wo der Fall zu behandeln war, daß eine Frau, um den Nachforschungen ihres Ehemannes zu entgehen, sich für gewisse Zeit einen Falschnamen zugelegt hatte. Unter diesem Namen hatte sie einen Arbeitsvertrag abgeschlossen sowie ein Darlehen ihres Arbeitgebers erhalten. Das RG verwies zur weiteren Aufklärung der angeklagten Tat (Urkundenfälschung durch Unterzeichnung des Darlehensgesuches mit falschem Namen) an die Tatsacheninstanz zurück unter Hinweis darauf, daß es in Einzelfällen denkbar sei, Falschnamens führt in diesen Fällen also auch nicht unbedingt zu einer konkreten Fehlvorstellung über einen Namen. Es ist somit ungenau, auch diese Fallkonstellation mit zur "Namenstäuschung" zu zählen. 170 BGHSt 33, 159, 160. 171 Seier, JA 1979, 133, 136 ff. 172 Siehe auch die Kritik an der Berufung auf Seier durch den BGH: Puppe, Jura 1986,22,26. 173 Die Ungenauigkeit dieser Zusammenfassung wurde bereits oben 3. Abschn. FN 111 dahingehend kritisiert, als daß Seier, JA 1979, 133, 137 zu Unrecht behauptet, das RG habe bei den Fällen der Namenstäuschung den Täterwillen immer erst beim Merkmal "zur Täuschung im Rechtsverkehr" berücksichtigt. 174 Seier, JA 1979, 133, 137. 175 RGSt 48, 238.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

" ... daß trotz des Gebrauchs eines Namens, der dem Aussteller nach bürgerlichem Recht nicht zukommt, doch über dessen Person innerhalb des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Urkunde kein Zweifel entsteht, namentlich nicht der falsche Anschein erweckt wird, als habe in Wahrheit eine solche Person, der im Gegensatz zum Aussteller nach bürgerlichem Recht der zur Unterschrift verwendete Name zukommt, diese unterzeichnet. Es mag dahinstehen, ob das nicht regelmäßig dann zutrifft, wenn der Aussteller einer Urkunde trotz der Unterzeichnung mit einem ihm nicht zukommenden Namen doch ·als solcher für die allein Beteiligten nach seiner Persönlichkeit hinreichend dadurch gekennzeichnet ist, daß er unter dem gleichen Namen in seinem Rechtsverhältnis, bei dem es im übrigen auf die Wahrheit der .Namensführung nicht ankam, aufgetreten ist und daß die Urkunde gleichfalls nur im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses Bedeutung hat, wie es hier von dem Darlehensgesuch wohl auch von der Strafkammer angenommen ist, da dieses ersichtlich im engsten Zusammenhang mit dem Dienstvertrag stand. "176 Die Aneinanderreihung dieser Zitate zeigt deutlich, daß eine eigenständige Fallkonstellation "Keine Identitätstäuschung bei fehlendem Namensinteresse" bis zur Entscheidung des BGH vom 21. 3. 85 177 gar nicht erörtert wurde. Das Reichsgericht hat sich in dieser Hinsicht überhaupt nicht festgelegt ("es mag dahinstehen"), es wird noch nicht einmal deutlich, worauf sich (in dem konkreten Fall) das "im übrigen" fehlende Namensinteresse beziehen soll 178. Jedenfalls wird in der Darstellung von Seier 179 das fehlende Namensinteresse bereits zu einer Voraussetzung erhoben, bei deren Vorliegen in den Fällen der Namenstäuschung eine Identitätstäuschung zu verneinen sei. Aus dieser Ergänzung bei Seier 180 macht nun der BGH181 eine eigene Fallvariante l82 , ohne daß dies für die konkrete Entscheidung von Bedeutung gewesen wäre 183 . Diese insgesamt fragwürdige Herleitung der These, daß bei fehlendem Namensinteresse der Beteiligten ein Falschnamensgebrauch keine Identitätstäuschung bewirke, zeigt zusätzlich zu den oben angeführten Argumenten, daß auch hier keine Ausnahme von dem Grundsatz gemacht werden kann, wonach das Verwenden eines nicht zustehenden Namens zur Herstellung einer unechten Urkunde führt. RGSt 48, 238, 241. BGHSt 33, 159. 178 Ob auf das fehlende Namensinteresse innerhalb des Dienstverhältnisses oder auf den ebenfalls erörterten, aber im Ergebnis abgelehnten Betrug durch die Namenstäuschung beim Darlehensgesuch (s. RGSt 48,238,239). 179 JA 1979, 133, 137. 180 JA 1979, 133, 137. 181 BGHSt 33, 159, 160. 182 Siehe die entsprechende Kritik auch bei Paeffgen, JR 1986, 114, FN 2. 183 Zur weiteren Kritik an der Entscheidung BGHSt 33,159 s. u. 3. Abschn. I C 5 b. 176

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I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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5. Rein objektiver, strenger Echtheitsbegriff bei der Verwendung eines falschen, nicht zustehenden Namens Damit kann gesagt werden, daß der Grundsatz "Verwendung eines nicht zustehenden Namens führt zur Herstellung einer unechten Urkunde"184 zunächst nur zwei Ausnahmen 185 zuläßt. In den Fällen, in denen aus einem Schriftstück für einen objektiven Beobachter l86 , der unter Umständen mit den besonderen Gepflogenheiten der beteiligten Rechtskreise vertraut ist 187, erkennbar wird, daß es sich bei der Ausstellerangabe nur um einen anonymen Hinweis handelt, der nicht auf eine bestimmte Person hindeutet (Historischer oder literarischer Name l88 ; Kritzel, der nicht den Anschein einer Namensunterschrift erweckt I89 ), mangelt es bereits an der Erkennbarkeit eines Ausstellers; entsprechende Schriftstücke sind nur anonyme Erklärungen, aber keine Urkunden l9o . Lediglich in den Fällen, in denen ein nicht zustehender Name zu einem Identitätsmerkmal für eine Person geworden ist, wenn auch nur für bestimmte Kreise von Personen l91 , führt eine Ausstellerangabe mit diesem Namen nicht zur Unechtheit einer Urkunde. Hier deutet der falsche Name auf die ihn kennzeichnende Person hin, der Anscheinsaussteller der Urkunde ist auch zugleich deren Urheber, der am Erklärungsinhalt festgehalten werden kann l92 . Ansonsten führt jede Verwendung eines nicht zustehenden Namens bei der Herstellung eines urkundlichen Schriftstückes zu einer Diskrepanz zwischen dem objektiv aus der Urkunde zu entnehmenden Anscheinsaussteller und dem Urheber der Erklärung, womit die Unechtheit einer solchen Urkunde feststeht. Dies gilt sowohl für die Fälle der unleserlichen Unterschrift 193 als auch für die Verwendung von Allerweltsnamen l94 . Auf den jeweiligen Willen des Urkundenfälschers, anonym zu bleiben l94a , nur über seinen Namen, nicht aber über seine Identität zu täuschen l95 , sowie auf das unter Umständen fehlende Namensinteresse der Beteiligten 196 kann im Rahmen der EchtheitsprüSiehe o. 3. Abschn. I A. Auf die wichtigste erörterte Ausnahme, das Zeichnen mit fremdem Namen, wird unter 3. Abschn. I C eingegangen werden. 186 Zur Notwendigkeit eines objektiven Beobachterstandpunktes s. 0.3. Abschn. I B 1 a, 3 b. 187 Vgl. 3. Abschn. I B 2. 188 Siehe 3. Abschn. I B 1 b bb. 189 Siehe 3. Abschn. I B 1 b aa. 190 Siehe 3. Abschn. I B 1. 191 Siehe 3. Abschn. I B 2. 192 Siehe 3. Abschn. I B 2. 193 Siehe 3. Abschn. I B 1 b aa. 194 Siehe 3. Abschn. I B 1 b ce. 194. Siehe 3. Abschn. I B 1 a. 195 Siehe 3. Abschn. I B 3 b. 184 185

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

fung bei § 267 StGB nicht abgestellt werden 197 . Vielmehr ist lediglich aus der Sicht eines objektiven Beobachters festzustellen, ob ein urkundliches Schriftstück eine Fehlvorstellung über den Aussteller der Erklärung erweckt.

c. Der Hauptfall der Geistigkeitstheorie: Das Zeichnen mit fremdem Namen

Nachdem bereits zweifach im Rahmen dieser Arbeit die Fallgruppe des Zeichnens mit fremdem Namen kurz umrissen worden ist 198 , sollen nun die mit diesen Fällen verbundenen Fragen ausführlich erörtert werden. Dabei wird insbeondere auf den Zivilrechtsbezug für die Bewertung der Echtheit von Urkunden beim Zeichnen mit fremdem Namen einzugehen sein. Ferner müssen aber auch die Voraussetzungen behandelt werden, die in Rechtsprechung und Literatur 198a üblicherweise an das Vorliegen dieser weiteren und wichtigsten Ausnahme von dem Grundsatz gestellt werden, wonach die Verwendung eines nicht zustehenden Namens zu einer unechten Urkunde führt 198b . Vorweg ist aber zusätzlich zu der bereits vorgenommenen Beschreibung der dem Zeichnen mit fremdem Namen zugerechneten Fälle (Zeichnen mit dem Namen des Vertretenen durch den Vertreter)199 eine weitere Präzisierung sowie die Überprüfung einer im Schrifttum behandelten differenzierten Betrachtungsweise nach verschiedenen Urkundsformen vorzunehmen. 196 Siehe 3. Abschn. I B 4. 197 Siehe die Feststellung bei Kienapfel, JR 1980, 123; ders., NStZ 1987, 28 f., § 267

StGB beinhalte ein "strenges Echtheitsprinzip". Siehe auch Widmann, Unechte Urkunde, S. 11,23,26 ff., der für die Bestimmung des Anscheinsausstellers (und damit für den Echtheitsbegriff) nur objektive Kriterien zugrundelegt, die unabhängig vom Willen des Urkundenherstellers sind. Ebenso Timcke, Identitätstäuschung, S. 26, 28 ff., 40 ff. allerdings mit der methodisch zweifelhaften Vorgehensweise, erst das Ergebnis der Untersuchungen zu postulieren und es anschließend anhand von Beispielen zu begründen. 198 Siehe o. 1. Abschn. II A 2 sowie 1. Abschn. II C 4. 198. Siehe zunächst nur RGSt 75, 46; dem folgend TrändIe, LK § 267 Rdn. 19. 198b Zu dem Grundsatz s. o. 3. Abschn. I A. Leider wird dieses Regel-AusnahmeVerhältnis (Zeichnen mit nicht zustehendem Namen führt zur Unechtheit, Zeichnen mit dem Namen des Vertretenen ausnahmsweise nicht) in vielen Darstellungen zu § 267 StGB nicht deutlich, da ohne Erwähnung des Normalfalles sofort auf die problematischen Ausnahmefälle eingegangen wird (s. die entsprechende Kritik bezüglich der Behandlung der offenen Stellvertretung oben 2. Abschn. II A). Nur von Seier, JA 1979, 133, 134, 138 wird auf die grundsätzliche Unechtheit einer Urkunde bei Verwendung eines nicht zustehenden Namens und die Durchbrechung dieses Grundsatzes durch das zulässige Zeichnen mit fremdem Namen ausdrücklich hingewiesen. Andeutungen bezüglich dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses ergeben sich auch aus den Darstellungen von Eser, IV Nr. 19 A 41; Lackner, § 267 Anm. 3 a; Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 IV 1 c; Ouo, BT § 70 I 4 a aa; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 144 a. E., 148 a. E.; Schmidhäuser, BT 14/13; Wessels, BT 1 § 18 III 1 a, b. 199 Siehe o. 1. Abschn. II C 4 a, wobei dort die Fälle der Schreibhilfe, der mechanischen Vervielfältigung etc. ausgeklammert wurden.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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1. Weitere Konkretisierung der vom Zeichnen mit fremdem Namen umfaßten Fälle a) "Zeichnen" nicht nur im Sinne von "Unterzeichnen"

Ebenso wie bei den übrigen Fällen der Verwendung eines nicht zustehenden Namens200 muß das "Zeichnen" des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen nicht unbedingt in der Form des "Unterzeichnens" geschehen. Weder für die Ausstellerangabe in einem urkundlichen Schriftstück201 , noch für die Wirksamkeit einer verdeckten (oder auch offenen) Stellvertretung202 ist es (abgesehen von Fällen der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform) vorausgesetzt, daß ein mit einer Unterschrift versehenes Schriftstück vorliegt203 • Auch wenn die im strafrechtlichen (und auch im zivilrechtlichen) Schrifttum erörterten Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen zumeist solche sind, in denen der Vertreter mit dem Namen des Vertretenen unterzeichnet204 , so ist diese Beschränkung nicht zwingend notwendig. Zum "Zeichnen mit fremdem Namen" müssen vielmehr auch die Fälle gerechnet werden, in denen der Vertreter den Namen des Vertretenen in sonstiger Weise für die Ausstellerangabe in einer Urkunde verwendet, ohne dabei einen Hinweis auf seine eigene Person zu geben 205 • Dies kann zum Beispiel durch die Benutzung von Briefköpfen des Vertretenen 205a , durch den Aufdruck eines Namensstempels, durch eine maschinengeschriebene Ausstellerangabe oder in ähnlicher Weise geschehen. 3. Abschn. I A, B. Siehe nur Tröndle, LK § 267 Rdn. 31 ff.; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 17. 202 Dies folgt schon aus der Möglichkeit der Stellvertretung im gesamten rechtsgeschäftlichen Verkehr (s. nur PalandtlHeinrichs, Einf. vor § 164 Anm. 1 c), also sowohl bei schriftlichen als auch bei mündlichen Erklärungen. 203 Auf mögliche Einschränkungen für Rechtshandlungen, die eine eigenhändige Unterschrift erfordern, soll unter 3. Abschn. I C 4 b cc eingegangen werden. 204 Siehe im Strafrecht nur: RGSt 75, 46; Tröndle, LK § 267 Rdn. 19 f.; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 55; im Zivilrecht: RGZ 74, 69; Thiele, MK § 164 Rdn. 34; Palandtl Heinrichs, § 164 Anm. 1 d aa. Ausdrücklich nur auf handschriftlich unterzeichnete Urkunden beschränkt: Ranft, Echtheit, S. 90 ff. 205 Insofern ist die Bezeichnung der Fallgruppe als "Zeichnen mit fremdem Namen" in zweierlei Hinsicht ungenau (s. bereits oben 1. Abschn. 11 C 4 a), einmal weil mit dem "fremden Namen" nicht jedweder Name einer anderen existierenden Person, sondern nur der Name eines Vertretenen gemeint ist; außerdem bedeutet "Zeichnen" nicht nur das Unterzeichnen mittels eines handgeschriebenen Namenszuges, sondern jedweden schriftlichen Namensgebrauch. Besser wäre daher eine Benennung der Fallgruppe als "Verwendung des Namens des Vertretenen durch den Vertreter ohne Kenntlichmachung der Vertretung". Dennoch wird in dieser Arbeit an der herkömmlichen Bezeichnung als "Zeichnen mit fremdem Namen" festgehalten, da dies ein mehr oder weniger feststehender Begriff für diese Fallgruppe ist. 205. Oben 3. Abschn. IA FN 6 wurde bereits darauf hingewiesen, daß ein Briefkopf z. B. bei Rechnungen oder maschinellen Bescheiden als Ausstellerangabe ausreicht; nicht dagegen bei Schreiben, die üblicherweise durch eine Unterschrift abgeschlossen werden und erst dadurch vom bloßen Entwurf einer Urkunde abzugrenzen sind. 200

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

Unter "Zeichnen mit fremdem Namen" wird also im Rahmen der Erörterungen zu dieser Fallgruppe jegliche Verwendung des Namens eines Vertretenen durch einen Vertreter bei der Ausstellerangabe in einem urkundlichen Schriftstück verstanden. b) Differenzierung zwischen Dispositiv- und Zeugnisurkunden?

Die eben nochmals präzisierte, dieser Arbeit zugrundeliegende Begriffsbestimmung des "Zeichnens mit fremdem Namen" als Verwendung des Namens des Vertretenen durch den Vertreter könnte nun ihrerseits wieder insoweit ungenau sein, als damit nur die Fälle erfaßt werden, bei denen eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung von einem Vertreter (unter schriftlicher Verwendung des Namens des Vollmachtgebers) für den Vertretenen abgegeben wird. Darüber hinaus ist ein "Zeichnen mit fremdem Namen" aber auch durchaus denkbar bei Äußerungen, die keine Willenserklärungen darstellen, also solchen Erklärungen, die nicht auf den Eintritt von Rechtsfolgen gerichtet 206 sind. Es handelt sich dabei um sogenannte "Wissenserklärungen", bei denen der Erklärende Beobachtungen, Meinungen, Vorstellungen oder sonstige Informationen (auch sogenannte "Willensmitteilungen") kundtut 207 . Ein Zeichnen mit fremdem Namen bei diesen Wissenserklärungen sieht entsprechend dem Zeichnen mit fremdem Namen bei Willenserklärungen folgendermaßen aus: Der "Wissende" fertigt die Wissenserklärung nicht selbst, sondern dies geschieht durch eine weitere Person, die die Befugnis erhalten hat, diese Erklärung abzugeben, was aber unter Verwendung des Namens des "Wissenden" geschieht. Allerdings muß dieser, den Namen des "Wissenden" verwendenden Person eine gewisse rechtliche Eigenverantwortlichkeit hinsichtlich der Ausfertigung der Wissenserklärung zukommen, sonst wäre sie bloß eine Schreibhilfe, die als Werkzeug beziehungsweise verlängerter Arm des "Wissenden" tätig wird 208 . Nun werden aber die zivil rechtlichen Regeln der Stellvertretung, auf denen die Echtheitsbestimmung in Fällen des Zeichnens mit fremem Namen nach der Geistigkeitstheorie beruht, zumindest von ihrem Wortlaut her nur auf Willenserklärungen angewandt209 • Es erscheint daher in der Tat angebracht, das zur strafrechtlichen Urkundenechtheit führende Zeichnen mit fremdem 206 Zur Notwendigkeit, daß eine Willenserklärung auf eine Rechtsfolge gerichtet sein muß (sog. Geschäftswille) s. nur Kramer, MK Vor § 116 Rdn. 13,17 ff.; PalandtlHeinrichs, Vor § 116 Anm. 1 a. 207 Zur Abgrenzung der "Wissens"- von den Willenserklärungen s. nur Kramer, MK Vor § 116 Rdn. 34. 208 Zur Abgrenzung von Schreibhilfe und Vertreter bei der Willenserklärung s. bereits oben 1. Abschn. II A 2, 1. Die Abgrenzung ist bei Wissenserklärungen entsprechend vorzunehmen. 209 Siehe die Formulierungen in §§ 164 ff. BGB.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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Namen auf die Fälle zu beschränken, in denen bei Verwendung des Namens des Vertretenen Willenserklärungen des Vertreters nach §§ 164 ff. BGB ersterem zugerechnet werden. Das Zeichnen mit fremdem Namen bei Wissenserklärungen bliebe dann völlig unberücksichtigt. Eine differenzierte Behandlung der Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen bei Willenserklärungen einerseits und Wissenserklärungen andererseits wird - soweit ersichtlich - bislang nur von Rheineck 210 vorgenommen. Die unterschiedliche Behandlung von Dispositiv- und Zeugnisurkunden 2l1 ist bei Rheineck darauf zurückzuführen, daß sie bei Willenserklärungen enthaltenden Dispositivurkunden davon ausgeht, der Empfänger einer solchen Urkunde sei vor allem an dem Nachweis der Existenz dieser Erklärung (ihrem Herrühren von dem Urkundenaussteller) interessiert 212 . Bei Wissenserklärungen liege das Interesse des Empfängers einer solchen Zeugnisurkunde eher darin, eine wahre, inhaltlich richtige Erklärung in den Händen zu halten 213 • Hieraus leitet Rheineck unter Anwendung des von ihr entwickelten "Fälschungsbegriffes"214 ab, daß ein Zeichnen mit fremdem Namen in diesen beiden Fällen dann zur Echtheit der Urkunde führen könne, wenn die Erwartungen des jeweiligen Urkundenempfängers hinsichtlich der Tauglichkeit seines urkundlichen Beweismittels nicht enttäuscht, also durch die Verwendung des nicht zustehenden Namens seitens des Urkundenherstellers nicht die Funktion der Urkunde beeinträchtigt werde. Dies sei bei Dispositivurkunden dann der Fall, wenn der Unterzeichnende eine Vollmacht des Namensträgers habe und der Urkundenempfänger bestimmte Vorstellungen an den genannten Namen knüpfe, womit die Erklärung für den Namensträger wirke 215 . Bei Zeugnisurkunden sei dies dann gegeben, wenn der Namensträger aus der mit seinem Namen gezeichneten Wissenserklärung hafte, was zur Voraussetzung habe, daß durch Tun oder Unterlassen die Fremdzeichnung durch den Namensträger veranlaßt beziehungsweise pflichtwidrig geduldet werde und der Unterzeichner sich im Rahmen der Anregung beziehungsweise der Duldung halte 216 .

Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 138 ff. Zur allgemeinen Unterscheidung zwischen Dispositiv- und Zeugnisurkunden (ohne Bezug zum Zeichnen mit fremdem Namen) s.: Trändie, LK § 267 Rdn. 51; Puppe, Jura 1979, 630, 632 f.; Schilling, Reform, S. 70; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 15; s. auch Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 131 ff. 212 Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 131. 213 Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 131, 133. 214 Siehe dazu Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 126 ff. 215 Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 139, 144 f.; soweit Rheineck hier auch die Fälle der offenen Stellvertretung bzw. der Botenschaft abhandelt, sei auf die Eingrenzung der Fallgruppe "Zeichnen mit fremdem Namen" oben unter 1. Abschn. 11 C 4 a verwiesen. 216 Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 147, 151. 210

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

An dieser Differenzierung der Behandlung von Dispositiv- und Zeugnisurkunden beim Zeichnen mit fremdem Namen sind mehrere Punkte zu kritisieren: Zunächst einmal lassen sich Wissens- und Willenserklärungen häufig nicht klar voneinander unterscheiden, vielmehr gibt es Übergangsformen, die sowohl eine Dispositiv- als auch eine Zeugniserklärung beinhalten217 . Zudem unterstellt Rheineck den Empfängern von Dispositiv- beziehungsweise Zeugnisurkunden bestimmte Interessen (überwiegendes Interesse an Echtheit beziehungsweise Wahrheit)218, die sie zur Grundlage der Überlegungen macht, ob ein Zeichnen mit fremdem Namen die Urkundsfunktion beeinträchtigt oder nicht. Diese Interessen mögen zwar generell bestehen, doch ist fraglich, ob sie sich so verallgemeinern lassen, daß im Einzelfall davon abweichende Interessen unberücksichtigt bleiben können. Rheineck selbst erwähnt diese Problematik und führt als Beispiel Wissenserklärungen an, deren Empfänger gerade kein Interesse an der Wahrheit des Erklärten habe 219 . Dennoch ist sie der Ansicht, daß dies die generalisierende Betrachtung, der Empfänger von Wissenserklärungen habe eher ein Interesse an der Wahrheit des Erklärten, nicht erschüttern könne 22o . Ähnlich ist die Unterstellung der Interessenlage beim Empfänger einer Dispositiverklärung zu bewerten221 . Auch hier sind Interessen möglich, bei denen es dem Empfänger mehr auf die Wahrheit des Erklärten ankommt als auf die Möglichkeit, ein potentielles Beweismittel für die Erklärung in den Händen zu halten. Unter 1. Abschn. III D wurde bereits dargelegt, daß mit der Echtheitserwartung auch immer eine hohe Wahrheitsvermutung einhergeht; eine eindeutige Trennlinie läßt sich in diesem Bereich nicht ziehen. Hinzu kommt, daß, wie bereits mehrfach 222 im Rahmen dieser Arbeit dargelegt, das Abstellen auf den Empfängerhorizont ein vollkommen ungeeigneter 217 Siehe dazu Puppe, Jura 1979, 630, 633, die als Beispiele Dienstzeugnisse, Beurteilungen von Prüfungsleistungen oder kaufvertragliche Zusicherungen über Sacheigenschaften durch den Verkäufer anführt. Weiterhin ist an Erklärungen zu denken, mit denen einem Vertragspartner ein nicht in seiner Sphäre liegendes Ereignis mitgeteilt wird und zugleich eine rechtsgestaltende Erklärung abgegeben wird. Beispiele hierzu wären: Mitteilung des Eintritts einer aufschiebenden Bedingung nach § 158 I BGB und Geltendmachung von Ansprüchen aus dem nunmehr wirksamen Vertragsverhältnis; Mitteilung eines schädigenden Ereignisses (z. B. gegenüber einer Versicherung) und Forderung von Schadensersatz; Mitteilung eines Ereignisses, das die Umgestaltung eines Rechtsverhältnisses gestattet und Abgabe der entsprechenden rechtsgestaltenden Erklärung (z. B. Eigenbedarfskündigung bei Wohnraum nach § 564 b I, 11 Zf. 2 BGB, wobei § 564 b 111 BGB sogar vorsieht, daß Wissens- und Willenserklärung in einem Schriftstück enthalten sind.). 218 Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 131,133. 219 Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 133. 220 Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 133 f. 221 Rheineck, Fälschungsbegriff, S. BI. 222 Siehe o. 2. Abschn. 11 D 2 c zur offenen Vertretung von Firmen und Behörden, 3. Abschn. I B 1 b bb zur Anonymität bei Verwendung historischer oder literarischer Namen, 3. Abschn. I B 4 zum fehlenden Namensinteresse.

1. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

133

Ausgangspunkt für die Bestimmung der Echtheit oder Unechtheit von Urkunden ist. Soweit Rheineck dabei die Vorstellungen des Urkundenempfängers über den Aussteller berücksichtigen will222a , können hier wiederum die Bedenken angeführt werden, die schon oben festgehalten wurden. So droht bei allen Urkunden mit mehreren Adressaten eine Relativierung des Echtheitsbegriffes 222b , wenn die Sicht des Empfängers mit über die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde entscheidet. Die auf die Verschiedenheit der Empfängerinteressen abstellende Differenzierung von Rheineck für das Zeichnen mit fremdem Namen bei Dispositivurkunden einerseits und Zeugnisurkunden andererseits ist daher zu verwerfen. Damit allein ist allerdings der oben angeführte Einwand, der Wortlaut von

§§ 164 ff. BGB betreffe nur die Zurechnung von Willenserklärungen, nicht

aber eine entsprechende Behandlung von Wissenserklärungen, noch nicht ausgeräumt. Es ist aber zu berücksichtigen, daß im Zivilrecht die Regeln der §§ 164 ff. BGB auch auf Wissenserklärungen entsprechende Anwendung finden 223 • In diesem Zusammenhang wird zumeist von Erklärungen gesprochen, die zwar keine Willensäußerung zur Herbeiführung einer Rechtsfolge enthalten, die aber doch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen darstellen224 . Dies wird auch von Rheineck gesehen 225 , die gerade auch diese Wissenserklärungen aufgrund der analogen Anwendung der §§ 164 ff. BGB zu den Willenserklärungen (!) rechnen will. Es bleibt dann aber die Frage offen, auf welche Fälle die gesonderte Behandlung des Zeichnens mit fremdem Namen bei Wissens erklärungen überhaupt noch Anwendung finden soll. Die Ausführungen von Rheineck geben dies nicht zu erkennen 226 • Vielmehr lassen sich die von ihr angeführten Beispiele (Der Namensträger regt die Fremdunterzeichnung einer Zeugniserklärung durch Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen an 227 ) hinsichtlich der zivilrechtlichen Erklärungszurechnung gegenüber dem Namensträger sämtlich durch die analoge Anwendung der §§ 164 ff. BGB lösen. Aus den angeführten Gründen werden im Rahmen dieser Arbeit die Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen bei Dispositivurkunden einerseits und bei Zeugnisurkunden andererseits nicht getrennt behandelt. Unter Zeichnen mit fremdem Namen wird somit der schriftliche Gebrauch des Namens des VertreRheineck, Fälschungsbegriff, S. 144 f. Siehe o. 2. Abschn. II D 2 c, 3. Abschn. I B 1 b bb, 3. Abschn. I B 4. 223 Siehe nur Thiele, MK § 164 Rdn. 5 sowie den entsprechenden Hinweis bei Paeffgen, JR 1986, 114, 116. 224 Siehe ErmanlBrox, § 164 Rdn. 1; Thiele, MK § 164 Rdn. 5; PalandtlHeinrichs, Einf. vor § 164 Anm. 1 c; SoergellLeptien, § 164 Rdn. 3 f., 11; StaudingerlDilcher, Vor § 164 Rdn. 86; Beispiele hierfür sind Mahnungen, Quittungen, Rügen etc. 225 Siehe Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 133 f. 226 Siehe die Behandlung des Zeichnens mit fremdem Namen für Zeugnisurkunden bei Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 147 ff. 227 Siehe Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 151. 222.

222b

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte AnwendungsfaUe

tenen durch den Vertreter verstanden, gleichgültig ob der Vertreter eine Willens-oder eine Wissenserklärung abgibt, ob also die zivilrechtlichen Zurechnungsregeln der §§ 164 ff. BGB direkt oder nur analog anzuwenden sind. 2. Die Behandlung des Zeichnens mit fremdem Namen im Zivilrecht Bei der eingehenden Behandlung der Fragen des Zeichnens mit fremdem Namen ist nun aufgrund der bereits mehrfach erwähnten Beziehung zum Zivilrecht228 zunächst genauer zu betrachten, wie der Gebrauch des Namens eines Vertretenen durch den Vertreter ohne Offenlegung der VertretersteIlung nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften zu behandeln ist und welche Auswirkungen die zivilrechtliche Möglichkeit der verdeckten Stellvertretung auf die Bewertung der Echtheit von urkundlichen Schriftstücken haben muß. a) Das "Handeln unter fremdem Namen"

Die Fälle, in denen ein Vertreter bei der Herstellung einer urkundlichen Erklärung den Namen des Vertretenen verwendet, werden im zivilrechtlichen Schrifttum unter der Bezeichnung "Handeln unter fremdem Namen" erörtert229 • Hierbei handelt es sich aber um eine Bezeichnung verschiedenster Fallgruppen 230 , die zum Teil mit den hier behandelten Problemen der Echtheit und Unechtheit von Urkunden gar keine Berührungspunkte mehr haben (zum Beispiel Fragen des Handeins unter fremdem Namen im mündlichen Rechtsverkehr231 ). Die Formulierung "Handeln unter fremdem Namen" wird dabei als Gegensatz zum Ausdruck vom "Handeln im fremden Namen" verwendet 232 , wobei mit letzterer Bezeichnung die Fälle der offenen Stellvertretung beschrieben werden, bei denen ein Vertreter im Namen eines Vertretenen unter Offenlegung seiner Vertreterrolle handelt, und die Rechtswirkungen seiner Rechtshandlungen den Vertretenen treffen 233 • Beim "Handeln unter fremdem 228 Siehe insbesondere oben 1. Abschn. II C 4 b zur Konformität zwischen Straf- und Zivilrecht bei zulässigem Zeichnen mit fremdem Namen. 229 Siehe zum "Handeln unter fremdem Namen" nur m. w. N. Larenz, AT § 30 II b; Ohr, AcP 152, 216; PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d. 230 Vgl. Mittenzwei, NJW 1986, 2472, 2473; Thiele, MK § 164 Rdn. 32. 231 Hinweise auf das Handeln unter fremdem Namen im mündlichen Rechtsverkehr ergeben sich unter anderem aus den Darstellungen bei Thiele, MK § 164 Rdn. 39; PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d aa. 232 Siehe nur Thiele, MK § 164 Rdn. 14,32; PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 a und 1 d. 233 Siehe nur Thiele, MK § 164 Rdn. 16; PalandtlHeinrichs, Einf. vor § 164 Anm. 1 a, b.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

135

Namen" im zivil rechtlichen Sinne verwendet der Handelnde dagegen, sei es im mündlichen oder schriftlichen Rechtsverkehr, irgendeinen ihm nicht zustehenden Namen 234 . Das dabei im Zivilrecht erörterte Hauptproblern ist, ob in dem Fall, in dem jemand unter einem ihm nicht zustehenden Namen im Rechtsverkehr auftritt, eine wirksame Rechtshandlung des Namensbenutzers selbst vorliegt, oder ob seine Erklärungen über eine direkte oder analoge Anwendung der §§ 164 ff. BGB235 einer anderen Person (dem tatsächlichen Namensträger) zugerechnet werden können 236 . Letzteres ist natürlich nur dann möglich, wenn es sich bei dem Namen, unter dem der Handelnde auftritt, um den Namen einer existierenden Person handelt 237 . Ist der gebrauchte Name nur ein frei erfundener, eine Benennung zur Anonymitätswahrung oder auch ein kaum zuzuordnender "Allerweltsname", so wird im zivilrechtlichen Schrifttum einhellig die Auffassung vertreten, daß in diesen Fällen die Rechtswirkungen einer Erklärung unter einem solchen, keiner anderen Person zuzuordnenden Namen immer den Handelnden treffen würden; bei Vorliegen der (jeweils im Einzelfall erforderlichen) übrigen Voraussetzungen eines Rechtsgeschäfts also ein wirksames Eigengeschäft des Handelnden vorliege 238 . Zur besseren Unterscheidung dieser Fälle, in denen es aus zivil rechtlicher Sicht praktisch gleichgültig ist, ob der Handelnde unter dem fremden oder unter Nennung seines eigenen Namens auftritt (da in beiden Fällen ein wirksames Eigengeschäft vorliegt239 ), werden diese Fälle auch als die des "Handeins unter falscher Namensangabe"24o 234 Vgl. Ohr, AcP 152, 216. Gerade in Anbetracht der vielen denkbaren Fallkonstellationen beim Gebrauch eines nicht zustehenden Namens (s. die bisherigen Ausführungen dieses 3. Abschnittes) erscheint die Benennung der speziellen Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen als Fälle des "Handelns unter fremdem Namen" durch Puppe, Jura 1979,630,638; dies., JR 1981, 441 ff.; dies., Jura 1986,22 ff.; dies., JZ 1986, 938; dies., JuS 1989, 361 sowie Widmann, Unechte Urkunde, S. 54 ff., 64 völlig unangebracht (s. bereits die Kritik oben 1. Abschn. FN 87). 235 Der zivilrechtliche Streit, ob bei Fremdwirkung des Handeins unter fremdem Namen die Stellvertretungsregeln entsprechend (s. nur m. w. N. PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d) oder direkt (s. Flume, AT Il § 44 IV) anzuwenden sind, kann aufgrund des sachlich gleichen Ergebnisses (Zurechnung der Erklärung als solche des Namensträgers) letztlich auf sich beruhen (vgl. Thiele, MK § 164 Rdn. 36, sowie Paeffgen, JR 1986, 114, 115). 236 Die Frage, ob beim Handeln unter fremdem Namen ein Eigengeschäft des Handelnden oder ein Fremdgeschäft des Namensträgers vorliegt, wird als Hauptproblern erörtert von: ErmanlBrox, § 164 Rdn. 8; Flume, AT Il § 44 IV; Larenz, AT § 3011 b; Thiele, MK § 164 Rdn. 32; PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d; StaudingerlDilcher, Vor § 164 Rdn. 90; s. auch die umfassende, rechtsvergleichende Darstellung von Karakatsanes, Unterzeichnung, S. 44 ff. 237 Siehe die KlarsteIlung bei Lieb, JuS 1967, 106, 108. 238 Siehe nur: Lieb, JuS 1967, 106, 108; PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d bb; StaudingerlDilcher, Vor § 164 Rdn. 88,92. 239 Auf den bei dieser Betrachtungsweise entstehenden Widerspruch zum sog. Konformitätsargument (1. Abschn. 11 C 4 b) wird noch unter 3. Abschn. I C 3 beinzugehen sein.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

bezeichnet. Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der Handelnde unter dem Namen einer anderen existierenden Person auftritt, bei denen also unter Umständen eine Zurechnung der Erklärungen gegenüber dem Namensträger in Betracht kommt. In den zuletzt bezeichneten Fällen (Handeln unter dem Namen einer anderen existierenden Person) wird im Zivilrecht, wie bereits angedeutet, nur über die Voraussetzungen diskutiert, nach denen entweder ein Eigengeschäft des Handelnden oder (bei Vertretungsmacht oder nachträglicher Genehmigung) ein Fremdgeschäft für den Namensträger vorliegt 241 • Für diese Abgrenzung wird zumeist nicht auf den Willen des Handelnden abgestellt, ein Eigen- oder ein Fremdgeschäft abzuschließen 242 , sondern auf die Sicht des jeweiligen Erklärungsempfängers 243 • Aufgrund dieses Empfängerhorizonts soll unter Berücksichtigung der jeweiligen Vertragsumstände (zum Beispiel Geschäft unter Anwesenden oder Abwesenden 244 ; Interesse am Namen des Geschäftspartners245 ; Wissen um Personenverschiedenheit zwischen Namensträger und 240 So ErmanlBrox, § 164 Rdn. 8; Medicus, AT Rdn. 907; StaudingerlDilcher, Vor § 164 Rdn. 92; s. auch Thiele, MK § 164 Rdn. 38: "Eigengeschäft unter falschem

Namen". Diese KlarsteIlung zeigt, daß die zivilrechtliche Terminologie hinsichtlich des Handelns unter fremdem Namen ähnlich unsicher ist, wie die Bezeichnung des "Zeichnens mit fremdem Namen" im Strafrecht. So soll im Zivilrecht der "fremde Name", unter dem gehandelt wird, eben nicht nur ein fremder, also der Name einer anderen Person sein. Vielmehr werden unter die Bezeichnung "Handeln unter fremdem Namen" auch Fälle gerechnet, in denen ein frei erfundener Name einer nicht existierenden Person verwendet wird (s. nur PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d bb; Soergel/Leptien, § 164 Rd. 22). Im Strafrecht dagegen ist der "fremde Name", der beim Zeichnen mit fremdem Namen gebraucht wird, nicht ein beliebiger Name einer anderen, fremden Person, sondern dies soll gerade der Name einer rechtsgeschäftlich vertretenen Person sein (zur Begriffsbestimmung des "Zeichnens mit fremdem Namen" s. o. 1. Abschn. 11 C 4 a). 241 Siehe die Nachweise 3. Abschn. FN 236; soweit ersichtlich, will in diesen Fällen nur Lieb, JuS 1967, 106, 113 immer ein Fremdgeschäft des Namensträgers annehmen. Er stützt dies auf das Argument, daß im redlichen Verkehr der Gebrauch eines fremden Namens stets den Sinn habe, den Anschein eines Geschäfts des Namensträgers zu erwecken. 242 Gegen die Berücksichtigung der Willensrichtung des Handelnden bei der Bestimmung von Fremd- oder Eigengeschäft sprechen sich aus: Lieb, JuS 1967, 106, 111, 113; Thiele, MK § 164 Rdn. 37 ff.; Ohr, AcP 152, 216, 223, 239 f. (mit einer Ausnahme für den Fall des fehlenden Namensinteresses beim Erklärungsempfänger); PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d; RGRKlSteffen, § 164 Rdn. 9. Anders noch RGZ 95, 188, 192; OLG Koblenz MDR 1958, 687, 688 (mit abI. Anm. Ohr, MDR 1959, 89). Zusammen mit anderen Kriterien findet die Willensrichtung des Handelnden Berücksichtigung bei: ErmanlBrox, § 164 Rdn. 8. 243 Vgl. Flume, AT 11 § 44 IV; Thiele, MK § 164 Rdn. 32,34; Ohr, AcP 152, 216, 223 ff., 239; PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d; Soergel/Leptien, § 164 Rdn. 23; OLG Düsseldorf NJW 1989, 906. 244 Vgl. Larenz, AT § 3011 b; Ohr, AcP 152, 216, 224, 226 ff.; s. auch OLG Düsseldorf NJW 1985, 2484 f. 245 Vgl. Flume, AT 11 § 44 IV; Thiele, MK § 164 Rdn. 39; OLG Düsseldorf NJW 1985, 2484 f. mit krit. Anm. Mittenzwei, NJW 1986, 2472, 2474; anders hier Ohr, AcP

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

137

Handelndem 246 ; Streben des Erklärungsempfängers nach Vertragsabschluß mit dem Namensträger beziehungsweise dem Handelnden247 ) bestimmt werden, ob eine rechtsgeschäftliehe Erklärung für den Handelnden oder für den Namensträger wirken soll. Führt nun diese Prüfung des Handeins unter fremdem Namen zur Annahme eines Geschäfts für den Namenstäger, so ist in (direkter oder analoger248 ) Anwendung der §§ 164 ff. BGB zu prüfen, ob der Handelnde mit Vertretungsmacht für den Namensträger tätig war oder nicht249 • War der Handelnde vom Namensträger bevollmächtigt, so wird letzterem die Erklärung seines Vertreters gemäß § 164 I BGB zugerechnet. Bestand keine Vertretungsmacht, so handelte der Namensverwender als Vertreter ohne Vertretungsmacht, dessen Erklärungen nach § 177 BGB zunächst nicht wirksam werden, die aber mittels nachträglicher Genehmigung durch den (ohne Vollmacht) Vertretenen (hier also durch den Namensträger) Wirksamkeit erlangen können25o • b) ZivilrechtIiche Wirkungen des Zeichnens mit dem Namen des Vertretenen

Wendet man nun die eben dargelegten zivilrechtlichen Überlegungen zum "Handeln unter fremdem Namen" auf die hier zu untersuchende strafrechtliche Fallgruppe des Zeichnens mit fremdem Namen (also Gebrauch des Namens eines Vertretenen durch den bevollmächtigten Vertreter) an, so wird zunächst festzustellen sein, daß ein unter Verwendung des Namens des Vertretenen vom Vertreter hergestelltes urkundliches Schriftstück aus der Sicht eines Erklärungsempfängers in der Regel als Erklärung des Namensträgers erscheint (zum Beispiel ein Brief, der mit dem Namen des Vertretenen unter152, 216, 230: bei fehlendem Namensinteresse des Erklärungsempfängers: Bestimmung Fremd- oder Eigengeschäft nach dem Willen des Handelnden (s. die eben in FN 242 (3. Abschn.) angedeutete Ausnahme). 246 Vgl. ErmanlBrox, § 164 Rdn. 8. 247 Vgl. Thiele, MK § 164 Rdn. 34; PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d aa, bb; RGRKlSteffen, § 164 Rdn. 9; StaudingerlDilcher, Vor § 164 Rdn. 91. 248 Zu diesem Streit s. die Nachweise oben 3. Abschn. FN 235. 249 Sehr deutlich dazu PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d mit der Feststellung, daß es für die Abgrenzung Eigengeschäft-Fremdgeschäft noch nicht darauf ankomme, ob der unter fremdem Namen Handelnde Vertretungsmacht für den Namensträger hatte. 250 Zur Zurechnung des Handeins unter fremdem Namen bei Vollmacht des Handelnden oder nachträglicher Genehmigung durch den Namensträger s.: Erman/Brox, § 164 Rdn. 8; Flume, AT II § 44 IV; Larenz, AT § 30 II b; Medicus, AT Rdn. 908; Thiele, MK § 164 Rdn. 35; RGRKlSteffen, § 164 Rdn. 9; Soergel/Leptien, § 164 Rdn. 23; RGZ 58, 387; BGHZ 45, 193, 195. Insbesondere zur nachträglichen Genehmigung gefälschter Wechselunterschriften (u. U. sogar durch konkludente Erklärung mittels Schweigen) und daraus folgender wechselrechtlicher Haftung s. die Entscheidungen: RGZ 145, 87, 90 f.; BGH JZ 1951, 783; BGH LM Art. 7 WG Nr. 3; BGH NJW 1963, 148. Zum Problem der nachträglichen Genehmigung s. u. 3. Abschn. I C 3 a cc.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

zeichnet ist, oder die Rechnung, die unter dem Briefkopf des Vertretenen steht). Der Erklärungsempfänger wird daher im Normalfall der Ansicht sein, bei einem zivilrechtlichen Vertragsschluß ein Geschäft mit dem Namensträger abzuschließen 251 . Dies ist aber keine zwingende Folgerung aus der Tatsache, daß der bevollmächtigte Vertreter seinen Vollmachtgeber beim Zeichnen mit dessen Namen verdeckt vertritt, sondern lediglich der Regelfall, wie aus der Sicht eines Urkundempfängers 252 der Geschäftsgegner zu bestimmen ist, wenn ihm ein mit Namensangabe versehenes Schriftstück bei einem zivilrechtlichen Vertragsschluß vorliegt. Das Bestehen einer Vollmacht des Handelnden, den Namensträger zu vertreten, ist dabei zunächst noch ohne Belang. Die Sicht des Erklärungsempfängers kann daher auch abweichend von dem eben geschilderten Normalfall dahin gehen, daß (trotz der für ihn ja ohnehin nicht erkennbaren, verdeckten Stellvertretung) aus seiner Sicht ein Eigengeschäft des Handelnden (also des Vertreters) vorliegen kann 253 • Dies ist entsprechend den Erörterungen im zivil rechtlichen Schrifttum möglich für Fälle des Vertragsschlusses unter Anwesenden 254 , wo der Erklärungsempfänger der Meinung ist, ein Geschäft mit dem Handelnden abzuschließen. Ferner kann ein Eigengeschäft des Vertreters vorliegen bei fehlendem Namensinteresse 255 seitens des Geschäftsgegners oder auch in den Fällen, in denen der Erklärungsempfänger bei einem Geschäft unter Abwesenden den vom Handelnden verwendeten Namen nicht kennt 256 , er also gar keine Identitätsvorstellung hinsichtlich des Namensträgers entwickelt und ihm daher die Nichtidentität zwischen Handelndem und Namensträger nicht bewußt wird. Bei Vorliegen eines dieser Fälle würde also zunächst nach der eben geschilderten zivilrechtlichen Bewertung ein Eigengeschäft des Vertreters anzunehmen sein 257 , obwohl dieser den Namen des Vertretenen gebraucht hat. Dies zeigt, 251 So zu Schriftstücken, die vom Vertreter mit dem Namen des Vertretenen gezeichnet wurden: BGHZ 45, 193, 195; ErmanlBrox, § 164 Rdn. 8; Flume, AT II § 44 IV; Larenz, AT § 30 II b; Medicus, AT Rdn. 908; so wohl auch PalandtIHeinrichs, § 164 Anm. 1 d aa. Von Erklärungen des vertretenen Namensträgers ausgehend auch: RGZ 50,51,57,59; RGZ 74,69,71; RGZ 81,1; RGZ 87,144,146. 252 Siehe o. 3. Abschn. FN 243 zum Empfängerhorizont als Hauptkriterium. 253 Anders wohl nur Lieb, JuS 1967, 106, 113, der davon ausgeht, daß im redlichen Geschäftsverkehr der Gebrauch eines fremden Namens immer den Sinn habe, den Eindruck eines Geschäfts des Namensträgers zu erwecken. Aus diesem Grunde will Lieb stets (außer bei Gebrauch von Allerweltsnamen oder Phantasienamen (Lieb, JuS 1967, 106, 108» ein Geschäft des Namensträgers annehmen. 254 Vgl. Flume, AT II § 44 IV; Larenz, AT § 30 II b; Ohr, AcP 152, 216, 224, 226 ff.; SoergellLeptien, § 164 Rdn. 23. 255 Vgl. Flume, AT II § 44 IV; PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d bb; Soergell Leptien, § 164 Rdn. 23; StaudingerlDilcher, Vor § 164 Rdn. 92; vgl. auch Ohr, AcP 152, 216, 230, der allerdings bei fehlendem Namensinteresse des Erklärungsempfängers die Willensrichtung des Namensverwenders für die Entscheidung zwischen Eigengeschäft des Handelnden oder Fremdgeschäft des Namensträgers maßgebend sein lassen will. 256 Vgl. Thiele, MK § 164 Rdn. 34,38 f.; PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d bb.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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daß die bloße Möglichkeit, im Zivilrecht entgegen dem Offenkundigkeitsprinzip258 wirksam mit dem Namen des Vertretenen zu zeichnen, nicht automatisch dazu führt, daß bei jedem Gebrauch des Namens des Vertretenen sofort auch ein Geschäft des Namensträgers vorliegt. Vielmehr führt die differenzierte Auslegung der Erklärung aus der Sicht des Empfängers im Zivilrecht unter Umständen zur Annahme eines Eigengeschäftes des Vertreters. Abgesehen von den soeben erwähnten Ausnahmefällen wurde aber zuvor festgestellt, daß im Normalfall der Empfänger einer vom Vertreter mit dem Namen des Vertretenen versehenen Erklärung der Ansicht sein wird, ein Geschäft mit dem Namensträger abzuschließen. Da die strafrechtliche Fall" gruppe "Zeichnen mit fremdem Namen" ohnehin nur für die Fälle zu erörtern ist, in denen der den Namen des Vertretenen benutzende Vertreter bevollmächtigt war259 , wird dann die Zurechnung der Erklärung des Vertreters mit Wirkungen für und gegen den Vertretenen 260 keine Schwierigkeiten mehr bereiten. In solchen Fällen liegt also ein voll wirksames Rechtsgeschäft durch Vertretung vor261 . Diese Konstellation wird in Schrifttum und Rechtsprechung zum Zivilrecht gelegentlich mit der (in Anbetracht der eben aufgezeigten Differenzierungen sehr pauschalen, aber griffigen) Formel umschrieben, daß der Vertreter mit dem Namen des Vertretenen zeichnen "dürfe"262. 257 Anders könnte die Bewertung aber dann ausfallen, wenn bei dem Vertrags abschluß ein "Handeln unter fremdem Namen für den, den es angeht" vorliegt (zu dieser Bezeichnung s. Ohr, MDR 1959, 89). Wie bei einem normalen "Geschäft für den, den es angeht" würden dann die Rechtsfolgen der Erklärung denjenigen treffen (Handelnder oder Namensträger), der wirtschaftlich gesehen der Vertragspartner sein sollte. Zum sog. "Geschäft für den, den es angeht", einer weiteren Ausnahme vom vertretungsrechtlichen Offenkundigkeitsprinzip (dazu oben 2. Abschn. II A) s. nur m. w. N. Thiele, MK § 164 Rdn. 42ff. insbes. 47; Palandt Heinrichs § 164 Anm. 1 c. Siehe auch oben 3. Abschn. I B 4 zur geringen praktischen Bedeutung der sog. Bargeschäfte des täglichen Lebens im Rahmen der Überprüfung der Echtheit von Urkunden, da nur für diese Bargeschäfte die Figur des "Geschäftes für den, den es angeht" diskutiert wird. 258 Zum Offenkundigkeitsprinzip s. o. 2. Abschn. II A. 259 Siehe die Begriffsbestimmung oben 1. Abschn. II C 4 a. 260 Zur Wirkung einer Erklärung durch einen Stellvertreter s. nur Thiele, MK § 164 Rdn. 108; PalandtlHeinrichs, Vor § 164 Anm. 1 a. 261 Siehe außerdem die strafrechtliche Rechtsprechung zur Echtheit und Wirksamkeit von rechtsgeschäfts ähnlichen Handlungen, wie Anträgen, Rechtsbehelfen oder Rechtsmitteln, die mit dem Namen eines Vollmachtgebers unterzeichnet wurden: RGRspr. 10, 92, 93 (Vertretung bei der Unterzeichnung, da der Namensträger üblicherweise mit drei Kreuzen zu unterschreiben pflegte!); RGSt 6,69 f.; RGSt 45, 327; RGSt 66,209,212. 262 Siehe RGRK/Steffen, § 164 Rdn. 9; RGZ 50,51,57,59; RGZ 74,69,71 ("Unterzeichnung mit dem Namen des Vertretenen ist keine verbotene Unterschrift"). Dementsprechend taucht im strafrechtlichen Schrifttum der Gedanke auf, wonach der Vertreter grundSätzlich befugt sei, den Namen des Vertretenen zu verwenden. Siehe nur RGSt 69, 117, 118 sowie Blei, BT § 80 III 1 b; Schmidhäuser, BT 14/13. Bedenken bereits bei Frank, § 267 Anm. V 1 b. Siehe auch den ungünstig gewählten Begriff der "erlaubten Fremdzeichnung" bei Timcke, Identitätstäuschung, S. 92 ff.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

Ein solches zivilrechtlich zugelassenes Zeichnen mit dem Namen des Vertretenen wird fast einhellig sogar dort gebilligt, wo aufgrund gesetzlich vorgeschriebener Schriftform263 die Vorschrift des § 126 BGB beachtet werden muß. Danach setzt die Erfüllung eines Schriftformerfordernisses voraus, daß "die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift ( ... ) unterzeichnet" worden ist. Auch die Unterzeichnung des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen wird aber als eine solche eigenhändige Namensunterschrift angesehen264 • Diese zivilrechtliche Zulassung des Zeichnens mit fremdem Namen in Fällen, in denen eine eigenhändige Unterzeichnung erforderlich ist, geht insbesondere auf die Entscheidung der Vereinigten Zivilsenate des Reichsgerichts vom 27. 6. 1910265 zurück. Gerade hierauf läßt sich die Forderung nach Konformität zwischen Zivil- und Strafrecht gut stützen266 , wonach eine zivilrechtlich gebilligte Form der Vertretung nicht zur strafrechtlichen Mißbilligung dieses Vorganges als Herstellen einer unechten Urkunde führen kann267 . Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß es für die zivilrechtlich wirksame Zurechnung einer Erklärung, die ein Vertreter unter dem Namen des Vertretenen abgibt, nicht darauf ankommt, ob der Vertretene bei der Bevollmächtigung ausdrücklich in die Verwendung seines Namens eingewilligt hat oder nicht. Es kommt für das Bejahen der Wirksamkeit nur auf die Fremdwirkung aus der Sicht des Empfängers und das Vorliegen von Vertretungsmacht für den Handelnden an. Welcher Art diese Vertretungs macht ist268 , spielt 263 Siehe die Nachweise zu Schriftformerfordernissen bei PalandtlHeinrichs, § 126 Anm.1. 264 Siehe die st. Rspr. und h. L. im Zivilrecht RGZ 50, 51, 57, 59; RGZ 74, 69 ff.; RGZ 76, 99, 100; RGZ 81, 1; Dietrich, DB 1979,2141; Förschler, MK § 126 Rdn. 21; PalandtlHeinrichs, § 126 Anm. 3 d; RGRG/Krüger-Nieland, § 126 Rdn. 20; Soergel/ Hefermehl, § 126 Rdn. 18 (von "Gewohnheitsrecht" sprechend); so wohl auch StaudingerlDilcher, § 126 Rdn. 22. Bedenken bei ErmanlBrox, § 126 Rdn. 12; Larenz, AT § 21 lai; ablehnend Holzhauer, Eigenhändige Unterschrift, S. 15,210. 265 RGZ 74,69. 266 Siehe nur Bockelmann, BT 3 § 12 III 1 b; insbesondere aber Holzhauer, Eigenhändige Unterschrift, S. 282 ff., der allerdings in seiner kritischen Betrachtung d;lS Konformitätsargument zu sehr nur auf die Erwägung eingrenzt, die weite Auslegung des § 126 BGB sei die Ursache der Einengung der Unechtheit nach § 267 StGB durch die Geistigkeitstheorie. Einer der wenigen Fälle, in dem die Konformitätserwägungen auch ausdrücklich auf § 126 BGB bezogen werden, ist die Entscheidung RGSt 45,327,328 f. Die Lösung der übrigen Fälle des Zeichnens eines Vertreters mit dem Namen des Vertretenen (ohne Vorliegen eines Schriftformerfordernisses nach § 126 BGB) im Rahmen der Geistigkeitstheorie (echt, weil "geistig" vom Vertretenen herrührend; letzteres aufgrund zivilrechtlicher Wirksamkeit) läßt sich aber nicht unmittelbar auf die weite zivilrechtliche Auslegung von § 126 BGB stützen. 267 Zum Schriftformerfordernis des § 126 BGB s. insbesondere unten 3. Abschn. I C 3 a bb. 268 Rechtsgeschäftliche Vollmacht (§ 167 BGB) oder gesetzliche Vollmacht (z. B. § 1629 BGB); Vollmacht für eine einzelne Rechtshandlung oder eine Vielzahl von

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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dabei keine Rolle; einer besonderen Erlaubnis zum Namensgebrauch bedarf es für die Zurechnung nicht, so daß ein jeder Vertreter unter Umständen "erlaubt" den Namen des Vertretenen verwenden darf. 3. Kritische Betrachtung der Konformitätserwägungen Die eben aufgezeigten zivilrechtlichen Erwägungen beim sogenannten "Handeln unter fremdem Namen"269 sollen nun hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf die strafrechtliche Bewertung der Echtheit oder Unechtheit von Urkunden untersucht werden. Dabei müssen aber die Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen (Verwendung des Namens eines Vertretenen) von den übrigen Fällen der Verwendung eines sonstigen nicht zustehenden Namens unterschieden werden, die im Zivilrecht ebenfalls unter der Bezeichnung "Handeln unter fremdem Namen" diskutiert werden 270 . Dies ist erforderlich, da die zu erörternden Konformitätserwägungen fast immer nur im Hinblick auf die Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen abgehandelt werden271 . a) Konformität beim Zeichnen mit fremdem Namen

Die Konformitätserwägungen, die im Rahmen der Geistigkeitstheorie angestellt werden, haben folgende Auswirkungen auf die Ausstellerbestimmung und den Echtheitsbegriff nach § 267 StGB: Zeichnet ein Vertreter ein urkundliches Schriftstück in zivilrechtlich zulässiger Weise mit dem Namen des Vertretenen und wird diesem die Erklärung seines Vertreters rechtswirksam zugerechnet, so soll das entsprechende Schriftstück eine echte Urkunde sein. Anscheinsaussteller der Urkunde ist in so einem Fall der allein aus dem Schriftstück ersichtliche Vertretene (der Namensträger); Urheber der Urkunde soll aber nicht der körperlich zeichnende Vertreter, sondern aufgrund der zivilrechtlichen Zurechnung auch der Namensträger als "geistiger" Urheber sein272 . Die Frage nach dem "geistigen Herrühren" wird also in den Fällen des Zeichnens mit fremdem Namen bei der Suche nach dem Urheber einer Urkunde gestellt. Geschäften (z. B. Prokura nach § 48 HGB); durch Vollmachtsurkunde bekannt gemachte (§ 172 BGB) oder nur auf einer Anscheinsvollmacht bestehende Vertretungsmacht (zur Anscheinsvollmacht s. nur PalandtlHeinrichs, § 173 Anm. 4 c; sowie die Ausführungen unten 3. Abschn. I C 4 b bb). 269 im Sinne der im Zivilrecht vorherrschenden Begriffsbildung; s. o. 3. Abschn. I C 2 a. 270 Siehe o. 3. Abschn. I C 2 a. 271 Zum Konformitätsargument s. o. 1. Abschn. II C 4 b. 272 Vgl. die Darstellungen bei Otto, BT § 70 I 1 c bb; Puppe, Jura 1979, 630, 638; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 16 f.; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 55; Seier, JA 1979, 133, 138 sowie Wesseis, BT 1 § 18 III 1 b zu den Auswirkungen der Geistigkeitstheorie auf die Ausstellerbestimmung beim Zeichnen mit fremdem Namen.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

Soweit das Konformitätsargument auf der Erwägung beruht, die zivilrechtliehe Anerkennung der verdeckten Stellvertretung habe unter Durchbrechung des Offenkundigkeitsprinzips praktisch zu einer Gleichbehandlung mit der offenen Stellvertretung geführt, und diese zivilrechtliche Entscheidung müsse Auswirkungen auf die strafrechtliche Aussteller- und Echtheitsbestimmung in § 267 StGB haben 273 , so ist dies ein an sich akzeptabler Denkansatz. Zu weit geht aber die Aussage, die Berücksichtigung der zivilrechtlichen Wirksamkeit bei der strafrechtlichen Aussteller- und Echtheitsbestimmung beruhe auch darauf, daß es im Zivilrecht Konstellationen gebe, in denen die verdeckte Stellvertretung "stärkere" Wirkungen entfalte als die eigenhändige Unterzeichnung des Namensträgers 274 • Zunächst einmal ist festzustellen, daß offene und verdeckte Stellvertretung gleichmäßig "stark" oder "schwach" wirken, indem einem Vertretenen die Erklärungen seines Vertreters zugerechnet werden. Dennoch wird die Erklärungszurechnung bei der offenen Stellvertretung nicht zum Maßstab der Ausstellerbestimmung gemacht275 • Warum dies bei der verdeckten Stellvertretung anders sein soll, leuchtet somit bereits aus diesem Grunde nicht ein. Schönke276 führt als Beispiel für angeblich "stärkere Wirkungen" der verdeckten Stellvertretung folgendes an: Bei Unterschriften, die ein gesetzlicher Vertreter für einen Geschäftsunfähigen unter dessen Namen leiste, habe dies stärkere Rechtsfolgen als eine eigenhändige Unterschrift des Namensträgers. Dieses Beispiel ist aber für die Bestimmung des strafrechtlichen Echtheitsbegriffes nicht durchschlagend. Die von einem Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen erstellte schriftliche Erklärung ist zwar unter Umständen zivilrechtlich unwirksam; in strafrechtlicher Hinsicht handelt es sich aber dennoch um eine echte Urkunde 277 • Durch die Erstellung der gleichen Erklärung seitens des gesetzlichen Vertreters in verdeckter Stellvertretung wird die entsprechende Erklärung dann zwar zivil rechtlich wirksam, "echter" als die eigenhändig gefertigte Urkunde ist sie damit aber nicht. Von "stärkerer" Wirkung der verdeckten Stellvertretung in diesen Fällen kann aber auch deshalb keine Rede sein, weil ein 273 Siehe Puppe, Jura 1979, 630, 638 f.: " ... zwingende Konsequenz der Anerkennung dieser Form der Vertretung ... durch die Rechtsordnung"; ähnlich dies., Jura 1986,22,23 FN 3; JZ 1986, 938, 943; zuletzt JuS 1989, 361. 274 So Schänke, FG Kohlrausch, 253, 255, der diese "stärkere Wirkung" der verdeckten Stellvertretung sogar "vielfach" konstatieren will. Ähnliches klingt auch bei Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 132 f. an, wonach die Urkundenleistung durch das Zeichnen mit fremdem Namen u. U. sogar gesteigert werden könne. Andeutungen hinsichtlich einer "stärkeren" Wirkung der Fremdzeichnung auch bei Widmann, Unechte Urkunde, S. 97, 156. 275 Siehe o. die Ausführungen zur Ausstellerbestimmung bei der offenen Stellvertretung unter 2. Abschn. II D. 276 FG Kohlrausch, 253, 255 .. 277 Siehe o. 1. Abschn. II C 5 zum "umgekehrten Konformitätsargument" .

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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Urkundsempfänger, dem die Tatsache der Geschäftsunfähigkeit oder der beschränkten Geschäftsfähigkeit bekannt ist, bei Empfang der verdeckt vom gesetzlichen Vertreter gefertigen Urkunde zunächst einmal vermuten müßte, die Urkunde entfalte keine Rechtswirkungen, da sie nur die Ausstellerangabe des nicht (voll) Geschäftsfähigen enthielte. Eine offengelegte Stellvertretung würde hier noch "stärker" wirken 278 • Die Behauptung, die verdeckte Stellvertretung entfalte unter Umständen "stärkere Wirkungen" als die Zeichnung durch den Namensträger selbst, kann also kein Grund sein, die zivilrechtlichen Wirksamkeitserwägungen auf die strafrechtliche Aussteller- und Echtheitsprüfung in § 267 StGB zu übertragen. Das Argument für die Konformitätsbestrebungen kann somit nur noch die bloße Strafwürdigkeitserwägung sein, daß das Strafrecht sich einer zivilrechtlieh anerkannten Vertretungsform nicht verschließen dürfe. Diese Betrachtungsweise ist aber aus mehreren Gründen angreifbar. aa) Prüfung der Kriterien, die zur zivilrechtlichen Wirksamkeit des Zeichnens mit fremdem Namen führen Nachdem gezeigt wurde, daß nach der Geistigkeitstheorie die Echtheitsbestimmung einer mit fremdem Namen gezeichneten Urkunde darauf beruht, daß der Namensträger aufgrund der zivilrechtlichen Zurechnung als "geistiger" Urheber und damit als Aussteller der urkundlichen Erklärung angesehen werden soll, fragt sich, ob diese Bewertung nicht auf Kriterien beruht, die zwar für zivilrechtliche Bedürfnisse brauchbar, für strafrechtliche Belange aber ungeeignet sind. Wie unter 3. Abschn. I C 2 a, b festgestellt wurde, hängt die zivilrechtliche Bejahung einer wirksamen verdeckten Stellvertretung davon ab, ob aus der Sicht des Erklärungsempfängers ein Eigengeschäft des Handelnden oder ein (Fremd-)Geschäft des Namensträgers vorliegt. Nur im zweiten Fall soll eine wirksame verdeckte Stellvertretung möglich sein, sofern die übrigen Voraussetzungen dafür (insbesondere Bestehen einer Vollmacht) erfüllt sind 279 . Die Übertragung dieser zivilrechtlichen Beurteilung auf den strafrechtlichen Echtheitsbegriff stößt aber auf mehrere Bedenken. Zunächst einmal wurde bereits an drei Stellen dieser Arbeit darauf hingewiesen, daß man einen Urkunden aussteller nicht aus der Sicht des Erkärungsadressaten bestimmen kann, ohne daß dabei eine Relativierung des strafrechtlichen Echtheitsbegriffes in Kauf zu nehmen ist. Weder bei der Festlegung des 278 Vgl. die entsprechende Kritik an Schönkes These von der "stärkeren Wirkung" des Zeichnens mit fremdem Namen bei Timcke, Identitätstäuschung, S. 120 f. 279 Siehe auch die Zusammenfassung der zivilrechtlichen Beurteilung bei Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 144.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

Urkundenausstellers im Falle der offenen Vertretung von Firmen oder Behörden 280 , noch bei der Ausstellererkennbarkeit im Falle der Verwendung literarischer oder historischer Namen 281 , noch bei der Echtheitsbestimmung im Falle des Falschnamensgebrauchs bei fehlendem Namensinteresse des Adressaten 282 kann die Sicht des Erklärungsempfängers einen Einfluß auf das Echtheitsurteil haben. So erscheint es auch hier nicht sachgerecht, wenn die Bestimmung des Urhebers einer mit dem Namen eines Vertretenen gezeichneten Urkunde auf zivilrechtlichen Erwägungen beruht, die ihren Ausgangspunkt in einer Beurteilung aus der Sicht des jeweiligen Erklärungsempfängers haben. Es wurde an den eben angeführten Stellen bereits darauf hingewiesen, daß es durchaus Fälle gibt, in denen urkundliche Erklärungen verschiedenen Empfängern zukommen sollen, die unter Umständen ganz verschiedene Bewertungshorizonte haben. Würde man die Entscheidung über Echtheit oder Unechtheit von den verschiedenen Standpunkten der jeweiligen Adressaten beurteilen, so würde auch hier die Gefahr der Relativierung des Echtheitsbegriffes drohen; bestimmten Personen gegenüber könnte eine Urkunde als echt, anderen gegenüber als unecht zu bewerten sein283 • Gegen diesen Einwand mag vorgebracht werden, daß, wie oben festgestellt 284, im Regelfall des Zeichnens mit fremdem Namen ein jeder Urkundsempfänger der Ansicht sei, eine Erklärung des Namensträgers zu erhalten. Die entgegengesetzten Fälle (der Urkundsempfänger will nur mit dem Handelnden kontrahieren) seien demgegenüber bei urkundlich verkörperten Erklärungen ohne große praktische Bedeutung; die Gefahr der Relativierung des strafrechtlichen Echtheitsbegriffes sei daher nur gering. Dies kannn aber nicht überzeugen, da die dargestellte Prüfungsfolge im Zivilrecht285 hinsichtlich der Wirksamkeit des Zeichnens mit dem Namen des Vertretenen zumindest in gewissen Fällen die Möglichkeit vorsieht, ohne Prüfung einer eventuell bestehenden Vollmacht des Handelnden, allein aufgrund der Sicht des Erklärungsempfängers die Erklärung des Handelnden dem Namensträger nicht zuzurechnen 286 • Es ist also möglich, daß allein aufgrund des Empfängerhori280 Siehe dazu oben 2. Abschn. IID 2 c zu dem Vorschlag, die Ausstellerbestimmung im Einzelfall aus der Sicht des Urkundsadressaten vorzunehmen (als sog. "Tatfrage"). 281 Siehe dazu oben 3. Abschn. I B 1 b bb zum Vorschlag von Seier, JA 1979, 133, 135, die Anonymitätsfeststellung aus der Sicht des Beweisdestinatärs vorzunehmen. 282 Siehe dazu oben 3. Abschn. I B 4 zu dieser Konstellation, die im wesentlichen nur in der Entscheidung BGHSt 33, 159, 160 Erwähnung findet. 283 Zur Gefahr der Relativierung des strafrechtlichen Echtheitsbegriffes s. die drei vorgenannten Hinweise, sowie die Ausführungen unter 3. Abschn. B 1 a, 3 b für die Fälle der Einbeziehung des Täterwillens bei der Feststellung der Anonymität von Urkunden bzw. der sog. Namenstäuschung. Siehe zum letztgenannten Problem auch Puppe, Jura 1986, 22, 26. 284 Siehe 3. Abschn. I C 2 b. 285 Siehe o. 3. Abschn. I C 2 a, b: zunächst Prüfung aus der Sicht des Adressaten, ob ein Fremd- oder Eigengeschäft vorliegt, danach erst u. U. (analoge oder direkte) Anwendung der §§ 164 ff. BGB, d. h. Prüfung der Bevollmächtigung.

1. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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zontes keine, von den Voraussetzungen her ansonsten denkbare, zivilrechtlich wirksame verdeckte Stellvertretung angenommen wird 287 . Dies zeigt, daß eben doch, wenn auch nur in wenigen Fällen, die Wirkung der verdeckten Stellvertretung und damit die Zurechnung der Erklärung gegenüber dem "geistigen Aussteller" durch die Sicht des Erklärungsempfängers beeinflußt werden kann. Auf dem Gebiet des Zivilrechts bereitet eine solche einzelfallbezogene und aus der Sicht einer Vertragspartei zu beurteilende Wirksamkeit von Erklärungen keine Schwierigkeiten, sondern ist sogar vielfach zweckmäßig und geboten. Es ist zivilrechtlich gesehen durchaus nicht ungewöhnlich, wenn Rechtsfolgen von Erklärungen relativ zu bestimmten Personen sind. Bei der Auslegung empfangs bedürftiger Willenserklärungen 288 ist im Zivilrecht zum Beispiel allgemein akzeptiert, daß dies aus der Sicht eines "objektivierten Empfängerhorizontes" zu geschehen hat 289 . Dies bedeutet, daß unter Umständen ein und dieselbe Erklärung bei verschiedenen Empfängern verschiedene Rechtswirkungen entfaltet. Zudem gilt für zivilrechtliche Schuldverhältnisse 290 der Grundsatz, daß sie nur relative Wirkungen haben 291 , sie also keine Rechte und Pflichten gegenüber jedermann, sondern in der Regel nur inter partes begründen. Außerdem ist im Zivilrecht das Institut der relativen Unwirksamkeit anerkannt, wonach rechtliche Beziehungen denkbar sind, die bestimmten Personen gegenüber wirksam, anderen gegenüber unwirksam sind 292 . Für alle diese Fälle bietet das Zivilrecht aber Ausgleichsmöglichkcitcll zur angemessenen Berücksichtigung widerstreitender Interessen, sei es durch Schadensersatzvorschriften oder auch durch Einräumung von Gestaltungsrechten 292a . Das Strafrecht muß demgegenüber aber statisch sein; schon das 286 Siehe 0.3. Abschn. I C 2 b in den Fällen des Vertragsabschlusses unter Anwesenden, des fehlenden Namensinteresses oder der gänzlichen Unbekanntheit des Namens des Vertretenen beim Erklärungsempfänger. 287 Darauf, daß dann aber u. U. ein wirksames Eigengeschäft des Handelnden vorliegt, soll unter 3. Abschn. I C 3 b eingegangen werden. 288 In den Fällen des Zeichnens mit fremdem Namen wird es sich zumeist um entsprechende Erklärungen handeln. 289 Siehe nur m. w. Nachweisen: Mayer-Maly, MK § 133 Rdn. 10; PalandtlHeinrichs, § 133 Anm. 4 c. 290 Sicherlich sind Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen nicht nur im Rahmen schuldrechtlicher Verpflichtungen möglich, doch liegt auch hier ein wesentlicher Anwendungsbereich für Geschäftsabschlüsse per verdeckter Stellvertretung. 291 Zur Relativität von Schuldverhältnissen s. nur m. w. N. Kramer, MK Ein!. vor § 241 Rdn. 14; PalandtlHeinrichs, Vor § 241 Anm. 1 b. 292 Zur relativen Unwirksamkeit s. nur m. w. N. PalandtlHeinrichs, Vor § 104 Anm. 4 b. 292. Siehe nur als Beispiel die Möglichkeit der Anfechtung von Willenserklärungen, wenn der nach dem Empfängerhorizont ermittelte Inhalt einer Erklärung nicht mit dem wirklichen Willen des Erklärenden übereinstimmt (dazu Mayer-Maly, MK § 133 Rdn. 11).

10 Steinmetz

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

Gebot der Bestimmtheit von Gesetzesnormen 293 verlangt nach einer eindeutigen Festlegung von Tatbestandsmerkmalen. Es ist daher nicht möglich, das Merkmal der Unechtheit von Urkunden im Rahmen des § 267 StGB von einer situationsbezogenen Bestimmung abhängig zu machen, die sogar möglicherweise hinsichtlich ein und derselben Urkunde bezüglich verschiedener Empfänger unterschiedlich ausfallen kann. Dies ist gerade auch im Hinblick auf das Rechtsgut des § 267 StGB294 ausgeschlossen. Im Zivilrecht ist es legitim, die einzelnen Interessen der an einem rechtserheblichen Vorgang Beteiligten hinsichtlich der Gestaltung von Rechtsverhältnissen ihrem Willen zu unterwerfen 295 oder auch aus bestimmten Blickwinkeln 296 zu bewerten, sowie jeweils die schutzwürdigen Belange des Einzelnen 297 einzubeziehen. Der mit strafrechtlichen Sanktionen bedrohte Angriff auf das Vertrauen in die Authentizität von Urkunden ist dagegen gerade nicht unmittelbar gegen den einzelnen Teilnehmer am Rechtsverkehr gerichtet (zum Beispiel durch Mißbrauch eines fremden Namens oder individuelle Täuschung). Rechtsgutsträger ist vielmehr die Gesamtheit aller Teilnehmer am Rechtsverkehr298 , was natürlich mittelbar auch Ausstrahlungen auf den Schutz des Einzelnen hat. Eine Abhängigkeit des Echtheitsbegriffes von Aspekten, die wiederum auf der Sichtweise der jeweiligen Erklärungsempfänger beruhen, muß daher im Rahmen des § 267 StGB ausgeschlossen sein. Zudem spricht gegen die Berücksichtigung der Sicht des Erklärungsempfängers bei der Ausstellerprüfung die Tatsache, daß beim Herstellen eines urkundlichen Schriftstückes nicht unbedingt der künftige Adressat feststehen muß. Für die zivilrechtliche Wirksamkeit einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist es erforderlich, daß sie einem Erklärungsempfänger zugeht299 . Die strafrechtliche Echtheit eines urkundlichen Schriftstückes muß aber unter Umständen bereits zuvor (selbst wenn es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung im zivilrechtlichen Sinne handelt), nämlich schon bei Beendigung der Herstellung festgestellt werden 3OO . Damit ein strafbares Herstellen 293 Zum Bestimmtheitsgebot gern. Art. 103 II GG, § 1 StGB s. nur Sch/Schl Eser, § 1 Rdn. 20 ff., sowie Schmidhäuser, Ged.S. Martens, S. 231 ff., der zu Recht darauf hinweist, daß es nur eine relative strafgesetzliche Bestimmtheit als rechtsstaatliches Postulat geben kann. 294 Zum Rechtsgut des § 267 StGB s. o. 1. Abschn. III D. 295 Siehe nur § 305 BGB und der aus ihm folgende Grundsatz der Privatautonomie. 296 Siehe die soeben gemachten Ausführungen zur Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen unter Berücksichtigung eines objektivierten Empfängerhorizontes (Nachweise in 3. Abschn. FN 289). 297 Siehe nur Larenz, AT § 2 IV, V zu den grundlegenden zivilrechtlichen Prinzipien des Vertrauensgrundsatzes und der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit. 298 Siehe o. 1. Abschn. III D. 299 Siehe § 130 I BGB.

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einer unechten Urkunde bejaht werden kann, muß der Täter zwar mit der Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr handeln, einen konkreten Urkundsadressaten braucht er sich aber noch nicht einmal vorgestellt zu haben 301 . Daher sind also Fälle denkbar, in denen ein Vertreter ein urkundliches Schriftstück mit dem Namen seines Vollmachtgebers zeichnet, die zivilrechtliche Zurechnung für den Namensträger aber noch nicht geprüft werden kann, da die Erklärung weder einem Empfänger zugegangen ist noch feststeht, wie ein späterer Erkärungsempfänger die urkundliche Erklärung verstehen würde (ob als Geschäft des Handelnden oder als Geschäft des Namensträgers). Ein Abstellen auf einen vom Handelnden unter Umständen bereits ins Auge gefaßten Adressaten kann nicht erfolgen, da bei Berücksichtigung der Täterintention die objektive 302 Feststellung des Ausstellers durch subjektive Kriterien beeinflußt werden würde 303 . Auch dies war eine Konsequenz, die, wie oben bereits gezeigP04, nicht mit dem von § 267 StGB betroffenen Rechtsgut vereinbar wäre. Dies macht deutlich, daß die pauschale Aussage, die zivilrechtliche Zulassung des wirksamen Zeichnens mit fremdem Namen müsse zwangsläufig zur strafrechtlichen Echtheit von entsprechend hergestellten Urkunden führen 305 , auf einer sehr fragwürdigen Grundlage steht und zumindest in dieser Allgemeinheit nicht aufrecht erhalten werden kann.

bb) Die mögliche "Fremdhändigkeit" der eigenhändigen Unterschrift bei § 126 BGB Oben unter 3. Abschn. I C 2 b wurde bereits darauf hingewiesen, daß nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Meinung im zivilrechtlichen 300 Dies folgt aus der bereits dargestellten (s. o. 1. Abschn. 111 D) Vorverlagerung der Strafbarkeit nach § 267 StGB durch die Verordnung vom 29. 5. 1943 (RGBI I 339). Eine Täuschung eines Erklärungsempfängers über die Ausstelleridentität ist nicht erforderlich, das bloße Herstellen einer unechten Urkunde in Täuschungsabsicht reicht für die Erfüllung von § 267 StGB aus. 301 Vgl. Trändie, LK § 267 Rdn. 189; BGHSt 5, 149, 152. 302 Siehe o. 3. Abschn. I B 5. 303 Siehe dazu oben 3. Abschn. I B 1 b bb bereits die Kritik an Seier, JA 1979, 133, 135, der in den Fällen der Anonymität von Erklärungen wegen des Gebrauchs historischer oder literarischer Namen darauf abstellt, die Feststellung der Ausstellererkennbarkeit sei aus der Sicht des Urkundsadressaten vorzunehmen, sofern der Hersteller der Urkunde bereits ein konkretes Täuschungsopfer in Aussicht genommen habe. 304 Siehe insbesondere die Argumente gegen die Einbeziehung des Täterwillens in strafrechtliche Echtheitserwägungen unter 3. Abschn. I B 1 a (Anonymität) sowie 3. Abschn. I B 3 b (Namenstäuschung). 305 Vgl. Bockelmann, BT 3 § 12 III 1 b; Puppe, Jura 1979, 630, 638; dies., JR 1981, 441; dies., Jura 1986, 22, 23 FN 3, Schänke, FG Kohlrausch, S. 253, 256; Widmann. Unechte Urkunde, S. 100; vgl. auch Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 55; sowie Rheill('ck, Fälschungsbegriff, S. 144.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

Schrifttum eine Unterschrift des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen zur Erfüllung des Formerfordernisses nach § 126 BGB ausreicht 306 • Es soll zunächst nur kurz darauf hingewiesen werden, daß gerade hieran deutlich wird, wie sehr die zivil rechtliche Zulassung der verdeckten Stellvertretung nur eine Ausnahmeentscheidung im Rahmen des Vertretungsrechtes iSP07. Bei näherer Prüfung zeigt sich nämlich, daß § 126 BGB im Grunde genommen entgegen dem Gesetzeswortlaut ausgelegt wird 308 , wenn es für die Erfüllung dieser Formvorschrift ausreichen soll, daß ein Vertreter mit dem Namen des Vertretenen unterzeichnet. Nach dieser Betrachungsweise reicht als "eigenhändig durch Namensunterschrift" vollzogene Zeichnung also auch der durch fremde Hand (nämlich durch den Vertreter) geschriebene Name (des Vertretenen) oder anders ausgedrückt, der eigenhändig geschriebene, fremde Name aus. Es soll hier nicht weiter auf die zivilrechtlichen Bedenken eingegangen werden, die gegen eine solche extensive Auslegung des Merkmals "eigenhändig durch Namensunterschrift" in § 126 BGB vorgebracht werden 309 , aber es fragt sich, ob diese Betrachtungsweise für die Überlegungen im Rahmen des strafrechtlichen Echtheitsbegriffes bei § 267 StGB herangezogen werden und zugleich eine Grundlage für die sogenannte Geistigkeitstheorie bilden können 310 . Auch wenn es für zivilrechtliche Erwägungen gleichgültig sein mag, ob eine eigenhändige Namensunterschrift ebenfalls ein von fremder Hand niedergeschriebener, dem Schreiber nicht zustehender Name sein kann, so wird im allgemeinen Rechtsverkehr doch vermutet und in der Regel auch darauf vertraut, daß der Schreiber einer handschriftlichen Namensunterschrift auch zugleich der Namensträger ist 311 . Im Zivilrecht ist es unter Umständen durchaus zweckmäßig, die verdeckte Stellvertretung (gerade auch bei § 126 BGB) entsprechend der offenen Stellvertretung zu behandeln, da der verdeckt auftretende Bevollmächtigte bei Offenlegung seiner Vertreterfunktion (zum Beispiel durch Zeichnen mit eigenem Namen und durch einen auf den Vertretenen hinweisenden Vertreterzusatz) mit seiner Erklärung die gleichen Rechtswirkungen für und gegen den Vertretenen erzeugt hätte. Beide Vertretungsformen wirken damit ebenso, als wenn der Namensträger sich nicht hätte vertreten lassen, sondern selbst gehandelt hätte 312 . Das Vertrauen des RechtsverSiehe o. die Nachweise in 3. Abschn. FN 264. Siehe bereits oben die Ausführungen unter 2. Abschn. II A. 308 Darauf weisen insbesondere hin: Erman/Brox, § 126 Rdn. 12; Soergel/Hefermehl, § 126 Rdn. 18. 309 Siehe dazu die umfassende Untersuchung von Holzhauer, Eigenhändige Unterschrift, 1973; Kritik auch bei Ranft, Echtheit, S. 35 ff. 310 Zur Kritik an Holzhauer, Eigenhändige Unterschrift, S. 282 ff. s. bereits oben 3. Abschn. FN 266. 3l\ Siehe nur Larenz, AT § 21 laI; RGZ 74,69,75. 312 Genau in diese Richtung geht das Konformitätsargument von Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 55: Echtheit der Urkunde beim Zeichnen mit fremdem Namen, wenn die 306 307

1. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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kehrs auf die eigenhändige Ausführung einer Unterschrift durch den Namensträger mag im Zivilrecht gegenüber solchen praktischen Argumenten zurücktreten. Ob aber diese Wirksamkeitserwägungen auch für den strafrechtlichen Ausstellerbegriff und damit die Prüfung der Unechtheit beziehungsweise Echtheit von Urkunden insbesondere beim Zeichnen mit fremdem Namen zu übernehmen sind, erscheint sehr fraglich 313 • Das Vertrauen des Rechtsverkehrs auf die eigenhändige Vornahme einer handschriftlichen Unterzeichnung durch den Namensträger ist geradezu ein Kernstück des Vertrauens auf Authentizität einer Urkunde. Hier könnte nun eingewandt werden, die Anwendung der Geistigkeitstheorie in den Fällen des Zeichnens mit fremdem Namen führe doch gerade dazu, daß der Namensträger, mit dessen Namen der Vertreter gezeichnet habe, nicht nur als aus der Urkunde zu entnehmender Anscheinsaussteller, sondern auch als Urheber ("geistiger Aussteller") anzusehen sei; somit könne ein Teilnehmer am Rechtsverkehr eben ganz besonders darauf vertrauen, daß hinter der Namensunterschrift der Namensträger als Aussteller stünde. Dagegen spricht aber, daß damit in den Fällen, in denen die Form des § 126 BGB durch Unterzeichnung des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen erfüllt wird und eine entsprechende Urkunde als echt anzusehen ist, zwar eine Konformität zwischen zivilrechtlicher Zurechnung und strafrechtlicher Echtheit hergestellt wird 31 4, sich aber zugleich eine Diskrepanz bezüglich des Begriffes des "Ausstellers" in beiden Rechtsgebieten auftut. Die oben geschilderte extensive Auslegung des § 126 BGB ("eigenhändige Namensunterschrift" ist auch die Unterzeichnung des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen, also eine "fremdhändige Namensunterschrift") setzt nämlich voraus, daß die Namensunterschrift eigenhändig durch den "Aussteller" im Sinne dieser Vorschrift vorgenommen wird. Dies kann aber lediglich der Vertreter selbst sein, da nur er eigenhändig die (fremde) Namensunterschrift bei der verdeckten Stellvertretung vollzieht. So wird auch in der Tat im zivilrechtlichen Schrifttum und der Rechtsprechung der bei einem Schriftformerfordernis nach § 126 BGB unterzeichnende Vertreter (gleichgültig, ob er nun verdeckt oder offen auftritt) als "Aussteller" des Schriftstückes angesehen 315 • Die strafrechtliche Ausstellerbestimmung gibt nun aber bei AnwenUnterschrift ebenso wirke, als wenn der vertretene Namensträger sie selbst vollzogen hätte. Ähnlich auch zur Ausstellerbestimmung Widmann, Unechte Urkunde, S. 97. 313 So wird in der Tat gegen die Geistigkeitstheorie (wenn auch z. T. sehr pauschal) vorgebracht, sie verwechsle letztendlich die Wirkungen von Erklärungen mit der jeweiligen Urheberschaft: s. Boldt, DR 1941, 992,993; Frank, ZStW Bd. 32, 82,93 f.; s. auch Puppe, JR 1981,441 ff., allerdings nur im Hinblick auf Fragen des zivilrechtlichen Erlaubtseins verdeckter Stellvertretung. 314 indem eine vom verdeckt auftretenden Vertreter stammende urkundliche Erklärung als zivilrechtlich für den Vertretenen wirkend und strafrechtlich als von letzterem herrührende echte Urkunde angesehen wird.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

dung der Geistigkeitstheorie vor, zu einem gen au gegenteiligen Ergebnis zu führen: Eine in verdeckter Stellvertretung hergestellte Urkunde soll deshalb echt sein, weil als Aussteller (im Sinne von Anscheinsaussteller und zugleich Urheber der Urkunde) allein der Vertretene anzusehen sei3 16 . Natürlich ist es nicht zwingend, den Begriff des "Ausstellers" in § 126 BGB und bei der Auslegung von § 267 StGB in ein und derselben Weise zu bestimmen; doch ist es bedenklich, wenn gerade die Vertreter der Geistigkeitstheorie die Verschiedenheit der Ausstellerbegriffe befürworten müßten, obwohl sie sich doch auf eine Konformität zwischen Straf- und Zivilrecht berufen. Die obigen Ausführungen zur Feststellung des Urkundenausstellers bei der offenen Stellvertretung (sei sie nun wahrheitsgemäß oder nur vorgetäuscht)317 zeigen zudem, daß die Betrachtung des Vertreters als Urkundenaussteller in jenem Bereich konform mit der Ausstellerbestimmung in § 126 BGB ist. Für die Fälle der verdeckten Stellvertretung wird nun, gerade auch mit Hinweis auf die extensive Auslegung des § 126 BGB und die angeblich erforderliche Konformität zwischen Zivil- und Strafrecht, eben dieser Gleichklang in der Auslegung des Begriffes des "Ausstellers" zerstört. Dies ist eine Konsequenz, die die Fragwürdigkeit des Ansatzes der Geistigkeitstheorie weiter verdeutlicht. cc) Nachträgliche Genehmigung bei vollmachtloser

Verwendung des fremden Namens

Ferner ist zu beachten, daß außerdem die Konformitätserwägungen zwischen Straf- und Zivilrecht beim Zeichnen des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen zu beschränken sind. Verwendet jemand den Namen eines anderen für die Ausstellerangabe auf einem urkundlichen Schriftstück, so ist im Rahmen des Tatbestandes von § 267 StGB für die strafrechtliche Beurteilung der Echtheit318 auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Herstellens der Urkunde 319 abzustellen. Nur wenn der Urkundenhersteller bereits zu diesem Zeitpunkt ein bevollmächtigter Vertreter des Namensträgers war, würde man mit Hinweis auf die zivilrechtliche Zurechnung der Erklärung den Namensträger als Anscheinsausteller und Urheber ansehen, die Urkunde also für echt 315 Vgl. RGZ 50,51,55; RGZ 74,69,72; Dietrich, DB 1974,2141; Larenz, AT § 21 laI; Förschler, MK § 126 Rdn. 20 f.; PalandtlHeinrichs, § 126 Anm. 3 d; RGRKlKrüger-Nieland, § 126 Rdn. 19; Soergel/Hefermehl, § 126 Rdn. 6. 316 Holzhauer, Eigenhändige Unterschrift, S. 285 spricht insoweit von einer "unschönen Verdoppelung des Ausstellerbegriffes"; s. auch Ranft, Echtheit, S. 37. 317 Siehe o. 2. Abschn. 11. 318 hier für die Frage: Liegt trotz Verwendung eines nicht zustehenden Namens ausnahmsweise eine echte Urkunde vor, weil es sich um einen Fall des "Zeichnens mit fremdem Namen" handelt? 319 oder aber bei Prüfung der zweiten Tatbestandsalternative von § 267 StGB auf den Zeitpunkt des Gebrauchens der Urkunde.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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halten32o • Ein vollmachtloser Vertreter, der mit dem Namen des (angeblich) Vertretenen zeichnet, würde also eine unechte Urkunde herstellen. Nun bietet aber das Zivilrecht die Möglichkeit, unwirksame Erklärungen von vollmachtlosen Vertretern nachträglich zu genehmigen und dadurch voll wirksam werden zu lassen 321 • Für die strafrechtliche Beurteilung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde kann ein solches nachträgliches Ereignis wie die Genehmigung durch den zunächst vollmachtlos Vertretenen keinen Einfluß mehr haben 322 • Ansonsten stünde nämlich die Entscheidung über Echtheit oder Unechtheit der Urkunde und damit unter Umständen über die Strafbarkeit oder Straflosigkeit des vollmachtlosen Vertreters dem angeblich Vertretenen (beim Zeichnen mit fremdem Namen dem Namensträger) ZU 323 ! Denkbar wäre allenfalls die Möglichkeit, die vom vollmachtlosen Vertreter mit dem Namen des angeblich Vertretenen gezeichnete Urkunde zunächst als unecht, ab dem Zeitpunkt der Genehmigung aber als echt anzusehen 324 . Abgesehen davon, daß eine solche Lösung nicht den zivilrechtlichen Wirkungen der nachträglichen Genehmigung entsprechen würde 325 , blieben auch hier Fälle möglich, in denen die Strafbarkeit von Personen allein von der Willensentschließung des angeblich vertretenen Namensträgers abhinge. Dies würde zum Beispiel dann der Fall sein, wenn die vom vollmachtlosen Vertreter hergestellte 320 Entsprechend wurde oben (1. Abschn. 11 C 4 a) bereits die genaue Bestimmung der Fallgruppe des "Zeichnens mit fremdem Namen" vorgenommen: es sollen davon nur die Fälle erfaßt sein, in denen ein bereits Bevollmächtigter den Namen seines Vollmachtgebers verwendet. 321 Siehe § 177 I BGB. 322 Vgl. Trändie, LK § 267 Rdn. 21; Paeffgen, JR 1986, 114, 117; Ranft, Echtheit, S. 64 f., 83 ff.; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 144; Scheiber, Urkundenherstellung, S. 49 f.; Timcke, Identitätstäuschung, S. 114 ff., 146; Widmann, Unechte Urkunde, S. 106 f., s. auch RGSt 6, 251; RG HRR 1934, Nr. 153; RG JW 1931, 1196; RG JW 1931,1578; OLG Stettin JW 1925, 2376 zur vollmachtlosen Zeichnung mit dem Namen des Vertretenen bei Hoffnung auf eine nachträgliche Genehmigung. Unklar allerdings SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 58, 60a sowie Dähn, StGB § 267 Anm. 2. Sofern dort die Echtheit einer zunächst unechten Urkunde beim Gebrauchen nach Genehmigung durch den Namensträger bejaht werden soll, läßt man hier eine Rückwirkung der Genehmigung zu. In solchen Fällen wird es eher an der Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr fehlen. Gleiches gilt auch für das von Cramer angeführte Beispiel der Gebrauchsabsicht nur für den Fall der Genehmigung; auch dies vermag die Unechtheit nicht zu beseitigen. Siehe auch bereits oben (2. Abschn. 11 DIe) die Ausführungen zur nachträglichen Genehmigung bei offenem Auftreten des vollmachtlosen Vertreters. 323 So aber offenbar Schänke, FG Kohlrausch, S. 253, 254, der die Echtheit einer Urkunde bei nachträglicher Genehmigung der nicht bevollmächtigten Vertretung bejaht. Ebenso auch Volwaßen, Urkundenfälschung, S. 43 f., 46; Weismann, ZStW Bd. 11 (1891), S. 1,36. 324 So der im Ergebnis unhaltbare Lösungsvorschlag von Jagusch, LK 8. Auf!. Vor § 267 Bem. 7. 325 Die zivilrechtliehe Genehmigung wirkt nach § 184 BGB ex tune; sie macht also eine Erklärung des vollmachtlosen Vertreters von Anfang an wirksam; vgl. Palandtl Heinrichs, §§ 177, 178 Anm. 3 c.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

und später von einem Dritten gebrauchte Urkunde zwischen Herstellung und Gebrauch durch Genehmigung des vollmachtlos Vertretenen sich von einer unechten zu einer echten Urkunde verwandeln könnte. Die Unechtheit oder Echtheit einer Urkunde kann aber nicht chamäleonhaft von Situation zu Situation wechseln, sonst müßten nämlich auch andere nachträgliche Wirksamkeitsveränderungen (zum Beispiel Anfechtung der nachträglichen Genehmigung wegen Irrtums, § 119 BGB) wiederum die Echtheit beeinflussen. Dies erscheint auch gerade im Hinblick auf den oben angeführten, dort als "umgekehrtes Konformitätsargument"326 bezeichneten Aspekt geboten, wonach man zwar verlangen mag, daß zivil rechtlich wirksame Urkunden als strafrechtlich echt anzusehen sind, nicht aber jede zivilrechtlich unwirksame schriftliche Erklärung sogleich auch eine unechte Urkunde sein muß. Dies zeigt, daß der in den Fällen des Zeichnens mit fremdem Namen mittels der Geistigkeitstheorie angestrebte Gleichklang zwischen zivilrechtlicher Wirksamkeit und strafrechtlicher Echtheit von Urkunden auf jeden Fall dort enden muß, wo im Zivilrecht durch nachträgliche Gestaltungsakte die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit von Erklärungen rückwirkend beeinflußt werden kann 327 . Es muß an dieser Stelle aber darauf hingewiesen werden, daß gerade für die zivilrechtliche Fallgruppe des "Handelns unter fremdem Namen"328 die Möglichkeit einer nachträglichen Genehmigung von Geschäften, die vollmachtslos unter fremdem Namen abgeschlossen wurden, eine große Rolle spielt329 . Wie oben33o angeführt wurde, kommt es im Rahmen der zivil rechtlichen Prüfung eines "Handelns unter fremdem Namen" zunächst auf die Feststellung an, ob aus der Sicht des Kontrahenten ein Geschäft des Namensträgers oder ein Eigengeschäft des Handelnden vorliegt. Das Bestehen oder Nichtbestehen einer Vollmacht des Handelnden zur Vertretung des Namensträgers ist dabei noch völlig irrelevant. Erst bei Feststellung eines Geschäftes für den Namensträger kommen dann die Vorschriften des Vertretungsrechts, also sowohl über den Bevollmächtigten als auch über den vollSiehe o. 1. Abschn. II C 5. Diese Einschränkung des Konformitätsarguments wird von Trändie, LK § 267 Rdn. 21; Paeffgen, JR 1986, 114, 117; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 144 sowie Schi SchlCramer, § 267 Rdn. 60 a wie eine Selbstverständlichkeit geschildert. Widmann, Unechte Urkunde, S. 106 f. spricht sogar davon, daß die Gleichstellung von Echtheit und Gültigkeit von Urkunden unter der stillschweigenden Voraussetzung erfolge, daß die zivilrechtlichen Regeln über die rückwirkende Gültigkeit bei nachträglichen Genehmigungen nicht angewandt werden. Siehe aber auch Timcke, Identitätstäuschung, S. 114 ff., der die Unmöglichkeit der Rückwirkung einer nachträglichen Genehmigung auf die Echtheit zu Recht aus grundsätzlichen strafrechtlichen Gründen herleitet. 328 Siehe o. 3. Abschn. I C 2 a. 329 Dies zeigen insbesondere die zivilrechtlichen Entscheidungen zur Haftung bei nachträglicher Genehmigung gefälschter Wechselunterschriften: s. RGZ 145, 87,90 f.; BGH JZ 1951, 783; BGH LM Art. 7 WG Nr. 3; BGH NJW 1963, 148. 330 Siehe 3. Abschn. I C 2 a. 326 327

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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machtlosen Vertreter33l zur Anwendung332 • Dabei wird aber eingeräumt, daß die Fälle, in denen ein vollmachtloser Vertreter den Namen eines anderen benutzt, häufiger sind als die Fälle, in denen der bevollmächtigte Vertreter mit dem Namen des Vertretenen zeichnet 333 . Letzteres dürfte wohl nur dann der Fall sein, wenn der mit dem Namen des Vertretenen unterzeichnende Vertreter zum Beispiel dem Nachweis seiner Vollmacht entgehen will, oder er den Anschein erwecken will, der Namensträger selbst habe gehandelt 334 . Dies alles zeigt, daß die Beschränkung der Konformitätserwägungen beim Zeichnen mit fremdem Namen auf die Fälle, in denen von vornherein eine Vollmacht des Handelnden für den Namensträger vorlag, den Anwendungsbereich der Geistigkeitstheorie weiter einengt. Der Ausschluß der "nachträglichen Echtheit" einer Urkunde bei späterer Genehmigung durch denjenigen, dessen Name ohne Vollmacht im schriftlichen Rechtsverkehr gebraucht wurde, ist, wie dargelegt, richtig und geboten. Dies zeigt aber, daß das Konformitätsargument 335 , abgesehen von den zuvor festgestellten Fragwürdigkeiten der Übertragung zivil rechtlicher Wirksamkeitskriterien auf strafrechtliche Echtheitserwägungen, noch nicht einmal in allen Fällen, in denen ein Vertreter wirksam den Namensträger bei Zeichnung mit dessen Namen vertritt, konsequent durchgehalten werden kann. b) Konformität bei sonstiger Verwendung eines falschen Namens

Nicht nur in den Fällen des Zeichnens mit fremdem Namen erscheint das die Geistigkeitstheorie stützende Konformitätsargument fragwürdig. Auch bei den übrigen Fällen der Verwendung eines nicht zustehenden Namens 336 erge331 Gerade auf die Möglichkeit der nachträglichen Genehmigung weisen hin: BGHZ 45,193,195; BGH NJW 1966,1915; OLG DüsseldorfNJW 1985, 2484 f.; ErmanlBrox, § 164 Rdn. 8; Flume, AT 11 § 44 IV; Medicus, AT Rdn. 908; Thiele, MK § 164 Rdn. 34 f.; RGRKlSteffen, § 164 Rdn. 9; SoergellLeptien, § 164 Rdn. 23; Staudingerl Dilcher, Vor § 164 Rdn. 88. 332 Der Streit, ob eine direkte oder analoge Anwendung der §§ 164 ff. BGB erfolgt, kann dahingestellt bleiben; s. o. 3. Abschn. FN 235. 333 Vgl. Liesecke, LM § 164 BGB Nr. 27; zwar wurde das Zeichnen mit dem Namen des Vertretenen in älteren Entscheidungen und Äußerungen im Schrifttum noch als häufig vorkommende Gepflogenheit angesehen (s. nur RGZ 74,69 f.; RGZ 81, 1,2; Frank, ZStW Bd. 32, S. 82), es erscheint aber zumindest zweifelhaft, ob diese Sichtweise heute noch richtig ist. Allerdings darf die Entscheidung über Echtheit und Unechtheit solcher Urkunden (und damit u. U. über Strafbarkeit und Straflosigkeit entsprechender Handlungsweisen) nicht von der Häufigkeit der betreffenden Fallkonstellation abhängig gemacht werden. 334 Vgl. Liesecke, LM § 164 BGB Nr. 27; zum Einfluß entsprechender Täterintentionen auf die Echtheitsprüfung s. u. 3. Abschn. I C 4 b aa. 335 Siehe o. 1. Abschn. 11 C 4 b. 336 Wie die strafrechtliche Echtheit oder Unechtheit entsprechender Schriftstücke zu beurteilen ist, wurde oben unter 3. Abschn. I A, B ausführlich dargestellt.

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3. Abschn.: ÜbJicherweise erörterte Anwendungsfälle

ben sich Widersprüche zur eigentlich angestrebten Konformität zwischen Zivil- und Strafrecht. Soweit ersichtlich, wird diese Widersprüchlichkeit aber in Rechtsprechung und Schrifttum nicht weiter zur Kenntnis genommen. Es wurde oben festgestellt, daß die Verwendung eines nicht zustehenden Namens bei Ausstellung eines urkundlichen Schriftstückes in der Regel zur Unechtheit einer solchen Urkunde führt 33? Von diesem Grundsatz waren nur zwei Ausnahmen zu machen: Einer erkennbar anonymen Erklärung (insbesondere Gebrauch eines historischen oder literarischen Namens) mangelt es bereits an der Urkundseigenschaft 338 , und bei Verwendung eines Künstler-, Deck-, Spitz- oder auf Dauer gebrauchten Falschnamens kann eine echte Urkunde vorliegen, wenn der nicht zustehende Name die ihn verwendende Person hinreichend (unter Umständen nur innerhalb eines bestimmten Kreises beteiligter Personen) kennzeichnet 339 . Nun werfen die Fälle der Verwendung eines nicht zustehenden Namens, die nicht zum Zeichnen mit fremdem Namen gehören, in der Regel keine Probleme auf, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Geistigkeitstheorie stehen340 , so daß es erklärbar erscheint, wenn Konformitätserwägungen bei den erörterten Fallkonstellationen nicht angestellt werden. Gerade aber bei vielen Fällen der Verwendung eines nicht zustehenden Namens (ohne Berücksichtigung der Fallgruppe des Zeichnens mit fremdem Namen) ist, gleichgültig für welchen Lösungsansatz man sich bei der Erörterung von Einzelfällen entscheidet, festzustellen, daß häufig unechte Urkunden vorkommen, die dennoch zivilrechtlich wirksam sind; ein Ergebnis, welches das Streben nach Konformität zwischen zivilrechtlicher Wirksamkeit und strafrechtlicher Echtheit (auch wenn dies unter Umständen nur auf die Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen beschränkt wird 341 ) noch weiter in Frage stellt342 . Es handelt sich hierbei insbesondere um die Fälle, die im Zivilrecht im Rahmen der Behandlung des "Handelns unter fremdem Namen"343, zum Teil mit der Bezeichnung "Handeln unter falscher Namensangabe"344 erörtert werden. Hier wird aus zivil rechtlicher Sicht angenommen, daß bei einem VertragsabSiehe die Zusammenfassung unter 3. Abschn. I B 5. Siehe 3. Abschn. I B 1 b bb. 339 Siehe 3. Abschn. I B 2. 340 Siehe einleitend dazu 3. Abschn. I A. 341 Zur Beschränkung des "weiten" auf ein "enges" Konformitätsargument s. u. 3. Abschn. I C 3 c. 342 Es sei hier nochmals an Bockelmann, BT 3 § 12 III 1 b erinnert: "ZivilrechtJich wirksame strafrechtlich als unechte Urkunden zu behandeln, geht nicht an." 343 Siehe dazu die Darstellung der zivilrechtlichen Behandlung dieser Fälle unter 3. Abschn. I C 2 a. 344 Vgl. Erman/Brox, § 164 Rdn. 8; Medicus, AT Rdn. 907; Staudinger/Dilcher, Vor § 164 Rdn. 92; vgl. auch Thiele, MK § 164 Rdn. 38: "Eigengeschäft unter falschem Namen". 337 338

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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schluß trotz mündlicher 345 oder schriftlicher Verwendung eines nicht zustehenden Namens wirksame Verträge mit dem jeweils Handelnden (dem Falschnamensverwender) geschlossen werden. Dies soll insbesondere bei dem Gebrauch von Allerweltsnamen 346 , der Beilegung des frei erfundenen Namens einer nicht existierenden Person347 sowie in den Fällen des fehlenden Namensinteresses gelten 348 • Entsprechendes ist aber auch für die Fälle der Verwendung des Namens einer existierenden Person zu beachten (sei es nun ein Vollmachtgeber oder nicht), wenn die aus der Sicht des Kontrahenten vorzunehmende Auslegung der Erklärung ergibt, daß nicht ein Geschäft des Namensträgers (dessen Wirksamkeit dann von dem Bestehen einer Vollmacht oder einer nachträglichen Genehmigung abhängen würde), sondern ein Eigengeschäft des Handelnden vorliegt3 49 • Immer dann, wenn beim sogenannten "Handeln unter fremdem Namen" zivilrechtlieh gesehen ein wirksames Eigengeschäft des Handelnden vorliegt, kann es vorkommen, daß ein für dieses Rechtsverhältnis bedeutsames, urkundliches Schriftstück, das der Handelnde mit dem ihm nicht zustehenden Namen versehen hat, dennoch eine unechte Urkunde darstellt 35o • So wird zum Beispiel nach allen oben angeführten Ansichten 351 die Herstellung einer unechten Urkunde angenommen, wenn sich jemand bei der Unterschrift in einem Hotelmeldebuch einen falschen Namen zulegt, um sich der späteren Inanspruchnahme aus den Vertragspflichten (insbesondere der Zahlung des Entgelts) zu entziehen352 • Zivilrechtlich gesehen bestehen hier nicht die geringsten Zweifel, daß der Hotelier mit dem Handelnden einen wirksamen Beherbergungsvertrag abschließt, der den Han345 Im Rahmen der Erörterungen zur Herstellung einer Urkunde ist der mündliche Falschnamensgebrauch naturgemäß unerheblich. 346 Siehe Medicus, AT Rdn. 907; Thiele, MK § 164 Rdn. 38; PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d bb; StaudingerlDilcher, Vor § 164 Rdn. 88. 347 Siehe Medicus, AT Rdn. 907; Thiele, MK § 164 Rdn. 38; PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d bb; SoergellLeptien, § 164 Rdn. 22; StaudingerlDilcher, Vor § 164 Rdn.88. 348 Siehe Flume, AT 11 § 44 IV; PalandtlHeinrichs, § 164 Anm. 1 d bb; SoergellLeptien, § 164 Rdn. 22; StaudingerlDilcher, Vor § 164 Rdn. 92. Häufigstes Beispiel für entsprechende Fälle ist, ähnlich wie im strafrechtlichen Schrifttum, das Abschließen eines Beherbergungsvertrages unter einem Falschnamen: Siehe dazu auch neben den eben Genannten: Medicus, AT Rdn. 907. 349 Siehe dazu die Ausführungen oben 3. Absehn. I C 2 a, b sowie der lapidare Hinweis bei Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 144 a. E., daß in den Fällen der Eigenwirkung eine Urkundenfälschung vorliege. 350 Dies wird also regelmäßig der Fall sein bei Verwendung von Allerweltsnamen (zur Unechtheit entsprechender Urkunden s. o. 3. Abschn. I B 1 b ce), bei fehlendem Namensinteresse der Kontrahenten (zur Unechtheit bei Falschnamensgebrauch in diesen Fällen s. o. 3. Abschn. I B 4) sowie bei Beilegung eines Namens einer nicht existierenden Person (s. dazu der Grundsatz unter 3. Abschn. I A). 351 Oben 3. Abschn. I B 3 b. 352 Sei es, daß man die Unechtheit nun allein aufgrund des täuschenden Namensgebrauchs oder auch aufgrund der Intention des Täters bejaht (s. o. 3. Abschn. I B 3 b aa).

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

deinden zur Entgeltzahlung verpflichtet 353 . Der bloße stillschweigende Vorbehalt, nicht zahlen zu wollen, ist für den Vertragsschluß völlig irrelevant 354 . Dies alles zeigt, daß bei den Fällen der Verwendung eines nicht zustehenden Namens (mit Ausnahme der Fallgruppe des Zeichnens mit fremdem Namen)355 Erwägungen zur Konformität zwischen Zivil-und Strafrecht zu Recht keine Rolle spielen355a . Dies liegt daran, daß im Strafrecht die Verwendung eines nicht zustehenden Namens auf einem urkundlichen Schriftstück in der Regel zur Unechtheit führt3 56 , im Zivilrecht dagegen eine korrekte Namensnennung nicht unbedingt Wirksamkeitsvoraussetzung einer vertraglichen Vereinbarung ist. Vielmehr reichen zu einem Vertragsschluß zunächst einmal zweP57 miteinander korrespondierende Willenserklärungen der Vertragspartner aus 358 . So führt zum Beispiel eine schriftliche Warenbestellung, die vom Besteller unter Verwendung des Namens einer nicht existierenden Person aufgegeben wurde, bei Annahme dieser Erklärung durch den Warenlieferanten zu einem wirksamen schuldrechtlichen Vertrag. Würde man auf diese zivilrechtliehe Wirksamkeit das Argument stützen, das mit nicht zustehendem Namen ausgefüllte Bestellformular (das ein Teil des Vertrages ist) müsse dann auch eine echte Urkunde sein, so könnte die Benutzung eines falschen Namens in vielen Fällen nicht mehr nach § 267 StGB geahndet werden. Eine entsprechende Ansicht wird aber nicht vertreten, sie liefe zudem dem von § 267 StGB betroffenen Rechtsgut 359 vollkommen zuwider! Hinzu kommt, daß die strafrechtliche Entscheidung über Echtheit oder Unechtheit einer urkundlichen Erklärung nicht durch nachträglich eintretende Umstände wandelbar ist 360 , während im Zivilrecht wesentlich flexibler auf 353 Vgl. RGRK/Steffen, § 164 Rdn. 9 (Eigengeschäft trotz Falschnamensgebrauch zu dem Zweck, sich den vertraglichen Pflichten zu entziehen); s. ferner die oben FN 348 Genannten. 354 Siehe § 116 BGB; auch ansonsten spielt die Täterintention bei der Beurteilung der Wirksamkeit keine Rolle: s. Thiele, MK § 164 Rdn. 38 (Wirksames Eigengeschäft des Handelnden trotz Absicht zur Identitätstäuschung); sowie Ohr, AcP Bd. 152,216, 223. 355 3. Abschn. I A, B. 3550 Siehe aber neuerdings Puppe, JuS 1989,361 zu dem Fall BayObLG NJW 988, 1401, wo sie darlegt, daß dort die zivilrechtliche Wirksamkeit einer nicht in rechtsgeschäftlicher Vertretung geleisteten Unterschrift mit fremdem Namen aufgrund von Überlegungen zum Rechtsrnißbrauch zu bejahen sei, und die strafrechtliche Echtheitsbestimmung an diese zivilrechtliehe Vorentscheidung gebunden sein müsse! In jenem Fall soll aber - so Puppe a. a. O. - die zivilrechtliche Zurechnung nicht gegenüber dem Handelnden, sondern gegenüber dem Namensträger erfolgen (s. dazu auch unten FN 423). 356 Siehe o. 3. Abschn. I A, B. 357 Bei Mehrpersonenverträgen können dies natürlich auch mehr als zwei Willenserklärungen sein. 358 Vgl. nur Kramer, MK Vor § 145 Rdn. 22; PalandtlHeinrichs, Einf. vor § 145 Anm. 1 a. 359 Siehe o. 1. Abschn. III D: Vertrauen auf Authentizität von Urkunden.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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eine Diskrepanz zwischen Handelndem und Namensträger bei Bejahung eines Eigengeschäfts des Handelnden reagiert werden kann. So berechtigt ein Irrtum über die Identität eines Vertragspartners unter Umständen zur Anfechtung der auf diesem Irrtum beruhenden Willenserklärungen nach § 119 1361 oder § 123 BGB362. Bis zu einer solchen Anfechtung (innerhalb der Anfechtungsfrist nach §§ 121, 124 BGB) sind Verträge, die auf solchen anfechtbaren Willenserklärungen beruhen, wirksam, aber durch Ausübung des Anfechtungsrechtes rückwirkend vernichtbar 363 . Dies alles zeigt, daß eine Konformität zwischen zivilrechtlicher Wirksamkeit und strafrechtlicher Echtheit von Urkunden in diesem Bereich (Unechtheit wegen Verwendung eines Falschnamens, aber wirksames Eigengeschäft des Handelnden) undenkbar ist. c) Beschränkung des Konformitätsarguments auf bestimmte FäUe der SteUvertretung?

Insbesondere die eben aufgezeigte Kritik an den Konformitätserwägungen der Geistigkeitstheorie könnte nun den Einwand hervorrufen, daß das Konformitätsargument so weit, wie dies unter 3. Abschn. I C 3 b verstanden wurde, gar nicht gemeint sei. Man wolle mit dieser Erwägung nicht jedwede zivilrechtliche Wirksamkeit einer schriftlichen Erklärung zum Ausgangspunkt für die strafrechtliche Beurteilung der Echtheit einer solchen Urkunde machen, vielmehr solle nur die zivilrechtliche Zurechnung von Willensäußerungen eines Vertreters als Erklärungen des Vertretenen beim strafrechtlichen Ausstellerbegriff erfaßt und in die Echtheitsfeststellung einbezogen werden. In der Tat ist eine entsprechende Differenzierung zwischen einem "weiten" und einem "engen" Konformitätsargument bei Betrachtung des Schrifttums möglich 364 , was aber zum Teil lediglich darauf zurückzuführen sein 360 Siehe o. die Ausführungen zur nachträglichen Genehmigung der vollmachtlosen Verwendung eines fremden Namens durch den Namensträger: 3. Abschn. I C 3 a cc. 361 Vgl. Kramer, MK § 119 Rdn. 65; PalandtlHeinrichs, § 119 Anm. 5 b. 362 Vgl. Soergel/Hejermehl, § 123 Rdn. 4. 363 Vgl. Mayer-Maly, MK § 142 Rdn. 2; PalandtlHeinrichs, Überbl. vor § 104 Anm. 4 d aa. 364 Das "weite" Konformitätsargument (zivilrechtlich wirksam ist strafrechtlich echt) wird vertreten von Bocke/mann, BT 3 § 12 III 1 b; Schänke, FG Kohlrausch, S. 253, 255 f.; ebenso wohl auch Schroeder, GA 1974, 225, 229 f. (Zur strafrechtlichen Akzessorietät hinsichtlich der zivilrechtlichen Behandlung der Fälle einer erzwungenen Unterschrift sowie zur Bezeichnung der Geistigkeitstheorie als "materiell-zivilrechtsbezogene" Theorie); Widmann, Unechte Urkunde, S. 91, wobei die beiden letztgenannten Autoren zugleich auch das "enge" Konformitätsargument, welches logisch vom "weiten" umfaßt wird, erwähnen: s. Schroeder, GA 1974, 225, 230; Widmann, Unechte Urkunde, S. 100. Siehe auch bereits Pagel, Fälschung, S. 8, der aber die verdeckte Stellvertretung wegen eines Verstoßes gegen § 164 II BGB nicht als wirksam ansieht und daher problemlos die Unechtheit beim (verdeckten) Zeichnen mit fremdem Namen bejahen kann (Fälschung, S. 31 f.). Das "enge" Konformitätsargument (eine zivilrechtlich zurechenbare Vertretererklärung ist eine echte Urkunde des Vertretenen

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

dürfte, daß die Erörterung dieses Gesichtspunktes eben typischerweise nicht allgemein gehalten ist, sondern an den speziellen Fällen der Stellvertretung bei der Urkundenherstellung (insbesondere der verdeckten Stellvertretung) festgemacht wird. Der genannte denkbare Einwand kann aber nicht durchgreifen, da die zivilrechtlichen Regeln der Zurechnung einer Erklärung eines Vertreters offenbar auch nicht immer Einfluß auf die Ausstellerbestimmung und damit auf die Echheitsprüfung haben. Oben wurde bereits ausführlich dargelegt, daß gerade bei der offenen Stellvertretung keine Akzessorietät zwischen den zivilrechtlichen Vertretungsvorschriften und der strafrechtlichen Ausstellerbestimmung bestehen kann; daß ein solcher Gleichklang von zivilrechtlicher Zurechnung und Ausstellerbestimmung in jenen Fällen sogar mit dem von § 267 StGB betroffenen Rechtsgut unvereinbar wäre 365 • Somit zeigt sich, daß das "Konformitätsargument" nicht auf die Erklärungszurechnung im Vertretungsfalle bei der Urkundenherstellung reduziert werden kann. Nun ist aber eine weitere Reduktion dieses Ansatzes denkbar, nämlich dergestalt, daß man lediglich die zivilrechtliche Wirksamkeit einer verdeckten Stellvertretung als Grund für die Echtheit entsprechender Urkunden heranzieht 366 . Bereits die obigen Ausführungen zu den zahlreichen Fällen, in denen zivilrechtliche Wirksamkeit und strafrechtliche Echtheit einander nicht entsprechen367 , zeigen auf, daß dies allein kein Grund sein kann, nur für die Fälle bzw. die Zu lässigkeit verdeckter Stellvertretung führt zur Echtheit entsprechend hergestellter Urkunden) wird bereits von v. Liszt/Schmidt, § 161 I 1 a FN 3 angeführt. Siehe ferner: Paeffgen, JR 1986,114,117 f.; Puppe, Jura 1979, 630, 638; dies., JR 1981,441; dies., Jura 1986,22,23 FN 3; dies., JZ 1986, 938, 943; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 55; ebenso, wenn auch nicht so deutlich: Arzt, LH 4 Rdn. 482; Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 III 2 b; Otto, BT § 70 11 c bb; Puppe, NJW 1973,1870,1871; Scheiber, Urkundenherstellung, S. 30 f.; Wesseis, BT 1 § 18 III 1 b; s. auch, trotz Ablehnung der Geistigkeitstheorie Frank, ZStW Bd. 32,82,95. Neuerdings wieder weiter: Puppe, JuS 1989, 361, die eine Bindung an zivilrechtliehe Vorentscheidungen bei Erklärungszurechnungen nicht nur bei der verdeckten Stellvertretung, sondern auch bei anderen Konstellationen des zivilrechtlichen "Handeins unter fremdem Namen" bejaht (zu diesem zivilrechtlichen Institut s. o. 3. Abschn. I c 2 a; zur Kritik an der Begriffsbildung bei Puppe s. o. 1. Abschn. FN 87,3. Abschn. FN 234). 365 Siehe o. 2. Abschn. II. 366 So in der Tat Puppe, Jura 1979, 630, 638; dies., JR 1981, 441; dies., Jura 1986,22, 23, FN 3; dies., JZ 1986, 938, 943 (obwohl in dem letztgenannten Beitrag an der entsprechenden FundsteIle eine Entscheidung besprochen wird, der ein Fall der offenen Stellvertretung zugrundeliegt; s. dazu oben 2. Abschn. II B FN 28); s. auch dies., JuS 1989, 361; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 139, 147 ff. (Echtheit einer mit fremdem Namen unterzeichneten Urkunde bei Wirkung für den Namensträger im Fall von Dispositivurkunden bzw. Haftung des Namensträgers bei Zeugnisurkunden; zu dieser Differenzierung s. o. 3. Abschn. I C 1 b); ebenso wohl auch Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 55; Wesseis, BT 1 § 18 III 1 b. 367 Siehe 3. Abschn. I C 3 a, b. Zusätzlich kommen weitere, bislang nicht erörterte Verstöße gegen den Konformitätsgrundsatz in Betracht: In den Fällen der Erzwingung oder des Erschleichens einer Unterschrift (s. dazu insbesondere Schroeder, GA 1974,

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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des Zeichnens mit fremdem Namen eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz zu machen, daß die Verwendung eines nicht zustehenden Namens zur Unechtheit einer entsprechend hergestellten Urkunde führen müsse 368 • Nun erwecken einige Darstellungen im Schrifttum noch zusätzlich den Anschein, als wolle man die Konformitätserwägungen beim Zeichnen mit fremdem Namen sogar nur auf diejenigen Einzelfälle beschränken, bei denen der Vertretene den Vertreter ausdrücklich angewiesen oder ihm zumindest ausdrücklich die Erlaubnis erteilt hat, mit dem Vertretern amen zu zeichnen 369 . Dieser Eindruck dürfte aber zumeist durch die verhältnismäßige Knappheit der Darstellungen zu diesem Problembereich hervorgerufen werden. Eine sachliche Rechtfertigung würde hierfür auch nicht bestehen. So wurde bereits oben370 dargelegt, daß es für die zivilrechtliche Zurechnung einer Erklärung, die ein Vertreter unter dem Namen des Vertretenen abgibt, nicht darauf ankommt, ob der Vertretene die Verwendung seines Namens ausdrücklich gestattet oder gar verlangt hat. Vielmehr wurde festgestellt, daß es für die Zurechnung lediglich auf die Sicht des Erklärungsempfängers sowie das Bestehen einer Bevollmächtigung, gleichgültig, welchen Umfangs, des Handelnden durch den Namensträger ankommt. 225) kommen Fälle vor, in denen wirksame, wenn auch nach § 123 BGB anfechtbare, schriftliche Erklärungen zugleich unechte Urkunden sind (z. B. Erzwingung einer Unterschrift); gleiches gilt für das abredewidrige Ausfüllen eines Blanketts, was zur zivilrechtlichen Haftung (s. nur PalandtlHeinrichs, § 173 Anm. 3 d), also zur Wirksamkeit führt, dennoch aber strafrechtlich als Herstellen einer unechten Urkunde beurteilt wird (s. nur Trändie, LK § 267 Rdn. 137 ff.) (Zu den genannten Fällen s. zudem unten 4. Abschn. III). 368 Zu diesem Grundsatz s. o. 3. Abschn. I A. 369 Siehe die Darstellungen bei DreherlTrändle, § 267 Rdn. 18 (" ... (Herrühren) von der Person, die er (der Aussteller) befugterweise zur Leistung seiner Unterschrift ermächtigt hat. "); Hassemer, JuS 1986,72 ("Schließlich dürfen Urkunden auch im Auftrag des Namensträgers mit dessen Namen von einem Dritten unterzeichnet werden. "); Puppe, Jura 1979,630,639; vgl. dies., Jura 1986,22,23 f. (" ... Namensträger wird ... zum Aussteller, wenn er den anderen zur Abgabe der Erklärung unter seinem Namen ermächtigt hat ... "); Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 23 (" ... , daß das Unterzeichnen mit einem fremden Namen dann keine Fälschung darstellt, wenn der Träger des betreffenden Namens den Unterzeichnenden dazu beauftragt hat. ") sowie dies., Fälschungsbegriff, S. 151, allerdings beschränkt auf Zeugnisurkunden (zu dieser Differenzierung s. o. 3. Abschn. lei b) ("Der Namensträger hat die Anregung oder den Auftrag zur Fremdzeichnung erteilt ... "); Samsan, JuS 1970,369,375; vgl. ders., JA 1979, 658, 660; sowie ders., SK § 267 Rdn. 53 ("Wer im Auftrag des Namensträgers mit dessen Namen unterzeichnet, begeht keine Urkundenfälschung ... "); Seier, JA 1979, 133, 138 (" ... Fall ... , in dem der Namensberechtigte dem Täter ein Zeichnen unter fremdem Namen erlaubt ... "); s. auch OLG Hamm NJW 1973, 634 (" ... echte Urkunde ... , wenn ein Dritter aufgrund einer im Einzelfall zulässigen Ermächtigung des Namensträgers dessen Namenszug unter das Schriftstück setzt. "). Auch in diese Richtung weisend, aber nicht so eindeutig: Blei, BT § 80 III 1 b; Ouo, BT § 70 I 1 c bb; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 58 (soweit diese von einer Vertretung "in der" .oder "bei der" Unterschrift sprechen); s. ferner Schänke, FG Kohlrausch, S. 253,258; Wetzei, § 60 All a a. 370 Siehe 3. Abschn. I C 2 b.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

Zudem sind keine strafrechtlichen Erfordernisse ersichtlich, die es notwendig machen würden, den Bereich des Zeichnens mit fremdem Namen auf die Fälle zu beschränken, in denen der Vollmachtgeber den Bevollmächtigten ausdrücklich zum Gebrauch des fremden Namens anweist. So ergibt sich zum Beispiel aus der Entscheidung des Reichsgerichts vom 9. 12. 1940371 , einem Urteil, das die Grundlage für die heute fast allgemein akzeptierten Voraussetzungen eines zu einer echten Urkunde führenden Zeichnens mit fremdem Namen bildet372 , ebenfalls nichts für eine entsprechende Einschränkung. Zwar deutet der zweite Leitsatz der Entscheidung eine solche Möglichkeit an, da dort von einer "Ermächtigung zum Unterzeichnen mit fremdem Namen" gesprochen wird 373 ; die Urteilsgründe tragen eine Differenzierung, wie sie hier angedeutet wurde, aber nicht. Aus den Gründen der Entscheidung ergibt sich lediglich, daß der in jenem Fall wegen Urkundenfälschung angeklagte Täter eine Generalvollmacht desjenigen hatte, dessen Namen er bei der Ausstellung von Urkunden verwendete 374 • Nirgendwo im Schrifttum finden sich aber Zweifel daran, daß es sich bei jenem Sachverhalt um einen Fall des Zeichnens mit fremdem Namen handelte. Immerhin könnte man fragen, ob denn die Generalvollmacht des Unterzeichners in jenem Fall auch die ausdrückliche Ermächtigung zum Fremdnamensgebrauch beinhaltete. Offenbar wird eine solche Differenzierung nicht für nötig gehalten; sie wäre auch angesichts der identischen zivilrechtlichen Folgen widersinnig. Somit bleibt festzustellen, daß in den Fällen des Zeichnens mit fremdem Namen eine jede Vollmacht ausreichen muß, damit nach dem Ansatz der Geistigkeitstheorie die Echtheit einer entsprechenden Urkunde bejaht werden kann; einer besonderen Anweisung zum Gebrauch des fremden Namens oder einer ausdrücklichen Ermächtigung hierzu bedarf es nichP75. Ein Zeichnen mit fremdem Namen, welches nach der Geistigkeitstheorie zur Urkundenechtheit führt, wird also auch dann vorliegen, wenn der Namensträger überhaupt keine Kenntnis davon hat, daß sein Vertreter seinen, den Namen des Geschäftsherrn, verwendet. Dies zeigt, daß eine Beschränkung der Konformitätserwägungen auf bestimmte Verrtretungsfälle nicht möglich ist. Die aufgezeigten Widersprüche bezüglich der Akzessorietät zwischen zivil rechtlicher Wirksamkeit und strafrechtlicher Echtheit lassen sich also auch auf dem Weg der Eingrenzung auf bestimmte Einzelfälle nicht vermeiden.

RGSt 75, 46. Zu diesen Voraussetzungen, ihrer allgemeinen Billigung sowie der möglichen Kritik s. u. 3. Abschn. I C 4 b. 373 RGSt 75, 46, 47. 374 RGSt 75, 46, 47 ff. 375 Siehe bereits RGSt 45,327,328; vgl. auch Bockelmann, BT 3 § 12 III 1 b; Frank, ZStW Bd. 32,82,84 f.; Trändie, LK § 267 Rdn. 23. 37\

372

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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d) Ungeeignetheit der Konformitätserwägungen für den Echtheitsbegrift' des § 267 StGB

Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, welche Unsicherheiten entstehen, wenn versucht wird, die strafrechtliche Echtheit von Urkunden beim Zeichnen mit fremdem Namen mit dem Hinweis auf die zivilrechtliche Wirksamkeit der verdeckten Stellvertretung zu begründen 376 • So hat sich gezeigt, daß eine problemlose Übernahme der zivil rechtlichen Erwägungen zur Wirksamkeit schon durch das Rechtsgut des § 267 StGB ausgeschlossen ist. Das auf Interessenausgleich ausgerichtete Zivilrecht kann aufgrund der Flexibilität und Relativität der Rechtsfolgen nur schwerlich ein Maßstab für die endgültige Entscheidung über die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde sein. Zudem wurde deutlich, daß auch außerhalb der Fallgruppe des Zeichnens mit fremdem Namen, bei der sonstigen Verwendung eines nicht zustehenden Namens, wie auch schon bei der Untersuchung der offenen Stellvertretung im 2. Abschn. 11 D, Konformitätserwägungen zwischen zivilrechtlicher Wirksamkeit und strafrechtlicher Echtheit keine Rolle spielen. Vergegenwärtigt man sich aber dann zusätzlich die bereits aufgezeigte Tatsache, daß die Wirksamkeit einer Vertretererklärung unter dem Namen des Vertretenen mit Eintritt der Rechtswirkungen für den Letztgenannten eine Ausnahmeentscheidung im Zivilrecht darstellt 377 , so läßt dies vollends an der Berechtigung der Konformitätserwägungen als sachgerechter Grundlage der Geistigkeitstheorie zweifeln. Die allgemein verbreitete Berufung auf die Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen als wesentlicher Ansatz dafür, daß sich die Ausstellerbestimmung in § 267 StGB generell nach dem "geistigen Herrühren" einer urkundlichen Erklärung zu richten habe 378 , ist damit sehr fragwürdig. Konformitätserwägungen können dafür jedenfalls nicht herangezogen werden. Allerdings ist zur endgültigen Beurteilung der Geistigkeitstheorie noch eine genauere Analyse der einzelnen Voraussetzungen erforderlich, die üblicherweise in Schrifttum und Rechtsprechung geprüft werden und mit denen die Echtheit einer Urkunde im Falle des Zeichnens mit fremdem Namen begründet wird 379 .

376 Der Ausdruck Paeffgens in JR 1986,114 vom "Sumpf der Unklarheiten ... um die ,Geistigkeitstheorie'" ist daher auch durchaus treffend. 377 Siehe 0.2. Abschn. II A zur grundsätzlichen Gültigkeit des Offenkundigkeitsprinzips bei der Stellvertretung. 378 Zur Verbreitung des Ansatzes, die Ausstellerbestimmung generell nach dem "geistigen Herrühren" zu bestimmen s. o. 1. Abschn. II C 1. 379 Siehe insbesondere unten 3. Abschn. II C 4 b.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

4. Verwendung des Namens einer vertretenen natürlichen Person (Verdeckte Vertretung) Nachdem die Konformitätserwägungen der Geistigkeitstheorie einer kritischen Würdigung unterzogen worden sind, ist im folgenden zu untersuchen, wie im Einzelfall die Echtheit einer mit dem Namen des Vertretenen vom Vertreter gezeichneten Urkunde bestimmt werden muß. Dabei soll, ebenso wie bei den obigen Ausführungen zur offenen Stellvertretung380 , danach differenziert werden, ob eine natürliche Person oder eine Firma beziehungsweise eine Behörde (verdeckt) vertreten wird. Die obige Darstellung hat gezeigt, daß die Bestimmung der Ausstellereigenschaft des jeweils Vertretenen zumindest bei der offenen Stellvertretung nicht für beide Fälle vollkommen gleich sein kann. Soweit ersichtlich, wird eine entsprechend differenzierte Behandlung der Fälle des Zeichnens mit fremdem Namen bislang in Schrifttum und Rechtsprechung nicht vorgenommen. Die Erörterung von Einzelproblemen findet zumeist anhand von Fällen statt, bei denen eine natürliche Person verdeckt vertreten wird; die verdeckte Stellvertretung von Firmen wird aber seit der Entscheidung des BGH vom 21. 3. 1985 381 zunehmend beachtet382 • Dennoch werden aber im folgenden zunächst die Fälle der verdeckten Stellvertretung natürlicher Personen besprochen, wobei dort eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen erfolgen wird, nach denen ganz überwiegend die Echtheit von Urkunden beim Zeichnen mit fremdem Namen bejaht wird. Erst anschließend wird auf die verdeckte Stellvertretung von Firmen und Behörden einzugehen sein. Für beide Konstellationen wird dabei, entsprechend der oben dargelegten Begriffsunterscheidung383 , zunächst nach dem Anscheinsaussteller, sodann nach dem Urheber einer mit fremdem Namen gezeichneten Urkunde zu fragen sein. a) Der AnscheinsaussteUer beim Zeichnen mit fremdem Namen

Anders als bei der offenen Stellvertretung bereitet die Bestimmung des Anscheinsausstellers in den Fällen, in denen eine natürliche Person unter Verwendung ihres Namens von einem Bevollmächtigten vertreten wird, keine Schwierigkeiten. Das Hauptproblem der Ausstellerbestimmung bei der offeSiehe o. 2. Abschn. 11 D. BGHSt 33, 159. 382 Siehe die Besprechungen der vorgenannten Entscheidung: Paeffgen, JR 1986, 114; Puppe, Jura 1986, 22; dies., JZ 1986, 938, 942; Weidemann, NJW 1986, 1976. Kurze Erörterungen auch bei Hassemer, JuS 1986, 72 und Sonnen, JA 1986, 54. Eine weitere Darstellung der Entscheidung findet sich bei Pelchen, LM § 267 StGB 1975 Nr. 2, wobei dort nicht deutlich wird, ob es sich um eine bloße Zusammenfassung oder um eine zustimmende Besprechung handelt. 383 Zu der Begriffsunterscheidung "Anscheinsaussteller" und "Urheber" s. o. 1. Abschn. I A. 380 381

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nen Stellvertretung, die sogenannte "Doppelindividualisierung"384, existiert bei der verdeckten Stellvertretung natürlicher Personen nicht. Sie zeichnet sich gerade dadurch aus, daß auf einem urkundlichen Schriftstück eben nur der Name des Vertretenen auftaucht. Lediglich dieser Namensträger kommt also in den Fällen der verdeckten Stellvertretung natürlicher Personen als Anscheinsaussteller in Betracht385 . Anders ausgedrückt läßt sich also sagen, daß ein Schriftstück, das lediglich den Namen einer natürlichen Person 386 trägt, auch von ihr herzurühren scheint. Insoweit bewegen sich die Fälle der verdeckten Stellvertretung natürlicher Personen vollkommen innerhalb der üblichen Betrachtungsweise zur Feststellung des sich aus der Urkunde ergebenden Anscheinsausstellers. Ein urkundliches Schriftstück erweckt also bei verdeckter Stellvertretung des Namensträgers, dessen Name vom Vertreter verwendet wurde, den Anschein, als rühre es unmittelbar vom Namensträger her. Dabei ist das Vertrauen eines potentiellen Urkundsempfängers grundsätzlich darauf gerichtet, dieser erkennbare Aussteller sei auch derjenige, der diese urkundliche Erklärung tatsächlich hervorgebracht hat 387 . Es kann aber der Grad des Vertrauens durchaus von verschiedener Intensität sein: Trägt ein urkundliches Schriftstück lediglich eine Ausstellerangabe im Briefkopf387a , so ist jedermann die Möglichkeit bewußt, daß unter Umständen eine andere Person als der Namensträger (wahrscheinlich) mit Befugnis diese Erklärung unter Verwendung des Briefkopfes erstellt hat. Die Betrachtung des Namensträgers als Anscheinsaussteller (und eventuell als nur scheinbarer Aussteller) beeinflußt dies aber nicht. Anders ist dagegen das Vertrauen bei einem urkundlichen Schriftstück zu bewerten, das eine handschriftliche Namensunterzeichnung aufweist. Hier wird man unterstellen können, daß der normale Teilnehmer am Rechtsverkehr davon ausgeht, die handschriftliche Unterzeichnung sei vom Namensträger selbst eigenhändig vollzogen worden 388 . Festzuhalten bleibt somit, daß in Dazu s. o. 2. Abschn. II Dia, 2 b. Dieses Ergebnis wird, soweit ersichtlich, an keiner Stelle in Rechtsprechung und Schrifttum bezweifelt. 386 Wie bereits erwähnt (s. o. 2. Abschn. II B FN 37) gibt es auch Gemeinschaftsurkunden mit mehreren Ausstellern (z. B. Vertragsurkunden mit Unterschriften aller Parteien). Für diese Fälle gilt natürlich alles Erörterte jeweils für die einzelne AusteIlerangabe. 387 Zum Vertrauen des Rechtsverkehrs auf die Authentizität von Urkunden s. o. l. Abschn. III D. 387. Zum Ausreichen eines Briefkopfes als Ausstellerangabe bei Urkunden, die üblicherweise keine Unterschrift enthalten, s. o. 3. Abschn. FN 6. 388 Erstaunlicherweise findet diese Selbstverständlichkeit fast nur Erwähnung bei Erörterungen, die der Geistigkeitstheorie zu widersprechen versuchen: vgl. Boldt, DR 1941, 992, 993; Frank, ZStW Bd. 32, 82, 94; ders., § 267 Anm. V 1 b; Pagel, Fälschung, S. 32; Ranft, Echtheit, S. 91,94. Siehe aber auch OLG Stettin JW 1925, 2376, 384 385

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

allen Fällen der verdeckten Stellvertretung natürlicher Personen, sei es nun durch Unterzeichnung mit dem Namen des Vertretenen oder durch sonstige Verwendung des Namens für die Ausstellerangabe, der Namensträger, dessen Name vom Vertreter gebraucht wurde, als der Anscheinsaussteller anzusehen ist. b) Der Urheber beim Zeichnen mit fremdem Namen

Das zentrale Problem bei der verdeckten Stellvertretung natürlicher Personen ist nun aber die Bestimmung des Urhebers der Urkunde. Hierbei wird im heutigen Schrifttum sowie in der neue ren Rechtsprechung unter Zurückweisung einer rein körperlichen Betrachtungsweise389 , unter Verwendung der vielfältigen und verwirrenden Begriffe, die sich um die sogenannte Geistigkeitstheorie ranken 39o , sowie unter Hinweis auf die zivilrechtliche Zulassung der verdeckten Stellvertretung391 , der Namensträger (im Normalfall) zugleich auch als Urheber der Urkunde angesehen. Mit dieser Begründung wird ein in verdeckter Stellvertretung gefertigtes Schriftstück aufgrund der Identität von Urheber und Anscheinsaussteller somit als echte, vom Namensträger herrührende urkundliche Erklärung bewertet392 •

2377. An dieser Betrachtungsweise hat auch die zivilrechtliche Zulassung der "fremdhändigen" und dennoch als "eigenhändig" geltenden Unterschrift im Rahmen des § 126 BGB nichts ändern können (Nachweise oben 3. Abschn. I C 3 a bb FN 311). Ausdrücklich bestritten wird der Anschein der Eigenhändigkeit einer Namensunterschrift nur von Waldeyer, Zeichnen mit fremdem Namen, S. 23. Er vertritt dabei die eigenwillige These, daß eine handschriftliche Unterzeichnung ebensogut den Anschein erwecke, von einem Vertreter herzurühren; die handschriftliche Unterzeichnung sei soullpersönlieh wie ein Stempelabdruck! 389 Nach der körperlichen Betrachtungsweise muß der verdeckt auftretende Vertreter als Urheber sowie die von ihm hergestellte Urkunde wegen der Nichtidentität mit dem Anscheinsaussteller als unechte Urkunde angesehen werden (zur sog. Körperlichkeitstheorie s. bereits oben 1. Abschn. II A). 390 Siehe dazu insbesondere oben 1. Abschn. II CI, 2. 391 Zum sog. Konformitätsargument s. o. 1. Abschn. II C 4 b sowie insbesondere die Kritik unter 3. Abschn. I C 3. 392 So im Ergebnis die heute einhellige Meinung: Arzt, LH 4 Rdn. 482; Benfer, BT II Rdn. 261; Blei, BT § 80 III 1 b; Bockelmann, BT 3 § 12 III 1 b; Dähn, StGB § 267 Anm. 2; DreherlTröndle, § 267 Rdn. 18; Eser, IV Nr. 19 A 40; Haft, BT § 29 II 2; KohlrauschlLange, § 267 Anm. IV 2; Kienapfel, Urkunden I, S. 219 FN 3; Krey, BT 1 Rdn. 710; Lackner, § 267 Anm. 3 a; Tröndle, LK § 267 Rdn. 19; MaurachlSchroeder, BT 2 § 65 III 2 b; Ohr, JuS 1967, 255, 256f.; DUo, BT § 70 I 1 c bb; ders., JuS 1987, 761,764; ders., JK § 267/11; Preisendanz, StGB § 267 Anm. II 1 b; Puppe, Jura 1979, 630, 637 f.; dies., JR 1981,441; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 139 ff., 147 ff. (allerdings differenzierend nach Dispositiv- und Zeugnisurkunden; s. dazu oben 3. Abschn. I C 1 b); Sauer, BT S. 196 f.; Schmidhäuser, BT 14/13; Schönke, FG Kohlrausch, S. 253,258; SchlSchlCramer, § 267 Rdn. 55; Seier, JA 1979, 133, 138; Stehling, Urkundenfälschung, S. 81; Welzel, § 60 A I 1 a a; Wessels, BT 1 § 18 III 1 b; Widmann, Unechte Urkunde, S. 97, 156. Ebenso wohl auch (die h. M. allerdings mit kritischen

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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Dabei wird mit diesem Lösungsansatz, bei dem aufgrund der zivilrechtlichen Zurechnung der verdeckt Vertretene als "geistiger Aussteller" angesehen wird, nicht bloß pauschal auf die oben ausführlich diskutierten Konformitätserwägungen Bezug genommen, sondern es werden zumeist spezielle strafrechtliche Voraussetzungen aufgezählt, die erfüllt sein müssen, wenn ein zu einer echten Urkunde führendes Zeichnen mit fremdem Namen vorliegen soll. Diese drei Voraussetzungen, die auf Ausführungen von Kohlrausch 393 zurückgehen, werden heute unter Berufung auf die Entscheidung des RG vom 9. 12. 1940394 sowohl im überwiegenden Schrifttum395 als auch in der zeitlich Anmerkungen zitierend): Samson, JuS 1970,369,375; ders., JA 1979, 658, 660; ders., SK § 267 Rdn. 52, 58. Siehe dementsprechend die Rechtsprechung nach der Entscheidung RGSt 75, 46: RGSt 75, 314, 316; RGSt 76, 125, 126 mit insoweit zustimmender Anmerkung von Mittelbach DR 1942, 1149; offenbar auch BGH vom 2. 2. 19542 StR 483/53 (zitiert nach Pfeiffer/MauIlSchulte, § 267 Nr. 3); s. zudem BGHSt 33, 158, 161 (allerdings zur verdeckten Stellvertretung juristischer Personen; dazu s. u. 3. Abschn. I C 5); sowie BayObLG NJW 1988, 1401; OLG Hamm NJW 1973, 634; OLG Oldenburg JR 1952, 410; OLG Stuttgart NJW 1951, 206. Im Ergebnis ebenso aber bereits schon die ältere Rechtsprechung: RGSt 5, 151, 152; RGSt 15,4,8; RGSt 16,325,326; RGSt 26, 220; RGSt 33,397 f. (allerdings zu juristischen Personen); RGSt 37, 196, 197; RGSt 43, 348, 349; RGSt 45, 327, 328; RGSt 69, 117; RG GA Bd. 37, 281, 282; RG GA Bd. 57,205 f.; RG HRR 1934, Nr. 153; RG JW 1931,1196,1197; RG JW 1931, 1578, 1579 mit insoweit zustimmender Anmerkung von v. Beting; s. auch OLG Dresden HRR 1927 (Beilage zu ZStW Bd. 47 (Il», 194. Zur entsprechenden früheren h. M. S.: Binding, 2.1, S. 202, 234; Ebermayer, FG Frank Bd. 2, S. 418,424 f.; Haneberg, Unwahre und unechte Urkunden, S. 18 ff.; Lenz, Fälschungsverbrechen, S. 151 f.; Oetker, FS Binding Bd. 1, S. 5,118; v. Olshausen, § 267 Anm. 26 Il c; Scheiber, Urkundenherstellung, S. 41; Timpe, Echtheit und Gültigkeit, S. 41; Volwaßen, Urkundenfälschung, S. 34 ff., 46; Waldeyer, Zeichnen mit fremdem Namen, S. 43; Weismann, ZStW Bd. 11 (1891), 1, 35. Im Ergebnis ebenso, allerdings mit abweichender Begründung: Timcke, Identitätstäuschung, S. 164, 176, der von der Echtheit einer mit dem Namen des Vertretenen gezeichneten Urkunde aufgrund der "mittelbaren Autorschaft" des Namensträgers ausgeht. Anders zuletzt nur: Boldt, DR 1941, 992, 993 (Unechtheit aber fehlende rechtswidrige Absicht); Frank, ZStW Bd. 32, 82, 95 (Unechtheit aber u. U. fehlende Täuschungsabsicht); sowie auch Merkei, JW 1931,1196 f.; ferner Ranft, Echtheit, S. 96 ff., 127 (Unechtheit aber u. U. fehlende Rechtswidrigkeit); Rock, Echtheitsbegriff, S. 58 f. Unklar, aber letztlich auf die subjektive Tatseite ausweichend Frank, § 267 Anm. VI b. 393 Kohlrausch/Lange, 35. Auf!., § 267 Anm. 6; auf die Urheberschaft Kohlrauschs hinweisend: Boldt, DR 1941, 992 f.; Schönke, FG Kohlrausch, S. 253; Paeffgen, JR 1986, 114, 116 FN 15; Sauer, BT S. 197 FN 49. Widmann, Unechte Urkunde, S. 134 ff. spricht im Hinblick auf die drei Voraussetzungen des Zeichnens mit fremdem Namen von einer "Dreipunktetheorie". 394 RGSt 75,46 ff. 395 Siehe Benfer, BT Il Rdn. 262; Blei, BT § 80 III 1 b; Bockelmann, BT 3 § 12 III 1 b; Dähn, StGB § 267 Anm. 2; Eser, IV Nr. 19 A 41; Hassemer, JuS 1986, 72; Kohlrausch/Lange, § 267 Anm. IV 2; Krey, BT 1 Rdn. 710; Lackner, § 267 Anm. 3 a; Tröndle, LK § 267 Rdn. 19 ff.; Maurach/Schroeder, BT 2 § 65 III 2 b; OUo, BT § 70 I 1 c bb; ders., JuS 1987, 761, 764; ders., JK § 267/11; Sauer, BT S. 197; Schönke, FG Kohlrausch, S. 253,259 ff.; Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 58; Seier, JA 1979, 133, 138;

166

3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

auf die genannte RG-Entscheidung folgenden Rechtsprechung396 angeführt. Danach soll eine echte Urkunde bei Zeichnen mit fremdem Namen nur dann vorliegen, wenn - der Unterzeichner den Namensträger vertreten will, - der Namensträger sich vertreten lassen will und - die Vertretung rechtlich zulässig ist. Dazu läßt sich schon jetzt sagen, daß die erwähnten drei Voraussetzungen im Grunde genommen keinerlei Beziehung zu den Konformitätsgedanken 397 der Geistigkeitstheorie haben; vielmehr handelt es sich um mehr oder weniger willkürliche Einschränkungen des Postulats, daß ein zivilrechtlich zulässiges Zeichnen mit fremdem Namen die Herstellung einer echten Urkunde bedingt398 • Sobald nur eine dieser drei Voraussetzungen nicht erfüllt ist, wird nämlich, unabhängig von zivil rechtlichen Wirksamkeitsfragen, eine vom Vertreter mit dem Namen des Vertretenen versehene Urkunde wieder als unecht angesehen. Dies entspricht dann dem oben dargestellten Grundsatz, wonach jegliche Verwendung eines nicht zustehenden Namens zum Herstellen einer unechten Urkunde führt 399 • Im folgenden sollen nun diese drei, die strafrechtliche Einordnung des Zeichnens mit fremdem Namen präzisierenden Gesichtspunkte jeweils einer kritischen Würdigung unterzogen werden, wobei auch zu zeigen sein wird, daß gerade durch die Berücksichtigung dieser Kriterien seitens der Vertreter der Geistigkeitstheorie weitere Widersprüche bezüglich der ohnehin fragwürdigen Konformitätserwägungen in Kauf genommen werden.

Wessels, BT 1 § 18 III 1 b; wohl auch Welzel, § 60 A I 1 a a. Erwähnung auch bei Holzhauer, Eigenhändige Unterschrift, S. 285. Kritisch zu einzelnen dieser Voraussetzungen: Paeffgen, JR 1986, 114, 117; Puppe, Jura 1979, 630, 639; dies., JR 1981,441 ff.; dies., JuS 1989,361; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 29 ff., 60 ff.; Samson, JuS 1970, 369, 375; ders., JA 1979, 658, 660; ders., SK § 267 Rdn. 58; Stehling, Urkundenfälschung, S. 81; Weidemann, NJW 1986, 1976, 1977; Widmann, Unechte Urkunde, S. 137 ff.

396 Erwähnung in RGSt 75, 314, 316; in RGSt 76, 125, 126 bereits als "ständige Rechtsprechung" bezeichnet; BGH v. 2. 2. 1954 2 StR 483/53 (zitiert nach Pfeiffer/ Maul/Schulte, § 267 NT. 3); BGHSt 33, 159, 161 (allerdings nicht die verdeckte Vertretung natürlicher Personen behandelnd; zu dieser Entscheidung s. u. 3. Abschn. I C 5); BayObLG NJW 1988, 1401; BayObLG NJW 1989, 2142; OLG Oldenburg JR 1952, 410; OLG Stuttgart NJW 1951, 206. 397 Siehe die Kritik daran oben 3. Abschn. I C 3. 398 Siehe die entsprechende Kritik bei Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 25 f. 399 Zu diesem Grundsatz s. 0.3. Abschn. I A.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

167

aa) Der Wille des Unterzeichners zur Vertretung des Namensträgers

Soweit die Einschränkung gemacht wird, eine im Rahmen der verdeckten Stellvertretung mit fremdem Namen gezeichnete Urkunde sei nur dann strafrechtlich gesehen echt, wenn der Unterzeichner mit dem Willen gehandelt habe, den Namensträger zu vertreten 4OO , bestehen gegen diese Voraussetzung erhebliche Bedenken. Sie beruhen zunächst einmal auf der bereits mehrfach in dieser Arbeit getroffenen Feststellung, daß der Echtheitsbegriff nach § 267 StGB einen objektiven Charakter haben muß401. So wurde gezeigt, daß weder die Urkundenechtheit in Fällen der sog. Namenstäuschung und des fehlenden Namensinteresses 402 , noch die Ausstellerbestimmung bei der offenen Stellvertretung und in Fällen der Anonymität von Schriftstücken403 vom Willen des Herstellers beeinflußt werden kann. Es stellt sich also auch hier die Frage, ob die Berücksichtigung des Täterwillens bei der Feststellung des Urhebers einer Urkunde in Fällen des Zeichnens mit fremdem Namen (des "geistigen Ausstellers" nach der Geistigkeitstheorie ) zu einer abzulehnenden Subjektivierung und Relativierung des Echtheitsbegriffes in § 267 StGB führt 404 . Dabei ist aber vorweg auf einen weiteren zivilrechtlichen Aspekt des Zeichnens mit fremdem Namen hinzuweisen. Im Normalfall ist eine jede Stellvertretung, sei sie nun offengelegt oder nicht, vom Willen des Vertreters zur Vertretung des Vollmachtgebers geprägt 405 . Dies ist aber keineswegs eine Voraussetzung dafür, daß ein Vertretergeschäft auch rechtlich für den Vertretenen wirkt. Gerade bezüglich der hier als "Zeichnen mit fremdem Namen" bezeichneten Fallkonstellation hat die obige Darstellung der zivi Irechtlichen Auswirkungen 406 gezeigt, daß der Vertretungswille des Unterzeichnenden keine Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Vielmehr ist in diesen Fällen lediglich zu prüfen, ob aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers ein Vertretergeschäft vorliegt, das bei entsprechender Bevollmächtigung für den vertretenen Namensträger wirkt. Ein zivilrechtlieh wirksames Zeichnen mit fremdem Namen kann also auch dann vorliegen, wenn der Unterzeichner zu keinem Zeitpunkt den Namensträger vertreten wollte 407 . 400 Siehe dazu die Nachweise oben 3. Abschn. FN 395, 396. Außer den in FN 395 genannten Autoren hebt auch Preisendanz, StGB § 267 Anm. II 1 b die Notwendigkeit des Vertretungs willens hervor. 401 Siehe insbesondere oben 3. Abschn. I B 5. 402 Siehe 3. Abschn. I B 3 b aa, 4. 403 Siehe 2. Abschn. IID 2 c, 3. Abschn. I B 1 a. 404 Zusammenfassend zu diesen Gefahren oben 3. Abschn. I B 5. 405 Dies zeigt schon die Regelung des § 164 II BGB für den Sonderfall, daß der Vertretungswille, abgesehen davon, ob er besteht oder nicht, ausnahmsweise nicht erkennbar wird. 406 Siehe 3. Abschn. I C 2.

168

3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

Berücksichtigt man diese zivilrechtliche Seite, so ergibt sich ein weiterer eigenartiger Widerspruch zu den der Geistigkeitstheorie zugrundeliegenden Konformitätsgedanken 408 • Es muß demnach also sogar Fälle geben, in denen ein zivilrechtlich für den Namensträger wirkendes Zeichnen mit seinem Namen durch den Vertreter wegen dessen fehlenden Vertretungswillens dennoch zu einer strafrechtlich als unecht zu bewertenden Urkunde führt 409 . Bevor nun auf einzelne Fälle eingegangen wird, bei denen in Rechtsprechung und Literatur wegen fehlenden Vertretungswillens beim Zeichnen mit fremdem Namen die Unechtheit einer entsprechenden Urkunde konstatiert wird, ist darauf hinzuweisen, daß aufgrund der unzureichenden Durchdringung der Problematik häufig notwendige Differenzierungen nicht vorgenommen werden. So wird gerade auch in Ausführungen der Rechtsprechung mit einem pauschalen Hinweis auf den fehlenden Vertretungswillen des Unterzeichners bereits die Unechtheit einer Urkunde festgestellt, ohne daß zuvor im einzelnen geprüft wurde, ob überhaupt ein Zeichnen mit fremdem Namen (Zeichnen eines bevollmächtigten Vertreters mit dem Namen des Vertretenen) vorlag41O • Wäre in solchen Fällen die besondere Konstellation des Zeichnens mit fremdem Namen gar nicht gegeben, so bedürfte es nur noch eines Hinweises auf den Grundsatz, daß in der Regel jedwedes Gebrauchen eines nicht zustehenden Namens bei einer urkundlichen Ausstellerangabe zur Unechtheit der entsprechenden Urkunde führt 411 • Die Bejahung oder Vernei407 Dies ist im Zivilrecht allgemein anerkannt; s. gerade im Bezug auf Fälle der verdeckten Stellvertretung BGHZ 45, 193; BGH NJW 1966, 1915, 1916; Lieb, JuS 1967, 106, 113; Thiele, MK § 164 Rdn. 37; RGRKJSteffen, § 164 Rdn. 9. 408 Siehe dazu oben 1. Abschn. II C 4 b sowie die umfassende Kritik unter 3. Abschn. I C 3. 409 Eine solche Inkonsequenz zum Ansatz der Geistigkeitstheorie (Unechtheit trotz Wirksamkeit) wurde bislang nur in den Fällen der nachträglichen Genehmigung der vollmachtlosen Fremdzeichnung festgestellt (s. o. 3. Abschn. I C 3 a cc). Siehe dazu auch Puppe, JuS 1989, 361, die bei der zivil rechtlichen Bewertung der Entscheidung BayObLG NJW 1988, 1401 zu dem Schluß kommt, die vom BayObLG als unecht eingestuften Urkunden seien wirksam gewesen, wobei hier von Puppe aber gerade keine rechtsgeschäftlich wirksame Stellvertretung angenommen wird, sondern nur eine Erklärungszurechnung, die auf zivilrechtlichen Erwägungen zum Rechtsrnißbrauch beruht. 410 Ein Beispiel hierfür ist die Entscheidung BGHSt 33, 159, 161 f., die allerdings die verdeckte Stellvertretung juristischer Personen betrifft (eingehend dazu unten 3. Abschn. I C 5). Nach Aufzählung der drei allgemein akzeptierten Voraussetzungen des Zeichnens mit fremdem Namen geht der BGH sofort dazu über, den Vertretungswillen und den Willen zum Vertretensein im konkreten Fall zu verneinen. Der BGH hätte zunächst prüfen müssen, ob der Unterzeichner überhaupt bevollmächtigter Vertreter der jeweiligen Namensträger war (vgl. die entsprechende Kritik bei Paeffgen, JR 1986, 114, 115; Puppe, Jura 1986, 22, 25). Zudem ist an der Entscheidung zu kritisieren, daß der BGH das Fehlen des Vertretungswillens in dem zu entscheidenden Fall nicht weiter prüft, sondern schlicht unterstellt (vgl. Paeffgen, JR 1986, 114, 116 f.; Puppe, Jura 1986,22,25; dies., JZ 1986, 938, 942). Der genannte methodische Fehler liegt auch den Entscheidungen RG HRR 1939, Nr. 662 und OLG Stuttgart NJW 1951, 206 zugrunde.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

169

nung eines Vertretungswillens des Unterzeichners für den Namensträger wäre dabei dann völlig irrelevant. Abgesehen von den eben genannten, vereinzelten Ungenauigkeiten bei der Bestimmung der Urkundenechtheit wird von einigen Stimmen in Rechtsprechung und Schrifttum trotz Zeichnens mit fremdem Namen, was ja bei Anwendung der Geistigkeitstheorie zur Echtheit führen müßte, die Herstellung einer unechten Urkunde aufgrund fehlenden Vertretungswillens in folgenden Fällen bejaht: Der Wille des Unterzeichners zur Vertretung des Namensträgers soll dann fehlen, wenn sich der Unterzeichner selbst als der "geistige Urheber" der urkundlichen Erklärung betrachte 412 , was insbesondere dadurch zum Ausdruck gebracht werden könne, daß der Unterzeichner sich selbst als der Namensträger ausgebe413 , oder er sogar die individuellen Schriftzüge des Namensträgers nachahme 414 • Ferner wird ein fehlender Vertretungswille zum Teil dann angenommen, wenn der Unterzeichner durch das Zeichnen mit fremdem Namen eine Identitätstäuschung bezweckt415 , oder er Kenntnis davon hat, daß die zur Vertretung ermächtigende Erklärung des Namensträgers auf Willensmängeln beruht 416 • Alle diese Einschränkungen des aus dem Ansatz der Geistigkeitstheorie folgenden Grundsatzes der Echtheit von Urkunden beim Zeichnen mit fremdem Namen erscheinen mehr oder weniger willkürlich und dürften letztlich nicht Zu diesem Grundsatz s. o. 3. Abschn. I A. Vgl. TrändIe, LK § 267 Rdn. 20; MaurachlSchroeder, BT 2 § 65 III 2 b (beide unter Berufung auf die Entscheidung RGSt 68, 240, die aber ihre Hauptproblematik nicht im fehlenden Vertretungswillen, sondern in der Erlaubtheit der Stellvertretung hat (s. dazu unten 3. Abschn. I C 4 b ce»; ähnlich auch WetzeI, § 60 A 11 a a (" ... Erklärung, die der Täter ... als eigene Erklärung mit dem fremden Namen unterzeichnet. "). 413 Vgl. Bockelmann, BT 3 § 12 III 1 b; DreherlTrändle, § 267 Rdn. 18; TrändIe, LK § 267 Rdn. 20; RGSt 37, 196; vgl. auch RG JR 1926 Bd. II (Die Rechtsprechung) Nr. 2177 sowie KohlrauschlLange, § 267 Anm. IV 2 (Unterzeichner will sich an die Stelle des Namensträgers setzen). 414 DreherlTrändle, § 267 Rdn. 18; TrändIe, LK § 267 Rdn. 20; Sauer, BT S. 198; nicht ganz so deutlich: RGSt 37, 196, 197 (" ... um glauben zu machen, ... , daß der ... Unterschreibende eine Person namens Josef H. sei. "); vgl. auch RGSt 76,125,126; RG HRR 1934, Nr. 1079. Siehe ferner BayObLG NJW 1988, 1401, wonach bei einer nachgeahmten Unterschrift keine Vertretung gewollt sei, sondern nur der Anschein der Unterzeichnung durch den Namensträger erweckt werden solle; im Ergebnis zustimmend OUo, JK § 267/11. 415 DreherlTrändle, § 267 Rdn. 18; TrändIe, LK § 267 Rdn. 22; Andeutung auch bei Puppe, Jura 1979, 630, 639, s. auch Ouo, JK § 267/11, RGSt 37,196,197 f.; RGSt 43, 348, 352; wohl auch RGSt 75, 46, 49. (wo im Ergebnis nur pauschal vom Vorliegen einer Urkundenfälschung ohne ausdrücklichen Bezug zum Merkmal "Unechtheit" gesprochen wird); vgl. ferner die Berücksichtigung des Handlungszwecks des Vertreters in RGSt 75, 214, 215; RGSt 75, 285, 286; RGSt 76, 125, 126; RG HRR 1934, Nr. 1079; OLG Stettin JW 1925, 2376, 2377; OLG Stuttgart NJW 1951, 206; s. auch BGHSt 33, 159, 162 sowie BayObLG NJW 1989, 2142. 416 Vgl. DreherlTrändle, § 267 Rdn. 18; TrändIe, LK § 267 Rdn. 21; RGSt 75, 46, 48 f.; RGSt 75,285,286 f. 411

412

170

3. Abschn.: ÜbJicherweise erörterte Anwendungsfalle

haltbar sein. Zunächst ist dabei zu kritisieren, daß die bloße subjektive Ansicht eines Urkundenherstellers, er betrachte sich selbst trotz der Zeichnung mit einem fremden Namen als "geistiger Urheber" der urkundlichen Erklärung, keinen Einfluß auf die Feststellung der Urkundenechtheit oder -unechtheit haben kann. Schon die Darstellung der sprachlichen Ungenauigkeit des Begriffes "geistiges Herrühren"417 hat gezeigt, daß eine "geistige Urheberschaft" für eine Erklärung von Fall zu Fall verschieden zu beurteilen sein kann, wobei dies zum Beispiel von der jeweiligen Weisungsgebundenheit eines Vertreters abhängt. Das subjektive Empfinden eines mit dem Namen des Vertretenen zeichnenden Vertreters hinsichtlich seiner "geistigen Urheberschaft" kann daher unmöglich die objektive Feststellung der Urkundenechtheit beeinflussen. Gerade beim Zeichnen eines mit weitgehender Vollmacht ausgestatteten Vertreters mit dem Namen des Vollmachtgebers dürfte es sogar der Regelfall sein, daß sich der Unterzeichner selbst als der "geistige Urheber" der Erklärung ansieht. Von dieser subjektiven Betrachtungsweise auf einen fehlenden Vertretungswillen zu schließen, erscheint daher nicht möglich. Gleiches gilt auch für den Fall der Nachahmung der Schriftzüge des vertretenen Namensträgers. Gerade das Fälschen der Unterschrift des Vollmachtgebers durch den Bevollmächtigten kann auch Ausdruck eines Vertretungswillens sein, nämlich des Bestrebens, gegenüber einem potentiellen Urkundsadressaten nicht erkennbar werden zu lassen, daß ein Vertreter tätig wurde, sondern allein den Vertretenen als Beteiligten mit der urkundlichen Erklärung in Verbindung zu bringen. Eine solche Nachahmung der Schriftzüge des Vertretenen durch einen Vertreter kommt dabei ohnehin wohl nur dann in Betracht, wenn zu erwarten ist, daß der individuelle Schriftzug des Namensträgers einem Urkundsadressaten bekannt ist418 . Das Bestreben des Vertreters wird dabei in der Regel darin liegen, selbst nicht in Erscheinung zu treten, zum Beispiel um dem Bedürfnis des Urkundsadressaten entgegenzukommen, allein mit dem Namensträger in Verbindung zu stehen oder aber um dem (unter Umständen problematischen) Nachweis der Bevollmächtigung zu entgehen 419 . Dabei ist nicht einzusehen, warum derjenige Vertreter eine echte Urkunde herstellen soll, der ohne Überlegung den Namen des Vertretenen in eigener Handschrift niederschreibt, nicht dagegen derjenige, der durch Nachahmung der Schriftzüge mehr Mühe darauf verwendet, seine Vertreterposition zu verbergen. Siehe o. 2. Abschn. I A. Siehe den Hinweis bei RGZ 74,69,75 auf den Normalfall, in dem der individuelle Schriftzug einem Urkundsadressaten nicht bekannt ist. 419 Vgl. Liesecke, LM § 164 BGB Nr. 27; wobei Liesecke in der Besprechung der Entscheidung BGHZ 45, 193 ff. offenbar von einem Fall der Nachahmung der Unterschrift ausgeht, was aber in der Entscheidung selbst nicht ganz deutlich zum Ausdruck kommt. Dort wird nur von einer "gefälschten Unterschrift" und dem Anschein der Unterzeichnung durch den Namensträger gesprochen. 417

418

1. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

171

Zudem entsteht bei Verneinung der Echtheit einer Urkunde im Falle der Nachahmung der Schriftzüge des Vertretenen durch den Vertreter ein weiterer Widerspruch zu den zivilrechtlichen Konformitätserwägungen 42o • Für die zivilrechtliche Wirksamkeit der Unterzeichnung mit dem Namen eines Vertretenen durch den Vertreter spielt es nämlich keine Rolle, ob dabei die Unterschrift nachgeahmt oder ob der fremde Name mit einem abweichenden Schriftbild geschrieben wurde 421 • Entscheidend ist für die zivilrechtliche Würdigung allein das Vorliegen einer Vollmacht oder einer nachträglichen Genehmigung, um auch der gefälschten Namensunterschrift Wirksamkeit zu verleihen. In den Fällen der Nachahmung der Schriftzüge beim Zeichnen mit fremdem Namen entsteht unter Zugrundelegung der hier erörterten Auffassung 422 also eine weitere, dem Ansatz der Geistigkeitstheorie eigentlich zuwiderlaufende Konstellation, wonach die Anfertigung einer zivilrechtlich wirksamen Urkunde gemäß § 267 StGB dennoch als Herstellung einer unechten Urkunde zu bewerten ist. Im Grunde genommen liegen der Ansicht, wonach der den Namenszug des Vertretenen imitierende Vertreter trotz zivilrechtlieh wirksamer Zeichnung ausnahmsweise doch wieder eine unechte Urkunde herstellen soll, nur Strafwürdigkeitserwägungen zugrunde. Das Abstellen auf den angeblich fehlenden Vertretungswillen des Bevollmächtigten in diesen Fällen ist lediglich ein Vehikel, um Ausnahmen von dem grundlegenden Prinzip der Geistigkeitstheorie zu machen, daß das zivilrechtlich wirksame Zeichnen mit fremdem Namen zur Herstellung einer echten Urkunde führt. Gerade das Fälschen eines fremden Schriftzuges, noch dazu in der Unterschrift, ist doch wohl (zumindest wenn dies nicht durch einen Vertreter geschieht) der krasseste Fall einer Identitätstäuschung durch den Hersteller des entsprechenden Schriftstückes. Den Ansatz der Geistigkeitstheorie hier konsequent weiter zu verfolgen und bei Nachahmung der Unterschrift des Vertretenen durch einen bevollmächtigten Vertreter allein aufgrund der zivilrechtlichen Wirksamkeit die Echtheit einer solchen Urkunde zu bejahen, dürfte schwer vertretbar sein 423 • Siehe o. 1. Abschn. II C 4 b sowie 3. Abschn. I C 3. Im zivilrechtlichen Schrifttum wird aus diesem Grunde auch häufig nur pauschal von "gefälschten Unterschriften" gesprochen: s. Thiele, MK § 164 Rdn. 35; RGRKI Steffen, § 164 Rdn. 9; BGHZ 45, 193, 196. Zur zivilrechtlichen Wirksamkeit der Unterzeichnung durch einen Fälscher aufgrund nachträglicher Genehmigung des Namensträgers s. außerdem RGZ 145, 87, 91. 422 Siehe die entsprechenden Nachweise oben 3. Abschn. FN 414. 423 Ausdrücklich wird ein solches Ergebnis nirgendwo vertreten, aber bei konsequenter Weiterverfolgung ihrer Ansätze müßten eigentlich zumindest Paeffgen (JR 1986, 114, 118 ("Rechnet das Vertretungsrecht ... zu, so präjudiziert dies grundsätzlich die strafrechtliche Identitätsfrage. "» und Rheineck (Fälschungsbegriff, S. 139 ff., 147 ff. (Abstellen auf Wirkung für den Namensträger bzw. seine Haftung» zu dieser Schlußfolgerung gelangen, die wohl weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung vom Ergebnis her Zustimmung erfahren dürfte. Siehe hierzu aber Puppe, JuS 1989, 361, die in der Besprechung des Urteils 420

421

172

3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

Auf den eben erwähnten Strafwürdigkeitserwägungen basieren aber auch die Vorschläge für die übrigen Konstellationen, bei denen nach den zitierten Stimmen in Rechtsprechung und Literatur der Vertretungswille des Vertreters trotz zivil rechtlich wirksamen Zeichnens mit fremdem Namen verneint werden soll424. Schon die für diese Fälle gewählten Umschreibungen (Vertreter gibt sich selbst als Namensträger aus; Vertreter handelt mit Willen zur Täuschung über die Identität des Unterzeichners; Zeichnen mit fremdem Namen trotz Kenntnis eines Willensmangels bei der Bevollmächtigung) machen deutlich, daß in diesen Fällen im Ergebnis eine Verletzung des von § 267 StGB betroffenen Rechtsgutes, des Vertrauens auf die Authentizität von Urkunden425 , angenommen werden soll. Dabei wird aber übersehen, daß eben diese, als strafwürdig empfundenen Verhaltensweisen, auch gerade beim "normalen", zivilrechtlieh wirksamen Zeichnen mit fremdem Namen ohne weiteres vorliegen können. So gibt sich der mit dem Namen seines Vollmachtgebers unterzeichnende Vertreter auf dem urkundlichen Schriftstück im Grunde genommen immer als der Namensträger aus; würde er dies nicht tun, sondern die Verschiedenheit von Unterzeichner und Namensträger in dem urkundlichen Schriftstück offenbaren, so läge gar kein Fall der verdeckten Stellvertretung mehr vor425a . Die Tatsache, daß unter Umständen eine weitere Person, vielleicht sogar der Urkundsempfänger, bei der Urkunden ausstellung anwesend ist und demzufolge den Unterzeichner auch für den Namensträger hält, dürfte für die Beurteilung der Echtheit der Urkunde keine Rolle spielen426 . So bezweckt der mit dem Namen seines Vollmachtgebers Unterzeichnende eigentlich immer eine Identitätstäuschung, da er jedem Urkundenempfänger die Offenlegung des Vertretungsverhältnisses entgegen dem zivilrechtlichen Offenkundigkeitsprinzip427 verweigern Will 427a . BayObLG NJW 1988, 1401 zu dem Schluß kommt, die mit Einwilligung des Namensträgers gefertigten Scheckunterschriften durch Dritte seien aufgrund einer auf zivilrechtlichen Erwägungen zum Rechtsrnißbrauch beruhenden Erwägung zivilrechtlieh wirksam gewesen. Da Puppe insoweit die Bindung des § 267 StGB an zivilrechtliche Vorentscheidungen bejaht, sind die entsprechenden Schriftstücke ihrer Ansicht nach echte Urkunden. Aus der Besprechung der Entscheidung ergibt sich aber nicht, daß so jedenfalls der Leitsatz vom BayObLG NJW 1988, 1401 - hier durch Dritte nachgeahmte Unterschriften des Namensträgers gefertigt wurden! 424 Siehe o. die Nachweise im 3. Abschn. FN 413, 415, 416. 425 Zum Rechtsgut des § 267 StGB s. o. 1. Abschn. III D. 425. Vgl. die Argumentation von Weidemann, NJW 1986, 1976, 1977, wonach die Täuschungsabsicht geradezu ein Indiz für den Vertretungswillen sein kann. 426 Zum einen dürfte es sich dabei um Umstände handeln, die außerhalb der urkundlichen Erklärung liegen und die daher nicht in die Echtheitsbestimmung einzubeziehen sind; zum anderen hat die zivilrechtliche Betrachtung unter 3. Abschn. I C 2 b, 3 a gezeigt, daß auch in solchen Fällen eine wirksame Erklärung für den Namensträger vorliegen kann, wenn nämlich der Urkundsempfänger gerade mit dem Namensträger kontrahieren will. (s. hierzu auch die Erörterungen unten 4. Abschn. 11 B FN 71). 427 Zum Offenkundigkeitsprinzip s. o. 2. Abschn. 11 A. 427. Vgl. Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 26.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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Auch die Fälle, für die behauptet wird, der Vertretungswille würde fehlen, wenn der Täter in Kenntnis eines Willensmangels beim Vertreter handeln würde, liegen auf dieser Ebene. Ein Willensmangel bei der Ermächtigung kann unter Umständen die Unwirksamkeit oder die Anfechtbarkeit der Vollmacht bewirken 428 ; die Kenntnis eines solchen Umstandes bewirkt aber nicht notwendigerweise das Fehlen des Vertretungswillens beim Vertretenen. Hier wird deutlich, daß die oben erwähnten Strafwürdigkeitserwägungen nur dazu benutzt werden, um letztlich einige Fälle nicht unter das nach der Geistigkeitstheorie zu einer echten Urkunde führende Zeichnen mit fremdem Namen fallen zu lassen, bei denen die Handlung des Täters von einem verwerflichen Zweck bestimmt ist429 . Dabei werden dann auch die soeben angeführten inkonsequenten Ausnahmen von dem Grundsatz der Konformität zwischen zivilrechtlicher Wirksamkeit des Zeichnens mit fremdem Namen und der strafrechtlichen Urkundenechtheit in Kauf genommen 430 •

Dazu s. den folgenden Gliederungspunkt 3. Abschn. I C 4 b bb. Dies wird deutlich an der, allerdings uneinheitlichen, Rechtsprechung: s. einerseits RGSt 37, 196, 197 f. (Abstellen auf den "Sinn" der Unterschrift, was die Unterschrift "besagen soll", sowie den mit der Unterschrift verbundenen Täuschungszweck); RGSt 43, 348, 352 (Erheblichkeit der auf Identitätstäuschung gerichteten Absicht für die Echtheitsprüfung); RGSt 75, 285, 286 und RGSt 76, 125, 126 (Abstellen auf die bezweckte Täuschung über das Vertretungsverhältnis); auch auf den Zweck der Zeichnung abstellend: OLG Dresden HRR 1927,197; andererseits aber RGSt 75,46,49 und wiederum RGSt 76, 125, 126, wonach das Bezwecken einer weiteren Straftat (Betrug) nicht automatisch zur Unechtheit der mit fremdem Namen gezeichneten Urkunde führen soll (entgegengesetzt aber RG HRR 1939, NT. 662). Zu Recht weist Paeffgen (JR 1986, 114, 117) daher darauf hin, daß die Erwägungen, die im Einzelfall zur Verneinung des Vertretungswillens des Unterzeichners und damit zur Unechtheit trotz u. U. wirksamen Zeichnens mit fremdem Namen führen (z. B. angeblicher Wille zur Täuschung über das Vertretungsverhältnis), "argumentativ aus dem Nichts" kommen. Ein krasses Beispiel für die Willkür bei diesen auf den Zweck der Unterzeichnung abstellenden Erwägungen ist die Entscheidung RG DJ 1938, 1917, wo die Unechtheit beim Zeichnen mit fremdem Namen bejaht wird, weil der Täter den Eindruck erwekken wollte, ein anderer habe die Unterzeichnungen vorgenommen. Ob in jenem Fall eine u. U. wirksame verdeckte Stellvertretung vorlag, wird vom RG offengelassen, ausschlaggebend war für die Entscheidung nur, daß der Angeklagte mit dem (offenbar zu Täuschungszwecken von den jeweiligen Namensträgern erlaubten) Fremdnamensgebrauch seinen jüdischen Namen verbergen wollte! (zustimmend dazu Schönke, FG Kohlrausch, S. 253,261). 430 Auf die Inkonsequenz zum Erklärungsansatz der Geistigkeitstheorie hinweisend auch: Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 25 f.; Samson, JuS 1970, 369, 375. Soweit allerdings behauptet wird, diese Ausnahmen führten bereits zu einer Rückkehr in die eigentlich abgelehnte Körperlichkeitstheorie (s. Puppe, JR 1981, 441, 442; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 38; Weidemann, NJW 1986, 1976, 1977; angedeutet auch bei Samsan, JuS 1970, 369, 375), so wird dabei verkannt, daß durch die Schaffung von Unterausnahmen beim Ausnahmefall des Zeichnens mit fremdem Namen nur wieder dem fortbestehenden Grundsatz der Unechtheit bei der Verwendung eines nicht zustehenden Namens (s. 0.3. Abschn. I A) zum Durchbruch verholfen wird. 428 429

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

Dies zeigt, daß auch hier das Handlungsziel des Täters ein ungeeignetes Kriterium ist, um die Echtheit oder Unechtheit von vertretungsweise mit dem Namen des Vertretenen gezeichneten Urkunden festzustellen 431 • Ganz abgesehen davon, daß das Handlungsziel des Täters zum Beispiel im Hinblick auf verschiedene Urkundsempfänger unterschiedlich sein kann und damit zusätzlich die Gefahr der Relativierung des Echtheitsbegriffes in § 267 StGB besteht 432 , kann die Echtheitsbestimmung in § 267 StGB nicht durch Kenntnisse, Absichten oder Handlungsziele des Täters beeinflußt werden. Dies gilt auch für die Feststellung des Urhebers einer Urkunde beim Zeichnen mit fremdem Namen. Selbst wenn man dem (auf fragwürdigen Konformitätserwägungen beruhenden 433 ) Ansatz der Geistigkeitstheorie dahingehend folgt, daß das Zeichnen mit fremdem Namen bei zivilrechtlicher Wirksamkeit zur Herstellung einer echten Urkunde führt, da der Vertretene der Anscheinsaussteller und der Urheber der Urkunde ist, so kann nicht der subjektive Täuschungs- oder Vertretungswille des Unterzeichners Berücksichtigung finden, um von Fall zu Fall doch wieder den Vertreter als Urheber einer unechten Urkunde anzusehen. Eine objektive Echtheitsbestimmung434 wird durch diese Einschränkungen unmöglich gemacht. Kommt man ohne subjektive Erwägungen zur Feststellung der Unechtheit einer Urkunde, so können Absichten oder Zweckrichtungen des handelnden Täters nur bei dem Merkmal "zur Täuschung im Rechtsverkehr" berücksichtigt werden 435 • Die üblicherweise genannte erste Voraussetzung für die strafrechtliche Anerkennung des zur Urkundenechtheit führenden Zeichnens mit fremdem Namen, das Vorliegen eines Vertretungswillens des Unterzeichners 436 , ist somit insgesamt als nicht brauchbar zu verwerfen.

431 So im Ergebnis auch Boldt, DR 1941, 992, 993; Mezger, ZAkDR 942, 251; Paeffgen, JR 1986, 114, 117; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 36; Weidemann, NJW 1986, 1976, 1977; Widmann, Unechte Urkunde, S. 138. Ebenso bereits RGSt 16, 325, 326; RGSt 26,220 ff.; RG GA Bd. 57,205. Unklar hierzu Puppe, die einerseits (JR 1981, 441, 444) allein auf den Erklärungswillen des Namensträgers abstellt (dazu siehe den nächsten Gliederungspunkt), andererseits aber (Jura 1979, 630, 639) den Vertretungswillen des Vertreters bei der Echtheitsprüfung berücksichtigt. Siehe hierzu jetzt aber auch dies., JuS 1989, 361, wo insoweit zutreffend ausgeführt wird, daß es für die Bestimmung der Echtheit einer mit fremdem Namen gezeichneten Urkunde jedenfalls nicht auf die innere Willensrichtung der Beteiligten ankommt. 432 Zur Gefahr der Re\ativierung des Echtheits- bzw. Urkundsbegriffes s. bereits oben 3. Abschn. I B 1 a, 3 b aa, 4. 433 Siehe dazu 1. Abschn. 11 C 4 b sowie 3. Abschn. I C 3. 434 Siehe 3. Abschn. I B 5 sowie speziell zu der hier erörterten Problematik: Mezger, ZAkDR 1942, 251; Paeffgen, JR 1986,114,117; Samson, SK § 267 Rdn. 58. 435 Siehe o. 3. Abschnitt I B 3 c sowie bereits die Entscheidungen RGSt 16, 325, 326; RGSt 26, 220 ff. 436 Siehe dazu oben die Nachweise im 3. Abschn. FN 395, 396, 400.

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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Abschließend sei zu diesem Punkt noch auf eine weitere Ansicht hingewiesen, die zwar zum gleichen Ergebnis wie die obige Erörterung kommt (Irrelevanz des Täuschungs- beziehungsweise Vertretungswillens für die Beurteilung der Echtheit beim Zeichnen mit fremdem Namen), aber nicht die nötigen Konsequenzen daraus zieht. Nach dieser Ansicht soll auch bei zivilrechtlicher Wirksamkeit der Zeichnung des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen dann keine Echtheit (nach der Geistigkeitstheorie) der entsprechenden Urkunde bejaht werden, wenn dieses Schriftstück (objektiv, nicht nur nach dem Willen des Täters) eine Identitätstäuschung bewirkt 437 . Hier wird deutlich, daß die Argumentation sich im Kreise dreht. Akzeptiert man den Grundsatz, daß jedwede Verwendung eines nicht zustehenden Namens eine Identitätstäuschung bewirkt und daher zur Herstellung einer unechten Urkunde führt 438 , so mag es noch angehen, aufgrund der zivilrechtlichen Wirksamkeit für den Namensträger davon eine Ausnahme zuzulassen (so wie dies die Geistigkeitstheorie für den Echtheitsbegriff nach § 267 StGB tut). Das Fehlen einer Identitätstäuschung in diesen Ausnahmefällen ist aber lediglich eine Fiktion, die aufgrund der zivilrechtlichen Auswirkungen strafrechtliche Anerkennung findet 439 . Dann ist es aber ausgeschlossen, hiervon erneut eine Unterausnahme zu machen, für den Fall, daß eine (ohnehin fortbestehende) Identitätstäuschung wiederum vorliegt 440 • Hieraus wird deutlich, daß auch ein Abstellen auf eine objektive Identitätstäuschung nicht möglich ist, wenn dies nur als Begründung dafür herhalten soll, daß beim Zeichnen mit fremdem Namen in Einzelfällen entgegen dem Ansatz der Geistigkeitstheorie doch wieder unechte Urkunden hergestellt werden. bb) Der Wille des Namensträgers zum Vertretensein Die zweite in Schrifttum und Rechtsprechung genannte Voraussetzung für die Bejahung der Echtheit beim Zeichnen mit fremdem Namen ist das Vorliegen einer vom Namensträger gewollten Vertretung44 ]. 437 So Timcke, Identitätstäuschung, S. 117; ähnlich offenbar auch RGSt 68,240,242, wobei in jener Entscheidung das Problem der Erlaubtheit der Stellvertretung im Vordergrund stand (s. den entsprechenden Hinweis bereits oben 3. Abschn. FN 412). 438 Siehe 3. Abschn. I A. 439 Auf diese Fiktion weist gerade auch Timcke, Identitätstäuschung, S. 127 hin! 440 Dieser auch in der Rechtsprechung vorkommende logische Zirkelschluß wird bereits von Boldt, DR 1942, 992, 993 erwähnt. Siehe auch die entsprechende Kritik bei Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 37 sowie (allerdings unter Einbeziehung des Handlungszieles des Täters) Weidemann, NJW 1986, 1976, 1977. 441 Außer von den im 3. Abschn. FN 395 zitierten Autoren wird diese Voraussetzung auch noch von Kienapfel, Urkunden I, S. 219 FN 3 sowie Schmidhäuser, BT 14/13 genannt. Zusätzlich zu den im 3. Abschn. FN 396 genannten Entscheidungen wird auch in RGSt 75, 214, 215 und RGSt 75, 285, 286 f. mit auf den Willen des Namensträgers

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

aaa) Folgen der Berücksichtigung des Willens zum Vertretensein für die Bestimmung des Urhebers der Urkunde Im Normalfall des Zeichnens durch einen verdeckten Vertreter bereitet die Feststellung einer vom Namensträger gewollten Vertretung keinerlei Probleme, beruht doch eine jede rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung auf einem Willensakt des Vertretenen442 • Dabei ist es auffällig, daß die Forderung nach einem vom Namensträger gewollten Zeichnen mit seinem Namen vielfach in die zahlreichen Floskeln Eingang gefunden hat, mit denen der Ansatz der Geistigkeitstheorie umschrieben wird443 • Ebenso wie bei der Prüfung des Willens des Unterzeichners zur Vertretung444 wird die Frage nach dem Willen des Namensträgers zur Vertretung häufig dazu benutzt, um in gewissen Fällen (trotz unter Umständen zivilrechtlich wirksamen Zeichnens mit fremdem Namen) die Unechtheit einer Urkunde zu bejahen. Man gelangt in solchen Fällen also im Gegensatz zum Grundgedanken der Geistigkeitstheorie doch wieder zu einem Ergebnis, das dem oben 445 dargelegten Grundsatz entspricht, wonach bei Verwendung eines nicht zustehenden Namens eine unechte Urkunde hergestellt wird. Es ist aber auch hierbei zu beobachten, daß der Wille zum Vertretensein gelegentlich bereits verneint wird, bevor festgestellt ist, ob denn überhaupt ein zivilrechtlich wirksames Zeichnen mit fremdem Namen vorliegt 446 • Ähnliches gilt für das häufig in Rechtsprechung und Schrifttum erwähnte Beispiel, daß der Wille des Namensträgers zur Vertretung bei der bloßen Gestattung der Verwendung seines Namens fehle 447 und ein solches Einverständnis noch nicht zur Echtheit abgestellt. Soweit dies auch in der Rechtsprechung vor der Entscheidung RGSt 75, 46 geschah (s. RGSt 7, 47, 50; RGSt 15, 4, 8; RGSt 22,377,379; RGSt 26, 270, 271; RGSt 43, 348, 349 ff.; RGSt 74,210; RG DJ 1938, 1917 (zur Kritik an dieser Entscheidung s. 3. Abschn. FN 429); RG GA Bd. 37, 281; RG GA Bd. 57, 205; RG Recht 1913, Nr. 2816) wird insoweit auch von einer "ideellen Theorie" bzw. von einem "ideellen" Echtheitsbegriff gesprochen; s. nur: Ranft, Echtheit, S. 59 ff.; Schänke, FG Kohlrausch, S. 253,254; Widmann, Unechte Urkunde, S. 111 f., 141. 442 Siehe nur § 167 BGB sowie PalandtlHeinrichs, § 167 Anm. 1 a. Auf das Fehlen des Willens zum Vertretensein bei gesetzlicher Vollmacht, Vollmachtsüberschreitung oder sog. Anscheinsvollmacht wird noch einzugehen sein. 443 Siehe nur Trändie, LK § 267 Rdn. 21, wonach der Namensträger nicht Aussteller wird, wenn er nicht vertreten werden will, nicht gebunden werden will und nicht geistig hinter der Erklärung steht; sowie die zahlreichen Beispiele oben 1. Abschn. 11 C 1. 444 Siehe den vorherigen Gliederungspunkt 3. Abschn. I C 4 b aa. 445 Siehe o. 3. Abschn. I A. 446 Auf diesen methodischen Fehler wurde bereits oben 3. Abschn. I C 4 b aa FN 410 bezüglich des Willens des Unterzeichners zur Vertretung hingewiesen. Auch der fehlende Wille zum Vertretensein wird in der bereits erwähnten Entscheidung des BGH vom 21. 3. 1985 (BGHSt 33, 159, 162) schlicht unterstellt (s. die entsprechende Kritik bei Paeffgen, JR 1986,114,116 und Puppe, Jura 1986, 22, 25), was um so gravierender ist, als daß davon auszugehen sein dürfte, daß in jenem Fall der Angeklagte mit Vollmacht der Namensträger handelte! (s. die ausführliche zivilrechtliehe Ableitung der Bevollmächtigung in jenem Fall bei Paeffgen, JR 1986, 114, 115 ff.).

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

177

einer entsprechend hergestellten Urkunde führe. Dies ist im Grunde genommen eine Selbstverständlichkeit, da die bloße Gestattung des Namensgebrauchs nicht notwendig eine Vollmachtserteilung einschließt, nach der der Vertreter rechtswirksam mit dem Namen des Vertretenen zeichnen kann 448 • Zudem wird der Wille zum Vertretensein zum Teil dann verneint, wenn der Namensträger mittels der verdeckten Stellvertretung einen bestimmten Täuschungszweck verfolgt449 • Allerdings bleibt in den Darstellungen von Schrifttum und Rechtsprechung unklar, wo die Grenze zwischen echten und unechten Urkunden bei Berücksichtigung der Intentionen des Namensträgers in Fällen des Zeichnens mit fremdem Namen liegen soll, denn das bloße Bezwecken einer Straftat (zum Beispiel Betrug durch das Erwecken des Anscheins, als habe der Namensträger und nicht ein Stellvertreter gehandelt) soll noch nicht 447 Vgl. Trändle, LK § 267 Rdn. 20; Mezger, ZAkDR 1941, 181, 182; Ohr, JuS 1967, 255,257 FN 22; Samson, JuS 1970, 369, 375; Seier, JA 1979, 133, 138; Wetzel, § 60 A I 1 a a; sowie RGSt 75, 46, 49; RG HRR 1934, Nr. 1079; RG Recht 1913, Nr. 1403; BGHSt 33, 159, 162; OLG Stuttgart NJW 1951, 206; s. auch BayObLG NJW 1989, 2142. 448 Ebenso wohl auch Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 145 (bloße Gestattung des Namensgebrauchs ist keine Vollmacht) und Sch/Sch/Cramer, § 267 Rdn. 60 (keine Vertretung bei Gestattung des Namensgebrauchs). Siehe ferner BayObLG NJW 1988, 1401, wo der Namensträger mit der Verwendung seines fremdgeschriebenen imitierten Namenszuges einverstanden war, ohne eine wirksame Bevollmächtigung erteilt zu haben. Allerdings stellt das BayObLG zur Begründung der Urkundenunechtheit zusätzlich auf die nach Verneinung der wirksamen Vertretung nicht mehr erforderlichen subjektiven Erwägungen ab, daß eine Vertretung nicht gewollt gewesen sei und ein Täuschungszweck verfolgt wurde (s. dazu auch OUo, JK § 267/11 sowie Puppe, JuS 1989,361, die in der zivilrechtlichen Bewertung des Falles zu dem Ergebnis kommt, daß dennoch wirksame Erklärungen des Namensträgers vorlagen; s. dazu bereits oben FN 423). 449 Vgl. Kohlrausch/Lange, § 267 Anm. IV 2; Trändle, LK § 267 Rdn. 20; Samson, JuS 1970,369,375; Waldeyer, Zeichnen mit fremdem Namen, S. 35 f., 38; Wetzel, § 60 All a a; sowie RGSt 68, 240 (allerdings u. a. mit unrichtiger Bezugnahme auf die entgegenstehenden Entscheidungen RGSt 37, 196; RGSt 43, 348); RGSt 75,46,49; RGSt 75, 214, 216; RG DJ 1938, 1917 (zur Kritik an dieser Entscheidung s. o. 3. Abschn. FN 429; auch hier u. a. Bezugnahme auf eine widersprechende Entscheidung); RG HRR 1939, Nr. 662; RG DR 1943, 446. Auch Mezger, ZAkDR 1941, 181, 182 und Schänke, FG Kohlrausch, S. 253,258 ff. wollen den Täuschungszweck des Namensträgers bei der Echtheitsbestimmung berücksichtigen. Unter Vermischung mit Aspekten, die noch unter 3. Abschn. I C 4 b cc zur Zulässigkeit der verdeckten Stellvertretung zu behandeln sein werden, verneinen sie die "objektive Berechtigung" zur Vertretung bei Vorliegen eines Täuschungszweckes (zu dieser "objektiven Berechtigung" s. ferner Mezger, ZAkDR 1942, 251 sowie Mittelbach, DR 1942, 1149). Anders (kein Einfluß der Intention des Namensträgers auf die Echtheit): Ranft, Echtheit, S. 74 ff., 77 f.; Widmann, Unechte Urkunde, S. 138; RGSt 15,4,8; RGSt 37,196; RGSt 43, 348, 349, 352, 354; RGSt 74, 210; RG GA Bd. 37, 281. Unklar bleibt die Frage, ob der dort jeweils erörterte Täuschungszweck des Namensträgers die Echtheit beeinflußt in: RGSt 16,325,326; RGSt 22,377,379; RGSt 26, 220. Den unter Umständen fehlenden Willen des Namensträgers zum Vertretensein bei zu Täuschungszwecken erteilter Generalvollmacht gar nicht erwähnend: RGSt 37,196, wo also ohne Umwege von der Unechtheit der mit fremdem Namen gezeichneten Urkunde ausgegangen wurde.

12 Steinmetz

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

ausreichen, um die Unechtheit der Urkunde wegen fehlenden Willens zum Vertretensein festzustellen 45o . Dabei ist allerdings zu beachten, daß die Zweck richtung des Namensträgers, der eine verdeckte Stellvertretung zuläßt, ebenso wie die Zweckrichtung des Unterzeichners 451 relativ zu verschiedenen Urkundsempfängern sein kann. Wie bereits mehrfach im Rahmen dieser Arbeit gezeigt452 , ist es ausgeschlossen, den Echtheitsbegriff durch Einbeziehung subjektiver Kriterien zu relativieren. Zudem erscheint es ohnehin bedenklich, daß die Zweckrichtung des Namensträgers die Echtheit oder Unechtheit der vom Unterzeichner hergestellten Urkunde beeinflussen soll; handelt es sich doch um einen Prüfungsschritt zur Feststellung der Strafbarkeit einer anderen Person, nämlich des Unterzeichners, der, abgesehen von Fällen der mittelbaren Täterschaft, der nach § 267 StGB zu bestrafende Täter ist. Letztlich ist auch hier453 darauf hinzuweisen, daß bloße Billigkeits- und Strafwürdigkeitserwägungen454 in die Beurteilung einfließen, wenn die Echtheitsbestimmung von mit fremdem Namen gezeichneten Urkunden durch die Willensrichtung des Namensträgers beeinflußt wird. Schließlich wird der Wille des Vertreters zum Vertretensein auch dann verneint, wenn der Namensträger sich durch die mit seinem Namen versehene Erklärung des Vertreters nicht binden lassen will455 . Dieses Beispiel, das häufig im Zusammenhang mit der bereits erwähnten Konstellation "bloße Gestattung des Namensgebrauchs"456 erörtert wird, zeigt wiederum, wie sehr man sich bei dieser Argumentation von den der Geistigkeitstheorie zugrundeliegenden Konformitätserwägungen 457 entfernt hat. Wenn es sich in einem solSiehe nur die weitgehend akzeptierte Leitentscheidung RGSt 75, 46, 48 f. Siehe dazu den vorhergehenden Gliederungspunkt 3. Abschn. I C 4 b aa. 452 Siehe insbesondere 3. Abschn. I B 1 a, 3 b aa. 453 ebenso wie im vorigen Gliederungspunkt 3. Abschn. I C 4 b aa. 454 Siehe nur die bereits in FN 429 (3. Abschn.) kritisierte Entscheidung RG DJ 1938, 1917 sowie die Ansicht von Schönke (FG Kohlrausch), S. 253,258,260), daß der Hinweis auf eine zusätzliche Strafbarkeit des Täters nach § 263 StGB oftmals nicht ausreiche; bei Täuschungsabsicht des Namensträgers fordere der Unrechtsgehalt der Tat auch eine Bestrafung nach § 267 StGB! Schönke will darauf abstellen, ob im Einzelfall vom Namensträger ein rechtlich anerkannter Zweck verfolgt wird (kritisch hierzu auch Timcke, Identitätstäuschung, S. 138 f.). Siehe bereits oben (3. Abschn. FN 449) den Hinweis auf die u. a. von Schönke vertretene Lehre von der "objektiven Berechtigung" zur Stellvertretung, welche in so einem Fall fehlen soll. 455 So Hassemer, JuS 1986, 72; Tröndle, LK § 267 Rdn. 20 f.; Samson, JuS 1970, 369, 375; s. auch (allerdings unter Vermischung objektiver und subjektiver Aspekte) Dreher/Tröndle, § 267 Rdn. 18, wonach die "Ermächtigung" zum Zeichnen mit fremdem Namen "unzulässig" sein soll, wenn sich der Namensträger gar nicht mit Wirkung für sich persönlich vertreten lassen wolle und dem Täter dieser Willensmangel bekannt sei. Ferner wohl auch Ohr, JuS 1967, 255, 257 FN 22 sowie RG Recht 1913 Nr. 2816. Ausdrücklich gegen eine Berücksichtigung des Rechtsbindungswillens des Namensträgers: RG GA Bd. 37,281; Weidemann, NJW 1986, 1976, 1977. 456 Siehe die Nachweise oben 3. Abschn. FN 447. 450 451

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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chen Fall (fehlender Bindungswille des Namensträgers) überhaupt um einen Fall des Zeichnens mit fremdem Namen handelt (Bevollmächtigter zeichnet mit dem Namen des Vollmachtgebers), so ist zivilrechtlich gesehen der Vorbehalt des Namensträgers, sich nicht binden zu wollen, gemäߧ 116 S. 1 BGB in den meisten Fällen unbeachtlich 458 • Wenn dies aber dennoch zur Unechtheit einer solchen Urkunde führen soll, so würde diesem Ergebnis die nach der Geistigkeitstheorie eigentlich zu berücksichtigende zivilrechtliche Wirksamkeit entgegenstehen. Schon die bisherigen Beispiele, bei denen der Wille des Namensträgers zur Vertretung verneint werden soll, zeigen, daß Bedenken bestehen müssen, entsprechende Erwägungen in eine Echtheitsbestimmung nach § 267 StGB einzubeziehen. Aber auch in drei weiteren Bereichen führt die Berücksichtigung des Willens des Namensträgers beim Zeichnen mit fremdem Namen zu erheblichen Unsicherheiten. (1) So müßte eigentlich die bei bestehender Anscheinsvollmacht459 des Unterzeichners mit fremdem Namen gezeichnete Urkunde echt sein, wirkt sie doch zivilrechtlich für und gegen den Namensträger46o . Streng genommen könnte aber in solchen Fällen der Wille des Namensträgers zum Vertretensein nur verneint werden, da es sich bei der Zurechnung von Willenserklärungen per Anscheinsvollmacht gerade nicht um eine Form der gewillkürten Stellvertretung, sondern um die Zurechnung eines (verschuldeten) Rechtsscheins handelt461 . Damit entsteht aber für Befürworter des allgemein akzeptierten Ansatzes der Geistigkeitstheorie folgendes Dilemma: Entscheidet man sich dafür, auch die bei Anscheinsvollmacht mit dem Namen des Vertretenen gezeichnete Urkunde als echt anzusehen 462 , so gibt man das hier erörterte KriZum Konformitätsargument s. 1. Abschn. II C 4 b sowie 3. Abschn. I C 3. Auf die Widersprüchlichkeit zur zivilrechtlichen Bewertung unbeachtlicher geheimer Vorbehalte nach §§ 116, 117 BGB weisen auch hin: Baldt, DR 1941, 992, 993; Puppe, Jura 1986, 22, 25; dies., JZ 1986, 938, 942. Zur zivilrechtlichen UnbeachtIichkeit geheimer Vorbehalte beim Zeichnen mit dem Namen des Vertretenen s. BGH NJW 1966, 1915 f. Siehe ferner Puppe, JuS 1989, 361 zu BayObLG NJW 1988, 1401, wo aber kein Fall des Zeichnens mit fremdem Namen in dem hier verstandenen Sinne (verdeckte rechtsgeschäftIiche Stellvertretung) vorlag. 459 Zur Anscheinsvollmacht s. nur m. w. N. PalandtlHeinrichs, § 173 Anm. 4 c, wobei hier auf den zivilrechtlichen Streit nicht weiter eingegangen werden soll, der darauf beruht, daß entgegen der h. M. und st. Rspr. eine Mindermeinung bestimmte Rechtswirkungen des Instituts der Anscheinsvollmacht ablehnt (s. nur Flume, AT II § 494). 460 Auf das Ausreichen jeder Art von Bevollmächtigung - also auch einer Anscheinsvollmacht - für die zivilrechtliehe Erklärungszurechnung beim Zeichnen mit fremdem Namen wurde bereits oben (3. Abschn. I C 2 b) hingewiesen. Siehe ferner zur Erklärungszurechnung bei einer Anscheinsvollmacht BGH NJW 1966, 1915 f. 461 Siehe nur PalandtlHeinrichs, § 173 Anm. 4 c aa; Thiele, MK § 167 Rdn. 44, 46; sowie Paeffgen, JR 1986, 114, 118 FN 26 und auch Puppe, NStZ 1988, 314. 462 Dies müßten zumindest die Autoren tun, die nicht auf den Willen des Namensträgers abstellen, sondern allein auf die zivilrechtliehe Wirkung der Vollmacht: s. 457 458

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfälle

terium auf, wonach die Echtheit einer Urkunde beim Zeichnen mit fremdem Namen vom Willen des Namensträgers zum Vertretensein abhängt. Kommt man zum gegenteiligen Ergebnis463 , so verstößt man wiederum gegen die nach der Geistigkeitstheorie anzustrebende Konformität zwischen Zivilrecht und Strafrecht, denn die zivilrechtlich wirksamen Erklärungen unter dem Namen des (Anscheins-) Vollmachtgebers wären dann strafrechtlich gesehen unechte Urkunden. (2) Zudem entsteht eine weitere Problematik für die Anhänger des herkömmlichen Ansatzes der Geistigkeitstheorie: Sobald man den Willen des Namensträgers zum Vertretensein im Rahmen der verdeckten Stellvertretung in die Echtheitsprüfung beim Zeichnen mit fremdem Namen einfließen läßt, müßten sich zwangsläufig auch Willensmängel beim Namensträger auf die Urkundenechtheit auswirken 464 • So wäre es fraglich, ob ein zur Echtheit führendes Zeichnen mit fremdem Namen noch bejaht werden kann, wenn die Bevollmächtigung des mit dem Namen des Vertretenen Unterzeichnenden nichtig, schwebend unwirksam oder wirksam, aber vernichtbar wäre (zum Beispiel Nichtigkeit wegen Geschäftsunfähigkeit nach § 105 BGB; schwebende Unwirksamkeit wegen beschränkter Geschäftsfähigkeit nach § 108 BGB; anfechtbare Wirksamkeit wegen Täuschung, Drohung oder Zwang nach §§ 119, 123 BGB). Gleiches müßte auch für den Fall gelten, wenn trotz Willens des Namensträgers zur Vertretung die von ihm erteilte Vollmacht des Unterzeichners nach §§ 134, 138 BGB wegen Gesetzesverstoßes oder Sittenwidrigkeit nichtig ist 465 • Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 145 f.; Widmann, Unechte Urkunde, S. 90, 97. Die Unmöglichkeit einer strengen Akzessorietät zum Zivilrecht wurde bereits oben bei den Erörterungen zum Konformitätsargument dargelegt (s. 3. Abschn. I C 3). 463 Unechtheit trotz zivilrechtlich wirksamen Zeichnens mit fremdem Namen bei Anscheinsvollmacht wollen offenbar bejahen: Paeffgen, JR 1986, 114, 118 FN 26, 29; Sieber, Computerkriminalität, S. 293 FN 173. 464 Ausdrücklich ergibt sich das bei RGSt 75, 285; RG DR 1943, 446; Waldeyer, Zeichnen mit fremdem Namen, S. 38 (letzterer zu nur zum Schein erteilten Vollmachten; § 117 BGB). Gegen eine Berücksichtigung von Willensmängeln sprechen sich aus: Paeffgen, JR 1986, 114, 118; Puppe, JR 1981, 441, 443 f.; Samsan, SK § 267 Rdn. 58. 465 Berücksichtigung der Vollmachtsnichtigkeit bei der Echtheitsprüfung nur bei Scheiber, Urkundenherstellung, S. 52 und bei Timpe, Echtheit und Gültigkeit, S. 35 f.; entsprechende Erwägungen auch bei Frank, ZStW Bd. 32,82,97. Ausdrücklich dagegen: RGSt 43, 348, 350 f.; Tröndle, LK § 267 Rdn. 22 (so auch schon Tröndle, LK 9. Aufl. § 267 Rdn. 22; von Puppe, JR 1981,441,443 fälschlicherweise als Beleg für die Gegenansicht zitiert); Paeffgen, JR 1986, 114, 118; Puppe, JR 1981,441, 443 f.; Samsan, SK § 267 Rdn. 58. Gelegentlich werden Probleme der Vollmachtswirksamkeit auch unter dem im folgenden Teil (3. Abschn. I C 4 b cc) erörterten Gesichtspunkt der Erlaubtheit bzw. der Befugnis zur Stellvertretung erwähnt (s. Puppe, JR 1981, 441, 443; Rheineck, Fälschungsbegriff, S. 30, 32, 62). Da aber eine wirksame, "befugte" Stellvertretung normalerweise im wesentlichen vom Willen des Vertretenen abhängt (s. auch den Hinweis bei Paeffgen, JR 1986, 114, 116 FN 15), sollen unter 3. Abschn. 1 C 4 b cc nicht die Probleme erörtert werden, die sich aus Unwirksamkeiten der gewillkürten Vollmacht

I. Verwendung eines nicht zustehenden Namens

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Berücksichtigt man eine, aus den eben genannten oder anderen Gründen bestehende Unwirksamkeikt oder Nichtigkeit der Bevollmächtigung bei der Feststellung der Echtheit oder Unechtheit von mit dem Namen des Vertretenen gezeichneten Urkunden, so müßte jede zivilrechtliehe Unwirksamkeit der Vollmacht auch zur Unechtheit der Urkunde in den Fällen des Zeichnens mit fremdem Namem führen 466 • Mangels wirksamer Vollmacht würde der Unterzeichner dann als Urheber der Erklärung angesehen werden, dessen Person nicht identisch mit dem Anscheinsaussteller der Urkunde, dem Namensträger, wäre. Dies ist aber eine Konsequenz, die, wie oben bei der Darlegung des "umgekehrten Konformitätsarguments" ausgeführt wurde 467 , nicht gezogen werden kann. Nicht jede zivilrechtliche Unwirksamkeit einer schriftlichen Erklärung kann sogleich die strafrechtliche Urkundenunechtheit bewirken! Im Rahmen der Berücksichtigung der Vollmachtswirksamkeit entsteht hierbei aber auch ein weiterer Widerspruch: Wenn man den Willen zum Vertretensein bei unwirksamer Vollmacht verneint, so übersieht man, daß gerade auch eine nicht wirksame Bevollmächtigung sehr wohl auf dem Willen des Vollmachtgebers beruhen kann, wie dies bei der Unwirksamkeit wegen Geschäftsunfähigkeit nach § 105 BGB oder wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB der Fall ist468 • Zudem führt die Flexibilität des Zivilrechts und die damit verbundene schnelle Änderung von Wirksamkeit und Unwirksamkeit 469 auch hier zu Wertungswidersprüchen, die eine Berücksichtigung der schwebenden Unwirksamkeit oder aber der anfechtbaren Wirksamkeit einer Bevollmächtigung ausschließen. Betrachtet man zum Beispiel die irrtumsbedingte Bevollmächtigung als ausreichend für ein zur Echtheit führendes Zeichnen mit fremdem Namen, so wird der zunächst vorhandene Gleichklang zwischen zivilrechtlicher Wirksamkeit und strafrechtlicher Echtheit durch eine spätere Anfechtungserklärung zerstört. Läßt man eine solche Bevollmächtigung nicht ergeben. Dort werden andere Nichtigkeitsgründe des vom Vertreter ausgeführten Geschäfts diskutiert (insbes. Nichtigkeit wegen Formverstoßes bei Eigenhändigkeitserfordernissen ). 466 Siehe nur RGRspr. 3, 816 und RGSt 5, 151, 153 sowie Scheib er, Urkundenherstellung, S. 52 zur Unechtheit aufgrund der Unwirksamkeit einer Vollmacht bei Nichterfüllung eines Formerfordernisses für die Vollmachtserteilung (zu bestehenden Formerfordernissen für Bevollmächtigungen s. die Beispiele bei PalandtlHeinrichs, § 167 Anm. 1 b). 467 Siehe o. 1. Abschn. II C 5; s. auch Samson, SK § 267 Rdn. 58, der zu Recht darauf hinweist, daß die Unterzeichnung eines Geschäftsunfähigen zu einer echten Urkunde führe, was auch dann gelten müsse, wenn der Geschäftsunfähige eine unwirksame Vollmacht erteilt habe, aufgrund derer mit seinem Namen gezeichnet werde. Siehe zudem Paeffgen, JR 1986, 114, 118 FN 27 mit dem Hinweis, daß auch die Wirkungslosigkeit einer Vollmacht wegen Geschäftsunfähigkeit des Vertreters (§ 165 BGB) keine Auswirkungen auf die Echtheit von mit dem Namen des Vertretenen gezeichneten Urkunden haben könne. 468 Darauf weist insbesondere Paeffgen, JR 1986, 114, 118 hin. 469 Siehe insbesondere oben 3. Abschn. I C 3 die Ausführungen zum Konformitätsargument.

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3. Abschn.: Üblicherweise erörterte Anwendungsfalle

genügen und verneint den Willen zum Vertretensein (weil die Willensentschließung auf einem Irrtum beruht)470, so muß man es hinnehmen, daß unter Umständen der Namensträger nach Erkennen seines Irrtums bewußt nicht von seinem Anfechtungsrecht