Der Besitz als Gegenstand des Bereicherungsanspruchs [1 ed.] 9783428487035, 9783428087037

Die Bonner Dissertation befaßt sich mit der unklaren Existenz der condictio possessionis im geltenden Recht. Sie setzt s

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Der Besitz als Gegenstand des Bereicherungsanspruchs [1 ed.]
 9783428487035, 9783428087037

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FRANK KLINKHAMMER

Der Besitz als Gegenstand des Bereicherungsanspruchs

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 190

Der Besitz als Gegenstand des Bereicherungsanspruchs Von

Frank KJinkhammer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Klinkhammer, Frank: Der Besitz als Gegenstand des Bereicherungsanspruchs / von Frank Klinkhammer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum bürgerlichen Recht ; Bd. 190) Zug!.: Bonn, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08703-8 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-08703-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

e

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung ................................................................................................................... 7 B. Die gemeinrechtliche condictio possessionis ........................................................... 11

I. Die condictio possessionis nach dem von Bruns aufgestellten Prinzip ............... 11 II. Die gemeinrechtliche Lehre ............................................................................... 15 C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB ...................................................... 21

I. Die Beratungen des BGB ..................................................................................... 21

1. Die Vorentwürfe des Schuld- und Sachenrechts ............................................ 21 2. Die Beratungen der ersten Konunission ......................................................... 25 a) Die Aufnahme der condictio possessionis in den ersten Entwurf und die Ausdehnung der Klagebefugnis auf den Inhaber .................................. 25 b) Die nach wie vor ungeklärte Grundlage' der condictio possessionis .......... 29 3. Die Beratungen der zweiten Kommission ...................................................... 30 4. Zusammenfassung ................................................... , ,..................................... 31 II. Der Besitz als Grundlage der Besitzkondiktion .................................................. 32 1. Die Herleitung der bereicherungsrechtlichen Schutzwürdigkeit des Besitzers aus dem Besitzschutz.............................................................................. 33 2. Der Schutz des Besitzes als eines Beweisvorteils .......................................... 37 3. Der Schutz des gutgläubigen (Ersitzungs-) Besitzes ...................................... 41 4. Die Schutzwürdigkeit aufgrund § 1007 BGB ............................................... .43 5. Das Haftungsinteresse des Besitzers in bezug auf den Eigentümer ............... 44 6. Der Besitz als Vermögenswert im wirtschaftlichen Sinne ............................ .46 7. Zusammenfassung .......................................................................................... 48

m. Besitzkondiktion und Wandel der bereicherungsrechtlichen Dogmatik ........... 48

6

Inhaltsverzeichnis 1. Die fehlende Berechtigung der Unterscheidung zwischen BesitzLeistungskondiktion und Besitz-Eingriffskondiktion .................................... 51 2. Die Besitzleistung im Vergleich zu den Leistungen ohne unmittelbare Vermögensverschiebung ................................................................................ 55 3. Die Besitzleistung im Vergleich mit der Leistung von tatsächlichen Vermögenswerten ................................................................................................ 58 4. Die Besonderheit der bloßen Besitzübertragung gegenüber anderen Leistungen ........................................................................................................... 59 IV. Die Besitzkondiktion als Schutzmittel fiir das (obligatorische) Besitzrecht.. ... 61

D. Die Besitzkondiktion als erleichterte Eigentumsverfolgung ................................. 68 I. Die Besitzkondiktion des Eigenbesitzers als Einredebeschränkung .................... 69 H. Die Besitzkondiktion als gesetzliche Prozeßstandschaft des Fremdbesitzers ..... 72 E. Inhalt und Voraussetzungen der Besitzkondiktion ................................................ 78 I. Aktivlegitimation und Begründung des Anspruchs ............................................. 78 H. Unmittelbarkeit des Besitzerwerbs ..................................................................... 80 IH. Einwendungen .................................................................................................. 83 I. Recht zum Besitz ........................................................................................... 83 2. Bösgläubigkeit des Klägers ............................................................................ 89 IV. Nutzungsherausgabe ......................................................................................... 90 1. Aktivlegitimation ........................................................................................... 90 2. Passivlegitimation .......................................................................................... 92 3. Die Besitzkondiktion gegen den Ersitzungsbesitzer ...................................... 97 V. Wertersatz .......................................................................................................... 98 VI. Zusammenfassung .......................................................................................... 102 F. Das Verhältnis der Besitzkondiktion zu anderen Herausgabeansprüchen ........ 104 G. Literaturverzeichnis .............................................................................................. 106

A. Einleitung Neben dem Besitzschutz des § 861 BGB, dem sogenannten petitorischen Besitzschutz des § 1007 BGB und dem deliktischen Besitzschutz nach § 823 BGB wird im rechtsgrundlosen Erwerb des Besitzes eine ungerechtfertigte Bereicherung gesehen und demzufolge dem früheren Besitzer auch nach § 812 BGB ein Herausgabeanspruch gewährt. Bei der Besitzkondiktion handelt es sich sogar im Vergleich zu den anderen Herausgabeansprüchen um den weitaus allgemeineren Tatbestand. Nach dem Wortlaut des Gesetzes erfordert der Besitzbereicherungsanspruch nicht mehr als den (früheren) bloßen Besitz des Klägers und ist gleichgültig, aufweIche Weise der Kläger den Besitz erworben und verloren hat. Gegenüber § 861 BGB setzt der Bereicherungsanspruch keine verbotene Eigenrnacht voraus, steht in jedem Fall auch dem fehlerhaft besitzenden Kläger zu und geht mit seiner 30jährigen Verjährungsfrist weit über den nach einem Jahr ausgeschlossenen Anspruch aus § 861 BGB hinaus. Alleiniger Nachteil der Besitzkondiktion ist gegenüber § 861 BGB die Zulässigkeit petitorischer Einreden, die allerdings nach h.M. noch dadurch beschränkt sind, daß sie unmittelbar gegenüber dem Kläger bestehen müssen. Auf ein Recht gegenüber einem dritten Eigentümer soll sich der Beklagte somit nicht berufen können. Gegenüber § 1007 BGB ist der Anwendungsbereich weiter, denn die Besitzkondiktion steht auch dem bösgläubigen Besitzer zu und gewährt Nutzungs- und Wertersatzansprüche über § 1007 III 2, §§ 987 ff. BGB hinaus. Mit Ausnahme der für die - hier allein konkurrierende Eingriffskondiktion1 überwiegend geforderten Unmittelbarkeit läßt sich feststellen, daß für den früheren Besitzer die Regelung des § 1007 BGB gegenüber dem Bereicherungsanspruch in vieler Hinsicht nachteilig ist, also durch diesen weitgehend überflüssig gemacht wird. Anders als § 823 BGB, der freilich seinerseits nicht ausdrücklich an den Besitz anknüpft, setzt die Besitzkondiktion keinen Schaden des Klägers, kein Verschulden des Beklagten und nach heute herrschender Meinung jedenfalls als Leistungskondiktion auch kein Besitzrecht des Klägers voraus, wie es für den Deliktsanspruch überwiegend gefordert wird.

1 So wird im folgenden vereinfachend der Anspruch wegen Bereicherung ,,in sonstiger Weise" (,,Nichtleistungskondiktion") bezeichnet.

8

A. Einleitung

Es verwundert nicht, daß insbesondere im Hinblick auf die speziellen an den Besitz geknüpften Ansprüche die allgemeine Besitzkondiktion in der Vergangenheit angezweifelt worden ist. Nach Leonhard wird durch die Besitzkondiktion sogar "WlSer ganzes Recht umgestoßen"2, andere namhafte Autoren meinen, der Anspruch biete ein ,,Beispiel fiir die erschreckende Hypertrophie der Besitzlehre" (Wilburg3) und sei im Sinne eines Besitzschutzmittels systemzerstörend (RabeI4). Dementsprechend spärlich ist dann auch die Anwendung des Besitzbereicherungsanspruchs in der Praxis, wo es an einer ,,kasuistischen Durchbildung" fehlt. S Insbesondere der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion wird daher eingeschränkt, um eine Harmonisierung der Besitzkondiktion mit den Ansprüchen aus §§ 861, 1007 BGB zu erreichen. Wenn nicht generell eine Besitzeingriffskondiktion verneint worden ist6, wird die Aktivlegitimation der Eingriffskondiktion entweder auf den zum Besitz Berechtigten7 oder doch zumindest auf den gutgläubigen Besitzer8 beschränkt. Für die nach § 818 I BGB herauszugebenden Nutzungen ist eine Aktivlegitimation nur des im Sinne des § 993 BGB gutgläubigen Besitzers befiirwortet worden9 , teils auch eine analoge Anwendung des § 993 BGB auf den beklagten Besitzer. lo Für den Wertersatz nach § 818 11 BGB soll zunächst auf das Recht des Kondiktionsklägers zurückzugehen seinl1 , wenn nicht ein Wertersatz fiir den Besitz sogar generell fiir

2

Leonhard, Schuldrecht TI, S.456 (fiir die Eingriffskondiktion).

Wi/burg, (Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach österreichisehern und deutschem Recht, 1934), S.38. 3

4

RabelsZ 10 (1936), S.424, 427.

S So die Feststellung Sibers (Eigentumsanspruch und schuldrechtliche Herausgabeansprüche vom Standpunkte der Rechtsneuordnung, JherJahrb 89, S.I ff., 91) aus dem Jahr 1941.

So Wilburg, (Fn.3), S. 37; Leonhard, (Fn.2), S.455.

6

Kurz, (Der Besitz als möglicher Gegenstand der Eingriffskondiktion, 1969), S.47 so auch Baur/Stürner, SaR 16, § 9 V 2, S.81, die auch eine Besitzkondiktion annehmen bei bloßer Besitzstörung; ähnlich zuvor schon v.Caemmerer, FS Rabel I, S.349 = Ges. Schriften 1 S.225 Fn.59; und offenbar auch neuerdings der BGH, WM 87, S.181, 182 (= NJW 87, S.771). 7

8 Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung 11, 2, S.23; Lent, Gesetzeskonkurrenz I, S.344. 9

Planck/Landois, § 818, Anm.4c m.w.N.; Stieve, S.69.

\0

Windscheid/Kipp, Pandektenrecht 19 , S.879 (fiir die Eingriffskondiktion).

11

v. Caemmerer, FS Rabel I, S.350.

A. Einleitung

9

wunöglich gehalten wird. 12 Auch ist eine Besitzkondiktion des Eigentümers abgelehnt worden. \3 Den eher diffus erscheinenden Versuchen einer Beschränkung des Tatbestandes der offenbar als Besitzschutz zu weitreichend empfimdenen Besitzkondiktion fehlt u.E. eine tragfähige Grundlage, insbesondere stehen sie im Widerspruch zu der ursprünglich angenommenen Grundlage des Anspruchs, die allein in dem grundlosen Besitzwechsel als ungerechtfertigter Vermögensverschiebung gesehen wurde. Es besteht statt dessen Veranlassung, die auf Anhieb im Schutz des Besitzes zu vermutende Grundlage des Anspruchs in Frage zu stellen. Auch eine Differenzierung zwischen Eingriffskondiktion und Leistungskondiktion, die scheinbar die unterschiedliche Aktivlegitimation nach den Unterarten der Kondiktion ermöglicht und heute insbesondere für die Besitzkondiktion durchgefiihrt wird, begegnet aber Bedenken, zumal hinsichtlich der Aktivlegitimation auf Anhieb nicht einzusehen ist, wieso der Besitzer, der den Besitz durch Zufall verloren hat oder dem die Sache weggenommen wurde, schlechter stehen soll als der, der die Sache freiwillig aus der Hand gegeben hat. 14 Im Vergleich der beiden Kondiktionstypen dürfte statt dessen ein relevanter Unterschied nur für das Merkmal "ohne rechtlichen Grund" bestehen. Die Besitzkondiktion war ansatzweise bereits im römischen Recht vorhanden. Die in den Digesten vorhandenen QuelleniS sind allerdings vereinzelt und lassen daher eine hinreichend genaue Bestimmung des Tatbestands der Klage nicht zu. Grundlegend ist daher erst der Rechtszustand des neunzehnten Jahrhunderts, denn die Verallgemeinerung des Besitz-Bereicherungsanspruchs beruht erst auf der späten gemeinrechtlichen Lehre, deren herrschende Ansicht

12 RGRKI Heimann-Trosien, BGB, § 818 Rn.20, geht - unter Bezugnahme aufBGH NJW 1953, S.58; RGZ 115, S.31, 34 - davon aus, daß der Wert des Besitzes allein in den vom Bereicherungsbeklagten gezogenen Nutzungen bestehe. 13 Endemann, (Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Band 1, 9.Auflage 1903), S. 1236 f. 14 Ähnlich Kurz, (Fn.7), S.l6; v.Lübtow, Beiträge zur Lehre von der Condictio nach römischem und geltendem Recht, Berlin 1952, S.162. 15 Ausdrücklich erwähnt ist die condictio possessionis in D 13,3,2; D 47,2,25,1; D 12,6,15,1. In D 12,6.15,1 ist dem Kläger, der fremde Münzen irrtümlich für eine nicht bestehende Schuld gezahlt hat, die auf possessio gerichtete condictio indebiti zugesprochen. Der zweite Fall der Stelle bezieht sich auf eine ,.Besitz-Leistung", die im römischen Recht (beispielsweise als donatio, stipulatio possessionis) möglich war. Der dritte Fall bestimmt die condictio im Fall der außerordentlichen Ersitzung (s. dazu Bauer, Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen Recht, 1988, S.18 ff.). D 13,3,2; D 47,2,25,1 enthalten die condictio possessionis des von einem Grundstück Vertriebenen. Zu den weiteren in Betracht kommenden römischen Quellen s. Windscheid/Kipp 19 , § 16'1, S.829 Fn.2. Kaser, RPR I6 , S.221, sieht die condictio possessionis als Erstreckung der condictio furtiva.

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A. Einleitung

insbesondere in den Gesetzesberatungen der ersten Kommission ihren Niederschlag gefunden hat. Entscheidend für die Anerkennung der allgemeinen Besitzkondiktion war die These vom selbständigen Vermögenswert des Besitzes, die letztlich zu der Anknüpfung der Aktivlegitimation an den bloßen Besitz gefiihrt hat. Die heutigen Unsicherheiten in der Anwendung des Anspruchs beruhen im wesentlichen darauf, daß die Besitzkondiktion - insbesondere von der ersten Kommission - zwar nicht als Besitzschutzmittel betrachtet, aber dennoch die Aktivlegitimation an den bloßen Besitz geknüpft wurde. Wenngleich in der Besitzkondiktion ausdrücklich kein "possessorisches Rechtsmittel" gesehen wurde, fand man ihre Grundlage in den possessorischen Rechtswirkungen des bloßen Besitzes und etablierte damit einen Anspruch, dessen Legitimation und sachgerechte Begrenzung bis heute ungeklärt sind. Es ist das Ziel dieser Untersuchung, die Grundlage der Besitzkondiktion festzustellen und dadurch insbesondere eine Bestimmung der Aktivlegitimation zu ermöglichen. Darüberhinaus sollen Folgerungen für den genauen Anspruchsinhalt, die zulässigen Einreden l6 und das Verhältnis der Besitzkondiktion zu anderen an den Besitz geknüpften Ansprüchen, insbesondere aus §§ 861, 1007 BGB, aber auch aus § 823 BGB gezogen werden.

16

So werden im folgenden Einreden im prozessualen Sinne verstanden.

B. Die gemeinrechtliche condictio possessionis Der Ursprung der Besitzkondiktion des BGB liegt in der gemeinrechtlichen Lehre, in der sie maßgeblich Carl Georg Bruns geprägt hat. Seine UntersuchWlgen in der im Jahr 1848 erschienenen Schrift ,,Das Recht des Besitzes in Mittelalter Wld Gegenwart" Wld den ,,Besitzklagen des römischen Wld heutigen Rechts" von 1874 enthalten die erste systematische DarstellWlg der condictio possessionis Wld veranlaßten die gemeinrechtliche Lehre Wld die erste Kommission entscheidend zu deren AnerkennungY Da Bruns die condictio possessionis (im Rahmen der allgemeinen Kondiktionenlehre) mit dem denkbar weitesten Inhalt konzipierte, bildet seine Ansicht sozusagen einen Idealtyp .des Verständnisses von der Besitzkondiktion. Die condictio possessionis nach dem von Bruns entwickelten Verständnis ist daher Ausgangspunkt unserer Untersuchung.

J. Die condictio possessionis nach dem von Bruns aufgestellten Prinzip In der früheren Arbeit bezieht sich Bruns ZWlächst auf die vorhandenen Quellen der condictio possessionis. 18 In der späteren Arbeit 19 findet sich die vollständige Verallgemeinerung der Quellen zu dem, was im folgenden als das Brunssche Prinzip bezeichnet wird. Bruns entwickelte sein Prinzip auf der Grundlage der seinerzeit herrschenden Bereicherungslehre. Als grundlegend für die Bereicherungsdogmatik des späten Gemeinen Rechts gelten die Ausführungen Friedrich Carl von Savignys im fiinften Band seines "System des heutigen Römischen Rechts".20 Ausgehend 17 Die Johow folgende Einschätzung Wielings, Sachenrecht I, S.210, daß Bruns keine Anhänger gefunden habe, wird dem Einfluß Bruns' auf die gemeinrechtliche Lehre und die erste Kommission nicht gerecht. 18 Besitz im Mittelalter, S.27 ff.

19

Besitzklagen, S.185 ff.

20 v.Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd.5, 1841.

12

B. Die gemeinrechtliche condictio possessionis

von ihren Tatbeständen des römischen Rechts führt Savigny die Kondiktionen auf eine gemeinsame Gnmdlage zurück. Nach Savigny beruhen die rechtsgeschäftlichen Tatbestände der eondietio (Darlehen, Stipulation Wld Litteralkontrakt) sowie die eondietio indebiti auf einer gemeinsamen GrWldlage, denn allen Tatbeständen liegt der Verlust der rei vindieatio zugnmde. 21 Ein weiterer Schritt Savignys ist die Erweitenmg seines Prinzips über die Fälle der rechtsgnmdlosen LeistWlg hinaus: ,,Auch Dasjenige aber kann kondicirt werden, was aus meinem Vermögen anders als durch meinen Willen in fremdes Eigenthum übergeht, sey es daß der Andere durch seine HandlWlg, oder durch zufällige Umstände auf meine Kosten bereichert werde. ,,22 Auf dem allgemeinen Kondiktionstatbestand Savignys beruht das sogenannte Dogma vOn der VermögensverschiebWlg. 23 Bnms übernimmt nWl das von Savigny aufgestellte Prinzip zur Erklänmg der in den römischen Quellen wiederentdeckten eondietio possessionis. Die eondietio possessionis sei nur eine AnwendWlg dieses Prinzips auf den Besitz24 , falls dieser als Vermögensobjekt aus einem Vermögen in das andere gekommen sei. 25 Im Gegensatz zu den Interdikten (dem römischrechtlichen Besitzschutz) sollten die Kondiktionen das Vermögen im allgemeinen schützen, auch das Eigentum Wld andere Rechte, eine BeziehWlg zum Besitz bestehe nur dadurch, daß der Besitz eben auch einen Bestandteil des Vermögens bilde. 26 Ausschlaggebend fiir die AnerkennWlg der eondietio possessionis ist also fiir Bnms die These, daß dem Besitz ein Vermögenswert zukomme Wld er demzufolge als Vermögensbestandteil bereichenmgsrechtlichen Schutz genieße. 27 BfWlS greift zur BegründWlg Wld BemessWlg des Vermögenswertes auf die Lehre von den Interdikten zurück, welche Wlter Umständen auch Schadenser-

21

Savigny, 8ystem V, 8.511 ff.

22

Savigny, 8ystem V, 8.523.

23 Eine eingehende AuseinandersetZlUlg mit der Kritik an dem von Savigny aufgestellten Prinzip (insbesondere von Wilburg, (Fn.3), 8.15 ff., und Jakobs, (Fn.170), 8.48) findet sich bei Wilhelm, (Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung als Grundlagen und Grenzen des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung, 1973),8.19 ff. 24 Der Besitzbegriff des Gemeinen Rechts ist gegenüber dem BGB wesentlich enger und ist bis auf wenige Ausnahmen auf den heutigen Eigenbesitz beschränkt. Beispielsweise dem Mieter stand der Besitzschutz nicht zu, denn er galt als bloßer Inhaber (Detentor), dem lediglich die Notwehrbefugnis zustand. Dem entsprechend fehlt auch in den römischen Quellen und im Gemeinen Recht eine Kondiktion des Inhabers, wenngleich dies für den Fall der condictio fortiva durchaus denkbar war (s.ROHG E 22, 8.296, 302).

25

Bruns, Besitzklagen, 8.187.

26

Besitzklagen, S.188.

27

Besitzklagen, 8.188 f.

I. Die condictio possessionis nach dem von Bruns aufgestellten Prinzip

13

satzansprüche gewährten. Die Art, wie dort fiir Störung und Entziehung des Besitzes Ersatz geleistet werde, gebe den Maßstab fiir die Beurteilung des Wertes des Besitzes. 28 Der Wert des Besitzes sei nicht einfach das minus des Sachwertes, sondern nur der Wert des ,,Besitzens".29 Die Sache und der Besitz der Sache seien keine homogenen Begriffe30, unter Umständen könne der Besitz sogar einen größeren Wert als die Sache selbst haben. 31 Der Wert des Besitzes ist nach Bruns das konkrete individuelle Interesse des einzelnen Besitzers an der Fortdauer seines Besitzes. 32 Die Verurteilung (condemnatio) laute daher nicht auf den Sachwert (quanti ea res est), sondern auf das Besitzinteresse des Klägers (quanti actoris interest possidere).33 Schwierigkeiten bei der Besitzwertbestimmung ergeben sich fiir Bruns lediglich daraus, daß der Besitz nur das "gegenwärtige factische Haben der Sache ohne alle Garantie seiner Fortdauer und ohne die Möglichkeit, Andern ein Recht auf die Sache zu übertragen" sei. Folglich könne auch sein Wert nur danach bemessen werden, wie lange man die Vorteile faktisch habe oder eventuell gehabt haben würde, also nie schlechthin wie beim Eigentum, sondern immer nur temporell fiir bestimmte Zeiträume. 34 Die Besitzvorteile bestünden im allgemeinen im Genusse des Besitzens selber, d.h. im Gebrauche und der Fruchtnutzung der Sache, in dem Verhältnisse bei fremden Ansprüchen auf die Sache, nämlich in den "processualischen Eventualitäten", daß, wenn der Besitzer selber Eigentum behauptet, er es nicht zu beweisen braucht, und wenn ein anderer es behauptet, dieser beweisen muß, sonst der Besitzer den Besitz auch ohne Recht behält, sowie in den Eventualitäten der Verjährung, nicht nur der Ersitzung, sondern auch der Klagenverjährung. 35 Auch den Gebrauch des bösgläubigen Besitzers, der die Nutzungen nicht behalten darf, sieht Bruns als Vorteil, zumal eine eventuelle Ersatzpflicht außer Betracht zu bleiben habe. J6 Der Usucapions- (Ersitzungs-) Besitz des

28 Bruns, Besitzklagen, S.189. 29 Besitzklagen, S.191. Besitzklagen, S.192. Besitzklagen, S.193. 32 Besitzklagen, S.191. 30 31

33

Bruns, Besitz im Mittelalter, S.31.

Bruns, Besitzklagen, S. 193; die Schätzung des Wertes sei nur möglich, wenn man dem Kläger den Geldwert der Sache für die Zeit seines Besitzes zur Verfiigung stelle, S.195, die Festlegung der Besitzzeit sei aber fast unlösbar (S.195), man könne weiter nichts sagen, als daß man alle Beweise zulassen müsse und ihre Bedeutung von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängig machen müsse (S.196). 35 Bruns, Besitzklagen, S.193. 34

~6 Bruns, Besitzklagen, S.194, dementsprechend nimmt Bruns auch die Klagebefugnis des bösgläubigen Besitzers an (Besitzklagen, S.208, Besitz im Mittelalter, S.31);

14

B. Die gemeinrechtliche condictio possessionis

bonae fidei possessor sei durch die Zahlung des reellen Sachwertes zu entschädigen, aber erst nach Beendigung der Usucapionszeit. 37 Wenn auch die Lehre vom Vermögenswert des Besitzes "eine große Reise der juristischen Speculation,,38 voraussetze, so steht dies fiir Bruns dem Vermögenswert des Besitzes nicht entgegen. 39 Aus der Anerkennung des Besitzes als einem gegenüber den Rechten an der Sache (insbesondere dem Eigentum) selbständigen Vermögensgegenstand folgt fiir Bruns unmittelbar die inhaltliche Bestinunung der Klage, also die Festlegung der Aktivlegitimation, des Anspruchsgegenstandes und der zulässigen Einreden. Die condictio possessionis steht nach Bruns jedem zu, der Besitz gehabt und verloren hat, also auch dem Eigentümer, gleichgültig, ob der Verlust den Besitz als solchen betraf oder auch das Eigentum40, ob der Kläger gut- oder bösgläubiger Besitzer war. Der Anspruch richte sich nicht nur auf den Besitz und die Bereicherung durch ihn, sondern im Fall des deliktischen Besitzentzuges auch auf das Besitzinteresse. 41 Ganz der possessorischen Grundlage der condictio possessionis folgend, sind fiir Bruns petitorische Einreden gegen den Anspruch ausgeschlossen. ,,Dem Principe der Klage zufolge wird man alle Einreden aus dinglichen Rechten an der Sache ausschließen müssen, da sie den Besitz als solchen und das Recht daraus nicht berühren können. ,,42 Da Art und Inhalt der Bereicherung ganz aus der besonderen Natur des Besitzes bestimmt werden müßten, bestehe die Bereicherung im Haben des Besitzes ohne oder vor Beweis eines Rechtes. "Soll daher die Klage ihrem Grunde und Gegenstande entsprechen, so darf die Rückgabe des Besitzes nicht durch den Beweis eines Rechtes, also einer petitorisehen Einrede, verzögert werden. ,,43 Nur bei sofortiger voller Liquidität des Eigentums oder der sonstigen Einrede ohne allen Gegenbeweis könne man daraus eine exceptio doli entnehmen. 44 Die condictio possessionis ist also fiir Bruns unabhängig vom Recht zum oder auf den Besitz, denn der Besitz und das Recht aus ihm, das Interdikt, sind Bruns nahm allerdings zunächst noch den fehlerhaften Besitzer aus (Besitz im Mittelalter, S.32; anders dagegen in den Besitzklagen, S.207 ff. m.w.N.). 37

Bruns, Besitzklagen, S.197.

38 Besitzklagen, S.198. 39 Besitzklagen, S.l97. 40 Besitzklagen, S.200. 41 Besitzklagen, S.202. 42 Bruns, Besitz im Mittelalter, S.32. Mit dem Recht aus dem Besitz ist das Interdikt gemeint. 43

Bruns, Besitzklagen, S.204.

44 Besitzklagen, S.204.

11. Die gemeinrechtliche Lehre

15

für ihn unabhängige Vennögensbestandteile neben den Rechten an der Sache. Tragende Säule des Brunsschen Prinzips ist der selbständige Vennögenswert des bloßen Besitzes. Die Folge dieser Begründung ist die Annahme der condictio possessionis in jedem Fall des grundlosen Besitzverlustes, und zwar ohne Rücksicht auf die sonstige Rechtsstellung der Parteien hinsichtlich der Sache. Das durch die Klage geschützte Gut ist der bloße Besitz. 4s Das Resultat der Ansicht Bruns' ist die Erweiterung des Besitzschutzes auf jede Art des (rechtsgrundlosen) Besitzwechsels. Im Ergebnis bedeutet dies die - sieht man von der persönlichen Natur des Anspruchs ab - denkbar weiteste Verallgemeinerung der Besitzkondiktion, die nun zur Diskussion der zeitgenössischen Lehre gestellt war. Da die Ansicht Bruns' also eine Neuerung darstellte46 , ist für uns vorerst von Bedeutung, welche Ausprägung die condictio possessionis durch die gemeinrechtliche Lehre erhielt.

ß. Die gemeinrechtliche Lehre In der gemeinrechtlichen Lehre war bis zu den Untersuchungen Bruns' die condictio possessionis nicht behandelt worden. Beispielhaft ist noch für das 19. Jahrhundert, daß Savigny, auf den das von Bruns auf den Besitz ausgedehnte Prinzip der grundlosen Vennögensverschiebung zurückgeht, im von ihm verfaßten Standardwerk zum Besitzrecht47 die Besitzkondiktion nicht berücksichtigte48 , denn die condictio possessionis sine causa49 war ihm fremd. Nach Savigny

4S Besitzklagen, S.188; darüber darf nicht hinwegtäuschen, daß Bruns erst über den Umweg der Vermögenszugehörigkeit dazu gelangt und ansonsten einen Unterschied zu dem Interdiktenschutz vorgibt. 46 Zur Kritik der Brunssehen Ansicht s. unten C.II.1, S.33 fI. 47

Das Recht des Besitzes, 7.Auflage (herausgegeben von Rudorff), Wien 1865.

Dies stellte Windscheid als kennzeichnend für die gemeinrechtliche Lehre heraus (Windscheid/Kipp 19 , S.829); Wieling, Sachenrecht 1, S.21O Fn.61, schreibt die Bruns zustimmenden Zusätze des Herausgebers Rudorffzur 7.Auflage irrtümlich Savigny zu; unrichtig ist auch die Ansicht Rabe/s, RabelsZ 10, S.427, die Besitzkondiktion als Besitzschutzmittel sei eine Erfindung der Byzantiner, die Savigny unglücklicherweise "bei uns" populär gemacht habe. Richtig ist allein, daß die condictio possessionis erst nach der Verallgemeinerung in der Lehre Bruns' als Besitzschutzmittel bezeichnet werden konnte. 49 So verstehen wir im folgenden die außervertragliche condictio, also die condictio bei einem unwirksamen oder nicht existierenden Schuldverhältnis, den heutigen Bereicherungsanspruch. Savigny kannte allerdings die auf possessio gerichtete römische condictio in den Fällen der stipu/atio (System V, S.618) und der Dejektion von einem Grundstück (.. condictio quasi furtiva", System V, S.627) . 48

16

B. Die gemeinrechtliche condictio possessionis

geht Vermögen erst dann über, wenn die Vindikation nicht mehr möglich ist. 50 Solange nur der Besitz gewechselt hat, ist für ihn noch kein Vermögen übergegangen. 51 Für Savigny ist das Vermögen die Summe der subjektiven Rechte 52 und daher der Besitz auch kein Vermögensbestandteil. 53 Dennoch konnte Bruns die, wie er meinte, in den römischen Quellen wiederentdeckte condictio possessionis etablieren. Die gemeinrechtliche Doktrin folgte ihm in der Anerkennung des Besitzes als allgemeinem Gegenstand der condictio. 54 Bruns gelang es jedoch nicht, seinem Prinzip, also dem Besitz auch als Grund der Klage, Anerkennung zu verschaffen. Hier folgten ihm nur wenige Autoren. 55 Überwiegend stieß das Brunssche Prinzip auf Kritik. Einige Autoren bestritten den von Bruns im Wege der Verallgemeinerung der römischen Quellen angenommenen Vermögenswert des bloßen Besitzes. 56 Auch der condictio

50 Da die intentio der Kondiktion auf dare oportere lautete, hielt Savigny, (System V, S. 515) die Kondiktion für ausgeschlossen, weil es dem Beklagten unmöglich war, das Eigentum dem Kläger zu verschaffen; s. auch Witte, Bereicherungsklagen, S.41, 254, 289. 51

Savigny, System V, S.515.

52

Savigny, System IV, S.137.

System IV, S.54; dazu eingehend Wilhelm, (Fn.23), S.19 ff, 21 f. (unklar allerdings S.56, wo von dem Verlust des Besitzes durch einen Verwalter oder Verwahrer als echter gegenständlicher Vermögensverschiebung die Rede ist). 53

54 Windscheid/Kipp 19 , § 161, S.829; Brinz, PandektenR 11, 2, S.508 ff., Fn.23; Dernburg, System 118 , S.835 f. Fn.12; Bolze, AcP 79, S.206; Pflüger, Besitzklagen, S.120; Rudorff, Anhang zu Savigny Recht des Besitzes, 7.Auflage, S.707 ff. ; Bekker, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 18 (1876), S.28 ff.; anders noch Witte, Bereicherungsklagen, S.41, 254, 289 ff. 55 Uneingeschränkt nur Pfersche, Die Bereicherungsklagen, 1883, S.59, der das Prinzip Bruns' freilich noch ausdehnte, (dagegen Wilburg, (Fn.3), S.38); zur Besonderheit der Ansicht Windscheids, der in seinem Pandektenlehrbuch die condictio possessionis wegen Besitzentziehung in den Abschnitt über den Besitzschutz aufuahm, Windscheid/Kipp 19 , § 161, S.829 ff.,jedoch petitorische Einreden zuließ, s. unten S.18 f.

56 Brinz, Pandekten I, S.446 ff., später auch Bolze AcP 78, S.427, der die condictio possessionis als Beispiel gegen die Vermögensverschiebung als Grundlage der Kondiktion heranzog, ders., AcP 79, S.206; Pernice (Labeo I, S.314) nahm den Vermögenswert des gutgläubigen Besitzes an. Zweifelnd zum Brunsschen Prinzip auch Bekker, S.31. Überwiegend anerkannte man aber den Vermögenswert des Besitzes, wenn auch dessen Wertschätzung als überaus problematisch angesehen wurde. Eine Besonderheit bildet die Ansicht Jherings (Ueber den Grund des Besitzschutzes, 2.Auflage, 1869) S.64 f. Für Jhering ist der Besitz inuner die faktische Seite des Rechts, also nicht, wie für Bruns, ein eigenständiger Gegenstand. Nach Jhering besteht der Besitzschutz im Interesse der notwendigen Ergänzung des Eigentumsschutzes (Beiträge zur Lehre vom Besitz) JherJahrb 9, S.6, 44 ff. Problematisch sind für ihn nur die Fälle, in denen der Besitz augenscheinlich nicht faktische Seite des Eigentums ist, sondern Ausdruck einer anderen

11. Die gemeinrechtliche Lehre

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possessionis des Eigentümers wurde widersprochen und statt dessen an der herkömmlichen Fonnel festgehalten, daß außer im Fall der condictio furtiva jedenfalls die condictio des Eigentümers nur ein Ersatz fiir die (verlorene) rei vindicatio sei. 57 Die condictio possessionis hielten einige nur fiir gegeben, wenn der Kläger nicht mehr gehabt habe als possessio, wenn also das Rechtsgeschäft oder das Delikt sich nur auf die possessio bezog. 58 Dementsprechend hielten einige Autoren auch den bös gläubigen Besitzer nicht fiir klagebefugt. 59 Der entscheidende Punkt, mit dem wir uns daher auch im wesentlichen befassen wollen, war jedoch die Reaktion auf die These Bruns' vom Ausschluß petitorischer Einreden. Dem Brunsschen Verständnis zufolge konnte ein auf den Besitz als selbständigen Vennögenswert gestützter Anspruch nicht von petitorischen Einreden entkräftet werden, da diese nach seiner Vorstellung die eigenständige Vennögensqualität des Besitzes und den daran anknüpfenden Rechtsschutz nicht in Frage stellen konnten. Auch gegenüber dem (erweislichen) Eigentümer sollte der Besitzer zumindest den vorübergehenden Vorteil der günstigen Beweislage haben. 6O Der Ausschluß petitorischer Einreden war fiir Bruns ein tragender Baustein seines Prinzips, denn nur so konnte mit der Klage ein konsequenter Besitzschutz verwirklicht werden und diese - mit den Worten Bruns' - nach "ihrem Grund und Gegenstand entsprechen".61 Die herrschende Lehre des Gemeinen Rechts62 lehnte den Ausschluß petitorischer Einreden hingegen entschieden ab und damit auch die possessorische Rechtsposition des Besitzers, beispielsweise die bonae fidei possessio, der Ersitzungsbesitz. In diesen Fällen sieht Jhering die Problematik aber nicht wie Bruns in der Wertbestimmung des selbständigen Vermögensobjekts ,,Besitz", sondern in der Aufteilung des 8achwerts zwischen Eigentümer und werdendem Eigentümer. 57 Brinz, Pandekten 11,2,8.508 Fn.23 (8.510). 58 80 auch Voigt, Ueber die condictiones ob causam, 1862, 8.329 ff.; ein auf den bloßen Besitz bezogenes Delikt oder Rechtsgeschäft setzte bonae fidei possessio voraus. 59 Jhering, Besitzschutz, 8.138, 15 f., 52 (,,Einwand des mangelnden Interesses des Klägers"); Voigt, Condictiones ob causam, 8.331; Bolze AcP 79, 8.212; AcP 78,8.428 f.; wie Bruns Meischeider, 8.76 f.; Pfersche, (Fn.55), 8.66. 60 Pfersche, (Fn.55), S.71, spricht von einer Bereicherung um den Zeitvorteil.

61 Besitzklagen. 8.204; über die Bedeutung dieser Aussage darf nicht hinwegtäuschen, daß Bruns an anderer Stelle davon spricht, der Besitz sei nicht Grund, sondern lediglich Gegenstand der Klage (Besitzklagen, 8.188). Bei diesem offensichtlichen Widerspruch haben wir von der Alternative auszugehen, aus der Bruns konkrete Folgerungen gezogen hat, und das ist die Übereinstimmung von Grund und Gegenstand. Der Widerspruch läßt sich auch nicht dahin auflösen, daß nicht der Besitz, sondern das Interdikt das verlorene Recht ist, s. dazu unten Fn.141. 62 Jhering, Besitzschutz, 8.138; Bolze, AcP 79, S.207 ff.; Voigt, Condictiones ob causam, 8.331 (nur auf die Eigentumseinrede beschränkt, weitere Einschränkungen ergeben sich nach Voigt bereits aus dem Tatbestand); Meischeider, Besitz und Be2 K1inldwnmer

B. Die gemeinrechtliche condictio possessionis

18

Grundlage des Anspruchs. 63 Nach Meischeider64 fehlt es für den Ausschluß petitorischer Einreden an einer gesetzlichen Basis. Man könne nicht davon sprechen, daß der Eigentümer den Besitz ohne rechtlichen Grund habe, wenn oder solange er sein Eigentum nicht beweisen könne. Daß der Eigentümer den Besitz mangels Beweises nicht erhalte, sei nur eine Folge der Unzulänglichkeiten des Rechts, die Wahrheit zu erforschen und zu erkennen. 65 Nicht zwei kollidierende Rechte stünden sich gegenüber, sondern ein Recht und ein rechtliches Interesse, dem das objektive Recht keinen Schutz gewähre, wenn es mit dem subjektiven Recht kollidiere. 66 Auch Windscheid lehnte entgegen Bruns die condictio possessionis gegen den berechtigten Besitzer ab, allerdings mit einer besonderen Begründung. Er verneinte in diesem Fall bereits den Tatbestand der condictio possessionis, weil der Besitzerwerb des zum Besitz Berechtigten nicht sine causa sei. 67 Man könnte nun diese Unterscheidung vernachlässigen, jedoch diente die Ansicht Windscheids in der Folgezeit als dogmatische Kompromißformel, weil sie es scheinbar ermöglichte, die Brunssche Herleitung mit der Zulassung petitoriseher Einreden zu vereinbaren, und sie wurde daher weitgehend kritiklos akzeptiert. 68 Wir wollen bereits hier bemerken, daß es sich bei der Formel Windscheids um einen Kunstgriff handelt, der die inhaltliche Differenz der Ansichten verdeckt. Seine Einordnung der petitorischen Einreden als Klageleugnen trifft die Sache nicht, denn auch der Besitzberechtigte kann den Besitz erlangen unter Umständen, die den Erwerbsvorgang als solchen als

sitzschutz, 1876, S.75 f.; Pflüger, Besitzklagen, S.123, 127 f.; Bruns folgend nur Pfersehe S.64 f. und Rudorff, Zusätze zu Savigny, Recht des Besitzes7 , S.712, der sogar den Ausschluß der Eigentumseinrede anhand von D.13,3,2 u.a. fiir positiv belegt hielt; dagegen Jhering, Besitzschutz, S.138 Fn.139, und insoweit auch Bruns, Besitzklagen, S.205. 63 Uneinigkeit herrschte aus den genannten Gründen auch hinsichtlich der Rechtsnatur der eondietio possessionis. In Betracht kam die Qualifizierung als possessorische oder petitorische Klage. Bruns und Windseheid übernahmen die eondietio possessionis in die Besitzlehre, sahen in ihr also eine Ergänzung des Besitzschutzes (so auch Pfersehe (Fn.55) S.59 ff., 83), die h.L. aber sah in ihr nur eine ,,zufällige" Übereinstimmung mit den Interdikten, nämlich nur dem Gegenstand nach, nicht nach dem Grund; Randa, Der Besitz nach österreichischem Rechte, 4.Aufl., S.12 f.; Scheurl, S.71 f.; Rudorff a.a.O. (allerdings inkonsequent); zu dem Widerspruch bei Bruns s. Fn.61. 64

S.74 ff.

65

Meiseheider, S.75.

66

Meiseheider, S.75.

67

Windseheid/Kipp r9 , § 161 Fn.12, S.542.

68 Nicht zuletzt in der Entwurfsbegründung des Schuldrechtsredaktors der ersten Kommission, v.Kübel, bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Schuldrecht 3, 1982, S. 672 f.; kritisch nur Pfersehe (Fn.55) S.83 Fn.l, der wie Bruns die Zulässigkeit petitorischer Einreden ablehnte.

II. Die gemeinrechtliche Lehre

19

Wlgerechtfertigt erscheinen lassen. 69 Rechtsgrood des Besitzerwerbs Wld petitorische Einrede (Recht zwn Besitz) sind zu Wlterscheiden, was sich auch in der BeweislastverteilWlg niederschlägt: Der Kläger trägt die Beweislast für die Rechtsgroodlosigkeit, Wld er genügt ihr bspw. im Fall der condictio indebiti, indem er nachweist, daß die beabsichtigte Schuldtilgoog nicht erreicht werden konnte. Dagegen hat der Beklagte zu beweisen, daß er die Sache aus einem anderen Grund behalten darf. Würde man die ErhebWlg petitorischer Einreden als Klageleugnen ansehen, wäre der Kläger für das Nichtbestehen eines jeden von dem Beklagten behaupteten Rechts beweispflichtig, was nicht richtig sein kann. Die BetrachtWlg des Besitzes als eigenständigen Vermögensbestandteil Wld die von BfWls angestrebte Selbständigkeit des auf den Besitz bezogenen Kondiktionenschutzes ließen sich bei der ZulassWlg petitorischer Einreden nicht mehr aufrechterhalten. Wenn petitorische Einreden die Klage entkräften konnten, stimmten Gegenstand Wld Grund der Klage nicht mehr überein, denn der Besitz als solcher Wld die Grundlosigkeit des Besitzwechsels sind von außerhalb des betroffenen Grundgeschäfts liegenden Rechten auf den Besitz Wlabhängig. Mit anderen Worten war der von BfWls der Sache nach angestrebte echte Besitzschutz durch die Kondiktion abgelehnt, wenn man Einreden besseren Rechts zuließ. Der wesentliche Unterschied der Ansichten bestand darin, daß nach BfWls bereits der Besitz ohne 70 oder auch vor Beweis des Rechts (,,zwischenbesitz"71) die condictio possessionis begründete. Dem Besitzer sollten also auch im Wege der condictio die Vorteile (das commodum possessionis72 ) zukommen, die er gehabt hätte in der Zeit bis zwn Urteil auf Herausgabe der Sache, da auch für den Genuß der Vorteile durch den besitzberechtigten Beklagten kein rechtlicher GfWld bestehe. Selbst wenn der Beklagte den Beweis seines Eigentums fiihrte, trete der rechtliche Grund für das faktische Haben erst mit dem Urteil ein. 73 Nur bei sofort liquidem Eigentum besteht nach BfWls in dem Behalten des Besitzes kein Vorteil mehr. 74 Demgegenüber sollte nach der im Gemeinen Recht herrschenden Lehre die condictio possessionis keinen Besitzschutz gewähren. Ließ man die condictio possessionis nur noch ohne, nicht aber auch vor Beweis des Rechts zu, war dem Anspruch der provisorische Charakter genommen, der dem Besitzschutz eigentümlich ist. Trotz rechtsgroodlosen Besitzwechsels sollte die 69

Ähnlich Bolze, AcP 79, S. 208 ff.

70

Insoweit auch Windscheid/Kipp I9, § 161, S.829

71 So die Bezeichnung Pfersches, (Fn.55), S.64, 71, der herausstellte, daß die Bereicherung nur in dem Zeitvorteil bestehe. 72 Bruns, Besitzklagen, S.204. 73 Bruns, Besitzklagen, S.204. 74

Bruns, Besitzklagen, S.204; insoweit deutlicher Pfersche (Fn.55) S.7l.

20

B. Die gemeinrechtliche condictio possessionis

Klage also scheitern, wenn dem Beklagten petitorische Einreden zur Seite standen. Die Erhebung einer petitorischen Einrede mußte zu der Feststellung der definitiven Rechtslage, also der zwischen den Parteien rechtmäßigen Besitzlage 75 fUhren, denn damit wurden automatisch auch die Rechte des Klägers an der Sache, in der Regel also das Eigentum, zum Prozeßstoff. Der Schutz des Besitzes als solchem, der zum Tragen komme, wenn der Eingreifer sich ein Besitzrecht nicht zuschreibe, wurde dagegen nur als nicht zu umgehende Konsequenz gesehen. 76 Die überwiegende Meinung der gemeinrechtlichen Lehre verwarf also das Brunssche Prinzip. Indessen blieb die Überwindung der condictio possessionis als Besitzschutzmittel unvollständig, denn es war ungeklärt, welches Recht statt des Besitzes - Grundlage der condictio possessionis sein konnte. 77 Da die h.L. eine eigenständige Legitimation der Besitzkondiktion nicht leisten konnte, griff man in der Folgezeit weiter auf das durch die Zulassung petitorischer Einreden eingeschränkte Brunssche Prinzip zurück, was schließlich zur Übernahme der ihrem Wortlaut nach unbegrenzten condictio possessionis in das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs fiihrte. Der Grund für die ,,Einbürgerung" der generellen, also auf jeden Besitz und auf jede Art des (grundlosen) Besitzwechsels angewendete condictio possessionis lag einerseits in dem unbestrittenen Bedürfuis für die Klage, andererseits in der Unfähigkeit der Lehre, nach ihrer Kritik der Brunsschen Thesen die Besitzkondiktion auf eine andere Grundlage zu stellen als den vermeintlichen Vermögenswert des Besitzes.

75

S. Windscheid, Brief an Planck vom 14.1.1884, bei Schubert SZ 95, S.319 f.

76

Windscheid, Brief an Planck v. 14.1.1884, bei Schubert SZ 95, S.320.

Beispielhaft erscheint die Feststellung des Reichsgerichtsrates Bolze (AcP 79, S.206): ,,Es ist gut, daß wir diese condictio haben; denn mit Vorsicht angewendet, ist sie ein sehr brauchbares Werkzeug, um einem dringenden praktischen Bedürfniß abzuhelfen. Allein was ist aus dieser condictio possessionis nicht durch eine, jeglicher Begründung aus den Quellen entbehrende Generalisirung gemacht." Bolze selbst konnte die Klagebefugnis nicht konkreter umgrenzen als auf denjenigen, der "ein anständiges, rechtliches Interesse" vorweisen konnte (AcP 79, S.212); hierfür führte er beispielhaft an: (Vom Kläger erfiillte) Schadensersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer (S.213), Zurückbehaltungsrecht wegen Verwendungen (S.218), Eigentumsinteresse (S.214). 77

C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB I. Die Beratungen des BGB Die Besitzkondiktion sollte eine ausdrückliche gesetzliche Erwähnung fmden nach dem ersten Entwurf des BGB (E I). § 737 III E 178 lautet: Die Rückforderung findet auch dann statt, wenn die Leistung nur in der Einräumung des Besitzes oder der Inhabung bestanden hat.

Im dritten Absatz des § 748 E I ("Sonstiges grundloses Haben") ist bestimmt: Auf die Verpflichtungen desjenigen, welcher die Bereicherung herauszugeben hat, finden die Vorschriften des § 737 m (... ) entsprechende Anwendung.

Der zweite Entwurf gab die ausdrückliche Regelung der Besitzkondiktion zugunsten der einheitlichen Regelung der Bereicherungstatbestände (Leistungsund Nichtleistungskondiktion) und der dem heutigen § 812 1 BGB entsprechenden weiten Fassung "etwas erlangt" auf. Eine Auseinandersetzung mit der Grundlage und der Ausgestaltung der Besitzkondiktion findet sich dementsprechend im wesentlichen in den Beratungen der ersten Kommission zum E I.

1. Die Vorentwürfe des Schuld- und Sachenrechts

Die Vorgeschichte der Besitzkondiktion im ersten Entwurf des BGB ist gekennzeichnet durch die unterschiedlichen Ansichten der für das Sachenrecht und das Schuldrecht zuständigen Redaktoren. In den Motiven zu den Besitzschutzvorschriften seines im Jahr 1880 vorgelegten Teilentwurfs des Sachenrechts befaßte sich der Sachenrechtsredaktor und 78 Die §§ 737 - 748 bilden im E I den ersten Titel (,,Bereicherung") des vierten Abschnitts (,,Einzelne Schuldverhältnisse aus anderen Gründen"), s. Jakobs/Schubert (Hrsg.). Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldrecht m, S.755 ff.

22

C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

spätere Kommissionsvorsitzende, Reinhold Johow, unter anderem mit der Frage, ob die condictio possessionis im Abschnitt des Sachenrechts zu regeln sei. Johow wendet sich im Sinne der herrschenden Lehre gegen die Ansicht Brunst und leugnet das Bestehen einer römischrechtlichen condictio possessionis nach dem Brunsschen Prinzip.79 Der Gedanke, die Kondiktion als Schutzmittel für den Besitz zu betrachten, habe früher ferngelegen. 80 Der die Brunssche Lehre auszeichnende Satz von der Versagung der petitorischen Einreden sei in der Praxis nicht anerkannt worden. 81 Die von einigen Autoren vorgeschlagene Besitzwert-Schätzung hält Johow für eine unlösbare Aufgabe. Zwar anerkennt Johow die condictio possessionis, betrachtet sie aber vorwiegend unter prozessualen Gesichtspunkten und hält sie offenbar für weitgehend überflüssig. Der Wechsel in der räumlichen Herrschaft stelle sich äußerlich vermöge der Beweislage des Inhabers als ein Wechsel im Eigentum dar und könne, auch wenn eine Eigentumsübertragung nicht stattgefunden habe, von dem Verlierenden, der die Geltendmachung seines Eigentums aufgebe, mindestens so angesehen werden. Der äußere Anschein jeder ungerechtfertigten Besitzveränderung sei also, daß das Vermögen des einen um den vollen Wert der Sache vermindert und das Vermögen des anderen um denselben vermehrt worden sei. 82 Die Beweisstellung des Kondizenten könne allerdings durch den Gegenbeweis durchbrochen werden, ihm werde etwa nachgewiesen, er habe nur fremde Sachen irrtümlich für eine Nichtschuld in Zahlung gegeben. Durch diesen Beweis sei aber nicht der Anspruch verneint, sondern lediglich der Anspruch auf das certum (den Sachwert). In allen Fällen, in denen der römische Kläger possessionem kondizierte, könne der ,,heutige" Kläger die Sache kondizieren und abwarten, daß sein rechtliches Interesse durch petitorische Einreden herabgemindert werde. Possessio sei nur der Ausdruck für einen unbestimmten Wert, und dieser sei unnötig, da im Gegensatz zum römischen Recht keine unterschiedlichen Klagearten über die Rückforderung einer certa res und eines incertum mehr bestünden. Der Besitzverlust könne eine Vermögensverringerung von verschiedenartigem Betrage einschließen, wenn der Verlierer Nichteigentümer sei. Aber irgendein rechtliches Interesse am Besitze, Pfandrecht, Zurückbehaltungsrecht oder auch Schadensersatzpflicht bei eintretender Unmöglichkeit der Rückgabe an den eigenen Gewährsmann müsse er nachweisen. Der nackte Besitz eines erweislichen Nichteigentümers, welcher gar kein sol79 Bei Schuber! (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht 1, S.560, 572, s. auch S.580. 80 Bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht 1, S.559. 81 Bei Schuber! (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht 1, S.560.

82 Bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht 1, S.560.

I. Die Beratungen des BGB

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ches Interesse darlegen könne, habe keinen V ennögenswert. 83 Der Entwurf lehnte daher auch eine Schadensersatzfolge der possessorischen Anspruche ab, da nicht davon ausgegangen werden könne, daß der Besitzer in jedem Falle ein rechtliches Interesse an der Sache hätte. 84 Dagegen orientierte sich der Schuldrechtsredaktor Franz Philipp von Kübel in dem von ihm bearbeiteten Teil des Schuldrechtsentwurfs85 an der von Windscheid geprägten Kompromißfonnel. Die Begründung v.Kübels folgt zunächst in zum Teil wortgetreuer Wiedergabe dem Vorbild Bruns': ,,Der Entwurf anerkennt auch den Besitz als einen des Kondiktionsschutzes theilhaftigen Vennögensbestandtheil. [... ] und zwar aus demselben rechtlichen Gesichtspunkt, welcher diesen Klagen überhaupt eigen ist, nämlich daß zurückgefordert werden kann, was aus einem Vennögen 83 Bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht 1, S.560. 84 S. bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht 1, S.572. 85 Der Teilentwurf Schuldrecht enthielt in §§ 10, 11, 21, 27, 28 des 2.Abschn., 8.Titel (Schuldverhältnisse aus ungerechtfertigter Bereicherung) Einzelregelungen zur Besitzkondiktion. § 10: "Sind Dienste geleistet worden, welche belohnt zu werden pflegen, so kann hierfür eine Vergütung nach dem ordentlichen Werthe derselben zur Zeit der Leistung verlangt werden. Wurde eine Sache zum Gebrauch überlassen, so geht der Anspruch auf die Rückgabe des Besitzes und auf die Vergütung für den Gebrauch nach dessen ordentlichen Werth während der Dauer des Gebrauchs. Der gutgläubige Empfänger haftet jedoch nur bis zu dem Betrage, welchen er, seinem Bedürfuis entsprechend, durch den Gebrauch oder die Annahme der Dienste, erspart hat." § 11: ,,Ist eine Sache zum Besitze oder Fruchtgenuß überlassen worden, so geht der Anspruch des Rückforderungsberechtigten gegen den Empfänger auf Rückgabe des Besitzes und Erstattung der Vortheile, welche dem letzteren durch den Besitz oder Fruchtgenuß zugegangen sind." § 21: ,,Hat Jemand in Folge einer von ihm begangenen widerrechtlichen Handlung, insbesondere in Folge eines gewaltsam abgedrungenen Versprechens, aus dem Vermögen eines Anderen Etwas erhalten oder aus Früchten fremden Gutes in bösem Glauben Gewinn gezogen, so ist er zur Rückerstattung verpflichtet. Diese Vorschrift findet auch bei widerrechtlicher Entziehung des Besitzes entsprechende Anwendung." § 27: ,,Derjenige, aus dessen Vermögen ohne seinen Willen Etwas in das Vermögen eines Anderen gekommen ist, kann, wenn ein rechtlicher Grund hierzu von Anfang an nicht vorhanden war oder derselbe später weggefallen ist, die Rückerstattung von Letzterem fordern." § 28: ,,Auf die Rückforderung in den Fällen der §§. 23 bis 27 finden die Vorschriften der §§. 5, 6, 8 bis 12 Anwendung." S. Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Schuldrecht 3, S. 656 f.; vgl. die Begründung S.706 f.

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C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

in das andere ohne rechtfertigenden Grund gekommen ist. ,,86 Den Bedenken Johows stellt v.Kübel die These entgegen, daß der Besitz als ein hohes wirtschaftliches Gut angesehen werden müsse. 87 Auch wenn die condictio possessionis in den römischen Quellen hinter den Interdikten zurückgetreten sei, so sei der Besitz fiir die Römer gleichwohl ein Vermögensbestandteil gewesen, der durch die Kondiktion geschützt worden sei. 88 Die Grundlage der Klage sei das Erwerben und Haben des Besitzes ohne rechtlichen Grund. 89 Die Qualität als Vermögensbestandteil erhalte der Besitz dadurch, daß der Besitzer sich in der Verteidigungslage90 befinde. Für den Kläger sei von erheblicher Bedeutung und von vermögensrechtlichem Interesse, ob er sofort mit der Klage aus dem Recht zum Besitze, z.B. mit der Eigentumsklage auftreten und den hierfiir nötigen, vielleicht zweifelhaften und weitschweifigen Beweis führen müsse oder ob er lediglich zu behaupten und zu beweisen habe91 , daß der Besitz von ihm auf den Beklagten ohne rechtfertigenden Grund gekommen sei. Auch wenn man petitorische Einreden zulasse, so sei es jedenfalls möglich, daß diese im Prozeß nicht vorgebracht würden. Auch bei der Erfüllung mit fremden Sachen würden diese sicher aus dem Vermögen des Leistenden kommen. 92 Der Ausschluß der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches mit den Besitzklagen lasse sich schließlich auch mit rein praktischen Gründen rechtfertigen, ohne daß dem Besitz jeder Vermögenswert abgesprochen und die Möglichkeit einer Liquidierung eines gerade durch den Besitzentzug entstandenen Schadens geleugnet würde. 93

86 Bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Schuldrecht 3, S.672. 87 Bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Schuldrecht 3, S.673. 88 Bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Schuldrecht 3, S.672 (vgl. auch S.673 für das BGB) . 89 Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Schuldrecht 3, S.672 f.

90 Gemeint ist hier die Verteidigungslage im Herausgabeprozeß; mißverständlich insoweit Wilhelm, (Fn.23), S.46 Fn.l33, wonach es scheint, daß es dem Vorentwurf auf die Verteidigungslage bei der Besitzwehr angekommen sei. 91

aus.

Die Vennutungen des Sachenrechts (§ 200 TE SaR) reichten nach v.Kübel nicht

92 D 12,6,15,1; dies und das Vorstehende bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Schuldrecht 3, S.673 f. 93 Bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Schuldrecht 3, S.673.

I. Die Beratungen des BGB

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v.Kübel sieht den Besitz nicht als Grund, sondern nur als Gegenstand der Klage. 94 Abweichend von Bnms hält v.Kübel, mm der Fonnel Windscheids folgend, gegen die condictio possessionis petitorische Einreden fiir statthaft: ,,Dem Beklagten stehen gegen die Besitzkondiktion alle diejenigen Einreden zu, welche den Besitzübergang und den hierdurch bewirkten Vennögensübergang als gerechtfertigten darstellen. ,,95 Die Besitzkondiktion richtet sich nach v.Kübel auf zweierlei, den Besitz und die Bereicherung durch ihn, nämlich die Besitzvorteile. Auf das Besitzrecht des Klägers komme es nicht an: ,,Auch hält der vorliegende Entwurf dafiir, daß die Geltendmachung der Bereicherung durch den Besitz (Besitzvortheile) sehr wohl möglich ist, ohne daß von vornherein auf das Recht des Klägers zum Besitze zurückgegangen werden muß. Dieses Recht und das Recht auf die Bereicherung kommt erst in Betracht, wenn der Kondiktionsbeklagte dadurch, daß er eine petitorische Einrede vorschützt, das Klagefundament bestreitet, indem er hiermit in Abrede zieht, daß der Besitz ohne rechtfertigenden Grund ihm zugewendet worden oder zugegangen sei".

2. Die Beratungen der ersten Kommission a) Die Aufnahme der condictio possessionis in den ersten Entwurf und die Ausdehnung der Klagebefugnis auf den Inhaber Die erste Kommission stellte in ihren Beratungen zunächst die grundlegende Rechtfertigung der condictio possessionis und die Behandlung der von Johow geäußerten Bedenken bis zur Beratung des sich auf den Besitz beziehenden Abschnitts des Sachenrechtsentwurfs zurück. 96 Die Mehrheit glaubte nämlich, daß auf die Entscheidung die Grundsätze über das juristische Wesen des Besitzes und der Besitzklagen von Einfluß sein würden, welche noch nicht beraten waren. Vorbehalten blieb zugleich die Prüfung, ob die Vorschrift, durch welche

94 Bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Schuldrecht 3, S.672 f. 9S Bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Schuldrecht 3, S.674. Diese Ansicht enthält aber -wie schon oben zur Ansicht Windscheids dargelegtkeine Lösung des Problems. Für die Kondiktion muß der Kläger die Tatsachen für die Rechtsgrundlosigkeit darlegen und als Einrede wäre allenfalls anzusehen, wenn der Beklagte darlegt, aus einem anderen Grund als dem zwischen den Parteien angestrebten Leistungserfolg zum Behalten des Erlangten berechtigt zu sein. 96 Sitzung vom 17.1.1883, Protokolle der l.Kommission bei JakobslSchubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldrecht m, S.828.

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C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

die Frage entschieden werde, in den Abschnitt über den Besitz gehöre oder in den bereicherungsrechtlichen Abschnitt aufzunelunen sei. Der Besitzabschnitt nalun dann eine gegenüber dem Teilentwurf Sachenrecht veränderte Form an. In Abkehr vom bisherigen Rechtszustand knüpfte die erste Kommission den Besitzschutz statt an den Eigenbesitz an die tatsächliche Sachherrschaft. 97 Johow war zunächst entschlossen gewesen, einen Besitzschutz nur für Grundstücke aufzustellen, der zudem durch die Einrede besseren Rechtes entkräftet werden konnte. 98 Hintergrund war, daß nach Johows Ansicht für einen Besitzschutz neben dem Eigentumsschutz kein BedÜffuis bestand, zumal ilun ein effektiver Rechtsschutz auch ohne possessorischen Schutz gewährleistet erschien. 99 Die Ablehnung des rein possessorischen Besitzschutzes fand indessen bei der Kommission keine Zustimmung. Nachdem die Kommission Johows Lösung bereits im Vorfeld der Beratungen nicht akzeptiert hatte, gab Johow seinem Entwurf eine andere Fassung, denn gegenüber dem Besitzschutz wurden darin petitorische Einreden "aus Gründen der Zweckmäßigkeit" ausgeschlossen. IOO Den Besitzschutz für Mobilien hielt Johow neben den §§ 199 ff. TE Sachenrecht, die in § 200 eine (beschränkte) Eigentumsvermutung für den Eigenbesitzer und in § 203 eine Prozeßfiihrungsbefugnis des Inhabers vorsahen, für entbehrlich. 101 Sollte der - auf Immobilien beschränkte - Besitzschutz des Vorentwurfs sich noch weitgehend als Beibehaltung des im Gemeinen Recht geltenden Besitzschutzes darstellen, so enthielten die weiteren Änderungen dagegen eine weitreichende Abweichung von der bisherigen Rechtslage. Denn auf Druck der Kommission sollte Johow den Besitzschutz, den er zu Beginn seiner Arbeit entbehrlich machen wollte, nun auch für bewegliche Sachen aufstellen. In seinen Änderungsvorschlägen, die um den Jahreswechsel 1883/1884 als Manu-

97 Umfassend zur Entstehung des Besitzschutzes des BGB s. Ernst (Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, 1992) S.3 ff.; Schubert, (Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigenturnsübertragung, 1966) S.57 ff. 98 Hierzu und zu den weiteren Einzelheiten des Besitzrechtes im Gesetzgebungsverfahren s. Ernst (Fn.97) S.4 ff. 99 Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht 1, S. 765 ff. ("Vorschläge des Redaktors betreffend die Ansprüche aus dem verlorenen Besitz eines Grundstücks").

100 S. § 79 Teilentwurf(TE) Sachenrecht, bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht 1, S.94 f. 101 Entwurfsbegründung S.443, bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht 1, S.567. Schubert, SZ 95, S.281 ff., 316.

I. Die Beratungen des BGB

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skript vorlagen 102, knüpfte er nun die Besitzklagen wie die Notwehrbefugnisl03 an die tatsächliche Sachherrschaft, da sie wie die Notwehrbefugnis Gewaltrechte zwn Inhalt hätten und machte so aus der für das Strafrecht gedachten Notwehrbefugnis nun den allgemeinen Tatbestand für den Besitz- und Inhabungsschutz. l04 Gleichzeitig hielt Johow jedenfalls für unangebracht, die condictio possessionis, wenn man sie für zulässig befinde, im Abschnitt über den Besitz aufzunehmen, denn zu einem possessorischen, in den Besitzabschnitt aufzunehmenden Rechtsmittel eigne sich die condictio possessionis nur, wenn man petitorische Einreden ausschließe. Dies sei aber mit einem auf ungerechtfertigter Bereicherung beruhenden Rechtsmittel nicht vereinbar. Deshalb sei auch die Aufnahme einer ergänzenden Bestimmung in den Besitzabschnitt nicht vorgeschlagen.IOS In den Beratungen des Bereicherungsrechts hatte die Kommission ZUVOr die Entscheidung über die condictio possessionis von dem juristischen Wesen des Besitzes und der Besitzklagen abhängig gemacht. Nachdem nun die Berechtigung des Inhabers zur Erhebung der Besitzklage aufgenommen war, eröffnete die Kommission dem Inhaber auch die Kondiktion und sah darin offenbar eine konsequente Fortführung der Erweiterung des Besitzschutzes. Die erste Kommission sah sogar in den Fällen der Aktivlegitimation des (bloßen) Inhabers ein wesentliches Argument für die Anerkennung der condictio possessionis.106 Auf Antrag Plancks wurde in der Sitzung der Kommission vom 12.3.1884 der spätere § 737 III E I eingefiigt. 107 Er lautete: 102 S. Protokolle der l.Konunission bei Jakobs/Schuber! (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Sachenrecht 1, Anhang 11 zum I.Abschnitt des Sachenrechts, S.215 ff.; Ernst, (Fn.97), S.ll ff. 103 Die schon im Gemeinen Recht anerkanntermaßen auch dem Inhaber zustand; s. TE Sachenrecht § 72 I, IV, Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht 1, S.26; Begründung S.545 ff. Die Notwehrbefugnis diente nach Johows Auffassung nur dem Zweck, bei der Anwendung des Strafrechts die zivilrechtliche Frage zu klären, wem der Rechtfertigungsgrund zustehe; Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht 1, S.545 ff. 104 Mit den sich aus dieser Entwicklung (und der späteren Vereinheitlichung des Besitzbegriffes) ergebenden Unklarheiten fiir den Mobiliarerwerb befaßt sich Ernst, (Fn.97), S.25 ff. u. pass. 105 Protokolle der I.Konunission bei Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Sachenrecht I, S.215 ff.. 106 Die hier richtigerweise als condictio possessionis und condictio detentionis zu bezeichnen ist. Daß die condictio possessionis des Inhabers im Gemeinen Recht nicht denkbar war, zeigt eine Entscheidung des ROHG aus dem Jahre 1877, ROHGE 22, S.296. 1.07 § 737 III E I enthält in seiner endgültigen Fassung lediglich die redaktionelle Änderung der "Uebertragung" in ,,Einräumung". Im § 262 der RedVori, der dem § 737 E I

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C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

Die Rückforderung findet auch statt, wenn die Leistung nur in der Uebertragung des Besitzes oder der Inhabung bestanden hat.

Zur Begründung fiihrte die Kommission - ganz auf der Grundlage Bnms' an, Besitz und Inhabung seien, wenn auch nicht Rechte im subjektiven Sinne, so doch ökonomische Güter, denn sie gewährten wertvolle Rechtspositionen, der Besitz bei der Geltendmachung des Eigentwns und als Voraussetzung der Tradition und Ersitzung, die Inhabung in Ansehung der Sachverteidigung und der possessorischen Klagen. 108 Die Herleitung des Vennögenswertes beruhte auf den mit dem Besitz verbundenen Rechtspositionen. Da nach der Erweiterung der Aktivlegitimation der Besitzklagen auch der Inhaber eine solche Rechtsposition auf seiner Seite hatte, war somit auch die Inhabung zu einem Vennögenswert geworden. Die Einbeziehung von Besitz und Inhabung in den Kondiktionenschutz war daher auf der Basis der praktizierten Herleitung konsequent, und für die Kommission war es keine Frage, daß dieser Schutz für alle Fälle der Kondiktionen Geltung haben sollte l09 , insbesondere also auch wegen "sonstigen grundlosen Habens". In § 748 III E I ist daher auch ausdrücklich auf § 737 III E I verwiesen. Man machte also keinen Unterschied zwischen Leistungs- und Eingriffskondiktion, sondern begründete beide Kondiktionsfonnen einheitlich, und an der gleichen Aktivlegitimation bestanden keine Zweifel. Nach der späteren Einschätzung Windscheids bestand der ,)egislatorische Gedanke" für die Kommission allein darin, daß durch die ,,Besitzverminderung ... die Vennögenslage des Verdrängten verschlechtert und die des Verdrängers verbessert" werde und der Besitz als Gut kondiziert werden könneYo Diese Herleitung war im Ansatz nichts anderes als die von Bruns entwickelte Lehre von dem Besitz als eigenständigem Vennögensbestandteil. Dem gegenüber stand jedoch die Zulassung des Besitzrechtseinwandes, der für Bruns nicht denkbar gewesen war, weil die Klage dann nach Grund und Gegenstand nicht mehr übereingestimmt hätte, mit anderen Worten: der Besitz kein eigenständiges Gut mehr hätte sein können.

vorausgegangen war, und der Zusammenstellung der beschlossenen Bestimmungen des Obligationenrechts war die Besitzkondiktion nicht erwähnt. 108 Protokolle der l.Kommission bei Jakobs/Sehubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldrecht m, S.769.

109 Protokolle der l.Kommission bei Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldrecht m, S.770 f. 110 So Windscheid, Brief an Planck vom 14.1.1884, bei Schubert, SZ 95, S.319. Zu dem Einfhill Windscheids auf die Kommissionsberatungen auch nach seinem Ausscheiden s. Schubert, SZ 95, S.283 ff. Der Einfluß bestand einerseits aufgrund der Autorität seines Pandektenlehrbuchs, andererseits aber auch durch seinen intensiven Meinungsaustausch mit Planek, der bei den Besitzrechtsberatungen maßgeblichen Einfluß auf die Kommission hatte; s. auch Planek, Windscheid als Mitarbeiter am Bürgerlichen Gesetzbuche, DJZ 1909, S.951 ff.

I. Die Beratungen des BGB

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Die Kommission entschied hier im Sinne der h.L. und betrachtete die Zulässigkeit der Geltendmachung eigenen Rechts an der Sache sogar als selbstverständlich, da anderenfalls das Gesetz das Gegenteil besonders bestimmen müßte. I 11

b) Die nach wie vor ungeklärte Grundlage der condictio possessionis Mit der Übernahme der h.L. des Gemeinen Rechts blieben auch deren Unklarheiten bestehen. Während man fiir die Herleitung auf die Vermögensqualität des Besitzes und der Inhabung abstellte und damit der Klage der Sache nach eine possessorische Aktivlegitimation gab, sollte die Klage nach Meinung der ersten Kommission aber gerade selbstverständlich kein possessorisches, sondern petitorisches ,,Rechtsmittel" sein, bei dem also die Einrede besseren Rechts zulässig sei. Die Aufgabe unserer Untersuchung ist die Festlegung der Grundlage der Besitzkondiktion, und fiir diese Zwecke können wir aus den Kommissionsberatungen somit nur eingeschränkten Nutzen ziehen. Die Begründung der Kommission befmdet sich nämlich im Widerspruch zwischen possessorischer Aktivlegitimation und petitorischer Grundlage. Infolge der Zulassung petitorischer Einreden wird das Recht zum Besitz zum tauglichen Prozeßstoff und gibt im Fall der Erhebung der Einrede letztlich den Ausschlag zugunsten des Berechtigten oder "besser Berechtigten". Gänzlich unabhängig vom Besitzrecht würde der Rechtsstreit nur geführt, wenn keine der Parteien ein Recht zum Besitz darlegt, was aber keinesfalls im Vordergrund der Beratungen stand, sondern nur als nicht zu umgehende Konsequenz angesehen wurde. I 12 Welches Recht aber auf seiten des Klägers mit der Besitzkondiktion geschützt wird, blieb letztlich offen. Die erste Kommission leistete hier keine weitere Klärung und befand sich somit dogmatisch auf dem Stand der h.L. des Gemeinen Rechts, die anstelle des von ihr mehrheitlich verworfenen Brunsschen Prinzips keine eigene Klagegrundlage aufgestellt hatte. Nicht anders stellt sich die Lage bei der nun in den Kondiktionenschutz einbezogenen Inhabung dar. Auch hier zeigt sich nämlich das Fortwirken der Brunsschen Theorie 113 , die den Vermögenswert, das auch fiir die Kommission

I \1 Protokolle der l.Kommission bei JakobslSchubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldrecht m, S.771. 112 Windscheid, bei Schubert SZ 95, S.320; ähnlich Jhering, JherJahrb 9, S.53. 1'\3

Bruns war allerdings die condictio detentionis fremd,

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C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

zentrale Kriteriwo, dem Besitzschutz entnommen hatte. 114 Nachdem nun jeder Inhaber Besitzschutz genoß, war es nur konsequent, die Inhabung, die damit zwn Vermögenswert gemacht worden war, ebenfalls in den Kondiktionsschutz einzubeziehen. IIS Die Koppelung der condictio possessionis an den Besitzschutz blieb somit vollständig, nur wurde sie von der Kommission lediglich für die Aktivlegitimation, nicht aber auch für die Einreden durchgefiihrt. Die Frage der petitorischen Einreden, die für die Inhabung weit größere Relevanz hat als für den (Eigen-) Besitz, wurde nicht erörtert, ebenso wie für die Kommission die Frage der Redlichkeit des Klägers nicht zur Sprache kam.

3. Die Beratungen der zweiten Kommission Für die zweite Kommission stand die Regelung der Besitzkondiktion nicht mehr zur Debatte. Bereits die Vorkommission des Reichsjustizamtes hatte den Vorschlag, die condictio possessionis besonders zu erwähnen, abgelehnt, weil man eine derartige Bestimmung mit Rücksicht auf die Fassung der nunmehr beabsichtigten allgemeinen Fassung ("etwas ... erlangt") nicht für erforderlich erachtete. 116 Lediglich eine gewisse Ausstrahlung der Besitzkondiktion auf die Kommissionsberatungen läßt sich feststellen. In den Beratungen der 2.Kommission ging es wo die Frage, ob die in Anlehnung an Windscheid vorgeschlagene Fassung des Erlangens "aus dem Vermögen"l17 des Klägers durch die Worte "auf Kosten" zu ersetzen seL I18 Unter Berufung auf Bolze l19 beschloß man auf Antrag Jacubezkys die Ersetzung, weil, "was man lediglich in seiner Inhabung habe,

114 Die Lücke bei der Begründng der Kondiktion des Uuristischen) Besitzes, der ja nun nicht mehr Anknüpfung des Besitzschutzes war, wurde durch die mit dem (Eigen-) Besitz verbundenen Rechtspositionen geschlossen, auf die Bruns auch bereits abgehoben hatte. S. dazu Fn.141. 115 Sieht man davon ab, daß auch den zwn Besitzschutz nicht Berechtigten die Aktivlegitmation für die Besitzkondiktion zustand. 116 Bei Jakobs/Schuber! (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldrecht 1II, S.834; die Vorkommission hatte (auf Vorschlag Jacubezkys) die EinzeItatbestände zwn Zwecke der Vereinfachung und der Übersichtlichkeit des Gesetzes bereits zu einer weitgehend dem heutigen § 812 BGB entsprechenden Eingangsvorschrift zusammengefaßt. 117S.§748EI. 118 Bei Jakobs/Schuber! (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldrecht m, S.842 . 119 AcP 78, S.425-427. Die Protokolle enthalten hier einen Druckfehler.

I. Die Beratungen des BGB

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[... ] nicht wohl zum Vennögen des Inhabers gerechnet werden könne."I20 Die 2.Kommission folgte damit einem Autor, der selbst zwar den Besitz als möglichen Gegenstand, nicht aber als Grundlage der Kondiktion ansah. Bolze hatte auch das Brunssche Prinzip, das weiterhin die theoretische Grundlage der condictio possessionis bildete, kritisiert und den grundlosen Besitzwechsel als hinreichende Bedingung der condictio possessionis verworfen. 121 Er hatte nicht nur den Vennögenswert der Inhabung, sondern auch des Besitzes verworfen. 122 Wenngleich die 2.Kommission damit aber konsequenterweise von der Herleitung der Besitzkondiktion aus der rechtsgrundlosen Vennögensverschiebung hätte Abstand nehmen müssen, ist es kaum verwunderlich, daß nicht mehr auf die Legitimation eingegangen wurde, war doch seit den Beratungen der Vorkommission des Reichsjustizamtes die Besitzkondiktion aus dem Blickfeld geraten, zumal die Erfassung des Besitzerwerbs unzweifelhaft durch die allgemeine Fassung des Bereicherungstatbestandes gewährleistet war. Auch Bolze war es in seinen Stellungnahmen in der Hauptsache auf das Dogma von der grundlosen Vennögensverschiebung und nur nebensächlich auf die Aktivlegitimation und Begründung der Besitzkondiktion angekommen. 123

4. Zusammenfassung

Auch in den Beratungen der beiden Gesetzgebungskommissionen blieb die Unvereinbarkeit zwischen der possessorischen Anknüpfung und der petitorisehen Rechtsnatur des Anspruchs bestehen. Wenngleich das Brunssche Prinzip von der condictio possessionis als echtem Besitzschutz verworfen war, waren die Gesetzesverfasser nicht in der Lage, das Prinzip auch vollständig zu über-

120 Protokolle der 2.Kommission 11, S.685. Ein zweites Bedenken überließ man der Entscheid\U1g durch die Rechtsprechung (protokolle 11, S.685): ,,Derjenige, welcher etwas ohne rechtlichen Grund erlange, bekomme in vielen Fällen mehr, als der Benachtheiligte gehabt habe, er erlange den juristischen Besitz, während der Benachtheiligte nur Inhaber gewesen sei, er erlange aufgrund eines gutgläubigen Besitzes durch ErsitzlUlg das Eigenthum oder werde durch gutgläubigen Erwerb nach den §§. 837, 877 sofort Eigenthümer der Sache, die er ohne rechtlichen Grund von einem Nichteigenthümer erlangt habe. In diesen Fällen müsse er herausgeben, was er erlangt, nicht blos, was der andere Theil verloren habe, was aus dem Vermögen des Benachtheiligten an ihn gelangt sei (vergl. 1.15 §.1 D.12,6; Windscheid 11 §. 424 zu Note 2)." 121 Bolze AcP 78, S.428; vgl. auch AcP 79, S.206 ff. 122 Bolze AcP 78, S.429. 123 Eine - abgesehen von dem "anständigen, rechtlichen Interesse" - konkrete Beschränk\U1g der Aktivlegitimation der Besitzkondiktion hatte er nicht vorgeschlagen, s.o. Fn.77.

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c. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

winden, sondern griffen zur Legitimation der Besitzkondiktion nach wie vor auf den Besitzschutz zurück. Die Besitzkondiktion des BGB erscheint daher äußerlich immer noch als Besitzschutzanspruch. Die wesentliche sachliche Änderung des BGB gegenüber dem gemeinrechtlichen Rechtszustand war die Anknüpfung des Besitzschutzes an die tatsächliche Sachherrschaft. Daraus erklärt sich die Ausdehnung auch der Kondiktion auf den Inhaber, die - nach terminologischer Gleichstellung von Besitz und Inhabung durch die zweite Kommission - nicht mehr als Erweiterung der gemeinrechtlichen condictio possessionis erkennbar war. Gerade die Anknüpfung an die Inhabung macht aber die Begründung mit dem Vermögenswert noch fragwürdiger, zumal die wesentliche praktische Bedeutung der Besitzkondiktion sogar in der Klageberechtigung des Inhabers gesehen wurde. Die in den Beratungen der 2.Kommission aufgetauchten Zweifel an der Vermögensqualität des Besitzes und der Vermögensverschiebung als genereller Voraussetzung der Kondiktion konnten die 2.Kommission nicht mehr veranlassen, die bisherige Legitimation der Besitzkondiktion in Frage zu stellen. Die bereits in der gemeinrechtlichen Lehre bestehende dogmatische Unklarheit wurde somit in den Gesetzesberatungen nicht beseitigt, sondern durch die Einführung der Klagebefugnis des Fremdbesitzers vielmehr noch vergrößert.

11. Der Besitz als Grundlage der Besitzkondiktion Wir haben gesehen, daß der Besitzbereicherungsanspruch, wenngleich er als petitorischer Anspruch gewollt war, aus den Besitzklagen, also dem Besitzschutz hergeleitet worden ist. Im folgenden soll eine Loslösung der Besitzkondiktion von ihrer possessorischen Herleitung unternommen werden, indem gezeigt wird, daß die Legitimation aus dem im bloßen Besitz liegenden Interesse des Besitzers nicht haltbar ist. Wir haben also die Frage zu stellen, ob sich aufgrund der Tatsache, daß der Kläger früher bloßer Besitzer war, seine bereicherungsrechtliche SchutZWÜTdigkeit ergibt. Da das Bereicherungsrecht weder für die Eingriffskondiktion noch für die Leistungskondiktion eine derartige Wertung aufstellt, sondern allenfalls an eine solche Wertung anknüpfen kann, wäre an einer aus dem Interesse des bloßen Besitzers hergeleiteten Besitzkondiktion nur festzuhalten, wenn sich die Legitimation aus dem Besitz und seinen rechtlichen Wirkungen ergibt. Es soll bereits hier vermerkt werden, daß es gleichbedeutend ist, ob wir auf die SchutZWÜTdigkeit des bloßen Besitzers aufgrund der Rechtswirkungen des Besitzes abstellen oder auf die Eigenschaft des Besitzes als Vermögenswert oder Vermögensbestandteil. Denn da als wirtschaftlicher Wert allenfalls die Sache selbst anzusehen ist, kann der Besitz nur Vermögenswert haben, wenn

11. Der Besitz als Gnmdlage der Besitzkondiktion

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sich durch ihn die zwnindest teil- oder zeitweise Zuordnung der Sache zwn Vennögen des Besitzers ergibt. Die Kondiktion wäre also aus der Stellung des Besitzers nur dann zu legitimieren, wenn sich nachweisen ließe, daß aufgrund des bloßen Besitzes eine zwnindest teilweise oder vorübergehende Zuordnung der Sache zwn Vennögen des Besitzers herzustellen ist, mit anderen Worten: wenn der Besitzer ein rechtliches Interesse an der Sache hat.

1. Die Herleitung der bereicherungsrechtlichen Schutzwürdigkeit des Besitzers aus dem Besitzschutz Die 1. Kommission nahm den Vennögenswert von Besitz und Inhabung u.a. unter Hinweis auf die possessorischen Klagen sowie die Notwehrbefugnis an. 124 Da der Bereicherungsanspruch nach den Vorstellungen der Kommission den Vennögenswert des erlangten Gegenstandes voraussetzte, ließ sich die Begründung der allgemeinen Besitzkondiktion und der damit verbundenen unterschiedslosen Aktivlegitimation eines jeden Besitzers in der Tat nur durch die Anknüpfung an den Besitzschutz leisten, denn die Besitzklagen (im BGB: §§ 861, 862) enthalten gegenüber den anderen an den Besitz anknüpfenden Rechte die weitestreichende Aktivlegitimation. Die von der ersten Kommission gewählte Herleitung bot insbesondere die einzige Möglichkeit, aus dem Gesetz heraus die Schutzwürdigkeit der bloßen Inhabung zu begründen. Auch wenn von der Kommission eine konsequente Durchführung des possessorischen Schutzes nicht gewollt war, sie die Besitzkondiktion vielmehr als petitorischen Anspruch betrachtete, haben wir uns mit der rein possessorischen Legitimation auseinanderzusetzen, zwnal sie - nicht zuletzt aufgrund der im übrigen in den Beratungen nur spärlichen Anhaltspunkte - auf den ersten Blick als einzige Möglichkeit der Begründung der Aktivlegitimation des bloßen Besitzers erscheint. Die von der ersten Kommission gemäß dem Brunsschen Prinzip durchgeführte Herleitung erweist sich aus zwei Gründen als nicht tragfähig. Zum einen ergibt sich aus dem Schutz des Besitzes gegen Entziehung und Störung durch verbotene Eigenmacht noch nicht die Vennögensqualität des Besitzes. Zum anderen steht die Besitzkondiktion, begründet man sie analog dem Besitzschutz allein aus dem früheren Besitz, im Widerspruch zu § 861 BGB. Die ratio des Besitzschutzes ist seit langem umstritten. Hier ist auf das alleinige öffentliche Interesse (,,Friedensschutz"125), den Schutz der Person gegen 124 Protokolle der l.Kommission bei Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 8chuldrecht m, 8.769. 125 80 die wohl h.L. (s.8taudinger/Bund, BGB I2 , vor §§ 854 - 872 Rn.7 m.w.N.). 3 K1inkhammer

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C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

"Gewalt"126 oder die Bewahrung einer Kontinuität der faktischen BeziehWlg einer Person zu der Sache 127 abgestellt worden. Die Besonderheit der Besitzschutzansprüche gegenüber anderen Ansprüchen besteht nach dem geltenden Gesetz darin, daß der Besitzschutz sich ausschließlich gegen verbotene Eigenmacht richtet. Dagegen ist der Besitzer beispielsweise gegen Besitzverlust durch zufällige Umstände oder aufgrund von Willensmängeln128 nicht geschützt. Stellt man sich die Frage, ob dem Besitz aufgrund der Besitzschutzvorschriften die Qualität eines Vermögensbestandteiles oder Vermögenswertes beizumessen ist, ist dieser Einschränkung RechnWlg zu tragen, denn der Besitzschutz ist eben Schutz nur gegen eine bestimmte Form des Besitzverlustes Wld nicht umfassender Schutz des Besitzes gegen jedwede Beeinträchtigoog oder Verlust. Es kann also nicht um den Schutz des Besitzes schlechthin gehen, sondern immer nur um den Besitz als ein Phänomen der persönlichen Sphäre, die gegen eigenmächtige Übergriffe geschützt werden soll. Dem entsprechend ist man sich ohne Rücksicht auf die streitige Frage des Zwecks des Besitzschutzes heute darin einig, daß der Besitzschutz keine VermögenszuordnWlg bewirken kann. 129 In der BegründWlg der ersten Kommission war auch mit Bedacht nicht vom Besitz als einem Vermögensbestandteil die Rede, sondern von Besitz Wld InhabWlg als ökonomischen Gütern, die wertvolle Rechtspositionen gewährten. NWl läßt sich allerdings der Besitz statt als Vermögensbestandteil - vergleichbar mit der Arbeitskraft oder der KWldschaft eines Unternehmens - als Quelle des Vermögenserwerbs, besser: als dessen tatsächliche Vorbedingoog betrachten. Der Besitz kann aber als Vorbedingoog des Vermögenserwerbs nur geschützt werden, wenn dem Besitzer erlaubt ist, mit der Sache - etwa durch NutZWlg oder VeräußefWlg - einen Gewinn zu erzielen. Dies ist aber nur der Fall, wenn ihm neben dem Besitz ein NutZWlgS- oder VeräußefWlgsrecht an der Sache zusteht. Aus dem Besitzschutz ergibt sich weder das eine noch das andere. Mit anderen Worten verfolgt der Besitzschutz nicht wie das Eigentum den Zweck, über die VerteilWlg der Güter zu entscheiden, Wld ihm fehlt nach seinem Zweck Wld Inhalt die Tragfähigkeit, dem unrechtmäßigen oder unredlichen Besitzer den Genuß der Sache zuzusprechen Wld durch endgültige Sanktion zu sichern. 130 Aus dem Besitzschutz ergibt sich also keine (auch nur teilweise oder zeitwei-

126

Savigny, Recht des Besitzes7 , S.55 f.

127 Staudinger/Bund, BGB I2 , vor §§ 854-872 Rn.7 m.w.N.; eine Besonderheit ist ferner die Meinung Jherings, s. dazu Fn.56. 128 Eine Ausnahme gilt hier allenfalls fiir die Drohung. 129 Wilburg, (Fn.3), S.37; Kurz, (Fn.7), S.21 ff.; Wieling (Fn.17), S.208, 127 f.; in diesem Sinne ist auch Medicus, AcP 165 (1965), Besitzschutz durch Ansprüche auf Schadensersatz, S.115 ff., 117, zu verstehen. 130 Wilburg, (Fn.3), S.37; Medicus, AcP 165, S.117.

ll. Der Besitz als Grundlage der Besitzkondiktion

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se l3l ) Zuordnung der Sache zwn Vennögen des Besitzers, so daß ein bereicherungsrechtlicher Vennögensschutz lllll des bloßen Besitzes willen nicht gerechtfertigt ist. 132 Dies entspricht auch der sich im Bereich der Eingriffskondiktion durchsetzenden Ansicht. 133 Eine unterschiedliche Behandlung von Besitzschutz und Besitzkondiktion ist auch widersprüchlich, wenn man die bereicherungsrechtliche SchutZWÜTdigkeit gerade aus dem Besitzschutz herleitet. Wenn sich der Vennögenswert des bloßen Besitzes 134 aus dem Besitzschutz ergeben sollte, so hätte dies entsprechend der Zielrlchtung des Besitzschutzes auch gegen den zwn Besitz berechtigten Beklagten gelten müssen. Dies wäre die notwendige Folge der Gleichstellung des Besitzers, dem die Sache durch verbotene Eigenmacht entzogen wird, mit dem Besitzer, der die Sache auf eine beliebige andere Weise grundlos hergegeben oder verloren hat. Aufgrund dieser Gleichstellung hätte man konsequenterweise - nach dem Vorbild Bruns' - also auch petitorische Einreden gegen den Anspruch ausschließen müssen. Statt dessen war es für die 1.Kommission eine Selbstverständlichkeit - und steht seither auch außer Zweifel -, daß gegenüber der Besitzkondiktion petitorische Einreden zulässig sind und daß die Besitzkondiktion kein possessorisches, sondern ein petitorisches Rechtsmittel ist. 135 Nach Windscheid, dessen Komprornißfonnel immerhin maßgeblich zur Aufnahme der condictio possessionis in das Gesetz beigetragen hatte 136, hätte gar kein Unterschied gemacht werden dürfen zwischen Besitzklage und condictio possessionis. Er kritisierte das von der ersten Kommission entworfene Gesetz, weil es die Besitzklage neben die condictio possessionis stelle und damit eine "doppelte condictio possessionis" habe, nämlich eine mit petitorisehen Einreden und eine ohne petitorische Einreden. 137 131 Auch eine nur vorübergehende Zuordnung ist nach der heute allgemein angenommenen Zulässigkeit des Besitzrechtseinwandes gegenüber der Besitzkondiktion nicht möglich. 132 Auch Bruns hatte hervorgehoben, daß der Besitz seiner Natur nach das bloße faktische Haben "ohne alle Garantie seiner Fortdauer" sei (Besitzklagen, S.193), er bemerkte indessen nicht, daß nach seinem Prinzip die condictio possessionis gerade die Garantie der Besitzfortdauer bewirkte. 133 S.u. Ill. SA8 ff. 134

Immer gleichbedeutend mit dem rechtlichen Interesse des Besitzers.

Protokolle der l.Kommission bei Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldrecht Ill, S.77l. 136 Zu dem auch nach seinem Ausscheiden aus der ersten Kommission fortbestehenden Einfluß Windscheids auf die Kommissionsberatungen s. Fn.ll O. 137 Brief an Planck vom 3.5.1884, bei Schubert SZ 95, S.323; dies äußerte Windscheid freilich mit der Zielsetzung, auch gegenüber dem Besitzschutz petitorische Einreden zuzulassen; Windscheid sah in der Sanktion gegen gewaltsame Besitzverletzungen keinen ausreichenden Grund für den Besitzschutz und kritisierte das Ergebnis der 135

c. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

36

Schließlich geht die Besitzkondiktion noch weiter als der zur Legitimation herangezogene Besitzschutz. Sie steht dem im Sinne des § 861 II BGB fehlerhaften Besitzer zu und verjährt erst in dreißig Jahren, während der Besitzschutzanspruch bereits nach einem Jahr ausgeschlossen ist, § 864 I BGB. Wollte man die Herleitung der Besitzkondiktion aus dem Besitzschutz wirklich umsetzen, hätte man den Besitz schon innerhalb der §§ 858 ff. BGB gegen jede Art der Entziehung schützen müssen. Die allein aus dem Besitzschutz heraus begründete Kondiktion wäre dann nur denkbar als umfassende Erweiterung eines zu eng ausgefallenen Besitzschutzes. Dies widerspräche jedoch der Absicht der Gesetzesverfasser, deren mißverständliche Grundlegung des Anspruchs die Besitzkondiktion allerdings als Erweiterung des echten Besitzschutzes erst erscheinen ließ. So lehnt denn auch die heute h.L. \38 die auf den bloßen Besitz gestützte Eingriffskondiktion als Erweiterung des Besitzschutzes ab, weil dem Besitz der Zuweisungsgehalt fehle 139 oder aber weil § 1007 eine gegenüber den §§ 812 ff. vorgehende Sonderregelung sei. 140 Der h.L. ist in ihrer Ablehnung des Besitzes als einer schon aus sich heraus - auch - bereicherungsrechtlich schutZWÜfdigen Position zu folgen. Demzufolge verbietet sich aber auch, die Klagegrundlage der Besitzkondiktion mit der des Besitzschutzes gleichzustellen, um einen Widerspruch zwischen Besitzkondiktion und dem Besitzschutz nach § 861 zu vermeiden l4 1, wobei es schließlich keinen Unterschied macht, ob der Besitz eigenmächtig entzogen wurde (nur in diesem Fall konkurKommission, weil das Recht nicht berufen sei, Tatsachen als solche zu schützen: ,,Ist in der Entziehung des Besitzes meine Person nicht verletzt, so bin ich überhaupt nicht verletzt" (SZ 95, S.323 f.). 138 LarenziCanaris, SchR BT I3 , S.l74; BaurlStümer, SaR 16 , S.81; offenbar auch Jauemig/Schlechtriem, BGB7 , § 812 Anm.II.I; Wieling SaR I, S.21O; Wilhelm, SaR, S.220 Rn.363; aus der älteren Literatur s. v.Caemmerer, FS Rabel I, S.349 Fn.39 m.w.N.; Siber, SchR, S.419; Leonhard, (Fn.2), S.455; Wilburg, (Fn.3), S.37 ff.; Rabel, RabelsZ 10,S.427.; anders Weiss, Institutionen 2, S.l49, der die Besitzkondiktion als Erweiterung des Besitzschutzes über die Jahresfrist versteht, wodurch die Beschränkung des Besitzschutzes aufgehoben wird, der Widerspruch zwischen Besitzkondiktion und Besitzschutz ist hier offenkundig. 139

S.21O.

LarenziCanaris, SchR BT I3

,

S.174; BaurlStümer SaR l \ S.81; Wieling SaR I,

140 So Leonhard, (Fn.2), S.455; Wilburg, (Fn.3), S.38; Wilhelm, SaR, S.220 Rn.363, verweist zusätzlich noch auf § 985 BGB. 141 Der Widerspruch wird auch deutlich, wenn man - wie die condictio rei als Ersatz für die verlorene rei vindicatio - die condictio possessionis als Ersatz für den verlorenen Besitzschutz ansieht (so Jung, Bereicherungsansprüche, S.43 f.). Die rei vindicatio schützt den Eigentümer gegen Entzug und Vorenthaltung des Besitzes. Die condictio rei schützt ihn gegen den Verlust des Eigentums. Dagegen können die Interdikte wie die condictio possessionis nur gegen den Verlust des Besitzes schützen. Während die Ziele von rei vindicatio und condictio rei somit verschieden sind, wären sie bei der condictio possessionis und den Besitzklagen identisch.

II. Der Besitz als Grundlage der Besitzkondiktion

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rieren Besitzschutz und Besitzbereicherungsanspruch) oder ob der Besitz durch Zufall oder durch freiwillige Weggabe gewechselt hat. Wir können somit entsprechend der heute herrschenden Lehre feststellen, daß sich aus dem Besitzschutz des BGB keine "Güterzuordnung" ergibt, so daß eine Herleitung der Besitzkondiktion aus dem mit dem Besitzschutz begründeten rechtlichen Interesse des Besitzers nicht möglich ist. Im Ergebnis würde die so begründete Besitzkondiktion der Sache nach eine Ausdehnung des Besitzschutzes nach § 861 BGB bedeuten, die sich nur rechtfertigen ließe, wenn der mit dem Besitzschutz verfolgte Zweck nur unzureichend durch die Gewährung von Ansprüchen gesichert wäre. Dies ist aber auf der Grundlage der h.L., die in dem Besitzschutz Friedensschutz sieht, unzweifelhaft zu verneinen. Auch wenn aber die Besitzklagen keinen reinen Friedensschutz darstellen, sondern den Friedensschutz erst durch den Schutz der einzelnen Person gegen Gewalt verwirklichen sollen l42 , ergibt sich daraus noch nicht die Qualifizierung des Besitzes als Vermögensbestandteil. Vielmehr bestünde die bereicherungsrechtliche SchutZWÜTdigkeit allenfalls erst dann, wenn der Besitzer neben dem bloßen Besitz auch die rechtliche Befugnis hat, aus der Sache Vorteile zu ziehen. 143

2. Der Schutz des Besitzes als eines Beweisvorteils Die erste Kommission sah unter anderem in der Rolle des Besitzes bei der Geltendmachung des Eigentums einen Grund fiir den Vermögenswert des Besitzes. Gemeint war damit der mit dem aktuellen Besitz verbundene Beweisvorteil des Besitzers, der im Prozeß um das Eigentum als Beklagter in der günstigen Verteidigungslage ist. 144 Verliert er den Besitz grundlos, so sollte der prozessuale Vorteil der günstigen Beweislage durch die Besitzkondiktion wiederhergestellt werden. Abgesehen davon, daß eine Beweiswirkung des Besitzes, der nach der Terminologie des Gemeinen Rechts und auch des ersten Entwurfs begrifflich auf den Eigenbesitz beschränkt war, auch heute nur dem Eigenbesitz einer beweglichen Sache zugemessen wird, vermag die Begründung nach der schließlich in § 1006 BGB Gesetz gewordenen Eigentumsvermutung einen selbständigen Vermögenswert des (Eigen-) Besitzes nicht mehr zu rechtfertigen.

142 So mit guten Gründen Fraenkel, (Tatbestand und Zurechnung bei § 823 Abs.1 BGB, 1979), S.l72 ff. 143 Medicus, AcP 165, S.120 f.; s. auch Fraenkel, (Fn.142), S.186. 144 Schuber! (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Schuldrecht 3, 1982, S. 672 f.; Bruns, Besitzklagen, S.193, 196 f.

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c. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

Der ersten Kommission lag allerdings fiir den Herausgabeanspruch eine mit dem Besitz verknüpfte Eigentwnsvermutung noch fern. Die Kommission befand sich in ihren Beratungen auf der Grundlage der gemeinrechtlichen Wissenschaft des neunzehnten Jahrhunderts. Diese hatte die Vermutungswirkung des Besitzes nicht anerkannt. Savigny hatte die Eigentwnsvermutung fiir den Besitzer mit der Begründung verworfen, daß bei dem bloßen Besitz es "ebenso wahrscheinlich" sei, daß "der Besitzer das Eigenthum hat, als daß er es nicht hat".145 Wegen des Einflusses Savignys, dessen einziger offener Gegner Jhering sich nicht durchsetzen konnte, hielt sich auch die Rechtsprechung bei der Anerkennung der Eigentwnsvermutung zurück. Dem gleichwohl bestehenden Bedürfuis fiir die Eigentwnsvermutung zugunsten des klagenden früheren Besitzers mußte also auf andere Weise Geltung verschafft werden, und der Sache nach wurde dies durch die condictio possessionis geleistet, wenn man in dem Besitz als solchem einen Beweisvorteil erblickte. Die gemeinrechtliche Rechtsprechung zur condictio possessionis ist daher auch deutlich von den prozessualen Schwächen des Eigentwnsschutzes geprägt. 146 Nach § 200 des TE Sachenrecht 147 sollte einem früheren Besitzer einer beweglichen Sache die Vermutung des Eigentwns zustehen, wenn er den (Eigen-) Besitz ohne seinen Willen verloren hatte oder die Sache ohne die Übertragung des Eigentwns einem anderen übergeben hatte. Die Vermutung sollte erlöschen, wenn das Eigentwn nicht innerhalb eines Jahres durch Klageerhebung geltend gemacht wurde. Diese eingeschränkte Vermutung hielt der Schuldrechtsredak-

145 Savigny, Recht des Besitzes7 , S.56 f.; zu den insoweit bestehenden Meinungsschwankungen bei Savigny s. Kiefner, SZ 79, S.239 ff, 287 f.; Picker, Drittwiderspruchsklage, S.4 76 f., und Savigny selbst, S.56 f. Fn.l.

146 Im Fall einer Entscheidung des OAG Kassel aus dem Jahre 1849 (SeuffA 3, Nr.177, 2) hatte der Kläger noch als Minderjähriger seinen Vater bevollmächtigt, ein Grundstück zu veräußern. Der Vater hatte "die Vollmacht" bis nach Eintritt der Volljährigkeit des Klägers aufbewahrt und dann das Grundstück im Namen des Klägers an den Beklagten veräußert. Die Vorinstanz hatte die Herausgabeklage abgewiesen, weil es an der erforderlichen Darlegung des Eigentumserwerbs des Klägers gefehlt habe. Das OAG hielt die "persönliche Klage" für begründet, "ohne daß es der thatsächlichen Begründung der dinglichen Berechtigung bedürfte". Auch eine Entscheidung des OAG Rostock aus dem Jahr 1864 (SeuffA 19, Nr.152) dürfte hier einzuordnen sein: Hier hatte der Kläger allein die widerrechtliche Besitzentziehung dargelegt. Weil der Kläger sein Eigentum nicht dargelegt, sondern die Klage lediglich auf den fehlerhaften Besitzerwerb des Beklagten gestützt hatte, und das von den Vorinstanzen angenommene Interdikt mangels eigenmächtiger Besitzentziehung nicht gegeben war, blieb dem OAG in der letzten Instanz keine andere Möglichkeit, als die condictio possessionis anzunehmen, um den Herausgabeanspruch begründen zu können. S. auch OAG Jena SeuffA 18, Nr.I13. 147 Bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Sachenrecht 1, S.48.

11. Der Besitz als Grundlage der Besitzkondiktion

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tor v.Kübel fiir kawn in allen Fällen genügend. 148 Wie ungewöhnlich der ersten Kommission die - uns heute aufgrund § 1006 BGB nahezu selbstverständliche Eigentwnsvennutung zugunsten des Besitzers erschien, zeigt sich daran, daß sie in der Erleichterung der Vindikation durch die Eigentwnsvennutung (gegenüber der Besitzkondiktion) einen künstlichen Ausweg sah. 149 Die zweite Kommission schuf dagegen mit dem heutigen § 1006 BGB genau die von ihrer Vorgängerin venniedene Anknüpfung der Eigentwnsvennutung an den (Eigen-) Besitz. Der Unterschied in den Sichtweisen der beiden Kommissionen besteht darin, daß die Beweisposition fiir die erste Kommission eine Wirkung des Besitzes, fiir die zweite Kommission der (Eigen-) Besitz äußerer Tatbestand und Anknüpfung der Eigentumsvennutung ist. Da die Besitzkondiktion von der zweiten Kommission einer erneuten Überprüfung nicht unterzogen wurde, gelangte man so zu dem praktischen Resultat, daß dem klagenden Eigenbesitzer im Hinblick auf den mit dem Besitz verbundenen Beweisvorteil nun zwei inhaltlich gleiche Herausgabeansprüche zur Verfiigung stehen, zum einen die mit der Eigentwnsvennutung erleichterte Vindikation und zum anderen die Besitzkondiktion. Nun könnte man die Unterscheidung zwischen der Eigentwnsvennutung (oder Beweisvorteil) als einer Eigenschaft des Besitzes und dem (Eigen-) Besitz als Anknüpfungspunkt der Eigentwnsvennutung fiir überflüssig halten, wenn das Gesetz hier lediglich denselben Gedanken auf zwei verschiedenen Wegen verwirklichte. Dies ist aber, wie ein Vergleich der Anspruchstatbestände ergibt, nicht der Fall. Die Tatbestände unterscheiden sich, weil die Beweisposition in § 1006 BGB den Umfang der Vennutung nach der Art des Besitzerwerbs begrenzt. Aus § 1006 BGB ergibt sich, daß dem (Eigen-) Besitzer die Eigentwnsvennutung nicht generell zusteht, sondern nur unter einschränkenden Voraussetzungen. Diese lassen sich so zusammenfassen, daß der Besitzer den Besitz unter Umständen erworben haben muß, die einen mit dem Besitzerwerb verbundenen Eigentwnserwerb auch von seinem Prozeßgeg148 Bei Schubert (Hrsg.), Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Schuldrecht 3, S.674; v.Kübel nannte die Fälle nicht. Die Eigentumsvennutung war insbesondere in zwei Fällen unzureichend, denn sie war auf ein Jahr nach dem Besitzverlust begrenzt und enthielt auch nicht die Vennutung für das frühere Eigentum bei freiwilliger Besitzaufgabe. Mit der Übergabe der Sache ohne Übertragung des Eigentums war nicht der Fall der rechtsgrundlos unwirksamen Übereignung gemeint. 149 Protokolle der l.Kommission bei JakobslSchubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldrecht m, S.770. Auch Windscheid, der den Gewaltschutz nicht mehr für angebracht hielt und den Grund für den Besitzschutz allein in der dem Kläger genommenen ,,Beweislage" sah (Brief an Planck vom 3.5.1884 bei Schubert SZ 95, S.323 f.), hielt den Vorschlag einer Eigentumsvennutung ,,für schlechthin verwerflich" und mißbilligte ihn "auf das Entschiedenste" (Brief an Planck vom 14.1.84, SZ 95, S.319). Der E I enthielt schließlich in § 825 nur eine sogenannte ,,incidenter-Vennutung", s.u. Fn.341.

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c. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

ner möglich erscheinen lassen. Die Eigentwnsvermutung gilt demzufolge nicht gegenüber einem früheren Besitzer, dem die Sache abhanden gekommen ist (§ 1006 I 2 BGB). Hier würde die Besitzkondiktion mit ihrem allgemeinen Tatbestand weiter reichen als die nach § 1006 BGB erleichterte Vindikation, was der in § 1006 BGB enthaltenen Wertung widersprechen würde. 150 Die Eigentwnsvermutung kann daher auch nicht als generelle Eigenschaft des (Eigen-) Besitzes angesehen werden, sie besteht also beispielsweise nicht (etwa zu Gunsten des Diebes) gegenüber dem Bestohlenen.15\ Die Aktivlegitimation nach der Begründung der ersten Kommission müßte dagegen jedem Eigenbesitzer zustehen, also auch dem, der eine dem Beklagten abhanden gekommene Sache in den Besitz bekommen hatte, bevor er den Besitz seinerseits verlor. Die Konsequenz wäre, daß der Beklagte hier gegenüber der Besitzkondiktion sein Eigentwn zu beweisen hätte, wenngleich nach der ratio des § 1006 BGB die Vermutung ihm und nicht dem Kläger zustehen müßte. 152 Neben der fiir das BGB in § 1006 aufgestellten lückenlosen Vermutung verbleibt fiir die Besitzkondiktion mit dem Zweck der Verwirklichung der Eigentwnsvermutung kein Raum mehr. 153 Wo die Besitzkondiktion des Eigenbesitzers, zu dessen Gunsten vor dem Besitzverlust die Eigentwnsvermutung bestanden hatte, gegeben ist, besteht gleichzeitig die über die Eigentwnsvermutung des § 1006 BGB erleichterte Vindikation. Statt dessen würde die aus der Eigentwnsvermutung begründete Besitzkondiktion ihr Ziel teilweise verfehlen, weil sie auch solche Besitzer erfaßt, denen die Eigentwnsvermutung vor dem Besitzwechsel nicht zugestanden hatte. Die Eigentwnsvermutung ist daher auch keine generelle Eigenschaft des Besitzes, auch sie kann folglich den selbständigen Vermögenswert des Besitzes nicht ergeben.

ISO Man wird hier folgerichtig die Besitzkondiktion gegenüber der genaueren Regelung der §§ 985, 1006 BGB einschränken müssen, was durch entsprechende Anwendung von § 1007 II 2.HS BGB denkbar erscheint (so auch Lent, Gesetzeskonkurrenz I, S.344 f.), wenn nicht sogar durch § 1006 II iVm I 2 BGB eine Lösung möglich wäre. 151 Dahin mag auch Savigny gezielt haben, wenn er davon sprach, daß für die bonae fidei possessio (als Ersitzungsbesitz) die Eigenturnsvermutung bestehe (Recht des Besitzes?, S.57). 152 Der Fall ist bereits durch § 1007 BGB geregelt und dürfte daher keine praktische Relevanz haben, wenn man die speziellere Regelung des § 1007 BGB hier für vorrangig hält. Es zeigt sich allerdings daran, daß die Begründung der ersten Kommission, der eine § 1007 vergleichbare Regelung noch nicht enthielt, für eine allgemeine Aktivlegitimation des bloßen Besitzers aus dessen eigenem Interesse nicht ausreicht. 153 Die in der Entwurfsbegründung auch genannte Tradition (Eigentumsübertragung) hat für den Rechtsschutz keine unmittelbare Bedeutung, denn sie zeigt allenfalls den Übergang des zu schützenden Rechts, nämlich des Eigentums an. Die Tradition ist daher auch bei §§ 1006, 1007 BGB erschöpfend berücksichtigt, so daß ihr jedenfalls für das BGB keine eigenständige Bedeutung mehr zukommen kann.

n. Der Besitz als Grundlage der Besitzkondiktion

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Der von dem Schuldrechtsredaktor angeführte Vorteil der Verteidigungsrolle geht freilich noch weiter als die heute mit dem Besitz verbundene Eigentumsvermutung. Denn auch der Besitzer, für den die Eigentumsvermutung im Sinne des § 1006 BGB nicht streitet, kann die Sache im Besitz behalten, solange der Kläger kein eigenes Recht an der Sache nachweist. Bei diesem Vorteil kann allerdings nicht mehr von einem Beweisvorteil oder einer günstigen Beweislage gesprochen werden, es handelt sich hier um den allgemeinen prozessualen Vorteil der Beklagtenrolle. Wir konnten den Immobiliarbesitz außer Betracht lassen, weil die Eigentumsvermutung hier mit der Grundbucheintragung verknüpft ist (§ 891 BGB). Eine § 1006 BGB entsprechende Beweiserleichterung zugunsten des Fremdbesitzers besteht für das BGB nicht und ist auch von den Gesetzesverfassem zur Begründung der Inhabungskondiktion nicht herangezogen worden.

3. Der Schutz des gutgläubigen (Ersitzungs-) Besitzes Der Besitz ist nach § 937 BGB notwendige Voraussetzung des (gesetzlichen) Eigentumserwerbs durch Ersitzung. Nach § 993 I a.E. BGB darf der gutgläubige unverklagte Besitzer gegenüber dem Eigentümer (bis auf die sogenannten Übermaßfrüchte) die gezogenen Nutzungen behalten. Aus beiden Gesichtspunkten ergibt sich aber - unabhängig davon, daß die §§ 937, 993 I a.E. BGB bereits tatbestandlich auf den gutgläubigen Besitz beschränkt sind und somit allenfalls insoweit eine bereicherungsrechtliche Schutzwürdigkeit ergeben können - keine Schutzwürdigkeit des Besitzers. Der Ersitzungslage als einer Rechtsposition kommt für das heutige Recht keine eigenständige Bedeutung zu wie etwa noch dem Ersitzungsbesitz des Gemeinen Rechts. Daß die erste Kommission zur Begründung des Vermögenswertes den Ersitzungsbesitz heranzog, beruht auf der gemeinrechtlichen Rechtslage, die - trotz der Zulassung des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten - im ersten Entwurf noch nicht aufgegeben war. Der Ersitzungsbesitz war im Gemeinen Recht eine eigenständige Rechtsposition, die mit einer eigenen Klage, der actio Publiciana geschützt war. Notwendig war diese Position zum Zwecke des Verkehrsschutzes, denn anderenfalls hätte der Besitzer in jedem Fall des Besitzverlustes sein Eigentum nachweisen müssen, was den Beweis sämtlicher vermittelnder Erwerbstatbestände bedurfte (sog. probatio diabolica).154 Für das BGB hat man den Verkehrsschutz unter Aufgabe der

154 Zum gemeinrechtlichen Rechtszustand s. SI. Weber, (§ 1007 BGB - Prozessuale RegelWlgen im materiell-rechtlichen Gewand, 1988), S.16 ff.

c. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

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publizianischen Rechtsposition aber wngestaltet 155 , indem man anstelle der ordentlichen ErsitZWlg den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten zugelassen hat. Ein Schutzbedürfnis existiert nicht mehr, denn durch die Einfiihrung des gutgläubigen Erwerbs, verbunden mit einer lückenlosen Eigentumsvermutung, ist der effektive Verkehrs- und Eigentumsschutz gewährleistet. Daß der ErsitZWlgsbesitz für die Besitz-Leistungskondiktion nach dem geltenden Recht keine eigenständige Relevanz haben kann, ergibt sich auch daraus, daß die ErsitZWlg bei jeder freiwilligen Aufgabe des (Eigen-) Besitzes unterbrochen wird, § 940 I BGB. 156 Auf den ErsitZWlgsbesitz wird es daher auch im Prozeß wn die Herausgabe nicht ankommen. Die ErsitZWlg erfordert gutgläubigen Eigenbesitz. Der klagende (frühere) ErsitZWlgsbesitzer beruft sich also auf sein Eigentum, anderenfalls hätte früher kein ErsitZWlgsbesitz bestanden oder es könnte jedenfalls eine künftige Vollendung der ErsitZWlg nicht mehr stattfinden. Für den ErsitZWlgsbesitzer spricht auch in der Regel die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB. 157 Dem Beklagten steht also nur die Möglichkeit offen, die für den Kläger sprechende Eigentumsvermutung zu widerlegen. Ob ihm dies aber möglich sein soll, ist eine Frage des Streites wn das Eigentum. Nach Einfiihrung des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten hat für das BGB die ErsitZWlgslage keine eigenständige Bedeutung mehr. Der ErsitZWlgsbesitz ist jedenfalls heute nicht mehr wie im römischen Recht eine durch eine eigene Klage, die ac/io Publiciana, geschützte vermögenswerte Rechtsposition, sondern hat keine weiterreichende rechtliche Bedeutung als die tatsächliche Möglichkeit der Verjährung. 158 Die Schutzwürdigkeit des bloßen Besitzers folgt daraus nicht. 159

155

S. Weber, (Fn.154), S.25 ff., 43 ff.

156 Auch bei Annahme einer Rechtsnachfolge nach § 943 kommt dies dem Kläger letztlich nicht zugute. Beruft sich der Beklagte auf das Eigentum eines Dritten, so würde auch bei Annahme einer Rechtsnachfolge gemäß § 943 BGB die Vollendung Ersitzung wegen der Kenntnis des Beklagten nach § 937 II BGB ausgeschlossen, seine Ersitzungsposition könnte also nicht mehr wiederhergestellt werden. 157 Sollte diese nach § 1006 I 2 BGB nicht bestehen, so ist auch nicht einzusehen, dem Besitzer die Rückforderung zu ermöglichen. 158 Zu dem Widerspruch zwischen der zehnjährigen Ersitzungsfrist zu der 30jährigen Verjährung der Vindikation s. Bauer, (Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen Recht, 1988), S.183, zur Entstehungsgeschichte S.l69 ff., sowie unten E.IV.3, S.97 f. 159 So auch Kurz, (Fn.7), S.62, allerdings mit dem irrefiihrenden Hinweis auf § 1007 BGB, der den Schutz des Ersitzungsbesitzes im Gegensatz zur römischrechtlichen actio Publiciana nicht bezweckt, s.Weber, (Fn.154), S.60 ff.; a.A. Wilhelm, SaR, Rn. 344 S.213.

II. Der Besitz als Grundlage der Besitzkondiktion

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Vereinzelt ist die Aktivlegitimation des gutgläubigen Besitzers aus § 993 I a.E. BGB entnommen worden. 160 Eine bereicherungsrechtliche Schutzwiirdigkeit des gutgläubigen Besitzers ergibt sich daraus jedoch nicht. Auch wenn § 993 I a.E. BGB dem gutgläubigen Besitzer grundsätzlich die gezogenen Nutzungen endgültig zuordnet, folgt daraus nicht die Zuordnung schon des Besitzes oder der Nutzungsmöglichkeit, wenn er noch keine Nutzungen gezogen hat. Auch der Besitz eines redlichen Besitzers ist ohne Besitzrecht rechtswidrig, denn er verletzt durch die Vorenthaltung der Sache das Eigentum eines anderen. 161 Ebenso ist auch die Nutzung der Sache rechtswidrig, denn sie steht solange er nicht anderweitig darüber verfUgt hat - allein dem Eigentümer ZU162 und kann von diesem verboten werden. Die Möglichkeit der rechtswidrigen Nutzung kann somit, auch wenn der Besitzer die gezogenen Nutzungen behalten darf, nicht die Zuordnung von Besitz und Nutzungsbefugnis zum Vermögen des Besitzers ergeben. Der Tatbestand, an den das Gesetz in § 993 I a.E. BGB das Behaltendürfen der Nutzungen knüpft, ist somit nicht der gutgläubige Besitz als Vermögenswert, sondern eben nur der gute Glaube an einen Vermögenswert (Eigentum oder ein Nutzungsrecht), der den Besitzer erst zur Nutzung veranlaßte. Sowohl der Ersitzungsbesitz als auch der im Sinne des § 993 I a.E. BGB gutgläubige Besitz ergeben also nicht die bereicherungsrechtliche Schutzwürdigkeit des bloßen Besitzes.

4. Die Schutzwürdigkeit aufgrund § 1007 BGB

Man hat vereinzelt die Besitzkondiktion des bloßen Besitzers auch aus dem sogenannten petitorischen Besitzanspruch nach § 1007 BGB hergeleitet. 163 160 Rümker, (Das Tatbestandsmerkmal "ohne rechtlichen Grund" im Bereich der Eingriffskondiktion, 1972), S.83 f.; so auch für den Schadensersatzanspruch Medicus, AcP 165, S.115, 121; ders., Bürgerliches Recht Rnr.607; zum selben Ergebnis gelangt aber auch v.Caemmerer, FS Rabel I, S.349 = Ges. Schriften I S.225 Fn.59, indem er die Eingriffskondiktion auch dem durch § 1007 BGB geschützten Besitzer zuspricht, so daß Rümker keinen Anlaß hat, sich gegen ihn auszusprechen. 161 Der Besitz ist u.E. mehr als ein bloßer Zustand, dessen Subsumtion unter den Rechtswidrigkeitsbegriff Zweifel aufwirft. Die Rechtswidrigkeit besteht daher auch nicht in dem Unterlassen der Herausgabe, sondem in der aktuellen, zu dem Eigentum im Widerspruch stehenden Ausübung des (Eigen-) Besitzwillens oder der tatsächlichen Sachherrschaft. 162 Zutreffend Kurz, (Fn.7), S.60. 163

S.39 f.

v.Caemmerer, FS Rabel I, S.349 = Ges. Schriften I S.225 Fn.59; Wilburg, (Fn.3),

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C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

Abgesehen davon, daß der Tatbestand des § 1007 BGB bereits Beschränkungen sowohl hinsichtlich der Aktiv- als auch der Passivlegitimation enthält, ist es dogmatisch fragwürdig, daran auch den bereicherungsrechtlichen Schutz des Besitzes anzuknüpfen, weil § 1007 BGB selbst einen Anspruch auf die Besitzrestitution gewährt. Wie schon beim Besitzschutz kann auch hier die Kondiktion, wenn sie denn überhaupt praktische Relevanz haben soll, nur zu einer Erweiterung des Rechtsschutzes nach § 1007 BGB führen. Man müßte also darlegen können, daß der Anspruch des § 1007 BGB den mit ihm verfolgten Zweck nicht oder nicht vollständig erreicht. Der Anspruch aus § 1007 BGB ist nicht zuletzt wegen seiner Einordnung unter die Eigentumsvorschriften von der Rechtslehre in sehr unterschiedlicher Weise verstanden worden. l64 Erkennt man § 1007 BGB jedoch, wie St.Weber angenommen hat, entsprechend seiner systematischen Stellung im Gesetz als auf dem Eigentum beruhend l6 S, so kann sich die Frage der rechtlichen Zuordnung der Sache schon wegen des bloßen Besitzes aufgrund § 1007 BGB nicht stellen. Eine Norm, die durch die Anknüpfung an den Besitz das Eigentum schützt, kann nicht die rechtliche Anerkennung des Besitzes ergeben. Sie könnte allenfalls nahelegen, das Eigentum aus den mit ihr verfolgten Zwecken auch bereicherungsrechtlich wirkungsvoller zu schützen. Den Schutz des Besitzes als solchen kann also auch die aus § 1007 BGB hergeleitete Aktivlegitimation nicht ergeben.

5. Das Haftungsinteresse des Besitzers in bezug auf den Eigentümer Es besteht ein Bedürfnis, dem früheren Besitzer, der dem Eigentümer vertraglich oder nach §§ 989, 990 BGB aufgrund des Besitzverlustes zum Schadensersatz verpflichtet ist, einen Anspruch auf die Herausgabe der Sache gegen den aktuellen Besitzer zu geben. Insofern besteht ein rechtliches Interesse des Besitzers, den Besitz zurückzuerhalten, r..unal ein Schaden des Eigentümers

164

Zu den verschiedenen Deutungen s. Weber, (Fn.154), S.30 ff.

Weber, (Fn.154), S.60 ff.; ihm folgend WestermanniPinger, Sachenrecht I, S.239 ff.; im wesentlichen auch Wilhelm, SaR, S.21O ff, Rn.344 ff., der allerdings auch den Ersitzungsbesitz als Schutzgut des § 1007 BGB sieht. Die von Gursky in Staudinger, BGB 13 , § 1007 RnA, geäußerte Kritik an der Ansicht Webers ist nicht berechtigt. Gurskys Ansicht von dem Besitzschutz als Zweck der Vorschrift wird dem differenzierten Tatbestand des § 1007 BGB, dessen Regelung sich nur aus dem Mobiliareigentumsrecht erklären läßt, nicht gerecht. Unzutreffend ist die von Wieling, SaR I, S.627 Fn.12, vorgenommene Einordnung der Ansicht Webers. Zu der von Wieling bevorzugten Ansicht Kochs s. wiederum überzeugend Weber, (Fn.154), S.40 f. 165

11. Der Besitz als Grundlage der Besitzkondiktion

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bereits darin zu sehen ist, daß er gegenüber dem Dritten die Vindikation erheben müßte. l66 Sieht man einmal vom vornherein bösgläubigen Besitzer ab (der ja bereits wissentlich rechtswidrig den Besitz begründet hat), dürfte auch eine Schutzwürdigkeit des früheren Besitzers nicht von der Hand zu weisen sein. 167 Unzutreffend wäre es aber, fiir die Besitzkondiktion auf das Haftungsinteresse des Besitzers abzustellen, denn bei dem Schadensersatzanspruch geht es primär um das Interesse des Eigentümers. 168 Daß das Interesse des Besitzers nicht ausschlaggebend ist, zeigt sich schon daran, daß ihm die Rückforderung einer grundlos hergegebenen Sache auch dann möglich sein muß, wenn er dem Eigentümer - etwa mangels Verschuldens - gar nicht zum Schadensersatz verpflichtet ist. Gibt beispielsweise der Verwahrer die Sache irrtümlich und ohne Verschulden dem falschen Deponenten heraus, so muß ihm die Rückforderung ohne Rücksicht auf seine Haftung gegenüber dem Eigentümer offenstehen. Die Rückforderung dient hier allein dem Interesse des Eigentümers. Daß der Gesichtspunkt der Schadensersatzpflicht fiir die Legitimation der Besitzkondiktion nicht fruchtbar gemacht werden kann, ergibt sich schließlich daraus, daß auch der beklagte Besitzer sich durch die Rückgabe an den früheren Besitzer gegenüber dem Eigentümer nach §§ 990, 989 BGB schadensersatzpflichtig machen kann. Im Hinblick auf das Haftungsinteresse sind dann beide Parteien gleichermaßen schutzwürdig, und es ist nicht einzusehen, dem einen oder anderen den Vorzug zu gewähren, so daß es - allein unter dem Gesichtspunkt des Haftungsinteresses - beim gegenwärtigen Stand belassen werden könnte. Auch aus der eventuellen Schadensersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer oder sonstigen dinglich Berechtigten kann ein durch die Besitzkondiktion schutzwürdiges Interesse nicht hergeleitet werden. Das Bestehen einer Schadensersatzpflicht wird daher auch fiir die Begründetheit der Klage des früheren Besitzers gegen den Besitzer keine Rolle spielen.

166

S. Staudinger/Gursky, BGB 13 , § 989 Rn. 11 m.w.N.

167 Das Haftungsinteresse war im klassischen römischen Recht Voraussetzung der an die vertragliche custodia-Haftung anknüpfenden actio furti des Nichteigentümers, deren Aktivlegitimation die Römer auch auf die condictio furtiva übertragen haben dürften. Die Diebstahls-Haftung des Herausgabepflichtigen bestand auch bei unverschuldetem Diebstahl, s. Schulz, SZ 32, S.26 ff.; diese Differenzierung wird auch deutlich in der Entscheidung ROHG E 22, S.296, 302, wo der Inhaber (Fremdbesitzer) nur aus der vom Eigentümer abgetretenen condictio possessionis vorgehen konnte, für den Fall des furtum aber eine Klagebefugnis aus eigenem Interesse angesprochen ist. 168 S. Schulz, SZ 32, S.27 f.

46

C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

6. Der Besitz als Vermögenswert im wirtschaftlichen Sinne Wir sind bislang von den rechtlichen Wirktmgen des Besitzes ausgegangen und haben einen Vennögenswert im juristischen Sinne verneint. Man könnte nun von den rechtlichen Wirktmgen des Besitzes absehen und allein darauf abstellen, daß der Besitz ein wirtschaftlicher Wert oder Vorteil für den Besitzer sei. Darauf deutet auch die F onnulierung der ersten Kommission hin, die Besitz und Inhabung als "ökonomische Güter" bezeichnete. 169 Der wirtschaftliche Vennögensbegriff ist allerdings für das Bereicherungsrecht nicht der richtige Ausgangspunkt l7O , zwnal es hier gerade auf die rechtliche Zuordnung ankommt. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise kann insbesondere für den Besitz nicht verfangen. Die isolierte Betrachtung des Besitzes als wirtschaftlichen Vennögenswert führt zu einer Trennung von wirtschaftlicher und rechtlicher Sicht, wo diese sich in Wahrheit ergänzen und nur gemeinsam das richtige Bild ergeben. Denn erst die rechtliche Zuordnung ergibt, ob die Sache sich im Vennögen einer Person befindet oder nicht. Bevor diese Zuordnung erfolgt, besteht mit der Sache nur ein wirtschaftlicher Wert. Auch nach der Zuordnung stellt nur die Sache selbst einen wirtschaftlichen Wert dar, nicht etwa das Eigentum oder der Besitz. Beispielsweise ist der Eigentümer eines gesunkenen Schiffes, das nicht auffmdbar oder nur mit Verlust zu bergen ist, um den Wert des Schiffes und der Ladung änner geworden, auch wenn er unverändert deren Eigentümer ist. Das Eigentum stellt für sich genommen keinen wirtschaftlichen Wert dar, die Frage danach ist auch sinnlos. Es reicht die Feststellung, daß das Eigentum die Sache dem Vennögen des Berechtigten zuordnet. Erst aufgrund der Zuordnung stellt sich die Frage, wie der Wert der Sache für den Eigentümer zu bemessen ist, und erst die Antwort hängt von tatsächlichen Begleitumständen ab, zu denen unter anderem auch der Besitz zählt. Auch der Betriebswirt muß die Leistung des Unternehmens einschätzen, was nur möglich ist, indem er Wirtschaftsgüter dem Unternehmen zuordnet und dessen Entwicklung beobachtet. Ohne rechtliche Beurteilung ist ihm die Zuordnung nicht möglich. 17I Auch volkswirtschaftlich ließe sich der Besitz einer Sache nicht einordnen. 172

169 Protokolle der l.Kommission bei JakobslSchubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldrecht rn, S.769. 170 S. Jakobs, ( Eingriffserwerb und Vennögensverschiebung in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 1964), S.164 f. (für die Eingriffskondiktion, zur gleichen Lage bei der Leistungskondiktion s.u. C.rn.1, S.51 ff.; C.rn.3, S.58 ff.). 171 Auch das Steuerrecht, das bekanntlich auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise abstellt (s. § 42 AO), kennt keine Besteuerung des Besitzes als eines Wirtschaftsgutes, sondern nur die Zurechung der Sache als Wirtschaftsgut, s. § 39 AO.

n. Der Besitz als Grundlage der Besitzkondiktion

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Der Besitz ist also auch kein ökonomisches Gut. Ein ökonomisches Gut ist immer höchstens die Sache selbst, der Besitz ist vielmehr nur eine bestimmte Beziehung einer Person zu der Sache. Daß sich wirtschaftlich durch die Trennung von Besitz und Eigentum oder sonstigen dinglichen Rechten keine wertmäßige Vermehrung der Güter über den Sachwert hinaus ergeben kann, bedarf keiner Erklänmg. Eine Zunahme des wirtschaftlichen Wertes beispielsweise durch die Begründung mehrstufigen mittelbaren Besitzes wäre absurd. Es wäre dies aber die Folge der Sicht von dem Besitz als einem gegenüber der Sache selbständigen Gegenstand. 173 Die behauptete Selbständigkeit des Besitzes gegenüber der Sache ist ebenso wie die angenommene Gegenständlichkeit des Besitzes unrichtig. Daß der Besitz des BGB nicht Vermögenswert sein kann, zeigt sich schließlich augenfällig an der Verschiedenartigkeit der Tatbestände, die der tatsächlichen Sachherrschaft zugrunde liegen können. Denn an einen Vermögenswert wäre ohnedies nur zu denken, wenn der Besitzer die Sache zum eigenen Nutzen innehat, also beispielsweise nie bei dem bloßen Verwahrer oder Verwalter, die zum Besitz verpflichtet sind, s. § 868 BGB. Für diese Besitzer ist der Besitz wirtschaftlich betrachtet - kein Vorteil, sondern eine Belastung. Der Besitz ist kein Gegenstand, sondern die bestimmte Beziehung einer Person zu einer Sache, und zwar keine rechtliche, sondern eine tatsächliche. Der Besitz ist daher auch kein Vermögenswert im wirtschaftlichen Sinne. Der Besitz bezieht sich nach dem BGB ausschließlich auf Sachen, deren Zuordnung als Wirtschaftsgüter nur durch die Rechtsordnung erfolgen kann, indem sie einer Person ein subjektives Recht zuerkennt. Daß der bloße Besitz eine solche Zuordnung nicht leisten kann, haben wir oben 174 gesehen.

S. Jakobs, (Fn.170), S.164; Fischer, FS Zitelmann, S.12. Bruns hatte angenommen, der Besitz könne unter Umständen einen größeren Wert haben als die Sache selbst, Besitzklagen, S.193. 174 C.lI.1-5, S.32 ff. 172 173

48

C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

7. Zusammenfassung

Wir gelangen somit zu dem Ergebnis, daß der bloße Besitz Wld dessen rechtsgrwdloser Verlust allein die Besitzkondiktion nicht rechtfertigen können. Der Besitz als solcher bewirkt keine VermögenszuordnWlg zugWlSten des Besitzers. Ein subjektives Vermögensrecht läßt sich aus dem bloßen Besitz Wld den an ihn geknüpften Rechtsfolgen ebensowenig herleiten wie ein rechtliches Interesse. Mit dem Besitz können allerdings rechtliche Interessen von ganz Wlterschiedlicher Art einhergehen. Dem Besitzer kann beispielsweise ein ZurückbehaltWlgsrecht zustehen, er kann die Sache zur ErfiillWlg eines Schadensersatzanspruchs benötigen oder auch obligatorisch zum Besitz berechtigt oder verpflichtet sein. Die diversen Möglichkeiten eines bestehenden rechtlichen Interesses ergeben sich aber nicht aus dem Besitz als solchem, das rechtliche Interesse steht mit dem Besitz nicht im notwendigen Zusammenhang. Eine homogene BegründWlg der Besitzkondiktion aus dem im bloßen Besitz liegenden Interesse ist daher nicht möglich. Zu betonen ist jedoch, daß mit diesem Ergebnis noch nicht über die (Un-) Zulässigkeit des an den bloßen Besitz geknüpften BereicherWlgsanspruchs entschieden ist. Eine generelle Unzulässigkeit der an den Besitz geknüpften Kondiktion ließe sich nur annehmen, wenn diese keinen anderen Zweck als den Besitzschutz haben kann. Erkennt man aber ein vom Besitz zu trennendes Interesse, auf welches das fiir die Besitzkondiktion bestehende Bedürfnis zurückgeht, so ist entgegen der herrschenden Lehre unseres Erachtens also auch die an den bloßen Besitz geknüpfte Eingriffskondiktion nicht generell abzulehnen. ZWlächst bedarf es jedoch der Prüfimg, ob fiir die Eingriffs- Wld die LeistWlgskondiktion hinsichtlich der Aktivlegitimation Wlterschiedliche Maßstäbe gelten, wie es in der bereicherWlgsrechtlichen Literatur zum BGB von der heute h.L. vertreten wird.

ID. Besitzkondiktion und Wandel der bereicberungsrecbtlicben Dogmatik

Wie wir gesehen haben, fand Savigny in den AnwendWlgsflillen der condictio ein gemeinschaftliches prinzip 175 in der "grwdlosen BereicherWlg des Andem aus unsrem Vermögen". ,,Der wahre GrWld der regelmäßigen Kondik-

175

Savigny, System V, S.507, 511 fI.

ill. Besitzkondiktion und Wandel der bereicherungsrechtlichen Dogmatik

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tionen" sei "das Zurückfordern des aus WlSrem Vermögen Ausgegangenen".176 Es ist oben beschrieben worden, daß dieses Prinzip von BTWlS auf den Besitz übertragen worden ist, indem er den Besitz als eigenständigen Vermögensbestandteil betrachtete. Schon in der gemeinrechtlichen Lehre, später auch in den Beratungen der zweiten Kommission, war aber angedeutet, daß die Vermögensverschiebung als generelle Grundlage der Kondiktion in Frage zu stellen ist. Während die Literatur in der ersten Zeit der Geltung des BGB noch an der herkömmlichen Herleitung der Besitzkondiktion, die gewissermaßen mit dem Dogma der Vermögensverschiebung verknüpft war, festhielt 177, zeichnete sich bald eine Abkehr von diesem Prinzip ab. Die Ablehnung der Ausdehnung des Besitzschutzes durch die Besitzkondiktion und der Widerspruch zwischen Besitzkondiktion und § 861 BGB veranlaßte die Lehre zum BGB zur Kritik an der Besitzkondiktion. Die Kritik beschränkte sich allerdings auf die Unterart der Eingriffskondiktion, ja die Besitzkondiktion diente sogar als hervorragendes Beispiel, um die Unterscheidung zwischen Leistungs- und Eingriffskondiktion zu veranschaulichen. Die heutige dogmatische Differenzierung zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktion beruht auf den Arbeiten Leonhards und Wilburgs. Leonhard wandte sich gegen den einheitlichen Bereicherungstatbestand, der ein zwar lockendes, aber unerreichbares Ziel sei. 178 Statt dessen sei zu unterscheiden zwischen Leistungsverschiebung und zufälliger Verschiebung. ,,Etwas" im Sinne von § 812 BGB habe daher fiir die beiden Kondiktionsarten eine unterschiedliche Bedeutung. Für die Leistungskondiktion genüge, daß eine Parteibestimmung vorliege, die ihr Ziel verfehle. In den übrigen Fällen müsse indessen eine Veränderung der Rechtslage, eine Rechtsverschiebung eingetreten sein. 179 Bezeichnenderweise dient Leonhard als deutlichstes Beispiel des Gegensatzes die Verschiebung des bloßen Besitzes. 180 Gegen die allgemeine Zulassung des Anspruchs bei Besitzverlust müßten die schwersten Bedenken erhoben werden, wenn jeder, der den Besitz zugunsten eines anderen eingebüßt habe, gegen diesen klagen könne. Dadurch würde die ganze Grundlage WlSeres Sachenrechts (insbesondere im Vergleich zu §§ 858 ff., 1007 BGB ) völlig überholt und zerstört. "Geradezu ungeheuerlich" sei dies fiir den Anspruch, den ein Dieb ,,noch aus dem Zuchthaus heraus" auf die gestohlenen Sachen erhöbe.

Savigny, System V, S.567. 177 S. nur v.Mayr, Bereicherungsanspruch, S.1l5, 128 ff., der vorwiegend die Brunssche Theorie wiedergibt, ihm wiederum folgend Plessen, Die Grundlagen der modemen condictio, Leipzig 1904. 178 Leonhard, Schuldrecht n, S.452. 179 Leonhard, Schuldrecht n, S.454. 180 Dies und das folgende bei Leonhard, Schuldrecht n, S.455 f. 176

4 K1inldwnmer

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C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

Die Darstelhmg Leonhards ist der Ausgangspunkt der modemen Trennung des Bereicherungstatbestandes zwischen Leistungs- und Eingriffskondiktion. In Anknüpfimg an Leonhard lehnte Wilburg, der mit dem von ihm etablierten Begriff des ,,zuweisungsgehaltes" fiir die heute herrschende Meinung von der Grundlage der Eingriffskondiktion maßgeblich geworden ist, die auf den Besitz gerichtete Eingriffskondiktion gänzlich ab. 181 Nach der Ansicht Wilburgs ist der Anspruch wegen Bereicherung ohne Leistung "organisch" aus dem Eigentum zu entwickeln. 182 Das Eigentum sei nicht nur die durch die rei vindicatio und aclio negatoria geschützte dingliche Herrschaft. Weil der wirtschaftliche Zweck des Eigentums über diese Klagen hinausgehe, erzeuge es aufgrund seines Zuweisungsgehaltes auch den Bereicherungsanspruch gegen den, dem der Nutzen der Sache zugefallen iSt. 183 Der Bereicherungsanspruch stehe somit im Dienste des Eigentums l84 und sei nichts anderes als die Fortbildung des Eigentumsschutzes. 185 In gleicher Weise wie aus dem Eigentum könne die Bereicherungsklage auch aus anderen ,,Rechten und Rechtssätzen der Güterwelt" hervorgehen l86, wie etwa den Aneignungsrechten und dinglichen Rechten an fremden Sachen. 187 Zur Erzeugung des Bereicherungsanspruchs ungeeignet sei aber "das Recht des Besitzes".188 Der Besitzschutz verfolge nicht wie das Eigentum den Zweck, über die Zuweisung der Güter zu entscheiden, weil er nur polizeilichen Charakter habe. Das Besitzrecht sei nicht dazu bestimmt, dem unrechtmäßigen oder sogar unredlichen Besitzer den Genuß der Sache zuzusprechen und durch endgültige Sanktion zu sichern. 189 Die Lehre Wilburgs ist fiir die Eingriffskondiktion die herrschende geworden. l90 Auch der Ausschluß der Besitz-Eingriffskondiktion hat Anklang gefim-

181 Wilburg, (Fn.3), S.37 ff., 50; so neben Leonhard, Schuldrecht II, S.455, auch schon Siber, Schuldrecht, S.419. 182 Wilburg, (Fn.3), S.28 ff. 183 Wilburg, (Fn.3), S.28. 184 Wilburg, (Fn.3), S.30. 185

Wilburg, (Fn.3), S.35.

186 S.35. 187 S.36. 188 Gemeint sind hier die an den -bloßen- Besitz geknüpften Rechtsfolgen, nicht das Recht zum oder auf den Besitz. 189 S.37. 190

v.Caemmerer, FS Rabel I, S.353 = Ges. Schriften I S.229.

m. Besitzkondiktion und Wandel der bereicherungsrechtlichen Dogmatik

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den. Es läßt sich sogar feststellen, daß die auf den bloßen Besitz gestützte Eingriffskondiktion von der Lehre inzwischen überwiegend abgelehnt wird. \9\ Nach Trennung der beiden Haupttatbestände sieht man sich heute in der Lage, die an den bloßen Besitz geknüpfte Eingriffskondiktion auszuschließen, während die Leistungskondiktion unbedenklich zugelassen wird. Die Unterscheidung ist aber für die Besitzkondiktion nicht haltbar, denn die zweifellos vorhandenen Unterschiede zwischen Leistungsbereicherung und Bereicherung in sonstiger Weise rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Aktivlegitimation nicht.

1. Die fehlende Berechtigung der Unterscheidung zwischen Besitz-Leistungskondiktion und Besitz-Eingriffskondiktion

Bei der Ausschließlichkeit der Kritik an der Besitz-Eingriffskondiktion wird verkannt, daß auch die Leistungskondiktion, jedenfalls wenn man sie aus dem Interesse des bloßen Besitzers ableitet, im Ergebnis nur dem Besitzschutz dienen kann. Im Unterschied zu §§ 861, 1007 BGB, die sich im wesentlichen auf den unfreiwilligen Besitzverlust beziehen, geht es hier nur um eine andere Art und Weise des Besitzverlustes, und zwar durch irrtümliche oder (rechts-) unbeständige Verfügung. Da mit anderen Worten ein Unterschied nur in dem die Kondiktion auslösenden Vorgang besteht, die Stellung des Besitzers aber in allen Fällen gleich ist, liegt unseres Erachtens kein Grund vor, hinsichtlich der Aktivlegitimation die Leistungskondiktion anders zu behandeln als die Eingriffskondiktion. Konsequenterweise hätte Leonhard beispielsweise dem bösgläubigen Besitzer auch die Leistungskondiktion absprechen müssen. 192 Auch bei Wilburg 191 Larenz/Canaris SchR BT 13 S.174; BaurlStürner, Sachenrecht l6 , § 9 V 2, S.81; Wieling, SaR I, S.21O; Soergel/Mühl, § 812, Rn.140, 252; PalandtiThomas, BGB, § 812 Anm.4b aa; PalandtiBassenge, § 861, Anm.7a; a.A. offenbar Staudinger/Lorenz, BGB 12, § 812 Rn.72; .\,füller, SaR3, S.66 Rn. 182 (ohne Begründung); wie Wilburg im Ergebnis schon Siber, Schuldrecht, S.419; Leonhard, Schuldrecht n, S.455; Wilburg folgend Rabel, RabelsZ 10 (1936), S.427; v.Caemmerer, FS Rabel I, S.349 = Ges. Schriften I S.225 Fn.59; auch die Kritiker der Lehre Wilburgs lehnen die auf den Besitz gerichtete Eingriffskondiktion ab, vgl. Jakobs, S.168; anders Rümker, S.83 f., der den gutgläubigen Besitz des Klägers für ausreichend hält; für einen Ausschluß der Besitzkondiktion bei Konkurrenz mit dem Besitzschutzanspruch auch Fischer, FS Zitelmann, S.21 f.; zum obligatorischen Besitzrecht als Grundlage der Eingriffskondiktion s.u. C.IV. 192 Dies hätte allerdings nicht mehr seiner Zielsetzung entsprochen. Denn ihm ging es gerade darum, die Unterschiedlichkeit der Kondiktionstypen zu beweisen, wofür er sogar in Kauf nahm, den von den Gesetzesverfassern (auch und gerade fiir die Besitz-

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C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

erscheint überraschend, daß er - um seiner Fonnulienmg zu folgen - die Rechtsordnung durch die Zulassung der Besitzkondiktion eines bösgläubigen Besitzers nicht in Verlegenheit bringen Will 193 , eine entsprechende Überlegung fiir die Leistungskondiktion aber erst gar nicht anstellt. 194 Der Eingriffskondiktion als einer Rechtsfortwirkung stellt Wilburg die Leistungskondiktion gegenüber, die statt dessen eine Art rechtsgeschäftlicher Anfechtung sei. Auch wenn die Leistung meist in der Hingabe von Rechtsgütern bestehe, erfasse die Idee der Rechtsfortwirkung den Bereich der Leistung nicht. 195 Es gebe auch Leistungen, in denen nicht ein gegen jedennann wirksames Rechtsgut, sondern nur eine tatsächlich günstige Lage geopfert werde. 196 Der Leistungsrückgabeanspruch knüpfe nicht an ein Recht des Verkürzten an und aus diesem Grunde sei auch die Kondiktion irrtümlich übertragenen Besitzes unbedenklich zuzulassen, die sich allein auf das anfechtbare Leistungsgeschäft stütze. 197

kondiktion) sicherlich einheitlich verstandenen Begriff des "etwas" unterschiedlich, nämlich einerseits als ,jede Art von Bereicherung", andererseits als Rechtserwerb auszulegen (Schuldrecht 11 S.454). 193 S.38. 194 Sie wird letztlich wie bei Leonhard darin begründet liegen, daß Wilburg gerade die Verschiedenartigkeit der Ansprüche herausstellen will. Konsequent hier Lent, Gesetzeskonkurrenz I, S.343 f., der den Ausschluß des § 1007 BGB für den bösgläubigen Besitzer beweglicher Sachen auch für die Leistungskondiktion wirksam hält. 195 Ehrenzweig (System des österreichischen allgemeinen Privatrechts, 2.Band, l.Hälfte, Das Recht der Schuldverhältnisse, 1928) meinte als erster (für das österreichische Recht), die Kondiktionen beruhten nicht auf der Bereicherung, sondern auf der Grundlosigkeit der Leistung. Ihre Aufgabe sei es nicht, dem Empfänger die Bereicherung wieder abzunehmen, sondern die Leistung rückgängig zu machen und den vorigen Stand wieder herzustellen. Sie stünden daher der Vindikation näher als der Verwendungsklage. Sie seien auch zulässig in Fällen, wenn es von Anfang an nicht zu einer Bereicherung des Empfängers gekommen sei. Die Ansehung des Besitzes als Vermögensbestandteil bezeichnete Ehrenzweig die Lösung der selbstgeschaffenen Schwierigkeit der Bereicherungslehre (=die Lehre, die die Bereicherung als Grundlage der Kondiktion ansieht; S.734). ,,Der Leistende kann sich den Beweis seines Eigentums hier ebenso ersparen, wie wenn er die eigene Sache aufgrund eines Verwahrungsvertrages, eines Mietvertrages usw. zurückverlangt." (S.734); dagegen v.Lübtow, Beiträge, S.26, der auch in der Leistungskondiktion einen Rechtsfortwirkungsanspruch sieht, worauf Wilburg auch später (AcP 63, S.347, 349) die Rechtsfortwirkung als ,,Hauptkraft" bezeichnete, die in der Regel mit dem Schutz gegen fehlgeschlagene Leistung zusammentreffe. 196

Wilburg, (Fn.3), S.49.

197

Wilburg, (Fn.3), S.50 f.

III. Besitzkondiktion und Wandel der bereicherungsrechtlichen Dogmatik

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Wir wollen hier dahingestellt sein lassen, ob mit der von Wilburg verworfenen Systematik Savignysl98 die verschiedenen Bereichenmgstatbestände hinlänglich umschrieben sind. Wir meinen aber, daß die allein aus dem im Besitz liegenden Interesse legitimierte Besitzkondiktion weiterhin am in dem Kriterium der Vennögensverschiebung enthaltenen Gedanken der Rechtsfortwirkung (=des Rechtsschutzes)199 gemessen werden muß. Die Einordnung des Besitzes als Vennögensbestandteil bildete ja fiir die gemeinrechtliche Lehre und die erste Kommission - wie wir gesehen haben - sogar den ausschlaggebenden Gnmd fiir die Einbeziehung in den Kondiktionstatbestand. 2°O Es war also die aufgnmd der angenommenen Vennögensqualität des Besitzes fiir notwendig gehaltene ,,Besitzfortwirkung", die zur Ausdehnung der Kondiktion auf den bloßen Besitz fiihrte, und darin liegt zweifellos ein der Leistungskondiktion und der Eingriffskondiktion gemeinsames Charakteristikum. Wir wenden uns hier gegen den möglichen Einwand, daß die Suche nach einem hinter der Leistungskondiktion stehenden Prinzip sinnlos sei, weil die Leistungskondiktion bereits mit der Parteibestimmung, die ihr Ziel verfehlt, hinreichend begründet sei. 201 Denn die irrige Parteibestimmung (im Sinne Leonhards) ist nicht einzige Voraussetzung des Bereichenmgsanspruchs. Sie umfaßt mit der Rechtsgnmdlosigkeit nur einen Teilbereich seines Tatbestandes. Die Leistungskondiktion erfordert ebenso wie die Eingriffskondiktion, daß "etwas" erlangt worden ist. Wenn man die Leistung gemeinhin als bewußte und zweckgerichtete Vennögensmehrung definiert, kommt als erlangtes ,,Etwas" auch nur ein Vennögenswert oder -vorteil in Betracht.

198 Wilburg kritisierte die Orientierung der Eingriffskondiktion an der Leistungskondiktion, behielt dann aber für die Eingriffskondiktion die Theorie Savignys aufrecht, während er in der auf den Besitz gerichteten Leistungskondiktion "eine Art rechtsgeschäftlicher Anfechtung" sah. Er verkennt den bereits von Savigny verwandten Gesichtspunkt der Rechtsverletzung, vgl. Wilhelm S.21 ff. 199 Die gemeinrechtliche Lehre sprach hier von einem Ersatz der rei vindicatio durch die condictio. 200 Wilburgs (Fn.3, S.50 Fn.277) Meinung, die l.Kommission habe, wie der Wortlaut des Entwurfs selbst zeige, vorwiegend überhaupt an die Leistungskondiktion gedacht, ist unrichtig, denn beide Besitzkondiktionen wurden im Entwurf I ausdrücklich gleichermaßen anerkannt (§§ 737 III, § 748 III E I). In den Beratungen der Kommission war es - wie schon im TE Schuldrecht (s. Fn.85) - überhaupt keine Frage, daß jede Art des Besitzwechsels erfaßt werden sollte. 201 In diesem Sinne Leonhard, (Fn.2), S.454; ähnlich Flume, FS Niedermeyer, S.136 f.; Jakobs, (Fn.170), S.155; s. auch Ehrenzweig, s.Fn.195.

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c. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

Man könnte Olm allerdings, wie es von einer wachsenden Anzahl von Autoren202 vertreten wird, von der Vennögensqualität des Erlangten absehen, und es wird in der Tat in vielen Fällen unmaßgeblich sein, ob das, was der Empfanger bekommen hat, Vennögenswert hat oder nicht, wenn feststeht, daß er keinen Rechtsgrund für sein Haben anführen kann. Die Frage nach der Vennögensqualität ist aber gerade bei der von uns zu behandelnden Besitzkondiktion dennoch sinnvoll, wenn man beachtet, daß das Erlangte nicht nur den Gegenstand des Herausgabeanspruchs bildet, sondern zugleich und insbesondere auch das den Bereicherungsanspruch begründende Schutzgut auf seiten des Anspruchstellers. Bei der Frage nach dem Zweck des Anspruchs hat sich das Augenmerk also nicht auf die Qualität des herauszugebenden Gegenstandes zu richten, sondern darauf, von wem und aufgrund welcher Rechtsposition der den Anspruch auslösende Vorgang ausgegangen ist. Seine Qualifizierung als Bereicherungsanspruch beinhaltet damit zugleich den im Vennögensschutz bestehenden Zweck des Anspruchs und solange dieser erhalten bleiben soll, wird man auch für das geltende Bereicherungsrecht nicht von der Vennögensqualität der Leistung oder - in den Fällen der Vennögensverschiebung - des Leistungsgegenstandes absehen können. Ein gänzliches Absehen von der Charakterisierung als Bereicherungsanspruch wird von der wohl h.M. im Einklang mit den Vorstellungen der Verfasser des BGB zu Recht abgelehnt. Denn durch eine derartige Zweckentfremdung würde der Anspruch für eine nicht überschaubare Anzahl von Fällen eröfInef03, die wegen ihrer Verschiedenartigkeit endlich zu der allgemein befürchteten Uferlosigkeit des Anspruchs führen würden. Eine Abkehr vom Bereicherungsgedanken ist schon aus diesem Grund - abgesehen von dem nicht nachgewiesenen Bedürfnis - auch de lege ferenda nicht empfehlenswert.

Will man also die Besitzkondiktion allein aus dem mit dem bloßen Besitz verbundenen Interesse begründen, kann man auch die Frage der Vennögensqualität des Besitzes hinsichtlich der Legitimation des Anspruchs nicht einfach für bedeutungslos erklären. Auch für die Leistungskondiktion rechtfertigt somit, wenn es um eine Vennögensverschiebung geht, nicht allein die irrige Parteibestimmung die Rückforderung, sondern nur die irrige Parteibestimmung über einen zum Vennögen des Klägers gehörenden Gegenstand, und jedenfalls im 202 S. beispielsweise LarenzlCanaris SchR BT I3 , S.255; Erman/HP. Westermann, § 812 Rn.6; KoppensteinerlKramer 1, S.28; MÜDchKonun! Lieb, BGB2, § 812, Rn.287

m.w.N.

203 Kellmann, NJW 71, S.864, denkt beispielsweise an die Kondiktion privater Briefe. Man sieht, daß hier mit der Aufgabe des Vermögensbezuges gleichzeitig auch die Leistung in keiner Beziehung mehr zu einem Rechtsverhältnis steht. Ein weiteres Beispiel ist die vom BGH, NJW 52, S.417, (u. E. zu Recht) abgelehnte Kondiktion einer Ehrenerklärung; dem zustimmend RGRK-Heimann-Trosien, § 812 Rn.l; LarenzJCanaris SchR BT I3 , S.255 Fn.2 hält die Ansicht des BGH für ,,heute wohl überholt", wofür er allerdings keinen Beleg anführt.

m. Besitzkondiktion und Wandel der bereicherungsrechtlichen Dogmatik

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Bereich der Vennögensverschiebung unterliegt die Aktivlegitimation der Leistungskondiktion damit keinen geringeren Anforderungen als bei der Eingriffskondiktion. Das Problem der Erfassung der Bereicherungstatbestände liegt hinsichtlich der Aktivlegitimation nur in dem erforderlichen Vennögenskontakt. Diese Voraussetzung ist aber in den Fällen der Vennögensverschiebung unproblematisch. Die beiden Varianten des grundlosen Besitzwechsels unterscheiden sich in der Tat nur in der Art und Weise des Besitzwechsels. In beiden Fällen ist der Vorteil des Erwerbers mit einem entsprechenden Nachteil des früheren Besitzers verbunden, und es kann hier unseres Erachtens keinen Unterschied machen, ob der Besitz rechtswidrig entzogen, zufällig verloren oder aufgrund eines Irrtwns übertragen wurde. 204 Daß auch die Leistungskondiktion keine bloße Rückabwicklungsautomatik darstellt, zeigt sich schließlich daran, daß sie dem früheren Besitzer über § 818 BGB auch Ansprüche aufNutzungsherausgabe und - jedenfalls nach den Vorstellungen der Gesetzesverfasser - auf Wertersatz gewährt, die sicherlich ebenfalls - um mit Wilburg zu reden - bestimmt sind, den Genuß der Sache zuzusprechen und durch endgültige Sanktion zu sichern. Ein Unterschied zwischen Besitz-Leistungskondiktion und Besitz-Eingriffskondiktion besteht daher u.E. allenfalls in der Feststellung der Rechtsgrundlosigkeit, für die Aktivlegitimation läßt er sich dagegen nicht begründen.

2. Die Besitzleistung im Vergleich zu den Leistungen ohne unmittelbare Vermögensverschiebung Haben wir oben bereits die Richtigkeit der Unterscheidung in der Aktivlegitimation für Eingriffskondiktion und Leistungskondiktion in Zweifel gezogen, so wird dies unterstützt, wenn man die Besitz- ,,Leistung" mit anderen, zweifels frei die Kondiktion begründenen Leistungen vergleicht. Während nämlich die Leistungskondiktion in vielen Fällen bereits mit der grundlosen Leistung hinreichend umschrieben ist, scheint uns dies für die Besitzkondiktion nicht der Fall zu sein. Die nicht mit einer Vennögensverschiebung verbundenen Bereicherungstatbestände erweisen sich als mit der Besitzkondiktion nicht vergleichbar. U.a. v.Caemmerer05 hat die Vennögensverschiebung als Grundlage der Leistungskondiktion abgelehnt, um damit auch die Fälle der mittelbaren Lei204 So auch Kurz, (Fn.7), S.16; ähnlich Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, S.97 f., 106 f.; NJW 71, S.863. 205 FS Rabel I S.333 ff., S.348 f. = Ges. Schriften I S.224, der damit einer These Ehrenzweigs, (Fn.195), § 416, S.732 f. folgt.

C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

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sttmg Wld der VerfiigWlg eines Nichtberechtigten erklären zu können, Wld hat die Besitzkondiktion hiennit in eine Reihe gestellt. Die Fälle zeigten, daß die Leisttmgskondiktion nicht auf verlorengegangenem Recht, sondern allein darauf beruhe, daß grWldlos geleistet sei. Wir können hier auch noch die Fälle der nichtgegenständlichen Leisttmg (Dienstleisttmgen etc.) einordnen, bei denen sich ebenfalls eine BegründWlg mit einer VermögensverschiebWlg oder Rechtsfortwirkung nicht geben läßt. 206 Wir halten die aufgezählten Fälle fiir derart verschieden, daß sie eine analoge BegründWlg auch der Besitzkondiktion nicht rechtfertigen können. U.E. läßt sich die Besitzkondiktion nicht Wlter Berufwlg auf die genannten Fälle Wld die daraus hergeleitete Untauglichkeit des Rechtsfortwirkungsgedankens legitimieren. Eine Überprüfimg wird ergeben, daß fiir die genannten Fälle jeweils besondere Gründe bestehen, die die RückforderWlg des Leistenden rechtfertigen Wld einen Vergleich mit der Besitzkondiktion nicht zulassen. Richtig ist, daß in den Fällen der mittelbaren Leisttmg eine Wlmittelbare VermögensverschiebWlg nicht stattfindet. Zu einer Abkehr von dem Rechtsfortwirkungsgedanken (oder dem Gedanken des Vermögensschutzes ) zwingt dies indessen nicht. Für die mittelbare Leisttmg geben wir die Kondiktion nur dem Leistenden Wld nicht dem ursprünglichen Eigentümer, weil dieser die Leisttmg ja veranlaßt hat Wld seinerseits nur an seinen Vertragspartner leisten wollte. Wenn aber der Eigentümer damit einverstanden ist, behandeln wir auch den zweiten Leistenden so, als wäre er als Zwischenperson Eigentümer geworden. 207 Es liegt eben nur eine Abkürzung der Leisttmg vor, aufgrWld deren aber keine andere BewertWlg als im Fall der ZuwendWlg an den jeweiligen Vertragspartner stattfinden soll.208 Daher richtet sich beispielsweise im Fall des Doppelmangels der BereicherWlgsanspruch des ursprünglichen Eigentümers gegen seinen Vertragspartner nicht auf die Kondiktion, sondern auf das Eigentum oder den Sachwert. Das wird auch deutlich, wenn der zweite Leistende etwa - wie in einem Fall des Reichsgerichts 209 - wegen Geschäftsunfähigkeit nicht hätte Eigentümer werden können, denn dann steht dem früheren Eigentümer der direkte Anspruch gegen den zweiten Erwerber zu. Beim Erwerb vom Nichtberechtigten war der Eigentümer entweder ebenfalls mit der VeräußerWlg einverstanden, § 185 BGB, oder das Gesetz schränkt aus Gründen des Verkehrs- Wld Vertrauensschutzes das Eigentum ein, indem es nach §§ 932 ff., 892 BGB, § 366 HGB etc. einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten zuläßt. Man kann aber nicht die Kondiktion des Nichtbe-

206

Dazu Jakobs, (Fn.170), S.156 fI.

207 Er kann allerdings durch Geheißerwerb wirklich Eigentümer geworden sein. 208

Savigny, System IV, S.50.

209 RGZ 86, S.343, 349; dazu Lorenz, AcP 168, S.286 fI., 303.

III. Besitzkondiktion und Wandel der bereicherungsrechtlichen Dogmatik

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rechtigten allein damit legitimieren, daß er geleistet habe, wenn der Erwerb allein zwn Schutz des Gutgläubigen zugelassen wird. Daraus folgt noch nicht die rechtliche Anerkennung auch der Rückforderung des Nichtberechtigten. Der Ausschluß der hier ebensogut denkbaren Kondiktion des Eigentümers erfolgt nicht im Interesse des Veräußerers, sondern des Erwerbers. Daraus rechtfertigt sich die Klage des Nichtberechtigten auf die Rückübereignung nicht. Auch im Fall des Erwerbs vom Nichtberechtigten liegt also allein im Leistungsakt nicht die hinreichende Rechtfertigung der Kondiktion des Nichtberechtigten. Weil auch die h.L. dies so sieht, soll der Nichtberechtigte mit der Kondiktion nicht das Eigentum an der Sache erhalten, sondern das Eigentum automatisch an den früheren Eigentümer zuruckfallen21O , obwohl der Eigentumserwerb doch kausal auf dem Leistungsakt des Nichtberechtigten beruht. Man nimmt den automatischen Rückfall des Eigentums an den früheren Eigentümer an, weil der Nichtberechtigte nicht mehr Rechte erhalten soll, als er vor der Leistung hatte. Diese Begründung zeigt, daß auf die Rechtsposition des Leistenden vor der Leistung abgestellt werden muß und eine Erklärung der Leistungskondiktion allein mit dem fehlgeschlagenen Leistungsakt eben nicht möglich ist. Ebenso verfährt man bei der Besitzkondiktion, wenn man - wie teilweise befürwortet wird - dem unberechtigten Besitzer den Wertersatz gemäß § 818 11 BGB versagfll oder den Nutzungsanspruch nur dem gutgläubigen Besitzer zugesteht, obwohl auch das Erlangen des Sachwerts und der Nutzungen zweifellos auf dem fehlgeschlagenen Leistungsakt beruhen. Wenn der Erwerb des Eigentums oder sonstigen Rechts scheitert, können die Gutglaubensvorschriften die Rückforderung des Nichtberechtigten nicht begründen, denn sie dienen nicht dem Schutz des Leistenden. Bei der ,,Leistung" durch den nichtberechtigten (bloßen) Besitzer ist der Eigentümer nicht - wie im Fall des § 185 BGB oder der mittelbaren Leistung - mit der Besitzübertragung einverstanden und auch Gründe des Verkehrs- oder Vertrauensschutzes erfordern nicht die Beständigkeit des Besitzerwerbs. Der gutgläubige Erwerb des Besitzes oder des obligatorischen Besitzrechts ist nach geltendem Recht nicht möglich. Auch beim von v.Caemmerer nicht berücksichtigten facere, also der nicht gegenständlichen Leistung, ergibt die Vermögensverschiebung nicht die Grundlage der Kondiktion. Hier erfolgt zwar die Vermögensmehrung nicht aus dem Vermögen des Leistenden. Aber auch wenn man in der Arbeitskraft ein ökonomisches Gut sieht. so ist durch die Arbeitsleistung jedenfalls nur das Vermögen des Leistenden betroffen. Anders als bei der Besitzübertragung ist eine Beeinträchtigung des Drittrechts regelmäßig ausgeschlossen. Uns geht es darum, die Unvergleichbarkeit der Besitzübertragung mit den übrigen Fallgruppen der Leistung herauszustellen, denn eine analoge Rechtfer-

210 211

Zum Meinungsstand s. Wieling, Sachenrecht I, S.397 f. So auch v.Caemmerer, GS I S.226.

C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

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tigung könnte allenfalls die Richtung des Anspruchs verdWlkeln. Diese besteht eben nicht in dem Schutz gegen eigene Fehlentscheidungen, sondern kann stellt man allein auf den bloßen Besitz des Klägers ab - nur in dem Schutz des Besitzers gegen irrtümlichen Besitzverlust liegen.

3. Die Besitzleistung im Vergleich mit der Leistung von tatsächlichen Vermögenswerten Auch mit den Fällen der Verschaffung rein tatsächlicher Vermögenswerte ist die Besitzübertragung nicht vergleichbar. Überläßt etwa ein Kaufmann seinem Nachfolger oder Mitbewerber entgeltlich seinen Kundenstamm, so ist eine Rückforderung gerechtfertigt, auch wenn der Kundenstamm dem Leistenden nicht rechtlich zugeordnet war. Gegenüber dem Besitz besteht indessen die Besonderheit, daß für erworbene Kundenbeziehungen oder auch den sogenannten "Goodwill" die Möglichkeit rechtlicher Zuordnung nicht existiert, wenngleich darin wirtschaftliche Werte liegen. Will die Rechtsordnung solche rein wirtschaftlichen Vermögenswerte dem Rechtsverkehr zugänglich machen, so muß sie auch für Rückabwicklung und Vermögensausgleich bei fehlgeschlagenen Leistungen Sorge tragen. Der Unterschied des Besitzes zu den sonstigen tatsächlichen Vorteilen besteht darin, daß es sich bei diesen um solche tatsächlichen Positionen oder gesicherte Aussichten handelt, die eine Person rechtmäßig für eigene Zwecke nutzen und zur Vermehrung ihres Vermögens einsetzen kann, ohne daß die Möglichkeit einer rechtlichen Zuordnung besteht. Bei dem Besitz liegt es hingegen anders. Der wirtschaftliche Vermögenswert liegt hier in der Sache, es besteht die Möglichkeit rechtlicher Zuordnung, und der Besitz ist ohne sie eine rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung. 212 Ein Geschäft, das auf die reine Besitzübertragung ohne Verschaffung oder Einräumung auch des Besitzrechts gerichtet ist, wäre auch sinnlos. Der bloße Besitz kommt als Gegenstand eines schuldrechtlichen Geschäfts nicht in Betracht, und die Besitzverschaffung ist daher auch zu Recht als Leistung im Sinne von §§ 241, 812 BGB in Zweifel gezogen worden. 213 Wenn man bei der Leistungskondiktion von dem Recht der Güterbewegung redet, so kann der Besitz nicht als (Wirtschafts-) Gut in diesem Sinne angesehen werden.

212

S.O. Fn.161.

2\3 Henckel, AcP 174, S.129 (fragwürdig erscheint allerdings die Folgerung Henckels, daß der Besitzer, der irrig dem nur vermeintlichen Eigentümer die Sache herausgibt, nicht die Herausgabe verlangen könne), unter Bezugnahme auf Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, (1972), S.158, s. dazu unten C.illA, S. 59 ff.; anders lag es im römischen Recht, wo der Ersitzungsbesitz (bonae fidei possessio) Gegenstand einer Obligation sein konnte.

III. Besitzkondiktion und Wandel der bereicherungsrechtlichen Dogmatik

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4. Die Besonderheit der bloßen Besitzübertragung gegenüber anderen Leistungen

Die Besonderheit der Besitzübertragung des bloßen (=unberechtigten) Besitzers als Leistung liegt darin, daß sie notwendigerweise eigentwnswidrig, also rechtswidrig ist. Neben den Interessen der Vertragsparteien sind hier notwendigerweise die Belange eines dritten Eigentümers betroffen. Die Befugnis zur Besitzübertragung steht, soweit er nicht anderweitig darüber verfügt hat, nur dem Eigentümer zu. Findet die Besitzübertragung ohne Ermächtigung des Eigentümers statt, ist sie eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Eigentwns. Zwar ist auch die Verfügung des Nichtberechtigten ebenfalls eigentwnswidrig. In diesen Fällen bestimmt das Gesetz aber in § 816 I BGB positiv, daß der Erwerb gegenüber dem früheren Eigentümer Bestand haben soll, wenn er nicht unentgeltlich war. Die Zulassung der Leistungskondiktion des Nichtberechtigten, der den Erlös aus der Veräußerung ja an den beeinträchtigten Eigentümer herausgeben muß, ist nur die notwendige Folge dieser Regelung. Vom Bereicherten aus betrachtet, der nicht besser stehen darf als beim rechtsgrundlosen Erwerb vom Berechtigten, kann die Kondiktion eben immer nur einer Person zustehen, dem Leistenden oder dem Beeinträchtigten. Das BGB entscheidet in § 816 I, daß der redliche Erwerber nicht der Kondiktion des früheren Eigentümers ausgesetzt sein soll, wenn er selbst ein Opfer für den Erwerb erbracht hat. Im Gegensatz dazu sind an die bloße Besitzübertragung aber nicht wie beim Eigentwnserwerb vom Nichtberechtigten Rechtsfolgen zu Lasten des Eigentümers geknüpft. Das Gesetz enthält - nicht wie in § 816 BGB - einen Vertrauensschutz des Erwerbers und begrenzt damit gleichzeitig das Eigentum des bisherigen Rechtsinhabers. Wo der Leistungsempfanger das Eigentwn oder ein sonstiges Recht an der Sache nicht erwirbt, muß er dem Eigentümer die Sache unmittelbar herausgeben, auch wenn er hierfür ein Vermögensopfer an einen Dritten erbracht hat. Daß die ,,Besitz-Leistung" allein die Kondiktion nicht rechtfertigt, zeigt sich auch bei einem Vergleich mit den Fällen der §§ 951, 812 BGB. Hier steht die Kondiktion dem früheren Eigentümer und nicht dem Leistenden zu, wenn der Eigentümer keine Veranlassung zu dem gesetzlichen Eigentwnserwerb gegeben hat. 214 Die Unterscheidung zwischen Besitz und Eigentum als erlangtem Gegenstand ist nicht tragfähig. Will man dem Eigentümer zum Beispiel die Genehmigung und Erlösabschöpfung nach Verfügung des Nichtberechtigten und folgender Verarbeitung der abhanden gekommenen Sache einräumen215 , so kann hier nicht mehr differenziert werden zwischen Besitz- und Eigentwnsverschaffung. Beim alleinigen Abstellen auf den Besitz ist man ohnehin auf die

214 215

BGHZ 55, S.116 ("Jungbullen-Fall"). BGHZ 56, S.131, 133.

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c. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

Kausalität als Merkmal des Bereicherungsanspruchs angewiesen. Die Verarbeitwlg der Sache ist aber sicherlich ebenfalls - wie auch deren Nutzung - unzweifelhaft durch die ,,Besitz-Leistwlg" verursacht worden. Hier zeigt sich wiederum, daß das Gesetz die Leistwlgskondiktion dem Nichtberechtigten nur im Hinblick auf die Interessen des ursprünglich Berechtigten gewährt, dessen Interessen nur mit Rücksicht auf die Interessen des gutgläubigen Erwerbers zurückgestellt werden und ansonsten ausschließlich seiner eigenen Entscheidung unterliegen. Allein aus der grundlosen Leistwlg läßt sich eine Leistwlgskondiktion auch hier nicht legitimieren. Wir räumen ein, daß sich die Leistwlgskondiktion in den meisten Fällen ohne Nachteil an den Leistwlgsakt anknüpfen läßt, daß diese Anknüpfung vielmehr in den Fällen der nichtgegenständlichen Leistwlg ifacere) notwendig ist, meinen aber, daß die auf den Besitz gestützte Leistwlgskondiktion sich dadurch nicht begründen läßt. Ist der Leistende überhaupt nicht in der Lage, dem Empfänger das Besitzrecht zu verschaffen, fehlt ihm also die Verfiigungsbefugnis216, so ist die Besitzverschaffung immer rechtswidrige Beeinträchtigung des Drittvermögens, nämlich des Eigentümervermögens oder eines anderweitig dinglich Berechtigten. Die ,,Besitzleistwlg" ist damit notwendigerweise verbunden mit einer Beeinträchtigung des Drittvermögens. Da die Interessen des Dritten in die Betrachtwlg einzubeziehen sind, fehlt dem Leistwlgsakt alleine Tragfähigkeit zur Begründung der Kondiktion. Die auf eine Sache bezogene Leistwlg erfordert statt dessen regelmäßig eine wirksame Verfiigung. Demzufolge kann die Übertragung des bloßen Besitzes auch nicht als typische Leistwlg im Sinne des § 812 I BGB angesehen werden. Im Wechsel des Besitzes liegt keine Vermögensverschiebung2l7 , sondern nur eine tatsächliche Beeinträchtigung eines Rechtes. Dies gilt fiir den Eingriff in den Besitz wie auch fiir die Besitz-Leistung, die kein Rechtsakt, sondern nur ein tatsächlicher Akt ist. Die Wirkung der condictio possessionis kann demzufolge auch nicht im Vermögensausgleich bestehen, sondern liegt in der Beseitigung einer Vermögens- (Rechts-) beeinträchtigung. Auch wenn es uns nicht darum geht, die Besitzkondiktion wegen ihrer Systemwidrigkeit abzulehnen, so ist doch wichtig,

216 S. auch Rothoeft, AcP 163 (1963), S.229. 217 Savigny, System V, S.627, sah die Besitzübertragung alsfacere. Eine in dem bloßen Besitzwechsel liegende Vennögensverschiebung verneint auch in einer nicht veröffentlichten Entscheidung vom 23.2.59 (Vll ZR 18/58) noch der BGH. Im Fall des BGH hatte der Käufer eines Lagerbestandes, wie zu unterstellen war: ohne Verschulden, andere als die gekauften Sachen abtransportiert und diese teilweise weiterveräußert. Der BGH nimmt einen Bereicherungsanspruch nach § 816 I BGB erst nach Veräußerung der Sachen an. Zuvor habe eine Bereicherung des Besitzers gegenüber dem Eigentümer nicht bestanden, weil jener kein Recht auf die Sachen gehabt habe (S.8). Die Entscheidung beruht auffällig auf der gemeinrechtlichen Dogmatik, nach der die Kondiktion nur ein Ersatz für die verlorene Vindikation war.

IV. Die Besitzkondiktion als Schutzmittel fiir das (obligatorische) Besitzrecht

61

die Ausnahmestellung des Anspruchs festzuhalten und aufgnmd dessen seine sachgerechte Anwendung sicherzustellen. Eine Verwendung des Bereicherungsanspruchs zur Beseitigung einer Rechtsbeeinträchtigung ist auch auf anderem Gebiet nicht neu. Bekannt ist beispielsweise bereits der Anspruch aus § 812 BGB auf eine Freigabeerklärung218 , und auch die Kondiktion der Grundbucheintragung ist hier einzuordnen. Was auf den ersten Blick nicht einsichtig war, hat sich auch bei einem Vergleich der Besitzkondiktion zu den Fällen ohne unmittelbare Rechtsverschiebung bestätigt: Hinsichtlich der Legitimation der an den bloßen Besitz geknüpften Kondiktion besteht kein Unterschied zwischen Leistungskondiktion und EingritIskondiktion. Auch die Besitz-Leistungskondiktion ist aus dem allein im Besitz und dessen gnmdloser Hergabe liegenden Interesse des Klägers nicht zu rechtfertigen. Eine unterschiedliche Behandlung lag daher auch den Gesetzesverfassern fern und hat auch in die Rechtsprechung keinen Eingang gefimden. Die zur Besitzkondiktion des BGB ergangenen Entscheidungen betretIen sogar überwiegend Fälle der EingritIskondiktion. 219

IV. Die Besitzkondiktion als Schutzmittel für das (obligatorische) Besitzrecht Nun könnte man die Funktion der Besitzkondiktion aus heutiger Sicht im Schutz des Besitzrechts sehen, was - zumal fiir das Eigentum und die zum Besitz berechtigenden beschränkt dinglichen Rechte bereits mit § 985 BGB sowie §§ 1065, 1227 BGB gesetzliche Herausgabeansprüche bestehen - praktisch nur fiir den obligatorisch berechtigten Besitzer bedeutsam ist. Dieser Gedanke konnte indessen erst aufkommen. nachdem man von der an den bloßen Besitz geknüpften Kondiktion abgegangen war, wie es Leonhard und Wilburg fiir die EingritIskondiktion durchgeführt hatten. Erst danach stellte sich die Frage, ob statt des - als Grundlage verworfenen - Besitzes das obligatorische Besitzrecht eine Klagegnmdlage abgeben kann. Nachdem fiir den obligatorisch berechtigten Besitzer bereits ein deliktischer Schutz gewährt worden ist, ist von Isolde Kurz220 insoweit die Aktivlegitimation auch fiir die EingritIskondiktion vertreten worden. 221 Der Ansicht Kurz' ist u.E. nicht zu folgen.

218

BGH NJW 72, S.1045; PaiandtiThomas, BGB, § 812 Rn.22.

219 S. BGH WM 61, S.274, 276; WuM 54, S.8 f.; LG Hamburg MDR 1950, S.96; LG Nümberg-Fürth NJW 50, S.263. 220 Kurz, (Fn.7), S.47. 221 Als erster hatte v.Caemmerer die Eingnffskondiktion des obligatorisch berechtigten Besitzers erwogen und hatte sich dafür auf den deliktischen Wld quasinegatorischen

62

C. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

In Anknüpt1.mg an Raise~22 \IDd Diederichsen223 sieht Kurz im obligatorischen Besitzrecht ein von den übrigen obligatorischen Rechten verschiedenes Recht, weil es eine wunittelbare Bezieh\IDg zur Sache begründe. Als Anhaltspunkt nimmt sie die Gleichbehandl\IDg von obligatorischen \IDd dinglichen Rechten in § 986 BGB. 224 Es sei nicht einleuchtend, daß bei Bestell\IDg eines beschränkt dinglichen Rechts das Recht zum Besitz aus dem Eigentum ausgegliedert werden sollte, beim obligatorischen Recht aber nicht. 22S Wenn der obligatorisch Berechtigte den Besitz erlangt habe, ergreife das Recht zum Besitz die Sache selbst. 226 Durch die Besitzüberlass\IDg verfUge der Eigentümer über die Sache so, wie wenn er einem anderen ein beschränkt dingliches Recht bestelle, das subjektive Recht des Eigentümers zun'l Besitz werde an den Berechtigten abgetreten. 227 Weil die Rechtsbezieh\IDg die Sache zum Objekt habe, sei das obligatorische Besitzrecht ein ,,Herrschaftsrecht" über die Sache. 228 Auch die beschränkt dinglichen Rechte seien nur nach ihrem erst festzustellenden Inhalt geschützt, so daß auch in der Erschein\IDg nach außen kein hinreichender Differenzierungsgrood liege. 229 Das Sachenrecht setze nicht durchweg die Unabhängigkeit vom Schuldgrood voraus, was sich am Beispiel des (akzessorischen) Pfandrechts \IDd des Anwartschaftsrechts zeige.2 30 Der einzig bestehende Unterschied, nämlich der absolute Schutz der Sachenrechte, sei lediglich formaler Natur, die Frage der Absolutheit liege außerhalb des Bereicherungsrechts. 231 Der Typenzwang verhindere nur die Schaffung solcher Rechte, denen eine sachenrechtliche Wirksamkeit gegenüber jedermann zukomme, nicht aber die Übertragoog schon bestehender dinglicher Rechte. 232 Kriterium eines dinglichen Rechts sei also weder die Unabhängigkeit von einer dieses Recht vermittelnden Rechtsbezieh\IDg noch ein absoluter, gegen jedermann wirkender Rechtsschutz, sondern allein das Bestehen einer "Subjekt-Objekt-Bezieh\IDg", d.h. eines ,,Herrschaftsverhältnisses", das das Haben, den Gebrauch, die Nut8chutz des berechtigten Besitzers berufen, die das obligatorische Besitzrecht dem dinglichen annäherten; v.Caemmerer, FS Rabel I, 8.349 = Ges. Schriften 18.225 Fn.59.

222 Eigentumsanspruch und Recht zum Besitz, Festschrift für Martin Wolf!, Tübingen 1952, 8.123 ff. 223 Das Recht zum Besitz aus 8chuldverhältnissen, 1965. 224 Kurz, (Fn.7), 8.31. 225 8.36. 226 8.35. 227 S.37. 228 8.35. 229 S.39. 230 8.39 f. 23\ 8.47. 232

8.41.

IV. Die Besitzkondiktion als Schutzmittel für das (obligatorische) Besitzrecht

63

zung oder die Verwertung dem Rechtsinhaber zuweise. 233 Absolute Zuordnung und absoluter Schutz seien nicht gleichzubehandeln. 234 Das obligatorische Besitzrecht sei daher ein dingliches Recht, dem der numerus clausus der Sachenrechte nicht entgegenstehe, weil dieser sich nur auf den absoluten Schutz beziehe. 235 Es komme nicht auf die Unterscheidung von relativ und absolut, sondern von Anspruch und ,,Herrschaftsrecht" an. 236 Es bestünden keine Hindernisse, "diese rechtlich anerkannte Möglichkeit der Einwirkung auf eine Sache als ein Herrschaftsrecht zu qualifizieren. ,,237 Aus dem so gewonnenen Herrschaftsrecht leitet Kurz sodann die Grundlage der Besitzkondiktion ab. Die von Kurz angenommene Begründung der Eingriffskondiktion mit dem obligatorischen Besitzrecht ist abzulehnen. Bereits die angewandte Methode erscheint ungeeignet. Die Grundlage der Argumentation ist für Kurz die Qualifizierung des obligatorischen Besitzrechts als sogenanntes Herrschaftsrecht. Wohl bestehen keine Hindernisse, das obligatorische Besitzrecht als Herrschaftsrecht zu qualifizieren, indessen kann dieser Qualifizierung keine weitergehende Aussage entnommen werden. Das ,,Herrschaftsrecht" ist kein Rechtsbegriff, denn daran knüpft das Recht keine Folgen. Der Begriff kommt im Gesetz nicht vor. Wenn aber das Recht an einen Begriffkeine Folgen knüpft, dann kann dieser allenfalls zur Umschreibung dienen, zur Ableitung konkreter Rechtsfolgen ist er jedenfalls ungeeignet. 238 Es gibt auch keinen Grund, die relative Zuordnung der Sache im Sinne Kurz' erst anzunehmen, wenn der Berechtigte den Besitz ergriffen hat. Hat der Eigentümer einmal durch den Abschluß des obligatorischen Vertrages sein Recht beschränkt, hat er - im Sinne Kurz' - schon über die Sache verfügt, denn das Besitzrecht ist vom Besitz unabhängig. Knüpft also das Bereicherungsrecht nicht (nur) an das Sachenrecht an, so müßte, führt man den Gedanken Kurz' konsequent durch, auch dem obligatorisch Berechtigten, der noch nicht den Besitz erlangt hat, der Bereicherungsanspruch zustehen. Dies wird aber für die Besitzkondiktion von niemandem vertreten239 und auch von Isolde Kurz nicht erwogen. Sicherlich verbessert sich die Stellung des obligatorisch Berechtigten,

233

S.41.

234

S.42.

235 236

S.38 ff., 41. S.46.

237

S.37.

Wie wir gesehen haben, war es auch keineswegs so, daß den Gesetzesverfassem eine derartige Kategorie bei der Fassung des Bereicherungsanspruchs vorschwebte. Für die BGB-Verfasser war vielmehr selbstverständlich, daß sich aus obligatorischen Rechten nur ein relativer Schutz ergibt. 239 Abgelehnt vom BGH WM 87, S.181, 182 (= NJW 87, S.771); s. dazu im übrigen bei Fn.279. 238

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c. Die Grundlage der Besitzkondiktion des BGB

wenn er zu seinem Besitzrecht auch den Besitz erhält. Dies ergibt sich aber daraus, daß zu seinen vertraglichen Befugnissen der Besitzschutz hinzukommt. Aus der Addition von Besitzrecht und Besitzschutz macht Kurz etwas Neues, ein Herrschaftsrecht an der Sache. Besitzschutz und vertragliches Besitzrecht sind aber verschiedene Dinge, sie sind daher von den Verfassern des BGB erst gar nicht in den Zusammenhang gebracht, geschweige denn aufeinander abgestimmt worden. Statt dessen ist der Besitzschutz auch als Schutz fiir den berechtigten Besitzer (mit-) gedacht worden, der Schutz indessen "prohibitorisch" geblieben und auf Entziehung oder Störung durch verbotene Eigenmacht beschränkt.

Wenn Kurz auf die Gleichbehandlung obligatorischer und dinglicher Besitzrechte in § 986 BGB abstellt, so kann auch dieses Argument nicht überzeugen. Die Gleichbehandlung besteht eben nur dem Eigentümer gegenüber, und eben im Verhältnis zu Dritten gibt § 986 BGB dem obligatorisch Berechtigten keinen dem dinglichen Recht vergleichbaren Schutz. Es ist dann das Recht zum Besitz zwar insofern "ausgegliedert", als die Vindikation des Eigentümers gegen den Berechtigten scheitert, nicht aber ist die Vindikation vollständig ausgeschaltet, denn - wenn nicht auch der Dritte gegenüber dem Eigentümer zum Besitz berechtigt ist - kann der Eigentümer gegenüber Dritten die Vindikation erheben. 240 Das gleiche gilt fiir den Anspruch aus § 1004 BGB. Der Rechtsschutz gegenüber Dritten ist also gerade nicht mit dem obligatorischen Recht - etwa vergleichbar §§ 1065, 1227 BGB etc. - ausgegliedert. Wenn das Gesetz den dinglichen Rechten absoluten Schutz zukommen läßt, so heißt dies umgekehrt fiir den obligatorisch Berechtigten eben nur den Schutz gegenüber dem Vertragspartner. Daß eine unmittelbare Beziehung zur Sache besteht, mag zwar eine Besonderheit gegenüber anderen obligatorischen Rechten sein, begründet aber nicht den Schutz gegen Eingriffe Dritter. Auch mit dem Begriff des Zuweisungsgehaltes läßt sich ein weitergehender Schutz des obligatorischen Besitzrechts nicht legitimieren. Rechtliche Güterzuweisungen erfolgen nämlich auf diffe!"enzierte Weise. Durch den Vertrag wird das Nutzungsrecht dem obligatorisch Berechtigten zugewiesen, aber eben nur gegenüber dem Vertragspartner. Ein gegenüber jedermann geschütztes Nutzungsrecht nennt das Gesetz Nießbrauch und dessen "absoluter" Schutz ergibt sich aus §§ 1065, 985 BGB. Freilich kommt hinzu, daß der Besitzer gegen die Entziehung des Besitzes nach §§ 858, 861 BGB geschützt ist. Der Besitzschutz besteht jedoch ausschließlich gegen eigenmächtige Übergriffe und kann daher

240 Daß sich die Vindikation nach § 986 I 2 BGB nur auf Herausgabe an den Berechtigten richtet, ändert nichts an der Tatsache, daß der Eigentümer sie erheben kann.

IV. Die Besitzkondiktion als Schutzmittel fiir das (obligatorische) Besitzrecht

65

auch in seiner Addition mit einem obligatorischen Recht keine absolute Zuordnung der Sache ergeben. 241 Es ist auch nicht entscheidend, ob die Eingriffskondiktion den absoluten Schutz voraussetzt oder nicht, sondern was die Eingriffskondiktion bewirkt. Dadurch aber, daß Kurz aufgnmd der schuldrechtlichen Zuordnung die Eingriffskondiktion annimmt, ist der obligatorisch berechtigte Besitzer gegenüber jedermann geschützt. Darin liegt eine petitio principii, denn Kurz bewirkt mit der Eingriffskondiktion genau den absoluten Schutz. 242 Es kommt allein darauf an, ob der obligatorisch berechtigte Besitz gegen Eingriffe Dritter geschützt ist, dann soll dem Besitzberechtigten auch die Bereicherung aus dem Eingriff eines Dritten zustehen. Ein solcher Schutz läßt sich aber dem geltenden Recht nicht entnelunen und kann daher auch nicht die Grundlage der Eingriffskondiktion bilden. Die Ansicht Kurz', das obligatorische Recht begründe als relative Zuordnung die Eingriffskondiktion, ist also nicht haltbar. Die Eingriffskondiktion des obligatorisch Berechtigten aufgnmd eigenen Rechts setzt eine Verdinglichung des obligatorischen Besitzrechts voraus, die das geltende Recht nicht kennt. Die Begründung Kurz' führt aber auch zu einer inhaltlich nicht haltbaren Ausgestaltung der Besitzkondiktion, weil sie bereits eine Gleichstellung der verschiedenen obligatorischen Besitzrechte nicht erlaubt. Wenn Kurz nämlich das von ihr selbst vorausgesetzte Herrschaftsrecht damit begründet, daß neben der Ausschlußfunktion (des Besitzes) auch eine Nutzungs- oder Verwertungsbefugnis (,,zuteilung zum Haben und Nutzen")243 hinzukommt, so kann dies schon nicht auf alle obligatorisch berechtigten Besitzer zutreffen. Beispielsweise sind Verwahrer oder Verwalter einer Sache weder zur Verwertung noch zur Nutzung der Sache befugt, und konsequenterweise hätte hier also Kurz differenzieren müssen zwischen verwertungs- oder nutzungsberechtigten Besitzern und solchen Besitzern, die dergleichen Rechte nicht haben. Letztere hätte sie - macht man mit ihrer Herleitung ernst - aus dem Kondiktionsschutz ausnelunen müs241 Wobei Kurz -u.E. zutreffend- in den Besitzschutzvorschriften gerade keine Güterzuordnung sieht (S.5). Die Besitzschutzvorschriften können aber auch nicht das obligatorische Besitzrecht zu einer Güterzuweisung ergänzen.Unzulässig ist auch die Prämisse Kurz' (S.l), daß die Unvollständigkeit des Besitzschutzes gleichzeitig dessen Ergänzungsbedürftigkeit ergibt. 242 Kurz hält den Einwand des fehlenden absoluten Schutzes fiir unerheblich (S.38: "aus der Vemeinung des absoluten Rechtsschutzes ist über die Zuordnung überhaupt und über deren Umfang nichts ausgesagt. Die Frage nach dem Umfang und der Wirkung eines subjektiven Rechts ist von der Frage nach der Durchsetzbarkeit zu trennen"), um dann über die Festlegung des Inhalts des obligatorischen Besitzrechts als einem Herrschaftsrecht doch zur Eingriffskondiktion und damit im Ergebnis zum absoluten Schutz zu gelangen. 243 S.13 ff., 52 ff. S K1inkbammer

c. Die Gnmdlage der Besitzkondiktion des BGB

66

sen. Indessen besteht u.E. auch für die nicht nutzungs- oder verwertungsberechtigten Besitzer ein nicht abweisbares Bedürfnis für die Gewährung der Kondiktion. Hat etwa der Verwahrer die Sache irrtümlich dem falschen Deponenten herausgegeben, so ist die Besitzkondiktion die alleinige Möglichkeit, die Sache wieder in seinen Besitz zu bringen. Dies gilt ebenfalls für einen Hausverwalter, der beispielsweise eine Wohnung an einen Mieter überläßt, wenn der im Namen des Eigentümers geschlossene Mietvertrag sich später als ungültig erweist. 244 Daß die heutige Lehre245 dennoch überwiegend - wie von Kurz vertreten (nur) dem zwn Besitz Berechtigten die Eingriffskondiktion gewährt, ist dann wohl auch weniger auf die Begründung der Aktivlegitimation für die BesitzEingriffskondiktion zurückzuführen, sondern vielmehr auf deren Beschränkung. Gerade hier erweist sich aber u.E. die von Kurz angenommene Eingriffskondiktion als zu eng. 246 Es wäre nicht einzusehen, warwn sich beispielsweise gegen die Besitzkondiktion des Mieters der beklagte unberechtigte Besitzer darauf soll berufen können, daß dessen Mietvertrag mit dem Eigentümer durch Kündigung oder Zeitablauf beendet sein soll, wenn er daraus nicht gleichzeitig eigene Rechte an der Sache herleitet. Dies würde eine Einrede aus dem Recht des Dritten darstellen, die grundsätzlich unbeachtlich ist. 247 Das bloße Interesse, die Klage zwn Scheitern zu bringen, kann die Zulässigkeit der Einrede nicht rechtfertigen. Hinzu kommt, daß gerade das Interesse des Eigentümers auf eine Rückgabe an den früheren Besitzer gerichtet ist, denn dadurch wird die mit seinem Willen geschaffene Besitzlage wiederhergestellt, indem die Sache wieder dorthin ge-

244 Der Hausverwalter kann hier freilich kraft seines Vertrages befugt sein, den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB geltend zu machen, was aber nicht notwendig der Fall sein muß. 245 LarenzlCanaris SchR BT I3 , S.174; Reuter/Martinek, § 7 rn 2 vor a, S.250; Baur/Stürner, Sachenrecht l6 , § 9 V 2, S.81; Wieling, SaR I, S.210; Soergel/Mühl, § 812, Rn.140, 252; PalandtiThomas, BGB, § 812 Anm.4b aa; PalandtiBassenge, § 861, Anm.7a; s. auch die weiteren Nachweise in Fn.191. 246

So auch Staudinger/Lorenz, BGB 12 , § 812 Rn.72.

247 BGH WuM 1954, S.8. Auch ein eventuelles ZUTÜckbehaltungsrecht des Vorbesitzers bildet daher keine ausreichende Gnmdlage für die Besitzkondiktion. Ein Bedürfnis für die Besitzkondiktion besteht auch dann, wenn der Besitzer kein ZUTÜckbehaltungsrecht hatte. Wie bei der von uns abgelehnten Beschränkung der Besitzkondiktion auf den zum Besitz Berechtigten müßte man dem früheren Besitzer auch ohne ZUTÜckbehaltungsrecht die Besitzkondiktion zugestehen. Wenn etwa der Wohnungsmieter die Wohnung aufgrund eines unwirksamen (Unter-) Mietvertrages übergeben hat, muß er die Wohnung auch nach der Beendigung des Hauptmietvertrages herausverlangen können, obwohl ihm weder obligatorisches Besitzrecht noch ZUTÜckbehaltungsrecht (s. §§ 580, 556 II BGB) zusteht. Auch auf die Fälle eines eventuellen ZUTÜckbehaltunsgrechtes kann man die Aktivlegitimation des Besitzers weder stützen noch beschränken.

IV. Die Besitzkondiktion als Schutzmittel für das (obligatorische) Besitzrecht

67

langt, wo sie sich mit seinem Wissen Wld Wollen bereits befimden hatte. Der Fremdbesitzer kann auch die Sache wegen seiner tatsächlichen Nähe effektiver als der Eigentümer verfolgen. Dafiir macht es aber keinen Unterschied, ob der Kläger zum Besitz berechtigt ist oder nicht. Wenn der Kläger als Fremdbesitzer, das heißt als Mieter oder Pächter etc., auf Herausgabe klagt, erkennt er das Eigentum eines Dritten an. Für die Klagebefugnis spielt also das Recht des Fremdbesitzers im Prozeß keine Rolle, so lange er das Eigentum des Dritten anerkennt. 248 Schließlich bleibt Kurz auch eine ErklärW1g des Verhältnisses der Eingriffskondiktion zu § 1007 BGB schuldig. 249 Es wäre ein Widerspruch, wenn nach § 1007 BGB der Wlberechtigte Eigenbesitzer den Herausgabeanspruch nebst NutZWlgsherausgabe Wld Wertersatz geltend machen kann, während dieses Recht im Bereich der Besitzkondiktion nur dem berechtigten Besitzer zustehen soll. Eine HarmonisiefWlg der offensichtlich sachlich nahestehenden Ansprüche läßt sich so nicht erreichen. Die These Kurz' ist demnach als erfolgloser Versuch der VerdinglichWlg des obligatorischen Besitzrechts, der zudem die Interessenlage bei dem Eingriff in den Besitz nicht erfaßt, zu verwerfen. Soweit der BGH in seiner RechtsprechWlg eine Besitz-Eingriffskondiktion des Fremdbesitzers angenommen hat, hat er nicht auf ein Besitzrecht abgestellt, sondern sogar ausdrücklich von dem Besitzrecht als VoraussetZWlg der Anspruchsberechtigoog abgesehen. 250 Nachdem auch von den Gesetzesverfassern die Besitzkondiktion, wie aufgfWld des Verlaufs der BeratWlgen anZWlehmen ist, bewußt251 nicht in diese Nähe gebracht worden ist, sondern die BeschränkWlg auf den Besitzberechtigten erst gar nicht erwogen wurde, scheidet das obligatorische Besitzrecht als GrWldlage des Anspruchs aus.

248 Auf dieser Grundlage lag auch die von Johow in § 203 TE Sachenrecht vorgesehene Regelung der Klagebefugnis des Inhabers (Fremdbesitzers), für die ausreichend war, daß die Sache dem Fremdbesitzer "anvertraut" war. 249 Von Wi/burg als Protagonisten der Lehre vom Zuweisungsgehalt war gar nicht erst erwogen worden, daß das Recht zum Besitz die Eingriffskondiktion rechtfertigen könnte und gerade § 1007 BGB ein wesentliches Argument für die Ablehnung der allgemeinen Besitz-Eingriffskondiktion. 250 BGH WuM 1954, S.8; BGH WM 61, S.274; die Entscheidungen sind in der Arbeit Kurz'übergangen; wie der BGH auch LG Hamburg MDR 1950, S.96 und S.100; LG Nürnberg-Fürth NJW 1950, S.263. Anders für die Eingriffskondiktion nun offenbar BGH WM 1987, S.181 (für einen Falle) in dem ein Besitzrecht feststand, s.hierzu bei Fn.279); ErmanJHP. Westermann, BGB , § 812 Rn.7.

251 Insbesondere der Sachenrechtsredaktor Johow hatte sich für eine Beschränkung in diesem Sinne ausgesprochen. Dem war die Kommission nicht gefolgt, sondern hatte sich an der im Schuldrechtsentwurf zum Ausdruck gekommenen Ansicht v.Kübels orientiert, der ein Eingehen auf das Besitzrecht des Klägers erst bei Erhebung einer petitorischen Einrede für notwendig gehalten hatte, s. dazu oben C.l.1, S.21 ff.; C.l.2, S.25 ff.

D. Die Besitzkondiktion als erleichterte Eigentumsverfolgung Nachdem wir die Besitzkondiktion als Besitzschutzmittel sowohl in der Form der Leistungs- wie auch der Eingriffskondiktion verworfen haben, ist dennoch die Anknüpfung der Aktivlegitimation an den bloßen Besitz nur in Frage zu stellen, wenn sich der Schutz eines Vermögensrechts als petitorische Grundlage nicht heranziehen läßt. Nach unserer Ansicht kommt es nämlich entsprechend den Vorstellungen der Verfasser des BGB auf ein Besitzrecht des Klägers zur Begründung der Klage nicht an. Wenn auch nicht die Grundlage, so ist doch Anknüpfungspunkt der Klage u.E. der bloße Besitz, sei er Eigen- oder Fremdbesitz. Die Unvergleichbarkeit der Besitzkondiktion mit den übrigen Fällen der Leistungs- oder Eingriffsbereicherung ergibt sich daraus, daß mit der bloßen Besitzverschiebung notwendigerweise die Interessen des Eigentümers betroffen und das Eigentum beeinträchtigt ist. Die Anknüpfung eines Anspruchs ist eine andere Frage als seine Begründung. Die Anknüpfung einer petitorischen Klage an den Besitz ist auch keineswegs eine Besonderheit der Besitzkondiktion, sondern besteht auch bei anderen auf dem Besitz beruhenden Ansprüchen. Beispielsweise ist für § 771 ZPO von der h.M. 252 anerkannt, daß die Klage auch von dem Besitzer einer beweglichen Sache erhoben werden kann, obgleich der Besitz sicherlich nicht als ein "die Veräußerung hinderndes Recht" bezeichnet werden kann. Auch für den Anspruch nach § 1007 BGB ist der Besitzer aktivlegitimiert. Für die Besitzkondiktion ist wie in den anderen Fällen die Diskrepanz zwischen einem geschützten materiellen Recht zum oder auf den Besitz als Klagegrundlage und dem bloßen Besitz als Anknüpfung der Klage zu erklären. U.E. dient der Verzicht auf Darlegung und Beweis des die Klage begründenden Rechts dem Zweck, dem Berechtigten die Verfolgung seines Rechts zu erleichtern. Dies soll im folgenden anhand der verschiedenen Tatbestände: Eigen- und Fremdbesitz begründet werden.

252

RG JW 21, S.1246; ZöllerlHerget, ZP0 19, § 771 Rn.14 (,,Besitz").

I. Die Besitzkondiktion des Eigenbesitzers als Einredebeschränkung

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I. Die Besitzkondiktion des Eigenbesitzers als Einredebeschränkung Wer eine Sache als ihm gehörig besitzt, ist Eigenbesitzer, § 872 BGB. Wer eine Sache zu Eigenbesitz von einem anderen herausverlangt, verlangt sie demzufolge als ihm gehörig heraus, er macht somit das Eigentwn geltend. Betrachtet man daher - was sich schon angesichts der Entwickhmg der Besitzkondiktion empfiehlt - zunächst den Eigenbesitz als vom Fremdbesitz verschiedenen Tatbestand253 , so erscheint naheliegend, daß mit der Besitzkondiktion der Kläger sein Eigentwn geltend macht. Es kommt ein anderes Recht an der Sache bereits begrifflich nicht in Betracht. Ein Vergleich mit der sachlich also nahestehenden Vindikation ergibt dann auch, daß die Besitzkondiktion die prozessuale Geltendmachung des Eigentwns durch die Anknüpfimg an den Besitz erleichtert und somit letztlich dem Schutz des Eigentwns dient. Der Zivilprozeß kann nicht als Selbstzweck die Schutzwürdigkeit bloß tatsächlich günstiger Positionen ergeben, sondern ist das Mittel zur Rechtserkenntnis und -durchsetzung. Auch die mit Hilfe der Mittel des materiellen Rechts verschaffte prozessual günstige Position kann daher nicht bedeuten, daß in der früheren Position des Klägers ein Schutzgut erblickt wird. Es soll vielmehr die mit dem grundlosen Besitzverlust verbundene Beeinträchtigung der Durchsetzbarkeit des Eigentwns beseitigt werden. Daß die Besitzkondiktion des Eigenbesitzers diese Funktion hat, verdeutlicht ein Vergleich der Besitzkondiktion mit der Vindikation. Vindikation und Besitzkondiktion haben mit der Herausgabe der Sache das gleiche Ziel. Der Unterschied der Besitzkondiktion zu § 985 BGB besteht darin, daß an die Aktivlegitimation der Besitzkondiktion geringere Anforderungen gestellt werden. Es reicht, wenn der Kläger seinen früheren Besitz und dessen grundlosen Verlust darlegt und beweist. Wenn also der Beklagte sich nicht seinerseits auf das Eigentwn an der Sache beruft254, bleibt dem Kläger der Eigentwnsbeweis erspart. Sachlich könnte man die Besitzkondiktion des Eigenbesitzers somit als eine erleichterte Vindikation betrachten, und der Anlaß fiir die Besitzkondiktion lag in der Tat in dem Bedürfuis fiir eine Beweiserleichterung. Wie wir gesehen haben255 , war die Eigentwnsvermutung fiir den Besitzer in der gemeinrechtlichen Lehre nicht anerkannt, und es bedurfte der Annahme eines im Besitz verkörperten Beweisvorteils, um durch den Schutz des Besitzes als eines Beweisvorteils sodann dem bestehenden Bedürfnis fiir einen erleichterten Rechtsschutz gerecht zu werden.

253

S. dazu insbesondere Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, S.3 ff.; 25 ff.

254

Dann stünde dem Beklagten eine Einwendung gegen die Besitzkondiktion zu.

255

S. insbesondere oben C.II.2, S.37 ff.

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D. Die Besitzkondiktion als erleichterte Eigentwnsverfolgwtg

Nach Anerkennung der Eigentwnsvennutung durch das BGB stehen die Herausgabeansprüche aufgrund § 985 BGB und § 812 BGB der Sache nach beim Eigenbesitz jedoch gleich. Auch mit der Kondiktion macht der frühere Eigenbesitzer das Eigentwn geltend, sei es, daß er im Prozeß auf Rückübereignung klagt, weil er glaubt, das Eigentwn sei übergegangen, oder - anderenfalls nur auf Herausgabe. 2S6 Da indessen fiir das BGB in § 1006 BGB bereits eine wirkungsvolle Eigentwnsvennutung auch fiir den früheren Besitzer aufgestellt ist, kann die Wiederverschaffung der Beweisposition keinen eigenständigen Grund fiir die Besitzkondiktion mehr bilden. Auch wenn man aber in der Eigentwnsvennutung fiir das BGB keine ausreichende Rechtfertigung fiir die Besitzkondiktion mehr sehen kann, besteht fiir die Besitzkondiktion des Eigenbesitzers dennoch ein Bedürfnis, das in der gemeinrechtlichen Lehre wie auch in den Beratungen der ersten Kommission als Eigenschaft des Besitzes dessen Vennögenswert ergeben sollte. Es handelt sich um die "processualischen Eventualitäten", den mit dem (aktuellen) Besitz verbundenen Vorteil der Verteidigungslage im Herausgabeprozeß. Auch wenn dem früheren Besitzer nämlich die Eigentwnsvennutung nicht zusteht, hat er durch die Beklagtenrolle im Prozeß den Vorteil, daß sein Gegner nur obsiegt, wenn er ein eigenes Recht an der Sache darlegt und beweist. Für den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB muß der Kläger seinen (Eigen-) Besitz darlegen, woraufhin sein Eigentwn vennutet wird. Aber auch bei einem vennuteteten Eigentwn des Klägers steht es dem Beklagten weiterhin frei, die Vennutung zu widerlegen, auch wenn er nur das Eigentwn eines Dritten einwendet. Die Bedeutung der Besitzkondiktion erschließt sich auch hier aus der prozessualen Stellung des klagenden (früheren) Eigenbesitzers. Die Berufung des Beklagten auf das Eigentwn eines Dritten ist im prozessualen Sinne eine Einrede. 2S7 Wenn man das Eigentwn des Klägers zur Voraussetzung erhebt, kann der Beklagte die Klage mit dieser Einrede zu Fall bringen. Macht man aber den Besitz zum Anknüpfimgsmerkmal, so wird das Klageleugnen zur unzulässigen Einwendung aus fremdem Recht (exceptio de iure tertii). Durch die Anknüpfimg an den Eigenbesitz wird also die Berufung auf das Recht eines Dritten abgeschnitten, die Besitzkondiktion bewirkt somit den Ausschluß der exceptio de iure tertii. 258

256

Wenn er sich unsicher ist, wird er einen Eventualantrag stellen.

257

Weber, (Fn.154), S. 62 f.; Stammler, Einrede aus dem Recht eines Dritten, S.

17 ff.

258 Deutlich OAG Lübeck in einer Entscheidung zum Gemeinen Recht (SeuffA 4, Nr.122): Das OAG erklärte (unter Berufung aufD 12,6,15,1) den Einwand des Beklagten für unbeachtlich, bei der grundlos herausgegebenen Sache habe es sich um eine fremde gehandelt. So entscheidet RG JW 31, S.2723 auch für die Kondiktion des sog. Buchbesitzes. Auch der BGH hat (für den Fremdbesitz) darauf abgestellt, WuM 54, S.8. In diesen Zusammenhang dürfte auch OLG Hamburg, OLGZ 14, S.32, einzuordnen sein.

I. Die Besitzkondiktion des Eigenbesitzers als Einredebeschränkung

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Daß die zu diesem Zweck eingeräumte Besitzkondiktion im geltenden Recht keine Ausnahme darstellt, zeigt sich an der ähnlichen Lage bei dem ebenfalls an den Besitz geknüpften Anspruch nach § 1007 BGB. Auch gegenüber dem hier erhobenen Herausgabeanspruch wird der Beklagte nicht mit dem Einwand gehört, ein Dritter sei Eigentümer, er kann nur eigenes Eigentum oder Besitzrecht einwenden. Bei den Beratungen zu § 1007 BGB, der in seinem heutigen Inhalt maßgeblich erst von der zweiten Kommission geprägt wurde, war der Ausschluß der Einrede aus dem Recht des Dritten als maßgeblicher Gesichtspunkt angesprochen. 259 Es bleibt zu erklären, wieso auch der Besitzer mit der Klage geschützt wird, der - da auf die Darlegung des Eigentums verzichtet wird - von vornherein kein Recht für sich in Anspruch nimmt. Daß der Anspruch sich in diesem Fall von seinem praktischen Resultat her im Besitzschutz erschöpft, spielte in den Gesetzesberatungen nur eine untergeordnete Rolle, wenngleich dieses Ergebnis der ersten Kommission offenbar bewußt war. 260 Es ist allerdings nicht anzunehmen, daß bei feststehendem Nichteigentum an einen völlig unberechtigten Besitzer gedacht war, anderenfalls hätte die für die Kommission selbstverständliche Ablehnung des possessorischen Charakters des Anspruchs keinen Sinn ergeben. Wesentlich näher liegt es da, daß die Einbeziehung des völlig unberechtigten Besitzers eine an sich unerwünschte Nebenfolge des Anspruchs ist, die in den Beratungen - wie Windscheid es ausdrückte - als "Consequenz" erschien, die ,,nicht zu umgehen" iSt. 261 Der im praktischen Ergebnis hier bestehende Besitzschutz ist die Folge daraus, daß das Recht eines Dritten nicht durch Einwendung eines völlig unberechtigten Beklagten zum Prozeßgegenstand gemacht werden soll. Es erscheint allerdings fraglich, ob diese Konsequenz hingenommen werden muß oder ob nicht, etwa durch Zulässigkeit der Einrede des bösgläubigen Besitzwerbes durch den Kläger ausgeschaltet werden kann.262 Wichtig ist jedoch zu erkennen, daß in dem Besitzschutz nicht der Grund gesehen werden kann, sondern die Anknüpfung der Klage an den Besitz als prozessuale Gestaltung der Eigentumsverfolgung dient. Ein Grund der Besitzkondiktion des Eigenbesitzers kann demnach nur in den prozessualen Schwächen des Eigentumsschutzes gesehen werden, die - für das Gemeine Recht - durch die Vermutung des Eigentums zugunsten des (Eigen-) Besitzers und - nach Einfiihrung der gesetzlichen Eigentumsvennutung - durch den Ausschluß der exceptio de iure tertii beseitigt werden sollten. Die Anknüpfung der Klage an den Besitz ist das materiellrechtliche Mittel zur Verhinderung dieser Nachteile. Eine weitere Motive m, S.431; s. Weber, (Fn.154), S.61 ff. Protokolle der I.Kommission bei Jakobs/Schuber! (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldrecht m, S.769. 261 Brief an Planck vom 14.1.1884, bei Schubert SZ 95, S.320; ähnlich Jhering, JherJahrb 9, S.53 (fiir den Besitzschutz). 262 S. dazu unten E.m.2, S.89. 259

260

72

D. Die Besitzkondiktion als erleichterte Eigentumsverfolgung

Auswirkung ist der Besitzkondiktion des Eigenbesitzers aber u.E. nicht beizumessen. Zur Kontrolle unserer Ansicht mag eine Betrachtung der Rechtslage beim Imrnobiliarbesitz dienen. Hier ist die Eigentumsvermutung nach § 891 BGB statt des Besitzes mit der Eintragung im Grundbuch verknüpft. Die Einrede aus dem Recht des Dritten ist nach der h.M. 263 bereits dadurch ausgeschlossen, daß eine Widerlegung der Eigentumsvermutung nur dem gestattet wird, der daran ein rechtliches Interesse hat. Die Besitzkondiktion des Eigenbesitzers von immobilien ist nach dem BGB daher auch praktisch bedeutungslos, weil unter denselben Voraussetzungen der Anspruch aus §§ 985, 891 BGB erhoben werden kann. 264

ll. Die Besitzkondiktion als gesetzliche Prozeßstandschaft des Fremdbesitzers Schon aus der Sicht der l.Kommission lagen im Fall des Eigenbesitzes die Ergebnisse von Besitzkondiktion und Vindikation trotz der noch nicht ausgeformten Eigentumsvermutung weitgehend gleich, die unzureichende Eigentumsvermutung konnte also nicht entscheidender Grund für die Zulassung der condictio possessionis sein. Ausschlaggebend für die erste Kommission, die in den Beratungen zum Bereicherungsrecht selbst für den Eigenbesitzer ausdrücklich nur die Eigentumsvermutung, nicht auch den Ausschluß der exceptio de 263 S. Staudinger/Gursky, BGB I2 , § 891 Rn.42 m.w.N.; nicht zu folgen ist Gursky in seiner Ansicht, daß der im Prozeß Verklagte automatisch ein rechtliches Interesse habe. Dasselbe Ergebnis erzielt RG JW 31, 2723, durch die Kondiktion der Buchposition (anstelle des Berichtigungsanspruchs, § 894 BGB). 264 Ähnlich ist die Lage bei anderen Ansprüchen, s. beispielsweise fiir § 771 ZPO, Zöller/Herget, ZPO l9 , § 771 Rn.14, ,,Besitz" mN, der lediglich den Mobiliarbesitz als ein die Veräußerung hinderndes Recht betrachtet, den Immobiliarbesitz aber wegen § 891 BGB nicht. Die Entscheidung RG JW 25, S.2238 (= Warn. 25 Nr.169) bildet hier nur eine scheinbare Ausnahme. Im Fall des Reichsgerichts hatte der Kläger ohne Beachtung der Formvorschrift des § 313 BGB an den Beklagten ein Grundstück verkauft, (wirksam) aufgelassen und dem Beklagten übergeben. Der Käger verlangte mit der Klage lediglich den Besitz, nicht aber gleichzeitig auch die Auflassung heraus, worauf ihm das Reichsgericht die Besitzkondiktion zusprach. Die Klage wäre hier offensichtlich auch als Eigentumsanspruch begründet gewesen. Wollte man in der Auflassungsposition ein Recht zum Besitz nach § 986 I BGB sehen, so hätte dies sicherlich ebenfalls gegenüber der Besitzkondiktion gelten müssen. Ein Besitzrecht wäre aber aus den gleichen Gründen abzulehnen, aus denen das RG -u.E. im Ergebnis zu Recht- die Arglisteinrede des Beklagten verworfen hat. Ein sachlicher Unterschied zwischen Besitzkondiktion und Vindikation besteht demnach nicht.

ll. Die Besitzkondiktion als gesetzliche Prozeßstandschaft des Fremdbesitzers

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iure tertii in Betracht zog26S, waren dann auch die ,,Fälle, in denen lediglich die Inhabung von dem Einen auf den Anderen gekommen sei. ,,266 Es stellt sich die Frage, ob fiir die Kondiktion des Fremdbesitzers eine andere Grundlage als fiir den Eigenbesitzer besteht. Es soll hier gezeigt werden, daß sich die Besitzkondiktion des Eigenbesitzers und des Fremdbesitzers im Ergebnis auf das gleiche Ziel richten und daher auch von ihrer Grundlage nicht wesentlich verschieden sind. Ein nur relativ gegenüber einer bestimmten Person wirkendes Recht ist im Verhältnis zu Dritten ein bloßes rechtliches Interesse. Wie wir oben gesehen haben, sind die mit dem Fremdbesitz verbundenen Interessen sehr unterschiedlicher Natur. Für den die Herausgabe beanspruchenden Fremdbesitzer kann es um die weitere Nutzung, um die Vermeidung oder Erfiillung von Schadensersatzansprüchen des Eigentümers, um die Erfüllung eines Vertrages mit dem Eigentümer oder um die Zurückbehaltung gehen. Diese Interessen können also vielgestaltig sein, sie lassen sich insbesondere nicht - etwa ähnlich dem Eigentum - aufgrund des Fremdbesitzes vermuten und sind daher zur einheitlichen Begründung der Aktivlegitimation nicht geeignet. Da ein eigenes Interesse des Fremdbesitzers letztlich aber auch gar nicht vorliegen muß, liegt es nahe, daß die Anspruchsberechtigung maßgeblich vom Interesse des hinter dem Fremdbesitzer stehenden Eigenbesitzers abhängt. Beim Eigenbesitzer stellt sich die Frage seines Besitzinteresses nicht, dieses ergibt sich bereits notwendig daraus, daß er die Sache als Eigentümer in Anspruch nimmt. Macht der Fremdbesitzer den Anspruch geltend, geht es immer auch gleichzeitig um die Interessen des Eigenbesitzers, von dem er seinen Besitz ableitet. Daß eine isolierte Betrachtung des Fremdbesitzers verkürzend ist, zeigt sich offensichtlich, wenn der Fremdbesitzer Befugnisse geltend macht, die grundsätzlich dem Eigentümer zustehen, beispielsweise verlangt er über §§ 812, 818 BGB den Wert der Sache heraus oder er begehrt die Rückübereignung, nachdem er versehentlich eine gemietete Sache veräußert hat. 267 In diesen Fällen kann über die vom Fremdbesitzer erhobene Besitzkondiktion einschließlich deren Folgeansprüche nicht ohne Berücksichtigung des Eigentümerinteresses entschieden werden. Es läßt sich daher der Fremdbesitzer nicht isoliert betrachten, sondern immer nur in seinem Verhältnis zum Eigentümer.

265 Der Ausschluß der Einrede aus dem Recht des Dritten wurde von der Kommission nicht behandelt, dürfte aber angesichts der Motive v.Kübels (s. bei Fn.92) zum Schuldrechtsentwurf eine Rolle gespielt haben. 266 Protokolle der I.Kommission bei Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldrecht m, S.770. 267 Der Fall des sogenannten Rückerwerbs des Nichtberechtigten ist zwar kein Fall der Besitzkondiktion, die Lage ist aber hinsichtlich der Aktivlegitimation die gleiche.

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D. Die Besitzkondiktion als erleichterte Eigentumsverfolgung

Wir haben gesehen, daß ein Bedürfnis für die Klage auch dann bestehen kann, wenn der Fremdbesitzer kein eigenes rechtliches Interesse an der Sache dartut. 268 Beispielsweise dem Verwahrer, der nach Ablauf der Aufbewahnmgszeit die Sache irrtümlich an den falschen Deponenten herausgegeben hat, muß die Rückforderung offenstehen, auch wenn er sich nicht gegenüber dem Eigentümer schadensersatzpflichtig gemacht hat. Ebenso verhält es sich mit dem Hausverwalter, der eine Wohnung etwa unwissentlich (und unverschuldet) an einen Minderjährigen vermietet hat. Auch wenn er kein eigenes rechtliches Interesse besitzt - er erhält etwa eine pauschale Vergütung und hat sich nicht schadensersatzpflichtig gemacht - muß er den Besitz zurückfordern können. Selbst wenn etwa im Fall des Verwalters eine vertragliche Nebenpflicht zur Rückforderung bestünde, müßte der Anspruch genauso möglich sein, wenn der Vertrag zwischen Eigentümer und Fremdbesitzer unwirksam oder beendet ist. Der Anspruch ist also letztlich nicht abhängig vom Interesse des Fremdbesitzers, sondern dient in jedem Fall dem Eigentümer, der nicht selber tätig werden muß. Hier zeigt sich wiederum269 die für den Bereicherungsanspruch atypische Natur der Besitzkondiktion. Deren Erklärung ist vielmehr nur in den Eigenheiten des Besitz- und Eigentumsrechts zu finden. Vergleicht man die Besitzkondiktionen des Eigen- und Fremdbesitzers, so ist deren Ziel identisch. Beide Ansprüche richten sich auf die Wiederherstellung der früheren Besitzlage. Da der Fremdbesitz ein bestehendes Besitzmittlungsverhältnis voraussetzt, wird durch die Rückgabe der Sache an den Fremdbesitzer gleichzeitig der Eigenbesitz wiederhergestellt. Die jeweils im Interesse des Eigenbesitzers bestehenden Herausgabeansprüche nach § 812 BGB sind somit die Kehrseiten derselben Medaille. 270 Die Besitzkondiktion des Fremdbesitzers steht somit wie die des Eigenbesitzers in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vindikation. Dieser Zusammenhang spielte schon bei den Beratungen der ersten Kommission eine Rolle und dürfte nach unserer Einschätzung auch entscheidender Grund für die Anerkennung der Besitzkondiktion gewesen sein. Die erste Kommission hielt die Klagebefugnis des Inhabers (Fremdbesitzers) für notwendig, weil anderenfalls der Inhaber den Besitzer erst zur Geltendmachung oder Abtretung der

268

S.o. C.IV, S.61 ff.

269

S. C.Ill.4, S.59 ff.

270 Ein Unterschied entsteht erst dann, wenn der frühere mittelbare Eigenbesitzer Herausgabe an sich verlangt. In diesem Fall kann der Beklagte aber die Herausgabe verweigern und das Besitzrecht seines Besitzvorgängers durch Einwendung zum Prozeßstoff machen, § 76 ZPO. Diese Abweichung läßt sich aber problemlos erklären, denn es ist dieselbe Lage gegeben, wie wenn der frühere Fremdbesitzer klagt und der Eigentümer sich in den Streit einmischt, § 64 ZPO, vgl. dazu Picker, FS Flume I, S.651 ff. Auch dann ist entscheidend, ob der Fremdbesitzer gegenüber dem Eigenbesitzer zum Besitz berechtigt ist.

11. Die Besitzkondiktion als gesetzliche Prozeßstandschaft des Fremdbesitzers

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Vindikation veranlassen müsse. 271 Dies legt nahe, daß hier eine vertragliche Beziehung zwischen Fremdbesitzer (Inhaber) und Eigentümer (Eigenbesitzer) vorausgesetzt wurde, denn nur in diesem Fall würde sich die Vindikation auf die Herausgabe an den Fremdbesitzer richten, § 986 I 2 BGB. Es ist daher auch kaum anzunehmen, daß die durch die Besitzkondiktion erweiterte Rechtsstellung des Inhabers ihm mehr Rechte geben sollte als bei der sonst nötigen ,,Abtretung" der Vindikation. Im Vordergrund stand vielmehr offenbar, daß dem Fremdbesitzer auch ohne Mitwirkung des Eigentümers die Rechtsverfolgung ermöglicht werden sollte. Allerdings ist die Abtretung der Vindikation nach heute h.M. nicht ohne Übertragung des Eigentums möglich. 272 Statt der Abtretung wäre also heute an die durch Ermächtigung zu bewirkende Prozeßfiihrungsbefugnis des Fremdbesitzers zu denken. Für die Frage nach der Grundlage der Besitzkondiktion des Fremdbesitzers gilt es also zu beachten, daß neben den Interessen der Prozeßparteien letztlich entscheidend das Eigentum des Dritten einzubeziehen ist. Wenn aber das Recht des Eigentümers für die Besitzkondiktion begrenzend wirkt und diese letztlich unabhängig von den Interessen des Fremdbesitzers besteht, so steht der Betrachtung des Eigentums auch als Grundlage der Besitzkondiktion des Fremdbesitzers nichts mehr im Wege. Vielmehr erscheint die von uns angenommene Grundlage als einzige Möglichkeit der Erklärung einer possessorischen Anknüpfung der als Rechtsschutz und nicht als Besitzschutz gewollten Besitzkondiktion. Wenn also durch die Zulässigkeit der Klage die Mitwirkung des Eigentümers überflüssig gemacht werden sollte, ließe sich die Klagebefugnis des Fremdbesitzers heute als gesetzlich eingeräumte Prozeßfiihrungsbefugnis ansehen. Die auch hier auf dem Gebiet des Prozeßrechts versuchte Erklärung liegt bereits deshalb nahe. weil es den Gesetzesverfassem auch im Fall des Fremdbesitzes der Sache nach offenbar um die Erleichterung der Rechtsverfolgung ging, die dadurch bewerkstelligt wird, daß dem der Sache näheren Fremdbesitzer von Gesetzes wegen eine eigene Klagebefugnis eingeräumt wird. Die erste Kommission hätte die Besitzkondiktion allerdings nicht aussprechen müssen, wenn die Klage, wie Johow gemeint hatte, überflüssig gewesen wäre. Das Problem des ungerechtfertigten Besitzverlustes hätte sich ohne die Besitzkondiktion bewältigen lassen, wäre dieser Fall vom Rechtsschutz des Inhabers und des (Eigen-) Besitzers gedeckt gewesen. Einen anderweitigen, bereits ausreichenden Rechtsschutz stellte der erste Entwurf und stellt auch das BGB aber nicht zur Verfügung. In § 203 des TE Sachenrechts hatte Johow eine Prozeßfiihrungsbefugnis des Inhabers im Fall des unfreiwilligen Gewahrsams-

271 Protokolle der l.Kommission bei JakobslSchubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldrecht m, S.770; s.a. ROHGE 22, S.296 ff. 272

Staudinger/Gursky, BGB 13 , § 985 Rn.3 m.w.N.

76

D. Die Besitzkondiktion als erleichterte Eigentumsverfolgung

verlustes vorgesehen. 273 Die erste Kommission lehnte hier wegen prozessualer Bedenken im Interesse des Eigentümers die Aufuahme des § 203 ab. 274 Trotz der sich aufdrängenden sachlichen Nähe zum Eigentwnsanspruch brauchte die Kommission aber eine Prozeßstandschaft nicht, denn sie sah - und hier wirkte sich der Einfluß der Brunsschen Untersuchung aus - den Besitz selbst als eigenständigen Vermögenswert an. Wir haben indessen oben gesehen, daß diese Grundlage nur scheinbar ist, denn die Besitzkondiktion des Fremdbesitzers läßt sich ebensowenig aus dessen bloßem Besitz wie aus dessen (ungewissen) Besitzrecht ableiten. Die Aufgabe ist daher nach wie vor, den sachlichen Gehalt des Anspruchs, der fiir die Klage des Fremdbesitzers nicht nur die Interessen der Prozeßparteien, sondern auch des Eigentümers berücksichtigt und u.E. daher eine prozessuale Gestaltung enthält, mit den gegebenen Mitteln des Prozeßrechts zu erfassen. Die gesetzliche Prozeßstandschaft ist dem geltenden Recht auch fiir andere, gleichfalls auf dem Eigentwn basierende Ansprüche nicht fremd. So ist auch fiir § 1007 BGB beispielsweise anerkannt, daß die Klage von dem unberechtigten Besitzer erhoben werden kann, wenngleich es sich um einen vermögensrechtlichen Anspruch handelt, der petitorische Einreden zuläßt. Eine befriedigende Erklärung läßt sich auch hier nur aus einer Prozeßfiihrungsbefugnis des Fremdbesitzers leisten. § 1007 BGB bedeutet auch fiir den Fremdbesitzer die Verfolgung des Eigentwns, die das BGB im Anschluß an das preußische ALR durch die Einräumung einer gesetzlichen Prozeßstandschaft des Fremdbesitzers gewährleistet. 275 Auch fiir § 771 ZPO ist anerkannt, daß die Klage vom Fremdbesitzer erhoben werden kann, auf dessen Besitzrecht es nach h.M. nicht ankommt. Auch hier läßt sich eine sachgerechte Erklärung allein mit der Prozeßfiihrungsbefugnis leisten. 276 Die zweite Kommission hat fiir den heutigen § 1007 BGB kein Bedenken darin gefunden, die gesetzliche Prozeßfiihrungsbefugnis des Fremdbesitzers zuzulassen. Aus prozeßrechtlichen Gründen erscheint daher auch im Rahmen der Besitzkondiktion eine Prozeßfiihrungsbefugnis des Fremdbesitzers heute unbedenklich. Diese erscheint vielmehr als einzig denkbares Mittel zur Be273 § 203: "Wer ohne seinen Willen Gewahrsam der ihm anvertrauten beweglichen Sache eines anderen verloren hat, kann die Herausgabe der Sache unter Geltendmachung des Eigenthurns des Anderen von jedem dritten Inhaber beanspruchen." 274 Protokolle der l.Kommission bei JakobslSchubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Sachenrecht I, S.868; dazu Weber, (Fn.154), S.68.

275

Weber, (Fn.154), S.58 ff.

276 Picker, Drittwiderspruchsklage, S.460 ff.; so auch Wilhelm, SaR, Rn.29 f.; ähnlich v.Tuhr, Schweizerisches Obligationenrecht, S.386, fiir den Rückerwerb des Nichtberechtigten; der Sache nach lf!eich liegt es, wenn man - wie in anderem Zusammenhang Gursky (in Staudinger, BGB 3, § 989 Rn.19, S.156 u.f.) - von einem "umgelenkten" Rückgewähranspruch spricht.

II. Die Besitzkondiktion als gesetzliche Prozeßstandschaft des Fremdbesitzers

77

rücksichtigung des Eigentümer-Interesses Wld ist aus diesem Grund der Erklärwtg der Klage allein aus dem Interesse des Fremdbesitzers vorzuziehen. Wenn wir in der Besitzkondiktion des Fremdbesitzers nur eine prozessuale Erleichterwtg der Eigentwnsverfolgung sehen, so kann nur fraglich sein, ob sich die gesetzliche Prozeßstandschaft des Fremdbesitzers auch dann legitimieren läßt, wenn dieser gegenüber dem Eigenbesitzer nicht zum Besitz berechtigt ist277 , wenn also der Fremdbesitzer keinen Anspruch gegen den Eigenbesitzer auf ,,Abtretung" (Ermächtigung) hinsichtlich der Vindikation hätte. Bei Anknüpt1.mg an den bloßen Besitz bleibt die Berechtigung des Fremdbesitzers außer Betracht. Unseres Erachtens soll es entsprechend der bei den Gesetzesverfassern einhelligen MeinWlg auf die Berechtigung gegenüber dem Eigenbesitzer nicht ankommen. Auch der BGH278 hat gegenüber der vom Fremdbesitzer erhobenen Besitzkondiktion den Einwand der fehlenden Besitzberechtigung als Einrede aus dem Recht eines Dritten für Wlerheblich erklärt. Dem ist zuzustimmen. Der Fremdbesitzer klagt als Mieter, Pächter, Verwahrer etc., er erkennt also das Eigentwn des Eigenbesitzers an, so daß dessen Eigentwn durch die ErhebWlg der Klage nicht gefährdet wird. Im Gegenteil hat der Eigenbesitzer ein Interesse daran, daß der Fremdbesitzer den Besitz zurückerhält, denn dadurch wird auch sein Eigenbesitz wiederhergestellt. Wenn durch den Verzicht auf die Darlegung Wld den Beweis des Besitzrechts die Kondiktion erleichtert wird Wld auch hier die Einrede aus dem Recht des Dritten somit WlZlllässig ist, so ist dies nur gerechtfertigt, weil der Fremdbesitzer das Eigentwn seines "Oberbesitzers" anerkennt Wld somit eine GefährdWlg dessen Eigentums durch die Klage nicht besteht. Dann ist entscheidend nicht das Besitzrecht des Fremdbesitzers, sondern es genügt dessen BesitzmittlWlg für den Eigentümer.

277 Diese Frage ist zu unterscheiden von der Frage, ob das obligatorische Recht des Fremdbesitzers die Klage begründet. 278 BGH WuM 54, S.8; BGH WM 61, S.274. Im Fall BGH WuM 54, S.8, hatte nach Kriegsende im Jahr 1945 der Beklagte den Besitz an vom Kläger ursprünglich zum Betrieb eines Lotteriegeschäftes angemieteten Räumen erlangt. Er wurde vom Wohnungsamt vorläufig eingewiesen und schloß später einen Mietvertrag mit der Eigentümerin ab. Nachdem im Jahr 1951 die vorläufige Einweisung aufgehoben worden war, verlangte der Kläger den Besitz wieder heraus, der Beklagte wendete dagegen ein, der Kläger habe auf seine Rechte aus dem Mietvertrag verzichtet. Der BGH erklärte den Einwand des Verzichtes als Einrede aus dem Rechte eines Dritten für unzulässig. Weil aber der Beklagte selber einen Mietvertrag mit der Eigentümerin geschlossen hatte, stützte der BGH die Zuerkennung der Besitzkondiktion vorrangig darauf, daß nach dem Beweisergebnis der Berufungsinstanz ein Verzicht des Klägers nicht erwiesen war. Die Entscheidung ist für uns noch in anderem Zusammenhang interessant, s. dazu unten E.III.l, S.83 ff.; zum ähnlich gelagerten Sachverhalt von BGH WM 61, S.274, s. ausfiihrlich bei Fn.289.

E. Inhalt und Voraussetzungen der Besitzkondiktion Aus der EinordnWlg der Besitzkondiktion als erleichterte Eigentwnsverfolgwtg ergeben sich Folgen für die Voraussetzungen Wld den Inhalt des Anspruchs. Anband der im folgenden aufzuzeigenden Konsequenzen der hier vertretenen Ansicht soll zugleich deren Richtigkeit überprüft werden. Die aus dem Eigentwn hergeleitete Besitzkondiktion ist in ihrer konkreten Ausgestaltllilg gegenüberzustellen mit den Folgerwtgen, wie sie sich ergeben, wenn man den Anspruch Wlabhängig vom Eigentwn sieht, so daß als Grundlage allein das Interesse des klagenden Besitzers in Frage kommt. Es ist dem Mißverständnis vorzubeugen, daß der Anspruch im Hinblick auf die Interessen des Fremdbesitzers nicht notwendig oder sinnvoll sei. Die Interessen des Fremdbesitzers werden vielmehr in der Regel berührt sein, denn er wird sich anderenfalls kaum zu einer Klage entschließen. Überwiegend mögen dann auch die Fälle sein, in denen der klagende Fremdbesitzer zum Besitz berechtigt ist. Uns geht es aber um die dogmatische Grwtdlegwtg des Anspruchs, die sich, zumal dem Besitzer der Anspruch auch im Fall seiner Nichtberechtigwtg oder seines sonst fehlenden Interesses offenstehen muß, allein aus dem rechtlichen Interesse des Fremdbesitzers nicht leisten läßt.

I. Aktivlegitimation und Begründung des Anspruchs

Wir sehen einen Vorteil unserer Ansicht darin, daß sie die BegriindWlg der Aktivlegitimation des Besitzers - entsprechend den VorstellWlgen der beiden BGB-Kommissionen - ermöglicht, ohne daß auf dessen Recht zum Besitz zurückgegangen werden muß. Durch das Verständnis der Besitzkondiktion als prozessualer Erleichterwtg der Eigentwnsverfolgwtg läßt sich das WlZWeifelhafte Bedürfuis für eine Besitzkondiktion verwirklichen, ohne daß es der Generalisierwtg des Anspruchs zu einem Besitzschutzmittel bedarf. Der Anspruch steht also für die Leistungs- Wld für die Eingriffskondiktion auch dem Wlberechtigten Besitzer zu, wenn dieser den Besitz rechtsgrwtdlos abgegeben oder verloren hat. Das grwtdlegende mit der Klage geschützte Interesse ist das Eigentwn, das durch die Vorenthaltllilg des Besitzes beeinträchtigt wird. Durch die Anknüpfung der Klage an den Besitz wird die Eigentwnsverfolgwtg in zweifacher Wei-

I. Aktivlegitimation und Begründung des Anspruchs

79

se erleichtert: der Eigenbesitzer hat den Anspruch auch ohne Darlegung seines Eigentwns, und er muß sich die Einrede aus dem Recht eines Dritten nicht entgegenhalten lassen. Der Fremdbesitzer wird durch die Einräumung einer gesetzlichen Prozeßstandschaft in die Lage versetzt, das Eigentwn geltend zu machen. Der Anspruch besteht bei rechtsgrundlosen Besitzwechsel, ohne daß der Kläger sein Eigentum oder Besitzrecht darlegen muß. Das primäre Ziel der Klagen des Eigen- und Fremdbesitzers ist daher auch identisch, es besteht in beiden Fällen in der Wiederherstellung der früheren Besitzlage, nämlich des früheren Eigenbesitzes in seiner konkreten Fonn. Daher bestehen auch keine Bedenken, daß der Fremdbesitzer als Prozeßstandschafter die Leistung an sich verlangt und nicht an den Eigenbesitzer. Denn durch die Wiederbegründung des Fremdbesitzes wird gleichzeitig der Eigenbesitz des Hintennannes wiederhergestellt. Die so fundierte Besitzkondiktion läßt deren atypische Natur gegenüber anderen Bereicherungsansprüchen erkennen. Es geht hier nicht darum, daß der Besitz als Gut geleistet wurde oder in den Besitz als Vermögensrecht eingegriffen wurde. Im Vordergrund steht vielmehr, daß in dem rechtsgrundlosen Besitz eine rechtswidrige (eigentumswidrige) Vorenthaltung der Sache liegt, die sowohl vom Eigenbesitzer als auch vom Fremdbesitzer geltend gemacht werden kann. Da letztlich entscheidend das Interesse des Eigenbesitzers ist, kann der Anspruch des Fremdbesitzers nicht gegenüber dem Eigenbesitzer bestehen, von dem er seinen Besitz ableitet. Eine Besitzkondiktion war u.E. folglich nicht gegeben im Fall des BGH, WM 87, 8.181 279 : Im Fall des BGH hatten die Erwerber eines Hausgrundstücks auch solche Räume in Besitz genommen, hinsichtlich deren sich der Veräußerer ein schuldrechtliches Wohnungsrecht vorbehalten hatte. Nachdem die von der wohnungsberechtigten Ehefrau des Veräußerers beklagten Eigentümer durch Teilurteil zur Herausgabe an diese verurteilt worden waren, verlangten nach ihrem Tod ihre Erben eine Nutzungsentschädigung. Für den Zeitraum bis zur Rechtshängigkeit der Herausgabeklage (nach Rechtshängigkeit bestand der Anspruch nach §§ 292 11, 987 BGB) stellte der BGH darauf ab, ob die Eigentümer den Besitz der Wohnungsberechtigten entzogen oder den Besitz anderweitig erlangt hatten, denn nur im ersten Fall hätten die Eigentümer in die im berechtigten Besitz bestehende Rechtsposition mit Zuweisungsgehalt eingegriffen. Die Lösung scheint allerdings in beiden Alternativen allein im Vertragsverhältnis zwischen den Parteien zu liegen. Das Problem im Fall des BGH lag nicht darin, daß in den Besitz eingegriffen war, sondern in den vertraglichen Überlassungs-

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NJW 1987, S.77l.

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E. Inhalt und Voraussetzungen der Besitzkondiktion

anspruch. 280 Daß die BesitzüberlassWlg nicht entscheidend sein konnte, wäre auch deutlich geworden, wenn der BGH nicht auf § 812 I, sondern - weil primär der Besitz herauszugeben war - auf § 818 I BGB abgestellt hätte. Der Anspruch auf Herausgabe ist aber kein Anspruch wegen Wlgerechtfertigter Bereicheroog, sondern der vertragliche ÜberlassWlgsanspruch. Der Anspruch auf BesitzüberlassWlg ergibt sich nicht aus der Ungerechtfertigtheit der VorenthaltWlg, sondern wnnittelbar aus dem Vertrag. Weil es sich nicht um einen Anspruch des Fremdbesitzers gegen einen Dritten, sondern um einen Anspruch innerhalb einer bestehenden VertragsbeziehWlg handelte, läßt sich die EntscheidWlg u.E. auch nicht als aussagekräftiger Beleg für die von der h.L. angenommene Legitimation der Eingriffskondiktion durch das obligatorische Besitzrecht anfiihren. 281

II. Unmittelbarkeit des Besitzerwerbs Vom BGH ist im Bereich der Eingriffskondiktion die Unmittelbarkeit des Besitzerwerbs vorausgesetzt worden. 282 U.E. besteht für eine Einschränkung des Anspruchs auf den wnnittelbar an den Gegner verlorenen Besitz keine Rechtfertigoog. Der Wechsel des wnnittelbaren Besitzes ist für sich genommen keine VermögensverschiebWlg, so daß es auch nicht auf dessen Unmittelbarkeit ankommt. Entscheidend ist u.E. vielmehr die in der V orenthaltWlg des Besitzes liegende Beeinträchtigoog des Eigentums. Die Frage wird sich zwar bei der Klage des Eigenbesitzers in der Regel nicht stellen, anders verhält es sich jedoch beim Fremdbesitz. Hier erscheint es betrachtet man wie die h.M. die Besitzkondiktion als Anspruch im Interesse des Besitzers - in vielen Fällen zufallsbedingt, ob der neue Besitzer wnnittelbar an die Stelle des alten tritt oder beispielsweise erst mit einer zeitlichen VerzögerWlg. Wenn etwa eine vom Vormieter geräumte WOhnWlg sofort nach dessen

280 Im gleichen Sinne Wilhelm, SaR, Rn.23 ff., der unabhängig von den Umständen des Besitzerwerbs einen Bereicherungsanspruch auf Nutzungsherausgabe annimmt.S. auch BayObLGZ 30 (1930), S.1 ff., mit einer besonderen Fragestellung, bei der es statt der vom BayObLG angenommenen Besitzkondiktion der Sache nach ebenfalls um einen Vertragsanspruch ging. 281 Da im Fall des BGH ein Besitzrecht feststand, bestand fiir den entscheidenden 5.Senat auch keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung (WM 61, S.274) abzuweichen. 282 BGH WM 61, S.274, 275 f.; WM 55, S.1555, 1558; darauf verzichtet LG Nümberg-Fürth, NJW 50, S.263 (mit Anm. Bettermann). In einem Fall der behördlichen Zwangseinweisung nimmt LG Hamburg MDR 50, S.100, an, daß die behördliche Leistungsanforderung eine ,,Klammer" bilde, die die Unmittelbarkeit gewährleiste.

ll. Unmittelbarkeit des Besitzerwerbs

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Auszug von dem neuen Mieter in Besitz genommen wird, ist eine Besitzkondiktion denkbar, steht die Wohnung in einer kurzen Zwischenzeit bis zur Inbesitznahme durch den Nachmieter leer, wäre eine Besitzkondiktion hingegen ausgeschlossen. Die Unterscheidung ist für die Besitzkondiktion mit der Begründung aus dem Interesse des Fremdbesitzers untauglich, und sie zeigt, daß auf das im bloßen Besitz liegende Interesse des Vormieters nicht abgestellt werden kann. Es fehlt daher der h.M. auch ein sachgerechtes Kriterium zur Abgrenzung der Besitzkondiktion von den Fällen der Doppelvermietung, in denen ein Rechtsschutz unter den jeweils nur obligatorisch Berechtigten nicht gegeben ist. Man stellt hier darauf ab, ob der zweite Mieter den Besitz vermietungshalber vom Eigentümer oder vom ersten Mieter erhalten hat. 283 Für das durch die Besitzkondiktion zu schützende Interesse des früheren Fremdbesitzers wäre es hingegen unerheblich, ob dessen Nachfolger unmittelbar oder auf dem Umweg über den Eigentümer in den Besitz gelangt. In beiden Fällen wäre der frühere Fremdbesitzer gleich schutZWÜTdig. Kündigt etwa der Vermieter einem mißliebigem Mieter (MI) mit einem vorgetäuschten Kündigungsgrund und kann er aufgrund des von ihm erwirkten vorläufig vollstreckbaren Titels der ersten Instanz die Räumung erzwingen, so handelt es sich, wenn er nach der Kündigung anderweit an M 2 vermietet, unzweifelhaft um einen Fall der Doppelvermietung, und zwar auch dann, wenn M 2 den Besitz unmittelbar von MI erhält. Selbst wenn in der Rechtsmittelinstanz die Räumungsklage abgewiesen wiirde 284 , wäre ein Anspruch des MI gegen den M 2 ausgeschlossen, er wäre auf einen Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter beschränkt. Die h.M. müßte hier dagegen - fUhrt man ihren Standpunkt konsequent durch - eine Besitzkondiktion gewähren. Sieht man jedoch - wie es hier vertreten wird - das maßgebliche Interesse beim Eigentümer, so ist die Unterscheidung gerechtfertigt, ob der Beklagte den Besitz vom Kläger oder vom Eigentümer erhielt. Das Interesse des Fremdbesitzers ist im Nebeneffekt nur solange geschützt, wie es gleichzeitig gegen eine Beeinträchtigung des Eigenbesitzes gerichtet ist. Wenn aber der Eigentümer dem Besitzer den Besitz entzieht oder auf andere Weise ohne dessen Willen in den Besitz der Sache gelangt und die Sache an einen Dritten vermietet, so trifft er eine neue Entscheidung über seinen Eigenbesitz. Der sachliche Unterschied besteht darin, daß eine Disposition des Eigentümers zu dem Besitzerwerb des Beklagten gefUhrt hat. Dann handelt es sich um die sogenannte Doppelvermietung, und ein Anspruch des Mieters gegen den anderen Mieter scheidet aus. Der nicht besitzende Mieter ist auf vertragliche Schadensersatzansprüche gegen den

283

Költer, AcP 153, 8.220 m.w.N.

Durch die Zwangsräwnung oder die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgte Herausgabe tritt eine Erfiillung noch nicht ohne weiteres ein, BGH NJW 90, 8.2756; BGHZ 86, 8.267, 269, so daß auch eine prozessuale Erledigung der Räumungsklage noch nicht stattfindet, BGHZ 94,8.268,274; RGZ 29,8.379,381 f. 284

6 K1inkhammer

82

E. Inhalt und Voraussetzungen der Besitzkondiktion

Eigentümer beschränkt und kann allenfalls unter den Voraussetzungen des § 826 BGB gegen den Folgemieter vorgehen. Scheidet im oben erörterten Fall eine Besitzkondiktion aus, obwohl der Besitz unmittelbar und - im Verhältnis der Parteien - ohne Rechtsgrund vom früheren auf den jetzigen Fremdbesitzer übergegangen ist, so ist auf der anderen Seite eine Besitzkondiktion selbst dann nicht von vornherein auszuschließen, wenn kein unmittelbarer Besitzübergang stattgefunden hat. Hat der Beklagte den Besitz rechtsgrundlos allein von dem klagenden Fremdbesitzer erlangt, so besitzt er die Sache ohne jede Rechtsgrundlage und beeinträchtigt durch die Vorenthaltung der Sache gleichzeitig das Eigentum. Es kann aber auch keinen Unterschied machen, wenn etwa bei einem Untermietverhältnis der Untermieter die Sache nach der Überlassung wiederum untervermietet hat. Hier wäre ein Herausgabeanspruch des Hauptmieters gegen den zweiten Untermieter nach § 556 III BGB lediglich bei einem bestehenden Mietverhältnis zwischen Hauptmieter und erstem Untermieter gegeben. Es ist aber nicht einzusehen, warum der vom Hauptmieter beklagte zweite Untermieter sich im Ergebnis mit Erfolg darauf soll berufen können, daß das Mietverhältnis zwischen dem Hauptmieter und dem ersten Untermieter von vornherein unwirksam war. Statt dessen bestehen gegen die Besitzkondiktion des erstrangigen Fremdbesitzers keine Bedenken. 285 Man wird also - bleibt man in der bereicherungsrechtlichen Terminologie den Eingriff nicht nur in der Besitzentziehung zu sehen haben, sondern auch in der Vorenthaltung des Besitzes. Der klagende Fremdbesitzer wird also nur darlegen müssen, daß der Besitzerwerb letztlich auf ihn zurückgeht und ihm der Besitz ohne Rechtsgrund vorenthalten wird, während der beklagte Besitzer darzulegen hat, daß ihm und gegebenenfalls seinem Oberbesitzer ein Besitzrecht gegenüber dem Kläger zusteht. Bei einem gestuften Besitzmittlungsverhältnis steht der Anspruch und damit die Prozeßstandschaft dem höchstrangigen Fremdbesitzer zu, der freilich nur in den Grenzen des § 986 BGB die Herausgabe verlangen kann, gegebenenfalls also nur an den nächstrangigen Besitzer.

285 Die Unmittelbarkeit wird außer acht gelassen von RGZ 115, 8.34, (s. dazu Fn.306); auch im oben angeführten Fall des BGH (WM 61,8.274; zum Tatbestand der Entscheidung s. ausführlich sogleich unten bei Fn.289) hätte die Besitzkondiktion ebenfalls angenommen werden müssen, wenn die Beklagte etwa ihren Ehemann beerbt hätte, bevor die vorläufige Einweisung unwirksam geworden war, und somit hätte unmittelbar passiv legitimiert sein müssen.

ill. Einwendungen

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m. Einwendungen 1. Recht zum Besitz

Im Fall der Besitzkondiktion sind dem Beklagten Einwendungen aus dem Recht eines Dritten verwehrt, da sie den Tatbestand ,,Besitz" nicht in Frage stellen. Unzulässig ist daher auch der Einwand, ein Dritter sei Eigentümer. Daraus ergibt sich aber nicht die Unzulässigkeit der Einrede eines eigenen Besitzrechts des Beklagten. Wenn man die Besitzkondiktion als petitorischen Anspruch ansieht, so muß der Beklagte sich auf ein Recht zum Besitz berufen können. Dies war fiir die erste Kommission selbstverständlich und war auch der Grund, die Besitzkondiktion nicht in den Besitzabschnitt, sondern in das Bereicherungsrecht aufzunehmen. Auch fiir die in den allgemeinen Bereicherungstatbestand des zweiten Entwurfs aufgegangene Besitzkondiktion ist dies seit Bestehen des BGB nicht in Zweifel gezogen worden. Fraglich ist aber, ob das Besitzrecht in jedem Fall zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehen muß oder ob auch ein Besitzrecht gegenüber einem Dritten den Anspruch ausschließen kann. Nimmt man mit der hier vertretenen Auffassung an, daß die Besitzkondiktion auf das Eigentum zurückzuführen ist, so kann der Beklagte sich nicht nur mit einem Besitzrecht gegenüber dem Kläger, sondern allgemein mit einem Besitzrecht gegenüber dem Eigentümer verteidigen. Entsprechend § 986 BGB handelt es sich auch um eine Einwendung und nicht um bloßes Klageleugnen, wenn der Beklagte ein Besitzrecht geltend macht. Dies mag zwar - insbesondere nach dt:r Konzeption Windscheids - fiir das Gemeine Recht nicht relevant gewesen sein, zumal der Besitzbegriff im wesentlichen auf den Eigenbesitz beschränkt war und es hier hinsichtlich des Besitzrechts selten um eine unabhängige Rechtsbeziehung zu einem dritten Eigentümer ging. 286 Auch fiir den Vorentwurf v.Kübels stellte sich die Frage nicht anders. Eine entscheidende Veränderung ergab sich aber auch hier erst aus der Erweiterung der Klagebefugnis auf den Fremdbesitzer (Inhaber) und gerade fiir den Fremdbesitz gewinnt die Einwendung eines eigenen Besitzrechts Bedeutung. Die Problematik der unterschiedlichen Besitzrechtseinwände ist von der ersten Kommission, was angesichts des Verlaufs der Beratungen nicht verwundert, nicht erfaßt worden. Auf die von der Kommission zur Begründung der Aktivlegitimation herangezogenen Besitzschutzvorschriften kann man zur Erklärung schon deshalb nicht zurückgreifen, weil gegenüber dem Besitzschutz

286 Zunächst war nämlich vom Eigentum des Klägers auszugehen. Die Einwendung, ein Dritter sei Eigentümer, war nicht zulässig. Auch für die Kondiktion des Eigenbesitzers kann allerdings die Frage unter Umständen bedeutsam werden. Da sich das Problem beim Fremdbesitz deutlicher zeigt, wird der Eigenbesitz hier vernachlässigt.

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E. Inhalt und Voraussetzungen der Besitzkondiktion

petitorische Eimeden ausgeschlossen sind und dies während der Beratungen des ersten Entwurfs für die Kommission gesichert war. So befand sich dann auch die Rechtsprechung auf unsicherer Grundlage, als sie sich nach Ende des zweiten Weltkrieges mit dem Problem zu befassen hatte. Mehreren Landgerichten287 und auch dem BGH288 lagen Fälle vor, denen im wesentlichen gemeinsam war, daß ein von einer behördlichen Zwangseinweisung (aufgrund der herrschenden Wohnungs- und Raumnot) betroffener (früherer) Mieter gegen den nachträglich oder gleichzeitig Eingewiesenen und neuen Mieter auf Herausgabe klagte, nachdem die Einweisung sich als unwirksam erwiesen oder später behördlich oder gerichtlich aufgehoben worden war. Der BGH289 hatte im Jahr 1960 folgenden Fall zu entscheiden: Der Kläger hatte in einem gemieteten Lademaum in Berlin mit Rundfunkgeräten gehandelt und eine Reparaturwerkstatt betrieben. Er hatte den Besitz an den Räumen bis zum Kriegsende aufrechterhalten. Nach Ende des ,,Kampfes um Berlin" räumte der Sohn des Klägers den Laden auf, brachte die Waren in Sicherheit und verstellte Türen und Fenster. Die von der Tochter des Klägers nach Kriegsende beantragte Gewerbeerlaubnis wurde jedoch versagt, weil der Kläger Mitglied der NSDAP gewesen war. Das Vermögen des Klägers wurde bis zu seiner Entnazifizierung Anfang des Jahres 1950 von dem Custodian der Britischen Militärregierung zwangsweise verwaltet. Statt des Klägers wurde im Juni 1945 K, der später verstorbene Ehemann der Beklagten, durch Verfügung des zuständigen Unterbürgermeisters in die Räume eingewiesen zum Betrieb eines eigenen Radiogeschäftes. Im Jahr 1948 beantragte K im Einverständnis mit der Grundstückseigentümerin, einer Hypothekenbank, seine endgültige Einweisung in den Lademaum und schloß gleichzeitig mit der Eigentümerin einen Mietvertrag ab. Das Wohnungsamt ging von der Beendigung des Mietvertrages mit dem Kläger aus und wies K endgültig in die Räume ein. Die Verfügung über die endgültige Einweisung wurde dem Kläger nicht zugestellt und war daher unwirksam. Nach Aufhebung der Zwangsverwaltung über sein Vermögen und der verwaltungsgerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der Einweisungsverfügung im Jahr 1954 verlangte der Kläger die Herausgabe der Räume von der Beklagten. Beide Vorinstanzen und der BGH gaben der Klage aufgrund § 812 BGB statt. Der Rechtsgrund für den Besitz der Beklagten habe in der vorläufigen Einweisung bestanden und sei später durch gesetzliche Anordnung weggefallen. In seiner Entscheidung läßt der BGH dahingestellt, ob der Kläger noch zum Besitz berechtigt sei, was die Beklagte in Abrede gestellt hatte. Darauf komme 287 LG Hamburg, MDR 1950, S.96 ff.; MDR 50, S.100; LG Nümberg-Fürth, NJW 1950, S.263 f.; zu den Fällen der frühen Nachkriegszeit s. auch Lewald, MDR 47, S.12 ff. 288

BGH WuM 1954, S.8; WM 61, S.274.

289

Urteil des 5.Senates vom 5.10.1960, WM 61, S.274 ff.

III. Einwendungen

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es nur an, wenn die Beklagte dem Kläger aus dem Recht des Eigentümers den Herausgabeanspruch, aufgrund einer Abtretung oder Ermächtigung seitens des Eigentümers, entgegenhalten könne. Für eine Abtretung des Herausgabeanspruchs aus dem Recht des Eigentümers oder Ermächtigung im Wege der Prozeßstandschaft sei nichts vorgetragen. Das Besitzrecht der Beklagten gegenüber der Eigentümerin zieht der BGH nicht in Betracht. 290 Die Entscheidung ist auf Kritik gestoßen. Gegen sie wird eingewandt, daß es in Wirklichkeit nur um die zukünftigen Nutzungen gehe und nicht um die Bereicherung durch den Besitz. 291 Die Kritik bleibt jedoch im Ansatz ungenau und bedarf der Konkretisierung. Daß es bei der Besitzkondiktion um die künftigen Nutzungen gehen kann, unterscheidet sie gerade vom Besitzschutz. Wenn der Anspruch - wie von den Gesetzesverfassern beabsichtigt - petitorischer Natur ist, so wird mit dem Streit um den Besitz - jedenfalls zwischen den Prozeßparteien - gleichzeitig über die künftige Nutzung entschieden. Unseres Erachtens ist der Entscheidung daher in einem anderen Punkt nicht zu folgen. Wenn es nämlich bei dem petitorischen Streit um die Herstellung der rechtmäßigen Besitzlage geht, muß der beklagte Fremdbesitzer ein Recht gegenüber dem Eigentümer auch ohne ,,Abtretung" oder Ermächtigung einwenden können. Es würde statt dessen - wie auch vom BGH erwogen - zu einem Kreislauf fiihren292 , wenn der Beklagte zum Besitz berechtigt ist, der Kläger aber nicht. Gerade zur Vermeidung einer Besitzverteilung ohne Rücksicht auf Eigentum und Besitzrecht betonte die erste Kommission die Zulässigkeit petitorischer Einreden. Nach Windscheid ging es (zumal im ,,Petitorium") darum, den rechtmäßigen Zustand herzustellen. Da der Fremdbesitzer aber nur dann zum Besitz berechtigt ist, wenn er sein Recht vom Eigentümer ableiten kann, sind u.E. auch die Rechtsbeziehungen der Prozeßparteien zu dem Eigentümer maßgeblich. Der Beklagte darf also in keiner schlechteren Position sein, als wenn der Eigentümer selbst auf die Herausgabe an sich oder an den anderen Fremdbesitzer geklagt hätte. Dann könnte der Beklagte sich aber ohne weiteres mit einem Besitzrecht gegenüber dem Eigentümer verteidigen. Daß es auf ein relatives Besitzrecht des beklagten zu dem klagenden Fremdbesitzer nicht entscheidend ankommen kann, wäre noch deutlicher geworden, wenn der BGH in die Verlegenheit gekommen wäre, daß nicht nur über die 290 So bereits auch Naumann, MDR 49, S.719; Bettermann, Anmerkung zu LG München-Gladbach, MDR 47, S.373.

Staudinger/Lorenz, BGB 12, § 812 Rn.72; ErrnanlHP. Westermann, BGB9, § 812 Rn.7; RGRKJHeimann-Trosien, BGB 12 , § 812 Rn.54 a.E., wendet gegen eine gleichgelagterte Entscheidung ein, nicht der neue Mieter, sondern ein Dritter habe in den Besitz des Klägers eingegriffen, dagegen s. oben E.II, S.80. 292 Aus diesem Grund nimmt RGZ 105, S.l9, 23, die analoge Anwendbarkeit des § 986 I BGB für den nicht unmittelbar gegenüber dem Eigentümer besitzberechtigten zweiten Käufer an. 291

86

E. Inhalt und Voraussetzungen der Besitzkondiktion

Herausgabe zu entscheiden gewesen wäre, sondern der Kläger statt dessen auch die Herausgabe der von der Beklagten gezogenen Nutzungen verlangt hätte. Wenn dem Fremdbesitzer hier aufgrund seines eigenen Interesses der Anspruch gewährt werden soll, könnten ihm die Nutzungen doch nur dann zustehen, wenn er selber zur Nutzung gegenüber dem Eigentümer berechtigt war. 293 Der BGH hätte hingegen die Nutzungen auch zusprechen müssen, ohne daß der Kläger zu Besitz und Nutzung berechtigt gewesen wäre, und selbst dann, wenn die Beklagte - was anzunehmen war - zum Besitz gegenüber der Eigentümerin berechtigt gewesen wäre. Daß eine so verstandene Besitzkondiktion der Interessenlage nicht gerecht wird und zu nicht haltbaren Ergebnissen fUhrt, halten wir für evident. 294 Auch der BGH hätte schließlich zu der von uns angenommenen Zulässigkeit des Besitzrechtseinwandes gelangen müssen, wäre der Tatbestand des in der Entscheidung vorrangig erörterten Anspruchs aus § 1007 BGB 295 gegeben gewesen, denn hier hätte die Beklagte ein gegenüber dem Eigentümer bestehendes Besitzrecht einwenden können. 296 Nach der hier vertretenen Auffassung kann der Beklagte in entsprechender Anwendung des § 986 BGB sein gegenüber dem Eigentümer bestehendes Besitzrecht auch gegen die Besitzkondiktion des Fremdbesitzers einwenden. 297 Es kommt daher u.E. für die Zulässigkeit des Besitzrechtseinwandes nicht darauf an, ob der Beklagte relativ zum Kläger besitzberechtigt ist oder - wie der BGH es für erforderlich gehalten hat - der Eigentümer seinen Herausgabeanspruch abgetreten oder eine diesbezügliche Ermächtigung erteilt hat. Sieht man die 293

S.S.41.

294 Die Entscheidungen sind wohl vor dem Hintergrund zu erklären, daß durch behördliche Anordnung in das Recht des Vorbesitzers eingegriffen wurde, was bei dem öffentlichrechtlich erweiterten Eigentumsbegriff eine Enteignung darstellt. Zweck war es dann wohl auch, daß durch die Besitzkondiktion die Folgen rechtswidrigen oder nicht mehr rechtswirksamen Verwaltungshandelns rückgängig gemacht werden sollten. Dazu dient aber allein der öffentlichrechtliche Folgenbeseitigungsanspruch. Zivilrechtlich können die Folgen dieses Eingriffs nicht den Eigentümer treffen, soweit dieser in seiner Verfiigungsbefugnis nicht beschränkt ist. Hier können sich für den Eigentümer nachteilige Rechtsfolgen allenfalls aus dem mit dem Vorbesitzer geschlossenen Mietvertrag ergeben, die aber wie bei jeder Doppelvermietung nicht zum Herausgabeanspruch des Vorbesitzers gegen den Besitzer führen können, wenn nicht verbotene Eigenmacht oder die Voraussetzungen des § 826 BGB gegeben sind. 295 Der BGH geht in der Entscheidung ohne weiteres von einer analogen Anwendung des § 1007 BGB auf Immobilien aus; s. BGHZ 7, S.207; auch schon BGH LM Nr.3 zu § 855 (ohne ausdrückliche Hervorhebung). 296

S. Staudinger/Gursky, BGB\3, § 1007 Rn.16.

Zur analogen Anwendung des § 986 BGB auf den Bereicherungsanspruch s. auch Wilburg, (Fn.3), S.48; Wo/jJ, Recht zum Besitz, S.17 ff.; Wolff-Raiser § 84 III lb; Kurz, (Fn.7), S.46; BGH WuM 54, S.8, 9 erwägt für diesen Fall den allgemeinen Arglisteinwand, dazu s.o. Fn.278. 297

III. Einwendungen

87

Besitzkondiktion als eine Erleichterung der Eigentwnsverfolguni98 und nicht als Mittel zur Rückgängigmachung einer grundlosen Vennögensverschiebung, so kann auch der Beklagte Einwände aus seiner Rechtsbeziehung zwn Eigentümer herleiten. Vergegenwärtigt man sich hier wiederum, daß die erste Kommission die Besitzkondiktion dem Fremdbesitzer im wesentlichen zur Venneidung einer sonst nötigen ,,Abtretung" der Vindikation zugestand, wird dies auch verdeutlicht durch die Rechtslage in diesem Fall. Würde nämlich der Eigentümer selbst die Vindikation erheben oder den Fremdbesitzer dazu ennächtigen, bliebe die Vindikation ohne Erfolg, wenn der Beklagte gegenüber dem Eigentümer zwn Besitz berechtigt ist, § 986 BGB. Es ist aber nicht einzusehen, wieso dem Kläger die ,,Abtretung", also die Ennächtigung erspart bleiben soll, dem Beklagten, der sich auf eine eigene Rechtsbeziehung zwn Eigentümer beruft, aber nicht. Der Vorteil der an den bloßen Besitz geknüpften Klage ist nur so weit zu rechtfertigen, als dem Beklagten die Einrede aus fremdem Recht abgeschnitten werden soll, nicht aber aus eigenem Recht. Wenn man also den vorrangigen Zweck der Besitzkondiktion im Schutz des Eigentwns sieht, beruft der beklagte Fremdbesitzer sich ebenfalls auf das Eigentwn, wenn er eine unabhängige Rechtsbeziehung zwn Eigentümer geltend macht. Erst wenn man im Fall des BGH den Besitzrechtseinwand der Beklagten auch ohne besondere Ennächtigung zuläßt, gelangt man zu dem u.E. problematischen Punkt des Falles, der darin besteht, daß sich beide Prozeßparteien, klagender und beklagter Fremdbesitzer, auf ein Besitzrecht gegenüber demselben Eigentümer beriefen. Es ist dann zu entscheiden, welchem berechtigten Besitzer der Vorrang gebührt. Hier kann u.E. nur danach unterschieden werden, ob dem Beklagten der Besitz ursprünglich vom Eigentümer oder vom Kläger eingeräumt worden ist. Nur im ersten Fall kann er sich ohne weiteres auf ein Besitzrecht gegenüber dem Eigentümer berufen. Hat er aber den Besitz - beispielsweise als Untermieter - ursprünglich vom Kläger erhalten und beruft er sich gegenüber der Besitzkondiktion des Klägers auf einen nachträglich mit dem Eigentümer abgeschlossenen Mietvertrag, so ist u.E. streitentscheidend, ob der Kläger noch gegenüber dem Eigentümer besitzberechtigt ist. 299 Dies resultiert daraus, daß durch die Verschaffung des Besitzrechts bei gleichzeitiger Besitzeinräumung der Eigentümer sein Recht beschränkt, was seinen Niederschlag in § 986 12 BGB fmdet. Die Übertragung des Besitzrechts ist daher zu Recht als Verfügung gesehen worden3°O, auf die § 185 BGB angewendet werden kann. Insoweit 298 So entscheidet für § 1007 BOB im Ergebnis Staudinger/Gursky, BOB 13 , § 1007 Rn.16. § 1007 BOB ist nach Meinung Gurskys ausgeschlossen, wenn der beim Besitzerwerb bösgläubige Besitzer nachträglich ein Recht zum Besitz vom Eigentümer erwirbt, s dazu Fn.299. 299 So für § 1007 BOB BOR LM Nr.3 zu § 855 BOB; a.A. Staudinger/Gursky, BOB 13 § 1007 Rn.16. 300 ROZ 80, S.395 ff.; 124, S.28 ff.; Flume, Rechtsgeschäfe, S.141, 907 f.

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E. Inhalt und Voraussetzungen der Besitzkondiktion

ist die Rolle des Fremdbesitzers gegenüber dem Eigentümer gewissermaßen verselbständigt mit der Folge, daß der Eigentümer bei wirksamem Besitzmittlungsverhältnis dieses nicht eigenmächtig ändern karm, wenn er nicht selbst zuvor über den (unmittelbaren) Besitz verfügt hat. 301 Zu betonen ist, daß die hier vertretene Ansicht sich damit nicht der kritisierten Verdinglichung des obligatorischen Besitzrechts302 armähert. Denn bei dem Verständnis der Besitzkondiktion als erleichterter Vindikation geht es nicht um die Wirkungen des Besitzrechts gegenüber Dritten, sondern nur gegenüber dem Eigentümer, indem lediglich dessen Befugnisse entsprechend § 986 I 2 BGB beschränkt werden. Wenn man hier von einer Verdinglichung sprechen will, so ist dies eben nur eine Verdinglichung aufgrund einer Disposition des dinglich Berechtigten, die sich anders als die von uns abgelehnte Ansicht ohne weiteres innerhalb der gesetzlichen Wertung des § 986 BGB bewegt, denn die in § 986 BGB enthaltene Verdinglichung wirkt nur gegen den dinglich Berechtigten, dessen Recht mit der Klage verfolgt wird. Demnach ist die Einrede aus dem Recht zum Besitz nicht nur bei einem relativen Besitzrecht gegenüber dem klagenden Fremdbesitzer, sondern entsprechend § 986 BGB zuzulassen. Es karm bei der Klage des früheren gegen den aktuellen Fremdbesitzer im Streit der Fremdbesitzer um das Eigentum eines "Vierten" gehen, namentlich darm, wenn sich beide Prozeßparteien als Fremdbesitzer auf Besitzrechte gegenüber verschiedenen Eigenbesitzern berufen. Darm richtet sich der Streit nach den für den Eigenbesitz herausgearbeiteten Kriterien. Für das Eigentum des ,,Kläger-Oberbesitzers" spricht wiederum die Vermutung des § 1006 11 und für den Ausschluß der exceptio de iure tertii bestehen dieselben Gründe wie im Bereich des Eigenbesitzes, allerdings nicht der Ausschluß der Einrede der Bösgläubigkeit oder des Abhandenkommens des ,,Beklagten-Oberbesitzers". Diese Einreden karm der Beklagte als "passiver Prozeßstandschafter,,303 geltend machen.

301 Daß eine verbotene Eigenmacht des Eigentümers hier ohne weiteres zu einem Rückgabeanspruch nach § 861 BGB führt, bedarf keiner besonderen Erwähnung, s.aber § 858 II BGB. 302 S.o. C.lV, S.61 ff.; Wilhelm, SaR, Rn.29, spricht im Fall des § 771 ZPO, Picker folgend, davon, daß der (u.E. bei Kurz bestehende) Widerspruch zwischen relativem Recht und Abwehrrecht gegenüber Dritten durch die Prozeßstandschaft des Fremdbesitzers aufgelöst sei. Wilhelm (Rn.363) sieht offenbar ebenfalls auch die Leistungskondiktion als Rechtswahrnehmung für den hinter dem Kläger stehenden Berechtigten an. 303 Staudinger/Gursky, BGB 13 , § 1006 Rnr.26, spricht von der mittelbaren (reflexweisen) Wirkung der Eigentumspräsumtion des § 1006 BGB; s. auch Staudinger/Gursky, § 999 Rn.l; zur Zulässigkeit der Prozeßstandschaft auf Beklagtenseite s.

Ill. Einwendungen

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2. Bösgläubiglceit des Klägers

Wie wir oben304 gesehen haben, war die condictio possessionis des bösgläubigen Besitzers in der gemeinrechtlichen Lehre umstritten. Wenn wir bereits der Sache nach festgestellt haben, daß von der ersten Kommission - mit Ausnahme der Ausdehnung auf die Inhabung - eine sachliche Änderung insoweit gegenüber dem gemeinrechtlichen Rechtszustand nicht beabsichtigt war, die Frage aber von der Lehre kontrovers behandelt worden war, bleibt offen, welche Ansicht Gesetz geworden istl°s, zumal die BGB-Kommissionen sich mit der Frage der Bösgläubigkeit nicht auseinandersetzten. U.E. ist der Einwand der Bösgläubigkeit - entsprechend § 1007 III 1 BGB fiir bewegliche Sachen zuzulassen. 306 Die sachliche Rechtfertigung unserer Ansicht ergibt sich daraus, daß fiir den bösgläubigen Eigenbesitzer eine Schutzwürdigkeit nicht besteht. Die Lage ist heute der des § 1007 BGB vergleichbar. War der Eigenbesitzer beim (Mobiliar-) Besitzerwerb bösgläubig, konnte er auch von einem Nichteigentümer kein Eigentum erwerben, seine Legitimation ist also ausgeschlossen. 307 Hinsichtlich des Immobiliar-Eigenbesitzes ist die Frage wegen der hier bestehenden Bedeutungslosigkeit der Besitzkondiktion nicht sinnvoll zu stellen. 30s

Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZpR 1S , § 46 I 2, S.234; SteiniJonas/Bork, ZPO, vor § 50 Rn.41e. 304 B.I,n, S.lI ff. 305 Die zweite Kommission nahm nur noch redaktionelle Änderungen vor; daß sie mit Bolze einem Autor folgte, der seinerseits beispielsweise die Kondiktion des Diebes verworfen hatte, legt nahe, daß sie nicht anderer Auffassung war. 306 Dementsprechend findet sich auch in der Rechtsprechung zum BGB kein Fall, in dem die Klage vergleichbar dem Besitzschutz auch einem bösgläubigen Besitzer zugesprochen wurde. Eine Besitzkondiktion des Diebes wird von RGZ 115, S.34, erst gar nicht in Erwägung gezogen. Das RG nahm vielmehr die Besitzkondiktion des Eigentümers an, dem die Sachen von einem ungetreuen Angestellten gestohlen, an den Beklagten weitergegeben und von diesem weiterveräußert worden waren. 307 Es liegt u.E. nahe, daß auch die römischen Juristen die condictio possessionis nur dem gutgläubigen Besitzer zugesprochen haben. So hätte in der wissentlich unberechtigten Hingabe einer fremden Sache eine deliktische Sachentziehung (furtum) gelegen und eine condictio des Leistenden nicht begründet (s. D 12,1,13 und dazu Bolze AcP 78, S.429; auch Kaser, TR 29 (1961), S.169 ff., 194 Fn.81 m.w.N.). Ebenso dürfte auch eine auf die Sache gerichtete Kondiktion (condictio rel) nach erfolgter Ersitzung auch nur demjenigen Nichteigentümer zugestanden haben, der selber hätte ersitzen können, der er also seine Ersitzungsposition rechtsgrundlos verloren hatte, (so Jakobs, FS Flume I, S.82). Die condictio possessionis erscheint hier als Vorverlagerung dieses Rechtsschutzes (so Wacke, Bull. 79 (1976), S.49 ff., 133). 308 S. oben D.I, S.69 ff.

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E. Inhalt und Voraussetzungen der Besitzkondiktion

Anders ist die Lage beim Fremdbesitze~09, denn hier besteht eine dem gutgläubigen Erwerb nach §§ 932 fI. BGB vergleichbare rechtliche Relevanz der Gut- oder Bösgläubigkeit nicht. Wenngleich sich hier der Einwand der Bösgläubigkeit nicht wie in § 1007 BGB unmittelbar aus dem Zweck des Anspruchs ergibt, erscheint auch hier eine § 1007 III 1 BGB entsprechende Zulassung des Einwands gerechtfertigt, denn der bösgläubige Fremdbesitzer kann unter keinem Gesichtspunkt gezogene Nutzungen behalten, weder aufgrund eines Besitzrechts noch gemäß § 993 I a.E. BGB. Wenn dem Besitzer die Nutzungen aber auf keinen Fall zustehen können, ist auch nicht einzusehen, ihm mit dem Besitz die zukünftige Nutzungsmöglichkeit zu eröffnen. Auch ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Eigentümer dürfte nach § 273 11 BGB regelmäßig ausscheiden. Der bösgläubige Fremdbesitzer verdient schließlich keinen Vorzug hinsichtlich seines Haftungsinteresses. Denn der beklagte Besitzer dürfte sich seinerseits nach §§ 990, 989 BGB durch die Herausgabe an seinen unredlichen Besitzvorgänger in jedem Fall schadensersatzpflichtig machen. Im Interesse des Eigentümers liegt die Rückgabe an den unberechtigten und unredlichen Fremdbesitzer schon deshalb nicht, weil dieser ihm von vornherein den Besitz wissentlich vorenthalten und dadurch sein Vertrauen bereits mißbraucht hat. Soweit in der Literatur zum BGB diese Frage aufgeworfen wurde, ist auch eine Einschränkung der Aktivlegitimation auf den gutgläubigen Besitzer befürwortet worden. 310

IV. Nutzungsherausgabe

1. Aktivlegitimation Wer zur Erhebung der Besitzkondiktion berechtigt ist, kann nach § 818 I BGB die Herausgabe der vom Beklagten gezogenen Nutzungen verlangen. Wie der Wortlaut "die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich ... " zeigt, ist der Anspruch als automatische Folge des Hauptanspruchs gedacht. Für eine Überprüfung der Aktivlegitimation besteht danach kein Rawn, so daß der Anspruch, begründet man ihn - wie die h.M. - aufgrund der bloßen Tatsache des früheren Besitzes, auch dem nicht (nutzungs-) berechtigten und auch dem unredlichen Besitzer zustehen müßte.

309 Der Fall ist allerdings eher theoretischer Natur, denn der "bösgläubige Fremdbesitzer" dürfte von vornherein Eigenbesitzer sein.

3\0

Boehmer, S.21 ff.; Lent, Gesetzeskonkurrenz I, S.344.

N. Nutzungsherausgabe

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Dieses Ergebnis ist u.E. unbillig. Schon vom Ausgangspunkt her erscheint es unbefriedigend, daß selbst der unredliche Besitzer, auf dessen - im bloßen Besitz liegendes - Interesse die h.M. abstellt, die Nutzungen herausverlangen kann, die ihm unter keinem Gesichtspunkt, weder nach § 993 BGB noch aufgrund eines Besitzrechts, zustehen könnten. Hinsichtlich der Aktivlegitimation wird daher auch - soweit man sich mit der Frage befaßt hat - eine Einschränkung auf den redlichen Besitzer befürwortet. 311 Die Nutzungen seien nicht auf Kosten des Vorbesitzers erlangt, wenn dieser die Nutzungen wegen § 990 BGB seinerseits nicht behalten dürfe. 312 Diese Begründung ist aber nicht mehr als eine Ergebniskorrektur und trägt die tatbestandliche Einschränkung des Bereicherungsanspruchs daher nicht. Es fehlt zum einen eine Erklärung für die unterschiedliche Behandlung von Besitzübertragung und Nutzungsherausgabe, zum anderen besteht kein Einklang mit der von der h.M. angenommenen Grundlage der Klage. Eine aus dem bloßen früheren Besitz legitimierte Klage, die den künftigen Besitz allein wegen des grundlosen Besitzverlustes dem Kläger zuspricht, müßte dem Kläger ebensogut die Nutzungen gewähren, denn diese beruhen zweifellos kausal auf dem Besitzerwerb. Es wäre widersprüchlich, dem Bereicherungsgläubiger im Hinblick auf das Recht eines Dritten die in der Vergangenheit gezogenen Nutzungen vorzubehalten, wenn man ihm ungeachtet des Drittrechts den Besitz zuspricht, zu dem er gleichermaßen nicht befugt ist. Nach der gesetzlichen Regelung des § 818 BGB bleibt auch überhaupt kein Raum, für den auf die Nutzungsherausgabe gerichteten Folgeanspruch erneut auf die Aktivlegitimation einzugehen. In der Regel ist es unproblematisch, mit der Herausgabe des Erlangten die Nutzungsherausgabe zu verbinden, denn mit dem übergegangenen Recht ist gleichzeitig die Nutzungsbefugnis verbunden. Wer beispielsweise sein Eigentum verloren hat, wäre ohne den Eigent..unsübergang zur Nutzung befugt gewesen, es leuchtet also auch ein, daß ihm die (im Vermögen des Anspruchsgegners noch vorhandenen) Nutzungen zufließen sollen. Anders ist es indessen beim Besitz, denn mit dem bloßen Besitz ist lediglich der Schutz gegen verbotene Eigenmacht verbunden, über die Befugnis zur Nutzung oder sonstigen wirtschaftlichen Verwertung ist damit noch nicht entschieden. 313 Es gilt also wiederum, der besonderen Natur der Besitzkondiktion gegenüber den gesicherten Fällen des Bereicherungsanspruchs Rechnung zu tragen.

311 So PlanckiLandois, § 818 Anm.4c m.w.. N; Stieve, S.69; ähnlich offenbar auch StaudingerlLorenz, BGB I 2, vor § 812 ff., Rn.23, zu einem Fallbeispiel von Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 600, der anderer Ansicht ist. 312 PlanckiLandois, Fn.31 1.

313 Selbst der berechtigte Besitzer ist zur Nutzung nur befugt, wenn ihm ein Nutzungsrecht zusteht. Ein Anspruch des Verwahrers auf die Nutzungen ließe sich schlechterdings aus seinem eigenen Interesse nicht rechtfertigen.

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E. Inhalt und Voraussetzungen der Besitzkondiktion

Die Ansicht vom Besitz als selbständigem Vennögenswert (oder vennögenswertem Vorteil) vennag auch hier nicht zu befriedigen, denn sie müßte differenzieren zwischen dem Besitz und den daraus abgeleiteten Folgeansprüchen. Dafiir gibt aber ein im Interesse des bloßen Besitzers bestehender Bereicherungsanspruch keinen Raum, denn er stellt auf die Bereicherung des Beklagten, nicht aber auf den Schaden des Klägers ab. Die Begründung des Anspruchs aus dem Interesse des bloßen Besitzers stünde daher bei einer Einschränkung der Nutzungsherausgabe im Widerspruch zu der inhaltlichen Ausgestaltung des Anspruchs. Nach der hier vertretenen Auffassung beruhen der Haupt- und Folgeanspruch auf einer einheitlichen Grundlage. Ist der Einwand der Bösgläubigkeit zulässig, so sind dem bösgläubigen Besitzer Besitz- und Nutzungsherausgabe gleichermaßen verwehrt. Die Aktivlegitimation muß also nicht differenziert werden zwischen Haupt- und Nebenansprüchen. Dies wird schließlich auch dadurch gestützt, daß der Beklagte nur so sicher gehen kann, daß er durch die Herausgabe der Nutzungen von seiner Pflicht auch gegenüber einem dritten Eigentümer frei wird, § 991 I BGB. Handelt es sich nur um einen bloßen Verwaltungs- oder Verwahrungsbesitzer, kann dieser - nach unserer Auffassung folgerichtig - nur Herausgabe der Nutzungen an den Eigentümer verlangen.

2. Passivlegitimation

Vergleicht man die Nutzungsherausgabe des § 818 BGB mit den §§ 987, 990, 988 BGB, nach denen der Eigentümer nur vom bösgläubigen, verklagten

oder unentgeltlichen Besitzer die Nutzungen herausverlangen kann, ist die Rechtsstellung des Klägers der Besitzkondiktion anscheinend besser. 314 Dies gilt ebenso im Vergleich zu dem nach § 1007 BGB berechtigten Kläger, da auch hier über § 1007 III BGB die §§ 987 ff. BGB anzuwenden sind. Die Kondiktion des ersten Entwurfs richtete sich nach dessen § 740 im Fall der Verpflichtung zur Rückgewähr des Eigentums oder eines Nießbrauchs hinsichtlich der Nutzungen nach den Vorschriften des Eigentümer-BesitzerVerhältnisses. Die erste Kommission hatte hierzu erwogen, es sei dringend geboten, den gutgläubigen Eigentümer nicht schlechter zu stellen als den gut-

314 Von Lieb in MÜßchener Kommentar (2.Auflage) § 818, Rn.22, wird eine analoge Anwendung des § 993 BGB für möglich gehalten.

IV. Nutzungsherausgabe

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gläubigen Besitzer.3\S Die Beratwlg des späteren § 740 E I fand im wesentlichen vor den für die Besitzkondiktion maßgeblichen Beratungen statt. Nach Einfiihrung der Besitz- (und Inhabungs-) Kondiktion wurde § 740 E I von der Kommission nicht mehr überarbeitet. 316 Die zweite Kommission317 folgte in Abweichung von ihrer Vorgängerin dem Vorbild des Erbschaftsanspruchs und änderte die Regelung in das heute geltende Recht (§ 818, §§ 987 ff. BGB). Daß der zwar rechtsgrundlose, aber redliche Eigentümer durch den Bereicherungsanspruch nicht zu Schaden komme, sei durch die Begrenzung des Bereicherungsanspruchs auf die noch vorhandene Bereicherung (§ 818 III BGB) erreicht. 318 Dennoch wird in der unterschiedlichen Behandlung heute überwiegend ein Wertwlgswiderspruch gesehen. Zur Aufhebung des Wertwlgswiderspruchs wendet die Rechtsprechung § 988 BGB auf den rechtsgrundlosen Besitzerwerb an und hält an der Ausschließlichkeit des Vindikationsrechts gegenüber dem Bereicherungsrecht fest. Die h.L.3\9 hält die Gleichsetzung von unentgeltlichem und rechtsgrundlosen Besitzerwerb für unrichtig, weil in § 988 BGB nur eine Vermögensverschiebung in freigebiger Absicht gemeint sei. Sie läßt statt dessen eine Konkurrenz von Besitzkondiktion und §§ 987 ff. BGB zu und gewährt dem Eigentümer so nach §§ 812, 818 BGB den Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen. Im einzelnen differieren die Literaturansichten, einig ist man sich nur darin, daß eine Gleichsetzung des unentgeltlichen mit dem rechtsgrundlosen Besitzerwerb nicht gerechtfertigt sei. Wir können der Kritik an der Rechtsprechung nicht folgen. U.E. ist es - setzt man einmal voraus, daß ein unerwünschtes Ergebnis zu korrigieren ist - unerheblich, ob man den Begriff der Unentgeltlichkeit weiter faßt oder § 988 BGB

m Protokolle der l.Kommission bei JakobsiSchubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldrecht m, S.783. 316 Die Vorschrift belegt abennals die unvollkommene Bearbeitung der Besitzkondiktion durch die erste Kommission, denn der gutgläubige Besitzer hätte nach dem Wortlaut des § 740 E I aufgrund der Besitzkondiktion die Nutzungen herausgeben müssen. Diese Folge ist indessen in den Gesetzesberatungen nicht zur Sprache gekommen und dürfte auch angesichts des Verlaufs der Beratungen nicht dem Willen der Kommission entsprochen haben. 317 318

Prot. 11, S.709 f.; dazu Wieling, AcP 169, S.137 ff.; Siber, JherJahrb 89, S.92. Prot. 11, S.710.

319 S. stellvertretend Staudinger/Gursky, BGB\3, vor §§ 987-993 Rn.39 m.w.N. zum Meinungsstand; auf dieser Linie lag ursprünglich auch die Rechtsprechung des Reichsgerichts: RGZ 129, S.307, 310 f. mit zweifelhafter Differenzierung nach dem geltend gemachten Recht (§ 985 oder § 812); ähnlich ohne Eingehen auf die Frage der Ausschließlichkeit OGHZ 1, S.87, 103, wo der Tatbestand der Besitzkondiktion aber nicht gegeben war; im Gemeinen Recht war in der Rechtsprechung eine Konkurrenz angenommen worden von OAG Cassel, SeuffA 13, Nr.256.

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E. Inhalt und Voraussetzungen der Besitzkondiktion

nur analog anwendet, solange die Lage der des § 988 BGB entspricht. Daran kann aber gar kein Zweifel bestehen, wenn man bedenkt, daß der Besitzer nach § 988 BGB 320 eben deshalb zur Nutzungsherausgabe verpflichtet ist, weil er kein Entgelt fiir den Besitz (besser: fiir das vermeintliche Besitzrecht) zu erbringen hat. Von der zugrundeliegenden Wertung erscheint es unbedeutend, ob er nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts kein Entgelt erbringen mußte oder das entgeltliche Geschäft sich als unverbindlich erweist. Entscheidend ist doch, daß er ein Vermögensopfer nicht erbracht hat und auch nicht erbringen muß. Problematisch ist demnach nur der Fall, in dem der rechtsgrundlose Besitzer an einen Dritten die Gegenleistung erbracht hat und die Rückforderung aussichtslos oder doch zumindest zweifelhaft ist. 321 Die vorrangige oder kumulative Anwendung der - auf den Folgeanspruch des § 818 I BGB beschränkten - Leistungskondiktion erscheint aber schon im Ansatz zweifelhaft, denn sie gibt dem Anspruch eines Dritten den Vorzug mit dem Zweck des Schutzes des Besitzers, also seines Anspruchsgegners, was als Konstruktion fragwürdig erscheint. Damit ist dann auch nur gewährleistet, daß der Besitzer die Nutzungen so lange nicht herausgeben muß, bis er seine Gegenleistung zurückerhalten hat. Nicht gewährleistet ist aber, daß der Eigentümer die Nutzungen erhält, auch wenn sie ihm allein zustehen. Ein weiterer Einwand gegen die h.L. 322 ergibt sich aber daraus, daß sie sich in Widerspruch zu den von ihr fiir maßgeblich gehaltenen Wertungen des Bereicherungsrechts setzt, wenn sie den Bereicherungsanspruch nur teilweise, namentlich auf die Leistungskondiktion beschränkt, neben dem Vindikationsrecht zuläßt. Etwa in dem Fall des rechtsgrundlosen Erwerbs einer abhanden gekommenen Sache bestünde tatbestandlich ohne weiteres eine Eingriffskondiktion des Eigentümers, denn in dem Besitz und der Nutzung liegen Eingriffe in das Eigentum. Wenn nun statt dessen allein die Leistungskondiktion zugelassen wird, so steht dies im Widerspruch zu den bereicherungsrechtlichen Wertungen. Wäre der Besitzer im Wege des gesetzlichen Eigentumserwerbs Eigentümer geworden, so würde nach h.M. ein Vorrang der Leistungskondiktion (Leistungsbeziehung) nicht bestehen323 und statt dessen dem früheren Eigentümer unmittelbar die Eingriffskondiktion zustehen, weil dieser eben nicht in eine Abwicklung mit einer Zwischenperson hineingezogen werden darf, deren 320 So findet beispielsweise Staudinger/Gursky, BGB 13 , vor §§ 987-993 Rn.41, kein Bedenken darin, § 988 BGB auf den Besitzerwerb durch verbotene Eigenrnacht anzuwenden, obwohl dieser sicherlich keine Vermögensverschiebung in freigebiger Absicht ist.

321 Hier hat auch der BGH in einem obiter dictum, BGHZ 109, S.l79, 190 f., eine andere Lösung angedeutet. 322

Staudinger/Gursky, BGB I3 , vor §§ 987-993, Rn.41 f.

323

BGHZ 55, S.176.

IV. Nutzungsherausgabe

95

Besitz er selber nicht veranlaßt hat. 324 Die Eingriffskondiktion des früheren Eigentümers richtet sich auch ohne weiteres auf die NutZWlgen. Es ist kawn einzusehen, daß etwas anderes gelten sollte, wenn der Eigentümer vor der Verarbeitung sein Eigentwn vindiziert. Allein aus dem Bereicherungsrecht läßt sich eine Schutzwfudigkeit des Besitzers hinsichtlich des sogenannten Einwendungserhaltes nicht herleiten. Er hat eben mit einem Dieb kontrahiert und in diesem Fall geht gerade die bereicherungsrechtliche Risikoverteilung zu seinen Lasten. Der Erwerb erfolgte nicht auf Kosten des Diebes, sondern auf Kosten des Eigentümers. Aufgrund einer Leistung als solcher kann eben noch nicht der dinglich Berechtigte in irgendeiner Form betroffen sein, wenn er die Leistung nicht wenigstens durch Verursachung eines entsprechenden Rechtsscheins veranlaßt hat. 325 Ähnlich verhält es sich im Vergleich zu anderen Fällen des gesetzlichen Eigentumserwerbs. Erwirbt etwa der Finder nach § 973 BGB Eigentwn an der gefundenen Sache, ist er nach §§ 977, 818 11 BGB zur Herausgabe der NutZWlgen verpflichtet, anders verhält es sich, solange er lediglich Besitzer ist. Die ausschließliche Anwendung der Leistungskondiktion würde also den Wertungswiderspruch im Bereich der Eingriffsbereicherung bestehen lassen. Da aber somit auch ohne weiteres die Eingriffskondiktion des Eigentümers zulässig wäre und diese sogar bei der Leistung abhanden gekommener Sachen die Leistungskondiktion des Dritten tatbestandlieh ausschließt, liegt es auf der Hand, daß sich mit Hilfe des Bereicherungsrechts eine Beseitigung des Wertungswiderspruchs nicht erzielen läßt. Auch die angenommene Schutzwürdigkeit des Besitzers läßt sich dem Bereicherungsrecht nicht entnehmen, sie kann sich statt dessen allein aus der in §§ 993, 988 BGB enthaltenen Wertung ergeben. Will man also den Vorstellungen der Gesetzesverfasser gerecht werden, die durchweg selbstverständlich von der Ausschließlichkeit der Regdn des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses gegenüber § 812 BGB ausgingen, muß man die Lösung innerhalb der gesetzlichen Wertung des § 988 BGB suchen, die anders als die Leistungskondiktion, die nur für ein ,,zweipersonenverhältnis" gedacht ist - bereits auf drei Personen zugeschnitten ist. Den Gesetzesverfassern lag auch fern, durch die Zulassung der Besitzkondiktion die Rechtsstellung des Eigentümers bezüglich der herauszugebenden NutZWlgen zu erweitern. Vielmehr war der Wertungs widerspruch noch von der ersten Kommission, die sich 324 So ruf die Besitzkondiktion nahezu selbstverständlich RGZ 115, S.31, 34. Im Fall des Reichsgerichts hatte ein Angestellter seinem Arbeitgeber Schrott gestohlen und an die Beklagte veräußert. Das Reichsgericht bejaht die unmittelbare Besitzkondiktion nebst Nutzungsherausgabeanspruch des klagenden Arbeitgebers gegen die Beklagte, ohne in der Leistungsbeziehung zu dem Angestellten ein Hindernis zu erkennen. Gegenstand der Klage war indessen nur der Sachwert, hinsichtlich dessen die Sache zur Prüfung des Anspruchs nach § 816 an das Berufungsgericht zurückverwies. 325 S. dazu oben C.I1IA, S.59 f.

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E. Inhalt und Voraussetzungen der Besitzkondiktion

im wesentlichen mit der Besitzkondiktion befaßte, dadurch vennieden worden, daß die auf das Eigentum gerichtete Kondiktion lediglich gegenüber dem bösgläubigen Besitzer auch aufNutzungsherausgabe ging, indem § 740 E I auf die Nutzungsherausgabe des Vindikationsrechts verwies. Die Zulassung der Besitzkondiktion kann also von vornherein nicht einer erweiterten Nutzungsherausgabe gedient haben, sondern - wie von uns angenommen wird - nur einer Verbesserung der Rechtsstellung des Eigentümers durch eine in prozessualer Hinsicht erweiterte Aktivlegitimation. Sieht man mit der hier vertretenen Ansicht in der Besitzkondiktion eine Ergänzung des Eigentumsschutzes, kann die Besitzkondiktion zur Beseitigung des Wertungswiderspruches zwischen rechtsgrundlosem Besitz- und Eigentumserwerb auch heute nicht herangezogen werden, denn die Rechtsfolgen der Besitzkondiktion sind dann folgerichtig von denen der Vindikation nicht verschieden. Es ist daher auch nicht nur die Frage zu stellen, ob der redliche, aber nichtberechtigte Besitzer gegenüber dem Kläger der Besitzkondiktion die Nutzungen in entsprechender Anwendung des § 993 I a.E. BGB behalten kann326, sondern § 993 I a.E. BGB ist auf die Besitzkondiktion ebenso entsprechend anzuwenden wie § 988 BGB. Die Passivlegitimation hinsichtlich der Nutzungsherausgabe ist demzufolge kein Problem des Bereicherungsrechts oder der Konkurrenz von Bereicherungsanspruch und Vindikation, sondern allein ein Problem der Vindikation, und mit §§ 988, 993 I a.E. BGB bestehen daher auch gesetzliche Regelungen, in deren Bewertung bereits die Interessen von drei Personen einbezogen sind. Die von der Rechtsprechung praktizierte Anwendung des § 988 BGB ist somit nicht nur die sachgerechte, sondern nach unserem Verständnis der Besitzkondiktion auch einzig denkbare Möglichkeit zur Aufhebung des angenommenen Wertungswiderspruchs. In dem allein problematischen Fall, daß der vom Eigentümer in Anspruch genommene Besitzer den Besitz rechtsgrundlos erlangt und dafür eine Gegenleistung erbracht hat, wäre die Rechtsprechung schließlich ohne größere Schwierigkeiten dahingehend zu erweitern, daß man die dem Besitzer verbliebene Bereicherung nach §§ 988, 818 I BGB entsprechend dem Zweck des §§ 993 I a.E., 988 BGB begrenzt. Ein Anspruch auf die dem Besitzer verbliebene Bereicherung würde sich demnach sinnvollerweise auf Abtretung der gegen den Vertragspartner gerichteten Kondiktion des Besitzers in Höhe der Nutzungen richten. So wird einerseits vennieden, daß die Nutzungsherausgabe zu einer Schädigung des Vermögens des Besitzers fiihrt, andererseits aber auch, daß der Besitzer die allein dem Eigentümer zustehenden Nutzungen endgültig behalten darf. Es kann kein Bedenken darin gefunden werden, daß wir uns damit der Sache nach ungeachtet der rein begriffsjuristischen Kritik auf der Grundlage der Entscheidung des RG(Z) 163, 360 befinden. 326 So für die Eingriffskondiktion Windscheid/Kipp 19, S.879; das Problem wirft auch Lieb auf in MÜßchener Kommentar zu § 818, Rn.22.

rv.~u~gsherausgabe

97

3. Die Besilzkondiktion gegen den Ersilzungsbesilzer

Wenn der Eigentümer die Sache rechtsgrundlos ood außerdem oowirksam veräußert, fragt man sich, ob ihm die LeistWlgskondiktion auch noch zustehen kann, wenn der Leistungsempfänger die Sache inzwischen nach § 937 BGB ersessen hat. Das Reichsgericht entschied in diesem Sinne im sogenannten Menzel-Fall J27 ood fand die Begriindoog, in Anschluß insbesondere an Wolff ood Oertmann in folgendem: Wenn ein Geschäftsfähiger einem anderen eine fremde Sache schenke, erwerbe der Empfänger zwar sofort das Eigentum, hafte aber nach § 816 I 2 BGB noch 30 Jahre lang auf Herausgabe, während er im sonst gleichen Falle bei SchenkWlg durch einen Geisteskranken nach zehn Jahren haftfrei werde. Derartiges könne das Gesetz nicht wollen. Auf der gleichen Linie liegt das Argument, daß dem Eigentümer die LeistWlgskondiktion zugestanden hätte, wenn er das Eigentum wirksam übertragen hätte. Es ist in der Tat auch einleuchtend, daß die bestehende Geschäftsunfähigkeit sich nicht zu Gunsten desjenigen auswirken kann, der mit dem Geschäftsunfähigen kontrahiert. Der Entscheidoog des RG ist im Ergebnis zu folgen. Unrichtig erscheint aber die Begriindoog der vom RG bevorzugten Literaturansicht, die auf die zunächst bestehende Besitzkondiktion abstellt ood das durch ErsitZWlg erworbene Eigentum als Frucht oder Surrogat des Besitzes ansieht. 328 Wir haben bereits gesehen, daß der ErsitzWlgsbesitz im heutigen Recht keine eigenständige Rechtsposition mehr ist, als deren Frucht oder Surrogat man das schließlich erworbene Eigentum betrachten könnte. Der ErsitzWlg kommt nach der Zulassoog des gutgläubigen Erwerbs keine eigenständige materielle Bedeutung mehr zu, ood sie ist daher von Bauer zu Recht wegen ihrer von der regelmäßigen Verjährung abweichenden Frist als Fremdkörper im System des Eigentums- ood Bereicherungsrechts bezeichnet worden. 329 Wie fragwürdig aus Sicht der bereicherungsrechtlichen Dogmatik gerade im vom Reichsgericht entschiedenen Fall die auch hier wieder angenommene 00terschiedliche Reichweite von Leistungskondiktion ood Eingriffskondiktion ist, zeigt sich bereits daran, daß bei einem Geschäftsunfähigen nicht von einer Leistung ausgegangen werden kann. 330 Die Ursache des Problems liegt vielmehr allgemein in dem Widerspruch zwischen der zehnjährigen ErsitzWlgsfrist ood

327

RGZ 130, S.69 fI.

328

So überzeugend Bauer, (Fn.158), S.179 fI. m.w.~. zum Meinungsstand.

329

Bauer, (Fn.158), S.181.

330 So noch gesetzlich bestimmt in § 748 I E I, Protokolle der 1.Kommission bei Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Schuldrecht III, S.826 fI.; Reuter/Martinek, S.101 f.; FikentscherlDrexl SchRB, Rn.1073; a.A. LarenzlCanaris SchR BT 13 , S.134; s. auch Scheyhing AcP 157, S.371, 386. 7 Klinkhammer

98

E. Inhalt und Voraussetzungen der Besitzkondiktion

der dreißigjährigen Vindikationsvetjährung.33\ Man wird daher die Kondiktion nicht nur im Fall der Leistung, sondern in allen Fällen der rechtsgnmdlosen Ersitzung zulassen können. 332 Entgegen Bauer ist eine Begründung mit Hilfe des § 818 I BGB u.E. aber nicht erforderlich, vielmehr erscheint der Anspruch bereits dadurch ausreichend begründet zu sein, daß der Ersitzende das Eigentum ohne rechtfertigenden Grund in sonstiger Weise auf Kosten des früheren Eigentümers erworben hat. Wenn man also die Eigentumskondiktion nach erfolgter Ersitzung zulassen will, so beruht dies nicht auf einem rechtsgnmdlosen Erwerb des Besitzes, der in der Folge zum Eigentumserwerb geführt hat (§§ 812,818 I BGB), sondern auf dem originären Eigentumserwerb (§ 812 I 1 2.A1t. BGB). Somit kann das durch Ersitzung erworbene Eigentum ebensowenig wie etwa der Veräußerungserlös des nichtberechtigt Verfügenden nach §§ 812, 818 I BGB als Surrogat des Besitzes angesehen werden.

v. Wertersatz Für die auf den Besitz gerichtete Kondiktion ist fraglich, welcher Wert nach § 818 11 BGB zu ersetzen ist, wenn der Beklagte zur Herausgabe nicht mehr imstande ist. Für Bruns war die Frage des Besitzwertes von zentraler Bedeutung, denn eine Vermögensverschiebung setzte den Vermögenswert voraus. Für die Wertschätzung vermochte er indessen keine Regeln aufzustellen, glaubte aber dennoch, daß dem Richter im Einzelfall die Schätzung möglich sein werde. Diese optimistische Erwartung teilten die Verfasser der Motive. Sie sollte sich später - ebenso wie die zugnmde liegende Betrachtung des Besitzes als Vermögensgegenstand - als unbegründet erweisen. Weil der Besitz einen abstrakten rechtlichen oder wirtschaftlichen Wert nicht darstellt, verwundert es nicht, daß bis heute in der Rechtsprechung ein Wert des Besitzes nicht festgestellt oder geschätzt worden ist.

33\ So Bauer, S.169 fI., die auch zu Recht darauf aufmerksam macht, daß eine unterschiedliche Behandlung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktion nicht berechtigt ist. 332 Bauer, (Fn.158), S.183 fI., meint, eine Lösung sei nur de lege ferenda möglich, und zwar durch Streichung der zehnjährigen Ersitzungsfrist, die allenfalls für den entgeltlichen Erwerb einer abhanden gekommenen Sache vom Nichtberechtigten beibehalten werden könne. Demgegenüber wäre u.E. die Korrektur eines in sich widersprüchlichen Gesetzes auch de lege lata zulässig. Ob es sich hier aber überhaupt um eine Gesetzeskorrektur handelt, ist angesichts der von uns bereits erwähnten Beratungen der zweiten Kommission (Fn.120) zu bezweifeln.

V. Wertersatz

99

In der Rechtsprechung findet sich lediglich die Feststellung, der Wert des Besitzes sei mit dem Wert der Sache nicht gleichzusetzen und nur der Wert der Gebrauchsvorteile sei herauszugeben. 333 Der Wert der Gebrauchsvorteile ergibt aber nicht den Wert des Besitzes, sondern besteht neben dem Besitz. Mit der Besitzkondiktion kann der Vorbesitzer, wenn die Sache noch bei Gegner ist, den Besitz und die Nutzungen nach § 818 I BGB herausverlangen. Verliert der Gegner aber den Besitz, so besteht zweifellos der Anspruch auf die Nutzungen nach § 818 I BGB fort. Es bleibt also nur festzustellen, daß neben dem Wert der Sache kein weiterer Wert vorhanden ist, der herauszugeben wäre. Die Rechtsprechung verneint dies zu Recht mit der Begründung, der Veräußerungserlös mache nicht den Wert des Besitzes, sondern der Sache aus. Es ist daher auch nicht denkbar, daß dem nicht mehr besitzenden Bereicherungsschuldner an Stelle des Besitzes überhaupt ein Wert verblieben sein könnte. U.E. ist dies ein weiterer Beleg für die Unrichtigkeit der Qualifizierung des Besitzes als Vermögenswert oder Vermögensvorteil. Wenn der bloße Besitz ein Vermögensvorteil sein soll, dann eben nur durch die mit dem Besitz verbundene tatsächliche Möglichkeit der Nutzung oder Verwertung der Sache. Wollte man also mit der Einordnung des Besitzes als Vermögensvorteil ernst machen, so müßte man dem früheren Besitzer einen Anspruch auf den Veräußerungserlös geben. Da der bloße Besitz aber nicht geeignet ist, einer Person die Sache auch nur zeitoder teilweise zuzuordnen, kommt die Erstattung eines abstrakten Wertes nicht in Betracht. 334 Die Wertermittlung des Besitzes wird nach dem BGB in vielen Fällen wegen § 818 III BGB unnötig sein. Die Frage wird aber unausweichlich, wenn der Besitzempfänger bösgläubig/ verklagt war oder bei einem gegenseitigen Vertrag nach der Saldotheorie der Überschuß der beiderseitigen Leistungen zu ermitteln ist. Hier ist der Wert ohne Rücksicht auf den Wegfall der Bereicherung herauszugeben oder als Rechnungsposten zu berücksichtigen. In diesen Fällen kommt man nicht mehr um die Feststellung herum, daß der Besitz keinen selbständigen Wert gegenüber der Sache (dem Eigentum) hat. Am Beispiel der Saldotheorie zeigt sich abermals, daß die These von der Besonderheit der Leistungskondiktion die Interessenlage nicht erfaßt. Die Bereicherung besteht nach der Saldotheorie in dem Überschuß der Aktiv- über die Passivposten. Wer die Besitzübertragung als Leistung betrachtet und den Besitz als vermögenswerten Vorteil, der müßte folgerichtig den Besitz auch bei einer Saldierung der beiderseitigen Leistungen wertmäßig berücksichtigen. Da allerdings dem Besitz ein abstrakter Wert nicht zukommt, führt die Saldotheorie zu dem Ergebnis, daß trotz beiderseits erbrachter Leistungen nur auf einer Seite eine Bereicherung eingetreten ist. Die Saldotheorie kann ihrem Zweck, der Einschränkung des 333 RGZ 98, S.131; BGH LM § 812 Nr.15 = NJW 53, S.58; so auch PalandtiThomas, BGB, § 818 Anm.5c. 334 S. Medicus, AcP 165, S.115, 140; Staudinger/Gursky, § 1007, Rn.4l.

100

E. Inhalt und Voraussetzungen der Besitzkondiktion

Entreicherungseinwandes nach § 818 III BGB, nicht gerecht werden, denn der Besitzempfiinger könnte, gleichviel, ob er gut- oder bösgläubig ist, mit der Sache nach Belieben verfahren, ohne dadurch seinen Rückzahlungsanspruch zu gefährden. Dieses Ergebnis ist aber u.E. nicht hinzunehmen. Eine Lösung kann sich indessen - entsprechend der hier vertretenen Konzeption - nur daraus ergeben, daß der Anspruch nicht als Bereicherungs-, sondern als Schadensersatzanspruch aufgefaßt wird. Die Sicht von der condictio possessionis als Schadensersatzanspruch war bereits in der gemeinrechtlichen Lehre vorherrschend, denn hier wurde fiir den Wertersatz überwiegend auf das Klägerinteresse abgestellt. 335 Im römischen Recht fehlte eine Feststellung des Betrages der condemnatio im Fall der condictio possessionis. Für die gemeinrechtliche Doktrin kamen als Gegenstand der Verurteilung, da es einen abstrakten Besitzwert nicht gibt336 , der Sachwert (quanti ea res est) oder das Besitzinteresse (quanti interest possidere) des Klägers oder des Beklagten in Betracht. Bruns übertrug die Interdiktsverurteilung auf die condictio possessionis. Die condemnatio sollte nach ihm statt auf quanti ea res est auf quanti actoris interest possidere lauten, auf das Interesse des Klägers an dem Besitz der Sache. 337 Auch darin stimmte die herrschende Lehre nicht mit ihm überein. Vielmehr verlangte die Mehrheit - wie bei der rei vindicatio und der actio Publiciana - die Verurteilung auf das Sachinteresse. 338 Man wurde sich der schadensersatzrechtlichen Natur nicht bewußt wegen des Dogmas von der Vermögensverschiebung, das mit der Vermögensmehrung auf seiten des Beklagten notwendig eine Vermögensminderung auf der Seite des Klägers voraussetzte. Dennoch konnte auch nach damaliger Ansicht der Bereicherungsanspruch nicht auf mehr gehen als auf das, was sich irgendwann im Vermögen des Empfängers befunden hat. Ein darüber hinausgehender Schaden

335 Dies wird besonders deutlich an der Meinung Pflügers (Die sogenannten Besitzklagen des römischen Rechts, 1890, S.127), der annahm, daß dem Kläger das zu ersetzen sei, was er für den Erwerb aufgewandt habe und die entgangenen Nutzungen, "denn das ist sein wahrer Schade". Auch Bruns ging davon aus, wenn er auf das Klägerinteresse abstellte. 336

Bruns, Besitzklagen, S.193.

337 Bruns, Besitz im Mittelalter, S.31. Das Abstellen auf das Interesse des Klägers zeigt, daß Bruns die condictio wie einen Schadensersatzanspruch behandelte. Hier geht es aber in Wirklichkeit nicht um den Wert des Besitzes, sondern um das, was dem Kläger durch den Besitzverlust entgangen ist, eben um den Schaden, das Besitzinteresse. 338 Trampedach, SZ 17, S.129 ; Pfersche, (Fn.55), S. 69; Brinz, Bd.1, S.449; vgl. heute § 6 ZPO.

V. Wertersatz

101

des Klägers wurde - jedenfalls mit der condictio - nicht ersetzt. 339 Auch die Vermutung des § 1006 BGB dürfte - abgesehen davon, daß die Eigentwnsvermutung nach h.L. 340 nicht zwn Nachteil des Besitzers geltend gemacht werden kann - nicht relevant sein, denn sie müßte zur Stützung des Eigentwnserwerbes des Beklagten herangezogen werden. Dann geht der Streit aber um das Eigentwn, nicht um den Besitz. § 1006 BGB könnte allenfalls herangezogen werden, um den Verlust des Klägers, nicht aber die Bereicherung des Beklagten zu begründen. Es verwundert auch nicht, daß die Mehrzahl der Autoren den Besitzempfänger auf das volle Sachinteresse haften lassen wollten, denn Besitz war in der Regel Eigenbesitz. Sieht man mit der hier vertretenen Meinung die Besitzkondiktion als erleichterte Eigentwnsverfolgung, so kommt eine analoge Anwendung der §§ 989, 990 BGB in Betracht. Diese Analogie liegt bereits deshalb nahe, weil das Gesetz mit § 1007 BGB bereits einen an den Besitz geknüpften Anspruch kennt, dessen Folgeansprüche sich ebenfalls nach §§ 987 ff. BGB richten. Auch der E I sah in § 825 341 eine Haftung auf den Sachwert vor. Daß die Vorschrift sich auch auf die condictio possessionis bezieht, ist zwar nicht zweifelsfree 42 , die (analoge) Anwendbarkeit der Eigentwnsvermutung darauf ist aber zwnindest Ansicht der zweiten Kommission gewesen und bereits in den Gesetzesmaterialien ausgesprochen. 343 Die sich aus unserer Sicht der Besitzkondiktion ergebende Betrachtung des Wertersatzanspruchs als Schadensersatzanspruch kommt somit den insoweit allerdings weitgehend unklar gebliebenen Vorstellungen der Gesetzesverfasser am nächsten und stellt einen gangbaren Weg zur Erfassung des nachträglichen Besitzverlustes dar. Damit ist schließlich auch ein Widerspruch zu § 816 I BGB vermieden, der sich ergeben würde, wenn man mit der Besitzkondiktion einen verschuldensunabhängigen Wertersatz verbinden würde. 344 Wenn aber der Anspruch ersatzlos entfal-

339 Die Diskrepanz erkennt (nach Einführung des BGB) v.Koschembahr-Lyskowski, H, S. 213, meint aber für die condictio possessionis eine Ausnahme machen zu können (S. 216 f.). 340 S. Staudinger/Gursky, § 1006, Rn.30. 341 ,,Hat Jemand den Besitz einer Sache verloren oder wird diese während seines Besitzes beschädigt, so wird vermuthet, daß sein Vermögen im ersten Falle um den Werth der Sache, im zweiten Falle um die Verringerung des Werthes derselben vermindert worden sei." 342 Kiefner, SZ 79, S.291, bezieht sie offenbar nur auf die condictio furtiva. 343 S. Denkschrift, S.139. 344 So erfuhr denn auch die auf den Eigenbesitz gestützte Kondiktion eine Einschränkung in einer nicht veröffentlichten Entscheidung des BGH (Urteil vom 23.2.59, VII ZR 18/58; zum Sachverhalt s. Fn.217) aus dem Jahr 1959, in der eine Anwendung des § 818 H BGB neben § 816 BGB verneint wurde.

102

E. Inhalt und Voraussetzungen der Besitzkondiktion

len soll, wenn der Besitz des Beklagten nicht mehr besteht, so liegt darin eine weitere Parallele zur Vindikation. In der Konsequenz unserer Auffassung kommt es nicht mehr auf die Unterscheidung zwischen Sach- und Besitzwert an, denn bei dem Eigentum als Grundlage der Klage ist immer das Eigentümerinteresse maßgeblich. Allein fraglich ist daher nur, inwiefern der Anspruch auf den Wertersatz auch dem Fremdbesitzer zugestanden werden kann. Hier ist zu beachten, daß die Kondiktion des Besitzes schon deshalb aufgrund der angenommenen Prozeßstandschaft unbedenklich bejaht werden konnte, da mit der Besitzrestituierung gleichzeitig der frühere Eigenbesitz wieder hergestellt wird. Anders verhält es sich indessen bei dem Wertersatz an den Fremdbesitzer, der zu Recht in Frage gestellt wird. Gestattet man dem Fremdbesitzer die Kondiktion des Wertes, so erhält er mehr zu Eigentum als ihm zusteht und als er vorher hatte. Wir sehen darin eine Bestätigung unserer These, denn hier ist die Kongruenz der Interessen des Eigenund Fremdbesitzers nicht mehr gegeben, durch eine Eigentumsübertragung würde vielmehr das Ziel der Klage den Interessen des Eigenbesitzers nicht mehr notwendig entsprechen. Schließlich würde der Beklagte auch durch einen an den Fremdbesitzer geleisteten Wertersatz nicht ohne weiteres gegenüber dem Eigentümer freiwerden. 34s Der Wertersatzanspruch des Fremdbesitzers kann sich folgerichtig nur auf Leistung an den Eigentümer (oder Eigenbesitzer) richten.

VI. Zusammenfassung

Auch anband der inhaltlichen Ausgestaltung des Anspruchs zeigt sich, daß das in dem bloßen Besitz liegende Interesse des Klägers für die Annahme der Besitzkondiktion nicht ausschlaggebend sein kann. Die Reichweite des Anspruchs ergibt sich - was sich insbesondere an den zulässigen Einwendungen und an den Folgeansprüchen zeigt - immer durch einen Rückgriff auf das Eigentum. Die Anknüpfung an den Besitz bedeutet m.a.W. also keine Erweiterung des Besitzschutzes, sondern eine Erleichterung der Eigentumsverfolgung, die allerdings das Interesse des Fremdbesitzers miterfaßt. Sieht man in dem Besitz kein eigenständiges wirtschaftliches Gut, so ist auch leicht nachzuvollziehen, daß es bei der Klage nicht um die Rückgängigmachung einer Vermögensverschiebung geht, sondern vielmehr um die Beseitigung einer Vermögensbeeinträchtigung. Der Anspruch steht seiner Natur nach den §§ 985, 1007 BGB näher als einem Bereicherungsanspruch.

345

Vgl. § 851 BGB.

VI. Zusammenfassung

103

Auch wenn der frühere Fremdbesitzer die Aktivlegitimation nicht aus eigenem Interesse erhält, ist nicht zu verkennen, daß der Anspruch gleichwohl im Nebeneffekt auch dessen schutzwürdige Interessen verwirklicht. Wenn auch das Interesse des Besitzers mit dem Besitz nicht notwendigerweise einhergehen muß, so darf der Anspruch den schutzwiirdigen Interessen der Prozeßparteien nicht zuwiderlaufen. Das Interesse des Vorbesitzers an der eventuellen Erfiillung seiner Schadensersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer ist gewahrt wie auch das Interesse des Besitzers an einer Vermeidung einer eigenen Schadensersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer. Das Interesse des unredlichen Besitzers an der Erfiillung eines Schadensersatzanspruches bleibt außer Betracht, denn dieses muß immer gleichzeitig auch im Interesse des Schadensersatzgläubigers liegen und im Interesse des Eigentümers liegt es nicht, wenn der untreue Vorbesitzer erneut den Eigenbesitz begründen kann. Statt dessen würde sich der Besitzer durch die wissentliche Rückgabe an den Dieb oder sonstigen von vornherein bösgläubigen Besitzer gegenüber dem Eigentümer ohne weiteres schadensersatzpflichtig machen.

F. Das Verhältnis der Besitzkondiktion zu anderen Herausgabeansprüchen Aus der von W1S gewonnenen Ansicht ist das Verhältnis der Besitzkondiktion zu den übrigen an den Besitz geknüpften Ansprüchen zu erklären. Die Besitzkondiktion basiert wie nach richtiger Ansichf 46 auch § 1007 BGB auf dem Eigentum. Die Ansprüche weisen also die gleiche Grundlage auf und sind - fiir bewegliche Sachen - ohne weiteres nebeneinander anwendbar. Der Unterschied der beiden Anspruchsgrundlagen besteht außer der Beschränkung des § 1007 BGB auf Mobilien in der Begründung der Passivlegitimation. Die Besonderheit der Ansprüche aus § 1007 BGB liegt darin, daß entweder wegen der äußeren Umstände des Besitzerwerbs der Beklagte kein Recht erwerben konnte (Abhandenkommen, § 1007 11 BGB ) oder der Beklagte den Besitz zwar äußerlich einwandfrei, nämlich aufgrund eines Rechtsgeschäftes mit einem Dritten erworben hat, der Eigentumserwerb aber deshalb zweifelhaft ist, weil der Kläger den Besitz nicht aufgegeben hatte (§ 1007 III 1 BGB) und der Beklagte allenfalls gutgläubig erwerben konnte (Bösgläubigkeit, § 1007 I BGB). Mit anderen Worten ist in den Fällen des § 1007 BGB ein Eigentumserwerb des Beklagten aufgrund einer Übereignung durch den Berechtigten schon wegen der äußeren Umstände ausgeschlossen. § 1007 BGB geht davon aus, daß zwischen den Parteien des Rechtsstreits kein Rechtsgeschäft vorliegt. Anders liegt es bei der Besitzkondiktion. Hier spricht zumindest im Fall der Leistungskondiktion der Besitzwechsel äußerlich fiir den Rechtserwerb des Beklagten. Der Kläger muß hier fiir die eigene Legitimation nicht mehr darlegen und beweisen als im Fall des § 1007 BGB. Hingegen müssen die Grundlosigkeit des Besitzwechsels und der fehlende Eigentumserwerb vom Kläger bewiesen werden, was dem Kläger des § 1007 BGB schon deshalb erspart bleibt, weil der Besitzerwerb des Beklagten schon äußerlich nicht zum Rechtserwerb fUhren konnte. Daraus ergibt sich aber auch, daß der Eingriffskondiktion kein eigener Anwendungsbereich zukommen kann, denn durch den Eingriff kann nie derivativ ein Recht des Beklagten begründet worden sein. Der durch einen Eingriff bewirkte gesetzliche Eigentumserwerb wird durch die Eigentumskondiktion ausgeglichen. Für den Besitzerwerb aufgrund Rechtsgeschäfts erfaßt schon § 1007 III BGB sinn-

346

S. hierzu und zur abweichenden Ansicht Fn.165.

F. Das Verhältnis der Besitzkondiktion zu anderen Herausgabeansprüchen

105

vollerweise nur Rechtsgeschäfte mit Dritten, so daß für die Besitzkondiktion nur bei rechtsgeschäftlicher Beziehung zwischen Kläger und Beklagtem Raum bleibt. Für das Abhandenkommen ist indessen § 1007 11 BGB auch das Verhältnis zwischen den Parteien der Besitzkondiktion heranzuziehen. 347 Dem Kläger ist also zu raten, im Fall des unfreiwilligen Besitzverlustes eventualiter nach § 1007 BGB auf den Besitz oder § 812 BGB auf das Eigentum zu klagen. Im Fall der Besitz-Leistung kann er eventualiter die Besitzkondiktion und die Eigentumskondiktion erheben. Ein eigenständiger Anwendungsbereich bleibt für die Besitz-Eingriffskondiktion entsprechend der Praxis in der Rechtsprechung somit nur für Immobilien. Es bestehen keine Bedenken gegen eine Anspruchskonkurrenz zwischen § 823 BGB und § 812 BGB. Der Anspruch nach § 812 BGB kann gleichzeitig mit einer Besitzverletzung nach § 823 I BGB und auch nach § 823 11 iVm § 858 BGB verwirklicht sein. Eine andere Frage ist es, ob man nicht im Fall des Besitzentzuges die Anwendung des § 823 BGB aus denselben Gründen ausschließt wie bei §§ 987 ff. BGB, denn auch § 1007 III 2 BGB verweist auf §§ 987 ff. BGB. Auch eine Konkurrenz der Besitzkondiktion mit § 861 BGB ist nach der hier vertretenen Auffassung ohne weiteres möglich. Wer den Besitz unfreiwillig einbüßt, kann also aus dem Besitz im Fall verbotener Eigenmacht vorgehen, aus dem Eigentum als Eigenbesitzer oder als prozeßführungsbefugter Fremdbesitzer nach §§ 812, 1007 BGB. Erkennt man die Verschiedenheit der Grundlagen, ist die Konkurrenz und die unterschiedliche Reichweite der Ansprüche unproblematisch.

347

S. hierzu oben Fn.150 und den zugehörigen Text.

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