Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter für eingeschränkt Selbstbestimmungsfähige: Modell einer mehrstufigen Eingangsschwelle der Betreuung und des Einwilligungsvorbehalts 3161471709, 9783161579073, 9783161471704

Die Betreuung ist fürsorgende Hilfe, weil der Betreuer als gesetzlicher Vertreter die Handlungsunfähigkeit des Betreuten

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
§ 1 Die Fragestellung
I. Die Neuorientierung durch die Entkoppelung der Betreuung von der Geschäftsfähigkeitsfrage
II. Untersuchungsgegenstand: Die Eingangsschwelle der Betreuung und des Einwilligungsvorbehalts
III. Gang der Untersuchung
§ 2 Überblick über das Vormundschaftsrecht des BGB und seine Reform durch das Betreuungsgesetz
I. Die Erwachsenenvormundschaft und die Gebrechlichkeitspflegschaft des BGB vor Inkrafttreten des BtG
1. Allgemeiner Überblick
2. Wesentliche Defizite
a) Mängel der rechtlichen Regelung
b) Umsetzungsdefizite
II. Die Reform durch das Betreuungsgesetz
1. Der Reformprozeß
2. Das neue Rechtsinstitut der Betreuung
a) Systematik
b) Zum Ablauf der Betreuung
c) Grundgedanken der materiellen Regelung
d) Verfahrensrechtliche Grundzüge
e) Sozialrechtliche Komponente
3. Die Reform durch das Betreuungsänderungsgesetz
1. Teil Rechtstatsächliche und verfassungsrechtliche Grundlegung
§ 3 Die Rechtstatsache betreuungsrelevanter psychopathologischer Funktionsstörungen
I. Gedanken zur psychiatrischen Krankheitslehre
1. Der psychiatrische Krankheitsbegriff als Ausgangspunkt der früheren Lehre
a) Zur Ausgrenzung nicht pathologischer Defekte
b) Zur Beurteilung rechtlicher Handlungsfähigkeit
c) Zur Beurteilung vormundschaftlichen Fürsorgebedarfs
2. Neue multiaxiale Ansätze
3. Begutachtung psychiatrischer Erkrankungen
a) Multifaktorielle Bedingtheit
b) Ungenauigkeit quantitativer Aussagen
c) Fazit:
II. Die relevanten pathologischen Phänomene
1. Psychische Krankheiten
a) Organische Psychosen
b) Endogene Psychosen
aa) Schizophrener Formenkreis
bb) Zyklothyme Erkrankungen
c) Senile Demenz
d) Abhängigkeitskrankheiten
e) Varianten seelischen Erlebens
2. Geistige Behinderungen
3. Körperliche Behinderungen
III. Einfluß dieser Phänomene auf die Selbstbestimmungsfähigkeit
1. Ausgrenzung rein körperlicher Behinderungen
2. Sonstige betreuungsrelevante Funktionsstörungen
a) Notwendige Differenzierung
b) Typische Krankheitsbilder
c) Das Problem der Freiwilligkeit
3. Begründung rechtlicher Handlungsunfähigkeiten
a) Geschäftsunfähigkeit
b) Einsichtsfähigkeit
§ 4 Verfassungsrechtlicher Rahmen
I. Spannungsfeld zwischen staatlichem Schutzauftrag und Achtung der Selbstbestimmung
1. Schutzauftrag des Staates
2. Der Grundgedanke der Selbstbestimmung
a) Im Bürgerlichen Recht
b) Im Grundgesetz
II. Allgemeine Aspekte der Grundrechtsgeltung im Rahmen des Betreuungsrechts
1. Grundrechtsmündigkeit
2. Die Geltung der Grundrechte im Betreuungsrecht
a) Die strittige Grundrechtswirkung im Privatrecht
b) Der Sonderfall der zivilrechtlichen Fürsorge
3. Grundrechtsbeschränkungen
a) Schrankensystematik
b) Beschränkungen in Sonderstatusverhältnissen
c) Einwilligung in Grundrechtsbeschränkungen
III. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
1. Grundlegung
a) Rechtsqualität als Verfassungsgrundsatz
b) Anwendungskriterien
aa) Anwendbarkeit
bb) Differenzierung nach Gesetzes- und Einzelfallkontrolle
cc) Unterschiedliche Schutzrichtung
dd) Einfluß der Einstellung des Betroffenen zum Mitteleinsatz
2. Inhalt des Grundsatzes
a) Allgemein
b) Geeignetheit
c) Erforderlichkeit
d) Verhältnismäßigkeit i.e.S.
e) Funktionale Unterschiede zwischen Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit i.e.S.
IV. Spezifische Aussagen zur Erwachsenenfürsorge
1. Zur Zulässigkeit der Fürsorge
a) Allgemein
b) Grenzen für die Ausübung der Rechtsmacht
2. Vorgaben für grundrechtstangierende Maßnahmen
a) Zwangspflegschaft und allgemeine Handlungsfreiheit
b) Gesetzliche Vertretung und allgemeines Persönlichkeitsrecht
c) Das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Mündels
V. Zusammenfassung
2. Teil Historische Entwicklung der zivilrechtlichen Erwachsenenfürsorge
§ 5 Grundlinien der Entwicklung bis zum BGB
I. Römisches Recht
1. Fürsorgeinstitute
a) Allgemeines
b) Rechtsmacht des Fürsorgers
2. Einschränkungen der Handlungsfähigkeit
3. Zusammenhang zwischen Fürsorge und eingeschränkter Handlungsfähigkeit
II. Mittelalterliches und frühneuzeitliches deutsches Recht
1. Die Vormundschaft
a) Allgemeines
b) Rechtsmacht des Vormundes
2. Zusammenhang zur Handlungsunfähigkeit
III. Gemeines Recht
1. Einschränkungen der Handlungsfähigkeit
2. Zusammenhang zwischen Vormundschaft und derartigen Einschränkungen
IV. Preußisches Allgemeines Landrecht
1. Fürsorgeinstitute
a) Allgemeines
b) Rechtsmacht des Vormundes
2. Einschränkungen der Handlungsfähigkeit
3. Zusammenhang zwischen Vormundschaft und Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit
a) Entmündigungsähnliche Tatbestände
b) Sonstige Tatbestände
c) Funktion der mit der Entmündigung gekoppelten Vormundschaft
§ 6 Die Bestimmung der Eingangsschwelle im früheren Vormundschaftsrecht des BGB
I. Voraussetzungen der Fürsorge
1. Vormundschaft
a) Koppelung an die Voraussetzung der Entmündigung
aa) Bei der endgültigen Vormundschaft
(1) Für die Anordnung der Vormundschaft
(2) Für die Fortdauer der Vormundschaft
bb) Bei der vorläufigen Vormundschaft
b) Erfaßter Personenkreis
c) Schutzzweck
d) Entmündigung nach § 6 I Nr. 1 a.F.
aa) Angelegenheitenbegriff
bb) Geisteskrankheit und Geistesschwäche
cc) Unfähigkeit der Angelegenheitenbesorgung
2. Gebrechlichkeitspflegschaft
a) Der Grundtatbestand
aa) Die geistigen Gebrechen
bb) Das Fürsorgebedürfnis
b) Freiwillige Pflegschaft
c) Die Zwangspflegschaft
d) Einfluß von Veränderungen des Fürsorgebedarfs
II. Wirkungen der Fürsorge
1. Vormundschaft
a) Zuweisung eines Vormundes mit Rechtsmacht
b) Einschränkung rechtlicher Handlungsfähigkeit
aa) Mittelbare Verknüpfung mit der endgültigen Vormundschaft
bb) Direkte Verknüpfung bei der vorläufigen Vormundschaft
2. Gebrechlichkeitspflegschaft
a) Zuweisung eines Pflegers mit Rechtsmacht
b) Einfluß auf die rechtliche Handlungsfähigkeit des Pfleglings?
aa) Regelmäßig kein Einfluß
bb) Inzidentwirkung der Geschäftsunfähigkeitsfeststellung bei der Zwangspflegschaft
III. Würdigung der Eingangsschwellen des früheren Vormundschaftsrechts
1. Die Entmündigung als Eingangsschwelle der Vormundschaft
a) Vorteile der Verknüpfung mit der Entmündigung
b) Nachteile dieser Verknüpfung
aa) Entmündigung als übermäßige Entrechtung
bb) Strukturelles Defizit der Koppelung an die Entmündigung
cc) Auslegung des Entmündigungsmaßstabs im Hinblick auf die intendierte Vormundschaft
c) Unbestimmtheit des Entmündigungstatbestandes des § 6 I Nr. 1 a.F.
2. Die Schwelle der Gebrechlichkeitspflegschaft
a) Doppelte Unfähigkeitsprüfung
b) Allgemeiner Vergleich zur Vormundschaft
c) Die Einwilligung als Schwelle der freiwilligen Pflegschaft
d) Exorbitante Auslegung der Geschäftsunfähigkeit als Schwelle der Zwangspflegschaft
3. Zusammenfassung
a) Divergenz der Anordnungskriterien von Vormundschaft und Pflegschaft
b) Tatbestandliche Koppelung der Fürsorge mit der Geschäftsfähigkeitsfrage
aa) Konkretisierende Funktion dieser Koppelung
bb) Unterschiedlicher Einfluß auf die rechtliche Handlungsfähigkeit des Fürsorgebedürftigen
§ 7 Vergleichende Würdigung der Rechtsentwicklung
I. Anlaß und Zweck der Fürsorge
II. Verknüpfung mit Einschränkungen rechtlicher Handlungsfähigkeit und der gesetzlichen Vertretung
III. Fazit
3. Teil Die Festlegung der Eingangsschwelle
1. Abschnitt Die Begründung der Betreuung
§ 8 Die Wirkungen der Betreuerbestellung im Hinblick auf die Festlegung der Eingangsschwelle
I. Rechtsverhältnis der Betreuung
II. Die Rechtsmacht des Betreuers
1. Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter
a) Koppelung der Betreuung mit der gesetzlichen Vertretung
b) Elemente der gesetzlichen Rechtsmacht
aa) Gesetzliche Vertretung und tatsächliche Sorge
bb) Personen- und Vermögenssorge
2. Rechtsmacht im Außenbereich
a) Die gesetzliche Vertretungsmacht
aa) Im materiellen Recht
bb) Im Verfahren
(1) Im Zivilprozeß
(2) In FG-Sachen
(3) In sonstigen Verfahren
b) Handeln des Betreuers im eigenen Namen
aa) Mittelbare Stellvertretung
bb) Sogenannte amtsähnliche Handlungen
c) Die Einwilligung in die Verletzung persönlicher Rechtsgüter
aa) Die Rechtshandlung der rechtfertigenden Einwilligung
bb) Zuständigkeit des Betreuers
d) Absolute Rechte des Betreuers
3. Rechtsmacht im Innenbereich
a) „Tatsächliche Sorge“
b) Vermischung von Innen- und Außenbereich
c) Das Problem der Zwangsbefugnisse
4. Einschränkungen der Rechtsmacht
a) Bei der materiellen Vertretungsmacht
aa) Ausschlußtatbestände
(1) Rechtsgeschäftliche
(2) Sonstige
bb) Handlungsverbot
cc) Beschränkungen der Vertretungsmacht
(1) Wegen Interessenkollision
(2) Durch Bestellung eines Mitbetreuers
(3) Durch Genehmigungsvorbehalte
b) Bei der verfahrensrechtlichen Vertretungsmacht
aa) Auswirkungen materieller Ausschlußtatbestände
bb) Genuin prozessuale Ausschlußtatbestände
(1) Eidesleistung
(2) Strittige Vertretung in Ehesachen
cc) Beschränkungen der Vertretungsmacht
c) Personenbezogene Fremdbestimmungsbefugnisse
aa) Ausschlußtatbestände
bb) Beschränkungen der Bestimmungsbefugnis
5. Zusammenfassung
III. Auswirkungen der Betreuung auf die Handlungsmöglichkeiten des Betreuten
1. Einfluß auf die rechtliche Handlungsfähigkeit
a) Entkoppelung von der Rechtsfolge eingeschränkter Handlungsfähigkeit
b) Ausnahmen
2. Ermöglichung der Angelegenheitenbesorgung
a) Allgemein
b) Heilungszuständigkeit
3. Einfluß auf die Handlungszuständigkeit
a) Der Regelfall
b) Geltung des Regelfalls
aa) Fälle einer grundsätzlichen Geltung
bb) Fälle einer abweichenden Beurteilung
(1) Rechtfertigende Einwilligungen im höchstpersönlichen Bereich
(2) Tatsächliche Bestimmungsbefugnisse
(3) Die optative Verdrängungskompetenz des Betreuers im Verfahren
(4) Mehrfachkompetenzen im Betreuungsverfahren
4. Faktische Einflüsse auf die Handlungsmöglichkeit
IV. Die Wirkungen der Betreuung zwischen Hilfe und Eingriff
1. Zur Struktur der Betreuung
2. Hilfscharakter der Betreuung
3. Eingriffscharakter der Betreuung
§ 9 Der gesetzliche Begründungstatbestand
I. Überblick über die materielle Eingangsschwelle des Betreuungsrechts
1. Einfluß des Prinzips der Einheitsentscheidung
2. Unterscheidung nach Betreuungsarten im Hinblick auf die Eingangsschwelle
3. Der mehrgliedrige materielle Begründungstatbestand für den Regelfall der Betreuung
4. Doppelfunktionalität der materiellen Eingangsschwelle
II. Der Grundtatbestand des § 1896 I BGB
1. Die Bedeutung eines Antrages
2. Das Grundkriterium der Unfähigkeit
a) Tatbestandliche Angelegenheiten
b) Unfähigkeit der Angelegenheitenbesorgung
aa) Zu besorgende Angelegenheiten des Betroffenen
bb) Unvermögen
3. Konkretisierung des Grundkriteriums durch die pathologischen Phänomene
a) Die pathologischen Zustände
aa) Definition der Befundgruppen
bb) Rechtliche Begriffsbildung
cc) Erfaßter Personenkreis
b) Pathologische Bedingtheit der Unfähigkeit
aa) Konkretisierung des Grundkriteriums durch seine pathologische Ursache
bb) Konkretisierung des pathologischen Phänomens im Hinblick auf die Besorgungsunfähigkeit
cc) Keine vereinheitlichende tatbestandliche Gesamtschau
4. Der Einfluß der Wohlmaxime
a) Zu deren Funktion
b) Ausschluß des Betreuungseinsatzes im Drittinteresse
aa) Die Regel
bb) Die Ausnahme
c) Geltung als Entscheidungsmaßstab im Rahmen der Eingangsschwelle
aa) Begriffsklärung
bb) Beachtung auch der Wünsche zu Betreuender?
cc) Der Konflikt zwischen den Wünschen und dem Wohl des zu Betreuenden
dd) Anwendung auf konkrete Situationen im Vorfeld der Betreuung
5. Doppelfunktion der Merkmale des Grundtatbestandes
III. Die Erforderlichkeit der Betreuung
1. Gesetzliche Konzeption der Erforderlichkeit
a) Struktur und Begriff im Rahmen des § 1896 II
b) Gleichsetzung mit dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit
c) Funktion: Begrenzung des Betreuungseinsatzes mit doppelter Zielrichtung
2. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Begründungstatbestand der Betreuung
a) Anwendbarkeit im Betreuungsrecht
b) Gesetzgeberischer Zweck der Betreuung als Beurteilungsmaßstab
c) Abstrakte Verhältnismäßigkeitskontrolle des Begründungstatbestandes
3. Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Einzelfallentscheidung
a) Gegenstand der Verhältnismäßigkeitsprüfung
b) Geeignetheit
c) Erforderlichkeit
aa) Eingeschränkte Mittelauswahl
bb) Abgrenzung zur umgangssprachlichen Notwendigkeit
cc) Verbleibender Anwendungsbereich
dd) Kriterien der Erforderlichkeitsprüfung
ee) Fazit:
d) Verhältnismäßigkeit i.e.S.
aa) Anwendungsbereich
bb) Abwägungsfaktoren
(1) Abzuwägende Interessen
(2) Eingriffsqualität der Betreuerbestellung
(3) Hilfscharakter der Betreuung
(4) Das Betroffenenwohl als Abwägungsmaßstab
(5) Das verfassungsrechtliche Gewicht als Abwägungsmaßstab
cc) Fazit:
e) Verhältnismäßigkeit auch zur Abwehr von Betreuungswünschen?
aa) Meinungsstand
bb) Eigene Stellungnahme
(1) Grundsätzliche Zulässigkeit einer Begrenzung der Betreuung als Leistung
(2) Eingriffscharakter der Betreuung trotz Einwilligung
(3) Differenzierung nach den Teilgrundsätzen
cc) Fazit:
4. Notwendigkeit der Betreuung im Einzelfall
a) Funktion
b) Maßstab der Notwendigkeit
c) Relevanz von Einschränkungen rechtlicher Handlungsfähigkeit
d) Bestimmung der sachlichen Reichweite
5. Zeitliche Komponente der Erforderlichkeit
a) Bei der Betreuerbestellung
aa) Problemfälle eines variablen medizinischen Befundes
bb) Sonstige Änderungen beim Handlungsbedarf
b) Zur zeitlichen oder sachlichen Modifizierung bestehender Betreuungsverhältnisse
aa) Grundregel des § 1908d
bb) Vorübergehende Änderungen des Betreuungsbedarfs
c) Zwischenergebnis:
6. Ergebnis: Die mehrstufige Erforderlichkeitsprüfung
a) Zur Eingriffsbegrenzung
b) Zur Leistungsbegrenzung
IV. Die Subsidiarität der Betreuung
1. Das Subsidiaritätsprinzip in § 1896 II 2
a) Allgemein zum Subsidiaritätsprinzip
b) Inkorporation in § 1896 II 2
aa) Anwendbarkeit
bb) Funktion
c) Abgrenzung zur Erforderlichkeit i.S.d. § 1896 II 1
2. Die Vollmacht als Alternative zur Betreuung
a) Privatautonomer Gestaltungsspielraum
aa) Vollmacht contra Betreuungsverfügung
bb) Der Spielraum bei der Vollmacht
b) Vollmacht zu rechtsgeschäftlicher Vertretung
aa) Wirksamkeit
bb) Zeitliche Erfassung des Fürsorgefalls
cc) Vertretungsmacht und gegenständliche Erfassung des Fürsorgefalls
c) Vollmacht zur Verfahrensvertretung
aa) Prozeßvollmacht im Zivilprozeß
(1) Wirksamkeit
(2) Eignung zu überdauernder Vorsorge für künftigen prozessualen Handlungsbedarf
(a) Streitfrage der Fortwirkung nach Prozeßunfähigkeit
(b) Eigene Stellungnahme
(c) Umfang der Fortwirkungsmöglichkeit
(3) Vertretungsmacht und gegenständliche Erfassung des Fürsorgefalls
bb) FG-Verfahren
d) Gewillkürte Ausübungsübertragung personaler Bestimmungsbefugnisse
aa) Statthaftigkeit
(1) Meinungsstand vor dem Betreuungsrechtsänderungsgesetz
(a) Lehre
(b) Rechtsprechung
(2) Die neuen §§ 1904 II, 1906 V (BtÄndG)
(3) Eigene Stellungnahme
bb) Bedingungen wirksamer Vertretung
(1) Wirksame Übertragung
(2) Einschränkungen der Bestimmungsmacht
cc) Zwangsbefugnisse des Bevollmächtigten?
dd) Ergebnis:
3. Faktische Hilfen
4. Grenze des Nachrangs
a) Prüfung der Nachrangschwelle
aa) Vorfragen
bb) Differenzierte Prüfung nach den einsetzbaren Hilfen
(1) Bei vorhandener Vollmacht
(2) Bei fehlender Vollmacht
(3) Möglichkeit der Vollmachtserteilung bei Eintritt der Betreuungsbedürftigkeit i.S.d. § 1896 I 1
b) Der Bedarf nach der Rechtsmacht eines Betreuers
aa) Abgrenzung zu faktischen Hilfen
(1) Rechtliche Grenzziehung
(2) Grenzüberschreitungen in der Praxis
bb) Abgrenzung zur Bevollmächtigung
c) Bessere Eignung der Betreuung gegenüber Hilfsalternativen
aa) Parameter zur Bestimmung des qualitativen Vergleichs
bb) Konkretisierung im Fall tatsächlicher Hilfen
cc) Konkretisierung im Fall der Bevollmächtigung
5. Subsidiarität auch zur Abwehr von Betreuungswünschen?
a) Meinungsstand
b) Eigene Stellungnahme
aa) Subsidiarität gegenüber faktischen Hilfsangeboten
bb) Subsidiarität gegenüber einer Bevollmächtigung
(1) Vorhandene Vollmacht
(2) Zu erteilende Vollmacht
cc) Ergebnis:
V. Würdigung des gesetzlichen Tatbestandes
1. Neuerungen
2. Prüfung der Tatbestandsmerkmale
3. Eignung zur Bestimmung des Betreuungsbedarfs
a) Grundkriterium der Besorgungsunfähigkeit
b) Konzentration auf pathologische Phänomene
aa) Tatbestandliche Phänomene
bb) Verknüpfung mit dem Grundkriterium
c) Konzentration auf das Wohl des Betroffenen
d) Die Erforderlichkeit der Betreuung
aa) Die Problematik dieses Tatbestandsmerkmals
bb) Seine einzelnen Elemente
cc) Seine Funktion
e) Die Subsidiarität der Betreuung
aa) Funktion
bb) Eignung zur Zielerreichung
4. Offene Fragen
a) Probleme bei der Abgrenzung von krank und gesund
b) Fehlende Konkretisierung des Ausmaßes gestörter Selbstbestimmung
c) Relevanz der Einstellung des Betroffenen zur Betreuung
d) Ergebnis:
§ 10 Die Diskussion um die Bedeutung rechtlicher Standards eingeschränkter Handlungsfähigkeit für die Betreuerbestellung
I. Relevanz im Rahmen der gesetzlichen Konzeption
1. Entkoppelung des Begründungstatbestandes von derartigen Standards
a) Grundsatz
b) Besonderheiten bei der Aufgabenkreisübertragung
2. Relevanz als notwendige Vorfrage
3. Relevanz zur Konkretisierung der Besorgungsunfähigkeit
a) Handlungsfähigkeit zu Rechtshandlungen
b) Ausgrenzung normativ nicht erfaßten Verhaltens
c) Differenzierung im Hinblick auf die betreuungsrelevanten Angelegenheiten
aa) Für die Wahrnehmung von Rechtshandlungen
bb) Für die Wahrnehmung normativ nicht erfaßten Verhaltens
4. Relevanz zur Bestimmung der Notwendigkeit einer Betreuung
a) Grundsätzliches Verhältnis von rechtlicher Handlungsfähigkeit und gesetzlicher Vertretung
b) Übertragung auf die Betreuung
5. Zwischenergebnis:
II. Untersuchung der danach relevanten Tatbestände rechtlicher Handlungsunfähigkeit
1. Die Geschäftsfähigkeit
a) Bezugsobjekt: Vornahme von Rechtsgeschäften
b) Tatbestandliche Ausgestaltung
aa) Tatbestände eingeschränkter Geschäftsfähigkeit
bb) Unterscheidung zwischen Status und Zustand
cc) Sachlich absolute oder relative Auffassung?
dd) Definierung der Geschäftsunfähigkeit
ee) Rechtsfolgen der Geschäftsunfähigkeit
c) Funktion
aa) Ausschlußfunktion
bb) Schutzfunktion
2. Fähigkeit zu (erlaubten) Rechtshandlungen
a) Fähigkeit zu Rechtshandlungen i.e.S.
aa) Analoge Anwendbarkeit der Geschäftsfähigkeitsregeln
bb) Eigenständige Fähigkeitsstandards
cc) Fazit für betreuungsrelevante Rechtshandlungen i.e.S.
b) Rechtshandlungen außerhalb des Privatrechts
3. Einwilligungsfähigkeit und -zuständigkeit
a) Meinungsstand
aa) Meinungsstand im Zivilrecht vor dem Betreuungsgesetz
(1) Anlehnung an die Geschäftsfähigkeitsregeln
(2) Autonome Bestimmung
bb) Stellungnahme des BVerfG zu Maßnahmen der Zwangsfürsorge
cc) Spezialgesetzliche Ausformungen
dd) Entwicklung unter dem Betreuungsrecht
(1) Gesetzliche Konzeption
(2) Rechtsprechung
(3) Lehre
b) Eigene Stellungnahme
aa) Autonome Einwilligungsfähigkeit Betreuter
(1) Bezugsobjekt
(2) Funktion
(3) Doppelte Relativität
(4) Fazit
bb) Zu einer möglichen Beschränkung der Einwilligungsfähigkeit
cc) Alleinzuständigkeit des einwilligungsfähigen Betreuten
c) Konkretisierung der Einwilligungsfähigkeit
d) Rechtsfolgen der Einwilligungsunfähigkeit
e) Ergebnis:
4. Verfahrensfähigkeit
a) Im Zivilprozeß
b) In FG-Verfahren
aa) Allgemeine FG-Verfahren
bb) Besonderheiten in Betreuungs- und Unterbringungssachen
5. Zusammenfassung
III. Diskussion über die Notwendigkeit einer generellen tatbestandlichen Koppelung mit Einschränkungen rechtlicher Handlungsfähigkeit
1. Für eine tatbestandliche Koppelung
a) Bei Zwangsbetreuung
aa) Rechtsprechung
bb) Lehre
(1) Für aufgabenkreisbezogene Geschäftsunfähigkeit
(2) Für aufgabenkreisbezogene Einsichtsfähigkeit
(3) Differenzierende Bezugnahme auf die Einsichtsfähigkeit bei Holzhauer
b) Bei konsentierter Betreuung
2. Lösungen im Rahmen des gesetzlichen Begründungstatbestandes
a) Strikte Anwendung der gesetzlichen Parameter
b) Wohlwidrigkeit als Maßstab
§ 11 Das eigene Modell einer differenzierten Prüfung der Selbstbestimmungsfähigkeit
I. Notwendigkeit einer quantitativen Festlegung der eingeschränkten Selbstbestimmungsfähigkeit
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
a) Für die Zwangsbetreuung
b) Für die konsentierte Betreuung
c) Fazit:
2. Sinn einer Differenzierung zwischen erzwungener und gewollter Betreuung
a) Das Problem der Freiwilligkeit
aa) Rechtliche Anforderungen
bb) Rechtstatsächliche Möglichkeit einer freiwilligen Entscheidung über die Betreuung
b) Bedarf nach Anerkennung einer konstitutiven Betreuungseinwilligung in diesen Fällen
aa) Im Hinblick auf den Vorrang alternativer Hilfen in § 1896 II 2
bb) Im Hinblick auf die Möglichkeiten der Wunschbeachtung nach dem gesetzlichen Modell
c) Zwischenergebnis:
3. Sonderregeln für die Übertragung von Befugnissen im höchstpersönlichen Bereich
a) Befugnis zu höchstpersönlichen Rechtsgeschäften
b) Befugnis zu höchstpersönlichen Einwilligungen
aa) Schwelle der aufgabenkreisbezogenen Einwilligungsunfähigkeit
bb) Ungenauigkeiten ihrer prognostischen Feststellung
cc) Abhilfe durch mehrstufige Prüfung
dd) Konkretisierung dieser Schwelle
ee) Keine abweichende Beurteilung bei gewollter Betreuung
ff) Geltungsbereich dieser Schwelle
c) Personale Bestimmungsbefugnisse zu tatsächlichem Verhalten
aa) Notwendige Unterscheidung von vermögensbezogenen Bestimmungsbefugnissen
bb) Im personalen Bereich Gleichlauf mit der Einwilligungsbefugnis
4. Zusammenfassung der Ergebnisse:
a) Die Betreuung für höchstpersönliche Angelegenheiten
b) Die Betreuung für sonstige Angelegenheiten
II. Bestimmung des Ausmaßes eingeschränkter Selbstbestimmungsfähigkeit bei der Zwangsbetreuung
1. Die Geschäftsunfähigkeit als allgemeine Eingriffsschwelle
a) Gründe gegen ihren generalisierenden Einsatz
aa) Dogmatisch beschränkte Anwendbarkeit
(1) Als Wirksamkeitsvoraussetzung von Rechtshandlungen
(2) Als zusätzliches Kriterium der Notwendigkeit einer Betreuung
bb) Mängel eines generalisierenden Einsatzes im alten Recht
b) Zwingende Schwelle für andere als höchstpersönliche Angelegenheiten?
aa) Relevanz dieses Parameters nach der gesetzlichen Lage
bb) Korrektur wegen des Verbots der Zwangsbesserung Geschäftsfähiger?
cc) Praktikabilitätserwägungen
dd) Wider eine Fortführung der Praxis der Gebrechlichkeitspflegschaft
c) Zwischenergebnis:
2. Der Ausschluß freier Willensbestimmung als allgemeine Eingriffsschwelle
a) Keine axiomatische Geltung dieses Parameters
b) Möglichkeit seines generalisierenden Einsatzes
aa) Als Wirksamkeitsvoraussetzung von Rechtshandlungen
bb) Als zusätzliches Kriterium der Notwendigkeit einer Betreuung
c) Zu hohe Eingriffsschwelle bei sachlich-absoluter Sicht
aa) Anhebung der Schwelle gegenüber früher
bb) Fehlende Flexibilität zur Definierung des persönlichen Anwendungsbereichs der Betreuung
d) Gründe selbst gegen seinen flexibilisierten Einsatz
aa) Begrenzte Abgrenzungsschärfe
bb) Die Normabweichung als eigentliches Kriterium
cc) Notwendige Differenzierung nach den zu übertragenden Befugnissen
e) Insgesamt abzulehnender Rückgriff auf dieses Kriterium
aa) Bei sachlich-absoluter Konzeption
bb) Bei flexibilisiertem Einsatz
3. Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit als alternativer Parameter
a) Vorteile gegenüber den beiden anderen Parametern
aa) Vereinbarkeit mit dem gesetzlichen Tatbestand
bb) Möglichkeit eines generalisierenden Einsatzes
cc) Abkehr von Mängeln des alten Rechts
dd) Größere Flexibilität
b) Verbleibende Probleme seines generalisierenden Einsatzes
aa) Abgrenzungsschärfe
bb) Ungenauigkeiten der aufgabenkreisbezogenen Prognose
cc) Divergenz von Einsichts- und Geschäftsunfähigkeit im Hinblick auf die Betreuerbestellung
c) Zwischenergebnis:
4. Die relativ verstandene Geschäftsunfähigkeit als Ausweg?
a) Möglichkeit eines generalisierenden Einsatzes
b) Vorteile gegenüber der Einsichtsunfähigkeit
c) Insgesamt abzulehnender Rückgriff auf diesen Parameter
5. Zusammenfassung:
III. Bestimmung des Ausmaßes eingeschränkter Selbstbestimmungsfähigkeit bei konsentierter Betreuung
1. Für eine konstitutive Betreuungseinwilligung erforderliche Fähigkeit
2. Feststellung des Vorliegens einer wirksamen Einwilligung
3. Nötige Korrekturen der gesetzlichen Lage
IV. Die differenzierte Prüfung der Selbstbestimmungsfähigkeit als Eingangsschwelle der Betreuung
2. Abschnitt Die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts
§ 12 Wirkungen der Anordnung
I. Geltungsbereich
1. Ausgenommene Angelegenheiten
2. Speziell personale Bestimmungsbefugnisse
II. Einschränkung der rechtlichen Handlungsfähigkeit
1. Beim zuvor geschäftsfähigen Betreuten
a) Einfluß auf die Geschäftsfähigkeit und dessen dogmatische Einordnung
aa) Der Regelfall
bb) Die Ausnahmetatbestände
cc) Insbesondere der Ausnahmetatbestand des § 1903 III 2
b) Der Fähigkeit zu Rechtshandlungen i.e.S.
c) Der Prozeßfähigkeit
aa) Grundregeln
bb) Die strittige Prozeßfähigkeit im Bereich des § 1903 III 2
(1) Meinungsstand
(2) Eigene Stellungnahme
d) Der sonstigen Verfahrensfähigkeit
2. Beim zuvor geschäftsunfähigen Betreuten
a) Das strittige Verhältnis von § 1903 und § 105 I
b) Einschränkungen bei partieller rechtlicher Handlungsfähigkeit
3. Zusammenfassung:
III. Weitere Rechtswirkungen
1. Modifizierung der Rechtsmacht des Betreuers
a) Bei einem geschäftsfähigen Betreuten
b) Bei einem geschäftsunfähigen Betreuten
2. Einfluß auf die Handlungsmöglichkeiten des Betreuten
a) Bei einem geschäftsfähigen Betreuten
b) Bei einem geschäftsunfähigen Betreuten
IV. Faktische Auswirkungen
V. Zusammenfassung
1. Hilfscharakter des Einwilligungsvorbehalts
2. Eingriffscharakter
§ 13 Bestimmung der Eingangsschwelle
I. Grundtatbestand
1. Allgemeine Voraussetzungen
2. Die besondere Gefahrenlage
a) Schutzgüter
b) Die erhebliche Gefahr
c) Der widerspenstige Betreute als Gefahr
d) Verbleibender Konkretisierungsbedarf
3. Einfluß der Wohlmaxime
a) Ausschluß von Drittinteressen
b) Das subjektivierte Wohl als Entscheidungsmaßstab
II. Erforderlichkeit des Einwilligungsvorbehalts
1. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Anordnung des Einwilligungsvorbehalts
a) Seine Geltungsweise
b) Seine begrenzende Funktion
c) Surrogat einer Geschäftsfähigkeitsprüfung
2. Der Zweck des Einwilligungsvorbehalts als Beurteilungsmaßstab
3. Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Einzelfallentscheidung
a) Beschränkte Bedeutung
b) Erforderlichkeit
c) Verhältnismäßigkeit i.e.S.
d) Zeitliche Komponente
4. Erforderlichkeit eines Einwilligungsvorbehalts bei Geschäftsunfähigkeit des Betreuten
III. Diskussion um eine Konkretisierung der Eingriffsschwelle
1. Meinungsstand
a) Rechtsprechung
b) Lehre
aa) Befürworter einer Verknüpfung mit rechtlichen Fähigkeitsstandards
bb) Gegner einer solchen Verknüpfung
2. Stellungnahme zum Meinungsstreit
a) Keine Differenzierung zwischen freiwillig und unfreiwillig
b) Folgerungen aus dem Verbot der Zwangsbesserung
c) Wider die Geschäftsunfähigkeit als Eingriffsschwelle
d) Wider den Ausschluß freier Willensbestimmung als Eingriffsschwelle
IV. Eigenes Lösungsmodell
1. Konkretisierung des Schutzbedarfs durch die Erkrankung
2. Keine höhere Schwelle als bei der Zwangsbetreuung
a) Eine Zwangsbetreuung geht voraus
b) Eine freiwillige Betreuung liegt zu Grunde
V. Zusammenfassung
4. Teil Würdigung und Ausblick
§ 14 Zusammenfassung der erzielten Ergebnisse
I. Die Ausgangslage: Erwachsene mit eingeschränkter Selbstbestimmungsfähigkeit
II. Historische Reaktionen des Rechts: Die Vormundschaft und Pflegschaft
III. Das neue Rechtsinstitut der Betreuung zwischen Hilfe und Eingriff
IV. Der Betreuungsgesetzgeber im Spannungsfeld zwischen staatlichem Schutzauftrag und Achtung der Selbstbestimmung
V. Die Multifunktionalität einer Eingangsschwelle
VI. Die gesetzliche Eingangsschwelle der Betreuung
VII. Begrenzungsstrategie: Der Erforderlichkeitsgrundsatz
VIII. Vermeidungsstrategie: Die Vorsorgevollmacht
IX. Keine Rückkehr zur tatbestandlichen Koppelung mit der Geschäftsunfähigkeit
X. Das eigene Lösungsmodell
XI. Steigerung der Schutz- und Eingriffsintensität: Der Einwilligungsvorbehalt
XII. Notwendige Ergänzung: Die Eingangsschwelle für Maßnahmen zur Durchführung der Betreuung
XIII. Zielkorrespondenz und Rechtswirklichkeit
§ 15 Ausblick
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter für eingeschränkt Selbstbestimmungsfähige: Modell einer mehrstufigen Eingangsschwelle der Betreuung und des Einwilligungsvorbehalts
 3161471709, 9783161579073, 9783161471704

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 39

ARTI BUS INüjjMN

Karl August Prinz von Sachsen Gessaphe

Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter für eingeschränkt Selbstbestimmungsfähige Modell einer mehrstufigen Eingangsschwelle der Betreuung und des Einwilligungsvorbehalts

Mohr Siebeck

Karl August Prinz von Sachsen Gessaphe: Geboren 1958 in Mexico D.F.; Studium der Rechtswissenschaften und der Kompositionslehre in München; 1983 zweites juristisches Staatsexamen; 1986 Promotion zum Dr. jur.; 1988 Gründung und seither Präsident der DeutschMexikanischen Juristenvereinigung; 1986-92 akademischer Rat an der Universität München; 1992-98 Lehrauftrag an der Universität München; 1998 Habilitation; 1998/99 Lehrstuhlvertreter an der Universität München; 1999 Gastprofessor an der Universität Paris X I I ; gegenwärtig Lehrstuhlvertreter an der Universität Bielefeld.

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Juristischen Fakultät der Ludwig-MaximilianUniversität München gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Die Deutsche Bibliothek Sachsen-Gessaphe,

-

Karl August

CIP-Einheitsaufnahme von:

Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter für eingeschränkt Selbstbestimmungsfähige / Karl August Prinz von Sachsen Gessaphe. - Tübingen : Mohr Siebeck, 1999 (Jus privatum ; Bd. 39) ISBN 3-16-147170-9

978-3-16-157907-3 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019

© 1999 J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Computersatz Staiger in Pfäffingen aus der Garamond-Antiqua belichtet, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier der Papierfabrik Niefern gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden. ISSN 0940-9610

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Sommersemester 1998 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Habilitationsschrift angenommen worden. Sie beruht im wesentlichen auf der im Habilitationsverfahren eingereichten Fassung (23. 2. 1998). Freilich haben die umwälzenden Reformen des gesamten Familienrechts sowie das am 1. 1. 1999 in Kraft getretene Betreuungsrechtsänderungsgesetz eine umfassende Überarbeitung erforderlich gemacht; diese wurde im Februar 1999 abgeschlossen, daneben konnten bis zu diesem Zeitpunkt neuere Rechtsprechung und Literatur vereinzelt nachgetragen werden. Die während der Drucklegung erschienenen Neukommentierungen von Bienwald sowie Jiirgens/Kröger/Marschner/Winterstein zum Betreuungsrecht konnten noch berücksichtigt werden. Ist das Thema dieser Arbeit die Betreuung als Hilfe für fürsorgebedürftige Erwachsene, so war ich selbst während ihrer Erstellung auf vielfältige Hilfe angewiesen und habe solche auch erhalten. Zu allererst möchte ich daher meinem verehrten akademischen Lehrer, Prof. Dr. Hans Jürgen Sonnenberger, für seine verständnisvolle Unterstützung und Betreuung danken. Besonderer Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Peter Schlosser, der nicht nur das Zweitgutachten erstellt hat, sondern mir auch sonst hilfreich zur Seite stand. Während eines längeren Forschungsaufenthaltes am Hamburger Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht erhielt ich in zahlreichen Gesprächen wertvolle Anregungen; in diesem Zusammenhang möchte ich besonders Herrn Prof. Dr. Ulrich Magnus sowie meinem Freund und Kollegen Francesco Munari danken. Besonders geholfen haben mir die Gesprächsbereitschaft und Unterstützung meiner Freunde und Kollegen Peter Kindler, Alexander Trunk und Peter Winkler von Mohrenfels. Herr Rolf Riß half mir nicht nur beim Umgang mit der Bibliothek, sondern unterstützte mich auch nach Kräften. Dank gilt auch meinen Mitarbeiterinnen, Frau Ana Maria Jayme und Frau Wiebke Kissmann, sowie Frau Christa Hausmann für die Hilfe bei Korrektur und Erstellung des Manuskriptes. Für großzügige finanzielle Unterstützung durch ein Habilitationsstipendium und einen Druckkostenzuschuß danke ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Mein ganz besonderer Dank gilt jedoch meiner Frau Karen und unseren Kindern, die mich in den schwierigen Phasen der Arbeit ertragen und mich immer liebevoll unterstützt haben. Ihnen widme ich dieses Buch in Liebe und Dankbarkeit. München, im Juli 1999

Karl August Prinz von Sachsen Gessaphe

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

V

Abkürzungsverzeichnis

XXVII

Einleitung

1

§ 1 Die Fragestellung

1

I. Die Neuorientierung durch die Entkoppelung der Betreuung von der Geschäftsfähigkeitsfrage II. Untersuchungsgegenstand: Die Eingangsschwelle der Betreuung und des Einwilligungsvorbehalts III. Gang der Untersuchung

§ 2 Uberblick über das Vormundschaftsrecht des BGB und seine Reform durch das Betreuungsgesetz I. Die Erwachsenenvormundschaft und die Gebrechlichkeitspflegschaft des BGB vor Inkrafttreten des BtG 1. Allgemeiner Überblick 2. Wesentliche Defizite

2 3 7

10 10 10 12

a) Mängel der rechtlichen Regelung b) Umsetzungsdefizite

12 14

II. Die Reform durch das Betreuungsgesetz

16

1. Der Reformprozeß 2. Das neue Rechtsinstitut der Betreuung

17 19

a) b) c) d) e)

Systematik Zum Ablauf der Betreuung Grundgedanken der materiellen Regelung Verfahrensrechtliche Grundzüge Sozialrechtliche Komponente

3. Die Reform durch das Betreuungsänderungsgesetz

19 20 22 24 25

26

Vili

Inhaltsverzeichnis 1. Teil

Rechtstatsächliche und verfassungsrechtliche Grundlegung § 3 Die Rechtstatsache betreuungsrelevanter psychopathologischer Funktionsstörungen I. G e d a n k e n z u r p s y c h i a t r i s c h e n K r a n k h e i t s l e h r e 1. D e r psychiatrische Krankheitsbegriff als Ausgangspunkt der früheren L e h r e a) Zur Ausgrenzung nicht pathologischer Defekte b) Zur Beurteilung rechtlicher Handlungsfähigkeit c) Zur Beurteilung vormundschaftlichen Fürsorgebedarfs 2. N e u e multiaxiale Ansätze 3. Begutachtung psychiatrischer E r k r a n k u n g e n a) Multifaktorielle Bedingtheit b) Ungenauigkeit quantitativer Aussagen c) Fazit: I I . D i e relevanten p a t h o l o g i s c h e n P h ä n o m e n e 1. Psychische Krankheiten a) Organische Psychosen b) Endogene Psychosen aa) Schizophrener Formenkreis bb) Zyklothyme Erkrankungen c) Senile Demenz d) Abhängigkeitskrankheiten e) Varianten seelischen Erlebens 2. Geistige Behinderungen 3. Körperliche Behinderungen I I I . E i n f l u ß dieser P h ä n o m e n e auf die S e l b s t b e s t i m m u n g s f ä h i g k e i t 1. Ausgrenzung rein körperlicher Behinderungen 2. Sonstige betreuungsrelevante F u n k t i o n s s t ö r u n g e n a) Notwendige Differenzierung b) Typische Krankheitsbilder c) Das Problem der Freiwilligkeit 3. Begründung rechtlicher Handlungsunfähigkeiten a) Geschäftsunfähigkeit b) Einsichtsfähigkeit

...

Inhaltsverzeichnis § 4 Verfassungsrechtlicher R a h m e n

IX 54

I. S p a n n u n g s f e l d z w i s c h e n s t a a t l i c h e m S c h u t z a u f t r a g u n d A c h t u n g der Selbstbestimmung

54

1. S c h u t z a u f t r a g d e s Staates

54

2. D e r G r u n d g e d a n k e d e r S e l b s t b e s t i m m u n g

55

a) Im Bürgerlichen Recht

56

b) Im Grundgesetz

57

II. Allgemeine A s p e k t e der G r u n d r e c h t s g e l t u n g i m R a h m e n des Betreuungsrechts

58

1. G r u n d r e c h t s m ü n d i g k e i t 2. D i e G e l t u n g d e r G r u n d r e c h t e i m B e t r e u u n g s r e c h t

58 59

a) Die strittige G r u n d r e c h t s w i r k u n g im Privatrecht b) D e r Sonderfall der zivilrechtlichen Fürsorge

60 61

3. G r u n d r e c h t s b e s c h r ä n k u n g e n a) Schrankensystematik b) Beschränkungen in Sonderstatusverhältnissen c) Einwilligung in G r u n d r e c h t s b e s c h r ä n k u n g e n III. D e r Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 1. G r u n d l e g u n g a) Rechtsqualität als Verfassungsgrundsatz b) Anwendungskriterien aa) A n w e n d b a r k e i t bb) Differenzierung nach Gesetzes- u n d Einzelfallkontrolle cc) Unterschiedliche Schutzrichtung dd) Einfluß der Einstellung des Betroffenen z u m Mitteleinsatz 2. I n h a l t d e s G r u n d s a t z e s a) b) c) d) e)

Allgemein Geeignetheit Erforderlichkeit Verhältnismäßigkeit i.e.S Funktionale Unterschiede zwischen Erforderlichkeit u n d Verhältnismäßigkeit i.e.S

IV. S p e z i f i s c h e A u s s a g e n z u r E r w a c h s e n e n f ü r s o r g e 1. Z u r Z u l ä s s i g k e i t d e r F ü r s o r g e a) Allgemein b) Grenzen f ü r die A u s ü b u n g der Rechtsmacht 2. V o r g a b e n f ü r g r u n d r e c h t s t a n g i e r e n d e M a ß n a h m e n a) Zwangspflegschaft u n d allgemeine Handlungsfreiheit b) Gesetzliche Vertretung u n d allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . c) Das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Mündels V. Z u s a m m e n f a s s u n g

62 62 62 63 65 65 66 66 66 67 68 68 69 69 70 71 72 73 73 73 73 74 75 75 77 77 78

X

Inhaltsverzeichnis 2 . Teil

Historische Entwicklung der zivilrechtlichen Erwachsenenfürsorge § 5 Grundlinien der Entwicklung bis zum B G B I. R ö m i s c h e s R e c h t 1. Fürsorgeinstitute a) Allgemeines b) Rechtsmacht des Fürsorgers

2. Einschränkungen der Handlungsfähigkeit 3. Zusammenhang zwischen F ü r s o r g e und eingeschränkter Handlungsfähigkeit II. Mittelalterliches und frühneuzeitliches deutsches R e c h t 1. D i e Vormundschaft a) Allgemeines b) Rechtsmacht des Vormundes

2. Zusammenhang zur Handlungsunfähigkeit III. Gemeines Recht 1. Einschränkungen der Handlungsfähigkeit 2. Zusammenhang zwischen Vormundschaft und derartigen Einschränkungen IV. P r e u ß i s c h e s A l l g e m e i n e s L a n d r e c h t 1. Fürsorgeinstitute a) Allgemeines b) Rechtsmacht des Vormundes 2. Einschränkungen der Handlungsfähigkeit

3. Zusammenhang zwischen Vormundschaft und Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit a) Entmündigungsähnliche Tatbestände b) Sonstige Tatbestände c) Funktion der mit der Entmündigung gekoppelten Vormundschaft . . .

§ 6 Die Bestimmung der Eingangsschwelle im früheren Vormundschaftsrecht des B G B I. V o r a u s s e t z u n g e n der F ü r s o r g e 1. Vormundschaft a) Koppelung an die Voraussetzung der Entmündigung aa) Bei der endgültigen Vormundschaft

Inhaltsverzeichnis (1) Für die Anordnung der Vormundschaft (2) Für die Fortdauer der Vormundschaft bb) Bei der vorläufigen Vormundschaft b) Erfaßter Personenkreis c) Schutzzweck d) Entmündigung nach § 6 I Nr. 1 a.F. aa) Angelegenheitenbegriff bb) Geisteskrankheit und Geistesschwäche cc) Unfähigkeit der Angelegenheitenbesorgung 2. Gebrechlichkeitspflegschaft a) Der Grundtatbestand aa) Die geistigen Gebrechen bb) Das Fürsorgebedürfnis b) Freiwillige Pflegschaft c) Die Zwangspflegschaft d) Einfluß von Veränderungen des Fürsorgebedarfs II. W i r k u n g e n der F ü r s o r g e 1. Vormundschaft a) Zuweisung eines Vormundes mit Rechtsmacht b) Einschränkung rechtlicher Handlungsfähigkeit aa) Mittelbare Verknüpfung mit der endgültigen V o r m u n d s c h a f t . . . bb) Direkte Verknüpfung bei der vorläufigen Vormundschaft 2. Gebrechlichkeitspflegschaft a) Zuweisung eines Pflegers mit Rechtsmacht b) Einfluß auf die rechtliche Handlungsfähigkeit des Pfleglings? aa) Regelmäßig kein Einfluß bb) Inzidentwirkung der Geschäftsunfähigkeitsfeststellung bei der Zwangspflegschaft III. W ü r d i g u n g der Eingangsschwellen des f r ü h e r e n Vormundschaftsrechts

XI 97 98 98 98 99 100 100 101 102 102 102 103 103 104 105 106 107 107 108 109 109 110 110 110 111 111 112

112

1. Die Entmündigung als Eingangsschwelle der Vormundschaft . . . a) Vorteile der Verknüpfung mit der Entmündigung b) Nachteile dieser Verknüpfung aa) Entmündigung als übermäßige Entrechtung bb) Strukturelles Defizit der Koppelung an die Entmündigung . . . . cc) Auslegung des Entmündigungsmaßstabs im Hinblick auf die intendierte Vormundschaft c) Unbestimmtheit des Entmündigungstatbestandes des § 6 I Nr. 1 a.F.

113 113 114 114 115

2. Die Schwelle der Gebrechlichkeitspflegschaft

118

a) Doppelte Unfähigkeitsprüfung b) Allgemeiner Vergleich zur Vormundschaft c) Die Einwilligung als Schwelle der freiwilligen Pflegschaft

116 117 118 118 119

XII

Inhaltsverzeichnis d) Exorbitante Auslegung der Geschäftsunfähigkeit als Schwelle der Zwangspflegschaft 3. Z u s a m m e n f a s s u n g

120 122

a) Divergenz der Anordnungskriterien von Vormundschaft u n d Pflegschaft b) Tatbestandliche Koppelung der Fürsorge mit der Geschäftsfähigkeitsfrage aa) Konkretisierende F u n k t i o n dieser Koppelung bb) Unterschiedlicher Einfluß auf die rechtliche Handlungsfähigkeit des Fürsorgebedürftigen

§ 7 Vergleichende Würdigung der Rechtsentwicklung I. A n l a ß u n d Z w e c k d e r F ü r s o r g e

122 123 123 124

126 126

II. V e r k n ü p f u n g mit E i n s c h r ä n k u n g e n rechtlicher H a n d l u n g s fähigkeit u n d der gesetzlichen Vertretung III. Fazit

127 130

3. T e i l

D i e Festlegung der Eingangsschwelle 1. A b s c h n i t t

Die B e g r ü n d u n g der B e t r e u u n g § 8 Die Wirkungen der Betreuerbestellung im Hinblick auf die Festlegung der Eingangsschwelle

133

I. R e c h t s v e r h ä l t n i s d e r B e t r e u u n g

134

II. D i e R e c h t s m a c h t des Betreuers

135

1. D e r B e t r e u e r als g e s e t z l i c h e r V e r t r e t e r a) K o p p e l u n g der Betreuung mit der gesetzlichen Vertretung b) Elemente der gesetzlichen Rechtsmacht aa) Gesetzliche Vertretung u n d tatsächliche Sorge bb) P e r s o n e n - u n d Vermögenssorge 2. R e c h t s m a c h t i m A u ß e n b e r e i c h a) Die gesetzliche Vertretungsmacht aa) I m materiellen Recht bb) I m Verfahren (1) Im Zivilprozeß (2) In FG-Sachen (3) In sonstigen Verfahren

136 136 137 138 139 139 140 140 141 141 142 143

Inhaltsverzeichnis b) H a n d e l n des Betreuers im eigenen N a m e n aa) Mittelbare Stellvertretung bb) Sogenannte amtsähnliche H a n d l u n g e n c) Die Einwilligung in die Verletzung persönlicher Rechtsgüter aa) Die Rechtshandlung der rechtfertigenden Einwilligung bb) Zuständigkeit des Betreuers d) Absolute Rechte des Betreuers 3. R e c h t s m a c h t i m I n n e n b e r e i c h a) „Tatsächliche Sorge" b) Vermischung von I n n e n - u n d Außenbereich c) Das Problem der Zwangsbefugnisse 4. E i n s c h r ä n k u n g e n d e r R e c h t s m a c h t a) Bei der materiellen Vertretungsmacht aa) Ausschlußtatbestände (1) Rechtsgeschäftliche (2) Sonstige bb) H a n d l u n g s v e r b o t cc) Beschränkungen der Vertretungsmacht (1) Wegen Interessenkollision (2) D u r c h Bestellung eines Mitbetreuers (3) D u r c h Genehmigungsvorbehalte b) Bei der verfahrensrechtlichen Vertretungsmacht aa) A u s w i r k u n g e n materieller Ausschlußtatbestände bb) G e n u i n prozessuale Ausschlußtatbestände (1) Eidesleistung (2) Strittige Vertretung in Ehesachen cc) Beschränkungen der Vertretungsmacht c) Personenbezogene Fremdbestimmungsbefugnisse aa) Ausschlußtatbestände bb) Beschränkungen der Bestimmungsbefugnis 5. Z u s a m m e n f a s s u n g

XIII 143 143 144 145 145 147 149 150 150 151 152 153 154 154 155 157 158 159 159 159 160 161 161 163 163 163 165 165 165 166 166

III. A u s w i r k u n g e n d e r B e t r e u u n g auf die H a n d l u n g s m ö g l i c h k e i t e n des Betreuten

168

1. E i n f l u ß auf d i e r e c h t l i c h e H a n d l u n g s f ä h i g k e i t

168

a) E n t k o p p e l u n g von der Rechtsfolge eingeschränkter Handlungsfähigkeit b) A u s n a h m e n 2. E r m ö g l i c h u n g d e r A n g e l e g e n h e i t e n b e s o r g u n g a) Allgemein b) Heilungszuständigkeit 3. E i n f l u ß auf d i e H a n d l u n g s z u s t ä n d i g k e i t a) D e r Regelfall b) Geltung des Regelfalls

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XIV

Inhaltsverzeichnis aa) Fälle einer grundsätzlichen Geltung bb) Fälle einer abweichenden Beurteilung (1) Rechtfertigende Einwilligungen im höchstpersönlichen Bereich (2) Tatsächliche Bestimmungsbefugnisse (3) Die Optative Verdrängungskompetenz des Betreuers im Verfahren (4) M e h r f a c h k o m p e t e n z e n im Betreuungsverfahren

4. Faktische Einflüsse auf die Handlungsmöglichkeit IV. Die Wirkungen der Betreuung zwischen Hilfe und Eingriff 1. Zur Struktur der Betreuung 2. Hilfscharakter der Betreuung 3. Eingriffscharakter der Betreuung

§ 9 Der gesetzliche Begründungstatbestand I. Uberblick über die materielle Eingangsschwelle des Betreuungsrechts 1. Einfluß des Prinzips der Einheitsentscheidung 2. Unterscheidung nach Betreuungsarten im Hinblick auf die Eingangsschwelle 3. Der mehrgliedrige materielle Begründungstatbestand für den Regelfall der Betreuung 4. Doppelfunktionalität der materiellen Eingangsschwelle II. Der Grundtatbestand des § 1896 I BGB 1. Die Bedeutung eines Antrages 2. Das Grundkriterium der Unfähigkeit a) Tatbestandliche Angelegenheiten b) Unfähigkeit der Angelegenheitenbesorgung aa) Zu besorgende Angelegenheiten des Betroffenen bb) U n v e r m ö g e n

3. Konkretisierung des Grundkriteriums durch die pathologischen Phänomene a) Die pathologischen Zustände aa) Definition der B e f u n d g r u p p e n bb) Rechtliche Begriffsbildung cc) Erfaßter Personenkreis b) Pathologische Bedingtheit der Unfähigkeit aa) Konkretisierung des G r u n d k r i t e r i u m s d u r c h seine pathologische Ursache bb) Konkretisierung des pathologischen P h ä n o m e n s im Hinblick auf die Besorgungsunfähigkeit cc) Keine vereinheitlichende tatbestandliche Gesamtschau

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177 180 180 181 181

185 185 185 186 187 188 189 189 191 191 194 194 194

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Inhaltsverzeichnis 4. D e r E i n f l u ß d e r W o h l m a x i m e a) Zu deren F u n k t i o n b) Ausschluß des Betreuungseinsatzes im Drittinteresse aa) Die Regel bb) Die A u s n a h m e c) Geltung als Entscheidungsmaßstab im Rahmen der Eingangsschwelle aa) Begriffsklärung bb) Beachtung auch der W ü n s c h e zu Betreuender? cc) Der Konflikt zwischen den W ü n s c h e n u n d dem Wohl des zu Betreuenden dd) A n w e n d u n g auf konkrete Situationen im Vorfeld der Betreuung

XV 204 204 205 205 206 207 207 209 210 213

5. D o p p e l f u n k t i o n d e r M e r k m a l e d e s G r u n d t a t b e s t a n d e s

214

Die Erforderlichkeit der Betreuung

214

1. G e s e t z l i c h e K o n z e p t i o n d e r E r f o r d e r l i c h k e i t a) Struktur u n d Begriff im R a h m e n des § 1896 II b) Gleichsetzung mit dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit c) F u n k t i o n : Begrenzung des Betreuungseinsatzes mit doppelter Zielrichtung

214 215 216 218

2. D e r V e r h ä l t n i s m ä ß i g k e i t s g r u n d s a t z i m B e g r ü n d u n g s t a t b e s t a n d der Betreuung

218

a) A n w e n d b a r k e i t im Betreuungsrecht b) Gesetzgeberischer Zweck der Betreuung als Beurteilungsmaßstab c) Abstrakte Verhältnismäßigkeitskontrolle des Begründungstatbestandes

218

3. V e r h ä l t n i s m ä ß i g k e i t s p r ü f u n g bei d e r E i n z e l f a l l e n t s c h e i d u n g . . . . a) Gegenstand der Verhältnismäßigkeitsprüfung b) Geeignetheit c) Erforderlichkeit aa) Eingeschränkte Mittelauswahl bb) A b g r e n z u n g z u r umgangssprachlichen N o t w e n d i g k e i t cc) Verbleibender Anwendungsbereich dd) Kriterien der Erforderlichkeitsprüfung ee) Fazit: d) Verhältnismäßigkeit i.e.S aa) Anwendungsbereich bb) A b w ä g u n g s f a k t o r e n (1) A b z u w ä g e n d e Interessen (2) Eingriffsqualität der Betreuerbestellung (3) Hilfscharakter der Betreuung (4) Das Betroffenenwohl als Abwägungsmaßstab

219 220 222 222 223 223 223 224 225 226 227 227 227 228 228 229 230 230

XVI

Inhaltsverzeichnis (5) Das verfassungsrechtliche Gewicht als A b w ä g u n g s m a ß s t a b . cc) Fazit: e) Verhältnismäßigkeit auch zur A b w e h r von Betreuungswünschen? . . aa) Meinungsstand bb) Eigene Stellungnahme (1) Grundsätzliche Zulässigkeit einer Begrenzung der Betreuung als Leistung (2) Eingriffscharakter der Betreuung trotz Einwilligung (3) Differenzierung nach den Teilgrundsätzen cc) Fazit:

4. Notwendigkeit der Betreuung im Einzelfall a) b) c) d)

Funktion Maßstab der N o t w e n d i g k e i t Relevanz von Einschränkungen rechtlicher Handlungsfähigkeit . . . . Bestimmung der sachlichen Reichweite

5. Zeitliche Komponente der Erforderlichkeit a) Bei der Betreuerbestellung aa) Problemfälle eines variablen medizinischen Befundes bb) Sonstige Ä n d e r u n g e n beim Handlungsbedarf b) Z u r zeitlichen oder sachlichen Modifizierung bestehender Betreuungsverhältnisse aa) Grundregel des § 1908d bb) Vorübergehende Ä n d e r u n g e n des Betreuungsbedarfs c) Zwischenergebnis:

6. Ergebnis: Die mehrstufige Erforderlichkeitsprüfung a) Z u r Eingriffsbegrenzung b) Zur Leistungsbegrenzung

IV. Die Subsidiarität der Betreuung 1. Das Subsidiaritätsprinzip in § 1896 II 2 a) Allgemein z u m Subsidiaritätsprinzip b) I n k o r p o r a t i o n in § 1896 II 2 aa) A n w e n d b a r k e i t bb) F u n k t i o n c) A b g r e n z u n g zur Erforderlichkeit i.S.d. § 1896 II 1

2. Die Vollmacht als Alternative zur Betreuung a) Privatautonomer Gestaltungsspielraum aa) Vollmacht contra BetreuungsVerfügung bb) Der Spielraum bei der Vollmacht b) Vollmacht zu rechtsgeschäftlicher Vertretung aa) Wirksamkeit bb) Zeitliche Erfassung des Fürsorgefalls cc) Vertretungsmacht u n d gegenständliche Erfassung des Fürsorgefalls

231 231 231 233 234 234 234 235 236

236 237 237 238 239

240 241 241 242 244 244 245 245

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254 255 256 257 257 257 258 258

Inhaltsverzeichnis c) Vollmacht zur Verfahrensvertretung aa) Prozeßvollmacht im Zivilprozeß (1) Wirksamkeit (2) Eignung zu ü b e r d a u e r n d e r Vorsorge f ü r künftigen prozessualen Handlungsbedarf (a) Streitfrage der F o r t w i r k u n g nach P r o z e ß u n f ä h i g k e i t . . . . (b) Eigene Stellungnahme (c) U m f a n g der Fortwirkungsmöglichkeit (3) Vertretungsmacht u n d gegenständliche Erfassung des Fürsorgefalls bb) FG-Verfahren d) Gewillkürte A u s ü b u n g s ü b e r t r a g u n g personaler Bestimmungsbefugnisse aa) Statthaftigkeit (1) Meinungsstand vor d e m Betreuungsrechtsänderungsgesetz . (a) Lehre (b) Rechtsprechung (2) Die neuen §§ 1904 II, 1906 V ( B t Ä n d G ) (3) Eigene Stellungnahme bb) Bedingungen wirksamer Vertretung (1) Wirksame Ü b e r t r a g u n g (2) Einschränkungen der Bestimmungsmacht cc) Zwangsbefugnisse des Bevollmächtigten? dd) Ergebnis:

3. Faktische Hilfen 4. Grenze des Nachrangs a) P r ü f u n g der Nachrangschwelle aa) Vorfragen bb) Differenzierte P r ü f u n g nach den einsetzbaren Hilfen (1) Bei vorhandener Vollmacht (2) Bei fehlender Vollmacht (3) Möglichkeit der Vollmachtserteilung bei Eintritt der Betreuungsbedürftigkeit i.S.d. § 1896 I 1 b) D e r Bedarf nach der Rechtsmacht eines Betreuers aa) A b g r e n z u n g zu faktischen Hilfen (1) Rechtliche G r e n z z i e h u n g (2) Grenzüberschreitungen in der Praxis bb) A b g r e n z u n g zur Bevollmächtigung c) Bessere Eignung der Betreuung gegenüber Hilfsalternativen aa) Parameter zur Bestimmung des qualitativen Vergleichs bb) Konkretisierung im Fall tatsächlicher Hilfen cc) Konkretisierung im Fall der Bevollmächtigung

5. Subsidiarität auch zur Abwehr von Betreuungswünschen? a) Meinungsstand b) Eigene Stellungnahme aa) Subsidiarität gegenüber faktischen Hilfsangeboten

XVII 259 260 260 260 261 262 263 263 265 265 265 266 266 269 271 272 275 276 277 278 278

279 280 280 280 281 281 282 283 284 284 285 286 287 289 289 290 290

293 293 294 294

XVIII

Inhaltsverzeichnis bb) Subsidiarität gegenüber einer Bevollmächtigung (1) Vorhandene Vollmacht (2) Zu erteilende Vollmacht cc) Ergebnis:

V. W ü r d i g u n g d e s g e s e t z l i c h e n T a t b e s t a n d e s

295 295 296 297 297

1. N e u e r u n g e n

297

2. P r ü f u n g der T a t b e s t a n d s m e r k m a l e

298

3. E i g n u n g z u r B e s t i m m u n g des B e t r e u u n g s b e d a r f s

298

a) Grundkriterium der Besorgungsunfähigkeit

298

b) Konzentration auf pathologische Phänomene

299

aa) Tatbestandliche Phänomene bb) Verknüpfung mit dem Grundkriterium c) Konzentration auf das Wohl des Betroffenen d) Die Erforderlichkeit der Betreuung

299 300 301 301

aa) Die Problematik dieses Tatbestandsmerkmals

301

bb) Seine einzelnen Elemente cc) Seine Funktion

302 303

e) Die Subsidiarität der Betreuung aa) Funktion

304 304

bb) Eignung zur Zielerreichung

305

4. O f f e n e F r a g e n

306

a) Probleme bei der Abgrenzung von krank und gesund b) Fehlende Konkretisierung des Ausmaßes gestörter Selbstbestimmung

306

c) Relevanz der Einstellung des Betroffenen zur Betreuung

308

d) Ergebnis:

308

§ 1 0 Die Diskussion um die Bedeutung rechtlicher Standards eingeschränkter Handlungsfähigkeit für die Betreuerbestellung I. R e l e v a n z i m R a h m e n der g e s e t z l i c h e n K o n z e p t i o n

307

309 310

1. E n t k o p p e l u n g des B e g r ü n d u n g s t a t b e s t a n d e s v o n d e r a r t i g e n Standards

310

a) Grundsatz

310

b) Besonderheiten bei der Aufgabenkreisübertragung

311

2 . R e l e v a n z als n o t w e n d i g e V o r f r a g e

312

3. R e l e v a n z z u r K o n k r e t i s i e r u n g d e r B e s o r g u n g s u n f ä h i g k e i t

312

a) Handlungsfähigkeit zu Rechtshandlungen

313

b) Ausgrenzung normativ nicht erfaßten Verhaltens c) Differenzierung im Hinblick auf die betreuungsrelevanten Angelegenheiten

314 314

aa) Für die Wahrnehmung von Rechtshandlungen

315

bb) Für die Wahrnehmung normativ nicht erfaßten Verhaltens

316

'Inhaltsverzeichnis

4. Relevanz zur Bestimmung der Notwendigkeit einer Betreuung.. a) Grundsätzliches Verhältnis von rechtlicher Handlungsfähigkeit und gesetzlicher Vertretung b) Übertragung auf die Betreuung

5. Zwischenergebnis: II. Untersuchung der danach relevanten Tatbestände rechtlicher Handlungsunfähigkeit 1. Die Geschäftsfähigkeit a) Bezugsobjekt: Vornahme von Rechtsgeschäften b) Tatbestandliche Ausgestaltung aa) Tatbestände eingeschränkter Geschäftsfähigkeit bb) Unterscheidung zwischen Status und Zustand cc) Sachlich absolute oder relative A u f f a s s u n g ? dd) Definierung der Geschäftsunfähigkeit ee) Rechtsfolgen der Geschäftsunfähigkeit c) Funktion aa) Ausschlußfunktion bb) Schutzfunktion

2. Fähigkeit zu (erlaubten) Rechtshandlungen

XIX 317 317 319

320 322 323 323 324 324 325 326 327 328 329 330 330

330

a) Fähigkeit zu Rechtshandlungen i.e.S aa) Analoge Anwendbarkeit der Geschäftsfähigkeitsregeln

330 332

bb) Eigenständige Fähigkeitsstandards cc) Fazit für betreuungsrelevante Rechtshandlungen i.e.S b) Rechtshandlungen außerhalb des Privatrechts

333 333 333

3. E i n w i l l i g u n g s f ä h i g k e i t u n d - Z u s t ä n d i g k e i t

333

a) Meinungsstand aa) Meinungsstand im Zivilrecht vor dem Betreuungsgesetz (1) Anlehnung an die Geschäftsfähigkeitsregeln (2) A u t o n o m e Bestimmung bb) Stellungnahme des B V e r f G zu Maßnahmen der Zwangsfürsorge cc) Spezialgesetzliche A u s f o r m u n g e n dd) Entwicklung unter dem Betreuungsrecht (1) Gesetzliche K o n z e p t i o n

334 334 336 337

(2) Rechtsprechung (3) Lehre b) Eigene Stellungnahme aa) A u t o n o m e Einwilligungsfähigkeit Betreuter (1) Bezugsobjekt (2) Funktion (3) Doppelte Relativität (4) Fazit bb) Zu einer möglichen Beschränkung der Einwilligungsfähigkeit . . cc) Alleinzuständigkeit des einwilligungsfähigen Betreuten

341 342 343 344 344 345 347 348 348 349

338 339 340 340

XX

Inhaltsverzeichnis c) Konkretisierung der Einwilligungsfähigkeit

352

e) Ergebnis:

353

4. V e r f a h r e n s f ä h i g k e i t

353

a) I m Zivilprozeß

353

b) In F G - V e r f a h r e n

355

aa) Allgemeine F G - V e r f a h r e n

355

bb) Besonderheiten in Betreuungs- und Unterbringungssachen . . . .

356

5. Z u s a m m e n f a s s u n g III.

351

d) Rechtsfolgen der Einwilligungsunfähigkeit

357

D i s k u s s i o n ü b e r die N o t w e n d i g k e i t einer generellen tatbestandlichen Koppelung mit Einschränkungen rechtlicher Handlungsfähigkeit

358

1. F ü r e i n e t a t b e s t a n d l i c h e K o p p e l u n g

359

a) Bei Zwangsbetreuung aa) Rechtsprechung bb) Lehre

359 359 361

(1) F ü r aufgabenkreisbezogene Geschäftsunfähigkeit

361

(2) F ü r aufgabenkreisbezogene Einsichtsfähigkeit

362

(3) Differenzierende B e z u g n a h m e auf die Einsichtsfähigkeit bei H o l z h a u e r b) Bei konsentierter Betreuung 2. L ö s u n g e n im R a h m e n des gesetzlichen B e g r ü n d u n g s t a t b e s t a n d e s

363 364 365

a) Strikte Anwendung der gesetzlichen Parameter

365

b) Wohlwidrigkeit als Maßstab

366

§ 1 1 Das eigene Modell einer differenzierten Prüfung der Selbstbestimmungsfähigkeit

368

I. Notwendigkeit einer quantitativen Festlegung der eingeschränkten Selbstbestimmungsfähigkeit 1. V e r f a s s u n g s r e c h t l i c h e V o r g a b e n a) F ü r die Zwangsbetreuung

368 369 369

b) F ü r die konsentierte Betreuung

370

c) Fazit:

371

2. Sinn einer Differenzierung zwischen erzwungener und gewollter Betreuung

372

a) Das P r o b l e m der Freiwilligkeit

372

aa) Rechtliche Anforderungen

372

bb) Rechtstatsächliche Möglichkeit einer freiwilligen Entscheidung über die Betreuung

375

b) Bedarf nach Anerkennung einer konstitutiven Betreuungseinwilligung in diesen Fällen

376

Inhaltsverzeichnis

XXI

aa) Im Hinblick auf den Vorrang alternativer Hilfen in § 1896 II 2 . 377 bb) Im Hinblick auf die Möglichkeiten der Wunschbeachtung nach dem gesetzlichen Modell 378 c) Zwischenergebnis: 379 3. S o n d e r r e g e l n f ü r die Ü b e r t r a g u n g v o n B e f u g n i s s e n i m h ö c h s t p e r s ö n l i c h e n Bereich a) Befugnis zu höchstpersönlichen Rechtsgeschäften b) Befugnis zu höchstpersönlichen Einwilligungen aa) Schwelle der aufgabenkreisbezogenen Einwilligungsunfähigkeit bb) Ungenauigkeiten ihrer prognostischen Feststellung cc) Abhilfe durch mehrstufige Prüfung dd) Konkretisierung dieser Schwelle ee) Keine abweichende Beurteilung bei gewollter Betreuung ff) Geltungsbereich dieser Schwelle c) Personale Bestimmungsbefugnisse zu tatsächlichem Verhalten aa) Notwendige Unterscheidung von vermögensbezogenen Bestimmungsbefugnissen bb) Im personalen Bereich Gleichlauf mit der Einwilligungsbefugnis 4. Z u s a m m e n f a s s u n g d e r E r g e b n i s s e : a) Die Betreuung für höchstpersönliche Angelegenheiten b) Die Betreuung für sonstige Angelegenheiten

380 380 381 381 382 383 384 385 386 386 387 387 388 388 390

II. B e s t i m m u n g d e s A u s m a ß e s e i n g e s c h r ä n k t e r S e l b s t b e s t i m m u n g s f ä h i g k e i t bei d e r Z w a n g s b e t r e u u n g 1. D i e G e s c h ä f t s u n f ä h i g k e i t als allgemeine E i n g r i f f s s c h w e l l e a) Gründe gegen ihren generalisierenden Einsatz aa) Dogmatisch beschränkte Anwendbarkeit (1) Als Wirksamkeitsvoraussetzung von Rechtshandlungen . . . . (2) Als zusätzliches Kriterium der Notwendigkeit einer Betreuung bb) Mängel eines generalisierenden Einsatzes im alten Recht b) Zwingende Schwelle für andere als höchstpersönliche Angelegenheiten? aa) Relevanz dieses Parameters nach der gesetzlichen Lage bb) Korrektur wegen des Verbots der Zwangsbesserung Geschäftsfähiger? cc) Praktikabilitätserwägungen dd) Wider eine Fortführung der Praxis der Gebrechlichkeitspflegschaft c) Zwischenergebnis: 2. D e r A u s s c h l u ß f r e i e r W i l l e n s b e s t i m m u n g als allgemeine Eingriffsschwelle a) Keine axiomatische Geltung dieses Parameters

391 392 392 392 392 394 394 395 396 397 399 400 402

402 403

XXII

Inhaltsverzeichnis b) Möglichkeit seines generalisierenden Einsatzes

404

bb) Als zusätzliches Kriterium der Notwendigkeit einer Betreuung .

406

c) Zu hohe Eingriffsschwelle bei sachlich-absoluter Sicht

406

aa) Anhebung der Schwelle gegenüber früher bb) Fehlende Flexibilität zur Definierung des persönlichen Anwendungsbereichs der Betreuung d) Gründe selbst gegen seinen flexibilisierten Einsatz

407 408 410

aa) Begrenzte Abgrenzungsschärfe

410

bb) Die Normabweichung als eigentliches Kriterium cc) Notwendige Differenzierung nach den zu übertragenden Befugnissen

411

e) Insgesamt abzulehnender Rückgriff auf dieses Kriterium aa) Bei sachlich-absoluter Konzeption bb) Bei flexibilisiertem Einsatz 3. D i e E i n s i c h t s - u n d S t e u e r u n g s f ä h i g k e i t als a l t e r n a t i v e r P a r a m e t e r a) Vorteile gegenüber den beiden anderen Parametern aa) Vereinbarkeit mit dem gesetzlichen Tatbestand

412 413 413 414 415 415 415

bb) Möglichkeit eines generalisierenden Einsatzes

416

cc) A b k e h r von Mängeln des alten Rechts

418

dd) Größere Flexibilität

419

b) Verbleibende Probleme seines generalisierenden Einsatzes

420

aa) Abgrenzungsschärfe bb) Ungenauigkeiten der aufgabenkreisbezogenen Prognose cc) Divergenz von Einsichts- und Geschäftsunfähigkeit im Hinblick auf die Betreuerbestellung c) Zwischenergebnis:

420 421

4. D i e relativ v e r s t a n d e n e G e s c h ä f t s u n f ä h i g k e i t als A u s w e g ? a) Möglichkeit eines generalisierenden Einsatzes

422 423 424 424

b) Vorteile gegenüber der Einsichtsunfähigkeit

425

c) Insgesamt abzulehnender Rückgriff auf diesen Parameter

425

5. Z u s a m m e n f a s s u n g :

III.

404

aa) Als Wirksamkeitsvoraussetzung von Rechtshandlungen

426

B e s t i m m u n g des A u s m a ß e s e i n g e s c h r ä n k t e r Selbstbestimmungsfähigkeit bei konsentierter Betreuung

427

1. F ü r e i n e k o n s t i t u t i v e B e t r e u u n g s e i n w i l l i g u n g e r f o r d e r l i c h e Fähigkeit

428

2 . F e s t s t e l l u n g des V o r l i e g e n s e i n e r w i r k s a m e n E i n w i l l i g u n g

429

3. N ö t i g e K o r r e k t u r e n d e r g e s e t z l i c h e n L a g e

430

IV. D i e d i f f e r e n z i e r t e P r ü f u n g der S e l b s t b e s t i m m u n g s f ä h i g k e i t als E i n g a n g s s c h w e l l e d e r B e t r e u u n g

431

Inhaltsverzeichnis

XXIII

2. Abschnitt

Die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts §12 Wirkungen der Anordnung I. Geltungsbereich 1. Ausgenommene Angelegenheiten 2. Speziell personale Bestimmungsbefugnisse II. Einschränkung der rechtlichen Handlungsfähigkeit 1. Beim zuvor geschäftsfähigen Betreuten a) Einfluß auf die Geschäftsfähigkeit u n d dessen dogmatische Einordnung aa) D e r Regelfall bb) Die Ausnahmetatbestände cc) Insbesondere der Ausnahmetatbestand des § 1903 III 2 b) D e r Fähigkeit zu Rechtshandlungen i.e.S c) D e r Prozeßfähigkeit aa) Grundregeln bb) Die strittige Prozeßfähigkeit im Bereich des § 1903 III 2 (1) Meinungsstand (2) Eigene Stellungnahme d) D e r sonstigen Verfahrensfähigkeit

2. Beim zuvor geschäftsunfähigen Betreuten a) Das strittige Verhältnis von § 1903 u n d § 105 I b) Einschränkungen bei partieller rechtlicher Handlungsfähigkeit

434 435 435 436 438 438 438 438 440 441 442 443 443 444 444 444 446

447 447 449

3. Zusammenfassung:

449

III. Weitere Rechtswirkungen

450

1. Modifizierung der Rechtsmacht des Betreuers a) Bei einem geschäftsfähigen Betreuten b) Bei einem geschäftsunfähigen Betreuten

2. Einfluß auf die Handlungsmöglichkeiten des Betreuten

451 451 452

452

a) Bei einem geschäftsfähigen Betreuten

452

b) Bei einem geschäftsunfähigen Betreuten

453

IV. Faktische Auswirkungen V. Zusammenfassung 1. Hilfscharakter des Einwilligungsvorbehalts 2. Eingriffscharakter

453 455 455 455

XXIV

Inhaltsverzeichnis

§ 1 3 Bestimmung der Eingangsschwelle I. Grundtatbestand 1. Allgemeine Voraussetzungen 2. Die besondere Gefahrenlage

457 457 457 459

a) Schutzgüter

459

b) Die erhebliche Gefahr c) D e r widerspenstige Betreute als Gefahr d) Verbleibender Konkretisierungsbedarf

460 461 461

3. Einfluß der Wohlmaxime a) Ausschluß von Drittinteressen b) D a s subjektivierte Wohl als Entscheidungsmaßstab

II. Erforderlichkeit des Einwilligungsvorbehalts 1. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Anordnung des Einwilligungsvorbehalts

462 462 463

464 464

a) Seine Geltungsweise

465

b) Seine begrenzende Funktion

465

c) Surrogat einer Geschäftsfähigkeitsprüfung

466

2. Der Zweck des Einwilligungsvorbehalts als Beurteilungsmaßstab 467 3. Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Einzelfallentscheidung . . . . 467 a) b) c) d)

Beschränkte Bedeutung Erforderlichkeit Verhältnismäßigkeit i.e.S Zeitliche K o m p o n e n t e

4. Erforderlichkeit eines Einwilligungsvorbehalts bei Geschäftsunfähigkeit des Betreuten III. D i s k u s s i o n u m eine Konkretisierung der Eingriffsschwelle 1. Meinungsstand a) Rechtsprechung b) Lehre aa) Befürworter einer Verknüpfung mit rechtlichen Fähigkeitsstandards bb) Gegner einer solchen Verknüpfung

2. Stellungnahme zum Meinungsstreit a) b) c) d)

Keine Differenzierung zwischen freiwillig und unfreiwillig Folgerungen aus dem Verbot der Zwangsbesserung Wider die Geschäftsunfähigkeit als Eingriffsschwelle Wider den Ausschluß freier Willensbestimmung als Eingriffsschwelle

IV. Eigenes L ö s u n g s m o d e l l

467 468 469 470

471 472 472 473 473 473 474

475 475 476 476 477

478

Inhaltsverzeichnis

1. Konkretisierung des Schutzbedarfs durch die Erkrankung 2. Keine höhere Schwelle als bei der Zwangsbetreuung a) Eine Zwangsbetreuung geht voraus b) Eine freiwillige Betreuung liegt zu G r u n d e

V. Zusammenfassung

XXV 478 479 480 480

481

4. Teil

Würdigung und Ausblick § 1 4 Z u s a m m e n f a s s u n g der erzielten Ergebnisse I. Die Ausgangslage: Erwachsene mit eingeschränkter Selbstbestimmungsfähigkeit II. Historische Reaktionen des Rechts: Die Vormundschaft und Pflegschaft

483 483 484

III. Das neue Rechtsinstitut der Betreuung zwischen Hilfe und Eingriff

485

IV. Der Betreuungsgesetzgeber im Spannungsfeld zwischen staatlichem Schutzauftrag und Achtung der Selbstbestimmung

486

V. Die Multifunktionalität einer Eingangsschwelle

488

VI. Die gesetzliche Eingangsschwelle der Betreuung

488

VII. Begrenzungsstrategie: Der Erforderlichkeitsgrundsatz VIII. Vermeidungsstrategie: Die Vorsorgevollmacht

490 492

IX. Keine Rückkehr zur tatbestandlichen Koppelung mit der Geschäftsunfähigkeit X. Das eigene Lösungsmodell XI. Steigerung der Schutz- und Eingriffsintensität: Der Einwilligungsvorbehalt XII. Notwendige Ergänzung: Die Eingangsschwelle für Maßnahmen zur Durchführung der Betreuung

494 496 499 501

XIII. Zielkorrespondenz und Rechtswirklichkeit

503

§ 15 Ausblick

505

Literaturverzeichnis

509

Sachregister

521

Abkürzungsverzeichnis Soweit Abkürzungen nicht nachfolgend definiert werden, wird Bezug genommen auf das Gesamtverzeichnis in Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Aufl. Berlin u.a. 1993. Abgekürzt zitierte Literatur findet sich im Literaturverzeichnis. a.A. aaO. abgedr. Abs. a.E. a.F. allgM. ALR am Anf. AMG Anl. AöR AT BayUnterbrG BbgPsychKG

BerlPsychKG BRat BReg. BremPsychKG BSHG BtÄndG BtG BtG-DiskE I BtPrax

anderer Ansicht am angegebenen Ort abgedruckt Absatz am Ende alter Fassung allgemeine Meinung Preußisches Allgemeines Landrecht am Anfang Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz) in der Neufassung v. 11. 12. 1998 (BGBl I 3586) Anlage Archiv des öffentlichen Rechts Allgemeiner Teil Bayerisches Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker und deren Betreuung i.d.F. v. 5. 4. 1992 Brandenburgisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen sowie über den Vollzug gerichtlich angeordneter Unterbringung für psychisch Kranke v. 8. 2. 1996 Berliner Gesetz für psychisch Kranke v. 8. 3. 1985 i.d.F. v. 26. 3. 1994 Bundesrat Bundesregierung Bremer Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten v. 9. 4. 1979 i.d.F. v. 18. 2. 1992 Bundessozialhilfegesetz Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts sowie weiterer Vorschriften (Betreuungsrechtsänderungsgesetz) v. 25. 6. 1998 Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz) Erster Diskussions-Teilentwurf: Gesetz über die Betreuung Volljähriger, Hrsg. Bundesminister der Justiz (Köln 1987) Betreuungsrechtliche Praxis. Zeitschrift für soziale Arbeit, gutachterliche Tätigkeit und Rechtsanwendung in der Betreuung, Bundesanzeigerverlag Köln

XXVIII

Abkürzungsverzeichnis

BWG

Bundeswahlgesetz

BWUBG

Baden-Württembergisches Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker idF v. 2. 12. 1991

Diss. E I

Dissertation Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Erste Lesung, ausgearbeitet durch die von dem Bundesrathe berufene Kommission, Berlin 1888

ebda.

ebenda

EheschlRG

Gesetz zur N e u o r d n u n g des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz) v. 4. 5. 1998

Einf.

Einführung

Einl.

Einleitung

F.3d

Federal Reporter, Third Series

Fn.

Fußnote

gem.

gemäß

ggf.

gegebenenfalls

HessFEG

Hessisches Gesetz über die Entziehung der Freiheit geisteskranker, geistesschwacher, rauschgift- oder alkoholsüchtiger Personen v. 19. 5. 1952 i.d.F. v. 5. 2. 1992

h.M.

herrschende Meinung

HmbPsychKG

Hamburgisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten v. 27. 9. 1995

Hrsg.

Herausgeber

i.d.F.

in der Fassung

i.e.S.

im eigentlichen Sinn

insb.

insbesondere

i.R.d.

im R a h m e n des

i.S.d.

im Sinne des

i.V.m.

in Verbindung mit

i.w.S.

im weiten Sinn

JWG

Jugendwohlfahrtsgesetz v. 9. 7. 1922, R G B l I 633, außer Kraft gesetzt zum 1. 1. 1991 gemäß Art. 24 K J H G

Kap.

Kapitel

KastrationsG

Gesetz über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden v. 15. 8. 1969 ( B G B l I 1143), zuletzt geändert am 31. 5. 1994 ( B G B l 1 1 1 6 8 )

KJHG

Gesetz zur Neuregelung des Kinder- und Jugendhilferechts v. 26. 9. 1990 ( B G B l I 1163)

lit.

litera

l.Sp.

linke Spalte

Abkürzungsverzeichnis MecklVP P s y c h K G MedR MHbeG

XXIX

Gesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke v. 1. 6. 1993 Medizinrecht Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger v. 25. 8. 1998

Motive

Motive zu dem Entwürfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Berlin 1888

NdsPsychKG

Niedersächsisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke v. 16. 6. 1997 Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge neuer Fassung nachfolgend

NDV n.F. nf. m.w.N. NWPsychKG

mit weiteren Nachweisen Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten v. 2. 12. 1969 i.d.F. v. 18. 12. 1984

OLGE

Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts (Leipzig 1900 ff.) oberster Gerichtshof (Osterreich)

österr. O G H preuß. V o r m O Protokolle

preußische Vormundschaftsordnung vom 5. 7. 1875 Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Berlin 1897

RdNr. RhPfGVBl. RhPfPsychKG

Randnummer Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz Landesgesetz von Rheinland-Pfalz für psychisch Kranke v. 17. 11. 1995 Recht & Psychiatrie (Psychiatrie-Verlag Bonn) rechte Spalte

R & P r.Sp. SaarlUBG SächsPsychKG SAnhPsychKG SchlHPsychKG SGB str.

Saarländisches Gesetz Nr.1301 über die Unterbringung psychisch Kranker v. 11. 11. 1992 Sächsisches Gesetz über die Hilfen und die Unterbringung bei psychisch Kranken v. 16. 6. 1994 Gesetz über Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen des Landes Sachsen-Anhalt v. 30. 1. 1992 Gesetz des Landes Schleswig-Holstein für psychisch Kranke v. 26. 3. 1979 i.d.F. v. 17. 12. 1991 Sozialgesetzbuch, zit. nach Büchern mit römischen Ziffern strittig

TE

Teilentwurf zum B G B , zitiert nach dem jeweiligen Redaktor

ThürPsychKG

Thüringer Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch Kranker v. 2. 2. 1994

XXX

Abkürzungsverzeichnis

u.a. u.a.m. u.v.a. U.S. U.S. App. 9th Cir.

unter anderem und andere mehr und viele andere United States Supreme Court Reports United States Court of Appeals for the 9th Circuit

vgl. Vorbem.

vergleiche Vorbemerkung

z.B. ZfJ ZG zit.

zum Beispiel Zentralblatt für Jugendrecht Zeitschrift für Gesetzgebung zitiert

Einleitung Einleitend werden die Fragestellung dieser Arbeit und der Gang der dabei vorzunehmenden Untersuchung aufgezeigt (§1) sowie ein Uberblick über das vormalige Vormundschaftsrecht des BGB und seine Reform durch das Betreuungsgesetz gegeben (§ 2).

§ 1 Die Fragestellung Die Betreuung psychisch Kranker und körperlich, geistig oder seelisch Behinderter ist ein Rechtsinstitut, welches mit zivilrechtlichen Mitteln Hilfen für diesen Personenkreis regelt. Vor allem für ältere Menschen wird es wegen der ständig steigenden Lebenserwartung zunehmend an Bedeutung gewinnen 1 . Und der Schutzbedarf der betroffenen Personen macht nicht vor den Landesgrenzen halt; dies spiegeln sowohl internationalprivatrechtliche Vorschriften (z.B. Art. 24 EGBGB) 2 als auch ein geplantes Haager Ubereinkommen wider 3 . Die Betreuung besteht darin, daß ein Erwachsener einen Fürsorger erhält, der vom Gesetz als gesetzlicher Vertreter definiert wird (§ 1896 II 2); seine Rechtsmacht kann weit über den Bereich der eigentlichen Vertretung hinausreichen und ihm eine Fremdbestimmung des Betroffenen in dessen höchstpersönlichem Bereich ermöglichen. Sowohl die Begründung der Betreuung als auch deren Durchführung durch den Betreuer können sogar gegen den Willen des Betroffe-

1

Daten dazu sub §3.11.2 beiFn. 98. Zu internationalprivatrechtlichen Problemen der Betreuung z.B. Oelkers, Internationales Betreuungsrecht 158 ff. (für Betreuungsmaßnahmen deutscher Vormundschaftsgerichte für Sachverhalte mit Auslandsberührung), 263 ff. (für Betreuungsmaßnahmen ausländischer Gerichte oder Behörden). 3 Die 18. Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, welche vom 30.9.-19.10.1996 tagte, bestellte eine Sonderkommission, um die Arbeiten an einem dem Ubereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen v. 5.10.1961 (MSA, BGBl. 1971 II 217) verwandten Erwachsenenschutzabkommen voranzutreiben, siehe die Schlußakte der Konferenz v. 19.10.1996 S.20/21 sub B.2; diese erstellte hierzu einen Vorentwurf, welcher gemäß seinem Art. 1 I darauf abzielt, den Schutz Erwachsener, die infolge Beeinträchtigung oder Unzulänglichkeit ihrer persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage sind, ihre Interessen wahrzunehmen, dazu Referat von Fritz Sturm, Stellungnahme zum Vorentwurf eines Ubereinkommens über den Schutz Erwachsener, gehalten auf der Sitzung des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht v. 13.12.1997. 2

2

5 1 Die

Fragestellung

nen erfolgen. Schließlich schränkt ein Einwilligungsvorbehalt dessen rechtliche Handlungsfähigkeit ein. All das wirft eine Fülle rechtlicher Probleme auf, die sich im Rahmen dieser Arbeit nicht alle mit derselben Gründlichkeit behandeln lassen. Es ist also eine Auswahl zu treffen. Diese fällt hier auf die Frage, unter welchen Bedingungen jemand einen Betreuer erhalten und einem Einwilligungsvorbehalt unterstellt werden kann. Bei diesen Statusentscheidungen sind nämlich die Weichen zu stellen, wann denn der Einstieg in eine Fremdbestimmung mit den damit für die Betroffenen verbundenen Chancen und Risiken stattfinden solle und könne. Diese eminent wichtigen Fragen sind bislang nicht abschließend geklärt.

I. Die Neuorientierung durch die Entkoppelung der Betreuung Geschäftsfähigkeitsfrage von der Die Ersetzung der Erwachsenenvormundschaft und der Gebrechlichkeitspflegschaft durch das am 1.1.1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz wurde teilweise als Jahrhundertreform gefeiert, weil dadurch endlich Schluß gemacht werde mit einer unglücklichen Tradition, welche den Fürsorgebedürftigen mehr als Gefahr für Dritte oder den Rechtsverkehr und als Objekt staatlicher Fürsorge gesehen habe, denn als Person und Träger von Grundrechten, der auf Hilfe angewiesen ist 4 . Als besonderer Stein des Anstoßes wurde dabei die automatische Verknüpfung der Fürsorgeanordnung mit Einschränkungen der rechtlichen Handlungsfähigkeit des Fürsorgebedürftigen empfunden: Außer im Fall der freiwilligen Pflegschaft konnte der Hilfsbedürftige benötigte Hilfe erst erhalten, wenn bei ihm zuvor ein rechtlicher oder tatsächlicher Zustand fehlender oder beschränkter Geschäftsfähigkeit festgestellt worden war, so daß er rechtlich oder zumindest faktisch von der Teilnahme am Rechtsverkehr ausgeschlossen wurde. Eines der Hauptanliegen der Reform durch das Betreuungsgesetz ist es daher, diese automatische Verknüpfung von Fürsorge und eingeschränkter rechtlicher Handlungsfähigkeit auf der Tatbestands- wie auf der Rechtsfolgenseite zu beenden; nur für Ausnahmsfälle soll die Fürsorge durch besondere gerichtliche Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts noch mit einer Einschränkung der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen verbunden werden können. Stattdessen macht das neue Recht sowohl die Begründung der Betreuung als auch die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts unabhängig von der Einstellung des Betroffenen dazu jeweils von einem mehrgliedrigen Tatbestand abhängig, bei welchem dem Grundsatz der Erforderlichkeit die entscheidende Rolle zukommt.

4 Schwab (FS-Mikat 882) beurteilt das Betreuungsgesetz als eines der wichtigsten Reformvorhaben des deutschen Familien- und Personenrechts in diesem Jahrhundert.

II.

Untersuchungsgegenstand

3

Das Betreuungsrechtsänderungsgesetz (BtÄndG) reformiert das Betreuungsrecht in einigen Punkten (sub § 2.II.3); die dargestellte Neuorientierung bleibt dadurch jedoch unberührt 5 .

II. Untersuchungsgegenstand: Die Eingangsschwelle der Betreuung Einwilligungsvorbehalts und des Das Vormundschaftsgericht begründet die Betreuung in einer einheitlichen Entscheidung durch die Auswahl und Bestellung einer Person oder Institution zum Betreuer (§ 9.1.1). Allerdings ist zwischen diesen beiden Fragen zu unterscheiden: Mit der Bestellung des Betreuers entsteht das Betreuungsverhältnis und setzt die damit verbundene Fremdbestimmung des Betroffenen ein, dagegen betrifft die Auswahlentscheidung lediglich die Frage, wer dieser Betreuer sein soll. Auf die Auswahl des Betreuers ist daher in dieser Arbeit nicht einzugehen, wenngleich sie das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen berühren kann 6 und von großer Bedeutung für ihn ist, weil der ausgewählte Betreuer seine Belange führen wird und ihn zu gewissen Handlungen bestimmen kann. Die Festlegung der materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers hat im Hinblick auf deren Rechtswirkungen zu erfolgen: Der Betreuer kompensiert die Unfähigkeit des Betroffenen, eigene Angelegenheiten zu erledigen, indem er diese kraft seiner gesetzlichen Rechtsmacht für jenen besorgt oder bei deren Besorgung mitwirkt. Die Betreuung stellt sich somit als Hilfeleistung des Staates für Fürsorgebedürftige dar, auf die diese einen Anspruch haben. Allerdings hatte sich bereits während der Geltung des früheren Rechts zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, daß die Vormundschaft nicht nur den Charakter einer Hilfeleistung habe, sondern zugleich mit Eingriffen in das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen verbunden sei, zumindest, wenn sie ohne deren Willen zum Einsatz komme; besonders deutlich trat der Eingriffscharakter der Vormundschaft in ihrer Koppelung mit der Entmündigung des Schutzbedürftigen zu Tage, weil diese ihn umfassend entrechtete. In der Reformdiskussion wurde denn auch die Doppelnatur zivilrechtlicher Fürsorge unterstrichen und die Frage nach der richtigen Schwelle für eine unabhängig vom Willen des Betroffenen eintretende Betreuung aufgeworfen (Eingriffsschwelle) 7 . 5 N a c h f o l g e n d a u f g e f ü h r t e Vorschriften des Betreuungsrechts geben die Fassung d u r c h das B t Ä n d G w i d e r ; die B e z u g n a h m e auf die Fassung durch das BtG w i r d durch den Zusatz ( B t G ) verdeutlicht; bei G e g e n ü b e r s t e l l u n g e n oder z u r Verdeutlichung w i r d die N e u f a s s u n g durch den Zusatz ( B t Ä n d G ) kenntlich gemacht. 6 W e n n die A u s w a h l e n t s c h e i d u n g u n t e r U b e r g e h u n g diesbezüglicher W ü n s c h e des Betroffenen ergeht, § 1897 IV. 7 Eingehend d a z u z.B. Pardey, B e t r e u u n g ; siehe auch Bürgle, N J W 1988, 1881 ff. (1883 f.) u.a.m.

4

5 1 Die

Fragestellung

Unter diesem Aspekt ist die Neudefinierung der Tatbestandsvoraussetzungen der Erwachsenenfürsorge durch das Betreuungsgesetz (supra I) in Teilen der Rechtsprechung und Lehre auf vehemente Ablehnung gestoßen. Die Kritiker fordern ein zusätzliches Kriterium für den unabhängig vom Willen des Betroffenen erfolgenden Einsatz der Betreuung, weil sonst die Eingriffsschwelle zu niedrig angesetzt sei. Als solches schlagen einige die vorgängige Prüfung entweder der Geschäftsunfähigkeit oder der Fähigkeit zur Einsicht in die Notwendigkeit einer Betreuung vor. Auf der anderen Seite soll im Fall einer vom Betroffenen gewollten Fürsorgemaßnahme eine niedrigere Schwelle gelten, doch wird diese Frage anders als die Eingriffsschwelle nicht weiter problematisiert. Andere hingegen halten das gesetzliche Modell grundsätzlich für richtig und lehnen eine tatbestandliche Differenzierung zwischen gewollter und ungewollter Betreuung ab, vielmehr suchen sie im gesetzlichen Rahmen nach angemessenen Lösungen, sei es durch eine strikte Handhabung der Erforderlichkeitsprüfung oder mit Hilfe der Abwägung zwischen dem Wohl und den Wünschen der Betroffenen (§10.111). Die Diskussion um die richtige Schwelle für die Begründung der Betreuung hält an. Es handelt sich dabei um ein Kernproblem des Betreuungsrechts, zumal die Betreuerbestellung das Einfallstor für sämtliche weiteren Betreuungsmaßnahmen bildet. Trotz der Publikationsflut, die mit der Vorstellung der Vorentwürfe zum Betreuungsgesetz eingesetzt hat 8 , steht eine befriedigende Lösung dieser Frage noch aus 9 . Es erscheint daher angebracht, diese Problematik zum Gegenstand einer eingehenden Untersuchung zu machen. Da die Bestimmung einer besonderen Eingriffsschwelle den Umkehrschluß nahelegt, für die freiwillige Betreuung müsse es eine andere Schwelle geben, kann sich die Arbeit nicht auf die erstgenannte Frage beschränken, sondern hat die Voraussetzungen der ungewollten wie der gewollten Betreuerbestellung gleichermaßen zu untersuchen. U m dies zu verdeutlichen, soll im folgenden der allgemeinere Begriff der Eingangsschwelle der Betreuung verwendet werden. Die Praxis des früheren Vormundschaftsrechts hat erhebliche Defizite bei der Ermittlung der tatbestandsbegründenden Sachverhaltsumstände und bei der Wahrung der wesentlichen Verfahrensgarantien der Betroffenen aufgezeigt (sub § 2.1.2). Aus diesem Grunde hat das Betreuungsgesetz die Stellung des Betroffenen im Verfahren verbessert sowie die Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung konkretisiert, und beides dient der richtigen Anwendung der materiellen Eingangsschwelle. Diese formelle Komponente der Eingangs8 Ein Blick auf das hiesige Literaturverzeichnis gibt hinreichend A u s k u n f t d a r ü b e r ; siehe auch die u m f a n g r e i c h e n Literaturnachweise z.B. bei Staudinger-Bienwald, vor den Vorbem. zu §§ 1896 ff. 9 F ü r das Verhältnis der Betreuerbestellung z u r Geschäftsfähigkeit w i r d dies konstatiert, sub § 10 vor I b e i F n . 3. Wichtige Beiträge zu einer L ö s u n g haben die allerdings recht u n s y s t e matische u n d teils ü b e r s p i t z t e M o n o g r a p h i e v o n Pardey, Betreuung, sowie die verschiedenen Beiträge v o n Holzhauer, insb in F a m R Z 1995,1463 ff., geleistet; f ü r weitere Impulsgeber siehe im übrigen die sub in §§ 9 - 1 1 u n d § 13 a u f g e f ü h r t e n N a c h w e i s e .

II.

Untersuchungsgegenstand

5

schwelle kann hier nicht vertiefend erörtert werden, lediglich vereinzelt werden verfahrensrechtliche Neuerungen im Zusammenhang mit der materiellrechtlichen Regelung behandelt 10 . Eng verwandt mit der Problematik der materiellen Eingangsschwelle bei der Initiierung der Betreuung ist die Frage nach deren Dauer. Daneben stellt sich diese Thematik auch bei weiteren, besonders eingriffsintensiven Betreuungsmaßnahmen: bei der Anordnung des Einwilligungsvorbehalts (§ 13.III), vorläufigen Maßnahmen 1 1 , der Unterbringung i.S.d. § 190612 sowie den gesetzlich nicht geregelten Befugnissen des Betreuers, die Wohnung des Betreuten gegen dessen Willen zu betreten oder zu durchsuchen oder diesen zwangsweise in ein offenes Heim zu verbringen 13 . Bei der Unterbringung und der Ausübung der fraglichen Bestimmungsbefugnisse handelt es sich um Einzelmaßnahmen des Betreuers zur Durchführung der Betreuung; die Eingangsschwelle für die Einzelmaßnahmen der Durchführung kann hier aber nicht vertiefend behandelt werden, weil dies sonst den Rahmen der Arbeit vollends sprengen würde, es wird nur insoweit darauf eingegangen, als es um die Stimmigkeit der für die Betreuerbestellung zu entwickelnden Lösung geht 14 . Bei der vorläufigen Anordnung einer Betreuung oder eines Einwilligungsvorbehalts sind die formellen und materiellen Anforderungen wegen ihres Eilcharakters gegenüber den entsprechenden endgültigen Maßnahmen herabgesetzt 15 , doch zeitigen diese Maßnahmen in beiden Fällen weithin gleiche Rechtswirkungen; die reduzierten Anforderungen im ersten Fall liegen in der Natur der Sache 16 und verlangen nicht 10

Für einen Überblick über die verfahrensrechtlichen Neuerungen siehe sub § 2.II.2.d. Das Vormundschaftsgericht kann nach § 69f F G G die Betreuerbestellung oder den Einwilligungsvorbehalt vorläufig anordnen, daneben ist nach § 70h F G G eine vorläufige Genehmigung von Unterbringungsmaßnahmen möglich; kritisiert werden insb: die nach § 69f I 1 Nr. 2 F G G reduzierten Anforderungen an die Begutachtung des Betroffenen, so bei gleichzeitiger Verschärfung der Anforderungen an das Attest, Rink, R & P 1991, 152; Keidel-Kayser, § 69f F G G R d N r . 6; Damrau/Zimmermann, BtG § 69f F G G R d N r . 5 m.w.N.; die Möglichkeit der N a c h h o l u n g der persönlichen A n h ö r u n g nach § 69f I 4 F G G und das Fehlen einer Maximalfrist hierfür, Schumacher, F a m R Z 1991, 283; f ü r eine sehr enge Auslegung dieser Frist, L G Frankfurt, 10.2.1992, N J W 1992, 986 (unmittelbar nach dem Beschluß über die einstweilige Anordnung). 12 Entgegen dem Wortlaut der N o r m möchte vor allem das B a y O b L G f ü r Maßnahmen nach § 1906 I Nr. 1 und IV ebenfalls auf die Geschäftsunfähigkeit b z w den Ausschluß freier Willensbestimmung beim Betreuten abstellen, dazu sub § 10.II.3.a.dd.(2) bei Fn. 216 f . 13 Die Statthaftigkeit der vom Betreuten nicht gewollten Betretung oder Durchsuchung seiner Wohnung oder seiner Verschaffung in ein offenes H e i m durch den Betreuer ist umstritten u n d hat bereits zu konträren Gerichtsentscheidungen geführt, dazu sub § 8.II.3.C bei Fn. 137 ff. 14 Das wird insb bei der Bestimmung der Eingangsschwelle f ü r die Übertragung höchstpersönlicher Bestimmungsbefugnisse nichtrechtsgeschäftlicher Art der Fall sein, sub §11.1. 3.b.cc, im übrigen ist die Schwelle f ü r D u r c h f ü h r u n g s m a ß n a h m e n bei der Vorstellung der Gesamtergebnisse anzusprechen, sub § 14.XII. 15 Grundsätzlich kritisch zu diesen verkürzten Anforderungen wegen der damit verbundenen Beeinträchtigungen der Rechtspositionen des Betroffenen, Rink, R & P 1991, 157. 16 So f ü r Einschränkungen des rechtlichen Gehörs, Habscheid, F G § 20 II 4 b. 11

6

5 1 Die

Fragestellung

nach einer eingehenden Untersuchung im Rahmen dieser Arbeit. Dagegen verändert die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts eine bestehende Betreuung qualitativ, weil der Betreute dadurch im Anwendungsbereich dieser Maßnahme in seiner rechtlichen Handlungsfähigkeit eingeschränkt und die Rechtsmacht des Betreuers entsprechend erweitert wird; diese Maßnahme weist daher eine erhebliche Eingriffsintensität auf, so daß sich die Frage nach der Eingangsschwelle in besonderem Maße stellt. Der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist also die Bestimmung der Eingangsschwelle für die Begründung der Betreuung und die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts unter Einschluß des Aspekts der zeitlichen Dauer dieser Maßnahmen. Daraus ergibt sich der Blickwinkel der Untersuchung: Entgegen dem früheren Recht 1 7 dient die Betreuerbestellung grundsätzlich allein den Interessen des zu Betreuenden, und Gleiches gilt für die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts 1 8 ; für die Bestimmung der Eingangsschwelle ist somit die Sichtweise des zu Betreuenden oder bereits Betreuten ausschlaggebend. Gesichtspunkte des Schutzes Dritter oder der Rechtssicherheit sind deshalb allenfalls als Nebenaspekte zu berücksichtigen, zumal die Rechtsfolgen beider Betreuungsmaßnahmen nur insoweit geprüft werden, als es für die Festlegung der Eingangsschwelle nötig ist; insbesondere findet keine kritische Analyse der Auswirkungen des Einwilligungsvorbehalts auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten im Hinblick auf den Schutz Dritter oder des Rechtsverkehrs statt. In die Prüfung der Eingangsschwelle sind einige grundlegende Fragen der zivilrechtlichen Erwachsenenfürsorge einzubeziehen, die sich bislang einer vertiefenden Darstellung entzogen haben; das Vormundschaftsrecht des B G B ist nämlich ein wenig als Stiefkind zivilistischer Dogmatik behandelt worden 1 9 : An nennenswerten Monographien lassen sich nur die umfassende, wenngleich rein darstellende Jedermanns von 192 9 2 0 sowie die beachtliche Studie Diamands 21 von 1931 anführen.

17 Sub §6.1: Gemeint ist die Entmündigung als Voraussetzung der Vormundschaft, a a O . 1.c; bei der Pflegschaft waren Drittinteressen dagegen nur ausnahmsweise beachtlich, aaO. 2.a.bb. 18 Für die Betreuerbestellung sub §9.II.4.b, für die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts sub §13.1.3. 19 Zur Abstinenz rechtswissenschaftlicher Erörterung auf diesem Gebiet, Zenz/v.Eicken/ Ernst/Hofmann, 32; Holzhauer, Gutachten B 29; zu den nachfolgend aufgeführten M o n o g r a phien ist erst im Jahr der Verkündigung des Betreuungsgesetzes eine weitere hinzugetreten, die freilich nur die Minderjährigenvormundschaft behandelt: Oberloskamp, Vormundschaft, Pflegschaft und Vermögenssorge bei Minderjährigen (München 1990). 2 0 D a s deutsche Vormundschaftsrecht (Ansbach 1929). 21 Vorläufige Vormundschaft und Gebrechlichkeitspflegschaft als Ersatzformen der Entmündigung (Tübingen 1931).

III. Gang der

III. Gang der

Untersuchung

7

Untersuchung

Die durch das Betreuungsrecht eingeführten Reformen einschließlich der neu gefaßten Tatbestandsvoraussetzungen für die Betreuerbestellung sowie das neue Rechtsinstitut des Einwilligungsvorbehalts werden besser verständlich, wenn sie im Vergleich zu deren unmittelbarer Vorgängerregelung im Recht der Erwachsenenvormundschaft und Gebrechlichkeitspflegschaft gesehen werden. Daher werden in einem einleitenden Uberblick das frühere Recht und seine wesentlichen Mängel sowie die durch das Betreuungsgesetz und das Betreuungsrechtsänderungsgesetz vorgenommene Reform vorgestellt (§ 2). In einem ersten Teil werden Grundlagen für die Bestimmung der Eingangsschwelle erörtert. Die Betreuerbestellung wie die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts setzen eine psychische Krankheit oder eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung voraus, welche die Fähigkeit des Betroffenen zur selbständigen Besorgung seiner Angelegenheiten einschränkt. Die Untersuchung dieser pathologischen Phänomene zeigt, daß ein gravierender Unterschied zwischen rein körperlichen Behinderungen und den übrigen medizinischen Befundgruppen besteht, weil nur letztere die Fähigkeit der Erkenntnis, Willensbildung oder -Steuerung beeinflussen können 2 2 . Die Rechtstatsache psychopathologischer Funktionsstörungen erweist sich somit als Eckpfeiler bei der Entscheidung über die Notwendigkeit von Betreuungsmaßnahmen (§ 3). Grundlegende Vorgaben für unsere Fragestellung ergeben sich außerdem aus der Verfassung (§ 4): Mit der Betreuung erfüllt der Gesetzgeber einen grundrechtlichen Schutzauftrag; schon die Psychiatrie-Enquete-Kommission hatte 1975 darauf hingewiesen, daß Fürsorgemaßnahmen zugleich Eingriffe in Grundrechte der Betroffenen bewirken können 2 3 ; zudem hat der Gesetzgeber mit dem maßgeblichen Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit inkorporiert. Wie schon erwähnt, knüpft das Betreuungsrecht mit seiner Eingangsschwelle für die Betreuerbestellung und den Einwilligungsvorbehalt an die Vorgängerregelung der Entmündigung und Vormundschaft im BGB an und führt dieser gegenüber bedeutende Abweichungen ein; andererseits wollen Kritiker der Neuregelung gerade auf diese Vorgängerregelung zurückgreifen. Für die Auseinandersetzung mit diesen Meinungen und die Entwicklung eines eigenen Lösungsmodells ist es deshalb unverzichtbar, nach dem kursorischen Uberblick über das frühere Recht in § 2.1 dieses einer eingehenderen und kritischen Bestandsaufnahme zu unterziehen (§ 6). Das frühere Recht basiert seinerseits auf einer langen Rechtsentwicklung seit dem römischen und frühen deutschen Recht, deren Betrachtung erst Klarheit über einige Eigentümlichkeiten zivilrechtlicher Fürsorge verschafft (§ 5). Der vergleichende Blick erlaubt, die maßgeblichen Ge-

22 23

Sub §3.111.1. Sub §2.11.1 nachFn.53.

8

§ 1 Die

Fragestellung

meinsamkeiten dieser Entwicklung aufzuzeigen (§ 7). Der zweite Teil der Arbeit ist dieser historischen Betrachtung gewidmet. Der dritte Teil beschäftigt sich mit der Hauptfrage der Arbeit, der Festlegung der Eingangsschwelle. Im ersten Abschnitt geht es um diejenige für die Begründung der Betreuung. Diese läßt sich nur dann sinnvoll bestimmen, wenn zuvor die wesentlichen Wirkungen der Betreuerbestellung untersucht werden: die Zuweisung eines Betreuers mit der Stellung eines gesetzlichen Vertreters und der Rechtsmacht, bindend für den Betreuten zu handeln und diesem dadurch die Besorgung seiner Angelegenheiten zu ermöglichen, vereinzelte Einschränkungen der rechtlichen Handlungsfähigkeit des Betreuten und eine sich daraus möglicherweise ergebende Veränderung seiner Zuständigkeit zu selbständigem Handeln (§ 8). Diese Untersuchung gibt Aufschluß über den Hilfs- und Eingriffscharakter der Betreuerbestellung; im übrigen bestimmen sich wesentliche Parameter der Eingangsschwelle nach diesen Rechtswirkungen; dies zeigt sich besonders deutlich am Beispiel der Erforderlichkeit der Betreuung, welche sich danach beurteilt, ob und inwiefern der Fürsorgebedürftige auf das Handeln eines Betreuers mit der diesem übertragenen Rechtsmacht angewiesen ist. Das Betreuungsgesetz legt die Eingangsschwelle für die Begründung der Betreuung für alle Fälle einheitlich in § 1896 I und II fest, lediglich für rein körperlich Bebinderte gibt es mit einem materiellen Antragserfordernis eine Abweichung; dieser Personenkreis bleibt im weiteren Verlauf der Arbeit außer Betracht, weil sich bei ihm die zentrale Thematik eingeschränkter Selbstbestimmungsfähigkeit nicht stellt24. Mit dieser Eingangsschwelle möchte der Gesetzgeber den Einsatz der Betreuung auf den tatsächlichen Bedarf im Einzelfall begrenzen. In § 9 der Arbeit wird deren Eignung untersucht, dieses Ziel zu erreichen sowie den Bedarf nach einer Betreuung hinreichend zu bestimmen und gegenüber sonstigem Hilfsbedarf abzugrenzen. Besonderes Gewicht wird dabei auf die Aufschlüsselung der Begriffe der Erforderlichkeit und Subsidiarität der Betreuung gelegt; die ersterem vom Gesetzgeber beigelegte große Bedeutung ist auf den Prüfstand zu stellen (§ 9.III); und die Effizienz des Subsidiaritätsprinzips zur Minimierung des Einsatzes der Betreuung hängt davon ab, inwieweit alternative Hilfen diese zu ersetzen vermögen; klärungsbedürftig ist dabei insbesondere, in welchem Maße sich Entscheidungen im höchstpersönlichen Bereich auf einen gewillkürten Vertreter übertragen lassen (§ 9.IV). Die Untersuchung des gesetzlichen Begründungstatbestandes wird zeigen, daß dieser einige Fragen offen läßt, nämlich die Abgrenzung der tatbestandlichen Krankheitsphänomene von noch nicht krankhaften Erschwerungen der Handlungsmöglichkeiten, die Konkretisierung des für eine Betreuung zu fordernden Ausmaßes eingeschränkter Selbstbestimmungsfähigkeit und die Relevanz der Einstellung des Betroffenen zur Betreuerbestellung (§ 9.V). Angesichts dieser verbleibenden Unklarheiten drängt sich die Frage auf, welche Bedeutung den Standards rechtlicher Handlungsunfähigkeit für die Be24

Sub §3.111.1.

III. Gang der Untersuchung

9

gründung der Betreuung z u k o m m t . Schon im R a h m e n der K o n z e p t i o n des gesetzlichen Tatbestandes spielen einige U n t e r a r t e n rechtlicher Handlungsunfähigkeit eine Rolle; diese sind darzustellen und von der fast übermächtigen G e schäftsunfähigkeit abzugrenzen, was vor allem bei der Fähigkeit zur Erteilung rechtfertigender Einwilligungen im höchstpersönlichen Bereich umstritten ist; in Rechtsprechung und L e h r e wird diskutiert, o b die Geschäftsunfähigkeit oder ein anderer Fähigkeitsstandard nicht darüber hinaus die Eingangsschwelle der Betreuung allgemein bestimmen solle (§ 10). In § 11 wird zu dieser Diskussion Stellung g e n o m m e n und das eigene Modell einer differenzierten Prüfung der Selbstbestimmungsfähigkeit zu Betreuender entwickelt. Im zweiten A b s c h n i t t des dritten Teils findet die U n t e r s u c h u n g der E i n gangsschwelle für die A n o r d n u n g eines Einwilligungsvorbehalts statt; diese orientiert sich in verkürzter F o r m an der soeben aufgezeigten Prüfung der Schwelle der Betreuerbestellung, denn die für diese erzielten Ergebnisse lassen sich zum Teil auf jene übertragen. D i e R e c h t s w i r k u n g e n des Einwilligungsvorbehalts sind aus ähnlichen G r ü n d e n vor der E r ö r t e r u n g der Eingriffsschwelle zu untersuchen (§ 12): D i e N o t w e n d i g k e i t der A n o r d n u n g ist nämlich im H i n blick auf den Bedarf des Betreuten nach einer Einschränkung seiner Geschäftsund Verfahrensfähigkeit als der maßgeblichen R e c h t s w i r k u n g festzustellen. D i e Eignung der gesetzlichen Anordnungsvoraussetzungen, diesen Schutzbedarf hinreichend zu bestimmen, ist auf den Prüfstand zu stellen; einige zweifeln diese an und schlagen als Ausweg wiederum den R ü c k g r i f f auf Geschäftsfähigkeitskategorien vor; hier ist ebenfalls eine differenzierende Betrachtung angebracht (§13). I m abschließenden vierten Teil sind die erzielten Ergebnisse zusammenfassend zu würdigen.

§2 Überblick über das Vormundschaftsrecht des B G B und seine Reform durch das Betreuungsgesetz Zunächst richtet sich die Betrachtung auf das alte Vormundschaftsrecht des B G B einschließlich seiner hauptsächlichen Defizite (sub I), im Anschluß daran wird das Betreuungsgesetz als Reformgesetz vorgestellt (sub II).

I. Die Erwachsenenvormundschaft und die Gebrechlichkeitspflegschaft des BGB vor Inkrafttreten des BtG Neben einer knappen Darstellung der Regelung des B G B in seiner ursprünglichen Fassung nebst späterer Reformen wird im folgenden ein besonderes Augenmerk den wesentlichen Mängeln der rechtlichen Regelung sowie der bei ihrer Umsetzung zu Tage getretenen Defizite gelten. Soweit im folgenden nicht zwischen Vormundschaft und Pflegschaft differenziert oder letztere eigens angesprochen wird, beziehen sich die Ausführungen zur Vormundschaft ebenfalls auf die Gebrechlichkeitspflegschaft. Eine eingehendere Erörterung des früheren Rechts im Hinblick auf die Problematik der Eingangsschwelle erfolgt in § 6.

1. Allgemeiner

Überblick

Bis zum Inkrafttreten des B t G am 1.1.1992 war die privatrechtliche Fürsorge für psychisch kranke und körperlich, geistig oder seelisch behinderte Volljährige in den Vorschriften des B G B über die Erwachsenenvormundschaft (§§ 1 8 9 6 1908 a.F.) und die Gebrechlichkeitspflegschaft (§§ 1 9 1 0 , 1 9 2 0 a.F.) 1 geregelt. Systematisch und inhaltlich waren die Vorschriften der Erwachsenenvormundschaft und Gebrechlichkeitspflegschaft am gesetzlichen Grundmodell der Vormundschaft über Minderjährige (§§ 1 7 7 3 - 1 8 9 5 ) und damit wie diese letztlich

1 F ü r die Gebrechlichkeitspflegschaft verwies § 1915 auf die Vorschriften der V o r m u n d schaft für Volljährige einschließlich der Weiterverweisungsnorm des § 1897 S.l a.F.; beide Rechtsinstitute unterlagen somit denselben N o r m e n , soweit sich aus den § § 1 9 1 0 , 1920 a.F. oder dem Wesen der Gebrechlichkeitspflegschaft keine Besonderheiten ergaben, weshalb die nachfolgenden Ausführungen von der Vormundschaft ausgehen und nur auf Besonderheiten der Gebrechlichkeitspflegschaft eingehen.

I. Erwachsenenvormundschaft

und

Gebrechlichkeitspflegschaft

11

am Leitbild der elterlichen Sorge ausgerichtet 2 ; gesetzestechnisch zeigte sich dies an der weitgehenden Verweisung von § 1897 S. 1 a.F., § 1915 auf die Vorschriften über die Altersvormundschaft und der in diesen teilweise ausgesprochenen Weiterverweisung auf B e s t i m m u n g e n des Rechts der elterlichen Sorge 3 . D i e G r u n d f o r m e n der Fürsorge waren die Vormundschaft, die eine endgültige oder vorläufige sein konnte, und die Gebrechlichkeitspflegschaft, die mit oder ohne Einwilligung des B e t r o f f e n e n angeordnet werden konnte. Diese unterschieden sich zum Teil in ihren Voraussetzungen und W i r k u n g e n (sub § 6). N a c h § 1896 a.F. B G B setzte die endgültige Vormundschaft für einen Volljährigen dessen vorherige E n t m ü n d i g u n g durch das Prozeßgericht und damit die konstitutive Feststellung seiner fehlenden oder beschränkten Geschäftsfähigkeit voraus. Z u r Ü b e r w i n d u n g seiner aufgehobenen oder beschränkten G e schäftsfähigkeit hatte das Vormundschaftsgericht dem E n t m ü n d i g t e n einen V o r m u n d zu bestellen. In Eilfällen k o n n t e das Vormundschaftsgericht als Ü b e r b r ü c k u n g s m a ß n a h m e bis zur Entscheidung über einen Entmündigungsantrag einen vorläufigen V o r m u n d bestellen. Bei der Auswahl des Vormundes kam der Familie eine Vorrangstellung zu 4 . D i e F ü h r u n g der Vormundschaft oblag dem Vormund, doch unterstand er dabei der umfassenden Aufsicht durch das Vormundschaftsgericht 5 , welches dabei durch das J u g e n d a m t 6 und den G e g e n v o r m u n d 7 unterstützt wurde; bis 1979 hatte ein Familienrat an die Stelle des Vormundschaftsgerichts treten k ö n nen 8 . F ü r die D u r c h f ü h r u n g der Vormundschaft hatte der V o r m u n d entsprechend dem Vorbild der elterlichen Sorge die umfassende gesetzliche Vertretungsmacht und das tatsächliche Sorgerecht für die Person und das Vermögen des Mündels; dabei hatte er sich an dessen wohlverstandenem Interesse zu orientieren 9 und grundsätzlich auch dessen W ü n s c h e zu berücksichtigen 1 0 .

2 Zur elterlichen Sorge als Leitbild der Minderjährigenvormundschaft, Gernhuber/ Coester-Waltjen, § 71 II; in den Grundzügen lehnte sich auch die Gebrechlichkeitspflegschaft systematisch wie inhaltlich an diesen beiden Modellen an, wenngleich sie sich durch ihre notwendige gegenständliche Beschränktheit und die Möglichkeit der Fürsorge für Geschäftsfähige (sub § 6.1.2.a und b, respektive) von diesen unterschied; insoweit ungenau daher, Gernhu-

ber/Coester-Waltjen,

§ 75 I 2.

§ 1793 S.2 verweist auf § 1626 II, § 1800 auf §§ 1631-1633. 4 Siehe §§ 1899 f. a.F.; näher zu den Auswahlgrundsätzen des früheren Rechts, Gernhuber, FamR § 69 113. 5 Zur vormundschaftsgerichtlichen Aufsicht und der Selbständigkeit des Vormundes, sub II.2.b bei Fn. 79 f. 6 Die Zuständigkeit des Jugendamtes richtete sich bis zum 1.1.1991 nach §§ 1849-1851 a.F. B G B und § 54a J W G , danach bis zum Inkrafttreten des B t B G nach § 53 SGB VIII i.V.m. § 1897 S.l a.F. B G B ; zu letzterem, Prinz von Sachsen Gessaphe, FamRZ 1991, 1151 f. 7 Siehe § 1897 S.l a.F. i.V.m. §§ 1799, 1842. 8 Ursprünglich hatte der Familienrat gemäß §1905 i.V.m. §§1859 I, 1872 Träger der Obervormundschaft sein können, doch sind diese Vorschriften durch Art. 1 Nr. 55 des Gesetzes zur Neuregelung der elterlichen Sorge vom 18.7.1979 (BGBl. I 1061) aufgehoben worden. 9 Dazu näher sub § 6.1.1.c bei Fn. 21. 10 Zur grundsätzlichen Beachtlichkeit von Wünschen des Mündels bei der Durchführung 3

12

5 2 Überblick über das Vormundschaftsrecht

und seine Reform

D i e Alternative zur Erwachsenenvormundschaft bildete die G e b r e c h l i c h keitspflegschaft nach § 1910 a.F. Beide F ü r s o r g e f o r m e n wiesen strukturelle Ähnlichkeiten auf, doch bestanden auch wesentliche Unterschiede: D i e R e i c h weite der Gebrechlichkeitspflegschaft hing von der gerichtlichen Ü b e r t r a g u n g im Einzelfall ab und war bei geistig G e b r e c h l i c h e n sektoral begrenzt; ihre A n ordnung setzte entweder die Z u s t i m m u n g des B e t r o f f e n e n oder die deklaratorische Feststellung seiner (partiellen) natürlichen Geschäftsunfähigkeit voraus, sie hatte aber keine unmittelbaren Auswirkungen auf seine Geschäftsfähigkeit 1 1 . U n t e r Pflegschaft k o n n t e n daher sowohl Geschäftsfähige als auch (partiell) Geschäftsunfähige i.S.d. § 104 Nr. 2 gestellt werden. Als Alternative zur gerichtlichen Bestellung eines Vormundes oder Pflegers hatte sich vor allem in der notariellen Praxis W ü r t t e m b e r g s die Bevollmächtigung einer Person des eigenen Vertrauens für den Fall der späteren Betreuungsbedürftigkeit entwikelt 1 2 .

2. Wesentliche

Defizite

D e r N o r m e n b e s t a n d des Vormundschaftsrechts für Volljährige stieß trotz der von der Praxis durchgeführten N a c h b e s s e r u n g e n 1 3 und der vereinzelten gesetzlichen R e f o r m e n 1 4 zunehmend auf Kritik. D i e Schwächen des früheren R e c h t s waren zum Teil auf die gesetzliche K o n z e p t i o n der Entmündigung, Erwachsenenvormundschaft und Gebrechlichkeitspflegschaft zurückzuführen (sub a), zu einem erheblichen Teil aber auf Defizite bei deren U m s e t z u n g (b).

a) Mängel der rechtlichen

Regelung

D i e H a u p t k r i t i k 1 5 entzündete sich an der Koppelung der Vormundschaft mit der Entmündigung:

Diese führe dazu, daß der B e t r o f f e n e zur Erlangung b e n ö -

tigter Hilfe umfassend entrechtet und bevormundet werde, w o d u r c h sich seine psycho-soziale Ausgrenzung n o c h verstärke; darüber hinaus werde der B e t r o f -

der Betreuung sub §6.II.l.a bei Fn. 94; daneben waren dessen Wünsche i.R.d. gerichtlichen Auswahlermessens bereits bei der Auswahl der Fürsorgeperson beachtlich, B a y O b L G 20.11.1986, Rpfleger 1987, 149; näher zur Auswahl des Erwachsenenvormundes, Gernhuber, FamR § 69 II 3 i.V.m. § 64 IV. 11 Zu den Unterschieden zwischen Vormundschaft und Pflegschaft sub §6.111, 2.b und 3. 12 Zu dieser Praxis Bühler, B W N o t Z 1990, 2 f.; auf diese Praxis ebenfalls hinweisend, G. Richter, FamRZ 1989, 910; eingehend zu derartigen Vorsorgevollmachten sub § 9.IV. 13 Beispiele hierfür bieten die Entwicklung der Zwangspflegschaft zur milderen Ersatzform der Entmündigung und die Angleichung der Verfahrensgarantien im Verfahren der Anordnung der ersteren an diejenigen des Entmündigungsverfahrens, sub §6.I.2.c. 14 Für einen Uberblick über Reformen des ursprünglichen Vormundschaftsrechts des B G B , siehe MünchKomm-Schwab, Vor § 1773 RdNr. 10 f., sowie zu den Auswirkungen der deutschen Einheit, ebda., RdNr. 13. 15 Eingehend zur Kritik am früheren Recht, BT-Drs. 11/4528, 49-52 sowie bei Zraz/ v.Eicken/Ernst/Hofmann, 33 f.; vertiefend dazu sub § 6.III.1.

I. Erwachsenenvormundschaft

und Gebrechlichkeitspflegschaft

13

fene im Hinblick auf die Rechtsfolgen der Entmündigung einem Kind oder Minderjährigen gleichgesetzt; aus diesen Gründen empfinde der betroffene Personenkreis die Entmündigung als diskriminierend und stigmatisierend 16 . Die gerügte Gleichsetzung mit Minderjährigen setzte sich in der Pauschalverweisung der Erwachsenenfürsorge auf das Recht der Minderjährigenvormundschaft, welche der Komplexität psychopathologisch bedingter Beeinträchtigungen der Selbstbestimmungsfähigkeit nicht gerecht wurde 17 , fort und verschärfte sich noch durch die Zuständigkeit der Jugendämter 18 . Ungeachtet der Möglichkeit einer Zustandsbesserung des Mündels war die Wiederbemündigung der Ausnahmefall 19 . Ein weiterer Kritikpunkt war die Uberbetonung vermögensrechtlicher Aspekte gegenüber der Fürsorge für die Person in der gesetzlichen Regelung 20 , zumal bei der Anordnung der Vormundschaft 21 und deren Durchführung 22 Drittinteressen und der Schutz des Rechtsverkehrs ebenfalls eine Rolle spielten. Insgesamt wurde dem früheren Recht vorgeworfen, auf die verbliebene Selbstbestimmungsfähigkeit und die Wünsche des Betroffenen zu wenig Rücksicht zu nehmen und diesen als Person nicht genügend zu beachten. Außerdem wies das bisherige Recht eine Reihe von Lücken auf: Im Rahmen der Personensorge blieben wichtige Fragen ungeregelt, insbesondere die Einwilligung des Vormundes in ärztliche Maßnahmen, die Sterilisation sowie die Wohnungsauflösung 23 ; des weiteren fehlten klare Regeln, um Konflikte zwischen dem Wohl des Mündels und seinen im Innenverhältnis beachtlichen Wünschen zu lösen 24 ; eine vormundschaftsgerichtliche Kontrolle von Bevollmächtigten Fürsorgebedürftiger war nicht vorgesehen.

16 So bereits, Meyer/Schüler-Springorum, FamRZ 1968, 577, sowie Arnold, FamRZ 1971, 289 f.; ebenso Psychiatrie-Enquete-Kommission, BT-Drs. 7/4200, 375; Stöker, DAV 1982, 727-729; Holzhauer, Gutachten B 29 m.w.N. 17 R.Lempp, Beiträge 13; ähnlich Stöcker, DAV 1982, 729; eingehend zur multifaktoriellen Bedingtheit psychopathologischer Funktionsstörungen sub § 3, insb. I.3.a. 18 Die Jugendämter waren gemäß § 54a J W G nicht nur für Minderjährige, sondern sogar für Volljährige zuständig; kritisch dazu, Prinz von Sachsen Gessaphe, FamRZ 1991, 1151. 19 Siehe die Zahlen bei Mende, 17: das Verhältnis von Entmündigung zu Wiederbemündigung lag danach bei ca. 7:1; zu einem Verhältnis von 5,3:1 gelangt Bietenbeck, 103. Zu den Gründen hierfür siehe sub § 6.1.1.a.aa.(2). 2 0 So bestanden im Bereich der Personensorge nur vereinzelte Vorschriften, während die Vermögenssorge eingehend geregelt war, sub §6.11. l.a. 21 Dazu sub §6.I.l.c. 22 Vor allem die Unterbringung konnte zum Schutz Dritter vorgenommen werden, Bienwald, Betreuungsrecht § 1906 RdNr. 4 m.w.N. 2 3 Dazu BT-Drs. 11/4528, 39. 24 Spannungen zwischen dem Wohl und den Wünschen des Fürsorgebedürftigen ergaben sich häufig bei der Verwendung von Mündelgeld, Zenz/v.Eicken/Ernst/Hofmann, 18.

14

5 2 Überblick

b)

über das Vormundschaftsrecht

und seine

Reform

Umsetzungsdefizite

Einige Mängel der gesetzlichen Regelung des früheren Vormundschaftsrechts hätten bei besserer Umsetzung der vorhandenen Vorschriften und Berücksichtigung ihrer Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung vermieden werden können 25 . Auffallend ist die teils recht unterschiedliche Handhabung der bundesweit einheitlichen Vorschriften in den einzelnen Bundesländern, was sich besonders beim zahlenmäßigen Vergleich der Entmündigungs- und Gebrechlichkeitspflegschaftsrate zeigte 26 . Die Praxis divergierte aber sogar innerhalb eines Bundeslandes und selbst innerhalb eines Gerichtes 27 . Entsprechend unterschiedlich kamen die Fürsorgeformen zum Einsatz: In vielen Bundesländern zeigte sich eine mangelnde Akzeptanz der Entmündigung, indem dort die Zwangspflegschaft und vorläufige Vormundschaft im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu Ersatzformen hierfür aufstiegen28; die Zwangspflegschaft wurde dadurch regional gar zum Hauptfall zivilrechtlicher Fürsorge 29 . Die Handhabung des Vormundschaftsrechts führte über die bereits im Gesetz vorgezeichneten Tendenzen hinaus zu einer weiteren Entrechtung der Betroffenen und zu einer Verstärkung ihrer unpersönlichen Verwaltung. Eine umfassende Auseinandersetzung der in diese Richtung zielenden Umsetzungsdefizite kann hier nicht erfolgen 30 . Wesentlich trug dazu die die gesamte Praxis des Vormundschaftsrechts prägende Verwendung von Formularen bei; so gab es u.a. Formulare für Anträge und Anregungen auf Anordnung der Entmündigung oder einer Gebrechlichkeitspflegschaft, für Atteste 31 , Vermögensverzeichnisse, Berichte an das Vormundschaftsgericht und Rechnungslegungen32. Die Erledigung der im Rahmen einer Vormundschaft oder Pflegschaft anfallen25 Bienwald, FamRZ 1987, 533 ff. (536-538); Bürgle, N J W 1988, 1881-1883; Dieckmann, JZ 1988, 789 ff. (792); weitergehend Pardey, ZRP 1988, 330 ff. 2 6 Statistisches Material zur Entmündigungshäufigkeit nach Bundesländern von 19661978 bei Mende, 17, 35-39; von 1985-87 in BT-Drs. 11/4528, 43; von 1987-1989 bei Winterstein in Jürgens u.a., 3. Aufl. RdNr. 23. 2 7 So erbrachten praktisch alle Untersuchungen bei Pardey (Vormundschaft und Pflegschaft, zu Niedersachsen) und Bietenbeck (zu Nordrhein-Westfalen) von Gericht zu Gericht desselben Bezirks teils stark abweichende Ergebnisse; zu Abweichungen nach Dezernaten eines Gerichts, Pardey, aaO. 42 f. 2 8 Dazu sub §6.111.3.b.bb a.E. 2 9 Die supra bei Fn. 26 f. genannten statistischen Daten legen diesen Schluß für Bundesländer mit geringer Entmündigungsrate und hohem Anteil an Zwangspflegschaften nahe; zum Verhältnis von freiwilliger und ungewollter Pflegschaft supra Vornote. 3 0 Dazu statt aller Zenz/v.Eicken/Ernst/Hofmann, 11 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 31 Arztliche Atteste fielen zuweilen formularmäßig aus in der irrigen Ansicht, der Richter werde auf Grund dessen schon eine eingehendere Begutachtung in Auftrag geben, so Diederichsen, FS-Keller 7; kritisch zu dieser Praxis auch Zenz/v.Eicken/Ernst/Hofmann, 62 m.w.N. 3 2 Vgl. die Formulare bei Zenz/v.Eicken/Ernst/Hofmann, 87-115. 3 3 Beispiele für Ankreuzformulare gibt Pardey, Vormundschaft und Pflegschaft 61 f. Fall A4. 34 So bereits Meyer/Schüler-Springorum, FamRZ 1968, 576; ebenso Zenz/v.Eicken/Ernst/

I. Erwachsenenvormundschaft

und Gebrechlichkeitspflegschaft

15

den Aufgaben wurde durch die Verwendung von Formularen für Gerichte wie Betreuer und Arzte gewiß wesentlich erleichtert, doch verleitete dies geradezu zu einer verkürzten und pauschalen Betrachtungsweise, insbesondere in den Fällen der mehr als fragwürdigen Ankreuzformulare 33 . Eine Berücksichtigung der Einzelfallumstände war dann nur bedingt möglich, Entscheidungen fielen undifferenziert aus, zudem wurde durch die Verwendung von Formularen äußerlich die objekthafte Behandlung von Mündeln und Pfleglingen dokumentiert. In der Praxis manifestierte sich die unpersönliche Verwaltung Fürsorgebedürftiger darin, daß oftmals die Fürsorge ohne persönlichen Kontakt zu ihnen erfolgte 34 und ihre Wünsche unberücksichtigt blieben 35 . Die Pflegschaftspraxis der erstinstanzlichen Gerichte war in mehrfacher Hinsicht problematisch. Das Verfahren entsprach vielfach nicht den gesetzlichen Anforderungen: Die Ermittlung der Anordnungsvoraussetzungen geschah häufig nicht mit der gebotenen Sorgfalt, obgleich die obergerichtliche Rechtsprechung hierfür strenge Anforderungen aufgestellt hatte 36 . Die Verständigungsmöglichkeit wurde regelmäßig auf Grund eines Kurzattests und durch Ankreuzen eines entsprechenden Formulars verneint 37 , und der Wirkungskreis des Pflegers sehr weit und pauschal bestimmt 38 . Außerdem wurden oftmals die Verfahrensgarantien des Betroffenen nicht eingehalten, vor allem seine Anhörung 39 ; dabei bestand offensichtlich ein Zusammenhang zwischen der VerneiHofmann, 27; v. Eicken! Ernst! Zenz, Fürsorglicher Zwang 93; Pardey, Vormundschaft und Pflegschaft 27, mit Fällen aus der Praxis, ebda., 58 ff. Allerdings war die Einzelvormundschaft noch immer die Regel, statistische Daten dazu, Zenz/v.Eicken/Ernst/Hofmann, 12; BT-Drs. 10/5970,6. 3 5 So Bienwald, FamRZ 1987, 539 f.; Dieckmann, J Z 1988, 792; Pardey, Z R P 1988, 331; zur prinzipiellen Beachtlichkeit von Wünschen im Innenverhältnis sub § 6.II.l.a bei Fn. 94. 3 6 Zur obergerichtlichen Rspr, Holzhauer, Gutachten B 34 m.w.N., zu deren Mißachtung im erstinstanzlichen Verfahren ebda., B 39. 3 7 In den sog. Drei-Zeilen-Attesten wurde ohne nähere Begründung eine stereotype Kurzdiagnose (z.B. Cerebralsklerose) gestellt und die fehlende Verständigungsmöglichkeit angekreuzt; für ersteres, Mende, 22; Zenz! v.Eicken! Ernst!Hofmann, 24, 61 f.; Pardey, Vormundschaft und Pflegschaft 81; ein Beispiel für ein solches Formular findet sich bei Zenz/v.Eicken/ Ernst/Hofmann, 90; die Atteste stammten oft von psychiatrisch nicht speziell geschulten Hausärzten, weitergehende psycho-soziale Umfeldstudien unterblieben zumeist, Zenz/v. Eicken/Ernst/Hofmann, 61. 3 8 Statistische Angaben zur Häufigkeit einzelner Wirkungsbereiche und den dabei vorkommenden Kombinationsmöglichkeiten bei Mende, 42, Pardey, Vormundschaft und Pflegschaft 27 f. und Bietenbeck, 48-50; auch hierbei spielten Ankreuzformulare eine Rolle, Pardey, aaO. 27 f., 32 f. 3 9 Entsprechende statistische Daten zur Anhörungspraxis bei Moser, Rpfleger 1984, 45 ff. (48); divergierende Zahlen aus drei niedersächsischen Amtsgerichten bei Pardey, Vormundschaft und Pflegschaft 27, 32 (bei einem dieser Gerichte wurde in 70 von 72 Fällen keine Anhörung durchgeführt!) und aus fünfzehn nordrhein-westfälischen Amtsgerichten bei Bietenbeck, 76. In diesem Sinn auch BT-Drs. 10/4271, 3 und 11/4528, 50 f. gegen BT-Drs. 10/5970, 12. Zu anderen Ergebnissen gelangten jedoch auf Grund einer Richterbefragung, Zenz/v. Eicken/Ernst/Hofmann, 22 f.: Die Grenzen zwischen ordnungsgemäßer, nicht ordnungsgemäßer und vollständig unterbliebener Anhörung seien fließend.

16

5 2 Überblick

über das Vormundschaftsrecht

und seine

Reform

nung der Verständigungsmöglichkeit und dem Unterbleiben der Anhörung 4 0 . U n d in der Entscheidungspraxis wurde die Überbetonung der Vermögensverwaltung noch akzentuiert: So waren zwar reine Vermögenspflegschaften in der Minderzahl 4 1 , doch war die Vermögensverwaltung in unterschiedlichen Verbindungen mit personenbezogenen Wirkungskreisen vorherrschend 4 2 . In der Kombination von Aufenthaltsbestimmung, Heilbehandlung und Vermögenssorge war die Zwangspflegschaft eigentlich eine unzulässige Totalfürsorge. Die Zwangspflegschaft konnte in der Rechtswirklichkeit somit zu einer ähnlichen Entrechtung wie die Entmündigung führen 4 3 . Indizien für die Fehlerhaftigkeit und routinemäßige Abwicklung der erstinstanzlichen Verfahren ergeben sich aus zwei Umständen. Zum einen waren Entmündigungsbeschlüsse bei Einschaltung eines Anwaltes wesentlich seltener als bei nicht anwaltschaftlich vertretenen Personen 4 4 . Zum anderen hatten Rechtsmittel gegen Entmündigungsbeschlüsse und Gebrechlichkeitspflegschaftsanordnungen eine hohe Erfolgsquote 4 5 . Insgesamt wurden Rechtsmittel nur in seltenen Fällen eingelegt 46 ; ein Zusammenhang mit der geringeren Durchsetzungskraft der Betroffenen 4 7 sowie fehlender anwaltlicher Vertretung drängt sich hier auf. Für die routinemäßige und teils fehlerhafte Abwicklung der Vormundschafts- und Pflegschaftsverfahren sowie der obervormundschaftlichen Aufsicht war die Überlastung der Vormundschaftsgerichte mitverantwortlich 4 8 . Insgesamt sprechen diese Daten für eine oftmals rein objektmäßige Verwaltung von psychisch Kranken und Behinderten.

II. Die Reform durch das

Betreuungsgesetz

Das Betreuungsgesetz ist Ergebnis eines über zwanzigjährigen Reformprozesses (sub 1). Die Grundzüge dieser Neuregelung sind synoptisch vorzustellen (2). Zuletzt ist auf die Reform dieser Reform durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz einzugehen (3). Pardey, Vormundschaft und Pflegschaft 80 f. Daten bei Pardey, Vormundschaft und Pflegschaft 27 f. 42 So die Daten bei Bietenbeck, 49 f. 43 Im Ergebnis auch Bienwald, FamRZ 1987, 540. 44 Daten dazu bei Mende, 34 Tabelle 23. 45 Zur Gebrechlichkeitspflegschaft berichtet Mende (23) von 23 Pflegschaftsaufhebungen auf 26 Beschwerden, Pardey (Vormundschaft und Pflegschaft 51) für ein Amtsgericht von einer 50 %-igen Erfolgsquote. Zur Entmündigung wird von 2/3 erfolgreichen Anfechtungsklagen referiert, Bietenbeck, 101. 46 Zenz/v.Eicken/Ernst/Hofmann, 25; vermutet von Bietenbeck, 100. 47 Darauf weist auch hin Pardey, Betreuung 45. 48 Dazu Leister, DAV 1987, 297ff. (298); Bienwald, FamRZ 1987, 537f.; Holzhauer, Gutachten B 39; Pardey, Betreuung 43; statistische Angaben dazu bei dems., Vormundschaft und Pflegschaft 41. 40

41

II. Reform

1. Der

durch das

Betreuungsgesetz

17

Reformprozeß

1971 stellte ein Mitglied der Kommission für das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit't9 Vorschläge zu einer R e f o r m der Erwachsenenvormundschaft vor 5 0 , die teilweise zu Grundgedanken der Neuregelung geworden sind: Sie sahen an Stelle der diskriminierenden Entmündigung ein neues Rechtsinstitut der Betreuung vor, bei dessen A n o r d n u n g der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stärkere Beachtung finden 5 1 und so einen differenzierteren Einsatz ermöglichen sollte, doch hielten sie an der Verknüpfung mit Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit fest 5 2 . Von herausragender Bedeutung sowohl für das Vorantreiben der R e f o r m als auch für deren programmatische Ausrichtung war der Bericht der PsychiatrieEnquete-Kommission von 197 5 5 3 . Diese wollte die Ausgliederung psychisch K r a n k e r und Behinderter aus ihrem Lebensbereich vermeiden 5 4 und leitete daraus E m p f e h l u n g e n zu einer G e s a m t r e f o r m der Erwachsenenfürsorge ab 5 5 , welche die spätere R e f o r m wesentlich beeinflußten: Das Nebeneinander von Vormundschaft und Gebrechlichkeitspflegschaft sei durch ein einheitliches und flexibles System der Betreuung zu ersetzen; an die Stelle der E n t m ü n d i g u n g solle die Feststellung der Betreuungsbedürftigkeit mit nachfolgender Bestellung eines Betreuers unter Festlegung seines Wirkungskreises treten; die N o t w e n digkeit der Verknüpfung der Fürsorgeanordnung mit der Geschäftsfähigkeitsfrage sei zu klären. E m i n e n t wichtig für die weitere Diskussion war der H i n w e i s auf den grundrechtseinschränkenden C h a r a k t e r von Eingriffen in das Selbstbestimmungsrecht des Betreuten (Art. 2 G G ) , weshalb in jedem Einzelfall die N o t w e n d i g k e i t des Eingriffs festzustellen sei 5 6 .

Diese war 1964 vom Bundesminister der Justiz ins Leben gerufen worden. Arnold (FamRZ 1971, 289 ff.) unterbreitete Entwürfe zu einer Neufassung der §§6, 114 und 1910 a.F. B G B . 51 Der von Arnold Angemessenheitsgrundsatz genannte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz war in den einzelnen Bestimmungen seines Entwurfes zu §6 B G B ( B G B - E ) verankert, FamRZ 1971,291. 52 Die Arbeit der Kommission mündete 1977 in den Entwurf einer Verfahrensordnung für die Freiwillige Gerichtsbarkeit (FrGO); siehe den Bericht der Kommission für das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Hrsg. Bundesminister der Justiz (Köln 1977). In den §§ 182-208 F r G O (aaO., 63-68) wurde der Vorschlag Arnolds eines einheitlichen Betreuungsverfahrens für die Entmündigung, Vormundschaft und Pflegschaft sowie die Unterbringung, gleich ob nach B G B oder Landesrecht, aufgegriffen; naturgemäß enthielt der Entwurf keine materiellrechtlichen Vorschriften. 53 Sachverständigen-Kommission über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland - Zur psychiatrischen und psychotherapeutisch/psychosomatischen Versorgung der Bevölkerung, BT-Drs. 7/4200 und 7/4201. 54 BT-Drs. 7/4200, 16. 55 Die Reformempfehlungen der Sachverständigen-Kommission zu rechtlichen Problemen der Psychiatrie finden sich zusammengefaßt in BT-Drs. 7/4200, 34 f., zur Vormundschaft insb sub Nr. 8. 56 BT-Drs. 7/4200, 374. 49 50

18

5 2 Überblick

über das Vormundschaftsrecht

und seine

Reform

Weitere Impulse gingen von im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz erstellten Gutachten aus 57 . Aus psychiatrischer Sicht wurde insbesondere betont, daß bei psychisch Kranken und geistig Behinderten regelmäßig Selbstbestimmungsreste verblieben, die es durch ein flexibles Betreuungssystem zu achten gelte 58 , welches aber zugleich die notwendige Unterstützung gewähre 59 . Eine daraufhin eingesetzte interdisziplinäre Arbeitsgruppe 60 legte 1987/88 zwei Diskussionsteilentwürfe vor 61 , die sich für ein flexibles Betreuungssystem mit maximaler Selbstbestimmung des Betreuten aussprachen. Entscheidende Anregungen hierfür waren von dem österreichischen Gesetz über die Sachwalterschaft 62 ausgegangen 63 . Das Erscheinen der Teilentwürfe regte die Reformdiskussion in der Fachöffentlichkeit und betroffenen Interessenverbänden an. Auf dem 57. Deutschen Juristentag in Mainz (198 8) 64 wurden die Leitgedanken dieser Entwürfe weitgehend unterstützt, zu Einzelfragen jedoch bei teils widersprüchlichem Abstimmungsverhalten Gegenvorstellungen entwickelt 65 . Besonders kontrovers verlief die Diskussion darüber, ob die Anordnung von Betreuungsmaßnahmen weiterhin von der Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen abhängig zu machen sei 66 . Daneben wurde die Forderung nach einem zweistufigen Betreuungsmodell erhoben, welches abweichend vom bisherigen Modell eine vertretungslose Betreuung für leichtere Fälle und eine gesetzliche Vertretungsmacht für die übrigen Fälle vorsehen sollte 67 . Der schließlich am 2.11.1989 vorgestellte Referentenentwurf68 nahm zahlreiche Anregungen aus der bislang geführten Diskussion auf; nach umfangreichen 5 7 Zu psychiatrischen und rechtsvergleichenden Aspekten, Gutachten zu einer Neuordnung des Entmündigungs-, des Vormundschafts- und des Pflegschaftsrechts, Hrsg. Bundesminister der Justiz (Köln 1986); später erschien das Gutachten von Xenz/v. Eicken/Ernst/Hof mann, Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige. Eine Untersuchung zur Praxis und Kritik des geltenden Rechts (Köln 1987). 58 Mende, 27 im abschließenden Resümee. 59 Xenz! v.Eicken! Ernst/Hofmann, 34. 6 0 Die Arbeitsgruppe zur Neuregelung des Entmündigungs-, Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts war vom Bundesminister der Justiz eingesetzt worden, BT-Drs. 11/4528, 38; deren Mitglieder sind im Anhang zum B t G - E 1988 aufgeführt. 61 Erster Diskussions-Teilentwurf: Gesetz über die Betreuung Volljähriger, Hrsg. Bundesminister der Justiz (Köln 1987); Zweiter Diskussions-Teilentwurf, wie vor (Köln 1988). 62 Gesetz vom 2.2.1983, BGBl, für die Republik Österreich 1983, 703. 63 Statt aller BT-Drs. 11/4528,46-48. 64 Verhandlungen des 57. DJT, Abteilung Vormundschaftsrecht, mit Gutachten von Holzhauer zur rechtlichen Seite (aaO. I B 1-117) und von Bruder zu medizinischen Fragen (I C 1 49) sowie den Sitzungsberichten im Bd.II samt Referaten von Schwab (II K 8-46) und Hopf (zum österreichischen Recht, II K 47-75). 6 5 Beschlußfassung, Sitzungsbericht in 57. D J T II K 226-259. 6 6 Näher dazu für die Begründung der Betreuung, sub § lO.III.l.a.bb.(l) bei Fn. 337 f., und für die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts, sub § 13.III.l.b.aa bei Fn. 102. 6 7 So vorgeschlagen von Holzhauer, Gutachten B 72 f. und vom 57. DJT, Beschluß II.2.d, Sitzungsbericht in 57. D J T II K 237. 6 8 BT-Drs. 11/4528, Anlage 1.

II. Reform

durch das Betreuungsgesetz

19

Änderungen 6 9 wurde er 1990 als Betreuungsgesetz verabschiedet 7 0 und ist am 1.1.1992 in Kraft getreten.

2. Das neue Rechtsinstitut der

Betreuung

Durch das Betreuungsgesetz ist das neue Institut der Betreuung eingeführt worden, welches an die Stelle der Entmündigung, Erwachsenenvormundschaft und Gebrechlichkeitspflegschaft tritt. D e r nachfolgende Uberblick befaßt sich mit der Systematik des neuen Rechts (sub a), dem Ablauf einer Betreuung (b), den Grundgedanken des materiellen Rechts (c) und des Verfahrens (d) sowie der sozialrechtlichen Komponente der Reform (e), ohne in die Lösung der aufgeworfenen Fragen einzusteigen.

a) Systematik Das materielle Betreuungsrecht ist zusammenhängend in den §§ 1896—1908i B G B geregelt, lediglich vereinzelt verweist § 1908i B G B ergänzend auf Vorschriften aus dem Recht der Altersvormundschaft sowie der elterlichen Sorge. Die §§ 1896 ff. regeln die Begründung ( § § 1 8 9 6 - 1 9 0 0 ) und Beendigung (§§ 1908b - 1908d) der Betreuung, deren Rechtswirkungen im allgemeinen (§ 1902) und im Sonderfall des Einwilligungsvorbehalts (§ 1903) sowie deren Durchführung in der allgemeinen Vorschrift des § 1901 und in den Spezialregeln der §§ 1 9 0 4 - 1 9 0 8 und des § 1908i i.V.m. den dort verwiesenen N o r m e n . Das materielle Betreuungsrecht wird durch ein einheitliches FG-Verfahren in Betreuungssachen flankiert (§§ 6 5 - 6 9 m F G G ) ; für die Genehmigung zivilrechtlicher 7 1 wie öffentlichrechtlicher 7 2 Unterbringungsmaßnahmen gibt es daneben ein besonderes FG-Verfahren (§§ 7 0 - 7 0 n F G G ) . Außerdem nehmen zahlreiche weitere Vorschriften Bezug auf die Betreuung 7 3 .

6 9 Die Änderungen gehen auf Einwendungen des Bundesrates und die Arbeiten im Rechtsausschuß des Bundestages zurück; zu den zwischen BReg. und BRat im Gesetzgebungsverfahren strittigen Fragen eingehend, Richter, FamRZ 1989, 912-915; die Einwendungen des Bundesrates haben vorwiegend fiskalische Gründe, BT-Drs. 11/6949, 67; zu den einzelnen Abweichungen der Beschlußvorlage des Rechtsausschusses vom Regierungsentwurf vgl. die Gegenüberstellung beider Fassungen in BT-Drs. 11/6949, 4 - 6 4 sowie die kritische Würdigung derselben von Schwab, FamRZ 1990, 681 ff. (685-691). 7 0 Die vom Rechtsausschuß empfohlene Gesetzesfassung ist am 25.4.1990 vom Bundestag und am 1.6.1990 vom Bundesrat unverändert angenommen und am 12.9.1990 verkündet worden, B G B l . I 2002. 71 Sowohl die Unterbringung Betreuter nach § 1 9 0 6 als auch die von Kindern nach §§ 1631b, 1705, 1800,1915 B G B . 7 2 Nach Landesrecht kann eine Unterbringung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erfolgen; die landesrechtlichen Unterbringungsgesetze sind abgedr, bei Knittel, B t G Teil Landesrecht; zu diesen Gesetzen siehe auch sub § 10.II.3.a.cc. 7 3 Siehe die zahlreichen im B t G angesprochenen Vorschriften.

20

5 2 Überblick

b) Zum Ablauf

der

über das Vormundschaftsrecht

und seine

Reform

Betreuung

Eine Betreuung durchschreitet verschiedene Phasen, in denen auf Grund betreuungsrechtlicher Vorschriften Maßnahmen gegenüber oder mit Wirkung für den zu Betreuenden oder Betreuten getroffen werden; hierzu sind neben dem Vormundschaftsgericht und dem Betreuer weitere Personen und Institutionen befugt. Die erste Phase beginnt mit der Einleitung des Verfahrens in Betreuungssachen durch das zuständige Vormundschaftsgericht und dient der Vorbereitung der Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers. Das Gericht kann bereits in diesem Stadium dem Betroffenen nach § 67 F G G einen Verfahrenspfleger beiordnen, nach § 69f I I I . Alt. F G G einen vorläufigen Betreuer bestellen oder weitere einstweilige Maßregeln anordnen 74 ; strittig ist, ob das Gericht noch vor dieser ersten Phase einstweilige Maßregeln nach § 1908i I 1 i.V.m. § 1846 BGB treffen darf 75 . Diese Phase endet regelmäßig 76 mit der Entscheidung des Gerichts über die Betreuerbestellung. Lehnt das erstinstanzliche Gericht die Bestellung eines Betreuers ab, so kann der Übergang in die zweite Phase durch eine korrigierende Beschwerdeentscheidung herbeigeführt werden, ansonsten kommt es nicht zu einer Betreuung. Die zweite Phase ist die der eigentlichen Betreuung. Sie wird durch die einheitliche Gestaltungsentscheidung der Betreuerbestellung 77 initiiert; das Gericht kann einen oder mehrere Betreuer sowie einen Gegenbetreuer bestellen 78 . Der bestellte Betreuer führt die Betreuung durch Einzelmaßnahmen im Innenund Außenverhältnis selbständig durch und untersteht dabei der Aufsicht des Vormundschaftsgerichts 79 und gegebenenfalls eines Gegenbetreuers 80 . Diese 74 Die vorläufige A n o r d n u n g eines Einwilligungsvorbehalts nach § 69f 1 1 2 . Alt. F G G sowie die vorläufige U n t e r b r i n g u n g s g e n e h m i g u n g nach § 70h F G G setzen z u m i n d e s t die gleichzeitige Bestellung eines vorläufigen Betreuers voraüs. 75 Besonders kontrovers ist die Frage, inwieweit danach eine U n t e r b r i n g u n g durch das G e richt o h n e vorherige Betreuerbestellung zulässig ist: d a f ü r L G Berlin 27.3.1992, BtPrax 1992, 43; L G H a m b u r g 10.4.1992, BtPrax 1992, 111; O L G Schleswig 30.9.1992, BtPrax 1992, 107; M a ß n a h m e n nach § 1 8 4 6 sollen dagegen nur bei anhängigem Betreuungsverfahren statthaft sein: B G C h e m n i t z 7.7.1992, BtPrax 92, 111; O L G F r a n k f u r t a.M. 3.11.1992, BtPrax 93, 32. 76 A u ß e r im Fall des §1896 I 3 1. Alt. B G B ist das Verfahren ein A m t s v e r f a h r e n (sub § 9.II.1) u n d endet d a h e r nicht d a d u r c h , daß der B e t r o f f e n e seinen A n t r a g z u r ü c k n i m m t , Bassenge/Herbst, F G G Einl. R d N r . 4; das G e r i c h t kann es aber einstellen, w e n n kein A n l a ß z u m Eingreifen besteht, Keidel-Kayser, § 12 F G G R d N r . 5, dies aber w o h l nur, w e n n es auf eine A n r e g u n g D r i t t e r tätig g e w o r d e n ist, nicht dagegen bei einem A n t r a g des B e t r o f f e n e n , da diesem gegenüber eine rechtsmittelfähige E n t s c h e i d u n g zu ergehen hat; eine Einstellung k o m m t auch bei zwischenzeitlicher Erledigung der H a u p t s a c h e in Frage, Bassenge/Herbst, F G G Einl R d N r . 127, z.B. beim Tod des zu Betreuenden; zu diesem u n d weiteren Fällen, Bumiller/Winkler, § 12 F G G A n m . 3 b. Bei Erlaß einer einstweiligen M a ß n a h m e k a n n sich die E n t s c h e i d u n g in der H a u p t s a c h e ausnahmsweise erübrigen, Bassenge/Herbst, § 2 4 F G G R d N r . 18. 77 Z u m P r i n z i p der Einheitsentscheidung sub § 9.1.1. 78 F ü r die Bestellung von M i t b e t r e u e r n gilt § 1899, d a z u auch sub § 8.II.4.a.(l)f., f ü r die eines G e g e n b e t r e u e r s § 1908i I 1 i.V.m. § 1792. 79 D e r Selbständigkeitsgrundsatz betrifft die K o m p e t e n z a b g r e n z u n g zwischen V o r m u n d

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umfassende Aufsicht dient zum Wohle des Betreuten seiner allgemeinen Sicherung gegen Gefährdungen seiner Person und seines Vermögens, die sich aus der Führung der Betreuung ergeben können 8 1 . Die Betreuungsbehörde unterstützt das Vormundschaftsgericht gemäß §§ 4-9 BtBG 82 , insbesondere übt sie als dessen Gehilfe in einigen Fällen unmittelbaren Zwang gegen den Betreuten aus 83 . Das Gericht kann die Eingangsentscheidung durch Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts, Veränderung des Aufgabenkreises der Betreuung oder eines Einwilligungsvorbehalts oder nachträgliche Bestellung oder Entlassung weiterer Betreuer modifizieren. Das Betreuungsverhältnis endet durch eine aufhebende Entscheidung nach § 1908d I f. oder den Tod des Betreuten 84 , während das Ende des Amtes nur dem jeweiligen Betreuer seine Rechtsmacht entzieht 85 . Die dritte Phase setzt mit dem Ende des Amtes oder des Betreuungsverhältnisses ein, da bis zur endgültigen Abwicklung aller daraus resultierender Pflichten noch Rechtsbeziehungen zwischen dem Vormundschaftsgericht, dem ehemaligen Betreuer und dem vormals Betreuten respektive deren Erben bestehenbleiben 86 . Neben dem Vormundschaftsgericht und dem (Haupt-)Betreuer weist das Gesetz demzufolge weiteren Personen und Institutionen Funktionen im Rahmen einer Betreuung zu: Mit- und Gegenbetreuern, dem Verfahrenspfleger 87 , u n d V o r m u n d s c h a f t s g e r i c h t : F ü r den M ü n d e l handelt der V o r m u n d , das V o r m u n d s c h a f t s g e richt ist prinzipiell auf seine Aufsichtsbefugnisse nach § 1837 beschränkt, Motive, IV 1010. G e g e n ü b e r d e m Betreuer sind diese Befugnisse in § 1908i I 1 i.V.m. § 1837 I—III definiert u n d besteht gemäß §1908i I 1 i.V.m. §1846 als A u s n a h m e ein Selbsteintrittsrecht des V o r m u n d schaftsgerichts, welches teils u m s t r i t t e n ist, supra Fn. 75; weitere Aufsichtsmittel sind die E n t scheidungen des Gerichts i.R. gesetzlicher G e n e h m i g u n g s v o r b e h a l t e , d a z u sub §8.11.4. a.cc.(3). N ä h e r z u m Selbständigkeitsgrundsatz u n d zu der nach § 1837 bestehenden Aufsicht, siehe statt aller die K o m m e n t i e r u n g von Staudinger-Engler zu § 1837; kritisch z u r U m s e t z u n g des Selbständigkeitsgrundsatzes in der Rechtswirklichkeit, Gernhuber/Coester-Waltjen, §71 IV 2; viel optimistischer d a z u noch, Wedermann, V o r m R 191. 80 Dieser u n t e r s t ü t z t das Vormundschaftsgericht dabei, dazu sub § 8.II.4.a.cc.(3) bei Fn. 179. 81 So z u r V o r m u n d s c h a f t , Staudinger-Engler, 10./11. Aufl. Vorbem.19 z u r V o r m u n d s c h a f t . 82 Siehe den U b e r b l i c k bei Damrau/Zimmermann, B t G § 6 B t B G , sowie ergänzend, Bienwald, Betreuungsrecht § 9 B t B G R d N r . 3; d a n e b e n k a n n die B e h ö r d e o d e r einer ihrer Mitarbeiter z u m Betreuer bestellt w e r d e n , §§ 1900 IV, 1897 II 2. 83 Vorgesehen in § 68 III, § 68b III u n d IV 5, § 70c S.5, § 70e II u n d § 70g IV u n d V F G G ; zur letztgenannten Vorschrift auch sub § 8.II.3.C. 84 Z u letzterem, BT-Drs. 11/4528, 155, sowie aus der Lehre statt aller M ü n c h K o m m Schwab, § 1908d R d N r . 2. 85 A u s § 1908c B G B folgt die fiktive F o r t f ü h r u n g der B e t r e u u n g bis z u r Bestellung eines neuen Betreuers, VivincWLomm-Schwab, § 1908c R d N r . 16; Damrau/Zimmermann, BtG § 1908b R d N r . 16, § 1908c R d N r . 1; unrichtig daher Jürgens in Jürgens u.a., R d N r . 150. 86 Z u diesen R e c h t s b e z i e h u n g e n überblicksweise, M ü n c h K o m m - S c h w a b , § 1908c R d N r . 15, sowie zu der nach § 1908i I 1 i.V.m. §§ 1893, 1698a, b f o r t w i r k e n d e n G e s c h ä f t s f ü h r u n g s b e fugnis des Betreuers, Erman-Holzhauer, §1908i R d N r . 34 sub c; eingehender zu den vergleichbaren Rechtsfolgen bei der V o r m u n d s c h a f t , Gernhuber/Coester-Waltjen, § 73 III. 87 D e r B e t r o f f e n e kann sich im Verfahren stattdessen auch d u r c h einen selbst gewählten Verfahrensbevollmächtigten vertreten lassen, § 6 7 I 6 F G G ( B t A n d G ) ; d a z u auch sub § 9.IV.2.c.bb.

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5 2 Überblick

über das Vormundschaftsrecht

und seine

Reform

der Betreuungsbehörde, einem nach § 1908f B G B konstituierten Betreuungsverein88 sowie der Familie des Betreuten 89 und diesem nahestehenden Perso-

c) Grundgedanken

der materiellen

Regelung

Nach der Konzeption des Gesetzgebers sind die Hauptziele der Regelung91: die Mängel des alten Rechts zu beseitigen, die betroffenen psychisch Kranken und geistig, seelisch oder körperlich Behinderten als Personen ernster zu nehmen, ihre Rechtsstellung zu stärken sowie ihren Anträgen, Wünschen und Vorschlägen verbindliche Geltung zu verschaffen, sofern dies verantwortet werden kann; darüber hinaus ihre verbliebenen Fähigkeiten zu berücksichtigen und daher mit der Fürsorge verbundene Rechtseingriffe nur mehr dort zuzulassen, wo dies unausweichlich ist; demgemäß privaten Hilfen den Vorrang zu lassen und so letztlich unnötige Betreuungen zu vermeiden92; und schließlich wegen der Variationsbreite der Krankheits- und Behinderungsmanifestationen flexible Reaktionen zu ermöglichen. Wesentliche diskriminierende Phänomene des alten Rechts (supra 1.2) hat die Neuregelung zu beseitigen versucht. Als Speerspitze der Entrechtungstendenzen des alten Rechts ist die Entmündigung abgeschafft worden und wird eine vergleichbare automatische Verknüpfung der Fürsorge mit Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen nicht weitergeführt; hierin liegt einer der wesentlichen Unterschiede zum österreichischen Vorbild des Betreuungsrechts 93 . Damit entfällt zugleich ein wesentlicher Teilaspekt der Gleichsetzung Erwachsener mit Minderjährigen im früheren Recht; eine solche findet nurmehr insoweit statt, als § 1908i I 1 aus Gründen gesetzestechnischer Ökonomie noch vereinzelt auf Vorschriften der Altersvormundschaft verweist, was insbesondere bei der Vermögensverwaltung der Fall ist 94 ; und an die Stelle der Jugendämter sind die Betreuungsbehörden getreten. 88 Dieser oder einer seiner Mitarbeiter können zum Betreuer bestellt werden, §§ 1900 I—III (BtG; I I - I V BtÄndG), 1897 II 1. 89 Die Rolle der Familie des Betreuten beschränkt sich auf Privilegien bei der Betreuerauswahl (§ 1897 V B G B ) sowie auf Anhörungs- (§ 68a S.3, 4 F G G ) und Beschwerderechte (§ 69g I F G G ) zu Gunsten bestimmter Angehöriger; zur früheren Rolle der Familie bei der Erwachsenenfürsorge sub § 5. 90 Es stellt eine Neuerung dar, daß neben der Familie nun ausdrücklich auch sonstige, dem Betreuten nahestehende Personen in den Genuß des Aus wahlprivilegs kommen sowie auf Verlangen des Betreuten anzuhören sind (§ 68a S.4 F G G ) . 91 Zu den nachfolgend angesprochenen Grundzügen der Regelung, BT-Drs. 11/4528, 52 ff. 92 Ausgedrückt wird das letztgenannte Leitziel der Betreuung im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsgrundsatz des § 1896 II 2, aaO. 122. 93 Im österreichischen Recht bewirkt die Bestellung eines Sachwalters im Rahmen seines Aufgabenkreises gemäß § 273a A B G B grundsätzlich die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen; das Gericht kann die Beschränkung jedoch für einzelne Fragen aufheben. 94 Hier wird deutlich, daß der Gesetzgeber sich vor einer umfassenden, Minderjährige ein-

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durch das

Betreuungsgesetz

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Die Begründung der Betreuung hängt nicht mehr von der vorherigen Feststellung der Geschäftsfähigkeit des zu Betreuenden ab, vielmehr sieht § 1896 I, II einen mehrstufigen Tatbestand vor: Neben dem Vorliegen eines tatbestandlichen pathologischen Phänomens und der dadurch bewirkten Unfähigkeit des Betroffenen, seine Angelegenheiten ganz oder teilweise zu besorgen, muß die Betreuung erforderlich sein, ohne daß dem Fürsorgebedarf durch alternative Hilfen ebenso gut begegnet werden kann. Maßgebliche Kriterien sind also die unbestimmten Rechtsbegriffe der Erforderlichkeit und Subsidiarität der B e treuung. Diese sollen einen flexiblen Einsatz der Betreuung nach dem tatsächlichen Fürsorgebedarf im Einzelfall ermöglichen; überhaupt bedient sich das Gesetz zu diesem Zweck durchweg offener Tatbestände mit unbestimmten Rechtsbegriffen 9 5 . Mit der gerichtlichen Bestellung beginnt das Betreuungsverhältnis als das umfassende Rechtsverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem unter Mitwirkung und Aufsicht des Vormundschaftsgerichts. Hinsichtlich der Wirkungen der Betreuerbestellung hat der Gesetzgeber zwei grundlegende Entscheidungen getroffen: Zum einen hat er sich ausdrücklich gegen eine zweistufige Betreuung für einfachere und schwerere Fälle ausgesprochen 9 6 , der Betreuer hat vielmehr im Rahmen seines Aufgabenkreises stets die Stellung eines gesetzlichen Vertreters des Betreuten; zum anderen hat die Betreuerbestellung grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten 9 7 . Für die Führung der Betreuung statuiert § 1901 erstmals ausdrücklich die Wahrung des Wohles des Betreuten als obersten Grundsatz und bestätigt die grundsätzliche Verpflichtung zur Beachtung seiner Wünsche. Zugleich regelt diese Vorschrift in II ( B t G ; III B t Ä n d G ) das Verhältnis zwischen diesen beiden Maximen und weist den Betreuer in III ( B t G ; I V B t Ä n d G ) dazu an, zur Verbesserung oder zumindest Milderung des pathologischen Zustandes des Betreuten beizutragen. Die Verpflichtung zur Wunschbeachtung soll der psychiatrischen Erkenntnis gerecht werden, daß dies den Kranken motivieren und einen positiven Einfluß auf seine Therapie und Rehabilitation ausüben kann 9 8 . § 1901 ist somit Ausdruck des Grundanliegens der Reform, die verbliebenen Selbstbestimmungsmöglichkeiten des Betroffenen zu achten und zu fördern. Zwischen dem Wohl und den Wünschen des Betreuten besteht ein ambivalentes Verhältnis, weil jenes durch diese subjektiviert wird und diese wiederum begrenzt 9 9 ;

schließenden Reform des Vormundschaftsrechts gedrückt hat; kritisch auch Holzhauer, Gutachten B 55; auch die Reform des Betreuungsrechts berührt das Recht der Minderjährigenvormundschaft nur partiell, sub 3 bei Fn. 127. 9 5 So auch Holzhauer, Z R P 1989, 451 ff. (457). 9 6 Zu entsprechenden Forderungen supra II. 1 bei Fn.67; zu Vor- und Nachteilen eines zweistufigen Modells, BT-Drs. 11/4528, 57 f.; ein solches hatte es z.B. mit der Beistandschaft im A L R gegeben, dazu sub §5.IV.l.b. 9 7 Insgesamt zu den Rechtswirkungen der Betreuerbestellung sub § 8. 9 8 BT-Drs. 11/4528, 67; zur psychiatrischen Sicht supra § 3.1.3.a bei Fn. 51 ff. 9 9 Dazu sub §9.II.4.c.aa.

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§ 2 Überblick

über das Vormundschaftsrecht

und seine

Reform

eine weitere Grenze setzt die Zumutbarkeit für den Betreuer 100 . Die Wünsche des Betreuten wirken sich unmittelbar im Innenverhältnis zum Betreuer aus, nicht dagegen im Außenverhältnis 101 ; mittelbar können sie das Verhalten des Vormundschaftsgerichts bei der Erteilung notwendiger Genehmigungen beeinflussen 102 . Auch außerhalb des Verhältnisses zum Betreuer sind die Wünsche des Betreuten zu berücksichtigen 103 . Eng verbunden mit der Achtung der Wünsche des Betreuten ist das Anliegen einer persönlichen Betreuung im Gegensatz zur früheren bloßen Verwaltung des Betroffenen 104 . Um dies sicherzustellen, dehnt § 1840 I die Rechenschaftspflicht des Betreuers auf die persönlichen Verhältnisse des Betreuten aus. Die Zuwendung zur Person des Betreuten zeigt sich des weiteren darin, daß das Betreuungsgesetz sich in §§ 1904-1907 detailliert besonders wichtigen Angelegenheiten mit starkem persönlichen Einschlag zuwendet. Die in diesen Normen verankerten Genehmigungsvorbehalte verstärken die vormundschaftsgerichtliche Aufsicht über den Betreuer gegenüber früher 105 . d) Verfahrensrechtliche

Grundzüge

Auf Grund der Erfahrungen mit der mangelhaften Handhabung des alten Rechts (supra I.2.b) hat der Gesetzgeber besonderes Augenmerk darauf gelegt, daß die materiellrechtlichen Verbesserungen der Rechtsstellung der zu Betreuenden verfahrensrechtlich abgesichert werden 106 . Zu deren Schutz sind daher umfangreiche Verfahrensgarantien vorgesehen, die von manchen für übermäßig gehalten werden 107 . Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs werden umfangreiche Anhörungs- (§ 68 I 1 FGG) und Erörterungspflichten (§ 68 I 3, V FGG) statuiert; letztere dienen ebenso wie die Pflichten zur Verschaffung des unmittel100 Die Z u m u t b a r k e i t ist ein R e c h t s g r u n d s a t z u n d hat die F u n k t i o n , die G r e n z e n persönlicher Verhaltens- u n d Rechtspflichten festzulegen, U.Preis, Z G 1988, 319 ff. (322); Ossenbühl, Z u m u t b a r k e i t 320, 327\ Jakobs, 88-93; Hirschberg, 99. Dieser G r u n d s a t z ist im jeweiligen normativen K o n t e x t zu konkretisieren, letzterer, 101; eingehend z u r K o n k r e t i s i e r u n g i.R.d. § 1901 II 1, statt aller Kollmer, 144-153. 101 D a z u sub § 8.II.2.a.aa bei F n . 43 ff. 102 B T - D r s . 11/4528, 67 f. 103 Einzelnachweise normativer A u s p r ä g u n g e n der W u n s c h b e a c h t u n g außerhalb des §1901 sub § 9.II.4.c.bb bei Fn. 182 ff.; d o r t auch z u r d a r ü b e r hinausgehenden Beachtlichkeit v o n W ü n s c h e n bei der E n t s c h e i d u n g ü b e r eine Betreuung. 104 D a z u B T - D r s . 11/4528, 53, 68-70; h i e r f ü r spielen die A u s w a h l g r u n d s ä t z e des § 1897 u n d das darin verankerte M i t s p r a c h e r e c h t des zu B e t r e u e n d e n eine wesentliche Rolle. 105 Ebenso, M ü n c h K o m m - S c h w a b , Vor § 1896 R d N r . 16. 106 Ä h n l i c h die verfahrensrechtliche Zielsetzung in B T - D r s . 11/4528, 88; f ü r einen U b e r blick ü b e r das Verfahren bei der Betreuerbestellung, Zimmermann, F a m R Z 1991, 270 ff., u n d zu demjenigen in U n t e r b r i n g u n g s s a c h e n , ders., F a m R Z 1990, 1308 ff. 107 D. Lempp, D A V 1988, 573 f.; Bürgle, N J W 1988, 1886; Holzhauer, F a m R Z 1995, 1464 u n d Pardey, Rpfleger 1995, 393 ff. (395 f.); dagegen Schumacher, Z R P 1989, 7 f.; Wienand, F u R 1990, 36 ff. (39); aus dieser Kritik versucht das B t Ä n d G K o n s e q u e n z e n zu ziehen, d a z u sub 3 bei F n . 126.

II. Reform durch das

Betreuungsgesetz

25

baren Eindrucks vom Betroffenen (§ 68 11,2 FGG), zu seiner fachkundigen Begutachtung (§ 68b FGG) sowie zur Anhörung Dritter (§ 68a FGG) der besseren Sachverhaltsermittlung und sichern damit die richtige Anwendung der materiellen Eingriffsschwelle 108 . Demnach konkretisieren diese Vorschriften die nach § 12 F G G ohnehin bestehende Amtsermittlungspflicht 109 , um einer Fortsetzung der früheren fehlerhaften Praxis entgegenzuwirken; das gilt in besonderem Maße für die Verpflichtung zu einer fachkundigen Begutachtung des zu Betreuenden, weshalb Kritik an der Möglichkeit eines Verzichts hierauf nach § 68b 12 F G G geübt wird 110 . Außerdem wird die Stellung des Betroffenen im Verfahren in mehrfacher Hinsicht gestärkt: gemäß § 66 F G G ist er unabhängig von seiner Geschäftsfähigkeit stets verfahrensfähig; als Ausdruck der Achtung seiner Selbstbestimmung werden ihm verschiedene Mitspracherechte eingeräumt 111 ; nicht zuletzt im Hinblick auf die Fehlerhaftigkeit früherer Vormundschaftsverfahren 112 sieht § 67 F G G die Möglichkeit oder Verpflichtung vor, dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zur Seite zu stellen, der Rechtsmacht hat, für den Betroffenen Verfahrenshandlungen vorzunehmen 113 . e) Sozialrechtliche

Komponente

Schon während des Reformprozesses war erkannt worden, daß ein Gelingen der Reform davon abhängen würde, daß die Rahmenbedingungen hierfür gegeben seien114: dem erhöhten Verfahrensaufwand entsprechende personelle Verstärkung bei den Vormundschaftsgerichten 115 , eine ausreichende personelle und finanzielle Ausstattung der Betreuungsbehörden, finanzielle Anreize für die Bildung von Betreuungsvereinen, damit diese eigene Mitarbeiter für Betreu108

Auf der anderen Seite stehen dem Gericht zur Sicherung der Sachverhaltsermittlung auch gegen den Willen des Betroffenen Zwangsbefugnisse zu, die in dessen Freiheitsrechte eingreifen: es kann seine Vorführung oder temporäre Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens verfügen, für ersteres §§ 68 III, 68b III F G G , für letzteres § 68b IV, V F G G . 109 Zum Umfang der Amtsermittlungspflicht nach § 12 F G G , z.B. B a y O b L G 5.11.1992, BtPrax 1993,64. 110 Wegen § 1896 I 2 BGB, §66 F G G könnte sich dadurch nämlich selbst ein Geschäftsunfähiger des durch § 68b 11 F G G intendierten Schutzes begeben; unter dem Aspekt der Absenkung der Eingriffsschwelle äußern hiergegen Bedenken, Damrau/Zimmermann, BtG § 68b F G G RdNr. 12; MünchKomm-Schwab, § 1896 BGB RdNr. 64a, 102; Pardey, Betreuung 174 f. 111 Bei der Zuziehung Dritter zu Anhörungen, § 68 IV 3, § 68a S.4 F G G , der Verschaffung des unmittelbaren Eindrucks in der üblichen Umgebung des Betroffenen, § 68 I 2 1. Alt. F G G sowie dem Verzicht des Betroffenen auf seine Begutachtung, § 68b I 2 F G G . 112 SupraL2.bbeiFn.44ff. 113 Er hat die Verfahrensstellung des Betroffenen, Damrau/Zimmermann, BtG §67 F G G RdNr. 17. 114 Schulte, ZRP 1986, 254; Bienwald, FamRZ 1987, 544 f.; Schumacher/]ürgens, R Sc P 1988, 2ff. (13); Zenz/v.Eicken/Ernst/Hofmann, 35, insb hinsichtlich des Potentials an Betreuern. 115 Dies fordern z.B. Schumacher/Jürgens, supra Vornote; Schumacher, ZRP 1989, 8.

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§ 2 Überblick über das Vormundschaftsrecht

und seine

Reform

ungsaufgaben stellen und zudem ehrenamtliche Betreuer gewinnen, unterstützen und beraten (§ 1908f I Nr. 2), vor allem aber die Förderung der Bereitschaft der Bürger zur Übernahme von Individualbetreuungen. Letzterem hat das Betreuungsgesetz durch die neugefaßten Vergütungsvorschriften der §§ 1835, 1836, 1836a entsprechen wollen 116 ; und für die Betreuungsbehörden und Betreuungsvereine hat das Betreuungsgesetz lediglich den Rahmen vorgegeben. Gefordert sind flankierende sozialrechtliche Maßnahmen 1 1 7 und staatliche Mittel zur Schaffung der erforderlichen Infrastruktur 1 1 8 ; insbesondere geht es um die Einrichtung von Planstellen bei Gerichten und Betreuungsbehörden, Fördermittel für Betreuungsvereine, die Ermöglichung häuslicher Pflege durch die Pflegeversicherung etc. Die Bilanz nach sieben Jahren Betreuungsgesetz fällt hier überwiegend negativ aus 118a . Dieses ist ein weites Feld, auf das in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen werden kann.

3. Die Reform durch das

Betreuungsänderungsgesetz

Schon seit der Reformdiskussion ist das Betreuungsrecht auf heftige Kritik gestoßen, die zu einem Teil auf überzogenen Erwartungen beruhen dürfte 1 1 9 , aber auch inhaltlich nicht durchwegs berechtigt ist, wie diese Untersuchung für einige Teilaspekte zeigen wird. Jedenfalls hat der Gesetzgeber sich durch diese Kritik auf den Plan gerufen gefühlt, um einige in der Praxis besonders kontroverse oder als unbefriedigend empfundene Regelungen zu reformieren 120 . Das Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25.6.1998 (BtAndG) 121 widmet sich hauptsächlich zwei Fragen: zum einen einer umfänglichen Neuordnung der Vorschriften über die Aufwandsentschädigung und Vergütung des Betreuers 122 und Verfahrenspflegers 123 , weil die bisherigen Vorschriften als nicht befriedi116

Schon früh kritisch zur Effizienz finanzieller Anreize für die Gewinnung ehrenamtlicher Betreuer, z.B. Wesche, DAV 1990, 189; Hülshoff, Beiträge 157; zu weiterer Kritik an diesen Vorschriften und deren Novellierung durch das BtAndG sub 3 bei Fn. 125. 117 Zenz/v.Eicken/Ernst/Hofmann, 69; Diederichsen, FS-Keller 7. 118 Beides angesprochen z.B. bei Schulte, ZRP 1986, 254. u8a Siehe Bienwald, Betreuungsrecht Einf. RdNr. 66 ff. 119 So auch Holzhauer, FamRZ 1995,1463. 120 Vgl. die allgemeine Begründung des Regierungsentwurfs, BR-Drs. 690/96, 11 l.Sp. vor A; der Regierungsentwurf basiert auf einem Referentenentwurf v. 7.2.1996 (BMJ 3475/4); er wurde in modifizierter Form (BT-Drs. 13/7158) eingebracht und auf zahlreiche Anderungswünsche des Bundesrates (BT-Drs. 13/7158 Anlage 2) hin im Rechtsausschuß umfassend geändert, dazu BT-Drs. 13/10331; trotzdem rief der BRat vor allem hinsichtlich der Regelung der Vergütung und des Aufwendungsersatzes den Vermittlungsausschuß an; die dort erzielte Einigung wurde dann schließlich am 25.6.1998 verabschiedet; dazu Dodegge, N J W 1998, 3073. 121 BGBl. 1998 I 1580; gemäß Art. 5 überwiegend zum 1.1.1999 in Kraft getreten. 122 §§1835-1836e BGB i.d.F. des BtÄndG, dazu die eingehende Begründung in BT-Drs. 13/7158, 11-18,22-33 sowie in BT-Drs. 13/10331,27. 123 §67 III F G G i.d.F. des BtAndG mit Teilverweisung auf die für den Betreuer geltende Regelung, dazu BR-Drs. 960/96, 37 f.

II. Reform

durch das

Betreuungsgesetz

27

gend empfunden w u r d e n 1 2 4 , was die hierzu ergangene reichhaltige und uneinheitliche Judikatur belegt 1 2 5 ; zum anderen w u r d e n als übermäßig kritisierte Verfahrensvorschriften abgebaut 1 2 6 . Darüber hinaus betrifft die R e f o r m neben vereinzelten K o r r e k t u r e n bei der Minderjährigenvormundschaft 1 2 7 auch das materielle Betreuungsrecht 1 2 8 . Von besonderer Bedeutung in unserem Kontext ist dabei, daß einzelne Sicherungen, die f ü r einen Betreuten gelten, auf die Vorsorgevollmacht ausgedehnt werden: Das gilt gemäß § 1 8 9 6 II 2 i.d.F. B t A n d G f ü r das A u s w a h l v e r b o t des § 1 8 9 7 III, zudem erstrecken die durch das B t A n d G neu eingeführten §§ 1 9 0 4 II, 1906 V f ü r die davon erfaßten Maßnahmen die f ü r den Betreuer geltenden Tatbestandsvoraussetzungen auf das Handeln eines insoweit Bevollmächtigten 1 2 9 . Daneben erhält die G r u n d n o r m des Betreuungsverhältnisses in § 1901 in einem neuen I eine klarstellende Vorschrift allgemeiner Geltung 1 3 0 . Diese R e f o r m des Betreuungsrechts ist auf ein unterschiedliches Echo gestoßen 1 3 1 .

Kritisch zu diesen Vorschriften z.B. Holzhauer, FamRZ 1995,1463 f. Wie hier z.B. Kemper, FuR 1996, 248; gut die Hälfte der veröffentlichten Entscheidungen betraf nämlich diesen Fragenkreis, aaO.; näher zu diesen Fragen, ders., FuR 1994, 271 f., 276 und FuR 1996, 254-257, jeweils mit umfangreichen Nachweisen aus der Rspr; weitere Nachweise bei Dodegge, NJW 1993,2359-61, NJW 1994, 2390-92, NJW 1995, 2395-98, NJW 1996, 2411-13, NJW 1997, 2434-2437 und NJW 1998, 2716-2718. 126 BT-Drs. 13/7158,18,35-40; BT-Drs. 13/10331,28f; zur Kritik an den Verfahrensvorschriften supra 2.d bei Fn. 107. 127 Neben den für die Betreuung und die Vormundschaft gemeinsam eingeführten Vergütungsvorschriften betrifft die Reform lediglich die §§ 1775, 1779 II, 1793, 1817 BGB i.d.F. des BtÄndG dazu BR-Drs. 690/96, 19. 128 Art. 1 Nr. 11-19 BtÄndG. 129 Zu letzterem sub §9.IV.2.d.aa.(2). 130 Zur Begründung dieser Norm BR-Drs. 690/96, 33 f. 131 Siehe dazu Winterstein in Jürgens u.a., RdNr. 33-40; sowie die Beiträge von: Bauer/ Rink, BtPrax 1996, 130-134, 158-161; Knittel, BtPrax 1996, 217-223; Weber/Wienand, FuR 1996, 241-248; Uhlenbruck, ZRP 1998, 46-48, speziell zu §§1904 II, 1906 V BGB i.d.F. BtÄndG; die Beiträge zur „Reform der Reform" in BtPrax 1996, 118 ff.; Wesche, Rpfleger 1998, 93-99; Deinert, FuR 1998, 241-245; Dodegge, NJW 1998, 3073-3078. 124

125

1. Teil

Rechtstatsächliche und verfassungsrechtliche Grundlegung In diesem Teil werden grundlegende Faktoren für die Bestimmung der Eingangsschwelle der Betreuung und des Einwilligungsvorbehalts dargestellt: Die Rechtstatsache psychischer Krankheiten und körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderungen i.S.d. § 1896 I 1 (§ 3) und die Vorgaben der Verfassung für die Schwellenfestlegung (§ 4).

§ 3 Die Rechtstatsache betreuungsrelevanter psychopathologischer Funktionsstörungen Bei der Anwendung des Betreuungsrechts wird der Jurist ständig mit psychiatrischen Fragestellungen konfrontiert: Für die Eingangsentscheidung der Betreuerbestellung sind nicht pathologisch bedingte Bedarfslagen auszugrenzen sowie Art, Ausmaß und Verlauf der tatbestandlichen pathologischen Zustände und ihrer Auswirkungen auf die Selbstbestimmungsfähigkeit zu ermitteln (sub § 9.II.3); Wesen und Wirkungen des pathologischen Zustandes sind außerdem für die Durchführung und Fortdauer der Betreuung maßgeblich. Die Rechtstatsache pathologischer Defizite und ihrer möglichen Auswirkungen auf die Selbstbestimmungsfähigkeit ist demzufolge ein Eckpfeiler betreuungsrechtlicher Entscheidungsfindung und soll hier deshalb gesondert erörtert werden. Daneben sind weitere Rechtstatsachen wie die Lebenssituation des Betroffenen und seine zu regelnden Angelegenheiten beachtlich, auf die jedoch im Kontext der jeweiligen rechtlichen Fragen eingegangen wird. Zum besseren Verständnis ist vorab kurz auf Grundgedanken der psychiatrischen Krankheitslehre einzugehen (sub I), bevor die tatbestandlich erfaßten pathologischen Defizitzustände (II) und deren mögliche Auswirkungen auf die Besorgungsfähigkeit des Betroffenen (III) untersucht werden; die letztgenannte Prüfung ist wegen der diskutierten Verknüpfung des Begründungstatbestandes mit der Geschäftsunfähigkeit auf diese zu erstrecken. Eine eingehende Erörterung dieser Fragen würde den Rahmen einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung übersteigen und kann hier daher nicht stattfinden 1 . 1

D e r nachfolgenden Darstellung werden einige führende Lehrbücher sowie betreuungs-

30

5 3 Rechtstatsache

I. Gedanken

psychopathologischer

Funktionsstörungen

zur psychiatrischen

Krankheitslehre

In der psychiatrischen Krankheitslehre hat in den letzten Jahren ein entscheidender Wandel stattgefunden, der sich auf die Beurteilung pathologisch bedingter Störungen der Fähigkeit, seine Angelegenheiten selbstbestimmt zu besorgen, auswirken kann; auf die Unterschiede zwischen den früher (sub 1) und den jetzt (2) vertretenen Standpunkten ist einzugehen, weil die Befürworter einer tatbestandlichen Verknüpfung der Betreuerbestellung mit der Geschäftsunfähigkeit teilweise offensichtlich noch von der früheren psychiatrischen Krankheitslehre ausgehen 2 . Schließlich sind einige Grundregeln psychiatrischer Begutachtung aufzuzeigen (3).

1. Der psychiatrische der früheren Lehre

Krankheitshegriff

als

Ausgangspunkt

D e r psychiatrische Krankheitsbegriff wurde früher herangezogen, um nicht krankhafte Beeinträchtigungen auszugrenzen (a) und die rechtliche Handlungsunfähigkeit zu definieren (b); Abweichungen davon ergaben sich bei der Ermittlung vormundschaftlichen Fürsorgebedarfs (c).

a) Zur Ausgrenzung nicht pathologischer

Defekte

In der Psychiatrie wurde die Abgrenzung krankhafter von nicht krankhaften Einschränkungen früher mit Hilfe des Krankheitsbegriffs versucht 3 . In diesem Zusammenhang wurde dieser ausgiebig diskutiert 4 . Eine Richtung wollte die seelische Abnormität von nicht pathologischem Verhalten dadurch abgrenzen, daß sie Abweichungen von einer Durchschnittsnorm festzustellen suchte 5 . Für Witter sollte normal sein, worüber „erfahrungsgemäß bei einer sehr großen Zahl von Beobachtern Ubereinstimmung" erzielt werde 6 . Dagegen wurde eingewandt, angesichts der Komplexität menschlichen Seins, seiner seelischen Strukturen und des Lebens insgesamt sei es nicht möglich, einen wissenschaftspezifische Abhandlungen zur forensischen Psychiatrie zu Grunde gelegt; für den früheren Stand der psychiatrischen Lehre werden die vormals führenden Abhandlungen von Witter in Göppinger/Witter, Hdb der forensichen Psychiatrie (1972) und von Langelüddeke/Bresser, Gerichtliche Psychiatrie (1976) herangezogen, den neuesten Stand der Lehre vermitteln die Ausführungen von Nedopil, Forensische Psychiatrie (1996), ergänzt vor allem durch die speziell auf die Betreuungsproblematik bezogenen Abhandlungen in Schmidt/Böcker, Betreuungsrecht Kap. 4 ff., von Foerster in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung (2. Aufl. 1994) 601 ff. und von Bruder, Gutachten C. 2 Siehe sub § lO.III.l.a.aa, bb.(l) und § ll.II.2.d.bb. 3 Vor allem Witter, (Fn. 1) II 960 f.; kritisch dazu Weinriefer, 57 ff. 4 Einerseits z.B. Witter, (Fn. 1) I 477-481, andererseits Langelüddeke/Bresser, 96-104; einen Uberblick über die unterschiedlichen Positionen gibt Weinriefer, 64-69. 5 Vor allem Witter, (Fn. 1) I 477 ff. (478). 6 Supra Vornote.

I. Gedanken

zur psychiatrischen

Krankheitslehre

31

lieh exakten und objektivierbaren Normbegriff zu definieren oder auf dessen Grundlage abnormes von normalem Verhalten zu trennen, vielmehr handele es sich dabei stets um Bewertungen 7 . Als krankhaft wurden qualitative Abweichungen, sei es des Erlebens 8 oder von der Durchschnittsnorm 9 , aufgefaßt, während rein quantitative Deviationen regelmäßig keinen Krankheitswert haben sollten 10 . Diese Differenzierung erfolgte maßgeblich11 nach der psychologischen Methode des Verstehens12. Daraus wurde eine triadische Einteilung psychischer Erkrankungen abgeleitet13: Als Krankheiten wurden körperlich begründbare seelische Störungen (exogene oder organische Psychosen) und endogene Psychosen aufgefaßt; Varianten seelischen Erlebens (abnorme Spielarten seelischen Wesens) wurden als quantitative Abweichungen generell nicht zu den Krankheiten gezählt14; daneben sollte es Grenzfälle zwischen diesen und den vorgenannten echten Krankheitszuständen geben15. b) Zur Beurteilung

rechtlicher

Handlungsfähigkeit

Die frühere Lehre hat die Frage nach der zivilrechtlichen Handlungsfähigkeit primär aus der Qualifikation pathologischer Symptome unter eine der Kategorien des triadischen Modells beantworten wollen: Als Grundregel sollten psychische Krankheiten die zivilrechtliche Verantwortungsfähigkeit in der Regel ausschließen, während Varianten seelischen Erlebens sie maximal erheblich und Grenzfälle sie mehr oder weniger beeinträchtigen oder sektoral ausschließen könnten 16 . Freilich gibt Witter zu, diese Grundregel dürfe nicht dergestalt schematisiert werden, daß von der psychiatrischen Diagnose unmittelbar auf die Verantwortungsfähigkeit geschlossen werde, sie müsse vielmehr als Ausgangspunkt für eine weitergehende Untersuchung des Einzelfalls dienen17. Er 7 Eingehend Langelüddeke/Bresser, 100-104 (100 f.); siehe auch Weinriefer, 64 f., 69 f.; selbst Witter (supra Vornote) muß zugeben, daß diese Durchschnittsnorm nicht näher definierbar sei, dem einzelnen „aber doch irgendwie vorschwebt"! 8 Langelüddeke/Bresser, 96-100 (96 f.). 9 Witter, (Fn. 1) I 478 f. 10 Dazu Witter, (Fn. 1) I 478-480; Langelüddeke/Bresser, 97 f. 11 Ergänzt wurde das Kriterium der Nicht-Verstehbarkeit durch dasjenige der Rückführbarkeit der Abnormität auf eine körperliche Krankheit (medizinische Erklärbarkeit), Witter, (Fn. 1)1 479 f. 12 Witter (Fn. 1 I 478 f.) stellt darauf ab, ob zwischen seelischen Vorgängen ein verständlicher Zusammenhang (Erlebniszusammenhang) bestehe; eine danach nicht verstehbare Abweichung sei qualitativer Art, eine verstehbare quantitativer. Diese Methode spielt auch bei Langelüddeke/Bresser (97: Nicht-Verstehbarkeit einzelner Symptome) eine Rolle. 13 Näher dazu Witter, (Fn. 1) I 481 ff.; diese Einteilung geht auf den Psychiater Kraepelin (1856-1926) zurück, dazu Nedopil, 70. 14 Witter, (Fn. 1) I 480 f., II 961; Langelüddeke/Bresser, 97-99. 15 Witter, (Fn. 1) I 481; kritisch zu solchen Grenzfällen, Langelüddeke/Bresser, 104-106. 16 Witter, (Fn. 1) II 961. 17 AaO. 961 f.

32

§J

Rechtstatsache

psychopathologiscber

Funktionsstörungen

geht von einem an sozialen Notwendigkeiten orientierten Begriff der Verantwortungsfähigkeit aus und verneint diese, wenn „einem Menschen die intellektuellen Voraussetzungen zur sozialen Orientierung fehlen oder er in seinem Sozialverhalten durch eine Geisteskrankheit gelenkt wird" 1 8 ; es komme daher entscheidend auf die aus der innerpsychischen Störung hervorgehenden A b wandlungen und Einschränkungen des sozialen Verhaltens an 1 9 . Mit Hilfe des psychiatrischen Krankheitsbegriffs und des sozialen Kontexts der ermittelten Krankheit sollte folglich die natürliche Geschäftsunfähigkeit i.S.d. § 104 Nr. 2 bestimmt werden können 2 0 . Als Problemfelder dabei galten die intellektuellen Mängelzustände, die je nach Ausprägung als Krankheit, Variation oder Grenzfall aufgefaßt wurden 2 1 ; bei seelischen Varianten sollte der Ausschluß der freien Willensbestimmung den absoluten Ausnahmefall darstellen und dann eine andere Diagnose als angebracht erscheinen lassen 22 .

c) 7.ur Beurteilung vormundschaftlichen

Fürsorgebedarfs

Diese strengen Kriterien zur Ermittlung zivilrechtlicher Verantwortungsunfähigkeit wurden aber für die prognostische Beurteilung der Handlungsfähigkeit i.R.d. Vormundschaftsrechts offensichtlich als unpassend empfunden. Ihre Anwendung hätte vor allem psychisch abnorme Menschen, die nach der Krankheitslehre nicht als krank galten, aus dem Anwendungsbereich der Vormundschaft und Pflegschaft fallen lassen, wiewohl jene ständig in soziale Schwierigkeiten geraten konnten und ein Schutzbedarf daher befürwortet wurde 2 3 . So wurden Varianten seelischen Erlebens häufig im Hinblick auf einen angenommenen Behandlungsbedarf ungeachtet noch vorhandener Verantwortungsfähigkeit unter die rechtlichen Krankheitsbegriffe der Geistesschwäche i.S.d. § 6 1 Nr. 1 2. Alt. a.F. und der geistigen Gebrechen i.S.d. § 1910 II a.F. subsumiert 2 4 . Dies geschah unter Zweckmäßigkeitserwägungen und Wertungen, die kaum objektivierbar waren und eine exakte Abgrenzung nicht erlaubten 25 ; entscheidend wurde in diesen Fällen die ungünstige Prognose künftigen sozialen Ver-

AaO.959. AaO. 961 f. 20 Sowohl die krankhafte Störung der Geistestätigkeit als auch der Ausschluß freier Willensbestimmung sei durch den Krankheitsbegriff abgedeckt, aaO. 960 f. 21 Die Geschäftsunfähigkeit sollten sie nur begründen, wenn dem Betroffenen die intellektuelle Erkenntnis vom Inhalt und der Bedeutung eines Rechtsgeschäfts völlig fehle, dazu aaO. 962. 22 Weil dann in Wirklichkeit eine echte psychische Krankheit vorliege, aaO. 961; in diese Richtung auch, Langelüddeke/Bresser, 369. 23 Witter, (Fn. 1) II 965, zu intellektuell schwach begabten und neurotisch-psychotischen Menschen. 24 Ganz deutlich, Langelüddeke/Bresser, 98 f.; der Fürsorgebedarf wurde mit Vernunftmängeln oder Charakterentartung begründet, ebda., 386 f.; zur entsprechenden Entmündigungspraxis sub §6.III.l.b.cc. 25 Langelüddeke/Bresser, supra Vornote. 18

19

I. Gedanken

zur psychiatrischen

Krankheitslehre

33

haltens 26 . Dies führte dazu, daß sogar für bloß „haltlose" Personen wegen zu Tage getretener sozialer Auffälligkeiten die Entmündigung wegen Geistesschwäche befürwortet wurde, um diese zu einem geordneten Leben zurückzuführen 27 . Letztlich wurde selbst die Entmündigung im Hinblick auf dringenden Behandlungs- oder Unterbringungsbedarf des insoweit uneinsichtigen Patienten angeregt 28 . Im Rahmen des Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts wurde also der Prognose sozialen Feblverhaltens oder sozialen Fürsorgebedarfs maßgebliches Gewicht eingeräumt und im Hinblick darauf ein weniger strenger Maßstab an die Feststellung eingeschränkter Geschäftsfähigkeit als im rechtsgeschäftlichen Bereich angelegt 29 .

2. Neue multiaxiale

Ansätze

In der psychiatrischen Krankheitslehre hat zwischenzeitlich offenbar ein Systemwechsel stattgefunden 30 . Aus der selbstkritischen Erkenntnis heraus, daß es noch erhebliche Wissensdefizite bezüglich der Entstehungsweisen, Ursachen und Verlaufsformen psychiatrischer Erkrankungen gibt 31 , sind der früher verwendete Krankheitsbegriff 32 und die darauf aufbauende Einteilung nach Krankheitseinheiten 33 aufgegeben worden 34 . An deren Stelle sind operationalisierte Klassifikationsmodelle35 getreten, welche sich auf eine möglichst genaue und einheitliche Beschreibung von Symptomkonstellationen beschränken. Die dadurch erfaßten psychopathologischen Syndrome erklären nicht die zu Grunde liegenden Störungen, sie sind „hinsichtlich ihrer Ursache unspezifisch" 36 . Damit verliert auch die früher gezogene scharfe Trennung zwischen echten psychischen Krankheiten und bloßen Varianten seelischen Erlebens 37 an Bedeutung, im Vordergrund stehen vielmehr Art, Ausmaß und Verlauf des jeweiligen In diese Richtung Witter, (Fn. 1) II 965. Eingehend dazu, Weinriefer, 63 f.; als besonders gravierend erscheint dabei die Einordnung Prostituierter unter die Geistesschwäche. 28 Langelüddeke/Bresser, 382. 29 In diesem Sinn auch Weinriefer, 70-72; dies verkennt Diederichsen in Venzlaff/Foerster, 508. 30 Einen Uberblick über neuere Entwicklungen gibt Bruder, Gutachten C 32-34. 31 Nedopil, 10 f., 60 f.; zur senilen Demenz, Bruder, Gutachten C 22-24; ders., N D V 1989, 45 f., 47; zur Kritik an der Psychiatrie überblicksweise, Weinriefer, 6 4 - 6 9 . 32 Nedopil, 61. 33 AaO. 72; ebenfalls kritisch zum früheren Modell, Schüler in Schmidt/Böcker, RdNr. 561. 34 Es ist daher sogar von einer Krise traditioneller psychiatrischer Diagnostik die Rede, Nedopil, 70 m.w.N. 35 Zu den modernen psychiatrischen Klassifikationsmodellen, Nedopil, 70-73. 36 Nedopil, 60. 37 Im Gegensatz zu früher (supra bei Fn. 14) werden diese heute teilweise als echte Krankheiten aufgefaßt; als Krankheiten sieht z.B. Mattern die Neurosen (in Schmidt/Böcker, RdNr. 1025), Eßstörungen (aaO. RdNr. 1049) und in schweren Fällen die Persönlichkeitsstörungen (aaO. RdNr. 1070) an, nicht jedoch die Konfliktreaktionen (aaO. RdNr. 1046). 26

27

34

5 3 Rechtstatsache

psychopathologischer

Funktionsstörungen

psychopathologischen Syndroms und der dadurch ausgelösten Funktionsstörungen 38 . Die Diagnose einer psychischen Störung an Hand eines solchen operationalisierten Schemas ist somit lediglich der erste Schritt bei der Begutachtung eines Betreuungsbedarfs. Insgesamt ist hierfür eine multiaxiale Betrachtung erforderlich 39 : Diese umfaßt die Diagnose des Syndroms und die Prognose des zu erwartenden Symptomverlaufs, eine Hypothese über die vermutete Ursache der psychischen Störung, die Anamnese der Primärpersönlichkeit des Betroffenen sowie die Feststellung des Ausmaßes der Funktionsstörungen in zeitlicher und gegenständlicher Hinsicht auf der Grundlage klinischer Erfahrungssätze 40 und der im Beurteilungszeitpunkt beobachteten und prognostizierten psychosozialen Beeinträchtigungen des Betroffenen; in einer Gesamtschau dieser Achsen ist dann festzustellen, ob und inwieweit im Einzelfall tatbestandliche pathologische Funktionsstörungen vorliegen und wie diese sich auf die Selbstbestimmungsfähigkeit des Untersuchten auswirken. Der Abschied von der Dominanz eines psychiatrischen Krankheitsbegriffs führt dazu, daß auch die Verneinung der Geschäftsfähigkeit von der bloßen Diagnose einer bestimmten psychischen Störung entkoppelt und hierfür auf das konkrete Ausmaß der psychopathologischen Beeinträchtigung abgestellt wird 41 . In therapeutischer Hinsicht fällt eine Tendenz zur Abkehr von überwachender Versorgung hin zu einer erhöhten Selbständigkeit und sozialen Integration der Betroffenen auf, selbst wenn damit erhöhte Risiken verbunden sein mö-

3. Begutachtung

psychiatrischer

Erkrankungen

Die Vermittlung psychiatrischer Diagnosen an den Juristen erweist sich wegen der Eigenarten psychiatrischer Erkrankungen und der ungewohnten Fachterminologie als besonders problematisch 43 . Dazu kommen Unzulänglichkeiten der psychiatrischen Krankheitslehre selbst: Es fehlt eine einheitliche Terminologie, über die theoretischen Ansätze herrscht Streit 44 , es bestehen erhebliche

Nedopil, 61; ebenso Crefeld, BtPrax 1993, 3 ff. (7 f.). Insgesamt dazu, Nedopil, 70-73 (72 f.). 40 Hierzu speziell aaO. 11, 34. 41 AaO. 29. 42 Bruder, Gutachten C 33 f.; die Integration psychisch Kranker und Behinderter war wesentliches Ziel der Psychiatrie-Enquete-Kommission gewesen, supra § 2.II.1 bei Fn. 53 f.; zum Therapiewandel siehe auch die Stellungnahme der BReg. zum Bericht dieser Kommission, BTDrs. 8/2565, 8. 43 Zu Verständigungsproblemen zwischen Fachgutachtern und Juristen, Nedopil, 11; ebenfalls angesprochen bei Böcker in Schmidt/Böcker, RdNr. 553. 44 Schmidt/Böcker, RdNr. 553; Nedopil, 11, mit einem Kurzüberblick über den notorischen Schulenstreit, ebda., 61, 69-71. 38

39

I. Gedanken zur psychiatrischen

Krankheitslehre

35

Wissensdefizite 4 5 , und zwar sogar hinsichtlich angezeigter Therapien und ihrer C h a n c e n 4 6 , insgesamt läßt sich die Grenzlinie zwischen gesund und krank nicht genau abstecken 4 7 . Diese U m s t ä n d e führen in Verbindung mit den nachfolgend aufzuzeigenden F a k t o r e n dazu, daß Divergenzen in der Beurteilung pathologischer F u n k t i o n s s t ö r u n g e n überhaupt und sogar bezüglich desselben Patienten durchaus möglich sind 4 8 , selbst wenn einheitliche Klassifikationssysteme benutzt werden 4 9 .

a) Multifaktorielle

Bedingtheit

T r o t z der unterschiedlichen A n s ä t z e stimmt man darin überein, daß die bloße Diagnose psychopathologischer S y n d r o m e für forensische Z w e c k e nicht genügt; sie erlaubt lediglich Aussagen darüber, welcher Krankheitsverlauf, welche Heilungs- oder Besserungschancen und welche A u s w i r k u n g e n auf die Fähigkeit zu selbständigem H a n d e l n typischerweise zu erwarten sind, doch k ö n n e n die einzelnen Krankheitsbilder jeweils in unterschiedlichen Ausprägungsgraden und Verlaufsformen auftreten 5 0 . D i e Ausprägung der S y m p t o m e wird m a ß geblich durch individuell-situative F a k t o r e n des Einzelfalls bestimmt, die in der Person des K r a n k e n und seiner Lebensgeschichte, seiner sozialen Stellung, seinem U m f e l d 5 1 und seiner Versorgung begründet sind 5 2 ; hier sind neben der persönlichen Krankheitsdisposition, der individuellen Einstellung zu und der A u s einandersetzung mit der eigenen Krankheit, welche einen großen Einfluß auf die Möglichkeiten der Therapie ausüben 5 3 , die E i n b e t t u n g in die Familie oder den Freundeskreis sowie A r t und A u s m a ß der Zuwendung, die der K r a n k e erfährt 5 4 , oder der F r e m d b e s t i m m u n g , der er ausgesetzt ist 5 5 , zu erwähnen. Diese Supra 2 bei Fn. 31. Insgesamt kritisch zur Effizienz neuer Therapiemöglichkeiten, R.Lempp, Beiträge 1519. Hierüber werden unterschiedliche Ansichten vertreten: Keine Erhöhung der Heilungsrate bei psychischen Krankheiten konstatiert Bruder, Gutachten C 35; eine gegenteilige Feststellung für endogene Psychosen trifft dagegen Wojnar, BtPrax 1992,16 ff. (17 f.). 47 Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Psychiatrie-Enquete-Kommission, BT-Drs. 8/2565, 8; Mende, 18; Nedopil, 60. 48 Nedopil, 70; die Auswirkungen des Schulenstreits hingegen relativierend, Böcker in Schmidt/Böcker, RdNr. 554. 49 Nedopil, 67, 70. 50 So allgemein, Rose in Venzlaff, 510: Eine Gleichsetzung von psychopathologischer Diagnose und juristischer Fallgruppe sei kurzschlüssig und zumeist falsch; zur Geschäftsunfähigkeit ebenso, Mende, 27; Nedopil, 29; für die Betreuungsbedürftigkeit implizit ders., 33 f., sowie explizit Crefeld, BtPrax 1993, 7 f.; das gibt selbst Witter trotz seiner auf dem triadischen Modell aufgebauten Grundregel zu, supra l.b. 51 Auf den Einfluß sozialer Faktoren weisen auch hin, Mende, 18, sowie Zenz/v.Eicken/ Ernst/Hofmann, 39. 52 Einige Einflußfaktoren bei senil Dementen schildert Bruder, Gutachten C 14 f., sowie Rose in Venzlaff, 517. 53 Nedopil, 66. 54 Bienwald, Beiträge 84; ähnlich Hülshoff, Beiträge 156. 55 Zur Lage bei geistig Behinderten sub II.2 bei Fn. 145. 45 46

36

$3

Rechtstatsache

psychopathologischer

Funktionsstörungen

Faktoren beeinflussen zudem den Verlauf der Krankheit sowie die Möglichkeiten und Chancen einer Stabilisierung oder Rehabilitation des Kranken. Des weiteren hängen die Auswirkungen des pathologischen Zustands auf die Fähigkeit selbständigen Handelns entscheidend von der Art, der Schwierigkeit und dem Umfang der zu besorgenden Angelegenheiten56 sowie davon ab, inwieweit der Betroffene krankheitsbedingt überhaupt die Gelegenheit zu eigenständigem Handeln hat 57 . Diese multifaktorielle Bedingtheit macht für Betreuungszwecke eine eingehende und mehrdimensionale Begutachtung erforderlich 58 , wie sie gerade den neueren multiaxialen Ansätzen entspricht (supra 2). Selbst für die Beurteilung der Geschäftsunfähigkeit ist eine freilich begrenztere multifaktorielle Betrachtung nötig 59 . Wegen der multifaktoriellen Bedingtheit verbietet sich der automatische Schluß von bestimmten Krankheitsbildern auf konkret zu erwartende Selbstbestimmungsdefizite oder gar die Geschäftsunfähigkeit 60 , ebenso wie der umgekehrte Schluß von einem sozialen Handlungsdefizit auf eine Krankheit. b) Ungenauigkeit

quantitativer

Aussagen

Infolge der Abhängigkeit von solchen individuell-situativen Einzelfallumständen lassen sich Aussagen zur Intensität psychischer Störungen und der dadurch verursachten Beeinträchtigungen der Selbstbestimmungsfähigkeit nur bedingt auf Grund empirischer Kriterien treffen, überwiegend findet eine wertende Einschätzung unter Berücksichtigung psychosozialer Faktoren statt 61 . Die quantitative Abschätzung der Symptomausprägung ist also mit einem relativ großen interpretatorischen Spielraum des Untersuchenden verbunden, und das läßt sich nicht einmal durch den Einsatz neuerer klassifikatorischer Ansätze vermeiden62. Für Betreuungszwecke hat eine ex ante-Betrachtung des künftigen Symptomverlaufs und der dadurch ausgelösten Selbstbestimmungsdefizite zu erfolgen. Es genügt daher nicht, diese Faktoren im Untersuchungszeitpunkt zu ermitteln (Querschnittssymptomatik), vielmehr sind darüber hinaus die nach klinischen Erfahrungssätzen und den Umständen des Einzelfalls zu erwartenden zeitlichen Wandlungen der Symptome prognostisch zu erfassen (Längsschnittdiagnose)bi. Letztere stellt stets eine Hypothese dar, die einen unterschiedlich hohen Wahrscheinlichkeitsgrad haben kann 64 und als Prognose mit Mende, 13, 18. Dazu Schumacher/Jürgens, R & P 1988, 3, und Zenz/v.Eiken/Ernst/Hofmann, 44, jeweils zur fehlenden Gelegenheit der Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr. 58 Mende, 19; Nedopil, 72 f.; Rose in Venzlaff, 510. 59 Nedopil, 29. 6 0 So allgemein Rose in Venzlaff, 510; zur Geschäftsunfähigkeit Witter, (Fn. 1) II 961; Mende, 27; Nedopil, 29; siehe auch Weinriefer, 62-64, 70. 61 Langelüddeke/Bresser, 103. 62 Nedopil, 60, 67, zu Versuchen einer Eindämmung dieses Problems ebda., 67 f. 6 3 AaO. 61,69. 64 Nedopil, RdNr. 553. 11; zum hypothetischen Charakter auch Böcker in Schmidt/Böcker, 56

57

II. Die relevanten pathologischen

Phänomene

37

einem signifikanten Unsicherheitsfaktor versehen ist65. Bei der Begutachtung der Geschäftsfähigkeit im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle eines Rechtsgeschäfts findet dagegen ex post die Würdigung eines abgeschlossenen Vorgangs statt, und dabei handelt es sich ebenfalls um eine Hypothese 66 . c) Fazit: Die Begutachtung psychischer Krankheiten und geistiger Behinderungen hat sich neben der Untersuchung der Krankheit notwendig auf die Gesamtsituation des zu Untersuchenden zu erstrecken 67 . Wegen der aufgezeigten Unzulänglichkeiten der psychiatrischen Krankheitslehre und Diagnostik sind gutachterliche Äußerungen zu pathologischen Funktionsstörungen und deren Auswirkungen auf die Selbstbestimmungsfähigkeit des Untersuchten stets mit einem relativ hohen Unsicherheitsfaktor behaftet. Insgesamt gibt es keine allgemein verbindlichen „harten Kriterien" zur Bestimmung einer rechtlich geforderten quantitativen Ausprägung psychischer Störungen 68 .

II. Die relevanten pathologischen

Phänomene

Die Krankheiten und Behinderungen i.S.d. § 1896 I 1 sind in mehrfacher Hinsicht zu untersuchen: Typische Symptomkonstellationen, deren Ausprägungsvarianten, Verlauf, Dauer, Heilungs- und Besserungschancen sowie deren mögliche Auswirkungen auf die Selbstbestimmungsfähigkeit im Hinblick auf die Besorgung betreuungsrelevanter Angelegenheiten. Die Untersuchung dieser Faktoren erlaubt Aussagen über die tatsächliche Relevanz solcher Defizite für die Unfähigkeit zu selbstbestimmter Besorgung eigener Angelegenheiten sowie über deren Feststellbarkeit für Dritte, den Sachverständigen und den Richter. Eine ausführliche Erörterung der verschiedenen Krankheits- und Behinderungsbilder kann hier allerdings nicht stattfinden 69 . Der Übersichtlichkeit halber werden die Symptomkonstellationen für die nachfolgende Darstellung nach herkömmlichen Begriffen eingeteilt.

65

Nedopil, 60; zu Prognoseproblemen speziell bei senil Dementen, Bruder, N D V 1989,47. Zum unterschiedlichen Blickwinkel bei der Beurteilung eines Fürsorgebedarfs oder der Geschäftsfähigkeit, Langelüddeke/Bresser, 380; Witter, (Fn. 1) II 965. 67 Zu den damit vergleichbaren rechtlichen Anforderungen i.R.d. §68b I F G G , sub § 9.II.3.b.bb bei Fn. 121 f. 68 Eindeutig, Nedopil, 73. 69 Einen eingehenden Uberblick über die verschiedenen Arten psychischer Erkrankungen, geistiger und seelischer Behinderungen geben Schmidt/Böcker, Betreuungsrecht Kap. 5 9; siehe auch Bruder, Gutachten C und auf neuestem Stand, Nedopil, 74 ff. 66

38

§3 Rechtstatsache psychopathologischer

1. Psychische

Funktionsstörungen

Krankheiten

Bei den psychischen K r a n k h e i t e n unterscheidet man körperlich begründbare P s y c h o s e n (a), endogene P s y c h o s e n (b) und Varianten seelischen Erlebens (e). Wegen ihrer Besonderheiten werden die senile D e m e n z (c) und die Suchtkrankheiten (d) als eigene G r u p p e n geführt 7 0 .

a) Organische

Psychosen

D i e organischen oder körperlich begründbaren P s y c h o s e n bezeichnen sämtliche seelisch-geistigen Beeinträchtigungen, denen E r k r a n k u n g e n des G e h i r n s oder eines anderen K ö r p e r o r g a n s zu G r u n d e liegen 7 1 und die sich demzufolge eindeutiger als die übrigen psychischen Störungen diagnostizieren lassen 7 2 . Sie begegnen in einer Vielzahl unterschiedlicher Krankheitsbilder, bei denen Störungen des Bewußtseins, des Gedächtnisses, der Auffassung, der Orientierung, des Realitätsbezugs, des D e n k e n s und der Affektivität auftreten k ö n n e n 7 3 . D i e Störungen k ö n n e n akut auftreten oder c h r o n i s c h 7 4 , wechselhaft oder p r o z e ß haft verlaufen und reversibel oder irreversibel und damit dauerhaft sein. D i e A u s w i r k u n g e n dieser Störungen auf die Handlungsfähigkeit des K r a n k e n sind je nach der K r a n k h e i t und ihrer k o n k r e t e n Ausprägung unterschiedlich: E s kann zu m o m e n t a n e n Bewußtseinstrübungen k o m m e n 7 5 , die Krankheitseinsicht fehlen 7 6 , die Kritikfähigkeit, das intellektuelle u n d / o d e r voluntative Vermögen sektoral oder umfassend gemindert 7 7 oder von Wahnvorstellungen beherrscht 7 8 sein.

70 Auf die Besonderheiten dieser beiden letztgenannten Gruppen ebenfalls hinweisend, Bruder, Gutachten C 5 f. 71 Schüler in Schmidt/Böcker, RdNr. 564; zum nachfolgenden ebda., Kap. 5. 72 AaO. RdNr. 562; Langelüddeke/Bresser, 96. 73 Zu einer Beschreibung dieser und weiterer psychischer Funktionsstörungen statt aller, Nedopil, 62-67. 74 Akut bezeichnet Störungen, die sich innerhalb kurzer Zeit entwickeln, chronisch solche, die länger bestehen, Nedopil, 68. 75 So bei Schädel-Hirn-Verletzungen, Anfallsleiden u.a., Schüler in Schmidt/Böcker, RdNr. 622, 628. 76 So bei fortgeschrittener Multiple Sklerose (Schüler, aaO. RdNr. 691) und bei durch Alkohol und andere toxische Substanzen bedingten Funktionsstörungen des Gehirns (aaO. RdNr. 668, 670). 77 Eine zunehmende Hilfsbedürftigkeit begegnet bei der Multiple Sklerose (Schüler, aaO. RdNr. 692) und den Hirnabbauprozessen (ebda., RdNr. 733). 78 Die Auseinandersetzung des Patienten mit seinen Wahnvorstellungen oder Halluzinationen kann seine gesamten Energien absorbieren und ihn dadurch weitreichend inaktivieren, Bruder, Gutachten C 35.

II. Die relevanten

b) Endogene

pathologischen

Phänomene

39

Psychosen

Als endogene Psychosen bezeichnet die psychiatrische Krankheitslehre seelisch-geistige Erkrankungen, deren körperliche Ursache zwar vermutet, bislang aber noch nicht nachgewiesen werden konnte 79 . Diese werden unterteilt in schizophrene und manisch-depressive (Cyclothymie, affektive Psychosen) Erkrankungen. Kennzeichnend dafür sind der hohe Schweregrad der psychischen Veränderungen, Störungen der zwischenmenschlichen Kommunikation und das Fehlen von Krankheitseinsicht während des Krankheitszustandes 80 . aa) Schizophrener

Formenkreis

Die zahlreichen schizophrenen Syndrome können zu Störungen der Affektivität, des Denkens, des Antriebs und des Ich, zu Wahnvorstellungen und Trugwahrnehmungen (Störungen des Realitätsbezugs) sowie insgesamt zum Verlust sozialer Kompetenz führen 81 . Die Auswirkungen auf die Fähigkeit des Erkrankten zu selbständigem Handeln sind dementsprechend recht unterschiedlich 82 und reichen von Tendenzen zu unbedachtem, kritiklosen Handeln und Entscheiden bei der Schizophrenia simplex und der Hebephrenie über Beeinträchtigungen der Fähigkeit zu vernunftgemäßer Entscheidung 83 , bei denen aber Felder realitätsbezogener84 oder vernünftiger Entscheidung 85 verbleiben, und mehr oder minder umfassender wahnhafter Bestimmung des Willens 86 bis hin zu völliger Unfähigkeit zu zielgerichtetem Handeln 87 ; daneben können schnell schwankende emotionale Einstellungen zu Menschen und Vorhaben das Handeln des Kranken beeinflussen 88 . Die schizophrenen Syndrome können chronisch-progredient oder episodenhaft verlaufen; letzteres ist als phasenhafter oder schubförmiger Verlauf möglich 89 . Der Verlauf kann sich plötzlich völ79 Langelüddeke/Bresser, 180; die Ursache dieser Psychosen sei letztlich noch unbekannt, Bayerlein in Schmidt/Böcker, RdNr. 759. 80 Bayerlein in Schmidt/Böcker, RdNr. 758; zum nachfolgenden ebda., Kap. 6. 81 Dazu sowie zu weiteren Störungen Bayerlein in Schmidt/Böcker, RdNr. 777-791; Nedopil, 104-118. 82 Auf die große Spannweite weist denn auch Witter (Fn. 1 II 962) hin. 83 So bei paranoiden und halluzinatorischen Syndromen und kognitiven Störungen, Bayerlein, aaO. RdNr. 824 und RdNr. 831, respektive. 84 Für paranoide und halluzinatorische Syndrome, aaO. RdNr. 824. 85 Kognitive Störungen können sich auch bloß auf schwierigere Entscheidungen negativ auswirken, aaO. RdNr. 831. 86 Bei paranoiden und halluzinatorischen Syndromen sowie bei Ich-Störungen, aaO. RdNr. 824-826; der Wahn muß nicht das gesamte Erleben und Verhalten des Patienten beherrschen, Nedopil, 65, er kann sich auf Bereiche beschränken, die ohne Einfluß auf die Fähigkeit des Kranken zur Besorgung seiner Angelegenheiten sind, mündliche Auskunft von Dr. F.-J. Freisleder, ärztlicher Direktor der Heck'scher-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in München, v. 12.7.1996. 87 Bei länger dauernden katatonen Syndromen, Bayerlein, aaO. RdNr. 827. 88 Bruder, Gutachten C 36. 8 9 Beim phasenhaften Verlauf klingen die Symptome nach der krankhaften Phase folgenlos

40

§3

Rechtstatsache

psychopathologischer

Funktionsstörungen

lig ändern und sogar bei chronischen Entwicklungen sind überraschende Besserungen möglich 9 0 . Die grundsätzlich bestehenden Heilungs- oder Besserungschancen werden getrübt durch die hohe Zahl von Rückfällen 9 1 und therapieresistenten Patienten 9 2 sowie durch häufige unerwünschte Therapiefolgeerscheinungen 9 3 .

bb) Zyklothyme

Erkrankungen

Die manisch-depressiven Erkrankungen verlaufen in der Regel in Phasen unterschiedlicher Dauer 9 4 . Beim depressiven Syndrom kommt es zu erheblichen Antriebsstörungen im Sinne von Entschlußlosigkeit und in der akuten Phase zu erhöhter Suizidgefahr; zudem besteht die Gefahr, daß Rechtsgeschäfte aus krankhaften Erwägungen heraus oder infolge krankheitsbedingter Resignation gegenüber drängenden Dritten getätigt werden 9 5 ; beim depressiven Stupor sowie den seltenen chronischen Verläufen 9 6 liegt weitreichende Handlungsunfähigkeit vor. Beim manischen Syndrom werden aus Euphorie häufig unbedachte Handlungen rechtsgeschäftlicher oder deliktischer Natur vorgenommen 9 7 . In beiden Episoden ist meist die Fähigkeit zu realitätsbezogenem und vernunftgemäßen Abwägen in hohem Maß beeinträchtigt.

c) Senile

Demenz

Die Gruppe der senil Dementen soll in der Zukunft die größte Klientel des Betreuungsrechts bilden 9 8 . Im Zentrum dieses Krankheitstyps steht das Vergessen als Folge altersbedingter Durchblutungsstörungen (Hirnarteriosklerose) ab, um nach gewisser Zeit wieder aufzutreten; bei schubförmigem Verlauf hingegen verbleiben nach Abklingen des Symptoms noch gewisse Beeinträchtigungen (Residualsyndrom), die sich nach mehrmaligen Schüben verstärken können, dazu Nedopil, 68; im Durchschnitt klingen die Episoden nach einigen Wochen bis Monaten wieder ab, Bayerlein, aaO. RdNr. 800. 90 Langelüddeke/Bresser, 372; Bruder, Gutachten C 37 f.; umgekehrt können auch Verschlechterungen nach langem störungsfreien Zustand auftreten, ebda. 91 Angaben dazu bei Bayerlein, aaO. RdNr. 815; ebenfalls angesprochen von Bruder, Gutachten C 37. 9 2 Bei Antidepressiva ca. 2 0 - 3 0 % der Patienten, Bayerlein, aaO. RdNr. 866. 9 3 So insbesondere bei Neuroleptika und Antidepressiva, Bayerlein, aaO. RdNr. 816-819 bzw RdNr. 868 f.; näher zu gefährlichen Nebenwirkungen von Psychopharmaka, L.H. Schreiher, FamRZ 1991, 1018-1021, mit krit. Anm. von Nedopil, FamRZ 1993, 24 ff. und Schlußwort von L.H. Schreiher, aaO., 26 f. 94 Bayerlein, aaO. RdNr. 856 und zum nachfolgenden RdNr. 875 ff.; zum Begriff der Phase supra aa bei Fn. 89; näher zur Häufigkeit und der Dauer der krankhaften Phasen (von einer Woche bis zu 18 Jahren), Wojnar, BtPrax 1992, 18. 95 Nedopil, 117; Bayerlein, aaO. RdNr. 875. 96 Bruder, Gutachten C 36. 97 Bayerlein, aaO. RdNr. 877 f.; Bruder, Gutachten C 36; Foerster in Venzlaff/Foerster, 605; Nedopil, 117. 98 Zenz/v.Eicken/Ernst/Hofmann, 39. Eingehende Angaben zur demographischen Entwicklung bei Bruder, Gutachten C 6 f.; der starke Anteil an der Gesamtbevölkerung spiegle

II. Die relevanten

pathologischen

Phänomene

41

oder Schrumpfung (Hirnatrophie) des G e h i r n s " ; die Merkfähigkeit und das Gedächtnis werden zunehmend gestört. Das Vergessen beeinflußt die Gesamtheit der geistigen Vorgänge, für die frisch aufgenommene oder aus dem G e dächtnis abgerufene Inhalte wichtig sind, weshalb die Fähigkeit zum Analysieren, Beurteilen und zur Konzentration beeinträchtigt werden. Die kognitive Leistungsfähigkeit kann heftig schwanken. Erschwerend treten weitere Defizite hinzu: die zunehmende Verflachung und Enthemmung der Affekte 1 0 0 , ein Antriebsverlust, die egozentrische Verengung des Interessenfeldes 1 0 1 , vor allem aber fortschreitende Verwirrtheitszustände 1 0 2 . Mit fortschreitendem Abbau wird das bewußte Anstreben eines Zieles unmöglich, während das Erleben und der Ausdruck von Wünschen noch möglich bleiben, je näher diese der Ebene elementarer Triebe kommen 1 0 3 . Senil Demente sind bedingt durch die Krankheit und die regelmäßig familiäre Wohn- und Versorgungssituation leicht beeinflußbar, was sich schon für das Frühstadium einsetzender seelisch-geistiger Veränderungen sagen läßt 1 0 4 . D e r altersbedingte Abbau verläuft auf den Tod hin und ist daher irreversibel, wenngleich es gelingen mag, den Abbau für einige Zeit aufzuhalten oder insgesamt zu verlangsamen 1 0 5 .

d)

Abhängigkeitskrankheiten

Darunter werden stoffgebundene Störungen wie die Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit verstanden, die körperliche, geistige und seelische Folgeschäden zeitigen, welche häufig irreversibel sind 1 0 6 . Wegen fehlender Stoffgebundenheit zählen die Verschwendungs- und die Spielsucht nicht dazu 1 0 7 ; sie können Symptome einer psychischen Erkrankung 1 0 8 oder einer chasich aber nicht in einem entsprechend hohen Anteil betreuter alter Menschen wider, Oherloskamp/Schmidt-Koddenberg/Zieris, 26; Bruder, aaO. Neuere Zahlen gehen dagegen schon jetzt von einer relativen Dominanz der Demenzfälle aus, doch sind diese nicht repräsentativ, weil sie sich auf den Landkreis Saarlouis beschränken: dort erfolgte im Jahre 1995 eine Betreuung wegen Demenz i n 3 3 3 v o n 868 Fällen, Heck/Heck, F u R 1996, 368 ff. (369); in diesem Sinn äußert sich auch, Coester, Jura 1991, 4. 99 Zum nachfolgenden Bruder, Gutachten C 7-26. 100 Zum Zusammenhang zwischen kognitiven und affektiven Einbußen, Bruder, Gutachten C 13. 101 Witter, (Fn. 1) 1 487. 102 Langelüddeke/Bresser, 165 f. 103 Bruder, Gutachten C 39. 104 Langelüddeke/Bresser, 379; die reduzierte Widerstandskraft hängt mit der Antriebsschwäche zusammen, Bruder, Gutachten C 24. 105 Bruder, N D V 1989, 45 f.; zu begrenzten Lerneffekten, ders., Gutachten C 9; zur Irreversibilität, Schüler in Schmidt/Böcker, RdNr. 602. 106 Zum nachfolgenden, Mattern in Schmidt/Böcker, Kap. 7. 107 Zur Begrenzung des pathologischen Suchtbegriffs auf stoffgebundene Störungen und dem daraus resultierenden Ausschluß sonstiger, nicht stoffgebundener Suchtzustände wie der Spielsucht, Nedopil, 79. 108 Für die Verschwendung, Zenz/v. Eicken/Ernst/Hofmann, 39; für die Spielsucht, Mattern, aaO. RdNr. 987.

42

5 3 Rechtstatsache psychopathologischer

Funktionsstörungen

rakterlichen Fehlentwicklung sein, werden aber nicht als eigene Krankheitsbilder gesehen 1 0 9 . D i e pathologische Qualität von Abhängigkeitserkrankungen ist n o c h nicht abschließend geklärt 1 1 0 : A m Anfang des Prozesses stehen häufig Deviationen des Charakters und der Persönlichkeit, die neben anderen F a k t o r e n eine Stoffabhängigkeit begründen 1 1 1 , in deren weiterem Verlauf organische u n d / o d e r psychische Folgeerscheinungen hinzutreten 1 1 2 . Eindeutigen psychiatrischen Krankheitswert erreicht die Sucht erst, wenn solche psychischen Folgeerscheinungen festzustellen sind 1 1 3 . D e r K o n s u m des Suchtmittels kann bei I n t o x i k a tion vorübergehende Störungen des Bewußtseins und des Realitätsbezugs begründen 1 1 4 . Bei fortgeschrittenen Stadien treten längerfristige psychotische S t ö rungen auf, die in unterschiedlichem M a ß eine sektorale Handlungsunfähigkeit bewirken k ö n n e n : Zu nennen sind vor allem Persönlichkeitsveränderungen 1 1 5 , Störungen der Intelligenz 1 1 6 oder des Realitätsbezugs 1 1 7 . Gemeinsames K r i t e rium ist, daß der Süchtige der jeweiligen Substanz kritiklos verfallen ist, sein D e n k e n und H a n d e l n verengt sich auf die Z u f u h r des Suchtstoffes und dessen B e s c h a f f u n g 1 1 8 . D i e dadurch bedingte Minderung des Kritikvermögens bezüglich seiner eigenen Krankheit unterliegt starken, zustandsbedingten Schwank u n g e n 1 1 9 ; die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit einem B e t r e u e r 1 2 0 oder zu einer längerdauernden Therapie wird dabei meist wenig ausgeprägt sein 1 2 1 . E s

109 Zur Verschwendung, BT-Drs. 11/4528, 116; zur Spielsucht, Mattern, aaO. RdNr.987; Nedopil (136) bezeichnet letztere als abnorme Gewohnheit mit zweifelhafter diagnostischer Zuordnung. 110 Nedopil, 79; Wetterimg u.a., BtPrax 1995, 86 ff. (87). 111 Hier lassen sich ebenfalls verschiedene Entwicklungsstufen ausmachen; siehe zum Alkoholismus und seiner multifaktoriellen Bedingtheit, Mattern, aaO. RdNr. 904 f.; zu einer differenzierten Sicht der Suchtentwicklung bei sonstigen Substanzen, Nedopil, 93-101. 112 Witter, (Fn. 1) I 500; in diese Richtung auch, Langelüddeke/Bresser, 157, 383; eingehend zu den einzelnen möglichen Folgeschädigungen, Nedopil, 84 f. (Alkohol), 93-100 (sonstige Substanzen). 113 In diesem Sinn Witter, (Fn. 1) I 500; Langelüddeke/Bresser, 156 f.; Wetterling ua, (Fn. 110) 87. 114 Siehe Wetterling ua, (Fn. 110) 87. 1 , 5 Alkoholische oder drogenbedingte Wesensänderungen mit weitreichender Kritikminderung, Einschränkung der Entscheidungsfähigkeit und Verlust an sozialer Kompetenz, Mattern, aaO. RdNr. 979 (Alkohol), RdNr. 985 (Drogen); auch Wetterling ua, (Fn. 110) 89. 116 Z.B. alkoholbedingte Hirnatrophie, Wetterling ua, (Fn. 110) 88; bei alkoholischer Demenz und Korsakow-Syndrom kann dem Betroffenen die Besorgung schwierigerer Angelegenheiten unmöglich sein, Mattern, aaO. RdNr. 978. 117 Bei Alkoholhalluzinose oder Drogenpsychosen (Mattern, aaO. RdNr. 980, 984, respektive), alkoholischem Eifersuchtswahn (ebda., RdNr. 981) für die wahnbetroffenen Bereiche; zur Alkoholhalluzinose offensichtlich anders, Nedopil, 85. 118 Zu psychotropen Substanzen, Nedopil, 101. 119 Wetterling ua, (Fn. 110) 88. 120 Solange der Trunksüchtige in Freiheit lebe, lasse er sich von seinem Fürsorger wenig sagen, Langelüddeke/Bresser, 383. 121 Wetterling ua, (Fn. 110) 86, 88.

II. Die relevanten pathologischen

Phänomene

43

trifft allerdings nicht zu, daß der Therapieerfolg bei Freiwilligkeit größer als bei einer Zwangsbehandlung sei122. e) Varianten

seelischen

Erlebens

Unter diesem oder ähnlichen Begriffen wird eine Vielzahl von Phänomenen zusammengefaßt 123 , „die sich aus der Lebensgeschichte, aus der Persönlichkeitsentwicklung oder aus aktuellen Lebenssituationen ableiten lassen" 124 . Betreuungsrelevant können nur die Neurosen, Konflikt- oder Belastungsreaktionen, Eßstörungen und Persönlichkeitsstörungen werden 125 . Hier soll lediglich auf die Neurosen und Persönlichkeitsstörungen als den wichtigsten Befundgruppen eingegangen werden. Bei Neurosen oder neurotischen Entwicklungen geht es um Reaktionen auf durchlittene Traumatisierungen aus der Kindheit 126 , bei denen im Gegensatz zu den echten Psychosen die Realitätswahrnehmung erhalten bleibt und die Willensbildung und -Steuerung regelmäßig nicht wesentlich beeinträchtigt ist 127 . Ausnahmsweise können die einzelnen neurotischen Symptomkonstellationen 128 bei schwerer und chronifizierter Ausprägung in unterschiedlicher Weise das Sozialverhalten, die Lebensführung oder die Wahrnehmung eigener Belange des Betroffenen erheblich beeinträchtigen 129 . Der Neurotiker nimmt auf Grund seines Leidensdruckes angebotene Hilfen häufig an 130 , Zwangsmaßnahmen können aber insbesondere bei suizidalen Tendenzen angezeigt sein 131 . Eine eindeutige Definierung der Persönlichkeitsstörungen oder Psychopathien scheint es nicht zu geben 132 . Nach der klassischen Definition von K. Schneider (1887-1967) sind darunter „solche abnormen Persönlichkeiten, die 122 Nedopil, 101; ebenso Wetterling ua, (Fn. 110) 89 f.; entgegen Langelüddeke/Bresser, 383 f., und LG Regensburg 18.12.1992, FamRZ 1994, 125. 123 Zu früheren, teils divergierenden Einteilungen, Witter, (Fn. 1) I 490 ff. (psychische Variationen); Langelüddeke/Bresser, 194 ff. (abnorme Spielarten menschlichen Seins); zu einem neueren Überblick, Mattern in Schmidt/Böcker, RdNr. 1024, zum Nachfolgenden ebda., Kap. 9. 124 Böcker in Schmidt/Böcker, RdNr. 553. 125 Mattem, aaO. RdNr. 1024. 126 Nedopil, 119 f. 127 Bruder, Gutachten C 37; Mattern, aaO. RdNr. 1027: Das formale Denken, die Auffassungsgabe, das Konzentrationsvermögen und die Intelligenz sind weitgehend ungestört. 128 Dazu Mattern, aaO. RdNr. 1027-1034. 129 Bruder, Gutachten C 37: Sofern Störungen des Wahrnehmens und Erlebens zu zentralen Bestandteilen der Persönlichkeit werden, so daß die Lebensfähigkeit und das Sozialverhalten der Betroffenen erheblich eingeschränkt sind, sowie bei schweren Zwangskrankheiten; näher zu möglichen Indikationen eines Betreuungsbedarfs, Mattern, aaO. RdNr. 1038-1043; allgemeiner, Nedopil, 124. 130 Nedopil, 124. 131 Zur Zwangsunterbringung, Nedopil, 124, der ansonsten praktisch keinen Bedarf für Betreuungsmaßnahmen gegen den Willen des Neurotikers sieht. 132 Zu den zahlreichen unterschiedlichen Ansätzen, Nedopil, 127-130.

44

5 3 Rechtstatsache

psychopathologischer

Funktionsstörungen

unter ihrer Abnormität leiden oder unter deren Abnormität die Gesellschaft leidet" zu verstehen 1 3 3 . Aus dieser Definition wird bereits die Subjektivität der Zuordnung auffälligen Verhaltens unter diesen Begriff deutlich; diese ist nicht allein von der Symptomatik, sondern auch von gesellschaftlichen Vorstellungen und denen des Untersuchers sowie von individuell-situativen Faktoren auf Seiten des Betroffenen abhängig 1 3 4 , auf empirisch-objektivierbare Kriterien kann hier kaum zurückgegriffen werden 1 3 5 . Die Abgrenzung rechtlich relevanter Störungen von nicht pathologischen Charakterakzentuierungen erweist sich damit als schwierig und wenig präzise 1 3 6 . Die einzelnen psychopathischen Syndrome 1 3 7 überschreiten nur im Ausnahmsfall bei besonders ausgeprägten Formen diese Grenze 1 3 8 .

2. Geistige

Behinderungen

Geistige Behinderungen (Oligophrenien) werden nach ihrem Schweregrad in leichtere bis hin zu schwersten Formen eingeteilt 1 3 9 . Allgemeine Merkmale Oligophrener sind Intelligenzdefizite, Störungen der Beziehungen zur Umwelt und Einschränkungen der Kontrollfähigkeit über Affekte; die Wechselwirkung zwischen ersteren und letzteren verstärkt die kognitiven Einbußen und die Beeinflußbarkeit durch Dritte 1 4 0 . J e nach Intensität dieser Defizite können begrenzte Felder eigenständigen Handelns verbleiben 1 4 1 , zumal der Behinderte in sein soziales Umfeld hineinwächst 1 4 2 ; auf der anderen Seite verengt sich mit zunehmender Behinderung das soziale Umfeld, so daß die Gelegenheit zum H a n deln im Rechtsraum abnehmen wird 1 4 3 . Einzelfallabhängig vermindern sich diese Felder mit zunehmender Intensität bis hin zu vollständiger Handlungsunfähigkeit. In den leichteren Erscheinungsformen können die Intelligenzdefizite zu Einschränkungen der Fähigkeit zur Vornahme schwierigerer Rechtsgeschäfte sowie zur Beurteilung von therapeutischen Maßnahmen führen.

133

Zitiert nach Mattern,

RdNr. 1059; zu einem neuen klassifikatorischen Ansatz,

Nedopil,

129 f. Nedopil, 133. Langelüddeke/Bresser,201. 136 Nedopil, 133; vgl. auch Langelüddeke/Bresser, 201. 1 3 7 Dazu Mattern, aaO. RdNr. 1061-1069; Nedopil, 130-132. 138 Mattern, aaO. RdNr. 1059; Bruder, C 37; zum möglichen Betreuungsbedarf bei paranoiden Persönlichkeiten, Foerster in Venzlaff/Foerster, 604 f., zu deren möglicher Prozeßunfähigkeit, Nedopil, 135. 1 3 9 Eingehend zum Nachfolgenden, Bayerlein in Schmidt/Böcker, Kap. 8. 140 Rose in Venzlaff, 510-512; Bruder, Gutachten C 28. Die leichte Beeinflußbarkeit ergibt sich schon infolge der verminderten Intelligenz, ebda., C 40. 141 Beispiele bei Lachwitz, BtPrax 1995, 114, vor allem für die selbständige Arbeit in Behindertenwerkstätten. 142 Langelüddeke/Bresser, 373. 143 Rose in Venzlaff, 512. 134 135

III. Einfluß

auf die

Selbstbestimmungsfähigkeit

45

Insgesamt ist die Ausprägung einer geistigen Behinderung außer in schwersten Fällen 1 4 4 von individuellen u n d situativen Faktoren abhängig u n d findet eine Wechselwirkung zwischen Behinderungsgrad u n d dem M a ß an F r e m d b e stimmung, dem der Behinderte ausgesetzt ist, statt 1 4 5 . Mit dem Schweregrad n i m m t zwar die Heilungs- oder Besserungswahrscheinlichkeit ab, doch hat die therapeutische u n d rehabilitative Entwicklung zu erheblichen Fortschritten in der Befähigung zu einem eigenständigen Leben geistig Behinderter geführt 1 4 6 , u n d diese kann durch Selbsthilfegruppen weiter gefördert werden 1 4 7 . Im G r e n z bereich zu pathologischen Defiziten bewegen sich Teilleistungsstörungen wie Lernbehinderungen, bei denen die Selbstbestimmungsfähigkeit lediglich in seltenen, besonders gravierenden Fällen beeinträchtigt sein wird 1 4 8 .

3. Körperliche

Behinderungen

Die körperlichen Behinderungen fallen aus dem R a h m e n der übrigen p a t h o logischen Zustände in § 18961 1. Sehr häufig weisen körperlich Behinderte allerdings zusätzliche Störungen im psychischen oder geistigen Bereich auf 1 4 9 . Sofern keine derartige Mehrfachbehinderung vorliegt, sind bei einer körperlichen Behinderung weder die voluntativen noch die intellektuellen Fähigkeiten eingeschränkt. Die rechtstatsächliche Ausgangslage ist folglich grundverschieden von derjenigen der übrigen in § 1896 I 1 erwähnten B e f u n d g r u p p e n .

III. Einfluß dieser Phänomene auf die Selbstbestimmungsfähigkeit Es stellt sich n u n die Frage, in welchen Fällen die dargestellten psychischen Krankheiten u n d geistigen oder seelischen Behinderungen zu solchen Beeinträchtigungen der Selbstbestimmungsfähigkeit f ü h r e n können, daß nach § 1896 I, II eine Betreuung indiziert erscheint. Die A n t w o r t auf diese Frage ist dem Rechtsanwender vorbehalten, hier sind die in der psychiatrischen Lehre dazu 144

Mit dieser E i n s c h r ä n k u n g , Bruder, G u t a c h t e n C 27. Z u letzterem vor allem Lachwitz, BtPrax 1995, 114, der daher insgesamt f ü r eine ganzheitliche B e t r a c h t u n g eintritt, ebda., 115; z u r multifaktoriellen Bedingtheit auch Rose in Venzlaff, 511. 146 Bruder, N D V 1989, 45; speziell zu integrativen A n s ä t z e n bei L e r n b e h i n d e r t e n , ders., G u t a c h t e n C 29. 147 U n t e r H i n w e i s auf Vorbilder in den U S A u n d Kanada, Wojnar, BtPrax 1992, 17; Lachwitz, F u R 1990, 266 ff. (267); ders., BtPrax 1995, 117. 148 Bayerlein in Schmidt/Böcker, R d N r . 1023. 149 N a c h Oberloskamp/Schmidt-Koddenberg/Zieris (44) w a r e n diese in 25 % der Fälle G r u n d f ü r die A n o r d n u n g einer V o r m u n d s c h a f t oder Pflegschaft gewesen; vgl. aber die ebda. (53 f.) angegebenen Zahlen, dazu sub §9.11.1 bei Fn. 32; nach den Zahlen aus d e m Landkreis Saarlouis f ü r 1995 (supra II.2 bei Fn. 98) w a r eine körperliche B e h i n d e r u n g in n u r sechs v o n 868 Fällen Anlaß einer B e t r e u u n g gewesen. 145

46

§ J Rechtstatsache

psychopathologischer

Funktionsstörungen

vertretenen Auffassungen darzulegen. Zunächst sind rein körperliche Behinderungen auszugrenzen (sub 1), anschließend werden die sonstigen Funktionsstörungen darauf hin gewürdigt, inwieweit sie zu betreuungsrelevanten Beeinträchtigungen der Selbstbestimmungsfähigkeit führen (2) oder gar die Geschäfts- oder Einsichtsunfähigkeit zu begründen vermögen (3).

1. Ausgrenzung

rein körperlicher

Behinderungen

Rein körperliche Behinderungen beeinträchtigen weder die Intelligenz noch den Willen, die Affektivität oder den Antrieb. Der grundlegende Unterschied zu den übrigen medizinischen Befundgruppen des § 1896 I 1 besteht folglich darin, daß sich hier die Problematik der Selbstbestimmungsfähigkeit nicht stellt.

2. Sonstige betreuungsrelevante

Funktionsstörungen

Ein Wesensmerkmal psychischer Erkrankungen und geistiger Behinderungen ist es, daß sie die Fähigkeit zu selbstverantwortlichem Entscheiden und Handeln beeinträchtigen können 1 5 0 . Für die Betreuerbestellung kommt es entscheidend darauf an, mit welcher Art, Intensität und Reichweite sich der jeweilige pathologische Zustand auf diese Fähigkeiten auswirkt 1 5 1 . Der Uberblick über die verschiedenen tatbestandlichen Krankheitsbilder hat gezeigt, wie wenig hier pauschalisierende Betrachtungen angebracht sind. Es sind die unterschiedlichsten Symptome möglich, die ihrerseits von unterschiedlichem Einfluß auf die Fähigkeiten des Kranken zur Lebensführung und -bewältigung sein können, was wiederum von den Umständen des Einzelfalls mitbestimmt wird (supra II).

a) Notwendige

Differenzierung

In diesem Sinn können sich all diejenigen Erkrankungen auswirken, welche erhebliche Störungen kognitiver Funktionen (Wahrnehmung, Vorstellung, Konzentration, Gedächtnis und Merkfähigkeit, Lern- und Urteilsfähigkeit) 1 5 2 , der Intelligenz, der Auffassung, der Orientierung, des Realitätsbezugs, des Bewußtseins und des Ich, der Affektivität (emotional-voluntative Funktionen) sowie des Antriebs 1 5 3 bewirken 1 5 4 , doch können dazu im Einzelfall auch beson150 Witter, (Fn. 1) II 958; Böcker in Schmidt/Böcker, RdNr. 558; Nedopil, 3 (Beeinträchtigung kognitiver und voluntativer Fähigkeiten). 151 Ebenso Böcker in Schmidt/Böcker, RdNr. 559; siehe auch supra 1.3 bei Fn. 50 ff. 152 Insgesamt jede Fähigkeit, durch die der Mensch Kenntnis von einem Objekt erhält oder sich seiner Umwelt bewußt wird, d.h. Erkenntnisprozesse im Gegensatz zu emotionalmotivationalen Vorgängen, Plaum in Battegay, Handwörterbuch 254 „Kognitive Diagnostik". 153 Hypothetisches Konstrukt einer für Initiative und Bewegung erforderlichen Grundaktivität des Menschen, die sich z.B. im Bewegungsdrang, der Durchsetzungsbereitschaft und dem allgemeinen Aktivitätsniveau zeigt, Nedopil, 62; es handelt sich dabei um die Kraft hinter

III. Einfluß auf die Selbstbestimmungsfähigkeit

47

ders schwere Beeinträchtigungen der Wahrnehmung eigener Belange und der Lebensführung gehören 155 . Diese Störungen können einzeln oder kumuliert 156 auftreten und mit unterschiedlicher Intensität, zeitlichem Verlauf und gegenständlicher Reichweite verschiedene Fähigkeiten des Kranken, welche für eine selbständige Lebensführung erforderlich sind, einschränken: zu nennen sind die Fähigkeiten von Krankheit unbeeinflußter Willensbildung und -betätigung 157 , vernünftigen und kritischen Abwägens 158 , zielgerichteten Entscheidens und Handelns 159 ; daneben können Antriebsstörungen zur Vernachlässigung von Angelegenheiten und zur Lähmung der Entschlußkraft bis hin zur völligen Inaktivität führen 160 ; schließlich können Psychosen selbstgefährdende Tendenzen auslösen 161 . Vielfach bleiben trotz derartiger Beeinträchtigungen mehr oder weniger große Lebensbereiche, in denen sich die beobachteten Symptome nicht oder bloß eingeschränkt auswirken. b) Typische

Krankheitsbilder

Es werden zwar typisierende Feststellungen zur betreuungsrechtlichen Inzidenz bestimmter Syndrome getroffen, doch ist diesen angesichts der aufgezeigten multifaktoriellen Bedingtheit der Auswirkungen psychischer Störungen auf die Selbstbestimmungsfähigkeit mit Vorsicht zu begegnen.

allen geistig-psychischen und motorisch-körperlichen Aktivitäten des Menschen, Bruder, Gutachten C 36, mithin um eine der fundamentalen Kategorien des Menschen und um ein Kernstück vieler psychiatrischer Krankheitsbilder, Hartwich in Müller, Lexikon 60 „Antrieb und Antriebsstörungen". 154 Ähnlich Jürgens, BtR-Komm. § 1896 RdNr.4; Crefeld (BtPrax 1993, 7 f.) möchte hingegen lediglich auf Störungen des Realitätsbezugs bzw des Ich abstellen. 155 Das kann vor allem bei Neurosen und Psychopathien der Fall sein, unten im Text bei Fn. 170 f. 156 Regelmäßig werden verschiedene Funktionsstörungen bei einer Krankheit oder Behinderung zusammentreffen und sich sogar wechselseitig beeinflussen, Bruder, Gutachten C 35; zu Beispielen siehe supra I.l.c (bei Fn. 100) und 2 (bei Fn. 140); es kann aber auch ein Symptom im Vordergrund stehen, wie gerade Antriebsstörungen bei katatonen Symptomen, dazu nachfolgend im Text. 157 Beeinträchtigt z.B. bei wahnhafter Bestimmung des Willens durch schizophrene Psychosen, supra Il.l.b bei Fn. 86. 158 Betroffen z.B. bei manisch-depressiven Erkrankungen, supra Il.l.b nach Fn. 97. 159 Affektive Schwankungen, wie sie bei einigen schizophrenen Psychosen (supra Il.l.b bei Fn. 88) und bei senilen Demenzen (aaO. c bei Fn. 100 ff.) typisch sind, bewirken schnell wechselnde Einstellungen zu Mitmenschen und Vorhaben und beeinträchtigen dadurch die Fähigkeit zu zielgerichtetem bewußten Handeln, vor allem bei längerfristigen Entscheidungen, Bruder, Gutachten C 36. 160 So zu Antriebsstörungen bei schizophrenen Erkrankungen, Bayerlein in Schmidt/ Böcker, RdNr. 788 f.; bei katatonen Symptomen stehen diese im Vordergrund, ebda., RdNr. 827 f. Eine häufige Betreuungsrelevanz attestiert Bruder (Gutachten C 36 f.) den kaum beeinflußbaren Antriebsstörungen. 161 Vor allem bei depressiven Erkrankungen, z.B. supra Il.l.b nach Fn. 94.

48

§3

Rechtstatsache

psychopathologischer

Funktionsstörungen

Die endogenen Psychosen sollen für Betreuungszwecke die wichtigste Gruppe psychischer Erkrankungen darstellen 162 , die Fülle ihrer Erscheinungsbilder erfordert aber eine differenzierte Zuordnung: aus dem Bereich schizophrener Psychosen werden chronische Krankheiten und paranoide Syndrome hervorgehoben 1 6 3 ; bei manisch-depressiven Erkrankungen ist in beiden Krankheitsphasen mit einem erhöhten Handlungsbedarf zu rechnen, der sich gerade auf den Schutz vor selbstgefährdendem rechtsgeschäftlichen Handeln bezieht 1 6 4 , und dies vor allem in manischen Episoden 1 6 5 . Unter den organischen Psychosen wird den hirnorganischen Psychosyndromen und fortgeschrittenen Demenzprozessen eine besondere Betreuungsrelevanz attestiert 166 . Bei senilen Demenzen und den Abhängigkeitskrankheiten bereitet die Schwankungshäufigkeit der Symptome Probleme. Bei letzteren wird daher die Einschätzung eines Betreuungsbedarfs als besonders schwierig empfunden, solange diese nicht eine chronifizierte Symptomatik ausgebildet haben 1 6 7 . Eine besondere Betreuungsrelevanz weisen die geistigen Behinderungen auf 168 ; in den mittleren und schwereren Graden ist hier zweifellos ein Bedarf nach Betreuung gegeben, wenngleich dessen Reichweite von individuell-situativen Faktoren abhängig ist; Abgrenzungsfragen treten bei den weniger schweren Ausprägungen und insbesondere bei intellektuellen Minderbegabungen 1 6 9 auf. Varianten seelischen Erlebens können nur in seltenen, besonders gravierenden Fällen einen Betreuungsbedarf auslösen 1 7 0 : Bei Neurosen in schweren, chronifizierten Ausprägungen und bei Psychopathien dann, wenn die Defizite im geistig-seelischen und sozialen Bereich den Betroffenen derart auf stereotype Handlungsweisen festlegen, daß er seine Angelegenheiten nicht mehr realitätsgetreu wahrnehmen kann 1 7 1 ; das gilt insbesondere dann, wenn die neurotischen oder psychopathi162 Bruder, Gutachten C 34; rechnet man die Fälle seniler Demenz gesondert, so wird dieser Befund durch die Zahlen von 1995 aus dem Landkreis Saarlouis (supra II.2 bei Fn. 98) bestätigt, wonach es sich bei 137 von 194 psychischen Erkrankungen als Betreuungsanlaß um endogene Psychosen gehandelt habe; Wojnar (BtPrax 1992, 18) meint hingegen, wegen der Fortschritte in Therapie und Versorgung verringere sich die Betreuungsinzidenz dieser Gruppe. 163 Foerster in Venzlaff/Foerster, 604 f.; erstere stellen nur eine kleine Gruppe dar, Bruder, Gutachten C 35. 164 S u p r a I I . l . b b e i F n . 9 4 f f . 165 AaO. bei Fn. 97. 166 Foerster in Venzlaff/Foerster, 604 f. 167 Eingehend dazu, Wetterling ua, (Fn. 110) 86 ff.; für chronische Prozesse bestätigend, im übrigen das Fehlen eindeutiger Kriterien zur Bestimmung des Betreuungsbedarfs anmahnend, Foerster in Venzlaff/Foerster, 605. 168 Im Landkreis Saarlouis (supra II.2 bei Fn. 98) waren sie in 291 von 868 Fällen Anlaß einer Betreuung gewesen. 169 Hier könne je nach Grad der Minderbegabung und ihrer Auswirkungen eine Betreuung zur Regelung einzelner Angelegenheiten in Frage kommen, Foerster in Venzlaff/Foerster, 604. 170 Bruder, Gutachten C 37 (Zwangsneurose); Mattern in Schmidt/Böcker, RdNr. 1040 (zu Zwangsneurosen), RdNr. 1053 (zur Magersucht), RdNr. 1073 (zu einzelnen Persönlichkeitsstörungen); zu weiteren Fällen supra Il.l.e bei Fn. 129 ff. 171 Mattern in Schmidt/Böcker, RdNr. 1073: Vor allem bei querulatorischen, asthenischen

III. Einfluß auf die

Selbstbestimmungsfähigkeit

49

sehen Störungen sich mit weiteren Krankheiten, vor allem mit dementiellen Prozessen, verquicken 172 . Die Bestimmung des Betreuungsbedarfs erweist sich somit bei Menschen mit intellektueller Minderbegabung, Abhängigkeitskrankheiten, beginnender Demenz oder Varianten seelischen Erlebens als besonders problematisch. c) Das Problem

der

Freiwilligkeit

Weitere wichtige Faktoren sind die Stabilität des Willens und dessen Beeinflußbarkeit durch Dritte, gerade wenn es um die vermeintliche Freiwilligkeit von Wünschen und Stellungnahmen des Kranken geht. Hierauf kommt es im Betreuungsrecht an, soweit Wünsche des Betroffenen beachtlich sind173, Maßnahmen von seiner Einwilligung oder Ablehnung abhängen174 oder die Zulässigkeit einer Betreuung gar an seine Zustimmung gekoppelt wird 175 . Die Abgrenzung zwischen eigenem und fremden Willen bereitet in der Psychiatrie Schwierigkeiten 176 . Eine Instabilität des Willens ist für einige Psychosen infolge affektiver Schwankungen typisch 177 . Die Beeinflußbarkeit durch Dritte muß sich auf dem Hintergrund der psychopathologischen Instabilität des Willens abspielen, um die selbstbestimmungsmäßige Qualität von Wünschen des Kranken beeinträchtigen zu können 178 . Eine derartige leichte Beeinflußbarkeit kommt vor allem bei geistig Behinderten infolge ihres geringeren Wissens- und Erfahrungshorizonts 179 und bei senil Dementen wegen affektiver und antriebsmäßiger Störungen 180 vor, wozu häufig die familiäre181 oder institutionelle Versorgung wesentlich beiträgt. Insbesondere bei senil Dementen sind unterschiedliche Anforderungen an die Freiwilligkeit zu stellen, je nachdem ob es sich um befürwortende oder ablehnende Wünsche handelt. Zur positiven Ausrichtung des Willens auf ein Ziel gehört nämlich eine höhere Fähigkeit zur Auseinandersetzung mit diesem als zu einer Ablehnung; hierfür können oder erregbaren Persönlichkeitsstörungen; Foerster (in Venzlaff/Foerster, 604) sieht betreuungsrechtlichen Handlungsbedarf eher bei paranoiden Persönlichkeitsstörungen. 172 Freisleder (supra Il.l.b bei Fn. 86), in einem Gespräch vom 7.10.1997; zum verstärkenden Einfluß weiterer pathologischer Phänomene auf Psychopathien, Mattern, aaO. RdNr. 1071. 173 Dazu sub § 9.II.4.b.bb bei Fn. 182 ff. 174 Bei Eingriffen in seine höchstpersönlichen Rechtsgüter ist die Einwilligung des insoweit Einwilligungsfähigen erforderlich, und gegen einzelne derartige Eingriffe steht selbst dem Einwilligungsunfähigen ein Vetorecht zu, dazu sub § 9, zu ersterem bei II.3, zu letzterem bei I.3.c.aa bei Fn. 49ff. 175 Zu Fällen einer konstitutiven Zustimmung zur Betreuerbestellung sub §11,1.2, III. 176 Pardey, Betreuung 68 f.; speziell zu geistig Behinderten, Lachwitz, FuR 1990, 268; eingehend dazu und zum Nachfolgenden, Bruder, Gutachten 3 8 - 4 0 . 177 Beispiel supra Il.l.b bei Fn. 88. 178 p r e i s l e c l e r i (supra Il.l.b bei Fn. 86), in einem Gespräch vom 7.10.1997. 179 Siehe auch supra II.2 bei Fn. 140. 180 Supra II.l.c bei Fn. 100ff.; näher zum Zusammenhang zwischen einer Reduktion des Antriebs und der Willensfrage, Bruder, Gutachten C 24. 181 Für ältere Menschen, Bruder, Gutachten C 17; ders., N D V 1989, 47.

50

§3

Rechtstatsache

psychopathologischer

Funktionsstörungen

Antriebsminderungen sowie affektive oder stereotype Verhaltensmuster eine Rolle spielen 182 . Bei Kranken mit starken geistigen Einbußen oder Antriebsmängeln ist also eine kritische Prüfung von Zustimmungen oder Ablehnungen angebracht 1 8 3 ; vor allem hinter ersteren kann sich häufig ein bloßes Nachgeben auf entsprechenden Druck des sozialen Umfelds verbergen, dem krankheitsbedingt kein hinreichender Widerstand mehr entgegengebracht werden kann. Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, daß bei einer Reihe psychischer Störungen im Einzelfall sektoral keine Einbußen auftreten oder zwar die Bewältigung bestimmter Angelegenheiten erschwert ist, die intellektuellen Fähigkeiten oder die Willensbildung aber nicht in gleichem Maße eingeschränkt sein müssen; in diesen Fällen können Wünsche des Betroffenen durchaus Ausdruck echter Selbstbestimmung sein.

3. Begründung

rechtlicher

Handlungsunfähigkeiten

Hier ist auf die Geschäfts- und die Einsichtsunfähigkeit als den im Rahmen einer Betreuung wichtigsten Unterarten rechtlicher Handlungsunfähigkeit einzugehen 1 8 4 .

a)

Geschäftsunfähigkeit

Aus psychiatrischer Sicht werden unterschiedliche Leitsyndrome genannt, welche zum Ausschluß freier Willensbestimmung führen sollen: Massive Einschränkungen kognitiv-intellektueller Fähigkeiten oder der Orientierung 1 8 5 , schwere und für den Kranken unüberwindbare Störungen des Realitätsbezugs 1 8 6 sowie insgesamt das Beherrschtsein durch die Krankheit 1 8 7 . In diesem Zusammenhang wird auf die Fähigkeit abgestellt, ein Ziel ins Auge zu fassen, innerlich zu prüfen, was hierfür zweckmäßig ist, und dann dementsprechende Einzelhandlungen bis zur Zielerreichung durchzuführen 1 8 8 . Einige wollen dabei nicht nur die zeitlichen, sondern zum Teil sogar die inhaltlichen Auswirkungen der Funktionsstörung auf die konkrete Handlung berücksichtigen 1 8 9 .

Insgesamt zu dieser Differenzierung Bruder, Gutachten C 39 f. In diese Richtung Bruder, Gutachten C 46. 184 Zu den verschiedenen Arten rechtlicher Handlungsfähigkeit sub § 10.11; zur besonderen Betreuungsrelevanz der Geschäfts- und Einsichtsfähigkeit zusammenfassend sub §11.11.5. 185 Beide benennt Foerster in Venzlaff/Foerster, 611; kombiniert begegnen sie bei Witter, supra 1.1.b bei Fn. 18. 186 Hierauf abstellend, Crefeld, BtPrax 1993, 7. 187 Dieses Kriterium ist offensichtlich ausschlaggebend für Witter, (Fn. 1) II 960: Eine unausweichlich aufgezwungene körperliche Veränderung determiniere die seelischen Vorgänge derartig, daß ein rechtliches Einstehen für das Verhalten sinnlos werde. Auf die im Text benannten Kriterien hat Freisleder (supra Il.l.b bei Fn. 86) in einem Gespräch vom 23.5.1996 abgestellt. 188 Witter, (Fn. 1) II 947. 189 Witter, II 962 f. (am Beispiel manischer Psychosen); Langelüddeke/Bresser (373) räu182

183

III. Einfluß auf die

Selbstbestimmungsfähigkeit

51

T r o t z der multifaktoriellen Bedingtheit der Auswirkungen psychischer Erkrankungen auf die Selbstbestimmungsfähigkeit (supra 1.3) werden häufig S y m ptomkonstellationen benannt, bei denen es typischerweise zur umfassenden oder wenigstens partiellen Geschäftsunfähigkeit k o m m e n soll. Angesichts der hohen rechtlichen Anforderungen an die A n n a h m e der Geschäftsunfähigkeit im R a h m e n der W i r k s a m k e i t s k o n t r o l l e getätigter Rechtsgeschäfte 1 9 0 wird diese regelmäßig nur bei schweren Ausprägungsgraden gegeben sein 1 9 1 . Das soll vor allem bei hochgradigem Schwachsinn, fortgeschrittenen D e m e n z p r o z e s s e n und schweren, chronifizierten P s y c h o s e n der Fall sein; bei N e u r o s e n wird ein A u s schluß der freien Willensbestimmung selbst bei schwerstgestörten Zwangskranken seltenst v o r k o m m e n 1 9 2 und bei schwersten Persönlichkeitsstörungen jedenfalls kaum nachweisbar sein 1 9 3 . A k u t e psychotische oder manische Syndrome und organisch-toxische Bewußtseinsstörungen können je nach D a u e r die Erklärungsunfähigkeit i.S.d. § 105 II oder die Geschäftsunfähigkeit auslösen 1 9 4 . D i e G r e n z z i e h u n g zwischen diesen beiden Parametern fällt bei z y k l o t h y m e n E r k r a n k u n g e n , leichter D e m e n z im Anfangsstadium und flüchtigen Verwirrtheitszuständen schwer, diejenige zwischen Geschäftsfähigkeit und deren N e g a t i o n bei geistigen Behinderungen und schweren Persönlichkeitsveränderungen 1 9 5 . D o m ä n e n der Geschäftsunfähigkeit sind also insbesondere die verschiedenen Arten von P s y c h o s e n , fortgeschrittene D e m e n z p r o z e s s e und schwere Intelligenzdefizite. D i e klinische Erfahrung zeigt, daß die freie W i l lensbestimmung i.S.d. strengen rechtlichen Kriterien bloß bei einem relativ kleinen Teil der K r a n k e n und Behinderten vollständig und umfassend aufgehoben ist 1 9 6 und pathologische Störungen sich häufig lediglich sektoral auswirken. Bei psychisch K r a n k e n tritt die vollständige A u f h e b u n g der Selbstbestimmungsfähigkeit oftmals nur im akuten Stadium ein und liegt bei Einsatz therapeutischer Mittel nur für eng begrenzte Zeit vor 1 9 7 . E i n vollständiger, umfassender und dauerhafter Ausschluß dieser Fähigkeit k o m m t daher nur in seltenen Fällen

men ein, daß auch bei gesicherter Diagnose die Geschäftsfähigkeitsfrage nicht immer ohne Berücksichtigung der Eigenart und Umstände des strittigen Rechtsgeschäfts zu klären sei. 190 Dazu sub § 10.11. l.b.dd bei Fn. 133 f.; zu den demgegenüber geringeren Anforderungen i.R.d. früheren Vormundschaftsrechts sub § 6.III.3.b.aa. 191 Mende in Forster, Praxis der Rechtsmedizin 507; Klüsener, Rpfleger 1989, 220 (nur schwere geistige Beeinträchtigung); Klüsener/Rausch, NJW 1993, 617 (nur bei schwersten Erkrankungen und Behinderungen); in diese Richtung auch Foerster in Venzlaff/Foerster, 611. 192 Nedopil, 124; zum möglichen Betreuungsbedarf bei Zwangskranken, Bruder, C 37. 193 Langelüddeke/Bresser, 369; zur Beschränkung der Prozeßunfähigkeit bei Querulanten auf Fälle, in denen die Fähigkeit zu vernünftigem und rationalen Denken durch einen Wahn oder eine fixe Idee beeinträchtig ist, Nedopil, 135. 194 Mit teils unterschiedlicher Einordnung, Witter in Müller, Lexikon 309 „Geschäftsfähigkeit"; differenzierter als dieser, Foerster in Venzlaff/Foerster, 611; weitergehend als diese, Langelüddeke/Bresser, 371 f. 195 Näher dazu Langelüddeke/Bresser, 372 f. 196 Mende, 12, 27. 197 Mende, 27; zu plötzlich auftretenden Remissionen bei längerdauernden Psychosen supra Il.l.b bei Fn. 90.

52

§3

Rechtstatsache

psychopathologischer

Funktionsstörungen

schwerster Erkrankungen, die einen chronischen und irreversiblen Verlauf nehmen, sowie schwerster Behinderungen in Frage. Eine partielle Geschäftsunfähigkeit wird bei isolierten Wahnbildungen für das speziell durch die Wahninhalte motivierte Denken und Handeln bejaht, sofern die Entscheidungsmöglichkeiten des Betroffenen in anderen Lebensbereichen ungestört bleiben 198 . Sogenannte lichte Augenblicke sind hingegen zurückhaltend anzunehmen 199 . Anerkannt werden sie bei chronisch fortschreitenden Altersabbauprozessen (Durchblutungsstörungen) mit zeitweilig sehr wechselnder psychischer Verfassung, sofern relativ klares Denken bei situationsadäquater Willensbildung feststellbar ist 200 . In lichten Momenten können jedoch eine gewisse Kritikminderung und Urteilsschwäche fortbestehen 201 . Bei längerdauernden klaren Phasen ist die Annahme von Geschäftsunfähigkeit überhaupt fragwürdig202 und sind momentane Defekte allein über § 105 II zu erfassen 203 . Für den Rechtsanwender und Dritte ohne einschlägige Kenntnisse oder Erfahrungen wird es aus den genannten Gründen vielfach schwer sein, zumindest in mittleren und leichteren Fällen psychischer Krankheiten und geistiger oder seelischer Behinderungen festzustellen, ob ihr Gegenüber frei von pathologisch bedingten Einschränkungen der Fähigkeit zur Selbstbestimmung handelt, und diese Schwierigkeiten erhöhen sich noch bei uneinheitlichem oder gar episodischem Krankheitsverlauf. b)

Einsicbtsfähigkeit

Die Einsichtsfähigkeit setzt nach neuen Erkenntnissen eine am Nutzen des Betroffenen orientierte vernünftige Abwägung und Erfassung der relevanten Entscheidungsfaktoren voraus 204 . Die hierfür aufgestellten Kriterien ähneln denen Witters zur Feststellung freier Willensbildung 205 ; er meint denn auch, beide Fähigkeiten würden „unter ähnlichen Gesichtspunkten geprüft" 206 . Es entspricht jedoch psychiatrischer Erkenntnis, daß die Einsichtsfähigkeit jedenfalls im Zusammenhang mit der Einwilligung in ärztliche Maßnahmen in Abhängigkeit sowohl von der Ausprägung des jeweiligen psychopathologischen Befundes als auch von der Komplexität der jeweils einzuwilligenden Maßnahme zu

Witter in Müller, Lexikon 309 „Geschäftsfähigkeit"; Foerster in Venzlaff/Foerster, 611. Mende in Forster, Praxis der Rechtsmedizin 507; Langelüddeke/Bresser, 371; neuerdings zu Dementen, Nedopil, 77 f. 200 Witter in Müller, Lexikon 309 „Geschäftsfähigkeit"; ähnlich Nedopil, 78. 201 Langelüddeke/Bresser,i7\. 202 Mende in Forster, Praxis der Rechtsmedizin 507. 2 0 3 Zu dabei auftretenden Abgrenzungsproblemen zur Geschäftsunfähigkeit, Langelüddeke/Bresser, 372. 2 0 4 Sub § 10.III.3.c. 2 0 5 SupraabeiFn. 188. 206 Witter, II 957. 198 199

III. Einfluß auf die

Selbstbestimmungsfähigkeit

53

beurteilen ist 2 0 7 . Sie kann im Einzelfall für einfachere Sachverhalte vorliegen und für schwierigere fehlen 2 0 8 oder für medizinische M a ß n a h m e n im Z u s a m m e n hang mit den psychopathologischen F u n k t i o n s s t ö r u n g e n des B e t r o f f e n e n zu verneinen und für sonstige medizinische Behandlungen dagegen zu bejahen sein 2 0 9 . Zahlreiche S y m p t o m e k ö n n e n die hierfür maßgeblichen Teilfähigkeiten aut o n o m e r Wertung, zum E r k e n n e n von Tatsachen und Kausalverläufen und zur Konfliktlösung auf G r u n d persönlicher Wertung beeinträchtigen 2 1 0 ; insbesondere ist das Fehlen der Krankheitseinsicht Wesensmerkmal einer Reihe von P s y chosen 2 1 1 und bei den Abhängigkeitskrankheiten 2 1 2 . Teilweise decken sich diese S y m p t o m e mit denjenigen, welche die Geschäftsunfähigkeit auslösen k ö n nen 2 1 3 ; ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings darin, daß die Einwilligungsfähigkeit sogar bei M e n s c h e n mit P s y c h o s e n , O l i g o p h r e n i e n und D e m e n zen im Einzelfall bejaht werden kann 2 1 4 . U m g e k e h r t brauchen S y n d r o m e mit typischerweise fehlender Krankheitseinsicht keine die Geschäftsunfähigkeit begründenden Störungen zu entwickeln.

207 Nedopil, 35 f.; Foerster in Venzlaff/Foerster, 607; zur entsprechenden rechtlichen Sichtweise sub § 10.II.3.b.aa.(3). 208 Foerster in Venzlaff/Foerster, 607. 209 Ebenso Kern, MedR 1993, 245 ff. (247). 210 Dazu eingehend, Nedopil, 36 m.w.N. 211 Das gilt insbesondere für die endogenen Psychosen, supra Il.l.b bei Fn. 80; zu Beispielen bei organischen Psychosen aaO. a bei Fn. 76. 212 Dazu supra Il.l.d bei Fn. 118. 213 Vergleiche die nach der Vornote einschlägigen Störungen mit den supra a aufgeführten. 214 Nedopil, 36.

§ 4 Verfassungsrechtlicher Rahmen Die Bestellung eines Betreuers sowie die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts stellen nicht nur Hilfen für die Betroffenen dar, sondern schränken zugleich deren Rechte ein. Es besteht also ein Spannungsfeld zwischen dem Fürsorgeauftrag des Staates und dem Selbstbestimmungsanspruch der Fürsorgebedürftigen (I). In diesem Zusammenhang sind einige Grundfragen der Grundrechtsgeltung im Betreuungsrecht zu erörtern (II). Unter diesen verdient der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Schranke für betreuungsrechtliche Eingriffe in Grundrechte der Betreuten besondere Aufmerksamkeit (III), zumal er vom Gesetzgeber zu einem Grundprinzip der Betreuung deklariert wird 1 . Schließlich ist auf Stellungnahmen des Bundesverfassungsgerichts zum früheren Vormundschaftsrecht einzugehen, soweit diese sich zur Beantwortung unserer Fragestellung verwerten lassen (IV).

I. Spannungsfeld zwischen staatlichem Schutzauftrag und Achtung der Selbstbestimmung Bei der Regelung der Fürsorge für psychisch kranke, geistig oder seelisch behinderte Erwachsene steht der Gesetzgeber in einem Spannungsfeld zwischen sozialstaatlichen und grundrechtlichen Schutzpflichten auf der einen (1) und der Achtung der Selbstbestimmung der Betroffenen als einem Grundwert der Verfassung auf der anderen Seite (2). 1. Schutzauftrag

des

Staates

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt anerkannt, daß die Fürsorge für psychisch Kranke und geistig oder seelisch Behinderte eine staatliche Aufgabe der öffentlichen Wohlfahrt ist, deren Grund im öffentlichen Interesse an der Fürsorge für den Schutzbedürftigen liege2. Es hat daher die bisherigen Fürsorgeinstitute der Erwachsenenvormundschaft und der Gebrechlichkeitspfleg1

Sub §9.111. BVerfG 10.2.1960, B V e r f G E 10,302 (311); 1.7.1980, B V e r f G E 54, 251 (268 f.), w o b e i sich in diesen E n t s c h e i d u n g e n der Bezug auf den angesprochenen P e r s o n e n k r e i s aus d e m Z u s a m m e n h a n g zur V o r m u n d s c h a f t ergibt; in diese R i c h t u n g u n t e r ausdrücklicher B e z u g n a h m e auf psychisch Kranke, 7.10.1981, B V e r f G E 58, 208 (225). 2

I. Staatlicher

Schutzauftrag

und Achtung

der Selbstbestimmung

55

schaft als herkömmliche Schutzeinrichtungen bestätigt 3 . Als Grundlage für diesen Schutzauftrag nennt das Gericht den Sozialstaatsgedanken aus Art. 20 I, 28 G G 4 . Dieser schaffe eine allgemeine Fürsorgepflicht des Staates für Hilfsbedürftige, die wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen an ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung gehindert sind, und verpflichte i.V.m. der Menschenwürdegarantie des Art. 1 I G G zur Gewährleistung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein und die soziale Integration der Betroffenen 5 . Für Behinderte erfährt dieser Schutzauftrag eine gewisse Verstärkung durch das in Art. 3 I I I 2 G G neu eingefügte spezielle Diskriminierungsverbot 6 . Darüber hinaus kann sich für einzelne Fragestellungen der Fürsorge ein Schutzauftrag des Gesetzgebers aus den jeweils betroffenen Grundrechten ergeben (sub II.2): Als Beispiel läßt sich die Forderung nach einem normativen Kernbereich der rechtfertigenden Einwilligung bei ärztlichen Heileingriffen nennen, die aus Art. 11, Art. 2 I, II 1 G G abgeleitet wird 7 . Insgesamt genießt der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Fürsorge einen Gestaltungsspielraum hinsichtlich ihrer F o r m und der Festlegung des Kreises der Anspruchsberechtigten 8 . Diese verfassungsrechtliche Thematik kann hier nicht vertieft werden. J e denfalls läßt sich ein staatlicher Schutzauftrag im Bereich der Betreuung konstatieren, dem ein Anspruch des vom Gesetzgeber in Ubereinstimmung mit diesem Auftrag definierten Personenkreises gegenübersteht 9 ; die Betreuung erscheint somit als soziale Hilfeleistung des Staates an den Hilfsbedürftigen 1 0 .

2. Der Grundgedanke

der

Selbstbestimmung

Kernproblem dieser Arbeit ist es, die Schwelle für den Eintritt zulässiger Fremdbestimmung über Erwachsene mit eingeschränkter Selbstbestimmungsfähigkeit zu ermitteln. Damit kommt dem Gedanken der Selbstbestimmung im Recht maßgebliche Bedeutung zu. D e r Begriff der individuellen Selbstbestimmung bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch „die Möglichkeit und die Fähigkeit, frei dem eigenen Willen gemäß zu handeln und die Gesetze, N o r m e n

Dazu sub IV.l.a bei Fn. 163. BVerfG 7.10.1981, (Fn. 2) aaO. 5 BVerfG 18.6.1975, BVerfGE 40, 121 (133). 6 Eingefügt durch Gesetz zur Änderung des G G v. 27.10.1994, B G B l 13146; näher zu diesem Diskriminierungsverbot und sich daraus ergebenden Pflichten des Gesetzgebers, Scholz in Maunz/Düng, Art. 3 III G G RdNr. 173 ff. 7 So das Minderheitsvotum in der Entscheidung zum Arzthaftungsrecht, BVerfG 25.7.1979, BVerfGE 52, 173 ff.; dazu sub § 8.II.2.c.aa in Fn. 91. 8 Zur Ausgestaltung staatlicher Fürsorge, BVerfG 18.6.1975, (Fn.5) aaO.; zum weiten Gestaltungsspielraum des Zivilgesetzgebers bei der Konkretisierung grundrechtlicher Schutzpflichten bzw der dadurch aufgestellten objektiven Wertordnung, sub II.2.a bei Fn. 45. 9 MünchKomm-Sc/jifai', § 1896 RdNr. 1; Staudinger-Bienwald, RdNr. 5; Zenz/v. Eicken/ Ernst/Hofmann, 36; siehe auch sub § 9.1.4. 10 Das ist inzwischen allgemein anerkannt, statt aller MünchKomm-Schwab, supra Vornote; Staudinger-Bienwald, § 1896 RdNr. 3. 3 4

56

§ 4 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

und Regeln des Handelns selbstverantwortlich zu e n t w e r f e n " 1 1 . D e r darin verkörperte G e d a n k e prägte schon das Bürgerliche G e s e t z b u c h von 1896 (a) und liegt dem Menschenbild des Grundgesetzes v o n 1949 zu G r u n d e (b).

a) Im Bürgerlichen

Recht

Bereits das B G B von 1900 basiert auf der Vorstellung v o m M e n s c h e n als einem auf Selbstbestimmung angelegten Individuum 1 2 , das grundsätzlich die Möglichkeit hat, seine Lebensverhältnisse frei und verantwortlich selbst zu gestalten, sich Ziele zu setzen und selbst Schranken aufzuerlegen 1 3 ; daraus resultiert zugleich als Kehrseite die Verantwortung für die F o l g e n selbstbestimmten H a n d e l n s 1 4 . Seinen wesentlichen Ausdruck findet der Selbstbestimmungsgedanke in der Privatautonomie als der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen 1 5 . D a s Gegenteil von Selbstbestimmung ist die F r e m d b e s t i m m u n g 1 6 ; diese äußert sich darin, daß der einzelne seine Lebensverhältnisse nicht in eigener Verantwortung regeln kann, weil die Wahrnehmung seiner Interessen staatlich geregelt oder von D r i t t e n v o r g e n o m m e n wird oder er dem Einfluß D r i t t e r unterliegt. Grundlage echter Selbstbestimmung ist mithin neben dem Fehlen einer F r e m d b e s t i m m u n g ein freier Wille, und dieser setzt jedenfalls für die wirksame Vornahme von Rechtsgeschäften die Fähigkeit zur Selbstbestimmung voraus 1 7 . M i t den Instrumenten der Vormundschaft und jetzt der Betreuung hat der Zivilrechtsgesetzgeber auf die Rechtstatsache reagiert, daß bei E r w a c h s e n e n mit psychischen Störungen die Selbstbestimmungsfähigkeit eingeschränkt sein kann. D a h e r sieht das Bürgerliche R e c h t die M ö g l i c h k e i t vor, die fehlende Selbstbestimmungsfähigkeit solcher Personen durch die Beiordnung eines mit R e c h t s m a c h t ausgestatteten Fürsorgers zu kompensieren 1 8 . A u f der anderen Seite ist sich der Zivilrechtsgesetzgeber schon vor dem Grundgesetz dessen bew u ß t gewesen, daß damit eine F r e m d b e s t i m m u n g des Fürsorgebedürftigen verSo die Definition in Brockhaus, Enzyklopädie X X 87. Das Menschenbild des BGB ist stark durch christliche Vorstellungen und die deutsche idealistische Philosophie geprägt, allen voran von den rechtsphilosophischen Gedanken Kants, dazu Larenz, Richtiges Recht 45-48, sowie Wieacker, Privatrechtsgeschichte 375 f.; zum Einfluß Kants auf die zivilistische Theorie des 19. Jahrhunderts, Bürge, Französisches Privatrecht 43, sowie eingehend, Kiefner, 3 ff. 13 Nach Larenz/Wolf, AT §2 RdNr.2; siehe auch, Staatslexikon, IV 1150 „Selbstbestimmungsrecht"; von einem anthropologischen Standpunkt aus ähnlich, Henkel, 258 f., 265 f. jeweils m.w.N., sowie bereits, F. von Hippel, Privatautonomie 79. 14 Canaris, Vertrauenshaftung 433; Henkel, 268; Flume, AT II § 4 Nr. 8; Larenz, Richtiges Recht 46 f.; M. Wolf, Entscheidungsfreiheit 81 f. 15 Flume, AT II § 1, 1. 16 Frotz, 402: Privatautonomie als Mangel fremder Einwirkung in der Gestaltung von Rechtsverhältnissen. 17 Flume, AT II §13 Nr. 1; als grundlegende Zurechnungsvoraussetzung bezeichnet von Frotz, 469; dazu näher sub § 10.1.3.a. 18 Zusammenfassend zur historischen Entwicklung bis zum Betreuungsrecht, sub § 7.II. 11

12

I. Staatlicher

Schutzauftrag

und Achtung der Selbstbestimmung

57

bunden ist, welche diesen der Gefahr mißbräuchlicher Machtausübung aussetze; demgemäß hat der Gesetzgeber das Wohl des Mündels zum Leitgedanken der Fürsorge gemacht und in diesem Sinne die Amtsführung des Vormundes reglementiert und der übergeordneten Aufsicht des Vormundschaftsgerichts unterstellt 19 . b) Im

Grundgesetz

Nach den leidvollen Erfahrungen der jüngeren deutschen Vergangenheit hat das Grundgesetz den Gedanken der individuellen Selbstbestimmung verstärkt aufgegriffen und die Würde des Menschen in seiner Unverwechselbarkeit und Subjekthaftigkeit zum Ausgangspunkt der in den Grundrechten neu formulierten Freiheitsrechte und damit zum obersten Konstitutionsprinzip des Rechts gemacht 20 . Zum Menschenbild des Grundgesetzes21 gehört gerade die Selbstbestimmung des einzelnen, und dieser Gedanke prägt damit die einzelnen Freiheitsgrundrechte22. Diese verpflichten den Gesetzgeber zur weitgehenden Achtung des Selbstbestimmungsrechts des einzelnen, im Rahmen der hierfür jeweils geltenden Grenzen (sub II.3.a). Kommt dem Selbstbestimmungsrecht als Bestandteil der durch die Grundrechte aufgerichteten objektiven Wertordnung somit ein hoher Stellenwert in der Rechtsordnung zu 23 , so gilt dies auch für Menschen mit psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen, weil diese sich ebenfalls auf den grundrechtlichen Schutz berufen können (sub II. 1). Dies äußert sich darin, daß diese Menschen als Träger eigener Menschenwürde nicht zum Objekt der Fürsorge gemacht werden dürfen 24 . Zwischen dem Auftrag, das Selbstbestimmungsrecht dieses Personenkreises zu achten, und dem Fürsorgeauftrag des Staates besteht also ein Spannungsverhältnis: Das Gewicht des Freiheitsanspruchs der Betroffenen kann nicht losgelöst von ihrer eingeschränkten Fähigkeit zu selbstbestimmtem Entscheiden und Handeln gesehen werden, und diese ist zugleich Anlaß für das Greifen staatlicher Fürsorge 25 ; auf der anderen Seite tangiert die Bestellung des mit gesetzli19 Zur Geltung des Wohlgedankens im früheren Vormundschaftsrecht des B G B sub § 6-I.l.c sowie allgemeiner supra §2.1.1; genauer dazu für das Betreuungsrecht supra §2.11.2, b bei Fn. 81 und c bei Fn. 98 sowie sub § 9.II.4. 20 Dürig in Maunz/Dürig, Art. 1 G G RdNr.4, 14; in Anlehnung an, BVerfG 16.1.1957, BVerfGE 6, 32 (36). 21 Näher dazu statt aller, Starck, J Z 1981, 457, 459-461. Danach gingen entscheidende Anstöße aus vom Menschenbild der christlichen Lehre, wonach der Mensch als Ebenbild Gottes (Genesis, 1, 27; Jesus Sirach, 15, 16; Eph., 4, 24) einen unverfügbaren Eigenwert besitzt, von Gedanken der Antike und der Aufklärung, die mehr die Vernunft und den freien Willen des Menschen betonen, vor allem aber von der Auffassung Kants von der Autonomie der sittlich handelnden Person, zu letzterem auch, Badura, JZ 1964, 337 (339 f.). 22 Von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 G G RdNr. 7. 2 3 Zu den Grundrechten als objektiver Wertordnung sub 11.2.a. 2 4 Dies läßt sich aus der entsprechenden Stellungnahme des BVerfG zum Eltern-KindVerhältnis folgern, 13.5.1986, (Fn. 170) 172, siehe auch sub IV.l.b am Anf. 2 5 In diesem Sinn vor allem BVerfG 7.10.1981, (Fn. 2) 225; dazu näher sub § 11.1. l.a.

58

§ 4 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

eher Vertretungsmacht und weiteren Fremdbestimmungsbefugnissen ausgestatteten Betreuers das Selbstbestimmungsrecht des zu Betreuenden, vor allem, wenn sie gegen oder ohne seinen Willen erfolgt 2 6 . Bei der Ausgestaltung der Fürsorge ist der Staat daher aufgerufen, aus der Durchführung der Fürsorge sich ergebende Gefahren mißbräuchlicher Machtausübung zu minimieren, eine übermäßige Fremdbestimmung zu vermeiden und den Betroffenen Freiräume nach Maßgabe der ihnen verbliebenen Selbstbestimmungsmöglichkeiten zu belassen. Als Begrenzungsfaktor für das Sorgerecht des Fürsorgers anerkennt das Bundesverfassungsgericht das Mündelwohl, und dieses bildet gleichermaßen die Grundlage für die vormundschaftsgerichtliche Aufsicht über die Machtausübung des Fürsorgers zum Zwecke der Mißbrauchskontrolle 2 7 ; gegen einen übermäßigen Einsatz des Fürsorgemittels soll gerade der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz helfen 2 8 , und aus diesem leitet sich ein nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessender Freiraum für den Kranken oder Behinderten ab, in dem sein Freiheitsanspruch nach der Beachtung seines Willens verlangt 2 9 .

II. Allgemeine Aspekte der Grundrechtsgeltung im Rahmen des Betreuungsrechts Hier ist zu prüfen, inwieweit der vom Betreuungsrecht angesprochene Personenkreis sich überhaupt auf seine Grundrechte berufen kann (1), diese im Betreuungsrecht beachtlich (2) und durch oder auf Grund Gesetzes einschränkbar sind (3).

1.

Grundrechtsmündigkeit

Im Vorfeld des Betreuungsgesetzes wurde die Frage nach einer besonderen Grundrechtsmündigkeit psychisch Kranker oder Behinderter aufgeworfen 3 0 . Diese meint eine spezielle Ausübungsfähigkeit von Grundrechten im Gegensatz zu der jedermann zustehenden Trägerschaft; problematisiert wird sie vorwie-

26 Dies hat das BVerfG für die frühere Zwangspflegschaft festgestellt, sub IV.2.a; siehe auch seine vergleichbare Feststellung zur Vertretungsmacht der Eltern, sub IV.l.b und 2.b. 27 BVerfG 10.2.1960, (Fn.2) 324; zum Wohl als Begrenzungsfaktor des elterlichen Sorgerechts auch BVerfG 13.5.1986, sub IV.2.b. 28 Dies klingt bereits an in BVerfG 29.6.1965, (sub IV.2.a Fn. 179), sowie in BVerfG 7.10.1981, nf. Fn.; siehe auch BVerfG 9.3.1988, (sub IV.2.C bei Fn. 187) zur Unverhältnismäßigkeit des § 687 a.F. ZPO; zur Begrenzungsfunktion des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes allgemein sub II.3.a, III, sowie speziell für die Betreuerbestellung (sub §9.111.3) und die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts (sub § 13.11). 29 Dies läßt sich herauslesen aus BVerfG 7.10.1981, (Fn. 2) 225 f.; eingehend dazu sub § 11, insb bei 1.1. 30 So von Lachwitz, DAV 1989, 344 f.; R.Lempp, Beiträge 8 f.; Pardey, Betreuung 71 ff., die einer speziellen Grundrechtsmündigkeit für Betreute jedoch ablehnend gegenüberstehen.

II. Allgemeine

Aspekte

der

Grundrechtsgeltung

59

gend für das Eltern-Kind-Verhältnis wegen der in Art. 6 G G zum Ausdruck kommenden Spannungslage31. Zwar surrogiert der Betreuer ebenso wie die Eltern Selbstbestimmungsdefizite des Schutzbefohlenen, doch ist Art. 6 G G auf das Verhältnis zwischen Betreuer und Betreutem nicht anwendbar 32 . Mit dem Bundesverfassungsgericht ist also davon auszugehen, daß Eingriffe in die Freiheitsrechte psychisch Kranker und Behinderter ebenfalls an den Grundrechten zu messen sind 33 , und zwar unabhängig von ihrer Geschäftsfähigkeit 34 . Soweit Grundrechte kein besonderes Mündigkeitsalter festlegen, läßt sich eine auf ein bestimmtes Alter begrenzte Grundrechtsmündigkeit aus dem Grundgesetz nicht begründen 35 .

2. Die Geltung der Grundrechte

im

Betreuungsrecht

In der vorbereitenden Diskussion um eine Reform des früheren Vormundschaftsrechts des B G B wurde dem ehemals vernachlässigten Thema der Geltung der Grundrechte Bevormundeter gegenüber dem Staat und ihrem Vormund große Aufmerksamkeit gewidmet. Erörtert wurde im Hinblick auf die privatrechtliche Ausgestaltung des Betreuungsverhältnisses die Frage der Geltung an sich 36 ; als Ausweg will vor allem Pardey das Betreuungsrecht insgesamt dem öffentlichen Recht zuschlagen 37 , außerdem versucht er, dessen Konturen unter Überdehnung einzelner Aussagen des Bundesverfassungsgerichts fast vollständig aus der Verfassung abzuleiten 38 . Die Frage der Grundrechtsgeltung im Betreuungsrecht läßt sich jedoch nicht durch die bloße Qualifikation dieses Rechtsinstituts beantworten 39 , denn nach überwiegender und richtiger Ansicht wird von einer Gemengelage privat- und öffentlichrechtlicher Elemente ausgegangen40, wenngleich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die öffentlichrechtliche Seite betont 41 . Eingehend dazu, Dürig in Maunz/Dürig, Art. 19 III G G RdNr. 17-28. Selbst wenn der Vormund ein Familienmitglied des Schutzbedürftigen sei, so sei er in dieser Funktion Vertrauensperson des fürsorgenden Staates, BVerfG 10.2.1960, (Fn.2) 328. 33 Zum Grundrecht der Fortbewegungsfreiheit aus Art. 2 II 2 G G ausdrücklich, BVerfG 10.2.1960, (Fn.2) 309; 7.10.1981, (Fn. 2) 224; BayVerfGH 7.10.1992, N J W 1993,1520; zum Betreuungsgesetz bestätigend, L G Berlin 28.4.1992, BtPrax 1992, 71. Zur Menschenwürde des Geisteskranken alten Rechts siehe auch, Dürig in Maunz/Dürig, Art. 1 I G G RdNr. 20. 34 Die vorzitierten Entscheidungen des BVerfG und BayVerfGH; anders noch B G H 22.3.1961, B G H Z 35, 1 (9). 35 Von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 G G RdNr. 163; Hesse, Grundzüge RdNr. 285. 36 Z.B. Lachwitz, DAV 1989, 345 f.; sowie besonders ausgeprägt, Pardey, Betreuung 34 f. und im weiteren Verlauf dieser Monographie. 37 In Betreuung 23-27, 34: Der Betreuer sei mit der öffentlichen Aufgabe der öffentlichen Fürsorge und Wohlfahrtspflege beliehen; in diesem Sinn auch ders., FamRZ 1989,1033 f. 38 In seiner Monographie, Betreuung; für unklar sowie sprachlich und gedanklich unausgereift hält auch Holzhauer (ZRP 1989, 452-455, insb 452 Fn.7) diese Ausführungen. 39 Ähnlich, Riedl, 58. 40 Ausdrücklich gegen Pardey, Holzhauer, ZRP 1989, 452-454; zur gemischten Rechtsnatur der Vormundschaft, Gernhuber/Coester-Waltjen, §71 1 2 ; MünchKomm-Sc^i£>, Vor 31

32

60

§ 4 Verfassungsrechtlicher

a) Die strittige Grundrechtswirkung

im

Rahmen

Privatrecht

Inwieweit die G r u n d r e c h t e auf die Regelung der Rechtsverhältnisse Privater einwirken, ist strittig 4 2 . Zunächst ist festzuhalten, daß der Gesetzgeber auch auf dem G e b i e t des Privatrechts der Grundrechtsbindung des A r t . 1 I I I G G unterliegt 4 3 . Zudem ist anerkannt, daß die G r u n d r e c h t e neben ihrer primären A b wehrfunktion gegen staatliche Eingriffe eine objektive Wertordnung aufrichten, „die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des R e c h t s gilt und Richtlinien und Impulse für Gesetzgebung, Verwaltung und R e c h t s p r e c h u n g g i b t " 4 4 . N e u e r e Ansätze leiten aus den G r u n d r e c h t e n Schutzpflichten des Staates ab, jene bestmöglich zu verwirklichen, und erlegen diese in erster Linie dem Gesetzgeber auf 4 5 . Das A u s m a ß der grundrechtlichen Schutzpflichten hängt davon ab, inwieweit bei dem zu regelnden Lebenssachverhalt G r u n d r e c h t e beschränkt werden. Bei privatrechtlichen Sachverhalten geht es regelmäßig u m den Ausgleich widerstreitender Interessen Privater, denen kollidierende grundrechtliche Positionen entsprechen, zwischen denen der G e s e t z geber abzuwägen hat; solange die Privatgesetze hier die Selbstbestimmung der Beteiligten ermöglichen, ist ein korrigierender R ü c k g r i f f auf die G r u n d r e c h t e unnötig 4 6 . Bezüglich der A r t und Weise der U m s e t z u n g dieser Schutzpflichten steht dem G e s e t z g e b e r im R a h m e n dieser Vorgaben ein weiter Beurteilungsund Gestaltungsspielraum zu 4 7 . Erst in zweiter Linie ist der R i c h t e r bei der A n wendung und Auslegung von Zivilgesetzen verpflichtet, diese Schutzpflichten 4 8 b z w die Ausstrahlung der objektiven Wertordnung, welche durch die G r u n d rechte statuiert wird 4 9 , zu beachten; Einfallstore hierfür sind insbesondere die unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklauseln 5 0 . D a b e i darf der R i c h t e r v o m G e s e t z g e b e r getroffene Konkretisierungen grundrechtlicher Schutzpflich-

§1773 RdNr. 15-21, sowie ausdrücklich zur Betreuung ebda., RdNr.20; Staudinger-Engler, Vorbem. zu §§ 1773 ff. RdNr. 12-15 m.w.N.; vertiefend dazu, Riedl, zusammenfassend 156. 41 Ganz deutlich in BVerfG 10.2.1965, (Fn.2) 311 f.; zurückhaltender dagegen 7.10.1981, (Fn. 2) 225: auch Elemente öffentlicher Fürsorge. 42 Eingehend zum Streitstand, von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 GG RdNr. 191-200; von Münch in von Münch/Kunig, Vorbem. Art. 1-19 GG RdNr. 28-36. 43 Jarass/Pieroth, Art. 1 GG RdNr. 23; Badura, Staatsrecht RdNr. C 23; Hesse, Grundzüge RdNr. 355; ebenso für die Bindung an die objektive Wertordnung der Grundrechte, BVerfG 7.2.1990, BVerfGE 81, 242 (254). 44 BVerfG 25.2.1975, BVerfGE 39, 1 (41); näher dazu, von Münch in von Münch/Kunig, Vorbem. Art. 1-19 GG RdNr. 22 m.w.N. 45 Dazu sowie zum Nachfolgenden, Hesse, Grundzüge RdNr. 350; Hermes, NJW 1990, 1764 ff. (1765, 1767 f.). 46 Hesse, Grundzüge RdNr. 356; in diese Richtung auch, Jarass/Pieroth, Art. 1 GG RdNr. 24. 47 Die in den beiden Vornoten Genannten, jeweils aaO. 48 Hermes, NJW 1990, 1768. 49 Hesse, Grundzüge RdNr. 356. 50 St Rspr, neuerdings BVerfG 7.2.1990, (Fn.43) 256.

II. Allgemeine

Aspekte

der

Grundrechtsgeltung

61

ten nicht „im Durchgriff auf Grundrechte oder ... eigene Abwägungen korrigieren" 5 1 . b) Der Sonderfall

der zivilrechtlichen

Fürsorge

Bei der zivilrechtlichen Fürsorge für Minderjährige oder betreuungsbedürftige Erwachsene geht es allerdings nicht um die klassische Thematik der Privatautonomie, vielmehr wird dieser Personenkreis von Gesetzes wegen einer Fremdbestimmung unterworfen, indem die Betroffenen selbst gegen ihren Willen einen gesetzlichen Vertreter erhalten; und dieser kann seinen Schützling nicht nur rechtsgeschäftlich binden, sondern sogar Maßnahmen veranlassen, welche höchstpersönliche Rechte des Schützlings berühren 5 2 . Hier kommt es also zu Situationen der Über- und Unterordnung, welche an das öffentliche Recht erinnern 53 . So hat denn auch das Bundesverfassungsgericht die gesetzlichen Regelungen der elterlichen Sorge wie der Vormundschaft wiederholt direkt an den Grundrechten der Schutzbedürftigen gemessen (sub IV). Nichts anderes kann für das Betreuungsrecht gelten: Soweit dieses eine Fremdbestimmung über den zu Betreuenden oder Betreuten ermöglicht, liegt die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers und die entsprechende Ausstrahlung auf die Rechtsanwendung auf der Hand. Die grundrechtlichen Schutzpflichten verstärken sich in dem Maße, wie Betreuungsmaßnahmen die Betroffenen in ihrem Persönlichkeitskern berühren. Darunter sind Ausprägungen der Menschenwürde zu verstehen, welche deren elementare rechtliche Voraussetzungen schützen; dazu gehören die in Art. 2 II G G verbürgten Lebens-, Integritäts- und Freiheitsrechte 5 4 , das allgemeine Persönlichkeitsrecht 5 5 sowie die Freizügigkeit i.S.d. Art. 11 G G , die ebenfalls eine elementare Voraussetzung personaler Lebensgestaltung gewährleistet 56 . Soweit es dagegen um die Regelung privatrechtlich er Beziehungen zwischen Betreuer und Betreutem geht, wie dies bei den wechselseitigen schuldrechtlichen Ansprüchen der Fall ist, vermindert sich die grundrechtliche Relevanz^7. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des Betreuungsrechts weitgehend versucht, der Bedeutung tangierter Grundrechte der zu Betreuenden gerecht zu werden. Besonders deutlich zeigt sich dies in der Inkorporierung des Verhält51

Hesse, G r u n d z ü g e R d N r . 355. Zusammenfassung solcher Betreuungsmaßnahmen sub § 8.IV.3 a.E. 53 In diese Richtung geht letztlich auch die Argumentation in BVerfG 10.2.1965, (Fn. 2) 311 f., 324 f. 54 Hesse, G r u n d z ü g e R d N r . 363. 5 5 Dieses schützt konstituierende Elemente der Persönlichkeit, indem es im Lichte der Menschenwürde des Art. 1 I G G die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen gewährleistet, BVerfG 3.6.1980, B V e r f G E 54, 148 (153). 56 Hesse, G r u n d z ü g e R d N r . 371. 5 7 Zu diesen Ansprüchen sub § 8.1 bei Fn. 7; allerdings kann die Regelung der A u f w a n d s entschädigung und Vergütung des Betreuers dessen Grundrechte aus Art. 3 I und 12 I G G tangieren, siehe BVerfG 1.7.1980, (Fn. 2) 270 ff. 52

62

§ 4 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

nismäßigkeitsgrundsatzes als Begrenzungskriterium für den Betreuungseinsatz 5 8 , in der grundsätzlichen Beachtlichkeit des Willens selbst geschäftsunfähiger Betreuter 5 9 sowie in den umfangreichen verfahrensrechtlichen Garantien 6 0 . Allerdings ist der Gesetzgeber vereinzelt auch Antworten auf grundrechtliche Schutzpflichten schuldig geblieben. Als markante Beispiele eines gesetzgeberischen Unterlassens seien die Befugnisse des Betreuers, gegen den Willen des Betreuten dessen Wohnung zu betreten oder zu durchsuchen oder ihn in ein offenes Heim zu verbringen, genannt 6 1 .

3.

Grundrechtsbeschränkungen

N a c h einem kurzen Blick auf die allgemeine Schrankensystematik (a) ist auf die Frage einzugehen, inwieweit sich Beschränkungen außerdem aus einem Sonderstatusverhältnis (b) oder aus einem entsprechenden Verzicht des Grundrechtsinhabers (c) ergeben können.

a)

Schrankensystematik

Grundrechte können in zulässiger Weise beschränkt werden 6 2 . Einschränkungen ergeben sich zunächst aus dem durch Auslegung zu ermittelnden Schutzbereich, sodann aus den ausdrücklichen oder immanenten Schranken des jeweiligen Grundrechts; eine allgemeine Auslegungsregel im Sinn eines in dubio pro libertate besteht nicht. Soweit die Grundrechte danach beschränkbar sind, gilt dies nicht grenzenlos, vielmehr unterliegen diese Schranken ihrerseits Schranken durch rechtsstaatliche Garantien. Derartige Schranken-Schranken ergeben sich aus Art. 19 I, II, Art. 79 III G G , dem Bestimmtheitsgebot sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 6 3 .

b) Beschränkungen

in

Sonderstatusverhältnissen

Für verschiedene Rechtsverhältnisse, die eine besondere Beziehung des einzelnen zum Staat begründen, wie die der Beamten, Soldaten, Schüler und Strafgefangenen, wurde früher die Meinung vertreten, innerhalb derartiger besonderer Gewalt- oder Sonderstatusverhältnisse könnten die Grundrechte selbst ohne gesetzliche Grundlage insoweit eingeschränkt werden, als deren Wesen

Dazu sub §9.111.2 f. Sub § 9.II.4.c.bb. 6 0 Zu diesen zusammenfassend supra §2.II.2.d, zu verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Unterbringungsverfahren, B V e r f G 7.10.1981, (Fn. 2) 222 f., 230 ff. 6 1 Dazu sub § 8.II.3.C bei Fn. 137ff. 6 2 Näher dazu und zum Nachfolgenden statt aller, von Münch in von Münch/Kunig, Vorbem. Art. 1 - 1 9 G G R d N r . 4 8 f f . 6 3 A.a.O. R d N r . 55; ebenso sowie zum Begriff der Schranken-Schranken, Pieroth/Schlink, Grundrechte RdNr. 2 9 7 - 2 9 9 . 58

59

II. Allgemeine

Aspekte

der

Grundrechtsgeltung

63

und Zweck es erforderten. Seit der Strafvollzugs-Entscheidung des B V e r f G von 1972 steht fest, daß selbst innerhalb von Sonderstatusverhältnissen Grundrechtsbeschränkungen dem Gesetzesvorbehalt unterliegen 64 und daher nicht durch den Zweck derartiger Verhältisse allein zu rechtfertigen sind 65 . Die Ausfüllung des Gesetzesvorbehalts richtet sich wie auch sonst nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, und bei dessen Prüfung sind der besondere Zweck des Sonderstatusverhältnisses und das dahinterliegende Schutzgut zu berücksichtigen 66 . Die Frage, ob das Betreuungsverhältnis generell oder jedenfalls die zwangsweise Unterbringung in öffentlichen Anstalten ein derartiges Sonderstatusverhältnis darstellt 67 , verliert damit an Bedeutung. Grundrechtseingriffe bedürfen auch im Rahmen der Betreuung und der fürsorgerischen Unterbringung einer gesetzlichen Grundlage und müssen den Erfordernissen der Verhältnismäßigkeit genügen 68 .

c) Einwilligung in

Grundrechtsbeschränkungen

Die Zulässigkeit eines Grundrechtsverzichts bzw der Einwilligung des Grundrechtsträgers in Beeinträchtigungen eines seiner Grundrechte ist noch nicht abschließend geklärt 69 . Zwischenzeitlich ist weitgehend anerkannt, daß der Grundrechtsträger zwar nicht auf seine Grundrechte als solche verzichten 7 0 , aber doch in konkrete Beeinträchtigungen derselben einwilligen und diese damit legitimieren könne 7 1 . Die Einwilligungsfreiheit ist prinzipiell durch das

BVerfG 14.3.1972, BVerfGE 33, 1 (10 ff.). Jarass/Pieroth, Vorb vor Art. 1 G G RdNr. 32; ähnlich, Badura, Staatsrecht RdNr. C 26; vgl. auch Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, Art. 19 IV RdNr. 84 (der Begriff habe keine dogmatische Funktion mehr). 66 Von Mangoldt/Klem/Starck, Art. 1 G G RdNr. 189; im Ergebnis ebenso, Hesse, Grundzüge RdNr. 326. 67 So generell für zwangsweise Untergebrachte, Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, Art. 19 IV RdNr. 84; angesprochen für betreuungsrechtlich Untergebrachte von Helle, MedR 1993, 135 Fn. 6. 68 Daher eine Befugnis zur Behandlung Untergebrachter auf Grund des Anstaltsbenutzungsverhältnisses ablehnend, Helle, supra Vornote; ebenso, von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 2 G G RdNr. 133. 69 Die Probleme des Grundrechtsverzichts seien dogmatisch kaum bewältigt, Bleckmann, Staatsrecht II § 15 I vor 1; eingehend zu den strittigen Fragen und dem jeweiligen Streitstand, Stern in Stern/Sachs, Staatsrecht III/2 § 86; so ist bereits die Terminologie, ob man von Grundrechtsverzicht oder Einwilligung sprechen soll, strittig, ebda., I S.887-893; zu einer eingehenden Erörterung der Thematik siehe auch, Amelung, Einwilligung. 70 Gemeint ist der Grundrechtsverzicht als umfassender und dauerhafter Rechtsverzicht, siehe von Münch in von Münch/Kunig, Vorbem. Art. 1-19 G G RdNr. 62; ähnlich Amelung, (Fn. 69) 15. 71 Jarass/Pieroth, Vorbem. vor Art. 1 G G RdNr. 27; von Münch in von Münch/Kunig, Vorbem. Art. 1 - 1 9 G G RdNr. 63 m.w.N.; ebenso sowie zum gegenwärtigen Meinungsstand in Rspr und Lehre, Stern, (Fn. 69) § 86 I 5; eingehend, Amelung, (Fn. 69) 13-16, 19 ff. 64 65

64

§ 4 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

Selbstbestimmungsrecht in Art. 2 I G G gewährleistet 7 2 , darüber hinaus kann die Auslegung im Einzelfall deren Absicherung aus einem der Spezialfreiheitsrechte ergeben 7 3 ; das trifft etwa für die Einwilligung in ärztliche M a ß n a h m e n , welche die körperliche Unversehrtheit berühren, zu 7 4 . D i e allgemeine Einwilligungsfreiheit findet ihre G r e n z e n in der Schrankentrias des A r t . 2 I G G , vor allem in der verfassungsmäßigen O r d n u n g . Daraus folgt, daß die G r e n z e n in erster Linie durch das von der einzuwilligenden M a ß n a h m e jeweils betroffene G r u n d r e c h t selbst bestimmt werden; danach sind vor allem G r u n d r e c h t e , die personale Rechtsgüter schützen, disponibel 7 5 . I m übrigen ist eine Einwilligung nur ausnahmsweise im H i n b l i c k auf die k o n k r e t e Grundrechtsverletzung unzulässig 7 6 . Soweit danach eine Einwilligung zulässig ist, ist zu ihrer Wirksamkeit weiter erforderlich, daß sie eindeutig, frei und persönlich durch den Grundrechtsträger erklärt wird 7 7 . Wie bei der zivil- oder strafrechtlichen Einwilligung als Rechtfertigungsgrund 7 8 stellt sich die Frage nach der für die Einwilligungserteilung zu fordernden persönlichen Mindestqualifikation. Soweit diese Frage p r o blematisiert wird, wird auf die natürliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit abgestellt 7 9 . Strittig ist schließlich die F r a g e der R e c h t s f o l g e n einer k o n s e n t i e r t e n G r u n d r e c h t s b e e i n t r ä c h t i g u n g 8 0 . F ü r einige fehlt es dann bereits an einem E i n griff 8 1 , w ä h r e n d die E i n w i l l i g u n g sich für andere lediglich auf b e s t i m m t e S c h u t z w i r k u n g e n des b e t r o f f e n e n G r u n d r e c h t s e r s t r e c k t 8 2 , was durch A u s l e gung der jeweiligen Einwilligungserklärung zu ermitteln sei 8 3 ; nach dieser differenzierenden Sichtweise geht es vorrangig u m die H i n n a h m e der G r u n d -

72 Amelung, (Fn.69) 29; ebenso Bleckmann, (Fn. 69) §15 V; von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 GG RdNr. 190; auf Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG bezogen, Stern, (Fn. 69) § 86 II 4 lit.b. 73 Amelung, (Fn. 69) 29-31; bestätigend, Stern, (Fn. 69) § 86 II 5 lit.a. 74 Minderheitsvotum in BVerfG 25.7.1979, BVerfGE 52, 175 f., supra §8.II.2.c.aa bei Fn. 91; bestätigend z.B. von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 2 GG RdNr. 151. 75 Eingehend dazu, Amelung, (Fn. 69) 33-36, und zu einer Einteilung der übrigen Grundrechte nach ihrer Disponibilität, ebda, 36-45; wie dieser, Stern, (Fn. 69) § 86 II 5 lit.c; ähnlich, Pieroth/Schlink, Grundrechte RdNr. 148 f. 76 Eingehend dazu, Stern, (Fn. 69) § 86 III 3; vor allem die Menschenwürde und der Wesensgehalt des jeweiligen Grundrechts sind hier zu nennen. 77 Zu diesen Voraussetzungen im einzelnen, Stern, (Fn. 69) § 86 II 6; siehe auch BVerfG 18.8.1981, NJW 1982, 375 zu Art. 2 I GG. 78 Zur zivilrechtlichen rechtfertigenden Einwilligung eingehend sub § 10.II.3. 79 Bleckmann, (Fn.69) §15 V; Amelung, (Fn.69) 53; lediglich angesprochen wird diese Frage dagegen von Stern, (Fn. 69) § 86 II 6 lit.b. 80 Zum Streitstand, Stern, (Fn. 69) § 86 IV. 81 So Jarass/Pieroth, Vorbem. vor Art. 1 GG RdNr. 19, 27; hiergegen, Stern, (Fn. 69) § 86 III 2 S.918: Die Einwilligung nehme dem Handeln des Staates die Rechtswidrigkeit, an der Qualifikation als Eingriff ändere dies nichts. 82 Bleckmann, (Fn. 69) § 15 IV; in Anlehnung daran, Stern, (Fn. 69) § 86 IV 2; von Münch in von Münch/Kunig, Vorbem. Art. 1-19 GG RdNr. 63. 83 Stern, supra Vornote.

III. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

65

rechtsbeeinträchtigung unter Verzicht auf die konkreten Abwehransprüche oder Teilhaberrechte 84 .

III. Der

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Das Betreuungsgesetz inkorporiert den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit zur Bestimmung der Eingangsschwelle der Betreuung (§ 9.III) und des Einwilligungsvorbehalts (§ 13.11) und mißt ihm dabei maßgebliche Bedeutung zu. Deshalb erscheint es angebracht, einen Blick auf die Grundlagen (1) und den Inhalt (2) dieses Grundsatzes zu werfen, soweit es hierauf für die Eingangsschwellenthematik ankommt; eine weitergehende Erörterung kann hier nicht stattfinden 85 . 1.

Grundlegung

Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt der Gedanke des rechten Maßes zu Grunde 8 6 , und dieser hat in verschiedenen Ausprägungen eine weit zurückreichende Tradition 87 . Verhältnismäßigkeitsaspekte finden sich in einigen zivilrechtlichen Normen 8 8 , doch entstammt der so bezeichnete Grundsatz dem öffentlichen Recht: Der Teilaspekt der Erforderlichkeit wurzelt im Polizeirecht 89 und meint die Begrenzung staatlicher Macht gegenüber dem Bürger 90 , während der Gedanke der Verhältnismäßigkeit i.e.S. erst nach Inkrafttreten des Grundgesetzes entwickelt wurde 91 . Das Anwendungsfeld des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geht heute weit über die Eingriffsverwaltung hinaus und erfaßt wesentlich das Verfassungsrecht sowie zunehmend die Gewährung staatlicher Leistungen 92 .

84 G a n z deutlich, Stern, supra vorvorige N o t e lit.a,b; Bleckmann, supra vorvorige N o t e ; Amelung (Fn. 69, 14) b e s c h r ä n k t sich in seiner D e f i n i t i o n der Einwilligung implizit auf diese Rechtsfolge. 85 A u s f ü h r l i c h d a z u die M o n o g r a p h i e n von Hirschberg u n d Jakobs ü b e r den G r u n d s a t z der Verhältnismäßigkeit sowie der e n t s p r e c h e n d e Beitrag v o n Stern, (Fn. 69) § 84. 86 Larenz/Canaris, M e t h o d e n l e h r e 243, 309. 87 D a z u eingehend, Wieacker, FS-R.Fischer 867ff. (874-880). 88 So z.B. in §§228, 251 II BGB; weitere Beispiele bei Wieacker, FS-R.Fischer 868, u n d Medicus, A c P 192, 37 f. 89 Z u d e n polizeirechtlichen W u r z e l n , Hirschberg, 2 - 9 ; teils anders, Jakobs, 2 - 6 . D e r G e s a m t g r u n d s a t z der Verhältnismäßigkeit ist im gegenwärtigen Polizeirecht in A r t . 4 B a y P A G u n d d e n gleichlautenden N o r m e n der übrigen Landespolizeigesetze enthalten; näher z u m p o lizeirechtlichen G r u n d s a t z , Drews/Wacke/Vogel/Martens, G e f a h r e n a b w e h r § 2 4 N r . 6, § 2 5 N r . 5. 90 Z u d e n historischen W u r z e l n des so verstandenen G e d a n k e n s , Jakobs, 2 - 4 . 91 Hirschberg, 5 - 1 9 . 92 Stern, (Fn. 69) § 84 I 1.

66

§ 4 Verfassungsrechtlicher

a) Rechtsqualität

als

Rahmen

Verfassungsgrundsatz

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 93 und fast einhelliger Meinung im Schrifttum 94 hat der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Verfassungsrang; das Bundesverfassungsgericht leitet ihn aus dem Rechtsstaatsprinzip und letztlich aus dem Wesen der Grundrechte ab 95 . Als Rechtsgrundsatz 9 6 mit Verfassungsrang steht die Verhältnismäßigkeit auf der obersten Stufe der Rechtsquellenhierarchie. Das bedeutet zum einen, daß Normen auf einer niedrigeren Stufe der Hierarchie diesen Grundsatz zu beachten haben, zum anderen, daß er mit gleichrangigen gegenläufigen Prinzipien, die sogar in einfachgesetzlichen Vorschriften zum Ausdruck kommen können, kollidieren und so in seiner Anwendung modifiziert oder zurückgedrängt werden kann 97 . b)

Anwendungskriterien

aa)

Anwendbarkeit

Da Rechtsprinzipien angewendet werden können, aber nicht müssen, ist die konkrete Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jeweils festzustellen 98 . Für das Privatrecht wird diese Frage eher zurückhaltend beantwortet 99 . Anerkannt ist die Anwendbarkeit im Privatrecht, wenn das jeweilige Gesetz den Grundsatz ausdrücklich inkorporiert 1 0 0 oder der normierte Sachverhalt eine dem öffentlichen Recht vergleichbare Eingriffslage aufweist 1 0 1 . Letzteres ist vor allem bei vormundschaftsgerichtlichen Maßnahmen der Fall 102 , und so hat das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Entscheidungen Rechtsbe-

93 Deutlich BVerfG 15.12.1965, BVerfGE 19, 342 (348 f.); weitere Nachweise bei Stern, (Fn. 69) § 84 I 4 lit.b. 94 So Stern, (Fn. 69) § 84 I 4 lit.c; näher d a z u , J a k o b s , 29, 39. 95 BVerfG 15.12.1965, supra vorvorige Note aaO.: „Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip, im Grunde bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst..."; diese Meinung scheint sich in der Diskussion im Schrifttum durchzusetzen, so Stern, (Fn. 69) § 84 I 4 lit.c m.w.N.; ausführlich zum Meinungsstand, Jakobs, 28-45. 96 Über die Qualifikation als allgemeiner Rechtsgrundsatz oder -prinzip besteht weitgehend Einigkeit, Stern, (Fn. 69) § 8 4 1 3 , 5 lit.b m.w.N. Auf die genaue rechtstheoretische Einordnung kann hier nicht eingegangen werden; eingehend dazu: Lerche, Ubermaßverbot 315318; Hirschberg, 213-219; Jakobs, 45-58; vgl. auch Larenz!Canaris, Methodenlehre 308 f. 97 Jakobs, 128; ähnlich Hirschberg, 217-219; zum Zusammenspiel kollidierender Prinzipien, Larenz/Canaris, Methodenlehre 303 ff. 98 Jakobs, 55 ff. und Stern, (Fn. 69) § 84 I 5 lit.b. Eingehend zu den zahlreichen Problemen bei der Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, Jakobs, 127-166. 99 So ausdrücklich, Medicus, AcP 192, 35 ff. (54 ff.) und Jakobs, 129-132; für eine großzügigere Anwendung aber offensichtlich, Hirschberg, 30 f. 100 Jakobs, 132; allgemein zur Anwendung bei Inkorporierung, Hirschberg, 215 f., insb Fn.173. 101 Jakobs, 131 f. 102 Supra Vornote.

III. Der

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

67

schränkungen des Fürsorgebediirftigen durch das frühere Vormundschaftsrecht an diesem Grundsatz gemessen103. bb) Differenzierung

nach Gesetzes-

und

Einzelfallkontrolle

Der Grundsatz ist primär Auftrag an den Gesetzgeber und Kontrollmaßstab für Gesetze 104 , darüberhinaus kann er bei der Normanwendung beachtlich sein. Für letzteres gibt es zwei Möglichkeiten: Der Gesetzgeber inkorporiert den Grundsatz in einer Norm ausdrücklich oder implizit und verlagert dadurch seine Entscheidungskompetenz über die Verhältnismäßigkeit für den Einzelfall auf den Richter 105 ; oder die Ermächtigungsnorm ist gestaltungsoffen, sie beläßt dem Rechtsanwender im Einzelfall über die bloße Subsumption des Sachverhalts hinaus einen Entscheidungsspielraum bezüglich des ob und wie des Tätigwerdens 106 . Soweit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz danach bei der Einzelfallentscheidung beachtlich ist, ist er theoretisch doppelt zu prüfen, weil auch die Ermächtigungsnorm daran zu messen ist 107 . In den beiden Prüfungsschritten ist ein je unterschiedlicher Maßstab anzulegen: bei der Normenkontrolle ein abstrakter, bei der Einzelfallentscheidung hingegen ein konkreter 108 . Wegen dieses konkreten Maßstabes ist notwendige Vorbedingung der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall, daß deren Tatsachengrundlage hinreichend festgestellt wird 109 ; für das Ausmaß der dabei zu beobachtenden Sachverhaltsermittlung ergeben sich Richtlinien aus der Schutzfunktion des jeweils berührten Grundrechts 110 .

1 0 3 Zur Zulässigkeit der Zwangspflegschaft, sub IV.2.a; zu Eingriffen in die informationelle Selbstbestimmung des Mündels durch den für nichtig erklärten § 6 8 7 a.F. Z P O , BVerfG 9.3.1988, sub IV.2.C bei Fn. 187; zur Unterbringung 7.10.1981, (Fn.2) 225 f., und zu deren verfahrensrechtlicher Ausgestaltung, aaO. 232, näher zu ersterem sub § 1 l.I.l.a. 104 Schnapp, ]u$> 1983, 853 f. 105 Hirschberg, 200-, Jakobs, 148. 106 Schnapp, JuS 1983, 853 f.; Jakobs, 136-138; von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 G G RdNr. 180. 107 Jakobs, 152; gegen die Möglichkeit einer doppelten Prüfung, H.Schneider, BVerfG und G G II 403; gegen diesen wiederum, Jakobs, 163 f. 108 Jakobs, 72 (für die Erforderlichkeit), 152 (für die Verhältnismäßigkeit i.e.S.). 1 0 9 Anschaulich dazu, BVerfG 8.10.1985, N J W 1986, 767 (769). 1 1 0 Mindeststandards für die richterliche Sachverhaltsaufklärung legt zum einen der rechtsstaatliche Justizgewährungsanspruch fest, dazu Jarass/Pieroth, Art. 20 RdNr. 64 f.; die richterliche Aufklärungspflicht kann zudem durch die Ausstrahlungswirkung materieller Grundrechte verstärkt werden; verfahrensrechtliche Mindestanforderungen ergeben sich z.B. aus dem Schutzzweck der Art. 2 II 2 i.V.m. Art. 104 G G , dazu BVerfG 7.10.1981, (Fn. 2) 222 f., 230 ff.; BVerfG 23.3.1998, FamRZ 1998, 895 (896); BVerfG 8.10.1985, supra Vornote 768 f.; für die grundrechtskonforme Ausgestaltung des Verfahrensrechts steht dem Gesetzgeber jedoch ein weiter Spielraum zu.

68

5 4 Verfassungsrechtlicher

cc) Unterschiedliche

Rahmen

Schutzrichtung

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dient vorwiegend der Abwehr staatlicher Eingriffe in Individualrechte111, vor allem als Schranke für die Beschränkung von Grundrechten 112 . Wird der Grundsatz dagegen zur Begrenzung begünstigender Akte der öffentlichen Hand herangezogen, so kehrt sich seine Schutzrichtung notwendig zu Lasten des Bürgers um, er begrenzt dann Leistungen des Staates im Hinblick auf die Interessen der Allgemeinheit 113 ; bei Maßnahmen mit Doppelcharakter ist eine differenzierte Betrachtung nötig 114 . dd) Einfluß

der Einstellung

des Betroffenen

zum

Mitteleinsatz

Angesichts der von einigen befürworteten tatbestandlichen Differenzierung zwischen gewollter und ungewollter Betreuung (sub § 10.III.l) stellt sich die Frage, welchen Einfluß eine Einwilligung des Betroffenen in eine sonst als Eingriff aufzufassende staatliche Maßnahme auf deren Verhältnismäßigkeitskontrolle ausübt. Für diejenigen, welche der Einwilligung des Betroffenen zu grundrechtsbeeinträchtigenden Maßnahmen die Rechtsfolge beimessen, daß dadurch der Eingriffscharakter entfällt 115 , steht zugleich die fehlende Inzidenz des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in solchen Fällen fest 116 . Diese Ansicht wird jedoch der Komplexität der Fragestellung nicht gerecht, vielmehr ist ein differenzierender Ansatz zu wählen: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als rechtsstaatliche Schranke für staatliche Eingriffe ist grundsätzlich nicht individuell verzichtbar 117 , doch kann die wirksame Einwilligung zu einer Modifizierung seiner Anwendung führen 118 . Für die Beurteilung der Eingriffsintensität im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung 119 und damit auch für die Verhältnismäßigkeitsabwägung zwischen den Vor- und Nachteilen einer Maßnahme spielen die subjektiven Empfindungen des Betroffenen eine Rolle 120 ; und die mit der 111 Dies entspricht seiner ursprünglichen Intention (supra vor a) und auch noch seiner heutigen Hauptfunktion der Begrenzung staatlicher Allmacht, zu letzterem Jakobs, 7 f. (zur Verhältnismäßigkeit i.e.S.), 66, 70 (zur Erforderlichkeit). 112 Stern, (Fn. 69) § 84 I 1 bei Fn. 10; zur Funktion als Schranken-Schranke supra II.3.a bei Fn. 63. 113 So bereits, Hirschberg, 187; eingehend dazu, Jakobs, 159-162. Zu den Auswirkungen i.R.d. Erforderlichkeit, sub 2.c bei Fn. 139, und der Verhältnismäßigkeit i.e.S., sub 2.d bei Fn. 150. 114 Zur Erforderlichkeit, sub 2.c nach Fn. 139, zur Verhältnismäßigkeit i.e.S., sub 2.d nach Fn. 150. 115 Supra II.3.C bei Fn. 81. 116 So offensichtlich, Jarass/Pieroth, Vorbem. vor Art. 1 G G RdNr. 19, 27, 28a, 36; diese Sichtweise ist notwendige Konsequenz der Verneinung eines Eingriffs bei Einwilligung, Bleckmann, (Fn. 69) § 15 IV. 1,7 Stern, (Fn. 69) § 86 III 2 lit.c; Amelung, (Fn. 69) 62; grundsätzlich ebenso, Bleckmann, (Fn. 69) §15 IV. 118 Amelung, (Fn. 69) 62; ähnlich, Bleckmann, (Fn. 69) § 15 IV. 1 , 9 S u b 2 . c b e i F n . 143. 120 Selbst die Geeignetheit einer Maßnahme kann durch die Einstellung des Betroffenen dazu beeinflußt werden, sub 2.b bei Fn. 134.

III. Der

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

69

konsentierten Maßnahme verbundenen Nachteile kann der Einwilligende gerade anders beurteilen als dies nach einem objektiven Maßstab der Fall wäre 121 . Im Einzelfall kann dies im Ergebnis sogar auf die Leugnung des Eingriffscharakters hinauslaufen122. Bei Maßnahmen mit belastenden und zugleich begünstigenden Auswirkungen ist allerdings zu bedenken, daß dann die leistungsbegrenzende Funktion des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die ohne Einwilligung maßgebliche eingriffsabwehrende ablöste. 2. Inhalt

des

Grundsatzes

Nach einem allgemeinen Blick auf den Gesamtgrundsatz (a) werden die drei Teilgrundsätze der Geeignetheit (b), Erforderlichkeit (c) und Verhältnismäßigkeit (d) sowie die zwischen den beiden letzteren bestehenden Unterschiede (e) untersucht. a)

Allgemein

Die Terminologie des Verhältnismäßigkeits- und Erforderlichkeitsgedankens ist uneinheitlich und teils wechselnd 123 , und über dessen inhaltliche Ausgestaltung und Abgrenzung ist die Diskussion noch nicht abgeschlossen124. Für diese Untersuchung soll von der vom Bundesverfassungsgericht häufig verwendeten Differenzierung zwischen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz i.w.S. als dem Obergrundsatz und seinen Teilgrundsätzen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit i.e.S. ausgegangen werden 125 ; diese terminologische wie inhaltliche Linie scheint sich mehrheitlich durchzusetzen 126 . Für Grundrechtsbegrenzungen besagt die Verhältnismäßigkeit i.w.S. (Ubermaßverbot), daß das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwekkes geeignet und erforderlich sein muß und der angestrebte Erfolg zu dem zu erwartenden Schaden nicht außer Verhältnis stehen darf; prägend ist also die Zweck-Mittel-Relation127. Wendet man den Grundsatz auf staatliche Leistungen an, so kann er zu einer Begrenzung auf das Machbare führen, soweit dem Amelung, (Fn. 69) 62 f. In diese Richtung, Bleckmann, (Fn. 69) § 15 IV. 123 Trotz zunehmender Vereinheitlichungstendenzen trifft dies noch immer zu, Stern, (Fn.69) §84 I 1 bei Fn.5. Einen Uberblick über die unterschiedlichen Terminologien geben Hirschberg, 19-25, und Jakobs, 8-11, jeweils m.w.N.; zur Uneinheitlichkeit in der Rspr des BVerfG, H.Schneider, BVerfG und G G II 392 f. 124 Stern, (Fn. 69) § 84 I 1 bei Fn.4 m.w.N.; näher zu den Abgrenzungsproblemen, Jakobs, 59-125. 125 BVerfG 16.3.1971, BVerfGE 30,292 ff. (316 f.), deutlicher noch, 20.6.1984, BVerfGE 67, 157(173). 126 Zu ersterem, Stern, (Fn. 69) § 84 I 1, zu letzterem ebda., II 1. 127 Statt aller, Stein, Staatsrecht §29 V vor 1; dies klingt auch an in BVerfG 16.3.1971, (Fn. 125) 315. Diese Relation ist für die beiden ersten Teilgrundsätze anerkannt, während sie für den dritten auf Kritik stößt, siehe dazu Hirschberg, 47, und Jakobs, 17-23. 121

122

70

§ 4 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

Staat nur limitierte personelle, finanzielle oder sachliche Mittel zur Verfügung stehen 128 . Der Gesetzgeber definiert den Zweck als das Warum und Wozu des staatlichen Handelns und bindet dadurch den Rechtsanwender, wobei er im Rahmen der Verfassung eine gewisse Zwecksetzungskompetenz hat 129 ; bei der Bestimmung der übrigen Verhältnismäßigkeitsfaktoren besteht ein Einschätzungsfreiraum, der für den Gesetzgeber größer ist als für den Richter 130 , soweit diesem die Bestimmung übertragen ist 131 . b)

Geeignetheit

Ein Mittel ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann 132 , eine Teileignung genügt; ungeeignet ist es, wenn es zwecklos oder zweckwidrig ist 133 . Diese Regeln der Geeignetheitsprüfung gelten wegen ihrer alleinigen Ausrichtung auf die Zweckerreichung sowohl für eingreifende wie für begünstigende Maßnahmen 134 . Die Entscheidung über einen künftigen Mitteleinsatz setzt eine Prognose voraus, die sich bei Mitteln mit Dauerwirkung später als falsch herausstellen kann, sei es wegen fehlerhafter Prognose, sei es wegen veränderter Umstände; von diesem Zeitpunkt an ist die Maßnahme als ungeeignet aufzuheben 135 . Wegen der Beschränkung auf eine Teileignung sind Vorfragen der Geeignetheitsprüfung, daß überhaupt ein Ziel staatlichen Handelns besteht und das eingesetzte Mittel sowie der verfolgte Zweck verfassungsrechtlich legitim sind 136 .

Bleckmann,]uS 1994, 179. Schnapp, JuS 1983, 854. 130 Schnapp, JuS 1983, 854 f.; insgesamt zu den Freiräumen bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung, von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 RdNr. 179; siehe auch BVerfG 9.3.1971, BVerfGE 30, 250 (263). 131 Dazu supra l.b.bb bei Fn. 105. 132 BVerfG 16.3.1971 und 20.6.1984, jeweils supra Fn. 125 aaO. 133 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr § 2 5 Nr. 5.b.ß. 134 Anders als die weiteren Teilgrundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit stellt die Geeignetheit nicht auf die Auswirkungen des Mitteleinsatzes auf den Betroffenen ab, weshalb es dabei nicht auf den unterschiedlichen Blickwinkel des jeweils Betroffenen ankommt, ähnlich Jakobs, 72; zur Relevanz des Blickwinkels bei der Erforderlichkeitsprüfung, ebda., 68. Freilich kann die Einstellung des Betroffenen zum Einsatz des jeweiligen staatlichen Mittels dessen Eignung beeinflussen, wie das Beispiel des Betreuungsrechts lehrt, sub §9.III.3.b. 135 So ausdrücklich Art. 4 III BayPAG: „Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann"; ebenso für Verwaltungsmaßnahmen, Hirschberg, 53; zurückhaltender, Jakobs, 63 f. 136 Jakobs, 60; die Frage der verfassungsrechtlichen Legitimität wird vom BVerfG dagegen häufig mit der eigentlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung vermengt, z.B. in BVerfG 9.3.1988, (Fn. 187) 85. 128 129

III. Der

c)

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

71

Erforderlichkeit

Das Mittel ist erforderlich, wenn zur Erreichung des jeweiligen Zwecks 137 nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes Mittel zur Wahl steht 138 . Diese Formulierung gilt für Eingriffsmaßnahmen; bei diesen kommt es primär auf deren negative Auswirkungen auf die Rechtsgüter des Betroffenen an, bei begünstigenden Maßnahmen hingegen in erster Linie auf deren negative Folgen für die Allgemeinheit 139 . Bei Maßnahmen, welche den Betroffenen sowohl belasten als auch begünstigen, ist im Hinblick auf die Grundintention der Erforderlichkeit 140 das belastende Moment in den Vordergrund zu stellen141; lediglich, soweit nach Eingriffsaspekten mehrere Mittel erforderlich erscheinen, ist als Korrektiv zunächst auf die begünstigenden Auswirkungen der Maßnahme für den Betroffenen und zuletzt auf die aus dieser resultierenden Nachteile für die Allgemeinheit abzustellen 142 . Die Beurteilung der Eingriffsintensität einer Einzelmaßnahme hängt auch vom subjektiven Empfinden des davon Betroffenen ab 143 . Nach der gegebenen Definition setzt die Erforderlichkeitsprüfung denklogisch voraus, daß im Einzelfall mehrere Mittel zur 2w eckerreich ung vorhanden sind; gibt es dagegen nur eines, so ist dieses zugleich erforderlich 144 . Das Gebot des mildesten Mittels begrenzt nicht nur das sachliche, sondern auch das zeitliche Ausmaß des Eingriffs: Sobald sich die Prognose über die Erforderlichkeit nicht mehr mit der Wirklichkeit deckt, ist die Maßnahme zu beenden145. Zwischen der Erforderlichkeit und der Geeignetheit besteht ein notwendiger Zusammenhang: Jene verlangt nach einer umfassenden Geeignetheitsprüfung aller gleichgeeigneter Mittel, um das am wenigsten eingreifende herauszufinden146, und in diesen Vergleich sind auch zeitlich wie sachlich unterschiedlich intensive Anwendungen einer einzelnen Maßnahme einzustellen147. Soweit sich Stufen Grabitz (AöR 98, 574) spricht daher von der relativen Erforderlichkeit. BVerfG 16.3.1971, (Fn. 125) 316; 20.6.1984, (Fn. 125) 176. 139 Dies ist anerkannt, zum Meinungsstand, Dechsling, 69-75; in beiden Fällen kommt als Korrektiv beim Vorhandensein mehrerer, nach dem Primäraspekt erforderlicher Mittel der jeweils umgekehrte Aspekt zum Zuge, also bei belastenden Maßnahmen die Beeinträchtigung von Allgemeininteressen und bei begünstigenden die Vorteile für den Begünstigten, ausführlich dazu, Jakobs, 68-71. 140 Supra 1 vor a. 141 Stern, (Fn. 69) § 84 II 3 lit.a.ß; Jakobs, 70. 142 Jakobs, 70 f.; ihm folgend, Stern, supra Vornote; ein Versagen des Erforderlichkeitsgrundsatzes sieht hier dagegen Hirschberg, 66 ff. 143 Jakobs, 72; ebenso unter Hinweis auf das polizeirechtliche Instrument des Austauschmittels, Amelung, (Fn. 69) 55, 62. 144 Jakobs, 66; die Funktion des Erforderlichkeitsgrundsatzes besteht gerade in der Mittelauswahl, siehe ebda., 66 f.; in diese Richtung auch, Hirschberg, 44; gegen diese Einschränkung der Erforderlichkeit hingegen, Stern, (Fn. 69) § 84 I 3 lit.a bei Fn. 115. 145 Vgl. Art.4 III BayPAG, supra Fn. 135; näher zum Verbot zeitlichen Ubermaßes, Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr §25 Nr. 5.c.ß. 146 Hirschberg, 59 ff.; eine solche findet sich z.B. in BVerfG 16.3.1971, (Fn. 125) 315 ff. 147 Instruktiv dazu die Abwägung in BVerfG 16.3.1971, (Fn. 125) 320. 137

138

72

5 4 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

der Eingriffsintensität bilden lassen, darf die Stufe des intensiveren Eingriffs erst betreten werden, wenn der gesetzliche Zweck auf der vorhergehenden niedrigeren Stufe nicht erreichbar ist 148 . d) Verhältnismäßigkeit

i.e.S.

Bei der eigentlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung findet eine Güterabwägung statt: bei Eingriffsmaßnahmen zwischen den daraus resultierenden Nachteilen für die davon Betroffenen und denjenigen, die sich für das Gemeinwohl aus einem Verzicht auf den Eingriff ergeben würden 149 , und bei begünstigenden Maßnahmen zwischen dem Aufwand des Staates und dem von ihm angestrebten Erfolg 150 . Maßnahmen mit Doppelcharakter verlangen nach einer vergleichbaren Differenzierung wie bei der Erforderlichkeit 151 . Für den Regelfall des Eingriffs muß bei einer Gesamtabwägung zwischen dessen Schwere und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt sein, der Eingriff in angemessenem Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung des Grundrechts stehen152. Je empfindlicher die Betroffenen in ihren Grundrechten beeinträchtigt werden, desto stärker müssen die Interessen des Gemeinwohls sein, denen die Maßnahme dienen soll 153 , und desto sorgfältiger müssen die zu ihrer Rechtfertigung vorgebrachten Gründe gegen den grundsätzlichen Freiheitsanspruch des einzelnen abgewogen werden 154 . Das große Problem bei dieser Abwägung ist die Bestimmung der VergleichsgrößeI55. Ungeachtet verschiedener Ansätze wird man das verfassungsrechtliche Gewicht der betroffenen Rechtsgüter als das maßgebliche Kriterium ansehen können 156 . Allerdings läßt sich eine eindeutige Wertskala grundrechtlich geschützter Positionen nicht aufstellen, mit Ausnahme der Menschenwürde und des Lebensrechts, welche oberste Verfassungswerte darstellen 157 ; im übrigen ist die Gewichtung durch eine auf den Einzelfall abstellende Güterabwägung vorzunehmen 158 . Pieroth/Schlmk, Grundrechte RdNr. 317 ff. Stein, Staatsrecht §29 V 3; die Subjektivität dieses Kriteriums kritisierend, Pieroth/ Schlink, aaO. RdNr. 314 f. 150 Hirschberg, 187; die Anwendbarkeit dieses Teilgrundsatzes auf begünstigende Maßnahmen ist nicht ganz unbestritten: befürwortend, Hirschberg, aaO.; Jakobs, 154-162; Bleckmann, JuS 1994, 177 ff. (179); Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht III § 138 V; wohl eher zurückhaltend, Dechsling, 90; zum Meinungsstand bei letzterem, 88-90. 151 So wohl Jakobs, 162; zur Differenzierung bei der Erforderlichkeit supra c nach Fn. 139. 152 BVerfG 16.3.1971, (Fn. 125) 316; 20.6.1984, (Fn. 125) 173-178; zu Konkretisierungen der Abwägungsfaktoren, Stern, (Fn. 69) § 84 II 4 lit.c m.w.N. 153 BVerfG 16.3.1971, (Fn. 125) 316 f. 154 BVerfG 7.4.1964, BVerfGE 17, 306 (314). 155 Eingehend dazu, Lerche, Ubermaßverbot 223 ff.; Jakobs, 12 ff., 23 ff. 156 Stern, (Fn. 69) §84 II 4 lit.f-Jakobs, 25; Wendt, AöR 104, 414 ff. (457 ff.); in diese Richtung auch, Lerche, Ubermaßverbot 239-245. 157 Von Münch in von Miinch/Kunig, Vorbem. Art. 1-19 G G RdNr. 46; Larenz/Canaris, Methodenlehre 231. 148

149

IV. Spezifische

Aussagen

zur

e) Funktionale Unterschiede zwischen und Verhältnismäßigkeit i.e.S.

Erwachsenenfürsorge

73

Erforderlichkeit

Bei der Abwehr staatlicher Eingriffe in die Rechtssphäre einzelner erfüllen die Teilgrundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit i.e.S. verschiedene Funktionen: Ersterer setzt voraus, daß mehrere Mittel zur Zweckerreichung vorhanden sind, und trifft die Auswahl darunter; der Einsatz des so ausgewählten Mittels kann aber daran scheitern, daß es den einzelnen unverhältnismäßig belasten würde. Gibt es dagegen nur ein zwecktaugliches Mittel, so findet keine Prüfung der Erforderlichkeit 1 5 9 , sondern lediglich der Verhältnismäßigkeit i.e.S. statt 1 6 0 . Die Erforderlichkeit kann also den Einsatz eines mehrerer Mittel verbieten, nur die Verhältnismäßigkeit i.e.S. hingegen vermag dem Gesetzgeber die Verfolgung eines bestimmten Zweckes oder dem Rechtsanwender das Einschreiten im Einzelfall schlechthin zu versagen 1 6 1 .

IV. Spezifische

Aussagen

zur

Erwachsenenfürsorge

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt zur elterlichen Sorge und den Formen der früheren Erwachsenenvormundschaft Stellung genommen. Daraus lassen sich Folgerungen für die Zulässigkeit und die Grenzen derartiger Fürsorge ziehen (1) und Vorgaben für Fürsorgemaßnahmen, welche Grundrechte der Betroffenen berühren, feststellen (2).

1. Zur Zulässigkeit der

Fürsorge

a) Allgemein Das Bundesverfassungsgericht hat die frühere Erwachsenenvormundschaft in ihren beiden Formen als herkömmliche Schutzeinrichtungen bestätigt 1 6 2 ; das gilt für den damit verfolgten Zweck 1 6 3 wie für die Bestellung eines gesetzlichen

158 Von Münch, supra Vornote RdNr. 47; grundsätzlich zu dem dahinterstehenden Problem der Lösung von Prinzip- und Normenkollisionen durch Güterabwägung, Larenz/Canaris, aaO. 223 ff. 1 5 9 Supra c bei Fn. 144. 1 6 0 In diesem Sinn, Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr § 24 Nr. 6 S.389 f. 1 6 1 Für die Ebene des Gesetzgebers, Jakobs, 77; für die Einzelfallentscheidung, Drews/ Wacke/Vogel/Martens, vorige Note. 1 6 2 Ausdrücklich zur Zwangspflegschaft, B V e r f G 29.6.1965, B V e r f G E 19, 93 (96); implizit zur Vormundschaft: B V e r f G 10.2.1960 und 7.10.1981, (Fn. 2) jeweils aaO. 1 6 3 B V e r f G 10.2.1960, ( F n . 2 ) 311: Anlaß und Grundlage für die Errichtung einer Vormundschaft sei das öffentliche Interesse an der Fürsorge für den schutzbedürftigen einzelnen; 7.10.1981, (Fn. 2) 225: „... kein Grund ersichtlich, der es hindern könne, die Fürsorge für Bürger, die hilfsbedürftig sind, weil sie psychisch krank sind, als staatliche Aufgabe auszugestalten."

74

5 4 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

Vertreters als dem zu dessen Erreichung eingesetzten Mittel 164 . Konkret hat das Gericht dem Institut der Zwangspflegschaft die prinzipielle Verfassungskonformität attestiert (sub 2.a). Allgemeine Bedingungen für den Eintritt der Fürsorge hat es nur mit Vorsicht formuliert: So hält es eine Zwangsfürsorge psychisch kranker Erwachsener, bei denen die Selbstbestimmungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist, für erlaubt 165 ; präziser wird es dann für die Möglichkeit der Zwangsunterbringung solcher Personen 166 ; auf weitere Bedingungen wird sub 2 eingegangen. Die Ausgestaltung des Fürsorgeverhältnisses mit der personalen Gewalt des Fürsorgers und deren Begrenzung durch das Mündelwohl und die diesem dienende Aufsicht des Vormundschaftsgerichts nimmt das Gericht grundsätzlich als gegeben hin 167 . b) Grenzen

für die Ausübung

der

Rechtsmacht

Allerdings markiert es für die Ausübung dieser personalen Gewalt gewisse Anforderungen und Grenzen: Das Sorgerechtsverhältnis muß der Tatsache gerecht werden, daß die Fürsorgebedürftigen Träger eigener Grundrechte sind168; demgemäß konstatiert das Gericht grundrechtliche Schutzpflichten zur Vermeidung einer mißbräuchlichen Ausübung dieser Gewalt gegenüber dem Fürsorgebedürftigen, welche zu einer Erweiterung der vormundschaftsgerichtlichen Aufsicht führen können 169 . Darüber hinaus hat es der Befugnis der Eltern, kraft ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht ihre Kinder finanziell in unbegrenzter Höhe zu verpflichten, im Hinblick auf deren allgemeines Persönlichkeitsrecht für eine besondere Konstellation Grenzen gesetzt170. 164 Implizit ergibt sich das daraus, daß die in der Bestellung eines Pflegers liegende B e schränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit des Pfleglings als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung bezeichnet wird, sub 2.a. 165 BVerfG 7.10.1981, ( F n . 2 ) 225; jetzt B V e r f G 23.3.1998, F a m R Z 1998, 895 (896); näher dazu sub § l l . I I . l . a . 166 Supra Vornote, näher dazu sub § 10.II.3.a.bb. 167 Zur Vormundschaft, B V e r f G 10.2.1960, ( F n . 2 ) 324. 168 BVerfG 13.5.1986, (Fn. 170) 172. 169 So geschehen durch die Forderung nach einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung fürsorglicher Unterbringung, welche dem damaligen Recht unbekannt war, B V e r f G 10.2.1960, ( F n . 2 ) 302 (LS), 324ff.; als Alternative für eine fällige Begrenzung der elterlichen Vertretungsmacht benannt in B V e r f G 13.5.1986, (Fn. 170) 174. 170 BVerfG 13.5.1986, B V e r f G E 72, 155: Das Gericht hat dabei einen Verstoß der § 1629 I i.V.m. § 1643 I B G B (jeweils damals geltende Fassung) gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht lediglich insoweit festgestellt, als nach diesen Vorschriften Eltern bei Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts in ungeteilter Erbengemeinschaft kraft ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht zu Lasten ihrer minderjährigen Kinder ohne vormundschaftsgerichtliche Genehmigung Verbindlichkeiten, die über deren Haftung mit dem ererbten Vermögen hinausgehen, eingehen und diese somit finanziell unbegrenzt verpflichten können, ebda., im LS (155) und in der Entscheidungsformel (156).

IV. Spezifische

Aussagen zur

Erwachsenenfürsorge

75

Als späte Antwort auf diese Entscheidung ist nun das Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger vom 25.8.1998 (MHbeG) 1 7 1 erlassen worden. Dieses sieht eine Haftungsbeschränkung auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen eines Kindes vor, wenn bei dessen Minderjährigkeit dessen Eltern, sonstige Vertretungsberechtigte oder das Kind selbst durch rechtsgeschäftliches Handeln Verbindlichkeiten begründet haben oder solche durch Erwerb von Todes wegen entstanden sind (§ 1629a I) 172 . Nach dem durch dieses Gesetz eingeführten § 1915 III gilt die Haftungsbeschränkung nicht für Vollj ährige unter Pflegschaft; daraus ist zu folgern, daß diese Regelung nicht für Verbindlichkeiten betreuter Volljähriger nach Beendigung der Betreuung anwendbar ist. Scheidet eine Anwendung der neuen gesetzlichen Haftungsbeschränkung für Minderjährige auf volljährige Betreute somit aus, so läßt sich auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht pauschal auf die Situation Betreuter übertragen 1 7 3 . Das Gericht hat sich nämlich trotz allgemeinerer Aussagen zu einer Begrenzung der elterlichen Vertretungsmacht letztlich bemüht, seine Entscheidung auf den konkreten Fall auszurichten 1 7 4 ; und die Frage, inwieweit die allgemeineren Aussagen Schlüsse für die Vertretungsmacht des Betreuers zulassen, kann hier nicht vertieft werden, da sie die Bestimmung der Eingangsschwelle der Betreuung nicht unmittelbar betrifft (sub 2b).

2. Vorgaben für grundrechtstangierende

Maßnahmen

Das Bundesverfassungsgericht hat speziell das Fürsorgeinstitut der Zwangspflegschaft an der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG gemessen (a). Daneben finden sich Aussagen zur Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die gesetzliche Vertretung (b) sowie des informationellen Selbstbestimmungsrechts durch die Offenbarung des Bestehens einer Entmündigung (c).

a) Zwangspflegschaft und allgemeine

Handlungsfreiheit

Art. 2 I GG gewährleistet die Handlungsfreiheit des Menschen im umfassenden Sinn 175 ; dazu gehört das Prinzip der eigenen Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen 1 7 6 und damit die Privatautonomie

B G B l . 1998 I 2487, gem. Art. 4 am 1.1.1999 in Kraft getreten. D a z u näher Hahersack/Schneider, F a m R Z 1997, 649 ff. s o w i e Behnke, N J W 1998, 3078 ff. 173 Dies tut aber, Pardey, F a m R Z 1988, 4 6 0 f . ; ders., Betreuung 40 Fn. 66. 174 W i e hier, Habersack/Schneider, F a m R Z 1997, 650; Martin Wolf, A c P 187, 321; K.Schmidt, B B 1986, 1241. 175 D a z u BVerfG 16.1.1957, (Fn. 20) 36 f. 176 BVerfG 13.5.1986, (Fn. 170) 170; 19.10.1993, N J W 1994, 36 (38). 171 172

76

5 4 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

als die Selbstbestimmung des einzelnen im Rechtsleben 1 7 7 . Diese Rechte unterliegen der in Art. 2 I G G festgelegten Schrankentrias, insbesondere muß die Einschränkung der Handlungsfreiheit im Hinblick auf den intendierten Schutz eines anderen Gemeinschaftsgutes verhältnismäßig sein 1 7 8 . Das Bundesverfassungsgericht hat die Zwangspflegschaft an diesem Grundrecht gemessen und ausgeführt 1 7 9 , die Bestellung eines Gebrechlichkeitspflegers gegen oder ohne den Willen des Betroffenen beschränke dieses insoweit, als er die von dem Pfleger abgeschlossenen bürgerlichen Rechtsgeschäfte gegen sich gelten lassen müsse, wozu noch weitere gesetzliche Beeinträchtigungen kämen, vor allem der nach § 53 Z P O eintretende Verlust der Prozeßfähigkeit 1 8 0 . Diese Beschränkungen der freien Entfaltung der Persönlichkeit seien jedoch grundsätzlich Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung, da der einzelne sich diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen müsse, die der Gesetzgeber zur Pflege des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des bei dem gegebenen Sachverhalt allgemein Zumutbaren ziehe, vorausgesetzt, daß dabei die Eigenständigkeit der Person 1 8 1 gewahrt bleibe. Die Zwangspflegschaft jedenfalls überschreite diese Grenzen nicht, da es sich um eine herkömmliche Schutzeinrichtung mit funktional begrenzter Fürsorge für den schutzbedürftigen Gebrechlichen handele, die ihn nicht mehr belaste, als es die Umstände des Einzelfalles und die Erfordernisse des sozialen Zusammenlebens geböten 1 8 2 . Das Bundesverfassungsgericht hat demnach die Handhabung der Zwangspflegschaft durch die Rechtsprechung nicht beanstandet. Eine Verpflichtung, die Geschäftsunfähigkeit des zu Pflegenden zur Voraussetzung für den Eintritt der Zwangspflegschaft zu machen, stellt es nicht auf. Uberhaupt lassen sich aus dieser Entscheidung nur mit Vorsicht Schlüsse auf die von Verfassungs wegen zu fordernden Voraussetzungen einer Zwangspflegschaft ziehen. Erkennbar ist jedenfalls, daß das Gericht den funktional begrenzten Charakter der Pflegschaft unterstreicht und diesen in Relation setzt zu den nach den Umständen des Einzelfalles eintretenden Belastungen für den Betroffenen. Darin wird deutlich, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entscheidender Maßstab für die grundrechtskonforme Begründung der Fürsorge ist und ein Abstellen auf die konkreten Einzelfallumstände verlangt.

BVerfG 19.10.1993, aaO. Näher zu den Schranken des Art. 2 I G G , statt aller Jarass/Pieroth, Art. 2 G G RdNr. 14 ff. 1 7 9 BVerfG 29.6.1965, BVerfGE 19, 93 (95 ff.). 1 8 0 Weitere Auswirkungen für das bürgerliche Recht waren z.B. in §§ 1781 Nr. 2, 1792 IV geregelt, hinzu kam der Verlust des Wahlrechts nach § 13 a.F. BWahlG, dazu supra Vornote aaO. 96. 181 Damit ist der der Einwirkung öffentlicher Gewalt entzogene letzte Bereich menschlicher Freiheit gemeint, siehe BVerfG 12.1.1958, BVerfGE 8, 274 (329). 182 BVerfG 29.6.1965, (Fn. 179)96. 177 178

IV. Spezifische

b) Gesetzliche

Aussagen

zur

Erwachsenenfürsorge

Vertretung und allgemeines

77

Persönlichkeitsrecht

Art. 2 I i.V.m. Art. 1 1 G G schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht als die engere Persönlichkeitssphäre 1 8 3 . In seiner Entscheidung zur Begrenzung der elterlichen Vertretungsmacht (supra l.b) hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß dieses Grundrecht in seiner Ausprägung als Recht der individuellen Selbstbestimmung durch umfassende Beschränkungen der Privatautonomie berührt werden könne, wenn nämlich in erheblichem Maße die Grundbedingungen freier Entfaltung und Entwicklung und damit die engere persönliche Lebenssphäre betroffen würden; dieses Grundrecht sei tangiert, wenn Eltern kraft ihrer Vertretungsmacht ihre Kinder finanziell verpflichten könnten 1 8 4 . Diese Aussage wird dadurch präzisiert, daß es als Ziel der gesetzlichen Vertretung deklariert wird, den Abschluß wohlwidriger Verträge durch den Vertretenen zu verhindern; ist dem so, so verstößt eine dem Wohl des Vertretenen entsprechende Fremdbestimmung nicht gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht 1 8 5 . U b e r den in dieser Entscheidung konstatierten Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht hinaus ist damit eine allgemeine Maxime aufgestellt, unter welchen Umständen die gesetzliche Vertretung nicht nur die allgemeine Handlungsfreiheit, sondern sogar das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränkt. Außerdem wird deutlich, daß das Wohl des gesetzlich Vertretenen den Maßstab dafür abgibt, um eine grundrechtstangierende Fremdbestimmung zumindest im rechtsgeschäftlichen Bereich zu legitimieren.

c) Das informationelle

Selbstbestimmungsrecht

des

Mündels

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützt die Befugnis des einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu entscheiden; Einschränkungen dieses Rechts im überwiegenden Allgemeininteresse sind hinzunehmen, sofern die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt 1 8 6 . In zwei Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht zu Einschränkungen dieses Grundrechts bei Entmündigten Stellung genommen: Es hat die in § 687 a.F. Z P O vorgeschriebene öffentliche Bekanntmachung von Entmündigungen i.S.d. § 6 I Nrn.2, 3 a.F. B G B wegen des darin liegenden unverhältnismäßigen Eingriffs in das informationelle Selbstbestimmungsrecht Entmündigter für verfassungswidrig erklärt 1 8 7 ; ebenso qualifizierte das Gericht die Annahme einer vorvertraglichen Verpflichtung eines Entmündigten zur Offenbarung seiner Entmündigung gegenüber einem potentiellen Vertragspartner, ohne daß das Zivilgericht dabei die schützenswerten Belange des ersteren hinreichend be183 184 185 186 187

Supra II.2.b bei Fn. 55. Dazu BVerfG 13.5.1986, (Fn. 170) 170 f. Supra Vornote aaO. 172. BVerfG 15.12.1983, BVerfGE 65, 1 (41-44). BVerfG 9.3.1988, BVerfGE 78, 77 (86 f.), zur Nichtigerklärung, B G B L 1988 I 630.

78

5 4 Verfassungsrechtlicher

Rahmen

rücksichtigt hätte 1 8 8 . In beiden Fällen hat das G e r i c h t betont, daß die O f f e n b a rung der Entmündigung die Person des Entmündigten als ganze betreffe und die G e f a h r seiner sozialen Abstempelung in sich berge.

V.

Zusammenfassung

1. B e i der R e g e l u n g der B e t r e u u n g steht der G e s e t z g e b e r in einem Spannungsfeld zwischen seinem sozialstaatlichen Fürsorge auf trag, der sich durch einzelne grundrechtliche S c h u t z p f l i c h t e n verdichtet, und dem hohen Wert des Selbstbestimmungsrechts, der gerade auch p s y c h i s c h K r a n k e n und geistig B e hinderten z u k o m m t , weil sie Träger v o n G r u n d r e c h t e n sind. D i e eingeschränkte S e l b s t b e s t i m m u n g s f ä h i g k e i t dieser P e r s o n e n ist der A n l a ß für den E i n s a t z der staatlichen F ü r s o r g e . D i e s e besteht in der Z u w e i s u n g eines gesetzlichen Vertreters, der das U n v e r m ö g e n der B e t r o f f e n e n zur B e s o r g u n g ihrer A n g e l e g e n h e i t e n mit H i l f e seiner R e c h t s m a c h t k o m p e n s i e r t , zugleich liegt darin aber ein E i n g r i f f in deren allgemeine Handlungsfreiheit, weil sie der F r e m d b e s t i m m u n g s m a c h t des gesetzlichen Vertreters unterstellt w e r d e n . D a r ü b e r hinaus kann die F r e m d b e s t i m m u n g s m a c h t das allgemeine P e r s ö n lichkeitsrecht der B e t r o f f e n e n oder weitere elementare Ausprägungen ihrer M e n s c h e n w ü r d e tangieren. 2. D i e durch diese Eingriffswirkungen der Betreuung berührten G r u n d rechte rufen Schutzpflichten des Gesetzgebers hervor, die er bei der Ausgestaltung dieses Fürsorgeinstituts zu beachten hat. D i e s e S c h u t z p f l i c h t e n sind u m s o stärker, je m e h r die E i n g r i f f s w i r k u n g e n den P e r s ö n l i c h k e i t s k e r n der B e t r e u t e n tangieren. A u s einzelnen E n t s c h e i d u n g e n des Bundesverfassungsgerichts zur elterlichen S o r g e und zur früheren E r w a c h s e n e n v o r m u n d s c h a f t lassen sich entsprechende Vorgaben für die Betreuung ableiten. H i e r u n t e r sind zu n e n n e n : die grundsätzliche Zulässigkeit staatlicher E r w a c h s e n e n f ü r s o r g e und der damit v e r b u n d e n e n Z u w e i s u n g eines gesetzlichen Vertreters; die staatliche Verpflichtung, die F r e m d b e s t i m m u n g s m a c h t des gesetzlichen Vertreters z u m S c h u t z des B e t r o f f e n e n v o r M i ß b r ä u c h e n zu b e g r e n z e n ; die B e deutung eingeschränkter S e l b s t b e s t i m m u n g s f ä h i g k e i t für die M ö g l i c h k e i t der Z w a n g s f ü r s o r g e ; die nach Verhältnismäßigkeitsaspekten im H i n b l i c k auf die U m s t ä n d e des Einzelfalls v o r z u n e h m e n d e B e g r e n z u n g der F ü r s o r g e ; und die B e d e u t u n g des B e t r e u t e n w o h l s zur L e g i t i m i e r u n g v o n F r e m d b e s t i m m u n g und zu deren B e g r e n z u n g . 3. D i e s e P f l i c h t e n hat der B e t r e u u n g s g e s e t z g e b e r im B e g r ü n d u n g s t a t b e stand sowie in den sonstigen E i n z e l v o r s c h r i f t e n der B e t r e u u n g u m z u s e t z e n gesucht: Als besondere G a r a n t e n für einen g r u n d r e c h t s k o n f o r m e n E i n s a t z der B e t r e u u n g hat er den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie die M a x i m e n 188 ßVerfG 11.6.1991, BVerfGE 84, 192 (194 f.) zur Offenbarungspflicht gegenüber dem Vermieter bei Abschluß eines Mietvertrages.

V. Zusammenfassung

79

des W o h l e s der B e t r o f f e n e n und der B e a c h t u n g ihrer W ü n s c h e in die R e g e l u n g a u f g e n o m m e n . S o w e i t der G e s e t z g e b e r in der Regelung der B e t r e u u n g seine S c h u t z p f l i c h t e n w a h r g e n o m m e n hat, bleibt für deren K o n k r e t i s i e r u n g durch den R i c h t e r kein R a u m . Z w i s c h e n z e i t l i c h sind aber vereinzelte L ü c k e n der gesetzlichen Regelung bei der U m s e t z u n g grundrechtlicher S c h u t z p f l i c h t e n entdeckt w o r d e n .

2. Teil

Historische Entwicklung der zivilrechtlichen Erwachsenenfürsorge D e r B e t r e u e r ist gesetzlicher Vertreter für p s y c h i s c h K r a n k e oder B e h i n derte, w e l c h e zur B e s o r g u n g ihrer A n g e l e g e n h e i t e n u n v e r m ö g e n d sind, und damit steht die B e t r e u u n g in einer langen Tradition zivilrechtlicher F ü r s o r g e . D a s B e t r e u u n g s r e c h t weicht davon allerdings in zwei m a ß g e b l i c h e n F r a g e n ab: D i e B e t r e u e r b e s t e l l u n g setzt E i n s c h r ä n k u n g e n der Geschäftsfähigkeit des F ü r s o r g e b e d ü r f t i g e n w e d e r voraus n o c h b e w i r k t es sie im Regelfall. E i n vergleichender B l i c k auf die rechtshistorische E n t w i c k l u n g der Institution der zivilrechtlichen F ü r s o r g e für Volljährige, ihrer V e r k n ü p f u n g mit der gesetzlichen Vertretung und den Voraussetzungen ihrer A n o r d n u n g dient dem b e s seren Verständnis der B e t r e u u n g und ihrer Voraussetzungen; und aus der Erörterung der früheren K o p p e l u n g der F ü r s o r g e mit E i n s c h r ä n k u n g e n der rechtlichen H a n d l u n g s f ä h i g k e i t lassen sich A r g u m e n t e für die D i s k u s s i o n u m die N o t w e n d i g k e i t einer derartigen K o p p e l u n g auch der B e t r e u u n g herleiten. N a c h f o l g e n d soll daher die E n t w i c k l u n g der zivilrechtlichen E r w a c h s e n e n fürsorge behandelt werden: Besonders wichtig ist der B l i c k auf das frühere E n t mündigungs- und Vormundschaftsrecht des B G B als der unmittelbaren Vorgängerregelung der Betreuung (§ 6), zumal Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums in der Diskussion um die richtige Eingriffsschwelle der Betreuung und des Einwilligungsvorbehalts hierauf zurückgreifen wollen 1 . D a f ü r sind überblicksartig die historischen Vorbilder des früheren E n t m ü n d i g u n g s - und Vormundschaftsrechts darzustellen (§ 5) 2 . Abschließend wird die historische E n t w i c k l u n g einer knappen vergleichenden W ü r d i g u n g unterzogen (§ 7).

1 Dazu für die Schwelle der Betreuung, sub § 1 O.III, § 11, für diejenige des Einwilligungsvorbehalts § 13. 2 Einen Uberblick über die geschichtliche Entwicklung im römischen wie im deutschen Recht vermitteln: Dernburg, VormR 2-16; neuerdings: Holzhauer, Gutachten B 12-25; Oberloskamp, Vormundschaft § 1 RdNr. 1-32.

82

§ 5 Grundlinien

der Entwicklung

bis zum

BGB

§ 5 Grundlinien der Entwicklung bis zum B G B D e r nachfolgende Uberblick konzentriert sich auf die wesentlichen Impulsgeber für die ursprüngliche Erwachsenenvormundschaft des B G B : Diese basierte in erster Linie 3 auf der preußischen Vormundschaftsordnung vom 5.7.1875 4 , welche ihrerseits Gedanken des römischen, des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen deutschen 5 sowie des französischen Rechts aufgreift 6 . Die Regeln über die Geschäftsfähigkeit gehen insbesondere auf das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 ( A L R ) zurück 7 . Dabei ist zu beachten, daß die dem heutigen Zivilrecht geläufigen Begriffe der Geschäfts- und Deliktsfähigkeit sich erst relativ spät entwickelt haben 8 und selbst der weitere Begriff der Handlungsfähigkeit auf das spätere gemeine Recht zurückgeht 9 . Soweit die Handlungsfähigkeit im jeweiligen Rechtskreis nicht näher definiert wurde, wird sie für die nachfolgende Untersuchung als die Möglichkeit, selbständig rechtlich zu handeln oder verantwortlich zu sein, verstanden.

I. Römisches Recht Zunächst ist allgemein auf die damaligen Fürsorgeinstitute, den davon erfaßten Personenkreis, deren Schutzzweck und die dem Fürsorger dadurch vermittelte Rechtsmacht einzugehen (sub 1). Sodann sind die Fragen der rechtlichen Handlungsfähigkeit (2) und ihres Zusammenhangs mit diesen Fürsorgeinstituten (3) aufzuzeigen.

Motive, IV 1008 f. Abgedr. bei Dernburg, VormR 422 ff. 5 Für die Zeit vor Inkrafttreten des B G B kann keineswegs von einem einheitlichen deutschen Zivilrecht die Rede sein. Für einen Uberblick über die Vielzahl der in Deutschland vor Inkrafttreten des B G B geltenden Rechtsquellen, MünchKomm-SraOT??j, § 164 R d N r . 70,97; Flume, a a O . § 4 5 II 4, u n t e r ausdrücklicher B e r u f u n g auf die Einheitlichkeit des Begriffs der Vertretungsmacht, entgegen Müller-Freienfels, Vertretung, 335 ff. 45 So die h.M.: B G H 26.10.1967, B G H Z 49, 1 (4 f.); M ü n c h K o m m - S c A r a m m , § 1 6 4 R d N r . 97; Soergel-Damrau, § 1 7 9 3 R d N r . 6; Palandt-Dtedenchsen, 50. Aufl. §1793 R d N r . 6. A.A. z u r elterlichen Sorge, Gernhuber, F a m R § 49 V 2, u n t e r B e r u f u n g darauf, daß die elterliche Sorge nicht weiter reiche, als die damit v e r b u n d e n e n Rechte u n d Pflichten; Gernhuhers B e r u f u n g auf Müller-Freienfels (Vertretung, 367 f.) trifft aber nicht zu, da letzterer t r o t z p r i n zipieller Bedenken zu den M i ß b r a u c h s s t r u k t u r e n gelangt, freilich mit verschärften A n f o r d e r u n g e n an die Redlichkeit des D r i t t e n , ebda., 369. 46 M ü n c h K o m m - S c W £ , § 1902 R d N r . 13 m . w . N . 47 Eingehend zu den unterschiedlich gezogenen K o n t u r e n des M i ß b r a u c h s t a t b e s t a n d s , statt aller M ü n c h K o m m - S c ^ r a m f n , § 164 R d N r . 98-107 m . w . N . 48 Bienwald, Betreuungsrecht §1901 B G B R d N r . 52-55; ders. in Staudinger, §1901 R d N r . 9 f.; Erman-Holzhauer, § 1902 R d N r . 14; WLünchYLomm-Schwab, § 1902 R d N r . 12-14.

142

5 8 Die Wirkungen der

Betreuerbestellung

genstand z u m Aufgabenkreis des Betreuers g e h ö r t 4 9 und die Vertretungsmacht nicht insoweit ausgeschlossen ist 5 0 . Soweit der Betreuer danach Vertretungsmacht besitzt, ist für die wirksame P r o z e ß f ü h r u n g danach zu unterscheiden, o b der k o n k r e t e Rechtsstreit gemäß § 78 Z P O dem Anwaltszwang unterliegt oder es sich um einen Parteiprozeß handelt 5 1 : W ä h r e n d im ersten Fall nur ein zugelassener Anwalt stellvertretend im P r o z e ß handeln kann, so daß der Betreuer diesbezüglich einen solchen zu bevollmächtigen hat, kann der Betreuer im zweiten Fall gemäß § 79 Z P O den P r o z e ß entweder selbst oder durch einen P r o zeßvertreter führen 5 2 .

(2) In

FG-Sachen

D a s zum Zivilprozeß Gesagte gilt nach § 1902 B G B auch für allgemeine Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, obgleich dem F G G eine dem § 5 1 1 Z P O vergleichbare N o r m fehlt 5 3 . Wegen der Besonderheiten in F G - V e r f a h r e n ist die Frage der gesetzlichen Vertretung hier allerdings nicht ebenso relevant wie im Zivilprozeß 5 4 und spielt auch der Anwaltszwang eine geringere R o l l e 5 5 . F ü r das Verfahren in Betreuungs- und Unterbringungssachen wird allerdings ein genereller Ausschluß der gesetzlichen Vertretungsmacht des Betreuers behauptet, weil insoweit nach der gesetzlichen K o n z e p t i o n allein die Bestellung eines Verfahrenspflegers in Frage k o m m e 5 6 ; für diese A n n a h m e finden sich jedoch keine Anhaltspunkte im Gesetz, solche sprechen vielmehr für die gegenteilige Auffassung, so daß grundsätzlich von der Vertretungsmacht des B e treuers selbst in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren auszugehen ist 5 7 . E i n e n Anwaltszwang gibt es hier nicht.

49 So bereits zur gesetzlichen Vertretung allgemein, Rosenberg, Stellvertretung 775; speziell zur Betreuung, Bork, MDR 1991, 98. 50 Zu Einschränkungen der Vertretungsmacht sub 4.b. Handelt der Betreuer außerhalb seiner Vertretungsmacht, so ist eine von ihm erhobene Klage unzulässig, von ihm vorgenommene Prozeßhandlungen sind unwirksam, Zöller-Vollkommer, § 51 ZPO RdNr. 8; für die Heilung vertretungsmachtlosen Handelns gilt das supra aa zur materiellen Vertretungsmacht Gesagte entsprechend. 51 Näher zu den Fällen des Anwaltszwangs, statt aller Zöller-Vollkommer, §78 ZPO RdNr. 4 ff. 52 Zur Unterscheidung zwischen der Prozeßvollmacht als der Vollmacht zur Führung eines Prozesses und der Zulässigkeit stellvertretenden Handelns im Prozeß (Prozeßvertretung), Rosenberg, Stellvertretung 645 ff. (647 f.). 53 Implizit, Bassenge/Herbst, FGG Einl. RdNr. 44. 54 Dazu im Zusammenhang mit der Relevanz der Verfahrensfähigkeit in FG-Verfahren, sub § 10.II.4.b.aa bei Fn.313. 55 Ein solcher besteht insbesondere in FG-Familiensachen gemäß §78 II ZPO, eingehend dazu, Keidel-Kuntze, §64 FGG RdNr. 115-120; zu weiteren Fällen des Anwaltszwangs in FG-Verfahren, Keidel-Zimmermann, § 13 FGG RdNr. 10. Soweit der Anwaltszwang besteht, gelten die Regeln des Zivilprozesses, supra (1). 56 Staudinger-Bienwald, § 1902 RdNr. 27. 57 Näher dazu Damrau/Zimmermann, BtG §1902 RdNr. 39; zur daraus erwachsenden

II. Die Rechtsmacht

(3) In sonstigen

des Betreuers

143

Verfahren

Schließlich ist der Betreuer außerhalb privatrechtsbezogener Verfahren zu Verfahrenshandlungen für den Betreuten befugt58. b) Handeln

des Betreuers

im eigenen

Namen

Handeln die Eltern im eigenen Namen für das Kind, so ist danach zu differenzieren, ob dies erkennbar mit Bezug auf die elterliche Sorge geschieht oder nicht; ersteres ist bei den sogenannten amtsähnlichen Handlungen der Fall, letzteres bei rechtsgeschäftlichem Handeln der Eltern in bloß mittelbarer Stellvertretung 59 . Diese Unterscheidung läßt sich ebenfalls auf die Betreuung übertragen. aa) Mittelbare

Stellvertretung

Der gesetzliche Vertreter ist prinzipiell nicht gezwungen, Rechtsgeschäfte, die im Interesse des Schutzbefohlenen stehen, in dessen Namen statt im eigenen abzuschließen60. Dieser Satz bedarf der Klarstellung: Schließt der gesetzliche Vertreter im eigenen Namen und für eigene Rechnung ab, so ist das unproblematisch, weil die Wirkungen ihn selbst treffen; im eigenen Namen kann er dagegen nicht auf Rechnung des Schutzbefohlenen abschließen, über dessen Rechte verfügen oder diese gerichtlich geltendmachen61. Bei Alltagsgeschäften werden sich jedoch häufig die Grundsätze über das Geschäft für den, den es angeht, heranziehen lassen62: Bei einem solchen Geschäft treffen die schuldrechtlichen Wirkungen den verdeckten Geschäftsherrn und der Rechtserwerb tritt unmittelbar bei ihm ein, sofern der Geschäftsmittler in entsprechender Anwendung der Vertretungsregeln Vertretungsmacht hat63 und die übrigen Voraussetzun-

Möglichkeit von Mehrfachkompetenzen von Betreuer, Verfahrenspfleger und Betreutem, sub III.3.b.bb.(4). 58 Siehe beispielsweise die ausdrücklichen Regelungen in Art. 16 IV BayVwVfG für das Verwaltungsverfahren und in § 15 IV S G B X und § 72 I S G G für das sozialrechtliche Verfahren, zum Strafprozeß näher, Staudinger-Bienwald, § 1902 RdNr. 56 lit.k. 59 Siebert, N J W 1955, 2. 60 So bereits Motive, IV 1087; R G 17.12.1934, R G Z 146, 231 (232 f.); ebenso zur Altersvormundschaft, Staudinger-Engler, §1793 RdNr. 23; Palandt-Diederichsen, RdNr. 6; anders Gernhuber, FamR § 4 9 V 3. 61 Zur elterlichen Sorge ausführlich, Staudinger-Peschel-Gutzeit, § 1629 RdNr. 15 f. (Handeln für eigene Rechnung), RdNr. 22-27 (sonstige Fälle) jeweils m.w.N.; ebenso MünchK o m m - H i n z , § 1 6 2 6 RdNr. 55 und Gernhuber/Coester-Waltjen, § 5 7 VI 1 a.E. (Eltern), §71 III 1 (Altersvormundschaft). 62 Zur elterlichen Sorge, Staudinger-Peschel-Gutzeit, § 1 6 2 9 RdNr. 27; zur Altersvormundschaft, MünchKomm-Schwab, § 1793 RdNr. 22. 63 Grundsätzlich gelten daher die zur Vertretungsmacht i.e.S. gemachten Ausführungen (supra a) im Grundsatz entsprechend.

144

§ 8 Die Wirkungen

der

Betreuerbestellung

gen v o r l i e g e n 6 4 . D i e s e A u s s a g e n lassen s i c h a u f die R e c h t s m a c h t des B e t r e u e r s ü b e r t r a g e n 6 5 . D e r B e t r e u e r h a n d e l t i n s o w e i t z w a r statt des B e t r e u t e n , a b e r n i c h t kraft echter Stellvertretung.

bb) Sogenannte amtsähnliche

Handlungen

N e b e n d e r e i g e n t l i c h e n u n d d e r v e r d e c k t e n S t e l l v e r t r e t u n g s t e h e n d e m ges e t z l i c h e n V e r t r e t e r k r a f t s e i n e r R e c h t s s t e l l u n g eine R e i h e v o n B e f u g n i s s e n z u , H a n d l u n g e n m i t A u ß e n w i r k u n g f ü r d e n V e r t r e t e n e n v o r z u n e h m e n , die er n u r i m e i g e n e n N a m e n v o r n e h m e n k a n n ; d e s h a l b ist h i e r f ü r d e r B e g r i f f „ a m t s ä h n l i c h e r H a n d l u n g e n " g e p r ä g t w o r d e n 6 6 . I m R a h m e n der e l t e r l i c h e n S o r g e sind die n a c h § § 1 0 7 ff. B G B u n d e i n e r R e i h e f a m i l i e n r e c h t l i c h e r T a t b e s t ä n d e v o r g e s e h e nen Zustimmungen und Ermächtigungen, öffentlichrechtliche Meldepflichten sowie eigene A n t r a g s - und B e s c h w e r d e r e c h t e der Eltern zu nennen67. A m t s ä h n l i c h e H a n d l u n g e n g e h ö r e n a u c h z u r R e c h t s m a c h t des B e t r e u e r s , w e n n g l e i c h in g e r i n g e r e m U m f a n g als bei d e n E l t e r n : K r a f t A m t e s h a t er i m S t r a f r e c h t A n t r a g s - u n d B e s c h w e r d e r e c h t e i m e i g e n e n N a m e n 6 8 , n i c h t j e d o c h in F G - S a c h e n 6 9 , u n d o b l i e g e n i h m g e w i s s e ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e P f l i c h t e n 7 0 ; v o r a l l e m hat er i m R a h m e n eines E i n w i l l i g u n g s v o r b e h a l t s die Z u s t ä n d i g k e i t z u E i n w i l l i g u n gen u n d E r m ä c h t i g u n g e n z u r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e n H a n d l u n g e n des B e t r e u t e n 7 1 einschließlich zustimmungsbedürftiger familien- und erbrechtlicher Rechtsge-

64 Näher zu solchen Geschäften, ihren Voraussetzungen und Wirkungen, MünchKommSchramm, § 164 RdNr. 42-52a. 65 Dem entspricht es, wenn Bienwald (in Staudinger, §1902 RdNr. 58) seine Ablehnung auf die verdeckte Vertretung auf Rechnung des Betreuten beschränkt. 66 Eingeführt wurde der Begriff von Siebert, N J W 1955, 1 ff., er wird jedoch als irreführend abgelehnt, Gernhuber/Coester-Waltjen, §57 VI Fn. 1; MünchKomm-/iz«z, §1626 RdNr. 31. 67 Näher dazu, Siebert, N J W 1955, 1 ff. (1 f., 6), sowie MünchKomm-Hinz, §1629 RdNr. 5. 68 Der Betreuer ist gemäß § 298 StPO als gesetzlicher Vertreter zur Einlegung von Rechtsmitteln sowie nach § 77 III StGB zur Stellung eines Strafantrags für einen geschäftsunfähigen Betreuten befugt; die Ausführungen zu letzterem bei Tröndle (§77 StGB RdNr. 10, 16) sind unklar, und, soweit dort auf den Einwilligungsvorbehalt Bezug genommen wird, unzutreffend, da durch die Streichung des § 77 III 2 a.F. StGB durch Art. 7 § 34 Nr. 1 BtG ausdrücklich dem Wegfall der beschränkten Geschäftsfähigkeit bei Volljährigen Rechnung getragen wurde und eine Bezugnahme auf den Einwilligungsvorbehalt unterblieben ist, BT-Drs. 11/4528, 195, deutlicher noch Bienwald, Betreuungsrecht 1. Aufl. Art. 7 § 34 BtG RdNr. 1. 69 Der Betreuer kann in Betreuungssachen im Namen des Betreuten Beschwerde einlegen (§ 69g II F G G ) , im eigenen Namen kann er dies nur i.R.d. § 20 I F G G , soweit er in einem eigenen Recht beeinträchtigt ist, Damrau/Zimmermann, BtG § 69g F G G RdNr. 11. 70 Dazu näher Staudinger-Bienwald, § 1902 RdNr. 28 f. 71 Das sind die Einwilligung des Betreuers zu Rechtsgeschäften des unter Einwilligungsvorbehalt stehenden Betreuten und dessen Ermächtigung zur Vornahme von Rechtsgeschäften gemäß § 1903 12 i.V.m. §§112, 113; darüber hinaus ist der Betreuer gemäß § 1903 I 2 i.V.m. §131 II für dem Betreuten gegenüber abzugebende Erklärungen empfangszuständig, näher dazu sub §12.111.1.

II. Die Rechtsmackt

145

des Betreuers

Schäfte72; außerhalb eines Einwilligungsvorbehalts hat der Betreuer eine Einwilligungszuständigkeit nur 73 für die Heilung nichtiger Rechtsgeschäfte des geschäftsunfähigen Betreuten 74 oder eigenen Handelns ohne Vertretungsmacht 75 . Amtsähnliche Befugnisse können demnach sowohl ein Handeln an Stelle des Betroffenen als auch die notwendige Mitwirkung zu einem Eigenhandeln desselben betreffen 76 . Inwieweit derartige Befugnisse zur Rechtsmacht des Betreuers gehören, ist teils unabhängig vom Inhalt des jeweiligen Aufgabenkreises77, teils abhängig von der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts oder der Übertragung eines spezifischen Aufgabenkreises 78 . Die Differenzierung zwischen Vertretergeschäften und amtsähnlichen Handlungen ist nicht rein terminologischer Natur 7 9 , vielmehr spielt sie im Rahmen der Subsidiaritätsprüfung des § 1896 II 2 eine Rolle, da amtsähnliche Befugnisse ihrer Natur nach allein einem gesetzlichen Vertreter zustehen kön-

c) Die Einwilligung

in die Verletzung persönlicher

Rechtsgüter

Vorab ist die Rechtshandlung der rechtfertigenden Einwilligung vorzustellen (aa). Die Zuständigkeit des Betreuers zu deren Erteilung (bb) hängt von der Klärung der Frage nach der Einwilligungsfähigkeit und -Zuständigkeit des Betreuten (§ 10.II.3) ab; diese Fragen spielen zudem eine Rolle für die Übertragbarkeit der Einwilligungsbefugnis auf einen gewillkürten Vertreter (§ 9.IV.2.d). aa) Die Rechtshandlung

der rechtfertigenden

Einwilligung

Im Rahmen personenbezogener Aufgabenkreise können persönliche Rechtsgüter oder Freiheitsrechte des Betreuten, die von § 823 I oder dem Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG geschützt sind, verletzt werden. Entsprechende Verletzungshandlungen, zu denen insbesondere freiheitsbeschränkende oder

72

Zu solchen sub 4.a.aa.(l) bei Fn. 150,159 und 161. Eine Einwilligungszuständigkeit außerhalb eines Einwilligungsvorbehalts, wie sie den Eltern in den Fällen der § 1303 III, IV (vormals §3 II EheG) und § 1747 I 1 BGB zusteht, hat der Betreuer nicht; im Ergebnis wie hier, Staudinger-Bienwald, § 1902 RdNr. 57. 74 Dazu sub III.2.b. 75 Dazu supra a.aa nach Fn. 41. 76 Vgl. die supra l.b vor aa gemachte Unterteilung. 77 Z.B. die Beschwerdebefugnis aus §298 StPO; freilich gilt hier wie bei der gesetzlichen Vertretungsmacht die gegenständliche Begrenzung durch den konkreten Aufgabenkreis, supra a vor aa. 78 N u r bei Übertragung der persönlichen Angelegenheiten hat der Betreuer z.B. das Strafantragsrecht des § 77 III StGB sowie gewisse öffentlichrechtliche Pflichten, zu letzteren Staudinger-Bienwald, § 1902 RdNr. 28 f. 79 So aber Staudinger-Donau, 10,/ll.Aufl. §1626 RdNr. 60; Gernhuber, FamR §49 V 4 Fn. 9. 80 Dazu sub §9.IV.4.b.bb. 73

146

5 8 Die Wirkungen der

Betreuerbestellung

ärztliche M a ß n a h m e n i.w.S. gehören, werden herkömmlicherweise der tatsächlichen Personensorge zugerechnet 8 1 . Sie k ö n n e n auf Handlungen des B e treuers 8 2 oder D r i t t e r zurückgehen. D i e Vornahme solcher M a ß n a h m e n durch D r i t t e ist nur rechtmäßig, wenn entweder der Betreute oder an seiner Statt sein hierzu legitimierter Betreuer darin wirksam einwilligt oder ein sonstiger R e c h t fertigungsgrund vorliegt 8 3 . N a c h h . M . erfüllt nämlich sogar der indizierte ärztliche Eingriff, der nach den Regeln der ärztlichen Kunst v o r g e n o m m e n wird, den Tatbestand der K ö r p e r - oder Gesundheitsverletzung i.S.d. § 823 I und ist damit rechtswidrig, wenn er ohne Einwilligung des B e t r o f f e n e n erfolgt 8 4 ; selbst ohne Eingriff in die körperliche Integrität ist eine Einwilligung des Patienten vonnöten, da jedenfalls dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht tangiert wird 8 5 . Einige besonders eingriffsintensive Einwilligungstatbestände haben in §§ 1 9 0 4 1906 eine nähere Regelung erfahren. D i e rechtfertigende Einwilligung ist zwar im B G B nicht ausdrücklich geregelt, sie ist aber seit langem anerkannt 8 6 und in einigen Sondergesetzen ausdrücklich geregelt 8 7 . Sie wird in §§ 1 9 0 4 - 1 9 0 6 vorausgesetzt 8 8 , diese regeln lediglich einige A n f o r d e r u n g e n an ihre Erklärung durch den Betreuer namens des Betreuten. D i e Einwilligung enthält den allgemeinen G e d a n k e n , daß der Inhaber eines Rechtsguts einem anderen die Erlaubnis erteilen kann, in dieses Rechtsgut eingreifen zu dürfen 8 9 . Sie ermöglicht dem B e t r o f f e n e n die eigenverantwortliche Disposition über seine Rechtsgüter und ist somit A u s d r u c k seiner

Vgl. dazu sub 3.a, insbesondere die bei Fn. 117 zitierte Auflistung, aaO. Ziff.3, 9, 11 f. Dann können Zwangsbefugnisse des Betreuers in Frage stehen, dazu sub 3.c. 83 Haben der Einwilligungsbefugte bzw sein gesetzlicher Vertreter eine Willensentschließung nicht abgeben können, so kann der Eingriff dennoch wegen mutmaßlicher Einwilligung oder übergesetzlichen Notstandes gerechtfertigt sein; hierzu bei ärztlichen Eingriffen, MünchKomm-Afertens, §823 RdNr. 451; näher zu den Voraussetzungen einer rechtfertigenden mutmaßlichen Einwilligung, BGB-RGRK-Ste/jfew, §823 RdNr. 383, sowie zum übergesetzlichen Notstand, ebda., 385-389. Zum Ausschluß einer rechtfertigenden Einwilligung durch einen hierzu nicht legitimierten Helfer sub § 9.IV.4.b.aa.(2) nach Fn. 652. 84 So die st Rspr seit R G 13.10.1916, R G Z 88, 433 (434ff.), bestätigend B G H 14.2.1989, B G H Z 106, 391 (394), und die h.M. in der Lehre: Deutsch, AcP 192,165; Soergel-Zeuner, § 823 RdNr. 17; Staudinger-Schäfer, RdNr. 21 f.; Flume, AT II § 13 Nr. 11 lit.f; im Ergebnis ebenfalls, MünchKomm-Aferterzs, § 823 RdNr. 360 f.; die Gegenmeinung sieht hierin eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Patienten und fordert im Ergebnis daher gleichfalls dessen Einwilligung, Laufs, Arztrecht RdNr. 176f.; Larenz/Canaris, SchR II/2 §76 II 1 lit.g m.w.N., der auch die unterschiedlichen Auswirkungen dieses Meinungsstreits aufzeigt; angesichts dessen ist der Unterschied zwischen beiden Ansichten freilich zu relativieren. Für einen Uberblick über den Meinungsstand zur Einwilligung im Strafrecht, Kuhlmann, 10. 8 5 B a y O b L G 15.3.1990, FamRZ 1990, 1154 f. 86 So bereits §706 E I; in den Motiven wird die Einwilligung „zweifellos und selbstverständlich" als Rechtfertigungsgrund angesehen, Motive, II 730; näher zur Anerkennungsgeschichte dieses Rechtsinstituts, Kohte, AcP 185, 108-111. 87 Dazu sub §10.II.3.a.cc. 88 Für die allgemeinen Probleme der Einwilligung sollte es im übrigen bei der bisherigen Rechtspraxis bleiben, BT-Drs. 11/4528, 71. 89 Kohte, AcP 185, 110. 81

82

//. Die Rechtsmacht

des

147

Betreuers

P r i v a t a u t o n o m i e 9 0 . L e t z t l i c h w u r z e l t das E r f o r d e r n i s d e r E i n w i l l i g u n g

des

R e c h t s g u t s i n h a b e r s z u E i n g r i f f e n in das P e r s ö n l i c h k e i t s r e c h t , die k ö r p e r l i c h e I n t e g r i t ä t o d e r die B e w e g u n g s f r e i h e i t i m g r u n d r e c h t l i c h e n S c h u t z des S e l b s t b e stimmungsrechts91. D i e w i r k s a m e E i n w i l l i g u n g b e s e i t i g t die R e c h t s w i d r i g k e i t e i n e r R e c h t s g u t s v e r l e t z u n g , s o f e r n sie f r e i w i l l i g e r t e i l t w i r d , das R e c h t s g u t d i s p o n i b e l i s t 9 2 u n d d e r E i n w i l l i g e n d e e i n w i l l i g u n g s f ä h i g i s t 9 3 ; f ü r d e n E i n w i l l i g u n g s u n f ä h i g e n ist sein g e s e t z l i c h e r V e r t r e t e r e i n w i l l i g u n g s b e f u g t ( s u b b b ) . D e s w e i t e r e n m u ß die E i n w i l l i g u n g auf k l a r e n , z u t r e f f e n d e n V o r s t e l l u n g e n des E i n w i l l i g e n d e n ü b e r die A r t u n d F o l g e n des E i n g r i f f s b e r u h e n 9 4 ; bei ä r z t l i c h e n M a ß n a h m e n ist d a h e r z u s ä t z l i c h e r f o r d e r l i c h , d a ß d e r B e t r o f f e n e v o m A r z t ü b e r die b e a b s i c h t i g t e M a ß n a h m e hinreichend aufgeklärt worden ist95.

bb)

Zuständigkeit

des

Betreuers

D i e s e Z u s t ä n d i g k e i t b e u r t e i l t sich b e z ü g l i c h d e r V e r l e t z u n g v e r m ö g e n s w e r ter R e c h t e nach den rechtsgeschäftlichen R e g e l n 9 6 einschließlich

derjenigen

ü b e r die S t e l l v e r t r e t u n g 9 7 . B e z ü g l i c h d e r V e r l e t z u n g h ö c h s t p e r s ö n l i c h e r R e c h t s g ü t e r sind d a g e g e n die r e c h t l i c h e E i n o r d n u n g s o w i e die A n w e n d b a r k e i t d e r S t e l l v e r t r e t u n g s r e g e l n u m s t r i t t e n ; a u f diese F r a g e n ist an a n d e r e m O r t n ä h e r

90 AaO. 110 m.w.N.; Amelung, R & P 1995, 23; Schünemann, VersR 1981, 306 f.; zur Dispositionsfreiheit des Rechtsgutsinhabers als Schutzgut des §823 I, MünchKomm-Afertens, §823 RdNr. 71. 91 Zur allgemeinen Ableitung aus dem in Art. 2 I G G geschützten Persönlichkeitsrecht, statt aller Deutsch, AcP 192, 166; zur Ableitung aus dem Schutz der körperlichen Integrität in Art. 2 II 1 G G bei ärztlichen Eingriffen, B G H 9.12.1958, B G H Z 29, 46 (49). Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zum Arzthaftungsrecht (25.7.1979, BVerfGE 52, 131 ff.) unterschiedlich auf diese Frage geantwortet: Nach dem Mehrheitsvotum (aaO. 168) hat die Rspr zum Einwilligungs- und Aufklärungserfordernis zwar den Schutz des Selbstbestimmungsrechts des Patienten erreichen wollen, aus Art. 2 I G G ergebe sich jedoch keine Verpflichtung zu einer derartigen Ausgestaltung dieses Grundrechts; das Minderheitsvotum (aaO. 173) hingegen sieht die normative Wurzel des Einwilligungserfordernisses in der Garantie der Menschenwürde und den Grundrechten der Persönlichkeit und des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 1 I, Art. 2 I, II 1 G G ; daraus folge das Erfordernis eines normativen Kernbereichs der Einwilligung (aaO. 175 f.); Sinn der Einwilligung sei es, dem vom Eingriff Betroffenen die Möglichkeit zu verbürgen, sein Selbstbestimmungsrecht über seine leiblichseelische Integrität wahrzunehmen, ebda. 92 Die Einwilligung darf also nicht gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen, näher dazu Soergel-Fahse, § 227 RdNr. 17. 9 3 Für einen Uberblick über die Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung, statt aller Kuhlmann, 14-17 m.w.N. 9 4 B G H 10.7.1954, N J W 1956, 1106; 16.11.1971, N J W 1972, 335 (336). 9 5 St Rspr B G H 10.7.1954, N J W 1956, 1106; 9.12.1958, supra Fn.91, aaO. 58; sowie allg. Meinung, siehe statt aller Laufs in Laufs/Uhlenbruck, Arztrecht § 6 RdNr. 1, 21, zur Lehre vom „informed consent". 9 6 Dazu sub § 10.II.3.a.aa vor Fn. 171. 9 7 MünchKomm-ScArawra, § 164 RdNr. 9.

148

$ 8 Die Wirkungen

der

Betreuerbestellung

einzugehen 9 8 . Jedenfalls bestätigt der Betreuungsgesetzgeber in §§ 1 9 0 4 - 1 9 0 6 , daß die Zuständigkeit zu derartigen Einwilligungen zur Rechtsmacht des Betreuers gehören kann. Eine entsprechende Zuständigkeit des Betreuers ist zunächst dadurch bedingt, daß der konkrete Aufgabenkreis spezifisch zu solchen einwilligungsbedürftigen Maßnahmen ermächtigt"; Beispiele hierfür sind die Aufgabenkreise der Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsvorsorge oder Unterbringung 1 0 0 . Umstritten ist die Frage, ob die Einwilligungszuständigkeit des Betreuers darüber hinaus durch die Einwilligungsunfähigkeit des Betreuten bezüglich der konkret einzuwilligenden Rechtsgutsverletzung bedingt ist. Im Vorgriff auf spätere Ausführungen (sub § 10.II.3) ist diese Frage zu bejahen 1 0 1 : Fällt eine Einwilligungsentscheidung unter den Aufgabenkreis des Betreuers, ist der Betreute hierfür jedoch konkret einwilligungsfähig, so ist der Betreuer zwar formell einwilligungszuständig, materiell aber nicht einwilligungsbefugt 102 . Erteilt der Betreuer eine Einwilligung, ohne aktuell hierfür zuständig zu sein, so ist diese im Außenverhältnis unwirksam; der vom Einwilligungsgegner dennoch vorgenommene Eingriff ist folglich rechtswidrig, so daß der Betreuer sich im Innenverhältnis schadensersatzpflichtig machen kann 1 0 3 . D e r Einwilligungsentscheidung über eine Rechtsgutsverletzung ist regelmäßig ein Rechtsgeschäft vorgeschaltet, im Falle einer ärztlichen Heilbehandlung der Abschluß des Behandlungsvertrages; beide Rechtshandlungen sind voneinander zu unterscheiden 1 0 4 , und dementsprechend kann die Handlungszuständigkeit des Betreuers in beiden Fällen verschieden zu beurteilen sein: Ist der Betreute bezüglich einer konkreten ärztlichen Behandlung einwilligungsfähig, dann kann der Betreuer wegen seiner im Rahmen des Aufgabenkreises generell bestehenden Vertretungsmacht zwar den Behandlungsvertrag abschließen, den mit der Behandlung verbundenen Eingriff vermag aber nur der Betreute zu legitimieren 1 0 5 . 98 Zu der hierfür erforderlichen Handlungsfähigkeit, sub §10.11.3, zur Anwendbarkeit der Stellvertretungsregeln § 9.IV.2.d.aa. 99 Für Maßnahmen nach § 1904 ähnlich, Jürgens, B t R - K o m m . § 1904 RdNr. 1. Selbstverständlich muß die jeweilige Einwilligungsentscheidung nach der allgemeinen Regel (supra l.a) zudem gegenständlich vom konkreten Aufgabenkreis erfaßt werden; zu weiteren Anforderungen an die Übertragung derartiger Befugnisse sub § 1 l.I.3.b, 4.a. 100 Im einzelnen kann es problematisch sein, welche Einwilligungszuständigkeiten ein bestimmter Aufgabenkreis umfaßt; das ist insbesondere beim Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung der Fall, dazu MünchKomm-Schwab, § 1896 RdNr. 38. 101 Eine Mitzuständigkeit des Betreuers eines einwilligungsfähigen Betreuten kann sich auch nicht aus einem Einwilligungsvorbehalt ergeben, sub § 12.1.2. 102 Dies im Ergebnis anzweifelnd, Erman-Holzhauer, §1904 RdNr. 9; näher dazu sub § 10.II.3.a.dd, b.cc. 103 Der Betreuer haftet dem Betreuten wegen Pflichtverletzung aus §§ 1833 i.V.m. 19081 1 1, ansonsten nach den allgemeinen Regeln; zur möglichen Schadensersatzpflicht auch sub §10.II.3.b.aa.(l). 104 Staudinger-Bienwald, § 1904 RdNr. 32; M ü n c h K o m m - S c W £ , RdNr. 2. 105 Ebenso Damrau/Zimmermann, B t G § 1904 RdNr. 2.

II. Die Rechtsmacht

des

Betreuers

149

Der höchstpersönliche Bezug und die notwendige Koppelung an die Einwilligungsunfähigkeit des Betreuten lassen die N ä h e der Einwilligungsbefugnis des Betreuers zur echten Stellvertretung als fraglich erscheinen. Man spricht daher besser von einer einseitigen personalen Fremdbestimmungsbefugnis nichtrechtsgeschäftlicher Art, die dem Betreuer auf G r u n d Gesetzes spezifisch zu übertragen ist 106 . d) Absolute

Rechte

des

Betreuers

Die elterliche Sorge ist ein familienrechtliches subjektives Recht sui generis, das im Innenverhältnis relativ und Dritten gegenüber absolut wirkt 1 0 7 . Der Gesetzgeber hat mit der Verweisung des § 1908i I 1 auf die §§ 1632 I, II deutlich gemacht, daß der Rechtsstellung des Betreuers als gesetzlicher Vertreter jedenfalls in dem verwiesenen U m f a n g absolute Wirkung gegenüber Dritten zukommt 1 0 8 . Diese Vorschriften geben dem Betreuer das Recht, Dritten gegenüber Bestimmungen mit Bezug auf den Betreuten zu treffen 1 0 9 , sofern der konkrete Aufgabenkreis hierzu ermächtigt: Kraft des in § 1632 I normierten Herausgaberechts kann der Betreuer von jedem, der ihm den Betreuten widerrechtlich vorenthält oder der die Verwirklichung des Aufenthaltsbestimmungsrechts erschwert 110 , dessen Herausgabe verlangen 111 ; nach II kann der Betreuer Dritten den Umgang mit dem Betreuten untersagen, wenngleich dies mangels Erziehungsrechts des Betreuers 112 nur in sehr engen Grenzen zulässig ist 113 . 106

Ä h n l i c h M ü n c h K o m m - S c k ^ , § 1896 R d N r . 30. Larenz/Wolf, A T § 15 R d N r . 31 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 2 II (insb 5), § 57 V 1. 108 D i e V o r m u n d s c h a f t w i r d als s u b j e k t i v e s R e c h t a n e r k a n n t , Larenz/Wolf, AT §15 R d N r . 3 1 ; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 2 II 5, § 7 1 II 2 (speziell z u r V o r m u n d s c h a f t ) ; w e gen d e r s t r u k t u r e l l e n Ä h n l i c h k e i t e n ( s u b IV. 1) w i r d m a n dies a u c h ü b e r die B e t r e u u n g sagen können. 109 So z u r elterlichen Sorge, M ü n c h K o m m - / / 2 > j z , § 1632 R d N r . 1. 110 N ä h e r z u m Adressaten der Herausgabeverpflichtung, MünchKomm-//!>!z, §1632 RdNr. 8-12 111 D a s H e r a u s g a b e r e c h t ist eine E m a n a t i o n des A u f e n t h a l t s b e s t i m m u n g s r e c h t s (zu diesem s u b 3.a) u n d d i e n t seiner D u r c h s e t z u n g im A u ß e n v e r h ä l t n i s z u r S i c h e r u n g des B e t r e u u n g s v e r h ä l t n i s s e s gegen S t ö r u n g e n v o n Seiten Dritter, f ü r die elterliche Sorge M ü n c h K o m m Hinz, § 1632 R d N r . 1; es setzt d a h e r einen e n t s p r e c h e n d e n A u f g a b e n k r e i s des B e t r e u e r s v o r aus, d a z u MünchKomm-Sc/;miZ>, § 1908i R d N r . 1. 112 D a z u s u b 3.a bei F n . 123. 113 Z u n ä c h s t m u ß die U m g a n g s b e s t i m m u n g v o m A u f g a b e n k r e i s e r f a ß t sein, d a z u ErmanHolzhauer, § 1908i R d N r . 5. Z u d e m w u r d e sie im alten R e c h t w e g e n § 1901 I a.F. B G B r e s t r i k tiv g e h a n d h a b t , d a z u M ü n c h K o m m - G o e r & e , 2. A u f l . § 1901 a.F. R d N r . 18, Gernhuber, FamR § 6 9 II 5 ( n u r G e f a h r e n a b w e h r ) . D i e v o n Goerke (aaO.) n e b e n d e r G e s u n d h e i t , d e r Sicherheit u n d d e m S c h u t z des M ü n d e l s a n g e f ü h r t e n D r i t t i n t e r e s s e n k ö n n e n f ü r die U m g a n g s b e s t i m m u n g u n t e r d e m B e t r e u u n g s r e c h t nicht m e h r relevant w e r d e n , s u b §9.II.4.b.aa. N e b e n d e n allgemeinen E i n g r i f f s s c h r a n k e n richtet sich die Zulässigkeit einer U m g a n g s b e s t i m m u n g gem ä ß § 1901 II, III n.F. n a c h d e n b e a c h t l i c h e n W ü n s c h e n u n d d e m W o h l des B e t r e u t e n , u n d hier w e r d e n die in § 1901 IV v e r a n k e r t e n G e d a n k e n eine b e s o n d e r e R o l l e spielen; ebenfalls auf das W o h l abstellend, Kemper, F u R 1994, 267 (270); Bienwald, Betreuungsrecht §1908i 107

150

5 8 Die Wirkungen

der

Betreuerbestellung

In diesen Fällen kann der Betreuer zwar mit Rechtswirkung nach außen handeln, es handelt sich aber nicht um ein Vertreterhandeln, sondern um eine einseiim Außenverhältnis bezüglich personaler Angelegenheiten tige Bestimmung nichtrechtsgeschäftlicher Art, die zugleich im Innenverhältnis wirktlH.

3. Rechtsmacht a) „Tatsächliche

im

Innenbereich

Sorge"

Neben der Rechtsmacht im Außenverhältnis können dem Betreuer Befugnisse gegenüber dem Betreuten (Innenverhältnis) zustehen. Grundvoraussetzung hierfür ist, daß der übertragene Aufgabenkreis gerade die jeweilige(n) Befugnis(se) umfaßt 1 1 5 . Eine abschließende Normierung solcher Befugnisse nimmt das Betreuungsgesetz nicht vor, und eine solche ist wohl angesichts des weiten Angelegenheitenbegriffs 1 1 6 gar nicht sinnvoll. Besonders wichtige Befugnisse, welche herkömmlicherweise der tatsächlichen Personensorge zugerechnet werden 1 1 7 , sind im Gesetz angesprochen: Das sind die Befugnisse zur Bestimmung des Aufenthalts 1 1 8 inklusive der freiheitsbeschränkenden Unterbringung (§ 1906), des Umgangs mit anderen 1 1 9 , in Gesundheitsangelegenheiten (§ 1904) bis hin zur Sterilisation (§ 1905). Daneben sind weitere Befugnisse im Innenverhältnis denkbar 1 2 0 , welche vor allem personale Angelegenheiten des Betreuten betreffen, während rein tatsächliche Verwaltungsmaßnahmen relativ selten sind 1 2 1 , weil bei der Vermögenssorge vorwiegend Rechtsgeschäfte anfallen 1 2 2 ; allerdings sind die personalen Sorgebefugnisse gegenüber der Lage bei Minderjährigen dadurch erheblich reduziert, daß dem Betreuer nicht die Erziehung des erwachsenen Betreuten zusteht 1 2 3 . RdNr. 24, der sich für eine restriktive Handhabung ausspricht, vgl. auch ders., in Staudinger, § 1 9 0 8 i R d N r . 101. 114 MünchKomm-Schwab, § 1896 RdNr. 30; zur Doppelwirkung sub 3.b. 115 Z.B. zur Aufenthalts- und Umgangsbestimmung supra 2.d bei Fn. 111 f.; wie hier auch Staudinger-Bienwald, § 1902 RdNr. 20. 116 Sub § 9.II.2.a. 117 Siehe die Aufstellung von Maßnahmen der tatsächlichen Personensorge von Eltern bei Staudinger-Peschel-Gutzeit, § 1626 RdNr. 58. 118 Indirekt über die Verweisung auf das Herausgaberecht, supra 2.d bei Fn. 111. 119 Supra 2.d nach Fn. 111. 120 Eine Aufzählung kann hier nicht stattfinden, siehe nur die Vielzahl möglicher Aufgaben eines Betreuers einschließlich solcher, die Befugnisse im Innenverhältnis enthalten, bei Winterstein in Jürgens u.a., RdNr. 87-94. 121 Beispiele dazu bei Siebert, N J W 1955,1 f. sowie unten im Text. 122 Ebenso zur überwiegend rechtsgeschäftlichen Natur der Vermögensverwaltung bei der elterlichen Vermögenssorge, Staudinger-Peschel-Gutzeit, §1626 RdNr. 64, und ausdrücklich zur Betreuung, O L G Köln 25.11.1992, BtPrax 1993, 102 f.; zu Problemfeldern zwischen rein tatsächlicher Vermögenssorge und solcher mit rechtsgeschäftlicher Qualität siehe sub § 8.IV.4.b.aa.(l) bei Fn. 642 f. 123 Zum alten Recht supra §6.II.2.a bei Fn. 92; zum geltenden Recht ausdrücklich, Bienwald, Betreuungsrecht § 1908i RdNr. 23, sowie Damrau/Zimmermann, B t G Vor § § 1 7 7 3 -

II. Die Recbtsmacbt

des

Betreuers

151

Diese Befugnisse ermächtigen den Betreuer dazu, einerseits den Betreuten einseitig zu einem tatsächlichen Verhalten zu bestimmen {Bestimmungsbefugnisse), andererseits selbst tatsächliche Handlungen für diesen vorzunehmen: ersteres ist vor allem bei den erwähnten normierten Tatbeständen sowie weiteren personenbezogenen Befugnissen der Fall, letzteres z.B. bei der Inbesitznahme von Gegenständen aus dem Betreutenvermögen 124 oder der Zuteilung von Geld aus diesem an den Betreuten 125 . Solche Bestimmungen des Betreuers hat der Betreute zu dulden. b) Vermischung

von Innen-

und

Außenbereich

Die vorerwähnten Bestimmungsbefugnisse fallen freilich oft mit rechtsrelevanten Handlungen des Betreuers im Außenverhältnis zusammen. Diese können im Abschluß von Rechtsgeschäften, in der Begründung eines tatsächlichen Verhältnisses mit Wirkung gegen Dritte 126 , in der Erteilung rechtfertigender Einwilligungen oder in der Ausübung von Bestimmungsbefugnissen gegenüber Dritten bestehen. Dies sei an zwei Beispielen gezeigt: Mit der Zuweisung der Aufenthaltsbestimmungsbefugnis erhält der Betreuer das Recht, den Ort des tatsächlichen Aufenthaltes des Betreuten zu wählen und ihm den Aufenthalt an einem bestimmten Ort zu untersagen 127 . Zugleich haben Dritte sich an diese Bestimmung zu halten; der Durchsetzung dieser Bestimmung im Außenverhältnis dient der Herausgabeanspruch des Betreuers 128 . Wird als neuer Aufenthalt eine Anstalt bestimmt, so setzt dies den Abschluß eines Heimaufnahmevertrages voraus. Ist in diesem Zusammenhang ein Bedarf nach Gesundheitsvorsorge absehbar und wird diesem bei der Formulierung des Aufgabenkreises entsprochen, so kann der Betreuer im Innenverhältnis den Betreuten anweisen, sich einer nötigen ärztlichen Behandlung zu unterziehen, und im Außenverhältnis den Behandlungsvertrag abschließen sowie den ärztlichen Eingriff in die körperliche Integrität des Betreuten durch seine Einwilligung rechtfertigen 129 . Diese Beispiele belegen, daß die Ausübung von Bestimmungsbefugnissen im Innenverhältnis mit rechtsrelevanten Handlungen des Betreuers gegenüber 1921 BGB RdNr. 2; dies folgt aus der Wunschbeachtungspflicht des § 1901 II 2, III 1, in diese Richtung auch, Erman-Holzhauer, § 1901 RdNr. 4. 124 Der Betreute erwirbt dadurch mittelbaren Besitz, gemittelt durch den Betreuer kraft seines Sorgerechts, so zur elterlichen Sorge, MünchKomm-//z«z, § 1626 RdNr. 54 m.w.N. 125 Beispiele sub § 9.IV.4.b.aa.(l) bei Fn. 642 f. 126 Das ist bei der Inbesitznahme von Sachen des Betreuten für diesen (supra a bei Fn. 124) der Fall; zur Einordnung des Besitzes als tatsächliches Verhältnis, Palandt-Bassenge, Überbl. v. § 854 RdNr. 1, zu dessen Drittwirkungen, ebda., RdNr. 2. 127 Staudinger-Salgo, § 1631 RdNr. 50, 52. 128 Supra 2.d; ebenso wirkt die Umgangsbestimmung, nach außen (supra 2.d) und zugleich im Innenverhältnis, MünchKomm-//i«z, § 1632 RdNr. 42. 129 Zur Rechtsmacht des Betreuers für diese beiden letztgenannten Rechtshandlungen supra 2.c.bb, vor allem bei Fn. 104 f.

152

5 8 Die Wirkungen

der

Betreuerbestellung

Dritten zusammenhängen oder selbst zugleich Außenwirkungen entfalten kann; letzteres ist bei den Bestimmungsbefugnissen der Fall, die neben der Innenwirkung kraft der absoluten Wirkung des Amtes Außenwirkung entfalten. Hier erweist sich die Unscharfe der herkömmlichen Unterteilung in tatsächliche Sorge und gesetzliche Vertretung 130 . c) Das Problem der

Zwangsbefugnisse

Das BGB war ursprünglich wie selbstverständlich davon ausgegangen, daß das Personensorgerecht des Vormundes die Möglichkeit einschließe, zum Zweck der Vormundschaft nötige Zwangsmaßregeln gegen den Mündel anzuwenden 131 . Im Verlauf der Reformdiskussion wurde diese Frage dagegen zusehends problematisiert, es wurden spezielle Ermächtigungsgrundlagen für den Einsatz von Zwangsmitteln durch den Betreuer gefordert 132 . Der Betreuungsgesetzgeber bejaht offensichtlich ebenfalls die generelle Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen des Betreuers in personalen Angelegenheiten 133 und nimmt davon lediglich den Fall der Sterilisation (§ 1905 1 1 Nr. 1) aus; ausdrückliche Ermächtigungsnormen finden sich in § 1896 IV BGB für die Post- und Fernmeldekontrolle sowie in § 70g V F G G für die Zuführung zur Unterbringung. Der Fragenkomplex ist umstritten. Die Durchsetzung rechtmäßiger Sorgemaßnahmen des Betreuers gegen den aktiven Widerstand des Betreuten ist auch unter dem Betreuungsgesetz im Prinzip zuzulassen, da diese sich sonst in der Praxis häufig nicht sinnvoll durchführen ließen 134 . Die §§ 1904, 1906 gehen offensichtlich davon aus, daß Widerstand des Betreuten i.R.d. Heilbehandlung oder Unterbringung sogar durch Einsatz physischer Gewalt überwunden werden kann 135 , obgleich dies nicht unmittelbar durch den Betreuer geschehen wird. Dieser ist zur Uberwindung massiven Widerstands des Betreuten auf den Einsatz staatlicher Hilfe angewiesen, wie dies für die Zuführung zur Unterbringung in § 70g V F G G ausdrücklich angeordnet ist. Außerhalb dieser Vorschrift fehlt es aber an einer speziellen Ermächtigungsnorm für den Einsatz staatlicher Gewalt zur Unterstützung des Betreuers, und es ist umstritten, ob das Vormundschaftsgericht eine entsprechende Anordnung auf der alleinigen Grundlage des § 33 II F G G treffen kann 136 . 130

Dazu supra l.b.aa. Begründung Plancks zu §562 T E bei Schubert, Vorlagen BGB FamR II 1233; Motive, IV 1238. 132 Besonders prononciert z.B. Pardey, Betreuung 140-142; zum alten Recht bereits kritisch, Erman-Holzhauer, 8. Aufl. § 1901 a.F. BGB RdNr. 7. 133 Ausdrücklich zur Heilbehandlung, BT-Drs. 11/4528, 72 l.Sp., 141 r.Sp. 134 Ebenso Jürgens in Jürgens u.a., RdNr.240; Leimbach/Jungkurth, FuR 1994, 276 ff. (277). 135 Zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Zwangsbehandlung z.B. Palandt-Diederichsen, § 1904 RdNr. 3; näher zur zwangsweisen Aufenthaltsbestimmung, Windel, BtPrax 1999, 46 ff. 136 Ablehnend, weil §§33 F G G keine selbständige Ermächtigungsgrundlage für die 131

II. Die Rechtsmacht

des

Betreuers

153

Der Zwangsausübung durch den Betreuer werden zudem durch die jeweils tangierten Grundrechte Grenzen gezogen. Das gilt zum Beispiel im Hinblick auf das Grundrecht aus Art. 13 G G für die Befugnis des Betreuers, die Wohnung des Betreuten gegen dessen Willen zu betreten^7, sowie angesichts des Grundrechts der Fortbewegungsfreiheit 138 für die zwangsweise Verschaffung in ein offenes Heim139. Insoweit weist das Betreuungsgesetz Regelungslücken auf, zu deren Schließung jedenfalls nicht auf ein vermeintliches besonderes Gewaltverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem zurückgegriffen werden kann 140 . Diese Fragen können hier nicht weiter vertieft werden, zumal sie für die Festlegung der Eingangsschwelle der Betreuung nicht von unmittelbarer Bedeutung sind141. 4. Einschränkungen

der

Rechtsmacht

Außer der Begrenzung auf den konkreten Aufgabenkreis erfährt die Rechtsmacht des Betreuers weitere Einschränkungen durch Gesetz oder kraft Natur der Sache; diese sind enger gezogen als bei der elterlichen Sorge 142 . Sie führen zu einem Ausschluß oder einer Beschränkung der Rechtsmacht des Betreuers oder verbieten ihm ein bestimmtes Handeln. Derartige Einschränkungen kommen bei der materiellen (sub a) und prozessualen Vertretungsmacht (b) sowie bei Zwangsanwendung darstelle, allgemein Keidel-Zimmermann, § 33 F G G RdNr. 1 m.w.N.; speziell zum Betreuungsrecht, Damrau/Zimmermann, BtG § 1901 RdNr. 3b, die zugleich auf gegenteilige Tendenzen in der Gerichtspraxis hinweisen; Jürgens in Jürgens u.a., RdNr. 245; im Zusammenhang mit der zwangsweisen Wohnungsbetretung ebenso, O L G Frankfurt a.M. 28.11.1995, BtPRax 1996, 71. 137 Mangels förmlicher Ermächtigungsgrundlage daher eine entsprechende Befugniszuweisung an den Betreuer ablehnend, L G Frankfurt a.M. 19.7.1994, FamRZ 1994, 1617; O L G Frankfurt a.M. 28.11.1995, BtPRax 1996, 71; dagegen attestiert das L G Berlin (8.2.1996, BtPrax 1996, 111 ff.) zwar ebenfalls eine Regelungslücke, will diese aber unter Zugrundelegung eines restriktiven Maßstabs durch unmittelbare Anwendung des Art. 13 II G G schließen. Für die ähnliche Fallkonstellation der Wohnungsbetretung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen i.R.d. zivilprozeßrechtlichen Beweiswürdigung wurde eine Bindung durch Art. 13 G G bejaht, BVerfG 5.5.1987, BVerfGE 75, 318, 326 f. 138 Hier ist nicht der Schutzbereich des Art. 11 G G , sondern der Art. 2 II 2 i.V.m. Art. 104 I, II G G tangiert, BVerfG 18.7.1967, BVerfGE 22,180 (218 f.); bestätigend, Grabitz in HdbStR, VI §130 RdNr. 7. 1 3 9 Eine Regelungslücke angenommen und durch analoge Anwendung des §1906 geschlossen, L G Bremen 8.3.1993, BtPrax 1994, 102 f.; dagegen L G Offenburg, 8.7.1996, BtPrax 1996, 196 LS: die zwangsweise Verschaffung ins Heim sei mangels gesetzlicher Grundlage nicht statthaft. 1 4 0 Zur Geltung des Gesetzesvorbehalts auch in Sonderstatusverhältnissen supra § 4.II.3.b. 141 Diese Fragen betreffen die Schwelle für eingreifende Einzelmaßnahmen des Betreuers, der aber in dieser Arbeit nicht nachzugehen ist, supra § 1.II; näher zu dieser Problematik, z.B. Jürgens in Jürgens u.a., RdNr. 238-247. 142 Zur vergleichbaren stärkeren Beschränkung der Altersvormundschaft gegenüber der elterlichen Sorge, MünchKomm-Schwab, § 1793 RdNr. 6-13; zu den Unterschieden zwischen den Schranken jener gegenüber denen der Betreuung, Damrau/Zimmermann, BtG §1902 RdNr. 3.

154

5 8 Die Wirkungen

der

Betreuerbestellung

Fremdbestimmungsbefugnissen personenbezogener Art (c) vor. Aus Gründen des Sachzusammenhangs soll nachfolgend vereinzelt auch auf die Lage bei Bestehen eines Einwilligungsvorbehalts eingegangen werden. a) Bei der materiellen

Vertretungsmacht

Unter dieser Rubrik werden Einschränkungen der eigentlichen Stellvertretung (supra 2.a.aa) behandelt 143 ; daneben werden sub aa.(2) sonstige Tatbestände erörtert, bei denen die Einordnung offenbleiben kann, da sie jedenfalls ein Handeln des gesetzlichen Vertreters mit Wirkung für den Fürsorgebedürftigen ausschließen und sich die besondere Problematik der personalen Bestimmungsbefugnisse (sub c) nicht stellt. Diese Einschränkungen können darin bestehen, eine Vertretung auszuschließen (aa), ein Handeln des Betreuers zu verbieten (bb) oder dessen Vertretungsmacht zu beschränken (cc). Für die Tatbestände echter Stellvertretung unterscheiden sich diese Schranken hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen 144 : In den beiden ersten Fällen kann der Betreuer nicht für den Betreuten handeln, tut er es dennoch, so ist das Vertretergeschäft unheilbar unwirksam 1 4 5 ; ist dagegen lediglich die Vertretungsmacht beschränkt, so ist das vertreterlose Handeln grundsätzlich heilbar 146 , und beruht die Beschränkung auf einer rechtlichen Verhinderung des Betreuers, so kann statt seiner ein Ergänzungsbetreuer handeln 147 . Diese Schranken sind grundsätzlich auf die mittelbare Vertretung durch den Betreuer gleichermaßen anzuwenden, doch werden sie wegen deren Begrenzung auf Alltagsgeschäfte (supra 2.b.aa) nur eine geringe Rolle spielen. Die Befugnis zu amtsähnlichen Handlungen ist im Außenverhältnis prinzipiell unbeschränkt 148 , für Einwilligungen und Ermächtigungen im Rahmen eines Einwilligungsvorbehalts gelten die Einschränkungen der materiellen Vertretungsmacht aber teilweise ebenfalls. aa)

Ausschlußtatbestände

Ausschlußtatbestände bestehen für bestimmte familien- und erbrechtliche Rechtsgeschäfte [sub (1)], die Ausübung des elterlichen Sorgerechts des Betreu143 Zu der Frage, i n w i e w e i t die Vertretungsmacht des Betreuers, den Betreuten finanziell zu verpflichten, der H ö h e nach zu begrenzen sei, supra § 4 . I V . l . b bei Fn. 170ff. 144 Z u m Folgenden, Soergel-Leptien, Vor § 164 R d N r . 93. 145 Bei den A u s s c h l u ß t a t b e s t ä n d e n kann der Vertretene das Geschäft w e d e r genehmigen noch bestätigen, Flume, A T II § 4 3 Nr. 7; das Gleiche gilt w e g e n § 134 im Fall des § 1908i II 1, d a z u sub bb. 146 Bei den G e n e h m i g u n g s v o r b e h a l t e n richtet sich die H e i l u n g nach § § 1 8 2 9 - 1 8 3 2 , sub cc.(3), im übrigen nach § § 177-180, zu letzterem supra 2.a.aa bei F n . 4 1 f.; A n w e n d u n g s f ä l l e dazu nf. bei 4 . a . c c . ( l ) u n d (2) s o w i e f ü r den Fall eines E i n w i l l i g u n g s v o r b e h a l t s sub § 12.III.l.a bei Fn. 110. 1 4 7 Sub c c . ( l ) u n d (2) bei Fn. 177f. 148 Vgl. z u r elterlichen Sorge, Gernhuber/Coester-Waltjen, § 57 VI 2.

II. Die Rechtsmacht

des

Betreuers

155

ten durch den Betreuer sowie einige öffentlichrechtliche Erklärungen [beides sub (2)]; gemeinsam ist diesen Tatbeständen, daß der Ausschluß wegen der höchstpersönlichen Natur der betroffenen Rechtshandlungen erfolgt. (1)

Rechtsgeschäftliche

Diese kann man in drei Obergruppen unterteilen: In der ersten Gruppe ist der Ausschluß der Stellvertretung absolut, und eine Kontrollzuständigkeit des Betreuers ist bis auf den Fall der Zustimmung der Mutter zum Vaterschaftsanerkenntnis 149 nicht vorgesehen, da die betreffenden Angelegenheiten nicht von einem Einwilligungsvorbehalt erfaßt werden können 150 . In diesen Fällen ist ausschließlich der Berechtigte handlungsbefugt, ist er 149 N a c h §1595 I, II bedarf die A n e r k e n n u n g der Vaterschaft i.S.d. §1592 N r . 2 i.V.m. § 1 5 9 4 der Z u s t i m m u n g der K i n d e s m u t t e r ; diese E r k l ä r u n g ist höchstpersönlicher A r t u n d k a n n nicht d u r c h den Betreuer einer geschäftsfähigen M u t t e r abgegeben w e r d e n , §1596 III l.HS; dieser k a n n diesbezüglich nicht einmal eine geschäftsunfähige M u t t e r vertreten, F a m R e f K / W a x , § 1 5 9 6 R d N r . 3. Die Z u s t i m m u n g der M u t t e r ist nämlich stets unverzichtbar, so daß eine V a t e r s c h a f t s a n e r k e n n u n g bei Geschäftsunfähigkeit der M u t t e r ausscheidet, ders., § 1595 R d N r . 5 f., sowie B T - D r s . 13/4899, 54. Dagegen ergibt sich aus § 1596 III 2.HS. eindeutig, daß die Z u s t i m m u n g einer geschäftsfähigen u n d b e t r e u t e n M u t t e r einem Einwilligungsv o r b e h a l t unterliegen k a n n u n d d a n n der Einwilligung des Betreuers bedarf, ebenso F a m RefK/Wiix, § 1596 R d N r . 4. 150 A b s o l u t ist der A u s s c h l u ß der Stellvertretung u n d der K o n t r o l l z u s t ä n d i g k e i t bei der Eheschließung (§§1311 i.V.m. 1903 II l.Alt.), der Bestätigung einer gem. § 1 3 1 4 I i.V.m. 1304 b z w § 1314 II N r . 1 a u f h e b b a r e n E h e (die Bestätigung k a n n wegen ihrer h ö c h s t p e r s ö n l i c h e n N a t u r nicht v o n einem gesetzlichen Vertreter erklärt w e r d e n , BT-Drs. 13/4898, 20; ü b e r die Möglichkeit, die Bestätigung d u r c h d e n n u n m e h r geschäfts- o d e r erklärungsfähigen, aber betreuten Ehegatten gem. § 1903 I von der Z u s t i m m u n g seines Betreuers abhängig zu machen, trifft das Gesetz keine ausdrückliche Aussage; die Bestätigung k a n n jedoch nicht z u m G e g e n stand eines Einwilligungsvorbehalts gemacht w e r d e n , da dies bei d e m zu bestätigenden A k t der Eheschließung gem. § 1903 II 1. Alt. ebenfalls nicht möglich ist u n d eine Ü b e r t r a g u n g der f ü r b e s c h r ä n k t Geschäftsfähige geltenden Regelung des §1315 I 3 auf betreute Volljährige ausscheidet; im Ergebnis ebenso, Palandt-Diederichsen, §1315 R d N r . 10), der B e s t i m m u n g des E h e n a m e n s i.S.d. § 1 3 5 5 (höchstpersönliche E r k l ä r u n g , M ü n c h K o m m - Wacke, § 1 3 5 5 R d N r . 17; kein Einwilligungsvorbehalt möglich, Palandt-Diederichsen, § 1903 R d N r . 13), der Z u s t i m m u n g des Ehegatten z u r V e r f ü g u n g des anderen ü b e r das G e s a m t g u t (§1516 II 1, § 1903 II 3. Alt. i.V.m. § 1516 II 2), d e m A d o p t i o n s a n t r a g des A n n e h m e n d e n (bei der Minderj ä h r i g e n a d o p t i o n folgt dies aus § 1752 II 1, welcher die h ö c h s t p e r s ö n l i c h e N a t u r des A n t r a g s unterstreicht; der A n t r a g k a n n auch nicht v o n einer Einwilligung des Betreuers gem. § 1903 I abhängig gemacht w e r d e n , weil er Verfahrensfähigkeit des Antragstellers voraussetzt, zu letzt e r e m Palandt-Diederichsen, § 1752 R d N r . 4; d u r c h die A n o r d n u n g eines Einwilligungsvorbehalts w ü r d e der Betreute aber gerade verfahrensunfähig, d a z u sub § 12.11. l.d; insoweit hat sich die Rechtslage d u r c h die Streichung des § 1743 IV a.F., a u f w e i c h e n vormals der A u s s c h l u ß einer K o n t r o l l z u s t ä n d i g k e i t des Betreuers gestützt w u r d e [so M ü n c h K o m m - S c h w a b , §1902 R d N r . 34 bei lit. aa], nicht geändert, z u r B e g r ü n d u n g f ü r die Streichung dieser Vorschrift, BTD r s . 13/4899, 112; bei der Volljährigenadoption gilt w e g e n der Verweisung der § § 1 7 6 7 II, 1768 I auf §1752 II 1 das Gleiche), der E r r i c h t u n g u n d d e m Widerruf eines Testaments (§§2064, 2254-58, 2291 f., § 1903 II 2. Alt.), der E r r i c h t u n g (§§2274, 2275 I, § 1903 II 2. Alt.), Bestätigung (§2284), o d e r vertraglichen A u f h e b u n g eines Erbvertrags, jeweils auf Seiten des

156

$ 8 Die Wirkungen

der

Betreuerbestellung

geschäftsunfähig, so kann das fragliche Rechtsgeschäft überhaupt nicht vorgenommen werden 151 . Einige Einwilligungserfordernisse Dritter zu statusändernden Akten 152 sind für den Eintritt der Statusänderung verzichtbar 153 und für die Ermittlung der Grenzen der Rechtsmacht des Betreuers daher ohne Bedeutung 154 . In der zweiten Gruppe ist lediglich die Stellvertretung des geschäftsfähigen Berechtigten ausgeschlossen, der dann allein zuständig ist; für den geschäftsunfähigen handelt hingegen der gesetzliche Vertreter 155 , für den dabei teilweise ein

Erblassers (§2290 II 1, § 1903 II 3. Alt. i.V.m. §2290 II 2) und dem Widerruf eines gegenseitigen Testaments oder dem Rücktritt von einem Erbvertrag (§ 2296 I 1 direkt oder über § 2271 I 1, § 1903 II 3. Alt. i.V.m. § 2296 I 2). Vgl. auch die sub Fn. 152 ff. behandelten Fälle. Infolge ihrer höchstpersönlichen Natur ist wohl auch die Begründung gemeinsamer elterlicher Sorge unverheirateter Eltern durch Erklärung i.S.d. § 1626a zu dieser Gruppe zu zählen, da die Erklärung gem. § 1626c I höchstpersönlich ist und eine Beteiligung des gesetzlichen Vertreters bewußt nur für den Fall der Minderjährigkeit eines oder beider Elternteile in § 1626c II vorgesehen ist; allerdings ist umstritten, inwieweit die Erklärung bei Geschäftsunfähigkeit eines Elternteiles nicht durch einen gesetzlichen Vertreter abgegeben werden soll können, ablehnend Palandt-Diederichsen, § 1626a RdNr. 7 m.w.N. 151 Der Berechtigte selbst kann dann nicht handeln; das folgt für die Eheschließung aus § 1304, das Testament aus §2229 III, den Erbvertrag aus §2275 I, ansonsten aus § 104 Nr.2, § 105 I; zur Zustimmung der Mutter i.S.d. § 1595 supra vorvorige Note. 152 Zu statutsändernden Akten, Gernhuber/Coester-Waltjen, §67 I; Beispiele für derartige Einwilligungserfordernisse Dritter sind bei der Minderjährigenadoption die Einwilligung der Kindeseltern und des Ehegatten des Annehmenden (§§ 1747, 1749, § 1750 III 1) sowie deren Nachholung (§1760 III 2, V 2 i.V.m. § 1750 III). 153 Die supra Vornote erwähnten Erfordernisse entfallen z.B. nach § 1747 IV und § 1749 III wegen Geschäftsunfähigkeit des Einwilligungsberechtigten sowie aus anderen Gründen; eine Ersetzung der nach § 1747 erforderlichen Einwilligung eines Elternteils durch das Vormundschaftsgericht wegen eines § 1896 I 1 entlehnten Unfähigkeitstatbestandes sieht dagegen § 1748 III vor; freilich kann die Unfähigkeit des Einwilligungsberechtigten auch in den Ersetzungstatbeständen des § 1749 I 2, 3 eine Rolle spielen, wenngleich sie nicht Tatbestandsmerkmal wie in § 1748 III ist; weitere Ersetzungstatbestände enthalten § 1748 I, II und IV. 154 Um beim Beispiel der Adoption zu bleiben, hiervon jedoch Ausnahmen zu machen, da der Antrag des Kindes (§ 1748) bzw. des Annehmenden (§ 1749 I 2) auf Ersetzung der Einwilligung von einer Betreuung erfaßt werden kann. 155 Das ist der Fall bei der Anerkennung der Vaterschaft und der Zustimmung des Kindes dazu (Vertretung durch Betreuer für geschäftsunfähigen Vater, § 1596 I 3, oder Kind, § 1596 II 1 1. Alt.; nicht dagegen bei Geschäftsfähigkeit dieser beiden, § 1596 III l.HS.), der Anfechtung einer solchen Anerkennung (Vertretung durch Betreuer für geschäftsunfähige Betreute, § 1600a II 3 für den Anerkennenden und die Kindesmutter, § 1600a III 1. Alt. für das Kind; nicht dagegen für geschäftsfähige Betreute, § 1600a V für alle Fälle), der Anschlußerklärung bzw Einwilligung des Kindes zur Bestimmung seines Namens nach §§ 1617a-l 618 (Vertretung durch Betreuer für geschäftsunfähiges, volljähriges Kind nach allgemeinen Regeln, da § 1617c I 2 insoweit schweigt, im Ergebnis ebenso FamRefK/W^x, § 1617c RdNr. 8; aus dieser Vorschrift läßt sich umgekehrt der Vertretungsausschluß für das geschäftsfähige, volljährige Kind ableiten, ebenso Wax, aaO. RdNr. 9), dem Adoptionsantrag des volljährigen Anzunehmenden (§§1768 I, 1767 II, 1752 II 1, für den geschäftsunfähigen Betreuten § 1768 II), dem Antrag auf Aufhebung einer Adoption (§ 1762 I 3, 2 1. und 3. Alt. direkt oder über §§1771, 1767 II), der Anfechtung des Erbvertrages durch den Erblasser (§ 2282 1 1, II), dem Abschluß eines Erbver-

II. Die Rechtsmacht

des

Betreuers

157

vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungsvorbehalt gilt 156 . Bei Geschäftsfähigkeit des Betreuten ist weiter zu differenzieren zwischen Tatbeständen, die von einem Einwilligungsvorbehalt erfaßt werden können 1 5 7 , und solchen, bei denen diese Möglichkeit nicht besteht 158 : N u r bei ersteren kann der Betreuer wenigstens die Kontrollzuständigkeit erlangen, falls ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wird. Als dritte Gruppe fällt der Abschluß eines Ehevertrages aus diesem Rahmen. Für den gesetzlichen Regelfall entspricht er der zweiten G r u p p e bei Zulässigkeit eines Einwilligungsvorbehalts 1 5 9 . Für bestimmte, als besonders gefährlich eingestufte Arten von Eheverträgen wird dieses System aber durchbrochen: die Stellvertretung wird ausgeschlossen und die Kontrollzuständigkeit i.R.d. § 1903 einem vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsvorbehalt unterworfen 1 6 0 . Ein solcher Vorbehalt gilt im übrigen stets bei Geschäftsunfähigkeit des Betreuten (§1411 112). (2)

Sonstige

Im Ergebnis ist man sich einig, daß die Ausübung der elterlichen Sorge nach der Neufassung des § 1673 161 und der Entkoppelung der Betreuung von der Rechtsfolge eingeschränkter Geschäftsfähigkeit (sub Ill.l.a) nicht zum Gegenzichtsvertrags (§2347 II 1 l.HS., II 2 l.HS.) sowie dessen vertraglicher A u f h e b u n g d u r c h den Erblasser (§2351). Z u m A b s c h l u ß eines Ehevertrages sub bei F n . 159f. 156 F ü r die E r k l ä r u n g der Vaterschaftsanerkennung d u r c h den Betreuer des geschäftsunfähigen Vaters (§ 1596 I 3); sowie in den Tatbeständen der § 2282 II u n d § 2347 II 2 2.HS. direkt o d e r i.V.m. §2351. 157 Von den supra Fn. 155 aufgeführten Tatbeständen ist das bei folgenden der Fall: f ü r die Vaterschaftsanerkennung u n d die Z u s t i m m u n g des Kindes (§1596 III); die Anschlußerklärung b z w Einwilligung des Kindes i.S.d. §§ 1617a-1618 (da diese Vorschriften die U n t e r w e r f u n g der Kindeserklärung unter einen Einwilligungsvorbehalt nicht ausdrücklich ausschließen); beim A d o p t i o n s a n t r a g des volljährigen A n z u n e h m e n d e n (ebenso Damrau/Zimmermann, B t G § 1902 R d N r . 2 6 ; a.A. Erman-Holzhauer, §1903 R d N r . 2 3 , sowie Staudinger-Bienwald, §1903 R d N r . 59); bei der A u f h e b u n g des Erbverzichts (§2351 verweist nicht auf §2347 II 1 2.HS.). 158 Von den supra F n . 155 a u f g e f ü h r t e n Tatbeständen k ö n n e n nicht von einem Einwilligungsvorbehalt erfaßt werden: die A n f e c h t u n g des Vaterschaftsanerkenntnisses (für den A n e r k e n n e n d e n oder die K i n d e s m u t t e r folgt dies aus § 1600a II 2 2.HS. i.V.m. § 1903 II 3. Alt.; f ü r das Kind läßt sich dies daraus folgern, daß § 1600a n.F. die f r ü h e r e n A n f e c h t u n g s t a t b e s t ä n d e aufgreifen will, B T - D r s . 13/4899, 87 zu § 1600a V, u n d f ü r das betreute Kind folgte der A u s schluß des Einwilligungsvorbehalts aus §§ 1597 IV, 1595 I 2 a.F. i.V.m. § 1903 II 3. Alt.), sowie die Tatbestände der § 1762 I 4 (direkt o d e r i.V.m. §§ 1771,1767 II), § 2282 I 2, § 2347 II 1 2.HS., jeweils i.V.m. §1903 II 3. Alt. 159 D e r geschäftsfähige Betreute ist allein h a n d l u n g s z u s t ä n d i g (§1411 1 4 2. Alt.), die A n o r d n u n g eines Einwilligungsvorbehalts möglich (I 2) u n d der gesetzliche Vertreter f ü r den geschäftsunfähigen E h e p a r t n e r v e r t r e t u n g s b e f u g t (II 1). 160 Ersteres gilt f ü r die Vereinbarung u n d die A u f h e b u n g der G ü t e r g e m e i n s c h a f t , selbst bei Geschäftsunfähigkeit des E h e p a r t n e r s ( § 1 4 1 1 1 4 2. Alt. u n d II 1 2.HS.), letzteres h i e r f ü r sowie f ü r d e n A u s s c h l u ß o d e r die E i n s c h r ä n k u n g des Zugewinnausgleichs (§1411 I 3). 161 A r t . 1 N r . 20 B t G , d a z u BT-Drs. 11/4528,108; z u m f r ü h e r e n R e c h t supra § 6.II.l.b.aa in Fn. 96.

158

§ 8 Die Wirkungen

der

Betreuerbestellung

s t a n d e i n e r B e t r e u u n g g e m a c h t w e r d e n k a n n 1 6 2 , z u m a l das G e s e t z z u r K o m p e n sierung eines e n t s p r e c h e n d e n H a n d l u n g s b e d a r f s andere M i t t e l v o r s i e h t 1 6 3 , so daß ein B e t r e u e r diesbezüglich keine R e c h t s m a c h t h a b e n kann. G r u n d s ä t z l i c h gilt d i e s g e m ä ß § 1 7 1 3 I 3 e b e n f a l l s f ü r d e n A n t r a g a u f B e i s t a n d s c h a f t , s o f e r n d e n Antrag nicht eine geschäftsunfähige werdende M u t t e r stellt164. J e g l i c h e S t e l l v e r t r e t u n g ist b e i der Ausübung klärungen

in religiösen

Angelegenheiten

des Wahlrechts165

sowie bei

Er-

ausgeschlossen. In diesen B e r e i c h e n

166

ist d e r H a n d l u n g s f ä h i g e 1 6 7 a l l e i n z u s t ä n d i g , d e r H a n d l u n g s u n f ä h i g e k a n n w e d e r selbst n o c h d u r c h einen Vertreter handeln; die A u s s c h l u ß w i r k u n g somit derjenigen

der rechtsgeschäftlichen

Ausschlußtatbestände

entspricht der

ersten

G r u p p e [supra (1)].

bb)

Handlungsverbot

§ 1804 spricht keinen Vertretungsausschluß oder Beschränkung der Vertret u n g s m a c h t a u s , s o n d e r n e i n gesetzliches

Verbot

i.S.d. § 1 3 4 1 6 8 , w e l c h e s es d e m

V o r m u n d grundsätzlich untersagt, S c h e n k u n g e n im N a m e n des M ü n d e l s zu tä-

162 Damrau/Zimmermann, B t G § 1773 RdNr. 7b, §1896 RdNr. 17; MünchKommSchwab, § 1896 RdNr. 47-51; Staudinger-Bienwald, § 1902 RdNr. 34; im Ergebnis ebenso, Erman-Holzhauer, § 1896 RdNr.24; eingehend dazu, U.Walter, FamRZ 1991, 765ff. (768ff.). Zur Problematik bei Begründung gemeinsamer elterlicher Sorge durch Erklärung nach § 1626a, supra (1) bei Fn. 150; zu den Auswirkungen der Betreuerbestellung auf das Sorgerecht eines betreuten Elternteils sub Ill.l.a bei Fn. 241. 1 6 3 Hierauf weist der Betreuungsgesetzgeber ausdrücklich hin, BT-Drs. 11/4528, 108 Nr. 20; zu diesen Lösungen, MünchKomm-Schwab und Erman-Holzhauer, jeweils Vornote aaO.; teilweise anders U.Walter, FamRZ 1991, 770ff. 1 6 4 Zu ersterem, F a m R e f K / S o n n e n f e l d , § 1713 RdNr. 14; in der zweiten Situation ist eine Betreuung hingegen im Interesse der Leibesfrucht statthaft, ebda., RdNr. 16; Zweifel an der Geschäftsunfähigkeit der werdenden Mutter lassen sich jedoch nicht dadurch beheben, daß sie insoweit einem Einwilligungsvorbehalt unterworfen wird, da ein solcher diesbezüglich gem. § 1903 II 3. Alt. i.V.m. § 1713 II 2 ausgeschlossen ist. 1 6 5 Wegen der ausdrücklichen Begrenzung auf die persönliche Ausübung des Wahlrechts in § 14 IV B W G kann dieses weder durch einen Vertreter ausgeübt noch die Ausübung von einer Zustimmung abhängig gemacht werden. 1 6 6 Der Ausschluß der Vertretung Erwachsener läßt sich daraus ableiten, daß sogar Minderjährige über 14 Jahren gemäß § 5 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung v. 15.7.1921 (RelKErzG, abgedr. bei MünchKomm-//znz, im Anhang zu § 1631) selbst über ihre Religionszugehörigkeit entscheiden; den Vertretungsausschluß für den Kirchenaustritt bestätigend, B G B - R G R K - S t ( $ e r a , Vor § 164 RdNr. 23, und Kohte, AcP 185, 143; für die Betreuung ebenso, Gernhuber/Coester-Waltjen, § 7 6 V 2; MünchKomm-Schwab, §1902 RdNr.23. Wegen der höchstpersönlichen Natur kann sich ein Einwilligungsvorbehalt nicht hierauf erstrekken, MünchKomm-Schwab, §1903 RdNr. 16; Palandt-Diederichsen, § 1903 RdNr. 13. Darüber hinaus kann die Aufgabe der religiösen Erziehung dem Betreuer nicht zustehen, da § 1908i I 1 nicht auf § 1801 verweist, Damrau/Zimmermann, B t G § 1801 RdNr. 5, und die Erziehung des Betreuten ohnehin nicht zu dessen Sorgerecht gehört, supra 3.a bei Fn. 123. 1 6 7 Zur Handlungsfähigkeit in religiösen Fragen, TsAünchKomm-Schwab, § 1902 RdNr. 23; zur Wahlfähigkeit sub I l l . l . b bei Fn. 242. 1 6 8 Zur verwandten Vorschrift des §1641, Gernhuber/Coester-Waltjen, §61 II 1; aus-

II. Die Rechtsmacht

des

Betreuers

159

tigen 1 6 9 . Für die Betreuung wird dieser Ausschluß im Interesse einer größeren Selbstbestimmung des Betreuten durch die Verweisungsnorm des § 1908i II 1 über § 1804 S. 2 hinaus relativiert. Soweit der Ausschluß danach greift, sind Handlungen des Betreuers einschließlich der Einwilligung zu einem Handeln des Betreuten 1 7 0 nichtig, und eine Substitution des Betreuers scheidet aus 171 .

cc) Beschränkungen

der

Vertretungsmacht

Aus verschiedenen Gründen ist die Vertretungsmacht des Betreuers beschränkt. Neben den nachfolgend darzustellenden gesetzlichen Beschränkungen sind hierher ebenfalls die Regeln über den Mißbrauch der Vertretungsmacht zu zählen, da bei evident mißbräuchlichem Vertreterhandeln die Vertretungsmacht verneint wird 1 7 2 . Weitere Beschränkungen können sich im Rahmen eines Einwilligungsvorbehalts einstellen (§ 12.III.1).

(1) Wegen

Interessenkollision

Zur Vermeidung von Interessenkonflikten schränken § 1908i I 1 i.V.m. §§ 181, 1795 I, 1796 sowie § 159 II 2, § 179 II 2 VVG die Vertretungsmacht des Betreuers ein. Insoweit ist der Betreuer rechtlich gehindert, in Vertretung des Betreuten zu handeln, an seiner Stelle kann dies ein nach § 1899 IV 1. Alt. zu bestellender Ergänzungsbetreuer 1 7 3 . Tätigt der Betreuer gleichwohl von diesen Begrenzungen erfaßte Rechtsgeschäfte, so beurteilt sich deren Wirksamkeit nach §§ 177-180 1 7 4 .

(2) Durch Bestellung

eines

Mitbetreuers

Die Fälle der geteilten (§ 1899 I 2, II) und der gemeinschaftlichen Mitbetreuung (§ 1899 III) führen partiell oder ganz zu einer Gesamtvertretungsmacht 1 7 5 und damit zu einer gegenüber dem Normalfall beschränkten Vertretungsmacht drücklich wird die Verfassungsmäßigkeit des § 1804 im Hinblick auf dessen Verhältnismäßigkeit bejaht von BayObLG 24.5.1996, BtPrax 1996, 183 f., gegen Canaris, JZ 1987, 998 f. 169 Die Vorschrift stellt eine klassische Beschränkung der Rechtsmacht eines Fremdvermögensverwalters dar, Motive, IV 1106. 170 Das gilt zum einen für den Fall, daß die Schenkung unter den von einem Einwilligungsvorbehalt erfaßten Aufgabenkreis fällt, so bereits zum Vormund Motive, IV 1106; zur Betreuung ebenso, MünchKomm-Sc/ja^, § 1908i RdNr. 33. Zum anderen trifft das für die Heilung einer nach § 105 I nichtigen Schenkung des Betreuten selbst zu, zur Heilungszuständigkeit sub III.2.b. 171 Erman-Holzhauer, § 1804 RdNr. 1. Der geschäftsfähige Betreute kann die Schenkung selbst vornehmen, dem geschäftsunfähigen ist sie verwehrt, sofern er nicht rechtzeitig durch Bevollmächtigung Vorsorge getroffen hat, dazu sub § 9.IV.4.b.bb bei Fn. 665. 172 Medicus, AT RdNr. 967; zum Mißbrauch der Vertretungsmacht supra II.2.a.aa a.E. 173 Zur Substitution bei §§ 1795 f., MünchKomm-Schwab, § 1899 RdNr. 4, 23, und bei den versicherungsrechtlichen Tatbeständen, Erman-Holzhauer, § 1902 RdNr. 7. 174 Dazu supra 2.a.aa bei Fn. 41 f.

160

5 8 Die Wirkungen

der

Betreuerbestellung

des einzelnen Mitbetreuers. Werden Angelegenheiten, die einem Alleinbetreuer zustehen, nachträglich auf einen selbständigen Mitbetreuer übertragen (1899 I 2), so verliert ersterer insoweit seine Vertretungsmacht 176 . Die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers schränkt die Vertretungsmacht des Betreuers lediglich in den dem § 1909 I 2 verwandten Fällen ein 177 , in denen ein Dritter dem Betreuten Vermögen zuwendet und den Betreuer von dessen Verwaltung ausschließt 178 . Soweit ein Betreuer danach keine Vertretungsmacht hat, können die zuständigen Mitbetreuer sein Handeln nach §§ 177 ff. genehmigen.

(3) Durch

Genehmigungsvorbehalte

Die materielle Vertretungsmacht des Betreuers wird durch eine Reihe von Genehmigungsvorbehalten, die zu Gunsten des Vormundschaftsgerichts oder eines Gegenbetreuers 179 vorgesehen sind, beschränkt: über § 1908i I 1 gelten weitgehend die vermögenssichernden 180 sowie familien- 181 und erbrechtliche 182 Vorbehalte des Vormundschaftsrechts, genuin betreuungsrechtlich sind diejenigen in §§ 1907183 und 1908; weitere Genehmigungsvorbehalte beziehen sich auf 175

N ä h e r d a z u , M ü n c h K o m m - S c h w a b , § 1899 R d N r . 12 f., 16-18. Geregelt ist dieser Fall in § 69i V F G G ; näher dazu, Damrau/Zimmermann, B t G § 69i F G G R d N r . 12 f. 177 G r u n d s ä t z l i c h b e w i r k t die Bestellung eines E r g ä n z u n g s b e t r e u e r s f ü r den d a v o n erfaßten Bereich die E i n s c h r ä n k u n g der Vertretungsmacht des H a u p t b e t r e u e r s , Palandt-Diederichsen, § 1899 R d N r . 5, d o c h ist diese in den supra (1) behandelten Fällen u n a b h ä n g i g d a v o n bereits kraft Gesetzes beschränkt. 178 Die A n o r d n u n g des D r i t t e n vermag die Vertretungsmacht des Betreuers z w a r nicht zu b e r ü h r e n , Erman-Holzhauer, § 1909 R d N r . 12; sie schafft aber eine rechtliche Verhinderung, die d u r c h Bestellung eines E r g ä n z u n g s b e t r e u e r s gemäß § 1899 IV 1. Alt. substituierbar ist, Erman-Holzhauer, §1899 R d N r . 6, § 19081 R d N r . 19; Damrau/Zimmermann, B t G §1899 R d N r . 5. Infolgedessen hat der H a u p t b e t r e u e r insoweit keine Vertretungsmacht mehr, supra Vornote. Bloße V e r w a l t u n g s a n o r d n u n g e n D r i t t e r i.S.d. § 1803 schränken die Vertretungsmacht des Betreuers hingegen nicht ein, Staudinger-Engler, § 1803 R d N r . 11. 179 G e n e h m i g u n g s v o r b e h a l t e zu G u n s t e n des Gegenbetreuers sehen die §§ 1812 f. vor; f ü r die G e n e h m i g u n g des G e g e n b e t r e u e r s gelten nach § 1832 dieselben Regeln wie f ü r diejenige des Vormundschaftsgerichts. Weitere Befugnisse des Gegenbetreuers sind in § § 1 8 0 9 f . , §§ 1824 f. geregelt, d a z u näher M ü n c h K o m m - S c h w a b , § 1908i R d N r . 13. Auf diese Vorbehalte w i r d hier nicht eingegangen, da insoweit gemäß § 1812 III eine Ersatzzuständigkeit des Vormundschaftsgerichts besteht u n d beide weitgehend denselben Regeln unterliegen. 180 § 1821, §§ 1822 N r . 1 - 4 , 6 - 1 3 , §§1823-1825; d a z u ist auch der in § 181 II 2 Z V G angeo r d n e t e Vorbehalt zu zählen. 181 N e b e n d e n Vorbehalten i.R. h ö c h s t p e r s ö n l i c h e r A u s s c h l u ß t a t b e s t ä n d e [dazu supra aa.(l)] k o m m e n solche in den ehegüterrechtlichen N o r m e n der §§ 1484 II 3, 1491 III 2, 1492 III 2 vor. 182 N e b e n den Vorbehalten i.R. höchstpersönlicher A u s s c h l u ß t a t b e s t ä n d e [supra aa.(l)] f i n d e n sich Vorbehalte f ü r die vertragliche A u f h e b u n g eines Erbvertrages d u r c h den Vertragsp a r t n e r des Erblassers (§2290 III 1) sowie f ü r den E r b v e r z i c h t auf Seiten des Verzichtenden (§234712). 183 § 1 9 0 7 betrifft z w a r Rechtsgeschäfte, weist aber eine stark persönlichkeitsschützende K o m p o n e n t e auf; z u m M i s c h c h a r a k t e r dieses Tatbestandes supra l.b.bb bei Fn. 33. 176

II. Die Rechtsmacht

des

Betreuers

161

die Vertretung im Verfahren (sub b.cc) und auf personenbezogene Fremdbestimmungsbefugnisse (sub c.bb). Allgemein bezwecken diese Vorbehalte zum Wohl des Betreuten und insbesondere zur Vermeidung von Mißbräuchen eine vorbeugende Kontrolle besonders sensibler Entscheidungen des Betreuers durch die übergeordnete Betreuungsaufsicht 184 ; die Genehmigungsentscheidung stellt sich somit als ein auf den genehmigungsbedürftigen Sachverhalt bezogenes Aufsichtsmittel des Gerichts dar 185 . Das Genehmigungserfordernis gilt regelmäßig gleichermaßen für Vertretungshandlungen des Betreuers wie für dessen Einwilligung zu einem Handeln des Betreuten bei Bestehen eines Einwilligungsvorbehalts 186 , teils bezieht es sich ausschließlich auf amtsähnliche Handlungen des Betreuers 187 . Die beschränkende Wirkung solcher Vorbehalte folgt aus § 1908i 11 i.V.m. §§ 1829-1831: Ohne die Genehmigung ist das vom Betreuer im Namen des Betreuten vorgenommene Rechtsgeschäft schwebend oder endgültig unwirksam 188 . b) Bei der verfahrensrechtlichen

Vertretungsmacht

Die Vertretungsmacht im Verfahren kann entweder ausgeschlossen oder beschränkt sein. Der Ausschluß ist die Folge eines materiellen oder eines genuin prozessualen Tatbestandes, in beiden Fällen ist Ausschlußgrund die höchstpersönliche Natur des Aktes. aa) Auswirkungen

materieller

Ausschlußtatbestände

Die materiellen Ausschlußtatbestände können sich im Einzelfall auf die Geltendmachung des ausgeschlossenen materiellen Rechts durch einen gesetzlichen Vertreter im Zivilprozeß oder in FG-Verfahren auswirken 189 . Das ist zunächst für Verfahrenshandlungen im Zusammenhang mit der Ausübung der elterlichen Sorge des Betreuten der Fall, da diese einem Betreuer schlechthin verwehrt ist [supra a.aa.(2)].

184 In diesem Sinn bereits, Dölle, II 763; zur B e s t i m m u n g des B e t r e u t e n w o h l s speziell i.R.d. v e r m ö g e n s s i c h e r n d e n G e n e h m i g u n g s v o r b e h a l t e die M o n o g r a p h i e v o n Kerkloh, a a O . 185 A h n l i c h zur V o r m u n d s c h a f t , Soergel-Damrau, Vor § 1773 R d N r . 3. 186 Das ist bei den allgemein gehaltenen G e n e h m i g u n g s v o r b e h a l t e n der Fall, M ü n c h Komm-Schwab, § 1821 R d N r . 6, § 1903 R d N r . 40. 187 Das ist z u m einen bei h ö c h s t p e r s ö n l i c h e n Tatbeständen, bei denen der Betreuer keine Vertretungsmacht, s o n d e r n n u r eine K o n t r o l l z u s t ä n d i g k e i t haben kann (§1411 13 u n d die Z u s t i m m u n g der M u t t e r nach § 1595, d a z u supra aa.( 1) bei F n . 160 u n d F n . 149, respektive), z u m anderen bei der E r m ä c h t i g u n g des Betreuers nach § 1903 I 2 i.V.m. § 112 der Fall. 188 Ersteres gilt gemäß §§ 1829 f. bei zweiseitigen Rechtsgeschäften, letzteres bei einseitigen, § 1831. 189 Z u vereinzelten A u s w i r k u n g e n materieller A u s s c h l u ß t a t b e s t ä n d e auf die gesetzliche Vertretung: f ü r Z P O - V e r f a h r e n , Rosenberg, Stellvertretung 776 f.; f ü r F G - V e r f a h r e n , Bassenge/Herbst, F G G Einl. R d N r . 3 8 - 4 2 .

162

§ 8 Die Wirkungen

der

Betreuerbestellung

Das gilt des weiteren für diejenigen familienrechtlichen Ausschlußtatbestände, die eine Doppelnatur als materielles Gestaltungsrecht und Verfahrenshandlung aufweisen 190 : das sind der statusändernde Antrag der Adoption 191 sowie Gestaltungsklage- und -antragsrechte 192 , welche auf die Beendigung familiärer Statusverhältnisse abzielen 193 ; für die Anfechtung des Vaterschaftsanerkenntnisses wird dies durch § 640b Z P O bestätigt. Der Ausschluß beschränkt sich auf die Verfahrenseinleitung, da der vertretungsfeindliche Akt allein die Ausübung des Gestaltungsrechts durch Stellung des entsprechenden Verfahrensantrags oder Erhebung der jeweiligen Klage ist 194 . Die Zuständigkeit für die Verfahrenseinleitung beurteilt sich nach dem materiellen Recht 1 9 5 ; soweit die materielle Erklärung einem Einwilligungsvorbehalt unterliegen kann 1 9 6 , bedarf der Berechtigte zur wirksamen Verfahrenseinleitung der Zustimmung seines Betreuers 197 , was gegenüber dem Regelfall einen Systembruch bedeutet 198 . Liegt danach ein Ausschlußtatbestand vor, dann muß der materiellrechtlich Zuständige die verfahrenseinleitende Erklärung persönlich abgeben, doch kann er zu deren Übermittlung einen Vertreter einschalten, der bei der Stellung des Antrags bzw. der Klageerhebung als Bote fungiert 199 , und dies kann der Betreuer oder ein Anwalt sein; in Ehesachen ist die Einschaltung eines Anwalts wegen § 78 II 1 Nr. 1 Z P O sogar zwingend. Ist das Verfahren danach wirksam eingeleitet, so fällt dessen Fortführung wieder unter die Vertretungsmacht des Betreuers; dieser kann in das Verfahren eintreten und den Berechtigten dadurch nach § 53 Z P O von dessen Fortführung verdrängen 200 . Freilich darf der Betreuer diese 1 9 0 Allgemein zu zweigliedrigen Tatbeständen im Familienrecht, die durch eine Willenserklärung eingeleitet und durch einen richterlichen Akt abgeschlossen werden, Gernhuber/ Coester-Waltjen, § 2 III 2. 191 Zum Adoptionsantrag, sei es des Annehmenden oder des Anzunehmenden, §1752 I bzw § 1768 I, ebda., § 68 IV 5. 192 Allgemein zu deren zweigliedriger Natur, Gernhuber/Coester-Waltjen, § 2 III 2; für reine Prozeßhandlungen hält die Ehelichkeits- und die Anerkennungsanfechtung dagegen, MünchKomm-Mutschier, § 1595 a.F. RdNr. 8, § 16001 a.F. RdNr. 2, respektive. 1 9 3 Solche sind: der Adoptionsaufhebungsantrag, §§1760, 1762, 1771 B G B ; die Anfechtung des Vaterschaftsanerkenntnisses, § 1600a; zu den die Ehe beendenden Gestaltungsklagerechten sub bb.(2). 194 Gernhuber/Coester-Waltjen, §51 III 6. 1 9 5 Siehe dazu die Ausschlußtatbestände der materiellen Vertretungsmacht supra a.aa.(l). 196 Dies folgt für den Adoptionsantrag des volljährigen Anzunehmenden aus §1768 II, dazu supra a.aa.(l) bei Fn. 157ff.; beim Adoptionsantrag des Annehmenden ist dies dagegen nicht der Fall, da hier ein Handeln des Betreuers gänzlich ausgeschlossen ist, supra aaO. bei Fn. 150. 1 9 7 Für FG-Verfahren wie hier, Bassenge/Herbst, F G G Einl. RdNr. 38. 1 9 8 Im Regelfall bewirkt der Einwilligungsvorbehalt nämlich im nichtstreitigen FG-Verfahren die Verfahrensunfähigkeit des Betreuten, sub § 12.11.l.d. 199 Flume, AT II § 4 3 Nr. 5 bei F n . 3 5 f . ; MünchKomm-ScÄramm, Vor §164 RdNr. 57; ebenso im Zusammenhang mit der früheren Ehelichkeitsanfechtung, Staudinger-Göppinger, § 1595 a.F. RdNr. 2 m.w.N.; MünchKomm-Mutschier, § 1599 a.F. RdNr. 3; in diese Richtung, Gernhuber/Coester-Waltjen, § 1 IV 5 (allgemein für Vertretungsverbote des Familienrechts), § 51 III 6 (speziell zur Ehelichkeitsanfechtung). 2 0 0 Zur Optativen Verdrängungskompetenz des Betreuers, sub III.3.b.bb.(3).

II. Die Rechtsmacht

des

Betreuers

163

Kompetenz nicht dazu nutzen, um den Eintritt der vom Berechtigten durch Ausübung des Gestaltungsrechts bezweckten Rechtsfolge etwa durch Rücknahme des Antrags oder der Klage zu vereiteln 2 0 1 . Die eingeschränkte Ubertragbarkeit der materiellen Ausschlußtatbestände auf die Vertretung im Verfahren zeigt sich bereits daran, daß die Unwirksamkeit der erwähnten statusbestimmenden Akte teilweise auf andere Weise als durch Ausübung des materiellen Gestaltungsrechts geltendgemacht werden kann, w o f ü r dann die materiellen Ausschlußtatbestände nicht gelten 202 .

bb) Genuin prozessuale (1)

Ausschlußtatbestände

Eidesleistung

Einen eigenen prozessualen Ausschlußtatbestand für die gesetzliche Vertretung sieht § 4 7 8 ZPO vor, wonach jegliche Vertretung im Eid wegen dessen höchstpersönlicher Natur ausscheidet 2 0 3 .

(2) Strittige

Vertretung

in

Ehesachen

Einen weiteren Ausschlußtatbestand normiert § 607 II 2 l . H S ZPO für die Erhebung der Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens 2 0 4 . II 2 2.HS schränkt zudem die Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters für Gestaltungsklagen auf Beendigung der Ehe ein (sub cc). Eine für Betreute relevante Aussage zur gesetzlichen Vertretung wird im übrigen nur in II 1 getroffen, wonach der gesetzliche Vertreter für den geschäftsunfähigen Ehegatten handelt; die Vertretung geschäftsfähiger Betreuter in diesen Verfahren 2 0 5 ist hingegen umstritten. Die einen wollen eine Kompetenz des Betreuers selbst bei Geschäftsfähigkeit des betreuten Ehegatten gestatten: Im Interesse einheitlicher Prozeßführung und zum Schutz des fürsorgebedürftigen Ehegatten sowie der übrigen Beteiligten vor der Vornahme unreflektierter ehebeendender Maßnahmen müsse der

201 Das gilt natürlich nicht für den Fall, daß der Betreuer das Verfahren wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit nicht weiterführt. 202 Eine Geltendmachung der Unwirksamkeit kommt gegenüber dem Vaterschaftsanerkenntnis und den Zustimmungen hierzu gemäß § 1598 in Betracht. 203 Zöller-Greger, § 478 RdNr. 2. 204 Die Norm spricht zwar nur den gesetzlichen Vertreter an; kann selbst der Geschäftsunfähige insoweit nicht gesetzlich vertreten werden, so muß dies wegen der höchstpersönlichen Natur dieser Klage (dazu MünchKomm- Walter, § 607 ZPO RdNr. 9) auch für den Geschäftsfähigen und erst recht für die gewillkürte Vertretung gelten, letzteres freilich mit der notwendigen Einschränkung für die Einschaltung eines nach § 78 II 1 Nr. 1 ZPO postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten. 205 § 607 ZPO betrifft nicht die Scheidungsfolgesachen, MünchKomm- Walter, § 607 ZPO RdNr. 1; eine Betreuung sowie ein Einwilligungsvorbehalt können sich also unstreitig darauf erstrecken, statt aller Schwab, FS-Rebmann 701.

164

5 8 Die Wirkungen der

Betreuerbestellung

Betreuer nach § 53 Z P O 2 0 6 das Verfahren an sich ziehen k ö n n e n 2 0 7 ; einige w o l len diesbezüglich sogar einen Einwilligungsvorbehalt zulassen 2 0 8 . D e m g e g e n über folgern andere aus dem höchstpersönlichen Charakter dieser K l a g e n 2 0 9 und dem Regelungskontext des II 1 mit I, welcher minderjährigen Ehegatten abweichend v o m Regelfall die volle Prozeßfähigkeit einräumt, daß der geschäftsfähige Betreute hierfür allein zuständig sei und sich ein Einwilligungsvorbehalt gemäß § 1903 I I 3. Alt. B G B analog nicht hierauf erstrecken k ö n n e 2 1 0 . E i n e abschließende Klärung dieser Streitfrage kann hier nicht erfolgen. J e denfalls sprechen Wortlaut und Sytematik des § 607 dagegen, die gesetzliche Vertretung über II 2 hinaus einzuschränken 2 1 1 , zumal ein Schutzbedarf selbst geschäftsfähiger Ehegatten in diesem sensiblen Bereich nicht auszuschließen ist. Dagegen ist der Bedarf nach Zulassung eines Einwilligungsvorbehalts für derartige Verfahren zu hinterfragen: D i e o b e n angesprochenen Schutzinteressen werden durch die Zulassung der Optativen Verdrängungskompetenz des Betreuers aus § 53 Z P O gewahrt, und solange der Betreuer davon keinen G e b r a u c h macht, kann der betreute Ehegatte selbstbestimmt über die Ehebeendigung entscheiden; bei einem Einwilligungsvorbehalt würde dem Ehegatten diese Möglichkeit dagegen abgeschnitten, weil er dann nach § 52 Z P O prozeßunfähig wäre. D e r Einwilligungsvorbehalt würde demnach die Selbstbestimmung des B e t r o f f e n e n auf die Beachtung seiner W ü n s c h e im Innenverhältnis ( § 1 9 0 1 ) reduzieren, o b gleich der Schutzbedarf bereits durch § 53 Z P O hinreichend abgedeckt wird. N a c h dem mit dem Betreuungsgesetz verfolgten R e f o r m z i e l des favor autonomiae212 ist aber unter mehreren möglichen Auslegungen des Gesetzes derjenigen der Vorzug zu geben, welche die verbleibenden Selbstbestimmungsmöglichkeiten Betreuter am meisten schont und achtet, ohne den notwendigen Schutzbedarf dadurch zu schmälern, und genau dies b e z w e c k t die I n k o r p o r i e -

206 Nach h.M. ist §53 ZPO in Ehesachen anwendbar, MünchKomm-Walter, §607 ZPO RdNr. 2 mit eingehender Begründung; zweifelnd hingegen, MünchKomm-Lindacher, § 53 ZPO RdNr. 2; zur Optativen Verdrängungskompetenz des Betreuers sub III.3.b.bb.(3). 207 Zum alten Recht BGH 15.4.1964, BGHZ 41, 303 (306 f.); für die Betreuung, Stein/Jonas-Schlosser, §607 ZPO RdNr. 7; im Ergebnis ebenso, Damrau/Zimmermann, BtG §1902 BGB RdNr. 35; implizit, Zöller-Vollkommer, §53 ZPO RdNr. 2; Albers in Baumbach/Hartmann, § 607 ZPO RdNr. 1; undeutlich, Zöller-Philippi, ZPO § 607 RdNr. 4. 208 Damrau/Zimmermann, Vornote; Stein-Jonas-Schlosser, § 607 ZPO RdNr. 8, freilich mit der Einschränkung, daß die Antragstellung des Betreuers wegen der daraus resultierenden Prozeßunfähigkeit des Betreuten analog § 607 II 2 2.HS ZPO genehmigungsbedürftig sei. 2 0 9 Dieser ist allgemein anerkannt, statt aller Stein/Jonas-Schlosser, § 607 ZPO RdNr. 1. 210 Staudinger-Bienwald, § 1903 RdNr. 79; im Ergebnis ebenso, Erman-Holzhauer, § 1896 RdNr. 59, §1902 RdNr. 5, §1903 RdNr. 24; in diese Richtung, wenngleich unentschlossen, Schwab, FS-Rebmann 700 f., sowie ders. in MünchKomm, § 1896 RdNr. 46; für die Eheaufhebung folgert Wax (in FamRefK, §1316 RdNr. 4) aus §1316 II einen Ausschluß der gesetzlichen Vertretung des nicht geschäftsunfähigen Ehegatten. 211 Die Änderung des §607 II ZPO durch das EheschlRG ist rein redaktioneller Art, BTDrs. 13/4898, 25; daraus läßt sich also nicht eine Stellungnahme des Reformgesetzgebers zu dieser Frage ableiten. 212 Zu diesem Grundziel der Reform supra § 2.II.2.C am Anf.

II. Die Rechtsmacht

des Betreuers

165

rung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als allgemeines Prinzip der Betreuung 213 . Diese Gründe sprechen gegen die Zulässigkeit der Erstreckung eines Einwilligungsvorbehalts auf die hier untersuchten Verfahren 214 . cc) Beschränkungen

der

Vertretungsmacht

Wegen des Gleichlaufs von materieller und prozessualer Vertretungsmacht 215 können sich Beschränkungen der ersteren auf letztere auswirken: Das gilt z.B. für die sektoralen Beschränkungen wegen Interessenkollision und dem Bestehen einer Mitbetreuung 216 ; dagegen erstrecken sich die vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsvorbehalte des materiellen Rechts regelmäßig nicht auf das Verfahren 217 . Einen genuin prozeßrechtlichen Genehmigungsvorbehalt sieht § 607 II 2 2.HS Z P O vor 218 . c) Personenbezogene

Fremdbestimmungsbefugnisse

Wie die materielle und prozessuale Vertretungsmacht erfahren auch persönlichkeitsbezogene Fremdbestimmungsbefugnisse des Betreuers gegenüber Dritten wegen deren höchstpersönlicher Natur Einschränkungen. aa)

Ausschlußtatbestände

Im Vorgriff auf spätere Ausführungen (sub § 10.II.3) besteht ein Ausschlußtatbestand für die Einwilligung in die Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter des Betreuten, sofern dieser für die konkrete Einwilligungsentscheidung einsichts- und steuerungsfähig ist 219 ; und dies sieht die überwiegende Mehrzahl der Spezialgesetze, welche sich mit derartigen Einwilligungstatbeständen befassen, ebenfalls vor 220 ; ein vollständiger Vertretungsausschluß besteht sogar im Regelfall einer Einwilligung in Arzneimittelversuche gemäß §40 II 1 AMG 221 . Soweit dem Rechtsgutsinhaber gesetzlich ein Vetorecht eingeräumt ist, wie im Falle der Sterilisation (§ 1905 I 1 Nr. 1 BGB), kann darüber hinaus der natürliche Abwehrwille des Betreuten eine Ausschlußwirkung entfalten 222 . Strittig ist,

2.3

Zu dessen Zielsetzung sub § 9.III.I.e. Eine Diskrepanz zu den Reformzielen der Betreuung sieht denn auch Schwab, FS-Rebmann 701. 215 Dazu supra 2.a.bb.(l). 216 Dazu Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 54 II 3 a; zu den entsprechenden materiellrechtlichen Beschränkungen supra a.cc.(l) f. 217 Stein-Jonas-Bork, § 51 Z P O RdNr. 50. 218 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 54 II 3 a. 219 Zur Unzulässigkeit eines diesbezüglichen Einwilligungsvorbehalts sub § 12.1.2. 220 Dazu sub §10.II.3.a.cc. 221 Supra Vornote aaO. bei Fn. 205. 222 Näher dazu sub § 10.1.3.c.aa nach Fn. 49 ff. 2.4

166

5 8 Die Wirkungen

der

Betreuerbestellung

inwieweit dem natürlichen Abwehrwillen der einsichtsunfähigen Schwangeren nicht eine vergleichbare Wirkung zukommen soll 223 . Ist der Betreuer danach materiellrechtlich von der Fremdbestimmung des einwilligungsfähigen Betreuten im höchstpersönlichen Bereich ausgeschlossen, so hat er für die prozessuale Geltendmachung deliktischer Ansprüche des Betreuten, die sich aus der zu konsentierenden Handlung ergeben, dennoch Vertretungsmacht, sofern sein Aufgabenkreis die streitige Maßnahme generell deckt 224 . bb) Beschränkungen

der

Bestimmungsbefugnis

Die Bestellung eines Mitbetreuers kann neben der Vertretungsmacht [supra a.cc.(2)] auch die Zuständigkeit eines Mitbetreuers für personenbezogene Bestimmungsbefugnisse einschränken oder entziehen 225 . Ausdrückliche Beschränkungen dieser Befugnisse sehen die §§1904-1906 für die Einwilligungszuständigkeit des Betreuers vor. Diese ist danach durch die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschriften sowie einen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsvorbehalt beschränkt. Im Gegensatz zu den die Vertretungsmacht beschränkenden Vorbehalten [supra a.cc.(3)] ist die Sanktion für ein genehmigungsloses Betreuerhandeln hier nicht dessen Unwirksamkeit; ein solches bewirkt aber die Rechtswidrigkeit der vorgenommenen Rechtsgutsverletzung 226 und setzt den Betreuer Schadensersatzansprüchen des Betreuten und des tatbestandsmäßig Handelnden aus. Die Rechtsmacht des Betreuers wird also in diesen Fällen nur mittelbar beschränkt. 5.

Zusammenfassung

Die Betreuung gibt dem Betreuer die Stellung eines gesetzlichen Vertreters zur Besorgung der durch den konkreten Aufgabenkreis zugewiesenen Angelegenheiten (supra l.a). Diese Stellung verleiht ihm einzelfallabhängig eine Reihe verschiedener Fremdbestimmungsbefugnisse, die weit über den klassischen Bereich der Stellvertretung i.S.d. §§164 ff. BGB hinausreichen 227 . Unabhängig 223

Als äußerst p r o b l e m a t i s c h bezeichnet Tröndle (Vor § 218 StGB R d N r . 23) im H i n b l i c k auf den neuen § 2 1 8 a StGB (i.d.F. des Schwangeren- u n d Familienhilfeänderungsgesetzes v. 21.8.1995, BGBl. 1 1050) die Zulässigkeit einer Ersatzeinwilligung f ü r die einwilligungsunfähige Schwangere; grundsätzlich f ü r die Einwilligungszuständigkeit des Betreuers, Palandt-Diederichsen, § 1904 R d N r . 9; f ü r das österreichische R e c h t bejahend, Österr. O G H 19. 11. 1997, F a m R Z 1999,115 ff. Eingehend z u m Streitstand u n t e r d e m alten Recht, Wtnkler-Wilfurth, Bet r e u u n g u n d H e i l b e h a n d l u n g 141-145 m . w . N . 224 Z u r P r o z e ß f ä h i g k e i t des Betreuten in diesen Fällen sub § 10.11.4.a bei Fn. 300 f. 225 Freilich nicht bei Bestellung eines Ergänzungspflegers in d e n §1909 I 2 v e r w a n d t e n Fällen, zu diesen supra a.cc.(2) bei F n . 177. 226 Vgl. MüncKKomm-Scbwab, § 1904 R d N r . 23. 227 So bereits z u m I n h a b e r der elterlichen G e w a l t u n d z u m V o r m u n d , von Tuhr, A T I I / 2 418 F n . 11; zur Betreuung, M ü n c h K o m m - S c h w a b , § 1896 R d N r . 30.

II. Die Rechtsmacht des Betreuers

167

v o m Inhalt des k o n k r e t e n Aufgabenkreises hat er in dem durch diesen festgelegten U m f a n g stets gesetzliche Vertretungsmacht (2.a) und kann in diesem R a h men Alltagsgeschäfte im eigenen N a m e n mit W i r k u n g für den Betreuten besorgen (2.b.aa). Kraft seines A m t e s stehen ihm Befugnisse zum H a n d e l n im eigenen N a m e n mit W i r k u n g für den Betreuten zu, die auf unterschiedliche Weise mit dem Inhalt des k o n k r e t e n Aufgabenkreises verknüpft sind (2.b.bb). Von besonderer Bedeutung sind Befugnisse in personenbezogenen Angelegenheiten nichtrechtsgeschäftlicher Art, die zu einseitigen B e s t i m m u n g e n im Außenverhältnis (2.c), im Innenverhältnis (3.a) oder in beiden zugleich (2.d, 3.b) ermächtigen; diese setzen die Ü b e r t r a g u n g durch einen spezifischen Aufgabenkreis voraus; im weiteren Verlauf unserer U n t e r s u c h u n g werden diese Befugnisse verkürzt als personale Bestimmungsbefugnisse bezeichnet. D i e bisherige Einteilung der R e c h t s m a c h t des Fürsorgers erweist sich damit als weitgehend untauglich ( l . b ) . D i e Befugnisse des Betreuers im Außenverhältnis erfahren eine Reihe von E i n s c h r ä n k u n g e n ^ ) . D i e Beschränkungen der R e c h t s m a c h t des Betreuers spielen für die B e s t i m m u n g der Eingangsschwelle der Betreuung nur i.R.d. Subsidiaritätsprüfung des § 1896 II 2 eine Rolle: Soweit sie die Sicherung des B e t r e u ten gegen eine mißbräuchliche A m t s f ü h r u n g des Betreuers b e z w e c k e n 2 2 8 , k ö n nen sie eine bessere Eignung der Betreuung als einer Vorsorgevollmacht begründen 2 2 9 ; im übrigen sind sie Teil der Schwelle für die D u r c h f ü h r u n g davon erfaßter E i n z e l m a ß n a h m e n des B e t r e u e r s 2 3 0 . Dagegen wirken sich die h ö c h s t persönlichen Ausschlußtatbestände der gesetzlichen Vertretung und Ausübung von Fremdbestimmungsbefugnissen bereits auf die Eingangsschwelle der B e treuung aus (sub § 11.1.3); dabei ist zu differenzieren: F ü r einige Sachverhalte ist jegliches H a n d e l n eines gesetzlichen Vertreters unzulässig 2 3 1 ; in anderen ist zwar jegliche Stellvertretung ausgeschlossen, nicht aber die M i t w i r k u n g des B e treuers z u m Eigenhandeln eines geschäftsfähigen Betreuten im R a h m e n eines Einwilligungsvorbehalts 2 3 2 ; in wieder anderen bezieht sich der Ausschluß le-

2 2 8 Das trifft auf die Tatbestände zur Vermeidung von Interessenkollisionen sowie auf die Genehmigungsvorbehalte zu, supra 4, a.cc (1) und (3), b.cc und c.bb.

Sub § 9 . I V . 4 . c . c c . W o r a u f hier nicht einzugehen ist, supra § l . I I . 2 3 1 Ein derartiger Ausschluß findet statt (supra 4): für den rechtsgeschäftlichen Bereich in den a a O . a.aa.(l) genannten Tatbeständen der ersten G r u p p e mit Ausnahme des ebda. F n . 149 benannten; in den a a O . a.aa.(2) genannten Sachverhalten; im prozessualen Bereich für die E i n leitung eines Adoptionsverfahrens durch Erklärung des materiellen Antrags seitens des volljährigen A n n e h m e n d e n , a a O . a.aa.(l) erste G r u p p e bei F n . 150 i.V.m. b.aa bei F n . 196, für die Eidesleistung [aaO. b . b b . ( l ) ] sowie für Klagen i.S.d. § 6 0 7 II 2 l . H S Z P O [aaO. b.bb.(2)]; im B e r e i c h personaler Bestimmungsbefugnisse im Regelfall des Arzneimittelversuches, und im Ergebnis wirkt sich die A u s ü b u n g eines vorgesehenen Vetorechts durch den Berechtigten ebenso aus, zu beidem a a O . c.aa. 2 3 2 D a s ist der Fall (supra 4), für den rechtsgeschäftlichen Bereich im Fall der Zustimmung der M u t t e r i.S.d. § 1595, a.aa.(l) erste G r u p p e bei F n . 1 5 0 , sowie in den Sonderfällen der dritten G r u p p e (bei F n . 1 6 2 ) . 229 230

168

5 8 Die Wirkungen der

Betreuerbestellung

diglich auf die Vertretung von Personen, die für die betreffende Rechtshandlung über die erforderliche rechtliche Handlungsfähigkeit verfügen 2 3 3 , t r o t z d e m ist in diesen Ausschlußfällen teilweise die M i t w i r k u n g des Betreuers im R a h m e n eines Einwilligungsvorbehalts statthaft 2 3 4 .

III. Auswirkungen der Betreuung auf die Handlungsmöglichkeiten des Betreuten D i e Betreuerbestellung kann vielfältige Auswirkungen auf die M ö g l i c h k e i ten des Betreuten zur Besorgung seiner Angelegenheiten zeitigen 2 3 5 : Sie kann seine rechtliche Handlungsfähigkeit einschränken (1), ihm die Angelegenheitenbesorgung ermöglichen (2) und seine Handlungszuständigkeit modifizieren (3); schließlich sind faktische Einschränkungen seiner Handlungsmöglichkeiten im R e c h t s v e r k e h r zu beleuchten (4).

1. Einfluß auf die rechtliche

Handlungsfähigkeit

M i t wenigen A u s n a h m e n (sub b) ist die Betreuerbestellung nicht mit der Rechtsfolge eingeschränkter Handlungsfähigkeit des Betreuten verbunden (a).

a) Entkoppelung von der Rechtsfolge Handlungsfähigkeit

eingeschränkter

D i e frühere Erwachsenenvormundschaft setzte die E n t m ü n d i g u n g des Schutzbedürftigen voraus und war daher mittelbar mit dem Verlust oder der B e s c h r ä n k u n g seiner Geschäftsfähigkeit und weiterer U n t e r a r t e n seiner rechtlichen Handlungsfähigkeit verbunden, während die vorläufige Vormundschaft diese Einschränkungen unmittelbar b e w i r k t e 2 3 6 . D e m g e g e n ü b e r hat der B e treuungsgesetzgeber aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip gefolgert, daß die

2 3 3 Das ist der Fall (supra 4): im rechtsgeschäftlichen Bereich in den aaO. a.aa.(l) in der zweiten G r u p p e bei F n . 158 genannten Ausschlußtatbeständen; im prozessualen Bereich für die Einleitung von Verfahren durch Erklärung eines materiellen Gestaltungsrechts in den a a O . b.aa bei F n . 193 genannten Fällen, sowie nach der hier vertretenen Auffassung für Klagen i.S.d. § 607 II 1 Z P O , aaO. b.bb.(2); in Sondergesetzen ist eine entsprechende Regelung für die B e fugnis zu rechtfertigenden Einwilligungen im höchstpersönlichen Bereich vorgesehen, supra a a O . c.aa, im übrigen ist die Frage strittig, dazu näher sub § 10.II.3.b.bb,cc. 2 3 4 Das ist der Fall (supra 4): im rechtsgeschäftlichen Bereich in den a a O . a.aa.(l) in der zweiten G r u p p e bei F n . 157 genannten Ausschlußtatbeständen sowie im Regelfall der dritten G r u p p e (aaO. bei F n . 159); im prozessualen Bereich für die Einleitung von Verfahren durch Erklärung eines materiellen Gestaltungsrechts beim Adoptionsantrag des A n z u n e h m e n d e n , a a O . b.aa bei F n . 197. 235 236

Einen Ü b e r b l i c k gibt M ü n c h K o m m - S c W I > , § 1896 R d N r . 7 4 - 8 0 . D a z u supra § 6 . I I . l . b .

III. Auswirkungen

auf die Handlungsmöglichkeiten

des Betreuten

169

Betreuung sich regelmäßig nicht mehr auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten auswirken dürfe 237 ; als Konsequenz daraus wurden die Entmündigung und die Unterstellung unter vorläufige Vormundschaft abgeschafft 238 . Diese Entkoppelung in der Rechtsfolge erfaßt auch die weiteren Teilhandlungsfähigkeiten, die vormals als Folge der Entmündigung Einschränkungen erfuhren; dies zeigt sich z.B. darin, daß die Betreuerbestellung ohne Einfluß auf die Ehe- 239 und Testierfähigkeit 240 des Betreuten ist. Mittelbar entfallen dadurch für den Betreuten weitere Einschränkungen 241 . Als eine der wichtigsten Neuerungen des Betreuungsrechts bewirkt die Betreuerbestellung somit im Regelfall keine Einschränkungen der rechtlichen Handlungsfähigkeit des Betreuten; nach der gesetzlichen Konzeption ist die Betreuerbestellung auch nicht mit einer impliziten Aussage über die rechtliche Handlungsunfähigkeit des Betreuten verbunden, weil sie diese gerade nicht zwingend voraussetzt (sub §10.1.1). Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Betreuten beurteilt sich also unabhängig von der Betreuerbestellung nach dessen tatsächlichem Zustand. b)

Ausnahmen

Eine entscheidende Ausnahme von diesem Grundsatz tritt ein, wenn im Einzelfall ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wird, denn dieser führt statusähnliche Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit des Betreuten herbei (sub §12.11). Sofern kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wird, hat die Betreuung lediglich in einem Sonderfall eine unmittelbare Auswirkung auf die rechtliche Handlungsfähigkeit des Betreuten: Wird ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis der Totalbetreuung bestellt, so bewirkt dies gemäß § 13 Nr. 2, § 15 II Nr. 1 BWG

237

B T - D r s . 11/4528, 59 ff.; zu A u s n a h m e n sub b u n d § 12.11 (Einwilligungsvorbehalt). Die Vorschriften ü b e r die E n t m ü n d i g u n g (§§6, 104 N r . 3 u n d §§114 f. a.F. B G B ) sind d u r c h A r t . 1 N r . 1 - 3 B t G , diejenigen ü b e r die vorläufige V o r m u n d s c h a f t (§§ 1906-1908 a.F. BGB) d u r c h A r t . 1 N r . 41 B t G a u f g e h o b e n w o r d e n . 239 Die zur Eheschließung erforderliche Geschäftsfähigkeit ist in §§ 1303 f. geregelt; die E h e u n f ä h i g k e i t E r w a c h s e n e r richtet sich gemäß §1304 nach §104 N r . 2, u n d ein Einwilligungsvorbehalt b e r ü h r t die Ehefähigkeit nicht, sub § 12.11.l.a.aa bei Fn. 26. 240 Die Testierfähigkeit E r w a c h s e n e r beurteilt sich n u n m e h r allein nach § 2229 IV, weil die e n t m ü n d i g u n g s b e z o g e n e n Tatbestände der §§2229 III, 2230 a.F. B G B (supra §6.II.l.b.aa bei Fn. 95) d u r c h Art. 1 N r n . 4 5 lit.b, 46 B t G u n d die Gleichstellung u n t e r vorläufige V o r m u n d schaft gestellter E r w a c h s e n e r mit M i n d e r j ä h r i g e n in § 2229 II a.F. B G B d u r c h A r t . 1 N r . 45 lit.a B t G a u f g e h o b e n w o r d e n sind; z u d e m vermag ein Einwilligungsvorbehalt die Testierfähigkeit nicht zu b e r ü h r e n , sub § 12.II.l.a.aa bei Fn. 26. 238

241 So ü b t die Betreuerbestellung im Gegensatz zur E n t m ü n d i g u n g u n d Gebrechlichkeitspflegschaft keinen E i n f l u ß m e h r auf das Sorgerecht des b e t r e u t e n Elternteils aus; dies ist Folge ihrer E n t k o p p e l u n g v o n E i n s c h r ä n k u n g e n der Geschäftsfähigkeit des Betreuten, z u d e m w i r d sie in § 1671 II n.F. b e w u ß t nicht e r w ä h n t , eingehend d a z u statt aller U.Walter, F a m R Z 1991, 766 ff.

170

5 8 Die Wirkungen

der

Betreuerbestellung

den Verlust der aktiven und passiven Wahlfäbigkeit des Betreuten, selbst wenn die in §§ 1896 IV, 1905 B G B bezeichneten Angelegenheiten nicht von der Betreuung erfaßt werden 242 . Eine mittelbare Auswirkung findet im Verfahrensrecht statt, soweit dem Betreuer die Optative Verdrängungskompetenz des 5 53 ZPO zusteht [sub 3.b.bb.(3)]. Entgegen mißverständlichen Äußerungen in der betreuungsrechtlichen Literatur bedeutet diese Vorschrift nämlich nicht, daß die Betreuerbestellung eine generelle Einschränkung der Verfahrensfähigkeit des Betreuten mit sich brächte 243 . Der Betreuer ist im Rahmen seines Aufgabenkreises stets befugt, Rechtsstreitigkeiten für den Betreuten zu führen oder in von diesem eingeleitete einzutreten 244 . Erst wenn der Betreuer in diesem Sinn in einen konkreten Rechtsstreit des Betreuten eintritt 245 , greift § 53 Z P O ein und bewirkt, daß der an sich prozeßfähige Betreute insoweit als prozeßunfähig gilt.

2. Ermöglichung

der

Angelegenheitenbesorgung

a) Allgemein Die Betreuung setzt gemäß § 1896 1 1 voraus, daß der zu Betreuende nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbständig zu besorgen; dieses Unvermögen kann auf seiner entsprechenden rechtlichen oder bloß faktischen Handlungsunfähigkeit beruhen 246 . Der Betreuer erhält daher gesetzliche Rechtsmacht, die anfallenden Angelegenheiten im Interesse des Betroffenen zu besorgen. Damit ermöglicht die Betreuung dem Betreuten die ihm unmögliche Angelegenheitenbesorgung und dient der Kompensierung seiner Defizite zu eigenem Handeln; im Vorgriff auf spätere Ausführungen läßt sich dies dahin gehend konkretisieren, daß der zu Betreuende auf diese Kompensation angewiesen ist, soweit es um rechtsrelevantes Handeln geht und ihm die hierfür erforderliche rechtliche Handlungsfähigkeit fehlt 247 .

2 4 2 Im Rahmen der Bestimmungen über das aktive (§§ 12 f. B W G ) und passive Wahlrecht (§15 B W G ) ist auch die für die aktive oder passive Teilnahme an Wahlen erforderliche Handlungsfähigkeit geregelt, vgl. § 12 I Nr. 1 B W G ; die Tatsache der Totalbetreuung muß der Wahlbehörde bekannt sein, weshalb § 691 I 1 F G G für diesen Fall eine Mitteilungspflicht des Vormundschaftsgerichts festlegt; zu hierbei auftretenden Problemen, Zimmermann, FamRZ 1996, 79-81; zur vergleichbaren Regelung bei der Gebrechlichkeitspflegschaft supra § 6.II.2.b. aa bei Fn. 108. 2 4 3 Zumindest mißverständlich, Jürgens in Jürgens u.a., RdNr. 179; Bienwald, Betreuungsrecht 1. Aufl. § 5 3 Z P O RdNr. 5; Erman-Holzhauer, §1903 RdNr. 32, zweiter Spiegelstrich, anders jedoch ders., § 1902 RdNr. 15 a.E. 2 4 4 Zur notwendigen Verknüpfung jeder Betreuung mit der prozessualen Vertretungsmacht des Betreuers, supra II.2.a vor aa; zu deren umfangsmäßiger Bestimmung, aaO. bb. 245 Bork, M D R 1991, 98. 2 4 6 Dazu auch sub § 9.II.2.b.bb, vertiefend bei § 10.1.3 f. 2 4 7 Zum Zusammenhang zwischen rechtlicher Handlungsunfähigkeit und der ihrer Kompensierung dienenden gesetzlichen Vertretung sub § 10.1.4.

III. Auswirkungen

auf die Handlungsmöglicbkeiten

des Betreuten

171

Eine besondere Art der Kompensierung findet dort statt, wo der Betreuer durch seine Mitwirkung dem Betreuten eigenes Handeln ermöglicht, welches sonst wegen dessen eingeschränkter Handlungsfähigkeit unwirksam wäre. Zu unterscheiden sind Fälle, in denen die Beschränkung des Betreuten Folge der Betreuung ist, und anderen, in denen die Beschränkung unabhängig davon besteht. Bei ersteren erscheint die Ermöglichung eigenen Handelns durch die Mitwirkung des Betreuers lediglich als Teilrücknahme der mit der Betreuerbestellung verbundenen Rechtsbeschränkung 248 , während in den letzteren dem Betroffenen dadurch erst ein ihm ansonsten verwehrtes Eigenhandeln ermöglicht wird (nf. b). b)

Heilungszuständigkeit

Im letztgenannten Sinn steht dem Betreuer i.R.d. gesetzlichen Vertretungsmacht eine Heilungszuständigkeit 249 zu: Er kann ein vom geschäftsunfähigen Betreuten getätigtes und daher nichtiges Rechtsgeschäft gutheißen 250 . Inwieweit danach eine Heilung des nichtigen Rechtsgeschäfts eintritt, hängt von den Umständen des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob der Betreuer zumindest Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Betreuten hat 251 , und ist daher alles andere als sicher 252 . Außerdem wird dem Betreuer im Regelfall der Betreuung

248 Das ist bei der Konsentierung rechtsgeschäftlichen Handelns eines unter Einwilligungsvorbehalt stehenden Betreuten der Fall. 249 Zu weiteren Fällen einer solchen supra II.2.b.bb bei Fn. 73 ff. 250 Entgegen der gängigen Erörterung dieser Frage (z.B. bei Erman-Holzhauer, §1903 RdNr. 19) ist rechtstechnisch zwischen der Einwilligung (§183 S.l) und der Genehmigung (§ 184 I) durch den Betreuer zu unterscheiden: Erstere kann nach § 140 in eine Eigenvornahme des Betreuers umgedeutet werden; in diesem Sinn, BT-Drs. 11/4528, 137 f., wonach bei Erteilung im Innenverhältnis der Betreute als Erklärungsbote des Betreuers behandelt wird; näher dazu, Jurgeleit, Rpfleger 1995, 283 f. Dagegen kann die praktisch wohl wesentlich wichtigere Genehmigung nur als Neuvornahme unter den von § 141 aufgestellten Voraussetzungen (dazu nf. Note) zur Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts führen; Schwab, FS-Mikat 895; MünchKomm-Gztfer, § 105 RdNr. 10; Flume (AT II § 13 Nr. 6) lehnt zwar die Annahme einer Bestätigung ab, will das Geltenlassen durch den gesetzlichen Vertreter aber ebenfalls als Vornahme durch diesen akzeptieren; ihm folgend, Dieckmann, JZ 1988, 793 Fn. 36. 251 Probleme wird häufig der Bestätigungswille des Betreuers aufwerfen; allgemein zu diesem und dem dazu erforderlichen Bewußtsein der Fehlerhaftigkeit des zu bestätigenden Aktes, Vlünc\\]Lomm-May er-Maly, § 141 RdNr. 12. In den hier erörterten Fällen müßte sich das Bewußtsein des Betreuers von der möglichen Fehlerhaftigkeit der Genehmigung zumindest auf Zweifel an der Geschäftsunfähigkeit des Betreuten stützen; zur Heilung durch den Betreuer, Damrau/Zimmermann, BtG §1903 RdNr. 8. Bei formbedürftigen Erklärungen scheidet eine Heilung regelmäßig aus, dazu Cypionka, D N o t Z 1991, 582. 252 Überwiegend werden die Heilungsmöglichkeiten kritisch gesehen: Bürgte, AnwBl. 1989, 507 (508); Cypionka, supra Vornote; Damrau/Zimmermann, N J W 1991, 538 ff. (540); Taupitz, JuS 1992, 12;Jürgens in Jürgens u.a., RdNr. 187. Eher unkritisch dagegen stehen diesen Möglichkeiten gegenüber, Damrau/Zimmermann, supra Vornote, sowie Erman-Holzhauer, § 1903 RdNr. 19. Für wenig praxisrelevant hält Schwab (FamRZ 1992, 505 bei Fn. 143) diese Frage.

172

5 8 Die Wirkungen

der

Betreuerbestellung

vielfach nicht bewußt sein, daß er eine solche Befugnis hat, da die Konsentierung von Rechtsgeschäften des Betreuten nicht zu seinen gewöhnlichen Befugnissen gehört 2 5 3 ; eher wird das bei Bestehen eines Einwilligungsvorbehalts der Fall sein 2 5 4 . Soweit eine Heilung ex nunc 2 5 5 gelingt, kann sie im Ergebnis als positive Auswirkung der Betreuung auf die Handlungsmacht des geschäftsunfähigen Betreuten betrachtet werden, da dieser ohne das Eingreifen seines Betreuers ausnahmslos dem Nichtigkeitsverdikt des § 105 I ausgeliefert wäre. Darüber hinaus ist eine Heilung bei Verfahrenshandlungen des insoweit handlungsunfähigen Betreuten möglich: Als gesetzlicher Vertreter kann der Betreuer nämlich durch späteren Verfahrensbeitritt die Prozeßführung jedes Prozeßunfähigen als Ganzes heilen 2 5 6 , in allgemeinen FG-Sachen steht ihm diese Möglichkeit bezüglich einzelner Verfahrenshandlungen zu 2 5 7 ; in Betreuungs- und Unterbringungssachen kann diese Frage nicht auftreten, weil der Betroffene hier stets verfahrensfähig ist 2 5 8 . Die Betreuerbestellung kann demnach im Einzelfall zu einer Lockerung des Ausschlusses rechtlich Handlungsunfähiger von der selbständigen Vornahme davon betroffener rechtsrelevanter Handlungen führen.

3. Einfluß auf die

Handlungszuständigkeit

Nach der gesetzlichen Konzeption läßt die Betreuerbestellung die rechtliche Handlungsfähigkeit des Betreuten regelmäßig unberührt (supra 1) und ist der Betreuer stets dessen gesetzlicher Vertreter (supra Il.l.a), so daß sowohl rechtlich Handlungsunfähige als auch Handlungsfähige einen Betreuer erhalten können. Aus der Verbindung der jeweiligen Handlungs(-un)fähigkeit des Betreuten mit der Beiordnung eines Betreuers kann sich die Zuständigkeit des ersteren zur Besorgung eigener Angelegenheiten ändern.

a) Der

Regelfall

Die Möglichkeiten des Betreuten zur Besorgung von Rechtshandlungen werden in rechtlicher Hinsicht durch die Standards rechtlicher Handlungsfähigkeit bestimmt (sub § 10.1.4): Soweit er danach handlungsfähig ist, bleibt ihm

Dazu supra II.2.b.bb vor und bei Fn. 73. Weil hier gemäß § 1903 I 1 eben eine Zustimmungsbefugnis besteht, weshalb diese Frage denn auch überwiegend für Betreuungen mit Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts erörtert wird; dazu sub § 12.III.2.b. 255 Eine umfassende rückwirkende Heilung ist jedenfalls ausgeschlossen, StaudingerH.Roth, 13. Aufl. §141 RdNr.25. 256 Allgemein zum gesetzlichen Vertreter, Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 4 4 III 2; eine Heilung einzelner Prozeßhandlungen kommt dagegen wegen der Unteilbarkeit des Verfahrens nicht in Frage, sub § 10.II.4.a im Absatz bei Fn. 302. 257 Keidel-Zimmermann, § 13 F G G RdNr. 33; Bassenge/Herbst, F G G Einl. RdNr. 43. 258 Zu letzterem sub § 10.II.4.b.bb. 253

254

III. Auswirkungen

auf die Handlungsmöglichkeiten

des Betreuten

173

diese M ö g l i c h k e i t trotz Betreuung mit den supra l.b gemachten Ausnahmen erhalten, soweit er dagegen handlungsunfähig ist, ist ihm diese Möglichkeit u n a b hängig von der Betreuung verschlossen. I m ersten Fall bewirkt die Betreuung, daß neben den Betreuten nun der Betreuer tritt und bindend für ihn handeln kann; dadurch wird die Handlungszuständigkeit des ersteren eingeschränkt, weil aus seiner bisherigen A l l e i n k o m p e t e n z eine Parallelkompetenz neben derjenigen seines Betreuers wird. I m zweiten Fall tritt der Betreuer an die Stelle des Betreuten, der handlungsunzuständig bleibt, wenngleich der Betreuer dessen Handlungen heilen kann (supra 2.b). Allerdings kann ein rechtsrelevantes H a n deln des rechtlich Handlungsfähigen im R e c h t s v e r k e h r auf Inakzeptanz stoßen, so daß dieser praktisch einem rechtlich Handlungsunfähigen gleichsteht; und umgekehrt kann rechtsrelevantes Handeln des Handlungsunfähigen v o m R e c h t s v e r k e h r h i n g e n o m m e n werden, so daß dieser als rechtlich handlungsfähig erscheint (sub 4). Dagegen gibt es für die wirksame Eigenvornahme normativ nicht erfaßter Handlungen durch den Betreuten keine rechtlichen Fähigkeitsstandards 2 5 9 , so daß der Einfluß der Betreuung auf die Handlungszuständigkeit diesbezüglich n o c h zu klären ist [sub b.bb.(2)].

b) Geltung des Regelfalls F ü r die M e h r z a h l der Rechtshandlungen gilt der Regelfall mit gewissen A u s nahmen (sub aa); anders wirkt sich die Betreuung dagegen auf die Handlungszuständigkeit des Betreuten für andere Rechtshandlungen und im Bereich tatsächlicher Bestimmungsbefugnisse des Betreuers aus (bb).

aa) Fälle einer grundsätzlichen

Geltung

I m rechtsgeschäftlichen Bereich ist eine Vertretung Geschäftsfähiger b l o ß für einzelne höchstpersönliche Sachverhalte ausgeschlossen 2 6 0 , so daß außerhalb dieser Fälle der Regelfall einschlägig ist: N e b e n dem Betreuer bleibt der geschäftsfähige Betreute handlungszuständig, der geschäftsunfähige unzuständig. F ü r die Vertretung bei Rechtshandlungen i.e.S. ist zu differenzieren: Soweit hierfür die Geschäftsfähigkeit maßgeblich ist 2 6 1 , gilt das soeben Gesagte. F ü r die besonders betreuungsrelevanten Rechtshandlungen der B e g r ü n d u n g und A u f hebung des Besitzes oder des W o h n s i t z e s 2 6 2 sowie für die rechtfertigende E i n willigung zur Verletzung persönlicher R e c h t s g ü t e r 2 6 3 gibt es jedoch eigene D a z u sub § 10.1.3.b, c.bb. Siehe dazu supra II.5 bei F n . 2 3 3 , wobei vereinzelt wenigstens eine M i t w i r k u n g des B e treuers zum Eigenhandeln des hierfür allein zuständigen geschäftsfähigen Betreuten i.R. eines Einwilligungsvorbehalts möglich ist, ebda, bei F n . 2 3 4 . 2 6 1 D a z u sub §10.II.2.a.aa. 2 6 2 Zu diesen sub § 1 0 . I I . 2 . a . b b . 2 6 3 Eingehend sub §10.11.3. 259 260

174

5 8 Die Wirkungen der

Betreuerbestellung

Standards rechtlicher Handlungsfähigkeit 2 6 4 . Bei der Besitzbegründung und ihrem Gegenteil ergibt sich dennoch keine A b w e i c h u n g v o m Regelfall; bei der Wohnsitzbegründung k o m m t es hingegen insoweit zu einer Besonderheit, als sogar bei Geschäftsunfähigkeit des Betreuten eine D o p p e l k o m p e t e n z möglich ist, freilich ist die Zuständigkeit des Betreuten dann zusätzlich durch die n o t wendige M i t w i r k u n g des Betreuers modifiziert 2 6 5 ; anders zu beurteilen sind die Zuständigkeit zu rechtfertigenden Einwilligungen sowie zu normativ nicht erfaßten Handlungen im höchstpersönlichen Bereich [sub b b . ( l ) ] . I m Zivilprozeß ist die Vertretung Prozeßfähiger für einzelne Sachverhalte wegen deren höchstpersönlicher N a t u r ausgeschlossen 2 6 6 , im übrigen gilt die Grundregel hier wegen der K o p p e l u n g der Prozeßfähigkeit an die Verpflichtungsfähigkeit 2 6 7 grundsätzlich ebenfalls. Soweit der Verfahrensgegenstand zum Aufgabenkreis des Betreuers gehört 2 6 8 , kann es daher zu einer D o p p e l k o m p e t e n z von Betreuer und prozeßfähigem Betreuten k o m m e n ; nach § 53 Z P O kann der Betreuer der Parallelzuständigkeit des Betreuten jedoch ein E n d e setzen [sub bb.(3)]. In F G - V e r f a h r e n spielt die gesetzliche Vertretung eine geringere R o l l e als sonst 2 6 9 , im übrigen ist zu differenzieren: In allgemeinen F G - V e r f a h r e n ist die Lage wegen der prinzipiellen Geltung der materiellen Vertretungs- und G e schäftsfähigkeitsnormen 2 7 0 derjenigen im rechtsgeschäftlichen Bereich ähnlich und eine Vertretung Verfahrensfähiger bloß vereinzelt ausgeschlossen 2 7 1 . A u ßerhalb dieser Ausschlußtatbestände bestimmt sich die Handlungszuständigkeit des Betreuten wie im Regelfall; in Streitverfahren greift allerdings wieder §53 ZPO.

2 6 4 D i e zur Legitimierung auftragslosen Handelns nötige Fähigkeit interessiert im G r e n z bereich zwischen noch zulässiger alternativer Hilfe und notwendiger Betreuung, sub § 9.IV.4.b.aa.(2) bei F n . 653 ff., nicht aber bei der Definierung der Betreuerrechtsmacht. D a es bei der Ausübung des Wahlrechts keine Vertretung gibt, supra II.4.a.aa.(2), kann hier auch die besondere Wahlfähigkeit Betreuter (supra l.b bei F n . 2 4 2 ) außer B e t r a c h t bleiben.

D a z u sub § 10.II.2.a.bb bei F n . 164 f. Siehe dazu supra II.5 bei F n . 233, wobei vereinzelt wenigstens eine M i t w i r k u n g des B e treuers für die Verfahrenseinleitung durch den hierfür allein zuständigen geschäftsfähigen B e treuten i.R. eines Einwilligungsvorbehalts vorgeschrieben ist, ebda, bei F n . 234. 2 6 7 Sub § 10.II.4.a. 2 6 8 D a z u supra I I . 2 . a . b b . ( l ) . 2 6 9 D a z u supra II.2.a.bb.(2). 2 7 0 Z u r Geltung der Vertretungsregeln supra Vornote, zu derjenigen der Geschäftsfähigkeitsregeln sub § 10.II.4.b.aa nach F n . 308 f. 2 7 1 Siehe dazu zusammenfassend supra II.5 bei F n . 233 f. 265 266

III. Auswirkungen

auf die Handlungsmöglichkeiten

bb) Fälle einer abweichenden (1) Rechtfertigende

175

des Betreuten

Beurteilung

Einwilligungen im höchstpersönlichen

Bereich

F ü r die Erteilung rechtfertigender Einwilligungen zur Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter des Betreuten ist nach der hier zu entwickelnden L ö s u n g eine Doppelzuständigkeit des einsichtsfähigen Betreuten und seines Betreuers ausgeschlossen, die Betreuung läßt also die Handlungszuständigkeit des ersteren auf diesem G e b i e t unberührt; der Betreuer kann nur für einen k o n k r e t einwilligungsunfähigen Betreuten handeln 2 7 2 . D e m g e g e n ü b e r richtet sich die Z u ständigkeitsordnung zwischen Betreuer und B e t r e u t e m für ein der Einwilligung vorgeschaltetes Rechtsgeschäft nach dem Regelfall. D e m z u f o l g e kann die Handlungszuständigkeit für beide Rechtshandlungen auseinanderfallen, wenn die Geschäftsfähigkeit und die k o n k r e t e Einwilligungsfähigkeit des Betreuten im Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen sind 2 7 3 .

(2) Tatsächliche

Bestimmungsbefugnisse

I m Innenverhältnis kann der Betreuer den Betreuten zu einem tatsächlichen Verhalten bestimmen oder selbst tatsächliche Handlungen für ihn vornehmen; solche Befugnisse k ö n n e n allein dem Betreuer kraft seiner gesetzlichen R e c h t s macht zustehen, und eine darauf gegründete B e s t i m m u n g oder tatsächliche Handlung hat der Betreute zu dulden (supra II.3.a). D i e Frage ist hier, inwieweit der Betreute im B e r e i c h solcher Bestimmungsbefugnisse überhaupt n o c h selbständig handeln kann. N a c h der hier zu entwickelnden L ö s u n g ist diesbezüglich zwischen personen- und vermögensbezogenen B e s t i m m u n g e n zu unterscheiden 2 7 4 : Erstere k ö n n e n dem Betreuer lediglich zustehen, wenn der Betreute insoweit einsichtsoder steuerungsunfähig ist, und dann ist dieser handlungsunfähig und hat sich einer entsprechenden B e s t i m m u n g seines Betreuers zu beugen; die Lage gleicht folglich derjenigen bei rechtfertigenden Einwilligungen im persönlichen B e reich [supra (1)]. D i e Ü b e r t r a g u n g vermögensbezogener B e s t i m m u n g s b e f u g nisse richtet sich hingegen nach der allgemeinen Eingangsschwelle für andere als höchstpersönliche Angelegenheiten, so daß der Betreute für ein Eigenhandeln im betroffenen B e r e i c h entweder handlungsfähig oder -unfähig sein kann: Beispielsweise hat der Betreute die Inbesitznahme von Gegenständen aus seinem V e r m ö g e n durch den Betreuer zu dulden 2 7 5 , er kann aber selbst n o c h die B e s i t z verhältnisse an eigenen Vermögensgegenständen verändern oder neue in Besitz nehmen, solange er die hierzu nötige Fähigkeit hat 2 7 6 ; der Betreuer mit dem 2 7 2 Siehe schon supra I I . 2 . c . b b sowie eingehend sub § 1 0 . I I . 3 . b , bb und cc sowie für den Einwilligungsvorbehalt sub § 12.1.2. 273 274 275 276

Zu einer derartigen Fallkonstellation, supra I I . 2 . c . b b bei F n . 104 f. Sub § l l . I . 3 . c . a a . Supra II.3.a bei F n . 124. Zu dieser sub § 10.II.2.a, im Regelfall b b bei F n . 163, zu Sonderfällen aa bei F n . 159.

176

§ 8 Die Wirkungen der

Betreuerbestellung

Aufgabenkreis der Sorge für das Vermögen des Betreuten hat das Recht, diesem daraus Geld zuzuteilen 277 , solange der Betreute aber geschäftsfähig ist, kann er selbst von seinem Bankguthaben Geld abheben, sofern kein Einwilligungsvorbehalt einschlägig ist 278 . Tatsächliche Bestimmungen und Handlungen des Betreuers hat der Betreute also zu dulden; betreffen diese sein Vermögen, so bleibt er zu Handlungen auf diesem Gebiet zuständig, sofern er diesbezüglich rechtlich handlungsfähig ist. (3) Die Optative Verdrängungskompetenz

des Betreuers im

Verfahren

Im Zivilprozeß ist grundsätzlich eine Doppelkompetenz von Betreuer und handlungsfähigem Betreuten möglich. Materiellrechtlich wird dies und die daraus resultierende Gefahr widersprechender Handlungen beider als Folge der Entkoppelung der Betreuung von Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit zwar hingenommen; für den Zivilprozeß ist eine derartige Gefahr hingegen aus Gründen der prozessualen Rechtssicherheit unerwünscht. Hier greift die Regelung des § 53 Z P O : Der prozeßfähige Betreute gilt für Rechtsstreitigkeiten, in denen der Betreuer im Rahmen seiner gesetzlichen Vertretungsmacht für ihn auftritt, als prozeßunfähig. Sinn der Regelung ist es, in den Fällen materiellrechtlicher Doppelkompetenz die sich aus dem Gleichlauf der Geschäfts- und Prozeßfähigkeit zwangsläufig ergebende prozessuale Doppelkompetenz auszuschalten 279 . Man kann also von einer potentiellen Doppelkompetenz für die RechtsProzeßführung sprechen; erst mit seinem Eintritt in einen konkreten streit erlangt der Betreuer diesbezüglich eine Alleinzuständigkeit; er hat es damit in der Hand, den Betreuten von einem Verfahren zu verdrängen. Im Gegensatz zum Zivilprozeß hat es der Betreuer in allgemeinen FG-Verfahren grundsätzlich nicht in der Hand, Doppelkompetenzen nach § 53 Z P O aufzulösen 2 8 0 , lediglich in streitigen Verfahren steht ihm die Optative Verdrängungskompetenz zu 281 ; in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren ist § 53 Z P O unanwendbar [nf. (4)]. Demgegenüber ist diese Vorschrift in verwaltungs-, Steuer- und sozialrechtlichen Verfahren einschlägig 282 .

277

Supra II.3.a nach Fn. 124. Ebenso LG Mönchengladbach, 6.3.1997, BtPrax 1997, 203; Staudinger-Bienwald, §1908i RdNr. 135; Damrau/Zimmermann, BtG §1809 RdNr. 8; unklar insoweit die Kommentierung bei, Erman-Holzhauer, § 1809 RdNr. 8 und 9 (!), im ersten Fall mit ins Leere gehender Verweisung auf RdNr. 6. 279 Ahnlich MünchKomm-LzWac^er, §53 Z P O RdNr. 1, sowie bereits Rosenberg, Stellvertretung 549. 280 B a y O b L G 26.7.1957, B a y O b L G Z 1957, 224 (226). 281 Hier ist § 53 Z P O analog anwendbar, Keidel-Kahl, Vor §§ 8-18 F G G RdNr. 4; dies ist eine Folge der Anwendbarkeit der ZPO-Regeln auf streitige FG-Verfahren, sub § 10.II.4.b.aa bei Fn. 310. 282 Beispielsweise räumen § 12 III VwVfG, § 62 IV V w G O , § 58 II 2 F G O , § 11 III SGB X dem Betreuer jeweils durch Verweisung auf § 53 Z P O eine Verdrängungszuständigkeit ein. 278

III. Auswirkungen

auf die Handlungsmöglichkeiten

(4) Mehrfachkompetenzen

im

des Betreuten

177

Betreuungsverfahren

In Verfahren in Betreuungs- und Unterbringungssachen ist eine vom Regelfall völlig abweichende Beurteilung erforderlich, weil der zu Betreuende oder bereits Betreute hier stets verfahrensfähig ist 283 . Die ursprüngliche Alleinzuständigkeit des Betroffenen kann in diesen Verfahren dadurch modifiziert werden, daß gemäß § 67 F G G ein Verfahrenspfleger bestellt wird 284 ; zusätzlich kann ein zwischenzeitlich bestellter (vorläufiger) Betreuer im Rahmen seines Aufgabenkreises Verfahrenshandlungen mit Wirkung für den Betroffenen vornehmen 285 , so daß sich sogar Mehrfachkompetenzen zwischen dem Betroffenen, seinem Betreuer und seinem Verfahrenspfleger einstellen können 286 . § 53 Z P O ist hier unanwendbar 287 , und sonstige Mittel zur Auflösung der Konkurrenzlage aus möglichen Mehrfachkompetenzen sieht das Gesetz nicht vor 288 .

4. Faktische

Einflüsse auf die

Handlungsmöglichkeit

Die vorstehenden Ausführungen haben den rechtlichen Rahmen abgesteckt, in welchem sich die Betreuerbestellung auf die Handlungsmöglichkeiten Betreuter auswirkt. Nun sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Betreuung vor allem infolge ihrer Entkoppelung von der Geschäftsfähigkeitsfrage und dem Abstellen auf die Erforderlichkeit durchweg flexibel und offen ausgestaltet; daraus können sich für die Einschätzung der Auswirkungen der Betreuerbestellung auf die Handlungsmöglichkeit und -fähigkeit des Betreuten einige Abgrenzungsprobleme ergeben, die zu einer Verunsicherung des Rechtsverkehrs beitragen. Die Erfahrungen mit der Gebrechlichkeitspflegschaft haben eine Tendenz des Rechtsverkehrs aufgezeigt, ungeachtet der differenzierten Rechtsfolgen dieses Fürsorgeinstituts von dessen Vorliegen pauschal auf die insgesamt

Sub§10.II.4.b.bb. Dieser kann nämlich Verfahrenshandlungen für den Betroffenen vornehmen (supra § 2 . I I . 2 . d a.E.), und zwar sogar gegen dessen Willen, zumal er nur dessen objektivem Wohl verpflichtet ist, B T - D r s . 11/4528, 171; Keidel-Kayser,% 67 F G G RdNr. 11; Damrau/Zimmermann, B t G § 6 7 F G G RdNr. 18; a.A. z.B. Pohl, BtPrax 1992, 1 9 - 2 6 (26). 2 8 5 Supra II.2.a.bb.(2) 2. Abs. 2 8 6 Ebenso Damrau/Zimmermann, B t G § 1 9 0 2 B G B RdNr. 39. Freilich wird die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach Bestellung eines Betreuers nicht erforderlich i.S.d. § 67 I 1 F G G sein, wenn durch den Betreuer eine geeignete Vertretung im Verfahren zu erwarten ist; diesen Schluß legt jetzt § 67 I 7 2. Alt. F G G nahe. 2 8 7 Dies folgt bereits daraus, daß der Betroffene hier wegen §§ 66, 70a F G G stets verfahrensfähig ist, bestätigend, Bork, M D R 1991, 98. 2 8 8 Das Gesetz sieht keine Regeln für kollidierende Verfahrenshandlungen bei Mehrfachkompetenz vor. Ein Vorrang des Verfahrenspflegers vor dem Betreuer ist nicht auszumachen, Damrau/Zimmermann, B t G § 1902 B G B RdNr. 39, und das gilt im Verhältnis von Betreutem und Verfahrenspfleger gleichfalls, da ersterem keine Weisungsbefugnis gegenüber letzterem zusteht. Probleme können sich vor allem bei divergierender Rechtsmitteleinlegung ergeben; hierzu werden unterschiedliche Meinungen vertreten, einerseits z.B. Bumiller/Winkler, §66 F G G Anm.3; andererseits z.B. Damrau/Zimmermann, B t G § 1902 B G B RdNr. 39. 283

284

178

§ 8 Die Wirkungen

der

Betreuerbestellung

fehlende Handlungsmöglichkeit und -fähigkeit des davon Betroffenen zu schließen 289 . Es stellt sich daher die Frage, inwieweit das flexible Instrumentarium der Betreuung im Rechtsverkehr nicht vergleichbare Reaktionen erfahren wird. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lassen sich in Ermangelung eingehender Feldstudien 2 9 0 noch keine genauen Aussagen hierüber machen, doch geben die zum alten Recht gemachten Erfahrungen Hinweise auf eine mögliche Handhabung des neuen Rechts. Infolge der gegenständlichen Begrenzung der Betreuung auf den jeweils erforderlichen Aufgabenkreis (sub § 9.III) können dem Betreuten im Einzelfall mehr oder weniger große Bereiche verbleiben, in denen er allein handlungsbefugt ist. Angesichts der Erfahrungen mit der Gebrechlichkeitspflegschaft ist es fraglich, inwieweit der Rechtsverkehr eine derartige Differenzierung hinnehmen oder nicht eher zur pauschalen Annahme tendieren wird, der Betreute unterstehe insgesamt der Betreuung. Dem ist entgegenzuhalten, daß der Rechtsverkehr von einer Betreuung oftmals nichts erfahren wird, zumal diese Tatsache nicht öffentlich bekannt gemacht wird 2 9 1 und der Betreute regelmäßig nicht zu deren Offenbarung verpflichtet ist 292 ; zudem gibt die Bestallungsurkunde Auskunft über die Reichweite der Betreuerbestellung (§ 69b II Nr. 3 FGG). Allerdings kann die Abgrenzung von der Betreuung erfaßter von sonstigen Angelegenheiten problematisch ausfallen, zumal die Umschreibung der Aufgabenkreise nicht standardisiert ist, und dadurch zu Verunsicherungen über die dem Betreuten verbliebene Handlungszuständigkeit führen 2 9 3 . Als Folge der Entkoppelung der Betreuung von der Rechtsfolge eingeschränkter Geschäftsfähigkeit (supra l.a) kann der Rechtsverkehr es entweder mit einem (partiell) geschäftsunfähigen oder einem geschäftsfähigen Betreuten D a z u supra §6.III.2.b bei Fn. 151. Die U n t e r s u c h u n g e n von 2 e n z / v . E i c k e n / E r n s t / H o f m a n n u n d von Oberloskamp/ Schmidt-Koddenberg/Zieris beziehen sich noch auf das frühere Recht; die B u n d e s r e g i e r u n g hat in ihrer A n t w o r t v. 5.3.1997 auf die Große A n f r a g e der S P D - F r a k t i o n (BT-Drs. 13/3834) mitgeteilt, keine Kenntnis von F o r s c h u n g s v o r h a b e n zu haben, w e l c h e sich mit den A u s w i r k u n g e n des Betreuungsrechts auf die Betroffenen u n d seiner H a n d h a b u n g in der Praxis auseinandersetzen u n d sich hierfür auf nach Inkrafttreten des Betreuungsgesetzes erhobene D a ten stützen, u n d auch selbst keine Erkenntnisse hierüber zu besitzen, BT-Drs. 13/7133, 3 f. Z u m Fehlen aussagekräftiger Daten auch Winterstein in Jürgens u.a., R d N r . 15-21. 2 9 1 § 6 8 7 a.F. Z P O , der die öffentliche B e k a n n t m a c h u n g der E n t m ü n d i g u n g vorgesehen hatte, w a r w e g e n Verstoßes gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht E n t m ü n d i g t e r aufgehoben w o r d e n , supra §4.IV.2.c bei Fn. 187. 2 9 2 Zu der im H i n b l i c k auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht des E n t m ü n d i g t e n eingeschränkten vorvertraglichen Verpflichtung, seine E n t m ü n d i g u n g einem potentiellen Vertragspartner g e g e n ü b e r zu offenbaren, BVerfG 11.6.1991, supra §4.IV.2.c bei Fn. 188; diese Entscheidung betraf einen durch E n t m ü n d i g u n g beschränkt Geschäftsfähigen u n d ist daher z u m i n d e s t auf einen unter E i n w i l l i g u n g s v o r b e h a l t stehenden Betreuten übertragbar; f ü r eine w e i t e r g e h e n d e Ü b e r t r a g u n g auf die O f f e n b a r u n g der B e t r e u u n g , Palandt-Diederichsen, § 1 8 9 6 R d N r . 2. 2 9 3 Dies m o n i e r e n z.B. Klüsener, R p f l e g e r 1989, 222; Palandt-Diederichsen, §1896 R d N r . 26; zu ähnlichen P r o b l e m e n beim E i n w i l l i g u n g s v o r b e h a l t sub § 12.IV. 289 290

III. Auswirkungen auf die Handlungsmöglichkeiten

des Betreuten

179

zu tun haben, ohne daß dies aus der gerichtlichen Bestellung oder der Bestallungsurkunde hervorginge 2 9 4 , und der Betreute ist nicht ohne weiteres verpflichtet, über seine Geschäftsfähigkeit A u s k u n f t zu geben 2 9 5 . U n p r o b l e m a tisch ist der Fall, wenn der B e t r o f f e n e evident geschäftsunfähig ist oder erkennbar so schwerwiegende psychisch-geistige F u n k t i o n s s t ö r u n g e n aufweist, daß D r i t t e erhebliche Zweifel an seiner Geschäftsfähigkeit hegen und daher nicht mit ihm in rechtlichen K o n t a k t treten werden. In den anderen Fällen kann die E n t k o p p e l u n g Unsicherheiten über die R e c h t s m a c h t des Betreuers und des B e treuten sowie über die W i r k s a m k e i t von diesem v o r g e n o m m e n e r rechtsrelevanter Handlungen hervorrufen. Angesichts der Tendenzen im alten R e c h t steht zu befürchten, daß D r i t t e rechtlich handlungsfähige Betreute ungeachtet der ihnen verbliebenen alternativen Handlungszuständigkeit häufig als geschäftsunfähig behandeln oder zur Vermeidung von Risiken über die W i r k s a m k e i t von ihnen v o r g e n o m m e n e r Rechtshandlungen jedenfalls nur den Betreuer als A n s p r e c h partner akzeptieren werden, sofern ihnen die Tatsache der Betreuung bekannt ist 2 9 6 ; insoweit kann die Betreuerbestellung ungeachtet ihrer E n t k o p p e l u n g von der Rechtsfolge eingeschränkter Geschäftsfähigkeit zu einem faktischen Ausschluß des Betroffenen vom Rechtsverkehr führen 2 9 7 . U m derartigen Pauschalierungen durch D r i t t e entgegenzuwirken, sollte der Betreute eine A b s c h r i f t der Bestallungsurkunde seines Betreuers bei sich haben 2 9 8 ; außerdem wäre es für ihn hilfreich, wenn in die G r ü n d e des Bestellungsbeschlusses eine Aussage über das A u s m a ß seiner eingeschränkten Selbstbestimmungsfähigkeit aufgenommen würde 2 9 9 . E i n e begrenzte Klarheit kann hier die A n o r d n u n g eines Einwilligungsvorbehalts schaffen 3 0 0 .

Zu letzterem sub § 10.1.5 bei Fn. 83. Supra Fn. 292. 296 Diese Befürchtung teilend, Damrau/Zimmermann, BtG §1896 RdNr. 5; siehe auch, Klüsener/Rausch, Rpfleger 1989, 220 f. 297 Solche Reaktionen des Rechtsverkehrs würden sich aber auch bei einer tatbestandlichen Koppelung der Betreuerbestellung mit der Geschäftsunfähigkeit des zu Betreuenden einstellen, wie die entsprechenden Erfahrungen mit der Gebrechlichkeitspflegschaft lehren, siehe auch sub § ll.II.l.b.dd im 2. Absatz. 298 Siehe auch Damrau/Zimmermann, BtG § 1903 RdNr. 6. 299 Dafür: G.Müller, Betreuung und Geschäftsfähigkeit 259f.; Coester, Jura 1991, 6; ähnlich Weser, MittBayNot 1992, 161 ff. (163): Wegen der indiziellen Wirkung für spätere Verfahren solle der Richter seine Beurteilung der Geschäftsfähigkeit zumindest in den Gerichtsakten niederlegen; einen entsprechenden Antrag hatte bereits Engelken auf dem 57. DJT zu I.2.e der Beschlußvorlage gestellt (57. DJT II K 226, dessen Begründung dazu ebda., K 137), der aber abgelehnt worden war, ebda., K 235; gegen eine derartige prophylaktische Prüfung der Geschäftsfähigkeit, Klüsener/Rausch, NJW 1993, 618; gar für unzulässig hält sie Diederichsen in Venzlaff/Foerster, 510. Aus psychiatrischer Sicht empfiehlt Nedopil (29) hingegen, die Befunderhebung so darzustellen, daß auf deren Grundlage später eine Klärung der Geschäftsfähigkeitsfrage erleichtert wird. 300 Dazu sub § 12, II.3 und IV sowie § 13.II.4 bei Fn. 96. 294

295

180

$ 8 Die Wirkungen

der

Betreuerbestellung

IV. Die Wirkungen der Betreuung zwischen Hilfe und Eingriff Der Uberblick über die Wirkungen der Betreuerbestellung erlaubt Aussagen zu deren Grundstrukturen im Vergleich zu den vergleichbaren Fürsorgeinstituten der elterlichen Sorge und Vormundschaft (1) sowie über ihren Doppelcharakter als Hilfe (2) und Eingriff (3) für den Betreuten.

1. Zur Struktur der Betreuung Das mit der Betreuerbestellung einsetzende Betreuungsverhältnis ist in seiner Grundstruktur der elterlichen Sorge wie der Minderjährigenvormundschaft 301 ähnlich: Das Betreuungsverhältnis besteht zwischen Betreuer und Betreutem unter Mitwirkung und Kontrolle des Vormundschaftsgerichts; der Betreuer erhält Rechtsmacht, Außenwirkungen für den Betreuten zu erzielen und Maßnahmen im Innenverhältnis oder gegenüber Dritten zu treffen; er handelt dabei prinzipiell selbständig, unterliegt aber zum Wohle des Betreuten der übergeordneten Aufsicht des Vormundschaftsgerichts 302 . Insoweit orientiert sich sogar die Betreuung noch am Leitbild der elterlichen Sorge. Allerdings bestehen in der Ausgestaltung dieser Fürsorgeinstitute einige gravierende Unterschiede-. Nur die elterliche Sorge genießt den Schutz des Art. 6 GG, welcher zugleich Grundregeln für das Eltern-Kind-Verhältnis enthält; weder Vormund noch Betreuer fallen unter den Schutzbereich dieses Grundrechts 303 . Der für die elterliche Sorge maßgebliche Erziehungsauftrag gehört nicht zu den Aufgaben der Betreuung 304 . Der Minderjährige hat den Status beschränkter oder fehlender Geschäftsfähigkeit 305 , weshalb er zwangsläufig einen gesetzlichen Vertreter haben muß und grundsätzlich auf dessen Handeln oder Mitwirkung angewiesen ist. Dagegen geht das Gesetz bei Erwachsenen davon aus, daß sie im Regelfall rechtlich voll handlungsfähig sind 306 und daher keines gesetzlichen Vertreters bedürfen; und selbst bei Bestehen eines gesetzlichen Vertretungsverhältnisses in Form der Betreuung kann der Erwachsene durch301 Zur einheitlichen Grundstruktur von elterlicher Sorge und Minderjährigenvormundschaft, Gernhuber/Coester-Waltjen, §71 II. 302 Zu diesen Elementen zusammenfassend supra I sowie im einzelnen die in diesem § 8 gemachten Ausführungen. Auch die übrigen Elemente der Grundstruktur der elterlichen Sorge und der Minderjährigenvormundschaft (supra Vornote aaO.) finden sich bei der Betreuung wieder: Der Betreuer haftet dem Betreuten nach derselben Vorschrift des § 1833 wie der Minderjährigenvormund, beiden stehen nach §§ 1835 ff. Ansprüche gegen ihren Schützling zu, und bei der Betreuung kommt es zu einer Mitwirkung Dritter in Gestalt von Mit-, Gegenoder Ergänzungsbetreuern und i.R. vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungsvorbehalte. 303 Supra § 4.II. 1 bei Fn. 32; für den Vormund bestätigend, MünchKomm-Sc^mi&, § 1793 RdNr.4. 304 Supra II.3.a bei Fn. 123. 305 Sub § lO.II.l.b.bb am Anf. 3 0 6 Sub §10.1.5 bei Fn. 85.

IV. Wirkungen zwischen Hilfe und Eingriff

181

aus rechtlich handlungsfähig bleiben 307 . Schließlich ist die Rechtsmacht des Betreuers im Vergleich zur elterlichen Sorge stärker beschränkt 308 . 2. Hilfscharakter

der

Betreuung

Die wesentlichste Auswirkung der Begründung einer Betreuung ist, daß der Betroffene dadurch einen Betreuer erhält. Dieser hat im Rahmen des konkreten Aufgabenkreises die Stellung eines gesetzlichen Vertreters sowie weitere, ihm speziell übertragene Fremdbestimmungsbefugnisse. Kraft dieser Rechtsmacht kann der Betreuer mit bindender Wirkung für den Betreuten oder an seiner Statt rechtsrelevant handeln, dessen Handeln ergänzen, ihn von eigenem Handeln verdrängen, zu einem bestimmten Verhalten anweisen oder an seiner Statt tatsächliche Handlungen vornehmen 3 0 9 . Mit Hilfe dieser Befugnisse wird der Betreuer in die Lage versetzt, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, weil dieser dazu unvermögend ist. Der Betreuer kompensiert somit die beim Betreuten gegebenen Handlungsdefizite, indem er diesem die Erzielung von Rechtswirkungen im Außenverhältnis oder die Besorgung sonstiger Angelegenheiten erst ermöglicht; auf diese Kompensation ist der zu Betreuende angewiesen, soweit es um rechtsrelevantes Handeln geht und ihm die hierfür erforderliche rechtliche Handlungsfähigkeit fehlt (supra III.2.a). Daneben kann der Betreuer dem geschäftsunfähigen Betreuten unter bestimmten Umständen sogar eigenes rechtsrelevantes Handeln ermöglichen (supra III.2.b). Insoweit stellt sich die Betreuerbestellung als fürsorgende Hilfsmaßnahme zu Gunsten des zu Betreuenden dar. 3. Eingriffscharakter

der

Betreuung

Für die Beurteilung möglicher Eingriffswirkungen der Betreuerbestellung ist eine einleitende Klarstellung angebracht: Mit der gerichtlichen Begründung der Betreuung erhält der Betreuer Rechtsmacht zu einem Handeln für und gegenüber dem Betreuten. Diese Rechtsmacht übt der Betreuer in Einzelakten aus, die ihrerseits Rechtspositionen des Betreuten tangieren können. Zwischen diesen beiden Situationen ist zu unterscheiden; hier interessiert nur die erste 310 . Schon die Eingangsentscheidung berührt aber die Handlungsfreiheit des zu Betreuenden, weil es der bestellte Betreuer kraft seiner Selbständigkeit 311 in der Hand hat, seine Rechtsmacht jederzeit zu aktualisieren, lediglich in den Fällen 3 0 ; Im Regelfall setzt die Betreuung weder Einschränkungen der rechtlichen Handlungsfähigkeit beim zu Betreuenden voraus, noch bewirkt sie solche, zu ersterem sub § 10.1.1, zu letzterem in diesem § 8 supra I I I . 1. 308 309 310

§1.11. 311

Siehe die umfangreichen Ausschlußtatbestände und Beschränkungen, supra II.4. Zusammenfassend supra I l . l . b vor aa. A u f die D u r c h f ü h r u n g der Betreuung ist in dieser Arbeit ja nicht einzugehen, supra D a z u supra § 2 . I I . 2 . b bei F n . 79.

182

5 8 Die Wirkungen

der

Betreuerbestellung

eines Genehmigungsvorbehalts bedarf er hierzu der Mitwirkung des Gerichts oder eines Gegenbetreuers. In der Zuordnung eines Betreuers mit gesetzlicher Rechtsmacht, für und gegenüber dem Betreuten zu handeln (supra 2), liegt zugleich die wesentliche Eingriffswirkung der Betreuung. Diese wird deutlich, wenn man ihr die gewillkürte Stellvertretung gegenüberstellt: Der Vollmachtgeber wird zwar ebenfalls durch ein Handeln seines Bevollmächtigten gebunden, doch beruht die Vertretungsmacht hier auf einem Willensakt des ersteren, zudem kann dieser nach wie vor selbst handeln und hat es nach Maßgabe des § 168 in der Hand, der Vollmacht ein Ende zu setzen; die gewillkürte Vertretung ist somit Ausdruck der Privatautonomie und verwirklicht die Selbstbestimmung des Vollmachtgebers 312 . Der Betreuer wird dagegen kraft Gesetzes von einem staatlichen Gericht eingesetzt und dieses entscheidet auch regelmäßig über das Ende seines Amtes oder der Betreuung 3 1 3 . Hierin liegt ein Akt der Fremdbestimmung: Der Betreute muß die Wirkungen eines Betreuerhandelns gegen sich gelten lassen, obgleich die Vertretungsmacht nicht auf seinem Willen beruht 3 1 4 . Der Betroffene kann zwar Anträge auf Einleitung oder Beendigung der Betreuung stellen, nach der gesetzlichen Konzeption kommt diesen aber außer im Falle des § 1896 13 1. Alt. rein verfahrensrechtliche Bedeutung zu 315 ; inwieweit eine Einwilligung des Betroffenen in die Betreuerbestellung dieser den Eingriffscharakter zu nehmen vermag, bedarf näherer Erörterung 3 1 6 . An der eintretenden Fremdbestimmung ändert nicht einmal der in §1901 III 1 festgelegte Willensvorrang etwas, da dieser nur das Innenverhältnis betrifft und regelmäßig nicht auf das Außenverhältnis durchschlägt 317 . Der Betreute hat also auf die Entstehung und Dauer des Betreuungsverhältnisses sowie auf die Ausübung der Rechtsmacht des Betreuers keinen vergleichbaren Einfluß wie der Vollmachtgeber 318 . Die wesentliche Eingriffswirkung der Betreuerbestellung besteht demnach darin, daß der Betreute selbst gegen seinen Willen durch ein Betreuerhandeln, welches er nicht durch einen Akt der Selbstbestimmung legitimiert hat, gebun312

Larenz/Wolf AT §46 R d N r . l l ; Flume, AT II §43 Nr. 3; bestätigend, BVerfG 13.5.1986, BVerfGE 72, 155 (171); von einer grundsätzlich unterschiedlichen Konzeption der Stellvertretung ausgehend, anerkennt Müller-Freienfels (Vertretung 209 ff., 340 f.) doch, daß die gewillkürte Stellvertretung „im Dienste der vernünftigen Selbstbestimmung der Persönlichkeit" steht, ebda., 341, 211. Zum privatautonomen Gestaltungsspielraum bei der Vollmacht siehe auch sub § 9.IV.2.a. 313 Zu den Beendigungsgründen supra §2.II.2.b. 314 Allgemein zur gesetzlichen Vertretung als Akt der Fremdbestimmung, Müller-Freienfels, Vertretung 341-343; Flume, AT II §43 Nr. 3. 315 Sub §9.11.1. 316 Dazu sub § 9.III.3.e.bb.(2) sowie zu einer darüber hinaus gehenden Korrektur des gesetzlichen Modells, sub § 11,1.2 und III. 317 Dazu supra II.2.a.aa bei Fn. 43 ff. 318 In diesem Sinn auch, Schwab, FS-Mikat 891; zu unterschiedlichen Selbstbestimmungsmöglichkeiten bei Vollmacht und Betreuung siehe auch sub § 9.IV.2.d.aa.(3).

IV. Wirkungen zwischen Hilfe und Eingriff

183

den wird. Dies schränkt ihn in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG ein 319 . Diese Eingriffswirkung verstärkt sich in dem Maße, als dem Betreuer umfassende materielle Vertretungsmacht (supra II.2.a.aa) übertragen wird; seine daraus resultierende Befugnis, den Betreuten finanziell verpflichten zu können, tangiert dann dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I i.V.m. 1 I GG; dies kann man aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Begrenzung der elterlichen Vertretungsmacht folgern 3 2 0 . Diese Eingriffswirkungen lassen sich weiter präzisieren: Da die Betreuerbestellung die Geschäftsfähigkeit des Betreuten unberührt läßt (supra I l l . l . a ) , ist der Eingriffscharakter bei einem zuvor geschäftsfähigen Betroffenen um so stärker, weil dann aus seiner vormaligen Alleinzuständigkeit eine bloß alternative neben derjenigen des Betreuers wird 3 2 1 ; der zuvor Geschäftsunfähige bleibt hingegen unabhängig von der Betreuung von eigenem rechtsrelevanten Handeln ausgeschlossen, wenngleich die durch das Betreuerhandeln eintretende Bindungswirkung ihm ebenfalls unerwünscht sein kann. A m stärksten ist die Eingriffswirkung schließlich, soweit dem Betreuer einseitige Fremdbestimmungsbefugnisse im höchstpersönlichen Bereich eingeräumt werden; übt der Betreuer derartige Befugnisse dem Betreuten gegenüber aus, dann wird dadurch nämlich nicht allein dessen Handlungsfreiheit tangiert, vielmehr berühren derartige Bestimmungen regelmäßig sein allgemeines Persönlichkeitsrecht oder sonstige, spezielle Freiheitsrechte, welche zum Kernbereich seiner Persönlichkeit gehören 3 2 2 ; als Beispiele seien genannt 3 2 3 : Arztliche Maßnahmen, die Sterilisation 3 2 4 oder die Unterbringung des Betreuten tangieren dessen Rechte auf Leben, Integrität oder Fortbewegungsfreiheit aus Art. 2 II GG, und die Disposition hierüber ist durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt 3 2 5 ; die Bestimmung des Aufenthaltes berührt sogar außerhalb

319 Zur Zwangspflegschaft hat das BVerfG dies ausdrücklich festgestellt, supra §4.IV.2.a, und wegen der in diesem § 8.IV.1 dargelegten strukturellen Ähnlichkeiten läßt sich diese Aussage auf die Betreuung übertragen; dies ist allgemein anerkannt, z.B.: Schwab, FS-Mikat 892; Holzhauer, FuR 1990,252; Pardey, Betreuung 34,62, 90. 320 BVerfG 13.5.1986, BVerfGE 72,155 (170f.), dazu supra §4.IV.2.b. 321 So statt aller, Pardey, Betreuung 90; näher zu Fällen einer solchen Doppelkompetenz supra III.3. 322 Zum hier verwendeten Begriff des Persönlichkeitskerns und den darunter fallenden grundrechtlichen Ausprägungen der Menschenwürde, supra § 4.II.2.b bei Fn. 55; zur Gewichtung von Betreuungsmaßnahmen, welche den Persönlichkeitskern tangieren, i.R.d. der Verhältnismäßigkeitsprüfung, sub § 9.III.3.d.bb.(5). 323 Für einen Uberblick über einzelne Grundrechte Betreuter, welche durch Betreuungsmaßnahmen tangiert sein können, Pardey, Betreuung 33 ff.; Lachwitz, DAV 1989, 343 ff. 324 Strittig ist, ob die Sterilisation unter den Schutzbereich des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit oder unter das allgemeine Persönlichkeitsrecht fällt: für ersteres als Frage der Freiheit vor Unfruchtbarmachung, z.B. Dürig in Maunz/Dürig, Art. 2 II RdNr. 30; ebenso, Lachwitz, DAV 1989, 454; für letzteres als Frage des Rechts auf eigene Nachkommenschaft hingegen, z.B. Pieroth, FamRZ 1990,123 m.w.N. 325 Zu letzterem supra II.2.c.aa bei Fn. 91.

184

5 8 Die 'Wirkungen der

Betreuerbestellung

der in § 1906 normierten Fälle entweder die Fortbewegungsfreiheit 326 oder die Freizügigkeit des Betreuten 327 , und letztere gehört gleichfalls zum Persönlichkeitskern 328 . Zusätzliche Eingriffswirkungen liegen im Verlust der Wahlfähigkeit (supra IILl.b) und in der Optativen Verdrängungskompetenz des Betreuers gemäß § 53 Z P O , von der dieser bei jedem Rechtsstreit des Betreuten Gebrauch machen kann [supra III.3.b.bb.(3)].

326

Das ist bei der zwangsweisen Verbringung in ein offenes Heim der Fall, supra II.3.C bei Fn. 137. 327 Die Aufenthaltsbestimmung, welche nicht mit der zwangsweisen Verbringung in eine Anstalt verbunden ist, tangiert das Grundrecht des Betreuten auf Freizügigkeit aus Art. 11 G G , ebenso, Pardey, Betreuung 126f.; für Minderjährige wird ein Eingriff in dieses Grundrecht durch eine Aufenthaltsbestimmung der Eltern im Hinblick auf Art. 6 G G im Ergebnis abgelehnt: Dürig in Maunz/Dürig, Art. 11 G G RdNr. 47 ff.; Kunig in von Münch/Kunig, RdNr. 7; Randelzhofer in Dolzer/Vogel, BK Art. 11 G G RdNr. 60; Hailbronner in HdbStR VI §131 RdNr. 43. Für Betreute ist hier noch Erörterungsbedarf gegeben, zumal ihnen gegenüber Art. 6 G G nicht greift; vereinzelt wird vertreten, der fürsorgebedürftige Erwachsene sei in der Ausübung seines Freizügigkeitsrechts solange und soweit eingeschränkt, als er zu einer freien Entscheidung über seinen Aufenthaltsort nicht in der Lage sei, insoweit sei eine Fremdbestimmung zulässig: So offensichtlich f ü r Entmündigte, Randelzhofer, aaO. RdNr. 61; etwas diffus f ü r Betreute in diese Richtung, Pardey, aaO. 328 Supra §4.II.2.b nach N . 55.

§ 9 Der gesetzliche Begründungstatbestand Das Betreuungsgesetz legt die Eingangsschwelle der Betreuungsbegründung materiellrechtlich in § 1896 durch den Grundtatbestand des I und das Kriterium der Erforderlichkeit i.S.d. II fest. Diese Schwelle ist einleitend vorzustellen (I). Die erste wichtige Weichenstellung erfolgt im Grundtatbestand (II), doch hat der Gesetzgeber den Grundsätzen der Erforderlichkeit (III) und Subsidiarität (IV) entscheidende Bedeutung beigemessen, weshalb der Aufschlüsselung dieser Merkmale im folgenden Abschnitt breiter Raum eingeräumt werden soll. Die eingehende Analyse des gesetzlichen Begründungstatbestandes in seiner hier gefundenen Auslegung zeigt Problemfelder auf, die nach einer Korrektur verlangen (V).

I. Überblick über die materielle Eingangsschwelle des Betreuungsrechts Die materielle Eingangsschwelle wird maßgeblich durch das neue verfahrensrechtliche Prinzip der Einheitsentscheidung geprägt (1); sie kann bezüglich der verschiedenen Betreuungsarten unterschiedliche Ausgestaltungen erfahren (2); für die vorliegende Untersuchung soll vom Regelfall der Betreuung ausgegangen werden, und für diesen wird die Eingangsschwelle im mehrgliedrigen Tatbestand des § 1896 I und II definiert (3). Die darin für den Einsatz der Betreuung normierten Voraussetzungen gelten gleichermaßen für eine vom Betroffenen in Anspruch genommene oder gegen seinen Willen angeordnete Betreuung (4).

1. Einfluß des Prinzips der

Einheitsentscheidung

Im Gegensatz zum früheren Vormundschaftsrecht 1 gibt es keine getrennte Entscheidung über die Betreuung an sich und die Bestellung eines Betreuers, vielmehr ergeht eine einheitliche Entscheidung über die Bestellung eines bestimmten Betreuers für einen konkreten Aufgabenkreis mit impliziter Bejahung der aufgabenkreisbezogenen Betreuungsbedürftigkeit (Prinzip der Einheitsent1 Dieses unterschied zwischen der Anordnung der Vormundschaft und der Bestellung des Vormundes, supra § 6.1, l.a.aa.(l) bei Fn. 5 zur Vormundschaft, 2.a nach Fn. 45 zur Pflegschaft.

186

5 9 Der gesetzliche

Begründungstatbestand

Scheidung). Diese einheitliche Bestellungsentscheidung läßt sich hinsichtlich ihrer materiellen Voraussetzungen in die aufgabenkreisbezogene Bestellung eines Betreuers nach § 18961, II und die Auswahl der konkreten Betreuungsperson nach §§ 1897-1900 aufspalten; letztere bleibt hier außer Betracht 2 . Das Prinzip der Einheitsentscheidung bedeutet also für die Bestimmung der Eingangsschwelle, daß diese nicht über das Ob einer Betreuung befinden kann, ohne zugleich deren Umfang zu berücksichtigen. Folglich regelt die Eingangsschwelle des § 1896 I und II die Bestellung eines Betreuers für einen bestimmten Aufgabenkreis.

2. Unterscheidung nach Betreuungsarten auf die Eingangsschwelle

im

Hinblick

§ 1896 I und II bezeichnet die Eingangsschwelle für den Regelfall der Betreuung. Im Hinblick auf die Eingangsschwelle lassen sich von diesem Regelfall Sondertatbestände der Betreuung abgrenzen, sofern diese sich von jenem durch unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen unterscheiden. Außer Betracht bleiben dagegen rein aufgabenkreisbedingte Besonderheiten, welche diese Bedingungen nicht erfüllen: So sieht § 1896 IV zwar eine zusätzliche Voraussetzung zur Übertragung des in dieser Norm benannten Aufgabenkreises vor 3 , zu darüber hinausgehenden Abweichungen vom Regeltatbestand der Betreuung oder deren Rechtsfolgen kommt es jedoch nicht; und der Aufgabenkreis der Totalbetreuung führt zu einer Einschränkung rechtlicher Handlungsfähigkeit des Betreuten 4 , seine Übertragung richtet sich gleichwohl nach dem Regeltatbestand 5 . Echte Alternativformen der Betreuung sind dagegen: Die Vollmachts- oder Kontrollbetreuung i.S.d. § 1896 III ist im Gesetz zwar nur als Sonderfall eines Aufgabenkreises definiert. Sie setzt aber über den Begründungstatbestand des Regelfalles hinaus voraus, daß eine wirksame, den Fürsorgebedarf abdeckende Vollmacht vorhanden ist, der Betroffene aus den in I 1 genannten Gründen nicht in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen, und dessen Überwachung erforderlich ist 6 ; die Rechtsmacht des Betreuers beschränkt sich auf die Überwachung des Bevollmächtigten und die Geltendmachung der Rechte des Betreuten jenem gegenüber 7 . Sowohl hinsichtlich der 2 Zum Ausschluß von Auswahlfragen in dieser Arbeit supra § l.II bei Fn.6, dort auch schon zur Einheitsentscheidung. 3 Nach § 1896 IV umfaßt die Rechtsmacht des Betreuers die in dieser Norm angeführten Befugnisse nur kraft ausdrücklicher Übertragung; zu den Voraussetzungen siehe B a y O b L G 9.10.1996, BtPrax 1997, 72; in verfahrensrechtlicher Hinsicht sind insoweit die Sondernormen in § 69i I 2, 3 F G G beachtlich. 4 Dazu supra § 8 . I I I . l . b bei Fn. 242. 5 Siehe sub III.4.d bei Fn. 373 f.; eine Sondernorm besteht freilich gemäß § 67 I 2 Nr. 2 F G G für das Verfahren und zwingt zur Bestellung eines Verfahrenspflegers, nach Maßgabe des I 3. 6 Näher dazu, MünchKomm-Schwab, § 1 8 9 6 RdNr. 144-149; zur doppelten Bedeutung der Erforderlichkeit i.R.d. § 1896 III sub III.3.c.aa bei Fn. 274. 7 M ü n c h K o m m - S c W & , § 1896 RdNr. 150.

I. Überblick über die materielle

Eingangsschwelle

187

Voraussetzungen als auch der Rechtsfolgen stellt sich die reine Kontrollbetreuung mithin als Alternativform gegenüber dem Regelfall der Betreuung dar. Besonders geregelt ist der Sterilisationsbetreuer: Für die Sterilisationsentscheidung ist gemäß § 1899 II ein besonderer Betreuer zu bestellen, dessen Aufgabenkreis sich auf diese eine Aufgabe beschränkt, und im Hinblick auf die spezielle Ermächtigungsnorm für deren Durchführung (§ 1905) unterliegt die Bestellung materiell ebenfalls besonderen Voraussetzungen 8 . Eine mit einem Einwilligungsvorbehalt verbundene Betreuung ist wegen der daraus resultierenden gravierenden Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit des Betreuten und seiner Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr eine vom Regelfall der Betreuung grundverschiedene Alternativform, für die § 1903 eine zusätzlich zu § 1896 I und II zu prüfende Eingangsschwelle vorsieht (sub § 13). Daneben gibt es mit den verschiedenen Konstellationen der Mit-, Gegenund Ergänzungsbetreuung noch funktional zu unterscheidende Betreuungsarten 9 , die aber eher auf eine Aufteilung und wechselseitige Beschränkung der Rechtsmacht der Mitbetreuer untereinander abzielen 10 .

3. Der mehrgliedrige materielle für den Regelfall der Betreuung

Begründungstatbestand

Die materielle Eingangsschwelle der Betreuung wird im Regelfall durch den mehrgliedrigen Tatbestand des § 1896 I und II statuiert. Der Sicherung ihrer richtigen Anwendung dienen die in §§ 66-68b F G G enthaltenen Verfahrensvorschriften über den Umfang der gerichtlichen Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung und die Stellung des zu Betreuenden im Verfahren; diese können hier mit Ausnahme des in § 1896 I geregelten Antrages nicht behandelt werden 11 . § 1896 I 1 bezeichnet den Kreis der Betreuungsbedürftigen dadurch, daß er bei dem zu Betreuenden einen medizinischen Befund und ein daraus folgendes Unvermögen zur Besorgung seiner Angelegenheiten voraussetzt. Auf die Befundgruppe rein körperlich Behinderter ist lediglich im Zusammenhang mit der Bedeutung eines Betreuungsantrages des Betroffenen einzugehen, um dessen unterschiedliche Bedeutung bei den übrigen Befundgruppen zu verdeutlichen 12 . Zur Konkretisierung des Grundtatbestandes stellt § 1896 II zusätzlich auf die Erforderlichkeit der Betreuung ab; daran fehlt es, soweit hinreichende 8 Dazu sub § lO.I.l.b bei Fn. 19; und verfahrensrechtlich ist gemäß der Sondernorm des § 6 7 1 5 F G G die Bestellung eines Verfahrenspflegers zwingend. 9 Überblicksweise dazu, Schwab, FamRZ 1992, 499 f.; siehe auch, Spanl, Rpfleger 1992, 142 ff. 10 Dazu supra § 8.II.4.a.cc, zum Ergänzungsbetreuer (1) f., zum Mitbetreuer (2) und zum Gegenbetreuer (3) bei Fn. 179. 11 Für einen Uberblick über die verfahrensrechtlichen Neuerungen des Betreuungsgesetzes supra § 2.II.2.d, 3. 12 Im übrigen ist auf rein körperlich Behinderte in dieser Arbeit nicht einzugehen, supra §1.111.

188

§ 9 Der gesetzliche

Begründungstatbestand

alternative Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, vorhanden sind. I m Gegensatz z u m früheren R e c h t findet im Regelfall keine tatbestandliche Verknüpfung mehr mit Einschränkungen der rechtlichen H a n d lungsfähigkeit des zu Betreuenden statt (sub § 10.1.1). Aussagen über die zeitliche D i m e n s i o n der Betreuung und ihrer gegenständlichen Reichweite treffen § 1908d I - I I I B G B und § 69 I N r . 5 F G G ; schließlich regelt § 1896 I 2, 3 die I n itiative für die Betreuerbestellung. Teilweise wird eine Unterteilung des Betreuungstatbestandes in eine subjektive Betreuungsbedürftigkeit als den personenbezogenen K o m p o n e n t e n des I 1 und einen objektiven Betreuungsbedarf in I I vorgeschlagen 1 3 . Diese D i f f e r e n zierung schafft aber keine zusätzliche Klarheit, zumal I 1 mit den zu besorgenden Angelegenheiten ein Tatbestandsmerkmal enthält, das zugleich im R a h m e n des II 1 den objektiven Bedarf mitbestimmt. D i e unterschiedliche B e z e i c h n u n g hängt eher mit dem B l i c k w i n k e l zusammen, o b man die Person des Bedürftigen oder den durch den Gesamttatbestand begründeten Bedarf meint.

4. Doppelfunktionalität der materiellen

Eingangsschwelle

D i e Betreuung steht in einem Spannungsfeld zwischen dem staatlichen Fürsorgeauftrag und dem A n s p r u c h der Fürsorgebedürftigen auf A c h t u n g ihres Selbstbestimmungsrechts: Sie ist staatliche Hilfe für die B e t r o f f e n e n , die sich aber vor allem wegen ihrer Koppelung an die gesetzliche Vertretungsmacht und weitere Fremdbestimmungsbefugnisse des Betreuers zugleich als Eingriff in deren Selbstbestimmungsrecht und weitere Freiheitsrechte darstellt (supra § 4.1). Angesichts dieser Doppelnatur statuiert der materielle Begründungstatbestand der Betreuung in § 1896 I und II z u m einen die Schwelle für Eingriffe in R e c h t e der zu Betreuenden, zum anderen legt er die Bedingungen fest, unter denen diese einen A n s p r u c h auf Betreuung haben sollen 1 4 ; dies zeigt sich einerseits in dem neu eingeführten Antragsrecht des Betreuungsbedürftigen (sub II. 1), andererseits darin, daß dem R i c h t e r bei der Entscheidung über die Betreuerbestellung kein Ermessen eingeräumt ist und es sich dabei folglich um eine gebundene E n t scheidung handelt. D a das G e s e t z mit A u s n a h m e des Antragserfordernisses nicht zwischen der konsentierten und der nicht gewollten Betreuung differenziert, legen die Tatbestandsmerkmale des § 1896 I und I I die Eingangsschwelle im übrigen für beide Fälle in gleicher Weise fest. D e r Gesetzgeber hat diese Doppelfunktionalität für das M e r k m a l der Erforderlichkeit besonders hervorgehoben15.

13 MünchKomm-ScW^, § 1896 RdNr. 25; ihm folgend Erman-Holzbauer, RdNr. 4; LG Frankfurt 12.11.1992, FamRZ 1993, 478 f. 14 Wie hier: Staudinger-Bienwald, § 1896 RdNr. 5; MünchKomm-Schwab, RdNr. 1. 15 Dazu sub III.l.c, 3.e und IV.5.

II. Der Grundtatbestand

des § 1896 I BGB

II. Der Grundtatbestand des § 18961

189

BGB

N a c h § 1896 1 1 k o m m t eine Betreuung für Volljährige 1 6 , die auf G r u n d einer psychischen K r a n k h e i t , einer geistigen, seelischen oder körperlichen B e h i n d e rung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbständig besorgen k ö n nen, in Betracht. Voraussetzungen sind demnach eine Unfähigkeit zur B e s o r gung eigener Angelegenheiten (sub 2), das Vorliegen eines pathologischen B e fundes und eine enge Beziehung zwischen diesen beiden M e r k m a l e n (3) 1 7 ; als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist überdies das W o h l des zu B e t r e u e n den beachtlich (4). Diese Tatbestandsmerkmale gelten einheitlich für die gewollte wie die ungewollte Betreuerbestellung (5) und für alle Anwendungsfälle, doch ergeben sich Unterschiede hinsichtlich der Bedeutung eines verfahrenseinleitenden Antrages des B e t r o f f e n e n (1).

1. Die Bedeutung

eines Antrages

D i e Betreuerbestellung erfolgt gemäß § 1896 I 1 regelmäßig auf Antrag des B e t r o f f e n e n oder v o n A m t s wegen, als A u s n a h m e davon ist sie bei rein körperlich Behinderten, die ihren Willen kundtun k ö n n e n , nach 1 3 1. Alt. nur auf deren Antrag möglich; ein Antragsrecht D r i t t e r ist nicht vorgesehen, diese k ö n n e n b l o ß die Einleitung eines Betreuungsverfahrens anregen 1 8 . Aus der Gegenüberstellung der beiden Varianten der Verfahrenseinleitung geht hervor, daß die B e stellung lediglich im Falle des § 1896 1 3 1. Alt. in einem echten Antragsverfahren ergeht, in den übrigen Anwendungsfällen dagegen in einem Amtsverfahren 1 9 ; der Antrag ist somit einmal notwendige, das andere M a l fakultative verfahrenseinleitende H a n d l u n g 2 0 . Daraus folgt eine unterschiedliche Beurteilung des Antrags in beiden Varianten: D e r nach § 1896 1 3 1. Alt. notwendige Antrag ist zugleich zwingende materielle Voraussetzung einer Betreuerbestellung 2 1 ; nach der gesetzlichen K o n z e p t i o n führt der Antrag in den übrigen A n w e n dungsfällen im Vergleich zum Amtsverfahren b l o ß zu verfahrensrechtlichen Erleichterungen 2 2 , nicht aber zu einer A b s e n k u n g der materiellen Eingangs16 Als Ausnahme hiervon kann gemäß § 1908a ein Betreuer vorsorglich bereits für einen Siebzehnjährigen bestellt werden. 17 Häufig ist von einem zweigliedrigen Tatbestand die Rede, so in BT-Drs. 11/4528, 115 und bei Erman-Holzhauer, § 1896 RdNr. 17; wegen des Kausalitätserfordernisses spricht man aber besser von einem dreigliedrigen, ebenso Peters, Betreuung 78 sowie im Ergebnis Jürgens, BtR-Komm. § 1896 RdNr. 10. 18 Zu den Wirkungen einer solchen Anregung, Keidel-Kayser, § 12 F G G RdNr. 5; ebenso beschränkt ist der Einfluß Dritter auf den Fortbestand einer Betreuung. 19 Ein Verfahren, das entweder auf Antrag oder von Amts wegen eingeleitet werden kann, ist ein Amtsverfahren; der Antrag ist hier bloß fakultativ, Bassenge/Herbst, F G G Einl. RdNr. 4. 2 0 O L G Hamm 28.3.1995, BtPrax 1995, 221 ff., 222. 21 Zur Doppelnatur des Antrags in diesem Fall, MünchKomm-Schwab, § 1896 RdNr. 23. 22 Solche sind vorgesehen in § 68b I 2 F G G (ärztliches Attest statt Sachverständigengut-

190

5 9 Der gesetzliche

Begründungstatbestand

schwelle 2 3 oder gar zur D u r c h b r e c h u n g des prinzipiellen Nachrangs der B e treuung 2 4 . D e r Gesetzgeber hat bewußt keine Verbindlichkeit von Betreuungswünschen der B e t r o f f e n e n vorgesehen 2 5 ; nach seiner A n s i c h t hat das fakultative Antragsrecht eher psychologische denn rechtliche B e d e u t u n g 2 6 , zudem dient es allgemeinen R e f o r m z i e l e n , nämlich einer gewissen B e a c h t u n g der W ü n s c h e des B e t r o f f e n e n 2 7 und der F ö r d e r u n g seines W o h l s 2 8 . D i e aufgezeigte Differenzierung manifestiert sich gleichermaßen bei der A u f h e b u n g oder gegenständlichen B e s c h r ä n k u n g der Betreuung: G e m ä ß § 1908d II 1, 3 ist die beantragte Betreuung auf Antrag wieder aufzuheben oder zu beschränken, sofern sie nicht von A m t s wegen aufrechtzuerhalten ist; nach der gesetzlichen K o n z e p t i o n bedeutet das, daß außerhalb der Fälle einer nach § 1896 I 3 1. Alt. beantragten Betreuung der b l o ß e Aufhebungsantrag des B e treuten nicht zu einer M o d i f i k a t i o n des Betreuungsverhältnisses führt, sofern der Betreuungsbedarf fortbesteht 2 9 ; diese E i n s c h r ä n k u n g ist Ausdruck des Amtscharakters des Verfahrens. G e g e n ü b e r dem früheren R e c h t bringt diese Regelung einige Änderungen 3 0 . Besonders hervorzuheben ist, daß die vormalige Differenzierung zwischen freiwilliger und erzwungener Gebrechlichkeitspflegschaft 3 1 sich lediglich im A u s nahmetatbestand des § 1896 1 3 1. Alt. fortsetzt, in den übrigen Anwendungsfällen, die in der Praxis weitaus wichtiger sind 3 2 , ist der Wille des zu Betreuenden dagegen weder für die Begründung n o c h die A u f h e b u n g einer Betreuung k o n stitutiv. D o c h selbst im R a h m e n der gesetzlichen K o n z e p t i o n sind die W ü n s c h e achten, eingeschränkt durch § 69i IV F G G ) , § 1908(1 II 1 (dazu nachfolgend im Text) und § 69g I F G G (Einschränkung der Beschwerdeberechtigung Angehöriger); näher dazu MünchKomm-Schwab, § 1896 RdNr. 64-66. 2 3 BT-Drs. 11/4528, 117f.; O L G Hamm 28.3.1995, supra Fn.20; für den verfahrenseinleitenden Antrag ist das prinzipiell anerkannt, statt aller Erman-Holzhauer, § 1896 RdNr. 68. 2 4 BT-Drs. 11/4528, 118 r.Sp. 2 5 BT-Drs. 11/4528,118,120. Für die konsentierte Bestellung eines neuen Betreuers gemäß § 1908c sieht § 69i VIII F G G (BtAndG) jetzt verfahrensrechtliche Erleichterungen vor. 2 6 Es soll zu einer höheren Akzeptanz der Betreuung beim Betroffenen führen, aaO. 118. 2 7 AaO. 68. 2 8 Die erhöhte Akzeptanz soll zu erhöhten Therapiechancen führen, aaO. 118, und das dient dem Wohl des Betreuten; zum Zusammenhang von Therapieförderung und Wohl supra §2.II.2.c bei Fn. 98. 29 Palandt-Diederichsen, § 1908d RdNr. 4 f.; zu notwendigen Korrekturen des gesetzlichen Tatbestandes sub § 11.III.3. 3 0 Supra §6.1: Die Vormundschaft setzte die Entmündigung und diese wiederum einen Antrag voraus, zu dessen Stellung der zu Entmündigende nicht berechtigt war, aaO. l.a.aa.(l); und die Gebrechlichkeitspflegschaft wurde von Amts wegen angeordnet, aaO. 2.a vor aa. 31 Dazu supra § 6.1.2.b,c. 32 Die Pflegschaft allein wegen körperlicher Gebrechen stellte die Ausnahme dar, Zenz! v.Eicken/Ernst/Hofmann, 14. Die bei Oberloskamp/Schmidt-Koddenberg/Zieris (53 f.) angeführte Zahl von 23 % körperlich Gebrechlicher vermag diese Angaben nicht zu erschüttern, da in dieser Zahl Fälle einbezogen sind, bei denen körperliche Defekte lediglich mit ursächlich waren; obgleich in dieser Zahl damit Mehrfachbehinderungen enthalten sind, werden diese gesondert ausgewiesen, ebda., 44; zu körperlichen Behinderungen supra § 3.II.3, III.l.

II. Der Grundtatbestand

des § 1896 I BGB

191

des zu Betreuenden schon bei der Eingangsentscheidung beachtlich, und zwar im R a h m e n der Wohlabwägung als Entscheidungsmaßstab und bei der B e s t i m mung des Nachrangs der Betreuung im R a h m e n des § 1896 II 2 3 3 . Inwieweit diese gesetzliche Lage darüber hinaus der K o r r e k t u r bedarf, wird n o c h zu klären sein

.

2. Das Grundkriterium

der

Unfähigkeit

Dieses untergliedert sich in die Angelegenheiten, deren Besorgung überhaupt Gegenstand einer Betreuung sein kann (a), und die Unfähigkeit zur B e sorgung derjenigen, die k o n k r e t anfallen (b).

a) Tatbestandliche

Angelegenheiten

D e r weitere Verlauf der U n t e r s u c h u n g wird zeigen, daß die Festlegung der Angelegenheiten, die für die Besorgung durch einen Betreuer in Frage k o m m e n , für die B e s t i m m u n g der R e c h t s m a c h t des Betreuers (supra § 8.II), die A b g r e n zung gegenüber rein tatsächlichen Hilfen, für die eine Betreuung nach § 1896 II 2 nicht erforderlich ist (sub IV.4.b.aa), sowie für die Konkretisierung der B e s o r gungsunfähigkeit (sub § 10.1.3) von Bedeutung ist. Ursprünglich präzisierte das Betreuungsgesetz den Begriff der Angelegenheiten nicht näher. Dessen Inhalt war umstritten. U b e r w i e g e n d wurde von der Maßgeblichkeit eines weiten Angelegenheitenbegriffs, wie er im früheren R e c h t gegolten hatte 3 5 , ausgegangen 3 6 . Allerdings wollten einige unter Berufung auf das Erfordernis eines gesetzlichen Vertreters in § 1896 II 2 stattdessen den engeren Begriff der Rechtsangelegenheiten wählen 3 7 , u m klarzustellen, daß die B e treuung nicht die tatsächliche Pflege des Betreuten umfasse 3 8 . M i t dieser Zielrichtung stellt nun § 1901 I ( B t Ä n d G ) auf die rechtlich zu besorgenden AngeleZu ersterem sub 4.c, zu letzterem sub IV.4.c.aa, 5.b. Auf die strittige Frage einer unterschiedlichen Eingangsschwelle bei konsentierter oder ungewollter Betreuung sowie auf die Notwendigkeit von Korrekturen des gesetzlichen Tatbestandes wird noch näher einzugehen sein, sub § 10.III.2, § 11.1.2 und III. 35 Zum weiten Angelegenheitenbegriff supra §6.1, zur Entmündigung l.d.aa, zur Gebrechlichkeitspflegschaft 2.a vor aa. 36 Ausdrücklich: Damrau/Zimmermann, BtG §1896 RdNr. 7; Peters, Betreuung 66; implizit yHXnchKomm-Schwab, §1896 RdNr. 18. Ohne ausdrückliche Bezugnahme zum alten Recht ebenfalls für eine weite Auslegung schon der Gesetzgeber, BT-Drs. 11/4528, 117; aus der Rspr z.B. OLG Stuttgart 9.6.1993, FamRZ 1993, 1365 (Bedarf hinsichtlich der rechtlichen und tatsächlichen Situation des Betroffenen); aus der Literatur, z.B. Schmidt in Schmidt/Bökker, Betreuungsrecht RdNr. 10. Widersprüchlich, Winterstein und Bienwald: wie hier ersterer in Jürgens u.a., 3. Aufl. RdNr. 53 und letzterer in Betreuungsrecht § 1896 RdNr. 74; anders die beiden nf. Fn. jeweils aaO. 37 So vor allem, Erman-Holzhauer, § 1896 RdNr. 20; ebenso, wenngleich widersprüchlich (supra Vornote) Winterstein in Jürgens u.a., 3. Aufl. RdNr. 62, sowie nunmehr auch Staudinger-Bienwald, § 1896 RdNr. 52; zu den beiden letztgenannten vgl. auch sub Fn. 49. 38 Winterstein, supra Vornote. 33

34

192

5 9 Der gesetzliche

Begründungstatbestand

genheiten ab 39 ; diese N o r m zielt aber in erster Linie darauf, Vergütungsansprüchen für derartige faktische Hilfen die Grundlage zu entziehen 4 0 und kann daher in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben. Gegen die Verwendung des Begriffs der Rechtsangelegenheiten wird eingewandt, zu den Angelegenheiten i.S.d. § 1896 I 1 könnten gerade solche aus dem Bereich der Personensorge gehören 41 . Eine erste Konkretisierung des Angelegenheitenbegriffs erlaubt zunächst die Beifügung des Possessivpronomens „eigene" in § 1896 1 1 4 2 . Dadurch werden Angelegenheiten ausgeschlossen, die der Betroffene für Dritte besorgt 4 3 . O b dazu die Ausübung der gesetzlichen Vertretung für einen Dritten zählt 4 4 , kann für den besonders wichtigen Fall der elterlichen Sorge offenbleiben, da dieser gar nicht erst von der Rechtsmacht des Betreuers erfaßt werden kann 4 5 . Welche Angelegenheiten im übrigen für eine Betreuung in Frage kommen, erschließt sich durch einen Blick auf die dem Betreuer generell mögliche Rechtsmacht, solche mit W i r k u n g für den Fürsorgebedürftigen zu besorgen 4 6 . Dieser ergibt, daß es bei den Angelegenheiten i.S.d. § 1896 1 1 und deren Besorgung durch einen Betreuer um die Bewältigung von weiten Bereichen des eigenen Lebens Fiirsorgebediirftiger geht. Freilich werden dabei Rechtsgeschäfte und sonstige Rechtshandlungen einen großen R a u m einnehmen, doch kann eben auch die Besorgung solcher Handlungen anstehen, die sich bei Vornahme durch den Betroffenen als reine Tathandlungen darstellen: Das sind z.B. die Bestimmung über den eigenen Aufenthalt, den U m g a n g mit anderen, die Ernährung, H y g i e n e und Erhaltung der Gesundheit, die Entscheidung über die Verwendung des eigenen Geldes und den Gebrauch sonstigen Eigentums, die Wahl der Arbeit u.a.m. Ist der Betroffene zur Besorgung derartiger Tathandlungen unfähig, so kann dem Betreuer die Rechtsmacht zugewiesen werden, den Betreuten sowie teilweise Dritte zu einem entsprechenden tatsächlichen Verhalten zu bestimmen 4 7 . Die Subsidiaritätsklausel dient z w a r dazu, einen

39 Diese Vorschrift zielt ebenfalls auf eine Ausgrenzung rein tatsächlicher Hilfeleistung für den Betroffenen, BT-Drs. 13/7158, 33f. 40 Supra Vornote, aaO. 41 Damrau/Timmermann, BtG § 1896 RdNr. 7, ausdrücklich gegen Holzhauer, supra Fn. 37; dies entspricht der früheren Begründung gegen den Begriff der Rechtsangelegenheiten, supra § 6.1.1.d.aa bei Fn. 32. 42 Zu weiteren Folgerungen nachfolgend sub b. 43 Unproblematisch ist dies bei Besorgungen im Rahmen von Auftrags-, Dienstleistungsund ähnlichen Verhältnissen, Erman-Holzhauer, §1896 RdNr. 22; Staudinger-Bienwald, RdNr. 56 f. 44 Thematisiert und abgelehnt von Erman-Holzhauer, § 1896 RdNr. 23. 45 Dazu supra § 8.II.4.a.aa.(2) bei Fn. 162 f. 46 In diesem Sinn sind die bei Staudinger-Bienwald (§ 1896 RdNr. 47) angeführten Anhaltspunkte in betreuungsrechtlichen Vorschriften zu verstehen; zum entsprechenden Verständnis im früheren Recht supra § 6.1.1.d.aa nach Fn. 32; zur Rechtsmacht des Betreuers supra

§8.11. 47

Zu derartigen personalen Bestimmungsbefugnissen supra §8.II.2.c,d, 3.a,b.

II. Der Grundtatbestand

des § 1896 I

BGB

193

bloß faktischen Fürsorgebedarf auszugrenzen 4 8 , doch sind die genannten Tathandlungen ein Beleg dafür, daß eben nicht nur Rechtshandlungen einen B e treuungsbedarf zu begründen vermögen. H i e r scheint teilweise der Unterschied zwischen der von der Subsidiaritätsklausel ausgeschlossenen rein tatsächlichen Pflege des Betroffenen und personalen Bestimmungsbefugnissen des Betreuers verkannt zu werden 4 9 , wozu die herkömmliche Bezeichnung der letzteren als Maßnahmen der tatsächlichen Sorge wohl ihren Teil beiträgt 5 0 . D e r Begriff der Rechtsangelegenheiten ist somit als ungeeignet abzulehnen 5 1 ; die Ausgrenzung rein tatsächlichen Hilfsbedarfs erfolgt vielmehr durch den Parameter der Notwendigkeit eines Handelns mit der Rechtsmacht eines Betreuers 5 2 . U n d die Rechtsmacht des Betreuers ist zugleich der geeignete Parameter für eine sinnvolle Eingrenzung des Angelegenheitenbegriffs:

Ausgeschlossen sind danach solche Angelegenheiten, nerell keine Rechtsmacht zustehen kann5}.

für die dem Betreuer

ge-

M i t diesen Einschränkungen können Angelegenheiten demnach faktische wie rechtliche Handlungen sein, welche die Lebensführung ermöglichen oder beeinflussen 5 4 . A u f G r u n d der Anwendungspraxis erweisen sich als typische Angelegenheiten einer Betreuung 5 5 : die ehedem so praxisbestimmende Vermögensverwaltung, die Entscheidung über die Verwendung des eigenen G e l des und den Gebrauch sonstiger eigener Sachen, die Regelung von R e n t e n und Sozialhilfeangelegenheiten, die Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr inklusive familienrechtlicher Rechtsgeschäfte 5 6 , die Organisation tatsächlicher Hilfen, die Einwilligung in medizinische Behandlungen ambulanter und stationärer Art, die Aufenthaltsbestimmung einschließlich der W o h nungsauflösung und der Verbringung in offene oder der Unterbringung in geschlossenen Anstalten, die Prozeßführung, die Wahrnehmung öffentlichrechtlicher Pflichten etc.

Dazu sub IV.4.b.aa. Dieser Verdacht drängt sich bei den Stellungnahmen von Bienwald (in Staudinger, § 1896 RdNr. 53 im Vergleich zu RdNr. 52) und Winterstem (in Jürgens u.a., 3. Aufl. RdNr. 62 gegenüber RdNr. 53) auf. 50 Zur Ablehnung dieser Bezeichnung supra § 8.II.l.b.bb, 5. 51 Ablehnend auch Damrau/Zimmermann, B t G § 1 8 9 6 RdNr. 7, ausdrücklich gegen Erman-Holzhauer, RdNr. 20. 52 Im Ergebnis ebenso zur Abgrenzung gegenüber der tatsächlichen Pflege z.B. L G Saarbrücken, 16.1.1997, BtPrax 1997, 124 (LS); näher dazu sub III.4, vor allem aber IV.4.b.aa. 53 Zu solchen ausgeschlossenen Angelegenheiten supra § 8.II.4, a.aa, b.aa,bb und c.aa. 54 Statt aller Beitzke/Lüderitz, % 38 I 1. 55 Eingehend zu Bedarfslagen aus der Praxis des alten Rechts, Zenz/v.Eicken/Ernst/Hofmann, 17-21 sowie Oberloskamp/Schmidt-Koddenberg/Zieris, 87-94; zu relevanten Angelegenheiten nach neuem Recht, Bienwald, Betreuungsrecht, § 1896 RdNr. 214 f. 56 Soweit der Betreuer hierfür Rechtsmacht haben kann, dazu § 8.II.4.a.aa. 48 49

194

§ 9 Der gesetzliche

b) Unfähigkeit

der

Begründungstatbestand

Angelegenheitenbesorgung

§ 1896 I 1 setzt voraus, daß der Betroffene seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Es müssen eigene Angelegenheiten des zu Betreuenden anfallen (aa) und er muß zu deren Besorgung unfähig sein (bb). Inhaltlich entspricht dieses Tatbestandsmerkmal dem historischen Grundkriterium der Fürsorge (§ 7.1). Dieses galt auch im früheren Vormundschaftsrecht, wenngleich ihm damals eine eher geringe Aufmerksamkeit gewidmet wurde, da das Hauptaugenmerk der eingeschränkten Geschäftsfähigkeit oder der Einwilligung des Fürsorgebedürftigen galt (supra § 6.1, III). aa) Zu besorgende Angelegenheiten

des

Betroffenen

Zunächst ist zu ermitteln, welche Angelegenheiten der zu Betreuende zu erledigen hat. Aus der Verbindung des Begriffs der Angelegenheiten mit dem Possessivpronomen „eigene" läßt sich folgern, daß es auf die bei dem jeweiligen Betroffenen tatsächlich anfallenden Angelegenheiten ankommt 5 7 . Für die Feststellung der zu besorgenden Angelegenheiten ist auf die konkrete Lebenssituation des zu Betreuenden, auf „seine soziale Stellung, seinen biographischen Hintergrund und seine bisherige Lebensgestaltung" abzustellen 58 . Regelmäßig wird diese Analyse Bereiche aufzeigen, in denen sich ein Handlungsbedarf für eine Betreuerbestellung aufdrängt. Gerade im rechtsgeschäftlichen Bereich indizieren bestehende rechtliche Verpflichtungen des Betroffenen einen derartigen Bedarf 59 . Angesichts der in Art. 2 I GG verbürgten allgemeinen Handlungsfreiheit steht es jedoch jedermann in den dort statuierten Grenzen frei darüber zu entscheiden, was er erledigen will und was nicht. Ohne zusätzliche Wertungen lassen sich die ermittelten Tatsachen daher nicht unter das Merkmal der zu besorgenden eigenen Angelegenheiten subsumieren 60 . bb)

Unvermögen

Der zu Betreuende muß zur Besorgung der individuell-konkret ermittelten Angelegenheiten unfähig sein. Wie im früheren Recht 61 ist darunter eine Verhinderung, erhebliche Erschwerung oder Gefährdung der Angelegenheitenbesor-

In diesem Sinn Jürgens, BtR-Komm. § 1896 RdNr. 8. Jürgens, BtR-Komm. §1896 RdNr. 18; näher dazu Winterstein in Jürgens u.a., RdNr. 53-56; siehe auch Bienwald, Betreuungsrecht § 1896 RdNr. 79. Diese Ermittlungen sind im Hinblick auf die Subsidiaritätsklausel zu ergänzen, sub IV.4.a.aa. 59 Dazu Erman-Holzhauer, § 1901 RdNr. 2. 60 Ebenso Winterstein in Jürgens u.a., RdNr. 58; Holzhauer, FuR 1990,251; zu undifferenziert daher Schmidt in Schmidt/Böcker, Betreuungsrecht RdNr. 11. Ein solches Kriterium stellt das Wohl des Betroffenen dar, näher dazu sub 4.c, insb. bei dd. 61 Zum früheren Recht supra § 6.1, l.d.cc zur Entmündigung und 2,a bei Fn. 47 zur Gebrechlichkeitspflegschaft. 57 58

II. Der Grundtatbestand

des 5 1896 I

BGB

195

gung zu verstehen 62 . Ein solches Unvermögen manifestiert sich darin, daß der Betroffene seine Angelegenheiten überhaupt nicht, schlecht oder anders als von seinem sozialen Umfeld erwartet besorgt 6 3 . Indikatoren eines Unvermögens sind Mängel bei der Selbstversorgung, der geistigen, psychischen oder körperlichen Befindlichkeit und soziale Auffälligkeiten 64 . Die Ermittlung solcher Indikatoren allein vermag allerdings nicht das Vorliegen der tatbestandlichen Unfähigkeit zu begründen, da die Qualität der Besorgung oder deren Unterlassen in den Grenzen des Art. 2 I G G ebenfalls im grundsätzlichen Belieben des Betroffenen stehen. Und Probleme bei der Bewältigung des eigenen Lebens und der Besorgung der eigenen Angelegenheiten können vielfältige Ursachen haben: den bloßen Unwillen, den Mangel an Gelegenheit oder an den dazu nötigen Mitteln, die fehlende Sachkenntnis, den Erfahrungs- und Bildungshorizont, persönliche Charaktereigenschaften, eine wirtschaftliche, soziale, intellektuelle, informationelle oder psychologische Unterlegenheit 6 5 , eine reduzierte Widerstandskraft, Verständigungsschwierigkeiten, krankheitsbedingte und sonstige Probleme bei der Willensbildung oder -kundgäbe 6 6 sowie bei der Ausführung des Gewollten u.a.m. Es bedarf deshalb weiterer Kriterien zur Eingrenzung der relevanten Unfähigkeit. Ein solches liefert zunächst der Grundtatbestand selbst mit dem Erfordernis der pathologischen Bedingtheit des Unvermögens (sub 3.b). Weitere Konkretisierungen ergeben sich aus dem Bezugsobjekt des tatbestandlichen Unvermögens. Das folgt schon aus dem allgemeinen Verständnis von Fähigkeit: Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist darunter die persönliche Begabung, Angelegenheiten mit einer gewissen Leistungsgüte selbständig lösen oder vollziehen zu können 6 7 , oder anders ausgedrückt, eine äußerlich erkennbare Fertigkeit, die mit der Erreichung eines bestimmten Erfolges in Verbindung steht 6 8 , zu verstehen. Die Beurteilung einer Fähigkeit ist mithin von dem zu lösenden Akt bzw dem zu erreichenden Erfolg und einem qualitativen Element, nämlich den Anforderungen, die an die Güte der Lösung zu stellen

sind, abhängig. Fähigkeiten sind also in der Person begründete Eigenschaften, die durch ihr jeweiliges Bezugsobjekt sowie weitere Festlegungen bestimmt werden69.

Bereits von daher scheiden der Mangel an Gelegenheit zur Angele-

Erman-Holzhauer, § 1896 RdNr. 25. Näher dazu, Erman-Holzhauer, § 1896 RdNr. 25; so auch für die Geschäftsunfähigkeit, Schwimann, 31. 6 4 Auf diese Indikatoren weisen ebenfalls hin, Erman-Holzhauer, § 1 8 9 6 RdNr. 25 und Staudinger-Bienwald, § 1896 RdNr. 17. Eingehend zu diesen Faktoren mit statistischen Daten, Oberloskamp/Schmidt-Koddenberg/Zieris, 3 5 - 4 3 , die insoweit von Indikatoren für eine „Hilfsbedürftigkeit" sprechen. 6 5 Zu solchen Unterlegenheiten, M.Wolf, Entscheidungsfreiheit 15 f. 6 6 Zu weiteren Faktoren, welche die Willensbildung und -betätigung beeinflussen können, siehe auch Schwimann, 42, sowie allzu extensiv, F. von Hippel, Privatautonomie 119-121. 67 Fuchs/Klima u.a., 219 „Fähigkeit". 6 8 Ahnlich Schwimann, 31. 6 9 So zur Geschäftsfähigkeit, Schwimann, 23 f.; ähnlich schon, F. von Hippel, Privatautonomie 120 f. 62

63

196

5 9 Der gesetzliche

Begründungstatbestand

genheitenbesorgung 70 oder an den dazu nötigen Mitteln als Unfähigkeitsursachen aus. Bezugsobjekte der tatbestandlichen Unfähigkeit sind die konkret anfallenden Angelegenheiten. Denklogische Voraussetzung dieser Unfähigkeit ist folglich, daß im Einzelfall überhaupt etwas zu erledigen ist 71 . Und sind Angelegenheiten zu besorgen, so wird die Fähigkeit hierzu durch deren Art, Bedeutung und Umfang mitbestimmt 72 ; dies entspricht medizinischer Erkenntnis 73 . Hierin manifestiert sich ein Zusammenhang zwischen den beiden Merkmalen der anfallenden Angelegenheiten und der Unfähigkeit zu deren Besorgung: Beide müssen zusammenkommen, um das Grundkriterium zu erfüllen, die Unfähigkeit allein, und sei sie auch Ausdruck eines pathologischen Zustands, genügt nicht 74 . Dieses Bezugsobjekt läßt weitere Schlüsse auf die Besorgungsunfähigkeit zu. Unsere Rechtsordnung normiert für eine Vielzahl von Rechtshandlungen als Voraussetzung gewisse persönliche Mindeststandards; diese legen für ihren Anwendungsbereich fest, inwieweit jemand zur Vornahme der davon jeweils erfaßten Angelegenheiten fähig ist 75 . Ist der Betroffene danach rechtlich handlungsunfähig, heißt das aber nicht zwangsläufig, daß er einen Betreuer erhalten muß 76 . Zum anderen könnte der Betreuungsbedarf bereits durch ein rein faktisches Unvermögen ausgelöst werden 77 , vor allem wenn es um Angelegenheiten geht, für deren Vornahme unsere Rechtsordnung keine persönlichen Mindeststandards normiert 78 . Diese Fragen bedürfen vertiefender Erörterung, die an dieser Stelle noch nicht erfolgen kann 79 . Das Tatbestandsmerkmal der Besorgungsunfähigkeit ist also trotz erster Eingrenzungen näher zu definieren.

Im Ergebnis ebenso, MünchKomm-Schwab, § 1896 RdNr. 25. Das L G Regensburg (28.12.1992, FamRZ 1993, 478 f.) hat wegen § 1896 I einen Betreuungsbedarf für Vermögensangelegenheiten für den Fall abgelehnt, daß der Betroffene kein Staudinger-BienVermögen und keine zu verwaltenden regelmäßigen Einkünfte hat; wie hier wald, §1896 RdNr. 9; Erman-Holzhauer, RdNr. 4 (anders aber sub V.3.a bei Fn.278); sowie offensichtlich, Jürgens, B t R - K o m m . § 1896 RdNr. 8. 72 Damrau/Zimmermann, B t G § 1896 RdNr. 7. 73 Dazu supra §3.1.3.a. bei Fn. 56. 74 Zu letzterem ausdrücklich, B a y O b L G 22.12.1994, BtPrax 1995, 64 f.: Die Unfähigkeit sei scharf vom Handlungsbedarf zu trennen. 75 Zu den Arten rechtlicher Handlungsfähigkeit sub § 10.11, zu deren allgemeiner Relevanz zur Konkretisierung der Besorgungsunfähigkeit aaO. 1.3, 4. 76 Ausnahmen werden sich aus der Verhältnismäßigkeit i.e.S. (sub III.3.e) und der Subsidiarität (sub IV) ergeben. 77 Siehe die am Anfang dieses Abschnittes gegebene Definition der Besorgungsunfähigkeit; im früheren Recht kam es zunächst auf ein derartiges tatsächliches Unvermögen an, zusammenfassend supra §6.III.3.b.aa. 78 Sub § 10.1.3.b, c.bb. 79 Eingehend zur Relevanz der Parameter rechtlicher Handlungsfähigkeit für die Betreuerbestellung sub §§ 10, 11. 70 71

II. Der Grundtatbestand

des § 1896 I

BGB

197

3. Konkretisierung des Grundkriteriums durch die pathologischen Phänomene Neben dem Grundkriterium der Fürsorge setzt § 1896 1 1 voraus, daß der zu Betreuende an einem der in dieser N o r m aufgeführten pathologischen Zustände leidet (a) und dieser für die festgestellte faktische Unfähigkeit ursächlich ist (b).

a) Die pathologischen

Zustände

aa) Definition der Befundgruppen Eine genaue Definition der tatbestandsmäßigen Krankheiten und Behinderungen nimmt das Betreuungsgesetz nicht vor, doch finden sich in den Materialien Umschreibungen 8 0 : Psychische Krankheiten seien endogene und exogene Psychosen, Abhängigkeitskrankheiten, Neurosen und Persönlichkeitsstörungen; seelische Behinderungen bezeichneten bleibende psychische Beeinträchtigungen als Folge psychischer Krankheiten 81 ; geistige Behinderungen seien angeborene oder frühzeitig erworbene Intelligenzdefekte verschiedener Schweregrade 82 . Für die psychisch-geistigen Störungen bedient der Gesetzgeber sich im Zeitpunkt des Reformprozesses geläufiger Begriffe aus der psychiatrischen Lehre 83 , um gegenüber dem alten Recht 84 eine größere Korrespondenz der gesetzlichen mit der geltenden medizinischen Terminologie zu erreichen 85 . Im früheren Recht wurde angesichts der auf die Zukunft gerichteten Anordnung des Dauerrechtsverhältnisses der Vormundschaft zusätzlich eine gewisse Dauer der Erkrankung gefordert 86 . Eine entsprechende Forderung wird jetzt offenbar nicht mehr aufgestellt. Die Frage ist somit nach dem Kriterium der zeitlichen Erforderlichkeit der Betreuung zu lösen (sub III.5.a.aa).

80 B T - D r s . 11/4528, 116 f.; eine D e f i n i t i o n f ü r k ö r p e r l i c h e B e h i n d e r u n g e n f i n d e t sich d o r t nicht, zu m ö g l i c h e n A n w e n d u n g s f ä l l e n , Staudinger-Bienwald, § 1896 R d N r . 31. 81 D i e s e r Begriff soll i n s b e s o n d e r e als A u f f a n g t a t b e s t a n d f ü r E r s c h e i n u n g e n des A l t e r s a b baus d i e n e n , B T - D r s . 11/4528, 116. D i e P s y c h i a t r i e - E n q u e t e - K o m m i s s i o n z ä h l t e h i e r z u a u c h P e r s o n e n m i t a b n o r m e n p s y c h i s c h e n D a u e r z u s t ä n d e n , B T - D r s . 7/4201, 3. 82 E i n e w e i t e r g e h e n d e D e f i n i t i o n hat die P s y c h i a t r i e - E n q u e t e - K o m m i s s i o n v e r t r e t e n , BTD r s . 7/4201, 3; u n t e r B e r u f u n g hierauf e b e n s o B a y O b L G 7.10.1993, B t P r a x 1994, 29. 83 Z u r h e r k ö m m l i c h e n p s y c h i a t r i s c h e n K l a s s i f i k a t i o n p s y c h i s c h e r K r a n k h e i t e n u n d geistiger B e h i n d e r u n g e n s u p r a § 3.1.l.a, II; siehe a u c h die d e f i n i t o r i s c h e n H i n w e i s e d e r P s y c h i a t r i e E n q u e t e - K o m m i s s i o n , B T - D r s . 7/4201, 3, auf die v o r allem die w e n i g e r g e b r ä u c h l i c h e K a t e gorie d e r seelischen B e h i n d e r u n g z u r ü c k g e h t , s u p r a F n . 81; z u d e n n e u e r e n k l a s s i f i k a t o r i s c h e n A n s ä t z e n in d e r P s y c h i a t r i e , s u p r a § 3.1.2. 84 V o r allem die Begriffe d e r G e i s t e s k r a n k h e i t u n d G e i s t e s s c h w ä c h e in § 6 I N r . 1 a.F. w u r den als u n p a s s e n d u n d d i s k r i m i n i e r e n d e m p f u n d e n , s u p r a § 6.1II.1.C a.E. 85 B T - D r s . 11/4528, 115 f. 86 S u p r a § 6.1, z u r E n t m ü n d i g u n g l.b bei F n . 12, z u r P f l e g s c h a f t 2.a.aa.

198

bb) Rechtliche

5 9 Der gesetzliche

Begründungstatbestand

Begriffsbildung

Bei der Umschreibung der tatbestandlichen medizinischen Befundgruppen in § 1896 1 1 handelt es sich um juristische Begriffe, weil hier anders als im medizinischen Bereich die Grenzziehung zu nicht krankhaften Zuständen sowie das Ausmaß psychopathologischer Funktionsstörungen und deren Auswirkungen auf die Fähigkeit selbstbestimmter Angelegenheitenbesorgung im Vordergrund stehen 8 7 . D i e Diagnose und Qualifikation pathologischer F u n k tionsstörungen und ihrer möglichen Auswirkungen ist Sache des medizinischen Sachverständigen, die rechtlichen Folgerungen aus diesen Feststellungen hat der Richter zu treffen 8 8 ; ihm obliegt die Subsumption des medizinischen Befundes unter die Tatbestandsmerkmale des § 1896 I 1, insbesondere die Grenzziehung zu davon nicht erfaßten Bedarfslagen und die Entscheidung darüber, ob und inwieweit die Ausprägung der festgestellten pathologischen Ausfälle es rechtfertigt, die staatliche Hilfsmaßnahme der Betreuung eventuell sogar gegen den Willen des Betroffenen anzuordnen. Freilich wird es sich in der Praxis oftmals so verhalten, daß der medizinische Gutachter kraft seines Sachverstandes die rechtlichen Schlußfolgerungen aus seiner psychosozialen Befunderhebung maßgeblich beeinflussen wird 8 9 . D e m entgegenzusteuern, ist Aufgabe des Richters, der zur kritischen Würdigung von Sachverständigengutachten verpflichtet ist 9 0 ; es handelt sich letztlich um eine Frage der richtigen Anwendung der Eingangsschwelle 9 1 .

cc) Erfaßter

Personenkreis

Trotz der neuen Terminologie soll das Betreuungsrecht im wesentlichen den gleichen Personenkreis wie das frühere Recht ansprechen 9 2 . Die definitorischen Hinweise zu den Begriffen der psychischen Krankheit, geistigen oder seelischen Behinderung 9 3 zeigen, daß diese nichts anderes meinen als die früheren Begriffe der Geisteskrankheit oder Geistesschwäche i.S.d. § 6 I Nr. 1 a.F., des geistigen Gebrechens i.S.d. § 1910 II a.F. oder der krankhaften Störung der Geistestätig87 Zum grundsätzlichen Unterschied zwischen medizinischem und juristischen Krankheitsbegriff, Nedopil, 10. 88 Dazu und zu den Qualitätsanforderungen an das Sachverständigengutachten, Staudinger-Bienwald, § 1896 RdNr. 45 f. m.w.N. 89 Diese Gefahr sehen denn auch Damrau/Ximmermann, B t G § 1896 RdNr. 16; kritisch zu der durch § 1896 dem Sachverständigen eingeräumten Entscheidungsmacht, z.B. Palandt-Diederichsen, § 1896 RdNr. 1; eine solche hat es freilich gerade im früheren Recht schon gegeben, dazu eingehend Weinrief er, 70 f., 141-143. 90 Zu diesem Gebot speziell für das Betreuungsverfahren, B a y O b L G 22.7.1993, BtPrax 1993, 208 f. m.w.N. 91 Zu dieser Frage supra § 1 .II und § 2.II.2.d. 92 BT-Drs. 11/4528, 52; zu dem vom früheren Recht erfaßten Personenkreis supra § 6.1, l.b zur Vormundschaft und 2.a.aa zur Pflegschaft. 93 Auf rein körperliche Behinderungen ist in dieser Arbeit nicht einzugehen, supra § l.III, doch deckt sich auch dieser Begriff mit dem früheren der körperlichen Gebrechen.

II. Der Grundtatbestand

des § 1896 I

BGB

199

keit i.S.d. § 104 Nr. 2 bei der Zwangspflegschaft 9 4 . Vor allem erfaßten diese B e griffe des alten Rechts ebenfalls schon die Neurosen und Persönlichkeitsstörungen, deren Einbeziehung in § 1896 I 1 gerügt wird 9 5 . Die neueren Begriffe sind aus heutiger psychiatrischer Sicht jedenfalls präziser als die früheren 9 6 . Nicht von ungefähr ist die gegen die neuen Begriffe ursprünglich vorgebrachte Kritik 9 7 zwischenzeitlich verstummt 9 8 . Allerdings erwähnt § 1896 I 1 die ehemaligen Entmündigungsgründe der Verschwendungs-, Trunk- und Rauschgiftsucht nicht mehr eigens. Die Verschwendungssucht fällt nur noch dann unter diese Vorschrift, wenn sie im Einzelfall im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung steht 9 9 , im übrigen hat eine bewußte Deregulierung stattgefunden 1 0 0 . Die Abhängigkeitskrankheiten erfordern eine differenzierte Betrachtung. Nach Ansicht des G e setzgebers sind die ehemals in § 6 I Nr. 3 a.F. B G B normierten Suchttatbestände nach heutigem Verständnis Ausdruck einer psychischen Krankheit und sollen mithin von diesem Tatbestandsmerkmal erfaßt werden 1 0 1 ; danach würde weitgehend der gleiche Personenkreis wie durch § 6 I Nr. 3 a.F. erfaßt 1 0 2 . Diese Sichtweise der Abhängigkeitserkrankungen entspricht aber nicht dem gegenwärtigen psychiatrischen Erkenntnisstand: danach kann die Abhängigkeit soziale Deviation, Ausdruck einer seelischen Variation oder bei Hinzutreten psychischer Folgesymptome echte psychische Erkrankung sein 1 0 3 . Aus psychiatrischer Sicht ist die Qualifikation als psychische Erkrankung in den Fällen unproblematisch, in denen die Stoffmittelabhängigkeit im Zusammenhang zu einer anderen psychischen Erkrankung steht oder bereits psychopathologische Folgesymptome hervorgerufen hat 1 0 4 . Dieser Standpunkt hatte schon zur G e -

Holzhauer, Z R P 1989, 455 f.; zum früheren Recht supra vorvorige Note. Zur Kritik daran sub V.4.a; zum früheren Recht supra § 6.1. l.b bei Fn. 15, zu der dieses prägenden psychiatrischen Gutachtenspraxis supra § 3.1.I.e. 9 6 Ebenso: Holzhauer, Z R P 1989,455; ders., FuR 1990,251; dies zeigt ein Blick auf die gegenwärtige psychiatrische Terminologie, supra § 3.1,11. 9 7 Der Generalangriff von Pardey (Betreuung 66) richtet sich eher gegen die Kriterien des § 1896 I und II insgesamt, soweit dies seinen diffusen Ausführungen zu entnehmen ist, siehe ebda., 3, 6 0 - 6 8 , 85-87. Im übrigen gab es Kritik am Begriff der geistigen Behinderung, z.B. Biirgle, N J W 1988, 1883 f., zu recht dagegen Holzhauer, Gutachten B 65; ebenso an demjenigen der seelischen Behinderung, die beiden letztgenannten, jeweils aaO., sowie MünchK o m m - S c h w a b , § 1 8 9 6 RdNr. 13; gegen diese Kritik verweist Winterstein (in Jürgens u.a., RdNr. 49) auf die nach BT-Drs. 11/4528,116 intendierte restriktive Auslegung dieses Begriffs. 9 8 Allgemein zum Einwand mangelnder Bestimmtheit des § 1896, Staudinger-Bienwald, § 1 8 9 6 RdNr. 6. 9 9 Dazu supra §3.I.l.d bei Fn. 108 f. 100 BT-Drs. 11/4528, 116: Die Bestellung eines Betreuers sei dann „sachlich nicht gerechtfertigt"; zum früheren Entmündigungstatbestand der Verschwendung supra §6.1.l.b bei Fn. 16. 101 BT-Drs. 11/4528, 116. 1 0 2 Zu dem vom alten Recht erfaßten Personenkreis supra §6.1.l.b bei Fn. 17 ff. 1 0 3 Dazu supra § 3.II.l.d bei Fn. 110 ff. 1 0 4 Supra Vornote. 94

95

200

5 9 Der gesetzliche

Begründungstatbestand

brechlichkeitspflegschaft nach §1910 II a.F. gegolten 105 , und das B a y O b L G setzt diese Linie nunmehr zur Betreuung fort 1 0 6 . Soweit die Sucht diesen Anforderungen nicht genügt, vermag sie eine Betreuung daher nicht zu rechtfertigen; ansonsten bestünde nämlich die Gefahr, daß eine bloße soziale Deviation als Anlaß für eine Betreuung genommen würde, und gerade das soll durch die tatbestandliche Konzentration auf pathologisch bedingte Defizite vermieden werden (sub V.3.b). Für Abhängigkeitserkrankungen unterhalb der hier festgelegten Schwelle findet also eine Deregulierung gegenüber der früheren Vormundschaft, nicht aber gegenüber der Gebrechlichkeitspflegschaft statt. Die Neudefinierung der medizinischen Befundgruppen bewirkt somit gegenüber dem früheren Recht eine bewußte Deregulierung bezüglich nicht pathologisch begründbarer Verschwendungssucht und im aufgezeigten Umfang bezüglich Abhängigkeitserkrankungen. Im übrigen ist der angesprochene Personenkreis weithin deckungsgleich 107 . Ein entscheidender Unterschied zum früheren Recht besteht freilich darin, daß der tatbestandlich erfaßte Personenkreis nicht mehr durch die Bezeichnung eines bestimmten Krankheits- oder Unfähigkeitsgrades näher determiniert wird 108 . Hierauf ist noch weiter einzugehen. b) Pathologische

Bedingtheit

der

Unfähigkeit

Der persönliche Anwendungsbereich der Betreuung wird weder durch das Vorliegen eines tatbestandsmäßigen pathologischen Zustands noch durch die Feststellung von Besorgungsdefiziten allein eröffnet. § 1896 I 1 macht vielmehr deutlich, daß die Besorgungsdefizite die Folge einer tatbestandlichen Erkrankung oder Behinderung sein müssen 109 . Uberwiegend wird eine kausale Beziehung zwischen diesen beiden Merkmalen gefordert 110 , jedenfalls muß ein enger Zusammenhang bestehen 111 . Diese Verknüpfung schafft eine Interdependenz zwischen der Unfähigkeit und ihrer pathologischen Ursachen2: Der notwendige

Dazu supra § 6.1.2.a.aa bei Fn. 51. So zur Drogenabhängigkeit B a y O b L G 22.7.1993, BtPrax 1993, 208. 107 Ebenso: Holzhauer, ZRP 1989, 455; ders., FuR 1990, 251; Winterstein in Jürgens u.a., RdNr.42; angedeutet bei MünchKomm-Sc^in^, § 1896 RdNr. 7. 108 Zum früheren Recht supra §6.1: Bei der Vormundschaft wurde der Unfähigkeitsgrad im Hinblick auf die Rechtsfolgen aufgehobener oder beschränkter Geschäftsfähigkeit bestimmt, l.d.bb, cc, und bei der Pflegschaft spielte die natürliche Geschäftsunfähigkeit über § 1910 III a.F. die entscheidende Rolle, 2.b,c, III.2; und § 1910 I a.F. führte bestimmte Krankheitsbilder als Beispiele körperlicher Gebrechlichen an, siehe dazu auch supra § 7.1 bei Fn. 16. 1 0 9 BT-Drs. 11/4528, 117. 1 1 0 Dafür: B a y O b L G 22.7.1993, BtPrax 1993, 208; Damrau/limmermann, BtG §1896 RdNr. 7; MünchKomm-Schwab, RdNr. 18; undeutlich, Winterstein in Jürgens u.a., einerseits RdNr. 41, andererseits RdNr. 57; offengelassen von Erman-Holzhauer, RdNr. 31; gegen eine ausschließlich kausale Betrachtungsweise hingegen, Pardey, Betreuung 53-56, 68, 86 f. 111 Erman-Holzhauer, § 1896 RdNr. 31; Winterstein in Jürgens u.a., RdNr. 57. n2 Holzhauer, FuR 1990, 251. 105

106

II. Der Grundtatbestand

des § 1896 I BGB

201

Bezug zu einer Krankheit determiniert die maßgebliche Unfähigkeit (aa), und umgekehrt kommen nur Krankheiten in Betracht, die eine solche Unfähigkeit bewirken können (bb); gleichwohl ist zwischen den einzelnen Tatbestandsmerkmalen zu differenzieren (cc). aa) Konkretisierung des durch seine pathologische

Grundkriteriums Ursache

In der ersten Beziehung führt diese Interdependenz dazu, daß von den möglichen Ursachen defizitärer Angelegenheitenbesorgung 1 ' 3 alle diejenigen ausscheiden, die nicht Ausdruck einer tatbestandlichen Krankheit oder Behinderung sind. Das gilt von vorneherein für alle nicht in der Person des zu Betreuenden begründeten Ursachen, was schon aus dem Begriff der Fähigkeit folgt 114 . Und von den übrigen sind Defizite der Sachkenntnis, des Erfahrungs- und Bildungshorizonts sowie die bezeichneten Unterlegenheiten, Charakterschwächen und vor allem sozial unangepaßtes oder mißliebiges Verhalten 115 unbeachtlich, sofern sich darin nicht ein pathologischer Zustand äußert. So vermögen die Verwahrlosung oder Vermüllung eine Betreuung nur zu begründen, wenn sie sich als Folgeerscheinung oder Ausprägung eines relevanten pathologischen Zustands darstellen, nicht aber, wenn sie lediglich Ausdruck altersbedingten oder sonstigen eigenwilligen Verhaltens sind, das als sozial unangepaßt aufgefaßt wird 116 ; ähnliches gilt für die charakterliche Deviation der Spielsucht 117 . Manifestiert sich in dem Besorgungsdefizit, daß der Betroffene die entsprechenden Angelegenheiten nicht erledigen möchte, so ist zu differenzieren: Ist dieser Unwille nicht Ausdruck einer tatbestandlichen Krankheit, so vermag er nach der eben dargestellten Regel nicht, einen Betreuungsbedarf zu begründen 118 , selbst wenn dieses Verhalten als sozial unangepaßt oder unvernünftig aufgefaßt wird 119 ; ist dies dagegen der Fall, so ist an sich eine tatbestandliche Unfähigkeit zu bejahen, doch kann der entgegenstehende Wille des Betroffenen nach übergeordneten Gedanken des Betreuungsrechts gleichwohl zu beachten sein (sub 4.c.dd). Aus der Interdependenz der Tatbestandsmerkmale des § 1896 I 1 resultiert also eine Ausschlußfunktion gegenüber nicht pathologisch bedingten Mängeln 113

Supra 2.b nach Fn. 64. Supra2.bbeiFn.67ff. 115 A u s d r ü c k l i c h z u r N i c h t b e r ü c k s i c h t i g u n g sozial u n a n g e p a ß t e n Verhaltens, BT-Drs. 11/ 4528, 117 l.Sp. u n t e n . 116 Z u r Verwahrlosung u n d Vermüllung siehe auch sub 4.b.aa bei Fn. 147. 117 Z u dieser supra § 3.II.l.d bei F n . 108 f. 118 L G Regensburg 12.11.1992, F a m R Z 1993,476 f. (nicht auf K r a n k h e i t b e r u h e n d e N i c h t b e z a h l u n g einer A u t o r e c h n u n g ) ; B a y O b L G 25.7.1994, BtPrax 1994, 209 f. ( N i c h t b e a n t r a g u n g einer R e n t e als A u s d r u c k persönlicher Grundeinstellung). 119 E b e n s o , Jürgens, BtPrax 1992, 49. 114

202

$ 9 Der gesetzliche

Begründungstatbestand

bei der Besorgung eigener Angelegenheiten, die der Gesetzgeber durch die partielle Deregulierung der ehemaligen Suchttatbestände ausdrücklich bestätigt hat (supra a.cc); die defizitäre Besorgung der einzelnen Angelegenheiten muß jeweils pathologische Ursachen haben 120 . bb) Konkretisierung des pathologischen Phänomens im Hinblick auf die Besorgungsunfähigkeit In der zweiten Beziehung werden die tatbestandlichen pathologischen Phänomene durch ihre notwendige Auswirkung auf die Besorgungsfähigkeit der Betroffenen konkretisiert. Daraus folgt, daß die bloße Diagnose eines solchen Phänomens für die Zwecke des § 1896 1 1 nicht ausreichend ist, vielmehr kommt es darauf an, daß und inwieweit dieses nach seiner Ausprägung im Einzelfall die Fähigkeit des Betroffenen, seine Angelegenheiten selbständig zu besorgen, beeinträchtigt 121 . Dabei ist ein individuell-konkreter Maßstab anzulegen, so daß die gesamte Situation, die Bedürfnisse und das soziale Umfeld des Betroffenen zu berücksichtigen sind; und demgemäß weit ist der Untersuchungsauftrag an den medizinischen Sachverständigen gefaßt 122 . Diese gesetzlichen Anforderungen entsprechen medizinischer Erkenntnis und gängiger Gutachtenspraxis: Psychopathologische Funktionsstörungen sind danach bezüglich ihrer Ausprägung und Intensität, ihres Verlaufs, ihrer Dauer und ihrer möglichen Auswirkungen auf die Fähigkeit zur Selbstversorgung und Selbstbestimmung multifaktoriell bedingt, und entsprechend umfassend fällt die psychiatrische Begutachtung Betroffener aus123. Wie in der Psychiatrie 124 verbietet sich somit der Schluß von der Diagnose eines tatbestandlichen pathologischen Zustands auf die Besorgungsunfähigkeit 125 . Demzufolge kann im Einzelfall trotz Vorliegens eines solchen Zustandes mangels konkreter negativer Auswirkungen auf die Besorgungsfähigkeit des Betroffenen ein Betreuungsbedarf ganz oder partiell abzulehnen sein. Das kann verschiedene Ursachen haben: aus den supra 2.b.bb genannten Gründen ist schon die Besorgungsunfähigkeit zu verneinen; der Betroffene hat krankheitsbedingt sektoral 126 keine Gelegenheit, betreuungsrelevante Handlungen

In diesem Sinn B a y O b L G 25.7.1994, supra Fn. 118 aaO. So ausdrücklich zum Inhalt des nach § 68b I 1 F G G erforderlichen Gutachtens, BTDrs. 11/4528, 174; allgemeine Meinung, statt aller Staudinger-Bienwald, § 1896 RdNr. 30. 122 BT-Drs. 11/4528, supra Vornote. 123 Supra §3.1.3, III.2. 124 Dazu supra §3.1.3.a bei Fn. 60. 125 Statt aller, Winterstein in Jürgens u.a., RdNr. 57. 126 Die sektorale Begrenzung hängt damit zusammen, daß bei schwersten pathologisch bedingten Beeinträchtigungen regelmäßig zwar eine Teilnahme am normalen rechtsgeschäftlichen Verkehr ausscheiden, ein Handlungsbedarf aber gerade für personale Entscheidungen wie Heilbehandlung, Aufenthaltsbestimmung etc einschließlich des Abschlusses zu deren Organisierung nötiger Rechtsgeschäfte anfallen wird. 120 121

II. Der Grundtatbestand

des § 1896 I BGB

203

vorzunehmen 1 2 7 ; die signifikanten psychischen Störungen des vorliegenden pathologischen Zustandes 128 lösen nach den individuell-situativen Bedingungen des Einzelfalls keine derart schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Besorgungsunfähigkeit aus, als daß sie eine Betreuung erforderlich machten; die Auswirkungen der Erkrankung beschränken sich auf gewisse Lebensbereiche; in diesen kann es wiederum an einem Handlungsbedarf fehlen; bei Krankheiten mit episodischem oder stark schwankendem Verlauf kann ein aktueller Betreuungsbedarf fraglich sein 129 . Die tatbestandliche Unfähigkeit wird mithin durch das im Einzelfall vorliegende pathologische Phänomen in seiner konkreten Ausprägung und mit den sich daraus individuell-situativ ergebenden Auswirkungen auf die Fähigkeit des Betroffenen, seine konkret anfallenden Angelegenheiten selbstbestimmt zu besorgen, bestimmt. Dabei bleiben die Fragen nach dem Maß der Funktionsstörungen und ihrer Auswirkungen auf die Besorgungsunfähigkeit des Betroffenen und der Bedeutung verlaufsbedingter Intensitätsschwankungen noch offen. Diese lassen sich nämlich nicht allein aus der Medizin beantworten, vielmehr ist es Sache normativer Festlegung, unter welchen Bedingungen eine Fremdbestimmung durch die Bestellung eines Betreuers statthaft sein solle; hierauf wird noch einzugehen sein (sub § 10 f). cc) Keine vereinheitlichende

tatbestandliche

Gesamtschau

Die multiaxiale psychiatrische Begutachtung gipfelt in einer Gesamtschau der medizinischen und psychosozialen Situation des Betroffenen 130 . Diese birgt die Gefahr, daß von konstatierten Besorgungsproblemen auf einen Fürsorgebedarf geschlossen wird, obwohl es an einer echten psychopathologischen Störung fehlt; dadurch würde aber die mit der tatbestandlichen Konzentration auf Personen mit pathologisch bedingten Besorgungsdefiziten intendierte Eingrenzung der Betreuungsklientel 131 aufgeweicht und einer ausufernden Anwendung der Betreuung Tür und Tor geöffnet 132 . Eben diese Gefahr hatte sich in der Handhabung des früheren Vormundschaftsrechts realisiert 133 ; vor allem bei der Subsumption von Varianten seelischen Erlebens unter die Krankheitsbegriffe der Geistesschwäche oder geistiger Gebrechen hatte dies häufig dazu geführt, bloß auffälliges und mißliebiges Verhalten zur krankhaften Störung zu erklären 134 . Aus diesen Gründen heraus sind die Tatbestandsmerkmale der Besor127

Dazu supra §3.1.3.a nach Fn. 56. Zu diesen supra §3.111.2.a. 129 Zu beiden Fällen sub III.5.a.aa. 130 Dazu supra §3.1.2, 3.a,c. 131 Dazu sub V.3.b.bb. 132 In diese Richtung auch, Erman-Holzhauer, § 1896 RdNr. 19. 133 Dazu supra § 6.III, l.b.cc (zur Vormundschaft) und 2.d (zur Pflegschaft). 134 Weinrief er, 62-64, 70; angedeutet bei Erman-Holzhauer, § 1896 RdNr. 19; zur entsprechenden psychiatrischen Praxis supra §3.1.I.e. 128

204

5 9 Der gesetzliche

Begründungstatbestand

gungsunfähigkeit und des medizinischen Befundes trotz ihrer Interdependenz gesondert festzustellen und ist die zwischen ihnen bestehende Beziehung erst danach zu ermitteln 135 .

4. Der Einfluß der

Wohlmaxime

Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist das Wohl des zu Betreuenden zu beachten. Diese Maxime erfüllt unterschiedliche Funktionen (a). Bereits bei der Betreuerbestellung bewirkt sie, daß Drittinteressen eine Betreuung regelmäßig nicht zu rechtfertigen vermögen (b), und im übrigen ist sie dabei als Entscheidungsmaßstab heranzuziehen (c).

a) Zu deren Funktion Die Ausrichtung zivilrechtlicher Fürsorge auf das Wohl des Fürsorgebedürftigen ist spätestens seit dem preußischen Allgemeinen Landrecht ein fester Bestandteil dieses Rechtsinstituts 136 . § 1901 II bestätigt diesen Gedanken ausdrücklich für die Amtsführung des Betreuers und damit für das Innenverhältnis zum Betreuten, doch beschränkt sich die Bedeutung der Wohlmaxime nicht hierauf. Der Gesetzgeber hat klargestellt, daß das Wohl der Betroffenen über §1901 hinaus Grundziel der Betreuung ist 137 . Für den verwandten Grundsatz des Kindeswohls hat Coester als Grundfunktionen herausgearbeitet, daß dieser staatliche Eingriffe legitimiere und Entscheidungsmaßstab für den Einzelfall sei 138 ; das Bundesverfassungsgericht hat die Legitimierungsfunktion des Kindeswohls bestätigt 139 . Ahnliches läßt sich zur Funktion des Betreutenwohles sagen: Es dient zum einen ebenfalls der Legitimierung für das Einschreiten des Staates, sei es gegenüber Fürsorgebedürftigen durch die Bestellung eines Betreuers und den Erlaß weiterer betreuungsrechtlicher Maßnahmen durch das Vormundschaftsgericht, sei es gegenüber dem Betreuer, indem dieser in seiner selbständigen Amtsführung der übergeordneten Betreuungsaufsicht des Vormundschaftsgerichts unterstellt wird 1 4 0 . Die Eingriffslegitimation für die Betreuerbestellung im Einzelfall hat das Gesetz durch die Tatbestandsmerkmale des § 1896 I und II konkretisiert, vor allem durch die Beschränkung des Betreuungseinsatzes auf das erforderliche Maß

135

Im Ergebnis wie hier, Jürgens, B t R - K o m m . § 1896 R d N r . 10; Erman-Holzhauer, § 1896 R d N r . 19. 136 Siehe supra § 5.IV.l.b; das B e t r o f f e n e n w o h l spielte aber schon v o r h e r eine Rolle, d a z u insgesamt supra § 5, § 7.1. 137 B T - D r s . 11/4528, 53 r.Sp.; es stehe im M i t t e l p u n k t der gesetzlichen Zielsetzung, a a O . 52. 138 Coester, K i n d e s w o h l 134-174. 139 Supra §4.IV.2.b. 140 Z u r Legitimation aufsichtsrechtlicher Eingriffe gegenüber d e m Betreuer ebenso, MünchKomm-Scbwab, § 1901 R d N r . 4.

II. Der Grundtatbestand

des § 1896 I BGB

205

u n d dessen N a c h r a n g gegenüber der Privatinitiativen Vorsorge 1 4 1 . U n d z u r A u s f ü l l u n g dieser M e r k m a l e ist die W o h l m a x i m e in ihrer F u n k t i o n als Entscheidungsmaßstab h e r a n z u z i e h e n (sub c). D a n e b e n ist das Wohl des Betreuten gemäß § 1901 Entscheidungsmaßstab f ü r den Betreuer bei der D u r c h f ü h r u n g der Betreuung, Begrenzungsfaktor f ü r dessen Verpflichtung zur Beachtung von W ü n s c h e n des Betreuten u n d Maßstab f ü r die vormundschaftsgerichtliche Kontrolle des Betreuerhandelns.

b) Ausschluß des Betreuungseinsatzes

im

Drittinteresse

aa) Die Regel Eine allgemein anerkannte Emanation der eingriffslegitimierenden F u n k t i o n ist es, daß der Betreuungseinsatz dem Wohl des Betroffenen dienen m u ß u n d bloß ausnahmsweise im ausschließlichen Drittinteresse statthaft ist 142 . Dies wird darin deutlich, daß Fremdinteressen weder im Begründungstatbestand des § 1896 n o c h in den besonderen Eingriffstatbeständen erwähnt werden, während sie nach den f r ü h e r e n Entmündigungstatbeständen des § 6 I Nr. 2, 3 a.F. eine Vormundschaft zu begründen vermochten 1 4 3 ; die A b s c h a f f u n g der E n t m ü n d i gung hat insoweit also zu einer Begrenzung möglichen Betreuungsbedarfs beigetragen. Dieser Ausschluß erfaßt Interessen Dritter sowie des Rechtsverkehrs 1 4 4 ; das gilt f ü r die Interessen potentieller Erben 1 4 5 ebenso wie f ü r die Belästigung oder G e f ä h r d u n g Dritter 1 4 6 , was insbesondere f ü r den Fall der Verwahrlosung oder Vermüllung des Betroffenen erörtert wurde 1 4 7 . In den Fremdgefährdungsfällen k ö n n e n lediglich die Mittel des Rechts der öffentlichen Sicherheit u n d O r d n u n g Abhilfe schaffen 1 4 8 , sofern nicht im Einzelfall Eigeninteres141

In diesem Sinn auch, Staudinger- Bienwald, § 1901 R d N r . 1. Im Ergebnis ebenso: BT-Drs. 11/4528, 117f.; im übrigen statt aller, M ü n c h K o m m Schwab, § 1896 R d N r . 19. 143 D a z u supra §6.1.I.e. 144 A u s d r ü c k l i c h z.B. L G Regensburg 12.11.1992, supra Fn. 118. 145 A u s d r ü c k l i c h L G A u g s b u r g 1.7.1994,. BtPrax 1994, 176 (177); O L G D ü s s e l d o r f , 12.6.1996, BtPrax 1996, 195 (LS); angedeutet in A G M a r b u r g 17.12.1993, BtPrax 1994, 106 f. 146 Die Unbeachtlichkeit einer bloßen F r e m d g e f ä h r d u n g hat der G e s e t z g e b e r f ü r die U n t e r b r i n g u n g d u r c h die F o r m u l i e r u n g des § 1906 I N r . 1 u n d 2 klargestellt, BT-Drs. 11/4528, 54 l.Sp. u n t e n , u n d sich h i e r f ü r ausdrücklich auf die W o h l m a x i m e berufen, ebda., 146 r.Sp.; bestätigend: L G H i l d e s h e i m 14.1.1994, BtPrax 1994, 106; Erman-Holzhauer, §1896 R d N r . 44; Marschner in Jürgens u.a., R d N r . 505; Klüsener/Rausch, N J W 1993, 621 m.w.N.; Damrau/ Zimmermann, B t G § 1906 R d N r . 3. Dagegen f ü r deren Beachtlichkeit bei der Ü b e r t r a g u n g der A u f e n t h a l t s b e s t i m m u n g s b e f u g n i s : Coeppicus, F a m R Z 1992, 744; Damrau/Zimmermann (aaO. § 1 8 9 6 R d N r . 10 bei F n . 2 5 ) wollen d e m im W i d e r s p r u c h zu ihrer Stellungnahme zur U n t e r b r i n g u n g sogar f ü r die Betreuerbestellung allgemein folgen; f ü r eine weitergehende Beachtlichkeit reiner Interessen D r i t t e r o d e r der Allgemeinheit gar Dröge, F a m R Z 1998, 1209 ff. (1212 ff.). 147 Diese w u r d e n in der R e f o r m p h a s e diskutiert, d a z u Pardey, B e t r e u u n g 113 f., u n d Diederichsen, FS-Keller 14-16; zu weiteren Fällen, Zenz/v. Eicken/Ernst/Hofmann, 19 bei Fn. 36. 148 E b e n s o , Pardey, B e t r e u u n g 114; f ü r die U n t e r b r i n g u n g BT-Drs. 11/4528, 54, 146; dies 142

206

5 9 Der gesetzliche

Begründungstatbestand

sen des Betroffenen bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen eine Betreuung rechtfertigen 149 . Uberhaupt wird die Problematik der Fremdinteressen dadurch entschärft, daß häufig zumindest ein Mitinteresse des zu Betreuenden gegeben sein wird 150 . Diese Konzentration auf das Wohl der zu Betreuenden unter Ausschluß der Interessen Dritter ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden: Es ist nämlich kein grundrechtlicher Auftrag an den Gesetzgeber erkennbar, eine zivilrechtliche Fürsorge grundsätzlich sogar zum Schutze Dritter, welche in Kontakt zu Fürsorgebedürftigen i.S.d. § 1896 1 1 kommen, einzurichten. Es ist sogar so, daß das Bundesverfassungsgericht das Wohl als Legitimationsgrundlage fürsorgerischer Fremdbestimmung ausdrücklich hervorgehoben hat 151 . Im übrigen befreit die Konzentration auf das Wohl des zu Betreuenden die Betreuung von Schutzinteressen, die außerhalb des Fürsorgeauftrages liegen: Der zivilrechtliche Schutz von Interessen Dritter, die in rechtlichen Kontakt zu Betreuten treten, ist Aufgabe rechtsgeschäftlicher und haftungsrechtlicher Normierung; mit dem besonders wichtigen Aspekt der Sicherung Dritter gegen Risiken aus der Teilnahme Fürsorgebedürftiger am rechtsgeschäftlichen Verkehr befassen sich die Regeln über die Geschäftsfähigkeit, eine Verknüpfung der Fürsorge mit diesen ist aus grundrechtlicher Sicht keinesfalls zwingend 152 ; zur Vermeidung der Verkürzung von Rechten Dritter, welche sich aus der Geschäftsunfähigkeit ihres Gegenüber ergeben, genügt die nachfolgend sub bb zu machende Ausnahme einer Betreuung im Drittinteresse; im übrigen ist die Betreuung nicht der Ort, um den gesellschaftspolitisch erwünschten Schutz von Drittinteressen 153 oder sicherheitsrechtliche Aspekte 154 zu regeln.

bb) Die

Ausnahme

Wie schon im früheren Pflegschaftsrecht 155 ist von diesem Grundsatz eine Ausnahme zu machen: Eine Betreuerbestellung im ausschließlichen Drittinteresse ist zulässig, wenn sonst die Durchsetzung von Rechten gegenüber einem Geschäftsunfähigen ausgeschlossen wäre; nach Wegfall der Entmündigung verkennt Dröge, supra vorvorige Fn. aaO.; seine Argumentation geht am Ziel der Privatisierung der Fürsorge und der Konzentration gerade auf das Wohl des Betreuten vorbei, indem er klassische sicherheitsrechtliche Gedankenmuster auf die Betreuung übertragen möchte. 1 4 9 Bei Verwahrlosung und Vermüllung ist dies nur der Fall, sofern sich darin ein pathologisches Defizit manifestiert, supra 3.b.aa bei Fn. 116. 150 BT-Drs. 11/4528, 118; Damrau/Zimmermann, B t G § 1896 RdNr. 10; für den Fall der Unterbringung, Klüsener/Rausch, N J W 1993, 622. 151 Siehe schon zuvor aa sowie genauer supra § 4.IV.2.b. 1 5 2 Eingehend dazu sub § 1 1 ; zur mittelbaren Rechtsschutzkomponente des Einwilligungsvorbehalts sub § 13.1.3.a. 1 5 3 Ein besonders deutliches Beispiel hierfür liefert der durch den früheren Verschwendungstatbestand des § 6 I Nr. 2 a.F. intendierte Schutz des Familienvermögens, supra § 6.1.I.e. 1 5 4 Diese spielten bei den früheren Entmündigungsgründen der Trunk- oder Rauschgiftsucht i.S.d. § 6 I Nr. 3 a.F. eine maßgebliche Rolle, dazu supra § 6,1.1.c und Ill.l.b.bb bei Fn. 131. 1 5 5 Dazu supra § 6.1.2.a.bb bei Fn. 53.

II. Der Grundtatbestand

des 5 1896 I

BGB

207

stellt die Betreuung nämlich die einzige Möglichkeit dar, dem Geschäftsunfähigen einen gesetzlichen Vertreter zu verschaffen. Wegen des Erforderlichkeitsgrundsatzes muß dies jedoch der einzige Ausweg sein, dem Dritten zu seinem Recht zu verhelfen 1 5 6 . Aus diesen Gründen ist in einem derartigen Fall die (partielle) Geschäftsunfähigkeit des zu Betreuenden entgegen der sonstigen K o n zeption des § 1896 als Voraussetzung der Betreuerbestellung festzustellen157. Mit dieser einzigen Ausnahme setzt die Betreuung demnach die Besorgung von Angelegenheiten, die dem eigenen Rechts- oder Interessenkreis des zu B e treuenden angehören, voraus; die Wahrung der Interessen Dritter oder des Rechtsverkehrs genügt hierfür nicht.

c) Geltung als Entscheidungsmaßstab

im Rahmen

der

Eingangsschwelle

Das Wohl der zu Betreuenden bestimmt als Grundziel der Betreuung deren Zweck mit und ist daher bereits bei der Betreuerbestellung als Abwägungs- und Entscheidungsmaßstab für die Auslegung des gesetzlichen Begründungstatbestandes zu beachten 1 5 8 . Zunächst ist der Wohlbegriff zu präzisieren (aa); sodann stellt sich die Frage, ob entsprechend § 1901 II 2, III 1 bei der Begründung der Betreuung neben dem Wohl des zu Betreuenden auch dessen Wünsche zu berücksichtigen sind (bb) und wie eventuelle Konflikte zwischen beiden gelöst werden (cc); schließlich sind Anwendungsfälle der so verstandenen Wohlprüfung im Begründungstatbestand der Betreuung aufzuzeigen (dd).

aa)

Begriffsklärung

Bei dem Wohl des zu Betreuenden oder Betreuten handelt es sich ähnlich wie beim Kindeswohl um einen wertausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriff 1 5 9 . Sein Begriffsgehalt erschließt sich aus einzelnen betreuungsrechtlichen Vorschriften, in denen er vorkommt, sowie aus Wertmaßstäben der Verfassung 1 6 0 . Daraus kann man schwerlich ein Modell abstrakt-genereller Untersätze für das Betreutenwohl aufbauen 1 6 1 , vielmehr ist dessen Gehalt stets im Hinblick auf die U m stände des Einzelfalls zu konkretisieren 1 6 2 ; dies geschieht bei der Entscheidung 156 BT-Drs. 11/4528, 117f.; B a y O b L G 27.2.1996, BtPrax 1996, 106 (Wohnungskündigung gegenüber geschäftsunfähigem Mieter) m.w.N.; allg. Meinung in der Lehre, statt aller PalandtDiederichsen, § 1896 RdNr. 7, 20; siehe auch die nachfolgende Note. 1 5 7 Im Ergebnis ebenso, Schwab, FamRZ 1992, 495; unzutreffend daher die ablehnende Ansicht von Damrau-Ximmermann, B t G § 1896 RdNr. 10. 1 5 8 Der Gesetzgeber verdeutlicht dies wiederholt, indem er das Wohl des Betroffenen als Zielrichtung der Betreuerbestellung benennt, BT-Drs. 11/4528, 67 r.Sp.; 117 r.Sp. (Wesen der Betreuung als auf das Wohl des Betroffenen abzielende Hilfe). 1 5 9 Zum Kindeswohl, Coester, Kindeswohl 173. 1 6 0 Zur vergleichbaren Lage beim Kindeswohl, aaO. 155-162. 161 Ähnlich, Palandt-Diedericbsen, § 1901 RdNr. 5. 162 MünchKomm-Schwab, § 1901 RdNr. 4, mit Beispielen; ebenso, Voigt, 56; für das Kindeswohl mit eingehender Begründung, Coester, aaO. 167-170, 173 f.

208

§ 9 Der gesetzliche

Begründungstatbestand

über den Betreuungseinsatz durch den R i c h t e r sowie bei der Vornahme von E i n z e l m a ß n a h m e n durch den B e t r e u e r 1 6 3 . Allgemeine U m s c h r e i b u n g e n bieten einen ersten Zugang zum Begriffsverständnis 1 6 4 , und dieser läßt sich durch die einschlägigen betreuungsrechtlichen N o r m e n verdichten 1 6 5 : D a n a c h umfaßt das B e t r e u t e n w o h l die Gesamtheit der Interessen des B e t r o f f e n e n an der Erhaltung seines L e b e n s , der Wiederherstellung oder Bewahrung seiner Gesundheit, vor allem hinsichtlich seiner betreuungsbegründenden E r k r a n k u n g oder B e h i n derung 1 6 6 , der Wahrung seiner materiellen Lebengsgrundlagen und der Entfaltung seiner Persönlichkeit 1 6 7 ; ein Interesse an seiner Erziehung gehört j e d o c h nicht dazu 1 6 8 . E i n e weitergehende inhaltliche Präzisierung und Strukturierung erfährt der Wohlbegriff durch § 1901: Das W o h l wird durch die B e z u g n a h m e auf die eigene Lebensgestaltung und -planung des Betreuten in § 1901 II 2 subjektiviertlb