Der Ausschluß des Strafverteidigers in Theorie und Praxis [1 ed.] 9783428475247, 9783428075249


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German Pages 218 Year 1992

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Der Ausschluß des Strafverteidigers in Theorie und Praxis [1 ed.]
 9783428475247, 9783428075249

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MARTINA REMAGEN-KEMMERLING

Der Ausschluß des Strafverteidigers in Theorie und Praxis

Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften Herausgegeben von Hans Joachim Hirsch, Günter Kohlmann Michael Walter, Thomas Weigend Professoren an der Universität zu Köln

Band 7

Der Ausschluß des Strafverteidigers in Theorie und Praxis Von

Dr. Martina Remagen-Kemmerling

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme

Remagen-Kemmerling, Martina: Der Ausschluss des Strafverteidigers in Theorie und Praxis I von Martina Remagen-Kemmerling. - Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Kötner Kriminalwissenschaftliche Schriften ; Bd. 7) Zug!.: Köln, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07524-2 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0936-2711 ISBN 3-428-07524-2

Für meine Familie

Vorwort Die Abhandlung hat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln im Wintersemester 1991192 als Dissertationsschrift vorgelegen. Rechtsprechung und Literatur sind noch bis März 1992 für die Drucklegung eingearbeitet worden. Zu großem Dank bin ich Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Hans Joachim Hirsch verpflichtet, der mir durch Anregungen hilfreich zur Seite gestanden und die Aufnahme der Arbeit in die Reihe Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften befürwortet hat. Besonderer Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Georg Küpper für seine mir während der Ausarbeitung zuteil gewordene Unterstützung. Köln, im April 1992

Martina Remagen-Kemmerling

Inhalt Einführung

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

B. Ziel und Untersuchungsgrundlage der Arbeit ........ .. ... ........... .... ..... .... . C. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 18

l.Teil A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses ..... .. ... ..............

19

I. Rechtsgrundlage . .. .. .. ... ... . ......... ..... . ... . . .. . . . . . . . .. . .. .. .... .. ..... . .. .....

19

II. Ausschließungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Personenidentität zwischen Verteidiger und Zeugen . . ... . . . . . .. .. .. .. . 2. Verdacht der Beteiligung an der Tat des Angeklagten ... ..... .... ..... 3. Prozeßsabotage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Parteiverrat und Gerichtsnötigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . 5. Abhängigkeit des Verteidigers .... .... ........ .. ......... .. ... ..... ..... ... . 6. Persönliche Unfähigkeit des Verteidigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . .. ... .

27 28 30 33 35 36 38

III. Verfahrenshintergründe . . .... . . . . . . ... . ..... . . . . .. . . .. . . . . ... . .. . . . . . . .... . ...... ..

38

IV. Anwendungsbereich der Ausschlußgrundsätze .. .... .........................

42

V. Ausschlußverfahren . . . . . .. .. .. .. . .. .. . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . .. .. . . . . . .. .. . 1. Zuständigkeit . . . . .. . . . . .. . . . . .. .. .. . . .. . .. . .. .. .. . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . .. . . .. .. 2 . Anfechtbarkeit der Entscheidung ........ .... ...... ...... ...... ... ..........

44 44 45

B. Entstehungsgeschichte und Inhalt der den Verteidigerausschluß regelnden Vorschriften . . .. .. . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. .

47

I. Frühe Regelungsversuche .. . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . .. . .... .

47

II. Bedeutung der zeitgeschichtlichen Ereignisse für das Regelungsvorhaben .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . .. . .. ..

48

III. Einführung von Ausschlußnormen .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. . .. .. . 1. Ziele .................... .. .......................... ...... ..................... .... 2. Systematisierungsversuche .. .. . . . .. .. . . . . . . . . .. . . . . . .. . .. .. . . . . . . .. .. .. . . . .. . 3. Hauptargumente pro und contra Ausschlußnormierung . . . . . . . . . . . . . . .

49 49 50 53

IV. Ausgestaltung der§§ 138a ff. StPO .. .. .... ..... ... .. .. .. .. ... ...... .. .......... 1. Generalklausel oder Einzeltatbestände? .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. 2. Abgrenzung des Ausschlußbegriffs .... .. .. .. .... .. .......... .. ......... ...

57 57 57

10

Inhalt a) Gesetzliche Zurückweisungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zurückweisung wegen Verletzung der Robenpflicht .. .. .......... c) Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. Anwendungsbereich der§§ 138a ff. StPO ........ .. .. .... .. .............. Ausschließungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Regelung des § 138a Abs. 1 StPO .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . aa) Tatbeteiligung gemäß § 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO .. .. .. .... . bb) Begünstigung und Strafvereitelung gemäß § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO .. .. .. .. .... .. ................ .... ...... cc) Mißbrauch des Verkehrs mit dem inhaftierten Beschuldigten gemäß § 138a Abs . 1 Nr. 2 StPO .. .......... .... .. .. .. dd) Verdacht im Sinne des § 138a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StPO ... b) Die Vorschrift des § 138a Abs. 2 StPO .............................. c) Die Regelung des § 138b StPO .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. d) Die nicht in §§ 138a, b StPO aufgenommenen Ausschlußgründe ....................................................................... aa) Verfahrenssabotage, Parteiverrat, Zeugenstellung, Gerichtsnötigung . .. . .. .. .. .. . .. .. . . .. . . . . . . .. .. .. .. . .. . . .. . .. .. .. .. . bb) Verhandlungs- und Prozeßunfahigkeit des Verteidigers ... Aufhebung des Ausschlusses nach§ 138a Abs. 3 StPO .. .. .... .... .. . Ausschlußwirkungen nach § 138a Abs. 4 und 5 StPO .. .. .. .. .. .. .. .. .

57 58 59 60 64 64 64

C. Überblick über die Rechtslage im Ausland ............ .. ............................

81

I. Schweiz und Österreich .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .

81

II. Frankreich . .. . . . . . . . . . .. . ... . . . ... .. . . . . .. ......... ... .. .. ... . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

III. Großbritannien und USA .. .. .. .. . . .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .

84

IV. Ergebnis .. . . .. .. .. .. .. . . . . .. . .. .. .. .. . . .. .. .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .

85

3. 4.

5. 6.

65

67 70 72 73 74 74 75 78 79

2. Teil A. Analyse der zu §§ 138a ff. StPO ergangenen Rechtsprechung im Zeitraum von 1975 bis 1990 ....... ............................ .... .. ...................... .... ... ..

87

I. Auswertungsgrundlage . . . . . .. . .. . . . .. .. . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

II. Statistische Angaben: Anwendungshäufigkeit, Ausschlußquoten sowie Anzahl der einen Ausschluß ablehnenden Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Übersicht .. . .. .. .. .. .. . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . .. .. .. . . . .. . . . .. .. 2. Statistische Angaben unter Berücksichtigung der Verfahrenshintergründe ................. ....... .................. ... ... ... ............... ... .... ... 3. Besonderheiten im Rahmen der eine Ausschließung ablehnenden Beschlüsse ..... . .. . . . . ...... .. .... .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . ..

88 88 92 95

III. Ausschlußgrundlage . .. .. . .. .. .. . .. .. .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . .. . .. .. .

96

IV. Anwendungsbereich . . . .. . .. .. . .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. .. . . . . . .. . .. .. . . . 1. Anwendbarkeit der§§ 138a ff. StPO auf den Pflichtverteidiger? ...

98 98

Inhalt

11

2. Anwendbarkeit der §§ 138a ff. StPO auf sonstige Rechtsbeistände? 3. Sachlicher Anwendungsbereich der§§ 138a ff. StPO .......... ..... ..

104 106

V. Ausschlußgründe ........ ... ... ....... ..... ...... .. . .... .. ... . ... ........ .... .. ... .. . 1. Bedeutung der einzelnen Ausschlußgründe . . . . . . . . . .. ... .. .......... .. .. a) § 138b StPO ... . . .. .. . . . . . . . . ............ .. . ....... .. . . . . .. . . . . . .. . . . . . . .. . . b) Begünstigung und Hehlerei im Sinne des § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO . . .. . . . . . . . . .. . ... ............... .............. c) § 138a Abs. 1 Nr. 2 StPO . . . ... . . . . . . .. . . ............... .. ...... ... .... . d) Tatbeteiligung und Strafvereitelung im Sinne des § 138a Abs. 1 Nr. 1, 3 StPO ... ... . ..... ..... .... .... ......... .. ...... . 2. Spezielle Probleme im Bereich der Ausschlußgründe des Beteiligungs- und Strafvereitelungsverdachts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Statistische Angaben zum Ausschlußgrund des § 138a Abs. 1 Nr. l StPO .............. ... .. ... ................ .. . .. .... b) Der Begriff der Tatbeteiligung im Sinne des § 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . ...... . aa) Tatbegriff .......................... .. ........ .... .. .......... . .. ... ... bb) Beteiligungsbegriff .. . . . . .. . ... . . .. . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . ..... ....... . c) Ausdehnung des § 138a Abs . 1 Nr. 1 StPO .... ..... ... .... ......... d) Prüfungskompetenz im Rahmen des § 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO e) Statistische Angaben zum Ausschlußgrund des § 138a Abs. 1 Nr. 3, 2.Alternative StPO ............ ... ................................ t) Abgrenzung zwischen Strafverteidigung und Strafvereitelung . . g) Versuch des § 258 StGB als Ausschlußgrund im Sinne des § 138a Abs . 1 Nr. 3 StPO . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. h) Unterstellen einer Verurteilung im Rahmen des § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO .. . . .. ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ... . .. . 3. Der erforderliche Verdacht gemäߧ 138a Abs . 1 StPO .... .. ... .... . a) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nebeneinander von dringendem und die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigendem Verdacht . .. . . . . . . . . . . . . . . bb) Zuordnungsverhältnis und Inhalt der beiden Verdachtsbegriffe .. . . . . .................. ...... .. ... ... ....... ..... .. .... ... .. . . aaa) Stufenverhältnis? . . . . . . . . . . . . . . . . ............ .. . . . . . . ... . . . . bbb) Erfordernis eines anklagereifen Ermittlungsverfahrens im Rahmen hinreichenden Tatverdachts? . . . . . . cc) Konsequenzen für den Verdachtsbegriffbei Vorliegen eines Prozeßhindernisses ... . .. ........ ......... ...... ..... ... .. . . b) Gesetzgebungskonsequenzen .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 4. Der Verdacht im Sinne des § 138a Abs. 2 StPO ... ...... .. .. . . ... .. ....

108 108 108

148 150 153

VI. Aufhebung des Ausschlusses gemäß § 138a Abs. 3 StPO .... .. .. ... ... ...

155

VII. Erstreckungswirkung des Ausschlusses nach § 138a Abs. 4 und 5 StPO .. .................................. ............ ......... ................. .... ...

157

VIII. Das Verfahren nach §§ 138c, d StPO . . . . . .. . . . . . ..... ....... .. . . . .. .. ... .. .. 1. Einleitung des Verfahrens durch Ausschließungsantrag bzw. Vorlagebeschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

108 109 110 111 111 114 114 115 118 120 126 128 132 134 136 136 136 138 138 139

158 158

12

Inhalt

2. 3. 4.

5.

6. 7. 8.

a) Funktion und Inhalt von Ausschließungsantrag und Vorlageschluß...................................... . ... ... ... ......................... aa) "Mindestanforderungen" bezüglich Antrag und Vorlage zum Zwecke der Festlegung des Verfahrensgegenstandes . bb) Bestimmung der "Mindestanforderungen" ............ ...... .. cc) Erfüllung der "Mindestanforderungen" durch Verweise auf andere Schriftstücke? . .. . . . .. . . . . . . . . . . . ........ .. .. . . . . . . . . . . b) Konsequenzen bei Fehlen der sog. Mindestanforderungen . . . . . . aa) "Unzulässigkeit" oder "Unbegründetheit" von Vorlage bzw. Ausschließungsantrag? .. . . .. . . .. . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . bb) Rechtskraftwirkung derAusschlußablehnung? ..... .. .. ..... cc) Folgen einer beschränkten Rechtskraft der Ausschlullablehnung . . . . . . . .. . .................. .. ..... ........... .. . . . . . . . . . . . . c) Gesetzgebungsvorschlag ... .. . . . . . . . . . . . .. . . .. .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . Notwendigkeit einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung?... . a) Verhandlungsmaxime? ............... .. .. .... ... ................. ... .... .. b) Öffentlichkeit der Verhandlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . Umfang der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Zeitpunkt des Ausschließungsantrags bzw. Vorlagebeschlusses . . . . . Anordnung des Ruhens der Verteidigerrechte gemäll § 138c Abs. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... .. . . . . .. . . . . . . . . . . . Feststellungsverfahren nach § 138c Abs. 5 StPO .... ........ .. . . ... .... Rechtsmittel ... ....... .. ............... .. ... ... .. ............ .. . . ...... .... ....... Kosten . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . ... .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . a) Notwendigkeit einer Kostenentscheidung . . .. .. .. .. . . . . . ...... . .... .. b) Rechtsgrundlagen . . . . .. . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . ... ... . c) Gesetzgebungskonsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . ... . . . . .. . . . . . . . d) Erstattungsfähigkeit der notwendigen Auslagen im Ausschlußverfahren . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassender Novellierungsvorschlag zur Kostenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B. Untersuchungsergebnis in Gestalt eines Vorschlages zur Änderung und Ergänzung der §§ 138a ff. StPO . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

158 159 160 162 163 163 165 167 168 169 169 172 172 178 179 181 182 184 185 187 188 188 191 192

Literatur

196

Anhang

205

Tabellenverzeichnis Tabelle 1:

Zeitliche Einteilung der nachgewiesenen selbständigen Ausschlußverfahren................ ... ............... .... . ..... . ..

89

Tabelle II:

Gesamtüberblick über die Ausschließungspraxis... .. ... .. .

90

Tabelle III:

Ausschlußpraxis unter Berücksichtigung der Verfahrenshintergründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

Tabelle IV:

Anwendung des § 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO .. . . . . . ... . ......

113

Tabelle V:

Anwendung des§ 138a Abs. 1 Nr. 3, 2. Alt. StPO ... ....

127

Abkürzungen a.A.

anderer Ansicht

aaO.

am angegebenen Ort

Abg.

Abgeordneter

Abs.

Absatz

a.E.

am Ende

Alt.

Alternative

Angekl.

Angeklagter

Anm. AnwBI.

Anmerkung

AO BayObLG

Abgabenordnung

BBG

Bundesbeamtengesetz

Bd.

Band

Beschl. BGBI.

Beschluß/Beschlüsse

Anwaltsblatt Bayerisches Oberstes Landesgericht

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHR

BGH-Rechtsprechung Strafsachen

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

BMJ

Bundesministerium der Justiz

BR

Bundesrat

BRAGO BRAK-Mitt.

Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung

BRAO

Bundesrechtsanwaltsordnung

BT BT-Drucks.

Bundestag Bundestagsdrucksache

Bundesreg. BVerfG

Bundesregierung Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer

BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz

DAV dies.

Deutscher Anwaltsverein dieselbe, dieselben

Diss.

Dissertation

Abkürzungen DJ

Deutsche Justiz

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

DRspr.

Deutsche Rechtsprechung

EGGVG

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz

Entsch.

Entscheidung

Erg. Bd.

Ergänzungsband

Fn.

Fußnote

GA

Goltdammer's Archiv für Strafrecht

gern.

gemäß

GG

Grundgesetz

grds.

grundsätzlich

Gr. Strafkammer

Große Strafkammer

GStA

Generalstaatsanwaltschaft

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

h.A.

herrschende Ansicht

h.M.

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

hrsg.

herausgegeben

insbes.

insbesondere

insges .

insgesamt

i.S.d.

im Sinne des/der

i.V.m.

in Verbindung mit

i.w.S.

im weiten Sinne

JA ... , StR

Juristische Arbeitsblätter-Strafrecht

JR

Juristische Rundschau

JuS JW

Juristische Schulung

JZ

Juristenzeitung

KG

Kammergericht

Juristische Wochenschrift

KJ

Kritische Justiz

KK

Karlsruher Kommentar (zitiert mit dem Namen des Bearbeiters)

KMR

Kleinknecht/Müller/Reitberger: Kommentar zur Strafprozeßordnung (zitiert mit dem Namen des Bearbeiters)

LG

Landgericht

LM

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs im Nachschlagewerk von Lindenmaier/Möhring

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

m.w. Nachw.

mit weiteren Nachweisen

15

Abkürzungen

16 NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NSDAP

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

NStE

Neue Entscheidungssammlung für Strafrecht

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

öRAO öStPO

Österreichische Rechtsanwaltsordnung Österreichische Strafprozeßordnung

ÖTV

Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr

OLG

Oberlandesgericht

OLG StPO

Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Straf-, Ordnungswidrigkeiten- und Ehrengerichtssachen (OLGSt)

polit.

politisch

Prot.

Protokoll

RAF

Rote Armee Fraktion

Rdn.

Randnummer

RG RGSt

Reichsgericht Entscheidungen des Reichgsgerichts in Strafsachen

Rspr.

Rechtsprechung

S.

Satz/Seite

SED

Sozialistische Einheitspartei Deutschlands

sof. Beschwerde

sofortige Beschwerde

sonst. StA

sonstige Staatsanwaltschaft

StGB StPO

Strafgesetzbuch

StV

Strafverteidiger

StVÄG

Strafverfahrensänderungsgesetz vom :27.1.1987, BGBI. I, S. 475

2. StVRG

Zweites Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts Regierungsentwurfvom 6.9.1974, BT-Drucks. 7/:25:26

u.a.

unter anderem, und andere

Strafprozeßordnung

unpolit.

unpolitisch

Verf.

Verfasserio

Vert.

Verteidiger Verfügung

Vfg. Vorb.

Vorbemerkung

Vorbem.

Vorbemerkung

VRS

Verkehrsrechts-Sammlung

Wahlper. ZRP ZStW

Wahlperiode Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Einführung A. Überblick Als mit den Regelungen der §§ 138a ff. StPO am 1.1.1975 erstmalig eine gesetzliche Grundlage, die den Ausschluß von Strafverteidigern ermöglichte, in Kraft trat, rief dies eine äußerst lebhafte Diskussion hervor, die in erheblichem Maße von aktuellen Ereignissen sowie politischen Ansichten bestimmt war. Während einerseits warnende Stimmen laut wurden, durch den Eingriff in Verteidigerrechte drohe eine Demontage des Rechtsstaates, wurde andererseits die Notwendigkeit derartiger Ausschlußregelungen damit begründet, daß nur ein solcher Schritt des Gesetzgebers den ordnungsgemäßen Ablauf von Strafverfahren gegen terroristische Gewalttäter gewährleisten und somit zum Bestehen einer Bewährungsprobe des Rechtsstaates beitragen könne. Dabei standen sich die zu diesem Problemkreis vertretenen Ansichten in unversöhnlicher Weise gegenüber, so daß eine nüchterne und vom politischen Zeitgeschehen unabhängige Bewertung der gesetzlichen Ausschlußregeln über einen relativ langen Zeitraum hinweg kaum durchführbar erschien. Auch konnte erst die Anwendung der Vorschriften in der Praxis zeigen, ob die Befürchtungen oder Hoffnungen, die an die Regelung der §§ 138a ff. StPO geknüpft wurden, berechtigt oder vielmehr unbegründet waren. Da nun seit Inkrafttreten der Ausschlußnormen mehr als fünfzehn Jahre vergangen sind, erscheint der Zeitpunkt geeignet, diese einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.

B. Ziel und Untersuchungsgrundlage der Arbeit Ziel der Arbeit ist es, auf die Fragen, welche Bedeutung den so heftig umstrittenen Vorschriften der §§ 138a ff. StPO tatsächlich in der Praxis zukommt, welche Ausprägung diese in concreto gefunden haben und welche Folgerungen gegebenenfalls aus ihrer Anwendung durch die Rechtsprechung zu ziehen sind, eine Anwort zu geben. Dazu bedurfte es in besonderem Maße einer Auswertung von gerichtlichen Entscheidungen. Da es jedoch keine amtliche Statistik über die bundesweit im Zeitraum von 1975 bis 1990 zu §§ 138a ff. StPO ergangenen Gerichtsbeschlüsse gibt und auch die im Rahmen der Ausschlußverfahren zuständigen Oberlandesgerichte über keine diesbezüglichen Register verfügen, konnten der Untersuchung keine abschließenden Zahlenangaben zugrunde gelegt werden, sondern es blieb nur der Versuch zu 2 Remagen-Kemmeriin&

18

Einführung

unternehmen, eine möglichst breite Auswertungsbasis zu schaffen. Das Schwergewicht der Arbeit wurde dabei auf die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in Nordrhein-Westfalen sowie des Bundesgerichtshofes gelegt.

C. Gang der Darstellung Um die Entwicklung der Ausschließungsproblematik und der einschlägigen Vorschriften der §§ 138a ff. StPO zu verdeutlichen, gibt der erste Teil der Arbeit einen Überblick über die vor der Normierung geltenden Grundsätze sowie des weiteren über die unmittelbare Gesetzgebungsgeschichte und den Inhalt der eingeführten Regelungen. Der zweite Teil enthält eine Analyse der Rechtsprechung, anband derer Schwerpunkte, Bedeutung und Auswirkungen der Regelungen in ihrer praktischen Anwendung aufgezeigt werden. Die Arbeit schließt mit einem Novellierungsvorschlag, der das Ergebnis der Untersuchung darstellt.

1. Teil A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses Obgleich es bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 20.12.1974 1 an einer den Verteidigerausschluß regelnden Gesetzesnorm fehlte, hatte die Rechtsprechung schon vor diesem Zeitpunkt in jahrelanger Praxis Verteidiger aus laufenden Strafverfahren ausgeschlossen, wenn auch die Anuhl ergangener Ausschlußentscheidungen gering war2 • Damit drängt sich die Frage auf, welche gesetzliche Grundlage diese Praxis vor Ergänzung der Strafprozeßordnung durch die§§ 138a ff. StPO stützen konnte. I. Rechtsgrundlage

Der einzige gesetzliche Anhaltspunkt, der mit dem Begriff des Strafverteidigerausschlusses in einen sinngemäßen Zusammenhang gesetzt werden konnte, fand sich in den Vorschriften der §§ 145, 146 StP03, die bereits in der Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877 enthalten waren. Gemäß § 145 StPO - diese Vorschrift ist hinsichtlich ihrer Anwendungsmerkmale im wesentlichen bis heute unverändert geblieben - war bzw. ist vom Gericht ein neuer Verteidiger zu bestellen, wenn im Falle der notwendigen Verteidigung der Verteidiger in der Hauptverhandlung ausbleibt, sich unzeitig entfernt oder sich weigert, die Verteidigung zu führen. Damit sichert diese Regelung einerseits die Interessen des Angeklagten, andererseits dient sie der ordnungsgernäßen Durchführung des Verfahrens, das durch ein pflichtwidriges Verhalten des Verteidigers nicht gefährdet werden soll4 • Die Rechtsfolgen dieser Vorschrift bestehen dabei sowohl in der Bestellung eines anderen Verteidigers als auch in der Verfahrensaussetzung bzw. -Unterbrechung; hingegen fehlt es an einer besonderen Regelung bezüglich der Rechtsstellung des bisherigen Verteidigers. Doch wird hieraus bereits erkenn1

BGBI.I (1974), S. 3686.

2

Schmidt-Leichner, NJW 1973, 969.

3 Dahs, NJW 1959, 1158, 1161; Wuttke, NJW 1972, 1884, 1885, sprach von einer nur fragmentarischen Regelung der Aussschließung eines Rechtsanwalts. 4 So bereits Hahn/Stegemann, Materialien zur StPO vom 1.2.1877, I, Motive des Entwurfs, § 128 S. 144.

20

1. Teil, A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses

bar, daß der Fortgang des Verfahrens auch im Falle der notwendigen Verteidigung nicht von der Person des Strafverteidigers abhängig sein sollte. Nach der Vorschrift des § 146 StPO in der Fassung der Strafprozeßordnung vom 1.2.1877 war die Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch einen gemeinschaftlichen Verteidiger möglich, jedoch mit der Einschränkung, daß dies mit dem Zweck der Verteidigung vereinbar war. Ob und ggf. welche Rechtsfolgen damit für den Verteidiger verbunden waren, findet in den Motiven zur Strafprozeßordnung nur in dem Satz Erwähnung, daß das Gericht "auch von Amts wegen dafür zu sorgen haben (werde), daß nicht das Auftreten eines gemeinschaftlichen Verteidigers zum Nachteil eines Beschuldigten gereiche" 5 . Auch wenn damit eine Ausschließungsbefugnis des Gerichts begründet werden sollte6 , war diese nach dem Gesetzeswortlaut jedenfalls an den Fall der Mehrfachverteidigung geknüpft7 • Dies hinderte die Rechtsprechung jedoch nicht, über die Vorschriften der §§ 145, 146 StPO weit hinausgehende Ausschließungsgrundsätze zu entwickeln. Dabei wurde von den Gerichten durchaus erkannt, daß es an einem konkreten Rückhalt im Gesetz fehlte. So zeigte sich dies bereits in dem frühen Bemühen des Reichsgerichts, Verteidigerausschlüsse mit der Ableitung aus allgemeingültigen Prinzipien umfassend zu begründen. In einer Entscheidung vom 2.10.1893 8 führte das Reichsgericht aus, daß ein Ausschluß des Verteidigers bei Gefährdung des Verteidigungszweckes- dieser bestehe darin, die Interessen des Angeklagten wahrzunehmen - notwendig sei 9 • Ein solcher Gefährdungsaspekt diente dem Reichsgericht auch noch in einer mehr als drei Jahrzehnte später ergangenen Entscheidung 10 als Begründung für die Erforderlichkeit einer Verteidigerausschließung. Dabei trat jedoch an die Stelle der Interessen des Angeklagten das Verfahrensziel der Wahrheitserforschung. Danach konnte "ein Verteidiger als solcher dann nicht mitwirken, wenn das Gesetz seine Mitwirkung im lnteressse der Erforschung der objektiven Wahrheit (verbot)" 11 , die Aufdeckung der objektiven Wahrheit also durch die Person des Verteidigers bzw. dessen Verhalten gefährdet wurde.

5

Hahn/Stegemann, aaO, § 129 S. 144.

So die h.A. in Rspr. u. Lehre: RGSt 35, 189, 191; Anschütz, S. 48; Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl. , § 146 Anm. 3; Pramann, S. 90. 6

7

Ausdrücklich darauf hinweisend: BVerfGE 22, 114, 121.

8

RGSt 24, 296.

9 10

RGSt 24, 296, 297. RG V . 2.11.1926, JW 1926, 2756.

11

RG JW 1926, 2756, 2757; so auch später BGHSt 9, 20, 22.

I. Rechtsgrundlage

21

Obwohl dem Gesetz gerade nicht zu entnehmen war, ob die Mitwirkung eines Verteidigers in anderen als den in §§ 145, 146 StPO aufgeführten Fällen vom Gericht unterbunden werden konnte, sah sich das Reichsgericht -offenbar unter Begründungszwang - veranlaßt, "das Gesetz" als eigentliche Ausschließungsgrundlage heranzuziehen12 . Bei dem Versuch, die Entscheidung auf eine schwerlich angreifbare Grundlage zu stützen, nahm das Reichsgericht sogar eine begriffliche Aufwertung der Verteidigerposition vor. Schon im Einleitungssatz heißt es, daß der Verteidiger "neben dem Gericht und der Staatsanwaltschaft ein gleichberechtigtes Organ der Rechtspflege" sei 13 • Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Reichsgerichts wurde dem Verteidiger damit erstmalig eine Organstellung zugebilligt14 , während zuvor von einer Höherrangigkeit des Gerichts und der Staatsanwaltschaft ausgegangen worden war15 • Diese Aufwertung geschah jedoch nicht, um die Anwaltschaft zu stärken, wenngleich der Senat ausdrücklich das - auch von ihm zu wahrende - Ansehen der Anwaltschaft erwähnte16 , sondern diente als Anknüpfungspunkt für die Begründung einer besonderen Pflichtenstellung des Verteidigers. Diese Erwägungen wurden vom Reichsgericht in seinen Beschlüssen vom 22.5. und 5.6.192817 erneut aufgegriffen und folgerichtig weiterentwickelt18 • Dabei wurde der anwaltliehe Pflichtenkreis mit dem Begriff der "Pflicht zur unbefangenen, objektiv juristischen Beurteilung der Sachlage" konkretisiert. Die Verletzung dieser Pflicht sollte zur Ausschliessung des Verteidigers führen, da das Gericht dafür zu sorgen habe, daß der Verteidigerposten richtig besetzt sei 19 • Dennoch vermochte auch diese rechtliche Konstruktion nichts daran zu ändern, daß das Fehlen einer Gesetzesnorm in diesem Bereich als Mangel empfunden wurde, den man zwar zu beheben suchte, ohne aber dabei ein gewisses Unbehagen verbergen zu können20 . So führte das Kammergericht21 12

Kritisch dazu Alsberg, JW 1926, 2756.

13

RG JW 1926, 2756.

14

Alsberg, JW 1926, 2756, 2757; König, S. 17.

15

Alsberg, JW 1926, 2756, 2757.

16

RG JW 1926, 2756, 2757 a. E.

17

RG DRiZ 1928, 470 ff.

Vgl. dazu auch Schreiben des Vorstandes der Anwaltskammer Berlin an den Reichsjustizminister, JW 1929, 568 f., sowie König, S. 17. 18

19

RG DRiZ 1928, 470, 471.

Vgl. auch Bewer zu den Beschlüssen des RG vom 22.5. und 5.6.1928, DRiZ 1928, 470, 471. 20

21

KG, Beschl. v. 29.8.1932, JW 1933, 484 ff.:"Felseneck-Prozeß" .

22

1. Teil, A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses

aus, daß mangels einer gesetzlichen Regelung an dem Grundsatz festzuhalten sei, daß das öffentliche Interesse an einem gerechten Urteil dem Anspruch auf Zulassung als Verteidiger vorgehen müsse und diese Erwägung - wie in früher entschiedenen Fällen - als ausreichende Grundlage für den Ausschluß diene. Die Einbindung des Verteidigers in die aus dem Verfahrensziel der Wahrheitserforschung resultierenden Pflichten fand in der NS-Zeit ihren Höhepunkt. So zeichnete das Oberste Parteigericht der NSDAP22 das Leitbild des deutschen Anwalts, indem es forderte, daß der Verteidiger nicht mehr als Vertreter einseitiger Interessen auftrete, denn er sei vielmehr "ebenso wie der Richter, Rechtswahrer, d.h. berufen, dem Recht zum Siege zu verhelfen "23 • Dennoch erhöhte sich die Anzahl der Verteidigerausschlüsse nicht auffallig, da sich die Nationalsozialisten unliebsamer Verteidiger bereits im Vorfeld durch Gesetzesmaßnahmen entledigt und der anwaltliehen Berufsausübung enge Grenzen gezogen hatten24 • Beispielsweise seien nur genannt das Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vom 7.4.1933 25 , das sich gegen "nichtarische" Rechtsanwälte und solche, die sich "im kommunistischen Sinne" betätigt hatten, richtete, des weiteren die Durchführungsverordnung vom 20.7.1933 26 , die bestimmte, wann die Verteidigung von Kommunisten einer kommunistischen Tätigkeit gleichzustellen war27 , die "Richtlinien für die Ausübung des Anwaltsberufes" der Reichsrechtsanwaltskammer vom 2. 7.1934, wonach ein Anwalt, der in die Notwendigkeit versetzt wurde, "einen Schädling an Volk oder Staat" zu verteidigen, "jederzeit die Belange des deutschen Volkes" beachten mußte28 , sowie die Verordnung des Reichsjustizministers vom 29.1.1936, die die Anwaltszulassung von Nachweisen über die politische Haltung des Bewerbers und sein Verhältnis zur Wehrmacht

22

JW 1937, 3213.

Vgl. auch eine Entscheidung des Obersten Parteigerichts der NSDAP, JW 1937, 3213: Der Verteidiger, der sich für die bloße Übernahme eines Mandates verantworten mußte, führte in dem gegen ihn gerichteten Verfahren bezeichnenderweise aus, daß er als "nationalsozialistischer Rechtswahrer" die Verteidigung übernommen habe, "nicht um für den Angeklagten E. einen möglichst guten Ausgang des Strafverfahrens zu erreichen, sondern um an der Rechtsfindung mitzuwirken und dadurch auch die Hintermänner und geistigen Urheber dieser Vorfälle aufzudecken". 23

24

Donus, S. 4 f.; Göddeke, S. 87 ff.

25

RGBI. I (1933), S. 188.

26 27

RGBl. I (1933), S. 528. Vgl. dazu Donus, S. 4 f.; Göddeke, S. 88 ff.; König, S. 50 ff.

28

Vgl. König, S. 51.

I. Rechtsgrundlage

23

abhängig machte29 . Damit erübrigte sich auch weitgehend die Frage nach der Notwendigkeit gesetzlich normierter Ausschließungsgrundlagen. Mit dem Ende der NS-Zeit stellte sich dieses Problem jedoch erneut. Das OLG Oldenburg bezeichnete die Verteidigerausschließung als einen so "ungewöhnlichen Eingriff", daß dieser nur aus "ganz besonderen Gründen" zulässig sein könne30 , und auch der BGH hob den Ausnahmecharakter der Ausschließungsgrundsätze hervor3 1• Als neuer Argumentationsansatz im Rahmen der Ausschlußbegründung diente dem BGH in seinem Beschluß vom 15. 11.195532 der Begriff der Sicherung des Rechtsstaates33 . Danach setze die Verwirklichung des Rechtsstaatsprinzips, das dem Grundsatz der freien Verteidigerwahl nicht gleichgesetzt werden könne34 , notwendig voraus, daß der Bestand des Rechtsstaates gesichert werde; dieser könne im konkreten Fall durch eine drohende Preisgabe von Staatsgeheimnissen gefaludet werden, so daß diese Gefahr bereits den Ausschluß rechtfertige35 • Damit zeigt sich, daß erhebliche Zweifel an einer grundsätzlichen Übertragbarkeit dieses Begründungsweges auf anders gelagerte Fälle angebracht gewesen wären, da Begriffe wie "Gefährdung des Rechtsstaates" ebenso wie Sicherung der Wahrheitsermittlung36 oder "öffentliches Interesse an einem gerechten Urteil" 37 einer exzessiven Auslegung leicht zugänglich sind. Dennoch fügte der BGH in seine Entscheidungsbegründung38 bemerkenswerterweise die Formulierung ein, die Ausschlußtatsachen lägen "völlig klar zu Tage" und seien "einer dehnbaren oder willkürlichen Deutung unzugänglich". Dementsprechend blieb der BGH39 auch im folgenden bei der von ihm

29

30

717.

Abgedruckt in: DJ 1936, 202; vgl. auch Göddeke, S. 89. OLG Oldenburg GA 1956, 189, 190; früher schon OLG Celle NJW 1950, 716,

31 BGH NJW 1953, 1600, 1601: Nur im Einzelfall könne sich eine Unvereinbarkeit von Zeugen- und Verteidigerstellung ergeben.

32

BGHSt 8, 194, 198 f.

Zu dieser Entscheidung vgl. insbesondere Anschütz, S. 22 f., 70 ff.; Göddeke, S. 92 f. Mit überwiegend politischer Argumentation zustimmend Eb. Schmidt, JZ 1957, 721. 33

34

BGHSt 8, 194, 198.

35

BGHSt 8, 194, 198 f.

36

RG JW 1926, 2756, 2757.

37

RG JW 1933, 484. BGHSt 8, 194, 199. BGHSt 9, 20 ff.

38 39

24

1. Teil, A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses

gewählten Argumentation, indem wiederum auf die Sicherung der Wahrheitserforschung als Ausschließungsbegründung abgestellt wurde40 . Das Bundesverfassungsgericht41 folgte dieser Auffassung jedoch nicht und hob den Beschluß des Bundesgerichtshofes auf, da die Bedeutung von Art. 12 Abs. 1 GG verkannt worden sei. Obwohl der Verteidiger seiner Stellung zuwidergehandelt und dadurch den geordneten Gang der Strafrechtspflege gestört habe, wiege die Tat nicht so schwer, daß unter Beachtung des Übermaßverbots ein Ausschluß als schärfste Maßnahme gerechtfertigt sei42 • Dabei scheint das Bundesverfassungsgericht die vorgelagerte Frage nach der denkbaren Ausschließungsgrundlage dahingehend zu beantworten, daß diese in vorkonstitutionellem Gewohnheitsrecht zu sehen sei43 • Insoweit stimmte es wohl weitgehend mit dem BGH überein, der dargelegt hatte, daß Rechtsprechung und Lehre sich mit wenigen Ausnahmen darüber einig seien, daß der Verteidiger im Falle einer Tatbeteiligung oder eines begünstigenden Verhaltens auszuschließen sei44 . Diesen Begründungsweg konnte der BGH45 jedoch dann nicht weiter verfolgen, wenn dem Verteidiger ein solches Handeln nicht anzulasten war. Vielmehr stützte er den Ausschluß in diesen Fällen auf die Vorschriften der §§ 1, 45, 46 BRAO, § 146 StPO und § 356 StGB. Dabei hob er insbesondere das Merkmal der anwaltliehen Unabhängigkeit als wesentliches Kriterium einer prozeßordnungsgemäßen Verteidigung hervor46 , für die das Gericht zu sorgen habe47 . Diese Obliegenheit des Gerichts umfasse auch die Pflicht, einen prozeßordnungswidrig handelnden Verteidiger auszuschließen. Der Gesetzgeber habe die Verantwortung dafür, daß im Strafverfahren eine prozeßordnungsgemäße Verteidigung stattfinde, weiterhin den erkennenden

40 BGHSt 9, 20, 22 f.; kritisch zu dieser Entscheidung: Anschütz, S. 7'2 ff.; Arndt, JZ 1956, 376; Dahs, NJW 1959, 1158, 1162. 41

BVerfGE 15, 226 ff.

42

BVerfGE 15, 226, 234.

43

BVerfGE 15, 226, 232; ablehnend Arndt, NJW 1964, 2146.

BGHSt 9 , 20, 22, unter Hinweis auf RG DRiZ 1928, 470; vgl. auch BGHSt 8, 194, 196; BayObLG NJW 1953, 755. 44

s BGH NJW 1961, 614, 615.

4

BGH NJW 1961, 614; zustimmend Eb.Schmidt, NJW 1963, 1753, 1756; Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl., § 138 IIl 6; Kalsbach, JZ 1961,593, 595 f. ; Schwarz-Kleinknecht, 23. Aufl., Vorbem. 2 vor§ 137. 47 BGH NJW 1961, 614, 615, unter Hinweis u.a. auf: RGSt 24, 298 ; 35, 191 ; RG JW 1926, 2756; Anschütz, S. 48, 60. 46

I. Rechtsgrundlage

25

Gerichten überlassen48 , indem auf eine gesetzliche Regelung des Verteidigerausschlusses verzichtet worden sei49 • Jedoch hatte auch diese Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht50 keinen Bestand, obwohl es zuvor5 1 selbst ausgeführt hatte, daß in bestimmten Konfliktsituationen, in denen der Anwalt nicht freiwillig die Verteidigung niederlege, das Prozeßgericht die Möglichkeit haben müsse, den Verteidiger auszuschließen52 • In bezug auf die vom BGH angeführten Gesetzesvorschriften stellte es nunmehr klar, daß diese jedenfalls keine gerichtliche Eingriffsbefugnis begründeten und somit nicht als Ausschlußgrundlagen in Betracht kämen53 . Ebensowenig könne Gewohnheitsrecht herangezogen werden, da der vom BGH angenommene gewohnheitsrechtliche Satz, der Verteidiger dürfe die Wahrheitstindung nicht hindem und könne dementsprechend in einem solchen Falle ausgeschlossen werden, nach der bisherigen Rechtsprechung jedenfalls nicht den Ausschluß eines politisch abhängigen Verteidigers als einen neuen Eingriffstatbestand begründe. Dabei ließ das Bundesverfassungsgericht nunmehr ausdrücklich dahinstehen, ob die höchstrichterliche Rechtsprechung für die von ihr erfaßten Einzelflille überhaupt zu einem speziellen Gewohnheitsrecht geführt habe54 • Dies hinderte den Bundesgerichtshof->5 jedoch im Jahre 1972 nicht an der Feststellung, daß die StPO zwar keine ausdrückliche Ausschließungsregelung enthalte, eine solche Möglichkeit sich aber "aus Sinn und Zweck einer Reihe von Bestimmungen der Prozeßordnung sowie der BRAO" ergebe. Überdies sei ein Ausschluß bei Beteiligungsverdacht gewohnheitsrechtlich gedeckt56 . 48

BGH NJW 1961, 614, 615 .

49

BT, 3. Wahlper., 62. Sitzung v. 19.2.1959, S. 3366.

50

BVerfG NJW 1967, 2051 ff.

51

BVerfGE 16, 214, 217.

52

Insoweit kritisch Wuttke, NJW 1972, 1884, 1886.

53 BVerfG NJW 1967, 2051, 2052; kritisch zu dieser Entscheidung Hanack, JZ 1971, 218, 219, der in der Aufhebung der BGH-Entscheidung unter Hinweis auf Art. 12 GG eine Verkennung des § 1 BRAO sowie der Schutzfunktion des Verteidigers gegenüber dem Angeklagten sah. 54

BVerfG NJW 1967, 2051, 2052.

55

BGH NJW 1972, 2140 , 2141.

BGH NJW 1972, 2140, 2141, mit Verweis auf "die nahezu einhellige Auffassung im Schrifttum": u.a. Gallas, ZStW 53 (1934), 256, 262; Kalsbach, JZ 1961, 593 , 595; Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22.Aufl., § 138 III 23 , ohne daß diesejedoch den Begriff des Gewohnheitsrechts verwendeten; Kleinknecht, 30. Aufl., Vorbem. 2 vor § 137, der aber ausdrücklich betonte, daß es eines Zurückgreifens auf Gewohnheitsrecht nicht bedürfe; sowie mit Hinweis auf die Rspr.: z.B. RG JW 1926, 2756, 2757; BGHSt 8, 194, 196; 9, 20, 22; BayObLG NJW 1953, 755 f. 56

26

1. Teil, A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses

Obwohl der BGH in diesem Zusammenhang konstatierte, daß das Bundesverfassungsgericht57 die Frage nach einem solchen vorkonstitutionellen Gewohnheitsrecht offen gelassen hatte, unterließ er es dennoch, sich mit diesem Problernkreis58 in Gestalt eigener Argumentation intensiv auseinanderzusetzen. Nachdem auch diese bundesrichterliche Entscheidung zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde geworden war, gab die verfassungsgerichtliche Aufhebungsentscheidung59 den entscheidenden Anstoß dafür, daß sich der Gesetzgeber dieser Problematik annahm. Mit Nachdruck führte das Bundesverfassungsgericht aus, daß "ein so schwerer und für das Verfahren endgültiger Eingriff in die Verteidigerstellung" von Verfassungs wegen einer Begründung bedürfe, "die ihre Rechtfertigung unzweideutig, verläßlich und sicher in dem erklärten, objektivierten Willen des Gesetzgebers" finde. Diesen Anforderungen genüge ein nur "in Umrissen" aus Sinn und Zweck von Gesetzesvorschriften abgeleiteter Ausschlußtatbestand nicht60 • Gleichzeitig wurde nunmehr auf die Frage nach einer gewohnheitsrechtliehen Grundlage die seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.6.196761 ausstehende Antwort gegeben. Als wesentliches Kriterium wurde darauf abgestellt, daß der hier zu ermittelnde Rechtssatz, der dem Richter eine prozessuale Befugnis verleihe, eine gerichtliche Praxis darstellen müsse, die die Billigung der betroffenen Kreise - insbesondere also der Anwaltschaft- gefunden habe62. Da die organisierte Anwaltschaft dieser Rechtsprechung seit jeher entgegengetreten war63 , fehle es gerade an dieser widerspruchslosen Duldung der Beteiligten64 ; zudem sei die Praxis des Staatsgerichtshofes und des Reichsgerichts hinsichtlich der Entziehung der Verteidigungsbefugnis65 , die sich

BVerfG NJW 1967, 2051 ff. Ablehnend bezüglich Gewohnheitsrecht als 1964, 2146; Deuchler, AnwBI. 1973, 89 f.; Eb. Schumann, JZ 1973, 314, 315; Seebade, NJW 1972, 1884, 1885 ff.; gegen "Richterrecht", das v. Winterfeld, NJW 1961 , 902, 903 f. 5?

58

59

BVerfG NJW 1973, 696.

60

BVerfG NJW 1973 , 696, 697.

61 62

Ausschlußgrundlage: Arndt, NJW Schmidt, NJW 1963, 1753, 1754; 1972, 2257, 2258; Wuttke, NJW "praeter Iegern" geschaffen wurde:

BVerfG NJW 1967, 2051. BVerfG NJW 1973, 696, 698.

63 Schreiben des DAV an den Reichsjustizminister vom 2.4.1925 und 22.11.1926, AnwBI. 1927, 58; Eingabe des Vorstandes der Berliner Anwaltskammer an den Reichsjustizminister, JW 1929, 568 f. 64 BVerfG NJW 1973, 696, 698; vgl. auch Deuchler, AnwBI. 1973 , 89 f.

65

Dazu BVerfG NJW 1973, 696, 698 mit Rechtsprechungshinweisen.

li. Ausschließungsgründe

27

auch nicht als allgemeine gerichtliche Übung habe durchsetzen können, schon im vorkonstitutionellen Schrifttum auf Kritik gestoßen66 . Mit diesen Ausführungen verband das Bundesverfassungsgericht den unmißverständlichen Ruf nach dem Gesetzgeber, da es aufgrund des von ihm gewonnenen Ergebnisses einen "höchst unbefriedigenden Rechtszustand" aufgedeckt sah, der "dem Interesse an einer geordneten Strafrechtspflege" zuwiderlaufe67. Dementsprechend fand die Diskussion um die einschlägige gesetzliche Ausschlußgrundlage mit dem Tätigwerden des Gesetzgebers68 zwar zunächst ein Ende69 , ohne aber die Kritiker auf Dauer verstummen lassen zu können. II. Ausschließungsgründe Schon vor Normierung der §§ 138a ff. StPO erwies es sich im Rahmen der Ausschließungsproblematik als erheblich, welche Verhaltensweisen des Verteidigers oder welche besonderen Umstände die Gerichte zu einem solchen Einschreiten veranlaßten. Als Konsequenz aus dem "gesetzlosen" Zustand zeigte sich dabei, daß eine strenge Trennung zwischen Ausschließungsgrundlage und Ausschließungsgrund nicht durchgeführt wurde, sondern letzterer de facto zur Rechtsgrundlage erhoben wurde. Mit dem Herausarbeiten bestimmter Ausschließungsgründe versuchte man somit, die gesetzliche Lücke zu schließen. Die Lehre bediente sich dabei teilweise, ausgehend von der von Gallas vorgenommenen Systematisierung70 , des Oberbegriffs der Prozeßordnungswidrigkeit der Verteidigung71 • Dieser umfaßte sowohl die Unfähigkeit einer bestimmten Person zur Führung der Verteidigung als auch ein unerlaubtes Verhalten des Verteidigers72 • Während Gallas eine Verteidigungsunfähigkeit in Fällen des gegen den Verteidiger gerichteten Verdachts der Tatbeteiligung und der 66

U.a. Beling, S. 149 Fn. 3; Obomiker, Die Justiz, Bd. IV, S. 299, 302 ff.

61

BVerfG NJW 1973, 696, 698; vgl. auch BVerfG NJW 1975, 103, 105 a .E.

Verabschiedung des Gesetzes zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 20.12.1974, BGBI. I (1974), S. 3686. 68

69 Zur Verfassungsmäßigkeit der§§ 138a ff. StPO vgl. BVerfG NJW 1975, 2341: Eine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz wurde auf der Grundlage nur knapper Ausführungen bejaht (vgl. 2. Teil, A V 1c). 70

Gallas, ZStW 53 (1934), 256 ff.

Vgl. auch Anschütz, S. 59 f. , der z.T. den Begriff der "Verteidigungswidrigkeit'' verwendete; ebenso Dahs, NJW 1959, 1158, 1162; Eb . Schmidt, Lehrkom., Erg.Bd. II, Vorbem. § 137 Rdn . 13; Pramann, S. 4 ff. 71

72

Gallas, ZStW 53 (1934), 256, 258.

28

1. Teil, A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses

Zeugeneigenschaft annahm, ordnete er die Fälle des Begünstigungsverdachts dem prozeßordnungswidrigen Verhalten zu73 • Eine Ausschließungsbefugnis des Gerichts sollte jedoch grundsätzlich nur in der ersten Fallgruppe in Betracht kommen, da anderenfalls der "Verteidiger" in der Ausübung seiner Funktionen einer praktisch unbeschränkten Kontrolle durch das Gericht unterworfen werde74 . Eine solche Systematisierung wurde von der Rechtsprechung hingegen kaum vorgenommen; vielmehr stellte diese in erster Linie eine Kasuistik dar75 , so daß die Annahme gerichtlicher Ausschließungsbefugnisse überwiegend von den Besonderheiten des Einzelfalles abhing. Nur teilweise wurde unter Anlehnung an Gallas versucht, das Wesen der Verteidigung als Beurteilungsmaßstab für ein möglicherweise prozeßordnungswidriges Handeln, das zum Auschluß führen sollte, heranzuziehen76 , jedoch standen am Einzelfall orientierte Erwägungen im Vordergrund. Dabei wurden die im folgenden darzustellenden Ausschließungsgründe entwickelt: 1. Personenidentität zwischen Verteidiger und Zeugen Die Ausschließung eines Strafverteidigers infolge dessen Zeugenfunktion bildete den am häufigsten herangezogenen Ausschlußgrund77 • Unter welchen Voraussetzungen die Personenidentität von Verteidiger und Zeugen zu einer Ausschließung führen sollte, wurde jedoch nicht einheitlich beurteilt78 . So ging das Reichsgericht als Folge der Annahme eines Rollenkonflikts von einer grundsätzlichen Unvereinbarkeit beider Funktionen aus und hielt lediglich Ausnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts für möglich79 . Da es die Vorschriften über den Zeugenbeweis als vorrangig gegenüber den die Verteidigung betreffenden Vorschriften wertete80 , wurde es als zulässig er73

Gallas, ZStW 53 (1934), 256, 260.

74

Gallas, ZStW 53 (1934), 256, 259, 269 f.

15 76

Dahs, NJW 1959, 1158, 1161. BGHSt 15 , 326, 328; so auch Dahs, NJW 1959, 1158, 1162.

77

Pramann, S. 23; Ulsenheimer, GA 1975, 103, 116.

Zu diesem Problemkreis ausführlich: Anschütz, S. 65 ff.; Löwe/Rosenberg/ Dünnebier, 22. Aufl., § 138 lii 4; Pramann, S. 23 ff. Einen Überblick über die verschiedenen Ansichten gibt Donus, S. 115 ff. 78

79 RGSt 24, 104, 107 mit Hinweis auf RG GA 1939, 312, das die Vernehmung des Verteidigers als Zeugen zu Beginn der Beweisaufnahme als zulässig erachtete; RGSt 24,296,297 f.; 54, 175, 176; RG DRiZ 1928,470, 471; RG JW 1937,2423 (Nr. 105) .

80

Vgl. auch RG GA 1962, 154, 155.

li. Ausschließungsgründe

29

achtet, daß das Gericht den zu vernehmenden Verteidiger von der Anwesenheit in der Hauptverhandlung bis zu dessen Zeugenvernehmung ausschloß81. Hingegen betonte der BGH, daß sich eine völlige Unvereinbarkeit beider Funktionen nur im Einzelfall ergeben könne82 . Dabei vertrat er auch die Ansicht, daß die Zeugenpflicht aufgrund der Unersetzbarkeit des Zeugen der Verteidigungsaufgabe vorgehe83. Diese Rechtsprechung wurde vom Bundesverfassungsgericht gebilligt, jedoch wies es darauf hin, daß das Gesetz einen Vorrang der Zeugenpflicht nicht normiere84 und auch ein Gewohnheitsrechtssatz des Inhalts, daß ein als Zeuge zu vernehmender Rechtsanwalt schlechthin ausgeschlossen sei, nicht existiere85 ; im Einzelfall könne sich aber durchaus ein Vorrang der Zeugenpflicht infolge der konkreten Bedeutung der Aussage für den Ausgang des Verfahrens ergeben. In diesem Fall sei es zumutbar, daß der Angeklagte einen anderen Verteidiger wähle und der Anwalt dementsprechend auf seine Berufsausübung verzichte86. Hingegen waren die in der Literatur vertretenen Ansichten weniger einheitlich. Während teilweise in jedem Fall der Personenidentität zwischen Verteidiger und Zeugen ein Ausschluß gefordert wurde87 , hielten andere Strafrechtswissenschaftler eine Ausschließung des Verteidigers wegen dessen Zeugenstellung für unzulässig oder gingen nur von einer eingeschränkten Zulässigkeit aus88. 81

RGSt 55, 219.

82

BGH NJW 1953, 1600, 1601.

83

BGH NJW 1953, 1600, 1601.

84

BVerfGE 16, 214, 219 .

85

BVerfGE 16, 214, 218 .

86

BVerfGE 16, 214, 219 .

Anschütz, S. 66; Gallas, ZStW 53 (1934), 256, 266; Löwe/Rosenberg/Kohlhaas, 22. Aufl., Vor § 48 Anm. 4 e. 87

88 Alexander, ZStW 51 (1931), 54, 70 ff., der die Entfernung aus dem Sitzungssaal für zulässig erachtete, wenn der Verteidiger als Zeuge zu vernehmen war. Hagemann, DRiZ 1932, 260, 261 f., ließ ein Auftreten als Verteidiger nicht vor dessen Vernehmung als Zeugen, sondern nur im Anschluß an die Zeugenaussage zu. Vgl. auch Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl., § 138 111 4; Peters, 2. Aufl., S. 189; Rudolph, DRiZ 1973, 257, 260, in bezug auf die vom Gesetzgeber zu schaffende Regelung; dazu auch Ulsenheimer, GA 1975, 103, 116 f; von Scanzoni, JW 1932, 3583, 3586 f.. der im Fall der nicht notwendigen Verteidigung die Fortführung der Beistandsleistung in das Ermessen des Rechtsanwalts stellen wollte, um ein "unerträgliches Kontroll- und Qualifizierungsrecht des Gerichts" zu vermeiden. Waller, DRiZ 1974, 177, 181, der bei Erlaß einer gesetzlichen Ausschlußregelung diese auf Fälle wesentlicher Aussagen beschränken wollte.

30

l. Teil, A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses

Mit der Normierung der §§ 138a ff. StPO wurde dieser Diskussion jedoch weitgehend die Grundlage entzogen, da die Zeugeneigenschaft des Verteidigers - aus den im folgenden noch darzulegenden Erwägungen - nicht in den Ausschließungskatalog der§§ 138a ff. StPO aufgenommen wurde. 2. Verdacht der Beteiligung an der Tat des Angeklagten

Anders verhielt es sich hingegen mit dem Ausschließungsgrund des gegen den Verteidiger gerichteten Beteiligungsverdachts, der mit der Regelung des § 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO gesetzlich festgeschrieben wurde. Zunächst bedarf es der Klärung, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Begründungen ein derartiger Ausschlußgrund vor lokrafttreten der Gesetzesnorm angenommen wurde. Dabei stellt sich die Frage, welches Verhalten der Begriff der Tatbeteiligung umfaßte. Insoweit bestand weitgehend Einigkeit, hierunter sowohl Anstiftung, Beihilfe und Mittäterschaft als auch sogar Hehlerei zu fassen 89 , den Beteiligungsbegriff also weit auszulegen. Keine klare Übereinstimmung konnte aber hinsichtlich der Frage erzielt werden, ob auch Begünstigung unter den Beteiligungsbegriff falle und wie diese ggf. zu definieren sei. Während einerseits Begünstigung vom Beteiligungsbegriff abgegrenzt und als eigenständiger Ausschlußgrund eingestuft wurde90 , setzte man andererseits Teilnahme an der Tat und Begünstigung als Formen der Beteiligung gleich91 • Einig war man sich jedoch dahingehend, daß sowohl Tatbeteiligung als auch Begünstigung Ausschließungsgründe darstellten92 . Der mitbeschuldigte Verteidiger könne aufgrund seines eigenen Interesses an der Nichtaufklärung

89

Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl., § 138 111 3; Pramann, S. 19.

So wohl BVerfG NJW 1967, 2051, 2052; Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl., § 138 111 3; ähnlich Anschütz, S. 67 f.; Gallas, ZStW 53 (1934), 256, 260, 270, jedoch mit erheblichen Bedenken gegen eine Ausschliellungsbefugnis wegen Begünstigungsverdachts. 90

91 BGHSt 8, 194, 196; OLG Celle NJW 1950, 716 f.; vgl. auch Pramann, S. 19, die jedoch - wenn auch ohne Begründung - zwischen Begünstigung vor und nach Verfahrensbeginn unterschied: Nur eine vor Verfahrensanfang begangene Begünstigung durch den Verteidiger sollte zu dessen Ausschluß wegen Tatbeteiligung führen. 92 Bezüglich Begünstigung: RG JW 1926, 2756, 2757; BGHSt 9, 20, 22; OLG Celle NJW 1950, 716; OLG Oldenburg GA .1956, 189, 190. Hinsichtlich Teilnahme: RG DRiZ 1928,470, 471; BGH NJW 1972, 2140, 2141; BayObLG NJW 1953, 755 f. Vgl. auch Alsberg, JW 1926, 2756, 2757; Anschütz, S. 67; Löwe/Rosenberg/ Dünnebier, 22. Aufl., § 138 III 3; Peters, 2. Aufl. , S. 189; Schreiben des Vorstandes der Anwaltskammer Berlin, JW 1929, 568.

II. Ausschließungsgründe

31

der Tat93 die Verteidigung seines Mandanten nicht unbefangen führen 94 und auch die ihm zukommende Funktion als Organ der Rechtspflege infolge der Tatbeteiligung nicht ordnungsgemäß ausüben95 • Zudem sei eine Verteidigung durch den Mitbeschuldigten mit der Würde des Gerichts unvereinbar96 • Damit dienten sowohl die Verteidigungsinteressen des Angeklagten als auch die Interessen des Gerichts an einer ungestörten Aufklärung des Sachverhalts als Begründung für die Ausschließungsbefugnis. Inwieweit diese auf Tatbeteiligung im weiten Sinne gestützte Befugnis aber einen bestimmten Verdachtsgrad voraussetzte, stellte ein über einen langen Zeitraum ungelöstes Problem dar. Letztlich erlangte diese Frage erhebliche Bedeutung im Rahmen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 14.2.197397 , der der gesamten Ausschlußpraxis de facto die Grundlage entzog. So führte das Bundesverfassungsgericht aus, daß ein den Verfassungsgeboten gerecht werdender Ausschlußtatbestand fehle, da nur "in Umrissen" ein Tatbestand erkennbar sei und es noch der Klärung bedürfe, "bei welchem Verdachtsgrad der tatbeteiligte Verteidiger ausscheiden soll(e)" 98 • Betrachtet man die Entwicklung der früheren Ausschließungsjudikatur unter einem zeitlichen Aspekt, so fällt auf, daß sich die Anforderungen, die an den Nachweis einer eventuellen Tatbeteiligung des Verteidigers gestellt wurden, zunehmend verschärften. Das Reichsgericht99 nahm einen gegen den Verteidiger gerichteten Begünstigungsverdacht schon mit der Begründung an, daß dieser durch eine Beweisaufnahme nicht ausgeräumt worden sei, "selbst wenn man dem Zeugnis des T. nur eine geringe Beweiskraft beileg(e)". Dieser Verdacht zwinge den Senat, im Interesse der Rechtspflege und des auch von ihm zu wahrenden Ansehens der Anwaltschaft so lange an der Ausschließung des Rechtsanwalts festzuhalten, bis eine Aufklärung erfolgt sei 100 • Diese Ausführungen zeigen, unter welchen geringen und unbestimmten Voraussetzungen der erforderliche Nachweis der Tatbeteiligung bereits als er-

93

BGHSt 9 , 20, 22.

94

Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl., § 138 III 3.

95

RG DRiZ 1928, 470, 471; BGHSt 9, 20,22 f.

96

BGHSt 9, 20, 22.

97

BVerfG NJW 1973, 696.

98

BVerfG NJW 1973, 696, 697.

99

RG JW 1926, 2756, 2757. RG JW 1926, 2756, 2757.

100

32

1. Teil, A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses

bracht galt. Alsberg führte dazu in seiner Entscheidungsanmerkung 101 aus, es berühre "merkwürdig", die geringe Beweiskraft des belastenden Zeugnisses zuzugeben und dieses trotzdem zugrundezulegen. In diesem Zusammenhang verwendete Alsberg den Begriff des Verdachtsbeweises, der für die Ausschließung keinesfalls ausreiche102 • Das Gericht sei zwar im Rahmen der Ausschlußfrage in der Wahl der Beweismittel und der Form der Beweiserhebung - anders als bei der Schuldfrage - nicht beschränkt, jedoch bestehe auch hier eine Ermittlungspflicht103. Auch die Entscheidung des Reichsgerichts vom 5.6.1928 104 , durch die ein Verteidiger wegen des Verdachts der Vorbereitung einer hochverräterischen Unternehmung ausgeschlossen wurde, rief insbesondere bezüglich der zugrundegelegten Beweisanforderungen heftige Kritik hervor. Der bloße Teilnahmeverdacht dürfe noch nicht zur Ausschließung führen, da es für die Verteidigung gefahrlieh sei, wenn das Gericht aufgrund "eines in keinem Verfahren nachgeprüften und deshalb vielleicht völlig unbegründeten Verdachts" 105 den Verteidiger ausschließen könne. Insoweit müsse gesetzlich geregelt werden, daß eine Ausschließung von der Einleitung eines gegen den Verteidiger gerichteten Verfahrens abhängig sei 106. Dieser Vorschlag wurde zwar von Gallas wegen der damit verbundenen zeitlichen Verzögerung als "mit den praktischen Bedürfnissen des Strafverfahrens" unvereinbar angesehen 107 , jedoch forderte er, daß ein hinreichender Tatverdacht, d.h. ein Verdacht, der für die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen den Verteidiger ausreichen würde, vorliegen müsse 108 • Diese Auffassung fand Zustimmung in der späteren Rechtsprechung 109 , die die Ungewöhnlichkeit des Verteidigerausschlusses besonders hervorhob 110 • Danach sollten schwerwiegende Verdachtsgründe im Sinne des § 203 StPO,

101

Alsberg, JW 1926, 2756, 2757.

1n·_

Ausdrücklich zustimmend: OLG Celle NJW 1950, 716, 717.

103 104

Ebenso OLG Celle NJW 1950, 716,717. RG DRiZ 1928, 471.

105

Schreiben des Vorstandes der Anwaltskammer Berlin, JW 1929, 568, 569.

Schreiben des Vorstandes der Anwaltskammer Berlin, JW 1929 , 568, 569; ebenso Beschluß der Berliner Anwaltskammer vom 21.11.1932, JW 1932, 3744. 106

107

Gallas, ZStW 53 (1934), 256, 264.

Gallas, ZStW 53 (1934), 256, 263; vgl. auch Alsberg, JW 1926, 2756, 2757, der vom Erfordernis jedenfalls "erheblicher Beweise" ausging. 108

109

OLG Celle NJW 1950, 716, 717.

110

OLG Celle NJW 1950,716, 717; OLG Oldenburg GA 1956, 189, 190.

II. Ausschließungsgründe

33

die eine Anklageerhebung zu begründen geeignet seien und im Wege erschöpfender Ermittlungen gewonnen wurden, erforderlich sein 111 • Hingegen führte der BGH aus, daß ein dringender Verdacht der Tatbeteiligung bestehen müsse 112; ein solcher sei "notwendig, aber auch ausreichend"113. Bemerkenswerterweise gelangte der BGH in seiner Entscheidung vom 25.8.1972, die die Ausschließung von Rechtsanwalt Schily als Verteidiger von Gudrun Ensslin betraf, zu dem Ergebnis, dringender Verdacht, d.h. die hohe Wahrscheinlichkeit für eine Tatbeteiligung des Verteidigers nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen 114 , liege vor. Demgegenüber kam das Kammergericht in seinem Beschluß vom 20.9.1972 115 , also nur einen knappen Monat später, bei der Würdigung dieses Sachverhaltes zu der Einschätzung, ein dem § 203 StPO entsprechender schwerwiegender Verdacht gegen Rechtsanwalt Schily, der hier als Pflichtverteidiger eines anderen RAP-Angeklagten ausgeschlossen werden sollte, bestehe nicht. Es sei vielmehr nur von einem "gewissen Tatverdacht" gegen den Verteidiger auszugehen. In dieser Abweichung sah Blei 116 eine "Ohrfeige", die das Kammergericht dem BGH erteilt habe und "deren Widerhall hoffentlich noch lange durch die deutsche Rechtsgeschichte klingen (werde)" 117 • Insgesamt wurde deutlich, wie unscharf die Bestimmung des erforderlichen Verdachtsgrades war, obwohl dem Verdachtsmoment erhebliche Bedeutung im Rahmen der Ausschlußproblematik beigemessen wurde.

3. Prozeßsabotage Als weiterer, wenn auch nur selten auftauchender Ausschließungsgrund ist die Prozeßsabotage zu nennen. Im sog. "Felseneck-Prozeß" hatte das Schwurgericht den Verteidiger ausgeschlossen, da dieser bestrebt gewesen sei, "durch eine wohldurchdachte Taktik dauernder Störung der Hauptverhandlung deren Durchführung un111

OLG Oldenburg GA 1956, 189, 190.

11 2

BGHSt 8 , 194, 196; BGH NJW 1972, 2140, 2141.

11 3

BGH NJW 1972,2140,2141 ; ebenso Kleinknecht, 30. Aufl ., Vor§ 137 Anm . 2 A.

114

Kleinknecht, 30. Aufl., § 112 Rdn. 2.

115

KG NJW 1972, 2144 .

116

Blei, JA 1973, StR S. 1.

Ebenfalls sehr kritisch in bezug auf BGH NJW 1972, 2140, insbesondere hinsichtlich der vorgenommenen Beweiswürdigung: Deuchler, AnwBI. 1973, 89 , 91 ; Göddeke, S. 109 ff. 117

3 Remagen·K=merling

34

1. Teil, A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses

möglich zu machen" 118 • Dazu führte das im Beschwerdewege angerufene Kammergericht aus, daß ein Fall der bisher anerkannten Ausschlußgründe - Interessenkollision gemäß § 146 StPO, Zeugeneigenschaft des Verteidigers, Beteiligungsverdacht - nicht vorliege, aber dennoch die Zulässigkeil eines Verteidigerausschlusses, soweit dieser der Abwehr von Störungsversuchen dienen solle, nicht schlechthin zu verneinen sei 119 • Es müsse anerkannt werden, daß ein Gericht durch sabotierendes Verhalten des Verteidigers in eine "unerträgliche Zwangslage" versetzt werden könne. Da das öffentliche Interesse an der Aufklärung strafbarer Handlungen dem Zulassungsanspruch des § 138 StPO vorgehe, sei eine ausreichende Grundlage für eine Ausschließung gegeben 120 • Diese Ausführungen zeigen, wie im Falle einer angenommenen Zwangslage des Gerichts das Fehlen einer gesetzlichen Regelung mit dem Aufstellen von Ausschließungsgründen, die ihren Ursprung in tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalles hatten, ausgeglichen werden sollte 121 • Dabei verband das Kammergericht die grundsätzliche Anerkennung des Ausschließungsgrundes der Prozeßsabotage aber mit der Einschränkung, daß die Störungsabsicht offenkundig sein und dem Gericht jede Möglichkeit fehlen müsse, die Störungsversuche mit anderen Mitteln zu unterdrücken 122 . Beide Voraussetzungen wurden im "Felseneck-Prozeß" letztlich als nicht gegeben angesehen. Damit erfuhr die Erweiterung der Ausschlußmöglichkeiten wiederum eine erhebliche Eingrenzung, die wohl als mitursächlich für die geringe praktische Relevanz des neu geschaffenen Ausschlußgrundes 123 angesehen werden muß.

118 Vgl. den aufgrund der Beschwerde des Verteidigers ergangenen Beschluß des KG vom 29.8.1932, JW 1933, 484. 119

120

KG JW 1933, 484. KG JW 1933, 484.

121 Vgl. dazu insbesondere auch die Formulierung des KG aaO: "Will man aber aus einer Zwangslage des Gerichts seine Befugnis herleiten, den Verteidiger überhaupt nicht mehr zuzulassen , ... ". 122 Grds.zustimmend: Waller, DRiZ 1974, 177, 179, der als zusätzliche einschränkende Voraussetzung forderte, daß zum Entscheidungszeitpunkt noch weitere erhebliche Störungen zu befürchten seien.

123 Befürwortet von: Anschütz, 5 .68 f.; Dahs, NJW 1959, 1158, 1162; Lampe, JZ 1974, 696, 698; Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl., § 138 III 9, mit einer sehr weiten Auslegung des Begriffs der Prozeßsabotage.

Ablehnend hingegen: Groß, ZRP 1974, 25, 31; Lantzke, AnwBl. 1973, 238, 240; dies., JR 1973, 357, 361; Ostler, JR 1960, 170, 173 .

II. Ausschließungsgründe

35

4. Parteiverrat und Gerichtsnötigung Eine weitere Ausdehnung der Ausschlußmöglichkeiten erfolgte durch eine Entscheidung des OLG Oldenburg 124 . Danach sollte die Entziehung der Verteidigungsbefugnisauch zulässig sein, wenn sichere Feststellungen "den dringenden Tatverdacht des Parteiverrats" ergaben; es sei mit einer geordneten Rechtspflege nicht zu vereinbaren, wenn das Gericht einen Verteidiger zulassen müßte, der "unter Duldung des Gerichts eine strafbare Handlung begehen würde"l25. Obwohl kein Fall bekannt ist, in dem eine Ausschließung letztlich auf Parteiverrat gestützt worden wäre126 , stand die Literatur der Anerkennung dieses Ausschlußgrundes überwiegend zustimmend gegenüber127 • Als Hauptargument wurde angeführt, daß der Verteidiger im Falle des Parteiverrates seine Beistandspflichten verletze 128 . Hingegen fand der vom Bundesgerichtshof129 anerkannte Ausschließungsgrund der Gerichtsnötigung kaum Zustimmung im Schrifttum130. Der BGH wertete das Verhalten eines Verteidigers, der dem Gericht ein Protestschreiben der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft übergeben hatte, das u.a. den Satz aufwies: "Die jüngste Geschichte lehrt, daß alle diejenigen, die den Weg des Rechts zugunsten einer volksfeindlichen und aggressiven Politik verlassen, eines Tages doch von ihrem Volke zur Verantwortung gezogen werden. "131 , als den Versuch einer unzulässigen Einwirkung auf die Entschließungsfreiheit des Gerichts. Da die darin enthaltenen Drohungen auch fortdauerten, sei in noch stärkerem Maße als im Falle einer Teilnahme oder Begünstigung mit einer Behinderung der Wahrheits-

124

OLG Oldenburg GA 1956, 189, 190.

125

OLG Oldenburg GA 1956, 189, 190.

126

Vgl. Ulsenheimer, GA 1975, 103, 116; Waller, DRiZ 1974, 177, 180.

Anschütz, S. 70; Dahs, NJW 1959, 1158, 1162; Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl., § 138 III 5 b; Seebode, NJW 1972, 2257. A.A.: Holtz, JR 1973 , 362, 363; Ulsenheimer, GA 1975, 103, 116; einschränkend Waller, DRiZ 1974, 177, 180 f. 127

128

Dahs, NJW 1959, 1158, 1162.

129

BGHSt 9 , 20, 22.

Ablehnend: Anschütz, S. 72 f., Arndt, JZ 1956, 376 f., Dahs, NJW 1959, 1158, 1162; Holtz, JR 1973, 362, 363 ; Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22 . Aufl., § 138 III 11; Eb. Schmidt, NJW 1963, 1753, 1755; Waller, DRiZ 1974, 177, 180. Zustimmend: Jagusch , LM 1957 Nr. 1 zu§ 138 StPO; Ostler, JR 1959, 121, 125. 131 BGHSt 9, 20 f. 130

36

1. Teil, A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses

erforschung durch den Verteidiger zu rechnen, so daß dieser auszuschließen sei 132 . Dem wurde überzeugend entgegengehalten, daß es dem Gericht durchaus zurnutbar sei, sich nicht beeinflussen zu lassen und die Ahndung eines solchen Verteidigerverhaltens einem späteren Verfahren zu überlassen 133 . Mit der Aufhebung der Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht134 wegen Unverhältnismäßigkeit der Ausschließung wurden die Kritiker im Ergebnis bestätigt. Dementsprechend erlangte der Ausschlußgrund der Gerichtsnötigung in der Folgezeit auch keine praktische Bedeutung.

5. Abhängigkeit des Verteidigers Unter dem Begriff der Abhängigkeit des Strafverteidigers wurde ein weiterer Ausschließungsgrund in die Diskussion eingeführt. Den entscheidenden Anstoß gab der sog. "Kaul"-Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 2.3.1961 135 , in welchem dem Merkmal der Unabhängigkeit der Verteidigung in Anlehnung an die seit dem 1.8.1959 neugefaßten Vorschriften der§§ 1, 3 BRAO, die dem Rechtsanwalt die Funktion eines unabhängigen Organs der Rechtspflege einräumten, besondere Bedeutung beigemessen wurde136 • Der BGH sah die anwaltliehe Unabhängigkeit als nicht gewährleistet an, da der Verteidiger Dr. Kaul seine Verteidigung nach den Richtlinien der SED ausgerichtet und dabei "deren Sache zu der seinigen" gemacht habe137 . Der Begriff der Unabhängigkeit des Verteidigers schließe in jedem Falle "Einfluß und Weisungen verfahrensfremder, ja verfahrensfeindlicher Stellen" aus 138 , so daß hier eine erschöpfende Begriffsumschreibung unterbleiben könne. Damit wurde "unabhängig" als "frei von politischen Einflüssen" definiert. Obwohl der BGH hier erstmals ausdrücklich auf das Kriterium der Unabhängigkeit abstellte und dieses als Ausschließungsgrund wertete, ist dieses Merkmal -wenn auch nur mittelbar- bereits in seinem früheren "Kaul"Beschluß vom 15.11.1955 139 herangezogen und ebenfalls im politischen Sinne

132

BGHSt 9 , 20, 23 .

133

Waller, DRiZ 1974, 177, 180.

134

BVerfGE 15, 226 ff.

135

BGHSt 15, 326 ff.

136

BGHSt 15, 326, 327.

137 138

BGHSt 15, 326, 330. BGHSt 15, 326, 328.

139

BGHSt 8, 194 ff.

li. Ausschließungsgründe

37

verstanden worden140 . Der drohende Verrat von Staatsgeheimnissen und die Staatsgefahrdung, denen nur durch den Ausschluß des Verteidigers begegnet werden könne141 , wurden dort allein als Resultat der politischen Bindungen des Verteidigers angesehen. Hinsichtlich der damit erhobenen Forderung nach einem politisch unabhängig handelnden Verteidiger142 bestand weitgehend Übereinstimmung, wenngleich die Frage nach einem entsprechenden Ausschlußgrund nicht eindeutig beantwortet werden konnte143 . So wurde ausgeführt144 , daß Abhängigkeit in erster Linie als eine solche vom Staat zu verstehen sei, sich aber mit dem Aufkommen der politischen Parteien und Sozialpartner auch andere Formen entwickelten. Ein Verteidiger entspreche demnach nicht mehr dem Bild der Strafprozeßordnung, wenn er beispielsweise von Verbänden, politischen Parteien oder fremden Staatsgewalten abhängig sei. Auch nach Donus 145 soll sowohl Unabhängigkeit vom Gericht, vom Staat, vom Mandanten, von Dritten und von der Anwaltskammer gemeint, also ebenfalls eine weite Auslegung angezeigt sein 146 . Mit der Aufhebung des BGH-Beschlusses vom 2.3.1961 147 leitete das Bundesverfassungsgericht148 eine Wende in der Diskussion ein, indem es ausführte, die Abhängigkeit von einer verfassungsfeindlichen Partei stelle einen neuartigen Eingriffstatbestand dar, der von einem eventuell im Bereich der Ausschlußproblematik bestehenden Gewohnheitsrecht jedenfalls nicht mehr

140

Vgl. Anschütz, S. 71 f.; Dahs , NJW 1959, 1158, 1162.

BGHSt 8, 194, 198 f.: Als Ausschließungsgrund diente in erster Linie die Gefährdung von Staatsinteressen, die durch den "SED-abhängigen" Verteidiger drohe. 141

Zustimmend insoweit: Dahs, NJW 1959, 1158, 1162; Löwe/Rosenberg/ Dünnebier, 22. Aufl., § 138 III 10; Eb. Schmidt, JZ 1957, 721. Abweichend jedoch Dahs , NJW 1975, 1385, 1390, demzufolge Abhängigkeit keinen schwerwiegenden Angriff gegen den Kernbereich der Rechtspflege darstelle. 142 Allgemein zur Stellung des Verteidigers als unabhängigem Organ der Rechtspflege vgl. insbesondere: Beulke, Verteidiger im Strafverfahren, S. 164 ff.; Heinicke, S. 266 ff. 143 Kalsbach, JZ 1961, 593, 597, ließ politische Abhängigkeit als Ausschlußgrund nur unter der Einschränkung zu, daß diese im Einzelfall in der Person des Verteidigers konkret festgestellt werde . Ähnlich Pramann, S. 132 f.

144

Anschütz, S. 60.

145

Donus, S. 29; ähnlich Waller, DRiZ 1974, 177, 181.

In diesem Sinne auch Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, Rdn. 22 ff.; grundlegend zum Unabhängigkeitsbegriffvgl. Quack, NJW 1975, 1337 ff. 146

147

BGHSt 15, 326 ff.

148

BVerfG NJW 1967, 2051 f.

38

1. Teil, A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses

gedeckt sei 149 • Diese Entwicklung setzte sich in der späteren Feststellung fort, daß die die Unabhängigkeit des Rechtsanwaltes betreffenden Vorschriften der §§ 1, 3 BRAO keine Eingriffsmöglichkeit für den Fall enthielten, daß ein Anwalt ihrem Leitbild nicht entspreche150. In der Literatur wurde dieses Problem infolgedessen nur noch selten erörtert151, und auch im Rahmen der Diskussion über eine gesetzliche Ausschlußregelung blieb es nur von untergeordneter Bedeutung 152 . 6. Persönliche Unfähigkeit des Verteidigers Als weitere Ausschließungsgründe wurden die Verhandlungs- und Prozeßunfähigkeit des Verteidigers anerkannt153 . Dabei wurde ein Ausschluß beispielsweise infolge von Geisteskrankheit des Verteidigers und der damit verbundenen Verteidigungsunfähigkeit mit der Fürsorgepflicht des Gerichts begründet 154 . Auch wenn diesem Ausschlußgrund praktisch keine Bedeutung zukam, wurde er doch als "selbstverständlich" angesehen 155 . 111. Verfahrenshintergründe

Weiterhin erhebt sich die Frage, ob die relativ wenigen die Ausschließungsproblematik betreffenden Entscheidungen Gemeinsamkeiten, insbesondere hinsichtlich der Sachverhalte, aufweisen.

BVerfG NJW 1967, 2051, 2052, unter Hinweis auf BVerfGE 15, 226, 233. BVerfG NJW 1973, 696. 151 Donus, S. 126; Pramann, S. 131 ff. IS2 Dahs, NJW 1975, 1385, 1390; Donus, S. 126. mit Hinweis auf Schmidt-Leichner, NJW 1973, 969, 973, der im Wortlaut einer künftigen Ausschlußnorm auf die Verletzung oder Gefährdung der Unabhängigkeit des Verteidigers in seiner Funktion als Organ der Rechtspflege abstellen wollte. 153 KMR-Müller-Sax, 6.Aufl.,Vor § 137 Anm. 2a; Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl., § 138 III 1; Eb: Schmidt, Lehrkom. II, 11. Abschn., Vorb. 29. 149

150

1s4 Vgl. Hanack, JZ 1971, 218, 219 Fn. 22, mit Hinweis auf eine unveröffentlichte Entscheidung des BGH vom 2.7.1967- 4 StR 154/67; zur Verhandlungsunfahigkeit des Verteidigers auch RGSt 57, 373. ISS KMR-Müller-Sax, 6. Aufl., Vor § 137 Anm. 2a; vgl. auch Ulsenheimer, GA 1975, 103, 115.

III. Verfahrenshintergründe

39

Dabei erscheint bemerkenswert, daß häufig politisch brisante Hintergründe zutage traten156 . So kam es vor dem Staatsgerichtshof im sog. Tscheka-Prozeß 157 zu einem Vorfall, der in der Öffentlichkeit und in der Fachliteratur breite Beachtung erfuhr. Der Vorsitzende ließ den -kommunistischen - Verteidiger Dr. Samter von zwei Polizeibeamten aus dem Sitzungssaal entfernen, nachdem er ihm bereits wiederholt das Wort entzogen hatte. Dabei stützte sich das Gericht aber nicht auf eine ihm zustehende Ausschließungskompetenz, sondern sah sitzungspolizeiliche Maßnahmen als ausreichende Grundlage für diesen faktischen Verteidigerausschluß an. Wenngleich die Anweisung, den Verteidiger aus dem Sitzungssaal zu entfernen, teilweise Zustimmung fand 158 , stieß sie jedoch überwiegend auf Ablehnung, da die sitzungspolizeilichen Maßnahmen des § 177 GVG dem Gericht keine Handhabe gegenüber dem Strafverteidiger einräumten 159 • Auch die Beschlüsse des Reichsgerichts vom 22.5. und 5.6.1928 160 betrafen Rechtsanwalt Samter161 . Während in einem Verfahren der Ausschluß auf die Zeugenstellung des Verteidigers gestützt wurde, erfolgte die andere Ausschließung mit der Begründung des Beteiligungsverdachts. Das Reichsgericht leitete die Teilnahme aus dem Umstand ab, daß es sich bei Verteidiger und Angeklagtem um kommunistische Versammlungsteilnehmer handele, die an der Vorbereitung "desselben hochverräterischen Unternehmens" beteiligt seien, das, "wie gerichtsbekannt, von dem Funktionärskörper der KPD betrieben (werde)" 162 •

156 "Tscheka"-Prozeß, vgl. Kern, JW 1925, 900; RG DRiZ 1928, 470; KG JW 1933, 484- "Felseneck"-Prozeß; BVerfG NJW 1967, 2051 ; BGHSt 8, 194; 9, 20; 15, 326. Vgl. auch Donus, S. 4; Göddeke, S. 84; Lantzke, JR 1973, 357; Schmidt-Leichner, NJW 1973, 969; Wuttke, NJW 1972, 1884. 157 Vgl. Kern, JW 1925, 900. 158 Kern, JW 1925, 900, 901; vgl. zudem Meinungsüberblick zu dieser auch später noch aktuellen Thematik bei Löwe/Rosenberg/Schäfer, 22. Aufl., § 176 GVG Anm.

3c.

159 Anschütz, S. 37 ff., mit ausführlicher Begründung; Bendix, JW 1925, 908; Drucker, JW 1925, 901; Eb. Schmidt, Lehrkom. II, 11. Abschn., Vorb. 10; von Pestalozza, JW 1925, 909; später auch Schorn, DRiZ 1964, 155.

160

RG DRiZ 1928, 470.

Zu diesen Beschlüssen vgl. auch Göddeke, S. 85 ff.; Hannover, KJ 1974, 135, 136; König, S. 17. 162 RG DRiZ 1928, 470, 471 ; vgl. König, S. 17, sowie Schreiben des Vorstandes der Anwaltskammer Berlin, JW 1929, 568. Zur Kritik an dieser Rspr. vgl. insbesondere Oborni.ker, Die Justiz, Bd. IV, S. 299, 305. 161

40

1. Teil, A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses

Sogar die Reichsanwaltschaft vermochte sich dieser Ansicht nicht anzuschließen und verzichtete darauf, die Nichtzulassung des Verteidigers zu beantragen sowie Anklage zu erhebenl63. Des weiteren wurde der politische Zusammenhang im "Felseneck"-Prozeß164 erkennbar, obwohl der veröffentlichten Beschwerdeentscheidung dieser Hintergrund kaum zu entnehmen ist165 . Im Januar 1932 kam es in der Arbeitersiedlung "Felseneck", die von Kommunisten und Sozialdemokraten bewohnt wurde, zu einer Schießerei zwischen Bewohnern und SA-Angehörigen; dabei wurden ein SA-Mann und ein Anwohner getötet. Als Verteidiger in dem anschließenden Strafverfahren trat u.a. Rechtsanwalt Litten auf, der schon zuvor häufig Strafverteidigungen im Auftrag der Roten Hilfe Deutschland geführt hatte. Nachdem er zunächst vom Schwurgericht wegen des Versuchs der Prozeßsabotage ausgeschlossen worden war, hob das Kammergericht als Beschwerdeinstanz diese Entscheidung - u.a. mangels Offenkundigkeil der Störungsabsicht - auf166 , jedoch wurde er vom Schwurgericht erneut ausgeschlossen. Die insoweit eingelegte Beschwerde blieb erfolglos, da es dem Verteidiger nicht gestattet sei, "ohne Wissen und Willen des Gerichts mit den als Zeugen benannten Personen und ebenso mit anderen als dem von ihm verteidigten Angeklagten in Verbindung zu treten und die Anklagevorgänge zu besprechen" 167 . Damit trat eine weitgehende Einschränkung der Verteidigungsrechte zutage, die die Gegner der Ausschließungspraxis insbesondere in Anbetracht von "politisch bewegten Zeiten" 168 vorhergesehen hatten. Auch in den späteren, für die Ausschlußproblematik bedeutsamen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind neben den rechtlichen Erwägungen politische Aspekte nicht zu übersehen. So stützte der BGH 169 im ersten "Kaul"-Beschluß die Notwendigkeit des Ausschlusses auf außerhalb der Regelfälle liegende Umstände, nämlich darauf, daß "ein Rechtsanwalt, der in dem unter sowjetischer Kontrolle stehenden Teil Deutschlands ansässig und tätig ist, vor Gerichten der Bundes163 Dies ergibt sich aus dem Schreiben des Vorstandes der Anwaltskammer Berlin, JW 1929, 568, 569; vgl. auch König, S. 17.

164

KG JW 1933, 484.

165

Vgl. König, S. 19 ff.

166

KG JW 1933, 484.

Beschluß des Kammergerichts vom 28.10.1932, Landesarchiv Berlin, Bd. XIII, BI. 204 ff., 210, zitiert aus König, S. 20. 167

168

Schreiben des Vorstandes der Anwaltskammer Berlin, JW 1929, 568, 569.

169

BGHSt 8, 194, 196 f.

III. Verfahrenshintergründe

41

republik in einem Landesverratsverfahren auftritt, das eine von der sowjetisch besetzten Zone aus gegen die Bundesrepublik betriebene Spionagetätigkeit zum Gegenstand hat". Im zweiten "Kaul"-Beschluß 170 begründete er den Ausschluß mit der fehlenden Unabhängigkeit des Verteidigers, da bei diesem die Gewißheit bestehe, daß er in einschlägigen Fällen nach den Richtlinien der SED "verteidige" 171 • Diese Entscheidung hatte jedoch vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand, da der Ausschluß Hpraktisch auf eine bloße Prävention" hinausliefe und damit einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit darstelle172 • Auch die Entscheidung des BGH vom 15.2.1956 173 , die von einer Nötigung des Gerichts ausging und diese als ausschlußbegründend wertete, basierte auf einem politischen Sachverhalt und löste nicht zuletzt wegen der besonderen Motivationslage des Gerichts Kritik aus 174 . Hervorzuheben ist auch die den Ausschluß von Rechtsanwalt Schily betreffende bundesrichterliche Entscheidung 175 vom 25.8.1972. Als Verteidiger von Gudrun Ensslin wurde Rechtsanwalt Schily vom Ermittlungsrichter des BGH aus dem Verfahren ausgeschlossen, nachdem er in Verdacht geraten war, eine Mitteilung der Beschuldigten aus der Justizvollzugsanstalt herausgebracht und an die zu jenem Zeitpunkt noch nicht inhaftierte Ulrike Meinhof weitergeleitet zu haben. Im Rahmen der Beschwerdeentscheidung stellte der BGH in der Beweiswürdigung maßgeblich auf eine vermeintliche Übereinstimmung der Interessen von Verteidiger und Mandantin ab 176 und rief damit vehemente Kritik hervor177 • Diese fand letztlich ihre Bestätigung in der Aufhebung des Beschlusses durch das Bundesverfassungsgericht 178 , das seine Ent170

BGHSt 15, 326 ff.

171

BGHSt 15, 326, 330; vgl. auch 1. Teil, A II 5.

172

BVerfG NJW 1967, 2051 , 2053 .

173

BGHSt 9, 20 ff.; vgl. 1. Teil, A II 4.

Anschütz, S. 72 ff.; Arndt, JZ 1956, 376, 377, warf insoweit die Frage auf: "Haben wir vergessen, was die Freiheit des Wortes, von der so viel gesprochen wird, in Wahrheit bedeutet?"; Dahs, NJW 1959, 1158, 1162. 174

BGH NJW 1972, 2140 ff. BGH NJW 1972, 2140, 2144: "Vor allem aber müssen hier die in erheblichem Umfange gleichgerichteten Interessen Berücksichtigung finden, die Beschuldigten und Verteidiger verbinden, während diejenigen eines Vollzugsbeamten und die des Gefangenen durchaus gegensätzlicher Art sind". 175

176

177 Diese Formulierung wurde zum Teil als Abwertung des Strafverteidigers zum möglichen Spießgesellen des Angeklagten aufgefaßt: Göddeke, S. 111; Quack, NJW 1975, 1337, 1338. Zur Kritik vgl. auch KG NJW 1972, 2144; Blei, JA 1973, StR S. 1; Deuchler, AnwBI. 1973 , 89, 91 ; Hannover, KJ 1974, 135, 139. 178

BVerfG NJW 1973, 696 ff.

42

1. Teil, A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses

scheidung aber ausschließlich auf das Fehlen einer gesetzlichen Ausschlußgrundlage stützen konnte, ohne dabei auf Tatsachenfragen und den Hintergrund des Verfahrens eingehen zu müssen. IV. Anwendungsbereich der Ausschlußgrundsätze

Während bei der Ausschließung eines Wahlverteidigers die dargestellten allgemeinen Rechtsgrundsätze herangezogen werden mußten, fand die Entziehung der Pflichtverteidigungsbefugnis Rückhalt im Gesetz. Seit lokrafttreten der StPO schreibt die Vorschrift des § 143 StPO vor, daß die Bestellung des Pflichtverteidigers zurückzunehmen ist, wenn demnächst ein anderer Verteidiger gewählt wird und dieser die Wahl annimmt. Zudem wurde aus § 141 StPO eine gerichtliche Rücknahmebefugnis als Umkehrung der Bestellungsbefugnis179 für den Fall abgeleitet, daß die Verteidigung nicht mehr notwendig war 180 . Darüberhinaus, also auch wenn die Notwendigkeit der Verteidigung bestehen blieb und kein Fall der §§ 143, 145, 146 StPO vorlag, wurde aus sog. wichtigen Gründen eine Ausschließungsbefugnis bejaht 181 unter der Voraussetzung, daß dem Angeklagten alsbald ein neuer Verteidiger bestellt wurde182 . Neben dem Fehlen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Verteidiger und Angeklagtem 183 galten als derartig wichtige Gründe die allgemein als Ausschi uß gründe herausgearbeiteten Rechtsgrundsätze 184 . Hingegen verblieben Zweifel, ob der Widerruf einer Pflichtverteidigerbestellung allein mit der Notwendigkeit, die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens zu sichern, gerechtfertigt werden konnte, so daß im Vergleich

179

OLG Hamm NJW 1954, 1259 f.

Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl.,§ 143 Anm. 3; Eb . Schmidt, Lehrkom. II, § 141 Rdn. 12; RGSt 21, 266; 70,317, 320; KG JW 1933,484 f. (Nr.27) für den Fall, daß zwei Pflichtverteidiger bestellt wurden und der Beistand durch den zweiten Verteidiger nicht mehr nötig war; kritisch dazu Klesisch, JW 1933, 484 f. 180

181 182

Z.B. OLG Hamm NJW 1954, 1259 f. Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl., § 143 Anm. 4 .

183 OLG Hamm NJW 1958, 641, 642; OLG Frankfurt, Beschl. vom 26.7.1968-3 Ws 330/68 -, mit der Einschränkung, daß objektiv, d.h. nicht nur aus der Sicht des Angeklagten, das Vertrauensverhältnis gestört sein mußte. 184 BGH NJW 1961, 614: Abhängigkeit des Verteidigers; OLG Hamm NJW 1954, 1259: Zeugeneigenschaft; OLG Oldenbui:g GA 1956, 189, 190: Begünstigungsverdacht; KG NJW 1972, 2144: Teilnahmeverdacht; vgl. auch Gallas, ZStW 53 (1934), 256, 262: Teilnahmeverdacht, S. 266: Zeugenstellung; Löwe/Rosenberg/ Dünnebier, 22. Aufl., § 143 Anm . 4.

IV. Anwendungsbereich der Ausschlußgrundsätze

43

zur Wahlverteidigung eine mögliche Erweiterung der Ausschließungsbefugnisse vorlag. Während die Verfahrenssicherung einerseits als ausreichend für die Rücknahme der Bestellung angesehen wurde185 , erfolgte andererseits der Hinweis darauf, daß - abgesehen von den gesetzlichen Rücknahmefällen - ein Ausschluß des bestellten Verteidigers nur unter denselben Voraussetzungen zulässig sei, unter denen der Ausschluß eines Wahlverteidigers erfolgen könne186 • Dabei gab jedoch die letztgenannte Ansicht des OLG Oldenburg nicht eindeutig zu erkennen, ob mit dem Hinweis auf "dieselben Voraussetzungen" andere Gründe als die für den Wahlverteidigerausschluß geltenden schlechthin ausgeschieden werden sollten oder ob damit nur für den konkreten Fall des Begünstigungsverdachts, der der Entscheidung zugrunde lag, die Gültigkeit derselben Ausschlußvoraussetzungen betont werden sollte. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß dem Ziel der Verfahrenssicherung allgemein große Bedeutung beigemessen wurde; dies zeigt sich beispielsweise in der Anerkennung von Prozeßsabotage und Zeugeneigenschaft als Ausschließungsgründe. Dementsprechend erscheint es folgerichtig, wenn im Fall der notwendigen Verteidigung das Ziel der Verfahrenssicherung, dem die Pflicht zur Verteidigerbestellung insbesondere dient187 , noch höher eingeschätzt wurde. Somit wäre es jedenfalls als konsequent zu bezeichnen, im Rahmen der Pflichtverteidigung teilweise erleichterte Ausschlußvoraussetzungen im Vergleich zur nicht notwendigen Verteidigung anzunehmen. So ließ beispielsweise das OLG Frankfurt 188 die Weigerung der Pflichtverteidiger, an den auch nachmittags stattfindenden Verhandlungen teilzunehmen, für den Widerruf der Bestellung ausreichen, um einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf ermöglichen zu können. Dabei muß aber offen bleiberi, ob dann, wenn es sich in demselben Fall um eine nicht notwendige Beistandsleistung gehandelt hätte, das Gericht nicht auch einen Ausschluß der Verteidiger, möglicherweise gestützt auf Prozeßsabotage, ausgesprochen hätte. Als Folge des "gesetzlosen" Zustandes wäre eine solche Entscheidung jedenfalls denkbar- wenn auch eventuell angreifbar- gewesen. 185 OLG Hamm NJW 1954, 1053, in bezugauf Aussetzung der Hauptverhandlung wegen Ungebühr des Verteidigers; OLG Frankfurt, Beschl. vom 26.7.1968 - 3 Ws 330/68- sowie Beschl. vom 10.9.1971 - 3 Ws 312171; KMR-Müller-Sax, 6. Aufl., § 142 Anm. 4 . 186 OLG Oldenburg GA 1956, 189, 190; insoweit nicht eindeutig: OLG Hamm NJW 1954, 1259, 1260. 187 BVerfGE 39, 238, 242. 188

OLG Frankfurt, Beschl. vom 10.9.1971-3 Ws 312171.

44

1. Teil, A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses

Aufgrund der weithin ungeregelten Problematik ist es daher kaum möglich, eine abschließende Aussage darüber zu treffen, ob vor Einführung der Ausschlußnormen bei Wahl- und Pflichtverteidigung unterschiedliche Ausschlußvoraussetzungen Anwendung fanden. V. Ausschlußverfahren

1. Zuständigkeit Die Frage nach der Zuständigkeit für den Verteidigerausschluß wurde von der Rechtsprechung dahingehend beantwortet, daß das erkennende Gericht diese Entscheidung zu treffen habe189 • Diese Auffassung fand im Schrifttum unter Hinweis auf die vom Prozeßgericht zu tragende Verantwortung überwiegend Zustimmung 190 , wenngleich auch einige Autoren mit Nachdruck für eine zugunsten der Ehrengerichtsbarkeit zu treffende Zuständigkeitsregelung eintraten 191 , da nur auf diese Weise die Unabhängigkeit des Verteidigers gegenüber dem Gericht gewahrt werden könne 192 . Hingegen befürchteten die Gegner einer solchen ehrengerichtliehen Lösung, daß diese mit einem unvertretbaren Zeitverlust verbunden 193 und daher nicht effektiv sei. Da das mit der Sache befaßte Gericht als zuständig galt, bestand während des der Staatsanwaltschaft unterstehenden Ermittlungsverfahrens nur dann eine gerichtliche Ausschließungsbefugnis, wenn Haft- oder Ermittlungsrichter mit der Sache betraut waren 194 • In diesem Fall wurde eine vom zuständigen Ermittlungsrichter getroffene Ausschließungsanordnung mit dem Abschluß dieses Verfahrensabschnitts zwar nicht ohne weiteres gegenstandslos, dennoch blieb der für den späteren Verfahrensabschnitt zuständige Richter nicht durch diese gebunden 195 . Weiterhin stellte sich die Frage, ob die Ausschließung eine Entscheidung des Gerichts erforderte oder ob diese vom Vorsitzenden allein zu treffen 189

RGSt 35, 189, 191; BGHSt 15, 326, 331; BVerfGE 16, ::!14, ::!17.

Anschütz, S. 63; Holtz, AnwBI. 1973 , 240, 241; Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Autl., § 138 III 15; Pramann, S. 140. 190

191 Dahs , NJW 1959, 1158, 1162; Gallas, ZStW 53 (1934), 256, 271, ausdrücklich für den Fall der "Begünstigung"; von Winterfeld, NJW 1961, 90::!, 905. 192

Dahs, NJW 1959, 1158, 1162.

BVerfGE 16, 214, 217; Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Autl., § 138 lli 15; Waller, DRiZ 1974, 177, 181. 194 Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl. , § 138 Ili 15; KMR-Müller-Sax, 6. Aufl., § 146 Anm. 4; vgl. auch OLG DüsseldorfNJW 1962,265. 193

195

BGHSt 8, 194, 196.

V . Ausschlußverfahren

45

war196 • Übereinstimmung konnte insoweit nicht erzielt werden. Einerseits wurde bezüglich der Ausschließung eines Pflichtverteidigers gemäß § 141 Abs. 4 StPO eine Zuständigkeit des Vorsitzenden bejaht und - mangels einer besonderen Regelung - hinsichtlich des Wahlverteidigers das Gericht für zuständig erklärt197 , andererseits wurde in beiden Fällen die Ausschließung dem Gericht zugewiesen 198. 2. Anfechtbarkeif der Entscheidung

Gegen eine gerichtliche Ausschließungsentscheidung wurde das Beschreiten des Beschwerdeweges als zulässig erachtet. Dabei wurde dem Verteidiger, der ein Interesse an der Fortführung der Verteidigung hatte und daher durch eine Ausschließung auch selbst betroffen war, ein eigenes Beschwerderecht zugebilligt199 • Ebenso wurde auch eine Beschwerdebefugnis des Angeklagten überwiegend anerkannt200 • Dabei war jedoch umstritten, ob die Beschwerde noch durch den bereits ausgeschlossenen Verteidiger im Namen des Angeklagten eingelegt werden konnte201 oder ob dem Verteidiger dann nur noch sein eigenes Beschwerderecht zustand202 . Im Falle der Ausschlußablehnung vrurde nur der Staatsanwaltschaft als einzig Beschwerter eine Beschwerdem glichkeit eingeräumt203 • Eine allgemeine Rechtsmittelbeschränkung erfolgte dadurch, daß die Beschwerde gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes sowie der Oberlandesgerichte als grundsätzlich ausgeschlossen galt (§ 304 Abs. 4 StPO). Diese Regelung ließ aber die Möglichkeit einer Beschwerde gegen Ausschließungsentscheidungen des Ermittlungsrichters beim BGH bzw. OLG unberührt204 • 196

Offen gelassen in RGSt 35, 189, 191.

KMR-Müller-Sax, 6 . Aufl., § 146 Anm. 4; nicht eindeutig: Kleinknecht, 30. Aufl., Vor§ 137 Anm. D, § 141 Anm. 5. 197

l9ß

Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl., § 138 III 15.

KG JW 1933, 484 (Nr. 26); JW 1933, 484, 485 (Nr. 27); JW 1933 , 485 (Nr. 28) ; JW 1933 , 485 (Nr. 29) a .E .; BGHSt 8, 194; OLG Frankfurt, Beschl. v . 26.7.1968- 3 Ws 330/68 ; zu Dohna, JW 1932, 3673, 3675. 199

200 RGSt 67, 310, 312; OLG Bremen NJW 1951, 454, mit zustimmender Anmerkung Dahs, aaO .; BGHSt 8, 194; Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl., § 138 III 16; a.A. jedoch KG JW 1933, 485 (Nr. 29). 201

OLG Celle NJW 1950, 716, 717.

Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl., § 138 III 16; KMR-Müller-Sax, 6. Aufl. , Vorb . § 137 Anm. 2 g. 202

203

Löwe/Rosenberg/Dünnebier , 22. Aufl., § 138 lii 16.

204

Vgl. BGHSt 8, 194; BGH NJW 1972, 2140.

46

1. Teil, A. Rechtslage vor Normierung des Verteidigerausschlusses

Unabhängig von seiner Beschwerdebefugnis war es dem Angeklagten auch möglich, den Ausschluß seines Verteidigers mit der Revision zu riigen205 und somit die rechtliche Zulässigkeit dieser Verteidigungsbeschränkung überprüfen zu lassen206 .

205

Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 22. Aufl., § 138 Ili 16.

206

Zu Dohna, JW 1932, 3673, 3675.

B. Entstehungsgeschichte und Inhalt der den Verteidigerausschluß regelnden Vorschriften I. Frühe Regelungsversuche

Schon im Anschluß an Entscheidungen des Reichsgerichts' waren im Zeitraum von 1925 bis 1932 wiederholt Forderungen nach einem Tätigwerden des Gesetzgebers erhoben worden2 , und auch im Zuge der Beratungen zum Entwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre kam der Frage nach einer gesetzlichen Regelung des Verteidigerausschlusses erhebliche Bedeutung zu. So wurde bereits 1959 vom Rechtsausschuß des Bundestages die Auffassung vertreten, daß es grundsätzlich einer gesetzlichen Regelung der Ausschließungsfrage bedürfe und dabei die Ergebnisse berücksichtigt werden müßten, die in mehreren bereits anhängigen Verfahren von der verfassungsrichterlichen Rechtsprechung zu erwarten seien3 . Dementsprechend sollte die Einführung einer Gesetzesnorm lediglich zurückgestellt werden, jedoch kam es auch anläßlich der im Jahre 1964 vorgenommenen Änderungen der Strafprozeßordnung4 zu keiner Regelung der Ausschließungsfrage5.

1

RG JW 1926, 2756; DRiZ 1928, 470.

Vorstand der Anwaltskammer Berlin, JW 1929, 568, 569; Beschlul\ der Anwaltskammer Berlin vom 21.11.1932, JW 1932, 3744; Hagemann DRiZ 1932, 260, 262 a. E. 3 Vgl. Bericht über die 54. Sitzung des 12. Ausschusses vom 26.2.1959, 3. Wahlper., Prot. S. 20; BT, 66. Sitzung v. 18.3.1959, 3. Wahlper. S. 3534. Bereits in der 34. Sitzung des 12. Ausschusses vom 12.11.1958, 3. Wahlper., Prot. S. 9-13, war die Ausschlußfrage beraten, eine diesbezügliche Regelung in der Bundesrechtsanwaltsordnung jedoch mehrheitlich abgelehnt worden. Vgl. auch Schrift!. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 778, 3. Wahlper., S. 14, wonach eine gesetzliche Regelung allenfalls im Rahmen der StPO getroffen werden sollte. 4 Gesetz zur Änderung der StPO und des GVG vom 19.12.1964 - StPÄG, BGBl. I (1964), 1067. 2

5 Vgl. BT, 69. Sitzung v. 27 .3.1963, 4. Wahlper., S. 3117-3123, in der ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion, dem erkennenden Gericht eine Ausschließungsmöglichkeit ausdrücklich abzusprechen (Anlage 3, Umdruck 226, aaO, S. 3160), abgelehnt und auch anderweitige Ausschlußregelungen nicht getroffen wurden .

Vgl. zu den Beratungen über das Gesetzgebungsvorhaben auch Schmidt-Leichner, NJW 1973, 969, 972; Schorn, DRiZ 1964, 155, 156 f.; v. Winterfeld , NJW 1961' 902, 904 f.

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

48

Obwohl das Bundesverfassungsgericht6 schon in seiner Entscheidung vom 19.12.1962 eine formell-gesetzliche Regelung im Bereich des formstrengen Prozeßrechts als angemessen bezeichnet und damit - wenn auch nur mittelbar- ein Tätigwerden des Gesetzgebers zum Problemkreis des Verteidigerausschlusses angemahnt hatte7 , erging die erwartete und als eindeutig anzusehende höchstrichterliche Entscheidung erst am 14.2.19738 • Diese löste mit der Formulierung, der Gesetzgeber werde "die Voraussetzungen des Verteidigerausschlusses in naher Zukunft zu regeln haben" 9 , letztlich eine umfassende Gesetzgebungsinitiative aus 10 . II. Bedeutung der zeitgeschichtlichen Ereignisse für das Regelungsvorhaben

Hervorzuheben bleibt, daß sowohl das genannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts als auch die sich anschließenden Diskussionen um die künftigen Ausschlußregelungen sowie deren spätere Änderungen nicht unabhängig von den aktuellen Ereignissen und zeitgeschichtlichen Themen der 70er Jahre gesehen werden können. Dieser Zeitraum wurde insbesondere von den terroristischen Gewalttaten der Rote-Armee-Fraktion (RAF) und der dadurch bedingten öffentlichen Meinungsbildung geprägt, so daß die Heftigkeit der Auseinandersetzung, die sowohl von politischen Argumenten als auch von zum Teil nicht zu verkennenden Emotionen bestimmt war, hier ihre Ursache fand. Im Blickpunkt der Öffentlichkeit standen nicht nur die angeklagten RAFMitglieder, sondern auch deren Verteidiger, die zum Teil schärfste Kritik auf sich zogen. So war der BGH im "Schily"-Beschluß 11 von gleichgerichteten Interessen bei Verteidiger und Angeklagtem ausgegangen, es wurde vor "Wölfen in Schafspelzen" 12 und solchen Verteidigern gewarnt, die handelten, "um Kader für ihre Revolution zu schaffen" 13 , und in Zeitungsartikeln, die sich auf ver6

BVerfGE 15, 226, 233.

Vgl. dazu auch Stellungnahme des Abg. Hirsch, BT, 69. Sitzung v. 27.3.1963, 4. Wahlper., S . 3118. 8 BVerfG NJW 1973, 696 ff. 7

9

BVerfG NJW 1973, 696, 698.

Vgl. zu dieser Entscheidung auch Blei, JA 1973, StR S. 92, sowie Schumann, JZ 1973, 314, 316, der dem Bundesverfassungsgericht sowohl im Ergebnis als auch in der Frage der Regelungsbedürftigkeit zustimmte. 10

11

BGH NJW 1972, 2140, 2144.

12

Knapp, AnwBI. 1975, 373, 374.

13

Brangsch, AnwBI. 1974, 194, 200.

III. Einführung von Ausschlußnormen

49

trauliche Protokolle der Innenministerkonferenz stützten 14 , war die Rede von einer kriminellen Betätigung der Baader-Meinhof-Verteidiger. Andere hingegen vertraten die Ansicht, daß von den Verteidigern eine öffentliche Abgrenzung von den Zielen der Angeklagten nicht verlangt werden könne15 und eine Verteidigung nach rechtsstaatliehen Grundsätzen in einem Klima der Diffamierung unmöglich sei 16 . Die betroffenen Anwälte reagierten auf die Kritik zum Teil mit Veröffentlichungen, in denen von einem "von Karlsruhe geförderten Diffamierungsterror"17 gesprochen und darauf verwiesen wurde, daß mit falschen Tatsachen ein Feindbild ausgemalt werde18 . Somit traten nahezu unüberbrückbare Gegensätze in der Frage nach Funktion und Stellung des Strafverteidigers zutage, die einen Schwerpunkt der ausgelösten rechtspolitischen Diskussion bildete und sich zugleich in einem verstärkten Tätigwerden des Gesetzgebers auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung niederschlug. 111. Einführung von Ausschlußnormen

1. Ziele Die Normierung des Verteidigerausschlusses sowie die diesbezüglichen Gesetzesänderungen 19 stellten einen wesentlichen Teilaspekt im Bereich der gesetzgeberischen Terrorismusbekämpfung dar. In diesem Zusammenhang sind als weitere gesetzliche Maßnahmen das sog. Kontaktsperregesetz vom 30.9.197720 sowie das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 14.4.197821 , das u.a. die Kompetenzen der Strafverfolgungsorgane erweiterte und mit einer Regelung in § 148 Abs. 2 StPO die sog. Trennscheibe zwischen 14 Vgl. Schmidt-Leichner, NJW 1973, 969, 970 Fn. 12; Ulsenheimer, GA 1975, 103, 105 mit Hinweis auf Süddeutsche Zeitung vom 30.11./1.12.1974, S. 9.

15

Ostendorf, JZ 1979, 255.

16

Serke, S. 23. Hannover, KJ 1974, 135, 140.

17 18

Stroebele bei Dreßen (Hrsg.), S. 41, 44.

Einführung durch Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 20.12.1974, BGBI. I (1974), S. 3686; Änderungsgesetze vom 18.8.1976, BGBI. I (1976), S. 2181 und vom 14.4.1978, BGBI. I (1978), S. 497. 19

20

Gesetz zur Änderung des EGGVG, BGBI. I (1977), S. 1877.

21

BGBI. I (1978), S. 497 .

4 Remagen-Kemmcrling

50

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

Verteidiger und inhaftiertem Mandanten einführte, zu nennen22 • Bedeutsames Motiv für diese Gesetzgebung war insbesondere der politische Wille, bei der Bekämpfung des Terrorismus Entschlossenheit zu dokumentieren23 , wenn auch hinsichtlich der Frage nach der Notwendigkeit dieser Maßnahmen keine Einigkeit bestand24 • Neben diesem rechtspolitischen Beweggrund für die Einführung umfassender Verteidigerausschlußregelungen ist des weiteren - wie bereits erwähnt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.2.1973 zu nennen25 , die ein Tätigwerden des Gesetzgebers anmahnte. Mit den daraufhin vom Bundesjustizministerium erarbeiteten Formulierungsvorschlägen für eine gesetzliche Regelung der Verteidigerausschließung26 wurde eine wichtige Diskussionsgrundlage für das Gesetzesvorhaben geschaffen. Auf Kritik stieß jedoch die Fallorientierung dieses Regelungsvorschlages sowie das Fehlen herausgearbeiteter Grundprinzipien27 • 2. Systematisierungsversuche Dementsprechend wurde verstärkt eine Tendenz erkennbar, die Ausschließungstatbestände, die in der Rechtsprechung Anerkennung gefunden .hatten, zu systematisieren. Zu diesem Zwecke wurden die durch eine mögliche Ausschlußregelung zu schützenden Rechtsgüter sowie die damit gegebenenfalls kollidierenden Interessen und Rechte herausgestellt28 . Denselben Ansatzpunkt wählte das Bundesverfassungsgericht29 , indem es darauf hinwies, daß die zu treffende Regelung die grundsätzliche Bedeutung der freien Verteidigerwahl und der freien Advokatur zu berücksichtigen habe,

22 Ausführliche Darstellung der Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung vgl. Göddeke, S. 135-171; Vogel, NJW 1978, 1217, 1219 ff. 23 So Sturm, MDR 1977, 6. 24 Dies wird beispielsweise deutlich anhand des Beitrags von Schulz, ZRP 1976, 123 f. , der über eine öffentliche Anhörung vor dem Rec.htsausschuß vom 2.4.1976 berichtete. 25 BVerfG NJW 1973, 696 ff.; von einer anderen Interpretation dieses Beschlusses scheint Friedrichs, JR 1974, 177, 178 ff., auszugehen: Eine gesetzliche Regelung sei nur insoweit zu schaffen, als die Materie nicht gewohnheitsrechtlich abgesichert sei, bezüglich der Ausschlußgründe sei dabei von Gewohnheitsrecht auszugehen.

26

Abgedruckt bei Lantzke, JR 1973, 357, 359.

27

2B

Groß, ZRP 1974, 25; kritisch insoweit auch Dahs, NJW 1975, 1385 . Vgl. ausführlich Donus, S. 31 ff.

29

BVerfG NJW 1973, 696, 698.

III. Einführung von Ausschlußnonnen

51

gleichzeitig aber "die Effizienz des Strafprozesses nicht mehr als unvermeidbar" beeinträchtigt werden dürfe. Als weitere zu schützende Interessen wurden genannt "das Ansehen der Justiz" 30 , "der ungestörte Verfahrensablauf" 31 , das Interesse des Beschuldigten an einem "ordentlichen Verteidiger" 32 , "die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung", eine "möglichst vollständige Wahrheitsermittlung im Strafprozeß" sowie "die Aufklärung insbesondere schwerer Straftaten "33 . Dabei blieb jedoch häufig unklar, in welchem Zuordnungsverhältnis diese Interessen standen, d.h. inwieweit bestimmte Begriffe andere notwendigerweise umfaßten und welchen Inhalt sie umschrieben. Zwar wurde die "Effizienz des Strafverfahrens" bzw. die noch weitere Formulierung der "Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege" 34 oftmals als Oberbegriff verwendet35 , jedoch fehlte es an einer einheitlichen Definition36 . Während einerseits der ungestörte Verfahrensablauf als Konkretisierung des staatlichen Interesses an einer funktionierenden Justiz bezeichnet und daneben das Ansehen der Justiz als eigenständiges Rechtsgut eingestuft wurde37 , erfolgte andererseits eine Zuordnung dergestalt, daß die Gewährleistung der strafprozessualen Effizienz als Voraussetzung für die Autorität der Gerichte und damit für das Ansehen der Justiz angesehen wurde38 • Ebenso wurde die These vertreten, der Rechtsbegriff der funktionstüchtigen Strafrechtspflege bemesse sich nach der Rechtsprechung an den Zielen der Wahrheitsfindung, Verbrechensaufklärung und Strafverfolgung und diene dazu, das Strafverfahren zu Lasten der Rechtsstaatlichkeil "an sicherheitspolitischen Kalkülen" auszurichten, so daß der Schutz des Bürgers vor der Strafgewalt des Staates zunehmend außer acht gelassen werde39 • Auch Dahs40 sah sich aufgrund der begrifflichen Ungenauigkeit4 1 zu Kritik veranlaßt und

30

Z .B. Donus, S. 39.

31

Groß, ZRP, 1974, 25, 28.

32

Groß, ZRP, 1974, 25, 26.

33 BVerfG NJW 1974, 179, 181, mit Hinweis auf BVerfGE 33, 367, 383; 34, 238, 248 f. 34 BVerfG NJW 1974, 179, 181.

35

BVerfG NJW 1974, 179, 181.

36

Vgl. Donus , S. 37.

37

Groß, ZRP 1974, 25, 28.

38

Ulsenheimer, GA 1975, 103, 106.

39

Riehle, KJ 1980, 316.

40

Dahs, NJW 1975, 1385, 1387.

41

Kritisch dazu auch Groß, ZRP 1974, 25, 28.

52

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

warf die Frage auf, wo die "Marksteine" seien, die Schutz böten vor Regelungen, die sich an dem Prinzip ausrichteten: "Je weniger Rechte der Verteidigung, je weniger Justizhemmung, desto mehr ordnungsgemäßer, gesicherter Verfahrensablauf und damit funktionstüchtige Strafrechtspflege". Überwiegend wurde jedoch anerkannt, daß der vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Rechtsbegriff der strafprozessualen Effizienz einen verfassungsrechtlichen Wert darstellte, der ebenso wie das Recht des Beschuldigten auf freie und effektive Verteidigung- ergänzt durch den Grundsatz der "freien Advokatur" 42 - aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sei43 • Die Kollision dieser beiden Elemente des Rechtsstaatsprinzips und die Notwendigkeit eines Ausgleichs waren bereits vom Bundesverfassungsgericht« betont und zur Richtschnur des Gesetzgebungsvorhabens erhoben worden. Die damit dem Gesetzgeber gestellte Aufgabe konkretisierte Groß45 mit der Formulierung, das Rechtsgut des ungestörten Verfahrensablaufs, das einen Teilaspekt des mit "Effizienz des Strafprozesses" umschriebenen Rechtsgutes darstellt, dürfe nur dann zur Begründung von Ausschließungstatbeständen dienen, wenn deren Eingrenzung insoweit gelinge, daß eine "Aushöhlung der Verteidigung" nicht zu befürchten sei. Dieser Forderung versuchte der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 6.9.197446 zu entsprechen, indem eine bestimmte Ausschlußregelung nur dann als notwendig erachtet werden sollte, wenn dies zur Sicherung eines rechtsstaatlich geordneten Strafprozesses zwingend geboten erschien. Danach seien nur solche Ausschlußgründe in eine gesetzliche Regelung aufzunehmen, für die "im Interesse einer geordneten Strafrechtspflege ein unabweisbares Bedürfnis" bestehe47 . Dabei galt als abstrakter Maßstab für die Normierung eines Ausschlußtatbestandes, ob das in Rede stehende Verhalten des Verteidigers als prozeßordnungswidrig, d.h. als nicht prozeßordnungsgemäße Verteidigung, einzustufen war4 8 • Diese Beurteilung war abhängig von der Bestimmung der Verteidi-

43

Ulsenheimer, GA 1975, 103, 105. Z.B. Dahs , NJW 1975, 1385, 1387.

44

BVerfG NJW 1973, 696, 698.

42

45

Groß, ZRP 1974, 25, 28.

46

Vgl. BT-Drucks. 7/2526, S. 10.

47 Stellungnahme des Rechtsausschusses zum Gesetzesentwurf der Bundesreg. vom 6.9 .1974, BT-Drucks. 7/2989, S. 4 . 48 Vgl. BT-Drucks. 7/2526, S. 20; eine Untergliederung dieses Begriffs nahm Waller, DRiZ 1974, 177, 178, vor.

III. Einflihrung von Ausschlußnormen

53

gungsaufgaben49 , die ein "ordentlicher Verteidiger" erfüllen müßte. Insoweit waren Beistandsverpflichtung und Stellung des Verteidigers als selbständiges und unabhängiges Organ der Rechtspflege maßgebende Kriterien50 . Mit diesen Systematisierungsversuchen, die sich ebenso wie die Rechtsprechungskasuistik an relativ weiten und teilweise umstrittenen Rechtsbegriffen orientierten, gelang es zwar nicht, die denkbaren Ausschließungstatbestände übereinstimmend und eindeutig zu umgrenzen; jedoch war das Bestreben erkennbar, die zukünftigen Normen auf prinzipielle Wertungen zu stützen. 3. Hauptargumente pro und contra Ausschlußnormierung Parallel zu der Diskussion um Systematisierung und Verhältnismäßigkeit künftiger Ausschlußtatbestände wurde die Auseinandersetzung um die Frage geführt, ob eine gesetzliche Regelung überhaupt notwendig oder vielmehr verzichtbar sei. Als ein Hauptargument für die Einführung von Ausschlußnormen und deren spätere Erweiterungen diente die Behauptung, daß nur solche Regelungen vor einem drohenden Mißbrauch der Verteidigungsbefugnis Schutz bieten könnten51 . Dieser sei notwendig, "um die Institution der freien, ungestörten Verteidigung nicht in Gefahr zu bringen" 52 • Dem entsprach auch der in einer Stellungnahme des Rechtsausschusses vom 16.12.197453 enthaltene Hinweis, daß sich gerade in jüngster Zeit die Anzeichen für einen Mißbrauch der Verteidigungsrechte durch einzelne Verteidiger verstärkt hätten und eine solche Entwicklung vom Rechtsstaat nicht geduldet werden könne54 • Eine auf die Terroristen-Verfahren bezogene Argumentation fand sich auch in der zum Ausdruck gebrachten Hoffnung, daß das Ende dieser Prozesse auch das Problem der Mißbrauchsabwehr entschärfen werde55 . Da sich diese Verfahren aber über einen langen Zeitraum erstreckten, wurde die Notwendigkeit der Regelung auch noch Jahre nach ihrem lokrafttreten als eine

49

Lantzke, JR 1973 , 357, 358.

Entwurfdes 2. StVRG, BT-Drucks. 7/2526, S. 12; Lantzke, JR 1973 , 357, 358; Seelmann, NJW 1979, 1128, 1130. 50

51 Z.B. Lantzke, JR 1973, 357, 358; Martin, Festschrift für Dreher, S. 647, 666; Maul, DRiZ 1977, 207, 208.

52

Schumann, JZ 1973, 314, 316.

53

Stellungnahme zum Entwurf des 2. StVRG, BT-Drucks. 7/2989, S. 4 .

54

Ähnlich Vogel, NJW 1978, 1217, 1222. Beulke bei Schreiber (Hrsg.) , S. 30, 47.

55

54

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

"unverzichtbare prozessuale Maßnahme" bezeichnet56 , der bei Großverfahren, insbesondere solchen mit terroristischem Hintergrund, im Interesse eines geordneten und zügigen Prozeßablaufs erhebliche Bedeutung zukomme57 . Darüberhinaus wurden die Ausschlußnormen auch als Beweis der Durchsetzungsfahigkeit des Rechtsstaates gegenüber seinen Gegnem58 und somit als wesentlich für die Sicherung des rechtsstaatliehen Systems angesehen. Das Bedürfnis der Justiz nach einer geordneten Durchführung von Strafprozessen drückte sich des weiteren in der Befürchtung aus, daß die Rechtsprechung im Falle des Verzichts auf eine Normierung des Verteidigerausschlusses Ersatzregelungen schaffen könne59 • Als solche seien beispielsweise die Ausdehnung sitzungspolizeilicher Maßnahmen nach §§ 176, 177, 180 GVG, eine Erleichterung der Pflichtverteidigerbestellung nach § 145 StPO, die den Wahlverteidiger de facto ausschalten könnte, sowie Beschränkungen der Kontaktmöglichkeiten zwischen Verteidiger und Mandanten60 in Betracht zu ziehen61 . Da es somit zu einer unkontrollierten und die anwaltliehe Unabhängigkeit bedrohenden Praxis kommen könne, spreche auch diese denkbare Entwicklung für die Einführung eindeutiger Tatbestände62 • In diesem Zusammenhang wurde weiterhin angeführt, daß bei Fortdauer des regelungslosen Zustandes die Verantwortung für ein rechtsstaatliches Verfahren allein bei den Gerichten verbliebe, indem diese die gesetzliche Lücke ausfüllen müßten63 . Zudem trage eine rechtlich bedenkenfreie und gleichzeitig praktikable Ausschließungsgrundlage dazu bei, den durch den Verteidiger zu leistenden Beistand effektiver und damit für den Beschuldigten günstiger zu gestalten64 • Dieser zugunsten einer Normierung vorgebrachten Argumentation stand jedoch ein erheblicher Teil des Schrifttums ablehnend gegenüber. So wurde teilweise die Notwendigkeit einer umfassenden Ausschlußnorm schon deshalb verneint, weil eine mögliche Beschränkung einzelner Verteidi-

56

Rebmann, NStZ 1984, 241, 244.

57

Rebmann, NStZ 1984, 241, 244.

58 59

Vogel, NJW 1978, 1217, 1228. Lantzke, JR 1973,357, 358; dies ., AnwBI. 1973 , 238, 239.

60

Schumann, JZ 1973, 314, 316.

61

Lantzke, JR 1973, 357, 358.

62

Lantzke, JR 1973, 357, 358; Schumann, JZ 1973, 314, 316.

63

Schmidt-Leichner, NJW 1973, 969, 972.

64

Wuttke, NJW 1972, 1884, 1887.

III. Einführung von Ausschlußnormen

55

gungsrechte65 oder eine Lösung im Wege der Ehrengerichtsbarkeit66 als weniger einschneidende Instrumente ausreichten. Hingegen stellten andere Autoren weniger auf die Verhältnismäßigkeit der denkbaren Eingriffsmittel ab, sondern brachten in erster Linie grundsätzliche Bedenken vor. Durch die in Rede stehende Einführung einer Ausschlußnorm sahen sie - ebenso wie bei den späteren Verschärfungen67 - rechtsstaatliche Grundsätze als gefahrdet an68 und warnten davor, zu leicht rechtsstaatliche Grundpositionen angesichts einer augenblicklichen Bedrohung des Rechtsstaates zu vergeben69 . Es bestehe die Gefahr, daß der Staat im Bestreben um einen vollkommenen Schutz keine Freiheitsräume durch Gesetz schaffe oder garantiere, sondern diese immer mehr verschließe70 . Während früher der Schutz des Beschuldigten vor den Interessen der Strafverfolgung im Vordergrund gestanden habe, sei nunmehr eine Tendenzwende zu verzeichnen, die sich als Schutz der Strafrechtspflege vor dem Beschuldigten umschreiben lasse71 . Noch schärfere Formulierungen verwendeten die Kritiker, die die geplanten Ausschlußnormen "im scheinheiligen Gewande allgemeingültiger Formulierungen" sahen, um letztlich eine gegen Verteidiger in politischen Strafsachen gerichtete Praxis zu legalisieren72 , oder die in diesem Zusammenhang von einer "Iex RAF" sprachen73. 65

Groß, ZRP 1974, 25 , 30; Ostler, JR 1959, 121, 125; ders., JR 1960, 170, 172

f.; Seebode, NJW 1972, 2257, 2259. A.A. Lantzke, JR 1973, 357, 360, die in der

Beschränkung einzelner Rechte einen Widerspruch zum Grundsatz der ungehinderten Beistandsleistung sah; kritisch auch Seelmann, NJW 1979, 11:!8, 1132 f., sowie Ulsenheimer, GA 1975, 103, 109. 66

Rudolph, DRiZ 1973 , 257, 259 ; Seebode, NJW 1972, :!257, :!258.

V gl. zu den Gesetzesänderungen 1976 und 1978 insbes. Löwe/Rosenberg/ Lüderssen, 24. Aufl., § 138a - Einleitung. 67

68 Frenzel, Neue Justiz 1978, 120, 122, jedoch mit stark ideologisch gefärbter Argumentation; Holtfort, S. 46; Knapp, AnwBI. 1975, 373, 374; Martin, Festschrift f. Dreher, S. 647, mit Hinweis auf Kritik durch die lCJ in Genf (International Commission of Jurists) an den Gesetzesänderungen in der Bundesrepublik. 69 Baumann, ZRP 1975, 38, 39; Ebert, JR 1978, 136, 138; Knapp, AnwBI. 1975, 373, 376; ähnlich Schmidt-Leichner, NJW 1975, 409, 417 f., 422 a.E; Seelmann, NJW 1979, 1128, 1133 . 70

Dahs, ZRP 1977, 164, 168 f.; vgl. auch Grünwald, AnwBI. 1980, 5, 10 a.E.

71

Ebert, JR 1978, 136, 138.

72 Hannover, KJ 1974, 135; ders., StV 1990, 126, 132: Der Ausschluß von Vertrauensverteidigern signalisiere "eine Rückentwicklung zu polizeistaatlichem Sicherheitsdenken" . 73

Croissant bei Dreßen (Hrsg.), S. 19; vgl. auch Göddeke, S. 173.

56

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

Des weiteren wurde die Befürchtung laut, die gerichtliche Ausschließungsbefugnis könne als Disziplinierungsmittel für unliebsame, d.h. den Gerichten lediglich unbequeme Verteidiger mißbraucht werden 74 , so daß die gesamte Verteidigungsstrategie einer gerichtlichen Kontrolle unterläge. Bezeichnend erscheint insoweit die persönliche Bemerkung des Vorsitzenden Richters am OLG Köln Dr. Blaise75 , der sich im Anschluß an eine die Verteidigerausschließung ablehnende Entscheidung76 veranlaßt sah, einen "behutsamen Gebrauch" des Ausschließungsverfahrens, das nicht "als jederzeit nutzbares Zuchtmittel" zu betrachten sei, anzumahnen. Mit einer Normierung des Verteidigerausschlusses verband sich teilweise auch die Sorge, die Anzahl der Ausschlüsse könne sich auch entsprechend dem Prinzip: "Neue Gesetze möchten angewendet werden", erheblich steigern77 , d.h. die neugeschaffenen Normen könnten eine nicht etwünschte Eigendynamik entfalten. Damit wird deutlich, daß den von Befürwortern und Kritikern vorgebrachten Argumenten ganz unterschiedliche Wertungen zugrunde lagen. Während einerseits die Verteidigerausschließung als ein Instrument zur Sicherung des Rechtsstaates galt, sah man diesen andererseits gerade durch eine Normierung als gefährdet an. Gleichzeitig standen sich Hoffnungen auf Rechtsklarheit und Mißbrauchsbefürchtungen gegenüber. Folglich stellt sich die Frage, ob sich im mehr als fünfzehnjährigen Geltungszeitraum der §§ 138a ff. StPO die positiven Erwartungen erfüllt haben oder ob vielmehr die kritischen Stimmen Bestätigung fanden. Die Antwort kann sich nur aus einer Analyse der die Ausschlußproblematik betreffenden Rechtsprechung ergeben, die den zweiten Teil der Arbeit darstellt. Zuvor sind jedoch der Inhalt der neugeschaffenen Regelungen und die daraus resultierenden Einzelprobleme aufzuzeigen.

74 Dahs, NJW 1975, 1385; Göddeke, S. 194 ff., 224 f.; Holtfort, S. 46; Knapp, AnwBI. 1975, 373, 378, in bezug auf den diskutierten Ausschließungsgrund der Verfahrenssabotage; Quack, NJW 1975, 1337, 1339; Wuttke, NJW 1972, 1884, 1887.

76

Blaise, AnwBI. 1975, 99. OLG Köln, Beschl. v . 5.2.1975, 2 WS 60/75 , NJW 1975 , 459 .

77

Schmidt-Leichner, NJW 1975, 409, 420; vgl. auch Knapp. AnwBI. 1975, 373,

75

378.

IV. Ausgestaltung der§§ 138a ff. StPO

57

IV. Ausgestaltung der §§ 138a ff. StPO 1. Generalklausel oder Einzeltatbestände? Obwohl im Bemühen um eine Systematisierung der früheren Rechtsprechung teilweise ein generalklauselartiger Ausschließungstatbestand befürwortet worden war78 , entschied sich der Gesetzgeber bei Abfassung der Ausschlußnormen letztlich für eine Auflistung von Einzeltatbeständen. Wenngleich Kritiker dennoch von einer faktischen Generalklausel sprachen79 , schränkte doch die gewählte, enger gefaßte Formulierung denkbare Mißbrauchsgefahren als Folge einer extensiven Auslegungsmöglichkeit jedenfalls ein80 • Dementsprechend blieb es auch anläßlich der 1976 und 1978 erfolgten Änderungen beim Prinzip der Einzeltatbestände. 2. Abgrenzung des Ausschlußbegriffs Des weiteren bedarf es der Klärung, welche Kompetenzen den Gerichten durch die neuen Vorschriften eingeräumt wurden und wie sich diese von anderen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Verteidigung unterscheiden. Während vor der Normierung eine exakte Bestimmung des Ausschlußbegriffes noch entbehrlich war, da in Anbetracht der richterrechtlichen Ausprägung und Entwicklung der Ausschließungsproblematik eine Abgrenzung zu anderweitigen gerichtlichen Reaktionsmöglichkeiten nicht zwingend geboten war, kann nunmehr auf eine eindeutige Definition des Ausschlußbegriffs im Sinne der §§ 138a ff. StPO nicht länger verzichtet werden; die Ausschließung des Verteidigers ist insbesondere von der Zurückweisung desselben, der Entfernung des Verteidigers aus dem Sitzungssaal, dem Widerruf bzw. der Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung abzugrenzen. a) Gesetzliche Zurückweisungsregelungen So findet die Zurückweisung des Verteidigers sowohl in dem Falle, daß mehr als drei Verteidiger gewählt worden sind (§ 137 Abs. I S. 2 StPO), als auch im Falle der verbotenen Mehrfachverteidigung im Sinne des § 146 StPO

78 Anschütz, S. 75 Fn. 279; Dahs , NJW 1959, 1158, 1162; Schmidt-Leichner, NJW 1973, 969, 973; Antrag der SPD-Fraktion zum BRAO-Entwurf, BT, 3. Wahlper., 61. Sitzung vom 18.2.1959, Anlage: Umdruck 215. 79 Z.B . Göddeke, S. 203 . 80 Beulke, S. 224; Lantzke, JR 1973, 357, 359; Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 6.9.1974, BT-Drucks.?/2526, S. 11.

58

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

eine gesetzliche Grundlage in § 146a StP081 • Des weiteren sieht § 156 Abs. 2 BRAO eine Zurückweisung des Rechtsanwalts durch Gerichte oder Behörden vor, wenn dieser entgegen einem Berufs- oder Vertretungsverbot auftritt. Im übrigen enthält auch die Ausschlußnorm des § 138a StPO in den Absätzen 4) und 5) eine gerichtliche Zurückweisungskompetenz, auf deren Voraussetzungen im einzelnen noch einzugehen sein wird. b) Zurückweisung wegen Verletzung der Robenpflicht Über diese Zurückweisungsregelungen hinausgehend soll nach vielfach vertretener Auffassung auch ein Verteidiger, der sich weigert, vor Gericht in Robe zu erscheinen, für die betreffende Sitzung zurückgewiesen werden können, ohne daß es dafür eines besonderen Verfahrens bedürfe82 • Dabei stützt man sich in erster Linie auf§ 176 GVG, der im Gegensatz zu§§ 177, 178 GVG sitzungspolizeiliche Maßnahmen auch gegenüber dem Verteidiger ermöglicht. Ein solches Vorgehen ist jedoch bedenklich, da mit einer aus der allgemeinen Regelung des § 176 GVG abgeleiteten Zurückweisungsbefugnis letztlich die gleiche Rechtsfolge wie aus § 177 GVG, der die Entfernung von anderen Verfahrensbeteiligten aus dem Sitzungssaal gestattet, herbeigeführt werden könnte, obwohl §§ 177, 178 GVG auf den Verteidiger grundsätzlich nicht anwendbar sind83 . Zugleich ist auch eine Umgehung der Vorschriften der §§ 138a ff. StPO in Betracht zu ziehen, da diese abschließenden Regelungen eine Ausschließung infolge einer Verletzung der Robenpflicht gerade nicht vorsehen. Gegen diese Befürchtung wandte sich das OLG Karlsruhe84 , indem es ausführte, die auf § 176 GVG gestützte Zurückweisung stelle gar keinen Ausschluß im Sinne der §§ 138a ff. StPO und mithin auch keinen Verstoß gegen diese Normen dar; der nach § 176 GVG zurückgewiesene Rechtsanwalt könne weiterhin in der Hauptverhandlung auftreten, sobald er in Robe erscheine, da

81 Die Vorschrift wurde erst durch das StVÄG vom 27.1.1987, BGBI. I (1987), S. 475, eingeführt.

82 BVerfGE 28, 21, 31 ff.: Zurückweisung in Zivilsache; BGHSt 27, 34, 38 f.: Zurückweisung in Berufungsstrafsache; OLG Karlsruhe NJW 1977, 309, 310 f.; vgl. auch KK-Laufhütte, 2. Aufl., Vor§ 137 Rdn. 7; Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl., § 176 GVG Rdn. 11; ausführlich zu diesem Problemkreis: Löwe/Roscnberg/Schäfer, 23 . Aufl., § 176 GVG Rdn. 18ff. 83

BGH NJW 1977, 437, 438, will nur eine Ausnahme in "Extremfallen" machen.

84

OLG Karlsruhe NJW 1977, 309, 311.

IV. Ausgestaltung der§§ 138a ff. StPO

59

er seine Verteidigerstellung im Gegensatz zu einem ausgeschlossenen Verteidiger nicht verloren habe. Unabhängig davon, ob diese Differenzierung zwischen Ausschluß- und Zurückweisungswirkungen im Ergebnis zu überzeugen vermag und ob dem Gericht gegenüber einem nicht in Robe auftretenden Verteidiger überhaupt derartig weitreichende Befugnisse, die sich unmittelbar auch auf die Interessen des Angeklagten auswirken, zustehen85 , wird jedenfalls deutlich, daß dieser Fragenkreis die eigentliche Ausschließungsproblematik nicht berührt. c) Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung Weiterhin ist die Ausschließung nach §§ 138a ff. StPO von der Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung abzugrenzen, die in § 143 StPO geregelt ist. Über diese Vorschrift hinaus wird der Widerruf einer Pflichtverteidigerbestellung auch aus sog. wichtigen Gründen- unabhängig vom Willen des Beschuldigten und des Verteidigers - überwiegend anerkannt 86 • Als derartige Widerrufsgründe gelten insbesondere die in §§ l38a, b StPO genannten Ausschlußgründe; darüber hinaus sollen aber auch solche Umstände ausreichen, die den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden87 . Als Rechtsgrundlage wird insoweit § 141 StPO, der die Bestellung des Pflichtverteidigers regelt, herangezogen; diese Vorschrift bilde ihrer ratio entsprechend auch die allgemeine Grundlage für die Rücknahme88 • Hier erhebt sich jedoch die Frage, ob diese Praxis nicht mit den Regelungen der §§ 138a, b StPO im Widerspruch steht, da diese Vorschriften nur bestimmte Ausschlußgründe enthalten, zu denen die sog. wichtigen Gründe nicht zählen. Dies führt unmittelbar zum Problem des Anwendungsbereichs der Ausschließungsnormen, das heftig umstritten und in der Literatur bis heute nicht abschließend gelöst ist89 •

85 Gegen eine derartige Zurückweisungsbefugnis vgl. z.B . Kissel, § 176 GVG Rdn. 20; KK-Mayr, § 176 GVG Rdn. 4; Sälzer, JZ 1970, 572 f. 86 KK-Laufbütte, 2. Aufl., § 143 Rdn. 4, 5; Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl., § 143 Rdn. 3.

87

BVerfGE 39, 238 , 245 .

88

BVerfGE 39, 238, 244.

Vgl. insbes. Dencker, NJW 1979, 2176 ff.; Rogall, JR 1989, 252 ff. , m.w. Nachw. in Fn . 2. 89

60

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

3. Anwendungsbereich der§§ 138aff. StPO Dabei beruht die Unklarheit, ob die §§ 138a ff. StPO auch auf den Pflichtverteidiger Anwendung finden müssen, maßgeblich auf der insoweit wenig Aufschluß gebenden Gesetzesbegründung, die lediglich davon spricht, daß die Regelung für alle Verteidiger gelte90 • Auch aus Gesetzestext und systematischer Einordnung der Vorschriften läßt sich keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem persönlichen Anwendungsbereich der §§ 138a ff. StPO ableiten. Während der Wortlaut mit dem allgemeinen Begriff "ein Verteidiger" keine Differenzierung enthält, so daß man hierunter sowohl den Wahlals auch den Pflichtverteidiger subsumieren könnte91 , ließe sich aus der Systematik der Verteidigungsvorschriften eine auf den Wahlverteidiger beschränkte Geltung ableiten92 , da sich die Ausschlußnormen unmittelbar an die die Wahlverteidigung betreffenden Vorschriften der §§ 137, 138 StPO anschließen93 • Auch nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung sollen die Offizialverteidiger von der speziellen Ausschließungsregelung ausgenommen werden94 • Dieser Ansicht sind jedoch stichhaltige Argumente entgegenzusetzen, so daß sich nunmehr die Auffassung, die den Anwendungsbereich der §§ 138a ff. StPO auch auf den Pflichtverteidiger erstreckt, als wohl überwiegende Meinung herausgebildet hat95 • So wurde vorgebracht, daß eine von der Entstehungsgeschichte ausgehende Argumentation die Auffassung, daß die §§ 138a ff. StPO nur den Wahlverteidiger erfaßten, nicht stützen könne. In die Begründung des Regierungsentwurfs seien Erwägungen eingeflossen, die - wie beispielsweise die Schwere des Eingriffs in das Recht des Anwalts auf freie Berufsausübung sowie das Interesse des Beschuldigten an einer Verteidigung durch einen Anwalt seines

90

Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 6.9.1974, BT-Drucks. 7/2526, S. 12.

91

So Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn. 8.

92 Dencker, NJW 1979, 2176, 2177, spricht insoweit vom "Patt" zwischen Gesetzeswortlaut und -systematik. 93

Rogall, JR 1989, 252, 253.

So auch Beul.ke, S. 247, der aber de lege ferenda die Einbeziehung des Pflichtverteidigers in den Geltungsbereich der §§ 138a ff. StPO fordert (S . 248) . Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, Rdn. 36; Kleinknecht/Meyer, 39. Aufl., § 138a Rdn . 3 ; Ulsenheimer, GA 1975, 103, 109. 94

95 Dencker, NJW 1979, 2176, 2179; Dünnebier, NJW 1976, 1, 4 f.; Gusy, AnwBI. 1984, 225, 233; Heinicke, S. 400; Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl. , § 138a Rdn. 3; Krekeler, AnwBI. 1978, 322 f.; Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn. 4 ff.; Parigger, Festgabe für Koch, S. 199, 204; Riell, JR 1979, 37 ff.; Roxin, StrafverfahrensR., 22. Aufl., S. 114. Nicht eindeutig: Welp, ZStW 90 (1978), S. 101 , 112 f. , der zu Unrecht von einer "einhelligen" Gegenansicht ausging.

IV. Ausgestaltung der§§ 138a ff. StPO

61

Vertrauens96 - ebenso für den Pflichtverteidiger Geltung hätten97 • Auch die Argumentation, das Bundesverfassungsgericht habe in der für die Normierung maßgebenden Entscheidung98 lediglich eine Gesetzeslücke im Bereich der Wahlverteidigung entdeckt, wurde nicht als überzeugend angesehen. Der Gesetzgeber sei nicht gezwungen, nur die vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Lücken zu schließen99 ; darüber hinaus habe er auch durchaus den Bereich der Pflichtverteidigung regeln können 100 , indem er diese ebenfalls den Vorschriften der§§ 138a ff. StPO unterstellte. Betrachtet man des weiteren die Konsequenzen, die sich bei einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der §§ 138a ff. StPO auf den Pflichtverteidiger ergeben, zeigt sich, daß sich diese im Ergebnis als überzeugende Lösung darstellt. Bei einer Anwendbarkeit auf den Offizialverteidiger stellt sich auch hier unmittelbar die Frage nach der Ausschließlichkeit der gesetzlichen Ausschlußtatbestände, die im Bereich der Wahlverteidigung übereinstimmend angenommen wird 101 . Hielte man im Rahmen der Pflichtverteidigung eine neben §§ 138a ff. StPO bestehende Widerrufsmöglichkeit grundsätzlich für unverzichtbar, könnte dies bereits gegen eine Erstreckung der Ausschlußnormen auf den Pflichtverteidiger sprechen. Als Argument für eine über §§ 138a ff., 143 StPO hinausgehende Abberufungsmöglichkeit, die "aus wichtigen Gründen" auch gegen den Willen des Beschuldigten erfolgen könne, wird insbesondere der Aspekt der gesteigerten gerichtlichen Fürsorgepflicht im Rahmen der Pflichtverteidigung angeführt102. Dies überzeugt jedoch nicht. Der "schillernde Begriff der Fürsorgepflicht"103 kann das Gericht dazu verleiten, jede mit seiner Verhandlungsführung nicht korrespondierende Verteidigung als wider die wahren Interessen des Beschuldigten und damit als einen "wichtigen Grund" zu werten 104 . Würde eine solche Einschätzung bereits eine Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung gestatten, wäre dem Gericht damit eine weitrei96

Gesetzesentwurfder Bundesreg. vom 6.9.1974, BT-Drucks. 7/2526, S. 11.

97

Dencker, NJW 1979, 2176, 2177. BVerfG NJW 1973, 696.

98

99

Dencker, NJW 1979, 2176,2177.

100

Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn. 12; Rieß, JR 1979, 37, 38.

Vgl. zB . Dencker, NJW 1979, 2176, 2177, und Welp, ZStW 90 (1978), S. 101, 112, die von der "limitativen Funktion" der §§ 138a, b StPO sprechen. 101

102 103 104

Ulsenheimer, GA 1975, 103, 109. Dencker, NJW 1979, 2176, 2179. Dencker, aaO.

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

62

chende Kontrollmöglichkeit über die Verteidigung an die Hand gegeben, die den Grundstrukturen der Strafprozeßordnung zuwiderliefe 105 • Eine derartige Eingriffsbefugnis erscheint gerade in den Fällen der notwendigen Verteidigung und damit der Pflichtverteidigung in Anbetracht der Schwere des Tatvorwurfs bzw. anderer außergewöhnlicher Umstände im Sinne des§ 140 StPO besonders bedenklich. Anstelle einer erleichterten Widerrufsmöglichkeit verlangen die schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten hier vielmehr eine Gleichstellung von Wahl- und Pflichtverteidiger106 , wenn man dem Eindruck einer Ungleichbehandlung desjenigen Angeklagten, der aus finanziellen Gründen auf eine Pflichtverteidigung angewiesen ist107 , entgegentreten will. Die Forderung nach Gleichbehandlung impliziert dementsprechend auch die Anwendung derselben abschließend geltenden Ausschlußregeln der§§ 138a ff. StP0108 • Dies könnte sich jedoch in Fällen, die keinerlei Bezug zum Regelungsgehalt der §§ 138a ff. StPO aufweisen, als problematisch darstellen. Solche Fallkonstellationen kommen insbesondere bei Wegfall der Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung sowie bei Entfallen der zwischen Verteidiger und Beschuldigtem bestehenden Vertrauensgrundlage in Betracht109 • Da sich letzteres unmittelbar und in schwerwiegender Weise auf das Verteidigungsverhältnis auswirkt, erscheint hier ein Widerruf der Pflichtverteidigerbestellung •mabhängig von den strengen Verfahrensregelungen der §§ 138a ff. StPO als notwendig 110 . Zu berücksichtigen ist, daß es dem durch einen Wahlverteidiger vertretenen Beschuldigten offen steht, das Mandatsverhältnis zu kündigen, während dies im Falle der Pflichtverteidigung nicht möglich ist. Insoweit liegt es im Interesse des Beschuldigten, wenn infolge einer von seiten des Gerichts erfolgten Abberufung des Pflichtverteidigers, dem der Beschuldigte kein Vertrauen mehr entgegenbringt, der Verteidiger ausgewechselt werden kann 111 . Eine solche gerichtliche Eingriffsbefugnis, die auf bestimmte Fälle begrenzt ist, bildet mangels einer vergleichbaren Sachlage auch keinen Wertungswiderspruch zu den Ausschlußnormen. Somit steht eine derartige eingeschränkte Möglichkeit zur Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung einer grundsätzlich auch im Rahmen der Offizialverteidigung anzunehmenden Aus105

Dencker, aaO .

Dencker, aaO.; Krekeler, AnwBI. 1978, 322, 323; Parigger, Festgabe für Koch, S. 199, 2o4. 106

107 Vgl. Dencker, NJW 1979, 2176, 2178, sowie Welp, ZStW 90 (1978),101, 113, der in diesem Zusammenhang den Begriff des "Armenanwalts" verwendet.

1011

Krekeler, AnwBI. 1978, 322, 323.

Dencker, NJW 1979, 2176, 2179 f.; Rieß, JR 1979, 37, 39, der hierunter aber auch "hochgradige Ungeeignetheit des Verteidigers" faßt. 110 Vgl. auch Dencker, aaO.; Rieß, JR 1979,37, 39. 109

111

Vgl. Dencker, aaO.

IV. Ausgestaltung der §§ 138a ff. StPO

63

schließlichkeit der §§ 138a ff. StPO nicht entgegen und hindert folglich auch nicht die Erstreckung dieser Vorschriften auf den Pflichtverteidiger. Gegen eine über die genannten Ausnahmen hinausgehende und damit allgemeine Befugnis zur Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung "aus wichtigen Gründen" spricht jedoch, daß das Verhältnis zwischen einer solchen und einer Ausschließung nach §§ 138a ff. StPO weitgehend ungeklärt wäre. Mangels ausdrücklicher Regelungen müßte ein Wahlrecht des Gerichts112 angenommen werden. Dies ließe Mißbrauchsgefahren in greitbare Nähe rücken; das Gericht könnte sein Wahlrecht je nach dem erwünschten Ergebnis ausüben, das insbesondere von der in § 138a Abs. 4 und 5 StPO geregelten Erstreckungswirkung, die nur bei Ausschluß des Verteidigers und nicht bei dessen bloßer Abberufung eintritt, bestimmt würde. Den Gerichten wäre damit freigestellt, in den Fällen, in denen eine Erstreckungswirkung ohne Relevanz bliebe, den einfachen Weg des Widerrufs zu beschreiten, ohne dabei an die Aufzählung der Ausschlußgründe in §§ 138a,b StPO gebunden zu sein, und umgekehrt in dem Fall, daß es insbesondere auf die in § 138a Abs. 4 und 5 StPO genannten Folgen ankommen sollte, das Ausschlußverfahren nach § 138c StPO zu wählen. Falls das Oberlandesgericht einen Ausschluß mangels der in § 138a StPO normierten Voraussetzungen ablehnen sollte, könnte das Gericht gegebenenfalls noch auf "weitere Gründe" zurückgreifen 113 und damit zumindest den Widerruf der Bestellung begründen. Dem Pflichtverteidiger würde folglich nicht nur ein geringerer Ausschließungsschutz zuteil, sondern er wäre zusätzlich einer Rechtsunsicherheit hinsichtlich des vom Gericht zu wählenden Verfahrensweges ausgesetzt und somit in der Abwehr des Eingriffs möglicherweise beeinträchtigt. Damit läßt sich die in § 138a Abs. 4 und 5 StPO normierte Erstreckungswirkung als weiteres Argument dafür verwenden, daß die Ausschlußnormen auch im Bereich der Pflichtverteidigung in der Regel abschließende Geltung beanspruchen können. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß die mit einer Ausdehnung der §§ 138a ff. StPO auf den Offizialverteidiger verbundene Konsequenz der Ausschließlichkeit dieser Normen nicht unannehmbar ist. Diese resultiert aus der Notwendigkeit einer weitgehenden Gleichbehandlung von Wahl- und Pflichtverteidiger, die sich auch in einer Anwendung der Ausschlußvorschriften auf den Pflichtverteidiger widerspiegeln muß. Somit stellt sich die im zweiten Teil der Arbeit zu beantwortende Frage, wie die Rechtsprechung den Anwendungsbereich der §§ 138a ff. StPO definiert hat und welche Folgerungen daraus gegebenenfalls abzuleiten sind.

112

KK-Laulhütte, 2. Aufl. , § 138a Rdn. 2.

113

KK-Laulhütte, 2. Aufl., § 138a Rdn. 2.

64

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

4. Ausschließungsgründe a) Die Regelung des § 138a Abs. 1 StPO Einen weiteren Schwerpunkt der Diskussion bei Einführung der §§ 138a ff. StPO bildeten die einzelnen Ausschlußgründe. Dabei orientierte man sich zwar grundsätzlich an der früheren Rechtsprechung und Literatur 114 , dennoch war und blieb sowohl die Normierung der einzelnen Ausschließungstatbestände als auch deren Inhalt zum Teil heftig umstritten. aa) Dies gilt zunächst für den Verdacht der Tatbeteiligung, wenn auch insoweit im Vergleich zu den anderen Ausschließungsgründen noch relativ breite Übereinstimmung herrschte11 5. Während früher ein undifferenzierter und weiter Beteiligungsbegriff zugrundegelegt worden war, der Strafvereitelung, Begünstigung und Hehlerei mitumfaßte, bemühte man sich nunmehr um eine exakte Tatbestandsfassung und führte dementsprechend die genannten Straftatbestände als gesonderte Ausschlußgründe ein. Als wesentlicher Kritikpunkt kristallisierte sich dennoch schon bald die Weite des Rechtsbegriffs der Tatbeteiligung heraus 116 , da der Gesetzeswortlaut insoweit nicht die gewünschte Klarheit gebracht hatte. So wurde die Frage aufgeworfen, ob die Teilnahme auf Mittäterschaft, mittelbare Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe beschränkt sei 117 oder auch die Fälle der Haupttäterschaft des Verteidigers und einer diesbezüglichen Teilnahme des Beschuldigten sowie der Nebentäterschaft erfaßt seien 118 oder ob vielmehr eine noch weitere Auslegung im Sinne des § 60 Nr. 2 StPO vorzunehmen sei 119 mit der Folge, daß jeder als tatbeteiligt gelte, der an der Tat des

114

So schon vorgeschlagen von Wuttke, NJW 1972, 1884, 1887; vgl. auch Müller,

KJ 1977, 11 , 22.

115 Gegen eine uneingeschränkte Normierung als Ausschlußgrund : Groß , ZRP 1974, 25, 30. 116 Vgl. Ulsenheimer, GA 1975, 103, 111. 117 In diese Richtung deutet der Regierungsentwurf vom 6.9.1974, BT-Drucks. 7/2526, S. 20. 118 Dies setzt Ulsenheimer, GA 1975, 103, 112, als selbstverständlich voraus; ähnlich Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn . 25. 119 Roxin, StrafverfahrensR, 22. Aufl., S. 113 ; Schlüchter, Rdn. 125 Fn. 392; offen gelassen von Ulsenheimer, GA 1975, 103, 112 f.; ablehnend: KK-Laufhütte, 2. Aufl., § 138a Rdn. 8; KMR-Müller, 8. Aufl., § 138a Rdn. 6.

IV. Ausgestaltung der§§ 138a ff. StPO

65

Beschuldigten "in derselben Richtung" wie dieser mitgewirkt hat 120 • Eine derartige Mitwirkung wäre beispielsweise zu bejahen, wenn in einem Verfahren wegen Begünstigung oder Hehlerei der Verteidiger selbst der Begünstigte bzw. Dieb wäre oder wenn der Verteidiger in einem Verfahren wegen einer der in § 138 StGB genannten Taten trotz Kenntnis keine Anzeige erstattet hätte121 • Obwohl auch in diesen Fällen Wahrheitsermittlung und Erfüllung der anwaltliehen Beistandspflicht gefährdet sein können 122 , wird gegen eine Ausdehnung der Ausschlußregelung auf solche Fallgestaltungen überzeugend angeführt, daß dies einer generalklauselähnlichen Weite des Ausschlußtatbestandes gleichkäme123 • Zudem sind die durch die Vorschriften der §§ 60 Nr. 2 und 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO geschützten bzw. betroffenen Rechtsgüter nicht identisch. Während § 60 Nr. 2 StPO dem nicht selten geringeren Beweiswert von Aussagen teilnahmeverdächtigter Zeugen Rechnung trägt und diese vor einem Meineid bewahren will, werden durch § 138a StPO verfassungsrelevante Rechtsgüter wie der Grundsatz der freien Verteidigerwahl, dem die Effizienz des Strafprozesses gegenübersteht, betroffen. Dieses Spannungsverhältnis gebietet eine von § 60 Nr. 2 StPO unabhängige und zugleich restriktive Auslegung des Beteiligungsbegriffes124 • Dementsprechend hat es sich als überwiegende Meinung herausgebildet, daß der enge materiellrechtliche Begriff der Tatbeteiligung im Sinne der §§ 25, 26, 27 StGB zu bevorzugen sei 125 • bb) Begriffliche Ungenauigkeiten wurden als Argumente gegen die Ausschließungsgründe der Begünstigung und Strafvereitelung vorgebracht. So stellt sich die schwierige Frage nach einer Abgrenzung zwischen zulässiger und unzulässiger Verteidigung, die sich aus der "Nachbarschaft zwischen Verteidigungsführung und Begünstigungshandlung" 126 ergibt. Die potentielle Nähe von anwaltlieber Beistandsleistung und krimineller Verhaltensweise läßt die Strafvereitelung zu einem schwer faßbaren Tatbestand werden 127 , dessen 120

Vgl. z.B. BGH StV 1982, 342; NStZ 1983, 516.

121

Ulsenheimer, GA 1975, 103, 112. Roxin, StrafverfahrensR, 22. Aufl., S. 113.

122 123

Ulsenheimer, GA 1975, 103, 112.

124

Vgl. ausführliche Begründung von Parigger, Festgabe für Koch, S. 199, 205 f.

125 KK-Laufhütte, 2. Aufl., § 138a Rdn. 8; Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl., § 138a Rdn. 5; Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn. 25; Parigger, Festgabe für Koch, S. 199, 205 f.

Holtz, JR 1973, 362, 363 ; vgl. auch Krekeler, NStZ 1989, 146. Zur Problematik der Strafvereitelung durch Verteidigerhandeln vgl. beispielsweise: Krekeler, NStZ 1989, 146 ff; Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl. , § 138a Rdn . 37 ff.; Ostendorf, NJW 1978, 1345 ff. 126 127

S Remagen-Kemmerling

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

66

Problematik sich infolge der in § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO enthaltenen Zurückverweisung auf § 258 StGB auch unmittelbar auf den Bereich der Verteidigerausschließung auswirkt. Da § 258 StGB die Grenzen einer zulässigen Verteidigung nicht bestimmt, sondern sich diese aus §§ 137 ff. StPO und damit auch aus der Vorschrift des § 138a StPO ergeben128 , wird die Zurückverweisung, welche die Verteidigung dann für unzulässig erklärt, wenn eine Strafvereitelungshandlung vorliegt, als typisches Beispiel für einen Zirkelschluß angeführt129 . Dementsprechend wurde vielfach gefordert, auf Begünstigung und Strafvereitelung als Ausschließungsgründe jedenfalls dann zu verzichten, wenn die Tatbestandserfüllung durch eine formelle Verteidigungshandlung erfolgt130. Anderenfalls könne das Gericht leicht zu einer Kontrollinstanz über den Verteidiger werden und im Wege der Ausschlußdrohung Einfluß auf die Verteidigungsführung ausüben 131 ; dies gelte insbesondere dann, wenn § 258 StGB nicht auf schwere Verstöße beschränkt werde 132. Neben der zum Teil ungelösten Problematik, die auf dem Tatbestand des § 258 StGB beruht, ist auch häufig die Formulierung des § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO als solche infolge offen gebliebener Zweifelsfragen zum Gegenstand der Kritik geworden13 3. Zum einen wurde kritisiert, daß der Wortlaut, demzufolge das Vorliegen einer Verurteilung zu unterstellen ist, nicht erkennen lasse, ob nur die bloße Tatsache einer Verurteilung oder auch die Rechtmäßigkeit einer solchen zu fingieren sei 134 • Jedoch herrscht weitgehend Einigkeit darüber, daß mit der insoweit vorzunehmenden Unterstellung jedenfalls keine Prognose hinsichtlich des Verfahrensausganges gefordert wird 135 •

128 Beulke, S. 226 f.; zur Abgrenzung vgl. auch Ostendorf, NJW 1978, 1345, 1348. 129

Beulke, S. 227.

Beulke, S. 226; Groß, ZRP 1974, 25, 30; Grünwald, AnwBI. 1980, 5, 9; Seelmann, NJW 1979, 1128, 1131. A.A.: Ulsenheimer, GA 1975, 103, 107; Waller, DRiZ 1974, 177, 179. 130

131 Beulke, S. 227; auch schon Gallas, ZStW 53 (1934), 256, 270; Groß, ZRP 1974,25, 30; Grünwald, AnwBI. 1980, 5, 9; Seelmann, NJW 1979, 1128, 1131. 132

Beulke, S. 227.

133

Vgl. Ulsenheimer, GA 1975, 103 , 113.

134 Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn. 29 mit umfangreichen Ausführungen. 135 Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn. 34; Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl., § 138a Rdn.lO; KMR-Müller, 8. Aufl., § 138a Rdn. 13.

IV. Ausgestaltung der§§ 138a ff. StPO

67

Zum anderen sei unklar, ob auch der bloße Versuch der angeführten Straftaten einen Ausschluß begründen könne136, ob Beihilfe oder Anstiftung zur Begünstigung des Angeklagten durch einen Dritten genüge und ob sich die Hehlerei auf die im konkreten Verfahren abzuurteilende Tat beziehen müsse137 . Als herrschende Ansicht hat sich insoweit herausgebildet, daß das sowohl nach § 259 StGB als auch nach §§ 257, 258 StGB strafbare Verhalten des Verteidigers einen Bezug zu der Tat aufweisen muß, die Gegenstand der Untersuchung istl38. cc) Auch der Ausschlußgrund des Mißbrauchs des Verkehrs mit dem inhaftierten Beschuldigten, der zunächst in § 138a Abs. 2 Nr. 1 und 2 StPO geregelt war139 und sich seit der Gesetzesnovelle vom 14.4.1978 140 in erweiterter Form in Absatz 1 Nr. 2 findet, löste von Anfang an Kritik aus141 . Ursächlich dafür war, daß dieser Tatbestand im Zuge des "atemberaubenden parlamentarischen Parforceritts "142 , der zum Erlaß der Ausschlußnormen geführt hatte, nicht in die vorangegangene wissenschaftliche Diskussion einbezogen worden war143 , sondern sich als ein in folge der Bedrohung durch terroristische Gewaltverbrechen erlassenes "Maßnahmegesetz" darstellte144 .

136 Bejahend bezüglich § 258 StGB: KK-Laufhütte, 2 . Aufl., Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl. , § 138a Rdn. 11.

s !38a Rdn. 13;

137 Regierungsentwurf z. 2. StVRG vom 6.9.1974, BT-Drucks. 7/2526, S. 20; Lantzke, JR 1973, 357, 350. Zu den angeführten Unklarheiten vgl. insges. Ulsenheimer, GA 1975, 103, 113. 138 KK-Laufhütte, 2. Aufl., § 138a Rdn . 13; KMR-Müller, 8. Aufl., § 138a Rdn. 13; Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn. 25 . 139 Vgl. Gesetzesfassung v. 20.12.1974, BGBI. I (1974), S. 3686. 140

BGBI. I (1978), S. 498.

Vgl. beispielsweise Beulke, S. 226, mit weiteren Nachw.; Groß, NJW 1975, 422, 423 ff.; Parigger, Festgabe für Koch, S. 199, 206; Roxin, StrafverfahrensR, 22. Aufl., S. 113 . Insbesondere stießen auch der Gesetzgebungsvorschlag der CDU/CSUFraktion v. 26.4.1977, BT-Drucks. 8/322, sowie der zuvor im Bundesrat eingebrachte Entwurf v. 24.1.1975, BR-Drucks. 90175, die eine noch weitergehende Ausdehnung des Tatbestandes, u.a. auf Vorbereitung und Förderung von Straftaten, vorsahen, auf erheblichen Widerspruch: Regierungsentwurf vom 4.10.1977, BT-Drucks. 8/976, S. 31; Dahs, NJW 1975, 1385, 1390; ders., ZRP 1977, 164 f.; Knapp, AnwBI. 1975, 373, 376 f. 141

142

Ulsenheimer, GA 1975, 103; ähnlich Seelmann, NJW 1979, 1128, 1129.

143

Ulsenheimer, GA 1975, 103, 114.

Ders . , GA 1975, 103, 114; vgl. ähnlich Parigger, Festgabe für Koch, S. 199, 206, sowie Seelmann, NJW 1979, 1128, 1130, der von "Ad-hoc-Gesetzen" spricht. 144

68

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

Während der Verteidiger den Verkehr mit dem inhaftierten Beschuldigten ursprunglieh dazu mißbrauchen mußte, Straftaten zu begehen, die im Höchstmaß mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht waren, wurde später auf diese Einschränkung verzichtet, so daß nunmehr auch geringfügige Staftaten zur Ausschließung führen können. Dies führte aber im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der als ungeschriebenes Ausschließungsmerkmal im Sinne des § 138a Abs. 1 Nr. 2 StPO angesehen wird145 , zu berechtigten Zweifeln. So begegnet die Verhältnismäßigkeit eines Ausschlusses auf der Grundlage dieser Vorschrift insbesondere dann Bedenken, wenn es sich bei der in Rede stehenden Straftat um ein Antragsdelikt handelt und der erforderliche Strafantrag fehlt 146 • Zum Teil wurde vorgebracht, die Ausschließung sei verfrüht, solange nicht positiv feststehe, ob ein Strafantrag gestellt werde147 , hingegen erachteten andere es für ausreichend, daß mit dem Eintritt der Prozeßvoraussetzungen zu rechnen sei 148 • Nach der letztgenannten Auffassung setzt die Verhältnismäßigkeit der Ausschließung damit keine sofortige Verfolgbarkeil zum Zeitpunkt des Ausschlusses voraus. Somit zeigt sich, daß das grundsätzlich ausschlußbeschränkende Kriterium der Verhältnismäßigkeit keine einheitliche Ausfüllung gefunden hat, so daß seine Begrenzungsfunktion im Ergebnis zweifelhaft bleibt. Des weiteren konnte in der Literatur bisher keine Einigkeit darüber erzielt werden, ob es erforderlich ist, daß gegen den Verteidiger der Verdacht besteht, er habe bereits eine Straftat begangen oder zumindest begonnen 149 , oder ob es vielmehr auf den Verdacht ankommt, daß der Verteidiger künftig Straftaten begehen wird150 • Dabei bleibt offen, ob auch bei Zugrundelegung

145 KK-Laufhütte, 2. Aufl., § 138a Rdn. 11; KMR-Müller, 8. Aufl .. § 138a Rdn. 10; Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn. 119. 146 KK-Laufhütte, 2. Aufl., § 138a Rdn. 11; Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl., § 138a Rdn. 7; Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn . 120; Parigger, Festgabe für Koch, S. 199, 206, 212. 147 Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl. , § 138a Rdn. 122; nicht eindeutig: KKLaufhütte, 2. Aufl., § 138a Rdn. 11. 148 KMR-Müller, 8. Aufl., § 138a Rdn. 10; Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl., § 138a Rdn. 7. 149 Bejahend: KK-Laufhütte, 2.Aufl. , § 138a Rdn . 11 ; Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl., § 138a Rdn. 7; offenbar auch davon ausgehend: Leitsätze der ÖTV zur Reform des Rechts der Verteidigung, AnwBI. 1981, 228, 229.

150 So KMR-Müller, 8. Aufl., § 138a Rdn. 12; Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn. 118.

IV. Ausgestaltung der§§ 138a ff. StPO

69

der zweiten Alternative bereits begangene Straftaten erforderlich sind151 und ob die erstgenannte Ansicht zusätzlich eine Prognose und damit ebenso ein Abstellen auf künftige Taten als notwendig erachtet I 52. Konsequenterweise müßte sich zudem, wenn man begangene oder im Ausführungsstadium befmdliche Taten für erforderlich hält, die Frage aufdrängen, ob insoweit ein bloßer Verdacht genügt oder aber eine diesbezügliche Feststellung zu treffen ist. Hierzu fehlt es jedoch an überzeugenden Ausführungen. Ebenso bleibt in diesem Zusammenhang unklar, welche Anforderungen an die Konkretisierung des Delikts zu stellen sind. Einerseits wurde ausgeführt, die Tat müsse "hinreichend konkretisiert" sein 153 , andererseits wurde vertreten, daß eine Konkretisierung auf ganz bestimmte Taten nicht verlangt werden könne, es vielmehr ausreiche, daß "Straftaten einer gewissen Gruppe oder Richtung" zu erwarten seien 154. Ungereimtheiten weist auch die zweite Alternative des Mißbrauchstatbestandes - Gefährdung der Sicherheit einer Vollzugsanstalt - auf. Unklar ist bereits, welche Fallkonstellationen hier relevant werden können. Damit diesem Ausschließungsgrund überhaupt eigenständige Bedeutung zukommt, sind lediglich solche Sicherheitsgefahrdungen in Betracht zu ziehen, die keinen Straftatbestand verwirklichen oder den Versuch eines Deliktes darstellen, da diese bereits unter die erste Alternative fallen. Folglich scheiden beispielsweise Gefangenenbefreiung und Meuterei sowie eine diesbezügliche Teilnahme aus, obwohl gerade hierin typische Sicherheitsgefahrdungen liegen. Gleichzeitig sollen solche Störungen nicht ausreichen, die nach Art, Wirkung und Dauer unerheblich sind 155 • Somit sind die von § l38a Abs. 1 Nr. 2, 2.Alt. StPO erfaßten Gefährdungen im engen Bereich der erheblichen, zugleich aber noch nicht strafbaren Handlung anzusiedeln. Schon deshalb muß die praktische Bedeutung dieser Vorschrift als äußerst fragwürdig erscheinen. Abgesehen von den aufgezeigten Problemen und Auslegungsfragen, die sich für die Praxis möglicherweise als schwer lösbar erweisen, bildet die allge-

151 KMR-Müller, 8. Aufl. , § 138a Rdn. 12, sowie Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn. 118, sind der Ansicht, daß früher begangene Straftaten nicht genügen. 152 KK-Laulhütte, 2. Aufl., § l38a Rdn. 11: Verdacht auf eine künftige Tat reicht nicht aus . 153

KK-Laulhütte, 2. Aufl., § 138a Rdn. 11.

154

Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn. 118.

155

Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl., § 138a Rdn. 8.

70

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

meine Frage nach der Notwendigkeit des Ausschlußgrundes des § 138a Abs. 1 Nr. 2 StPO bis heute einen Schwerpunkt der Diskussion. Gegen das Erfordernis dieses Ausschlußgrundes wurde in erster Linie vorgebracht, daß man solchen anläßlich der Verteidigung begangenen Straftaten, die einen Verkehrsmißbrauch begründen sollen, mittels der jeweiligen verletzten Tatbestände oder aber - bei Vorliegen der Voraussetzungen - durch Anwendung der Ausschließungsgründe des § 138a Abs. 1 Nr. 1 und 3 StPO in ausreichendem Maße begegnen könne 156 • Zudem könne der mit der Regelung über die Sicherheitsgefahrdung einer Vollzugsanstalt angestrebte Erfolg oftmals schon durch mildere Mittel, beispielsweise der Durchsuchung des Verteidigers vor Betreten der Haftanstalt, erreicht werden 157 . Somit stellt sich die Frage, ob die Judikatur durch eine häufige Anwendung dieses Ausschlußgrundes einen möglichen Beweis für dessen Notwendigkeit erbracht oder diese vielmehr widerlegt hat. dd) Als problematisch hat sich weiterhin die in § l38a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StPO getroffene Regelung des erforderlichen Verdachtsgrades erwiesen. Die ursprüngliche Gesetzesfassung vom 20.12.1974 158 sah für die genannten Ausschließungsgründe keine einheitlichen Verdachtsstufen vor. Während Tatbeteiligung, Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei dringenden oder die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Verdacht erforderten, war ein Ausschluß wegen Verkehrsmißbrauchs im Falle der Begehung von Straftaten von einem dringenden Tatverdacht und im Falle der Sicherheitsgefahrdung sogar vom vollen Nachweis der Voraussetzungen abhängig. Hingegen stellt die geltende Regelung des § 138a Abs. 1 StPO unabhängig vom Ausschlußgrund den dringenden Verdacht im Sinne des § 112 StPO neben den hinreichenden im Sinne des § 203 StPO, der für die Eröffnung des Hauptverfahrens maßgebend ist. Dies führte zunächst zu der Frage, ob das Gericht bei der Prüfung der Ausschließungsvoraussetzungen wahlweise auf einen der genannten Verdachtsgrade zurückgreifen kann 159 • Während Ulsenheimer ohne nähere Begründung von einem Wahl recht ausging 160 , stellten 156

Beulke, S. 226.

Beulke, S. 226; Parigger, Festgabe für Koch, S. 199, 206, 212; Seelmann, NJW 1979, 1128, 1132; Ulsenheimer, GA 1975, 103, 114; sowie Bericht über die 2. Deutsche Strafverteidigertagung in Bonn am 19./20.10.1979, AnwBI. 1980, 23, 26, demzufolge § 138a Abs. 1 Nr. 2 StPO überprüfungsbedürftig sei. tss BGBI. I (1974), S. 3686. 157

159 Zum Verhältnis der Verdachtsgrade in § 138a Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 23. Aufl., § 138a Rdn. 11-13 . 160

Ulsenheimer, GA 1975, 103, 110.

StPO

ausführlich:

IV. Ausgestaltung der §§ 138a ff. StPO

71

andere Autoren161 ein solches in Abrede. Als übetwiegende Meinung bildete sich die Auffassung heraus, daß es für die Frage, welcher Verdachtsgrad für die Entscheidung maßgebend sei, darauf ankomme, wie weit die Ermittlungen fortgeschritten seien162 . Danach sei hinreichender Tatverdacht - nur dannausreichend, wenn dem Verteidiger strafbares Verhalten vorgeworfen werde und das diesbezügliche Ermittlungsverfahren bis zur Anklagereife gediehen sei, im übrigen sei dringender Verdacht im Sinne des § 112 StPO zu verlangenl63. Demgegenüber wendet Lüderssen 164 ein, man könne grundsätzlich nicht davon ausgehen, daß ein Verteidigerausschluß bei Abschluß der Ermittlungen, aber noch vor der endgültigen Klärung des Tatvorwurfs in der Hauptverhandlung, deren tatsächliche Durchführung keine Ausschlußvoraussetzung darstellt, geringer wiege als eine Ausschließung in einem früheren Ermittlungsstadium. Nach seiner Auffassung sei daher die Forderung nach einer Gleichstellung der Verdachtsstufen in § 138a Abs. 1 StPO berechtigt. Gegen einen grundsätzlichen Vorrang dringenden Tatverdachts wurde zudem von anderer Seite vorgebracht, daß gerade die Möglichkeit, einen Verteidiger bereits zu Beginn der Ermittlungen ausschließen zu können, die Gefahr einer übereilten Entscheidung mit sich bringe und deshalb "hinreichender" Verdacht zu verlangen sei 165 . Hiergegen spreche aber wiederum, daß eine Entscheidung, die erst nach Ermittlungsabschluß ergehen könne, dadurch möglichetweise unangemessen verzögert würde 166. Der Problemkreis des erforderlichen Verdachtsgrades in § 138a Abs. 1 bis 3 StPO gehört damit auch nach lokrafttreten der gesetzlichen Regelung zu den "heißen Eisen" 167 im Ausschließungsbereich. Dies erklärt zugleich die teil161 KK-Laufhütte, 2. Aufl., § 138a Rdn. 7; Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl., § 138a Rdn. 12; Parigger, Festgabe für Koch, S. 199, 209; Rieß, NStZ 1981, 328, 331 f. 162 Vgl. Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 23. Aufl., § 138a Rdn. 13 . Teilweise kritisch Ulsenheimer, GA 1975, 103, 111. 163 KK-Laufhütte, 2. Aufl., § 138a Rdn. 7; Kleinknecht/Meyer, 39. Aufl., § 138a Rdn . 14, hingegen zur Frage der Notwendigkeit eines Ermittlungsverfahrens nunmehr a.A. 40. Aufl., § 138a Rdn. 14; Parigger, Festgabe für Koch, S.199, 209. Vgl. auch Roxin, StrafverfahrensR, 22. Aufl., S. 112, der insoweit jedoch keine "unzureichenden Anfangsermittlungen" ausreichen läßt, sondern den dringenden Verdacht auf bestimmte Tatsachen gründen will, die eine Verurteilung des Verteidigers hinreichend wahrscheinlich machen. 164

Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn. 23 .

I6S

Ulsenheimer, GA 1975, 103, 111.

Waller, DRiZ 1974, 177, 179; in diesem Sinne auch Regierungsentwurf zum 2. StVRG v. 6.9.1974, BT-Drucks. 7/2526, S. 21. 166

167

Beulke, S. 225.

72

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

weise laut gewordene Kritik, daß die Verdachtsregelung der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Bestimmtheit der Ausschlußtatbestände nicht genüge168 • Somit ist festzustellen, daß die Ausschlußnorm im Vergleich zur früheren Rechtslage169 zwar klargestellt hat, daß es auf eine tatsächliche Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Verteidiger nicht ankommt 170 ; dennoch ist es nicht gelungen, eine rechtlich unumstrittene Regelung zu schaffen. Ob und ggf. welche Konsequenzen sich daraus für die Praxis ergeben, wird demnach Gegenstand der Untersuchung sein. b) Die Vorschrift des § 138a Abs. 2 StPO Der Verdachtsproblematik kam auch im Zusammenhang mit dem in § 138a Abs. 2 StPO nonnierten Ausschlußgrund, der sich speziell auf solche Verfahren bezieht, die eine Straftat nach § 129a StGB zum Gegenstand haben, von Anfang an besondere Bedeutung zu. Diese Regelung, die erst mit dem Änderungsgesetz vom 14.4.1978 171 in die Ausschließungsnorm eingefügt wurde, läßt in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 bereits einen geringeren Tatverdacht genügen. Dabei ist dem Wortlaut jedoch nicht zu entnehmen, welche konkreten Anforderungen an die Nachweisbarkeit des in Rede stehenden Verteidigerverhaltens zu stellen sind. So bleibt unklar, ob es sich um einen sog. "einfachen" Verdacht handelt172 und wie dieser ggf. zu definieren ist oder ob strengere Voraussetzungen erfüllt sein müssen 173 •

168 Gusy, AnwBI. 1984, 225, 233; ähnlich, jedoch weniger scharf, Baumann, ZRP 1975, 38, 42. Vgl. auch Parigger, Festgabe für Koch, S. 199, ::!13, der auf erhebliche Ungenauigkeiten bezüglich des dringenden Tatverdachts hinweist; diese beruhten darauf, daß ausgehend vom gegenwärtigen Ermittlungsstand eine vorläufige Aussage über ein zukünftiges Ergebnis getroffen werde und der weitere Ermittlungsgang häufig nicht absehbar sei. 169

Vgl. 1. Teil, A II 2.

Parigger, Festgabe für Koch, S. 199, 213, schlägt aber eme dahingehende Gesetzesänderung vor. 171 BGBI. I (1978), S. 497. 170

112 So Krekeler, AnwBI. 1979, 212, 214; Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn. 128, jedoch mit der Einschränkung, daß der Verdacht die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens rechtfertigen müsse. 173 Rieß, NStZ 1981, 328, 332; Roxin, StrafverfahrensR, 21. Aufl., S. 112: Nicht nur Einleitung, sondern auch Durchführung des Ermittlungsverfahrens müsse wahrscheinlich sein. V gl. auch Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 23. Aufl., § 138a Rdn. 4 .

IV. Ausgestaltung der §§ 138a ff. StPO

73

Die von Absatz 1) abweichende Verdachtsregelung wurde teilweise äußerst kritisch aufgenommen, da die Herabsetzung der Verdachtsschwelle für Verteidigerausschlüsse in Verfahren nach § 129a StGB "dem Mißbrauch Tür und Tor" öffne 174 • Ob diese Befürchtung in der Rechtsprechung ihre Bestätigung findet oder ob vielmehr die Auffassung von Rieß 175 , daß die Diskussion um diese Vorschrift und deren praktische Relevanz im umgekehrten Verhältnis zueinander stünden 176 , auch aus heutiger Sicht zutreffend ist, soll anband der vorzilnehmenden Rechtsprechungsanalyse geklärt werden. c) Die Regelung des§ 138b StPO Aus systematisch nicht zwingenden Gründen erfolgte in § 138b StPO eine gesonderte Regelung der Ausschließung in Staatsschutzsachen. Mit dieser als Staatsschutzbestimmung zu bezeichnenden 177 Vorschrift wurde der in der früheren Rechtsprechung anerkannte Ausschlußgrund der Gefahrdung von Staatsinteressen - diese war teilweise unter dem Aspekt der politischen Abhängigkeit des Verteidigers als ausschlußbegründend herangezogen worden178 - gesetzlich normiert und damit gleichzeitig klarer ausgestaltet. So wurde die Ausschlußmöglichkeit wegen Gefahrdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auf bestimmte, in § 138b StPO aufgeführte Verfahren begrenzt. Im Gegensatz zur Ausschlußnorm des § 138a StPO setzt § 138b StPO nach der amtlichen Begründung nicht den Verdacht einer strafbaren Handlung des Verteidigers voraus, sondern stellt auf "die objektive Gefahr der Preisgabe von wichtigen geheimhaltungsbedürftigen Sachverhalten" ab 179 • Nach herrschender Auffassung drückt dabei die Formulierung "wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme begründet ist" keinen graduellen Unterschied zum Verdachtsbegriff aus; vielmehr sei diese allein dadurch bedingt, daß § 138b StPO statt auf eine Handlung auf eine Gefahr Bezug nimmt 180 • 174 Krekeler, AnwBI. 1979, 212, 214; ähnlich beispielsweise Roxin, StrafverfahrensR, 22. Aufl., S. 113. 175

Rieß, NStZ 1981 , 328, 329.

Rieß, NStZ 1981, 328, 329, begründete seine Ansicht mit einer Auswertung der Rechtsprechung aus dem Zeitraum vom 1.1.1975 bis 31.12.1980. 176

177

Vgl. Ulsenheimer, GA 1975, 103, 115, der für eine Einschränkung eintrat.

178

Vgl. 1. Teil, A II 5.

179

Regierungsentwurf zum 2. StVRG vom 6.9.1974, BT-Drucks. 7/2526, S. 21.

KK-Lauthütte, 2. Aufl., § 138b Rdn. 3; Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138b Rdn . 5; a.A. noch Löwe/Rosenberg/Dünnebier, 23. Aufl., § 138b Rdn. 4: Annahme sei weniger als Verdacht, aber mehr als Vermutung. 180

74

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

Zweifelhaft ist jedoch, ob bereits eine - extreme - politische Gesinnung des Verteidigers dessen Ausschluß aufgrund dieser Vorschrift ermöglicht. Einer solchen Erwägung ist zwar bereits im Gesetzgebungsverfahren mit der Begründung entgegengetreten worden, das Erfordernis bestimmter Tatsachen verhindere eine auf derartigen Motiven beruhende Ausschließung 181 . Da aber als Tatsache im Sinne des § 138b StPO auch gelten solle, "was aufgrund äußerer Tatsachen nach der Lebenserfahrung aus dem Innem eines Verteidigers erschlossen werden kann" 182 , verbleiben Bedenken, ob die Gesetzesfassung tatsächlich Gewähr dafür bietet, daß ein Anwalt nicht schon infolge seiner politischen Einstellung oder Weltanschauung ausgeschlossen werden kann 183 . d) Die nicht in §§ 138a, b StPO aufgenommenen Ausschlußgründe aa) Mit den abschließenden Ausschlußregelungen der §§ l38a, b StP0184 hat der Gesetzgeber früheren Tendenzen, auch anderweitige Ausschließungsgründe anzuerkennen, eine grundsätzliche Absage erteilt. Obwohl von verschiedenen Seiten wiederholt gefordert worden war, weitere Ausschlußtatbestände einzuführen - beispielsweise Verfahrenssabotage 185 , Parteiverrat186, Zeugeneigenschaft des Verteidigers 187 und Nötigung des GerichtsiSS -, wurden diese bis heute nicht in den Gesetzestext aufgenommen1s9. Als Begründung stützte man sich sowohl auf die fehlende Notwen-

181

Vgl. Regierungsentwurfzum 2. StVRG vom 6.9.1974, BT-Drucks. 7/2526, S. 21.

182

Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138b Rdn. 4.

KK-Laufhütte, 2. Aufl., § 138b Rdn. 3, sowie Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl., § 138b Rdn. 2, halten die politische Gesinnung des Verteidigers für belanglos. Anders jedoch Kleinknecht/Meyer, 37. Aufl., § 138b Rdn . 2, der diese als 183

zusätzliches Indiz wertete.

184 Vgl. Regierungsentwurf zum 2. StVRG vom 6 .9.1974, BT-Drucks. 7/2526, S. 11, 20; KK-Laufhütte, 2. Aufl., § 138a Rdn. 3; Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl., § 138a Rdn. 1; Ulsenheimer, GA 1975, 103, 106. 185 Lampe, JZ 1974, 696, 698; Waller, DRiZ 1974, 177, 179; Stellungnahme des 'Bundesrates zum Entwurf des 2. StVRG, BT-Drucks. 7/2526, S. 31, sowie Gesetzesentwurf zur Änderung der StPO, BR-Drucks. 90175 . 186 Groß, ZRP 1974, 25, 31; noch enthahen im Regierungsentwurf zum 2. StVRG vom 6.9.1974, BT-Drucks. 712526, S. 11. 187 Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des 2. StVRG, BT-Drucks. 7/2526, S. 30 f.; Waller, DRiZ 1974, 177, 180, 181. 188

Dahs, NJW 1975, 1385, 1389.

189

Zu den nicht aufgenommenen Ausschlußgründen ausführlich Donus, S. 115-138.

IV. Ausgestaltung der§§ 138a ff. StPO

75

digkeit derartiger Ausschlußgründe 190 als auch darauf, daß die genannten Verhaltensweisen nicht als eine ausreichend schwerwiegende Prozeßordnungswidrigkeit einzustufen seien 191 . Des weiteren begründete man die Ablehnung des Ausschlußtatbestandes der Verfahrenssabotage damit, daß dieser einen "schillernden und vielschichtigen" Begriff darstelle, mit dem die Gefahren einer Generalklausel verbunden seien 192 . Ob aber die mit der Nichtaufnahme getroffene Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers auch ihren Niederschlag in der Rechtsprechung gefunden hat, erscheint in Anbetracht der jahrzehntelangen "gesetzlosen" Ausschließungspraxis zumindest überprüfungsbedürftig. Insbesondere in bezug auf den als Ausschlußgrund umstrittenen Begriff der Prozeßsabotage stellt sich die Frage, ob dieser auch in der Rechtswirklichkeit als nicht ausschlußbegründend gewertet wird oder ob er vielmehr auf dem denkbaren Umweg über den gesetzlich anerkannten Ausschließungsgrund der Strafvereitelung in verdeckter Form zur Geltung kommt193. Umgekehrt bedarf es aber auch der Klärung, ob sich aus der Rechtsprechung möglicherweise Anhaltspunkte für ein Bedürfnis nach Einführung der früher anerkannten Ausschließungsgründe ergeben. bb) Ebensowenig wie die zuvor angeführten Verhaltensweisen und Umstände fand die Verhandlungs- und Prozeßunfahigkeit des Verteidigers Eingang in die gesetzliche Ausschlußregelung. Zweifelhaft bleibt aber, ob infolgedessen die Zurückweisung eines verhandlungsunfahigen Verteidigers schon von vomherein ausscheidet oder ob eine solche vielmehr neben den Regelungen der §§ 138a, b StPO als möglich gilt. Die in der Literatur vertretenen Auffassungen ergeben insoweit kein klares Bild. So wurde darauf verwiesen, es sei früher in diesen Fällen selbstverständlich von einer Ausschließungsbefugnis ausgegangen worden, so daß es auch nach lokrafttreten der §§ 138a ff. StPO zulässig sein müsse, dem prozeßunfähigen Verteidiger "die weitere Mitwirkung im Verfahren zu ver100 Regierungsentwurf zum 2. StVRG, BT-Drucks. 7/2526, S. 11, in bezug auf Zeugenstellung und Gerichtsnötigung; vgl. auch Dahs , NJW 1975, 1385, 1390; Groß ZRP 1974, 25, 30; Ulsenheimer, GA 1975, 103, 115 ff. 191 Stellungnahme des Rechtsausschusses vom 16.12.1974, BT-Drucks. 7/2989, S. 4, hinsichtlich Parteiverrat.

192 Regierungsentwurf zum 2. StVRG, BT-Drucks. 7/2526, S. II; Baumann, ZRP 1975, 38, 41; Knapp, AnwBI. 1975, 373, 377, sah in diesem möglichen Ausschlußgrund die Gefahr einer "Maulkorb-Regelung". 193 Dies wird befürchtet von Beulke, S. 227; vgl. auch Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl. , § 138a Rdn. 94, sowie Seelmann, NJW 1979, 1128, 1131.

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

76

bieten" 194 . Dabei bleibt jedoch unklar, in welcher Weise ein solches Mitwirkungsverbot ausgesprochen werden kann, d.h. welcher verfahrensrechtliche Weg vom Gericht einzuhalten ist. Ebensowenig ergeben sich solche Anhaltspunkte aus der weiterhin vertretenen Auffassung, daß Verhandlungs- und Prozeßunfähigkeit nicht zum Verteidigerausschluß, sondern zur Unwirksamkeit der einzelnen Prozeßhandlung führten 195 • Ob damit der Verzicht auf eine vom Gericht ausdrücklich auszusprechende Zurückweisung gemeint ist, läßt sich dieser Ansicht nicht entnehmen. Einigkeit besteht lediglich darüber, daß die Prozeßfähigkeit des Verteidigers als erforderlich zu erachten ist196 • Dem entspricht auch die Ansicht, derzufolge bei erkennbarer Verhandlungsunfähigkeit eines notwendigen Verteidigers möglicherweise die Revision nach § 338 Nr. 5 StPO begründet sei 197 • Danach ist die Entscheidung des Gerichts nur dann als revisionsfest anzusehen, wenn im Falle der notwendigen Verteidigung für die Anwesenheit eines prozeßfähigen Verteidigers gesorgt wurde. Dies könnte im Ergebnis ein Bedürfnis für eine gerichtliche Zurückweisungsbefugnis gegenüber einem prozeßunfähigen Verteidiger rechtfertigen. Voraussetzung hierfür ist aber, daß auf andere Art und Weise eine ordnungsgemäße Verteidigung nicht sicherzustellen ist. Jedoch hat das Gericht durchaus andere Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung. So steht ihm im Falle der notwendigen Verteidigung die Möglichkeit einer - ggf. auch weiteren- Pflichtverteidigerbestellung nach § 141 StPO offen 198 • Auch wenn der prozeßunfähige Verteidiger den Verhandlungsfortgang stören oder beispielsweise Anträge stellen sollte, die mit denen des weiteren Verteidigers kollidieren, stünde dies einem ordnungsgemäßen Verfahrensablauf nicht zwingend entgegen. Über die sitzungspolizeilichen Maßnahmen des § 176 GVG sowie über § 238 StPO werden dem Gericht ausreichende Möglichkeiten eingeräumt, mutwilligen Störungen zu begegnen. Im übrigen würden Handlungen des prozeßunfähigen Verteidigers wirkungslos bleiben, so daß auch im Falle gegenläufigen Verteidigungshandeins keine Nachteile zu Lasten des Beschuldigten zu befürchten wären. Weiterhin ist auf die in der Bundes194

Ulsenheimer, GA 1975, 103, 115.

195

KMR-Müller, 8. Aufl., Vorbem. zu§ 137 Rdn. 6.

196 KK-Pfeiffer, 2. Aufl.,Einl. Rdn . 126; Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl. , Einl. Rdn. 99; vgl. auch BVerfGE 37, 67, 76 ff., die sich auf ein zivilrechtliches Verfahren bezieht. 197 Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl., § 338 Rdn . 41 .

198 Vgl. BVerfG NStZ 1984, 561; zu den Voraussetzungen, die 1m einzelnen umstritten sind, vgl. Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl., § 141 Rdn. l.

IV. Ausgestaltung der§§ 138a ff. StPO

77

rechtsanwaltsordnung vorgesehene standesrechtliche Maßnahme der Zurücknahme der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO, die Unfähigkeit zur Berufsausübung und eine dadurch bedingte Gefährdung der Rechtspflege verlangt, zu verweisen. Somit ergibt sich aus der im Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO vorausgesetzten Verpflichtung des Gerichts, im Falle der notwendigen Verteidigung eine ordnungsgemäße Beistandsleistung zu gewährleisten, kein Zurückweisungsgebot, das das Gericht unabhängig vom Willen des Beschuldigten zum Ausschluß eines nicht prozeßfähigen Verteidigers zwingen würde. Dies steht auch im Einklang mit der Ansicht, daß es in erster Linie Sache des Verteidigers selbst sei, seine Verteidigungsfähigkeit zu beurteilen199 • Ebensowenig besteht insoweit ein Widerspruch zu der zuvor vertretenen Auffassung, daß eine Abberufung des Pflichtverteidigers bei Wegfall des Vertrauensverhältnisses zwischen Verteidiger und Beschuldigtem aus sog. wichtigen Grund zulässig und zugleich notwendig ist200 ; eine Zurückweisungspflichtwürde dem Gericht immer dann - d.h. aber auch nur dannauferlegt, wenn sich die Prozeßunfähigkeit auf das Mandatsverhältnis als Vertrauensgrundlage auswirkte und der Beschuldigte dies beanstandete. Zusammenfassend ist festzustellen, daß eine Verpflichtung des Gerichts zur Zurückweisung eines prozeßunfähigen Verteidigers nicht gegeben ist; die Prozeßunfähigkeit kann somit auch keine Anerkennung als von §§ 138a, b StPO nicht erfaßter Ausschlußgrund finden. Im übrigen würde ein solcher auch insbesondere in bezug auf eine Nachweisbarkeit erhebliche Probleme aufwerfen. Eine Anknüpfung an einen bloßen Verdacht, wie sie bei den Ausschlußgründen des § 138a StPO vorliegt, erschiene hier in Anbetracht der Beurteilungsschwierigkeiten, die sich dem Gericht mangels medizinischer Sachkenntnis bei der Verdachtsprüfung notwendig stellen würden, nicht realisierbar. Zudem widerspräche eine solche im summarischen Verfahren erfolgende Verdachtsanknüpfung im Ergebnis wohl auch einer - ein Zivilverfahren betreffenden - Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts201 , die die Prüfung der Prozeßfähigkeit des Anwalts nur in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren gestattete und die Möglichkeit einer Rechtsmitteleinlegung verlangte. Folglich ist ein Verteidigerausschluß wegen Prozeßunfähigkeit - abgesehen von einem hierauf gestützten Widerruf der Pflichtverteidigerbestellung bei

200

Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl., Ein!. Rdn. 99. Vgl. 1. Teil, B IV 3.

20I

BVerfGE 37, 67, 82.

199

78

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

Wegfall des Vertrauensverhältnisses zwischen Verteidiger und Beschuldigtem - grundsätzlich abzulehnen.

5. Aufhebung des Ausschlusses nach § 138a Abs. 3 StPO Im Rahmen der §§ 138a ff. StPO ist des weiteren von Bedeutung, unter welchen Voraussetzungen eine erfolgte Ausschließung wieder aufzuheben ist. Erst das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 14.4.1978202 regelte detailliert die Aufhebung des Verteidigerausschlusses, während die ursprüngliche Fassung vom 20.12.1974203 lediglich bestimmte, daß die Ausschließung aufzuheben sei, sobald die Voraussetzungen nicht mehr vorlägen. Dabei bildete die Einfügung der Aufhebungsgründe in § 138a Abs. 3 StPO quasi einen Ausgleich zum "mehr oder weniger summarischen Verfahren", das zur Ausschließung geführt hatte204 • Dadurch, daß man zumindest die Aufrechterhaltungder Ausschließung gemäß § 138a Abs. 3 Nr. 2, 3 StPO an eine straf- bzw. ehrengerichtliche Überprüfung knüpfte, wurde gewissermaßen der schon früh erhobenen Forderung Rechnung getragen, den Ausschluß von der Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen den Verteidiger abhängig zu machen205 . Kritik hat jedoch hervorgerufen, daß der Aufhebungsgrund des Absatzes 3 Satz 1 Nr. 1 - Fortfall der Ausschließungsvoraussetzungen -, der vor der Gesetzesänderung die einzige Aufhebungsregelung darstellte, dahingehend eingeschränkt worden ist, daß eine Aufhebung nicht allein deshalb erfolgen darf, weil der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt wurde. Diese auf den Ausschlußgrund des Absatzes 1 Nr. 2 bezogene Beschränkung soll verhindern, daß ein wiederholter Wechsel zwischen Inhaftierung und Freilassung zu immer neuen Entscheidungen zwingt206 . Dem wurde jedoch entgegengehalten, daß solche Unbequemlichkeiten noch keinen ausreichenden Anlaß für eine solche Inkonsequenz böten207 . Im übrigen sei mit der Freilassung des Beschuldigten der Ausschlußgrund des Absatzes 1 Satz I Nr. 2, 2 . Alt. prak202

BGBI. I (1978), S. 497.

20J

BGBI. I (1974) , S. 3686.

Gesetzentwurf der Bundesreg. vom 4.10.1977, BT-Drucks. 8/976, S. 38. Kritisch dazu Stellungnahme des Rechtsaussschusses vom 27.1.1978, BT-Drucks. 8/1482, S. 12, wonach nur das Entfallen der Verdachtsmomente die Aufhebung des Ausschlusses rechtfertigen könne. 204

205 Z.B. Hagemann, DRiZ 1932, 260, 262; Vorstand der Anwaltskammer Berlin, JW 1929, 568, 569. Aus heutiger Sicht de lege ferenda : Parigger, Festgabe für Koch, S. 199, 213. 206 Gesetzentwurf der Bundesreg. vom 4.10.1977, BT-Drucks. 8/976, S. 38. 207

Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn. 176.

IV. Ausgestaltung der§§ 138a ff. StPO

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tisch entfallen, da eine Gefährdung der Anstaltssicherheit jetzt nur noch schwerlich vorstellbar sei. Der "jedoch"-Satz ("Die Ausschließung ist aufzuheben, ... , jedoch nicht allein deshalb, weil der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt worden ist, ... ") stelle zudem de facto einen neuen Ausschließungsgrund dar für den Mißbrauch des Verkehrs mit einem freien Beschuldigten, der früher einmal inhaftiert war und der zu dieser Zeit denselben Verteidiger wie nach seiner Entlassung hatte208. Damit stellt sich in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage, ob sich diese Auslegung der in Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 normierten Aufhebungsvoraussetzungen in der Rechtsprechungspraxis realisiert und auf diese Weise ggf. zu einer vom Gesetzgeber nicht vorhergesehenen Ausdehnung der Ausschlußgründe geführt hat.

6. Ausschlußwirkungen nach § 138a Abs. 4 und 5 StPO Im Rahmen der Erörterung der Problembereiche der §§ 138a, b StPO ist abschließend auf die sog. Erstreckungswirkung des Verteidigerausschlusses nach § 138a Abs. 4 und 5 StPO einzugehen. Obwohl diese Vorschriften eine noch über das konkrete Verfahren, in dem der Ausschluß erfolgte, hinausgehende Beschränkung der anwaltliehen Berufsausübung darstellen und damit weitgehende Wirkungen entfalten, fanden sie im Schrifttum nur relativ wenig Beachtung209 . Dies verwundert insbesondere in Anbetracht der Tatsache, daß die genannten Regelungen seit ihrer Einführung kontinuierlich verschärft wurden. Während die ursprüngliche Gesetzesfassung von 1974210 die Ausschlußwirkung lediglich im Falle des Verkehrsmißbrauchs auf andere gegen den inhaftierten Beschuldigten gerichtete Verfahren erstreckte211 , dehnte das Änderungsgesetz vom 18.8.1976212 diese auf alle Ausschließungsfalle des § l38a StPO aus. In einer solchen Erstreckung der Ausschlußwirkung auf andere Verfahren, in denen kein konkreter Verdacht gegen den Verteidiger besteht, sah Dahs213 einen unzulässigen Eingriff in die freie Verteidigerwahl und eine Gefährdung der in Art. 12 GG gewährleisteten BerufsfreiheiL

208

Löwe/Rosenberg/Lüderssen, aaO.

209

Kritik übte insbesondere Dahs , NJW 1976,2145 , 2149 f.

2IO

BGBI. I (1974), S. 497 .

Bereits hierin lag eine Abweichung vom Regierungsentwurf des 2 . StVRG vom 6.9.1974, der gar keine Erstreckungswirkung vorgesehen hatte. 212 BGBI. I (1976), S. 2181 . 211

213

NJW 1976, 2145, 2149 .

80

1. Teil, B. Entstehungsgeschichte und Inhalt

Des weiteren wurde eine in demselben Verfahren auch andere Beschuldigte umfassende Ausschlußwirkung eingeführt, die bei einem Verfahren, das eine Straftat nach § 129a StGB zum Gegenstand hat, sogar noch auf andere Verfahren ausgedehnt wurde, wenn diese ebenfalls eine solche Straftat zum Gegenstand haben. Dies führte zu der kritischen Frage, ob einem Ermittlungsverfahren schon dann das "Etikett" des § 129a StGB gegeben werden dürfe, wenn nur einzelne Ermittlungen auch in Richtung dieser Straftat geführt werden oder nur ein geringer Verdacht bezüglich einer Tat nach § 129a StGB besteht214. Im Zuge der Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung von 1978 wurde die Vorschrift des § 138a Abs. 4 StPO dahingehend geändert21 5, daß eine Erstreckung hinsichtlich der Verteidigung desselben Beschuldigten nicht mehr von der einschränkenden Voraussetzung der Inhaftierung abhängig ist. Zudem wurde für den Verteidiger eines sich nicht auf freiem Fuß befindenden Beschuldigten ein Besuchsverbot "in sonstigen Angelegenheiten" festgeschrieben. Des weiteren verzichtete man in § 138a Abs. 5 StPO bei der sich auf andere Beschuldigte erstreckenden Ausschlußwirkung auf die begrenzenden Merkmale der Inhaftierung und einer bereits erfolgten Einleitung eines Verfahrens wegen einer Straftat nach § 129a StGB. Diese Schritte des Gesetzgebers wurden damit begründet, daß in dem besonders gefährlichen Bereich der terroristischen Gewaltkriminalität der Kontakt zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger, der mit seinem Mandanten gemeinsame Sache mache, rigoros unterbunden werden solle216 . Damit stellt sich die Frage, ob in der Praxis tatsächlich ein Bedürfnis für ein derartig komplexes Verteidigungsverbot besteht, das bereits kraft Gesetzes eintritt und bei Nichtbeachtung durch den ausgeschlossenen Verteidiger zu dessen Zurückweisung wie im Fall des § 146a StPO zwingt 217 • Die Praktikabilität dieser Regelung erscheint zudem auch in Anbetracht der Verweisungsnorm des § 138a Abs. 5 Satz 2 StPO, die die analoge Anwendbarkeit von Absatz 4 festschreibt und die Gesetzeslektüre erheblich erschwert218 , äußerst zweifelhaft.

21 4

Dahs, NJW 1976, 2145, 2149.

21s

BGBI. I (1978), S. 497.

Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 4.10.1977, BT-Drucks. 8/976, S.38; kritisch zu dieser Begründung: Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl., § 138a Rdn. 158 a .E. 216

217 Dahs, NJW 1976, 2145, 2149; KK-Laufhütte, 2. Aufl., § 138a Rdn . 28; Kleinknecht/Meyer, 40. Aufl., § 138a Rdn. 28. 218

Vgl. Löwe/Rosenberg/Lüderssen, 24. Aufl. , § 138a Rdn. 169.

C. Überblick über die Rechtslage im Ausland Bevor auf die Entwicklung der Ausschließungsproblematik in der Rechtsprechung im Hinblick auf eine mögliche Gesetzesnovellierung eingegangen wird, sollen einige ausländische Rechtsordnungen und darin eventuell enthaltene Ausschlußmöglichkeiten kurz dargestellt werden 1• Auch hieraus könnten sich bereits Regelungs- oder Änderungsvorschläge ergeben. I. Schweiz und Österreich

Betrachtet man zunächst die Rechtslage in den dem deutschen Recht am nächsten stehenden Ländern - Österreich und Schweiz -2 , sind bereits erhebliche Divergenzen festzustellen. In der Schweiz richtet sich der Verteidigerausschluß nach den kantonalen Prozeßordnungen, die diese Maßnahme im Rahmen der sitzungspolizeilichen Gewalt gestatten. Im übrigen stellt er in Gestalt der "temporären Einstellung in der Berufsausübung" 3 eine standesrechtliche Disziplinarstrafe dar, durch welche die Aufsichtsbehörde schuldhafte Verletzungen der anwaltliehen Berufspflichten ahndet4. Über diese zeitlich begrenzte Maßnahme hinausgehend ist in schweren Fällen auch die Entziehung des sog. Anwaltspatents denkbar5. In Österreich, wo die Ausschlußproblematik - soweit ersichtlich - bisher wohl nur theoretische Bedeutung erlangt hat6 , stellt sich die Rechtslage hingegen anders dar. Zwar sind auch dort disziplinarische Mittel der Anwaltskammer, die sowohl die sog. Einstellung in der Ausübung der Rechtsanwaltschaft auf höchstens ein Jahr als auch die Streichung von der Liste der Rechtsanwälte umfassen, sowie sitzungspolizeiliche Befugnisse des Gerichts in 1 Einen ausführlichen Überblick gibt insoweit Jescheck, Festschrift fUr Dreher, S. 783 ff. 2 Jescheck, Festschrift für Dreher, S. 783, 788.

Guldener, Schweizerisches Zivilprozeßrecht, S. 642. 4

Guldener, aaO; Jescheck, Festschrift für Dreher, S. 783, 791 f.

5

Guldener, aaO.

Vgl. Jolmes, S. 136, der darauf verweist, daß in Österreich keine veröffentlichte Entscheidung nachweisbar sei, was auf einen größeren "Selbstreinigungseffekt" der Anwaltschaft zurückzuführen sei (S . 138). 6

6 Remagen-Kemmeding

82

1. Teil, C. Überblick über die Rechtslage im Ausland

Gestalt von Wortentziehung und Bestellung eines anderen Verteidigers7 vorgesehen. Mit § 40 Abs. 1 öStPO ist jedoch auch eine ausdrückliche Ausschlußregelung in der Strafprozeßordnung enthalten. Danach ist von der Verteidigung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen, wer als Zeuge zur Hauptverhandlung vorgeladen wurde (§ 40 Abs. 1 Satz 1 öStPO). Des weiteren soll dies im Hinblick auf die Stellung des Verteidigers als Organ der Rechtspflege auch für den Verteidiger gelten, "der im seihen Verfahren Mitbeschuldigter ist oder (sonst) im Verdacht steht, die Verteidigung des Beschuldigten mit kriminellen Mitteln zu führen" 8 . Weitere Ausschließungsgründe wie Vertretung der Gegenpartei und richterliche oder staatsanwaltliehe Tätigkeit in derselben Sache sind zudem in der Rechtsanwaltsordnung (§ 10 öRAO) enthalten9 • Bemerkenswerterweise normiert § 40 öStPO einen Ausschlußgrund, der in die deutsche Regelung gerade nicht aufgenommen worden ist, obwohl er bereits in die Österreichische Strafprozeßordnung von 1873 Eingang fand 10 und bis heute als nahezu selbstverständlich beibehalten worden ist. Hingegen hatte schon der Entwurf des § 138a StPO eine Konfliktsituation des Verteidigers im Falle von dessen entlastender Zeugenaussage verneint und eine Interessenkollision bei einer den Beschuldigten belastenden Aussage zwar für möglich gehalten, aber im Hinblick auf die wenigen Fälle, in denen es nicht zur Mandatsniederlegung komme, als nicht ausreichend für die Schaffung eines Ausschließungstatbestandes der Zeugenstellung des Verteidigers angesehen11.

7 Vgl. §§ 236a, 236, 235 öStPO; dazu auch Jescheck, Festschrift für Dreher, S. 783, 791; Jolmes, S. 138.

8 Foregger/Serini, Die Österreichische Strafprozeßordnung, 1982, § 40 Anm. I; Jescheck, aaO, S. 797, mit Hinweis auf die früher noch andere Auffassung von Foregger/Serini, 2 . Aufl. 1976, § 40 Anm. I; Jolmes, S. 137.

s.

Vgl. Foregger/Serini, aaO, § 40 Anm. I a.E.; Jescheck, aaO, S. 797; Jolmes, 137.

9

10 Bereits in der Fassung vom 23 .5.1873 ist diese Vorschrift enthalten. Vgl. zu den Beratungen von 1861, S. Mayer, Handbuch des Österreichischen Strafprozeßrechtes, s. 394 f. zu § 40. 11 Vgl. Regierungsentwurf zum 2. StVRG vom 6.9.1974, BT-Drucks. 7/2526, S. 12; im Ergebnis zustimmend, aber mit abweichender Begründung Ulsenheimer, GA 1975, 103, 117, der eine Einführung eines solchen Ausschlußgrundes als Ausdruck einer im Rahmen der Wahlverteidigung überspannten Fürsorgepflicht des Gerichts wertete.

II. Frankreich

83

Da beide Rechtsordnungen dem Grundsatz verpflichtet sind, das Recht auf freie Verteidigerwahl so wenig wie möglich zu beschränken 12 , überrascht diese abweichende Regelung und kann somit als Indiz für die Schwierigkeit einer klaren Bestimmung der Ausschließungsvoraussetzungen dienen. Im Ergebnis vermag die Österreichische Lösung jedoch nicht zu überzeugen, da man auch dort offenbar nicht von einer in der Regel zu befürchtenden Konfliktsituation und damit von einem unverzichtbaren Ausschlußgrund ausgeht. Vielmehr wird infolge der Unvorhersehbarkeit des Hauptverhandlungsverlaufes lediglich die bloße Möglichkeit einer Kollision von Verteidiger- und Zeugenpflichten angenommen 13 • Zudem erscheint es in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des § 40 Abs. 1 öStPO bedenklich, diese Vorschrift sinngemäß auf den mitbeschuldigten Verteidiger14 auszudehnen und somit neben der gesetzlichen Regelung weitere Ausschlußtatbestände zu schaffen. II. Frankreich Betrachtet man das französische Recht, so ergibt sich hier wiederum nur eine Lösung im Rahmen des Disziplinarrechts15 . Verstöße gegen Standespflichten außerhalb der Sitzung können von der Rechtsanwaltskammer, deren Disziplinargewalt der Anwalt untersteht, mit einem zeitlichen Berufsverbot (suspension), dem Ausschluß aus der Anwaltschaft (radiation) und dem vorläufigen Verbot der Berufsausübung (interdiction provisoire), das zum sofortigen Ausscheiden des Verteidigers aus dem Verfahren führt, geahndet werden. Während der Sitzung übt auch das Gericht Disziplinargewalt über den Verteidiger aus. Damit ist es befugt, im Rahmen der sitzungspolizeilichen Gewalt auch ein Mitwirkungsverbot für das anhängige Verfahren auszusprechen16. Folglich können die Gerichte zwar nicht auf eine den §§ 138a ff. StPO vergleichbare Regelung zurückgreifen, jedoch bergen gerade die genannten Befugnisseaufgrund ihrer Weite und der Zuständigkeit des Gerichts "in eigener Sache" erhebliche Mißbrauchsgefahren 17 , so daß diese nicht als vorbildlich erscheinen.

12

Hinsichtlich des Österreichischen Rechts ausdrücklich Foregger/Serini, aaO,

§ 40 Anm. I. 13

Foregger/Serini, aaO, § 40 Anm. I.

Vgl. dazu Jolmes, S. 137, mit Hinweisen auf die Auffassung, derzufolge § 40 Abs. 1 öStPO abschließend ist. 14

6•

15

Jescheck, aaO, S. 792 f.

16

Jescheck, aaO , S. 792 f.

17

Jescheck, aaO, S. 793 Fn . 31 sowie S. 798 f.

84

1. Teil, C. Überblick über die Rechtslage im Ausland

111. Großbritannien und USA

Sowohl in Großbritannien als auch in den USA gibt es neben den disziplinarischen Maßnahmen der Suspendierung oder der Ausschließung aus der Anwaltschaft, die entweder den Standesorganisationen unmittelbar zustehen oder von diesen durch eigene Untersuchungen zumindest eingeleitet werden, die Möglichkeit, einen Verteidiger im Falle eines "contempt of court" die weitere Verfahrensmitwirkung zu untersagen 18 • Während sich die Disziplinarmittel nicht auf das schwebende Verfahren auswirken, kann ein während der Sitzung begangenes Fehlverhalten als "contempt of court" zum sofortigen Ausschluß des Verteidigers aus dem laufenden Verfahren führen 19 • Dabei entscheidet der Richter als Verletzter unter Umständen selbst über den ausschlußbegründenden Tatbestand20 , was zum Teil als ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit gewertet wird und damit nicht unumstritten ist21 • Obwohl die "Waffe des contempt of court" teilweise als sinnvoll und vorbildlich gepriesen worden ist22 , erwecken gerade die zum Beleg dieser These angeführten Fallbeispiele erhebliche Zweifel. Diese beruhen zum einen darauf, daß alle zitierten Fälle einen politischen Hintergrund23 haben, der eher zu einer strengen Einzelfallbetrachtung als zu einer Verallgemeinerung des gezeigten Verteidigerverhaltens und der Instrumentalisierung der gerichtlichen Reaktionen Anlaß geben sollte24 • Zum anderen erscheint eine Übertragung der Contempt-Strafe in das deutsche Rechtssystem schon insoweit bedenklich, als sowohl das Verhältnis zwischen Anwaltschaft und Richterschaft als auch die Strukturen des Richterstandes hier nicht mit der Situation im anglo-amerikanischen Rechtsraum vergleichbar sind. Dort übt der Richter die Aufsicht über den Anwalt nicht in Wahrnehmung seiner staatlichen Funktion als Gericht aus, sondern "als der ältere, kontrollberechtigte Vertreter der Legal Profession. "25 , dem gemeinsamen Berufsstand von Anwälten und Richtern. Dementsprechend kann bei I

18

Jescheck, aaO, S. 795 ff.

19

Jescheck, aaO, S. 796 f.

20

Lukanow, S. 70.

21

Lukanow, S. 70; Schwinge, DRiZ 1976, 300, 303.

22

Schwinge, DRiZ 1976, 300, 301.

23

Schwinge, DRiZ 1976, 300, 301-303.

Im Fallbeispiel des Chicago Conspiracy Trial hat Schwinge selbst auf die ungewöhnliche Höhe der ausgesprochenen Contempt-Strafen hingewiesen, die von der Rechtsmittelinstanz aufgehoben wurden (S. 302). 24

25

Lukanow, S. 77.

IV. Ergebnis

85

den angelsächsischen Richtern im Gegensatz zu deren deutschen Amtskollegen ein bestimmtes Alter und ein nicht nur geringer Erfahrungsschatz als selbstverständlich vorausgesetzt werden26 , so daß grundsätzlich auch von einer Akzeptanz der gegen das jüngere Standesmitglied verhängten Sanktion auszugehen ist. IV. Ergebnis

Zusammenfassend ergibt sich, daß die dargestellten ausländischen Regelungen keinen praktikablen Lösungsweg für die sich im deutschen Recht stellende Ausschlußproblematik eröffnen. Während die angeführten standesrechtlichen Disziplinarmittel als Modifikationen der in § 114 BRAO festgelegten ehrengerichtliehen Maßnahmen des zeitlich befristeten Vertretungsverbotes (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO) sowie der Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. I Nr. 5 BRAO) umschrieben werden können, fehlt es jedoch an Regelungen, die mit den Vorschriften der §§ 138a ff. StPO unmittelbar vergleichbar wären. Unabhängig davon, ob der von Jescheck vertretenen Auffassung, daß die deutsche Regelung von den Auslandsrechten nur in dem einen Punkte übertroffen werde, daß sie dort bisher zu vermeiden gewesen sei27 , zugestimmt werden kann, sind aus der ausländischen Rechtslage jedenfalls keine Einzelheiten für eine die Ausschlußnormen betreffende Gesetzesnovellierung ableitbar. Es bleibt aber die Frage zu beantworten, ob sich der Verteidigerausschluß nicht auch im deutschen Recht als ein überflüssiges Instrumentarium darstellen könnte, wenn die anwaltliehen Standesorganisationen einen stärkeren, disziplinierenden Einfluß auf das Verhalten ihrer Mitglieder ausüben würden. Die These, daß eine funktionierende Standesgerichtsbarkeit präventive Wirkungen entfaltet, findet insbesondere im anglo-amerikanischen Recht, das durch ein gewachsenes strenges Standesbewußtsein geprägt ist, ihre Bestätigung. Diese Aussage läßt sich zwar nicht bedenkenlos auf deutsche Verhältnisse übertragen, da sich die berufsständischen Strukturen wesentlich unterscheiden. Dennoch könnte auch hier das Drohen schwerwiegender beruflicher Konsequenzen - beispielsweise in Gestalt des genannten Vertretungsverbots nach § 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO, der Ausschließung aus der Anwaltschaft nach § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO sowie der entsprechenden vorläufigen Maßnahmen der §§ 150, 161a BRAO- einen Rückgang grob standeswidriger und 26 Auf diese Bedenken gegen eine Übertragbarkeit der Contempt-Strafe hat auch Schwinge, DRiZ 1976, 300, 304, selbst hingewiesen. 2? Jescheck, aaO, S. 799.

86

1. Teil, C. Überblick über die Rechtslage im Ausland

somit zum Teil auch ausschlußbegründender Verhaltensweisen bewirken. In diesem Zusammenhang ist nicht zu verkennen, daß die angeführten Maßnahmen bisher in ehrengerichtliehen Hauptverfahren nur äußerst selten verhängt oder auch nur beantragt wurden28 . Dies erscheint in Anbetracht der häufig erhobenen Vorwürfe, der Anwaltschaft fehle die Kraft, "sich von ungeeigneten Vertretern ihres Standes rasch zu befreien" 29 und damit wichtige berufsständische Aufgaben wahrzunehmen, insgesamt als unbefriedigend. Auch die mögliche Ursache für diese restriktive Handhabung des ehrengerichtlichen Instrumentariums, die nicht zuletzt in der strengen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts30 zu sehen ist31 , vermag an dieser Bewertung nichts zu ändern. Die einschränkenden Anwendungsvoraussetzungen dürfen nicht dazu führen, daß die Instanzen, die mögliche Verletzungen anwaltlicher Berufspflichten aufzuklären und zu ahnden haben, schon im Vorfeld von jeglicher Prüfung absehen32 • Wenngleich eine schärfere standesrechtliche Verfolgung keine Gewähr dafür bieten kann, daß sich das Mittel der §§ 138a ff. StPO tatsächlich als obsolet erweisen wird, erscheint eine in diese Richtung zielende Entwicklung der Ehrengerichtsbarkeit jedenfalls als wünschenswert33 • Letztlich müßten sich derartige Maßnahmen als im Vergleich zur Ausschließung nach §§ 138a ff. StPO - weniger belastende Eingriffe erweisen, da sie grundsätzlich ohne Einfluß auf das gegen den Beschuldigten geführte Strafverfahren und dessen Verteidigungsinteressen blieben.

28 Vgl. Heym, in: 25 Jahre Bundesrechtsanwaltskammer, S. 63, 66 mit Fn. 17; in diesem Sinne auch Lantzke, JR 1973, 357, 358. 29

Heym, aaO., S. 69.

Vgl. z.B. BVerfGE 44, 105 ff.; 48, "292 ff.; zur rechtserheblichen Bedeutung der Standesrichtlinien im ehrengerichtliehen Verfahren vgl. BVerfGE 76, 171 ff. 30

31

Heym, in: 25 Jahre Bundesrechtsanwaltskammer, S. 63, 67.

32

Ähnlich Heym, aaO., S. 71.

33

Vgl. dazu Rudolph, DRiZ 1973, 257 ff.

2. Teil A. Analyse der zu §§ 138a ff. StPO ergangenen Rechtsprechung im Zeitraum von 1975 bis 1990 I. Auswertungsgrundlage Die nachfolgende Rechtsprechungsauswertung basiert auf 114 Beschlüssen, die in insgesamt 89 selbständigen Ausschlußverfahren ergangen sind, sowie weiteren acht Entscheidungen, die zwar Fragen des Verteidigerausschlusses betreffen, die aber keine Entscheidungen im Sinne der §§ 138a ff. StPO darstellen; dabei erstreckt sich der Untersuchungszeitraum vom lokrafttreten der Normen am 1.1.1975 bis zum 31.12.19901• Die herangezogenen Beschlüsse, die zu einem großen Teil nicht veröffentlicht sind, konnten aufgrund von Mitteilungen des Bundesministeriums der Justiz, Nachforschungen seitens der Strafsenate der Oberlandesgerichte Köln, Düsseldorf und Ramm, Auskünften weiterer Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofes, Angaben betroffener Verteidiger sowie Informationen aus der JURIS-Datensammlung ermittelt werden. Eine abschließende Aussage über die genaue Anzahl der tatsächlich in dieser Zeitspanne ergangenen Ausschlußentscheidungen ist aber nicht möglich, da weder amtliche Statistiken bzw. Register existieren, die diese Beschlüsse erfassen, noch einheitliche Aktenzeichen Verwendung finden . Die jeweiligen Entscheidungen werden sowohl wie Beschwerden in Straf- und Bußgeldsachen mit dem OLG-Aktenzeichen "Ws" bzw. BGH-Aktenzeichen "StB" bezeichnet als auch in das allgemeine Register (Aktenzeichen "AR") oder als "ARs"Sachen eingestuft bzw. unter dem nicht amtlichen Aktenzeichen "Ausschl." geführt. Letzteres bietet den Vorteil, daß ein Auffinden anhand von Registern überhaupt ermöglicht wird. Die folgenden statistischen Angaben können daher im mathematischen Sinne nur als sog. Näherungswerte bezeichnet werden, die jedoch deutliche Tendenzen erkennbar machen und denen aufgrund der unterschiedlichen Entscheidungsquellen und der zum Teil umfangreichen Nachforschungen durch die Oberlandesgerichte Aussagekraft zuzuerkennen ist.

1

V gl. vollständige Auflistung der zugrundegelegten Beschlüsse im Anhang A.

88

2. Teil, A. Analyse der zu §§ 138a ff. StPO ergangenen Rechtsprechung

Dies wird auch durch eine von Rieß2 durchgeführte Untersuchung bestätigt, welche die Zeit von 1975 bis 1980 umfaßt und auf eine vom Bundesjustizministerium veranlaßte Entscheidungssammlung gestützt werden konnte. Die insoweit ermittelten Zahlenangaben und Ergebnisse weichen in ihrer Gesamtheit nicht erheblich von denjenigen Aussagen ab3 , die sich auf den Zeitraum bis zum 31.12.1990 beziehen. Keinen Eingang in die Rechtsprechungsanalyse fanden Entscheidungen, die sich nicht unmittelbar mit den Ausschlußnormen der §§ 138a bis d StPO befassen. Hierunter fallen Zurückweisungen des Verteidigers gemäß § 146a StPO und solche, die als Folge des NiebUragens einer Anwaltsrobe ausgesprochen wurden4 , sowie Verbote der Teilnahme an einzelnen Verfahrensabschnitten, beispielsweise an Vemehmungen5 • Widerrufe von Pflichtverteidigerbestellungen, die in der Regel durch bloße Verfügungen des Vorsitzenden ausgesprochen und daher nicht als gesonderte Verfahren geführt werden, konnten lediglich insoweit in die Rechtsprechungsanalyse einbezogen werden, als sich Abgrenzungsfragen zu §§ 138a ff. StPO stellten. II. Statistische Angaben: Anwendungshäufigkeit, Ausschlußquoten sowie Anzahl der einen Ausschluß ablehnenden Entscheidungen

1. Allgemeine Übersicht Die im Auswertungszeitraum von 1975 bis 1990 nachgewiesenen 89 selbständigen Ausschließungsverfahren im Sinne der §§ 138a ff. StPO teilen sich zeitlich wie folgt auf:

2

NStZ 1981, 328 ff.

Bezügl. der Abweichungen vgl. im einzelnen Tabelle I. in der die Angaben von Rieß gesondert ausgewiesen sind. 4 Vgl. dazu 1. Teil, B IV 2 b). 5 Vgl. BVerfGE 38, 105. 3

II. Statistische Angaben

89

Tabelle I

1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990

12•

7 9 10 8 6 2 4 4 1 3 10 6 2 1 4

(14)b (7) (9) (9) (9) (6)

Vgl. chronologische Entscheidungsliste im Anhang A. Die Zahlen in Klammern geben die von Rieß, NStZ 1981, 328 ff., ermittelten Ergebnisse an. a

b

Dabei beruhen die um zwei Verfahren abweichenden Angaben für 1975 darauf, daß die von Rieß herangezogenen Entscheidungen des OLG Frankfurt, 3 ARs 41175, Datum unbekannt, sowie 3 ARs 126175 vom 21.7.1975, dort nicht auffindbar waren. Des weiteren liegen den Angaben für die Jahre 1978 und 1979 Differenzen bezüglich des Entscheidungsmaterials zugrunde. Während die amtliche Sammlung des BMJ, auf die Rieß seine Auswertung stützte, den Beschluß des OLG Hamm vom 8.3.1979, 6 ARs 3179, ausweist, der der Verfasserio nicht zur Verfügung gestellt werden konnte, fehlt dort die Entscheidung des BGH vom 26.6.1978, AnwSt (B) 16177, AnwBI. 1979, 44.

Dieser Überblick verdeutlicht, daß die meisten Entscheidungen im Jahre

1975, also unmittelbar nach lokrafttreten der Ausschlußnormen ergangen sind. Seit 1976 beläuft sich die jährliche Anzahl auf nur noch maximal neun

Ausschließungsverfahren, so daß eine quantitative Konstanz und zugleich ein - an absoluten Zahlen gemessen - relativ geringes Anwendungsbedürfnis feststellbar ist. Wie sich die Ausschließungspraxis im einzelnen gestaltet hat, soll zunächst durch eine tabellarische Übersicht aufgezeigt werden.

b

..

23

14

insgesamt:

gesamt: zuzüglich:

48 erstinstanzliehe Ablehnungen 3 zweitinstanzliehe Ablehnungen 51 rechtskriiftige Ablehnungen

(Nr. 85) (Nr. 88;89)

(Nr. 66) (Nr. 71;74) (Nr. 79a;82)

(Nr. 50;51 ;52) J (Nr. 54)

I 3 1 0 0 0 1 2 2 0 I 2

2

0 0 0 1 (Nr. 58) 0 0 0 3 (Nr. 68;70;76) I (Nr. 80) 0 0 0

2 (Nr. 39;45)

4

2 1

4

in Klammem llJl&Cführten Nummern bezeichnen die in der Entscheidungsliste (vgl. Anhang A) in chronoloeischer Reihc:nfolec zitierten Beschlüsse.

(Nr. 86b)

(Nr. 84b)

(Nr. 64b)

(Nr. 1;10;11)

2 (Nr. 14;19) I (Nr. 25)

3

wegen Unbegründetheil

(Nr. 32;33 ;35 ; 4 37) (Nr. 43) 1

Die l"Ursiv gedruckten Zahlen beziehen sich auf die von RieB, NStZ 1981 , 328 ff., ennittcltcn Angaben .

[)je

2

(Nr. 47b) (Nr. 55b) (Nr. 59b;60b)

2

1 (Nr. 40b)

14

in•ge.•amt: 28 rechtskriiftige Ausschlüs•e

gesamt 31

1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990

I

0

0

3

1979 I 0 I 2 0 1 0 0 I 0 I

0

0

1 (Nr. 36)

5 4 (Nr. 40a;41; 42a;44a) 3 (Nr. 47a;48 ;49) J 1 (Nr. 53) 2 (Nr. 55a;56) 2 (Nr. 59a;60a) 1 (Nr. 63) 2 (Nr. 64a;65) 2 (Nr. 72;73a) 0 2 (Nr. 83;84a) 0 I (Nr. 86a)

1978

J

4 5 22;23;26) 3la) (Nr. 2

I

(Nr. 15)

5 (Nr. 20;21;

0 1

I I

0

(Nr. 4b;5b;6b; 9b) (Nr. 13b) (Nr. 24b)

wegen Unzulässigkeil

Ausschlußablehnungen in I. Instanz

J

4

nicht erfolgreich

2 (Nr. 42b; 2 44b) 0 0 0 0 0 0 0 1 (Nr. 73b) 0 0 0 0

0 0

0 0

1976 1977

1

0

1975

0

erfolgreich

Beschwerden

6 (Nr. 8 2;4a;5a; t}> 6a;9a;12) 1 (Nr. 13a) 1 3 (Nr. 24a;27;28) J

Ausschluß in 1. Instanz

Tabelle II

II

0 0 I 2 0 0 2 3 0 0 0

0

0

(Nr. 69;75) (Nr. 77;78;81)

(Nr. 57) (Nr. 61 ;62)

2 (Nr. 16;17 0

I (Nr. 3)

ohne eindeutige Differenzierung

10

0 0 0 0 0 0 1 (Nr. 67) 0 0 0 1 (Nr. 87)

0

4 (Nr.29;30; 2 34;38) 1 (Nr.46) 1

2 (Nr. 7a!b;) 0 8) 1 (Nr.l8) 1 0 0

Sonstige Entscheidungen in selbständigen V erfahren nach §§138aff.StPO

:::0 IJ

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F

-l

N

\C

0

li. Statistische Angaben

91

Diese AufschlüsseJung der in 89 eigenständigen Ausschlußverfahren" ergangenen Beschlüsse ergibt somit, daß es in 31 Verfahren zu einer erstinstanzlichen Ausschließung kam und in insgesamt 48 Entscheidungen eine solche abgelehnt wurde. Des weiteren wurde über 10 Ausschließungsanträge bzw. Vorlagen in sonstiger Weise entschieden; dabei bezogen sich vier Entscheidungen auf die Fortführung des Ausschlußverfahrens als Feststellungsverfahren gemäß § 138c Abs. 5 StP06 • Von den 17 gegen oberlandesgerichtliche Ausschlußentscheidungen eingelegten sofortigen Beschwerden (§ 138d Abs. 6 StPO) waren nur 3 Beschwerden erfolgreich, so daß von den 31 erstinstanzliehen Ausschließungsbeschlüssen 28 Rechtskraft erlangten. Im Verhältnis zu den 89 nachgewiesenen Ausschlußverfahren im Sinne der §§ 138a ff. StPO errechnet sich damit eine Ausschlußquote von 31,5 %7 • Hingegen wurden insgesamt 51 Ausschließungsanträge bzw. Vorlagen8 , d.h. 57,3 %, rechtskräftig abgelehnt 9 • Damit scheint auch die relativ niedrige Ausschlußquote von einem knappen Drittel auf ein nur recht geringes Anwendungsbedürfnis hinsichtlich der Ausschlußnormen hinzudeuten. Jedoch darf in diesem Zusammenhang die wesentlich höhere Anzahl von Verfahrenseinleitungen nicht unberücksichtigt bleiben. Da die über den Verteidigerausschluß entscheidenden Oberlandesgerichte bzw. der Bundesgerichtshof nur auf Vorlage des Gerichts, bei dem das Hauptverfahren gegen den Beschuldigten anhängig ist, oder auf Antrag der Staatsanwaltschaft tätig werden können (§ 138c Abs. 2 StPO) und eine Vorlage oder Antragstellung nur dann erfolgt, wenn die das Ausschlußverfahren einleitenden Justizorgane ein Ausschließungsbedürfnis bejaht haben, vermag die hohe Zahl der im Ergebnis abgelehnten Ausschließungen (57, 3 %) nicht darüber hinwegzutäuschen, daß Prozeßgerichte und Ermittlungsbehörden weitaus häufiger auf die §§ 138a ff. StPO zurückgreifen, als dies letztlich in Die im folgenden angegebenen Nummern bezeichnen die im Anhang A in zeitlicher Reihenfolge erfaßten Beschlüsse, die in selbständigen Ausschlußverfahren im Zeitraum von 1975-1990 ergangen sind . Soweit die Entscheidungen nur mit Nummern zitiert werden, handelt es sich um unveröffentlichte Beschlüsse. 6 KG: Nr. 29; OLG Frankfurt: Nr. 38; OLG Koblenz JR 1980, 478 = Nr. 46; OLG Hamm: Nr. 67. 7 Für den Zeitraum von 1975-1980 ermittelte Rieß , NStZ 1981, 328, 329, eine relativ geringfügig abweichende Ausschlußquote von 35 %. 8

48 erstinstanzlieh und drei in der Beschwerdeinstanz.

Die verbleibenden 11,2 % der selbständigen Verfahren endeten mit sonstigen Entscheidungen. 9

92

2. Teil, A. Analyse der zu §§ 138a ff. StPO ergangenen Rechtsprechung

der Ausschlußquote zum Ausdruck kommt. Folglich spiegelt diese Diskrepanz die zumindest latente Gefahr einer exzessiven und somit mißbräuchlichen Anwendung der Ausschlußnonnen wider, deren Realisierung nur die bisher eher restriktive Rechtsprechung verhindert hat. 2. Statistische Angaben unter Berücksichtigung der Verfahrenshintergründe

Da die Gegner einer Ausschlußnormierung insbesondere bei sog. politischen Prozessen Mißbrauchsgefahren prognostizierten 10 , bedarf es weiterhin der Untersuchung, ob in Verfahren wegen - im weitesten Sinne - politisch geprägter Straftaten eine Abweichung von der in anderen Verfahren geübten Ausschlußpraxis feststellbar ist. Dabei sind mögliche zeitliche Zusammenhänge zwischen den jeweiligen Verfahrenshintergründen und den Verfahrensergebnissen aufzuzeigen. Tabelle 111 gibt insoweit zunächst einen chronologischen Überblick.

10

Vgl. 1. Teil, B III 3.

0 0 0 0 0 1 1 0 0 0 I 1

7

1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990

gesamt

8

0

1978

10

0 0 0 0 0 1 (Nr.63) 0 0 0 0 0 0 4

0 0 0 0 0 0 0 0 3 (Nr.77;81;82) 0 0 0 8

8 6 2 4 4 0 2 10 3 2 0 3

64

64;65) 67-76) 78-80) 83 ;84)

(Nr. (Nr. (Nr. (Nr. (Nr. 86;88;89)

39-46) 47-52) 53;54) 55-58) 59-62)

(Nr. (Nr. (Nr. (Nr. (Nr.

5

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0

3 (Nr.31;34;38)

----

1 (Nr.36)

0 1 (Nr.24)

4 (Nr.4;5; 6;9) 0 0

1 (Nr. 18) 1 (Nr. 27)

5 (Nr. 1;3;8;

2 (Nr.2;12)

(Nr.86)

(Nr.83;84)

(Nr.64;65) (Nr.72)

(Nr.40;41) (Nr.47-49) (Nr.53) (Nr.55,56) (Nr.59;60)

198

2 3 1 2 2 0 2 1 0 2 0 1

0

1 (Nr.13) 2 (Nr.27;28)

0

Rechtskräftige Ausschlüsse in: terroristischen anderen politischen Verfahren

0

nicht feststellbar

10;11) 6 (Nr. 13-17;19) 6 (Nr. 20;21 ;22; 25 ;26;28) 3 (Nr. 30;33;37)

anderes

Einschließlich KG: Nr. 27; der Verfahrenshintergrund ist hier nicht erkennbar.

(Nr.85) (Nr.87)

(Nr.63) (Nr.66)

0 1 (Nr.23)

0 1 (Nr.24)

1976 1977

4 (Nr.29;32; 35;36) 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

5 (Nr.4-7;9)

2 (Nr.2;12)

1975

Verfahrenshintergrund: terroristisch politisch

Tabelle 111

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--g.

94

2. Teil, A. Analyse der zu §§ 138a ff. StPO ergangenen Rechtsprechung

Betrachtet man zum einen die Gesamtzahl der Verfahren mit politischen und terroristischen Hintergründen und zum anderen die Anzahl der sonstigen Verfahren, so zeigt sich, daß die 17 sog. politischen Verfahren im Vergleich zu den 64 nichtpolitischen nur eine Minderheit von 19, 1 % der gesamten Ausschließungsverfahren darstellen 11 • Somit folgt schon aus diesem Zahlenverhältnis, daß sich die Befürchtung, die Ausschlußnormen kämen in erster Linie bei der Verteidigung sog. politisch motivierter Straftäter zur Anwendung, jedenfalls dann nicht bestätigt hat, wenn man den gesamten Untersuchungszeitraum zugrunde legt. Stellt man hingegen auf die Jahre 1975 bis 1978 ab, d.h. auf den Zeitraum, der in besonderem Maße von terroristischen Gewalttaten und den sich anschließenden Strafprozessen geprägt war12 , so ändert sich das Bild: Von 38 eigenständigen Ausschlußverfahren hatten 13, damit 34,2 %, einen politischen oder terroristischen Hintergrund, während nach 1978 nur noch 4 Verfahren mit politisch gefarbten Sachverhalten zu verzeichnen sind. Von den insgesamt 17 derartigen Verfahren betraf der überwiegende Teil, nämlich 10 Verfahren, Prozesse wegen terroristischer Straftaten13 • Hingegen weisen die verbleibenden 7 Verfahren politische Hintergründe ganz unterschiedlicher Art auf. So handelte es sich bei den diesen zugrundeliegenden Haupttaten um die Verteilung von Flugblättern anläßlich des Geburtstages von Rudolf Heß 14 , das Beschmieren von Bildern einer Ausstellung über den Nationalsozialismus15 , Straftaten im Zusammenhang mit einer Demonstration16, insgesamt drei Fälle von Sitzblockaden vor amerikanischen Militäreinrichtungen17, sowie um Nötigung im Zusammenhang mit einer Demonstration anläßlich eines Herbstmanövers 18 . Somit ist die Ausschlußproblematik zwar nicht auf den Bereich der RAF-Prozesse beschränkt geblieben, jedoch wird anband der relativ hohen Anzahl von 9 diesbezüglichen Verfahren deutlich, daß die Motivation des Gesetzgebers, mit der Einführung der Ausschluß-

11

bar.

Bei den verbleibenden 8 Verfahren ist der Hintergrund nicht eindeutig feststell-

12 Zu dieser Thematik ausführlich Aust, Der Baader Meinhof Komplex, insbesondere S. 323 ff.

13 Davon bezog sich ein Verfahren, BGHSt, 28 , 116 = Nr. 36, auf die Unterstützung einer rechtsradikalen Vereinigung, vgl. Rieß, NStZ 1981, 328, 330. 14

KG AnwBI. 1975, 168 = Nr. 2.

15

KG: Nr. 12.

16

17

OLG Hamburg: Nr. 24a; BGH: Nr. 24b. OLG Stuttgart: Nr. 63; OLG Zweibrücken: Nr. 85; OLG Stuttgart: Nr. 87.

18

OLG Celle: Nr. 66.

II. Statistische Angaben

95

normen einen Beitrag zur Terrorismusbekämpfung zu leisten, in den ersten Geltungsjahren der §§ 138a ff. StPO auch ihren Niederschlag gefunden hat. Die Tendenz zu einer erhöhten Bereitschaft, ein Ausschlußverfahren einzuleiten, wurde zudem von einer höheren Ausschlußquote im Rahmen der gegen politisch motivierte Täter geführten Strafverfahren begleitet. In den diesbezüglichen 17 selbständigen Ausschlußverfahren wurde der Verteidiger in 9 Fällen ausgeschlossen; damit ergibt sich hier eine Ausschließungsquote von 52,9 %, während es in den übrigen 64 Verfahren, die eindeutig sonstige Delikte von vollkommen unterschiedlicher Schwere betrafen, nur 18mal zum Ausschluß kam, so daß sich die Quote insoweit auf 28,1 % beläuft. Beschränkt man die vergleichende Analyse auf den Zeitraum von 1975 bis 1978, so fallt das Ergebnis noch klarer aus. In den in dieser Zeitspanne nachweisbaren 13 sog. politischen Fällen lassen sich 8 Verteidigerausschlüsse nachweisen, die einer Quote von 61,5 % entsprechen; hingegen erfolgten in den 20 nicht politischen Verfahren 19 , die in dieser Zeit stattgefunden haben, nur zwei Ausschließungen mit einer Quote von lediglich 10 %20 • Dieser Vergleich rechtfertigt es, der von Rieß21 vertretenen Auffassung, es lasse sich nicht feststellen, ob die in sog. politischen Fällen deutlich höhere Ausschlußquote signifikant oder bei den geringeren absoluten Zahlen zufallsbedingt sei, zu widersprechen und die Zufallsalternative als eher fernliegend anzusehen. Dennoch erscheint es als zu weitgehend, auf dieses Zahlenmaterial den Vorwurf einer "politischen Justiz" zu stützen. Eine solche Folgerung wäre allenfalls dann zulässig, wenn die höhere Ausschlußquote nachweisbar darauf beruhte, daß in Verfahren gegen politisch motivierte Straftäter andere Maßstäbe für die Verteidigerausschließung Geltung erlangt hätten. In Anbetracht der durch Einzelfalle stark geprägten einschlägigen Judikatur ist jedoch eine derartig generalisierende Aussage nicht möglich. 3. Besonderheiten im Rahmen der eine Ausschließung ablehnenden Beschlüsse Da sich die dargestellte Statistik überwiegend auf Ausschlußquoten und damit auf solche Entscheidungen bezieht, die im Ergebnis zum Ausschluß des Verteidigers führten, bedarf es noch einer genaueren AufschlüsseJung deijenigen Beschlüsse, durch die eine Ausschließung abgelehnt wurde.

Bei fünf Verfahren ist der Hintergrund nicht erkennbar. Ein Ausschluß im Jahre 1977 bezieht sich auf ein Verfahren, dessen Hintergrund nicht zutage tritt: KG: Nr. 27. 19

20

21

NStZ 1981, 328, 329.

96

2. Teil, A. Analyse der zu §§ 138a ff. StPO ergangenen Rechtsprechung

Wie bereits ausgeführt, ist in der Mehrzahl der eingeleiteten Verfahren, d.h. in 61 Verfahren und damit in 68,5 %, keine Ausschließung erfolgt. In der Begründung der Ablehnungsentscheidungen wurde häufig zwischen Unzulässigkeil und Unbegründetheil des dem Verfahren zugrundeliegenden Ausschließungsantrags oder gerichtlichen Vorlagebeschlusses22 unterschieden. Danach stützte sich die erstinstanzlieh ausgesprochene Ablehnung in insgesamt 14 Verfahren auf Unzulässigkeit; hingegen wertete man 23 Ausschlußbegehren als unbegründet, bei weiteren 11 nachweisbaren Ablehnungen fehlt es insoweit an einer eindeutigen Festlegung. Somit ist sowohl nach den Gründen für eine solche Differenzierung als auch nach den von der Rechtsprechung herangezogenen Kriterien für die jeweilige Einstufung zu fragen. Als ein wesentliches Merkmal fiir die Annahme eines unzulässigen Ausschließungsantrags bzw. Vorlagebeschlusses hat sich dabei die Nichterfüllung sog. Mindestanforderungen23 herausgebildet. Da diese für die ordnungsgemäße Einleitung des Ausschlußverfahrens von Bedeutung sind, bleibt die Erörterung des konkreten Umfangs der Mindestanforderungen sowie der möglichen Konsequenzen im Falle ihres FehJens dem Teil der Untersuchung vorbehalten, der sich mit Verfahrensfragen im Sinne der §§ 138a ff. StPO befaßt. 111. Ausschlußgrundlage

Zunächst soll die Rechtsprechungsauswertung Aufschluß darüber geben, ob mit Einführung der Ausschlußnormen eine klare Begrenzung der Ausschließungsmöglichkeiten auf die Fälle der §§ 138a, b StPO erfolgt ist oder ob die Praxis dazu neigt, die Ausschlußgrundlagen - über ihren Wortlaut hinausgehend - auf andere Fallkonstellationen auszudehnen. Dies hätte wohl zur Folge, daß im Vergleich zur früheren "gesetzlosen" Rechtslage keine einschneidende Änderung eingetreten wäre. In diesem Zusammenhang ist jedoch festzuhalten, daß im gesamten Untersuchungszeitraum keine Entscheidung nachweisbar ist, die in analoger Anwendung der §§ 138a, b StPO eine - ggf. unzulässige - Erweiterung der gesetzlichen Ausschlußmöglichkeiten vorgenommen hätte. Vielmehr wurde von der Rechtsprechung die Grundlage des § 138a StPO stets unmittelbar herangezogen.

22

Vgl. Tabelle II.

23

Grundlegend dazu OLG Karlsruhe NJW 1975, 943 = Nr. 3.

III. Ausschlußgrundlage

97

Dementsprechend wurde in einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz24 , der ein Befangenheitsantrag zugrundelag, ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ein Verteidigerausschluß in den Formen zu erfolgen habe, die das Gesetz vorschreibt. Eine sog. faktische Ausschließung sei nicht vorgesehen. So wertete das OLG die Nichtberücksichtigung des mitangeklagten Verteidigers bei der Zustellung der seinen Mandanten betreffenden Anklageschrift als geeignet, "bei dem Angeklagten den Eindruck zu erwecken, daß einer seiner Verteidiger ohne gesetzliche Grundlage von seiner Verteidigung faktisch ausgeschlossen (werde)". Eine ähnlich stringente Auffassung in bezug auf den abschließenden Charakter der Ausschlußregelungen hat auch das OLG Stuttgart25 vertreten, indem es einen Kunstgriff des im Hauptverfahren erkennenden Gerichts rückgängig machte. Das Landgericht hatte im Berufungsverfahren die Zurückweisung des zunächst mitangeklagten und - in erster Instanz nicht rechtskräftig - freigesprochenen Verteidigers auf das Verbot der Mehrfachverteidigung des § 146 StPO gestützt. Das OLG lehnte diese Vorschrift jedoch als Ausschlußgrundlage ab, da infolge der §§ 138a, b StPO kein Raum für ihre Anwendung bleibe. Die Regelung des § 146 StPO betreffe ausschließlich die Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch einen gemeinschaftlichen Verteidiger; der sich selbst verteidigende Beschuldigte sei aber insoweit nicht als Verteidiger anzusehen. Zu erwähnen bleibt hier noch eine der jüngsten der zu §§ 138a ff. StPO nachweisbaren Entscheidungen, in der das OLG Düsseldorf26 darauf hinwies, daß ein Ausschluß wegen einer Strafbarkeit des Verteidigers nach § 164 StGB nicht in Betracht komme, da diese Straftat nicht als Ausschließungsgrund normiert sei. Somit sind zur Zeit keine Anzeichen erkennbar, die auf eine die Ausschlußnormen erweiternde Praxis deuten könnten. Jedoch ist diese Aussage auf den Bereich der Wahlverteidigung zu beschränken, da sich bei der Pflichtverteidigung die Frage stellt, ob die Rechtsprechung eine Zurückweisung des bestellten Verteidigers - gegebenenfalls neben einer Ausschließungsmöglichkeit gemäß §§ 138a ff. StPO - aus sog. wichtigem Grund nach §§ 141, 143 StPO für zulässig erachtet. Dabei ist erheblich, wie die Judikatur den Anwendungsbereich der §§ 138a ff. StPO bestimmt.

24

Beschl. vom 7.10.1985, StV 1986, 7.

25

Beschl. vom 18.11.1986, OLG StPO § 138a Nr. 3.

26

OLG Düsseldorf: Nr. 88.

7 Remagen-Kemmerlin&

98

2. Teil, A. Analyse der zu §§ 138a ff. StPO ergangenen Rechtsprechung

IV. Anwendungsbereich

1. Anwendbarkeit der §§ 138a .ff. StPO auf den Pjlichtverteidiger? Wie bereits dargestellt27 , ist in der Literatur bisher keine Einigung bezüglich der Anwendbarkeit der Ausschließungsnormen auf den Pflichtverteidiger erzielt worden, obwohl die mittlerweile wohl überwiegende Meinung den Pflichtverteidiger mit überzeugenden Argumenten in den Geltungsbereich der §§ 138a ff. StPO einbezieht. Die Rechtsprechung scheint von einer einheitlichen Praxis hinsichtlich dieser Problemstellung noch weiter entfernt zu sein, wenngleich sich in neuester Zeit eine Tendenz abzeichnet, die auf eine umfassende Anwendung der §§ 138a ff. StPO hindeutet. Auffallend ist zunächst, daß die eigentliche Problematik über einen relativ langen Zeitraum keinerlei Niederschlag in den Entscheidungen fand. So erwähnte das OLG Köln28 in einem die Ausschließung ablehnenden Beschluß vom 5.2.1975 noch nicht einmal, daß es sich bei dem betroffenen Verteidiger um einen Pflichtverteidiger handelte. In dieser viel beachteten Entscheidung zur Abgrenzung zwischen ordnungsgemäßer Verteidigung und dem als Ausschlußgrund in § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO normierten Tatbestand der Strafvereitelung wurden keinerlei Zweifel an der Anwendbarkeit der §§ 138a ff. StPO laut. Ebensowenig sah sich das Kammergericht veranlaßt, in seinen über Ausschließungsanträge getroffenen Entscheidungen vom 18.5. 197729 , 14.11.197730 und 8.6.197831 die Anwendbarkeit der §§ 138a ff. StPO im Bereich der Pflichtverteidigung zu diskutieren. Es begnügte sich vielmehr mit der jeweils beiläufigen Angabe, daß es sich um einen bestellten Verteidiger handele, und prüfte im übrigen die Ausschlußvoraussetzungen gemäß §§ 138a ff. StPO. Dies erscheint insbesondere in Anbetracht der zuvor ergangenen verfassungsrichterlichen Entscheidung vom 8.4.1975 32 wenig verständlich, da bereits dort umfassend auf Ausschließungsfragen im Bereich der Pflichtverteidigung eingegangen worden war. So hatte das Bundesverfassungsgericht33 ausgeführt, die Bestimmungen der §§ 138a ff. StPO bezögen sich lediglich auf die Wahlverteidigung, da die 27 28

29

Vgl. 1. Teil, B IV 3. NJW 1975, 459 f. = Nr. l. KG: Nr. 25.

30

KG: Nr. 27.

31

KG NJW 1978, 1538 f.

32

BVerfGE 39, 238 ff.

33

BVerfGE 39, 238, 245.

= Nr. 32.

IV. Anwendungsbereich

99

grundlegende, den Anstoß für die Neuregelung gebende verfassungsgerichtliche Entscheidung34 nur in diesem Bereich eine Gesetzeslücke aufgedeckt habe35 und zwischen der Ausschließung eines Wahlverteidigers und der Abberufung eines Pflichtverteidigers "ein grundlegender Unterschied" bestehe36 • Der abberufene Verteidiger könne sich als Wahlverteidiger bestellen lassen und sei dann nur noch über §§ 138a ff. StPO vom Verfahren auszuschließen. Danach sei die Abberufung eines Pflichtverteidigers sowohl verfahrensmäßig als auch in den materiellen Voraussetzungen von den Ausschließungsvorschriftender §§ l38a ff. StPO unabhängig37 • Im übrigen erfordere das Grundgesetz auch keine abschließende Regelung der den Pflichtverteidiger betreffenden Widerrufsgründe, weil die Bestellung und Abberufung einem begünstigenden Verwaltungsakt und seinem Widerruf vergleichbar seien und für diese "hinreichend verläßliche Maßstäbe" von Lehre und Rechtsprechung entwickelt worden seien38 • Da sich die Bindungswirkung dieser Entscheidung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG aber nur auf die Feststellung erstreckte, daß die Abberufung des Pflichtverteidigers weder die verfassungsmäßigen Rechte des Verteidigers noch die des Angeklagten verletze39 , blieb den Gerichten die Möglichkeit erhalten, die strafprozessualen Vorschriften der §§ 138a ff. StPO anders als das zur Auslegung der Strafprozeßordnung nicht vorrangig berufene Bundesverfassungsgericht zu interpretieren40 . Damit stand diese Entscheidung einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der §§ 138a ff. StPO nicht grundsätzlich entgegen. Als erstes Oberlandesgericht setzte sich das OLG Koblenz in seinem Beschluß vom 6.6.197841 mit der Anwendungsproblematik in bezug auf den Pflichtverteidiger auseinander. Dabei führte es jedoch zu Unrecht aus, alle bisher vor den Oberlandesgerichten stattgefundenen Verfahren nach §§ 138a ff. StPO hätten nur den Ausschluß von Wahlverteidigern zum Gegenstand gehabt42 • Richtig ist insoweit nur, daß man die Anwendungsfrage schlechthin übergangen hatte. In Anlehnung an die Entscheidung des Bundesverfassungs-

34

BVerfG NJW 1973, 696 ff.

35

A.A. beispielsweise Löwe/Rosenberg/Lüderssen , :!4. Aufl. , § 138a Rdn. 5.

36 37

BVerfGE 39, 238 , 246. BVerfGE aaO.

38

BVerfGE 39, 238, 244.

39

Dünnebier, NJW 1976, I, 4 f.

40

Dencker, NJW 1979, 2176; Dünnebier, NJW 1976, 1, 4f.

41

OLG Koblenz, AnwB!. 1978, 321 ff. = Nr. 3la.

42

OLG Koblenz, AnwBl. 1978, 322 a.E.

100

2. Teil, A. Analyse der zu §§ 138a ff. StPO ergangenen Rechtsprechung

gerichts43 kam das OLG Koblenz zu dem Ergebnis, daß die Ausschlußnormen nur auf den gewählten Verteidiger anwendbar seien. Seine Auffassung stützte es sowohl auf die Gesetzessystematik als auch auf den Willen des Gesetzgebers. Wie bereits dargestellt"", ist eine dahingehende Begründung jedoch nicht zwingend45 • Als äußerst bedenklich erscheint die weitere, als praktische Erwägung bezeichnete Argumentation des OLG Koblenz, daß der Pflichtverteidiger schon deshalb von dem Verfahren nach §§ 138a ff. StPO auszunehmen sei, weil sich die bloße Rücknahme der Bestellung nach § 143 StPO wesentlich einfacher gestalte als "das schwerfällige und an enge materielle und besondere formelle Voraussetzungen geknüpfte Ausschlußverfahren". Gerade hier zeigt sich, daß dem Pflichtverteidiger - und damit mittelbar auch dessen Mandanten - nicht der gleiche Schutz zugebilligt werden sollte, wie er dem gewählten Verteidiger über die strengen Verfahrensregeln der §§ l38a ff. StPO zuteil würde. Damit erhärtet sich der Verdacht, daß es sich bei der Pflichtverteidigung in der gerichtlichen Praxis um eine "Verteidigung zweiter Klasse" handelt, obwohl von Gesetzes wegen keine wesentlichen Unterschiede zwischen der verfahrensrechtlichen Funktion und Stellung des Pflichtverteidigers und des Wahlverteidigers bestehen46 . Dies hinderte jedoch das OLG Köln47 nicht daran, sich in einer Beschwerdeentscheidung über eine durch bloße Verfügung des Vorsitzenden der Strafkammer erfolgte Abberufung einer Pflichtverteidigerio der Auffassung des OLG Koblenz anzuschließen und die Vorschriften der §§ 138a ff. StPO im Bereich der Pflichtverteidigung für nicht maßgebend zu halten. Unter Hinweis auf das Bundesverfassungsgericht48 führte es aus, daß zwischen der Ausschließung eines Verteidigers und der Abberufung eines Pflichtverteidigers insofern ein grundlegender Unterschied bestehe, als der abberufene Verteidiger sich als Wahlverteidiger bestellen lassen könne und dann den Bestimmungen der§§ 138a ff. StPO unterfalle49 . Mit einer solchen Argumentation läßt sich jedoch weder die Ungleichbehandlung von Wahl- und Pflichtverteidiger rechtfertigen noch die darin 43

BVerfGE 39, 238 ff.

44

Vgl. 1. Teil, B IV 3.

45

Ausführlich Krekeler, AnwBI. 1978, 322 f.; Rieß, JR 1979, 37, 38.

Parigger, Festgabe für Koch, S. 199, 204; Rieß, JR 1979, 37,38; einschränkend Rogall, JR 1989, 252, 253, der auf Unterschiede bezüglich des verfassungsrechtlichen Hintergrundes verweist. 46

47

OLG Köln vom 24.7.1981, NJW 1982, 949: Leitsatz.

48

BVerfGE 39, 238, 245 f.

49

OLG Köln, aaO .

IV. Anwendungsbereich

101

liegende Gefahr einer Verletzung von Mandanteninteressen überzeugend widerlegen. So wird nicht jeder Beschuldigte finanziell in der Lage sein, den abberufenen Pflichtverteidiger, dem er gegebenenfalls besonderes Vertrauen entgegengebracht hat, anschließend als Wahlverteidiger zu benennen. Im übrigen erscheint es zweifelhaft, ob ein solches Vorgehen überhaupt ratsam wäre, da das Verhältnis zwischen dem Gericht und dem nunmehr als Wahlverteidiger auftretenden Anwalt des Beschuldigten bereits vorbelastet wäre und damit eine besondere Konfliktsituation hervorgerufen werden könnte50 . Ebensowenig überzeugt das weitere Argument des OLG Köln, mit dem es die Auffassung Denckers51 , der für die Anwendung der §§ 138a ff. StPO auf den Pflichtverteidiger eintrat, zu widerlegen suchte. Dieser hat darauf hingewiesen, daß die bloße Abberufung eines Pflichtverteidigers durch das erkennende Gericht den Eindruck vermitteln könne, das Gericht wolle sich eines unbequemen Verteidigers entledigen52 • Dem meinte das OLG entgegenhalten zu können, "daß zumindest ebenso zu besorgen wäre, ein Gericht werde soweit als möglich - ihm bequeme Rechtsanwälte zu Pflichtverteidigern bestellen"; gleichwohl liege die Bestellung der Pflichtverteidiger in der Hand des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts. Mit dieser Begründung hat das OLG jedoch einen "wunden Punkt" getroffen, da insbesondere die gerichtliche Praxis bei der Bestellung von Pflichtverteidigern in Strafverteidigerkreisen seit langem kritisiert wird. So ist schon häufig der Verdacht geäußert worden, der Vorsitzende habe sich bei einer ihm nach § 142 StPO obliegenden Pflichtverteidigerauswahl, die bis zum Strafverfahrensänderungsgesetz 198753 keinen gesetzlich konkretisierten Grundsätzen unterlag54 , vom Bild des "dem Gericht genehmen Verteidigers" leiten lassen. Dieses muß jedoch keineswegs mit dem Leitbild des engagierten Interessenvertreters übereinstimmen. Insgesamt erscheint daher die in der damaligen Fassung fragwürdige Vorschrift des § 142 Abs. 1 StPO wenig geeignet, als Argument für eine von §§ 138a ff. StPO abweichende Widerrufsmöglichkeit im Bereich der Pflichtverteidigung zu dienen. Eine Wende in der Rechtsprechung deutete sich in einem Beschluß des OLG Braunschweig vom 30.8.1983 55 an, in dem ausgeführt wurde, die Anwendung des § 138a StPO sei nicht auf den Wahlverteidiger beschränkt, sondern betreffe alle Verteidiger. Diese Rechtsfrage wurde aber erst im Beschluß des 50 51

52 53

54 55

So auch Dencker, NJW 1979, 2176, 2178. NJW 1979,2176 ff. Dencker, NJW 1979,2176, 2177. BGBI. I (1987), S. 475. Kleinknecht/Meyer, 37. Aufl., § 142 Rdn. 2. OLG Braunschweig, StV 1984, 500 ff. = Nr. 61.

102

2. Teil, A. Analyse der zu§§ 138a ff. StPO ergangenen Rechtsprechung

OLG Düsseldorf vom 10.2.198856 zum Entscheidungsschwerpunkt, nachdem noch einige Zeit zuvor eine Erstreckung der §§ 138a ff. StPO auf den Pflichtverteidiger nicht einmal erwogen worden war, sondern eine nur im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden stehende Bestellungsrücknahme als selbstverständlich gegolten hatte57 . Hingegen gelangte das OLG nunmehr5 8 nach intensiver Auseinandersetzung mit den in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansichten -zu dem Ergebnis, daß ein bestellter Verteidiger wegen eines Verhaltens, das in den Regelungsbereich des § 138a Abs. 1 StPO falle, nicht vom Vorsitzenden schlechthin abberufen werden könne, sondern daß insoweit der Weg über das formelle Verfahren der §§ 138c, d StPO einzuschlagen sei. Dabei stützte es sich in erster Linie auf die Notwendigkeit einer Gleichbehandlung von Wahl- und Pflichtverteidiger59 • Bei beiden Verteidigungsformen komme dem Vertrauensverhältnis zwischen Mandanten und Verteidiger eine besondere Bedeutung zu, die auch in der Ergänzung des § 142 Abs. I StPO -danach bestellt der Vorsitzende den vom Beschuldigten bezeichneten Verteidiger, wenn nicht wichtige Gründe entgegenstehen- ihren Ausdruck gefunden habe60. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung, deren allgemeine Akzeptanz abzuwarten bleibt, stellt sich notwendig die weitere Frage nach einer abschließenden Geltung der Ausschlußregelungen auch im Bereich der Pflichtverteidigung. Weder das OLG Düsseldorf noch irgendein anderes Gericht haben hierauf bisher eine Antwort gegeben. Vielmehr begrenzte man den Ausschließlichkeitscharakter der §§ 138a ff. StPO lediglich auf die von diesen Vorschriften unmittelbarerfaßten Fälle61 . Solange aber Abberufungen aus anderen Gründen als den in §§ 138a ff., 143 StPO ausdrücklich genannten für möglich erachtet werden und diese damit je nach dem vorliegenden Widerrufsgrund "zweispurig" verlaufen können62 , ist die Gleichbehandlung von Wahl- und Pflichtverteidiger und damit ein gleichwertiger Rechtsschutz desjenigen,.-Beschuldigten, der auf eine Offizialverteidigung angewiesen ist, nicht gewährleistet.

58

OLG Düsseldorf, StV 1988, 516 ff. OLG Düsseldorf, Beschl. vom 2.12.1985, 2 Ws 652/85. OLG Düsseldorf, Beschl. vom 10.2.1988, StV 1988, 516ff.

59

Dazu auch OLG Düsseldorfvom 15.3.1989, NJW 1990, 527.

56 57

Vgl. hierzu Rogall, JR 1989, 252, der zwar im Ergebnis dem Beschluß zustimmt, jedoch dem "Gleichbehandlungsgebot" aus verfassungsrechtlicher Sicht kritisch gegenübersteht. 60

61 OLG Düsseldorfvom 10.2.1988, StV 1988, 516, 518; vgl. insbesondere Rogall, JR 1989, 252, 254.

62

Rogall, JR 1989, 252, 254; vgl. auch Rieß, JR 1979, 37, 39.

IV. Anwendungsbereich

103

Ein eindrucksvolles Beispiel gibt insoweit der Sachverhalt, der einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 31.1.199063 zugrundelag: Die Bestellung zum Pflichtverteidiger, dem früheren Wahlverteidiger des Beschuldigten, war vom Vorsitzenden der Strafkammer mit der Begründung widerrufen worden, der Verteidiger biete weder die Gewähr sachgerechter Verteidigung noch die eines ordnungsgemäßen Verhandlungsablaufs64 , da er in zwei anderen Verfahren Beweisanträge gestellt habe, die eine "offensichtlich unsinnige" Beschuldigung aufWiesen, und des weiteren die Aussetzung der Hauptverhandlung durch unentschuldigtes Sichentfernen erzwungen habe. Dazu führte der Bundesgerichtshof65 aus: "Die Gründe, die der Vorsitzende der Strafkammer in seiner Widerrufsverfügung anführte, hatten keinen Bezug zum Verteidigungsinteresse und rechtfertigten es nicht, einen geordneten Verfahrensablauf in dieser Sache in Frage zu stellen. Sie mußten den Eindruck erwecken, daß es sich um vorgeschobene Gründe handele, die vorgebracht wurden, um einen mißliebigen, weil unbequemen Verteidiger aus dem Verfahren entfernen zu können"; der Vorwurf der Abwegigkeit der Beweisanträge werde nicht substantiiert, im übrigen habe zu der damaligen Verfahrensaussetzung, die zudem mehr als fünf Jahre zurücklag, kein Anlaß bestanden. Einen weiteren Beleg für die Gefahren, die mit einer gesetzlich nicht geregelten Möglichkeit zum Widerruf der Pflichtverteidigerbestellung verbunden sein können, bietet der Sachverhalt, auf dem der bereits in anderem Zusammenhang zitierte Beschluß des OLG Köln vom 24.7.1981 66 beruhte. Dieser betraf ebenfalls eine Pflichtverteidigerabberufung durch den Vorsitzenden aus sog. wichtigem Grund67 . Dabei wurde die Gefährdung des Verfahrensablaufs auch hier in Vorgängen gesehen, die nicht den Regelungen der §§ 138a, b StPO unterfallen. So stützte der Vorsitzende den am 24.4.1981 verfügten Widerruf auf das Sichentfernen der Pflichtverteidigerio aus der Sitzung vom 13.6.1979, des weiteren auf deren Erklärung am 19.7.1979, sie sei nicht in der Lage, die Last der Verteidigung allein zu tragen; dabei ist diese Äußerung vor dem Hintergrund zu sehen, daß insgesamt drei Pflichtverteidiger und ein Wahlverteidiger mit der Verteidigung betraut waren, aber nur die betroffene Pflichtverteidigerin zum Zeitpunkt der Erklärung anwesend war. Als weitere derartige Vorfälle wurden Zeitunglesen in der Sitzung vom 13.10.1980 sowie

63

BGH NJW 1990, 1373 f.

64

Zum Zweck der Pflichtverteidigung vgl. BVerfGE 39, :!38, 245.

65

NJW 1990, 1373, 1374: Entscheidung über die Revision des Angeklagten.

66

OLG Köln NJW 1982, 949.

67 Unter ausschließlicher Anlehnung an OLG Frankfurt, Beschl. vom 25.11.1975, 3 Ws 643175, m.w.Nachw.

104

2. Teil, A. Analyse der zu §§ 138a ff. StPO ergangenen Rechtsprechung

Formulierungen in einem von der Pflichtverteidigerio vorgetragenen Ablehnungsgesuch vom 16.2.1981 gewertet68 • Diese Auflistung spiegelt nicht nur die gespannte Atmosphäre, die zwischen dem Vorsitzenden und der Pflichtverteidigerio herrschte, in anschaulicher Weise wider, sondern belegt zugleich die relative Geringfügigkeit der gegen die Verteidigerio gerichteten Vorwürfe. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß die Hauptverhandlung bereits seit dem 23.3.1979 andauerte und der Widerruf somit erst nach weit über einhundert Sitzungstagen erfolgte. Folglich erscheinen hier objektiv vorliegende "wichtige Gründe" als äußerst zweifelhaft. Somit zeigt auch dieser Beispielsfall, daß eine dem Vorsitzenden eingeräumte Widerrufsmöglichkeit, die jeglicher gesetzlichen Festlegung entbehrt, zu erheblichen Bedenken Anlaß gibt. Um die mit einer solchen Befugnis einhergehenden Gefahren auszuräumen und die gebotene Gleichbehandlung von Wahl- und Pflichtverteidiger sicherzustellen, ist eine grundsätzlich abschließende Anwendung der §§ 138a ff. StPO auch auf den Ausschluß des bestellten Verteidigers unausweichlich. Diesbezüglich empfiehlt sich eine eindeutige Fassung des Gesetzeswortlauts, welche die bestehenden Unklarheiten beseitigt. Eine über die in §§ 138a, b StPO genannten Ausschließungsgründe und die Vorschrift des § 143 StPO hinausgehende Möglichkeit der Pflichtverteidigerabberufung aus sog. wichtigem Grund sollte als Ausnahmefall nur dann gegeben sein, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Pflichtverteidiger und dem Beschuldigten zerstört ist69 und der Beschuldigte eine Verteidigerauswechselung begehrt oder mit einer solchen zumindest einverstanden ist. Insoweit bietet sich eine Ergänzung der Vorschrift des § 143 StPO an.

2. Anwendbarkeit der §§ 138a ff. StPO auf sonstige Rechtsbeistände? Unabhängig von der dargestellten Problematik stellt sich des weiteren die Frage nach dem sonstigen persönlichen Anwendungshereich der §§ 138a ff. StPO. Zu dieser Thematik sind vier Entscheidungen nachweisbar, die jeweils unterschiedliche Aspekte behandelt haben. So wendete das OLG Karlsruhe70 die Ausschlußvorschriften auch auf einen Steuerbevollmächtigten an, der in einem Steuerstrafverfahren zum Verteidiger

68 Vgl. Verfügung des Vorsitzenden der 16. Großen Stralkammer des LG Köln vom 24.4.1981, 116 (61) -7177 . 69 Vgl. dazu 1. Teil, B IV 3. 70

NJW 1975, 943 ff. = Nr. 3.

IV. Anwendungsbereich

105

bestellt worden war, und knüpfte die Geltung der §§ 138a ff. StPO damit nicht an die Rechtsanwaltseigenschaft. Ebensowenig sah sich das Kammergericht71 durch das Auftreten eines Unterbevollmächtigten des Wahlverteidigers an der Anwendung der Ausschlußnormen gehindert, da anderenfalls ftdie weitgehende Möglichkeit zur Umgehung des Ausschlußverfahrensft geschaffen würde72 • Diesem Argument, das unausgesprochen wohl auch in der erstgenannten Entscheidung maßgebend war, kann in beiden Fallkonstellationen zugestimmt werden, ohne daß dadurch eine unabsehbare Erweiterung des in §§ 138a ff. StPO genannten Personenkreises vorgenommen und damit besondere Mißbrauchsgefahren geschaffen würden. Dem entspricht auch die restriktive Haltung des Kammergerichts in einer früheren Entscheidung73 , in der eine - unmittelbare sowie entsprechende Anwendbarkeit der Ausschlußregeln verneint wurde, da der betroffene Rechtsanwalt, der eine Strafgefangene im Rahmen einer Beschwerde gegen einen Beschlagnahmebeschluß vertrat, keine Verteidigertätigkeit ausübe und einer Auslegung der §§ 138a ff. StPO "engste Grenzen" gesetzt seien. Dabei ist hervorzuheben, daß der Hintergrund dieses Verfahrens, das dem RAPKomplex zuzuordnen ist, ohne Einfluß auf das Ergebnis blieb. Zwischen einem Tätigwerden als Strafverteidiger und einem Handeln als Interessenvertreter unterschied des weiteren das OLG Stuttgart in seiner Entscheidung vom 8. 5.197874 . Ebensowenig wie das Kammergericht wendete es die §§ 138a ff. StPO auf eine nicht als Verteidigung zu qualifizierende Wahrnehmung rechtlicher Interessen an. Folglich sind der Rechtsprechung keine Tendenzen in Richtung auf eine - eventuell bedenkliche - Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs der Ausschlußnormen zu entnehmen. Ein Einschreiten des Gesetzgebers ist nicht als erforderlich anzusehen. Zu untersuchen bleibt, ob diese Aussage auch auf den sachlichen Anwendungsbereich übertragbar ist.

71

KG: Nr. 44a.

72 73

Von BGH AnwBl. 1981, 115 f. = Nr. 44b, nicht beanstandet. KG: Nr. 23.

74

OLG Stuttgart: Nr. 30.

106

2. Teil, A. Analyse der zu §§ 138a ff. StPO ergangenen Rechtsprechung

3. Sachlicher Anwendungsbereich der§§ 138a.ff. StPO Zunächst ergibt sich, daß die Ausschließungsnormen zwar bisher in solchen Verfahren, die keine Straftat zum Gegenstand haben, zurückhaltend angewendet worden sind, gleichzeitig ist aber festzustellen, daß eindeutige Stellungnahmen für eine strenge Begrenzung ihres sachlichen Anwendungsbereichs selten sind. In der frühesten Entscheidung zu dieser Problematik hat das OLG München im Jahre 197675 die Frage nach der Anwendbarkeit im Bußgeldverfahren aufgeworfen. In einem obiter dieturn befaßte es sich "im Hinblick auf eine etwaige Erneuerung des Vorlageverfahrens" ausführlich mit diesem Themenkreis, schien aber zugleich eine abschließende Stellungnahme vermeiden zu wollen. So beschränkte sich der Senat auf die Formulierung, daß er derjenigen Ansicht zuneige, die eine sinngemäße Anwendbarkeit der §§ 138a ff. StPO auf das Bußgeldverfahren mangels Verhältnismäßigkeit verneine. Hingegen gelangte das OLG Düsseldorf76 zum gegenteiligen Ergebnis, ohne überhaupt den Aspekt der Verhältnismäßigkeit77 zu erwähnen. Dabei nutzte es die vorgenommene Erweiterung des Anwendungsbereichs in concreto jedoch nicht als Grundlage für einen Ausschluß, da der Senat bereits die an den Vorlagebeschluß zu stellenden sog. Mindestanforderungen als nicht erfüllt ansah. Das OLG Stuttgart78 ließ die Frage nach der Geltung der Ausschlußvorschriften im Bußgeldverfahren ausdrücklich dahinstehen, entschied aber ebenfalls auf Ablehnung des Ausschließungsantrags. Somit haben sich die in diesem Bereich zu verzeichnenden Unklarheiten im Ergebnis nicht zum Nachteil von Verteidigern und Mandanten ausgewirkt, jedoch kann dies für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden, so daß eine eindeutige Regelung getroffen werden sollte. In Anbetracht der wenigen diese Problematik betreffenden Entscheidungen und im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Ausschlußnormen erscheint jedenfalls im Ordnungswidrigkeitenverfahren, in dem es nicht um die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, sondern lediglich um eine Erzwingung des Bußgeldinteresses79 geht, eine gerichtliche Ausschließungskompetenz als

15

OLG München: Nr. 16.

76

OLG Düsseldorf: Nr. 70.

77 78

Hierzu allgemeinernunmehr BGH im Beschluß vom '27.5.1991, NJW 1991,2780. OLG Stuttgart: Nr. 78.

79

OLG München: Nr. 16.

IV. Anwendungsbereich

107

verzichtbar80 • Dementsprechend sollte dies in einer Ergänzung des § 46 Abs. 3 OWiG zum Ausdruck kommen. Im Rahmen des sachlichen Anwendungsbereichs der §§ 138a ff. StPO ist weiterhin auf einen Beschluß des BGH vom 26.6.197881 zu veJWeisen, der die Ausschlußnormen auch im anwaltliehen Ehrengerichtsverfahren gemäß § 116 BRAO für anwendbar erachtete. Dabei erscheint dies nicht als grundsätzlich unverhältnismäßig, da diesen Verfahren - im Gegensatz zu Bußgeldverfahren- durchaus ein schwelWiegender Vorwurf zugrundeliegen kann und zudem dem Betroffenen weitreichende Sanktionen drohen, die bis zur Ausschließung aus dem Berufsstand reichen. Obwohl es auch hier nicht um die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs geht, die dem möglicheiWeise parallel verlaufenden Strafverfahren vorbehalten bleibt, rechtfertigt daher die Bedeutung dieses Verfahrens die sinngemäße Anwendung der strafprozessualen Ausschlußregeln gemäß § 116 S. 2 BRAO. Einen wiederum anderen Aspekt griff das OLG München in seinem Beschluß vom 6.5.197682 auf. Danach ist der sachliche Geltungsbereich der §§ 138a ff. StPO nicht über den rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens hinaus zu erstrecken, da der Zweck der Ausschlußnormen - Sicherung der "Wahrheitserforschung im streng justizförrnigen Strafprozeß" - nach Verfahrensbeendigung nicht mehr zum Zuge komme. Seit der Novellierung der Ausschlußvorschriften vom 20.8.1976 83 wird jedoch auch der Zeitraum nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens ausdrücklich erfaßt (§ 138c Abs. 3 Satz 2 StPO). Damit gilt die rechtliche Aussage dieses Beschlusses zwar als zeitlich überholt, dennoch läßt sie aber eine klare Tendenz zur restriktiven Handhabung des Ausschlußinstrumentariums erkennen. Zusammenfassend ergibt sich, daß eine mißbräuchliche Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereichs der Ausschließungsregelungen durch die Rechtsprechung bisher nicht feststellbar ist.

80

So mit ausführlicher Begründung auch Parigger, Festgabe für Koch, S . 199, 210 f.

BGH AnwBI. 1979, 44 = Nr. 34. Ebenso nunmehr der Beschluß des BGH vom 27.5.1991, NJW 1991 , 2780. 81

82

OLG München : Nr. 15.

83

BGBI. I (1976), S. 2182.

108

2. Teil, A. Analyse der zu §§ 138a ff. StPO ergangenen Rechtsprechung V. Ausschlußgründe

1. Bedeutung der einzelnen Ausschlußgründe Im folgenden soll untersucht werden, welche Bedeutung den einzelnen Ausschlußgründen, die in §§ 138a Abs. 1, 138b StPO abschließend benannt sind84 , in der Rechtsprechung zukommt. a) § 138b StPO Als praktisch bedeutungslos ist der Ausschließungsgrund der Staatsgefährdung (§ 138b StPO) zu bezeichnen, da keine diesbezügliche Entscheidung nachweisbar ist. Damit steht die Tatsache, daß der Gesetzgeber insoweit eine gesonderte Norm geschaffen hat, in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Relevanz dieses Ausschlußgrundes. Vielmehr ergeben sich erhebliche Zweifel an der Notwendigkeit dieser Vorschrift, obgleich diese zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens - nicht zuletzt unter dem Eindruck der damaligen Ereignisse als zwingend erforderlich eingestuft worden war85 • Da zudem die Gesetzesfassung Mißbrauchsgefahren durch eine mögliche Anwendung auf politisch unliebsame Verteidiger impliziert86 - auch wenn sich diese bisher noch nicht realisiert haben -, sollte im Ergebnis von einer solchen Regelung abgesehen werden. b) Begünstigung und Hehlerei im Sinne des § 13 8a Abs. I Nr. 3 StPO Ebenfalls ohne praktische Relevanz sind die in § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO genannten Ausschlußgründe der Begünstigung und Hehlerei geblieben. Diese Tatbestände wurden lediglich in zwei bzw. einem Verfahren erörtert87 • Dabei führten die genannten Beschlüsse im Ergebnis zur Ablehnung der Ausschließungsanträge. Somit kann die geltende Fassung des § 138a Abs. 1 Nr. 3, 1. und 3. Alt. StPO jedenfalls nicht mit einer unbedingten Erforderlichkeit dieser Regelung begründet werden. 84 Allgemeine Auffassung; zuletzt OLG Düsseldorf: Nr. 88. Nunmehr den auch grundsätzlich zwingenden Charakter der in §§ 138a, b StPO typisierten Ausschlußvoraussetzungen betonend: BGH vom 27.5.1991, NJW 1991,2780.

85 Groß, ZRP 1974, 25, 30 f.; Ulsenheimer, GA 1975, 103, 115, der jedoch für Beschränkungen plädierte; Waller, DRiZ 1974, 177, 181.

Vgl. l. Teil, B IV 4c) . OLG Karlsruhe NJW 1975, 943 ff. = Nr. 3, sowie BGH NStE Nr. 3 zu § 138a StPO = Nr. 73b, zu § 257 StGB; OLG Köln: Nr. 74, zu §§ 259 Abs. 1, 258 Abs . 1, 4 StGB. 86

87

V. Ausschlußgründe

109

Jedoch wäre es dogmatisch nicht vertretbar, nur die Strafvereitelung im Sinne des § 258 StGB infolge ihrer zahlenmäßigen Bedeutung88 als Ausschließungsgrund anzuerkennen. Ein unter diese Vorschrift fallendes Verhalten des Verteidigers gefahrdet die Verteidigungsinteressen des Beschuldigten grundsätzlich nicht stärker als eine denkbare Begünstigungs- oder Hehlereihandlung, da alle genannten Tatbestände als wesentliches Merkmal einen Bezug zur Haupttat aufweisen. Folglich muß es - unterstellt, daß an den gesetzlichen Ausschlußmöglichkeiten insgesamt festgehalten werden soll - bei einer Qualifizierung der §§ 257, 259 StGB als Ausschlußgründe bleiben. c) § 138a Abs. 1 Nr. 2 StPO Als wenig bedeutsam hat sich auch der in § 138a Abs. 1 Nr. 2 StPO normierte Ausschlußgrund des Mißbrauchs des Verkehrs mit dem inhaftierten Beschuldigten erwiesen. Diese Thematik hat in acht Verfahren eine Rolle gespielt89 • Dabei handelt es sich überwiegend um Verfahren mit terroristischem Hintergrund90 , die dementsprechend einen typischen Anwendungsbereich für diesen Ausschlußtatbestand darstellten. Nur in einem Beschluß91 wurde der sog. Verkehrsmißbrauch überhaupt als einziger Ausschlußgrund in Betracht gezogen. Der Senat sah aber von einer Entscheidung über die Ausschließung ab, da der betroffene Rechtsanwalt schon infolge eines vorläufigen Berufsverbotes an der Verteidigung gehindert war. Ansonsten wurde § 138a Abs. 1 Nr. 2 StPO entweder neben Absatz 1 Nr. 192 oder neben Absatz 1 Nr. 393 als lediglich zusätzlicher Ausschlußgrund erwähnt. Dabei wurden in keinem Fall die Voraussetzungen des Verkehrsmißbrauchs sowie die der Tatbeteiligung und Begünstigung unterschiedlich beurteilt, so daß sich der erstgenannte Ausschließungsgrund im Ergebnis nicht auswirkte94 • Eine eigenständige Bedeutung dieses Ausschlußgrundes und damit ein Bedürfnis für eine solche Regelung ist also nicht feststellbar. Somit sollte -nicht zuletzt auch in Anbetracht der im Hinblick auf diese Vorschrift beste88

Vgl. statistische Angaben im 2. Teil, A V ld) .

OLG Stuttgart: Nr. 4a; OLG Stuttgart/BGH: Nr. 5a, b; 6a, b; KG: Nr. 29 ; 32; 35; OLG Düsseldorf: Nr. 58; OLG Hamm: Nr. 71. 89

90

OLG Stuttgart/BGH: Nr. 4a; 5a, b; 6a, b; KG: Nr. 29; 32; 35.

91

KG: Nr. 29.

92

OLG Stuttgart/BGH: Nr. 4a; 5a, b; 6a, b .

93

KG: Nr. 32; 35; OLG Düsseldorf: Nr. 58; OLG Hamm: Nr. 71.

Ausschluß erfolgt: OLG Stuttgart/BGH: Nr. 4a; 5a, b; 6a, b; Ausschluß abgelehnt: KG: Nr.32; 35; OLG Düsseldorf: Nr. 58; OLG Hamm: Nr. 71. 94

110

2. Teil, A. Analyse der zu §§ 138a ff. StPO ergangenen Rechtsprechung

benden Bedenken95 - auf eine Beibehaltung verzichtet werden; die bloße Tatsache, daß bisher keine Entscheidungen nachweisbar sind, die diese Regelung exzessiv ausgelegt haben, rückt die geltende Gesetzesfassung in kein besseres Licht. Des weiteren kann auch die Verfassungsmäßigkeit dieses Ausschlußgrundes nicht als abschließend geklärt angesehen werden. Das Bundesverfassungsgericht befaßte sich in seinem Beschluß vom 4.7.197596 , der im übrigen als einzige Entscheidung die Verfassungsmäßigkeit der §§ 138a ff. StPO unmittelbar behandelt und diese mit nur knappen Ausführungen bejaht hat, lediglich mit der früheren Fassung dieses Ausschlußgrundes. Da diese im Vergleich zur heutigen Regelung des § 138a Abs. 1 Nr. 2 StPO von erschwerten Ausschlußvoraussetzungen ausging97 , ist die festgestellte Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht ohne weiteres auf die heutige Gesetzesfassung übertragbar. Diese erweckt insbesondere hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit erhebliche Zweifel. d) Tatbeteiligung und Strafvereitelung im Sinne des§ 138a Abs. 1 Nr. 1, 3 StPO Im Gegensatz zu den zuvor erwähnten Ausschließungstatbeständen wurden die Ausschlußgründe der Tatbeteiligung (§ 138a Abs. 1 Nr. I StPO) und der Strafvereitelung (§ 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO) von der Rechtsprechung häufig herangezogen. So befaßten sich 45 der insgesamt 89 untersuchten Ausschlußverfahren98 sowie 3 der sonstigen 8 Entscheidungen99 mit dem Ausschließungsgrund der Tatbeteiligung; 38 eigenständige Verfahren 100 sowie ein sonstiger Beschluß 101 bezogen sich auf die Strafvereitelung oder auf den Versuch des § 258 StGB.

95

Vgl. 1. Teil, B IV 4 a) cc).

96

BVerfG NJW 1975, 2341.

BGBl. I (1974), S. 3686: Erfordernis dringenden Tatverdachts sowie Straftaten, die im Höchstmaß mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind. 97

98 Vgl. im folgenden Tabelle IV: 31 sog. unpolitische und 14 sog. politische Ausschlußverfahren.

99 OLG Stuttgart vom 21.4.1986 - 1 Ausseht. ::!/86; OLG Stuttgart vom 18.11.1986, OLG StPO § l38a Nr. 3; OLG Düsseldorf vom 10.2.1988, StV 1988, 516 ff., vgl. Anhang B. 100

V gl. Tabelle V .

101

OLG Düsseldorfvom 10.2.1988, StV 1988,516 ff.

V . Ausschlußgründe

111

Insgesamt drei dieser Entscheidungen stützten sich sowohl auf den Verdacht der Tatbeteiligung als auch auf den der Strafvereitelung102 . Damit ist die Anwendungshäufigkeit dieser Ausschlußgründe ein Indiz dafür, daß in der Praxis auch ein Bedürfnis nach sich in derartigen Fallkonstellationen eröffnenden Ausschlußmöglichkeiten besteht. Ein genereller Verzicht auf diese Regelungen könnte daher dazu führen, daß die Rechtsprechung im Wege sog. Richterrechts - vergleichbar mit der Situation vor Inkrafttreten der Ausschlußnormen - eine Praxis entwickelt, die auf eine Ersatzregelung und damit auf eine faktische Ausschließungsmöglichkeit hinausliefe und deren Handhabung kaum überprüfbar wäre 103 . Folglich sollten diese Ausschlußgründe, auf die sich die weitere Untersuchung beschränken wird, jedenfalls im Grundsatz beibehalten werden. 2. Spezielle Probleme im Bereich der Ausschlußgründe des Beteiligungs- und Strafvereitelungsverdachts

a) Statistische Angaben zum Ausschlußgrund dt!s § 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO Von den 45 erstinstanzliehen Entscheidungen 104 , die nachweisbar den Ausschlußgrund der Tatbeteiligung betrafen, führten 21 zu rechtskräftigen Ausschlüssen105, so daß sich die Ausschlußquote auf 46,7 %beläuft. Ebenfalls 21 Verfahren endeten mit einer Ablehnung des beantragten Verteidigerausschlusses106. In 13 Verfahren ergingen Beschwerdeentscheidungen, doch nur in einem Verfahren wich die Entscheidung des Bundesgerichtshofes107 vom erstinstanzliehen Beschluß 108 ab. Von einer möglichen Korrektur der oberlandesgerichtliehen Rechtsprechung durch die Beschwerdeinstanz, die auf eine zum Teil mißbräuchliche Anwendung des Ausschlußnormen hindeuten könnte, kann daher keine Rede sein.

102 OLG Zweibrücken: Nr. 33 ; OLG Schleswig: Nr. 43 ; OLG Düsseldorf vom 10.2.1988 , StV 1988, 516 ff. 103

Auf diese Gefahr hat bereits Lantzke, JR 1973, 357, 358, hingewiesen.

104

V gl. Tabelle IV.

105

12 Entscheidungen mit unpolit. und 9 mit sog. polit. Hintergrund.

106 Drei Verfahren, nämlich OLG Stuttgart: Nr. 7; 30; 87 , endeten in sonstiger Weise (=6,6%). 107

BGH: Nr. 42b .

108

OLG Koblenz: Nr. 42a.

112

2. Teil, A. Analyse der zu §§ 138a ff. StPO ergangenen Rechtsprechung

Da der Verdacht der Tatbeteiligung besonders häufig in Verfahren mit politischem Bezug aufkam109 - in den 17 sog. politischen Verfahren 110 wurde dieser Ausschlußgrund in 14 Fällen (82,4 %) herangezogen, während er in den 64 sog. unpolitischen Verfahren mit 31 einschlägigen Entscheidungen von vergleichsweise geringerer Bedeutung (48,4 %) blieb 111 -,werden die zu § 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO ergangenen Beschlüsse auch nach ihrem jeweiligen Hintergrund aufgeschlüsselt.

109

Vgl. auch Rieß, NStZ 1981, 328, 329.

Vgl. Tabelle III. Von den im Hinblick auf die Gesamtzahl von 89 Ausschlußverfahren fehlenden 8 Verfahren, deren Hintergrund nicht feststellbar war, bezog sich- soweit erkennbar kein Verfahren auf§ 138a Abs . 1 Nr. 1 StPO. 110 111

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7b;9b;

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24a;36;63;

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7a;9a; 12;23;

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14 (Nr.2;4a;5a;6a;

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24b;36;63)

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46,7

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unpolitisch

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22;26;33;37;

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Beschwerdeinstanz

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13b 14 15 16 17 18

13a

8 9a 9b 10 11 12

I

BGH OLG OLG OLG OLG OLG

Koblenz München München Karlsruhe Stuttgart

KG Berlin

OLG München OLG Harnburg BGH OLG Bamberg OLG Nümberg KG Berlin

7b I BGH

Lfd. Nr.

I

23. 29. 6. 18. 19. 25.

10. 6. 1976 4. 1976 5. 1976 8. 1976 8. 1976 8. 1976

3. 1976

1 Ws 615175 Ausschl. 1175 StB 34175 2 SA 6175 3 AR 22175 1 AR 8011751 Ws 296175 1 AR 2601761 Ws 62176 2 ARs 146176 1 Ausschl. 1176 1 Ws 549176 1 Ws 1085/76 1 Ausschl. 1176 1 Ausschl. 1176

StB 18175

I 22. 10. 1975

9. 6. 1975 8. 7. 1975 28. 10. 1975 22. 7. 1975 29. 7. 1975 17. 9. 1975

Aktenzeichen

Datum der I Entscheidung

I

BE AE AE AE AE KEe

AE

AE AE BE AE AE AE

BE

Gegenstand

AnwBI. 1975, 446f.

I MDR 1976, 863

I

BGHSt 26, 221 ff. = NJW 1976, 58 = MDR 1976, 59f. = JZ 1975, 749 f. = LM 1976 Nr.1 zu § 138a StPO

Veröffentlicht in:

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OLG Stuttgart I OLG Koblenz

3Ib I OLG Koblenz

30 3Ia

OLG München KG Berlin OLG Schleswig KG Berlin

I KG Berlin

25

26 27 28 29

Harnburg I OLG BGH

OLG Stuttgart OLG Karlsruhe OLG Karlsruhe OLG München KG Berlin

24a 24b

I9 20 2I 22 23

Lfd., Gericht Nr.

I8. 22.

8. 6.

I 27.

I 4. 1979

5. I978 6. 1978

13. .9. I977 14. 11. 1977 I. 12. 1977 24. 4. I978

5. 1977

5. I977 7. I977

4. Il. I976 30. 3. I977 5. 4. 1977 22. 4. 1977 22. 4. 1977

Datum der Entscheidung

I 18.

I

I

I

I

I

I

I

I Ausschl. 1178

I AR 566177I Ws 228177 2 Ws 713/77 la/1 ARs 58177 2 Ws 354177 (I) I StE 2177 ( 130/77) 2 ARs 33177 1 Ausschl. (7) 1178 1 Ausschl. 1178

I Ausschl. (9) 2176 I Ausschl. 2177 I Ausschl. I/77 1 Ws 43I/77 2 AR 76/77I Ws I87177 Ausschl. I/77 2 ARs 24I/77

Aktenzeichen

I

I

KE

AE AE

AE AE AE AE

AE

AE BE

AE AE AE AE AE

AnwBI. 1978,32Iff. = JR 1979, 36 f. = NJW1978,2521 f. I MDR I980, 78

bei Holtz, MDR I977,982,984

Gegenstand I Veröffentlicht in:

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41 42a

4ob

I

I

OLG Zweibrücken OLG Koblenz

BGH

I

2.

l.

4.

3. 1979 4. 1979

5. I979

3. IO. I978 27. 11. 1978 23 . 2. 1979 1. 3. 1979

OLG Celle OLG Frankfurt a.M. OLG Braunschweig KG Berlin

1978 I978 1978 I978 1978

37 38 39 40a

6. 6. 6. 7. 8.

8. 8. 26. 7. 24.

Datum der Entscheidung

KG Berlin OLG Zweibrücken BGH KG Berlin BGH

I Gericht

32 33 34 35 36

Lfd. Nr.

I

Ausseht. 2/78 I Ausseht. 1/79

I

AE AE

BE

AE AE AE AE

1 Ws 258/78 2 (3) Ws 847/78 Ws 38/79 1 AR 1283/78 3 ARs 13/78 2 ARs 88/79

Gegenstand

AE AE BE AE AE

1

(2) 1 StE 2/77 (46/78) Ausseht. I/78 AnwSt (B) 16/77 (2) I StE 2/77 (55/78) 2 ARs 245/78

Aktenzeichen

NJW 1978, 1538 f.

I

I

MDR I979, 806 = bei Pfeiffer, NStZ 198I, 93, 95

LM 1979 Nr. 1 zu 138d StPO NJW I979, II5 f. MDR 1978, 1037 JZ 1978, 728f.

I bei Holtz,

=

=

=

§

=

I BGHSt 28, 1I6 ff.

I AnwBl. 1979, 44

Veröffentlicht in:

1

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.

;;:

I

OLG Celle OLG Bremen

51 52

Celle Harnburg Frankfurt a.M.

Frankfurt a.M.

OLG BGH OLG OLG OLG

I

OLG Bamberg OLG Kob1enz

I BGH KG Berlin

BGH OLG Sch1eswig KG Ber1in

47a 47b 48 49 50

45 46

44b 44c

42b 43 44a

Lfd.l Gericht Nr.

l

l

I

8. 1979 9. 1980

5. 1979 4. 1979 6. 1979

1980 1980 1980 1980 1980

2. 12. 1980 4. 12. 1980

24. 3. 27. 6. 4. 6. 5. 8. 10. 11.

27. 6. 1979 3. 12. 1979

8. 1.

31. 18. 5.

Datum der I Entscheidung

I

I

I

I

2 Ws 190/80 BL 337/80

(1) 3 Ws 148/80 (Ausschl.) 2 ARs 115/80 3 Ws 221180 2 Ausschl. 3/80 (2) 3 Ws 800/80 (Ausschl.)

I

I

AE AE

SA 27179 (St) (1) Ausschl. 2179

AE AE

AE BE AE AE AE

BE

BE AE AE

NStZ 1981, 144 ff. = NJW 1981, 882 (Leitsatz) = MDR 1981, 515f.

I NJW 1981, 2711 = JR 1981, 474 f.

'

I

AnwBI. 1981, 115 f. AnwBI. 1981, 116ff. = JR 1981, 121 f. AnwBI. 1980, 33 f. JR 1980, 478 ff. = MDR 1980, 514

Gegenstand I Veröffentlicht in:

KE

I

2 ARs 165179 1 Ws 8179 1 AR 5671794 ARs 46/79 2 ARs 231179 4 Ws 24/80

Aktenzeichen

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I OLG Köln BGH

OLG Düsseldorf

I OLG Karlsruhe

OLG Celle OLGHamm OLG Köln BGH KG Berlin

I Gericht

6ob

I

BGH

60a I OLG Harnburg

59a 59b

57 58

55b 56

53 54 55a

Lfd. Nr.

I

25.

8. 1983

5. 1983

I

4.

3. 1983 5. 1983

2.

18. 11. 1982 1. 12. 1982

I 16.

I

5.

6.

5.

I

I

I

I

2 ARs 262/83

3 Ausseht. I /83

2 Ws 109/83 2 ARs 129/83

1 Ws 12/81 3 Ws 564/80 2 Ws 843/81 2 ARs 116/82 1 AR 460/824 ARs 46/82 3 Ws 272/82 I Ws 953/82

17. 30.

2. 1981 3. 1981 2. 1982 5. 1982 7. 1982

Aktenzeichen

Datum der Entscheidung

I

I

I

BE

AE

AE BE

AE AE

AE AE AE BE AE

= StV 1984, 320

I NJW 1984, 316

= MDR 1983, 779f.

I NStZ 1983, 426

= MDR 1983, 773 = NStZ 1983, 503 f. = JR 1984, 299

I NJW 1983, 2712

NStZ 1983, 281 f. StV 1983,117 ff. = NStZ 1983, 185 = MDR 1983, 339f. = AnwBl. 1983, 217 ff.

NStZ 1983, 556 ff.

Gegenstand 1 Veröffentlicht in:

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N

-

Koblenz Düsseldorf Hamm Harnburg Schleswig 2. 5. 8. 9.

1986 1986 1986 1986

OLG OLG OLG OLG OLG

69 70 71 72 73a

14. 30. II. 15.

16. 9. 1985 29. 10. 1985 29. I. 1986 4. 2. 1986

Düsseldorf Celle Hamm Düsseldorf

OLG OLG OLG OLG

3. 1984 6. 1985 8. 1985

30. 8. 1983 25. 10. 1983

Datum der Entscheidung

65 66 67 68

I

I

14. 13. 8.

OLG Braunschweig OLG Koblenz

Gericht

OLG Stuttgart OLG Hamm BGH

I

I

63 64a 64b

61 62

ud. Nr.

I

I

768/85 287/85 12/86 100/86

Ausschl. 2/86 1 Ws 450/86

I Ws (OWi) 449/86 I Ws 178/86

I Ausschl. I /86

1 Ws 1 Ws 1 Ws 1 Ws

1 Ausschl. l/84 3 Ws 206/85 2 ARs 223/85

Ws 255/83 1 Ausschl. 3/83

Aktenzeichen

I

I

AE AE AE AE AE

AE AE AE AE

AE AE BE

AE AE

1984, 108

I AnwBl. 1987, 44

I

JZ 1986, 408 = StV 1986, 288 f.

NJW 1986, 143 f. = NStZ 1986, 37 f. = StV 1985, 487 = AnwBI. 1985, 526f. AnwBl. 1986, 154

OLG StPO § 138a Nr. 2

1 StV 1984, 500 ff.

= AnwBI.

Gegenstand I Veröffentlicht in:

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O,S.

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OLG OLG OLG OLG

OLG Stuttgart OLG Köln OLG Köln OLG Hamm OLG Frankfurt a.M. KG Berlin

OLG München OLG Stuttgart BGH

74 75 76

78 79a 79b 80 81 82

83 84a 84b

77

BGH

73b

Köln Hamm Stuttgart Harnburg

Gericht

Lfd. Nr.

3. 6. 11. 8. 10. 11.

1987 1987 1987 1987 1987 1987

12. 9. 1988 23. 12. 1988 3. 3. 1989

12.

1.

11. 7.

5. 5.

26. 11. 1986 17. 12. 1986 18. 12. 1986 17. 2. 1987

20. 11. 1986

Datum der Entscheidung

I

I

2 Ws 573 u. 577/86 1 Ws 372/86 1 Ausschl. 3/86 (33) 28/86 Ns, 51 Js 85/84 1 Ausschl. 1/87 2 Ws 240/87 2 Ws 573/87 2 Ws 61/87 3 Ws 490/87 1 AR 1105/87 4 ARs 45/87 2 Ws 631/88 1 Ausschl. 1188 2 ARs 54/89

2 ARs 287/86

Aktenzeichen

I

AE AE BE

AE AE KE AE AE AE

AE AE AE AE

BE

I BGHSt 36, 133 ff. = MDR 1989, 658 = NStZ 1990, 91 f.

NStZ 1988, 178 f.

I StV 1988, 516

NJW 1987, 2883 f. BRAK-Mitt. 1987, 163 f.

§ 138a Abs. 1 Nr. 3 Begünstigung 1

I NStE Nr.3 zu § 138a StPO = BGHR StPO

1 Gegenstand 1 Veröffentlicht in:

(1Q

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OLG OLG BGH OLG OLG OLG

Stuttgart Düsseldorf Düsseldorf

Zweibrücken Oldenburg

I Gericht

KEe

RuE c SonstE.

BEb

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Zeichenerklärung: AE •

85 86a 86b 87 88 89

Lfd. Nr.

I

I Ausschl. 1/89 1 Ws 287/89 2 ARs 143/90 1 Ausschl. 1/89 I Ws 664/90 I Ws I096/90

Aktenzeichen

I

AE AE BE AE AE AE

NJW 1991, 996

I VRS 79, 435

I

= NJW1989,1813ff. = JR 1990, 77 ff.

Gegenstand I Veröffentlicht in:

Erstinstanzliehe Entscheidung im Ausschlußverfahren Entscheidung über sofortige Beschwerde Entscheidung über das Ruhen der Verteidigerrechte gern. § 138 c Abs. 3 StPO Sonstige Entscheidung im Rahmen des Ausschlußverfahrens Entscheidung bezüglich Kosten des Ausschlußverfahrens

27. 10. 1989 22. 1. 1990 27. 4. 1990 I4. 2. 1990 27. 7. 1990 IO. 12. 1990

Datum der I Entscheidung

VI

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rückweisung eines Befangenheitsantrags

I Sofortige Beschwerde gegen Zu-

1 Ausschl. 2/861 Mitteilung über Rücknahme des Ausschließungsantrags durch GStA

I

I

VI. OLG Stuttgarta

21. 4.1986

7. 10.1985 I 2 Ws 618/85

I

V. OLG Koblenz

nung der Aufhebung eines erfolgten Verteidigerausschi usses

Pflichtverteidigerbestellung

I Beschwerde gegen Widerruf der

schluß als Wahlverteidiger

I Verfassungsbeschwerde gegen Aus-

I

StV 1986, 7 f.

= StV 1984, 320 f.

NStZ 1982, 129 f. NJW 1982, 949 (Leitsatz)

I=

NJW 1975, 2341

I 20. 1.1984 I 2 ARs 387/83 I Sofortige Beschwerde gegen Ableh-, BGHSt 32, 231 f.

4. 7.1975 I 2 BvR 482175

IV. BGH

BVerfGE 39, 238 ff.

I Veröffentlicht in:

I 24. 7.1981 I 2 Ws 378/81

Verfassungsbeschwerde gegen Widerrufder Pflichtverteidigerbestellung

Gegenstand

III. OLG Köln

I

I

2 BvR 207/75

Aktenzeichen

II. BVerfG

8. 4.1975

I

I

Entscheidung

I Datum der

I. BVerfG

Gericht

B. Sonstige Entscheidungen, die Fragen des Verteidigerausschlusses betreffen:

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-

10. 2.1988

VIII.OLG Düsseldorf 3 Ws 72/88

4 Ws 339/86

Veröffentlicht in:

Beschwerde der StA gegen Ablehnung einer beantragten Zurücknahme der Pflichtverteidigerbestellung

StV 1988, 516 ff. = JR 1989, 250 ff.

Beschwerde gegen Beschluß des LG, OLG StPO § 138a Nr. 3 durch den der Verteidiger nach = StV 1987, 97 § 146 StPO zurückgewiesen wurde (Leitsatz)

Gegenstand

a

Nr. VI. betrifft keine unmittelbare Entscheidung des OLG, sondern bezieht sich auf die Entscheidung der GStA, den Ausschließungsantrag zurückzunehmen.

18. 11.1986

Datum der I Aktenzeichen Entscheidung

VII.OLG Stuttgart

Gericht

--.1

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